Springer-Lehrbuch
Klaus Laubenthal
StrafvoUzug Vierte, neu bearbeitete Auflage
^ S p ringer
Professor Dr. Klaus Laubenthal Richter am Oberlandesgericht Lehrstuhl fur Kriminologie und Strafrecht der Universitat Wiirzburg Domerschulstr. 16 97070 Wurzburg Deutschland
[email protected]
ISSN 0937-7433 ISBN-10 3-540-36931-7 Springer Berlin Heidelberg New York ISBN-13 978-3-540-36931-8 Springer Berlin Heidelberg New York ISBN 3-540-44012-7 3. Aufi. Springer Berlin Heidelberg New York
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Vorwort
Das vorliegende Lehrbuch stellt das Strafvollzugsrecht in materieller und formeller Hinsicht dar. Relevante Probleme werden anhand von Beispielen naher erlautert, wobei sich diese vor allem auf jiingere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und der Oberlandesgerichte stiitzen. Das Werk ist zunachst fiir Studenten der Rechtswissenschaft konzipiert, welche innerhalb des Studiums in ihrer Wahlfachgruppe bzw. ihrem Schwerpunktbereich mit dem Strafvollzugsrecht befasst sind oder die allgemein Interesse an Fragen des Freiheitsentzugs besitzen. Das Buch wendet sich dariiber hinaus an die Mitarbeiter der Vollzugseinrichtungen sowie an alle Juristen, Psychologen, Sozialpadagogen, Sozialarbeiter und andere Berufsgruppen, die sich bei ihrer Berufsvorbereitung oder -tatigkeit mit dem Strafvollzug beschaftigen. Die Legislative hat mit dem sog. Foderalismusreformgesetz 2006 die Gesetzgebungskompetenz fiir den Strafvollzug auf die Bundeslander iibertragen. Nach In-Kraft-Treten dieser Grundgesetzanderung gilt jedoch das Bundesstrafvollzugsgesetz zunachst so lange fort, bis das jeweilige Bundesland eine eigene gesetzliche Regelung erlassen hat. Wird es zur Verabschiedung einzelner Landes-Strafvollzugsgesetze kommen, setzt sich in diesen wesentlicher Regelungsgehalt des Bundes-Strafvollzugs fort. Denn die verfassungsrechtlichen und -gerichtlichen Vorgaben bleiben ebenso weiterhin von Relevanz wie die Beachtung intemationaler Vereinbarungen, welche den Haftvollzug betreffen. Fiir die engagierte Mithilfe beim Zustandekommen dieser neu bearbeiteten vierten Auflage habe ich mich bei meinem gesamten Lehrstuhlteam zu bedanken; bei Herm Privatdozenten Dr. Helmut Baier, bei meinen wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Dr. Simone Kleespies und Nina Nestler sowie bei der studentischen Mitarbeiterin Teresa Frank, auBerdem - fiir die stets zuverlassige Betreuung von Werk und Mannschaft - bei meiner Sekretarin Helga Bieber.
Wiirzburg, im Juli 2006
Klaus Laubenthal
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis Abkiirzungen Einleitung
XIII XV 1
1
Grundlagen des StrafvoUzugs 1.1 Abgrenzung zur Strafvollstreckung 1.2 Gesetzliche Regelungen 1.3 Verfassungsrechtliche Prinzipien 1.4 Internationale Rechtsquellen 1.5 Strafvollzug als Landersache 1.5.1 Verwaltungsvorschriften fiir den Justizvollzug 1.5.2 Grenzen einer Vollzugsprivatisierung 1.6 Die VoUzugsanstalten 1.6.1 Trennungsgrundsatz 1.6.2 Differenzierungsprinzip 1.6.3 Anstaltsformen fiir den VoUzug von Freiheitsstrafe 1.6.4 Aufgabenpluralitat 1.7 Die Vollzugspopulation 1.8 Offenheit und Unvollstandigkeit des Strafvollzugsgesetzes 1.9 Gesetzgebungskompetenz der Bundeslander
9 9 11 14 16 18 19 20 27 27 29 29 32 34 41 43
2
Historische Entwicklung 2.1 Entstehung der Freiheitsstrafe 2.2 Erste Ansatze modemen Besserungsvollzugs 2.3 Reformendes 19. Jahrhunderts 2.3.1 Nordamerikanische Vollzugssysteme 2.3.2 Englischer und irischer Stufenstrafvollzug 2.3.3 Uneinheitliche Entwicklung in den deutschen Partikularstaaten 2.4 Entwicklung vom In-Kraft-Treten des RStGB 1871 bis zum Jahrl945 2.4.1 Stagnation wahrend des Kaiserreichs 2.4.2 Weimarer Zeit: Progressivstrafvollzug und Bemiihen um normative Regelung
45 45 47 50 51 52 53 56 56 58
VIII
Inhaltsverzeichnis 2.4.3
2.5
Nationalsozialistisches Abschreckungs- und Vemichtungskonzept Der deutsche Strafvollzug bis zum In-Kraft-Treten des Strafvollzugsgesetzes 2.5.1 Dienst-und Vollzugsordnung von 1961 2.5.2 Entwiirfe zum StrafvoUzugsgesetz 2.5.3 Strafvollzugsvorschriften der DDR
60 62 62 64 65
Vollzugsaufgaben und Gestaltungsprinzipien 3.1 Das VoUzugsziel 3.1.1 Die (Re-)Sozialisierung 3.1.2 (Re-)Sozialisierung durch Behandlung 3.1.3 Tater-Opfer-Ausgleich als ein Lemfeld sozialer Verantwortung 3.2 Die Vollzugsaufgabe der Sicherung 3.3 Allgemeine Strafzwecke keine Gestaltungskriterien des Strafvollzugs 3.3.1 Strafbemessung und Vollzugsaufgaben 3.3.2 Gestaltungswirkung der Schuldschwere? 3.4 Grundsatze der Vollzugsgestaltung 3.4.1 Angleichung an die allgemeinen Lebensverhaltnisse 3.4.2 Schadliche Haftfolgen und Gegensteuerungsprinzip 3.4.3 Eingliederungsgrundsatz 3.5 Die Stellung des Gefangenen 3.5.1 Mitwirkung an der Behandlung 3.5.2 Allgemeine Rechtsstellung des Inhaftierten
69 70 70 79
88 89 90 99 100 101 116 117 117 119
Personelle Rahmenbedingungen des Behandlungsprozesses 4.1 Beamte der Aufsichtsbehorde 4.2 Der Vollzugsstab in einer Anstalt 4.3 Die Anstaltsleitung 4.4 Anstaltspersonal 4.4.1 Verwaltungsdienst 4.4.2 Allgemeiner Vollzugsdienst 4.4.3 Werkdienst 4.4.4 Sozialstab 4.5 Ehrenamtliche Vollzugshelfer 4.6 Anstaltsbeirate 4.7 Die Gefangenenmitverantwortung 4.8 Kriminologischer Dienst
125 125 127 131 133 134 135 136 137 144 146 147 150
Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess 5.1 Strafantritt, Aufnahmeverfahren und Vollzugsplanung 5.1.1 Strafantritt 5.1.2 Individualisierung und Klassifizierung 5.1.3 Aufhahmeverfahren
153 153 154 155 160
84 86
Inhaltsverzeichnis 5.1.4 Behandlungsuntersuchung 5.1.5 Vollzugsplan 5.1.6 Behandlungsplane 5.1.7 Nichtdeutsche Strafgefangene 5.2 Die Unterbringung 5.2.1 Offener und geschlossener VoUzug 5.2.2 Verlegungsmoglichkeiten 5.2.3 Gestaltung und innere Gliedemng der Anstalten 5.2.4 Raumlichkeiten in der Anstalt 5.3 Arbeit, Ausbildung, Weiterbildung 5.3.1 Arbeit und Beschaftigung 5.3.2 Berufliche und schulische Bildung 5.3.3 Finanzielle Leistungen an den Inhaftierten 5.3.4 Verwendung der finanziellen Leistungen 5.3.5 Sozialversicherung der Gefangenen 5.4 Die Kommunikation mit der AuBenwelt 5.4.1 Schriftwechsel und anderer Postverkehr 5.4.2 Empfang von Besuchen 5.4.3 Partnerbesuche mit Sexualkontakten 5.4.4 Vollzugslockerungen 5.4.5 Hafturlaub 5.4.6 Weisungserteilung, WiderrufundRucknahme 5.4.7 Missbrauch von Lockerungen und Urlaub 5.4.8 Haftung bei Missbrauch von Vollzugslockerungen 5.5 Therapeutische MaBnahmen 5.5.1 Gesetzliche Vorgaben 5.5.2 Behandlungsgruppen 5.5.3 Behandlung drogenabhangiger Gefangener 5.5.4 Die sozialtherapeutische Anstalt 5.6 Freizeit und Information 5.6.1 Gestaltung der Freizeit 5.6.2 Information 5.6.3 Besitz von Gegenstanden zur Fortbildung und Freizeitbeschaftigung 5.7 Religionsausiibung 5.8 Existentielle Grundbedingungen 5.8.1 Gesundheitsfursorge 5.8.2 Bekleidung 5.8.3 Emahrung und Einkauf 5.9 Soziale Hilfe 5.10 Entlassung und soziale Integration 5.10.1 Entlassungsarten 5.10.2 Entlassungsvorbereitung 5.10.3 Der Entlassungsvorgang 5.10.4 Nachgehende tJberwachung und Hilfe 5.10.5 Wiederaufnahme in den Strafvollzug
IX 162 165 169 169 178 179 185 189 193 203 204 223 229 248 255 259 261 273 282 284 296 300 302 303 307 308 309 310 314 327 327 328 331 334 339 339 342 342 343 346 347 355 357 358 358
X
Inhaltsverzeichnis
6
Besonderheiten des FrauenstrafvoUzugs 6.1 Gesetzliche Regelungen 6.2 Mutter-Kind-Einrichtungen 6.3 VoUzugsgestaltung
361 362 364 367
7
Sicherheit und Ordnung 7.1 Verhaltensvorschriften 7.2 SicherungsmaBnahmen 7.2.1 Allgemeine SicherungsmaBnahmen 7.2.2 Besondere SicherungsmaBnahmen 7.3 Unmittelbarer Zwang 7.4 DisziplinarmaBnahmen 7.4.1 Allgemeine Disziplinarvoraussetzungen 7.4.2 Disziplinarverfahren 7.4.3 Zulassige DisziplinarmaBnahmen 7.5 Ersatzanspriiche der Vollzugsbehorde
369 371 373 374 380 382 387 387 390 395 397
8
VoUzugsverfahrensrecht 399 8.1 Vollzugsinteme Kontrolle 403 8.1.1 Beschwerderecht 403 8.1.2 Gesprach mit Vertreter der Aufsichtsbehorde 404 8.1.3 Dienstaufsichtsbeschwerde 404 8.1.4 Vorbringen von Beanstandungen beim Anstaltsbeirat 405 8.2 GerichtHches Kontrollverfahren, § § 109 ff. StVollzG 405 8.2.1 Zulassigkeitdes Antrags auf gerichtlicheEntscheidung .. 408 8.2.2 Verfahren und Priifungsumfang 431 8.2.3 Gerichtliche Entscheidung 438 8.2.4 Rechtsbeschwerde 441 8.2.5 Vorlaufiger Rechtsschutz 444 8.2.6 Reformerfordemisse 447 8.3 Verfassungsbeschwerde, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG 451 8.4 Kontrolle auf europaischer Ebene 452 8.5 Sonstige vollzugsexteme KontroUmoglichkeiten 454 8.5.1 Petitionen 454 8.5.2 Eingaben bei Btirgerbeauftragten 454 8.5.3 Gnadenbegehren 454
9
Besondere Vollzugsformen 9.1 JugendstrafvoUzug 9.1.1 Inhaftierte in Jugendstrafanstalten 9.1.2 JugendstrafvoUzug und Jugendgerichtsgesetz 9.1.3 JugendstrafvoUzug und Strafvollzugsgesetz 9.1.4 Rechtsschutz 9.1.5 Erforderlichkeit eines Jugendstrafvollzugsgesetzes 9.1.6 Vollstreckung
457 457 457 460 461 463 465 471
Inhaltsverzeichnis 9.2
9.3
Vollzug freiheitsentziehender MaBregeln der Besserung iind Sicherung 9.2.1 Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus 9.2.2 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt 9.2.3 Organisationshaft 9.2.4 Sicherungsverwahrung Sonstige in JustizvoUzugsanstalten voUzogene Haftarten 9.3.1 Untersuchungshaft 9.3.2 Zwischenhaft 9.3.3 Zivilhaft 9.3.4 Abschiebungshaft 9.3.5 Ausliefemngshaft
XI
472 472 476 477 479 486 487 490 491 492 494
10 Datenschutz 10.1 Informationelles Abwehrrecht 10.2 Anwendbarkeit 10.3 Systematisierung 10.4 Eingriffsgrundlagen 10.4.1 Erhebung personenbezogener Daten 10.4.2 Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten 10.4.3 Schutz besonderer Daten und spezifische Eingriffsvoraussetzungen 10.4.4 Speicherung in Akten und Dateien 10.4.5 Berichtigung, Loschung und Sperrung 10.5 Auskunft und Akteneinsicht 10.5.1 Rechte des Betroffenen 10.5.2 Auskunft und Akteneinsicht fiir wissenschaftliche Zwecke 10.6 Kontrolle
497 497 498 500 502 502 505
517 518
Gesetzestext: Strafvollzugsgesetz
519
Literatur
563
Sachverzeichnis
619
506 510 512 513 513
Tabellenverzeichnis
1.1 Zahl der Justizvollzugsanstalten und Belegungsfahigkeit am 31.8.2005 nach Bundeslandem 1.2 Gefangenenpopulation am 31.8.2005 1.3 Inhaftierte in den Bundeslandem nach Art des StrafvoUzugs am 31.3.2005 1.4 Zu Freiheitsstrafen verurteilte Inhaftierte 1982-2005, jeweils am 31.3. . 1.5 Gefangenenrate 2005 inEuropa 1.6 Strafgefangene am 31.3.2005 nach der Dauer ihrer zu verbiiBenden Freiheitsstrafe 1.7 Gefangene im Vollzug der Freiheitsstrafe am 31.3.2005 nach Altersgruppen 1.8 Entwicklung des Auslanderanteils an den Strafgefangenen seit 1982, jeweils am 31.3 1.9 Zu Freiheitsstrafen verurteilte Strafgefangene am 31.3.2005 nach Art derStraftat 4.1 Gliederung der insgesamt 4 980 Stellen in bayerischen Justizvollzugsanstalten im Jahr 2005 5.1 Versagerquoten bei Vollzugslockerungen und Hafturlaub in Bayem 2004 5.2 Entlassene aus dem Strafvollzug 2005 6.1 Weibliche Strafgefangene am 31.3.2005 nach der Dauer der zu verbiiBenden Freiheitsstrafe 6.2 Zu Freiheitsstrafe verurteilte Frauen am 31.3.2005 nach Art der Straftat 6.3 Verteilung der weiblichen Strafgefangenen am 31.3.2005 nach Bundeslandem 9.1 Inhaftierte im Vollzug der Jugendstrafe 1992-2005, jeweils am 31.3 9.2 Zu Jugendstrafe vemrteilte Inhaftierte am 31.3.2001 nach Art der Straftat 9.3 Im psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB Untergebrachte 1995-2005, jeweils am 31.3. (alte Bundeslander) 9.4 In der Erziehungsanstalt nach § 64 StGB Untergebrachte 1995-2005, jeweils am31.3. (alte Bundeslander) 9.5 In der Sichemngsverwahmng Untergebrachte 1992-2005, jeweils am 31.3 9.6 In der Sichemngsverwahmng Untergebrachte am 31.3.2005 nach Art derStraftat
18 33 34 35 36 37 37 38 39 128 302 347 361 362 367 458 459 474 477 479 480
Abkiirzungen
a.A. a.a.O. abgedr. Abs. abw. AE a.E. a.F. AFG AFRG AG AGGVG AGVwGO Aids AK Alt. amtl. Anm. AO ArbGG ArchKrim ARSP Art. AufenthG Aufl. Az. BAfoG BAG BAnz. BayJMBL BayObLG BayVerfGH BBiG Bd. BDSG Begr.
anderer Ansicht am angegebenen Ort abgedruckt Absatz abweichend Altemativ-Entwurf am Ende alte Fassung Arbeitsfbrdemngsgesetz Gesetz zur Reform der Arbeitsforderung Amtsgericht Gesetz zur Ausfiihmng des Gerichtsverfassungsgesetzes Ausfiihrungsgesetz zur Verwaltungsgerichtsordnung Acquired Immunodeficiency Syndrome Alternativkommentar zum Strafvollzugsgesetz Alternative amtlich Anmerkung Abgabenordnung Arbeitsgerichtsgesetz Archiv fiir Kximinologie Archiv fiir Rechts- und Sozialphilosophie Artikel Gesetz iiber den Aufenthalt, die Erwerbstatigkeit und die Integration von Auslandem im Bundesgebiet Auflage Aktenzeichen Bundesausbildungsfbrderungsgesetz Bundesarbeitsgericht Bundesanzeiger Bayerisches Justizministerialblatt Bayerisches Oberstes Landesgericht Bayerischer Verfassungsgerichtshof Berufsbildungsgesetz Band Bundesdatenschutzgesetz Begriindung
XVI
Abkiirzungen
Bek. BerHG Beschl. BewHi BFH BGB BGBl. BGH BGHSt. BlGefK BlStVK BMJ BR-Drs. BRRG BSG BSHG BT-Drs. BtMG BUrlG BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVerwGE bzgl. bzw. ca. DDR ders. d.h. dies. DOV DRiZ DStRE DSVollz DuD DVBl. DVJJ DVollzO Ed. EGGVG EGJVollz EGMR EGStGB
Bekaimtmachung Beratungshilfegesetz Beschluss Bewahrungshilfe Bundesfinanzhof Biirgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Blatter flir Gefangniskunde Blatter flir Strafvollzugskunde Bundesminister der Justiz Drucksache des Bundesrates Beamtenrechtsrahmengesetz Bundessozialgericht Bundessozialhilfegesetz Drucksache des Bundestages Gesetz iiber den Verkehr mit Betaubungsmitteln Bundesurlaubsgesetz Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts beziiglich beziehungsweise circa Deutsche Demokratische Republik derselbe das heiBt dieselbe(n) Die Offentliche Verwaltung Deutsche Richterzeitung Deutsches Steuerrecht-Entscheidungsdienst Dienst- und Sicherheitsvorschriften flir den Strafvollzug Datenschutz und Datensicherheit Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Vereinigung fiir Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfe e.V. Dienst- und Vollzugsordnung der Lander Editor(s) Einfiihrungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des JugendstrafvoUzuges Europaischer Gerichtshof fiir Menschenrechte Einfiihrungsgesetz zum Strafgesetzbuch
Abkiirzungen Einl. E-JStVollzG-BW EMRK EuGRZ e.V. f. FEVG ff. GA GBl. gem. GewArch GG Grdl. GSSt GVBL GVG Halbbd. Halbs. HIV h.M. HRRS Hrsg. i.d.F. IfSG ILO InfAuslR InfoStVollzPr insg. InsO IRG i.S.d. i.S.v. i.V.m. JA JGG JK JMBl. JR JuS JVA JVollzGE
XVII
Einleitung Baden-Wiirttemberger Entwurf eines Jugendstrafvollzugsgesetzes Europaische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten Europaische Grundrechtezeitschrift eingetragener Verein folgende Gesetz iiber das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen fortfolgende Goltdammer's Archiv fiir Strafrecht Gesetzblatt gemaB Gewerbearchiv Grundgesetz fur die Bundesrepublik Deutschland Grundlagen GroBer Senat fur Strafsachen Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz Halbband Halbsatz Human Immunodeficiency Vims herrschende Meinung Hochstrichterliche Rechtsprechung Strafrecht Herausgeber in der Fassung Gesetz zur Verhiitung von Infektionskrankheiten beim Menschen International Labor Organization Informationsbrief Auslanderrecht Info zum Strafvollzug in Praxis und Rechtsprechung insgesamt Insolvenzordnung Gesetz iiber die intemationale Rechtshilfe in Strafsachen im Sinne der/des im Sinne von in Verbindung mit Juristische Arbeitsblatter Jugendgerichtsgesetz Jura-Kartei Justizministerialblatt Juristische Rundschau Juristische Schulung Justizvollzugsanstalt Entwurf eines Jugendstrafvollzugsgesetzes
XVIII
Abkiirzungen
JZ Kap. KE KG KJ KrimJ KrimPad krit. KritV KSZE KZfSS LAG LG Lit. LK LuftVG MDR MedR MRK MschrKjim MuSchG MVollzG m. w. Nachw. m. zahlr. Nachw. Nds.Rpfl n.F. NJW Nr. NStZ NStZ-RR NVwZ NZV OJZ OLG oStVG OVG OWiG PsychKG PsychRdsch PUAG RBerG RdErl RdJB
Juristenzeitung Kapitel Kommissionsentwurf Kammergericht Kritische Justiz Kriminologisches Journal Kriminalpadagogische Praxis kritisch Kritische Vierteljahresschrift fiir Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Konferenz fiir Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Kolner Zeitschrift fur Soziologie und Sozialpsychologie Landesarbeitsgericht Landgericht Literatur Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch Luftverkehrsgesetz Monatsschrift fur Deutsches Recht Medizinrecht Menschenrechtskonvention Monatsschrift flir Kximinologie und Strafrechtsreform Mutterschutzgesetz MaBregelvollzugsgesetz mit weiteren Nachweisen mit zahlreichen Nachweisen Niedersachsische Rechtspflege neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Nummer Neue Zeitschrift fiir Strafrecht NStZ-Rechtsprechungs-Report Neue Zeitschrift fiir Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift fiir Verkehrsrecht Osterreichische Juristenzeitung Oberlandesgericht Osterreichisches Strafvollzugsgesetz Oberverwaltungsgericht Gesetz iiber Ordnungswidrigkeiten Gesetz iiber Hilfen und SchutzmaBnahmen bei psychisch Kxanken Psychologische Rundschau Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschiisse des Deutschen Bundestages Rechtsberatungsgesetz Runderlass Recht der Jugend und des Bildungswesens
Abkiirzungen Rdn. RE RE StVollzG RGBl. Rpfleger Rspr. RStGB RuP RVO S. SOB SH sog. StA StGB StPO StraFo StrRG StrVert StVG StVG-DDR StVollstrO StVollzAndG StVollzG StVollzVergO ThurOLG u.a. UAG tFbersttJbk UJ UNO UVoUzO V.
VerbrBekG VerfO VerwArch VG vgl. VGO VollstrUbk
VV VVDStRL
XIX
Randnummer Regienmgsentwurf Regiemngsentwurf eines Strafvollzugsgesetzes Reichsgesetzblatt Der Deutsche Rechtspfleger Rechtsprechung Reichsstrafgesetzbuch Recht und Politik Reichsversicherungsordnung Seite(n)/Satz Sozialgesetzbuch Sonderheft so genannte(r/s) Staatsanwaltschaft Strafgesetzbuch Stra^rozessordnung Strafverteidiger Forum Gesetz zur Reform des Strafrechts Strafverteidiger StraBenverkehrsgesetz Strafvollzugsgesetz der DDR Strafvollstreckungsordnung Gesetz zur Anderung des Strafvollzugsgesetzes Strafvollzugsgesetz Strafvollzugsvergiitungsordnung Thiiringer Oberlandesgericht und andere; unter anderem/n Uberstellungsausfiihrungsgesetz Ubereinkommen iiber die tJberstellung verurteilter Personen Unsere Jugend United Nations Organization Untersuchungshaftvollzugsordnung vom/von Verbrechensbekampfimgsgesetz Verfahrensordnung des Europaischen Gerichtshofs fiir Menschenrechte Verwaltungsarchiv Verwaltungsgericht vergleiche Vollzugsgeschaftsordnung Ubereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europaischen Gemeinschaften iiber die Vollstreckung auslandischer strafrechtlicher Verurteilungen Verwaltungsvorschrift(en) Veroffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
XX
Abkurzungen
VVJug VVStVoUzG VwGO VwVfG WEG WGM WRV WStG ZAR z.B. ZfT ZFSH/SGB ZfStrVo ZIS zit. ZPO ZRP ZStW
Bundeseinheitliche Verwaltungsvorschriften fiir den Jugendstrafvollzug Bundeseinheitliche Verwaltungsvorschriften zum Strafvollzugsgesetz Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz . Wiedereingliederungsgesetz der DDR Wiedergutmachung Verfassung des Deutschen Reiches vom 11.8.1919 Wehrstrafgesetz Zeitschrift ftir Auslanderrecht und Auslanderpolitik zum Beispiel Zentralblatt fiir Jugendrecht Zeitschrift fiir Sozialhilfe und Sozialgesetzbuch Zeitschrift fiir Strafvollzug und Straffalligenhilfe Zeitschrift fiir Internationale Strafrechtsdogmatik zitiert Zivilprozessordnung Zeitschrift fiir Rechtspolitik Zeitschrift fiir die gesamte Strafrechtswissenschaft
Einleitung
Freiheitsentzug ist eine notwendige Form strafrechtlicher Reaktion auf kriminelles 1 Verhalten, um das Zusammenleben der Burger in der staatlichen Gemeinschaft zu schiitzen. Alle Tatbestande des Strafgesetzbuchs drohen daher fiir Rechtsverletzungen (zumindest auch) die Verhangung von Freiheitsstrafen an. Der Vollzug freiheitsentziehender Sanktionen bleibt aus general- und spezialpraventiven Griinden unersetzlich. Abolitionistische Bestrebungen, die auf eine vollstandige Abschaffung stationarer Unrechtsreaktionen abzielen und nach Wegen in eine gefangnislose Gesellschaft suchen, wiirden das strafrechtliche Sanktionensystem letztlich seines Riickgrats^ entledigen.^ Jedoch bedeutet StrafvoUzug fur die Betroffenen - trotz sozial integrativer Zielsetzungen - eine tJbelszufugung mittels institntioneller Beschrankungen der Fortbewegungsfreiheit. Diese muss deshalb als Ultima Ratio auf zwingend notwendige Falle besonders sozialschadlichen Handelns begrenzt werden. Denn eine nicht erforderliche zwangsweise Ausgliederung von Personen aus ihrer gewohnten sozialen Umwelt und ihre Unterbringung in Vollzugsanstalten als mehr oder weniger gesellschaftlich isolierten VerbiiBungsstatten tangiert bereits die Wiirde des Menschen. Freiheitsentzug ist daher vor allem bei schweren Delikten - insbesondere Gewaltverbrechen - oder bei wiederholt riickfalligem Verhalten zur Aufrechterhaltung der Generalpravention und Bewahrung der offentlichen Sicherheit vor weiteren Taten eines Straffalligen unentbehrlich. Allerdings muss dann die Dauer auch auf das generalpraventiv Notwendige beschrankt bleiben und darf sich spezialpraventiv nicht schadlich auswirken. Dies bedingt einen Abbau des in Deutschland noch immer praktizierten Langstrafenvollzugs^ insbesondere eine Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe/ Machen wegen besonderer Gefahrlichkeit eines Taters Sicherheitsbelange einen langeren Aufenthalt auBerhalb der sozialen Gemeinschaft notwendig, verbleibt im Einzelfall zum Schutz der Allgemeinheit die Moglichkeit der Unterbringung im MaBregelvollzug.
Jescheck, 1984,8.2155. Zum Abolitionismus: Mathiesen, 1989; Papendorf, 1985; Schumann/SteinertA^oB, 1988; siehe femer Amoldshainer Thesen zur Abschaffung der Freiheitsstrafe, in: Zeitschrift fur Evangelische Ethik, 1990, S. 218 ff Siehe auch Thesen des Fachausschusses Strafrecht und StrafvoUzug, in: Jung/MullerDietz, 1994, S. 11 ff; Muller-Dietz, 1993a, S. 18 ff Dazu Komitee fur Grundrechte und Demokratie, 1990; Laubenthal, 1987, S. 271 ff; Nickolai/Reindl, 1993; Pilgram, 1989.
2
Einleitung
Die Strafrechtsreform hat seit 1969 nicht nur eine Neugestaltung des Sanktionensystems mit sich gebracht, sondem zugleich auch eine Zuriickdrangung freiheitsentziehender Reaktionen zugunsten solcher ambulanter Art eingeleitet. Dieser Prozess schreitet bis heute fort und ist durch Schaffung weiterer Surrogate auszudehnen. Als Altemativen zu Freiheits- und Geldstrafe finden sich aktuell Wiedergutmachung, Tater-Opfer-Ausgleich, Mediation, gemeinniitzige Arbeit und Fahrverbot teilweise bereits erprobt, zumindest aber diskutiert. Ein „Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Sanktionenrechts" der Bundesregierung akzentuierte unter anderem die gemeinniitzige Arbeit und die Verhangung eines Fahrverbots als Hauptstrafen.^ Als mit dem stationaren Vollzug einer Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt am engsten verwandt lasst sich die ambulante Uberwachung verurteilter Straftater einordnen. Allerdings hat sich der gesetzgeberische Reformelan mittlerweile abgeschwacht - ob voriibergehend oder dauerhaft, lasst sich noch nicht sagen. Nachdem die Vorhaben in der vorzeitig beendigten 15. Wahlperiode keine Umsetzung mehr fanden, bleibt einstweilen offen, ob sie in der neuen Legislaturperiode aufgegriffen werden. Tater-Opfer-Ausgleich und Schadenswiedergutmachung als Reaktionsformen auf strafbares Handeln sind in § 46a StGB normiert. Nach dieser Norm kann das Gericht die Strafe nach den Grundsatzen des § 49 Abs. 1 StGB mildem oder falls keine hohere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessatzen verwirkt i s t - ganz von Strafe absehen. Der Tater muss sich entweder um Wiedergutmachung im Rahmen eines Tater-Opfer-Ausgleichs bemtiht (Nr. 1) oder das Opfer ganz oder zum iiberwiegenden Teil unter erheblichem personlichen Einsatz bzw. Verzicht entschadigt haben (Nr. 2). Tater-Opfer-Ausgleich und Schadenswiedergutmachung stellen als Weisung (§ 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 7 JGG) bzw. Auflage (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 JGG) seit langem bewahrte Erledigungsmoglichkeiten im Bereich des Jugendstrafrechts dar, deren Anwendbarkeit der Gesetzgeber deshalb auch fur das allgemeine Strafrecht nutzbar gemacht hat. Allerdings eignen sich die Reaktionsformen des Tater-Opfer-Ausgleichs und der Schadenswiedergutmachung aufgrund der eingeschrankten Konsequenzen, welche § 46a StGB zu Ziehen gestattet, nur in engen Grenzen dazu, die VerbiiBung von Freiheitsstrafen zu vermeiden. Gleiches gilt bei Durchfuhrung im Gesetz nicht ausdriicklich vorgesehener mediativer Verfahren.^ Hiermit soil ein Ausgleich zwischen Tater und Opfer einer Straftat herbeigefiihrt werden, wobei es durch Einschalten eines Mediators und die Anwendung spezieller Kommunikationstechniken zu einer Durchbrechung der iiblichen Rollenverteilung zwischen Straffalligem und Opfer kommt. Soweit ein solches Vorgehen nicht im Rahmen des § 46a StGB verfolgt wird, kann eine Integration in das geltende Verfahrensrecht auch liber § 153a StPO erfolgen, wonach bei Erfiillung von Auflagen und Weisungen eine Einstellung des Verfahrens zulassig ist. Gesetzentwurf V. 17.3.2004, BT-Drs. 15/2725; vgl. schon den seitens der Fraktionen von SPD und Biindnis 90/DIE GRUNEN vorgelegten Entsvurf gleichen Namens v. 11.6.2002, BT-Drs. 14/9358; dazu Wolters G., 2002, S. 63 ff; zu neuen Sanktionsformen siehe Streng, 2002, Rdn. 783 ff Dazu Miihlfeld, 2002.
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Gemeinniitzige Arbeit stellt bereits nach geltendem Recht unter eingeschrankten Voraussetzungen eine Alternative zur Vollstreckung einer stationaren Sanktion dar. Art. 293 EGStGB gestattet den Landesregiemngen, durch Rechtsverordnung Regelungen zu treffen, wonach der Verurteilte die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe i.S.d. § 43 StGB durch unentgeltliche gemeinniitzige Arbeit abwenden darf.*^ Von dieser Ermachtigung haben die meisten Bundeslander Gebrauch gemacht.^ De lege ferenda wird diskutiert, die Bedeutung gemeinniitziger Arbeit zu steigern.^ Indes lassen sich hiergegen manche Bedenken vorbringen. So bedeutet es einen nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand, geeignete Arbeitsstellen zu beschaffen und die Erbringung der Leistungen zu iiberwachen. Gemeinniitzige Arbeitsleistungen sollten femer keine Nachteile fiir den ersten Arbeitsmarkt zur Folge haben. Weiter erscheinen die Erfahrungen mit dem Unterfangen, die Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinniitzige Arbeit zu substituieren, nur teilweise als ermutigend. In zahlreichen Fallen hat sich gezeigt, dass der Klientel, welche zur Bezahlung der Geldstrafe nicht in der Lage ist, zusatzlich die Fahigkeit abgeht, iiber einen gewissen Zeitraum hin iiberhaupt brauchbare Arbeitsleistungen zu erbringen.^^ Fiir solche Personen erscheint moglicherweise die Absolvierung einer Arbeitstherapie auch um ihrer Sozialisation willen sinnvoll, nicht aber die Verpflichtung zu Arbeitsleistungen. Zusatzliche Probleme resultieren aus einer Kollision der Sanktionsart mit dem Verfassungsrecht.^^ Nach Art. 12 Abs. 3 GG bleibt Zwangsarbeit nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulassig. Eine solche soil aber de lege ferenda durch eine neue Sanktionsart der gemeinniitzigen Arbeit gerade vermieden werden. Als eine gem. Art. 12 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich unproblematische, herkommliche, allgemeine und fiir alle gleiche offentliche Dienstleistungspflicht lasst sich die Verhangung gemeinniitziger Arbeit als Folge eines Strafurteils schon aufgrund der mit dem Urteil verbundenen Stigmatisierung nicht bezeichnen. Ohne Vomahme einer Verfassungsanderung erscheint damit die Sanktionierung von Fehlverhalten mit gemeinniitziger Arbeit nur zulassig, soweit dem Verurteilten ein Wahlrecht zwischen dieser und einer anderen Rechtsfolge eingeraumt ist. Davon gehen auch die Verfasser des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Sanktionenrechts aus, wenn sie die Zustimmung des Verurteilten verlangen.^^ Weiter bedarf es eines Schliissels, mit dessen Hilfe Geldoder Freiheitsstrafe in gemeinniitzige Arbeit umgerechnet werden kann. Nach den bisher gesammelten Erfahrungen darf weder der Umrechnungsfaktor zu ungiinstig noch die Zahl der danach zu leistenden Arbeitsstunden zu hoch sein, um die Verurteilten dazu zu bewegen, von der Ableistung gemeinniitziger Arbeit Gebrauch
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Dazu Diinkel/Grosser, 1999; zu vergleichbaren Sanktionen im europaischen Ausland siehe van Kalmthout/Dunkel, 2000, S. 26 ff ^ Nachweise zum Landesrecht in: Schonfelder, Deutsche Gesetze, Nr. 85a, Anmerkung zu Art. 293 EGStGB. 9 Befurwortend Arloth, 2002a, S. 7; Roxin, 1999, S. 147 f; siehe auch Cornel, 2002a, S. 821 ff ^0 Vgl. Dolde, 1999, S. 584 f; Diinkel/Scheel/Grosser, 2002, S. 57. ^ 1 Dazu Strong, 2002, Rdn. 795. ^2 BT-Drs. 15/2725, S. 21.
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Einleitung
zu machen. Wahrend im Rahmen der nach Art. 293 EGStGB getroffenen Regelungen ein Tag Freiheitsstrafe meist mit sechs Stunden gemeiimtitziger Arbeit als abgegolten gilt^^, wurde demgegeniiber vorgeschlagen, ftir einen Tagessatz Geldstrafe drei Stunden gemeinniitzige Arbeit anzusetzen.^"^ In der Literatur findet sich zusatzlich die Forderung, insgesamt eine Grenze von 100 Arbeitsstunden nicht zu iiberschreiten.^^ Bei der Verurteilung zu einer Geldstrafe von einer hohen Anzahl an Tagessatzen besteht nach dieser Auffassung somit fiir die Substituierung durch gemeinniitzige Arbeit kein Raum mehr. Da im deutschen Strafrecht kurzfristige Freiheitsstrafen von weniger als sechs Monaten nach Moglichkeit vermieden werden sollen (§ 47 StGB), wird sich die Sanktion der gemeinniitzigen Arbeit daher auch in Zukunft kaum als Alternative zur Freiheitsstrafe eignen. Eine Ausnahme mag gelten, sofem gemeinniitzige Arbeit an die Stelle der VoUstreckung einer widerrufenen Bewahrungsstrafe tritt.^^ Indes sah der Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Sanktionenrechts v. 17.3.2004 nur die Substituierung der Ersatzfreiheitsstrafe durch Ableistung gemeinniitziger Arbeit vor - zudem ohne eine Obergrenze der Arbeitsleistung. Erfolgt keine ordnungsgemaBe Erbringung der Arbeit, so wird die Ersatzfireiheitsstrafe vollstreckt, wobei anders als nach altem Recht zwei Tagessatze Geldstrafe durch einen Tag Freiheitsstrafe abgegolten sein sollen. ^"^ Wahrend ein Fahrverbot nach geltendem Recht nur als Nebenstrafe verhangt werden darf (§ 44 StGB), fordem Vertreter des Schrifttums, Personen zukiinftig auch im Wege der Hauptstrafe dazu zu verurteilen, das Fiihren von ICraftfahrzeugen im Verkehr zu unterlassen.^^ Fiir diesen Ansatz spricht zunachst, dass in einer Gesellschaft, in der die selbst bestimmte Mobilitat einen hohen Stellenwert genieBt, das Fahrverbot als gravierende Sanktion empfunden werden mag. Eine derartige Reaktion diirfte manchen Verurteilten barter treffen als die Verhangung einer Geldstrafe. Deshalb wird teilweise gewiinscht, eine Beschrankung des Fahrverbots auf Straftaten, die mit dem Fiihren eines Kraftfahrzeugs in Zusammenhang stehen, nicht aufrechtzuerhalten. Spiegelt dann die verhangte Strafe auch das begangene Delikt nicht mehr wider, so bestehen hiergegen keine grundlegenden Bedenken. Freiheits- und Geldstrafe stellen ebenfalls keine Reaktionsformen dar, welche die Art des begangenen Unrechts wiedergeben.^^ Gleichwohl sind gegen die Schaffung einer neuen Hauptstrafe des Fahrverbots gravierende Einwande
^3 Vgl. Feuerhelm, 1999, S. 23; Meier, 2001, S. 70. ^"^ Vgl. § 43 Abs. 1 S. 2 StGB in der Fassung des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Sanktionenrechts, BT-Drs. 15/2725, S. 7; krit. Konig, 2003, S. 271. ^^ So Kaiser/Schoch, 2002, S. 133; anders Heghmanns, 1999a, S. 301; ausfiihrHch dazu Feuerhelm, 1999, S. 26 f; Streng, 1999, S. 839 ff Der Entwurf des Bundesrats fur einen neuen § 40a StGB v. 6.3.1998 (BR-Drs. 82/98) sah eine Obergrenze von insgesamt 540 Arbeitsstunden vor. 16 Vgl. Heghmanns, 1999a, S. 300. ^7 Dazu v. Selle, 2002, S. 228 f 1^ So etwa Gronemeyer, 2001, S. 138 ff; Heghmanns, 1999a, S. 299; Konig, 2001, S. 6 ff; ablehnend Fehl, 2001, S. 161 ff; Franke, 2002, S. 20 ff ^9 Anders Streng, 1999, S. 852 f; ders., 2002, Rdn. 790; ders., 2004, S. 238 f
Einleitung
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vorzubringen.^^ So trifft die Sanktion potentielle Adressaten je nach ihren individuellen Fahrgewohnheiten in hochst unterschiedlichem Umfang. Geht man davon aus, dass das Fahrverbot eher fiir Falle leichter Kriminalitat geeignet erscheint, so tritt es in ein Konkurrenzverhaltnis nicht zur Freiheits-, sondem zur Geldstrafe. Berufskraftfahrem oder Pendlem kann deshalb das Risiko des Arbeitsplatzverlusts drohen, wahrend sich finanziell besser gestellte Personen durch die Einstellimg eines Chauffeurs fur die Zeit des Fahrverbots zu behelfen vermogen. Hinzu kommen erhebliche Kontrolldefizite. Die Abgabe des Fiihrerscheins beschrankt die Verurteilten nicht in der Moglichkeit, ihr Fahrzeug tatsachlich zu nutzen. Angesichts der relativ geringen Kontrolldichte im StraBenverkehr diirfte trotz der Strafbarkeit eines solchen Verhaltens nach § 21 StVG ein erheblicher Anreiz hierzu bestehen. Derjenige, dessen VerstoB gegen das Fahrverbot in das Hellfeld gerat, muss zudem emeut sanktioniert werden. Abhilfe erscheint insofern denkbar, als der Zugriff auf eigene Fahrzeuge der Verurteilten fiir die Dauer des Fahrverbots durch technische Vorrichtungen wie etwa Parkkrallen oder sogar die behordliche Inverwahmahme zu verhindem ist. Indes bedingt dies einen nicht unerheblichen personellen und logistischen Aufwand und zieht weitere Probleme nach sich, sofem das Fahrzeug von weiteren Personen, etwa Angehorigen, benutzt wird. Der Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Sanktionenrechts beschrankte sich wohl auch im Lichte dieser Schwierigkeiten darauf, in einem modifizierten § 44 StGB die Verhangung eines Fahrverbots zur Hauptstrafe aufzustufen, die mogliche Dauer der Sanktion zu verlangem und die Reaktion regelmaBig auch in solchen Fallen zur Anwendung zu bringen, in denen der Tater zwar nicht wegen eines Verkehrsdelikts verurteilt wird, aber wegen einer anderen Tat, zu deren Begehung oder Vorbereitung er ein Kraftfahrzeug als Mittel der Tat gefiihrt hat. Das Hauptaugenmerk gilt bei der Zuriickdrangung freiheitsentziehender Unrechtsreaktionen allerdings auch in Deutschland^^ technisch neu entwickelten Methoden einer ambulanten Uberwachung verurteilter Straftater. Der elektronisch iiberwachte Hausarrest wird meist durchgefiihrt, indem man am Korper des Verurteilten einen Sender anbringt, der einem Uberwachungssystem den jeweiligen Aufenthaltsort signalisiert. Verlasst der Betroffene seine Wohnung als den ihm zugewiesenen Bereich oder versucht er, sich von dem Sender zu befreien, erfolgt die Alarmierung einer Kontrollinstanz.^^ j^^f (HQSQ Weise bleibt zum einen die Einhaltung des Hausarrests gewahrleistet, wahrend zum anderen der Verurteilte zu bestimmten Zeiten von seiner Anwesenheitspflicht dispensiert werden kann, etwa um weiterhin seiner Arbeit nachzugehen oder Besorgungen zu erledigen. Zusammenstellung bei Streng, 1999, S. 854 f; siehe femer v. Sella, 2002, S. 230 I Siehe Arloth, 2002a, S. 5 f; Asprion, 1999, S. 23 ff; Bemsmann H., 2000; Bosling, 2002, S. 105ff; Kaiser/Schoch, 2002, S. 134ff; Kawamura, 1999, S. 7 ff; Krahl, 1997, S.457ff; Lindenberg, 1999a, S. 81 ff; Ostendorf, 1997, S. 473 ff; SchadlerAVulf, 1999, S. 3 ff; Schlomer, 1998, S. 155 ff; Streng, 2002, Rdn. 786 ff; Walter M, 1999b, S. 287 ff Zu den technischen Methoden der Uberwachung naher Bemsmann H., 2000, S. 3 ff; Hudy, 1999, S. 32 ff; Nogala/Haverkamp, 2000, S.32ff; Weichert, 2000, S. 336; Wittstamm, 1999, S. 34ff
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Einleitung
International liegen nennenswerte Erfahmngen mit elektronisch iiberwachtem Hausarrest in den USA^^, GroBbritannien^"*, Schweden^^ und den Niederlanden^^ vor.^^ Weiter kennen Australien, Kanada, Israel und Singapur eine derartige Sanktion.2^ Die gewonnenen Ergebnisse werden tiberwiegend positiv bewertet, wobei entscheidende Bedeutung der sorgfaltigen Auswahl fiir die MaBnahme geeigneter Kandidaten zuzukommen scheint.^^ Diese miissen nicht nur iiber eine Wohnung mit Telefon (fur Kontrollnachfragen) verfiigen, sondem sollten zweckmaBigerweise eine Arbeitsstelle innehaben. Allerdings sind bei einer tJbertragung der Bewertung auf deutsche Verhaltnisse landestypische Besonderheiten zu beachten. So kennt Schweden etwa in viel groBerem Umfang kurzzeitige unbedingte Freiheitsstrafen.^^ In Deutschland ist der elektronisch iiberwachte Hausarrest bisher weder als selbstandige Sanktionsform in das Strafgesetzbuch noch als besondere Vollzugsart^^ in das Strafvollzugsgesetz aufgenommen worden. Ein vom Bundesrat im Jahr 1999 beschlossener Gesetzentwurf zur entsprechenden Anderung des StrafvoUzugsgesetzes^^ fand bisher keine Mehrheit im Bundestag. Im Jahr 2000 hat Hessen gleichwohl einen zweijahrigen Modellversuch zur Erprobung des elektronisch iiberwachten Hausarrests gestartet.^^ Als Probanden kamen aufgrund der fehlenden spezialgesetzlichen Regelung nur Personen in Betracht, die sich entweder zum Zweck der Vermeidung von Untersuchungshaft^"^ oder im Rahmen einer Bewahrungsweisung (§ 56c StGB)^^ zur Teilnahme bereit erklarten.
23 Naher Bemsmann H , 2000, S. 18 ff.; Hudy, 1999, S. 19 ff.; Schlomer, 1998, S. 35 ff.; Whitfield, 1999, S. 44 ff.; Wittstamm, 1999, S. 19 ff. 24 Vgl. Hudy, 1999, S. 65 ff; ders., 1999a, S. 55 ff; Schlomer, 1998, S. 101 ff
25 Dazu Bosling, 2002, S. 116 f; Haverkamp, 1999, S. 51 ff; dies., 1999a, S. 21 ff; dies., 2002, S. 99 ff, 355 ff 26 Ausfuhrlich Droogendijk, 1999, S. 45 ff; Spaans, 1999, S. 68 ff 27 Vgl. Albrecht H.-J., 2002, S. 84 ff; Brown/Elrod, 1995, S. 332 ff; Jolin/Uogers, 1990, S. 201 ff; Lindenberg, 1997, S. 157 ff; ders., 1999, S. 12 f; Vosgerau, 1990, S. 166 ff; Weigend, 1989, S. 296 ff
28 Siehe Bosling, 2002, S. 119; NogalayHaverkamp, 2000, S. 35 ff; Schlomer, 1998, S. 129 ff 29 Dazu Kaiser/Schoch, 2002, S. 134 f, 137. 3° Kaiser/Schoch, 2002, S. 135; Lindenberg, 1999, S. 15; Streng, 1999, S. 850. 31 Krit. Patzel, 2000, S. 28. 32 BR-Drs. 401/99 v. 9.7.1999; dazu Bemsmann H., 2000, S. 151 ff; ablehnend Bohm, 2003, S. 2; Bosling, 2002, S. 124; Calliess/Miiller-Dietz, 2005, Einl. Rdn. 4 5 , die eine Erweiterung des Sanktionenkatalogs im Strafgesetzbuch fordem. 33 Dazu Albrecht/Amold/Schadler, 2000, S. 466 ff; Mayer, 2002, S. 1 ff 34 Schlomer, 1998, S. 278 ff; Wittstamm, 1999, S. 154 ff; skeptisch Bammann, 2 0 0 1 , S.477; Bemsmann H., 2000, S. 146 f; Hudy, 1999, S. 182 ff; Lindenberg, 1999, S. 18 f 35 Vgl. L G Frankfurt, N J W 2 0 0 1 , S. 697; Bammann, 2 0 0 1 , S. 476; Schlomer, 1998, S. 186 ff; ders., 1999, S.31ff; Wittstamm, 1999, S. 144 ff; v. Zezschwitz, 2000, S. 11 ff; ablehnend Bemsmann H., 2000, S. 140; Hudy, 1999, S. 147 ff
Einleitung
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Gegen den elektronisch iiberwachten Hausarrest findet sich eine Reihe von Einwanden vorgebracht. So stelle die unverschlossene Haustiir eine standige Versuchung dar, welche den psychologischen Dmck auf den Betroffenen verstarke.^^ Die mit der Sanktion einhergehende Uberwachung der Privatsphare sei zumal als moglicher erster Schritt auf dem Weg zu einer totalen Kontrolle verfassungsrechtlich bedenklich.^"^ Ein derartiger Eingriff in die Privatsphare^^ erscheint aber selbst unter Beriicksichtigung potentieller Nachteile fiir die Angehorigen des Hausarrestanten^^ weniger gravierend als der ganzliche Verlust der Freiheit und die damit verbundenen zusatzlichen Belastungen des Aufenthalts in der JustizvoUzugsanstalt sowohl fiir die Familie als auch fur den Verurteilten selbst (z.B. tJbergriffe auf subkultureller Ebene). Eine Kontrolle von LebensauBerungen auf optischem oder akustischem Weg findet gerade nicht statt. Die Angehorigen konnen sich dem erzwungenen Beisammensein durch zeitweises Verlassen der Wohnung entziehen, und sie kommen weiter in den Genuss der mit der Beibehaltung der Erwerbstatigkeit des Verurteilten verbundenen vermogenswerten Vorteile. Allerdings erscheint es diskutabel, die Anordnung eines elektronisch iiberwachten Hausarrests an die Einwilligung der Familienangehorigen zu kniipfen. Gegen den Einwand des starken Fluchtanreizes spricht, dass sich diesem auch diejenigen Gefangenen ausgesetzt sehen, die ihre Strafe im offenen Vollzug verbiiBen. Verlangt man als Voraussetzungen fur die Anordnung des Hausarrests Wohnung, Telefon und Arbeitsplatz, so fiihrt dies nicht zu einer gleichheitswidrigen Benachteiligung derjenigen Verurteilten, die hieriiber nicht verfiigen. Denn derartige Kriterien erlangen seit jeher sowohl fiir Entscheidungen im Bereich der Strafzumessung als auch des Strafvollzugs Bedeutung/° Zudem mag sich die Justiz bemiihen, im Ubrigen geeigneten Kandidaten bei der Beschaffung der erforderlichen Logistik Hilfestellung zu leisten. Es sollte allerdings betont werden, dass die Durchfiihrung eines elektronisch iiberwachten Hausarrests aufgrund der mit der Uberwachung verbundenen Aufwendungen keineswegs notwendigerweise zu nennenswerten Kosteneinsparungen fiihrt/^ Auch muss der Eintritt eines net-widening-Effekts^^ unbedingt unterbleiben, weshalb eine Evaluation der Anwendung von elektronisch iiberwachtem Hausarrest unerlasslich ist. Denn diese MaBnahme dient gerade der Substitution von stationaren freiheitsentziehenden Reaktionen. Keinesfalls darf dort zu elekt36 So Kaiser/Schoch, 2002, S. 137; vgl. auch Hudy, 1999, S. 257. 3^ In diesem Sinne Kaiser/Schoch, 2002, S. 137. 3« Krit. Kaiser, 1996, S. 1040; Lindenberg, 1999, S. 17; Strong, 1999, S. 849; Walter M., 1999b, S. 291; siehe auch Wittstamm, 1999, S. 129 ff. 39 Vgl. Bemsmann H., 2000, S. 116ff; Hudy, 1999, S. 113 ff; Schlomer, 1998, S. 251 ff; Streng, 1999, S. 849; ders., 2002, Rdn. 787. "^^ Albrecht H.-J., 2002, S. 92 f; Walter M., 1999b, S. 291 f; anders Hudy, 1999, S. 110; Wittstamm, 1999, S. 180. ^^ Anders aber die hessischen Erfahrungen, Hess. Ministerium der Justiz, 2005, S. 6; Mayer, 2002, S. 14. ^2 Befurchtungen auBem Hudy, 1999, S. 107; Kaiser/Schoch, 2002, S. 137; Kube, 2000, S. 633 f; Walter M., 1999, S. 379; Wittstamm, 1999, S. 180.
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Einleitung
ronisch iiberwachtem Hausarrest gegriffen werden, wo ohne diese Moglichkeit lediglich Geldstrafen oder zur Bewahrung ausgesetzte Freiheitsstrafen verhangt wurden. Es erscheint allerdings unter zwei Aspekten fraglich, ob mittels Hausarrests tatsachlich die VoUstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen'*^ in nennenswertem Umfang vermieden werden kann: Zum einen verfiigen zahlungsunfahige Geldstrafenschuldner moglicherweise nicht iiber die infrastrukturellen Voraussetzungen der MaBnahme, zum anderen rechtfertigt der finanzielle und organisatorische Aufwand ihre Durchfiihrung nicht, wenn nur eine kurze Zeitspanne zu vollstrecken ist."^"^ Unbeschadet seiner Einsatzmoglichkeiten zur Vermeidung von Untersuchungshaft und im Rahmen von Bewahrungsweisungen stellt der elektronisch liberwachte Hausarrest in erster Linie eine Alternative zur VerbiiBung von Freiheitsstrafen im offenen VoUzug dar. Gerade auch fiir bestehende und neue Alternativen der Freiheitsstrafe bedarf es aber der Existenz des Strafvollzugs. Denn die ambulanten MaBnahmen bleiben nur dann glaubwiirdig, wenn eine Enttauschung des damit verbundenen Vertrauensvorschusses durch Zuwiderhandlungen eine Konsequenz in freiheitsentziehenden Reaktionen hat.
43 Dazu Haverkamp, 2002, S. 520 f.; Wirth, 2000, S. 337 ff. 44 Siehe Heghmanns, 1999a, S. 3 0 1 .
1 Grundlagen des Strafvollzugs
Das Strafvollzugsrecht gehort wie das Kriminalrecht insgesamt zum offentlichen Recht im weiteren Simie. Es umfasst alle Rechtsnormen, welche die Vollziehung freiheitsentziehender Kriminalsanktionen betreffen. Schon begrifflich bedeutet StrafvoUzug nicht die Durchfiihrung samtlicher strafgerichtlich verhangter Rechtsfolgen (z.B. auch Geldstrafen). Er beschrankt sich vielmehr auf den stationaren VoUzug der die Freiheit eines Straftaters entziehenden Kriminalsanktionen. Zum Bereich des Strafvollzugs zahlen damit die Unrechtsreaktionen: - Freiheitsstrafe (§§ 38 f. StGB), - Jugendstrafe (§§ 17 f. JGG), - Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB), in einer Entziehungsanstalt (§§64 StGB) und in der Sicherungsverwahrung (^66 StGB), - militarischer Strafarrest (§ 9 WStG).
1.1 Abgrenzung zur Strafvollstreckung 1st ein Tater von einem Strafgericht verurteilt worden und die Entscheidung in 10 formelle Rechtskraft erwachsen, bedarf es einer Realisierung der angeordneten Rechtsfolge. Diese Strafverwirklichung untergliedert sich bei den freiheitsentziehenden Kriminalsanktionen in - die Strafvollstreckung und - den StrafvoUzug. Im Gegensatz zum StrafvoUzug stellt die Strafvollstreckung einen (letzten) Teil des Strafprozesses dar.^ Die Vollstreckung strafrichterlicher Entscheidungen ist geregelt in §§ 449 ff. StPO, erganzt durch die Strafvollstreckungsordnung (StVollStrO) als bundeseinheitlich giiltige Verwaltungsvorschrift.^ Die Strafvollstreckung umfasst alle MaBnahmen, die zur Ausfuhrung des richterliehen Erkenntnisses notwendig sind: - das Vorgehen von der Rechtskraft der Entscheidung an bis hin zum Strafantritt;
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Zur Strafvollstreckung siehe Bringewat, 1993, S. 32 ff; Isak/Wagner, 2004; Meier B.-D., 2001, S. 89 f; Pohlmann/JabelAVolf, 2001; Wagner A., 1997. Dazu Wolf, 2002, S. 122 ff
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1 Grundlagen des Strafvollzugs
- wahrend der StrafverbiiBung insbesondere die generelle Uberwachung dahin gehend, dass Art und Dauer des VoUzugs den sanktionsrechtlichen Festsetzungen des Gerichts entsprechen; - das Verfahren zur Aussetzung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewahrung. 11
Die Strafvollstreckung obliegt im allgemeinen Strafrecht gem. § 451 StPO der Staatsanwaltschaft. 1st das Urteil rechtskraftig geworden und vom Urkundsbeamten eine VoUstreckbarkeitsbescheinigung erteilt, hat sie unverziiglich die Vollstreckung einzuleiten. Bei Nichtaussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewahrung und dem Fehlen von Strafaufschubgriinden i.S.d. §§ 455 und 456 StPO ladt die Vollstreckungsbehorde den auf freiem FuB befindHchen Verurteilten zum Strafantritt, wenn ein geeigneter Haftplatz zur Verfiigung steht (§ 455a StPO). Stellt er sich nicht, ist sie nach § 457 Abs. 2 S. 1 StPO befugt, einen Vorfiihrungs- oder Haftbefehl zu erlassen. Befindet sich der Verurteilte bereits in behordhcher Verwahrung (z.B. in Untersuchungshaft), veranlasst die Staatsanwaltschaft dessen Uberfuhrung in die zustandige Vollzugsanstalt, § 28 Abs. 1 StVollStrO. Die im Rahmen der Strafvollstreckung notwendigen gerichtlichen Entscheidungen trifft gem. § 462a Abs. 1 StPO die Strafvollstreckungskammer beim Landgericht (Ausnahmen § 462a Abs. 2 bis 5 StPO: Zustandigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges). Aus § 463 StPO ergibt sich die weitgehende Anwendbarkeit der strafvollstreckungsrechtlichen Normen auf die Vollstreckung von MaBregeln der Besserung und Sicherung.
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Freiheitsentziehende Kriminalsanktionen werden nicht nur vollstreckt, sondem auch vollzogen. Geht es bei der Strafvollstreckung vor allem um das O b der Sanktionsverwirklichung, umfasst der StrafvoUzug den Bereich von der Aufnahme des Verurteilten in die Vollzugsanstalt bis zu seiner Entlassung. Er betrifft die Art der praktischen Durchfuhrung des VoUzugs unter den organisatorischen Bedingungen der jev^eiligen Institution - das Wie. Strafvollstreckungsrechtliche und strafvollzugsrechtliche MaBnahmen und Entscheidungen beeinflussen damit w^ahrend der Dauer des Freiheitsentzugs auf getrennten Ebenen die Realisierung der Unrechtsreaktion, wobei das Strafvollstreckungsrecht insbesondere in verfahrensrechtlicher Hinsicht gestaltend in den StrafvoUzug eingreift.^ Unter d3mamischen Aspekten stellt der StrafvoUzug zv^ar eine Phase der Sanktionierung dar, die schon mit der gesetzlichen Strafdrohung beginnt und vom Ermittlungsverfahren iiber die Verurteilung des Taters sov^ie die Urteilsvollstreckung bis bin zum Vollzug der Sanktion reicht. Anders als der Bereich der Strafvollstreckung gehort der des Strafvollzugs aber nicht zum Strafverfahrensrecht. Er stellt auch keinen Bestandteil des materiellen Strafrechts dar, denn das Strafgesetzbuch enthalt kerne Rechtsgrundlage des Sanktionsvollzugs, sondem rechtliche Voraussetzungen der Verhangung freiheitsentziehender Folgen. Das StrafvoUzugsrecht bildet daher neben materiellem und formellem Strafrecht eine eigenstandige Rechtsmaterie innerhalb des gesamten Kriminalrechts/
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Muller-Dietz, 1978, S. 28. Calliess, 1992, S. 9; Muller-Dietz, 1978, S. 23; Roxin, 1998, S. 470; a.A Maurach/ Zipf, 1992, S. 22 (Teil des Strafvollstreckungsrechts); siehe auch Isak/Wagner, 2004, S.2.
1.2 Gesetzliche Regelungen
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Diese Dreiteilung entspricht der uberkommenen Drei-Saulen-Theorie^ im Ge- 13 samtsystem der Strafrechtspflege: 1. das Gesetz droht die Strafe an, 2. der Strafrichter spricht die Sanktion aus, 3. der Staat vollzieht die verhangte Unrechtsreaktion. Den Saulen gemaB kommen verschiedenen Instanzen jeweils divergierende Aufgaben zu, welche auch in generalpraventive Gesetzgebung, vergeltende Rechtsprechung und resozialisierenden Strafvollzug aufgeteilt werden.^ Zwar bringt die Drei-Saulen-Theorie im Ergebnis zutreffend zum Ausdruck, dass der Strafvollzug als das Wie der Sanktionsverwirklichung einen selbstandigen Bereich gegeniiber materiellem Strafrecht und Strafverfahrensrecht darstellt. Sie erfasst aber den Sanktionierungsprozess insgesamt nur unvollstandig"^: Strafgesetze und deren richterliche Anwendung verfolgen auch spezialpraventive Zwecke; die Tatigkeit von Ermittlungsorganen bleibt ebenso auBer Betracht wie die der Bewahrungshilfe; vemachlassigt wird die Dynamik der Strafrechtsrealisierung.
1.2 Gesetzliche Regelungen Der Strafvollzug gehorte nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG bis zur tJbertragung der 14 Gesetzgebungskompetenz im Rahmen der sog. Foderalismusreform auf die Bundeslander durch Art. 1 Nr. 7 a) aa) des Gesetzes zur Anderung des Grundgesetzes - Foderalismusreformgesetz - 2006^ zum Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung. Der Bund hatte mit dem StrafvoUzugsgesetz von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht und die Materie abschlieBend normiert. Das Gesetz liber den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden MaBregeln der Besserung und Sicherung - StrafvoUzugsgesetz^ - trat am 1.1.1977 in Kraft. Seitdem wurden einzelne Vorschriften in den Bereichen MaBregelvollzug, sozialtherapeutische Anstalten, medizinische ZwangsmaBnahmen, Kontrolle des Schriftverkehrs, Gesundheitsfiirsorge, Arbeitsentlohnung und Datenschutz geandert bzw. neu eingefugt. Dies hat jedoch zu keinen substantiellen Modifikationen der dem StrafvoUzugsgesetz zugrunde liegenden Konzeption gefiihrt. Mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland am 3.10.1990 er- 15 weiterte sich gem. Art. 8 des Einigungsvertrags^^ der Geltungsbereich des Strafvollzugsgesetzes im Wesentlichen auch auf die funf neuen Bundeslander.^^ GemaB § 202 StVollzG wurden die von den Gerichten der fruheren DDR verhangten freiFiir viele Jescheck/Weigend, 1996, S. 16 ff Vgl. Bohm, 2003, S. 37. Krit. auch Bohm, 2003, S. 38; Kaiser/Schoch, 2002, S. 180; Miiller-Dietz, 1978, S. 24. BR-Drs. 178/06. BGBl. 11976,8. 58 Iff BGBl. II 1990, S. 875 ff Eingehend dazu Bolter, 1990, S. 323 ff
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1 Grundlagen des Strafvollzugs
heitsentziehenden Sanktionen den entsprechenden bundesdeutschen Unrechtsreaktionen gleichgestellt, so dass die Vollziehung rechtskraftig erkannter Freiheitsund Haftstrafen nach den Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes erfolgte. Die im Einigungsvertrag noch ausgeklammerte Ausdehnung der Sichemngsverwahrung auf das Gebiet der ehemaligen DDR wurde vom Gesetzgeber 1995 nachgeholt.^^ 16 § 1 StVollzG (erster Abschnitt) bestimmt als Anwendungsbereich des Strafvollzugsgesetzes „den Vollzug der Freiheitsstrafe in JustizvoUzugsanstalten und der freiheitsentziehenden MaBregeln der Besserung und Sicherung." Das Strafvollzugsgesetz enthalt die wesentlichen Normen des StrafvoUzugsrechts zur Durchfuhrung dieser Unrechtsreaktionen: Die Ausgestaltung des Vollzugs von Freiheitsstrafen und freiheitsentziehenden MaBregeln mit rechtlichen Regelungen der organisatorischen und personellen Voraussetzungen, der vollzugsbehordlichen Eingriffsbefugnisse und Leistungsverpflichtungen sowie der Rechtsstellung der Betroffenen. 17 Das Strafvollzugsgesetz unterteilt dabei den Strafvollzug in zwei Bereiche: - der Vollzug als Prozess, beginnend mit der Aufhahme des Verurteilten in die Anstalt bis hin zu seiner Entlassung in die Freiheit, - die VoUzugsstruktur, insbesondere die Anstaltsorganisation und das Vollzugspersonal. Die wesentlichen Regelungskreise des Vollzugs als Interaktionsprozess sind im zweiten Abschnitt des Strafvollzugsgesetzes iiber den Vollzug der Freiheitsstrafe normiert: die Vollzugsplanung (§§ 5-16); Unterbringung und Emahrung (§§ 17-22); Besuche, Schriftwechsel sowie Urlaub, Ausgang und Ausfuhrung aus besonderem Anlass (§§ 23-36); Arbeit, Ausbildung und Weiterbildung (§§ 37-52); Religionsausiibung (§§ 53-55); Gesundheitsftirsorge (§§ 56-66); Freizeit (§§ 67-70); soziale Hilfe (§§ 71-75); Besonderheiten des Frauenstrafvollzugs (§§ 76-80); Sicherheit und Ordnung (§§ 81-93); unmittelbarer Zwang (§§ 94-101); DisziplinarmaBnahmen (§§ 102-107); Rechtsbehelfe (§§ 108-121); Sozialtherapeutische Anstalten (§§ 123-126). Vorangestellt hat der Gesetzgeber in § 2 und § 3 die Vollzugsaufgaben sowie die wesentlichen Gestaltungsprinzipien. Er verpflichtet die Vollzugsanstalt zur Gewahrung der erforderlichen Hilfen zur Vorbereitung auf die soziale Wiedereingliederung und die kiinftige Fiihrung eines Lebens in sozialer Verantwortung. Mit dem Vollzug verbundene Beschrankungen der Gefangenenrechte miissen dem Rechtsstaatsprinzip gemaB im Strafvollzugsgesetz selbst festgelegt oder aber fur die Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Stoning der Anstaltsordnung unerlasslich sein (§ 4 Abs. 2). In seinem dritten Abschnitt enthalt das Strafvollzugsgesetz besondere Vorschriften iiber den Vollzug der freiheitsentziehenden MaBregeln der Besserung und Sicherung: Sichemngsverwahrung (§§ 129-135); Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt (§§ 136-138). Im vierten Abschnitt (§§ 139-166) finden sich die Regelungen iiber die Vollzugsbehorden: Arten und Einrichtungen der JustizvoUzugsanstalten (§§ 139-150); Aufsicht iiber die JustizvoUzugsanstalten (§§ 151-153) sowie deren innerer Aufbau (§§ 154-161); Anstaltsbeirate (§§ 162-165); Kriminologische Forschung im Strafvollzug (§ 166). Von Relevanz auch fur den Strafvollzug ist der funfte Titel des funften Abschnitts des Strafvollzugsgesetzes, der die bereichsspezifischen Regelungen zum Datenschutz enthalt (§§ 179-187). 12 BGBl. 11995, S. 818.
1.2 Gesetzliche Regelungen
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Die positive Gegenstandsumschreibung des § 1 StVollzG hat keinen abschlie- 18 Benden Charakter.^^ Das Strafvollzugsgesetz beinhaltet iiber die in § 1 genannten Sanktionsarten hinausgehend - insbesondere in seinem fiinften Abschnitt - Regelungen, die nicht den Strafvollzug betreffen: - §§ 171-175: Rechtsgmndlagen zum Vollzug von Ordnungs-, Sichemngs-, Zwangs- und Erzwingungshaft; - § 177: Arbeitsentgelt fiir Untersuchungsgefangene; - § 178: Anwendung unmittelbaren Zwangs durch Justizvollzugsbedienstete auBerhalb des Anwendungsbereichs des Strafvollzugsgesetzes; - §§13 Abs. 5, 122: Strafvollstreckungsfragen. Das Strafvollzugsgesetz deckt jedoch den Bereich des StrafvoUzugs nicht ganz- 19 lich ab. Von den freiheitsentziehenden MaBregeln der Besserung und Sicherung ist allein die Sicherungsverwahrung in §§ 129 bis 135 abschlieBend geregelt. Hinsichtlich der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bzw. in einer Entziehungsanstalt beschreiben §§ 136 und 137 lediglich die Vollzugsziele; § 138 verweist - abgesehen von den Kosten der Unterbringung (§ 50), dem Pfandungsschutz des LFberbriickungsgeldes (§51 Abs. 4 und 5) und der Entlassungsbeihilfe (§ 75 Abs. 3) sowie den Vorschriften des gerichtlichen Rechtsschutzes (§§ 109121) - auf die landesrechtlichen Bestimmungen der Psychisch-Kranken-Gesetze, Unterbringungsgesetze bzw. MaBregelvoUzugsgesetze. Zum Vollzug der Jugendstrafe finden sich im Strafvollzugsgesetz nur §§176 20 und 178: Arbeitsentgelt und Anwendung unmittelbaren Zwangs. Im Ubrigen gelten fiir den Jugendstrafvollzug die §§ 91, 92, 110 und 115 JGG und §§23 ff. EGGVG sowie die von den Landesjustizverwaltungen bundeseinheitlich vereinbarten Verwaltungsvorschriften zum Jugendstrafvollzug (VVJug), welche unter Beriicksichtigung jugendstrafrechtlicher Besonderheiten im Wesentlichen den Regelungen des Strafvollzugsgesetzes entsprechen. Dem vorrangigen spezialpraventiven Ziel des Jugendstrafvollzugs steht es dabei aber entgegen, die fiir den Erwachsenenvollzug konzipierten Normen generell auf den Vollzug der Jugendstrafe entsprechend anzuwenden.^"^ Aufgrund Rechtsfolgenverweisung findet das Strafvollzugsgesetz nach § 92 Abs. 2 JGG auf zur Jugendstrafe Verurteilte Anwendung, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, sich nicht mehr fiir den Jugendvollzug eignen und deshalb durch Entscheidung des Jugendrichters als Vollstreckungsleiter ihre Strafe in einer Anstalt fiir Erwachsene verbiiBen. Der militarische Strafarrest i.S.d. § 9 WStG wird - solange der Verurteilte 21 Soldat ist, d.h. aufgrund von Wehrpflicht oder freiwilliger Verpflichtung in einem Wehrdienstverhaltnis steht - der Bundeswehrvollzugsordnung (BwVollzO) gemaB von Behorden der Bundeswehr selbst durchgefiihrt.^^ Steht umgekehrt nach dem Ausscheiden des Verurteilten aus der Bundeswehr noch militarischer Strafarrest Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 1 Rdn. 2. BVerfG, Urteil v. 31.5.2006 - 2 BvR 1673/04; AK-Feest/Lesting, 2006, § 1 Rdn. 9; Eisenberg, 2006, § 91 Rdn. 12 f; Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 1 Rdn. 7; waiter Calliess/ Muller-Dietz, 2005, § 1 Rdn. 8. Siehe IsakAVagner, 2004, S. 174 ff
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1 Grundlagen des Strafvollzugs
zur Vollstreckung an, ist dieser, dem VoUzug einer Freiheitsstrafe weitgehend angeglichen nach §§167 bis 170 StVollzG in der JustizvoUzugsanstalt zu verbiiBen. GemaB § 5 Abs. 2 WStG kann die Bundeswehr jedoch auf Ersuchen der Vollstreckungsbehorde auch gegen Soldaten verhangte Freiheitsstrafen von nicht mehr als sechs Monaten Dauer vollziehen. Dies betrifft sowohl vormilitarische Delikte als auch Straftaten wahrend des Wehrdienstverhaltnisses. Die Strafe wird dann nicht in der JustizvoUzugsanstalt, sondem in Einrichtungen der Bundeswehr wie militarischer Strafarrest voUzogen.^^
1.3 Verfassungsrechtliche Prinzipien 22 Bestimmende Bedeutung fiir die Vollzugsgestaltung und die Rechtsstellung der von freiheitsentziehenden MaBnahmen Betroffenen erlangen iiber die genannten gesetzlichen Regelungen hinaus die verfassungsrechtlichen Grundprinzipien. Dies gilt hinsichtlich des Verhaltnisses zwischen Inhaftierten bzw. Untergebrachten und dem Staat fur den Grundrechtskatalog der Art. 1 bis 19 und 104 GG. Die auBeren Bedingungen sowie die Einwirkungen auf den Verurteilten haben zudem den Grundsatzen des demokratischen und sozialen Rechtsstaats (Art. 20 und 28 GG) zu entsprechen. Schon das Vollzugsziel der Befahigung des Gefangenen zu einer sozial verantwortlichen Lebensfiihrung ohne weitere Straftaten (§2 S. 1 StVollzG) leitet sich unmittelbar aus der Verfassung ab. Es folgt aus dem Gebot zur Achtung der Menschenwurde und dem Sozialstaatsprinzip.^^ Auf das Sozialisationsziel gestiitzt kommt es jedoch auch zu Grundrechtseinschrankungen.^^ § 196 StVollzG benennt insoweit ausdnicklich Art. 2 Abs. 2 S. 1 und 2 GG sowie Art. 10 Abs. 1 GG.^^ Freiheitsbeschrankungen des Inhaftierten ergeben sich zudem aus verfassungsunmittelbaren und verfassungsimmanenten Schranken, durch Regelungsvorbehalte und mit dem Eingriff in das Freiheitsgrundrecht zwangslaufig verbundene Annexwirkungen. 23 Der VoUzug freiheitsentziehender Unrechtsreaktionen in den Institutionen birgt vor allem Gefahrdungspotentiale fiir das Grundrecht der Menschenwiirde (Art. 1 Abs. 1 GG).^°Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt betont, dass die Verpflichtung der staatlichen Gewalt zu Achtung und Schutz der Wiirde des Menschen auf den Strafvollzug bezogen bedeutet: Dem Gefangenen miissen die grundlegenden Voraussetzungen individueller und sozialer Existenz des Menschen auch in der Haft erhalten bleiben.^^ Damit sind Rechtsbeschrankungen im Freiheitsent16 17 18 19 20
Dazu Scholz/Lingens, 2000, § 5 Rdn. 6. DazuKap. 3.1.1.1. Siehe in Kap. 3.5.2.1. Dazu Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, § 196. Dazu Bemmann, 1998, S. 123 ff.; Feest/Bammann, 2000, S. 61 ff; v. Hinuber, 1994, S. 212ff.; Luderssen, 1997, S. 179ff.; Muller-Dietz, 1994a; ders., 1994b, S. 43 ff.; Wulf, 1996,8. 228 ff BVerfGE 45, S. 228; BVerfG, StrVert 1993, S. 487; BVerfGE 109, S. 150.
1.3 Verfassungsrechtliche Prinzipien
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zug nicht nur durch Art. 2 Abs. 1 GG und das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG gebundene MaBnahmen, sie finden gerade in den Forderungen des Art. 1 Abs. 1 GG ihre uniiberwindbare Schranke.^^ Da das Strafvollzugsgesetz den Vollzugsbehorden vielfache Ermessens- und Beurteilungsspielraume gewahrt, ist die Gefahr einer „Minimalisierung von Gnmdrechtspositionen"^^ gegeben. Dass insoweit Handlungsbedarf besteht, zeigt eine Reihe von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, mit denen Anstaltsleitungen und Vollstreckungsgerichte zur Beachtung der Grundrechtspositionen Inhaftierter angehalten werden mussten.^"^ Die verfassungsgerichtlichen Entscheidungen betreffen nicht nur die Einhal- 24 tung grundlegender Voraussetzungen menschlicher Existenz (z.B. wenn ein Gefangener nach Ansicht der Anstaltsleitung dulden sollte, dass es in seinem Haftraum ofter zu Uberschwemmungen aus Toiletten und anderen Abfliissen kam).^^ Das Verfassungsgericht sieht sich insbesondere auch veranlasst, den aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG folgenden Anspruch auf einen moglichst effektiven Rechtsschutz im Freiheitsentzug durchzusetzen.^^ Daneben sieht das Gericht die Notwendigkeit, auf die Beachtung des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) hinzuweisen sei es, weil disziplinarische Eingriffe schuldunangemessen und unverhaltnismaBig sind^"^ oder das aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitende Gebot des Vertrauensschutzes nicht hinreichend beachtet wird.^^ Die Rechtsprechung betrifft zudem das Grundrecht auf freie Meinungsaufierung und Informationsfreiheit (Art. 5 GG)}^
22 BVerfG, ZfStrVo 2002, S. 177; Winchenbach, 1996, S. 12 f 23 Miiller-Dietz, 1994b, S. 49. 24 Dazu Kruis/Cassardt, 1996, S. 521 ff., 574 ff.; KruisAVehowsky, 1998, S. 593 ff; Leyendecker, 2002, S. 141 ff; Mtiller-Dietz, 1997a, S. 503 ff; Rotthaus K., 1996a, S. 3 ff 25 BVerfG, StrVert 1 9 9 3 , 8 . 4 8 7 . 26 Siehe BVerfG, StrVert 1993, S. 484; BVerfG, StrVert 1993, S. 487; BVerfG, StrVert 1994, S. 94; BVerfG, N S t Z 1994, S. 101; BVerfG, ZfStrVo 1995, S . 3 7 1 ; BVerfG, ZfStrVo 1996, S. 46; BVerfG, StrVert 1996, S. 4 4 5 ; BVerfG, N S t Z 1999, S. 428; BVerfG, N S t Z 1999, S. 532; BVerfG, N J W 2 0 0 1 , S. 3770; BVerfG, ZfStrVo 2002, S. 176; BVerfG, N S t Z 2004, S. 2 2 3 ; BVerfG, Beschluss v. 15.3.2006 - 2 B v R 917/05; BVerfG, Beschluss v. 27.5.2006 - 2 B v R 1675/05. 27 BVerfG, StrVert 1994, S. 437; BVerfG, ZfStrVo 1995, S. 53. 28 BVerfG, N S t Z 1993, S. 300; BVerfG, N S t Z 1994, S. 100; BVerfG, StrVert 1994, S. 432; BVerfG, N S t Z 1996, S. 252. 29 BVerfG, StrVert 1993, S. 600; BVerfG, N J W 1994, S. 244; BVerfG, StrVert 1994, S . 4 3 4 ; BVerfG, StrVert 1994, S. 437; BVerfG, ZfStrVo 1995, S. 302; BVerfG, ZfStrVo 1996, S. I l l ; BVerfG, ZfStrVo 1996, S. 174; BVerfG, ZfStrVo 1996, S. 175; BVerfG, ZfStrVo 1996, S. 244.
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1 Grundlagen des StrafvoUzugs
1.4 Internationale Rechtsquellen 25 Der Strafvollzug ist nicht nur innerstaatlich geregelt; neben der nationalen erlangt eine intemationale Ebene des Strafvollzugsrechts wachsende Relevanz.^^ Hierbei handelt es sich um national iibergreifende Regelungen zur Verbessenmg der rechtlichen Situation der Gefangenen, die teilweise in bundesdeutsches Recht umgesetzt wurden oder bei der Anwendung des deutschen Vollzugsrechts zumindest erganzend bzw. als Auslegungshilfen zu beriicksichtigen sind.^^ Wesentliche Quellen des intemationalen Strafvollzugsrechts sind: 26 - Die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) von 1950, durch Bundesgesetz vom 7.8.1952^^ in nationales Recht transformiert, die als europaische Ubereinkunft unter Bezugnahme auf die UNO-Menschenrechtserklarung Individualrechte der Burger gewahrleistet und damit auch Grenzen fiir staatliche Eingriffe in die Rechtssphare der im Freiheitsentzug befindlichen Personen aufstellt. Fiir den Bereich des StrafvoUzugs relevant^^ sind von den Grundrechten der EMRK insbesondere Art. 2 (Recht auf Leben), Art. 3 (Verbot der Folter und anderer unmenschlicher oder emiedrigender Strafe oder Behandlung), Art. 4 (Verbot der Zwangs- und Pflichtarbeit), Art. 5 (Recht auf Freiheit und Sicherheit), Art. 6 (Recht auf ein rechtsstaatliches Verfahren), Art. 8 (Achtung des Privatlebens), Art. 9 Abs. 2 (Gedankens-, Gewissens- und Religionsfreiheit), Art. 10 Abs. 1 (freie MeinungsauBerung), Art. 11 Abs. 2 (Vereinigungsfreiheit), Art. 12 (freie Wahl des Ehegatten), Art. 13 (Beschwerderecht) und Art. 14 (Gleichheit vor dem Gesetz). 27 - Die Mindestgrundsatze fiir die Behandlung der Gefangenen nach einer EntschlieBung des Wirtschafts- und Sozialrats der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1957, die auf Beschliissen des 1955 abgehaltenen Ersten Kongresses der Vereinten Nationen iiber Verbrechensverhiitung und Behandlung Straffalliger beruhen.^"^ Diese sog. Minima erlangten keine Rechtsverbindlichkeit. Sie stellen bis heute geltende Empfehlungen dar, die als moralisch verpflichtend^^ Beachtung finden. 28 - Der Internationale Pakt iiber biirgerliche und politische Rechte (Vereinte Nationen) von 1966, im Gegensatz zu den Mindestgrundsatzen von 1957 fur den Unterzeichnerstaat Bundesrepublik Deutschland geltendes Recht^^, der das Verbot von Folter und anderer unmenschlicher oder emiedrigender Behandlung verbindlich festschreibt und in Art. 10 Fragen des StrafvoUzugs wie den Voll-
30 3» 32 33 3"^
Dazu Kaiser, 1999, S. 25 ff; Muller-Dietz, 2002, S. 115 f Calliess/Muller-Dietz, 2005, Einl. Rdn. 46 ff BGBl. II1952,S. 685ff Ausfuhrlich Laubenthal, 2002c, S. 179 ff Dazu Jescheck, 1955, S. 137 ff (mit Abdruck der Beschliisse in deutscher Ubersetzung). 35 Bohm, 1986,S.24. 36 BGB1.II1973, S. 1534.
1.4 Internationale Rechtsquellen
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zugszweck der Besserung und sozialen Reintegration der Insassen sowie die getrennte Unterbringung jugendlicher und erwachsener Verurteilter betrifft. Die Europaischen StrafvoUzugsgrundsatze 1987^^ des Ministerkomitees des 29 Europarats, eine den gewandelten sozialen Verhaltnissen und Gegebenheiten im Vollzug entsprechende iiberarbeitete Fassung der Europaischen Mindestgrundsatze fiir die Behandlung der Gefangenen von 1973^^, welche wiederum auf die sog. Minima der Vereinten Nationen zuriickgehen. Die European Prison Rules 1987 betonen eine menschenwiirdige, rechts- und sozialstaatliche Vollzugsgestaltung. Sie bleiben aber nur Empfehlungen und begriinden keine subjektiven Rechte und Pflichten des Gefangenen. Dariiber hinaus existieren weitere nicht rechtsverbindliche Empfehlungen des Europarats, die sich mit Angelegenheiten des Strafvollzugs befassen.^^ Diese erganzen die European Prison Rules. Der Erwahnung wert ist insbesondere die Empfehlung R (98) 7 des Ministerkomitees iiber ethische und organisatorische Aspekte der gesundheitlichen Versorgung^^, in der Vorschlage fur die Ausgestaltung der Gesundheitsfiirsorge mit dem Ziel der Angleichung der institutionellen an die iibrige medizinische Versorgung unterbreitet sowie - im Anschluss an die Empfehlung R (93) 6"^^ Ratschlage fiir die Behandlung der mit gefahrlichen iibertragbaren Krankheiten infizierten Personen erteilt werden. Die Empfehlung R(97) 12"*^ befasst sich mit den Pflichten der Bediensteten, welche die Menschenwiirde der Gefangenen respektieren und diese nicht diskriminieren oder misshandeln sollen. Das Europaische Ubereinkommen zur Verhiitung von Folter und un- 30 menschlicher und erniedrigender Behandlung und Strafe von 1987, in Kraft seit 1.2.1989"^^, das den Schutz Inhaftierter vor menschenunwiirdigen MaBnahmen durch ein preventives Besuchssystem zu verstarken sucht: Einem unabhangigen Expertenausschuss (sog. Antifolterausschuss) steht das Recht zu jederzeitigen Anstaltsbesuchen zu."*"^ Der Ausschuss erstellt dann Berichte iiber seine Beobachtungen und Erkenntnisse, die auch Empfehlungen zu einer Verbesserung des Schutzes der Inhaftierten enthalten. Das Abschlussabkommen des Wiener KSZE-Folgetreffens von 1989"*^, das - 31 unbeschadet seiner fehlenden Rechtsverbindlichkeit - die Teilnehmerstaaten ^^ European Prison Rules, 1987; dazu Neubacher, 1999, S. 212; krit. Doleisch, 1989, S. 35 ff 3^ Abgedruckt in: Solbach/Hofmann, 1982, S. 183 ff ^^ Sammlung in Bundesministerium der Justiz/Bundesministerium fur Justiz/Eidgenossiches Justiz- und Polizeidepartement, 2004, S. 29 ff ^° Im Internet http://cm.coe.int/ta/rec/1998/98r7.htm. ^^ http://cm.coe.int/ta/rec/l 993/93r6.htm. "^2 http://cm.coe.int/ta/rec/1997/97rl2.htm. 43 BGBl. II 1989, S. 946. ^"^ Zu Mandat, Organisation und Besuchsverfahren des Committee for the Prevention of Torture: Alleweldt, 1998, S. 245 ff; Bank, 1996, S. 87 ff; Best, 1999, S. 55 ff; Kaiser, 1996a, S. 777 ff; ders., 1999, S. 25 ff; Koeppel, 1999, S. 188 ff; Morgan/Evans, 2003; Neubacher, 1999, S. 213 ff 4^ Siehe Tretter, 1989, S. 79 ff (mit Abdruck des Abkommenstextes).
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1 Gmndlagen des Strafvollzugs zur Gewahrleistung einer menschlichen Behandlung der Gefangenen verpflichtet.
1.5 Strafvollzug als Landersache 32 Bereits vor der Ubertragung der Gesetzgebungskompetenz fiir den Strafvollzug auf die Bundeslander infolge Anderung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG gab es keinen Bundesstrafvollzug. Die Verwaltungshoheit liegt insoweit bei den Bundeslandem. Da es keine besondere verfassungsrechtliche Regelung iiber die Austibung staatlicher Befugnisse und die Aufgabenerfiillung auf dem Gebiet des Sanktionsvollzugs gibt, fiihren nach Art. 30 i.V.m. Art. 83 GG die Lander das StrafvoUzugsgesetz als eigene Angelegenheit aus. 33 Die einzelnen Bundeslander verfiigen - gebunden an das Strafvollzugsgesetz iiber eigene Vollzugssysteme, was insbesondere in der divergierenden personellen und sachlichen Ausstattung der Anstalten zum Ausdruck kommt. Tabelle 1.1. Zahl der Justizvollzugsanstalten und Belegungsfahigkeit am 31.8.2005 nach Bundeslandem
Baden-Wiirttemberg Bayem Berlin Brandenburg Bremen Hamburg Hessen Mecklenburg-Vorpommem Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Saarland Sachsen Sachsen-Anhalt Schleswig-Holstein Thiiringen Gesamt
Anstalten
Belegungs__J^^ili^E!
20 6 9 7 1 8 17 6 17 37 10 3 10 8 6 7
8 432 11724 5 092 2 427 3 110 5 640 1661 7 400 18 453 3 871
202
79 780
748
904 4 205 2585 1727 1 801
Quelle: Statistisches Bundesamt, Bestand der Gefangenen und Verwahrten in den deutschen Justizvollzugsanstalten, 2005.
1.5 Strafvollzug als Landersache
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§ 150 StVoUzG ermachtigt die Lander zur Bildung iibergreifender Vollzugs- 34 gemeinschaften/^ Dies gibt gerade kleineren Bundeslandem die Moglichkeit, im Hinblick auf eine differenziertere Behandlung Gefangene in besonderen Anstalten zusammenzufassen, bewirkt andererseits aber eine raumlich weitere Entfemung des Vemrteilten von seinen Bezugspersonen. 1.5.1 Verwaltungsvorschriften fur den Justizvollzug Da die Bundeslander den Strafvollzug selbst verwalten, besitzen sie in ihren je- 35 weiligen Zustandigkeitsbereichen auch die Kompetenz zum Erlass von Verwaltungsvorschriften fiir den Justizvollzug. Mittels besonderer Vereinbarungen haben die Landesjustizverwaltungen sich um iibereinstimmende Regelungen auch unterhalb der Gesetzesebene bemiiht. Bundeseinheitlich erlassen wurden:"^^ - Verwaltungsvorschriften zum Strafvollzugsgesetz (WStVollzG), - Dienst- und Sicherheitsvorschriften fiir den Strafvollzug (DSVollz), - Vollzugsgeschaftsordnung (VGO). Daneben existieren in den einzelnen Bundeslandem unterschiedliche erganzende Verwaltungsvorschriften"^^ bzw. Ausfuhrungsvorschriften"^^, Erlasse und Rundverfiigungen zu Einzelbereichen (z.B. Besuchsverkehr, Uberwachung des Schriftwechsels, Anstaltsbeirate usw.). Die Verwaltungsvorschriften - insbesondere die VVStVoUzG - pragen die 36 Vollzugspraxis zu einem erheblichen Teil. Sie stellen jedoch nur verwaltungsinterne Entscheidungshilfen dar, die den Handlungsspielraum des Gesetzes konkretisieren und an welche die den Landesjustizverwaltungen nachgeordneten VoUzugsbehorden im Rahmen der Zielsetzungen des StrafvoUzugsgesetzes und der allgemeinen Rechtsgrundsatze gebunden sind.^^ Als innerbehordliche Entscheidungshilfen entfalten sie keine unmittelbare Bindungswirkung fiir die Gerichte. Die VVStVollzG konnen eine doppelte Funktion haben.^^ Zum einen dienen 37 sie der Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen (z.B. Flucht- und Missbrauchsgefahr in § 11 Abs. 2 StVoUzG) auf der Tatbestandsebene. Sie beinhalten dabei keine gesetzlichen Merkmalen entsprechenden zusatzlichen Gesichtspunkte. Vielmehr sind die Kriterien der WStVollzG lediglich als Indizien fiir das Vorlie-
Dazu Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, § 150. Abgedruckt in: Hellstem, 2003. Z.B. Bayerische Verwaltungsvorschriften zum Strafvollzugsgesetz (BayVVStVollzG), (Az.: 4430-VIIa-4035/2002). Z.B. Hessische Ausfiihrungsbestimmungen (HAB) zum Strafvollzugsgesetz - RdErl v. 12.9.2001 (JMBl. 2001, S. 646). Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 13 Rdn. 8. Dazu Muller-Dietz, 1981a, S. 409 ff; Schwind/Bohm/Jehle/Ullenbmch, 2005, §13 Rdn. 15; Treptow, 1978, S. 2229 f
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1 Grundlagen des Strafvollzugs
gen der gesetzlichen Voraussetzungen im Einzelfall heranzuziehen.^^ Neben dem Charakter als tatbestandsinterpretierende Auslegungsrichtlinien betreffen Verwaltungsvorschriften zum anderen - wenn ein entsprechender Spielraum eroffnet ist als Ermessensrichtlinien die Ermessensaustibung. Sie konkretisieren das behordliche Ermessen und bewirken innerhalb des gesetzlichen Rahmens eine Vereinheitlichung der voUzuglichen Entscheidungen und MaBnahmen zur Vermeidung von Ungleichbehandlungen.^^ Die innerbehordliche Verrechtlichung darf allerdings zu keiner schematischen Anwendung der Entscheidungshilfen fiihren. Sie entbindet nicht von der Verpflichtung zu einer konkret einzelfallbezogenen Priifung und Begnindung^"^, was im Ergebnis durchaus ein Abweichen vom Inhalt einer Verwaltungsvorschrift zur Folge haben kann.^^
1.5.2 Grenzen einer Vollzugsprivatisierung 38 Die verfassungsrechtliche Zuordnung des Strafvollzugs zur konkurrierenden Gesetzgebung und die Ausfiihrung des Strafvollzugsgesetzes nach Art. 83 GO als Landersache besagen nichts iiber die Gestaltungsformen des Vollzugs im Einzelnen und schlieBen daher eine tJbertragung der damit verbundenen Verwaltungsaufgaben durch die Bundeslander auf Private nicht aus. Dennoch stieBe die Einfiihrung von kommerzialisierten Privatgefangnissen zur Reduzierung von Vollzugskosten^^, Uberwindung von staatlicher Personalknappheit und Anstaltsiiberbelegungen auf rechtliche Grenzen. 39
In den USA existiert im Bereich des Strafvollzugs bereits eine Reihe von stationaren Einrichtungen, die von privaten Untemehmen betrieben werden.^'^ Je nach Organisationsform bezahlt dort der Staat an den Untemehmer eine feste Miete pro Gefangenem und Tag, Oder der Betreiber unterhalt die Anstalt auf eigenes Risiko und erzielt seinen Gewinn aus dem Verkauf der von seinen Gefangenen hergestellten Produkte. Zuriickzufuhren ist diese in den achtziger Jahren eingeleitete Entwicklung auf die Uberfullung der staatlichen Gefangnisse und den gerichthchen Druck auf die Bundesstaaten, gegen Missstande in den Anstalten vorzugehen sowie fur einen Minimalstandard an Lebensbedingungen Sorge zu tragen.^^ Die Errichtung neuer, sauberer und besser ausgestatteter Privatgefangnisse in den USA HeB die Diskussion uber eine Vollzugsprivatisierung auch
^2 CalHess/Muller-Dietz, 2005, § 13 Rdn. 8. 53 BVerwGE31,S. 212f 5^ OLG Frankfurt, ZfStrVo 1981, S. 122; OLG Hamm, NStZ 1984, S. 143; OLG Celle, Nds. Rpfl. 2005, S. 122. 55 O L G Hamburg, NStZ 1981, S. 237. 56 Dazu Kulas, 2001, S. 7 ff; Lindenberg, 1996, S. 89 ff; krit. Cornel, 2006, S. 7 ff 57 Siehe Bosch/Reichert, 2001, S. 211 ff; Gasch, 2004, S. 262 ff; Giefers-Wieland, 2002; Kaiser, 2002, S. 873 ff; Kulas, 2 0 0 1 , S. 118 ff; Lilly, 1999, S. 78 ff; Magliana, 2005, S. 7 5 f f ; Meyer F., 2004, S. 279 ff; Nibbeling, 2 0 0 1 , S. 85 ff; Weigend, 1989, S. 292 ff; ausfuhrlich zur Entwicklung im gesamten angelsachsischen Bereich Harding, 1997.
58 Vgl. Jung H., 1988, S. 377; Nibbeling, 2001, S. 65 ff
1.5 Strafvollzug als Landersache
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nach Europa ubergreifen. Vor allem in GroBbritannien^^ und in Frankreich^° sind entsprechende Tendenzen erkennbar. Ende 1997 befanden sich weltweit bereits 85 201 Haftplatze in privater Hand, davon allerdings 91 % in Nordamerika.^' Im Jahr 1999 belief sich die Anzahl der privat geleiteten Strafanstalten allein in den USA auf 137, welche iiber 93 789 Haftplatze verfiigten.^^ Neuere Zahlen deuten jedoch darauf hin, dass die Privatisierungsrate im US-amerikanischen Strafvollzug ihren Zenit bereits iiberschritten hat. So befanden sich zum 30.6.2001 6,6 % der Inhaftierten in privaten Vollzugsanstalten, zum 30.6.2002 nur noch 6,3 %. Zugleich nimmt die Intensitat von Berichten iiber die Defizite privater Einrichtungen zu.^^ In Deutschland haben derartige Entwicklungen einer Vollzugsprivatisierung im Sinne einer kommerziellen Leitlinie dagegen bislang weniger Resonanz gefunden, obwohl auch hier eine kostengiinstigere und effizientere Vollzugsgestaltung angestrebt wird.^'* Im Lichte der nordamerikanischen Erfahrungen bleibt einstweilen ungeklart, ob Vollzugsprivatisierung eine nennenswerte Kostenerspamis zur Folge hat.^^ So miissen die staatlichen Mehrkosten, die durch die Uberwachung der privaten Vollzugstatigkeit entstehen, in die Kalkulation mit einflieBen.^^ Vollends offen ist, ob - etwa durch eine bessere Motivation nicht beamteter Bediensteter - die Effizienz des Vollzugs eine Steigerung erfahren wird. Femer ware zu iiberlegen, ob nicht auch staatliche Institutionen bessere Wirtschaftlichkeit erreichen konnen^^, etwa durch die Anwendung neuer Methoden im Zuge der allgemeinen Verwaltungsmodemisierung.^^ Jedoch kennt auch das deutsche Strafrecht Moglichkeiten privater Beteiligung. Beispielsweise lasst sich das Institut der Zurtickstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG durchaus als privatrechtlich ausgestaltete Form der Strafhaft interpretieren: Danach darf die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren zuriickgestellt werden, wenn der Straftat eine Drogenabhangigkeit zugrunde liegt und der Verurteilte sich in eine therapeutische Behandlung begibt.^^ Die in einer (privaten) Therapieeinrichtung verbrachte Zeit wird dann auf die Freiheitsstrafe angerechnet. Im Juli 1996 wurde in Waldeck bei Rostock die erste von einem privaten Investor errichtete Justizvollzugsanstalt Deutschlands eroffnet. Das Bundesland Mecklenburg-Vorpommem hat die Anlage fur zunachst 30 Jahre fur 7 Millionen DM pro Jahr gemietet.'^^ 1996 begann ein zweiter privater Gefangnisneubau im Bundesland Mecklenburg-Vorpommem in Neu-Strelitz.'^^ Derartige Modelle wurden bei der Errichtung einer Anstalt in Gel59 Siehe Kulas, 2001, S. 123 ff; Matthews, 1993, S. 32 ff; Ryan/Sim, 1998, S. 185 ff; Salewski, 2001; Smartt, 1995, S. 290 ff; dies., 2001, S. 67 ff; dies., 2001a, S. 8 ff; dies., 2002, S. 50 ff; Wagner Ch., 2000, S. 170. 60 Dazu Maehcke B., 1999, S. 75. 61 Vgl.Nibbeling,2001,S. 86. 62 Giefers-Wieland, 2002, S. 58. 63 Siehe Magliana, 2005, S. 92. 64 Siehe dazu Koepsel, 2001, S. 151 f; Wohlgemuth, 2002, S. 61; Wrage, 1997, S. 14 ff 65 Skeptisch Bosch/Reichert, 2001, S. 30 ff; Kaiser/Schoch, 2002, S. 196; Magliana, 2005, S. 82; Walter M., 1999a, S. 29; anders Aumiiller, 2001, S. 62 ff; Kulas, 2001a, S. 35 f; Lange, 2001, S. 900 f; Olschok, 2001, S. 115 f ^^ Zum Ganzen Magliana, 2005, S. 90; Nibbeling, 2001, S. 154 ff 67 Augustin, 2002, S. 111.
68 Bohm, 2003, S. 45. 69 Dazu Dammann, 1985, S. 97 ff; Egg, 1988, S. 21 ff; siehe auch Kap. 5.5.3. 70 Siehe ZfStrVo 1996, S. 369; AK-Huchting/Lehmann, 2006, vor § 139 Rdn. 6; Bur-
meister, 1997, S. 11 ff 71 Vgl. FAZ Nr. 228 v. 30.9.2005, S. VI7.
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1 Grundlagen des Strafvollzugs
senkirchen nachgeahmt.^^ Auch in Bayem soil ein Gefangnisneubau in Miinchen durch einen privaten Investor geplant, errichtet und vorfinanziert werden."^^ Das lasst sich allerdings mit einer Privatisierung nach angelsachsischem Vorbild nicht gleichsetzen, denn in den eigentlichen Anstaltsbetrieb ist der private Investor nicht involviert. Insoweit dient dieses Privatisierungsmodell rein fiskalischen Zwecken.^"^ 40
Sektorale Bereiche des Strafvollzugs sind bereits seit langerem einer Privatisierung zuganglich.'^^ So lassen Untemehmen in den Justizvollzugsanstalten von den Inhaftierten Waren produzieren (vgl. § 149 Abs. 4 StVollzG); Strafgefangene gehen im Wege der AuBenbeschaftigung und des Freigangs einer Arbeit in extemen Firmen nach. Fachpersonen (v^ie Arzte oder Psychologen) v^erden zur Durchfiihrung von Gesundheitsfursorge bzw. einzelner spezieller BehandlungsmaBnahmen aufgrund privatrechtlichen Vertrags im Vollzug nebenamtlich tatig (§ 155 Abs. 1 S. 2 StVollzG). Das Bundesland Hessen hat am 7.12.2005 in Htinfeld eine in vv^eiter gehendem Umfang privatisierte Anstalt eroffnet, in der die Bereiche der Versorgung, Ausbildung, Freizeitgestaltung und soziale Betreuung nebst Teilen der Verwaltung iibertragen sind, v^ovon sich das Land Hessen eine Einsparung von etwa 15 % der Gesamtbetriebskosten, das sind 660.000,- EUR jahrlich, verspricht."^^ 41 Die Privatisierung einer kompletten Strafanstalt"^"^ oder gar eines ganzen Vollzugssystems im Siime von Kommerzialisierung wiirde dagegen eine andere, neue Qualitat erlangen und mit dem Rechtsstaatsprinzip und dem Sozialstaatsauftrag des Grundgesetzes kollidieren. Denn der Staat hat innerhalb der verfassungsorganisatorisch bereitgestellten Moglichkeiten nicht das Recht, seine Verv^altung beliebig zu konstruieren und Verv^altungsbereiche auf Private zu iibertragen. Vielmehr ist der Zusammenhang von verfassungsrechtlichen Organisationsnormen und Grundrechtsgarantien zu beachten. Dies heiBt insbesondere, dass die Privatisierung kein Defizit an Rechtspositionen bewirken darf. Die Grenzlinien einer Privatisierung sind vor allem: - Schutz vor Rechtsverlust, - Erhaltung der Rechtssicherung."^^ 42
Lange Zeit wurde deshalb die Auffassung vertreten, die Beteiligung Privater an staatlichen Aufgaben miisse auf in ihrem administrativen Machtgehalt schvv^ache Dienstleistungen reduziert bleiben, also auf entscheidungsarmes Verv^altungshandeln."^^ Die Rechtspraxis blieb aber bei der Herausnahme von Dienstleistungen aus ^2 ^^ 74 ''^ ^' ^
Vgl. Salewski, 1999, S. 277; Smartt, 1999, S. 270 ff Pressemitteilung 129 des Bayer. Staatsministeriums der Justiz v. 4.9.2003. Hierzu Fliigge, 2000, S. 261; Kruis, 2000, S. 2. Dazu Bongartz, 2005, S. 25 ff; Krieg, 2001. Vgl. Bericht der Arbeitsgruppe „Privatisierung des Strafvollzugs", in: Der Vollzugsdienst Heft 2/2000, S. 20 ff; Kirsch, 2005, S. 128 ff; Kunze, 2003, S. 695 ff; Pressemitteilung des Hess. Ministeriums der Justiz v. 15.11.2005; Wagner Ch., 2000, S. 171 f 77 Fur zulassig halt dies Kulas, 2001, S. 142; ders., 2001a, S. 39. 78 Gunther, 2000, S. 309 f; Laubenthal, 2004b, S. 419; Ossenbiihl, 1971, S. 164 f; vgl. auch Kaiser/Schoch, 2002, S. 202. 79 Ossenbuhl, 1971, S. 201.
1.5 Strafvollzug als Landersache
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dem Kanon staatlicher Aufgabenerfullung nicht stehen. Uber die Privatisierung von Bahn, Post und Telekommunikationsdienstleistungen hinaus ist beispielsweise mit der Ubertragung von Gefahrenabwehraufgaben auf Flughafen- und Luftfahrtuntemehmen (§§ 19b, 20a LuftVG) der Bereich bloBer Leistungsverwaltung verlassen.^^ Eine Ubertragung auf Untemehmen als Betreiber von Justizvollzugsanstalten, 43 die dann kommerziell-gewinnorientiert die StrafverbiiBung organisieren und durchfiihren, wiirde aber das staatliche Gewaltmonopol unmittelbar tangieren, zu dessen klassischen Anwendungsbereichen gerade der Strafvollzug zahlt.^' Die mit dem staatlichen Gewaltmonopol einhergehenden Formalisierungen gehoren zu den Grundbedingungen des Rechtsstaats. Es kann deshalb prinzipiell nur eine 6ffentlich-rechtliche Organisationsform die Ausiibung des unmittelbaren Zwangs und der damit notwendigerweise verbundenen Beschrankungen in den rechtlichen Grenzen gewahrleisten. Das Jedermann zustehende Recht zur vorlaufigen Festnahme nach § 127 Abs. 1 StPO und zur Notwehr gem. § 32 StGB gegen rechtswidrige Angriffe bietet keine zureichende Befugnisgmndlage fiir eine Gewaltanwendung durch privates Anstaltspersonal.^^ Die in der Unfreiheit einer Strafanstalt rechtsstaatlich notwendige Grenzziehung zwischen Herrschaft und Freiheit - realisiert durch das 1977 in Kraft getretene Strafvollzugsgesetz - wiirde mit einer Vollzugsprivatisierung wieder in Frage gestellt. Dies gilt erst recht deshalb, weil die privaten Notrechte anders als offentlich-rechtliche Befugnisnormen nicht die VerhaltnismaBigkeit des Handelns verlangen.^^ Eine totale Privatisierung des Strafvollzugs hat damit jedenfalls als verfas- 44 sungswidrig zu gelten. Es bleibt dem Staat verwehrt, nur noch die Entscheidungen liber die Strafvollstreckung in eigener Verantwortlichkeit wahrzunehmen und im ijbrigen den Strafvollzug vollig dem privaten Unternehmer anheim zu geben.^"^ Ganz im Gegenteil wird far die Bereiche des offentlichen Rechts, in denen - etwa im Zuge der Postreform - die Verwaltungsprivatisierung bereits vorangeschritten ist, eine besondere Verpflichtung des Staates zu Privatisierungsfolgen verantwortender Tatigkeit bejaht. Man spricht insoweit in Anlehnung an die strafrechtliche Terminologie von einer Ingerenzpflicht.^^ Die Verantwortung des Staates zur Kon-
^^ Dazu BVerfG, NVwZ 1999, S. 177; Di Fabio, 1999, S. 591. «i Siehe auch Jung H., 1988, S. 383 f; ders., 1996, S. 72 ff; Krolls, 1997, S. 453; Lange, 2001, S. 904; a.A. Hoffmann-Riem, 1999, S. 428; Kulas, 2001, S. 142. «2 Laubenthal, 2004b, S. 419 f; a.A. Siekmann, 1997, S. 355. S3 Gramm, 1999, S. 341 f; ders., 2001, S. 434; Gusy/Luhrmann, 2001, S. 50. s^ So AK-Feest/Lesting, 2006, vor § 1 Rdn. 11; Arloth, 2001, S. 320; Arloth/Luckemann, 2004, § 155 Rdn. 2; Bonk, 2000, S. 437; Calliess/Muller-Dietz, 2005, Einl. Rdn. 45; § 155 Rdn. 2; Hessler, 1999, S. 39; Kruis, 2000, S. 5; wohl auch Schwind/Bohm/Jehle/ Rotthaus/Wydra, 2005, § 155 Rdn. 1; Nibbeling, 2001, S. 247; zur Situation beztiglich des MaBregelvollzugs siehe Baur, in: Kammeier, 2002, Rdn. CI 5; Kammeier, in: Kamtneier, 2002, Rdn. A 130; Ostendorf, 2006, S. 39; Willenbruch/Bischoff, 2006, S. 1776 ff; anders OLG Schleswig bei Ostendorf, 2006, S. 38 f s^ Dazu Hadamek, 2002, S. 137 ff m. w. Nachw.; vgl. auch Gusy, 2001, S. 7; Kruis, 2000, S. 4.
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1 Gmndlagen des Strafvollzugs
trolle der von ihm durchgefuhrten Privatisierung erscheint dabei umso starker, je mehr sich der betroffene Verwaltungsbereich als grundrechtsrelevant darstellt. Die grundrechtlichen Schutzpflichten des Staates fiir die von seinem Riickzug aus der Wahmehmung einer Aufgabe betroffenen Burger werden aktualisiert.^^ Angesichts der engen Beziige des staatlichen Strafvollzugs zu den von seiner Durchfiihrung in mannigfacher Weise betroffenen Grundrechten der Gefangenen treffen die zustandigen Behorden umfangreiche KontroU- und Uberwachungspflichten auch in den Bereichen, in denen eine Privatisierung des Vollzugs grundsatzlich nicht auf Bedenken stoBt. 45 Als verfassungsrechtlich zulassig wird man eine Organisationsweise anzusehen haben, in deren Rahmen das Betriebsmanagement der Anstalt einem privaten Betreiber obliegt, wahrend samtliche hoheitlichen Aufgaben - namentlich die Anwendung eines unmittelbaren Zwangs und die Verhangung von DisziplinarmaBnahmen - bei staatlichen Bediensteten verbleiben und die Allzustandigkeit des Anstaltsleiters (§ 156 Abs. 2 S. 2 StVoUzG) sich nicht angetastet findet.^'^ Gegenstand der von Privaten wahrgenommenen VoUzugsaufgaben diirften also Dienst- und Serviceleistungen sein, die keinen Rechtseingriff bedingen.^^ Zu beachten sind dabei auch die fur die Datentiberniittlung an Private geltenden Beschrankungen (§ 180 Abs. 5 StVoUzG).^^ Die Behandlungs- und Resozialisierungsaufgaben diirften sich aufgrund der verfassungsmaBigen Fundierung im Sozialstaatsprinzip ebenfalls als grundsatzlich privatisiemngsfest erweisen.^^ Das gilt umso mehr, als Eingriffe und BehandlungsmaBnahmen im VoUzugsalltag eng verflochten sind, etwa bei der Gewahrung von Vollzugslockerungen.^^ Die Wahrung der Allzustandigkeit des Anstaltsleiters erscheint schon deshalb geboten, um dem Gericht angesichts des weit gespannten Rahmens der nach §§109 ff StVollzG iiberpnifbaren Angelegenheiten einen zentralen Ansprechpartner zu erhalten. Hieraus ergeben sich aber sogleich neue Zweifel, ob eine trennscharfe Abgrenzung zwischen reinen Dienstleistungen und Rechtseingriffen iiberhaupt erfolgen kann bzw. eine derartige Vollzugsgestaltung Vorteile mit sich bringt. Die Verpflegung der Gefangenen etwa erscheint auf den ersten Blick als nicht mit Rechtsbeeintrachtigungen verbundene Serviceleistung. Gleichwohl ist dieser Bereich unter Umstanden auch einer gerichtlichen Kontrolle zuganglich.^^ 46 In jedem Fall wird es auch far die standige Ubertragung von Dienstleistungsaufgaben auf Private einer Gesetzesanderung bediirfen. Nach § 155 Abs. 1 S. 2 StVollzG konnen die der VoUzugsanstalt obliegenden Aufgaben nur „aus beson86 So Hadamek, 2002, S. 136 f ^^ Vgl. Bonk, 2000, S. 440; Laubenthal, 2004b, S. 421; NibbeHng, 2001, S. 249; femer Di Fabio, 1999, S. 591 f; restriktiver Gramm, 1999, S. 343. «« So Bonk, 2000, S. 438; siehe auch Wohlgemuth, 2002, S. 66 ff «9 AK-Weichert, 2006, § 180 Rdn. 44. 90 AhnHch Arloth/Luckemann, 2004, § 155 Rdn. 3; CalHess/Mtiller-Dietz, 2005, § 155 Rdn. 3 ; Gusy, 2 0 0 1 , S. 11 f, 19; a.A. Bonk, 2000, S. 442; Kulas, 2 0 0 1 , S. 55; Wagner Ch., 2000, S. 172; Wohlgemuth, 2 0 0 1 , S. 321. 91 Miither, 2005, S. 17; siehe auch Meyer F., 2004, S. 276. 92 Dazu unten Kap. 5.7.
1.5 Strafvollzug als Landersache
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deren Griinden" nichtbeamteten oder vertraglich verpflichteten Personen iibertragen werden. Es karni schwerlich Sinn dieses Ausnahmetatbestands sein, einen Paradigmenwechsel bin zu einem teilprivatisierten Vollzug zu ermoglichen.^^ Der verfassungsrechtliche Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 und 5 GG, demzufolge die Ausiibung hoheitsrechtlicher Befugnisse als standige Aufgabe in der Regel Beamten zu tibertragen ist, steht einer VoUzugsprivatisierung im beschriebenen AusmaB jedoch nicht entgegen.^"^ Das Hauptaugenmerk muss sich damit auf die Frage richten, in welchem Um- 47 fang Aufgaben, die mit Rechtseingriffen verbunden sind, durch eine Gesetzesanderung im Wege der Beleihung^^ auf Subuntemehmer in den Anstalten, die in staatlicher Generalverantwortung verbleiben, iibertragen werden diirfen. Insoweit erscheint Skepsis geboten. Rechtfertigt man etwa die Sicherungspflichten der Flughafenunternehmen mit der Erwagung, der Gesetzgeber diirfe eine Aufgabenteilung in Hoheitsbefugnisse und Eigensicherung ohne Einsatz des staatlichen Gewaltmonopols anordnen^^, so lasst sich eine derartige Unterscheidung fiir den Bereich der totalen Institution Strafvollzug kaum nachvoUziehen. Die Flugpassagiere untemehmen freiwillig Flugreisen, vor denen sie sich einer Sicherheitskontrolle unterziehen miissen, wahrend sich die Gefangenen schon aufgrund fremder Entscheidung im Vollzug befinden. Nicht einmal die Bewachung des Anstaltsareals lasst sich - anders als etwa die Sicherung von Kasemen - de lege lata in die Hande eines privaten Sicherheitsunternehmens legen.^*^ Mag das Hausrecht i.V.m. den Jedermannsrechten aus StGB und StPO noch zur Abwehr von Eindringlingen ausreichen, so fehlt es doch an einer Rechtsgrundlage far Private, um gegeniiber den Insassen den Zwang zum Verbleib in der Einrichtung zumal unter Gewaltanwendung durchzusetzen. Deshalb erweist sich auch die in einigen Bundeslandem wie Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz praktizierte Beaufsichtigung von Abschiebehaftlingen durch private Sicherheitsdienste als auBerst problematisch, selbst wenn deren Mitarbeiter unter der Aufsicht des beamteten Vollzugspersonals stehen und in Rechte Dritter nur auf Weisung im Einzelfall eingreifen diirfen.^^ Obwohl die Privaten damit nicht als Beliehene, sondem als Verwaltungshelfer^^ zu gelten haben, diirfen sie gleichwohl nicht die offentlich-rechtlichen Befugnisnormen ihrem Handeln zugrunde legen. Als zweifelhaft stellt sich deshalb auch
93 Vgl. Arloth, 2002a, S. 5; Braum/Varwig/Bader, 1999, S. 68; CalHess/Muller-Dietz, 2005, § 155 Rdn. 10; Gusy, 2001, S. 13 ff; Muller-Dietz, 2006a, S. 11 f; a.A. Bonk, 2000, S. 441; Kaiser/Schoch, 2002, S. 202; Nibbeling, 2001, S. 249. 9^ So Bonk, 2000, S. 439; Gusy, 2001, S. 24; Lange, 2001, S. 902; weiter gehend Muther, 2005, S. 18; siehe auch Krolls, 1997, S. 453 f; Kulas 2001, S. 69. 9^ Vgl. Bonk, 2000, S. 437; Burgi, 2001, S.47ff; Di Fabio, 1999, S. 589; Gusy/Liihrmann, 2001, S. 51; Kaiser, 2002, S. 882 f; Kulas, 2001, S. 31; Nibbeling, 2001, S. 252. 9^ In diesem Sinne Di Fabio, 1999, S. 591. 9^ Anders Bohm, 2003, S. 44. 98 Hierzu Gramm, 1999, S. 339 ff; Krolls, 1997, S. 454; siehe auch Huber, 2000, S. 50; a.A. Gollan, 1999, S. 85; Kramer, 2005, S. 31 ff; Starke, 2005, S. 24. Naher Gramm, 1999, S. 339; Gusy, 2001, S. 9; Gusy/Luhrmann, 2001, S. 48; siehe auch Giefers-Wieland, 2002, S. 164 f
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1 Grundlagen des Strafvollzugs
die Monitoriiberwachung durch Private dar, nachdem - unbeschadet der hierbei auftretenden datenschutzrechtlichen Probleme - eine derartige Tatigkeit zu einer Verhaltenssanktionierung innerhalb der Anstalt fuhren mag.^^° Gefangenentransporte hat man ebenfalls als iiberwiegend hoheitlich zu beurteilen, weshalb sie einer Privatisierung neben der Fuhrparktragerschaft und reiner Fahrtatigkeit nicht zuganglich sind.^^^ 48 Bei einem kommerzialisierten Gefangnissystem ware zudem der Konflikt mit dem Sozialstaatsauftrag des Grundgesetzes vorprogrammiert, denn das Sozialisationsziel des Strafvollzugs und dessen auBere Bedingungen sind letztlich auf das Sozialstaatsprinzip als verfassungsrechtliche Grundlage zunickzufiihren.^^^ Danach muss der Staat ungeachtet finanzieller und organisatorischer Schwierigkeiten den Vollzug so ausstatten, wie es zur Realisierung des Vollzugsziels erforderlich ist. Es gehort zu seinen Aufgaben, die notwendigen Mittel fiir den Personal- und Sachbedarf bereitzustellen.^^^ Bei privatwirtschaftlich agierenden VoUzugsunternehmen blieben die Inhaftierten dagegen dem Risiko ausgesetzt, dass zum Zweck der Gewinnerzielung eine Kostenerspamis durch Reduzierung von Leistungeninsbesondere von zeit- und personalintensiven therapeutischen BehandlungsmaBnahmen - erfolgen konnte. Denn die Ausgestaltung der Behandlungsangebote wird im Gesetz nicht detailliert vorgeschrieben. Das gilt auch in Ansehung der ab 1.1.2003 zwingenden Therapierung von Sexualtatem in einer sozialtherapeutischen Anstalt (§ 9 Abs. 1 StVollzG).^^^ Zudem geht § 154 Abs. 1 StVollzG davon aus, dass die Bediensteten sowohl Behandlungs- als auch Bewachungsfunktionen wahmehmen, weil sie zur Erfullung samtlicher Vollzugsaufgaben berufen bleiben.^°^ Auch dies bindet die Realisierbarkeit eines gemischt staatlich-privaten Vollzugs an eigene Grenzen. 49 Ein an Gewinnmaximierung orientiertes Management mag ein groBeres Kostenbewusstsein bei der Tatigung der fur Vollzugszwecke erforderlichen Ausgaben zeigen. Zugleich besteht jedoch die Gefahr, dass die Kostenminimierungsbestrebungen sich auf die Entlohnung des Personals und damit auf die Qualitat der fiir die Vollzugsaufgaben zu gewinnenden Mitarbeiter des neuen privaten Anstaltsbetreibers auswirken. Femer bezieht sich sein wirtschaftliches Interesse auf die voile Belegung der Institution. In Phasen eines geringeren Inputs an Verurteilten wiirde daher die Gefahr einer Sogwirkung leerer Haftzellen drohen.^^^ Zwar hatte ein privater Betreiber selbst keinen Einfluss auf Anzahl und Lange strafgerichtlich verhangter Freiheitsstrafen. Dennoch konnte er im Einzelfall auf die faktische Dauer eines Freiheitsentzugs einwirken: auf die Entscheidung iiber eine Strafrestaussetzung zur Bewahrung nach §§ 57, 57a StGB. Obgleich diese die Strafvoll^00 ^0^ 102 103 104 105 106
Vgl. Mackeben, 2004, S. 220. Mackeben, 2004, S. 220; aA. Bohm, 2003, S. 44. BVerfGE 35, S. 235 f.; Muller-Dietz, 2006a, S. 11. BVerfGE 40, S. 284. Dazu Kap. 5.5.4. Siehe Muther, 2005, S. 17. Laubenthal, 2004b, S. 424; a.A. Kaiser, 2002, S. 881; Kaiser/Schoch, 2002, S. 200; vgl. dazu auch NibbeHng, 2001, S. 146 ff
1.6 Die Vollzugsanstalten
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streckungskammer trifft, ist fiir eine vorzeitige Entlassung aber die Erstellung einer giinstigen Legalprognose erforderlich. Als ein dabei zu beriicksichtigendes Kriterium benennt § 57 Abs. 1 S. 2 StGB das Verhalten des Verurteilten im Vollzug, das vom privaten VoUzugsmanagement jedenfalls dann beurteilt werden miisste, wenn diesem nicht nur Serviceleistungen zur eigenstandigen Erbringung iibertragen worden sind. Im Hinblick auf die vom Bundesverfassungsgericht vorgenommene Auslegung 50 des Art. 12 Abs. 3 GG, der zufolge eine Pflichtarbeit im Freiheitsentzug nur unter staatlicher Verantwortung zulassig bleibt^^*^, bestehen schlieBlich Bedenken gegen die vollige Privatisierung des Arbeitsbereichs.*^^ Als problematisch erweist sich bei einem Nebeneinander staatlich und privat organisierter Anstalten zudem die Vomahme von Verlegungen. Dies gilt erst recht, sofem mehrere private Betreiber unterschiedliche Voraussetzungen fiir die Aufnahme von Gefangenen in die Institution vorsehen. Ein Anstaltswechsel bewirkt nach § 110 S. 1 StVollzG zudem regelmaBig eine Anderung der gerichtlichen Zustandigkeit in Verfahren nach §§109 ff. StVollzG. Im Hinblick auf den Anspruch auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) bedarf eine Verlegungsentscheidung deshalb verfassungsrechtlicher Rechtfertigung, fiir die kommerzielle Interessen bei der Verteilung der Inhaftierten nicht ausreichen. Nicht nur vor diesem Hintergrund bedarf es mannigfacher Uberlegungen und sorgfaltig gefuhrter Verhandlungen vor dem Abschluss von Vertragen mit privaten Vollzugsanbietem.
1.6 Die Vollzugsanstalten Nach § 139 StVollzG werden Freiheitsstrafen sowie die Unterbringung in der Si- 51 cherungsverwahrung in Anstalten der Landesjustizverwaltungen vollzogen. Diese Justizvollzugsanstalten gliedem sich individuellen Behandlungserfordemissen und divergierenden Vollzugszwecken entsprechend in verschiedene Anstaltsformen. Gesetzliche Organisationsgrundsatze hierfiir sind das Trennungsprinzip (§ 140 StVollzG) sowie das Differenzierungsprinzip (§141 StVollzG). Die Regelung der sachlichen (Zweckbestimmung) und ortlichen Zustandigkeit der einzelnen Institutionen erfolgt danach im Wege der Aufstellung eines Vollstreckungsplans durch die Landesjustizverwaltung (§ 152 StVollzG, § 22 StVollstrO).
1.6.1 Trennungsgrundsatz § 140 StVollzG normiert die Trennung nach Haftart und Geschlecht. Frauen 52 sind abgesondert von den mannlichen Inhaftierten in Frauenanstalten unterzubrin1^^ BVerfGE 98, S. 206. 108 AK-Huchting/Lehmann, 2006, § 139 Rdn. 2; Arloth/Luckemann, 2004, § 155 Rdn. 2; Calliess/Miiller-Dietz, 2005, Einl. Rdn. 45; Gusy, 2001, S. 26 f; Hessler, 1999, S. 41; Kirchnerl999, S.47f
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1 Grundlagen des Strafvollzugs
gen (§ 140 Abs. 2 S. 1 StVollzG), wobei in der Praxis angesichts der geringen Anzahl weiblicher Gefangener^^^ die Trennung iiberwiegend durch deren Unterbringung in speziellen Abteilungen von Manneranstalten verwirklicht wird (§ 140 Abs. 2 S. 2 StVollzG). Daneben soUen fiir verschiedene Vollzugsarten - den jeweiligen Zwecken folgend - grundsatzlich unterschiedliche Institutionen zur Verfiigung stehen, um dadurch eine den eigenstandigen Bedtirfhissen der einzelnen Gruppen von Inhaftierten angepasste Entwicklung des Straf- und MaBregelvollzugs zu erreichen.*^^ So wird die Sicherungsverwahrung in getrennten Abteilungen der fur Freiheitsstrafen bestimmten Anstalten vollzogen (§ 140 Abs. 2 StVollzG); eigene Sicherungsverwahrungsanstalten bestehen wegen der kleinen Zahl der Verwahrten^^^ nicht. Eine Abweichung vom Prinzip der Trennung nach Haftart und Geschlecht ist nach § 140 Abs. 3 StVollzG ausnahmsweise zulassig, um einem Gefangenen die Teilnahme an BehandlungsmaOnahmen in einer anderen Anstalt oder Abteilung zu ermoglichen. Damit hat der Gesetzgeber die Voraussetzung fiir eine gemeinsame Teilnahme von Mannern und Frauen an Behandlungsprogrammen geschaffen^'2. Der Begriff der BehandlungsmaBnahme ist in einem weiten Sinn zu verstehen, der Aus- und Weiterbildung, therapeutische MaBnahmen sowie offene Vollzugsformen umfasst. ^ ^^ 53 Der Trennungsgrundsatz des § 140 StVollzG wird erganzt durch § 92 Abs. 1 JGG: Der Vollzug der Jugendstrafe findet in selbstandigen Jugendstrafanstalten statt. Zwar erfolgt auch die Unterbringung in einem psychiatrischen ICrankenhaus bzw. in einer Entziehungsanstalt innerhalb spezieller Institutionen, doch zahlt der Vollzug dieser beiden MaBregeln nicht zum Aufgabenbereich der Landesjustizverwaltungen. Anders stellt sich dies bei der Untersuchungshaft dar, die weder vom Regelungsbereich des Strafvollzugsgesetzes erfasst wird noch zum StrafvoUzugsrecht insgesamt gehort. Sie fallt in die Zustandigkeit der Landesjustizverwaltungen, welche in ihrer bundeseinheitlich als Verwaltungsvorschrift vereinbarten Untersuchungshaftvollzugsordnung den Trennungsgrundsatz ebenfalls zur Anwendung bringen: nach Nr. 11 UVoUzO die getrennte Durchfiihrung in selbstandigen Untersuchungshaftanstalten oder in besonderen Abteilungen anderer VoUzugsanstalten; gem. Nr. 12 UVollzO Trennung nach Geschlechtern entsprechend § 140 Abs. 2 StVollzG; im Bereich der Untersuchungshaft wiedemm eigene Anstalten und Abteilungen fiir junge Gefangene (Nr. 13 UVollzO).
'09 '»o '11 ^'^
SieheKap. 6. BT-Drs. 7/3998, S. 43. Siehe Kap. 9.2.4. Dazu Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 140 Rdn. 6; prinzipiell gegen eine nach Geschlechtem getrennte Unterbringung: Kohne, 2002, S. 221 ff. 1^3 BT-Drs. 7/3998, S. 43.
1.6 Die Vollzugsanstalten
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1.6.2 Differenzierungsprinzip Uber die Trennung nach Vollzugsarten hinaus muss auch die auBere und innere 54 Struktur der Vollzugsanstalten auf die verschiedenen Behandlungsbediirfnisse der Verurteilten zugeschnitten sein. Um eine den individuellen Erfordemissen entsprechende variable Verteilung der Sanktionierten zu ermoglichen, sind die Behandlungseinrichtungen differenziert auszugestalten, d.h. Institutionen mit einem unterschiedlichen Grad an Vollzugslockerungen und Sicherheitsvorkehrungen, mit divergierender GroBe, verschiedenen Behandlungsangeboten oder mit spezialisiertem Personal fiir bestimmte Tatergruppen.^^"* Eine solche Differenzierung sieht das Strafvollzugsgesetz fur den Vollzug der Freiheitsstrafe vor, um Gefangene mit gleichen Klassifikationsmerkmalen^^^ auf die nach divergierenden Zwecken und Mitteln eingerichteten Anstalten verteilen zu konnen: Nach § 141 Abs. 1 StVollzG sind Haftplatze in verschiedenen Anstalten oder Abteilungen vorzusehen, in denen eine auf die unterschiedlichen Bediirfnisse abgestimmte Behandlung gewahrleistet ist. Das Gesetz hat die Differenzierungsmoglichkeiten des VoUzugs der Freiheits- 55 strafe jedoch nur partiell konkretisiert. § 141 Abs. 2 StVollzG nennt die Unterteilung in geschlossene und offene Anstalten und stellt dabei auf die Intensitat der gegen Entweichungen zu treffenden MaBnahmen ab, welche sich allerdings auch nachhaltig auf den Gestaltungsbereich von Behandlungsangeboten auswirken. Neben offenen und geschlossenen Einrichtungen gibt es noch die sozialtherapeutische Anstalt (§§ 9, 123 bis 126 StVollzG). In § 152 Abs. 2 StVollzG ist die Einweisungsanstalt oder -abteilung erwahnt, in § 147 StVollzG die gesonderte offene Einrichtung fiir den Ubergangsvollzug. Im (Jbrigen legt § 141 Abs. 1 StVollzG nicht fest, welche Anstaltsformen zu schaffen sind. Damit bleibt es Aufgabe der einzelnen Bundeslander, entsprechend ihren Ressourcen den Differenzierungsgrundsatz zu realisieren, wobei eine variablere und damit effektivere Losung durch die Errichtung von landeriibergreifenden Institutionen mit divergierenden Behandlungsschwerpunkten im Wege der Bildung von Vollzugsgemeinschaften i.S.d. § 150 StVollzG erreicht werden kann.
1.6.3 Anstaltsformen fur den Vollzug von Freiheitsstrafe Am 31.8.2005 bestanden in Deutschland 202 Justizvollzugsanstalten^^^ mit einer 56 Belegungsfahigkeit von insgesamt 79 780 Gefangenen.^^"^ Dem Trennungs- und 114 Paetow, 1972, S. 10 f 11^ Zur Klassifizierung siehe Kap. 5.1.2. 11^ Anschriften, Offnungszeiten fur Verteidiger und Besuchszeiten fur Angehorige der deutschen Justizvollzugsanstalten in: Institut fur Strafverteidigung, JVA-Verzeichnis, 1999. ii*^ Statistisches Bundesamt, Bestand der Gefangenen und Verwahrten in den deutschen Justizvollzugsanstalten, 2005; Aufteilung nach Bundeslandem: oben Kap. 1.5, Tabellel.l.
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1 Gmndlagen des Strafvollzugs
Differenzierungsgrundsatz folgend lassen sich die fiir den Vollzug der Freiheitsstrafe vorhandenen Anstalten im Wesentlichen in folgende Typen aufteilen: - Einweisungsanstalten und -abteilungen (§ 152 Abs. 2 StVollzG), in denen nach Strafantritt die Behandlungsuntersuchung durchgefiihrt und eine Vollzugsprognose erstellt werden. Soweit derartige Einrichtimgen bestehen, kommt es dort zur Klassifizierung der Gefangenen mit nachfolgender Verlegung in die den jeweiligen Behandlungsbediirfnissen entsprechenden Institutionen des differenzierten Vollzugssystems. - Anstalten des geschlossenen Vollzugs (§§10 Abs. 2, 141 Abs. 2 I.Alt. StVollzG), die in erster Linie eine sichere Unterbringung vor allem von langstrafigen bzw. ein groBes Sicherheitsrisiko darstellenden Inhaftierten gewahrleisten. Dabei soil es aber nach der Intention des Gesetzgebers auch innerhalb der geschlossenen Einrichtungen zu einer Zusammenfassung der besonders gefahrlichen Straftater kommen.^^^ Dadurch werden Lockerungen der Sicherheitsvorkehrungen in anderen Bereichen und damit Abstufungen nach verschiedenen Sicherheitsgraden ermoglicht. - Anstalten des offenen Vollzugs (§§ 10 Abs. 1, 141 Abs. 2 2. Alt. StVollzG), die keine oder nur verminderte Vorkehrungen gegen Entweichungen vorsehen. Ein Verzicht auf physische Sicherungsmittel, das Fehlen einer standigen und unmittelbaren Beaufsichtigung der Gefangenen auBerhalb der Haftraume kennzeichnen den offenen Vollzug. Dessen wesentHches Ziel besteht in einer Vermeidung der psycho-sozialen Stressfaktoren geschlossener Inhaftierung und deren moglichen schadlichen Nebenwirkungen.^^^ - Halboffene Anstalten als VoUzugsart im Grenzbereich zwischen geschlossener und offener Unterbringung der zu Freiheitsstrafen Verurteilten. Der in der Literatur entwickelte Begriff ^^, den das Strafvollzugsgesetz nicht iibemommen hat, betrifft die Institutionen, die nur teilweise ohne Sicherheitsvorrichtungen auskommen. Er bringt zugleich den flieBenden Ubergang zwischen den Anstaltstypen zum Ausdruck. - Sozialtherapeutische Anstalten (§§ 9, 123 bis 126 StVollzG) als inhaltlich und strukturell eigenstandige Vollzugsform mit speziellen Behandlungsangeboten. Nach § 143 Abs. 3 1. Alt. StVollzG soil die Belegung einer sozialtherapeutischen Anstalt 200 Haftplatze nicht iibersteigen. Therapiebediirftigen und behandlungsfahigen Gefangenen werden dort besondere therapeutische Mittel und soziale Hilfen gewahrt, wenn das Anforderungsprofil der Anstalt den therapeutischen Notwendigkeiten im Einzelfall entspricht. Daneben bestehen besondere sozialtherapeutische Einrichtungen fur Sexualstraftater. - Anstalten und Abteilungen fiir Frauen (§ 140 Abs. 2 StVollzG), in denen weibliche Verurteilte ihre Freiheitsstrafen getrennt von den Mannem verbiiBen. Dabei macht die relativ geringe Anzahl von Frauen im Strafv^oUzug deren Zusammenlegen in Schwerpunkteinrichtungen erforderlich, was eine weiter gehende Differenzierung des Frauenvollzugs unter Behandlungsaspekten erii« BT-Drs. 7/918,8.92. ^^^ Dazu bereits Loos, 1970, S. 219. 120 Grunau/Tiesler, 1982, § 141 Rdn. 2; Loos, 1970, S. 12 ff
1.6 Die Vollzugsanstalten
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schwert. §§ 80, 142 StVollzG ermoglichen die Unterbringung noch nicht schulpflichtiger Kinder bei der inhaftierten Mutter in sog. Mutter-KindStationen. § 143 Abs. 3 2. Alt. StVollzG begrenzt die Belegungsfahigkeit einer Justizvollzugsanstalt fur Frauen auf insgesamt 200 Haftplatze. Einrichtungen fiir die Entlassung (§ 147 StVollzG) zur Erleichterung des 63 Ubergangs in die Freiheit. Die Entlassungsvorbereitung kann in einer gesonderten offenen Anstalt erfolgen oder in einer offenen Einrichtung, die einer geschlossenen angegliedert ist. Unter § 147 StVollzG fallen nicht nur an Strafvollzugsanstalten angegliederte oder von diesen raumlich getrennte sog. libergangshauser, sondem auch angemietete Hauser oder GroBwohnungen an dem Ort, an dem die Betroffenen nach ihrer Entlassung leben werden.^^^ Einrichtungen des Altenstrafvollzugs (Alter als allgemeines Merkmal i.S.d. 64 § 152 Abs. 3 StVollzG), in denen spezifischen Bediirfnissen alter Gefangener Rechnung getragen werden kann.^^^ Die steigenden Bevolkerungs- und Tatverdachtigenzahlen alter Menschen schlagen sich auch in der Strafvollzugsstatistik nieder. Danach hat sich - zurtickzufiihren auf die sog. Uberalterung der Bevolkerung - der Anteil der iiber 60-jahrigen Insassen seit 1993 fast verdreifacht: Er entspricht aber dennoch nur 3,1 % aller Strafgefangenen.'^^ Abgesehen von den chronischen Straftatem kann bei dem GroBteil der iiber 60-jahrigen Inhaftierten von einer sozialen Gefahrlichkeit aber nicht mehr ausgegangen werden. Aufgrund eingeschrankter Pragbarkeit infolge des hohen Alters verliert hier die herkommliche Resozialisierungsarbeit an Bedeutung^^"^, dem Strafvollzug kommt hauptsachlich kustodialer Charakter zu. Entsprechend ist ein starkerer Ausbau ambulanter MaBnahmen sowie des offenen Vollzugs fiir diese Verurteiltengruppe notwendig. Erachtet man geschlossenen Strafvollzug dennoch fur erforderlich, kommt ihm eher die Aufgabe zu, die Insassen „auf erfolgreiches Altern" vorzubereiten.'^^ Die lange Zeit einzige Einrichtung fur Altenstrafvollzug befindet sich in Singen.^^^ Inzwischen verfugt auch Hessen iiber eine solche Haftform. Entsprechendes ist in Niedersachsen geplant.^^^ Einrichtungen fiir die VerbiiBung von Ersatzfreiheitsstrafen, in denen zu 65 Geldstrafen Vemrteilte, bei denen diese uneinbringlich ist ( § 4 3 StGB), die gegen sie von der VoUstreckungsbehorde angeordneten kurzen Ersatzfreiheitsstrafen verbiiBen. Die als „Gefangnis light" bezeichneten Haftanstalten weisen geringere Sicherheitsstandards auf und senken durch Einsparungen bei Freizeitmoglichkeiten und Verzicht auf langerfristig angelegte Aus- und Fortbildungs-
121 AK-Huchting/Lehmann, 2006, § 147 Rdn. 2. 122 Dazu Kaiser/Schoch, 2002, S. 443 ff; Schramke, 1996, S. 315 ff; zur Alterskriminalitat: Kreuzer/Hiirlimann, 1992; Laubenthal, 1990a, S. 36 ff; ders., 2005b, S. 5 ff 123 SieheTab. 1.7. 124 Gorgen/Greve, 2005, S. 116. 125 Laubenthal, 2005b, S. 7. 126 Dazu Siiddeusche ZeiUing V. 18.8.2005, S. 10. 127 Siehe ZfStrVo 2005, S. 233.
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1 Grundlagen des Strafvollzugs maBnahmen die Haftplatzkosten. Zudem dienen sie einer Entlastung der allgemeinen JustizvoUzugsanstalten. ^^^
1.6.4 Aufgabenpluralitat 66 Nach dem Trennungsprinzip sind die unterschiedlichen Sanktionsarten in gesonderten Einrichtungen zu vollziehen, um dadurch bei der Ausgestaltung den jeweiligen VoUzugszwecken besser Rechnung tragen zu konnen. Doch bereits § 140 Abs. 1 StVoUzG selbst sieht die Moglichkeit des Vollzugs der Sicherungsverwahrung lediglich in speziellen Abteilungen der fiir Freiheitsstrafen bestimmten Anstalten vor. Auch die Trennung der Strafgefangenen nach Geschlechtem erfolgt haufig nur durch Unterbringung inhaftierter Frauen in eigenen Abteilungen der Manneranstalten. 67 Dariiber hinaus erfiillen die fiir Freiheitsstrafen zustandigen JustizvoUzugsanstalten zahlreiche weitere Aufgaben in anderen Vollzugsbereichen. Dies gilt zum einen gem. § 92 Abs. 2 JGG fur den VoUzug von Jugendstrafe bei Verurteilten, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben und sich nicht mehr fur den JugendstrafvoUzug eignen. Nach § 167 StVollzG ist femer nach Ausscheiden des Verurteilten aus der Bundeswehr der militarische Strafarrest in der Justizvollzugsanstalt zu verbiiBen. Da nur in einigen groBeren Stadten UntersuchungshaftvoUzugsanstalten bestehen, wird auch die Untersuchungshaft regelmaBig nach Nr. 11 Abs. 2 UVollzO in getrennten Abteilungen (§119 Abs. 1 StPO) der fur Freiheitsstrafen zustandigen Institutionen vollzogen. Dort kommt es zudem zur Durchfiihrung von Auslieferungshaft, well insoweit nach § 27 IRG die Vorschriften der Stra^rozessordnung liber die Untersuchungshaft entsprechend gelten. Femer findet in der Justizvollzugsanstalt der Vollzug gerichtlich angeordneter Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs- und Erzwingungshaft (§§ 171 ff StVollzG) statt. Gleiches gilt nach § 8 Abs. 2 FEVG im Wege der Amtshilfe fiir die Abschiebungshaft i.S.d. § 57 AuslG.
128 Vgl. Informationsdienst StraffalHgenhilfe 3/1999, S. 15; ZfStrVo 2001, S. 115; krit. Streng,2001,S. 71 I
1.6 Die Vollzugsanstalten
33
Eine solche Aufgabenpluralitat birgt die Gefahr einer Beeintrachtigung der Ef- 68 fektivitat vor allem des Freiheitsstrafenvollzugs in sich, obwohl diese VoUzugsart in der Praxis der Justizvollzugsanstalten dominiert - wie die Gefangenenpopulation in Deutschland am 31.8.2005 zeigt: Tabelle 1.2. Gefangenenpopulation am 31.8.2005 Freiheitsstrafe Sicherungsverwahrung Militarischer Strafarrest Jugendstrafe gem. § 92 Abs. 2 JOG Untersuchungshaft Abschiebungshaft Sonstige Arten der Freiheitsentziehung
55 175 363 2 2 188 15 207 1 001 1 182
Quelle: Statistisches Bundesamt, Bestand der Gefangenen und Verwahrten in den deutschen Justizvollzugsanstalten, 2005. Die Vollziehung einer Vielfalt von Arten des Freiheitsentzugs in einer Justiz- 69 vollzugsanstalt bedingt eine - dem Trennungsprinzip zuw^iderlaufende - gewisse Egalisierung in der Vollzugsgestaltung.^^^ Denn die Trennung in verschiedenen Abteilungen lasst sich hinsichtlich der Unterbringung, haufig aber nicht auch im Rahmen der sonstigen Vollzugsgestaltung realisieren. Zudem fiihren kurzzeitige Inhaftierungen, insbesondere der UntersuchungshaftvoUzug sowie der VoUzug von Ersatzfreiheitsstrafen, zu einer vermehrten Gefangenenbewegung, d.h. zu einer hohen Zahl an Zugangen bzw. Abgangen. Diese belasten die Anstalten in organisatorisch-technischer Hinsicht und konnen sich abtraglich auf den VoUzug der Freiheitsstrafe und die damit verbundenen Behandlungsangebote auswirken.
Siehe dazu Calliess, 1992, S. 40.
34
1 Gmndlagen des Strafvollzugs
1.7 Die Vollzugspopulation 70 Am 31.3.2005 befanden sich in Deutschland 56 122 Inhaftierte im Vollzug der Freiheitsstrafe und 7 061 im Jugendstrafvollzug. Dabei waren 350 Personen als Sicherungsverwahrte in den Justizvollzugsanstalten der Bundeslander untergebracht (siehe Tabelle 1.3). Tabelle 1.3. Inhaftierte in den Bundeslandem nach Art des Strafvollzugs am 31.3.2005
Baden-Wiirttemberg Bayem Berlin Brandenburg Bremen Hamburg Hessen Mecklenburg-Vorpommem Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Saarland Sachsen Sachsen-Anhalt Schleswig-Holstein Thiiringen
Freiheitsstrafe
Jugendstrafe
Sichemngsyerwahrung
5 613 8511 3 910 1546 545 1 930 3 853 1 161 5 186 12 814 2 798 625 2 953 1 868 1226 1 583
591 802 368 276 41 96 400 252 729 1422 457 93 620 471 148 295
58 54 19 3 — 16 28 1 26 109 21 — 1 1 13 —
Quelle: Statistisches Bundesamt, Strafvollzug - Demographische und kriminologische Merkmale der Strafgefangenen am 31.3.2005 Reihe 4.1, S. 7. 71
Obwohl seit der Reform des Sanktionenrechts Ende der sechziger Jahre die kriminalpolitischen Bemiihungen um cine Zuriickdrangung freiheitsentziehender Unrechtsreaktionen zugunsten solcher ambulanter Art fortgeschritten sind, entwickelte sich die Anzahl der Inhaftierten nicht kontinuierlich riicklaufig. Wahrend der Tiefststand im Jahr 1975 (jeweils am 31.3.) bei 28 840 eine Freiheitsstrafe VerbiiBenden lag^^°, stieg die Zahl bis Mitte der achtziger Jahre deutlich an, um dann in einer Art wellenformige Bewegung bis zum Jahr 1991 wieder abzmiehmen. Seit 1992 bezieht sich die Gefangenenstatistik auf Gesamtdeutschland. Insoweit ist von 1992 bis 2000 ein kontinuierlicher Anstieg der Strafgefangenen zu verzeichnen, im Jahr 2001 ein leichter Riickgang, dessen kriminalpolitische Hintergriinde nicht erhellt sind.^^^ Ab 2003 ist dann w^ieder ein deutliches Ansteigen der Gefangenenraten festzustellen (Tab. 1.4).
^^° Statistisches Bundesamt, Strafvollzug 1991 Reihe 4.1, S. 7. 131 Cornel, 2002, S. 43.
1.7 Die Vollzugspopulation
35
!Jeweils a m 31.3. Tabelle 1.4. Zu Freiheitsstrafen vemrteilte Inhaftierte 1982-2005 Jahr
Inhaftierte
1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005
38 620 40 819 42 140 41 852 39 407 36 987 36 076 36 101 34 799 33 392 35 401 37 128 39 327 41353 43 475 45 718 50 021 52 351 53 183 52 939 52 988 55 012 56 069 56 122
Mannlich
Weiblich
37 322 39 424 40 661 40 397 37 949 35611 34 734 34 619 33 334 32 002 33 940 35 647 37 714 39 776 41793 43 962 47 916 50 081 51001 50 630 50 520 52 503 53 262 53 380
1298 1395 1479 1455 1458 1376 1 342 1482 1465 1 390 1461 1481 1 613 1 577 1 682 1 756 2 105 2 270 2 182 2 309 2 468 2 509 2 807 2 742
Quelle: Statistisches Bundesamt, Strafvollzug 1982-2005. Im intemationalen europaischen Vergleich^^^ (Tabelle 1.5) der Gefangenenra- 72 ten (= Zahl aller Strafgefangenen, strafrechtlich Untergebrachten und Untersuchungshaftlinge pro 100 000 der strafmiindigen Wohnbevolkerung) lag die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2005 noch im unteren Bereich.
^^^ Zu europaischen Vollzugsperspektiven siehe Arloth, 2003, S. 15 ff.; Muller-Dietz, 2006, S. 621 ff.
36
1 Grundlagen des Strafvollzugs
Tabelle 1.5. Gefangenenraten 2005 in Europa Staat Albanien Andorra Armenien Aserbaidschan Belgien Bosnien-Herzegowina Bulgarian Danemark Deutschland Estland Finnland Frankreich Georgien Griechenland GroBbritannien Irland Island Italien Kroatien Lettland Liechtenstein Litauen Luxemburg Malta Mazedonien Moldawien Monaco Niederlande Norwegen Osterreich Polen Rumanien Russland Portugal Schweden Schweiz Slowakei Slowenien Spanien Tschechien Turkei Ukraine Ungam WeiBrussland Zypem
Inhaftiemngsrate pro 100 000 der nationalen Wohnbevolkerung
"
Quelle: Walmsley, World Prison Population List, 2005.
105 90 92 198 88 58 143 70 96 339 71 91 165 82 346 85 39 98 68 337 53 234 144 72 78 297 39 123 65 106 209 180 532 128 75 81 165 56 140 184 95 416 165 532 50
1.7 Die Vollzugspopulation
37
Die Aufgliederung der Strafgefangenen in Deutschland nach der zu verbiiBen- 73 den Haftzeit ergibt einen Anteil von 14,0 % mit einer zu erwartenden Inhaftierung von mehr als fiinf Jahren. Fast ein Viertel hat eine Freiheitsstrafe zwischen zwei und fiinf Jahren Dauer zu verbiiBen (Tabelle 1.6). Tabelle 1.6. Strafgefangene am 31.3.2005 nach der Dauer ihrer zu verbiiBenden Freiheitsstrafe Anzahl der Strafgefangenen
Dauer des Vollzugs Unter 1 Monat 1 bis unter 3 Monaten 3 bis unter 6 Monaten 6 bis einschlieBlich 9 Monate Mehr als 9 Monate bis 1 Jahr Mehr als 1 Jahr bis 2 Jahre Mehr als 2 Jahre bis 5 Jahre Mehr als 5 Jahre bis 10 Jahre Mehr als 10 Jahre bis 15 Jahre Lebenslange Freiheitsstrafe
^
831 4715 7 674 6 447 4 922 9 919 13 759 4 972 1019 1 864
1,5 8,4 13,7 11,5 8,8 17,7 24,5 8,9 1,8 3,3
Quelle: Statistisches Bundesamt, Strafvollzug - Demographische und kriminologische Merkmale der Strafgefangenen 2005 Reihe 4.1, S. 10 f Die Altersstruktur der Strafgefangenen spiegelt nicht die Altersverteilung in 74 der Bevolkemng wider. Am 31.3.2005 waren bei den eine Freiheitsstrafe verbiiBenden Insassen der Justizvollzugsanstalten 33,2 % jiinger als 30 Jahre. Die iiber 60-Jahrigen machen mit 3,1 % der mit Freiheitsstrafe Inhaftierten nur eine sehr kleine Gruppe aus (Tabelle 1.7). Tabelle 1.7. Gefangene im Vollzug der Freiheitsstrafe am 31.3.2005 nach Altersgruppen Altersgruppe nach Jahren
Insgesamt Anzahl Prozent
Mannlich Anzahl Prozent
18 bis unter 21 21 bis unter 25 25 bis unter 30 30 bis unter 40 40 bis unter 50 50 bis unter 60 60 und mehr
234 6 054 12 393 19010 12 070 4 594 1767
223 5 823 11 877 18 064 11438 4 429 1666
0,4 10,8 22,0 33,9 21,5 8,2 3,1
0,4 10.9 22,2 33,8 21,4 8,0 3,1
Weiblich Anzahl Prozent 11 231 516 946 632 305 101
0,4 8,4 18,8 34,5 23,0 11,1 3,6
Quelle: Statistisches Bundesamt, Strafvollzug - Demographische und kriminologische Merkmale der Strafgefangenen 2005 Reihe 4.1, S. 8. Ein Vergleich der Altersverteilung von mannlichen und weiblichen Inhaftierten lasst bei den Frauen eine geringe Verschiebung zu den alteren Jahrgangen hin erkennen.
38 75
1 Gmndlagen des Strafvollzugs
Der Auslanderanteil unter den zu Freiheitsstrafen Verurteilten (Tabelle 1.8) ist in den achtziger und neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts deutlich angestiegen. Lag die Quote der Nichtdeutschen in den achtziger Jahren lange bei etwa 10 %, wuchs diese seit Beginn der neunziger Jahre sprunghaft an. Im Jahr 2005 war mehr als jeder funfte Gefangene im Vollzug der Freiheitsstrafe Auslander.'^^ Tabelle 1.8. Entwicklung des Auslanderanteils an den Strafgefangenen seit 1982, jeweils am 31.3. Jahr
Inhaftierte
Deutsche
1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005
38 620 40 819 42 140 41 852 39 407 36 987 36 076 36 101 34 799 33 392 35 401 37 128 39 327 41353 43 475 45 718 50 021 52 351 53 183 52 939 52 988 55 012 56 069 56 122
34 897 36 845 37 997 37 785 35 667 33 325 32 344 32 000 30 432 28 757 30 076 30 739 31447 32 428 33 686 34 720 37 788 39 597 40 555 40 810 40 823 42 417 43 622 43 546
Nichtdeutsche Anzahl Prozent 3 723 3 974 4 143 4 067 3 740 3 662 3 732 4 101 4 367 4 635 5 325 6 389 7 880 8 925 9 789 10 998 12 233 12 754 12 628 12 129 12 165 12 595 12 447 12 576
9,6 9,7 9,8 9,7 9,5 9,9 10,3 11,4 12,5 13,9 15,0 17,2 20,0 21,6 22,5 24,0 24,5 24,4 23,7 22,9 23,0 22,9 22,2 22,4
Quelle: Statistisches Bundesamt, Strafvollzug 1982-2005. 76
Eine Aufteilung der Strafgefangenen unter dem Gesichtspunkt der Deliktsstruktur (Tabelle 1.9) verdeutlicht, dass Diebstahl und Unterschlagung an erster Stelle stehen, gefolgt von Raub und Erpressung und anderen gegen das Vermogen gerichteten Straftaten. Bei der Straftatengmppe Diebstahl und Unterschlagung beruhte 2005 mit 3 468 StrafverbiiBungen ein deutlicher Anteil auf dem Delikt des Einbruchdiebstahls gem. §§ 242, 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB einschlieBlich Wohnungseinbriichen nach § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB. 49,7 % der zu verbiiBenden Freiheitsstrafen wegen Straftaten im StraBenverkehr griindeten auf der Trunkenheit Zur vollzuglichen Auslanderproblematik siehe Kap. 5.1.7.
1.7 Die Vollzugspopulation
39
der Betroffenen. Im Bereich der Straftaten nach anderen Gesetzen handelte es sich ganz iiberwiegend (88,4 %) um VerstoBe gegen das Betaubungsmittelgesetz. Den im Jahr 2005 noch nach dem Strafrecht der friiheren DDR zu verbiiBenden Freiheitsstrafen lagen im Wesentlichen Verurteilungen wegen Straftaten gegen das Leben zugmnde.^^"^ Tabelle 1.9. Zu Freiheitsstrafen verurteilte Strafgefangene am 31.3.2005 nach Art der Straftat Straftatengruppe
Straftaten gegen den Staat, die offentliche Ordnung und im Amt (§§ 80-168,331-357 StGB) Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174-184b StGB) Beleidigung (§§ 185-189 StGB) Straftaten gegen das Leben (§§ 211-222 StGB) Korperverletzungen (§§ 223-231 StGB) Straftaten gegen die personliche Freiheit (§§234-241aStGB) Sonstige Straftaten gegen die Person (§§ 169-173, 201-206 StGB) Diebstahl und Unterschlagung (§§ 242-248C StGB) Raub, Erpressung, rauberischer Angriff auf Kraftfahrer (§§249-255, 316a StGB) Begiinstigung, Hehlerei (§§ 257-261 StGB) Betrug, Untreue (§§ 263-266b StGB) Urkundenfalschung (§§ 267-281 StGB) Sonstige Straftaten gegen das Vermogen (§§283-305aStGB) Gemeingefahrliche Straftaten (§§ 306-3230, ohne 316a StGB) Straftaten gegen die Umwelt (§§ 324-330a StGB) Straftaten im StraBenverkehr Straftaten nach anderen Gesetzen (ohne StGB, StVG) Verurteilte nach dem Strafrecht der friiheren DDR
Freiheitsstrafe verbtiBende Gefangene
Prozent
939
1,7
4 480 203 4 229 5 347
8,0 0,4 7,5 9,5
572
1,0
406
0,7
1 852
21,1
6 306 364 5 654 1 387
11,2 0,6 10,0 2,5
212
0,4
697 33 3 471
1,2 0,06 6,2
9 900 70
17,6 0,1
Quelle: Statistisches Bundesamt, Strafvollzug - Demographische und kriminologische Merkmale der Strafgefangenen 2005 Reihe 4.1, S. 16. Die spezialpraventiven Erwartungen an den BehandlungsvoUzug mit dem Ziel 77 einer Befahigung der Gefangenen zu einer sozial verantwortlichen Lebensfiihrung
^^"^ Statistisches Bundesamt, Strafvollzug - Demographische und kriminologische Merkmale der Strafgefangenen 2005, S. 16.
40
1 Grundlagen des Strafvollzugs
ohne weitere Straftaten (§ 2 S. 1 StVollzG) werden angesichts der strafrechtlichen und voUzuglichen Vorbelastungen der Inhaftierten deutlich reduziert: Von den am 31.3.2005 einsitzenden Strafgefangenen und Sicherimgsverwahrten waren insgesamt 65,3 % vorbestraft. Bezogen allein auf den Vollzug der Freiheitsstrafe in Anstalten fiir Erwachsene lag der Vorstrafenanteil sogar bei 68,0 %. Ganz iiberwiegend handelte es sich dabei um Jugend- und Freiheitsstrafen. 53,2 % der eine Freiheitsstrafe in den Justizvollzugsanstalten verbiiBenden Gefangenen waren bereits zuvor zu einer oder mehreren Jugend- und/oder Freiheitsstrafe(n) verurteilt worden; 43,4 % verfugten bereits iiber Hafterfahrung. Bei den Strafgefangenen mit Hafterfahrung erfolgte die emeute Inhaftierung bei 27,2 % im ersten Jahr nach der Entlassung, bei 24,6 % im zweiten Jahr, bei 29,2 % im dritten bis fiinften Jahr und bei 19,0 % nach mehr als fiinf Jahren.^^^ 78 Die Vorbestraftenquote darf nicht verwechselt werden mit der Riickfallquote^^^. Diese suchen Evaluationsstudien^^'^ zu ermitteln, indem sie prospektiv den Behandlungserfolg im Strafvollzug anhand von Kriterien der Legalbewahrung an sich oder der Nichtriickkehr in den Vollzug aufgrund emeuter Verurteilung messen. Dabei mangelt es allerdings an aktuellen umfassenden bundesweiten Riickfallstudien. Lediglich Teilpopulationen'^^, bestimmte Arten der Vollzugsgestaltung (z.B. Behandlung in sozialtherapeutischen Anstalten^^^) oder die Teilnahme an BehandlungsmaBnahmen (z.B. schulische und berufliche Bildung^'^^) waren bisher in erster Linie Gegenstand solcher Erhebungen.^"^^ Hinweise fiir Erfolgsbeurteilungen des Behandlungsvollzugs gibt auch die vom Generalbundesanwalt bis zum Berichtsjahr 1990 - herausgegebene Riickfallstatistik des Bundes, in der im Abstand von sechs Jahren nach der Eintragung ins Bundeszentralregister ein Verurteiltenjahrgang auf emeute formliche Sanktionierung iiberpriift wird (z.B. ergab die Riickfallstatistik 1990 eine Riickfallquote von 50,9 %; eine Verurteilung zu emeuter Freiheitsstrafe wurde bei 33 % ermittelt).^'^^ Eine auf das Basisjahr 1994 bezogene Riickfallstatistik des Bundesministeriums der Justiz mit Erfassung der Riickfalle des vierjahrigen Folgezeitraums ergab bei den unbedingten Freiheitsstrafen Folgeentscheidungen in insgesamt 56,41 % der Falle. 42,33 % der Betroffenen wurden wiedemm mit Freiheitsstrafe sanktioniert.'"^^
^^^ Statistisches Bundesamt, Strafvollzug - Demographische und kriminologische Merkmale der Strafgefangenen 2005, S. 14. 136 Zur Riickfallkriminalitat: Hermann/Kemer, 1988, S. 485 ff; Kemer, 1996, S. 3 ff 13^ Zur Methodik der Evaluationsforschung: Kury, 1986, S. 89 ff 13^ Siehe z.B. Baumann/Maetze/Mey, 1983, S. 133 ff; Berckhauer/Hasenpusch, 1982, S. 281 ff; Dolde/Griibl, 1996, S. 219 ff; Kemer/Janssen, 1996, S. 137 ff 139 Dazu in Kap. 5.5.4. 1^0 Siehe z.B. Geissler, 1991, S. 25 ff, S. 245 ff 1^1 Dazu auch Egg/Pearson/Cleland/Lipton, 2001, S. 321 ff; Walter M., 1999, S. 322 ff 1^2 Riickfallstatistik '90, Berlin 1992. 143 Vgl. Jehle/Heinz/Sutterer, 2003, S. 59; siehe auch Rosch, 2004, S. 1 ff
1.8 Offenheit und Unvollstandigkeit des Strafvollzugsgesetzes
41
1.8 Offenheit und Unvollstandigkeit des Strafvollzugsgesetzes Als das Strafvollzugsgesetz am 1.1.1977 in Kraft trat, ist lediglich „ein Torso Ge- 79 setz geworden"^^"^. Das einem modemen Behandlungskonzept folgende Gesetz traf auf eine Vollzugsrealitat, welche sich iiberwiegend noch an den Erfordemissen einer sicheren Verwahrung der Gefangenen orientierte. Nicht nur das Anstaltspersonal musste sich daher den gesetzlichen Vorgaben gemaB auf ein modifiziertes Organisationssystem einstellen und dem veranderten Vollzugsziel entsprechend neue Verhaltensweisen erlemen, auch die vorhandenen JustizvoUzugsanstalten waren teilweise im 19. Jahrhundert errichtet - vorwiegend nach Sicherheitsbelangen konzipiert. Dies gilt vor allem fur die panoptische Bauweise, bei der von einem zentralen Punkt aus samtliche Fliigel und die darin befindlichen Zellentiiren einsehbar sind. Haben nach §§ 139, 141 Abs. 1 StVollzG die Bundeslander zwar verschiedene Anstalten einzurichten, in denen eine auf die divergierenden Bediirfnisse der Gefangenen abgestimmte Behandlung zu gewahrleisten ist, so waren schon aus finanziellen Erwagungen heraus die vorhandenen Anstalten weiterhin zu nutzen und den normativen Vorgaben gemaB umzugestalten. Der Gesetzgeber hat daher wesentliche Problembereiche des StrafvoUzugs 80 nicht konkretisiert, ungeregelt gelassen oder sie einer spateren legislatorischen Entscheidung vorbehalten: Dies gilt bereits ftir den strafvollzugsrechtlichen Behandlungsbegriff, den das Gesetz nicht definiert. Zudem enthalt es keinen abgeschlossenen Katalog von Behandlungsmethoden. Der Gesetzgeber wollte insoweit der Ubergangssituation des StrafvoUzugs Rechnung tragen und die Anwendung unterschiedlicher BehandlungsmaBnahmen offen halten, „ohne im Einzelnen in methodische Fragen einzugreifen, die der weiteren Entwicklung in Praxis und Wissenschaft iiberlassen bleiben miissen"^'*^. Bietet der offene Behandlungsbegriff des Strafvollzugsgesetzes gerade die er- 81 forderlichen Moglichkeiten zu einer dauerhaften - wissenschaftlich kontrollierten - Erprobung und Weiterentwicklung von Behandlungsformen und -methoden, gefahrden andererseits die Vorschriften iiber das In-Kraft-Treten einzelner Normen (§ 198 StVollzG) sowie die Ubergangsregelungen der §§199 und 201 StVollzG die faktische Realisierung eines nach Behandlungsgesichtspunkten ausgestalteten VoUzugs. Denn um die bestehenden Anstalten den gesetzlichen Grundkonzeptionen entsprechend umwandeln zu konnen, aber auch wegen der hohen Kostenfolgen von Regelungen in den Bereichen Arbeit, Sozialversicherung, Aus- und Weiterbildung, hatte der Gesetzgeber zunachst einen Stufenplan fur das In-Kraft-Treten der im Katalog des § 198 StVollzG aufgezahlten Vorschriften aufgestellt und fiir die Zwischenzeit Ubergangsregelungen getroffen (§§ 199 ff. StVollzG). Dabei ist die Legislative jedoch zum Teil ihren eigenen zeitlichen Vorgaben nicht gerecht geworden (z.B. fehlt es an der gem. § 198 Abs. 4 StVollzG bis zum 31.12.1983 zu erfolgenden Entscheidung iiber das In-ICraft^^^ Muller-Dietz, 1978, S. 76; siehe auch Laubenthal, 1995, S. 346 f ^45 BT-Drs. 7/918,8.45.
42
1 Grundlagen des Strafvollzugs
Treten der Bestimmung iiber die Zustimmungsbedurftigkeit bei Beschaftigimg von Strafgefangenen in Untemehmerbetrieben nach § 41 Abs. 3 StVollzG). 82 Von zeitlich begrenzten Ubergangsvorschriften sind solche zu unterscheiden, hinsichtlich deren In-Kraft-Treten erst durch ein weiteres Gesetz befunden werden sollte. Das Strafvollzugsgesetz beinhaltet insoweit eine legislatorische Besonderheit: In § 198 Abs. 3 StVollzG werden - auch ohne zeitliche Festlegungen - die Landerhaushalte belastende Regelungen (etwa die Einbeziehung in die Krankenund Rentenversicherung, Leistungen an Gefangene) bis zum Erlass eines besonderen Bundesgesetzes zuriickgestellt. Es ist aber keine der in § 198 Abs. 3 StVollzG benannten Normen durch ein derartiges Bundesgesetz in Kraft gesetzt worden. Damit hat sich der Weg einer Fortschreibung der urspriinglich angestrebten Reformen durch Selbstverpflichtung des Gesetzgebers^"^^ nicht bewahrt; die Vollzugsreform blieb insoweit ein letztlich unverbindlicher Programmsatz.^'^'^ Unbeschadet der Frage nach dem Rechtscharakter dieses legislatorischen Vorgehens - Schaffung einer Norm, deren In-ICraft-Treten ohne inhaltliche Bindungswirkung einer zukiinftigen gesetzlichen Regelung vorbehalten bleibt- bestand allerdings Einigkeit dariiber, das erforderliche Bundesgesetz nicht auf unabsehbare Zeit hinauszuschieben.^"*^ Denn der Gesetzgeber selbst hat durch die Schaffung von Ubergangsfassungen diese nur als Provisorien konzipiert. 83 tjbergangsbestimmungen fur sog. Altanstalten, deren Errichtung schon vor InKraft-Treten des Strafvollzugsgesetzes begonnen hatte, enthalt § 201 StVollzG.'"^^ Damit sollte der damals bestehenden baulichen, personellen und organisatorischen Situation Rechnung getragen werden. So konnte bis zum 31.12.1985 die Unterbringung der Inhaftierten abweichend von § 10 *StVollzG ausschlieBlich im geschlossenen Vollzug erfolgen, wenn die konkrete Anstaltssituation es erforderte. Die zeitliche Befristung dieser das Differenzierungsprinzip des § 141 StVollzG tangierenden Ubergangsregelung wurde durch Art. 22 des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur vom 22.12.1981*^° gestrichen. Lassen raumliche, personelle und organisatorische Gegebenheiten in einer Justizvollzugsanstalt, deren Bau vor dem 1.1.1977 begonnen hat, keine offenen Vollzugsformen zu, kommt es dort weiterhin zur Unterbringung aller Gefangenen im geschlossenen Vollzug. Ein solches Zuriicktreten der Realisierung wesentlicher BehandlungsmaBnahmen hinter fiskalischen Sachzwangen hat das Sozialisationspotential des Behandlungsvollzugs reduziert. Dies gilt vor allem auch fur die Justizvollzugsanstalten in den neuen Bundeslandem, hinsichtlich derer es immer noch erheblicher Aufwendungen bedarf, um diese zumindest dem vorhandenen westlichen Standard anzupassen.*^'
*^6 AK-Feest, 2006, § 198 Rdn. 5. *4^ Bohm, 2002, S. 94. 148 Siehe AK-Feest, 2006, §198 Rdn. 5; Calliess/Muller-Dietz, 2005, §198 Rdn. 3; Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal,2005, § 198. '49 Dazu BGH, NStZ 2006, S. 57; KG, NStZ-RR 2003, S. 125. '50 BGBl. 11981,8. 1523. '5' Dazu Dunkel F., 1993a, S. 37 ff.; Essig, 2000, S. 225 ff.; Freise, 2001, S. 83 ff.
1.9 Gesetzgebungskompetenz der Bundeslander
43
Die Vorschriften der §§198 ff. StVollzG - verbunden mit dem ergebnislosen Verstreichenlassen bestimmter Zeitpunkte zum In-Kraft-Treten einzelner Normen und damit einem bloBen Fortbestand des Status quo mangels Initiative zum Erlass eines besonderen Bundesgesetzes i.S.d. § 198 Abs. 3 StVollzG - beeintrachtigen nicht nur das Vertrauen in die Glaubwiirdigkeit der staatlichen Selbstbindung.^^^ Infolge knapper finanzieller Ressourcen bleibt der „Torso" Strafvollzugsgesetz von 1977 eine „Ruine".^^^ Mit dem Gesetz konnte nur ein Teilerfolg bei den lang andauemden Bemiihungen um eine umfassende gesetzliche Grundlage des StrafvoUzugs in Deutschland erzielt werden.^^"^
1.9 Gesetzgebungskompetenz der Bundeslander Die Ende 2004 abgebrochenen und dann im Jahr 2005 fortgesetzten Bestrebungen 84 einer von Bundestag und Bundesrat im Jahr 2003 eingesetzten „Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung"^^^ (sog. Foderalismuskommission) batten u.a. den Vorschlag entwickelt, die Gesetzgebungskompetenz fiir den Bereich des Strafvollzugs den Bundeslandem zuzuweisen. Bei der Bildung der GroBen Koalition von CDU, CSU und SPD zu Beginn der 16. Legislaturperiode des Deutschen Bundestags nahm die Koalitionsarbeitsgrupe zur Foderalismusreform im November 2005 diese Bestrebungen wieder auf. Im Koalitionsvertrag vom 11. November 2005 wurde demgemaB u.a. vereinbart, durch eine Anderung des Grundgesetzes die Aufgabe des Strafvollzugs ebenso wie den Untersuchungshaftvollzug den Gegenstanden der konkurrierenden Gesetzgebung zu entnehmen und die Kompetenz der Landesgesetzgebung zuzuordnen. Die Vereinbarung wurde von der Legislative umgesetzt. Bundestag und Bundesrat'^^ haben nunmehr beschlossen: GemaB Art. 1 Nr. 7a) aa) des Gesetzes zur Anderung des Grundgesetzes (sog. Foderalismusreformgesetz) werden in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG die Worter „und den Strafvollzug" gestrichen sowie nach dem Wort „Verfahren" die Worter „(ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs)" eingeftigt. Ebenso wie der urspriingliche Vorschlag der Foderalismuskommission'^^ stieB auch in den parlamentarischen Beratungen die Kompetenziibertragung fiir den
'52 AK-Feest, 2006, § 198 Rdn. 5. '53 Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 198 Rdn. 1, § 201 Rdn. 2; Dunkel F., 1996, S. 519; Laubenthal, 1995, S. 346. '54 Dazu auch Arloth, 2001, S. 310. '55 BT-Drs. 15/1685; BR-Drs. 750/03. '56 BR-Drs. 178/06; BR-Drs. 462/06. '57 Siehe Caspari, 2006, S. 142; Cornel, 2005, S. 48; ders., 2005a, S. 42 f.; Diinkel/ Schuler-Springorum, 2006, S. 145 ff.; Koberer, 2006, S. 2; Koepsel, 2005, S. 41; Miiller-Dietz, 2005, S. 38 ff; ders., 2005a, S. 156 ff
44
1 Grundlagen des Strafvollzugs
Haftvollzug auf nachhaltige Kritik.^^^ Vorgetragen wurden insbesondere Aspekte der Rechtseinheit sowie der Reformentwicklung. Von Befiirworterseite verwies man auf die besondere Sachkompetenz der Lander in Vollzugsangelegenheiten.^^^ Berechtigt ist die Kritik am Bundesgesetzgeber, dass er sowohl bei der Fortschreibung des StVollzG als auch bei seinen Aufgaben zur Verabschiedung eines Jugendstrafvollzugsgesetzes sowie eines Untersuchungshaftvollzugsgesetzes versagt hat. GemaB Art. 125a Abs. 1 GG i.d.F. des Foderalismusreformgesetzes 2006 gilt das als Bundesrecht erlassene Strafvollzugsgesetz nach In-ICraft-Treten der Grundgesetzanderung als Bundesrecht fort. Die Lander konnen es dann durch eigene Landes-Strafvollzugsgesetze ersetzen. Bei dieser Neuregelung haben sie die verfassungsrechtlichen Prinzipien ebenso zu beachten wie die intemationalen Vereinbarungen, die den Haftvollzug betreffen.
^^^ Siehe von Lange-Lehngut, Seebode, MaeHcke, Moser, Rechtsausschuss des Bundestages - OffentHche Anhorung am 17.5.2006 (http//www.bundestag.de/ausschuesse/a06/ foederalismusreform/Anhoerung/02_Justiz/Stellungnahmen/index.html). ^^^ So Liickemann in der Anhorung vom 17.5.2006.
2 Historische Entwicklung
Die Freiheitsstrafe in ihrer modernen Auspragung beginnt nach allgemeiner 85 Auffassung in der zweiten Halfte des 16. Jahrhunderts.^ Zu jener Zeit wurden in England und Holland Haftanstalten eingerichtet, in denen der Freiheitsentzug dem Zweck einer planmaBigen Erziehung der Insassen zu Arbeit und Ordnung und damit zu einem gesetzmaBigen Leben dienen sollte. Diese Entwicklung der Freiheitsstrafe bin zu Zielen einer Besserung und sozialen Integration von Straftatem stand im Gegensatz zu den Strafzwecken des romischen, germanischen und frankischen Strafrechts, wo der Gedanke einer Vergeltung fiir das begangene Unrecht und einer Unschadlichmachung des Rechtsbrechers dominierte.
2.1 Entstehung der Freiheitsstrafe Das Einsperren von Straftatern diente noch bis zum Ende des Mittelalters vorwie- 86 gend der bloBen Verwahrung der Gefangenen ftir das Strafverfahren und der anschlieBenden Exekution von Leibes- oder Lebensstrafen.^ Den romischen Gesetzen war zwar eine offentliche Strafhaft fremd^; lediglich Sklaven als „Sachen" konnten von ihren Herren mit Freiheitsentzug belegt werden. In der Kaiserzeit gait als Grundsatz der Ausspruch Ulpians: „Carcer enim ad continendos homines non ad puniendos haberi debet"/ Dennoch findet sich bereits Freiheitsstrafe als eine Art WillkurmaBnahme. Durch Unterlassen der VoUstreckung einer Todesstrafe konnte sich die Exekutionshaft in ewige Einsperrung (perpetua vincula) umwandeln.^ Zuriickhaltung bei der Verhangung von Todesurteilen diirfte auch im franki- 87 schen Recht zu der Anordnung Karls des GroBen von 813 gefiihrt haben, worin er den Freiheitsentzug bis zur Besserung von Straftatem „boni generis" verfugte erste nachweisbare Anfange der Verhangung von Freiheitsstrafen mit Besserungs-
Siehe fur viele v. Dolsperg, 1928, S. 46 ff; v. Hippel, 1928, S. 10; Krause Th., 1999, S. 30 ff; Kiirzinger, 1984, S. 1741; Mittermaier W., 1954, S. 17; Schwind, 1988, S. 3; krit. Deimling, 1995, S. 42 ff 2 Kriegsmann, 1912, S. 2. 3 Krause J.-U, 1996, S. 83. 4 UlpianDig.48, 19, 8,9. 5 Mommsen, 1899, S. 961.
46
2 Historische Entwicklung
zweck aufgrund umfassender Anordnung. Diese beinhaltete zudem, dass in jeder Grafschaft ein Kerker vorhanden sein sollte.^ 88 Bedeutenden Einfluss auf die Entstehung der Freiheitsstrafe nahm die sich ab dem 4. Jahrhundert statuierende Sanktionsform der Klosterhaft.'' Urspriinglich wurden dabei delinquente Monche zur klosterlichen BuBiibimg in einem Arbeitshaus isoliert. Seit dem 9. und 10. Jahrhundert wandelte sich die Einsperrung straffalliger Ordensleute allmahlich auch zu einer gemeinrechtlich-kirchhchen Strafe gegentiber weMichen Klerikem und Laien, die zunachst im Klosterkerker, spater in vom Kloster getrennten besonderen Gefangnissen zu verbiiBen war.^ Die zeitig oder lebenslang verhangte Klosterhaft zielte auf die innere Besserung des Sanktionierten ab - ad agendam poenitentiam. Sollte ihr urspriinglicher Zweck damit Strafe zur Siihne und BuBe sein, wandelte sich mit der Errichtung eigenstandiger Klostergefangnisse im Verlauf der Jahrhunderte die Klosterhaft jedoch zu einer grausamen Sanktion. Die Entziehung der Freiheit gehorte bald zu den schwersten Strafen und stand vor allem in ihrer lebenslangen Auspragung als career perpetuus der Todesstrafe kaum nach.^ Sie konnte in der Praxis des Vollzugs sogar eine noch hartere tJbelszufugung bedeuten: Die Gefangenen mussten bei Wasser und Brot bisweilen gefesselt - Jahre in unterirdischen feuchten Raumen ohne Tiiren und Fenster verbringen; die Strafe war haufig mit korperlichen Ziichtigungen verbunden.io In der Klosterhaft zeigten sich zwar Tendenzen eines BesserungsvoUzugs. Der Einsperrung lag ein Erziehungselement zugrunde, allerdings noch im Sinne kirchlicher BuBfertigkeit. Strafe stellte ein besonderes Mittel im Rahmen einer umfassenden klosterlichen Erziehung dar, wobei aber mehr an „die Rettung der gefahrdeten Seelen vor der Verdammnis"^^ gedacht war als an eine soziale Integration der Betroffenen. 89 AuBerhalb der Kloster wurde im Mittelalter Freiheitsentzug nur in geringem Umfang angedroht und vollzogen.^^ Haft auf Lebenszeit wahlte etwa der Gnade iibende Konig, der das Leben eines Taters schonen wollte.^^ Im 13. bis 15. Jahrhundert machten dann auch Fiirsten und Stadte von der Sanktionsform der Freiheitsstrafe Gebrauch; insbesondere fand diese Unrechtsreaktion Eingang in zahlreiche Stadtrechte.^"* Gegentiber dem noch vorherrschenden System von Leibesund Lebensstrafen blieb sie allerdings eine untergeordnete Folge straffalligen Verhaltens. Ihr Vollzug diente zudem keinem bessemden Zweck. Er fand vielmehr unter unmenschlichen Bedingungen in Schlosskellem, in Mauertiirmen der
Vgl. dazu V. Hippel, 1928, S. 7. Siehe Bohne, 1922, S. 235; Krause Th., 1999, S. 16 f; Krohne, 1889, S. 8. Freudenthal, 1914/15, S. 84; KrauB, 1895, S. 200 ff KrauB, 1895, S. 217. V. Dolsperg, 1928, S. 23; KrauB, 1895, S. 214. Dahm, 1931,8.292. Quanter, 1905, S. 70. ^3 Waitz, 1955,8. 891. Siehe V. Hippel, 1928,8.8.
^ ^ 8 9
2.2 Erste Ansatze modemen Besserungsvollzugs
47
Stadte bzw. Verliesen in Rathaus- oder Burgkellem statt und glich in seiner Wirkung einer abgewandelten Form der Leibes- und Lebensstrafen.^^ Das faktische Strafiibel als „squalor carceris"^^blieb in der Periode des Gemei- 90 nen Rechts erhalten. Angesichts des Grundsatzes von Ulpian trug auch die Rezeption des romischen Rechts zu keiner Fortentwicklung des Vollzugs von Freiheitsstrafen bei. So wird etwa in Art. 11 der 1532 auf dem Reichstag zu Regensburg beschlossenen Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V. noch klargestellt, dass das Gefangnis der Verwahrung des Gefangenen dienen sollte. Die Carolina kennt jedoch auch schon den Freiheitsentzug als eine Sanktionsform. So ordnet Art. 157 beim ersten Diebstahl an: „... soil er mit dem Kerker darinn er etlich zeitlang ligen, gestrafft werden." In Art. 10, 101 und 192 wird die Bestrafung zu „ewiger gefengknuss" erwahnt, deren Voraussetzungen und Verhangung aufgrund der salvatorischen Klausel am Schluss der Vorrede aber dem Landesbrauch vorbehalten bleiben. Die Zeit des gemeinen deutschen Strafrechts brachte eine zunehmende Milderung des Strafensystems mit sich, was schlieBlich zu vermehrt freiheitsentziehenden MaBnahmen fiihrte.^'^ Die Freiheitsstrafe begann die Leibes- und Lebensstrafen und die damit verbundenen Strafzwecke der Vergeltung und der Unschadlichmachung des Rechtsbrechers zu verdrangen.
2.2 Erste Ansatze modernen Besserungsvollzugs In der zweiten Halfte des 16. Jahrhunderts ging der allmahliche Ersatz von Leibes- 91 und Lebensstrafen durch einen zeitlich begrenzten Freiheitsentzug einher mit Veranderungen der Funktionsbestimmung: Die Besserung des Gefangenen sowie das Bestreben um seine soziale Wiedereingliederung wurden zu grundlegenden Zielen der modemen Freiheitsstrafe. Dennoch vermochte sich diese nicht von Elementen zu losen, welche den Korper selbst in Mitleidenschaft zogen, so dass ihr ein „peinlicher" Rest verblieb.^^ Dass sich die Entwicklung zu einem Besserungsvollzug gerade zu jener Zeit anbahnte, lasst sich im WesentHchen auf die soziale, rehgiose und wirtschafthche Situation zuriickfuhren: Vor allem die sozialen Entwurzelungsprozesse als Folge der Kreuzzuge, aber auch eine Verarmung der Landbevolkerung bedingten in Europa das Auftreten umherziehender Bettler, deren Vagabundentum sich zu einem Massenphanomen ausweitete. Der damit verbundenen Kleinkriminalitat konnte man nicht mehr nur mit der VoUstreckung von Leibes- und Lebensstrafen Herr werden. ^^ Das wachsende Heer der Bettler - darunter viele Kinder und Jugendliche - erforderte eine andere Reaktionsform. Im Zusammenhang mit der Armenfiirsorge kam es zu einem Umdenken: Bewaltigung der Besorgnis erregenden Entwicklung Eisenhardt, 1978, S. 25; Freudenthal, 1914/15, S. 83. SchmidtEb., 1965, S. 193. v. Hippel, 1928, S. 9; Schmidt Eb., 1965, S. 193. Foucault, 1981,S.24f ^9 Krohne, 1889,S. 14.
48
2 Historische Entwicklung
durch „Umwandlung des sozialen Schadlings in einen brauchbaren Menschen".-^^ Zur gleichen Zeit gingen sozial-religiose Impulse vom Calvinismus aus. Die calvinistische Bemfsund Arbeitsethik verlangte eine strenge Bekampfung des Bettlertums, der Armut und des Diebstahls mittels Disziplinierung in Form von niitzlicher Arbeit. Da im MtiBiggang etwas Gott Zuwidergehendes lag, sollte der Delinquent durch harte Arbeit „in den Zustand eines rechten Verhaltnisses zu Arbeit und Berufspflichten und damit zu Gott gezwungen werden."^^ Ein sich entwickelndes merkantilistisches Denken erkannte in den Gefangnisinsassen schlieBlich ein groBes Potential an preiswerten Arbeitskraften. LieB sich Arbeit anstaltsmaBig organisieren, konnten die Gefangenen auch mit wirtschaftlichem Erfolg zwangsverpflichtet werden.^^ 92
Eine dementsprechend veranderte Funktionsbestimmung von Freiheitsentzug findet sich erstmals in England. Dort richtete die Stadt London in dem ihr von Konig Eduard VI. geschenkten Schloss Bridewell im Jahr 1555 ein Arbeitshaus ein, dem in der Folgezeit in den Grafschaften die Eroffnung einer Vielzahl sog. „houses of corrections" folgte. In diesen Arbeits- und Werkhausem sollten Bettler, Landstreicher, Prostituierte und kleine Diebe mit dem Ziel ihrer gesellschaftlichen Integration zur Arbeit erzogen v^erden. 93 Wahrend die englischen Korrektionshauser mehr der Bekampfung bestimmter sozialer Auffalligkeiten dienten, wurde der Gedanke des Besserungsvollzugs gerade ftir Straftater 1595 in Holland mit der Griindung des Amsterdamer „Tuchthuis" realisiert. Das Amsterdamer Zuchthaus fiir Manner, 1597 um die Errichtung eines „Spinhuis" fiir Frauen erganzt, gilt als die erste Strafvollzugsanstalt im modemen Sinne.^^ In ihr lebten etwa 150 Personen aus dem „zuchtlosen" Volk in kleinen Gemeinschaftsraumen. Tagstiber waren sie mit Holzraspeln bzw. Spinnereiarbeiten sowie mit seelsorgerischem Unterricht beschaftigt. Durch harte Arbeit und Religion als „Zuchtmittel" sollten sie gebessert und an das soziale Leben gewohnt werden, damit sie wieder brauchbare Mitglieder der Gesellschaft darstellten.^"^ Wegen der stigmatisierenden Folgen einer Bestrafung, welche die Zielsetzung einer gebesserten Riickkehr der Verurteilten in die soziale Gemeinschaft erschwerten, kam der Unterbringung im Zuchthaus im Gegensatz zu anderen Strafen keine entehrende Wirkung zu. Die Insassen erhielten fiir ihre Arbeit Pramien, deren Auszahlung teilweise erst bei ihrer Entlassung erfolgte.-^^ Die Disziplin wurde allerdings mit Prugelstrafen und anderen korperlichen Ziichtigungen aufrechterhalten.^^ 94
Der Amsterdamer Besserungsvollzug erlangte bald Vorbildfunktion^'^ fiir die Errichtung von Strafanstalten in anderen Staaten Europas. Dem hollandischen Mo20 2' 22 23
Freudenthal, 1914/15, S. 85. SchmidtEb., 1960, S. 7. Eisenhardt, 1978, S. 31. v. Dolsperg, 1928, S.46ff; Freudenthal, 1914/15, S. 85; v. Hippel, 1898, S. 437 ff; Mittermaier W., 1954, S. 17; Radbruch, 1950, S. 116; Seggelke, 1928, S. 40 ff; dagegen ordnet Deimling, 1995, S. 72, sowohl Bridewell als auch die Amsterdamer Einrichtung noch den Institutionen der Armenpflege zu. 2^ Bienert, 1996, S. 142 ff; v. Hippel, 1898, S. 51. 25 v.Hippel, 1928,S. lOf 26 Tak, 2001, S. 1085; siehe auch Hallema, 1958. 27 Krohne, 1889, S.27.
2.2 Erste Ansatze modemen Bessemngsvollzugs
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dell entsprechend kam es Anfang des 17. Jahrhunderts zur Griindung von Zuchthausem in den mit Amsterdam in Verkehrsbeziehungen stehenden Hansestadten Bremen, Liibeck, Hamburg^^ und Danzig. Andere deutsche Stadte wie Spandau und Berlin folgten; gegen Ende des 18. Jahrhunderts bestanden in Deutschland etwa 60 Zucht- und Arbeitshauser.^^ Neben den auf Erziehung und Besserung ausgerichteten Zuchthausem existierte jedoch weiterhin der am bloBen Vergeltungsgedanken orientierte Freiheitsentzug fort. Dieser hatte sich nach der Zuriickdrangung von Leibes- und Lebensstrafen aus der vormaligen Untersuchungs- und Exekutionshaft entwickelt und stellte zunehmend eine regelmaBig verhangte Sanktionsform dar.^° Tatsachlich hatte ihr grausamer Vollzug ohne Arbeit in Kerkem und Verliesen aber den Charakter einer mit der Inhaftierung verbundenen Leibesstrafe. Auch bei den Zuchthausem selbst setzte schon im 17. Jahrhundert ein deutli- 95 cher Verfallsprozess ein. Dieser war in Deutschland zum einen Folge der Wirren des DreiBigjahrigen Krieges. Wesentliche Bedeutung fiir die Verschlechterung der Anstaltsverhaltnisse - verbunden mit einem Zunickweichen des Besserungsgedankens - hatte zudem die Mehrfachfunktion der Einrichtungen als Arbeits-, Armen-, Waisen- und Irrenhauser. Merkantilistisches Denken fiihrte schlieBlich dazu, dass der urspriingliche VoUzugszweck der Besserung durch Arbeit hinter alleinigen okonomischen Interessen zuriicktrat. Zuchthauser wurden an Privatuntemehmer verpachtet, denen es auf Gewinnerzielung ankam und nicht auf Forderung von MaBnahmen zur sozialen Integration Gefangener.^^ Hinzu kam eine allgemeine Uberfiillung der Anstalten, in denen Manner, Frauen, Jugendliche und Kinder zusammen auf engstem Raum in unhygienischen Verhaltnissen untergebracht waren. Ende des 17. Jahrhunderts wird damit ein Bedeutungswandel sichtbar: Die als 96 nicht entehrende MaBnahme zur erzieherischen Beeinflussung des Rechtsbrechers konzipierte Zuchthausstrafe gilt nunmehr gegeniiber dem Career als die schwerere Sanktionsform. Im 18. Jahrhundert ist das Gefangnis schlieBlich „Kloake, Verbrecherschule, Bordell, Spielholle und Schnapskneipe, nur nicht eine Anstalt im Dienste des Strafrechts zur Bekampfung des Verbrechens".^^ Eine konsequente Durchfiihrung des Bessemngsvollzugs findet zu jener Zeit nur noch in einigen wenigen Einrichtungen statt. Zu diesen zahlen etwa das 1703 von Papst Clemens XL in San Michele bei Rom gegriindete „Bose-Buben-Haus" sowie das 1775 in Gent eroffnete „Maison de Force".^^
28 29 30 3^ 32 33
Dazu Hensel, 1979, S. 25 ff Freudenthal, 1914/15,8. 86. SchmidtEb., 1965, S. 193 f Schwind, 1988, S. 6; siehe dazu auch Rusche/Kirchheimer, 1974, S. 38 ff Krohne, 1889,8.22. Wahlberg, 1888,8. 88.
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2 Historische Entwicklung
2.3 Reformen des 19. Jahrhunderts 97 Der Niedergang des Gefangniswesens und die damit einhergehenden Missstande in den Anstalten losten im 18. Jahrhundert einsetzende Reformbestrebungen aus, die dann im 19. Jahrhundert vor allem in Nordamerika, England und den deutschen Partikularstaaten zu einer Erneuerung des Strafvollzugs fiihrten. 98 Einfluss auf die Fortentwicklung der Freiheitsstrafe nahm die vor-kantische Aufklarungsphilosophie, die eine endgiiltige Zuriickdrangung von Folter, Leibesund Lebensstrafen forderte und bewirkte. Wie schon vor ihm Montesquieu in seinem Werk „De I'esprit des lois"^'* 1748, trat auch der Mailander Philosoph Cesare Beccaria in seinem 1764 erschienenen Buch „Dei delitti e delle pene" fur maBvolle Strafen ein. Im Gegensatz zum totalen Gesellschaftsvertrag Rousseaus, der aus diesem heraus der Todesstrafe noch ihre Berechtigung zuerkannte^^, hat nach Beccaria der Burger fiir Handlungen, die ein Gesetz fiir strafbar erklart, nicht Leib und Leben, sondem nur einen Teil seiner Freiheit dem Staat verpfandet (partieller Gesellschaftsvertrag).^^ 99 Wurde die Freiheitsstrafe damit im 19. Jahrhundert zur Regelform staatlicher Kriminalstrafe, gaben Situationsanalysen von Howard und Wagnitz wesentliche Impulse zu ihrer Neugestaltung. Der Englander John Howard kam nach Jahren des Studiums zahlreicher europaischer Anstalten zu der Uberzeugung, dass Gefangnisse nicht allein der Verwahrung der Inhaftierten dienen sollten, sondem darin eine Erziehung der Rechtsbrecher durch Arbeit und Sittenstrenge erfolgen musste. In seinem 1777 veroffentlichten Werk „The State of the Prisons in England and Wales" entwarf er den Plan eines BesserungsstrafvoUzugs. Seinem Leitgedanken „make men diligent and they will be honest" folgend schlug Howard dazu vor: - Einzelhaft zur Verhinderung gegenseitiger krimineller Ansteckung, - Arbeitszwang verbunden mit der Zahlung von Arbeitslohn, - Verpflichtung zur Riicklage eines Teils des Lohns far den Tag der Entlassung, - Schaffung hygienischer Zustande in den Anstalten, - Einfiihrung eines Progressivsystems, in dem der Einzelne durch Wohlverhalten Vergiinstigungen bis hin zu einer Verkiirzung der Strafzeit erlangen konnte.^*^ 100
Das Werk Howards verbreitete in Deutschland der Anstaltspfarrer Heinrich Wagnitz aus Halle. Dieser befasste sich mit den Reformideen und setzte sich in seinem 1791 erschienenen Buch „Historische Nachrichten und Bemerkungen iiber die merkwiirdigsten Zuchthauser in Deutschland" ebenfalls fiir eine Besserung der Verbrecher durch niitzliche Arbeiten ein.^^
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Buch VI, Kap. 9, Ausgabe GorHtz, 1804. Du Contract Social ou Principes du Droit Politique, Ausgabe Paris. Band II.5. 1824. Dei delitti e delle pene, Ausgabe Milano, 1911, S. 21 ff Howard, Ausgabe Leipzig, 1780, S. 69, 162 ff Wagnitz, 1791, S. 15.
2.3 Reformendes 19. Jahrhunderts
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2.3.1 Nordamerikanische Vollzugssysteme Zwar kam es unter Howards Einfluss Ende des 18. Jahrhunderts noch in England 101 zum Bau erster Zellengefangnisse.^^ Es war aber vor allem die nordamerikanische Gefangnisbewegung, die dessen Vorstellungen aufgriff und der Weiterentwicklung des StrafvoUzugs wesentliche Impulse gab.'*^ Wegen einer Gefangnisreform im Staat Pennsylvania stand die 1787 gegriindete „Philadelphia Society for Alleviating the Miseries of Public Prisons""^^ mit Howard in brieflichem Kontakt. Auf Initiative dieser Gefangnisgesellschaft hin wurde in den Jahren 1822 bis 1825 das „Eastem Penitentiary" in Philadelphia errichtet. Dem Geist der Quaker gemaB befanden sich die Insassen dort Tag und Nacht ohne Arbeit in Einzelhaft, um frei von negativen Einfliissen ihrer Mitgefangenen in der Einsamkeit zu sich, zu Gott und damit zur Reue zu finden, und als ein anderer Mensch in die Freiheit zuriickzukehren.^^ Die Strafanstalt von Philadelphia - nicht als „prison" , sondem hergeleitet aus dem lateinischen Wort poenitentia als „penitentiary" bezeichnet - erlangte bald Bedeutung als Mustergefangnis fur den Vollzug strengster Einzelhaft, das „solitary-system"/^ Das Anstaltsgebaude war als eingeschossiger stemformiger Fliigelbau in der Strahlenbauweise erstellt, so dass zentral platziertes Aufsichtspersonal vom Mittelpunkt der Anstalt aus samtliche Einzelzellen zu iiberwachen vermochte. In diesen verbrachten die Insassen ihre Haftzeit der Idee Howards entsprechend zunachst in uneingeschrankter Einsamkeit. Die strenge Isolation war derart perfektioniert, dass die Gefangenen selbst beim Kirchenbesuch aus getrennten Boxen heraus den Geistlichen sehen konnten."^"* Kritik an der Konzeption des strengen „solitary-system" fiihrte jedoch schon 102 bald in Philadelphia selbst zu Lockerungen des Vollzugs durch Arbeit in der Zelle und Besuche ausgewahlter Personlichkeiten. Befurchtet wurde, dass die dauerhafte totale Isolation eine vollstandige soziale Entfremdung bewirkte und zudem gesundheitliche Schaden hervorrief."*^ Um derartige Belastungen zu verringem, lieB der Gouvemeur des Staates New York das 1823 in Auburn eroffnete Gefangnis in bewusstem Gegensatz zum „Eastem Penitentiary" unter Verzicht auch auf die panoptische Strahlenbauweise gestalten. Die Insassen verbiiBten dort nur nachts sowie in ihrer Freizeit die Strafe in Einzelzellen, wahrend sie tagsiiber in der Anstalt zugehorigen Werkhausem arbeiten mussten."^^ Um die Gefahr einer kriminellen Ansteckung der Gefangenen zu verhindem, wahlte man den Weg „innerlicher Absonderung in auBerer Gemeinschaft""*^ - das „silent-system": Die Inhaftierten 39
Kriegsmann, 1912,8.29. Siehe auch Krause Th., 1999, S. 69. 41 Dazu Roberts, 1997, S. 24 f 42 Krohne, 1889, S. 44; Robinson, 1923, S. 71. 43 Nutz, 2001, S. 191 ff; Roberts, 1997, S. 32 ff. 44 Vgl. Schwind, 1988, S. 8. 45 Eisenhardt, 1978, S. 40. 46 Roberts, 1997,8.38 ff. ^^ Mittermaier W., 1954, 8. 26. 40
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2 Historische Entwicklung
durften bei der Arbeit nicht miteinander sprechen oder sich durch Zeichen verstandigen. Allerdings konnte dieses Kommunikationsverbot in der Praxis nur durch brutale korperliche Misshandlungen bei VerstoBen durchgesetzt werden. Die Realisierung divergierender Vollzugsformen in Philadelphia und Auburn leitete einen Systemstreit ein'^^ der die Reform des Gefangniswesens in den anderen Bundesstaaten weitgehend behinderte/^ SchlieBlich behauptete sich in Nordamerika das Aubum'sche „silent-system". Dies beruhte im Wesentlichen auf okonomischen Griinden: Die fabrikmaBige Gestaltung der Gefangniswerkstatten eroffnete Moglichkeiten zur Gewinnerzielung. Zudem erwies sich die Errichtung von Einzelhaftanstalten nach pennsylvanischem Vorbild als die teurere Altemati-
2.3.2 Englischer und irischer Stufenstrafvollzug 103 Im Europa des 19. Jahrhunderts dominierte im Gegensatz zu Nordamerika das „solitary-system" - allerdings in modifizierter Form. Erbaut nach dem Vorbild des „Eastem Penitentiary" wurde 1842 bei London die Strafanstalt Pentonville^^ eroffnet. Die Einzelhaft stellte aber nur eine Stufe innerhalb des in England praktizierten Progressivsystems dar, in dem bereits erste Ansatze der von Howard geforderten vorlaufigen Entlassung erkennbar sind.^^ Pentonville war zunachst als Ausgangsvollzug der Deportationsstrafe bestimmt, wobei die Verurteilten durch Wohlverhalten wahrend der Einzelhaft und der sich daran anschlieBenden Phase der Gefangnisarbeit ihre Verbannung in die australische Kolonie erreichten. Dort kam es dann bei guter Fiihrung zum Erlass der Reststrafe auf dem Gnadenweg.^^ Die Einstellung der Deportationen aufgrund von Protesten australischer Siedler bedingte jedoch die Schaffung eines veranderten Progressivsystems. Dabei wurde der Erkenntnis Rechnung getragen, dass ein abrupter Ubergang von der strengen Einzelhaft in die Freiheit eine soziale Integration der Entlassenen gefahrden konnte.^"* Der Vollzug des englischen Stufenstrafvollzugs erfolgte daher ab 1857 in drei Stadien^^: 1. Neun Monate strenge Einzelhaft ohne jegliche Vergunstigungen, verbunden mit harter Arbeit, Unterricht und Zuspruch des Gefangnisgeistlichen zum Zweck der sittlichen Umkehr des Inhaftierten. 2. Bei guter Fuhrung Gemeinschaftshaft und Beschaftigung in drei Klassen unterteilter Arten von Gemeinschaftsarbeit. Im Rahmen eines „mark-system" durch Verdienen oder Entzug von Marken Moglichkeit zum Aufstieg in die nachsthohere Klasse bzw. Degradierung bis hin zur Ruckkehr in die Einzelhaft. ^« Rothman, 1998, S. 106. 49 Krohne, 1889, S.48. 50 Freudenthal, 1914/15, S. 89; McConville, 1998, S. 121 ff
51 52 53 54 55
DazuNutz, 2001, S. 195 ff Schwind, 1988, S. 10. Siehe dazu Schattke, 1979, S. 51 ff Wahlberg, 1888,8.98. Vgl.Krohne, 1889, S. 61f
2.3 Reformen des 19. Jahrhunderts
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3. Nach erfolgreichem Aufstieg in die erste Klasse Anspruch auf vorlaufige Entlassung nach VerbuBung von drei Viertel der verhangten Strafe. Das dreistufige englische Progressivsystem wurde in Irland auf Vorschlag des 104 Gefangnisreformers Walter Crofton ab 1854 um eine weitere Stufe erganzt. Zwischen Gemeinschaftshaft und vorzeitige Entlassung trat das „iiitermediate prison". In dieser Zwischenanstalt untergebrachte Gefangene bereiteten sich auf ihre Riickkehr in die Gesellschaft vor, indem sie auBerhalb der Einrichtung einer Arbeit nachgingen. Vereine der Entlassenenfiirsorge stellten dariiber hinaus Kontakte zur Bevolkerung her.^^ Im „intermediate prison" des irischen Systems liegen die Urspriinge der modemen Freigangerhauser.^'^
2.3.3 Uneinheitliche Entwicklung in den deutschen Partikularstaaten Die angloamerikanische Systemkonkurrenz beeinflusste auch das Vollzugswesen 105 in Deutschland. Dort hatte Heinrich Wagnitz Ende des 18. Jahrhunderts die Ideen Howards bekannt gemacht und eine Reform gefordert.^^ In Erkenntnis der Missstande in den Gefangnissen legte das PreuBische Justizministerium 1804 den „Generalplan zur Einfiihrung einer besseren Criminal-Gerichts-Verfassung und zur Verbesserung der Gefangnis- und Straf-Anstalten" vor.^^ Dieser beinhaltete als wesentliche Neuerungen eine Klassifizierung der Gefangenen nach besserungsfahigen und unerziehbaren Straftatem, eine Differenzierung zwischen Untersuchungs- und Strafhaft, Vorschriften iiber Arbeitserziehung und Ansatze eines Stufenstrafvollzugs. Die Realisierung dieses Generalplans zur grundlegenden Umwandlung des Gefangniswesens scheiterte jedoch^^, denn der Dualismus der preuBischen Gefangnisverwaltung fiihrte zu Kompetenzkonflikten zwischen Innen- und Justizministerium um die Zustandigkeit fiir den Strafvollzug. Die napoleonischen Kriege hatten zudem die fiir eine umfassende Neugestaltung notwendigen fmanziellen Ressourcen PreuBens erschopft. Den Reformversuchen stand auch die nach-kantische Aufklarungsphilosophie entgegen, welche die Prinzipien der Tatschuldvergeltung und der Generalpravention in den Vordergrund treten lieB. Vor allem die liberal-rechtsstaatliche Strafauffassung Anselm von Feuerbachs bewirkte eine Verdrangung des Besserungsgedankens als eine unzulassige Kompetenziiberschreitung des Staates.^^ Als Folge dominierten im Vollzug auBere Sauberkeit, geregelter Arbeitsgang, Piinktlichkeit und strenge Disziplin als Inhalte des Gefangnisalltags.^^ Dabei oblag die Aufsicht in den Anstalten haufig ehemaligen Offizieren bzw. Unteroffizieren, die den Vollzug nach hierarchisch-militarischen Grundsatzen gestalteten. Es kam ^^ 5^ 5« ^9 ^° ^^ 62
Aschrott, 1887, S. 300; Freudenthal, 1914/15, S. 89; Schattke, 1979, S. 59. Eisenhardt, 1978, S. 42. Vgl. Schidorowitz, 2000, S. 67 ff Nachdruck in Krohne/Uber, 1901, S. 34 ff Siehe dazu auch Freudenthal, 1914/15, S. 90; Schwind, 1988, S. 12. Siehe Feuerbach, 1801. Schmidt Eb., 1965, S. 350.
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zu einer Degradiemng der Insassen zu bloBen Nummem, mit denen sie auch angesprochen wurden.^^ 106 Die Unzulanglichkeiten des Vollzugswesens losten in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts neuerliche Reformimpulse aus, als sich - angeregt durch die nordamerikanische Gefangnisbewegung und deren Erfolge - auch in Deutschland Gefangnisgesellschaften und Gefangenenfiirsorgevereine auf christlicher Grundlage zu konstituieren begannen. Erste deutsche Gefangnisgesellschaften waren die 1826 auf Initiative des Seelsorgers Theodor Fliedner gegriindete RheinischWestfalische Gefangnisgesellschaft sowie der Berliner Schutzverein von 1827.^"^ Diese betrieben nicht nur Entlassenenfiirsorge. Getragen vom Leitbild des Gefangnisses als Besserungsanstalt bemiihten sie sich um die Ausbildung und seelsorgerische Betreuung der Inhaftierten. 107 Die Idee des BesserungsvoUzugs stand auch far die zur gleichen Zeit sich entwickelnde Gefangniswissenschaft im Vordergrund. Wesentlich gepragt wurde diese von dem Hamburger Arzt Nikolaus Julius und seinen „Vorlesungen liber die Gefangniskunde oder iiber die Verbesserung der Gefangnisse"^^, mit denen er erstmals auch eine „Wissenschaft der Gefangnisse" begriindete.^^ Gefangniskunde bedeutete „die Gesamtheit aller auf Einrichtung und Handhabung der Gefangnisanstalten, vomehmlich aber der Vollzugsanstalten beziiglichen Grundsatze, Lehren und Regeln."^^ Die Gefangniskunde entwickelte sich zunachst mit gewissen Parallelen zu den Naturwissenschaften des 19. Jahrhunderts zu einer Erfahrungswissenschaft. Man bemiihte sich, die Realitat in den Strafanstalten zahlenmaBig zu erfassen. Die Vollzugsbehorden waren jedoch bestrebt, ihre amtlich erhobenen Statistiken geheim zu halten. Diese Exklusivitat des gefangniskundlichen Basiswissens machte es fxir die Strafvollzugsexperten der damaligen Zeit nahezu unmoglich, fiir ihre Forschungen das notwendige Zahlenmaterial zu erhalten.^^ Um das Gefangniswesen erfassen zu konnen, kam es deshalb zu einem Wissenstransfer durch Bereisung von in- und auslandischen Institutionen sowie insbesondere zu einer Wissenskommunikation innerhalb eines grenz- und facheriibergreifenden Kommunikationsnetzwerks.^^ So lasst sich bezogen auf die Aktivitaten der Strafvollzugsexperten des 19. Jahrhunderts durchaus bereits von einer europaischen Gefangniskunde sprechen.^^ Die am Besserungsgedanken orientierten Gefangniswissenschaftler setzten sich auch iiber Vorziige der divergierenden angloamerikanischen Organisationsmodelle auseinander, es kam zu einem Wettkampf der Systeme. Man gruppierte sich in Vertreter der Einzelhaft (sog. Pennsylvanisten) und in Anhanger der Gemein63 6^ 65 66 67 6« 6^ 70
Eisenhardt, 1978, S. 45. Mittermaier W., 1954, S. 23. Julius, 1828; dazu Krebs, 1973, S. 307 ff Vgl. Krause Th., 1999, S. 69; Nutz, 2001, S. 239 ff v. Holtzendorff, 1988,8.4. Siehe Mittermaier K. J. A., 1860, S. 57. Ausfuhrlich dokumentiert in Riemer, 2005. Dazu Riemer, 2005, S. 131 ff
2.3 Reformendes 19. Jahrhunderts
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schaftshaft mit Schweigegebot und Treimung bei Nacht (sog. Aubumianer).^^ Dabei waren die Systemstreitigkeiten allerdings iiberlagert vom gemeinsamen Leitbild der Gefangniskundler, den deutschen StrafvoUzugs in zeitgemaBer und zweckgerichteter Form zu reformieren. Richtungsweisend fiir die Durchsetzung der Einzelhaft war der 1846 nach Frankfurt einberufene Erste Internationale Gefangniskongress, der sich unter dem Vorsitz des Pennsylvanisten K. J. A. Mittermaier mit iiberwiegender Mehrheit fiir dieses System aussprach.^^ Der Gefangene sollte sich in seiner Zelle mit niitzlichen Arbeiten beschaftigen; Milderungen durften dem Prinzip der Trennung nicht widersprechen. Unter dem Eindruck der Mitte des 19. Jahrhunderts vorherrschenden Auffas- 108 sung kam es in einigen deutschen Partikularstaaten zum Bau von Haftanstalten nach pennsylvanischem Muster. Vorbildfunktion erlangte insoweit die 1848 eroffnete badische Zellenstrafanstalt in Bruchsal.^^ Gleiches gilt fur das Zellengefangnis in Berlin-Moabit.'^'^ Letzteres wurde auf Anordnung von Friedrich Wilhelm IV. ebenfalls in der Strahlenbauweise erstellt und im Jahr 1849 seiner Bestimmung iibergeben. Der preuBische Konig hatte vor seinem Amtsantritt GefangniskundeVorlesungen von Julius besucht und sich im Rahmen einer Englandreise die ihn beeindruckende Anstalt von Pentonville vorfiihren lassen. In seiner Kabinettsorder verfiigte er daher: „... will Ich, dass eine Strafanstalt hier in Berlin ganz iibereinstimmend mit den Einrichtungen des Mustergefangnisses in London ... eingerichtet werde."^5 MaBgebHche Unterstiitzung bei der Einftihrung der Gefangenenbehandlung nach dem pennsylvanischen System in PreuBen fand Friedrich Wilhelm IV. bei dem Pastor JohannHeinrich Wichem, dem Grtinder des Erziehungsheimes „Rauhes Haus" in Hamburg. Dieser sah die Ursachen bisheriger Missstande des StrafvoUzugs im freien Verkehr der Gefangenen untereinander.'^^ Er erkannte aber zugleich, dass der einsitzende Straftater zu seiner Besserung mehr bedurfte, als nur einer Abschirmung in Einzelhaft. Dem Insassen sollte vielmehr „in dieser gereinigten Atmosphare - die Sammlung neuer sittlicher Krafte"^^ ermoglicht werden - mit der Folge einer Abschaffung der Rekrutierung des Gefangnispersonals aus dem Militar und dem Einsatz in der Gefangenenpflege ausgebildeter evangelischer Diakone. Die hohen Kosten der Strahlenbauweise sowie Vorwtirfe konfessioneller Einseitigkeit fiihrten aber schon bald zu einem Scheitem des Konzepts von Wichem. Es entstanden Anstaltsneubauten mit einer systemlosen Mischung aus Zellenabteilungen und Gemeinschaftsraumen."^^ Im Gegensatz zu PreuBen hielt sich Bayern von vomherein dem Einzelhaftsys- 109 tem gegeniiber zuriick. Dort strebte der Direktor des Miinchener Zuchthauses Obermaier eine an der individuellen Behandlungsbediirftigkeit orientierte Klassi-
"71 ^2 ^3 ^4 ^5 ^^ ^^ 78
Siehe Nutz, 2001, S. 310 ff; Riemer, 2005, S. 88 ff Vgl. Krohne, 1889, S. 196; Riemer, 2005, S. 169. Freudenthal, 1914/15, S. 91. Dazu Schache, 1992, S. 14 ff Vgl. Schache, 1992, S. 15. Wichem, Ausgabe 1979, S. 105. Wichem, Ausgabe 1979, S. 116. Sieverts, 1967,S.49.
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fizierung der Besserungsanstalten an.^^ Sachsen schuf ein dem englischen Vorbild entsprechendes System mit Elementen des ProgressivvoUzugs, wobei der Einzelhaft nur die Bedeutung einer Disziplinarstrafe zukam.^° Die Revolution von 1848 hatte vielerorts in der Weiterentwicklung des Haftvollzugs eine Zasur bedeutet. Reformprozesse gerieten ins Stocken und wurden von zur damaligen Zeit drangenderen Aufgaben iiberlagert. Nicht selten gab man sich mit konzeptlosen Provisorien zufrieden.^^ In der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts findet sich in den Partikularstaaten damit ein Nebeneinander divergierender Systeme und Formen der Inhaftierung. Es besteht i m Deutschen Bund keine einheitliche Regelung iiber den Strafvollzug, vielmehr betrachtet „in einzelnen Staaten die Regierung beliebig die Vollstreckung der Freiheitsstrafen und die Einrichtung der Strafanstalten als Sache der Verwaltung".^^
2.4 Entwicklung vom In-Kraft-Treten des RStGB 1871 bis zum Jahr 1945 110 Die inhaltlich unzulanglichen landesrechtlichen Bestimmungen, welche die Ausgestaltung der Freiheitsstrafe iiberwiegend d e m „discretionaren Ermessen der Administration"^^ liberlieBen, stieBen auf zunehmende Kritik v o n Wissenschaft und Praxis. In der Zeit nach der Reichsgriindung 1871 fand daher nicht nur eine Fortsetzung des Streits u m das richtige Vollzugssystem statt. Ein wesentliches Reformanliegen bestand in einer umfassenden einheitlichen Kodifikation des Strafvollzugs. 2.4.1 Stagnation wahrend des Kaiserreichs 111 Das a m 1.1.1871 in Kraft getretene Reichsstrafgesetzbuch beinhaltete in seinen §§ 15 ff. u n d §§ 361 f. nur wenige Regelungen iiber die Ausgestaltung freiheitsentziehender Sanktionen: - Zuchthausstrafe mit Arbeitspflicht des Insassen, Verwendung auch zu Arbeiten auBerhalb der Anstalt bei strikter Trennung von anderen Arbeitem; - Gefangnisstrafe mit Recht des Gefangenen auf Arbeit entsprechend seinen Fahigkeiten und gegebenen Verhaltnissen; - Festungshaft mit Beaufsichtigung der Lebensweise des Verurteilten; - Haftstrafe als im Wesentlichen reiner Freiheitsentzug;
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Obermaier, 1835,8.50. Freudenthal, 1914/15, S. 91. Riemer,2005, S. 139. Mittermaier K. J. A., 1860, S. 74. Wahlberg, 1869,8.251.
2.4 Entwicklung vom In-Kraft-Treten des RStGB 1871 bis zum Jahr 1945
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- Zulassigkeit des Vollzugs der Zuchthaus- und der Gefangnisstrafe in andauemder Einzelhaft; nach Ablauf von drei Jahren nur noch mit Zustimmung des Betroffenen; - bei guter Fuhrung Moglichkeit der vorlaufigen Entlassung nach drei Viertel (mindestens einem Jahr) der verhangten Zuchthaus- oder Gefangnisstrafe; - Unterbringung in einem Arbeitshaus fiir die Hochstdauer von zwei Jahren bei Landstreicherei, Bettelei, Spiel, Trunk, MiiBiggang, gewerbsmaBiger Unzucht, Arbeitsscheu und Obdachlosigkeit. Mit der weitgehenden Ausklammerung expliziter Vorschriften iiber den Voll- 112 zug freiheitsentziehender Sanktionen aus dem Reichsstrafgesetzbuch verblieb es in den einzelnen Bundesstaaten zunachst bei unterschiedlichen Regelungen in Form von landesrechtlichen Strafvollzugsordnungen als Verwaltungsvorschriften. Die Herstellung von Rechtseinheit und Rechtsgleichheit durch ein Reichsstrafvollzugsgesetz wurde daher von Vollzugspraktikem ebenso wie auf parlamentarischer Ebene angemahnt.^'* Aufgrund solcher Initiativen legte die Reichsregierung 1879 einen vom Reichsjustizamt erarbeiteten „Entwurf eines Gesetzes iiber die Vollstreckung von Freiheitsstrafen"^^ vor. Dieser beinhaltete Einzelhaft als erstes obligatorisches Stadium eines Stufenvollzugs bei Zuchthaus- und Gefangnisstrafen (§ 14 Abs. 1). Beschwerden tiber die Art des Vollzugs und iiber die Verhangung von DisziplinarmaBnahmen sollten von der Aufsichtsbehorde verbeschieden werden (§41 Abs. 1). Das Gesetzesvorhaben, das sogar schon einen SondervoUzug fur Jugendliche beinhaltete, scheiterte vor allem an den zur Neuerrichtung von Einzelzellengefangnissen notwendigen finanziellen Anfordemngen.^^ Die Herbeifiihrung einer reichseinheitlichen Reglementierung war auch Ziel 113 der 1897 vom Bundesrat beschlossenen „Grundsatze, welche bei dem VoUzuge gerichthch erkannter Freiheitsstrafen bis zu weiterer gemeinsamer Regelung zur Anwendung kommen".^^ Dieser infolge der Untatigkeit des Reiches von Regierungen der Bundesstaaten initiierten gemeinsamen Regelung kam jedoch nur die Rechtsqualitat einheitlicher Verwaltungsvorschriften durch Landervereinbarung zu, weil es dem Bundesrat zum Erlass von Vorschriften iiber den Strafvollzug als Verordnung an einer reichsgesetzlichen Ermachtigung fehlte.^^ Die Vereinbarung hatte zudem weder Gesetzes- noch Verordnungskraft.^^ Die Bundesratsgrundsatze, die bis zum Ende des Kaiserreichs galten, brachten keine Reformen mit sich. So machten sie die Verwirklichung des Trennungsprinzips (§§1 bis 6) von den jeweils vorhandenen Moglichkeiten abhangig und stellten sie letztlich in das Ermessen der einzelnen Lander (§ 7).^° Uber Beschwerden hatte - soweit nicht Bestimmungen der Strafprozessordnung griffen - die Aufsichtsbehorde zu entschei-
8^ ^^ «6 ^^ ^«
Vgl. dazu Miiller-Dietz, 1970, S. 6 ff Bundesrats-Drucksachen 1879. Band. 2, Nr. 56; dazu Schenk, 2001, S. 19 ff Freudenthal, 1914/15,8.92. Zentralblatt fur das Deutsche Reich, 1897, S. 308 ff; dazu Schenk, 2001, S. 43 ff Miiller-Dietz, 1970, S. 10. 89 Kriegsmann, 1912, S. 85. ^0 Miiller-Dietz, 1970,8.10.
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den (§ 39 S. 1). Damit kam es bis zum Ende des Ersten Weltkriegs im Kaiserreich auf dem Gebiet des Erwachsenenstrafvollzugs zu keinen bedeutenden praktischen Veranderungen. 114 Auch die liberalen Bedenken gegen einen Besserungsvollzug mittels staatlicher Einwirkung auf die Gefangenenpersonlichkeit, die Abhangigkeit des StrafvoUzugsrechts vom Strafrecht und der dort vorherrschende Schulenstreit trugen zum Fortbestehen des gesetzlosen Zustands bei.^^ Das von Franz v. Liszt in seiner Marburger Antrittsvorlesung iiber den „Zweckgedanken im Strafrecht" 1882 vorgetragene Reformprogramm^^ mit den Zielen: - Versuch einer Besserung der besserungsfahigen und bessemngsbediirftigen Tater, - Abschreckung der nicht bessemngsbediirftigen Verbrecher, - Unschadlichmachung der nicht Besserungsfahigen, blieb in der Praxis des ausgehenden 19. Jahrhunderts noch ohne Konsequenzen. Auch die den Erlass eines Strafvollzugsgesetzes als rechtsstaatliche Notwendigkeit fordemde beriihmte Rektoratsrede^^ von Berthold Freudenthal iiber „Die staatsrechtliche Stellung des Gefangenen" (1910) fiihrte noch zu keinen Fortschritten. 115 Lahmend wirkte sich nicht nur der Konflikt iiber die Zweckvorstellungen des Strafvollzugs - Vergeltung und Generalpravention einerseits oder Besserung andererseits - aus. Selbst die Anhanger eines in erster Linie am Besserungsgedanken orientierten Vollzugs setzten untereinander ihre Auseinandersetzungen um Haftsysteme und Vollzugsgestaltung fort, wobei die ablehnende Haltung gegeniiber der strengen Einzelhaft bald iiberwog. Schon v. Liszt hatte eine Besserung der Besserungsfahigen in einem progressiven Behandlungssystem gefordert- beginnend mit Einzelhaft, der sich die widerrufliche Versetzung in die Gemeinschaft anschlieBt; am Ende sollte eine mehrjahrige Polizeiaufsicht des Entlassenen stehen.^"^ Ein bedeutender Schritt zur Verwirklichung eines an Behandlungs- und Erziehungszwecken orientierten Freiheitsentzugs war schlieBlich das 1911 auf Initiative Freudenthals in Wittlich eroffnete erste deutsche Jugendgefangnis.
2.4.2 Weimarer Zeit: Progressivstrafvollzug und Bemuhen um normative Regelung 116 Nach dem Ersten Weltkrieg begann sich in der Weimarer Zeit der Erziehungs- und Besserungsgedanke durchzusetzen. Forderung erfuhr diese Entwicklung durch das Jugendgerichtsgesetz 1923^^, das nicht nur die VoUstreckung der Jugendstrafe in
91 Siehe dazu: Dunkel P., 1983, S. 32 f; Miiller-Dietz, 1970, S. 9; Walter M., 1999, S. 33. 92 V. Liszt, abgedruckt 1905, S. 126 ff 93 Freudenthal, abgedruckt 1955, S. 157 ff 94 V.Liszt, 1905, S. 171 f 95 Dazu Laubenthal/Baier, 2006, S. 15.
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gesonderten Anstalten anordnete^^, sondem auch erstmals auf gesetzlicher Grundlage die Erziehung des jungen Straffalligen zum zentralen Vollzugsziel erklarte. Wesentliche Bedeutung als Mittel zur praktischen Verwirklichung eines die 117 Personlichkeit des Verurteilten in den Vordergrund stellenden ErziehungsvoUzugs erlangte im Weimarer Gefangniswesen^"^ das Progressivsystem nach englischem und irischem Vorbild.^^ Die im Jugendgefangnis Wittlich begonnene individualisierende Behandlung der Inhaftierten durch Einteilung in differenzierende Gruppen wurde vor allem in Bayem, Hamburg und Thiiringen weiter erprobt und fortentwickelt. Engagierte Vollzugspraktiker wie Albert Krebs in der Landesstrafanstalt UntermaBfeld bei Meiningen^^ oder die Hamburger Sozialpadagogen Curt Bondy und Walter Herrmann im Jugendgefangnis Hahnofersand fiihrten Versuche tiber die Ausgestaltung des Stufensystems durch. Dabei betrachteten sie die Progression verschiedener Haftarten als die organisatorische Grundlage des Erziehungsstrafvollzugs^'^^: von Einzelhaft in den ersten Monaten zur Besinnung liber Gemeinschaftshaft, anschlieBende Zwischenanstalt zur Vorbereitung auf die Wiedereingliederung bin zur bedingten Entlassung. Bestarkt wurden jene praktischen Reformbestrebungen von Gustav Rad- 118 bruch.^°^ Dieser hatte schon 1911 - von der absoluten Unvergleichlichkeit der Lebensbedingungen in der Gefangniszelle mit denjenigen in der Freiheit ausgehend eine Sozialisation des Gefangenen gefordert durch Vergesellschaftung „mit seinen Mitgefangenen zu einer nach dem Modell der biirgerlichen Gesellschaft gebauten Assoziation"^°2. Unter Abkehr vom Einzelhaftsystem („Die Einzelhaft verbessert, aber sie verbessert nur fiir die Anstalt, nicht fur das Leben."^^^) strebte er eine schrittweise Anpassung der Anstaltsverhaltnisse an das Leben in der Freiheit an. Als Reichsjustizminister konnte Radbruch kriminalpolitische Reformbestrebungen aktiv fordem. Auf seine Anregung hin wurden zunachst anstelle eines angestrebten Reichsstrafvollzugsgesetzes die Bundesratsgrundsatze von 1897 im Wege der Landervereinbarung durch die Reichsratsgrundsatze von 1923^°"* ersetzt. Diese „Grundsatze for den Vollzug von Freiheitsstrafen" waren gepragt vom Vollzugsziel der erzieherischen Einwirkung auf die Inhaftierten zum Zweck der Ruckfallverhiitung (§ 48). Den damaligen Vorstellungen entsprechend sollte ein einheitlicher Progressivstrafvollzug (§§ 130 f) eingefiihrt werden und im Vollzug eine verstarkte Differenzierung nach Personengruppen und Sanktionsarten erfolgen. Gegen MaBnahmen des Strafvollzugs stand dem Gefangenen das Beschwerderecht zu (§ 147). Soweit nicht Vorschriften der Stra^rozessordnung maBgebend ^^ 9^ 98 99 1^0 ^^1 102 103 104
Zur geschichtlichen Entwicklung des Jugendstrafvollzugs: Cornel, 1984, S. 48 ff Siehe hierzu auch Wachsmann, 2002, S. 411 ff Dazu Schattke, 1979, S. 129 ff Krebs, 1930,8.69 ff Bondy, 1925, S. 90 f Vgl.Einsele, 2001,8.27 ff Radbruch, 1911,8.351. Radbruch, 1911,8.353. RGBl.II 1923, 8.263ff; siehe auch Miiller-Dietz, 1994c, 8. l l f ; 8chenk, 2001, 8. 98 ff
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waren, hatte liber die Beschwerde der Anstaltsvorsteher zu entscheiden (§ 152 S. 1). 119 War der StrafVollzug in Art. 7 Nr. 3 der Weimarer Verfassung von 1919 erstmals als Materie der (konkurrierenden) Gesetzgebung ausdnicklich benannt, kam es jedoch erst 1927- gekoppelt an den gerade aktuellen Entwurf eines Strafgesetzbuches- zu einer entsprechenden Gesetzesinitiative. 1927 legte die Reichsregierung den „Amtlichen Entwurf eines Strafvollzugsgesetzes nebst Begriindung"^^^vor. Hinsichtlich der Ausgestaltung des Strafvollzugs kniipfte dieser an die Reichsratsgrundsatze von 1923 an. Leitprinzipien stellten cine Vertiefung des Erziehungsgedankens sowie die Verstarkung der rechtlichen Garantien des Inhaftierten dar.^^^ Vollzugsziel blieb die Riickfallverhutung (§ 64); am System des Strafvollzugs in Stufen wurde festgehalten (§§ 162 ff). Nicht inhaltliche Kritik, sondem vor allem eine Verkniipfung von Strafrechtsund Strafvollzugsreform bewirkte jedoch, dass mit dem parlamentarischen Scheitem der sog. Reichstagsvorlage eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches 1927 auch der Versuch einer gesetzlichen Regelung des Strafvollzugs sein vorlaufiges Ende fand. 120
Mit dem wahrend der Weimarer Zeit praktizierten Stufenstrafvollzug als Erziehungsmittel war das Ziel der „sittlichen Hebung"^^"^ verbunden. Im Wege der Vergiinstigungsprogression erfolgte bei fortschreitender „innerer Wandlung" eine Milderung des Anstaltsaufenthalts durch schrittweise Lockerungen zur Vorbereitung des Ubergangs in die Freiheit. In der Praxis kam die Gewahrung von Vergiinstigungen aber in erster Linie einer Belohnung fiir Anpassung und Wohlverhalten gleich. Das System des Progressivstrafv^ollzugs brachte damit weniger erzieherische Erfolge mit sich - es entwickelte sich vielmehr zu einem Mittel anstaltsintemer Disziplinierung.'°^ Damit einher ging eine zunehmende Vemachlassigung der Rechtsschutzgarantien. Es setzte sich die Lehre vom besonderen Gewaltverhaltnis durch, wonach die Rechte des Inhaftierten auch ohne ein formliches Gesetz eingeschrankt werden konnten, soweit dies durch den Zweck des Strafvollzugs geboten war.
2.4.3 Nationalsozialistisches Abschreckungs- und Vernichtungskonzept 121 Einen nachhaltigen Riickschlag erhielten die Reformbestrebungen zu einem an Humanitat und Besserungsgedanken orientierten StrafvoUzug wahrend der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Strafe diente nunmehr „in erster Linie der Abschreckung", es gait „durchzuhalten, bis die Verbrecherwelt ausgerottet ist".^09
^^^ Abgedruckt in: Materialien zur Strafrechtsreform. Band 6, 1954; dazu Schenk, 2001, S. 119ff ^°^ Vgl. dazu Miiller-Dietz, 1970, S. 18 f 10^ Siehe Schattke, 1979, S. 149. ^08 Muller-Dietz, 1988a, S. 18; Schattke, 1979, S. 199. ^^^ Frank, 1935, S. 191 f
2.4 Entwicklung vom In-Kraft-Treten des RStGB 1871 bis zum Jahr 1945
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Die Zielsetzung der Abschreckung potentieller Straftater mit den Mitteln generalpraventiver Harte sowie die Abkehr vom Erziehungsvollzug bin zur Unschadlichmachung des Delinquenten kamen in den rechtlichen Regelungen deutlich zum Ausdruck. Dies gilt bereits fiir die 1934 vom Reichsminister der Justiz erlassene „Verordnung tiber den VoUzug von Freiheitsstrafen und von MaBregeln der Besserung und Sicherung"'^^. Diese kniipfte inhaltlich zwar an die Reichsratsgrundsatze 1923 an, erganzte jedoch das Erziehungsziel des § 48 um die Zwecke der Siihne und der Abschreckung. Zudem war der Freiheitsentzug so zu gestalten, dass er fiir den Gefangenen ein „empfindliches tJbel" darstellte. Eine amtliche Kommission des Reichsjustizministeriums erarbeitete noch den 1939 vorgelegten „Entwurf eines Strafvollzugsgesetzes nebst allgemeiner Begriindung".^^^ Leitende Gesichtspunkte fiir die geplante Neugestaltung des „Strafvollstreckungsrechtes" soUten Sinn und Zweck des damaligen Strafrechts („Schutz des Volkes, Siihne fur Unrecht und Festigung des Willens zur Gemeinschaft") sowie „die besondere Artung" des „Objekts der VoUstreckung" sein.^^^ Da eine gesetzliche Regelung des Strafvollzugs jedoch nicht zustande kam, erlieB der Reichsminister der Justiz 1940 eine Allgemeinverfugung iiber die „Vereinheitlichung der Dienst- und VoUzugsvorschriften fiir den Strafvollzug im Bereich der Reichsjustizverwaltung (Strafvollzugsordnung)"^^^, welche die Rechtsgrundlage fiir einen rigiden Vergeltungs- und Sicherungsvollzug bildete.^^"^ Das Herrschaftsregime war neben dem Normenstaat, der sich in rechtlichen Regelun- 122 gen ausdriickte, auch durch die Parallelexistenz eines auf die Ziele des Nationalsozialismus ausgerichteten MaOnahmenstaats gekennzeichnet.^^^ Neben zumindest formal gemaB den damaligen Regeln der Strafprozessordnung ergangenen Verurteilungen zu Freiheitsstrafen und deren Vollzug in Strafanstalten^^^ erfolgte ab 1933 die Errichtung von Konzentrationslagem^^'^, in denen zunachst zum Zweck politischer Repression vor allem Oppositionelle von der Geheimpolizei und deren Hilfstruppen ohne Gerichtsurteil in sog. Schutzhaft genommen wurden. Zur Kategorie des politischen Gegners kamen dann ab 1936 die als „Volksschadlinge" diffamierten Bevolkerungsgruppen. Die Lager wurden zu einem Mittel grausamer „volkischer" Sozialpolitik.^^^ Hinzu kamen- insbesondere nach der Reichspogromnacht vom 9.11.1938- in einer ersten groB angelegten Vemichtungsaktion jiidische Burger. Neben der Ordnung der „Volksgemeinschaft" diente die Inhaftierung der „Asozialen" zugleich unter okonomischen Aspekten einer Zwangsrekrutierung von Arbeitskraften 1^^ 1^^ ^^2 ^^^ ^^4 ^^5
RGBl. 11934, S. 383 ff Abgedruckt bei Schubert, 1999, S. 417 ff Entwurfsbegrundung bei Schubert, 1999, S. 434. Amtl. Sonderveroffentlichungen der Deutschen Justiz, 1940, Nr. 21. Dazu Kaiser, 2001, S. 330 ff Fraenkel, 1984, S. 26 ff, 96 ff; siehe auch Mohler, 1993, S. 17ff; Miiller-Dietz, 1988a, S. 19 f ^^6 Dazu Mohler, 1996, S. 17 ff; Miiller-Dietz, 1996b, S. 379 ff ^^"^ Zur Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager: Benz/Distel, 2005; Herbert/Orth/Diehmann, 1988; Sofsky, 1993, S. 41 ff ^1^ Broszat, 1994, S. 388 ff; siehe etwa auch Gilsenbach, 1988, S. 11 ff; Grau, 1993; zum Beitrag der damaligen Kriminalbiologie an der nationalsozialistischen Vemichtungspolitik: Hohlfeld, 2002, S. 56 ff; Streng, 1993, S. 141 ff
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fiir die Lagerbetriebe.^^^ In den ersten Jahren des Zweiten Weltkriegs fand dann ein emeuter Funktionswechsel statt: Arbeitseinsatz in der Rustungsindustrie; Exekution von Kriegsgefangenen sowie von Inhaftierten (insbesondere „Kriegssaboteuren"), derer sich die Polizei ohne Gerichtsverfahren entledigen wollte, sowie die Massenvemichtung der jiidischen Bevolkemng Europas.^^^
2.5 Der deutsche Strafvollzug bis zum In-Kraft-Treten des Strafvollzugsgesetzes 123 Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs leitete die Kontrollratsdirektive Nr.l9 vom 12.11.1945 „Gmndsatze fiir die Verwaltung der deutschen Gefangnisse und Zuchthauser" eine Neuordnung des Strafvollzugs ein. Erziehung und Besserung sollten wiederum zu Grundlagen der Ausgestaltung des Freiheitsentzugs werden. Die Verflechtung des Strafvollzugs mit der jeweiligen Staatsform und Gesellschaftsordnung ftihrte jedoch infolge der Teilung Deutschlands zu einer divergierenden Entwicklung des Vollzugsv^esens.
2.5.1 Dienst- und Vollzugsordnung von 1961 124 In der Bundesrepublik k a m es nach Beseitigung der Uberreste des nationalsozialistischen Abschreckungs- u n d Vemichtungskonzepts zu einer Rehumanisierung. Zunachst kniipften Vollzugspraktiker v o r allem aus kriminalpadagogischer Perspektive an die Weimarer Reformtendenzen an. Damit einher gingen Forderungen nach der Verrechtlichung des Strafvollzugs durch ein Bundesgesetz^^^ maBgeblich begriindet mit Gesichtspunkten der Rechtseinheit und -gleichheit sowie der Notwendigkeit einer normativen Regelung der Rechtsstellung des Gefangenen u n d der Eingriffsbefugnisse des Staates. Die Realisierung eines Strafvollzugsgesetzes blieb auch in d e n fiinfziger u n d sechziger Jahren noch aus. Dies beruhte z u m einen auf d e m Vorrang einer E m e u e rung des materiellen Strafrechts gegeniiber einer voUzugsrechtlichen Regelung, so dass die erheblichen Verzogerungen der Strafrechtsreform dann zv^angslaufig zu einer Verschiebung der Vollzugsgesetzgebung ftihrten; z u m anderen behauptete sich die Lehre v o m besonderen Gewaltverhaltnis. Danach waren alle fur Zw^ecke der Strafanstalt notwendigen MaBnahmen zu Lasten des Inhaftierten ohne eine gesetzliche Eingriffsgrundlage legitimiert.^^^Da die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 G G aber auch den Bereich eines besonderen Gewaltverhaltnisses umfasst, k a m es fiir den Strafvollzug in den fiinfziger Jahren in Vollzugssachen z u einer unterschiedlichen Bejahung der sachlichen Zustandigkeit von Strafgerichten bzw.
»i9 ^20 121 122
Sofsky, 1993,8.47. Dazu Gutmann, 1993; Hilberg, 1990, S. 927 ff; Sofsky, 1993, S. 51 f Vgl. Muller-Dietz, 1970, S. 24. Blau, 1988, S. 20.
2.5 Der deutsche Strafvollzug bis zum In-Kraft-Treten des Strafvollzugsgesetzes
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von Verwaltungsgerichten.^^^ Seit 1961 normieren die durch § 179 VwGO als Ausfiihrungsbestimmungen zu Art. 19 Abs. 4 GG in das EGGVG eingefiigten § § 2 3 ff. die Kontrolle von Justizverwaltungsakten. Damit war bis zum In-KraftTreten des Strafvollzugsgesetzes fiir Fragen der Rechtsstellung des Gefangenen sowie der VoUzugsgestaltung der Rechtsweg zu den Oberlandesgerichten eroffnet. Stellten Anstaltszweck und besonderes Gewaltverhaltnis nach damals verbreite- 125 ter Auffassung eine zureichende Grundlage fiir Rechtseinschrankungen dar, bedurfte es nicht notwendigerweise einer gesetzlichen Legitimation. U m jedoch der Gefahr einer Auseinanderentwicklung in den einzelnen Bundeslandem entgegenzuwirken und zu einer Vereinheitlichung beizutragen, vereinbarten die Justizminister und -senatoren am 1.12.1961 die Dienst- und VoUzugsordnung (DVollzO), welche am 1.7.1962 in Kraft trat. D i e - mit mehrfachen Anderungen- bis Ende 1976 geltende DVollzO spiegelte den tiberkommenen Zielkonflikt zwischen Abschreckung, Vergeltung sowie Sicherheit auf der einen und Besserung zur sozialen Reintegration auf der anderen Seite wider. Einem Zweckpluralismus ohne eindeutige Prioritaten folgend legte Nr. 57 Abs. 1 DVollzO als Vollzugsziel fest: „Der Vollzug der Freiheitsstrafe soil dazu dienen, die Allgemeinheit zu schiitzen, dem Gefangenen zu der Einsicht zu verhelfen, dass er fiir begangenes Unrecht einzustehen hat und ihn wieder in die Gemeinschaft einzugliedem. Der Vollzug soil den Willen und die Fahigkeit des Gefangenen wecken und starken, kiinftig ein gesetzmaBiges und geordnetes Leben zu fiihren." Die DVollzO^^"^ regelte die Vollzugsorganisation (Nr. 1 ff), die personelle Ausstattung der Anstalten (Nr. 12 ff), die Berufspflichten der Bediensteten (Nr. 34 ff) sowie die Stellung des Gefangenen (Nr. 44 ff). Sie sah kein System des Progressivstrafvollzugs mehr vor. Die Erkenntnisse einer Personlichkeitserforschung zu Beginn der StrafverbuBung soilten die Grundlage einer differenziert ausgestalteten Behandlung sein, deren Schwerpunkte in der Erziehung zu Arbeit und Ordnung, in der Erwachsenenbildung und in der Fiirsorge durch soziale Hilfen lagen. Die normative Einordnung der DVollzO war umstritten^^^: Als Verwaltungsab- 126 kommen hatte sie weder den Charakter eines Gesetzes noch einer Rechtsverordnung. Einerseits wurde sie als nur innerdienstlich bindende Verwaltungsanordnung aufgefasst, andererseits ihr Rechtssatzcharakter als eine das Verhaltnis von Gewaltunterworfenen und Gewaltinhaber regelnde Vorschrift betont. Unabhangig von der Auseinandersetzung iiber die Rechtsqualitat betrachteten Gerichts- und Vollzugspraxis die DVollzO als maBgebliche Rechtsgrundlage des bundesdeutschen Strafvollzugs. In Verfahren nach § § 2 3 ff EGGVG erfolgte die Priifung der RechtmaBigkeit von VollzugsmaBnahmen anhand der DVollzO. Dabei gab die Rechtsprechung iiberwiegend den Erfordemissen von Sicherheit und Ordnung der Anstalt den Vorzug vor Reintegrationsbediirfnissen des Gefangenen. ^^^ Dementsprechend konnte sich ein sicherheitsorientierter Verwahrvollzug behaupten.
^23 ^^"^ 125 126
Vgl. Kaiser/Schoch, 2002, S. 47. Dazu umfassend Grunau, 1972. Vgl. Muller-Dietz, 1970, S. 28 ff Blau, 1988, S. 20; Wagner J., 1976, S. 241 ff
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2 Historische Entwicklung
2.5.2 Entwurfe zum Strafvollzugsgesetz 127 Das allgemeine Reformklima der sechziger imd siebziger Jahre erfasste auch den Strafvollzug, begiinstigt durch Gefangnisskandale, welche die Anstalten in den Blickpunkt der Offentlichkeit riickten. Empirische Untersuchungen^^"^ belegten zudem die Existenz des kustodialen Verwahrvollzugs in der Bundesrepublik. Dies fbrderte die Bestrebungen um eine Strafvollzugsreform, wobei aufgrund intemationalen Erfahningsaustausches auch auslandische Vollzugsmodelle (etwa sozialtherapeutische Einrichtungen in Holland und Danemark) in die Diskussion einflossen. Die Wissenschaft begann sich vom iiberkommenen Konzept eines Erziehungsvollzugs zu losen und wandte sich einem human- und sozialwissenschaftlich orientierten Behandlungsvollzug nach nordamerikanischem und skandinavischem Vorbild zu, in dem Personlichkeitsstorungen und Sozialisationsdefizite im Zentrum des Behandlungsinteresses stehen. Mit der Rezeption auslandischer Reformmodelle ging das Bemiihen um eine gesetzliche Regelung des StrafvoUzugs einher. Der Weg dorthin war 1969 mit Verabschiedung des Ersten und des Zweiten Strafrechtsreformgesetzes frei. Beide Gesetze hatten auch die Vorschriften iiber das strafrechtliche Sanktionensystem neu gestaltet. Eingefuhrt wurde die Einheitsfreiheitsstrafe. 128 Schon vor Abschluss der Strafrechtsreform kam es 1967 zur Einberufung einer aus Wissenschaftlem und Praktikem zusammengesetzten StrafvoUzugskommission durch das Bundesjustizministerium. Diese iibergab 1971 den Kommissionsentwurf eines Strafvollzugsgesetzes, der dann die Grundlage des 1972 vorgelegten Regierungsentwurfs^^^ bildete. Neben der Schaffung einer bundeseinheitlichen Rechtsgrundlage fiir den Strafvollzug waren wesentliche Reformziele^^^: formale und inhaltliche Abstimmung mit dem Strafrecht, verstarkte Orientierung des Vollzugs am Gedanken einer Riickfall verhiitenden Behandlung des Inhaftierten, Regelung des Rechtsverhaltnisses zwischen Staat und Strafgefangenen, Festlegung der personellen Voraussetzungen zur Durchfuhrung des Behandlungsvollzugs. 129 MaBgeblichen Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess nahm schlieBlich das Bundesverfassungsgericht. In seiner Entscheidung vom 14.3.1972^^° verwarf es fiir den Bereich des StrafvoUzugs das besondere Gewaltverhaltnis als eine zureichende Rechtsgrundlage: Eine Grundrechtseinschrankung „kommt nur dann in Betracht, wenn sie zur Erreichung eines von der Wertordnung des Grundgesetzes gedeckten gemeinschaftsbezogenen Zweckes unerlasslich ist und in den dafiir verfassungsrechtlich vorgesehenen Formen geschieht. Die Grundrechte von Strafgefangenen konnen also nur durch oder aufgrund eines Gesetzes eingeschrankt werden."^^^ Das Verfassungsgericht setzte der Legislative zugleich eine Frist zur gesetzlichen Regelung der Rechte und Pflichten des Inhaftierten. ^^'^ Siehe insb. Miiller-Dietz/Wurtenberger, 1969. 128 BT-Drs. 7/918. 12^ Ausfahrlich zu den Entwtirfen Miiller-Dietz, 1978, S. 53 ff 130 BVerfGE 33, S. 1 ff; dazu Beaucamp, 2003, S. 937 ff; Gunther, 2000, S. 298 ff 131 BVerfGE 33, S. 11.
2.5 Der deutsche StrafvoUzug bis zum In-Kraft-Treten des Strafvollzugsgesetzes
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In die Diskussion iiber eine Ausgestaltung des Gesetzes griff der Arbeitskreis 130 deutscher und schweizerischer Strafrechtsprofessoren ein. Er legte 1973 den Alternativentwurf eines Strafvollzugsgesetzes^^^ vor, der Ausbildung, soziale Hilfe und Therapie ins Zentrum seines Konzepts freiheitsentziehender Sanktionen riickte und wegen seiner- insbesondere verhaltenswissenschaftlichen- Ausrichtung eine echte Alternative zum Regierungsentwurf darstellte. Der Altemativentwurf vermochte aber die Fassung des Strafvollzugsgesetzes nicht mehr entscheidend zu beeinflussen. Eine Ubemahme seiner Vorschlage iiber die Bestimmung spezifischer Behandlungsmethoden wurde ebenso abgelehnt wie diejenigen zur Sozialstruktur der Anstalten; der Altemativentwurf trug sich vielmehr den Vorwurf einer Utopie jenseits der damaligen politischen Realisierbarkeit ein.^^^ Eine gesetzliche Regelung des Strafvollzugs sollte nach der Fristsetzung des Bundesverfassungsgerichts bis zum Ablauf der VI. Legislaturperiode erfolgt sein. Nach der vorzeitigen Auflosung des Deutschen Bundestags musste jedoch der Regierungsentwurf zu Beginn der VII. Legislaturperiode emeut im Parlament eingebracht werden. Am 12.2.1976 verabschiedete der Bundestag schlieBlich (mit vom Bundesrat erzwungenen Anderungen) das StrafvoUzugsgesetz.*^^ Nach Verkiindung im Bundesgesetzblatt am 16.3.1976^^^ trat es am 1.1.1977 in Kraft.
2.5.3 Strafvoilzugsvorschriften der DDR In der ehemaligen DDR war der StrafvoUzug zunachst als eine polizeiliche Auf- 131 gabe^^^ mittels Verordnungen und Durchfiihrungsbestimmungen des Innenministeriums geregelt.^^'''Nach einer Kriminalrechtsreform existierte bereits ab 1968 ein Strafvollzugs- und Wiedereingliederungsgesetz. Dieses wurde von dem Gesetz iiber den Vollzug der Strafen mit Freiheitsentzug (StVG-DDR) vom 7.4.1977, erganzt durch das Wiedereingliederungsgesetz vom gleichen Tag, abgelost.^^^ Das Strafvollzugssystem der DDR folgte einer ideologisch orientierten, disziplinierenden Erziehungskonzeption^^^, deren Grundsatze auch in § 39 Abs. 3 und 4 StGB-DDR zum Ausdruck kamen. Da jedem Mitglied der sozialistischen Gemeinschaft die Moglichkeit zu einem gesellschaftskonformen Verhalten gegeben sein sollte, und der Straftater sich als Ergebnis einer personlichen Entscheidung hieriiber hinwegsetzte^'^^, war dem zur Freiheitsstrafe Verurteilten nach § 2 Abs. 1 StVG-DDR seine „Verantwortung als Mitglied der sozialistischen Gesell^^^ Baumann/Brauneck/Calliess u.a., 1973. ^33 Vgl. Miiller-Dietz, 1978, S. 56. ^34 BR-Drs. 121/76. 135 B G B l . 1 1 9 7 6 , S. 58 I f f
136 i^^ 138 139
Vgl. Wunschik, 1997, S. 74 ff Siehe Nachw. bei Bath, 1988, S. 171. GBl.-DDR I 1977, S. 109 ff, 98 ff Dazu Arnold, 1990, S. 328; Bath, 1988, S. 176 ff; Essig, 2000, S. 26 ff; Lekschas/ Buchholz, 1988,8.356 ff 1^^ Zu den Kriminalitatsursachentheorien in der DDR: Rode, 1996, S. 25 ff
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2 Historische Entwicklung
schaft durch nachhaltige Beeinflussung bewusst zu machen". Dem Vollzug oblag es damit, den Inhaftierten zu einem gesetzmaBigen Verhalten im Sinne der sozialistischen Ideologic zu erziehen. Dabei umfasste Erziehung im StrafVoUzug gem. § 5 StVG-DDR „den Einsatz zu gesellschaftlich niitzlicher Arbeit, staatsbiirgerliche Schulung, Durchsetzung von Ordnung und Disziplin, allgemeine und berufliche BildungsmaBnahmen sowie kulturelle und sportliche Betatigung." Nach § 6 StVG-DDR stand die Erziehung zu gesellschaftlich niitzlicher Arbeit im Mittelpunkt des Strafvollzugs, welcher zudem cine sichere Verwahrung des Gefangenen zu gewahrleisten sowie Ordnung und Disziplin durchzusetzen hatte ( § 4 StVGDDR). 132 Die Strafen wurden in Anstalten („Strafvollzugseinrichtungen")vollzogen, in denen unmenschliche Verhaltnisse herrschten.^"^^ Dies betraf nicht nur cine grausame und willkiirliche Behandlung der Inhaftierten durch das Gefangnispersonal.^^^ Auch die Unterbringung in den Einrichtungen widersprach humanitaren Bedingungen. So wurden relativ kleine Zellen (z.B. 3 x 5 Meter) im Durchschnitt mit 10 bis 15 Inhaftierten belegt. Daneben existierten sog. Schlafsale, in denen 30 bis 50 Personen eingeschlossen waren.^"^^ Politische Haftlinge wurden regelmaBig noch schlechter behandelt als die kriminellen Gefangenen. ^"^"^ Das Strafvollzugsgesetz der DDR kannte keine Rechtsbehelfe zur gerichtlichen Uberpriifung von VollzugsmaBnahmen. Dem Strafgefangenen war nach § 35 Abs. 1 StVG-DDR lediglich das Recht eingeraumt, Eingaben einzureichen. Gegen Disziplinar- und SicherungsmaBnahmen sowie gegen Verfiigungen zur Ersatzleistung wegen in der Strafanstalt verursachter Schaden konnte er Beschwerde beim Leiter der Strafvollzugseinrichtung einlegen (§ 35 Abs. 2 StVG-DDR). Erfolgte keine Abhilfe und war die Beschwerde gegen eine Entscheidung des Anstaltsleiters selbst gerichtet, musste diese dem Leiter der Verwaltung Strafvollzug im Ministerium des Innem zur abschlieBenden Entscheidung vorgelegt werden. Davor war die zustandige Staatsanwaltschaft zu horen, der gem. §§ 9, 63 f StVG-DDR eine begrenzte Aufsicht (iber die Wahrung der Gesetzlichkeit beim Vollzug der Freiheitsstrafen oblag. 133
Die Reintegration des Strafgefangenen nach seiner Entlassung in die Gesellschaft regelte neben §§ 56 f StVG-DDR das Wiedereingliederungsgesetz (WEG). Dieses band die fiir erforderlich erachteten MaBnahmen und Aktivitaten in das umfassende System staatlicher Sozialkontrolle ein. Nach § 8 WEG batten die Ortlichen Rate die Durchfahrung zu iiberwachen. Diese konnten von anderen staatlichen Organen, von Betrieben, Einrichtungen und Genossenschaften Auskiinfte iiber die „Erziehungsergebnisse" und die weitere Entwicklung des Entlassenen einholen. Mit dem Wirksamwerden des Beitritts der DDR am 3.10.1990 und dem In-Kraft-Treten des bundesdeutschen Strafvollzugsgesetzes auch in den neuen Bundeslandem wurden zugleich das StVG-DDR und das WEG aufgehoben. Dies ergibt sich aus Art. 9 Einigungs^^^ Dazu Arnold, 1993, S. 390 ff; Heyme/Schumann, 1991, S. 13 ff; Kessler, 2001, S. 149 ff; Krause Th., 1999, S. 90; Oleschinski, 1994, S. 255 ff ^42 Schroeder, 1989, S. 271. ^"^^ Heyme/Schumann, 1991, S. 14. ^44 Graf, 1995, S. 474.
2.5 Der deutsche Strafvollzug bis zum In-Kraft-Treten des Strafvollzugsgesetzes
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vertrag sowie aus dessen Anlage II iiber fortgeltendes Recht der DDR; dort blieben beide Gesetze unerwahnt. Dem Einigungsvertrag gemaB erfolgte im Jahr 1990 die Einfiigung von § 202 in das StVollzG. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift waren die von DDR-Gerichten nach dem StGB-DDR rechtskraftig verhangten Freiheits- und Haftstrafen gemaB den Regelungen des bundesdeutschen StVollzG zu voUziehen.
3 Vollzugsaufgaben und Gestaltungsprinzipien
Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient nach dem Willen des Gesetzgebers mehi als 134 nur einer bloBen Verwahrung des rechtskraftig verurteilten Straftaters in der JustizvoUzugsanstalt fiir die Dauer der stationar zu verbiiBenden Sanktion. Aufgrund der Erkenntnis, dass die Gefangenen ganz iiberwiegend nach VerbiiBung ihrer Strafe wieder in die Gesellschaft zuriickkehren, ging man im Verlauf der Entwicklung des modemen StrafVollzugs zunehmend vom Erfordemis einer Besserung der Verurteilten aus, um dadurch die soziale Wiedereingliederung zu fordem und die Begehung emeuter Straftaten nach der Entlassung zu verhindem. Nach § 2 StVollzG hat der Vollzug der Freiheitsstrafe heute zwei Aufgaben: „Im Vollzug der Freiheitsstrafe soil der Gefangene fahig werden, kiinftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu fiihren (VoUzugsziel). Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient auch dem Schutz der AUgemeinheit vor weiteren Straftaten." Mit der Festschreibung der (Re-)Sozialisierung des Gefangenen in § 2 S. 1 StVollzG als VoUzugsziel hat der Gesetzgeber dieses als die Gestaltungsmaxime des Strafvollzugs hervorgehoben. Bei der Realisierung des Vollzugsziels ist auch die - vom Wortlaut her zweifellos nachrangige^ - Aufgabe der Sicherung der AUgemeinheit zu beachten (§2 S. 2 StVollzG). Die Ausrichtung des Strafvollzugs insgesamt wie auch im Einzelnen gemaB dem vorrangigen Zweck der sozialen Integration stellt eine grundlegende Weichenstellung dar, an der sich eine Vielzahl von voUzuglichen Entscheidungen und MaBnahmen zu orientieren hat. Auf dem VoUzugsziel aufbauend normiert das StrafvoUzugsgesetz auf der Ebe- 135 ne seiner Grundsatzregelungen in § 3 als Gestaltungsprinzipien: - denAngleichungsgrundsatz(Abs. 1), - den Gegensteuerungsgrundsatz (Abs. 2), - den Integrationsgrundsatz (Abs. 3). Diese Prinzipien konkretisieren das VoUzugsziel des § 2 S. 1 StVollzG. Sie stellen Mindestanforderungen zu dessen Verwirklichung dar^ und sind zugleich verbindliche Anweisungen an die Vollzugsbehorden.^ Sowohl strukturell als auch in interaktiver Hinsicht muss der Vollzug dementsprechend zur Vorbereitung auf ein verantwortliches Leben in Freiheit gestaltet sein. Lebensverhaltnisse und Be' Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 2 Rdn. 7. 2 Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 3 Rdn. 1. 3 Arloth/Liickemann, 2004, § 3 Rdn. 1.
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3 Vollzugsaufgaben und Gestaltungsprinzipien
handlimgsprozesse sollen Chancen zu sozialem Lemen eroffhen und auf kompensatorischer Ebene zugleich d e n - vor allem im geschlossenen Vollzug gegeben e n - kontraproduktiven schadlichen Auswirkungen des Freiheitsentzugs entgegensteuem. Dabei versteht das Strafvollzugsgesetz die BehandlimgsmaBnahmen als Angebote an die Inhaftierten. Es geht in § 4 Abs. 1 StVollzG vom Erfordemis einer freiwilligen Mitwirkung des Gefangenen an seiner Behandlung und an der Erreichung des Vollzugsziels aus und normiert insoweit eine Motivationspflicht des Vollzugsstabs (§ 4 Abs. 1 S. 2 StVollzG).
3.1 Das Vollzugsziel 136 Ziel des Vollzugs ist gem. § 2 S. 1 StVollzG die Befahigung der Gefangenen, kiinftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu flihren. Diese Zielvorgabe stellt den verbindlichen MaBstab fur die Vollzugsorganisation und deren Personalstruktur dar, an ihr hat sich die Gestaltung der Behandlungsprozesse zu orientieren. Vollzugsrechtliche Entscheidungen - insbesondere auch solche, die eine Ermessensausiibung der Verwaltung voraussetzen - werden vom Leitgedanken des Vollzugsziels gepragt.
3.1.1 Die (Re-)Sozialisierung 137 Nicht Besserung bzw. Erziehung des Gefangenen bezeichnen heute das Vollzugsziel, sondem die „Resozialisierung" des Straftaters. Das Strafvollzugsgesetz selbst benutzt allerdings diesen Terminus in § 2 nicht, auch sonst verwendet es ihn nur sehr zuriickhaltend (z.B. in § 9 Abs. 2 S. 1 StVollzG). Divergierende Ansatze der Bezugswissenschaften erschweren eine Definition dessen, was unter Resozialisierung zu verstehen ist. Dies lasst sich am ehesten noch unter Heranziehung des Vollzugsziels erfassen: (Re-)Sozialisierung steht fur die Summe aller Bemuhungen im Strafvollzug zum Zweck einer Befahigung des Gefangenen, kiinftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu fiihren."^ Dabei bietet der (Re-)Sozialisierungsansatz eine Zielperspektive mit Gestaltungsvarianten, welche auf die jeweiligen ortlichen und zeitlichen Gegebenheiten hin zugeschnitten und konkretisiert werden konnen.^ 138
Am Beginn des 21. Jahrhunderts stellt sich allerdings die Frage, inwieweit die mit § 2 S. 1 StVollzG zum Ausdruck gekommenen Grundannahmen des Gesetzgebers iiberhaupt noch mit der Realitat in Einklang stehen. So finden sich heute in den deutschen Justizvollzugsanstalten Tater- bzw. Gefangenengruppen, bei denen das Erreichen des Vollzugsziels wenig Erfolg versprechend erscheint bzw. die faktische Vollzugsgestaltung nicht oder nur 4 Dazu Kaiser/Schoch, 2002, S. 159f; Seebode, 1997b, S. 99 ff; Walter M., 1999, S. 270; siehe auch Bohm, 2002a, S. 807 ff; Leyendecker, 2002, S. 34 ff 5 Walter M., 2001, S. 25 ff
3.1 Das Vollzugsziel
71
wenig mit den Sozialisationsvorstellungen iibereinstimmt.^ Dies betrifft etwa die groBe Gruppe der auslandischen Inhaftierten'^, die infolge ihrer Bestrafung eine Ausweisung zu erwarten haben. Sie befinden sich ebenso iiberwiegend in einem bloBen Verwahrvollzug wie die eine Integration in den Behandlungsvollzug prinzipiell ablehnenden Spataussiedler insbesondere aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Hinzu kommt eine Fixlle von Kurzzeitinhaftierten, die ihre sehr kurzen bzw. Ersatzfreiheitsstrafen ohne Zugang zu Behandlungsangeboten verbiiBen. Weitgehend behandlungsresistent sind nicht nur Tater aus dem Bereich der Organisierten Kriminalitat oder sog. wandemde Straftater (z.B. Drogenkuriere). Es betrifft auch jene Gefangenen, deren Entscheidung fur ihr kriminelles Verhalten das Resultat eines individuellen Nutzen-Risiko-Kalkiils darstellt und die eine utilitaristischkalkulierende Einstellung gegentiber Strafrechtsnormen besitzen.^ Die Problematik wird verstarkt durch eine dem Behandlungsvollzug wenig entsprechende tatsachliche Vollzugssituation mit iiberfullten Justizvollzugsanstalten, Knappheit auf der Personalebene und prinzipiellen Sparzwangen. Eine vermehrte Beriicksichtigung okonomischer Sichtweisen in der kriminalpolitischen Auseinandersetzung hat auch den Bereich des Strafvollzugs erreicht^, der sich zudem mit erhohten Anspriichen der Gesellschaft im Hinblick auf die Sicherheit konfrontiert sieht. All diese Erscheinungsformen bestatigen die These ^^, wonach der Strafvollzug die allgemeinen gesellschaftlichen Probleme unter den verscharften Bedingungen des zwangsweisen Freiheitsentzugs gleichsam erbt. Er stellt letztlich ein gewisses Spiegelbild der sozialen und okonomischen Bedingungen dar. Im Rahmen der vorgegebenen Moglichkeiten bemiihen sich die im Vollzug Tatigen allerdings um eine bestmogliche ErfLillung der gesetzlichen Zielvorgabe des § 2 S. 1 StVoUzG - ebenso wie um die Beachtung der Gesellschaftsschutzaufgabe des § 2 S. 2 StVollzG. Auch wenn der Strafvollzug heute manchem insgesamt als ein bloBer humaner Verwahrvollzug erscheinen mag^^ ist es dennoch nicht angebracht, sich von der (Re-)Sozialisierung als dem Vollzugsziel zu verabschieden.^^ Defizite und Mangel konnen kein Grund sein, als richtig erkannte Zielsetzungen^^ aufzugeben und faktische Zustande zu legitimieren.^"* Letztlich gibt es von Rechts wegen keine Altemative zum (Re-)Sozialisierungsmodell, zumal dieses seine Grundlagen in der Verfassung findet.^5 (Re-)Sozialisierungsbemuhungen zur Erreichung der Vorgabe des § 2 S. 1 139 StVollzG implizieren, dass die in der Justizvollzugsanstalt eine Freiheitsstrafe verbiiBenden Personen regelmaBig unfahig sind, ein straffreies Leben in sozialer Verantwortung zu fuhren, und sie diese Fahigkeit im Strafvollzug erw^erben kon-
Dazu Bohm, 2002, S. 92 ff; Koepsel, 1999, S. 81 ff; MaeHcke B., 2002, S. 11 ff; Muller-Dietz, 2000, S. 232 f; Preusker, 2001, S. 12 ff; Seebode, 2001, S. 55 f; Wassermann, 2003, S. 328. Dazu unten Kap. 5.1.7. SieheKunz, 2001,8. 197 ff Walter M., 2001a, S. 966 ff Siehe Muller-Dietz, 1998, S. 1012. Dazu Bohm, 2002, S. 92 ff; Koop, 2002, S. 5. So auch Arloth, 2001, S. 322; zur Ubereinstimmung der offendichen Meinung mit dem Vollzugsziel: Klocke, 2004, S. 89 ff Siehe auch Seebode, 2001, S. 55. Walter M., 2000, S. 60. Dazu Kap. 3.1.1.1.
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3 Vollzugsaufgaben und Gestaltungsprinzipien
nen. Das Strafvollzugsgesetz unterstellt dabei die Lembediirftigkeit des Inhaftierten, seine Lemfahigkeit sowie LemwilligkeitJ^ 140 Zum Schliisselbegriff wird die Sozialisation. Hierunter versteht man das schon in der Kindheit beginnende Erlemen eines an der Umwelt und an den Mitmenschen orientierten Sozialverhaltens; eine eigenverantwortliche Personlichkeitsentfaltung, verbunden mit einem Sichaneignen der Werte jener Kultur, welche das Individuum umgibt. Folgt das Strafvollzugsgesetz bei seiner Zielbestimmung dem Grundgedanken einer (Re-)Sozialisierung, so kommt dies einer Interpretation der den Freiheitsstrafen zugrunde liegenden ICriminalitat als Mangel an Sozialisation gleich.*'^ Soil im Vollzug dieses Defizit durch R e -Sozialisierung behoben werden, setzt das voraus, dass der Gefangene in seinem bisherigen Leben schon einen Sozialisationsprozess im Sinne der giiltigen Sozial- und Rechtsordnung durchlaufen hat, was bei zahlreichen Verurteilten aber nicht oder nur unvollstandig der Fall ist. Zum Ziel des VoUzugs der Freiheitsstrafe wird damit haufig erst das Bemiihen um ein Nachholen der Sozialisation- eine Ersatz-Sozialisation.^^ Die Justizvollzugsanstalt muss daher je nach den Erfordemissen des einzelnen Inhaftierten ein moglichst umfassendes und differenziertes Sozialisationsangebot^^ machen, demnach als Sozialisationsinstanz in der Freiheit unterbliebene oder gescheiterte Lemprozesse in Unfreiheit ersetzen.^^ Zu kurz wiirde es deshalb greifen, diesen (Re-)Sozialisierungsgedanken durch eine Art Neukonzeptionalisierung im Sinne eines allgemeinen bloBen sozialen Wiedereingliederungsziels zu modifizieren.^^ Ein nicht geringer Teil derjenigen, die heute ihre Freiheitsstrafe zu verbiiBen haben, bedarf durchaus MaBnahmen der Ersatz-Sozialisation. 141 Dabei soil allerdings eine Personalisation und Enkulturation innerhalb einer von der Gesellschaft weitgehend abgesonderten, kunstlich gebildeten Gemeinschaft stattfinden, in der die Gemeinsamkeit der darin lebenden Personen vor allem in der Begehung von Straftaten und deren Verurteilung liegt. Dies stellt nicht nur die faktische Realisierbarkeit des Vollzugsziels in Frage. Folge des Anstaltsmilieus ist vielmehr auch ein negativer Sozialisationsprozess: die Anpassung an das Anstaltsleben, verbunden mit einer Akkulturation an die devianten Normen der Subkultur.22 3.1.1.1 Verfassungsrechtliche Grundlagen 142 Das Sozialisationsziel des StrafvoUzugsgesetzes folgt zwei zentralen Verfassungsgrundsatzen, dem Gebot zur Achtung der Menschenwiirde und dem Sozialstaatsprinzip:
16 17 18 19 20 21 22
Haberstroh, 1982,8. 619. Schneider H. J., 1983,8.296. Schuler-Springorum, 1969, S. 160 ff. Muller-Dietz, 1978, S. 78. Dazu Cornel, 1995, S. 26 ff. In jenem Sinne jedoch Matt, 2004, S. 140. Siehe unten Kap. 3.4.2.4.
3.1 Das Vollzugsziel
73
- Aus Art. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG ergibt sich fiir den Gefangenen ein Anspnich auf (Re-)Sozialisierung.2^ - Art. 20 Abs. 1 und 28 Abs. 1 GG verpflichten den Staat, die notwendigen Ressourcen zur Realisierung von Sozialisationsbemiihungen zur Verftigung zu stellen.24
Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seinem sog. Lebach-Urteil die Re- 143 sozialisierung oder Sozialisation des Verurteilten - den positiven Teil der Spezialpravention- als das herausragende Ziel des Vollzugs einer Freiheitsstrafe bezeichnet: „Dem Gefangenen sollen Fahigkeit und Willen zu verantwortlicher Lebensfiihrung vermittelt werden, er soil es lernen, sich unter den Bedingungen einer freien Gesellschaft ohne Rechtsbruch zu behaupten, ihre Chancen wahrzunehmen und ihre Risiken zu bestehen."^^ Aufgabe eines so verstandenen Vollzugs ist es nach der verfassungsgerichtli- 144 chen Rechtsprechung, die Grundlagen fiir die Sozialisation zu schaffen, wobei dies dem „Selbstverstandnis einer Gemeinschaft" zu entsprechen hat, welche „die Menschenwiirde in den Mittelpunkt ihrer Wertordnung stellt und dem Sozialstaatsprinzip verpflichtet ist ... Als Trager der aus der Menschenwiirde folgenden und ihren Schutz gewahrenden Grundrechte muss der verurteilte Straftater die Chance erhalten, sich nach VerbiiBung seiner Strafe wieder in die Gemeinschaft einzuordnen."^^ „Das Recht auf Achtung seiner Wiirde kann auch dem Straftater nicht abgesprochen werden, mag er sich in noch so schwerer und unertraglicher Weise gegen alles vergangen haben, was die Wertordnung der Verfassung unter ihren Schutz stellt."^'^ „Der Tater darf nicht zum bloBen Objekt der Verbrechensbekampfung unter Verletzung seines verfassungsrechtlich geschiitzten sozialen Wert- und Achtungsanspruchs gemacht werden. Die grundlegenden Voraussetzungen individueller und sozialer Existenz des Menschen miissen erhalten bleiben. Aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip ist daher - und das gilt insbesondere fiir den Strafvollzug - die Verpflichtung des Staates herzuleiten, jenes Existenzminimum zu gewahren, das ein menschenwiirdiges Dasein liberhaupt erst moglich macht."^^ Neben der Herleitung des Vollzugsziels aus dem Achtungsanspruch des Indivi- 145 duums steht somit diejenige aus dem Sozialstaatsprinzip als gestaltender Staatszielbestimmung. Dieses verlangt „staatliche Vor- und Fiirsorge fiir Gruppen der Gesellschaft, die aufgrund personlicher Schwache oder Schuld, Unfahigkeit oder gesellschaftlicher Benachteiligung in ihrer personlichen und sozialen Entfaltung
23 24 25 26
BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE
45, 35, 35, 35,
S. 239; BVerfG, NStZ 1996, S. 614. S. 236. S. 235; siehe auch BVerfGE 3 3 , S. 8; BVerfGE 98, S. 200. S. 235 f; z u m Ganzen: Benda, 1984, S. 307 ff
27 BVerfG, JZ 1986,8.849. 28 BVerfGE 45, S. 228 f
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3 Vollzugsaufgaben und Gestaltungsprinzipien
behindert sind; dazu gehoren auch die Gefangenen und Entlassenen."^^ Der Staat hat deshalb den Strafvollzug so einzurichten, wie es zur Erreichung des Vollzugsziels notwendig ist.^^ Insbesondere muss er die erforderlichen Mittel fiir die personelle und sachliche Ausstattung der Anstalten bereitstellen.^^ Die Lebensbedingungen im Strafvollzug und die Einwirkungen auf den Gefangenen sind so zu gestalten, dass sie die Chancen einer sozialen Wiedereingliedemng verbessem und zur Verwirklichung einer kiinftigen Lebensfiihrung ohne weitere Straftaten geeignet erscheinen. Hierzu gehort auch die Verpflichtung zur Begrenzung der dem Strafvollzug inharenten Negativwirkungen einer sozialen Stigmatisierung sowie individuell moglicher Personlichkeitsbeeintrachtigungen. Der einzelne Inhaftierte hat somit aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ein grundrechtlich geschiitztes Recht darauf, dass der vollzuglichen Zielsetzung bei ihn belastenden MaBnahmen geniigt wird.^^ 146 Begriindet die Zielvorgabe des § 2 S. 1 StVoUzG einen (nicht unmittelbar einklagbaren) Anspruch des Verurteilten auf (Re-)Sozialisierung^^, fiihrt eine dem Sozialstaatsprinzip folgende Ausgestaltung des Strafvollzugs aber nicht nur zu Angeboten des Staates und Leistungsbegehren des Gefangenen. Sie beinhaltet vielmehr auch eine soziale Inpflichtnahme^"^ des Inhaftierten. Zwar ist dieser gem. § 4 Abs. 1 StVollzG nicht zu einer (aktiven) Mitarbeit an seiner Behandlung verpflichtet, jedoch kann ein auf Reintegration und Riickfallvermeidung ausgerichteter Vollzug „unter Umstanden auch grundrechtsbeschrankende MaBnahmen rechtfertigen, die erforderlich sind, um die inneren Voraussetzungen fur eine spatere straffreie Lebensfiihrung des Gefangenen zu fordem."^^ Diese Moglichkeit zur Rechtsbeschrankung aus Griinden einer Gefahrdung von Sozialisationsbemiihungen^^ hat der Gesetzgeber in mehreren Normen des Strafvollzugsgesetzes eroffnet (z.B. in § 25 Nr. 2: Besuche von Nichtangehorigen; § 28 Abs. 2 Nr. 2: Schriftwechsel mit Nichtangehorigen; § 31 Abs. 1 Nr. 1: Anhalten von Schreiben; § 68 Abs. 2 S. 2: Einschrankung des Zeitungsbezugs; § 70 Abs. 2 Nr. 2: Einschrankung des Besitzes von Gegenstanden ftir die Freizeitbeschaftigung). Eine fehlende Bereitschaft zur Mitwirkung an vollzugszielorientierten BehandlungsmaBnahmen darf deshalb - auch zur indirekten Einwirkung auf einen nicht zureichend an seiner Behandlung mitarbeitenden Inhaftierten mit dem Ziel der Teilnahme an Behandlungsangeboten - entsprechende Einschrankungen zur Folge haben.^'^ 147 Das Vollzugsziel der Befahigung, kiinftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu fiihren, erlangt Geltung fiir alle Gefangenen. Auch bei 29 BVerfGE 35, 30 BVerfGE 98, 31 BVerfGE 40, 32 BVerfGE 98,
S. 236. S. 200. S. 284. S. 200.
33 BVerfGE 45, S. 239. 34 Calliess/Miiller-Dietz, 2005, Einl. Rdn. 34. 35 BVerfGE 40, S. 284 f 36 Dazu Hoffmann, 2000, S. 9 ff
37 Laubenthal,2000a, S. 171.
3.1 Das Vollzugsziel
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Langstrafigen ist der Strafvollzug auf eine soziale Wiedereingliedenmg hin ausgerichtet.^^ Selbst dem sog. Lebenslanglichen bleibt das Vollzugsziel der Vorbereitung auf die Riickkehr in die Freiheit nicht verschlossen.^^ Mit dem Strafvollzugsgesetz erfolgte eine Einbeziehung auch der zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten in das Sozialisationskonzept/^ Das Gesetz lasst insoweit keinerlei allgemeine Ausnahmeregelung fiir die Lebenszeitstxafe erkennen. Die Diskrepanz zwischen der Verhangung von Freiheitsentzug auf Lebenszeit einerseits und dem voUzugsrechtlichen Sozialisationsziel der Reintegration andererseits ist spatestens seit In-Kraft-Treten des § 57a StGB (Aussetzung des Strafrests bei lebenslanger Freiheitsstrafe zur Bewahrung) beseitigt. Da dem Lebenszeitgefangenen grundsatzlich eine Chance bleibt, seine Freiheit wiederzuerlangen, steht auch ihm ein Anspruch auf (Re-)Sozialisierung zu/' 3.1.1.2 Alleiniges Vollzugsziel § 2 S. 1 StVoUzG stellt das alleinige Vollzugsziel dar. Die Vorgabe der Reintegra- 148 tion des Gefangenen, verbunden mit einer kiinftigen legalen Lebensfiihrung in sozialer Verantwortung, geht den sonstigen Aufgaben des Vollzugs der Freiheitsstrafe vor.42 In § 2 S. 1 StVollzG wird aber nicht nur das Ziel an sich normiert. Die (Re-)Sozialisierung des Verurteilten bis zum Zeitpunkt seiner Entlassung ist ein fortlaufender Prozess des Strebens nach der Zielerreichung. § 2 S. 1 StVollzG beinhaltet damit auch als eine Aufgabe des Strafvollzugs die Realisierung der Sozialisation, d.h. die Gestaltung des Prozesses in einer Art und Weise, welche die Erreichung der Zielvorgabe moglich macht. Der Gesetzgeber hat mit der Bezeichnung des § 2 S. 1 StVollzG als „Vollzugsziel" dieses hervorgehoben und ihm einen Vorrang unter den VoUzugsaufgaben zugewiesen. So nimmt das Gesetz selbst wiederholt auf das Vollzugsziel Bezug (z.B. in §§ 4 Abs. 1; 31 Abs. 1 Nr. 1; 68 Abs. 2 S. 2 StVollzG), nicht jedoch auf andere VoUzugsaufgaben. Auch die Entstehungsgeschichte zeigt deutlich, dass der Gesetzgeber die 149 (Re-)Sozialisierung als alleiniges Ziel des Strafvollzugs anerkannt hat. Denn die ausdriickliche Bezeichnung in § 2 S. 1 StVollzG enthalt eine Absage an eine Zielpluralitaf^^ wie sie vor In-Kraft-Treten des StrafvoUzugsgesetzes in verschiedenen Gesetzesentwiirfen und Vollzugsordnungen zum Ausdruck gekommen war: 38 BVerfGE 98, S. 200. 29 A.A. noch Rohl, 1969, S. 93. 40 BVerfG, NStZ 1996, S. 614; Laubenthal, 1987, S. 109. 41 BVerfGE 45, S. 239. 42 AK-Feest/Lesting, 2006, § 2 Rdn. 6; Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 2 Rdn. 1; Kaiser/ Schoch, 2002, S. 160; Muller-Dietz, 1978, S. 80; Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 2 Rdn. 7; Seebode, 1997b, S. 100 f; Walter M., 1999, S. 89; einschrankend dagegen Arloth/Liickemann, 2004, § 2 Rdn. 2; Grunau/Tiesler, 1982, § 2 Rdn. 1 ff
43 Dazu eingehend Mitsch Chr., 1990, S. 150 ff m. zahlr. Nachw.
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3 Vollzugsaufgaben und Gestaltungsprinzipien
§ 48 Amtlicher Entwurf eines Strafvollzugsgesetzes 1927'*'^: „Durch den Vollzug der Freiheitsstrafe sollen die Gefangenen, soweit es erforderlich ist, an Ordnung und Arbeit gewohnt und sittlich so gefestigt werden, dass sie nicht wieder mckfallig werden." § 48 Verordnung iiber den Vollzug von Freiheitsstrafen 1934"*^: „Durch die Verbilfiung der Freiheitsstrafe sollen die Gefangenen das begangene Unrecht suhnen. Die Freiheitsentziehung ist so zu gestalten, dass sie fur den Gefangenen ein empfindliches Ubel ist und auch denen, die einer Erziehung nicht zugdnglich sind, nachhaltige Hemmungen gegenilber der Versuchung, neue Straftaten zu begehen, erzeugt. Die Gefangenen sind zu Zucht und Ordnung anzuhalten, an Arbeit und Pflichterfullung zu gewohnen und sittlich zufestigen. " Nr. 57 Abs. 1 Dienst- und Vollzugsordnung 1961: „Der Vollzug der Freiheitsstrafe soil dazu dienen, die Allgemeinheit zu schiitzen, dem Gefangenen zu der Einsicht verhelfen, dass erfur begangenes Unrecht einzustehen hat, und ihn wieder in die Gemeinschaft einzugliedern. Der Vollzug soil den Willen und die Fdhigkeit des Gefangenen wecken und stdrken, kunftig ein gesetzmdfiiges und ordentliches Leben zufuhren." § 2 Gesetzesvorschlag des Bundesrats 1973"*^: „ Vorrangiges Ziel der Freiheitsstrafe ist es, den Gefangenen zu befdhigen, ein Leben ohne Straftaten zufuhren. Er soil die Einsicht gewinnen, dass erfur sein Unrecht und seine Schuld einzustehen hat und zu selbstverantwortlichem Verhalten in der Rechtsgemeinschaft hingefuhrt werden. Im Ubrigen dient der Vollzug der Freiheitsstrafe dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten." 150
Die Zieldefinition des § 2 S. 1 StVollzG folgt § 2 des Regienmgsentwurfs 1972. Dort wurde allerdings die Aufgabe der Befahigung des Gefangenen, kunftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu fuhren, noch als bloBes „Behandlungsziel" bezeichnet. Dies hatte aber die Justizverwaltungen weder zum Aufbau einer sozialisationsorientierten Anstaltsstruktur verpflichtet noch eine zureichende Abkehr von einer pluraHstischen Vollzugszielbestimmung bedeutet/'^ Mit der QuaHfizierung der (Re-)Sozialisierungsaufgabe als „Vollzugsziel" entsprechend dem Vorschlag des Altemativ-Entvmrfs kam es zu der Entscheidung des Gesetzgebers fiir einen reinen SozialisationsvoUzug. 3.1.1.3 Sozial verantwortliche Lebensfuhrung ohne Straftaten
151 Soil der Gefangene im Strafvollzug befahigt werden, gemaB der Bestimmung des VoUzugsziels zu leben, so hat der Gesetzgeber mit dieser Formulierung zum Ausdruck gebracht, dass ein Sozialisationserfolg i.S.d. § 2 S. 1 StVollzG nicht erzwingbar erscheint. Dieser hangt vielmehr auch vom Willen und von der Bereitschaft des Verurteilten selbst ab, inwieweit er iiberhaupt die von der Justizvoll-
^^ 45 46 47
Abgedruckt in: Materialien zur Strafrechtsreform. Band 6. 1954. RGB). 11934, S. 383. BT-Drs. 7/918, S. 108. Calliess, 1992, S.21.
3.1 Das Vollzugsziel
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zugsanstalt geleisteten Angebote fiir einen sozialen Lemprozess wahmimmt, um dadurch soziale Kompetenz zu erlangen. In § 2 S. 1 StVoUzG erfolgt eine Erganzung der Zielvorgabe einer kiinftigen 152 straffreien Lebensfiihrung durch die soziale Verantwortung. Dies verdeutlicht, dass der Gefangene nicht zu einem bloBen Objekt vollzugsbehordlicher Behandlungsbemiihungen reduziert werden darf. Der Begriff der sozialen Verantwortung betont gerade die Subjektivitat des Betroffenen: Der Vollzug soil ihn zu selbst verantwortlichem Verhalten im Einklang mit den bestehenden Normen befahigen/^ Straffreie Lebensfiihrung in sozialer Verantwortung bedeutet mehr als ein Le- 153 ben ohne weitere deliktische Handlungen. Der Vollzug als eine Instanz der (Ersatz-)Sozialisation soil soziale Kompetenz vermitteln, d.h. Voraussetzungen fiir den Erwerb von Fahigkeiten schaffen, Probleme und Konflikte ohne Begehung von Straftaten zu bewaltigen. Ging der Altemativ-Entwurf eines StrafvoUzugsgesetzes davon aus, dass die Befahigung zur sozialen Verantwortung - vor allem wegen eines VerstoBes gegen das UbermaBverbot - nicht mehr ein legitimer Zweck des staatlichen Strafvollzugs sein konne, so strebten seine Verfasser eine Trennung von Legalitat und von Moralitat an/^ Eine solche begriffliche Trennung eines Lebens ohne Straftaten einerseits und sozialer Verantwortung andererseits lasst sich jedoch aufgrund der bisherigen kriminologischen Erkenntnisse nicht aufrechterhalten.^^ Straffreies Handeln setzt eine dafiir notwendige soziale Kompetenz voraus. Deren Fehlen steht haufig gerade in einem Zusammenhang mit dem Vorliegen eines derart normwidrigen Verhaltens, das die Verhangung und Vollstreckung einer Freiheitsstrafe erforderlich macht. Zwar wird in der Kriminologie die Frage nach den Ursachen kriminellen Verhaltens wi- 154 dersprtichlich diskutiert und es befinden sich kriminalitatstheoretische Erklarungsansatze in teilweise heftiger Kontroverse.^^ Dabei hat die Theorie des Labeling approach^^ die Grundannahme vorgetragen, wonach Kriminalitat unter strukturellen Gesichtspunkten ubiquitar, vom quantitativen Aspekt her gleich verteih und in qualitativer Hinsicht normal erscheint. Die Vorstellungen vom Regel-Ausnahme-Charakter straffalligen Verhaltens sowie der Moglichkeit einer Differenzierung zwischen Kriminellen und Nichtkriminellen^^ werden dem heutigen Kenntnisstand nicht mehr gerecht. So bestatigen Dunkelfeldstudien die Hypothese von der Normalitat und der Ubiquitat dahin gehend, dass es kaum einen (mannhchen) Jugendlichen oder Heranwachsenden gibt, welcher nicht wenigstens einmal in seinem Leben gegen Strafrechtsnormen verstoBen hat. Die Untersuchungen iiber die Pravalenz delinquenten Fehlverhaltens belegen die Allgegenwartigkeit von Kriminalitat gerade ^« ^^ 50 5^
BT-Drs. 7/918, S. 45. Baumann/Brauneck/Calliess u.a., 1973, S. 55. Muller-Dietz, 1978, S. 79. Vgl. Bock, 2000, S. 51 ff.; Goppinger, 1997, S. 99 ff.; Kaiser, 1996, S. 183 ff.; Kunz, 2001, S. 99 ff.; Lamneck, 1999, S. 55 ff; Schwind, 2006, S. 85 ff 52 Dazu eingehend Bock, 2000, S. 80ff; v. Danwitz, 2004, S. 51ff; Eifler, 2002, S.47ff; Eisenberg, 2005, S. 71 ff; Goppinger, 1997, S. 133 ff; Kaiser, 1996, S. 274 ff; Killias, 2002, S. 374 ff; Kunz, 2001, S. 175 ff; Lamneck, 1999, S. 216 ff; Meier B.-D., 2005, S. 70 ff; Schwind, 2006, S. 145 ff 53 Ktirzinger, 1985, S. 1069 f
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bei jiingeren Menschen als eine normale Begleiterscheinung des Sozialisationsprozesses.^"^ Haufig bleibt delinquentes Verhalten aber episodenhaft und es kommt zu einer Spontanremission im Verlauf des Sozialisationsprozesses. Auch ohne Kontakte zu den Instanzen der formellen Sozialkontrolle gelingt es der tiberwiegenden Mehrheit dieser Straftater, ihr normabweichendes Handeln nicht fortzusetzen. Damit stellen Normalitats- und Ubiquitatsthese eine generalisierende Gleichsetzung von Kriminalitat und Mangel an Sozialisation^^ zumindest in Bereichen der Normbruche von unterer Schwere in Frage. Allerdings zeigen Betrachtungen der personlichen und sozialen Entwicklung von Mehrfachtatem, die insgesamt einen iiberproportional hohen Anteil an alien begangenen Straftaten auf sich vereinigen, eine Konzentration klassischer Auffalligkeitsmerkmale im Sinne von Sozialisationsmangeln, wie - Fehlen einer konsistenten Erziehung, - Verhaltensauffalligkeiten, - Schul- bzw. Berufsprobleme, - teilweise Normvarianten bis hin zur abnormen Personlichkeit.^^ 155
Da die VerbuBung einer Freiheitsstrafe als Ultima Ratio im lebensgeschichtlichen Zusammenhang haufig erst das letzte Glied einer langen Kette fehlgeschlagener Interaktionsprozesse darstellt^"^, sprechen durchaus sozialisationstheoretische Befunde fiir eine Erklarung von Sozialabweichungen, welche die VerbuBung eines stationaren Freiheitsentzugs erforderlich machen: gravierende Mangel in den Bereichen der Personlichkeit und des sozialen Umfeldes als Resultate einer gescheiterten Sozialisation. Aber auch Stigmatisierungen, ausgelost durch die StrafVerfolgungsbehorden, vermogen mittels eines sich gegenseitig aufschaukelnden Interaktionsprozesses zwischen ihm und seiner Umwelt^^ den Einzelnen in seiner Personlichkeit derart zu beschadigen, dass er schlieBlich im Strafvollzug der Unterstiitzung durch Behandlungsprogramme bedarf, um nach seiner Entlassung zu einem legalen Lebenswandel in sozialer Verantwortung zuriickfinden zu koimen.^^ Der VoUzug von Freiheitsstrafen muss deshalb sozial-integrativ orientiert sein und dabei dem Gefangenen in umfassender Weise Chancen zu sozialem Lernen er6ffnen.^° 156 Dem Vollzugsziel einer sozial verantwortlichen Lebensfiihrung ohne w^eitere Straftaten kommt auch eine Begrenzungsfunktion zu. MaBnahmen zum Zweck der Sozialisation des Gefangenen diirfen nicht v^eiter reichen, als dies zur Verv^irklichung der Zielvorgabe eines Lebens ohne deliktische Handlungen erforderlich ist. DemgemaB ging der Altemativ-Entvmrf in seinem § 2 Abs. 2 zutreffend davon aus, dass der VoUzug „nicht auf weiter gehende Veranderungen der Personlichkeit Oder der Uberzeugungen des Verurteilten gerichtet sein" darf Dieser soil ^^ Heinz, 1988, S. 269; Lamneck, 1982, S. 38; Laubenthal/Baier, 2006, S. 7 f; ThiemSchrader, 1989, S. 19; Walter M., 2005, S. 228. ^^ SchneiderH. J., 1983,8.296. 56 Vgl. Dolling, 1990, S. 673. 5^ Calliess, 1992,8.2. 5« Quensel, 1970, 8. 379. 59 Kury, 1986,8.35. 6^ 8iehe auch Bericht des Sonderausschusses fur die 8trafrechtsreform, BT-Drs. 7/3998, 8.5.
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zu einem selbst verantwortlichen Verhalten unter Beachtung der geltenden Normen befahigt, nicht aber zu einem tadelsfreien Burger erzogen^' werden. Schon der Anspruch des Gefangenen aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung seiner Menschenwtirde schlieBt zudem unfreiwillige medizinische und pharmakologische Manipulationen aus.^^ 3.1.2 (Re-)Sozialisierung durch Behandlung Auf der strukturellen Ebene verpflichtet § 2 S. 1 StVollzG die Verwaltung, die 157 Organisation des StrafvoUzugs dem Sozialisationsziel entsprechend zu gestalten. Personelle und materielle Ausstattung miissen so ausgerichtet sein, dass das Problem einer kiinftigen straffreien Lebensfiihrung in sozialer Verantwortung gelost werden kann.^^ Zugleich ist auch die Ebene der sozialen Interaktionsfelder von Gefangenen und Vollzugspersonal bzw. der Kommunikation mit Bezugspersonen auf das Vollzugsziel zu beziehen. Diese interaktive Komponente betrifft die Behandlung des Inhaftierten. Rahmenbedingungen zur Realisierung des Behandlungsprozesses sind: - auf der vertikalen Ebene das Vollzugssystem,^"^ - auf der horizontalen Ebene die Differenzierung nach verschiedenen Anstaltsarten,65
- auf der personellen Ebene die Schaffung geeigneter Kommunikationsstrukturen.^^ Das Strafvollzugsgesetz nennt mehrfach den Begriff der Behandlung. So wirkt 158 etwa nach § 4 Abs. 1 StVollzG der Gefangene an der Behandlung mit, hat gem. § 6 StVollzG nach dem Aufnahmeverfahren eine Behandlungsuntersuchung stattzufinden und wird aufgrund dieser ein Vollzugsplan (§7 StVollzG) erstellt, der als Orientierungshilfe die individuell zur Erreichung des Vollzugsziels notwendigen BehandlungsmaBnahmen beinhaltet. Nach § 143 StVollzG erfolgt eine Gestaltung der Justizvollzugsanstalten derart, dass eine auf die Bediirfnisse des Gefangenen (Individualisierungsgebot) abgestellte Behandlung gewahrleistet ist; die Institutionen sind so zu gliedem, dass die Insassen in Behandlungsgruppen zusammengefasst werden konnen. Der Behandlungsbegriff bleibt im Strafvollzugsgesetz jedoch ebenso undefi- 159 niert wie es an einem gesetzlich formulierten Behandlungskonzept fehlt. Es sollte dadurch die Anwendbarkeit verschiedener Behandlungsmethoden ermoglicht werden, Wissenschaft und Praxis die Uberpriifung und Fortentwicklung bestehender so wie die Erprobung neuer Modelle iiberlassen bleiben.^'^ Diese legislatorische Zu^^ ^2 63 64 65 66 67
Baumann/Brauneck/Calliess u.a., 1973, S. 57. Benda, 1984, S. 322. Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 2 Rdn. 32. UntenKap.4.1. ObenKap. 1.6.3. UntenKap. 4. BT-Drs. 7/918, S. 41.
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riickhaltung diirfte letztlich auch von finanziellen Erwagungen getragen worden sein.^^ 160 Nach der Intention des Gesetzgebers umfasst der Begriff der Behandlung „sowohl die besonderen therapeutischen MaBnahmen als auch die MaOnahmen allgemeiner Art, die den Gefangenen dureh Ausbildung und Unterricht, Beratung bei der Losung personlicher und wirtschaftlicher Probleme und Beteiligung an gemeinschaftlichen Aufgaben der Anstalt in das Sozial- und Wirtschaftsleben einbeziehen und der Behebung krimineller Neigungen dienen."69
Ein solch offener und weiter Behandlungsbegriff schlieBt eine inhaltliche Prazision aus. Auf die Vollzugszielbestimmung bezogen handelt es sich bei der Behandlung um die Gesamtheit aller MaBnahmen und Tatigkeiten im interaktiven Bereich. Diese erfolgen zum Zweck der gesellschaftHchen Reintegration des Gefangenen und der Befahigung zu einem sozial verantwortlichen Leben ohne Straftaten.^^ Eingeschlossen sind alle Bemiihungen und Aktivitaten, die geeignet erscheinen, den vom Strafvollzug selbst produzierten schadlichen Wirkungen entgegenzusteuem. ^' 161 Bleibt der Behandlungsbegriff des Strafvollzugsgesetzes vielschichtig, so geben dennoch die nach § 7 Abs. 2 StVollzG im VoUzugsplan mindestens aufzunehmenden BehandlungsmaBnahmen einen etwas differenzierteren Hinweis. Es geht hierbei um: - die Unterbringung im geschlossenen oder offenen Vollzug, - die Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt, - die Zuweisung zu Wohngruppen und Behandlungsgruppen, - den Arbeitseinsatz sowie MaBnahmen zur beruflichen Ausbildung oder Weiterbildung, - die Teilnahme an Veranstaltungen der Weiterbildung, - besondere Hilfs- und BehandlungsmaBnahmen, - Lockerungen des VoUzugs, - notwendige MaBnahmen zur Vorbereitung der Entlassung. 3.1.2.1 IdealbiId der problemlosenden Gemeinschaft 162 Dem Behandlungsbegriff zugrunde liegt das Idealbild der JustizvoUzugsanstalt als problemlosende Gemeinschaft.
68 69
Jung H., 1987,8.38. BT-Drs. 7/918, S. 45; siehe auch OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2005, S. 122 f Calliess, 1992, S. 22 f; Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 4 Rdn. 6; Dunkel/Kunkat, 1997, S. 24; Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 4 Rdn. 6; zum Behandlungsbegriff auch: Jung H., 1987, S. 38 ff; Mey, 1987, S. 42 ff; Rehn, 1995, S. 75 f; Schiiler-Springorum, 1988, S. 117ff Streng, 2002, Rdn. 226.
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Dieses geht zuriick auf die von Fenton in Kalifomien erstmals in den fiinfziger Jahren des 20. Jahrhunderts verwirklichte Idee der Correctional Community.^^ Fenton ging davon aus, dass Gefangnisse eine andere Funktion zu erfullen haben als nur diejenige von Einrichtungen, in die sozial unangepasste Menschen fiir eine gewisse Zeit verbannt werden. Die Dauer des Strafvollzugs muss vielmehr der Vorbereitung des Verurteilten auf seine Riickkehr in die Gesellschaft dienen, wobei die Anstalt selbst als eine dynamische und kreative Institution zu nutzen ist. Fenton iibertrug daher die Prinzipien der therapeutischen Gemeinschaft auf den Strafvollzug. Die Methode der Therapeutic Community war von Jones nach dem 2. Weltkrieg in englischen psychiatrischen Krankenhausem und Heilanstalten eingefuhrt worden.^^ Jones beteiligte dort die Betroffenen selbst an ihrer Behandlung und ersetzte das Uber-AJnterordnungsverhaltnis von Arzten und Patienten durch eine mehr partnerschaftliche Beziehung. Dementsprechend strebte Fenton auch im Vollzug der Freiheitsstrafe ein personlichkommunikatives Verhaltnis von Anstaltspersonal und Inhaftierten an. Er unterteilte die Institutionen in kleinere Einheiten, in denen eine Art Selbstverwaltung eingefuhrt wurde, um dadurch Selbstandigkeit, Eigenverantwortlichkeit und Selbstwertgefuhl der Insassen zu starken. In Gruppensitzungen kam es zu Diskussionen iiber die taglichen Erfahrungen und die zwischenmenschlichen Beziehungen, um antisoziale Tendenzen zu reduzieren. Die problemlosende Gemeinschaft, in d e r - durch die soziale Struktur des 163 Vollzugssystems vermittelt- Interaktion und Kommunikation stattfinden, stellt den Rahmen dar.^"* In ihm gelangt eine Vielfalt von Methoden, Konzepten und Modellen zur Anwendung. So konimt es zum Einsatz von Verfahren aus dem psychiatrisch-psychologischen Bereich v^ie psychotherapeutischen"^^ und verhaltenstherapeutischen MaBnahmen, Milieutherapie, Bewegungstherapie, Musiktherapie^^, Psychodrama usv^.*^^ Deren Durchfiihrung bleibt jedoch im Regelvollzug allenfalls punktuell moglich, weil sie dort auf ungiinstige finanzielle und kapazitare Voraussetzungen treffen."^^ Praktiziert w^erden auch Konzepte zur Intervention bei spezifischen Erscheinungsformen der Kriminalitat und damit bei bestimmten Tat auslosenden Defiziten, Fehleinstellungen oder psychodynamischen Ablaufen. Dies reicht von „Nachschulungskursen" fur alkoholauffallige StraBenverkehrstater*^^, therapeutischer Begleitung Drogenabhangiger im Strafvollzug^° iiber AntiAggressivitats-Training zur Behandlung von Gewalttatem^^ bis hin zur Therapie^^ von Sexualstraftatem.^^ ^2 Dazu: Fenton, 1958; Fenton/Reimer/Winter, 1967. ^^ Siehe Jones, 1962. '^^ Zu Moglichkeiten einer Ubertragung von Grundideen der therapeutischen Gemeinschaft auf Organisation und Kooperation in der Strafanstalt siehe Rotthaus W., 1990, S. 30 ff ^5 Dazu Beier/Hinrichs, 1995; Pecher, 1999; Rauchfleisch, 1999; Reinfried, 1999. 76 Dazu Zeuch, 2002, S. 99 ff. "77 Laubenthal, 1983, S. 146 ff; Schneider H. J., 1983, S. 302 ff 78 Walter M., 1999, S. 298 f 79 Dolde, 1996a, S. 117. 80 Borkenstein, 1988, S. 235; ders., 1994, S. 80 ff; siehe dazu auch Kap. 5.5.3. 8^ Bauer-Cleve/Jadasch/Oschwald, 1995, S. 202 ff; Heilemann/Fischwasser von Proeck, 2002, S. 238 ff; Petersen/Ptucha/Schamowski, 2004, S. 21 ff; Weidner, 1990; Wolters J., 1990, S. 26 ff; ders., 1994, S. 20 ff
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War der Behandlungsgedanke in Deutschland zunachst von psychotherapeutischen Ansatzen und Versuchen einer therapeutisch-padagogischen Alltagsgestaltung gepragt^"^, drang beginnend in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts der Gedanke der Sozialtherapie in den Vordergrund: nicht nur ein punktueller Einsatz psychotherapeutischer und sozialpadagogischer Methoden, sondem eine vollzugszielorientierte Ausrichtung der verschiedenen Handlungs- und Beziehungsformen im Sinne einer problemlosenden Gemeinschaft, im Einzelfall erganzt durch taterbzw. personlichkeitsspezifische Ansatze.^^ Wenngleich der Konzeption der Sozialtherapie durch die insoweit kontraproduktiven Verhaltnisse und Lebensbedingungen des Justizvollzugs Grenzen gesetzt sind (und Sozialtherapie im engeren Sinne heute faktisch auf die sozialtherapeutischen Anstalten i.S.d. §§9 und 123 ff. StVollzG^^ beschrankt bleibt), wiirde eine solche Gestaltung des Behandlungsvollzugs als problemlosende Gemeinschaft der Zielvorgabe des § 2 S.l StVollzG doch am ehesten gerecht.
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Da bestimmte Denkweisen von Straftatem (z.B. Abwehr- oder Leugnungstendenzen) einer Verhaltensanderung entgegenstehen konnen und die Effektivitat von BehandlungsmaBnahmen beeintrachtigen, sieht LoseP^ bereits in der Anderung grundlegender Denkweisen einen zentralen Punkt in den Rehabilitationsbemiihungen. Als die zehn wesentlichen Elemente eines solchen kognitiven Verhaltenstrainings benennt er: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
Training von Selbstkontrolle beim Handeln, Anleitung zum Nachdenken iiber sich selbst, Vermittlung sozialer Fertigkeiten, Einiiben interpersonaler Problemlosefertigkeiten, Anregung zum kreativen Denken, Anleitung zum (selbst)kritischen Denken, Vermittlung von Werten, Kontrolle von Arger und Aggression, Ubemahme von prosozialen Helfer-Rollen, Einfiihlung in das Opfer.
3.1.2.2 Favorisierung des Sozialen Trainings 166 Die faktischen Gegebenheiten in der Institution haben im methodischen Bereich eine Reduzierung kaum realisierbarer Vorstellungen zur Folge.^^ Die heute im Regelvollzug vorzufindende Favorisierung des defizitorientierten Ansatzes - Soziales Training - stellt damit letztlich eine Folge der Absenkung urspriinglicher Behandlungserwartungen dar. ^2 Dazu unten Kap. 5.5.4. ^3 Bose/Henke/Ingenhag-Schuster, 1991, S. 345 ff.; Goderbauer, 1999, S. 157 ff; Judith, 1995, S. 72 ff; Latza, 1993, S. 43 ff; Rehder, 1990, S. 121 ff; Rehn, 2002, S. 609 ff; Schmitt, 1996, S. 3 ff; siehe auch Kusch, 1997, S. 89 ff 84 Egg, 1992,8.486 f 85 Specht, 1993,S. 11. 8^ Dazu in Kap. 5.5.4. 8^ Losel, 1993a, S. 15 f 88 WalterM., 1999, S. 287.
3.1 Das Vollzugsziel
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Das Soziale Training wird rechtlich iiberwiegend den WeiterbildungsmaBnahmen zugeordnet^^, an denen die Gefangenen in ihrer Freizeit teilnehmen ( § 6 7 StVollzG). Lemziel ist der Aufbau sozialer Kompetenz, einhergehend mit dem Abbau sozialer Hilflosigkeit.^° Das Soziale Training setzt als ein praventives Konzept an Problemfeldem an, die haufig eine Riickfalligkeit bedingen: soziale Beziehungen, Arbeits- und Berufswelt, Freizeitverhalten, Geld bzw. Schulden, Rauschmittel, Rechte und Pflichten.^^ Mittels der breit gefacherten BehandlungsmaBnahme sollen Verhaltensmodifikationen erreicht, den Betroffenen alltagspraktische Fahigkeiten zu angemessener Situations-, Konflikt- und Lebensbewaltigung vermittelt werden. Das Kompetenztraining basiert in seinem methodischen Vorgehen auf der Erkenntnis, dass ein erfolgreiches Erlemen sozialer Verhaltensweisen zumeist auf den Ebenen Wissen, Verhalten und Einstellung stattfindet. DemgemaB besteht der Lemprozess aus vier Elementen:^^ - Den Teilnehmem wird Raum zur Bewusstmachung eigener Bediirfnisse, Defizite, Probleme, aber auch Starken gegeben. - Daneben sind den Gefangenen Gelegenheiten zu Informationsaustausch und Wissenserwerb zu eroffnen. - Bewusstmachung des eigenen Standpunkts und Wissenserwerb fiihren zu einer Auseinandersetzung der Teilnehmer mit problematischen Situationen, hinsichtlich derer sie Verhaltensvarianten erarbeiten und auf ihre Umsetzbarkeit bin beurteilen. - Die Verhaltensabsichten werden im Rollenspiel erprobt und iiberpruft, schlieBlich realisiert. Da ein Erlemen von sozialer Kompetenz nur in einem Geflecht von zwischen- 167 menschlichen Beziehungen und gegenseitigem Einwirken moglich ist, bedient sich die Methode des Sozialen Trainings der Gruppe und der dort vorhandenen Interaktion. Uber eine bloBe Gestaltung als WeiterbildungsmaBnahme i.S.d. § 67 StVollzG hinausgehend lasst sich gerade die Wohngruppe als soziales Trainingsgebilde nutzbar machen. Denn dort wird die soziale Funktionsfahigkeit des Einzelnen am nachhaltigsten gefordert und verbessert das Zusammenleben (verbunden mit den alltaglichen Konfliktsituationen) die Fahigkeit zu sozial akzeptierter Problembewaltigung. Zudem vermag eine inkongment gruppale Konstellation d.h. eine Zusammensetzung der Sozialen Trainingsgruppe einerseits sowie der Wohngruppe andererseits mit jeweils verschiedenen Probanden - in dem von freien Sozialisationsprozessen weitgehend abgetrennten Strafvollzug vermehrt Interaktionsfelder zu schaffen.^^
«9 Muller-Dietz, 1988b, S. 10 f; Otto, 1988, S. 20. ^0 Rossner, 1984, S. 14 ff; siehe auch Enders, 2004, S. 280 ff; Grant/Mettemich, 2004, S 328 ff; Stolk/Lehnen/Mettemich, 2004, S. 74 ff 91 Goderbauer, 1984, S.42. 92 Otto, 1993,8.49. 93 Laubenthal, 1983, S. 33 ff, 170 f
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3 Vollzugsaufgaben und Gestaltungsprinzipien
3.1.3 Tater-Opfer-Ausgleich als ein Lernfeld sozialer Verantwortung 168 Neben den Bestrebungen um eine Vermittlung sozialer Kompetenz auf der Seite des Gefangenen ist dem VoUzugsziel des § 2 S. 1 StVollzG das Bemiihen um einen Tater-Opfer-Ausgleich inharent.^"^ Nach den viktimologischen Untersuchungen zum Tatbeitrag des Opfers und der Anbindung der Viktimologie an die Kriminologie riickte das Verbrechensopfer vermehrt in das Blickfeld der kriminalpolitischen Diskussion. In Erganzung seiner strafprozessualen Rechtsstellung kam es zur Entwicklung des Tater-Opfer-Ausgleichs. Hiermit werden Bemiihungen bezeichnet, unter Leitung eines Vermittlers die nach der Begehung einer oder mehrerer Straftaten zwischen Tater und Verletztem bestehenden Probleme, Belastungen und Konflikte zu reduzieren oder ganzlich zu bereinigen. Im Mittelpunkt solcher Gesprache stehen die Aufarbeitung der Tat und deren Folgen sowie die Vereinbarung von Wiedergutmachungsleistungen an den Verletzten.^^ Angesichts positiver Erfahrungen mit dem TaterOpfer-Ausgleich (vor allem im Jugendstrafrecht^^) wurde dieser durch Art. 1 Nr. 1 VerbrBekG 1994^^ als eine Reaktionsform in das allgemeine Strafrecht eingefugt (§ 46a StGB).^^ Ebenso wie derjenige des Jugendstrafrechts i.S.d. § 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 7 JGG fmdet der Tater-Opfer-Ausgleich des Erwachsenenstrafrechts nach § 46a StGB aber regelmaBig nicht in der Phase des Vollzugs einer freiheitsentziehenden Sanktion statt. 169
Soil der Vollzug von Freiheitsstrafe den Verurteilten zu sozial verantv^ortlicher Lebensfiihrung befahigen, so kommt einer Erfahrung der Tat und ihrer Ausv^irkungen Bedeutung als ein wichtiger Ankniipfungspunkt fiir soziales Lernen zu.^^ Denn die personliche Begegnung mit dem Leid des Opfers vermag Erkenntnisprozesse einzuleiten. Diese konnen dazu fiihren, dem in einer bestimmten Situation gescheiterten Straftater far die Zukunft sozial akzeptierte Formen einer Konfliktlosung bzv^. des Zusammenlebens insgesamt zu vermitteln. Aus der Einsicht in die Situation des Verletzten vermag sich dann der Entschluss abzuleiten, ein Leben ohne v^eitere Straftaten zu fiihren. ^°° Das Strafvollzugsgesetz selbst lasst das Deliktsopfer jedoch fast ganzlich unberiicksichtigt. Lediglich nach § 73 StVollzG ist der Gefangene in seinem Bemiihen zu unterstiitzen, „seine Rechte und Pflichten v^ahrzunehmen, namentlich ... einen durch seine Straftat verursachten Schaden zu regeln". Dies v^ird dem Tater-OpferAusgleich als einer BehandlungsmaOnahme kaum gerecht. 170 Zwar kaim die Einbeziehung der Opferperspektive, zumal eine opferbezogene Aufarbeitung der Tat, verhaltens- und einstellungsandemd wirken und einen wichtigen Weg zur Erreichung des Vollzugsziels darstellen. Der Strafvollzug an sich darf jedoch nicht derart opferbezogen gepragt sein, dass die Institution das Ver-
94 95 96 97 9^
Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 2 Rdn. 38. Schreckling, 1991,8.1. Siehe Laubenthal/Baier, 2006, S. 220 ff BGBl. 11994, S. 3186 ff Zur Diskussion um eine Integration des Tater-Opfer-Ausgleichs in das Erwachsenenstrafrecht: Baumann u.a., 1992; Kaiser, 1994, S. 314 ff; Schoch, 1992, S. 54 ff 99 Dazu Matt/Winter, 2002, S. 128 ff 100 Rossner, 1990, S. 25.
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haltnis von Tater und Opfer zum voUzugsintemen Gestaltimgskriterium qualifiziert.^^^ Vielmehr bleibt in jedem Einzelfall zu priifen, ob und wie die Behandlung unter Einbeziehung des Opfergedankens zu planen ist.^^^ Denn eine Realisierung des Tater-Opfer-Ausgleichs erfordert nicht nur eine entsprechende Haltung des Taters, sondem auch eine Ausgleichsbereitschaft des Verletzten. Eine solche fehlt, wenn es sich auf der Seite der Tatopfer nicht um natiirliche Personen handelt. Zwar kommt die Durchfuhrung eines Tater-Opfer-Ausgleichs im Einzelfall 171 nicht nur bei leichten Vergehen, sondem auch bei Verbrechen gem. § 12 Abs. 1 StGB in Betracht.^^^ Eine Akzeptanz des Tater-Opfer-Ausgleichs ist jedoch vor allem bei den Opfern schwerer Straftaten kaum zu erwarten. Interesse und Bereitschaft zu einer Kommunikation mit dem Tater bleiben bei Gewaltopfern begrenzt: Diese sind regelmaBig sogar dankbar, dass das staatliche Gewaltmonopol in Form des Strafrechts sie von der Verpflichtung befreit, noch einmal in unmittelbaren Kontakt mit dem Tater treten zu miissen. Das gilt insbesondere, wenn die Tat zugleich den Endpunkt einer krisenhaften Tater-Opfer-Beziehung darstellt.^^"^ Gerade bei Opfem von Gewaltdelikten vermindem zudem offentlich-rechtliche Leistungen (z.B. nach dem Gesetz iiber die Entschadigung far Opfer von Gewalttaten) das Interesse an einem Ausgleich. Eine Wiedergutmachungsleistung zum Ausgleich materieller oder immaterieller Schaden wird zwangslaufig auch dann nicht in Betracht kommen, wenn der Verurteilte leistungsunfahig und iiberschuldet ist. Angesichts der nicht leistungsgerechten, niedrigen Entlohnung von Gefangenenarbeit (§§43, 200 StVoUzG) fehlt es - auch bei Ausgleichswilligkeit von Gefangenen - haufig an den materiellen Voraussetzungen far eine akzeptable Wiedergutmachungsleistung.^^^ SchlieBlich diirfte femer die in den Vollzugsanstalten gegebene Personalknappheit in der Praxis den haufig zeitaufwendigen Ausgleichsbemiihungen entgegenstehen. Da im Hinblick auf das Tatopfer keinerlei Einwirkungskompetenz der Justiz- 172 vollzugsanstalt besteht, muss eine opferbezogene Vollzugsgestaltung auf geeignete Einzelfalle beschrankt bleiben. Vor allem darf eine Berticksichtigung der OpSo aber der - nicht Gesetz gewordene - Bundesratsentwurf eines Strafvollzugsanderungsgesetzes (BT-Drs. 11/3694), der gerade iiber eine opferbezogene Vollzugsgestaltung das Prinzip „Verantwortung sich und anderen gegenuber" (S. 7) starken wollte. Auch ein 1992 vorgelegter „Altemativ-Entwurf Wiedergutmachung" (Baumann u.a. 1992) wollte den Tatfolgenausgleich ftir den Strafvollzug konkretisieren, indem er die Gestaltungsprinzipien des § 3 Abs. 1 bis 3 StVollzG um einen neuen Abs. 4 erganzte: „Die Einsicht des Gefangenen ftir seine Verantwortung fiir die Tat, insbesondere fiir die beim Opfer verschuldeten Tatfolgen, soil geweckt und durch geeignete MaBnahmen des Ausgleichs vertieft werden" (§ 23 AE-WGM). Siehe auch Bannenberg/Uhlmann, 1998, S. 28ff; Dolling/Heinz/Kemer/Rossner/Walter, 1998, S. 485 f; Eisenberg, 2005, S. 503 f, 513; Heinrich M., 1995, S. 81; Kaspar, 2005, S. 86. Kaiser/Schoch, 2002, S. 233; Wulf, 1985, S. 67 ff Zur Deliktsstruktur der Anwendungsfalle siehe Bundesministerium der Justiz, 2005, S. 31ff Streng, 1994, S. 147. Siehe auch Kawamura, 1994, S. 3 ff
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ferperspektive und die damit verbundene Tatfolgen ausgleichende Wiedergutmachung seitens des Taters keiner Riickkehr zu Tatschuld vergeltenden VoUzugszwecken gleichstehen.'^^ Eine fehlende Bereitschaft des Gefangenen zur Mitwirkung an einer opferbezogenen Vollzugsgestaltung kann zudem kein Entscheidungskriterium bei einer Versagung von Vollzugslockerungen sein.^^^ Anderenfalls waren schon deshalb Ungleichbehandlungen zu erwarten, weil nicht alle Delikte ausgleichbar sind. Soweit moglich, hat die Institution die Motivation fiir einen Tater-OpferAusgleich zu schaffen. Dabei ist auch der noch vorherrschenden Einstellung vieler Verurteilter entgegenzuwirken, die ihre Schuld (auch dem Opfer gegeniiber) durch das „Erleiden" der Kriminalstrafe als getilgt betrachten.^^^ Die Bereitschaft eines Inhaftierten konnte dadurch gefahrdet werden, dass ein durchgefiihrter TaterOpfer-Ausgleich bzw. die Leistung einer Schadenswiedergutmachung eine rechtliche Wiirdigung erfahrt. Nach gekendem Recht ist dies bislang nur bei der Entscheidung liber einen Antrag auf vorzeitige Entlassung gem. § 57 Abs. 1 StGB moghch. Nach S. 2 dieser Vorschrift zahlt „das Verhalten des Verurteihen im Vollzug" zu den prognoserelevanten Aspekten.^^^
3.2 Die Vollzugsaufgabe der Sicherung 173 Das VoUzugsziel einer Befahigung des Gefangenen zu einem ktinftigen legalen Leben enthak bereits die Zweckorientierung eines Schutzes der Gesellschaft vor der Begehung emeuter Straftaten durch den Verurteilten.^^^ Die soziale Integration des Taters mittels geeigneter BehandlungsmaBnahmen wird zwangslaufig auch dem Sicherheitsbediirfnis der Offenthchkeit gerecht. In § 2 StVollzG hat der Gesetzgeber die Zielvorgabe der (Re-)SoziaHsierung mit Satz 2 um eine weitere Vollzugsaufgabe erganzt: den Schutz der AUgemeinheit vor weiteren Straftaten. Diese Sicherungsklausel steht nicht der individualpraventiven Zielsetzung einer Verhinderung von deliktischen Handlungen nach der Entlassung des Gefangenen gleich. Die Vollzugsaufgabe des Schutzes der AUgemeinheit bezieht sich vielmehr ausschlieBlich auf den Zeitraum der Inhaftierung.^^^ 174 Der Aspekt der Sicherung gehort schon von seinem Wesen her zu einer Freiheitsstrafe. Er stellt jedoch kein VoUzugsziel dar, sondem eine Vollzugsaufgabe. Der Anstalt obliegt es, fur die Sicherheit Sorge zu tragen, d.h. die Begehung von Straftaten wahrend der StrafverbiiBung zu verhindem. Dies betrifft zum einen den Schutz der Gesellschaft auBerhalb des Vollzugs. § 2 S. 2 StVollzG umfasst aber
106 So auch Rixen, 1994, S. 219. 107 Eisenberg, 2005,8.513. 108 Kom-Odenthal, 2002 S. 37; Rossner, 1990, S. 25. 109 Siehe auch Steffen, 2005,8.219. 110 BVerfGE 98, 8. 200. 111 AK-Feest/Lesting, 2006, § 2 Rdn. 14; Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 2 Rdn. 16.
3.2 Die Vollzugsaufgabe der Sicherung
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auch die anstaltsinteme Sicherheit insoweit, als es um MaBnahmen zur Unterbindung krimineller Handlungen in der Anstalt selbst geht. Denn Teil der zu schtitzenden Allgemeinheit sind die Vollzugsbediensteten sowie die anderen Gefangenen. Soil nach § 2 S. 2 StVollzG auch der Schutz von Personal und Mitinhaftierten vor Straftaten bezweckt sein, darf dies nicht verwechselt werden mit dem umfassenderen Begriff der Anstaltssicherheit. Dieser bezieht sich nicht nur auf die Begehung deliktischer Handlungen im Vollzug selbst. Im Bereich der „inneren" Sicherheit der Anstalt geht es zudem um die Abwehr von kriminalitatsunabhangigen Gefahren fur Personen oder Sachen. Hinzu kommt die Gewahrleistung des raumlichen Verbleibens der Gefangenen als „auBere" Anstaltssicherheit, also die Verhinderung von Ausbruch und Entweichung. § 2 S. 2 StVollzG ist eine Generalklausel, die den Schutz vor Straftaten inner- 175 halb und auBerhalb der Institution als eine Aufgabe des VoUzugs normiert und damit die Sicherungsfunktion der Freiheitsstrafe im Kontext der VoUzugsgestaltung verankert.'^^ Der Gesetzgeber hat diese Maxime an einigen Stellen des Strafvollzugsgesetzes ausdriicklich konkretisiert. So wird die Gefahr von Rechtsbriichen zu einer Schranke bei der Gewahrung von MaBnahmen, bei denen der Vemrteilte vermehrt in personliche Kontakte mit der AuBenwelt tritt: GemaB § 10 Abs. 1 StVollzG setzt eine Unterbringung im offenen Vollzug vor- 176 aus, dass ein Missbrauch der Moglichkeiten dieser VoUzugsgestaltung zu Straftaten nicht zu befiirchten ist. Gleiches gilt nach § 11 Abs. 2 StVollzG fur die Vollzugslockerungen AuBenbeschaftigung, Freigang, Ausfiihrung und Ausgang sov^ie aufgrund § 13 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 11 Abs. 2 StVollzG flir die Beurlaubung aus der Haft. Die Missbrauchsgefahr i.S.d. § 11 Abs. 2 StVollzG muss femer z.B. bei der Gestattung eines freien Beschaftigungsverhaltnisses auBerhalb der Anstalt beachtet werden (§ 39 Abs. 1 S. 2 StVollzG). Dariiber hinaus kann - ohne dass dies jeweils speziell geregelt v^ird - ein Schutz der Rechtsgiiter Dritter auch bei anderen BehandlungsmaBnahmen angezeigt sein. Dies gilt etwa, wenn ein Angehorigenbesuch, ein Briefverkehr oder der Besitz von Gegenstanden zur Begehung von strafbaren Handlungen genutzt v^erden soil. In solchen Fallen erlangt § 2 S. 2 StVollzG Bedeutung.^13 ^^^ § 4 ^bs. 2 S. 2 1. Alt. StVollzG lasst bei Fehlen besonderer gesetzlicher Regelung Beschrankungen zu, v^enn diese zur Aufrechterhaltung der Sicherheit unerlasslich sind. Dabei ist unter der Anstaltssicherheit i.S.d. § 4 Abs. 2 StVollzG auch diejenige der Allgemeinheit vor Straftaten des Inhaftierten v^ahrend der VerbiiBung der Freiheitsstrafe zu verstehen.*^^ § 2 S. 2 StVollzG beschrankt die Vollzugszielbestimmung der (Re-)Sozialisie- 177 rung als „Ultima-Ratio-Klausel bei Straftatenrisiko"''^. Zwar besteht damit im Strafvollzug eine Antinomic von Sozialisationszweck einerseits und Sicherheitsaufgabe andererseits.^'^ Die klare Hervorhebung des § 2 S. 1 StVollzG als alleiniges Vollzugsziel verdeutlicht die Prioritat der Bemiihungen um soziale Integ^12 WalterM., 1995, S. 198. ^^3 Kaiser/Schoch, 2002, S. 237 I ^^^ Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 4 Rdn. 20; dazu auch unten Kap. 3.5.2.2. 115 Kaiser/Schoch, 2002, S. 237. 116 Dazu Kudlich, 2003, S. 704 ff
3 Vollzugsaufgaben und Gestaltungsprinzipien ration vor anderen Aufgabenstellungen. Die Befahigung zu sozial verantwortlicher Lebensfiihrung ohne weitere Straftaten erfordert daher im Einzelfall das Eingehen vertretbarer Risiken. Allerdings neigt die VoUzugspraxis im Konflikt zwischen Erreichung der Zielvorgabe des § 2 S. 1 StVollzG und dem Schutz der Allgemeinheit eher dazu, die Sicherheitsaufgabe in den Vordergrund zu stellen.^^^ Dies geht aber zwangslaufig einher mit der in den letzten Jahren - auch kriminalpolitisch - gestiegenen Bedeutung der Sicherheitsfrage und deren Auswirkung auf die praktische VoUzugsgestaltung.^^^ Der Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten des Inhaftierten ist eine Selbstverstandlichkeit des Vollzugs. Die Gesellschaft hat zu ihrer eigenen Sicherheit einen Anspruch auf (Re-)Sozialisierungsbemuhungen. Die Sicherungsaufgabe besitzt eine dieser (Re-)Sozialisierung dienende Funktion.^^^ Das StVollzG selbst konkretisiert diese Aufgabe, wenn es BehandlungsmaBnahmen unter den Vorbehalt einer zu vemeinenden Missbrauchsgefahr stellt. Damit halt das Gesetz die VoUzugsbehorden nachhaltig zu einem den Sicherheitsinteressen der Bevolkerung gerecht werdenden Strafvollzug an. Deshalb bedeuten Gesetzesinitiativen^^^ mit dem Bestreben einer Gleichsetzung des Schutzes der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten mit der (Re-)Sozialisierung als Vollzugsziel lediglich eine symbolische Instrumentalisierung des StrafvoUzugsgesetzes im Gesamtzusammenhang mit aktuellen kriminalpolitischen Bestrebungen, die sich mit Argumenten zur objektiven Sicherheitslage nicht begriinden lassen.^^'
3.3 Allgemeine Strafzwecke keine Gestaltungskriterien des Strafvollzugs 178 Mit § 2 StVollzG hat der Gesetzgeber die Vollzugsaufgaben abschlieOend geregelt. Insbesondere mit der Bezeichnung des § 2 S. 1 StVollzG als Vollzugsziel wurde einer Zielpluralitat eine deutliche Absage erteilt. Allgemeine Strafzwecke wie Schuldausgleich und Schuldschwere, Generalpravention und Verteidigung der Rechtsordnung diirfen im Strafvollzug keine unmittelbare Beriicksichtigung finden. Denn aufgrund der legislatorischen Vorgaben des § 2 StVollzG bleiben die Ausgestaltung und Verwirklichung des Vollzugs von Freiheitsstrafe auf die in dieser zentralen Norm benannten Aufgaben und die das Vollzugsziel konkretisierenden Prinzipien des § 3 StVollzG begrenzt.
11'^ 11^ ^1^ ^20
Fur viele Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 2 Rdn. 17. Dazu Bohm, 2002, S. 97 f Vgl. BT-Drs. 7/3998, S. 6. Siehe z.B. die Initiative des Bundeslandes Hessen in BT-Drs. 910/02, BT-Drs. 15/778 mit Stellungnahmen von Diinkel, 2003, S. 8 f; Stolle/Brandt, 2004, S. 67 ff.; Wassermann, 2003, S. 327 f; femer den Gesetzesentwurf des Bundesrats in BT-Drs. 16/512. ^^* Zur kriminalpolitischen Diskussion (iber Sicherheitsfragen bereits Laubenthal, 2004, S. 703 ff
3.3 Allgemeine Strafzwecke keine Gestaltungskriterien des Strafvollzugs
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3.3.1 Strafbemessung und Vollzugsaufgaben Bei der Frage nach der Zulassigkeit einer Beachtung von Strafzwecken ist zwi- 179 schen Statusentscheidungen und Gestaltungsentscheidungen zu differenzieren.^^^ Statusentscheidungen sind solche der Strafgerichte nach dem Strafgesetzbuch, durch die der Status des Straffalligen als Gefangener begriindet oder aufgehoben wird. Dies betrifft einerseits das rechtskraftige Strafurteil des erkennenden Gerichts, welches erst die Grundlage flir die Vollstreckung und den Vollzug einer Freiheitsstrafe darstellt. Auf der anderen Seite zahlt hierzu die Aussetzung des Strafrests zur Bewahrung gem. §§ 57, 57a StGB. Gestaltungsentscheidungen werden wahrend der Dauer des Vollzugs der Freiheitsstrafe getroffen, d.h. vom Strafantritt an bis zur Entlassung des Verurteilten aus der Institution. Es handelt sich um MaBnahmen der Vollzugsverwaltung zur Durchfiihrung des Strafvollzugs sowie um solche MaBnahmen betreffende gerichtliche Entscheidungen. Im Rahmen von Statusentscheidungen fmden die allgemeinen Strafzwecke 180 Beriicksichtigung. Dies gilt vor allem far die Bemessung der Unrechtsreaktion. Zwar begniigt sich das Strafgesetzbuch insoweit mit einer begrenzt offenen Regelung^^^, als im Anschluss an die Grundlagenformel des § 46 Abs. 1 S. 1 StGB („Die Schuld des Taters ist Grundlage fur die Zumessung der Strafe.") mit § 46 Abs. 1 S. 2 StGB der (Re-)Sozialisierung und dem Bemiihen um Vermeidung von Entsozialisiemng durch die Strafe besondere Bedeutung zugewiesen werden. Weit e r e - einen Strafzweck betreffende - Vorgaben beinhalten § § 4 7 Abs. 1, 56 Abs. 3, 59 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB, wonach der Gesichtspunkt der Verteidigung der Rechtsordnung bei der Sanktionswahl zu beriicksichtigen ist. Als legitim erachtet werden im deutschen Strafrecht nur Schuldstrafen, welche nicht Schuldausgleich nur um seiner selbst willen iiben, sondem sich auch zweckhaft im Sinne eines notwendigen Mittels zur Erftillung der praventiven Schutzaufgaben des Strafrechts erweisen.^^"^ Gefolgt wird damit den sog. Vereinigungstheorien, welche mit divergierenden Schwerpunkten Schuldausgleich und Pravention in ein ausgewogenes Verhaltnis zueinander bringen. DemgemaB bezeichnet das Bundesverfassungsgericht Schuldausgleich, Praven- 181 tion, Resozialisierung des Taters, Siihne und Vergeltung fiir begangenes Unrecht als Aspekte einer angemessenen Strafsanktion, die gegeneinander abzuwagen und miteinander abzustimmen sind.^^^ Mit Verhangung einer durch die Schuld des Taters begriindeten und begrenzten Freiheitsstrafe sollen zugleich als zulassige Praventionsgesichtspunkte zum Tragen kommen:^^^ - Positive Generalpravention (Integrationspravention): Erhaltung und Starkung des Vertrauens der Bevolkerung in die Bestands- und Durchsetzungskraft der Rechtsordnung. - Negative Generalpravention: Abschreckung anderer, die in Gefahr sind, ahnliche Straftaten zu begehen. 122 123 124 125 126
Siehe Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 2 Rdn. 9. Ausfuhrlich hierzu Streng, 2002, Rdn. 419 ff BGHSt. 20, S. 42; siehe auch Jescheck/Weigend, 1996, S. 75 f BVerfGE 28, S. 278; 45, S. 253 f; 64, S. 271. BVerfGE 45, S. 254 ff; Meier B.-D., 2001, S. 181 ff; Streng, 2002, Rdn. 428 ff
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3 Vollzugsaufgaben und Gestaltungsprinzipien
- Positive Spezialpravention: (Re-)Sozialisierung des einzelnen Straftaters. - Negative Spezialpravention: Sicherung der Gesellschaft vor dem betreffenden Rechtsbrecher. 182
Geht es bei der Frage der Strafzumessung als Statusentscheidung u m einen Schuldausgleich mit Beriicksichtigung general- und spezialpraventiver Zwecke in dem dadurch vorgegebenen Rahmen, ist der Vollzug der Freiheitsstrafe dagegen auf das alleinige VoUzugsziel der (Re-)Sozialisierung (positive Spezialpravention) sowie die Aufgabe der Sicherung der Allgemeinheit vor v^eiteren Straftaten durch den einzelnen Straftater (negative Spezialpravention) ausgerichtet. Andere Praventionsgesichtspunkte diirfen angesichts der eindeutigen gesetzgeberischen Entscheidung in § 2 StVollzG bei vollzuglichen Gestaltungsentscheidungen keine Rolle spielen. Erkennendes Strafgericht und StrafvoUzug verfolgen mit der Freiheitsstrafe Jewells andere Zielsetzungen. Es besteht somit eine Inkongruenz^^"^ von materiellem Strafrecht und VoUzugsziel, d.h. das Ob und die Dauer einer Freiheitsstrafe hangen von Schuldausgleich und Praventionsaspekten (und damit nicht nur von der Behandlungsbediirftigkeit und -fahigkeit des Einzelnen) ab, wahrend der Vollzug der Sanktion sich an der Erreichung der Zielvorgabe und Aufgabenstellung des § 2 StVollzG orientiert. 128 183 Die bei Statusentscheidungen relevanten allgemeinen Strafzwecke konnen allenfalls mittelbar vollzugliche Gestaltungsentscheidungen beeinflussen. Denn die Dauer des strafgerichtlich verhangten Freiheitsentzugs wirkt sich auf das Angebot von BehandlungsmaBnahmen fur den einzelnen Gefangenen aus, v^elche auf die voraussichtliche Vollzugsdauer abzustimmen sindJ^^Zudem hat die Anstalt Ausbriiche und Entweichungen von Inhaftierten zu verhindem. Dies entspricht dem Wesen einer Freiheitsentziehung und kommt zudem in mehreren Normen des StrafvoUzugsgesetzes zum Ausdruck (z.B. §§ 10 Abs. 1, 11 Abs. 2, 85, 86, 87, 88 StVollzG). Fluchtverhinderung dient aber nicht allein dem Schutz der Allgemeinheit vor w^eiteren Straftaten durch Inhaftierte oder einer bloBen Bewahrung der ortlichen Voraussetzungen fiir eine Durchfuhrung von vollzuglichen SozialisationsmaBnahmen. Trotz der spezialpraventiven Binnenorientierung ist dem StrafvoUzug mit seiner Verpflichtung zur Fluchtverhinderung die Realisierung weiterer Strafzvv^ecke inharent.^^^ Denn es geht letztlich auch u m eine Starkung des Vertrauens der Bevolkerung in die Durchsetzung der gesetzlich angedrohten Freiheitsstrafen.
3.3.2 Gestaltungswirkung der Schuldschwere? 184 Ist die Art der Durchfuhrung des Strafvollzugs nach dem Willen des Gesetzgebers auf das Ziel des § 2 S. 1 und die Sichemngsaufgabe des § 2 S. 2 StVollzG be127 '28 129 130
Miiller-Dietz, 1972, S. 125; dazu auch Bohm, 2003, S. 13 ff BVerfGE109, S. 176. Arloth, 1988,8.424. Streng, 2002, Rdn. 198.
3.3 Allgemeine Strafzwecke keine Gestaltungskriterien des Strafvollzugs
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schrankt, diirfen iiber den Ausschluss weiter gehender allgemeiner Praventionsaspekte hinaus auch Schuldschwereerwagungen bei Gestaltungsentscheidungen keine unmittelbare RoUe spielen. In § 2 StVollzG sind die ICriterien fiir eine konkretisierende Ausfiillung von Beurteilungsspielraumen und eine Ermessensausiibung insoweit erschopfend normiert.'^' Trotz dieser eindeutigen positivrechtlichen legislatorischen Vorgabe fand in der Rechtsprechung ab Ende der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts eine Rechtsumbildung'^^ dahin gehend statt, dass auch bei bestimmten vollzuglichen Gestaltungsentscheidungen die Gesichtspunkte des gerechten Schuldausgleichs und der Siihnefunktion der Strafe beriicksichtigt werden diirften. Hierdurch sollte es zu einer Harmonisierung der Strafzwecke des materiellen Strafrechts und des VoUzugsziels kommen. Diese Entwicklung stieB in der Literatur nur vereinzelt auf ein positives Echo.^^^ 3.3.2.1 Einschrankung des Vollzugsziels durch Schuldschwereerwagungen Einfallstor fur eine „Korrektur" der Zielsetzung des Strafvollzugsgesetzes durch 185 Tatvergeltungs- und Praventionsaspekte waren fiir die Rechtsprechung jene wesentlichen Normen, welche dem modemen Behandlungsvollzug gemaB eine Offnung der Institution ermoglichen und damit Gelegenheiten zu vermehrten Kontakten der Inhaftierten zur Gesellschaft schaffen sollen: Die Entscheidungen der Anstaltsleitung iiber -- die Unterbringung in einer Anstalt oder Abteilung des offenen Vollzugs (§10 StVollzG), - die Anordnung von VoUzugslockerungen (§11 StVollzG), - die Gewahrung von Urlaub aus der Haft (§13 StVollzG). Ausgangspunkt der Entwicklung stellte eine Entscheidung des OLG Karlsruhe 186 aus dem Jahr 1977 dar.^^"* Ein zum damaligen Zeitpunkt fast 69 Jahre alter, wegen nationalsozialistischer Totungsverbrechen in einer Vielzahl von Fallen zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilter hatte ^31 AK-Feest/Lesting, 2006, § 2 Rdn. 3; Bayer et al., 1987, S. 167 ff; CalHess, 1992, S. 21; Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 2 Rdn. 8 ff; Kaiser/Schoch, 2002, S. 240 ff; Laubenthal, 1987, S. 188 f; ders., 2006, S. 608; Meier P., 1982, S. 202; Mitsch Chr., 1990, S. 145 ff; Miiller-Dietz, 1984, S. 353 ff; Peters, 1978, S. 177; Schuler-Springorum, 1989, S. 262 ff; Seebode, 1997b, S. 117 ff; Wagner B., 1986, S. 640; Walter M., 1999, S. 86 ff; siehe auch Funck, 1985, S. 137 ff ^32 Peters, 1978, S. 180. 133 Siehe Artloth, 1988, S. 403 ff; Arloth/Luckemann, 2004, § 11 Rdn. 13, § 13 Rdn. 15; Dietl, 1988, S. 55 ff; Grunau/Tiesler, 1982, § 13 Rdn. 14; Schwind/Bohm/Jehle/Ullenbruch, 2005, § 13 Rdn. 43; begrenzend nur auf die lebenslange Freiheitsstrafe: Streng, 2002, Rdn. 197; allein bei Strafen von mehr als drei Jahren im ersten Strafdrittel hinsichtlich Verlegung in offenen Vollzug und Hafturlaub: Bohm, 2003, S. 33. 134 OLG Karlsruhe, JR 1978, S. 213.
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nach ununterbrochener VerbiiBung von mehr als 16 Jahren Haft die Gewahrung eines Hafturlaubs nach § 13 StVollzG beantragt. Eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr i.S.d. § 13 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 11 Abs. 2 StVollzG stand einer Beurlaubung nicht entgegen. Dennoch erachtete das OLG Karlsruhe eine Versagung der beantragten Vollzugslockerung fiir rechtsfehlerfrei. Das Gericht hielt es fiir zulassig, im Rahmen des den Strafvollzugsbehorden zustehenden Ermessens auch den hohen Unrechtsgehalt der begangenen Straftaten und damit die sich hieraus ergebende Schwere der Schuld zu beriicksichtigen. Die Definition des Vollzugsziels in § 2 S. 1 StVollzG unter dem Gedanken der Resozialisierung bedeute nicht, „dass die weiteren zu der Resozialisierung im Sinne einer positiven Spezialpravention hinzutretenden Zwecke, die mit der Verhangung der Freiheitsstrafe verfolgt werden, mit dem Beginn des Vollzuges wegfielen und damit zwischen der Verhangung der Strafe und ihrem Vollzug in dem Sinne ein Bruch besttinde, dass die Verhangung und Bemessung der Strafe anderen Zwecken dienen wiirde als ihr Vollzug." Bei MaBnahmen mit AuBenwirkung wie dem Hafturlaub „wird der Gedanke, dass Strafe auch Suhne far begangenes Unrecht sein und dem gerechten Schuldausgleich dienen soil, starker in den Vordergrund treten." Das OLG Karlsruhe begarm damit, die explizit zukunftsgerichtete vollzugliche Zweckbeschreibung des § 2 S. 1 StVollzG durch das nur retrospektiv erfassbare Kriterium der Schuldschwere zu iiberlagem. Dem folgten weitere Oberlandesgerichte'^^ in vergleichbaren Fallen, welche zunachst nur die eng begrenzte Tatergruppe der wegen nationalsozialistischer Gewaltverbrechen zur Lebenszeitstrafe Vemrteilten betrafen. Den Anwendungsbereich einer Beriicksichtigung von Schuldschv^erekriterien bei vollzuglichen Entscheidungen dehnte die Rechtsprechung aber schon bald auf alle mit lebenslanger Freiheitsstrafe Sanktionierten aus.^^^ 187 Gefbrdert vmrde diese Entv^icklung zunachst durch das Bundesverfassungsgericht^^"^, welches Beschliisse des OLG Frankfurt^^^ fur verfassungsv^idrig erklarte, weil dieses ausschlieBlich aus Schuldschv^ereerv^agungen Lebenszeitgefangenen die Gev^ahrung von Hafturlaub versagt hatte. Dariiber hinaus konstatierte das BVerfG: „Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn die Justizvollzugsanstalt bei der Entscheidung iiber die Gewahrung von Urlaub aus der Haft fiir einen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Gefangenen auch die besondere Schwere der Tatschuld beriicksichtigt." 188
Das BVerfG begriindete damit aber keinerlei Verpflichtung der Vollzugsbehorde, bei Entscheidungen die Schuldschwere als ein Abwagungskriterium zu beriicksichtigen. Das Gericht stiitzte sich damals in seiner Begriindung u.a. auf die Vorschrift des § 13 Abs. 3 StVollzG, wonach ein zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilter (der sich noch nicht im offenen Vollzug befindet) erst beurlaubt werden kann, wenn er sich zehn Jahre im Vollzug aufhalt. Gerade diese Zehn-Jahres12^ OLG Frankfurt, NJW 1979, S. 1173; OLG Numberg, ZfStrVo 1980, S. 122; OLG Frankfurt, NStZ 1981, S. 157; OLG Hamm, NStZ 1981, S. 495. ^36 OLG Niimberg, ZfStrVo 1984, S. 114; OLG Stuttgart, NStZ 1984, S. 525; OLG Karlsruhe, NStZ 1989, S. 247. ^^^ BVerfGE 64, S. 261 ff (m. abw. Meinung Mahrenholz). i3« OLG Frankfurt, NStZ 1981, S. 117.
3.3 Allgemeine Strafzwecke keine Gestaltungskriterien des Strafvollzugs
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Frist weist nach damaliger Ansicht des Verfassungsgerichts auf das Hineinwirken auch anderer Aspekte als der mit § 2 StVollzG benannten in den StrafvoUzug bin. § 13 Abs. 3 StVollzG bringe zum Ausdruck, dass unter den Gesichtspunkten von Schuldausgleich und Siiline flir geraume Zeit ein ununterbrochener StrafvoUzug notwendig sei.'^^ Eine Bestimmung des Vollzugs der lebenslangen Freiheitsstrafe durch die 189 Schwere der Tatschuld wurde zudem von Instanzgerichten^"^^ aus § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB hergeleitet. Danach ist ausnahmsweise der Rest einer Lebenszeitstrafe nicht zur Bewahrung auszusetzen, wenn die besondere Schwere der Schuld des Vemrteilten die weitere Vollstreckung gebietet. Blieb die Beschrankung des Vollzugsziels durch Schuldschwereerwagungen zunachst auf Lebenszeitinhaftierte begrenzt, erfolgte in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts eine Ausdehnung auf die zeitige Freiheitsstrafe.^"^^ Selbst Lockerungsentscheidungen im VoUzug der Jugendstrafe waren schlieBlich von dieser Rechtsprechung betroffen.^"^^ Ihr schlossen sich auch einige Landesjustizverwaltungen an, indem sie durch Allgemeinverfiigungen die Beriicksichtigung der Schuldschwere bei der Gewahrung von Lockerungen im Vollzug lebenslangen und zeitigen Freiheitsentzugs fiir erforderlich erachteten.^"^^ In der Rechtsprechung sind seit einigen Jahren Tendenzen hin zu einer Abkehr 190 von der Zulassigkeit einer unmittelbaren Beriicksichtigung allgemeiner Strafzwecke bei vollzuglichen Gestaltungsentscheidungen uniibersehbar. So fiihrt das OLG Frankfurt in einem Beschluss vom 16.10.2001^'^'^ aus, dass mit dem Hinweis auf die Verteidigung der Rechtsordnung und die Schwere der Schuld ein Antrag auf Hafturlaub oder Ausgang nicht abgelehnt werden diirfe, weil in § 2 S. 1 StVollzG die allgemeinen Strafzwecke auf das Vollzugsziel der Resozialisierung beschrankt worden seien.*'*^ Dabei lasst das Gericht allerdings offen, ob zumindest far extreme Ausnahmefalle (z.B. fiir im Auschwitz-Prozess abgeurteilte vielfache Mordtaten) eine Beriicksichtigung bei vollzuglichen Entscheidungen zulassig bleiben sollte. Das Bundesverfassungsgericht geht in seinem Urteil vom 5.2.2004^"^^ zu Dauer und Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung auf den nicht nach repressiven, Schuld ausgleichenden Aspekten ausgestalteten Vollzug dieser MaBregel der Besserung und Sicherung ein. In diesem Zusammenhang konstatiert das BVerfG, dass auch der Vollzug der Freiheitsstrafe nicht unter solchen Gesichtspunkten durchgefiihrt wird:
139 140 I'*! i'*^ 1"^^
BVerfGE 64, S. 274 f So Z.B. OLG Stuttgart, NStZ 1984, S. 429 f OLG Frankfurt, NStZ 1983, S. 140; OLG Niimberg, NStZ 1984, S. 92. OLG Stuttgart, NStZ 1987, S. 430. Siehe z.B. AV 451 l-VI/6 Justizministerium Baden-Wiirttemberg vom 5.2.1985, in: Die Justizl985,S. 118. 144 OLG Frankfurt, NStZ 2002, S. 53 ff 145 Krit. hierzu Arloth, 2002, S. 280. 146 BVerfGE 109, S. 133 ff
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3 Vollzugsaufgaben und Gestaltungsprinzipien
„Wahrend die Schuld des Taters die Verhangung und Bemessung der Freiheitsstrafe bestimmt, hat der Gesetzgeber davon abgesehen, die Schwere der Tatschuld, den Schuldausgleich, die Siihne oder die Verteidigung der Rechtsordnung zu gesetzlichen Kriterien fiir den Vollzug der Freiheitsstrafe zu erheben (vgl. BT-Drs. 7/3998, S. 6). GemaB § 2 StVollzG dient der Vollzug ausschlieBlich der Resozialisierung (§2 S. 1 StVollzG) sowie dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten (§ 2 S. 2 StVollzG). Mithin besteht nach den gesetzlichen Bestimmungen keine Kongruenz zwischen materiellem Strafrecht und Strafvollzug: Das materielle Strafrecht koppelt zwar die Entscheidung uber den Status des Strafgefangenen an seine Schuld, gestaltet den Vollzug der Gefangenschaft aber schuldunabhangig aus. Gesichtspunkte der Vergeltung des Schuldausgleichs haben auf die Ausgestaltung des Vollzugs keinen Einfluss. Eine andere Praxis verstieBe nicht nur gegen § 2 StVollzG, sondem auch gegen die im Strafgesetzbuch normierte Konzeption der Einheitsstrafe. Der Gesetzgeber hat die nach dem Vergeltungsprinzip abgestuften, durch unterschiedliche Schwere der Vollzugsbedingungen charakterisierten Haftarten EinschlieBung, Haft, Gefangnis und Zuchthaus abgeschafft. Demzufolge finden Unrechtsgehalt der Tat und Schwere der Schuld nur in der Dauer der Freiheitsstrafe Ausdruck. Nachdem der Richter iiber diese Dauer entschieden hat, ist es der Vollzugsbehorde verwehrt, bei Ausgestaltung des Vollzugs eine nachtragliche vollzugseigene Strafzumessung zu betreiben."^'*'^
3.3.2.2 Rechtsanwendung contra legem 191 Eine Korrektur des Vollzugsziels durch Einbeziehung der Schwere der Tatschuld bei Gestaltungsentscheidungen der Vollzugsbehorde steht im Gegensatz zum eindeutig erklarten Willen des Gesetzgebers. Schon der Hinweis, die spezielle Regelung des § 13 Abs. 3 StVollzG bringe die besondere Schuld des zur Lebenszeitstrafe Verurteilten zum Ausdruck und erfordere tatschuldbedingt einen zunachst ununterbrochenen Strafvollzug, findet im Gesetzgebungsverfahren keine Stutze. Zweck des § 13 Abs. 3 StVollzG ist es vor allem, eine in der Schwere der Straftat zum Ausdruck gekommene Gefahrlichkeit unter den Merkmalen der Entweichungs- und Missbrauchsgefahr berucksichtigen zu konnen. Dabei soil die Zehn-Jahres-Frist den Vollzugsbehorden ermoglichen, sich von nicht genehmigungsfahigen Urlaubsantragen Lebenszeitgefangener aus dem geschlossenen Vollzug zu entlasten.^"^^ Intention der Legislative war somit eine Konkretisierung der Sicherungsaufgabe des § 2 S. 2 StVollzG, nicht aber die Schaffung einer Legitimation fur weitere, in § 2 StVollzG nicht ausdrticklich normierte Vollzugszwecke. Dass es bei der Zehn-Jahres-Frist des § 13 Abs. 3 StVollzG allein um eine Verfahrenserleichterung fur die Vollzugspraxis unter dem Gesichtspunkt der Fluchtgefahr geht, verdeutlicht auch die in dieser Norm enthaltene Regelung, dass der zur Lebenszeitstrafe Verurteilte bereits vor Ablauf von zehn Jahren beurlaubt werden kann, wenn er in den offenen Vollzug liberwiesen ist. Mit der Entscheidung uber eine solche Verlegung wird die Frage der Entweichungsgefahr vemeint, so dass es keiner Einhaltung der Zehn-JahresFrist mehr bedarf 192
Der Gesetzgeber hat zudem in der zweiten Halfte der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts ausdriicklich darauf verzichtet, die iiber § 2 S. 1 StVollzG hinausgei^"^ BVerfGE 109, S. 176 f 148 REStVollzG,BT-Drs. 7/918, S. 53.
3.3 AUgemeine Strafzwecke keine Gestaltungskriterien des Strafvollzugs
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henden Strafzwecke der Schwere der Tatschuld, des Schuldausgleichs, der Siihne sowie der Verteidigung der Rechtsordnung zu gesetzlichen Kriterien fur voUzugliche Gestaltungsentscheidungen zu erheben. Er hat damit noch nach In-KraftTreten des Strafvollzugsgesetzes klargestellt, dass an der durch § 2 StVoUzG normierten Zweckbegrenzung festzuhalten ist. Infolge der geschilderten Rechtsumbildung durch Rechtsprechung und Vollzugspraxis kam es zu kriminalpohtischen Initiativen, die Interpretation des Strafvollzugsgesetzes contra legem zu legalisieren. Einige Bundeslander strebten an, die Zielpluralitat samtlicher Strafzwecke im Strafvollzugsgesetz zu verankem und damit die gesamte Vollzugsgestaltung auch am Tatschuldgedanken zu orientieren. DemgemaB sollten die §§ 2, 3, 10, 11 und 13 StVollzG mit entsprechenden Restriktionen versehen werden.^"*^ Solche Anderungsvorschlage beriet die 58. Konferenz der Justizminister und -senatoren von 1987 und lieB diese ausdriicklich fallen.^^^ DemgemaB sah dann auch der am 23.8.1988 vom Bundesrat beschlossene Entwurf eines Gesetzes zur Anderung des Strafvollzugsgesetzes keine Berucksichtigung von allgemeinen Strafzwecken im Vollzug mehr vor.^^^ Da vom Willen des Gesetzgebers her eine unmittelbare Einbeziehung von 193 Schuldschwereerwagungen bei Vollzugsentscheidungen ausgeschlossen bleibt, lasst sich - selbst fiir die Gruppe der zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten das Schuldschwerekriterium auch nicht aus der Ausnahmeregelung in § 57a StGB herleiten. Zwar kann gem. § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB dem Lebenszeitgefangenen eine Strafrestaussetzung zur Bewahrung wegen der besonderen Schwere der Tatschuld versagt werden. Der Schuldbegriff dieser Norm kniipft jedoch an die Strafzumessungsschuld des § 46 Abs. 1 StGB an*^^, da die Verhangung lebenslanger Freiheitsstrafe bei Mord auf einem unterschiedlichen MaB an Schuld beruhen kann. Das Gericht verurteilt entsprechend der absoluten Strafdrohung des § 211 Abs. 1 StGB den Tater mit Uberschreiten jener Schwelle zur Lebenszeitstrafe, ab der die Umstande nicht mehr als auBergewohnlich gewertet werden konnen. Die tatrichterliche Strafzumessung bringt damit die Schuld des Einzelnen zunachst nur insoweit zum Ausdruck, als seine Tat als „gewohnlicher" Mord das von § 211 Abs. 1 StGB vorausgesetzte Schuldquantum zumindest gerade erfiillt. Das Uberschreiten der unteren Grenze des § 211 Abs. 1 StGB findet keine Differenzierung im StrafmaB. Der Gesetzgeber lieB sich deshalb bei der Regelung des § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB von der Erwagung leiten, „dass das MaB der Schuld, das die Grundlage der Verhangung der lebenslangen Freiheitsstrafe gebildet hat, unterschiedlich hoch ist und in dem Strafausspruch keinen Ausdruck gefunden hat."^^^ „Hinsichtlich Motivation, Art der Begehung und Anzahl der Opfer lasst sich die Schuld individuell quantifizieren."^^"^ Trotz der unterschiedlichen Schuldschwere hat jedoch der Konflikttater ebenso eine Lebenszeitstrafe zu verbtiBen wie der Affekttater, der sexuell bzw. sadistisch motivier^^^ Vgl. Strafvollzugsausschuss der Lander, Protokolle der Sitzungen v. 9.-12.2.1987 und V. 4.-8.5.1987; dazu auch CalHess, 1987, S. 341 ff; Wagner G., Wo Heuchelei und Willktir drohen, in: DIE ZEITNr. 23/1987, S. 65. ^^^ Vgl. Konferenz der Justizminister und -senatoren, Beschlussprotokoll v. 4.6.1987. 15^ BR-Drs. 270/88; BT-Drs. 11/3694. 152 Trondle/Fischer, 2006, § 57a Rdn. 9. 153 BT-Drs. 8/3218, S. 7. 154 Miiller-Dietz, 1985a, S. 266.
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3 Vollzugsaufgaben und Gestaltungsprinzipien
te Morder oder der wegen nationalsozialistischer Massenmorde Verurteilte. Mangels Steigemngsfahigkeit der fiir alle Morddelikte verhangten gleichartigen Sanktionsform soil die Schuldschwereklausel des § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB fiir die - eine gleichformige Entlassungsautomatik ausschlieBende - Differenzierung sorgen. 194
Bei der Entscheidung tiber eine Aussetzung des Strafrests zur Bewahrung handelt es sich aber um keine voUzugliche Gestaltungsentscheidung, sondem vielmehr um eine Statusentscheidung, denn durch diese kommt es - auf Bewahrung - zu einer Aufhebung des Status als Strafgefangener.^^^Dies wird auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts deutlich.^^^ Danach hat schon das erkennende Schwurgericht unter dem Gesichtspunkt ihrer besonderen Schwere i.S.d. § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB die Schuld des Taters zu gewichten. Auf diese Weise soil das fiir das Schuldurteil zustandige Tatgericht dem VoUstreckungsgericht eine Beurteilungsgrundlage fiir die spatere Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe bieten.'^*^ 3.3.2.3 Schuldverarbeitung kein notwendiger Bedingungsfaktor der Vollzugszielerreichung
195 Auch der (Re-)Sozialisierungsbegriff des § 2 S. 1 StVoUzG selbst lasst sich nicht mit Schuldmerkmalen anreichem. Die Schuldverarbeitung durch den Inhaftierten stellt keine notwendige innere Voraussetzung fiir eine gelungene soziale Reintegration im Sinne des Vollzugsziels dar.^^^ Denn die Griinde fiir ein straffreies Leben nach der Entlassung aus dem StrafvoUzug konnen ebenso multifaktorieller Natur sein wie die Ursachen fiir kriminelles Verhalten.^^^ Deshalb bedarf es keiner Ausiibung eines Leidensdrucks durch auBergewohnlich repressive VoUzugsgestaltung bei besonderer Schuldschwere, um den Gefangenen zu motivieren, sich mit seiner Tatschuld aktiv auseinander zu setzen. Schuldverarbeitung vermag andererseits jedoch einen wichtigen Beitrag zu erfolgreicher Sozialisation des Verurteilten zu leisten.^^^ Von Defmitionsversuchen im Rahmen theologischer und psychologischer Darlegungen der Mechanismen zur Schulduberwindung abgesehen, bedeutet - je nach Intention und Betrachtungsweise - Schuldverarbeitung Einsicht in den RegelverstoB sozialen Zusammenlebens, Losung des psychischen Taterkonflikts oder sogar Schuldausgleich durch praktisches Handeln.^^^ Sie kann sich in einem „Selbstreinigungsprozess" manifestieren, in welchem der Straftater versucht, eine innere Wandlung durch ethisch wertvolle Leistungen nach auBen hin sichtbar zu machen und damit der Umwelt Bereitschaft signalisiert, kiinftig deren ^^5 156 15^ i5«
Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 2 Rdn. 9. BVerfGE 86, S. 288 ff. Dazu Grunwald, 1997, S. 170 ff.; krit. Meurer, 1992, S. 411 ff Anders aber OLG Karlsruhe, JR 1978, S. 213 ff; OLG Niimberg, ZfStrVo 1984, S. 116 ff; OLG Bamberg, StrVert 1990, S. 27. 159 Mtiller-Dietz, 1990,8. 31. 160 Arloth, 1988, S. 415; Muller-Dietz, 1984, S. 537; siehe zum Folgenden eingehend MitschChr., 1990,S. 119ff 161 Bayer et al., 1987, S. 169 ff; Hinrichs, 1994, S. 95 ff; Muller-Dietz, 1985, S. 152.
3.3 Allgemeine Strafzwecke keine Gestaltungskriterien des Strafvollzugs
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Konformitatsanforderungen zu erfiillen, von denen die Wiederaufnahme in die Gemeinschaft der Rechtstreuen abhangt.*^^ Erkeimt der Verurteilte die Schuld seiner Tat, gelangt er zu einer von ihm als 196 belastend empfundenen Einsicht. Die Suche nach einer aktiven Auseinandersetzung mit dieser personlichen Schuld ist geeignet, von der Gewissenslast zu befreien. Bleibt Motivationsgrundlage dieser Form von Schuldverarbeitung ausschlieBlich jener durch die Beschaftigung mit der eigenen Tatschuld verursachte Leidensdruck, handelt es sich hierbei um den sog. primaren Leidensdruck. Ein solches Empfinden personlicher Schuld kann gerade eine Offhung des Gefangenen fur die Behandlungsangebote des Strafvollzugs bewirken.^^^ Schuldeinsicht und -verarbeitung erhohen damit die Chancen fiir eine erfolgreiche soziale Reintegration ohne weitere Normbruche.^^"^ SchlieBen sich (Re-)Sozialisierung und Schuldverarbeitung einerseits nicht ge- 197 nerell aus, vermag die Beschaftigung des Verurteilten mit seiner Schuld aber andererseits nicht zu einem notwendigen Bedingungsfaktor fiir die Vollzugszielerreichung erhoben zu werden. Denn auch derjenige Tater muss nach VerbiiBung seiner Freiheitsstrafe in die Freiheit entlassen werden, der weder Siihnebereitschaft noch Schuldeinsicht gezeigt hat. Bei der Schuldverarbeitung handelt es sich zudem um eine freiwillige sittliche Leistung, die nicht durch Zwang herbeigefiihrt werden darf'^^ Es stellt jedoch einen Aspekt vollzuglicher Behandlung dar, im Verurteilten das Bewusstsein der personlichen Schuld zu wecken und damit einen Prozess einzuleiten, der geeignet ist, die Voraussetzungen fiir ein kiinftiges straffreies Leben zu schaffen. Der bereuende und siihnende Strafgefangene im Sinne einer positiv-aktiven 198 Auseinandersetzung mit der Tat und ihren Folgen ist jedoch als Idealtypus im Strafvollzug nur selten anzutreffen - wobei sich die Frage stellt, an welchen Verhaltensweisen man iiberhaupt einen Einsichtigen zu erkennen glaubt („Muss der Verurteilte bescheiden, in sich gekehrt, zuriickhaltend auftreten?"^^^). Vor allem Langstrafige mit schweren Straftaten versuchen zunachst, ihr Selbstwertgefiihl durch die Autosuggestion einer unschuldig oder ungerecht erfolgten Verurteilung zu bewahren. So kommt es haufig zu einer Schuldverarbeitung mittels Neutralisierungsmechanismen^^'^ als Methoden einer Adaptation an die totale Institution. Schulderleben, Schuldeinsicht und Reue sind Vorgange des innerpsychischen Erlebens, die einer direkten Beobachtung weitgehend unzuganglich bleiben.^^^Nach auBen hin demonstrierte Tatschuldbewaltigung kann im Einzelfall auch nicht auf einem innerpsychischen Prozess beruhen, sondem eine bloBe Methode des Verurteilten sein, vorgegebene Bedingungen zur Erreichung von VoUzugslockerungen oder vorzeitiger Entlassung zur Bewahrung zu erfiillen. 162 16^ 16^ 165 166 167 168
Mtiller-Dietz, 1985, S. 152. Miiller-Dietz, 1985, S. 154 m. w. Nachw. Bemmann, 1988,8.551. Peters, 1978,8. 180. Muller-Dietz, 1990,8. 31. Sykes/Matza, 1968, 8. 360 ff. Bayer etal., 1987,8. 170.
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3 Vollzugsaufgaben und Gestaltungsprinzipien
1st Schuldverarbeitung kein notwendiger Bestandteil der VoUzugszielerreichung, darf Einsicht in die eigene Schuld nicht durch Versagung an sich gebotener BehandlungsmaBnahmen hervorgerufen bzw. gefordert werden. Ein Nichtgewahren von Vollzugslockerungen konnte zwar zu verstarktem sekundaren Leidensdruck fiihren und dadurch primaren Leidensdruck wecken - den Gefangenen somit zu aktiver Schuldverarbeitung motivieren. Insoweit fehlt es allerdings schon an empirischen Belegen fiir einen kausalen Zusammenhang; auch ist nicht auszuschHeBen, dass vermehrter sekundarer Leidensdruck kontraproduktiv wirkt*^^: Der Gefangene mag das Versagen einer Vollzugslockerung aus Schuldschwereerwagungen als ein bloBes zusatzHches Strafiibel empfinden, das er passiv zu erdulden hat. 3.3.2.4 Reflexwirkung der Schuldschwere
200 Die Schwere der Tatschuld darf infolge der - die allgemeinen Strafzwecke beschrankenden - abschheBenden Regelung des § 2 StVollzG bei voUzugHchen Gestaltungsentscheidungen keine unmittelbare Rolle spielen. Bei einer Unterbringung im offenen Vollzug, der Gewahrung von Vollzugslockerungen im engeren Sinne sowie von Hafturlaub finden Aspekte der Schuldschwere auf der Rechtsfolgenseite der §§ 10, 11 und 13 StVollzG keine Beriicksichtigung, d.h. sie flieBen nicht in die jeweilige Ermessensentscheidung der Anstaltsleitung ein. Ebenso ist kein Raum fiir eine direkte Einbeziehung der Schuldschwere auf der Tatbestandsseite der Normen. Auf dieser Ebene konnen Schuldschwerekriterien dennoch mittelbar Gestaltungsentscheidungen beeinflussen. 201 Die allgemeinen Strafzwecke haben Reflexwirkung auf den Strafvollzug. Sie sind als Faktoren der Strafzumessung durch das erkennende Gericht in dessen Bestimmung iiber die Lange der zu verbiiBenden Freiheitsstrafe eingeflossen. Diese Statusentscheidung vermag im Einzelfall auf die gem. §§10 Abs. 1, 11 Abs. 2 sowie 13 Abs. 1 S. 2 i.V.m. 11 Abs. 2 StVollzG zu priifende Flucht- und Missbrauchsgefahr Einfluss zu nehmen. Denn je weiter entfernt sein Entlassungszeitpunkt liegt, umso groBer wird fiir einen Inhaftierten die Versuchung sein, sich ihm bietende Entweichungsmoglichkeiten zu nutzen, wie sie bei Vollzugslockerungen in verstarktem MaB vorhanden sind. Liegt das Haftende noch in weiter Feme, kann diesem Kriterium also eine wesentliche Bedeutung far die Beurteilung der Fluchtgefahr zukommen. Die Schwere der Tatschuld wird dann zu einem von mehreren Umstanden, die die VoUzugsbehorde bei ihren Erwagungen zu bedenkenhat.^^o Eine Reflexwirkung der Schuldschwere zeigt sich besonders deutlich bei dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten, dessen Entlassung nach § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB wegen besonderer Schwere der Schuld versagt werden kann. Ist im Ausnahmefall - gestiitzt auf diese Norm - eine Strafrestaussetzung zur Bewahrung als Statusentscheidung nicht zu erwarten, kann das Schuldschwerekriterium bei den vollzuglichen Gestaltungsentscheidungen iiber Lockerungen mittelbare 169 Muller-Dietz, 1985, S. 158. 1^0 OLG Frankfurt, NStZ 1983, S. 94; Laubenthal, 2006, S. 65 f; Mitsch Chr., 1990, S. 77.
3.4 Grundsatze der Vollzugsgestaltung
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Beriicksichtigung finden, um eine sinnvolle Vollzugsplanung und -realisierung zu ermoglichen.
3.4 Grundsatze der Vollzugsgestaltung Das VoUzugsziel der Befahigung des Gefangenen zu einem sozial verantwortli- 202 chen Leben ohne Straftaten wird durch Grundsatze fiir die Gestaltung des StrafvoUzugs konkretisiert. In § 3 StVollzG sind als Mindestanforderungen^^^ festgelegt: - der Angleichungsgrundsatz, - der Gegensteuerungsgrundsatz, - der Integrationsgrundsatz. Diese Gestaltungsprinzipien verpflichten die Vollzugsbehorden, das „absurde System"^^^ Strafvollzug, in dem Sozialisation weitgehend in Unfreiheit gelingen soil, in struktureller und interkommunikativer Hinsicht an menschenwurdige Lebensverhaltnisse anzugleichen und dies zielorientiert zu realisieren. Zugleich ist auf der kompensatorischen Ebene schadlichen Auswirkungen des Freiheitsentzugs entgegenzuwirken. Denn mit der Eingliederung in das soziale Gebilde Strafanstalt wird der Gefangene einer totalen Institution ausgeliefert. Diese setzt den Einzelnen vielschichtigen Entsagungssituationen aus, zu denen er Anpassungsstrategien entwickeln muss. Eine totale Institution wie die Justizvollzugsanstalt kennzeichnen nach Goff- 203 man^"^^ folgende zentrale Merkmale: 1. Alle Angelegenheiten des Lebens finden an ein und derselben Stelle unter ein und derselben Autoritat statt. 2. Die Mitglieder der Institution fiihren samtliche Phasen ihrer taglichen Arbeit in unmittelbarer Gesellschaft einer groBen Gruppe von Schicksalsgenossen aus, wobei alien die gleiche Behandlung zuteil wird und alle die gleiche Tatigkeit gemeinsam verrichten miissen. 3. Alle Phasen des Arbeitstages sind exakt geplant, eine geht zu einem vorher bestimmten Zeitpunkt in die nachste uber, und die ganze Abfolge der Tatigkeiten wird von oben durch ein System expliziter Regeln und durch einen Stab von Funktionaren vorgeschrieben. 4. Die verschiedenen erzwungenen Tatigkeiten werden in einem einzigen rationalen Plan vereinigt, der angeblich dazu dient, die offiziellen Ziele der Institution zu erreichen. Die allgemeinen Gestaltungsgrundsatze des § 3 StVollzG richten sich vor allem 204 an die Vollzugsbehorden. Der einzelne Gefangene selbst vermag daraus keine unmittelbaren Rechte herzuleiten.^'"^ Bedeutung erlangen die Prinzipien allerdings fiir die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe sowie fiir den Ermessens^^1 ^^2 ^^3 ^^^
Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 3 Rdn. 1; Seebode, 1997b, S. 133. Wagner G., 1985. Goffman, 1981, S. 17. AK-Feest/Lesting, 2006, § 3 Rdn. 26; Kaiser/Schoch, 2002, S. 247.
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3 Vollzugsaufgaben und Gestaltungsprinzipien
gebrauch.^"^^ Bei der Anwendung von Einzelbestimmungen des StxafvoUzugsgesetzes sind gerade das Vollzugsziel und dessen Konkretisierung durch § 3 StVollzG zu beriicksichtigen. 3.4.1 Angleichung an die allgemeinen Lebensverhaltnisse 205 Die Vorbereitung des Inhaftierten auf eine sozial verantwortliche Lebensfuhrung ohne weitere Straftaten erfordert eine Gestaltung der Verhaltnisse in der Justizvollzugsanstalt, welche von den Lebensbedingungen in der freien Gesellschaft wenig abweicht. Der Angleichungsgrundsatz des § 3 Abs. 1 StVollzG verpflichtet deshalb die Vollzugsbehorden, „Besonderheiten des Anstaltslebens, die den Gefangenen lebensuntiichtig machen konnen, moglichst zuriickzudrangen, so dass der Unterschied zwischen dem Leben in der Anstalt und dem Leben drauBen nicht starker als unvermeidbar ist."^"^^ Wahrend sich der Einzelne in Freiheit den verschiedensten Gesellungsformen anschlieBt, diese wieder verlasst oder ihnen ganz fembleibt, befindet sich der Gefangene fremdbestimmt in einem kiinstlichen sozialen Gebilde zusammen mit anderen Personen, deren Gemeinsamkeiten im Wesentlichen das gleiche Geschlecht und die Begehung einer oder mehrerer Straftaten sind, auf die mit Freiheitsentzug reagiert wurde. In einer totalen Institution, die mit den allgemeinen Lebensverhaltnissen wenig gemein hat, kommt es ferner zur tJberreglementierung des Alltags. Soil der Inhaftierte jedoch der Zielvorgabe des § 2 S. 1 StVollzG gemaB in der Unfreiheit soziale Kompetenz und Selbstverantwortung erlemen, bedarf es der Reduzierung lebensfremder Restriktionen, die einer Vollzugszielerreichung entgegenstehen konnen. Das Angleichungsprinzip des § 3 Abs. 1 StVollzG bleibt allerdings insoweit unklar, als es an sicher bestimmbaren VergleichsgroBen fehlt. Die Lebensverhaltnisse auBerhalb der Vollzugsanstalt divergieren zu sehr, als dass sie feste MaBstabe fiir die Vollzugsgestaltung bieten konnten. Eine Angleichung an eine bestimmte Vorstellung von Lebensbedingungen birgt zudem die Gefahr einer Zwangsnivellierung, was wiederum den unterschiedlichen Gegebenheiten in der freien Gesellschaft widersprechen wtirde. 206 § 3 Abs. 1 StVollzG kann daher nicht als eine Verpflichtung zur Anpassung des StrafvoUzugs an eine letztlich nicht vorhandene VergleichsgroBe interpretiert werden. Vielmehr bringt diese Norm zum Ausdruck^'^'^, - dass die Lebensbedingungen im Strafvollzug der Menschenwurde des Verurteilten entsprechen und mit den allgemein anerkannten gesellschaftlichen Normen vergleichbar sind; 1^5 Arloth/Luckemann, 2004, § 3 Rdn. 1; Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 3 Rd. 2. 176 BT-Drs. 7/918, S. 46; eingehend zum Angleichungsgrundsatz Bemmann, 1987, S. 1047 ff; Lasting, 1988. ^^"^ Siehe auch AK-Feest/Lesting, 2006, §3 Rdn. 7; Schwind/Bohm/Jehle, 2005, §3 Rdn. 9; ferner Nr. 65 a, b Europaische Strafvollzugsgrundsatze; weiter gehend Kohne, 2003, S. 250 ff
3.4 Grundsatze der Vollzugsgestaltung
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- dass die Unterschiede zwischen dem Leben im VoUzug und dem in der freien Gesellschaft, welche die Selbstachtung sowie die Eigenverantwortlichkeit des Inhaftierten beeintrachtigen konnen, auf ein Mindestmafi reduziert werden. Die Angleichung an die allgemeinen Lebensverhaltnisse soil nach § 3 Abs. 1 StVollzG „so weit als moglich" erfolgen. Der Gefangene muss somit Restriktionen hinnehmen, die auf spezifischen Erfordemissen des Freiheitsentzugs griinden, d.h. „ohne die der StrafVollzug als Institution zusammenbrechen oder durch die der Zweck des Strafvollzugs emsthaft gefahrdet wiirde."^"^^ Eine bedeutende Grenze stellt dabei die VoUzugsaufgabe des Schutzes der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten (§ 2 S. 2 StVollzG) dar.
3.4.2 Schadliche Haftfolgen und Gegensteuerungsprinzip Konsequenz aus der nur begrenzten Realisierbarkeit des Angleichungsgrundsatzes 207 im Strafvollzug ist das „nil nocere"-Prinzip des § 3 Abs. 2 StVollzG: „Schadlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken." Soweit eine Gleichstellung mit den allgemeinen Lebensverhaltnissen nicht erreicht werden kann, bleibt es Aufgabe der Vollzugsbehorde, den mit der Haft verbundenen negativen Nebenfolgen entgegenzuarbeiten. Mittels einer vollzugszielorientierten Behandlung sind vom VoUzug selbst produzierte Schaden zu kompensieren oder zumindest zu begrenzen. Strafvollzug bedeutet ftir den Verurteilten nicht nur die deutlichste Form einer Stigmatisierung als „Krimineller". Der Aufenthalt in der Justizvollzugsanstalt stellt sich ftir den Betroffenen als eine intensive Entzugssituation dar. Er ruft in ihm gravierende Deprivationszustande hervor. Der Gefangene ist Stressfaktoren ausgesetzt, die auf seine Psyche einwirken.^"^^ 3.4.2,1 Statuswandel Mit dem Haftantritt erfolgt ftir den Strafgefangenen eine Ausgliederung aus seiner 208 gewohnten sozialen Umwelt. Er verliert seinen bisherigen gesellschaftlichen Status ^^^ und wird in ein neues, geschlossenes soziales System eingegliedert. Mit diesem Wandel, mit der Ubemahme einer neuen Rolle, sieht der Inhaftierte sich im Aufnahmeverfahren ( § 5 StVollzG) konfrontiert, eine fur viele traumatische Situation.*^' Die nach dem formellen Aufnahmeakt des § 5 Abs. 3 StVollzG erfolgende Aufnahmedurchfuhrung beginnt mit der Wegnahme der Identitats-Ausrlistung*^^, es finden Prozeduren einer Entpersonlichung*^^ statt: *^« BVerfOE 33, S. 13; 40, S. 284. '^9 Dazu Laubenthal, 1987, S. 119 ff.; Weis, 1988, S. 244 ff. '^° Zur auBerordentlichen Kiindigung eines Arbeitsverhaltnisses wegen Strafhaft: BAG, ZfStrVol997,S.50. 18' v. Trotha, 1983, S. 17; Wagner G., 1985, S. 112. i«2 Goffman, 1981,8.31. '^3 Harbordt, 1972, S. 10; Schneider H. J., 1994, S. 109 f
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3 Vollzugsaufgaben und Gestaltungsprinzipien
- Entkleidung und korperliche Durchsuchung (§ 84 StVollzG); - Abgabe der mitgebrachten Habe und Aushandigung nur von Gegenstanden, deren Besitz wahrend der Haft zulassig ist (§§19, 70 StVollzG); - Prozeduren zur Reinigung und Desinfektion; - Ausstattung mit uniformer Anstaltskleidung (§ 20 StVollzG); - erkennungsdienstliche MaBnahmen zur Vollzugssicherung (§ 86 StVollzG). Haftantritt und Einlieferungsprozeduren im Rahmen des Aufhahmeverfahrens kommen einer Degradierungszeremonie^^'^ gleich, die beim Verurteilten eine Entwiirdigung seines Ichs einleiten kann. 3.4.2.2 Haftdeprivationen 209 Im Strafvollzug sieht sich der Gefangene dann einer Uberreglementierung ausgesetzt, die zu einem Autonomieverlust fiihrt. Denn Freiheitsentzug in einer JustizvoUzugsanstalt bedeutet nicht nur eine wesentliche Einschrankung der Bewegungsfreiheit. Vielmehr sind dort die Vorschriften des taglichen Lebens, die zahlreichen Verhaltensregeln, denen jeder Burger schon in der freien Gesellschaft unterliegt, deutlich vermehrt. Samtliche Lebensbereiche bleiben einer strengen Kontrolle ausgesetzt: „Der Aufenthaltsort, das Bett, die Einrichtung des Haftraums, die Zeit fiir das Aufstehen, fiir das Insbettgehen und fiir die Mahlzeiten, die Moglichkeiten eigener Tatigkeiten, die Kleidung, die Haufigkeit und Art der Kontaktaufhahme mit der AuBenwelt: Alles ist genau vorgeschrieben. Der Betrieb duldet nicht die Beriicksichtigung von Extrawiinschen."'^^ Dem Inhaftierten wird damit teilweise die Erwachsenenrolle verweigert, was zu einer weitgehenden Freistellung von Selbstfiirsorge und Selbstverantwortung fuhrt. Folge ist eine erlemte Hilflosigkeit.^^^ 210 Neben der Auslieferung des Gefangenen an die Institution, der eine Selbstbestimmung einschrankenden Reglementierung aller Daseinsbereiche, fehlt es im Strafvollzug auBerdem an zureichenden selbst bestimmten kommunikativen Schranken. Der Autonomieverlust folgt auch aus einem Mangel an Privatsphare. Alleinsein, Intimitat, Anonymitat und Zuriickhaltung als personliche Bediirfnisbereiche des einzelnen Menschen^^'^ sind in einer Strafanstalt nur bedingt zu realisieren. Ein Alleinsein beeintrachtigen institutionelle Uberwachungseinrichtungen. Der Bereich der Intimitat, in dem zwei oder mehr Personen eine groBtmogliche personliche Beziehung zu erlangen suchen, ist in einer totalen Institution noch weniger gewahrt. Zwar mogen Anonymitat, das Nicht-Erkannt-Werden und die Moglichkeit, sich offentlicher Beobachtung zu entziehen, in groBen Haftanstalten gelegentlich gegeben sein. Doch auch der Bereich der Zuriickhaltung (die Moglichkeit, bestimmte ganz personliche und dem Einzelnen ^^"^ Garfmkel, 1974,S.77. 1^5 Bohm, 2003, S. 92. 1^6 Schneider H. J., 1994, S. 110. '^"^ Dazueingehend Westin, 1970.
3.4 Grundsatze der Vollzugsgestaltung
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unangenehme Aspekte nicht offenbaren zu mtissen) besteht fiir den Inhaftierten nur eingeschrankt: Das Vollzugspersonal kennt seinen bisherigen Lebensablauf, die Post wird tiberwacht, Beamte sind bei Angehorigenbesuchen anwesend, Leibesvisitationen erfolgen. Die Strafanstalt setzt den Gefangenen einer Vielzahl unerwiinschter Situationen 211 und Interaktionen aus, ohne dass dieser ihnen ausweichen kann.^^^ Er erlebt einen Verlust an Sicherheit, er befindet sich in einer andauemden Gemeinschaft mit anderen Menschen, die oftmals ihr bisheriges Leben lang Konflikte nur mit Gewalt und aggressivem Verhalten zu losen suchten. In der informellen Vollzugsorganisation findet der Verurteilte eine Art Hackordnung vor, es kommt zu gefangenen-intemen Auseinandersetzungen, die das Aufsichtspersonal so lange iibersieht, als diese den Anstaltsbetrieb nicht erkennbar storen. Die Institution dient zwar der Sicherung der Allgemeinheit vor Rechtsbrechem, sie vermag diese jedoch nicht zureichend untereinander oder gar vor Ubergriffen seitens des VoUzugspersonals zuschiitzen.'^^ Den von mannlichen wie auch von weiblichen Gefangenen am nachhaltigsten 212 empfundenen Stress-Faktor stellt der mit einer Inhaftierung zwangslaufig verbundene Abbruch heterosexueller Kontakte dar. Die sexuelle Deprivation und ihre Folgen sind durch die erweiterten Urlaubs- und Ausgangsbestimmungen des Strafvollzugsgesetzes sowie durch die Moglichkeit einer Unterbringung im offenen Vollzug gem. § 10 Abs. 1 StVollzG zwar etwas entscharft worden. Fiir die Gewahrung solcher VoUzugslockerungen kommen jedoch nicht alle Inhaftierten in Betracht. Gerade zu langen Freiheitsstrafen Verurteilte bleiben nach Haftantritt zunachst far Jahre von derartigen Erleichtemngen ausgeschlossen. Sie miissen heterosexuellen Beziehungen fiir einen GroBteil der StrafverbiiBung entsagen und verlieren damit eine Bezugsperson, welche fur die Bestatigung ihrer Identitat als Mann oder als Frau bedeutsam ist.^^^ Gefangene, deren Kontakte zum anderen Geschlecht mit dem Strafantritt auf Dauer abgebrochen werden, neigen im Vollzug zur Ubemahme aktiver oder passiver homosexueller Rollen und gehen dabei auch Bindungen ein, die wiederum zusatzliche psychische Belastungen verursachen.^^^ Neben der sexuellen Deprivation zahlt die Trennung von den Angehorigen zu 213 den als am einschneidendsten empfundenen Beschrankungen der Haft. Gerade die Aufrechterhaltung der Bindungen nach auBen soil jedoch die Fahigkeit zur Wahmehmung und Bewaltigung der sozialen Realitat fordem und damit zur gesellschaftlichen Eingliederung beitragen. § 23 StVollzG gibt dem Gefangenen daher im Rahmen des Gesetzes das Recht zum Verkehr mit Personen auBerhalb der Anstalt und verpflichtet die Institution zur Forderung von Kontakten. §§24 ff StVollzG regeln die verschiedenen Moglichkeiten des Verkehrs mit der AuBenwelt (§ 24: Besuchsrecht; § 28: Schriftwechsel; § 32: Femgesprache und Telegramme). Das Problem der Aufrechterhaltung von AuBenweltkontakten stellt sich vor allem den langstrafigen Verurteilten. Wesentliche Belastungsfaktoren sind hierbei ^^^ Hohmeier, 1977, S. 437. 1^9 Harbordt, 1972, S. 14; Heinrich W., 2002, S. 369 ff; Laubenthal, 2002a, S. 484; Weis, 1988, S. 246; siehe auch DER SPIEGEL Nr. 11/2001, S. 102 f 190 Sykes, 1971,S. 135. 191 Dazu de laHaye, 1978; Short, 1979, S. 17; Ward/Kassebaum, 1971, S. 146 ff
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3 Vollzugsaufgaben und Gestaltungsprinzipien
der allmahliche Wegfall zwischenmenschlicher Verbindungen, die diesem inharente Ungewissheit sowie die Angst vor endgiiltigem Verlust. Personlichkeitsverandenmgen, neue Erfahrungen, Einsichten und soziale Beziige auf beiden Seiten beeintrachtigen die Lebensfahigkeit friiherer Beziehungen. Manche Gefangene entledigen sich schlieBlich dieser psychischen Stressoren durch den Abbruch samtlicher AuBenweltkontakte, um dadurch einem qualenden Auflosungsprozess zu entgehen. 214 tJber den Freiheitsverlust, die Beeintrachtigung der Autonomie, die Entsagung heterosexueller Kontakte und den Verlust an personlicher Sicherheit hinausgehend werden beim Inhaftierten anstaltsbedingt weitere Deprivationen hervorgerufen. Dies betrifft den Entzug materieller Giiter, wobei der Giiterverlust durch die Gesamtheit der Regelungen des Strafvollzugsgesetzes iiber den Besitz von Gegenstanden (§ 19: Ausstattung des Haftraums; § 53 Abs. 2 und 3: religiose Schriften und Gegenstande des religiosen Gebrauchs; § 68: Bezug von Zeitungen und Zeitschriften; § 69 Abs. 2: Horfunk- und Femsehgerate; § 70: Gegenstande ftir die Freizeitbeschaftigung; § 83: Sachen fiir den personlichen Gebrauch) nicht aufgefangen werden kann. Als Folge kommt es zu einem ausgedehnten illegalen Tauschhandel in den Vollzugsanstalten. Zwangslaufige Wirkungen der Organisation von Freiheitsentzug sind schlieBlich die Deprivationen im sensoriellen Bereich, dem Gefangenen eroffhen sich nur sehr eingeschrankte Wahmehmungsmoglichkeiten. Der Gefangnisalltag ist weitgehend gepragt von einer intellektuellen und kognitiven Leere. 215 Fiir Langstrafige treten als spezifische Belastungen der Zeitfaktor sowie ein Mangel an Zukunftsperspektive hinzu. Denn eine dauemde Institutionalisierung beeintrachtigt diese beiden wesentlichen Bereiche menschlicher Zeitdimension.^^^ Im VoUzug existiert Zeit nicht als Positivum, sondem als Strafe. Der Zeitbegriff erhalt damit in der Strafanstalt eine andere Bedeutung. Wer fiir langere Dauer einer totalen Institution ausgesetzt bleibt, hat zunehmend Schwierigkeiten, Zeit zu gestalten und einzuteilen. Der Mangel an Zukunftsperspektive beruht dabei auf einer absehbaren Unveranderlichkeit der Situationen. Zwar bietet sich dem Inhaftierten ein strukturierter Tagesablauf; dessen Summierung macht aber keine bedeutenden Ereignisse oder Vorfalle wahrscheinlich. Freut sich der Gefangene anfangs noch auf den Sonntag als willkommene Unterbrechung monotoner Routine, stellt sich ihm das Wochenende bald als eine unendliche Folge von Sonntagen dar. Wahrend der Kurzstrafige auf seinen Entlassungstermin hinarbeiten kann, wird dem Langstrafigen bei jedem Gedanken an die Zukunft klar, dass er auf Jahre immer in der gleichen Lage bleiben wird. Folge hiervon ist dann bei einem Teil der Betroffenen eine Verdrangung zukunftsorientierter Uberlegungen, das Leben wird nur noch riickblickend in die Vergangenheit betrachtet.^^^ Ein „barrier effect" ^^"^ verhindert Gedanken an eine Zukunft nach der Entlassung. Erschwerend kommt die Deprivation im sensoriellen und kognitiven Bereich hinzu, der Mangel an Wahmehmungsmoglichkeiten. Der Langstrafige muss deshalb eine Einstellung zum Zeitablauf entsvickeln. Wahrend einige die Spanne zwischen Haftantritt und dem weit entfemten - bei Lebenszeitgefangenen unbestimmten - Datum der *92 Sapsford, 1978, S. 141; dazu bereits Landau, 1969, S. 216. ^93 Cohen/Taylor, 1981, S. 103. ^^^ Sapsford, 1978, S. 141.
3.4 Grundsatze der Vollzugsgestaltung
105
Entlassung als gleich bleibende zeitliche Leere empfinden, suchen andere Gefangene im Gegensatz dazu nach Methoden zur Bewaltigung des Zeitproblems. Manche sind bestrebt, Zeit nicht nur auszufiillen, sondem diese auch fiir ihr Fortkommen durch Verbesserung ihrer Kenntnisse und Fahigkeiten zu nutzen. Das Setzen geistiger oder korperlicher Ziele birgt aber auch die Gefahr in sich, dass nach einigen Bemuhungen der Erfolg ausbleibt. Andere visieren daher der „Philosophie der geringsten Erwartung"^^^ gemaB einen weit in der Zukunft liegenden tatsachlichen oder theoretisch moghchen Entlassungstermin an und gehen davon aus, dass bis dahin nichts AuBergewohnliches geschehen wird. Jedes positive Ereignis stellt sich dann als eine willkommene Uberraschung dar. 3.4.2.3 Anpassung an die Institution Wie jeder Mensch Negativerlebnisse und Konflikte durch Mechanismen der Ich- 216 Verteidigung zu bewaltigen sucht, kommt es auch beim Gefangenen in der intensiven Entsagungssituation der Strafhaft init ihrem Zwang zu monosexueller Gruppierung, der Beschrankung von Aktivitat, Konsum und Besitz zu inter-individuell verschiedenartigen Abwehrtechniken: kognitive Anpassung an den Konflikt (Rationalisierung), Isolierung durch Abtrennung partieller Bewusstseinsinhalte, Projektion der Verantwortung auf andere Personen, Verdrangung, Reaktionsbildung, Identifikation oder Riickzugsreaktionen.^^^ Dabei ergibt sich die Art des jev^eils realisierten Abv^ehrmechanismus aus der Gesamtheit der psychischen Faktoren, welche die konkrete Situation des Inhaftierten beeinflussen. Nach dem „elementaren und direkten Angriff auf das Selbst"^^"^ infolge der Aufhahmeprozeduren, des Abbruchs von Kontakten zu Bezugspersonen und des allgemeinen Rollenverlusts sieht sich der Verurteilte einer permanenten Reglementierung und Kontrolle seiner Aktivitaten ausgesetzt. Moglichkeiten zur personlichen Reorganisation bietet ihm ein anstaltsintemes Privilegiensystem: die allgemeinen Anstaltsregeln, spezielle Pflichten aus der gem. § 161 StVollzG vom Anstaltsleiter erlassenen Hausordnung sowie Hausverfiigungen, verbunden mit einer kleinen Anzahl von Belohnungen bei Einhaltung der anstaltstypischen Umgangsformen sowie DisziplinarmaBnahmen als Folge von Regeliibertretungen. An diese Organisationsmodi muss der Gefangene sich anpassen, um die Spannungen zv^ischen dem Leben in Freiheit und dem in der Strafanstalt zu bewaltigen. Im Rahmen der primaren Adaptation stehen dem Einzelnen verschiedene 217 kombinierbare bzw. zeitlich staffelbare Strategien des Arrangements zur Verfiigung:^9« - Riickzug aus der Situation, - Eirmahme eines kompromisslosen Standpunkts (Verweigerung jeglicher Zusammenarbeit mit dem Vollzugsstab), - Kolonisierung (Aufbau einer stabilen Existenz in relativer Zufriedenheit), - Konversion (Ubemahme der RoUe eines perfekten Insassen),
195 196 197 198
Yeager, 1959,8. 17 ff Krech/Crutchfield, 1976, S. 445 ff Goffman, 1981,8.43. Goffman, 1981, 8. 65 ff
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3 Vollzugsaufgaben und Gestaltungsprinzipien
- opportunistische Kombination von Kolonisierung, Konversion, Loyalitat gegeniiber Mitgefangenen und sekundarer Anpassung. 218
Eine gewisse Freiheit findet der Strafgefangene in der totalen Institution mittels Strategien der sekundaren Adaptation. Er wendet verbotene Mittel an, verfolgt unerlaubte Ziele, um die Organisationserwartungen hinsichtlich seiner Person zu umgehen. Sekundare Anpassung erlangt die Funktion einer Schrankenbildung zwischen dem Einzelnen und der Institution, sie ermoglicht ein Unterleben der Anstalt, ist eine „selbstbewahrende Ablehnung des Ablehnenden"^^^. 3.4.2.4 Subkultur
219 Als ein Abwehrmechanismus zur Bewaltigung der Haftdeprivationen gilt die Akkulturation an die devianten Normen negativer Insassensubkulturen.^^^ Nach der soziologischen Definition handelt es sich bei einer Kultur um ein gewachsenes System bestimmter Verfahrens- und Verhaltensweisen, das von einer konkreten sozialen Gemeinschaft geteilt wird. Einer Kultur inharent ist die Tatsache, dass ein Teil der Angehorigen des Kulturbereichs zwar an der Gesamtkultur Anteil hat, jedoch zugleich partiell von dieser abweicht und insoweit eine eigene (Sub-)Kultur entwickelt. Die Subkultur stellt damit ein Partialsystem innerhalb eines umfassenderen Gesamtsystems dar.^^^ 220
Phanomene einer Gefangenensubkultur mit eigenen Sitten, Gebrauchen und Gewohnheiten wurden Mitte des 20. Jahrhunderts zunachst im nordamerikanischen StrafVollzug erforscht^^^ und dann im Rahmen von Sekundaranalysen^^^ fur den deutschen Strafvollzug aufgearbeitet. Danach existierten in den Strafanstalten als organisierte Reaktionen auf den Freiheitsentzug und die daraus folgenden Deprivationen^^"^ eigenstandige subkulturelle Gegenordnungen mit spezifischen Normen, eigener Organisation und besonderen Gebrauchen. Es kommt zu einer Herausbildung divergierender Insassenrollen, die durch den informellen Status des einzelnen Gefangenen bedingt sind. Dieser wiederum griindet auf die jeweilige Akzeptanz der Gruppennormen im Gegensatz zu denen des Stabes, auf Macht und Ansehen innerhalb der Gefangenengemeinschaft, Sexualverhalten und wirtschaftliche Stellung. Eine - untergeordnete - Bedeutung fiir die Position unter den Inhaftierten wird zudem der der Verurteilung zugrunde liegenden Deliktsart zugeschrieben. So rangieren Sexualstraftater in der Gefangnishierarchie auf niedrigster
^99 McCorkle/Kom, 1970, S. 410. 200 Dazu Kaiser/Schoch, 2002, S . 4 7 2 f ; Laubenthal, 2006a, S. 593 ff; Otto, 2 0 0 1 , S. 218 ff; Schott, 2001, S. 629 ff; fur den Bereich des Jugendstrafvollzugs: Laubenthal/Baier, 2006, S. 355 f; Meier A., 2002, S. 139 ff
201 Kaufmann H., 1977, S. 13 f; Weis, 1988, S. 250. 202 Siehe Clemmer, 1958; Garabedian, 1963, S. 139 ff; Sykes, 1958. 203 Vgl. Harbordt, 1972; Hohmeier, 1971; Rieger, 1977, S. 218 ff 204 Lambropoulou, 1998, S. 1225.
3.4 Grundsatze der Vollzugsgestaltung
107
Stufe.^°^ Statusflinktion soil femer dem „Dienstalter" (Hafterfahrung und Senioritat) zukommen.^^^ Die mit einem Anstieg von Inhaftiertenzahlen einhergehende tJberbelegung der 220a Vollzugseinrichtungen befordert das Geschehen auf der Ebene der Anstaltssubkultur. Diese Insassensubkultur tritt heute im vollzuglichen Alltag vor allem durch gewalttatig ausgetragene Machtkampfe als Folge von Blockbildungen - insbesondere Gruppenbildungen unter den nichtdeutschen Strafgefangenen - zu Tage. Die Situation wir noch verscharft durch die Gruppe der zumeist als behandlungsresistent erachteten inhaftierten Spataussiedler, die sich ftir Subkulturstrukturen besonders anfallig zeigen.^^"^ Gerade die sog. Russlanddeutschen gelten aufgrund ihrer hergebrachten Einstellungen, Verhaltensweisen und sozialen Einbindungen unter den Inhaftierten als besonders problematisch.^^^ Vor allem die junge Generation ist in den Haftanstalten deutlich iiberreprasentiert. Aufgrund der koUektiven Erziehung^^^ erweisen sich russlanddeutsche Inhaftierte fur Subkulturstrukturen besonders anfallig. Diese zeigen sich insbesondere in einem strengen Ehrenkodex, einer hohen Gewaltbereitschaft und einem vorbehaltlosen intemen Zusammenhang.^^^ Die Hierarchic innerhalb der Gruppe wird durch ein umfangreiches Unterdriickungs- und Repressaliensystem aufrechterhalten.^^^ Viele Anstalten klagen iiber extreme Belastungen der Sicherheit und Ordnung^^^, insbesondere durch zahlreiche VerstoBe gegen die Anstaltsregeln.^^^ Dabei spielt die - unter den jungen Spataussiedlem besonders verbreitete - Drogenproblematik eine bedeutende Rolle. Neben Auseinandersetzungen mit anderen Gefangenen stellen Konsum und Schmuggel von Betaubungsmitteln die Hauptgriinde ftir die Verhangung von DisziplinarmaBnahmen dar.^^"^ Zudem besteht die (begnindete) Vermutung einer Verbindung russlanddeutscher Inhaftierter zur Organisierten Kriminalitat.^^^ Die subkulturelle Ebene ist auch gepragt durch die mit dem Einschmuggeln^*^ 220b von und dem Handeln mit Betaubungsmitteln verbundenen Aktivitaten. Die Versorgung mit derartigen Stoffen stoBt in den Vollzugsanstalten auf keine nennensv^erten Schwierigkeiten, so dass der Drogenkonsum mittlerweile zu den zentralen Problembereichen zahlt.^'"^ Die Inhaftierten konnen regelmaBig ihre Sucht nicht vom geringen Arbeitsverdienst oder Taschengeld finanzieren. Dies begiinstigt
205 206 207 208 209 2^0 211 212 21^ 214 215 216 217
Siehe auch Schott, 2 0 0 1 , S. 632. Harbordt, 1972, S. 55. Dazu Laubenthal, 2004a, S. 35; Rieder-Kaiser, 2004, S. 101 ff Pawlik-Mierzwa/Otto, 2000, S. 227. Dolde, 2002, S. 149. Dazu Arbeitsgruppe Bayerischer Justizvollzugsanstalten, 2004, S. 35 f; Griibl/Walter, 1999, S. 362; Otto/Pawlik-Mierzwa, 2 0 0 1 , S. 128; Reich, 2003, S. 5 1 . Otto/Pawlik-Mierzwa, 2 0 0 1 , S. 128 ff. Winkler, 2003, S. 93. Arbeitsgruppe Bayerischer Justizvollzugsanstalten, 2004, S. 37. GrublAValter, 1999, S. 3 7 1 ; Reich, 2003, S. 5 1 . Otto/Pawlik-Mierzwa, 2 0 0 1 , S. 128. Siehe dazu Schmidt/Klug/Gutewort, 1998, S. 595 ff Siehe Laubenthal, 2005, S. 197 f
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3 Vollzugsaufgaben und Gestaltungsprinzipien
wiederum die Ausbildung subkultureller Abhangigkeiten, indem von den Suchtkranken Wucherdarlehen aufgenommen oder Dienstleistungen gegeniiber Mitinhaftierten erbracht werden miissen. Letztere konnen wiederum im Einschmuggeln von Drogen in die Anstalt oder in deren intramuraler Distribution bestehen. Die Entwicklung subkultureller Strukturen wird auch dadurch indirekt gefordert, dass in den meisten Anstalten fur drogenabhangige Gefangene keine besonderen Abteilungen vorgesehen sind.^^^ 221 Die Anstaltssubkultur zeigt sich ferner im Sprachgebrauch der Strafgefangenen. Sie bilden eine rund um die Uhr in der Einrichtung anwesende, von der AuBenwelt mehr oder weniger abgeschottete Sprachgemeinschaft. Diese pflegt mit der Knastsprache^^^ einen eigenen Wortschatz, wobei ihr auch eine Einheit stiftende Funktion im Sinne eines Zusammengehorigkeitsgefuhls zukommt. Die einzelnen Elemente des sog. Knastjargons sind ganz iiberwiegend nicht schriftlich fixiert. Sie entziehen sich teilweise der Kenntnisnahme durch AuBenstehende und sollen dies nach Auffassung der Inhaftierten auch. Der Knastjargon ist jedoch keine von der Gefangenensubkultur als deren Produkt hervorgebrachte Sprache. Zwar gibt es zahlreiche knasteigene Ausdriicke, die dort entstanden sind und spezifische Lebensbedingungen und Vorkommnisse im Vollzugsalltag bezeichnen. Nicht wenige Wortschatzelemente sind allerdings Sprachgemeinschaften entlehnt, die auBerhalb der Justizvollzugsanstalten existieren. Betrachtet man die Verwendung einzelner Begriffe uber die Jahrzehnte hinweg, so zeigt sich, dass zu Beginn des 20. Jahrhunderts knasttypische Ausdriicke nicht selten der alten deutschen Gaunersprache, dem Rotwelschen, entstammten, welche ihrerseits einige Wurzeln in der jiddischen Volkssprache sowie in derjenigen der Sinti und Roma (abwertend haufig als Zigeunersprache bezeichnet) fand. Der weitere sprachliche Zufluss kam dann vor allem aus den Gruppen, die auch innerhalb der Gefangnispopulationen dominierten bzw. dominieren: der milieueigene Jargon der Zuhalter und Prostituierten sowie der Nichtsesshaften, der Sprachgebrauch jugendlicher Randgruppen von den Rockem bis hin zu Skinheads, schlieBlich Wortschatzelemente der Betaubungsmittelszene, die nicht geringe Teile des Strafvollzugs beherrscht. Neben spezifisch knasteigenen Wendungen haben zudem in der allgemeinen Umgangssprache ubliche Ausdrucke - zum Teil mit einem anderen Sinngehalt - Eingang in den Knastjargon gefunden. Dies betrifft auch Anglizismen, d i e - insbesondere im Drogenbereich- sowohl die Umgangssprache als auch diejenige der Gefangenensubkultur beeinflussen. Mitgepragt ist der Knastjargon zudem durch ansonsten mehr oder weniger tabuisierte Vokabeln des obszonen Wortschatzes. Dabei beinhaltet die Knastsprache schlieBlich Begriffe, d i e - etwa VoUzugsbediensteten oder Polizeibeamten unmittelbar gegeniiber geauBert - durchaus den Straftatbestand der Beleidigung erfullen.
218 Vgl. Schafer/Schoppe, 1998, S. 1406. 219 Dazu eingehend Klocke, 2000, S. 21 ff; Laubenthal, 2 0 0 1 ; Wohlgemuth, 1988, S.Slff
3.4 Grundsatze der Vollzugsgestaltung
109
Begriffe aus dem Gefangenenjargon (siehe Laubenthal, Lexikon der Knastsprache, 2001): abbunkem AmtsschlieBer Bello Bombe Brotfach Bunker Dachdecker eindosen Etagenboy Ewiger Flachmann bauen flitzen Ganovenball Gefangnisratte Giftmischer Hauptling Hengst Himmelskomiker Klaranlage Klavier spielen Knochenkoffer Koffer kotzen Langer-Riegel-Tag Mengenrabatt Nachschlag Pensumgeier Plaudersttindchen Plombe Rosenkranz Rucksack schwarzer Psychologe Sittenpfiffi Speisekarte Taucher verreisen Wetterwechsel Zellenfilz Zinker zum Zwick gehen
1 ein Versteck fiir verbotene Gegenstande anlegen 1 VoUzugsbediensteter Toilette im Haftraum 1 200-Gramm-Glas mit loslichem Kaffee 1 Haftraum 1 besonderer Haftraum zum Vollzug der DisziplinarmaBnahme des Arrests Anstaltspsychologe einen Gefangenen in seinem Haftraum einschlieBen 1 Gefangener, der als Hausarbeiter Hilfstatigkeiten im Unter\ kunftsbereich der Anstalt verrichtet Gefangener, der eine lebenslange Freiheitsstrafe verbuBt an einer Uberdosis Betaubungsmitteln versterben aus der Justizvollzugsanstalt fliehen Einkaufstag beim Anstaltskaufmann Rechtsanwalt Kiichenbeamter Leiter einer Vollzugsanstalt Leiter einer Vollzugsanstalt fiir Frauen Anstaltsgeistlicher Gefangniskuche Fingerabdriicke abgeben Bett im Haftraum Packchen Tabak ein Gestandnis ablegen Tag mit verkiirzten Aufschlusszeiten Gesamtstrafe Verurteilung zu einer weiteren Freiheitsstrafe Inhaftierter, der sich bei der Arbeit besonders anstrengt therapeutisches Gesprach DisziplinarmaBnahme der Freizeitsperre Handfesseln MaBregel der Sicherungsverwahrung Gummikniippel als dienstlich zugelassene Hiebwaffe bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen Inhaftierte Sexualstraftater Vorstrafenliste in Haftraumtoilette entsorgte Essensreste fliehen Schichtwechsel bei den Vollzugsbediensteten VoUzugsbediensteter Verrater dieVerbuBj^^
Die verbale Kommunikation - vor allem in Einrichtungen des geschlossenen Vollzugs - findet unter den Gefangenen in verschiedenen Kommunikationsforen statt: wahrend der Arbeitstatigkeit in den Anstalts- bzw. Untemehmerbetrieben, bei Freizeitveranstaltungen, beim gemeinsamen Hofgang wahrend der Freistunde oder wahrend der Aufschlusszeiten, wenn geoffnete Haftraume kommunikative Kontakte zwischen den Inhaftierten ermoglichen.
110
3 Vollzugsaufgaben und Gestaltungsprinzipien
Neben der Sprachgemeinschaft der Inhaftierten besteht in den Justizvollzugsanstalten femer die Sprachgemeinschaft des Vollzugspersonals sowie der Vollzugsverwaltung. Anstaltsbedienstete bedienen sich bei ihrer Kommunikation mit den Gefangenen einer Art Vollzugsdeutsch. Hierbei handelt es sich um ein fachspezifisches Vokabular, das iiberwiegend begrifflichen Vorgaben des Strafvollzugsgesetzes oder des Strafvollstreckungsrechts bzw. verwaltungsintemen Vorschriften entstammt. Der tagliche Kommunikationsprozess zwischen Anstaltspersonal und Insassen bewirkt dann die Obemahme solcher Wortschatzelemente des Fachvokabulars in den Sprachgebrauch der Gefangenen.^^° 222
Eine Reaktion auf die Gegebenheiten im Strafvollzug stellt auf der subkulturellen Ebene zudem der Bereich der illegalen Tausch- und Kaufgeschafte dar. Aufgrund der durch die gesetzlichen Vorschriften nur sehr begrenzt in den Anstalten gegebenen Moglichkeiten zum Besitz von Gegenstanden^^^ besteht eine Mangelwirtschaft, welche vor allem unerlaubte Sachen betrifft (z.B. Alkohol, Betaubungsmittel, Bargeld). Das Schwarzmarktgeschehen in den Einrichtungen ist auch gekennzeichnet von subkulturellen Gegenleistungen (z.B. Ubermittlung von Nachrichten, sexuelle Hingabe, Einschmuggeln verbotener Gegenstande), wobei die Eintreibung der illegalen Schulden von Gefangenen mit Nachdruck betrieben wird.222
:
So gibt es in einigen Anstalten sog. Abschirmstationen zur abgetrennten Unterbringung von Inhaftierten, die im Verdacht des Drogenhandels innerhalb der Einrichtung stehen. Andere abgetrennte Stationen (sog. Schuldenburgen) dienen der Sicherung von Gefangenen, welche ihre anstaltsintemen Glaubiger nicht befriedigen konnen und deshalb mit gesundheits- und lebensgefahrdenden Angriffen zu rechnen haben.^^^ 222 a
Zu den Ausdrucksformen subkultureller Aktivitaten zahlt zudem das Tatowieren.^^"^ Zwar besteht in den Vollzugsanstalten regelmaBig - etwa durch Festsetzung in der Hausordnung auf der Grundlage von § 56 Abs. 2 StVollzG - ein Tatowierverbot. Das beruht nicht nur auf Griinden des Gesundheitsschutzes, indem man die gemeinschaftliche Nutzung von Tatowiemadeln verhindem will. Vielmehr soil hiermit auch der Ausbildung subkultureller Strukturen entgegengewirkt werden. Wiirde man die Praxis des Tatowierens unter bestimmten Voraussetzungen legalisieren - etwa durch die Zulassung von Besuchen der Mitarbeiter externer Tatowierstudios^^^ -, konnte zwar fiir die Einhaltung hygienischer Standards besser Sorge getragen werden. Es entfiele jedoch die mit dem subkulturellen Handeln verbundene Ventilfunktion, so dass eine solche MaBnahme in der Praxis keine ihrem Sinn entsprechende Wirkung entfalten wiirde.
220 Siehe auch Schott, 2002, S. 59 f 221 Dazu unten Kap. 5.2.4.2. 222 223 224 225
Kolbel, 1999, S. 500. Siehe Laubenthal, 2 0 0 1 , S. 19,154. Dazu Kretschmer, 2006, S. 579 ff Stiehler, 2000, S. 2 3 5 ; a.A. Arloth/Luckemann, 2004, § 56 Rdn. 4 .
3.4 Grundsatze der Vollzugsgestaltung
111
Bei der Frage nach den Entstehungsbedingungen einer Insassensubkultur 223 werden folgende Erklarungsansatze herangezogen: - Das DeprivationsmodelF^^ basiert auf den Erkenntnissen zur Strafanstalt als einer totalen Institution. Deviante Erscheinungsformen stellen Reaktionen der Gefangenen auf die Haftdeprivationen dar. Die Ubemahme subkultureller Normen und Verhaltensweisen wird zu einer Adaptationsstrategie zum Zweck der Reduzierung akuter Stressfaktoren sowie der Wiederherstellung von Selbstachtung und individueller Wiirde in der kustodialen Anstalt. - Die kulturelle Ubertragungstheorie^^'^ („Importation Model") griindet die deviante Insassensubkultur nicht allein auf Reaktionen der Betroffenen auf die intensive Entzugssituation der Strafanstalt. MaBgeblich bestimmend sind vielmehr die latenten sozialen Identitaten der Inhaftierten. Die Verurteilten besitzen bereits bei Haftantritt ein verhaltenssteuerndes Set von Werten. Treffen sie in der Institution auf Personen mit ahnlichem sozialem Hintergrund, entsteht eine entsprechende latente Kultur. Die Gefangenensubkultur ist danach ein Produkt aus extramuralen Einfliissen und vorinstitutioneller Biographie. - Das Integrationsmodell verbindet Deprivationsmodell und kulturelle Ubertragungstheorie.^^^ Danach sind sowohl vorinstitutionelle Erfahrungen als auch anstaltsspezifische Faktoren fiir die normative Anpassung der Inhaftierten von Bedeutung. Eine Rolle spielen zudem Nachentlassungserwartungen des Einzelnen.^2^ 3.4.2.5 Prisonisierung Primare und sekundare Adaptation sind die beiden Aspekte eines Prozesses, der 224 als Prisonisierung bezeichnet wird: Anpassung an das Anstaltsleben, verbunden mit einer Akkulturation an deviante Normen einer Subkultur.^^^ Die Ubemahme subkultureller Werte und dementsprechender Aktivitaten soil nach den Resultaten gefangnissoziologischer Untersuchungen von bestimmten Faktoren abhangig sein. Clemmer^^^ konstatiert einen linearen Zusammenhang zwischen der Lange des Anstaltsaufenthalts und dem Prisonisierungsgrad. Auch Wheeler^^^ stellt einen solchen Zusammenhang fest, gelangt jedoch zu einer durch verschiedene Haftphasen bedingten Abhangigkeit der Nonkonformitat des Insassen zu den offiziellen Anstaltsnormen: hohe Konformitat des Gefangenen zu Haftbeginn, d.h. Orientierung an den konventionellen gesamtgesellschaftlichen 226 Morris/Morris, 1963, S. 176ff; Sykes/Messinger, 1960, S. 13 ff; femer Hohmeier, 1973, S. 67; siehe auch Hermann/Berger, 1997, S. 371 f; Lambropoulou, 1998, S.1220 f 227 Becker/Geer, 1960, S. 306 ff; siehe auch Hurlimann, 1993, S. 19 ff; Lambropoulou,
1987,S.67ff 228 Schwartz, 1971, S. 532 ff; Thomas/Foster, 1972, S. 229 ff 229 Siehe auch Eisenberg, 2005, S. 544 ff; Lambropoulou, 1998, S. 1222. 230 Clemmer, 1958, S. 299.
231 Clemmer, 1958, S. 304. 232 Wheeler, 1961, S. 702, 706 f
112
3 Vollzugsaufgaben und Gestaltungsprinzipien
Normen; verstarkte Nonkonformitat gegen Mitte der StrafverbiiBung; emeute Konformitat vor Haftende. Der Prisonisierungsprozess lauft danach zyklisch in Form einer U-Kurve ab. Eine durch wachsende Dauer des Anstaltsaufenthalts bedingte Abnahme gesellschafts- und stabskonformer Einstellungen und gleichzeitig eine zunehmende Intemalisierung subkultureller Werte bestatigen einige Erhebungen auch fiir den deutschsprachigen Raum.^^^ Abgesehen von der Lange der Inhaftierung kann der Prisonisierungsgrad aber auch beeinflusst werden durch die Beziehungen zu Mitgefangenen, die Erwartungen an die Zeit nach der Entlassung, die Intensitat der Entfremdung von der freien Gesellschaft sowie durch eine Ablehnung der Institution, die Anstaltsstruktur und die Personlichkeit des Insassen selbst.234 225 Als ein weiterer Faktor tritt die Art der ubemommenen Insassenrolle hinzu.^^^ Mittels bestimmter als soziale Verhaltenstypen bezeichneter Verhaltensstile werden nach den Ergebnissen anstaltssoziologischer Untersuchungen die Gefangenen im Hinblick auf ihr Verhalten gegeniiber dem offiziellen System eingeteilt. Es kommt zu einer informellen Differenzierung der Insassen entsprechend den iibernommenen Adaptationsmechanismen. Vorbild hierfiir ist eine von Schrag^^^ flir den nordamerikanischen Vollzug entwickelte Typologie: - Der prosoziale Typus („square John") ordnet sich unter und orientiert sich an den konventionellen und legalen Anstaltsnormen, die er kooperativ unterstiitzt. - Der pseudosoziale Typus („politician") erscheint opportunistisch und angepasst; er wechselt zwischen den Normensystemen und richtet sich jeweils zu seinem Vorteil nach denjenigen des Vollzugsstabes oder denen der Insassensubkultur. - Der asoziale Typus („outlaw") erscheint frei von normativen Bindungen, schenkt weder den Insassennormen noch der Anstaltsordnung groBe Beachtung. Er lebt zuriickgezogen und beschrankt seine sozialen Beziehungen auf ein Minimum. - Der antisoziale Typus („right guy") lehnt die offiziellen Stabsnormen ab und iibemimmt die opponierende Insassenrolle. Er betont Werte wie Solidaritat, Loyalitat und gegenseitige Hilfe. 226 Die Termini der Verhaltensstile sind ohne empirischen Nachweis auf die deutsche Strafvollzugswirklichkeit iibertragen worden.^^^ Zum einen ergibt sich deshalb die Problematik einer interkulturellen Vergleichbarkeit. Zum anderen stellt die Multikausalitat eines bestimmten menschlichen Verhaltens in Konflikt- und Stresssituationen derartige modellhaft typische Rollenbeschreibungen in Frage. Den bisherigen sozialwissenschaftlichen Konzepten zur Erfassung der Strafvollzugsrealitat ist schlieBlich entgegenzuhalten, dass manche Feststellungen zur Insassensubkultur moglicherweise auf vorschnellen Verallgemeinerungen einzelner Beobachtungen beruhen.^^^ Es kann ausgeschlossen werden, dass es eine ganz spezifische Anstaltsgesellschaft mit ganzlich tibereinstimmenden formellen und 233 234 235 236 237 238
Hohmeier, 1973, S. 59 ff, 106 ff; Hoppensack, 1969, S. 152 ff Thomas/Foster, 1972, S. 234 f; Zingraff, 1979, S. 366 ff Dazu Garabedian, 1963, S. 147 ff. Schrag, 1964,8.347. Vgl. Harbordt, 1972, S. 76 f; Hohmeier, 1971, S. 4. Walter M., 1999,8.259.
3.4 Grundsatze der Vollzugsgestaltung
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informellen Normen und Werten gibt^^^, in die der Verurteilte sich im Verlauf seines Anstaltsaufenthalts einem bestimmten Verhaltenstypus gemaB einfiigt. Vielmehr lost die Entzugssituation der Strafhaft individuell divergierende Adaptationsmechanismen aus, zu denen auch die Bildung informeller Subsysteme bzw. der Anschluss an solche gehort. Dabei folgt die Dynamik der Akkulturation wesentlich den Erfahrungen der vorinstitutionellen Biographie. Nach einer von Htirlimann^'*^ in der Jugendstrafanstalt Rockenberg und in der Erwachsenenstrafanstalt Butzbach durchgefiihrten Untersuchung verfiigen die Fiihrer der Subkultur im Gegensatz zu ihren Mitinhaftierten iiber cine groBere kriminelle Erfahrung. Informelle Fiihrer sind intelligenter, korperlich starker und bei den anderen Gefangenen beliebter. Sie sind in Handelsgeschafte der Subkultur (z.B. Drogenhandel) involviert; ein groBer Teil von ihnen nimmt bei Konflikten zwischen Insassen und Vollzugsbediensteten Vermittlerrollen wahr. Hiirlimann hat die Fiihrer nach ihren primaren Machtgrundlagen klassifiziert und dementsprechend drei Gruppen von Fiihrertypen gebildet: - Gewalt-Fiihrer, - Aufgaben-Fiihrer, - Sozial-Fiihrer. tjber die Halfte der Probanden war im Erwachsenenvollzug als Aufgaben-Fiihrer einzuordnen, welche ihren primaren Einfluss durch subkulturell geschatzte Kenntnisse (z.B. juristisches Wissen) oder durch illegale Handelsgeschafte erlangten. Im Jugendstrafvollzug hoben sich dagegen die Gewalt-Fiihrer von den anderen Fiihrertypen ab. Den schadlichen Einfliissen informeller Aktivitaten muss die Vollzugsbehorde 227 aufgrund des Gegensteuerungsprinzips (§3 Abs. 2 StVoUzG) begegnen. Wird die Subkultur bedingt durch die Notwendigkeit der Verarbeitung von Haftdeprivationen, vermag eine Reduzierung vollzuglicher Stressfaktoren entsprechend dem Angleichungsgrundsatz des § 3 Abs. 1 StVoUzG zu einer Verminderung solcher Erscheinungsformen zu fiihren. Zv^ar dient eine gewisse informelle Ordnung aus der Sicht des Vollzugsstabs auch der Bev^ahrung des Vollzugsalltags vor unvorhergesehenen Storfaktoren^'^^ jedoch sind die in den Strafanstalten unterschiedlich ausgepragten Subsysteme geeignet, die Chancen einer Vollzugszielerreichung zu beeintrachtigen. ^"^2 3.4.2.6 Psychische Auswirkungen der Haft Mittels geeigneter BehandlungsmaBnahmen ist nicht nur dem sozialisationsfeind- 228 lichen Effekt der Prisonisierung, sondem auch den psychischen Auswirkungen des Anstaltsaufenthalts entgegenzuarbeiten. Denn die Strafhaft kann als eine permanente Konflikt erzeugende Daseinskonstellation mit zunehmender Dauer Reaktionen beim Einzelnen hervorrufen, die iiber bloBe Einstellungs- und Personlichkeitsanderungen hinausgehend dem Bereich der Psychopathologie zuzuordnen sind. Die durch die psychotraumatische Situation der Haft hervorgerufenen Reak239 Goppinger, 1997, S. 788. 2^0 Hiirlimann, 1993.
241 Walter M., 1999, S. 261; Weis, 1988, S. 255. 242 Ortmann, 1992,8.408 ff
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3 Vollzugsaufgaben und Gestaltungsprinzipien
tionen werden in ihrem Wesen bestimmt durch die Konstitution und Disposition des Individuums, seine vorgegebene Ausstattung mit Frustrationstoleranz, Verarbeitungsbereitschaft und Konfliktlosungsvermogen. Dabei kann es zu nur voriibergehenden abnormen Verhaltensformen kommen wie Affektreaktionen, zu intrapsychischer Entladung, Kurzschlusshandlungen, psychogenen Zweckreaktionen und Ausnahmezustanden. Es vermogen aber auch progressiv abnorme Personlichkeitshaltungen zu entstehen, dominante Affekteinstellungen, paranoische Entwicklungen und Neurosen. Letztere werden manifest in Angst- bzw. Zwangssymptomen, Phobien, Psychoneurosen, psychosomatischen Korperstorungen oder in autoaggressivem Verhalten von Inhaftierten.^"*^ Andererseits erscheinen immer wieder Veroffentlichungen von und iiber Personen, die - sogar zu langjahrigen Freiheitsstrafen verurteilt - diese manchmal Jahrzehnte dauemde StrafverbiiBung ohne wesentliche Anzeichen psychischer Alteration liberstanden haben.^'*^ 229 Der VoUzug einer langjahrigen Freiheitsstrafe kann zu Personlichkeitsveranderungen beim Gefangenen fiihren. Die international publizierten Studien zur Langzeitstrafe^'^^ergeben jedoch, dass keine monokausale Beziehung zwischen Haftdauer und psychischen Beeintrachtigungen besteht. Die Deprivation des StrafvoUzugs vermag vor allem bei entsprechender Pradisposition^"^^ Personlichkeitsanderungen zu begtinstigen. DemgemaB sind Motivationsverlust, Apathie, sozialer Riickzug sowie neurotische Reaktionen als Symptome einer psychischen Sekundarbeeintrachtigung in unterschiedlichen Auspragungen festzustellen. Dies gilt auch fiir das Auftreten abnormer Erlebnisreaktionen. Die psycho-sozialen Belastungen insbesondere einer langjahrigen Haft konnen beim Gefangenen immer neue psychische Traumata hervomifen. Diese bewirken kumulativ einen Spannungszustand, der sich schlieBlich in einer Affektreaktion entladt. Die intrapsychische Entladung erfolgt zumeist in Form des „Zuchthausknalls" oder „Haftkollers": Schreikrampfe, Zerstorung der Zelleneinrichtung, tatliche Angriffe auf das VoUzugspersonal oder auf Mitgefangene.^"*^ 230 Die Explosivreaktion kann aber auch in suizidalen Handlungen und Selbstbeschadigungen zum Ausdruck kommen.^"^^ Der Selbstmord stellt die haufigste Todesursache im Strafvollzug dar^"^^ und iibersteigt die Suizidrate der nach Altersund Sozialstruktur vergleichbaren Population in Freiheit um ein Mehrfaches.^^^ 243 Langeliiddecke/Bresser, 1976, S. 96 ff; Schleuss, 1994, S. 433 ff; Witter, 1972, S. 476 ff 2"^"^ Vgl. z.B. Gaddis, Der Gefangene von Alcatraz, 1964; Leopold, Life and 99 Years, 1958; Mandela, Der lange Weg zur Freiheit, 1994; Siluan, Gott hinter Gittem, 1994; Speer, Spandauer Tagebucher, 1978; Todorov, 22 Jahre Knast, 2002. 245 Siehe Nachweise bei Laubenthal, 1987, S. 144 ff 246 Toch, 1977, S. 285. 247 Langeliiddecke/Bresser, 1976, S. 244; Mechler, 1981, S. 19; Schleusener, 1976, S. 2 1 ; z u m Ganzen auch Parverdian, 1993, S. 158 ff 248 Dazu Mechler, 1981, S. 21 ff; Schleuss, 1994, S. 431 f; Sluga, 1977, S. 5 1 ; Swientek, 1982, S. 22 ff; Wormith, 1984, S. 429 f 249 Siehe Granzow/Puschel, 1998, S. 3. 250 Vgl. Rosner, 1986, S. 42; Zettel, 1988, S. 208.
3.4 Grundsatze der Vollzugsgestaltung
115
Die Quote liegt in Deutschland bei etwa 15 von 10 000 Inhaftierten einer Jahresdurchschnittsbelegung. Eine besondere Gefahrdung besteht wahrend der Untersuchungshaft bzw. bei ErstverbiiBem im ersten Haftmonat.^^^ Bezogen auf das der Inhaftierung zugrunde liegende Delikt findet sich eine relativ hohere Suizidgefahrdung bei Totungs- und Sexualstraftatem.^^^ In der Strafanstalt sind jedoch von den vollendeten und misslungenen Selbsttotungen die parasuizidalen Handlungen zu unterscheiden. Diese zielen nicht auf eine Lebensbeendigung, sondem auf eine Auflosung der inneren Spannungen. Schneiden (z.B. Rasierklingenschnitte an den Unterarmen), Verschlucken von Gegenstanden, Strangulation, Intoxikationen konnen iiber die intrapsychische Entladung hinaus auch Ausdruck sein von Autoaggression, Aggression nach auBen, sekundarem Krankheitsgewinn oder sadomasochistischen Tendenzen.^^^ Zu den im Strafvollzug vorzufindenden psychischen Variationen gehoren fer- 231 ner psychogene Zweckreaktionen. Hierunter fallt vor allem das Ganser-Syndrom, das in charakteristischer Weise bei Inhaftierten auftritt.^^"* Der Gefangene glaubt, durch „Geisteskrankheit" den Stressfaktoren entgehen zu konnen. Sein Unterbewusstsein fuhrt die Simulation einer Psychose durch, deren Symptome ein systematisches Verkehrt-Denken und -Handeln sind. Zwar kann - insbesondere die langjahrige - Strafhaft abnorme Erlebnisreakti- 232 onen und abnorme erlebnisreaktive Entwicklungen als psychische Variationen hervorrufen. Trotzdem fiihrt auch ein Langstrafenvollzug nicht zwangslaufig zu einer irreversiblen Personlichkeitsschadigung oder gar zu einem vollstandigen Personlichkeitsverfall. Die Auswirkungen der gravierenden psycho-sozialen Stressfaktoren der Strafliaft sind vielmehr multifaktoriell bedingt. -
Dabei nehmen als Faktoren kumulativ entscheidenden Einfluss: Personlichkeitsmerkmale, vorinstitutionelle Biographic, Lebensalter, Pradisposition, Spannungstoleranz, Adaptationsstrategie, Verarbeitungsmechanismen, Anstaltserfahrung, Anstaltsstruktur, AuBenweltkontakte, BehandlungsmaBnahmen.
Inwieweit die Auswirkungen der Strafhaft auf psychische Funktionen im Ein- 233 zelfall zu dauerhaften Negativfolgen fiihren konnen, ist bislang nicht zureichend erforscht. Insoweit kommen auch Untersuchungen im Rahmen der Institutionalis-
251 Pecher/Noldner/Postpischil, 1995, S. 350. 252 KonradN., 2001,8.103. 253 Langeltiddecke/Bresser, 1976, S. 246; Sluga/Grunberger, 1969, S. 456 f
254 McKay/Jayewardene/Reedie, 1979, S. 19 ff; Scharfetter, 1985, S. 686; Wormith, 1984, S. 426.
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3 Vollzugsaufgaben und Gestaltungsprinzipien
musforschung zu den Wirkungen haftanaloger Bedingungen (z.B. langjahriger Aufenthalt in psychiatrischen Kliniken) noch zu divergierenden Resultaten.^^^ Die Stressfaktoren der totalen Institution Strafanstalt resultieren aus einer aufgrund zwingender Notwendigkeiten des Strafvollzugs - nur begrenzten Realisierbarkeit des Angleichungsgrundsatzes i.S.d. § 3 Abs. 1 StVollzG. Die Einschrankungen der Vollzugsnormalitat begriinden die Gefahr schadlicher Folgen fiir den Insassen, denen gem. § 3 Abs. 2 StVollzG entgegengearbeitet werden muss. Es ist deshalb bei der individuellen VoUzugsgestaltung auf eine Verminderung von Stressfaktoren hinzuwirken, wobei insbesondere die Gewahrung von Vollzugslockerungen als zumindest zeitweilige VentilmaBnahme Bedeutung erlangt. Dem Gegensteuerungsprinzip entspricht vor allem ein dauerhaftes Bemiihen der Vollzugsbehorde, Voraussetzungen fiir eine moglichst friihzeitige Entlassung des Verurteilten zu schaffen, damit die Wirkungen der Haft auf ein zeitliches MindestmaB begrenzt bleiben.
3.4.3 Eingliederungsgrundsatz 234 Nach § 3 Abs. 3 StVollzG muss der Strafvollzug darauf ausgerichtet sein, dass er dem Gefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit einzugliedem. Die Behorde soil „von Beginn an die Entlassung im Auge behalten und die einzelnen MaBnahmen des Vollzugs so ausgestalten, dass sie den Ubergang vom Vollzug in die Freiheit erleichtem konnen."^^^ Es geht damit nicht nur um die eigentliche Entlassungsvorbereitung. Vielmehr verpflichtet § 3 Abs. 3 StVollzG zu einer Ausrichtung des gesamten Vollzugs schon ab dem Haftantritt auf die Riickkehr in die Gesellschaft. In den Integrationsgrundsatz einbezogen sind daher auch die zu langjahrigen bzw. zu lebenslangen Freiheitsstrafen Verurteilten: „Selbst zu Zeiten, in denen eine Entlassung noch nicht in Aussicht steht, sollte der Vollzug so gestaltet sein, dass eine spatere Entlassung den Gefangenen nicht unvorbereitet findet und ihn nicht uberfordert.''^^"^ 235 Das Prinzip der Eingliederungshilfe beschrankt sich nicht nur auf MaBnahmen zur sozialen (Re-)Integration im Sinne des VoUzugsziels gem. § 2 S. 1 StVollzG, d.h. zur Riickfallverhinderung. Es betrifft auch alle Aspekte des Freiheitsentzugs selbst, welche den Ubergang vom Strafvollzug in die Freiheit erschweren.^^^ Hierzu zahlt etwa die mit dem Haftantritt verbundene Unterbrechung sozialer Kontakte, um deren Aufrechterhaltung die Anstaltsleitung durch Gewahrung von Vollzugslockerungen bemiiht sein muss. Einer Vorbereitung auf ein Leben in Freiheit dienen Angebote zur Ausgleichung von Defiziten in der friiheren Lebensfiihrung (z.B. berufliche Bildung, Schuldenregulierung usw.). Aus § 3 Abs. 3 StVollzG kann sich auch die Notwendigkeit einer heimatnahen Unterbringung des Gefange255 256 257 258
Vgl. Laubenthal, 1987, S. 141 ff BT-Drs. 7/918, S. 46. BT-Drs. 7/918, S. 46; siehe auch BVerfGE 4 5 , S. 238 ff Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 3 Rdn. 8.
3.5 Die Stellung des Gefangenen
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nen ergeben.^^^ Durch geeignete BehandlungsmaBnahmen ist der Verurteilte zudem darauf vorzubereiten, dass - je nach Schwere der begangenen Straftat - die Lebensbewaltigung fiir einen entlassenen Tater durch Stigmatisierungen in seiner postinstitutionellen sozialen Umwelt erschwert werden kann.
3.5 Die Stellung des Gefangenen Nach den VoUzugsaufgaben und den Gestaltungsprinzipien stehen in § 4 StVollzG 236 Grundsatze iiber die Stellung des Inhaftierten an der Spitze des Zweiten Abschnitts iiber den Vollzug der Freiheitsstrafe. Dabei geht es um die Bereiche: - Abs. 1: Mitwirkung des Gefangenen an der Gestaltung seiner Behandlung und der VoUzugszielerreichung, - Abs. 2: allgemeine Rechtsstellung des Inhaftierten. § 4 Abs. 1 StVollzG beschreibt zum einen den positiven sozialen Integrationsstatus^^^, die Stellung des Insassen im Behandlungsprozess zur Vorbereitung auf eine sozial verantwortliche Lebensfiihrung. Auf der anderen Seite betrifft § 4 Abs. 2 StVollzG den negativen Abwehrstatus, wonach die durch den Strafvollzug bedingten Rechtsbeschrankungen aus rechtsstaatlicher Sicht moglichst eindeutig festgelegt sein miissen. 3.5.1 Mitwirkung an der Behandlung Handelt es sich bei der Behandlung - auf die Vollzugszielbestimmung des § 2 S. 1 237 StVollzG bezogen - um die Gesamtheit aller MaBnahmen und Tatigkeiten im interkommunikativen Bereich zum Zweck der gesellschaftlichen Integration sowie der Befahigung zu einem Leben ohne Riickfall, dann bedarf es einer aktiven Teilnahme des Inhaftierten an den Interaktionen der Vollzugsgemeinschaft. Um den Sozialisationserfolg zu erreichen, ist eine Mitwirkung des Betroffenen an den BehandlungsmaBnahmen erforderlich. Der Gesetzgeber hat in § 4 Abs. 1 StVollzG keine Mitwirkungspflicht nor- 238 miert, um den Verurteilten nicht zu einem bloBen Objekt behandelnden Einwirkens zu machen.^^^ Er wird vielmehr in seiner Subjektstellung anerkannt, indem ihm eine aktive Rolle im Prozess der Behandlung zukommt. Diese beginnt bereits in der Planungsphase, in der nach § 6 Abs. 3 StVollzG der Behandlungsplan mit dem Betroffenen zu erortem ist. Sie setzt sich dann iiber alle Stadien des Behandlungsvollzugs fort und findet ihre Erganzung in den Moglichkeiten der kollektiven Gefangenenmitverantwortung nach § 160 StVollzG. § 4 Abs. 1 StVollzG gibt dem Einzelnen aber kein Recht auf Mitwirkung in dem Sinne, dass ihm konkrete
259 Siehe auch AK-Feest/Lesting, 2006, § 3 Rdn. 21 ff. 260 Wurtenberger, 1970, S. 223.
261 BT-Drs. 7/3998, S. 6.
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3 VoUzugsaufgaben und Gestaltungsprinzipien
Rechtsanspniche zu gewahrleisten sind.^^^ Es besteht kein Anspruch auf eine bestimmte Art der Behandlung.^^^ j j ^ Mitwirkungsgrundsatz des § 4 Abs. 1 S. 1 StVollzG kommt die Mitwirkungsnotwendigkeit des Gefangenen zum Ausdruck.^^"^ Deiin seine Mitarbeit stellt einen wesentlichen Bestandteil des BehandlungsvoUzugs dar. Aufgabe des Stabes ist es daher nach § 4 Abs. 1 S. 2 StVollzG, die Bereitschaft des Einzelnen zu wecken und zu fordem. 239 Wird durch § 4 Abs. 1 StVollzG keine Mitwirkungspflicht begriindet, dann darf eine fehlende Bereitschaft des Inhaftierten zur Mitarbeit mangels Verwirklichung eines Disziplinartatbestands i.S.d. § 102 StVollzG auch nicht mit DisziplinarmaBnahmen geahndet werden. Eine dem Sozialstaatsprinzip folgende Ausgestaltung des Strafvollzugs beinhaltet allerdings eine soziale Inpflichtnahme des Gefangenen. ^^^ Zwar setzt BehandlungsvoUzug eine freiwillige Mitarbeit voraus. Eine Gefahrdung von Sozialisationsbemiihungen kann jedoch zu Rechtsbeschrankungen fiihren. Ist die Erreichung des Vollzugsziels als Kriterium fur eine Gewahrung Oder Eingrenzung von Rechten im Strafvollzugsgesetz ausdriicklich normiert (z.B. in §§ 25 Nr. 2, 28 Abs. 2 Nr. 2, 31 Abs. 1 Nr. 1, 68 Abs. 2 S. 2, 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG), hat eine fehlende Mitwirkungsbereitschaft entsprechende Einschrankungen zur Folge.^^^ 240 Fraglich ist, inwieweit auf den nicht an seiner Behandlung mitarbeitenden Gefangenen durch Versagung von Vollzugslockerungen, Verlegung in den offenen Vollzug Oder Hafturlaub - mit dem Ziel der Teilnahme an Sozialisationsbemiihungen - indirekt eingewirkt werden darf Bei den Entscheidungen der Anstaltsleitung iiber die Gewahrung solcher BehandlungsmaBnahmen kommt dem Verhalten des Vemrteilten im Vollzug durchaus Bedeutung zu (Gleiches gilt fur den Beschluss der Strafvollstreckungskammer liber eine Strafrestaussetzung zur Bewahrung gem. § 57 Abs. 1 S. 2 StGB). Dadurch kann der Inhaftierte sich in Richtung auf eine zukiinftige Kooperation unter Druck gesetzt fiihlen.^^"^ Dem das VoUzugsziel fiir sich ablehnenden Gefangenen diirfen jedoch nicht alle sozialstaatlich begriindeten VollzugsmaBnahmen versagt werden.^^^ Anderenfalls fiihrte dies zu einer Umgehung des legislatorischen Willens, auf eine Mitwirkungspflicht zu verzichten. Verkannt wiirde zudem der Angebotscharakter der meisten vollzuglichen BehandlungsmaBnahmen.^^^ MaBgeblich erscheint insoweit nur eine dem Einzelfall gerecht werdende Losung. So mag eine mangelnde Mitarbeit des Resozialisierungsunwilligen an der Erreichung des Vollzugsziels das Missbrauchsrisiko i.S.d. § 10 Abs. 1 StVollzG erhohen.^^^ Bei einem anderen nicht ko262 263 264 265 266 267 268 269 270
Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 4 Rdn. 3 f; Mtiller-Dietz, 1978, S. 87. Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 4 Rdn. 11. AK-Feest/Lesting, 2006, § 4 Rdn. 4. BVerfGE 40, S. 284 f; Calliess/Miiller-Dietz, 2005, Einl. Rdn. 34. Laubenthal, 2000a, S. 171. Dazu auch Walter M., 1999, S. 294. Anders aber Koepsel, 1985, S. 55 f Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 4 Rdn. 4 ; Jung H., 1987, S. 40. Z u weitgehend O L G Karlsruhe, ZfStrVo 1985, S. 246: „erh6ht in der Regel das Missbrauchsrisiko".
3.5 Die Stellung des Gefangenen
119
operativen Insassen kann die Gewahrung einer Vollzugslockerung dagegen gerade eine positivere Verhaltenseinstellung hinsichtlich der VoUzugszielerreichung bewirken.^"^' Eine verweigerte Mitarbeit sollte daher nicht zu „schematischen Trotzreaktionen"^'^^ verleiten, sondem den Vollzugsstab nach § 4 Abs. 1 S. 2 StVollzG zu neuen Angeboten und Bemiihungen veranlassen. Denn durch eine Verweigerungshaltung seitens des Gefangenen wird die Institution nicht von ihrer Pflicht entbunden, dessen Bereitschaft zur Mitwirkung an seiner Behandlung zu wecken und zu fbrdem.^'^^
3.5.2 Allgemeine Rechtsstellung des Inhaftierten § 4 Abs. 2 S. 1 StVollzG normiert dem Enumerationsprinzip folgend, dass der 241 Gefangene den im Strafvollzugsgesetz ausdriicklich vorgesehenen Beschrankungen unterliegt. Seine Rechte und Freiheiten diirfen danach nur begrenzt werden, soweit dies in den einzelnen gesetzlichen Bestimmungen normiert ist. Mit diesem Grundsatz wurde den Anfordemngen des Bundesverfassungsgerichts^^"* gemaB die nicht mehr tragfahige Rechtsfigur des besonderen Gewaltverhaltnisses als ein pauschaler Legitimationstatbestand fiir Eingriffe in Rechtspositionen aus dem Bereich des Strafvollzugs verbannt. Der Gesetzgeber hielt jedoch die Regelung des § 4 Abs. 2 S. 1 StVollzG fiir 242 nicht ausreichend, um alle denkbaren Falle zu erfassen, in denen Eingriffe in die Freiheit des Inhaftierten erforderlich werden konnen.^'^^ Er schuf deshalb mit § 4 Abs. 2 S. 2 StVollzG eine Generalklausel (VorratsklauseP'^^) fiir nicht vorhersehbare Ausnahmefalle. Danach diirfen dem Gefangenen - soweit das Strafvollzugsgesetz keine besondere Regelung enthalt - „nur Beschrankungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Stoning der Ordnung der Anstalt unerlasslich sind." Bevor eine voUzugliche MaBnahme ihre Rechtsgrundlage in dem Auffangtatbestand des § 4 Abs. 2 S. 2 StVollzG finden kann, muss zunachst gepriift werden, ob sie nicht schon vom Enumerationskatalog des Strafvollzugsgesetzes erfasst wird. Dabei ist zu beriicksichtigen, dass die allgemeine Rechtsstellung des Gefangenen maBgeblich durch die Grundrechte gepragt ist. 3.5.2.1 Einschrankung von Grundrechten Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG entsprechend muss sich eine Grundrechtsbeschrankung 243 auch der Inhaftierten aus den Normen des Strafvollzugsgesetzes ergeben. Zudem macht das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG eine ausdriickliche Benennung 27^ O L G H a m m , ZfStrVo 1985, S. 374. 2^2 Jung H., 1987,8.41. ^"^^ Zur Therapiemotivation bei bestimmten Zielgruppen: Dahle, 1994, S. 227 ff 274 BVerfGE 33, S. 1 ff
275 Vgl. BT-Drs. 7/918, S. 109; 7/3998, S. 7. 276 Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 4 Rdn. 20.
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3 Vollzugsaufgaben und Gestaltungsprinzipien
der durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes einschrankbaren Grundrechte notwendig. DemgemaB hat der Gesetzgeber in § 196 StVollzG als beschrankbar benannt: - Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG (korperliche Unversehrtheit), - Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG (Freiheit der Person), - Art. 10 Abs. 1 GG (Brief-, Post- und Femmeldegeheimnis). § 196 StVollzG darf jedoch nicht zu der Annahme verleiten, dass die iibrigen Grundrechte fiir den Strafgefangenen unbegrenzt gelten. Denn das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG gilt nur fur Gesetze, die darauf abzielen, das Grundrecht iiber die in ihm selbst festgelegten Grenzen hinausgehend zu beschranken.^^'^ Soweit sich eine vollzugliche Regelung daher innerhalb dieser Grenzen halt, stellt sie keine Grundrechtseinschrankung i.S.d. Art. 19 Abs. 1 GG dar. 244 Fiir den Bereich des Strafvollzugs von Relevanz sind insoweit folgende Grundrechtsschranken: ^"^^ - Verfassungsunmittelbare Schranken, d.h. im Grundgesetz selbst normierte Grundrechtsbeschrankungen. Z.B. Art. 12 Abs. 3 GG: Zwangsarbeit bei gerichtlich angeordneter Freiheitsentziehung. - Grundrechtsbegrenzung durch Regelungsvorbehalte. Das Strafvollzugsgesetz als allgemeine Gesetzesschranke i.S.d. Art. 5 Abs. 2 GG, als Gesetz zur Regelung der Freiheit der Berufsausubung gem. Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG, als Gesetz i.S.d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zur Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums. - Verfassungsimmanente Schranken, d.h. den Grundrechten schon innewohnende Grenzen, die lediglich im Wege der Interpretation offen gelegt v^erden, wobei sich die Schranken insbesondere aus dem Zusammenhang ergeben, in dem die Grundrechtsgarantien zueinander und zu anderen Verfassungsnormen stehen.^"^^ Beispiel: Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG enthalt zwar keinen Gesetzes- oder Regelungsvorbehalt, dennoch kann die Kunstfreiheitsgarantie bei einem wegen Gewalttaten verurteilten Strafgefangenen hinsichtlich der Darstellung Gewalt verherrlichender Motive eingeschrankt werden. Dies ist Folge der nach Art. 104 GG zulassigen Freiheitsentziehung sowie des verfassungsrechtlich gebotenen Vollzugsziels der Resozialisierung.^^^ Beschrankung der Grundrechtsaustibung infolge Annexwirkungen, d.h. der Eingriff in das Freiheitsgrundrecht des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG engt faktisch
277 BVerfGE 64, S. 79. 278 Dazu allgemein: Ipsen, 2005, S. 4 2 ff; Zippelius/Wiirtenberger, 2005, S. 180 ff; vollzugsbezogen: Hauf, 1994, S. 4 8 ff; Kaiser/Schoch, 2002, S. 185 f 279 Vgl. BVerfGE 84, S. 228. 280 So O L G N u m b e r g , ZfStrVo 1989, S. 374; krit. Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 4
Rdn.21.
3.5 Die Stellung des Gefangenen
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zugleich die Moglichkeiten einer ungestorten Realisiemng anderer Grundrechte ein. Die verminderte Bewegungsfreiheit des Strafgefangenen beeintrachtigt vor allem die Ausiibung folgender Grundrechte: Art. 5 Abs. 3 GG (begrenzte Moglichkeiten zu ktinstlerischer, wissenschaftlicher, forschender oder lehrender Tatigkeit), Art. 6 GG (Aufrechterhaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft, Ausubung des Eltemrechts auf Erziehung der Kinder), Art. 8 GG (Versammlungsfreiheit), Art. 9 GG (Ausubung von Mitgliedschaftsrechten in Vereinigungen), Art. 11 GG (Freiziigigkeit). Nicht nur die in § 196 StVollzG benannten Grundrechtseingriffe gehoren somit zu den gesetzlichen Freiheitsbeschrankungen i.S.d. § 4 Abs. 2 StVollzG. Dem Erfordemis dieser Norm geniigen auch Einschrankungen aufgmnd verfassungsunmittelbarer bzw. -immanenter Schranken, Regelungsvorbehalten und Annexwirkungen des Freiheitsentzugs. 3.5.2.2 Generalklausel des § 4 Abs. 2S. 2 StVollzG Das Enumerationsprinzip des § 4 Abs. 2 S. 1 StVollzG erfahrt dutch § 4 Abs. 2 245 S. 2 StVollzG eine Erganzung. Eine solche Generalklausel mit einer Reihe von unbestinunten Rechtsbegriffen als Eingriffsgrundlage fiir freiheitsbegrenzende MaBnahmen geniigt nur dann rechtsstaatlichen Anforderungen, v^enn sie als Ultima-Ratio-Klausel eine sehr enge Auslegung erfahrt.^^^ § 4 Abs. 2 S. 2 StVollzG verstoBt jedoch nicht gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot.^^^ Denn vollzugliche MaBnahmen werden nicht im Strafprozess, sondem auf der Verwaltungsebene angeordnet, wo die besondere Auspragung des Bestimmtheitsgrundsatzes des Art. 103 Abs. 2 GG keine Beachtung fmdet.^^^ GemaB § 4 Abs. 2 S. 2 StVollzG diirfen dem Strafgefangenen vom Eingriffskatalog des Strafvollzugsgesetzes nicht erfasste zusatzliche Rechtsbeschrankungen unter folgenden Voraussetzungen auferlegt werden: 1. Das Strafvollzugsgesetz enthalt fur den konkreten Fall keinen besonderen Eingriffstatbestand. 2. Vorliegen des Eingriffsgrundes - Gefahr fiir die Aufrechterhaltung der Anstaltssicherheit oder - schwerwiegende Stoning der Anstaltsordnung. 3. Die Rechtsbeschrankung ist im Hinblick auf die Existenz der Institution unerlasslich.
So auch OLG Numberg, ZfStrVo 1980, S. 250; OLG Dresden, NStZ 1995, S. 151; AKFeest/Lesting, 2006, § 4 Rdn. 9; Beaucamp, 1998, S. 211; Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 4 Rdn. 21; Kaiser/Schoch, 2002, S. 194; Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 4 Rdn. 23. 282 A.A. Bemmann, 1989, S. 39; Hoffmeyer, 1979, S. 185 ff 283 BVerfG,ZfStrVo2004, S. 245.
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3 Vollzugsaufgaben und Gestaltungsprinzipien
Die Aufrechterhaltung der Sicherheit muss durch eine konkrete Gefahrdung beeintrachtigt sein. Dafiir geniigt nicht eine bloBe Befiirchtung zukiinftiger Storung. Gefordert wird vielmehr das Bestehen einer gegenwartigen, unmittelbaren Gefahr, die den Sicherheitsstand zumindest schon verringert. Dabei betrifft Sicherheit zum einen die auBere Sicherung im Sinne einer Gewahrleistung des durch die Freiheitsstrafe begriindeten Gewahrsams (Schutz vor Entweichung bzw. vor Befreiungsaktionen). Umfasst ist zum anderen auch die innere Sicherheit, die Abwehr von konkreten, erhebhchen Gefahren fiir Personen oder Sachen in der Anstalt.284
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Zur Anstaltssicherheit gehort auch die Sicherheit der Allgemeinheit vor Straftaten des Verurteihen wahrend der VerbiiBung seiner Freiheitsstrafe.^^^ § 4 Abs. 2 S. 2 StVollzG konkretisiert insoweit die Vollzugsaufgabe des Schutzes der Allgemeinheit vor weiteren deliktischen Handlungen des Gefangenen (§2 S. 2 StVollzG). Damit diirfen diesem - bei Vorliegen auch der iibrigen Voraussetzungen - im Strafvollzugsgesetz nicht speziell vorgesehene Beschrankungen auferlegt werden, wenn dies vom spezialpraventiven Zweck des § 2 S. 2 StVollzG her unerlasslich ist.^^^ Beispiel: Der Strafgefangene S ist wegen mehrerer Betrugsdelikte zum Nachteil von Frauen verurteilt, die er unter Vorspiegelung von Heiratsabsichten finanziell geschadigt hat. Aus der Anstalt heraus halt S brieflichen Kontakt zu verschiedenen allein stehenden Damen. Eine Kontrolle der Schreiben ergibt, dass S weitere Straftaten als sog. Heiratsschwindler in die Wege zu leiten versucht. Die Anstaltsleitung untersagt S daher samtliche Briefkontakte zu weiblichen Personen. Das Verbot kann nicht auf § 28 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG gestiitzt werden. Zwar lasst diese Norm eine Untersagung des Schriftwechsels mit bestimmten Personen zu, wenn zu befurchten ist, dass dadurch die Eingliederung des Gefangenen behindert wird. Die Gefahr fiir eine Beeintrachtigung der Vollzugszielerreichung geht bei S jedoch nicht vom Schriftwechsel an sich aus, sondem fmdet ihre Ursache in der Personlichkeit des S selbst. Liegen daher Anhaltspunkte fiir eine konkrete Gefahr der Begehung weiterer Straftaten zum Nachteil auBen stehender Personen vor, kann die Anstaltsleitung ihre Anordnung auf § 4 Abs. 2 S. 2 StVollzG grunden.^^^
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Eine schwerwiegende Storung der Ordnung Hegt vor in einem besonders gravierenden Fall der Beeintrachtigung des geordneten und menschenwiirdigen Zusammenlebens in der Institution.^^^ Dabei reichen geringere Behinderungen des Ablaufs nicht aus, vielmehr muss die Ordnungsgefahr von solchem Gewicht sein, dass ohne ihre Beseitigung das Funktionieren des Anstaltsbetriebs insgesamt elementar gestort wiirde (z.B. bei geschaftsmaBiger Beratung in Rechtsangelegenheiten und Fertigung von Schriftsatzen fiir Mitgefangene, wenn dies zu unerwiinschten Abhangigkeiten fiihrt^^^). 284 285 286 287 288 289
AK-Feest/Lesting, 2006, § 4 Rdn. 13; Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 4 Rdn. 18. Kaiser/Schoch, 2002, S. 225; Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 4 Rdn. 20. Dazu Kaiser/Schoch, 2002, S. 194. A.A. Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 28 Rdn. 7. AK-Feest/Lesting, 2006, § 4 Rdn. 14 f O L G Saarbrlicken, ZfStrVo 1982, S. 250.
3.5 Die Stellung des Gefangenen
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Andere als die in § 4 Abs. 2 S. 2 StVoUzG benannten Eingriffsgriinde kommen nicht in Betracht. Eine Freiheitsbegrenzung lasst sich vor allem nicht aus den allgemeinen Strafzwecken herleiten. Auch eine bessere Erreichung des Sozialisationsziels gem. § 2 S. 1 StVollzG durch notwendige BehandlungsmaBnahmen darf zu keinen auf § 4 Abs. 2 S. 2 StVollzG gegriindeten Restriktionen fiihren. Die Einschrankung von Rechten kann dem Strafgefangenen bei Bejahung eines 249 Eingriffsgrundes i.S.d. § 4 Abs. 2 S. 2 StVollzG nur auferlegt werden, soweit das Gesetz keine spezielle Ermachtigungsnorm enthalt. Eine gesetzliche Regelung fehlt, wenn ein Bereich vom Strafvollzugsgesetz iiberhaupt nicht behandelt wird. Umgekehrt ist im Zweifelsfall davon auszugehen, dass das Enumerationsprinzip des § 4 Abs. 2 S. 1 StVollzG eine Vermutung fur die Vollstandigkeit einer Regelung begriindet, soweit diese vom Gesetzgeber getroffen wurde.^^^ Dies folgt aus der unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten notwendigen engen Interpretation des § 4 Abs. 2 S. 2 StVollzG als Ultima-Ratio-Klausel. Im Strafvollzugsgesetz enthaltene Eingriffstatbestande diirfen daher keine Ausweitung erfahren^^^ (z.B. kann der Bezug einer Zeitschrift nicht iiber die in § 68 Abs. 2 S. 2 StVollzG benannten Griinde hinaus untersagt werden, weil das Druckwerk keiner sinnvollen Freizeitbeschaftigung diene^^^). Insbesondere bleibt ein Riickgriff auf § 4 Abs. 2 S. 2 StVollzG dann ausgeschlossen, wenn der Gesetzgeber eine Eingriffsregelung far bestimmte Situationen abschlieBend normiert hat. Beispiel: Strafgefangener G verbtiBt eine Freiheitsstrafe wegen VerstoBes gegen das Betaubungsmittelgesetz. Anstaltsleiter A ordnet deshalb eine regelmaBige Abgabe von Urinproben durch G zur Untersuchung nach Betaubungsmittelriickstanden an und belehrt ihn iiber die disziplinarrechtlichen Folgen einer Weigerung. Dabei stutzt A sich auf § 4 Abs. 2 S. 2 StVollzG als Rechtsgrundlage. Er fiihrt aus, das Vorhandensein sowie der Konsum von Drogen stellten eine schwerwiegende Beeintrachtigung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt dar. Daher sei es unerlasslich, mit alien gesetzlich zulassigen Mitteln gegen den Drogenmissbrauch anzugehen. Die Anordnung des A konnte nicht auf § 4 Abs. 2 S. 2 StVollzG gestutzt werden. Als gesetzliche Ermachtigungsgrundlagen sind §§56 und 101 Abs. 1 StVollzG heranzuziehen.^^^ Zum einen wird die Urinkontrolle durch § 56 Abs. 2 StVollzG geregelt. Die durch diese Norm begriindete Pflicht zur Unterstiitzung notwendiger MaBnahmen des Gesundheitsschutzes schlieBt auch die Verpflichtung zur Abgabe einer Urinprobe ein, bei deren Analyse es sich um eine MaBnahme im Sinne dieser Vorschrift handelt. Sie stellt auch eine medizinische Untersuchung i.S.d. § 101 Abs. 1 StVollzG dar. Weil der Konsum von illegalen Betaubungsmitteln eine schwerwiegende Gefahr far die Gesundheit des G selbst oder fur diejenige anderer Personen bedeutet, hatte A auf der Rechtsgrundlage des § 101 Abs. 1 StVollzG durch Hinweis auf die Folgen einer Weigerung des G Zwang auf den G ausuben diirfen. § 4 Abs. 2 S. 2 StVollzG lasst offen, wie die Rechtsbeschrankung gestaltet sein 250 soil. Die MaBnahme muss zur Aufrechterhaltung der Anstaltssicherheit oder zur Abwehr einer schwerwiegenden Ordnungsstorung nicht nur geeignet und erforder290 Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 4 Rdn. 2 1 .
291 AK-Feest/Lesting, 2006, § 4 Rdn. 10. 292 O L G Koblenz, N S t Z 1991, S. 304. 293 L G Augsburg, ZfStrVo 1998, S. 113; Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 4 Rdn. 2 1 .
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3 Vollzugsaufgaben und Gestaltungsprinzipien
lich, sondem auch unerlasslich sein. Es darf also im konkreten Fall keine andere Moglichkeit zur erfolgreichen Gefahrenabwehr geben als die auf § 4 Abs. 2 S. 2 StVollzG gegriindete Einschrankung der Freiheit des Inhaftierten. Beispiel: Der im geschlossenen Vollzug untergebrachte Strafgefangene K ist Inhaber einer Firma sowie Geschaftsfuhrer einer juristischen Person englischen Rechts. Fine Gestattung der Selbstbeschaftigung wahrend der Arbeitszeit i.S.d. § 39 Abs. 2 StVollzG besteht nicht. In seiner Funktion als Firmeninhaber bzw. Geschaftsfuhrer erhalt K in der Justizvollzugsanstalt umfangreiche Brief- und Postsendungen. Die Abwicklung dieser Geschaftspost iibersteigt die personellen und sachlichen Moglichkeiten der Anstalt. Die fur die Briefkontrolle zustandigen Vollzugsbediensteten sind im Wesentlichen mit der Abwicklung der zahlreich eingehenden Post des K beschaftigt. Dies hat auch dazu gefUhrt, dass K inzwischen iiber 30 Kisten Habe verfiigt. Das LG Bonn^^"^ bestatigte die RechtmaBigkeit einer Entscheidung der Anstaltsleitung, in der diese - gestiitzt auf § 4 Abs. 2 S. 2 StVollzG - dem K die Fuhrung seines Untemehmens und damit die Abwicklung der Geschaftspost in der Freizeit verboten und die Briefe und Pakete an die Absender zuruckgesandt hat. Zwar normieren §§28 und 33 StVollzG, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang ein Strafgefangener Briefe und Pakete erhalten darf In der Sache ging es dem K jedoch darum, durch den Postempfang sein Untemehmen zu verwalten. Die Entscheidung der Anstaltsleitung beinhaltete somit die Untersagung der Untemehmensfuhrung in Haft. Diese Frage regelt aber § 39 Abs. 2 StVollzG nur fur den Bereich der erlaubten Selbstbeschaftigung wahrend der Arbeitszeit. Keine gesetzliche Regelung existiert indes fur die Fuhrung von Untemehmen wahrend der Freizeit. Inwieweit eine solche Freizeitbeschaftigung ganzlich untersagt werden darf, bestimmen auch §§67 S. 1, 70 StVollzG nicht. Es konnte deshalb auf § 4 Abs. 2 S. 2 StVollzG zurtickgegriffen werden. Der schwerwiegenden Gefahrdung der Ordnung in der Anstalt vermochte nur durch das ausgesprochene Verbot begegnet zu werden. Einem Strafgefangenen als Untemehmer steht es frei, seine Geschaftspost auBerhalb der Einrichtung durch einen Bevollmachtigten abwickeln zu lassen.
LG Bonn, NStZ 1988, S. 245.
4 Personelle Rahmenbedingungen des Behandlungsprozesses
Die Personalstruktur der Anstalt (§§ 154 bis 165 StVoUzG) nimmt Einfluss auf die 251 Gestaltung des Strafvollzugs als ein moglichst umfassendes Kommunikations- und Interaktionsfeld. Ein den VoUzugsaufgaben entsprechend zusammengesetzter und gegliederter Vollzugsstab^ kann das Geschehen in der Institution mit den Gefangenen vollzugszielorientiert einrichten. Das Strafvollzugsgesetz enthalt deshalb mit § 154 Abs. 1 eine Kooperationsklausel, wonach alle im Vollzug Tatigen gemeinsam an der Aufgabenerfiillung mitarbeiten.^ Neben den Vollzugsbeamten und den nebenamtlich Beschaftigten (§ 155 Abs. 1 StVollzG) wirken Anstaltsbeirate an der Vollzugsgestaltung und Gefangenenbetreuung mit (§§ 162 bis 165 StVollzG). GemaB § 154 Abs. 2 S. 2 StVollzG sollen die Vollzugsbehorden zudem mit Personen und Vereinen kooperieren, deren Einfluss die Eingliederung der Verurteilten fordem kann (ehrenamtliche Vollzugshelfer). § 154 Abs. 2 S. 1 StVollzG gebietet dariiber hinaus ausdriicklich die Zusammenarbeit mit den Verbanden der freien Wohlfahrtspflege.^ Die personelle Anstaltsstruktur umfasst ferner die Beteiligung der Inhaftierten, die nicht nur i.S.d. § 4 Abs. 1 StVollzG selbst an ihrer Behandlung mitwirken, sondem auch kollektive Mitverantwortung tragen (§160 StVollzG). Einfluss auf das Geschehen in den Strafanstalten nimmt schlieBHch die Aufsichtsbehorde (§151 StVollzG).
4.1 Beamte der Aufsichtsbehorde Da der Strafvollzug Landersache ist, existiert kein Bundesstrafvollzug. Damit be- 252 sitzt jedes Bundesland sein eigenes Strafvollzugssystem. Auf der vertikalen Vollzugsebene besteht in den Bundeslandem ein zweistufiger Verwaltungsaufbau. Nach § 151 Abs. 1 S. 1 StVollzG fiihren die Aufsicht iiber die Justizvollzugsanstalten die Landesjustizverwaltungen. Das sind jeweils Abteilungen in den Justizministerien, wobei auch hier eine Organisationsvielfalt besteht."*
Hierzu Rotthaus K., 1999, S. 187 ff Zu Vorschlagen einer Reform von Organisation und Management des Strafvollzugs siehe Fliigge/Maelicke/Preusker, 2001. Dazu Miiller-Dietz, 1997a, S. 35 ff Vgl. Schwind/Bohm/Jehle/Koepsel/Steinhilper, 2005, § 151 Rdn. 2.
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4 Personelle Rahmenbedingungen des Behandlungsprozesses
Im Bundesland Nordrhein-Westfalen gab es bislang ein dreistufiges System. Dort waren nach § 151 Abs. 1 S. 2 StVollzG Aufsichtsbefugnisse auf ein Justizvollzugsamt als mittlere Behorde ubertragen. Die Auflosung dieses Landesjustizvollzugsamts in Wuppertal wurde zu Beginn des Jahres 2006 beschlossen.^ Der Verzicht auf eine solche Mittelbehorde verktirzt die Entscheidungswege und gewahrleistet eine Nahe des Ministeriums zur Vollzugspraxis. Durch Aufstellung eines Vollstreckungsplans bestimmt die Landesjustizverwaltung die ortliche und sachliche Zustandigkeit der Anstalten (§ 152 Abs. 1 StVollzG) und setzt nach § 145 StVollzG deren Belegungsfahigkeit fest. Sie kann sich die Entscheidung iiber Verlegungen vorbehalten oder diese Befugnis einer zentralen Stelle ubertragen (§ 153 StVollzG). 1st eine disziplinarrechtlich relevante Verfehlung eines Strafgefangenen zu ahnden, die sich gegen den Leiter einer Vollzugsanstalt richtete, entscheidet nicht dieser selbst nach § 105 Abs. 1 S. 1 StVollzG. Um einer Befangenheit vorzubeugen, liegt in einem solchen Fall die Disziplinarbefugnis nach § 106 Abs. 2 StVollzG bei der Aufsichtsbehorde. 253
Die Landesjustizverwaltung iibt die Dienst- und Fachaufsicht^ aus. Dabei verfiigt sie - von den gesetzlich ausdriicklich geregelten Fallen abgesehen - iiber kein allgemeines Selbsteintrittsrecht, d.h. sie darf die Entscheidungsbefugnis des Anstaltsleiters nicht fiir bestimmte Sachverhalte durch Erlasse an sich ziehen.'^ In Ausnahmefallen steht ihr aber ein Durchgriffsrecht als Ausfluss ihrer Weisungsbefugnis als tibergeordnete Behorde zu, wenn nur dadurch ein rechtmaBiger Strafvollzug in einer Anstalt gewahrleistet ist.^ Die Aufsichtsbehorde kann durch Verwaltungsvorschriften und AUgemeinverfiigungen innerdienstliche Richtlinien (ohne AuBenwirkung) zum Zweck einer gleichmaBigen Ermessensausiibung aufstellen. Bestimmte Entscheidungen vermag sie von ihrer Zustimmung abhangig zu machen (z.B. die Gewahrung von Hafturlaub fiir zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilte gem. VV Nr. 7 Abs. 3 S. 3 zu § 13 StVollzG). Nach § 151 Abs. 2 StVollzG hat die Landesbehorde an der Ausiibung der Aufsicht Fachkrafte fiir die Bereiche Sozialarbeit, Weiterbildung, Gesundheitsfiirsorge und Behandlung zu beteiligen. 254 Beschrankt sich die Tatigkeit der Aufsichtsbehorde weitgehend auf eine Rahmenplanung und Globalsteuerung^, so steht dem einzelnen Gefangenen jedoch hinsichtlich der Vertreter der Aufsichtsbehorde ein Gesprachs- und Anhorungsrecht zu. Nach VV Nr. 1 zu § 151 StVollzG sollen die Vollzugsanstalten so haufig von Beamten der Aufsichtsbehorde besichtigt werden, dass diese stets iiber den gesamten Vollzug unterrichtet bleibt.^^ Bei jedem derartigen Anstaltsbesuch ist gem. § 108 Abs. 2 StVollzG zu gewahrleisten, dass der Inhaftierte seine Angelegenheiten in Abwesenheit der Vollzugsbediensteten^' vortragen kann. Siehe Mitteilung in ZfStrVo 2006, S. 105. Dazu Steinhilper/Steinhilper, 2005, S. 19 ff. Bohm, 2003, S. 40. Dazu Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 24 Rdn. 19. Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 151 Rdn. 2. DazuinKap. 8.1.2. Schwind/Bohm/Jehle/Schuler, 2005, § 108 Rdn. 5.
4.2 Der Vollzugsstab in einer Anstalt
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4.2 Der Vollzugsstab in einer Anstalt In dem zweistufigen Verwaltungsaufbau stellt die Justizvollzugsanstalt die untere 255 Verwaltungseinheit dar. Je selbstandiger diese VoUzugsbehorde handeln und entscheiden kaiin, desto eigenverantwortlicher vermag sie ihre Aufgaben durchzufuhren. Im Rahmen der Budgetierung wird es heute den Einrichtungen durch Zuweisung pauschaler Finanzmittel fur bestimmte Zeitraume ermoglicht, flexibel zu agieren.^^ Das StrafvoUzugsgesetz belasst es in den §§154 ff. bei einer nur partiellen Regelung der personellen Anstaltsstruktur. Es legt in § 156 Abs. 1 fest, dass jede Justizvollzugsanstalt von einem Beamten des hoheren Dienstes (bei Vorliegen besonderer Griinde des gehobenen Dienstes) hauptamtlich zu leiten ist und normiert mit § 155 Abs. 1 S. 1 den Grundsatz der Wahmehmung von Vollzugsaufgaben durch VoUzugsbeamte. Dies entspricht dem Charakter des Strafvollzugs als Bereich staatlicher Rechts- und Freiheitsbeschrankungen. GemaB Art. 33 Abs. 4 GG, § 2 Abs. 3 BRRG bleibt die Ausubung hoheitlicher Befugnisse als standige Aufgabe regelmaBig Beamten zu iibertragen^^, die in einem offentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhaltnis stehen. Da der Bund jedoch fiir das Beamtenrecht nur die Kompetenz zum Erlass von Rahmenvorschriften besitzt (Art. 75 Abs. 1 Nr. 1 GG), belasst es das StrafvoUzugsgesetz bei einigen grundlegenden Regelungen. Denn die Festlegung von Anforderungen fiir Einstellung, Ausbildung und Fortbildung von Vollzugsbeamten fallt in die Zustandigkeit der Bundeslander. Das Prinzip der Aufgabenwahmehmung durch VoUzugsbeamte kann nach § 155 Abs. 1 S. 2 StVollzG insoweit durchbrochen werden, als diese in Ausnahmefallen bei Vorliegen besonderer Griinde durch andere Personen hauptamtlich (z.B. Angestellte) oder nebenamtlich (z.B. bei Arzten, Lehrem oder sonstigem Fachpersonal) erfolgt. Die im Strafvollzug notwendigen Mitarbeiter der verschiedenen Berufszweige 256 sind in § 155 Abs. 2 2. Halbs. StVollzG aufgezahlt. Dabei handelt es sich nicht um eine abschlieBende („namentlich") Benennung, so dass - je nach Behandlungserfordemissen - auch eine Heranziehung anderer Fachkrafte moglich bleibt. Eine Gesamtbetrachtung der §§154 ff. StVollzG ergibt folgende Zusammensetzung des VoUzugsstabs: - Anstaltsleiter und dessen Stellvertreter, - Verwaltungsdienst, - allgemeiner VoUzugsdienst, - Werkdienst, - Sozialstab: - Seelsorger, - Arzte und Krankenpfleger, - Padagogen (Lehrer),
'2 Bohm, 2003, S. 40. '^ Zur Ubertragung von Vollzugsaufgaben auf Private siehe Kap. 1.5.2.
128 257
4 Personelle Rahmenbedingungen des Behandlungsprozesses Psychologen, Sozialarbeiter und Sozialpadagogen.
§ 155 Abs. 2 1. Halbs. StVollzG verpflichtet die Landesjustizverwaltungen zu einer im Hinblick auf ihre Aufgabenerfiillung zureichenden personellen Ausstattung der Strafanstalten. Allerdings zeigt sich in der Praxis noch eine deutliche Dominanz des mit kustodialen Funktionen betrauten Personals gegeniiber den betreuend tatigen Mitgliedem des Sozialstabs.^"* Ftir die am 31.3.2005 in bayerischen Justizvollzugsanstalten untergebrachten 11 756 Gefangenen stand en im Jahr 2005 insgesamt 4 980 Stellen zur Verfiigung. Diese gliederten sich folgendermaBen:^^ Tabelle 4.1. Gliederung der insgesamt 4 980 Stellen in bayerischen Justizvollzugsanstalten im Jahr 2005 Hoherer Vollzugs- und Verwaltungsdienst Psychologen Arzte Seelsorger Lehrer Sozialarbeiter Gehobener Vollzugsverwaltungsdienst Mittlerer Verwaltungsdienst Werkdienst Allgemeiner Vollzugsdienst Arbeiter und Sonstige
56 57 43 26 47 125 174 307 451 3 640 54
(Vor allem in kleineren Anstalten wurden daneben bei Arzten, Geistlichen, Psychologen und Lehrem auch nebenamtliche Krafte eingesetzt. Hinzu kamen noch 158 Stellen fiir Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst.) 258
Strafvollzugsbeamte nehmen keine Aufgaben der Strafverfolgung wahr, obwohl sie im weiteren Sinne mit der Strafe befasst sind und der Strafvollzug zum Gesamtbereich der Strafrechtspflege zahlt. Fiir die VoUzugsbediensteten besteht jedoch keine allgemeine Pflicht zur Anzeige der ihnen bekannt gewordenen Straftaten. Auch aus den Dienst- und Verwaltungsvorschriften folgt keine entsprechende Verpflichtung, die eine Garantenstellung zur Wahmehmung von Belangen der Strafverfolgung begriinden konnte.'^ Weder ein Anstaltsleiter noch das iibrige Vollzugspersonal machen sich daher wegen Strafvereitelung gem. §§ 258, 258a StGB durch Unterlassen strafbar, wenn sie von Inhaftierten begangene Straftaten nicht zur Anzeige bringen^"^ oder von Anstaltsbediensteten an Gefangenen veriibte Delikte nicht den Strafverfolgungsbehorden mitteilen.^^ Eine Garantenpflicht lasst 14 1^ 16 1^ 18
Vgl. auch Hohage/Walter/Neubacher, 2000, S. 136 ff Bayer. Staatsministerium der Justiz, 2005, S. 37. BGH, NJW 1997, S. 2060; Seebode, 1998, S. 338 ff; Wagner B., 1992a, S. 518. Kiipper, 1996, S. 524; Verrel, 2003, S. 595 ff BGH, NJW 1997, S. 2059; Rudolphi, 1997, S. 599 ff
4.2 Der Vollzugsstab in einer Anstalt
129
sich nicht aus § 2 StVollzG herleiten. Zwar zahlen zur Allgemeinheit i.S.d. § 2 S. 2 StVollzG auch die Mitgefangenen bzw. die VoUzugsbediensteten selbst. Aus der Sicherungsaufgabe und der sich daraus ergebenden Pflicht zur Verhinderung neuer Straftaten ergibt sich jedoch keine Pflicht zur Anzeigeerstattung.^^ Die Angehorigen des Anstaltspersonals sind damit Garanten des staatlichen Strafanspruchs nur im Hinblick auf bereits rechtskraftig abgeurteilte oder neu zu verhindemde^o Delikte.^^ Im Ubrigen unterliegt das Anstaltspersonal bei seiner Tatigkeit der allgemeinen 259 strafrechtlichen Haftung.^^ I.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB nehmen sie eine Sonderstellung als Amtstrager ein, so dass fiir sie zudem die Amtsdelikte gelten. Dies betrifft etwa die Korperverletzung im Amt gem. § 340 StGB oder Vorteilsaimahme oder Bestechlichkeit nach §§331, 332 StGB in Korruptionsfallen.^^ Durch den Tatbestand des Sexuellen Missbrauchs von Gefangenen gem. 259a § 174a Abs. 1 StGB^"^ besonders geschtitzt hat der Gesetzgeber das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung Inhaftierter (sowie auf behordliche Anordnung Verwahrter), weil diese aufgrund ihrer Eingliederung in die besonderen Anstaltsverhaltnisse in ihrer Handlungs- und Entscheidungsfreiheit eingeengt und deshalb dort einem seine Amtsstellung missbrauchenden Tater besonders ausgeliefert sein konnen. Zugleich soil durch die Norm ausgeschlossen werden, dass Inhaftierte selbst der Versuchung erliegen, ihre Lage in der Einrichtung durch Duldung von Sexualkontakten seitens des Anstaltspersonals zu verbessem. § 174a Abs. 1 StGB setzt voraus, dass das Opfer dem Tater „zur Beaufsichtigung anvertraut" ist. Dies kann aber nicht eine Begrenzung auf die Dienstzeit und auf das Bestehen eines konkreten dienstlichen Auftrags bedeuten. Beispiel: Justizvollzugsbeamter J versah seinen Dienst in der Justizvollzugsanstalt H. Dort war es seine Aufgabe, die in der Mannerabteilung Inhaftierten zu bewachen. Die Beaufsichtigung der weiblichen Gefangenen gehorte nicht zu seinem Aufgabenbereich. Bedingt durch UmbaumaBnahmen in der Einrichtung verfugte J tiber einen Schliissel, mit dem er sich - ohne dazu befugt zu sein - auch Zutritt zur Frauenabteilung und den dortigen Haftraumen verschaffen konnte. J suchte die im Frauentrakt der Anstalt inhaftierte Strafgefangene E in ihrer Zelle auf und vollzog mit ihr den Geschlechtsverkehr. Eine Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs einer Gefangenen kam nach Ansicht des BGH^^ nicht in Betracht. E war nach Ansicht des Gerichts dem J nicht i.S.d. § 174a Abs. 1 StGB zur Beaufsichtigung oder Betreuung anvertraut.
^9 A A Klesczewski, 1996, S. 103 f; ders., 1998, S: 313 ff; OLG Hamburg, ZfStrVo 1996, S. 371. 20 BGH, N J W 2004, S. 1399. 21 Geppert, JK 1996, StGB § 258/9; siehe auch Kubink, 1996, S. 375. 22 Zur Strafbarkeit eines Anstaltsleiters bei Lockerungsentscheidungen unten Kap. 5.4.8. 2^ Z u m Thema Korruption i m Strafvollzug Alex, 2005, S. 34 f; Bruhn/Mischkowitz, 2 0 0 1 , S. 261 ff; siehe auch Suddeutsche ZeiUing v. 17.3.2006, S. 39: „Haftlinge bekommen Sex und Doner auf Bestellung". 24 Dazu Laubenthal, 2000, S. 85 ff; ders., 2002b, S. 359 ff 25 B G H , NStZ 1993, S. 223.
130
4 Personelle Rahmenbedingungen des Behandlungsprozesses
Eine solche einschrankende Interpretation wird zum einen nicht dem Schutz der individuellen Entscheidungsfreiheit des Inhaftierten zur Vomahme oder Duldung sexueller Handlungen gerecht. Zum anderen beziehen sich im Strafvollzug die dienstlichen Obliegenheiten des Einzelnen nicht nur auf die ihm speziell zugewiesenen Aufgaben. Alle Vollzugsangehorigen treten den Gefangenen als Vertreter staatlicher Macht gegentiber. Femer bestimmt Nr. 1 Abs. 1 DSVoUz, „dass jeder von ihnen neben seinen besonderen Aufgaben dazu mitberufen ist, die Aufgaben des Vollzuges (§ 2 StVollzG) zu verwirklichen." Zu diesen gehort auch die Anstaltssicherheit, so dass sich insoweit die Aufgaben letztlich stets auf den Gesamtbereich einer Einrichtung erstrecken.^^ 259b VoUzugsbedienstete konnen sich auch wegen Gefangenenbefreiung im Amt gem. § 120 Abs. 2 StGB strafbar machen. Der Tatbestand des § 120 Abs. 1 umfasst drei Altemativen: die Befreiung eines Gefangenen, das Verleiten zum oder die Forderung beim Entweichen. Unter Befreiung ist die Aufhebung der staatlichen Gewalt trotz fortbestehenden Haftrechts zu verstehen, wahrend die beiden anderen Tathandlungen zur selbstandigen Taterschaft erhobene Anstiftungs- und Beihilfeaktivitaten darstellen.^"^ Damit tragt das Gesetz der Tatsache Rechnung, dass die Selbstbefreiung straflos bleibt, mithin zu dieser nicht in strafrechtlich fassbarer Weise Anstiftung oder Beihilfe i.S.d. §§ 26, 27 StGB geleistet werden kann. Eine Anstiftung oder Beihilfe bleibt aber moglich zu den zur Taterschaft verselbstandigten Verleitungs- und Forderungstaten. Trifft den Tater als Amtstrager oder als fur den offentlichen Dienst besonders Verpflichteter - etwa als mit der Beaufsichtigung oder Bewachung der Gefangenen betrauter Vollzugsbediensteter (§ 155 StVollzG), also nicht z.B. als Anstaltsarzt oder -geistlicher^^ - die Pflicht, das Entweichen eines Gefangenen zu verhindem, greift der Qualifikationstatbestand des § 120 Abs. 2 StGB ein. Dieser kann auch durch Unterlassen (§13 StGB) verwirklicht werden.^^ Die besondere Pflichtenstellung bildet dabei ein (strafscharfendes) besonderes personliches Merkmal i.S.d. § 28 Abs. 2 StGB. Davon zu unterscheiden hat man die Konstellation, in der der Tater zwar den amtlichen Gewahrsam zu garantieren hat, jedoch nicht die besonderen personlichen Voraussetzungen des § 120 Abs. 2 StGB erfiillt. Das betrifft etwa den Untemehmer, der Gefangene beschaftigt. Dieser kann sich nach §§120 Abs. 1, 13 StGB strafbar machen. ^°
26 27 28 29 3^
Laubenthal, 2002b, S. 364. LK-v. Bubnoff, 1994, § 120 Rdn. 25 f Trondle/Fischer, 2006, § 120 Rdn. 8. Lackner/Kuhl, 2004, § 120 Rdn. 12. LK-v. Bubnoff, 1994, § 120 Rdn. 32.
4.3 Die Anstaltsleitung
131
4.3 Die Anstaltsleitung Nach § 156 StVollzG wird jede Justizvollzugsanstalt von einem Beamten des ho- 260 heren Dienstes hauptamtlich geleitet; bei kleineren Einrichtungen (z.B. an groBere Institutionen angeschlossenen Zweiganstalten) kann dazu ein Beamter des gehobenen Dienstes bestellt werden.^^ § 156 StVollzG nomiiert kein Juristenmonopol, so dass auch Angehorige anderer Fachrichtungen (z.B. Psychologen) in Betracht kommen.^2 GemaB VV Nr. 1 zu § 156 StVollzG bestimmt die Aufsichtsbehorde einen Vertreter des Anstaltsleiters. Der Anstaltsleiter vertritt die Institution nach auBen. Auch im Innenverhaltnis tragt er grundsatzlich die Verantwortung fiir alle Belange des Vollzugs. Auf den ersten Blick geht das Strafvollzugsgesetz von einer monokratischen 261 Leitung aus^^, die ganz im Gegensatz zu dem Idealbild des Strafvollzugs als Problem losende Gemeinschaft steht.^"^ Dem Anstaltsleiter obliegen alle Funktionen, die mit der Fiihrung einer Strafanstalt verbunden sind.^^ Als Spitze einer Behorde steht er mit dem VoUzugsstab einem Personalkorper vor. Zugleich verantwortet er die Verwaltung der Gebaude. Aufgrund seiner obersten Position in einem hierarchischen Aufbau stellt er die alleinige Verbindung zur Aufsichtsbehorde dar. Er leitet femer die Anstaltskonferenzen (§159 StVollzG) und flihrt Sprechstunden durch, in denen sich jeder Inhaftierte mit seine Angelegenheiten betreffenden Wiinschen, Anregungen und Beschwerden an ihn wenden kann (§ 108 Abs. 1 StVollzG).^^ In Bezug auf die Gefangenen benennt das Strafvollzugsgesetz den Anstaltslei- 262 ter vielfach ausdriicklich als Entscheidungsinstanz: GemaB § 14 StVollzG kann er z.B. den Inhaftierten fur Vollzugslockerungen und Hafturlaub Weisungen erteilen oder die MaBnahmen widerrufen. Er trifft nach § 17 Abs. 2 StVollzG Regelungen fiir die Teilnahme an gemeinschaftlichen Veranstaltungen. Er gestattet das Tragen von eigener Kleidung bei der Ausfuhrung eines Gefangenen (§ 20 Abs. 2 StVollzG). Er kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 25 StVollzG Besuche und gem. § 28 Abs. 2 StVollzG den Schriftwechsel mit bestimmten Personen untersagen sowie Schreiben anhalten (§ 31 StVollzG). Aus wichtigem Anlass vermag er einem Verurteilten nach § 35 StVollzG Urlaub, Ausgang bzw. Ausfuhrung zu gewahren. GemaB § 102 StVollzG besitzt er die Kompetenz zur Anordnung von DisziplinarmaBnahmen. Er erlasst eine Hausordnung i.S.d. § 161 StVollzG.
3^ Krit. Schwind/Bohm/Jehle/RotthausAVydra, 2005, § 156 Rdn. 3. 32 Siehe Koepsel, 1994, S. 134 ff
33 Zur Entwicklung und zu Altematiworstellungen siehe Miiller-Dietz, 1978, S. 268 ff; krit. zur gesetzlichen Regelung Kamann, 1997, S. 81 ff 34 Siehe obenKap. 3.1.2.1. 35 Dazu auch Preusker, 1988, S. 118 ff; Winchenbach, 1985, S. 125 ff; zur Diskussion unterschiedlicher Organisationsmodelle: Fliigge/Maelicke/Preusker, 2 0 0 1 ; Ohler, 1977,
S. 60 ff 36 Dazu in Kap. 8.1.1.
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4 Personelle Rahmenbedingungen des Behandlungsprozesses
263
Die explizite Bezeichnung des Anstaltsleiters in den einzelnen Normen darf nicht zu dem Schluss ftihren, seine Befugnisse seien insoweit abschlieBend normiert. Es muss vielmehr grundsatzlich von dessen Allzustandigkeit ausgegangen werden, d.h. der Anstaltsleiter bleibt selbst dann zustandig, wenn er in einzelnen Vorschriften nicht als Entscheidungsinstanz genannt ist. 264 Das Strafvollzugsgesetz lasst es jedoch zu, dass die monokratisch-hierarchische Struktur durch Delegation von Aufgabenbereichen eine Auflockerung erfahrt und es damit zu einer Dezentralisierung der Anstaltsleitung kommt. Dem Anstaltsleiter wird durch §§156 und 159 StVollzG die Moglichkeit zur Schaffung kooperativer Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen eroffnet. So sind nach § 159 StVollzG zur Vorbereitung wichtiger Entscheidungen Vollzugskonferenzen mit den an der Behandlung Beteiligten durchzufuhren und es sollen in regelmaBigen Abstanden Dienstbesprechungen stattfinden (VV zu § 159 StVollzG). § 156 Abs. 2 S. 2 2. Halbs. StVollzG raumt zudem die Befugnis ein, an sich in die Zustandigkeit des Anstaltsleiters fallende Aufgabenbereiche der Verantwortung anderer Vollzugsbediensteter oder ihrer gemeinsamen Verantwortung zu tibertragen. Es ist somit eine Delegation entweder auf einzelne Mitarbeiter oder auf ein Gremium (Leitungsteam oder Konferenz) moglich. 265 Macht der Anstaltsleiter von § 156 Abs. 2 S. 2 2. Halbs. StVollzG Gebrauch wozu er schon im Hinblick auf die Kooperationsklausel des § 154 Abs. 1 StVollzG verpflichtet sein sollte^^- hat er die jeweiligen Entscheidungsbefugnisse in einem allgemeinen Organisationsplan schriftlich festzulegen ( W Nr. 2 Abs. 1 zu § 156 StVollzG). Die Moglichkeit zur Ubertragung umfasst nahezu alle einzelnen Aufgabenbereiche. Nicht delegiert werden kann aber die Gesamtverantwortung. Auch besondere - mit massiven Freiheitsbeschrankungen verbundene MaBnahmen, die zur Sanktionsgewalt des Anstaltsleiters gehoren, sollen bei ihm verbleiben. GemaB § 156 Abs. 3 StVollzG diirfen deshalb die Befugnisse zur Durchsuchung nach § 84 Abs. 2 StVollzG, zur Anordnung besonderer SicherungsmaBnahmen nach § 88 StVollzG und von DisziplinarmaBnahmen i.S.d. § 103 StVollzG nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehorde iibertragen werden. In Widerspruch zu der durch § 156 Abs. 3 StVollzG begrenzten Regelung eines Zustimmungserfordemisses seitens der Aufsichtsbehorde sieht VV Nr. 4 zu § 156 StVollzG ein Einverstandnis der Aufsichtsbehorde auch bei der Ubertragung von bestimmten anderen Aufgabenbereichen nach § 156 Abs. 2 S. 2 2. Halbs. StVollzG vor. Dies birgt die Gefahr einer unangebrachten Beeintrachtigung der gesetzlichen Befugnisse des Anstaltsleiters sowie der Organisations- und Behandlungsbediirfhisse in den einzelnen Justizvollzugsanstalten.38
266
Nicht delegieren nach § 156 Abs. 2 S. 2 StVollzG darf der Anstaltsleiter den Erlass der Hausordnung nach § 161 StVollzG.^^ Diese stellt allerdings keine unmittelbare Grundlage far Rechtsbeschrankungen des Inhaftierten dar. Sie dient vielmehr dazu, „eine Vielzahl wichtiger Vorschriften, die in das Gesetz mit Riick37 38
AK-Feest/Hoffmann, 2006, vor § 154 Rdn. 5, § 156 Rdn. 6. Krit. auch Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 156 Rdn. 6; befurwortend allerdings Schwind/ Bohm/Jehle/Rotthaus/Wydra, 2005, § 156 Rdn. 6. Calliess, 1992,S.47.
4.4 Anstaltspersonal
133
sicht auf die Unterschiede in den ortlichen Verhaltnissen nicht eingestellt werden konnen, auf ortlicher Ebene im Wege der Selbstbindung der Verwaltung zu treffen und sie alien Beteiligten bekannt zu machen.""*^ Mit der Hausordnung konkretisiert der Anstaltsleiter dem nicht abschlieBend geregelten Katalog des § 161 Abs. 2 StVollzG gemaB fiir die von ihm gefiihrte Institution folgende Bereiche: § 24 Abs. 1 StVollzG (Besuchszeiten, Haufigkeit und Dauer der Besuche), § 41 StVollzG (die Arbeitszeit), § 17 Abs. 2 StVollzG (die Freizeit), § 18 StVollzG (die Ruhezeit), § 108 Abs. 1 StVollzG (die Gelegenheiten, Antrage oder Beschwerden beim Anstaltsleiter vorzubringen), § 108 Abs. 2 StVollzG (die Gelegenheiten, sich an den Vertreter der Aufsichtsbehorde bei dessen Anstaltsbesuchen zu wenden). Mit Hilfe der Hausordnung konnen iiber Prazisierungen hinausgehend jedoch keine neuen - im Strafvollzugsgesetz nicht bereits enthaltenen - Pflichten und Eingriffsbefugnisse begriindet werden. Die vom Anstaltsleiter erlassene Hausordnung bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehorde (§161 Abs. 1 S. 2 StVollzG). Bin Abdruck ist gem. § 161 Abs. 3 StVollzG in jedem Haftraum auszulegen. Denn ein schuldhafter VerstoB gegen eine darin enthaltene Vorschrift stellt die Verletzung einer aufgrund des Gesetzes auferlegten Pflicht i.S.d. § 102 Abs. 1 StVollzG dar und kann mit DisziplinarmaBnahmen geahndet werden.
4.4 Anstaltspersonal Abgesehen von der Seelsorge (§ 157 StVollzG) und der medizinischen Versor- 267 gung (§158 StVollzG) finden sich im Strafvollzugsgesetz keine naheren Regelungen zu Funktionsbeschreibungen der einzelnen Berufsgruppen in der Justizvollzugsanstalt. In § 155 Abs. 2 StVollzG beschrankt sich der Bundesgesetzgeber auf eine bloBe Unterteilung der Aufgaben nach liberkommenem Muster: Verwaltungsdienst, allgemeiner Vollzugsdienst, Werkdienst und Sozialstab. Die nahere Ausgestaltung der Tatigkeiten der verschiedenen Dienste bleibt damit den Landem iiberlassen. Diese haben neben den VVStVollzG vor allem in den ebenfalls bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften der Vollzugsgeschaftsordnung (VGO) und der Dienst- und Sicherheitsvorschriften fiir den Strafvollzug (DSVollz) sowie mittels erganzender Richtlinien einzelner Bundeslander^^ die jeweiligen Funktionsbereiche und Pflichten festgelegt. Differenziert das Gesetz aus organisatorischen Notwendigkeiten zwischen ver- 268 schiedenen Diensten im Vollzug, so sollte die Erledigung ihrer funktionsspezifischen Aufgaben zu moglichst geringen Reibungsverlusten untereinander fiihren. Denn die Kooperationsklausel des § 154 Abs. 1 StVollzG verpflichtet alle Personalgruppen zur Zusammenarbeit und zur Mitwirkung an der Erfullung der Vollzugsaufgaben, die vom Vollzugsziel des § 2 S. 1 StVollzG beherrscht werden. Damit gehort die Trennung zwischen einem nur an der Gewahrleistung von Si-
BT-Drs. 7/918, S. 97. Vgl. Z.B. BayVV-VGO, Bek. v. 2.11.1976, in: BayJMBl. 1976, S. 352.
134
4 Personelle Rahmenbedingungen des Behandlungsprozesses
cherheit und Ordnung ausgerichteten Aufsichtsdienst einerseits und mit BehandlungsmaBnahmen betrauten Beamten andererseits der Vergangenheit an. 269 Die Kooperationsklausel findet ihre organisatorische Erganzung in § 159 StVollzG. Der Anstaltsleiter wird verpflichtet, zur Aufstellung und Uberpriifung der VoUzugsplane sowie zur Vorbereitung wichtiger Vollzugsentscheidungen regelmaBige Konferenzen mit alien an der Behandlung maBgeblich Beteiligten durchzufiihren. Damit stellt sich die VoUzugskonferenz als ein bedeutendes Leitungsorgan in der Anstalt dar, das jedoch die Gesamtverantwortung des Anstaltsleiters nach § 156 StVollzG nicht tangiert/^ Das Gesetz unterscheidet zwischen - Behandlungs- (oder Vollzugsplan-)Konferenz und -- Organisationskonferenz. MaBgeblich an der Behandlung i.S.d. § 159 StVollzG beteiligt sind alle Mitarbeiter des Vollzugsstabs, die behandlungsorientierte Funktionen ausiiben - also auch die Mitarbeiter des allgemeinen Vollzugsdienstes/^ An Organisationskonferenzen nehmen diejenigen Bediensteten teil, die in ihren Aufgabenbereichen durch die jeweils zu beratenden Fragen betroffen sind. 4.4.1 Verwaltungsdienst 270 Zum Verwaltungsdienst zahlen alle Funktionen, die „der Schaffung und Erhaltung der organisatorischen, personellen und baulichen Voraussetzungen fur die Behandlung der Gefangenen dienen.""^"* Der Anstaltsleiter wird bei seiner Tatigkeit an der Spitze der Institution von Mitarbeitem unterstiitzt. Dabei gliedert sich der Verwaltungsdienst - je nach Bundesland unterschiedlich - wiederum in mehrere Dienststellen mit jeweils einem hauptamtlichen Leiter (Beamter des gehobenen Vollzugs- und Verwaltungsdienstes), dem zur Aufgabenerfiillung Bedienstete des mittleren Vollzugs- und Verwaltungsdienstes zur Verfiigung stehen: - Hauptgeschaftsstelle: Fersonalverwaltung der Anstaltsbediensteten. - VoUzugsgeschaftsstelle: Umfang und Inhalt der Tatigkeit bestimmt weitgehend die VGO (insbesondere verwaltungsmaBige Abwicklung des Vollzugs der Freiheitsstrafe in der Anstalt; Fiihrung von Gefangenenpersonalakten und des Buchwerks; Erstellung von Statistiken usw.). - Arbeitsverwaltung: Regelung der Geschafte und Tatigkeiten beziiglich der Arbeit und der beruflichen Weiterbildung der Inhaftierten (z.B. Arbeitsbeschaffung; Errichtung, Organisation und Sicherheit der Anstaltsbetriebe)."^^
42 43 44 45
BaumannJ., 1979,8.57. Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 159 Rdn. 2. Muller-Dietz, 1978, S. 285 f. Umfassend hierzu Gahlen, 1988, S. 133 ff.
4.4 Anstaltspersonal
135
Wirtschaftsverwaltung: Versorgung der Gefangenen (und des Personals) mit Nahrung, Bekleidung und sonstigem Sachbedarf/^ 4.4.2 Allgemeiner Vollzugsdienst Die Beamten des allgemeinen Vollzugsdienstes"*^ stellen in der Strafanstalt die 271 zahlenmaBig groBte Personalgruppe dar. Zu den Gefangenen haben sie im Vollzugsalltag standigen und unmittelbaren Kontakt. Ihre Tatigkeit ist gepragt von einer Vielfalt an Funktionen. GemaB Nr. 12 Abs. 1 DSVollz obliegt vor allem den Bediensteten des allgemeinen Vollzugsdienstes die Beaufsichtigung, Betreuung und Versorgung der Gefangenen. Unter der Fiihrung eines VoUzugsdienstleiters haben sie nach den DSVollz an Aufgaben zu erfiillen: Nr. 12 Abs. 2 DSVollz: - Mitwirkung bei der Aufnahme und Entlassung der Gefangenen, - sichere Unterbringung der Inhaftierten, - Mitwirkung bei der Behandlung, Beurteilung und Freizeitgestaltung, - Sorge fur Ordnung und Sauberkeit in alien Raumen mit ihren Einrichtungs- und Lagerungsgegenstanden, - Sorge fur die Reinlichkeit der Gefangenen, ihrer Wasche und Kleidung, - Mitwirkung bei der Pflege erkrankter Gefangener, - nach ortlichen Bestimmungen die Fiihrung von Buchem, Listen und Nachweisen sowie die Entgegennahme von Antragen. Nr. 20 DSVollz: - Beaufsichtigung der Gefangenen derart, dass Sicherheit und Ordnung jederzeit gewahrleistet sind. Dabei erstreckt sich die Aufsicht insbesondere auf die Vollzahligkeit der Inhaftierten, die Einhaltung der Trennungsvorschriften und die Unterbindung unerlaubten Verhaltens. - Besonders sorgfaltige Beaufsichtigung von gefahrlichen,fluchtverdachtigenund solchen Gefangenen, bei denen die Gefahr des Selbstmordes oder der Selbstverletzung besteht. Die vorgegebene Aufgabenpluralitat von Beaufsichtigung, Betreuung, Versor- 272 gung und Behandlung birgt in der Praxis die Gefahr einer Uberforderung der Beamten. Allein ihre kustodialen Funktionen (z.B. Kontrolle der Haftraume und des Anstaltsgelandes; Pfortendienste, Besetzung von Wachtiirmen, Durchfuhrung korperlicher Untersuchungen von Inhaftierten; Aufsicht bei Besuchen, Hofgang, Ausfuhrungen, AuBenarbeiten; Kontrolle von Briefen und Paketen) nehmen angesichts der Personalknappheit in den Institutionen einen groBen Teil der Dienstzeit in Anspruch und belassen nur wenig Raum fur Behandlungsaktivitaten. Hinzu kommt, dass die auf Sicherheit und Ordnung ausgerichteten MaBnahmen der uniformierten Beamten dem Inhaftierten alltaglich seine Freiheitsbeschrankungen ^6 Vgl. Urban/Mildner, 1988, S. 125 ff ^7 Siehe dazu Bohm, 1995a, S. 31 ff, ders., 2003, S. 53 ff; Henze, 1988, S. 154 ff; Scherer, 2002, S. 100 ff; iiber weibliche Angehorige des allgemeinen Vollzugsdienstes: Bechmann/Bousvaros, 1996, S. 151 ff
136
4 Personelle Rahmenbedingungen des Behandlungsprozesses
verdeutlichen. Dies fiihrt letztlich zu einer fiir den Behandlungsprozess abtraglichen Misstrauensbarriere zwischen Gefangenen und Bediensteten, zu Auseinandersetzungen bis hin zu korperlichen Angriffen auf Beamte/^ 273 Es sind damit vor allem die Mitarbeiter des allgemeinen Vollzugsdienstes, die bei ihrer Tatigkeit permanent in jenem dem StrafvoUzug inharenten Spannungsverhaltnis von Sozialisationsziel einerseits und Sicherheitsaspekten andererseits agieren miissen. Dabei tendieren die Beamten selbst von ihrem Rollenverstandnis her offenbar dazu, weniger als Betreuungsbeamte zu fungieren, sondem Sicherheit und Ordnung eine hohere Bedeutung zuzumessen/^ Eine auf vermehrte Behandlungsaktivitaten gerichtete Verhaltensanforderung seitens der Anstaltsleitung kann deshalb in der Praxis zu Rollenkonflikten bzw. zur Rolleniiberforderung auf der Ebene des allgemeinen Vollzugsdienstes fiihren.^^ 4.4.3 Werkdienst 274 Beamte des Werkdienstes^^ sind in ihrem Beruf durch Meisterpriifung oder gleichartige Ausbildung fachlich qualifizierte Vollzugsbedienstete. Auch fachlich vorgebildete Mitarbeiter des allgemeinen Vollzugsdienstes konnen dazu bestellt werden(Nr. 13 Abs. 1 DSVollz). Die Angehorigen des Werkdienstes fiihren die Betriebe der Arbeitsverwaltung, leiten die Gefangenen dort an und bilden sie aus. Femer obliegt ihnen der technische Dienst, die Uberwachung und Wartung der technischen Anlagen in der Anstalt. Die einzelnen Aufgaben des Werkdienstes ergeben sich aus der DSVollz. Nr. 13Abs. 2DSVollzG: - Erledigung der Arbeitsauftrage nach Weisung des Leiters der Arbeitsverwaltung, - rechtzeitige Zuteilung der Arbeit, der Rohstoffe und der Arbeitsgerate an die Gefangenen, - Abnahme der Arbeit und der Arbeitsgerate am Ende der taglichen Arbeitszeit, - Feststellung des MaBes der von den Gefangenen an jedem Tag geleisteten Arbeit sowie Priifung der abgegebenen Arbeit auf ihre Giite, - Meldung nicht sorgfaltiger oder ungeniigender Arbeit, - unverziigliche Meldung von Betriebsunfallen, - Belehrung der Gefangenen iiber die Arbeitsschutz- und Unfallverhutungsvorschriften sowie Gewahrleistung dieser Vorschriften, - berufliche Ausbildung und Weiterbildung der Gefangenen, - Instandhaltung der Arbeitsgerate und Maschinen, - nach ortlichen Bestimmungen Fiihrung von Biichem, Listen und Nachweisen sowie Entgegennahme von Antragen, - Mitwirkung bei der Behandlung, Beurteilung und Freizeitgestaltung der Gefangenen, - Mitwirkung bei der Beaufsichtigung der zugeteilten Gefangenen.
Moller, 1985, S.23ff Vgl. Losel/Mey/Molitor, 1988, S. 398. Dazu Molitor, 1989, S. 36 ff; Niedt/Stengel, 1988, S. 98. Dazu Bohm, 2003, S. 49; Stemkopf, 1988, S. 138 ff
4.4 Anstaltspersonal
137
Erganzt wird die Funktionsbeschreibung durch Nr. 11 DSVollz, wonach auch durch die Mitarbeiter des Werkdienstes an der Aufrechterhaltung der Sicherheit imd Ordnung in der Institution mitzuwirken ist. Im Gegensatz zu den Beamten des allgemeinen Vollzugsdienstes genieBen diejenigen des Werkdienstes aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation und der mit Arbeit und Ausbildung verbundenen Vorteile in der Praxis bei den Gefangenen haufig ein hoheres Ansehen. 4.4.4 Sozialstab Als Sozialstab oder Sozialdienst wird in der Organisation der Strafanstalt die Ge- 275 samtheit derjenigen Bediensteten besonderer Fachrichtungen^^ bezeichnet, die aufgrund ihrer beruflichen Herkunft und Stellung vorrangig mit Betreuung und Behandlung betraut sind: Seelsorger, Arzte, Padagogen, Psychologen und Sozialarbeiter (§ 155 Abs. 2 StVollzG). Von einigen wenigen Regelungen zur Seelsorge und zur arztlichen Versorgung (§§ 157 und 158 StVollzG) abgesehen, fehlt es jedoch an genaueren gesetzlichen Funktionsbeschreibungen. Da die Benennung der Berufsgruppen in § 155 Abs. 2 StVollzG keine abschlieBende ist, bleibt - soweit dies fiir die Aufgabenerftillung in der Anstalt erforderlich wird - auch die Einstellung gesetzlich nicht angefuhrter Fachleute moglich (z.B. Arbeitstherapeuten, Soziologen). Enthalt sich das Strafvollzugsgesetz zwar weitgehend einer Bezeichnung der einzelnen Aufgabengebiete der Mitarbeiter des Sozialstabs, lasst sich aber teilweise aus den Regelungen der verschiedenen Bereiche des Behandlungsprozesses auf die jeweilige Aufgabenstellung schlieBen: z.B. aus § 38 StVollzG (Unterricht), §§ 53 ff. StVollzG (Religionsausiibung), §§ 56 ff. StVollzG (Gesundheitsfiirsorge), §§ 71 ff. StVollzG (soziale Hilfen). Die Angehorigen des Sozialstabes bilden in den Anstalten eine zahlenmaBig 276 kleine Personalgruppe. Aufgrund ihrer beruflichen Stellung, aber zudem infolge einer eher zuriickhaltenden Tendenz der Beamten des allgemeinen Vollzugsdienstes bei der Mitwirkung an BehandlungsmaBnahmen, bleibt der BehandlungsvoUzug gerade auf die Fachleute des Sozialdienstes angewiesen. Dabei beschrankt sich deren Tatigkeit nicht auf die der fachlichen Qualifikation entsprechende Funktion. Vielmehr hat sich auch die Arbeit des Sozialstabs an der Kooperationsklausel des § 154 Abs. 1 StVollzG zu orientieren. Die einzelnen Mitarbeiter sind zudem an der Behandlung maBgeblich Beteiligte i.S.d. § 159 StVollzG und demgemaB in die Planungs- und Entscheidungsprozesse eingebunden. Die aus § 156 Abs. 2 StVollzG folgende grundsatzliche Allzustandigkeit des Anstaltslei- 277 ters und die damit verbundenen Kompetenzen als Vorgesetzter aller Anstaltsbediensteten sind gegeniiber den Mitarbeitem des Sozialstabs eingeschrankt. Schon deren spezifische Ausbildungsqualifikation lasst von der Sache her nur eine begrenzte Fachaufsicht zu.^^ GemaB VV Nr. 2 Abs. 2 zu § 156 StVollzG kann der Anstaltsleiter deshalb in fachlichen ^2 Dazu Bohm, 2003, S. 50 ff ^2 Zu den Aufgaben der Fachaufsicht: Rotthaus K., 1995, S. 517 ff
138
4 Personelle Rahmenbedingungen des Behandlungsprozesses
Angelegenheiten der Seelsorger, Arzte, Padagogen, Psychologen und Sozialarbeiter - soweit sie sich seiner Beurteilung entziehen - lediglich Anregungen geben und Auskunft verlangen. Dies ergibt sich nicht nur aus der besonderen Fachlichkeit. Hinzu kommt vielmehr, dass Angehorige des Sozialdienstes Trager von Berufsgeheimnissen sind (§ 53 Abs. 1 Nr. 1 und 3 StPO). Ihre Schweigepflicht wird strafrechtlich geschiitzt (§ 203 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 StGB), erfahrt allerdings durch § 182 Abs. 2 S. 2 bis 4 StVollzG eine Begrenzung.^^ Bei einem Konflikt zwischen dem Anstaltsleiter und Fachdiensten im Zusammenhang mit der Durchfiihrung einer MaBnahme kann dieser daher die Angelegenheit nicht an sich Ziehen. Halt er im Einzelfall die Sicherheit seiner Anstalt, die Ordnung der Verwaltung Oder die zweckmaBige Behandlung eines Gefangenen fiir gefahrdet und fiihrt eine Aussprache zwischen den Beteiligten zu keiner Einigung, darf der Anstaltsleiter eine (aufschiebbare) MaBnahme lediglich bis zur Entscheidung der Aufsichtsbehorde aussetzen. 4.4.4.1 Seelsorger 278 Nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 141 WRV sind in den Strafanstalten Religionsgesellschaften zur Vomahme religioser Handlungen zuzulassen.^^ DemgemaB normiert § 157 StVollzG einen organisatorischen Rahmen fur die in §§53 ff. StVollzG^^ naher prazisierte Wahmehmung des Grundrechts auf ungestorte Religionsausiibung (Art. 4 Abs. 2 GG) durch den Gefangenen. Da Seelsorge Angelegenheit der verschiedenen Religionsgemeinschaften ist, wird der Seelsorger nach § 157 Abs. 1 StVollzG im Einvemehmen mit diesen den jeweiligen staatskirchenrechtlichen Regelungen^^ gemaB als Beamter bestellt oder im Nebenamt vertraglich verpflichtet (z.B. der Pfarrer der Gemeinde, in der die Justizvollzugsanstalt liegt). Nach § 155 Abs. 2 StVollzG muss dafur Sorge getragen werden, dass die fiir die Anstalt erforderliche Anzahl von Geistlichen gewahrleistet ist. Gehort in einer Institution nur eine solch kleine Gruppe von Gefangenen einem Bekermtnis an, dass dies eine Beschaftigung i.S.d. § 157 Abs. 1 nicht rechtfertigt, wird nach § 157 Abs. 2 StVollzG die seelsorgerische Betreuung auf anderem Wege (z.B. durch ehrenamtliche Tatigkeit) ermoglicht. Ein Anstaltsgeistlicher darf sich nach § 157 Abs. 3 StVollzG freier Seelsorgehelfer bedienen bzw. fur religiose Veranstaltungen auBen stehende Seelsorger heranziehen. Der Seelsorger nimmt wegen seiner Verpflichtungen innerhalb der Religionsgemeinschaft einerseits und seiner Stellung in einem offentlich-rechtlichen Dienstverhaltnis andererseits eine Sonderstellung in der Strafanstalt ein.^^ Er gehort jedoch gem. § 155 Abs. 2 StVollzG zu den VoUzugsbediensteten und hat damit nach § 154 Abs. 1 StVollzG an der Erfiillung der Vollzugsaufgaben mitzuwirken.
^^ ^^ ^^ 5^ 5«
Dazu unten Kap. 10.4.3. Zur geschichtlichen Entwicklung der Gefangnisseelsorge siehe Bohm, 1995, S. 3 ff Dazu in Kap. 5.7. Dazu Eick/Wildgans, 1993, S. 223 ff Schwind/Bohm/Jehle/Rassow, 2005, § 157 Rdn. 13 ff
4.4 Anstaltspersonal
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Seelsorge im Freiheitsentzug bedeutet heute nicht mehr nur die Abhaltung von 279 Gottesdiensten und eine sonstige rein religiose Einflussnahme.^^ Die Gewahrung von Hilfe in Glaubens- und Gewissensfragen durch Einzelgesprache findet ihre Erganzung in der Gruppenarbeit. Daneben bemiihen sich Anstaltsgeistliche und ihre Heifer um die Pflege von Kontakten der Inhaftierten zu deren Partnem und Familien.^^ Vor allem ihre Schweigepflicht macht die Seelsorger fur die Gefangenen zu wichtigen Bezugspersonen.^^ Diese haben nach kirchenrechtlichen Vorschriften das Beicht- und Seelsorgegeheimnis zu wahren. Was einem Geistlichen in seiner Eigenschaft als Seelsorger anvertraut oder bekannt wurde, unterfallt zudem seinem Zeugnisverweigerungsrecht (§ 53 Abs. 1 Nr. 1 StPO). 4.4.4.2 Arzte und Krankenpfleger § 158 StVoUzG erganzt die §§ 56 bis 66 StVoUzG iiber die Gesundheitsfiirsorge^^ 280 auf organisatorisch-personeller Ebene. Weitere die anstaltsarztliche Tatigkeit^^ betreffende Regelungen finden sich z.B. in § 5 Abs. 3 StVoUzG (Untersuchung im Aufhahmeverfahren), § 21 StVoUzG (Uberwachung der Anstaltsverpflegung), § 22 Abs. 2 StVoUzG (Untersagung des Einkaufs gesundheitsgefahrdender Nahrungs- und Genussmittel), § 76 StVoUzG (Betreuung und Hilfe wahrend der Schwangerschaft), § 92 StVoUzG (tJberwachung bei besonderen SicherungsmaBnahmen), § 101 StVoUzG (ZwangsmaBnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfursorge) und § 107 StVoUzG (Mitwirkung beim disziplinarischen ArrestvoUzug). Der VoUzugsarzt wird in praxisahnlichen ambulanten Behandlungsraumen (Sanitatsbereich) oder in besonderen Krankeneinrichtungen des StrafvoUzugs (Lazarettstation, psychiatrische Sonderabteilung)^"* tatig. Die medizinische Versorgung ist gem. § 158 Abs. 1 StVoUzG durch hauptamt- 281 liche Arzte sicherzustellen^^. Nur aus besonderen Griinden kann sie auch nebenamtlich oder vertraglich verpflichteten Arzten iibertragen werden (insbesondere die facharztliche und zahnarztliche Behandlung). Geht das Gesetz vom Grundsatz einer hauptamtlichen Beschaftigung der VoUzugsarzte aus, stellt sich die Realitat in den Anstalten jedoch anders dar. So konnen in den Bundeslandem in unterschiedlichem MaBe die Justizverwaltungen die arztliche Versorgung nur durch Einstellung auch von nebenamtlichen Arzten aufrechterhalten.^^ Eine medizinische Tatigkeit im Strafv^oUzug gilt unter Arzten als wenig attraktiv. Dies wird vor allem auf belastende Arbeitsbedingungen und eine im Vergleich zu anderen ^^ Bethkowsky-Spinner/Djambasoff/Greger u.a., 1999, S. 62 ff 60 6^ 62 « 64 6^
Koch, 1988, S. 209 ff; Raming, 1988, S. 214 ff Z u Konflikten zwischen Seelsorgem und Vollzugsbehorden: Bohm, 2003, S. 52 f Dazu in Kap. 5.8.1. Dazu Hillenkamp, 2005, S. 11 ff Siehe Missoni, 1996, S. 143 ff Z u m Prinzip der medizinischen Behandlung durch approbierte Arzte auch i m Vollzug: O L G Karlsruhe, NStZ 1997, S. 302 ff 66 Vgl. Schwind/Bohm/Jehle/Rassow, 2005, § 158 Rdn. 2.
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4 Personelle Rahmenbedingungen des Behandlungsprozesses
Betatigungsfeldem zu geringe Besoldung zuriickgefuhrt. Hinzu kommt die einer helfenden Tatigkeit widersprechende Beteiligung an Sicherungs- und ZwangsmaBnahmen.^^ Ein groBer Teil der medizinischen Versorgimg im StrafVollzug findet deshalb durch zahkeiche nebenamtliche Vertragsarzte statt. Diese stehen allerdings nur stundenweise zur Verfugung und konnen somit liber die rein arztliche ICrankenhilfe hinaus nicht am Behandlungsprozess insgesamt mitwirken. 282 Die Pflege erkrankter Gefangener wird nach § 158 Abs. 2 StVoUzG von Personen ausgeiibt, die eine Erlaubnis nach dem Krankenpflegegesetz besitzen. Da es auch in diesem Bereich des VoUzugspersonals an einer ausreichenden Anzahl von Pflegem fehlt, ermoglicht das Gesetz den Einsatz von entsprechend ausgebildeten Beamten des allgemeinen Vollzugsdienstes. 283 Eine Heranziehung von Strafgefangenen mit einer Ausbildungsqualifikation als Arzt oder Krankenpfleger zur vollzuglichen Gesundheitsfiirsorge (z.B. heilende MaBnahmen) ist nicht zulassig. Dies wiirde zum einen der in § 158 StVollzG getroffenen Regelung widersprechen. Zum anderen schreibt §155 Abs. 2 StVollzG die Aufgabenerfiillung durch Bedienstete vor. 4.4.4.3
Padagogen
284 Der Aus- und Weiterbildung von Gefangenen kommt eine zentrale RoUe fur eine Realisierung des Vollzugsziels zu. Denn das Gelingen einer sozialen Integration des Entlassenen wird auch bedingt durch die Beseitigung von Defiziten im Bereich der Bildung. Padagogische Einflussnahme ist zudem angesichts technischer und wissenschaftlicher Veranderungsprozesse in der modemen Gesellschaft unabdingbar, wenn der StrafvoUzug auf das Leben in der Freiheit vorbereiten soll.^^ Das StrafvoUzugsgesetz enthalt keine besondere Regelung zum Tatigkeitsbereich des Padagogen in der Institution. Seine Funktion ergibt sich aus den Normen iiber die Aus- und Weiterbildung der Gefangenen (§§7 Abs. 2 Nr. 4 und 5, 37 Abs. 3, 38, 67 S. 2 StVollzG). Uberkommene Aufgaben der Lehrer in der Anstalt^^ sind das Erteilen von Unterricht. Unterricht kann sowohl durch haupt- oder nebenamtlich bestellte Anstaltslehrer als auch gem. §§ 149 Abs. 3, 154 Abs. 2 StVollzG durch Dritte erteilt werden."^^ Neben den in § 38 Abs. 1 StVollzG genannten Unterrichtsarten kommen in den Einrichtungen auch Angebote im Realschul- und Gymnasialbereich zum Tragen; femer Berufsschulangebote, mit deren erfolgreicher Beendigung teilweise Abschliisse allgemein bildender Schularten verbunden werden konnen. Im Vollzug findet nicht selten auch Einzel- oder Kleingruppenunterricht etwa fiir Analphabeten oder solche Gefangenen statt, die ohne gezielte Forderung in einzelnen Lemfeldem fiir eine allgemein bildende oder berufliche Schulung ungeeignet sind.
6^ Dazu eingehend Zettel, 1988, S. 193 f 68 Muller-Dietz, 1978, S. 296 f 69 Zu den Berufsrollen: Bierschwale, 1994, S. 197 ff; siehe femer Bundesarbeitsgemeinschaft der Lehrer im Justizvollzug, 1999. Dazu Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, § 38 Rdn. 5.
4.4 Anstaltspersonal
141
Das gilt vor allem fur nichtdeutsche Inhaftierte, denen in den Einrichtungen Deutschunterricht angeboten wird. Den Lehrem obliegt in den Justizvollzugsanstalten haufig die Verwaltung der Gefangnisbibliothek. Sie fiihren Lehrgange und Kurse durch, betatigen sich als Freizeitkoordinatoren. Sportlehrer organisieren und gestalten den Freizeitsport bzw. entwickeln Sportangebote fiir besondere Zielgruppen. Hinzu kommt die padagogische Diagnostik, die Mitwirkung von Padagogen vom Aufnahmeverfahren bis bin zur Entlassungsvorbereitung. Zu den Funktionen des Lehrers zahlt femer die Fortbildung der Vollzugsbeamten.^^ 4.4.4.4 Psychologen Auch die Tatigkeitsbereiche und die Stellung des Psychologen definiert das Straf- 285 vollzugsgesetz nicht. Aus § 155 Abs. 2 StVollzG ergibt sich lediglich seine Zuordnung zu den Bediensteten, welche eine Anstalt zur Erfiillung ihrer Aufgaben benotigt. Der Psychologe zahlt zu den an der Behandlung maBgeblich Beteiligten i.S.d. § 159 StVollzG. tjber die berufliche Rolle des Vollzugspsychologen besteht bis heute kein einheitliches Bild; die Angehorigen dieser Gruppe des Sozialstabs selbst sind immer wieder um eine Bestimmung ihrer eigenen Funktion in der Institution bemiiht.'^^ Eine mehr traditionell klinisch-psychologische Perspektive bezieht die Tatigkeit des Anstaltspsychologen vor allem auf die Behandlung des einzelnen Gefangenen, dessen Beratung und Betreuung. Mit Hilfe spezifischer therapeutischer MaBnahmen (z.B. Gesprachstherapie, Verhaltenstherapie) soil auf den Inhaftierten gemaB seinen individuellen Bedtirfnissen eingewirkt werden. Die organisations-psychologische Position hat dagegen nicht nur die Gruppe der Gefangenen im Blick, sondem auch das Anstaltspersonal sowie subkulturelle Erscheinungsformen im Vollzug. Dabei wird die Anstaltsorganisation als nach organisationspsychologischen Konzepten veranderbar angesehen. Vollzugspsychologen sollen daher durch OrganisationsentwicklungsmaBnahmen die Institution und die Lebensbedingungen in ihr zu einem behandlungsbegiinstigenden Feld sozialen Lemens weiterentwickeln.^^ Die Aufgabenvielfalt des Psychologen im Alltag des StrafvoUzugs lasst sich 286 grob einteilen in: - einzel- und gruppentherapeutische Behandlung der Gefangenen, - psychodiagnostische und prognostische Tatigkeiten z.B. Mitwirkung im Rahmen der Behandlungsuntersuchung (§ 6 StVollzG) und bei der Aufstellung des Vollzugsplans (§ 7 StVollzG); Feststellung der Eignung und Motivation fiir eine Behandlung in der sozialtherapeutischen Anstalt (§ 9 Abs. 2 StVollzG); fachliche Priifung der Eignung fur Vollzugslockerungen, BildungsmaBnahmen, Arbeitstherapie usw.; Prognoseerstellung zur Vorbereitung von Entscheidungen iiber eine Aussetzung des Strafrests zur Bewahrung. 71 72
Zur Weiterbildung von Vollzugsbediensteten: Wydra, 2001, S. 154 ff Siehe Wagner G., 1972, S. 106ff; Mai, 1981; Geelhaar/Hennings, 1983, S. 29 ff; Wischka/Beckers, 1990. Dazu Kury/Fenn, 1977, S. 190ff; Losel/Bliesener, 1987, S. 30 ff; Steller, 1978, S. 209 ff
142
4 Personelle Rahmenbedingungen des Behandlungsprozesses
- Krisenintervention, - Eignungsbeurteilungen sowie Aus- und Weiterbildung der VoUzugsbediensteten. 287
Den Anstaltspsychologen bleibt in der Praxis allerdings nur wenig Zeit zur Durchfiihrung therapeutischer MaBnahmen. Denn die zahlenmaBig immer noch zu geringe Gruppe der Vollzugspsychologen wird neben ihrer Beteiligung an personenbezogenen Entscheidungen der Anstaltsleitung vor allem zur Krisenintervention eingesetzt^"^ Kommt es aus der Sicht der Organisation zu einem „St6rfall" (z.B. sozial auffalliges Verhalten eines Inhaftierten, Suizidgefahr), wird vom Psychologen erwartet, dass er durch sofortiges helfendes Eingreifen eine Zuspitzung der Krisenproblematik und deren potentielle Chronifizierung verhindert und damit das institutionelle Funktionieren wiederherstellt. 4.4.4.5 Sozialarbeiter und Sozialpadagogen
288 Der im Gesetz nicht naher festgelegte Aufgabenbereich des Sozialarbeiters bzw. Sozialpadagogen ergibt sich in seinen Grundziigen aus den Vorschriften des § 7 Abs. 2 Nr. 6 und 8 StVoUzG iiber den Vollzugsplan sowie der §§ 71 bis 75 StVollzG zur sozialen Hilfe in der Anstalt. Diese umfasst nach dem heutigen Selbstverstandnis von Sozialarbeit mehr als bloBe Unterstiitzung bei auBeren Notlagen im fiirsorgerischen Sinne. Oberstes Prinzip der Sozialarbeit ist vielmehr die Hilfe zur Selbsthilfe. Der Sozialarbeiter soil seinem Berufsbild^^ gemaB als eine Form beruflichen sozialen Handelns mit gesellschaftspolitischem Bezug gesellschaftliche Bedingungen mitgestalten; soziale Probleme aufdecken; personliche und gesellschaftliche Konflikte verhindem, beheben und mindem; zu Kommunikation, Eigenstandigkeit und Toleranz befahigen; Hilfsquellen erschlieBen und vermitteln; Bildungsmoglichkeiten aufzeigen usw. 289
Im Strafvollzug findet der Sozialarbeiter ein umfassendes Betatigungsfeld"^^ vor, das mit der Aufnahme des Verurteilten in die Justizvollzugsanstalt beginnt und regelmaBig mit dessen Entlassung endet. In besonderen Fallen (z.B. bei drohender Gefahrdung des Vollzugsziels) nimmt er sich auch Hilfe suchender Entlassener an. Die einzelnen vollzuglichen Tatigkeitsbereiche der Sozialarbeit sind in Vorschriften der verschiedenen Bundeslander zu Organisation und Aufgaben der sozialen Dienste naher geregelt."^^
^4 Bohling/Kunze, 1988, S. 173; Michelitsch/Traeger, 1981, S. 50 ff ^^ Dazu Deutscher Berufsverband der Sozialarbeiter e.V., abgedr. in: Blum, 1988, S. 166; siehe zum Berufsbild auch Beckmann, 1996, S. 82 ff; Cornel, 1997, S. 11 ff 76 Siehe Blum, 1988, S. 165 ff; Koepsel, 1998, S. 45 ff 77 Vgl. Block, 1997, S. 233.
4.4 Anstaltspersonal
143
So wurde beispielsweise in Rheinland-Pfalz das Aufgabengebiet der Sozialarbeiter im Hinblick auf die beim Inhaftierten zu bewirkenden Folgen umschrieben:'^^ „Im Rahmen der Aufgaben des Justizvollzugs obliegt der Sozialarbeit insbesondere, dem Gefangenen zu helfen, - seine personlichen Moglichkeiten und Gefahrdungen zu erkennen, - das eigene Verhalten bewusst zu steuem, seine Angelegenheiten selbst zu ordnen und zu regeln, Fahigkeiten zu entwickeln, wirtschaftliche und berufliche Fertigkeiten zu erwerben und zu erhalten, - zielstrebig und ausdauemd zu handeln, Leistungen zu erbringen, die Gesetze einzuhalten, - Verantwortung fiir sich und andere zu tragen, Beziehungen partnerschaftlich zu gestalten, Bindungen zu Angehorigen und anderen nahe stehenden Personen zu pflegen, - seine Freizeit sinnvoll zu gestalten, - seelischen und gesundheitlichen Schaden durch den Vollzug entgegenzuwirken und kriminellen Gefahrdungen zu widerstehen." Neben einer solch zielorientierten Beschreibung geben in anderen Bundeslan- 290 dem teilweise sehr detaillierte Aufgabenkataloge konkrete Funktionsbereiche vor. Danach obliegt den Sozialarbeitem und Sozialpadagogen insbesondere:^^ - „die Hilfe fiir die Gefangenen bei der Aufnahme, wahrend des Vollzuges und zur Entlassung gemaB §§72 bis 74 StVollzG, - die Einzelberatung Gefangener zur Losung personlicher Schwierigkeiten, - Gruppenarbeit mit Gefangenen, - die Forderung sozialer AuBenkontakte der Gefangenen, insbesondere zu Angehorigen und anderen nahe stehenden Personen; hierzu konnen auch Hausbesuche gehoren, - die Beratung und Untersttitzung der Gefangenen bei der Regulierung ihrer Schulden, - die Gewahrung von Gegenstanden aus den fur die Gefangenen- und Entlassenenfursorge zur Verfugung stehenden Sachmitteln, - die Einweisung und Beratung ehrenamtlicher Mitarbeiter, - die Zusammenarbeit mit Bewahrungshelfem, Behorden, Verbanden und Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege sowie anderen Stellen, die auf dem Gebiet der Sozialarbeit tatig sind, - die Anleitung von Sozialpraktikanten." Der Sozialarbeiter wird somit iiber die Gev^ahrung von Hilfen i.S.d. §§ 71 ff. 291 StVollzG hinaus in einem umfassenden Rahmen tatig. Er ist an der VoUzugsplanung beteiligt, er fordert die Gewinnung sozialer Kompetenz. Einen wichtigen Arbeitszweig der Sozialarbeit im Vollzug stellt die Entlassenenhilfe dar. Besondere Aufgabenbereiche sind auch die Leitung von Wohngruppen, die Durchfuhrung des Sozialen Trainings sowie die Betreuung besonderer Insassengruppen (z.B. suchtgefahrdeter bzw^. suchtkranker Inhaftierter).^^
'^^ Grundzuge der Sozialarbeit in den Justizvollzugs- und Jugendstrafanstalten, Rundschreiben v. 6.7.1982, in: JBl. 1982, S. 159. ^^ Vgl. Block, 1997, S. 242. ^0 Block, 1997, S. 249 ff
144
4 Personelle Rahmenbedingungen des Behandlungsprozesses
Sind mehrere Sozialarbeiter und Sozialpadagogen in einer Institution beschaftigt, bedingt die Vielfalt der Aufgabenbereiche deren Aufteilung unter den Mitarbeitem. Hierzu dient entweder die Sozialdienstkonferenz oder es wird ein geschaftsfuhrender Sozialarbeiter bzw. Koordinator damit betraut.^' 292 Wie in anderen Bereichen sozialpadagogischer Tatigkeit innerhalb der Strafjustiz^2 fiihrt auch das berufliche Handeln des Sozialarbeiters im Strafvollzug zu Rollenkonflikten auf verschiedenen Ebenen: Haben alle Angehorigen des Anstaltspersonals gemeinsam nach § 154 Abs. 1 StVollzG an der Erfullung der VoUzugsaufgaben mitzuarbeiten, erwarten Anstaltsleitung und allgemeiner VoUzugsdienst von den Sozialarbeitem zudem ein Engagement fiir Sicherheit und Ordnung; dagegen schreiben diese wiederum der sozialen Betreuung der Inhaftierten hochste Prioritat zu.^^ Die Verkniipfung von Betreuung und Hilfe fur die Gefangenen einerseits und die Zugehorigkeit der Sozialarbeiter als Vollzugsbedienstete (§155 Abs. 2 StVollzG) zum Stab der Institution andererseits programmiert einen IntraRollenkonflikt. Denn sozialpadagogische Betreuung setzt auch einen auf Vertrauen basierenden Zugang zu den Betroffenen voraus. Dies mag auf Seiten der Insassen zu Verhaltenserwartungen fiihren, denen aufgrund der Zugehorigkeit zur Organisation nicht immer entsprochen werden kann.^^
4.5 Ehrenamtliche Vollzugshelfer 293 Die Behandlung der Strafgefangenen zur Vorbereitung auf ihre Riickkehr in die Freiheit erfordert eine Kooperation von Strafvollzug und Gesellschaft. Soil das Leben in der Anstalt den allgemeinen Verhaltnissen soweit wie moglich angeglichen werden (§ 3 Abs. 1 StVollzG), dann muss diese auch ein Interaktionsfeld darstellen, in dem Private agieren. Die Mitwirkung gesellschaftlicher Krafte an der Straffalligenarbeit gebietet schon das Sozialstaatsprinzip^^ das fur die ehrenamtliche Vollzugshilfe^^ eine Institutsgarantie bildet und bezogen auf den Vollzug als ein Gestaltungsprinzip wirkt, d.h. dieser ist so einzurichten, dass die Tatigkeit extramuraler Heifer nicht nur ermoglicht, sondem auch gefbrdert wird.^*^ GemaB § 154 Abs. 2 S. 2 StVollzG sollen die Vollzugsbehorden daher mit Personen und Vereinen zusammenarbeiten, deren Einfluss die Eingliederung des Gefangenen fbrdem kann. Diese Norm ermachtigt zur Zulassung von Privatpersonen sowie von Vereinigungen (Vereinen und informellen Gruppen wie Arbeitskreisen oder Hilfsinitiativen).
81 8^ «3 84 85 «6 «^
Block, 1997,8.245 ff Siehe z.B. zur Jugendgerichtshilfe: Laubenthal, 1993, S. 54. Molitor, 1989, S.46. Hohmeier, 1975, S. 25 ff BVerfGE 35, S. 236. Dazu lost, 2002, S. 257 ff TheiBen, 1990,8. 17 f
4.5 Ehrenamtliche Vollzugshelfer
145
Soil die ehrenamtliche Vollzugshilfe als ein notwendiges Behandlungselement eine interaktive Schnittstelle^^ zwischen Strafvollzug und freier Gesellschaft bilden, konnen auf der Helferseite nur Personen und Vereinigungen aus dem extramuralen Bereich stehen.^^ Gefangene kommen daher als Betreuer i.S.d. § 154 Abs. 2 S. 2 StVollzG nicht in Betracht. Gleiches gilt fiir Vereine und informelle Zusammenschlusse, die ausschlieBlich von Inhaftierten getragen werden.^^ Vereinigungen mit einer Mischstruktur konnen dagegen im Vollzug tatig werden, wobei die Zulassung der einzelnen Vereinsmitglieder von ihrem Status als Nichtgefangene bestimmt wird.^^ Den ehrenamtlichen Vollzugshelfem bietet sich ein weit gefachertes Betatigungsfeld:^^ - Betreuung einzelner Gefangener, - Gruppenarbeit in der Strafanstalt, - Briefkontakte z u Inhaftierten, - begleitende Hilfen bei Ausfiihrungen und Hafturlaub, - Hilfestellung fiir Familien, - Betreuung von Entlassenen,
- Aufklarung der Offentlichkeit tiber Strafvollzugsprobleme usw. Auf die Zulassung als ehrenamtlicher Vollzugshelfer besteht kein Rechtsan- 294 spruch.^^ § 154 Abs. 2 S. 2 StVollzG gibt einem Bewerber aber einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung iiber seinen Antrag.^"* Die VoUzugsbehorde muss priifen, ob die angebotene Hilfe die Eingliederung fbrdem kann, d.h. der Bewerber potentiell geeignet ist, die Erreichung des Vollzugsziels einer sozialen Integration (§ 2 S. 1 StVollzG) positiv zu beeinflussen. Denn ein ehrenamtlicher Betreuer nimmt bei seinen Aktivitaten in der Anstalt nicht die bloBe Position eines Besuchers i.S.d. §§ 23 ff. StVollzG ein. Er zahlt zu den im Vollzug Tatigen nach § 154 Abs. 1 StVollzG und unterliegt daher der Kooperationsklausel - er hat gemeinschaftlich an der Aufgabenerfallung mitzuwirken. VoUzugsaufgabe ist jedoch auch der Sicherungsauftrag des Schutzes der Allgemeinheit vor v^eiteren Straftaten (§ 2 S. 2 StVollzG). Die Behorde karin deshalb eine Zulassung von der Bereitschaft des Bewerbers zur Beachtung von Sicherheitsaspekten abhangig machen. Das Vorliegen objektiver Gefahrenmomente, die auf eine mangelnde Eignung im Hinblick auf den Sicherungsauftrag schlieBen las-
«« TheiBen, 1990,S.22. «9 Bohm, 1986,S. 79. ^° KG Berlin, NStZ 1982, S. 222; einschrankend aber Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 154 Rdn. 4. 91 TheiBen, 1990, S. 25. 92 Vgl. Busch M., 1988, S. 224 ff; Kiinkel, 1979, S. 77 ff.; Marks, 1985, S. 87; TheiBen,
1990, S. 149 ff; siehe auch Bundeszusammenschluss fiir Straffalligenhilfe: Arbeitshilfen fiir freie Mitarbeiter im Bereich der Straffalligenhilfe, 1981. 93 KG, StrVert 1986, S. 349; OLG Hamm, NStZ 1990, S. 256. 94 Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 154 Rdn. 4; a.A. Koepsel, 1985, S. 157 f, der in § 154 Abs. 2 S. 2 StVollzG eine zwingende Regelung sieht.
146
4 Personelle Rahmenbedingungen des Behandlungsprozesses
sen, stellt eine negative Zulassungsschranke dar.^^ Eine Ablehnung der Zulassung kommt damit letztlich nur in atypischen Fallen in Betracht.^^ VerstoBe eines ehrenamtlichen Vollzugshelfers gegen das Sozialisationsziel bzw. Zuwiderhandlungen gegen die Schutzaufgabe des § 2 S. 2 StVollzG begriinden einen Widerruf der Zulassung. 295 Das Strafvollzugsgesetz selbst bietet mit der Verpflichtung zur Forderung der Eingliedemng, der Beachtung von Sicherheitsaspekten und der Kooperationsklausel nur den Rahmen fiir die Tatigkeit der ehrenamtlichen Vollzugshelfer. Dieser wird durch Ausfiihrungsbestimmungen der einzelnen Bundeslander ausgefiillt.^'^ Danach zahlen zu den wesentlichen Verpflichtungen der Betreuer: - ubemommene Aufgaben zu erfiillen, - mit dem Vollzugspersonal zusammenzuarbeiten, - Pflicht zur Verschwiegenheit, - Weisungen von Anstaltsbediensteten zu befolgen, - Melde- und Mitteilungspflichten (z.B. von Tatsachen, die den Verdacht einer Straftat begrunden, erhebliche Eingriffe in den Sozialisationsprozess beinhalten oder eine erhebliche Gefahr fur die Sicherheit der Anstalt darstellen).
4.6 Anstaltsbeirate 296 Bemiiht sich die ehrenamtliche Vollzugshilfe um die Unterstiitzung bei der sozialen Integration der einzelnen Gefangenen, besteht mit den Anstaltsbeiraten ein weiterer Bereich gesellschaftlicher Mitwirkung, der in erster Linie auf eine Forderung der Behandlungsstruktur in der Anstalt insgesamt ausgerichtet ist. GemaB § 162 StVollzG sind bei den Justizvollzugsanstalten Beirate zu bilden, von denen zur Vermeidung von Interessenkollisionen VoUzugsbedienstete ausdriicklich ausgeschlossen bleiben. Dem Gesetzgeber ging es mit der Verpflichtung zur Schaffung von Anstaltsbeiraten um eine institutionelle Einbeziehung der 6ffentlichkeit in den Strafvollzug. Allerdings lieB er offen, wie dieses Gremium zusammengesetzt sein soil. Die Ausgestaltung liegt damit bei den Bundeslandem (§ 162Abs.3StVollzG).9« 297 Da ein Beirat als Mittler zwischen dem Strafvollzug sowie seinen Insassen einerseits und der Gemeinschaft auBerhalb der Institution andererseits zu fungieren hat, sollten nur solche Personen bestellt v^erden, die auch aufgrund ihres sonstigen Engagements in der Gesellschaft Kompetenz zur Wahmehmung offentlicher Belange fiir den Vollzug besitzen (z.B. in der Sozialarbeit und Entlassenenfiirsorge Miiller-Dietz, 1992, S. 327; TheiBen, 1990, S. 23; krit. zur sog. Regelanfrage bezuglich ehrenamtlicher Vollzugshelfer beim Verfassungsschutz: Calliess, 1992, S. 54. OLG Karlsruhe, ZfStrVo 2002, S. 378; AK-Feest/Hoffmann, 2006, § 154 Rdn. 11; Schwind/Bohm/Jehle/Rotthaus/Wydra, 2005, § 154 Rdn. 7. Umfassend dazu TheiBen, 1990, S. 44 ff, 63 ff; siehe auch Muller-Dietz, 1992, S. 327. Siehe z.B. fiir Nordrhein-Westfalen die Allgemeine Verfiigung des Justizministers v. 24.8.1998 (JMBl. NW 1998, S. 262).
4.7 Die Gefangenenmitverantwortung
147
erfahrene Personen, Mitglieder kommunaler Vertretungen, in der Seelsorge Tatige, Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter, Personlichkeiten des Vereinslebens). Die Anstaltsbeirate werden - je nach Bundesland verschieden - fiir die Dauer von 2 bis 5 Jahren von den Landesjustizverwaltungen bzw. dem Prasidenten des Vollzugsamts bestellt. Das Gremium des Beirats setzt sich entsprechend der AnstaltsgroBe aus 5 bis 9 298 Mitgliedem zusammen.^^ Die Mitglieder sind nach § 165 StVollzG zur Verschwiegenheit auBerhalb ihres Amtes verpflichtet. Die Verschwiegenheitspflicht ist notwendige Bedingung der sehr umfassenden Informationsberechtigung gem. § 164 StVollzG. Der einzelne Beirat bedarf der dort benannten Befugnisse, um sich iiber die Verhaltnisse in der Strafanstalt weitmoglichst und realitatsgerecht informieren zu konnen. Er hat ungehinderten Zugang zu den Inhaftierten; weder Gesprache noch Schriftwechsel diirfen iiberwacht werden (§ 164 Abs. 2 StVollzG). Denn nur so kann der Beirat seinen aus § 163 StVollzG folgenden Aufgaben^^^ gerecht werden: -
Funktion als Bindeglied zwischen Strafvollzug und Offentlichkeit, Vermittlung eines realitatsgerechten Bildes vom Strafvollzug in der Offentlichkeit, positive Kontrollfunktion bei der Verfolgung des Vollzugsziels in der Anstalt, beratende und vermittelnde Tatigkeiten, Mitwirkung bei der Gefangenenbetreuung, Hilfestellung bei der Wiedereingliederung Entlassener.
4.7 Die Gefangenenmitverantwortung Der Strafgefangene wirkt nicht nur gem. § 4 Abs. 1 StVollzG an der individuellen 299 Gestaltung seiner Behandlung und an der Vollzugszielerreichung mit. Die Subjektstellung der Inhaftierten erfordert auch eine Beteiligung der Betroffenen an der Wahrnehmung gemeinschaftlicher Interessen - nicht nur auf der Makroebene der gesamten Vollzugsanstalt, sondem in alien Teilbereichen der Institution (Abteilungen, Wohngruppen usw.). Eine Mitverantwortung der Insassen dient der Erlangung sozialer Kompetenz durch Einiiben von sozial verantwortlichen Verbaltens weisen auf der kollektiven Ebene. Sie ist zudem geeignet, subkulturellen Erscheinungsformen entgegenzuwirken. Nach § 160 StVollzG „soH" den Gefangenen „ermoglicht werden, an der Verantwortung fiir Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse teilzunehmen, die sich ihrer Eigenart und der Aufgabe der Anstalt nach fiir ihre Mitwirkung eignen." Hat der Gesetzgeber diese generalklauselartige Norm als Soll-Vorschrift gestaltet, so muss diese aber gerade im Hinblick auf § 2 S. 1 StVollzG dahin gehend inter-
99 Vgl.Schafer, 1987,8. 35 f 10° Zur Praxis siehe Gandela, 1988, S. 232 ff; Gerken, 1986, S. 251 ff; Schafer, 1987, S. 67 ff
148
4 Personelle Rahmenbedingungen des Behandlungsprozesses
pretiert werden, als die Anstaltsleitung verpflichtet ist, Moglichkeiten fiir eine koUektive Mitverantwortung zu schaffen.^^^ 300 Das Strafvollzugsgesetz gewahrt damit jedoch kein originares Mitbestimmungsrecht, d.h. mit der Pflicht zur Ermoglichung von Partizipation korrespondiert kein Recht auf Mitverantwortung.'^^ Die Gefangenen konnen auch nicht eigeninitiativ eine Vertretung auf der Basis eines eingetragenen Vereins griinden, der dann in Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse an die VoUzugsbehorden herantritt. Denn § 160 StVollzG ist abschlieBend geregelt. Zum anderen hat der Gesetzgeber die Gefangenenmitverantwortung dem Titel iiber den inneren Aufbau der Justizvollzugsanstalten (§§ 154 bis 161 StVollzG) zugeordnet und damit als einen Teil des Behandlungskonzepts konzipiert.^^^ Dies schlieBt allerdings Vereinsgriindungen zu anderen als den von § 160 StVollzG erfassten Zwecken nicht aus; diese Norm beschrankt die Vereinigungsfreiheit an sich nicht. 301 Die Gefangenenmitverantwortung betrifft Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse. Sie umfasst gmndsatzlich alle Bereiche und Ebenen in der Anstalt, auch organisatorische und personelle Fragen. Damit wollte die Legislative die koUektive Mitwirkung nicht nur auf die ausschlieBlich Inhaftierte betreffenden Punkte beschranken.^^"* Die Mitverantwortungsbereiche sind vor allem in Rahmenrichtlinien der Landesjustizverwaltungen bzw. in den einzelnen Anstalten in von der Anstaltsleitung erlassenen Satzungen aufgelistet.^^^Nach diesen Mindestkatalogen kommen als Tatigkeitsfelder flir eine Partizipation vor allem in Betracht: der Freizeitbereich (z.B. Auswahl des Horfunk- und Femsehprogramms, kulturelle und sportliche Veranstaltungen, Ausstattung von Freizeitraumen, Auswahl der Bucher fiir die Anstaltsbibliothek, Herausgabe einer Gefangenenzeitung); Angelegenheiten der Aus- und Weiterbildung; Fragen der Hausordnung (z.B. Reinigung der Haftraume); Gestaltung des Speiseplans; der Arbeitsbereich (z.B. Arbeitszeit, -einteilung, -ablauf); Verbesserungsvorschlage. 302
Der Umfang der Mitverantwortung wird begrenzt durch die Eignungsklausel. Nach ihrer Eigenart und der Aufgabe der Anstalt eignen sich nicht fiir die Mitwirkung von Strafgefangenen solche Belange^^^, welche - die Rechtsstellung des einzelnen Verurteilten tangieren, (z.B. individuelle Vollzugs- und Behandlungsfragen) -
in den hoheitlichen Verantwortungsbereich der Amtstrager fallen, (z.B. Sicherheit und Ordnung in der Anstalt, DisziplinarmaBnahmen, Gewahrung von Vollzugslockerungen, Gesamtverantwortung des Anstaltsleiters).
An der Verantwortung „teilnehmen" i.S.d. § 160 StVollzG schlieBt eine Ubertragung von Teilen der vollzugsbehordlichen Entscheidungsgewalt in der Instituti^01 Calliess/Miiller-Dietz, 2005, §160 Rdn. 2; Esser, 1992, S. 17; Rotthaus K., 1991, S. 511;Seebode, 1982, S. 86. ^02 KG, NStZ 1993,8. 427 ^03 BayObLG, ZfStrVo 1992, S. 57; Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 160 Rdn. 5. 104 Vgl. BT-Drs. 7/3998, S. 46. 105 Siehe Esser, 1992, S. 58 f •06 Dazu Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 160 Rdn. 4.
4.7 Die Gefangenenmitverantwortung
149
on auf die Gefangenenmitverantwortung aus. Auffassungen der Inhaftierten hat sich die Anstaltsleitung jedoch anzuhoren, sich mit ihnen in Gesprachen auseinanderzusetzen sowie iibereinstimmende Losungen in ihren Entscheidungen zu beriicksichtigen.^^^ Auch eine Teilnahme an der Vollzugskonferenz (§ 159 StVollzG) ist nicht ausgeschlossen. Da das Gesetz nichts liber eine Beteiligimg von Gefangenen in diesem Gremium aussagt, erscheint insoweit die Anhomng und Information von Insassenvertretem zulassig.'^^ Uber die Verpflichtung der Vollzugsbehorde zur Ermoglichung einer Partizipa- 303 tion hinaus fmdet sich keine Regelung zur Ausgestaltung der Gefangenenmitverantwortung. Da es bei In-Kraft-Treten des Strafvollzugsgesetzes noch an zureichenden Erfahrungen auf diesem Gebiet fehlte, sollte der Praxis die Entwicklung geeigneter Modelle tiberlassen bleiben.'^^ Dabei wird der Gestaltungsspielraum der Anstaltsleitung aber begrenzt:^^^ Neben der Eignungsklausel des § 160 StVollzG sind Vollzugsziel und Struktur des Behandlungsprozesses i.S.d. §§ 2 bis 4 StVollzG zu beriicksichtigen. Dem Demokratieprinzip wird durch ein Wahlverfahren und dessen Formlichkeiten Rechnung getragen. Der Anstaltsleiter besitzt die Befugnis (etwa zur Vermeidung einer subkulturellen Vereinnahmung der Vertretungen), einzelne Gefangene von der Wahlbarkeit bzw. bereits gewahlte Insassen von der Beteiligung auszuschlieBen, wenn dies zur Gewahrleistung der vollzuglichen Grundprinzipien erforderlich erscheint. ^^^ Hat die Vollzugsbehorde einmal in der Anstalt nach § 160 StVollzG eine Gefangenenmitverantwortung eingerichtet, wird sie aufgrund ihrer eigenen Regelungen in ihrem Ermessen gebunden. Diese Selbstbindung der Vollzugsverwaltung gibt den Gefangenen dann einen Anspruch auf fehlerfreien Ermessensgebrauch.^'^ Im Gegensatz zur Bedeutung der Insassenbeteiligung fur den Behandlungsprozess steht deren Realisierung in der Vollzugspraxis. In Bestandsaufhahmen nach zehn Jahren Strafvollzugsgesetz wurde konstatiert, dass sich „nur sehr kiimmerliche Formen der Gefangenenmitverantwortung durchgesetzt haben"^^^. Anfang der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts gab es noch nicht einmal in alien Justizvollzugsanstalten eine Partizipation nach § 160 StVollzG.''"* Als Griinde fur die Divergenz von gesetzlicher Vorgabe und deren Realisierung in der Vollzugswirklichkeit gelten:''^ ein zu geringes Engagement von Strafgefangenen fiir die gemeinschaftlichen Belange; mangelnder Nachdruck von Anstaltsleitungen zur Einrichtung von Insassen vertretungen; Diffamierungen von aktiven Vertretem '0^ KG,NStZ1993,S.427. '0^ Grunau/Tiesler, 1982, § 159 Rdn. 5; Schwind/Bohm/Jehle/Rotthaus/Wydra, 2005, § 159 Rdn. 7. '0^ Beispiele fur Vertretungsmodelle bei Baumann J., 1979, S. 17 ff; Bulczak, 1979, S.44ff;Nix, 1990,S. 61ff '10 Dazu Miiller-Dietz, 1985b, S. 187. ''' OLG Koblenz, NStZ 1991,8.511. 112 Zur Frage der Aktivlegitimation der Gefangenenmitverantwortung im Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG: Kap. 8.2.1.3. 113 Koepsel, 1988, S. 309. 114 Vgl. RotthausK., 1991, S. 511; femerNix, 1990, S. 118. ''5 Vgl. Koepsel, 1988, S. 309; Rotthaus K., 1991, S. 511.
150
4 Personelle Rahmenbedingungen des Behandlungsprozesses
durch die Mitgefangenen. Behauptet wird insoweit auch der Einfluss einer die Aktivitat lahmenden „restriktiven Rechtsprechung der Obergerichte".*^^
4.8 Kriminologischer Dienst 304 Der Gesetzgeber hat im StrafVollzugsgesetz kein exakt fassbares Behandlimgskonzept normiert, sondem Wissenschaft und Praxis die Uberpriifung, Fortentwicklung und Neuerprobung von Behandlungsmodellen uberlassen.^^"^ Es bedarf daher schon znr Realisierung dieser Aufgabenstellung eines geeigneten Instrumentariums. § 166 Abs. 1 StVollzG geht deshalb davon aus, dass die Landesjustizverwaltungen (jedoch nicht als Pflichtaufgabe) einen kriminologischen Dienst einrichten mit der sehr allgemein beschriebenen Vorgabe, „in Zusammenarbeit mit den Einrichtungen der Forschung den VoUzug, namentlich die Behandlungsmethoden, wissenschaftlich fortzuentwickeln und seine Ergebnisse fiir Zwecke der Strafrechtspflege nutzbar zu machen". Der kriminologische Dienst soil sich von der an den Universitaten vorrangig angelegten Grundlagenforschung dadurch unterscheiden, dass er eine praxisorientierte Bedarfsforschung leistet.^'^ Dabei geht es nicht um ein bloBes Sammeln von Vollzugsdaten^'^, sondem um eine wissenschaftliche Begleitung der Vollzugspraxis und die Durchfiihrung von Evaluationsstudien. Neben der kriminologischen Eigenforschung soUen die kriminologischen Dienste zudem Fremdstudien veranlassen bzw. unterstiitzen. Die gewonnenen Resultate sind dann zur Verbesserung des Strafvollzugs umzusetzen (z.B. mittels Stellungnahmen in Gesetzgebungsverfahren, Unterbreitung von Vorschlagen bei zustandigen Gremien und Institutionen). Die fehlende gesetzliche Verpflichtung zur Errichtung der kriminologischen Dienste und die Stellung ihrer finanziellen und personellen Ausstattung in das Belieben der Landesjustizverwaltungen haben dazu gefiihrt, dass dieses Instrumentarium in der Vollzugsrealitat nur in Ansatzen existiert. Die vorhandenen Dienste sind unterschiedlich organisiert: Zumeist werden entweder Referate in den Ministerien oder einzelne Vollzugsanstalten damit betraut.^20 Als eine Art Koordinationsstelle in Bezug auf die Einrichtungen der Forschung (z.B. Universitaten, Max-Planck-Institute, behordeninteme Forschungsgruppen der Polizei), mit denen gem. § 166 Abs. 1 StVollzG die kriminologischen Dienste zusammenarbeiten sollen, fungiert die Kriminologische Zentralstelle^^^ in Wiesbaden.^^^
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Nix, 1990, S. 148; krit. dazu aber Rotthaus K., 1991, S. 512. Vgl. BT-Drs. 7/918, S. 41; siehe oben Kap. 3.1.2. Steinhilper, 1988, S. 189 ff. So aber Grunau/Tiesler, 1982, § 166. Vgl. Dolde, 1987, S. 19; Jehle, 1988, S. 11 ff.; Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 166 Rdn. 4. '2» Jehle, 1988a, S. 204 f '22 Dazu auch Bottcher, 1998, S. 47 ff.
4.8 Kriminologischer Dienst
151
Bei der Durchfiihrung der kriminologischen Forschungen im Strafvollzug sind gem. §§166 Abs. 2, 186 StVollzG i.V.m. § 476 StPO die Vorschriften des Datenschutzes iiber die Auskunft und Akteneinsicht fiir wissenschaftliche Zwecke zu beachten.'^^
123 Siehe unten Kap. 10.
5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
Dem zu einer Freiheitsstrafe Vemrteilten bietet sich in der JustizvoUzugsanstalt 305 eine Fiille von Interaktionsbereichen. In dem ihm zur Verfiigung stehenden sozialen Raum werden Lemfelder geschaffen, welche dem Insassen die Chance eroffnen, im Sinne des VoUzugsziels nach § 2 S. 1 StVoUzG kiinftig ein sozial verantwortliches Leben ohne Straftaten zu fiihren. Der Prozess des Behandlungsvollzugs lasst sich in Aufnahme- und Planungsphase, Hauptphase sowie Entlassungsphase untergHedem, wobei diese aber nicht eindeutig voneinander abgrenzbar sind. Vielmehr bleibt der gesamte Ablauf vom Gedanken einer durchgehenden Hilfe zur sozialen Integration beherrscht.^ Schon in der Anfangsphase zu treffende Entscheidungen beziehen sich dem Grundsatz des § 3 Abs. 3 StVollzG gemaB auch auf die Vorbereitung zur Riickkehr in die Freiheit. Zwar soil das Leben im Vollzug nach § 3 Abs. 1 StVollzG den allgemeinen Lebensverhaltnissen weitmoglichst angeglichen sein. Der Behandlungsprozess findet jedoch iiberwiegend in einem kiinstlichen sozialen Gebilde statt. Der Inhaftierte wird in ein geschlossenes System eingegliedert, das keine lebenswirkliche Miniaturgesellschaft mit adaquaten Interaktionsstrukturen darstellt. Die Chancen fiir eine erfolgreiche VoUzugszielerreichung konnen deshalb - soweit Sicherheitsbelange dem nicht entgegenstehen - durch eine vermehrte Offhung des Vollzugs hin zur Gesellschaft erhoht werden. Die vollstandige Ausgliederung des Vemrteilten aus seiner gewohnten sozialen Umwelt zu Beginn der Haftzeit ist daher - den individuellen Befindlichkeiten und Behandlungsfortschritten entsprechend - im Verlauf der StrafverbiiBung durch Gewahrung von Vollzugslockerungen zunehmend zu reduzieren. Dadurch vermag der Gefangene im Hinblick auf seine Entlassung die im Behandlungsprozess erlemten sozialen Verhaltensweisen in der Gesellschaft selbst zu iiberpnifen und zu realisieren.
5.1 Strafantritt, Aufnahmeverfahren und Vollzugsplanung Die Eingangsphase des StrafvoUzugs lasst sich in folgende Stufen aufteilen: - Strafantritt des Vemrteilten, - Aufiiahmevorgang, - Behandlungsuntersuchung zur Erstellung eines individuellen Vollzugsplans. Miiller-Dietz, 1978, S. 89.
306
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5 Der VoUzugsablauf alslnteraktionsprozess
In welcher Anstalt eine Freiheitsstrafe zu verbiiBen ist, richtet sich nach dem von der Landesjustizverwaltung aufgestellten VoUstreckungsplan, in welchem sie das gesetzlich vorgegebene Organisationsschema beriicksichtigt. 5.1.1 Strafantritt 307 Die strafgerichtlich verhangte freiheitsentziehende Unrechtsreaktion wird nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils (§ 449 StPO) von der Staatsanwaltschaft (§ 451 StPO) vollstreckt.^ Diese teilt dem auf freiem FuB befindlichen Verurteilten durch Ladung mit, dass er sich in der zustandigen Justizvollzugsanstak zum Strafantritt einzufinden hat (§ 27 Abs. 1 StVollstrO). Hierfiir wird ihm gem. § 27 Abs. 2 StVollstrO eine Frist gesetzt (in der Regel etwa eine Woche), damit er seine Angelegenheiten noch ordnen kann. In besonderen Fallen darf auch eine Ladung zum sofortigen Strafantritt erfolgen. Erscheint der Verurteilte nicht fristgemaB oder rechtzeitig in der Anstalt, teilt die Vollzugsbehorde diese Nichtgestellung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 StVollstrO der Vollstreckungsbehorde mit. War der Betroffene formlich geladen und liegt keine ausreichende Entschuldigung vor, ergeht ein Vorfuhrungs- oder Haftbefehl (§ 457 Abs. 2 S. 1 StPO, § 33 StVollstrO). Dieser wird regelmaBig von den amtshilfepflichtigen Polizeidienststellen der Lander vollzogen. Schon mit der Ladung zum Strafantritt kann zur Beschleunigung der Strafvollstreckung ein bedingter Vorfuhrungs- oder Haftbefehl fiir den Fall der Nichtgestellung ergehen (§ 33 Abs. 3 StVollstrO). Besteht aufgrund bestimmter Tatsachen (z.B. Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses) ein begriindeter Fluchtverdacht bzw. weigert sich der Verurteilte erkennbar von vomherein, einer Aufforderung zum Strafantritt nachzukommen, wird auch ohne vorherige Ladung gem. § 33 Abs. 2 StVollstrO ein Vorfuhrungs- oder Haftbefehl erlassen. Befindet sich der rechtskraftig Verurteilte bereits in behordlicher Verwahrung (z.B. Untersuchungshaft in der gleichen oder in anderer Sache, Strafhaft bei Nacheinandervollstreckung mehrerer Freiheitsstrafen), veranlasst die Staatsanwaltschaft - soweit erforderlich - dessen Uberfiihrung in die zustandige VoUzugsanstalt (§ 28 StVollstrO). Halt der Betroffene sich wegen der Sache, hinsichtlich derer das Urteil zu vollstrecken ist, in Untersuchungshaft auf und wird die Haft bis zur Einleitung der Strafvollstreckung durch die Staatsanwaltschaft fortgesetzt, befindet er sich zunachst in Zwischenhaft.^ GemaB Nr. 91 UVoUzO ist er vom Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft an aber als Strafgefangener zu behandeln, soweit sich dies schon vor Aufnahme zum StrafvoUzug durchfiihren lasst. 308 Die Einweisung des Verurteilten in die zustandige Justizvollzugsanstak erfolgt durch ein Aufnahmeersuchen der Vollstreckungsbehorde. Dieses ist der Anstalt rechtzeitig vor Eintreffen des kiinftigen Inhaftierten zuzuleiten (§ 29 StVollstrO). Das Aufnahmeersuchen muss nach § 30 StVollstrO vor allem Angaben enthalten 2 Zum Folgenden eingehend Isak/Wagner, 2004, S. 39 ff; Kaman, 2002, S. 1 ff; Wagner A., 1997, S. 88 ff; siehe auch Volckart, 2001, S. 3 ff ^ Zur Zwischenhaft unten Kap. 9.3.2.
5.1 Strafantritt, Aufhahmeverfahren und Vollzugsplanung
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iiber die Art und Dauer der zu vollstreckenden Strafe, deren Beginn, anzurechnende Untersuchungshaft oder sonstigen Freiheitsentzug und etwa bereits verbiiBte Strafzeiten. Denn aufgrund dieser Vorgaben berechnet nach Strafantritt die Vollzugsgeschaftsstelle gem. Nr. 22 Abs. 1 VGO die Strafzeit (das Strafende, die Termine einer moglichen Strafrestaussetzung zur Bewahrung nach § 57 Abs. 1 und 2 StGB bei zeitiger bzw. gem. § 57a Abs. 1 StGB bei lebenslanger Freiheitsstrafe). Das Aufnahmeersuchen enthalt zudem Angaben, die fiir die Behandlungsuntersuchung und VoUzugsplanerstellung sowie fiir die Gestaltung des Aufenthalts in der Strafanstalt insgesamt relevant sein konnen (z.B. Vorstrafen, Anzeichen von Fluchtgefahr, Suizidneigung, psychische Krankheiten, gewalttatiges Verhalten gegentiber Beamten usw.). Im deutschen Recht nicht vorgesehen ist der vorzeitige Strafantritt. Bin solcher vorlaufiger Strafvollzug wird in einigen Kantonen der Schweiz praktiziert."* Dort kann auf Verlangen des Beschuldigten dieser schon vor seiner Verurteilung in die Strafanstalt aufgenommen werden. Fur die Einfiihrung eines solchen Instituts spricht, dass es eine zeitliche Verkiirzung der nicht sozialisationsorientierten Untersuchungshaft bewirkt. Es gibt dem Straftater auf seinen Wunsch hin die Moglichkeit, friiher an MaBnahmen des Behandlungsvollzugs teilzunehmen und auf die Erreichung des Vollzugsziels hinzuarbeiten. 5.1.2 Individualisierung und Klassifizierung Die durch § 2 S. 1 StVollzG vorgegebene spezialpraventive Zielsetzung des Straf- 309 vollzugs macht eine den individuellen Behandlungsanforderungen weitmoglich entsprechende Vollzugsgestaltung notwendig. Bin am Sozialisationsziel orientiertes Einwirken auf den Gefangenen verspricht die meisten Erfolgschancen, wenn der Einzehie seine Freiheitsstrafe in derjenigen Justizvollzugsanstalt bzw. einer dort vorhandenen Abteilung oder Gruppe verbiiBt, in der eine gerade auf seine Sozialisationsdefizite bezogene Behandlung stattfindet. Eine derart nach individuellen Kriterien erfolgende Verteilungsmoglichkeit auf VoUzugseinrichtungen ware ein Idealfall des modemen Behandlungsvollzugs, lasst sich aber schon aus Griinden organisatorischer Machbarkeit und wegen institutioneller Vorgaben nicht fiir alle Verurteilten realisieren. Die Zuweisung hat sich vielmehr zwangslaufig an der vorhandenen Infirastruktur des Vollzugs zu orientieren. Das StrafvoUzugsgesetz enthalt mit Trennungs- und Differenzierungsprinzip^ 310 wesentliche Organisationsgrundsatze. Nach dem Trennungsprinzip des § 140 StVollzG sind die Sicherungsverwahrten sowie die weiblichen Inhaftierten in organisatorisch abgetrennten Einrichtungen unterzubringen. Aus besonderen Griinden kann dies auch in getrennten Abteilungen der fiir den Freiheitsstrafenvollzug bestimmten Anstalten geschehen. Diese Aufteilung darf nur aufgehoben werden, urn Gefangenen die Teilnahme an BehandlungsmaBnahmen zu ermoglichen. Innerhalb der fur den Vollzug der Freiheitsstrafe bestehenden Institutionen gilt das Differenzierungsprinzip des § 141 StVollzG: Sie sind in solche des geschlossenen und des 4 Vgl. Harri, 1987; krit. dazu Kaiser/Schoch, 2002, S. 468. 5 ObenKap. 1.6.
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
offenen Vollzugs unterteilt. Die einzelnen Anstalten und ihre Abteilungen werden wiederum so gestaltet, dass in ihnen eine auf die jeweiligen Bediirfhisse der Inhaftierten abgestimmte Behandlung gewahrleistet ist. Dabei bezeichnet man die Unterscheidung in verschiedene Anstalten als externe Differenzierung und diejenige in divergierende Vollzugseinheiten mit eigenen Behandlungsaufgaben innerhalb einer Institution als interne Differenzierung. 311
Trennungs- und Differenzierungsgrundsatz geben ein Grobraster auf der organisatorischen Ebene, dessen weitere Ausgestaltung den Bundeslandem obliegt. Diese haben die Moglichkeit, ihre VoUzugseinrichtungen nach Schwerpunkten (z.B. schulische und berufliche Ausbildung, Einheiten mit besonderen Behandlungsangeboten oder mit spezifischem Personal fiir bestimmte Tatergruppen) zusammenzustellen, damit sie i.S.d. § 141 StVoUzG den unterschiedlichen Behandlungsbediirfnissen entsprechen. Solche Organisationsstrukturen legt die Landesjustizverwaltung im VoUstreckungsplan fest, der die ortliche und sachliche Zustandigkeit der Justizvollzugsanstalten regelt (§ 152 Abs. 1 StVoUzG). 312 Der VoUstreckungsplan bestimmt zudem, in welcher VoUzugseinrichtung des Landes ein Straftater seine Freiheitsstrafe zu verbiiBen hat. Er enthalt Richtlinien fur die Vollstreckungs- und die VoUzugsbehorde, aus denen sich die Aufteilung auf die vorhandenen Anstalten ergibt. Die Staatsanwaltschaft entnimmt im konkreten Fall dem VoUstreckungsplan, bei welcher Vollzugsanstalt der Betroffene zum Strafantritt zu laden und wohin er durch das Aufnahmeersuchen einzuweisen ist. Der VoUstreckungsplan soil rechtsstaatlichen Erfordemissen dadurch Rechnung tragen, dass jeder von einem Strafgericht Verurteilte schon im Voraus erkennen kann, welche Folgen der Ausspruch einer freiheitsentziehenden Unrechtsreaktion fiir ihn hat. Er erfiillt zudem eine prozessuale Funktion, denn die Zustandigkeit der Strafvollstreckungskammer bestimmt sich gem. § 110 StVollzG danach, in welchem Gerichtsbezirk eine Anstalt liegt. Aus dem VoUstreckungsplan ergibt sich damit nicht nur die Zustandigkeit der Institution, sondem er bestimmt auch i.S.d. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG den gesetzlichen Richter. Eine Freiheitsstrafe ist daher- abgesehen von den gesetzlichen Verlegungsmoglichkeiten^ - grundsatzlich in der Justizvollzugsanstalt zu vollziehen, deren Zustandigkeit sich aus dem nach § 152 StVollzG von der Landesjustizverwaltung erstellten VoUstreckungsplan ergibt. Dabei gibt § 152 StVollzG dem einzelnen Verurteilten jedoch kein subjektiv-offentliches Recht auf Einweisung in eine bestimmte Anstah.^ Allerdings ist es moglich, dass auch eine vollzugsplanwidrige Einweisung unter bestimmten Voraussetzungen eine Verlegung in die an sich zustandige Institution ausschlieBt. Beispiel: Ein wegen mehrerer Bankiiberfalle zu mehr als neun Jahren Freiheitsstrafe Verurteilter soil etwa zweieinhalb Jahre nach Beginn seiner StrafverbiiBung in einer Hamburger Strafanstalt in die nach § 24 StVollstrO zustandige Justizvollzugsanstalt Straubing (Bayem) verlegt werden. Als Begrundung hierfiir wird geltend gemacht, dass Siehe unten Kap. 5.2.2. OLG Zweibriicken, NStZ 1996, S. 360.
5.1 Strafantritt, Aufhahmeverfahren und Vollzugsplanung
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Hamburg fiir den Vollzug der Strafe ortlich unzustandig war, well der Betroffene dort weder seinen Wohn- noch seinen Aufenthaltsort hatte. Eine nach Erschopfung des Rechtswegs hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde des Gefangenen hatte Erfolg.^ Denn wird ein Verurteilter in Kenntnis der Vollzugsbehorde einer ortHch unzustandigen Anstalt zugewiesen und hat er dann dort schon einige Jahre seiner Strafe verbiiBt, kann sich der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Grundsatz des Vertrauensschutzes auch auf den Ort der Strafvollstreckung beziehen, wenn nicht gewichtige Belange des Allgemeinwohls vorgehen. „Gerade far den Gefangenen, der sich nicht wie der Mensch in Freiheit seine engeren sozialen Kontakte selbst auswahlen und sich von anderen abwenden kann, erhalt das Gewohntsein in die Gegebenheiten einer bestimmten Anstalt groBe Bedeutung: So muss er etwa mit dem Aufsichtspersonal auszukommen lemen, ebenso mit der Leitung der JVA, und er kann nur in einem beschrankten MaBe unter den Gefangenen engere Bindungen kniipfen und andere Kontakte meiden. Bei der Verlegung in eine neue Anstalt beginnt der Prozess, sich innerhalb der objektiven Gegebenheiten der neuen Anstalt sein personliches Lebensumfeld aufzubauen, von neuem. Diese Position ist jedenfalls dann schutzwiirdig, wenn nach den Umstanden des Einzelfalls die Strafvollstreckungsbehorde das Vertrauen erweckt hat, es werde bei der Strafvollstreckung in einer bestimmten JVA bleiben."^ § 152 StVollzG gibt der Landesjustizverwaltung zwei Wege zur Regelung der 313 Zustandigkeitsverteilung: - Zum einen kann sie im Vollstreckungsplan vorsehen, welche Verurteilten zunachst einer Einweisungsanstalt oder -abteilung zugeteilt werden; von dort erfolgt dann aus Behandlungs- und Eingliederungsgriinden die Verlegung zum weiteren Vollzug (§ 152 Abs. 2). - Existieren keine Einweisungsanstalten oder -abteilungen bzw. liegen die Voraussetzungen fiir die Durchftihrung eines Einweisungsverfahrens nicht vor, bestimmt sich im Ubrigen die Zustandigkeit nach allgemeinen Merkmalen ( § 1 5 2 Abs. 3). Der Betroffene gelangt im Wege der Direkteinv^eisung unmittelbar in die regulare Vollzugsanstalt. Das Gesetz ermoglicht damit eine Zuweisung des Verurteilten in die vorhandenen Einrichtungen nach dem Individualisierungsprinzip bzv^. nach dem Klassifizierungsprinzip. Individualisierung im Strafvollzug bedeutet die Anpassung des Vollzugs mit seinen Behandlungsformen und -maBnahmen an die jeweilige Eigenart der Taterpersonlichkeit, „die wirkliche iiberlegene Hinwendung zum einzelnen Gefangenen" ^° mit dem Ziel, ein HochstmaB an Wirksamkeit auf diesen auszuliben.*' Klassifizierung ist formal als die Bildung von Klassen von Gefangenen zu verstehen sowie die Zuweisung in fur diese jeweils eingerichtete Anstalten und Abteilungen. Dabei folgt die inhaltliche Funktion aus der Orientierung am Sozialisationsauftrag des Strafvollzugs: „Die Aufgliederung in Klassen, die von den Erfordemissen einer auf soziale Wiedereingliederung gerichteten Behandlung bestimmt sind und die hierfur eine solche Bedeutung « 9 10 11
BVerfG, NStZ 1993, S. 300 f BVerfG, NStZ 1993, S. 300. Schtiler-Springorum, 1969, S. 159. Wurtenberger, 1959, S. 89.
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haben, dass sie eine typisierende Zusammenfassung von Gefangenen unter gleichartigen Vollzugsbedingungen zum Zwecke gleicher oder ahnlicher Behandlung rechtfertigen."^^ 314
Die Vollzugspraxis beschreitet iiberwiegend den Weg einer Zustandigkeitsbestimmung nach allgemeinen Merkmalen i.S.d. § 152 Abs. 3 StVoUzG. Es handelt sich dabei um typisierende Klassifikationskriterien, die der Vollstreckungsbehorde die Zuweisung in eine konkrete Anstalt schon anhand der Aktenlage ermoglichen:^^ - Geschlecht, - Erst- bzw. Riickfalltater, (Verurteilte, die noch keine oder nur ganz geringe Hafterfahrung besitzen, kommen in Einrichtungen des Erstvollzugs, solche mit Hafterfahrung warden in den Regelvollzug eingewiesen) -
Strafdauer, (z.B. Zusammenfassung von Vemrteilten mit sehr langen Strafen in einzelnen Anstalten)
- kriminelle Gefahrdung des Gefangenen, -
Lebensalter, (Trennung der Jungerwachsenen bis etsva 25 Jahre und alterer Verurteilter ab dem 60. Lebensjahr von den iibrigen Insassen)
- Wohnort oder Aufenthaltsort.^"^ (Die Begriffe sind in § 24 Abs. 1 S. 3 und 4 StVollstrO legaldefmiert. GemaB § 24 Abs. 2 StrVollstrO ist der Wohnort bei einer Vollzugsdauer von mehr als sechs Monaten maBgebend, sofem der Verurteilte rechtzeitig einen entsprechenden Wunsch auBert.) Eine derartige Zuweisung nach starren Klassifikationsformen v^ird weniger individuellen Behandlungserfordemissen gerecht als vielmehr einer Verteilung der Gefangenen zur Auslastung der vorhandenen Einrichtungen und Behandlungsmoglichkeiten. Sie birgt zudem die Gefahr unerwunschter Stigmatisierungsprozesse, v^elche letztlich die Behandlung beeintrachtigen.^^ So kann etwa eine Einordnung als Riickfalltater in eine Anstalt des Regelvollzugs nicht nur seitens des Vollzugspersonals zu einer negativen Erwartungshaltung fuhren, sondem auch auf Seiten des Inhaftierten ein Selbstbild hervorrufen, aufgrund dessen eigene Bemiihungen zur Vollzugszielerreichung als sinnlos erachtet werden. 315 Beriicksichtigt eine nach starren Klassifikationsmerkmalen vorgenommene Zuweisung kaum die Behandlungsbediirfnisse des einzelnen Vemrteilten, so bedarf es im Hinblick auf das Vollzugsziel einer Korrekturmoglichkeit nach individuellen Gesichtspunkten. Stellt sich nach Strafantritt bei der Behandlungsuntersuchung oder im Verlauf des VoUzugs heraus, dass die Zuweisung individuellen Erfordemissen nicht entspricht, kann die Vollzugsbehorde eine Zustan^2 ^3 '^ •5
Paetow, 1972, S. 16. Siehe auch Stock, 1993, S. 75 ff Dazu OLG Karlsruhe, StrVert 1999, S. 219; Degenhard, 2002, S. 663 I CalHess, 1992, S. 80; Kaiser/Schoch, 2002, S. 398.
5.1 Strafantritt, Aufhahmeverfahren und Vollzugsplanung
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digkeitsveranderung veranlassen.^^ Eine solche Verlegung in eine vom VoUstreckungsplan abweichende Anstalt ermoglicht § 8 Abs. 1 Nr. 1 StVoUzG, wenn die Behandlung des Gefangenen oder seine Eingliederung nach der Entlassung hierdurch gefbrdert wird. Abgesehen von den praktischen Schwierigkeiten eines Verlegungsverfahrens in eine an sich nicht zustandige Anstalt^"^ lasst die gesetzliche Umschreibung der Verlegungsvoraussetzungen der Vollzugsbehorde einen groBen Entscheidungs- und Begriindungsspielraum. § 8 Abs. 1 Nr. 1 StVollzG erscheint daher wenig geeignet, das notwendige Korrektiv zu § 152 Abs. 3 StVollzG zu bilden.^^ Neben der Klassifiziemng nach allgemeinen Merkmalen mit unzureichend 316 normierter Korrekturmoglichkeit eroffnet § 152 Abs. 2 StVollzG den Weg zu einer Zuweisung nach dem Individualisierungsprinzip. Dies bedingt zugleich ein anders gestaltetes Aufnahmeverfahren: Der Vemrteilte tritt seine Strafe in einer zentralen Einweisungsanstalt oder -abteilung an. Der Vollstreckungsplan enthalt insoweit eine Zustandigkeitsbestimmung, als er MaBstabe festlegt, fiir welche Gefangenen ein solches Einweisungsverfahren in Betracht kommt. In der Einweisungsinstitution wird eine eingehende Personlichkeitsdiagnose durchgefiihrt. Es findet die Ermittlung der individuellen Behandlungsbediirfnisse sowie von Sicherheitserfordemissen durch eine Einweisungskommission statt, der neben Juristen Vertreter der in § 155 Abs. 2 StVollzG benannten Berufsgruppen angehoren.'^ So werden z.B. in Hessen zur wirksamen Steuerung der Belegung samtliche mannliche Strafgefangene mit einer Haftdauer von mehr als 24 Monaten zunachst in der Justizvollzugsanstalt Weiterstadt einer zentralen Einweisungskommission vorgestellt.^^ Diese befasst sich vor allem mit den folgenden Fragen: - In welche Anstalt ist der Verurteilte im Hinblick auf deren Sicherheitsstufe einzuweisen? - Ist der Gefangene fur den offenen Vollzug geeignet? - Welche schulische oder berufliche Ausbildung ist konkret bei dem Betroffenen gegebenenfalls in welcher Einrichtung und zu welchem Zeitpunkt angezeigt? - Ist die Strafe in einer sozialtherapeutischen Anstalt zu vollziehen? - Welche Vollzugsplanempfehlungen (z.B. hinsichtlich einer Drogen- oder Alkoholtherapie) konnen fur die aufnehmende Anstalt erfolgen? Im Anschluss an die Beurteilung gelangt der Verurteilte je nach landesrechtli- 317 cher Regelung entweder in die nach dem Vollstreckungsplan vorgesehene Vollzugsanstalt oder die Einweisungsanstalt bzw. -abteilung selbst kann den Inhaftierten - den individuellen Behandlungs- und Eingliederungsgesichtspunkten gemaB emer Anstalt des regularen VoUzugs zuweisen. Im letzteren Fall ist die Entschei^^ ^^ i« ^^
Schwind/Bohm/Jehle/Koepsel, 2005, § 152 Rdn. 7. Siehe Schwind/Bohm/Jehle/Rotthaus, 2005, § 8 Rdn. 12. Stock, 1993, S. 84. Zur Organisation des Einweisungsverfahrens: Altenhain, 1988, S. 36 f; zu Erfahrungen mit Einweisungsanstalten: Mey, 1994, S. 126 ff; Rotthaus K., 1996b, S. 200 ff ^° Vgl. Pressemitteilung des Hessischen Ministeriums der Justiz, NJW Heft 38/2001, S. XIV; siehe auch Arbeitsgruppe Einheitliches Strafvollzugskonzept, 2001, S. 49 f
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
dung iiber die zustandige VoUzugseinrichtung der Auswahlinstitution iibertragen. Die Zuweisung stellt dann eine Konkretisierung des Vollzugsplans dar und keine aus Griinden des Einzelfalls bedingte Verlegung i.S.d. § 8 StVollzG.^^ Bislang mangelt es allerdings an empirisch in ihrer Leistungsfahigkeit abgesicherten Zuweisungskriterien fiir die Einweisungskommissionen.^^ Auch deshalb haben zahlreiche Bundeslander von der Moglichkeit des § 152 Abs. 2 StVollzG zur Schaffung zentraler Einweisungsinstitutionen keinen Gebrauch gemacht. Derartige Einrichtungen existieren mit divergierenden Auswahlverfahren und -methoden z.B. Hessen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hamburg.^^
5.1.3 Aufnahmeverfahren 318 Nach dem Strafantritt des Verurteilten in der Justizvollzugsanstalt beginnt der Aufhahmevorgang. In § 5 StVollzG finden sich hierzu nur partielle Regelungen liber die Rechtsstellung des Betroffenen und zur Gewahrleistung einer behandlungsorientierten Gestaltung der ersten Vollzugsphase. § 5 Abs. 1 StVollzG schreibt zwingend vor, dass zum Schutz der Intimsphare des Verurteilten sowie zur Herstellung eines von anderen Gefangenen moglichst unbeeinflussten ersten Kontakts zum Vollzugspersonal Mitinhaftierte im gesamten Aufnahmeverfahren nicht zugegen sein diirfen.^"* Im Ubrigen ergeben sich die verwaltungsmaBigen Formalitaten vor allem aus Nr. 1 6 f f . V G 0 : Zunachst sind in einer Aufnahmeverhandlung die Voraussetzungen fiir die Aufhahme in die Anstalt zu priifen und im Personalblatt festzustellen. Zugleich wird der Verurteilte darauf hingewiesen, dass die Feststellung der Aufhahme in einer offentlichen Urkunde erfolgt und es eine Straftat darstellt, wenn er zur Tauschung im Rechtsverkehr unrichtige Angaben iiber seine Person macht. Es wird die Identitat festgestellt und der Leiter der Vollzugsgeschaftsstelle trifft eine Aufnahmeverfligung, d.h. er nimmt den Verurteilten zum Vollzug an. Die eingebrachte Habe wird gesichtet. Es erfolgt eine Unterrichtung iiber die voraussichtliche Strafdauer und das wahrscheinliche Strafende. Der Gefangene unterschreibt die Niederschrift iiber die Aufnahmeverhandlung. 319
1st der Verurteilte zur Aufnahme angenommen, findet die Aufnahmedurchfiihrung statt: Entkleidung und korperliche Durchsuchung (§ 84 StVollzG); Abgabe der mitgebrachten Habe und Aushandigung nur von Gegenstanden, deren Besitz wahrend der Haft zulassig ist (§§ 19, 70 StVollzG); Prozeduren zur Reinigung und Desinfektion; Neueinkleidung mit uniformen Anstaltssachen (§ 20 StVollzG); erkennungsdienstliche MaBnahmen zur Vollzugssicherung ( § 8 6 StVollzG). § 5 Abs. 3 StVollzG gibt dem Inhaftierten einen Rechtsanspruch auf baldige arztliche Untersuchung und Vorstellung beim Anstaltsleiter oder dem Leiter der 21 22 23 24
OLG Celle, ZfStrVo 1980, S. 250; Schwind/Bohm/Jehle/Koepsel, 2005, § 152 Rdn 3. Kaiser/Schoch, 2002, S. 398 f; Ruther/Neufeind, 1978, S. 369 ff Vgl. Stock, 1993, S. 94 ff; AK-FeestAVeichert, 2006, § 152 Rdn. 6. Dazu KG, NStZ 2004, S. 516 f
5.1 Strafantritt, Aufhahmeverfahren und Vollzugsplanung
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Aufhahmeabteilung. Die von einem Arzt durchzuftihrende Aufnahmeuntersuchung dient nicht nur der Feststellung der VoUzugstauglichkeit und medizinischen Behandlungsbediirftigkeit. Nach der VV zu § 5 StVollzG bezweckt sie auch die PriifUng der Arbeitsfahigkeit, der Sporttauglichkeit sowie der gesundheitlichen Eignung fiir die Einzelunterbringung. Verweigert der Gefangene die arztliche Untersuchung, kann diese nach § 101 Abs. 2 StVollzG (ohne korperliche Eingriffe) zwangsweise vorgenommen werden.^^ Seinen Abschluss findet das Aufnahmeverfahren dann mit der Vorstellung 320 beim Anstaltsleiter (oder nach Nr. 29 VGO bei dem von diesem bestimmten Vollzugsbediensteten). Ein solches Zugangsgesprach sollte zugleich der Unterrichtung des Inhaftierten iiber seine Rechte und Pflichten dienen. Denn gem. § 5 Abs. 2 StVollzG hat der Gefangene ein Recht auf Information, welches im Gesetz aber nicht naher konkretisiert wurde. Soil er vollzugszielorientiert an seiner Behandlung mitwirken und dabei soziale Kompetenz erlangen, muss er iiber die im Strafvollzug geltenden Regelungen informiert sein. Dies bezieht sich sowohl auf diejenigen Rechte und Pflichten, die seine Stellung innerhalb der Binnenstruktur der Institution (z.B. Rechtsschutzmoglichkeiten) betreffen, als auch auf solche, die seine Verbindungen zur iibrigen Gesellschaft (z.B. Beratungs- und Hilfspflichten i.S.d. §§ 72, 73 StVollzG) tangieren.^^ Da eine miindliche Unterrichtung allein nicht ausreicht, erfullt die Anstaltsleitung ihre Pflicht aus § 5 Abs. 2 StVollzG in erster Linie durch Aushandigung eines Textes des Strafvollzugsgesetzes.^'^ Insbesondere fiir den ErstverbiiBer stellen Haftantritt und die Durchfiihrung des 321 Aufhahmeverfahrens eine traumatische Situation dar.^^ Der Verurteilte wird nicht nur aus seiner gewohnten Umwelt ausgegliedert und biiBt seine bisherige gesellschaftliche Position ein, er hat sich auch in ein weitgehend fremdbestimmtes geschlossenes soziales System einzufiigen, wobei der Statuswandel mit Prozeduren der Entpersonlichung beginnt.^^ Die bei der Aufhahmedurchfiihrung erfolgenden MaBnahmen der Entkleidung, Durchsuchung, Neueinkleidung, Abgabe der Habe usw. kommen einer Degradierungszeremonie^^ gleich, welche beim Gefangenen eine Entwiirdigung seines Ichs einleitet.^' Derartige Anfangserfahrungen in der Institution konnen bereits die Einstellung des Betroffenen zum StrafvoUzug von vomherein negativ pragen und einer Bereitschaft zur Mitwirkung an der zukiinftigen Behandlung abtraglich sein. Dem sollen die in § 5 StVollzG normierten Rechte entgegenwirken. Vor allem 322 eine Gewahrleistung der Abwesenheit anderer Gefangener bei alien Vorgangen des Aufnahmeverfahrens und der damit in dieser Hinsicht verbundene Schutz der Intimsphare vermag die Gefiihle der Entwiirdigung zu reduzieren. Durch die Her25 Schwind/Bohm/Jehle/Mey/Wischka, 2005, § 5 Rdn. 8.
26 Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 5 Rdn. 3. 27 Dazu O L G Celle, NStZ 1987, S. 44; CalHess/Muller-Dietz, 2005, § 5 Rdn. 3 ; Kretschmer, 2005,8.217. 28 Scheu, 1983, S. 17 ff; Wagner G., 1985, S. 112. 29 Harbordt, 1972, S. 10.
30 Garfmkel, 1974,8.77. 31 Stark, 1978, S. 64; dazu auch Mechler, 1981, 8. 3; Weis, 1988, 8. 244.
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stellung eines ungestorten Kontakts zu den Mitgliedem des VoUzugsstabs wird zudem vermieden, dass Mitinsassen in Aufnahmeverfahren Informationen iiber einzebie Inhaftierte erlangen und diese dann zum Ausbau ihrer Machtstellung auf der subkulturellen Ebene nutzen konnen.^^ 5.1.4 Behandlungsuntersuchung 323 An das Aufnahmeverfahren schheBt sich gem. § 6 Abs. 1 StVollzG die Behandlungsuntersuchung^^ an. Diese soil dem Vollzugsstab all diejenigen Informationen und Erkenntnisse liefem, die dann zur Aufstellung eines VoUzugsplans nach § 7 StVollzG notwendig sind. Die Personlichkeitserforschung leitet somit einen Prozess von Untersuchung, Diagnose und VoUzugsplanerstellung ein, welcher die Grundlage fiir die weitere Gestaltung der individuellen Behandlung darstellt. Denn ohne eine eingehende Anamnese und Exploration^"* konnen etwaige Sozialisationsdefizite und Bediirfnisse nicht festgestellt werden und vermag keine an der jeweiligen Taterpersonlichkeit orientierte Behandlung stattzufinden. Bei Sexualstraftatem, die wegen eines Delikts gem. §§174 bis 180, 182 StGB verurteilt sind, muss nach § 6 Abs. 2 S. 2 StVollzG besonders griindlich gepriift werden, ob eine Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt angezeigt ist.^^ Stellt gem. § 7 Abs. 1 StVollzG die Behandlungsuntersuchung die Grundlage des VoUzugsplans dar und muss dieser nach § 7 Abs. 3 StVollzG fortlaufend iiber die gesamte VoUzugsdauer hinweg mit aktuellen Erkenntnissen in Einklang bleiben, zeigt dies den Charakter der Behandlungsuntersuchung als einen grundsatzlich offenen Prozess. Das kommt auch durch den Wortlaut des § 6 Abs. 1 S. 1 StVollzG zum Ausdruck, wonach mit der Erforschung nach dem Aufnahmeverfahren begonnen wird.^^ Die einleitende Behandlungsuntersuchung in der Anfangsphase der Strafhaft findet in den Fallen des § 152 Abs. 2 StVollzG in der Einweisungsanstalt bzw. -abteilung statt, ansonsten in der Aufnahmeabteilung der nach dem Vollstreckungsplan zustandigen Institution. Sie muss moglichst unmittelbar nach dem Haftantritt im Anschluss an das Aufnahmeverfahren^'^ beginnen. Da nach § 17 Abs. 3 Nr. 2 StVollzG die gemeinschaftliche Unterbringung wahrend der Arbeitsund der Freizeit fur nicht langer als zwei Monate eingeschrankt werden darf, um eine ungestorte Behandlungsuntersuchung i.S.d. § 6 StVollzG zu ermoglichen, ist sie spatestens bis zum Ablauf dieser Zeitspanne abzuschlieBen.^^ 324 Bei der Behandlungsuntersuchung geht es um das Stellen einer psychosozialen Diagnose und nicht um eine allgemeine moralische Personlichkeitsbeur32 33 34 35 36 3*^ 38
Calliess, 1992, S. 80; siehe auch KG, N S t Z 2004, S. 516. Z u Ziel und Umfang siehe Rehder, 2002, S. 180 ff Dazu Schulte-Sasse, 2002, S. 199 ff Dazu Kap. 5.5.4.3. Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 6 Rdn. 2. Dazu Heischel, 2003, S. 397 f L G Berlin, StrVert 2 0 0 3 , S. 397.
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teilung. Diese ist schon vom Gesetzeszweck her ebenso wenig geboten wie eine allumfassende Informationsgewinnung. Vielmehr hat der Gesetzgeber der Erhebung personenbezogener Daten im Sinne des Zweckbestimmungsprinzips (§ 179 Abs. 1 StVollzG) dahin gehend Grenzen gesetzt^^, als sie gem. § 6 Abs. 1 S. 1 StVollzG zur Erforschung von Personlichkeit und Lebensverhaltnissen des Gefangenen erfolgen muss. Dabei diirfen nur solche Erkenntnisse gewonnen werden, die zur planenden Behandlung und zur Wiedereingliederung (§6 Abs. 2 S. 1 StVollzG), d.h. zur Vollzugszielerreichung, notwendig sind. Auf den erforderlichen Mindestumfang weist insoweit § 7 Abs. 2 StVollzG hin.'*^ Der Begriff „erforschen" i.S.d. § 6 Abs. 1 S. 1 StVollzG meint mehr als ein 325 bloBes Heranziehen schriftlicher sekundarer Informationsquellen, wie etwa Aktenunterlagen aus dem vorangegangenen Strafverfahren. Die Untersuchenden haben sich vielmehr um die originare Erkenntnisquelle - den Gefangenen selbst zu bemiihen. Die Diagnose der Personlichkeit und die Analyse seiner sozialen Beziehungsfelder miissen auf einer eigenstandigen Untersuchung mit entsprechenden, wissenschaftlich abgesicherten Methoden (z.B. geeigneten psychodiagnostischen Testverfahren) beruhen."*^ Im Hinblick auf § 2 S. 1 StVollzG sollen sich die Erkenntnisse gerade fiir eine Auswahl von Behandlungsangeboten eignen, mit Hilfe derer ein Erreichen des Vollzugsziels als wahrscheinlich erachtet v^ird. § 6 StVollzG enthalt keine explizite Regelung iiber den Personenkreis zur Durchfiihrung der Behandlungsuntersuchung. Da diese sich insbesondere auf den Vemrteilten als primare Informationsquelle bezieht, zahlen dazu an der Vollzugsplanung sowie an spateren BehandlungsmaBnahmen Beteiligte. Dies betrifft vor allem die in § 155 Abs. 2 StVollzG benannten Fachkrafte, die dabei i.S.d. § 154 Abs. 1 StVollzG miteinander kooperieren."^^ In der Einweisungsanstalt bzw. -abteilung wird eine entsprechende Kommission tatig. Als nur sekundare Erkenntnisquellen konnen auch von anderen Institutionen 326 Unterlagen und Stellungnahmen angefordert werden. Hierbei hat die libermittelnde Behorde aber die fiir sie geltenden gesetzlichen Auskunftsbeschrankungen zu beachten. Bei der Verwendung schriftlicher Unterlagen durch das Untersuchungspersonal ist zu beriicksichtigen, dass solche nur scheinbar fiir Objektivitat btirgen. Behordliche Akten erfallen in biirokratischen Organisationen Kommunikations- und Registrierungsfunktionen. Ihre Inhalte stellen nur einen Ausschnitt tatsachlicher Vorgange dar. Sie geben Tatsachliches nicht nur selektiv wieder, sondem enthalten auch eine Realitat sui generis, eine konstruierte Wirklichkeit."*^ Deren tjbemahme durch die Beteiligten im Vollzug kann dann die Verlasslichkeit ihrer sozialen Wahmehmung bei der Personlichkeitserforschung beeintrachtigen. Dies gilt umso mehr, als sich bei behordlichen Beurteilungen eine Tendenz dahin gehend feststellen lasst, situativ auftretendes Verhalten als bestandiges Merkmal einer Person
39 40
Schwind/Bohm/Jehle/Mey/Wischka, 2005, § 6 Rdn. 14. Stock, 1993, S. 182 ff Siehe auch Simons, 1985, S. 278 ff Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 6 Rdn. 3; Schwind/Bohm/Jehle/Mey/Wischka, 2005, § 6 Rdn. ll;Stock, 1993, S. 155 ff Herrmann, 1987, S. 45.
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
zu betrachten'*'^, d.h. eine Unterbewertung zu zeitlich vorangegangenen Vorkommnissen dissonanter neuer Informationen und demgegeniiber eine Uberbewertung insoweit konsonanter Erkenntnisse.^^ 327
Der Inhaftierte darf in seiner Funktion als primare Informationsquelle nicht zum Objekt der Untersuchung gemacht werden. Wie im Vollzug iiberhaupt, ist auch in dieser Phase die Menschenwiirde zu beachten. § 6 Abs. 3 StVollzG normiert die Mitwirkung des Verurteilten an der Planung seiner Behandlung. Er hat ein Recht auf Erorterung, denn es tragt zum Gelingen von BehandlungsmaBnahmen bei, wenn der Betroffene die individuellen Griinde und Zielsetzungen der fiir ihn vorzusehenden Angebote kennt. Allerdings verpflichtet das Gesetz den Insassen nicht zu einer aktiven Teilnahme an der Untersuchung nach § 6 StVollzG; er hat diese lediglich zu dulden. Die VoUzugspraxis bleibt auch bei der Behandlungsuntersuchung als Grundlage des VoUzugsplans teilweise hinter den Idealvorstellungen einer von Fachkraften vorgenommenen Anamnese, Exploration, Verhaltensbeobachtung und Durchfiihrung standardisierter Testverfahren zuruck. Nach Nr. 31 VGO sind die Verurteilten nach ihrer Aufhahme aufzufordem, ihren Lebenslauf niederzuschreiben. Im Anschluss daran sollen sie einen Fragebogen ixber ihre personlichen Verhaltnisse ausfiillen. GemaB Nr. 61 VGO werden zur Aufstellung des VoUzugsplans (und zu dessen Fortfiihrung) sog. Wahmehmungsbogen gefiihrt. In diese tragen Mitglieder des Vollzugsstabs ihre Verhaltensbeobachtungen ein. Im sog. Beurteilungsbogen werten sie dann ihre Aufzeichnungen aus und machen Behandlungsvorschlage. Zu einer nach fachspezifischen Kriterien gestellten psycho-sozialen Diagnose kommt es damit haufig nicht."^^
328
Der Gefangene hat ein Recht auf Durchfiihrung der Behandlungsuntersuchung. Nach § 6 Abs. 1 S. 2 StVollzG kann davon ausnahmsweise abgesehen werden, wenn diese mit Riicksicht auf die Vollzugsdauer nicht geboten erscheint. Der Gesetzgeber woUte keinen generellen Ausschluss Kurzstrafiger, sondem gerade zum Ausdruck bringen, „dass auch bei kurzer Vollzugsdauer eine Erforschung der Personlichkeit und der Lebensverhaltnisse des Gefangenen grundsatzlich erwiinscht ist.""^*^ Demgegeniiber lautet die VV zu § 6: „Bei einer Vollzugsdauer bis zu einem Jahr ist eine Behandlungsuntersuchung in der Kegel nicht geboten." Eine schematische Handhabung dieser Verwaltungsvorschrift widerspricht aber eindeutig dem Willen des Gesetzgebers. Dem Kurzstrafigen steht vielmehr ein Anspruch auf fehlerfreien Ermessensgebrauch zu, wobei die voraussichtliche Vollzugsdauer nur als ein Indiz fiir die Erforderlichkeit einer psycho-sozialen Diagnose gelten kann."^^ Auch der Kurzstrafige eignet sich zur Durchfuhrung spezifischer Behandlungsangebote wie etwa Hilfestellungen zum Umgang mit Geld, Schulung alkoholauffalliger Tater durch Maisch, 1975, S. 95. Dazu Eisenberg, 2005, S. 263, 283. Kaiser/Schoch, 2002, S. 470. 47 BT-Drs. 7/3998, S. 7. 4s AK-Feest/Joester, 2006, § 6Rdn. 11; Arloth/Luckemann, 2004, §6 Rdn. 3; CalHess/Miiller-Dietz, 2005, §6 Rdn. 5; Schwind/Bohm/Jehle/MeyAVischka, 2005, §6 Rdn. 21.
5.1 Strafantritt, Aufnahmeverfahren und Vollzugsplanung
165
Psychologen, Hinweise z u m U m g a n g mit Behorden und Einrichtungen sowie zur Sicherung von Lebensgrundlagen."^^ Insoweit vorhandene Bediirfnisse des Einzelnen erfordem eine entsprechende Bestandsaufhahme i.S.d. § 6 StVollzG. Dagegen hat eine bloBe Orientierung an der V V zu § 6 angesichts der hohen Ruckfalligkeit von Gefangenen des Kurzstrafenvollzugs zur Folge, dass Straftater bei mehreren Anstaltsaufenthalten zusammengerechnet bisweilen Jahre i m Strafvollzug einsitzen, ohne jemals eine Behandlungsuntersuchung durchlaufen zu haben.^^
5.1.5 Vollzugsplan Die psycho-soziale Diagnose als Resultat der Behandlungsuntersuchung fiihrt zur 329 Aufstellung des Vollzugsplans gem. § 7 StVollzG als „zentrales Element des dem Resozialisierungsziel verpflichteten VoUzugs".^^ In Einklang mit den gefundenen Ergebnissen wird darin das Vollzugsziel individuell konkretisiert. Denn dem Insassen soil eine seiner Personlichkeitsstruktur und seinen Sozialisationsbediirfnissen und -fahigkeiten adaquate Behandlung zuteil werden. Die notwendigen Grundentscheidungen fiir das zukiinftige Vorgehen werden im Vollzugsplan festgelegt, der dann fiir die an der Behandlung beteiligten Mitarbeiter des VoUzugsstabs und fiir den Betroffenen selbst einen Orientierungsrahmen bildet.^^ Da eine Personlichkeit zwar einige stabile Ziige besitzt, jedoch fortlaufenden Veranderungen unterv^orfen, d.h. als ein fortschreitender Prozess dynamisch zu interpretieren ist, darf sich auch die Planung des Vollzugs nicht auf die Erkenntnisse aus der Aufnahmephase der Haft beschranken. Denn diese geben nur Auskunft iiber die Personlichkeitsstruktur zum damaligen Testzeitpunkt. Ebenso wie sich die Behandlungsuntersuchung iiber die Vollzugsdauer hinweg fortsetzt, muss daher gem. § 7 Abs. 3 StVollzG auch der Vollzugsplan den Ergebnissen der Personlichkeitserforschung und der weiteren Entwicklung des Inhaftierten in der Institution angepasst werden. Fiir eine solche Fortschreibung sind im Plan selbst angemessene Fristen vorzusehen, die sich nach den individuellen Gegebenheiten richten (in der Regel zwischen drei und sechs Monaten).^^ Handelt es sich beim Betroffenen um einen zu mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilten Sexualstraftater (§§174 bis 180, 182 StGB), bedarf es gem. § 7 Abs. 4 StVollzG jeweils nach Ablauf von sechs Monaten einer emeuten Entscheidung iiber eine Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt. Der Gesetzgeber hat in § 7 Abs. 2 StVollzG Minimalanforderungen an den 330 Inhalt des Vollzugsplans aufgestellt. Danach gehort es zur Pflicht der Anstalt, zumindest iiber die dort genannten BehandlungsmaBnahmen Angaben zu machen: - die Unterbringung im geschlossenen oder offenen Vollzug (§ 10), - die Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt (§ 9), - die Zuweisung zu Wohngruppen und Behandlungsgruppen (§143 Abs. 2), 49 50 51 52 53
Vgl. Bohm, 2003, S. 100 f; Mey, 1992, S. 2 3 ; Stock, 1993, S. 223. Dolde/Jehle, 1986, S. 200. BVerfG, NStZ 2003, S. 620. BVerfG, StrVert 1994, S. 94; Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 7 Rdn. 2. AK-Feest/Joester, 2006, § 7 Rdn. 2 1 .
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
- den Arbeitseinsatz sowie MaBnahmen der beruflichen Aus- oder Weiterbildung (§ 37), - die Teilnahme an Veranstaltungen der Weiterbildung (§§ 37 Abs. 3, 67), - besondere Hilfs- und BehandlungsmaBnahmen ( § § 7 1 ff., spezifische einzelund gruppentherapeutische Angebote), - Lockerungendes Vollzuges (§§ 11, 13), - notwendige MaBnahmen zur Vorbereitung der Entlassung (§§ 15, 74, 75). 331
Zu den in § 7 Abs. 2 StVollzG benannten MaBnahmen muss der Vollzugsplan Angaben in sachlicher und in zeitlicher Hinsicht enthalten. Dies gilt auch fur nicht (oder noch nicht) in Betracht kommende Behandlungsangebote. Hierbei bedarf es einer Niederlegung entsprechender Begrundungen.^"^ Da es sich bei § 7 Abs. 2 StVollzG nur um einen Mindestkatalog handelt, soilten z.B. als weitere Bereiche in den Vollzugsplan aufgenommen werden:^^ - Freizeitgestaltung, - AuBenkontakte (insbesondere Urlaubsplanung), - MaBnahmen zum Ausgleich der Tatfolgen, - Schuldenregulierung usw.
332
Zum Verfahren der Vollzugsplanerstellung finden sich im StrafvoUzugsgesetz nur ansatzweise Regelungen. Aus § 6 Abs. 3 StVollzG folgt die Pflicht zur Erorterung der Planung mit dem Inhaftierten. GemaB § 159 StVollzG fiihrt der Anstaltsleiter zur Aufstellung und Uberpriifung des Plans Behandlungs- bzw. Vollzugsplankonferenzen^^ mit den an der Behandlung maBgeblich Beteiligten durch. Der Kreis der Teilnehmer wird damit fiir die Erfordemisse des Einzelfalls ebenso offen gelassen wie die Kompetenz des Gremiums als mitentscheidendes oder nur beratendes Organ. ^"^ Da der Gefangene selbst nicht zum Objekt von Untersuchung, Planung und Behandlung gemacht werden darf, ist die Verpflichtung zur Erorterung i.S.d. § 6 Abs. 3 StVollzG - auch im Hinblick auf § 4 Abs. 1 StVollzG - sehr weit zu interpretieren. Vermag eine aktive Mitwirkung des Betroffenen an seiner Behandlung die Chancen einer VoUzugszielerreichung zu erhohen, bedarf es bereits einer Partizipation an deren Planung. Es muss ihm eine Mitwirkungsfunktion eingeraumt werden. Seine eigenen Vorstellungen iiber die Aufnahme bestimmter MaBnahmen in den Vollzugsplan sind daher bei der Entscheidungsfindung von Anstaltsleitung und Vollzugsplankonferenz zu beriicksichtigen. Auf seinen Wunsch hin soUte es deshalb auch zu einer Anhorung vor diesem Gremium kommen. Allerdings hat der Betroffene kein subjektives Recht auf Teilnahme an der Vollzugskonferenz.^^ Be-
54 55 56 5^
OLG Hamm, ZfStrVo 1979, S. 63; KG, ZfStrVo 1987, S. 245 f Siehe Calliess, 1992, S. 88; Stock, 1993, S. 256 ff; femer BT-Drs. 11/3694, S. 3. Dazu KG, ZfStrVo 1996, S. 182. Hierzu Schwind/Bohm/Jehle/Rotthaus/Wydra, 2005, §159 Rdn. 2; Stock, 1993, S. 236 ff 5^ Schwind/Bohm/Jehle/RotthausAVydra, 2005, § 159 Rdn. 7; weiter gehend aber Schmidt J., 2003, S. 48 ff
5.1 Strafantritt, Aufnahmeverfahren und Vollzugsplanung
167
reits deshalb scheidet auch ein Anspruch auf Beteiligung eines anwaltlichen Vertreters an der Konferenz aus.^^ Der Vollzugsplan ist schriftlich niederzulegen. Denn nur so kann er alien Be- 333 teiligten zuganglich gemacht, gem. § 7 Abs. 3 StVollzG fortgeschrieben und gegebenenfalls gerichtlich iiberpriift werden. Der Gefangene hat einen Anspruch auf Aushandigung des ihn betreffenden Plans.^^ Eine bloBe miindliche Erorterung mit ihm bleibt dagegen unzureichend.^^ Eine formularmaBige Erstellung des Vollzugsplans mittels eines Vordrucks als RationalisierungsmaBnahme der Verwaltung sollte vermieden werden.^^ Denn derartige Formblatter verleiten zu einer Reduzierung wesentlicher Erkenntnisse auf Stichworte. Sie bergen die Gefahr einer Verhinderung der individuell erforderlichen Darstellung von Schwerpunkten und Entwicklungszusammenhangen und tragen letztlich zum Entstehen von Routineplanen bei, die im Einzelfall die Gefangenenpersonlichkeit und deren Behandlungsbediirfnisse nur verzerrt wiedergeben. Ist eine Behandlungsuntersuchung durchgefiihrt worden, hat der Gefangene ein 334 Recht auf Erstellung (und Fortschreibung) eines den Mindestanforderungen des § 7 Abs. 2 StVollzG entsprechenden Vollzugsplans.^^ Diesen Anspruch kann er auf dem gerichtlichen Rechtsweg nach §§109 ff. StVollzG mittels eines Verpflichtungsantrags durchsetzen.^"^ Dabei steht ihm allerdings kein Recht auf Aufnahme ganz bestimmter BehandlungsmaBnahmen in den Vollzugsplan zu. Insoweit ist die Vollzugsbehorde aber verpflichtet, der gestellten psycho-sozialen Diagnose gemaB den Plan inhaltlich ermessensfehlerfrei zu gestalten.^^ Ebenso v^ie die Rechtsfehlerfreiheit des Aufstellungsverfahrens kann der Betroffene das inhaltliche Gestaltungsermessen in seiner Gesamtheit einer gerichtlichen Kontrolle unterziehen.^^ Gerichtlich anfechtbar sind einzelne im Vollzugsplan vorgesehene Behand- 335 lungskriterien^"^, sov^eit sie Regelungscharakter mit unmittelbarer Rechtswirkung haben.^^ Als eine MaBnahme i.S.d. § 109 StVollzG, d.h. ein behordliches Handeln zur Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Rechtswirkung, zu qualifizieren ist aber auch die Aufstellung des Vollzugsplans als solchen.^^ Der Betroffene kann deshalb auch den Vollzugsplan insgesamt'^° angreifen. 59 60 61 62 63 64 65 ^^ 6"^
BVerfG, NStZ-RR 2002, S. 25; siehe aber Schmidt J., 2003, S. 56. Kaiser/Schoch, 2002, S. 258. BVerfG, NStZ 2003, S. 620. Siehe aber O L G Numberg, ZfStrVo 1982, S. 308. BVerfG, StrVert 1994, S. 94. OLG Celle, NStZ 1992, S. 373. AK-Feest/Joester, 2006, § 7 Rdn. 32; Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 7 Rdn. 1. BVerfG, NStZ-RR 2002, S. 25. OLG Numberg, ZfStrVo 1982, S. 308; KG, ZfStrVo 1984, S. 370; OLG Koblenz, NStZ 1986, S. 92. 68 O L G Frankfurt, NStZ 1995, S. 520. 69 BVerfG, StrVert 1994, S. 95. 70 BVerfG, N S t Z 2003, S. 620; a.A. O L G Koblenz, ZfStrVo 1990, S. 116; Arloth/ Luckemann, 2004, § 7 Rdn. 13.
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5 DerVollzugsablaufalsInteraktionsprozess
Das Bundesverfassungsgericht^^ wertet es als eine Verletzung des durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Anspruchs auf eine moglichst effektive gerichtliche Kontrolle, wenn eine Strafvollstreckungskammer einen auf Anfechtung des Vollzugsplans als Ganzen gerichteten Antrag als unzulassig verwirft: „Bei der Bedeutung des Vollzugsplans fiir das Erreichen des VoUzugszieles diirfen die StrafvoUstreckungsgerichte den Bestimmungen des § 109 StVollzG nicht im Wege der Auslegung einen Inhalt beimessen, bei dem ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nur zur Nachpriifung einzelner PlanmaBnahmen, nicht aber auch zur Uberpriifung der Rechtsfehlerfreiheit des Aufstellungsverfahrens oder des inhaltlichen Gestaltungsermessens gestellt werden konnte. Bei Letzterer kann es sich vor allem darum handeln, dass der Plan inhaltlich den gesetzlichen Mindestanforderungen nicht gentigt, so dass der Anspruch des Gefangenen auf Aufstellung des Vollzugsplanes nicht erfullt ist, Oder dass der Gefangene ... durch das Zusammenwirken von PlanungsmaBnahmen in seinen Rechten verletzt ist."*^^ 336
Soil der Vollzugsplan Orientierungsrahmen fiir einen fortlaufenden Behandlungsprozess zum Zweck der VoUzugszielerreichung sein, muss er eine gewisse Bestandskraft besitzen. Die Vollzugsbehorde bleibt an die Vorgaben des Plans gebunden und kann deren Inhalt nicht willkiirlich abandem. Inhaltliche Veranderungen ermoglicht § 7 Abs. 3 StVollzG nur im Wege der Fortschreibung, wobei eine solche auf die dort genannten Voraussetzungen der weiteren Entwicklung des Gefangenen und neuer Ergebnisse der psycho-sozialen Diagnose beschrankt ist. Dies gilt selbst bei einer Verlegung in eine andere Anstalt. Auch in diesem Fall steht der einmal aufgestellte Vollzugsplan nicht zur freien Disposition. Es findet keine Neuplanung statt, sondem der vorhandene Plan kann lediglich fortgeschrieben werden.^^ Fehlt es an einer Frist i.S.d. § 7 Abs. 3 S. 2 StVollzG zur Vollzugsplanfortschreibung, stellt dies einen erheblichen Mangel dar."^"^ 337 Der Inhaftierte hat einen Anspruch auf sachgerechte Durchfiihrung der im Vollzugsplan angegebenen BehandlungsmaBnahmen. Dieser bewirkt eine Selbstbindung der Vollzugsbehorde.''^ Bei einer Abweichung zum Nachteil des Betroffenen muss sie deshalb ermessensfehlerfrei begriinden, warum sie im Gegensatz zur Planung die Durchfiihrung einer MaBnahme ablehnt."^^ Beispiel: Ein Vollzugsplan sieht den Beginn einer Vollzugslockerung zu einem bestimmten Zeitpunkt vor. Bei der Planung waren Anstaltsleitung und Konferenz davon ausgegangen, dass eine bedingte Entlassung des Verurteilten schon vor VerbuBung von zwei Dritteln seiner Strafe erfolgen werde, weil die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 StGB erfullt seien. Im Verlauf des Strafvollzugs gibt die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehorde zu erkennen, dass eine Strafrestaussetzung zur Bewahrung gem. § 57 Abs. 2 StGB nach VerbiiBung der Halfte der Strafe nicht sicher sei. Denn bei einer "^^ BVerfG, StrVert 1994, S. 94; fur eine Anfechtbarkeit des gesamten Vollzugsplans auch AK-Feest/Joester, 2006, § 7 Rdn. 33; Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 7 Rdn. 2; Stock, 1993, S. 269. ^2 Siehe auch BVerfG, NStZ-RR 2002, S. 25. ^3 OLG Koblenz, ZfStrVo 1986, S. 114; OLG Zweibriicken, NStZ 1988, S.431; KG, NStZ 1990, S. 559. 74 OLG Karlsruhe, StrVert 2004, S. 555. 75 OLG Munchen, StrVert 1992, S. 589. 76 OLG Munchen, StrVert 1992, S. 589; Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 7 Rdn. 2.
5.1 Strafantritt, Aufhahmeverfahren und Vollzugsplanung
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vorlaufigen Gesamtwiirdigung von Tat, Taterpersonlichkeit und ihrer Entwicklung fehle es noch an besonderen Umstanden i.S.d. § 57 Abs. 2 StGB, die eine solch friihzeitige Entlassung rechtfertigen. Unter diesen Voraussetzungen besteht auch kein rechtlich schutzwiirdiges Vertrauen des Gefangenen mehr an einer Gewahrung von Vollzugslockerungen, die sich an einer bedingten Entlassung nach HalbzeitverbtiBung gem. § 57 Abs. 2 StGB orientieren. Vielmehr bezieht sich das Vertrauen nunmehr auf eine Strafrestaussetzung nach VerbliBung von zwei Dritteln der Strafe gem. § 57 Abs. 1 StGB. Mit dieser Begriindung kann die Anstaltsleitung den auch im Vollzugsplan zunachst vorgesehenen Beginn der Vollzugslockerung hinausschieben.'^'^ Als zu v^eitgehend erscheint die Auffassung, wonach die Nichtgewahrung von im Vollzugsplan vorgesehenen begiinstigenden MaBnahmen - abgesehen vom Ausnahmefall einer offensichtlichen Fehlentscheidung, v^elche die berechtigten Sicherheitsbediirfnisse der Allgemeinheit missachtet'^^ - nur bei Vorliegen der in § 14 Abs. 2 StVollzG genannten Voraussetzungen erfolgen diirfe.'^^ Die Anv^endbarkeit dieser Norm hat der Gesetzgeber auf Entscheidungen iiber die Gev^ahrung von Vollzugslockerungen und Hafturlaub begrenzt.^^
5.1.6 Behandlungsplane Gesetzlich ungeregelt sind die auf der Grundlage des Vollzugsplans erstellten Be- 338 handlungsplane. Hierbei handelt es sich um fachspezifische Konkretisierungen einzelner Mafinahmen.^^ Wird im Vollzugsplan eine langer andauemde Behandlungsart vorgesehen (z.B. Individual- oder Gruppentherapie), obliegt es der den Gefangenen behandelnden Fachkraft, hierfur eine entsprechende Planung zu konzipieren. Der Inhalt der Behandlungsplane orientiert sich an den jeweiligen Methoden der anzuv^endenden Verfahren. Damit entzieht sich die Anlage und Durchfuhrung von Behandlungsplanen schon von der Sache her einer gesetzlichen Regelung.^^ Mit ihrer Zuriickhaltung hat die Legislative zugleich Raum zur Erprobung und Anwendung neuer Behandlungsmethoden im StrafvoUzug gelassen.
5.1.7 Nichtdeutsche Strafgefangene Schon bei der Differenzierung und Klassifizierung, vor allem aber auch bei der 339 Vollzugsplanung sind die besonderen Probleme auslandischer Strafgefangener zu
^^ OLG Karlsruhe, ZfStrVo 1989, S. 310. ^« KG, StrVert 1998, S. 275. ^9 So aber OLG Celle, ZfStrVo 1989, S. 310; AK-Feest/Joester, 2006, § 7 Rdn. 30; Stock, 1993, S. 266. «o Arloth/Luckemann, 2004, § 7 Rdn. 4; Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 14 Rdn. 2.
«» Stock, 1993, S. 278. «2 BT-Drs. 7/918, S. 49.
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
beriicksichtigen.^^ Deren Behandlung stellt seit dem sprunghaften Ansteigen in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts^"* besondere Anforderungen an Vollzugseinrichtungen und Anstaltspersonal. Trotz des hohen Auslanderanteils im StrafvoUzug ist jedoch klarzustellen, dass die ganz uberwiegende Zahl der in Deutschland lebenden Auslander sich rechtstreu verhalt. Das gilt insbesondere fiir diejenigen, die seit vielen Jahren in Deutschland leben oder hier aufgewachsen und bereits in hohem MaBe integriert sind.^^ Soweit Kriminal- und Bevolkerungsstatistiken das Bild einer hoheren Kriminalitatsbelastung von Auslandem zeichnen, miissen bei der Bewertung dieser Tatsache spezifische Faktoren, denen Auslander im strafrechtlichen Kontrollsystem unterliegen, Beriicksichtigung finden, wodurch sich das Bild relativiert:^^ Manche Auslandergruppen werden in der Bevolkerungsstatistik nicht erfasst (z.B. Touristen). Auch lasst sich die Zahl illegal in Deutschland lebender Auslander nur schwer schatzen. Manche Delikte konnen im Wesentlichen nur von Auslandem begangen werden (z.B. VerstoBe gegen auslander- und asylverfahrensrechtliche Regelungen). Opferbefragungen haben ergeben, dass bei der deutschen Bevolkerung eine gesteigerte Bereitschafl besteht, auslandische Tater bei den Strafverfolgungsbehorden anzuzeigen.^'^ Auch weisen Auslander gerade (iberdurchschnittlich haufig solche Belastungsfaktoren auf, die auch bei Einheimischen das Risiko eines Abgleitens in strafbares Verhalten erhohen. Hierzu zahlen etwa eine spezifische Altersstruktur und soziale Belastungsfaktoren. Junge Manner treten in alien Bevolkerungsgruppen iiberproportional als Straftater auf und unter den Migranten sind junge Menschen eher vertreten als alte. Manner sind im Bereich der Kriminalitat haufiger anzutreffen als Frauen. Zudem ist fur Nichtdeutsche das Risiko erhoht, im Falle des Verdachts einer Straftat zu Freiheitsentzug verurteilt zu werden.^^
5.1.7.1 Vollzugliche Auslanderproblematik 340 Stammt im Erwachsenenstrafvollzug mehr als jeder flinfte Insasse aus dem Ausland, so kommt damit ein bedeutender Anteil der Vollzugspopulation aus Kultur- und Rechtskreisen, in denen ein anderes Norm- und Wertverstandnis herrscht.^^ Es ist nicht die Zahl der Inhaftierten ohne deutschen Pass an sich, die zu Belastungen des Vollzugs fuhrt. Schwierigkeiten in den Einrichtungen erwachsen vielmehr vor allem daraus, dass es sich bei den auslandischen Gefangenen gerade nicht um eine homogene Gruppe handelt, sondem um eine Vielfalt an Menschen unterschiedlicher Staatsangehorigkeit und Herkunft. Der modeme Behandlungsvollzug ist so konzipiert, dass der Verurteilte schrittweise zur Erreichung des Vollzugsziels auf die Lebenssituation auBerhalb der Anstalt in der Gesellschaft vorbereitet werden soil. Die meisten auslandischen Tater werden nach ihrer EntDazu Laubenthal, 1999a, S. 310ff; ders., 2004a, S. 33 ff; Rieder-Kaiser, 2004, S. 38 ff; Schwind, 1999, S. 339 ff; Tzschaschel, 2002, S. 42 ff SieheKap. 1.7. Dazu Schwind, 2006, S. 470; Villmow, 1999, S. 22, 24. Siehe Bundesministerium des Innem/Bundesministerium der Justiz, 2001, S. 307, 313; Schwind, 2006, S. 471; Stolle/Brandt, 2004, S. 67. Vgl. Bundesministerium des Innem/Bundesministerium der Justiz, 2001, S. 537. Villmow, 1995, S. 159 f; Walter J., 2003, S. 12. In Bayem waren am 31.3.2005 nichtdeutsche Gefangene aus 106 verschiedenen Staaten inhaftiert (Bayer. Staatsministerium der Justiz, 2005, S. 7).
5.1 Strafantritt, Aufnahmeverfahren und Vollzugsplanung
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lassung jedoch nicht in Deutschland leben, sondem aufgrund vor allem auslanderrechtlicher MaBnahmen in den jeweiligen Kultur- und Rechtskreis des Heimatstaates zuriickkehren.^^ GemaB § 456a Abs. 1 StPO darf die Strafvollstreckungsbehorde von der VoUstreckung 341 einer Freiheitsstrafe absehen, wenn ein Verurteilter nichtdeutscher Staatsangehorigkeit aus Deutschland ausgewiesen wird (oder eine Auslieferung wegen einer anderen Tat erfolgt). § 456a Abs. 1 StPO gestattet somit bei bestandskraftiger und demnachst durchzufiihrender Ausweisung gem. §§53, 54 AufenthG durch die zustandige Behorde einen vorlaufigen Vollstreckungsverzicht als Ausnahme zu der aus dem Legalitatsprinzip herzuleitenden und durch § 258a StGB materiell-rechtlich gesicherten Pflicht, rechtskraftige Verurteilungen zu Freiheitsstrafen zu vollstrecken.^^ Als ratio legis wird benannt: die Schaffung eines Ausgleichs fur die mit der Ausweisung (oder Auslieferung) verbundenen Belastungen des Betroffenen sowie die verminderte Gefahr emeuter Deliktsbegehung durch ihn im Inland.^^ Zu den Normzwecken soil aber auch eine pragmatisch-okonomische Entlastung der Justizvollzugsanstalten von haufig ineffektiven Strafvollstreckungen gegen Auslander zahlen, wobei insoweit eine Resozialisierung von auszuweisenden Tatem als wenig sinnvoll erachtet wird.^^ § 456a Abs. 1 StPO legt keine MindestverbiiBungsdauer fest. In den Erlassen und Richtlinien der einzelnen Bundeslander ist ein Absehen von der VoUstreckung zumeist von der VerbiiBung der Halfte einer zeitigen Freiheitsstrafe abhangig.^"^ Die Vollstreckungsbehorden sind zudem angehalten, von der Regelung des § 456a Abs. 1 StPO groBziigig Gebrauch zu machen. Zv^ar gilt das VoUzugsziel der Befahigung zu einem straffreien Leben in sozia- 342 ler Verantwortung auch fiir auslandische Inhaftierte - so wie iiberhaupt das gesamte Strafvollzugsgesetz keinerlei Differenzierung zw^ischen deutschen und nichtdeutschen Strafgefangenen vominunt. In der Praxis des StrafvoUzugs kommen jedoch bedeutende Teile des Gesetzes fiir viele auslandische Inhaftierte nicht zur Anwendung. Die zu erwartende Abschiebung nach der Strafhaft verhindert haufig die Gewahrung von VoUzugslockerungen oder eine Einweisung in den offenen Vollzug. Denn die von den Landesjustizverwaltungen bundeseinheitlich vereinbarten Vervv^altungsvorschriften zum Strafvollzugsgesetz schlieBen Strafgefangene vom offenen Vollzug (VV Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b, c zu § 10 StVollzG), von der Gewahrung von AuBenbeschaftigung, Freigang und Ausgang (VV Nr. 6 Abs. 1 Buchst. b, c zu § 11 StVollzG) sowie vom Hafturlaub (VV Nr. 3 Abs. 1 Buchst. b, c zu § 13 StVollzG) aus, sobald gegen sie Auslieferungs- oder Abschiebungshaft angeordnet ist bzw. gegen sie eine vollziehbare Ausweisungsverfugung fiir den Geltungsbereich des Strafvollzugsgesetzes besteht und sie aus der Haft abgeschoDazu Bammann, 2002, S. 95 ff.; Laubenthal, 1999a, S. 310 ff; ders., 2004a, S. 35; Seebode, 1997a, S. 52 f; Winchenbach, 1996, S. 13. GroB, 1987, S. 36; IsakAVagner, 2004, S. 181 ff; Pohlmann/JabelAVolf, 2001, S. 165 ff; zu europarechtlichen Beztigen einer Ausweisung siehe Stiebig, 2000, S. 127 ff; ders., 2003. Giehring, 1992, S. 499. GroB, 1987, S. 36; Meyer-GoBner, 2006, § 456a Rdn. 1. Siehe z.B. Baden-Wiirttemberg, Justiz 1996, S. 500; Schleswig-Holstein, SchlHA, 1994, S. 85; dazu auch Giehring, 1992, S. 475 ff
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
ben werden sollen. Entsprechendes gilt gem. VV zu § 35 StVollzG auch bei Urlaub und Ausgang aus wichtigem Anlass gem. § 35 Abs. 1 StVollzG. In den Fallen der bestehenden Ausweisungsverfligung bediirfen Ausnahmen einer Zustimmung der zustandigen Auslanderbehorde. Einweisung in den offenen VoUzug sowie Lockerungsgewahrungen gem. §§11 und 13 StVollzG bleiben auslandischen Verurteilten aber nicht erst bei vollziehbarer Ausweisungsverfligung versperrt. Nach W Nr. 2 Abs. 1 Buchst. b zu § 10, VV Nr. 7 Abs. 2 Buchst. d zu § 11 und VV Nr. 4 Abs. 2 Buchst. e zu § 13 StVollzG gelten Strafgefangene fiir eine Lockemngsgewahrung regelmaBig schon dann als ungeeignet, wenn gegen sie ein Ausweisungsverfahren anhangig ist, wobei die Zulassung von Ausnahmen einer vorherigen Anhorung der zustandigen Behorde bedarf. Da die Ausweisungsfrage bei der liberwiegenden Zahl auslandischer Tater von Relevanz ist, die Auslanderbehorden haufig aber erst im Verlauf der Haft - teilweise erst nahe an den Endtermin des Strafvollzugs hin^^ - entscheiden bzw. Inhaftierte dann noch den Rechtsweg ausschopfen konnen, besteht wahrend der StrafverbiiBung eine Ungewissheit hinsichtlich der auslanderrechtlichen MaBnahmen. Dies hat zur Folge, dass im Hinblick auf die Flucht- und Missbrauchsklauseln der §§10 Abs. 1, 11 Abs. 2 und 13 Abs. 1 S. 2 StVollzG selbst prognostisch als giinstig Einzustufende zur Sicherstellung einer eventuellen spateren Ausweisung von den Lockerungsmoglichkeiten ausgeschlossen bleiben.^^ Denn in der Praxis ist eine recht schematische Anwendung der Verwaltungsvorschriften erkennbar, obwohl diese doch nur verwaltungsinterne Entscheidungshilfen darstellen, die keineswegs von einer Verpflichtung zu konkret einzelfallbezogener Priifung und Begriindung entbinden.^^ Der Versagungsgrund der Fluchtgefahr kann daher weder allein auf das Vorliegen einer rechtskraftigen Ausweisungsverfligung noch auf die bloBe Erwartung auslanderrechtlicher MaBnahmen gestiitzt werden. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass bei Auslandem generell Fluchtgefahr bestehe, wenn gegen sie eine Ausweisungsverfligung vorliegt oder in Zukunft droht.^^ Bei auslandischen Inhaftierten mit sozialen Bindungen in Deutschland konnen Lockerungen gerade im Hinblick auf eine bevorstehende Abschiebung besonders wichtig sein, um das soziale Umfeld und personliche Kontakte zu erhalten sowie eine Riickkehr in den Herkunftsstaat vorzubereiten.^^ Die Moglichkeit der Ausweisung schon vor VerbiiBung der voUen Haftstrafe gem. § 456a StPO schlieBt die Betroffenen zudem von langerfristigen Ausbildungsangeboten aus, obwohl in Nr. 79 der Europaischen Strafvollzugsgrundsatze 1987 den Vollzugsbehorden gerade aufgegeben ist, der Weiterbildung auslandischer Inhaftierter ebenso wie den Insassen mit besonderen kulturellen und ethnischen Bediirfnissen spezifische Beachtung zu schenken. Strafvollzug bedeutet 95 96 97 98
RotthausK., 1992a, S. 43. Dtinkel/Kunkat, 1997, S. 29; Walter M., 1999, S. 312; Winchenbach, 1996, S. 13. DazuKap. 1.5.1. Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 1 1 Rdn. 19; Schwind/Bohm/Jehle/Ullenbruch, 2005, § 13 Rdn. 17; siehe auch O L G Nlimberg, NStZ 1994, S. 376; LG Hamburg, StrVert 2001,8.33. 99 Rieder-Kaiser, 2004, S. 74.
5.1 Strafantritt, Aufiiahmeverfahren und Vollzugsplanung
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aber in der Praxis fiir auslandische Strafgefangene haufig einen reinen Verwahrvollzug.^^^ Denn auch ihre Partizipationschancen etwa im Bereich Arbeit sind reduziert. AuBenbeschaftigung und Freigang setzen die Eignung fiir Vollzugslockerungen voraus, an der es aufgrund der Anwendung der Verwaltungsvorschriften regelmaBig mangeln soil. Doch nicht nur die mit Lockerungen einhergehenden Aus- und FortbildungsmaBnahmen sowie Arbeitstatigkeiten sind fiir nichtdeutsche Inhaftierte eingeschrankt. Auch bei vollstandig in der Institution durchgefiihrten Bildungsangeboten kommt es zu auslanderrechtlich bedingten Nachteilen. Damit eine kostspielige Ausbildung nicht aufgrund einer Ausweisung abgebrochen werden muss, priift die VoUzugsbehorde vor der Zulassung, ob vor Ablauf der MaBnahme bzw. dem Zeitpunkt der Abschlusspriifungen mit der Abschiebung des Betroffenen zu rechnen ist. Die Durchfiihrung einer Schul- oder Berufsausbildung konnte jedoch gerade die Ausgangslage fiir ein Leben im Herkunftsstaat nachhaltig verbessem und damit zugleich die Wahrscheinlichkeit emeuter Straffalligkeit verringem.^^^ Neben dem weitgehenden Fehlen grundlegender spezifischer Behandlungskon- 343 zepte fiir auslandische Gefangene^^^ fiihrt das Zusammenleben unterschiedlicher Nationalitaten mit jeweils eigenstandigen kulturellen Vorstellungen, Lebensgewohnheiten, anderen Einstellungen zur korperlichen Integritat zu Konflikten und Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Insassengruppen, die auch mittels Gewalt ausgetragen werden. Erschwerend kommt beim Umgang des VoUzugspersonals mit nichtdeutschen Inhaftierten die Problematik der Sprachbarriere hinzu. Die Institutionen sind jedoch angesichts der Vielzahl der in ihren Einrichtungen vertretenen Nationalitaten kaum in der Lage, mittels Dolmetscher mit den Betroffenen in verbalen Kontakt zu treten oder behordliche Schreiben, Hausordnungen usw. in alle erforderlichen Sprachen iibersetzen zu lassen. Dies bedingt auf Seiten der Insassen eine Unkenntnis der rechtlichen Bestimmungen, so dass auslandische Inhaftierte haufig ihre Rechtsschutzmoglichkeiten nicht kennen und wahmehmen. Der sprachliche Belastungsfaktor betrifft aber nicht nur das Verhaltnis zwischen Bediensteten und nichtdeutschen Gefangenen, sondem auch dasjenige der auslandischen zu den inlandischen Inhaftierten; femer die Kommunikation der Nichtdeutschen untereinander. Verbale Verstandigungsschwierigkeiten bedingen Gruppenbildungen, die dann subkulturellen Charakter haben konnen.^^^ Die Zunahme der Auslanderpopulation und die damit verbundenen spezifischen 344 Problemfelder bergen in der Praxis die Gefahr einer Trennung der Strafgefangenen in den Justizvollzugsanstalten in zwei Gruppen: - die Gruppe der (iiberwiegend deutschen) Insassen, die in Orientierung am Sozialisationsziel des § 2 S. 1 StVollzG am BehandlungsvoUzug mit seinen vielfaltigen Angeboten partizipieren;
100 101 102 103
Dunkel/Kunkat, 1997, S. 29; Laubenthal, 1999a, S. 314. Rieder-Kaiser, 2004, S. 74 f; Tzschaschel, 2002, S. 72, 112. Schlebusch, 2002, S. 124 ff Laubenthal, 2004a, S. 35.
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
- die „schwierige Klienter'^^"^ der als nicht resozialisierungsfahig, -willig bzw. -bediirftig geltenden Inhaftierten, zu denen neben Gewalttatem und betaubungsmittelabhangigen Gefangenen auch auslandische Verurteilten gerechnet werden^^^, die in einem VerwahrvoUzug ihre Freiheitsstrafe ganz oder teilweise bis zur Durchfiihrung auslanderrechtlicher MaBnahmen verbiiBen. 5.1.7,2 Internationalisierung der StrafverbiiHung 345 Zu einer Losung der vollzuglichen Auslanderproblematik kaiin es beitragen, werni der vermehrten Internationalisierung der Kriminalitat eine Internationalisierung des VoUzugs von Freiheitsstrafe^^^ folgt. Internationalisierung bedeutet auf der Ebene des StrafvoUzugs jedoch nicht nur das Vereinbaren gemeinsamer Standards zur Behandlung von Gefangenen. Vonnoten ist das Bemiihen um einen vermehrten VoUstreckungstransfer, die Verbiifiung der Freiheitsstrafen in den jeweiligen Heimatstaaten der nichtdeutschen Verurteilten. 346 Die rechtlichen Voraussetzungen fur einen solchen VoUstreckungstransfer hat die Legislative bereits im Gesetz iiber die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) geschaffen. § 71 IRG bildet die innerstaatliche gesetzliche Ermachtigungsgrundlage flir Vollstreckungsersuchen bei freiheitsentziehenden Sanktionen. Nach § 71 Abs. 1 IRG kann ein auslandischer Staat um Vollstreckung einer im Geltungsbereich des IRG gegen einen Auslander verhangten Strafe ersucht werden mit der Folge einer Uberstellung nichtdeutscher Strafgefangener in den Strafvollzug ihres Heimatlandes. Dabei ist die Uberstellung nur zulassig, wenn keine Gefahr menschenrechtswidriger Verfolgung besteht (§ 6 Abs. 2 IRG) und die Beachtung des rechtshilferechtHchen Spezialitatsprinzips gesichert bleibt (§11 IRG). Auf der verfahrensrechtlichen Ebene bedarf es vor Stellung eines Vollstreckungshilfeersuchens gem. § 71 Abs. 4 IRG eines rechtskraftigen Beschlusses durch das Landgericht, in dem dieses die Vollstreckung in dem ersuchten Staat flir zulassig erklart. Nach § 1 Abs. 3 IRG ist die Anwendung des IRG jedoch ausgeschlossen, wenn und soweit es zu einer volkerrechtlichen Vereinbarung iiber einen Regelungsgegenstand des IRG kommt und diese durch Transformation gem. Art. 59 Abs. 2 GG zu unmittelbar anwendbarem innerstaatlichen Recht wird. Fiir den Bereich der VerbixBung freiheitsentziehender Unrechtsreaktionen in den Heimatlandem erleichtert und vereinfacht das „Ubereinkommen vom 21. Marz 1983 iiber die Uberstellung vemrteilter Personen" (UberstUbk)^^"^ das in § 71 IRG normierte Verfahren. Das UberstUbk wurde in Deutschland durch Gesetz in Bundesrecht transformiert und ist seit 1.2.1992 in Kraft.^^^ Seine Anwendung hat das Ziel, sowohl den Interessen der Rechtspflege zu dienen als auch die soziale Wiedereingliederung vemrteilter Nichtdeutscher in ihren Heimatlandem zu fordem, denn 10^ '05 '0^ '°'^
Wassermann, 2003, S. 328. Vgl. BR-Drs. 910/02, Begrundung, S. 2; siehe auch Laubenthal, 2004a, S. 539. Dazu eingehend Rieder-Kaiser, 2004, S. 106 ff Zur Entstehungsgeschichte siehe Denkschrift zum Uberstellungsiibereinkommen, BT-Drs. 12/194, S. 17; Bartsch, 1984, S. 513 ff '08 BGBl. II 1991,8. 1006 ff
5.1 Strafantritt, Aufnahmeverfahren und Vollzugsplanung
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gegeniiber der gesetzlichen Regelung des IRG soil eine vertragliche und multilaterale Ubereinkunft hohere Akzeptanz und damit eine groBere Effektivitat im Vollstreckungstransfer bewirken. Dem UbersttJbk gemaB kann der Urteilsstaat das Heimatland eines Verurteilten um die LFbemahme der Vollstreckung ersuchen, wenn der Vollstreckungsstaat ebenfalls zu den Vertragsstaaten zahlt. Es wird aber auch der Staat, dessen Angehoriger die verurteilte Person ist, in die Lage versetzt, die Ruckfuhrung seiner eigenen Burger anzustreben. Geht das Ersuchen vom Urteilsstaat aus, sieht das UberstUbk hierfiir ein zweistufig geregeltes Verfahren^^^ vor. Im Zulassigkeitsverfahren entscheidet die Staatsanwaltschaft als Vollstre- 346a ckungsbehorde, ob beim Bundesministerium der Justiz als Bewilligungsbehorde ein Uberstellungsersuchen angeregt werden soil. Die Aufgaben der Staatsanwaltschaft sind dabei vielfaltig. Sie hat die Interessen des Verurteilten an seiner sozialen Wiedereingliederung^^° und die Belange der Rechtspflege vollstreckungsrechtlich zu wiirdigen. Es sind die personlichen Verhaltnisse des Betroffenen und alle fiir die Vollstreckung relevanten Faktoren, aus denen sich die Zulassigkeit einer tjberstellung ergeben kann, - auch mit Hilfe der Justizvollzugsanstalt - zu ermitteln. Gem. Nr. 107 der Richtlinien fur den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten hat die Staatsanwaltschaft femer zu priifen, ob noch weitere Verfahren gegen den Verurteilten anhangig oder Sanktionen zu vollstrecken sind, andere Entscheidungen - wie ein Absehen von der Strafvollstreckung gem. § 456a StPO oder eine Strafrestaussetzung zur Bewahrung gem. §§ 57, 57a StGB - in Betracht kommen und moglicherweise vorzugswiirdig bleiben. Nach Art. 3 Abs. Id, 7 Abs. 1 UbersttJbk bedarf es zur Uberstellung schlieBlich einer Zustimmung des Verurteilten. Auf der Bewilligungsebene hat die Exekutive dann zwischenstaatliche Belange 346b zu sichem. Die Bewilligungsbehorde priift die dem Vollstreckungshilfeverkehr innewohnenden auBen- und allgemeinpolitischen Aspekte. Sie muss mit dem Vollstreckungsstaat eine Einigung herbeifiihren. Die Entscheidungskompetenz iiber ein tJberstellungsersuchen liegt im Urteilsstaat damit bei der Bewilligungsbehorde, wahrend der Vollstreckungsbehorde eine lediglich vorbereitende Funktion zukommt.' ^' Zugleich mit dem UberstUbk ist das „Uberstellungsausfiihrungsgesetz" (UAG) in Kraft getreten.^'^ j^^s UAG trifft innerstaatliche Regelungen zur Anwendung des UberstUbk dahin gehend, als Bestimmungen des IRG fiir die Falle der Uberstellung aus Deutschland in einen anderen Staat modifiziert werden. Dies betrifft vor allem gem. § 1 UAG die Vorschriften des § 71 Abs. 3 und 4 IRG, so dass es auch keiner gerichtlichen Zulassungspriifung durch die Strafvollstreckungskam^^^ Zu den einzelnen Voraussetzungen fur die Uberstellung: Denkschrift zum Uberstellungsubereinkommen, BT-Drs. 12/194, S. 17 ff; Isak/Wagner, 2004, S. 516 ff; RiederKaiser, 2004, S. 108 ff; Weber, 1997, S. 171 ff; siehe auch BGH, StrVert 1998, S. 68. 110 BVerfG, NStZ-RR 2005, S. 182. 111 Zum gerichtlichen Rechtsschutz bei Uberstellungsentscheidungen: BVerfG, NStZ-RR 2005,8. 182f 112 BGBl. I 1991,8. 1954 ff
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
mer des Landgerichts bedarf. § 2 tJAG konkretisiert das Zustimmungserfordernis des Art. 7 Abs. 1 tJbersttJbk: Der Verurteilte muss sein unwiderrufliches Einverstandnis zu Protokoll eines Richters erklaren. Das Zustimmungserfordemis zur Uberstellung gilt als eines der grundlegenden Elemente des UberstUbk. Es erwuchs aus dem Zweck des Ubereinkommens, die Reintegration der Straftater in ihren Heimatlandem zu erleichtem, wobei ein Erreichen dieses Ziels gegen den Willen des Betroffenen als schwierig erachtet wurde.^^^ Griinde fiir die Einfiihrung des Zustimmungserfordemisses waren zudem: das Vermeiden langwieriger Rechtsmittelverfahren sowie der durch das UberstUbk erfolgte Verzicht auf den Spezialitatsgrundsatz. Der Strafgefangene soil selbst entscheiden, ob er sich im Heimatstaat dem Risiko aussetzen will, wegen einer anderen Straftat verfolgt zu werden.^^"^ 346c Einen Verzicht auf das Zustimmungserfordemis enthalt dagegen das das tJberstUbk erganzende „Ubereinkommen vom 13. November 1991 zwischen den Mitgliedstaaten der Europaischen Gemeinschaften iiber die Vollstreckung auslandischer strafrechtlicher Verurteilungen" (VollstrUbk), transformiert in Bundesrecht durch Gesetz vom 7.7.1997.^^^ Dieses Ubereinkommen verfolgt das Ziel, die durch Schaffung eines europaischen Raumes ohne Binnengrenzen und den Abbau der Kontrollen an den europaischen Grenzen notwendige Zusammenarbeit im justiziellen Bereich zu starken.'^^ Das VollstrUbk verbessert die VoUstreckbarkeit auch der in Deutschland verhangten Strafen in einem anderen Land der Europaischen Gemeinschaften, indem es die Moglichkeit eroffnet, freiheitsentziehende MaBnahmen auch ohne Zustimmung des Verurteilten durchzufiihren. Vorausgesetzt wird allerdings, dass sich der Betroffene nicht mehr im Urteilsstaat aufhalt und sich bereits im Vollstreckungsstaat befindet. Das VollstrtJbk dient damit nur der Vollstreckungsiibertragung, nicht aber der Uberstellung sanktionierter Personen aus dem deutschen Strafvollzug in denjenigen ihres Heimatstaates. Gemeinsam ist sowohl dem UbersttJbk als auch dem VollstrtFbk: Sie begriinden keinerlei Verpflichtungen fiir die Vertragsstaaten, dem Ersuchen eines Urteilsstaates um Vollstreckung oder um Uberstellung nachzukommen - die Ubereinkommen geben jeweils nur den verfahrensmaBigen Rahmen vor.^^*^ Eine Zustimmung des Betroffenen ist nach dem „Zusatzprotokoll zum Ubereinkommen uber die Uberstellung verurteilter Personen" v. 18.12.1997 (ZP-t3berstUbK)^^^ regelmaBig nicht mehr erforderlich, wenn eine bestandskraftige Ausweisungsverfiigung vorliegt. Der ^^^ Denkschrift zum Uberstellungsubereinkommen, BT-Drs. 12/194, S. 19. * ^^ Bei Hinterlegung der deutschen Ratifikationsurkunde zum UberstUbk hat Deutschland allerdings eine Erklarung abgegeben, wonach es sich in Einzelfallen das Recht vorbehalt, einen Verurteilten nur zu uberstellen, wenn im Vollstreckungsstaat die Beachtung des rechtshilferechtlichen Spezialitatsprinzips gewahrleistet bleibt (BGBl. II 1992, S. 98 f). 1^5 BGBl. II 1997, S. 1350 ff 116 Siehe Denkschrift zum Vollstreckungsubereinkommen, BT-Drs. 13/5468, S. 11. 117 Denkschrift zum Uberstellungsubereinkommen, BT-Drs. 12/194, S. 17; Denkschrift zum Vollstreckungsubereinkommen, BT-Drs. 13/5468,8. 11. http ://con ventions. coe. int/Treaty/ger/Treaties/html/167.htm.
5.1 Strafantritt, Aufnahmeverfahren und Vollzugsplanung
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Verurteilte bleibt aber anzuhoren; seine Erklarung ist bei der Entscheidung iiber den Vollstreckungstransfer zu beriicksichtigen.^^^ Das Zusatzprotokoll wurde von Deutschland jedoch bislang nicht ratifiziert. Kommt es zu einer Uberstellung'^^, sieht das UberstUbk fur die Einpassung 346d des Strafurteils in das Rechtssystem des Vollstreckungsstaates zwei Moglichkeiten vor: die Fortsetzung der Vollstreckung oder die Umwandlung der Sanktion. Wahlt der Vollstreckungsstaat das Fortsetzungsverfahren, ist die Vollstreckung unmittelbar und unverandert weiterzufiihren (Art. 10 Abs. 1 UberstUbk). Das Exequaturverfahren fiihrt dagegen zu einer Ersetzung der im Urteilsstaat verhangten Sanktion durch eine solche, die das Recht des Vollstreckungsstaates ftir die gleiche Straftat vorsieht. Die Umwandlung erfolgt - abhangig von der nationalen Rechtsordnung - im Rahmen eines formlichen Gerichts- oder Verw^altungsverfahrens. Die Freiheitsentziehung beruht dann nur noch mittelbar auf der vom Urteilsstaat verhangten MaBnahme, unmittelbar aber auf einem eigenen VoUstreckungstitel des Vollstreckungsstaates. Art. 11 UberstUbk stellt im Interesse des Urteilsstaates sicher, dass der Vollstreckungsstaat an die Tatsachenfeststellungen des Urteils gebunden bleibt, es zu keiner Umwandlung einer freiheitsentziehenden Sanktion in eine Geldstrafe kommt, eine Anrechnung des vom Verurteilten bereits erlittenen Freiheitsentzugs erfolgt und Art sowie Dauer der Sanktion nicht zu einer Strafv^erscharfung fiihren. Erwartungen einer erkennbaren Reduzierung der Auslanderproblematik in den Justiz- 347 vollzugsanstalten durch eine Intemationalisierung der StrafverbiiBung haben sich in der Praxis bislang nicht erfiillt. Gestaltete sich die zunachst vertragslose Anwendung von § 71 IRG in der Praxis schwierig, vermochte auch das UberstUbk - trotz Ratifikation von uber 50 Staaten - nicht den Durchbruch zu bringen.^^' So kommen Studien uber die praktische Bedeutung des Ubereinkommens zum Ergebnis einer geringen Anwendungshaufigkeit.^^^ Bemiihungen um eine Fortentwicklung des Vollstreckungstransfers miissen deshalb zu einer Beseitigung wesentlicher Faktoren fiihren, welche die fehlende Akzeptanz bedingen. - Es darf nicht bei einer bloBen Regelung des Verfahrensgangs bleiben und eine Vollstreckungsiibemahme letztlich vom Gutdiinken^^^ des ersuchten Staates abhangen. Notwendig ist vielmehr eine zwischenstaatliche Vereinbarung, die eine gegenseitige Verpflichtung zur Ubemahme konstituiert.^^"* - Das Erfordemis einer Einhaltung des justizministeriellen Geschaftswegs fiihrt zu Verfahrensverzogerungen. Zumindest unter den Mitgliedsstaaten der Europaischen Gemeinschaften sollte ein allgemeiner unmittelbarer Geschaftsweg zwischen den zustandigen Justizbehorden begriindet werden.^^^
^^9 120 121 122 123 124 12^
Siehe auch Ziegenhahn, 2002, S. 136. Dazu Rieder-Kaiser, 2004, S. 115 f Siehe auch Schomburg, 1998, S. 143; Laubenthal, 2004a, S. 41 f. Rieder-Kaiser, 2004, S. 122 ff; Weber, 1997, S. 150 f Weider, 1998,S.69. Schomburg, 1998, S. 144; Weber, 1997, S. 244. Art. 6 Abs. 3 VollstrUbk lasst einen unmittelbaren Geschaftsweg nur aufgrund besonderer Vereinbarung oder im Fall der Dringlichkeit zu.
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5 DerVollzugsablaufalsInteraktionsprozess
Das Vollstreckungshilferecht ist gepragt von einem Gemenge^^^ aus gesetzlichen Regelungen, multilateralen Ubereinkommen, Zusatzprotokollen und Erklarungen. Hohere Akzeptanz mag insoweit durch mehr Transparenz bewirkt werden. Bin Haupthindemis des Vollstreckungstransfers ist schlieBlich die Uberstellungsvoraussetzung der Zustimmung durch den Verurteilten. Hat ein Verurteilter eine Wahlmoglichkeit, wird er sich eher fiir den Staat entscheiden, in dem er sich bessere Haftbedingungen oder einefruhzeitigereHaftentlassung verspricht.^^"^ Aber ebenso wenig wie bei der Auswahl und Ausgestaltung der zur Erreichung des Sozialisationsziels zweckmaBigen und Erfolg versprechenden Unrechtsreaktionen dem Straftater ein Mitspracherecht zusteht^^^, bedarf es fiir eine erfolgreiche Sozialisation der Einraumung eines Wahlrechts hinsichtlich der objektiven Rahmenbedingungen. Dies gilt umso mehr, als fraglich erscheint, ob unter den Realbedingungen des Lebens in der totalen Institution Justizvollzugsanstalt uberhaupt eine wirklich uneingeschrankte Entscheidungsfreiheit von Inhaftierten angenommen werden kann.^^^ Auf dem Weg zu einer effektiven Intemationalisierung der StrafverbtiBung sollten deshalb die Bemiihungen um einen Vollstreckungstransfer auch ohne Zustimmungserfordemis des Verurteilten anhalten.^^^
5.2 Die Unterbringung 348 Der Verwirklichung des Vollzugsziels einer sozial verantwortlichen Lebensfiihrung ohne weitere Straftaten dienen in der Hauptphase der StrafverbiiBung zahlreiche Gestaltungsbereiche des Freiheitsentzugs. Dabei stellt die Unterbringung des Verurteilten den Rahmen dar, innerhalb dessen die Vorgabe des § 2 S. 1 StVoUzG mittels Rtickfall verhiitender MaBnahmen (z.B. Arbeit, Aus- und Weiterbildung, soziale Hilfen) erreicht werden soil. Der Gefangene findet zudem soziale Trainingsfelder in der Anstalt (z.B. Wohn- und Behandlungsgruppen) bzv^. im Kontakt zur Gesellschaft auBerhalb der Institution (Schriftverkehr, Besuche, Vollzugslockerungen, Hafturlaub usw.) vor. Vorschriften iiber die Emahrung, Bekleidung oder die Gesundheitsfiirsorge regeln femer existentielle Grundbedingungen eines menschenwiirdigen Aufenthalts in der Anstalt. 349 Die Freiheitsstrafe w^ird nach Abschluss des Einweisungsverfahrens oder der Anfangsphase in einer Aufnahmeabteilung in der nach dem Vollstreckungsplan zustandigen Anstalt voUzogen. Die in der jeweiligen Institution darin vorhandene VoUzugsform bedeutet bereits eine Weichenstellung fiir die weitere Gestaltung der sozialen Lemfelder. Durch Verlegung kann die VoUzugsbehorde insoweit individuellen Bediirfnissen und Entwicklungen gemaB steuemd eingreifen. Innerhalb der Einrichtung sollen weitere Untergliedemngen nach dem intemen Differenzierungsprinzip gruppale Kommunikationsstrukturen schaffen. Gepragt wird die Unterbringung des einzelnen Insassen in der Anstalt auch durch die gem. § 82 Abs. 1 S. 1 StVoUzG verbindliche Tageseinteilung in Arbeitszeit, Freizeit ^26 ^27 ^28 129 13°
Schomburg, 1998, S. 143: „Vertragschaos" Weber, 1997, S. 160. Dazu Laubenthal, 1988, S. 952. Amelung, 1983,S.4f. So auch Lemke, 2000, S. 174.
5.2 Die Unterbringung
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und Ruhezeit. Diese hat nach §§17 und 18 StVollzG unterschiedliche Unterbringungsmoglichkeiten zur Folge. 5.2.1 Offener und geschlossener Vollzug § 141 Abs. 2 StVollzG differenziert zwischen Anstalten des geschlossenen und 350 des offenen Vollzugs.^^^ Als Abgrenzungskriterium gilt der Grad der Sicherheitsvorkehrungen: - sichere Unterbringung im geschlossenen Vollzug, - keine oder nur verminderte Vorkehrungen gegen Entweichungen im offenen Vollzug. Nach Nr. 2 W zu § 141 StVollzG konnen im offenen Vollzug bauliche und technische Sicherungsvorkehrungen - insbesondere Umfassungsmauer, Fenstergitter und besonders gesicherte Tiiren - entfallen. Gleiches gilt fur die standige und unmittelbare Aufsicht. Den Gefangenen wird ermoglicht, sich innerhalb der Einrichtung nach MaBgabe von hierfur getroffenen Regelungen frei zu bewegen. Die AuBentiiren konnen zeitweise unverschlossen und die Wohnraume auch wahrend der Ruhezeit geoffnet bleiben. GemaB § 100 Abs. 1 S. 2 StVollzG diirfen keine Schusswaffen zur Fluchtvereitelung aus einer offenen Anstalt eingesetzt werden. Die Reduzierung des Sichemngsgrades in den offenen Anstalten bewirkt ge- 351 geniiber dem geschlossenen Vollzug zugleich die Schaffung veranderter Interaktionsfelder. Die sozialen Kommunikationsmoglichkeiten sowohl innerhalb der Institution als auch mit der iibrigen Gesellschaft werden durch die vollstandige oder teilweise Befreiung von Sicherheitsaspekten erweitert. Dies fiihrt i.S.d. § 3 Abs. 1 StVollzG zu einer vermehrten Angleichung an die allgemeinen Lebensverhaltnisse.^^^ Die offene VoUzugsform entspricht durch die weitgehende Verhinderung einer Absonderung von der AuBenwelt auch dem Gegensteuerungsprinzip. Es sollen mittels geschlossenen Vollzugs also letztlich nur solche Gefangene den schadlichen Folgen derartiger Einrichtungen ausgesetzt bleiben, bei denen eine entsprechend sichere Unterbringung notwendig ist. Dem Integrationsgrundsatz gemaB wird durch offene Vollzugsformen auch die Riickkehr in die Freiheit erleichtert. Dabei misst das Gesetz der BehandlungsmaBnahme einer Unterbringung im offenen Vollzug eine solch zentrale Bedeutung bei, dass sich der VoUzugsplan gem. § 7 Abs. 2 Nr. 1 StVollzG hierzu auBem muss. AUerdings bleibt auch der offene Vollzug Freiheitsentzug; dem Verurteilten wird nicht ohne Androhung von Konsequenzen freigestellt, ob er in der Institution oder anderweitig seinen Aufenthalt nehmen will. Der tJbergang zwischen geschlossenen und offenen Einrichtungen bleibt flieBend. Im 352 Grenzbereich angesiedelt sind die sog. halboffenen Anstalten, ein von der Literatur entwickelter^^^, vom Gesetz jedoch nicht ubemommener Begriff Er betrifft Vollzugseinrichtungen, die nur teilweise ohne Sicherheitsvorkehrungen auskommen. Da § 141 Abs. 2 ^3^ Zur Entwicklung siehe Eiermann, 1988, S. 48 f; Loos, 1970. ^32 Siehe auch Miiller-Dietz, 1999, S. 280. 133 Grunau/Tiesler, 1982, § 141 Rdn. 2; Loos, 1970, S. 12 ff
180
5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
StVollzG Anstalten ohne oder nur mit verminderten Vorkehrungen gegen Entweichungen als solche des offenen Vollzugs bezeichnet, sind die halboffenen diesen zuzuordnen.^^^ 353
Wahrend § 141 Abs. 2 StVollzG auf der organisatorischen Ebene Differenzienmgsmerkmale vorgibt, normiert § 10 Abs. 1 StVollzG individuelle Zuweisungskriterien zum offenen VoUzug. Ftir Anstalten, deren Errichtung vor InKraft-Treten des Strafvollzugsgesetzes begonnen wurde, schrankt jedoch die tJbergangsregelung des § 201 Nr. 1 StVollzG aufgrund faktischer Gegebenheiten den Anwendungsbereich ein. Die Unterbringung im offenen VoUzug setzt voraus: - die Zustimmung des Gefangenen, - die Eignung des Inhaftierten fiir den offenen VoUzug, - keine Flucht- oder Missbrauchsgefahr, - die Unterbringung im geschlossenen Vollzug bleibt nicht aus raumlichen, personellen oder organisatorischen Griinden unerlasslich.
354
Ein Verurteilter soil nach § 10 Abs. 1 StVollzG nur mit seiner Zustimmung in den offenen Vollzug eingewiesen werden. Der Gesetzgeber wollte damit dem Inhaftierten ein MindestmaB an Selbstbestimmung zugestehen.^^^ Die Zustimmung stellt eine empfangsbediirftige verwaltungsrechtliche Willenserklarung dar, die als Einwilligung vor der MaBnahme dem Entscheidungsbefugten gegeniiber erfolgen muss. Sie soil jederzeit widerruflich bleiben, wobei der Betroffene aufgrund des ihm eingeraumten Selbstbestimmungsrechts nach der bestehenden Rechtslage eine Versagung oder einen nachtraglichen Widerruf nicht begrtinden muss.^^^ Da zu den Aufgaben des VoUzugsstabs nach § 4 Abs. 1 S. 2 StVollzG aber die Motivationspflicht zahlt, sind nach Moglichkeit die Griinde des Gefangenen fiir seine Ablehnung zu erforschen, um auf ihn mit dem Ziel seiner Zustimmung bzw. deren Aufrechterhaltung einzuwirken.^^'^Eine Zustimmungsverweigerung darf aber nicht ftir die Gewahrung anderer MaBnahmen (z.B. Hafturlaub) zum Nachteil des Inhaftierten gewertet werden. Denn raumt man ihm ein Entscheidungsrecht hinsichtlich der Einwilligung ein, konnen auch an sich verstandliche Griinde (z.B. groBere Entfemung der offenen Einrichtung vom Wohnort der Familie) zu deren Versagung fiihren.
355
Auf das Einwilligungserfordemis sollte bei der Entscheidung iiber eine Unterbringung im offenen Vollzug verzichtet werden.^^^ Denn als Begriindung fiir eine Nichterteilung der Einwilligung gelten in der Praxis vor allem die Gewohnung an den geschlossenen Vollzug, das Vermeiden der Erprobungssituation durch die Gefangenen sowie Abneigung gegen in offenen Anstalten teilweise noch vorhandene Gemeinschaftsunterkiinfte.^^^ Zwar darf der Inhaftierte nicht zum Objekt seiner Behandlung gemacht werden. Die Bewaltigung der mit dem offenen Vollzug verbundenen Erprobungssituationen stellt aber einen wesentlichen ^24 135 136 137 138 139
Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 10 Rdn. 2. BT-Drs. 7/918, S. 52. AK-Lesting, 2006, § 10 Rdn. 9 f Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 10 Rdn. 5. So auch BT-Drs. 11/3694, S. 3; BT-Drs. 13/117 (Gesetzesentwurf des Bundesrates). Vgl. BT-Drs. 11/3694, Begrundung, S. 8.
5.2 Die Unterbringung
181
Faktor fiir die Vollzugszielerreichung dar. Bin solches Lemfeld sollte daher nicht an die Bedingung einer Zustimmung des Gefangenen gekniipft werden, sondem auch unabhangig von seiner Willenserklarung in Betracht kommen. Denn zum einen reduziert die Unterbringung im offenen Vollzug die Intensitat der Freiheitsbeschrankung und bedeutet im Sinne des VerhaltnismaBigkeitsgrundsatzes einen geringeren Eingriff in das Freiheitsrecht.^'^^ Zum anderen konnen es gerade auch sozialisationsfeindliche Motive sein (z.B. personliche Abhangigkeiten im subkulturellen Milieu), aufgrund derer eine Zustimmungsverweigerung erfolgt. Die Entscheidung liber eine Unterbringung im offenen Vollzug und die damit verbundenen Chancen im Hinblick auf § 2 S. 1 StVollzG dtirfen deshalb nicht von einem formalen Kriterium der Zustimmung abhangen. Vielmehr sollte die Frage der Bereitschaft des Gefangenen mit der Anstaltsleitung erortert werden. Die vom Betroffenen dabei gegen einen Aufenthalt in der offenen Einrichtung vorgebrachten Griinde sind dann bei der Beurteilung der Eignung fiir die offene Vollzugsform zu beriicksichtigen. Der Gefangene muss nach § 10 Abs. 1 StVollzG den besonderen Anforde- 356 rungen des offenen Vollzugs geniigen. Es handelt sich bei dieser Voraussetzung um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der einer beschrankten^'^^ vollstreckungsgerichtlichen Nachpriifung unterliegt.^"^^ Die reduzierten bzw. aufgehobenen Sicherheitsvorkehrungen erfordem beim Inhaftierten Bereitschaft und Fahigkeit zu freiwilliger Einordnung sowie den Willen, sich in ein System einbeziehen zu lassen, das auf Selbstdisziplin und Verantwortungsbewusstsein des einzelnen Insassen beruht.^"^^ Dieser muss eine gewisse (Re-)Sozialisierungsv^illigkeit zeigen. Da der offene Vollzug aber erst als soziales Lemfeld zum Erwerb solcher Fahigkeiten dienen soil, brauchen diese Bedingungen nur in Ansatzen vorhanden zu sein.^"^"^ -
Als Beurteilungskriterien fur eine Eignung i.S.d. § 10 Abs. 1 StVollzG gelten:^"*^ Gemeinschaftsfahigkeit und Gemeinschaftsvertraglichkeit, Bereitschaft zu uneingeschrankter Mitarbeit, korrekte Fiihrung unter geringer Aufsicht, Aufgeschlossenheit gegeniiber sozialpadagogischen Bemiihungen, Bewusstsein notwendiger eigener Aktivitaten usw.
Negative Eignungskriterien sind dagegen solche Merkmale, v^elche die Er- 357 reichbarkeit der Zielvorgabe des Strafvollzugs behindem und auch nicht mit den Mitteln der offenen Vollzugsform beeinflussbar sind. ^"^^ Indizien hierfiir haben die Landesjustizverwaltungen in den VV zu § 10 StVollzG angefahrt, wobei die dort genaimten Kriterien aber formal und zum Teil vergangenheitsorientiert erscheinen und damit kaum der Prozesshaftigkeit von Behandlung und Personlichkeitsent-
140 BT-Drs. 11/3694, Begrundung, S. 8. 141 OLG Frankfurt, StrVert 2003, S. 399; Calliess/Muller-Dietz, 2005, §10 Rdn. 6; Schwind/Bohm/Jehle/Ittel/Freise, 2005, § 10 Rdn. 6. 142 Dazu unten Kap. 8.2.2.2. 143 BT-Drs. 7/918, S. 51. 144 OLG Karlsruhe, ZfStrVo 1985, S. 246. 145 Vgl. OLG Karlsruhe, ZfStrVo 1985, S. 174; OLG Zweibriicken, ZfStrVo 1990, S. 373; OLG Frankfurt, NStZ 1991, S. 55 f; Bohm, 2003, S. 81 f 146 OLG Karlsruhe, ZfStrVo 1985, S. 174.
182
5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
wicklung im Strafvollzug gerecht werden.^"*^ Es handelt sich zudem um bloBe Beurteilungsrichtlinien, die keine Einzelfallpriifung und -entscheidung entbehrlich machen.^"^^ In der Kegel ungeeignet sind nach VV Nr. 2 Abs. 1 zu § 10 StVoUzG vor allem Gefangene: - die erheblich suchtgefahrdet sind, - die wahrend des laufenden Freiheitsentzugs entwichen sind, eine Flucht versucht, einen Ausbruch untemommen oder sich an einer Gefangenenmeuterei beteiligt haben, - die aus dem letzten Urlaub oder Ausgang nicht freiwillig zuriickgekehrt sind oder bei denen zureichende tatsachliche Anhaltspunkte dafiir vorliegen, dass sie wahrend des letzten Urlaubs oder Ausgangs strafbare Handlungen begangen haben, - gegen die ein Ausweisungs-, Auslieferungs-, Ermittlungs- oder Strafverfahren anhangig ist, - bei denen zu befurchten ist, dass sie einen negativen Einfluss ausiiben, insbesondere das Erreichen des Vollzugsziels bei anderen Gefangenen gefahrden wiirden. Die Frage der Verantwortbarkeit einer Unterbringung im offenen Vollzug ist gem. VV Nr. 2 Abs. 3 zu § 10 StVollzG besonders griindlich zu priifen bei Inhaftierten mit einer Strafe wegen grober Gewalttatigkeiten gegen Personen, wegen eines Delikts gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder wegen Handelns mit Betaubungsmitteln im Sinne des BtMG sowie bei Gefangenen, die der organisierten Kriminalitat zuzurechnen sind. Allerdings diirfen auch diese Vorgaben zu keiner schematischen Ablehnung fuhren.^"^^ Allein aus der Deliktsart und der Hohe der Strafe kann eine fehlende Eignung nicht hergeleitet werden.^^^ Vom offenen Vollzug ausgeschlossen sind - mit einigen Ausnahmen - nach W Nr. 1 zu § 10 StVollzG wegen Staatsschutzdelikten Verurteilte, Gefangene mit vollziehbarer Ausweisungsverfugung^^^ bzw. solche in Auslieferungs-, Abschiebe- oder Untersuchungshaft^^^ sowie Insassen, gegen die eine freiheitsentziehende MaBregel der Besserung und Sicherung oder eine sonstige Unterbringung gerichdich angeordnet ist. 358
Als ein Eignungskriterium normiert § 10 Abs. 1 StVollzG ausdriicklich das Fehlen von Befiirchtungen, der Gefangene werde sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Moglichkeiten des offenen Vollzugs zur Begehung neuer Straftaten missbrauchen. Dieses (mit § 11 Abs. 2 StVollzG iibereinstimmende^^^) Merkmal der Flucht- oder Missbrauchsgefahr tragt der Sicherungsaufgabe des Strafvollzugs gem. § 2 S. 2 StVollzG Rechnung. Die VoUzugsbehorde hat bei der Priifung des Nichtvorliegens einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr eine Gesamtwiirdigung der prognostisch maBgeblichen Umstande vorzunehmen, vor allem die Personlichkeit des Inhaftierten zu berucksichtigen.^^"* An die Prognose sind aber nicht gleich strenge Anforderungen zu stellen wie im Rahmen einer Strafrestaussetzung zur Bewahrung fiir eine giinstige Sozialprognose i.S.d. § 57 Abs. 1 Nr. 2 147 i4« 149 1^0 1^1 152 152 154
Bohm,2003,S. 81. OLG Celle, StrVert 2005, S. 339. OLG Hamm, ZfStrVo 1987, S. 369. OLG Frankfurt, StrVert 2003, S. 400. Siehe aber LG Hamburg, StrVert 2001, S. 33. Krit. dazu AK-Lesting, 2006, § 10 Rdn. 16. Dazu unter Kap. 5.4.4.2. OLG Frankfurt, StrVert 2003, S. 399.
5.2 Die Unterbringung
183
StGB. Da die offene VoUzugsform erst als soziales Lemfeld im Hinblick auf eine erfolgreiche Integration dient, kommen auch solche Verurteilte flir offene Vollzugsformen in Betracht, denen eine bedingte Entlassung aus prognostischen Griinden noch versagt werden miisste.^^^ Selbst bei Vorliegen der individuellen Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 359 Abs. 1 StVollzG kann aber die Unterbringung im offenen Vollzug abgelehnt werden, wenn raumliche, personelle oder organisatorische Griinde dies erforderlich machen (§ 201 Nr. 1 StVollzG). Diese zeitlich unbegrenzte Ubergangsregelung geht davon aus, dass nicht fiir alle geeigneten Gefangenen eine zureichende Kapazitat an offenen Einrichtungen zur Verfiigung steht. AUerdings darf sich dabei die Vollzugsbehorde nicht auf fehlende Unterbringungsmoglichkeiten in einer bestimmten Anstalt berufen. Sie muss auch die Moglichkeit einer Verlegung in den offenen Vollzug einer anderen Institution priifen. Denn anderenfalls erfolgte die Auswahl willkiirlich und nicht unter dem sachgemaBen Aspekt der Eignung des Betroffenen.^^^ Sind samtliche Voraussetzungen fur eine Unterbringung im offenen Vollzug 360 gegeben, steht dem Gefangenen jedoch kein Anspruch auf diese VoUzugsform zu, sondem lediglich ein Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch. Denn der Gesetzgeber hat § 10 Abs. 1 StVollzG als eine Soll-Vorschrift ausgestaltet und damit der Vollzugsbehorde einen engen Ermessensspielraum eroffhet.^^'^Nur in besonders begriindeten Ausnahmefallen darf danach ein ftir den offenen Vollzug Geeigneter in eine geschlossene Einrichtung eingewiesen werden. Als Kriterien fiir eine Unterbringung im geschlossenen Vollzug bzw. far eine 361 Riickverlegung dorthin benennt § 10 Abs. 2 StVollzG: - Zuweisung in die geschlossene Institution „im Ubrigen", d.h. bei Nichtvorliegen der individuellen Voraussetzungen fur die offene Einrichtung i.S.d. § 10 Abs. 1 StVollzG, Oder - wenn dies zur Behandlung des Inhaftierten notwendig ist. Hat die Unterbringung bzw. Riickverlegung nach § 10 Abs. 2 S. 2 StVollzG zur Behandlung notwendig zu sein, geniigt hierfiir nicht jede ZweckmaBigkeitserwagung. Die geschlossene VoUzugsform muss gerade als Mittel der Behandlung unerlasslich bleiben^^^, d.h. der Aufenthalt im offenen Vollzug einer Zielerreichung i.S.d. § 2 S. 1 StVollzG entgegenstehen und derjenige im geschlossenen Vollzug die Chancen einer sozial verantwortlichen Lebensfiihrung ohne weitere Straftaten erhohen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn individuell erforderliche therapeutische MaBnahmen oder Angebote zur Aus- und Weiterbildung nur in einer geschlossenen Institution durchgefiihrt werden. ^^^
'55 Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 10 Rdn. 8. '56 OLG Frankfurt, NStZ 1991, S. 56. '57 OLG Hamm, ZfStrVo 1987, S. 369; OLG Frankfurt, NStZ 1991, S. 55; OLG Celle, StrVert 2005, S. 339. '58 BT-Drs. 7/918, S. 12; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2001, S. 318. '59 Schwind/Bohm/Jehle/Ittel/Freise, 2005, § 10 Rdn. 11.
184 362
5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
Eine Ruckverlegung vom offenen in den geschlossenen Vollzug nach § 10 Abs. 2 S. 2 StVollzG kann beispielsweise auf konkrete Anhaltspunkte fur den Verdacht einer emeuten strafbaren Handlung wahrend einer VoUzugslockerung gestiitzt werden^^^ oder auf (negatives) Verhalten in der offenen Einrichtung. Die Auffalligkeiten miissen aber einzeln oder in ihrer Gesamtheit die Notwendigkeit einer Behandlung gerade im geschlossenen Vollzug ergeben.'^^ Erfolgt die Ablosung aus dem offenen Vollzug wegen des Verdachts einer Straftat, unterliegt diese MaBnahme dem Grundsatz der VerhaltnismaBigkeit. Deshalb darf sich der Verdacht nicht nur auf Vermutungen, vage Hinweise oder lediglich entfemte Indizien stiitzen. Er muss vielmehr auf konkreten Anhaltspunkten beruhen.^^^ Die Vollzugsbehorde bleibt auBerdem verpflichtet, den Sachverhalt aufzuklaren, soweit ihr dies moglichist.^^^ Die Voraussetzungen fur eine solche Ruckverlegung sind in § 10 StVollzG abschlieOend normiert.^^'* Es besteht deshalb keine planwidrige Gesetzesliicke, die eine Ruckverlegung durch eine analoge Heranziehung der in § 14 Abs. 2 StVollzG benannten Widerrufsgriinde (dort fur Vollzugslockerungen und Hafturlaub) rechtfertigen wiirde.^^^ Beispiel: Ein wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von ftinf Jahren Verurteilter war in den offenen Vollzug der Anstalt C.-R. verlegt worden. Dagegen hatte die Einweisungskommission seine Unterbringung im halboffenen Vollzug der Anstalt G. empfohlen. GemaB einer Richtlinie der Landesjustizverwaltung diirfen fiir den offenen Vollzug geeignete Gewalttater aber nur in diese halboffene Einrichtung in G. verlegt werden, um dort ihre Erprobung in der AuBenbeschaftigung unter der in anderen offenen Anstalten nicht gewahrleisteten Aufsicht eines Vollzugsbeamten zu sichem. Das OLG Hamm^^^ wertet die Verlegung des Gefangenen in die Anstalt C.-R. als einen begunstigenden Verwaltungsakt. Eine Verfiigung der Vollzugsbehorde liber eine Herausnahme aus dem offenen Vollzug in C.-R. und eine Ruckverlegung in eine nur halboffene Institution in G. als Widerruf konne auf eine analoge Anwendung des § 14 Abs. 2 StVollzG gestiitzt werden. Diese Norm regelt unmittelbar den Widerruf bzw. die Riicknahme von Lockerungs- und Urlaubsentscheidungen. Bei den tibrigen VollzugsmaBnahmen sei eine entsprechende Heranziehung dieser Bestimmung „unter Beachtung des Sinns und Zwecks der jeweiligen MaBnahme unter Beriicksichtigung von Sicherheitsbelangen und allgemeinen Vollzugsgrundsatzen nach den §§ 2, 3 StVollzG zulasgjg "167 £g musse daher gepriift werden, ob der mit der Verlegung in den offenen Vollzug in C.-R. erfolgte beglinstigende Verwaltungsakt analog § 14 Abs. 2 S. 2 StVollzG
16° 161 162 163
KG,ZfStrVol989,S. 116. OLG Frankfurt, ZfStrVo 1988, S. 62. KG, StrVert 2003, S. 405. BVerfG, NStZ-RR 2004, S. 221. 164 A.A. Arloth/Luckemann, 2004, § 10 Rdn. 9. 165 OLG Dresden, StrVert 2006, S. 258; Calhess/Miiller-Dietz, 2005, § 10 Rdn. 10. 166 OLG Hamm, ZfStrVo 1987, S. 371 f 167 OLG Hamm, ZfStrVo 1987, S. 372; zustimmend auch AK-Lesting, 2006, § 10 Rdn. 22; Schwind/Bohm/Jehle/Ittel/Freise, 2005, § 10 Rdn. 12.
5.2 Die Unterbringung
185
zuriickgenommen werden konne, well die Voraussetzungen der Bewilligung nicht vorlagen.^^^ Dies steht jedoch im Widerspruch zur Regelung des § 10 Abs. 2 S. 2 StVollzG, der Ruckverlegungen von Notwendigkeiten der Behandlung abhangig macht. Sollen nach § 10 Abs. 1 StVollzG die Inhaftierten in einer offenen Einrichtung 363 untergebracht werden und nur „im Ubrigen" im geschlossenen Vollzug, stellt gemaB der urspriinglichen Intention des Gesetzgebers der offene Vollzug die Regelvollzugsform dar.^^^ Den Vorrang des offenen Vollzugs hat die Legislative selbst jedoch durch Nomiierung des § 10 Abs. 1 StVollzG als Soll-Vorschrift sov^ie durch § 201 Nr. 1 StVollzG abgeschwacht. So verbtiBten am 31.3.2005 insgesamt 56 122 Personen eine Freiheitsstrafe. Davon befanden sich lediglich 10 165 Inhaftierte in Einrichtungen des offenen Vollzugs. ^"^^ Der Anteil der im offenen Vollzug Untergebrachten an der Gesamtzahl der Strafgefangenen betrug damit lediglich 20,7 %. Entspricht die Praxis somit auch nicht der Vorrangstellung offener VoUzugsformen, ist immerhin ein Anstieg der Einweisungen bzw. Verlegungen gem. § 10 Abs. 1 StVollzG zu verzeichnen. Denn im Jahr 1988 saBen von den in den alten Bundeslandem Inhaftierten nur 7,4 % im offenen Vollzug ein.^"^^
5.2.2 Verlegungsmoglichkeiten Neben der Einvv^eisung in den offenen bzw. geschlossenen Vollzug zu Haftbeginn 364 oder durch Veranderungen der VoUzugsform im Rahmen des § 10 StVollzG wahrend der StrafverbiiBung kann durch weitere Anstaltswechsel in den individuellen VoUzugsablauf eingegriffen werden. Eine solche Verlegung als eine dauerhafte Unterbringung in einer anderen Institution abweichend vom Vollstreckungsplan darf gem. § 8 Abs. 1 StVollzG erfolgen: - zur Forderung der Behandlung bzw. der Eingliederung (Nr. 1), - wenn die Vollzugsorganisation oder andere wichtige Griinde die Verlegung bedingen (Nr. 2). Der Gesetzgeber hat die Verlegungsgrtinde im Strafvollzugsgesetz abschlieOend normiert.^^^ Denn ein Anstaltswechsel bedeutet fur die Betroffenen einen gravierenden Einschnitt und stort die Kontinuitat des Behandlungsprozesses. Der Gefangene wird aus den ^^^ Ftir eine analoge Anwendung des § 14 Abs. 2 StVollzG bei einer Rtickverlegung in den geschlossenen Vollzug auch KG, NStZ 1993, S. 102; OLG Celle, NStZ-RR 1998, S. 92. 169 AK-Lesting, 2006, § 10 Rdn. 4; Calliess, 1992, S. 90; Calhess/Miiller-Dietz, 2005, § 10 Rdn. 1; Diinkel F., 1998, S. 45; Kaiser/Schoch, 2002, S. 409; Schwind/Bohm/Jehle/ Ittel/Freise, 2005, § 10 Rdn. 2; OLG Frankfurt, NStZ 1991, S. 56; a.A. MtillerAVulf, 1999, S. 4; einschrankend auch Arloth/Luckemann, 2004, § 10 Rdn. 3; Bohm, 2003, S. 80. 1"^^ Statistisches Bundesamt, Strafvollzug - Demographische und kriminologische Merkmale der Strafgefangenen 2005 Reihe 4.1, S. 10. 1^1 Statistisches Bundesamt, Strafvollzug 1988, S. 8. '^2 Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 8 Rdn. 2.
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
gewohnten Kommunikationsstrukturen herausgerissen und verliert bislang vorhandene Beschaftigungsmoglichkeiten. Andererseits kann die neue Institution wohnortnaher sein oder bessere BehandlungsmaBnahmen anbieten. Liegt die neue Vollzugseinrichtung in einem anderen Landgerichtsbezirk, tritt zudem regelmaBig^^^ gem. § 110 S. 1 StVollzG eine Anderung in der Zustandigkeit der Strafvollstreckungskammer ein. Dies mag die Gefahr von Manipulationsmoglichkeiten im Einzelfall bergen. Unter dem Aspekt des § 2 S. 1 StVollzG erscheint eine am Sozialisationsziel orientierte Verlegungsentscheidung der Vollzugsbehorde jedoch im Hinblick auf den durch Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG gewahrten Anspruch auf den gesetzlichen Richter als verfassungsrechtlich gerechtfertigt.^'^'* 365
Einem Anstaltswechsel nach § 8 Abs. 1 StVollzG gehen zunachst die speziellen Verlegungsgriinde vor: - § 9 StVollzG: in eine sozialtherapeutische Anstalt bzw. Riickverlegung aus einer solchen, - § 15 Abs. 2 StVollzG: in eine offene Anstalt oder Abteilung zum Zweck der Entlassungsvorbereitung, - § 65 StVollzG: zur Krankenbehandlung, - § 85 StVollzG: zur sicheren Unterbringung des Gefangenen, - § 152 Abs. 2 S. 2 StVollzG: zum weiteren Vollzug aus einer Einweisungsanstalt oder -abteilung.
366
1st keiner dieser besonderen Verlegungsfalle gegeben, eroffhet § 8 Abs. 1 Nr. 1 StVollzG die Moglichkeit eines vom Vollstreckungsplan abweichenden Anstaltswechsels als MaBnahme der Behandlung. Hierdurch kann das Vollzugsziel konkretisiert und dem Eingliederungsgrundsatz des § 3 Abs. 3 StVollzG entsprochen werden. Eine Verlegung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 StVollzG kommt vor allem in Betracht, wenn die aufnehmende Einrichtung individuell geeignetere Aus- und Weiterbildungsangebote oder therapeutische MaBnahmen bietet. Im Hinblick auf die Entlassungsvorbereitung vermag die Unterbringung in einer heimatnaheren Institution der Ankniipfung von beruflichen und der Intensivierung von personlichen Kontakten nach auBen zu dienen. Eine Verlegung gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1 StVollzG darf auch erfolgen zum Zw^eck der Erhohung der Chancen einer VoUzugszielerreichung, indem eine Trennung von Mittatem in verschiedene Anstalten vorgenommen wird.^"^^ 367 Eine bloBe Erleichterung des Kontakts zu den Angehorigen allein kann jedoch noch nicht eine Verlegung gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1 StVollzG begriinden. Anderenfalls miisste die Anstaltsleitung aufgrund der zu erv^artenden Vollzugswiinsche v^eiterer Inhaftierter diesen dem Gleichbehandlungsprinzip gemaB entsprechen, was dann einen geordneten Vollzug nach dem Vollstreckungsplan uimioglich v^erden lieBe. Zudem bliebe der gesetzliche Richter nicht mehr hinreichend sicher bestimmbar. Im Rahmen der Ermessensentscheidung^'^^ iiber eine Verlegung stellt jedoch - neben dem Interesse des Einzelnen an sozialer Reintegration - gerade das ^•^^ 1^4 1^5 ^^6
Zu Ausnahmen bei bereits rechtshangigen Verfahren siehe unten Kap. 8.2.1.5. Dazu BKGG-Leuze, 2000, Art. 101 Rdn. 12; Roth, 2000, S. 133 ff. LG Stuttgart, ZfStrVo 1990, S. 184. KG, ZfStrVo 1995, S. 112; OLG Rostock, NStZ 1997, S. 381.
5.2 Die Unterbringung
187
Gmndrecht zum Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 GG) ein zu beriicksichtigendes Kriterium dar.^^-^ Dies bezieht sich nicht nur auf eine Verbesserung der Besuchsmoglichkeiten von Angehorigen, sondem auch auf die Ermoglichung haufigerer Zusammenkiinfte von in Strafhaft befindlichen Ehepartnem.^'^^ Art. 6 Abs. 1 GG begriindet aber keinen selbstandigen Anspruch, zu einem bestimmten Zeitpunkt in eine familiennahere Einrichtung verlegt zu werden. Ein Anstaltswechsel zur Aufrechterhaltung familiarer Beziehungen kommt gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1 StVollzG in Betracht, wenn dies als BehandlungsmaBnahme oder zur (Re-)Sozialisierung aufgrund besonderer Umstande unerlasslich erscheint, um die Behandlung oder Wiedereingliederung zu fordem. Es miissen besondere, vom Durchschnittsfall abweichende Erschwerungen des' Kontakts zu den Angehorigen vorliegen, um einen solchen Verlegungsantrag ausreichend zu begriinden.^^^ Allerdings entbindet insoweit das Kriterium der Unerlasslichkeit die Anstaltsleitung nicht von der Verpflichtung, im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung die grundrechtUchen Belange des Inhaftierten unter Berticksichtigung der Umstande des Einzelfalls angemessen zu wiirdigen.'^^ Erschwemisse im famiHaren Kontakt konnen gegebenenfalls durch Gewahrung von Vollzugslockerungen i.S.d. § 11 StVollzG oder durch Uberstellungen zu Besuchszwecken in eine JustizvoUzugsanstalt nahe dem Wohnsitz des Angehorigen nach § 8 Abs. 2 StVollzG behoben werden. Verlegungen aus Griinden der VoUzugsorganisation sind nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 368 StVollzG zulassig. Hierbei geht es vor allem um praktische Probleme im Rahmen der Anstaltsbelegung (z.B. Uberfiillung, bauliche MaBnahmen, StilUegung bzw. Neueroffhung von Einrichtungen) oder um unvorhersehbare Ereignisse (z.B. Ungliicksfalle, Zerstorungen durch Inhaftierte), welche eine anderweitige Unterbringung von Gefangenen notwendig machen. Auch der aus Art. 1 Abs. 1 GG folgende Anspruch des Gefangenen auf eine menschenwiirdige Unterbringung kann wenn innerhalb der Anstalt keine Abhilfe moglich i s t - eine Verlegung bedingen.^^^ Nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 StVollzG kommt auch ein Anstaltswechsel aus anderen 369 wichtigen Griinden in Betracht, wenn diese eine Verlegung erfordern. Da die individuellen Griinde in den speziellen gesetzlichen Verlegungsmoglichkeiten sowie in § 8 Abs. 1 Nr. 1 StVollzG abschlieBend normiert sind, gehoren zu den anderen wichtigen Ursachen nur solche, die Belange des VoUzugs insgesamt betreffen.^^2 Besondere Verhaltensweisen oder Befindlichkeiten einzelner Inhaftierter (z.B, Querulantentum, Missbrauch von Vollzugslockerungen zur Begehung von
'^^ BVerfG, Beschl. v. 19.4.2006 - 2 BvR 818/05; OLG Hamm, ZfStrVo 1988, S. 310. ^^^ OLG Saarbriicken, ZfStrVo 1983, S. 379. 1^9 OLG Rostock, NStZ 1997, S. 381; OLG Bamberg, Beschl. v. 9.11.2001 - Ws 689/01; OLG Hamm, ZfStrVo 2004, S. 243; Schwind/Bohm/Jehle/Rotthaus/Freise, 2005, § 8 Rdn. 11. i«^ BVerfG, Beschl. v. 19.4.2006-2 BvR 818/05. ^^^ BVerfG, StrVert 1993, S. 487 f ^^2 Calliess/Mtiller-Dietz, 2005, § 8 Rdn. 5.
5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess Straftaten) konnen daher insoweit eine Verlegung nicht rechtfertigen.^^^ Denn § 8 Abs. 1 StVollzG ist gerade wegen der mit einem Anstaltswechsel verbundenen Anderung der Zustandigkeit der StrafvoUstreckungskammer im Hinblick auf das Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) verfassungskonform zu interpretieren und darf deshalb mit § 8 Abs. 1 Nr. 2 2. Alt. StVollzG keinen allgemeinen Auffangtatbestand enthalten. 370 Der Gefangene hat kein Recht auf Verlegung. Er kann lediglich einen Anstaltswechsel beantragen und hat einen Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung unter Beriicksichtigung der von ihm geltend gemachten Gesichtspunkte. Dabei kann sich die Landesjustizverwaltung nach § 153 StVollzG Entscheidungen iiber Verlegungen vorbehalten oder sie einer zentralen Stelle iibertragen. Im Ubrigen bleibt die Anstaltsleitung zustandig. Befindet sich ein Gefangener infolge des Einweisungsbeschlusses einer Einweisungsanstalt in einer bestimmten Institution, so entscheidet deren Leiter iiber eine Verlegung in eine andere Anstalt, selbst wenn die Einweisungseinrichtung ihre urspriingliche Entscheidung revidiert hat. 184
Uberblick: Grtinde fiir Verlegung in eine andere Anstalt: - Besondere Verlegungsgrtinde § 10: in eine Anstalt des offenen VoUzugs, § 9: in eine sozialtherapeutische Anstalt, § 15 Abs. 2: in eine offene Anstalt oder Abteilung zum Zweck der Entlassung, § 65: zur Krankenbehandlung, § 85: zur sicheren Unterbringung des Gefangenen, § 152 Abs. 2 S. 2: zum weiteren Vollzug aus einer Einweisungsanstalt oder -abteilung. - Allgemeine Verlegungsgrtinde: § 8 Abs. 1 Nr. 1: zur Forderung der Behandlung bzw. der Eingliederung, § 8 Abs. 1 Nr. 2: bedingt durch die Vollzugsorganisation oder andere wichtige Grtinde. 371
Von der Verlegung als der dauerhaften Unterbringung in einer vom Vollstreckungsplan abweichenden Institution zu unterscheiden ist die Uberstellung, d.h. ein nur voriibergehender Wechsel der Anstalt aus wichtigem Grund (§ 8 Abs. 2 StVollzG). Nach VV Nr. 1 zu § 8 StVollzG kommt dies in Betracht zu Zwecken der Besuchszusammenfuhrung, der Ausftihrung oder des Ausgangs am Ort oder in Ortsnahe einer anderen Einrichtung, der Vorftihrung bei Gerichtsterminen, der 183 AK-Feest/Joester, 2006, § 8 Rdn. 8; Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 8 Rdn. 5; a.A. Schwind/Bohm/Jehle/Rotthaus/Freise, 2005, § 8 Rdn. 14; OLG Bremen, ZfStrVo 1996, S. 310; OLG Hamm, NStZ 1997, S. 102. 184 OLG Hamm, NStZ 1994, S. 608.
5.2 Die Unterbringung
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Begutachtimg und arztlicher Untersuchungen. Auch die Entscheidung iiber eine Zulassung zur Teilnahme an einer Sportveranstaltung in einer anderen VoUzugseinrichtung bemisst sich nach § 8 Abs. 2 StVollzG.^^^ Der Anstaltswechsel aufgrund von Verlegung oder Uberstellung ist verbunden mit ei- 372 nem Gefangenentransport, der sog. Verschubung. Diese erfolgt nach den Gefangenentransportvorschriften der Lander, wobei die Betroffenen regelmaBig im Sammeltransport zu befordem sind. Zustandige Behorden sind die Justizvollzugsanstalten (bzw. bei Unterbringung die MaBregelvollzugseinrichtungen), an die ein entsprechendes Verschubungsersuchen zu richten ist.'^^ Spezielle Gefangenentransportwagen verkehren nach genauen Fahrplanen zwischen den Anstalten, die in einem Kursbuch fiir den Gefangenensammeltransport verzeichnet sind. Die Durchfiihrung der teilweise lang andauemden Verschubungen in engen Omnibuskabinen mit bloBen sog. Sehschlitzen als Kabinenfenster steht nicht im Einklang mit § 3 Abs. 1 StVollzG und wirfl die Frage einer Verletzung von Art. 1 Abs. 1 GG
5.2.3 Gestaltung und innere Gliederung der Anstalten Der Verurteilte muss in einer Anstalt untergebracht werden, deren auBere Bedin- 373 gungen so gestaltet sind, dass darin ein behandlungsorientierter Strafvollzug tatsachlich durchgefiihrt werden kann. Die Anstaltsbauten, ihre Untergliederung und die Belegung haben deshalb der in §§ 2 bis 4 StVollzG festgelegten Grundkonzeption eines auf Integration ausgerichteten Vollzugskonzeptes zu entsprechen.
5.2.3.1 Grofie und Belegungsfahigkeit Das mit dem Vollzug der Freiheitsstrafe verfolgte Ziel (§ 2 S. 1 StVollzG) bedingt 374 auch die Bauweise der Justizvollzugsanstalten. Die Gefangnisarchitektur hat sich seit den Anfangen des modemen Freiheitsentzugs bei der Gestaltung des Lebensraums von Inhaftierten an den jev^eiligen VoUzugsideen orientiert.^^^ Die heutigen Anstalten sind gemaB den Prinzipien des StrafvoUzugsgesetzes nach sozialisationsorientierten Gesichtspunkten zu errichten.'^^ Genauere Vorschriften iiber die bauliche Struktur enthalt dieses jedoch nicht. Angesichts der zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens bestehenden baulichen Einrichtungen hat der Gesetzgeber sich mit § § 1 4 3 bis 146 StVollzG auf einige Vorgaben fiir die GroBe und Gestaltung der Anstalten und ihrer Raumlichkeiten sowie deren Belegung beschrankt. Ein Teil der in Deutschland existierenden Justizvollzugsanstalten wurde bereits vor dem 1. Weltkrieg erbaut. Dabei hat die Gefangnisarchitektur des 18. und 19. Jahrhunderts nicht nur die AuBenfassaden bewusst wirkungsorientiert als Abschreckung konzipiert.^^° Es dominierte auch eine Sicherheitsarchitektur, basierend auf den Prinzipien von Isolation und ^«5 i«6 1^7 i^« ^89 190
OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2002, S. 315. Dazu Isak/Wagner, 2004, S. 65. Siehe auch Bemmann, 2002, S. 803 ff; Kropp, 2005, S. 98. Vgl. Amdt, 1981, S. 7 ff; Bienert, 1996, S. 140 ff Dazu Komdorfer, 1993, S. 337 f Siehe Esch, 1993, S. 83; Bienert, 1996, S. 164 ff
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Distanz: nach innen gepragt durch den Grundsatz der Zellenisolierung, zur besseren Uberwachbarkeit haufig in panoptischer Bauweise; nach auBen hin durch Gitter und Mauem, welche Sicherheit vor GefahrHchem sowie Ausgrenzung symbolisieren.^^^ Solche alten Gefangnisbauten mussten und miissen durch neue ersetzt bzw. derart umgebaut werden, dass sie den Erfordemissen des Behandlungsvollzugs entsprechen. So wurden etwa in Bayem seit 1992 insgesamt 477 Millionen EUR aufgewendet, um raumliche Voraussetzungen fiir einen den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Vollzug zu schaffen. Als vorrangige Aufgaben vollzuglicher Baupolitik gelten dabei insbesondere die Anpassung der Haftkapazitaten an die voraussichtliche Entwicklung der Inhaftiertenzahlen sowie eine Veranderung der Haftplatzstruktur zugunsten der Einzelunterbringung.^^^ 375
§ 143 Abs. 1 StVollzG soil die Umsetzung der Grundsatze des Behandlungsvollzugs bei der Gestaltung der Anstalten sichem: Diese sind so einzurichten, dass eine auf die Bediirfnisse des Einzelnen abgestellte Behandlung gewahrleistet ist. Der Gesetzgeber woUte damit der Gefahr begegnen, dass durch zu groBe bzw. nicht zureichend gegliederte Institutionen die in den §§ 2 bis 4 StVollzG verankerte Behandlung des Gefangenen erschwert oder sogar unmoglich wird.^^^ Allerdings hat er dann fiir sog. Altbauten (deren Errichtung vor In-Kraft-Treten des Strafvollzugsgesetzes begonnen wurde) diese Regelung auf unbestitnmte Zeit als Soll-Vorschrift relativiert (§ 201 Nr. 4 StVollzG).^^^ 376 tJber das in § 143 Abs. 1 StVollzG normierte Gestaltungsgebot hinaus auBert sich das Gesetz nicht zur GroBe der einzelnen Anstalten. § 143 Abs. 3 StVollzG begrenzt lediglich fiir sozialtherapeutische Einrichtungen sowie fiir Anstalten des Frauenvollzugs die Belegung auf 200 Haftplatze. ImUbrigen wird die Belegungsfahigkeit einer Anstalt, d.h. die Anzahl der in ihr verfiigbaren Haftplatze^^^, von der Aufsichtsbehorde berechnet und in einem Belegungsplan festgesetzt (§ 145 StVollzG). Sie ist so zu bemessen, dass die gesetzlich vorgesehenen BehandlungsmaBnahmen realisiert werden konnen. Dabei miissen der Gefangenenzahl entsprechend auch Platze fiir Arbeit, Aus- und Weiterbildung sowie Raume fiir Seelsorge, Freizeit, Sport, therapeutische MaBnahmen und Besuche beriicksichtigt werden. 377 § 146 Abs. 1 StVollzG normiert ein Uberbelegungsverbot: Die im Belegungsplan festgesetzte Haftplatzkapazitat darf von der Anstalt grundsatzlich nicht durch Aufnahme zusatzlicher Gefangener iiberschritten werden. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass jede Uberbelegung die Durchfiihrung von BehandlungsmaBnahmen beeintrachtigt. Die VoUzugsbehorde wird deshalb in die Lage versetzt, die Aufiiahme von Verurteilten abzulehnen, wenn sie diese nicht den gesetzlichen Vorschriften gemaB betreuen und versorgen kann. Es soil „ein Konflikt zwischen der Behordenpflicht zum Vollzug der voUstreckbaren Urteile und zu einer den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorschriften entsprechenden Behandlung vermieden werden, wenn der vorhandene Haftraum fiir eine gesetzmaBige, der
^9' JungH, 1993,8.339. ^^^ Bayer. Staatsministerium der Justiz, 2005, S. 43. •93 BT-Drs. 7/918,8.93. •9^ Krit. Preusker, 1997, 8. 35. 195 AK-Huchting/Lehmann, 2006, § 145 Rdn. 1.
5.2 Die Unterbringung
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Menschenwiirde entsprechende Unterbringung der Gefangenen nicht mehr ausreichen sollte."^^^ Als verhangnisvolP^^ erweist sich insoweit aber die Regelung des § 146 Abs. 2 378 StVollzG in Phasen der Diskrepanz zwischen Haftplatzangebot und Haftplatznachfrage fiir die Behandlung. Nach dieser Norm sind Ausnahmen vom Uberbelegungsverbot mit Zustimmung der Aufsichtsbehorde voriibergehend zulassig. In Zeiten eines groBeren Inputs von Gefangenen besteht die Gefahr eines Missbrauchs dieser Vorschrift'^^, um Einrichtungen auf Dauer iiber die Haftplatzkapazitat hinaus zu belegen, was dort letztlich zu Missstanden fiihrt.^^^ Zu den Auswirkungen einer extensiven Anwendung des § 146 Abs. 2 StVollzG 379 gehoren auch vermehrte Belastungen der StrafvoUzugsbediensteten.^^^ Fiihlt sich ein Mitarbeiter durch tJberbelegungen in seiner Sicherheit gefahrdet, kann er allerdings aus § 146 Abs. 2 StVollzG keinen Anspruch auf Beseitigung von Mehrbelegungen herleiten, weil diese Norm dem Schutz von BehandlungsmaBnahmen vor Behinderungen und Storungen dient.^°^ Am 31.8.2005 gab es in Deutschland 202 Justizvollzugsanstalten mit einer Haftplatzkapazitat fur insgesamt 79 780 Gefangene. Davon waren am Stichtag 79 519 belegt (99,7 %)?^^ Wahrend in der ersten Halfte der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts in mehreren Bundeslandem die Belegungsfahigkeit von Anstalten deutlich (vereinzelt um ca. 30 %) uberschritten wurde^^^, war ab Mitte der neunziger Jahre der Haftraum tiberwiegend nicht ausgelastet. Die Entspannung in der Belegungssituation bedeutete jedoch nicht, dass die Haft- und Lebensbedingungen der Betroffenen stets zufrieden stellend oder menschenrechtskonform erschienen.^^"^ In einigen Landem war allerdings zu Beginn der neunziger Jahre wiederum ein Anstieg der Gefangenenzahlen zu verzeichnen. So nahm z.B. in Bayem seit 1991 die Gesamtbelegung um ca. 35 % zu. Mit 13 113 Inhaftierten bei 11 756 Haftplatzen war im Jahr 2005 dort die hochste Belegung seit 1948 zu verzeichnen.-^^^ In Nordrhein-Westfalen standen am 31.3.2005 insgesamt 17 596 Haftplatze zur Verfugung, die mit 17 990 Gefangenen belegt waren.^^^ Die Uberbelegungen im Strafvollzug sind seit den neunziger Jahren zu einem Dauerthema in der kriminalpolitischen Diskussion geworden.^^^
196 BT-Drs. 7/918, S. 93.
197 RotthausK., 1987,S. 3. 198 RotthausK., 1987, S. 3. 199 Zu den Auswirkungen siehe Kretschmer, 2005a, S. 251 ff; Oberheim, 1985, S. 142 ff; Schmidt J., 1986, S. 75 f; Theile, 2002, S. 670 ff 200 Kaiser/Schoch, 2 0 0 2 , S. 122.
201 VG Koln, ZfStrVo 1992, S. 73. 202 Statistisches Bundesamt, Bestand der Gefangenen u n d Verurteilten in d e n deutschen Justizvollzugsanstalten, 2006.
203 Vgl.Feltes, 1984,S. 195. 204 Dunkel/Morgenstem, 2001, S. 147. 205 Bayer. Staatsministerium der Justiz, 2 0 0 5 , S. 6. 206 Justizministerium des L a n d e s Nordrhein-Westfalen, 2 0 0 6 , S. 16. 207 V g l . Diinkel/Geng, 2 0 0 3 , S. 146 ff; Kretschmer, 2 0 0 5 , S. 251 ff; M a e h c k e B . , 2 0 0 3 ,
S. 143 ff
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
5.2.3.2 Unterbringung in Gruppen 380 Nach § 143 Abs. 2 StVollzG sind die Anstalten so zu untergliedem (= interne Differenzierung), dass der Gefangene einer iiberschaubaren Betreuungs- und Behandlungsgruppe zugeordnet werden kann. Auch diese Norm ist jedoch durch § 201 Nr. 4 StVollzG fiir sog. Altanstalten auf unbestimmte Zeit nur als Soll-Vorschrift giiltig. Die Inhaftierten sollen nicht als unstrukturierte Gesamtheit in der Vollzugsanstalt leben. Vielmehr gestaltet sich die Sozialstruktur der Einrichtung durch eine Untergliederung in kleinere Einheiten. Zwar auBert sich das Gesetz nicht iiber deren GroBe. Mit dem Begriff der Uberschaubarkeit bringt es aber zum Ausdruck, dass „die Gruppe nicht so groB sein darf, dass die Eigenart des einzelnen Gruppenangehorigen und seine Bediirfnisse nicht hinreichend beriicksichtigt werden konnen."^^^ § 143 Abs. 2 StVollzG benennt als Einheiten die Betreuungsgruppen und die Behandlungsgruppen.^^^ Die Betreuungsgruppe ist im Sinne einer nach verwaltungstechnischen Erfordemissen festgesetzten Vollzugseinheit - einer Abteilung zu verstehen.^'^ Sie fasst mehrere Wohngruppen und deren Insassen raumlich zusammen. 381 Mit dem Begriff der Behandlungsgmppe i.S.d. § 143 Abs. 2 StVollzG meint der Gesetzgeber - bezogen auf die Untergliederung der Anstalten - eigentlich die Wohngruppe als eine zentrale BehandlungsmaBnahme.^^^ Uber die Zuweisung zu einer solchen Einheit muss sich der VoUzugsplan nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 StVollzG auBem. Mit der Wohngruppe lasst sich im Strafvollzug die Erkenntnis nutzbar machen, dass der Mensch als Gemeinwesen auf zwischenmenschliche Beziehungen angelegt ist. Er schlieBt sich im Laufe seines Lebens den verschiedensten Gesellungsformen an, denen die Bindungsart der Gruppe gemeinsam ist. In einer Gruppe verstrickt sich der Einzelne in ein Geflecht von zwischenmenschlichen Beziehungen und gegenseitigem Einwirken. Es kommt zur Interaktion sowohl auf der intellektuellen als auch auf der Gefuhlsebene.^^^ Durch eine kiinstliche Gesellung mehrerer Inhaftierter werden dementsprechend auch in der Strafanstalt soziale Strukturen aufgebaut, innerhalb derer die Insassen Lernvorgange durchleben mit dem Ziel der Erlangung von sozialer Kompetenz und Selbstwertgefuhl. Die Wohngruppe stellt fur den Insassen ein Zentrum zwischenmenschlicher Beziehungen dar, in dem er zusammen mit anderen weitgehend selbstandig leben kann. Da dieser Bereich der Reglementierung mehr entzogen sein sollte als andere, finden in ihm grundlegende soziale und emotionale Interaktionen statt. Das Verbringen der Freizeit in einer Gruppe fuhrt zu einer gegenseitigen Einflussnahme der Mitglieder aufeinander. Es kommt zu einem gruppendynamischen Prozess mit einer Vielzahl von sozialen Erlebnissen als einer Hilfe bei der Korrektur negativer Vorerfahrungen im Sozialisationsbereich.^^^ 208 BT-Drs. 7/918,8.93. 209 Krit. zu diesen Bezeichnungen: Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 143 Rdn. 3 f 210 Calliess/Mtiller-Dietz, 2005, § 143 Rdn. 6.
211 Zum Wohngruppenvollzug Bruns, 1989; Laubenthal, 1983, S. 168ff; ders., 1984, S. 67 ff; Lorch/Schulte-Altedomeburg/Strawen, 1989, S. 265 ff 212 Battegay, 1976,8.35. 213 Lippmeier/Steffen, 1977, S. 89.
5.2 Die Unterbringung
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In der Wohngruppe wird dem Einzelnen eine relative Privatsphare gewahrt, eine groBere interne Freizligigkeit, die auch einem Abbau von Haftdeprivationen dient. Das tagliche Zusammenleben in einer Gemeinschaft zwingt die Insassen zu einer sozialen Aktivierung. Die in einer Gruppe zwangslaufig entstehenden Schwierigkeiten werden zu einer Art Belastungstraining^^"*; es entsteht ein Lemfeld fur soziale Regelungsprozesse. Der Betroffene eignet sich neue Verhaltensmoglichkeiten und Methoden an, um Lebenssituationen besser zu bewaltigen. Durch die Gemeinschaft mit anderen kann er lemen, Konflikte positiv auszutragen und mit Kritik konstruktiv umzugehen. In einer Gruppe ist das einzelne Mitglied schlieBlich gezwungen, mehr Verantwortung fiir sich und die Einheit zu iibemehmen, was die Initiative des Gefangenen fordert, ihm verstarkte Identifizierungsmoglichkeiten mit den Behandlungszielen gibt und damit auch die Behandlungsbereitschaft erhohen kann.^^^ Einer Wohngruppe sollten schon aufgrund des gesetzlichen Erfordemisses der 382 Uberschaubarkeit maximal 15 Gefangene angehoren, v^obei die GroBe zudem von baulichen Gegebenheiten abhangt. Da in der freien Gesellschaft die Mitglieder sozialer Gruppen nicht durch gleiche oder ahnliche Personlichkeitsmerkmale gekennzeichnet sind, ist in den Vollzugseinheiten eine moglichst realitatsnahe Konstellation anzustreben. Insov^eit vermag eine - auch beziiglich begangener Straftat e n - gemischte Gruppe den dynamischen Prozess des Zusammenlebens eher sozial positiv zu beeinflussen. Zu vermeiden sind allerdings groBe Altersdifferenzen, weil mit einem Altersgefalle regelmaBig Macht- und Einflussstrukturen vorgezeichnet sind.^^^ Jeder Gefangene sollte in der Wohngruppe iiber einen eigenen Wohn- und Schlafraum verfiigen, damit die Intimsphare des Einzelnen sichergestellt bleibt. Um die Bildung eines Gruppenmilieus zu ermoglichen, miissen Raume vorhanden sein, in denen Gemeinschaft herstellbar ist. Die Schaffung einer standigen Kontaktmoglichkeit erfordert eine Anbindung der Dienstraume des Wohngruppenpersonals an die jev^eiligen Einheiten. Als deren Leiter eignen sich insbesondere Sozialarbeiter, denen Beamte des allgemeinen Vollzugsdienstes zur Seite stehen. Nach § 156 Abs. 2 S. 2 StVollzG kann der Anstaltsleiter fur den Bereich einer Wohngruppe Befugnisse an den zustandigen Gruppenbeamten delegieren^^'^, so dass dieser Kompetenzen fiir MaBnahmen und Vorgange erhalt, v^elche die Gruppe als solche und deren Mitglieder betreffen.
5.2.4 Raumlichkeiten in der Anstalt D e n vielfaltigen Gestaltungsbereichen des Anstaltslebens entsprechend m u s s eine 3 8 3 VoUzugseinrichtung iiber verschiedenartige Raumlichkeiten verfiigen, in denen die Gefangenen sich aufhalten konnen. A u s § 145 StVollzG folgt, dass n e b e n R a u m e n fiir die Unterbringung v^ahrend der Ruhezeit (§§ 18, 19 StVollzG) auch solche fiir Arbeit, A u s - u n d Weiterbildung, Seelsorge, Freizeit, Sport, therapeutische M a B n a h m e n u n d Besuche vorhanden sein miissen. In organisatorischer u n d 2J^ Calliess, 1992, S. 154.
215 Lippmeier/Steffen, 1977, S. 90. 216 Rasch, 1977,8.73. 217 Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 156 Rdn. 4.
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baulicher Hinsicht wird die Vollzugsbehorde gem. § 144 Abs. 1 StVollzG verpflichtet, diese wohnlich oder sonst ihrem Zweck entsprechend auszugestalten, d.h. sie i.S.d. § 3 Abs. 1 StVollzG moglichst den allgemeinen Lebensbedingungen anzugleichen. (Eine auf der Ermachtigung des § 144 Abs. 2 StVollzG beruhende Rechtsverordnung des Bundesministeriums der Justiz iiber Luftinhalt, Liiftung, Boden- und Fensterflache, Heizung und Einrichtung besteht bislang nicht.) Nach § 149 Abs. 1 StVollzG sind femer Raumlichkeiten fiir Arbeitsbetriebe (§ 37 Abs. 2 StVollzG), Einrichtungen zur beruflichen Bildung (§ 37 Abs. 3 StVollzG) sowie zur arbeitstherapeutischen Beschaftigung (§ 37 Abs. 5 StVollzG) vorzusehen, wobei diese gem. § 149 Abs. 2 StVollzG den Verhaltnissen auBerhalb der Institution entsprechen sollen. 5.2.4,1 Unterbringung nach Tagesphasen 384 Das StrafvoUzugsgesetz gibt eine verbindliche Tageseinteilung vor (§ 82 Abs. 1 S. 1 StVollzG): - Arbeitszeit, - Freizeit, - Ruhezeit. Die genaue zeitliche Verteilung legt der Anstaltsleiter nach § 161 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG in der Hausordnung fest. An diese Gliederung des Tagesablaufs sind nicht nur bestimmte Aktivitaten gekniipft (z.B. finden nach §§ 37, 38 StVollzG Arbeit, Aus- und Weiterbildung, Unterricht wahrend der Arbeitszeit statt, Beschaftigungen nach §§67 ff. StVollzG in der Freizeit). Auch die Unterbringung des Gefangenen wird gem. §§17 und 18 StVollzG durch die jeweilige Tagesphase bedingt, wobei das Gesetz sich in den Grundztigen seiner Regelung an den iiblichen Verhaltnissen in der Gesellschaft orientiert. (1) Arbeitszeit 385 Arbeit, Berufsausbildung, berufliche Fortbildung, Umschulung sowie arbeitstherapeutische und sonstige Beschaftigung wahrend der Arbeitszeit erfolgen gemeinsam (§17 Abs. 1 StVollzG). Einschrankungen durch Einzelunterbringung (die nicht die Intensitat von Einzelhaft i.S.d. § 89 StVollzG erreichen darF^^) sind nur aus den in § 17 Abs. 3 StVollzG genannten Griinden moglich: - wenn ein schadlicher Einfluss durch einen Insassen auf Mitgefangene zu befiirchten ist, - wenn eine Behandlungsuntersuchung stattfindet, - wenn die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt es erfordert oder - wenn der Betroffene zustimmt.
218 Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 17 Rdn. 5.
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Es handelt sich bei der Sicherheit und Ordnung der Anstalt um gerichtlich uneingeschrankt nachpriifbare unbestimmte Rechtsbegriffe.^^^ Zu beachten ist bei § 17 Abs. 3 StVollzG, dass eine Einschrankung der gemeinschaftlichen Unterbringung nicht zu einer Umgehung der Voraussetzungen iiber die Anordnung von DisziplinarmaBnahmen nach §§102 ff. StVollzG ftihren darf. Beispiel: Bin Gefangener kehrt von einem ihm gewahrten Hafturlaub nicht zuriick. Zudem begeht er wahrend seiner Flucht erhebliche Straftaten unter Einsatz von Schusswaffen. Nach seiner Wiederergreifung ordnet der Anstaltsleiter nach § 17 Abs. 3 StVollzG fur die Dauer von vier Wochen eine Versetzung des Gefangenen in seine Zelle wahrend der Arbeitszeit unter Entzug der Arbeit an. Eine solche Beschrankung der gemeinsamen Unterbringung wahrend der Arbeitszeit ist rechtswidrig. Denn das Verhalten des Gefangenen stellt einen PflichtenverstoB i.S.d. § 102 Abs. 1 StVollzG dar. Ein Arbeitsentzug ist nach § 103 Abs. 1 Nr. 7 StVollzG eine DisziplinarmaBnahme, die nur im Rahmen dieser Norm angeordnet werden darf Zulassig ware es aber gewesen, bei Bestehen einer besonderen Fluchtgefahr den Inhaftierten nach § 17 Abs. 3 Nr. 3 StVollzG von der Arbeit in Gemeinschaft auszuschlieBen und ihm gleichzeitig Zellenarbeit zuzuweisen.^^^ (2) Freizeit In der Freizeit hat der Gefangene die Wahl zwischen Alleinsein und Gemein- 386 schaft, § 17 Abs. 2 S. 1 StVollzG. Dadurch soil ihm die Moglichkeit zur Teilnahme an den in § 67 StVollzG genannten Freizeitaktivitaten gegeben werden. Ftir Gemeinschaftsveranstaltungen ermachtigt § 17 Abs. 2 S. 2 StVollzG allerdings den Anstaltsleiter, mit Riicksicht auf die jeweiligen raumlichen, personellen und organisatorischen Verhaltnisse besondere Regelungen zu treffen. Der einzelne Inhaftierte hat nur ein Recht auf gemeinsame Freizeit an sich, nicht aber einen Anspruch darauf, seine gesamte oder liberwiegende Freizeit zusammen mit anderen verbringen zu konnen.^^^ In Einrichtungen ohne Wohngruppenvollzug steht ihm damit weder ein generelles Recht auf Aufschluss (Offhung der Haftraume wahrend der Freizeit) noch auf Umschluss (EinschlieBung mehrerer Insassen fur einige Zeit in der Zelle eines beteiligten Mitgefangenen) zu.^^^ Gemeinschaftliche Unterbringung wahrend der Freizeit kann nicht nur unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 StVollzG eingeschrankt werden. Fiir Altbauten ist dies auch moglich, solange es die raumlichen, personellen und organisatorischen Verhaltnisse der Anstalt erfordem (§ 201 Nr. 2 StVollzG). Dies gilt vor allem ftir Institutionen, in denen es noch an einer tiberschaubaren Untergliederung
AK-Kellermann/K6hne, 2006, § 17 Rdn. 10; Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 17 Rdn. 5; Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 17 Rdn. 5; siehe auch Kap. 8.2.2.2. 220 LG Stuttgart, ZfStrVo 1990, S. 304. 221 OLG Koblenz, ZfStrVo 1986, S. 122 122; OLG Koblenz, ZfStrVo 1995, S. 243. 222 Schwind/Bohm/Jehle, Schwind/Bohm/Jehle, 22005, 0 0 5 , § 17 17 Rdn. Rd 4; Calliess/Miiller-Dietz, 2 0 0 5 , § 17 Rdn. 4 ; anders AK-Kellermann/K6hne, 2006, § 17 Rdn. 3 f
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i.S.d. § 143 Abs. 2 StVollzG mangelt.^^^ Denn bleibt die gemeinsame Freizeit im Strafvollzug nicht zureichend iiberwacht, kann dies subkulturelle Entwicklungen erleichtem.^^'* (3) Ruhezeit 387 Der Schutz vor subkulturellen Einfliissen sowie die Wahrung der Intimsphare des Gefangenen bedingt eine Einzelunterbringung in den Haftraumen wahrend der Ruhezeit (§18 Abs. 1 S. 1 StVollzG). Dieser Grundsatz der Einzelunterbringung wird jedoch im Gesetz mehrfach eingeschrankt. Zum einen ist nach § 18 Abs. 1 S. 2 StVollzG eine gemeinsame Unterbringung bei Hilfsbediirftigkeit bzw. Gefahr fur Leib oder Leben eines Insassen zulassig. Im offenen VoUzug ermoglicht § 18 Abs. 2 S. 1 StVollzG Gemeinschaftshaft auch wahrend der Ruhezeit unter zwei Voraussetzungen: keine Gefahr schadlicher gegenseitiger Beeinflussung und Zustimmung der Betroffenen. In geschlossenen Anstalten soil eine gemeinschaftliche Unterbringung nach § 18 Abs. 2 S. 2 StVollzG „nur voriibergehend und aus zwingenden Griinden" moglich bleiben. Zulassig ist dies etwa zur Behebung voriibergehender Notlagen (z.B. Heizungsausfall in einem Teilbereich der Anstalt).^^^ Diese Ausnahme ist aber im Fall permanenter chronischer Uberbelegung der Vollzugseinrichtungen nicht gegeben.^^^ Allerdings lasst § 201 Nr. 3 StVollzG in Altbauten - fiir den geschlossenen und den offenen Vollzug- eine gemeinsame Unterbringung abweichend von § 18 StVollzG zu, solange es dort die raumlichen Verhaltnisse erfordem. Letztere betreffen nicht das jeweilige Unterbringungsgebaude, sondem richten sich nach dem Gesamtzustand einer Anstalt. Eine nach alten und neuen Hausem differenzierende Auslegung wiirde sonst zu unterschiedlichen Rechtslagen innerhalb einer Justizvollzugsanstalt fuhren.^^'^ Nach § 201 Nr. 3 S. 2 StVollzG diirfen sich dabei sogar bis zu acht Personen wahrend der Ruhezeit in Gemeinschaftshaft befinden. Obwohl der Grundsatz einer Einzelunterbringung von Strafgefangenen bei Nacht zu den wesentlichen Voraussetzungen eines modemen Behandlungsvollzugs zahlt, stellt die Unterbringung in Gemeinschaftszellen in Deutschland keineswegs die Ausnahme dar. Von den am 31.8.2005 belegungsfahigen 79 780 Haftplatzen waren 27 649 (34,6%) fur eine gemeinsame Unterbringung vorgesehen. Gemeinsam untergebracht waren jedoch zu diesem Zeitpunkt 35111 Gefangene.^^s
^^^ Zu den Auswirkungen im Vollzugsalltag: AK-Kellermann/K6hne, 2006, vor § 17 Rdn. 4. 224 Bohm, 2003, S. 96. 225 Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 18 Rdn. 8. 226 O L G Celle, NStZ 1999, S. 216; O L G Celle, StrVert 2003, S. 567; Kretschmer, 2005a, S. 253. 227 B G H , NStZ 2006, S. 57. 22^ Statistisches Bundesamt, Bestand der Gefangenen und Verurteilten in den deutschen JustizvoUzugsanstalten, 2005.
5.2 Die Unterbringung
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5.2.4.2 Der Haftraum Wahrend der Ruhezeit imd teilweise auch in seiner Freizeit halt sich der Gefange- 388 ne in seinem Haftraum auf. Dieser soil i.S.d. § 3 Abs. 1 StVollzG den allgemeinen Lebensverhaltnissen so weit wie moglich entsprechen. Dieses Postulat des Angleichungsgrundsatzes wird in zweierlei Hinsicht konkretisiert: - § 144 StVollzG verpflichtet die Vollzugsbehorde zu einer wohnlichen Ausgestaltung, - § 19 StVollzG gibt dem Inhaftierten ein Recht auf Ausstattung seines Haftraums in angemessenem Umfang mit eigenen Sachen. § 144 StVollzG richtet sich an die Vollzugsbehorde und begriindet fiir den Gefangenen weder einen Anspruch auf einen bestimmten Haftraum^^^ noch auf eine bestimmte Ausstattung der Raumlichkeit.^^^ Denn diese Norm betrifft nicht das Rechtsverhaltnis zwischen Anstaltsleitung und Insassen. § 144 Abs. 1 S. 2 StVollzG schreibt vor, dass die Haftraume (wie auch die anderen Raumlichkeiten einer Anstalt) hinreichend Luft haben und fur eine gesunde Lebensfiihrung ausreichend mit Heizung, Liiftung, Boden- und Fensterflache ausgestattet sein miissen. Solange der Bundesminister der Justiz von der Ermachtigung des § 144 Abs. 2 StVollzG keinen Gebrauch macht, existiert kein bestimmter, allgemein giiltiger Standard fiir die Ausgestaltung. Die Vollzugsbehorde hat zu beachten, dass die Unterbringung keine besondere 389 Ubelszufiigung bedeuten darf ^^^ Ihrem Ermessen werden vor allem Grenzen gezogen durch:^^^ - das Grundrecht auf Achtung der Menschenwiirde (Art. 1 Abs. 1 GG), - das Verbot unmenschlicher Behandlung (Art. 3 EMRK). Beispiel: Ein Gefangener wird im Sockelgeschoss einer um die Jahrhundertwende errichteten Justizvollzugsanstalt untergebracht. In der Station kommt es in den Haftraumen wiederholt zu Uberschwemmungen aus Toiletten und anderen Abfltissen. Da hiervon auch der Haftraum des G. betroffen ist, beantragt er die Verlegung in eine andere Zelle. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 16.3.1993^^^ den Anspruch eines Inhaftierten auf eine menschenwiirdige Unterbringung betont: „Die Wtirde des Menschen zu achten und zu schiitzen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt (Art. 1 Abs. 1 GG). Fiir den Strafvollzug bedeutet dies, dass die grundlegenden 229 O L G H a m m , N S t Z 1992, S. 3 5 2 . 230 O L G Z w e i b r u c k e n , N S t Z 1982, S. 2 2 1 ; O L G Koblenz, ZfStrVo 1985, S. 6 3 ; O L G H a m b u r g , N S t Z 1991, S. 103; O L G H a m m , N S t Z 1995, S. 4 3 6 . 23' B T - D r s . 7/918, S. 9 3 . 232 BVerfG, ZfStrVo 2002, S. 176; BVerfG, ZfStrVo 2002, S. 178; OLG Zweibrucken, NStZ 1982, S. 221; OLG Hamm, NStZ 1992, S. 352; OLG Celle, StrVert 2004, S. 84; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2004, S. 613; OLG Karlsruhe, ZfStrVo 2004, S. 304; OLG Naumburg, NJW 2005, S. 514; LG GieBen, NStZ 2003, S. 624; LG Hannover, StrVert 2003, S. 568; LG Oldenburg, StrVert 2004, S. 610; LG Halle, StrVert 2005, S. 342; Wulf, 1996, S. 229.
233 BVerfG, StrVert 1993, S. 487.
198
5 Der Vollzugsablaufalslnteraktionsprozess
Voraussetzungen individueller und sozialer Existenz des Menschen dem Gefangenen auch in der Haft erhalten bleiben miissen ... Der Staat kann sich nicht auf eine nach dem Vollstreckungsplan getroffene Einweisung in die JVA berufen, wenn dort die ... Beschrankungen nur unter AuBerachtlassung der grundlegenden Voraussetzungen menschlicher Existenz eingehalten werden konnen. 1st in einem solchen Fall innerhalb der Anstalt keine Abhilfe moglich, so ist der Beschwerdefiihrer - auch von Amts wegen - in eine andere Anstalt zu verlegen (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 2 StVollzG)." 389a
Das Verbot einer unmenschlichen Behandlung ist gerade auch bei einer gemeinschaftlichen Unterbringung mehrerer Gefangener in einem Haftraum zu beachten und setzt insoweit dem Ermessen der Vollzugsbehorde Grenzen.^^'* Wann eine Verletzung der Menschenwiirde durch Unterschreiten etwa einer bestimmten HaftraummindestgroBe infolge Mehrfachbelegung vorliegt, ist bislang nicht eindeutig geklart. So hat z.B. das OLG Frankfurt festgestellt, „dass eine solche Verletzung jedenfalls vorliegt, WQim - kumulativ - der Haftraum mit einer nicht abgetrennten oder nicht gesondert entliifteten Toilette ausgestattet ist, und ein gew^isses MindestmaB fiir jeden Gefangenen an Luftraum (16 m^) oder Bodenflache (6 bzw. 7 m^) unterschritten ist."^^^ Nach dem OLG Karlsruhe verstoBt „die dauerhafte Unterbringung zv^eier Strafgefangener in einem gemeinsamen Haftraum nicht gegen die Menschenwiirde, wenn dieser iiber eine GroBe von 9 m^ verfiigt und mit einer raumlich abgetrennten und durch eine Tiir verschlieBbaren Nasszelle mit Toilette und Waschbecken von 1,3 m^ Grundflache ausgestattet ist."^^^ Fiir das OLG Hamm verletzt „die gemeinsame Unterbringung zweier Gefangener in einem nur 8,8 m^ groBen Haftraum mit freistehender, nur mit einer beweglichen Schamwand verdeckten und nicht gesondert entliifteten Toilette die Menschenvmrdegarantie und das Verbot der unmenschlichen oder emiedrigenden Behandlung."^^"^ Eine Menschenrechtsverletzung wegen Mehrfachunterbringung von Strafgefangenen in einem Haftraum begriindet aber nicht zwangslaufig eine Wiedergutmachung durch Geldentschadigung im Rahmen eines Amtshaftungsanspruchs gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG.^^s Bereits die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der gemeinschaftlichen Unterbringung im strafvollzugsrechtlichen Verfahren kann im Einzelfall eine ausreichend gerechte Entschadigung darstellen, so dass eine weiter gehende Entschadigung fiir den erlittenen immateriellen Schaden nicht mehr geboten erscheint.^^^ Kann wegen Uberbelegung der Anstalt nicht jedem Gefangenen ein Einzelhaftraum zur Verfugung gestellt werden, hat die Anstaltsleitung ihr Organisationsermessen pflichtgemaB auszuiiben. Sie muss ihre Auswahlentscheidung fiir die
234 BVerfG, ZfStrVo 2002, S. 176; BVerfG, ZfStrVo 2002, S. 178; siehe auch Kretschmer, 2005a, S. 253 f; Theile, 2002, S. 670 ff; Ullenbruch, 1999, S. 430. 235 O L G Frankfurt, N S t Z - R R 2005, S. 156; siehe auch O L G Frankfurt, N J W 2003, S. 2845. 236 O L G Karlsruhe, N S t Z - R R 2005, S. 224. 237 O L G H a m m , StrVert 2006, S. 152. 238 B G H , N J W 2005, S. 58 ff; dazu Gazeas, 2005, S. 172 ff; Unterreitmeier, N J W 2005, S. 475 ff; ders., DVBl. 2005a, S. 1235 ff 239 B G H , N J W 2005, S. 59.
5.2 Die Unterbringung
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einzeln oder gemeinsam unterzubringenden Inhaftierten nachvoUziehbar und unter Beachtung von mit dem StVollzG zu vereinbarenden Kriterien treffen. Das sind neben gegebenenfalls vorrangig zu beachtenden Einzelfallaspekten vor allem das Vollzugsziel des § 2 S. 1 StVollzG, der Gegensteuemngsgrundsatz gem. § 3 Abs. 2 StVollzG sowie Gesichtspunkte der Sicherheit und Ordnung. Hinzu kommen das Gleichbehandlungsprinzip sowie die Beriicksichtigung der jeweiligen Strafdauer.240 Richtet sich § 144 StVollzG an die Vollzugsbehorde, so regelt § 19 StVollzG 390 das Rechtsverhaltnis zwischen dem Gefangenen und der Vollzugsbehorde. Er darf den Haftraum als einen Rest von Privatsphare^"^^ zur Verwirklichung eines gewissen allgemeinen Lebenskomforts mit eigenen Sachen ausstatten. § 19 Abs. 1 S. 2 StVollzG benennt insoweit ausdriicklicli Fotografien nahe stehender Personen und Erinnerungsstiicke von personlichem Wert. Der personliche Besitz ist in § 19 StVollzG aber nicht abschlieBend normiert. Je nach Einzelfall miissen insoweit auch die Vorschriften iiber den Besitz religioser Schriften und Gegenstande (§ 53 Abs. 2 und 3 StVollzG), den Bezug von Zeitungen und Zeitschriften (§ 68 StVollzG), den Besitz von Rundfunk- und Femsehgeraten (§ 69 Abs. 2 StVollzG), von Gegenstanden fur die Freizeitbeschaftigung (§70 StVollzG) und den personlichen Gewahrsam (§83 StVollzG) erganzend herangezogen werden.^"*^ Das Recht auf Ausstattung des Haftraums mit eigenen Sachen wird in § 19 391 Abs. 1 S. 1 StVollzG durch das Kriterium des angemessenen Umfangs eingeschrankt.^"^^ Dieses bezieht sich auf die Art, GroBe und die bereits vorhandenen Einrichtungsgegenstande. Auch die Lange der Haftdauer vermag hierbei eine Rolle zu spielen. Ausgeschlossen werden konnen zudem nach § 19 Abs. 2 StVollzG Vorrichtungen und Gegenstande, welche die Ubersichtlichkeit des Raums behindem bzw. in anderer Weise Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefahrden. Dabei darf die Vollzugsbehorde durch Rahmenverfiigungen etwa ftir Armband- und Taschenuhren bestimmte Wertgrenzen festsetzen, die dann nicht nur fiir das Einbringen der Sache, sondem auch fiir eine ersatzweise Anschaffung wahrend der Inhaftierung Giiltigkeit besitzen.^"^"* Das Erfordemis der Ubersichtlichkeit ergibt sich vor allem auch aus den Notwendigkeiten des § 84 StVollzG zur Durchsuchung von Haftraumen, wobei VV Nr. 1 Abs. 1 S. 2 zu § 84 StVollzG eine solche in kurzen Zeitabstanden vorsieht.^"*^ Angemessener Umfang, Ubersichthchkeit, Sicherheit oder Ordnung i.S.d. § 19 392 StVollzG sind gerichtlich uneingeschrankt uberpriifbare unbestimmte Rechtsbegriffe.^"^^ Die Anstaltsleitung muss bei einer Entscheidung iiber die Vorenthaltung von Gegenstanden eine AusschlieBung auf konkrete Feststellungen stiitzen. So 240 O L G Celle, StrVert 2006, S. 151.
24» OLG Saarbriicken, NStZ 1993, S. 207; OLG Celle, ZfStrVo 1994, S. 174. 242 243 244 245 246
Kolbel, 1999, S. 499; Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 19 Rdn. 2. Dazu Kohne, 2002b, S. 351 ff BVerfG, StrVert 2 0 0 1 , S. 38. Dazu KG, N S t Z - R R 2 0 0 5 , S. 2 8 1 . O L G Stuttgart, NStZ 1988, S. 574; OLG Hamm, NStZ 1990, S. 151; O L G Karlsruhe, ZfStrVo 2002, S. 54.
200
5 Der VoUzugsablauf als Interaktionsprozess
darf etwa fiir die Frage der Sicherheit oder Ordnung nicht allein auf Versteckmoglichkeiten abgestellt werden, sondem es sind die im Einzelfall in Betracht kommenden Missbrauchsmoglichkeiten darzulegen.^'^'^ Die Vollzugsbehorde ist verpflichtet, ihr Ermessen im Einzelfall auszuiiben und die individuellen Gegebenheiten zu ihrer Entscheidungsgrundlage zu machen.^'*^ Beispiel 1: Bin zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilter beantragt die Erlaubnis zur Haltung eines Wellensittichs in seinem Haftraum. Die Vollzugsbehorde lehnt dies ab und verweist dabei auf ein tierarztliches Gutachten, wonach eine hygienisch einwandfreie und artgerechte Haltung von Wellensittichen die Anstalt vom Arbeitsaufwand her iiberfordere und somit eine Gefahr fiir die Sicherheit und Ordnung der Einrichtung bedeute. Die Zulassigkeit der Tierhaltung im Haftraum bestimmt sich nach § 19 StVollzG. In dem bloBen Hinweis der Vollzugsbehorde auf eine Gefahr fur die Ordnung der Anstalt liegt ein Ermessensfehlgebrauch, denn diese ist nicht in eine Abwagung des Einzelfalles eingetreten.^"^^ Dabei hatte sie vor allem berucksichtigen miissen, dass der Antragsteller eine lebenslange Freiheitsstrafe verbiiBt. Denn gerade solche Gefangene haben ein Interesse an einer moglichst individuellen und wohnlichen Haftraumausstattung. Die Gefahr fur die Ordnung der Anstalt verliert insoweit gegeniiber den individuellen Interessen des Langzeitgefangenen an Bedeutung.^^^ Beispiel 2: Eine Strafgefangene erhalt von ihrem Verlobten ein diesen darstellendes Foto im Format 40 x 30 cm zugesandt. Die Anstaltsleitung verweigert die Aushandigung des Fotos an die Empfangerin, weil diese nicht bereit ist, es auf die in der Anstalt allgemein zugelassene MaximalgroBe von 20 x 30 cm zuruckschneiden zu lassen. Nach Ansicht des Anstaltsleiters wtirde eine Zulassung groBerer Fotos die Ubersichtlichkeit der Zellen beeintrachtigen und den Zeitaufwand fur notwendige griindliche Kontrollen unangemessen erhohen. Zwar sind in der Anstalt auch Bildhalter bis zu einer GroBe von 40 X 50 cm zugelassen. Diese sollen aber lediglich zur Aufnahme mehrerer Fotos dienen. Das OLG Zweibrucken^^^ sieht in der Entscheidung des Anstaltsleiters ein rechtsfehlerhaftes Vorgehen. Denn hinreichende, nachvollziehbare Griinde, weshalb die Benutzung mehrerer kleinerer Fotos in einem groBeren Rahmen verbesserte Kontrollmoglichkeiten gegeniiber dem Einlegen eines einzigen Fotos bieten soil, sind nicht erkennbar. Die Anstaltsleitung durfte also die Aushandigung des Bildes nicht allein wegen dessen GroBe verweigem. Sie hatte vielmehr die individuellen Gegebenheiten zu ihrer Entscheidungsgrundlage machen miissen, d.h. es ware zu prufen gewesen, ob die Ubersichtlichkeit des konkreten Haftraums insgesamt mit Riicksicht auf die dort schon vorhandenen Gegenstande durch die Hinzufiigung eines weiteren Bildes dieser GroBe in nicht mehr hinnehmbarer Weise herabgesetzt wiirde. 393
In der veroffentlichten vollzugsgerichtlichen Rechtsprechung findet sich eine Vielzahl von Entscheidungen, die eine Fiille von Gegenstanden zur Haftraumaus247 O L G H a m m , N S t Z 1990, S. 1 5 1 .
248 OLG Koblenz, NStZ 1990, S. 360; siehe auch BVerfG, StrVert 1994, S. 433. 249 OLG Saarbriicken, ZfStrVo 1994, S. 51 f 2^° Zur Tierhaltung im Strafvollzug Vogelgesang, 1994, S. 67 f; siehe auch OLG Karlsruhe, ZfStrVo 2003, S. 373 ff 25' OLG Zweibriicken, ZfStrVo 1995, S. 374 f
5.2 Die Unterbringung
201
stattung betreffen. Dabei geht es z.B. um elektrische Gerate wie Leselampe^^^, Kaffeemaschine^^^, Kuhlschrank^^"^, um eine Backhaube^^^, um Armband-, Taschenuhren^^^ und Radiowecker^^'^ sowie den Besitz von privater Bettwasche^^^, Kopfkissen, Gardinen und SchnapproUos.^^^ Fiir den Betrieb von Elektrogeraten (z.B. Stereoanlage, HeiBwasserbereiter, Spielkonsole), die nicht zum Grundbedarf gehoren, kann ein Gefangener an den hierdurch entstehenden Stromkosten beteiligt werden.^^^ 1st einem Gefangenen der Besitz eines Gegenstands genehmigt worden, hat die 394 Anstaltsleitung bei dessen nachtraglichem Entzug das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Gebot des Vertrauensschutzes zu beachten. Beispiel: Die Anstaltsleitung genehmigte einem Inhaftierten den Besitz einer Tagesdecke. Nach einer Geiselnahme durch Insassen der Anstalt wurde die Decke als eine Versteckmoglichkeit zunachst eingezogen. Ein gegen den Gefangenen erhobener Vorwurf im Zusammenhang mit der Geiselnahme bestatigte sich jedoch nicht. Die Decke wurde ihm einige Zeit spater wieder ausgehandigt. Nach Angabe der Anstaltsleitung erfolgte dies irrtiimlich, weil die Bediensteten der Anstaltskammer davon ausgegangen war en, die urspriingliche Genehmigung bestiinde fort. Nach zwei Monaten wird dem Gefangenen die Tagesdecke anlasslich einer Haftraumkontrolle wieder abgenommen. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10.2.1994^^^ durfte der Inhaftierte darauf vertrauen, dass er die Decke auch weiterhin behalten konnte, solange er in seiner Person keinen Anlass nach § 19 Abs. 2 StVollzG fiir einen Ausschluss der Decke aus seinem Haftraum gab: „Beim nachtraglichen Ausschluss muss der Ermessensentscheidung die auf den konkreten Einzelfall bezogene Abwagung des Interesses der Allgemeinheit gegen das Interesse des Strafgefangenen am Fortbestand der ihn begiinstigenden Rechtslage zugrunde gelegt werden. Dabei ist zu Gunsten des Gefangenen zu beriicksichtigen, dass nach dem Willen des Gesetzes (§2 S. 1 StVollzG) und von Verfassungs wegen das herausragende Ziel des Strafvollzugs die Resozialisierung oder Sozialisation des Gefangenen ist und Gefangene gerade angesichts der Vielzahl vollzugsbedingter Beschrankungen auf den Fortbestand einer ihnen von der Anstalt einmal eingeraumten Rechtsposition in besonderem MaBe vertrauen, solange auch sie mit dem ihnen durch die Einraumung der Rechtsposition entgegengebrachten Vertrauen verantwortungsvoll umgegangen sind und in ihrer Person keine Ausschlussgrtinde verwirklicht haben. Ein Gefangener wird, wenn ihm die durch die Uberlassung eines Gegenstands eingeraumte Rechtsposition allein im Hinblick auf die dem Gegenstand generell innewohnende Gefahrlichkeit wieder entzogen wird, ohne dass er in seiner Person hierzu Anlass gegeben 252 OLG Stuttgart, NStZ 1988, S. 571; OLG Koblenz, NStZ 1990, S. 360; OLG Zweibru-
cken,NStZ1994, S. 151. 253 OLG Hamm, ZfStrVo 1990, S. 304. 254 255 256 257
L G Freiburg, N S t Z 1994, S. 3 7 6 . O L G Celle, N S t Z 1992, S. 3 7 5 . O L G M u n c h e n , ZfStrVo 1989, S. 3 7 7 . O L G H a m m , ZfStrVo 2002, S. 3 0 9 f
258 OLG Karlsruhe, ZfStrVo 2002, S. 54; OLG Zweibrucken, ZfStrVo 2003, S. 250. 259 O L G H a m m , N S t Z 1995, S. 3 8 1 . 260 O L G Celle, N d s . Rpfl. 2 0 0 4 , S. 2 1 8 .
261 BVerfG, StrVert 1994, S. 432 f
202
5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess hatte, dies regelmaBig als hochst belastend und ungerecht empfinden. Eine solchermaBen empfundene Behandlung lauft dem Ziel des Strafvollzugs zuwider und bedarf schon deshalb einer sehr eingehenden Abwagung des schutzwurdigen Vertrauens des Gefangenen gegen die Interessen des Allgemeinwohls."
:i95
Vor Betreten eines Haftraums sind die Vollzugsbediensteten zum Anklopfen verpflichtet. Dies stellt nicht nur eine Frage bloBer Hoflichkeit dar.^^^ Es sind vielmehr die Rechte des Gefangenen auf Schutz iind Achtung seiner Menschenwiirde (Art. 1 GG) sowie seiner Intimsphare (Art. 2 GG), welche die Anstaltsleitung im Hinblick auf den Angleichungsgrundsatz des § 3 Abs. 1 StVollzG veranlassen, auf angemessene Umgangsformen zwischen Bediensteten und Insassen hinzuwirken.^^^ Denn das Betreten eines Haftraums ohne vorheriges Anklopfen bedeutet eine Einschrankung flir den Inhaftierten, fiir die sich keine Notwendigkeit als unmittelbare und erforderliche Folge von Freiheitsentzug ergibt. Da das Strafvollzugsgesetz fiir einen iiberraschenden Zutritt keine ausdriickliche Eingriffsgrundlage enthalt, kommt ein solches Vorgehen nur unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 S. 2 StVollzG in Betracht.^^"^ Das unangekiindigte Eintreten muss danach zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Storung der Anstaltsordnung unerlasslich sein. Dies bedarf einer Einzelfallpriifung, als deren Ergebnis feststeht, dass von einem bestimmten Gefangenen eine konkrete Gefahr ausgeht.^^^ 396 Gleiches gilt fiir eine Anordnung, den Sichtspion an der Haftraumtiire freizuhalten. Auch hier ist fiir die Tageszeit auf der Grundlage des § 4 Abs. 2 S. 2 StVollzG eine Einzelfallpnifling erforderlich.^^e Dagegen stellt § 88 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG die Rechtsgrundlage fiir die Nachtzeit dar. Das Anbringen von Namensschildern an der auBeren Seite des Haftraums steht nicht im Widerspruch zum Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Eine problemlose Abgrenzung der Raumzuteilungsverhaltnisse und das geordnete Zusammenleben in der Anstalt machen eine Beschriftung der Haftraume mit dem Namen des Insassen notwendig.^^'^
262 So aber O L G N u m b e r g , ZfStrVo 1994, S. 52. 263 O L G Saarbrucken, N S t Z 1993, S. 207; O L G Celle, ZfStrVo 1994, S. 174; dazu auch
Schaaf, 1994, S. 145 ff 264 A.A. BVerfG, ZfStrVo 1997, S. 113, das ein Ankundigen des Betretens des Haftraums in das Ermessen der Vollzugsmitarbeiter stellt. 265 O L G Celle, ZfStrVo 1994, S. 174. 266 B G H , ZfStrVo 1991, S. 242; siehe auch Laubenthal, 2006, S. 144 f 267 BVerfG, ZfStrVo 1997, S. I l l ; Arloth/Liickemann, 2004, § 19 Rdn. 3 ; Kaiser/Schoch, 2002, S. 286.
5.3 Arbeit, Ausbildung, Weiterbildung
203
5.3 Arbeit, Ausbildung, Weiterbildung Die Arbeit der Gefangenen spielte schon bei der Entwicklung des modemen Be- 397 handlungsvollzugs eine bedeutende Rolle.^^^ Die ersten Zuchthauser dienten einer Ausnutzung von Arbeitskraftreserven, die in den Ideologien einer Erziehung durch intensives regelmaBiges Arbeiten ihre Grundlage fand. Im Verlauf der Jahrhunderte haben allgemeine voUzugsexteme okonomische Interessen den Arbeitsbereich in den Anstalten des Freiheitsentzugs wesentlich bestimmt. Dies gait noch bis in die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts, als Nr. 83 DVollzO die Vollzugsbehorden verpflichtete, „auf die freie Wirtschaft angemessene Riicksicht zu nehmen." Zugleich beherrschte bis zum In-Kraft-Treten des Strafvollzugsgesetzes eine traditionelle Uberschatzung^^^ von Arbeit als wichtigstem (Re-)Sozialisierungsfaktor den Vollzug. So konstatierte Nr. 80 Abs. 1 S. 1 DVollzO: „Arbeit ist die Grundlage eines geordneten und wirksamen Strafvollzugs." Das Strafvollzugsgesetz hat mit § 148 Abs. 1 StVollzG den Grundsatz des 398 Vorrangs der freien Wirtschaft durch eine Verpflichtung der Vollzugsbehorde zur Schaffung von wirtschaftlich ergiebigen Arbeitsmoglichkeiten beendet. Die Arbeit in der Anstalt soil nicht mehr das Wecken von jArbeitsgesinnung" (Nr. 80 DVollzO) als einer Art repressivem Vollzugselement verfolgen. Zwar besteht nach § 41 StVollzG im Strafvollzug Arbeitspflicht. GemaB § 37 Abs. 1 StVollzG dient Arbeit aber nunmehr - als einer von mehreren Faktoren des vollzugszielorientierten Behandlungsprozesses - in erster Linie der beruflichen und sozialen Integration der Inhaftierten.2^^ Die Gefangenenarbeit stellt ein zentrales Element des verfassungsrechtlich gebotenen Behandlungsvollzugs dar.^"^^ Ziele der BehandlungsmaBnahme Arbeit sind: „1. Forderung der Leistungsbereitschaft durch Verbesserung der Motivation und der Einstellung zur Arbeit. 2. Verbesserung der beruflichen Quahfikation durch Aus- und Weiterbildung. 3. Entwicklung und Erprobung von Kommunikations- und Konfliktfahigkeit. 4. Erziehung zu sozialer Verantwortung (Mitbestimmung, Mitverantwortung). 5. Entwicklung einer besseren korperhchen und geistigen Leistungsfahigkeit. 6. Entwicklung eines auf der eigenen Leistungsfahigkeit beruhenden Selbstbewusstseins als einer der wichtigsten Voraussetzungen fur eine erfolgreiche Wiedereingliederung."^'^^ Mit § 37 StVollzG hat der Gesetzgeber zudem der Berufsausbildung und beruf- 399 lichen Weiterbildung den gleichen Rang eingeraumt wie der Gefangenenarbeit.^^^ Denn wird einem geeigneten Insassen nach § 37 Abs. 3 StVollzG Gelegenheit zur 26^ 269 270 27'
Dazu oben Kap. 2; siehe auch Lohmann, 2002, S. 31 ff Muller-Dietz, 1978, S. 143. Dazu auch Jehle, 1994, S. 260; Laubenthal, 1995, S. 338. BVerfG, ZfStrVo 1984, S. 315; BVerfGE 98, S. 2 0 1 ; BVerfG, N S t Z 2004, S. 514; Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, vor § 37 Rdn. 1. 272 Bundesvereinigung der Anstaltsleiter im Strafvollzug, 1993, S. 180.
273 AK-Daubler/Spaniol, 2006, vor § 37 Rdn. 4.
204
5 Der Vollzugsablauf alslnteraktionsprozess
Berufsausbildung oder Teilnahme an einer anderen aus- oder weiterbildenden MaBnahme gegeben, entfallt dessen Arbeitspflicht. Auch der schulische Unterricht soil gem. § 38 Abs. 2 StVollzG wahrend der Arbeitszeit stattfinden. Die prinzipielle Gleichrangigkeit all dieser Beschaftigungsformen kommt auch durch deren gemeinsame Normierung im Fiinften Titel des Strafvollzugsgesetzes zum Ausdruck. Aus § 7 Abs. 2 Nr. 4 und 5 StVollzG ergibt sich zudem die Bedeutung von Arbeit, Aus- und Weiterbildung als besonders hervorgehobene BehandlungsmaBnahmen. 400
Die §§37 bis 52 StVollzG enthalten die wesentlichen Vorschriften (iber die Arbeit, Ausbildung und Weiterbildung im Strafvollzug. Diese werden erganzt durch § 17 StVollzG uber die gemeinsame Unterbringung wahrend der Arbeit bzw. der Ausbildung.^'^'^ Nach § 148 StVollzG obliegt es der Vollzugsbehorde auf der organisatorischen Ebene, den Inhaftierten Arbeitsmoglichkeiten und Gelegenheiten zur beruflichen Bildung zu beschaffen. § 149 StVollzG normiert die organisatorischen Konsequenzen aus § 37 StVollzG und ermoglicht berufliche Ausbildung und arbeitstherapeutische Beschaftigung auch in Einrichtungen privater Untemehmer innerhalb der Institution. §§190 bis 195 StVollzG enthalten Vorschriften iiber die Einbeziehung der Gefangenen in die Sozialversicherung. Dem Gesetzgeber kam es mit seinem ursprlinglichen Regelungskonzept i.S.d. § 3 Abs. 1 StVollzG auf eine moglichst weitgehende Gleichstellung der Arbeit und ihrer Bedingungen mit denen in der freien Gesellschaft an. Aufgrund der damit aber einhergehenden finanziellen Belastungen legte das Gesetz zunachst nur einen Stufenplan fur das In-KraftTreten der einzelnen Vorschriften fest. Dieser wurde nur partiell realisiert. Vor allem kostentrachtige Regelungsbereiche bleiben suspendiert. So sollten § 41 Abs. 3 StVollzG (Zustimmungsbediirftigkeit bei Beschaftigung in einem Untemehmerbetrieb), § 45 StVollzG (Ausfallentschadigung), §49 StVollzG (Unterhaltsbeitrag) und § 190 Nr. 1 bis 10 und Nr. 13 bis 18 StVollzG, §§191 bis 193 StVollzG (Anderungen und Erganzungen der Reichsversicherungsordnung, des Angestelltenversicherungsgesetzes, des Reichsknappschaftsgesetzes sowie des Gesetzes tiber die Krankenversicherung der Landwirte zur Einbeziehung der Gefangenen in die Kranken- und Rentenversicherung) erst durch ein besonderes Bundesgesetz in Kraft gesetzt werden (§ 198 Abs. 3 und 4 StVollzG). Gleiches gilt fur § 46 (Taschengeld) und § 47 (Hausgeld), hinsichdich derer aber nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StVollzG schon besondere Ubergangsfassungen bestehen.
5.3.1 Arbeit und Beschaftigung 401 Im Strafvollzug besteht gem. § 41 Abs. 1 StVollzG Arbeitspflicht. Der Gefangene muss eine ihm zugewiesene Arbeit oder andere Beschaftigung ausiiben, die seinen korperlichen Fahigkeiten und seinem Gesundheitszustand angemessen ist. Dies findet seine verfassungsrechtliche Absicherung in Art. 12 Abs. 3 GG, wonach Zwangsarbeit bei gerichtlich angeordneter Freiheitsentziehung zulassig bleibt. Insoweit erleidet das Grundrecht der Berufs- und Erwerbsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG eine Ausnahme.^"^^
274 DazuKap. 5.2.4.1. 2*75 BVerfGE 98, S. 205; Lohmann, 2002, S. 60; krit. Bemmann, 1998a, S. 605; ders., 1999, S. 69 ff.
5.3 Arbeit, Ausbildung, Weiterbildung
205
§ 41 StVollzG steht mit der EntschlieBung (87) 1 der Europaischen Strafvollzugsgrundsatze des Ministerkomitees des Europarats vom 12. Januar 1987 im Einklang, deren Nr. 71 Abs. 2 klarstellt, dass Strafgefangene entsprechend ihrer vom Anstaltsarzt festgestellten korperlichen und geistigen Tauglichkeit und vorbehaltlich der Bediirfhisse ihrer Bildungsstufe zur Arbeit verpflichtet werden konnen. Auch gegen die Europaische Menschenrechtskonvention verstoBt die Arbeitspflicht nicht, denn Art. 4 Abs. 3 Buchst. a EMRX schlieBt aus, dass die Arbeitspflicht bei Strafgefangenen als unzulassige Zwangs- oder Pflichtarbeit i.S.v. Art. 4 Abs. 2 EMRK anzusehen ist. Die Arbeitspflicht entfallt nach § 41 Abs. 1 S. 3 StVollzG fiir Inhaftierte iiber 401a 65 Jahren und fiir weibliche Personen entsprechend den gesetzlichen Regelungen des Mutterschutzes. Allerdings relativiert sich die Verpflichtung in der Praxis faktisch auch bereits bei Inhaftierten unter 65 Jahren durch das Kriterium der individuellen Arbeitsfahigkeit. Dariiber hinaus gebietet es der Angleichungsgrundsatz des § 3 Abs. 1 StVollzG, Gefangene, die gem. § 43 Abs. 2 SGB IV als erwerbsunfahig gelten und deshalb Rente beziehen, von der Arbeitspflicht auszunehmen. Im Ubrigen stellt die Ablehnung einer zugewiesenen Arbeit i.S.d. § 41 Abs. 1 401b S. 1 StVollzG eine Pflichtverletzung dar, die nach §§102 ff. StVollzG mit DisziplinarmaBnahmen geahndet werden kaim.^"^^ Unter dem Gesichtspunkt einer Vollzugszielerreichung sollte eine disziplinarische Belangung jedoch zuriickhaltend gehandhabt und vielmehr zunachst i.S.d. § 4 Abs. 1 StVollzG auf eine freiwillige Mitarbeit hingewirkt werden.^'^'^ Eine Arbeitsverweigerung bedeutet aber dann keinen schuldhaften PflichtenverstoB, weim die Anstaltsleitung bei der Zuweisung der Tatigkeit nicht in zureichendem MaBe die korperliche Verfassung des Betroffenen, seine geistigen Fahigkeiten bzw. seinen psychischen Zustand beriicksichtigt hat.278
Keine Aufhebung der gesetzlichen Arbeitspflicht gem. § 41 Abs. 1 S. 1 401c StVollzG stellt die Ablosung von der Arbeit dar. Sie hat Bedeutung hinsichtlich der sich daraus ergebenden finanziellen Folgen fiir den Gefangenen, der lediglich im Falle seiner Schuldlosigkeit am Arbeitsplatzverlust Anspruch auf Zahlung von Taschengeld hat, weim die sonstigen Voraussetzungen des § 46 StVollzG vorliegen.^"^^ Ein Grund fiir die Ablosung kann nicht nur die Tatsache sein, dass sich ein Inhaftierter fiir die zugewiesene Tatigkeit als ungeeignet erweist. In Betracht kommt als Rechtsgrundlage auch der VoUzugsplan, wenn sich die Ablosung (in Form eines Arbeitsplatzwechsels) als MaBgabe der dort vorgesehenen BehandlungsmaBnahmen gem. § 7 Abs. 2 Nr. 4 StVollzG darstellt. Auch § 17 Abs. 3 StVollzG kann eine Ablosung rechtfertigen. Eine solche kommt z.B. nach § 17 Abs. 3 Nr. 3 StVollzG in Betracht, werm ein Betroffener aus Erfordemissen der Sicherheit und Ordnung der Anstalt (z.B. bei besonderer Fluchtgefahr) von der Arbeit auszuschlieBen und ihm gleichzeitig Zellenarbeit zuzuweisen ist.^^° Im Ub-
276 BVerfG, ZfStrVo 1995, S. 54; O L G Hamburg, N S t Z 1992, S. 5 3 ; Kaiser/Schoch, 2002, S. 302; Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, § 102 Rdn. 5. 277 Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 41 Rdn. 2. 278 Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, § 41 Rdn. 5. 279 Dazu unten Kap. 5.3.3.2. 280 L G Stuttgart, ZfStrVo 1990, S. 304.
206
5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
rigen vermag die Ablosung eines Gefangenen von einem ihm zuvor rechtmaBig zugewiesenen Arbeitsplatz nur in analoger Anwendung des § 49 Abs. 2 VwVfG zu erfolgen. Es gelten die Voraussetzungen fiir den Widerruf eines rechtmaBigen Verwaltungsaktes entsprechend.^^' Das betrifft Falle der Ungeeignetheit bei groben PflichtverstoBen und anderen verhaltensbedingten Gninden wie Arbeitsverweigerung oder sicherheitsgefahrdendem Verhalten am Arbeitsplatz. Auch die Stoning des Arbeitsfriedens fallt hierunter.^^^ Da der Arbeitseinsatz nach § 7 Abs. 2 Nr. 4 StVoUzG zu den im Vollzugsplan enthaltenen BehandlungsmaBnahmen zahlt, ist dieser vor einer Zuweisung mit dem Gefangenen zu erortem (§ 6 Abs. 3 StVollzG). Der einzelne Verurteilte hat keinen Anspruch auf eine bestimmte Arbeit oder Beschaftigung in dem Sinne, dass ihm ein angemessener, seinen Fahigkeiten und Sozialisationsbediirfnissen entsprechender Arbeitsplatz geschaffen wird.^^^ Auch kann er nicht verlangen, in seinem erlemten Beruf tatig zu werden.^^"^ Nach der Zielvorgabe des § 37 Abs. 1 StVollzG muss die Arbeit aber zukunftsorientiert sein. Der Gefangene soil eine Tatigkeit verrichten, die seinem Fortkommen nach der Entlassung dient.^^^ 5.3.1.1 Tatigkeiten in der Anstalt 402 § 37 StVollzG geht von der Zuweisung einer Arbeit innerhalb der Institution als Regelfall aus. Dabei sieht das Gesetz vier Arten von Tatigkeiten vor: - die wirtschaftlich ergiebige Arbeit (§ 37 Abs. 2 StVollzG), - die angemessene Beschaftigung (§ 37 Abs. 4 StVollzG), - die arbeitstherapeutische Beschaftigung (§ 37 Abs. 5 StVollzG), - Hilfstatigkeiten in der Anstalt (§ 41 Abs. 1 S. 2 StVollzG). Vorrangiges Ziel ist - neben einer Aus- und Weiterbildung - die Zuweisung einer quahfizierten Arbeit i.S.d. § 37 Abs. 2 StVollzG. § 37 Abs. 4 und 5 StVollzG sind demgegeniiber subsidiare Beschaftigungsarten. Der VoUzugsbehorde obliegt es damit, in erster Linie fiir eine qualifizierte Tatigkeit oder eine Aus- und Weiterbildung Sorge zu tragen. 403 Der Gefangene soil eine wirtschaftlich ergiebige Arbeit unter Beriicksichtigung seiner Fahigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen verrichten (§ 37 Abs. 2 StVollzG). Damit wollte der Gesetzgeber zweierlei klarstellen:^^^ 1. Die Arbeit dient wie in Freiheit der Sicherung des Unterhalts und des Fortkommens des Inhaftierten sowie seiner Angehorigen. 2. Bei der Zuweisung wird den individuellen Bediirfnissen und Fahigkeiten Rechnung getragen (Individualisierungsgebot). 281 OLG Frankfurt, NStZ-RR 2005, S. 189; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2005, S. 389; Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, § 41 Rdn. 17. 282 283 284 285 286
O L G Karlsruhe, N S t Z - R R 2005, S. 389. Lohmann, 2002, S. 62. O L G N u m b e r g , ZfStrVo 1981, S. 252. Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, § 3 7 Rdn. 7. BT-Drs. 7/918, S. 6 5 ; Muller-Dietz, 1978, S. 147.
5.3 Arbeit, Ausbildung, Weiterbildung
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Mit der Vorgabe der personenbezogenen Priifung und personlichkeitsangepass- 404 ten Zuweisung durch das Individualisierungsgebot soil erreicht werden, dass die auszuiibende Arbeit dem aktuellen Stand der Personlichkeitsentwicklung hinreichend entspricht, der Gefangene weder imter- noch liberfordert wird und dadurch die Arbeitsmotivation und das Durchhaltevermogen verliert. Es soil eine Arbeit zugewiesen werden, zu der der Gefangene eine positive Einstellung gewinnt und die er deshalb moglicherweise nach der Entlassung in einer freien Arbeitsstelle fortzufuhren bereit ist. Damit sind unproduktive und abstumpfende Tatigkeiten ausgeschlossen, was aber monotone Tatigkeiten wie FlieBband- oder Akkordarbeit nicht unzulassig macht.^^^ Allerdings korrespondiert mit der Verpflichtung der Vollzugsbehorde zur Beriicksichtigung individueller Fahigkeiten kein Rechtsanspruch des Gefangenen. Der Anstaltsleitung steht bei der Arbeitszuteilung vielmehr ein waiter Ermessensspielraum zu.^^^ Vor allem aus faktischen Gegebenheiten kann das Individualisierungsgebot in den Justizvollzugsanstalten jedoch nicht zureichend realisiert werden. Zwar obliegt es nach § 148 Abs. 1 StVollzG der Vollzugsbehorde, im Zusammenwirken mit den Vereinigungen und Stellen des Arbeits- und Wirtschaftslebens dafur zu sorgen, dass jeder arbeitsfahige Inhaftierte eine wirtschaftlich ergiebige Arbeit auszuiiben vermag. Dem sind im VoUzug aber Grenzen gesetzt: Werkstatten und Arbeitsbetriebsgebaude bleiben aufgrund der raumlichen Gegebenheiten haufig nur bedingt erweiterungsfahig. Konjunkturschwankungen treffen die Arbeit im Justizvollzug als das verletzlichste Subsystem der Volkswirtschaff^^ am empfindlichsten. Allgemeine wirtschaftliche Rezession, Auftragsmangel und Arbeitslosigkeit auBerhalb der Anstaltsmauem sind schnell und liberproportional im Bereich der Gefangenenarbeit zu spiiren. Damit stehen den Grundprinzipien des § 37 Abs. 2 StVollzG in der Vollzugspraxis erhebliche Hindernisse entgegen. Oft gelingt es dem Leiter der Arbeitsverwaltung einer Vollzugsanstalt nur sehr schwer, iiberhaupt Auftrage fur die Anstaltsbetriebe und damit Arbeit fiir die Gefangenen zu beschaffen. Es ist ihm haufig lediglich in wenigen Fallen moglich, dem Individualisierungsgebot auch nur annahemd Rechnung zu tragen. Die dem einzelnen Gefangenen in der Anstalt angebotene Tatigkeit richtet sich daher im Allgemeinen mehr nach der Art, dem Umfang und der vereinbarten Produktionszeit des von der Anstalt iibemommenen Auftrags als nach den individuellen Moglichkeiten der Inhaftierten. In Bayem waren im Jahr 2004 bei einer Jahresdurchschnittsbelegung von 12 295 Inhaftierten 46 % beschaftigt und 54 % ohne eine Beschaftigung. Bei der Bewertung des Anteils der nicht arbeitenden Insassen ist allerdings zu beachten, dass es sich bei etwa 30 % der Gesamtbelegung um nicht zur Arbeit verpflichtete Untersuchungsgefangene handelte. Ein geringer Teil blieb zudem aus anderen Griinden als Arbeitsmangel (z.B. Alter, Krankheit, Arbeitsverweigerung) unbeschaftigt.-^^^
287 288 289 29^
BT-Drs. 7/918,8. 65. Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, § 37 Rdn. 15. Lohmann, 2002, S. 86 ff; Neu A., 1997, S. 97 ff Bayer. Staatsministerium der Justiz, 2005, S. 15.
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
405
Die Inhaftierten, die zugewiesene Tatigkeiten verrichten, arbeiten in Eigenbetrieben der Anstalt oder in Untemehmerbetrieben.^^^ Ein Eigenbetrieb (oder Regiebetrieb) wird von der Anstalt selbst unterhalten. Bei ihr liegt die Arbeitsorganisation. Gerate und gegebenenfalls benutzte Rohstoffe stehen im Eigentum der offentlichen Hand. § 149 Abs. 1 und 2 StVollzG verpflichtet die Vollzugsbehorde zur Errichtung solcher Eigenbetriebe, die in qualitativer Hinsicht den Verhaltnissen auBerhalb der Institution anzugleichen sind. Dies gilt insbesondere auch fur Arbeitsschutz- und UnfallverhutungsmaBnahmen, auf deren Beachtung der Inhaftierte einen subjektiven Anspruch hat.^^^ In den Eigenbetrieben werden - auf eigene Rechnung der Anstalt - entweder nach Bestellung von auBerhalb Waren produziert bzw. verarbeitet, oder die darin vorgenommenen Tatigkeiten dienen der Befriedigung anstalts- und behordeninterner Bedtirfnisse (z.B. Wascherei, Backerei, Druckerei, Gartnerei, Schreinerei).^^^ In der Praxis erfolgt der Bezug von Leistungen der Eigenbetriebe auch durch Vollzugsbedienstete, wobei der Einsatz der Gefangenen fiir Mitarbeiter der Justivollzugsanstalten auf landesrechtlicher Ebene geregelt ist.^^"^ 406 Beim Unternehmerbetrieb liegt das wirtschaftliche Risiko bei einem extemen Arbeitgeber, der zumeist als anstaltsinterner Betrieb in von der Vollzugseinrichtung zur Verfiigung gestellten Raumlichkeiten eine Fabrikation einrichtet. Solche von privater Seite unterhaltenen Betriebe lasst das Gesetz in § 149 Abs. 4 StVollzG wegen des Fehlens ausreichender Eigenbetriebe ausdriicklich zu und ermoglicht dabei die tJbertragung der technischen und fachlichen Leitung auf Angehorige dieser Firmen. Dem Anstaltspersonal verbleibt dann nur die Aufsicht iiber die Gefangenen. Im Rahmen des sog. unechten Freigangs (§11 Abs. 1 Nr. 1 StVollzG) kommt zudem die Zuweisung einer Tatigkeit auBerhalb der Anstalt in einem externen Unternehmerbetrieb in Betracht. Dabei zahlt dieser einen vereinbarten Beitrag an die Anstalt, wahrend die Vollzugseinrichtung die Betroffenen gem. §§ 43, 200 StVollzG entlohnt. Ermoglicht § 149 Abs. 4 StVollzG die Ubertragung der technischen und fachlichen Leitung auf Angehorige extemer Firmen, soil damit Missdeutungen vorgebeugt werden. Denn nicht zum Vollzugsdienst gehorende Mitarbeiter von freien Untemehmerbetrieben haben im Rahmen der Freiheitsentziehung keine hoheitlichen Aufgaben zu erfiillen. Der Gefangene bleibt - auch wenn er zugewiesene Arbeit in einem privat unterhaltenen Betrieb verrichtet - unbeschadet einer moglichen technischen und fachlichen Betriebsleitung durch Untemehmensangehorige unter der offentlich-rechtlichen Verantwortung der Vollzugsbehorden, nicht anders als bei einem Einsatz in Eigenbetrieben der Anstalt oder bei einer Befassung mit sonstigen Beschaftigungen oder Hilfsdiensten innerhalb oder auBerhalb der Anstalt. Unter diesen Voraussetzungen halt sich die Pflichtarbeit des Gefangenen
291 Siehe Calliess, 1992, S. 105; Lohmann, 2002, S. 66 ff; Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/ Laubenthal, 2005, § 148 Rdn. 2, § 149 Rdn. 4. 292 Arloth/Liickemann, 2004, § 149 Rdn. 4. 293 Dazu Weinert, 1988, S. 287. 294 Dazu Eisenberg, 1999, S. 256 ff
5.3 Arbeit, Ausbildung, Weiterbildung
209
gem. § 41 Abs. 1 StVollzG in den Grenzen der Ermachtigung, die Art. 12 Abs. 3 GG dem Gesetzgeber erteilt, im StrafVollzug Arbeitspflicht anzuordnen. Uberblick: Eigenbetrieb
Untemehmerbetrieb
- Von der Anstalt selbst unterhalte- - Von privater Seite unterhaltener Bener Betrieb. trieb infolge des Fehlens ausreichender Eigenbetriebe. - Arbeitsorganisation liegt bei der Anstalt. - GemaB § 149 Abs. 4 StVollzG ist die Ubertragung der technischen und - § 149 Abs. 1 StVollzG verpflichtet fachlichen Leitung auf Angehorige die Behorde, Eigenbetriebe zu errichten. der extemen Firmen moglich (beim Anstaltspersonal verbleibt aber die - GemaB § 149 Abs. 2 StVollzG Aufsicht liber die Gefangenen!). sind die Eigenbetriebe den Verhaltnissen auBerhalb der Institution - Das wirtschaftliche Risiko liegt beim extemen Arbeitgeber. anzugleichen. Tdtigkeiten:
Tdtigkeiten erfolgen:
- Produktion oder Verarbeitung von - in von der Anstalt zur Verfugung geWaren auf Bestellung von auBerstellten Raumlichkeiten oder halb oder - auBerhalb der Anstalt in Betrieben - Arbeiten zur Befriedigung anstaltsbzw. bei sonstigen Arbeitgebem (sog. und behordenintemer Bediirfnisse. unechter Freigang). Ebenso wie bei der Tatigkeit in einem Eigenbetrieb besteht bei der Beschafti- 407 gung in einem Untemehmerbetrieb ein offentlich-rechtliches Rechtsverhaltnis zwischen Inhaftiertem und Vollzugsbehorde. Der Gefangene steht in keinem privatrechtlichen Arbeitsverhaltnis mit einem privaten Untemehmer.^^^ Es finden daher nicht die Regeln des allgemeinen Arbeitsrechts Anwendung. Auch auf eine tarifliche Bezahlung hat der Insasse keinen Anspmch.^^^ Strittig ist bei der Beschaftigung eines Inhaftierten in einem Untemehmerbe- 408 trieb das Zustimmungserfordernis. Nach § 41 Abs. 3 StVollzG darf eine Zuweisung von Arbeitsplatzen bei Privatuntemehmen nur mit der Zustimmung des betroffenen Insassen erfolgen. Diese Regelung folgt Art. 2 Abs. 2c des Ubereinkommens Nr. 29 der International Labor Organization (ILO) von 1930 iiber Zwangsund Pflichtarbeit, dem die Bundesrepublik Deutschland 1956 beitrat.^^*^ Nach diesem Abkommen ist eine Verdingung Inhaftierter an Einrichtungen und Personen auBerhalb des Vollzugs unzulassig.^^^ Wegen befiirchteter Schwierigkeiten bei der 295 BVerfGE98, S. 209; KG, NStZ 1990, S. 607 £; OLG Hamburg, NStZ 1992, S. 54; OLG Hamm, NStZ 1993, S. 381. 296 OLG Hamm, NStZ 1993, S. 381. 297 BGB1.II1956,S. 640. 298 Vgl. Weinert, 1988, S. 288; Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 41 Rdn. 8.
210
5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
Ersetzung von Untemehmerbetrieben durch Eigenbetriebe hat der Gesetzgeber das In-Kraft-Treten von § 41 Abs. 3 StVollzG jedoch suspendiert; gem. § 198 Abs. 4 StVollzG soUte hieriiber bis zum Ende des Jahres 1983 befunden werden. Dieser Selbstverpflichtung kam die Legislative aber nicht nach. Der einzelne Gefangene kann allerdings nicht - gesttitzt auf das Verdingungsverbot im ILO-Abkommen Nr. 29 - eine ihm zugewiesene Arbeit in einem von Privatuntemehmen unterhaltenen Betrieb verweigem. Beispiel: Die Anstaltsleitung ordnet gegen einen Inhaftierten DisziplinarmaBnahmen an und vermerkt als Grund hierfiir dessen Arbeitsverweigerung. Der Betroffene war einem Untemehmerbetrieb in der Anstalt zugewiesen worden. Er nahm jedoch am vorgesehenen Arbeitsbeginn die Tatigkeit nicht auf und weigerte sich auch fortan, in dem Unternehmerbetrieb zu arbeiten. Eine Zustimmung des Gefangenen lag nicht vor. Nach Ansicht des OLG Hamburg^^^ stellt ein solches Vorgehen der Anstaltsleitung keinen VerstoB gegen die der (noch nicht geltenden) Norm des § 41 Abs. 3 StVollzG immanenten Grundgedanken dar mit der Konsequenz, dass der Betroffene die Arbeit in dem Untemehmerbetrieb verweigem dtirfte. Denn das ILO-Ubereinkommen bezweckt, den Handel mit menschlicher Arbeitskraft (die Verdingung) zu unterbinden und zielt auf eine Verhinderung der Formen von Zwangs- und Sklavenarbeit Gefangener ab. „Diese Voraussetzungen erfullt eine aufgrund einer gerichtlichen Verurteilung nach den geltenden Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes verlangte Arbeit nicht. Der Gefangene wird im Untemehmerbetrieb weder dem Untemehmer noch dem Werkbeamten zu deren freien Verfugung unterworfen. Seine Rechte und Pflichten richten sich weiterhin nach dem Strafvollzugsgesetz." Demgegeniiber darf nach einer in der Literatur teilweise vertretenen Ansicht eine Zuweisung zu Arbeitsstellen in Untemehmerbetrieben auch ohne In-Kraft-Treten des § 41 Abs. 3 StVollzG nur mit Zustimmung des betroffenen Gefangenen erfolgen.^°° Denn der Regelungsgehalt des ILO-Abkommens Nr. 29 miisse bei der Ermessensausiibung nach § 37 Abs. 2 StVollzG derart Berticksichtigung finden, dass eine Arbeitsverweigerung bei fehlender Zustimmung keinen VerstoB gegen die Arbeitspflicht darstellt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 1.7.1998^^^ jedoch klargestellt, dass die zwangsweise Beschaftigung von Strafgefangenen in einem Unternehmerbetrieb dann zulassig ist, wenn die offentlich-rechtliche Gesamtverantwortung fur die Inhaftierten bei der Vollzugsbehorde verbleibt: „Weist die Justizvollzugsanstalt dem Gefangenen Arbeit in einem Untemehmerbetrieb innerhalb der Anstalt zu, dessen Organisation sich im Rahmen der durch § 149 Abs. 4 StVollzG zugelassenen Ubertragung der technischen und fachlichen Leitung auf Untemehmensangehorige halt, bedarf es von Verfassungs wegen nicht der Zustimmung des Gefangenen. Mithin verletzt es auch nicht die Verfassung, dass der in § 41 Abs. 3 StVollzG vorgesehene Zustimmungsvorbehalt bisher nicht in Kraft gesetzt worden ist. Eine Pflichtarbeit in einem Untemehmerbetrieb, der den Anforderungen des § 149 Abs. 4 StVollzG geniigt, halt sich in den Grenzen der Ermachtigung, die Art. 12 Abs. 3 GG dem Gesetzgeber erteilt, im Strafvollzug Arbeitspflicht anzuordnen. Der Gefangene bleibt, auch wenn er zuge-
300 301
OLG Hamburg, NStZ 1992, S. 53 f; so im Ergebnis auch Arloth/Ltickemann, 2004, §41 Rdn. 7; Krahl, 1992, S. 207 f; Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, §41 Rdn 15. Klesczewski, 1992,S.351f BVerfGE98, S. 169 ff
5.3 Arbeit, Ausbildung, Weiterbildung
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wiesene Arbeit in einem solchen Betrieb verrichtet, unbeschadet einer moglichen technischen und fachlichen Betriebsleitung durch Untemehmensangehorige unter der 6ffentlich-rechtlichen Verantwortung der Vollzugsbehorden, nicht anders als beim Einsatz in Eigenbetrieben der Anstalt oder bei einer Befassung mit sonstigen Beschaftigungen oder Hilfsdiensten innerhalb der Anstalt. "^°^ Kommt der Strafgefangene einer ihm zugewiesenen Pflichtarbeit in einem Un- 409 temehmerbetrieb auBerhalb der Justizvollzugsanstalt nach, so sind diesem sog. unechten Freigang Grenzen gesetzt. Zwar bietet dieser im Hinblick auf den Angleichungsgrundsatz des § 3 S. 1 StVollzG Vorteile gegeniiber der Pflichtarbeit innerhalb der Anstalt (z.B. besteht die Moglichkeit einer Ubemahme des Verurteilten nach seiner Entlassimg von dem jeweiligen Arbeitgeber). Die Betroffenen bleiben jedoch in arbeitsrechtlicher Hinsicht weitgehend rechtlos gestellt. So konnen Betriebe etwa zugewiesene Gefangene nach Gutdiinken austauschen.^^^ Lange Zeit haben Vollzugsbehorden ihre Bemiihungen darauf konzentriert, statt der Organisation freier Beschaftigungsverhaltnisse gem. § 39 Abs. 1 StVollzG^^"^, Arbeitsplatze fur nach § 37 StVollzG zuzuweisende Gefangene bei extemen privaten Untemehmen zu schaffen. Diese Praxis hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 1.8.1998^^^ fiir verfassungswidrig erklart. Ein sog. unechter Freigang - der nach § 11 Abs. 2 StVollzG der Zustimmung des Betroffenen bedarP^^ - karm danach nur in Betracht kommen, wenn die Anstalt einem zum Freigang geeigneten Gefangenen trotz Bemiihens um ein freies Beschaftigungsverhaltnis keine Arbeit in einem solchen zu bieten vermag. Daniber hinaus muss auch bei der extemen Tatigkeit in einem privaten Untemehmen ein MindestmaB von organisierter offentlich-rechtlicher Verantwortung fiir den Inhaftierten gewahrleistet bleiben.307 Als subsidiare Tatigkeit wird einem arbeitsfahigen Gefangenen gem, § 37 410 Abs. 4 StVollzG eine angemessene Beschaftigung zugeteilt, wenn ihm keine wirtschaftlich ergiebige Arbeit i.S.d. § 37 Abs. 2 StVollzG oder keine Teilnahme an Aus- und WeiterbildungsmaBnahmen nach § 37 Abs. 3 StVollzG zugewiesen werden kann. Da die faktischen Gegebenheiten in den Institutionen nicht immer und fiir alle in Betracht kommenden Insassen die Zuteilung einer qualifizierten Arbeitsstelle ermoglichen und auch nur ein Teil der Gefangenen fiir eine FortbildungsmaBnahme geeignet erscheint, soil § 37 Abs. 4 StVollzG einer drohenden bzw. einer schon bestehenden Arbeitslosigkeit im Vollzug entgegenwirken.^^^ Nach VV Nr. 2 zu § 37 StVollzG ist eine Beschaftigung angemessen, wenn ihr Ergebnis wirtschaftlich verwertbar erscheint und in einem angemessenen Verhaltnis zum Aufwand steht. Bei der Abwagung der Angemessenheit hat die Anstalts302 303 304 305 30^
BVerfGE98,S.211. Kamann, 1999, S. 349. DazuKap. 5.3.1.3. BVerfGE98, S. 169 ff Zu den einzelnen Voraussetzungen der Gewahrung von Freigang als Vollzugslockerung sieheKap. 5.4.4.1. 307 BVerfGE 98, S. 2 1 1 ; krit Kamann, 1999, S. 349. 308 Lohmann, 2002, S. 66 f
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
leitung auch subjektive Kriterien - wie Fahigkeiten und Neigungen des Inhaftierten - zu benicksichtigen.^^^ Der Einzelne hat keinen Anspruch auf Zuteilung einer angemessenen Beschaftigung; dies liegt vielmehr im Ermessen der Anstaltsleitung.310
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Bei Unfahigkeit des Gefangenen zu wirtschaftlich ergiebiger Arbeit sieht § 37 Abs. 5 StVollzG dessen arbeitstherapeutische Beschaftigung vor. Zielsetzungen^^^ einer arbeitstherapeutischen Beschaftigung sind insbesondere: - Hinfiihren an einen geregelten Tagesablauf, - Erwerb manueller Fahigkeiten, - Vermitteln von Erfolgserlebnissen, - Begabungsfindung, - Steigerung sozialer Kompetenz. Die Arbeitstherapie dient unmittelbar der Herstellung einer Arbeitsfahigkeit des Gefangenen. Sie soil zu einem positiven Arbeits- und Leistungsverhalten fuhren, insbesondere die Durchhaltefahigkeit an einem Arbeitsplatz iiber mehrere Stunden einiiben. Uber zunachst einfache Tatigkeiten und Erfolgserlebnisse wird versucht, die Angste vor Arbeitsmisserfolgen abzubauen, Begabungen zu finden und so mit Aussicht auf Erfolg eine Hineinnahme in berufliche BildungsmaBnahmen oder eine dauerhafte Arbeitsaufnahme in einem Arbeitsbetrieb zu ermoglichen. Jenen Gefangenen, die selbst zu der starker zielgerichteten Arbeitstherapie noch nicht in der Lage sind, dient die Beschaftigungstherapie (z.B. als Vorstufe der Arbeitstherapie) dazu, in Unterbrechung der sonst zu langen taglichen freien Zeit durch meist sehr leichte und sich wiederholende Tatigkeiten diese psychisch zu stabilisieren und einen zeitlichen Tagesablauf einzuiiben, der den allgemeinen Lebensverhaltnissen auBerhalb der Anstalt moglichst entspricht (§ 3 Abs. 1 StVollzG).
1st eine Arbeits- oder - falls notwendig - Beschaftigungstherapie zugewiesen worden, besteht far den betroffenen Strafgefangenen eine Pflicht zur Teilnahme.^^^ 412 Neben den in § 37 StVollzG geregelten Beschaftigungen ermoglicht § 41 Abs. 1 S. 2 StVollzG die Verpflichtung von Strafgefangenen zu Hilfstatigkeiten in der Anstalt. Abgesehen von dem moglichen Einiiben sozialer Verhaltensweisen und der sichtbaren Verantwortung fiir die Gemeinschaft erfolgen solche Hausarbeitertatigkeiten (z.B. Essens-, Wascheausgabe, Reinigungsarbeiten) regelmaBig weder individuell behandlungsorientiert, noch entsprechen sie den Anforderungen von § 37 Abs. 1 und 2 StVollzG an eine zuzuweisende qualifizierte Arbeit.^^^ Hilfsarbeiten konnen allerdings auch als angemessene Beschaftigung i.S.d. § 37 Abs. 4 StVollzG zugeteilt werden.^^"^ Als Hausarbeiter kommen nur solche Gefangene in Betracht, bei denen die Austibung der vollzuglichen Hilfstatigkeiten nicht ^09 Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, § 37 Rdn. 24. ^^° Arloth/Liickemann, 2004, § 37 Rdn. 16; fiir ein Recht auf angemessene Beschaftigung Reichardt, 1999, S. 123. 3^^ Schweinhagen, 1987, S. 95 f 312 O L G Frankfurt, N S t Z - R R 1997, S. 153. 313 Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2 0 0 5 , § 4 1 R d n . 9. 314 Kaiser/Schoch, 2 0 0 2 , S. 3 0 6 .
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zu Unzutraglichkeiten auf subkultureller Ebene im Verhaltnis der Gefangenen imtereinander bzw. zu Beeintrachtigungen des Verhaltnisses zwischen Gefangenen und Vollzugsbediensteten fiihrt. Arbeiten, die Einblick in personliche Verhaltnisse Oder in Personal-, Gerichts- bzw. Verwaltungsakten eroffnen, diirfen einem Insassen aus Griinden des Daten- und Personlichkeitsschutzes nicht iibertragen werden. Um die im Vollzug der Freiheitsstrafe an sich notwendige Behandlung der Inhaftierten nicht zu lange zu behindem, begrenzt § 41 Abs. 1 S. 2 StVollzG die zeitliche Dauer der Verpflichtung zu Hilfstatigkeiten prinzipiell auf drei Monate. Mit seiner Zustimmung kann der Gefangene jedoch dariiber hinaus mit Hilfstatigkeiten beschaftigt werden. Ein Widerspruch zu den Empfehlungen und Angaben im Vollzugsplan (§ 7 StVollzG) darf aber nicht entstehen. Wird ein Gefangener langer als drei Monate mit Hilfstatigkeiten beschaftigt, vermag er die Zustimmung nicht willkiirlich zuriickzunehmen und die Arbeit niederzulegen, ohne der Anstalt Gelegenheit zu geben, fiir ihn einen Ersatz zu finden, weil die Gewahrleistung des Gemeinschaftslebens und die Aufrechterhaltung wichtiger Funktionsablaufe haufig auf den Hilfstatigkeiten einzelner Gefangener beruht.^^^ Es ist nicht zu ubersehen, dass die Hilfstatigkeiten nur geringe Bedeutung fur die Erreichung des Vollzugsziels haben. Sie sind auch im Laufe zunehmender Liberalisierung der Vollzugsgestaltung nach auBen sowie vermehrter Offhung der Anstalten nach innen uninteressanter geworden, weil nicht mehr das Privileg einer groBeren Bewegungs- und Kontaktfreiheit fur die Betroffenen lockt.^^^ Die sog. Hausarbeiterquote (Hochstzahl der Gefangenen mit Hilfstatigkeiten im Verhaltnis zur Gesamtzahl der beschaftigten Gefangenen) ist in den Bundeslandem verschieden hoch festgelegt. Sie betragt durchschnittHch 10 bis 15 %.^^'^ 5.3.1.2 Freistellung von der Arbeitspflicht als bezahlter Arbeitsurlaub Hat der Gefangene ein Jahr lang die ihm zugewiesene Tatigkeit i.S.d. § 37 bzw. 413 eine Hilfstatigkeit nach § 41 Abs. 1 S. 2 StVollzG ausgeiibt, kann er gem. § 42 Abs. 1 S. 1 StVollzG eine Freistellung fur die Dauer von achtzehn Tagen beantragen. Wahrend dieser Zeit erhalt er die zuletzt gezahlten Beziige weiter (§ 42 Abs. 3 StVollzG).3i8 Das Institut der Freistellung von der Arbeitspflicht stellt eine Konkretisierung des Angleichungsgrundsatzes (§ 3 Abs. 1 StVollzG) dar. Es entspricht dem bezahlten Urlaub des Arbeitnehmers in der freien Gesellschaft und ist eine Gegenleistung fur erbrachte und - bei Fortdauer des Vollzugs - weiterhin zu erbringende Arbeit.^^^ Auch dem Strafgefangenen soil nach einer langeren Zeit der Beschaftigung eine Phase der Erholung gewahrt werden. Dies dient zugleich im Hinblick
315 316 317 31^
L G Karlsruhe, ZfStrVo 1979, S. 125. WalterM., 1999, S. 417. Vgl. Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, § 41 Rdn. 9. Z u Einzelheiten hinsichtHch der Ermittlung der Freistellungsvergiitung siehe O L G Hamm, ZfStrVo 1996, S. 47; Maldener, 1996a, S. 342 ff 319 BVerfG, ZfStrVo 1984, S. 315; O L G N t i m b e r g , NStZ 1991, S. 102.
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
auf die Entlassung als eine BehandlungsmaBnahme der Gewohnung an den iiblichen Rhythmus eines Arbeitsjahres.^^^ Uber die Regelung des § 42 StVollzG hinausgehend und unabhangig von den in dieser Norm festgelegten Voraussetzungen kennt das Gesetz auch die Moglichkeit einer Freistellung von der Arbeit als eine nicht-monetare Komponente der Entlohnung zugewiesener Pflichtarbeit.^^^ GemaB § 43 Abs. 1 StVollzG kann diese zusatzlich zur arbeitsfreien Zeit i.S.d. § 42 StVollzG als Arbeitsurlaub genutzt werden. § 43 Abs. 6 S. 2 StVollzG stellt klar, dass eine Freistellung nach § 43 StVollzG unabhangig von derjenigen des § 42 StVollzG zu betrachten ist. Die Freistellung von der Arbeitspflicht deckt sich nicht mit dem Hafturlaub i.S.d. § 13 StVollzG. Der Inhaftierte kann die Zeit seiner Freistellung innerhalb der Anstalt verbringen (sog. Zellenurlaub). Will er diese verlassen, miissen zusatzlich die speziellen Voraussetzungen fiir eine Gev^ahrung entsprechender Vollzugslockerungen nach § 11 StVollzG oder fiir einen Hafturlaub gegeben sein. Liegen die Voraussetzungen des § 42 StVollzG vor, hat der Inhaftierte einen Rechtsanspruch auf bezahlte arbeitsfreie Zeit nach dieser Norm. 414 Erforderlich hierfur ist nach § 42 Abs. 1 S. 1 StVollzG zunachst die Ausiibung einer Tatigkeit nach § 37 oder § 41 Abs. 1 S. 2 StVollzG durch den Strafgefangenen. Wahrend einer vorangegangenen Untersuchungshaft geleistete Arbeit muss dabei nicht beriicksichtigt werden. Beispiel: Bin Inhaftierter hat wahrend der Untersuchungshaft mehrere Monate lang auf seiner Zelle Arbeit geleistet. Nachdem die in der Untersuchungshaft und die in der anschlieBenden Strafhaft ausgeiibten Tatigkeiten zusammen den Zeitraum eines Jahres ergeben, beantragt er die Freistellung von der Arbeitspflicht. Die Anstaltsleitung lehnt dies mit der Begriindung ab, der Gefangene habe seit dem Ubergang in die Strafhaft noch nicht ein Jahr lang gearbeitet. Der BGH^^^ halt eine Nichtanrechnung der Arbeitszeit wahrend der Untersuchungshaft fiir rechtmaBig. Er verweist auf das in § 42 Abs. 1 S. 1 StVollzG normierte Erfordemis einer Tatigkeit nach §37 bzw. einer Hilfstatigkeit gem. §41 Abs. 1 S. 2 StVollzG. Die Zuweisung zu diesen Beschaftigungen korrespondiert mit der Arbeitspflicht des § 41 Abs. 1 S. 1 StVollzG; der Freistellungsanspruch setzt somit eine vorangegangene Tatigkeit in Erfullung der Arbeitspflicht voraus. Einer solchen unterliegt aber allein der Strafgefangene, nicht auch der Untersuchungshaftling (Nr. 42 UVollzO). Ubt Letzterer eine Arbeit aus, handelt es sich nicht um eine Tatigkeit i.S.d. §§37 oder 41 StVollzG. Auch das BVerfG^^^ geht davon aus, dass der Gesetzgeber mit Riicksicht auf die unterschiedliche Bedeutung der Arbeit nach den Zweckbestimmungen von Straf- und Untersuchungshaft nicht gehalten ist, die von Untersuchungsgefangenen geleistete Arbeit in gleicher Weise wie die Arbeit von Strafgefangenen anzuerkennen. Zwar kann dem Untersuchungsgefangenen nach § 177 StVollzG eine Arbeit, Beschaftigung oder Hilfstatigkeit zugewiesen werden, wenn er dies verlangt, die Vollzugsanstalt tiber einen geeigneten Arbeitsplatz verfiigt und den Inhaftierten entsprechend einteilt. Aber auch dies gibt ihm keinen Freistellungsanspruch, denn § 177 320 321
BT-Drs. 7/918, S. 71. Dazu unten Kap. 5.3.3.1 (2).
322 BGHSt. 35, S. 112 ff
323 BVerfG, NStZ 2004, S. 514.
5.3 Arbeit, Ausbildung, Weiterbildung
215
StVollzG gewahrt ihm zur Vermeidung von nicht zu rechtfertigenden Nachteilen gegenuber dem Strafgefangenen lediglich einen Anspruch auf ein nach § 43 StVollzG zu bemessendes Arbeitsentgelt.^^"^ Auch vom Erholungszweck der Freistellung her ergeben sich - so der BGH - Unterschiede. Die Belastung des Strafgefangenen, der iiber eine langere Zeit gearbeitet hat, ist eine andere als die des Untersuchungsgefangenen, der freiwillig seine Tatigkeit aufnimmt und diese unter den Voraussetzungen von Nr. 43 Abs. 3 UVollzO jederzeit wieder beenden kann.^^^ Gibt § 42 StVollzG in einem solchen Fall dem Antragsteller zwar noch keinen Anspruch auf Freistellung von der Arbeitspflicht, schlieBt dies jedoch nicht aus, dass die Vollzugsbehorde den Gefangenen, der in der vorangegangenen Untersuchungshaft gearbeitet hat, auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 42 vorubergehend freistellt, wenn dies zur Vermeidung von Harten oder zu einer besseren Vollzugszielerreichung geboten erscheint.^^^ Der Strafgefangene muss gem. § 42 Abs. 1 S. 1 StVollzG eine einjahrige Be- 415 schaftigung ausgeiibt haben. Dies entspricht nicht dem Kalenderjahr, sondem das eine Jahr i.S.d. § 42 StVollzG beginnt bei jedem Inhaftierten individuell mit der Arbeitsaufhahme.^2^ Als eine anrechenbare Fehlzeit benennt das Gesetz in § 42 Abs. 1 S. 2 StVollzG zv^ingend nur den krankheitsbedingten Ausfall. Dem Betroffenen werden jahrlich bis zu sechs Wochen auf die Jahresfrist angerechnet, wenn er infolge Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert war; d.h., er wird so behandelt, als hatte er in dieser Zeit tatsachlich gearbeitet. Uber weitere anrechenbare Ausfallzeiten auBert sich das Gesetz nicht. Es steht deshalb im pflichtgemaBen Ermessen der Vollzugsbehorde, inwieweit sie sonstige Fehlzeiten beriicksichtigt.^^^ Dies gilt selbst fiir schuldhaft versaumte Arbeit. Auch eine solche Zeitspanne kann angerechnet werden, wenn es angemessen erscheint. Beispiel: Ein Strafgefangener beantragt Freistellung von der Arbeitspflicht fur die Dauer von 18 Werktagen, weil er in der Zeit vom 10. Juli des Vorjahres bis zum 10. Juli des laufenden Jahres ein Jahr lang i.S.d. § 42 StVollzG gearbeitet habe. Die Anstaltsleitung lehnt den Antrag ab und tragt als Begriindung vor, dass der Inhaftierte im Mai des laufenden Jahres an drei Arbeitstagen einen Arrest als DisziplinarmaBnahme zu verbiiBen hatte. Durch dieses von ihm verschuldete Arbeitsversaumnis sei die Jahresfrist unterbrochen und nach dem Arrestvollzug wieder neu in Gang gesetzt worden. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu entschieden^^^, dass der Begriff der „ein Jahr lang" auszuiibenden Tatigkeit nach § 42 Abs. 1 S. 1 StVollzG nicht in dem Sinne eindeutig sei, dass damit nur eine an alien Werktagen ununterbrochen ausgeiibte Beschaftigung gemeint sein kann. Als mit Sinn und Zweck des § 42 Abs. 1 StVollzG unvereinbar sowie als einen VerstoB gegen das Willkiirverbot und den Grundsatz der VerhaltnismaBigkeit wertet es das Gericht deshalb, wenn die Freistellung von der Arbeitspflicht unabhangig von der Dauer der bislang geleisteten Arbeit und der Arbeitsversaumnisse ausschlieBlich deshalb versagt wird, weil der Betroffene eine Fehlzeit schuldhaft verursacht hat. 324 BGHSt. 35,S. 114. 325 B G H S t . 3 5 , S. 115.
326 327 328 329
BGHSt. 35, S. 115. BGHSt. 35, S. 100; LG Hamburg, NStZ 1992, S. 103. BGHSt. 35, S. 98. BVerfG, ZfStrVo 1984, S. 313 (= BVerfGE 66, S. 199).
216
5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess Die Versagung eines bezahlten Arbeitsurlaubs kommt zudem in derartigen Fallen einer Sanktion fur ein Fehlverhalten des Gefangenen gleich: „Eine solche Disziplinierung ware jedoch bereits nach dem Strafvollzugsgesetz ausgeschlossen, da dieses die zulassigen DisziplinarmaBnahmen bei schuldhaften PflichtverstoBen abschlieBend regelt und der Entzug des Freistellungsanspruchs nicht aufgefiihrt ist (vgl. §§ 102, 103 StVollzG)."33o
Infolge der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung sieht VV Nr. 2b zu § 42 StVollzG eine Anrechnung vor von „Zeiten, in denen der Gefangene aus anderen als Krankheitsgriinden eine Tatigkeit nach § 42 Abs. 1 StVollzG nicht ausgeiibt hat. In der Regel bis zu drei Wochen jahrlich, wenn dies angemessen erscheint." Diese VV bewirkt eine Selbstbindung der Verwaltung, wobei jedoch fraglich bleibt, ob hierdurch der Einzelfallgerechtigkeit zureichend entsprochen warden karm.^^^ 416 Verlangt § 42 Abs. 1 S. 1 StVollzG, dass der Gefangene ein Jahr lang gearbeitet hat, kommt eine anteilige Freistellung nicht in Betracht, wenn die imter Beriicksichtigung anrechenbarer Fehlzeiten zu bestimmende Arbeitszeit insgesamt nur kiirzer als ein Jahr gewesen ist. Beispiel: Der Antragsteller ging von Anfang Oktober des Vorjahres bis Ende September des laufenden Jahres einer Arbeitstatigkeit im Strafvollzug nach. Krankheitsbedingt war er in dieser Zeit an 12 Tagen arbeitsunfahig, an weiteren 65 Tagen aus anderen Griinden unverschuldet an seiner Arbeitsleistung verhindert. Der Gefangene beantragt im Oktober des laufenden Jahres fur mehrere Tage eine Freistellung von der Arbeitspflicht. Dies lehnt die Anstaltsleitung unter Hinweis auf die eine Zeitspanne von drei Wochen deutlich tibersteigende Anzahl der Fehltage ab. Um den Jahresarbeitsrhythmus ftir den Gefangenen zu wahren, geht das OLG Koblenz^^^ in Anlehnung an §§ 4 f BUrlG von der Zulassigkeit der Gewahrung auch nur eines Teils des gesetzlich vorgesehenen Freistellungsanspruchs aus, wenn der Inhaftierte die Wartezeit von einem Jahr nicht vollstandig erfullt hat. Der BGH^^^ halt demgegenuber eine anteilige Freistellung fur unzulassig. Denn fur eine solche Teilfreistellung lasst sich weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus den Gesetzesmaterialien etwas entnehmen. Da keine planwidrige Gesetzesliicke vorliegt, sondem der Gesetzgeber selbst auf die Einfuhrung einer anteiligen Freistellung verzichtet hat, kommt auch eine analoge Anwendung von § 5 Abs. 1 BUrlG nicht in Betracht, der einem Arbeitnehmer in Freiheit unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Teilurlaub gibt.^^"* 417
Sind langere, nicht anrechenbare Fehlzeiten gegeben, werden deren Auswirkungen auf eine Freistellung nach § 42 StVollzG von der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt.^^^ Der BGff ^^ geht davon aus, dass diese zu einer Hemmung der Jahresfrist fiihren. Der Betroffene kann aber durch Fortsetzung seiner Tatig330 331 332 333 334 335 336
BVerfG, ZfStrVo 1984, S. 316. Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 42 Rdn. 5. O L G Koblenz, NStZ 1985, S. 573; dazu Sigel, 1985, S. 277. BGHSt. 35, S. 95 ff; siehe dazu Pfister, 1988, S. 117 ff BGHSt. 35, S. 100; Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, § 42 Rdn. 8. Vgl. OLG Koblenz, ZfStrVo 1992, S. 198. BGHSt. 35, S. 99; siehe auch LG Hamburg, NStZ 1992, S. 104.
5.3 Arbeit, Ausbildung, Weiterbildung
217
keit noch die Voraussetzungen fiir einen Freistellungsanspmch erfullen, d.h. die nicht anrechenbaren Ausfallzeiten nacharbeiten. Er hat dann erst nach Ablauf von etwas mehr als einem Jahr ab Arbeitsaufnahme i.S.d. § 42 Abs. 1 StVollzG „ein Jahr lang" eine zugewiesene Tatigkeit ausgeiibt. Zu einer Unterbrechung der Jahresfrist soil es allerdings kommen bei lange- 418 ren, nicht anrechenbaren Fehlzeiten, bei denen „auch bei groBziigiger Betrachtungsweise nicht emstlich mehr davon gesprochen werden konnte, der Gefangene habe ein Jahr gearbeitet."^^"^ Denn dadurch wiirden die vom Gesetzgeber mit dem Institut der Freistellung verfolgten Zielsetzungen der Periodisienmg des Arbeitslebens und der Erholung auBer Acht gelassen. Eine bloBe Addienmg von geleisteten Arbeitstagen bis zum Erreichen einer fur ein Kalenderjahr erforderlichen Summe ohne Riicksicht auf die Dauer der Fehlzeiten fuhrt somit zu keiner automatischen Gewahrung einer Freistellung.^^^ Hat der Gefangene einen Anspruch auf 18 Werktage Freistellung, ist ein Hafturlaub i.S.d. §§ 13 bzw. 35 StVollzG hierauf anzurechnen, wenn dieser in die Arbeitszeit fallt. Dies gilt allerdings nicht fiir eine Beurlaubung wegen einer lebensgefahrlichen Erkrankung oder des Todes eines Angehorigen (§42 Abs. 2 StVollzG). 5.3.1.3 Freies Beschaftigungsverhaltnis Bei der auf die Arbeitspflicht gegriindeten Zuweisung zu einer Tatigkeit innerhalb 419 oder auBerhalb der Institution in einem Eigen- oder in einem Untemehmerbetrieb steht der Gefangene in einem offentlich-rechtlichen Verhaltnis zur Vollzugsbehorde.^^^ Der Zuteilung einer Beschaftigung nach §§37 bzw. 41 Abs. 1 S. 2 StVollzG durch die Anstaltsleitung stellt § 39 Abs. 1 StVollzG ein freies Beschaftigungsverhaltnis gleich. Danach soil dem Gefangenen ermoglicht werden, durch einen privatrechtlichen Vertrag oder einen vertragsahnlichen Akt^"*^ einer Arbeit, Berufsausbildung oder beruflichen Weiterbildung auBerhalb der Anstalt nachzugehen. Voraussetzung hierfiir ist, dass dies im Rahmen des Vollzugsplans der Vermittlung, Erhaltung oder Forderung von Fahigkeiten fur eine Erwerbstatigkeit nach der Entlassung dient. Es diirfen femer nicht iiberwiegende Griinde des VoUzugs entgegenstehen. Bedingung fiir die Gestattung eines freien Beschaftigungsverhaltnisses ist zu- 420 dem die Zulassung des Gefangenen fiir die VoUzugslockerung der AuOenbeschaftigung oder des Freigangs (§11 Abs. 1 Nr. 1 StVollzG). Denn dieses bleibt nach dem Wortlaut des § 39 Abs. 1 S. 1 StVollzG nur auBerhalb der Institution moglich. Eine analoge Anwendung der Norm auf anstaltsinteme Tatigkeiten scheidet aus.^"^^ Neben den ICriterien des § 39 Abs. 1 StVollzG miissen deshalb auch dieje-
"^ OLG Hamm, NStZ 1989, S. 445. ^3^ Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, § 42 Rdn. 8. 339 O L G H a m m , NStZ 1993, S. 3 8 1 ; BAG, NStZ 1987, S. 575. 340 L A G H a m m , NStZ 1991, S. 456.
341 BT-Drs. 7/918,8. 67.
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
nigen von § 11 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 StVoUzG selbstandig^"*^ gepriift werden. Das ergibt sich aus § 39 Abs. 1 S. 2 StVollzG, wonach diese Normen unberiihrt bleiben. § 39 Abs. 1 S. 1 StVollzG verdrangt § 11 StVollzG nicht und ist damit nicht die alleinige Rechtsgrundlage fiir die Gestattung eines freien Beschaftigungsverhaltnisses.^"^^ § 39 Abs. 1 S. 2 StVollzG verweist zudem in vollem Umfang auf § 14 StVollzG. Danach diirfen dem Gefangenen Weisungen erteilt werden, damit die von der Anstaltsleitung als giinstig bewertete Prognose einer fehlenden Fluchtund Missbrauchsgefahr i.S.d. § 11 Abs. 2 StVollzG nicht beeintrachtigt wird (z.B. Weisung, den Kontakt mit bestimmten Personen zu unterlassen, an der Arbeitsstelle bis zum Abholen zu verbleiben oder nach Arbeitsschluss unverzuglich in die Anstalt zuriickzukehren). Nach § 14 Abs. 2 StVollzG konnen der Freigang oder die AuBenbeschaftigung widerrufen werden, womit dann auch die Grundlage fiir die weitere Gestattung des freien Beschaftigungsverhaltnisses entfallt (z.B. wenn ein Gefangener die Zulassung zum Freigang und die Gestattung des freien Beschaftigungsverhaltnisses mit gefalschten Papieren erwirkt und somit seine Unzuverlassigkeit dargetan hat). Das Entfallen der Moglichkeit zur Ausiibung der Tatigkeit aus vom Freiganger nicht zu vertretenden Griinden (z.B. Kiindigung durch Arbeitgeber, BetriebsschlieBung) bewirkt im geschlossenen Vollzug zugleich eine Beendigung des Freigangs.^"^"^ Denn in der geschlossenen Anstalt gibt es keinen abstrakten Freigangerstatus oder eine generelle Freigangereignung an sich.^"*^ Eine Zulassung zum Freigang kann dagegen trotz extern verursachtem Beschaftigungsende im offenen Vollzug aufrechterhalten werden, um dem Betroffenen die Suche nach einer anderen Tatigkeit zu erleichtern. 421 Sind die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 StVollzG (und zusatzlich die von § 11 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 StVollzG) erfiillt, kommt dem freien Beschaftigungsverhaltnis Vorrang („soH") vor der Zuweisung von Tatigkeiten nach § 37 StVollzG zu.^"^^ Allerdings folgt hieraus kein Anspruch des Betroffenen auf Gestattung, sondem nur ein Recht auf eine fehlerfreie Ermessensausubung.^"*^ Dabei hat die Anstaltsleitung vor allem zu priifen, „ob der in § 37 genannte Zweck der Gefangenenarbeit und die dort angefahrten Riicksichten bei der Arbeitszuteilung sich besser durch ein freies Beschaftigungsverhaltnis erreichen lassen. In diesem Fall soil sie dem freien Beschaftigungsverhaltnis den Vorzug geben."^"^^ Angesichts der mit dem freien Beschaftigungsverhaltnis verbundenen Erhohung der (Re-)Sozialisierungschancen darf die VoUzugsbehorde dessen Geneh2^2 Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, § 39 Rdn. 8 f 343 BVerfGE98,S.210. 344 O L G Koblenz, ZfStrVo 1978, S. 18; Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 11 Rdn. 12; a.A. AK-Lesting, 2006, § 11 Rdn. 25. 345 DazuKap. 5.4.4.1(2). 346 Kaiser/Schoch, 2002, S. 303; Lohmann, 2002, S. 64. 347 O L G Frankfurt, ZfStrVo 2002, S. 117; Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 3 9 Rdn. 2; Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, § 39 Rdn. 6. 348 BT-Drs. 7/918, S. 67.
5.3 Arbeit, Ausbildung, Weiterbildung
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migung nicht auf bloBe Ausnahmefalle beschranken: „Die Entscheidung der Vollzugsbehorde iiber die Gestattung eines freien Beschaftigungsverhaltnisses weist umnittelbare Beziige zum verfassungsrechtlichen Resozialisierungsgebot auf, das auch die Vollzugsverwaltung in die Pflicht nimmt. Die Vollzugsbehorde ist daher auch von Verfassungs wegen gehalten, die Moglichkeit eines freien Beschaftigungsverhaltnisses gerade angesichts der besonderen Resozialisierungschancen zu priifen, die diese Beschaftigungsform bietet (Realitatsnahe, Anbahnung von Kontakten zu zukiinftigen Arbeitgebem). Steht eine solche Tatigkeit im Einzelfall in Einklang mit dem Vollzugsplan und liegen die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 S. 2 StVollzG vor, so werden nur gewichtige Vollzugsbelange die Versagung einer Erlaubnis nach § 39 Abs. 1 StVollzG rechtfertigen konnen."^"^^ Es wird davon ausgegangen, dass ein freies Beschaftigungsverhaltnis nur im Inland ausgeiibt werden kann.^^^ Denn gem. VV Nr. 1 zu § 11 StVollzG erfolgt die Gewahrung von Vollzugslockerungen nur zum Aufenthalt innerhalb des Geltungsbereichs des StVollzG. Sinn dieser Regelung ist, dass der Gefangene auch wahrend der Lockerung weiterhin den besonderen, in der Freiheitsstrafe begriindeten Begrenzungen unterliegt, die Vollzugsbehorde den auBerhalb der Anstalt Befindlichen jederzeit iiberwachen kann und ein hoheitlicher Zugriff auf den Betroffenen besteht, der etwa im Fall eines Widerrufs von Bedeutung ist. Vor dem Hintergrund, dass die aktuelle oder ehemalige Tatigkeit im Rahmen eines freien Beschaftigungsverhaltnisses durch die europaischen Grundfreiheiten geschtitzt wird^^\ erscheint es gleichwohl im Einzelfall durchaus vertretbar, die Gestattung vollzuglicher Arbeitstatigkeit auf das Ausland zu erweitem. Nach VV Nr. 2 Abs. 2 zu § 39 StVollzG ist zwischen dem Gefangenen und 422 dem Arbeitgeber oder Ausbildenden ein schriftlicher Vertrag (Arbeitsvertrag, Berufsausbildungsvertrag) abzuschlieBen. In dem Vertrag soil insbesondere festgelegt werden, dass das Beschaftigungsverhaltnis mit Ablauf der nach § 39 Abs. 1 StVollzG erteilten Erlaubnis ohne Kiindigung endet. Femer ist zu vereinbaren, dass die Beziige wahrend des Freiheitsentzugs mit befreiender Wirkung nur auf ein mit der Anstalt vereinbartes Konto gezahlt werden konnen. Gleiches gilt fiir Zuwendungen aufgrund offentlich-rechtlicher Bestimmungen. Damit machen die Vollzugsbehorden von § 39 Abs. 3 StVollzG Gebrauch, wonach diese die Uberweisung von Entgelten zunachst an die Anstalt zur Gutschrift ftir den Gefangenen verlangen diirfen. Zu den Zahlungsverpflichtungen des Betroffenen gehort dann die Leistung eines Haftkostenbeitrags gem. § 50 Abs. 1 S. 1 StVollzG. Auch die Frage des Urlaubs zur Erholung ergibt sich aus der arbeitsrechtlichen Vereinbarung. Insoweit stellt § 42 Abs. 4 StVollzG ausdrucklich klar, dass die Regelungen iiber die Freistellung von der Arbeitspflicht nicht fiir Beschaftigungsverhaltnisse auBerhalb des Strafvollzugs gelten. Der in einem freien Beschaftigungsverhaltnis i.S.d. § 39 Abs. 1 StVollzG Stehende unterliegt wie jeder andere Arbeitnehmer der allgemeinen gesetzlichen Sozialversicherungs349 BVerfGE98,S.210. 35^ OLG Celle, ZfStrVo 2002, S. 244; Arloth/Liickemann, 2004, § 39 Rdn. 5; krit. Szczekalla, StrVert 2002, S. 324 ff 3^^ Das gilt jedoch nicht fiir das anstaltsvermittelte Beschaftigungsverhaltnis; vgl. Stiebig, 2003, S. 87 ff
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
pflicht. Er hat dementsprechend Beitrage auch an die Krankenversichemng abzufuhren und kann deren Leistungen in Anspruch nehmen (gem. § 62a StVollzG ruhen dann jedoch die vollzuglichen Leistungen der Gesundheitsfiirsorge nach §§57 bis 59 StVollzG). 5.3.1 A Selbstbeschaftigung 423 Nach § 39 Abs. 2 StVollzG kann dem Gefangenen auch gestattet werden, sich selbst zu beschaftigen. Hierunter ist cine freiberufliche Tatigkeit wahrend der Arbeitszeit zu verstehen, bei der weder eine nach § 37 StVollzG zugewiesene Tatigkeit ausgeiibt wird noch der Inhaftierte in einem freien Beschaftigungsverhaltnis nach § 39 Abs. 1 StVollzG steht.^^^ Voraussetzung ist, dass mit der Selbstbeschaftigung die in § 37 StVollzG festgelegten allgemeinen Ziele der Arbeit erreicht werden konnen.^^^ Der VoUzugsbehorde steht bei der Gestattung ein Ermessensspielraum zu.^^"* Dabei beriicksichtigt sie auch einer Selbstbeschaftigung entgegenstehende Belange des Vollzugs.^^^ Vor allem die Geeignetheit fiir eine Erreichung des Vollzugsziels spielt eine wesentliche Rolle. Die Bewilligung einer Selbstbeschaftigung liegt nahe bei Inhaftierten, denen eine sinnvolle Arbeit oder Beschaftigung unter Beriicksichtigung der individuellen Fahigkeiten und Fertigkeiten im Rahmen des Angebots in der Anstalt nicht zugewiesen werden kann.^^^ Es mag im Einzelfall auch ein besonderer Anlass zur Vermittlung, Erhaltung oder Forderung einer bestimmen Erwerbstatigkeit bestehen, die nur im Wege der Selbstbeschaftigung realisierbar bleibt, weil vor allem hierdurch die Wiedereingliederung nach der Entlassung gefordert wird. Dies gilt insbesondere fiir die auch in Freiheit in selbstandigen Berufen tatigen Insassen (z.B. Kiinstler, Wissenschaftler, Schriftsteller, Unternehmer, Architekten). VV Nr. 3 Abs. 1 zu § 39 StVollzG beschrankt der gesetzlichen Konzeption entsprechend die Gestattung einer Selbstbeschaftigung gem. § 39 Abs. 2 StVollzG auf Ausnahmefalle (nur, „wenn sie aus wichtigem Grund geboten erscheint").^^^ Die VoUzugsbehorde ist nicht gehindert, bei ihrer Entscheidung einen strengen MaBstab anzulegen.^^^ Das gilt auch im Hinblick darauf, dass das Verhalten des Gefangenen auBerhalb der Anstalt schwer zu beaufsichtigen ist.^^^ Dieser Aspekt gewinnt noch an Gewicht, wenn der Inhaftierte seine Straftaten im Rahmen der beruflichen Tatigkeit begangen hat und die Moglichkeit besteht, dass er emeut
^52 353 354 355 356 357
Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, § 39 Rdn. 13. BT-Drs. 7/918, S. 67. O L G Hamm, NStZ 1993, S. 208. Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 39 Rdn. 5. O L G Hamm, NStZ 1993, S. 208. Krit. dazu AK-Daubler/Spaniol, 2006, § 39 Rdn. 27; Calliess/Mtiller-Dietz, 2005, § 39 Rdn. 5. 358 BGH, NStZ 1990,8. 453. 359 OLG Frankfurt, ZfStrVo 2002, S. 117.
5.3 Arbeit, Ausbildung, Weiterbildung
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einschlagige Delikte in diesem Zusammenhang veriibt.^^^ In der Praxis wird die Genehmigung zur Selbstbeschaftigung nur selten erteilt.^^^ Wie bei einem in Freiheit freiberuflich Tatigen stellt auch bei der Selbstbeschaftigung des Strafgefangenen der aus der Tatigkeit erzielte Gewinn das Entgelt dar. Nach § 50 Abs. 4 StVollzG kann die Selbstbeschaftigung jedoch von der Entrichtung eines Haftkostenbeitrags durch den Gefangenen abhangig gemacht werden, d.h. er hat sich an den Aufwendungen des Staates fiir seine Unterkunft und Verpflegung finanziell zu beteiligen. Der Inhaftierte ist zudem anzuhalten, seiner Steuerpflicht nachzukommen. Erfiillt er insoweit seine Verpflichtungen nicht, wird die Erlaubnis zur Selbstbeschaftigung widerrufen.^^^ Als Selbstbeschaftigung kommt auch eine freiberufliche Tatigkeit auOerhalb 424 der Anstalt in Betracht, obwohl das Gesetz dies nicht ausdriicklich regelt. Beispiel: Ein Strafgefangener arbeitet als Freiganger in einem freien Beschaftigungsverhaltnis als Bauzeichner bei einer GmbH. Als diese in Insolvenz zu gehen droht, erwirbt er zusammen mit einem weiteren Mitarbeiter fiir einen Euro die Geschaftsanteile und wird zum Geschaftsfiihrer der GmbH bestellt. Kurz darauf widerruft der Anstaltsleiter die erteilte Genehmigung zur Tatigkeit im Rahmen des freien Beschaftigungsverhaltnisses mit der Gesellschaft. Zugleich lehnt er den Antrag des Inhaftierten auf eine weitere Tatigkeit bei der GmbH im Rahmen einer Selbstbeschaftigung auBerhalb der Anstalt ab. Das OLG Hamm^^^ hatte in einem ahnlichen Fall die Zulassigkeit der Ausiibung einer freiberuflichen Tatigkeit auBerhalb der Institution vemeint, weil der Gesetzgeber auf die Voraussetzungen einer AuBenbeschaftigung bzw. des Freigangs als notwendige Grundlage einer extemen Beschaftigung nur im Zusammenhang mit § 39 Abs. 1 StVollzG hingewiesen habe. Einer extramuralen Selbstbeschaftigung stehe deshalb der Wortlaut des § 39 StVollzG entgegen.^^^ Demgegeniiber kann nach Auffassung des BGH^^^ - in Ubereinstimmung mit einem GroBteil der Literatur^^^ - die Vollzugsbehorde unter den in § 11 StVollzG genannten Voraussetzungen gestatten, sich auBerhalb der Anstalt i.S.d. § 39 Abs. 2 StVollzG selbst zu beschaftigen, wenn dies mit dem Vollzugsziel des § 2 S. 1 StVollzG vereinbar ist: „Aus dem Umstand, dass § 39 StVollzG in seinem Abs. 2 anders als in seinem Abs. 1 keinen Hinweis auf §§ 11, 14 StVollzG enthalt, lasst sich nicht der Schluss Ziehen, Selbstbeschaftigung komme fur eine Tatigkeit auBerhalb der Vollzugsanstalt nicht in Betracht. Durch § 39 Abs. 1 S. 2 StVollzG werden keine neuen Voraussetzungen fur die Erlaubnis nach § 39 StVollzG geschaffen. Hierdurch ist nur geklart, dass die genannten Vorschriften nicht durch § 39 Abs. 1 StVollzG verdrangt werden ... und dass 360 Arloth/Liickemann, 2004, § 39 R d n . 7.
361 Vgl. Lohmann, 2002, S. 65. 362 Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2 0 0 5 , § 39 R d n . 16.
363 OLG Hamm, StrVert 1987, S. 260. 364 So i m Ergebnis auch Grunau/Tiesler, 1982, § 39 R d n . 3 .
365 BGH, NStZ 1990, S. 452 f 366 A K - D a u b l e r / S p a n i o l , 2006, § 39 R d n . 3 0 ; Arloth/Luckemann, 2 0 0 4 , § 39 R d n . 7; B o h m , 2 0 0 3 , S. 7 3 ; Calliess/Muller-Dietz, 2 0 0 5 , § 3 9 R d n . 6; Kaiser/Schoch, 2 0 0 2 ,
S. 304f; Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, §39 Rdn. 13; Walter M., 1999, S. 418.
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5 Der Vollzugsablaufalslnteraktionsprozess
bei Gestattung eines freien Beschaftigungsverhaltnisses auBerhalb der Anstalt die bei Gewahrung von AuBenbeschaftigung und Freigang zu erfiillenden Mindestvoraussetzungen (wie das Fehlen der Gefahr des Entweichens und des Begehens von Straftaten) nicht hinter dem Ziel einer Eingliederung des Gefangenen in das Erwerbsleben zuriicktreten. ... Einer § 39 Abs. 1 S. 2 StVollzG entsprechenden Bestimmung bedarf es fiir § 39 Abs. 2 StVollzG nicht. Dieser Absatz enthalt keine besonderen Regelungen iiber die Voraussetzungen fiir die Selbstbeschaftigung. Er zeigt nur die Handlungsmoglichkeit fiir die Anstaltsleitung auf, die bei einer Beschaftigung des Gefangenen auBerhalb der Anstalt ohnehin §§ 11, 14 StVollzG zu beachten hat... und sich bei der Entscheidung insbesondere am Erreichen des Vollzugszieles im Einzelfall, den Vollzugsgrundsatzen und auch dem Zweck von Arbeit und Beschaftigung im Vollzug ... orientieren wird."^^"^ 425
Liegen die Voraussetzungen fiir die Gewahrung von Freigang vor, lasst § 39 Abs. 2 StVollzG auch andere Tatigkeiten als solche zur Erzielung eines Erwerbs zu. Als Selbstbeschaftigung im Sinne der Norm sind deshalb ein extemer Schulbesuch und das Hochschulstudium an einer Universitat auBerhalb des Anv^endungsbereichs des § 37 Abs. 3 StVollzG zu qualifizieren.^^^ Denn die Immatrikulation an einer Hochschule bedeutet keinen vertragsahnlichen Akt und das Studium ist von weitgehender Weisungsunabhangigkeit gekennzeichnet. Fallt Nichterwerbsarbeit unter den Begriff der Selbstbeschaftigung, so zahlt hierzu schlieBlich der Freigang fiir inhaftierte Miitter zur Versorgung und Betreuung ihrer Kinder.^^^ § 39 Abs. 3 StVollzG bezieht sich auch auf § 39 Abs. 2 StVollzG. Damit kann die Vollzugsbehorde verlangen, dass getatigte Gewinne, Erlose oder sonstige Zuwendungen zur Gutschrift fiir den Inhaftierten auf ein besonderes Konto der Anstalt iiberwiesen werden.
426
Hat die Anstaltsleitung eine Selbstbeschaftigung gestattet, darf diese nach den Grundsatzen iiber begiinstigende Verwaltungsakte v^iderrufen werden.^"^^ Ein Widerruf kann entsprechend § 49 Abs. 2 VwVfG erfolgen^'^^, wenn nachtraglich Umstande eingetreten sind, deren Vorliegen zum Zeitpunkt der Gestattung eine Versagung gerechtfertigt hatte. Dabei ist aber der Grundsatz der VerhaltnismaBigkeit zu beachten und zunachst zu priifen, ob Abmahnungen oder Weisungen geniigen.^'^2 Wird die Selbstbeschaftigung anstaltsextem ausgeiibt und kommt es gem. § 14 Abs. 2 StVollzG zu einem Widerruf oder einer Riicknahme der Lockerungsgewahrung, lasst das zugleich die Erlaubnis zur Selbstbeschaftigung erloschen, wenn diese Tatigkeit nicht anstaltsintem moglich ist.
367 BGH,NStZ 1990, S. 453. 368 Bohm, 2003, S. 173; Kaiser/Schoch, 2002, S. 305; Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/ Laubenthal, 2005, § 39 Rdn. 17. 369 Dazu Kap. 6.2. 370 Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 39 Rdn. 7. 3"^^ AK-Daubler/Spaniol, 2006, § 39 Rdn. 32; Arloth/Luckemann, 2004, § 39 Rdn. 7. 372 O L G Frankfurt, NStZ 1981, S. 159.
5.3 Arbeit, Ausbildung, Weiterbildung
223
5.3.2 Berufliche und schulische Bildung Erhebungen in Justizvollzugsanstalten zeigen bei zahlreichen Strafgefangenen 427 haufig erhebliche Defizite im schulischen und beruflichen Bereich.^'^^ Von den im Jahr 2003 in bayerischen Anstalten einsitzenden Vemrteilten verfiigten beispielsweise nur etwa 56 % der Erwachsenen iiber eine abgeschlossene Berufsausbildimg (bei den Jugendstrafgefangenen sogar lediglich 35 %).^^'^ Schulische und berufliche Defizite lassen sich zwar in tiberproportionaler Haufigkeit bei Strafgefangenen finden. Im Sinne eines monokausalen Zusammenhangs darf dies jedoch nicht dahin gehend interpretiert werden, dass Bildungsmangel die Ursache von Straffalligkeit darstellt. Als ein Faktor kann er allerdings kriminelles Verhalten begiinstigen. Auf der anderen Seite verdeutlichen Studien zur Riickfalligkeit entlassener Gefangener- mit divergierenden Gewichtungen - die Bedeutung insbesondere einer auf die individuellen Moglichkeiten und Bediirfnisse zugeschnittenen beruflichen und schulischen Ausbildung im Vollzug fur eine soziale Integration gerade junger Verurteilter in die Gesellschaft.^^^ Nach den Wirkungsanalysen von vollzuglichen Interventionen im schulischen und beruflichen Bereich verbessert die Teilnahme an Bildungsangeboten und insbesondere deren erfolgreicher Abschluss die Chancen einer positiven Legalbewahrung. Der Behandlungsvollzug darf es aber bei Sozialisationsdefiziten in der Arbeits-, Berufs- oder Bildungskarriere des Einzelnen nicht bei Angeboten zur (Aus-)Bildungsforderung fur geeignete Inhaftierte und deren Durchfuhrung belassen. Denn es geht haufig nicht nur um die Behebung von Schwachen und Mangeln in diesen Bereichen, sondem zugleich auch um eine Unterstiitzung der BildungsmaBnahmen mittels sozialen Trainings zur Erlangung sozialer Kompetenz, damit die Forderungsbemiihungen nicht an fehlendem Durchhaltevermogen, geringer Einsatzbereitschaft oder Belastbarkeit scheitem. BildungsmaBnahmen mtissen deshalb Teil eines umfassenden individuellen Behandlungskonzepts sein. Das Strafvollzugsgesetz stellt in § 37 vom Rang her die MaBnahmen der Aus- 428 und Weiterbildung der Zuv^eisung einer wirtschaftlich ergiebigen Arbeit gleich.^'^^ Geeigneten Gefangenen soil die Vollzugsbehorde gem. § 37 Abs. 3 StVollzG Gelegenheit zur Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung oder Teilnahme an anderen aus- oder weiterbildenden MaBnahmen geben. Bei den in § 37 Abs. 3 StVollzG normierten, in erster Linie bemfsbezogenen 429 BildungsmaOnahmen handelt es sich regelmaBig um VollzeitmaBnahmen, die an die Stelle der Zuweisung von Arbeit treten und insoweit die Arbeitspflicht des Inhaftierten entfallen lassen. Das StVollzG benennt die MaBnahmen der Aus- und Weiterbildung sowie der Teilnahme an anderen ausbildenden und v^eiterbildenden MaBnahmen. Die Oberbegriffe der Aus- und Weiterbildung werden aber im StVollzG nicht v^eiter abgegrenzt und definiert. Ihre Bedeutung ergibt sich aus dem BBiG sowie aus dem SGB III. Nach § 1 Abs. 2 BBiG hat die Berufsausbil373 Vgl. Kaiser/Schoch, 2002, S. 465; Pendon, 1992, S. 31 ff.; Walter M., 1999, S. 413 ff.; Wiegand, 1988, S. 277 f. ^'^^ Bayer. Staatsministerium der Justiz, 2005, S. 19. 3"75 Siehe Baumann K.-H., 1984, S. 31ff.; Berckhauer/Hasenpusch, 1982, S. 320; Dolde/Grubl, 1988, S. 29 ff.; dies., 1996, S. 284; Kemer/Janssen, 1996, S. 175 f.; Mey, 1986, S. 265 ff. 376 BT-Drs. 7/918, S. 65.
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
dung eine breit angelegte berufliche Grundbildung und die fur die Ausiibung einer qualifizierten beruflichen Tatigkeit notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Keimtnisse in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln. Zudem soil der Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen ermoglicht werden. Zur beruflichen Weiterbildung gehoren Fortbildungs- und UmschulungsmaBnahmen. Gem. § 1 Abs. 3 BBiG soil eine berufliche Fortbildung es ermoglichen, die vorhandenen beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten zu erhalten, zu erweitem, der technischen Entwicklung anzupassen oder beruflich aufzusteigen, wahrend die berufliche Umschulung nach § 1 Abs. 4 BBiG der Befahigung zu einer anderen beruflichen Tatigkeit dient. Angesichts der nur begrenzten voUzuglichen Moglichkeiten zur Ausund Weiterbildung sowie der - haufig auch durch kurze Haftzeiten bedingten Ungeeignetheit vieler Inhaftierter fiir Aus- und WeiterbildungsmaBnahmen von langerer Dauer, spielen in der voUzuglichen Praxis die anderen aus- und weiterbildenden MaOnahmen eine groBere Rolle und dabei vor allem diejenigen der Berufsausbildungsvorbereitung.^'^'^ Nach § 1 Abs. la BBiG dienen diese dem Ziel, an eine Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsbemf oder eine gleichwertige Berufsausbildung heranzufiihren. 430 Eine Forderung durch die Bundesagentur fur Arbeit kann fiir MaBnahmen der Ausbildung (§ 60 SGB III) ebenso wie fiir diejenigen der Weiterbildung (§§ 77 ff. SGB III) und der Berufsvorbereitung (§61 SGB III) erfolgen. Zwar enthalt das SGB III - abgesehen von § 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III zur Frage der Versicherungspflicht - keine speziellen Regelungen fiir den Strafvollzug. Jedoch kann auch der Strafgefangene nach den in SGB III genannten Voraussetzungen Leistungen der traditionellen Forderung (z. B. Gewahrung von Berufsausbildungsbeihilfe, Ubernahme von MaBnahmekosten) erhalten bzw. die Anstalt eine institutionelle Forderung (z. B. durch finanzielle Zuschiisse zur Schaffung von Ausbildungsplatzen) erfahren. Denn auf der organisatorischen Ebene muss die Vollzugsbehorde nicht nur gem. § 148 Abs. 2 StVoUzG die Zusammenarbeit mit der Bundesagentur fiir Arbeit bei der Berufsberatung, Ausbildungs- und Arbeitsvermittlung sicherstellen. Sie hat zudem die notwendigen Einrichtungen zur beruflichen Bildung zu schaffen (§ 149 Abs. 1 StVoUzG), wobei diese auch in geeigneten Betrieben privater Untemehmer erfolgen kann (§149 Abs. 3 StVollzG). In Bayem standen im Jahr 2005 im Erwachsenenvollzug 576 qualifizierte berufliche Ausbildungsplatze zur Verfiigung. Dabei erfolgt in zumeist eigenen Lehrwerkstatten die Ausbildung in Bereichen wie Bautechnik, Elektronik, Farbtechnik, Kraftfahrzeugmechanik, Landschaftspflege und -gestaltung, Schreiner, Textilreiniger usw. Auch in den Arbeits- und Wirtschaftsbetrieben der Vollzugsanstalten selbst (z.B. Schreinereien, Druckereien, Elektrobetriebe, Schneidereien, Kfz-Werkstatten) ist ein nicht unerheblicher Teil der Ausbildungsplatze eingerichtet. Daneben werden sonstige berufliche BildungsmaBnahmen (z.B. Gabelstapler- und Siebdrucklehrgange, EDV-spezifische Kurse) durchgefuhrt.^'^^
3^^ Arloth/Llickemann, 2004, § 37 Rdn. 13. ^"7^ Bayer. Staatsministerium der Justiz, 2005, S. 19 ff
5.3 Arbeit, Ausbildung, Weiterbildung
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Damit ein Gefangener fiir ForderungsmaBnahmen (z.B. nach dem SGB III) 431 tiberhaupt in Betracht kommen karni, haben zunachst die Zulassungsvoraussetzungen auf voUzuglicher Ebene vorzuliegen: Der Inhaftierte muss gem. § 37 Abs. 3 StVollzG fiir die bemfliche oder sonstige Forderung geeignet sein. Zu unterscheiden ist zwischen personlicher, fachlicher und voUzuglicher Eignung. Zur personlichen Eignung sind das Vorliegen entsprechender Bildungsdefizite (Bildungsbediirftigkeit) sowie die notwendigen korperlichen, geistigen und charakterlichen Voraussetzungen fiir eine bemfliche Bildung (Bildungsfahigkeit und -willigkeit) zu rechnen. Die fachliche Eignung umfasst alle psychischen und physischen Fahigkeiten, die fiir die vorgesehene konkrete BerufsbildungsmaBnahme erforderlich sind, um sie durchzustehen und erfolgreich abzuschlieBen. Zur voUzuglichen Eignung gehoren im Wesentlichen die Sicherheitsaspekte, ob z.B. die mit der BildungsmaBnahme verbundenen Lockerungen i.S.d. § 11 StVollzG (Ausgang, Freigang) dem einzelnen Gefangenen entsprechend seinem Vollzugsplan (gem. § 7 StVollzG) gewahrt werden konnen. Bei dem Merkmal der Eignung auf der Tatbestandsseite des § 37 Abs. 3 StVollzG handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Denn bei der Feststellung der Eignung geht es um ein Wahrscheinlichkeitsurteil, das auf einem Biindel objektiver und subjektiver Umstande beruht. Aufgrund der erforderlichen personlichen Wertungen steht der Anstaltsleitung eine Entscheidungsprarogative zu. Die Entscheidung innerhalb des ihr eingeraumten Beurteilungsspielraums bleibt gerichtlich nur eingeschrankt tiberpriifbar.^^^ Um fur die forderungsbedtirftigen und -fahigen Gefangenen moglichst eine Vielzahl von geeigneten ausbildenden Angeboten bereitzuhalten - was die einzelnen Anstalten regelmaBig uberfordert -, haben die Bundeslander im Hinblick auf die Verlegungsmoglichkeit gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1 StVollzG verabredet, sich laufend gegenseitig liber Aus- und Fortbildungsangebote fur Gefangene in ihren Bereichen zu informieren. Eine Verlegung nach dieser Norm kommt vor allem in Betracht, wenn die aufnehmende Einrichtung individuell geeignetere Aus- und Weiterbildung bietet. Dann kann zum Zweck der Behandlung ein vom Vollstreckungsplan abweichender Anstaltswechsel erfolgen. Neben den Voraussetzungen des § 37 Abs. 3 StVollzG normiert § 41 Abs. 2 432 StVollzG ein widerrufbares Zustimmungserfordernis fiir die Teilnahme des Gefangenen an einer BildungsmaBnahme. Die Vorschrift konkretisiert den Mitwirkungsgrundsatz des § 4 Abs. 1 StVollzG, denn die Chancen fiir einen erfolgreichen Ablauf und Abschluss erhohen sich gerade, wenn die Aus- und WeiterbildungsmaBnahmen auf Freiwilligkeit und Selbstverantwortlichkeit gestiitzt werden. Die Zustimmung ist gegebenenfalls schriftlich zu erteilen und zur Gefangenenpersonalakte zu nehmen. Die damit bezweckte Selbstbindung des Gefangenen ist zudem erforderlich, weil mit den BildungsmaBnahmen erhebliche organisatorische Arbeiten, ein verstarkter personeller Einsatz und hohe Kosten verbunden sind, die nicht zuletzt aus Wirtschaftlichkeitsgriinden sonst ohne groBe Not wieder infrage gestellt oder sogar bei leichtfertigem Abbruch fehlinvestiert waren. Deshalb darf
379 Arloth/Luckemann, 2004, § 37 Rdn. 15; Kaiser/Schoch, 2002, S. 255, 309; Schwind/ Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, § 37 Rdn. 19.
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5 Der Vollzugsablauf alslnteraktionsprozess
der Gefangene gem. § 41 Abs. 2 S. 2 StVollzG seine Zustimmung auch nicht zur Unzeit widerrufen. Damit der Abschluss einer BildungsmaBnahme moglichst noch in der Haftzeit erreicht werden kann, wird in Einzelfallen ein Verzicht auf eine bedingte Entlassung gem. § 57 StGB bei Beginn der BildungsmaBnahme verlangt, wenn sonst zu befiirchten ist, dass der Gefangene die begonnene MaBnahme nach seiner Entlassung nicht fortsetzt und so das angestrebte Ziel der schulischen oder beruflichen Qualifikation nicht erreicht wird. Zwar ist der Gefangene spater an diesen Verzicht rechtlich nicht gebunden und kann seine erforderliche Einwilligung in die Strafrestaussetzung zur Bewahrung trotzdem geben. Das Vollstreckungsgericht wird den drohenden Abbruch der begonnenen BildungsmaBnahme dann allerdings prognostisch zu werten haben. Einen anderen - vorzugswurdigen - Weg stellt insoweit ein Angebot an Haftentlassene dar, die in der Anstalt begonnene Ausbildung dort auch bis zu deren Abschluss fortsetzen zu konnen.^^° 433
Liegen Geeignetheit und Zustimmung vor, erwachst dem Inhaftierten aus § 37 Abs. 3 StVollzG - vorbehaltlich der besonderen arbeits- und bildungsrechtlichen Voraussetzungen - kein Recht auf Zulassung zu einer beruflichen ForderungsmaBnahme. Es steht ihm insoweit nur ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung zu. Ein Auswahlermessen der Anstaltsleitung ist z.B. auszutiben, wenn fiir einen Aus- oder Weiterbildungsplatz mehrere Strafgefangene gleichermaBen geeignet sind. Nimmt der Gefangene an einer MaBnahme nach § 37 Abs. 3 StVollzG teil, wird bei deren Durchfiihrung wahrend der Arbeitszeit die Arbeit substituiert.^^^ Die berufliche Bildung kaim durch eine Berufsausbildung in anstaltseigenen Produktions- und Lehrwerkstatten entsprechend den Richtlinien der auBervollzuglich zustandigen Institutionen (z.B. Berufsbildungsausschiisse bei den Industrie- und Handelskammem bzw. Handwerkskammer) erfolgen. Sie kann auch eine WeiterbildungsmaBnahme gem. § § 7 7 ff. SGB III sein, die ebenfalls in den Anstaltsbetrieben oder in einem geschlossenen Lehrgang, zumeist in besonderen Werkstatten, durchgefiihrt wird. Dabei ist das Ausbildungsverhaltnis des § 37 Abs. 3 StVollzG - ebenso wie das Arbeitsverhaltnis bei zugewiesener Pflichtarbeit - Teil der offentlich-rechtlichen Beziehungen, in denen der Inhaftierte zum Staat steht. Es finden daher die Vorschriften des biirgerlichen Rechts und des Arbeitsrechts mit den daraus abzuleitenden Anspriichen des Arbeitnehmers bzw. des Auszubildenden keine Anwendung.^^^ Beispiel: Der Strafgefangene G und die Vollzugsanstalt haben einen Berufsausbildungsvertrag zum Ausbildungsberuf „Fleischer" geschlossen. Die Berufsausbildung findet in einem Untemehmerbetrieb statt. Bei seiner Tatigkeit entwendet G dort wiederholt Wurstwaren. G erhalt deshalb ein Schreiben der Anstaltsleitung, in dem die fristlose Kiindigung des Ausbildungsverhaltnisses ausgesprochen wird. Hiergegen erhebt G Klage beim Arbeitsgericht.
380 381 382
So z.B. das in Berlin erprobte sog. Freikommer-Modell; vgl. ZfStrVo 1995, S. 49. Calliess, 1992, S. 123; Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, § 37 Rdn. 17. KG,NStZ1989,S. 197.
5.3 Arbeit, Ausbildung, Weiterbildung
227
Das BAG^^^ hat als Revisionsinstanz in diesem Fall zu Recht festgestellt, dass fiir einen Streit uber die Beendigung der Fortdauer eines von der Vollzugsanstalt gekundigten Ausbildungsverhaltnisses die Arbeitsgerichte unzustandig sind. Denn deren Zustandigkeit setzt voraus, dass es sich um eine biirgerlich-rechtliche Streitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber tiber das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhaltnisses bzw. Beschaftigungsverhaltnisses Auszubildender handelt. Arbeits- und Ausbildungsverhaltnisse im Strafvollzug tragen jedoch offentlich-rechtlichen Charakter. Der Abschluss eines privatrechtlichen Vertrags zwischen einem Inhaftierten und einem Untemehmerbetrieb wird durch das Strafvollzugsgesetz ausgeschlossen. G kann daher die Kiindigungserklarung der Vollzugsbehorde nur auf dem Rechtsweg gem. §§109 ff. StVollzG angreifen. Zur Aus- und Weiterbildung i.S.d. § 37 Abs. 3 StVollzG zahlt auch der schuli- 434 sche Unterricht, der nach § 38 Abs. 2 StVollzG wahrend der Arbeitszeit stattfinden soil. Der Gesetzgeber hat damit diese MaBnahme ebenfalls der Arbeit prinzipiell gleichgestellt. Voraussetzungen fiir die Teilnahme an schulischen BildungsmaBnahmen sind die Geeignetheit des Gefangenen sowie seine Zustimmung i.S.d. § 41 Abs. 2 StVollzG. Auch hinsichtlich der schulischen Forderung steht ihm nur ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung zu. § 38 Abs. 1 StVollzG hebt den Unterricht in zum Hauptschulabschluss fiihrenden Fachem, den Sonderschulunterricht sowie den berufsbildenden Unterricht bei beruflicher Aus- oder Weiterbildung besonders hervor. Daneben werden weitere in § 38 Abs. 1 StVollzG nicht benannte schulische BildungsmaBnahmen durchgefiihrt. Bei den sonstigen BildungsmaBnahmen handelt es sich in der Praxis vor allem um Al- 435 phabetisierungskurse, schulabschluss- bzw. berufsvorbereitenden Unterricht. In einigen Anstalten ist der Realschulabschluss moglich. Geeigneten Gefangenen wird im Wege des Freigangs oder tiber das Telekolleg Gelegenheit gegeben zum Erwerb der Fachober-, Fachhochschul- bzw. der Hochschulreife. Zu den BildungsmaBnahmen zahlt auch das Hochschulstudium. So kann ein Strafgefangener bei als solcher genehmigter Selbstbeschaftigung im Wege des Freigangs Vorlesungen besuchen. Im Ubrigen stellen Inhaftierte im geschlossenen Vollzug eine spezifische Adressatengruppe dar fur BildungsmaBnahmen mit Hilfe von Fernunterricht und Fernstudien, die neben der Femuniversitat Hagen verschiedene, in diesem Bereich auBerhalb der Anstalten tatige Bildungsinstitute anbieten.^^'* Ein Fernunterricht bzw. -studium beruht auf schriftlich vermittelter Kommunikation zwischen dem Lemenden und den Lehrkraften der Femlehrorganisation, wobei die Kurse vorproduziert sind und die Interaktion vor allem medienvermittelt stattfindet - in der Regel hauptsachlich aus der Losung, der Korrektur und Kommentierung vom Einsendeaufgeber.^^^ Ein Fernunterricht bzw. -studium stellt dann eine MaBnahme i.S.d. § 37 Abs. 3 StVollzG dar, wenn der Inhaftierte fur sein Ausbildungs3^3 BAG, ZfStrVo 1987, S. 300. ^^"^ Hinweise tiber personliche Voraussetzungen, Lehr- und Studienangebote, gesetzliche Grundlagen und finanzielle Forderung s. Ratgeber fur Fernunterricht, zu beziehen bei der Staatlichen Zentralstelle fur Fernunterricht (ZFU) in 50676 Koln, Peter-WalterPlatz 2 bzw. im Internet unter http://www.zfu.de/Ratgeber oder beim Bundesinstitut fur Berufsbildung (BIBB) in 53113 Berlin, Hermann-Ehlers-Str. 10 bzw. im Internet unter http://www.bibb.de/de. 3^^ Ommerbom/Schuemer, 1999, S. 3 f
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vorhaben von der Arbeitspflicht freigestellt wird^^^ und er nach § 44 StVollzG Ausbildungsbeihilfe erhalt. Eine femunterrichtliche Ausbildung kann zwar den individuellen Berufswunschen und Bedurfhissen eines einzelnen Gefangenen weitgehend gerecht werden. Eine erfolgreiche Durchfiihrung setzt neben den intellektuellen Voraussetzungen (etwa in Form des Abitur- oder Fachhochschulreifenachweises) aber groBe Arbeitsdisziplin, erhohtes Leistungsstreben, starkes Durchhaltevermogen und eigenkontrollierte Stetigkeit voraus, an denen es den meisten Gefangenen mangelt. Zudem bedarf es der im Einzelfall erforderlichen vollzugsbezogenen Gegebenheiten, d.h. im Idealfall raumlicher Unterbringung mit geeignetem Platz zum Lemen, unter Umstanden mit EDV-Unterstiitzung, und mit Bibliothek sowie Betreuung durch Mentoren.^^'^ Erforderlichenfalls muss eine Eignung fiir Urlaub Oder Ausgang gegeben sein bzw. kann eine Uberstellung in eine andere Anstalt^^^ zum Ablegen einer Priifung in Betracht kommen. Insbesondere fiir im geschlossenen Vollzug unterzubringende Gefangene bedarf es der Verlegung in eine solche Vollzugseinrichtung, in der Studienzentren fiir inhaftierte Femstudenten eingerichtet wurden (z.B. in den Justizvollzugsanstalten Geldem, Hannover, Freiburg), welche als Instrumente zur Kompensation von Kommunikationsdefiziten in der Femlehre fungieren.^^^ Fiir die organisatorische Durchfuhrung derartiger, mit einem Femunterricht zwangslaufig verbundener MaBnahmen ist die Vollzugsbehorde im Falle ihrer Zustimmung zur Aufhahme des Studiums bzw. Femlehrgangs verantwortlich.^^^ Dabei kann Urlaub iiber §§13 und 35 StVollzG hinaus nicht gewahrt werden.^^^ Auch ist die Vollzugsbehorde nicht verpflichtet, den Gefangenen an Begleitveranstaltungen teilnehmen zu lassen, deren Gegenstand vom Kembereich des Studiums so weit entfemt erscheint, dass bei Nichtteilnahme eine Gefahrdung des Studienziels nicht zu befiirchten ist.^^^ SchlieBlich ergibt sich aus § 37 Abs. 3 StVollzG auch kein Anspruch auf Ubemahme von Kosten eines Femlehrgangs oder -studiums.^^^ 436
Im Rahmen des offentlich-rechtlichen Aus- und Weiterbildungsverhaltnisses richtet sich der Anspruch des Inhaftierten auf bezahlte freie Zeit zu Erholungszw^ecken nach § 42 StVollzG. Demi dieser verweist in seinem Abs. 1 auf die ganze Norm des § 37 StVollzG und damit auch auf § 37 Abs. 3 StVollzG. Liegen also die Voraussetzungen des § 42 StVollzG vor, hat der Betroffene einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeitspflicht. Wahrend dieser Zeit erhalt er gem. § 42 Abs. 3 StVollzG bisher gezahlte Entgelte weiter. Nimmt der Insasse an einer schulischen oder beruflichen BildungsmaBnahme tell, diirfen nach § 40 StVollzG dabei erworbene Zeugnisse, Bescheinigungen und Leistungsbeurteilungen die Gefangenschaft nicht erkennen lassen. Hierdurch sollen Beeintrachtigungen im Fortkommen des Entlassenen verhindert werden.
3«^ 387 388 389 390
KG, ZfStrVo 2003, S. 178. V g l . C l e v e r / O m m e r b o m , 1996, S. 82 ff. O L G Karlsruhe, ZfStrVo 1988, S. 3 6 9 . O m m e r b o m / S c h u e m e r , 1999, S. 9 ff. O L G H a m m , ZfStrVo 1986, S. 3 7 6 .
391 OLG Frankfurt, NStZ 1986, S. 189. 392 O L G Koblenz, ZfStrVo 1987, S. 2 4 6 .
393 OLG Niimberg, ZfStrVo 1991, S. 245; OLG Hamburg, NStZ 1995, S. 568; Arloth/Luckemann, 2004, § 37 Rdn. 13; Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 37 Rdn. 4.
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So erfolgt z.B. in Bayem der Berufsschulunterricht aufgrund einer Vereinbarung mit dem Kultusministerium in enger Zusammenarbeit mit der jeweils ortlich zustandigen Sprengel-Berufsschule, die dann neutrale Abschlusszeugnisse erstellt.^^"* GemaB § 39 Abs. 1 StVollzG kann die Anstaltsleitung einem Gefangenen auch 437 ermoglichen, durch eine privatrechtliche Gestaltung einer Berufsausbildung Oder bemflichen Fortbildung auBerhalb der Anstalt nachzugehen. Fiir ein solches freies Beschaftigungsverhaltnis gelten die gleichen Voraussetzungen wie fur eine exteme Arbeitstatigkeit auf privatrechtlicher Basis.^^^ Vor allem miissen die Bedingungen einer Gewahrung von Vollzugslockemngen nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 StVollzG gegeben sein. Hinsichtlich finanzieller Leistungen an den Gefangenen und bezahlter arbeitsfreier Zeit gelten fiir Strafgefangene und andere Teilnehmer an der jeweiligen BildungsmaBnahme die gleichen Kriterien. Nach § 67 StVollzG sind WeiterbildungsmaBnahmen auch in der Freizeit 438 moglich.^^^ Hierbei handelt es sich zumeist um solche, die nicht primar i.S.d. § 37 Abs. 1 StVollzG dem Ziel einer Vermittlung, Erhaltung oder Forderung der Fahigkeiten fiir eine Erwerbstatigkeit nach der Entlassung dienen (z.B. Sprachkurse, Femlehrgange). Zudem konnen organisatorische oder personelle Notwendigkeiten die Durchfiihrung von Bildungsangeboten in der Freizeit notwendig machen. 5.3.3 Finanzielle Leistungen an den Inhaftierten Einen wesentlichen Ansatz zur Reform des Strafvollzugs stellte in den siebziger 439 Jahren des 20. Jahrhunderts die Einfiihrung einer adaquaten Arbeitsentlohnung und entsprechender Ersatzleistungen bei Teilnahme an (Aus-)BildungsmaBnahmen sowie bei unverschuldeter Nichtarbeit dar. So sah der Altemativ-Entwurf zum StVollzG eine Entlohnung der Insassen wie fi:eie Arbeitnehmer vor, d.h. die Zahlung eines tariflichen Entgelts.^^"^ Auch der Gesetzgeber hob die Bedeutung der Gewahrung eines echten Arbeitsentgelts, von Beihilfen zur Aus- und Weiterbildung sowie von Entschadigungen zu Zeiten fehlender Arbeit bzw. der Arbeitsunfahigkeit fiir den Behandlungsvollzug hervor.^^^ Das StrafvoUzugsgesetz differenziert zwischen folgenden Leistungsarten: - Arbeitsentgelt, Arbeitsurlaub und Anrechnung von Freistellung auf den Entlassungszeitpunkt (§ 43 StVollzG), - Ausbildungsbeihilfe (§ 44 StVollzG), - Ausfallentschadigung (§ 45 StVollzG), - Taschengeld (§ 46 StVollzG). Dieses Leistungssystem hat der Gesetzgeber selbst aus fiskalischen Grtinden wiederum partiell suspendiert bzw. iibergangsweise modifiziert. So soil § 45 ^^"^ Bayer. Staatsministerium der Justiz, 2005, S. 22. ^^i SieheKap. 5.3.1.3. ^96 DazuuntenKap. 5.6.1. 397 Baumann/Brauneck'Calliess, 1973, S. 151. 398 BT-Drs. 7/918, S. 67.
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StVoUzG (Ausfallentschadigung) gem. § 198 Abs. 3 StVoUzG erst durch ein besonderes Bundesgesetz in Kraft gesetzt werden. Bis dahin gilt auch fiir die Gewahrung von Taschengeld (§ 46 StVollzG) eine besondere Fassung. Liegen die jeweiligen Voraussetzungen einer Leistung vor, hat der Gefangene hierauf einen Rechtsanspruch. 5.3.3.1 Arbeitsentlohnung 440 Mit der Einfiihrung eines Anspruchs auf Arbeitsentgelt bei Austibung zugewiesener Arbeit, sonstiger Beschaftigung oder einer Hilfstatigkeit i.S.d. § 41 Abs. 1 S. 2 StVollzG ging der Gesetzgeber davon aus, „dass der Vollzug der Freiheitsstrafe keine weiteren Einschrankungen fiir den Gefangenen mit sich bringen soil, als es fiir den Freiheitsentzug und die fur die zukiinftige straffreie Lebensfuhrung erforderliche Behandlung notwendig ist. Die Gewahrung eines echten Arbeitsentgelts ist dariiber hinaus als ein wesentliches Mittel der Behandlung selbst zu verstehen, weil sie dem Gefangenen die Friichte seiner Arbeit vor Augen fiihrt. Sie dient zugleich der Eingliederung, weil sie dem Gefangenen ermoglicht, zum Lebensunterhalt seiner Angehorigen beizutragen, Schaden aus seiner Straftat wieder gutzumachen und Erspamisse fiir den tJbergang in das normale Leben zuriickzulegen."399
441
Die Arbeit in den Justizvollzugsanstalten ist im Gegensatz zu den Verhaltnissen in der freien Wirtschaft allerdings Einschrankungen ausgesetzt, welche die Produktivitat im Ergebnis verringem. Teilweise veraltete Betriebseinrichtungen, ein vollzugsbedingter haufiger Wechsel von Arbeitskraften, Einsatz an berufsfremden Arbeitsplatzen, die organisatorisch nicht zu vermeidende Durchfiihrung besonderer BehandlungsmaBnahmen - auch wahrend der Arbeitszeit - bedingen eine unterschiedliche Rentabilitat. Der Gesetzgeber hielt daher die Festschreibung einer Entlohnung von Gefangenenarbeit nach ortsiiblichen Tarifen far unangebracht und stellte eine niedrigere Bemessung mit § 43 Abs. 2 S. 2 StVollzG durch Ankniipftmg an das jeweilige durchschnittliche Arbeitsentgelt aller in der gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten (ohne Auszubildende) Versicherten i.S.d. § 18 SGB IV her. Damit erhoht sich (mit einem Riickstand von zwei Jahren) der Arbeitslohn entsprechend den allgemeinen Einkommenssteigerungen.
442
Der Gefangene erhielt jedoch bis zur Neuregelung der Arbeitsentlohnung durch das 5. Gesetz zur Anderung des Strafvollzugsgesetzes vom 27.12.2000"^°° lediglich eine Eckvergiitung, die nach § 200 Abs. 1 StVollzG a.F. mit nur fiinf vom Hundert der BemessungsgroBe nach § 18 SGB IV festgesetzt wurde. Der zweihundertfunfzigste Teil dieser Eckvergiitung ergab dann den Tagessatz, wobei dieser im Jahr 2000 bei nur 10,75 DM (5,50 EUR) lag. Die aus § 200 Abs. 1 StVollzG a.F. folgende niedrige Entlohnung der Gefangenenarbeit aus Riicksicht auf die Landerhaushalte sollte eigentlich schon vier Jahre nach In-KraftTreten des Strafvollzugsgesetzes ihr Ende finden. So bestimmte § 200 Abs. 2 StVollzG a.F., dass iiber eine Erhohung des funfprozentigen Anteils an der BezugsgroBe i.S.d. § 18 ^99 BT-Drs. 7/918, S. 67. ^°° BGBl. I 2000, S. 2043 ff
5.3 Arbeit, Ausbildung, Weiterbildung
231
SGB IV bis zum 31.Dezember 1980 (!) befunden werden musste. Dieser eigenen Verpflichtung ist die Legislative allerdings nicht nachgekommen, so dass die urspriinglich geplante Zahlung des zweihundertfiinfzigsten Teils von 80 % des durchschnittlichen Arbeitsentgelts aller Versicherten der Rentenversicherung nicht realisiert wurde."^^^ Samtliche Anlaufe zur Erhohung des Prozentsatzes scheiterten.'^^^ Selbst eine geringfiigige Anhebung auf 6 % lieB sich nicht durchsetzen.^^^ Da § 200 Abs. 2 StVollzG a.F. jedoch eine bloBe Selbstbindung des Gesetzgebers enthielt, konnten die Strafgefangenen aus dieser Norm keinen Anspruch auf einen hoheren Arbeitslohn herleiten.'^^'^ Eine Verbesserung des Arbeitsentgelts wurde allerdings iiber Jahre hinweg anhand unterschiedlicher Modelle diskuHQY^OS |^2W. erprobt^^^. Die Moglichkeiten einer tatsachlichen entscheidenden Reform zugunsten der Betroffenen blieben jedoch angesichts der fiskalischen Situation der Landerhaushalte eingeschrankt. Das geringe Arbeitsentgelt gem. §§43, 200 StVollzG a.F. hatte mehrere Gefangene dazu veranlasst, Verfassungsbeschwerden einzulegen, nachdem Antrage auf tarifgerechte Entlohnung der jeweils von ihnen erbrachten Tatigkeiten erfolglos geblieben waren. Eine Strafvollstreckungskammer legte dem BVerfG zudem im Wege des konkreten Normenkontrollverfahrens nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG die Frage der Arbeitsentlohnung zur Entscheidung vor. Das BVerfG hatte die Verfahren zu einer einheitlichen, am 1. Juli 1998 ergangenen Entscheidung zusammengefasst.'*^'^ Dieser kam dann grundlegende Bedeutung zu fiir die legislatorische Entwicklung hin zu einer Reform der Regelungen iiber die Arbeitsentlohnung fur zugewiesene Pflichtarbeit. Das Bundesverfassungsgericht bestatigt in seinem UrteiP^ die Zulassigkeit 443 von Zwangsarbeit im Vollzug als Resozialisierungsmittel. Aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG folgert es allerdings, dass nur unter bestimmten Voraussetzungen die Auferlegung von Zv^angsarbeit zur Resozialisierung dienen kann: „Arbeit im StrafvoUzug, die dem Gefangenen als Pflichtarbeit zugev^iesen v^ird, ist nur dann ein v^irksames Resozialisierungsmittel, wenn die geleistete Arbeit angemessene Anerkennung findet. Diese Anerkennung muss nicht notv^endig finanzieller Art sein. Sie muss freilich geeignet sein, dem Gefangenen den Wert regelmaBiger Arbeit fiir ein kiinftiges eigenverantwortetes und straffreies Leben in Gestalt eines fiir ihn greifbaren Vorteils vor Augen zu fxihren. Nur wenn der Gefangene eine solchermaBen als sinnvoll erlebbare Arbeitsleistung erbringen kann, darf der Gesetzgeber davon ausgehen, dass durch die Verpflichtung zur Arbeit einer weiteren Desozialisation des Gefangenen entgegengewirkt v^ird und dieser
403 404
^^^ ^06 40^ 408
Vgl. Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, § 43 Rdn. 3. Siehe BT-Drs. 8/3335, BR-Drs. 637/80. BT-Drs. 11/3694, S. 6, 13. KG,NStZ1990,S. 608. Siehe Jehle, 1994, S. 266; Neu A., 1995, S. 105 ff; Sigel, 1995, S. 81 ff Siehe Hagemann, 1995, S. 343 ff BVerfGE98, S. 169 ff Dazu Bemmann, 1998, S. 604f; Britz, 1999, S. 195 ff; Diinkel F., 1998a, S. 14 f; Kamann, 1999, S. 348 ff; Lohmann, 2002, S. 125 ff; Miiller-Dietz, 1999a, S. 952 ff; Neu A., 1998, S. 16 f; Pawlita, 1999, S. 67 ff; Radtke, 2001, S. 4 ff; Schuler-Springorum, 1999, S. 219 ff
232
5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
sich bei der Entwicklung bemflicher Fahigkeiten sowie bei der Entfaltung seiner Personlichkeit auf ein positives Verhaltnis zur Arbeit zu stlitzen vermag.""^^^ 444 Dem Gesetzgeber wurde vom BVerfG ein weiter Spielraum zugestanden, wie er seiner Verpflichtung nachzukommen hat, der Gefangenenarbeit die angemessene Anerkennung zuzugestehen. In erster Linie kommt - so das Gericht - die Gewahrung eines finanziellen Entgelts in Betracht. Dieses muss eine Hohe erreichen, die den Einsatz der Arbeitsleistung zur Bestreitung des Lebensunterhalts als sinnvoll erscheinen lasst/^^ Allerdings diirfen auch die Marktfeme der Gefangenenarbeit, deren Kosten und die Konkurrenz mit dem normalen Markt Beriicksichtigung finden."*^^ 445 Das BVerfG lasst die Einfiihrung von Elementen und Mechanismen des normalen Arbeitsmarkts zur Differenzierung zwischen Tatigkeiten unterschiedlicher Art und Qualitat auch im Bereich des Strafvollzugs zu. Damit soil dem Angleichungsgrundsatz des § 3 Abs. 1 StVollzG Rechnung getragen werden. Freilich diirfen insoweit nicht zu hohe Anforderungen an die Gefangenen gestellt werden, da diese in den Vollzugseinrichtungen vielfach erst das Arbeiten iiben miissen."^^^ Eine Einteilung in verschiedene Lohngruppen oder leistungsorientierte Entlohnung sieht das Gericht als zulassig an, wenn eine sachgerechte Auswahl der Gefangenen nach ihrer Qualifikation erfolgt und Weiterbildungsangebote fur geeignete Inhaftierte bereitgestellt werden."^^^ Das BVerfG hat in seinem Urteil weiter ausgefiihrt, dass der Gesetzgeber sich bei der Regelung der Arbeitsentlohnung auch fur ein Konzept entscheiden darf, in dem die Arbeitsleistung neben oder anstelle einer Lohnzahlung andere Formen der Anerkennung erfahrt/^"^ Als Moglichkeiten flir nicht-monetare Komponenten schlug das Gericht vor: 1. Aufbau einer sozialversicherungsrechtlichen Anwartschaft, 2. Hilfen zur Schuldentilgung, 3. Neuartige Formen der Anerkennung bei der Gestaltung des Vollzugs und der Entlassungsvorbereitung, moglicherweise auch unter Binbeziehung privater Initiativen, 4. Verkiirzung der Haftzeit („good-time"), sofem general- oder spezialpraventive Grlinde nicht entgegenstehen, 5. Sonstige Erleichterung der Haftzeit. 446
Infolge der gmndlegenden Entscheidung des BVerfG fasste der Gesetzgeber im 5. Gesetz zur Anderung des Strafvollzugsgesetzes - das am 1.1.2001 in Kraft t r a t - die § § 4 3 , 44 und 200 StVollzG als die wesentlichen Normen zur Entlohnung von Gefangenenarbeit neu."^^^ Danach enthalt die Entlohnung von Inhaftierten fiir die Verrichtung der ihnen zugewiesenen Pflichtarbeiten eine monetare ^09 BVerfGE98,S.201. 4^0 B V e r f G E 9 8 , S. 2 0 2 . 411 B V e r f G E 9 8 , S. 2 0 3 . 412 V g l . dazu Schiiler-Springorum, 1999, S. 2 2 2 .
413 BVerfG 98, S. 203. 414 Zweifelnd Richter Kruis in seinem Minderheitenvotum, B V e r f G E 9 8 , S. 2 1 8 . 415 Dazu CalHess, 2 0 0 1 , S. 1692 ff; Landau/Kunze/Poseck, 2 0 0 1 , S. 2611 ff; N e u A ,
2002, S. 83 ff; Porksen, 2001, S. 5 f; Ullenbruch, 2000, S. 177 ff
5.3 Arbeit, Ausbildung, Weiterbildung
233
Komponente sowie eine nicht-monetare Komponente. Der Gesetzgeber entschied sich dafiir, zugewiesene Pflichtarbeit neben der Gewahrung von Arbeitsentgelt auf der nicht-monetaren Ebene durch Freistellung von der Arbeit anzuerkennen (§ 43 Abs. 1 StVollzG), wobei diese auch - als Urlaub aus der Haft (Arbeitsurlaub) genutzt oder - auf den Entlassungszeitpunkt angerechnet werden kann. (1) Monetdre Komponente Der Inhaftierte, der eine zugewiesene Arbeit nach § 37 StVollzG oder Hilfstatig- 447 keiten gem. § 41 Abs. 1 S. 2 StVollzG verrichtet, hat gem. § 43 Abs. 1 1. Alt., Abs. 2 StVollzG einen Rechtsanspruch auf die gesetzlich vorgesehene finanzielle Entlohnung. Wie das Arbeitsverhaltnis selbst, so ist auch dieser Anspruch auf Arbeitslohn offentlich-rechtlicher Natur."^^^ Dem arbeitenden Gefangenen steht daher nicht nur kein Anspruch auf eine tarifliche Entlohnung zu; der Gesetzgeber hielt auch eine den ortsiiblichen Tarifen entsprechende Bezahlung fur unangebracht und ging von einer niedrigeren Entlohnung aus. Der Gesetzgeber kniipft daher die Bemessung der Entlohnung der Gefange- 448 nenarbeit mit § 43 Abs. 2 S. 2 StVollzG an das jeweilige durchschnittliche Arbeitsentgelt aller in der gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten (ohne Auszubildende) Versicherten i.S.d. § 18 SGB IV an. Dadurch erhoht sich mit einem Riickstand von zwei Jahren der Arbeitslohn entsprechend den allgemeinen Einkommenssteigerungen. Der Inhaftierte erhalt die Eckvergiitung, die gem. § 200 StVollzG mit neun vom Hundert der BemessungsgroBe nach § 18 SGB IV festgesetzt bleibt. Der 250. Teil dieser Eckvergiitung ergibt dann gem. § 43 Abs. 2 S. 3 StVollzG den Tagessatz. Nach § 43 Abs. 3 S. 1 StVollzG wird die Entlohnung je nach Leistung des Ge- 449 fangenen und Art der Tatigkeit gestuft. Aufgrund der Ermachtigung des § 48 StVollzG hat das Bundesministerium der Justiz im Einvemehmen mit dem Bundesministerium fiir Arbeit und Soziales und der Zustimmung des Bundesrates eine Verordnung iiber die Vergiitungsstufen des Arbeitsentgelts und der Ausbildungsbeihilfe (StVollzVergO) erlassen, wonach die Eckvergiitung in fiinf Stufen erfolgt und der Grundlohn durch Zulagen erhoht werden kann. Beispiel: Berechnung des Arbeitsentgelts fur das Jahr 2006: Die BezugsgroBe i.S.d. § 18 SGB IV betragt nach §2 der SozialversicherungsRechengroBenverordnung 2006'^^'^ des Bundesministeriums fur Arbeit und Soziales 29 400 EUR (= Durchschnittsentgelt der gesetzlichen Rentenversicherung im vorvergangenen Kalenderjahr 2004).^^^ Die Eckvergiitung liegt gem. § 200 StVollzG bei 9 % dieser BemessungsgroBe: 2 646 EUR. Der Tagessatz als 250ster Teil der Eckvergiitung
416 KG, NStZ 1990, S. 607; Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 43 Rdn. 1. 417 BGBl. 1 2 0 0 5 , S. 3627. 41^ Die BezugsgroBe gilt einheitlich fur die alten und die neuen Bundeslander, so dass die sog. BezugsgroBe Ost vorliegend unanwendbar bleibt; siehe auch Arloth/Liickemann, 2004, § 43 Rdn. 8.
234
5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess (§ 43 Abs. 2 S. 3 StVollzG) macht einen Betrag von 10,58 EUR aus, bei einer Gewahmng des Arbeitsentgelts nach Stunden liegt der Satz hierfiir bei 1,37 EUR. Nach § 1 StVollzVergO wird je nach Anforderung der Tatigkeit und der Qualifikation des Inhaftierten der Grundlohn des Arbeitsentgelts nach fiinf Vergiitungsstufen festgesetzt: Vergiitungsstufe I
=
Arbeiten einfacher Art, die keine Vorkenntnisse und nur eine kurze Einweisungszeit erfordem und die nur geringe Anforderungen an die korperliche oder geistige Leistungsfahigkeit Oder an die Geschicklichkeit stellen. Vergiitungsstufe II = Arbeiten der Stufe I, die eine Einarbeitungszeit erfordem. Vergiitungsstufe III = Arbeiten, die eine Anlemzeit erfordem und durchschnittliche Anforderungen an die Leistungsfahigkeit und die Geschicklichkeit stellen. Vergiitungsstufe IV = Arbeiten, die die Kenntnisse und Fahigkeiten eines Facharbeiters erfordem oder gleichwertige Kenntnisse und Fahigkeiten voraussetzen. Vergutungsstufe V = Arbeiten, die iiber die Anforderungen der Stufe IV hinaus ein besonderes MaB an Konnen, Einsatz und Verantwortung erfordem. DemgemaB betragt der Arbeitslohn der Strafgefangenen"^^^ im Jahr 2006 bei einer Sollarbeitszeit von 38,5 Stunden pro Woche: Vergiitungsstufe
I II III IV V
Eckvergiitung nach § 43 Abs. 2 S. 2 StVollzG (in %)
Tagessatz 2006 (in EUR)
75 88 100 112 125
7,94 9,31 10,58 11,85 13,23
'
Stundensatz 2006 (in EUR)
1,03 1,21 1,37 1,54 1,72
Nach § 2 Abs. 1 StVollzVergO konnen auBerdem zusatzlich zum Grundlohn Leistungszulagen bis zu 30 % sowie Zulagen fiir Arbeiten zu ungiinstigen Zeiten (bis zu 5 %), fiir GemaB §§ 130, 176 Abs. 1 S. 1 und 2, 177 S. 4 StVollzG gilt dies fur arbeitende Sicherungsverwahrte, Inhaftierte in Jugendstrafanstalten sowie jugendliche und heranwachsende Untersuchungsgefangene entsprechend. Gleiches betrifft nach §§167, 171 StVollzG Inhaftierte im Strafarrest bzw. im Vollzug einer gerichtlich angeordneten Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs- und Erzwingungshaft sowie gem. § 8 Abs. 2 FEVG Abschiebungsgefangene in Justizvollzugsanstalten. Fiir die Bemessung der Ausbildungsbeihilfe verweist § 44 Abs. 2 StVollzG ebenfalls auf § 43 Abs. 2 und 3 StVollzG. Dagegen sind bei der Bemessung des Arbeitsentgelts fur erwachsene Untersuchungsgefangene gem. § 177 S. 2 StVollzG nur 5 % der BezugsgroBe nach § 18 SGB IV zugrunde zu legen. Gleiches gilt fur die Gruppe der Auslieferungsgefangenen im Vollzug der Haft nach § 27 IRG.
5.3 Arbeit, Ausbildung, Weiterbildung
235
Arbeit unter arbeitserschwerenden Umgebungseinflussen (bis zu 5 %) und fiir Arbeit iiber die festgesetzte Zeit hinaus (bis zu 25 %) gewahrt werden. Zudem diirfen gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 StVollzVergO Leistungszulagen im Zeitlohn (d.h. ein Gefangener hat eine bestimmte Stundenzahl am Tag zu arbeiten) bis zu 30 % vom Grundlohn gewahrt werden unter Berucksichtigung von Arbeitsmenge und -gute, Umgang mit Betriebsmitteln und Arbeitsmaterialien, Leistungsbereitschaft und AusmaB von Fehlzeiten; gem. Nr. 2 im Leistungslohn (d.h. ein Gefangener hat eine bestimmte Leistung innerhalb einer festgesetzten Arbeitszeit zu erbringen) bis zu 15 % vom Grundlohn unter Beriicksichtigung von Arbeitsgiite und sowie Umgang mit Betriebsmitteln und Arbeitsmaterialien."*^^ Bei der Gewahrung von Leistungszulagen handelt es sich nicht um einen begtinstigenden, laufende Geldleistung gewahrenden Dauerverwaltungsakt mit der Eignung, Vertrauensschutz zugunsten des Betroffenen zu entfalten.'^^^ Eine Unterschreitung des Mindestentgelts von 75 % der Eckvergutung (Stufe I) ist nach § 43 Abs. 3 S. 2 StVollzG nur moglich, wenn der Gefangene hinsichtlich der Mindestanforderungen nicht genugend Leistung erbringt. Bei Ausiibung einer arbeitstherapeutischen Beschaftigung i.S.d. § 37 Abs. 5 StVollzG erfolgt gem. § 43 Abs. 4 StVollzG die Zahlung eines Arbeitsentgelts nur, soweit dies der Beschaftigungsart und der Arbeitsleistung entspricht. Es betragt dann nach § 3 StVollzVergO regelmaBig 75 % des Grundlohns der Vergtitungsstufe I und kann zudem bis zur Hohe des Taschengeldes reduziert werden. Die durch § 200 StVollzG bedingte sehr niedrige Bemessung der monetaren 450 Entlohnung der Gefangenenarbeit stellt - trotz zusatzlicher nicht-monetarer Komponente"^^^ und der Nichterhebung von Haftkostenbeitragen'^^^ gem. § 50 Abs. 1 Nr. 1 StVollzG bei Gefangenen, die ihrer Arbeitspflicht nachkoimnenkeine leistungsadaquate Bezahlung dar. Zwar erscheinen Fordemngen als zu weitgehend, die Inhaftierten nach ortsiiblichen Tarifen zu bezahlen"^^"*, denn die Arbeit in den Justizvollzugsanstalten ist im Gegensatz zu den Verhaltnissen in der freien Wirtschaft Einschrankungen ausgesetzt, welche die Produktivitat im Ergebnis verringem. Der Gesetzgeber durfte daher unter Beriicksichtigung der typischen Bedingungen des Strafvollzugs - insbesondere der Marktfeme - eine niedrigere Bemessung durch Ankniipfung an das durchschnittliche Arbeitsentgelt in der gesetzlichen Rentenversicherung herstellen. Die aus § 200 StVollzG folgende geringe Hohe der finanziellen Entlohnung der 451 Gefangenen fiihrt jedoch zu Bedenken im Hinblick auf den Angleichungsgrundsatz des § 3 Abs. 1 StVollzG, wonach das Leben im Vollzug den allgemeinen Lebensverhaltnissen so weit als moglich angeglichen werden soil. Wahrend der Arbeitnehmer in Freiheit sich durch seine Arbeit einen Anspruch auf eine Gegenleistung zur Bestreitung seines Lebensunterhalts verdient, reduziert die vollzugliche Regelung die Zahlungen auf eine Art bloOe Arbeitsbelohnung. Damit kann der Betroffene kein auf der eigenen Leistung beruhendes Selbstbewusstsein als eine Voraussetzung fur eine erfolgreiche Wiedereingliederung entwickeln. Die ge-
"^^^ Zur Kiirzung von Leistungszulagen gem. § 2 Abs. 2 StVollzVergO siehe KG, ZfStrVo 1982, S. 315. ^21 OLG Hamburg, ZfStrVo 2002, S. 254. 422 DazuKap. 5.3.3.1(2). 423 DazuKap. 5.3.4.3. 424 So aber Neu A., 1995, S. 105 ff
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5 Der Vollzugsablauf alslnteraktionsprozess
ringe Eckvergiitung des § 200 StVollzG tangiert auch den Gegensteuerungsgrundsatz des § 3 Abs. 2 StVollzG, wonach schadlichen Folgen des Strafvollzugs entgegenzuwirken ist. Sie fiihrt zu Belastungen der Gefangenen, die keine notwendigen Konsequenzen des Freiheitsentzugs darstellen. Die Vorenthaltung einer leistungsgerechten Entlohnung bringt vor allem eine negative Lernerfahrung mit sich: Arbeit lohnt sich nicht/^^ Gerade das wirkt ftir die BehandlungsmaBnahme Arbeit kontraproduktiv, denn die Leistungsbereitschaft des Einzelnen durch Verbesserung der Motivation und der Einstellimg zur Arbeit erfahrt keine zureichende Forderung. Durch die niedrige Entlohnung werden zudem die Chancen einer VoUzugszielerreichung auf der Ebene der Sozialversicherung'^^^ beeintrachtigt. Eine grundlegende, am Sozialisationsziel des § 2 S. 1 StVollzG orientierte Neugestaltung des vollzuglichen Arbeitswesens hat das 5. Gesetz zur Reform des Strafvollzugsgesetzes nicht geleistet. Die Legislative hat sich lediglich bemiiht, eine Losung innerhalb des verfassungsrechtlich eingeraumten weiten Einschatzungsspielraums"^^"^ zu finden.'^^^ Das BVerfG selbst halt die bloBe Erhohung von 5 auf 9 Prozent der BezugsgroBe unter Beriicksichtigung der Gewahrung nicht-monetarer Leistungen ftir „noch verfassungsgemaB"/^^ 452
Eine am Kollektivvertragslohn orientierte Arbeitsvergutung erhalt dagegen der Strafgefangene in Osterreich (§§51 ff. oStVG). Diese betragt mindestens 60 Prozent des Bruttoarbeitsentgelts eines Metallhilfsarbeiters als MessgroBe. Allerdings muss der Inhaftierte gem. § 32 oStVG einen hohen Vollzugskostenbeitrag entrichten O^ei Bezug von Arbeitslohn regelmaBig in Hohe von 75 Prozent der Vergtitung). Auch dies birgt die Gefahr einer weitgehenden Wirkungslosigkeit der Arbeitsvergutung als Steuerungs- und Motivationsinstrument in sich."*^^
453
Im Rahmen der geltenden Entlohnungsregelung des § 43 Abs. 2 bis 5 StVollzG steht dem Inhaftierten, der zugewiesene Arbeit verrichtet, einer sonstigen Beschaftigung nachgeht oder Hilfstatigkeiten ausiibt, ein Rechtsanspruch auf das gesetzlich vorgesehene Entgelt - d.h. auf dessen Kontogutschrift - zu/^^ Der Gefangene erhalt das Entgelt nur fiir tatsachlich ausgeiibte Tatigkeit/^^ Der Anspruch entfallt, wenn und soweit der Insasse der Arbeit fembleibt. Gleiches gilt bei einem organisationsbedingten Ausfall des Arbeitsbetriebs."*^^ Auch far Feiertage, die auf Werktage fallen, erhalt er kein Arbeitsentgelt. Darin liegt jedoch 425 Krit. auch Lohmann, 2002, S. 325 ff; Radtke, 2001, S. 9. 426 Dazu Steiner, 2006, S. 95 ff 427 BVerfGE 98, S. 203. 428 Zur VerfassungsmaBigkeit siehe OLG Frankfurt, NStZ-RR 2002, S. 93; OLG Hamburg, StrVert 2002, S. 376; O L G Hamm, ZfStrVo 2002, S. 121; zustimmend Ltickemann, 2002, S. 121 ff 429 BVerfG, StrVert 2002, S. 375. 4^^ Holzbauer/Brugger, 1996, S. 264 f; zur Arbeitsregelung in Osterreich: Pilgram, 1997, S. 49 ff
431 Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 4 3 Rdn. 1; Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, § 43 Rdn. 6. 432 Arloth/Luckemann, 2004, § 43 Rdn. 7; Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 43 Rdn. 2. 433 KG, NStZ 1989, S. 197; KG, ZfStrVo 1992, S. 386.
5.3 Arbeit, Ausbildung, Weiterbildung
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keine Schlechterstellung, weil der Grundlohn sich nach der Eckvergiitung bemisst, in der die gesetzlichen Feiertage, die auf einen Werktag fallen, schon verrechnet sind. Dem Gefangenen steht kein Anspruch auf Entgelt zu, wenn und soweit er etwa wegen Hafturlaubs gem. § 13 StVollzG nicht arbeitet (es sei derm, es liegt gem. § 43 Abs. 6 oder 7 StVollzG eine bezahlte Freistellung vor). Steht ihm fiir bestimmte Teilzeit kein Arbeitsentgelt zu, ist dieses in analoger Anwendung des Rechtsgedankens aus § 44 Abs. 3 StVollzG entsprechend zu kiirzen. GemaB § 43 Abs. 5 StVollzG ist das Arbeitsentgelt dem Gefangenen schriftlich bekannt zu geben. Diese Vorschrift stellt eine Konkretisierung des Angleichungsgrundsatzes gem. § 3 Abs. 1 StVollzG dar."^^"* Die vorgeschriebene schriftliche Mitteilung des Arbeitsentgelts (nicht nur seiner Hohe) in Form einer spezifizierten Aufstellung an den Gefangenen dient der Uberpriifbarkeit durch den Leistungsempfanger und damit zugleich auch der Gewahrung des erforderlichen Rechtsschutzes. Der Gefangene kann den Rechtsanspruch auf Zahlung des ihm rechtmaBig zustehenden Arbeitsentgelts nur verwirklichen, werm ihm die Berechnungsgmndlagen einschlieBlich der Bewertungskriterien im Wege einer vollstandigen und nachvollziehbaren Abrechnung bekannt gemacht sind. Zudem gibt die schriftliche Bekarmtgabe den Betroffenen Unterlagen an die Hand, um Freistellungsanspriiche geltend zu machen bzw. um gegebenenfalls Anspriiche bei Arbeitslosigkeit zu realisieren. Nicht betroffen von der Regelung iiber den Arbeitslohn nach § 43 StVollzG sind diejenigen Gefangenen, die im Wege der AuBenbeschaftigung oder des Freigangs gem. § 39 Abs. 1 StVollzG in einem freien Beschaftigungsverhaltnis stehen. Diese erhalten in der Regel den vereinbarten ortsiiblichen Tariflohn. Die Pfandbarkeit des Anspruchs des Gefangenen auf Arbeitsentgelt, der mit 454 Kontogutschrift infolge Erflillung entsprechend § 362 BGB erlischt"*^^, richtet sich nach §§ 850 ff ZPO."*^^ Streitig ist hierbei, ob es sich beim Arbeitsentgelt um Arbeitseinkommen i.S.v. § 850 Abs. 1 ZPO handelt"^^^ mit der Folge, dass der Anspruch auf Gutschrift des Arbeitsentgelts nur nach MaBgabe der §§ 850a bis 850k ZPO (insbesondere unter Beachtung der Pfandungsgrenzen der §§ 850c und 850d ZPO) gepfandet werden kaim'*^^ oder aber ob der Anspruch des Gefangenen auf Gutschrift seines Arbeitsentgelts gem. § 399 1. Alt. BGB uniibertragbar und damit nach § 851 Abs. 1 ZPO generell unpfandbar ist.^^^ Nachdem § 850 Abs. 2 ZPO ^34 Vgl.BT-Drs. 7/918, S. 68. ^35 BOH, StrVert 2004, S. 558 f; Arloth/Luckemann, 2004, § 43 Rdn. 10; Calliess/MullerDietz, 2005, § 43 Rdn. 1. ^36 Zum Meinungsstand Konrad W., 1990. 437 Vemeinend OLG Karlsruhe, Rpfleger 1994, S. 370; OLG Numberg, BlStVK 2/1996, S. 5, 7; Musielak/Becker, 2005, § 850 Rdn. 8; Zoller/Stober, 2004, § 829 Rdn. 33. 43S So OLG Celle, NStZ 1988, S. 334; OLG Hamm, NStZ 1988, S. 479; OLG Frankfurt, NStZ 1993, S. 559; KG, ZfStrVo 1990, S. 55; CalHess/Muller-Dietz, 2005, § 43 Rdn. 6; Kaiser/Schoch, 2002, S. 312. 439 So BGH, StrVert 2004, S. 558 f; Arloth/Luckemann, 2004, § 43 Rdn. 10; Fluhr, 1989, S. 103 mit einem Uberblick uber den Meinungsstand und die jeweiligen Konsequenzen; Fluhr, 1994.
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5 Der Vollzugsablauf alslnteraktionsprozess
den Begriff des Arbeitseinkommens sehr weit fasst, kann nicht bezweifelt werden, dass auch Gefangene solches erzielen. Folgt danach die Anwendbarkeit der §§ 850a ff. ZPO, so ist weiter umstritten, ob bei der Berechnung der Pfandungsfreigrenze i.S.d. § 850c Abs. 1 S. 1 ZPO gem. § 850e Nr. 3 ZPO dem Arbeitseinkommen der Wert der Naturalleistungen hinzuzurechnen bleibt, die der Gefangene fiir seinen Unterhalt erhalt (Unterkunft, Verpflegung, Bekleidung, medizinische Betreuung). Fiir eine derartige Berucksichtigung wird die Gefahr einer Besserstellung des inhaftierten gegeniiber dem in Freiheit befindlichen Schuldner vorgebracht, weshalb der fiktive, in Wirklichkeit nicht erhobene Haftkostenbeitrag gem. § 50 StVollzG in Ansatz gebracht werden soll.'^'^^ Dagegen spricht aber, dass die Vollzugsbehorde die Sachleistungen nicht als Teil der Arbeitsentlohnung fiir verrichtete Tatigkeiten erbringt, sondem diese als notwendige Folgen des Freiheitsentzugs alien, auch den nicht arbeitenden Inhaftierten gewahrt werden.'*'*^ Der Streit hat jedoch letztlich nur geringe Bedeutung, denn selbst unter Zugrundelegung des maximalen Haftkostenbeitrags und des hochst erreichbaren Arbeitsentgelts wird die zurzeit giiltige Pfandungsfreigrenze von wenigstens 985,15 EUR monatlich (§ 850c Abs. 1 S. 1 ZPO in der Fassung der Pfandungsfreigrenzenbekanntmachung 2005"^"*^) nicht uberschritten.^"^^ Keine Besonderheiten beziiglich der Anwendbarkeit der §§ 850 ff ZPO bestehen in Ansehung solcher Gefangener, die in einem freien Beschaftigungsverhaltnis gem. § 39 StVollzG stehen, sofem die Vollzugsbehorde nicht nach § 39 Abs. 3 StVollzG Uberweisung des Entgelts zur Gutschrift verlangt hat.'*'^'^ Insoweit greift allerdings zusatzlich zu den zivilprozessualen Bestimmungen der Schutz des § 51 Abs. 4 StVollzG. Fiir Einwendungen gegen die RechtmaBigkeit von Pfandungs- und Uberweisungsbeschliissen ist allein das Vollstreckungsgericht nach § 766 ZPO zustandig. Geht es nicht um eine mogliche Fehlerhaftigkeit des Pfandungs- und Uberweisungsbeschlusses, sondem vielmehr um die Frage, ob sich die Vollzugsbehorde an den Inhalt des Beschlusses gehalten Oder irrig Betrage vom Guthaben des Gefangenen abgebucht habe, die nicht gepfandet werden sollten, ist der Rechtsweg nach § 109 StVollzG eroffnet."^"^^ (2) Nicht-monetdre Komponente 455 Neben der Anerkennung zugewiesener Pflichtarbeit durch Arbeitsentgelt erfolgen nach § 43 Abs. 1 StVollzG auch nicht-monetare Leistungen: Der arbeitende Strafgefangene kommt unter den Voraussetzungen des § 43 Abs. 6 bis 9 StVollzG in den Genuss von Zeit"^"*^, in welcher der Betroffene nicht arbeiten muss. Der Inhaftierte kann die Zeit der Freistellung von der Arbeit in der Anstalt verbringen (sog. Zellenurlaub) oder in Form von Urlaub aus der Haft (Arbeitsur4^0 441 442 443 444 445 446
So O L G Frankfurt, N S t Z 1993, S. 560; Arloth/Liickemann, 2004, § 43 Rdn. 10. B F H , D S t R E 2004, S. 421 f; Calhess/Miiller-Dietz, 2005, § 43 Rdn. 10. BGBl. I 2 0 0 5 , S. 493. Arloth/Luckemann, 2004, § 43 Rdn. 10. Musielak/Becker, 2005, § 850 Rdn. 8. O L G N u m b e r g , BlStVK 2/1996, S. 6. Schiiler-Springorum, 1999, S. 227.
5.3 Arbeit, Ausbildung, Weiterbildung
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laub) nutzen, wenn er fiir diese Vollzugslockerung geeignet ist (§ 43 Abs. 7 StVoUzG). Stellt er keinen Antrag auf Freistellimg von der Arbeit oder auf Gewahrung von Arbeitsurlaub bzw. wird Arbeitsurlaub nicht gewahrt, so ist die Freistellung von der Arbeit auf den Entlassungszeitpunkt des Betroffenen anzurechnen (§ 43 Abs. 9 StVoUzG). In Fallen, in denen eine Anrechnung nach § 43 Abs. 10 StVoUzG ausgeschlossen bleibt, erhalt der Verurteilte bei seiner Entlassung als Ausgleichsentschadigung fiir seine Tatigkeit zusatzlich 15 % des ihm nach § 43 Abs. 2 und 3 StVoUzG gewahrten Entgelts oder der ihm nach § 44 zustehenden Ausbildungsbeihilfe (§ 43 Abs. 11 StVoUzG). § 43 Abs. 6 bis 11 StVollzG gelten nicht fiir Untersuchungsgefangene (§ 177 S. 3 und 4 StVollzG), femer nicht fiir Gefangene im Vollzug der Haft nach § 27 IRG sowie nicht fiir Inhaftierte im Vollzug einer gerichtHch angeordneten Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangsund Erzwingungshaft (§171 StVollzG) und nicht fiir Abschiebungshaftlinge (§ 8 Abs. 1 FEVG). Zielsetzung und Ausgestaltung dieser Haftarten stehen der Anwendung von § 43 Abs. 6 bis 11 StVollzG entgegen. Ausgangspunkt fiir die Anerkennung geleisteter Pflichtarbeit durch nicht- 456 monetare Leistungen ist die Grundregel des § 43 Abs. 6 StVollzG. GemaB S. 1 der Vorschrift wird der Gefangene auf seinen Antrag hin einen Werktag von der Arbeit freigestellt, wenn er zwei Monate lang zusammenhangend Pflichtarbeit erbracht hat. § 43 Abs. 6 S. 2 StVollzG stellt insoweit klar, dass eine solche Freistellung als nicht-monetare Komponente der Entlohnung zugewiesener Pflichtarbeit unabhangig von derjenigen des § 42 StVollzG zu betrachten und zusatzlich zu dieser zu gewahren ist. Ebenso wie bei § 42 Abs. 1 S. 1 StVollzG die einjahrige Tatigkeit sich nicht nach dem Kalenderjahr bemisst, sondem mit dem Tag begiimt, an dem der Gefangene die ihm zugewiesene Tatigkeit erstmals aufhimmt, kommt es auch bei § 43 Abs. 6 S. 1 StVollzG nicht auf Kalendermonate an, sondem die Monate rechnen sich ab dem Tag der Tatigkeitsaufnahme. Ein Freistellungstag fallt jedoch nur an, wenn die Tatigkeit iiber zwei Monate hinweg zusammenhangend ausgeiibt wurde. Das Tatbestandsmerkmal der zusammenhangend ausgeiibten Tatigkeit des 456a § 43 Abs. 6 S. 1 StVollzG erfahrt in S. 3 eine gesetzliche Konkretisierung: Die Frist des S. 1 wird gehemmt durch Zeiten, in denen der Gefangene ohne sein Verschulden durch ICrankheit, Ausfiihrung, Ausgang, Hafturlaub, Freistellung von der Arbeitspflicht oder sonstige nicht von ihm zu vertretende Griinde an der Arbeitsleistung gehindert ist. In derartigen Fallen verlangert sich der Zeitraum zur ErfiiUung der zwei Monate um die Anzahl der ausgefallenen Arbeitstage, diese sind also nachzuarbeiten. Hemmen nicht zu vertretende Ausfalltage die ZweiMonats-Frist, folgt daraus umgekehrt, dass verschuldete Ausfalltage diese Frist unterbrechen. Dem Gesetzgeber kam es auf eine kontinuierliche Arbeitsleistung fiir den Erwerb von Anwartschaftszeiten fiir eine Freistellung nach § 43 StVollzG an.44'7 VV Nr. 4 Abs. 1 zu § 43 StVollzG steUt klar, dass die bis zum Unterbrechungszeitraum ausgeiibte Tatigkeit von weniger als zwei Monaten unberiicksichtigt bleibt und mit einer emeuten Arbeitsaufnahme die Frist von neuem zu laufen
Vgl. Schafer, 2005, S. 63.
240
5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
beginnt. Dies kommt vor allem in Betracht bei Fehlzeiten infolge Arbeitsverweigerung, Entweichung aus der Anstalt, Nichtxiickkehr oder verspateter Riickkehr von Vollzugslockerungen, vom Inhaftierten zu vertretender Ablosung von der Arbeit oder Vollzug von Disziplinar- bzw. SicherungsmaBnahmen. Da mit der Gewahrung zusatzlicher Freistellung als nicht-monetare Komponente der Anerkennung von Pflichtarbeit die kontinuierlich erbrachte Arbeitsleistung honoriert werden soil, bleibt nach § 43 Abs. 6 S. 4 StVollzG ein Beschaftigungszeitraum von nur weniger als zwei Monaten unberiicksichtigt. Wie die Freistellung nach § 42 StVollzG setzt auch diejenige gem. § 43 Abs. 6 S. 1 StVollzG einen Antrag des Inhaftierten voraus. Wird dieser nicht gestellt, erfolgt eine Anrechnung der Freistellungstage auf den Entlassungszeitpunkt (§ 43 Abs. 9 StVollzG). 456b
Fallen gem. § 43 Abs. 6 S. 1 StVollzG Freistellungstage an, so kann der Inhaftierte diese in der Anstalt verbringen. Liegen aber zugleich die Voraussetzungen fiir eine Gewahrung von Hafturlaub vor, darf nach § 43 Abs. 7 StVollzG die Freistellung auch als Arbeitsurlaub genutzt werden. Der Arbeitsurlaub wird nicht auf den regelmaBigen Hafturlaub nach § 13 StVollzG angerechnet, denn er stellt eine Anerkennung fiir erbrachte Arbeitsleistung dar. § 43 Abs. 7 S. 2 StVollzG stellt klar, dass fiir den Arbeitsurlaub die allgemeinen gesetzlichen Regelungen fur die Gewahrung von Hafturlaub (§§ 11 Abs. 2, 13 Abs. 2 bis 5, 14 StVollzG) entsprechend gelten. Damit bedarf es nicht nur einer Priifung der spezifischen Kriterien des Arbeitsurlaubs (§ 43 Abs. 7 S. 1 i.V.m. Abs. 6 StVollzG) sowie des Nichtvorliegens einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr und der weiteren Lockerungsvoraussetzungen auf der Tatbestandsebene. Der Anstaltsleitung steht vielmehr auch im Bereich der Gewahrung von Arbeitsurlaub ein Ermessen auf der Rechtsfolgenseite
Der Gefangene erhalt fiir die Zeit der Freistellung von der Arbeit i.S.d. § 43 Abs. 6 S. 1 StVollzG, die er in der Anstalt oder als Arbeitsurlaub i.S.d. § 43 Abs. 7 StVollzG auBerhalb der Einrichtung verbringt, seine zuletzt gezahlten Bezuge weiter. Dies ergibt sich aus § 43 Abs. 8 StVollzG, der auf § 42 Abs. 3 StVollzG verweist. 457 GemaB § 43 Abs. 9 StVollzG erfolgt eine automatische Anrechnung der nach § 43 Abs. 6 S. 1 StVollzG angefallenen Freistellungstage fiir geleistete Pflichtarbeit auf den Entlassungszeitpunkt, wenn der Inhaftierte - keine Freistellung gem. § 43 Abs. 6 S. 1 StVollzG beantragt hat, - keinen Antrag nach § 43 Abs. 7 S. 1 StVollzG auf Gewahrung von Arbeitsurlaub gestellt hat oder - wenn ein beantragter Arbeitsurlaub wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen fiir die Gewahrung eines Hafturlaubs (§ 43 Abs. 7 S. 2 StVollzG) abgelehnt wurde. Mit dieser Anerkennung geleisteter Pflichtarbeit durch Anrechnung der Freistellung zur Vorverlegung des Entlassungszeitpunkts hat sich der Gesetzgeber innerhalb des ihm vom BVerfG eingeraumten weiten Spielraums gehalten, wie er seiner Verpflichtung nachzukommen hatte, der Gefangenenarbeit angemessene Anerkennung zuzugestehen. Insoweit ^4« AA. Schafer, 2005, S. 63.
5.3 Arbeit, Ausbildung, Weiterbildung
241
stellte das Gericht fest, dass die Legislative nicht gehindert ist zu regeln, „dass der Gefangene - sofem general- oder spezialpraventive Griinde nicht entgegenstehen - durch Arbeit seine Haftzeit verkiirzen (,good time') oder sonst erleichtem kann"."^"^^ Bei der Neuregelung des § 43 StVollzG durch das 5. StVollzGAndG ging der Gesetzgeber davon aus, dass die vorgezogene Wiedererlangung der personlichen Freiheit angesichts der Schwere des Grundrechtseingriffs, den der Vollzug der Freiheitsstrafe fiir den Betroffenen bedeutet, einen besonders nachhaltigen Vorteil darstellt, der geeignet ist, die Inhaftierten zur regelmaBigen Arbeit zu motivieren. Zudem kommt der Vorteil einer friiheren Entlassung auch denjenigen Gefangenen zugute, welche die Voraussetzungen fiir die Gewahrung von Hafturlaub i.S.d. § 13 StVollzG nicht erfullen.^^o Die antragsunabhangige Entlassungsvorverlegung erfordert - anders als § 57 457a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB bei der Strafrestaussetzung zur Bewahrung - nicht das Vorliegen einer giinstigen Sozialprognose. Denn bei der Vorverlegung nach § 43 Abs. 9 StVollzG handelt es sich um eine vollzugsrechtliche MaBnahme und nicht um eine solche vollstreckungsrechtlicher Art"^^', so dass sie weder Auswirkungen auf die Berechnung des Halb- oder Zwei-Drittel-Strafzeitpunkts i.S.d. § 57 StGB noch sonst auf die Strafzeitberechnung zeitigt."*^^ Die Vorverlegung bezieht sich immer auf das Ende der Strafvollstreckung. Die vorzuverlegende Entlassung i.S.d. § 43 Abs. 9 StVollzG verlangt deshalb, dass der unmittelbare Zugriff der Vollstreckungsbehorde auf den Verurteilten entfallt. In den Fallen der Anschlussvollstreckung weiterer Freiheitsstrafe(n) bezieht sich der Entlassungszeitpunkt deshalb auf die jevv^eils letzte Freiheitsstrafe."*^^ Von der nicht-monetaren Anerkennung hat der Gesetzgeber gem. § 43 Abs. 10 458 StVollzG einige Gruppen arbeitender Strafgefangener ausgenommen und sie auf eine Ausgleichsentschadigung nach § 43 Abs. 11 StVollzG verv^iesen. Haben diese Inhaftierten keinen Antrag nach § 43 Abs. 6 S. 1 StVollzG auf Freistellung von der Arbeit oder gem. § 43 Abs. 7 S. 1 StVollzG auf Gewahrung von Arbeitsurlaub gestellt bzv^. konnte ihnen diese nicht gev^ahrt werden, darf ihre Arbeitsleistung nicht iiber die nicht-monetare Komponente Anerkennung finden. Die Anerkennung erfolgt vielmehr auf der monetaren Ebene durch eine Erhohung der finanziellen Arbeitsentlohnung. Die Ausnahmetatbestande von der Anrechenbarkeit angefallener Freistellungstage auf den Entlassungszeitpunkt normieren § 43 Abs. 10 Nr. 1 bis 5 StVollzG: - Eine besondere Regelung fiir Gefangene, die eine lebenslange Freiheitsstrafe verbiiBen oder in der Sicherungsverwahrung untergebracht sind, enthalt § 43 Abs. 10 Nr. 1 StVollzG. Diese Vorschrift betrifft jedoch nur die Lebenszeitgefangenen bzv^. Sicherungsverwahrten, bei denen noch kein Entlassungszeitpunkt feststeht. § 43 Abs. 10 Nr. 1 StVollzG ist im Zusammenhang mit § 43
^49 BVerfGE 98, S. 202. "^^^ So BT-Drs. 14/4452, S. 17; zur VerfassungsmaBigkeit der nicht-monetaren Komponente BVerfG, StrVert 2002, S. 375. ^51 Schafer, 2005, S. 33. 452 BT-Drs. 14/4452; KG, N S Z 2004, S. 228; Arloth/Luckemann, 2004, § 43 Rdn. 23. 453 KG,NStZ2005, S.291.
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
Abs. 11 S. 3 StVollzG zu sehen. Danach erhalten die Betroffenen, die keine Freistellung in der Haft nach § 43 Abs. 6 S. 1 StVollzG und keinen Arbeitsurlaub nach § 43 Abs. 7 StVolzG in Anspruch nehmen oder dies nicht konnen, jeweils nach einer VerbiiBungs- bzw. Unterbringungsdauer von zehn Jahren'^^'^ eine Ausgleichszahlung zur Gutschrift auf dem Eigengeldkonto. Mit dieser Gutschrift sind die in dem jeweiligen Zehn-Jahres-Abschnitt erarbeiteten Freistellungstage verbraucht. 1st dagegen der Entlassungszeitpunkt eines Lebenszeitgefangenen bzw. Sichemngsverwahrten bestimmt, unterfallt er nicht mehr dem Ausnahmetatbestand von § 43 Abs. 10 Nr. 1 StVollzG. Dann erfolgt automatisch die Anrechnung der seit dem letzten Zehn-Jahres-Zeitpunkt angesparten Freistellungstage auf den Entlassungszeitpunkt, es sei denn, es liegt ein anderer AusschlieBungsgrund i.S.d. § 43 Abs. 10 StVollzG vor. § 43 Abs. 10 Nr. 2 StVollzG regelt den Fall, dass bei einer Aussetzung der VoUstreckung des Rests einer Freiheitsstrafe oder einer Sicherungsverwahrung zur Bewahrung in der (zu kurzen) Zeitspanne von der gerichtlichen Entscheidung bis zum Entlassungszeitpunkt eine Anrechnung der Freistellungstage ganz oder teilweise („soweit") faktisch unmoglich bleibt. Einen Ausschluss der Anrechnung sieht § 43 Abs. 10 Nr. 3 StVollzG fiir die Falle vor, in denen das Vollstreckungsgericht wegen der Lebensverhaltnisse des Gefangenen oder der Wirkungen, die von der Aussetzung fur ihn zu erwarten sind, eine sog. punktgenaue Entlassung fur erforderlich erachtet (z.B. fur den Verurteilten steht ein Platz in einer Therapieeinrichtung oder in einem betreuten Wohnheim erst zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Verfiigung). GemaB § 454 Abs. 1 S. 5 StPO muss jeder Beschluss iiber eine Aussetzung des Strafrests zur Bewahrung auch die Entscheidung enthalten, ob eine Anrechnung nach § 43 Abs. 10 Nr. 3 StVollzG ausgeschlossen wird. Fehlt diese Entscheidung, bleibt es bei der Anrechnungsmoglichkeit nach § 43 Abs. 9 StVollzG, weil die Anwendung des Ausnahmetatbestands von § 43 Abs. 10 Nr. 3 StVollzG ausdnicklich angeordnet sein muss."^^^ Faktisch unmoglich ist eine Anrechnung von erarbeiteten Freistellungstagen auf den Entlassungszeitpunkt auch in den Fallen einer Auslieferung oder Landesverweisung nach § 456a Abs. 1 StPO. Dem tragt § 43 Abs. 10 Nr. 4 StVollzG Rechnung.456 Eine Verlegung des Entlassungszeitpunkts vor den vom Gnadentrager im Fall einer Begnadigung festgesetzten Termin hielt der Gesetzgeber als mit dem Wesen des Gnadenrechts unvereinbar."^^^ Deshalb schlieBt § 43 Abs. 10 Nr. 5 StVollzG bei Entlassungen aufgrund von Gnadenerweisen eine Anrechnung von Freistellungstagen nach § 43 Abs. 9 StVollzG aus.
"^^"^ Die Zehn-Jahres-Frist lauft fur langer inhaftierte Lebenszeitgefangene bzw. Sicherungsverwahrte friihestens seit dem Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des 5. StVollzAndG am 1.1.2001 (OLG Hamm, NStZ 2006, S. 61). 45^ Arloth/Luckemann, 2004, § 43 Rdn. 27. 456 BT-Drs. 14/4452,8. 18. 45^ BT-Drs. 14/4452,8. 18.
5.3 Arbeit, Ausbildung, Weiterbildung
243
§ 43 Abs. 10 StVollzG stellt keine abschliefJende Regelung dar.^^^ Dies gilt vor allem fur die Falle faktischer Anrechnungsunmoglichkeit der § 43 Abs. 10 Nr. 2 und 4 StVollzG (z.B. im Rahmen von Strafrestaussetzungen zur Bewahrung gem. § 36 BtMG; bei Uberstellung auslandischer Gefangener zur weiteren StrafvoUstreckung in ihren Heimatlandem). Die Modalitaten der Gewahrung einer Ausgleichsentschadigung sind in § 43 458a Abs. 11 StVollzG geregelt. GemaB § 43 Abs. 11 S. 1 StVollzG darf sie nur dann geleistet werden, wenn und soweit eine Anrechnung von erarbeiteten Freistellungstagen auf den Entlassungszeitpunkt nach § 43 Abs. 9 StVollzG wegen Vorliegens eines Ausnahmefalls des § 43 Abs. 10 StVollzG ausgeschlossen bleibt. Damit kommt nicht unter § 43 Abs. 10 StVollzG fallenden Inhaftierten kein Wahlrecht zwischen Vorverlegung der Entlassung oder einem finanziellen Ausgleich zu."^^^ Eine Entscheidung iiber die Gewahrung einer Ausgleichsleistung eriibrigt sich auch bei solchen unter § 43 Abs. 10 StVollzG fallenden Gefangenen, die bereits ihren Anspruch auf Freistellung von der Arbeit nach § 43 Abs. 6 S. 1 StVollzG bzw. den Arbeitsurlaub gem. § 43 Abs. 7 StVollzG in Anspruch genommen haben. Die Ausgleichsleistung stellt ein Surrogat fiir die in den Ausnahmefallen ausgeschlossene nicht-monotare Anerkennung dar. GemaB § 43 Abs. 11 S. 1 StVollzG erhalt der Gefangene zum Zeitpunkt seiner 458b Entlassung fiir die Ausiibung der ihm zugewiesenen Arbeit, sonstigen Beschaftigung oder Hilfstatigkeit zusatzlich zum Arbeitlohn 15 vom Hundert des ihm gewahrten Entgelts oder der ihm nach § 44 StVollzG zukommenden Ausbildungsbeihilfe. Dabei sind das Entgelt bzw. die Beihilfe fiir den Zeitraum zugmnde zu legen, der bei Nichtvorliegen eines Ausschlussgrundes i.S.d. § 43 Abs. 10 StVollzG nach § 43 Abs. 9 StVollzG zu einer Anrechnung gefiihrt hatte. Da die Ausgleichsentschadigung ein Surrogat fiir den nicht zu reahsierenden personHchen Freiheitsanspruch darstellt, bestimmt § 43 Abs. 11 S. 2 StVollzG, dass der Anspruch hierauf weder verzinslich noch abtretbar noch vererblich ist. Bei der Ausgleichsentschadigung handelt es sich nicht um Beztige i.S.d. StVollzG. Es erfolgt weder eine Gutschrift zum Eigengeld noch handelt es sich um Entgelt, das nach § 51 Abs. 1 StVollzG zur Bildung von Uberbriickungsgeld zu beriicksichtigen ist. Die Ausgleichsentschadigung wird bei der Entlassung regelmaBig in bar ausgezahlt. Ab der Auszahlung ist das Geld in vollem Umfang pfandbar. 5.3.3.2 Surrogatsleistungen Die nach dem Leistungssystem des Strafvollzugsgesetzes anstelle des Arbeitsent- 459 gelts gewahrten finanziellen Zuwendungen basieren auf Sonderregelungen fiir die Falle, in denen der Inhaftierte unverschuldet keiner Arbeit nachgeht.
^^^ So im Ergebnis auch AK-Daubler/Spaniol, 2006, §43 Rdn. 18; Arloth/Ltickemann, 2004, § 43 Rdn. 24, 26, 28; Schafer, 2005, S. 94; a.A. Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 43 Rdn. 4. 459 Arloth/Ltickemann, 2004, § 43 Rdn. 30.
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
(1)
Ausbildungsbeihilfe
459a Nimmt der Gefangene an einer BildungsmaOnahme wie Berufsausbildung, berufliche Weiterbildung oder Unterricht teil und wird dadurch die Arbeit substituiert, erhalt er gem. § 44 StVollzG eine Ausbildungsbeihilfe. Diese soil eine Schlechterstellung des (Aus-)Bildungswilligen gegeniiber demjenigen verhindem, dem fur die Erledigung zugewiesener Arbeit ein Arbeitsentgelt zusteht. Zugleich ist beabsichtigt auszuschlieBen, dass eine Beteiligung an beruflicher oder schulischer Forderung aus finanziellen Erwagungen unterbleibt.'^^^ Selbst wenn der Insasse nur stunden- oder tageweise wahrend der Arbeitszeit an einem Unterricht oder einer MaBnahme i.S.d. § 37 Abs. 3 StVollzG teilnimmt, hat er deshalb nach § 44 Abs. 3 StVollzG einen Anspruch auf Ausbildungsbeihilfe in Hohe des ihm dadurch entgangenen Arbeitsentgelts. 459b
Der Gefangene erhalt nur dann eine Ausbildungsbeihilfe, soweit ihm keine Leistungen zum Lebensunterhalt zustehen, die freien Personen aus solchem Anlass gewahrt werden. Der Anspruch gegen die Vollzugsbehorde ist somit nachrangig (§ 44 Abs. 1 S. 1 StVollzG). Er tritt insbesondere hinter Leistungen der Arbeitsforderung nach dem SGB III oder dem BAfoG zuriick."*^^ Allerdings werden die Leistungen nach dem SGB III dem Gefangenen lediglich bis zur Hohe der Ausbildungsbeihilfe nach § 44 StVollzG gewahrt, denn § 22 Abs. 1 SGB III bestimmt, dass Leistungen der aktiven Arbeitsforderung nur erbracht werden diirfen, wenn nicht andere Leistungstrager oder andere offentlich-rechtliche Stellen zur Erbringung gleichartiger Leistungen gesetzlich verpflichtet sind. Die finanzielle Fremdforderung einer BildungsmaBnahme modifiziert nicht den Charakter einer zugewiesenen Aus- oder Weiterbildungsstelle bzw. eines Unterrichtsplatzes auf offentlich-rechtlicher Grundlage. § 44 Abs. 1 S. 2 StVollzG wurde durch Art. 37, 70 Abs. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch v. 27.12.2003"^^^ ohne inhaltliche Anderung an die Neuregelung des Sozialhilferechts angepasst. Der Nachrang der Sozialhilfe nach § 2 Abs. 2 SGB XII bleibt gem. § 44 Abs. 1 S. 2 StVollzG bestehen. Der Anspruch des Gefangenen gegen die Vollzugsbehorde geht mithin vor.
459c
Die Ausbildungsbeihilfe tritt an die Stelle des Arbeitsentgelts nach § 43 StVollzG, so dass die Regelungen dieser Norm unmittelbar bzw. analog anwendbar sind."^^^ Fiir die Bemessung der Ausbildungsbeihilfe als monetare Leistung gelten nach § 44 Abs. 2 StVollzG § 43 Abs. 2 und 3 StVollzG entsprechend. In Verbindung mit der gem. § 48 StVollzG erlassenen StVollzVergO ergibt sich: Die Regelausbildungsbeihilfe entspricht grundsatzlich der voUen Hohe des Grundlohns (Vergiitungsstufe III). Sie kann um jeweils eine Vergiitungsstufe erhoht oder reduziert werden. Eine Erhohung setzt voraus, dass mindestens die Halfte der Gesamtdauer der MaBnahme abgelaufen ist und der Gefangene aufgrund seiner Mitarbeit und nach seinem Leistungsstandard erwarten lasst, dass er das Ausbildungsziel erreicht. Eine Reduzierung der Beihilfe um eine Vergiitungsstufe kommt bei Unterrichtsangeboten gem. § 38 StVollzG und bei Bemfsfindungs^60 ^61 462 463
Kaiser/Schoch, 2002, S. 3 1 1 . Hardes, 1998,S. 147. BGBl. I 2 0 0 3 , S. 3022. Arloth/Luckemann, 2004, § 44 Rdn.
5.3 Arbeit, Ausbildung, Weiterbildung
245
maBnahmen in Betracht, wenn dies wegen der Kiirze oder des Ziels der MaBnahme gerechtfertigt erscheint. Die Gewahrung von Zulagen richtet sich nach den gleichen Grundsatzen, die auch fiir das Arbeitsentgelt maBgebend sind. Absolviert der Inhaftierte ein Studium, so kann die Ausbildungsbeihilfe jedoch nicht nach der Zeit bemessen werden, die der Gefangene hierfiir aufwendet. Denn der zeitliche Aufwand fiir ein Erfolg versprechendes Studium hangt nicht vom Studienfach, sondem vor allem von der individuellen Befahigung des Studenten ab. Zudem vermag nicht iiberpriift zu werden, wie lange sich der Einzelne seinem Studium widmet/^"* § 43 Abs. 6 S. 1 StVollzG gewahrt Freistellungstage u.a. bei zugewiesener Tatigkeit gem. § 37 StVollzG, wozu nach Abs. 1 und 3 auch die MaBnahmen der Aus- und Weiterbildung gehoren. Die Einbeziehung der an einer Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung oder an einem Unterricht (anstelle der Zuweisung zu einer Arbeit bzw. sonstigen Beschaftigung) teilnehmenden Gefangenen in den Bereich der nicht-monetaren Komponente bestatigt zudem § 43 Abs. 11 S. 1 StVollzG. Dort ist hinsichtlich der Berechnung einer Ausgleichsentschadigung die nach § 44 StVollzG gewahrte Ausbildungsbeihilfe ausdrticklich benannt. Die nicht-monetare Anerkennung der Teilnahme an einer Aus- oder WeiterbildungsmaBnahme gem. § 43 Abs. 6 bis 11 StVollzG bleibt auch dann bestehen, wenn die MaBnahme drittfinanziert (z.B. nach dem SGB III) wird. (2) Ausfallentschddigung Fiir die Falle einer unverschuldeten Arbeitslosigkeit bzw. Krankheit sah der Ge- 460 setzgeber mit der Ausfallentschadigung eine vollzugsspezifische soziale Sicherung vor, wobei § 45 StVollzG aber nicht dem arbeitsrechtlich iiblichen Standard entspricht."*^^ § 198 Abs. 3 StVollzG hat jedoch aus Kostengriinden die Geltung von § 45 StVollzG bis zur Inkraftsetzung durch ein besonderes Bundesgesetz suspendiert, so dass bei objektiv oder subjektiv nicht zu vertretender Nichtarbeit kein Anspruch auf Lohnfortzahlung besteht - ein VerstoB gegen den Angleichungsgrundsatz des § 3 Abs. 1 StVollzG.^^^ (3) Taschengeld Besteht kein Anspruch auf Arbeitslosengeld gem. § 117 SGB III, verbleibt es in 461 den Fallen eines vom Gefangenen nicht zu verantwortenden Fehlens von Arbeitsentlohnung und Ausbildungsbeihilfe bei einem Anspruch auf Gewahrung von Taschengeld unter den Voraussetzungen des § 46 StVollzG. Dieses dient der Sicherung eines Minimums an Mitteln zur Befriedigung personlicher Bediirfnisse.'^^'^ 464 KG, NStZ 2004,8.610. 465 Dazu AK-Daubler/Spaniol, 2006, § 4 5 Rdn. 6; Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 4 5 Rdn. 1, 2; Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, § 45 Rdn. 2. 466 Krit. auch Kintmp, 2001, S. 127 ff 467 BT-Drs. 7/918,8. 69.
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
Es darf keine verschuldete Arbeitslosigkeit vorliegen. Als Griinde fiir unverschuldete Arbeitslosigkeit kommen wirtschaftliche Rezession mit Auftragsmangel ebenso in Betracht wie fehlende Arbeits- und Ausbildungsplatze sowie Arbeitsunfahigkeit des Gefangenen infolge Krankheit, Alter oder Gebrechlichkeit. Verschuldete Arbeitslosigkeit bzw. Arbeitsverlust sind dagegen etwa gegeben, wenn der Inhaftierte eine rechtmaBig zugewiesene Arbeit verweigert oder die Nichtarbeit auf einem dem Gefangenen vorzuwerfenden Sicherheitsrisiko beruht (z.B. versuchte Gefangenenbefreiung"^^^). Da die Nichtgewahnmg von Taschengeld zu besonders einschneidenden Einschrankungen des Inhaftierten in der Anstalt fiihrt (verfiigt er liber keine anderen Mittel, ist er auf die Versorgung durch die Institution angewiesen und hat keinerlei Moglichkeit zum Erwerb von Gegenstanden), muss der Sachverhalt einer schuldhaften Arbeitsverweigerung durch hinreichende Tatsachenfeststellung geklart sein/^^ Dann kann es zu einem voriibergehenden Taschengeldentzug kommen, wobei das schuldhafte Verhalten des Insassen fiir den Ausfall von Arbeitsentgelt auch ursachlich gewesen sein muss. Beispiel: Bin wegen eines VerstoBes gegen das BtMG Verurteilter gerat in den Verdacht, Rauschgift in die Anstalt einzuschmuggeln. Die Anstaltsleitung ordnet deshalb seinen Ausschluss von der gemeinsamen Unterbringung wahrend der Arbeitszeit nach § 17 Abs. 3 StVollzG an. Doch schon vor dieser Anordnung war der Gefangene unverschuldet arbeitslos und bezog Taschengeld. Er bestreitet, Betaubungsmittel in die Anstalt einbringen zu wollen, ein diesbeziiglich eingeleitetes Ermittlungsverfahren wird gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Dennoch beendet die Vollzugsbehorde die Zahlung eines Taschengeldes und lehnt den Antrag des Inhaftierten auf dessen Bewilligung und Nachzahlung ab. Sie tragt vor, dass der Insasse wegen eines begriindeten Verdachts nicht ohne sein Verschulden ohne Arbeit sei. Auch die bereits vor der Anordnung einer getrennten Unterbringung bestandene unverschuldete Arbeitslosigkeit spiele insoweit keine Rolle, weil er bei Vorhandensein von Gemeinschaftsarbeit diese nunmehr schuldhaft verloren habe. Das OLG Zweibrticken'*'^^ hat dem Gefangenen einen Anspruch auf nachtragliche Auszahlung des ihm vorenthaltenen Taschengeldes zugesprochen. Denn ein Verlust des Taschengeldes setzt voraus, dass das Verschulden des Inhaftierten an der MaBnahme, die seine Arbeitslosigkeit begriindet, feststeht. Die gesetzliche Formulierung „ohne sein Verschulden" i.S.d. § 46 StVollzG bedeutet keine Umkehr der Beweislast. Vielmehr muss dieses positiv festgestellt werden. Da der zu einer Anordnung nach § 17 Abs. 3 StVollzG fuhrende Verdacht der Gefahrdung der Anstaltsordnung aber nicht auf einem nachweisbaren Verschulden beruhte und die Anstalt ihm auch keine Arbeit nach Einschrankung der gemeinschaftlichen Unterbringung anbieten konnte, erhielt er ohne sein Verschulden kein Arbeitsentgelt. Das Gericht halt femer zutreffend eine hypothetische Kausalitat fiir nicht ausreichend. Selbst bei einem begriindeten Verdacht wurde der Ausfall von Arbeitsentgelt nur dann auf der MaBnahme nach § 17 Abs. 3 StVollzG beruhen, wenn dem Gefangen e n - ware er in Gemeinschaft mit anderen- eine angemessene Arbeit zugewiesen
468 OLG Koblenz, ZfStrVo 1990, S. 117. 469 BVerfG, ZfStrVo 1996, S. 314. 47° OLG Zweibriicken, NStZ 1994, S. 102 f
5.3 Arbeit, Ausbildung, Weiterbildung
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werden konnte. Erst in diesem Fall bliebe er verschuldet ohne Arbeit und es ware die Voraussetzung daftir gegeben, ihm das Taschengeld vorzuenthalten. Als weiteres Erfordemis fiir die Gewahrung von Taschengeld verlangt § 46 462 StVollzG eine Bediirftigkeit des Gefangenen. Diese liegt nach VV Abs. 3 zu § 46 StVollzG vor, wenn ihm im laufenden Monat aus Hausgeld und Eigengeld kein Betrag bis zur Hohe des Taschengeldes zur Verftigung steht. Der Insasse muss damit zunachst bereits vorhandene Geldmittel aufzehren. Beispiel: Strafgefangener G wird unverschuldet arbeitslos und beantragt deshalb die Bewilligung von Taschengeld. Dies wird ihm von der Anstaltsleitung versagt, weil G Inhaber eines Girokontos bei der Sparkasse ist und er damit iiber Geld verfugen kann. Das OLG Koblenz"^^* geht zutreffend davon aus, dass ein Inhaftierter i.S.d. § 46 StVollzG nur dann bediirftig ist, wenn er auch bei Berticksichtigung anstaltsextemen Geldes - ohne eine Taschengeldgewahrung - nicht iiber einen Betrag in Hohe des Taschengeldes verfugen kann. G muss deshalb zur Prufung der Bediirftigkeit im Rahmen des § 46 StVollzG den Kontostand offen legen. Den Gefangenen trifft eine Darlegungslast fiir seine Bediirftigkeit mit der Pol- 463 ge, dass sich eine mangelnde Mitwirkung bei der Ermittlung der Vermogensverhaltnisse zu seinen Las ten auswirkt."*"^^ Die Prufung der Bediirftigkeit i.S.d. § 46 StVollzG richtet sich nach den finanziellen Umstanden in demjenigen Zeitraum, fiir den die Bediirftigkeit festzustellen ist. Danach zugeflossene Mittel bleiben prinzipiell unberiicksichtigt.'^'^^ Steht ein Strafgefangener in einem auf regelmaBige Ausiibung angelegten Beschaftigungsverhaltnis, ist das Arbeitsentgelt dem Zeitraum zuzurechnen, in dem er es verdient hat (z.B. das Entgelt fiir Januar dem Monat Januar). Dies gilt aber selbst dann, weim es ihm nicht wahrend dieses Zeitraums, sondem erst kurz danach ausgezahlt wird (z.B. der Arbeitslohn fiir Januar zu Anfang des Monats Februar). Insoweit bleibt ein Taschengeldanspruch ausgeschlossen.'*^'* Hat ein Inhaftierter einen Teil des vormonatlichen Taschengeldes angespart, darf dies jedoch bei einer Neubewilligung von Taschengeld nicht mindemd beriicksichtigt werden. Denn gem. § 47 Abs. 1 StVollzG darf er Taschengeld fiir den Einkauf „oder anderweitig" verwenden - also statt einzukaufen auch sparen. Zudem korrespondiert das Sparen auch mit dem gesetzlichen Vollzugsziel sowie dem Eingliederungsprinzip des § 3 Abs. 3 StVoUzG."^"^^ Die Hohe des Taschengeldes soil nach § 46 StVollzG angemessen sein. Es be- 464 tragt 14 % der Eckvergiitung des § 43 Abs. 2 StVollzG (VV Abs. 2 S. 1 zu § 46 StVollzG).
^^J ^72 4^3 47^ ^^5
OLG Koblenz, ZfStrVo 1996, S. 118; siehe auch BVerfG, ZfStrVo 1996, S. 315 f BVerfG, ZfStrVo 1996, S. 315; Arloth/Luckemann, 2004, § 46 Rdn. 4. OLD Dresden, NStZ 1998, S. 339; OLG Hamburg, ZfStrVo 2000, S. 313. KG, NStZ-RR 1999, S. 286. BGH, NStZ 1997, S. 205; Rotthaus K., 1997, S. 206 f
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
Das Taschengeld ist unpfandbar.'^'^^ Eine Aufrechnung von Verfahrenskosten durch die Gerichtskasse gegen den Taschengeldanspruch eines Inhaftierten bleibt rechtswidrig, denn § 121 Abs. 5 StVollzG gilt nur fiir das Hausgeld.'*'^'^ Im Haushaltsjahr 2004 betrugen in Bayem die Aufwendungen fiir Arbeitsentgelt, Ausbildungsbeihilfen und Taschengeld der Inhaftierten insgesamt 14 Millionen EUR. Dem standen Einnahmen der Arbeitsverwaltung der bayerischen Justizvollzugsanstalten in Hohe von 44,1 Millionen EUR gegentiber.'^'^^ 5.3.4 Verwendung derfinanziellen Leistungen 465 Dem urspriinglich vorgesehenen finanziellen Leistungssystem des StrafVoUzugsgesetzes sollte ein System der Verwendung von Beziigen entsprechen, das zu einer zweckgebundenen Aufteilung der Einkiinfte fiihrt. Der Inhaftierte darf iiber diese nicht uneingeschrankt verftigen, vielmehr unterliegen sie im Hinblick auf die Vollzugszielerreichung bestimmten Bindungen. Hinzu kommt die Notwendigkeit des Schutzes vor einem unbegrenzten Glaubigerzugriff. Der Gesetzgeber hat deshalb die Verwendung der Einkiinfte eines Gefangenen, die auf Konten gutgeschrieben sind, aufgeteilt in: - Hausgeld (§ 47 StVollzG), - Unterhaltsbeitrag (§ 49 StVollzG), - Haftkostenbeitrag (§ 50 StVollzG), - Uberbriickungsgeld (§ 51 StVollzG), - Eigengeld (§ 52 StVollzG). Da es aber an der Verwirklichung einer adaquaten Arbeitsentlohnung als Grundlage dieses Verwendungssystems mangelt, bleibt die Regelung iiber den Unterhaltsbeitrag ganzlich suspendiert. Hinsichtlich des Hausgeldes gilt nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 StVollzG eine besondere Ubergangsfassung. 5.3.4.1 Hausgeld 466 § 47 Abs. 1 StVollzG gibt als Hausgeld den Inhaftierten, die fiir zugewiesene Pflichtarbeit ein Arbeitsentgelt (§43 StVollzG) oder eine Ausbildungsbeihilfe (§ 44 StVollzG) erhalten, monatlich drei Siebtel der Beziige fiir deren personlichen Bedarf frei. Fiir Taschengeldempfanger gilt dies im vollen Umfang der erhaltenen Leistung. Fiir Gefangene, die in einem freien Beschaftigungsverhaltnis stehen (§ 39 Abs. 1 StVollzG) bzw. eine Selbstbeschaftigung ausiiben (§ 39 Abs. 2 StVollzG) und die deshalb regelmaBig iiber mehr Einkommen verfugen, setzt die Behorde - zur Vermeidung von gravierenden Ungleichheiten und von Abhangigkeitsverhaltnissen auf der subkulturellen Ebene - nach § 47 Abs. 2
4^6 Konrad W., 1990, S. 205; Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, § 46 Rdn. 9. ^^^ BVerfG, NStZ 1996, S. 615; Rotthaus K., 1997, S. 206. "^"^^ Bayer. Staatsministerium der Justiz, 2005, S. 15 f
5.3 Arbeit, Ausbildung, Weiterbildung
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StVollzG ein angemessenes Hausgeld fest. Dieses soil sich an der Hohe des den Insassen durchsclinittlicli zur Verfiigung stehenden Hausgeldes orientieren/'^^ Die Inhaftierten dtirfen das Hausgeld fiir den Einkauf i.S.d. § 22 Abs. 1 467 StVollzG'*^^ Oder anderweitig (z.B. Erwerb von Gegenstanden auBerhalb des Einkaufs; freiwillige Schadensersatz-, Wiedergutmachungs- oder Unterhaltsleistungen) verwenden. Die Formulierung „oder anderweitig" soil deutlich machen, dass der Gefangene iiber das Hausgeld frei verfiigen kann, soweit nicht Behandlungsgebote in seinem Vollzugsplan (§ 7 StVollzG), Beschrankungen durch DisziplinarmaBnahmen (§ 103 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 104 Abs. 3 StVollzG), die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in der Anstalt (§ 4 Abs. 2 S. 2 StVollzG), die Inanspruchnahme eines Teils des Hausgeldes fur Ersatz von Aufwendungen nach § 93 StVollzG oder allgemeine gesetzliche Schranken (z.B. §§134, 138 BGB) - vor allem strafrechtlicher Art - dem entgegenstehen. Das Hausgeld ist dem freien Zugriff der Anstalt (z.B. zur Erstattung von Kos- 468 ten fur eine Ausfiihrung nach § 35 Abs. 3 S. 2 StVollzG) entzogen."^^^ Es bleibt unpfandbar. Dabei unterscheiden sich jedoch die Begriindungen, zumal das StVollzG selbst keine ausdriickliche Regelung hierzu getroffen hat: Ganz iiberwiegend wird die Unpfandbarkeit im Rahmen der §§ 850 ff. ZPO - die zur Anwendung gelangen, weil das Hausgeld aus dem Arbeitsentgelt gebildet wird - teils auf die Pfandungsgrenzen des § 850c ZPO wie beim Anspruch auf Gutschrift des Arbeitsentgelts (wobei die Grenzen bei der gegenwartigen Hohe des Hausgeldes praktisch nicht erreicht werden), teils auf § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO gestiitzt, da Hausgeld (und Taschengeld) zum notwendigen Unterhalt gehore.'^^^ Nach Auffassung des OLG Celle"^^^ soil das Hausgeld, wenn es aus der Ausbildungsbeihilfe gem. § 44 gebildet wurde, nach § 850a Nr. 6 ZPO unpfandbar sein. Die ganzliche Unpfandbarkeit des Hausgeldes gem. § 851 ZPO i.V.m. § 399 BGB ergibt sichbereits in vollzugsrechtlicher Sicht aufgrund der spezifischen Zweckbindung des Hausgeldes zugunsten der Betroffenen.'^^'^ Anspriiche auf Auszahlung von Hausgeld sind grundsatzlich weder abtretbar, noch unterliegen sie der Aufrechnung."^^^ AUerdings kaim 468a - die Vollzugsbehorde fur die Dauer der Vorbereitung und Durchfiihrung des monatlichen Einkaufs eine zeitweilige Verfiigungsbeschrankung anordnen.
Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, § 47 Rdn. 3. DazuKap. 5.8.3. O L G Frankfurt, NStZ 1991, S. 152; OLG Frankfurt, NStZ 1997, S. 426. Siehe BGHSt. 36, S. 80; OLG Karlsruhe, NStZ 1985, S. 430; OLG Stuttgart, NStZ 1986, S. 47; OLG Munchen, NStZ 1987, S. 45; OLG Celle, NStZ 1988, S. 334; OLG Celle, ZfStrVo 1992, S. 2 6 1 ; OLG Hamm, M D R 2001, S. 1260; AK-Daubler/Spaniol, 2006, § 47 Rdn. 6; Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 47 Rdn. 1; Konrad W., 1990, S. 206. 483 OLG Celle, NStZ 1981, S. 78; OLG Celle, NStZ 1988, S. 334. 484 O L G Hamm, ZfStrVo 2003, S. 184; L G Miinster, Rpfleger 2000, S. 509; Arloth/Liickemann, § 47 Rdn. 11; Fluhr, 1989, S. 105; ders., 1994, S. 115. 485 BGHSt. 36, S. 82. 4'79 ^^0 481 482
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
wenn dies aus verwaltungstechnischen Gninden, insbesondere zur Vermeidung von Doppelausgaben, erforderlich erscheinf^^^; - gem. § 121 Abs. 5 StVollzG ein den dreifachen Tagessatz der Eckvergiitung nach § 43 Abs. 2 StVollzG iibersteigender Teil des Hausgeldes ftir die Kosten eines gerichtlichen Verfahrens nach §§109 ff. StVollzG in Anspruch genommen werden; - bei einer vom Gefangenen verursachten vorsatzlichen oder grob fahrlassigen Selbstverletzung oder Verletzung eines anderen Gefangenen die Vollzugsbehorde als Ausnahme vom Pfandungs- und Aufrechnungsverbot ihren Aufwendungsersatz nach § 93 StVollzG durchsetzen, soweit dadurch nicht die Behandlung des Inhaftierten und seine Eingliederung behindert werden (dies gilt allerdings nicht fiir sonstige staatliche Ersatzanspriiche wie z.B. ftir Sachbeschadigungen, Herausgabe ungerechtfertigter Bereicherungen"*^^). 5.3.4.2 Unterhaltsbeitrag 469 Das Fehlen einer leistungsgerechten Entlohnung im StrafvoUzug wirkt sich auch zum Nachteil unterhaltsberechtigter Angehoriger aus. Denn mangels zureichender finanzieller Mittel der Inhaftierten hat der Gesetzgeber das In-Kraft-Treten der Vorschrift tiber einen Unterhaltsbeitrag ausgesetzt, wonach auf Antrag des Gefangenen aus seinen Beziigen ein solcher in Erfiillung seiner gesetzlichen Unterhaltspflichten zu zahlen ist. Allerdings schlieBt die Suspendierung des § 49 StVollzG nicht aus, dass ein tiber entsprechende Mittel verfugender Insasse (z.B. bei einem freien Beschaftigungsverhaltnis oder aufgrund von Selbstbeschaftigung) auch wahrend der StrafverbtiBung seiner Unterhaltspflicht nachkommt."^^^ Denn eine Inhaftierung fiihrt nicht per se zu deren Erloschen. 5.3.4.3 Haftkostenbeitrag 470 Reformiert wurden die Bestimmungen des § 50 StVollzG iiber die Erhebung von Haftkostenbeitragen durch Art. 11 des Gesetzes liber elektronische Register und Justizkosten fiir Telekommunikation (ERJuKoG) vom 10.12.2001."^^^ Unter einem Haftkostenbeitrag versteht man die finanzielle Inanspruchnahme des Inhaftierten zur Abdeckung der staatlichen Aufwendungen fur seinen Lebensunterhalt.'^^^ Der Gefangene soil somit iiber § 50 StVollzG nicht an den Vollzugskosten insgesamt (also auch fiir Gebaude, Personal usw.) beteiligt werden. Vielmehr bleibt ein Haftkostenbeitrag auf einen den Kosten fiir den Lebensunterhalt (Verpflegung und Unterbringung) entsprechenden Betrag so wie auf diejenigen Mittel beschrankt, welche wahrend der Haftzeit erworben werden.
^^^ ^8^ ^^^ 489 490
OLG Koblenz, NStZ 1991, S. 151. BGHSt. 36, S. 82. Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, § 49. BGBl. I 2001,8. 3422 ff BT-Drs. 7/918, S. 70; siehe auch Keck, 1989, S. 310.
5.3 Arbeit, Ausbildung, Weiterbildung
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§ 50 Abs. 1 S. 1 StVollzG normiert die grundsatzliche Verpflichtung des Straf- 471 gefangenen, als Teil der Kosten der VoUstreckung der Rechtsfolgen seiner Tat einen Haftkostenbeitrag zu zahlen. § 50 Abs. 1 S. 1 StVollzG bezieht sich auf § 464a Abs. 1 S. 2 StPO, wonach die Kosten der VoUstreckung einer Rechtsfolge der Tat zu den Verfahrenskosten gehoren, die ein strafgerichtlich Verurteilter gem. § 465 Abs. 1 S. 1 StPO zu tragen hat. Eine Erhebung von Haftkostenbeitragen entfallt jedoch gem. § 50 Abs. 1 S. 2 StVollzG, wenn der Inhaftierte - Beziige nach dem StrafvoUzugsgesetz erhalt (Nr. 1) oder - ohne sein Verschulden nicht arbeiten kann (Nr. 2) oder - nicht arbeitet, weil er nicht zur Arbeit verpflichtet ist (Nr. 3). In den Fallen des § 50 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und 3 StVollzG darf der Betroffene dennoch unter den Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 S. 3 und 4 StVollzG zur Entrichtung von Haftkostenbeitragen herangezogen werden, wenn er andere Einkiinfte hat. Nach der (Re-)Sozialisierungsklausel des § 50 Abs. 1 S. 5 StVollzG ist von der Geltendmachung des Anspruchs jedoch insoweit abzusehen, als dies die Wiedereingliederung gefahrden konnte. Dies soil die Beachtung des Eingliederungsprinzips des § 3 Abs. 3 StVollzG auch bei der Verpflichtung zur finanziellen Beteiligung an den Haftkosten unterstreichen."^^^ Beziige nach diesem Gesetz i.S.d. § 50 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StVollzG erhalten nicht Insassen, die gem. § 39 Abs. 1 StVollzG in einem freien Beschaftigungsverhaltnis stehen und deshalb regelmaBig iiber mehr finanzielle Mittel verfiigen als solche Inhaftierte, die einer zugewiesenen Pflichtarbeit nachkommen. Auch bei der Selbstbeschaftigung (§ 39 Abs. 2 StVollzG) wird der Betroffene zu den Haftkosten herangezogen, wobei nach § 50 Abs. 4 StVollzG - angesichts unregelmaBiger Einkiinfte - die Gestattung einer Selbstbeschaftigung sogar von einer monatlichen Vorausentrichtung abhangig gemacht werden kann. Der Haftkostenbeitrag darf auch vom unpfandbaren Teil der Beziige einbehalten werden (§ 50 Abs. 2 S. 5 StVollzG), jedoch nicht zu Lasten des Hausgeldes (§ 47 StVollzG) oder von Anspriichen unterhaltsberechtigter Angehoriger. Diese Regelung stellt einen Eingriff in die allgemeinen Pfandungsschutzvorschriften der §§ 850 ff ZPO dar. Ein solcher ist vor dem Hintergrund der Tatsache zu sehen, dass der Haftkostenbeitrag den existenzsichemden Lebensunterhalt des Gefangenen (Unterkunft und Verpflegung) in der Anstalt gewahrleisten soil und dass er fiir seinen sonstigen personlichen Unterhalt - anders als der Bediirftige auBerhalb der Anstalt - nur das Hausgeld benotigt, weil er im tJbrigen nach Ansicht des Gesetzgebers umfassend versorgt wird."^^^ Aufgrund seiner besonderen Zweckbestimmung bleibt aber ein Riickgriff auf das Uberbriickungsgeld zur Leistung eines Haftkostenbeitrags ausgeschlossen."^^^ Der Haftkostenbeitrag wird gem. § 50 Abs. 2 S. 1 StVollzG in Hohe des Betrages erho- 472 ben, der nach § 17 Abs. 1 Nr. 3 SOB IV als eine rechnerische GroBe in der Sozialversiche^^' Vgl. BT-Drs. 14/6855, S. 32. ^92 BT-Drs. 7/3998, S. 23. 493 Arloth/Luckemann, 2004, § 50 Rdn. 10.
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
rung durchschnittlich zur Bewertung von Sachbeziigen festgesetzt ist. Damit orientieren sich die von einem Gefangenen zu entrichtenden Haftkosten an MaBstaben des Sozialversicherungsrechts. Das unterschiedliche Lohnniveau in den alten bzw. neuen Bundeslandem beriicksichtigend legt das Bundesministerium der Justiz jahrlich gem. § 50 Abs. 2 S. 2 StVollzG die entsprechenden Satze fest. So hatten im Jahr 2006 erwachsene Inhaftierte monatlich fiir die Einzelunterbringung in den alten Bundeslandem 165,07 EUR zu entrichten, in den neuen Landem 151,30 EUR. Hinzu kamen fiir die Verpflegung: Friihstiick 43,80 EUR, Mittagessen 78,25 EUR und Abendessen 78,25 EUR. ^^^ Demgegentiber belief en sich z.B. in Bayem 2004 die durchschnittlichen Vollzugskosten insgesamt fiir einen Gefangenen pro Tag auf 62,17 EUR, mit Anrechnung des Baukostensatzesauf 68,51 EUR.^^^ 5.3.4.4 Uberbruckungsgeld 473 Urn einem Gefangenen fiir die erste Zeit nach seiner Entlassung den Schritt in die Freiheit zu erleichtern, soil er fiir diese Ubergangsphase auch iiber die notwendigen finanziellen Mittel verfiigen. § 51 StVollzG verpflichtet deshalb die Vollzugsbehorde zur Bildung von Uberbriickungsgeld zur Sicherung des erforderlichen Lebensunterhalts des Betroffenen sowie seiner Unterhaltsberechtigten fiir die ersten vier Wochen nach seiner Entlassung. (Ist dies nicht moglich, wird eine Entlassungsbeihilfe nach § 75 StVollzG gev^ahrt.) § 51 StVollzG beschrankt die Verfiigungsbefugnis des Inhaftierten iiber seine Beziige."^^^ Betrage, die nicht unter das Hausgeld (Hausgeld: drei Siebtel der Beziige) fallen, werden dem tJberbriickungsgeldkonto zugev^iesen, bis ein zur Sicherung des Lebensunterhalts i.S.d. § 51 Abs. 1 StVollzG ausreichender Betrag (das Uberbriickungsgeld-Soll) angespart ist. Dieser muss nach der Intention des Gesetzgebers individuell bestimmt w^erden.'^^'^ Dagegen setzt in der Praxis nach VV Nr. 1 Abs. 2 zu § 51 StVollzG die Landesjustizverw^altung die Hohe des Uberbriickungsgeld-Soils allgemein fest. Die Sparrate fiir die Bildung des Uberbriickungsgeldes ist bei Inanspruchnahme von Arbeitsentgelt oder Ausbildungsbeihilfe in der Kegel auf vier Siebtel der Beziige begrenzt. Bei Gefangenen, die in einem freien Beschaftigungsverhaltnis stehen (§ 39 Abs. 1 StVollzG) oder denen eine Selbstbeschaftigung gestattet ist (§ 39 Abs. 2 StVollzG), w^ird der dem Uberbriickungsgeld zuzufiihrende Anteil an den Beziigen vom Anstaltsleiter frei bestimmt. Aus § 83 Abs. 2 S. 3 StVollzG ergibt sich, dass auch Eigengeld zur Sicherung (noch) nicht angesparten Uberbriickungsgeldes dient. Als Uberbriickungsgeld ist es aber nur notwendig, soweit bei planmaBiger Aufstockung des Uberbriickungsgeldes das Erreichen des Soils bei Vollzugsende nicht gev^ahrleistet ist."^^^
^^^ Vgl. BAnz. Nr. 198/2005, S. 15277. "^^^ Bayer. Staatsministerium der Justiz, 2005, S. 36. 49^ BT-Drs. 7/918, S. 70 f ^97 BT-Drs. 7/918, S. 71. ^9« OLG Frankfurt, NStZ-RR 2006, S. 156.
5.3 Arbeit, Ausbildung, Weiterbildung
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Im Hinblick auf den Umstand, dass Uberbrtickungsgeld in der Kegel erst zur Entlassung des Gefangenen zur Verfiigung stehen soil (Ausnahme: § 51 Abs. 3 StVollzG), hat sich in der Rechtsprechung die Tendenz herausgebildet, dass das Uberbrtickungsgeld im Wege von Sparraten, die kleiner sind als der zur Verfiigung stehende Teil der Beziige nach Abzug des Hausgeldes, anzusparen ist, wenn die voraussichtliche Zeit der StrafverbtiBung ausreicht, um den festgesetzten Uberbriickungsgeldbetrag mit diesen Sparraten zu erreichen."^^^ Allerdings folgt dann aus dem Zweck des Uberbriickungsgeldes nicht, dass die zu erbringenden Raten so niedrig bemessen sein miissen, dass das Uberbrtickungsgeld zum voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt gerade rechnerisch erreicht wird. Vielmehr ist bei der Festsetzung der Ansparraten alien denkbaren Eventualitaten Rechnung zu tragen, die ein weiteres Ansparen verhindem oder eine Inanspruchnahme des Uberbrtickungsgeldes mit sich bringen konnten.^^^ Diese insbesondere flir Gefangene mit langeren Freiheitsstrafen und solchen im freien Beschaftigungsverhaltnis gem. § 39 Abs. 1 StVollzG Befindlichen entwickelte Rechtsprechung wird vor allem damit begrtindet, dass bei einem Zwang zu einer vor der Strafentlassung erfolgten, vorzeitigen Ansparung des Oberbrtickungsgeldes sowohl der Inhaftierte (der tiber das sonst jeweils tibrig bleibende Geld als Eigengeld verfiigen konnte) als auch Glaubiger (denen sonst der Zugriff auf das nicht als Uberbrtickungsgeld notwendige Eigengeld offen sttinde) unverhaltnismaBig eingeschrankt wtirden.^^^ Das Uberbrtickungsgeld ist wegen seiner Bedeutung fiir die Bewaltigung des 474 ijbergangs vom Vollzug in die Freiheit gegentiber Glaubigeransprtichen besonders geschtitzt (§51 Abs. 4 und 5 StVollzG). Zum einen bleibt der Anspruch auf Auszahlung unpfandbar. Hat das Guthaben auf dem Uberbrtickungsgeldkonto noch nicht die als angemessen festgesetzte Hohe erreicht, besteht auch eine Unpfandbarkeit des Anspruchs auf Auszahlung von Eigengeld im Umfang des Unterschiedsbetrags. Eine Einschrankung des in § 51 Abs. 4 StVollzG festgesetzten Pfandungsschutzes enthalt § 51 Abs. 5 StVollzG zugunsten von Unterhaltsansprtichen der in § 850d Abs. 1 S. 1 ZPO begrtindeten Art. Nach der Entlassung unterliegt ftir die Dauer von vier Wochen das dem Betroffenen ausgezahlte Bargeld in gleichem Umfang wie das Uberbrtickungsgeld-Guthaben nicht dem Glaubigerzugriff. Das Uberbrtickungsgeld wird bei der Entlassung grundsatzlich bar ausgezahlt. Allerdings ermoglicht § 51 Abs. 2 S. 2 StVollzG auch eine Uberweisung an einen Bewahrungshelfer bzw. an eine mit der Entlassenenbetreuung befasste Stelle. Mit Zustimmung des Gefangenen kann es femer unmittelbar einem Unterhaltsberechtigten zugeleitet werden. 5.3.4.5 Eigengeld Alle einem Inhaftierten sonst zustehenden Geldbetrage zahlen zum Eigengeld. 475 Dieses setzt sich zusammen: - aus den Beztigen, die nicht als Hausgeld, Haftkostenbeitrag, Unterhaltsbeitrag oder tJberbrtickungsgeld in Anspruch genommen werden (§52 StVollzG);
499 OLG Celle, ZfStrVo 1983, S. 307; OLG Koblenz, ZfStrVo 1986, S. 185. 5^0 OLG Koblenz, ZfStrVo 1993, S. 309; OLG Hamburg, ZfStrVo 2003, S. 118. ^^^ OLG Celle, ZfStrVo 1983, S. 307.
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
- aus den bei Strafantritt in die Anstalt eingebrachten oder wahrend der StrafverbiiBung von Dritten zugewendeten Geldbetragen (§ 83 Abs. 2 S. 2 StVoUzG). Diese Betrage werden dem Eigengeldkonto gutgeschrieben. Zu unterscheiden ist hierbei zwischen - dem freien Eigengeld (§ 83 Abs. 2 S. 3 StVollzG) und - dem gesperrten Eigengeld ( § 8 3 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 5 1 Abs. 4 S. 2 StVollzG).502 476
Hat ein Inhaftierter sein Uberbriickungsgeld bereits voll angespart, flieBen seine Beziige, die nicht das Hausgeld bzw. einen Haftkostenbeitrag betreffen, dem Eigengeld zu. Uber dieses kann er auBerhalb des Vollzugs frei verfiigen (z.B. erlaubte Waren bestellen). Das Eigengeld darf der Strafgefangene jedoch nicht im Besitz haben und grundsatzlich auch nicht ftir den Einkauf in der Anstalt verwenden. Hinsichtlich des Einkaufs ist dies nur unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 3 StVollzG moglich, wenn der Betroffene ohne eigenes Verschulden tiber kein Haus- oder Taschengeld verfiigt. Das freie Eigengeld ist pfandbar.^^^ 477 Wurde das Uberbrlickungsgeld-Soll noch nicht in voUer Hohe angespart, bleibt das Eigengeld in Hohe des noch zur Aufstockung des Uberbriickungsgeldes fehlenden Betrages gesperrt. Es besteht ein Verfugungsverbot des Insassen iiber dieses sog. qualifizierte Eigengeld, solange es zur Bildung des tJberbruckungsgeldes ( § 5 1 StVollzG) benotigt wird. In diesem Rahmen bleibt der Anspruch des Inhaftierten auf Auszahlung des Eigengeldes unpfandbar.^^"^ Beispiel: Strafgefangener G geht einer wirtschaftlich ergiebigen Arbeit in einem Eigenbetrieb der Anstalt nach. Am Ende des Monats betragt sein Arbeitsentgelt - nach Vornahme von Abziigen- fiir diesen Zeitraum 198,00 EUR. Hiervon werden nach §47 Abs. 1 StVollzG drei Siebtel (= 84,86 EUR) seinem Hausgeldkonto gutgeschrieben und stehen ihm flir Einkaufe des personlichen Bedarfs frei. Hat G auf seinem Uberbriickungsgeldkonto noch nicht die festgesetzte Hohe des tJberbruckungsgeldes erreicht, werden die restlichen 113,14 EUR diesem Konto zugewiesen (§ 51 StVollzG). Erhalt G an seinem Geburtstag von seinen Eltem eine Zuwendung in Hohe von 200,00 EUR und fehlt auf dem Uberbrtickungsgeldkonto noch ein Restbetrag von 120,00 EUR, so bleibt das Geschenk in dieser Hohe gesperrtes Eigengeld i.S.d. § 83 Abs. 2 S. 3 StVollzG. Die verbleibenden 80,00 EUR zahlen zum freien Eigengeld, iiber das G verfrigen darf 478
Auch derjenige Teil des Eigengeldes, der aus Resten des Arbeitsentgelts (oder dessen Surrogaten) stammt, soil dem Pfandungsschutz der §§ 850 ff. ZPO unterfallen.^^^ Dem steht allerdings entgegen, dass der Anspruch des Gefangenen auf
502 Siehe dazu Koch, 1994, S. 267 ff 503 Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, § 52 Rdn. 4. 504 Calliess/MuUer-Dietz, 2005, §51 Rdn. 3; Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, § 52 Rdn. 4. 505 OLG Frankfurt, NStZ 1993, S. 559; OLG Frankfurt, StrVert 1994, S. 395; Konrad W., 1990, S.206; OLG Hamburg, ZfStrVo 1995, S. 370; LG Potsdam, NStZ-RR 1997, S. 221; a.A. OLG Hamm, NStZ 1988, S. 480; OLG Schleswig, NStZ 1994, S. 511; LG
5.3 Arbeit, Ausbildung, Weiterbildung
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Zahlung des Arbeitsentgelts mit der Gutschrift auf dem Eigengeldkonto schon erloschen ist. Zwar stammt der Anspruch auf Auszahlung des Gutgeschriebenen aus dem Arbeitsentgelt, er stellt jedoch keinen Anspruch auf das Arbeitseinkommen dar. Es bleibt deshalb auch eine entsprechende Anwendung des § 850k ZPO auf den dem Eigengeldkonto zugeftihrten Arbeitslohn ausgeschlossen.^^^ Auch die Pfandungsfreigrenzen des § 850c ZPO finden nach Sinn und Zweck dieser Pfandungsschutzvorschrift weder unmittelbar noch mittelbar Anwendung.^^'^ 5.3.5 Sozialversicherung der Gefangenen Eine Einbeziehung der Inhaftierten in die Krankenversicherung und in die Ren- 479 tenversicherung hat der Gesetzgeber zunachst in §§ 190 bis 193 StVoUzG vorgesehen und dort durch die Besonderheiten des Strafvollzugs bedingte Modifizierungen angefiihrt. Denn der Verurteilte erhalt im Gegensatz zu den iibrigen Versicherten bestimmte Leistungen (z.B. Gesundheitsfiirsorge nach §§ 56 ff StVollzG) bereits von der Institution. Das In-Kraft-Treten von § 190 Nr. 1-10 und Nr. 13-18 sowie §§ 191-193 StVollzG wurde aber bis zum Erlass eines entsprechenden Bundesgesetzes suspendiert (§ 198 Abs. 3 StVollzG). Eine Erfiillung dieser Selbstverpflichtung des Gesetzgebers bleibt jedoch wegen der hohen finanziellen Belastungen bei einer Einbeziehung von Inhaftierten in die Kxanken- und Rentenversicherung aus.^^^ Diese legislatorische Zunickhaltung fuhrt nicht nur zu Beeintrachtigungen der aus eigenen Rechten unversicherten Familienangehorigen bei der Krankenversicherung, wo diese keinen Anspruch auf Familienversicherung haben.^^^ Gerade bei der Rentenversicherung erweist sich die Nichtzahlung von Beitragen als eine resozialisierungsfeindliche Spatfolge der Freiheitsstrafe.^^^ Denn diese fehlen bei einer spateren Berechnung der Altersrente.^^^ Die Zeit der StrafverbiiBung ist eine in voUem Umfang rentenversicherungslose Zeit. Es fmdet keinerlei Anrechnung auf Wartezeiten statt. Im Bereich der Berufsunfahigkeitsrente stellt die Haftdauer eine rentenanwartschaftszerstorende Zeit dar.^^^ Die Nichteinbeziehung vieler arbeitender Strafgefangener in die Kranken- und Rentenversicherung steht im Widerspruch zur Vollzugszielbestimmung des § 2
Berlin, Rpfleger 1992, S. 128; Kaiser/Schoch, 2002, S. 315; Schwind/Bohm/Jehle/ Matzke/Laubenthal, 2005, § 52 Rdn. 4. 506 OLG Schleswig, NStZ 1994, S. 511. 50^ BFH, DStRE 2004, S. 421; BOH, StrVert 2004, S. 558. 5°« Vgl. bereits BT-Drs. 11/717, S. 7; siehe auch Steiner, 2006, S. 74. 509 Steiner, 2006,8. 102. ^^^ Rotthaus K., 1987, S. 4; Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, § 193 Rdn. 1. 5^^ Siehe dazu auch Bundesarbeitsgemeinschaft fiir Straffalligenhilfe, 1993, S. 177; Lohmann, 2002, S. 155 ff; Rosenthal, 1998, S. 14; Steiner, 2006, S. 97 f 512 Steiner, 2006, S. 99.
256
5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
S. 1 StVoUzG.^i^ Demgegentiber hat das BVerfG in seinem Urteil vom 1.7.1998^^^ die Suspendierung der Rentenversicherung durch § 198 Abs. 3 StVollzG aus verfassungsrechtlicher Sicht unbeanstandet gelassen.^^^ Sollten durch die vorgesehenen Regelungen alle Gefangenen, die Arbeitsentgek, Ausbildungsbeihilfe oder Ausfallentschadigung erhalten, in die sozialen Sicherungssysteme einbezogen werden, so stelle sich „eine derart weittragende Regelung ... als Element eines vom Gesetzgeber frei gestalteten Resozialisierungskonzepts dar. Sie ist weder vom verfassungsrechtlichen ResoziaHsierungsgebot gefordert noch vom Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) geboten. Sie miisste sich ... im Gegenteil gerade unter Gleichheitsgesichtspunkten rechtfertigen."^^^ 480 Lediglich der in einem freien Beschaftigungsverhaltnis i.S.d. § 39 Abs. 1 StVollzG Stehende unterliegt wie jeder andere Arbeitnehmer der allgemeinen gesetzlichen Sozialversicherungspflicht. Er hat dementsprechend auch Beitrage an die Krankenversicherung abzufiihren und kann deren Leistungen in Anspruch nehmen. GemaB § 62a StVollzG ruhen dann aber die vollzuglichen Leistungen nach §§57 bis 59 StVollzG. Die gesetzliche Nichteinbeziehung der librigen Gefangenen in die Kranken- und Rentenversicherung steht allerdings einer freiv^illigen Aufrechterhaltung der Sozialversicherung durch einen - iiber entsprechende finanzielle Mittel verfiigenden - Inhaftierten nicht entgegen.^^^ 481 Gefangene, die wahrend ihrer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung wie ein nach § 2 Abs. 1 SGB VII Versicherter tatig werden, sind auch nach § 2 Abs. 2 S. 2 SGB VII in der Unfallversicherung abgesichert. Das Sozialgesetzbuch enthalt insoweit fiir die Strafgefangenen vollzugsspezifische Modifizierungen.^^^ Im Ubrigen stehen ihnen die gleichen Leistungsanspriiche zu wie alien anderen unfallversicherten Arbeitnehmem. 482 Einbezogen sind die Inhaftierten auch in die Arbeitslosenversicherung.^^^ Dies betrifft nach § 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III alle Insassen, die ein Arbeitsentgelt (§ 43 StVollzG) oder eine Ausbildungsbeihilfe (§ 44 StVollzG) erhalten. Die von einer Beitragsbeteiligung befreiende Einkommensgrenze der §§27 Abs. 2 SGB III und 8 Abs. 1 SGB IV fiir geringfiigig Beschaftigte betrifft nicht die Beitragspflicht der Strafgefangenen.^^° Sie haben gem. § 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III Beitrage an die Bundesanstalt fiir Arbeit zu entrichten. Das zustandige Bundesland tragt nach § 347 Nr. 3 SGB III im Verhaltnis zur Bundesanstalt die Beitrage. Im Innenverhaltnis zum Gefangenen ist die Vollzugsbehorde jedoch gem. § 195 StVollzG befligt, auf das Arbeitsentgelt bzw. die Ausbildungsbeihilfe zuriickzugreifen und einen Anteil des abgefiihrten Beitrages einzubehalten, der demjenigen eines freien ^13 Laubenthal, 1995,8.346. 514 BVerfGE98,S. 169ff. 515 Krit. Britz, 1999, S. 200; PawHta, 1999, S. 70. 516 BVerfGE98,S.212. 517 CalHess/Miiller-Dietz, 2005, § 193 Rdn. 3. 518 Dazu Steiner, 2006, S. 50 ff 519 Dazu Hardes, 2 0 0 1 , S. 139 ff; Steiner, 2006, S. 60 ff
520 BVerfG, ZfStrVo 1995, S. 312 zu § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S G B III a.F.; Schwind/Bohm/ Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, § 195 Rdn. 1.
5.3 Arbeit, Ausbildung, Weiterbildung
257
Arbeitnehmers entspricht. Bemessungsgrundlage fiir die Beitrage der Inhaftierten ist nach § 345 Nr. 3 SGB III ein Arbeitsentgelt in Hohe von 90 % der BezugsgroBe nach § 18 SGB IV. Ihr Eigenanteil liegt bei etwas mehr als 3 % der Bemessungsgrundlage (§§ 341, 346 Abs. 1 SGB III). § 352 Abs. 1 SGB III folgend wurde vom Bundesministerium ftir Arbeit und Sozialordnung eine GefangenenBeitragsverordnung erlassen.^^^ Die Beitragspflicht gilt auch fiir auslandische Strafgefangene, selbst wenn diese nach ihrer Haftentlassung abgeschoben werden sollen und deshalb keine Aussichten auf spatere Leistungen der Arbeitslosenversicherung haben werden. ^^^ § 195 StVoUzG stellt den Riickgriff auf den versicherten Insassen in das Ermessen der Vollzugsbehorde. Insoweit erscheint jedoch VV zu § 195 StVoUzG, wonach die Beitragsanteile einzubehalten sind und nur in Fallen unbilliger Harte davon abgesehen werden kann, als mit dem Gesetz nicht vereinbar.^^^
521 Verordnung iiber die Pauschalberechnung der Beitrage zur Arbeitsforderung fiir Gefangene v. 3.3.1998, BGBl. I 1998, S. 430; dazu Maldener, ZfStrVo 1996, S. 15. 522 BVerfG, NStZ 1993, S. 556. ^23 So auch OLG Hamburg, NStZ 1992, S. 352; AK-Bruhl, 2006, § 195 Rdn. 2; Schwind/ Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, § 195 Rdn. 1; a.A. Arloth/Luckemann, 2004, § 195 Rdn. 3; Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 195 Rdn. 1.
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5.4 Die Kommunikation mit der AuBenwelt
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5.4 Die Kommunikation mit der Auflenwelt Der zu einer Freiheitsstrafe Verurteilte wird mit dem Strafantritt seinem bisheri- 483 gen sozialen Beziehungsgefiige entrissen und soil in der Institution als einem kiinstlichen sozialen Gebilde in Gemeinschaft mit anderen Straftatem (re-)sozialisiert, d.h. - und hier zeigt sich ein Dilemma des Behandlungsvollzugs - durch Entzug der Freiheit zu einem verantwortlichen Leben gerade in der Freiheit ohne weitere deliktische Handlungen (§ 2 S. 1 StVollzG) befahigt werden. Eine Erlangung hierzu erforderlicher sozialer Kompetenz kann aber mit Aussicht auf Erfolg nicht isoliert von der AuBenwelt stattfinden. Der Inhaftierte erlemt die notwendigen Verhaltensweisen letztlich nur durch Kommunikation mit der Gesellschaft auBerhalb der Vollzugsanstalt. Es bedarf deshalb - unter Beachtung zwingender Sicherheitserfordemisse - einer weitestmoglichen Offnung der Institution und der Schaffung entsprechender Interaktionsfelder. Die Kommunikation mit der AuBenwelt ist eine Notwendigkeit, die sich schon 484 aus der Grundforderung nach einer humanen und menschenwurdigen Ausgestaltung des StrafvoUzugs ergibt.^^"* Im Hinblick auf die das VoUzugsziel konkretisierenden Gestaltungsprinzipien^^^ des § 3 StVollzG kommen ihr folgende Funktionen zu: - Die sozialen Kontakte nach auBen dienen einer zumindest partiellen Angleichung des Daseins innerhalb der Anstalt an die allgemeinen Lebensverhaltnisse. Der auf Kommunikation mit anderen angelegte und angewiesene Mensch erhalt so die Moglichkeit, bestehende Beziehungen aufrechterhalten zu konnen. Dies gilt insbesondere fiir diejenigen zum (Ehe-)Partner und zu denjenigen Familienangehorigen, die unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG stehen. Da ein nicht unerheblicher Teil der Inhaftierten (2005: 78 % der Strafgefangenen^^^) unverheiratet ist, dient die Ermoglichung von Kontakten nicht nur einer Aufrechterhaltung bestehender, sondem auch einer Anbahnung neuer Beziehungen. - Kommunikation mit der AuBenwelt soil schadlichen Folgen des Freiheitsentzugs entgegenwirken. Dies betrifft nicht nur Gefahren einer Entfremdung von Bezugspersonen und Angehorigen. Der Aufenthalt in der Institution bewirkt auch eine mit der Strafdauer zunehmende Entfremdung vom Leben in Freiheit an sich. Die Daseinsverhaltnisse in der Anstalt bedingen Deprivationen im sensoriellen Bereich, sie schranken die Wahmehmungsmoglichkeiten des Gefangenen ein, dessen Alltag gepragt ist von einer weitgehenden intellektuellen und kognitiven Leere, was zu Beeintrachtigungen der Ich-Identitat und zu Auswirkungen auf psychische Funktionen fuhren kann. ^2'' Durch Umweltkontakte partizipiert der Inhaftierte jedoch am sozialen Geschehen. Sie bewahren ihn vor einem Verkiimmem der Kommunikationsfahigkeit iiberhaupt. Auch dem sozialisationsfeindlichen Prisonisierungseffekt als Folge einer weitgehenden Ein^24 Miiller-Dietz, 1978, S. 131. ^25 Siehe auch Hirsch, 2003, S. 102 f ^^^ Statistisches Bundesamt, Strafvollzug - Demographische und kriminologische Merkmale der Strafgefangenen 2005 Reihe 4.1, S. 8. ^2^ Dazu in Kap. 3.4.2.
260
5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
schrankung auf nur anstaltsinteme Kommunikationsmoglichkeiten der Gefangenen untereinander wirkt die Eroffnung von sozialen Kontakten mit der AuBenwelt entgegen. - Moglichkeiten zur Aufrechterhaltung bzw. Neuanbahnung personlicher Beziehungen erhohen schlieBlich die Chancen einer gesellschaftlichen Wiedereingliederung im Sinne des Vollzugsziels. Lockerungen erlauben dem Gefangenen das schrittweise Einiiben sozialadaquater Strategien zur Bewaltigung von Problemsituationen in Freiheit. Riickfalluntersuchungen deuten insoweit bessere Bewahrungschancen an.^^^ Vollzugslockerungen konnen zudem bei Langstrafigen ein zeitlich strukturiertes Behandlungsprogramm zur Vorbereitung auf die Freiheit bieten, das nicht nur personliche AuBenkontakte verbessert, sondem auch einen endlos scheinenden Zeitablauf untergliedert und damit zur Uberwindung des Zeitfaktors beitragt.^^^ 485
Das Strafvollzugsgesetz fordert die Innen-AuBen-Kontakte zum einen durch die Einbeziehung gesellschaftlicher Krafte als ehrenamtliche Vollzugshelfer und Anstaltsbeirate in die Straffalligenarbeit.^^^ Zum anderen gibt auf der intramuralen Ebene § 23 StVollzG dem Inhaftierten einen Anspruch darauf, mit Personen auBerhalb der Anstalt zu verkehren, und verpflichtet die VoUzugsbehorde zu einer Forderung dieser Kontakte. Dabei folgt das Recht auf Kommunikation mit externen Personen bereits aus der durch Art. 2 Abs. 1 GG gewahrleisteten Freiheit der PersonHchkeitsentfaltung.^^' Als Kommunikationsformen dieser Art benennt das Gesetz: - Empfang von Besuchen (§§ 24 ff StVollzG), - Schriftwechsel (§§ 28 ff StVollzG), - Femgesprache und Telegramme (§ 32 StVollzG), - Paketempfang (§ 33 StVollzG).
486
§ 23 S. 1 StVollzG gewahrt das Recht des Inhaftierten auf Verkehr mit Personen auBerhalb der Institution aber nur im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften. Einschrankungen konnen sich den einzelnen Regelungen gemaB aus Griinden der Sicherheit und Ordnung der Anstalt ergeben (§§ 25 Nr. 1, 27 Abs. 1 S. 1, 28 Abs. 2 Nr. 1, 29 Abs. 3, 31 Abs. 1 Nr. 1 StVollzG). Gleiches gilt, wenn durch Kontakte nach auBen die Behandlung des Gefangenen im Vollzug selbst bzw. seine Eingliederung nach der Entlassung (Vollzugsziel) gefahrdet werden konnte (§§ 25 Nr. 2, 27 Abs. 1 S. 1, 28 Abs. 2 Nr. 2, 29 Abs. 3, 31 Abs. 1 Nr. IStVollzG). Der Gesetzgeber versucht mit dieser Regelung, „den Konflikt zwischen den Individualrechten und den notwendigen Erfordemissen eines geordneten Vollzuges" zu losen. Die §§23 ff StVollzG sollen „dem Gefangenen ein bestimmtes MindestmaB an Kontakten garantieren und zugleich die Vollzugsbehorden ermachtigen, den Vollzug storende Informati-
ons Siehe Baumann/Maetze/Mey, 1983, S. 144 f; Bohm/Erhardt, 1988, S. 140 f; krit. aber Bolter, 1991,8.7 Iff 029 Laubenthal, 1987, S. 192. 030 Dazu in Kap. 4.5 und 4.6.
031 BVerfG, ZfStrVo 1996, S. 175.
5.4 Die Kommunikation mit der AuBenwelt
261
onen unter bestimmten Voraussetzungen zuruckzuhalten und sie zu verpflichten, Beziehungen des Gefangenen zu fordem, die die VoUzugsaufgaben unterstiitzen."^^^ Eine Offnung fiir Umwelteinfliisse ist dariiber hinaus schon bestimmten Arten 487 der VoUzugsgestaltung inharent. So werden vollzugstypische Lebensbeschrankungen mittels offener VoUzugsformen reduziert und damit die Sozialkontakte mit der AuBenwelt erhoht. DemgemaB hat der Gesetzgeber den offenen VoUzug des § 10 Abs. 1 StVoUzG als die Regelvollzugsform normiert - deren Vorzug dann allerdings mit § 201 Nr. 1 StVollzG wiederum abgeschwacht.^^^ Uber die intramuralen Kommunikationsformen hinaus erlangen auf der extramuralen Ebene vor allem die Vollzugslockerungen des § 11 StVollzG (AuBenbeschaftigung, Freigang, Ausfiihrung, Ausgang), der Urlaub aus der Haft gem. § 13 StVollzG sowie die Lockerungen zur Entlassungsvorbereitung (§15 StVollzG) wesentliche Bedeutung zur Durchbrechung der sozialen Ausgrenzung und Isolation der Strafgefangenen. Hinzu kommen Urlaub, Ausgang und Ausfuhrung aus wichtigem Anlass (§35 StVollzG) oder zur Wahmehmung von Gerichtsterminen (§36 StVollzG).
5.4.1 Schriftwechsel und anderer Postverkehr § 28 Abs. 1 StVollzG gibt dem Inhaftierten das Recht, unbeschrankt Schreiben 488 abzusenden und zu empfangen. Dieses ist verfassungsrechtlich geschiitzt, wobei vor allem Art. 5, 6 und 10 GG - mit den Einschrankungen von Art. 5 Abs. 2, 10 Abs. 2 S. 1 GG - Bedeutung erlangen.^^"^ Der Schriftwechsel erfolgt gem. § 30 StVollzG auf dem Weg der Vermittlung von Absendung und Empfang durch die Anstalt (Abs. 1), wobei diese die eingehenden und ausgehenden (ohne Erganzungen z.B. bei der Absenderangabe^^^) Schreiben unverziiglich weiterzuleiten hat (Abs. 2). Ist es einer Einrichtung aus organisatorischen Griinden nur moglich, die an Samstagen eingehende Post erst am darauf folgenden Montag auszuhandigen, steht dies dem Unverziiglichkeitsgebot des § 30 Abs. 2 StVollzG allerdings nicht entgegen.^^^ Aus dem Recht des Einzelnen aus § 28 Abs. 1 StVollzG auf Schriftwechsel folgt zugleich ein Anspruch des Gefangenen auf kostenlose Uberlassung von Schreibmaterial.^^"^ §§ 28 bis 31 StVollzG betreffen die schriftliche Kommunikation mit der Au- 489 Benwelt als eine Form des individuellen schriftlichen Gedankenaustausches zwischen Absender und Empfanger; auf die genaue postalische Einordnung kommt es nicht an.^^^ Bei Druckerzeugnissen ist zunachst abzugrenzen, ob es sich um einen Paketempfang i.S.d. § 33 Abs. 1 S. 3 StVollzG handelt (so z.B. bei einem Waren-
532 BT-Drs. 7/918,8. 57. 533 DazuobenKap. 5.2.1. 534 Dazu Gusy, 1997, S. 673 ff
535 536 537 538
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Celle, NStZ 1993, S. 381. Koblenz, ZfStrVo 1995, S. 180. Zweibrucken, NStZ 2005, S. 289. Niimberg, NStZ 1997, S. 382; Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 28 Rdn. 1.
262
5 Der VoUzugsablauf als Interaktionsprozess
katalog^^^) oder um den Bezug einer Zeitung bzw. Zeitschrift i.S.d. § 68 StVoUzG. Stellt ein - auch nur einmalig oder gelegentlich - zugesandtes Druckerzeugnis eine allgemein zugangliche Zeitung oder Zeitschrift dar, dann gehen die Versagungsgriinde des § 68 Abs. 2 StVollzG als die speziellere Regelung vor.^"^^ Die einem Brief beigefiigte Fotokopie eines Zeitungsausschnittes stellt dagegen einen Bestandteil des an den Gefangenen gerichteten Schreibens dar und unterfallt §§ 28 ff. StVollzG^^^ wahrend umfangreiche Beilagen zum Schriftwechsel, welche nicht zum Gedankenaustausch gehoren, als Paket i.S.d. § 33 StVollzG zu behandeln sind.^"^^ Das Recht auf unbeschrankten Schriftverkehr bedeutet nicht nur eine zahlenmaBig unbegrenzte Moglichkeit des Ein- und Ausgangs von Schreiben. Im Hinblick auf den Angleichungsgrundsatz gilt auch im Bereich des Strafvollzugs prinzipiell das durch Art. 10 GG geschiitzte Briefgeheimnis. AUerdings lasst das Gesetz (§ 196 StVollzG) drei Einschrankungen zu: - die Untersagung des Schriftwechsels mit bestimmten Personen (§28 Abs. 2 StVollzG), - die Uberwachung (§ 29 StVollzG), - das Anhalten von Schreiben (§31 StVollzG). 5.4.1.1 Untersagung von Schriftwechsein 490 Sind Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefahrdet oder besteht die Befurchtung, dass ein Schriftwechsel auf den Gefangenen einen schadlichen Einfluss ausiibt bzw. seine Eingliederung behindert (z.B. wenn der Gefangene zu einer feindseligen Haltung gegen den Vollzug gebracht werden soil), dann kann der Anstaltsleiter nach § 28 Abs. 2 StVollzG den Schriftwechsel mit bestimmten Personen untersagen. Es miissen jedoch konkrete Anhaltspunkte dafiir vorliegen.^"^^ Eine Untersagung kommt unter Beachtung des Grundsatzes der VerhaltnismaBigkeit (§81 Abs. 2 StVollzG) als Ultima Ratio aber nur in Betracht, wenn mildere Mittel (Abmahnung, Uberwachung oder ein Anhalten) nicht ausreichend erscheinen.^'^'^ Behandlungs- und Eingliederungsaspekte konnen nur bei solchen Personen zu einem Verbot des Schriftverkehrs nach § 28 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG ftihren, bei denen es sich nicht um Angehorige i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB handelt. Bei diesen bleibt somit eine Untersagung nur unter den Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Nr. 1 StVollzG moglich.545 Die Untersagungsverfugung des Anstaltsleiters richtet sich gegen den Gefangenen, nicht auch gegen den auBenstehenden Schreibpartner, denn das Strafvollzugsgesetz findet auf diesen insoweit keine Anwendung. Es enthalt keinerlei Re^39 ^4° 5^' 542
O L G Koblenz, N S t Z 1991, S. 304. O L G Frankfurt, N S t Z 1992, S. 208; siehe dazu unten Kap. 5.6.2. O L G Frankfurt, ZfStrVo 1993, S. 118. O L G N u m b e r g , ZfStrVo 1997, S. 372.
543 Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 28 Rdn. 5 f 544 AK-Joester/Wegner, 2006, § 28 Rdn. 7. 545 Dazu Hirsch, 2 0 0 3 , S. 160 I
5.4 Die Kommunikation mit der AuBenwelt
263
gelungen, die umnittelbar das Recht voUzugsextemer Personen auf Schriftwechsel mit Strafgefangenen betreffen. AUerdings ist der AuBenstehende von dem Verbot als Dritter betroffen (vollzuglicher Verwaltungsakt mit Drittwirkimg).^'^^ Gelangt das von einem externen Briefschreiber an einen Inhaftierten abgesandte Schreiben in den Bereich des Strafvollzugs, bleibt dem Anstaltsleiter die Moglichkeit, es nach § 31 StVollzG anzuhalten.^^^ 5.4.1.2 Uberwachung und Uberwachungsverbote Eine Uberwachung des Schriftwechsels ist gem. § 29 Abs. 3 StVollzG aus Griin- 491 den der Behandlung bzw. der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt zulassig. Hierdurch soUen Gefahren fiir das Vollzugsziel und die Institution abgewehrt werden, die sich aus der brieflichen Verbindung nach auBen ergeben konnen. Die Uberwachungsgriinde bleiben auf die in der Norm genannten beschrankt. Nicht iiberwacht werden darf der Schriftverkehr deshalb aus Griinden der offentlichen Sicherheit, der allgemeinen Verbrechensverhiitung, des Personlichkeitsschutzes AuBenstehender oder unter Gesichtspunkten des guten Geschmacks.^"*^ Unter Uberwachung i.S.d. § 29 StVollzG versteht man - die Sichtkontrolle als Untersuchung des Sendungsinhalts auf verbotene Gegenstande (z.B. Rauschmittel bei eingehenden Briefen), - die TextkontroUe als Kenntnisnahme vom verbalen Inhalt des Schreibens. Umstritten ist, ob eine Uberwachung des Schriftwechsels nur aus konkretem 492 Anlass einzelfallbezogen oder auch generell angeordnet werden darf Beispiel: Der Leiter der Justizvollzugsanstalt F. verfiigt die Uberwachung des Schriftwechsels - auch der Behordenpost - aller in seiner Institution einsitzenden Strafgefangenen. Da viele gefahrliche Verurteilte ihre Freiheitsstrafe in F. verbiiBen, halt er dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit der Anstalt fiir erforderlich, um eventuellen Fluchtplanen, Meutereien oder dem Einbringen von Betaubungsmitteln zu begegnen. Von der generellen Uberwachung nimmt die Anstaltsleitung einzelne Gefangene nicht aus, weil sie befurchtet, dass diese angesichts der Subkultur und der Uniiberschaubarkeit des Beziehungsgeflechts innerhalb der Einrichtung von Mitgefangenen unter Druck gesetzt werden konnten, einen unkontrollierten Schriftverkehr zu missbrauchen. Das OLG Hamburg^"^^ hat in dem Fall eine solche generelle Anordnung ohne Einzelfallpriifung fiir rechtmaBig angesehen. Diese Ansicht entspricht einem GroBteil der Rechtsprechung.^^^ Sie erachtet in geschlossenen Anstalten mit hohem Sicherheitsgrad eine allgemeine Verftigung und Durchfiihrung der Kontrolle eingehender und 5^6 OLG Celle, NStZ 1989, S. 358. 547 OLG Zweibriicken, NStZ 1987, S. 95. 54« BT-Drs. 7/918, S. 60. 549 O L G Hamburg, ZfStrVo 1991, S. 185 ff 550 BVerfG, ZfStrVo 1982, S. 126; BVerfG, NStZ 2004, S. 225; K G , N S t Z 1981, S. 368; O L G H a m m , N S t Z 1981, S. 368; O L G Zweibriicken, N S t Z 1985, S. 236; O L G Frankfurt, N S t Z 1994, S. 377; O L G Karlsruhe, NStZ 2004, S. 517; zustimmend Arloth/Luckemann, 2004, § 2 9 Rdn. 4; Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 29 Rdn. 7.
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess ausgehender Briefe fiir zulassig. Denn eine Trennung der Inhaftierten nach divergierenden Sicherheitsrisiken erscheint nicht immer moglich. Der Leiter kann deshalb eine Uberwachung anordnen, ohne dass es darauf ankommt, ob gerade in der Person des einzelnen Inhaftierten Gefahren fiir die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt begriindet sind. Dies soil auch fiir die Behordenpost gelten, weil bei derartigen Anschreiben vielfache Moglichkeiten bestehen (z.B. Wiederverwendung benutzter Umschlage), durch Tauschung den Eindruck zu erwecken, der Absender sei eine Behorde (einer besonderen Behandlung unterliegt jedoch die Kontrolle von Briefwahlunterlagen, weil anderenfalls das geschutzte Wahlgeheimnis verletzt sein konnte).^^^ Die Auffassung von der Zulassigkeit einer generellen Uberwachung des Schriftwechsels in bestimmten Anstalten des geschlossenen Vollzugs kommt den organisatorischen und personellen Problemen der Vollzugspraxis entgegen. Sie ist zwar vereinbar mit Art. 10 GG.^^^ Eine unbegrenzte Uberwachung bleibt allerdings einer fur den Behandlungsprozess notwendigen Atmosphare des Vertrauens abtraglich; sie steht auch im Widerspruch zum Prinzip einer weitgehenden Angleichung der Lebensverhaltnisse.^^^ Eine generelle Uberwachung sollte deshalb fur ganz spezifische Ausnahmefalle auf einen kurzen Zeitraum begrenzt bleiben.^^"*
493
§ 29 Abs. 1 und 2 StVollzG normieren fiir besonders schutzwiirdige Bereiche Uberwachungsverbote: Zum einen darf der Schriftwechsel (ein- und ausgehende Post) des Gefangenen mit seinem Verteidiger nicht kontrolliert w^erden (§ 29 Abs. 1 S. 1 StVollzG). Zweck des tJberwachungsverbots ist die Gev^ahrleistung einer ungestorten Kommunikation zwischen dem Strafgefangenen und seinem Verteidiger. Der gedankliche Inhalt solcher Schreiben soil vor jeder Moglichkeit der Kenntnisnahme durch Dritte bewahrt werden.^^^ VV Nr. 1 zu § 29 StVollzG setzt voraus, dass sich der Verteidiger der Anstalt gegeniiber durch eine VoUmacht des Gefangenen oder eine gerichtliche Bestellungsanordnung ausweist^^^ und dass die Verteidigerpost als solche deutlich gekermzeichnet ist. Verteidigerpost darf jedoch auch daim nicht geoffnet werden, wenn diese nicht ausdriicklich als solche bezeichnet wurde, allerdings auf dem Schreiben als Absender Name und Anschrift des Rechtsanwalts eines Inhaftierten vermerkt sind.^^'^ Die Vollzugsanstalt ist berechtigt, eine Postsendung anhand auBerlicher Merkmale dahin gehend zu untersuchen, ob iiberhaupt Verteidigerpost vorliegt.^^^ Deren Offnung zur Feststellung der Absenderidentitat oder zur tJberpriifung auf unzulassige Einlagen bleibt grundsatzlich unzulassig.^^^ Dies gilt auch dann, wenn sich die Kontrolle nur auf eine grobe Sichtung des Inhalts und auf ein bloBes Durchblattem der Schriftstiicke beziehen 551 OLG Frankfurt, NStZ 1993, S. 381. 552 BVerfG, N S t Z 2004, S. 2 2 5 .
553 Siehe auch AK-Joester/Wegner, 2006, § 29 Rdn. 1; Calliess, 1992, S. 160 f; Calliess/ Miiller-Dietz, 2005, § 29 Rdn. 3; Gusy, 1997, S. 675. 554 ^55 556 557 558 559
Kaiser/Schoch, 2002, S. 2 9 5 . O L G Frankfurt, N S t Z - R R 2003, S. 254; O L G Saarbriicken, N S t Z - R R 2004, S. 188. Siehe dazu O L G Frankfurt, ZfStrVo 1987, S. 113. O L G Karlsruhe, StrVert 2005, S. 228 f O L G Stuttgart, N S t Z 1991, S. 359 f; O L G Frankfurt, StrVert 2005, S. 2 2 8 . O L G Karlsruhe, N S t Z 1987, S. 188.
5.4 Die Kommunikation mit der AuBenwelt
265
soil. Denn schon ein fliichtiges Anlesen des Materials wiirde bereits den Bereich der unzulassigen Inhaltskontrolle tangieren.^^^ Bestehen begriindete Zweifel, dass ein Schreiben vom Verteidiger stammt bzw. liegen konkrete Anhaltspimkte fiir einen Missbrauch der Verteidigerpost zum Einschmuggeln unzulassiger Beilagen vor, dann ist das Offnen ausnahmsweise nur dann gestattet, wenn sichergestellt bleibt: Es ist jede Moglichkeit ausgeschlossen, dass der KontroUierende vom gedanklichen Inhalt der dem Schutz des § 29 Abs. 1 S. 1 StVoUzG unterliegenden Schriftstiicke auch nur bruchstuckhaft Kenntnis erlangt.^^^ Das Uberwachungsverbot des § 29 Abs. 1 S. 1 StVollzG fiir Verteidigerpost 494 gilt allerdings nicht in den Fallen, in denen der VerbiiBung der Freiheitsstrafe das Delikt der Bildung einer terroristischen Vereinigung (§§ 129a, 129b Abs. 1 StGB) zugrunde liegt oder eine solche im Anschluss an die gerade zu verbiiBende Sanktion noch zu vollstrecken ist. Dann kann gem. § 29 Abs. 1 S. 2 und 3 StVollzG die Weiterleitung der Schriftstucke von einer vorherigen richterlichen Kontrolle abhangig gemacht werden. Dies gilt wiederum nicht (d.h. es bleibt beim Uberwachungsverbot des § 29 Abs. 1 S. 1 StVollzG), wenn der von § 129a StGB - auch i.V.m. § 129b Abs. 1 StGB - betroffene Gefangene sich im offenen Vollzug befindet oder wenn ihm VoUzugslockerungen i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 1 (AuBenbeschaftigung, Freigang), Nr. 2 2. Halbs. StVollzG (Ausgang) bzw. Hafturlaub gem. § 13 oder § 15 Abs. 3 StVollzG gewahrt wurden und keine Griinde fiir Widerruf oder Zuriicknahme dieser Lockerungen nach § 14 Abs. 2 StVollzG vorliegen (§ 29 Abs. 1 S. 2 2. Halbs. StVollzG). Einem Uberwachungsverbot unterliegen femer Schreiben des Inhaftierten an 495 privilegierte Stellen und Personen (§ 29 Abs. 2 StVollzG). Dies sind - die Volksvertretungen des Bundes und der Lander sowie deren Mitglieder, - das Europaische Parlament und dessen Mitglieder, - der Europaische Gerichtshof fiir Menschenrechte, - der Europaische Ausschuss zur Verhiitung von Folter und unmenschlicher oder emiedrigender Behandlung oder Strafe, - die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Lander. Betroffen vom Uberwachungsverbot ist auch von diesen Institutionen bzw. Personen eingehende Post, wobei - wegen der Gefahr des Absendermissbrauchs - die Identitat des Absenders einwandfrei feststehen muss (§ 29 Abs. 2 S. 3 StVollzG). An andere als die gesetzlich bezeichneten Stellen und Behorden gerichtete Briefe erfasst die Kontrollfreiheit nicht (z.B. Schreiben an den Bundesprasidenten^^^). Die in § 29 Abs. 3 StVollzG benannten Uberwachungsgriinde (Gefahrdung der Behandlung bzw. der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt) diirften in solchen Fallen jedoch nur selten gegeben sein.^^^
560 561
OLG Stuttgart, NStZ 1991, S. 360. OLG Frankfurt, NStZ-RR 2005, S. 61.
562 O L G Niimberg, N S t Z 1993, S. 455.
563 So auch Kaiser/Schoch, 2002, S. 296.
266
5 Der Vollzugsablauf alslnteraktionsprozess
Einer Uberwachung gem. § 29 Abs. 3 StVollzG unterliegen femer nicht die Schriftwechsel zwischen Strafgefangenen und den Mitgliedem der Anstaltsbeirate, § 164 Abs. 2 S. 2 StVollzG. 5.4.1.3 Anhalten von Schreiben 496 Schreiben, die einem Uberwachungsverbot unterliegen, diirfen gem. § 31 Abs. 4 StVollzG auch nicht angehalten werden. Der Gesetzgeber hat in § 31 Abs. 1 StVollzG einen Katalog von Griinden festgelegt, aufgrund derer ein Anhalten von Schreiben zulassig ist. Es handelt sich dabei insbesondere um voUzugsziel- und sicherheitsbezogene Aspekte. Dabei setzt gerade eine Anhaltung gem. § 31 Abs. 1 Nr. 1 StVollzG- als Eingriff in die grundrechtlich gewahrleistete Freiheit - konkrete Anhaltspunkte fur das Vorliegen einer realen Gefahrdung der Anstaltssicherheit oder -ordnung voraus. Sie unterliegt den Anforderungen des VerhaltnismaBigkeitsgrundsatzes: Je weniger konkret die Gefahr ist, umso groBeres Gewicht kommt der Personlichkeitsentfaltung des Inhaftierten zu und umso zurtickhaltender muss mit der Eingriffsbefugnis umgegangen werden.^^'^ Neben einer - nicht nur mutmaBlichen - Gefahrdung der Sicherheit und Ordnung in der Einrichtung konnen rechtfertigende Griinde im Allgemeinen in personlichkeitsbedingten Umstanden des jeweils Betroffenen begriindet liegen.^^^ Der Anstaltsleiter darf Schriftstiicke aber auch anhalten, wenn sie „grob unrichtige oder erheblich entstellende Darstellungen von Anstaltsverhaltnissen" (Nr. 3) bzw. „wenn sie grobe Beleidigungen enthalten" (Nr. 4). 497 Das Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG wird durch § 31 StVollzG als allgemeines Gesetz i.S.d. Art. 5 Abs. 2 GG eingeschrankt. Daraus ergibt sich, dass § 31 StVollzG im Lichte des beschrankten Grundrechts auszulegen und anzuwenden ist, damit dessen wertsetzende Bedeutung auch auf der Ebene der Rechtsanwendung zur Geltung kommen kann.^^^ Einem Inhaftierten muss es - gerade angesichts der haftbedingten Reduzierung von Kommunikation - moglich bleiben, sich in seinen Schreiben kritisch liber das Leben in der Institution zu auBem. Er und seine Briefpartner konnen sich MeinungsauBerungen, Werturteile oder Einstellungen gegenseitig gmndsatzlich unbenommen mitteilen.^^'^ Beispiel: Eine Studentin der Rechtswissenschaft war von ihrem inhaftierten Bruder brieflich tiber Vorkommnisse in der Justizvollzugsanstalt unterrichtet worden, aufgrund derer er Selbstmordabsichten andeutete. Sie antwortete in einem Brief, in dem es unter anderem heiBt: „Vergiss auch nicht, dass du fast ausschheBHch mit Kretins (Schwachsinnigen) zu tun hast, die auf Beforderung geil sind oder ganz einfach Perverse sind. Denk dabei an die KZ-Aufseher und du weiBt, welche Menschengruppe dich umgibt. Versuche damit, dein doch sonst immer lebensbejahendes Denken und dein frohliches 564 565 566 567
BVerfG, ZfStrVo 1996, S. 174. O L G Dresden, N S t Z 1998, S. 320; O L G Karlsruhe, N S t Z - R R 2004, S. 255. BVerfG, ZfStrVo 1996, S. 112; O L G Karlsruhe, N S t Z - R R 2004, S. 254. CaHiess/Mtiller-Dietz, 2005, § 3 1 Rdn. 4 ; Gusy, 1997, S. 687; Schwind/Bohm/Jehle,
2005, §31Rdn. 10.
5.4 Die Kommunikation mit der AuBenwelt
267
Wesen aufrechtzuerhalten." Das Schreiben wurde von der Anstalt angehalten, die Bediensteten stellten Strafantrag wegen Beleidigung; es erfolgte eine Verurteilung der Studentin wegen Beleidigung nach § 185 StGB zu einer Geldstrafe. Das Bundesverfassungsgericht^^^ sieht hierin eine Verletzung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit in Verbindung mit dem allgemeinen Personlichkeitsrecht: Zwar beansprucht der Ehrschutz bei schweren und haltlosen Krankungen Vorrang vor der Meinungsfreiheit. Die AuBerung muss dann aber gegeniiber dem Betroffenen Oder Dritten erfolgen, um ihre herabsetzende Wirkung entfalten zu konnen. Daran fehlt es, wenn sie in einer Sphare erfolgt, die gegen Wahmehmungen gerade abgeschirmt ist. Eine solche Sphare wird durch Art. 2 Abs. 1 GG begriindet. Danach darf der Einzelne einen Raum besitzen, in dem er ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen mit Personen seines besonderen Vertrauens verkehren kann. DemgemaB wird im Strafrecht bei ehrverletzenden AuBerungen iiber nicht anwesende Dritte in besonders engen Lebenskreisen eine beleidigungsfreie Sphare zugestanden, wenn die Herabsetzung Ausdruck besonderen Vertrauens darstellt und keine begriindete Moglichkeit der Weitergabe besteht. Der Schutz dieser Vertrauenssphare geht „aber auch dann nicht verloren, wenn sich der Staat Kenntnis von vertraulich gemachten AuBerungen verschafft. Das gilt auch fiir die Briefkontrolle bei Strafgefangenen nach §§29 Abs. 3, 31 StVollzG. Zwar ist die Uberwachung zum Schutz anderer bedeutsamer Rechtsgtiter verfassungsrechtlich grundsatzlich zulassig. Sie soil Gefahren fiir das Vollzugsziel und die Sicherheit und Ordnung der Anstalt abwehren sowie die Vertuschung begangener und die Begehung neuer Straftaten verhindem. Es ist auch unvermeidlich, dass der Vollzugsbeamte bei Gelegenheit einer solchen Kontrolle Kenntnis vom gesamten Inhalt des liberpriiften Schriftstiicks erlangt. Die Kenntnisnahme von der AuBerung andert aber nichts an deren Zugehorigkeit zu der grundrechtlich geschiitzten Privatsphare. Durch die Kontrollbefugnis kann diese zwar rechtmaBig durchbrochen, nicht aber in eine offentliche Sphare umdefiniert werden. Vielmehr wirkt sich der Grundrechtsschutz gerade darin aus, dass der vertrauliche Charakter der Mitteilung trotz der staatlichen Oberwachung gewahrt bleibt. Er entfallt folglich nicht schon deswegen, weil der Verfasser von der Briefkontrolle weiB."569 Mit § 31 Abs. 1 Nr. 3 und 4 StVollzG will der Gesetzgeber die Interessen der 498 Vollzugsbehorde vor ungerechtfertigten Angriffen schiitzen, weil ein anderweitiger Rechtsschutz vor grob entstellenden oder beleidigenden AuBerungen (z.B. die Verfolgung einer Beleidigung gem. §§185 ff. StGB auf dem Privatklageweg der §§ 374 ff. StPO oder auf dem Zivilrechtsweg nach §§ 823 ff. BGB) zu einem nicht vertretbaren Verwaltungsaufwand fiihren wurde.^"^° Die Vorschriften des § 31 Abs. 1 Nr. 3 und 4 StVollzG bediirfen angesichts Art. 5 GG jedoch einer sehr engen Interpretation.^^^ Denn ihre Anwendung darf nicht bewirken, dass die schriftlichen AuBerungen im Ergebnis einer Zensur unterstellt sind.^'^^
568 569 570 57^
BVerfG, StrVert 1994, S. 434 ff. BVerfG, StrVert 1994, S. 435. BT-Drs. 7/3998, S. 17. AK-JoesterAVegner, 2006, § 31 Rdn. 6; Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 31 Rdn. 4; Kaiser/Schoch, 2002, S. 297; dazu auch Gillen, 1999, S. 105 ff; Wolff-Reske, 1996, S. 184 ff 572 BVerfG, StrVert 1993, S. 600; NJW 1994, S. 244; dazu Wasmuth, 1995, S. 100 ff
268
5 Der Vollzugsablauf alslnteraktionsprozess
Beispieh Ein Strafgefangener schreibt an seine Verlobte einen Brief. In diesem auBert er sich unter anderem: „Eine neue mechanische Schreibmaschine ware zwar auch nicht teuer, doch in gewisser Weise eine unnutze Anschaffung. Denn wer schreibt drauBen schon mit einem derartigen Gerat, und auch ich habe ja eine Elektrische. Die sind aber verboten, zumindest in Bayem. Sagt jedenfalls das ,Reichsparteitags-OLG' in Ntimberg." Die Anstaltsleitung ordnet das Anhahen des Briefes mit der Begrtindung an, dass sein Inhalt das Ziel des Vollzugs gefahrde und grobe Beleidigungen enthalte. Das OLG Bamberg hat als Instanzgericht die Anhalteverfiigung des Anstaltsleiters bestatigt, weil die im Brief enthaltene Bezeichnung des OLG Ntimberg eine grobe Beleidigung i.S.d. § 31 Abs. 1 Nr. 4 StVollzG darstelle. Denn mit dieser Aussage habe der Gefangene bezweckt, die Richter des OLG Nurnberg und dessen Rechtsprechung in die Nahe des nationalsozialistischen Willkiir- und Unrechtsstaates zu stellen. Das Bundesverfassungsgericht^^^ hat in diesem Fall eine Verletzung des Rechts auf freie MeinungsauBerung aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG bejaht. Zwar findet dieses Grundrecht nach Art. 5 Abs. 2 GG seine Schranken. Zu diesen gehoren auch § 31 Abs. 1 Nr. 4 StVollzG und das Recht der personlichen Ehre. Jedoch muss bei Konflikten zwischen der Meinungsfreiheit und den durch die allgemeinen Gesetze geschiitzten Rechtsgiitem eine Abwagung vorgenommen werden, weshalb auch bei beleidigenden AuBerungen die Anhaltung nicht zwingend, sondem nach § 31 Abs. 1 StVollzG in das Ermessen der Anstaltsleitung gestellt ist. „Um der Wechselwirkung zwischen dem Recht auf freie MeinungsauBerung und seinen Schranken aus den allgemeinen Gesetzen verfassungsrechtlich gerecht zu werden, bedarf es deshalb beim Anhalten eines Briefes eines Strafgefangenen wegen darin enthaltener Beleidigungen in jedem Einzelfall einer Abwagung zwischen dem Recht auf freie MeinungsauBerung des Gefangenen und dem Schutz der Ehre betroffener Dritter. Dabei sind die Gesamtumstande zu beriicksichtigen; auch darf bei der Beurteilung der Schwere einer Beleidigung nicht allein auf deren Inhalt abgestellt werden, sondem es miissen auch die naheren Umstande - wie z.B. in welchem Zusammenhang, aus welchem Anlass und wem gegeniiber die AuBerungen gemacht worden sind - beriicksichtigt werden. Bei der gebotenen Abwagung ist weiter einzustellen, dass Strafgefangene angesichts ihrer besonderen Situation in ihren AuBerungsmoglichkeiten ohnehin eingeschrankt sind. Dies fuhrt dazu, dass sie unter Umstanden in besonderer Weise auf die Moglichkeit der schriftlichen Mitteilung ihrer Meinung Dritten gegeniiber angewiesen sind und daher Beschrankungen des Briefverkehrs in hohem MaBe als belastend und eingreifend empfinden. Mithin darf § 31 StVollzG nicht in einer Weise angewendet werden, die im Ergebnis die AuBerungen des Strafgefangenen einer Zensur unterstellt."^^^ Diesen Anforderungen gentigte nach Auffassung des BVerfG die Entscheidung des OLG Bamberg nicht, weil das Gericht der Textpassage tiber ihren Wortlaut hinaus einen weiter gehenden Inhalt gegeben habe. Die Sache wurde deshalb an das OLG Bamberg zuriickverwiesen. Nachdem das OLG Bamberg jedoch den Antrag des Strafgefangenen emeut abschlagig beschied^^^, legte dieser gegen den zweiten Beschluss Verfassungsbeschwerde ein.
5^3 BVerfG, StrVert 1993, S. 600. ^'74 BVerfG, StrVert 1993, S. 600; siehe auch BVerfG, StrVert 1997, S. 256 f (bezogen auf die Untersuchungshaft). 575 OLG Bamberg, DRiZ 1994, S. 423 ff
5.4 Die Kommunikation mit der AuBenwelt
269
Das BVerfG^'^^ gab auch dieser Beschwerde statt und ordnete nunmehr direkt die Aufhebung der Anhalteverfiigung an. Es stellte klar, dass „Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG dem Einzelnen einen Raum gewahrleistet, in dem er unbeobachtet sich selbst iiberlassen ist und mit Personen seines Vertrauens ohne Riicksicht auf gesellschaftliche Verhaltenserwartungen verkehren kann." Dieser Vertrauensschutz geht nicht durch Verschaffen von Kenntnis seitens des Staates im Wege der Briefkontrolle verloren. „Das allgemeine Personlichkeitsrecht garantiert jedermann, auch dem Gefangenen und spater Entlassenen, einen Freiraum, in dem er seinen Emotionen und Wertungen riickhaltlos Ausdruck verleihen kann, ohne sich damit staatlichen Sanktionen auszusetzen. Ziel des Vollzugs kann es deshalb nicht sein, den Gefangenen wahrend der Strafhaft und ktinftig an vertrauHcher Kommunikation im Rahmen der grundrechtlich geschiitzten Privatsphare in jenen Formen zu hindem, die jedem anderen Burger straflos zugestanden werden." „Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn der Gefangene selbst die Vertraulichkeit aufgehoben hat, so dass die Gelegenheit, seine AuBerung wahrzunehmen, ihm zuzurechnen ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Mitteilung an die Vertrauensperson nur erfolgt ist, um den Briefkontrolleur oder Dritte zu treffen." Eine enge Interpretation von beleidigenden bzw. unrichtigen oder entstellen- 499 den Darstellungen folgt aus der Verwendung der Begriffe „grob" und „erheblich" in § 31 Abs. 1 Nr. 3 und 4 StVollzG. Als „grob unrichtig" gilt eine Darstellung, die in keiner Weise der tatsachlichen Sachlage entspricht.^'^'^ „Erheblich entstellend" ist sie, wenn der wahre Kern der Aussage nur noch ftir einen mit den konkreten Verhaltnissen direkt Vertrauten erkennbar bleibt.^*^^ Beispiel: Der wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilte Strafgefangene G steht mit seinem wegen der gleichen Tat als Mittater verurteilten Freund F, der die Freiheitsstrafe in einer anderen Justizvollzugsanstalt verbiiBt, in brieflichem Kontakt. Als G erfahrt, dass einer der Briefe angehalten wurde, schreibt er emeut einen Brief an F, der unter anderem folgende Passage enthalt: „Da ich annehme, dass sich ein beriichtigter Misanthrop weiterhin an Briefen gtitlich tut und partout nicht will, dass unser Schriftverkehr lauft, bitte ich dich, in Zukunft genau das Datum meines Briefes sowie das Datum der Aushandigung aufzunotieren, damit ich eine Kontrolle habe." Der Brief wird vom Anstaltsleiter angehalten, weil er eine Beleidigung enthalte. Die Bezeichnung eines Bediensteten der Vollzugsanstalt als „beruchtigter Misanthrop" verletze bewusst dessen Ehre. Ein Antrag des G auf gerichtliche Entscheidung gem. § 109 StVollzG hatte keinen Erfolg. Die Strafvollstreckungskammer bejahte vielmehr die RechtmaBigkeit der Anhaltung mit der Feststellung, dass es sich um eine Beleidigung handelte. Hiergegen legt G Verfassungsbeschwerde ein und rtigt unter anderem eine Verletzung von Art. 5 GG. Das Bundesverfassungsgericht^^^ hat eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG bejaht. Denn es wurde die Bedeutung des Grundrechts der Meinungsfreiheit insofem verkannt, als die Prufung der RechtmaBigkeit der Anhaltung auf die Feststellung be-
^^^ 5^^ 5^« 5^^
BVerfG, ZfStrVo 1995, S. 302; krit. Kiesel, 1995, S. 381 ff. OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2004, S. 254; dazu Bemmann, 2003, S. 23 ff Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 31 Rdn. 4. BVerfG, ZfStrVo 1996, S. 111 ff
270
5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess schrankt wurde, dass es sich um eine Beleidigung handelte. „Die dem Grundrecht durch § 31 Abs. 1 Nr. 4 StVollzG gezogene Schranke kann erst eingreifen, wenn eine grobe Beleidigung vorliegt und eine Ermessensentscheidung getroffen ist, in der die Bedeutung des Grundrechts in Rechnung gestellt ist. Damit hat sich die Strafvollstreckungskammer in keiner Weise auseinander gesetzt. Auf eine ausdriickliche Erorterung konnte sie nicht etwa deshalb verzichten, weil die Grobheit der Beleidigung ohne weiteres augenfallig gewesen ware. Es liegt vielmehr nahe, die Bezeichnung als MissmutsauBerung von alltaglichem Gewicht anzusehen, die von § 31 Abs. 1 Nr. 4 StVollzG gerade nicht erfasst werden soil. ... Indem die Strafvollstreckungskammer davon ausgeht, eine Beleidigung rechtfertige schon an sich die Anhaltung eines Briefes, verkennt sie den Umfang der Gewahrleistung des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG und verletzt den Beschwerdefiihrer in seinem darin verankerten Grundrecht."
500
Liegt eine grob unrichtige oder eine erheblich entstellende Darstellung vor, hat § 31 StVollzG Vorrang gegeniiber Art. 5 Abs. 1 GG. Beispiel: Ein Inhaftierter legt einem Schreiben an eine Zeitung eine Beilage mit dem Titel „Fastnachtsgitterwillkursatire" bei. Darin behauptet er, Gefangene wiirden unter dem Deckmantel der Justiz an Korper, Geist und Seele zerstort und bis zur Unmiindigkeit hin willfahrig gemacht. Die Behandlung arte in Misshandlung, Zwang und in Durchsetzung widersinniger MaBnahmen aus. Es sei eine Frechheit, was sich „lackierte Laffen" von Bediensteten der Justizvollzugsanstalt erlaubten. Das Bundesverfassungsgericht^^^ hat in diesem Fall keinen Anlass gesehen, die von der Anstaltsleitung angeordnete Anhaltung dieses Schreibens verfassungsrechtlich zu beanstanden: „Bei einer kampferisch gegen den Justizvollzug instrumentalisierten MeinungsauBerung, wie sie hier ersichtlich gegeben ist, liegt es auf der Hand, dass der mit § 31 StVollzG bezweckte Schutz des Gemeinschaftsinteresses gegeniiber der Freiheitsbetatigung in den tatbestandlich bestimmten Grenzen den Vorrang haben muss. Dies gilt jedenfalls dann, wenn wie hier das Gemeinschaftsinteresse an der Sicherstellung des auf Behandlung und Resozialisierung ausgerichteten Vollzugszieles in der Person des sich brieflich auBemden Strafgefangenen aktuell in Frage gestellt wird oder das Gemeinschaftsinteresse an einem nicht durch grob entstellende Darstellungen verfalschten Bild des Justizvollzugs vor der Offentlichkeit oder vor Personen, die mit der vollzugsfeindlichen Einstellung des Gefangenen nicht vertraut sind, wesentlich betroffen ist."
501
Bei AuBerungen in Schreiben mit Ehegatten und Familienangehorigen ist eine Entscheidung iiber das Anhalten eines Briefes zudem unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 Abs. 1 GG zu treffen.^^^ Ihnen gegeniiber verspiirt der Gefangene ein verstarktes Bediirfnis, sich offen auszusprechen. Dass seine Darstellungen und Wertungen dabei verzerrt sein mogen, kaim aber im Hinblick auf den Schutz der ehelichen Privatsphare bzw. des engen familiaren Vertrauensverhaltnisses nicht den Ausschluss eines Schreibens von der Weiterleitung rechtfertigen.^^^ Dass ein Anhalten wegen unrichtiger AuBerungen iiber Anstaltsverhaltnisse nur in besonders gravierenden Fallen in Betracht kommen soil, zeigt auch die in § 31 StVollzG enthaltene Differenzierung zwischen der groben Unrichtigkeit (Abs. 1
5^0 BVerfG, NJW 1994, S. 244. 5^1 Siehe dazu Hirsch, 2003, S. 171 f; Neibecker, 1984, S. 335 ff 5^2 BVerfGE 35, S. 40; 42, S. 236 f
5.4 Die Kommunikation mit der AuBenwelt
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Nr. 3) und den bloB unrichtigen Darstellungen in Abs. 2. Letztere erlauben noch keine Anhaltung eines ausgehenden Schreibens, wenn der Inhaftierte auf dessen Absendung besteht. Allerdings kann diesem dann ein Begleitschreiben seitens der Anstalt beigefiigt werden. Im Ubrigen werden angehaltene Schriftstiicke gem. § 31 Abs. 3 S. 2 StVollzG dem Absender zuriickgegeben oder bei Vorliegen besonderer Griinde (z.B. der Anstaltssicherheit) behordlich verwahrt. Nach Nr. 39 VGO kommt auch eine Vemichtung in Betracht, wenn ein Schreiben Kenntnisse iiber Sicherheitsvorkehrungen in der Justizvollzugsanstalt vermittelt. Angehaltene Schriftstucke konnen zudem zur Habe gegeben werden. Die §§28 ff. StVollzG betreffen nicht nur die schriftliche Kommunikation mit der Au- 502 Benwelt. Zwar hat der Gesetzgeber den vollzugsinternen Schriftverkehr zwischen getrennt untergebrachten Strafgefangenen innerhalb einer Justizvollzugsanstalt nicht speziell geregelt. Ein solcher ist durchaus zulassig.^^^ Umstritten bleibt jedoch, ob und unter welchen Voraussetzungen er iiberwacht oder untersagt werden darf. Beschrankt man den Geltungsbereich der §§28 ff. StVollzG nur auf den extemen schriftlichen Gedankenaustausch, so konnen Eingriffe lediglich auf der Rechtsgrundlage des § 4 Abs. 2 S. 2 StVollzG erfolgen.^^"^ Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass §§28 ff. StVollzG sich allenfalls von ihrer Stellung im Gesetz her (der Grundsatz des § 23 StVollzG bezieht sich auf den Verkehr mit Personen auBerhalb der Anstalt) auf den extemen Schriftwechsel beschranken konnten, aus dem Wortlaut der Normen der §§28 ff. StVollzG sich aber eine solche Begrenzung nicht schlieBen lasst.^^^ Es sind keine Griinde ersichtlich, weshalb der inteme Gedankenaustausch anders zu behandeln sein sollte als der nach auBen hin gerichtete.^^^ Die Ratio Legis der §§28 ff. StVollzG betrifft deshalb auch den intemen Schriftwechsel, der aus den in § 29 Abs. 3 StVollzG benannten Griinden iiberwacht werden darf. Um die Uberwachung sicherzustellen, sind Absendung und Empfang von an Mitgefangene gerichteten Schreiben deshalb entsprechend § 30 Abs. 1 StVollzG durch die Anstalt zu vermitteln.^^'^
5.4.1.4 Sonstiger Postverkehr Wegen des damit verbundenen organisatorischen und personellen Aufwandes ist 503 der sonstige postalische Verkehr des Inhaftierten restriktiver als der Schriftwechsel normiert.^^^ GemaB § 33 StVollzG diirfen dreimal pro Jahr in angemessenen Abstanden Pakete mit Nahrungs- und Genussmitteln empfangen werden. Zeitpunkt, Hochstmengen und Gegenstande kann die Vollzugsbehorde festsetzen. Die Verwaltung hat das ihr insoweit zustehende Ermessen durch die Verwaltungsvorschriften zu § 33 StVollzG prazisiert. So diirfen Inhaftierte nach VV Nr. 1 zu § 33 StVollzG an Weihnachten, Ostem und zu einem von ihnen zu wahlenden Zeitpunkt (z.B. Geburtstag) Pakete empfangen. Gefangenen, die keiner christlichen Religionsgemeinschaft angehoren, kann anstelle des Weih^^3 OLG Dresden, NStZ 1995, S. 151; Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 28 Rdn. 1. ^^^ So OLG Zweibrucken, ZfStrVo 1984, S. 178; Bohm, 2003, S. 135; Schwind/Bohm/ Jehle, 2005, § 28 Rdn. 3. ^^5 OLGNiimberg, NStZ-RR 1999, S. 189. 5^^ AK-Joester/Wegner, 2006, § 28 Rdn. 5. ^«^ OLGNumberg, NStZ-RR 1999, S. 189. 5«« Kaiser/Schoch, 2002, S. 298.
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
nachts- und Osterpakets jewel Is der Empfang eines Pakets aus Anlass eines hohen Feiertags ihres Glaubens gestattet werden. Die Bezugnahme auf bestimmte Feiertage dient der Verwaltungsvereinfachung. Der Gefangene ist dadurch nicht gezwungen, ein religioses Bekenntnis durch den Paketempfang abzulegen. Deshalb wird durch diese Regelung auch das Grundrecht auf Glaubensfreiheit des Einzelnen nach Art. 4 Abs. 1 GG nicht verletzt.^^^ Um uberwachungstechnische Schwierigkeiten zu vermeiden und eine Gleichstellung der Gefangenen zu garantieren, darf das Gewicht des Weihnachtspakets fiinf Kilogramm, das der beiden tibrigen Pakete drei Kilogramm nicht ubersteigen ( W Nr. 2 Abs. 1 zu § 33 StVollzG). Dem Inhaftierten, der keine Pakete erhalt, wird durch W Nr. 6 Abs. 1 zu § 33 StVollzG die Moglichkeit eingeraumt, in der Anstalt Nahrungs- und Genussmittel einzukaufen, wofiir er einen bestimmten Betrag aus dem Eigengeld verwenden kann. Die Anstaltsleitung kann dem Inhaftierten dariiber hinaus nach § 33 Abs. 1 S. 3 StVollzG den Empfang weiterer Pakete gestatten. Andererseits darf sie den Paketempfang voriibergehend untersagen, weim dies aus Griinden der Sicherheit oder Ordnung der Institution unerlasslich ist (§ 33 Abs. 3 StVollzG). Dem vollzuglichen Individualisierungsgebot^^^ gemaB bleibt eine solche Einschrankung nur als EinzelmaBnahme zulassig und auch die Dauer der Paketsperre muss auf die Umstande des Einzelfalls bezogen sein.^^^ GemaB W Nr. 7 Abs. 1 zu § 33 StVollzG wird der Paketinhalt auf verbotene Gegenstande durchsucht. Fiir den Ausschluss einzelner Gegenstande vom Paketempfang gih gem. § 33 Abs. 1 S. 4 StVollzG die Norm des § 22 Abs. 2 StVollzG entsprechend. Es muss sich also um Sachen handeln, die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefahrden (dies gilt z.B. fur eine Kerze, deren Inhalt ohne ihre Zerstorung nicht kontrollierbar ist^^^). 504 In den Grenzen des § 32 StVollzG kann der Gefangene Ferngesprache fuhren und Telegramme aufgeben. Zum Zweck der Aufrechterhaltung eines regelmaBigen Kontakts zu Bezugspersonen lasst § 32 S. 1 StVollzG auch eine Dauertelefongenehmigung zu.^^^ Hinsichtlich der Benutzung eines Faxgerates gilt § 32 StVollzG entsprechend.^^"* Eine spezialgesetzliche Regelung verlangt dagegen die Moglichkeit des Versendens bzw. des Empfangs von E-Mails^^^ durch Strafgefangene.^^^ § 32 StVollzG gibt dem Strafgefangenen keinen Anspruch auf die Bewilligung von Telefongesprachen. Dem Inhaftierten steht zur Benutzung der Kommunikationsmoglichkeiten nur ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausiibung zu.^^"^ Die5^9 OLG Hamm, NStZ 1991, S. 407. 590 Dazu Kemer/Streng, 1984, S. 95. 59^ A.A. KG, NStZ 1983, S. 576, das eine sechsmonatige Paketsperre fiir Drogendealer auf einer Abschirmstation fur zulassig erachtet. 592 O L G H a m m , N S t Z 1995, S. 382.
593 Perwein, ZfStrVo 1996, S. 16 ff 594 O L G Dresden, N S t Z 1994, S. 208.
595 Dazu Knauer, 2006, S. 112 ff 596 Hirsch, 2003, S. 182. 597 O L G Frankfurt, N S t Z 2 0 0 1 , S. 669; O L G Koblenz, StraFo 2003, S. 103; Ebert, 1999,
S. 164 ff; Schwind/Bohm/Jehle, 2005, §32 Rdn. 2; siehe auch Schneider H., 2001, S. 273 ff
5.4 Die Kommunikation mit der AuBenwelt
273
ser kaiin sich im Einzelfall jedoch im Hinblick auf das Angleichungsprinzip des § 3 Abs. 1 StVollzG und die Forderungspflicht des § 23 S. 2 StVoUzG zu einem Recht auf solche Kontakte verstarken.^^^ Das gilt insbesondere auch im Hinblick auf die Kontakte zu engen Familienangehorigen.^^^ Der Inhaftierte hat keinen Anspruch auf uniiberwachte Kommunikation 505 (z.B. durch Nutzung eines Handys) mit der AuBenwelt.^^^ Deshalb bestimmt § 32 S. 2 StVollzG, dass flir Femgesprache die Vorschriften iiber den Besuch und fur Telegramme diejenigen iiber den Schriftwechsel entsprechend gelten. Zur Wahrung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist der Gefangene bei notwendiger Uberwachung seiner Telefonate nach § 32 S. 4 StVollzG rechtzeitig vor Beginn der femmundlichen Unterhaltung iiber die beabsichtigte Kontrolle zu informieren. Zugleich wird er dariiber belehrt, dass er selbst oder die Vollzugsbehorde die Uberwachung dem Gesprachspartner unmittelbar nach Herstellung der Verbindung mitzuteilen hat (§ 32 S. 3 StVollzG). Das StVollzG enthalt aber keine Rechtsgrundlage, in den Fallen der Uberwachung die Verbindungsdaten oder sogar Gesprachsinhalte zu speichem.^^*
5.4.2 Empfang von Besuchen Kommunikation mit der AuBenwelt ermoglicht auch das Recht des Gefangenen 506 zum Empfang von Besuchen.^^^ GemaB § 24 Abs. 1 StVollzG hat er hierauf einen Anspruch (nach VV Nr. 1 zu § 24 aber keine Pflicht zu entsprechenden Kontakten), wobei das Gesetz den Personenkreis der moglichen Besucher nicht beschrankt. Es sieht eine Mindestbesuchsdauer von einer Stunde im Monat vor (§24 Abs. 1 S. 2 StVollzG). Die Anstaltsleitung soil jedoch auch dariiber hinaus Besuche gestatten, wenn dies der Behandlung oder Reintegration des Gefangenen forderlich erscheint bzw. der Regelung unaufschiebbarer personlicher, rechtlicher oder geschaftlicher Angelegenheiten dient, die nicht anderweitig oder von Dritten erledigt werden konnen. Liegen diese in § 24 Abs. 2 StVollzG genannten Voraussetzungen vor, ist dem Inhaftierten regelmaBig weiterer Besuch zu gestatten.^^^ Die nahere Gestaltung der Besuche (Besuchszeiten, Haufigkeit, Dauer) erfolgt nach § 24 Abs. 1 S. 3 StVollzG in der Hausordnung (§161 Abs. 2 Nr. 1 StVollzG). Sind gem. § 24 Abs. 2 1. Alt. StVollzG weitere Besuche zuzulassen, wenn sie 507 der Behandlung oder Wiedereingliederung des Gefangenen dienen, so fallen hierunter insbesondere Besuche von Bezugspersonen des Inhaftierten.^^"^ Denn personliche Kontakte bilden gerade fur Gefangene im geschlossenen Vollzug die einzige 59^ AK-Joester/Wegner, 2006, § 32 Rdn. 2; Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 32 Rdn. 1. 599 Hirsch, 2003, S. 178. 600 O L G Hamburg, N S t Z 1999, S. 638.
601 OLG Frankfurt, NStZ-2003, S. 219. 602 DazueingehendKnoche, 1987. 603 O L G Miinchen, StrVert 1994, S. 554. 604 Hirsch, 2003, S. 126 ff; Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 24 Rdn. 14.
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
Moglichkeit zu unmittelbarer Kommunikation mit Personen ihres fhiheren und zuktinftigen Lebensbereichs. Im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG ist es deshalb zulassig, verheiratete Inhaftierte bei der Gewahrung von Besuchszeiten zu bevorzugen.^^^ Aber auch andere personliche Beziehungen konnen Grundlage einer erweiterten Besuchsmoglichkeit sein. Beispiel: Nach der Hausordnung in der JVA A. haben verheiratete Strafgefangene eine monatliche Besuchszeit von viermal einer Stunde Dauer, alle Ubrigen von dreimal einer Stunde. Der Inhaftierte G beantragt unter Hinweis auf eine eheahnhche Lebensgemeinschaft mit seiner Lebensgefahrtin und seiner Stellung als Vater eines gemeinsamen Kindes iiber die Zeit von dreimal einer Stunde hinaus die Bewilligung einer weiteren monatlichen Besuchszeit von einer Stunde, um langer mit seiner Partnerin und dem Kind zusammen sein zu konnen. Der Anstaltsleiter lehnt das Begehren des G allein unter Hinweis auf den Familienstand des G ab. Das OLG Bamberg^^^ sieht zu Recht in dem schematischen Verweis auf den Familienstand einen Ermessensfehler. Denn die von G angestrebte vierte Besuchsstunde soil auch der Forderung der elterlichen Beziehung zu dem Kind dienen. Insoweit ist Art. 6 Abs. 2 GG zu beachten, der auch ftir einen nichtehelichen Vater gilt, welcher an der Entwicklung seines Kindes teilgenommen und seine elterliche Verantwortung wahrgenommen hat.^°^ Befindet sich der Vater im Vollzug, bleibt es Aufgabe des Staates, die damit verbundenen Belastungen fur die elterliche Beziehung unter angemessener Beachtung der Belange der Allgemeinheit im Rahmen des Moglichen und des Zumutbaren zu begrenzen.^^^ Das Strafvollzugsgesetz lasst mehrere Einschrankungen des Besuchsrechts zu: - Besuchsverbot (§ 25 StVollzG), - Durchsuchung des Besuchers (§ 24 Abs. 3 StVollzG) bzw. des Inhaftierten (§ 84 StVollzG), - tJberwachung (§ 27 StVollzG), - Besuchsabbruch (§ 27 Abs. 2 StVollzG).
5.4.2.1 Besuchsverbot 508 Bin von der Anstaltsleitung auszusprechendes Besuchsverbot hat nach § 25 StVollzG die gleichen Voraussetzungen wie die Untersagung des Schriftwechsels mit bestimmten Personen gem. § 28 Abs. 2 StVollzG. Auch bei der Untersagung von Besuchen beriicksichtigt das Gesetz den besonderen Schutz von Ehe und Familie durch Art. 6 Abs. 1 GG und lasst insoweit einen Ausschluss nur aus Griinden der Sicherheit und Ordnung der Anstalt zu. Geht es jedoch um den Besuch eines minderjahrigen Angehorigen, der Opfer der Straftat des Inhaftierten war, kann der Schutz der Menschenwlirde des Kindes dem Besuchsverbot ebenso wie dem
605 606 607 608
O L G Dresden, N S t Z 1998, S. 159. O L G Bamberg, N S t Z 1995, S. 304. BVerfGE56, S. 383f BVerfG, N J W 1993, S. 3059.
5.4 Die Kommunikation mit der AuBenwelt
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von Art. 6 GG getragenen Angehorigenprivileg des § 25 Nr. 2 StVollzG Grenzen setzen. Beispiel: Der Strafgefangene G verbiiBt eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindem und Missbrauchs von Schutzbefohlenen, teilweise zum Nachteil des minderjahrigen Madchens M. Die Mutter der M hatte den G dennoch nach dessen Haftantritt geheiratet. Nach einem Besuch der Ehefrau zusammen mit der M in der Einrichtung untersagte der Leiter der Justizvollzugsanstalt weitere Besuchskontakte der M. Dies wurde u.a. damit begriindet, dass ein Vollzugsbeamter anlasslich eines Besuchs beobachtete, dass das Madchen auf dem SchoB des G saB und dieser einen Arm um das Kind gelegt hatte. Das OLG Niimberg^^^ halt dieses Besuchsverbot sowohl nach § 25 Nr. 1 StVollzG als auch nach § 25 Nr. 2 StVollzG fiir gerechtfertigt. Das Gericht sieht in dem Besuch des Madchens eine Gefahrdung der Ordnung der Anstalt, „wenn es einem Strafgefangenen, der eine Freiheitsstrafe wegen vielfachen sexuellen Missbrauchs eines Kindes verbiiBt, gestattet wtirde, das nunmehr 12-jahrige Tatopfer als Besuch zu empfangen. Die Anstaltsordnung gebietet es auch zu verhindem, dass ein Gefangener wahrend der StrafverbiiBung Straftaten begeht bzw. einen Besucher verletzt. Dementsprechend ist es zur Aufrechterhaltung der Anstaltsordnung erforderlich, ein Besuchsverbot auszusprechen, um eine entsprechende Gefahrdung zu unterbinden, die entsteht, wenn ein wegen sexuellen Missbrauchs von Kindem einsitzender Strafgefangener Kontakt zum Tatopfer hat, jedenfalls dann, wenn dieses Tatopfer von der verantwortungslosen leiblichen Mutter - angesichts seines Alters von 12 Jahren fremdbestimmt - mit dem Tater in Kontakt gebracht wird und dies ... zu einer Beeintrachtigung des Therapieerfolgs bei dem Kind fuhren wiirde, das in einem heilpadagogisch orientierten Heim untergebracht ist." Das OLG Numberg vermochte auch keinen VerstoB gegen § 25 Nr. 2 StVollzG zu erkennen. Das Gericht stellt klar, dass das aus Art. 6 GG resultierende Angehorigenprivileg Beschrankungen im Interesse kollidierenden Verfassungsrechts unterliegt. Das aus Art. 1 und Art. 2 GG geschtitzte Kindeswohl wirkt auf das private Eltem-KindVerhaltnis als echte Gewahrleistungsschranke ein, gerechtfertigt aus der staatlichen Schutzpflicht ftir drittbedrohte Grundrechtspositionen. Gilt insoweit der Vorrang der Kindesinteressen, kann sich ein „angehoriger" Gefangener bei Besuchen nicht auf das Angehorigenprivileg des § 25 Nr. 2 StVollzG berufen, wenn es um Besuche des vom Inhaftierten im Wege des sexuellen Missbrauchs geschadigten Kindes bei dem Tater geht.6'0 Im Rahmen des Besuchsverkehrs kommt das Besuchsverbot gem. § 25 509 StVollzG bei Beachtung des VerhaltnismaBigkeitsgrundsatzes ( § 8 1 Abs. 2 StVollzG) nur als Ultima Ratio zur Anwendung. Es muss zunachst gepriift werden, ob mildere Eingriffsmoglichkeiten ausreichen. Nur wenn dies nicht der Fall ist, darf far eine bestimmte auBen stehende Person im Einzelfall ein Besuch untersagt werden. Es kann aber auch ein generelles Besuchsverbot ausgesprochen werden, falls von dieser Gefahren i.S.d. § 25 StVollzG im Hinblick auf jeden in der Institution Inhaftierten zu befarchten sind.^^^ Da ein Besuchsverbot sowohl den
^^^ OLG Numberg, NStZ 1999, S. 376. 6^0 Krit. dazu Rixen, 2001, S. 278 ff 6^1 OLG Numberg, ZfStrVo 1988, S. 186.
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
Gefangenen als auch den AuBenstehenden betrifft, ist Letzterer ebenfalls durch eine solche Entscheidung beschwert und kann dagegen gerichtlich vorgehen.^^^ 5.4.2.2 Durchsuchung 510 Aus Griinden der Sicherheit darf die Gestattung eines Besuches gem. § 24 Abs. 3 StVollzG davon abhangig gemacht werden, dass der Besucher seine Durchsuchung vor dem Treffen mit dem Inhaftierten zulasst. Diese bleibt allerdings auf Abtasten oder Kontrollen mittels einer Metallsonde beschrankt.^^^ Eine mit volHger Entkleidung verbundene korperHche Durchsuchung von Besuchem tangiert den durch Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG geschiitzten Personhchkeits- und Intimbereich und bleibt selbst bei Besuchen fiir drogenabhangige Inhaftierte unverhaltnismaBig.^^"* Da eine Durchsuchung bei einem Extemen nicht erzwingbar ist, fuhrt dessen Weigerung zur Ablehnung des Besuchs.^^^ Kommt eine Durchsuchung des Besuchers nur vorher in Betracht, kann dagegen auch nach dem Kontakt eine Durchsuchung des Gefangenen nach § 84 StVollzG erfolgen. 5.4.2.3 Uberwachung 511 Ebenso wie beim Schriftwechsel nach § 29 Abs. 3 StVollzG erlaubt das Gesetz aus Griinden der Behandlung oder der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt eine Uberwachung der Besuche, auf die jedoch im Einzelfall verzichtet werden kann. Dann miissen Erkenntnisse vorliegen, dass es einer solchen nicht bedarf § 27 Abs. 1 S. 2 StVollzG differenziert zwischen der bloB optischen Uberwachung und der GesprachskontroUe. Ein gezieltes und systematisches Mithoren von Gesprachen muss aus den in der Norm genannten KontroUgrtinden „geboten" sein. Da eine akustische Uberwachung in die personliche Sphare von Besucher und Inhaftiertem eingreift, bleibt sie auf unerlassliche Ausnahmefalle beschrankt, d.h., § 27 Abs. 1 S. 2 StVollzG erfordert ein auf den Einzelfall bezogenes, auf konkreten Anhaltspunkten beruhendes Missbrauchsrisiko des Besuchskontaktes.^^^ Dem Abhoren von Gesprachen des Inhaftierten mit seinen Besuchem steht nicht Art. 13 GG entgegen, weil der Besuchsraum einer Haftanstalt keine Wohnung darstellt.^'"^ Besonders eng ist das Merkmal des Gebotenseins akustischer Besuchsiiberwachung unter Beachtung des Personlichkeitsrechts des Gefangenen nach Art. 2
^12 AK-JoesterAVegner, 2006, § 25 Rdn. 10. ^13 Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 24 Rdn. 15. 614 O L G Hamburg, StrVert 2005, S. 229; Miiller-Dietz, 1995a, S. 218. 615 Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 24 Rdn. 6. 616 AK-Joester/Wegner, 2006, § 2 7 Rdn. 3; CalHess/Muller-Dietz, 2005, § 2 7 Rdn. 5; Kaiser/Schoch, 2002, S. 2 9 3 ; Knoche, 1987, S. 101; O L G Koblenz, ZfStrVo 1987, S. 305; groBziigiger jedoch O L G H a m m , NStZ 1989, S. 494 hinsichtlich terroristischer Gewalttater. 6i'7 B G H , JZ 1999, S. 259 ff (fur Besuchsraum einer Untersuchungshaftvollzugsanstalt).
5.4 Die Kommunikation mit der AuBenwelt
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Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG bei dem Inhaftierten nahe stehenden Besuchem zu interpretieren.^^^ Beispiel: In der Justizvollzugsanstalt S. wurden von Gefangenen ein Femsehapparat sowie einige Fensterscheiben zertrtimmert. Ein im Verdacht der Beteiligung hieran stehender Inhaftierter erhielt kurz nach dem Vorfall Besuch von seiner Freundin. Der Anstaltsleiter ordnete an, dass dieser Besuch akustisch zu iiberwachen sei, um hierdurch gegebenenfalls weitere Angaben zu der Sachbeschadigung zu erhalten. Das OLG Frankfurt^'^ sieht in diesem Sachverhalt nicht die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 S. 2 StVollzG als erftillt an, die zu einem solch einschneidenden Eingriff in den Personlichkeitsbereich sowohl des Inhaftierten als auch der Besucherin fiihren diirfen. Mit der von der Anstaltsleitung formulierten Erwartung sind zum einen noch keine konkreten tatsachlichen Anhaltspunkte dafiir gegeben, dass gerade das Gesprach zur Aufklarung des fraglichen Vorfalls dienlich sein konnte. AuBerdem ist „uberhaupt nichts dafur dargetan, dass die Kontrolle des Gesprachs mit der Freundin unerlasslich ist, um Sicherheit und Ordnung der Anstalt zu gewahrleisten. Insoweit sind gerade hier hohe Anforderungen zu stellen, weil bei dem Besuch einer Freundin hochstpersonliche Umstande zur Sprache kommen, die grundsatzlich dem Schutz des Personlichkeitsrechtes nach Art. 2 Abs. 1 GG unterliegen."^^^ Wegen des Erfordemisses einer durch konkrete Anhaltspunkte belegten Unerlasslichkeit der Gesprachsiiberwachung scheidet deren generelle Anordnung durch die Anstaltsleitung fiir alle Besuche oder fur bestimmte Besuchergruppen (z.B. ehemalige Inhaftierte) aus.^^* 5.4.2.4 Besuchsabbruch Eine schwerwiegende Beschrankung des Besuchsrechtes liegt in der MaBnahme 512 des Besuchsabbruchs nach § 27 Abs. 2 StVollzG. Dieser darf erfolgen, wenn Besucher oder Gefangener gegen Vorschriften des StrafvoUzugsgesetzes oder aufgrund dieses Gesetzes erlassene Anordnungen (z.B. in einer Hausordnung getroffene Regelungen, wonach bestimmte Sachen oder verschliisselte Nachrichten nicht libergeben v^erden diirfen) verstoBt. Vorausgehen muss dem Abbruch als milderes Mittel zunachst eine (gegebenenfalls wiederholte) Abmahnung, die nur unterbleiben kann, v^enn ein sofortiger Abbruch unerlasslich ist. Fiir den Besucher stellt die unbefugte Ubermittlung von Sachen oder Nachrichten an oder von einem Inhaftierten gem. § 115 Abs. 1 Nr. 1 OWiG eine Ordnungsv^idrigkeit dar, die mit einer GeldbuBe geahndet wird. Nur mit Erlaubnis diirfen beim Besuch Gegenstande iibergeben v^erden (§ 27 Abs. 4 S. 1 StVollzG).
618
OLGNumberg, ZfStrVo 1993, S. 56; Hirsch, 2003, S. 143 I OLG Frankfurt, ZfStrVo 1990, S. 186 f 620 OLG Frankfurt, ZfStrVo 1990, S. 187. 621 OLG Koblenz, NStZ 1988, S. 382. 619
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5.4.2.5 Verteidigerbesuche 513 Ohne Beschrankungen in Zeit und Haufigkeit sind nach § 26 S. 1 StVollzG Besuche von Verteidigem, Rechtsanwalten und Notaren zu gestatten. Auch diese konnen gem. § 26 S. 2 i.V.m. § 24 Abs. 3 StVollzG allerdings von einer vorherigen Durchsuchung abhangig gemacht werden. Eine Durchsuchung durch bloBen Einsatz eines Metalldetektors vor Betreten einer Anstalt mit hochster Sicherheitsstufe verstoBt ebenso wenig gegen die Berufsfreiheit eines Rechtsanwalts wie gegen dessen Menschenwiirde.^^^ Fiir die Notwendigkeit einer korperlichen Durchsuchung miissen allerdings konkrete Anhaltspunkte gegeben sein.^^^ Eine besondere Stellung im Rahmen der Besuchsregelungen nimmt der Verteidiger des Gefangenen in Strafsachen ein. Seine Besuche werden nicht iiberwacht (§ 27 Abs. 3 StVollzG). Die von ihm mitgeftihrten Schriftstiicke und sonstigen Unterlagen darf die Anstalt grundsatzlich nicht inhaltlich iiberpriifen (§ 26 S. 3 StVollzG). Das Durchblattern von Handakten des Verteidigers durch VoUzugsbedienstete ist selbst dann unzulassig, wenn es nur im Hinblick auf verborgene Gegenstande erfolgen soll.^^"^ Dem Verteidiger kann auch die Mitnahme eines Notebooks zum Mandantengesprach nicht verwehrt werden, wenn die dafur erforderlichen Unterlagen darauf gespeichert sind.^^^ Im Gegensatz zum Besuch von Rechtsanwalten und Notaren, bei denen die tJbergabe von Anwaltspapieren zur Erledigung einer den Gefangenen betreffenden Rechtsangelegenheit von einer Erlaubnis abhangig gemacht werden kann, bleiben die bei einem Verteidigerbesuch iibergebenen Schriften erlaubnisfrei (§ 27 Abs. 4 S. 2 StVollzG). Jedoch darf der Gefangene auch nach einem Treffen mit seinem Verteidiger mitsamt den von ihm mitgeftihrten Unterlagen (z.B. Aktenordner) nach § 84 StVollzG durchsucht werden, wenn Gegenstand dieser Suche nicht Schriftstiicke der Verteidigung sind.^^^ 514 Hinsichtlich der vom Verteidiger mitgeftihrten sowie der von ihm bei einem Anstaltsbesuch zu iibergebenden Schriftstiicke und Unterlagen verweisen § 26 S. 4 bzw. § 27 Abs. 4 S. 3 StVollzG auf § 29 Abs. 1 S. 2 und 3 StVollzG. Unter den dort bezeichneten Voraussetzungen sind bei den nach § 129a StGB - auch i.V.m. § 129b Abs. 1 StGB - wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung verurteilten Gefangenen §§ 148 Abs. 2 und 148a StPO entsprechend anzuwenden. Damit kann nicht nur die Ubergabe der Schriftstiicke von einer vorherigen richterlichen Kontrolle abhangig gemacht werden. Es gilt auch die Trennscheibenregelung des § 148 Abs. 2 S. 3 StPO. Danach „sind fiir das Gesprach zwischen dem Beschuldigten und dem Verteidiger Vorrichtungen vorzusehen, die die Ubergabe von Schriftstiicken und anderen Gegenstanden ausschlieBen." Auch in den Fallen der §§ 129a, 129b Abs. 1 StGB darf zu Zwecken eines ungestorten Kontaktes zwischen Verteidiger und Inhaftiertem der Besuch aber weder optisch noch akustisch
622 O L G N u m b e r g , StrVert 2002, S. 669.
623 OLG Niimberg, StrVert 2004, S. 389; siehe auch Calliess, 2002, S 675 ff 624 O L G Niimberg, StrVert 2004, S. 389. 625 B G H , N J W 2004, S. 457.
626 O L G Karlsruhe, ZfStrVo 1993, S. 118.
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iiberwacht werden, sondem nur eine Tremiung durch mechanisch-technische Hilfsmittel erfolgen. Bei Verteidigerbesuchen bleibt der Einsatz einer Trennscheibe iiber den Kreis der nach § 129a StGB - auch i.V.m. § 129b Abs. 1 StGB - verurteilten Gefangenen hinaus prinzipiell unzulassig. Er kaiin auch nicht damit begriindet werden, es soUe ein Missbrauch des Verteidigerbesuchs zu verteidigungsfremden Zwecken erfolgen (z.B. IJbermittlung geheimer Nachrichten durch den Verteidiger).^^'^ Ausnahmsweise kann die Anordnung eines Trennscheibeneinsatzes jedoch zum Schutz des Verteidigers vor einer gegen ihn gerichteten schweren Straftat auf die Rechtsgrundlage des § 4 Abs. 2 S. 2 StVoUzG gestiitzt werden. Beispiel: Der Strafgefangene G verbiiBt in der Justizvollzugsanstalt B eine mehrjahrige Freiheitsstrafe mit anschlieBender Sicherungsverwahrung. Er ist verurteilt u.a. wegen versuchter rauberischer Erpressung in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub und gefahrHcher Korperverletzung. G kiindigte in der Haft an, er wolle Juristen toten. In einem Schreiben an den Ministerprasidenten des Bundeslandes, in dem seine Haftanstalt Hegt, verlangte G, die gegen ihn angeordnete strenge Einzelhaft und andere MaBnahmen aufzuheben. Ansonsten wolle er den ihm in Strafprozesssachen beigeordneten „Zwangspflichtverteidiger" als Geisel nehmen und toten. In einem weiteren Brief deutete G an, aus dem Justizvollzug, gegebenenfalls mittels einer Geiselnahme, ausbrechen zu wollen. Der Leiter der Justizvollzugsanstalt B ordnete daraufhin an, dass Verteidigerbesuche bei G in einem Trennscheibenbesuchsraum durchzufuhren sind. Der BGH^^^ hat festgestellt, dass fur den zu beurteilenden Sachverhalt die Normierung des Trennscheibeneinsatzes nach §§27 Abs. 3, 4, 29 Abs. 1 S. 2 StVollzG i.V.m. § 148 Abs. 2 S. 3 StPO keine besondere Regelung enthah und deshalb § 4 Abs. 2 S. 2 StVollzG als Ermachtigungsgrundlage anwendbar ist: „Der Einsatz der Trennscheibe dient zur Aufrechterhaltung der Sicherheit i.S.v. § 4 Abs. 2 S. 2 StVollzG. Darunter ist auch die Sicherheit der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten des Verurteilten wahrend des Vollzugs zu verstehen. Dafur spricht schon der Wortlaut der Vorschrift. Sie trennt namlich den Begriff Sicherheit von der Anstaltsordnung und verwendet nicht die sonst tibliche Formulierung Sicherheit oder Ordnung der Anstalt. Nur mit einem solchen Verstandnis der Vorschrift wird auch der Verpflichtung der Vollzugsbeamten Rechnung getragen, strafbare Handlungen der Gefangenen zu unterbinden. Eine solche Pflicht ergibt sich schon aus dem in § 2 S. 2 StVollzG vorgegebenen Sicherungsaspekt des Strafvollzugs ... Der Einsatz einer Trennscheibe widerspricht auch nicht dem Grundsatz der VerhaltnismaBigkeit. Der Beschwerdefuhrer hat in der hier zu beurteilenden besonderen Situation sein Interesse an einer effektiven Verteidigung selbst so stark verringert, dass der Schutz der Freiheit und der korperlichen Unversehrtheit des Verteidigers und der Sicherheit der Allgemeinheit vor Straftaten in der Vollzugsanstalt von der Rechtsordnung weit hoher zu bewerten sind als seine verbliebenen Verteidigungsinteressen. Der von der Vollzugsbehorde angeordnete Einsatz der Trennscheibe ist geeignet, die vom Beschwerdefuhrer ausgehende Gefahr zu beseitigen. Der Eingriff ist auch erforderlich. Ein milderes Mittel mit gleicher Eignung steht nicht zur Verfugung."^^^
627 OLG Ntimberg, StrVert 2001, S. 39. 628 BGH, NJW 2004, S. 1398 ff 629 BGH, NJW 2004, S. 1399; siehe dazu auch Arloth, 2005a, S. 108 ff; Beulke/Swoboda, 2005, S. 67 ff
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5.4.2.6 Trennscheibe bei Privatbesuchen 515 In der Praxis kommt es auch zum Einsatz der Trennscheibe bei Privatbesuchen. Damit stellt sich die Frage der Zulassigkeit des Trennscheibeneinsatzes iiber den Kreis der nach § 129a bzw. 129b Abs. 1 StGB verurteilten Strafgefangenen und die Besuchergruppe der Verteidiger hinaus. In Rechtsprechung und Lehre werden hierzu divergierende Ansichten vertreten. Die RechtmaBigkeit der Verwendung von Trennscheiben bei Privatbesuchen wird nach einer Auffassung auf § 27 Abs. 1 StVollzG gestiitzt.^^^ Danach darf ein Anstaltsbesuch (ausgenommen Verteidigerbesuche gem. § 27 Abs. 3 StVollzG) bei konkreten Anhaltspunkten fiir das Vorliegen der Gefahrdung der Behandlung bzw. der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt iiberwacht werden. Als Mittel sollen nicht nur optische und akustische Uberwachung in Betracht kommen. Vielmehr konnen auch andere MaBnahmen getroffen werden, welche den Uberwachungszweck erfiillen, d.h. insbesondere zur Abwehr von Gefahren fiir die Anstaltssicherheit und -ordnung geeignet sind. Es bleibt nach dieser vor allem in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht „der Vollzugsbehorde liberlassen, nach pflichtgemaBem Ermessen im Einzelfall zu entscheiden, ob sie zur Erfiillung des gesetzlichen tJberwachungsauftrages nach § 27 Abs. 1 S. 1 StVollzG sich mit der Sichtkontrolle begniigt oder andere, technisch-bauliche Mittel einsetzt. Ein wirksames Uberwachungsmittel dieser Art ist die Trennscheibe. Bei der Anordnung hat die Vollzugsbehorde den Grundsatz der VerhaltnismaBigkeit (§81 Abs. 2 StVollzG) zu beachten". ^^^ Diese die RechtmaBigkeit des Trennscheibeneinsatzes auf § 27 Abs. 1 StVollzG stiitzende Ansicht betont allerdings, dass an die VerhaltnismaBigkeit einer Verwendung bei Privatbesuchen besonders strenge Anforderungen zu stellen sind, wenn das Grundrecht des Art. 6 Abs. 1 GG betroffen und der Einsatz fiir einen langeren Zeitraum geplant ist.^^^ 516
So halt das Bundesverfassungsgericht^^^ den Einsatz einer Trennscheibe selbst bei Ehegattenbesuchen zur Verhinderung der Ubergabe nicht genehmigter Gegenstande fur zulassig. Voraussetzungen einer Trennscheibenverwendung sollen sein: - Konkrete Anhaltspunkte fur das Vorliegen einer realen Gefahrdung der Sicherheit der Anstalt. - Priifung der Erforderlichkeit fur jeden einzelnen Besuch im Blick auf die jeweils gegebene Besuchssituation. Eine Anordnung fur einen Zeitraum, in den mehrere Besuche derselben Person fallen konnen, ist gerechtfertigt, wenn eine schnelle Anderung der Gefahr begrtindenden Umstande ausgeschlossen erscheint. Dies gilt selbst fur Ehegattenbesuche. - Bei einem langerfristigen Trennscheibeneinsatz oder bei einem Einsatz im Anschluss an eine vorangegangene Untersagung von Besuchen sind die Sicherheitsbedenken bei Ehegatten wegen des belastenden Grundrechtseingriffs besonders sorgfaltig zu prtifen. Konnen diese nicht ausgeraumt werden, ist zu weniger einschneidenden Sicherheitsvorkeh^30 BVerfG, ZfStrVo 1994, S. 304; KG, NStZ 1984, S. 94; KG, NStZ 1995, S. 104; OLG Hamm, ZfStrVo 1993, S. 309; Arloth, 2005a, S i l l . 631 OLG Hamm, ZfStrVo 1993, S. 309. 632 Dazu Hirsch, 2003, S. 146 f
633 BVerfG, ZfStrVo 1994, S. 304 ff
5.4 Die Kommunikation mit der AuBenwelt
281
rungen (Durchsuchungen, andere Uberwachungsformen) iiberzugehen, wenn diese unter zumutbarer Inanspmchnahme der sachlichen und personellen Ausstattung der Anstalt durchfiihrbar und mit dem Verhalten des Gefangenen solchen Vorkehrungen gegentiber vereinbar sind. Eine Gegenansicht halt den Einsatz einer Trennscheibe iiber den Kreis der nach 517 § 129a StGB verurteilten Gefangenen i.S.d. § 29 Abs. 1 S. 2 und 3 StVoUzG hinaus sowohl bei Verteidiger- als auch bei Privatbesuchen fiir unzulassig.^^"^ Zum einen scheide § 27 Abs. 1 StVollzG als Rechtsgrundlage aus, well diese Norm bei Privatbesuchen die gesetzlichen tJberwachungsmoglichkeiten auf die optische und akustische Kontrolle begrenze. Zum anderen kommt ein Ruckgriff auf § 4 Abs. 2 S. 2 StVollzG danach nicht in Betracht, weil der Gesetzgeber einerseits in den §§24 bis 27 StVollzG die Materie der Kontakteinschrankungen und SicherheitsmaBnahmen fur Privatbesuche ebenso abschlieBend geregelt habe wie andererseits mit §§ 27 Abs. 4 S. 2 und 3, 29 Abs. 1 S. 2 und 3 StVollzG den Bereich fiir eine Trennscheibenanordnung im Strafvollzug.^^^ Es verbleibe deshalb fiir einen Riickgriff auf die Ultima-Ratio-Klausel des § 4 Abs. 2 S. 2 StVollzG als Ermachtigungsgrundlage fiir eine Trennscheibenanordnung bei Privatbesuchen kein Raum.^^^ Die Verwendung der Trennscheibe kann keine Besuchsiiberwachung im Sin- 518 ne des Wortlauts des § 27 Abs. 1 StVollzG darstellen.^^^ Besucher und Besuchter werden dabei weder optisch noch akustisch kontrolliert, die von § 27 Abs. 1 StVollzG ausdriicklich zugelassenen Uberwachungsarten vielmehr durch ein technisch-mechanisches Mittel ersetzt.^^^ Dessen Einsatz kommt jedoch bei Privatbesuchen als minder schwerer Eingriff in die Rechte des Betroffenen nur in Betracht, wenn seitens der Anstaltsleitung anderenfalls als einschneidenderes Mittel ein Besuchsverbot nach § 25 StVollzG ausgesprochen werden miisste.^^^ 5.4.2.7 Kontaktsperre Uber die im Strafvollzugsgesetz normierten Einschrankungen des Rechts auf 519 Empfang von Besuchen und des freien Schriftverkehrs hinaus kann unter den Voraussetzungen der §§31 ff. EGGVG eine zeitlich begrenzte Kontaktsperre im Justizvollzug verhangt werden.^"^^ Es miissen hierfiir eine gegenwartige Gefahr fiir Leib, Leben oder Freiheit einer Person bestehen und bestimmte Tatsachen den Verdacht begriinden, dass die Gefahr von einer terroristischen Vereinigung ausgeht. Dann kann der schriftliche und miindliche Kontakt eines Gefangenen mit
634 Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 4 Rdn. 2 1 , § 27 Rdn. 9. 635 Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 4 Rdn. 2 1 , § 2 7 Rdn. 2, 9; siehe auch BGHSt. 30, S. 38 ff
636 637 638 639 640
A.A. Hoflich/Schriever, 2003, S. 98. Ebenso Bohm, 2003, S. 141. So auch Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 4 Rdn. 2 1 . Laubenthal,2006, S. 91. Zur Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz siehe BVerfGE 49, S. 24.
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5 Der Vollzugsablauf alslnteraktionsprozess
seinem Verteidiger, mit sonstigen AuBenstehenden sowie zu Mitgefangenen unterbrochen werden.^"*^ GemaB § 31 S. 2 EGGVG darf eine solche Kontaktsperre nur fiir Inhaftierte verhangt werden, die eine Freiheitsstrafe wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung gem. § 129a StGB - auch i.V.m. § 129b Abs. 1 StGB - oder wegen einer in dieser Norm bezeichneten Straftat verbiiBen, gegen die ein Haftbefehl wegen einer solchen Tat besteht oder die sich wegen eines anderen Delikts in Haft befinden und gegen die der dringende Verdacht vorliegt, dass sie diese Tat im Zusammenhang mit einer solchen nach § 129a StGB begangen haben.
5.4.3 Partnerbesuche mit Sexualkontakten 520 Das Strafvollzugsgesetz auBert sich zu der Frage einer Zulassigkeit von Sexualkontakten beim Besuch von Ehepartnem nicht. Damit schlieBt es solche sog. Intimbesuche im Rahmen von Langzeitbesuchen einerseits nicht aus, gibt andererseits aber dem Inhaftierten auch keinen Rechtsanspruch darauf.^'^^ Auch der oder die Strafgefangene bedarf jedoch wie jeder andere Mensch Zuwendungen seelischer und korperlicher Art in ihren verschiedenen Ausdrucksweisen. Dabei bedeutet Sexualitat nicht nur geschlechtliche Kontakte, sondem auch emotionale Interaktion. Die emotionale und sexuelle Deprivation stellt fiir mannHche wie fiir weibliche Gefangene einen wesentlichen Stressfaktor dar und wirft gerade fiir Langzeitinhaftierte enorme Probleme auf. Untersuchungen haben bei Letzteren die besondere Bedeutung des Verlustes entsprechender Kontakte als die gravierendste Beeintrachtigung des Strafvollzugs aufgezeigt.^"^^ Den Insassen bietet sich in der Isolation des Strafvollzugs kaum die Chance, die unbewussten Triebkrafte in naturlicher Weise auszuleben oder sie zu sublimieren. Zwar ist der Entzug heterosexueller Beziehungen durch die Urlaubs- und Ausgangsbestimmungen der §§11 und 13 StVoUzG sowie durch die Moglichkeit der Unterbringung im offenen Vollzug nach § 10 Abs. 1 StVollzG entscharft worden. Wer fur diese Arten der Vollzugsgestaltung jedoch (noch) nicht in Betracht kommt bzw. wer als zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe Verurteilter zunachst gem. § 13 Abs. 3 StVollzG grundsatzlich zehn Jahre verbiiBt haben muss, um eine Urlaubsgewahrung zu bekommen, der muss heterosexuellen Beziehungen einen GroBteil seiner Inhaftierung lang entsagen. Er verliert damit eine Bezugsperson, die auch fur die Bestatigung als Mann oder als Frau bedeutsam ist. Die sexuelle Deprivation hat deshalb regelmaBig Ersatzhandlungen insbesondere auf der subkulturellen Ebene zur Folge. Es werden aktive oder passive homosexuelle Rollen iibernommen, gleichgeschlechtliche Beziehungen eingegangen, die zusatzliche Belastungen bedingen. 521
Eine Zulassung von Besuchen der Ehepartner, verbunden mit Moglichkeiten zu einem ungestorten und unbeobachteten Zusammensein, erscheint nicht nur im 6^1 Dazu Kissel/Mayer, 2005, §31 EGGVG Rdn. 28 ff; Meyer-GoBner, 2006, §31 EGGVG Rdn. 4. 6^2 BVerfG, NStZ-RR 2001, S. 253; OLG Koblenz, NStZ 1998, S. 398; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2004, S. 60; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2006, S. 154. 6^3 Siehe Flanagan, 1980, S. 219; Laubenthal, 1987, S. 164 ff; Richards, 1978, S. 167.
5.4 Die Kommunikation mit der AuBenwelt
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Hinblick auf den Gegensteuerungsgrundsatz des § 3 Abs. 2 StVoUzG angebracht, sondem dient auch einer Angleichung der Lebensverhaltnisse i.S.d. § 3 Abs. 1 StVoUzG. Die Chancen fiir eine Fortdauer der Partnerschaft werden erhoht und damit diejenigen einer gelungenen Wiedereingliederung im Sinne des Vollzugszieles. Hinzu kommt die Verpflichtung des Staates zum besonderen Schutz von Ehe und Familie gem. Art. 6 Abs. 1 GO, die sich auch auf von Inhaftierung betroffene Ehen erstrecken muss. Fiir Langzeitgefangene ist deshalb aus Art. 6 Abs. 1 GG ein Anspruch auf die Ermoglichung von Sexualkontakten herzuleiten.^"*"^ Eine ehefreundliche Gestaltung des Strafvollzugs trifft jedoch bei groBen Tei- 522 len der Bevolkerung und auch bei Vollzugsbediensteten auf Unverstandnis; die sexuelle Deprivation wird gerade als ein mit der Freiheitsstrafe zwangslaufig verbundenes und notwendiges tJbel akzeptiert.^"^^ Allerdings kommt es auch in Deutschland in einigen Vollzugseinrichtung zur Durchfiihrung von Langzeitbesuchen^^6 als Sonderfall des § 24 Abs. 2 StVollzG^^^ mittels derer die Tragfahigkeit eheUcher - und sonstiger famiUarer - Beziehungen gefordert werden soil. Schon Ende der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts wurde in einigen Bundesstaaten Nordamerikas die Moglichkeit der „conjugal visits" eingefuhrt. Die Besuche der Ehepartner fanden dabei fur mehrere Stunden uniiberwacht in separaten Besuchshausem, teilweise aber auch in auf dem Anstaltsgelande abgestellten Wohnwagen statt.^^^ Eine 1975 durchgefuhrte Untersuchung ergab eine hohe Korrelation zwischen dem Empfang ehelicher Besuche und der Stabilitat der Ehen sowie der Bewahrung nach der Entlassung. Inhaftierte, die regelmaBig Besuche ihrer Ehepartner bekamen, wurden weit weniger riickfallig als andere Gefangene; ihre Ehen blieben stabiler.^"^^ Langzeitbesuche finden seit 1984 in der fur den Langstrafenvollzug zustandigen Justizvollzugsanstalt Bruchsal (Baden-Wiirttemberg) statt.^^^ Dort wird in der Kegel pro Monat ein Langzeitbesuch genehmigt; eine Anrechnung auf die Regelbesuchszeit des § 24 Abs. 1 StVollzG erfolgt nicht. Langzeitbesuche gibt es z.B. auch in den Justizvollzugsanstalten Werl und Geldem (Nordrhein-Westfalen). In Geldem^^^ konnen seit 1990 Strafgefangene einmal monatlich ihre Familien, Ehepartner, Kinder oder Verlobten in eigens dafur ausgestatteten Raumlichkeiten empfangen. In die Besuchsraume gelangen die Angehorigen iiber einen separaten Zugang. Eine 1993 in Geldem durchgefuhrte Studie^^^ iiber die Auswirkungen von Langzeitbesuchen machte eine positive Bewertung dieser BehandlungsmaBnahme durch Inhaftierte und Angehorige deutlich. Hervorgehoben wurde eine neue Beziehungsqualitat infolge der Ermoglichung der elementaren Bediirfnisse nach Zuneigung und Zartlichkeit. Die Betroffenen konstatierten auch eine bewusstere Wahmehmung von Krisen und Beziehungsstorungen. Als problematisch erweist sich in der Praxis die Regelung des zu Langzeitbesuchen zuzulassenden Personenkreises. Da diese Kontaktform auf Art. 6 Abs. 1 GG gestiitzt wird, 644 645 646 647 648 649 650
AK-Joester/Wegner, 2 0 0 6 , § 2 4 R d n . 2 5 ; Calliess/Miiller-Dietz, 2 0 0 5 , § 2 7 R d n . 8. Koepsel, 1989, S. 153. Dazu eingehend Rosenhayn, 2004, S. 122 ff O L G Stuttgart, ZfStrVo 2004, S. 5 1 ; O L G Karlsruhe, N S t Z - R R 2 0 0 6 , S. 154. D a z u K n o c h e , 1987, S. 130 ff; Neibecker, 1984, S. 3 3 9 . Burstein, 1977, S. 9 1 . Siehe hierzu Preusker, 1989, S. 147 ff; Stockle-Niklas, 1989, S. 245 ff
651 Dazu Meyer H., 1991, S. 220 ff 652 Buchert/Mettemich/Hauser, ZfStrVo 1995, S. 2 6 3 .
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
blieb sie bislang iiberwiegend auf Familienangehorige beschrankt. Dies birgt aber die Gefahr, dass EheschlieBungen erfolgen, nur um moglichst rasch Langzeitbesuche und damit Sexualkontakte gestattet zu bekommen.^^^ Da jedoch eine generelle Beschrankung auf Ehepartner ermessensfehlerhaft ware, konnen auch unverheiratete Gefangene Langzeitbesuche von Verlobten oder Lebenspartnem genehmigt erhalten.^^"* Die Vollzugsbehorde darf allerdings die Zulassung einer auBerehelichen Lebensgefahrtin eines verheirateten Gefangenen zum Langzeitbesuch dann ermessensfehlerfrei ablehnen, wenn Anhaltspunkte dafiir bestehen, dass die Ehe noch substantiellen Bestand hat und nicht nur auf dem Papier besteht.^^^ 523
Wesentliche Voraussetzung fiir eine Zulassung von Langzeitbesuchen ist deren menschenwiirdige Gestaltung.^^^ Zum einen muss eine akustische und optische Besuchsiiberwachung nach § 27 Abs. 1 StVollzG ausgeschlossen bleiben.^^^ Zum anderen darf der Besuch ferner nicht zu einer Entwiirdigung des Partners fuhren. Es sind deshalb entsprechende Raumlichkeiten einzurichten, deren Zugang bereits fur die Mitgefangenen uneinsehbar bleibt. Angesichts der bei der Ermoglichung von Sexualkontakten innerhalb der Strafanstalt erforderlichen hohen Sensibilitat fur die Betroffenen und die Situation sollte die Gestattung solcher Langzeitbesuche auf diejenigen Inhaftierten des geschlossenen VoUzugs beschrankt bleiben, denen kein Ausgang oder Hafturlaub gewahrt werden kaim.
5.4.4 Vollzugslockerungen 524 Nach § 11 Abs. 1 StVollzG kann die Vollzugsbehorde Lockerungen des Vollzugs anordnen, weim keine der in § 11 Abs. 2 StVollzG benannten Ausschlussgriinde vorliegen und wenn der Inhaftierte durch die Gewahrung in der VoUzugszielerreichung gefordert wird. Vollzugslockerungen sind keine bloBen Vergiinstigungen oder Belohnungen fiir ein aus der Sicht der Institution erwiinschtes Wohlverhalten, sondem als BehandlungsmaBnahmen (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 7 StVollzG) Bestandteil der Vollzugsgestaltung.^^^ Sie dienen sowohl der Aufrechterhaltung und Schaffung sozialer AuBenweltkontakte und Bindungen als auch einer realitatsnahen Durchfiihrung von BehandlungsmaBnahmen auBerhalb der Einrichtung mit dem Ziel einer Reduzierung schadlicher Auswirkungen des Anstaltsaufenthalts sowie einer besseren gesellschaftlichen Integration der Betroffenen.
6^2 Preusker, 1989, S. 149; Stockle-Niklas, 1989, S. 2 5 1 ; siehe auch Rosenhayn, 2004,
S. 152 f 654 655 656 657 658
Kaiser/Schoch, 2002, S. 2 9 1 . O L G H a m m , N S t Z - R R 2000, S. 95. Rosenhayn, 2004, S. 167 ff Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 27 Rdn. 6. Schwind/Bohm/Jehle/Ullenbruch, 2005, § 11 Rdn. 1.
5.4 Die Kommunikation mit der AuBenwelt
285
5.4.4.1 Lockerungsarten Der in § 11 Abs. 1 StVollzG angefiihrte Katalog von VoUzugslockenmgen um- 525 fasst: - AuBenbeschaftigung, - Freigang, - Ausfiihrung, - Ausgang. Das Gesetz differenziert zwischen Lockerungen mit (AuBenbeschaftigung, Ausfiihrung) und ohne (Freigang, Ausgang) Aufsicht eines Vollzugsbediensteten. Die Aufzahlung des § 11 Abs. 1 StVollzG ist jedoch nicht abschlieOend („namentlich"), so dass auch andere zur Durchfiihrung extemer BehandlungsmaBnahmen erforderliche Lockerungsmoglichkeiten in Betracht kommen (z.B. Teilnahme an Wochenendseminaren und -lehrgangen, Ferienlager, Gruppenausgang, Begleitung durch ehrenamtliche Vollzugshelfer^^^). Gemeinsam ist alien VoUzugslockerungen des § 11 StVollzG, dass die Anstaltsleitung - im Gegensatz zum Hafturlaub gem. § 13 StVollzG - dem Gefangenen die Ausgestaltung der Lockerung nach Inhalt, Zielsetzung sowie Art und Weise der Durchfiihrung vorgibt und diese nicht dem Betroffenen selbst iiberlassen bleibt.^^^ Vollzugslockerungen bedeuten keine Unterbrechung der StrafvoUstreckung. Der Gefangene unterliegt weiterhin den besonderen, in der Freiheitsstrafe begriindeten Begrenzungen, weshalb die Vollzugsbehorde eine unmittelbare Zugriffsmoglichkeit auf den Betroffenen haben muss. Es konnen daher prinzipiell keine Vollzugslockerungen fiir einen Aufenthalt auBerhalb des Geltungsbereichs des Strafvollzugsgesetzes gewahrt werden.^^* Im Hinblick auf den Schutz von Tatigkeiten im freien Beschaftigungsverhaltnis durch die europaischen Grundfreiheiten erscheint es allerdings im Einzelfall denkbar, die Gestattung einer solchen Tatigkeit - die notwendigerweise das Verlassen der Anstalt voraussetzt^^^ - auch auf das Ausland zu erweitern.^^^ (1) AuBenbeschaftigung Bei der AuBenbeschaftigung des § 11 Abs. 1 Nr. 1 1 . Alt. StVollzG geht der Ge- 526 fangene unter Aufsicht eines Vollzugsbediensteten einer regelmaOigen Tatigkeit auOerhalb der Anstalt nach. In der Praxis handelt es sich dabei vor allem um Verrichtungen im Rahmen der Arbeitspflicht des § 41 StVollzG in Unternehmerbetrieben, wobei die Entlohnung im offentlich-rechtlichen Verhaltnis nach § 43 StVollzG erfolgt. Dariiber hinaus kommen als Beschaftigung (Aus-)Bil^^9 AK-Lesting, 2006, § 11 Rdn. 28. ^^° CalHess/Muller-Dietz, 2005, § 11 Rdn. 2. 66* OLG Celle, NStZ-RR 2002, S. 157; Arloth/Luckemann, 2004, § 11 Rdn. 2; anders Szczekalla, 2002, S. 326. 662 DazuKap. 5.3.1.3. ^^^ Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, § 39 Rdn. 12.
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
dungsmaBnahmen, sportliche Betatigungen usw. in Betracht. Entscheidend fiir die Zuordnung ist die regelmaBige Teilnahme an einem fortlaufenden Programm, nicht von Bedeutung dagegen, ob die Tatigkeit in der Arbeits- oder der Freizeit stattfmdet.^^^ (2) Freigang 527 Die in § 39 Abs. 1 und 2 StVoUzG normierten extemen Beschaftigungsarten werden zumeist mit dem Freigang verbunden (§11 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. StVoUzG). Unter dieser Vollzugslockerung versteht man eine regelmaBige Tatigkeit auOerhalb der Anstalt ohne Beaufsichtigung durch einen Vollzugsbediensteten. Die fiir eine AuBenbeschaftigung moglichen Betatigungen konnen auch im Wege des Freigangs erfolgen. Beachtet werden muss beim Freigang, dass einerseits zwischen der Gestattung der Beschaftigung und der Gewahrung von Freigang genau zu differenzieren ist und die jeweiligen Voraussetzungen gesondert zu priifen sind, andererseits beide MaBnahmen aber in einem sachlich und rechtlich unmittelbaren Zusammenhang stehen.^^^ Denn es gibt im geschlossenen Vollzug keinen abstrakten Freigangerstatus oder eine generelle Freigangereignung an sich^^^, die schon mit dem Freigangersein verbundene Vergiinstigungen nach sich ziehen.^^"^ Die Zulassung als Freiganger kann - abgesehen vom Freigangerstatus i.S.d. § 15 Abs. 4 StVollzG^^^ - grundsatzlich nicht von einem konkreten Beschaftigungsverhaltnis abgekoppelt werden.^^^ Sie beschrankt sich vielmehr auf die Erlaubnis, der genehmigten Tatigkeit auBerhalb der Institution nachzugehen. Entfallt die Moglichkeit zur Ausiibung dieser Beschaftigung aus vom Freiganger nicht zu vertretenden Griinden (z.B. durch Kiindigung des Arbeitgebers, SchlieBung des Betriebes), dann erlischt damit auch die Gestattung des Freiganges.^"^^ Deren Widerruf ist dagegen bei vom Inhaftierten zu verantwortenden Umstanden nach § 14 StVoUzG^^^ zu beurteilen. 528 Eine Ausnahme von dieser engen Verkniipfung zwischen dem Bestehen eines Beschaftigungsverhaltnisses und der Vollzugslockerung des Freigangs kommt nur in Betracht, wenn der Gefangene sich bereits im offenen Vollzug befindet. Demi 664 AK-Lesting, 2006, § 11 Rdn. 13. 665 Dazu ausfuhrHch CalHess/Muller-Dietz, 2005, § 11 Rdn. 9. 666 CalHess/Miiller-Dietz, 2005, § 11 Rdn. 9; Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, §39 Rdn. 11. 667 Anders jedoch OLG Hamm, NStZ 1990, S. 607; KG, NStZ 1993, S. 100; AK-Lesting, 2006, § 1 1 Rdn. 25; Arloth/Luckemann, 2004, § 1 1 Rdn. 8; Schwind/Bohm/Jehle/ Ullenbruch, 2005, § 11 Rdn. 10. 668 Dazu untenKap. 5.10.2. ^^^ Begemann, 1991, S. 517 ff. 670 OLG Koblenz, ZfStrVo 1978, S. 18; Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 1 1 Rdn. 12; Schwind/Bohm/JehleAJllenbruch, 2005, § 11 Rdn. 10; a.A. AK-Lesting, 2006, § 11 Rdn. 25. 671 Dazu Kap. 5.4.6.
5.4 Die Kommunikation mit der AuBenwelt
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die Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 10 Abs. 1 StVollzG sowie die des Freigangs sind teilweise kongruent (insbesondere darf jeweils keine Fluchtoder Missbrauchsgefahr bestehen). Griindet im offenen Vollzug das Beschaftigungsende nicht auf einem Widerruf des Freigangs nach § 14 StVollzG durch die Anstaltsleitung, sondem auf extemen Ursachen, bleibt die Zulassung zum Freigang erhalten. Befindet sich ein im offenen Vollzug Untergebrachter auf der Suche nach einer extemen Beschaftigung, muss insoweit auch eine gesonderte Zulassungsentscheidung zum Freigang als erste Stufe moglich sein, um dem Betroffenen die Arbeitssuche zu erleichtern. Dieser folgt dann auf der zweiten Stufe die Genehmigung zur Ausiibung der gefundenen Beschaftigung.^'^^ (3) Ausfuhrung Wahrend AuBenbeschaftigung und Freigang eine regelmaBige exteme Beschafti- 529 gung ermoglichen soUen, geht es bei den Vollzugslockerungen des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StVollzG um Tatigkeiten, fiir die der Inhaftierte einzelfallbezogen die Anstalt for eine bestimmte Tageszeit verlassen kann. Bei der Ausfiihrung nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 1. Alt. StVollzG erfolgt dies unter Aufsicht eines Vollzugsbediensteten, der zur standigen Uberwachung des Gefangenen verpflichtet ist. Die Ausfuhrung kann nach §§88 und 90 StVollzG mit besonderen SicherungsmaBnahmen (z.B. Fesselung)^'^^ verbunden sein. Die Genehmigung einer Ausfiihrung darf nicht auf Falle von besonderer Dringlichkeit beschrankt bleiben.^'^'^ Schon die allgemeine psychische Verfassung eines Inhaftierten kann eine solche Vollzugslockerung als BehandlungsmaBnahme rechtfertigen.^^^ Die Ausfiihrung kommt als eine eigenstandige BehandlungsmaBnahme vor allem dann in Betracht, wenn bei einem Gefangenen die Voraussetzungen fiir die Gewahrung weiter gehender Vollzugslockerungen noch nicht vorliegen.^'^^ Gerade bei Langstrafigen eignet sie sich zur Vorbereitung und bei Zweifeln iiber eine Missbrauchsgefahr zur Erprobung im Hinblick auf eine erwogene Urlaubsgewahrung.^^^ Andererseits darf jedoch eine - z.B. wegen des noch zu verbiiBenden Iangen Strafi-estes und anderer Umstande - zu versagende Urlaubsgewahrung nicht zwangslaufig auch die Genehmigung einer Ausfuhrung ausschlieBen.^"^^ (4) Ausgang Auch der Ausgang i.S.d. § 11 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. StVollzG stellt eine eigenstan- 530 dige BehandlungsmaBnahme dar und dient nicht nur der Vorbereitung anderer Lockemngen. Ausgang ist das Verlassen der Anstalt ohne Aufsicht fiir eine be6^2 ^'73 6^4 6^5 6^6 6^^ 6^«
KG,NStZ1993,S. 100. Dazu Kap. 7.2.2. OLG Hamm, NStZ 1985, S. 189. OLG Frankfurt, NStZ 1984, S. 477. Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 11 Rdn. 13. KG,ZfStrVol989, S.374. OLG Frankfurt, NStZ 1989, S. 246.
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stimmte Tageszeit. Das Gesetz verlangt fiir dessen Gewahrung nicht das Vorliegen eines besonderen Grundes. Ein Ausgang kaiin auch in Begleitung einer zuverlassigen Person erfolgen. Dies geschieht in der Praxis vor allem bei langerstrafigen Gefangenen zur Vorbereitung weiter gehender Vollzugslockerungen. (5) Ausgang und Ausfuhrung aus wichtigem Anlass 531 Neben den in § 11 StVollzG normierten Vollzugslockerungen kennt das Gesetz noch den Ausgang und die Ausfuhrung aus wichtigem Anlass gem. § 35 StVollzG. Hierbei handelt es sich vor allem um familiare, berufliche oder andere Ereignisse, welche die private Sphare des Inhaftierten oder seine gesellschaftliche Eingliederung beriihren.^^^ Das Gesetz nennt insoweit beispielhaft eine lebensgefahrliche Erkrankung oder den Tod eines nahen Angehorigen. Wichtige Anlasse i.S.d. § 35 StVollzG sind etwa auch die Teilnahme an einer Priifung^^^ oder die EheschlieBung des Gefangenen.^^^ Neben personlichen Anlassen kommt zudem die Regelung geschaftlicher und rechtlicher Angelegenheiten in Betracht.^^^ Liegen die fiir einen solchen Ausgang notwendigen Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 StVollzG nicht vor, kann der Anstaltsleiter den Gefangenen auch ausfiihren lassen (§ 35 Abs. 3 StVollzG). Der Inhaftierte hat dann die Kosten dieser Ausfuhrung zu tragen, die er jedoch nicht aus seinem Hausgeld bestreiten muss.^^^ 532
Die Ausfuhrung aus besonderen Grunden nach § 12 StVollzG stellt im Gegensatz zu §§11 und 35 StVollzG keine Vollzugslockerung dar. Vielmehr wird die Anstaltsleitung durch diese Norm ermachtigt, auch ohne oder gegen den Willen des Inhaftierten diesen aus wichtigen Grunden (z.B. Ladung zu einem Gerichtstermin, notwendige arztliche MaBnahme) ausfiihren zu konnen. Steht eine Entweichungs- oder Missbrauchsgefahr nicht entgegen, kommt zur Wahrnehmung gerichtlicher Termine auch ein Ausgang oder eine Ausfuhrung nach § 36 StVollzG in Betracht. 5.4.4.2 Voraussetzungen einer Gewahrung
533 Eine Anordnung von Vollzugslockerungen gem. § 11 StVollzG setzt voraus: - auf der Tatbestandsseite der Norm • die Zustimmung des Inhaftierten, • keine mangelnde Eignung wegen Flucht- oder Missbrauchsgefahr, - auf derRechtsfolgenseite • eine fehlerfreie Ermessensentscheidung unter Abwagung der im Einzelfall fiir und gegen eine Lockerung sprechenden Umstande.
6^9 6^0 ^^^ ^«2 6^3
Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 35 Rdn. 1. O L G Karlsruhe, ZfStrVo 1988, S. 369. L G Bielefeld, NStZ 1992, S. 376. BT-Drs. 7/918, S. 62. O L G Frankfurt, NStZ 1991, S. 152.
5.4 Die Kommunikation mit der AuBenwelt
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(1) Tatbestandsseite GemaB § 11 Abs. 2 1. Halbs. StVollzG diirfen Vollzugslockerungen nur mit Zu- 534 stimmung des Gefangenen angeordnet werden. Der Gesetzgeber will hiermit dem Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen Rechnung tragen.^^"^ Wird eine erteilte Zustimmung zuriickgenommen, muss daher die Anordnung der Lockerung aufgehoben werden (VV Nr. 8 zu § 11 StVollzG). Im Gegensatz zur Unterbringung im offenen Vollzug (§ 10 Abs. 1 StVollzG)^^^ ist bei den Vollzugslockerungen des § 11 StVollzG das Zustimmungserfordemis angebracht. Denn der Inhaftierte wird etwa bei einer Ausfiihrung oder einer AuBenbeschaftigung von Vollzugsbeamten begleitet und dadurch in der Gesellschaft als Gefangener erkennbar. Neben der Zustimmung darf als Tatbestandsvoraussetzung fiir die Lockerungsgewahrung femer nicht zu befurchten sein, dass der Inhaftierte sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Lockerung des Vollzugs zu Straftaten missbrauchen werde (§11 Abs. 2 2. Halbs. StVollzG). Liegt eine solche Flucht- oder Missbrauchsgefahr vor, ist ein zwingender Versagungsgrund gegeben.^^^ Bei der Anwendung der Klausel hat die Vollzugsbehorde eine Prognoseent- 535 scheidung zu treffen.^^^ Aus zuriickliegenden und gegenwartigen Beobachtungen des Verhaltens eines Inhaftierten soil die Anstaltsleitung die Frage einer Fluchtabsicht oder eines Riickfalls mit ausreichender Sicherheit beantworten. Dabei verlangt § 11 Abs. 2 StVollzG jedoch keine Gewahr fiir eine positive Prognose; es darf nur eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr „nicht zu befiirchten" sein. Insoweit kann jedoch nicht jede noch so geringe Befiirchtung eine Lockerungsverweigerung bedingen. Zum einen bedarf es konkreter Hinweise auf eine nicht unerhebliche Gefahr.^^^ Zudem ist die Klausel des § 11 Abs. 2 StVollzG im Hinblick auf das Vollzugsziel und die Grundprinzipien des § 3 StVollzG zu interpretieren. Denn die Gewahrung von Vollzugslockerungen dient auch einer Vorbereitung des Gefangenen auf die Entlassung; das Bestehen der mit einer Riickkehr in die Freiheit verbundenen Belastungen und Schwierigkeiten wird schrittweise erprobt.^^^ Lasst der Gesetzgeber in Kenntnis der Tatsache, dass es bislang keine zuverlas- 536 sigen Kriterien gibt, um aus vergangenen und aktuellen Beobachtungen menschlichen Verhaltens eine Missbrauchswahrscheinlichkeit mit Sicherheit zu beurteilen, dennoch Lockerungen zu, dann akzeptiert er unter dem Aspekt einer besseren Sozialisation Inhaftierter ein gewisses Risiko.^^^ Da die Vollzugslockerungen erst auf das Gelingen einer bedingten Entlassung hinarbeiten, darf deshalb das bei § 11 Abs. 2 StVollzG einzugehende Risiko nicht hoher sein als das fiir eine Strafrestaussetzung zur Bewahrung nach § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB.^^* Danach muss das ^^^ Zur Problematik der Willensfreiheit in Unfreiheit siehe aber Amelung, 1983, S. 1 ff ^^5 DazuKap. 5.2.1. 686 BGHSt. 30, S. 324. 687 Zu den Prognosemethoden siehe Streng, 2002, Rdn. 619 ff 688 AK-Lesting, 2006, § 11 Rdn. 38,44. 689 Dazu Frisch, 1990, S. 748 ff 690 BVerfG, NStZ 1998, S. 430. 691 Kaiser/Schoch, 2002, S. 270; siehe auch Dunkel F., 1993, S. 665.
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Risiko unter Beriicksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortbar bleiben. Eine Heranziehung dieser in operationalisierbarer Weise formulierten Prognoseklausel im Rahmen der Entscheidung iiber die Gewahrung von Vollzugslockerungen ermoglicht die Eingehung einer sozialadaquaten geringen Restgefahr im Hinblick auf Folgedelikte. Denn die in ihr enthaltene „gleitende Skala"^^^ ermoglicht ein Abstellen auf Wahrscheinlichkeit und Umfang des Risikos weiterer Straftaten, welche in Art und Schwere dem Ausgangsdelikt entsprechen. Ebenso wie bei einer Strafrestaussetzung zur Bewahrung muss deshalb das in § 11 Abs. 2 StVoUzG verantwortbare Risiko umgekehrt proportional zur Schwere moghcher Missbrauche sein. Besteht insoweit eine konkretisierbare sozialinadaquate Gefahr, scheidet die Gewahrung einer Vollzugslockerung aus. Bleiben trotz Ausschopfung aller Beobachtungs- und Untersuchungsmoglichkeiten konkrete Zweifel an einer fiir § 11 Abs. 2 StVollzG hinreichend giinstigen Prognose und lassen sich diese auch nicht durch die Ausgestaltung der Lockerung (z.B. kurze Dauer, Erteilung von Weisungen nach § 14 Abs. 1 StVollzG) beheben, gehen sie zu Lasten des Inhaftierten und fiihren zur Vemeinung eines verantwortbaren Risikos. 537 Konkretisierungen zur Beurteilung der Flucht- und Missbrauchsgefahr durch die Anstaltsleitung enthalten die VV zu § 11 StVollzG: Nach VV Nr. 6 zu § 11 StVollzG sind AuBenbeschaftigung, Freigang und Ausgang ausgeschlossen bei Gefangenen, - die wegen in §§ 74a und 120 GVG genannter Straftaten in erster Instanz von einer Strafkammer oder vom Oberlandesgericht verurteilt wurden, - gegen die Untersuchungs-, Auslieferungs- oder Abschiebungshaft angeordnet ist, - gegen die eine vollziehbare Ausweisungsverfugung besteht und die aus der Haft abgeschoben werden sollen, - gegen die eine freiheitsentziehende MaBregel der Besserung und Sicherung oder eine sonstige Unterbringung gerichtlich angeordnet und noch nicht vollzogen ist. Ungeeignet wegen einer zu vermutenden Flucht- oder Missbrauchsgefahr sind nach VV Nr. 7 Abs. 2 zu § 11 StVollzG in der Regel Gefangene, - die erheblich suchtgefahrdet sind, - die wahrend des laufenden Freiheitsentzugs entwichen sind, eine Flucht versucht, einen Ausbruch untemommen oder sich an einer Gefangenenmeuterei beteiligt haben, - die aus dem letzten Urlaub oder Ausgang nicht freiwillig zurtickgekehrt sind oder bei denen zureichende tatsachliche Anhaltspunkte dafur gegeben sind, dass sie wahrend des letzten Urlaubs oder Ausgangs eine strafbare Handlung begangen haben, - gegen die ein Ausweisungs-, AusHeferungs-, Ermittlungs- oder Strafverfahren anhangig ist, - bei denen zu befurchten ist, dass sie einen negativen Einfluss ausiiben, insbesondere die Erreichung des Vollzugszieles bei anderen Gefangenen gefahrden wurden. Eine besondere Priifungspflicht sieht VV Nr. 7 Abs. 4 zu § 11 StVollzG vor: „Bei Gefangenen, gegen die wahrend des laufenden Freiheitsentzugs eine Strafe wegen grober Gewalttatigkeiten gegen Personen, wegen einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder wegen Handels mit Stoffen im Sinne des Gesetzes iiber den Verkehr mit Betaubungs692 Kunert, 1982,S.93.
5.4 Die Kommunikation mit der AuBenwelt
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mitteln voUzogen wurde oder zu vollziehen ist oder die im Vollzug in den begriindeten Verdacht des Handels mit diesen Stoffen oder des Einbringens solcher Stoffe gekommen sind, bedarf die Frage, ob eine Lockerung des Vollzuges zu verantworten ist, besonders grundlicher Priifung. Dies gilt auch fiir Gefangene, iiber die Erkenntnisse vorliegen, dass sie der organisierten Kriminalitat zuzurechnen sind." Diese VV fiihrt in der Praxis dazu, dass Betaubungsmitteldelinquenten bei der Gewahrung von Vollzugslockerungen deutlich benachteiligt werden, Gewalt- und Sexualstraftater im Gegensatz zu anderen Insassengruppen ihre erste Lockerung erst zu einem spateren Zeitpunkt erhalten.^^^
Die Verwaltungsvorschriften zu § 11 StVollzG erfassen als tatbestandsin- 538 terpretierende Auslegungsrichtlinien^^'* typische Fallkonstellationen^^^ mit einer erhohten Flucht- oder Missbrauchsgefahr. Zwar lassen VV Nr. 6 Abs. 2 und Nr. 7 Abs. 3 zu § 11 StVollzG trotz Vorliegens von Ausschlussgriinden oder Kriterien der Nichteignung Ausnahmen zu. Die Anstaltsleitung muss ihre Beurteilung einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr jedoch immer anhand einer Einzelfallpriifung vomehmen.^^^ Die Verwaltungsvorschriften stellen insov^eit nur Anfangsvermutungen als Entscheidungshilfen dar.^^^ Eine schematische Anwendung und Versagung von Lockerungen bei Vorliegen eines in den VV bezeichneten Falles umgeht das in § 11 Abs. 2 StVollzG normierte Kegel-Ausnahme-Verhaltnis.^^^ Denn die in den VV zu § 11 StVollzG enthaltenen Regelungen sollen die Ausnahmen darstellen; sie diirfen nicht zu im Gesetz nicht vorgesehenen Versagungsgriinden umgewandelt v^erden.^^^ Die Flucht- und Missbrauchsklausel des § 11 Abs. 2 StVollzG ist im Hinblick 539 auf das Vollzugsziel und die Vollzugsgrundsatze individualisierend anzuwenden. MaBstab fur die Entscheidung iiber das Vorliegen einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr bleibt dabei nicht die Frage, ob iiberhaupt in der Person des Inhaftierten die Gefahr der Flucht bzv^. der emeuten Begehung von Straftaten besteht. Es kommt vielmehr darauf an, ob zu befiirchten ist, der Verurteilte werde gerade die beantragte Vollzugslockerung zu Straftaten oder zur Flucht missbrauchen.'^°° Einer individualisierenden Priifung bedarf es auch bei einer Entscheidung iiber die Gev^ahrung von Ausgang und Freigang bei zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten. Der Gesetzgeber h a t - im Gegensatz zum Hafturlaub nach § 13 StVollzG - die Anordnung von Lockerungen nach § 11 StVollzG von keinerlei Fristen abhangig gemacht. Deshalb stellt VV Nr. 5 Abs. 1 S. 3 zu § 11 StVollzG, wonach Ausgang und Freigang in der Kegel nur unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 StVollzG (Mindestvollzugsaufenthalt von zehn Jahren oder bereits im offenen Vollzug) zulassig sein soil, eine zu w^eitgehende Begrenzung des Beurtei^93 ^^4 ^95 69^ 69^ ^^^ 69^ ^0°
Vgl. Diinkel P., 1993, S. 663. Siehe Frellesen, 1977, S. 2050 ff; Treptow, 1978, S. 2229 f Kaiser/Schoch, 2002, S. 256. O L G Celle, NStZ 2000, S. 615; O L G Frankfurt, StrVert 2002, S. 34 f; O L G Frankfurt, NStZ-RR 2004, S. 94. AK-Lesting, 2006, § 11 Rdn. 40. Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 11 Rdn. 19. O L G Celle, NStZ 1992, S. 374. O L G Karlsruhe, StrVert 2004, S. 557 f
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
limgsermessens dar7°^ Auch beim Lebenszeitgefangenen bleiben Lockerungen vom Fehlen einer Flucht- und Missbrauchsgefahr abhangig und nicht vom Erreichen einer zeitlichen Grenze.'^^^ 540 Als einer von mehreren Umstanden kann die Schuldschwere auf die Beurteilung der Flucht- oder Missbrauchsgefahr mittelbar Einfluss nehmen (Reflexwirkung).'^^^ Diese ist in die Entscheidung iiber die Hohe der vom Gefangenen zu verbiiBenden Freiheitsstrafe eingeflossen. Liegt danach der Entlassungszeitpunkt noch in weiter Feme, mag die Versuchung groBer sein, sich der Haft durch Flucht zu entziehen. Dies hat die Vollzugsbehorde bei ihrer Entscheidung iiber eine Gewahrung von Vollzugslockerungen zu bedenken.'^^'* Unzulassig bleibt es aber, eine Versagung ausschlieBlich mit dem Hinweis auf eine lange Reststrafe zu begriinden.^05
541
Bei der Flucht- bzw. der Missbrauchsgefahr handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, deren Anwendung durch die Vollzugsbehorde vollstreckungsgerichtlich nachpriifbar ist.'^^^ Ob im Einzelfall derartige Befarchtungen begriindet sind, konnen die VoUzugsmitarbeiter aufgrund ihrer taglichen Wahmehmungen am besten beurteilen. Sie stehen in einem engeren Kontakt zu dem Inhaftierten und bilden sich aufgrund des personlichen Umganges und ihres spezifischen Fachwissens einen sachnaheren Eindruck. Die Einschatzung einer Flucht- bzw. Missbrauchsgefahr bezieht sich auf einen in der Zukunft liegenden Vorgang; sie enthalt dabei ein Wahrscheinlichkeitsurteil, das auf einem Biindel objektiver und subjektiver Umstande beruht. Aufgrund dieser - kaum widerlegbaren - personlichen Wertungen steht der Anstaltsleitung eine Entscheidungsprarogative und ein Beurteilungsspielraum zu.^°^ 542 Geht ein Gefangener gegen die Entscheidung des Anstaltsleiters iiber eine Nichtgewahrung von Vollzugslockerungen auf dem Rechtsweg nach §§109 ff StVollzG vor, so verfiigt die Strafvollstreckungskammer nicht iiber die gleichen Erkenntnismoglichkeiten zur Frage der Flucht- oder Missbrauchsgefahr wie die Vollzugsbehorde. Das Gericht darf deshalb grundsatzlich die Prognoseentscheidung der Anstaltsleitung nicht durch eine eigene ersetzen.'^^^ Zu seinen Aufgaben gehort es deshalb auch nicht, Tatsachen selbstandig zu ermitteln, welche z.B. die angefochtene Entscheidung selbst rechtfertigen konnten und die bislang von der Vollzugsbehorde noch nicht beriicksichtigt wurden. Nach einer grundlegenden
^0' Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 11 Rdn. 20. 702 O L G Frankfurt, StrVert 1993, S. 599.
703 Dazu in Kap. 3.3.2.4. 704 MitschChr., 1990,8.77. 705 O L G Frankfurt, NStZ 1983, S. 93; O L G Frankfurt, NStZ-RR 2004, S. 94. 706 BGHSt. 3 0 , S. 324; siehe dazu auch Treptow, 1978, S . 2 2 2 7 f f ; Kamann, 1994,
S. 474 ff 707 BGHSt. 30, S. 325; BVerfG, N S t Z - R R 1998, S. 121; BVerfG, N S t Z 1998, S. 3 7 3 ; dazu auch Kap. 8.2.2.2 (2). 708 O L G H a m m , N S t Z 1991, S. 303.
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Entscheidung des Bundesgerichtshofs'^^^ darf das Gericht im Rahmen der Frage einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr priifen: - ob die Anstaltsleitung bei ihrer Entscheidung von einem zutreffend und vollstandig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, - ob sie ihrer Entscheidung den richtigen Begriff des Versagungsgrundes zugrunde gelegt hat, - ob sie dabei die Grenzen des ihr zustehenden Beurteilungsspiehaums eingehalten hat. Bei der Flucht- und Missbrauchsklausel kann sich im Einzelfall - gerade bei 543 Langstrafigen - eine Einschrankung des Beurteilungsspielraums zudem aus dem Gesichtspunkt des (Re-)SoziaHsierungsinteresses des Strafgefangenen und des VerhaltnismaBigkeitsprinzips sowie aus dem Schutzbereich des durch Art. 2 Abs. 2 S. 2 und Art. 104 GO garantierten Freiheitsrechts ergeben.^^^ Derm zum einen sind die Vollzugsanstalten bei diesen Gefangenen im Blick auf Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet, im Rahmen eines auf Resozialisierung ausgerichteten Behandlungsvollzugs schadlichen Auswirkungen soweit als moglich zu begegnen, welche die Lebenstiichtigkeit des Verurteilten in Frage stellen und ausschlieBen, dass der Gefangene sich nach einer Haftentlassung im normalen Leben wieder zurechtfindet."^^* Zum anderen konnen Lockerungsgewahrungen gerade erst dazu beitragen, im Hinblick auf eine vorzeitige Entlassung die Grundlage fiir die dann erforderliche prognostische Bewertung'^^^ gem. §§57 bzw. 57a StGB zu erweitem und die Voraussetzungen fiir eine Strafrestaussetzung erst schaffen.^^^ Wegen der besonderen Relevanz der VoUzugslockerungen fiir die spatere Prognosebasis darf deshalb eine Lockerungsgewahrung nicht auf der Grundlage pauschaler Wertungen oder mit dem Hinweis auf eine abstrakte Flucht- oder Missbrauchsgefahr versagt werden.^^"^ Der Beurteilungsspielraum entbindet vor allem nicht von einer rechtsstaatlich fimdierten Priifimg.'^'^ Muss die Vollzugsbehorde den Sachverhalt vollstandig ermittelt haben, sind als 544 Gesichtspunkte im Rahmen einer Gesamtabwagung zumindest zu beriicksichtigen: die Gefangenenpersonlichkeit und deren Entwicklung bis zur Tat, Tatmotiv und Begehungsweise, Entwicklung und Verhalten des Gefangenen im Strafvollzug; die Bedingungen, unter denen die Vollzugslockerung erfolgt - wobei sich das genaue AusmaB der Erorterung dieser Kjriterien an den Erfordemissen des Einzelfalles orientiert.'^^^ So reicht allein der Umstand anhaltender Tatleugnung zur Be^09 BGHSt. 30, S. 320 ff. ^10 BVerfG, NStZ 1998, S. 373; BVerfG, NStZ 1998, S. 430; BVerfG, NJW 1998, S. 1133; BVerfG, NStZ-RR 1998, S. 121; OLG Karlsruhe, StrVert 2004, S. 557; krit. jedoch Heghmanns, 1999, S. 663 ff 711 BVerfG, NJW 1998, S. 1113. 712 Dazu Kap. 5.10.1.1. 713 BVerfG, NJW 1998, S. 2202 f 714 BVerfG, NStZ 1998, S. 374; siehe auch BVerfGE 109, S. 166. 715 Dazu auch OLG Numberg, StrVert 2000, S. 574. 716 OLG Frankfurt, ZfStrVo 1984, S. 122; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2000, S. 251; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2004, S. 94; OLG Celle, NStZ 1990, S. 378; OLG Celle, StrVert
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griindung von Missbrauchsgefahr nicht aus."^^"^ Auch bleibt z.B. eine Ablehnungsentscheidung unzureichend, weiin die angegebene Prognose einer Missbrauchsund Fluchtgefahr ohne ein nachvollziehbares Bild von der Personlichkeit des Antragstellers zustande gekommen ist."^^^ Die bestimmenden rechtlichen Erwagungen und die zugrunde liegenden Tatsachen miissen aus der Begriindung der Entscheidung einer Vollzugsbehorde ersichtlich sein7^^ Beispiel: Ein nichtdeutscher Strafgefangener beantragt die Gewahrung einer Vollzugslockerung i.S.d. § 11 Abs. 1 StVollzG. Dies lehnt die Anstaltsleitung wegen Fluchtgefahr ab. Die Vollzugsbehorde stiitzt diesen Versagungsgrund ausschlieBlich darauf, dass die zustandige Vollstreckungsbehorde ebenso wie die Auslanderbehorde, welche die Abschiebung des Antragstellers beabsichtige, Bedenken gegen Lockerungen geauBert hatten. Zum einen fehlt es in diesem Fall bereits an einer Konkretisierung der von anderen Behorden vorgebrachten Bedenken. Der Versagungsgrund einer Fluchtgefahr kann zudem weder allein auf das Vorliegen einer rechtskraftigen Ausweisungsverftigung noch das Androhen einer Abschiebung gestiitzt werden. Denn es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass bei Auslandem generell Fluchtgefahr bestehe, wenn gegen sie eine Ausweisungsverftigung vorliegt^^^ Umstande wie starke familiare Bindungen oder ein bisheriges Vollzugsverhalten konnen insoweit eine Fluchtgefahr ausschlieBen oder mindem.^^^ Dies muss erst recht gelten, wenn bei der Auslanderbehorde nicht mehr als eine bloBe Absicht einer Anordnung aufenthaltsbeendender MaBnahmen vorhanden ist722 Dagegen halt das OLG Ntimberg"^^^ die Gefahr einer Flucht durch Untertauchen auf deutschem Gebiet bei einem Auslander mit enger familiarer Bindung zu seiner in Deutschland lebenden Familie fiir nahe liegend, wenn ihm nach der StrafverbtiBung die Ausweisung bevorsteht und in seiner Heimat Nachteile drohen. Als eine unzureichende Sachverhaltsermittlung zu werten sind etwa auch das bloBe Abstellen auf: - eine lange Reststrafe*^^^, - die Drogengefahrdung des Gefangenen'^^^, - ein nicht immer beanstandungsfreies Vollzugsverhalten'^^^, - fehlende Bindungen nach drauBen^^-^ usw.
^1^ ^^^ ^19 ^20 ^21
2000, S.573; OLG Ntimberg, NStZ 1998, S. 215; Calliess/Mtiller-Dietz, 2005, § 11 Rdn. 18. OLG Frankfurt, NStZ-RR 2000, S. 251; OLG Stuttgart, NStZ-RR 2001, S. 285; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2004, S. 94. OLG Celle, NStZ 1992, S. 374. OLG Celle, StrVert 1999, S. 554. OLG Frankfurt, NStZ-RR 2000, S. 351. OLG Frankfurt, NStZ 1992, S. 374.
722 OLG Frankfurt, ZfStrVo 1991, S. 372 f
723 OLG Ntimberg, NStZ 1994, S. 376. 724 O L G Frankfurt, N S t Z 1983, S. 9 3 ; O L G Frankfurt, N S t Z - R R 2 0 0 0 , S. 3 5 0 ; L G Heilbronn, ZfStrVo 1988, S. 3 6 8 . 725 O L G Frankfurt, N S t Z 1992, S. 3 7 4 . 726 O L G Karlsruhe, ZfStrVo 1983, S. 1 8 1 .
5.4 Die Kommunikation mit der AuBenwelt
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Der Anstaltsleitung ist hinsichtlich der Flucht- oder Missbrauchsgefahr ein nur 545 eingeschrankt gerichtlich uberpriifbarer Beurteilungsspielraum eingeraumt, well iimerhalb dessen mehrere Entscheidungen moglich sind. Angesichts der Nahe der Vollzugsbehorde zu der Gefangenenpersonlichkeit darf das Gericht selbst seine Prognose nicht an die Stelle derjenigen der Vollzugsbehorde setzen. Das VoUstreckungsgericht kann aber dann ausnahmsweise anstelle der Anstaltsleitung eine Lockerungsentscheidung treffen, wenn nur noch ein einziges Ergebnis denkbar bleibt, d.h. der Beurteilungsspielraum auf null reduziert"^^^ ist. Beispieh Ein wegen Mordes im Jahr 1965 zu lebenslanger Haft verurteilter Strafgefangener beantragt im Jahr 1990 eine Ausfiihrung. Er hatte zuvor seit 1979 verschiedentlich Vollzugslockerungen und Hafturlaub erhalten. Ein psychiatrisches Gutachten kam im Jahr 1984 in der Frage der Vollzugslockerungen zu dem Ergebnis, dass die Gefahr einer Begehung neuer Straftaten oder des Entzugs der weiteren StrafverbuBung wahrend einer Lockerung nicht erhoht sei. In den Jahren 1984 und 1985 erhielt der Inhaftierte wiederum Ausgange und Hafturlaub. Da er im Oktober 1985 erstmalig mit einer Verspatung von flinf Tagen aus einem Urlaub in die Anstalt zuriickkehrte, wurden ihm seitdem keine Vollzugslockerungen mehr gewahrt. Einen Antrag auf bedingte Entlassung gem. § 57a StGB lehnte die Strafvollstreckungskammer 1987 unter Berufung auf eine fortbestehende generelle Gefahrlichkeit des Gefangenen ab. Auch dem Antrag auf Ausfuhrung im Jahr 1990 wurde nicht stattgegeben. Das OLG Hamburg"^^^ hat eine Einengung des Beurteilungs- und Ermessensspielraums dahingehend bejaht, dass hier nur noch eine einzige Entscheidung moglich bleibt: die Gewahrung der beantragten Lockerung. Denn die bisherigen Ausfuhrungen des Inhaftierten waren iiber Jahre hinweg problemlos verlaufen, Anhaltspunkte fiir eine Flucht oder den Missbrauch wahrend dieser Lockerung nicht ersichtlich. Die Jahre zuriickliegende verspatete Ruckkehr aus einem Hafturlaub fiel nicht ins Gewicht, weil der Gefangene sich bei der Ausfuhrung in einer anderen Situation befindet, als dies bei einem Urlaub der Fall ist. Auch die Tatsache, dass eine bedingte Entlassung gem. § 57a StGB auf absehbare Zeit ungewiss blieb, konnte insoweit keine entscheidende Rolle spielen: „§ 11 StVollzG ist nicht dahin auszulegen, dass die vorgesehenen Lockerungsmoglichkeiten die Perspektive einer Entlassung aus dem Strafvollzug in absehbarer Zeit voraussetzen."'^^^ (2)
Rechtsfolgenseite
Liegt auf der Tatbestandsseite des § 11 StVollzG eine Zustimmung des Gefange- 546 nen vor und besteht keine Flucht- oder Missbrauchsgefahr, hat dieser jedoch keinen Anspruch auf Gewahrung einer Vollzugslockerung, sondem ein Recht auf fehlerfreie Ermessensentscheidung. Der Vollzugsbehorde steht ein Ermessensspielraum zu, die Ermessensausiibung kann durch in der Person des Gefangenen
^27 ^28 ^29 ^30
Schwind/Bohm/Jehle/Ullenbruch, 2005, § 11 Rdn. 15. Dazu OLG Frankfurt, NStZ-RR 1998, S. 91. OLG Hamburg, NStZ 1990, S. 606 f OLG Hamburg, NStZ 1990, S. 607.
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liegende Kriterien (z.B. sein Verhalten im Vollzug) oder durch auBerhalb seiner Person liegende Bedingungen (z.B. es stehen nicht geniigend VoUzugsbedienstete zur Aufsicht bei Ausfiihrungen zur Verfugung) bestimmt werden."^^^ Abzuwagen sind die fiir und gegen eine Lockerung sprechenden Umstande. So muss sich diese auch in die den einzelnen Gefangenen betreffende VoUzugsplanung einftigen. Im Rahmen der Ermessensausiibung erlangen die VV zu § 11 StVoUzG den Charakter von Ermessensrichtlinien.'^^^ Nicht unmittelbar einflieBen diirfen in die Ermessensentscheidung allerdings Aspekte der allgemeinen Strafzwecke des Schuldausgleichs, der Siihne und der Verteidigung der Rechtsordnung.'^^^
5.4.5 Hafturlaub 547 Wahrend bei den VoUzugslockerungen nach § 11 Abs. 1 StVollzG die Anstaltsleitung dem Gefangenen die Ausgestaltung nach Inhalt, Zielsetzung sowie Art und Weise der Durchfiihrung vorgibt, befindet sich der Gefangene wahrend des Hafturlaubs ganzHch frei und unbeaufsichtigt auBerhalb der Institution. Hafturlaub ist eine vollzugliche BehandlungsmaOnahme i.S.d. § 7 Abs. 2 StVollzG'^^^ die Strafvollstreckung wird dadurch nicht unterbrochen (§13 Abs. 5 StVollzG). Deshalb muss jederzeit ein hoheitlicher Zugriff auf den Verurteilten moglich sein, so dass ein Urlaub auBerhalb des Geltungsbereichs des StrafvoUzugsgesetzes nicht statthaft bleibt.^^5 Das Strafvollzugsgesetz kennt neben dem Regelurlaub ohne besonderen Anlass gem. § 13 StVollzG noch den Sonderurlaub zur Entlassungsvorbereitung (§15 Abs. 3 und 4 StVollzG) und den Urlaub aus wichtigem Anlass nach § 35 StVollzG. Voraussetzungen einer Gewahrung von Regelurlaub nach § 13 StVollzG sind: - auf der Tatbestandsseite der Norm • die Zustimmung des Inhaftierten, • keine mangelnde Eignung wegen Flucht- oder Missbrauchsgefahr, • eine regelmaBige Wartezeit von mindestens sechs Monaten, bei Lebenszeitgefangenen von grundsatzlich zehn Jahren Inhaftierung, - auf derRechtsfolgenseite • eine fehlerfreie Ermessensentscheidung. 5.4.5.1 Tatbestandsseite 548 Nach § 13 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 11 Abs. 2 1. Halbs. StVollzG muss der Gefangene einer Beurlaubung zustimmen. Hierdurch wird wie bei der Anordnung von Lo^31 Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 11 Rdn. 14. ^32 Siehe Frellesen, 1977, S. 2050 ff; Treptow, 1978, S. 2229 f ^^^ Dazu oben Kap. 3.3. ^34 Fiedler, 1996, S. 329; Schwind/Bohm/Jehle/Ullenbruch, 2005, § 13 Rdn. 1.
"735 OLG Frankfurt, NStZ 1995, S. 208.
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ckerungen nach § 11 Abs. 1 StVollzG dem Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen Rechnung getragen. Infolge des Verweises in § 13 Abs. 1 S. 2 auf § 11 Abs. 2 StVollzG darf auch 549 keine Flucht- oder Missbrauchsgefahr als zwingender Versagungsgrund gegeben sein. Hinsichtlich der Auslegung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe und des Umfangs einer vollstreckungsgerichtliclien Uberpriifung gilt das zu § 11 Abs. 2 StVollzG Dargestellte.^^^ Auch zu § 13 StVollzG bestehen Verwaltungsvorschriften, wobei VV Nr. 3 und 4 zu § 13 weitgehend den VV Nr. 6 und 7 zu § 11 StVollzG entsprechen. Wie bei den VV zu § 11 StVollzG diirfen die VV zu § 13 StVollzG nicht zu einer schematischen Anwendung fuhren und eine Einzelfallpriifung ersetzen.^^'^Dies gilt auch fiir die umstrittene VV Nr. 4 Abs. 2 a) zu § 13 StVollzG. Danach sind ungeeignet fiir eine Urlaubsgewahrung in der Regel Gefangene, „die sich im geschlossenen Vollzug befinden und gegen die bis zum voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt noch mehr als achtzehn Monate Freiheitsstrafe zu vollziehen sind." Dem liegt die Annahme zugrunde, dass mit der Hohe einer Reststrafe auch der Anreiz zur Flucht zwangslaufig steige. Problematisch ist die VV insbesondere deshalb, weil schon der Regierungsentwurf eines StrafvoUzugsgesetzes mit § 13 Abs. 2 S. 2 RE 1973^^^ eine dieser VV entsprechende Reststrafenregelung enthielt und diese dann im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens ausdriicklich fallen gelassen wurde, weil man die Annahme eines zwingenden Zusammenhangs von Dauer der Reststrafe und Fluchtgefahr als widerlegt betrachtete."^^^ Die von den Bundeslandem vereinbarte VV Nr. 4 Abs. 2 a) zu § 13 StVollzG steht daher im Gegensatz zum eindeutigen Willen des Gesetzgebers und wird deshalb zu Recht vor allem in der Literatur als rechtswidrig abgelehnt.'^'^^ Allein aus der Lange eines Strafrestes lasst sich nicht folgem, dass ein Inhaftierter sich dem Vollzug entziehen oder den Urlaub zu Straftaten missbrauchen wird und er deshalb als ungeeignet erscheint."^"^^ Empirische Studien haben auch nach In-Kraft-Treten des StrafvoUzugsgesetzes keinen Beleg fiir eine solche Regelvermutung finden konnen.'^'*^ Die VV sollte somit als eine bloBe Erinnerungshilfe fur die VoUzugsbehorde gewertet werden^"^^, bei einer zu verbiiBenden Reststrafe von mehr als 18 Monaten die Frage einer Eignung fiir den Hafturlaub besonders griindlich (und einzelfallbezogen) zu priifen. Bei den zu einer zeitigen Freiheitsstrafe verurteilten Gefangenen soil Haftur- 550 laub regelmaBig erst nach einer Wartezeit von sechs Monaten gewahrt werden (§13 Abs. 2 StVollzG). Intention des Gesetzgebers war es, die VoUzugsbehorde ^36 ^3^ ^38 ^39 ^40
ObenKap. 5.4.4.2. CalHess/Muller-Dietz, 2005, § 13 Rdn. 8. BT-Drs. 7/918,8. 11. Siehe dazu Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 13 Rdn. 11. AK-Lesting, 2006, § 13 Rdn. 19; Calliess/Miiller-Dietz, 2005, §13 Rdn. 11; Frellesen, 1977, S. 2050; krit. auch Kaiser/Schoch, 2002, S. 277. ^^^ Schwind/Bohm/Jehle/Ullenbruch, 2005, § 13 Rdn. 20. 742 Vgl. Dunkel F., 1993, S. 662; Meyer P., 1982, S. 160.
743 Kaiser/Schoch, 2002, S. 277.
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bei Kurzstrafigen vor zu groBem Verwaltungsaufwand bei der Priifung der Fluchtund Missbrauchsgefahr zu bewahren sowie ihr ein von extemen Sozialkontakten unbeeinflusstes Keimenlemen des Inhaftierten zu ermoglichen.^'^'* Fiir im offenen Vollzug Untergebrachte ergibt § 13 Abs. 2 StVollzG von der gesetzgeberischen Absicht her keinen Sinn. Das legislatorische Vorhaben einer Begrenzung dieser Norm auf den geschlossenen Vollzug^"^^ ist bislang jedoch gescheitert. Aber auch eine generelle Streichung wird gelegentlich gefordert.^"^^ Denn ein nicht geringer Anteil der Strafgefangenen verbiiBt eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr Dauer und kommt daher im Hinblick auf eine Halbstrafen- bzw. Zwei-Drittel-Entlassung zur Bewahrung gem. § 57 StGB kaum fur eine Urlaubsgewahrung in Betracht. § 13 Abs. 2 StVollzG in Verbindung mit einer nicht einzelfallgerechten Anwendung der Reststrafenklausel der VV Nr. 4 Abs. 2a zu § 13 StVollzG kann zudem bewirken, dass Gefangene mit einer zu verbiiBenden Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren nicht beurlaubt werden."^"*^ 551 Einem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten wird nach § 13 Abs. 3 StVollzG erst Urlaub gewahrt, wenn er sich einschlieBlich vorangegangener Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung zehn Jahre im Vollzug beflinden hat oder wenn er schon in den offenen Vollzug iiberwiesen ist bzw. sich fur diesen eignet^"^^ (§13 Abs. 4 StVollzG). Mit dieser Wartefrist bei Lebenszeitinhaftierten wollte der Gesetzgeber keineswegs die besondere Schuldschwere etwa eines wegen Mordes nach § 211 StGB Verurteilten beachtet wissen.'^'*^ Vielmehr bezweckt diese Regelung eine Konkretisierung der Sicherungsaufgabe des § 2 S. 2 StVollzG: Es soil eine in der Schwere der Straftat zum Ausdruck gekommene Gefahrlichkeit unter den Kriterien der Flucht- und Missbrauchsgefahr beriicksichtigt werden, wobei die Zehn-Jahres-Frist den Vollzugsbehorden ermoglicht, sich von ungeeigneten Antragen zu entlasten.'^^^Nach VV Nr. 7 Abs. 3 zu § 13 StVollzG ist die Beurlaubung eines Lebenszeitgefangenen von der Anstaltskonferenz nach § 159 StVollzG vorzubereiten, und sie bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehorde. 5.4.5.2 Rechtsfolgenseite 552 Liegen die Voraussetzungen fiir eine Urlaubsgewahrung auf der Tatbestandsseite vor (der Inhaftierte stimmt zu, eine Flucht- und Missbrauchsgefahr ist zu verneinen und die Wartezeit erfullt), gibt § 13 StVollzG dem Gefangenen keinen Anspruch auf Regelurlaub, sondem ein Recht auf fehlerfreie Ermessensentscheidung. Die Anstaltsleitung wagt objektive und subjektive, fiir und gegen eine Urlaubsgewahrung im Einzelfall sprechende Umstande ab. Dabei steht ihr aller^^^ BT-Drs. 7/918, S. 53. ^^^ Siehe BT-Drs. 11/3694,8.3. ^46 D u n k e l F . , 1990, S. 106.
•74^ ^48 7^9 ^50
Siehe auch Dunkel F., 1993, S. 662. Dazu KG, StrVert 2002, S. 36. A.A. Kaiser/Schoch, 2002, S. 280. BT-Drs. 7/918, S. 53.
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299
dings kein Ermessen dergestalt zu, dass sie den Gefangenen verpflichten kann, im Regelfall mindestens zwei Tage Urlaub zu nehmen.'^^^ Auch die allgemeinen Strafzwecke des Schuldausgleichs, der Siiline und der Verteidigung der Rechtsordnung diirfen bei der Ermessensentscheidung keine Rolle spielen. Nach § 13 Abs. 1 S. 1 StVollzG betragt die Urlaubsdauer bis zu einundzwan- 553 zig Kalendertagen im Jahr. Diese Obergrenze gilt unabhangig von der (offenen oder geschlossenen) Vollzugsform. Sie gibt der Vollzugsbehorde einen Spielraum, den Urlaub den individuellen Behandlungserfordemissen anzupassen^^^ Als ein Jahr i.S.d. § 13 Abs. 1 S. 1 StVollzG gilt nicht das Kalenderjahr, sondem das jeweilige VoUstreckungsjahr'^^^, wobei der Urlaub nicht in das nachste Vollstreckungsjahr libertragbar ist (VV Nr. 2 Abs. 2 zu § 13).^^'* Dies bleibt aber ausnahmsweise dann zulassig, wenn der Gefangene seinen Hafturlaub rechtzeitig beantragt hat und dieser versagt wurde. Dann kann er in einem gerichtlichen Verfahren gegen den ablehnenden Bescheid des Anstaltsleiters den Urlaub auch noch nach Ablauf des Jahres weiter beanspruchen.^^^ Bei der Urlaubsbemessung wird dieser nach vollen Tagen (und nicht nach 554 Bruchteilen) berechnet. Dabei sind Urlaubstage alle Kalendertage, auf die sich der Urlaub erstreckt. In der Vollzugspraxis wird Urlaub gem. § 13 StVollzG zumeist als Wochenendurlaub gewahrt. Der Urlaubsbeginn fallt dann schon aus organisatorischen Griinden faktisch jedoch nicht mit dem Beginn eines Tages (0.00 Uhr) zusammen und er endet nicht am Ende eines Tages (24.00 Uhr). Vielmehr diirfen die Gefangenen regelmaBig die Anstalt erst um 8.00 Uhr verlassen und miissen am Urlaubsende spatestens zum Zeitpunkt des Nachteinschlusses (20.00 Uhr) zuriickgekehrt sein. Zahlte der Tag des Urlaubsantritts schon als ein Urlaubstag, miisste der Inhaftierte bei der iiblichen Stiickelung des Urlaubs somit einen nicht unerheblichen Teil innerhalb der Institution verbringen. Die Obergrenze von 21 Kalendertagen (21 X 24 Stunden) konnte nicht erreicht werden. Es ist daher der Tag des Urlaubsantritts nach § 187 BGB nicht mitzuzahlen. Beispiel: Ein Strafgefangener erhalt innerhalb eines Vollstreckungsjahres an zehn Wochenenden Urlaub aus der Haft nach § 13 StVollzG. Er wird jeweils am Samstagvormittag um 8.00 Uhr entlassen und muss bis Sonntagabend um 20.00 Uhr in die Anstalt zurlickkehren. Im selben Vollstreckungsjahr beantragt er nunmehr die Gewahrung eines weiteren (elften) Wochenendurlaubs. Der Anstaltsleiter lehnt dies mit der Begriindung ab, die in § 13 Abs. 1 S. 1 StVollzG festgelegte Hochstdauer des Urlaubs von 21 Kalendertagen werde andemfalls iiberschritten. Der BGH"^^^ hat in einem entsprechenden Fall entschieden, dass § 13 Abs. 1 S. 1 StVollzG keine Addition von Teilen eines Kalendertages zulasst. Die Bezeichnung eines Zeitabschnitts als Tag im Gesetz bedingt auch eine Berechnung nur nach vollen Tagen. Auslegungsvorschriften fur Fristberechnungen enthalten §§ 186 ff BGB, die nach Art. 2 EGBGB auf alien Rechtsgebiete gelten, soweit keine Sonderregelungen be^51 OLG Celle, NStZ 1993, S. 149. 752 Schwind/Bohm/Jehle/Ullenbruch, 2005, § 13 Rdn. 6 ff 753 OLG Hamburg, ZfStrVo 2001, S. 314. 754 Krit. dazu AK-Lesting, 2006, § 13 Rdn. 38; Calliess, 1992, S. 165. 755 KG,NStZ1990, S. 378. 756 BGH, NStZ 1988, S. 148 f; siehe auch OLG Stuttgart, ZfStrVo 1989, S. 116.
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5 Der Vollzugsablauf alslnteraktionsprozess stehen. Da im Strafvollzugsgesetz insoweit keine speziellen Vorschriften enthalten sind, kommt § 187 BGB zur Anwendung. Nach dessen Abs. 1 wird fiir alle Falle, in denen fiir den Anfang einer Frist ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maBgeblich ist, dieser Tag nicht mitgerechnet. Da der faktische Urlaubsantritt aus organisatorischen Griinden nicht um 0.00 Uhr, sondem erst spater am Tag stattfindet, wird er deshalb gem. § 187 Abs. 1 BGB nicht als ein Urlaubstag gezahlt. Der Inhaftierte hat somit erst 10 Kalendertage Hafturlaub erhalten. Es konnen ihm vom Anstaltsleiter noch weitere 11 Tage gewahrt werden.
5.4.6 Weisungserteilung, Widerruf und Rucknahme 555 Nach § 14 Abs. 1 StVollzG kann der Anstaltsleiter dem Gefangenen fiir Vollzugslockerungen und Hafturlaub Weisungen erteilen. Hierbei handelt es sich um Verhaltensanordnungen zur Reduzierung moglicher Gefahrenquellen fiir eine Flucht Oder den Missbrauch i.S.d. § 11 Abs. 2 StVollzG. Nach VV Nr. 1 Abs. 2 zu § 14 StVollzG beziehen sich die Weisungen vor allem auf Aufenthalt, Tatigkeiten, Meldepflichten, Beschrankung des personlichen Kontaktes oder des Besitzes von Gegenstanden, Alkohol- und Gaststattenverbot. 556 Die Gewahrung von Vollzugslockerungen und von Hafturlaub sind begiinstigende Verwaltungsakte, auf deren Bestand der Betroffene vertrauen darf. Ein Widerruf kann daher nur aus den in § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 3 StVollzG abschlieBend normierten Griinden erfolgen:^^^ - wenn der Anstaltsleiter aufgrund nachtraglich eingetretener Umstande berechtigt ware, die MaBnahme zu versagen (z.B. Fehlen von zureichendem Aufsichtspersonal fur eine Ausfuhrung); - wenn der Gefangene die erteilte MaBnahme missbraucht (z.B. Riickkehr in die Anstalt in alkoholisiertem Zustand, Begehung einer Straftat wahrend der Lockerung); - wenn der Inhaftierte ihm erteilte Weisungen nicht befolgt, wobei der VerhaltnismaBigkeitsgrundsatz zu beachten ist und die Tatsachen hinreichend substantiiert und belegt sein miissen."^^^ 557
Eine Rucknahme der Bewilligung mit Wirkung fiir die Zukunft kommt nach § 14 Abs. 2 S. 2 StVollzG in Betracht fiir Falle, in denen die Voraussetzungen der Gewahrung nicht vorgelegen haben und erst nachtraglich bekannt wird, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig war. Hinsichtlich der Rechtswidrigkeit ist auf den Zeitpunkt des Erlasses abzustellen."^^^ Zu beriicksichtigen ist bei der Ermessensentscheidung des Anstaltsleiters iiber eine Riicknahme vor allem der Aspekt des schutzwiirdigen Vertrauens des Inhaftierten auf das Fortbestehen der Bewilligung. Denn hat sich die Vollzugsbehorde im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens in vertretbarer Weise fiir eine Lockerung entschieden, kann sie diese nicht ohne weiteres riickgangig machen. Eine Ausnahme hiervon kommt etwa in Betracht, wenn 757 Schwind/Bohm/Jehle/Ullenbruch,2005, § 14Rdn. 12. 758 O L G Frankfurt, ZfStrVo 1984, S. 168. 759 O L G Frankfurt, NStZ-RR 2000, S. 253.
5.4 Die Kommunikation mit der AuBenwelt
301
eine offensichtliche Fehlentscheidung vorliegt, well Sicherheitsbelange der Allgemeinheit nicht beriicksichtigt wurden.^^° Da die Widerrufsgriinde in § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 3 StVollzG abschlie- 558 Bend aufgezahlt sind, vermag die Begehung einer Straftat durch einen Gefangenen in der JustizvoUzugsanstalt allein in der Regel noch keinen Widerruf von Vollzugslockerungen zu rechtfertigen. In einem solchen Fall kann ein Widerruf jedoch in Betracht kommen, wenn sich aus dem vollzuglichen Verhalten die Befurchtung ergibt, der Gefangene werde Vollzugslockerungen zu weiteren Straftaten missbrauchen. Beispieh Der Strafgefangene G ist wegen Straftaten aus dem rechtsextremistischen Umfeld verurteilt worden. Bei einer Durchsuchung seines Haftraums finden Vollzugsbeamte eine Anstecknadel, auf der sich die Abbildung eines Hakenkreuzes befindet. Der Anstaltsleiter spricht daraufhin den Widerruf aller Vollzugslockerungen aus. Das OLG Thliringen'^^^ hat im vorliegenden Fall darauf hingewiesen, dass eine Straftat gem. § 86a StOB auch im Strafvollzug die allgemeinen Folgen nach dem Strafgesetz nach sich zieht und dass gem. § 102 StVollzG disziplinarrechtliche Konsequenzen in Betracht gezogen werden konnen. Ein Widerruf von Vollzugslockerungen gem. § 14 Abs. 2 S. 1 StVollzG kommt unmittelbar als Sanktion ftir ein strafbares Vollzugsverhalten nicht in Betracht. Aus diesem kann jedoch im Einzelfall auf das Vorliegen einer Missbrauchsgefahr i.S.d. § 11 Abs. 2 StVollzG geschlossen werden, was eine Widerrufsmoglichkeit nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 StVollzG eroffnet. Denn Vollzugslockerungen konnen dem Gefangenen Gelegenheit bieten, entsprechende Abzeichen zu verwenden und sich dadurch nach § 86a StGB strafbar zu machen. § 14 Abs. 2 StVollzG schrankt- den verwaltungsrechtlichen Regelungen iiber 559 die Aufhebung begiinstigender Verwaltungsakte nach § § 4 8 und 49 VwVfG ahnlich - die Grundsatze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes ein."^^^ Der Gesetzgeber hat die vollzuglichen Widerrufs- und Riicknahmegrunde in § 14 Abs. 2 StVollzG auf die MaBnahmen der Vollzugslockerungen und des Hafturlaubs beschrankt. Die Rechtsprechung wendet die Vorschrift des § 14 Abs. 2 StVollzG jedoch entsprechend auch auf die Aufhebung anderer, den Gefangenen begiinstigender MaBnahmen an (z.B.: Reduzierung des Bezugs von Zeitungen und Zeitschriften auf einen angemessenen Umfang i.S.d. § 68 Abs. 1 StVollzG*^^^; Widerruf der Genehmigung zum Besitz eines Femsehgerates'^^'^; Riickverlegung in den geschlossenen Vollzug^^^; Vorverlegung des durch eine Hausordnung geregelten Abendeinschlusses^^^; bei alien in einen Vollzugsplan aufgenommenen und fur den Inhaftierten giinstigen MaBnahmen'^^'^).'^^^ Fiir eine analoge Anwendung der
^60 ^61 ^62 ^" ^^4 ^65 ^66 ^67
OLG Hamm, NStZ 1990, S. 378. OLG Thuringen, ZfStrVo 1996, S. 311 ff AK-Lesting, 2006, § 14 Rdn. 11. OLG Hamm, NStZ 1987, S. 248. OLG Hamm, NStZ 1986, S. 143. OLG Hamm, ZfStrVo 1987, S. 371; KG, NStZ 1993, S. 102; dazu auch Kap. 5.2.1. KG, NStZ 1997, S. 382. OLG Celle, ZfStrVo 1989, S. 116.
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
Norm miisste jedoch eine planwidrige Gesetzesliicke gegeben sein. Von einer solchen kairn aber nicht ausgegangen werden."^^^ Demi die Legislative hat sich in einem „Entwurf eines Gesetzes zur Anderung des Strafvollzugsgesetzes" von 1933770 |3ereits mit der Frage einer Erweiterung des § 14 Abs. 2 auf „Urlaub und andere begiinstigende MaBnahmen" befasst und eine solche Regelung nicht verabschiedet.
5.4.7 Missbrauch von Lockerungen und Uriaub 560 Amtliche Statistiken und empirische Erhebungen zeigen eine geringe Flucht- und Missbrauchsquote bei Vollzugslockerungen und Hafturlaub. In Bayem wurden fiir das Jahr 2001 folgende Versagerquoten bei Vollzugslockerungen und bei Hafturlaub ermittelt: Tabelle 5.1. Versagerquoten bei Vollzugslockerungen und Hafturlaub in Bayem 2004 MaBnahme
Anzahl der Bewilligungen
Ausgang Freigang Hafturlaub
15 133 2 170 25 381
Anzahl der nicht Versagerquote in oder nicht freiwillig Prozent Zuriickgekehrten 19 6 59
0,13 0,28 0,23
Quelle: Bayer. Staatsministerium der Justiz, 2005, S. 23 f Der Missbrauch von Vollzugslockerungen zur Begehung von Straftaten stellte auch nach einer empirischen Untersuchung zur Bewahrung der Lockerungspraxis in Niedersachsen in den Jahren 1990 und 1991 einen seltenen Ausnahmefall dar. Dort betrug die personenbezogene Missbrauchsquote hinsichtlich der Dehktsbegehung bei Urlauben 2,3 %, bei Ausgangen 0,9 % und bei Freigangen 0,7 VoJ'^^ 561
Bei den Quoten des Missbrauchs von Lockerungen und Hafturlaub zur Begehung neuer Straftaten ist zu beachten, dass diese nur die ins Hellfeld gelangten Delikte betreffen und damit nicht die tatsachlichen Misserfolgsraten darstellen. Bedenklich erscheint aber, dass eine nicht geringe Anzahl von Strafgefangenen ohne jegliche Gewahrung einer Lockerung oder eines Hafturlaubs aus dem Vollzug in die Gesellschaft entlassen wird. Denn der Verzicht auf die Gewahrung von Vollzugslockerungen und Hafturlaub reduziert nicht nur die Chancen einer gelun-
^^^ Zustimmend: AK-Lesting, 2006, § 14 Rdn. 7; Kaiser/Schoch, 2002, S. 282; krit. dagegen Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 14 Rdn. 2; Schwind/Bohm/JehleAJllenbruch, 2005, § 14 Rdn. 23. ^^9 A.A. dagegen Perwein, ZfStrVo 1996, S. 17. ^7° BT-Drs. 11/3694,8.3,9. ^^1 v. Harling, 1997, S. 55 ff
5.4 Die Kommunikation mit der AuBenwelt
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genen VoUzugszielerreichung, well es dann dem Einzelnen an praktischen Moglichkeiten einer Einiibung von Bewahrung in Freiheit fehlt. Eine restriktive Handhabung diirfte zudem vielfach nur einen kriminalitatsverzogemden Effekt"^"^^ haben. Nach den Resultaten der in Schleswig-Holstein durchgefiihrten Aktenanalyse^^^ hatten von den 1989 aus dem Mannervollzug Entlassenen 35 % keinen Hafturlaub und 52 % keinen Ausgang erhalten. Im Frauenvollzug fand sogar bei mehr als der Halfte der entlassenen Gefangenen keinerlei Entlassungsvorbereitung mittels der Gewahrung von Lockerungen und Urlaub statt. Das bayerische Staatsministerium der Justiz fiihrt die 2004 dort ermittelte geringe Versagerquote gerade auf eine „verantwortungsbewusste Entscheidungspraxis"'^^'^ der Anstaltsleitungen zuriick. Kaum empirisch nachpriifbar bleibt, ob die VoUzugsbehorden bei ihren Ent- 562 scheidungen liber die Gewahrung von Lockerungen und Hafturlaub das vom Gesetzgeber mit § 11 Abs. 2 StVollzG akzeptierte verantwortbare Risiko eingehen. Denn sog. False Negatives (als ungefahrlich eingestufte Gefangene begehen wahrend der Lockerung Straftaten oder entziehen sich dem Vollzug durch Flucht) konnen die Anstaltsleitungen unter Umstanden in die Gefahr offentlicher Kritik und in besonderen Fallen sogar von disziplinar- und strafrechtlichen Ermittlungen bringen. Auf der anderen Seite sind sog. False Positives (zu Unrecht als gefahrlich eingestufte Inhaftierte) unter den Bedingungen der Institution nicht in der Lage, zu beweisen, dass sie im Fall einer Bewilligung von Lockerungen bzw. Urlaub diese nicht zu deliktischen Handlungen oder zur Flucht missbraucht hatten. Eine verantwortbare Handhabung der Vollzugslockemngen als ein normaler Bestandteil der Gestaltung des Behandlungsvollzugs^"^^ muss deshalb nicht notwendigerweise zu einem Ansteigen der Missbrauchsquoten fiihren.
5.4.8 Haftung bei Missbrauch von Vollzugslockemngen Begeht ein Inhaftierter wahrend des ihm von der Anstaltsleitung gewahrten Haft- 563 urlaubs oder im Rahmen eines Freigangs bzw. Ausgangs nach § 11 Abs. 1 StVollzG eine Straftat oder nutzt er diese zur Flucht, stellt sich die Frage einer strafi-echtlichen Beurteilung'^'^^ der voUzugsbehordlichen Entscheidung. Daneben konnen auf zivilrechtlicher Ebene Schadensersatzanspriiche des Opfers bzw. dessen Angehoriger wegen Amtspflichtverletzung in Betracht kommen. 5.4.8.1 Strafrechtliche Verantwortlichkeit Bei einem Lockerungsversagen ist an eine Strafbarkeit wegen Gefangenenbefrei- 564 ung im Amt nach § 120 Abs. 2 StGB zu denken. Denn der Leiter einer JustizvoU^^2 Frisch, 1996, S. 27; Streng, 2002, Rdn. 209; siehe auch Diinkel F., 1996a, S. 43. 7^3 Dunkel F., 1992, S. 99 ff, 105. "^^"^ Bayer. Staatsministerium der Justiz 2005, S. 23. 7^5 DunkelF., 1993, S. 666. '^^ Dazu eingehend auch Feller, 1991, S. 51 f£; den MaBregelvollzug betreffend: Griinebaum, 1990, S. 241 ff; ders., 1996.
304
5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
zugsanstalt ist Amtstrager i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 2a StGB und verpflichtet, den Haftbruch von Strafgefangenen zu verhiiten (§ 120 Abs. 2 StGB). Eine Gefangenenbefreiung nach § 120 Abs. 1 1. Alt. StGB scheidet aus, well die Durchfiihrung von Vollzugslockerungen und Hafturlaub zu keiner Unterbrechung des Gefangenenstatus fuhrt. Es handelt sich um BehandlungsmaBnahmen zur Erreichung des VoUzugszieles; der Zustand der Inhaftierung dauert daher auch wahrend Ausgang, Freigang und Urlaub fort."^"^^ EntschlieBt sich ein Gefangener dabei, nicht mehr in die Anstalt zuriickzukehren, kommt es zum Haftbruch, zur Selbstbefreiung. § 120 Abs. 1 3. Alt. StGB erhebt eine Beihilfe zu einer straflosen Selbstbefreiung zum Tatbestand. Durch seine Entscheidung kann der Anstaltsleiter den Haftbruch gefbrdert haben. Es stellt sich deshalb die Problematik, inwieweit selbst ein im Hinblick auf § 11 bzw. § 13 StVoUzG formell oder materiell richtiges Vorgehen seine Strafbarkeit nach § 120 Abs. 1 3. Alt. StGB bei Missbrauch der Lockerung beeinflusst. Hierzu werden drei Auffassungen vertreten:'^'^^ - Nur eine ordnungswidrige Lockerungsentscheidung kann den Tatbestand verwirklichen. Hat ein Anstaltsleiter die wesentlichen Formlichkeiten (z.B. ortliche und sachliche Zustandigkeit) beachtet, scheitert seine strafrechtliche Haftung nach § 120 StGB bereits auf der Ebene des objektiven Unrechtstatbestands.^'79 - Subjektives Tatbestandsmerkmal des § 120 Abs. 1 StGB ist ein Befreiungswille des Taters. Liegt der Entscheidung iiber eine Gewahrung von Lockerungen oder Urlaub dagegen ein Behandlungswille zugrunde, beabsichtigt der Anstaltsleiter gerade nicht ein Fordem der Selbstbefreiung des Inhaftierten."^^^ - Die Lockerungsentscheidung soil erst auf der Rechtswidrigkeitsebene zum Tragen kommen.'^^^ Die Anordnung, die der Gefangene missbraucht, erfiillt den Tatbestand des § 120 Abs. 1 3. Alt. StGB. Sie ist aber gerechtfertigt, wenn die Entscheidung materiell den Vorschriften des StrafvoUzugsgesetzes geniigt, d.h. im Rahmen des durch § 11 Abs. 2 bzw. § 13 Abs. 1 S. 2 StVoUzG eroffneten Beurteilungsspielraums bleibt. 565
Der Anstaltsleiter tragt gem. § 156 StVollzG die Verantwortung fur den Vollzug in seiner Institution. Er ist daher als Amtstrager zur Mitwirkung bei der Vollstreckung verhangter Freiheitsstrafen berufen und kann sich nach § 258a StGB wegen Strafvereitelung im Amt strafbar machen. Ankniipfungspunkt fur eine Bewertung seines Handelns als eine Vollstreckungsvereitelung ist die Entscheidung liber die Gewahrung von Lockerungen bzw. Hafturlaub. Da wahrend dieser die Inhaftierung fortbesteht, kann die bloBe - rechtmaBige - Gestattung den Tat-
^' 7' 7 Trondle/Fischer, 2006, § 120 Rdn. 4; Rossner, 1984a, S. 1067 f; Schaffstein, 1987, S. 795; a.A. jedoch Kusch, 1985, S. 386 f. ^•7^ Dazu ausfuhrlich Rossner, 1984a, S. 1068 ff ^^9 Schonke/Schroder/Eser, 2006, § 120 Rdn. 7. ^«o Rossner, 1984a, S. 1070. ^^^ Lackner/Kuhl, 2004, § 120 Rdn. 9.
5.4 Die Kommunikation mit der AuBenwelt
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bestand des § 258a StGB nicht erftillen.^^^ J){Q^ gH^ ^uch darni, weiin die Lockerung fehlschlagt."^^^ Notwendige Voraussetzung fiir eine Tatbestandsverwirklichung ist deshalb eine rechtswidrige Entscheidung des Anstaltsleiters. Eine solche liegt dann vor, wenn er den durch §§ 11, 13 StVollzG eroffneten Beurteilungsbzw. Ermessensspielraum iiberschritten hat. Eine Strafbarkeit des Anstaltsleiters wegen Rechtsbeugung nach § 336 StGB 566 scheidet selbst in den Fallen einer rechtswidrigen Entscheidung aus. Denn hierbei handelt es sich um keine Rechtssache im Sinne dieser Norm. GemaB § 336 StGB musste der Anstaltsleiter wie ein Richter zu entscheiden haben'^^'^, d.h. es ware in einem rechtlich vollstandig geregelten Verfahren nach Rechtsgrundsatzen zu entscheiden. Bei einer Gewahrung von Freigang, Ausgang oder Urlaub fehk es hieran jedoch. Zwar finden sich in den VV zu § 11 bzw. zu § 13 StVollzG vom Leiter zu beachtende Regelungen. Diese VVStVollzG stellen aber nur Verwaltungsvereinbarungen der Landesjustizverwaltungen dar; sie fiihren nicht zu einem durch staatliches Recht vollstandig geordneten formlichen Verfahren. Zudem handelt der Leiter nicht in einer sachlich derart unabhangigen Stellung, die es rechtfertigen wtirde, seine Tatigkeit mit der eines ausschlieBlich dem Gesetz unterworfenen Richters zu vergleichen. Zwar hat der Anstaltsleiter ebenfalls Recht anzuwenden. Allein schon die Tatsache, dass gem. VV Nr. 5 zu § 11 und W Nr. 7 zu § 13 StVollzG etwa bei einem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten die Lockerungs- und Urlaubsgewahrung der Zustimmung der Aufsichtsbehorde bedarf, zeigt aber, dass von einer richterahnlichen Entscheidungsfreiheit nicht gesprochen werden kann. Begeht der Verurteilte wahrend der Lockerung ein vorsatzliches Korperverlet- 567 zungs- oder Totungsdelikt, ist eine Beteiligung des Anstaltsleiters im Sinne einer Fahrlassigkeitstat zu priifen. Denn die Entscheidung war dann fiir die Korperverletzung oder Totung kausal; der Gefangene hatte ohne die Lockerung seine Tat nicht begehen koimen. Ein Fahrlassigkeitsvorwurf setzt aber voraus, dass im konkreten Fall die Sorgfalt missachtet wurde, die von einem gewissenhaften Anstaltsleiter bei einer Entscheidung nach § § 1 1 , 13 StVollzG erv^artet v^ird, und die Straftat vorhersehbar war. Zwar bergen Lockerungsentscheidungen - z.B. bei Gewalttatem - die Gefahr eines Fehlschlagens in sich. Mit einer gewissen (zwar sehr niedrigen) statistischen Wahrscheinlichkeit bleibt ein Missbrauch durch Begehung einer Riickfalltat fiir die Vollzugsbehorde auch vorhersehbar. Ein Korperverletzungs- oder Todeserfolg kann dem Anstaltsleiter jedoch nur dann zugerechnet werden, wenn er nicht mehr im Rahmen des erlaubten Risikos entschieden hat.*^^^ Da in jeder Lockerungsgewahrung ein (geringes) Missbrauchsrisiko liegt, bedarf es zur Bejahung des Zurechnungszusammenhangs eines Uberschreitens jener akzeptierbaren Risiken, die noch zum Bereich des sozialadaquaten Handelns gehoren. Insoweit hat der Gesetzgeber mit § § 1 1 und 13 StVollzG die formalen Parameter geschaffen, die von einem Anstaltsleiter bei seiner Entscheidung iiber eine
'782 Schonke/Schroder/Stree, 2006, § 258a Rdn. 14a; a.A. LK-RuB, 1994, § 258a Rdn. 5; siehe auch Peglau, 2003, S. 3256 ff 783 Trondle/Fischer, 2006, § 258a Rdn. 5; a.A. Kusch, 1985, S. 390. 784 BGHSt. 24, S. 327. 785 Kusch, 1985, S. 392 f; Rossner, 1984a, S. 1071; Schaffstein, 1987, S. 801 ff
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5 Der Vollzugsablaufalslnteraktionsprozess
Gewahrung von Freigang, Ausgang und Hafturlaub zu beachten sind. Obwohl es keine absolut zuverlassigen Kriterien gibt, um aus vergangenen und aktuellen Beobachtimgen menschlichen Verhaltens eine Riickfall- bzw. Missbrauchswahrscheinlichkeit sicher beurteilen zu konnen, hat die Legislative im Hinblick auf die Sozialisation von Inhaftierten mit Normierung der Voraussetzungen fur VoUzugslockerungen ein gewisses sozialadaquates Risiko akzeptiert. Halt sich ein Anstaltsleiter innerhalb des durch §§11 und 13 StVollzG eroffneten Beurteilungsspielraums, dann bewegt er sich auch beziiglich der Folgedelikte des Taters im Rahmen des sozialadaquaten Risikos*^^^; ein Fahrlassigkeitsvorwurf entfallt.'^^^ 5.4.8.2 Zivilrechtliche Haftung 568 Missbraucht ein Gefangener VoUzugslockerungen^^^ so kann ein solches Verhalten neben strafrechtlichen Konsequenzen ftir die verantwortlichen Vollzugsbediensteten auch zivilrechtliche Folgen nach sich ziehen. In Betracht kommt die Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs gem. § 839 BGB, Art. 34 GG durch Personen, die seitens des Gefangenen geschadigt wurden. Dieser Anspruch ist allerdings nicht im Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG, sondem im Zivilrechtsweg zu verfolgen, Art. 34 S. 3 GG. Er richtet sich auf Schadensersatz in Geld und trifft nicht die verantwortlichen Vollzugsbediensteten personlich, sondem das Bundesland, in dessen Diensten sie stehen (Art. 34 S. 1 GG). Dieses kann bei Vorsatz oder grober Fahrlassigkeit gegen seine Beamten oder Angestellten Riickgriff nehmen, Art. 34 S. 2 GG. 569 Den Vollzugsbediensteten obliegt die Amtspflicht, Lockerungen nur zu gewahren, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen hierfiir vorliegen. Fraglich ist, ob diese Amtspflicht nur der AUgemeinheit gegeniiber oder gerade auch im Verhaltnis zu denjenigen Personen besteht, die durch die rechtswidrige Tat eines Strafgefangenen geschadigt wurden. Das richtet sich nach dem Zweck der jeweils im Einzelfall einschlagigen Amtspflicht. Obwohl nach § 2 S. 2 StVollzG der VoUzug der Freiheitsstrafe dem Sicherungsinteresse der AUgemeinheit dient, erscheint es doch im Hinblick auf die dem Staat auferlegte Schutzpflicht ftir die seiner Gewalt Unterworfenen nicht ausgeschlossen, individuell geschadigte Personen als Bestandteile der AUgemeinheit in den Schutzbereich einzubeziehen.'^^^ Spricht das Gesetz vom Schutz der AUgemeinheit, geht es nicht nur um die Verhinderung von gemeingefahrlichen oder gegen den Staat gerichteten Straftaten.'^^^ 570 Es steht allerdings nicht zu befiirchten, dass ein Bundesland nunmehr fiir die Folgen einer jeden Tat von Gefangenen haften muss. Weil nach dem Strafvoll^«6 Rossner, 1984a, S. 1071. ^^^ Siehe auch StA Paderbom, NStZ 1999, S. 51 ff; BGH, NJW 2004, S. 237 ff zur Verantwortung von Arzten und Therapeuten bei Lockerungsmissbrauch. ^^^ Zur Verantwortung des Staates fiir Totungsdelikte durch beurlaubte Inhaftierte siehe EGMR, NJW 2003, S. 3259 ff 7^9 OLG Karlsruhe, NJW 2002, S. 446; Kaiser/Schoch, 2002, S. 336; UUenbruch, 2002, S. 417; anders OLG Hamburg, ZfStrVo 1996, S. 243. ^90 Vgl. Kaiser/Schoch, 2002, S. 336.
5.5 Therapeutische MaBnahmen
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zugsgesetz Vollzugslockerungen einen wichtigen Bestandteil des Behandlungsvollzugs bilden und ein gewisses Risiko bei ihrer Gewahrung in Kauf genommen werden darf, setzt eine Pflichtverletzung bei der Entscheidung ein Uberschreiten dieses Bereichs voraus. Dariiber hinaus muss den Vollzugsbediensteten zumindest fahrlassiges Handeln zur Last liegen. Daran kann es fehlen, wenn die Anstalt im Verfahren nach §§109 ff. StVollzG nicht nur zum Treffen einer emeuten Erniessensentscheidung, sondem gerade zur Gewahrung einer VoUzugslockerung verpflichtet wurde. Beispiel: Der Gefangene G verbiiBte eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwolf Jahren u.a. wegen versuchten Mordes und Vergewaltigung. Von den zustandigen Gerichten war ein Antrag auf vorzeitige Entlassung gem. § 57 Abs. 1 StGB abgelehnt worden, weil das Verhalten des G vorher mittels Vollzugslockerungen erprobt werden miisse. Die JVA verlegte den G in die Freigangerabteilung und gewahrte ihm Ausgang. Dabei war ihr bekannt, dass G Kontakte zu einer sado-masochistisch orientierten Gruppe aufgenommen hatte. Wahrend des Ausgangs bemachtigte sich G der Frau K, zwang sie zu sexuellen Handlungen und erdrosselte sie anschlieBend. Die minderjahrige Tochter T der Frau K nahm das Bundesland, in dessen Vollzug sich G befand, auf Zahlung von Schadensersatz in Form einer Geldrente in Anspruch. Das OLG Karlsruhe*^^^ erachtet den Anspruch fiir begriindet. Die Vollzugsanstalt habe es - trotz der im Verfahren nach § 57 Abs. 1 StGB ergangenen gerichtlichen Entscheidung - verabsaumt, die fur und gegen die gewahrten Vollzugslockerungen sprechenden Griinde hinreichend abzuwagen. Im Hinblick auf die Vorahndung des G und sein Verhalten im Vollzug hatte G vor Gewahrung von LockerungsmaBnahmen psychiatrisch begutachtet werden mussen. Zudem hatte G zunachst nur unter Aufsicht eine Lockerung erhalten diirfen. Zu diesen MaBnahmen sei die Anstalt auch gegenuber der T verpflichtet gewesen. Dem Amtshaftungsanspruch kommt nachrangiger Charakter zu. Fallt dem 571 Amtstrager nur Fahrlassigkeit zur Last - was bei vollzuglichen Sachverhalten regelmaBig der Fall sein wird -, greift der Anspruch gem. § 839 Abs. 1 S. 2 BOB erst dann ein, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag. Das betrifft etwa - realisierbare - Anspriiche gegen den Schadiger selbst. Die Geltendmachung von Amtshaftungsanspriichen bleibt aber nicht auf Konstellationen beschrankt, in denen Lockerungen missbraucht werden. Gelingt etwa einem Gefangenen aufgrund mangelhafter Sicherungsvorkehrungen die Flucht, eroffnet dies ebenfalls den Anwendungsbereich der Staatshaftung.
5.5 Therapeutische Maflnahmen Ein auf Erreichung des Vollzugszieles einer kiinftigen sozial verantwortlichen Le- 572 bensftihrung ohne weitere Straftaten hin ausgerichteter Behandlungsvollzug muss - neben Arbeit und (Aus-)Bildung sowie einer nach der jeweiligen Verantwortbarkeit gelockerten Vollzugsgestaltung - auch mittels therapeutischer BehandlungsmaBnahmen den Sozialisationsprozess fordern. Denn eine Befahigung OLG Karlsruhe, NJW 2002, S. 445 ff
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5 Der Vollzugsablauf alslnteraktionsprozess
zu regelmaBiger Arbeit oder eine berufliche Stabilisierung reicht allein oftmals nicht aus. Der in die Freiheit zuriickkehrende Straftater sollte liber die Grimdqualifikationen eines sozial handlungsfahigen Subjektes verfugen'^^^, welche zahlreiche Inhaftierte in einem Prozess der vollzuglichen Ersatzsozialisation erstmals erlernen konnen. Neben einer Behandlung individueller Defizite geht es dabei um die Erlangung sozialer Handlungskompetenz. Uber das soziale Training hinaus umfasst Kriminaltherapie sowohl die tater- und personlichkeitsbezogene Individualtherapie als auch die Sozialtherapie als Ausrichtung der verschiedenen Handlungsund Beziehungsformen im Sinne einer - vom Idealbild her - problemlosenden Gemeinschaft. 5.5.1 Gesetzliche Vorgaben 573 Mit seinem offenen und weiten Behandlungsbegriff^^ schlieBt das StrafvoUzugsgesetz nicht nur eine inhahHche Prazision aus. Mangels eines normativ vorgegebenen Behandlungskonzepts hat die Legislative den Einsatz einer Vielfalt von Methoden, Ansatzen und Modellen ermoglicht. Hinsichtlich der Organisation und Durchfiihrung therapeutischer MaBnahmen finden sich nur wenige gesetzliche Regelungen. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 6 StVollzG muss der VoUzugsplan Angaben iiber besondere Hilfs- und BehandlungsmaBnahmen enthalten. § 37 Abs. 5 und § 149 StVollzG befassen sich mit den Voraussetzungen und der Gestaltung arbeitstherapeutischer Beschaftigung. § 7 Abs. 2 Nr. 2, § 9 und §§ 123 bis 126 StVollzG beinhalten besondere Regelungen fiir die Verlegung und den VoUzug einer Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Anstalt. 574 Bedeutung auch fur den therapeutischen Bereich erlangt die allgemeine Vorschrift des § 4 Abs. 1 StVollzG. Der Gefangene darf nicht zum bloBen Objekt von BehandlungsmaBnahmen gemacht werden; er nimmt vielmehr eine Subjektstellung ein. Eine erzwungene Teilnahme an einer Therapie kame einer oktroyierten und inhaltlich fremdbestimmten Veranderung der Inhaftiertenpersonlichkeit gleich. Es darf deshalb kein Druck im Sinne von Zwang auf den Gefangenen ausgeiibt werden, an einer Therapie teilzunehmen.'^^'^ Die Anstalt muss aber die Bereitschaft des Einzelnen zur Mitwirkung an den BehandlungsmaBnahmen fordem (§ 4 Abs. 1 S. 2 StVollzG). Das Verbot eines Zwangs zur Therapie bezieht sich auch auf deren Beendigung. Der Inhaftierte kann eine weitere Teilnahme an einer begonnenen MaBnahme jederzeit wieder verweigern. 575 Die individuellen therapeutischen Bediirfnisse und die Erforderlichkeit einer entsprechenden Behandlung werden in der Behandlungsuntersuchung gem. § 6 StVollzG ermittelt, auf welcher die Vollzugsplanung griindet. Die Durchfiihrung der einzelnen MaBnahmen erfolgt dann in der Institution durch Angehorige des Sozialstabes (insbesondere Psychologen, Padagogen, Sozialarbeiter, Arbeitsthera^92 Schuh, 1980,8.95 ff ^93 DazuobenKap. 3.1.2. 794 AK-Feest/Lesting, 2006, vor § 2 Rdn. 19.
5.5 Therapeutische MaBnahmen
309
peuten). Liegen die Voraussetzungen des § 11 StVollzG vor, kommt auch eine Behandlung auBerhalb der Anstalt in Betracht (z.B. in einer psychiatrischen Praxis; Teilnahme an Wochenendseminaren). Die Therapie in oder auBerhalb der Einrichtung kann als Einzeltherapie oder als Gruppentherapie gestaltet sein.
5.5.2 Behandlungsgmppen Mit § 7 Abs. 2 Nr. 3 StVollzG hat der Gesetzgeber therapeutische Gruppenpro- 576 zesse hervorgehoben. Nicht nur mit der Unterbringung von Gefangenen in Wohngruppen werden die in kleinen Gemeinschaften stattfindenden Interaktionen und dynamischen Entwicklungen zur Erlangung sozialer Kompetenz genutzt. Auch auf der therapeutischen Ebene sollen in Behandlungsgmppen d)niamische Prozesse Verhaltensstabilitat und Konfliktfahigkeit fordem. Ziele einer solchen Gruppenbehandlung sind damit Rollendistanz, Bedtirfnisausgleich und Aggressionsabbau. Der Gefangene muss sich zunachst in die Behandlungsgruppe einpassen, was an der tjbemahme einer Rollenposition deuthch wird. Er hat dann waiter zu lemen, auf Distanz zu seiner Rolle gehen zu konnen, die Gruppennormen zu interpretieren, zu akzeptieren bzw. modifizierend auf sie Einfluss zu nehmen. In der Gemeinschaft mit der Gruppe kann der Einzelne sich selbst die Fahigkeit vermitteln, die Erwartungen seiner Umwek in das Verhalten anderen gegeniiber einzubeziehen. Aufkommende Auseinandersetzungen verhelfen zu der Erkenntnis, dass ein Ausgleich zwischen den angestrebten Bediirfhissen und denjenigen, welche die Gemeinschaft nicht befriedigen kann, zu finden und eine in Aggression gesteigerte Selbstbehauptung abzubauen ist. Neben gruppenpsychotherapeutischen Verfahren, Psychodrama und Verbal- 577 tenstherapie in Gruppen kann unter den im Strafvollzug anwendbaren Behandlungstechniken das group counselling besondere Relevanz erlangen. Das group counselhng wurde in der nordamerikanischen Psychiatric entwickeh und von Norman Fenton sowohl theoretisch ausformuHert^^^ als auch in den Strafvollzug eingefiihrt. Eine umfassende fachgerechte Anwendung dieser Methode findet seit Mitte der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts auch in Deutschland statt. In Osterreich wurde sie ab 1970 in einem groB angelegten Modellversuch als besondere BehandlungsmaBnahme erprobt und gelangt dort in fast alien Justizanstalten zur Anwendung.'^^^ Das group counselling^^'^ versucht, die beiden Bereiche der sozialen Gruppenarbeit und der Gruppentherapie miteinander zu verbinden. Innerhalb einer offenen Kommunikationsstruktur treffen sich die Teilnehmer moglichst unter nicht-direktiver Leitung zu regelmaBigen Gruppengesprachen. Dabei soil der Gefangene durch die Gruppe sich seiner Probleme bewusst werden. Es findet eine Aufarbeitung in der Vergangenheit liegender (einschlieBlich Ursachen der Straffalligkeit) und griindender Probleme ebenso statt wie von Anpassungsschwierigkeiten an die Haftsituation. Das group counselling leitet damit einen Prozess des sozialen Lemens ein und versucht, Einstellungsanderungen zu bewirken.
^^5 Fenton, 1958. ^^^ Holzbauer/Brugger, 1996, S. 280 ff; Strak, 1996, S. 17 ff ^^^ Dazu Laubenthal, 1983, S. 121 ff; Godl, 1996, S. 23 ff
310 578
5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
U m in dem von freien Sozialisationsprozessen weitgehend abgetrennten StrafvoUzug moglichst viele Interaktionsfelder und gruppendynamische Entwicklungen schaffen zu konnen, sollten Behandlungsgruppe imd Wohngruppe sich aus jeweils unterschiedlichen Inhaftierten zusammensetzen. Denn eine kongruent gruppale Konstellation birgt die Gefahr, dass im Rahmen der Behandlung in Gang gesetzte und unter fachlicher Anleitung entwickelte gruppendynamische Prozesse unkontrolliert in der Wohngruppe weiterlaufen^^^
5.5.3 Behandlung drogenabhangiger Gefangener 579 Der Umgang mit drogenabhangigen Strafgefangenen und deren Therapie"^^^ gehoren zu den drangendsten Problemen der aktuellen Vollzugsgestaltung.^^^ Von den am 31.3.2005 in Deutschland eine Freiheitsstrafe verbuBenden 56 122 Inhaftierten befanden sich 8 757 (= 15,6 %) wegen eines VerstoBes gegen das Betaubungsmittelgesetz im Vollzug.^^^ Bereits 16,9 % der am 31.3.2004 in den bayerischen Justizvollzugsanstalten einsitzenden Strafgefangenen waren ausschlieBlich wegen Delikten nach dem BtMG verurteilt (am 31.3.1988 lag der Anteil noch bei 7,7 Vo)}^^ Sind zwar nicht alle von ihnen selbst Konsumenten, so ist dennoch davon auszugehen, dass die Anzahl der tatsachlich drogenabhangigen bzw. -gefahrdeten Inhaftierten sogar hoher liegt und ein Teil von ihnen wegen anderer deliktischer Handlungen (insbesondere im Rahmen der Beschaffungskriminalitat) abgeurteilt wurde. Eine in neun Justizvollzugsanstalten des Landes NordrheinWestfalen durchgefuhrte empirische Untersuchung ergab, dass etwa die Halfte der Gefangenen bereits vor der Inhaftierung als drogengefahrdet gilt; ein Drittel zeigt bei Haftantritt Symptome akuter Drogenabhangigkeit. Das AusmaB dieser Abhangigkeit ist bei Heranwachsenden und Jungerwachsenen, vor allem aber bei weiblichen Inhaftierten am groBten.803
So wie in Freiheit die Versorgung mit Betaubungsmitteln auf keine nennenswerten faktischen Schwierigkeiten stoBt, gilt dies auch in Justizvollzugsanstalten. Der Anteil der Drogenabhangigen an den Gefangenen ist hoch: Schatzungen beziiglich des Konsums barter Drogen wie Heroin, Kokain, Crack usw. variieren zwischen 10 und 40 %, wobei die meisten Angaben bei 30 % liegen. Der Anteil derjenigen, die schon Cannabis konsumiert haben, diirfte noch hoher anzusetzen sein. Obw^ohl Kriterien und Verfahren der Feststellung entsprechend belasteter Gefangener Kritik verdienen (zum Teil basiert die Zuordnung nur auf den Feststellungen des Strafurteils), gilt als sicher: Der Vollzugsalltag wird in hohem Ma^9« Rasch, 1977,8.73. ^^^ Dazu Borkenstein, 1988, S. 235 ff; ders., 1994, S. 80 ff; Jacob/Keppler/Stover, Teil 2, 2001, S. 12 ff ^°^ Kaiser/Schoch, 2002, S. 117; siehe auch Klingst, 1997, S. 4; Jacob/Keppler/Stover, 1997. ^^^ Statistisches Bundesamt, Strafvollzug - Demographische und kriminologische Merkmale der Strafgefangenen 2005 Reihe 4.1, S. 16. ^^^ Bayer. Staatsministerium der Justiz, 2005, S. 26. ^^2 Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, 2000, S. 75 f; Wirth, 2002, S. 104 ff
5.5 Therapeutische MaBnahmen
311
Be von der Suchtproblematik gepragt. Drogen sind allerdings knapper und minderwertiger als auBerhalb der Anstaltsmauern. Da die Droge der Wahl bisweilen nicht zur Verfiigung steht, kommt es auch zur Einnahme von Substanzen mit mehreren Wirkgruppen nebeneinander.^^"^ Die Drogenproblematik beeintrachtigt den Strafvollzug in den Anstalten in ver- 580 schiedener Hinsicht.^^^ So kommt es etwa zu Abhangigkeiten auf der subkulturellen Ebene^°^, weil die Preise fiir Drogen im VoUzug auBer Verhaltnis zu den verfiigbaren Einkommen der Inhaftierten stehen. Rauschzustande fiihren zu kriminellen Folgehandlungen (z.B. Verletzung von Mitgefangenen). Auch in den Institutionen versuchen Abhangige iiber die Beschaffungskriminalitat an Drogen zu gelangen. Durch das Vorhandensein von Betaubungsmitteln wird die Riickfallgefahr Therapiewilliger erhoht. Der Mangel an sauberem Besteck gefahrdet die Benutzer im Hinblick auf eine Ubertragung des HIV-Virus sowie von Hepatitiserkrankungen. Bin Ausweg aus der Misere wird in der Ausgabe von sterilen Einwegspritzen im Straf- 580a vollzug gesehen, um auf diese Weise den Tausch der Spritzen durch die Gefangenen untereinander zu unterbinden und hiermit verbundene Infektionsgefahren einzudammen. Wahrend in der Literatur unter dem Blickwinkel der Verminderung von Gesundheitsrisiken der unkomplizierte Spritzentausch beftirwortet wird^^"^, erkennt die Judikatur einen Rechtsanspruch hierauf nicht an.^°^ Nach den Ergebnissen eines Modellprojekts in der Schweiz war dort ein Rtickgang sowohl der Spritzenabszesse wie der Hepatitis-Neuinfektionen festzustellen, wahrend Befurchtungen, der Konsum konne zunehmen oder Spritzen wiirden vermehrt als Waffe eingesetzt, sich nicht bestatigt haben.^^^ Selbst wenn auch in Deutschland die Abgabe von Einwegspritzen an Suchtkranke betaubungsmittelstrafrechtlich nicht mehr auf Hindemisse stoBt (vgl. § 29 Abs. 1 S. 2 BtMG), so bleibt doch die Problematik bestehen, dass der Konsum barter Drogen nicht nur (u.U. gravierende) gesundheitliche Schaden nach sich zu ziehen vermag, sondem die Situation in den Haftanstalten durch die mindere Qualitat der dort kursierenden Rauschmittel noch verscharft wird. Die wissenschaftliche Begleitforschung zu einem in Hamburg durchgefiihrten Modellversuch^^^ zeigt sich im Vergleich zu den in der Schweiz gefundenen Resultaten weit skeptischer: Die Inhaftierten seien aufgrund der verminderten Infektionsrisiken bei zugleich hoheren Kosten des Rauchens oder Sniefens zum intravenosen Gebrauch barter Drogen geradezu animiert worden. Das Programm habe zudem Rtickfalligkeit produziert und eine groBe Zahl von Spritzen sei nicht den Vorgaben entsprechend aufbewahrt worden, wodurch sich die Verletzungsgefahren fiir die bei Durchsuchungen unvermutet auf Spritzen stoBenden Mitarbeiter nicht ver-
««4 Dazu Laubenthal, 2005, S. 197 f «05 Siehe auch Bohm/Mobius, 1990, S. 95 ff; Kern, 1997b, S. 90 ff; Laubenthal, 2005, S. 195 ff; Schafer/Schoppe, 1998, S. 1401 ff «06 Siehe obenKap. 3.4.2.4. ^^^ AK-Boetticher/Stover, 2006, vor §56 Rdn. 65; CalHess/Muller-Dietz, 2005, §56 Rdn. 13; Stover/Nelles, 2003, S. 345; Walter M., 1999, S. 441; ablehnend Sigel, 1993, S. 218f ^o« So LG Berlin, BlStVK 3/1997, S. 6; LG Augsburg, ZfStrVo 2001, S. 364. ^^^ Vgl. Gross, 1998, S. 6; Stiehler, 2000, S. 39; zu weiteren auslandischen Modellprojekten Stover, 2002, S. 127 ff; Stover/Nelles, 2003, S. 346. ^^° Zu Geschichte und Durchfuhrung des Modellprojekts Gross, 1998, S. 7 ff
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
mindert hatten. Im Hinblick auf die sowohl die Anstaltssicherheit bedrohenden als auch die Menschen im Vollzug belastenden Feststellungen kam es letztlich zu einer Einstellung der Spritzenvergabe in den hamburgischen und niedersachsischen Vollzugsanstalten.^^' 580b
Da der Konsum von Drogen das geordnete Zusaimnenleben sowie die Sicherheit und Ordnung der Anstalt stort, stellt er einen VerstoB gegen § 82 Abs. 1 S. 2 StVollzG dar. Dies gilt insbesondere, wenn er durch Hausordnung, Hausverfiigung usw. untersagt ist. Zudem handelt es sich bei Rauschmitteln nicht um Sachen von geringem Wert i.S.d. § 83 Abs. 1 S. 2 StVollzG, so dass diese ohne Zustimmung der Anstalt nicht von anderen Gefangenen angenommen werden diirfen.^^^ Teilweise haben die Vollzugsbehorden eigene Therapiestationen oder abgetrennte Abteilungen^'^ fiir Drogenabhangige eingerichtet. In Bayem wird dagegen ganz auf eine getrennte Unterbringung verzichtet. Dort kommt es neben den allgemeinen BehandlungsmaBnahmen zunachst zu einem korperlichen Entzug unter arztlicher Betreuung. Daran anschlieBend wird versucht, auch einen psychischen Entzug zu erreichen. Hierzu finden besondere individual- und gruppentherapeutische MaBnahmen unter Beteiligung von Vertretem externer Beratungs- und Behandlungseinrichtungen statt.^^"^
580c
Ein Losungsansatz wird auch in der kontroUierten Abgabe von Drogen gesehen. Wahrend man in der Schweiz diesen Weg intramural bereits beschritten hat^^^, bleibt nach dem bundesdeutschen Betaubungsmittelrecht die Uberlassung von Heroin an siichtige Gefangene nicht statthaft. In Betracht kommt lediglich eine Substitution mit L-Polamidon, Codein, Methadon oder ahnlichen Mitteln.^^^ Immerhin belegen zahlreiche Studien fur eine Substitution in Freiheit die positive Wirkung dieses Vorgehens, nicht nur im Hinblick auf eine soziale und gesundheitliche Stabilisierung der Probanden, sondem u.a. weiter im Hinblick auf die Verminderung von Infektionsrisiken.^^^ Es erscheint jedoch nicht unzweifelhaft, ob unter den Bedingungen des Justizvollzugs und insbesondere der dort vorhandenen arztlichen Versorgung solche Programme realistischerweise iiberhaupt in adaquater Form durchgefiihrt werden konnen.^^^ Auch lasst § 13 Abs. 1 S. 2 BtMG eine Substitutionsbehandlung nur subsidiar zu anderen Therapieformen zu.^^^ Die Praxis stellt sich trotz bundeseinheitlicher Rechtsgrundlagen von Land zu Land und sogar von Einrichtung zu Einrichtung sehr unterschiedlich dar.^^^ In Betracht kommt eine Substitutionsbehandlung insbesondere zu folgenden Zwecken: Be«'» Vgl. Mitteilung in ZfStrVo 2002, S. 172. «^2 OLG Hamm, ZfStrVo 1995, S. 248. ^*^ Vgl. Mechler, 1981, S. 69 ff; Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, 2006, S. 44. ^^^ Bayer. Staatsministerium der Justiz, 2005, S. 26 f; dazu auch Kiifner/Beloch/Scharfenberg/Tiirk, 1999. ^^5 Dazu Stiehler, 2000, S. 40. «^6 DetailHert in Buchta/Schafer, 1996, S. 21 ff; Schultze, 2001, S. 9 ff «^7 Vgl. Ullmann, 2003, S. 293 f ^^^ Krit. zur Praxis der Substitutionsbehandlung im Vollzug AK-Boetticher/Stover, 2006, vor § 56 Rdn. 46. ^^^ Zu den Konsequenzen Sonnecken, 2004, S. 246 ff «2o Uberblick bei Keppler/Knorr/Stover, 2004, S. 202 ff
5.5 Therapeutische MaBnahmen
313
kampfung akuter Entzugserscheinungen, Fortfiihrung einer vor Haftantritt begonnenen Behandlung sowie Beginn der Therapie vor Haftentlassung zur Verbessenmg der Resozialisiemngschancen. Die Zahl der bundesweit betroffenen Patienten wird auf etwa 600 geschatzt; genaue Untersuchungen existieren nicht. Fiir die zuriickhaltende Praxis diirften neben der fachlichen Ablehnung durch manche Arzte finanzielle Aspekte nicht ohne Belang sein. Zudem steht die Praxis auf dem Standpunkt, die Substitutionsbehandlung widerspreche dem aus § 2 StVoUzG hergeleiteten Vollzugsziel, in Freiheit ein in jeder Hinsicht drogenfreies Leben flihren zu konnen.^^^ Eine Besonderheit stellt fiir den Bereich der Behandlung betaubungsmittelab- 581 hangiger Straftater das Rechtsinstitut der Zuriickstellung der StrafvoUstreckung nach §§ 35 ff. BtMG dar.^^^ Danach kann die VerbtiBung einer Freiheitsstrafe zumindest partiell - durch rehabilitative MaBnahmen ersetzt werden. Zu diesen zahlt der Aufenthalt in einer staatlich anerkannten Einrichtung, die dazu dient, eine Abhangigkeit zu beheben oder einer emeuten Abhangigkeit entgegenzuwirken. Voraussetzungen^^^ einer Zuriickstellung der StrafvoUstreckung gem. § 35 BtMG sind: - Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren, - die der Verurteilung zugrunde liegende Straftat wurde aufgrund einer Betaubungsmittelabhangigkeit begangen, - Therapiebereitschaft des Verurteilten, - Gewahrleistung eines Behandlungsbeginns (Vorhandensein eines Therapieplatzes), -
gerichtliche Zustimmung.
Nach erfolgter Zuriickstellung ist der Betroffene zur laufenden Erbringung von Nachweisen iiber die Aufnahme und die Fortfiihrung der Behandlung zu von der Vollstreckungsbehorde festgelegten Zeitpunkten verpflichtet (§ 35 Abs. 4 BtMG). GemaB § 36 Abs. 1 BtMG werden die Zeiten einer Drogentherapie dann vom Gericht auf die Strafe ganz oder teilweise angerechnet, bis infolge der Anrechnung zwei Drittel der Strafe erledigt sind. Danach oder wenn eine Behandlung schon zu einem friiheren Zeitpunkt nicht mehr erforderlich wird, setzt das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewahrung aus, sobald das Sicherheitsinteresse der AUgemeinheit dies zulasst. Empirische Analysen von Praxis und Auswirkungen der 1982 in Kraft getretenen Regelungen iiber eine Zuriickstellung von der StrafvoUstreckung haben ergeben, dass eine regular verlaufene Therapie zwar keine spatere Legalbewahrung gewahrleistet, eine emeute Verurteilung jedoch „deutlich seltener und weniger gravierend" bleibt als ohne eine Therapie nach § 35 BtMG.«24
»2' So OLG Hamburg, ZfStrVo 2002, S. 312 f; Arloth/Luckemann, 2004, § 3 Rdn. 7.
^22 Dazu Egg, 1992a, S. 21 ff; Laiibenthal, 2005, S. 209 f «23 Umfassend Komer, 2001, § 35 Rdn. 30 ff ^24 Kurze, 1992, S. 80; ders., 1996, S. 181 f
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
5.5.4 Die sozialtherapeutische Anstalt 582 Nach dem Idealbild der Strafanstalt als einer Problem losenden Gemeinschaft^^^ sollte der gesamte VoUzug in seinen Handlungs- und Beziehungsformen im Hinblick auf das VoUzugsziel sozialtherapeutisch ausgerichtet sein. Mit Hilfe der zur Verfugung stehenden Behandlungsmethoden ist auf alle Inhaftierten einzuwirken, um deren Chancen fiir eine soziale (Re-)Integration ohne weitere Straftaten zu erhohen. In diesem weiteren Sinne lasst sich Sozialtherapie jedoch angesichts der kontraproduktiven Vollzugsrealitat in den Institutionen des NormalvoUzugs nicht realisieren. Sozialtherapie findet daher heute fast ausschlieBlich im engeren Sinne in den besonderen sozialtherapeutischen Anstalten und Abteilungen statt - quantitativ eher eine Randerscheinung^^^ des Strafvollzuges, jedoch von erheblicher Relevanz fur die Fortentwicklung des konventionellen VoUzugs, weil ihr eine Vorbildfunktion zukommt.^^^ Zunehmende praktische Bedeutung erlangt die sozialtherapeutische Behandlung von Sexualstraftatern.^^^ Nach der Reform des § 9 StVollzG durch das „Gesetz zur Bekampfung von Sexualdelikten und anderen gefahrlichen Straftaten" vom 26.1.1998^^^ ist hinsichtlich Voraussetzungen und Ausgestaltung der Sozialtherapie zwischen zwei Gruppen von Inhaftierten zu differenzieren: - bestimmte Sexualstraftater (Abs. 1) und - librige Gefangene (Abs. 2). 5.5.4.1 Entwicklung 583 Die sozialtherapeutische Anstalt gait Ende der sechziger Jahre als ein Kemstlick der damaligen Strafrechts- und Strafvollzugsreform.^^^ Die Diskussion iiber eine Einfiihrung sozialtherapeutischer Anstalten wurde angeregt durch auslandische Modellversuche.^^^ Als klassische Konzepte galten zum einen die danische Forvaringsanstalt in Herstedtvester^^^, die Van-der-Hoeven-Klinik in Utrecht^^^ sowie die Maxwell-Jones-Clinic in London^^"^. Erste Versuche einer Behandlung von Inhaftierten mittels spezieller sozialpsychiatrischer Methoden wurden auch im Vollzugskrankenhaus Hohenasperg in Baden-Wurttemberg durchgefuhrt.^^^ Als eine spezialpraventiv orientierte MaBregel der Besserung und Sicherung fur erheblich Ruckfallige „mit einer seelischen Krankheit oder tief greifenden PersonHchkeitssto«25 «26 «27 ^^^ «29 «3o ^31 «32 «33 «34 «35
ObenKap. 3.1.2.1. RotthausK., 1994,S. 143. Vgl. Walter M., 1999, S. 307. Dazu unten Kap. 5.5.4.3. BGBl. I 1998, S. 160 ff Dazu Egg, 2005, S. 18ff Vgl. Egg, 1984, S. 5 ff Dazu Hoeck-Gradenwitz, 1992, S. 246 ff; Stiirup, 1968, S. 276 ff Siehe Roosenburg, 1969, S. 88 ff; Rotthaus K., 1975, S. 83 ff Jones, 1962. Mauch/Mauch, 1971.
5.5 Therapeutische MaBnahmen
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rung", fiir die der Normalvollzug keinen Erfolg verspricht, forderten die Verfasser des Altemativ-Entwurfs eines Strafgesetzbuches^^^ die sozialtherapeutische Behandlung in besonderen Anstalten. Dem schloss sich der Gesetzgeber mit dem 2. Strafrechtsreformgesetz 1969 an. Nach § 65 StGB i.d.F. des 2. StrRG sollte das Gericht die Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Anstalt anordnen, wobei die Norm sich auf folgende Tatergruppen bezog: - Straftater mit erheblichen Personlichkeitsstorungen und einer Riickfallgefahr, - Sexualstraftater, bei denen die Gefahr besteht, dass sie im Zusammenhang mit ihrem Geschlechtstrieb weiterhin erhebliche rechtswidrige Taten begehen, - jungerwachsene Riickfalltater, wenn die Gesamtwlirdigung von Tat und Tater die Gefahr einer Entwicklung zum Hangtater erkennen lasst, - schuldunfahige oder vermindert schuldfahige Tater, bei denen eine sozialtherapeutische Behandlung zur Resozialisierung besser geeignet erscheint als die einer Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus. Um den Bundeslandem die Errichtung solcher Einrichtungen zu ermoglichen, wurde das In-Kraft-Treten des § 65 StGB vom Gesetzgeber mehrmals verschoben. Ausgehend von einem Bedarf von mehr als 4 000 Haftplatzen^^^ begann in Vorbereitung auf die Geltung dieser Regelung die Errichtung einer Anzahl von sozialtherapeutischen Modell- und Erprobungsanstalten bzw. -abteilungen. Dabei kam es in den Einrichtungen zu divergierenden Entwicklungen von Aufhahmekriterien, Behandlungskonzepten und therapeutischen Vorgehensweisen.^^^ Finanzielle Erwagungen, aber auch eine gewisse Emlichterung im Hinblick auf die erwarteten Erfolge des Behandlungsvollzugs veranlassten den Gesetzgeber schlieBlich, von der sog. MaBregellosung Abschied zu nehmen. Mit dem StVollzAndG vom 20.12.1984^39 ^^j-^g § 55 g^GB endgultig mit Wirkung zum 1.1.1985 gestrichen. Die Legislative hat sich fiir die sog. Vollzugslosung entschieden. Mit der Auf- 584 hebung des § 65 StGB blieben noch § 9 und §§123 ff. StVollzG wirksam. Danach ist die Behandlung in einer sozialtherapeutischen Anstalt nicht als eine richterlich angeordnete MaBregel der Besserung und Sicherung, sondem als eine besondere BehandlungsmaOnahme (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG) im Rahmen des Strafvollzugs gestaltet. GemaB § 123 StVollzG sind fiir den Vollzug einer sozialtherapeutischen Behandlung von den anderen Institutionen getrennte Einrichtungen zu schaffen; aus besonderen Griinden konnen auch sozialtherapeutische Abteilungen in allgemeinen Vollzugsanstalten eingerichtet v^erden. Es handelt sich somit um Einrichtungen im Sinne einer Vollzugsdifferenzierung gem. § 141 Abs. 1 StVollzG. Nach § 143 Abs. 3 StVollzG soil die Kapazitat einer sozialtherapeutischen Anstalt 200 Haftplatze nicht iibersteigen, w^obei diese Zahl im Hinblick auf die Gestaltung dieser Vollzugsform als eine Problem losende therapeutische Gemeinschaft zu hoch angesetzt sein diirfte.^'^^
^^6 ^37 ^38 «39 ^40
Baumann/Brauneck/Hanack u.a., 1966, S. 126 ff. Egg, 1984, S. 153. Vgl. Schmitt, 1977, S. 182 ff. BGBl. I 1984, S. 1654. So im Ergebnis auch Henze, 1990, S. 18; Schwind/Bohm/Jehle/Rotthaus/Egg, 2005, § 9 Rdn. 3.
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tJber die genannten Normen hinausgehend beinhaltet das Strafvollzugsgesetz keine besonderen Regelungen iiber die sozialtherapeutischen Anstalten, so dass insoweit die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften gelten. 5.5.4,2 Allgemeine Sozialtherapie 585 Obwohl eine Ftille von Publikationen tiber Methoden und Ansatze zur sozialtherapeutischen Behandlung^"*^ und von Erfahrungsberichten aus den einzelnen Anstalten vorliegt, wurde bislang kein festes Konzept der Sozialtherapie entwickelt.^"^^ Ebenso wenig lasst sich eine genaue Definition dessen, was Sozialtherapie meint, feststellen.^"^^ Dem voUzuglichen Behandlungsbegriff entsprechend ist auch der Begriff Sozialtherapie weit gefasst. Er betrifft kein bestimmtes Verfahren, sondem stellt eigentlich eine Sammelbezeichnung fiir all diejenigen Methoden dar, die eine auf das Individuum bezogene, zielorientierte Verhaltens- und Einstellungsanderung bewirken sollen.^'*'^ Die Zielvorgabe ist dabei letztlich die gleiche wie diejenige des konventionellen Vollzugs: Auch die sozialtherapeutische Behandlung dient gem. § 9 Abs. 2 S. 1 StVollzG der (Re-)Sozialisierung, d.h. der Vollzugszielerreichung i.S.d. § 2 S. 1 StVollzG. Dies soil jedochmit den besonderen therapeutischen Mitteln und sozialen Hilfen dieser Anstalt bewirkt werden. 586 In ihren Anfangen orientierten sich die sozialtherapeutischen Anstalten bei ihren Konzepten vor allem an einem mehr medizinisch gepragten Modell der Sozialtherapie: einer Individualtherapie^"^^ einerseits zur Aufarbeitung und Beseitigung von psychischen Storungen, die als kriminalitatsverursachend bewertet wurden, und andererseits zur Forderung und Stabilisierung der fiir ein Leben ohne Straftaten notwendigen Verhaltensmerkmale.^"^^ Dieses psychiatrisch-psychotherapeutisch gepragte Grundverstandnis begann sich jedoch im Verlauf der Entwicklung zu wandeln, so dass heute in den Einrichtungen ein Methodenpluralismus vorzufinden ist. Neben psychoanalytisch orientierten Ansatzen, Gesprachspsychotherapie, Verhaltenstherapie oder gruppendynamischen Konzepten werden auch group counselling oder social casework praktiziert.^'^'^ Verstarkt zur Geltung kommen lemtheoretische Ansatze^'^^ insbesondere das Soziale Training.
^"^^ Umfassende Literaturiibersicht zur Sozialtherapie (1980 bis 1992) in: Egg (Hrsg.), 1993, S. 193 ff.; siehe femer Lubcke-Westermann/Nebe, 1994, S. 34; Ortmann, 2002, S. 25 ff.; Welker, 1993, S. 14 ff; Wischkay^ehder/Specht/FoppeAVillems, 2005. ^42 Siehe auch Muller-Dietz, 1996, S. 271. «43 Rasch, 1977, S. 35. ^44 Mauch/Mauch, 1971, S. 28; Steller, 1977, S. 13; femer Forsterling, 1981, S. 4; Strang, 2002, Rdn. 218; Welker, 1993, S. 12. «^5 Steller, 1977, S. 13. ^^^ Vgl. MechlerAVilde, 1976. ^^^ Vgl. Egg/Schmitt, 1993, S. 160 f; zur Wohngruppenarbeit siehe Rehn, 1996, S. 281 ff «4« Kaiser/Schoch, 2002, S. 416; Walter M., 1999, S. 310.
5.5 Therapeutische MaBnahmen
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Weitgehende Einigkeit besteht, dass ein nur punktueller Einsatz psychothera- 587 peutischer oder auch sozialpadagogischer Methoden einer sozialen Therapie nicht gerecht werden kann.^'^^Das Vorgehen muss vielmehr^^^ - das gesamte Lebensfeld iimerhalb und auBerhalb der Einrichtung einbeziehen, - zu einer Gestaltung der Handlungs- und Beziehungsformen in der Institution im Sinne einer Problem losenden Gemeinschaft fiihren, - die unterschiedlichen methodischen Ansatze den spezifischen Problemlagen des Betroffenen entsprechend modifizieren und als integrative Sozialtherapie miteinander verbinden. Neben schulischen BildungsmaBnahmen, Arbeit und Freizeitgestaltung verfolgt auch eine im Gegensatz zum RegelvoUzug groBziigigere Gewahrung von Vollzugslockerungen^^^ nicht nur den Zweck einer Reduzierung schadlicher Haftwirkungen, sondem auch einer Verbesserung der Chancen fiir die soziale Eingliederung. Dem Bestreben einer Erleichterung der Riickkehr in die Gesellschaft dient auch 588 der sozialtherapeutische Sonderurlaub nach § 124 StVollzG.^^^ Hierbei kommt es schon bis zu sechs Monaten vor der endgiiltigen Entlassung zu einem Wechsel von der stationaren Behandlung hin zu einer Behandlung in Freiheit. Es wird der vollstreckungsgerichtlichen Strafrestaussetzung ein Langzeiturlaub als eine zusatzliche Stufe fiir den Ubergang in die Gesellschaft vorgeschaltet. In dieser Phase erhalt der Betroffene die Weisung, sich zu Beratungsgesprachen, Therapiegruppen und Freizeitveranstaltungen in der Anstalt einzufinden (§ 124 Abs. 2 StVollzG). Aus Behandlungsgriinden (z.B. zur Krisenintervention) kann der Sonderurlaub nach § 124 Abs. 3 StVollzG widerrufen werden. GemaB § 126 StVollzG m u s s soweit dies anders nicht moglich i s t - auch eine nachgehende Betreuung durch Fachkrafte der sozialtherapeutischen Einrichtung gewahrleistet sein. (1) Verlegungsvoraussetzungen Ein zu einer Freiheitsstrafe verurteilter Gefangener kann nach § 9 Abs. 2 StVollzG 589 in eine sozialtherapeutische Anstalt bzw. Abteilung verlegt werden, wenn - der Inhaftierte zustimmt, - Therapiebediirftigkeit und Behandlungsfahigkeit vorliegen, - das Angebotsprofil der aufnehmenden Einrichtung den individuellen Therapiebediirfnissen entspricht, - der Leiter der sozialtherapeutischen Anstalt zustimmt. Der Gefangene hat keinen Anspruch auf eine Verlegung, sondem nur ein Recht auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung.
^49 «5o «5i «52
DazuHenze, 1990,8.20. Specht, 1993, S. 13; siehe auch Jager S., 2003, S. 182 f.; Rehn, 2003, S. 68 f.. Vgl. Dunkel/Nemec/Rosner, 1986, S. 14; Kaiser/Schoch, 2002, S. 417. Dazu Rotthaus K., 1994, S. 156 f.
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Einer Zustimmung des Gefangenen bedarf es schon aufgmnd seiner Subjektstellung und des Mitwirkungserfordemisses des § 4 Abs. 1 S. 1 StVollzG. Eine im Gegensatz zum RegelvoUzug personlichkeitsbezogenere Behandlung setzt gerade eine erhohte Mitwirkungsbereitschaft des Einzelnen voraus. Er muss eigene Therapiebediirfhisse erkennen, dementsprechend handeln und aktiv an den therapeutischen MaBnahmen mitarbeiten wollen. Dies kann er durch seine Zustimmungserteilung zum Ausdruck bringen. In der Praxis geht es jedoch nicht allein um die Zustimmung zu einer Verlegung. Vielmehr setzt eine Aufnahme nach den Regelungen in den einzelnen Anstalten fast iiberall eine schriftliche Bewerbung des Inhaftierten bei der Leitung der sozialtherapeutischen Anstalt voraus.^^^ Eine Therapiebedurftigkeit sowie die Behandlungsfahigkeit des Gefangenen werden bei der Behandlungsuntersuchung gem. § 6 StVollzG ermittelt und hierauf griindend eine entsprechende Prognose erstellt. Es miissen beim Betroffenen Personlichkeitsstorungen diagnostiziert werden, welche eine Sozialtherapie indizieren. Das Angebotsprofil der aufhehmenden Anstalt sowie die dort vorhandenen besonderen therapeutischen Mittel und sozialen Hilfen miissen der Therapiebedurftigkeit und der Behandlungsfahigkeit des Antragstellers entsprechen. Uber diese positive Feststellung hinaus haben einzelne Anstalten unterschiedliche Negativkriterien entwickelt (z.B. himorganische und psychotische Erkrankungen, akute Drogenabhangigkeit bzw. -gefahrdung, Schwerstaggression, schwerwiegende IntelligenzmangeP^"*). Die Zustimmung des Leiters der sozialtherapeutischen Anstalt zu einer Verlegung ist erforderlich, weil dieser am besten die vorhandenen Angebote und die organisatorischen Moglichkeiten iiberblickt. Dabei wird von den Anstalten neben der Behandlungsbediirftigkeit, -willigkeit und -fahigkeit ein ausreichender Strafrest vorausgesetzt. Zumeist muss der Antragsteller noch 18 bis 24 Monate seiner Strafe bis zum Zwei-Drittel-Zeitpunkt des § 57 StGB zu verbtiBen haben. Zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe Verurteilte werden teilweise ebenso wenig aufgenommen wie Gefangene aus dem Bereich der organisierten Kriminalitat, solche mit noch offenen Strafverfahren oder auslandische Inhaftierte ohne zureichende Deutschkenntnisse.^^^ Hierin zeigt sich das Bestreben der Anstalten, eine ftir die zur Verfiigung stehenden therapeutischen Angebote geeignete Klientel zu gewinnen. Wird wahrend der Behandlung in der Einrichtung deutlich, dass ein Gefangener entgegen der urspriinglichen Prognose sich nicht fiir eine sozialtherapeutische Behandlung oder nicht fur das in der konkreten Anstalt vorhandene Therapieangebot eignet, kann er in den Normalvollzug riickverlegt werden. Gleiches gilt, wenn der Betroffene seine zuvor erteilte Zustimmung widerruft. Neben einer Riickverlegung wegen mangelnder Erfolgsaussichten bleibt auch eine solche aus Griinden der Sicherheit moglich. § 9 Abs. 3 StVollzG verweist auf die Verlegungsnormen der §§8 und 85 StVollzG. Die Anzahl der in den Normalvollzug aus sozialthera«53 Welker, 1993, S. 23; Specht, 1993, S. 12. »54 Vgl. Egg/Schmitt, 1993, S. 117. «^5 Siehe Egg/Schmitt, 1993, S. 117.
5.5 Therapeutische MaBnahmen
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peutischen Anstalten zuriickverlegten Abbrecher ist in der Praxis sehr hoch.^^^ Dies verdeutlicht, dass an die Leistungsfahigkeit der sozialtherapeutischen Anstalten keine iiberzogenen Erwartungen gekniipft werden diirfen. (2) Wirksamkeit sozialtherapeutischer
Behandlung
Als ein wesentliches Kriterium zur Erfolgsbeurteilung des Aufenthalts und der 595 Behandlung in sozialtherapeutischen Anstalten dient bei empirischen Untersuchungen die Legalbewahrung der Probanden. Neben der Messung von Veranderungen kriminalitatsrelevanter Personlichkeitsmerkmale wird die Wirksamkeit der Einrichtungen nach den Resultaten von Ruckfallstudien beurteilt.^^"^ Die in Deutschland zur Sozialtherapie durchgefiihrten Evaluationsstudien^^^ stellen damit vor allem Vergleichsuntersuchungen dar: Aus der sozialtherapeutischen Behandlung in die Freiheit Entlassene werden iiber Follow-up-Zeitraume von mehreren Jahren auf positive Veranderungen hin (kein Riickfall durch Begehen emeuter Straftaten) beobachtet. Es findet dann ein Vergleich der Riickfallhaufigkeit dieser Sozialtherapiegruppe mit Kontrollgruppen statt, d.h. aus dem konventionellen Vollzug in die Gesellschaft zuriickgekehrten Vemrteilten. Schon erste Evaluationsstudien zur Wirkungsfrage konnten keinen zwingenden Nach- 596 weis einer Ruckfallminderung durch sozialtherapeutische MaBnahmen erbringen. Sie zeigten aber im Hinblick auf Anzahl, Schwere und das zeitliche Intervall emeuter Sanktionierungen cine etwas bessere Legalbewahrung der aus sozialtherapeutischen Anstalten Entlassenen.^^^ Auch eine Meta-Evaluation von fiinfzehn deutschen Studien zur Sozialtherapie ergab, dass Entlassene aus den sozialtherapeutisch behandelten Experimentalgruppen hinsichtlich Legalbewahrung und Ruckfallintervall erfolgreicher waren als diejenigen der Kontrollgruppe: Die Probanden aus der Sozialtherapie wurden in einem Bewahrungszeitraum von drei bis vier Jahren um etwa 10 % weniger riickfallig als jene aus dem Regelvollzug.^^^ Eine durchschnittlich um ca. 10 Prozentpunkte niedrigere Riickfallquote der aus der Sozialtherapie Entlassenen bestatigen auch auslandische Meta-Analysen.^^^ Dagegen kann eine Follow-up-Studie, welche die im Bundeszentralregister eingetragenen Neuverurteilungen von 140 sozialtherapeutisch Behandelten untersucht, acht Jahre nach der Entlassung aus der Sozialtherapie bei der Rtickfalligkeit kaum mehr einen Unterschied zu einer Vergleichsgruppe des Normalvollzugs feststellen. Eine Beriicksichtigung des zeitlichen Ablaufs des Riickfallgeschehens zeigt dabei jedoch, dass die aus der Sozialtherapie Entlassenen zunachst weitaus langere straffreie Intervalle aufweisen als die Vergleichsgruppe - erst nach etwa vier Jahren treten gehaufte Riickfalle ein (was auch als ein Problem der Nachsorge und weniger des Misserfolgs der sozialtherapeutischen Einrichtung gewertet werden kann).^^^ Ein Vergleich der weiteren Legalbiographie von 160 Entlassenen aus dem sozialtherapeutischen Behandlungsvollzug der Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel mit 323 Gefangenen ^^^ ^^'^ ^5« «59 «6^ ^61 862
Vgl. Egg/Schmitt, 1993, S. 121; Ortmann, 2002, S. 231. Vgl. auch Streng, 2002, Rdn. 267 f. Dazu Egg, 2002, S. 122 ff.; Egg/Pearson/Cleland/Lipton, 2001, S. 325 ff. Siehe Egg, 1983, S. 132 ff. Losel/Koferl/Weber, 1987, S. 263; Losel, 1993, S. 2 3 ; ders., 1996, S. 260 ff Vgl.Kury, 1999, S. 260 ff Egg, 1990, S. 358 ff
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
aus dem Kegelvollzug ergab nach einem Zeitraum von durchschnittlich zehn Jahren: Insassen, die den letzten Teil ihrer Strafe in der Sozialtherapie verbiiBt batten, wurden signifikant weniger haufig wiederverurteilt. Zu einer emeuten Inhaftierung kam es in 47 % der Falle, wahrend vergleichbare aus dem Regelvollzug entlassene Tater zu 70 % wiederum Freiheitsstrafen ohne Bewahrung wegen neuer Straftaten verbtiBen mussten.^^^ Eine in Nordrhein-Westfalen durchgefiihrte Studie, welche die Anstalten Duren und Gelsenkirchen betraf, ergab dagegen einen feststellbaren sozialtherapeutischen Effekt auf die Kriterien Wiederinhaflierung und selbstberichtete Delinquenz von sehr gering bis null.^^"^ Deutlich herausgestellt wird jedoch, dass der Erfolg der Sozialtherapie nicht nur am Riickfallkriterium bewertet werden darf, sondem auch am Anstaltsklima und der Gesamtbefindlichkeit der Betroffenen. Gerade insoweit stellt sich das sozialtherapeutische Konzept als „richtig und erfolgreich"^^^ dar. 597
Bei solchen Erfolgsbeurteilungen anhand von Wirkungsanalysen ist zu beriicksichtigen, dass die Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt einem besonderen Auswahlverfahren unterliegt. Vergleicht man die Gruppen auf ihre Riickfalligkeit hin, bleibt letztlich offen, ob diese sich nicht von vomherein im Hinblick auf ihre Entw^icklungsaussichten unterschieden haben. Denn setzt eine Aufnahme in die Sozialtherapie Behandlungsfahigkeit und -willigkeit des Betroffenen sov^ie ein geeignetes Angebotsprofil der Institution voraus, sind die Erwartungen an eine Veranderung gegeniiber dem NormalvoUzug als giinstiger einzuschatzen.^^^ Es v^erden gerade diejenigen Inhaftierten in die sozialtherapeutische Anstalt aufgenommen, welchQ auf die dort stattfindende Behandlung besonders ansprechen. Hinzu kommt eine weitere Auslese v^ahrend des Aufenthalts in diesen Einrichtungen, v^enn mehr als ein Drittel der Probanden wieder in den Normalvollzug zuriickkehrt. Diese sog. Abbrecher weisen dann die hochsten Riickfallquoten auf.^^"^ 5.5.4.3 Sozialtherapie fur Sexualstraftater
598 Wahrend die Verlegung in eine sozialtherapeutische Einrichtung fur Nichtsexualstraftater nur nach pflichtgemaBem Ermessen vorgenommen wird und sie zudem der Zustimmung des Gefangenen bedarf (§ 9 Abs. 2 StVollzG), gilt nach § 9 Abs. 1 StVollzG fiir behandlungsfahige Sexualstraftater etv^as Anderes, wenn sie v^egen einer Straftat nach §§174 bis 180 oder 182 StGB zu zeitiger Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt sind. Sie sind seit 1.1.2003 zwingend in sozialtherapeutischen Anstalten zu behandeln.^^^ Auch des Einverstandnisses des Leiters der sozialtherapeutischen Anstalt bedarf es nicht. Dies hat der Gesetzgeber als 863 Diinkel/Geng, 1993, S. 193 ff. «64 Ortmann, 1994, S. 782 ff, 817; ders., 1995, S. 111 f; ders., 2002, S. 332; krit. dazu Losel, 1996, S. 262. «^5 Ortmann, 2002, S. 335. «66 Specht, 1993, S. 14. «67 Diinkel/Geng, 1993, S. 215 ff; Egg, 1990, S. 362; Losel, 1993, S. 23 f; einschrankend aberDolde, 1996, S. 295. ^^^ Krit. Boetticher, 1998, S. 367; Schuler-Springorum, 2002, S. lOff; ders., 2003, S. 575 ff; Walter M., 1999, Rdn. 303; Winchenbach, 2000, S. 278 f; ablehnend Alex, 2001, S. 4 f; Jager M., 2001, S. 28 ff; Rotthaus K., 1998, S. 600.
5.5 Therapeutische MaBnahmen
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Reaktion auf einige im In- und Ausland zum Nachteil von Kindem veriibte spektakulare Sexualstraftaten als Bestandteil des „Gesetzes zur Bekampfung von Sexualdelikten und anderen gefahrlichen Straftaten"^^^ beschlossen. Um den Bundeslandem die Gelegenheit zu geben, die erforderlichen Therapieplatze zu schaffen, war die Verlegung nach § 9 Abs. 1 S. 1 StVollzG bis zum 31.12.2002 zunachst nur als Soll-Vorschrift^^^ ausgestaltet. Nicht von der Hand zu weisen ist angesichts leerer offentlicher Kassen die Gefahr, dass sich mangels geringer Gesamtkapazitaten in der Sozialtherapie die Privilegierung der Sexualstraftater zum Nachteil sonstiger sozialtherapeutisch behandelbarer Straftater auswirkt, fiir die dann Behandlungsplatze fehlen.^"^^ (1) Voraussetzungen der Verlegung in die Sozialtherapie Einschlagige Taten i.S.d. § 9 Abs. 1 S. 1 StVollzG, auf denen die Verurteilung zu 599 einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren beruht, sind die Delikte^^^ - sexueller Missbrauchs von Schutzbefohlenen (§ 174 StGB), - sexueller Missbrauch von Gefangenen, behordlich Verwahrten oder Kranken und Hilfsbediirftigen in Einrichtungen (§ 174a StGB), - sexueller Missbrauch unter Ausnutzung einer Amtsstellung (§ 174b StGB), - sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhaltnisses (§ 174c StGB), - sexueller Missbrauch von Kindem (§§ 176, 176a, 176b StGB), - sexuelle Notigung und Vergewaltigung (§§ 177, 178 StGB), - sexueller Missbrauch widerstandsunfahiger Personen (§ 179 StGB), - Forderung sexueller Handlungen Minderjahriger (§ 180 StGB), - sexueller Missbrauch von Jugendlichen (§ 182 StGB). Erfolgte die Verurteilung wegen einer anderen - im Katalog des § 9 Abs. 1 S. 1 600 StVollzG nicht genannten - Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder wurde eine zeitige Freiheitsstrafe von hochstens zwei Jahren bzw. lebenslange Freiheitsstrafe (§§ 176b, 178 StGB) verhangt, richtet sich die Entscheidung iiber die Durchfiihrung der Sozialtherapie nach den allgemeinen Grundsatzen des § 9
«6^ BGBl. I 1998, S. 160 ff; dazu Laubenthal, 2000, S. 11 f ^^0 Zu den Konsequenzen bei der Rechtsanwendung KG, NJW 2001, S. 1806 ff. «7i In diesem Sinne auch AK-Rehn, 2006, vor § 123 Rdn. 21; Albrecht, 1999, S. 884 f; Becker/Kinzig, 1998, S. 260; CalHess/Muller-Dietz, 2005, § 9 Rdn. 20; Dessecker, 1998, S. 6; Deutsche Gesellschaft fur Sexualforschung, 1998, S. 369; Goderbauer, 1999, S. 159; Kaiser/Schoch, 2002, S. 261; Laubenthal, 2004, S. 17; Rehn, 2003, S. 66; Rosenau, 1999, S. 397; Rotthaus K., 1998, S. 598; Schwind/Bohm/Jehle/Rotthaus/Egg, 2005, § 9 Rdn. la; Winchenbach, 2000a, S. 125; zur Situation in den einzelnen Bundeslandem Dreger, 2000, S. 72; ders., 2000a, S. 129 ff; Drenkhahn, 2003, S. 62 ff; Egg, 2000, S. 81 ff; Putter, 2000, S. 99 ff; Harmening, 2000, S. 125 ff; Rehn, 2000, S. 122 f; Schmidt P., 2000, S. 105 ff ^^2 Krit. zum Straftatenkatalog Rotthaus K., 1998, S. 598.
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
Abs. 2 StVollzG.^^^ Das Gleiche gilt, sofem ein Inhaftierter wegen eines einschlagigen Sexualdelikts i.S.d. § 9 Abs. 1 S. 1 StVoUzG und anderer dort nicht bezeichneter Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe (§§ 53 ff. StGB) vemrteilt wurde und die Einzelstrafe fiir die Sexualstraftat die Grenze von zwei Jahren nicht iibersteigt. Die Entstehungsgeschichte der neuen Fassung von § 9 Abs. 1 S. 1 StVollzG belegt, dass es dem Gesetzgeber nicht um die Therapierung gefahrHcher Tater allgemein, sondem speziell um die Behandlung derjenigen ging, welche gravierendere Sexualstraftaten veriibt haben. Wurde lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verhangt (§ 54 Abs. 1 S. 1 StGB), kommt mangels Verurteilung zu einer zeitigen Freiheitsstrafe die Durchfiihrung einer Sozialtherapie selbst dann nur gemaB § 9 Abs. 2 StVollzG in Betracht, wenn als Einzelstrafe eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren wegen einer einschlagigen Sexualstraftat ausgeworfen wurde. ^"^"^ 601 Die VoUzugsbehorden haben bereits bei der Behandlungsuntersuchung die Frage einer Verlegung von Sexualstraftatem in eine sozialtherapeutische Anstalt besonders griindlich zu priifen (§ 6 Abs. 2 S. 2 StVollzG). Das betrifft allerdings auch diejenigen unter ihnen, die eine Freiheitsstrafe von nur zwei Jahren oder darunter bzw. lebenslange Freiheitsstrafe zu verbtiBen haben. Insoweit bedarf es im Rahmen von Lebenslaufanalyse und Exploration einer intensiven Befassung mit Entstehungsgeschichte und Progredienz des delinquenten Sexualverhaltens.^"^^ Eine Abstimmung mit dem besonders qualifizierten Personal der sozialtherapeutischen Anstalt erscheint dabei schon aufgrund divergierender Aufnahmekriterien der einzelnen Einrichtungen sinnvoll.^'^^ Bei Vemeinung eines Verlegungserfordemisses muss die Verlegungsfrage nur in Ansehung der von § 9 Abs. 1 S. 1 StVollzG erfassten Tater unter Beriicksichtigung der vollzuglichen Entwicklung des Inhaftierten jeweils nach Ablauf von sechs Monaten neu entschieden werden (§ 7 Abs. 4 StVollzG). So mag sich etwa erst im weiteren Lauf der Haftzeit herausstellen, dass in der Person des Gefangenen Defizite vorliegen, welche durch die im Rahmen des Regelvollzugs moglichen therapeutischen Angebote nicht aufgearbeitet werden konnen, sondem eine Behandlung in der Sozialtherapie erfordem. Da der Gesetzgeber mit § 9 Abs. 1 S. 1 StVollzG eine sozialtherapeutische Behandlung aller geeigneten und bediirftigen Gefangenen anstrebt, bleibt trotz des nicht eindeutigen Wortlauts des § 7 Abs. 4 StVollzG eine Verlegungsentscheidung auch vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist statthaft, ohne dass aber ein Anspruch des Inhaftierten hierauf besteht.^"^^ 602 Eine Sozialtherapie fiir Sexualstraftater stellt keine Kurzzeit-BehandlungsmaBnahme dar. Die meisten Anstalten setzen fiir die Aufnahme einen Strafrest von 18 Monaten voraus. Zumal in Fallen, in denen der Verurteilung langere Untersuchungshaft voranging, kann nach Verhangung einer Freiheitsstrafe von nicht weit iiber zwei Jahren schon zum Zeitpunkt der Aufnahme in den StrafvoUzug die ^"^2 Krit. insoweit Wischka/Specht, 2001, S. 253. «^4 vgl. Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 9 Rdn. 3. 875 Dazu Schwind/Bohm/Jehle/Mey/Wischka, 2005, § 6 Rdn. 27. «^6 Vgl. Eisenberg/Hackethal, 1998, S. 198; Kaiser/Schoch, 2002, S. 261. «^7 Waiter gehend AK-Feest/Joester, 2006, § 7 Rdn. 25.
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Durchfiihrung einer Sozialtherapie keinen Erfolg mehr versprechen.^"^^ Als problematisch stellt sich dariiber hinaus das richtige Vorgehen bei Personen dar, die zu langerer Freiheitsstrafe verurteilt sind. Es lasst sich nicht ausschlieBen, dass entweder Resultate einer zu Beginn der Haftzeit durchgefuhrten Sozialtherapie durch anschlieBende Riickkehr in den Regelvollzug wieder zunichte gemacht werden Oder aber bei Durchfiihrung der Sozialtherapie erst gegen Ende der Haftzeit eine anfanglich vorhandene Therapiemotivation bereits erloschen ist.^"^^ Eine ahnliche Konstellation hat der Gesetzgeber geregelt: 1st neben Freiheitsstrafe als MaBregel der Besserung und Sicherung Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§63 StGB) oder in einer Entziehungsanstalt (§64 StGB) verhangt worden, soil grundsatzlich die MaBregel vor der Strafe vollzogen werden, § 67 Abs. 1 StGB. Eine Abweichung von dieser Reihenfolge bleibt allerdings im Einzelfall denkbar, § 67 Abs. 2 StGB. Dementsprechend hat das Berliner Kammergericht zu § 9 Abs. 1 S. 1 StVollzG entschieden: Der Antrag auf Verlegung in die Sozialtherapie darf nicht mit der Begrundung abgelehnt werden, ein langerstrafiger Gefangener solle erst nach VerbtiBung von zwei Dritteln der Strafe in die Sozialtherapie aufgenommen werden.^^*^ Angezeigt ist die Verlegung in die Sozialtherapie bei Vorliegen von Therapie- 603 fahigkeit, Therapiebediirftigkeit und (stationarer) Therapienotwendigkeit in der Person des Sexualstraftaters.^^^ Seit 1. Januar 2003 besteht ein Anspruch therapiefahiger und -bediirftiger Gefangener nicht nur auf fehlerfireie Ermessensentscheidung beim Treffen der Verlegungsentscheidung, sondem auch auf Verlegung in die sozialtherapeutische Anstalt.^^^ Bedarf es des Einverstandnisses des Sexualstraftaters fur die Vomahme der Verlegung nicht, so bleibt fraglich, ob fehlende Therapiemotivation die Behandlung in der Sozialtherapie nicht angezeigt erscheinen lasst. Das wird man jedoch nur fur die seltenen Falle vemeinen diirfen, in denen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Motivierung nicht zu erreichen ist. Im Ubrigen geht das Gesetz mit § 9 Abs. 1 S. 1 StVollzG gerade durch das Fehlen des Zustimmungserfordemisses davon aus, dass die Therapiemotivation nach der Verlegung geweckt w^erden soil (§ 4 Abs. 1 S. 2 StVoUzG)^^^, zumal Sexualstraftater bisweilen zu anfanglich besonders intensiver Verdrangung ihrer Taten und der fiir sie ursachlichen Sozialisationsdefizite neigen.^^"* Eine Verlegung nach § 9 Abs. 1 StVollzG darf prinzipiell auch nicht mit dem Hinw^eis ab-
«^« Vgl. AK-Rehn, 2006, § 9 Rdn. 13; Schwind/Bohm/Jehle/Rotthaus/Egg, 2005, § 9 Rdn. 6; zur Behandlungsdauer noch Konrad N., 1998, S. 268. «^9 Dazu KG, NJW 2001, S. 1807 f; Schwind/Bohm/Jehle/Rotthaus/Egg, 2005, § 9 Rdn. 6. ^^^ So KG, NJW 2001, S. 1806 ff; zustimmend Rotthaus K., 2002, S. 183; im Ergebnis auch Schiiler-Springorum, 2000, S. 29; skeptisch Kaiser/Schoch, 2002, S. 261 Fn. 90. ^^^ Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 6 Rdn. 6, § 9 Rdn. 12; ausfuhrlich zu den Voraussetzungen Konrad N., 1998, S. 265 ff ^^2 OLG Frankfurt, NStZ-RR 2004, S. 349; Arloth/Liickemann, 2004, § 9 Rdn. 9; Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 6 Rdn. 2; Hammerschlag/Schwarz, 1998, S. 324; Jager S., 2003, S. 189 f; AK-Rehn, 2006, § 9 Rdn 8. ^^^ Zur Therapiemotivation bei Missbrauchstatem siehe Bullens/Egg, 2003, S. 273 ff ^^^ Calhess/Muller-Dietz, 2005, §6 Rdn. 6, § 9 Rdn. 18; anders Eisenberg/Hackethal, 1998, S. 197.
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gelehnt werden, das von der sozialtherapeutischen Einrichtung entwickelte Rahmenkonzept sei auf einen bestimmten Inhaftierten nicht zugeschnitten.^^^ Die fehlende Eignung eines Gefangenen kaim nur auf die in seiner Person begriindete Behandlungsunfahigkeit gestiitzt werden. Das gilt vor allem bei einer mit therapeutischen Mitteln nicht erreichbaren Personlichkeitsstorung. Gleiches ist bei einer auf Dauer angelegten und nicht korrigierbaren Verweigerung der Mitarbeit an der Behandlung gegeben, d.h. bei einer mit therapeutischen Mitteln nicht mehr aufbrechbarenBehandlungsunwilligkeit.^^^ (2) Sozialtherapeutische Behandlung von Sexualstraftdtern 604 Unbeschadet der nicht erforderlichen Zustimmung zur Verlegung handelt es sich bei der Sozialtherapie flir Sexualstraftater um ein Angebot des BehandlungsvoUzugs, welches Mitwirkungsbereitschaft auf Seiten des Inhaftierten voraussetzt. Es fehlt allerdings nicht nur ftir die Sozialtherapie allgemein, sondem auch im Hinblick auf Sexualstraftater an einer einheitlichen^^"^ Therapiekonzeption.^^^ Eine Ursache hierfiir liegt schon in der Tatsache begriindet, dass es d e n Sexualtater als einheitlichen Typus nicht gibt. Riickfalluntersuchungen legen im Hinblick auf die Therapieergebnisse bei dieser Gruppe den Schluss nahe: An den hohen Erwartungen, die der Gesetzgeber mit der Sozialtherapie von Sexualstraftatem verbindet, miissen Abstriche vorgenommen werden.^^^ Wichtiger als medizinische Behandlung scheint gerade im Hinblick auf Berichte iiber eine insgesamt hohe wenn auch nicht unbedingt einschlagige - Riickfalligkeit bei Sexualstraftatem^^^ ein Verhaltens-Training zu sein.^^^ Dabei setzt das Behandlungsteam an drei Punkten an: Zum einen wird versucht, zu einem Verlemen abweichender sexueller Vorlieben beizutragen, indem man diese mit fur den Probanden negativen Begleiterscheinungen kombiniert. Sodann geht es darum, im Rahmen kognitiver Umstrukturierungs-Techniken diejenigen Verhaltensmuster in Frage zu stellen, mit ««5 OLG Frankfurt, NStZ-RR 2004, S. 349 f «^6 OLG Schleswig, StrVert 2006, S. 148. ««^ Vgl. Jager S., 2003, S. 206 ff; Kempe, 1997, S. 334; Konrad N., 1998, S. 268; Schneider H. J., 1998, S. 442; ders., 1999, S. 432. ^^^ Zur sozialtherapeutischen Behandlung von Sexualdelinquenten Alex, 2006,8. 105 ff; Bosinski, 2004, S. 2 ff; Drenkhahn, 2003, S. 64 f; Goderbauer, 1999, S. 162 ff; ders., 2000, S. 177 ff; ders., 2004, S. 15 ff; Judith, 1995, S. 72 ff; Nedopil, 2000, S. 204 ff; Postpischil, 2002, S. 69 ff; Rehder, 1993, S. 31 ff; Ruther, 1998, S. 246 ff; Spitczok von Brisinski/Alsleben/Zahn, 2005, S. 271 ff; Wischka, 2000, S. 27 ff; ders., 2005, S. 208 ff; speziell zur Therapie bei sexuellem Kindesmissbrauch Jager M., 1998, S. 38 ff «^9 Siehe Albrecht, 1999, S. 885 f; Dolling, 1999, S. 31; Dolde, 1997, S. 328 ff; Schneider H. J., 1998, S. 442; Schoch, 1998, S. 1261; Schwind/Bohm/Jehle/Rotthaus/Egg, 2005, § 9 Rdn. 4. 890 Dazu Egg, 1999, S. 45 ff; Elz, 1999, S. 63 ff; Schneider H. J., 1999, S. 425; anders Alex, 2 0 0 1 , S. 4; Schuler-Springorum, 2000, S. 30.
891 Dazu Jager S., 2003, S. 206 ff
5.5 Therapeutische MaBnahmen
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deren Hilfe die Tater ihr Verhalten bisher geleugnet oder beschonigt haben.^^^ Als Drittes bedarf es der Einiibung von Strategien, mit deren Hilfe der Betroffene in Zukunft riickfalltaugliche Situationen entweder zu vermeiden oder aber normgetreu zu bewaltigen vermag.^^^ Psychotherapeutische Behandlung kommt als Behandlungsmethode ebenfalls in Betracht, ihr Nutzen ist bislang aber umstritten.^^'* (3) Rilckverlegung in den Regelvollzug Fiir die Moglichkeit der Rilckverlegung aus einer sozialtherapeutischen Anstalt 605 trifft § 9 Abs. 1 S. 2 StVollzG eine Sonderregelung, die allerdings die Verlegungsmoglichkeiten aus allgemeinen Vorschriften (§9 Abs. 3 StVollzG) unberlihrt lasst. Die Riickverlegung ist zwingend vorzunehmen, wenn der Zweck der Behandlung aus Griinden, die in der Person des Gefangenen liegen, nicht erreicht werden kann. Der Gesetzgeber hat den VoUzugsbehorden kein Ermessen fiir den Fall eingeraumt, dass ein Inhaftierter die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm erflillt. Denn die Knappheit der Therapieplatze gestattet es nicht, diese von behandlungsungeeigneten Personen blockieren zu lassen.^^^ Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 S. 2 StVollzG liegen etwa dann vor, wenn 606 die Bereitschaft des Gefangenen zur Mitwirkung an der Therapie nicht geweckt werden konnte oder der Gefangene die anfangliche Mitarbeit eingestellt hat. Eine „Zwangsbehandlung" bleibt dann nach der Regel des § 4 Abs. 1 S. 1 StVollzG auch gegentiber Sexualstraftatem unzulassig. Dariiber hinaus hat die Riickverlegung zu erfolgen, sofem der Gefangene sich entweder als fiir die Sozialtherapie generell ungeeignet erweist oder die in der speziellen Anstalt verfiigbaren Angebote mit seinen Therapiebediirfhissen nicht in Einklang stehen.^^^ Der bislang absolvierte Therapieprozess muss die Wahrscheinlichkeitsprognose gestatten, mit den therapeutischen Mitteln und Hilfen werde sich in der Einrichtung voraussichtlich kein Erfolg erzielen lassen.^^^ Dafur geniigt es nicht, wenn alltagliche Konflikte oder einfache VerstoBe gegen die Hausordnung vorkommen.^^^ Auch Vorfalle, welche durch die Therapie ausgeloste Reaktionen darstellen, sind primar in der weiteren Behandlung aufzuarbeiten.^^^ Der Missbrauch von Vollzugslockerungen, nachhaltige RegelverstoBe oder die Begehung neuer Straftaten vermogen demgegeniiber prinzipiell den Erfolg der Therapie in Frage zu stellen.^^^ Das Erfordemis einer Wahrscheinlichkeitsprognose in § 9 Abs. 1 S. 2 StVollzG eroffnet allerdings einen Beurteilungsspielraum, der eine nur eingeschrankte gericht^^^ Zur Bedeutung der Gruppentherapie hierbei Schneider H. J., 1999, S. 436 t «93 Dazu Schneider H. J., 1998, S. 443; ders., 1999, S. 439 ff. ^^^ Befurwortend Jager M., 2001, S. 29; Krober, 2000, S. 40 ff; Rosch, 2000, S. 141 ff; Schoch, 1998, S. 1260; krit. Goderbauer, 1999, S. 162; Schneider H. J., 1999, S. 438. ^^^ CalHess/Muller-Dietz, 2005, § 9 Rdn. 2 1 . ^96 Anders AK-Rehn, 2006, § 9 Rdn. 17. «^^ Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 9 Rdn. 2 1 . «9« O L G Bamberg, ZfStrVo 2 0 0 3 , S. 370. «99 Schwind/Bohm/Jehle/Rotthaus/Egg, 2005, § 9 Rdn. 10. 9°o A K - R e h n , 2006, § 9 Rdn. 30.
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
liche Uberpriifung der Riickverlegungsentscheidung gestattet.^^^ Die Anstaltsleitung vermag im Zusammenwirken mit dem Behandlungsteam^^^ aufgrund der Nahe zu dem Inhaftierten die erforderliche Prognose besser zu erstellen als der Richter einer Strafvollstreckungskammer. Dieser bleibt auf die Nachpnifung der Einhaltung der Grenzen des Beurteilungsspielraums beschrankt.^^^ Bin Verbleiben in der Sozialtherapie ist femer dann nicht mehr angezeigt, wenn die Therapie erfolgreich beendet wurde.^^"^ Diese Feststellung zu treffen obliegt ebenfalls primar der Anstalt. Uberschritten sind die Grenzen des Beurteilungsspielraums aber dann, wenn die Riickverlegung ihren Grund nur in der Knappheit der Behandlungskapazitaten findet. Beispiel: A verbtiBt eine Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Jahren und sechs Monaten wegen verschiedener Sexualdelikte. Im Januar 1997 wurde er in die sozialtherapeutische Anstalt aufgenommen. Das Strafende ist fiir den 10.7.2008 notiert. Im Jahr 2000 wurde in den Vollzugsplan aufgenommen, A solle im Marz 2001 im Wege einer Unterbrechung der Therapie in den Regelvollzug zurtickverlegt werden. Die Entscheidung wurde mit Kapazitatsproblemen und der Hohe der gegen A verhangten Strafe begriindet, wahrend die zustandige Therapeutin sich gegen die Riickverlegung aussprach. Das LG Stuttgart^°^ beurteilte die geplante Ruckverlegung zu Recht als ungesetzlich. Bestehen an der Therapieeignung des Gefangenen keine Zweifel und fehlen sonstige in seiner Person liegende Griinde fiir einen Abbruch der Behandlung, lasst § 9 Abs. 1 S. 2 StVollzG eine Verlegung in den Regelvollzug nicht zu, nur um auch anderen Gefangenen die Aufnahme einer Behandlung zu ermoglichen. 607
Eine Verlegungsentscheidung darf unter den Voraussetzungen der §§8 und 85 StVollzG zudem aus nicht therapeutisch motivierten Griinden ergehen, § 9 Abs. 3 StVollzG. Anders als im Fall der therapeutisch indizierten Riickverlegung bleibt es insoweit bei dem der Vollzugsbehorde eingeraumten Ermessen.^°^ Damit kommt eine Verlegung auch daim in Betracht, wenn eine andere Anstalt zur sicheren Unterbringung des Gefangenen besser geeignet ist oder der aus der Person des Inhaftierten erwachsenden Gefahr fiir Sicherheit und Ordnung in der sozialtherapeutischen Anstalt nicht entgegengetreten werden kann. Steht ausnahmsweise von Beginn an fest, dass der Sicherheitsstandard in einer sozialtherapeutischen Eiiurichtung der von einem Gefangenen ausgehenden Gefahr nicht gerecht wird, darf die Vollzugsbehorde bereits von vomherein entgegen § 9 Abs. 1 S. 1 StVollzG von einer Verlegung in die Sozialtherapie absehen.
9^^ OLG Bamberg, Beschluss vom 19.03.2002 - Ws 807/01; Arloth/Luckemann, 2004, § 9 Rdn. 15. ^^2 siehe auch Schwind/Bohm/Jehle/Rotthaus/Egg, 2005, § 9 Rdn. 16. 903 Dazu unten Kap. 8.2.2.2 (2). 9°^ RotthausK., 2002,8. 183. 905 NStZ-RR 2001, S. 255 f; zustimmend Rotthaus K., 2002, S. 183. 906 Zu den VerlegungsmogHchkeiten Kap. 5.2.2.
5.6 Freizeit und Information
327
5.6 Freizeit und Information Im modemen Behandlungsvollzug kommt auch der Freizeitgestaltung wesentliche 608 Bedeutung fur die Sozialisation des Gefangenen zu.^^"^ Dies gilt nicht nur, weil in diesem Zeitraum Weiterbildung oder therapeutische MaBnahmen stattfinden. Die Freizeit insgesamt ist ein Feld sozialen Lernens. Durch Aktivierung des Inhaftierten (§ 4 Abs. 1 S. 2 StVollzG) wird ihm geholfen, den Zeitfaktor zu bewaltigen. Die angebotenen Beschaftigungsmoglichkeiten dienen zugleich dazu, den schadlichen Folgen des Strafvollzugs entgegenzuwirken, vor allem einem Abgleiten in subkulturelle^^^ Aktivitaten. Durch Information tiber das Geschehen auBerhalb der Anstalt wird dem Insassen zudem das Erlangen eines aktuellen Wissensstands ermoglicht. Das Strafvollzugsgesetz regelt unter dem Titel Freizeit in den §§67 bis 70 drei Bereiche: - die Freizeitgestaltung (§67 StVollzG), - die Information aus den Massenmedien (§§ 68, 69 StVollzG), - den Besitz von Gegenstanden fiir Fortbildung und Freizeitbeschaftigung (§ 70 StVollzG). 5.6.1 Gestaltung der Freizeit § 67 S. 1 StVollzG gibt dem einzelnen Gefangenen das Recht, sich in seiner Frei- 609 zeit individuell seinen Neigungen und Wiinschen gemaB zu beschaftigen. Erganzend hierzu verpflichtet § 67 S, 2 StVollzG die Vollzugsbehorde, ein umfassendes und differenziertes Freizeitangebot^^^ zu schaffen. Der Inhaftierte soil Gelegenheit erhalten, am Unterricht und Sport, an Femunterricht, Lehrgangen und anderen Weiterbildungsveranstaltungen, an Freizeit- und Gesprachsgruppen sowie an Sportveranstaltungen teilzunehmen und die Anstaltsbiicherei zu benutzen. Aus den in der Anstalt angebotenen Beschaftigungsmoglichkeiten kann der Inhaftierte auswahlen. Ein Recht auf ein ganz bestimmtes Freizeitangebot steht ihm aber nicht zu.^^^ Geht es um eine Teilnahme an einer Gemeinschaftsveranstaltung, kann die Anstaltsleitung im Hinblick auf die raumlichen, personellen und organisatorischen Verhaltnisse nach § 17 Abs. 2 S. 2 StVollzG besondere Regelungen treffen. § 67 S. 2 StVollzG ordnet Veranstaltungen der Weiterbildung dem Freizeitbe- 610 reich zu. GemaB § 37 Abs. 3 StVollzG konnen jedoch berufliche Aus- und WeiterbildungsmaBnahmen mit dem Ziel der Vermittlung, Erhaltung oder Forderung einer Erwerbstatigkeit nach der Entlassung auch fiir die Arbeitszeit zugewiesen
^^^ Zu den wesentlichen Funktionen der Freizeit im Vollzug siehe Moers, 1969, S. 64; Walkenhorst, 2000, S. 266 ff 9o« Dazu oben Kap. 3.4.2.4. ^^^ Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 67 Rdn. 2; zu den Moglichkeiten der Freizeitgestaltung Bode, 1988,8.313 ff 910 Kaiser/Schoch, 2002, S. 326.
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
werden und die Arbeitspflicht des §41 Abs. 1 S. 1 StVollzG substituieren.^^^ Gleiches gilt gem. § 38 StVollzG fur die Teilnahme am Unterricht. Eine exakte Abgrenzung der Zuordnung von Weiterbildungsangeboten zum Arbeits- und zum Freizeitbereich enthalt das Gesetz nicht. Haben diese einen unmittelbaren Bezug zu einer spateren Erwerbstatigkeit, finden sie vor allem wahrend der Arbeitszeit statt; die iibrigen BehandlungsmaBnahmen werden regelmaBig in der Freizeit durchgefiihrt.^^^
5.6.2 Information 611 §§68 und 69 StVollzG konkretisieren den Anspruch des Gefangenen auf individuelle Freizeitbeschaftigung fiir den Bereich der Informationsgewinnung aus den Massenmedien. Sie regeln die Austibung des Grundrechts auf Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG. Einen Rechtsanspruch auf den Bezug von Zeitungen und Zeitschriften gibt § 68 StVollzG. Danach kann der Inhaftierte Presseerzeugnisse durch Vermittlung der Anstalt beziehen. Dabei hat er die Bestellung der periodisch erscheinenden Schriften selbst zu veranlassen und er kann fiir deren Bezug sein Hausgeld, Taschengeld oder Eigengeld verwenden (VV Nr. 2 und 5 zu § 68 StVollzG). Er ist in der Auswahl grundsatzlich frei. Der Bezug muss aber angemessen sein, d.h. er darf die raumlichen, organisatorischen und personellen Anstaltsverhaltnisse nicht iiber Gebiihr belasten, weshalb eine Reduzierung auf insgesamt ftinf Zeitungen und Zeitschriften nach freier Wahl des Betroffenen zulassig bleibt.^^^ 612 Das Grundrecht auf Informationsfreiheit des Strafgefangenen wird durch § 68 Abs. 2 StVollzG als allgemeine gesetzHche Vorschrift i.S.d. Art. 5 Abs. 2 GG abschlieBend beschrankt: Der Bezug eines periodisch erscheinenden Presseerzeugnisses darf gem. § 68 Abs. 2 S. 1 StVollzG im Ganzen ausgeschlossen werden, wenn dessen Verbreitung mit Strafe oder GeldbuBe bedroht ist. § 68 Abs. 2 StVollzG enthalt eine abschlieBende Regelung, so dass ein weiter gehender Bezugsausschluss unzulassig bleibt.914 Beispiel: Strafgefangener G abonniert bei einem Versandhandel eine periodisch erscheinende PubHkation, in der - losgelost von jegHchem Sinnzusammenhang - in grob aufdringHcher und anreiBerischer Form Praktiken sexueller Befriedigung in Wort und Bild dargestellt werden. Der Anstaltsleiter verbietet G den Bezug der pomographischen Hefte, weil diese gem. § 68 Abs. 2 S. 1 StVollzG ausgeschlossen seien. Das Vorgehen des Anstaltsleiters ist rechtmaBig. Denn nach § 184 Abs. 1 Nr. 3 StGB stellt der Vertrieb pomographischer Schriften im Versandhandel eine Straftat dar.9^5
9^1 DazuobenKap. 5.3.2. 912 Calliess, 1992,8.97. 913 O L G H a m m , NStZ 1987, S. 248. 914 O L G Jena, NStZ-RR 2004, S. 317. 915 LG Zweibriicken, ZfStrVo 1996, S. 249; LG Freiburg, ZfStrVo 1994, S. 375 f
5.6 Freizeit und Information
329
Bei einer Entscheidung iiber den Ausschluss von Zeitungen und Zeitschriften ist jedoch zunachst zu priifen, ob nicht im Hinblick auf den VerhaltnismaBigkeitsgrundsatz ein milderes Vorgehen ausreicht.^^^ Nach § 68 Abs. 2 S. 2 StVollzG konnen dem Gefangenen einzelne Ausgaben 613 Oder Telle elner Ausgabe vorenthalten werden, wenn dies aus Griinden elner erhebllchen konkreten Gefahrdung der VoUzugszlelerrelchung bzw. der Sicherhelt Oder Ordnung der Anstalt unerlassllch 1st. Dies 1st vor allem dann gegeben, wenn der Elngrlff geelgnet und erforderllch 1st, elne real bestehende Gefahr abzuwehren.^^^ So kann die Anstaltsleltung elnem Inhaftlerten elne Zeltschrlft oder Telle davon vorenthalten, „wenn wegen der darln hervortretenden verungllmpfenden, agltatorlschen und zersetzenden Tendenz die Sicherhelt und Ordnung der Anstalt durch Erzeugung von Verwelgerungshaltung sowle Hlnwlrken auf elne Solldarlslerung erhebllch gefahrdet und die Errelchung des Vollzugszleles In Frage gestellt wlrd."^^^ Dies soil berelts gegeben seln bel elner Darstellung von Dachbestelgungen, Arbeltsverwelgerung und Hungerstrelk als aus Slcht des jewelllgen Verfassers nachahmenswerte Verhaltenswelsen Im Strafvollzug.^^^ Erstreckt slch eln vorzuenthaltender Beltrag nlcht auf die bedruckte Riickselte elnes Blattes, kommt als milderes Mlttel der Vorenthaltung auch elne Schwarzung elnzelner Artlkel In Betracht.^20 Die Beschrankungen des Rechtes auf Informatlonserlangung slnd fiir Zeitungen 614 und Zeitschriften In § 68 Abs. 2 StVollzG abschlleBend normlert. Ausschluss oder Vorenthaltung dariiber hlnaus (z.B. well elne Lektiire kelner slnnvollen Frelzeltbeschaftlgung dlene^^^) blelben unzulasslg. § 68 Abs. 2 StVollzG erfasst auch die ohne Vermlttlung der Anstalt erfolgte Zusendung elnes Exemplars elner allgemeln zugangllchen Zeltung oder Zeltschrlft. Im iJbrlgen unterllegen zugesandte Druckerzeugnlsse den §§28 ff. StVollzG. Beispiel: Ein Gefangener erhalt einmalig in einem Brief elne Gefangenenzeitschrift zugesandt. Diese wird bei der Briefkontrolle nach § 31 StVollzG angehalten, dem Brief entnommen und zur Habe des Betroffenen gegeben. Das OLG Frankfurt^^^ geht zutreffend davon aus, dass § 68 Abs. 1 StVollzG nur periodisch erscheinende Druckerzeugnlsse betrifft, bei denen diese Norm einen unangemessenen Umfang des fortlaufenden Bezugs verhindem will. Dieser Normzweck wird durch die Zusendung elnes Einzelexemplars nicht beriihrt, so dass dieses als ein Schreiben i.S.d. § 28 Abs. 1 StVollzG zu behandeln ist. Danach kann die Post unter den Voraussetzungen des § 31 StVollzG angehalten werden. Handelt es sich bei dem einmal oder nur gelegentlich zugesandten Druckwerk aber um ein allgemein zugangliches Presseerzeugnis, so geht § 68 Abs. 2 StVollzG vor. Denn auch dieses wird vom Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 GG erfasst. Da das Recht auf 916 917 918 919 920
O L G Jena, N S t Z - R R 2004, S. 318. BVerfG, ZfStrVo 1996, S. 175; BVerfG, ZfStrVo 1996, S. 244. O L G H a m m , StrVert 1992, S. 329. O L G H a m m , StrVert 1992, S. 329; krit. dazu Baumann J., 1992, S. 331 f Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 68 Rdn. 15.
921 Siehe OLG Koblenz, NStZ 1991, S. 304. 922 O L G Frankfurt, NStZ 1992, S. 208.
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess Informationsfreiheit nur unter den spezielleren Voraussetzungen des § 68 Abs. 2 StVollzG einschrankbar bleibt, darf ein mit einer Postsendung erhaltenes Einzelexemplar nur nach § 68 Abs. 2 StVollzG ganz oder in Teilen vorenthalten werden.^^^
615
Nach § 69 Abs. 1 StVollzG hat der Inhaftierte ein Recht auf Teilnahme am gemeinsamen Horfunk- und Fernsehempfang.^^'^ Bei der Auswahl der einzelnen Sendungen soil die Anstaltsleitung die Wiinsche und Bediirfnisse der Gefangenen nach staatsbiirgerlicher Information, Bildung und Unterhaltung angemessen beriicksichtigen. Da es sich dabei um eine Angelegenheit von gemeinsamem Interesse handelt, bedarf es einer Beteiligung der Gefangenenmitverantwortung (§ 160 StVollzG). Nur wenn es aus Griinden der Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt unerlasslich ist, kann der Empfang voriibergehend ausgesetzt oder im Einzelfall untersagt werden (§ 69 Abs. 1 S. 3 StVollzG). § 69 Abs. 1 StVollzG gibt jedoch keine Institutsgarantie fiir eine Aufrechterhaltung von gemeinschaftlichem Programmempfang. Sind die aus Art. 5 Abs. 1 GG sowie aus § 69 Abs. 1 StVollzG herzuleitenden Rechte des Gefangenen auf Information bzw. auf Unterhaltung schon durch den Besitz eines eigenen Femsehgerats mit der Moglichkeit einer freien Programmwahl gewahrleistet, hat dieser keinen Anspruch mehr auf Teilnahme an einem Gemeinschaftshorfunkprogramm.^^^ 616 Eigene Gerate fur den Rundfunk- und Femsehempfang lasst § 69 Abs. 2 StVollzG zu. Diese darf der Gefangene wie andere Gegenstande zur Freizeitbeschaftigung nach § 70 StVollzG besitzen. Liegen keine Gefahrdungen des VoUzugsziels sowie der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt vor, ist der Besitz zu gestatten. Fiir die Entrichtung der jeweiligen Gebiihren hat der Inhaftierte selbst zu sorgen. Grundsatzlich steht einem Inhaftierten ein Anspruch auf Besitz und Genehmigung eines Flachbildschirmfernsehgerats zu, wenn der abstrakten Gefahr eines Missbrauchs vorhandener Multimediafimktionen durch Versiegelung bzw. Verplombung von Schaltstellen oder durch andere technische MaBnahmen am Gerat wirksam begegnet werden kann.^^^ Ist einem Gefangenen der Betrieb eines eigenen Femsehgerats im Haftraum gestattet, wird seinem Informationsbediirfnis durch den gewohnlichen Antennenempfang zureichend Rechnung getragen. In welcher Weise die Anstalt einen iiber den mittels Antenne hinausgehenden Femsehempfang (z.B. durch Kabelanschluss) ermoglicht, steht in ihrem pflichtgemaBen Ermessen.^^"^ Beantragt ein Inhaftierter die Zulassung eines Einzelvideogerats zum Zweck der Aufzeichnung von Femsehsendungen, ist iiber eine Bewilligung unter den Voraussetzungen des § 70 StVollzG zu entscheiden.^^^ Ein Videorecorder fallt nicht unter § 69 Abs. 2 StVollzG.
924
925 926 927 928
So auch AK-Boetticher, 2006, § 68 Rdn. 5; Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 68 Rdn. 1; Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 68 Rdn. 6. OLG Koblenz, NStZ 1994, S. 103; Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 69 Rdn. 1. O L G Koblenz, N S t Z 1994, S. 103. O L G Karlsruhe, N S t Z - R R 2006, S. 155. O L G Frankfurt, N S t Z - R R 2004, S. 127. AK-Boetticher, 2006, § 69 Rdn. 16.
5.6 Freizeit und Information
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5.6.3 Besitz von Gegenstanden zur Fortbildung und Freizeitbeschaftigung § 70 Abs. 1 StVollzG gibt dem Inhaftierten ein Rechf ^9 ^uf den Besitz von Bii- 617 chem und anderen Gegenstanden in einem angemessenen Umfang.^^^ Bei dem Merkmal der Angemessenheit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Vorliegen einer vollen gerichtlichen Nachpriifung unterliegt. Die Frage des MaBes richtet sich nach den Umstanden des Einzelfalls, vor allem der HaftraumgroBe sowie dessen Ubersichtlichkeit und Durchsuchbarkeit.^^^ Uberschreitet der Insasse diese Grenze, ist es prinzipiell nicht zu beanstanden, wenn die Anstalt - nach zuvor erfolgter vergebHcher Aufforderung - aus dem Haftraum Gegenstande entnimmt und so dem vorhandenen Sicherheitsbediirfnis Rechnung tragt.932
Die Gegenstande miissen dem Zweck der Fortbildung oder der Freizeitbeschaftigung dienen. Geht es dagegen um Sachen zur Verbesserung des allgemeinen Lebenskomforts, ist liber die Zulassung nach § 19 StVollzG (Ausstattung des Haftraums) zu entscheiden.^^^ Ausgeschlossen sind gem. § 70 Abs. 2 StVollzG Gegenstande, deren Besitz, 618 Uberlassung und Benutzung mit Strafe oder GeldbuBe bedroht ist oder das VoUzugsziel bzw. die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefahrden wiirde. Erforderlich ftir eine Versagung wegen Gefahrdung des Vollzugsziels ist das Vorliegen einer konkreten Gefahr fiir die Resozialisierung des Einzelnen als Ergebnis einer personlichkeitsbezogenenPrognose.^^"^ Das Bundesverfassungsgericht^^^ halt es zwar hinsichtlich des Versagungsgrun- 619 des einer Gefahrdung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt (§ 70 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. StVollzG) mit dem Grundgesetz fiir vereinbar, dass schon die einem Gegenstand generell und losgelost von einem bestimmten Gefangenen iimewohnende abstrakte Gefahrlichkeit eine Besitzerlaubnis ausschlieBt.^^^ Es muss aber die dem Gegenstand abstrakt-generell zukommende Gefahrlichkeit fiir die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt in Beziehung zu den der Anstalt zur Verfiigung stehenden Kontrollmitteln^^^ gesetzt werden, so dass eine Versagung unverhaltnismaBig bleibt, wenn der Gefahrdung durch mildere Mittel (z.B. Verplombung und regelmaBige Kontrollen) begegnet werden kaim. Soil die einem Gegenstand generell 929 Calliess/Mtiller-Dietz, 2005, § 70 Rdn. 1. 930 Dazu Beyler, 2 0 0 1 , S. 142 ff; Kolbel, 1999, S. 498 ff
931 OLG Karlsruhe, Justiz 2002, S. 379 ff 932 933 934 935
O L G Karlsruhe, N S t Z - R R 2004, S. 189. O L G H a m m , ZfStrVo 1990, S. 304; dazu oben Kap. 5.2.4.2. Arloth/Luckemann, 2004, § 70 Rdn. 4. BVerfG, ZfStrVo 1994, S. 369 f; BVerfG, NStZ-RR 1996, S. 252; BVerfG, N S t Z - R R 2002, S. 128; BVerfG, N J W 2003, S. 2447. 936 Zustimmend Arloth/Luckemann, 2004, § 7 0 Rdn. 5; Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 7 0 Rdn. 7; a.A. Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 70 Rdn. 5. 93*7 Zur Tragung der Kosten fur sicherheitstechnische Uberpriifungen eingebrachter Gerate durch Inhaftierte siehe O L G Brandenburg, N S t Z - R R 2005, S. 284.
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
abstrakt zukommende Eignung zur Sicherheits- und Ordnungsgefahrdung geniigen, so hat die VoUzugsbehorde eine solche Gefahr im Einzelfall aber in einer nachvoUziehbaren Weise darzulegen.^^^ Im Rahmen der VerhaltnismaBigkeitspriifung ist zu beachten, dass wichtige Belange eines Strafgefangenen (z.B. ein emsthaft und nachhaltig verfolgtes Interesse an seiner Aus- und Weiterbildung) es verbieten konnen, eine nach Schadenswahrscheinlichkeit oder -ausmaB geringfiigige Gefahrdung der Sicherheit und Ordnung zum Anlass fur die Verweigerung einer Besitzerlaubnis zu machen.^^^ 619a
Eine Gefahrdung i.S.d. § 70 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. StVollzG wurde von der Rechtsprechung z.B. bejaht wegen der Eignung als Verstecke bei einer elektrischen Schreibmaschine^"^^, extemen Lautsprecherboxen^'^^ einem Horfunkgerat mit intemer Weckeinrichtung^'^^, einem CD-Player^"^^, einem Videorecorder^'^'*. Umstritten ist, ob vom Besitz eines Telespielgerats^"^^ eine Gefahr ausgeht, wobei sich vor allem zur Frage des Besitzes und der Nutzung einer Playstation 2 im Haftraum zahlreiche Entscheidungen finden.^"^^ Die Nutzung eines Computers soil davon abhangig gemacht werden, dass diese in einer verschlossen zu haltenden besonderen Zelle erfolgt.^"*^ Dagegen gefahrdet nach Ansicht des OLG Bamberg^'*^ der Besitz eines Personalcomputers mit Basiselement, Tastatur, Monitor, Drucker und Disketten die Sicherheit einer Justizvollzugsanstalt. Jedenfalls in Anstalten der Sicherheitsstufe I ist nach Meinung des OLG Frankfurt^"^^ die VoUzugsbehorde nicht gehalten, den Besitz eines Notebooks zu Fortbildungszwecken zu gestatten, selbst wenn es iiber kein Diskettenlaufwerk verfugt oder dieses dauerhaft versiegelt wurde. Prinzipiell ist dem BVerfG^^° gemaB die Einschatzung einer Anstaltsleitung nicht zu beanstanden, Laptops seien fur sicherheits- oder ordnungsgefahrdende Verwendungen geeignet. Dagegen geht von einem DVD-Abspielgerat ohne Aufzeichnungs- und Speicherfunktion keine abstraktgenerelle Gefahr fur die Sicherheit und Ordnung einer Einrichtung aus, der mit Kontrollmitteln nicht wirksam begegnet werden konnte.^^^ Das OLG Celle^^^ hat den Entzug einer Fembedienung fur rechtmaBig erklart, wenn mit dieser die Gefahr eines Empfangs von Vi938 OLG Hamm, ZfStrVo 2001, S. 185. 939 BVerfG, ZfStrVo 1994, S. 3 6 9 ; BVerfG, N S t Z - R R 1997, S. 24. 9^*0 O L G H a m m , N S t Z 1994, S. 3 7 9 ; O L G Rostock, Z f S t r V o 1997, S. 172; siehe auch
BVerfG, ZfStrVo 1997, S. 367. 941 OLG Hamm, NStZ 1993, S. 360. 942 943 944 945 946
947 948 949 950
OLG Numberg, NStZ 1989, S. 425. Siehe BVerfG, ZfStrVo 1994, S. 3 7 6 . O L G H a m m , N S t Z 1995, S. 4 3 4 . O L G Celle, StrVert 1994, S. 4 3 7 ; O L G Koblenz, N S t Z 1999, S. 4 4 6 ; O L G Dresden, StrVert 2 0 0 1 , S. 4 1 ; siehe aber auch O L G N u m b e r g , ZfStrVo 2002, S. 188. OLG Jena, NStZ-RR 2003, S . 2 2 1 ; OLG Karlsruhe, StrVert 2003, S. 407; KG, NStZ-RR 2004, S. 157; OLG Brandenburg, ZfStrVo 2004, S. 115; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2005, S. 64; LG Bochum, NStZ-RR 2005, S. 124; siehe zum Ganzen Lindhorst, 2006, S. 274 ff O L G Celle, StrVert 1994, S. 4 3 6 . O L G B a m b e r g , N S t Z 1995, S. 4 3 4 . O L G Frankfurt, N S t Z - R R 1999, S. 156. BVerfG, N S t Z 2 0 0 3 , S. 6 2 1 .
951 OLG Frankfurt, NStZ-RR 2005, S. 191; KG, StrVert 2006, S. 259. 952 OLG Celle, NStZ 2002, S. 111.
5.6 Freizeit und Information
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deotextseiten solcher Femsehsender besteht, welche es mittels von Mobilfunkanbietem betriebenen Chatrooms ermoglichen, jederzeit und anonym vom Handy aus durch den SMSDienst Textnachrichten auf den Bildschirm eines Femsehgerats direkt zu versenden.^^^ Vom Besitz eines Keyboards im Haftraum ist dagegen nicht generell eine gesteigerte Missbrauchsgefahr zu befiirchten.^^'^ Die von der Deutschen Aids-Hilfe herausgegebene Broschiire „Positiv, was nun?" darf nach einer Entscheidung des OLG Hamm^^^ gem. § 70 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. StVollzG angehalten werden, weil sie teilweise vollzugsfeindliche Tendenzen enthalten soll.^^^ Auch das BVerfG^^"^ vermag in einer die Strafgefangenen in sachlicher, vollstandiger und juristisch vertretbarer Weise uber ihre Rechte belehrenden Broschtire allein keine Gefahr i.S.d. § 70 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. StVollzG zu erkennen. Die zu § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG vorhandene Kasuistik bezieht sich auf Einzelfallkonstellationen, so dass eine Entscheidung iiber die Zulassigkeit bzw. Unzulassigkeit des Besitzes eines Gegenstandes durch ein Vollstreckungsgericht keinerlei Regelwirkung entfaltet. Auch ist hinsichtlich des Sicherheitsgrads der jeweiligen Anstalt zu differenzieren.^^^ So wird bei der Bewilligung im offenen Vollzug groBztigiger zu verfahren sein als in einer Institution mit hohem Sicherheitsgrad.^^^ Die Vollstreckungsbehorde hat jedoch bei ihren Entscheidungen iiber den Besitz von Gegenstanden stets den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten. Sie darf danach eine Gruppe von Inhaftierten als Normadressaten im Vergleich zu anderen nicht unterschiedlich behandeln, wenn zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und derartigem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen konnten.^^^ Aus den in § 70 Abs. 2 StVollzG benannten Griinden kann es gem. § 70 Abs. 3 620 StVollzG zum Widerruf einer erteilten Erlaubnis zum Besitz von Gegenstanden ftir Fortbildung und Freizeitbeschaftigung kommen. Hierfiir bedarf es einer auf den konkreten Einzelfall bezogenen Ermessensentscheidung des Anstaltsleiters. Will dieser z.B. die Besitzerlaubnis fiir Gerate entziehen, die dem Gefangenen nach § 70 Abs. 1 StVollzG iiberlassen vmrden, weil diese sich als Versteck fiir Betaubungsmittel eignen konnen, dann muss er fiir jeden einzehien Gegenstand darlegen, v^eshalb gerade dessen Besitz die Gefahr einer Nutzung als Drogenversteck begriindet.^^^ Bei einem Widerruf hat die Vollzugsbehorde auch das verfassungsrechtliche 621 Gebot des Vertrauensschutzes zu beachten. Beispiel: Einem wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten bewilligt die Anstaltsleitung den Besitz von extemen Lautsprecherboxen, welche dieser in selbst gefertigte Mobelstiicke einbaut. Nach Angaben der Vollzugsbeamten sind diese kon953 954 955 956 957
Siehe auch BVerfG, N J W 2004, S. 2960; KG, N S t Z - R R 2004, S. 255. BVerfG, StrVert 1996, S. 684. O L G H a m m , N S t Z 1992, S. 52. Krit. dazu Baumann J., 1992, S. 331 f; Diinkel F., 1992, S. 138 f BVerfG, N S t Z 2005, S. 286 ff 958 O L G Niimberg, ZfStrVo 2002, S. 188. 959 Kaiser/Schoch, 2002, S. 324. 960 BVerfG, StrVert 2 0 0 1 , S. 39.
961 OLG Zweibriicken, NStZ 1994, S. 151.
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5 Der Vollzugsablauf alslnteraktionsprozess
trollierbar. Der Inhaftierte hat einen Missbrauch dieser Boxen weder selbst betrieben noch durch Mitgefangene geduldet. Als sich vier Jahre nach der Bewilligung eine Geiselnahme in der Anstalt ereignet, setzt deren Leiter den Sicherheitsstandard neu fest. Unter anderem widerruft er daher die friihere Genehmigung zum Besitz der Lautsprecherboxen und verfiigt, dass diese zur Habe zu nehmen sind. Das Bundesverfassungsgericht^^^ sieht hierin eine Verletzung des Gefangenen in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG. Das Rechtsstaatsprinzip und der aus diesem folgende Grundsatz der Beachtung des Vertrauensschutzes „notigt zu der an den Kriterien der VerhaltnismaBigkeit und der Zumutbarkeit ausgerichteten, im Einzelfall vorzunehmenden Priifung, ob jeweils die Belange des Allgemeinwohls ... Oder die Interessen des Einzelnen am Fortbestand einer Rechtslage, auf die er sich eingerichtet hat und auf deren Fortbestand er vertraute, den Vorrang verdienen. ... Diese von Verfassungs wegen gebotene Abwagung hat auch im Strafvollzugsgesetz ihren Niederschlag gefunden. So kann nach § 70 Abs. 3 StVollzG die einem Gefangenen einmal erteilte Erlaubnis zum Besitz eines Gegenstandes zur Fortbildung oder Freizeitgestaltung auch bei Vorliegen eines Versagungsgrundes nachtraglich nur im Ermessenswege widerrufen werden, d.h. es bedarf jeweils einer auf den konkreten Einzelfall bezogenen Abwagung des Interesses der Allgemeinheit an einem Widerruf der Erlaubnis gegeniiber dem Interesse des Strafgefangenen am Fortbestand der ihn begiinstigenden Rechtslage." 1st einem Inhaftierten einmal von der Anstaltsleitung eine Rechtsposition eingeraumt, darf er - so das BVerfG - auf deren Fortbestand vertrauen, solange er mit dem ihm dabei entgegengebrachten Vertrauen verantwortungsvoll umgeht und in seiner Person keine Widerrufsgriinde verwirklicht. Wird allein im Hinblick auf die den Lautsprecherboxen generell innewohnende Gefahrlichkeit deren Besitzerlaubnis widerrufen, ohne dass der Betroffene hierzu Anlass gegeben hatte, lauft eine solche „Behandlung dem Ziel des Strafvollzugs zuwider und bedarf schon deshalb einer sehr eingehenden Abwagung des schutzwiirdigen Vertrauens des Gefangenen gegen die Interessen der Allgemeinheit. "^^^
5.7 Religionsausiibung 622 Der verfassungsrechtliche Schutz der Freiheit des Glaubens, des Gewissens sowie des religiosen und weltanschaulichen Bekemitnisses (Art. 4 Abs. 1 GG), erganzt durch die Garantie der ungestorten Religionsausubung (Art. 4 Abs. 2 GG), gehort zu den Grundrechtsgewahrleistungen, auf die sich alle Gefangenen unbeschrankt berufen koimen. Die faktische Austibung des Grundrechts unter den besonderen Bedingungen des Freiheitsentzuges regeln § § 5 3 bis 55 StVollzG, wobei § 55 StVollzG weltanschauliche Bekenntnisse (z.B. Antroposophen, Freimaurer) den religionsgesellschaftlichen Vereinigungen (insbesondere katholische, evangelische, orthodoxe Kirchen, Jiidische Gemeinde, Buddhismus oder Islam^^"^) gleichstellt. Hinzu kommt die Vorschrift des § 21 S. 3 StVollzG, wonach dem Inhaftierten die Befol^62 BVerfG, NStZ 1994, S. 100 I 963 BVerfG, NStZ 1994, S. 100; siehe auch BVerfG, NStZ 1996, S. 252. 96"^ Dazu ausfiihrlich Frohmcke, 2005.
5.7 Religionsausiibung
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gung der jeweiligen Speisevorschriften seiner Religionsgemeinschaft zu ermoglichen ist. Regelungen iiber die Einzelseelsorge enthalt § 53 StVollzG. Da es nicht zu den Aufgaben der VoUzugsbehorde zahlt, Seelsorge auszuiiben^^^, wird dem einzelnen Gefangenen nur ein Recht auf Hilfe bei der Kontaktaufnahme zu einem Seelsorger seiner Religionsgemeinschaft gewahrt; dies bedingt zugleich die Verpflichtung der Anstalt zur Zulassung religioser Betreuung in der Institution. Nach Art. 140 GO i.V.m. Art. 141 WRV muss sie die personellen und organisatorischen Voraussetzungen i.S.d. § 157 StVoUzG^^^ zur Gewahrleistung des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 2 GG schaffen. Der Begriff der religiosen Betreuung durch einen Seelsorger i.S.d. § 53 Abs. 1 StVollzG ist als umfassender Oberbegriff zu verstehen. Er beschrankt sich nicht nur auf Handlungen kultischer Art (z.B. Gottesdienste), sondem bezieht sich auch auf den Dienst am Menschen zur Lebensorientierung und Lebenshilfe. Neben Gemeinschaftsveranstaltungen (z.B. konfessionelle Erwachsenenbildung) gehoren hierzu die Zuwendung im personlichen Gesprach, karitative und diakonische Betreuung.^^^ Der Inhaftierte darf gem. § 53 Abs. 2 StVollzG grundlegende religiose Schriften besitzen, die ihm im Hinblick auf Art. 4 GG nur bei grobem Missbrauch entzogen werden konnen. In einem angemessenen Umfang sind ihm auch Gegenstande des religiosen Gebrauchs (z.B. ein Kreuz oder eine Ikone) zu belassen (§ 53 Abs. 3 StVollzG). § 54 StVollzG gibt dem Gefangenen einen Anspruch auf Teilnahme an einem Gottesdienst und an anderen religiosen Veranstaltungen seines Bekenntnisses. Dieses Recht stellt eine Mindestgarantie dar, die in ihrem Wesensbestand nicht angetastet werden darf So ist durch § 54 Abs. 1 StVollzG eine Verweisung auf den Gottesdienst eines anderen Bekenntnisses nicht gedeckt.^^^ Nur wenn der Inhaftierte an der Veranstaltung einer anderen Religionsgemeinschaft teilnehmen will, hat er einen Anspruch auf Zulassung unter der Voraussetzung, dass deren Seelsorger zustimmt (§ 54 Abs. 2 StVollzG). Ein Recht auf Teilnahme i.S.d. § 54 Abs. 1 StVollzG besteht nur fiir diejenigen Gottesdienste und anderen religiosen Veranstaltungen, welche von den Seelsorgem in der Anstalt angeboten werden. Dabei liegt es in der Entscheidungsbeflignis der jeweiligen Konfessionen, wann und wie oft sie dort ihre Gottesdienste abhalten (Orientierung an ortlichem Bedarf, personeller Ausstattung usw.). Ftir eine Gestattung des Besuchs extemer religioser Veranstaltungen miissen die Voraussetzungen der Gewahrung von Vollzugslockerungen, Hafturlaub oder des offenen VoUzugs gegeben sein.^^^ Befindet sich ein Gefangener im offenen VoUzug, 965 BT-Drs. 7/918, S. 71 f
966 DazuKap. 4.4.4.1. 967 AK-Feest/Huchting/Koch, 2006, § 53 Rdn. 6; Arloth/Liickemann, 2004, § 53 Rdn. 2; Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 5 3 Rdn. 2; Schwind^ohm/Jehle/Rassow, 2005, § 5 3 Rdn. 2; OLG Koblenz, ZfStrVo 1988, S. 57; OLG Hamm, NStZ 1999, S. 591.
968 O L G Celle, NStZ 1992, S. 377. 969 O L G Stuttgart, ZfStrVo 1990, S. 184.
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
gibt ihm Art. 4 GG kein Recht auf Besuch einer bestimmten, nur im geschlossenen Vollzug angebotenen religiosen Veranstaltung.^^^ Denn aus Art. 4 GG folgt keine Verpflichtung der Vollzugsbehorde zur Aufhebung vollzuglicher Organisationsprinzipien. ^'^ ^ 628 Bin Ausschluss von der Teilnahme an Gottesdiensten und anderen religiosen Veranstaltungen in der Anstalt bleibt nach § 54 Abs. 3 StVollzG nur moglich, wenn iiberwiegende Griinde der Sicherheit oder Ordnung, die in der Person des einzelnen Gefangenen liegen, es erforderlich machen. Hierzu ist im Hinblick auf Art. 140 GG i.V.m. Art. 141 WRV in der Kegel der Seelsorger zu horen.^^^ ^ ^ § 54 Abs. 3 StVollzG eine Sonderregelung enthalt, rechtfertigt die DisziplinarmaBnahme der Freizeitsperre gem. § 103 Abs. 1 Nr. 4 StVollzG nicht den Ausschluss eines Gefangenen von religiosen Veranstaltungen i.S.d. § 54 StVoUzG.^"^^ 629 Umstritten ist die Interpretation des Begriffs der anderen religiosen Veranstaltung i.S.d. § 54 Abs. 1 StVollzG. Beispiel: Bin Inhaftierter mochte an einem vom Seelsorger seines Bekenntnisses in der Anstalt durchgefuhrten Gesprachskreis teilnehmen. Anliegen des Anstaltsgeistlichen ist dabei die allgemeine kulturelle und staatsburgerliche Bildung der Gefangenen auf der Grundlage christlicher Lebensauffassung und Prinzipien. Der Anstaltsleiter versagt dem Inhaftierten jedoch die Teilnahme aus anstaltsbedingten organisatorischen Griinden. Handelt es sich bei dem Gesprachskreis um eine andere religiose Veranstaltung i.S.d. § 54 Abs. 1 StVollzG, darf ein Ausschluss nur erfolgen, wenn er aus tiberwiegenden Grunden der Sicherheit oder Ordnung, die in der Person des Betroffenen griinden, geboten ist. Das OLG Koblenz^^"^ legt den Begriff der anderen religiosen Veranstaltung nach inhaltlichen Kriterien aus. Danach fallen hierunter nur solche Veranstaltungen, „die der religiosen Erbauung dienen, dem Glaubigen die Betatigung seines Glaubens in den tiberkommenen kultischen Formen seines Bekenntnisses ermoglichen, eine geistige und emotionale Verbindung zu Gott eroffnen oder der Glaubensunterweisung im Sinne einer Festigung des Glaubens dienen. "^''^ Fallt nach dieser Interpretation der Gesprachskreis nicht unter § 54 Abs. 1 StVollzG, handelt es sich um eine allgemeine Freizeitoder Weiterbildungsveranstaltung gem. § 67 StVollzG, fur die es keinen Rechtsanspruch auf Teilnahme gibt. Der Begriff der religiosen Veranstaltung i.S.d. § 54 Abs. 1 StVollzG ist jedoch nach formalen Kriterien zu bestimmen.^^^ Denn die Seelsorge im Rahmen des Art. 141 WRV stellt auch in der Strafvollzugsanstalt eine kirchliche Angelegenheit dar. Die Ausfullung des Begriffs des Religiosen in den Veranstaltungen nach § 54 Abs. 1 StVollzG obliegt daher dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht gem. Art. 137 Abs. 3 WRV. Un^^0 BVerfG, NStZ 1988, S. 573. 971 Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 54 Rdn. 1. 972 D a z u O L G Celle, ZfStrVo 1990, S. 187. 973
OLG Hamm, NStZ 1999, S. 591. OLG Koblenz, ZfStrVo 1987, S. 250; OLG Koblenz, ZfStrVo 1988, S. 57. 975 OLG Koblenz, ZfStrVo 1987, S. 250. 974
976 So A K - H u c h t i n g / K o c h , 2 0 0 6 , § 54 R d n . 4 ; Arloth/Luckemann, 2 0 0 4 , § 53 R d n . 2; Calliess/Miiller-Dietz, 2 0 0 5 , § 5 4 R d n . 7; Robbers, 1988, S. 573 f; Schoch, 2 0 0 1 , S. 8 0 5 ; S c h w i n d / B o h m / J e h l e / R a s s o w , 2 0 0 5 , § 5 4 R d n . 13 ff; O L G H a m m , N S t Z 1999, S. 5 9 2 ;
krit. jedoch Bothge, 1999, S. 353.
5.7 Religionsausubung
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abhangig davon, ob diese kultisch oder in einem weiteren Sinn konfessionell gepragt (z.B. kirchliche Erwachsenenbildung) ist, hat der Gefangene ein aus § 54 Abs. 1 StVollzG folgendes Recht auf Teilnahme auch an Gesprachskreisen seines Bekenntnisses. Hiervon kann er nur aus iiberwiegenden Griinden der Sicherheit oder Ordnung ausgeschlossen werden. Die Wahmehmung seiner Rechte aus § § 5 3 und 54 StVollzG darf die Anstalts- 630 leitung nicht von der Einhaltung eines vorgegebenen Verfahrens zur Anerkennung der Religionszugehorigkeit eines Gefangenen abhangig machen. Dies gilt auch fiir eine Ermoglichung der Befolgung religioser Speisevorschriften nach § 21 S. 3 StVollzG. Beispiel: Ein Inhaftierter beantragt, ihm sog. Moslemkost zur Verfiigung zu stellen. Er macht geltend, sein Bekenntnis gewechselt zu haben und nunmehr Moslem zu sein. Die Anstaltsleitung lehnt den Antrag ab und erkennt den Glaubenswechsel nicht an. Sie verlangt von dem Gefangenen die Einhaltung eines fiir die Anerkennung der Religionszugehorigkeit vorgegebenen Verfahrens: Er solle sich von dem Religionsbeauftragten fur die islamischen Insassen eine Bescheinigung tiber den Glaubenswechsel ausstellen lassen. Diese sei dann Voraussetzung fiir die Aushandigung von sog. Moslemkost. Das OLG Koblenz^'^'^ sieht in dem Vorgehen der Anstaltsleitung zu Recht einen VerstoB gegen Art. 4 GG. Zum einen ist es fur die Grundrechtsverwirklichung ohne Belang, ob ein Glaubender formell als Mitglied einer Religionsgemeinschaft angehort; maBgebend bleibt die Emsthaftigkeit der Glaubenstiberzeugung. Zudem fehlt es fur das Verlangen nach einer Bescheinigung an einer Rechtsgrundlage. Denn Art. 4 GG enthalt keinen Gesetzesvorbehalt. Mit Art. 4 GG unvereinbar erscheint nach Ansicht des OLG Koblenz femer, einem extemen Religionsbeauftragten die Entscheidungskompetenz iiber die Glaubenszugehorigkeit eines Gefangenen zu iibertragen. § 55 StVollzG bestimmt, dass die §§ 53 und 54 StVollzG fur Weltanschau- 631 ungsgemeinschaften entsprechend gelten. Religion und weltanschauliche Bekenntnisse haben gemeinsam, dass es beiden um Antworten geht auf die Fragen nach Ursprung, Sinn und Ziel der Welt, nach dem Sirm menschlichen Lebens sowie nach dem richtigen Leben.^'^^ Der Gesetzgeber hat jedoch mittels der an Art. 4 GG ankniipfenden Wortwahl des „weltanschaulichen Bekenntnisses" in § 55 StVollzG klargestellt, dass die entsprechende Heranziehung von § § 5 3 und 54 StVollzG nicht fiir jegliche weltanschauliche Gemeinschaften gilt. Es muss sich vielmehr um ein Bekenntnis handeln, wobei Letzteres in den AuBerungen bzw. Handlungen zum Ausdruck kommt, die aus einer Gesamtsicht der Welt oder aus einer hinreichend konsistenten Gesamthaltung zur Welt entspringen.^^^ Ebenso wie eine ReHgionsgemeinschaft verliert eine Weltanschauungsgemeinschaft ihre Eigenschaft nicht schon dadurch, dass sie sich im politischen Raum betatigt.^^° Auch den Weltanschauungsgemeinschaften steht wie den groBen Kirchen ein sog. Offentlichkeitsanspruch zu, so dass sie nicht schon durch eine Einmischung in die Politik auBerhalb des rein 97^ 978 979 980
OLG Koblenz, NStZ 1994, S. 207 f BVerwGE61,S. 154 f V. Mangoldt/Klein/Starck, 2 0 0 5 , Art. 4 Abs. 1, 2 Rdn. 3 3 . BVerwGE 37, S. 362 f
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
geistig-weltanschaulichen Raumes ihre Eigenschaft i.S.d. Art. 137 Abs. 7 WRV verlieren. Der Gesetzgeber des Strafvollzugsgesetzes hat jedoch mit seiner Formulierung des weltanschaulichen Bekenntnisses in § 55 StVoUzG ausdrucklich klarstellen wollen, dass §§53 und 54 StVollzG nicht entsprechend fiir solche weltanschaulichen Gemeinschaften gelten sollen, deren Hauptziel auf eine politische Tatigkeit ausgerichtet ist.^^^ Im Hinblick auf den Angleichungsgrundsatz des § 3 Abs. 1 StVollzG bleibt es dem Strafgefangenen unbenommen, sich im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften mit solchen Weltanschauungen zu beschaftigen, entsprechende Schriftwechsel zu fiihren, Besuche zu empfangen und fiir solche Zwecke Vollzugslockerungen zu beantragen. Dies hat dann jedoch im Rahmen der allgemeinen Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes zu geschehen und nicht innerhalb der Sonderregelungen der §§53 ff StVollzG. Denn Letztere sollen einen dem Art. 4 GG entsprechenden Schutzbereich im Strafvollzug bewirken. 632
Selbst wenn eine Weltanschauungsgemeinschaft die Bedingung des Bekenntnisses i.S.d. § 55 StVollzG erfiillt, also bekennenden Charakter aufweist, bleibt bei einer entsprechenden Heranziehung der § § 5 3 und 54 StVollzG zu beriicksichtigen, ob und inwieweit eine Betreuung durch eine dem Seelsorger in den religiosen Bekenntnissen vergleichbare Person liberhaupt einen Bestandteil des jeweiligen weltanschaulichen Bekenntnisses darstellt. Wahrend etwa die groBen Weltreligionen durch ein religioses Gemeinschaftsleben und individuelle religiose Betreuung durch einen Seelsorger gekennzeichnet sind, ist dies bei Weltanschauungsgemeinschaften nicht stets bzw. notwendigerweise gegeben. Die eine Einordnung als weltanschauliches Bekenntnis i.S.d. § 55 StVollzG anstrebende und aus § § 5 3 und 54 StVollzG herzuleitende Rechte geltend machende Weltanschauungsgemeinschaft hat deshalb darzulegen, ob sie iiberhaupt die Betreuung durch eine dem Seelsorger vergleichbare Person in ihrer Weltanschauung kennt und v^elcher Stellenwert der Betreuung durch eine derartige Person in der Weltanschauungsgemeinschaft zukommt.^^^ Letztlich bleibt es somit immer der konkreten Einzelfallpriifung iiberlassen, inwieweit iiberhaupt Raum far eine entsprechende Anwendung der § § 5 3 und 54 StVollzG besteht, selbst wenn es sich um eine bekermende Weltanschauung handeln sollte.^^^ 633 Erlaubt § 21 S. 3 StVollzG dem Inhaftierten, die Speisevorschriften seiner Religionsgemeinschaft zu befolgen, so kaim die Anstalt dem gerecht werden, indem sie den Geboten entsprechende Speiseangebote erstellt. Wird ein religioses Speisegebot durch die Anstaltsverpflegung nicht abgedeckt, kann ein Inhaftierter die Vollzugsbehorde nicht verpflichten, die den Speisevorschriften seiner Religionsgemeinschaft entsprechende Kost anstelle der sonstigen Anstaltsverpflegung zu verabreichen. Die Anstaltsleitung ist lediglich verpflichtet, dem Betreffenden zu gestatten, sich entsprechende Speisen selbst zu beschaffen.^^"^ Beispiel: Der Strafgefangene G bekennt sich zum Zen-Buddhismus. Er beantragt, ihm aus ethisch-weltanschaulichen Griinden vegetarische Kost nach den Richtlinien der Makrobiotik von Oshava anstelle der iiblichen Anstaltskost zu verabreichen. Der An9^1 9^2 983 98^
BT-Drs. 7/3998, S. 25; siehe auch Schoch, 2001, S. 806. O L G Bamberg, Beschl. v. 23.11.2001 - W s 700/01. Eick-Wildgans, 1993, S. 172; Schwind/Bohm/Jehle/Rassow, 2 0 0 5 , § 55 Rdn. 5. O L G Koblenz, ZfStrVo 1995, S. 111.
5.8 Existentielle Grundbedingungen
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staltsleiter lehnt den Antrag des G mit der Begriindung ab, diese Kostform sei nach den einschlagigen Bestimmungen der Landesjustizverwaltung nicht vorgesehen. Dem G stehe es aber frei, im Rahmen des Einkaufs Produkte zu erstehen, welche seiner angestrebten Lebensform entsprachen. Das OLG Hamm^^^ geht zutreffend von der RechtmaBigkeit der Entscheidung des Anstaltsleiters aus. Denn die Verpflichtung des § 21 S. 3 StVollzG bedeutet nur, dass die Anstalt dem Inhaftierten die Selbstverpflegung gestatten muss, nicht aber gehalten ist, ihrerseits fur eine entsprechende Emahrung zu sorgen. In der Entscheidung des Anstaltsleiters liegt auch keine Ungleichbehandlung i.S.d. Art. 3 GG, wenn in der Anstalt fur die Gruppe der islamischen Insassen Moslemkost angeboten wird. Denn ein hinreichender Grund fiir eine unterschiedliche Behandlung von Moslems im Verhaltnis zum Antragsteller als Anhanger des Zen-Buddhismus wird allein schon durch die GroBe und Homogenitat jener Gruppe geschaffen. Es liegt also ein sachlich rechtfertigender Grund fiir eine Differenzierung vor.
5.8 Existentielle Grundbedingungen Neben der Zuweisung ausreichenden Haftraums fiir den Aufenthalt in der Freizeit 634 stellen existentielle Grundbedingungen fiir ein menschenwiirdiges Leben in der Anstalt dar: - Gesundheitsfiirsorge, - Emahrung, - Bekleidung. 5.8.1 Gesundheitsfursorge Den Bereich der Gesundheitsfursorge hat der Gesetzgeber m §§56 bis 66 635 StVollzG geregelt.^^^ § 56 StVollzG gibt dem Inhaftieren einen Anspruch gegen die Vollzugsbehorde auf umfassende Sorge fiir seine korperliche und geistige Gesundheit. Damit einher geht die Verpflichtung des Gefangenen, die notwendigen MaBnahmen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene zu unterstiitzen. Er kaim durch die Hausordnung (§161 StVollzG) oder mittels Einzelanv^eisungen zur Duldung von Untersuchungen und anderen MaBnahmen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes verpflichtet werden. GemaB § 56 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 101 StVollzG sind in bestimmten Fallen auch Zv^angsmaBnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfursorge zulassig.^^"^ Eine Verlegung in ein vollzugsextemes Krankenhaus erlaubt § 65 Abs. 2 StVollzG aus Untersuchungs- und Behandlungsgriinden.^^^ Die urspriinglich mit §§190 ff. StVollzG angestrebte Einbeziehung der Straf- 636 gefangenen in die gesetzlichen Krankenversicherungen vmrde bislang nicht reali9«5 9^^ 9«^ 9^^
OLG Dazu Dazu Dazu
H a m m , ZfStrVo 1984, S. 174. eingehend Hillenkamp, 2006, S. 89 ff. Kap. 7.3. BVerfG, NStZ 1996, S. 614; BVerfG, NStZ-RR 2003, S. 345.
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
siert, well das hierfiir erforderliche Bundesgesetz (§ 198 Abs. 3 StVoUzG) nicht in Kraft trat.^^^ Aufgrund ihrer Fiirsorgepflicht muss deshalb die Anstalt die gesundheitliche Betreuung durchfiihren. Damit haben - anders als Patienten in der freien Gesellschaft - Strafgefangene keinen Anspruch auf medizinische Versorgung durch einen Arzt freier Wahl.^^^ § § 5 7 bis 59 StVollzG geben dem Inhaftierten gesetzliche Leistungsanspriiche auf Gesundheitsuntersuchungen, medizinische Vorsorgeleistungen, Krankenbehandlung und Versorgung mit Hilfsmitteln. Sie entstehen, wenn eine Krankenbehandlung notwendig ist, um eine Erkrankung zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhiiten oder Krankheitsbeschwerden zu lindem (§ 58 Abs. 1 StVollzG). Samtliche Erkrankungen begriinden einen Anspruch auf fachgerechte Therapie.^^^ Wahrend der StrafverbiiBung ruhen gem. § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB V sozialversicherungsrechtliche Anspriiche. Lediglich der aufgrund eines freien Beschaftigungsverhaltnisses i.S.d. § 39 Abs. 1 StVollzG Krankenversicherte, der Beitrage an seine Sozialversicherung abfiihrt, muss auch deren Leistungen in Anspruch nehmen. Nach § 62a StVollzG ruhen dann allerdings die voUzuglichen Leistungen. ^^^ 637 Die ausschlieBliche Zustandigkeit und Verantwortlichkeit fiir die Gesundheitsfiirsorge liegt im Strafvollzug beim Anstaltsarzt. Uber eine Hinzuziehung externer (Fach-)Arzte zu Diagnose und Therapie ist nach anstaltsarztlicher Beurteilung zu entscheiden. Dies gilt auch fiir eine Behandlung durch Psychotherapeuten.^^^ Dem Anstaksarzt eroffnet sich fiir seine fachliche Tatigkeit - auch gegeniiber dem sonst gem. § 156 StVollzG far den VoUzug verantwortlichen Anstaltsleiter - ein weitgehend nicht kontrolherbarer Ermessensspielraum.^^"* Wird er im Rahmen der allgemeinen Gesundheitsfiirsorge nach §§ 56 ff StVollzG tatig, bleibt er gegeniiber dem Anstaltsleiter allerdings zur Offenbarung dabei gewonnener Geheimnisse befugt, soweit dies fur die Aufgabenerfiillung der Vollzugsbehorde unerlasslich oder zur Abwehr von erheblichen Gefahren fiir Leib oder Leben des Gefangenen Oder Drifter erforderlich ist (§ 182 Abs. 2 S. 3 StVollzG).^^^ 638 Das Verhaltnis zwischen Anstaltsarzt und Inhaftiertem ist offentlich-rechtlicher Natur.^^^ Das Personlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG sowie das hieraus abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung geben dem Gefangenen insoweit einen Anspruch^^"^
989 Siehe auch Steiner, 2 0 0 6 , S. 74. 990 O L G N i i m b e r g , N S t Z 1999, S. 4 8 0 ; CalHess/Muller-Dietz, 2 0 0 5 , § 5 6 R d n . 1; krit. B e m m a n n , 2 0 0 1 , S. 6 0 £ ; Hillenkamp, 2 0 0 5 , S. 24 f
991 OLG Karlsruhe, NJW 2001, S. 3422. 992 Hierzu Kirschke, 2 0 0 5 , S. 121 ff
993 994 ^^^ 996 997
OLG Numberg, NStZ 1999, S. 480. Schwind/Bohm/Jehle/Riekenbrauck, 2005, § 56 Rdn. 17. Zum Arztgeheimnis im Strafvollzug siehe Tag, 2005, S. 89 ff; femer unten Kap. 10. KG,ZfStrVol986, S. 186. Siehe auch Arloth/Luckemann, 2004, § 185 Rdn. 6; Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 56 Rdn. 3; Schwind/Bohm/Jehle/Riekenbrauck, 2005, § 56 Rdn. 21; Schwind/Bohm/Jehle/ Schmid, 2005, § 185 Rdn. 10.
5.8 Existentielle Grundbedingungen
341
- auf arztliche Aufklarung liber seinen Gesundheitszustand imd iiber indizierte therapeutische MaBnahmen, soweit eine voUstandige Auskunft keine schwerwiegenden physischen oder psychischen Schaden nach sich Ziehen konnte,^^^ - auf Akteneinsicht (§ 185 S. 1 StVollzG) hinsichtlich der in seinen Krankenunterlagen enthaltenen Aufzeichnungen iiber naturwissenschaftlich objektivierbare Befunde und Behandlungsfaktoren, wenn es fiir das Interesse des Betroffenen erforderlich ist.^^^ Der Anspruch des Inhaftierten erstreckt sich damit prinzipiell nicht auf schriftlich fixierte personliche oder subjektive Eindrticke und Wertungen der behandelnden Arzte. Anderenfalls konnten deren Interessen bzw. solche Dritter sowie therapeutische Vorbehalte keine zureichende Beriicksichtigung finden. Nur in ganz konkreten Ausnahmefallen vermag sich das Recht auf Einsicht in die Krankenunterlagen auch auf den sensiblen Bereich nicht objektivierter Befunde zu erstrecken.^^^^ GroBe praktische Relevanz erlangt seit einigen Jahren die Aids-Problematik 639 im Strafvollzug.^^^^ Man geht davon aus, dass in Deutschland ca. 1 Prozent der Gefangenen HIV-infiziert ist; dies bedeutet eine um 25-mal hohere HIVVerbreitung in den Justizvollzugsanstalten als in der iibrigen Bevolkerung.^^^^ Es besteht heute weitgehende Einigkeit dariiber, dass eine Behandlung dieses Problems sowohl mittels PraventionsmaBnahmen als auch durch eine zureichende medizinische und psychosoziale Betreuung bereits infizierter Gefangener erfolgen muss.^^^^ Da das Strafvollzugsgesetz keine besonderen Vorschriften iiber HIVInfizierte enthalt, kommt eine raumliche Abtrennung der Betroffenen nur unter den allgemeinen gesetzlichen Voraussetzungen in Betracht (z.B. Beschrankung der gemeinschaftlichen Unterbringung wahrend der Arbeitszeit bzw. der Freizeit nach § 17 Abs. 3 Nr. 3 StVollzG aus Griinden der Anstaltssicherheit oder -ordnung; Verlegung gem. § 8 Abs. 1 Nr. 2 StVollzG). Fiir eine Durchfiihrung von Zwangstests aller Inhaftierten fehlt es an einer rechtlichen Grundlage im Strafvollzugsgesetz selbst.'^^"^ Allerdings verpflichtet § 36 Abs. 4 S. 7 IfSG ausdriicklich Personen, die in eine Justizvollzugsanstalt aufgenommen werden, eine arztliche Untersuchung auf iibertragbare Krankheiten zu dulden. Diese Norm erganzt § 101 StVollzG. ^^^^ Es liegt im Ermessen der Anstalt, ob und welche Untersuchungen durchgefiihrt werden. ^^^^ Unter Uberwachung durch das Gesundheitsamt hat die Vollzugsbehorde gem. § 36 Abs. 1 S. 1 IfSG in einem Hygieneplan ihre innerbetrieblichen Verfahrensweisen zur Infektionshygiene festzulegen. Als MaBnahmen 99« Geppert, 1984,S. 169 ff 999 Vgl. O L G Frankfurt, NStZ 1989, S. 198. 1000 BQH^ N J W 1989, S. 764; BVerfG, N J W 1999, S. 1777; OLG Karlsruhe, ZfStrVo 2003, S. 111. 100^ Dazu AK-Boetticher/Stover, 2006, vor § 56 Rdn. 4 7 ff; Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 56 Rdn. 8 ff; Laubenthal, 2005, S. 199 f; Schafer/Buchta, 1995, S. 323 ff 1002 stover, 2 0 0 1 , 8 . 37. i°°3 Siehe Laubenthal, 2005, S. 201 ff ^004 Dargel, 1989, S. 208; Franck, 2 0 0 1 , S. 179. ^^°^ Dazu unten Kap. 7.3. 1006 Bales/Baumann/Schnitzler, 2003, § 36 Rdn. 16.
342
5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
zur Aids-Prophylaxe im Strafvollzug werden teilweise schon praktiziert: die kostenlose Ausgabe von Kondomen^^^'^ und sterilen Einwegspritzen^^^^. 5.8.2 Bekleidung 640 Nach § 20 Abs. 1 StVollzG hat die Anstalt dem Inhaftierten in ausreichendem Umfang^^^^ Kleidung zur Verfiigung zu stellen. Einen Anspruch auf das Tragen eigener Kleidungstiicke hat der Gefangene nicht. Vielmehr ist Regelfall das Tragen von Anstakskleidung.^°^° Dies hielt der Gesetzgeber aus Griinden der Sicherheit und Ordnung fiir erforderlich^^^^, weshalb das von den Strafgefangenen regelmaBig als Selbstwertkrankung und Deprivation empfundene Tragen der Kleidung in der Anstalt prinzipiell hinzunehmen ist.^^^^ Es muss jedoch dem Angleichungsgrundsatz des § 3 Abs. 1 StVollzG gemaB die Oberbekleidung derjenigen entsprechen, die auBerhalb von Strafanstalten iiblicherweise getragen wird.^^^^ Besteht keine Entweichungsgefahr, kann der Anstaltsleiter dem Gefangenen bei einer Ausfiihrung (§11 Abs. 1 Nr. 2 StVollzG) das Tragen eigener Kleidung gestatten, § 20 Abs. 2 S. 1 StVollzG. Im Ubrigen steht es im pflichtgemaBen Ermessen, das Tragen eigener Kleidung zu erlauben^°^^, sofem der Einzelne auf eigene Kosten fiir deren Reinigung, Instandsetzung und regelmaBigen Wechsel aufkommt (§ 20 Abs. 2 S. 2 StVollzG). Dabei stellt das Merkmal „auf eigene Kosten" nur klar, dass nicht die Anstalt hierftir aufzukommen hat. Es wird dadurch nicht die Moglichkeit einer Bezahlung durch Dritte ausgeschlossen.^^^^ Verfiigt der Strafgefangene fur die Durchfuhrung von VoUzugslockerungen nicht iiber ordentliche und tragfahige Kleidung, kann der Erwerb auch aus dem tJberbruckungsgeld gestattet werden. ^°^^
5.8.3 Ernahrung und Einkauf 641 Die Ernahrung der Insassen obliegt der Vollzugsanstalt.^^^'^ GemaB § 21 StVollzG sind die Zusammensetzung und der Nahrwert arztlich zu iiberwachen. Der Anspruch des Inhaftierten auf eine gesunde Ernahrung erstreckt sich zwar auch auf die Vermeidung von Infektionsrisiken. Jedoch erwachst daraus kein all1007 Ygj Laubenthal, 2005, S. 206; zur Frage eines Anspruchs auf kostenlose Aushandigung: OLG Koblenz, NStZ 1997, S. 360. loo^DazuKap. 5.5.3. *°09 Dazu OLG Hamm, NStZ 1993, S. 360. ^0^0 Krit. Kohne, 2003a, S. 60 f lo^BT-Drs. 7/918, S. 56. 1012 BVerfG, NStZ 2000, S. 166. ^0^3 LG Hamburg, NStZ 1990, S. 255. '0'^ Siehe OLG Karlsruhe, NStZ 1996, S. 303. ^015 BVerfG, StrVert 1996, S. 682. 1016 OLG Karlsruhe, NStZ 2006, S. 62. 101^ Krit. Kohne, 2004, S. 607 f
5.9 SozialeHilfe
343
gemeines Recht auf den Nachweis der Unbedenklichkeit eines Nahrungsmittels durch ZertifikatJ^^^ Aus medizinischen oder aus religiosen Griinden kann eine besondere Verpflegung gewahrt werden. § 21 StVoUzG gibt einen Anspruch des Inhaftierten auf Verpflegung durch die Vollzugsbehorde.^^^^ Daneben kann er von seinem Hausgeld oder Taschengeld gem. § 22 StVollzG 642 im Einkauf Nahrungs- und Genussmittel sowie Mittel zur Korperpflege erwerben. § 22 Abs. 1 S. 1 StVollzG verpflichtet die Anstalt zur Schaffung entsprechender Einkaufsmoglichkeiten zumindest in dem gesetzlich benannten Umfang (z.B. einen Kaufmann zu gewinnen, der in regelmaBigen Abstanden in die Anstalt kommt und ein entsprechendes Angebot fur die Gefangenen bereithalt). Vom Einkauf wie vom Konsum durch Inhaftierte ausgeschlossen ist - wegen der damit verbundenen Gefahren einer Beeintrachtigung des geordneten Zusammenlebens in der Anstaltio2o_derAlkohol.^o2i
5.9 Soziale Hilfe Das Sozialstaatsprinzip verpflichtet die VoUzugsbehorde zur Gewahrung sozialer 643 Hilfe. ^^2^ § 71 StVollzG gibt dem Gefangenen hierauf einen Rechtsanspruch. Dabei hat sich die Hilfeleistung zu orientieren an den Prinzipien - der Individualitat, - der Hilfe zur Selbsthilfe. GemaB § 71 S. 1 StVollzG muss die Hilfe fiir den Inhaftierten geeignet sein, seine personlichen Schwierigkeiten zu losen. Es sollen ihm die individuell erforderlichen Unterstiitzungsleistungen gewahrt werden, wobei auch seine soziale und familiare Umwelt einzubeziehen ist.'°^^ Soziale Hilfe bedeutet jedoch keine bloBe Erledigung bestimmter Angelegenheiten fiir den Gefangenen durch Mitarbeiter der VoUzugsbehorde. § 71 S. 1 StVollzG gibt vielmehr ein Recht auf Inanspruchnahme entsprechender Hilfestellungen, damit der Insasse selbsttatig seine Schwierigkeiten losen kann. Vollzugszielorientiert soil er befahigt werden, seine Angelegenheiten selbst zu ordnen und zu regeln (§71 S. 2 StVollzG). Das Gesetz normiert in §§ 71 ff. nur wenige konkrete Leistungsbereiche. Da 644 der Umfang sozialer Hilfsmoglichkeiten offen bleibt, ist den im Vollzug agierenden Sozialarbeitem und -padagogen^^^"* ein weites Tatigkeitsfeld eroffhet. Dabei verpflichtet sie § 154 Abs. 2 StVollzG zur Kooperation mit den Behorden und Stellen der Entlassenenfiirsorge, der Bewahrungshilfe, den Stellen fur die Fiihrungsaufsicht, den Arbeitsagenturen, den Tragem von Sozialversicherung und So1018 OLG Hamm, NStZ 1995, S. 616. 1019 KG, NStZ 1989,8.550. 1020 O L G H a m m , N S t Z 1995, S. 55; siehe auch Laubenthal, 2005, S. 197.
1021 Krit. Kohne, 2002a, S. 168 f 1022 BVerfGE 35, S. 236. 1023 Schwind/Bohm/Jehle/Best, 2005, § 71 Rdn. 2. 1024 Dazu in Kap. 4.4.4.5.
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5 Der Vollzugsablauf alslnteraktionsprozess
zialhilfe, den Hilfeeinrichtungen anderer Behorden und Verbanden der freien Wohlfahrtspflege sowie mit ehrenamtlich tatigen Gruppen und Privatpersonen. Den Anspruch auf soziale Hilfe hat der Gesetzgeber in §§ 72 bis 75 StVollzG fiir die einzelnen Vollzugsphasen der Aufiiahme, der Dauer der Strafhaft und der Entlassung nur hinsichtlich einzelner Aspekte konkretisiert. Eine in das Gesamtsystem der Straffalligenhilfe eingebundene Ausgestaltung der sozialen Hilfe i.S.d. §§ 71 ff. StVollzG ist jedoch als eine durchgehende Betreuung zu verstehen, die fhihzeitig einsetzt und unter Einbeziehung des sozialen Umfelds bis in die Zeit nach der Entlassung aus dem StrafvoUzug fortwirkt.^^^^ 645 GemaB § 72 StVollzG ist dem zu einer Freiheitsstrafe Verurteilten bei der Aufnahme in die Anstalt Hilfe zu leisten. Da er durch die Inhaftierung bedingt an der Regelung seiner personlichen Angelegenheiten gehindert wird, bedarf es schon in einem Zugangsgesprach mit dem Sozialarbeiter einer Erorterung der materiellen und psycho-sozialen Probleme. Es sind erforderliche SofortmaBnahmen einzulei^gj^io26^ insbesondere zur sozialen Sicherung von Angehorigen sowie zur Sicherstellung der Habe. Verfiigt der Betroffene nicht iiber zureichende Geldmittel, hat die Anstalt die Kosten einer Sicherstellung und des Transports der Habe zu iibernehmen.^^2^ Da die Gefangenen fiir die Dauer der StrafverbiiBung bislang weitgehend nicht in die gesetzliche Sozialversicherung einbezogen sind, sollen sie nach § 72 Abs. 2 StVollzG iiber die Moglichkeiten der Aufrechterhaltung bereits bestehender Sozialversicherungen beraten werden. 646 Wahrend des VoUzugs kommt je nach den Schwierigkeiten und Problemlagen des einzelnen Insassen eine Vielzahl sozialer Hilfen in Betracht. Das Gesetz benennt in § 73 StVollzG als Bereiche zur Unterstiitzung des Gefangenen bei der Wahmehmung seiner Rechte und Pflichten beispielhaft das Wahlrecht, die Erfullung von Unterhaltspflichten sowie die Regelung eines durch die Straftat verursachten Schadens. Der Insasse ist in den das Erreichen des Vollzugszieles betreffenden sozialen und rechtlichen Fragen zu beraten. ^^^^ Dem Selbsttatigkeitsprinzip des § 71 S. 2 StVollzG folgend wird die Anstalt dabei ihrer Fiirsorgepflicht regelmaBig gerecht, wenn sie den Inhaftierten auf zustandige Auskunfts- und Beratungsstellen hinweist und ihn bei der Wahmehmung der Informationsmoglichkeiten (z.B. Gewahrung von Hafturlaub zum Aufsuchen einer Rentenberatungsstelle^029) unterstutzt. 647 Da das Strafvollzugsgesetz nicht zwischen deutschen und nichtdeutschen Strafgefangenen unterscheidet, besitzen auslandische Verurteilte die gleichen Rechte. Angesichts ihrer besonderen sozialen Probleme ist die Vollzugsbehorde verpflichtet, spezifische soziale Hilfen zu gewahren. Dies bezieht sich vor allem auch auf den Bereich der Beratung in Sozial- und Rechtsangelegenheiten sowie die Ermoglichung von Kontakten zu Behorden.'°^° ^025 Schwind/Bohm/Jehle/Best, 2005, vor § 71 Rdn. 6. 1026 siehe AK-Bertram/Huchting, 2006, § 72 Rdn. 12. 1027 OLG Hamburg, NStZ 1989, S. 446; dazu auch OVG Liineburg, NJW 2001, S. 1155. 1028 Dazu Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 73 Rdn. 4. 1029 LG Kiel, NStZ 1992, S. 377 f 1030 Siehe Neu, 1988, S. 331; CaHiess/Muller-Dietz, 2005, § 73 Rn. 5.
5.9 SozialeHilfe
345
Von besonderer Relevanz fiir das Gelingen einer sozialen Eingliedemng nach der Ent- 648 lassung ist in der Praxis haufig die Schuldenproblematik.^^^^ Erhebungen machen eine erhebliche Uberschuldung deutlich. So meldete eine Studie eine erhebliche Schuldenlast bei befragten Inhaftierten im mannlichen Erwachsenenvollzug und im Jugendstrafvollzug.^^^^ Rund die Halfte der Inhaftierten sieht sich einem Schuldenberg von mehr als 5.000,- EUR gegentiber.^^^^ Eine in sachsischen Justizvollzugsanstalten durchgefiihrte Studie ermittelte, dass etwa jeder vierte Insasse sich als schuldenfrei erwies.^^^"^ Angesichts von Wiedergutmachungsanspriichen der Dehktsopfer, Anwalts- und Gerichtskosten, offenen sonstigen Verpflichtungen (insbesondere riickstandigen Ratenzahlungen) bei Banken oder Finanzierungsbiiros mit weiter auflaufenden Zinsen befinden sich viele Inhaftierte in einer kaum zu bewahigenden finanziellen Lage. Es handelt sich hier um einen Bereich, der einen besonderen Ruckfallfaktor darstellt und in dem der Einzelne lebenspraktischer Hilfen seitens der Anstalt bedarf. Als solche werden Hilfen zur Schuldenregulierung angeboten. Neben den Bemuhungen um eine Einzelregulierung in Form einer ratenweisen Abzahlung durch den Inhaftierten nach einem festen Tilgungsplan mit Eigenmitteln hat sich in den letzten Jahren in mehreren Bundeslandem zunehmend ein Gesamtsanierungsansatz durchgesetzt.^^^^ Es wurden von Landesjustizverwaltungen sog. Resozialisierungsfonds in der Rechtsform gemeinntitziger Vereine oder Stiftungen geschaffen.^^^^ Diese nehmen z.B. eine Umschuldung vor. Sie bieten den Glaubigem auBergerichtliche Vergleiche an. Sind diese zu einem Teilverzicht bereit, werden sie aus Mitteln des Fonds oder einem vom Gefangenen aufzunehmenden Bankdarlehen, fiir dessen Ruckzahlung sich der Fonds verbtirgt, befriedigt. Einem zuvor aufgestellten Schuldenregulierungsplan gemaB muss der Insasse dann das eine noch bestehende Darlehen zuriickzahlen. Beratung und Hilfe steht dem Strafgefangenen gem. § 74 StVollzG auch zur 649 Vorbereitung seiner Entlassung zu. Dem Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe folgend ist er bei der Ordnung seiner personlichen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten zu beraten; die fiir Sozialleistungen zustandigen Stellen bekommt er mitgeteilt. Ihm wird bei seiner Suche nach Arbeit, Unterkunft und personlichem Beistand geholfen. Unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 StVollzG kann der Inhaftierte zu Zv^ecken der Entlassungsvorbereitung (z.B. Wohnungs- oder Arbeitssuche) auch Sonderurlaub erhalten. ^^^"^ War es dem Insassen nicht moglich, aus seinen Beziigen ein zureichendes Uberbriickungsgeld i.S.d. § 51 Abs. 1 StVollzG zu bilden^^^^ und verfiigt er nicht liber ausreichende Eigenmittel, erhalt er von der Anstalt nach § 75 Abs. 1 StVollzG - eine Reisekostenbeihilfe, - eine Uberbriickungsbeihilfe fiir den notv^endigen Lebensunterhalt in der ersten Zeit nach der Entlassung, ^^^^ Zimmermann, 1995, S. 289. lo^^Vgl.Klotz, 1986,S. 89ff ^033 vgl. Schwind/Bohm/Jehle/Best, 2005, § 73 Rdn. 7. ^034 Vgl. Kemter, 1999, S. 137 ff 1035 Schwind/Bohm/Jehle/Best, 2005, § 73 Rdn. 9 f 1036 Dazu Freytag, 1990, S. 295 ff 1037 DazuKap. 5.10.2. 1038 Dazu Kap. 5.3.4.4.
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5 DerVollzugsablaufalsInteraktionsprozess
- eine Ausstattung mit ausreichender Bekleidung. 650
Diese Leistimgen sollen nur zugunsten bediirftiger Verurteilter erbracht werden. Ob der Gefangene iiber eigene Mittel verfugt, ist anhand der gesamten Einkommens- und Vermogensverhaltnisse des Betroffenen zu ermitteln.^^^^ Die tJberbruckungsbeihilfe soil so bemessen werden, dass der Entlassene den Lebensunterhalt bestreiten kaiin, bis ihm eine Deckung aus Arbeit oder aus Zuwendungen aufgrund anderer gesetzlicher Bestimmungen (z.B. Arbeitsforderung, Sozialhilfe) moglich ist. Bei der Bemessung wird von den Leistungen ausgegangen, welche das SGB XII fiir vergleichbare Falle vorsieht. GemaB § 75 Abs. 2 S. 1 StVollzG kann die Vollzugsbehorde dabei eine selbstverschuldete Mittellosigkeit des Gefangenen berucksichtigen^°^° und sich zur Vermeidung unverhaltnismaBiger Kosten auch an der Lange der Haftdauer orientieren. Umstritten ist der zeitliche Umfang der Zahlung von tJberbruckungsbeihilfe. Einerseits wird insoweit wegen deren Ersatzfunktion fiir das Uberbriickungsgeld i.S.d. § 51 Abs. 1 StVollzG ein entsprechender Zeitraum von vier Wochen nach der Entlassung veranschlagt.^^"^^ Andererseits soil die Zahlung wegen des Nachrangs der tJberbruckungsbeihilfe gegentiber der Sozialhilfe auf wenige Tage beschrankt bleiben.^^'^^ Vor einem Glaubigerzugriff auf den Anspruch auf Auszahlung von Reise- und tJberbruckungsbeihilfe sowie auf die als Beihilfen gezahlten Geldbetrage schiitzt § 75 Abs. 3 StVollzG.
5.10 Entlassung und soziale Integration 651 Das VoUzugsziel der Befahigung des Gefangenen zu einem sozial verantwortlichen Leben ohne weitere Straftaten (§ 2 S. 1 StVollzG) verpflichtet die Vollzugsbehorde zu einer an der gesellschaftlichen Wiedereingliederung orientierten Gestaltung der Strafhaft. Dies hat der Gesetzgeber durch den Integrationsgrundsatz des § 3 Abs. 3 StVollzG bekraftigt: Der gesamte VoUzug ist darauf auszurichten, dem Gefangenen zu helfen, nach der Entlassung zu einer (Re-)Integration in das Leben in Freiheit fahig zu sein. Schon bei der Erstellung des Vollzugsplans miissen deshalb gem. § 7 Abs. 2 Nr. 8 StVollzG notwendige MaBnahmen zur Entlassungsvorbereitung festgelegt werden. Denn der tJbergang in die Freiheit darf nicht abrupt erfolgen. Dies setzt voraus, dass die Anstaltsleitung nach Moglichkeit den voraussichtlichen faktischen Entlassungszeitpunkt abschatzt und die Zeit des Vollzugs dementsprechend plant und gliedert.
1039 OLG Hamburg, ZfStrVo 1997, S. 110. io40BT-Drs. 7/918,8. 75. 1041 So AK-Bertram/Huchting, 2006, § 75 Rdn. 4; Perwein, 2000, S. 352 f 10^2 Arloth/Luckemann, 2004, § 75 Rdn. 4; Schwind/Bohm/Jehle/Best, 2005, § 75 Rdn. 11.
5.10 Entlassung und soziale Integration
347
5.10.1 Entlassungsarten Die gerichtlich verhangte Freiheitsstrafe ist grundsatzlich ftir die im Urteil ange- 652 ordnete Strafdauer in der JustizvoUzugsanstalt vollstandig zu verbixBen. RegelmaBig wird jedoch vom Gericht nach § 51 Abs. 1 S. 1 StGB eine aus Anlass der Tat erlittene Untersuchungshaft angerechnet. Aber auch dies kann gem. § 51 Abs. 1 S. 2 StGB ganz oder zum Teil unterbleiben, wenn es im Hinblick auf das Verhalten des Taters nach der Tat nicht gerechtfertigt erscheint (z.B. bei einer boswilligen Verschleppung des Strafverfahrens durch den Beschuldigten^^"*^). Bezogen auf vom Statistischen Bundesamt fiir das Jahr 2005 zu den Stichtagen 653 31.3., 31.8. und 30.11. ermittelten Zahlen ergibt sich im Durchschnitt folgende Verteilung der Entlassungsarten: Tabelle 5.2. Entlassene aus dem Strafvollzug 2005 .ME^!3§^H!M5HL>™»».
Ende der Strafe § 57 Abs. 1 StGB § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB § 57a StGB § 35 BtMG Begnadigung
Prozent 73,12 16,17 1,41 0,29 0,07 6,38 2,55
Quelle: Statistisches Bundesamt, Bestand der Gefangenen und Verwahrten in den deutschen Justizvollzugsanstalten, 2005. 5.10.1.1 Strafrestaussetzung zur Bewahrung Eine Entlassung schon vor Ablauf der verhangten Strafdauer ermoglicht das Insti- 654 tut der Aussetzung des Strafrests zur Bewahrung. Eine solche bedingte Entlassung reduziert nicht nur die mit zunehmender Haftlange sich vergroBemden Schwierigkeiten einer gesellschaftlichen Wiedereingliederung. Sie gibt dem Gefangenen auch Anreize zur Mitwirkung i.S.d. § 4 Abs. 1 S. 1 StVollzG an der Gestaltung seiner Behandlung und an der Vollzugszielerreichung. Die sich an die Entlassung anschlieBende Bewahrungszeit (einschlieBlich der Moglichkeit eines Bewahrungswiderrufs) iibt auf den Betroffenen Druck aus, sich normtreu zu verhalten. Dabei kann ihm eine Unterstellung unter die Leitung und Aufsicht eines Bewahrungshelfers Untersttitzung bieten.^^"*"^ Eine Strafrestaussetzung zur Bewahrung ist bei der zeitigen Freiheitsstrafe 655 nach § 57 Abs. 1 StGB obligatorisch, wenn die dort genannten Voraussetzungen vorliegen:
'0^3 Trondle/Fischer, 2006, § 51 Rdn. 1 la. ^0^^ Dazu Streng, 2002, Rdn. 229.
348
5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
Der Verurteilte muss zwei Drittel der verhangten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate verbiiBt haben (§ 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB). Nach § 57 Abs. 4 StGB werden andere wegen der Anlasstat bereits vollzogene MaBnahmen (z.B. Untersuchungshaft) auf diese MindestverbiiBungsdauer angerechnet. Sind mehrere selbstandige Freiheitsstrafen zu vollstrecken, findet eine Kumulation der jeweiligen MindestverbiiBungsdauem statt: Die einzelne Strafe wird bei Erreichen des erstmoglichen Aussetzungszeitpunkts unterbrochen und zur Vollstreckung der nachsten Sanktion iibergegangen. Erst werni dann der fhihestdenkbare Entlassungszeitpunkt auch hinsichtlich der letzten Freiheitsstrafe ansteht, entscheidet nach § 454b Abs. 3 StPO das Gericht gleichzeitig iiber eine Aussetzung der Vollstreckung aller Strafreste. Es muss eine gunstige Sozialprognose gegeben sein, d.h., eine Haftentlassung erfolgt nur, wenn dies unter Beriicksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann (§ 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB). Angesichts der Tatsache, dass es bislang keine absolut zuverlassigen Kriterien gibt, um aus zuriickliegenden und gegenwartigen Beobachtungen eines menschlichen Verhaltens die Frage der Riickfallwahrscheinlichkeit mit ausreichender Sicherheit beantworten zu konnen^^"^^, verlangt das Gesetz keine Gewahr fiir eine kiinftige Legalbewahrung. Es nimmt vielmehr ein verantwortbares Restrisiko^^"^^ in Kauf Dabei bedingt die Schwere der der Verurteilung zugrunde liegenden Tat(en) als ein Basiselement die Notwendigkeit einer Abstufung der Prognoseanforderungen. Das bei der bedingten Strafrestaussetzung vertretbare Prognoserisiko muss umgekehrt proportional zur Schwere moglicher zukiinftiger Delikte sein. Es findet eine Abwagung statt zwischen dem (Re-)Sozialisierungsinteresse des Inhaftierten und dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit, wobei die Anfordemngen an die Erfolgswahrscheinlichkeit der Strafrestaussetzung mit dem Gewicht des bei einem etwaigen Riickfall bedrohten Rechtsguts^^"^"^ immer hoher werden. Bei der Gesamtwiirdigung sind vom Gericht nach § 57 Abs. 1 S. 2 StGB namentlich folgende Umstande zu beriicksichtigen: die Personlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstande seiner Tat, das Gewicht des bei einem Riickfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten des Verurteilten im Vollzug, seine Lebensverhaltnisse und die Wirkungen, die von der Aussetzung fiir ihn zu erwarten sind. GemaB § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB muss der Verurteilte in seine vorzeitige Entlassung einwilligen. Das gesetzliche Einwilligungserfordemis stellt eine systemwidrige Entlassungsvoraussetzung dar.^^"^^ Denn Auswahl und Gestaltung der zur Erreichung ^^'^^Zu Methoden der Legalbewahrungsprognose siehe Strang, 2002, Rdn. 318ff; ders., 1995, S. 97 ff; Steinbock, 1997, S. 69 ff 1046 BVerfG, NJW 1998, S. 2202; eingehend Streng, 2002, Rdn. 232. 104^ OLG Bamberg, NStZ 1989, S. 389; siehe auch BOH, NStZ-RR 2003, S. 200. 1048 Dazu Laubenthal, 1988, S. 951 ff
5.10 Entlassung und soziale Integration
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des Sozialisationsziels zweckmaBigen und Erfolg versprechenden Unrechtsreaktion obliegt ausschlieBlich der richterlichen Entscheidungsfindung. Dem Verurteilten steht zudem kein Anspruch auf VollverbiiBung seiner Freiheitsstrafezu. In der Praxis ist eine hohe Quote an Einwilligungsverweigerungen anzutreffen.^^"^^ Bei den versagten Zustimmungen handelt es sich zum einen um eine negative Selbstauslese von Gefangenen, die ablehnende Aussetzungsentscheidungen vermeiden wollen, weil sie keine Aussichten auf eine bedingte Entlassung sehen, wodurch im Einzelfall vorschnell auf Be wahrungschancen verzichtet wird. Zum anderen wollen Inhaftierte eine Bewahrungszeit mit den damit verbundenen Einschrankungen vermeiden. Schon nach VerbiiBung der Halfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens je- 656 doch von sechs Monaten, karm nach § 57 Abs. 2 StGB der Strafrest zu Bewahrung ausgesetzt werden, wenn - es sich um einen ErstverbiiBer handelt, dessen Freiheitsstrafe zwei Jahre nicht tibersteigt (§ 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB) oder - eine Gesamtwiirdigung von Tat, Taterpersonlichkeit und seiner Entwicklung im Vollzug ergibt, dass besondere Umstande eine vorzeitige Entlassung ausnahmsweise rechtfertigen (§ 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB). - Bei beiden Altemativen der bedingten Entlassung nach HalbstrafenverbiiBung mtissen femer die Kriterien des § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 3 StGB erfiillt sein. Eine Aussetzung des Strafrests einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewah- 657 j^j^gioso gg^2t nach § 57a StGB neben giinstiger Prognose und Einwilligung voraus: - Eine MindestverbiiBungsdauer von fiinfzehn Jahren (§ 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB). - Es darf nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebieten (§ 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB). Die Schuldschwereklausel soil nach der Intention des Gesetzgebers eine obligatorische bedingte Entlassung der Lebenszeitgefangenen mit Ablauf der MindestverbiiBungsdauer von 15 Jahren verhindem.'^^^ Wegen der absoluten Strafe findet das Uberschreiten der unteren Grenze des § 211 Abs. 1 StGB keine Differenzierung im StrafmaB „lebenslang", so dass eine Beriicksichtigung der individuellen Schuld auf der Ebene der Strafvollstreckung erfolgt. Dabei spiegelt die MindestverbixBungszeit das fiir eine Verurteilung zur lebenslangen Freiheitsstrafe unerlassHche SchuldmindestmaB wider.^^^^ Jedoch nicht schon jede Schuldsteigerung iiber dieses Quantum hinaus kann zu einer Verlangerung des Vollzugs fiihren. Da § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB vom Wortlaut her eine „besondere Schwere der Schuld" verlangt, handelt es sich um eine Ausnahmeregel. Erforderlich ist ein erhebliches, deutlich hervorgehobenes Mehr an Schuld; notwendig sind Umstande ^°49 Vgl. Eisenberg/Ohder, 1987, S. 37; Laubenthal, 1987, S. 239. 1050 Dazu eingehend Streng, 2002, Rdn. 246 ff 1051 Siehe Laubenthal, 1987, S. 205 ff; Mliller-Dietz, 1994, S. 72 ff 1052 BGRNStZ 1994,8. 540.
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
von Gewicht. Dabei hat der Tatrichter seine Entscheidung auf eine Gesamtwiirdigung von Tat und Taterpersonlichkeit zu gninden.^^^^ Auch das Bundesverfassungsgericht interpretiert § 57a StGB dahin gehend, dass eine VerbiiBungsdauer von 15 Jahren den Regelfall, eine dariiber hinausgehende Haft die Ausnahme darstellt.^^^"* Nach § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB gentigt nicht nur eine besonders schwere Schuld fiir die Weitervollstreckung. Diese muss auch geboten, d.h. unerlassHch sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts^^^^ miissen die fiir die Bewertung der Schuld gem. § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB erhebhchen Tatsachen schon vom erkennenden Schwurgericht festgesteUt und gewichtet werden. Das Vollstreckungsgericht ist bei der spateren Priifung einer bedingten Entlassung an diese Feststellungen des Tatgerichts gebunden mit der Konsequenz, dass insoweit noch zu entscheiden bleibt, ob die Schuldschwere die weitere Vollstreckung gebietet und welche zeitHchen Folgen sich daraus gegebenenfalls fur die Festlegung der Vollstreckungsdauer ergeben. Als mordspezifische Umstande, die zur Bejahung einer besonderen Schuldschwere fiihren konnen, kommen in Betracht:^^^^ - ganz besondere Verwerflichkeit der Tatausfiihrung oder der Motive, - ein und dieselbe Tat bedingt mehrere Opfer, - durch die Tat werden noch weitere Straftatbestande erfiillt (z.B. § 249 StGB), - im Urteil sind noch weitere Straftaten abgeurteilt (§ 57b StGB). Im Hinblick auf das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB ist hierbei aber zu beachten, dass die besondere Schwere der Schuld in § 57a StGB nicht mit Umstanden begriindet werden darf, deren Vorliegen die Verurteilung zur lebenslangen Freiheitsstrafe iiberhaupt erst ermoglicht hat.^^^"^ Es sind daher nur solche Momente verwertbar, deren hypothetisches Fehlen eine Verurteilung zur Lebenszeitstrafe nicht verhindert hatte.^^^^ 658 Zustandig fiir die Entscheidung iiber eine Aussetzung des Strafrests zur Bewahrung ist bei einer zeitigen wie bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe nach § 462a Abs. 1 StPO die StrafvoUstreckungskammer beim Landgericht. Da nach § 57 Abs. 1 S. 2 StGB im Rahmen der Personlichkeitsbeurteilung auch das Vollzugsverhalten beriicksichtigt wird, holt das Gericht eine Stellungnahme der Vollzugsanstalt ein. Prognostische Relevanz messen Gerichte und Anstaltsbedienstete dabei vor allem der kriminellen Vergangenheit des Betroffenen, seiner personlichen Entwicklung in der Anstalt sowie der beruflichen und sozialen Situation nach der Entlassung zu.^^^^ Dabei darf jedoch das vollzugliche Verhalten allein weder in negativer (z.B. DisziplinarverstoBe, mangelnde Mitwirkungsbereitschaft) noch in 1053 BOH GSSt. 40, S. 360 ff; dazu Kintzi, 1995, S. 249 f; Streng, 1995a, S. 556 ff io5^BVerfGE86, S. 314f 1055 BVerfGE 86, S. 288 ff; BVerfG, JR 2000, S. 121; krit. Meurer, 1992, S. 441 ff; siehe auch Miiller-Dietz, 1994, S. 75 ff 1056 BGH,NStZ 1994, S. 541 f 1057 Laubenthal, 1987, S. 222; siehe auch BGHSt. 42, S. 226. io58Hom, 1983, S. 381. 1059 Vgl. Streng, 2002, Rdn. 242.
5.10 Entlassung und soziale Integration
3 51
positiver Hinsicht (z.B. reibungslose Anpassung) iiberbewertet werden. Denn die Griinde hierfur kornien vielfaltiger Natur sein und bleiben ftir sich allein prognostisch nicht zureichend aussagekraftig.^^^^ Geht es um die Aussetzung einer Lebenszeitstrafe, schreibt § 454 Abs. 2 S. 1 659 Nr. 1 StPO zur Beurteilung der Frage einer fortbestehenden Gefahrlichkeit die Einholung eines Sachverstandigengutachtens zwingend vor.'^^^ In der kriminalprognostischen Praxis zu § 57a StGB spielt als Beurteilungskriterium insoweit eine wesentliche Rolle, wie sich der Inhaftierte mit seiner Straftat und seiner Schuld auseinander gesetzt hatJ^^^ Lehnt die Strafvollstreckungskammer eine bedingte Entlassung nach § 57a StGB wegen besonderer Schuldschwere ab, so hat sie in ihrer Entscheidung festzulegen, wie lange die weitere Vollstreckung unter diesem Gesichtspunkt noch fortdauem soll.^^^^ Die Einholung eines Sachverstandigengutachtens ist gem. § 454 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StPO auch notwendig, wenn es sich um einen Intensivtater i.S.d. § 66 Abs. 3 S. 1 StGB handelt. Dies betrifft die zu einer Freiheitsstrafe wegen eines Verbrechens oder einer Straftat nach §§174 bis 174c, 176, 179 Abs. 1 bis 4, 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 StGB oder einer entsprechenden Rauschtat (§ 323a StGB) Verurteilten. AUerdings kann in diesen Fallen der Aussetzung einer zeitigen Freiheitsstrafe von einer Beteiligung des Sachverstandigen abgesehen werden, wenn bei dem Betroffenen keine Gefahr mehr i.S.d. § 454 Abs. 2 S. 2 StPO besteht, dass dessen durch die Tat zutage getretene Gefahrlichkeit fortbesteht, wenn also alle fiir die Prognoseentscheidung heranzuziehenden Umstande zweifelsfrei die Beurteilung zulassen, dass vom Verurteilten praktisch keine Gefahr mehr fiir die offentliche Sicherheit ausgeht.^^^"* Eine ausdrlickliche Bestimmung iiber den zeitlichen Abstand zwischen der ge- 660 richtlichen Entlassungsentscheidung und dem festgelegten Entlassungszeitpunkt enthalt das Gesetz nicht. Aus § 454a Abs. 1 StPO kann jedoch geschlossen werden, dass es einer friihzeitigen gerichtlichen Entscheidung (auch mehr als drei Monate bis zum Tag der Freilassung) bedarf, damit die Vollzugsbehorde rechtzeitig besondere BehandlungsmaBnahmen zur Entlassungsvorbereitung einleiten kann.^^^^ Auch bei VerbiiBung einer lebenslangen Freiheitsstrafe darf eine hinreichende Entlassungsvorbereitung nicht durch die Ungewissheit des Haftendes gefahrdet werden. Lehnt die Strafvollstreckungskammer eine bedingte Entlassung aus Schuldschwereerwagungen ab, muss sie deshalb mitteilen, wann auf der Grundlage ihrer Beurteilung mit einer Aussetzung zu rechnen ist. *°^^ Neben den Moglichkeiten einer Aussetzung des Strafrests zur Bewahrung nach 661 §§57 ff StGB kermt das Gesetz als sonstige Form der vorzeitigen Entlassung noch im Bereich der Drogenkriminalitat die Strafrestaussetzung im Rahmen einer Zuriickstellung von der StrafvoUstreckung nach § 36 BtMG. »060 Muller-Dietz, 1990,8.31. ^061 Dazu BVerfG, NStZ 1992, S. 405; BOH, NStZ 1993, S. 357. 1062 siehe Krober, 1993, S. 140 ff. 1063 BVerfGE 86, S. 288 f 1064 OLG Karlsruhe, StrVert 2000, S. 156. 1065 OLG Zweibrucken, NStZ 1992, S. 148. 1066 BVerfGE 86, S. 331 f
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5 Der Vollzugsablauf alslnteraktionsprozess
5.10.1.2 Begnadigung 662 Eine bedingte Entlassung des Verurteilten mit oder ohne Anordnung einer Bewahrungszeit kann schlieBlich im Wege der Begnadigung durch die verfassungsrechtlich vorgegebenen Inhaber der Gnadenkompetenz (Bundesprasident, Ministerprasidenten bzw. Justizsenatoren) erfolgen.^^^"^ Beim Gnadenrecht handelte es sich urspriinglich um eine seinem Inhaber kraft Herkommens zugehorige Befugnis, die mit den heutigen Vorstellungen von Verrechtlichung der wesentlichen und grundrechtsrelevanten Lebensvorgange durch parlamentarisch beschlossene Normen nur schwierig in Einklang zu bringen ist. Gnade als gewohnheitsrechtHch geltende „Gestaltungsmacht besonderer Art"^°^^ hat meist nur dem Grunde nach Eingang in formelle Gesetze gefunden (etwa Art. 60 Abs. 2 und 3 GG). Eine gesetzliche Einschrankung der Gnadenkompetenz besteht aber prinzipiell nicht: Gnade ergeht vor Recht. So wird dem Gnadentrager die mildemde Einwirkung bei samtHchen Sanktionsarten mogHch. Vor Schaffiing des § 57a StGB (Aussetzung des Strafrests bei lebenslanger Freiheitsstrafe) lieB sich die bedingte Entlassung Lebenszeitgefangener sogar ausschUeBHch durch Gewahrung eines Gnadenakts bewerkstelligen.^069 Gnadenerweise sollen im Rechtsstaat jedoch nur subsidiar gehandhabt werden. Kann der Gefangene sein Ziel, namentHch die vorzeitige Entlassung aus der Haft, durch einen ausdriicklich geregelten Rechtsbehelf- etwa einen Antrag auf Aussetzung des Strafrests zur Bewahrung - erreichen, bleibt er auf diesen verwie-
(1) Abgrenzung zu verwandten Erscheinungen 663 Nicht verwechselt werden darf das Gnadenwesen mit Amnestic und Abolition. Gnade wird im Einzelfall aufgrund besonderer Umstande gewahrt und betrifft im Hinblick auf Strafen oder MaBregeln nur deren Vollstreckung. Sollen noch nicht rechtskraftig abgeschlossene Verfahren niedergeschlagen (Abolition) oder soil die Einleitung neuer Verfahren verhindert werden, kann dies nur im Wege der Amnestic erfolgen.^^"^* Hierbei handelt es sich um eine generell-abstrakte Regelung, welche nicht nur im Einzelfall, sondem fur eine Vielzahl von Sachverhalten Anwendung findet. Die Beendigung eines einzelnen schwebenden Verfahrens durch Abolition ist demzufolge unzulassig.^^^^ Eine Amnestic kann auch Auswirkungen im VoUstreckungsverfahren zeitigen, wenn etwa die Vollstreckung von Straferkenntnissen fur bestimmte Taten oder Tatergruppen ausgeschlossen wird. Es liegt ^^^^ Vgl. Schatzler, 1992, S. 18 ff; zum Gnadenrecht siehe auch Dimouhs, 1996; Holste, 2003, S. 738 ff; Kaiser/Schoch, 2002, S. 386 ff; Klein, 2001; Mickisch, 1996. 1068 BVerfG, NStZ 2001, S. 669. »069 Dazu Laubenthal, 1987, S. 99 ff '070 Vgl. Laubenthal, 2006, S. 35 f; Schatzler, 1992, S. 36. '0^' Zur Amnestic etwa Marxen, 1984; Schatzler, 1992, S. 208 ff; SuB, 2001. '072 Etwa Jescheck/Weigend, 1996, S. 923; Kaiser/Schoch, 2002, S. 387; Schatzler, 1992, S. 16.
5.10 Entlassung und soziale Integration
353
wegen der unterschiedlichen Voraussetzungen und Zustandigkeiten aber kein Fall der Begnadigung vor.^^"^^ Denn Amnestien bediirfen eines formlichen Gesetzes. Ihr Erlass steht gerade nicht in der Kompetenz des Gnadentragers. Zudem darf vom Mittel der Amnestic nur sparsam Gebrauch gemacht werden, weil ihre haufige Oder gar regelmaBige Vomahme dem Anliegen der Normintemalisierung schadet. Ergingen etwa in Ansehung bestimmter Straftaten jahrliche Amnestien zu Weihnachten, verflihrte die Erwartung, dieses Vorgehen werde beibehalten, zu einer gesteigerten Missachtung der fraglichen Ge- oder Verbotsnormen. Femer liegt der tiefere Grund fiir solche sog. „Jubelamnestien" vielfach in vollzuglichen Defiziten, namentlich zu geringer Kapazitat der Vollzugsanstalten.^^'^'^ Derartige Probleme miissen auf andere Weise gelost werden als durch die auBergewohnlichen Konstellationen vorbehaltene Amnestie. In Beriicksichtigung dieser Grundsatze hat der bundesdeutsche Gesetzgeber bisher nur in wenigen Ausnahmefallen amnestiert.^0^5 (2) Zustandigkeiten Die Zustandigkeitsverteilung in Gnadensachen folgt dem foderalen Charakter der 664 Bundesrepublik Deutschland. Entscheidende Bedeutung erlangt, ob die erstinstanzliche Entscheidung in einer Strafsache in Ausiibung von Bundes- oder Landesgerichtsbarkeit ergangen ist (§ 452 StPO).^^^^ Die Gnadenkompetenz in Strafsachen bildet damit eine Landerangelegenheit, sofem nicht ausnahmsweise ein Oberlandesgericht in einer Staatsschutzsache in Ausiibung von Gerichtsbarkeit des Bundes entschicden hat (§§ 120 Abs. 6, 142a GVG, Art. 96 Abs. 5 GG, § 452 S. 1 StPO). Je nach Zustandigkeit sind die entsprechenden Vorschriften des Bundesoder Landesrechts^^'^^ heranzuziehen. Dabei handelt es sich in den meisten Fallen nicht um formelle Parlamentsgesetze, sondem um Verwaltungsvorschriften, in denen die Inhaber der Gnadenbefugnis im Wege der Selbstbindung ihr Vorgehen objektiviert haben. Das kann sowohl materielle Voraussetzungen eines Gnadenakts als auch das einzuhaltende Prozedere betreffen. So wird etwa iiber ein Gesuch um vorzeitige Haftentlassung regelmaBig nicht ohne Anhorung der Vollzugsbehorden entschicden. Trager des Gnadenrechts ist herkommlicherweise der oberste Reprasentant eines Staatswesens. Neben dem Bundesprasidenten (Art. 60 Abs. 2 GG) sind dies die Ministerprasidenten bzw. Regierenden Btirgermeister der Bundeslander. Vielfach haben die Gnadentrager die Ausiibung der Berechtigung in bestimmtem Umfang delegiert.
10^3 Anders Kaiser/Schoch, 2002, S. 387. lo^'* Dazu Meier B.-D., 2000, S. 63. ^0^5 Uberblick bei Schatzler, 1992, S. 244 ff. 1076 Holste, 2003, S. 739.
lo^"^ Nachweise in Schonfelder, Deutsche Gesetze, § 452 StPO Fn. 2.
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess Rechtsschutz
665 De lege ferenda wird vorgeschlagen, das Gnadenwesen zu einem in vollem Umfang rechtlich normierten Verfahren umzugestalten.^^'^^ De lege lata ist es jedoch strittig, ob und in welchem Umfang Gnadenentscheidungen der gerichtlichen KontroUe unterliegen. Dem vorrechtlichen Charakter von Gnadenakten wiirde es entsprechen, Entscheidungen der Gnadentrager nicht zur gerichtlichen Uberpriifung zu stellen. Andererseits erscheint eine solche Position im Hinblick auf die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, welche in Ansehung aller Akte der offentlichen Gewalt eingeraumt ist, zweifelhaft. Im Widerspruch zu zahlreichen Stellungnahmen im Schrifttum^^^^ halt es das Bundesverfassungsgericht infolge des besonderen Wesens einer Gnadenentscheidung fur statthaft, das Vorgehen des Gnadentragers nicht der gerichtlichen KontroUe zu unterwerfen.^^^^ Die Vertreter der gegenteiligen Position wollen allerdings die besonderen Kompetenzen des Gnadentragers gewahrt sehen. Sein Handeln soil nicht in vollem Umfang, sondem nur auf Verfahrensfehler und das Vorliegen von Willkiir oder sachfremden Erwagungen kontrollierbar sein.*^^' Anderes gilt jedoch flir den actus contrarius. Der Gnadenakt darf unter Umstanden widerrufen werden, wenn sich der Begiinstigte - etwa durch Begehung einer neuen Straftat - als seiner nicht wiirdig erweist. Diese Entscheidung ist gerichtlich voU uberpriifbar.^^^^ Beispiel: B wurde durch Gnadenerweis fiir eine Reststrafe von 61 Tagen Strafaussetzung zur Bewahrung unter Bestimmung einer Bewahrungsfrist bewilligt. Die zustandige Behorde widerrief die Strafaussetzung und ordnete den Vollzug der Reststrafe an, weil B in der Bewahrungszeit nicht gearbeitet, Schulden gemacht und seiner Familie keinen Unterhalt bezahlt habe. Das zustandige Oberlandesgericht verwarf einen hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulassig, weil Gnadenentscheidungen nicht der gerichtlichen Kontrolle unterlagen. Auf die Verfassungsbeschwerde des B hin hat das BVerfG^^^^ diesen Beschluss aufgehoben. Zwar widerspreche die gerichtliche Uberprufbarkeit einer Entscheidung, durch welche die Gewahrung eines Gnadenakts abgelehnt worden sei, der Eigenart des Gnadenwesens. Durch den Gnadenerweis werde dem Begunstigten aber eine Rechtsstellung eingeraumt, auf deren Wahrung er sich grundsatzlich verlassen dtirfe. Der durch Gnade eroffnete Freiheitsraum des Verurteilten unterliege dann gerade nicht mehr der freien Verfugbarkeit des Gnadentragers.
^o^« So Klein, 2001. 1079 Etwa Dreier, 2004, Art. 1 III Rdn. 63, unter Hinweis auf landesverfassungsrechtliche Rechtsschutzmoglichkeiten; Jarass/Pieroth, 2006, Art. 19 Rdn. 29; Klein, 2001, S. 71; Mickisch, 1996, S. 165 f; Schmidt-Bleibtreu/Klein, 2004, Art. 19 Rdn. 24h bei Verrechtlichung des Verfahrens durch Gnadenordnungen. ^°«o BVerfGE 25, S. 358 ff; BVerfG, NStZ 2001, S. 669; vgl. femer BayVerfGH, NStZ-RR 1997, S. 40; OLG Hamburg, JR 1997, S. 255; Meyer-GoBner, 2006, § 23 EGGVG Rdn. 17; Kissel/Mayer, 2005, § 23 EGGVG Rdn. 129; Schatzler, 1992, S. 127. ^^^^ Vgl. Jescheck/Weigend, 1996, S. 924; Kaiser/Schoch, 2002, S. 924. 10^2 So BVerfGE 30, S. 108. ^^^3 BVerfGE 30, S. 108 ff
5.10 Entlassung und soziale Integration
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Soweit man die Justitiabilitat von Gnadenentscheidungen anerkennt, ist nicht 666 der Verwaltungsrechtsweg gem. § 40 VwGO, sondem - da es sich um Justizverwaltungsakte handelt - der Rechtsweg zu den Oberlandesgerichten nach §§23 ff. EGGVG eroffnet.^^^"^ Dieser gilt auch in Ansehung der gerichtlichen Uberpriifung von MaBnahmen, durch welche der Gnadenakt widerrufen wird. 5,10.2 Entlassungsvorbereitung Uber die durch den Grundsatz des § 3 Abs. 3 StVoUzG vorgegebene Orientierung 667 des gesamten Behandlungsprozesses am Integrationsziel hinausgehend sollen bei einem abzusehenden Ende der StrafverbiiBung besondere MaBnahmen zur Vorbereitimg auf die Entlassung stattfinden. Fallen Entlassungstermin und Strafende (bei VollverbiiBem) zusammen, kaim die Anstaltsleitung langerfristig auf den Freilassungstermin hin planen. Doch auch in den Fallen einer vorzeitigen Strafrestaussetzung zur Bewahrung muss die Vollzugsbehorde in die Lage versetzt werden, friihzeitig mit der Entlassungsvorbereitung zu beginnen. Es ist bei vorzeitiger Entlassung jedoch nicht Aufgabe der Anstalt, den Termin fiir das Ende der Strafhaft festzulegen. Dies obliegt gem. § 462a StPO vielmehr der Recht sprechenden Gewalt. Deshalb kann der Vollzug mit seinen besonderen vorbereitenden BehandlungsmaBnahmen nur auf den Zeitpunkt der voraussichtlichen Entlassung abstellen (VV Abs. 1 zu § 15 StVoUzG). Es muss die Frage der Entlassungsprognose abgeschatzt und der von der Anstalt angenommene Termin auch dem Inhaftierten mitgeteilt werden, damit dieser mogliche Antrage auf Gewahrung von LockerungsmaBnahmen stellen kann.^^^^ Im Hinblick auf eine Optimierung der Entlassungsvorbereitung bleibt eine bessere Ab- 668 stimmung der VoUzugsplanung mit den Strafvollstreckungskammem wiinschenswert. Die vom Bundesverfassungsgericht fiir den Bereich der lebenslangen Freiheitsstrafe geforderte friihzeitige Festlegung eines voraussichtlichen Entlassungszeitpunkts durch die Vollstreckungsgerichte*^^^ sollte deshalb auch fiir die zu zeitigen Freiheitsstrafen Verurteilten (insbesondere bei Langstrafigen) erwogen werden. ^^^^ Besondere MaOnahmen zur Entlassungsvorbereitung hat der Gesetzgeber vor 669 allem in § 15 StVollzG normiert. Diese Norm darf jedoch nicht so verstanden werden, dass mit Beginn dieser dritten Phase des Vollzugsablaufs bislang eingeleitete und andauemde Behandlungsprozesse ihr Ende finden. Es sind erganzend zu den bereits laufenden MaBnahmen den individuellen Erfordemissen entsprechend zusatzliche Moglichkeiten zu eroffnen, welche den Schritt in die Freiheit erleichtem. Nach § 15 Abs. 1 StVollzG soil (im Gegensatz zur Karm-Vorschrift des § 11 670 StVollzG) der Anstaltsleiter VoUzugslockerungen gewahren, wobei sein Ermes1084 BVerwGE 49, S. 221; Kaiser/Schoch, 2002, S. 388; Kissel/Mayer, 2005, § 23 EGGVG Rdn. 129. 1085 calliess, 1992, S. 181. 1086 BVerfGE 86, S. 288 f 1087 So auch Rotthaus K., 1994, S. 154.
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5 Der Vollzugsablauf alslnteraktionsprozess
sensspielraum gegeniiber § 11 StVollzG wesentlich eingeschrankt bleibt. Allerdings darf er auch im Rahmen des § 15 Abs. 1 StVollzG keine Lockerung genehmigen, wenn eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr gegeben ist. 671 § 15 Abs. 2 StVollzG ermoglicht eine Verlegung in den offenen VoUzug, wenn dies der Vorbereitung auf die Entlassung dient. Wahrend gem. § 10 StVollzG eine solche Verlegung im Verlauf der Haft aus Behandlungsgriinden erfolgen soil, bestimmt § 15 Abs. 2 StVollzG damit eine andere Zielsetzung. So kann es z.B. im Hinblick auf die Entlassungsvorbereitung durchaus dienlich sein, einen Gefangenen weiterhin in einer nicht-offenen Anstalt oder Abteilung unterzubringen, wenn dies anderenfalls einen Abbruch seiner Berufsausbildung zur Folge hatte oder wenn im geschlossenen Vollzug entstandene integrationsfordemde besondere Bindungen zu Personen des Behandlungspersonals abgelost wiirden.^^^^ 672 Innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten vor der (voraussichtlichen) Entlassung kann der Anstaltsleiter zu deren Vorbereitung nach § 15 Abs. 3 StVollzG bis zu einer Woche Sonderurlaub gewahren. Damit erhalt der Gefangene Gelegenheit zu notwendigen Behordengangen, Kontaktaufnahme zu Hilfeeinrichtungen oder zur Wohnungs- bzw. Stellensuche. 673 § 15 Abs. 4 StVollzG ermoglicht die Gewahrung von Freigangerurlaub innerhalb von neun Monaten vor der (voraussichtlichen) Entlassung fur die Dauer von sechs Tagen pro Monat. Da § 15 Abs. 3 S. 1 StVollzG ausdnicklich keine Anwendung finden soil (§15 Abs. 4 S. 3 StVollzG), besteht vom Zweck dieser Urlaubsart her keine Verkniipfung mit der Entlassungsvorbereitung im engeren Sinne. Ziel stellt vielmehr die Sozialisation des Betroffenen durch Einiibung im Umgang mit der Freiheit und die Erprobung seiner Zuverlassigkeit dar.^^^^Umstritten ist der Freigangerstatus i.S.d. § 15 Abs. 4 StVollzG. Beispiel: Ein Strafgefangener nimmt in der Justizvollzugsanstalt an einer beruflichen BildungsmaBnahme teil und ist mit Inhaftierten des offenen Vollzugs gleichgestellt. Einige Monate vor seiner voraussichtHchen Entlassung beantragt er die Gewahrung eines Sonderurlaubs nach § 15 Abs. 4 StVollzG. Diesen Antrag lehnt der Anstaltsleiter ab. In seiner Begrtindung geht er davon aus, dass der Betroffene kein Freiganger ist und auch eine abstrakte Erlaubnis zum Freigang aus dem geschlossenen Vollzug heraus nicht moglich bleibt. Geht es um den Freigang als eine Vollzugslockerung nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. StVollzG, lasst die im geschlossenen Vollzug gegebene enge Verkniipfung der Gestattung eines Freigangs mit der Genehmigung einer Beschaftigung auBerhalb der Institution keinen abstrakten Freigangerstatus zu.^^^^ Nicht beschaftigungsorientiert ist aber der Freigangerbegriff des § 15 Abs. 4 StVollzG.'°^' Denn der zu gewahrende Sonderurlaub soil der Sozialisation des Gefangenen - unabhangig von einer entsprechenden Arbeitsmoglichkeit - dienen. Das OLG Hamm^^^^ hat zu dem vorliegenden Fall ausgefuhrt, dass § 15 Abs. 4 StVollzG „nicht bezweckt, diejenigen zu privilegieren, die trotz der vielfach nur gerin*o««Vgl.BT-Drs. 7/918, S. 54. 10^9 Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 15 Rdn. 5. 1^90 Siehe oben Kap. 5.4.4.1 (2). 1091 Gegen eine bloB abstrakte Eignung Begemann, 1991, S. 519 f 1^92 OLG Hamm, ZfStrVo 1991, S. 121 f
5.10 Entlassung und soziale Integration
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gen Moglichkeiten, auBerhalb der Anstalt einer Beschaftigung nachzugehen, eine der wenigen vorhandenen AuBenbeschaftigungen auch erhalten haben. Es gibt keinen zwingenden Gmnd, gerade dieser Gruppe von Gefangenen auch noch zusatzliche Urlaubsmoglichkeiten einzuraumen. Sachgerecht kann nur die eine Auslegung der Vorschrift sein, die auf die Eignung als Freiganger abstellt, so dass es nicht entscheidend ist, ob diese geeigneten Gefangenen auch tatsachHch im Freigang im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 1 StVollzG zur Arbeit eingesetzt sind."^°^^ Es kommt also nur darauf an, ob der Inhaftierte als fiir den Freigang vertrauenswiirdig erachtet wird und zwar unabhangig davon, in welcher Vollzugsart (offen oder geschlossen) er untergebracht ist. 5.10.3 Der Entlassungsvorgang Der Entlassungsvorgang stellt im Wesentlichen eine Umkehrung des Aufnahme- 674 vorganges dar. Er beginnt nach Nr. 52 Abs. 1 VGO bei Freiheitsstrafen mit einer Vollzugsdauer von mehr als sechs Monaten regelmaBig spatestens sechs Wochen vor dem Strafende. Neben der Erfiillung behordlicher Mitteilungspflichten kommt es zur Entlassungsverhandlung. Der Inhaftierte wird arztlich untersucht (Nr. 53 VGO), er erhalt seine Privatkleidung, erforderlichenfalls zusatzliche Bekleidung von der Anstalt (§ 75 Abs. 1 StVollzG) sov^ie seine personliche Habe ausgehandigt. Die Entlassung wird schriftlich verfugt. Bevor der Betroffene die Anstalt verlasst, fiihrt deren Leiter ein abschlieBendes Gesprach mit ihm. Uber die Entlassungsverhandlung wird eine Niederschrift angefertigt, die der Gefangene unterschreiben soil (Nr. 54 VGO). Er erhalt dann einen vom Leiter (oder seinem Vertreter) der Vollzugsgeschaftsstelle unterzeichneten Entlassungsschein. Ihm werden das Uberbriickungsgeld (§51 StVollzG), erforderlichenfalls eine Uberbriickungsbeihilfe sowie eine Beihilfe zu den Reisekosten (§ 75 StVollzG) ausgehandigt, und er verlasst die Justizvollzugsanstalt. Damit er seinen Zielort rechtzeitig erreicht, erfolgt dies am letzten Tag seiner Strafzeit moglichst friihzeitig, jedenfalls noch am Vormittag(§ 16 Abs. 1 StVollzG). § 16 Abs. 2 und 3 StVollzG ermachtigen den Anstaltsleiter, den Zeitpunkt der Entlassung vorzuverlegen. Der Gefangene soil nicht an Wochenenden, Feiertagen und zwischen Weihnachten und Neujahr entlassen werden. Denn dann kaim es zu Schwierigkeiten bei der Reise in den Heimatort konmien, Behorden und Amter haben geschlossen. Auch andere dringende Griinde familiarer oder beruflicher Art konnen eine flexible Handhabung des Entlassungstermins erforderlich machen. Bei der Vorverlegung handelt es sich um eine voUzugliche MaBnahme ohne Auswirkungen auf die vollstreckxingsrechtliche Situation. ^^^"^
1093 OLG Hamm, ZfStrVo 1991, S. 122; ebenso BGH, InfoStrVollzPR 1987, S. 853; AK-Lesting, 2006, §15 Rdn. 14; Arloth/Luckemann, 2004, §15 Rdn. 5; Calliess/ Miiller-Dietz, 2005, § 15 Rdn. 6; Schwind/Bohm/Jehle/Ittel, 2005, § 15 Rdn. 8. '094 Arloth/Luckemann, 2004, § 16 Rdn. 3.
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5 Der Vollzugsablauf als Interaktionsprozess
5.10.4 Nachgehende Uberwachung und Hilfe 675 In den Fallen einer Strafrestaussetzung zur Bewahrung kann die Strafvollstreckungskammer dem Betroffenen fiir die Dauer der Bewahrungszeit Auflagen und Weisungen erteilen (§§ 57 Abs. 3 S. 1 bzw. 57a Abs. 3 S. 2 i.V.m. §§ 56b und 56c StGB). Hat der Gefangene mindestens ein Jahr seiner Strafe verbiiBt, unterstellt ihn das Gericht flir die Dauer oder fur einen Teil der Bewahrungszeit der Aufsicht und Leitung eines Bewahrungshelfers (§ 57 Abs. 3 S. 2 StGB). Dieser erfullt eine Doppelfunktion. Er steht dem Verurteilten zum einen helfend und betreuend zur Seite, um ihm seine Bewahrung zu erleichtem und zu ermoglichen (§ 56d Abs. 3 S. 1 StGB). Hierfur bedarf es eines moglichst vertrauensvoUen Verhaltnisses zwischen dem Heifer und dem zu Betreuenden. Andererseits obliegt der Bewahrungshilfe aber auch die Uberwachung der auferlegten Auflagen, Weisungen usw. Es ist dem Gericht in bestimmten Zeitabstanden tiber die Lebensflihrung des Betroffenen zu berichten; grobe VerstoBe miissen mitgeteilt werden (§ 56d Abs. 3 S. 2 bis 4 StGB). 676 Bei VoUverbiifiern mit einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsatzlichen Straftat tritt mit der Entlassung aus dem Strafvollzug nach § 68f Abs. 1 S. 1 StGB kraft Gesetzes Fuhrungsaufsicht ein.^^^^ Gleiches gilt, wenn eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen einer der in § 181b StGB genannten Sexualstraftaten (§§174 bis 174c, 176 bis 180, 180b bis 181a und 182 StGB) vollstandig voUstreckt wurde. GemaB § 68a Abs. 1 StGB untersteht der Verurteilte dann einer Aufsichtsstelle. Zusatzlich wird ein Bewahrungshelfer bestellt. Dem Entlassenen konnen die in § 68b StGB normierten Weisungen erteilt werden. Ein VerstoB gegen die in § 68b Abs. 1 StGB benannten Weisungen stellt unter den Voraussetzungen des § 145a StGB eine emeute Straftat dar. 677 Der Betreuung in die Freiheit zuriickgekehrter ehemaliger Strafgefangener nehmen sich Institutionen der Strafentlassenenhilfe an. Solche gemeinniitzigen Vereine und Verbande sind seit 1953 vor allem im „Bundeszusammenschluss fur Straffalligenhilfe" organisiert.^^^^ In Zusammenarbeit mit den sozialen Diensten der Justiz widmen sie sich zentralen Problembereichen der Entlassenen wie z.B. Wohnungs- und Arbeitssuche, Schuldenregulierung, Umgang mit Behorden, Hilfe bei der Kontaktaufnahme zu Angehorigen, Gewahrung materieller Uberbriickungshilfen.'^^"^ 5.10.5 Wiederaufnahme in den Strafvollzug 678 Die Vereinigungen flir Straffalligenhilfe haben sog. Anlaufstellen eingerichtet, an die sich die Entlassenen in Problemsituationen wenden konnen. Fiir die ganz ^^^^ Siehe dazu Dertinger/Marks, 1990. 1096 Zur Entwicklung: Wahl, 1990, S. 101 ff; zu den Verbanden der Freien Wohlfahrtspflege: Muller-Dietz, 1997a, S. 35 ff 109^ Siehe Best, 1994, S. 131 ff; Goll/Wulf, 2006, S. 91 ff; Hompesch/KawamurayHeindl, 1996; Mtiller-Dietz, 1996a, S. 37 ff; Rebmann/Wulf, 1990, S. 343 ff
5.10 Entlassung und soziale Integration
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iiberwiegende Anzahl der nicht aus der sozialtherapeutischen Anstalt entlassenen Verurteilten stellt dagegen die Justizvollzugsanstalt selbst keine Institution dar, von der entsprechende Hilfen im Sinne einer Nachsorge geleistet werden. Eine Nachbetreuung obliegt - unter bestimmten Voraussetzungen - der Bewahrungshilfe bzw. der Fiihrungsaufsicht. Zudem verpflichtet § 74 S. 3 StVoUzG die Anstalt auch dazu, im Rahmen der Entlassungsvorbereitung dem Strafgefangenen bei der Suche nach einem personlichen Beistand fiir die Zeit nach der Riickkehr in die Freiheit behilflich zu sein. Als solche Beistande kommen ehrenamtliche Bewahnmgshelfer oder Fachkrafte der Freien Wohlfahrtspflege in Betracht.^^^^ Sieht sich der zur Bewahrung Entlassene trotz vollzugsextemer Nachbetreuung nicht zu bewaltigenden Schwierigkeiten ausgesetzt (z.B. Kiindigung der Wohnung oder des Arbeitsplatzes) und befiirchtet er seinerseits objektiv inadaquate Reaktionen, ware die Moglichkeit einer freiwilligen Riickkehr in den Vollzug eine geeignete Hilfestellung.^^^^ Ein voriibergehender Uberbruckungsaufenthalt zum Zweck der Krisenintervention konnte einer Riickfallgefahr entgegenwirken. Dies hat auch die Legislative bei den Beratungen zum Strafvollzugsgesetz durchaus gesehen.^^^^ Sie hat die Wiederaufnahme in den Vollzug mit § 125 StVoUzG jedoch auf Straffallige begrenzt, die sich nach § 9 StVollzG in einer sozialtherapeutischen Anstalt befanden und von dort in die Gesellschaft wiedereingegliedert wurden. Den aus dem sonstigen Strafvollzug Entlassenen steht ein solches Recht auf Riickkehr nicht zur Seite. Rechtlich bedenklich erscheint allerdings der in der Praxis gelegentlich herangezogene Notbehelf einer voriibergehenden Wiederaufnahme durch Erlass und spatere Aufliebung eines Sicherungshaftbefehls gem. § 453c StPO.^^°^ Denn dieser dient nicht der Ermoglichung von Krisenintervention. Er bezweckt vielmehr die Sicherung der Strafvollstreckung sowie die Verhinderung einer Flucht des Betroffenen vor Rechtskraft eines Widerrufsbeschlusses^^^^ in Fallen der Strafaussetzung zur Bewahrung nach §§ 56, 183 Abs. 3 und 4 StGB, der Strafrestaussetzung gem. §§ 57, 57a StGB bzw. bei der Aussetzung von freiheitsentziehenden MaBregeln.
1098 Kaiser/Schoch, 2002, S. 477. lo^^Bohm, 2003, S. 241. iio^VgLBT-Drs. 7/3998, S. 12. iioi Vgl.Bohm, 2003, S. 241. ''02 Meyer-GoBner, 2006, § 453c Rdn. 8.
6 Besonderheiten des Frauenstrafvollzugs
Der Anteil weiblicher Personen an den gerichtlichen Verurteilungen nach allge- 679 meinem Strafrecht lag im Jahr 2005 bei 17,8 %, derjenige an den Sanktionierungen mit Freiheitsstrafe bei 11,1 %.^ Zu verbiiBen batten am 31.3.2005 nur 2 742 Frauen (4,9 % der erwachsenen Strafgefangenen) ihre Strafe.^ Frauen werden somit deutlich weniger gerichtlich vemrteilt; sie haben im Gegensatz zu den mannlichen Erwachsenen seltener eine Freiheitsstrafe auch zu verbuBen. Ein Grund hierfiir ist die durchschnittlich geringere Schwere der von Frauen begangenen Straftaten, was haufiger als bei Mannem zu Verurteilungen zu Geldstrafen bzw. zu Strafrestaussetzungen zur Bewahrung fiihrt.^ Eine Aufgliederung der weiblichen Strafgefangenen nach der von ihnen zu verbiiBenden Haftzeit macht deutlich, dass diese iiberwiegend zu kurzen Freiheitsstrafen von unter 2 Jahren Dauer vemrteilt sind. Tabelle 6.1. Weibliche Strafgefangene am 31.3.2005 nach der Dauer der zu verbuBenden Freiheitsstrafe Dauer des Vollzugs
Anzahl der
Prozent
§5[!!l^^^^^EE!5?l;
Unter 1 Monat 1 bis unter 3 Monate 3 bis unter 6 Monate 6 bis einschlieBlich 9 Monate Mehr als 9 Monate bis 1 Jahr Mehr als 1 Jahr bis 2 Jahre Mehr als 2 Jahre bis 5 Jahre Mehr als 5 Jahre bis 10 Jahre Mehr als 10 Jahre bis 15 Jahre Lebenslange Freiheitsstrafe
71 351 497 337 239 425 530 163 34 95
2,6 12,8 18,1 12,3 8,7 15,5 19,3 5,9 1,2 3,5
Quelle: Statistisches Bundesamt; Strafvollzug - Demographische und kriminologische Merkmale der Strafgefangenen 2005 Reihe 4.1, S. 10 f Statistisches Bundesamt, Strafverfolgung 2005. Statistisches Bundesamt, Strafvollzug- Demographische und kriminologische Merkmale der Strafgefangenen 2005 Reihe 4.1, S. 10. Zu den Erklarungsansatzen fur geringeren Umfang und spezifische Deliktsstruktur der Frauenkriminalitat: Eisenberg, 2005, S. 780 ff; Kaiser, 1996, S. 500ff; Schwind, 2006, S. 43 ff; siehe auch Fischer-Jehle, 1991; Schmolzer, 1995, S. 226 ff
362 680
6 Besonderheiten des Frauenstrafvollzugs
Bei den weiblichen Strafgefangenen verteilen sich die den Verurteilungen im Wesentlichen zugrunde liegenden Delikte wie folgt: Tabelle 6.2. Zu Freiheitsstrafe verurteilte Frauen am 31.3.2005 nach Art der Straftat Straftatengruppe
Straftaten gegen den Staat, die offentliche Ordnung und im Amt (§§ 80-168, 331-357 StGB) Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§174-184b StGB) Beleidigung (§§ 185-189 StGB) Straftaten gegen das Leben (§§ 211-222 StGB) Korperverletzungen (§§ 223-231 StGB) Straftaten gegen die personliche Freiheit (§§234-24la StGB) Sonstige Straftaten gegen die Person (§§ 169-173, 201-206 StGB) Diebstahl und Unterschlagung (§§242-248cStGB) Raub, Erpressung, rauberischer Angriff auf Kraftfahrer (§§249-255, 316a StGB) Begtinstigung, Hehlerei (§§ 257-261 StGB) Betrug, Untreue (§§ 263-266b StGB) Urkundenfalschung (§§ 267-281 StGB) Sonstige Straftaten gegen das Vermogen (§§283-305aStGB) Gemeingefahrliche Straftaten (§§ 306-323C, ohne 316a StGB) Straftaten gegen die Umwelt (§§ 324-330a StGB) Straftaten im StraBenverkehr Straftaten nach anderen Gesetzen (insb. BtMG; ohne StGB, StVG) Verurteilte nach dem Strafrecht der friiheren DDR
Freiheitsstrafe verbliBende weibliche Gefangene
Prozent
46
1,7
39 4 252 194
1,4 0,1 9,2 7,1
16
0,6
8
0,3
785
28,6
215 14 585 128
7,8 0,5 21,3
4,7
6
0,2
21 1 55
0,04
636 1
0,8 2,0 23,2
0,4
Quelle: Statistisches Bundesamt, Strafvollzug - Demographische und kriminologische Merkmale der Strafgefangenen 2005 Reihe 4.1, S. 16.
6.1 Gesetzliche Regelungen Das Strafvollzugsgesetz gilt mit nur einigen wenigen Besonderheiten auch fiir den Vollzug der Freiheitsstrafe an Frauen/ 681 § 140 Abs. 2 StVollzG bestimmt die Trennung der mannlichen und weiblichen Gefangenen in gesonderten Einrichtungen. Die fur Frauenanstalten vorgesehene Zur historischen Entwicklung des Frauenstrafvollzugs: v. Gelieu, 1994.
6.1 Gesetzliche Regelungen
363
Belegungsfahigkeit soil gem. § 143 Abs. 3 StVollzG zweihundert Platze nicht iibersteigen. Aus besonderen Griinden konnen nach § 140 Abs. 2 S. 2 StVollzG fur Frauen getrennte Abteilungen auch in Anstalten fiir Manner eingerichtet werden. Angesichts der geringen Anzahl weiblicher Inhaftierter stellt sich in der Praxis das Regel-Ausnahme-Verhaltnis des § 140 Abs. 2 StVollzG umgekehrt dar: Selbstandige Frauenstrafanstalten bestehen in Frankfurt am Main, Berlin, Schwabisch Gmiind und Vechta. Die ursprunglich reine Frauenanstalt in Aichach (Bayem) verfugt nunmehr auch iiber einen abgetrennten Mannervollzug.^ Im Ubrigen sind die weiblichen Strafgefangenen in raumlich und organisatorisch mit Manneranstalten verbundenen Abteilungen und Einrichtungen untergebracht und befinden sich in diesen auf mannliche Gefangene eingestellten Institutionen in einer „verhangnisvollen Anhangselsituation".^ § 150 StVollzG ermoglicht die Bildung von landenibergreifenden VoUzugsgemeinschaften, so dass zur Vermeidung organisatorisch kleiner Einheiten die weiblichen Strafgefangenen mehrerer Bundeslander in einer zentralen Einrichtung zusammengefasst werden konnen. Solche Einrichtungen erschweren fiir die betroffenen Frauen jedoch aufgrund der weiteren raumlichen Entfemung den Kontakt zu ihren Bezugspersonen ebenso wie MaBnahmen der Entlassungsvorbereitung."^ Derartige Vollzugsgemeinschaften bestehen hinsichtlich einzelner Haftformen fur die Bundeslander Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein sowie fur Berlin und Brandenburg. Fiir alle Haftformen haben das Saarland und Rheinland-Pfalz bzw. Sachsen und Thiiringen zum Zweck einer groBeren Differenzierung entsprechende Vereinbarungen geschlossen.^ Eine Ausnahme vom Trennungsprinzip lasst § 140 Abs. 3 StVollzG zu. Danach ist die gemeinsame Teilnahme von maiinlichen und weiblichen Inhaftierten an spezifischen BehandlungsmaBnahmen (z.B. Gruppentherapie, berufliche Ausund Weiterbildung, Freizeitgestaltung) moglich. AUerdings muss auch dabei die Unterbringung in getrennten Raumlichkeiten erfolgen.^ Nicht zu den BehandlungsmaBnahmen i.S.d. § 140 Abs. 3 StVollzG zahlt jedoch ein Zusammenleben von inhaftierten (Ehe-)Partnem. Ein Strafgefangener wird nicht iiber das in der Haft situationsbedingt typische AusmaB hinausgehend in seinem Grundrecht des Art. 6 Abs. 1 GG beeintrachtigt, wenn er die eheliche Gemeinschaft in der Justizvollzugsanstalt nicht fortsetzen kann.^^ Besondere gesetzliche Regelungen enthalt das Strafvollzugsgesetz in §§ 76 bis 682 79 fur Schwangerschaft, Geburt und die Zeit nach einer Entbindung. Diese Vorschriften entsprechen Art. 6 Abs. 4 GG, wonach jeder Mutter Anspruch auf Schutz und Fiirsorge der Gemeinschaft zusteht. Zugleich wird dem Grundrecht Vgl. Bayer. Staatsministerium der Justiz, 2005, S. 28. Bernhardt, 1982, S. 27; dazu auch Maelicke H., 1995, S. 28. Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, § 150. Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Steinhilper, 2005, vor § 76 Rdn. 5. Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 140 Rdn. 3. BVerfGE42,S. 101.
364
6 Besonderheiten des Frauenstrafvollzugs
des Kindes einer inhaftierten Mutter auf Leben und korperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) Rechnung getragen.^' Wesentliche Regelungen des Mutterschutzgesetzes finden entsprechende Anwendung. Zudem sind die Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft denjenigen der Versorgung von Frauen in Freiheit angepasst. Nach § 78 StVollzG gelten von den allgemeinen Vorschriften des StrafvoUzugsgesetzes iiber die Gesundheitsfiirsorge §§60, 61, 62a und 65 StVollzG. Fiir Gefangene, die in einem freien Beschaftigungsverhaltnis stehen, gelten die Vorschriften des Mutterschutzgesetzes unmittelbar. Die im offentlichrechtlichen Rechtsverhaltnis im Justizvollzug arbeitenden Frauen sind gem. § 76 Abs. 1 S. 2 StVollzG beziiglich der Gestaltung des Arbeitsplatzes durch die entsprechende Anwendung von § 2 MuSchG geschiitzt. Nach § 41 Abs. 1 S. 3 StVollzG gelten die gesetzlichen Beschaftigungsverbote zum Schutz erwerbstatiger Mutter fiir werdende und stillende inhaftierte Mutter entsprechend. Das Kind soil durch den Gefangenenstatus seiner Mutter nicht belastet werden. Um seine Geburt in einer Justizvollzugsanstalt zu vermeiden, hat nach § 76 Abs. 3 StVollzG eine Entbindung grundsatzlich in einem Krankenhaus auBerhalb des Vollzugs stattzufinden. Allein wenn Griinde der Sicherheit oder andere besondere vollzugliche Aspekte eine Verlegung in eine exteme Klinik und die dort notwendige Bewachung unmoglich oder nur mit einem erheblichen Kostenaufwand durchfiihrbar machen, bleibt eine Entbindung in einer Anstalt mit einer Entbindungsabteilung zulassig. Nach § 79 StVollzG diirfen aus den Geburtsunterlagen weder die Geburt des Kindes im Strafvollzug noch der Gefangenenstatus der Mutter hervorgehen.
6.2 Mutter-Kind-Einrichtungen 683 Auf der organisatorischen Ebene schreibt § 142 StVollzG fiir Frauenanstalten die Schaffung von Einrichtungen vor, in denen Mutter zusammen mit ihren Kindem untergebracht werden konnen. Dem Gegensteuerungsgrundsatz des § 3 Abs. 2 StVollzG folgend sollen dadurch Sozialisationsschaden vermieden werden, welche durch eine Trennung der Kinder von ihren unmittelbaren Bezugspersonen entstehen konnen. Auf der Seite der betroffenen Mutter wird durch deren Verbindung zu dem Kind eine Starkung der sozialen Verantwortung angestrebt.^^ Fiir die Vollzugsverwaltungen der Bundeslander besteht eine Rechtspflicht, dem Wohl der Kinder dienende Einrichtungen in den Anstalten zu schaffen.^^ Mutter-Kind-Einrichtungen^"* bestehen in Form von selbstandigen Hausem innerhalb oder auBerhalb der Strafanstalt (z.B. Frankfiirt-Preungesheim^^), als Stationen des Regelvollzugs oder sie sind einem Justizvollzugskrankenhaus ange^^ ^2 ^^ ^4 ^5
Schwind/Bohm/Jehle/Steinhilper, 2005, § 76 Rdn. 1. BT-Drs. 7/918, S. 76. Schwind/Bohm/Jehle/Steinhilper, 2005, § 142 Rdn. 3. Dazu Uberblick bei Maelicke H., 1995, S. 44 f Siehe Einsele, 1994, S. 310 ff
6.2 Mutter-Kind-Einrichtungen
365
schlossen (z.B. in Frondenberg/Nordrhein-Westfalen^^). Es handelt sich um Einrichtungen der Jugendhilfe^^ i.S.d. § 45 SGB VIII, so dass bei der Ausgestaltung dort die kinder- und jugendhilferechtlichen Vorschriften zu beachten sind. Nach § 85 Abs. 2 Nr. 6 SGB VIII unterstehen die Mutter-Kind-Einrichtungen der Aufsicht des Landesjugendamtes als iiberortlichem Jugendhilfetrager, soweit es um die Unterbringung der Kinder geht. Im Ubrigen bleibt die Aufsicht der Landesjustizverwaltungen nach § 151 StVoUzG bestehen. Da Mutter-Kind-Einrichtungen des Strafvollzugs der Jugendhilfe unterfallen, hat der zustandige Jugendhilfetrager bei Antrag eines Personensorgeberechtigten auf Hilfe zur Erziehung oder Unterbringung von Mutter und Kind in einer solchen Einrichtung eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung iiber die Hilfegewahrung zu treffen. Die Jugendhilfe umfasst dabei die Hilfe zur Erziehung gem. § 27 SGB VIII ebenso wie Leistungen zum Unterhak nach § 39 SGB VIIL^^ Voraussetzungen fur eine Unterbringung des Kindes in der Justizvollzugsan- 684 stah der Mutter sind nach § 80 StVollzG: - noch keine Schulpflichtigkeit des Kindes; - Zustimmung des Inhabers des Aufenthaltsbestimmungsrechts; - Stellungnahme des zustandigen Jugendamts, dass personelle, raumliche und organisatorische Bedingungen fur eine sozialpadagogische Betreuung des Kindes gegeben sind^^; - Uberwiegen der schadlichen Folgen einer Trennung des Kindes von seiner Mutter gegeniiber den Auswirkungen einer Unterbringung im Vollzug. Die VoUzugsbehorde ist bei Vorliegen der Kriterien des § 80 StVollzG zwar zur Aufnahme des Kindes ermachtigt, jedoch nicht verpflichtet.^^ Grundsatzlich hat bei einer Unterbringung des Kindes in der Anstalt der Unterhaltspflichtige (z.B. der Vater) die damit verbundenen Kosten zu tragen. Zugunsten des Kindes und seiner Unterbringung bei der Mutter kann von einer Geltendmachung des Kostenersatzanspruchs abgesehen werden (§ 80 Abs. 2 StVollzG). Da § 80 Abs. 2 StVollzG jedoch keine abschlieBende Regelung enthalt und nur dazu dient, letztlich den Riickgriff auf den tatsachlichen Unterhaltsverpflichteten zu ermoglichen, steht diese Vorschrift nicht im Gegensatz zur Leistungsverpflichtung durch die ortlichen Jugendhilfetrager. ^^ Die Mutter-Kind-Einrichtungen finden einerseits Zustimmung, weil sie durch 685 eine Aufrechterhaltung der Mutter-Kind-Beziehung trennungsbedingte Sozialisationsschaden beim Kind verhindem und zugleich (re-)sozialisationsfbrdemde Wirkung bei der Mutter entfalten.^^ Andererseits sieht sich die extreme LebenssiJustizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, 2006, S. 58. BVerwG, NJW 2003, S. 2399; dazu Jutzi, 2004, S. 26 ff; Maelicke H., 2004, S. 119; siehe femer Bohnert, 2005, S. 396. BVerfG, NJW 2003, S. 2399. 19 Schwind/Bohm/Jehle/Steinhilper, 2005, § 80 Rdn. 8. 20 CalHess/Muller-Dietz, 2005, § 80 Rdn. 1. 2^ Schwind/Bohm/Jehle/Steinhilper, 2005, § 80 Rdn. 12. 22 Kaiser/Schoch, 2002, S. 433 f
366
6 Besonderheiten des Frauenstrafvollzugs
tuation von Miittem mit Kindem in der totalen Institution Strafanstalt kritischen Einwanden ausgesetzt.^^ Dies gilt vor allem fiir mogliche schadliche Folgen einer Prisonisierung des Kindes. Die durch die Verhinderung einer Trennung erhofften positiven Wirkungen sollen durch den Vollzugsaufenthalt als sozialisations- und entwicklungshemmender Faktor wiederum reduziert oder gar aufgehoben werden. 686 Es verfiigen nur einige wenige Frauenanstalten bzw. -abteilungen iiber MutterKind-Einrichtungen (z.B. in den JustizvoUzugsanstalten Schwabisch Gmiind, Aichach, Berlin, Preungesheim, Vechta, Frondenberg, Stollberg, Liibeck). Da Kinder dort regelmaBig nur bis zum Alter von drei Jahren^"^ aufgenommen werden^^, erscheint die Einfiihrung eines besonderen Frauenfreigangs geeignet, die besonderen Belastungen von Miittem mit Kindem zu reduzieren.^^ Dies setzt allerdings eine wohnortnahe Inhaftiemng voraus, was in der Praxis haufig an der relativ geringen Zahl von Anstalten bzw. Abteilungen fur weibliche Strafgefangene scheitert und durch landeriibergreifende Vollzugsgemeinschaften eine zusatzliche Erschwemis erfahrt. 1st es jedoch im Einzelfall moglich, dass eine Betroffene den Weg zwischen der JustizvoUzugsanstalt und dem Wohnort taglich zuriicklegen kann, dann veraiag die hausliche Tatigkeit einer Mutter zur Betreuung ihrer Kinder der in § 11 Abs. 1 Nr. 1 StVollzG verlangten Verkniipfung der Vollzugslockemng mit einer regelmaBigen Beschaftigung gerecht zu werden. Der Aufrechterhaltung des Kontakts zur Familie dient auch eine teilweise praktizierte Gewahrung von mehrstiindigen Ausgangen selbst fiir Gefangene des geschlossenen Vollzugs. Dadurch wird Frauen ein langeres, von der Anstaltsatmosphare weniger belastetes, Zusammensein mit ihrer Familie ermoglicht. 687 § 80 StVollzG beschrankt sich von seinem Wortlaut her auf die Unterbringung des Kindes in der Anstalt seiner Mutter. Im Hinblick auf Art. 3 GG muss deshalb auch eine Aufnahme eines Kindes beim inhaftierten Vater moglich sein, wenn die Mutter als Bezugsperson nicht zur Verfiigung steht. Ebenso wenig wie in einer Frauenanstalt kann jedoch auch in einer Institution fiir mannliche Strafgefangene das Kind in eine normale Anstalt aufgenommen werden. ^^ Entsprechend § 142 StVollzG ist die Vollzugsbehorde deshalb ermachtigt, besondere Einrichtungen fiir eine Unterbringung von Kindem bei ihren Vatem zu schaffen.^^
Siehe AK-Baumann/Quensel, 2006, vor §76 Rdn. 10 ff; Birtsch/Rosenkranz, 1988; Kriiger, 1982, S. 24 ff; Maelicke/Maelicke, 1984; Rosenkranz, 1985, S. 81; krit. unter verfassungsrechtlichen Aspekten: Haberle, 1995, S. 857 ff Vgl. AK-Huchting/Lehmann, 2006, § 142 Rdn. 3; Schwind/Bohm/Jehle/Steinhilper, 2005, §80 Rdn. 11. Eine Ausnahme bildet z.B. Aichach mit der Unterbringungsmoglichkeit bis zum Alter von vier Jahren (vgl. Bayer. Staatsministerium der Justiz, 2005, S. 29). Gotte, 2000, S. 251 f; Harjes, 1985, S. 284 ff; Laubenthal, 1999, S. 164. OLG Hamm, NStZ 1983, S. 575. CaUiess/Muller-Dietz, 2005, § 142 Rdn. 1; Laubenthal, 1999, S. 164; a.A. Arloth/ Luckemann, 2004, § 80 Rdn. 1; Schwind/Bohm/Jehle/Steinhilper, 2005, § 80 Rdn. 6.
6.3 Vollzugsgestaltung
367
6.3 Vollzugsgestaltung Unterliegt der Frauenstrafvollzug zwar weitgehend den gleichen gesetzlichen Re- 688 gelungen wie derjenige an Mannem, so zeigen sich doch deutliche Unterschiede in der praktischen Ausgestaltung des Vollzugs von Freiheitsstrafen an Straftaterinnen^^, die letztlich zu einer Benachteiligung inhaftierter Frauen fiihren.^^ Eine Zusammenfassung weiblicher Strafgefangener in zentralen (teilweise landertibergreifenden) Justizvollzugsanstalten fur Frauen ermoglicht eine an den besonderen Bediirfnissen von Straftaterinnen orientierte Behandlung. Dies gilt insbesondere fur Aus- und WeiterbildungsmaBnahmen.^' Tabelle 6.3. Verteilung der weiblichen Strafgefangenen am 31.3.2005 nach Bundeslandem Baden-Wiirttemberg Bayem Berlin Brandenburg Bremen Hamburg Hessen Mecklenburg-Vorpommem Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Saarland Sachsen Sachsen-Anhalt Schleswig-Holstein Thiiringen
325 484 150 42 30 109 227 22 257 682 117 4 159 65 56 13
Quelle: Statistisches Bundesamt, Strafvollzug - Demographische und kriminologische Merkmale 2005 Reihe 4.1, S. 7. Eine Unterbringung in Zentralanstalten der jeweiligen Bundeslander lasst je- 689 doch angesichts der geringen Anzahl weiblicher Inhaftierter (Tabelle 6.3) keine zureichende Klassifizierung der Gefangenen zu. Es kommt zu keiner Zuweisung der Verurteilten nach bestimmten Merkmalen in verschiedene Institutionen, in denen vorhandene Einrichtungs- und Behandlungsmoglichkeiten den individuellen Erfordemissen gerecht werden. Es besteht vielfach noch nicht einmal die Moglichkeit einer Differenzierung zwischen Erst- und Riickfalltaterinnen oder nach
29 Dazu Bernhardt, 1982, S. 27 ff.; Diirkop/Hardtmann, 1978; Einsele/Rothe, 1982; Einsele, 1994; Fischer-Jehle, 1991; Quensel E., 1982, S. 13 ff.; siehe auch Boehlen, 2000, S. 131 ff 20 Maelicke H., 1995, S. 29 f; Walter M., 1999, S. 197. 3^ Vgl. Fichtner, 1990, S. 82 ff
368
6 Besonderheiten des Frauenstrafvollzugs
der zu verbiiBenden Strafdauer (z.B. werden in Bayem fast alle Freiheitsstrafen von mehr als drei Monaten in der Justizvollzugsanstalt Aichach vollzogen^^). Die Zustandigkeit einer Einrichtung sowohl ftir eine groBe Anzahl von Frauen mit relativ kurzen als auch fiir solche mit langen Freiheitsstrafen bedingt eine Orientierung der Sicherheitsaspekte an den Risikogruppen. Eine starke Zentralisation beeintrachtigt zudem den Prozess der sozialen Wiedereingliedenmg. Denn die zum Teil sehr groBen raumlichen Entfemungen zum Wohnort der Familie oder zu sonstigen Bezugspersonen erschweren die Aufrechterhaltung bzw. Ankniipfung solcher Bindungen. 690 Die in besonderen Abteilungen von Mannerstrafanstalten untergebrachten Straftaterinnen befinden sich in Institutionen, deren Organisation, Personal, Ausstattung und Kontrollmechanismen in erster Linie fiir die Aufnahme und den Aufenthalt von Mannem ausgerichtet sind.^^ Infolge der zumeist nur kurzen Strafen werden sie dort regelmaBig mit Hausarbeiten fiir die (Manner-)Anstalt betraut (z.B. Wasche der Anstaltsbekleidung) oder sie erledigen leicht zu erlemende Tatigkeiten (z.B. Montage elektrotechnischer Artikel, Nah- oder Steckarbeiten).^"^ Innerhalb der Abteilungen bleibt den weiblichen Gefangenen allerdings mehr Freiheit als den mannlichen Inhaftierten. So diirfen sie in ihrer Freizeit grundsatzlich eigene Bekleidung tragen. Stehen keine Sicherheitsbedenken entgegen, wird auch die Ausstattung des Haftraums mit eigenen Gegenstanden groBziigiger gehandhabt. Auch sonstige Sicherheitsvorkehrungen sind zumeist reduziert. Im Gegensatz hierzu steht jedoch ein nur geringer Anteil von Haftplatzen far Frauen im offenen Vollzug.
Bayer. Staatsministerium der Justiz, 2005, S. 29. Dazu Quensel E., 1982, S. 14 ff Vgl. Bayer. Staatsministerium der Justiz, 2005, S. 30.
7 Sicherheit und Ordnung
Bis zum In-Kraft-Treten des Strafvollzugsgesetzes spielte das Begriffspaar „Sicherheit und Ordnung" eine die VoUzugspraxis dominierende RoUe, wobei das traditionelle Verstandnis von einer rein repressiven Interpretation ausging.^ Der modeme Behandlungsvollzug ist nach der Intention des Gesetzgebers heute jedoch in erster Linie am Vollzugsziel einer kiinftigen sozial verantwortlichen Lebensfiihrung des Verurteilten ohne weitere Straftaten orientiert, selbst wenn die Einrichtungen sich mit erhohten Anspriichen der Gesellschaft im Hinblick auf die Sicherheit konfrontiert sehen. Die Erreichung der Zielvorgabe des § 2 S. 1 StVollzG setzt auf der Seite der Strafgefangenen auch das Erlemen und die Befolgung vorgegebener Regeln fur ein geordnetes Zusammenleben voraus. Sicherheit und Ordnung in der Anstalt stellen deshalb Behandlungsfelder dar. Nach § 4 Abs. 1 S. 2 StVollzG ist auch in diesen Bereichen auf die Bereitschaft des Gefangenen zur Mitarbeit hinzuwirken. Der Gesetzgeber hat den sozial positiven Aspekt in § 81 Abs. 1 StVollzG mit dem Selbstverantwortungsprinzip konkretisiert: „Das Verantwortungsbewusstsein des Gefangenen fiir ein geordnetes Zusammenleben in der Anstalt ist zu wecken und zu fDrdem." Sicherheit und Ordnung in der Institution soUen primar auf der Grundlage eines verantwortungsbewussten Umgangs miteinander gewahrleistet werden.2 Es ist die Einsicht des Inhaftierten zu fordem, um ihn zu einem ordnungsgemaBen Verhalten zu veranlassen. Besondere Pflichten und Beschrankungen praventiver oder repressiver Art zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung diirfen dem Gefangenen deshalb erst dann auferlegt werden, wenn andere MaBnahmen (z.B. Gesprache) nicht zu der notwendigen Einsicht fiihren^ (Subsidiaritatsprinzip). Sicherungs-, Zwangsund DisziplinarmaBnahmen kommen nur als Ultima Ratio in Betracht. Bei ihrer Anordnung ist gem. § 81 Abs. 2 StVollzG femer der VerhaltnismaBigkeitsgrundsatz zu beachten. Die Pflichten und Beschrankungen „sind so zu wahlen, dass sie in einem angemessenen Verhaltnis zu ihrem Zweck stehen und den Gefangenen nicht mehr und nicht langer als notwendig beeintrachtigen." Neben der Angemessenheit und Erforderlichkeit der MaBnahmen kommt in § 81 Abs. 2 StVollzG zugleich das Propertionalitatsprinzip dahin gehend zum AusVgl. Calliess, 1992, S. 167. Arloth/Luckemann, 2004, §81 Rdn. 4; Calliess/Muller-Dietz, 2005, §81 Rdn. 3; Schwind/Bohm/Jehle/Ullenbruch,'2005, § 81 Rdn. 5; zur Problematik der Sicherheit als Funktion von Betreuung und Kontrolle siehe Rehder, 1988, S. 34. BT-Drs. 7/3998, S. 31.
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7 Sicherheit und Ordnung
druck, als bei der VerhaltnismaBigkeitspnifung auch abzuwagen ist, ob nicht durch die Auferlegung einer MaBnahme die Erreichung des Sozialisationsziels des § 2 S. 1 StVollzG beeintrachtigt wird."^ Eingriffe, die kurzfristige Sicherungs- und Ordnungserfolge bewirken, mils sen unterbleiben, wenn sie die vollzugszielorientierte Behandlung langfristig gefahrden. Denn Beschrankungen, die im Widerspruch zu den in den §§2 bis 4 StVollzG niedergelegten Grundsatzen stehen, konnen nicht unter dem Aspekt einer Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung als zulassig erachtet werden.^ 695 Unter den Begriff der Sicherheit i.S.d. §§ 81 ff. StVollzG faUt sowohl die exteme (Gewahrleistung des Anstaltsaufenthalts) als auch die interne (Abwendung von - auch kriminalitatsunabhangigen - Gefahren fiir Personen und Sachen in der Einrichtung) Anstaltssicherheit. Sicherheit lasst sich jedoch nicht nur nach den damit verbundenen Zielsetzungen definieren, sondem auch nach den angewandten Konzepten und Methoden unterscheiden. Insoweit ergibt sich eine Dreiteilung des Sicherheitsbegriffs:^ - instrumentelle Sicherheit (Mauem, Gitter, Schlosser, Alarmvorrichtungen, Waffen usw.), - administrative Sicherheit (Vollzugskonzepte, Dienstplane, Sicherungs- und Alarmplane, Lockerungspraxis), - soziale Sicherheit (Anstaltsatmosphare, Arbeitsbedingungen, Freizeitangebote). 696
Der Begriff der Ordnung meint das geordnete und menschenwiirdige Zusammenleben in der Institution."^ Dagegen geht es bei der Vollzugsaufgabe des Schutzes der Allgemeinheit gem. § 2 S. 2 StVollzG um die Bewahrung der Gesellschaft vor weiteren Straftaten seitens des Inhaftierten. Die interne Anstaltssicherheit wird insoweit nur erfasst, als kriminalitatsabhangige Gefahren fur Vollzugsbedienstete und Mitgefangene abzuwehren sind.^ Die durch § 2 S. 2 bzw. durch §§ 81 ff StVollzG geschiitzten Bereiche iiberschneiden sich somit nur partiell. Das Strafvollzugsgesetz legt in §§ 82 ff einen umfassenden Katalog an Eingriffsbefugnissen der Vollzugsbehorde zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt fest: - Verhaltensvorschriften(§§ 82, 83), - SicherungsmaBnahmen(§§ 84-92), - Anwendung unmittelbaren Zwangs (§§ 94-101), - DisziplinarmaBnahmen(§§ 102-107), - Ersatzanspriiche gegen den Inhaftierten (§93). Die §§ 81 ff StVollzG stehen in einem Zusammenhang mit § 4 Abs. 2 StVollzG sowie zahlreichen anderen Normen des StVollzG, bei denen es um die Beachtung sicherheitsbzw. ordnungsrelevanter Aspekte geht (z.B. §§9 Abs. 3, 10, 11 Abs. 2, 13 Abs. 1 S. 2, 15 ^ 5 ^ ^ ^
Dazu Baumann J., 1994, S. 105. So ausdrucklich BT-Drs. 7/3998, S. 31. Vgl. Komdorfer, 2001, S. 158. Schwind/Bohm/Jehle/Ullenbruch, 2005, § 81 Rdn. 7. Dazu Kap. 3.2.
7.1 Verhaltensvorschriften
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Abs. 1 und Abs. 3 S. 2, Abs. 4 S. 2, 17 Abs. 3 Nr. 3, 18 Abs. 1 S. 2, 19 Abs. 2, 20 Abs. 2 S. 1, 24 Abs. 3, 25 Nr. 1, 26 S. 2, 27, 28 Abs. 2 Nr. 1, 31 Abs. 1 Nr. 1, 33, 35 Abs. 1 S. 2, 36 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1, 53 Abs. 2 S. 2, 54 Abs. 3, 68 Abs. 2 S. 2, 69 Abs. 1 S. 3, 70 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3, 124 Abs. 1 S. 2, 132, 141 Abs. 2, 180 Abs. 1, 182 Abs. 2 StVollzG. Hinzu kommen auf der Ebene der Verwaltungsvorschriften vor allem die Dienstund Sicherheitsvorschriften fiir den Strafvollzug.
7.1 Verhaltensvorschriften In § 82 StVollzG hat der Gesetzgeber allgemeine Vorschriften zur Gewahrleistung 697 eines geordneten Zusammenlebens in der Institution normiert. So muss sich der Gefangene an die in der Hausordnung ( § 1 6 1 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG) festgelegte Tageseinteilung halten. Er ist zur Rucksichtnahme gegeniiber Vollzugsbediensteten, Mitinhaftierten und anderen Personen (z.B. ehrenamtlichen Vollzugshelfem, Anstaltsbeiraten) verpflichtet. Das geordnete Zusammenleben in der Anstalt darf durch sein Verhalten nicht konkret gestort werden. Eine Stoning des geordneten Zusammenlebens liegt insbesondere bei der Begehung von Straftaten gegen Mitgefangene oder Vollzugsbeamte vor.^ Geht es dabei um eine Beleidigung i.S.d. § 185 StGB, ist aber das Grundrecht der freien MeinungsauBerung (Art. 5 Abs. 1 GG) zu beachten. Beispiel: Bin Vollzugsbediensteter handigt einem Strafgefangenen eine ihn betreffende ablehnende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus. Dabei fiihlt sich der Inhaftierte durch ein nicht naher aufgeklartes Verhalten des Beamten gestort. Er sagt deshalb zu dem Bediensteten: „Seien Sic nicht so vorlaut, Sie hochnasiger Tropf." Die Anstaltsleitung wertet die AuBerung als einen massiven VerstoB gegen die Pflicht zu geordnetem Zusammenleben und verhangt DisziplinarmaBnahmen. Das Bundesverfassungsgericht'^ ftihrt in seiner Entscheidung zu diesem Fall aus, dass § 82 StVollzG ein grundrechtseinschrankendes allgemeines Gesetz darstellt, welches im Lichte des von ihm eingeschrankten Grundrechts ausgelegt und angewandt werden muss. Dabei ergeben sich aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 GG bereits besondere Anforderungen an die Aufklarung des Sachverhalts: „Es ist ... zunachst erforderlich, aufzuklaren, in welchem Zusammenhang und aus welchem Anlass die beanstandeten AuBerungen gemacht worden sind und in welchem MaBe sie zu einer Stoning des geordneten Zusammenlebens in der Anstalt fiihren konnen. Erst auf der Grundlage einer solchen Klarung kann das Recht auf freie MeinungsauBerung des Gefangenen gegen die Belange des geordneten Zusammenlebens und der Sicherheit in der Justizvollzugsanstalt sachgerecht abgewogen werden."^ ^ Das BVerfG sieht in der vom Gefangenen gemachten AuBerung von ihrem objektiven Bedeutungsgehalt her keine schwere Verfehlung gegen die Verpflichtung zu einem geordneten Zusammenleben - auch wenn es sich um eine Beleidigung im strafrechtlichen Sinne handelte. Die Vollzugsbehorde hatte die naheren Umstande aufklaren mtis-
9 10
11
OLG Frankfurt, StrVert 1993, S. 442. BVerfG, StrVert 1994, S.440ff; siehe auch BVerfG, StrVert 1994, S. 437 ff; OLG Frankfurt, NStZ-RR 1997, S. 152. BVerfG, StrVert 1994, S. 441.
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7 Sicherheit und Ordnung
sen, die Anlass zu den AuBemngen gaben. Anstatt auf den bloBen Erklarungsinhalt abzustellen, ware dann eine durch Art. 5 GG gebotene Abwagung zwischen dem Freiheitsrecht des Inhaftierten und den Belangen des Strafvollzugs erforderlich gewesen.
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GemaB § 82 Abs. 2 StVollzG hat der Gefangene den Anordnungen der Vollzugsbediensteten Folge zu leisten und darf einen ihm zugewiesenen Bereich nicht verlassen. Dem Inhaftierten obliegt nach § 82 Abs. 3 StVollzG eine allgemeine Sorgfaltspflicht fiir seinen Haftraum und die ihm iiberlassenen Sachen. Er muss zudem Umstande unverziiglich melden, die eine Gefahr fur das Leben oder eine erhebliche Gefahr fiir die Gesundheit einer Person bedeuten. Diese Meldepflicht des § 82 Abs. 4 StVollzG entspricht im Hinblick auf den Angleichungsgrundsatz des § 3 Abs. 1 StVollzG der allgemeinen Hilfeleistungspflicht i.S.d. § 323c StGB.i2
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§ 83 StVollzG betrifft - neben den Regelungen zum Eigengeld und einer Beschrankung der Verfiigungsbefiignis iiber dieses (§ 83 Abs. 2 S. 3)^^- insbesondere den personlichen Gewahrsam des Gefangenen an Sachen. Dieser ist grundsatzlich von einer Genehmigung der Vollzugsbehorde abhangig. Uber deren Erteilung entscheidet die Anstaltsleitung im Zusammenhang mit den im Einzelfall relevanten spezifischen Besitzregelungen (§§ 19, 22, 33, 53 Abs. 2 und 3, 68, 69 Abs. 2, 70 StVollzG) sowie unter Beriicksichtigung der §§ 2 und 3 StVollzG.^^ Beispiel: Einem Inhaftierten wird ein Aufhaher zugesandt. Dieser enthalt in einem auBeren Kreis die Aufschrift: „Ich bin stolz Deutscher zu sein." Im inneren Kreis ist ein Adler abgebildet. Der Anstaltsleiter halt das Abzeichen an und lasst es zur Habe nehmen. Das OLG Hamburgh^ hat die RechtmaBigkeit des Vorgehens der Vollzugsbehorde bestatigt. Denn § 83 Abs. 1 S. 1 StVollzG ist hier unter Beriicksichtigung der in §§ 19 Abs. 2, 33 Abs. 1 S. 4 und 22 Abs. 2 StVollzG enthaltenen Regelungen zu interpretieren, so dass eine Zustimmung verweigert werden darf, wenn durch den Besitz der Sache Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefahrdet wurden. Dies ist zu bejahen, weil das zugesandte Abzeichen provokativen, kampferischen Charakter habe, abgrenzen wolle und somit eine dauerhafte Belastigung fiir Gefangene anderer Volkszugehorigkeit darstelle. „Die Kundgabe des Stolzes darauf, Deutscher zu sein, hat gegeniiber der Sicherheit und Ordnung der Anstalt keinen durch Art. 5 GG geschiitzten Vorrang."^^
700
Sofem die Anstaltsleitung nichts anderes anordnet, darf der Gefangene ohne deren Zustimmung nach § 83 Abs. 1 S. 2 StVollzG von Mitinhaftierten geringwertige Sachen annehmen. Damit wird der in den Institutionen vorhandene sog. kleine Tauschhandel gesetzlich gebilligt.^^ Zweck der grundsatzlichen Genehmigungspflicht bei nicht geringwertigen Gegenstanden ist es nicht, rechtsgeschaftliche Erklarungen unter Strafgefangenen^^ von der Genehmigung der Vollzugsbehorde 12 BT-Drs. 7/3998, S. 32. 1^ Dazu in Kap. 5.3.4. 14 15 1^ 1^ i«
Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 83 Rdn. 1. OLG Hamburg, NStZ 1988, S. 96. OLG Hamburg, NStZ 1988, S. 96. Schwind/Bohm/Jehle/Ullenbruch, 2005, § 83 Rdn. 6. Dazu Kolbel, 1999, S. 504 ff
7.2 SicherungsmaBnahmen
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abhangig zu machen.^^Es soil vielmehr vorhandenen Sicherheitsrisiken (z.B. Entstehung von Abhangigkeiten auf der subkulturellen Ebene^^) Rechnung getragen werden. Dabei gilt § 83 Abs. 1 StVollzG nicht nur fiir in der Haftanstalt befindliche Sachen, sondem auch fiir Besitzwechsel unter Inhaftierten, wenn sich die Tausch- Oder Kaufobjekte noch auBerhalb befinden.^' § 83 Abs. 1 StVollzG erfasst jedoch nur die Annahme von Gegenstanden, nicht aber auch deren Weitergabe. Fiir den Abgebenden begriindet die Norm damit keinen PflichtenverstoB. Da § 83 Abs. 1 StVollzG eine abschlieBende Regelung darstellt, darf die Vorschrift nicht dadurch umgangen werden, dass die Anstaltsleitung- auf der Grundlage von § 4 Abs. 2 S. 2 StVollzG - die Weitergabe von Gegenstanden an Mitgefangene im Wege der Hausordnung untersagt.^^ Lediglich zur Abwendung einer konkreten Gefahr kann iiber § 4 Abs. 2 S. 2 StVollzG im Einzelfall ein disziplinarrechtlich bewehrtes Abgabeverbot ausgesprochen werden.^^
7.2 Sicherungsmaflnahmen Das Gesetz ermachtigt die Vollzugsbehorde zur Anordnung und Durchfiihrung der 701 zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung erforderlichen Eingriffe. Dabei wird herkommlicherweise zwischen den allgemeinen (§§ 84 bis 87 StVollzG) und den besonderen (§§ 88 bis 92 StVollzG) SicherungsmaBnahmen unterschieden, wobei die allgemeinen teilweise unabhangig vom Vorliegen einer konkreten Gefahr getroffen werden konnen.^"^ 1st eine konkrete Gefahr zur Auferlegung besonderer Rechtsbeschrankungen erforderlich, muss deren Annahme auch mit entsprechenden Tatsachen belegt sein. Beispiel: Der Anstaltsleiter ordnet gegen einen Inhaftierten besondere SicherungsmaBnahmen an. Er begriindet dies damit, dass der Vollzugsbehorde vom Landeskriminalamt eine Mitteilung zugegangen sei. Danach verfuge dieses iiber vertrauliche Hinweise, wonach der Gefangene die Absicht habe, jede sich bietende Gelegenheit zur Flucht zu nutzen. Auch wiirden Befreiungsversuche nicht ausgeschlossen. Es fehlt hier jedoch am Vorliegen konkreter Tatsachen fiir eine Gefahr.^^ Denn ausschlieBlich aufgrund unsubstantiierter Verdachtigungen darf nicht durch besondere SicherungsmaBnahmen in Rechte eingegriffen werden. Die Anstaltsleitung hatte ihre Uberzeugungsbildung daher noch auf weitere Beweismittel zur Bestatigung der allein unzureichenden vertraulichen Hinweise stiitzen miissen.
^9 20 21 22 23 24 25
OLG Zweibriicken, NStZ 1991, S. 208. Dazu oben Kap. 3.4.2.4. OLG Zweibrucken, NStZ 1991, S. 208. BVerfG,StrVert 1996, S. 499. Arloth/Liickemann, 2004, § 83 Rdn. 4. Miiller-Dietz, 1978,8. 195. OLG Frankfurt, StrVert 1994, S. 431 f
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7 Sicherheit und Ordnung
7.2.1 Allgemeine Sicherungsmaflnahmen 702 Unter Beachtung der in § 81 Abs. 2 StVoUzG festgelegten Grundprinzipien fiir die Auferlegung von Pflichten und Beschrankungen kann die Vollzugsbehorde nach pflichtgemaBem Ermessen anordnen: - Durchsuchung (§ 84 StVollzG), - sichere Unterbringung (§85 StVollzG), - erkennungsdienstliche MaBnahmen (§ 86 StVollzG), - Speicherung und Weitergabe von Lichtbildem (§ 86a StVollzG), - Festnahme (§ 87 StVollzG). 7.2.1.1 Durchsuchung 703 Bei der SicherungsmaBnahme der Durchsuchung des Haftraums, der Sachen und der Person des Inhaftierten geht es um die Suche nach Gegenstanden oder Spuren. VV Nr. 1 zu § 84 schreibt vor, dass sich im geschlossenen Vollzug die Bediensteten laufend und in kurzen Zeitabstanden durch unvermutete Durchsuchungen davon zu iiberzeugen haben, dass die von den Gefangenen benutzten Haftraume und Einrichtungsgegenstande unbeschadigt sind, nichts vorhanden ist, was die Sicherheit und Ordnung gefahrden konnte und dass keine Vorbereitungen zu Angriffen oder zur Flucht getroffen werden. Die Raume sind in kurzen Zeitabstanden zu kontroUieren. Bei gefahrlichen und fluchtverdachtigen Gefangenen soil sogar eine tagliche Durchsuchung in Betracht kommen. Die sehr rigide Verwaltungsvorschrift zu § 84 StVollzG stoBt zu Recht auf Klritik.^^Denn eine fortgesetzte Durchsuchung des Haftraums ruft bei Inhaftierten Misstrauen und Aggressivitat hervor und ist einer fiir den BehandlungsvoUzug notwendigen Atmosphare abtraglich, zumal der Betroffene kein Recht auf Anwesenheit wahrend der Durchsuchung seines Haftraums hat.^"^ Die generalisierende Vorgabe der „laufenden" und „unvermutet" durchzufiihrenden Durchsuchungen steht zudem im Widerspruch zu den in § 81 StVollzG festgelegten Prinzipien. Erachtet man Routinedurchsuchungen als vollzugliche AlltagsmaBnahme auch ohne konkreten Grund fiir erlaubt, dann wird das Ermessen der Vollzugsbehorde zu deren Anordnung durch die Verpflichtung eingeschrankt, die Grundrechte der Betroffenen, das UbermaB- und Willkiirverbot sowie die allgemeinen Vollzugsgrundsatze der §§ 2 bis 4 StVollzG zu beachten.2^ Denn Durchsuchungen stellen regelmaBig nachhaltige Eingriffe in das Personlichkeitsrecht des Einzelnen dar.^^ Nicht zum Haftraum i.S.d. § 84 Abs. 1 StVollzG zahlt jedoch eine weder funktionell noch raumlich der JustizvoUzugsanstalt zuzurechnende Wohnung eines im offenen Vollzug befindlichen Strafgefangenen.^^ 26
Siehe z.B. CalHess/Muller-Dietz, 2005, § 84 Rdn. 3. Kaiser/Schoch, 2002, S. 351. KG, NStZ-RR 2005,8. 281. 29 BVerfG, NJW 1997, S. 2165. 30 LG Koblenz, NStZ-RR 2003, S. VI. 27
7.2 SicherungsmaBnahmen
375
Bei der Durchsuchung von Personen unterscheidet das Gesetz zwischen einer 704 solchen ohne und mit Entkleidung. GemaB § 84 Abs. 1 StVoUzG kann infolge einer allgemeinen Anordnung des Anstaltsleiters der Inhaftierte durch Abtasten der Kleidung und Suche in den Taschen der Kleidung kontrolliert oder mittels elektronischer Gerate tiberpriift werden.^^ Dagegen darf eine mit Entkleidung verbundene korperliche Durchsuchung nach § 84 Abs. 2 StVoUzG fiir den Einzelfall nur bei Gefahr im Verzug oder aber aufgrund einer konkreten Anordnung des Anstahsleiters erfolgen. Voraussetzung ist damit eine besondere individual-spezifische Anordnung, wobei diese auch fiir mehrere bestimmte Einzelfalle gleichzeitig getroffen werden kann.^^ Fiir eine Einzelfallanordnung geniigt es, wenn sich aus ihr Ort, Zeit, Anlass und Umfang der MaBnahme ergeben und der Kjeis der Gefangenen zweifelsfrei bestimmt ist; einer besonderen Anordnung fiir jeden einzelnen Betroffenen unter namentlicher Nennung bedarf es nicht.^^ § 84 Abs. 3 StVollzG lasst eine an den Gesichtspunkten von Sicherheit und Ordnung orientierte^"* allgemeine Entkleidungsdurchsuchung - insbesondere zur Verhinderung des Einbringens von Betaubungsmitteln^^ - auf Anordnung des Anstaksleiters ausschheBhch zu - im Rahmen des Aufnahmeverfahrens nach § 5 StVollzG, - nach Kontakten mit Besuchern, - nach jeder Abwesenheit von der Anstalt. Die vom Gesetzgeber zum Schutz des allgemeinen Personlichkeitsrechts der 704a Inhaftierten in § 84 Abs. 2 und 3 StVollzG vorgenommene Differenzierung der Eingriffsvoraussetzungen darf nicht durch „Einzelfallanordnungen" gem. § 84 Abs. 2 S. 1 2. Alt. StVollzG umgangen werden, die das Gesetz nur gem. § 84 Abs. 3 StVollzG zulasst. Beispieh Der Strafgefangene S wurde vor dem Gang zu einem Besuch korperlich durchsucht und er musste sich dafiir entkleiden. S beantragt festzustellen, dass diese Durchsuchung rechtswidrig erfolgte. Denn es sei weder ein einzelfallbezogener Grund genannt worden noch habe ein solcher uberhaupt existiert. Gegen die ablehnende Entscheidung des OLG im Rechtsbeschwerdeverfahren legte S Verfassungsbeschwerde ein, der das BVerfG stattgab. Das BVerfG^^ fiihrt aus: „Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck der vom Gesetzgeber getroffenen Unterscheidung zwischen der allgemeinen Anordnungsbefugnis nach Absatz 3 und der einzelfallbezogenen Anordnungsbefugnis nach Absatz 2 Satz 1 Alt. 2 lassen keinerlei Zweifel daran, dass allein auf Absatz 2 gestutzte Durchsuchungen nicht in der pauschalen Weise angeordnet werden dtirfen, in der Absatz 3 dies fur die dort bezeichneten Fallgruppen zulasst ... Danach ist es zwar von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn auf der Grundlage von § 84 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 StVollzG mit Entkleidung verbundene Durchsuchungen - etwa im Wege der Stichprobe - auch 31 Schwind/Bohm/Jehle/Ullenbruch, 2005, § 84 Rdn. 2. 32 OLG Koblenz, ZfStrVo 1990, S. 56. 33 OLG Celle, StrVert 2006, S. 153; siehe auch Kreuzer/Buckok, 2006, S. 166. AK-Brtihl/Feest, 2006, § 84 Rdn. 9. Vgl. BT-Drs. 13/11016, S. 26. BVerfG, NJW 2004, S. 1728 f
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7 Sicherheit und Ordnung
ftir gewohnlich an sich unverdachtige Gefangene angeordnet werden, sofem Anhaltspunkte ftir die Annahme bestehen, gefahrliche Haftlinge konnten sonst die fiir sie angeordneten Kontrollen auf dem Umweg tiber von ihnen unter Druck gesetzte Mithaftlinge umgehen ... Dabei darf aber nicht die in § 84 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 StVollzG und § 84 Abs. 3 StVollzG vorgesehene Abstufung der Anordnungsbefugnisse iiberspielt werden. Eine Anordnung auf der Grundlage des § 84 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 StVollzG darf daher jedenfalls nicht zur Durchsuchung aller oder fast aller Gefangener vor jedem Besuchskontakt und damit zu einer Durchsuchungspraxis fuhren, die das Strafvollzugsgesetz aus Griinden der VerhaltnismaBigkeit ausdriicklich nur in den Konstellationen des § 84 Abs. 3 StVollzG erlaubt."^^ 704b
Eine mit Entkleidung verbundene korperliche Durchsuchung umfasst auch das Nachforschen nach Gegenstanden in natiirlich einsehbaren Korperhohlen und -offnungen. § 84 Abs. 2 StVollzG stellt aber keine Rechtsgrundlage fur einen Eingriff mit medizinischen Hilfsmitteln zur Suche nach verschluckten oder sonst im Korperinneren befindlichen Objekten dar.^^ § 84 Abs. 1 S. 2 und 3 StVollzG bestimmen, dass eine Durchsuchung jeweils nur von Vollzugsbediensteten des dem Gefangenen gleichen Geschlechts vorgenommen werden darf und dabei das Schamgefiihl durch eine in Wort und Tat behutsame Vorgehensweise^^ zu schonen ist. Der Wahrung des Schamgefiihls dienen bei Durchsuchungen mit Entkleidung femer § 84 Abs. 2 S. 2 bis 4 StVollzG. Danach erfolgen diese nur in geschlossenen Raumen. Anwesend diirfen nur Bedienstete gleichen Geschlechts v^ie der Betroffene sein. Die Anwesenheit von Mitgefangenen ist untersagt. Dabei kommt es auf einen geschlossenen Sichtschutz an, welcher Blicke von Mitgefangenen auf die Szene der Entkleidungsdurchsuchung ausschlieBt.^^
7.2.1.2 Sichere Unterbringung 705 Die MaBnahme der sicheren Unterbringung nach § 85 StVollzG erganzt § 8 StVollzG."^* Bei erhohter Fluchtgefahr oder v^enn sein Verhalten hzw. Zustand eine Gefahr fur die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt darstellt, kann ein Inhaftierter nach § 85 StVollzG in eine Vollzugsanstalt hoheren Sicherheitsgrads verlegt werden. § 85 StVollzG stellt eine Rechtsgrundlage dar fiir die Verlegung eines Strafgefangenen in eine andere JustizvoUzugsanstalt (nicht MaBregelvollzugseinrichtung) ohne Beriicksichtigung der Zustandigkeitsbestimmungen des Vollstreckungsplans des jeweiligen Bundeslandes. Es handelt sich um eine spezielle Verlegungsregelung. Die Verlegungsgriinde des § 85 StVollzG sind ebenso wie die Sicherheits-
3^ BVerfG,NJW 2004, 1729. 3« OLG Stuttgart, NStZ 1992, S. 378. 39 Arloth/Luckemann, 2004, § 84 Rdn. 4. OLG Celle, StrVert 2006, S. 154. Dazu oben Kap. 5.2.2.
7.2 SicherungsmaBnahmen
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eignung der aufnehmenden Anstalt unbestimmte Rechtsbegriffe, die der richterlichen Kontrolle unterliegen."^^ Eine Verlegung gem. § 85 StVollzG setzt voraus, dass der Verlegungsgrund der Person oder dem Verhalten des Gefangenen zuzurechnen ist. Beispiel: Die Leitung der Justizvollzugsanstalt K verfugte die Verlegung des Strafgefangenen G in die JVA B. Sie begriindete dies damit, dass einige Stationsbedienstete gegen den G, der unrechtmaBig die Schreibmaschine eines Mitgefangenen in Besitz gehabt habe, nicht eingeschritten seien, was Zweifel an der notwendigen Distanz der Bediensteten zum G begriindete. Da davon auszugehen sei, dass die Bediensteten der P/A B dem G mit der notigen Distanz entgegentreten wtirden, erscheine diese Anstalt fiir die Unterbringung des G besser geeignet. Diese Verfiigung wurde am Folgetag umgesetzt. Das Bundesverfassungsgericht"^^ stellte fest, dass die Verlegung nicht rechtmaBig erfolgte: „Anders als etwa § 88 Abs. 3 StVollzG, der fiir die Anordnung bestimmter SicherungsmaBnahmen auch Griinde gentigen lasst, die nicht in der Person oder dem Verhalten des Gefangenen liegen, setzt § 85 StVollzG eine konkrete vom Gefangenen selbst ausgehende Gefahr voraus. Die Norm ermoglicht eine Verlegung in eine andere Anstalt, in der Regel eine Anstalt hoheren Sicherheitsgrades, eindeutig nur fiir den Fall, dass das Verhalten oder der Zustand des Gefangenen eine Gefahr fiir die Anstaltssicherheit oder -ordnung begriindet, der in dieser JVA nicht angemessen begegnet werden kann. Eine Verlegung des Gefangenen zur Abwehr von Gefahren, die durch Fehlverhalten des VoUzugspersonals begriindet sind, ist dagegen offensichtlich weder vom Wortlaut noch vom Sinn und Zweck des § 85 StVollzG gedeckt.'"*"^ Auf der Grundlage von § 85 StVollzG kann im Einzelfall auch ein sog. Verle- 705a gungskarussell zulassig sein. Inhaftierte, die infolge von hoher Gefahrlichkeit personalintensive BehandlungsmaBnahmen erforderlich machen oder erhebliche Kosten verursachen, konnen sukzessiv in verschiedene Einrichtungen verlegt werden. Damit ist ihnen auch die Moglichkeit genommen, die Sicherheitsvorkehrungen in einer einzelnen Anstalt auf langere Zeit hin auszukundschaften/^ Denn eine Zielanstalt kann i.S.d. § 85 StVollzG zur sicheren Unterbringung besser geeignet sein, wenn diese zv^ar kein hoheres allgemeines Sicherheitsniveau aufweist, dem Inhaftierten jedoch durch die Verlegung dorthin seine subkulturellen Beziehungen oder Kenntnisse von Arbeitsablaufen in der Ausgangsanstalt, von Sicherheitseinrichtungen bzv^. von Schwachstellen in der Anstaltssicherheit entzogen v^erden."*^
42 Schwind/Bohm/Jehle/Ullenbruch, 2005, § 85 Rdn. 2.
43 BVerfG, StrVert 2006, S. 146 f 44 BVerfG, StrVert 2006, S. 147. 45 D a z u Arloth/Liickemann, 2 0 0 4 , § 85 R d n . 1. 46 BVerfG, Beschluss v. 8.5.2006 - 2 BvR 860/06; Schwind/Bohm/Jehle/Ullenbruch, 2005, § 85 Rdn. 2.
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7 Sicherheit und Ordnung
7.2.1.3 Erkennungsdienstliche MaOnahmen 706 Zur Sicherung des Vollzugs sind gem. § 86 StVollzG als erkennungsdienstliche MaBnahmen zulassig: - Abnahme von Finger- und Handflachenabdriicken, - Aufhahme von Lichtbildem, - Feststellung auBerlicher korperlicher Merkmale, - Messungen. § 68 Abs. 1 StVollzG normiert die Voraussetzungen der Erhebung der erkennungsdienstlichen MaBnahmen, wobei diese abschlieBend benannt sind. Damit bleibt ein weiter gehender Riickgriff auf die Generalklausel des § 4 Abs. 2 S. 2 StVollzG ausgeschlossen.'^'^ § 86 Abs. 2 StVollzG regelt die Verarbeitung und Nutzung der Daten, Abs. 3 Anspriiche auf deren Loschung. Die erkennungsdienstlichen MaBnahmen soUen vor allem eine Fahndung und die Wiederaufgreifung fliichtiger Strafgefangener erleichtem. Deshalb kann der Betroffene verlangen, dass nach seiner Entlassung aus dem VoUzug eine Vemichtung der Unterlagen - mit Ausnahme von Lichtbildem und der Beschreibung korperlicher Merkmale - erfolgt, sobald die der Inhaftierung zugrunde liegende Vollstreckung der strafgerichtlichen Entscheidung abgeschlossen ist. Da gesetzlicher Zweck der Erhebung von erkennungsdienstlichen MaBnahmen gem. § 86 StVollzG die Vollzugssicherung, also die Erleichterung der Fahndung und Wiederergreifung entflohener Gefangener ist^^, diirfen die durch erkennungsdienstliche MaBnahmen nach dieser Norm gewonnenen Daten gem. §§86 Abs. 2 S. 3, 87 Abs. 2 StVollzG auch an Strafvollstreckungs- und Strafverfolgungsbehorden iibermittelt werden. tJber den Erhebungszweck des § 86 StVollzG hinausgehend kommt nach § 86 Abs. 2 S. 3 StVollzG zudem eine Verarbeitung und Nutzung der Daten zur Verhinderung oder Verfolgung anderer Straftaten bzw. solcher Ordnungswidrigkeiten in Betracht, die eine Gefahrdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt darstellen (§ 180 Abs. 2 Nr. 4 StVollzG). GemaB § 86 StVollzG kann die mit Kenntnis des Gefangenen erfolgende Aufnahme von Lichtbildem lediglich zur Sichemng des Vollzugs durchgefiihrt werden und deren Verwendung allein zu den in § 86 Abs. 2 StVollzG genannten Zwecken erfolgen. Dariiber hinaus darf gem. § 180 Abs. 1 S. 2 StVollzG aus Griinden der Sicherheit und Ordnung dem Inhaftierten nur die Verpflichtung zur Mitfiihrung eines Lichtbildausweises auferlegt werden. Da die JustizvoUzugsanstalten im Zuge der technischen Entwicklung zunehmend mit EDV-Anlagen ausgestattet sind, ist die Art des Identitatsnachweises mittels Ausweises veraltet.
^^ Arloth/Liickemann, 2004, § 86 Rdn. 2. 4« CalHess/Muller-Dietz, 2005, § 86 Rdn. 1.
7.2 SicherungsmaBnahmen
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1.2.1 A Lichtbilder zur Identitatspriifung § 86 StVollzG gibt keine Rechtsgrundlage dafiir, zum Zweck der Identitatsiiber- 707 priifung auf die elektronische Speicherung und Nutzung von Lichtbildem in den Computersystemen der Einrichtungen zuriickzugreifen/^ Durch das 6. Gesetz zur Anderung des Strafvollzugsgesetzes^^ wurde deshalb § 86a StVollzG eingefiigt, wonach unbeschadet des § 86 StVollzG zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung der Einrichtung Lichtbilder der Gefangenen mit deren Kenntnis aufgenommen und mit dem Namen, dem Geburtsdatum und -ort der Inhaftierten gespeichert werden diirfen. Die tJbermittlung der mit Kenntnis der Betroffenen aufgenommenen Lichtbilder (§ 86a Abs. 1 S. 2 StVollzG) ist gem. § 86a Abs. 2 StVollzG nach MaBgabe des § 87 Abs. 2 StVollzG zulassig oder wenn die Polizeivollzugsbehorden des Bundes und der Lander sie zur Abwehr einer gegenwartigen Gefahr fiir erhebliche Rechtsgiiter innerhalb der Anstalt benotigen. Die Nutzung der Aufnahmen erfolgt durch die Justizvollzugsbediensteten, wenn eine Uberpriifung der Identitat der Inhaftierten im Rahmen einer Aufgabenwahmehmung erforderlich ist (§ 86a Abs. 2 Nr. 1 StVollzG). Sie dient z.B. der Identitatsfeststellung innerhalb der einzelnen Abteilungen einer Institution, etwa bei Personalwechsel oder bei Anordnung von SicherungsmaBnahmen. Allerdings bleibt die Nutzung nicht auf bestimmte Anstaltsbereiche beschrankt. Es konnen mit Hilfe der gespeicherten Bilder zudem Verwechslungen in all den Fallen vermieden werden, in denen - unabhangig vom Anlass - Strafgefangene die Einrichtung verlassen.^^ Ist der Strafgefangene aus der Einrichtung entlassen oder in eine andere Anstalt verlegt worden, miissen die Lichtbilder gem. § 86a Abs. 3 StVollzG vemichtet oder geloscht werden. Das soil selbst dann gelten, wenn eine Riickkehr der Person in die VoUzugseinrichtung absehbar ist.^^ 7.2.1.5 Festnahme § 87 Abs. 1 StVollzG raumt der VoUzugsbehorde ein Festnahmerecht (ohne das 708 Erfordemis eines Vollstreckungshaftbefehls nach § 457 StPO) ein, wenn ein Inhaftierter entwichen ist oder sich sonst ohne Erlaubnis auBerhalb der Anstalt aufhah. Notwendig ist neben dem Entweichen aus der Anstalt bzw. einer Nichtriickkehr bei Hafturlaub, Ausgang, Freigang, Strafunterbrechung usw., dass noch ein unmittelbarer Bezug zum Strafvollzug im Sinne einer sofortigen Nacheile besteht.^^ Ansonsten fallt die Anordnung von MaBnahmen zur Wiederergreifung des Fliichtigen in die Zustandigkeit der Strafvollstreckungsbehorde. Ist ein Strafge49 50 51 52 53
Siehe auch OLG Celle, NStZ 2003, S. 54; OLG Hamm, NStZ 2003, S. 55. BGBl. 12002, S. 3954. BR-Drs. 331/02, S. 3 f Schwind/Bohm/Jehle/Ullenbruch, 2005, § 86a Rdn. 5. Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 87 Rdn. 2; Schwind/Bohm/Jehle/Ullenbruch, 2005, § 87 Rdn. 3.
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fangener entwichen oder halt er sich sonst ohne Erlaubnis auBerhalb der Einrichtung auf, diirfen iiber § 87 Abs. 2 StVoUzG die zur VoUzugssicherung gem. § 86 Abs. 1 StVollzG intern nach § 179 StVoUzG erhobenen und zur Identifizierung oder Festnahme erforderlichen Daten auch extern von den Strafvollstreckungsund Strafverfolgungsbehorden zu Fahndungs- und Festnahmezwecken genutzt werden.
7.2.2 Besondere Sicherungsmaflnahmen 709 In § 88 Abs. 2 StVollzG sind als besondere SicherungsmaBnahmen abschlieOend aufgezahlt: Nr. 1: der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenstanden (z.B. Rasierzeug), Nr. 2: die Beobachtung bei Nacht, Nr. 3: die einfache voriibergehende Absonderung von anderen Gefangenen (fur langstens 24 Stunden), Nr. 4: der Entzug oder die Beschrankung des Aufenthalts im Freien, Nr. 5: die voriibergehende Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefahrdende Gegenstande (sog. Beruhigungszelle), Nr. 6: die Fesselung. Voraussetzungen fiir eine Anordnung dieser besonderen SicherungsmaBnahmen sind neben den in § 81 StVollzG festgelegten Prinzipien: 710 GemaB § 88 Abs. 1 StVollzG muss eine erhebliche Storung der Anstaltsordnung vom Inhaftierten ausgehen und die angeordnete MaBnahme gerade zu deren Abwendung unerlasslich (bei Einzelhaft) bzw. erforderlich (beziiglich der iibrigen SicherungsmaBnahmen) sein. Voraussetzung ist, dass aufgrund seines Verhaltens oder seines seelischen Zustands in erhohtem MaBe Fluchtgefahr oder die Gefahr von Gewalttatigkeiten gegen Personen oder Sachen oder die Gefahr eines Selbstmords oder der Selbstverletzung besteht. Nicht nur Gefahren fiir die innere und auBere Anstaltssicherheit, sondem auch solche einer Selbstschadigung begriinden somit die Zulassigkeit der MaBnahmen. Hinsichtlich der Flucht- und Gewalttatigkeitsprognose steht der Anstaltsleitung ein Beurteilungsspielraum^"^ mit eingeschrankter gerichtlicher Uberpriifbarkeit zu.^^ 711 Neben den vom Gefangenen ausgehenden Gefahren ermoglicht § 88 Abs. 3 StVollzG femer die Anordnung der in § 88 Abs. 2 Nr. 1,3 bis 5 StVollzG benannten Eingriffe, wenn die Gefahr einer Befreiung vorliegt oder eine erhebliche Stoning der Anstaltsordnung durch den Gefangenen oder durch sonstige Personen anders nicht vermieden oder behoben werden kann. Hierbei muss es sich um eine Ordnungsgefahrdung handeln, welche in ihrem Schweregrad der Gefahr einer Befreiung des Inhaftierten entspricht (z.B. geniigt dieser Anforderung ein Entzug von
5^ Dazu Kap. 8.2.2.2. 55 OLG Frankfurt, NStZ-RR 2002, S. 155.
7.2 SicherungsmaBnahmen
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Gegenstanden nicht, wenn dadurch lediglich das Verstecken von Drogen zum Eigenverbrauch verhindert werden soU).^^ Speziell fiir die Fesselung enthalt § 88 Abs. 4 StVollzG neben den in § 88 Abs. 1 normierten Voraussetzungen als weiteren Eingriffstatbestand das Bestehen einer erhohten Fluchtgefahr aus anderen Griinden bei Ausfiihrung, Vorfuhrung Oder Transport des Gefangenen. Bei Anordnung von Einzelhaft (unausgesetzte Absonderung), die anders als die einfache Absonderung und die Unterbringung in einer sog. Beruhigungszelle nicht nur voriibergehend, sondem sogar langer als drei Monate zulassig ist (§ 89 Abs. 2 StVollzG), bestimmt § 89 Abs. 1 StVollzG ausdnicklich eine Begrenzung des Eingriffstatbestands auf die in der Person des Betroffenen liegenden Griinde. Im Gegensatz zu § 88 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 5 StVollzG bleibt die Einzelhaft gerade auf die in § 88 Abs. 1 benannten Griinde beschrankt. Hinzu kommen muss noch die Unerlasslichkeit dieser unausgesetzten Absonderung. Angesichts der mit § 89 StVollzG verbundenen schwerwiegenden Belastungen ist die Anstaltsleitung nach Anordnung der Einzelhaft verpflichtet, die Unerlasslichkeit in regelmaBigen Abstanden unter Beriicksichtigung der Entwicklung des Gefangenen zu tiberpriifen.5^ § 88 Abs. 5 StVollzG konkretisiert und erganzt den in § 81 Abs. 2 StVollzG enthaltenen Grundsatz der VerhaltnismaBigkeit. Die besonderen SicherungsmaBnahmen diirfen schon ihrer Rechtsnatur nach ausschlieBlich zur Bewaltigung zeitlich begrenzter und akuter Gefahrensituationen eingesetzt werden.^^ Sie bedeuten gravierende Beeintrachtigungen der Grundrechte des Strafgefangenen (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG; Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 GG), welche mit zunehmender Dauer des Vollzugs immer schwerwiegender werden. ^^ Liegt eine Dauergefahr vor, kommt vor allem ein Vorgehen nach § 85 StVollzG in Betracht.^^ Zustandig fiir die Anordnung besonderer SicherungsmaBnahmen ist nach § 91 Abs. 1 S. 1 StVollzG der Anstaltsleiter. Dieser darf seine Befugnis gem. § 156 Abs. 3 StVollzG mit Zustimmung der Aufsichtsbehorde auf andere Beamte iibertragen. Obwohl § 156 Abs. 3 StVollzG lediglich die besonderen SicherungsmaBnahmen nach § 88 StVollzG benennt, sind auch die nachfolgenden Vorschriften der §§89 bis 92 StVollzG erfasst, denn diese stellen nur besondere Ausgestaltungen der in § 88 StVollzG benannten MaBnahmen dar.^^ Sonstige VoUzugsbedienstete konnen allein bei Gefahr im Verzug vorlaufig die Eingriffe anordnen (§91 Abs. 1 S. 2 StVollzG), wobei es sich um einen eng auszulegenden Rechtsbegriff handelt.^^ Gefahr im Verzug liegt vor, wenn sich beim Abwarten der Entscheidung des gem. § 91 Abs. 1 S. 1 StVollzG vorrangig 5^ OLG Zweibrucken, StrVert 1994, S. 149. 5^ OLG Karlsruhe, ZfStrVo 2004, S. 186. 5« OLG Zweibrucken, StrVert 1994, S. 149. 59 BVerfG, NStZ 1999, S. 429. 60 Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 88 Rdn. 4 6^ O L G H a m m , NStZ-RR 2000, S. 127.
62 BVerfG, NJW 2001, S. 1121.
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Entscheidungsbefugten die durch die SicherungsmaBnahme zu verhiitende Gefahr zu verwirklichen droht bzw. wenn eine bereits eingetretene Stoning mit nachteiligen Folgen fortdauem wiirde.^^ Die Anordnungskompetenz des Anstaltsleiters gem. § 91 StVollzG besteht auch fort, wenn ein Strafgefangener etwa bei einer Ausfuhrung im Wege der Amtshilfe von Beamten des gerichtlichen Justizwachtmeisterdienstes beaufsichtigt wird. Dann diirfen diese den Betroffenen nur fesseln, wenn die Anstaltsleitung zuvor darum ersucht hat.^"^ 716 Der Anstaltsleiter ist nach § 91 Abs. 2 StVollzG zur vorherigen Anhorung des Arztes verpflichtet, wenn der betroffene Inhaftierte sich in arztlicher Behandlung oder unter dessen Beobachtung befindet bzw. wenn es gerade sein seelischer Zustand ist, der gem. § 88 Abs. 1 StVollzG den Anlass zur Anordnung der SicherungsmaBnahme gibt. In den Fallen einer Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum (§ 88 Abs. 2 Nr. 5 StVollzG) und einer Fesselung innerhalb der Anstalt nach § 88 Abs. 2 Nr. 6 StVollzG bedarf es gem. § 92 Abs. 1 S. 1 StVollzG einer arztlichen Uberwachung der MaBnahmen. Der Arzt ist auch wahrend der Dauer des Entzugs des Aufenthalts im Freien (§ 88 Abs. 2 Nr. 4 StVollzG) regelmaBig zu horen, § 92 Abs. 2 StVollzG.
7.3 UnmittelbarerZwang 717 Die Anwendung unmittelbaren Zwangs nach §§94 ff. StVollzG stellt die am nachhaltigsten in Gefangenenrechte eingreifende voUzugliche MaBnahme dar. Nach der Legaldefinition des § 95 Abs. 1 StVollzG handelt es sich dabei um die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch korperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen. Unter korperlicher Gewalt versteht das Gesetz jede unmittelbare korperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen (§ 95 Abs. 2 StVollzG). Als Hilfsmittel der korperlichen Gewalt sind in § 95 Abs. 3 StVollzG beispielhaft Fesseln genannt. Hierzu zahlen auch andere, auBerlich auf die Gefangenen einwirkende Mittel (z.B. Wasserwerfer, Diensthunde)^^, soweit nicht der Einsatz eines Hilfsmittels generell als menschenunwiirdig erscheint (z.B. Elektroschockgerate). Waffen sind nach § 95 Abs. 4 StVollzG die dienstlich zugelassenen Hieb- und Schusswaffen sowie Reizstoffe (z.B. Tranengas). 718 Auf der formellen Ebene beschrankt § 94 Abs. 1 StVollzG die Anwendung unmittelbaren Zwangs i.S.d. §§ 94 ff auf die Bediensteten der Justizvollzugsanstalten (§ 155 Abs. 1 S. 1 StVollzG). Diese sind hierzu gegeniiber Inhaftierten sowie nach § 94 Abs. 2 StVollzG gegeniiber anderen Personen berechtigt. Sie werden eigeninitiativ tatig oder handeln auf Anordnung eines dazu befugten Vorgesetzten. Fiir letzteren Fall regelt § 97 StVollzG Umfang und Grenzen der Befolgungspflicht des einzelnen Beamten sowie dessen Verantwortlichkeit fur nicht 63 KG, StrVert 2005, S. 670. 64 O L G Celle, NStZ 1991, S. 559.
65 Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 95 Rdn. 2.
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rechtmaBige Anweisungen. Insbesondere ist ein Bediensteter zur Anwendung unmittelbaren Zwangs auf Anordnung hin nicht verpflichtet, wenn dadurch eine Straftat begangen wiirde. Erfolgt ein Einsatz (z.B. bei sog. Gefangnisrevolten) extemer Polizeibeamter in der JustizvoUzugsanstalt, richtet sich deren Befugnis zu unmittelbarem Zwang gem. § 94 Abs. 3 StVollzG nach den fiir sie gesetzlich geltenden Normen (insbesondere den landesrechtlichen Polizeiaufgabengesetzen). Auch kommen Handlungen in Ausiibung von Notwehr- bzw. Nothilferechten (§ 32 StGB) in Betracht.^^ Die VoUzugsbediensteten haben einen unmittelbaren Zwang nach § 98 719 StVollzG gmndsatzlich vorher anzudrohen. Eine solche Androhung darf nur unterbleiben, wenn die Umstande es nicht zulassen oder wenn eine rechtswidrige Straftat verhindert oder eine gegenwartige Gefahr abgewendet werden muss. Als materielle Voraussetzungen der Anwendung unmittelbaren Zwangs sind zu priifen: - die Akzessorietat, - die Subsidiaritat, - der VerhaltnismaBigkeitsgrundsatz. §§94 ff. StVollzG schaffen keine eigenen Ermachtigungsgrundlagen fur Ein- 720 griffe in die Rechte von Inhaftierten oder anderen Personen. Sie regeln nur die Voraussetzungen, Mittel und Grenzen fiir eine zwangsweise Durchsetzung voUzuglicher MaBnahmen, die auf andere Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes gegriindet sind.^"^ Da die StrafvoUstreckungsbehorden von der in Art. 35 Abs. 1 GG normierten Verpflichtung zur Amtshilfe nicht ausgenommen sind, werden dariiber hinaus auch solche MaBnahmen erfasst, die aufgrund der Inhaftierung eines Betroffenen funktionell nur von VoUzugsbediensteten vorgenommen werden konnen, so dass im Rahmen zulassiger Amtshilfe auch unmittelbarer Zwang von den VoUzugsbediensteten angewendet werden darf (z.B. zur Vorbereitung der Entnahme einer Speichelprobe im Rahmen von § 2 DNA-Identitatsfeststellungsgesetz bei einem deren Abgabe verweigemden Strafgefangenen).^^ Stets gilt der Grundsatz der Akzessorietat des unmittelbaren Zwangs: Ihm muss die Durchfuhrung einer rechtmaBigen Vollzugs- oder SicherungsmaBnahme zugrunde liegen. Das bereits mit § 81 StVollzG zum Ausdruck gebrachte Subsidiaritatsprinzip 721 hat der Gesetzgeber in § 94 Abs. 1 StVollzG konkretisiert. In dem auf (Re-)Sozialisierung ausgerichteten BehandlungsvoUzug ist ein pflichtgemaBes Verhalten des Gefangenen mit Mitteln der behandelnden Einwirkung auf den Inhaftierten zu erreichen. Nur wenn dies nicht gelingt, darf es gem. § 81 StVollzG zur Aufrechterhaltung von Sicherheit oder Ordnung der Anstalt zu einer Auferlegung von Pflichten und Beschrankungen kommen. Reichen insoweit selbst SicherungsmaBnahmen gem. §§84 ff. StVollzG oder ein disziplinarisches Vorgehen nach §§102 ff StVollzG nicht zur Zweckerreichung aus, dann werden die am nachhaltigsten eingreifenden MaBnahmen des unmittelbaren Zwangs angewendet. 66 Dazu Koch R., 1995, S. 27 ff
67 BT-Drs. 7/3998, S. 36. 68 Dazu Radtke/Britz, 2001, S. 134 ff
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Der Grundsatz der VerhaltnismaBigkeit ist in § 96 StVollzG ftir den Bereich des unmittelbaren Zwangs gesondert prazisiert. Von mehreren moglichen und geeigneten ZwangsmaBnahmen sind diejenigen zu wahlen, welche den Einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten belasten (z.B. Fesselung nur, wenn einfache korperliche Gewalt nicht ausreicht). Zudem darf der zu erwartende Schaden zu dem angestrebten Erfolg nicht auBer Verhaltnis stehen (z.B. auch nicht die Chancen einer Vollzugszielerreichung gefahrden). VV zu § 96 StVollzG bestimmt ferner die Einstellung einer MaBnahme, wenn ihr Zweck erreicht ist oder dieser nicht erreicht werden kann. Besondere - zusatzliche - Erfordemisse hat der Gesetzgeber fur den Schusswaffengebrauch und fiir ZwangsmaBnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfiirsorge normiert: 723 Die Voraussetzungen fur einen Schusswaffengebrauch im Strafvollzug sind in § 100 StVollzG abschlieBend benannt. Gegen Gefangene kommt der Waffeneinsatz als MaBnahme des unmittelbaren Zwangs nur in Betracht, wenn sie selbst eine Waffe oder ein anderes gefahrliches Werkzeug trotz wiederholter Aufforderung nicht ablegen, eine Meuterei i.S.d. § 121 StGB untemehmen oder wenn eine Flucht vereitelt oder eine Wiederergreifung ermoglicht werden soil. § 100 Abs. 1 S. 2 StVollzG schrankt dies insoweit ein, als ein Schusswaffengebrauch zur Verhinderung einer Flucht aus einer offenen Anstalt unzulassig bleibt. Gegen auBen stehende Personen kann die Schusswaffe in erster Linie bei gewaltsamen Befreiungsversuchen eingesetzt werden (§ 100 Abs. 2 StVollzG). Wegen der besonderen Risiken eines Schusswaffengebrauchs sind diesem iiber die besonderen Voraussetzungen des § 100 StVollzG hinausgehend mit § 99 StVollzG weitere Grenzen gezogen. Zum einen enthalt § 99 Abs. 3 StVollzG eine gegeniiber § 98 StVollzG speziellere Regelung fiir die Androhung. Zum anderen erfahren Subsidiaritatsprinzip und VerhaltnismaBigkeitsgrundsatz mit § 99 Abs. 1 und 2 StVollzG eine spezifische Auspragung. Schusswaffen diirfen nur gebraucht werden, wenn andere MaBnahmen des unmittelbaren Zwangs (z.B. Hilfsmittel korperlicher Gewalt) versagt haben oder keinen Erfolg versprechen. Erkennbar Unbeteiligte diirfen nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit gefahrdet werden. Erscheint der angestrebte Zweck schon durch Waffeneinwirkung gegen Sachen erreichbar, scheidet ein Einsatz gegen Personen aus. Der Zweck des Schusswaffengebrauchs ist gem. § 99 Abs. 2 S. 1 StVollzG darauf beschrankt, „angriffs- oder fluchtunfahig zu machen". Damit darf die Abgabe eines gezielten Todesschusses nicht auf Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes gestiitzt werden.^^ Ein solcher kann jedoch unter den Voraussetzungen des § 32 StGB als Notwehr bzw. Nothilfe gerechtfertigt sein.'^^ 724 Speziell - und abschlieBend"^' - geregelt hat der Gesetzgeber in § 101 StVollzG die Sonderfalle der arztlichen ZwangsmaBnahmen. Eine MaBnahme erfolgt CalHess/Muller-Dietz, 2005, § 99 Rdn. 2; fiir einen gezielten Befreiungsschuss allerdings Schwind/Bohm/Jehle/Koepsel, 2005, § 99 Rdn. 7. Calliess, 1992, S. 176; siehe auch Schonke/Schroder/Lenckner/Perron, 2006, §32 Rdn. 42b; krit. AK-Briihl/Walter, 2006, § 99 Rdn. 6. Arloth, 2005, S. 239.
7.3 Unmittelbarer Zwang
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i.S.d. § 101 StVoUzG zwangsweise, wenn sie mit den Mitteln des § 95 StVollzG gegen den ausdnicklich erklarten oder konkludent durch Gegenwehr geauBerten Willen des Gefangenen durchgefiihrt wird."^^ Arztliche Eingriffe gegen den Willen des Betroffenen tangieren das Recht des Individuums auf Achtung seiner Menschenwiirde (Art. 1 Abs. 1 GG), auf freie Selbstbestimmung und auf korperliche Unversehrtheit (Art. 2 GG). Auch religiose bzw. weltanschauliche tJberzeugungen konnen in besonderen Fallen beriihrt sein (Art. 4 GG)J^ GemaB §§56 ff. StVollzG obliegt der Vollzugsbehorde jedoch eine Fiirsorgepflicht fiir die korperliche und geistige Gesundheit des Inhaftierten.'^'^ Diesen trifft wiederum nach § 56 Abs. 2 StVollzG eine Unterstiitzungspflicht: Er hat an den MaBnahmen zum Schutz seiner Gesundheit (z.B. vorbeugenden arztlichen Untersuchungen) und zur Hygiene (z.B. Untersuchung im Rahmen des Aufnahmeverfahrens gem. § 5 Abs. 3 StVollzG) mitzuwirken. Unterlasst er dies, darf unter den Voraussetzungen der §§81 und 94 ff. StVollzG unmittelbarer Zwang angewendet werden. Es erwachst somit dem Staat ein Eingriffsrecht, wenn das mit der gesundheitlichen Fiirsorge verfolgte Ziel hoherwertiger ist als jene durch die arztlichen MaBnahmen beeintrachtigten Grundrechte des Inhaftierten.^^ § 101 Abs. 2 StVollzG lasst aus Griinden des allgemeinen Gesundheitsschutzes und der Hygiene eine zwangsweise korperliche Untersuchung zu, wenn diese mit keinem korperlichen Eingriff verbunden ist (z.B. Rontgenuntersuchungen, EKG usw.). Eingriffsvoraussetzungen sind die Zweckdienlichkeit und VerhaltnismaBigkeit der MaBnahme fiir den Gesundheitsschutz (des Inhaftierten, von Mitgefangenen oder Dritten) sowie die Hygiene. Zwangsweise vorgenommene korperliche Eingriffe"^^ (medizinische Untersu- 725 chungen, Behandlung und Emahrung) zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit bleiben nach § 101 Abs. 1 S. 1 StVollzG nur zulassig: - bei konkreter Lebensgefahr oder schwerwiegender Gefahr fur die Gesundheit des Gefangenen oder bei Gefahr fiir die Gesundheit anderer Personen, - wenn die MaBnahmen fur die Beteiligten (Gefangener, Arzt, VoUzugsbedienstete) zumutbar und - nicht mit erheblichen Gefahren fiir Leib und Leben oder Gesundheit des Inhaftierten verbunden sind (VerhaltnismaBigkeitsgmndsatz). Befindet sich der Gefangene bei Vorliegen dieser Voraussetzungen im Zustand 726 der freien Willensbestimmung, besteht nach § 101 Abs. 1 S. 2 StVollzG keine Verpflichtung der Vollzugsbehorde, die notwendige arztliche MaBnahme gegen den Willen des Betroffenen durchzufiihren. Allerdings ist sie gem. § 101 Abs. 1 S. 1 StVollzG aus iiberwiegenden Griinden ihrer gesundheitlichen Fiirsorgepflicht berechtigt, sich iiber einen entgegenstehenden Willen des Gefangenen hinwegzu-
72 CalHess/Muller-Dietz, 2005, § 101 Rdn. 3 .
73 74 75 76
Dazu Kaiser/Schoch, 2002, S. 354; Laue, 2005, S. 219 ff SieheKap. 5.8.1. Geppert, 1976, S. 15. Dazu Arloth, 2005, S. 242 ff; Heide, 2001, S. 98 ff; Laue, 2005, S. 233 ff; Neumann, 2004,8. 164 ff
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setzen. Es bleiben dann aber mit erheblicher Gefahr fiir Leben oder Gesundheit des Gefangenen verbundene Risikoeingriffe an dessen Zustimmung gebunden. Handelt es sich nicht um einen solch schweren Eingriff und ist die freie Willensbestimmung des Gefangenen (z.B. infolge einer psychischen Krankheit) ausgeschlossen, ergibt sich die Verpflichtung der Vollzugsbehorde zur Durchfuhrung der notwendigen MaBnahme."^'^ Da die zwangsweisen medizinischen MaBnahmen ausschlieBlich der Gesundheitsfiirsorge dienen miissen, konnen weiter gehende Eingriffe (z.B. stereotaktische Gehimoperationen oder Kastration bei Sexualstraftatem) nicht auf § 101 StVollzG gegrundet werden."^^ 726a
Fiir eine zwangsweise Durchfuhrung von Aids-Tests flir alle Gefangenen einer Justizvollzugsanstalt bietet § 101 Abs. 1 S. 1 StVollzG keine Rechtsgrundlage.^^ Derm hierfiir fehlt es an einer konkreten Lebensgefahr bzw. schwerwiegenden Gefahr fiir die Gesundheit des Inhaftierten oder anderer Personen. Eine freiwillige Untersuchung der Gefangenen auf HIV-Antikorper und sonstige Krankheitserreger im Blut ist zwar uneingeschrankt statthaft. Allerdings bleibt die Freiwilligkeit derartiger UntersuchungsmaBnahmen fraglich, wenn im Weigerungsfalle mit vollzugsinternen Nachteilen wie der Behandlung als HIV-positiv gerechnet werden muss.^^ § 36 Abs. 4 S. 7 IfSG statuiert zusatzlich gegeniiber Personen, die in eine Justizvollzugsanstalt aufgenommen werden, die Pflicht zur Duldung arztlicher Untersuchungen auf iibertragbare Krankheiten einschlieBlich einer Rontgenaufnahme der Lunge. Ob hierunter auch Blutuntersuchungen fallen, erscheint nicht unzweifelhaft. Obwohl die Frage in der neueren Literatur bejaht wird^^ gilt es doch zu bedenken, dass die nicht mit einem Eingriff in die korperliche Unversehrtheit verbundene Rontgenuntersuchung im Gesetz ausdriickliche Erwahnung findet, die das Rechtsgut beriihrende Blutentnahme aber nicht. Beriicksichtigt man allerdings, dass durch § 36 Abs. 5 IfSG das Grundrecht des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG eine Einschrankung erfahrt und Blutentnahmen per se weniger gefahrlich sein diirften als die mit einer Strahlenbelastung verbundene Rontgenuntersuchung, wird man von einer Zulassigkeit derartiger Tests auf der Basis des das StVollzG erganzenden Infektionsschutzgesetzes auszugehen haben.^^ Die Kompetenz zur Anordnung und Leitung von ZwangsmaBnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfiirsorge liegt nach § 101 Abs. 3 StVollzG beim Arzt. Dabei muss es sich nicht notwendigerweise um den Anstaltsarzt handeln. Dieser ist nicht verpflichtet, Entscheidungen der Vollzugsbehorde zur Anwendung arztlicher ZwangsmaBnahmen umzusetzen. § 101 Abs. 3 StVollzG stellt insoweit eine Spezialvorschrift zu § 97 StVollzG dar.^^
^^ ^^ ^9 80 «^ «2 83
Schwind/Bohm/Jehle/Miiller/Riekenbrauck, 2005, § 101 Rdn. 10 ff Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 101 Rdn. 6. Dargel, 1989, S. 208; Kaiser/Schoch, 2002, S. 356; Kreuzer, 1995, S. 321. AK-Boetticher/Stover, 2006, vor § 56 Rdn. 49. Calliess/Muller, Dietz, 2005, § 56 Rdn. 10; Arloth/Luckemann, 2004, § 56 Rdn. 3. Laubenthal, 2005, S. 202. Arloth, 2005, S. 245.
7.4 DisziplinarmaBnahmen
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7.4 DisziplinarmaBnahmen Dienen SicherungsmaBnahmen und Anwendung unmittelbaren Zwangs der Ab- 727 wehr von befiirchteten oder bestehenden Gefahren fur die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt, verfolgt die Verhangung von DisziplinarmaBnahmen gem. §§102 ff. StVoUzG dagegen auch repressive Zwecke. Bestimmte, in der Vergangenheit liegende Beeintrachtigungen der Sicherheit oder Ordnung werden mit strafahnlichen Sanktionen^"* geahndet, die nicht unerheblich die Rechtssphare des Betroffenen tangieren und auch nach ihrer Vollstreckung noch erhebliche Bedeutung im Rahmen spaterer strafvollzugs- und strafvollstreckungsrechtlicher Entscheidungen erlangen konnen. Dabei wirkt die Verhangung von DisziplinarmaBnahmen zugleich generalpraventiv, weil den Insassen damit die Verbindlichkeit der fiir ein geordnetes Zusammenleben in der Institution festgelegten Regeln verdeutlicht wird.^^ In spezialpraventiver Hinsicht kommt der disziplinarischen Ahndung von PflichtverstoBen nicht nur eine Wamfunktion zu. Im weiteren Zusammenhang des auf Sozialisation ausgerichteten Vollzugs ist sie in die Behandlung einzubeziehen.^^ Nur wenn die Voraussetzungen fiir einen geordneten Behandlungsvollzug nicht auf andere Weise (§81 StVollzG) gewahrleistet werden konnen, darf dies mittels DisziplinarmaBnahmen erfolgen. Der eigentliche Zweck liegt damit in der Sicherung eines auf das Vollzugsziel des § 2 S. 1 StVollzG ausgerichteten Strafvollzugs.^"^
7.4.1 Allgemeine Disziplinarvoraussetzungen Die Anordnung von DisziplinarmaBnahmen setzt nach § 102 Abs. 1 StVollzG 728 voraus: - eine durch das Strafvollzugsgesetz oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegte Pflicht, - einen schuldhaften VerstoB gegen die Pflicht. Im Strafvollzugsgesetz selbst sind dem Gefangenen zahlreiche Pflichten ausdriicklich auferlegt. Es handelt sich dabei um disziplinarrechtlich relevante Pflichten i.S.d. § 102 Abs. 1 StVollzG:«« - §20Abs. 1: - § 27 Abs. 4: - § 30 Abs. 1:
Tragen von Anstaltskleidung, Ubergabe von Gegenstanden bei Besuch nur mit Erlaubnis, Absendung und Empfang von Schreiben durch Vermittlung der Anstalt,
84 BVerfG, N S t Z 1993, S. 605; BVerfG, StrVert 2004, S. 6 1 3 . 85 Schwind/Bohm/Jehle, 2 0 0 5 , § 102 Rdn. 1.
86 BT-Drs. 7/918, S. 82. 87 BVerfG, StrVert 1994, S. 438; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2002, S. 29. 88 Vgl. dazu AK-Walter, 2006, § 102 Rdn. 3; Schuler, 1988, S. 269.
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7 Sicherheit und Ordnung •- § 30 Abs. 3: - § 41 Abs. 1: - § 56 Abs. 2: - § 82 Abs. 1 S. 1: - § 82 Abs. 1 S. 2:
- § 82 Abs. 2 S. 1: - § 82 Abs. 2 S. 2: - § 82 Abs. 3:
- § 82 Abs. 4:
- § 83 Abs. 1 S. 1:
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Unverschlossene Aufbewahrung eingehender Schreiben, Arbeitspflicht, soweit keine Freistellung erfolgt, Unterstiitzung notwendiger MaBnahmen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene, Beachtung der Tageseinteilung in der Anstalt, Keine Stoning des geordneten Zusammenlebens durch das Verhalten gegeniiber VoUzugsbediensteten, Mitgefangenen und anderen Personen, Befolgung der Anordnungen von Vollzugsbediensteten, Kein Verlassen eines zugewiesenen Aufenthaltsbereichs ohne Erlaubnis, In-Ordnung-Halten und schonende Behandlung von Haftraum und der von der Anstalt iiberlassenen Sachen, Unverziigliche Meldung von Umstanden, die eine Gefahr fiir das Leben oder eine erhebliche Gefahr fur die Gesundheit einer Person bedeuten, Gewahrsam nur an Sachen, die von der Vollzugsbehorde oder mit ihrer Zustimmung liberlassen sind.
Pflichten konnen dem Inhaftierten zudem aufgrund des Strafvollzugsgesetzes auferlegt sein (§ 102 Abs. 1 StVollzG). Hierbei geht es zum einen um generelle Regelungen (z.B. durch Hausordnung nach § 161 StVollzG) oder Allgemeinverfligungen (z.B. gem. § 84 Abs. 3 StVollzG) des Anstaltsleiters, die in Normen des Strafvollzugsgesetzes ihre Legitimationsgrundlage finden. Pflichten werden femer durch Einzelfallanordnungen begriindet, wenn diese sich auf das Gesetz stiitzen (z.B. Weisungserteilung fiir Lockerungen oder Hafturlaub gem. § 14 Abs. 1 StVollzG). Pflichten i.S.d. § 102 Abs. 1 StVollzG konnen sich auch konkludent aus dem StrafvoUzugsgesetz ergeben. So ist etwa den Vollzugslockerungen (§11 StVollzG) Oder dem Hafturlaub (§ 13 StVollzG) die Verpflichtung des Betroffenen zu einer rechtzeitigen Riickkehr inharent. Durch die Erlaubnis zum Verlassen der Anstalt wird er in eine entsprechende Pflicht genommen. VerstoBt der Gefangene bewusst gegen die ihm bekannte Pflicht, hat er insoweit eine Voraussetzung fiir eine disziplinarische Ahndung erfiillt.^^ Keine PflichtverstoBe i.S.d. § 102 Abs. 1 StVollzG stellen beispielsweise dar: - Die Flucht und die Entweichung aus der geschlossenen Anstalt ohne Fremdschadigung bzw. entsprechende Versuchshandlungen.
^9 AK-Walter, 2006, § 102 Rdn. 6; Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 102 Rdn. 6; Schwind/ Bohm/Jehle, 2005, § 102 Rdn. 6; Skirl, 1983, S. 319.
7.4 DisziplinarmaBnahmen
389
Beispiel: Bin zu einer mehrjahrigen Freiheitsstrafe vemrteilter Strafgefangener entweicht aus der Justizvollzugsanstalt. Er hat sich wahrend eines Ladevorgangs auf einem Lkw versteckt und ist auf diese Weise aus der Anstalt gelangt. Erst nach einigen Monaten kann er wieder festgenommen werden. Nach Einleitung eines Disziplinarverfahrens wegen des Entweichens werden gegen ihn 14 Tage Arrest angeordnet. Das OLG Hamm^^ halt dies - in tJbereinstimmung mit Teilen der Literatur und Rechtsprechung^^ - fiir rechtmaBig, weil auch eine gewaltfreie Flucht aus der Justizvollzugsanstalt einen PflichtenverstoB nach § 102 StVollzG begrtinde: „Wenn zahlreiche Einzelpflichten, die sich aus dem Freiheitsentzug ergeben, im Falle ihrer Verletzung mit DisziplinarmaBnahmen geahndet werden konnen, muss dies erst recht fiir die Aufhebung aller Pflichten durch Flucht gelten." Dieser Ansicht steht jedoch entgegen^^, dass nach dem strafrechtlichen Selbstbegiinstigungsprinzip ein solches Verhalten gem. §§ 120, 258 Abs. 5 StGB straflos bleibt, solange es nicht mit Gewalttatigkeiten i.S.d. § 121 StGB verbunden ist. Zudem fehlt es an einer im Strafvollzugsgesetz ausdrucklich normierten Verpflichtung des Gefangenen zum Verbleib in der Justizvollzugsanstalt. Eine solche folgt auch nicht konkludent aus § 82 Abs. 2 S. 2 StVollzG, wonach der Inhaftierte einen ihm zugewiesenen Bereich nicht ohne Erlaubnis verlassen darf. Denn diese Norm betrifft nicht den Anstaltsbereich als Ganzes, sondem lediglich Untergliederungen innerhalb des Anstaltsgelandes.^^ Eine fehlende Mitwirkung des Inhaftierten an der Gestaltung seiner Behandlung und der Erreichung des Vollzugsziels, v^eil diese gem. § 4 Abs. 1 StVollzG nicht erzwingbar ist, sondem die Anstalt die Bereitschaft dazu v^ecken und fordem soil. Selbstschadigungen und Suizidversuche, soweit der Gefangene diese nicht als Notigungsmittel einsetzt oder damit eine Stoning der Anstaltsordnung bezweckt.^"^ Die Begehung von strafbaren Handlungen und Ordnungswidrigkeiten v^ahrend der StrafverbiiBung (auch w^ahrend eines Urlaubs), weil dies Pflichten nach den allgemeinen Strafgesetzen beriihrt. Etwas anderes gilt nur insov^eit, als der VerstoB gegen ein Strafgesetz bzv^. eine Ordnungswidrigkeitsvorschrift zugleich eine vollzugliche Pflichtverletzung darstellt^^ (z.B. die Korperverletzung eines Mitgefangenen als Straftat gem. §§ 223 ff. StGB und als VerstoB gegen die Pflicht des § 82 Abs. 1 S. 2 StVollzG zu einem das geordnete Zusammenleben nicht storenden Verhalten gegeniiber Mitgefangenen; die Beleidigung eines VoUzugsbediensteten als Delikt nach § 185 StGB sowie als Verletzung der aus
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OLG Hamm, NStZ 1988, S. 296. AK-Walter, 2006, § 102 Rdn. 8; Arloth/Luckemann, 2004, § 102 Rdn. 6; Bohm, 2003, S. 189; Grunau/Tiesler, 1982, § 102 Rdn. 3; Kaiser/Schoch, 2002, S. 358; Schwind/ Bohm/Jehle, 2005, § 102 Rdn. 17 f; Walter M., 1999, S. 447; OLG Munchen, ZfStrVo 1979, S. 63; LG Braunschweig, ZfStrVo 1986, S. 187. Anders auch Calhess, 1992, S. 171; CalHess/Muller-Dietz, 2005, § 102 Rdn. 11; OLG Frankfurt, NStZ-RR 1997, S. 153. Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 82 Rdn. 4. Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 102 Rdn. 7. AK-Walter, 2006, § 102 Rdn. 5.
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7 Sicherheit und Ordnung
§ 82 Abs. 1 S. 2 StVollzG folgenden Verhaltenspflicht gegeniiber den Beamten). 730a
Die Regelung des § 102 Abs. 3 StVollzG, wonach eine DisziplinarmaBnahme in solchen Fallen auch neben der Einleitung eines Straf- oder BuBgeldverfahrens zulassig ist, verstoBt nicht gegen das Doppelbestrafungsverbot des Art. 103 Abs. 3 GO, weil dieses nicht das Verhaltnis von DisziplinarmaBnahme und Kriminalstrafe betrifft.^^ Ersteres enthalt kein strafrechtliches Unwerturteil. Der strafzumessende Tatrichter hat jedoch aus rechtsstaatlichen Griinden eine vorangegangene disziplinarische Ahndung zu beriicksichtigen. Wird der angeklagte Strafgefangene vom Strafgericht rechtskraftig freigesprochen, ist auch ein wegen desselben Sachverhalts anhangiges Disziplinarverfahren einzustellen.^'^ 731 Der VerstoB gegen eine vollzugliche Pflicht muss voUendet sein. Dies ergibt sich schon aus dem eindeutigen Wortlaut des § 102 Abs. 1 StVollzG, aus dem nichts fur eine Erfassung von Versuchs- und Vorbereitungshandlungen entnommen werden kann. Eine unzulassige Umgehung der gesetzlichen Regelung wiirde es bedeuten, wollte man den Versuch eines VerstoBes ausreichen lassen, wenn sich bereits daraus eine Gefahr fiir das geordnete Zusammenleben in der Anstalt ergibt.^^ Da § 102 Abs. 1 StVollzG einen Bezug der Pflichtwidrigkeit zur Person des Taters und seinem Pflichtenkreis verlangt, unterfallen mangels eigener PflichtverstoBe auch bloBe Teilnahmehandlungen eines Inhaftierten an Pflichtwidrigkeiten von Mitgefangenen nicht dieser Norm. 732 § 102 Abs. 1 StVollzG verlangt einen schuldhaften VerstoB gegen die dem Inhaftierten durch das Strafvollzugsgesetz oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegten Pflichten. Die Verfehlung muss somit vorsatzlich (oder fahrlassig) begangen worden sein. Bei Fahrlassigkeit liegt regelmaBig jedoch ein Vorgehen nach § 102 Abs. 2 StVollzG nahe.^^ Da das Strafvollzugsgesetz keine besonderen Anforderungen an den Schuldvorwurf enthalt, gelten die allgemeinen strafrechtlichen Grundsatze (insbesondere auch die SchuldausschlieBungsgriinde). 7.4.2 Disziplinarverfahren
733 Der schuldhafte PflichtenverstoB muss dem Inhaftierten in einem rechtsstaatlichen Verfahren nachgewiesen werden. Dieses hat der Gesetzgeber in § 106 StVollzG geregelt. Danach sind zunachst der Sachverhalt durch den Anstaltsleiter oder einen von ihm dazu beauftragten Bediensteten zu klaren und der Gefangene anzuhoren. Hierbei sind sowohl die belastenden als auch die entlastenden Umstande zu ermitteln. Die Einlassungen werden im Hinblick auf eine spater moglicherweise notwendige (gerichtliche) tJberprufbarkeit der MaBnahmen in einer Niederschrift festgehalten.
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BVerfGE 21,8.384. OLG Miinchen, NStZ 1989, S. 294. So aber Arloth/Luckemann, 2004, § 102 Rdn. 3. Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 102 Rdn. 7.
7.4 DisziplinarmaBnahmen
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In Disziplinarverfahren ist das Beschleunigungsgebot zu beachten.^^^ Das ergibt sich nicht nur aus § 104 Abs. 1 StVollzG, wonach angeordnete DisziplinarmaBnahmen sofort vollstreckt werden, sondem auch aus Sinn und Zweck des disziplinarischen Vorgehens. Es soil durch eine alsbaldige Ahndung des PflichtenverstoBes auf den Inhaftierten eingewirkt werden, damit so der beabsichtigte Lemerfolg erzielbar ist.^°^ Das StVollzG regelt fur das Disziplinarverfahren nicht explizit eine Pflicht zur 734 Belehrung des Inhaftierten im Hinblick auf seine Aussagefreiheit. Dieser ist jedoch der Gefahr einer Ahndung mit strafahnlichen Sanktionen ausgesetzt und muss - je nach Lage des Falles - mit einer Weitergabe disziplinarrechtlicher Ermittlungsergebnisse an die Strafverfolgungsbehorden rechnen. Zumindest wenn ein dem Strafgefangenen gemachter Vorwurf zugleich ein mit Strafe bedrohtes Verhalten betrifft, sind deshalb - so der BGH^^^ - die straQjrozessualen Grundsatze zur Belehrung des Beschuldigten iiber seine Aussagefreiheit sowie zur Unverwertbarkeit einer Einlassung bei unterbliebener Belehrung (§§ 163a Abs. 4 S. 2, 136 Abs. 1 S. 2 StPO) heranzuziehen, soweit es um die Verwertung der Aussage im StrafVerfahren geht. Aus rechtsstaatlichen Erwagungen sollte wegen der strafahnlichen Folgen der Betroffene in voUzuglichen Verfahren allgemein vom Anstaltsleiter iiber seine Aussagefreiheit zu belehren sein.^^^ Das Strafvollzugsgesetz enthalt keine Regelung iiber die Beiziehung eines Ver- 735 teidigers im Disziplinarverfahren. Angesichts des strafahnlichen Charakters der DisziplinarmaBnahmen und des damit verbundenen nicht unerheblichen Eingriffs in die Freiheitsrechte des Betroffenen kann dem Rechtsstaatsprinzip aber nur Rechnung getragen werden, wenn der Gefangene sich eines anwaltlichen Beistands zu bedienen vermag.^^"^ Im voUzuglichen Verfahren nach § 106 StVollzG besteht jedoch ein besonderes Interesse an einer raschen Durchfiihrung, damit sich im Hinblick auf eine verhaltensbeeinflussende Wirkung der Sanktion im Erleben des Betroffenen nicht der Zusammenhang von PflichtenverstoB und Reaktion verliert. Angesichts dieses Bediirfnisses nach einem ziigigen Verfahrensablauf reicht es regelmaBig aus, wenn der Inhaftierte auf sein Verlangen hin den Verteidiger vor der gem. § 106 Abs. 1 S. 2 StVollzG durchzufiihrenden Anhorung im Rahmen eines kurzfristig anzuberaumenden Besuchs oder jedenfalls telefonisch konsultierenkann.^^^ Befindet sich ein von einem Disziplinarverfahren Betroffener in arztlicher Be- 736 handlung oder geht es um den PflichtenverstoB einer schwangeren Inhaftierten bzw. einer stillenden Mutter, bedarf es gem. § 106 Abs. 2 S. 2 StVollzG stets einer Anhorung des Anstaltsarztes. Diese Norm stellt keine bloBe Ordnungsvorschrift dar, sondem dient dem Schutz der Gesundheit der betroffenen Inhaftierten. Des^^0 OLG Hamburg, StrVert 2004, S. 276 f ^^^ Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 104 Rdn. 2. 102 BGH,NStZ 1997,8. 614. 103 Bohm, 1999, S. 467; Heghmanns, 1998, S. 234; Miiller-Dietz, 1997b, S. 615 f 104 AK-Walter, 2006, § 106 Rdn. 8; Bohm, 1999, S. 467; Heghmanns, 1998, S. 233 f; ders., 2001,8.44. 105 OLG Karlsruhe, N8tZ-RR 2002, 8. 29.
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7 Sicherheit und Ordnung
halb ist die ohne Anhorung des Arztes verhangte DisziplinarmaBnahme rechtswidrig.^^^ In Fallen schwerer VerstoBe soil der Anstaltsleiter sich gem. § 106 Abs. 2 S. 1 StVollzG vor seiner Entscheidung in einer Konferenz mit den an der Behandlung des einzelnen Gefangenen mitwirkenden Personen besprechen. AUerdings dient dies nur der behordenintemen Meinungsbildung und fiihrt zu keiner Verlagerung der Entscheidungsbefugnis auf ein solches Gremium. ^^'^ Das Nichterscheinen des Inhaftierten zu der nach § 106 Abs. 1 S. 2 StVollzG vorgeschriebenen Anhorung rechtfertigt nicht die Verhangung einer DisziplinarmaBnahme wegen dieses Fembleibens. Denn die Mitwirkung des Betroffenen an einer Disziplinarverhandlung tangiert - ahnlich der Mitwirkung an der strafrechtlichen Hauptverhandlung - das Nemo-Tenetur-Prinzip.^^^ Diesem rechtsstaatlichen Grundsatz gemaB darf niemand gezwungen werden, durch eigenes Handeln an einer strafrechtlichen LFberflihrung mitzuwirken. Die Verletzung der Anwesenheitspflicht kann daher fiir den Betroffenen nur Nachteile bringen (z.B. Verlust des rechtlichen Gehors), nicht aber emeute Sanktionierungen wegen Teilnahmeverweigerung bewirken.^^^ Die Disziplinarbefugnis liegt nach § 105 Abs. 1 S. 1 StVollzG beim Anstaltsleiter.'^° Nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehorde darf diese nach § 156 Abs. 3 StVollzG (ibertragen werden (z.B. auf den Leiter einer Teilanstalt).^^^ Richtete sich die Verfehlung des Inhaftierten unmittelbar gegen den Anstaltsleiter selbst, entscheidet die Aufsichtsbehorde direkt iiber deren disziplinarische Ahndung (§ 105 Abs. 2 StVollzG). Diese Regelung dient dem Zweck, eine Entscheidung durch einen befangenen Anstaltsleiter zu verhindem.^^^ Steht ein schuldhaft begangener PflichtenverstoB eines Gefangenen fest, hat dies nicht notwendigerweise eine DisziplinarmaBnahme zur Folge. Es gilt insoweit das Opportunitatsprinzip.^*^ Die Anordnung steht im pflichtgemaBen Ermessen des Anstaltsleiters, wobei sich dieser vor allem an den mit §§102 ff. StVollzG verfolgten Zwecken zu orientieren hat.^^"^ So kann er trotz Verfehlung in leichteren Fallen auch von einer DisziplinarmaBnahme absehen und gem. § 102 Abs. 2 StVollzG als Ausdruck der Missbilligung den Betroffenen verwamen. Die in einem Disziplinarverfahren abschlieBend getroffene Entscheidung wird dem Gefangenen nach § 106 Abs. 3 StVollzG vom Anstaltsleiter miindlich eroffnet und mit einer schriftlichen Begriindung zusammengefasst. ^06 Jo^ ^o« ^°^
OLG Hamburg, StrVert 2004, S. 389; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2006, S. 190 f. OLG Hamm, NStZ 1994, S. 380. Dazu Gericke, 2003, S. 306. OLG Frankfurt, NStZ-RR 1997, S. 153; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2004, S. 157; Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 106 Rdn. 2; a.A. Arloth/Liickemann, 2004, § 106 Rdn. 4; Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 106 Rdn. 7. ^^^ Krit. im Hinblick auf die Arrestanordnung Bemmann, 2000, S. 3116 f ^11 DazuBohm, 1999,8.470. 1^2 KG, NStZ 2000, S. 111. '^3 Kaiser/Schoch, 2002, S. 356 f ^^^ AK-Walter, 2006, § 102 Rdn. 16.
7.4 DisziplinarmaBnahmen
393
Ein zur Anordnung einer DisziplinarmaBnahme fiihrender PflichtenverstoB und 738a dessen schuldhafte Begehung sind dem Inhaftierten nachzuweisen. So muss festgestellt werden, ob er seine Verpflichtungen kannte oder keiinen koiinte (z.B. bei einem VerstoB gegen die Hausordnung, ob die Auslage eines Abdrucks gem. § 161 Abs. 3 StVollzG in den Haftraumen erfolgt ist). Ein bloBer Verdacht geniigt nicht zur Verhangung einer DisziplinarmaBnahme.'^^ Beispiel: In der Justizvollzugsanstalt U gab ein Mitgefangener gegeniiber dem stellvertretenden Anstaltsleiter an, der Gefangene G habe ihn sexuell belastigt. Nur unter Einsatz von Gewalt sei er in der Lage gewesen, sich zu befreien. G wurde zu dem Vorwurf gehort. Er bestritt den Vorfall und gab an, der Mitgefangene belaste ihn zu Unrecht, weil dieser ihn nicht leiden konne. Die Anstaksleitung ordnete die Verhangung eines funftagigen Arrestes gegen G an. Zur Begriindung dieser MaBnahme flihrte die Anstaksleitung ohne nahere Darlegungen an, dass die tatbestreitende Einlassung des G nicht glaubhaft sei. Die Entscheidung hatte vor dem Landgericht Bestand. Auf die Verfassungsbeschwerde des G hin stellte das Bundesverfassungsgericht^'^ fest, dass der landgerichtliche Beschluss den G in seinem Gmndrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG verletzte. Das BVerfG fiihrt u.a. aus, dass die Verhangung einer DisziplinarmaBnahme auf der Grundlage eines bloBen Verdachts einen VerstoB gegen das Schuldprinzip bedeutet: „DisziplinarmaBnahmen diirfen nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei geklart ist, ob ein schuldhafter PflichtverstoB iiberhaupt vorliegt ... Das LG stutzt seine Entscheidung maBgebHch darauf, dass die JVA von einem vollstandig ermittelten Sachverhah ausgegangen sei, der eine DisziplinarmaBnahme rechtfertige; daher sei die Verhangung und Vollstreckung von fiinf Tagen Arrest rechtmaBig gewesen. Damit verkennt das Gericht die Anforderungen an die verfassungsrechtlich gebotene Tatsachenfeststellung bei der Festsetzung von DiszipHnarmaBnahmen. Die Annahme, ein schuldhafter PflichtverstoB, der nach § 102 Abs. 1 StVollzG mit der Anordnung einer DisziplinarmaBnahme geahndet werden kann, habe im vorHegenden Fall nachweislich vorgelegen, ist nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdefiihrer hat den ihm zur Last gelegten Sachverhalt nachdriicklich bestritten. Die DisziplinarmaBnahme wurde allein auf die Aussage eines Mitgefangenen gestutzt, obwohl der Beschwerdefuhrer Zweifel an der Glaubwiirdigkeit des Mitgefangenen geauBert hatte, die nicht offenkundig haltlos sind. Er hat zum Ausdruck gebracht, dass der Mitgefangene ihn nicht leiden konne und er deshalb von diesem zu Unrecht belastet werde ... Der Entscheidung des LG ist nicht zu entnehmen, dass es sich der Notwendigkeit, sich vom Vorliegen eines schuldhaften PflichtenverstoBes eine eigene (Jberzeugung zu bilden, iiberhaupt bewusst war. Das LG war an der gebotenen Prufung der Tragfahigkeit der Tatsachenfeststellungen, die der Arrestanordnung zugrunde lagen, auch nicht dadurch gehindert, dass es hier einen Ermessensspielraum des Anstaltsleiters zu respektieren gehabt hatte. Das Ermessen des Anstaltsleiters beschrankt sich auf die Frage, ob und ggf welche DisziplinarmaBnahmen wegen eines festgestellten PflichtenverstoBes verhangt werden sollen. Die dargestellten Anforderungen in Bezug auf die Feststellung, ob iiberhaupt ein PflichtverstoB stattgefunden hat, sind dagegen rechtlicher Natur. Diese Feststellung unterliegt daher in vollem Umfang der gerichtlichen Nachpriifung."''"^
115 Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 102 Rdn. 13. ^'6 BVerfG, StrVert 2004, S. 612 f 1'^ BVerfG, StrVert 2004, S. 613.
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7 Sicherheit und Ordnung
Da es sich um strafahnliche Reaktionen handelt und deshalb ftir DisziplinarmaBnahmen der Schuldgrundsatz gilt, darf der Anstaltsleiter keine DisziplinarmaBnahmen anordnen, welche die Schuld des Gefangenen libersteigen oder den VerhaltnismaBigkeitsgrundsatz auBer Acht lassen.^^^ Sind Grundrechte des Inhaftierten tangiert, muss seine Entscheidung den jeweiligen verfassungsrechtlichen Prinzipien entsprechen. Dies kann in einem ausreichenden MaBe nur erfolgen, wenn eine vollstandige Sachverhaltsermittlung nach § 106 Abs. 1 S. 1 StVollzG stattgefunden hat. Beispiel: In einer an das Justizministerium gerichteten Dienstaufsichtsbeschwerde wendet sich ein Inhaftierter wegen der Nichtaushandigung von Gegenstanden gegen zwei Bedienstete der Anstalt. In seinem Schreiben beleidigt der Gefangene die beiden Beamten mit den Worten „himverbrannte Kommentare", „Schwachsinn", „gestort", „an der Grenze des Schwachsinns tiimpelnd", „pervers", „Blodsinn", „sadistisch", „der ins Fett geratene F.". Der Anstaltsleiter wertet diese AuBerungen als schuldhaften VerstoB gegen die Pflicht zum geordneten Zusammenleben (§ 82 Abs. 1 S. 2 StVollzG) und ordnet mit DiszipHnarverfiigung vier Wochen getrennte Unterbringung wahrend der Freizeit und zehn Tage Arrest an. Welche Gegenstande dem Betroffenen vorenthalten wurden, aus welchen Grunden dies erfolgte und was dieser dagegen vorgebracht hat, ist in den Unterlagen nicht naher festgehalten. Das Bundesverfassungsgericht^^^ geht in seiner Entscheidung zu diesem Fall davon aus, dass § 82 StVollzG auch flir MeinungsauBerungen gilt und mittels DisziplinarmaBnahmen nach §§102 ff. StVollzG ein VerstoB gegen die in § 82 enthaltene Verhaltenspflicht geahndet werden kann. §§82 und 102 ff. StVollzG stellen bei MeinungsauBerungen grundrechtsbeschrankende Normen i.S.d. Art. 5 Abs. 2 GG dar. Eine Anwendung der §§82 und 102 ff StVollzG im Hinblick auf das von ihnen eingeschrankte Grundrecht sowie eine am Schuldprinzip orientierte Entscheidung hatte jedoch - so das BVerfG - eine hinreichende Sachverhaltsaufklarung vorausgesetzt: „Im Hinblick auf die Bedeutung des betroffenen Freiheitsrechts ist es zunachst erforderlich, aufzuklaren, in welchem Zusammenhang und aus welchem Anlass die beanstandeten AuBerungen gemacht worden sind und in welchem MaBe sie zu einer Storung des geordneten Zusammenlebens in der Anstalt fuhren konnen. Erst auf der Grundlage einer solchen Klarung kann das Recht auf freie MeinungsauBerung des Gefangenen gegen die Belange des geordneten Zusammenlebens und der Sicherheit in der Justizvollzugsanstalt sachgerecht abgewogen werden. Kommt der Anstaltsleiter bei dieser Abwagung zu dem Ergebnis, dass die beanstandeten AuBerungen auch im Blick auf die Meinungsfreiheit des Gefangenen dessen Disziplinierung unumganglich machen, so hat er schlieBlich den Grundsatz der Schuldangemessenheit und der VerhaltnismaBigkeit zu beachten. Ftir die konkrete Ausgestaltung einer DisziplinarmaBnahme folgt daraus, dass unter Abwagung aller sich nach Klarung des Sachverhaltes ergebenden Umstande des Einzelfalles geprtift werden muss, ob und gegebenenfalls welche DisziplinarmaBnahmen als Reaktion auf das dem Gefangenen vorgeworfene Fehlverhalten insgesamt schuldangemessen und verhaltnismaBig sind. Dabei sind alle personlichen und tatsachlichen Umstande des Einzelfalles, insbesondere Anlass und Auswirkungen der MaBnahme, mit einzubeziehen."^^^ 118
BVerfG, ZfStrVo 1995, S. 53; LG Hamburg, ZfStrVo 2001, S. 50. BVerfG, StrVert 1994, S. 437 ff; siehe auch BVerfG, StrVert 1994, S. 440 ff 120 BVerfG, StrVert 1994, S. 438. 119
7.4 DisziplinarmaBnahmen
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7.4.3 Zulassige Disziplinarmaflnahmen Die Disziplinarfolgen hat der Gesetzgeber in § 103 StVoUzG abschlieBend nor- 740 miert. Der in Abs. 1 vorgegebene MaBnahmenkatalog lasst sich in drei Gruppen untergliedem. 1. AUgemeine DisziplinarmaBnahmen: Nr. 1: Verweis, Nr. 2: Beschrankung oder Entzug der Verfiigung tiber das Hausgeld und des Einkaufs bis zu drei Monaten. Diese Reaktionen auf schuldhafte PflichtenverstoBe kommen fiir alle diszipHnarisch relevanten Verfehlimgen in Betracht. 2. Spezielle DisziplinarmaBnahmen: Nr. 3: die Beschrankung oder der Entzug des Lesestoffs bis zu zwei Wochen sowie des Horfunk- und Femsehempfangs bis zu drei Monaten (gleichzeitig aber nur bis zu zwei Wochen), Nr. 4: die Beschrankung oder der Entzug von Gegenstanden fiir die Freizeitbeschaftigung oder der Teilnahme an Gemeinschaftsveranstaltungen bis zu drei Monaten, Nr. 5: die getrennte Unterbringung wahrend der Freizeit bis zu vier Wochen, Nr. 7: der Entzug der zugewiesenen Arbeit oder Beschaftigung bis zu vier Wochen unter Wegfall der im StrafvoUzugsgesetz geregeken Beziige, Nr. 8: die Beschrankung des Verkehrs mit Personen auBerhalb der Anstah auf dringende Falle bis zu drei Monaten. Die Besonderheit dieser DiszipHnarfolgen gegeniiber denen der ersten Gruppe hegt in dem sog. Spiegelungsprinzip des § 103 Abs. 4 S. 1 StVoUzG.^^^ Es soil nach Moglichkeit ein innerer Zusammenhang bestehen zwischen der zugrunde liegenden Verfehlung des Gefangenen und der vom Anstaltsleiter gegen ihn angeordneten DisziplinarmaBnahme. Hiermit hat der Gesetzgeber auf den padagogischen Zweck der disziplinarischen Einwirkung abgestellt. ^^^ Wegen der abschlieBenden Regelung des § 103 StVoUzG diirfen dabei aber keine iiber die Grenzen der einzelnen MaBnahmen hinausreichenden Beschrankungen auferlegt werden; insbesondere auch nicht solche, die zu einer Umgehung anderer Vorschriften fiihrenwiirden.^^^ Beispiel: Wegen eines VerstoBes gegen § 82 Abs. 3 StVollzG (Pflicht zum In-OrdnungHalten des Haftraums) leitete der Anstaltsleiter gegen einen Gefangenen ein Disziplinarverfahren ein. Der Inhaftierte hatte seinen Haftraum in verschmutztem Zustand belassen, zudem befand sich Mull neben der Abfalltonne. Angeordnet wiirde gem. § 103 Abs. 1 Nr. 4 StVollzG unter anderem „vier Wochen Entzug der Gegenstande zur Frei121 Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 103 Rdn. 3. 122 Siehe BT-Drs. 7/3998, S. 39. 12^ Zur sog. informellen Disziplinierung in der Vollzugspraxis siehe Walter J., 2005, S. 130ff
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7 Sicherheit und Ordnung zeitbeschaftigung (nur noch landeseigene Gegenstande)". Hiergegen wendet sich der Betroffene, well er samtliche personlichen Sachen (auch Koran, Gebetskette usw.) abgeben musste. Das OLG Koblenz^^"^ hat zutreffend die DisziplinarmaBnahme hinsichtlich ihres Umfangs fiir nicht rechtmaBig erachtet. Denn der Klammerzusatz („nur noch landeseigene Gegenstande") bewirkt, dass der Insasse fiir die Dauer des Vollzugs der MaBnahme tiberhaupt keine privaten Objekte mehr in seinem Haftraum besitzen darf. § 103 Abs. 1 Nr. 4 StVollzG spricht jedoch nur von Gegenstanden, die der Gefangene nach § 70 StVollzG zu seiner Freizeitbeschaftigung besitzen darf. Die angeordnete MaBnahme greift daruber hinausgehend in seine Befugnisse aus § 19 StVollzG zur Ausstattung des Haftraums ein. Bin Entzug religioser Gegenstande ist schlieBlich allein gem. § 53 Abs. 2 S. 2 StVollzG bei grobem Missbrauch zulassig.
742 3 . Arrest (§ 103 Abs. 1 Nr. 9) bis zu vier Wochen als qualifizierte DisziplinarmaBnahme: Als Ultima Ratio kommt ein Arrest nach § 103 Abs. 2 StVollzG nur bei schweren oder mehrfach wiederholten Verfehlungen in Betracht. Denn dieser wird gem. § 104 Abs. 5 StVollzG in Einzelhaft voUzogen. Es kaim auch eine Unterbringung des Gefangenen in einem besonderen Arrestraum erfolgen, welcher aber den Mindesterfordemissen des § 144 Abs. 1 S. 2 StVollzG entsprechen muss. Als schwere Verfehlungen i.S.d. § 103 Abs. 2 StVollzG gelten solche, die eine Beeintrachtigung der iimeren und auBeren Anstaltssicherheit durch Gewalttatigkeit gegen Personen oder Sachen bedeuten, worunter auch erhebliche Beeintrachtigungen des Funktionierens der grundlegenden Arbeits- und Kommunikationszusammenhange in der Institution fallen. ^^^ Die Bewertung eines PflichtenverstoBes als schwere Verfehlung muss einzelfallorientiert erfolgen. Beispiel: Vollzugsbedienstete stellen bei einem Inhaftierten eine von ihnen als „leicht" bezeichnete sog. Alkoholfahne fest. Der Insasse raumt ein, vor dem abendlichen Einschluss einen Schluck Alkohol getrunken zu haben. Gegen ihn wird vom Anstaltsleiter ein dreitagiger Arrest verhangt. Diese vollzugliche Entscheidung wird vollstreckungsgerichtlich bestatigt, denn jeder Alkoholkonsum, der liber eine sog. Alkoholfahne deutlich wahmehmbar sei, stelle bereits eine schwere Verfehlung i.S.d. § 103 Abs. 2 StVollzG dar und gebiete die Verhangung eines Arrests. Das Bundesverfassungsgericht'^^ hat eine solche Vorgehensweise beanstandet: „Denn das Gebot der Schuldangemessenheit von Strafen und strafahnlichen Sanktionen sowie der VerhaltnismaBigkeitsgrundsatz verlangen eine an den schuldbestimmenden Umstanden des Einzelfalles orientierte Priifung, ob die tatsachlich verhangten MaBnahmen zum Schuldausgleich, zur gebotenen spezialpraventiven Einwirkung ... und aus generalpraventiven Erwagungen heraus zwingend erforderlich waren oder ob diese Ziele mit einem anderen Mittel... hatten erreicht werden konnen''.^^"^ Ob und gegebenenfalls v^elche DisziplinarmaBnahmen wegen eines festgestellten schuldhaften PflichtenverstoBes verhangt werden, steht im pflichtgemaBen
^24 ^25 126 127
OLG Koblenz, StrVert 1994, S. 264 f BVerfG, NStZ 1993, S. 605; CalHess/Muller-Dietz, 2005, § 103 Rdn. 4. BVerfG, NStZ 1993, S. 605. Siehe auch BVerfG, StrVert 1994, S. 263; BVerfG, StrVert 1994, S. 4.
7.5 Ersatzanspriiche der Vollzugsbehorde
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Ermessen des AnstaltsleitersJ^^ Die in § 103 Abs. 1 StVoUzG benannten DisziplinarmaBnahmen diirfen einzeln angeordnet werden. Der Anstaltsleiter ist jedoch gem. § 103 Abs. 3 StVollzG auch befligt, mehrere miteinander zu verbinden. Verhangte DisziplinarmaBnahmen miissen nicht notwendigerweise voUstreckt 743 werden. Im Hinblick auf den VerhaltnismaBigkeitsgrundsatz sowie aus padagogischen Gesichtspunkten kann es ausreichen, wenn eine Aussetzung zur Bewahrung nach § 104 Abs. 2 StVollzG erfolgt. Geschieht dies nicht, dann wird die DisziplinarmaBnahme moglichst sofort vollstreckt (§ 104 Abs. 1 StVollzG). Denn nur so lasst sich der durch die Disziplinierung erhoffte Lemprozess realisieren. Besteht aus vom Strafgefangenen nicht zu vertretenden Griinden nicht mehr der erforderliche zeitliche Zusammenhang von PflichtenverstoB und Ahndung, konunt eine Aufhebung der Disziplinaranordnung ebenso wie eine Einstellung des Disziplinarverfahrens in Betracht.^^^
7.5 Ersatzanspruche der Vollzugsbehorde Innerhalb des Titels liber die Sicherheit und Ordnung regelt § 93 StVollzG einen 744 Sonderfall der Geltendmachung eines zivihechtlichen Schadensersatzanspmchs gegen den Inhaftierten. Dieser ist verpflichtet, der Vollzugsbehorde Aufwendungen (z.B. Kosten fur Medikamente, Verbandsmaterial usw.) zu ersetzen, welche er durch eine vorsatzliche oder grob fahrlassige Selbstverletzung oder die Verletzung eines Mitinhaftierten verursacht hat. Fiir die in § 93 Abs. 1 S. 1 StVollzG bezeichneten Forderungen kann die Anstalt auch das Hausgeldkonto des Insassen (§ 47 StVollzG) in Anspruch nehmen. Diese Rtickgriffsmoglichkeit bezieht sich jedoch nicht auf weiter gehende Ersatzanspriiche (z.B. von Vollzugsbediensteten wegen an ihnen begangener Korperverletzungen; der Vollzugsbehorde wegen Sachbeschadigungen in der Anstalt) aus anderen Rechtsvorschriften (§ 93 Abs. 1 S. 2 StVollzG).!^^
»28 BVerfG, StrVert 2004, S. 613. ^29 OLG Hamburg, StrVert 2004, S. 276. '30 BGHSt. 36, S. 80; Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 93 Rdn. 9; Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 93 Rdn. 5.
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Die der Justizverwaltung unterworfenen Inhaftierten bediirfen in einem besonde- 745 ren MaBe des Rechtsschutzes. Denn Freiheitsentzug stellt einen der massivsten Eingriffe staatlicher Gewalt in die Individualrechte des Burgers dar. Dass der Innehabung von Macht iiber andere Menschen die Gefahr des Machtmissbrauchs inherent ist - dies bleibt nicht nur eine Erkenntnis, die vor allem den Bereich der Makrokriminalitat betrifft.^ Auch die staatlich organisierte Kriminalitatskontrolle bedarf ihrerseits wiederum der KontroUe und damit auch der Strafvollzug als eine der Institutionen im strafrechtHchen Kontrollprozess. Gerade fiir Strafanstahen als in weitgehender Abkapselung von der iibrigen Gesellschaft existierende Institutionen und flir das in ihnen tatige Personal sind deshalb wirksame KontroUmechanismen erforderlich. Den alltaglichen vielfaltigen Rechtsbeschrankungen des Strafgefangenen stehen deshalb Beschwerdemoglichkeiten und Rechtsbehelfe gegeniiber, mittels derer der Inhaftierte die Wahrung der ihm zustehenden Rechtspositionen durchsetzen kann. Diesen kommt neben ihrer rechtsstaatlichen Funktion zugleich in psychologischer Hinsicht Bedeutung als eine Art Ventil zu.^ Denn die Einraumung kompensatorischer Rechte und deren Geltendmachung konnen den durch Beeintrachtigungen der Handlungsfreiheit gekennzeichneten Freiheitsentzug ertraglicher gestalten.^ Die Rechtsschutz- und Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG gilt unein- 746 geschrankt fiir die Strafgefangenen, denen damit im allgemeinen Rechtsschutzsystem die gleichen Rechtsbehelfe (z.B. Verfassungsbeschwerde gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG), Beschwerdemoglichkeiten (z.B. Dienstaufsichtsbeschwerde) und Petitionsrechte (z.B. nach Art. 17 GG) offen stehen wie anderen Biirgem auch. Dariiber hinaus sind den zu einer Freiheitsstrafe Verurteilten besondere Wege zur Anrufung eines Gerichts eroffnet. Dabei ist allerdings danach zu differenzieren, ob es sich bei der vom Betroffenen beanstandeten MaBnahme um eine solche der Strafvollstreckung oder des StrafvoUzugs handelt."* Geht es um eine MaBnahme der Strafvollstreckung (z.B. Strafzeitberechnung, § 458 747 Abs. 1 StPO; Aussetzung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewahrung, §§ 57, 57a StGB, § 454 StPO), ist der Rechtsweg^ nach §§ 462, 462a StPO gegeben. Es entscheidet die Straf^ 2 3 "^ 5
Dazu Laubenthal, 1989a, S. 332 ff Muller-Dietz, 1978, S. 219. Walter M., 1999, S. 235. Zur Abgrenzung oben Kap. 1.1. Dazu Kaiser, 1995, S. 297 ff; Muller-Dietz, 1995, S. 281 f
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vollstreckungskammer beim Landgericht (§ 78a GVG). In den Fallen von § 462a Abs. 2 bis 5 StPO (z.B. nachtragliche Bildung einer Gesamtstrafe nach § 460 StPO) bleibt dagegen das Gericht des ersten Rechtszugs zustandig. 748
Ftir MaBnahmen auf dem Gebiet des StrafvoUzugs hat der Gesetzgeber mit §§ 109 bis 121 StVoUzG die Rechtsschutz- und Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG konkretisiert. Der Inhaftierte karni sich an die Strafvollstreckungskammer beim Landgericht (§ 78a GVG) wenden und eine gerichtliche Entscheidung beantragen. Gleiches gilt fiir Dritte, die von vollzuglichen MaBnahmen mittelbar betroffen sind.
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Der Schutz der Inhaftierten ist seit den Reformen des Strafvollzugsrechts in der zweiten Halfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland vom Grundsatz her gewahrleistet. Er beginnt bereits damit, dass ein Gefangener kein bloBes Verwaltungsobjekt mehr darstellt. Das von dem Strafrechtswissenschaftler Berthold Freudenthal in seiner beriihmten Frankfurter Rektoratsrede 1909 geforderte „Rechtsverhaltnis von Strafgefangenen"^ - also die Stellung des Einzelnen als Rechtssubjekt - ist heute ebenso unbestritten anerkannt, wie die Ausgestaltung des Vollzugs mit dem am 1.1.1977 in Kraft getretenen Strafvollzugsgesetz auf einer gesetzlichen Regelung grundet. Freudenthal hat jedoch nicht nur im Gesetz die „Magna Charta" des inhaftierten Verbrechers gesehen, sondem in diese gleichermaBen den „Richterspruch" einbezogen. Der dem Freiheitsentzug Unterliegende muss sich seiner Rechte sicher sein konnen - das Recht ihn vor moglichen Ubergriffen schiitzen. Uber Einwendungen gegen vollzugliche MaBnahmen sollten deshalb - so Freudenthal - unabhangige Gerichte befinden. Dies waren mit Einftihrung der justizformigen Rechtskontrolle von Vollzugsentscheidungen nach §§23 ff EGGVG a.F. fur den Bereich der Freiheitsstrafe zunachst die Strafsenate der Oberlandesgerichte, also faktisch vom unmittelbaren vollzuglichen Geschehen zumeist weit abgehobene Rechtsmittelgerichte.'^ Positive Erfahrungen mit dem Jugendrichter als besonderem Vollstreckungsleiter, der im Jugendstrafrecht einen moglichst engen Kontakt zwischen Gericht und Anstalt bewirkt, haben dann am 1.1.1975 auch im Erwachsenenstrafrecht zur Errichtung von Strafvollstreckungskammem bei den anstaltsnaheren Landgerichten gefuhrt. Diese fungierten zunachst als reine Vollstreckungsgerichte, Spruchkorper, bei denen es zu einer Konzentration insbesondere der Entscheidungen iiber bedingte Entlassungen aus dem Straf- und MaBregelvollzug kam. Die Aspekte der groBeren Ortsund damit Vollzugsnahe sowie einer moglichst einheitlichen Rechtsprechung veranlassten den Gesetzgeber dann zu einer Kompetenzerweiterung. Der aus Art. 19 Abs. 4 GG garantierte Anspruch auf Gewahrung effektiven Rechtsschutzes gegen den Staat, der die Moglichkeit einer unabhangigen richterlichen Kontrolle vollzuglicher MaBnahmen verlangt, fiihrte 1977 zur Zustandigkeit der Strafvollstreckungskammem auch als Vollzugsgerichte.
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Uber den Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§109 ff. StVollzG hinaus stehen dem einzelnen Gefangenen v^eitere vollzugsinteme Rechtsbehelfe zur Verfligung: Beschw^erderechte nach § 108 StVollzG und Vorbringen von Beanstandungen beim Anstaltsbeirat gem. § 164 Abs. 1 S. 1 StVollzG. Hinzu kommen Kontrollmoglichkeiten auf intemationaler Ebene (Anrufung des Europaischen Gerichtshofs fur Menschenrechte mittels Individualbeschw^erde, Art. 34 EMRK). Auch in Vollzugssachen besteht schlieBlich die Moglichkeit einer Anrufung der Gnadenbehorde.
6 ^
Freudenthal, 1955,8. 157 ff Blau, 1988a, S. 341 ff
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Soweit einzelne Rechtsbehelfe eine Rechtswegerschopfung nicht vorsehen (eine solche ist Voraussetzung fur die Verfassungsbeschwerde bzw. fur die Individualbeschwerde beim Europaischen Gerichtshof fiir Menschenrechte), kairn der Inhaftierte sich wegen ein und derselben MaBnahme gleichzeitig mittels Beschwerden und Anrufung gerichtlicher Instanzen an verschiedene Stellen wenden. Anfangliche Befiirchtungen einer Uberstrapazierung der Rechtsbehelfe und 751 damit einer unvertretbaren tJberbelastung von Vollzugsbehorden und Gerichten haben sich nach In-Kraft-Treten des StrafvoUzugsgesetzes nicht bestatigt.^ Allerdings fallt in der Praxis der StrafvoUstreckungskammern immer wieder die Streithaufigkeit einiger weniger Strafgefangener auf.^ Aus allgemeiner Verargerung iiber die Justiz oder als Folge von Konflikten mit einer Anstaltsleitung iiberschwemmen einzelne Inhaftierte Strafv^oUstreckungskammem mit einer Flut von Antragen nach § 109 StVollzG, haufig noch jeweils gamiert mit einem Eilantrag nach § 114 StVollzG und einem solchen auf Prozesskostenhilfe sowie auf Beiordnung eines Rechtsanwalts - Antrage, die nicht nur Krafte der Vollzugsverwaltungen binden, sondem auch diejenigen der Richter. Dabei gibt es Gefangene, deren schopferische Phantasie zur Findung und Formulierung von Beschwerdegriinden fast unerschopflich zu sein scheint und die gelegentlich iiber erstaunliche Rechtskenntnisse auf dem Gebiet des StrafvoUzugsgesetzes verfiigen. Andere wiederum stellen eine Vielzahl von - unter Umstanden noch interpretationsbediirftigenRechtsschutzbegehren in den Raum. Auf Nachfragen des Gerichts antworten sie dann aber nicht mehr. Bei der Gewahrung rechtlichen Gehors auBem sie sich nicht zu dem Vorbringen der Anstaltsleitung, so dass der zustandige Richter sich gelegentlich nicht des Eindmcks zu erwehren vermag: Hier werden verfahrensfremde Zwecke verfolgt. Gerade bei Langzeitinhaftierten kann eine massive Inanspruchnahme der Rechtsschutzmoglichkeiten aber eine durch die Haftdeprivationen bedingte Adaptationsstrategie darstellen: Ein sog. Campaigning nicht nur, um auf aus subjektiver Sicht vorhandene Missstande aufmerksam zu machen, sondem in AusmaB und Beharrlichkeit auch als ein Weg, dem Anstaltsaufenthalt einen Sinn zu geben.^^ Doch selbst wenn im Einzelfall der massive Gebrauch von Rechtsbehelfen in Querulantentum^^ ausartet, so bleibt nicht stets auszuschlieBen, dass es ein tatsachliches fehlerhaftes behordliches Verhalten in der Ursachenkette der Streitentwicklung gab, das bei einem Insassen derartige Uberreaktionen hervorruft. Ebenso wenig schlieBt eine Flut von Antragen aus, dass in einem einzelnen Fall eine MaBnahme rechtswidrig ergangen ist. Es darf nicht die Gefahr entstehen, mittels der generellen Zuordnung zum Querulantentum eine in einer konkreten Angelegenheit emst zu nehmende Kjitik auszuschalten.*^ Auch ein Gefangener mit einer grundsatzlich fanatisch-querulatorischen Einstellung kann im Verfahren nach §§109 ff. StVollzG seine Rechte geltend machen. Vgl. Kaiser/Schoch, 2002, S. 365. Bergmann, 2003, S. 213; Eschke, 1993, S. 10 f Siehe Laubenthal, 1987, S. 138. Dazu eingehend Dinger/Koch, 1991. Dazu eingehend Peters, 1987, S. 457 ff
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Der Ablehnung der Ausiibung des Antragsrechts als quemlatorisches Begehren, als willkiirlich und deshalb unzulassig, dem sind zu Recht enge Grenzen gesetzt. Bin Antrag wird erst dann unzulassig, sofem er objektiv ausschlieBlich den Zweck verfolgt, die Vollzugsbehorde sowie die Strafvollstreckungskammer zu belastigen. Dies folgt aus dem allgemeinen Schikaneverbot, das einem Missbrauch der Rechtspflege entgegenwirken soil und das auch im Bereich des StrafvoUzugs Geltung besitzt. Eine unzulassige Ausiibung des Antragsrechts liegt somit vor, wenn keine Beschwer erkennbar ist, der Antragsteller selbst von einem Obsiegen in der Streitsache keinerlei irgendwie gearteten Nutzen haben kann - auBer, die Anstaltsleitung und das Gericht zu belastigen. ^^ Von einer Sachentscheidung oder einer Verwerfung eines Antrags als unzulassig kann ebenfalls abgesehen werden, falls sich die Eingabe im Einzelfall ausschlieBlich oder iiberwiegend in Beleidigungen erschopft und nicht ersichtlich ist, dass zugleich auch ein sachliches Anliegen verfolgt wird'"^, also die Kriterien des allgemeinen prozessualen Missbrauchsverbots^^ erfiillt sind. 752 Bei einer Vielzahl der gerichtlichen Verfahren nach §§109 ff. StVollzG geht es in der Praxis nur um Dinge von fiir AuBenstehende untergeordneter Bedeutung; etwa darum, ob ein Nachporto vom Eigen- oder vom Hausgeldkonto abzubuchen ist oder ob im Haftraum ein Papagei gehalten werden darf.*^ Selbst die Frage, ob es erlaubt ist, den Graupapagei mit funf einzubringenden Erbsen in der Schote zu fiittem, hat die Instanzen beschaftigt.^"^ Entscheidungen wie iiber die RechtmaBigkeit der Anordnung, ein die Verlobte zeigendes Foto im Format 40 x 30 cm auf die GroBe 20 x 30 cm zuriickzuschneiden^^, mogen durchaus den Eindruck erwecken: Die Gerichte haben sich in Vollzugssachen in groBer Haufigkeit mit Lappalien zu beschaftigen. In der Tat sind solche Streitgegenstande im Alltag auBerhalb der JustizvoUzugsanstalten von marginaler Bedeutung. Als Konsequenz hieraus jedoch im Hinblick auf den Streitwert die Rechtsschutzmoglichkeiten der Gefangenen einzuschranken, hieBe, die Realitaten in den VoUzugseinrichtungen zu verkennen. Das Leben in der Institution mit seinen begrenzten Moglichkeiten zu Besitz und Privatsphare gibt fiir die Betroffenen vielen im Alltag auBerhalb der JustizvoUzugsanstalt als unbedeutend anzusehenden Dingen durchaus ein erhebliches Gewicht.
^3 OLG Frankfurt, NStZ 1989, S. 296; LG Bonn, NStZ 1993, S. 54; LG Bayreuth, Beschluss V. 26.4.1999 - StVK 1523/97; Arloth/Liickemann, 2004, § 109 Rdn. 4; Kropil, 1997, S. 354 ff '^ BVerfG, StrVert 2001, S. 698; BVerfG, NJW 2004, S. 1374; siehe auch OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2000, S. 223. ^5 Dazu Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 109 Rdn. 23; Schwind/Bohm/Jehle/Schuler, 2005, § 109 Rdn. 39. ^^ Dazu Stomps, 1996, S. 75 f 1^ LG Amsberg - 2 Vollz 267/93; OLG Hamm, ZfStrVo 1994, S. 18 ff ^« OLG Zweibriicken, ZfStrVo 1995, S. 374 f
8.1 Vollzugsinteme Kontrolle
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8.1 Vollzugsinteme Kontrolle Dem Strafgefangenen stehen mehrere Moglichkeiten zur Verfligung, um ein ihn 753 selbst betreffendes Verhalten der VoUzugsbehorde schon verwaltungsintem kontrollieren zu lassen. Dabei handelt es sich um Mittel zur Konfliktbewaltigung, denen im Hinblick auf das Vollzugsziel der Vorrang vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung gegeben werden sollte.^^ Die Anstaltsleitung hat sich deshalb nach Moglichkeit um solche informellen Erledigungsmechanismen zu bemiihen, bevor sie einen Inhaftierten auf den Rechtsweg nach §§109 ff. StVollzG verweist. Geht es um eine Angelegenheit ohne personHchen Bezug zu einem einzelnen Insassen, kann zur Geltendmachung einer Beanstandung auch die Gefangenenmitverantwortung (§160 StVollzG) eingeschaltet werden.
8.1.1 Beschwerderecht § 108 Abs. 1 StVollzG gibt dem Gefangenen ein Recht, sich in ihn betreffenden 754 Angelegenheiten mit Wiinschen, Anregungen und Beschwerden in einem personlichen Gesprach an den Anstaltsleiter zu wenden. Dieser hat zur Ermoglichung solcher Aussprachen regelmaBige Sprechstunden einzurichten und deren Zeitpunkt, Ort und Dauer in der Hausordnung (§161 Abs. 2 Nr. 3 StVollzG) zu regeln. GemaB VV Nr. 1 Abs. 2 zu § 108 sind mindestens einmal wochentlich solche Sprechstunden vorzusehen. Der Anstaltsleiter (im Fall seiner Verhinderung dessen Stellvertreter, bei Untergliederung einer groBen Einrichtung in Teilanstalten der jeweilige Behordenleiter^°) darf den einen Gesprachswunsch auBemden Gefangenen zwar auf die Sprechstunden verweisen, er hat diese dann aber personlich abzuhalten: Eine Delegation an nachgeordnete Mitarbeiter scheidet aufgrund des eindeutigen Wortlauts von § 108 Abs. 1 StVollzG aus.^^ Der Verteidiger hat ein Recht auf Anwesenheit bei dem Gesprach zwischen seinem Mandanten und dem Anstaltsleiter.^^ Neben dem Besuch der Sprechstunde kann sich der Inhaftierte jederzeit mit schriftlichen Eingaben an den Anstaltsleiter wenden (VV Nr. 1 Abs. 1 zu § 108). § 108 Abs. 1 StVollzG begriindet nicht nur ein Recht auf schriftliches oder miindliches Vorbringen von Anliegen, sondem auch auf eine abschlieBende Bescheidung des vorgetragenen Anliegens durch die Anstaltsleitung in angemessener Frist.^^ Das muss nicht notwendigerweise schriftlich erfolgen. Es kann jedoch in
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AK-Volckart, 2006, § 108 Rdn. 1. OLG Hamburg, ZfStrVo 2004, S. 371. AK-Kamann/Volckart, 2006, § 108 Rdn. 6; Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 108 Rdn. 4; Schwind/Bohm/Jehle/Schuler, 2005, § 108 Rdn. 3. AK-Kamann/Volckart, 2006, § 108 Rdn. 8; Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 108 Rdn. 5; a.A. jedoch Schwind/Bohm/Jehle/Schuler, 2005, § 108 Rdn. 4, weil es sich um kein formliches Verfahren i.S.d. § 137 StPO handelt. OLG Koblenz, NStZ 1993, S. 425.
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Fallen einer schwierigen Sach- oder Rechtslage ein iiberwiegendes Interesse des Gefangenen an einer schriftlichen Bekanntgabe bestehen.^"^ 8.1.2 Gesprach mit Vertreter der Aufsichtsbehorde 755 Neben der Beschwerdemoglichkeit des § 108 Abs. 1 gibt § 108 Abs. 2 StVollzG dem Gefangenen das Recht, sich mit seinen Angelegenheiten an einen Vertreter der Aufsichtsbehorde^^ zu wenden, wenn dieser die Anstalt besichtigt. Ein solcher Besuch soil mindestens zweimal im Jahr stattfmden (VV Nr. 1 zu § 151). Die Vollzugsanstalt hat eine Liste zu fahren, in welcher sich die Insassen fiir eine Anhorung nach § 108 Abs. 2 StVollzG vormerken lassen konnen. Naheres ist in der jeweiligen Hausordnung geregelt (§161 Abs. 2 Nr. 3 StVollzG). Die Liste wird nach VV Nr. 1 Abs. 3 zu § 108 dem Beamten der Aufsichtsbehorde bei der Besichtigung unaufgefordert vorgelegt. Der Gefangene muss dann seine Anliegen in Abwesenheit von Vollzugsbediensteten vortragen konnen.^^
8.1.3 Dienstaufsichtsbeschwerde 756 Nach § 108 Abs. 3 StVollzG bleibt die Moghchkeit einer Dienstaufsichtsbeschwerde unberiihrt. Diese Norm hat nur deklaratorischen Charakter, denn der Rechtsbehelf der Dienstaufsichtsbeschwerde wird durch die Beschwerdebefugnisse des § 108 Abs. 1 und 2 StVollzG nicht tangiert. Bei der Dienstaufsichtsbeschwerde handelt es sich um ein formloses verwaltungsintemes Mittel zur Uberpriifung und Korrektur einer dienstlichen Entscheidung oder einer Pflichtverletzung von Vollzugsbeamten durch deren Dienstvorgesetzten. Richtet sich der Rechtsbehelf gegen eine Anordnung oder eine MaBnahme des Anstaltsleiters selbst und hilft dieser nicht ab, ist die Beschwerde unverziiglich der Aufsichtsbehorde vorzulegen (VV Nr. 2 Abs. 2 zu § 108). Mit der Einlegung einer Dienstaufsichtsbeschwerde beanstandet der Beschwerdefiihrer das Verhalten von Vollzugsbediensteten. Er strebt an, dass diese im Wege der Dienstaufsicht dazu angehalten werden, Entscheidungen zu treffen, wie sie vom Gefangenen begehrt und fiir richtig erachtet werden. Ziel ist somit das behordeninterne Einwirken auf Bedienstete zu richtigem Verhalten, so dass die Dienstaufsichtsbeschwerde in der Regel keine unmittelbare Rechtswirkung entfaltet.^"^ Da es sich nicht um die Regelung einer einzelnen Angelegenheit auf dem Gebiet des StrafvoUzugs handelt, kann eine Entscheidung iiber Dienstaufsichtsbeschwerden nicht im Verfahren nach §§109, 113 StVollzG gerichtlich erzwungen werden. Ebenso scheidet eine gerichtliche Nachpriifung der aufsichtlichen Entscheidung OLG Bamberg, ZfStrVo 1993, S. 59. Dazu in Kap. 4.1. Schwind/Bohm/Jehle/Schuler, 2005, § 108 Rdn. 5; a.A. Arloth/Luckemann, 2004, § 108 Rdn. 5. OLG Hamburg, NStZ 1991, S. 560.
8.2 Gerichtliches Kontrollverfahren, §§ 109 ff. StVollzG
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grundsatzlich aus.^^ Der Rechtsweg nach §§109 ff. StVollzG ist bei Vorliegen der Zulassigkeitsvoraussetzungen jedoch zur gerichtlichen Uberpriifung jener der Dienstaufsichtsbeschwerde zugrunde liegenden MaBnahme eroffnet.^^ Ausnahmsweise karni der eine Dienstaufsichtsbeschwerde zuiickweisende abschlieBende Bescheid dann eine nach § 109 StVollzG anfechtbare MaBnahme darstellen, wenn dieser erstmals eine den Insassen betreffende Sachentscheidung des Anstaltsleiters enthah.30 8.1.4 Vorbringen von Beanstandungen beim Anstaltsbeirat Neben den in § 108 StVollzG benannten Beschwerdemoglichkeiten gibt § 164 757 Abs. 1 S. 1 StVollzG dem Strafgefangenen eine weitere voUzugsinteme Kontrollinstanz: die Mitglieder des Anstaltsbeirats.^^ Diese konnen Wiinsche, Anregungen und Beanstandungen seitens der Inhaftierten entgegennehmen, weshalb sie ungehinderten Zugang zu den Gefangenen haben und ihre Gesprache und Schriftwechsel mit den Insassen nicht iiberwacht werden dtirfen (§ 164 Abs. 2 StVollzG). Die Mitwirkung der Anstaltsbeirate umfasst damit auch eine Kontrollfunktion, welche sie als Reprasentanten der Offentlichkeit gegeniiber dem VoUzug ausuben.^2 Dem Anstaltsbeirat und seinen Mitgliedem kommt jedoch keine eigene Entscheidungsbefugnis zu. Vielmehr werden die vorgetragenen Anliegen der Betroffenen nach § 163 StVollzG im Rahmen von Anregungen und Verbesserungsvorschlagen an die Anstaltsleitung weitergegeben.
8.2 Gerichtliches Kontrollverfahren, §§ 109 ff. StVollzG Macht eine Person geltend, durch die offentliche Gewalt in eigenen Rechten ver- 758 letzt zu sein, garantiert ihr Art. 19 Abs. 4 GG den Rechtsweg und gibt ihr einen substantiellen Anspruch auf einen effektiven und moglichst liickenlosen gerichtlichen Rechtsschutz gegen die sie betreffenden MaBnahmen.^^ Fiir den Bereich des Strafvollzugsrechts wird Art. 19 Abs. 4 GG durch die §§109 ff. StVollzG auf gesetzlicher Ebene konkretisiert.^"^ Danach obliegt den StrafvoUstreckungskammern der gerichtliche Rechtsschutz auf dem Gebiet des JustizvoUzugs.^^ In diesem
28 O L G H a m m , NStZ 1993, S. 425. 29 O L G Hamburg, N S t Z 1991, S. 560; Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 108 Rdn. 10. 30 KG, NStZ 1991, S. 382; KG, NStZ 1997, S. 428. 31 Dazu in Kap. 4.6. 32 Miiller-Dietz, 1995a, S. 283.
33 BVerfGE 8, S. 326; 104, S. 231. BVerfG,StrVert 1994,8.94. Dazu auch Baier, 2001, S. 582 ff; Donath, 1997, S. 60 ff; Dunkel F., 1996, S. 518 ff; Eschke, 1993; Jung S., 2001, S. 57 ff; Kamann, 1991; ders., 2002, S. 389 ff; Koeppel, 1999, S. 13 ff; Kosling, 1991; Laubenstein, 1984, S. 33 ff; Litwinski/Bublies, 1989,
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8 Vollzugsverfahrensrecht
Bereich getroffene MaBnahmen, deren Ablehnung oder Unterlassen, konnen auf ihre RechtmaBigkeit hin iiberprlift werden. Der voUstreckungsgerichtliche Rechtsschutz ist weitgehend an das verwaltungsgerichtliche Rechtsschutzverfahren angelehnt. Dabei nimmt das Gesetz allerdings subsidiar auf die StraQ^rozessordnung Bezug (§120 Abs. 1 StVollzG) imd erklart in § 114 Abs. 2 S. 2 StVollzG ausdnicklich allein § 123 Abs. 1 VwGO als verwaltungsgerichtliche Norm fur entsprechend anwendbar. Trotz des Verweises auf die StPO ist davon auszugehen, dass das Verfahren nach §§109 ff. StVollzG von seiner Natur her einen spezifischen Anwendungsfall des Verwaltungsstreitverfahrens und keinen Strafprozess darstellt.^^ 759 Der nach §§109 ff. StVollzG gewahrte Rechtsschutz beruht auf dem Antragsprinzip. Das Handeln der Vollzugsbehorde wird aus Griinden der Rechtssicherheit so lange als rechtswirksam erachtet, bis sich der Betroffene erfolgreich dagegen gewehrt hat (oder die Anstaltsleitung selbst Abhilfe schafft).^"^ Abgesehen von den Mechanismen der voUzugsbehordlichen EigenkontroUe (z.B. Dienstaufsicht) muss der sich in seinen Rechten beeintrachtigt Fiihlende den justiziellen Rechtsschutz selbst in Gang setzen. Wendet sich ein Inhaftierter oder eine dritte Person an die Strafvollstreckungskammer und macht dort eine Rechtsverletzung geltend, priift das Gericht zunachst die Zulassigkeit des Antrags, bevor es sich mit der Sache selbst unter tatsachlichen und rechtlichen Gesichtspunkten beschaftigt und dann eine Sachentscheidung trifft. Fehlt es bereits an einer Zulassigkeitsvoraussetzung, tritt die Strafvollstreckungskammer nicht mehr in die sachliche Priifung ein, sondem verwirft den Antrag als unzulassig. Um einen Antrag nach §§109 ff StVollzG wirksam zu stellen, muss ein Strafgefangener nicht prozessfahig sein. Die Zuriickweisung eines Begehrens allein unter Hinweis auf seine fehlende Prozessfahigkeit wiirde den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehor verletzen.^^ 760 Der Strafgefangene kann sich bei der Einlegung eines Rechtsbehelfs eines Verteidigers oder eines sonstigen Verfahrensbevollmachtigten bedienen.^^ Auch eine Hilfestellung durch einen Mitgefangenen ist im Einzelfall moglich, solange diese nicht die Grenze zur geschaftsmaBigen Besorgung fremder Angelegenheiten iiberschreitet, welche gem. Art. 1 § 1 RBerG der behordlichen Erlaubnis bedarf. Ein unter Verstofi gegen das RBerG zustande gekommener Antrag auf gerichtliche Entscheidung oder sonstiger Rechtsbehelf kann nicht allein schon wegen dieses VerstoBes deshalb als unzulassig behandelt werden, weil gegen Recht und Ge-
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S. 97ff; Lu, 1998, S. 187 ff; Miiller-Dietz, 1981, S.57ff; ders., 1985c, S. 335 ff; Voigtel, 1998, S. 27 ff; Volckart, 2001, S. 213 ff; Zwiehoff, 1986. Laubenthal, 2002a, S. 485 f; Muller-Dietz, 1995a, S. 285. AK-KamannA^olckart, 2006, § 109 Rdn. 2. KG, NStZ 2001,8. 448. Schwind/Bohm/Jehle/Schuler, 2005, § 108 Rdn. 3.
8.2 Gerichtliches Kontrollverfahren, §§ 109 ff. StVollzG
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setz verstoBende Antrage keinen Anspruch auf eine sachliche gerichtliche Priifung zu begriinden verm6gen/° Beispiel: Gegen den Beschluss einer Strafvollstreckungskammer in einer Disziplinarsache legte der betroffene Strafgefangene Rechtsbeschwerde zum Oberlandesgericht ein. Nach Aufbau, Diktion und Erscheinungsbild der Beschwerdeschrift stammte diese von einem anderen, dem Gericht aus anderen Verfahren bekannten Inhaftierten, der mit Wissen des Beschwerdefiihrers unerlaubt rechtsberatend tatig wurde. Das OLG wies wegen des VerstoBes gegen das RBerG die Beschwerde als unzulassig zuruck. Das Bundesverfassungsgericht"^^ stellte hierzu fest: „Das Rechtsberatungsgesetz sieht als Mittel der Sanktionierung von VerstoBen gegen die Verbote und Gebote des Rechtsberatungsgesetzes die Ahndung als Ordnungswidrigkeit (Art. 1 § 5 RBerG), nicht aber eine Beschneidung der Rechtsschutzmoglichkeiten des rechtsuchenden Antragstellers vor. Die Ordnungswidrigkeit begeht zudem nicht derjenige, der die unerlaubte Rechtsbesorgung lediglich - sei es auch in Kenntnis des an den anderen gerichteten Verbots - in Anspruch nimmt und sich in seinen Rechtsangelegenheiten helfen lasst. Dahinter steht die Annahme, dass der Rechtsuchende durch die Vorschriften des Rechtsberatungsgesetzes geschutzt werden soil. Dieser Schutzrichtung lauft es zuwider, wenn an VerstoBe gegen dieses Gesetz die vom OLG gezogenen prozessrechtlichen Folgerungen zu Lasten desjenigen gekntipft werden, der die untersagte Rechtshilfeleistung in Anspruch genommen hat. DemgemaB geht fiir den Fall, dass ein Prozessbevollmachtigter mit seiner rechtsbesorgenden Tatigkeit gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG verstoBt, die herrschende Auffassung dahin, dass dieser durch konstitutiv wirkenden Beschluss vom weiteren Verfahren auszuschlieBen ist, sobald das Gericht von dem VerstoB Kenntnis erlangt. Hingegen wird nicht angenommen, dass verfahrenseinleitende Antrage und andere Prozesshandlungen, die einem solchen Beschluss vorausgegangen sind, von vomherein unbeachtlich Oder unzulassig waren, soweit sie unter VerstoB gegen das Rechtsberatungsgesetz zustande gekommen sind.""*^ Eine unerlaubte geschaftsmaBige Rechtsberatung durch einen Inhaftierten fiir Mitgefangene stellt eine Storung des geordneten Zusammenlebens in der Anstalt i.S.d. § 82 Abs. 1 S. 2 StVollzG"^^ dar, welche DisziplinarmaBnahmen nach sich Ziehen kann. Beispiel: Ein Strafgefangener fertigt wiederholt Antrage auf gerichtliche Entscheidung gem. §§109 ff StVollzG und andere Schriftsatze an Behorden fur seine Mitgefangenen aus. Fiir seine Hilfen nimmt er gelegentlich Gegenleistungen in Form von Lebensmitteln, Tabak und Briefmarken an. Gegen die des wegen seitens der Anstaltsleitung verhangten DisziplinarmaBnahmen beschreitet er den Rechtsweg. Das Bundesverfassungsgericht'*'* sieht in einer unerlaubten Rechtsberatung eine Storung des geordneten Zusammenlebens in der Anstalt: Wer ohne Erlaubnis regelmaBig und in bedeutendem Umfang andere Strafgefangene rechtlich berat und deren schriftli-
4° So aber OLG Numberg, NStZ 2002, S. 55. 4^ BVerfG, NJW 2004, S. 1373 f "^^ BVerfG, NJW 2004, S. 1374; zum Verfahrensausschluss durch Beschluss auch BVerfG, NJW 2004, S. 1236. ^'^ Dazu oben Kap. 7.1. ^4 BVerfG, NStZ 1998, S. 103; siehe dazu auch BVerfG, NJW 2004, S. 1374.
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8 Vollzugsverfahrensrecht che Geschaftsbesorgung ubemimmt, verstoBt gegen das RBerG und stort durch sein Verhalten das geordnete Zusammenleben nach § 82 Abs. 1 S. 2 StVollzG. Dies stellt einen VerstoB gegen Pflichten i.S.d. § 102 Abs. 1 StVollzG dar, welche den Einzelnen durch das Strafverfolgungsgesetz auferlegt sind."*^
Bestehen Zweifel an der Zulassigkeit eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung, kann das Gericht in Ausnahmefallen - im Interesse des Rechtsfriedens ohne Klarung der Zweifelsfrage eine eindeutige Sachentscheidung treffen. Bin solches Vorgehen kommt in Betracht, wenn die Zulassigkeitsvoraussetzungen unwiederholbar sind und zugleich die Unbegriindetheit des Antrags feststeht/^
8.2.1 Zulassigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung
8.2.1.1 Rechtswegeroffnung 761 § 109 Abs. 1 StVollzG eroffnet den Rechtsweg zum Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer, wenn es sich bei der Beanstandung und dem Begehren des Antragstellers um eine MaBnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzugs oder um die Ablehnung oder das Unterlassen einer solchen MaBnahme handelt. (I) Auf dem Gebiet des
Strafvollzugs
762 Es muss um eine MaBnahme gehen, welche aus dem Rechtsverhaltnis resultiert, das sich auf der Grundlage des Strafvollzugsgesetzes zwischen dem Staat und einem Inhaftierten ergibt/"^ Beispiel: G ist Strafgefangener in der Justizvollzugsanstalt F. Dort wurden wahrend seiner Inhaftierung die Stationstreppen, die am Ende der Gebaudefliigel liegen und die Stockwerke miteinander verbinden, vergittert. Die Ttire an jeder Treppe wird seitdem zentral auf elektrischem Wege betatigt. G wendet sich mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht gegen den Einbau der zusatzlichen Gitter und Ttiren und macht eine potentielle Gefahrdung von Leib und Leben geltend. Es seien Rettungswege zugebaut bzw. eingeschrankt worden, so dass der Schutz der Person im Rettungsfall nicht mehr gewahrleistet erscheine. Die elektrische Ttiroffnung im Brand- oder Panikfall konne versagen. Zudem beeintrachtige der Einbau der tonnenschweren Gitter die Statik des Gebaudes. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Beschluss den Verwaltungsrechtsweg fur unzulassig erklart und den Rechtsstreit an die Strafvollstreckungskammer verwiesen. Die-
So auch AK-Brtihl/Feest, 2006, § 82 Rdn. 5; Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 82 Rdn. 2; Schwind/Bohm/Jehle/Schuler, 2005, § 108 Rdn. 3; einschrankend jedoch Kaiser/ Schoch, 2002, S. 349. AK-Kamann/Volckart, 2006, § 115 Rdn. 22; CalHess/Miiller-Dietz, 2005, § 115 Rdn. 1. OLG Brandenburg, NJW 2001, S. 3351 f; CalHess/Miiller-Dietz, 2005, § 109 Rdn. 7; Schwind/Bohm/Jehle/Schuler, 2005, § 109 Rdn. 11.
8.2 Gerichtliches Kontrollverfahren, §§ 109 ff. StVollzG
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se Entscheidung bestatigte das OVG Hamburg"*^, welches klarstellte, dass § 109 StVollzG den Rechtsweg zu den Landgerichten dem Sachbereich „Strafvollzug" nach von demjenigen zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten abgrenzt. Zu dem Gebiet des Strafvollzugs zahlen die raumlichen Bedingungen in einer Anstalt, die auch unter dem Aspekt der Fiirsorge fiir die korperliche und geistige Gesundheit des Gefangenen (§ 56 Abs. 1 S. 1 StVollzG) Bestandteil des Vollzugsrechtsverhaltnisses sind. Objektivrechtliche Anforderungen an GroBe und Gestaltung der Einrichtungen bestimmt das Strafvollzugsgesetz zudem in §§ 143, 144. Der Rechtsweg nach § § 1 0 9 ff. StVollzG gilt flir den Freiheitsentzug im Anwendungsbereich des § 1 StVollzG sowie aufgrund gesetzlicher Regelung entsprechend bei bestimmten anderen Vollzugsarten. Ein Antrag nach §§ 109 ff. StVollzG ist moglich bei: - Vollzug einer strafgerichtlich verhangten Freiheitsstrafe oder Ersatzfreiheitsstrafe - Vollzug einer freiheitsentziehenden MaBregel der Besserung und Sicherung sowohl in einer Justizvollzugsanstalt (Sicherungsverwahrung; § 130 StVollzG) als auch auBerhalb (psychiatrisches Krankenhaus bzw. Entziehungsanstalt, § 138 Abs. 3 StVollzG), - Jugendstrafe, wenn der Verurteilte nach § 92 Abs. 2 JGG aus dem Jugendstrafvollzug ausgenommen ist und seine Strafe in einer Erwachsenenanstalt verbiiBt (§ 92 Abs. 2 S. 2 JGG), - Vollzug des militarischen Strafarrestes in einer Justizvollzugsanstalt (§ 167 S. 1 StVollzG), - Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs- und Erzwingungshaft (§171 StVollzG), - Abschiebehaft, die im Wege der Amtshilfe in einer Justizvollzugsanstalt vollzogen wird (§ 8 Abs. 2 FEVG i.V.m. § 171 StVollzG). Fiir sonstige Vollzugsformen gelten die §§109 ff StVollzG nicht. Dies betrifft vor allem MaBnahmen im Vollzug von Jugendstrafe in der Jugendstrafanstalt und von Jugendarrest (§§23 ff EGGVG), von Untersuchungshaft (§§119 Abs. 6, 126, 304 StPO bzw. §§23 ff EGGVG), einer Unterbringung gem. § 81 StPO oder einer Unterbringung aufgrund zivil- bzw. landesrechtlicher Regelungen. Bei der Auslieferungshaft besteht der Rechtsweg in der Anrufung des Vorsitzenden des Strafsenats gem. § 27 Abs. 3 IRG. § § 1 0 9 ff. StVollzG lassen anderweitig gegebene Rechtswege imberiihrt. 763 Macht ein Inhaftierter Anspriiche geltend, die auf einer anderen Rechtsgrundlage als dem Strafvollzugsgesetz beruhen, muss er insoweit den dafiir vorgesehenen Rechtsweg beschreiten. Beispiel: Der Leiter einer Justizvollzugsanstalt gestattete einem Kamerateam des Femsehens, in der Anstalt Filmaufhahmen durchzufuhren. Dabei wurde dem Sender zur Auflage gemacht, dass Insassen nicht erkennbar sein durften. Ein Gefangener wendet sich wegen der Filmaufnahmen an die Strafvollstreckungskammer und beantragt die Feststellung ihrer Unzulassigkeit sowie vorbeugend deren kiinftige Unterlassung ohne seine vorherige Zustimmung.
OVG Hamburg, NJW 1993, S. 1153 f
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8 VoUzugsverfahrensrecht Das OLG Koblenz"*^ hat die Antrage in einem Verfahren nach §§109 ff. StVollzG als unzulassig erachtet und den Gefangenen auf den Verwaltungsrechtsweg nach § 40 VwGO verwiesen. Denn die MaBnahmen resultierten nicht aus den Rechtsbeziehungen, die sich zwischen Staat und Inhaftierten aufgrund des Strafvollzugsgesetzes ergeben. Vielmehr ist die Gestattung von Filmaufhahmen durch den Anstaltsleiter der Offentlichkeitsarbeit sowie der Ausiibung des Hausrechts Dritten gegeniiber zuzuordnen. Es handelt sich um hoheitliche Tatigkeit im offentlich-rechtlichen Bereich.
764
Nicht der Rechtsweg zur Strafvollstreckungskammer, sondem derjenige zum Zivilgericht ist gegeben bei Schadensersatzanspriichen aus einer Amtspflichtverletzung (Art. 34 GG, § 839 BGB) oder anderen Fallen der Staatshaftung.^^ Der Zivilrechtsweg bleibt auch bei der Geltendmachung anderer zivilrechtlicher Anspriiche bestehen, selbst wenn diese in einem Zusammenhang mit dem Strafvollzug stehen. Beispiel: Dem im Jahr 1980 zu einer zwolfjahrigen Freiheitsstrafe wegen versuchten Mordes verurteilten T gelang kurz nach seiner Inhaftierung die Flucht aus der JVA. Bei seiner Wiederergreifung schoss er drei Menschen nieder und versuchte, zwei weitere zu toten. Er wurde deswegen im Jahr 1981 wegen versuchten Mordes in zwei und wegen versuchten Totschlags in drei Fallen zu vierzehn Jahren Haft und anschlieBender Sicherungsverwahrung verurteilt. Dreizehn Jahre spater erschien in einer groBen Tageszeitung eine Serie iiber die JVA, in der T einsitzt. Darin wird auch T erwahnt, wobei es u.a. heiBt, dass T „kaltblutig drei Menschen erschoss". Da T jedoch nur wegen versuchter Totungsdelikte inhaftiert ist, verlangt er wegen des durch den Zeitungsartikel verursachten Eingriffs in das Personlichkeitsrecht von der Zeitung Schmerzensgeld. Der geltend gemachte Anspruch des T steht zwar im Zusammenhang mit dem Strafvollzug. Es handelt sich jedoch um einen Schmerzensgeldanspruch gem. §§ 823, 847 BGB. DemgemaB war die Klage vom Zivilgericht zu entscheiden.^^
765
Fiir Einwendungen eines Inhaftierten gegen die RechtmaBigkeit von Pfandungs- und Uberweisungsbeschliissen sowie andere Fragen einer Zwangsvollstreckung ist allein das Vollstreckungsgericht nach § 766 ZPO zustandig. Beispiel: Ein Glaubiger des Strafgefangenen G setzt seine Forderung mit Hilfe eines Pfandungs- und Uberweisungsbeschlusses durch. In Ausfuhrung dieses Beschlusses zahlt die Anstalt als Drittschuldnerin Geld vom Eigengeldkonto des G an den pfandenden Glaubiger. Hiergegen wendet sich G mit einem Antrag nach §§109 ff StVollzG. Das OLG Hamburg^^ hat die Zulassigkeit des Antrags vemeint, weil schon in der Abfuhrung des Geldes durch die Vollzugsbehorde keine MaBnahme i.S.d. § 109 Abs. 1 StVollzG liegt. Es werden nicht die durch das StVollzG geregelten Rechtsverhaltnisse bertihrt. Vielmehr wendet sich G gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung. Zur Entscheidung dariiber bleibt ausschlieBlich das gem. § 766 ZPO zustandige Vollstreckungsgericht berufen.
OLG Koblenz, ZfStrVo 1994, S. 55 ff LG Hamburg, ZfStrVo 1995, S. 245. LG Berlin, ZfStrVo 1995, S. 375; zur Verletzung von Personlichkeitsrechten der Inhaftierten durch Presseberichterstattungen siehe Heischel, 1995, S. 351 ff OLG Hamburg, ZfStrVo 1996, S. 182; siehe auch OLG Ntimberg, NStZ 1996, S. 378.
8.2 Gerichtliches Kontrollverfahren, §§ 109 ff. StVollzG
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Kommt es zu Rechtsstreitigkeiten des in einem freien Beschafitigungsverhaltnis gem. § 39 Abs. 1 StVollzG stehenden Gefangenen, so sind die Arbeitsgerichte zustandig, soweit die Auseinandersetzungen das Verhaltnis zwischen Arbeitgeber und Inhaftiertem betreffen. Beispiel: Dem Strafgefangenen G wird die Genehmigung erteilt, im Rahmen eines freien Beschaftigungsverhaltnisses i.S.d. § 39 Abs. 1 StVollzG in seinem erlemten Schreinerberuf tatig zu sein. Zugleich schlieBt er einen Arbeitsvertrag mit einer Mobelfabrik ab. Wahrend der vereinbarten Probezeit entsvendet G wiederholt Werkzeuge aus der Schreinerei und versucht, diese in die JVA einzubringen. Allerdings konnen ihm die Gegenstande jeweils bei Kontrollen zum Zeitpunkt der Riickkehr in die JVA wieder abgenommen werden. Der Inhaber der Mobelfirma spricht deshalb eine fristlose Kundigung gegen G aus. Hiergegen will G gerichtlich vorgehen. Eine gerichtliche Auseinandersetzung iiber die Wirksamkeit der fristlosen Kiindigung betrifft nicht das Rechtsverhaltnis zwischen Strafgefangenem und Vollzugsbehorde. Vielmehr handelt es sich um eine arbeitsrechtliche Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer iiber das Bestehen oder Nichtbestehen des Arbeitsverhaltnisses. Bei derartigen Rechtsstreitigkeiten liber die Beendigung eines Vertragsverhaltnisses sieht § 2 Abs. 1 Nr. 3b ArbGG den Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit zwingend vor. Nicht aus der - auf dem StrafvoUzugsgesetz griindenden - Rechtsbeziehung zwischen Staat und Inhaftiertem herzuleiten sind auch Vorgange, welche das gegen den Gefangenen gerichtete Strafverfahren betreffen sowie die Entscheidungen im Rahmen der Urteilsvollstreckung^^ oder in einem Gnadenverfahren.^"^ Beispiel: Der wegen schwerer Korperverletzung verurteilte Strafgefangene G hat seine vorzeitige Entlassung auf Bewahrung beantragt. Die vom Vollstreckungsgericht zu einer Stellungnahme aufgeforderte Leitung der Justizvollzugsanstalt holt ihrerseits ein Gutachten der den G behandelnden Anstaltspsychologin A zur Frage einer weiteren Gefahrlichkeit des G ein. In einem Gesprach mit G teilt diese dem Gefangenen mit, dass sie sich in ihrem Schreiben an die Anstaltsleitung wegen seiner fortbestehenden Gefahrlichkeit gegen eine vorzeitige Entlassung ausgesprochen habe. Daraufhin wendet G sich mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 109 StVollzG an die Strafvollstreckungskammer, damit das Gericht der Anstaltsleitung untersage, das Gutachten der A in ihrer Stellungnahme zu verwenden. Die Anstaltspsychologin zahlt zwar zu den Vollzugsbediensteten des § 155 StVollzG. In dieser Eigenschaft hat sie auch ihr Gutachten erstellt. Sie wurde dabei jedoch fur die Anstaltsleitung nicht i.S.d. § 109 Abs. 1 StVollzG auf dem Gebiet des Strafvollzugs tatig. Ihre schriftliche AuBerung betrifft den Bereich der Strafvollstreckung und kann - da sie auch keine unmittelbare Regelungswirkung entfaltet - erst mittelbar angegriffen werden, wenn das Gericht eine bedingte Entlassung versagt hat und der Betroffene hiergegen den Rechtsweg der sofortigen Beschwerde nach §§ 454 Abs. 3 S. 1, 311 StPO beschreitet. Handelt es sich um keine Streitigkeit i.S.d. § 109 Abs. 1 StVollzG und ist auch sonst kein besonderer Rechtsweg vorgegeben, bleibt der subsidiare Rechtsbehelf eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung gem. § § 2 3 ff EGGVG eroffnet.^^ ^3 OLG Karlsruhe, ZfStrVo 1999, S. 111. 5^ Litwinski/Bublies, 1989, S. 100 f ^5 Siehe z.B. BGH, NStZ-RR 2002, S. 26 f
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8 Vollzugsverfahrensrecht
Hat ein Inhaftierter einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 109 ff. StVollzG gestellt und steht fiir sein Begehren nicht der vollzugliche Rechtsweg zur StrafvoUstreckungskammer offen, sondem derjenige zu einem anderen Gericht, darf es nicht bereits deshalb zu einer Verwerfung des Antrags als unzulassig kommen. Auf einen entsprechenden Antrag der Beteiligten hin muss die StrafvoUstreckungskammer vielmehr - nach Feststellung der Unzulassigkeit des Rechtswegs - die Sache gem. § 17a Abs. 2 S. 1 GVG an das zustandige Gericht des zulassigen Rechtswegs verweisen. Ein derartiger Beschluss ist dann nach § 17a Abs. 2 S. 3 GVG fiir das Gericht, an welches die Sache verwiesen wurde, bindend. Diese Bindungswirkung kann umgekehrt auch zur Folge haben, dass eine StrafvoUstreckungskammer im Verfahren nach §§109 ff. StVollzG iiber einen Antrag entscheiden muss, der als solcher iiberhaupt nicht zum Gegenstand eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung i.S.d. § 109 Abs. 1 StVollzG gemacht werden kann. Beispiel: Ein Strafgefangener erhob mehrere Dienstaufsichtsbeschwerden gegen einen VoUzugsbediensteten. Nachdem diese unbeantwortet geblieben waren, reichte er beim Verwaltungsgericht Untatigkeitsklage ein, mit welcher er die Bescheidung der Dienstaufsichtsbeschwerden begehrte. Das Verwaltungsgericht erklarte jedoch durch Beschluss den Verwaltungsrechtsweg fiir unzulassig und verwies den Rechtsstreit an die StrafvoUstreckungskammer des Landgerichts. Diese verwarf den Antrag des Inhaftierten, den Anstaltsleiter zur Bescheidung der Dienstaufsichtsbeschwerden zu verpflichten, als unzulassig, weil das Begehren des Antragstellers nicht auf eine Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzugs abziele und daher nicht mit einem Vomahmeantrag i.S.d. §§ 109 Abs. 1, 113 Abs. 1 StVollzG geltend gemacht werden konne. Die vom Strafgefangenen erhobene Rechtsbeschwerde hatte in der Sache Erfolg. Das OLG Karlsruhe^^ erklarte den Antrag auf Verpflichtung des Anstaltsleiters zur Verbescheidung der Dienstaufsichtsbeschwerden fur zulassig. Zwar stellt die Art und Weise der Behandlung einer Dienstaufsichtsbeschwerde - auch wenn diese an Vorgange des Strafvollzugs anknupft - keine MaBnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzugs dar und dementsprechend ist ein Anspruch auf Bescheidung der Dienstaufsichtsbeschwerden nicht im Verfahren gem. §§109 ff StVollzG durchzusetzen. Der Rechtsanspruch des Einzelnen auf ordnungsgemaBe Erledigung der Dienstaufsichtsbeschwerde binnen einer angemessenen Frist kann prinzipiell nur auf dem Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten verfolgt werden.^^ Hat das an sich zustandige Verwaltungsgericht die Sache jedoch an die StrafvoUstreckungskammer des Landgerichts verwiesen, so ergibt sich die Zulassigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung gem. §§ 109 ff StVollzG ausnahmsweise aus der Bindungswirkung, die der durch das Verwaltungsgericht ausgesprochenen Rechtswegverweisung nach § 17a Abs. 2 S. 3 GVG zukommt. Die Verweisungsentscheidung eroffhet somit endgiiltig den Rechtsweg, so dass die Zulassigkeit einer Entscheidung in der Sache selbst nicht mit der Begriindung vemeint werden darf, die Voraussetzungen fur die Rechtswegeroffhung seien nicht erfullt. Die durch den verwaltungsgerichtlichen Verweisungsbeschluss vorgenommene Qualifizierung des Streitgegenstands als MaBnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzugs bleibt fur das gesamte weitere Verfahren unabanderlich. Kraft der Bindungswirkung war deshalb
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OLG Karlsruhe, ZfStrVo 2002, S. 189. BVerwG,NJW 1976, S. 637.
8.2 Gerichtliches Kontrollverfahren, §§ 109 ff. StVollzG
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der Antrag des Inhaftierten auf Verpflichtung des Anstaltsleiters zur Verbescheidung der Dienstaufsichtsbeschwerden ausnahmsweise als ein Vomahmeantrag im Sinne des Strafvollzugsgesetzes zulassig. (2)
Vollzugsmafinahme
Der MaBnahmebegriff des § 109 StVollzG ist im Gegensatz zum Begriff des Ver- 767 waltungsaktes i.S.d. § 35 VwVfG oder dem des Justizverwaltungsaktes nach § 23 EGGVG weit zu interpretieren.^^ Vorausgesetzt wird ein behordliches (hoheitliches) Handeln oder Unterlassen mit Regelungscharakter fiir den Einzelfall. Hierunter fallen nicht nur konkrete, seitens der Anstalt gegen einen Gefangenen erlassene Anordnungen, sondem auch schon einzelne im VoUzugsplan vorgesehene BehandlungsmaBnahmen sowie die Aufstellung eines Vollzugsplans als solche.^^ Vom vollzuglichen MaBnahmebegriff erfasst wird femer ein schlicht hoheitliches sowie ein rein tatsachliches Handeln (Realakte^^), wenn dieses beim Betroffenen zu einer Rechtsverletzung fiihren kann^^ (z.B. Betreten des Haftraums durch Vollzugsbeamte ohne vorheriges Anklopfen^^, Verlegung eines Inhaftierten in einen anderen Haftraum^^). Fur die Frage des Vorliegens einer justiziellen MaBnahme i.S.d. § 109 Abs. 1 StVollzG ist nicht relevant, ob diese von einem zustandigen Vollzugsbediensteten (z.B. dem Anstaltsoder Abteilungsleiter) entschieden wird. Die gerichtliche Zuriickverweisung eines Antrags als unzulassig, well die MaBnahme durch einen nicht befugten Beamten ergangen ist oder abgelehnt wurde, stellt einen VerstoB gegen das Willkiirverbot dar.^"^ (3)
Regelung
Nach § 109 Abs. 1 StVollzG sind nur solche MaBnahmen anfechtbar, denen eine 768 unmittelbare Rechtswirkung zukommt. Durch die vollzugliche MaBnahme miissen die Lebensverhaltnisse des Gefangenen in irgendeiner Weise mit - zumindest auch - rechthcher Wirkung gestaltet werden.^^ Eine MaBnahme i.S.d. § § 1 0 9 ff StVollzG hat daher erst dann Regelungscharakter, wenn dadurch subjektive Rechte des Betroffenen begrtindet, geandert, aufgehoben bzw. verbindlich festgestellt werden oder die Begrtindung, Anderung, Aufhebung bzw. Feststellung solcher Rechte verbindlich abgelehnt wird.^^
5« BVerfG, StrVert 1994, S.94f; Arloth/Liickemann, 2004, §109 Rdn. 6; Calliess/Mtiller-Dietz, 2005, § 109 Rdn. 11; Schwind/Bohm/Jehle/Schuler, 2005, § 109 Rdn. 18. 59 BVerfG, StrVert 1994, S. 95. 60 Dazu eingehend Zwiehoff, 1986, S. 20 ff 6^ Calliess/Mtiller-Dietz, 2005, § 109 Rdn. 11. 62 OLG Celle, ZfStrVo 1994, S. 174.
63 64 65 66
OLG Hamm, NStZ 1989, S. 592. BVerfG, NStZ 1990, S. 557. KG, NStZ 1993, S. 304. OLG Stuttgart, ZfStrVo 1997, S. 54.
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8 Vollzugsverfahrensrecht
Beispiel: Im Vollzugsplan fiir den Strafgefangenen G ist als voraussichtlicher Entlassungstermin die VerbiiBung von zwei Dritteln der Strafe aufgenommen. G beantragt eine Abanderung des Vollzugsplans insoweit, als von einer HalbstrafenverbiiBung auszugehen ist. Gegen die ablehnende Stellungnahme des Anstaltsleiters will er gerichtlich vorgehen. Einzelne im Vollzugsplan enthaltene konkrete Behandlungskriterien sind grundsatzlich gerichtlich anfechtbar.^*^ Allerdings muss es sich dabei um MaBnahmen handeln, die unmittelbare Rechtswirkung erzeugen konnen. Dies ist bei der Festsetzung des voraussichtlichen Entlassungstermins nicht der Fall.^^ Dieser entfaltet keine unmittelbare Bindungswirkung, weil der Inhaftierte auch bezogen auf andere Zeitpunkte Antrage nach § 57 Abs. 1 und 2 StGB stellen kann. Uber diese entscheidet die Strafvollstreckungskammer im vollstreckungsrechtlichen Verfahren eigenstandig, ohne dass sie auf die im Vollzugsplan festgelegte spatere Entlassung verweisen kann. 769
Keinen Regelungscharakter haben auch bloBe Ermahnungen, Mitteilungen oder Ratschlage, denen keine rechtliche Bedeutung zukommt. Die Mitteilung der Vollzugsbehorde an einen Gefangenen, es liege ein Pfandungs- und Uberweisungsbeschluss vor, greift nicht in dessen Rechte ein; es handelt sich hierbei nur um eine Wissenserklarung.^^ Keine Regelungswirkung nach auBen entfalten auch Entscheidungen im Dienstaufsichtsverfahren'^^, soweit diese keine den Beschwerdeftihrer erstmals belastende Sachentscheidung beinhalten. Die Rechtssphare eines Gefangenen ist femer nicht durch eine Ablehnungsentscheidung iiber die Forderung nach der Abbemfung eines bestimmten VoUzugsbediensteten tangiert.'^^ Von der Rechtsprechung wird einer Entscheidung, welche die Uberstellung eines Inhaftierten in eine andere Anstalt des gleichen Bundeslandes ablehnt, kein Regelungscharakter beigemessen, soweit es die fiir eine Aufnahme vorgesehene Einrichtung als entscheidende Institution betrifft. Hierbei geht es nur um eine Mitwirkungshandlung irmerhalb eines mehrstufigen Verwaltungsaktes.^^ Der Betroffene hat vielmehr gegen die Ablehnungsentscheidung des Leiters derjenigen Institution vorzugehen, in welcher der Verurteilte einsitzt, denn dieser Anstaltsleiter entscheidet mit Regelungswirkung gegeniiber dem Antragsteller.'^^ Auch irinerdienstliche Aktenvermerke, die lediglich der Erfassung oder Registrierung einer bereits getroffenen Entscheidung dienen und keine Rechtswirkung entfalten, besitzen keinen Regelungscharakter i.S.d. § 109 StVollzG. Beispiel: Ein Strafgefangener wird aus dem offenen in den geschlossenen Vollzug zurtickverlegt. Dies begrundet die Anstaltsleitung in ihrem schriftlichen Bescheid mit einem Fehlverhalten des Inhaftierten im Rahmen eines freien Beschaftigungsverhaltnisses, wobei er mittels eines Scheinarbeitsvertrags die Bewilligung von Freigang erlangt hatte. Dieses Verhalten - so die Vollzugsbehorde - zeige die Unzuverlassigkeit des In67 DazuKap. 5.1.5. 68 O L G Frankfurt, NStZ 1995, S. 520; KG, NStZ 1997, S. 207; a.A. Walter/Dorlemann, 1996, S. 358 f 69 O L G Zweibrucken, NStZ 1992, S. 101 f 70 KG, NStZ 1991, S. 382; OLG Hamm, NStZ 1993, S. 425; siehe oben Kap. 8.1.3. 71 O L G H a m m , NStZ 1993, S. 425. 72 O L G H a m m , JR 1997, S. 83. 73 Krit. dazu Bohm, 1997, S. 84 ff
8.2 Gerichtliches Kontrollverfahren, §§ 109 ff. StVollzG
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sassen; er habe aus seinem Strafverfahren nichts gelemt und sein Handeln begrtinde den Verdacht, dass die Inhaftierung ihn nicht von weiteren Straftaten abhalten werde. Den Verlegungsbescheid hat der Gefangene nicht angefochten. Aufgrund des Bescheids vermerkt die Anstalt in den Personalakten: „Ruckverlegung aufgrund des Verdachts der Vorbereitung neuer Straftaten". Auf dem Rechtsweg begehrt der Betroffene die Loschung dieses Aktenvermerks. Da der Vermerk lediglich einen Teil der Begriindung des vom Inhaftierten nicht angefochtenen und damit bestandskraftigen Verlegungsbescheids wiedergibt, dient er nicht der Entfaltung eigener Rechtswirkungen. Das Kammergericht^'^ hat deshalb den Antrag auf Loschung fur unzulassig erachtet. Der Zweck der Eintragung bestehe nur darin, die Riickverlegungsentscheidung und deren Begriindung bei neuerlichen Vollzugsentscheidungen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Nicht der Vermerksinhalt an sich, sondem derjenige der bestandskraftigen Entscheidung konne in Zukunft Beriicksichtigung zum Nachteil des Betroffenen finden. Anders stellt sich dies jedoch bei Aktenvermerken als innerdienstlichen MaBnahmen dar, wenn diese nicht bloB den Inhalt einer Regelung der Vollzugsbehorde wiedergeben, sondem ein weiteres Handeln der Anstaltsleitung nach sich ziehen und deshalb Regelungscharakter besitzen. Dies gilt etwa fur den Vermerk „ohne Arbeit, eigenes Verschulden" mit der Folge einer Absonderung des Betroffenen von den Mitgefangenen oder einer Verkiirzung von Aufschlusszeiten.'^^ Auch der Vermerk „BTMKonsument" in der Gefangenenpersonalakte bertihrt die Rechtsstellung eines Inhaftierten.'^^ Zudem konnen verwaltungsinteme Anordnungen des Anstaltsleiters zum Umgang mit einem der Flucht Verdachtigen MaBnahmen sein, denen unmittelbare Rechtswirkung zukommt, wenn durch sie der Betroffene in eine bestimmte Straftaterkategorie eingeordnet wird und sich dadurch unmittelbare Auswirkungen auf dessen vollzugliche Behandlung ergeben (z.B. eine tagliche besondere Beobachtung)."^^ Stellungnahmen der Vollzugsbehorde, v^elche diese im Rahmen eines rechtlich geregelten Verfahrens gegeniiber anderen Behorden abgibt (z.B. gegeniiber der StrafvoUstreckungskammer vor deren Entscheidung iiber eine Strafrestaussetzung)"^^, fehlt ein selbstandiger Regelungscharakter i.S.d. § 109 StVollzG. (4)
Einzelfall
Die vollzugliche MaBnahme muss nach § 109 Abs. 1 StVollzG zur Regelung einer 770 einzelnen Angelegenheit getroffen worden sein oder getroffen werden sollen. Der Rechtsweg ist damit nur zur Uberpriifung von VoUzugsmaBnahmen mit Regelungswirkung fiir den Einzelfall eroffnet, nicht aber fiir solche allgemeiner Art."^^ Neben Gesetzen und Rechtsverordnungen konnen generelle Regelungen, die lediglich den Charakter von Richtlinien haben und deshalb in den Rechtskreis des Betroffenen noch nicht im Sinne einer Einzelfallentscheidung eingreifen, ebenfalls nicht Gegenstand urmiittelbarer vollstreckungsgerichtlicher Priifung sein.^^ Dies ^4 KG,NStZ1993,S. 304. ^5 OLG Numberg, NStZ 1993, S. 425. ^^ KG,ZfStrVol990, S. 377. 77 KG, StrVert 2002, S. 270. ^« OLG Hamm, NStZ 1997, S. 428. •79 BT-Drs. 7/918, S. 83. 80 OLG Celle, ZfStrVo 1990, S. 307.
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8 Vollzugsverfahrensrecht
betrifft vor allem die Verwaltungsvorschriften und Runderlasse der Landesjustizverwaltungen, allgemeine Verwaltungsanordnungen, die fur eine unbestimmte Vielzahl von Personen erlassenen Hausordnungen gem. § 161 StVollzG, Hausverfiigungen, Allgemeinverfiigungen oder Merkblatter.^^ Insoweit kann nur gegen eine aufgrund der allgemeinen Regelung getroffene, unterlassene oder abgelehnte konkrete MaBnahme gerichtlich vorgegangen werden. einzelne Angelegenheit i.S.d. § 109 Abs. 1 StVollzG Adressaten: Regelungswirkungen:
kein Einzelfall
individuell
abstrakt
konkret
generell
Justiziell angreifbare Einzelfallregelungen i.S.d. § 109 Abs. 1 StVollzG stellen Hausordnungen, Hausverfiigungen bzw. Allgemeinverfiigungen jedoch ausnahmsweise dann dar, wenn sie fiir den einzelnen Inhaftierten unmittelbare Rechtswirkungen entfalten. Beispiel: Die Anstaltsleitung legt in einer Allgemeinverfiigung die Verschlusszeiten der nicht arbeitenden Gefangenen fest. Danach sollen die Haftraume der betreffenden Insassen erst um 11.45 Uhr aufgeschlossen werden. Mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung wendet sich einer der arbeitslosen Inhaftierten gegen diese Regelung. Das LG Hamburg^^ sieht in dieser Verfiigung zutreffend eine Einzelfallregelung. Die Anordnung richtet sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten Personenkreis. Sie greift unmittelbar in die Rechte des Gefangenen ein und entfaltet unmittelbare Rechtswirkung.^^ Denn die Verschlusszeitenregelung wirkt sich fiir den einzelnen arbeitslosen Insassen direkt freiheitsbeschrankend aus. 8.2.1.2 Antragsarten 111 Die im Verfahren nach §§109 ff. StVollzG statthaften Antragsarten sind im Gesetz nicht abschlieBend aufgezahlt.^"* Entsprechend den verwaltungsprozessrechtlichen Regelungen unterscheidet man auch im vollzuglichen Verfahren zwischen: - Anfechtungsantrag, - Verpflichtungsantrag, - Vomahmeantrag, - Unterlassungsantrag, - Feststellungsantrag. 772
Mit dem Anfechtungsantrag begehrt der Antragsteller die Aufhebung einer belastenden MaBnahme (§§ 109 Abs. 1 S. 1, 115 Abs. 2 S. 1 StVollzG). Es hanKG, NStZ 1995, S. 103 f; CalHess/Muller-Dietz, 2005, § 109 Rdn. 14; Litwinski/Bublies, 1989, S. 102. LG Hamburg, NStZ 1992, S. 303. Siehe auch OLG Celle, ZfStrVo 1990, S. 307. AK-KamannA^olckart, 2006, § 109 Rdn. 27.
8.2 Gerichtliches Kontrollverfahren, §§ 109 ff. StVollzG
417
delt sich um einen Gestaltungsantrag zur Abwehr rechtswidriger Eingriffe seitens der Vollzugsbehorde. Beispiel: Anstaltsleiter A spricht gegen den Strafgefangenen G einen Verweis i.S.d. § 103 Abs. 1 Nr. 1 StVollzG aus, well dieser mehrfach seiner Arbeitspflicht nicht umfassend nachgekommen sei. G ist der Auffassung, seine Verpflichtung gemaB § 41 Abs. 1 S. 1 StVollzG immer zureichend erfiillt zu haben. Da der Verweis eine belastende MaBnahme darstellt, kann G sich hiergegen mit einem Anfechtungsantrag zur Wehr setzen mit dem Ziel, dass es zu einer Beseitigung der MaBnahme kommt. Als Annexantrag zum Anfechtungsantrag lasst § 115 Abs. 2 S. 2 StVollzG ei- 773 nen Folgenbeseitigungsantrag zu. Ist die vom Betroffenen angefochtene MaBnahme bereits voUzogen, so kann das Gericht auf dessen Antrag bin aussprechen, dass und wie die Vollzugsbehorde diese VoUziehung riickgangig zu machen hat. Die Riickgangigmachung muss der Vollzugsbehorde allerdings rechtlich und tatsachlich moglich sein. Erforderlich ist zudem die Spruchreife; es diirfen keine weiteren Ermittlungen und Beweisaufnahmen mehr erforderlich werden.^^ Ziel des Antragstellers ist die Wiederherstellung des urspriinglichen Zustandes. Beispiel: Dem Strafgefangenen S wurde vorgeworfen, gegen eine vollzugliche Pflicht verstoBen zu haben. Zugleich mit der Einleitung eines Disziplinarverfahrens verfiigt der Anstaltsleiter die Verlegung des S aus dem offenen in den geschlossenen Vollzug. S schreitet sowohl gegen die Verhangung der DisziplinarmaBnahme als auch gegen die Verlegung mit einem Anfechtungsantrag den Rechtsweg. Die Strafvollstreckungskammer vermag keinen schuldhaften PflichtenverstoB festzustellen. Auf Antrag des S kann das Gericht zugleich mit der Aufhebung der Verlegungsentscheidung die Rtickverlegung in den offenen Vollzug anordnen. Der Verpflichtungsantrag (§ 109 Abs. 1 S. 2 StVollzG) als spezialisierter 774 Leistungsantrag richtet sich gegen die eine beantragte MaBnahme ablehnende Entscheidung und verfolgt zudem das Ziel, die Anstaltsleitung zum Erlass der abgelehnten MaBnahme zu zwingen (§115 Abs. 4 S. 1 StVollzG) oder wenigstens zu einer Neubescheidung unter Beriicksichtigung der Rechtsansicht des Gerichts zu veranlassen (Neubescheidungsantrag, § 115 Abs. 4 S. 2 StVollzG). Beispiel: Strafgefangener G beantragt die Gewahrung eines Hafturlaubs gemaB § 13 StVollzG von drei Tagen Dauer. Anstaltsleiter A lehnt den Antrag des G ab, weil dieser erst einige Ausgange erfolgreich absolvieren musse. G vermag fur die Vorschaltung von erfolgreichen Ausgangen vor die Gewahrung eines Hafturlaubs keinerlei Rechtsgrundlage zu erkennen. Will er die Entscheidung von A gerichtlich angreifen, so kommt ein Verpflichtungsantrag in Betracht. Hat die Vollzugsbehorde eine MaBnahme unterlassen, kann der Antragsteller 775 sich mittels eines Vornahmeantrags (§§ 109 Abs. 1 S. 2, 113 StVollzG) als Unterfall des allgemeinen Leistungsantrags gegen die Untatigkeit der Anstalt v^enden - entweder mit dem Ziel des Erlasses der MaBnahme durch die Leitung oder der Bescheidung (Genehmigung oder Ablehnung) seines urspriinglichen Begehrens (§ 115 Abs. 4 StVollzG). Schwind/Bohm/Jehle/Schuler, 2005, § 115 Rdn. 16.
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8 Vollzugsverfahrensrecht Beispiel: Strafgefangener G schreibt an den Anstaltsleiter, dass er den in der Hausordnung festgesetzten Hofgang von taglich einer Stunde nicht fiir ausreichend erachtet. G beantragt deshalb, ihm die Moglichkeit eines zusatzlichen Aufenthalts im Freien von taglich einer Stunde zu gestatten. Der Anstaltsleiter A lasst das Schreiben des G unbeantwortet. Gegen dieses Unterlassen einer Entscheidung uber das Begehren des G durch A kann G mittels eines Vomahmeantrags vorgehen.
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Will ein Inhaftierter die Leitung der Justizvollzugsanstalt auf dem Rechtsweg zum Erlass einer von ihr abgelehnten oder unterlassenen MaBnahme verpflichten, so kann die Strafvollstreckungskammer verlangen, dass der Gefangene zuvor sein Anliegen der Einrichtung in geeigneter Weise vorgetragen hat. Ein Bedtirfiiis nach gerichtlichem Rechtsschutz besteht erst, v^enn die MaBnahme vergeblich von der Anstalt erbeten wurde. Hat der Inhaftierte jedoch ausdriicklich um eine gerichtlich anfechtbare Bescheidung seines Antrags auf eine ihn begiinstigende MaBnahme ersucht, dann darf sein Antrag vom Gericht nicht mit der Begriindung als unzulassig angesehen v^erden, es fehle an der erforderlichen Ablehnung durch die Anstaltsleitung, v^enn das Gesuch nicht von dieser, sondem von einem dazu unbefugten nachgeordneten Bediensteten abschlagig beschieden wurde. Das Begehren ist vielmehr zumindest als Vomahmeantrag zu wtirdigen und sachlich zu bescheiden.^^ Beispiel: G beantragte, ihm Erwerb und Besitz eines Walkmans zu genehmigen, den er von seinem Eigengeldguthaben zahlen wollte. Nachdem ihm von Beamten der Justizvollzugsanstalt widerspruchliche Ausktinfte erteilt worden waren, bat G um eine verbindliche, gegebenenfalls klagefahige Entscheidung. Daraufhin teilte ihm der fiir ihn zustandige nachgeordnete VoUzugsbeamte mit, der Kauf des Gerates werde nur zu Lasten seines Einkaufsguthabens genehmigt; damit habe es sein Bewenden. G beantragte nunmehr bei der Strafvollstreckungskammer, die Anstalt zu verpflichten, ihm den Kauf des Gerates von seinem Eigengeldguthaben zu gestatten. Das Gericht verwarf den Verpflichtungsantrag als unzulassig. G habe nicht zunachst eine Entscheidung hierfur zustandiger Personen (Anstaltsleiter oder Abteilungsleiter) herbeigefuhrt. Damit fehle ihm das Rechtsschutzbedtirfnis fur eine Anrufung des Gerichts. Das Bundesverfassungsgericht^^ hat klargestellt, dass der durch die Verfahrensordnung bestimmte Zugang zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, aus Sachgriinden nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden darf Dies ware dann der Fall, wenn das Gericht einem Antragsteller aufgibt, sein Begehren zunachst dem fur ihn zustandigen nachgeordneten Vollzugsbeamten vorzutragen und erst, wenn dieser das Anliegen ablehnend verbeschieden hat, eine formliche EntschlieBung der Anstaltsleitung zu erbitten. DemgemaB wird der Gefangene einem zustandigen Vollzugsbeamten auch einen Antrag (ibergeben diirfen, mit dem er die EntschlieBung der Anstaltsleitung erbittet, falls nicht seinem Begehren unmittelbar entsprochen wird. Erfolgt eine abschlagige Entscheidung durch den Vollzugsbeamten und leitet dieser das Gesuch nicht an die Anstaltsleitung weiter, sind aufgrund fehlender Entscheidung der Anstaltsleitung, an die das Gesuch gerichtet war, die Voraussetzungen eines Vomahmeantrags i.S.d. § 113 StVollzG zu priifen.
86 87
BVerfG, NStZ-RR 1999, S. 28. BVerfG, NStZ-RR 1999, S. 28 f
8.2 Gerichtliches Kontrollverfahren, §§ 109 ff. StVollzG
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Ein vorbeugender Unterlassungsantrag als eine Variante des allgemeinen 777 Leistungsantrags richtet sich - mit dem Ziel einer Unterbindung - gegen angedrohte vollzugsbehordliche MaBnahmen sowie gegen ein sonstiges rechtswidriges Vorgehen der Anstalt, wenn eine Wiederholungsgefahr dargelegt wird. Er kommt zudem in Betracht, wenn die Gefahr besteht, dass sonst vollendete Tatsachen geschaffen wiirden, deren Riickgangigmachung unmoglich bleibt bzw. wenn ein nicht wieder gutzumachender Schaden entstiinde.^^ Beispiel: Der Vollzugsbedienstete V spricht samtliche Inhaftierte der Anstalt mit „du" an. Strafgefangener G verbittet sich im Gesprach mit V diese Anrede. Als G sich nach § 108 Abs. 1 StVollzG mit seinem Anliegen an den Anstaltsleiter wendet, weigert sich dieser, den V auf eine Anderung seines Verhaltens hinzuweisen. Da V auch weiterhin den G mit „du" anredet, kann G hiergegen wegen der Wiederholungsgefahr mittels eines vorbeugenden Unterlassungsantrags vorgehen. Gegeniiber den anderen Antragsarten subsidiar ist der Feststellungsantrag. Hat 778 sich eine angeordnete oder beantragte MaBnahme schon vor Anbringung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung erledigt, kann ein Betroffener mit dem allgemeinen Feststellungsantrag die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des behordlichen Handelns oder Unterlassens begehren, wenn er ein berechtigtes Interesse an einer solchen Feststellung geltend macht. Der Betroffene kann keinen Fortsetzungsfeststellungsantrag gem. § 115 Abs. 3 StVollzG stellen, werm sich die Hauptsache erst nach Einlegung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung erledigte. Eine Erledigung liegt vor, sobald die sich aus der beantragten, abgelehnten oder unterlassenen MaBnahme ergebende Beschwer weggefallen ist. Beide Antragsarten verlangen anerkennenswerte schutzwiirdige Interessen. Als solche kommen insbesondere in Betracht:^^ - Andauem der diskriminierenden Folgen einer MaBnahme iiber deren Erledigung hinaus^°, was insbesondere auch bei tief greifenden Grundrechtseingriffen der Fall sein kaim^^; - eine sich konkret abzeichnende Wiederholungsgefahr; - Rehabilitierungsinteresse des Antragstellers; - Vorbereitung von Amtshaftungs-, Schadensersatz- bzw. Folgenbeseitigungsanspriichen. Beispiel: Weil seine Ehefrau sich einer Operation unterziehen muss, beantragt Strafgefangener G fur die Zeit vom 2.11. bis 7.11. Hafturlaub i.S.d. § 13 StVollzG. Er begriindet dies mit der Notwendigkeit seiner Anwesenheit zur Betreuung seiner Kinder. LFber den Antrag des G entscheidet der Anstaltsleiter erst am 12.11. und er genehmigt einen Hafturlaub vom 17.11. bis zum 21.11.
^^ Schwind/Bohm/Jehle/Schuler, 2005, § 109 Rdn. 25; siehe auch OLG Jena, NStZ-RR 2003, S. 189 f ^9 Calliess/Mtiller-Dietz, 2005, § 115 Rdn. 13; Schwind/B6hm/Jehle//Schuler, 2005, § 115 Rdn. 17. 90 Dazu BVerfG, ZfStrVo 2002, S. 176. 91 BVerfG, NStZ-RR 2004, S. 59.
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8 Vollzugsverfahrensrecht
G kam es bei seiner Antragstellung nicht darauf an, tiberhaupt Hafturlaub zu erhalten, sondem er wollte Hafturlaub fur einen ganz bestimmten Zeitraum. Da der von ihm begehrte Zeitraum bereits tiberschritten war, kam es zur Erledigung seines Antrags. Hat sich der Anstaltsleiter dem G gegeniiber geauBert, dass er sich auch in Zukunft bei ahnlichen Antragen nicht unter Zeitdruck setzen lassen werde, so kann G den Rechtsweg gem. §§109 ff StVollzG mittels eines Feststellungsantrags beschreiten. Hatte S dagegen bereits vor Erledigung einen Vomahmeantrag gestellt, darf er zu einem Fortsetzungsfeststellungsantrag gem. § 115 Abs. 3 StVollzG tibergehen. IJber den in § 115 Abs. 3 StVollzG benannten Bereich hinaus ist ein Feststellungsantrag zudem in all denjenigen Fallen moglich, in denen ein Interesse an einer gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit einer MaBnahme oder deren Unterlassen besteht, welches mit einem Anfechtungsantrag oder einem Leistungsantrag nicht mehr durchsetzbar ist, und wenn wegen der Schwere der Rechtsverletzung ein solches Interesse nicht verneint werden kaim.^^ 8.2.1.3 Antragsbefugnis 779 Nach § 109 Abs. 2 StVollzG ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zulassig, wenn der Antragsteller in der Begrundung seines Antrags^^ geltend macht, durch eine MaBnahme, deren Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Es muss zugunsten des Antragstellers selbst ein subjektives Recht oder ein Recht auf fehlerfreie Ermessensausiibung bestehen und dieser die Moglichkeit einer Verletzung in seinem Recht durch die strittige MaBnahme geltend machen. Es sind von ihm Tatsachen vorzutragen, welche die Annahme einer solchen Rechtsbeeintrachtigung als nicht vollig abwegig erscheinen lassen. Allerdings diirfen die Anforderungen an den Vortrag des Antragstellers insoweit nicht iiberspannt werden: Dieser muss nur ausreichend konkretisieren, gegen welche EinzelmaBnahme er sich wendet und inwiefem er sich in seinen Rechten verletzt fuhlt.9^ 780 Unzulassig ist wegen des Erfordemisses der Verletzung eigener Reehte gem. § 109 Abs. 2 StVollzG ein Antrag - fiirDritte, - zugunsten aller Inhaftierten, - mit der Geltendmachung einer Verletzung nur des objektiven Rechts. 781
Dies schlieBt jedoch nicht aus, dass auch auOerhalb des StrafvoUzugsverhaltnisses stehende Dritte von MaBnahmen der Vollzugsbehorde, ihrer Ablehnung oder Unterlassung uimiittelbar in ihren Rechten betroffen sein koimen.^^ Wegen einer moglichen Verletzung ihres Rechts auf freie Entfaltung der PersonOLG Hamm, NStZ 1983, S. 240. Gegen eine Begriindungspflicht: Miiller, 1993, S. 211 ff OLG Zweibrucken, NStZ 1992, S. 512. OLG Zweibrucken, NStZ 1993, S. 407 f; OLG Dresden, ZfStrVo 2000, S. 124; Arloth/Luckemann, 2004, § 109 Rdn. 12; Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 109 Rdn. 15; Schwind/Bohm/Jehle/Schuler, 2005, § 109 Rdn. 26.
8.2 Gerichtliches Kontrollverfahren, §§ 109 ff. StVollzG
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lichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG kommt eine AntragsbefUgnis gem. § 109 Abs. 2 StVollzG in Betracht fur AuBenstehende, denen eine personliche Kontaktaufhahme zu einem Inhaftierten dnrch Besuchsverbote oder Behinderungen in der Korrespondenz untersagt oder erschwert wird.^^ Beispiel: Strafgefangener G hat wiederholt Mitinhaftierte massiv unter Druck gesetzt, um so in den Besitz von Werkzeugen zu gelangen, mit denen er Entweichungsversuche durchfiihren wollte. Anstaltsleiter A befiirchtet, G konne auch seine Ehefrau E notigen, ihm bei Besuchen unerlaubte Gegenstande zu iibergeben. A genehmigt daher Besuche der E nur unter der Bedingung, dass diese in einem Besuchsraum mit Trennscheibe stattfinden, damit jegliche Obergabemoglichkeit ausgeschlossen bleibt. Gegen die Anordnung des A zur Verwendung einer Trennscheibe bei ihren Besuchen kann auch E mit einem Antrag gem. §§ 109 ff. StVollzG gerichtlich vorgehen, wenn sie insoweit gem. § 109 Abs. 2 StVollzG die Moglichkeit einer Verletzung eigener Rechte darlegen kann. Dies ist moglich, denn die Anordnung des Trennscheibeneinsatzes stellt einen Eingriff in die grundrechtlich gewahrleistete Freiheit der Entfaltung der Personlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG dar^'^, dessen Verletzung E ebenso geltend machen kann wie eine solche des Art. 6 Abs. 1 GG. Auch bei einem Besuchsverbot konnen sowohl der betroffene Gefangene als auch die Besuchsperson in ihren Rechten tangiert sein und getrennt gegen die Ablehnung eines Besuchsantrags vorgehen.^^ Wird einem Insassen ein Gegenstand zugesandt und ausgehandigt, betrifft eine spatere Wegnahme der Sache allerdings nicht mehr die Rechtsstellung des Absenders. Beispiel: Einem Gefangenen wird die Broschiire „Positiv, was nun?" zugeschickt und ihr Besitz von der Anstaltsleitung genehmigt. Diese widerruft einige Zeit spater die erteilte Genehmigung, weil der Inhalt der Schrift einer Vollzugszielerreichung entgegenstehe und die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefahrde. Die Broschiire wird daraufhin aus dem Haftraum des Insassen herausgenommen. Der von dem Vorgang unterrichtete Absender beantragt eine gerichtliche Entscheidung und macht eine Verletzung seiner Grundrechte geltend. Dem Recht des Absenders zur Kontaktaufnahme aus Art. 2 GG wurde von der Vollzugsbehorde mit der Aushandigung der Schrift Gentige getan. Das OLG Zweibrucken^^ hat deshalb festgestellt, dass der Genehmigungswiderruf nach § 70 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 StVollzG nur noch die Rechtsbeziehungen zwischen Insassen und Anstaltsleitung betrifft und deshalb eine Antragsbefugnis der auBenstehenden Person vemeint. Eine Verletzung eigener Rechte gem. § 109 Abs. 2 StVollzG kann auch der Verteidiger eines Inhaftierten geltend machen (z.B. bei Einschrankungen im Rahmen der Aushandigung von Verteidigerpost an einen von ihm vertretenen Gefangenen). ^^^ Neben den einzelnen Insassen und den unmittelbar durch voUzugliche MaB- 782 nahmen in ihren Rechten betroffenen auBenstehenden nattirlichen Personen 96 O L G Zweibriicken, N S t Z 1993, S. 407 f; Kaiser/Schoch, 2002, S. 375.
97 BVerfG, ZfStrVo 1994, S. 305. 98 Dazu OLG Numberg, ZfStrVo 1988, S. 187 ff 99 O L G Zweibrucken, N S t Z 1993, S. 4 0 8 . 100 O L G Frankfurt, ZfStrVo 1987, S. 113 f; O L G Dresden, ZfStrVo 2000, S. 124.
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8 Vollzugsverfahrensrecht
kommt eine Antragsbefugnis auch fiir bestimmte Personenmehrheiten in Betracht, wenn sie durch das behordliche Handeln oder Unterlassen in ihren eigenen Angelegenheiten^^^ betroffen sind. Antragsbefugt konnen sein: - Der Anstaltsbeirat i.S.d. §§162 ff. StVoUzG (und seine einzelnen Mitglieder) hinsichtlich der gesetzlichen Rechte aus dem StVollzG, nicht aber AuBenstehende wegen Nichtberiicksichtigung bei der Bestellung zum Beirat^^^; - Vereinigungen (und Privatpersonen) als ehrenamtliche VoUzugshelfer gem. § 154 Abs. 2 StVollzG bei Verweigerung der Zulassung, Beschrankungen der intramuralen Betatigung oder Zulassungswiderruf ^^; - Gefangenenvereine^^"^ (aber nicht beziiglich der Durchsetzung von Rechten einzelner Mitglieder); - eine eingerichtete Gefangenenmitverantwortung nach § 160 StVollzG, soweit sie eigene Rechtspositionen geltend macht.^^^ Keine Antragsbefugnis kommt jedoch einer Wohngruppe zu. Diese stellt im Gegensatz zu anderen Personenmehrheiten - wie dem Anstaltsbeirat oder der Insassenmitverantwortung - keine Rechtspersonlichkeit dar und ist damit nicht Tragerin von Rechten bzw. Pflichten.^^^ 8.2,1.4 Vorverfahren 783 GemaB § 109 Abs. 3 StVollzG kann der Antrag auf gerichtliche Entscheidung erst nach vorangegangener Durchfiihrung eines Verwaltungsvorverfahrens zulassig gestellt werden, wenn das Landesrecht ein solches vorsieht. Das vorherige Widerspruchserfordernis gilt jedoch nur vor Stellung eines Anfechtungs- oder eines Verpflichtungsantrags. Fiir ein solches Widerspruchsverfahren wird angeflihrt, „dass eine zunachst durchgeftihrte Uberprtifung der angefochtenen Mafinahme durch die vorgesetzte Vollzugsbehorde zu einer sachgemaBeren und konstruktiveren Losung fiihren kann als bei einer unmittelbaren Uberpriifung durch das in den Moglichkeiten seiner Entscheidung eingeschrankte Gericht."^°'^Die Aufsichtsbehorde kann nicht nur eine RechtmaBigkeitspriifung, sondem auch eine inhaltliche ZweckmaBigkeitskontrolle durchftihren. Gegen die Notwendigkeit einer Durchfuhrung von behordlichen Vorschaltverfahren spricht auf dem Gebiet des StrafvoUzugs aber vor allem eine hierdurch be-
10^ 102 103 104 105
OLG Hamm, NStZ 1993, S. 513. OLG Stuttgart, ZfStrVo 1987, S. 126 ff TheiBen, 1990,S.37. KG,NStZ1982,S.222. OLG Hamburg, ZfStrVo 2002, S. 181; AK-Kamann/Volckart, 2006, § 109 Rdn. 5; Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 109 Rdn. 15; Kaiser/Schoch, 2002, S. 375; a.A. Arloth/ Luckemann, 2004, § 109 Rdn. 12; Schwind/Bohm/Jehle/Schuler, 2005, § 109 Rdn. 27. 106 OLG Hamm, NStZ 1993, S. 512; LG Amsberg, NStZ 1992, S. 378. 107 BT-Drs. 7/918, S. 84.
8.2 Gerichtliches Kontrollverfahren, §§ 109 ff. StVollzG
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dingte Verzogerungsgefahr hinsichtlich des gerichtlichen Rechtsschutzes, was gerade bei Kurzstrafigen von Relevanz sein kann.^°^ Von der durch § 109 Abs. 3 StVollzG eingeraumten Ermachtigung hat daher auf landesrechtlicher Ebene nur ein Teil der Bundeslander Gebrauch gemacht. Kein Vorverfahren in:
Von § 109 Abs. 3 StVollzG Gebrauch
Baden-Wurttemberg Bayem Berlin Brandenburg Hessen Mecklenburg-Vorpommem Niedersachsen Rheinland-Pfalz Saarland Sachsen Sachsen-Anhalt Thiiringen
Bremen (§ 26 Abs. 1 AGGVG) Hamburg (§ 6 AGVwGO) Nordrhein-Westfalen (§ 1 Vorschaltverfahrengesetz) Schleswig-Holstein (§ 5 Vollzugsbeschwerdegesetz)
Sieht das Landesrecht ein Vorverfahren vor, beginnt dieses mit der Einlegung 784 des Widerspruchs, iiber den die nachsthohere Behorde (= Widerspruchsbehorde) entscheidet. Das fiir den Rechtsweg nach § § 1 0 9 ff. StVollzG notwendige Zulassigkeitserfordemis des Widerspruchsverfahrens ist erst dann erfullt, wenn die Aufsichtsbehorde den Widerspruchsbescheid erlassen hat. Versaumt der Widerspruchsfiihrer die Einhaltung einer landesrechtlich festgelegten Widerspruchsfrist, weist die Widerspruchsbehorde den Widerspruch grundsatzlich als unzulassig ab. Die Widerspruchsbehorde befasst sich dann nicht mehr mit der Frage der RechtmaBigkeit und ZweckmaBigkeit der angegriffenen vollzuglichen MaBnahme. In einem solchen Fall ist das Widerspruchsverfahren nicht i.S.d. § 109 Abs. 3 StVollzG durchgefahrt worden, so dass auch ein dem Widerspruch entsprechender Antrag auf gerichtliche Entscheidung unzulassig bleibt.^^^ Allerdings stellt es fiir die Zulassigkeit eines Anfechtungs- oder Verpflichtungsantrags keine Voraussetzung dar, dass der Antragsteller die Einhaltung des Vorschaltverfahrens selbst vortragt. Dies hat das Gericht von Amts wegen zu ermitteln.^^^
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Krit. auch Rotthaus K., 1985, S. 337; siehe femer Kaiser/Schoch, 2002, S. 376; Zwiehoff, 1986,S.44ff Zur Entbehrlichkeit des Widerspruchsverfahrens im Ausnahmefall trotz landesrechtlicher Regelung siehe OLG Hamburg, NStZ-RR 2000, S. 94. OLG Hamm, NStZ 1994, S. 381.
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8 Vollzugsverfahrensrecht
8.2.1.5 Gerichtliche Zustandigkeit 785 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist an die Strafvollstreckungskammer beim Landgericht zu richten. Deren sachliche Zustandigkeit als erstinstanzHcher Spruchkorper fiir Verfahren nach § 109 StVoUzG folgt aus § 78a GYG. StrafvoUstreckungskammem werden in jedem Landgerichtsbezirk gebildet, in dem eine Anstalt zum Vollzug von Freiheitsstrafen oder von freiheitsentziehenden MaBregeln der Besserung und Sicherung besteht oder andere VoUzugsbehorden ihren Sitz haben. 786 Hinsichtlich der ortlichen Zustandigkeit kam es dem Gesetzgeber auf eine raumliche Nahe des Gerichts zum Vollzug an; dieses soil die Verhaltnisse in der jeweiligen Anstalt kennen und sich einen unmittelbaren Eindruck von einem Inhaftierten verschaffen konnen.^^^ Fiir den Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist deshalb nach § 110 S. 1 StVoUzG diejenige Strafv^ollstreckungskammer zustandig, in deren Bezirk die beteiligte Vollzugsbehorde^^^ ihren Sitz hat. Sieht das Landesrecht ein Widerspruchsverfahren i.S.d. § 109 Abs. 3 StVollzG vor, so stellt § 110 S. 2 StVollzG klar, dass sich deswegen die ortliche Zustandigkeit der Strafvollstreckungskammer nicht andert. Hat also die im Vorverfahren iiber den eingelegten Widerspruch entscheidende Aufsichtsbehorde ihren Sitz in einem anderen Landgerichtsbezirk als die Strafvollzugsanstalt, deren MaBnahme strittig ist, dann verbleibt es bei der ortlichen Zustandigkeit des Spruchkorpers desjenigen Landgerichts, in dessen Bezirk die Anstalt liegt. 787
Wird ein Inhaftierter wahrend eines vollstreckungsgerichtlichen Verfahrens i.S.d. §§ 109 ff StVollzG in eine andere JustizvoUzugsanstalt verlegt^^^, ist hinsichtlich der ortlichen Zustandigkeit bei Anstaltswechsel zu beachten: Handelt es sich nur um eine vor iiber gehende Verlegung (z.B. im Wege einer Uberstellung gem. § 8 Abs. 2 StVollzG), bleibt es bei der Zustandigkeit der urspriinglichen Strafvollstreckungskammer, es sei denn, der Inhaftierte wendet sich gegen eine MaBnahme, die die Leitung derjenigen Anstalt gegen ihn angeordnet hat, in der er sich voriibergehend befindet.^^"^ 788 Stellt der Anstaltswechsel dagegen eine nicht voriibergehende Verlegung dar, bleibt es grundsatzlich ebenfalls bei der ortlichen Zustandigkeit der Strafvollstreckungskammer. Es gibt keinen automatischen Zustandigkeitswechsel. Die auf Dauer angelegte Strafortanderung kann jedoch zu einem Wechsel der Antragsgegnerin als Beteiligte i.S.d. § 111 Abs. 1 Nr. 2 StVollzG fiihren. In einem solchen Fall hat das Gericht die Sache an diejenige Strafvollstreckungskammer zu verweisen, in deren Bezirk die aufnehmende Anstalt ihren Sitz hat. Aber auch eine solche Verweisung erfolgt nicht automatisch, sondem nur auf einen entsprechenden Verweisungsantrag hin.'*^ Ob es bei einer nicht nur voriibergehenden Verlegung
^^» BT-Drs. 7/918, S. 84. ^^2 DazuuntenKap. 8.2.1.7. ^^^ Zur Verlegung oben Kap. 5.2.2. 114 Schwind/Bohm/Jehle/Schuler, 2005, § 110 Rdn. 6. 115 BGHSt. 36, S. 36; BOH, NStZ 1990, S. 205; BOH, NStZ 1999, S. 158; Calliess/MiillerDietz, 2005, § 110 Rdn. 104; Schwind/Bohm/Jehle/Schuler, 2005, § 110 Rdn. 6.
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zu einem Wechsel der Antragsgegnerin kommt, richtet sich nach dem jeweiligen Antragsbegehren: - Wird der Inhaftierte wahrend eines Verfahrens verlegt, das einen Verpflich- 789 tungs- Oder Vornahmeantrag zum Gegenstand hat und verfolgt er sein urspriingliches Begehren weiter, wird beteiligte Vollzugsbehorde die aufnehmende Vollzugsanstalt.^^^ Beispiel: G war zunachst Strafgefangener in der Justizvollzugsanstalt Straubing. Einen von ihm dort an die Anstaltsleitung gestellten Antrag auf Aushandigung eines „OrionKalender - Extrascharf hatte diese abgelehnt. Gegen den Bescheid ging G mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vor und begehrte bei der fiir Straubing zustandigen Strafvollstreckungskammer weiterhin die Aushandigung des Kalenders. Danach erfolgte die Verlegung des G in die Justizvollzugsanstah Bayreuth. Das Landgericht Bayreuth lehnte die Ubemahme des Verfahrens ab und legte die Sache dem BGH zur Bestimmung des zustandigen Gerichts vor. Der BGH steHte fest, dass es G nicht nur um die Feststellung der angebhchen Rechtswidrigkeit der Nichtaushandigung des Kalenders ging, sondem um dessen Herausgabe aus der Habe. Adressat eines derartigen Begehrens kann allein diejenige Haftanstalt sein, in welcher der Gefangene gerade einsitzt. Wird ein Antragsteller, „nachdem er das gerichtliche Verfahren anhangig gemacht hat, in eine andere Anstalt verlegt, dann ist er, wenn der Betroffene mit seinem Begehren anstrebt, dass die Anstalt zu einer bestimmten (kiinftigen) MaBnahme verpflichtet wird, es also nicht allein um eine (oder die) in der Vergangenheit erfolgte Anordnung geht, auf seinen Antrag bin an die Strafvollstreckungskammer zu verweisen, in der diese Anstalt liegt."^^"^ Geht es dem Gefangenen mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung um 790 eine Feststellung (z.B. der Rechtswidrigkeit einer von der Leitung der abgebenden Anstalt angeordneten und erledigten MaBnahme), ist das Verfahren gegen diejenige Justizvollzugsanstalt weiterzuflihren, welche die Entscheidung getroffen hat. Bei Anfechtungsantragen muss zwischen DauermaBnahmen und Zustands- 791 maBnahmen differenziert werden^^^, wobei Antragsgegnerin diejenige Justizvollzugsanstalt ist, die iiber den Streitgegenstand verfiigen und die belastende MaBnahme gegebenenfalls auflieben kann. Setzt sich die mogliche Rechtsbeeintrachtigung noch in der aufnehmenden Anstalt fort und wird sie dort voUzogen (z.B. bei der andauemden MaBnahme des Anhaltens eines Schreibens oder der Anordnung, Besuche optisch und akustisch zu iiberwachen), muss es im Sinne eines moglichst effektiven Rechtsschutzes zu einem Wechsel der Antragsgegnerin kommen^^^, weil anderenfalls ein Erfolg des Anfechtungsantrags keine die aufnehmende Anstalt verpflichtende Wirkung hatte. ^^^ Wendet sich der Inhaftierte jedoch gegen eine von der urspriinglichen Anstaltsleitung ange1^6 ^^^ 1^^ ^^9
BGHSt. 36, S. 35. BGH, NStZ 1999, S. 158. Siehe auch AK-Kamann/Volckart, 2006, § 111 Rdn. 2. OLG Celle, Nds.-Rpfl 2002, S. 86 ; siehe auch OLG Saarbrucken, ZfStrVo 2004, S. 121. ^20 OLG Stuttgart, NStZ 1989, S. 496.
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ordnete ZustandsmaBnahme (wie z.B. die Verlegung in eine andere Einrichtung), deren Regelung mit der zustandsverandemden faktischen Verlegung abgeschlossen ist, verbleibt es trotz Durchfuhrung der MaBnahme bei der abgebenden Anstalt als beteiligte Vollzugsbehorde i.S.d. § 111 Abs. 1 Nr. 2 StVollzG.^2^ Damit kommt es zu keiner Anderung in der ortlichen Zustandigkeit der Strafvollstreckungskammer. 8.2.1.6 Antragsform und-frist 792 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung muss nach § 112 Abs. 1 S. 1 StVollzG schriftlich oder zur Niederschrift der Geschaftsstelle des Landgerichts bzw. der Rechtsantragsstelle eines nach § 299 StPO zustandigen Amtsgerichts gestellt werden. Da im Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer kein Anwaltszwang besteht, braucht der Antrag weder von einem solchen verfasst noch unterzeichnet zu sein. Das Strafvollzugsgesetz und die StraQ)rozessordnung, auf die § 120 Abs. 1 StVollzG verweist, kennen grundsatzlich keine Vorschrift, die fiir die Abgabe von Willenserklarungen die Vertretung eines Inhaftierten im Willen und in der Erklarung ausschlieBt. Daher konnen auch Bevollmachtigte, die nicht Rechtsanwalte sind, fur einen Gefangenen Antrage stellen.^^^ Ein solcher Verfahrensbevollmachtigter ist jedoch zuriickzuweisen, wenn er (z.B. als Mitarbeiter eines Gefangenenhilfsvereins) geschaftsmaBig mehrere Verurteilte vertritt und damit gegen Art. 1 § 1 RBerG verstoBt. 793 Damit dem Schriftformerfordemis geniigt wird, miissen aus dem bei Gericht eingehenden Schriftsatz dessen Urheber, seine Anschrift und der Antrag hinreichend erkennbar sein; nicht notwendig ist dagegen eine Unterschrift.^^^ § 112 Abs. 1 S. 1 StVollzG verlangt, dass der Gefangene zumindest den Verfahrensgegenstand bestimmt, also deutlich macht, gegen welche MaBnahme sich der Antrag richtet. Das Erfordemis einer den Anforderungen des § 109 Abs. 2 StVollzG geniigenden Begriindung innerhalb der Frist ist dem Wortlaut des § 112 Abs. 1 S. 1 StVollzG nicht zwingend zu entnehmen. Diese Angaben konnen in einer angemessenen Zeit auch noch nach Fristablauf gemacht werden.^^"^ 794 Die Antragsfrist betragt bei einem Anfechtungs- und bei einem Verpflichtungsantrag gem. § 112 Abs. 1 StVollzG zwei Wochen. Diese Vorschrift gilt nicht fiir den Unterlassungs- bzw. Feststellungsantrag; eine besondere Regelung enthalt § 113 StVollzG fur den Vomahmeantrag. Die Zwei-Wochen-Frist des § 112 Abs. 1 StVollzG beginnt mit der Zustellung oder der schriftlichen Bekanntgabe der vollzuglichen MaBnahme bzw. ihrer Ablehnung. Eine schriftliche Bekanntgabe ist nicht vollstandig, wenn das Schriftstiick keine Unterschrift oder Namenswiedergabe enthalt. Denn das Erfordemis der Unterzeichnung soil ins^21 CalHess/Muller-Dietz, 2005, § 110 Rdn. 4. ^^^ OLG Niimberg, NStZ 1997, S. 360; zur Antragstellung durch einen Mitgefangenen siehe BVerfG, NStZ 1998, S. 103. 123 Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 112 Rdn. 2. 124 KG, NStZ-RR 1997, S. 154.
8.2 Gerichtliches Kontrollverfahren, §§ 109 ff. StVollzG
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besondere im Interesse der Rechtssicherheit prinzipiell gewahrleisten, dass bloBe Entwurfe Oder sonstige unfertige Schreiben als offizielle Entscheidung ergehen. Deshalb setzt eine unvollstandige und damit fehlerhafte Bekanntgabe die Rechtsbehelfsfrist nicht in Lauf, es sei denn, aus den Gesamtumstanden geht zweifelsfrei hervor, dass es sich nicht lediglich um einen Entwurf handelt.^^^ Beginnt die Zwei-Wochen-Frist mit dem Zugang der schriftlichen Bekanntgabe zu laufen, so ist fiir die Bestimmung des Zugangszeitpunkts § 130 BGB entsprechend heranzuziehen.^^^ Verweigert der Inhaftierte unberechtigt und grundlos die Annahme des Schriftstiicks, wird der Zugang fingiert, d.h. es gilt ihm in dem Zeitpunkt als zugegangen, in dem ihm die konkrete Ubergabe angeboten wurde.^^"^ Die Zugangsfiktion des § 41 VwVfG ist auf die Berechnung der Frist des § 112 Abs. 1 S. 1 StVollzG nicht anwendbar. 128 Aufgrund des eindeutigen Wortlauts von § 112 Abs. 1 S. 1 StVollzG wird die Frist durch eine nur miindliche Bekanntgabe oder den miindlichen Erlass einer MaBnahme nicht in Gang gesetzt.^^^ Sieht das Landesrecht ein Widerspruchsverfahren vor, beginnt der Lauf der Frist erst mit Zustellung oder schriftlicher Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids. Die Zwei-Wochen-Frist berechnet sich nach § 120 Abs. 1 StVollzG i.V.m. § 43 StPO. Sie wird gewahrt durch den rechtzeitigen Eingang des Antrags bei der zustandigen StrafvoUstreckungskammer i.S.d. § 110 StVollzG oder bei einem nach §299 StPO zustandigen Amtsgericht.130 Beginnt bei einer fehlenden schriftlichen Bekanntgabe der vollzugsbehordlichen Entscheidung die Zwei-Wochen-Frist des § 112 Abs. 1 StVollzG nicht zu laufen, so bedeutet dies nicht, dass der Betroffene zeitlich unbegrenzt (gegebenenfalls noch nach Jahren) den Rechtsweg gem. §§109 ff StVollzG beschreiten kann. Dies bleibt nur - obwohl das Gesetz nicht explizit eine Frist vorsieht - bis zum Ablauf eines Jahres zulassig. Insoweit ist die fiir den Vomahmeantrag geltende Frist des § 113 Abs. 3 StVollzG entsprechend anzuwenden.^^^ Hat ein Antragsteller unverschuldet (z.B. wegen schwerer Erkrankung) die 795 Einhaltung einer Frist i.S.d. § 112 Abs. 1 StVollzG versaumt, kann er nach § 112 Abs. 2 bis 4 StVollzG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen. An einem Verschulden fehlt es auch dann, wenn das Versaumnis im Verantwortungsbereich der JustizvoUzugsanstalt (z.B. bei Verzogerungen in der Weiterleitung von Schreiben gem. § 30 StVollzG; bei fehlender Unterrichtung des Gefangenen tiber seine Rechte nach dem Strafvollzugsgesetz^^^) oder der Geschaftsstelle des Gerichts (z.B. Rechtspfleger kann die Niederschrift aus von ihm zu verantwortenden
125 126 127 128 129 1^0 131 132
KG, NStZ-RR 2005, S. 356. Schwind/Bohm/Jehle/Schuler, 2005, § 112 Rdn. 2. OLG Frankfurt, NStZ-RR 2002, S. 351. KG, NStZ-RR 2002, S. 383. OLG Koblenz, ZfStrVo 1992, S. 321 f AK-Kamann/Volckart, 2006, § 112 Rdn. 4. Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 112 Rdn. 1. Litwinski/BubHes, 1989, S. 110.
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Griinden nicht mehr rechtzeitig aufhehmen*^^) liegt. Da § 120 Abs. 1 StVollzG fur das Verfahren vor der StrafvoUstreckungskammer im Rahmen der §§109 ff. StVollzG auf die Regelungen der StraQ)rozessordnung verweist, gelten hinsichtlich eines Verschuldens des Verteidigers oder sonstigen Vertreters an der Fristversaumnis die strafprozessualen Grundsatze. Der Antragsteller muss sich daher das Vertreterverschulden nicht zurechnen lassen.^^"* An der Nichteinhaltung der Frist des § 112 Abs. 1 StVollzG trifft einen Antragsteller auch dann kein Verschulden, wenn dieser sich fiir bediirftig halten konnte und deshalb innerhalb der Frist zunachst nur einen Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt hat und erst nach Entscheidung dartiber den Rechtsbehelf selbst einlegt. 1st zu diesem Zeitpunkt die Frist bereits abgelaufen, liegt ein Wiedereinsetzungsgrund vor.^^^ 796 Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nach § 112 Abs. 3 StVollzG innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des unverschuldeten Hindernisses zu stellen. Dabei miissen die Tatsachen zur Begriindung des Antrags glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist des § 112 Abs. 3 S. 1 StVollzG hat zudem die Nachholung der versaumten Rechtshandlung zu erfolgen. Ist dies geschehen, kann das Gericht eine Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewahren. Nach Ablauf eines Jahres seit Ende der urspriinglich versaumten Frist zur Stellung eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach § 112 Abs. 1 StVollzG wird ein Wiedereinsetzungsantrag unzulassig (§ 112 Abs. 4 StVollzG). Diese Ausschlussfrist entfallt nur, wenn hohere Gewalt eine Antragstellung verhindert hat. Beispiel: Der in der bayerischen Justizvollzugsanstalt J seine Freiheitsstrafe verbiiBende G beantragt am 3. April einen Hafturlaub fur die Dauer von drei Tagen. Mit schriftlichem Bescheid, der dem G am 17. April bekannt gegeben wird, lehnt Anstaltsleiter A den Antrag des G ab. Da das Land Bayem von der Moglichkeit des vorgeschalteten Widerspruchsverfahrens i.S.d. § 109 Abs. 3 StVollzG keinen Gebrauch gemacht hat, kann G sich nun unmittelbar mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den ablehnenden Bescheid des A wenden. Am 18. April wird G jedoch mit einer lebensgefahrlichen Erkrankung in das Vollzugskrankenhaus eingeliefert; eine Besserung stellt sich erst nach drei Wochen ein. Auch jetzt kann G noch gegen den ablehnenden Bescheid des A vom 17. April vorgehen. Zwar hat er die Zwei-Wochen-Frist des § 112 Abs. 1 S. 1 StVollzG versaumt. Dieses Versaumnis war jedoch von ihm unverschuldet. Nach Wegfall des Hindemisses der schweren Erkrankung muss G zwei Antrage stellen: - Binnen zwei Wochen den Antrag auf Wiedereinsetzung gem. § 112 Abs. 3 S. 1 StVollzG, wobei das Nichtverschulden der Fristversaumnis glaubhaft zu machen ist. - Innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 112 Abs. 3 S. 1 StVollzG den Verpflichtungsantrag auf Gewahrung von Hafturlaub bzw. Neubescheidung des Antrags.
133 Vgl. OLG Hamm, NStZ 1991, S. 427. 134 AK-Kamann/Volckart, 2006, § 112 Rdn. 12; Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 112 Rdn. 3; Litwinski/Bublies, 1989, S. 110; a.A. OLG Hamburg, NStZ 1991, S. 426; Arloth/ Liickemann, 2004, § 112 Rdn. 105; Schwind/Bohm/Jehle/Schuler, 2005, § 112 Rdn. 8; differenzierend dagegen Zwiehoff, 1986, S. 80 ff (keine Zurechnung des Verschuldens nur in Verfahren zur Uberpriifung von DisziplinarmaBnahmen). 135 OLG Koblenz, NStZ-RR 1997, S. 187.
8.2 Gerichtliches Kontrollverfahren, §§ 109 ff. StVollzG
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Hat G innerhalb der Antragsfrist des § 112 Abs. 3 S. 1 StVollzG nur den Verpflichtungsantrag gestellt, ohne dass ein Wiedereinsetzungsantrag ausdriicklich vorliegt, dann kann nach § 112 Abs. 3 S. 4 StVollzG die Strafvollstreckungskammer dennoch die Wiedereinsetzung gewahren, wenn aus dem Zusammenhang ersichtlich ist, dass G Wiedereinsetzung begehrt und ein Verschulden nicht vorlag. Ein Vornahmeantrag kann nach § 113 Abs. 1 StVollzG grundsatzlich erst 797 nach Ablauf von drei Monaten seit dem vergeblichen Antrag an die Vollzugsbehorde auf Erlass oder Durchfiihrung einer MaBnahme gestellt werden. Bei besonderer Eilbediirftigkeit kommt eine Anrufung der Strafvollstreckungskammer aber auch schon vor Ende dieses Zeitraumes in Betracht.^^^ Beispiel: Strafgefangener G beantragt am 2.9. die Gewahrung von zwei Tagen Hafturlaub am 25. und 26.9. Wie er in seinem Antrag darlegt, feiem an diesem Wochenende seine Eltem ihre Goldene Hochzeit und G mochte an dieser Feier teilnehmen. G erhalt auf sein Schreiben keine Antwort. Da es dem G gerade auf Hafturlaub am 25. und 26.9. ankommt, ware es nicht sinnvoll, ihn nach § 113 Abs. 1 StVollzG drei Monate warten zu lassen, bis er einen zulassigen Vornahmeantrag stellen kann. Vielmehr handelt es sich um eine Fallkonstellation, in der besondere Umstande fiir eine fruhere Anrufung der Strafvollstreckungskammer gegeben sind. § 113 Abs. 3 StVollzG normiert fiir den Vornahmeantrag eine Ausschlussfrist von einem Jahr; nur bei hoherer Gewalt oder auBergewohnlichen Umstanden des Einzelfalles bleibt noch eine spatere Antragstellung moglich. Bei einem Feststellungsantrag kann dessen Unzulassigkeit wegen Verwirkung infolge Zeitablaufs eintreten^^^ (z.B. wenn erst nach Jahren die Feststellung einer erledigten MaBnahme durch die Strafvollstreckungskammer beantragt wird). Zwar ist es den Gerichten untersagt, den Weg zu ihnen in unzumutbarer, aus Sachgriinden nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren. Das ist jedoch dann nicht der Fall, wenn der Zeitraum, auf den abgestellt wird, nicht zu knapp bemessen erscheint und die rechtzeitige Einlegung des Rechtsbehelfs dem Betroffenen moglich, zumutbar und von ihm zu erwarten war.^^^ 8.2.1.7 Beteiligtenfahigkeit Verfahrensbeteiligte sind nach der abschlieBenden^^^ Regelung des § 111 Abs. 1 798 StVollzG in erster Instanz - der Antragsteller (Nr. 1), - die Vollzugsbehorde (Nr. 2), welche die angefochtene MaBnahme angeordnet oder die beantragte abgelehnt oder unterlassen hat.^'^^
^36 BVerfG, StrVert 1985, S. 240. 137 OLG Thuringen, NStZ 2004, S. 229. 138 BVerfGE 32, S. 309 f; siehe auch BVerfG, NStZ-RR 2004, S. 59 f 139 Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 111 Rdn. 2. 1^° Dazu BGH, NStZ 1996, S. 207.
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Die Behorde i.S.d. Nr. 2 ist grundsatzlich die Justizvollzugsanstalt. Nur in besonderen Ausnahmefallen kommt auch eine Beteiligung der Aufsichtsbehorde in Betracht: wenn diese eine MaBnahme erlassen (z.B. infolge eines Vorbehalts nach § 153 StVollzG iiber die Verlegung eines Inhaftierten entscheidet) und der Anstaltsleiter nur die Durchfiihrung der aufsichtsbehordlichen Anordnung zu veranlassenhat.^"^^
799 8.2.1.8 Vereinfachtes Prufungsschema Zulassigkeit eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung gem. §§ 109 ff. StVollzG 1. Rechtswegeroffnung, § 109 Abs. 1 StVollzG: - MaBnahme - auf demOebiet des Strafvollzugs - zurRegelung - einzelner Angelegenheiten. 2. Antragsart: - Anfechtungsantrag, §§109 Abs. 1 S. 1, 115 Abs. 2 S. 1 StVollzG, - Verpflichtungsantrag, §§ 109 Abs. 1 S. 2, 115 Abs. 4 StVollzG, - Vomahmeantrag, §§109 Abs. 1 S. 2, 113 StVollzG, - Unterlassungsantrag, - Feststellungsantrag, § 115 Abs. 3 StVollzG. 3. Antragsbefugnis, § 109 Abs. 2 StVollzG: Moglichkeit der Verletzung eines subjektiven Rechts. 4. Vorverfahren, § 109 Abs. 3 StVollzG: bei Anfechtungs- oder Verpflichtungsantrag, wenn nach Landesrecht erforderlich. 5. Zustandigkeit der Strafvollstreckungskammer: - sachlich, § 78a GVG, - ortlich, §110S. 1 StVollzG. 6. Formalien: - Schriftform oder zur Niederschrift des Gerichts, § 112 Abs. 1 S. 1 StVollzG. - Frist bei Anfechtungs- oder Verpflichtungsantrag, § 112 Abs. 1 StVollzG: - zwei Wochen nach Zustellung oder schriftlicher Bekanntgabe der MaBnahme oder ihrer Ablehnung bzw. - zwei Wochen nach Zustellung oder schriftlicher Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids. - Frist bei Vomahmeantrag, § 113 Abs. 1 StVollzG: - drei Monate nach vergeblichem Antrag an Behorde. 7. Beteiligtenfahigkeit, § 111 Abs. 1 StVollzG: - Antragsteller (Nr. 1), - Vollzugsbehorde, die die angefochtene MaBnahme angeordnet oder die beantragte abgelehnt oder unterlassen hat (Nr. 2).
Zur Anderung der beteiligten Vollzugsbehorde bei Anstaltswechseln oben Kap. 8.2.1.5.
8.2 Gerichtliches Kontrollverfahren, §§ 109 ff. StVollzG
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8.2.2 Verfahren und Prufungsumfang Die Strafvollstreckungskammer entscheidet iiber einen Antrag nach §§109 ff. 800 StVollzG ohne miindliche Verhandlung durch Beschluss (§115 Abs. 1 S. 1 StVollzG). Besetzt ist der Spruchkorper dabei gem. § 78b Abs. 1 Nr. 2 GVG mit einem Richter. Findet vor diesem Einzelrichter keine mundliche Verhandlung statt, schlieBt das nicht aus, zum Zweck der Sachverhaltsaufklarung einen am Verfahren Beteiligten oder einen Dritten personlich anzuhoren.^"^^ Da das Strafvollzugsgesetz das gerichthche Verfahren zur tJberprufling voll- 801 zuglicher MaBnahmen nicht abschlieBend regelt, gelten - soweit sich aus dem StVollzG nichts anderes ergibt - nach § 120 Abs. 1 StVollzG die Vorschriften der Strafprozessordnung entsprechend. Dieser pauschale Verweis ist als missgliickt anzusehen.^"*^ Denn das Verfahren nach §§109 ff. StVollzG stellt zum einen keinen Stra^rozess mit einer Hauptverhandlung dar. Zum anderen ist es partiell dem verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreit nachgebildet (z.B. Antragsarten). Regelt deshalb das Strafvollzugsgesetz eine Verfahrensfrage nicht unmittelbar, kommen wegen der strukturellen Ahnlichkeit zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch Normen der Verwaltungsgerichtsordnung oder des Verwaltungsverfahrensgesetzes zur Anwendung, wenn die StraQ^rozessordnung zu keinem den Besonderheiten des StrafvoUzugs adaquaten Ergebnis fuhren kann.^"^"* 8.2.2.1 Verfahrensprinzipien
(1) Verfugungsgrundsatz Rechtsschutz im Verfahren nach §§109 ff StVollzG gewahrt die Strafvollstre- 802 ckungskammer nur auf Antrag eines Betroffenen hin. Es gilt deshalb nicht die stra^rozessuale Offizialmaxime, sondem der Verfiigungsgrundsatz. Der Streitgegenstand steht zur Disposition des Antragstellers, d.h. der Antrag bestimmt und begrenzt das Rechtsschutzbegehren. Ein Verfahren findet daher sein Ende, wenn der Betroffene sein Begehren nicht weiter gerichtlich verfolgen will und er seinen Antrag zuriicknimmt. Auch wenn das Gericht zwar grundsatzlich an den Antrag gebunden ist, gebietet es aber die prozessuale Fiirsorgepflicht, einem rechtsunkundigen und anwaltlich nicht vertretenen Antragsteller durch sachgerechte Hinweise die Moglichkeit zur Behebung von Antragsmangeln zu geben.'"*^ Vor allem darf das Gericht einem
^42 Litwinski/Bublies, 1989, S. 111. ^43 Kaiser/Schoch, 2002, S. 369; Laubenthal, 2002a, S. 493; Miiller-Dietz, 1981, S. 125; ders., 1993, S. 478; ders., 1995a, S. 285. 1^4 AK-KamannA^olckart, 2006, § 120 Rdn. 3; Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 120 Rdn. 1; Grunau/Tiesler, 1982, §120 Rdn. 3; Kosling, 1991, S. 74 ff; Mtiller-Dietz, 1985c, S. 335 ff; Schuler, 1988, S. 259; Schwind/Bohm/Jehle/Schuler, 2005, § 120 Rdn. 1. 145 KG, NStZ-RR 1997, S. 154.
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Anliegen entgegen dem vorgetragenen Wortlaut und erkennbaren Sinn keine solche Bedeutung zumessen, dass diese zu einer Zuriickweisung des Antrages als unzulassig fiihren muss, wahrend bei sachdienlicher Interpretation eine Sachentscheidung moglich ware. Beispiel: Die Anstaltsleitung lehnt den Antrag eines Inhaftierten auf Erteilung einer Erlaubnis zum Besitz eines Keyboards mit dem Hinweis ab, dass in der Justizvollzugsanstalt solche Instrumente nicht zugelassen seien. Hiergegen wendet sich der Betroffene auf dem Rechtsweg. Er beantragt, die Entscheidung aufzuheben und die Anstalt zu einer Neuentscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten. Das Vollstreckungsgericht verwirft den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulassig, weil ausdrticklich nur ein solcher auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Entscheidung bzw. auf Aufhebung derselben gestellt worden sei. Die gerichtliche Entscheidung verstoBt gegen das Willkiirverbot des Art. 3 Abs. 1 GG.^"^^ Denn der Gefangene hat mit seinem Antrag auf eine Neubescheidung der Anstalt unter Aufhebung der ergangenen Entscheidung eindeutig zu erkennen gegeben, dass er gerade nicht nur die Rechtswidrigkeit der behordlichen MaBnahme festgestellt haben will und deren Aufhebung begehrt, sondem dass es ihm um die Erlaubnis zum Besitz des Keyboards geht. Dem steht auch nicht die irrtiimliche Annahme des Inhaftierten entgegen, die Genehmigung des Besitzes von Gegenstanden fiir die Freizeitbeschaftigung stehe im Ermessen der Vollzugsbehorde, wahrend § 70 Abs. 1 StVollzG dem Gefangenen ein Besitzrecht im Rahmen der gesetzlichen Grenzen gibt. Die vom Vollstreckungsgericht vorgenommene Interpretation des Antrags war objektiv willktirlich. Denn das Rechtsstaatsprinzip verbietet es dem Richter, das Verfahrensrecht so auszulegen und anzuwenden, dass den Beteiligten der Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeraumten Rechtsbehelf- und Rechtsmittelinstanzen in unzumutbarer, aus Sachgriinden nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert wird.^'^'^ 802a
Auch wenn im vollzuglichen Rechtsschutzverfahren nach § § 1 0 9 ff. StVollzG der Verfligungsgrundsatz gilt, sind solche Erwagungen^"^^ abzulehnen, in § 115 StVollzG eine gesetzliche Verpflichtung zum Bemiihen um eine einvemehmliche Regelung einzufiigen. Zudem eignet sich die Materie Strafvollzug nur wenig fiir Vergleichsabschlusse. Die Vergleichsmoglichkeiten wiirden schon durch zahlreiche gesetzliche Zwange begrenzt. Dort, wo Spielraume gegeben sind, stellt sich nicht nur die Frage nach der Vergleichsfahigkeit, sondem auch nach der gerichtlichen Kompetenz, in diese Spielraume einzugreifen. So bleibt z.B. sowohl aus rechtlichen als auch aus tatsachlichen Gesichtspunkten kaum eine Einigung im Sinne eines Vergleichs denkbar liber das Vorliegen einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr i.S.d. § 11 Abs. 2 StVollzG. Eine gesetzliche Verpflichtung des Richters, jedes Verfahren zunachst mit dem Ziel eines Vergleichsabschlusses zu fuhren, wiirde in der Praxis haufig unnotige Belastungen far die Beteiligten nach sich Ziehen. Ein in vollzuglichen Verfahren erfahrener Richter wird selbst in der Lage sein abzuschatzen, ob und wann sein Einsatz als Mediator angebracht ist. Kommt es im Einzelfall in einem Verfahren gem. § 109 StVollzG zu einem beiderseitigen Nachgeben, ist dies durchaus als positiv zu bewerten. 1^6 BVerfG, StrVert 1994, S. 201 f ^^^ BVerfG, StrVert 1994, S. 202. '^^ Kamann, 1993a, S. 23; Rotthaus K., 1993, S. 59.
8.2 Gerichtliches Kontrollverfahren, §§109 ff. StVollzG
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Vergleichsbemiihungen finden in Einzelfallen auch unmittelbar zwischen einem Inhaftierten und der Anstaltsleitung statt, nachdem die Sache bereits vor Gericht anhangig ist. Der Strafgefangene kann dann einen Antrag stellen, das Verfahren bis zum Abschluss der Einigungsbestrebungen nicht weiter zu betreiben. Ein solcher Antrag ist analog § 173 S. 1 VwGO als ein solcher auf das Ruhen des Verfahrens zu interpretieren.'"*^ (2)
Untersuchungsgrundsatz
Im Verfahren nach §§109 ff. StVollzG ermittelt die StrafvoUstreckungskammer 803 den Sachverhalt von Amts wegen (§ 120 Abs. 1 StVollzG i.V.m. § 244 Abs. 2 StPO).*^^ Das Gericht muss daher den seine Entscheidung betreffenden Sachverhalt umfassend aufklaren und sich bei strittigem Vorbringen um die Ermittlung der tatsachlichen Geschehnisse bemiihen. In einem solchen Fall sind eigene Nachforschungen anzustellen^^^ sowie selbst Beweise zu erheben.^^^ Die StrafvoUstreckungskammer darf ihrer Entscheidung nicht ungepriift den Sachvortrag einer Seite zugrunde legen. Den Antragsteller trifft allerdings keine Beweislast und kein Beweisrisiko. Beispiel: Ein an den Antragsteller gerichtetes, in jugoslawischer Sprache verfasstes Schreiben wird von der Anstalt nach § 31 Abs. 1 Nr. 6 StVollzG angehalten, weil es ohne zwingenden Grund in einer fremden Sprache abgefasst sei. In seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung macht der inhaftierte Adressat als zwingenden Grund fur die Abfassung in jugoslawischer Sprache geltend, dass der Absender in Jugoslawien inhaftiert sei und aus der dortigen Vollzugsanstalt nur Briefe in der Landessprache absenden durfe. Obwohl diesem Vorbringen eine rechtHche Erheblichkeit i.S.d. § 31 Abs. 1 Nr. 6 StVollzG nicht abgesprochen werden kann, hat die StrafvoUstreckungskammer die Einlassung nicht beriicksichtigt, weil der Inhaftierte die vorgetragenen Umstande nicht glaubhaft gemacht habe. Das OLG Karlsruhe *^^ hat diese Entscheidung zu Recht aufgehoben. Denn nach dem Untersuchungsgrundsatz muss das Gericht von Amts wegen eigene Feststellungen treffen und kann eine rechtlich erhebliche Einlassung im Ergebnis nur unberiicksichtigt lassen, wenn sie widerlegt ist. Fiir die Forderung nach einer Glaubhaftmachung fehlt es an einer Rechtsgrundlage; den Antragsteller trifft keine Beweislast. (3)
Freibeweisverfahren
Die Regeln des strafprozessualen Strengbeweises in der Hauptverhandlung 804 (§§ 244 ff. StPO) eignen sich nicht fiir das vollzugliche Beschlussverfahren ohne mtindliche Verhandlung. Ist eine Beweiserhebung durch die StrafvoUstreckungskammer erforderlich, richtet sich diese daher nach den Regeln des Freibeweisver-
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Laubenthal, 2002a, S. 493. KG, NStZ 2001, S. 448; Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 115 Rdn. 3. OLG Frankfurt, NStZ 1994, S. 380; Voigtel, 1998, S. 197 ff OLG Hamm, NStZ 2002, S. 224. OLG Karlsruhe, NStZ 1991, S. 509.
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fahrens.^^"^ Beweisantragen kommt danach nur die Bedeutung von Beweisanregungen zu.^^^ Es liegt im Ermessen des Gerichts, ob und inwieweit es Ermittlungen anordnet bzw. selbst durchfiihrt, wobei jedoch die Beweismittel-, Beweismethoden- und Beweisverwertungsverbote zu beachten sind.^^^ Bewiesen ist eine Tatsache, wenn das Gericht zu der tJberzeugung gelangt, dass diese wahr und nicht lediglich wahrscheinlich ist.^^*^ (4) Grundsatz des rechtlichen Gehors 805 Auch im Verfahren nach §§109 ff. StVollzG besteht der mit Verfassungsrang ausgestattete Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehor (Art. 103 Abs. 1 GG).^^^ Das Gericht darf seiner Entscheidung nur solche entscheidungserheblichen Tatsachen und Beweismittel zugrunde legen, zu denen die Betroffenen zuvor so rechtzeitig Stellung nehmen konnten, dass dies bei der endgtiltigen Uberzeugungsbildung des Gerichts noch beriicksichtigt zu werden vermag.^^^ Wurde ihnen diese Gelegenheit nicht eingeraumt, ist der Anspruch auf rechtliches Gehor verletzt. Das Gericht hat dann gem. § 120 Abs. 1 StVollzG i.V.m. § 33a StPO das rechtliche Gehor nachzuholen und neu zu entscheiden. Einen VerstoB gegen Art. 103 Abs. 1 GG stellt auch eine nur partielle Bescheidung eines Antrags dar (z.B. wenn ein gegen eine belastende MaBnahme gerichteter Anfechtungsantrag mit dem Ziel der Riickgangigmachung als bloBer Feststellungsantrag verbeschieden wird). Der Grundsatz des rechtlichen Gehors gewahrt einen Anspruch darauf, dass das Antragsbegehren eines Verfahrensbeteiligten in der gerichtlichen Entscheidung Beriicksichtigung findet. Antrage sind nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondem auch - sofem nicht Griinde des formellen oder materiellen Rechts entgegenstehen oder das Gericht den Sachvortrag aus Griinden formellen oder materiellen Rechts zulassigerweise unberiicksichtigt lassen kann bei der Entscheidung emsthaft in Erwagung zu ziehen. Die Wahrung rechtlichen Gehors erfordert, dass ein Gericht ein konkretes Antragsbegehren nicht aus willkiirlichen Erwagungen ablehnt oder ubergeht.^^° (5) Recht auffaires Verfahren 806 Zu den obersten Geboten auch des vollstreckungsgerichtlichen Verfahrens gehort das Faimessprinzip, das in Art. 6 Abs. 1 EMRK seinen positivrechtlichen Ausdruck gefiinden hat. Es ist zudem eine Auspragung des Rechtsstaatsprinzips gem. ^54 OLG Hamm, ZfStrVo 1990, S. 308; CalHess/Miiller-Dietz, 2005, § 115 Rdn. 4; Voigtel, 1998,S. 139 ff. 1^5 KG,ZfStrVol990, S. 119f 156 AK-Kamann/Volckart, 2006, § 115 Rdn. 3. 15^ Schwind/Bohm/Jehle/Schuler, 2005, § 115 Rdn. 10. i5« Dazu Voigtel, 1998, S. 269 ff 15^ OLG Hamm, ZfStrVo 1990, S. 309; OLG Frankfurt, NStZ 1992, S. 455 f; OLG Bremen, ZfStrVo 1997, S. 56. 160 BVerfGE 83, S. 35.
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Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. dem allgemeinen Freiheitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 Das Prinzip des fairen Verfahrens garantiert den Beteiligten ein gerichtliches Vorgehen, das sich durch die Gewahrung ihrer individuellen Teilhabe- und Abwehrrechte am rechtsstaatlichen Mindeststandard orientiert. Gerade im Hinblick auf die eingeschrankten Handlungsmoglichkeiten von Inhaftierten miissen die Vollstreckungsgerichte deshalb dafiir Sorge tragen, dass die Betroffenen ihre Rechte umfassend wahmehmen konnen. 8.2.2.2 Eingeschrankte Prufungskompetenz (1) Ermessensentscheidungen 1st die Vollzugsbehorde berechtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln (z.B. der An- 807 staltsleiter: „kann ..."), begrenzt §115 Abs. 5 StVollzG (nachgebildet §114 VwGO) die gerichtliche Ermessenspriifung: Die StrafvoUstreckungskammer darf ihr eigenes nicht an die Stelle des behordlichen Ermessens setzen. Sie iiberpriift die strittige MaBnahme nur auf:^^^ - Ermessensiiberschreitung, - Ermessensfehlgebrauch. Ein Uberschreiten der gesetzlichen Ermessengrenzen liegt vor, wenn die 808 Vollzugsbehorde ihr Ermessen auBerhalb des Rahmens ausiibt, der ihr durch die gesetzlichen Grenzen einer bestimmten Norm vorgegeben ist. Beispiel: Dem Strafgefangenen G wird durch Anstaltsleiter A untersagt, Briefe an seine Ehefrau E abzusenden. A begrundet seine Entscheidung damit, dass E als Mittaterin des G zwar nur zu einer Bewahrungsstrafe verurteilt wurde, von einem Schriftwechsel mit E aber ein schadlicher Einfluss auf den G zu beflirchten sei. GemaB § 28 Abs. 2 StVollzG kann der Anstaltsleiter den Schriftwechsel mit bestimmten Personen untersagen. Nr. 2 dieser Norm begrenzt jedoch den Ermessensspielraum des Anstaltsleiters, wenn es sich bei dem Briefpartner um einen Angehorigen i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB handelt. Dann dtirfen die Untersagungskriterien des § 28 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG nicht herangezogen werden. A hat somit sein Ermessen auBerhalb des durch die Norm vorgegebenen Rahmens ausgetibt. Es liegt also eine Ermessensiiberschreitung durch A vor. Ein Ermessensfehlgebrauch ist gegeben, wenn die Behorde zwar im durch die 809 Norm vorgegebenen Rahmen ihres Ermessens tatig wird, jedoch von dem eingeraumten Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes oder der in der Norm zum Ausdruck kommenden Zweckbestimmung Gebrauch macht. Ein Fehlgebrauch des voUzugsbehordlichen Ermessens ist insbesondere anzunehmen, wenn - die Anstaltsleitung von unzutreffenden tatsachlichen oder rechtlichen Voraussetzungen ausgeht, ^^^ BVerfGE 57, S. 275 f ^62 Siehe auch Treptow, 1978, S. 2228 ff
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Kriterien beriicksichtigt hat, die nach dem Zweck der gesetzlichen Regelung keine Rolle spielen diirfen oder koimeii, zu beriicksichtigende Aspekte auBer Acht bleiben, einzelne relevante Gesichtspunkte fehlgewichtet sind, der Anstaltsleiter sachfremde Erwagungen anstellt. Beispiel: Der wegen Eigentumsdelikten inhaftierte Strafgefangene G stellt den Antrag, den Besuch seines Freundes F empfangen zu diirfen. Der Anstaltsleiter A untersagt den Besuch durch F, weil dieser ebenfalls wegen Eigentumsdelikten einschlagig vorbestraft sei und durch einen solchen Besuch ein schadlicher Einfluss auf den G befiirchtet werden mtisse. § 25 StVollzG eroffhet dem Anstaltsleiter einen Ermessensspielraum zum Untersagen von Besuchen. Dabei lasst § 25 Nr. 2 StVollzG eine solche Entscheidung zu, wenn von einem Anstaltsbesuch ein schadlicher Einfluss auf den Inhaftierten zu befurchten ist. Bei seiner Entscheidung halt sich A zwar innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Grenzen dieser Norm. Es liegt jedoch ein Ermessensfehlgebrauch vor, wenn A falschlicherweise eine Vorahndung des F annahm, dieser jedoch ganzlich ohne Vorahndung ist. Dann ging A von unzutreffenden tatsachlichen Voraussetzungen aus. Seine Entscheidung ist ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig. 810
U m einen Unterfall des Ermessensfehlgebrauchs handelt es sich bei einem Nichtgebrauch des Ermessens als gerichtliches LFberpriifungskriterium. Beispiel: Strafgefangener G arbeitet als Freiganger in einem freien Beschaftigungsverhaltnis als Bauzeichner bei einer GmbH. Als diese in Insolvenz zu gehen droht, erwirbt er zusammen mit einem weiteren Mitarbeiter fiir 1 EUR die Geschaftsanteile und wird zum Geschaftsfuhrer der GmbH bestellt. G schreibt an den Anstaltsleiter und beantragt eine weitere Tatigkeit bei der GmbH im Rahmen der Selbstbeschaftigung auBerhalb der Anstalt. Der Anstaltsleiter lehnt den Antrag des G mit der alleinigen Begrtindung ab, eine Selbstbeschaftigung sei nur innerhalb der Anstalt moglich. GemaB § 39 Abs. 2 StVollzG kann einem Inhaftierten gestattet werden, sich selbst zu beschaftigen. Diese Norm bezieht sich jedoch nicht nur auf die Zulassigkeit der Austibung freiberuflicher Tatigkeiten innerhalb der Institution. Es kann auch gestattet werden, sich auBerhalb der Anstalt i.S.d. § 39 Abs. 2 StVollzG selbst zu beschaftigen, wenn dies mit dem Vollzugsziel des § 2 S. 1 StVollzG vereinbar ist.^^^ A hat also von seinem durch § 39 Abs. 2 StVollzG eingeraumten Ermessen iiberhaupt noch keinen Gebrauch gemacht, weil er sich durch eine fehlerhafte Interpretation der Norm in seiner Entscheidung gebunden ftihlte. Es liegt damit ein Fall des Ermessensfehlgebrauchs vor. (2) Unbestimmte
Rechtsbegriffe
811 Hat die VoUzugsbehorde einen unbestimmten Rechtsbegriff (z.B. „Sicherheit und Ordnung", „angemessen", „regelmaBig", „begrundeter Ausnahmefall") konkretisierend auszufiillen, steht ihr allein deshalb noch kein Beurteilungsspielraum zu.
16^ BGRNStZ 1990, S. 492.
8.2 Gerichtliches Kontrollverfahren, §§ 109 ff. StVollzG
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Die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe ist eine Rechtsfrage; sie unterliegt prinzipiell in vollem Umfang der gerichtlichen Nachpriifung.^^'^ Eine im Umfang beschrankte richterliche Kontrolle der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ist jedoch dann anzunehmen, sobald das Gesetz der Vollzugsbehorde einen Beurteilungsspielraum eroffhet, in dessen Rahmen sie mehrere gleichermaBen vertretbare Entscheidungen treffen kann. Von einer derartigen Beurteilungsermachtigung wird ausgegangen, wenn - es sich um die Beurteilung in der Zukunft liegender Vorgange handelt (Wahrscheinlichkeitsprognosen) oder - es um sonstige Fragen geht, die eine hochstpersonliche Wertung enthalten. Ein behordlicher Beurteilungsspielraum mit eingeschrankter gerichtlicher tjberprufbarkeit liegt etwa vor hinsichtlich des unbestimmten Rechtsbegriffs der Flucht- und Missbrauchsgefahr i.S.d. §§ 10 Abs. 1, 11 Abs. 2 StVollzGl6^ der Eignungsklausel des § 10 Abs. 1 StVollzG^^^, der Notwendigkeit einer Rtickverlegung in den geschlossenen Vollzug nach § 10 Abs. 2 StVollzG^^^, der Riickverlegung wegen Nichterreichbarkeit des Behandlungszwecks gem. § 9 Abs. 1 S. 2 StVollzG^^^ aus der sozialtherapeutischen Anstalt in die ftir den betroffenen Sexualstraftater allgemein zustandige Einrichtung, der Eignungsbeurteilung fiir die Teilnahme an aus- und weiterbildenden bzw. schulischen MaBnahmen i.S.d. § § 3 7 Abs. 3, 38 Abs. 1 StVoUzG^^^ oder der bei der Anordnung einer besonderen SicherungsmaBnahme zu treffenden Flucht- und Gewalttatigkeitsprognose gem. § 88 Abs. 1 StVoUzG^'^o. Insoweit darf das Gericht grundsatzlich die Entscheidung der Anstaltsleitung 812 nicht durch eine eigene ersetzen (Ausnahme: Spruchreife). Vielmehr beschrankt sich die justizielle Uberpriifbarkeit darauf ^^ - ob die Vollzugsbehorde von einem zutreffend und vollstandig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, - ob sie bei ihrer Entscheidung die richtigen WertmaBstabe angewendet hat, - ob die Grenzen ihrer Entscheidungsprarogative (Beurteilungsspielraum) eingehalten wurden.
16^ Siehe dazu BGHSt. 30, S. 320; OLG Niimberg, NStZ 1998, S. 592; CalHess/MullerDietz, 2005, §115 Rdn. 22 ff; Schwind/Bohm/Jehle/Schuler, 2005, §115 Rdn. 21; Wingenfeld, 1999,8.99 f 165 BVerfG, ZfStrVo 1998, S. 181; BVerfG, NJW 1998, S. 1134; BVerfG, NStZ 1998, S. 375; BVerfG, NStZ 1998, S. 430; BGHSt. 30, S. 327; OLG Frankfurt, NStZ-RR 1998, S. 91; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2001, S. 318; dazu oben Kap. 5.4.4.2. 166 OLG Karlsruhe, ZfStrVo 1985, S. 247. 167 OLG Frankfurt, ZfStrVo 1983, S. 309. 168 OLG Bamberg, Beschl. v. 19.3.2002 - Ws 807/01. 169 OLG Frankfurt, ZfStrVo 1982, S. 314; siehe auch Kaiser/Schoch, 2002, S. 309; Schwind/Bohm/Jehle/Matzke/Laubenthal, 2005, § 37 Rdn. 19. 1^0 OLG Frankfurt, NStZ-RR 2002, S. 155. 1^1 BGHSt. 30, S. 327.
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Eine derartige Beschrankung der gerichtlichen Priifungskompetenz^^^ und damit ein gewisser gerichtlich nicht iiberprufbarer Freiraum bei Wahrscheinlichkeitsprognosen und hochstpersonlichen Wertungen muss der Anstaltsleitung zustehen, weil sie im Gegensatz zur StrafvoUstreckungskammer in einem engeren Naheverhaltnis zum Gefangenen steht und deshalb den Einzelfall sachgerechter bewerten kann.^*^^ Ob z.B. im Einzelfall Befiirchtungen einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr begrtindet sind, konnen die Vollzugsmitarbeiter aufgrund ihrer taglichen Wahmehmungen am besten beurteilen. Denn diese stehen in einem engeren Kontakt zu den Inhaftierten als der Richter der StrafvoUstreckungskammer. Sie bilden sich aufgrund des personlichen Umgangs und ihres spezifischen Fachwissens einen sachnaheren Eindruck. Die Einschatzung bestimmter Gefahren bezieht sich zudem auf einen in der Zukunft liegenden Vorgang - sie enthalt ein Wahrscheinlichkeitsurteil, das auf einem ganzen Biindel objektiver und subjektiver Umstande beruht. Aufgrund dieser erforderlichen personlichen Wertungen steht der Anstaltsleitung eine Entscheidungsprarogative und damit ein Beurteilungsspielraum zu. Das Gericht darf sich daher hinsichtlich der konkretisierenden Ausflillung eines gesetzlichen Beurteilungsspielraums nicht in die Rolle einer Art Obervollzugsbehordebegeben.^'^'^
8.2.3 Gerichtliche Entscheidung 813 Die StrafvoUstreckungskammer entscheidet iiber die RechtmaBigkeit der angegriffenen MaBnahme. Der Beschluss ist entsprechend § 267 StPO zu begriinden und er muss die entscheidungserheblichen Tatsachen und rechtlichen Erwagungen so umfassend und vollstandig enthalten, dass eine hinreichende Uberpriifung in einem Rechtsbeschwerdeverfahren moglich wird.^'^^ Daran hat sich durch die Einfiigung von § 115 Abs. 1 S. 2 bis 4 StVollzG durch das 7. StVollzAndG 2005^^^ prinzipiell nichts geandert. GemaB § 115 Abs. 1 S. 2 StVollzG stellt das Gericht den Sach- und Streitstand „seinem wesentlichen Inhalt nach" zusammen. Allerdings darf dies „gedrangt" erfolgen. Um das Vollzugsverfahren durch Erleichterungen fiir die gerichtliche Arbeit effektiver zu gestalten^^"^ ohne den Rechtsschutz zu beeintrachtigen -, kann gem. §115 Abs. 1 S. 3 StVollzG bei der Formulierung des Tatbestands soweit wie moglich auf Gerichtsakten Bezug genommen werden. Dabei muss aber gewahrleistet sein, dass der Tatbestand fur die Beteiligten ebenso wie fiir auBen stehende Dritte eine verstand'^2 Dazu Calliess/Muller-Dietz, 2005, §115 Rdn. 24; Heghmanns, 1999, S. 647 ff; Schneider H., 1999, S. 140 ff; Schwind/Bohm/Jehle/Schuler, 2005, § 115 Rdn. 22. ^^3 BGHSt. 30, S. 325 f ^^^ Kamann, 1994,8.477. 1^5 BR-Drs. 697/03, S. 4; OLG Celle, NStZ-RR 2005, S. 357 f; OLG Hamburg, ZfStrVo 2005, S. 252; OLG Ntimberg, ZfStrVo 2006, S. 122; Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 115 Rdn. 10; Schwind/Bohm/Jehle/Schuler, 2005, § 115 Rdn. 13. 1^^ BGBl. 12005, S. 930. 1^^ BR-Drs. 697/03, S. 2.
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liche, klare, vollstandige und richtige Entscheidungsgrundlage bietet.'"^^ Die Ausflihrungen der Strafvollstreckungskammer in ihrer Begriindung haben zwar die Griinde wiederzugeben, welche fiir die richterliche Uberzeugungsbildung maBgebend waren. Es ist erlaubt, sich hierbei auch auf die Begriindung der angefochtenen vollzugsbehordlichen Entscheidung zu beziehen (§115 Abs. 1 S. 4 StVollzG). Insoweit muss allerdings deutlich werden, dass das Gericht sich diese Uberlegungen zu Eigen macht. Durch die Bezugnahme darf die Verstandlichkeit der Darstellung sowie der Begriindung aus sich heraus nicht in Frage gestellt werden. ^"^^ Gelangt die Strafvollstreckungskammer zu der Auffassung, dass die vom Antragsteller geriigte MaBnahme sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht rechtmaBig ist, so wird sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegriindet abgewiesen. Halt das Gericht dagegen ein Verhalten der Vollzugsbehorde fiir rechtswidrig, so ist beziiglich des Ergebnisses der Begriindetheitspriifimg nach den Antragsarten zu differenzieren. Kommt das Gericht bei einem Anfechtungsantrag zum Ergebnis, dass die 814 MaBnahme zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig war und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, so hebt es gem. § 115 Abs. 2 S. 1 StVollzG diese MaBnahme auf Ist ein Widerspruchsverfahren vorausgegangen, gilt dies auch fiir den Widerspruchsbescheid. Wurde die rechtswidrige MaBnahme schon vollzogen, kann die Strafvollstreckungskammer nach § 115 Abs. 2 S. 2 StVollzG aussprechen, dass und wie eine Riickgangigmachung der VoUziehung zu erfolgen hat (Folgenbeseitigungsanspruch). Bei einem Verpflichtungs- und einem Vornahmeantrag spricht das Gericht 815 gem. § 115 Abs. 4 S. 1 StVollzG die Verpflichtung der Vollzugsbehorde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn deren Ablehnung oder Unterlassung rechtswidrig war und dies zu einer Rechtsverletzung beim Antragsteller fiihrt. Hierfiir muss allerdings die Sache spruchreif sein. Spruchreife liegt dann vor, wenn im konkreten Fall nur eine einzige Entscheidungsmoglichkeit verbleibt, ein der Vollzugsbehorde eingeraumtes Ermessen also auf null reduziert ist. Besteht dagegen noch die Moglichkeit einer anderen rechtlich zulassigen Ermessensentscheidung oder hat die Anstaltsleitung von einem ihr gesetzlich eingeraumten Ermessen iiberhaupt noch keinen Gebrauch gemacht, so fehlt es an der Spruchreife. In diesen Fallen verpflichtet die Strafvollstreckungskammer in ihrer Entscheidung die Vollzugsbehorde, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden (§115 Abs. 4 S. 2 StVollzG).^^^ Ein solcher Bescheidungsbeschluss ergeht auch, wenn der Vollzugsbehorde ein Beurteilungsspielraum zusteht, in dessen Rahmen mehrere konkretisierende Entscheidungen gleichermaBen noch vertretbar sind.^^^ Die Rechtswidrigkeit einer MaBnahme spricht das Gericht auf einen Feststel- 816 lungsantrag hin aus, wenn ein berechtigtes Interesse des Antragstellers an dieser Feststellung gegeben ist (§ 115 Abs. 3 StVollzG). 1"^^ OLG Celle, NStZ-RR 2005, S. 357. ^^9 OLG Celle, NStZ-RR 2005, S. 357. '^0 Dazu auch Schwind/Bohm/Jehle/Schuler, 2005, § 115 Rdn. 18. ^^' BGHSt. 30, S. 327.
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GemaB § 121 StVollzG muss der Beschluss der Strafvollstreckungskammer als eine ein gerichtliches Verfahren abschlieBende Entscheidung eine Bestimmung iiber die Verteilung der Kosten und notwendigen Auslagen enthalten. Jedoch kaiin nach § 120 Abs. 2 StVollzG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO einem Antragsteller auch Prozesskostenhilfe bewilligt werden. Dabei gilt ein arbeitsunwilliger Strafgefangener als nicht hilfsbediirftig i.S.d. § 114 ZPO.^^^ Die Beiordnung eines Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger kommt jedoch im Verfahren nach §§109 ff. StVollzG nicht in Betracht. § 140 Abs. 2 StPO findet im Strafvollzugsverfahren keine entsprechende Anwendung.^^^ Priift das Gericht den Antrag eines unbemittelten Beteiligten im Prozesskostenhilfeverfahren, dann diirfen an den Inhalt dieses Antrags keine zu strengen Anforderungen gestellt werden. Denn die Benachteiligung der unbemittelten Partei, der erst durch Bewilligung der Prozesskostenhilfe abgeholfen werden kann, liegt gerade darin, dass sie ohne rechtskundigen Beistand auskommen muss und ihr deshalb formale Fehler unterlaufen konnen.^^"* § 114 ZPO setzt ftir die Gewahrung von Prozesskostenhilfe^^^ nicht nur eine Hilfsbedlirftigkeit aufgrund personlicher und wirtschaftlicher Verhaltnisse des Betroffenen voraus. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung darf auch nicht mutwillig erscheinen und sie muss eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten. Erfolgsaussicht bedeutet nicht Erfolgsgewissheit, sondem Erfolgswahrscheinlichkeit, welche in tatsachlicher und rechtlicher Hinsicht nur summarisch zu priifen ist. Dabei darf kein AuslegungsmaBstab verwendet werden, der einem unbemittelten Antragsteller seine beabsichtigte Rechtsverfolgung unverhaltnismaBig erschwert.^^^ Hat die Strafvollstreckungskammer einen Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt, bleibt die Entscheidung unanfechtbar.^8^ Einem mittellosen Inhaftierten steht zwar auch ein Anspruch zu, zur Wahmehmung seiner Rechte anwalthche Beratungshilfe nach dem BerHG in Anspruch zu nehmen. Diese bezieht sich jedoch nur auf zunachst auBergerichthche Aspekte und umfasst nicht die eigenthche Vertretung des Antragstellers im Verfahren nach §§109 ff StVollzG.^^^
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Eine VoUstreckung von Entscheidungen der StrafvoUstreckungskammem kennt das Strafvollzugsgesetz nicht. Es enthalt keine Vorschriften iiber deren zwangsweise Durchsetzung. Da eine analoge Anwendung von §§ 170, 172 VwGO von der Rechtsprechung vemeint wird^^^, bleibt der Betroffene bei Nichtbefolgung einer gerichtlichen Entscheidung durch die Vollzugsbehorde (sog. Renitenz) auf
*^2 OLG Niimberg, NStZ 1997, S. 359. ^^3 Meyer-GoBner, 2006, § 140 Rdn. 33b. 1^4 BVerfG,StrVert 1996,8. 445. ^^^ Dazu Thomas/Putzo, 2005, § 114 Rdn. 1 ff 186 BVerfG, ZfStrVo 2001, S. 187. 18^ Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 120 Rdn. 5. 188 Schoreit/Dehn, 2004, § 2 BerHG Rdn. 23. 189 OLG Frankfurt, NStZ 1983, S. 335; KG, StrVert 1984, S. 33 f; OLG Celle, NStZ 1990, S. 207 f; OLG Karlsruhe, ZfStrVo 2004, S. 315; LG GieBen, NStZ-RR 2006, S. 61 f
8.2 Gerichtliches Kontrollverfahren, §§ 109 ff. StVollzG
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weitere Rechtsbehelfe angewiesen^^^, damit so das verfassungsrechtliche Gebot eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GO) erfiillt wird. 8.2.4 Rechtsbeschwerde Gegen eine Entscheidung der Strafvollstreckungskammer besteht gem. § 116 819 StVollzG das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde. Diese dient der Rechtsfortbildung und der Gewahrleistung einer einheitlichen Rechtsprechung und wurde vom Gesetzgeber dementsprechend revisionsahnlich ausgestaltet.^^^ Zulassigkeitsvoraussetzungen der Rechtsbeschwerde sind: 820 - Beschluss (Prozess- oder Sachentscheidung) der Strafvollstreckungskammer in einem Hauptsacheverfahren nach §§109 ff. StVollzG. Ausnahmsweise kann eine Rechtsbeschwerde auch gegen eine einstweilige Anordnung nach § 114 Abs. 2 StVollzG eingelegt werden, wenn der Beschluss der Strafvollstreckungskammer schon eine endgultige Regelung der Hauptsache beinhaltet.^^^ - Gebotenheit der Rechtsbeschwerde gem. § 116 Abs. 1 StVollzG: ~ Zur Fortbildung des Rechts, wenn der Einzelfall aufgrund seiner entscheidungserheblichen Fragestellungen dazu Anlass gibt, Leitsatze fiir die Auslegung gesetzlicher Vorschriften des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzesliicken rechtsschopferisch auszufullen.^^^ ~ Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, wenn der angefochtene landgerichtliche Beschluss aufgrund verschiedenartiger Rechtsauffassungen von der Rechtsprechung einer anderen Strafvollstreckungskammer^^"^, eines Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweicht.^^^ Dies ist nicht regelmaBig schon dann gegeben, wenn die Entscheidung aufgrund eines Rechtsfehlers unrichtig ist. Durch die Rechtsauslegung muss vielmehr die Einheitlichkeit der Rechtsprechung gefahrdet werden. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde dient also der Vermeidung des Ent- oder Fortbestehens schwer ertraglicher Unterschiede in der Rechtsprechung, wobei es darauf ankommt, welche Bedeutung der angefochtene Beschluss der Strafvollstreckungskammer ftir die Rechtsprechung im Ganzen hat.^^^ Da die Rechtsbeschwerde insoweit aber nicht der Herstellung von Einzelfallgerechtigkeit dient, ist die Zulassungsvoraussetzung erst gegeben, wenn ein Landgericht in standiger Rechtsprechung in einer bestimmten grundsatzlichen Rechtsfrage abweicht, womit dem Aspekt einer Wiederholungsgefahr wesentliche ^^^ Dazu unten Kap. 8.2.6. ^^1 BT-Drs. 7/918, S. 85 f 192 OLG Karlsruhe, NStZ 1993, S. 557 f 193 BGHSt. 24,S. 21. 194 OLG Bamberg, ZfStrVo SH 1978, S. 31. 195 Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 116 Rdn. 2; Schwind/Bohm/Jehle/Schuler, 2005, § 116 Rdn. 4. 196 BGHSt. 24, S. 15; Schwind/Bohm/Jehle/Schuler, 2005, § 116 Rdn. 5.
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Bedeutung zukommt. Eine solche ist in der Kegel zu bejahen, wenn die Strafvollstreckungskammer erkennbar Verfahrensprinzipien verletzt hat (z.B. Nichtgewahrung rechtlichen Gehors, VerstoB gegen den Grundsatz eines fairen Verfahrens oder gegen das Aufklarungsprinzip). Ein derartiger VerstoB fiihrt nicht nur zu nicht mehr hinnehmbaren krassen Abweichungen in der Art und Weise der Ausiibung der Rechtsprechung, sondem birgt regelmaBig auch eine Wiederholungsgefahr in sich.^^"^ - Eine Rechtsbeschwerde ist femer dann zuzulassen, wenn die Feststellungen Oder die rechtlichen Erwagungen der angefochtenen Entscheidung derart unzureichend bleiben, dass das Oberlandesgericht die Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG nicht iiberprufenkann.i^« Rechtsmittelbefugnis: Der Beschwerdeflihrer muss geltend machen, - dass die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht, § 116 Abs. 2 S. 1 StVollzG. Eine solche liegt nach § 116 Abs. 2 S. 2 StVollzG vor, wenn eine Rechtsnorm nicht oder unrichtig angewendet wurde. Dabei umfasst der Begriff der Rechtsnorm das in den Verfassungen, Gesetzen und Rechtsverordnungen des Bundes und der Lander niedergelegte Recht sowie samtliche Prinzipien, welche sich aus Sinn und Zusammenhang der gesetzlichen Vorschriften ergeben.^^^ Formalien: - Frist: Einlegung, Antragstellung und Begriindung binnen eines Monats nach Zustellung der Entscheidung beim Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, § 118 Abs. 1 S. 1 und 2 StVollzG. - Form: Wenn der Antragsteller Beschwerdeflihrer ist, eine von einem Rechtsanwalt unterzeichnete Schrift oder zur Niederschrift^^^ der Geschaftsstelle, § 118 Abs. 3 StVollzG (im letzteren Fall auch durch einen BevoUmachtigten, der nicht Rechtsanwalt ist^^^). Erfolgt die Aufnahme der Niederschrift durch einen Bediensteten der Justiz fehlerhaft und folgt daraus die Unzulassigkeit der Rechtsbeschwerde, so beruht dies nicht auf einem Verschulden des Beschwerdefiihrers (z.B. wenn der Urkundsbeamte der Geschaftsstelle den Gefangenen die Beschwerdebegriindung selbst schreiben lasst und lediglich das Schriftstiick dem Protokoll beifugt). In solchen Fallen besteht gem. § 120 Abs. 1 StVollzG i.V.m. §§44 ff. StPO die Moglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Ist der Wiedereinsetzungsgrund ein den Gerichten zuzuordnender Fehler, verlangt der Grundsatz des fairen Verfahrens eine ausdriickliche Belehrung des Betroffenen hieriiber. Bei rechtzeitiger Nachholung der zuvor nicht 1^^ OLG Bamberg, ZfStrVo SH 1979, S. Ill; OLG Koblenz, ZfStrVo 1994, S. 182; Schwind/Bohm/Jehle/Schuler, 2005, § 116 Rdn. 7. ^9« OLG Hamm, NStZ 1989, S. 444; OLG Numberg, NStZ 1998, S. 215; OLG Frankfurt, ZfStrVo 2001, S. 53; OLG Saarbriicken, ZfStrVo 2004, S. 119. 199 Schwind/Bohm/Jehle/Schuler, 2005, § 116 Rdn. 10. 200 Dazu OLG Koblenz, NStZ 2 0 0 1 , S. 415.
201 OLG Saarbrucken, ZfStrVo 1995, S. 184; zu den Formalien einer behordlichen Beschwerdeschrift: OLG Stuttgart, NStZ 1997, S. 152.
8.2 Gerichtliches Kontrollverfahren, §§ 109 ff. StVollzG
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wirksam eingelegten Rechtsbeschwerde ist die Wiedereinsetzung dann von Amts wegen zu gewahren.^^^ - Begriindung, § 118 Abs. 2 StVollzG: Angabe, ob Verfahrensriige oder Sachnige. Bei einer Verfahrensruge mtissen - wie bei einer Revisionsbegriindung - die den vorgetragenen Mangel enthaltenden Tatsachen so vollstandig aufgefiihrt werden, dass das Beschwerdegericht ohne Riickgriff auf die Akten oder sonstige Unterlagen anhand der Beschwerdeschrift feststellen kann, ob bei Vorliegen der angegebenen Tatsachen die Verletzung einer Rechtsnorm zu bejahen ist.^°^ - Beschwerdeberechtigung: Einlegung und Begriindung der Beschwerde durch - den aufgrund der erstinstanzlichen Entscheidung beschwerten Antragsteller, - bei Unterliegen der Vollzugsanstalt als Verfahrensbeteiligte der ersten Instanz deren Leiter.^^"^ Die Aufsichtsbehorde ist beschwerdeberechtigt, wenn sie bereits in der ersten Instanz^^^ Beteiligte war.^^^ - Beteiligtenfahigkeit, § 111 StVollzG: - Antragsteller (Abs. 1 Nr. 1), - die zustandige Aufsichtsbehorde (Abs. 2)?^'^ Eine Rechtsbeschwerde ist unzulassig, wenn sie unter einer Bedingung eingelegt wird.^^^ Nach § 116 Abs. 3 S. 1 StVollzG hat die Rechtsbeschwerde keine aufschie- 821 bende Wirkung. Wurden von der Strafvollstreckungskammer in ihrem angefochtenen Beschluss auszuftihrende Anordnungen getroffen, so kann die unterlegene Seite aufgrund der Bindungswirkung der Entscheidung hiergegen mit einem Antrag auf AuBervollzugsetzung gem. §116 Abs. 3 S. 2 i.V.m. §114 Abs. 2 StVollzG vorgehen. Uber die Rechtsbeschwerde entscheidet der Strafsenat des Oberlandesge- 822 richts, in dessen Bezirk die Strafvollstreckungskammer ihren Sitz hat (§117 StVollzG), ohne miindliche Verhandlung durch Beschluss (§119 Abs. 1 und 5 StVollzG). Dabei beschrankt es die Nachpriifung der angefochtenen Entscheidung auf die Antrage des Beschwerdefiihrers (§119 Abs. 2 StVollzG).
202 BVerfG, N J W 2005, S. 3629 f. 203 OLG Rostock, NStZ 1997, S. 429. 204 Calliess/Mliller-Dietz, 2005, § 111 Rdn. 4; a.A. Kemer/Streng, 1984, S. 95 (nur die Aufsichtsbehorde); weiter gehend OLG Karlsruhe, NStZ 2003, S. 622 f; Schwind/ Bohm/Jehle/Schuler, 2005, § 111 Rdn. 5; Ullenbruch, 1993, S. 520 (Befugnis steht dem Anstaltsleiter und der Aufsichtsbehorde zu). 205 DazuobenKap. 8.2.1.7. 206 Arloth/Liickemann, 2004, § 111 Rdn. 3. 20'^ In Bayem wird die beteiligte Aufsichtsbehorde in Beschwerdeverfahren durch die Generalstaatsanwaltschaft bei dem OLG vertreten (BayVV zu § 111 StVollzG). 208 O L G Hamm, NStZ 1995, S. 436.
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8 Vollzugsverfahrensrecht
Eine unzulassige sowie eine offensichtlich unbegriindete Beschwerde karni als letztinstanzliche gerichtliche Entscheidung gem. § 119 Abs. 3 StVollzG ohne Begriindung verworfen werden.^^^ Erachtet das Oberlandesgericht das Rechtsmittel dagegen fiir begriindet, hebt es die angefochtene Entscheidung auf und entscheidet selbst in der Sache, wenn diese spruchreif ist. Spruchreife i.S.d. § 119 Abs. 4 S. 2 StVollzG liegt vor, wenn eine Sachentscheidung ohne weitere Tatsachenaufklarung erfolgen kann.^^^ Ansonsten wird die Sache zur neuen Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zuriickverwiesen (§119 Abs. 4 StVollzG). 823 Will ein Strafsenat eines Oberlandesgerichts bei seiner Entscheidung iiber eine Rechtsbeschwerde nach § 116 StVollzG von derjenigen eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, hat er die Sache gem. § 121 Abs. 2 GVG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen (Divergenzvorlage). 824 GemaB § 119 Abs. 5 StVollzG ist eine Entscheidung des Strafsenats des Oberlandesgerichts endgiiltig, d.h. unanfechtbar. Das vollzugliche Verfahren nach §§109 ff. StVollzG kennt auch kein Wiederaufnahmeverfahren.^^^ Dagegen wird die Moglichkeit der Einlegung einer Verfassungsbeschwerde^^^ oder einer Individualbeschwerde zum Europaischen Gerichtshof fiir Menschenrechte^^^ von § 119 Abs. 5 StVollzG nicht betroffen. 825 Nicht mit der Rechtsbeschwerde nach § 116 StVollzG angreifbar sind bloBe Nebenentscheidungen. Will ein unterlegener Verfahrensbeteiligter gegen die Kostenentscheidung vorgehen, so kann er diese prinzipiell gem. § 121 Abs. 4 StVollzG unter den Voraussetzungen des § 464 Abs. 3 StPO isoliert mit der sofortigen Beschwerde anfechten. Da eine Nebenentscheidung nicht in einem weiteren Umfang als die Sachentscheidung selbst rechtsmittelzuganglich sein darf, kommt eine sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung nur in Betracht, wenn auch die Rechtsbeschwerde in der Hauptsache statthaft gewesen ware.^^"*
8.2.5 Vorlaufiger Rechtsschutz 826 Zwischen dem Erlass einer belastenden MaBnahme durch die VoUzugsbehorde bis zur Entscheidung der Strafvollstreckungskammer iiber einen Antrag vergeht in der Praxis ein langerer Zeitraum. Ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§109 ff. StVollzG hat aber keine aufschiebende Wirkung (§ 114 Abs. 1 StVollzG); eine auf dem Rechtsweg angefochtene MaBnahme kann daher von der Anstaltsleitung voUzogen werden.
209 Dazu BVerfG, NStZ-RR 2002, S. 9 5 . 210 Z u m B e g r i f f der (nicht mit § 115 Abs. 4 S. 1 StVollzG identischen) Spruchreife i.S.d. § 119: O L G Miinchen, NStZ 1994, S. 560; CalHess/Miiller-Dietz, 2005, § 119 Rdn. 5. 21* O L G Hamburg, ZfStrVo 2 0 0 1 , S. 368.
212 Dazu Kap. 8.3. 213 Siehe Kap. 8.4. 214 O L G Koblenz, NStZ 1997, S. 430.
8.2 Gerichtliches Kontrollverfahren, §§ 109 ff. StVollzG
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Keine aufschiebende Wirkung kommt auch der Rechtsbeschwerde zu (§116 Abs. 3 S. 1 StVollzG). Art. 19 Abs. 4 GG gewahrleistet jedoch gerichtlichen Rechtsschutz gegen die offentliche Gewalt, der soweit als moglich der Schaffung vollendeter Tatsachen zuvorkommen muss, die im Fall der richterlich festgestellten Rechtswidrigkeit nicht mehr riickgangig gemacht werden konnen.^^^ Der Gesetzgeber hat daher mit § 114 Abs. 2 und 3 StVollzG die Moglichkeit effektiven vorlaufigen Rechtsschutzes eingeraumt. § 114 Abs. 2 StVollzG differenziert die Gewahrung vorlaufigen Rechtschutzes nach dem Gegenstand der Hauptsache: - Wendet sich der Antragsteller gegen eine ihn belastende MaBnahme (Anfechtungs- Oder Unterlassungsantrag in der Hauptsache), kann das Gericht den Vollzug einer angefochtenen MaBnahme aussetzen (= Aussetzungsanordnung), wenn die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird und ein hoher zu bewertendes Interesse an dem sofortigen Vollzug nicht entgegensteht (§ 114 Abs. 2 S. 1 StVollzG). - Begehrt der Antragsteller eine Verpflichtung zum Erlass einer von der Vollzugsbehorde abgelehnten oder unterlassenen MaBnahme (Verpflichtungs- oder Vomahmeantrag in der Hauptsache), kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 VwGO eine einstweilige Anordnung erlassen (§ 114 Abs. 2 S. 2 StVollzG). Es muss - die Gefahr bestehen, dass durch eine Veranderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird (= Sicherungsanordnung) oder - eine Regelung eines vorlaufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhaltnis notwendig erscheinen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder eine drohende Gefahr zu verhindem (= Regelungsanordnung). Zulassig sind Antrage nach § 114 StVollzG nur, wenn sie im Hinblick auf ein 827 (zulassiges) Hauptsacheverfahren gestellt werden und grundsatzlich keine Vorwegnahme der dort zu treffenden Entscheidung bezwecken^^^, die vorlaufige Entscheidung also faktisch nicht einer endgiiltigen gleichkame.^^"^ Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur bei besonders schweren sowie unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Nachteilen, die durch die spatere Hauptsacheentscheidung nicht mehr beseitigt werden konnen.^^^
215 BVerfG, StrVert 1993, S. 4 8 3 ; BVerfG, NStZ 1994, S. 101; BVerfG, NStZ 2004, S. 224. 216 Litwinski/BubHes, 1989, S. 106; dazu BVerfG, N S t Z 1999, S. 532. 217 BVerfG, N V w Z 2003, S. 1112. 218 BVerfG, N S t Z 2000, S. 166.
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8 Vollzugsverfahrensrecht
Zeitlich kann der einstweilige Rechtsschutz jedoch schon vor Einlegung eines Widerspruchs^^^ bzw. vor Stellung eines Antrags auf gerichtliche Entscheidimg nach § 109 StVollzG begehrt werden (§ 114 Abs. 3 StVollzG). Da ein Strafgefangener in der Regel seinen Eilantrag auf vorlaufigen Rechtsschutz nicht selbst an das Gericht weiterleiten kann, sondem hierfiir nach § 30 Abs. 2 StVollzG auf die Anstalt angewiesen ist, muss diese bei der Briefkontrolle Vorkehrungen treffen, damit das Schreiben das Gericht wie bei einer sofortigen Weiterbeforderung erreicht. Beispiel: Anstaltsleiter A verhangt gegen den Strafgefangenen S die DisziplinarmaBnahme des Arrests. Am Tag der Bekanntgabe der Entscheidung des A verfasst S ein Schreiben an die Strafvollstreckungskammer und wendet sich mit einem Antrag auf vorlaufigen Rechtsschutz i.S.d. § 114 StVollzG gegen die MaBnahme. Auf dem an die zustandige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts adressierten Umschlag vermerkt er: „Eilantrag". Die Vollzugsbediensteten lassen sich fur die Weiterleitung des Schreibens an das Landgericht vier Tage Zeit. Das Bundesverfassungsgericht^^^ hat zu diesem Fall festgestellt, dass die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GO auch Vorwirkungen auf das vollzugsbehordliche Verfahren zeitigt. Das Verhalten der Anstaltsbediensteten darf nicht daraufhin angelegt werden, gerichtlichen Rechtsschutz zu vereiteln oder unzumutbar zu erschweren. Stellt ein Gefangener einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, so hat deshalb die JVA den Antrag unverztiglich weiterzuleiten (§30 Abs. 2 StVollzG), um dem Beschleunigungsgebot zu gentigen. Kontrolliert die Anstalt ausgehende Briefe nach § 29 Abs. 3 StVollzG, so darf cine dadurch eintretende Verzogerung nicht zu Lasten des Gefangenen gehen. Da ein Inhaftierter auf die Tatigkeit der Anstalt angewiesen ist, hat diese bei einer Briefkontrolle Vorkehrungen zu treffen, dass ein Antrag das Gericht wie bei einer sofortigen Weiterbeforderung erreicht (z.B. durch LFbermittlung mittels Telefax). 828
Das aus Art. 19 Abs. 4 GG folgende Gebot der Gewahrung effektiven Rechtsschutzes betrifft nicht nur die vollzugliche, sondem insbesondere auch die gerichtliche Ebene. Dort darf sich der Rechtsschutz nicht in der bloBen Moglichkeit der Anrufung eines Gerichts erschopfen. Er muss vielmehr zu einer wirksamen Kontrolle in tatsachlicher und rechtlicher Hinsicht durch ein mit zureichender Entscheidungsmacht ausgestattetes Gericht ftihren.^^^ Aus der Rechtsschutzgarantie ergibt sich ein Beschleunigungsgebot: Wirksamer Rechtsschutz ist ein solcher, der innerhalb angemessener Zeit gewahrt wird. Gewahrleistung effektiven Rechtsschutzes bedeutet deshalb bei tatsachlich nicht mehr riickgangig zu machenden, sofort vollzogenen Eingriffen (insbesondere DisziplinarmaBnahmen) eine unverziigliche Entscheidung des Gerichts iiber eine vorlaufige Aussetzung.^^^ In besonderen Fallen kann die Strafvollstreckungskammer daher sogar gehalten sein, eine MaBnahme vorlaufig auszusetzen, ohne erst eine
219 BVerfG,StrVert 1993, S. 487. 220 BVerfG, ZfStrVo 1994, S. 180 ff
221 BVerfG, NJW 1984, S. 2028; BVerfG, NStZ 2004, S. 225. 222 BVerfG, StrVert 1993, S. 484; BVerfG, ZfStrVo 1995, S. 371; BVerfG, StrVert 2000, S. 215; BVerfG, NJW 2001, S. 3770.
8.2 Gerichtliches Kontrollverfahren, §§ 109 ff. StVollzG
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Stellungnahme der Anstaltsleitung abzuwarten.^^^ Dies gilt umso mehr, als das Gericht seine Eilentscheidung nach § 114 Abs. 2 S. 3 2. Halbs. StVollzG jederzeit wieder andem kann.^^"* Wahrend sich bei einem Vorgehen gegen den Vollzug einer belastenden MaBnahme die Notwendigkeit einer raschen gerichtlichen Entscheidung zwangslaufig ergibt, drangt sich dies beim Begehren der Vomahme einer vollzugsbehordlichen Handlung nicht ohne weiteres auf. Im letzteren Fall obliegt es dem Betroffenen, dem Gericht einen drohenden Rechtsverlust oder unzumutbare Nachteile vorzutragen.^2^ Zustandig zur Entscheidung iiber den Eilantrag ist das auch in der Hauptsache 829 selbst zustandige Gericht. Das ist im erstinstanzlichen Verfahren die StrafvoUstreckungskammer. Im Rechtsbeschwerdeverfahren (§116 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 114 Abs. 2 StVollzG) obHegt dies dem Strafsenat des OLG. Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer im einstweiligen Rechts- 830 schutzverfahren bleiben nach § 114 Abs. 2 S. 3 1. Halbs. StVollzG unanfechtbar. Eine Rechtsbeschwerde gem. § 116 StVollzG ist aber dann statthaft, wenn das Gericht ausnahmsweise bereits endgiiltig mit der einstweiligen Anordnung die Hauptsache geregelt hat.^^^ Dann liegt eine Entscheidung i.S.d. § 115 StVollzG vor.
8.2.6 Reformerfordernisse Der Gesetzgeber hat mit den §§109 ff. StVollzG einen besonderen zweistufigen 831 Rechtsweg geschaffen, mit dem ein effektiver Rechtsschutz fur die Inhaftierten gegen vollzugliche MaBnahmen gewahrleistet werden sollte. Die Erfahrungen mit diesem Verfahren seit In-Kjaft-Treten des Strafvollzugsgesetzes haben gezeigt, dass aus der Sicht der Gefangenen ein Beschreiten des Rechtswegs iiberwiegend erfolglos bleibt. Eine bundesweite Untersuchung von 238 Mitte der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts von Oberlandesgerichten entschiedenen Rechtsbeschwerden gem. § 116 StVollzG^^'^ ergab ein Obsiegen der Gefangenen in nur ca. 7 % der Falle. Da der Erfolg dabei zu einem GroBteil in Rlickverweisungen an die Strafvollstreckungskammem bestand, setzten sich nach deren emeuter Entscheidung letztlich nur 3,5 % der Antragsteller mit ihrem Begehren durch. Eine Analyse von 1 611 in den Jahren 1986 bis 1989 bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Amsberg angefallenen Verfahren nach §§109 ff StVollzG erbrachte eine Erfolgsquote von lediglich 5,4 % (bei Abzug der Verfahren nach § 114 StVollzG von nur 4,8 %).228
223 224 225 226
BVerfG, ZfStrVo 1994, S. 245 ff BVerfG, N J W 2 0 0 1 , S. 3771. BVerfG, ZfStrVo 1996, S. 46. O L G Karlsruhe, NStZ 1993, S. 557 f; O L G H a m m , ZfStrVo 1987, S. 378; dazu auch Ullenbruch, 1993, S. 518 f 227 Siehe Feest, 1993, S. 8 ff; Feest/Lesting/Selling, 1997, S. 50 ff; Feest/Selling, 1988,
S. 247 ff 228 Kamann, 1991, S. 180.
448 832
8 Vollzugsverfahrensrecht
Der gerichtliche Rechtsschutz in VoUzugssachen erfahrt Kritik.^^^ Denn die iirspriinglichen Erwartungen an die Strafvollstreckungskammer als ein vollzugsnahes Gericht mit den damit verbundenen Moglichkeiten einer besonderen Sachkunde in kriminologischer und strafvollzugswissenschaftlicher Hinsicht haben sich nicht erfullt.230
Als wesentliche Ursachen hierfiir gelten: 833 - Auf der Ebene der Justiz die Schlussposition der richterlichen Tatigkeit in der Strafvollstreckungskammer, welche schon von den Pensenschliisseln her zu den am schlechtesten bewerteten Funktionen an den Landgerichten zahlt.^^^ Dies bedingt haufig eine moglichst schnelle Fallerledigung ohne eine umfassend vorgenommene Sachpriifung.^^^ Die vom Gesetzgeber urspninglich angestrebte Einheitlichkeit der voUzuglichen Entscheidungen einer Strafvollstreckungskammer wird auch dadurch beeintrachtigt, dass diesem Spruchkorper zugeteilte Richter in der Praxis zumeist bestrebt sind, das Ressort zu wechseln. Es kommt daher in den Kammem zu einer hohen Fluktuation, was wiederum die Erlangung spezifischer kriminologischer und strafvollzugswissenschaftlicher Kenntnisse verhindert. Abhilfemoglichkeiten sind insoweit im Bereich der gerichtlichen Geschaftsverteilung sowie in einem intensiveren Angebot und der Forderung von strafvollzugsbezogenen FortbildungsmaBnahmen fiir die Richter zu suchen. 834 - Die Belastung der StrafvoUstreckungskammern durch eine Fiille von Verfahren, in denen die Verfahrenshandlungen der Inhaftierten - insbesondere von so genannten Intensivantragstellem - sich auf die Abfassung und Absendung von Antragsschriftsatzen beschranken. Hat der Inhaftierte ein Rechtsschutzbegehren zulassig formuliert, geht es ihm damit um ein sachliches, von der eingeraumten prozessualen Befugnis gedecktes Anliegen, dann ist nach geltender Rechtslage vom Gericht iiber dieses zu entscheiden. Zu iiberlegen bleibt aber: SoUte im Verfahren nach §§109 ff. StVollzG zur Freistellung richterlicher Kapazitat ein Rechtsinstitut eingefiihrt werden ftir jene nicht seltenen Verfahrenskonstellationen, in denen aus dem mit einem Antragsschreiben Rechtsschutz Begehrenden danach ein faktisch nur noch passiv am Verfahren Beteiligter wird? Erwagen konnte man eine dem Grundgedanken des zivilprozessualen Versaumnisverfahrens entsprechende Regelung: AuBert sich z.B. ein Inhaftierter nicht mehr zur Stellungnahme der Anstaltsleitung, weigert er sich gar, zur miindlichen Anhorung zu erscheinen, wiirde die Moglichkeit zum Erlass einer Versaumnisentscheidung den Arbeitsanfall des in VoUzugssachen tatigen Richters nachhaltig reduzieren. 229 Vgl. etwa Dunkel H , 1992, S. 196ff.; Eschke, 1993, S. 120ff; Kamann, 1994, S. 474ff.; Kretschmer, 2005, S. 217ff. Laubenthal, 2002, S. 43 ff; ders., 2002a, S. 487 ff; Muller-Dietz, 1985c, S. 335 ff; Rotthaus K., 1992, S. 362; Wegner-Brandt, 1993, S. 153 ff 230 Muller-Dietz, 1995a, S. 292 f; Rotthaus K., 1985, S. 327. 231 Northoff, 1985, S. 27; Rotthaus K., 1985, S. 329; Stomps, 1996, S. 75. 232 Dunkel P., 1996, S. 527; Dunkel H., 1992, S. 197.
8.2 Gerichtliches Kontrollverfahren, §§ 109 ff. StVollzG
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Zu denken ist aber auch an die Einfiihrung eines der „Streichung von Beschwerden" im Verfahren vor dem Europaischen Gerichtshof fur Menschenrechte vergleichbaren Rechtsinstituts. Richtet ein Strafgefangener eine Individualbeschwerde an den Gerichtshof, so kann dieser gem. Art. 37 Abs. 1 Ht. a) EMRK die Beschwerde jederzeit wahrend des Verfahrens in seinem Register streichen, wenn die Umstande Grund zu der Annahme geben, dass „der Beschwerdefahrer seine Beschwerde nicht weiter zu verfolgen beabsichtigt". Dabei muss der Betroffene die Absicht nicht ausdriickhch mitteilen. Sie kann auch konkludent aus dem Verhalten des Beschwerdefiihrers geschlossen werden, z.B. wenn er auf Ermahnungen der Kanzlei des Gerichtshofs nicht mehr reagiert.2^^ Durch Einfiihrung eines derartigen Rechtsinstituts wiirde Kapazitat freigesetzt, um die nicht querulatorischen und vom Antragsteller aktiv fortgefiihrten Verfahren mit BHck auf eine dem Einzelfall angemessene intensive Bearbeitung zu optimieren. Die unzulangliche gesetzliche Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens 835 durch § 120 Abs. 1 StVollzG. Obwohl es sich um ein eigenstandiges Verfahren zur Kontrolle hoheitlichen Verwaltungshandelns auf dem Gebiet des StrafvoUzugs handelt, das sowohl aus stra^rozessualen als auch aus verwaltungsprozessualen Elementen besteht, hat der Gesetzgeber - abgesehen von einer Ausnahme im Rahmen des Eilverfahrens, wo gem. § 114 Abs. 2 S. 2 StVollzG der § 123 Abs. 1 VwGO zum Tragen kommt - sich mit einem bloB pauschalen Verweis auf die Vorschriften der Strafprozessordnung begniigt. Dies wird den Besonderheiten des gerichtlichen Rechtsschutzes auf dem Gebiet des StrafvoUzugs nicht gerecht, denn dieser stellt ein eigenstandiges Verfahren zur Kontrolle hoheitlichen Verwaltungshandelns mit strafprozessualen und verwaltungsprozessualen Elementen dar.^^"^ Die bestehende Regelung fiihrt zu iiberfliissigem Streit iiber die Anwendung von strafprozessualen oder von verwaltungsgerichtlichen Prinzipien und Regelungen in den Einzelbereichen.^^^ Insoweit gehen die Forderungen in Richtung einer gesetzlichen Neuregelung des Verfahrens.^^^ Es mangelt an einer gesetzlichen Regelung, welche die miindliche Anhorung 836 des Gefangenen in noch nicht entscheidungsreifen Fallen vorschreibt. Ein groBer Teil von Antragen auf gerichtliche Entscheidung hat Griinde, die letztlich weniger mit rechtlichen Defiziten der beanstandeten vollzuglichen MaBnahme zu tun haben als vielmehr auf allgemeinem Unmut, Arger oder auf Missverstandnissen beruhen. In vielen Fallen reicht es dann aus, wenn der Richter als eine vollzugsexteme, aufgrund seines Amtes akzeptierte Person mit dem einzelnen Gefangenen ein Gesprach fiihrt. Gelingt es ihm, dem Inhaftierten die rechtliche Aussichtslosigkeit seines Antrags nachvollziehbar zu erklaren und nimmt er sich gelegentlich einige wenige Minuten Zeit, sich die aus sub233 Villiger, 1999,Rdn.96. 234 Siehe auch Baier, 2 0 0 1 , S. 588; Mtiller-Dietz, 1985c, S. 339 ff 235 Miiller-Dietz, 1993, S. 478. 236 Z u Reformvorschlagen siehe Kamann, 1991, S. 336 ff; Kosling, 1991, S. 278 ff; Laubenthal, 2002a, S. 483 ff; Lasting, 1993, S. 48 ff
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8 Vollzugsverfahrensrecht
jektiver Gefangenensicht gegebenen Griinde fur dessen allgemeinen Unmut anzuhoren, so fiihrt das nicht selten zu einer Antragsnicknahme. Dies erspart es dem Gericht, eine formliche Sachentscheidung zu treffen, wodurch der Mehraufwand fiir Vorbereitung und Durchfiihrung der mundlichen Anhorung mehr als ausgeglichen wird. Die Ladung des Anstaltsleiters zum Termin der mundlichen Anhorung des Strafgefangenen sollte nach richterlichem Ermessen zulassig sein. Denn dies wiirde es dem Gericht ermoghchen, in dazu geeigneten Fallen auf eine giitliche Einigung hinzuwirken.^^^ 837 - Der KontroUumfang der Vollstreckungsgerichte wird durch eine Vielzahl an Ermessensvorschriften und unbestimmten Rechtsbegriffen eingeschrankt, so dass den Strafvollstreckungskammem nur eine partielle Uberpriifungskompetenz der vollzuglichen MaBnahmen zukommt. Dies bewirkt letztlich eine gewisse Verunrechtlichung^^^ des StrafvoUzugs. 838 - Eine in der Praxis gelegentlich festzustellende Renitenz der VoUzugsbehorden beeintrachtigt die Effektivitat des vollzuglichen Rechtsschutzes.^^^ Diese zeigt sich nicht nur in MaBnahmen seitens der Institution zur Verhinderung der Moglichkeiten einer Appellation an das Gericht^"^^ durch Storung der Kontaktaufnahme (z.B. verzogerte Weiterleitung eines Antrags auf vorlaufigen Rechtsschutz an das Gericht durch die Anstalt^"^^). Sog. Renitenz von Anstaltsleitungen^'^^ kommt auch in der Nichtbefolgung von Gerichtsentscheidungen zum Ausdruck. Insoweit ist mangels gesetzlicher Vollstreckungsmoglichkeiten an eine entsprechende Anwendung der §§ 170, 172 Vv^GO zu denken, um eine Vollzugsbehorde mittels Androhung und Festsetzung von Zwangsgeld zur Erfiillung gerichtlich auferlegter Verpflichtungen veranlassen zu konnen.^"*^ Nach der bisherigen Rechtslage wird in solchen Fallen den betroffenen Inhaftierten letztlich zugemutet, weitere Rechtsbehelfe (z.B. Vomahmeantrag gem. §§ 109 Abs. 1 S. 2 2. Ah., 113 Abs. 1 StVollzG, Dienstaufsichtsbeschwerde, Petition oder Verfassungsbeschwerde) zu ergreifen, obwohl die Anstaltsleitungen bereits von der Verfassung her verpflichtet sind, den ihnen von unabhangigen Gerichten auferlegten Verpflichtungen nachzukommen.^'^'* Stellt das vollzugliche Verfahren vor den Strafvollstreckungskammem einen besonderen Anwendungsfall des nach Art. 19 Abs. 4 GG gegeniiber hoheitlicher Gewalt garantierten Rechtsschutzes dar, so umfasst ein effektiver Rechtsschutz auch die Rechtsdurchsetzung, was die Vollstreckbarkeit gerichtlicher Entscheidun237 Kamann, 1993a, S. 2 3 ; Rotthaus K., 1996, S. 255; ders., 1996a, S. 9. 238 Kamann, 1994, S. 474; siehe auch Dtinkel P., 1996, S. 524; Volckart, 1997, S. 146 f 239 Dazu Kamann, 1991, S. 296 ff; ders., 2006, S. 2 6 0 f f ; Feest/Lesting/Selling, 1997, S. 9 ff; Lesting/Feest, 1987, S. 390 ff; Ullenbruch, 1993, S. 522. 240 Kamann, 1993, S. 485 f
241 Siehe BVerfG, StrVert 1993, S. 482 ff; femer BVerfG, ZfStrVo 1994, S. 245 ff 242 Dazu Kamann, 1991, S. 206 ff; Lesting/Feest, 1987, S. 390 ff 243 Kaiser/Schoch, 2002, S . 3 8 1 ; Ullenbruch, 1993, S. 522; AK-KamannA^olckart, 2006,
§ 115Rdn. 81. 244 Muller-Dietz, 1985c, S. 353.
8.3 Verfassungsbeschwerde, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG
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gen in Vollzugssachen bedingt-^"^^ Der in Vollzugssachen tatige Richter muss deshalb mit einer Entscheidungsbefugnis ausgestattet sein, die eine rechtskraftig festgestellte Rechtsverletzung effizient zu beseitigen vermag. Die Probleme des gerichtlichen Rechtsschutzes in Vollzugssachen gninden schlieBlich aber auch auf den besonderen Strukturen der Justizvollzugsanstalten und den dort ablaufenden Prozessen, welche nur bedingt auf die Erfordemisse eines effektiven- Art. 19 Abs. 4 GG entsprechenden - Rechtsschutzsystems zugeschnitten sind.^"*^
8.3 Verfassungsbeschwerde, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG Der Strafgefangene kann als subsidiaren RechtsbehelP^ Individualverfassungsbe- 839 schwerde zum Bundesverfassungsgericht einlegen. Hierzu ist er gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG i.V.m. § 90 Abs. 1 BVerfGG als natiirliche Person antragsberechtigt. Dabei muss er geltend machen, durch eine MaBnahme der Vollzugsbehorde oder eine Entscheidung des Vollstreckungsgerichts als Teile der offentlichen Gewalt selbst, gegenwartig und unmittelbar in einem der in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Grundrechte oder grundrechtsahnlichen Rechte betroffen zu sein.^"^^ Eine Verfassungsbeschwerde setzt jedoch eine Rechtswegerschopfung voraus 840 (Art. 94 Abs. 2 GG, § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG). Der Inhaftierte muss daher vor ihrer Erhebung alles Zumutbare getan haben, um die Grundrechtsverletzung auf andere Weise zu beseitigen. Erforderlich ist somit, dass er den Rechtsweg nach §§109 ff StVoUzG beschritten hat und gegen eine ihn beschwerende Entscheidung der Strafvollstreckungskammer vergeblich mit dem Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde (§116 StVoUzG) vorgegangen wurde. Angesichts der besonderen Zulassigkeitsvoraussetzungen einer solchen Rechtsbeschwerde ist der vollzugliche Rechtsweg nach §§109 ff StVoUzG regelmaBig bereits mit der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer erschopft. Das Bundesverfassungsgericht uberpriift die angegriffenen Entscheidungen 841 nicht umfassend auf ihre RechtmaBigkeit nach dem Strafvollzugsgesetz, sondem beschrankt sich auf den Schutz der in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG benannten Rechte. Dabei hat es aber auch dariiber zu wachen, dass die Normen des Strafvollzugsgesetzes unter Beachtung der Wert setzenden Bedeutung und der Tragweite der Grundrechte interpretiert und angewendet werden und dass wesentliche verfas-
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So auch Papier, 2 0 0 1 , § 154 Rdn. 175. Muller-Dietz, 1997a, S. 523. BVerfGE 49, S. 258. Siehe Zulassigkeitsvoraussetzungen bei Lechner/Zuck, 2006, § 9 0 Rdn. 73 ff; B e n da/Klein, 2 0 0 1 , S. 426 ff
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8 Vollzugsverfahrensrecht
sungsrechtliche Grundsatze (z.B. das tJbermaBverbot und das Gebot des Vertrauensschutzes) auf der Rechtsanwendungsebene zur Geltung kommen.^'^^ Gibt das Bundesverfassungsgericht der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung (der Strafvollstreckungskammer bzw. des Oberlandesgerichts) statt, hebt es diese nach § 95 Abs. 2 BVerfGG auf und verweist die Sache an das zustandige Gericht zuriick.
8.4 Kontrolle auf europaischer Ebene 842 1st der nationale Rechtsweg erschopft, kann der Strafgefangene Individualbeschwerde beim standigen Europaischen Gerichtshof fiir Menschenrechte (Art. 19 ff. EMRK) einlegen, Art. 34 EMRK.^^o Da zum nationalen Rechtsweg nicht nur das Rechtsbeschwerdeverfahren, sondem auch die Verfassungsbeschwerde gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, §§90 ff. BVerfGG gehort, muss diese zuvor erfolglos eingelegt sein, wenn und soweit sich die im konkreten Fall geltend gemachten Rechte und Grundfreiheiten der EMRK mit den Grundrechten des Grundgesetzes decken.^^^ 843 Ftihlt sich der Inhaftierte durch eine Verletzung der in der EMRK anerkannten Rechte beschwert, muss er nach Art. 35 Abs. 1 EMRK die Beschwerde so rechtzeitig einreichen, dass sich der Gerichtshof innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Ergehen der endgiiltigen innerstaatlichen Entscheidung mit ihr befassen kann. Die Fristenregelung wird vom Gerichtshof groBziigig interpretiert. Er stellt anders als im deutschen Rechtsmittelrecht - nicht auf den Eingang des Schriftsatzes ab, sondem begniigt sich mit dessen Abfassung oder (bei offensichtlich vordatierten Beschwerden) mit der Absendung innerhalb der Frist.^^^ Der erwiinschte Inhalt des Schreibens zur Einlegung des Rechtsbehelfs ergibt sich aus einem vom Gericht erstellten Merkblatt^^^ und umfasst insbesondere eine Schilderung der Tatsachengrundlage, die Angabe der als verletzt genigten Rechte und der eingelegten innerstaatlichen Rechtsmittel sowie Fotokopien der bereits in der Angelegenheit ergangenen Entscheidungen. Die Beschwerde muss in einer der Amtssprachen des Europarats abgefasst sein (Art. 34 Abs. 2 VerfO). Parteifahig ist allerdings auch ein Gefangener, der keine Staatsbiirgerschaft eines Mitgliedstaates des Europarats besitzt.^^"* Anwaltlicher Vertretung bedarf es nicht (Art. 36 VerfO). Kosten werden nicht erhoben; far Auslagen wie Anwaltsgebiihren kann Prozesskostenhilfe gewahrt werden (Art. 91 ff VerfO). 249 BVerfG, StrVert 1993, S. 600; BVerfG, StrVert 1994, S. 148; BVerfG, StrVert 1994, S. 440. 250 Dazu Laubenthal, 2002c, S. 175 ff 25^ Frowein/Peukert, 1996, Art. 26 Rdn. 28; Meyer-GoBner, 2006, Art. 34, 35 M R K Rdn. 2; Weigend, 2000, S. 389. 252 Dazu Ehlers, 2000, S. 3 8 1 ; Villiger, 1999, Rdn. 143, 209. 253 Abgedruckt in NJW 1999, S. 1166 f 254 So Ehlers, 2000, S. 375; Villiger, 1999, Rdn. 100.
8.4 Kontrolle auf europaischer Ebene
453
Schreiben von in Deutschland inhaftierten Strafgefangenen an den Europaischen Gerichtshof fiir Menschenrechte sowie dessen Sendungen an Inhaftierte bleiben gem. § 29 Abs. 2 S. 2 StVollzG uniiberwacht. § 31 Abs. 4 StVoUzG verbietet zudem ihr Anhalten durch die Anstaltsleitung. Eine unzulassige, offensichtlich unbegriindete oder missbrauchlich eingelegte Beschwerde weist der Gerichtshof zuriick, Art. 35 Abs. 3 und 4 EMRK. Beabsichtigt der Beschwerdefiihrer seine Sache nicht weiter zu verfolgen, darf das Gericht diese Beschwerde im Verlauf des Verfahrens aus dem Register streichen, Art. 37 Abs. 1 S. 1 ht. a) EMRK. Zur Entscheidung iiber Beschwerden^^^ berufen sind Ausschiisse, Kammem 844 sowie die GroBe Kammer des Europaischen Gerichtshofs ftir Menschenrechte (Art. 27 EMRK). Dabei beschrankt sich die Kompetenz der Ausschiisse gem. Art. 28 EMRK auf die Feststellung der Unzulassigkeit in einer Art Vorpriifungsverfahren^^^, wahrend die Erorterung der Begriindetheit von Beschwerden einer Kammer vorbehahen bleibt (Art. 29 EMRK), die die Sache in Ausnahmefallen nach Art. 30 EMRK der GroBen Kammer vorzulegen befugt ist. Kommt eine giitHche Einigung zwischen den Parteien gem. Art. 38, 39 EMRK nicht zustande, ergeht ein Feststellungsurteil durch die Kammer (Art. 41 EMRK).^^"^ Wahrend eine Aufhebung konventionswidriger Akte der Mitgliedstaaten durch den Gerichtshof selbst nicht vorgesehen ist, darf dieser dem Verletzten allerdings eine Entschadigung in Geld zusprechen (Art. 41 EMRK). Ein Rechtsmittel gegen das Urteil der Kammer steht nicht zur Verfugung. Nur 845 im Wege einer Divergenz- und Grundsatzvorlage^^^ kann binnen drei Monaten nach Ergehen des Urteils Verweisung der Sache an die GroBe Kammer beantragt werden, wenn sie eine schwerwiegende Frage der Auslegung von Konvention oder Protokollen oder eine solche allgemeiner Art betrifft (Art. 43, 44 EMRK). Endgiiltige Entscheidungen des Gerichthofs werden nach Art. 46 Abs. 1 EMRK fiir den jeweiligen Mitgliedstaat bindend. Dieser hat konventionswidrige MaBnahmen seiner Vollzugsbehorden aufzuheben. Allerdings wird der Beschwerdefuhrer keineswegs selten aufgrund der Dauer des Verfahrens vor dem Europaischen Gerichtshof fiir Menschenrechte einschlieBlich der vorangegangenen Absolvierung des innerstaatlichen Rechtswegs nicht mehr personlich in den Genuss des von ihm errungenen Erfolges kommen, so dass die Beschwerde in solchen Fallen nur noch praventive Wirkung erlangt.
255 Dazu Laubenthal, 2002c, S. 177 ff 256 Schlette, 1999,8.223. 257 Vgl. Ehlers, 2000, S. 382; Meyer-Ladewig/Petzold, 1999, S. 1166; Villiger, 1999, Rdn. 225. 258 Meyer-Ladewig, 1995, S. 2815.
454
8 Vollzugsverfahrensrecht
8.5 Sonstige vollzugsexterne Kontrollmoglichkeiten Zum vollzuglichen Rechtsschutzsystem gehoren auch die auBergerichtlichen Rechtsbehelfe der Petition, der Eingabe und des Gnadengesuchs. 8.5.1 Petitioner! 846 Der Inhaftierte kann sich wegen vollzuglicher MaBnahmen nach Art. 17 GG schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die Volksvertretung wenden. Gleiches gilt nach den jeweiligen Landesverfassungen (z.B. Art. 115 Verfassung des Freistaates Bayem) hinsichtlich der Landerparlamente und Behorden.^^^ GemaB § 29 Abs. 2 S. 1 StVoUzG unterliegen die Schreiben an Volksvertretungen des Bundes und der Lander sowie an deren Mitglieder nicht der Uberwachung, wenn sie an die Anschriften dieser Volksvertretungen gerichtet sind und den Absender zutreffend angeben. § 31 Abs. 4 StVollzG schlieBt das Anhalten dieser Schreiben aus. Petitionen an die Volksvertretungen spielen in der vollzuglichen Praxis eine bedeutende Rolle, obwohl die Parlamente keine direkten Entscheidungsbefugnisse in Angelegenheiten besitzen, welche einzelne Strafgefangene betreffen. Es sind insbesondere die sachliche und politische Autoritat der Abgeordneten sowie die Moglichkeit einer Offentlichmachung von aus der Sicht der Inhaftierten bestehenden Missstanden, die Betroffene zu einer solchen Vorgehensweise veranlassen.^^^ 8.5.2 Eingaben bei Burgerbeauftragten 846a In den Bundeslandem Mecklenburg-Vorpommem^^^ und Rheinland-Pfalz^^^ kann sich ein Gefangener v^ie jeder Burger mit Eingaben an die dortigen Burgerbeauftragten v^enden. Diese haben insbesondere die Aufgabe, die Rechte des Einzelnen gegeniiber den Behorden des jeweiligen Bundeslandes zu wahren. 8.5.3 Gnadenbegehren 847 Gnadenentscheidungen spielen fur Strafgefangene nicht nur im Bereich vorzeitiger Entlassungen eine Rolle.^^^ Auch den Inhaftierten begiinstigende MaBnahmen (Gewahrung von Hafturlaub oder VoUzugslockerungen i.S.d. § 11 StVollzG) konnen durch den Gnadentrager genehmigt werden, wenn der Betroffene die gesetzli259 Dazu Daum, 2005. 260 Kaiser/Schoch, 2002, S. 364. 261 Petitions- und Btirgerbeauftragtengesetz v. 5.4.1995 (GVBl. Meckl.-Vorp. 1995, S. 190). 262 Gesetz liber den Burgerbeauftragten v. 3.5.1974 (GVBl. Rheinland-Pfalz 1974, S. 469). 263 Dazu Kap. 5.10.1; femer Laubenthal, 2006, S. 35 ff; Schatzler, 1992, S. 36 ff
8.5 Sonstige vollzugsexteme Kontrollmoglichkeiten
455
chen Voraussetzimgen nicht erfiillt (z.B. schon mehr als 21 Tage Hafturlaub gem. § 13 Abs. 1 S. 1 StVollzG im Jahr erhalten hat). Der Gnadenakt als ein Mittel auBerrechtlicher Milde dient bezogen auf das Individuum der Anpassung von Rechtsfolgen an veranderte personliche Lagen.^^"^ Der Gnadentrager hat deshalb auch im voUzuglichen Bereich einzelfallbezogene Entscheidungen zu treffen. Er darf entgegen der ihm zustehenden Individualbegnadigungsbefugnis keine allgemeine Praxis herbeiftihren, welche im Widerspruch zu gesetzlichen Regelungen steht (z.B. bei sog. Weihnachtsamnestien den Entlassungszeitpunkt vor den Feiertagen abweichend von den in § 16 Abs. 2 StVollzG bestimmten Terminen vorverlegen).^^^
264 Schatzler, 1992, S. 7. 265 K r i t auch Figl, 2 0 0 1 , S. 392 ff.; Klein, 2 0 0 1 , S. 59; Meier B.-D., 2000, S. 58, 64; M i ckisch, 1996, S. 146; Muller-Dietz, 1987, S. 480; SiiB, 2 0 0 1 , S. 99; Walter M., 1999,
S. 356.
9 Besondere Vollzugsformen
9.1 Jugendstrafvollzug Zum Bereich des StrafvoUzugs zahlt neben der gegen Erwachsene verhangten 848 Freiheitsstrafe unter anderem auch der Jugendstrafvollzug. Bei Nichtaussetzung der Jugendstrafe zur Bewahrung (§§21 ff. JGG) bzw. bei Widerruf der Strafaussetzung (§ 26 JGG) oder einer Strafrestaussetzung (§ 88 Abs. 6 S. 1 i.V.m. § 26 JGG) und dem Fehlen von Strafaufschubgrtinden (§§ 455, 456 StPO) ladt der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter den auf freiem FuB befindlichen Verurteilten zum Strafantritt, sobald ein geeigneter Haftplatz zur Verfiigung steht. Stellt der Betroffene sich nicht, ist der Richter nach § 457 Abs. 2 S. 1 StPO befugt, einen Vorfiihrungs- oder Haftbefehl zu erlassen. Befindet sich der Verurteilte bereits in behordlicher Verwahrung (z.B. in Untersuchungshaft), veranlasst der Richter dessen Uberfiihrung in die zustandige Vollzugseinrichtung. 9.1.1 Inhaftierte in Jugendstrafanstalten In den deutschen Jugendstrafanstalten^ befanden sich am 31.3.2005 insgesamt 849 7 061 Inhaftierte. Hiervon waren 6 797 mannlich (= 96,3 %) und nur 264 weiblich. Im Jahr 1992 betrug am gleichen Stichtag die Zahl der Gefangenen des Jugendstrafvollzugs 3 898 Verurteilte. Damit hat sich dort die Anzahl der Insassen seitdem fast verdoppelt (Tab. 9.1).
Dazu eingehend Dtinkel F., 2002, S. 67 ff
458
9 Besondere Vollzugsformen
Tabelle9.1. Inhaftierte im Vollzug der Jugendstrafe 1992-2005^Jewells am 31.3. Jahr .,..
j _ _ 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005
Inhaftierte
Mannlich
Weiblich
1898 4 284 4 757 4 980 5 253 5 742 6 438 7 150 7 326 7 482 7 455 7 276 7 304 7 061
3 789 4 165 4 622 4 851 5 142 5 592 6 247 6 953 7 192 7 250 7 178 7 010 ; 7 000 6 797
^ 119 135 129 111 132 191 197 204 232 277 266 304 264
Quelle: Statistisches Bundesamt, Strafvollzug - Demographische und kriminologische Merkmale der Strafgefangenen am 31.3.2005 Reihe 4.1, S. 6. 849a
Eine Aufteilung der Gefangenen des Jugendstrafvollzugs nach dem Gesichtspunkt der Deliktsstruktur (Tab. 9.2) macht deutlich, dass - wie auch bei den Verurteilten im Erwachsenenstrafvollzug^ - Diebstahls- und Unterschlagungsdelikte an erster Stelle stehen, gefolgt von Raub und Erpressung. Den dritten Rang nehmen die Korperverletzungsdelikte ein.
Dazu oben Kap. 1.7.
9.1 Jugendstrafvollzug
459
Tabelle 9.2. Zu Jugendstrafe verurteilte Inhaftierte am 31.3.2005 nach Art der Straftat Straftatengruppe
___^
Jugendstrafe verbtiBende
Prozent
___j55l3ES^!£
Straftaten gegen den Staat, die offentliche Ordnung und im Amt (§§ 80-168,331-357 StGB) Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174-184b StGB) Beleidigung (§§ 185-189 StGB) Straftaten gegen das Leben (§§ 211-222 StGB) Korperverletzungen (§§ 223-231 StGB) Straftaten gegen die personliche Freiheit (§§234-24la StGB) Sonstige Straftaten gegen die Person (§§ 169-173, 201-206 StGB) Diebstahl und Unterschlagung (§§ 242-248C StGB) Raub, Erpressung, rauberischer Angriff auf Kraftfahrer (§§249-255, 316a StGB) Begtinstigung, Hehlerei (§§ 257-261 StGB) Betrug, Untreue (§§ 263-266b StGB) Urkundenfalschung (§§ 267-281 StGB) Sonstige Straftaten gegen das Vermogen (§§ 283-305a StGB) Gemeingefahrliche Straftaten (§§ 306-323C, ohne 316a StGB) Straftaten gegen die Umwelt (§§ 324-330a StGB) Straftaten im StraBenverkehr Straftaten nach anderen Gesetzen (ohne StGB, StVG)
83
1,2
257 18 295
3,6 0,3 4,2
1 322
18,7
54
0,8
1
0,01
1993
28,2
1 817
25,7
22 277 94
0,4 3,9 1,3
59
0,8
89 141
1,3 0,0 2,0
539
7,6
Quelle: Statistisches Bundesamt, Strafvollzug - Demographische und kriminologische Merkmale der Strafgefangenen 2005 Reihe 4.1, S. 16 f Die Durchfahrung des Jugendstrafvollzugs ist gesetzlich nur rudimentar gere- 849b gelt. § § 9 1 , 92 JGG enthalten einige Grundziige zur Zielsetzung und Ausgestaltung. Zwar ermachtigt § 115 JGG die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats zum Erlass einer Verordnung iiber die nahere Gestaltung des Jugendstrafvollzugs. Eine solche Verordnung wurde jedoch nicht geschaffen. Stattdessen basiert die Durchfiihrung des Jugendstrafvollzugs vor allem auf den Bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften zum Jugendstrafvollzug (VVJug).^ Deren Inhalt lehnt sich - abgesehen von einigen jugendstrafvollzuglichen Besonderheiten - weitgehend an die Normen des StVoUzG an. Es handelt sich aber bei den W J u g um einen Regelungskatalog mit bloB verwaltungsintemer Wirkung, der auf Landervereinbarung beruht. Solche Verwaltungsvorschriften konnen weder Gerichte unmittelbar binden noch stellen sie eine hinreichende Basis fiir Eingriffe in Abgedruckt z.B. bei Eisenberg, 2006, Anhang 6; zu den W J u g siehe Pollahne, 2004, S. 45 ff
460
9 Besondere Vollzugsformen
die Grundrechte von Strafgefangenen dar. Gesetzliche Bestimmungen fiir den Bereich des JugendstrafVoUzugs enthalten allerdings §§ 176, 178 StVoUzG. Dariiber hinaus finden sich keine weiteren gesetzlichen Regelungen zum Jugendstrafvollzug. Diese Rechtslage entspricht nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen eines auf dem Rechtsstaatsprinzip beruhenden Freiheitsentzugs. 9.1.2 Jugendstrafvollzug und Jugendgerichtsgesetz 850 Das JOG enthalt einige knappe Regelungen zum Jugendstrafvollzug/ Die diesen betreffenden §§ 91 und 92 JGG erklart § 110 Abs. 1 JGG fur nach Jugendstrafrecht zu Jugendstrafe verurteilte Heranwachsende entsprechend anwendbar. 9.1.2.1 Gestaltungsregelungen 851 § 91 Abs. 1 JGG umschreibt als Aufgabe, dass der VoUzug der Jugendstrafe den Verurteilten kiinftig zu einem rechtschaffenen und verantwortungsbewussten Lebenswandel fiihren soil. VoUzugsziel soil die Erziehung^ des jungen Rechtsbrechers sein, wobei jedoch auch im Vollzug der Jugendstrafe die Einwirkung dem Subsidiaritatsprinzip und dem VerhaltnismaBigkeitsgrundsatz gemaB nicht weiter gehen darf, als dies ein Leben ohne deliktische Handlungen erfordert.^ Zielsetzung des erzieherischen Vorgehens bleibt damit das kiinftige Legalverhalten. Als wichtigste Mittel zur spezialpraventiven Einwirkung benennt § 91 Abs. 2 JGG Ordnung, Arbeit, Unterricht, Leibesiibungen, sinnvoUe Freizeitbeschaftigung und Forderung beruflicher Leistungen. Das Gesetz schreibt femer die Einrichtung von Ausbildungsstatten und die Gewahrleistung der seelsorgerischen Betreuung vor. Der Zielerreichung sollen nach § 91 Abs. 3 JGG auch eine Auflockerung des Vollzugs und in geeigneten Fallen dessen Durchfiihrung in weitgehend freien Formen dienen. Dementsprechend regelt Nr. 5 W J u g die Voraussetzungen einer Unterbringung in Anstalten bzw. Abteilungen des offenen Vollzugs. Dort soil der Betroffene trotz seiner Inhaftiemng eigenverantwortliches Handeln in Freiheit iiben."^ Nr. 6 bis 9 VVJug legen die Bedingungen sowie die Durchfiihrung der Gewahrung von Vollzugslockerungen (AuBenbeschaftigung, Ausfiihrung, Ausgang, Freigang, Hafturlaub) fest, wobei auch insoweit eine Anlehnung an die einschlagigen Regelungen des StVollzG sowie an die VVStVollzG uniibersehbar bleibt. GemaB § 91 Abs. 4 JGG miissen die Vollzugsbediensteten schlieBlich fur ihre Aufgaben geeignet und ausgebildet sein. Eingehend dazu Bulczak, 1988, S. 70 ff; Diinkel P., 1990a, S. 129 ff; Eisenberg, 2005, S. 460 ff; Schaffstein/Beulke, 2002, S. 288 ff; Sonnen, 2002, S. 57 ff; Walter J., 2002, S. 127 ff; zur historischen Entwicklung Cornel, 1984, S. 48 ff Zum Erziehungsgedanken im Jugendstrafrecht siehe Schliichter, 1994, S. 31 ff; Streng, 1994a, S. 60 ff; krit. Laubenthal/Baier, 2005, S. 2 f Diinkel P., 1990a, S. 131 f; Eisenberg, 2006, § 5 Rdn. 3, 4; Ostendorf, 2003, §§ 91-92 Rdn. 11. Prankenberger, 1999, S. 25 ff
9.1 Jugendstrafvollzug
461
9.1.2.2 Trennungsprinzip § 92 Abs. 1 JGG stellt eine besondere Auspragung des Treimungsprinzips dar: Die 852 Jugendstrafe wird in Jugendstrafanstalten voUzogen. Der Grundsatz einer getreimten VerbiiBung von Jugendstrafen und Freiheitsstrafen in gesonderten Anstalten wird bei der Herausnahme aus dem Jugendstrafvollzug nach § 92 Abs. 2 JGG durchbrochen.^ Danach kann der Jugendrichter als VoUstreckungsleiter (§§ 92 Abs. 3, 82 Abs. 1 S. 1 JGG) die VerbiiBung einer Jugendstrafe in einer Justizvollzugsanstalt fiir Erwachsene (gem. § 92 Abs. 2 S. 2 JGG nach den Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes) anordnen, wenn der Verurteilte das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat und sich nicht fiir den Jugendstrafvollzug eignet. Eine Herausnahme erfolgt regelmaBig auch mit Vollendung des vierundzwanzigsten Lebensjahres (§ 92 Abs. 2 S. 3 JGG). Umgekehrt ermoglicht § 114 JGG auch eine Hereinnahme von nach Erwachsenenstrafrecht verurteilten Tatem in die Jugendstrafanstalt. Die Betroffenen diirfen das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet haben und miissen sich fiir den Jugendstrafvollzug eignen. Zu einer Durchbrechung des Trennungsprinzips des § 92 Abs. 1 JGG kommt es in der Praxis zudem aus faktischen Griinden. So werden - insbesondere weibliche - Jugendstrafgefangene auch in Abteilungen von Erwachsenenanstalten untergebracht.^ 9.1.3 Jugendstrafvollzug und Strafvollzugsgesetz Zwar bestimmt § 1 StVollzG erster Abschnitt als Anwendungsbereich des 853 StVollzG „den Vollzug der Freiheitsstrafe in Justizvollzugsanstalten und der freiheitsentziehenden MaBregeln der Besserung und Sicherung". In seinem fiinften Abschnitt beinhaltet das StVollzG dann jedoch iiber die in seinem § 1 genannten Sanktionsarten hinausgehend Regelungen, die nicht zum Bereich des Vollzugs dieser Sanktionsarten zahlen. Zum einen findet sich in § 176 StVollzG eine Vorschrift iiber das Arbeitsentgelt in Jugendstrafanstalten. In § 178 StVollzG sind die Voraussetzungen und Grenzen der Anwendung unmittelbaren Zwangs fur JustizvoUzugsbedienstete normiert. GemaB § 92 Abs. 2 S. 2 JGG gelten in den Fallen der Herausnahme aus dem Jugendstrafvollzug die Vorschriften des StVollzG. 9.1.3.1 Anwendbarkeit von Einzelbestimmungen Dem in § 1 StVollzG zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers, die 853a Vorschriften des StVollzG nicht generell auf den Vollzug der Jugendstrafe anzuwenden, steht es entgegen, wenn die VVJug sich dennoch wesentlich an den Vorgaben des StVollzG orientieren. Eine pauschale entsprechende Heranziehung von Normen des StVollzG widerspricht der Selbststandigkeit des Jugendstrafvollzugs Dazu Laubenthal/Baier, 2005, S. 333 f Vgl. Bohm/Feuerhelm, 2004, S. 249; Diinkel P., 1990a, S. 136.
462
9 Besondere Vollzugsformen
ebenso wie der Zielbestimmung des § 91 Abs. 1 JGG. Deshalb wurde explizit im StVollzG fiir nur wenige Teilbereiche des Jugendstrafvollzugs die Geltung von Bestimmungen des StVollzG auch auf diesen Vollzugsbereich ausgedehnt. 853b § 176 StVollzG betrifft das Arbeitsentgelt. Damit erhalt nach § 43 Abs. 2 i.V.m. § 200 StVollzG auch der arbeitende jugendliche (bzw. heranwachsende) Inhaftierte nur die niedrige finanzielle Arbeitsentlohnung von 9 % des durchschnittlichen Arbeitsentgelts der Sozialversicherten.^^ Gem. § 176 Abs. 1 S. 3 StVollzG gelten fiir den JugendstrafvoUzug zudem die Abs. 5 bis 11 des § 43 StVollzG. Danach findet die Arbeitsleistung der Betroffenen die dort vorgesehene nichtmonetare Anerkennung in Form von Freistellung von der Arbeit, Arbeitsurlaub und Anrechnung auf den Entlassungszeitpunkt. Entsprechend anwendbar sind nach § 176 Abs. 4 StVollzG femer die Normen iiber die Ausbildungsbeihilfe (§ 44 StVollzG), den Haftkostenbeitrag (§ 50 StVollzG), das Uberbnickungsgeld (§ 51 StVollzG) und das Eigengeld (§ 52 StVollzG). Nach der tJbergangsfassung des § 176 Abs. 3 StVollzG wird bei Bediirftigkeit dem unverschuldet beschaftigungslosen jungen Inhaftierten ein angemessenes Taschengeld gewahrt. 853c § 178 StVollzG bezieht die Vorschriften der §§ 94 bis 101 StVollzG iiber die Anwendung unmittelbaren Zwangs auch auf Justizvollzugsbedienstete, die gegentiber solchen Inhaftierten MaBnahmen ergreifen miissen, far die gem. § 1 StVollzG dieses Gesetz nicht gih. Damit gibt § 178 StVollzG fiir den JugendstrafvoUzug die Befugnis, zur Durchfahrung rechtmaBiger Vollzugs- und SicherungsmaBnahmen auf Personen oder Sachen einzuwirken, und zwar durch behordliche Gewalt, deren Hilfsmittel und Waffen. Hierbei haben die Bediensteten - wie auch im Erwachsenenvollzug - das Subsidiaritatsprinzip sowie den Grundsatz der VerhaltnismaUigkeit zu beachten.^^ Es gelten femer die in § 100 StVollzG abschlieBend benannten Voraussetzungen fur einen Schusswaffengebrauch, dem durch § 99 StVollzG zusatzliche Grenzen gezogen sind. Zwar ermachtigt § 178 Abs. 4 StVollzG die Bundeslander, namentlich beim Vollzug der Jugendstrafe, weitere Einschrankungen fiir den Schusswaffengebrauch vorzusehen. Von dieser Ermachtigung wurde jedoch kein Gebrauch gemacht.^^ Aufgrund von § 178 Abs. 1 StVollzG entfaltet schlieBHch die Sonderregelung des § 101 StVollzG iiber arztliche ZwangsmaBnahmen auch fiir den JugendstrafvoUzug Geltung. 9.1.3.2 JugendstrafvoUzug in Erwachsenenstrafanstalten 854 Die Falle einer Herausnahme aus dem JugendstrafvoUzug gem. § 92 Abs. 2 JGG stellen in der Praxis keine seltene Ausnahme dar. Vielmehr erfolgt diese bei mehr als einem Fiinftel der zu Jugendstrafe Verurteilten, die ihre Strafe auch verbiiBen miissen. Mit der Anordnung der Herausnahme eines Betroffenen aus dem JugendstrafvoUzug weist der Jugendrichter als VoUstreckungsleiter (§ 92 Abs. 3 JGG) diesen in die zustandige JustizvoUzugsanstalt fiir den Vollzug von Freiheitsstrafen ein. Die 10 DazuKap. 5.3.3. 11 Siehe Kap. 7.3. 12 Vgl. Schwind/Bohm/Jehle/Koepsel, 2005, § 178 Rdn. 4.
9.1 Jugendstrafvollzug
463
Anordnung nach § 92 Abs. 2 JGG wirkt sich dann auf die Art und Weise der VoUzugsgestaltung aus. Sie erfolgt auf der Grundlage der Rechtsfolgenverweisung des § 92 Abs. 2 S. 2 JGG nach den Vorschriften des StVoUzG und der dazu von den Bundeslandem geschaffenen Verwaltungsvorschriften als vollzugsinteme Entscheidungshilfen. Dadurch wird vermieden, dass innerhalb einer Strafvollzugseinrichtung gleichartige MaBnahmen von der Vollzugsbehorde je nach Person des Inhaftierten auf unterschiedHche rechthche Grundlagen zu stiitzen sind.^^ 9.1.4 Rechtsschutz Will der eine Jugendstrafe verbiiBende Inhaftierte sich gegen eine vollzugliche 855 Gestaltungsentscheidung oder das Unterlassen einer MaBnahme wenden, stehen ihm vollzugsinteme tJberprufungsmoglichkeiten sowie ein gerichtliches Kontrollverfahren zur Seite. Zu differenzieren ist jedoch dahin gehend, ob der Gefangene die Jugendstrafe in einer Jugendstrafanstalt oder in einer Einrichtung des Strafvollzugs ftir Erwachsene verbiiBt. 9.1.4.1 Rechtsbehelfe im Jugendstrafvollzug Als vollzugsinteme KontroUmoglichkeit gibt Nr. 92 Abs. 1 VVJug (in Anleh- 855a nung an § 108 StVoUzG) dem Inhaftierten das Recht, sich in ihn betreffenden Angelegenheiten mit Wiinschen, Anregungen und Beschwerden an den Leiter der Jugendstrafanstalt zu wenden. Dieser hat hierfiir regelmaBige Sprechstunden einzurichten. Daneben kann der Betroffene auch schriftliche Eingaben an den Anstaltsleiter richten (Nr. 92 Abs. 4 VVJug). Das Beschwerderecht begriindet zugleich einen Anspruch auf eine abschlieBende Bescheidung des vorgetragenen Anliegens. Nr. 92 Abs. 2 VVJug eroffnet zudem die Moglichkeit, sich mit seinem Begehren an einen Vertreter der Aufsichtsbehorde zu wenden, wenn dieser die Anstalt besichtigt. Hinzu kommt noch der Rechtsbehelf der Dienstaufsichtsbeschwerde (Nr. 92 Abs. 3 VVJug). Ein spezielles gerichtliches KontroUverfahren fur den VoUzug der Jugend- 855b strafe hat der Gesetzgeber nicht normiert. Dem jungen Inhaftierten bleibt deshalb fiir Einwendungen gegen jugendstrafvollzugliche MaBnahmen der Rechtsweg gem. §§23 ff EGGVG zum Oberlandesgericht. Allerdings betrifft dies nur Entscheidungen des Anstaltsleiters selbst, so dass MaBnahmen nachgeordneter Vollzugsbediensteter zumindest einer Bestatigung nach vollzugsintemer KontroUe durch den Leiter der Einrichtung bediirfen.^"^ Die Bundeslander Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein sehen zudem ein Vorschaltverfahren i.S.d. § 24 Abs. 2 EGGVG gegen Entscheidungen des Anstaltsleiters vor.^^ ^3 Brunner/Dolling, 2002, § 92 Rdn. 6. ^4 Eisenberg, 2006, § 91 Rdn. 39. ^^ § 26 Abs. 1 AGGVG - Bremen; § 6 AGVwGO - Hamburg; § 1 Vorschaltverfahrengesetz - Nordrhein-Westfalen; §§ 1 und 5 Vollzugsbeschwerdegesetz - Schleswig-Holstein.
464
9 Besondere Vollzugsformen
Die Beschrankung des gerichtlichen Rechtszugs im Jugendstrafvollzug auf die subsidiare Kontrolle durch das Oberlandesgericht stellt eine Schlechterstellung der Jugendstrafgefangenen gegeniiber denjenigen in Anstalten des Erwachsenenvollzugs dar. Wahrend die Entscheidung des Oberlandesgerichts nach § 29 Abs. 1 S. 1 EGGVG endgultig ist, werden dem Inhaftierten des Erwachsenenvollzugs zwei gerichtliche Instanzen gewahrt (§§ 109, 116StVollzG).
9.1,4.2 Rechtsbehelfe im Erwachsenenvollzug 856 VerbiiBt der zu Jugendstrafe Verurteilte nach Herausnahme aus dem Jugendstrafvollzug nach § 92 Abs. 2 JGG diese in einer Justizvollzugsanstalt fiir den Vollzug der Freiheitsstrafe, richtet sich nicht nur die Vollzugsgestaltung, sondem auch sein Rechtsschutz nach den Vorschriften des StVollzG. Die Rechtsfolgenverv^eisung des § 92 Abs. 2 S. 2 JGG eroffnet fiir die Inhaftierten die voUzugsinternen KontroUmoglichkeiten der Beschwerde zum Anstaltsleiter (§ 108 Abs. 1 StVollzG) sowie das Gesprach mit dem Vertreter der Aufsichtsbehorde (§ 108 Abs. 2 StVollzG). Zulassig bleibt femer die Einlegung einer Dienstaufsichtsbeschwerde zur Beanstandung des Verhaltens von Vollzugsbediensteten bzw. Anstaltsleiter (§ 108 Abs. 3 StVollzG). 856a § 92 Abs. 2 S. 2 JGG stellt auch eine besondere Rechtsv^egeroffhung fiir den gerichtlichen Rechtsschutz dar. Es gelangen nicht die subsidiaren § § 2 3 ff EGGVG zur Anw^endung, sondem §§109 ff StVollzG. Der Inhaftierte kann sich an die StrafvoUstreckungskammer beim Landgericht ( § 1 1 0 StVollzG) wenden, wenn es sich bei der Beanstandung oder dem Begehren um eine ihn betreffende MaBnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des StrafvoUzugs oder um die Ablehnung oder das Unterlassen einer solchen MaBnahme handelt ( § 1 0 9 Abs. 1 StVollzG). Ein vorheriges Widerspruchserfordemis nach § 109 Abs. 3 StVollzG vor Stellung eines Anfechtungs- oder Verpflichtungsantrags sehen nur die Bundeslander Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Schlesv^ig-Holstein vor.^^ Gegen eine Entscheidung der StrafvoUstreckungskammer ( § 1 1 5 StVollzG) besteht gem. § 116 StVollzG das Rechtsmittel der Rechtsbeschv^erde. 856b
Die Subsidiaritat des Rechtswegs nach § 23 Abs. 3 EGGVG ist auch zu bejahen, wenn sich ein nach Jugendstrafrecht sanktionierter Jugendlicher oder Heranwachsender in stationarem MaBregelvollzug in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) oder in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) befindet.^"^ Dann sind hinsichtlich seines gerichtlichen Rechtsschutzes entsprechend §138 Abs. 3 StVollzG die Regelungen der §§109ff StVollzG anwendbar.^^
^^ § 26 Abs. 1 AGGVG - Bremen; § 6 AGVwGO - Hamburg; § 1 Vorschaltverfahrengesetz - Nordrhein-Westfalen; §§1 und 5 Vollzugsbeschwerdegesetz - Schleswig-Holstein. ^'^ Zum MaBregelvollzug fur Jugendliche siehe HaBler/Keiper/Schlafke, 2004, S. 24 ff 18 OLG Karlsruhe, NStZ 1997, S.511; Brunner/Dolling, 2002, §85 Rdn. 11, § 93a Rdn. 10; a.A. Eisenberg, 1998, S. 104.
9.1 Jugendstrafvollzug
465
9.1.5 Erforderlichkeit eines Jugendstrafvollzugsgesetzes Eine generalisierende entsprechende Anwendung von Vorschriften des StVollzG 857 auf den Jugendstrafvollzug kommt schon deshalb nicht in Betracht, well es an einer planwidrigen Regelungsliicke als Voraussetzung fiir eine Analogie fehlt. Denn der Gesetzgeber hat mit §§176 und 178 StVollzG nicht nur einzelne Vorschriften dieses Gesetzes auch fiir den Jugendstrafvollzug ausdriicklich far anwendbar erklart. Es wurden zudem immer wieder Anlaufe zur Erarbeitung eines eigenen Jugendstrafvollzugsgesetzes untemommen.^^ Eine eigene gesetzliche Grundlage fur den Jugendstrafvollzug verlangt nunmehr auch das BVerfG.^^ 9.1.5.1 Regelungsnotwendigkeit durch formelles Gesetz Bereits in seiner gmndlegenden Entscheidung zum Verhaltnis von StrafVollzug 857a und Gesetz hat das BVerfG im Jahr 1972^^ die Lehre vom besonderen Gewaltverhaltnis als eine Grundlage fur Eingriffe in Gefangenenrechte verworfen. Das BVerfG lieB sich in spateren Entscheidungen dann aber nicht auf eine eindeutige Stellungnahme zur Verfassungswidrigkeit des Jugendstrafvollzugs ein. Es erklarte Richtervorlagen nach Art. 100 Abs. 1 GG aus formalen Griinden fiir unzulassig.^^ Einige Gerichte stellten sich zwischenzeitlich auf den Standpunkt, dass ihnen eine spezialgesetzHche Regelung des Jugendstrafvollzugs aus rechtsstaatlichen Griinden dringend geboten erschien.^^ Diese Position vertritt auch der GroBteil des jugendstraf- und vollzugsrechtlichen Schrifttums.^"^ Schon wenn man die vom BVerfG entwickelten Grundsatze zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage zum Vollzug der Freiheitsstrafe mit fest umrissenen Eingriffstatbestanden heranzieht, kann die Verfassungswidrigkeit des jugendstrafvollzuglichen Rechtszustands kaum zweifelhaft sein. Denn die kursorischen Regelungen der Materie Ju-
^^ 20 21 22
Vgl. Diemer/Schoreit/Sonnen, 2002, § 91 Rdn. 13. BVerfG, Urteil v. 31.5.2006 - 2 B v R 1673/04. BVerfGE 33, S. 1 ff Vgl. BVerfG, N J W 1994, S.2751; BVerfG, N J W 1995, S. 2215; BVerfG, DVJJJoumal 2002, S. 348 f 23 So A G Herford, NStZ 1991, S. 255 f; AG Herford, DVJJ-Joumal 2002, S. 347 f; A G Rinteln, DVJJ-Joumal 2002, S. 342 f 24 Etwa Albrecht P . - A , 2000, S. 411; Bammann, 2001a, S. 24, 27 ff; ders., 2002a, S. 30; Binder, 2002, S. 452, 454; Butz, 2004, S. 22 ff; Diemer/Schoreit/Sonnen, 2002, § 91 Rdn. 11; Eisenberg, 2006, § 91 Rdn. 5; Laubenthal, 2002d, S. 818; ders., 2005a; Mertin, 2002, S. 18, 19; Ostendorf, 2003, §§ 91-92 Rdn. 3; Pollahne, 2005, S. 79 f; Rzepka, 2004, S. 27, 4 3 ; Schaffstein/Beulke, 2002, S. 293; Streng, 2003, S. 240; Wolfl, 2000, S. 511, 513 f; ders., 2004, S. 77 ff; wohl auch Busch, 1985, S. 126, 129; Walt e r ! , 2002a, S. 349; femer Bohm/Feuerhelm, 2004, S. 250 f; Walter M./Neubacher, 2003, S. 1 ff, die allerdings lediglich im Hinblick auf das fehlende gesetzliche Konzept fur einen Erziehungsvollzug vom VerstoB gegen Sozial- und Rechtsstaatsprinzip ausgehen; Bedenken auch bei Brunner/Dolling, 2002, § 91 Rdn. 6; Meier/Rossner/Schoch, 2003, S. 286.
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9 Besondere Vollzugsformen
gendstrafvollzug im JGG bzw. in Spezialnormen des StVollzG lassen sich nicht als „fest umrissene" Eingriffstatbestande qualifizieren. 857b
Die Verfassungswidrigkeit eines gesetzlich unzureichend geregelten Jugendstrafvollzugs gilt umso mehr, wenn man die Fortschritte in der Auslegung des Verfassungsrechts beriicksichtigt. Denn im Jahr 1972 argumentierte das BVerfG noch ausschlieBlich auf der Basis der Theorie vom Vorbehalt des Gesetzes. Danach bedurfen Eingriffe in Freiheit und Eigentum der Grundlage in einem formlichen Gesetz. Diese Sichtweise ist im Verfassungsrecht mittlerweile durch die Wesentlichkeitstheorie erganzt worden. Nach dieser Theorie braucht man eine Entscheidung des parlamentarischen Gesetzgebers flir samtliche fur die Verwirklichung der Grundrechte wesentlichen Regelungen. Und dieser parlamentarische Gesetzgeber darf seine Verantwortung nicht auf andere Stellen abwalzen, etwa auf Verordnungsgeber.^^ Durch das Wesentlichkeitsprinzip wird die Lehre vom Vorbehalt des Gesetzes lediglich erweitert, nicht aber ersetzt. Das bedeutet: Soweit durch die Ausgestaltung des Vollzugs Grundrechtseingriffe erfolgen, muss der parlamentarische Gesetzgeber hiertiber entscheiden. Von der Ermachtigungsnorm des § 115 JGG dtirfte also gar kein Gebrauch mehr gemacht werden, soweit die Regelungen iiber die Ausgestaltung des Vollzugs fur die Verwirklichung der Grundrechte der Gefangenen wesentlich sind. Das richtet sich vor allem nach der Intensitat der Wirkungen eines Regelungskomplexes fiir die Grundrechtsausiibung.^^ Und an der Grundrechtsrelevanz des Vollzugsgeschehens besteht kein Zweifel. Gerade die mit einem Aufenthalt in einer Vollzugsanstalt verbundenen MaBnahmen und sonstigen Gegebenheiten bringen notwendigerweise eine Einschrankung der Grundrechtsausiibung im Vergleich zum Leben in Freiheit mit sich. Deshalb bedarf es unter diesen Bedingungen gesteigerter Aufmerksamkeit, um - soweit als moglich - die fur den Einzelnen fundamentale Rechtsposition zu wahren. Erforderlich ist insoweit eine sorgfaltige Abwagung der beriihrten Rechtspositionen und Interessen, die zu leisten dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten bleibt.
9,1.5.2 Reformversuche 857d Vorarbeiten flir ein Jugendstrafvollzugsgesetz fanden schon seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts statt und haben in Kommissionsberichten und Arbeitsentwiirfen ihren Niederschlag gefunden. So erarbeitete ab dem Jahr 1976 eine Jugendstrafvollzugskommission aufgrund einer EntschlieBung des Bundestags von 1975 Vorschlage flir eine gesetzliche Regelung des Jugendstrafvollzugs.^^ Diese sahen insbesondere vor: eine Verzahnung der Jugend- und Sozialhilfe mit der Jugendkriminalrechtspflege.^^ Zu diesem Zweck sollte der Jugendstrafvollzug an Jugendlichen und Heranwachsenden durch ambulante und stationare Einrichtungen der Jugendhilfe und durch ambulante MaBnahmen der Jugendkriminalrechtspflege eingeschrankt werden. Es wurde eine starkere Einbeziehung der Durchfuhrung des Vollzugs von Jugendstrafe in die Kette anderer Sozialisationshilfen und Erziehungshilfen angestrebt. Der Jugendstrafvollzug sollte so weiterentwickelt werden, dass er eindeutig der Erziehung, der Behandlung und dem sozialen Training diente. Ein Arbeitsentwurf des Bundesjustizminis-
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Etwa BVerfGE 77, S. 230 f; 98, S. 251; femer Jarass/Pieroth, 2006, Art. 20 Rdn. 46. Siehe BVerfGE 49, S. 127; 83, S. 142; 98, S. 252. Zum Schlussbericht der Kommission siehe Ayass, 1980, S. 167 ff Vgl. Diemer/Schoreit/Sonnen, 2002, § 91 Rdn. 13.
9.1 Jugendstrafvollzug
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teriums 1980^^ entwickelte eine Art Stufenplan, um diese Kommissionsvorschlage mittelund langfristig umzusetzen.^^ Der Entwurf wollte den Erziehungsgedanken des JGG verstarken. Dariiber hinaus lagen ihm aber - gemessen an personellen und finanziellen Kapazitaten - eher realitatsfeme Standards zugrunde. Die Konzeptionen der Jugendstrafvollzugskommission und des Arbeitsentwurfs 1980 wurden dann mit dem Arbeitsentwurf eines Jugendstrafvollzugsgesetzes des Bundesministeriums der Justiz 1984 aufgegeben.^^ Dieser Entwurf lehnte sich stark an das StVollzG an. Es fehlte ihm insoweit an einer eigenstandigen jugendrechtlichen Profilierung, als er der Autonomie des Jugendstrafvollzugs gegeniiber dem Erwachsenenstrafvollzug nicht gentigend Rechnung trug. Mit der Vorlage eines weiteren Entwurfs reagierte die Bundesregierung dann 199P^ auf verfassungsrechtliche Bedenken. Dieser griff das schon in den vorherigen Entwtirfen angedachte Modell eines eigenstandigen Jugendstrafvollzugsgesetzes auf Wahrend dieser Ansatz zwar die Gefahr einer zu groBen Verselbststandigung des Jugendstrafvollzugs in sich birgt, betont er andererseits die Eigenstandigkeit^^ des Jugendstrafvollzugs und die besondere Verantwortung des Jugendstrafrechts als Taterstrafrecht.^"^ Im Ergebnis wurde aber auch dieser Entwurf der Realitat und den besonderen Aufgaben des Jugendstrafvollzugs nur partiell gerecht.^^ Obwohl sich der Erziehungsgedanke in der Vollzugspraxis nicht uberzeugend durchsetzte, hielt der Entwurf an diesem Leitprinzip fest. Als Vollzugsziel war vorgesehen: „Im Vollzug der Jugendstrafe sollen die jungen Gefangenen zu einem eigenverantwortlichen Leben in der Gemeinschaft unter Achtung der Rechte anderer erzogen werden." Zwar wurde aus verfassungsrechtlichen Griinden die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage fur den Jugendstrafvollzug als immer dringender erachtet. Dennoch setzte die Legislative auch den Entwurf von 1991 nicht um. Im Jahr 2004 leitete das Bundesministerium der Justiz schlieBlich den Bundeslandem sowie einschlagigen Fachverbanden den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Regelung des Jugendstrafvollzugsgesetzes zur Stellungnahme zu.^^ Dieser halt daran fest, die Regelung der Ausgestaltung des Jugendstrafvollzugs in einem eigenstandigen Gesetz vorzusehen. In der Entwurfsbegriindung^^ wird die Notwendigkeit einer prazisen gesetzlichen Regelung von Eingriffen in die Grundrechte junger Strafgefangener anerkannt. Es erfolgt zudem eine ausdriickliche Bezugnahme auf die Grundsatzentscheidung des BVerfG von 1972.^^ Zudem sollte mit der Neuregelung des Jugendstrafvollzugs Vorgaben auf europaischer und intemationaler Ebene^^ Rechnung getragen werden. Es wurde angestrebt, ein neues Jugendstrafvollzugsgesetz in den Gesamtkontext der fur junge Menschen bedeutsa-
29 Dazu Ayass, 1980a, S. 359 ff 3° Vgl. Diemer/Schoreit/Sonnen, 2002, § 91 Rdn. 14. 31 Dazu Ayass, 1984, S. 350 f; ders., 1985, S. 178 f; Busch, 1985, S. 126 ff; Eisenberg, 1985,S.41ff 32 Siehe hierzu Dunkel F., 1992b, S. 176, 180 f; Sonnen, 1992, S. 307 ff 33 Diemer/Schoreit/Sonnen, 2002, § 91 Rdn. 18; femer Ayass, 1980, S. 359, 360. Siehe Ayass, 1980, S. 359, 360; ClaBen, 1984, S. 85 ff; Eisenberg, 1985, S. 41, 44 f; vgl. femer Bereswill/Hoynck, 2002. 35 Ayass, 1992, S. 212. 36 Dazu Dunkel F., 2006, S. 565 ff;
Eisenberg, 2004, S. 353 ff;
S. 397 ff; ders., 2005a, S. 17 f 37 EGJVollz 2004, Begrundung S. 3. 38 BVerfGE 33, S. 1 ff 39 Hierzu Feest, 2004, S. 69 ff; Laubenthal, 2002c, S. 169 ff.
Walter J., 2004a,
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9 Besondere Vollzugsformen
men nationalen Regelungen einzufiigen. Das gilt insbesondere auch fiir das Kinder- und Jugendhilferecht.
9.1.5.3 Die Verfassungsgehchtsentscheidung 2006 857c In seinem Urteil vom 31.5.2006 stellt das BVerfG'*^ fest, dass fiir den Jugendstrafvollzug die verfassungsrechtlich notwendigen, auf die spezifischen Anforderungen des Strafvollzugs an Jugendlichen zugeschnittenen gesetzlichen Grundlagen fehlen. Zugleich setzt das Gericht dem Gesetzgeber eine Frist bis zum Ablauf des Jahres 2007, eine verfassungsrechtlich konforme gesetzliche Regelung zur Durchfuhrung des Jugendstrafvollzugs zu schaffen. In seinen Entscheidungsgriinden weist das BVerfG darauf hin, dass Eingriffe in die Grundrechte von Strafgefangenen einer gesetzlichen Grundlage bediirfen, die die Eingriffsvoraussetzungen in hinreichend bestimmter Weise normiert und es keinerlei Grund gibt, weshalb fur den Jugendstrafvollzug insoweit etwas anderes gelten sollte als im Vollzug der Freiheitsstrafe an Erwachsenen. Das Gericht zeigt auf, dass bislang fiir beinahe den gesamten Bereich des Jugendstrafvollzugs zureichende gesetzliche Eingriffsgrundlagen fehlen und dieser Mangel sich nicht durch Riickgriff auf Rechtsgedanken des den Erwachsenenstrafvollzug betreffenden Strafvollzugsgesetzes beheben lasst. Deiin Ausgangsbedingungen und Folgen strafrechtlicher Zurechnung sind bei Jugendlichen in wesentlichen Aspekten anders als bei Erwachsenen. Freiheitsentzug wirkt sich zudem in verschiedener Hinsicht fiir Jugendliche besonders einschneidend aus. Ihr Vollzug beriihrt gerade auch Grundrechte der Erziehungsberechtigten. Ein der Achtung der Menschenwiirde und dem Grundsatz der VerhaltnismaBigkeit staatlichen Strafens verpflichteter Strafvollzug muss diesen Besonderheiten Rechnung tragen. Das Erfordemis gesetzlicher Grundlagen, welche den Besonderheiten des Jugendstrafvollzugs angepasst sind, bezieht sich - so das BVerfG - auf den Bereich unmittelbar eingreifender MaBnahmen ebenso wie auf die Ausgestaltung des gerichtlichen Rechtsschutzes. Das BVerfG konstatiert, dass dessen Ausgestaltung als Rechtsweg zu den Oberlandesgerichten gem. §§23 ff. EGGVG den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht wird. Das Erfordemis gesetzlicher Regelung betrifft auch die Ausrichtung des Vollzugs auf das Ziel der sozialen Reintegration. Das BVerfG weist darauf hin, dass fiir den Jugendstrafvollzug das Ziel der Befahigung zu einem straffreien Leben in Freiheit besonders hohes Gewicht besitzt. Die Legislative ist deshalb verpflichtet, ein wirksames Resozialisierungskonzept zu entwickeln und den Vollzug der Jugendstrafe darauf aufzubauen. Zwar hat der Gesetzgeber fiir die Ausgestaltung dieses Konzepts einen weiten Spielraum. Er muss jedoch durch gesetzliche Festlegung hinreichend konkretisierter Vorgaben dafiir Sorge tragen, dass fiir allgemein als erfolgsnotwendig anerkannte VoUzugsbedingungen und -maBnahmen die erforderliche Ausstattung mit personellen und finanziellen Mitteln kontinuierlich gesichert ist. Das betrifft vor allem die Bereitstellung zureichender Bildungs- und Ausbildungsmoglichkeiten, geeignete Formen der Unterbringung und Betreuung BVerfG, Urteil v. 31.5.2006 - 2 BvR 1673/04.
9.1 JugendstrafVollzug
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sowie eine mit angemessenen Hilfen fiir die Phase nach der Entlassung verzahnte Entlassungsvorbereitung. Mit Rticksicht auf das besonders hohe Gewicht der gmndrechtlichen Belange, welche durch den JugendstrafvoUzug beriihrt werden, bleibt der Gesetzgeber schlieBlich zur Beobachtung sowie nach MaBgabe der Beobachtungsergebnisse zur Nachbesserung verpflichtet. Der Gesetzgeber muss deshalb sich selbst und den mit der Anwendung eines JugendstrafvoUzugsgesetzes befassten Behorden die Moglichkeit sichem, aus Erfahrungen mit der jeweiligen gesetzlichen Ausgestaltung des VoUzugs und der Art und Weise, wie die gesetzlichen Vorgaben angewendet werden, zu lemen. 9.1.5A DerEGJVollz Infolge der Entscheidung des Verfassungsgerichts vom 31.5.2006 legte das Bun- 857f desministerium der Justiz am 7.6.2006 den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des JugendstrafvoUzugsgesetzes (EGJVollz) vor. Der EGJVollz 2006, der im Wesentlichen demjenigen von 2004 entspricht, will die Entwicklung des Jugendstrafvollzugs vor allem unter verschiedenen Gesichtspunkten fordem: - Das Vollzugsziel stellt die ktinftige Lebensfiihrung ohne Straftaten dar. - Die Ausgestaltung des Vollzugs erfolgt mit jugendspezifischen Inhalten, also insbesondere Forderung der schulischen Bildung, des Arbeits- und Sozialverhaltens, Forderung der beruflichen Qualifikation und Schaffung arbeitspadagogischer Angebote. - Schul- und Ausbildungsplatze sollen fiir mindestens zwei Drittel der Haftplatze zur Verfugung stehen. - Es erfolgt eine Festlegung von qualitativen Mindeststandards fur die Forderung der Gefangenen unter sachlichen, personellen und organisatorischen Gesichtspunkten. - Es kommt zu einer Zusammenarbeit und Vemetzung mit fachbezogenen auBervollzuglichen Einrichtungen. - Geschaffen wird eine gesetzliche Grundlage fur die Sozialtherapie im JugendstrafvoUzug. - Die Unterbringungfindetin Wohngruppen statt. - Besondere Wohngruppen sind fur 14- bis 15-jahrige Gefangene vorzusehen. - Es mussen die unterschiedlichen Lebenslagen und Bediirfhisse weiblicher Gefangener Beriicksichtigung finden. - Ausgleichende Konfliktlosungen sollen gegeniiber DisziplinarmaBnahmen vorrangig sein. - Bereits wahrend des Vollzugs erfolgt die Bestellung der Bewahrungshilfe. - Zur Vorbereitung der Entlassung wird Langzeiturlaub vorgesehen. - Spezielle Ubergangshauser bilden die Schnittstelle zwischen Vollzug und Freiheit. - In den Vordergrund rucken die Auseinandersetzung mit den Tatfolgen und der Ausgleich von Tatfolgen. - Festgeschrieben wird eine begleitende kriminologische Forschung. - Was die Vollzugsbediensteten betrifft, so sollen mit der Forderung der Inhaftierten nur die Mitarbeiter betraut werden, die eine zusatzliche padagogische Ausbildung von mindestens sechsmonatiger Dauer fur die Arbeit mit Kindem und Jugendlichen absolviert haben oder die schon mindestens zwei Jahre im JugendstrafvoUzug beschaftigt sind. - Auch der Rechtsschutz der jungen Gefangenen soil grundlegende Veranderungen erfahren. Anstaltsintem gelten die gleichen Beschwerdemoglichkeiten wie im Erwachsenen-
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strafvollzug. Fiir die justizielle Ebene werden weitgehend die Vorschriften der §§109 ff. StVollzG entsprechend herangezogen. Das bedeutet eine Verlagerung der erstinstanzlichen Zustandigkeit zuriick von den regelmaBig auch ortsfemeren Strafsenaten der Oberlandesgerichte hin auf die landgerichtliche Ebene. Allerdings entscheidet dort nicht die Strafvollstreckungskammer iiber einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Das geschieht durch die Jugendkammer, in deren Bezirk die Strafanstalt ihren Sitz hat. Das Oberlandesgericht wird dann wiederum zustandig zur Entscheidung iiber Rechtsbeschwerden gegen solche Beschlusse der Jugendkammem. § 2 EGJVoUz bestimmt als VoUzugsziel: „Ziel des Vollzuges der Jugendstrafe ist eine Lebensfiihrung der Gefangenen ohne Straftaten." Zugleich soil § 91 JOG aufgehoben werden. Trate der Entwurf in Kraft, dann enthielte die Vollzugszielbestimmung nicht mehr den Erziehungsbegriff - so wie auch die weiteren Regelungen des Entwurfs den Erziehungsbegriff meiden. Dagegen beschrankt sich der Text des Entwurfs im Ubrigen auf den Begriff der Forderung im Vollzug. Der Entwurf versteht Forderung als eine Forderung an die Gefangenen: - Eine Forderung zur aktiven Auseinandersetzung mit dem eigenen sozialschadlichen Verhalten und mit straftatrelevanten individuellen Problem- und Konfliktlagen. - Eine Forderung zur Annahme der Angebote der durch die Vollzugsbehorde bereitgestellten Lemgelegenheiten und Hilfen zur Verhiitung kiinftigen Fehlverhaltens. - Forderung auch zur Wahmehmung der Hilfeleistungen im Hinblick auf eine sozialvertragliche Verarbeitung der individuellen Konfliktlagen. Die Hervorhebung des Fordergedankens im EGJVollz macht deutlich, dass auf eine Ideologic der Umerziehung durch Veranderung der Personlichkeit im repressiven Sinne verzichtet wird. Die Forderung soil der Erreichung des Vollzugsziels dienen, und dieses ist eine Lebensfiihrung ohne Straftaten. Es geht also nicht um eine Erziehung zu einem irgendwie vorgegebenen Personlichkeitsbild, sondem um die Forderung der Personlichkeitsentwicklung, und diese befahigt den Betroffenen zu einem zukiinftigen straffreien Leben. „Ziel des JugendstrafvoUzuges ist mithin, sowohl eine innere Einstellungs- als auch eine auBere Verhaltensanderung der Gefangenen im Hinblick auf zukiinftiges Legalverhalten zu erreichen.""^^ 857g Zeitgleich mit der Vorlegung des Entwurfs fur ein Bundes-Jugendstrafv^oUzugsgesetz legten auch Baden-Wiirttemberg und Bayem Entwurfe fiir Landes-JugendstrafvoUzugsgesetze fiir ihr jeweiliges Bundesland vor. In beiden Entwiirfen wird ein Erziehungsauftrag des Jugendstrafvollzugs herausgestellt. So lautet gem. § 3 E-JStVoUzG-BW das Erziehungsziel: „Im Vollzug der Jugendstrafe soil der junge Gefangene dazu erzogen werden, kiinftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu fiihren." Als gleichrangige Aufgabe steht daneben, dass der Vollzug der Jugendstrafe zugleich dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten junger Menschen dienen soil.
So bereits EGJVollz 2004, Begrundung S. 14.
9.1 Jugendstrafvollzug
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9.1.6 Vollstreckung Die Vollstreckung von Jugendstrafen'^^ obliegt gem. § 82 Abs. 1 S. 1 JGG dem 857h Jugendrichter als Vollstreckungsleiter. Dies ist zunachst nach § 84 JGG der Jugendrichter des ortlichen Amtsgerichts, in dessen Bezirk der Jugendliche bzw. Heranwachsende verurteilt wurde oder bei dem die familien- bzw. vormundschaftsrichterlichen Erziehungsaufgaben liegen. Ist der Verurteilte in die Jugendstrafanstalt aufgenommen, geht die weitere Vollstreckung gem. § 85 Abs. 2 JGG auf den besonderen Vollstreckungsleiter iiber. Dies ist regelmaBig der Jugendrichter des Amtsgerichts, in dessen Bezirk die Jugendstrafanstalt liegt bzw. den die Landesjustizverwaltung wegen der besonderen ortlichen Nahe hierfiir allgemein bestimmt hat. Nach § 88 JGG kann der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter den Rest einer Jugendstrafe zur Bewahrung aussetzen. Die Entscheidung hieriiber steht in seinem Ermessen, GemaB § 88 Abs. 2 JGG erfordert eine bedingte Entlassung, dass bereits mindestens ein Drittel der Jugendstrafe, wenigstens aber sechs Monate verbiiBt sind. Aus besonders wichtigen Griinden darf von der Sechs-Monats-Untergrenze des § 88 Abs. 2 S. 1 JGG abgewichen werden (z.B. bei besonderen Leistungen wahrend des Vollzugs). Dagegen lasst das Gesetz fur die Ein-Drittel-VerbiiBung des § 88 Abs. 2 S. 2 JGG keine Ausnahme zu. Die gegeniiber den Regelungen des allgemeinen Strafrechts deutlich geringere MindestverbixBungsdauer ermoglicht eine an der individuellen Entwicklung der Personlichkeit orientierte flexiblere Handhabung der vorzeitigen Entlassung. Neben der Erfullung der MindestverbiiBungsdauer muss eine giinstige Legalprognose gegeben sein. Eine bedingte Entlassung darf gem. § 88 Abs. 1 JGG nur erfolgen, wenn dies im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen, auch unter Beriicksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit, verantwortet werden kann. Damit sind die unter spezialpraventiven Gesichtspunkten far eine Aussetzung des Restes der Jugendstrafe zur Bewahrung sprechenden Aspekte mit den Risiken abzuwagen, die sich fiir die Gesellschaft aus einer bedingten Entlassung des Verurteilten ergeben konnten."*^ Teilweise wird nach besonders gravierenden Straftaten eine Ermessensausiibung dahin gehend vorgeschlagen, unter Stihneaspekten die Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewahrung in Anlehnung an die Fristen des § 57 StGB durchzuftihren.^'* Diese Ansicht ist jedoch abzulehnen, weil sie in § 88 JGG keine Stiitze findet und der Gesetzgeber sich - im Hinblick auf eine moglichst erfolgreiche erzieherische Einwirkung - bewusst fur die flexiblere Regelung im Jugendstrafrecht entschieden hat."*^
^2 Dazu eingehend Laubenthal/Baier, 2005, S. 329 ff 43 Brunner/Dolling, 2002, § 88 Rdn. 1; Diemer/Schoreit/Sonnen, 2002, Rdn. 14. 44 In diesem Sinne L G Berlin, N S t Z 1999, S. 103; Bohm, 1996, S. 216. 45 Vgl. Brunner/Dolling, 2002, § 88 Rdn. 2 ; Diemer/Schoreit/Sonnen, 1999, § 88 Rdn. 12; Eisenberg, 2006, § 88 Rdn. 9b.
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9.2 Vollzug freiheitsentziehender Madregein der Besserung und Sicherung 858 Nach § 1 StVollzG zahlt zum Bereich des Strafvollzugs auch der Vollzug der sicherungsbezogenen MaBregel der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) sowie der therapiebezogenen Unterbringungen in einem psychiatrischen Kxankenhaus (§ 63 StGB) und in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB). Hat das erkennende Gericht in seinem Urteil gegen einen Straftater neben einer Freiheitsstrafe dessen Unterbringung nach § 63 bzw. § 64 StGB angeordnet, wird nach § 67 Abs. 1 StGB die MaBregel grundsatzlich vor der Strafe vollzogen. Ein VorwegvoUzug der Strafe in Umkehrung der gesetzlichen Reihenfolge kommt nach § 67 Abs. 2 StGB nur in Betracht, wenn dadurch der Rehabilitationszweck der MaBregel besser erreicht wird.
9,2.1 Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus 859 Im Strafvollzugsgesetz finden sich nur in §§ 136 und 138 Regelungen, die ausdriicklich den Vollzug einer Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus"*^ betreffen. § 136 StVollzG normiert als Vollzugsziel die Behandlung nach arztlichen Gesichtspunkten zum Zweck der Wiedereingliederung: Soweit als moglich, soil der strafgerichtlich Untergebrachte geheilt oder sein Zustand so gebessert werden, dass er nicht mehr gefahrlich ist. Dabei wird ihm die notige Aufsicht, Besserung und Pflege zuteil. Hinsichtlich des Vollzugs der MaBregel gelten nach § 138 Abs. 1 S. 2 StVollzG fiir den Untergebrachten entsprechend die vollzuglichen Vorschriften iiber die Unpfandbarkeit von Uberbriickungsgeld (§51 Abs. 4 und 5 StVollzG) und finanziellen Leistungen zur Heimreise nach der Entlassung (§ 75 Abs. 3 StVollzG). GemaB § 138 Abs. 2 StVollzG gilt mit Modifizierungen hinsichtlich des Beitrags fur die Unterbringung § 50 StVollzG entsprechend. 860 Da § 138 Abs. 3 StVollzG femer auf die §§ 109 bis 121 StVollzG verweist, ist gegen MaBnahmen auf dem Gebiet des Unterbringungsvollzugs der Rechtsweg zu den Strafvollstreckungskammem eroffhet."^^ Der Untergebrachte kann unter den gleichen Voraussetzungen"*^ wie ein im Vollzug der Freiheitsstrafe Inhaftierter einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen. 861 Im Ubrigen richtet sich der Vollzug - soweit ein Bundesgesetz nichts anderes bestimmt - nach Landesrecht (§ 138 Abs. 1 S. 1 StVollzG). Die Bundeslander haben demgemaB landesrechtliche Bestimmungen eingefiihrt. Dabei wurden zum Teil eigenstandige MaBregelvoUzugsgesetze verabschiedet (in Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt,
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Eingehend dazu Gebauer/Jehle, 1993; Jehle, 2005, S. 3 ff; Kammeier, 1996; ders., 2002; Kreuzer, 1994; Leygraf, 1998; Rasch, 1989, S. 8 ff.; Schoch, 1994, S. 445 ff; Volckart/Griinebaum, 2003. Siehe Wagner B., 1992. Dazu in Kap. 8.2.1.
9.2 Vollzug freiheitsentziehender MaBregeln der Besserung und Sicherung
473
Schleswig-Holstein) oder das Landesunterbringungsrecht mit Vorschriften iiber den MaBregelvollzug erganzt (in Baden-Wiirttemberg, Bayem, Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommem, Sachsen und Thiiringen)/^ Allerdings enthalten diese Regelungen nicht nur Divergenzen in der Ausgestaltung einzelner vollzuglicher Aspekte. Sie erfassen diese nicht durchweg umfassend, so dass es in den einzelnen Bundeslandem mit unterschiedlichem AusmaB - an einer zureichenden Verrechtlichung aller relevanten Bereiche mangelt. In seiner bundesweiten Studie iiber die Praxis des psychiatrischen MaBregelvoIlzugs hat 862 Leygraf^^ in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts uberwiegend „desolate" Unterbringungs- und Behandlungsbedingungen ermittelt und gelangte zu einem „deprimierenden" Gesamteindruck.^^ Da die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus cine freiheitsentziehende MaBregel der Besserung und Sicherung darstellt, welche schon bei erstmaliger Anordnung keine zeitliche Hochstgrenze kennt, fiihrte dies zu unberechenbaren, teilweise auffallend langen Verweilzeiten in den Einrichtungen.^^ Obwohl nicht nur bei der gerichtlichen Anordnung der Unterbringung (§ 62 StGB), sondem auch hinsichtlich ihrer Fortdauer und Vollstreckung der Grundsatz der VerhaltnismaBigkeit gilt^^, lieB sich haufig kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Schweregrad des Anlassdelikts und der Verweildauer in der Institution feststellen.^"^ So blieb die Verweildauer etwa der wegen gewalttatiger Vermogens- und Sexualdelikte Untergebrachten im Durchschnitt kiirzer als diejenige der Probanden mit entsprechend gewaltfreien Begehungsweisen (z.B. nach §§ 183, 183a StGB).^^ Gegenwartig ist ein enormer Anstieg der Verweildauer im psychiatrischen MaBregelvollzug zu beobachten. Diskutiert wird insoweit die Schaffung von Langzeiteinrichtungen.^^ Folgen uberlanger Verweilzeiten in den psychiatrischen Krankenhausem und der teilweise damit einhergehenden unzureichenden therapeutischen Behandlung sind irreversible Hospitalisierungsschaden, wobei dann nach Jahren kaum noch eine Differenzierung moglich bleibt, inwieweit abweichendes Verhalten auf den urspriinglichen krankhaften Zustand i.S.d. §§ 20, 21 StGB oder aber auf solche Hospitalisierungsdefekte zuriickzufiihren ist. Gefordert wird deshalb eine zeitliche Befristung der MaBregel des § 63 StGB^"^, wobei der Gesetzgeber sich an der Strafrahmenobergrenze des jeweiligen Anlassdelikts orientieren sollte. In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben in Deutschland im psychiatrischen MaBregelvollzug nach § 63 StGB erkennbare Entwicklungsprozesse stattgefunden.^^ Diese sind insbesondere gepragt durch eine zunehmende Verselbstandigung der forensischen von der AUgemeinpsychiatrie. Der MaBregelvollzug befindet sich auf dem Weg von der bloBen Anstalt hin zur klinischen Behandlung, welche vermehrt auch eine kriminaldiagnostische Fundierung erfahrt. Insgesamt gesehen ist in den Einrichtungen der forensischen Psychiatric "^^ Ubersicht der landesrechtlichen Regelungen bei Volckart/Grtinebaum, 2003, S. 263 ff 50 Leygraf, 1988. 5^ Leygraf, 1988, S. 183. 52 Vgl. Z.B. Ritzel, 1989, S. 123; Leygraf, 2002, S. 3 ff
53 BVerfGE 70, S. 311; dazu auch Kruis, 1998, S. 94 ff 54 Siehe z.B. Jacobsen, 1987, S. 66.
55 Leygraf, 1988, S. 115 ff 56 Dazu Donisch-Seidel, 2005, S. 169 ff 57 Siehe Baur, 1988, S. 121; Horstkotte, 1993, S. 189; Laubenthal, 1990, S. 372; Volckart/Grunebaum, 2003, S. 255. 58 Siehe dazu Jehle, 2005, S. 12 f; Krober, 1999, S. 93 ff
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9 Besondere Vollzugsformen
heute eine therapeutische Professionalisierung festzustellen. Zugleich gewinnt in der Praxis aber auch der Sicherheitsgedanke an Bedeutung.^^ 862a
Seit den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts ist ein Anstieg der strafgerichtlichen Unterbringungsanordnungen gem. § 63 StGB zu verzeichnen. Obwohl sich die gesetzlichen Anordnungsvoraussetzungen nicht geandert haben, kam es von 1995 bis 2005 in den alten Bundeslandem zu einer nahezu doppelten Patientenzahl in den forensischen Einrichtungen des psychiatrischen MaBregelvoUzugs (siehe Tab. 9.3). Dies ist nicht nur Folge vermehrter Anordnungen und langerer Verweildauer. Auch bei der Entlassungsprognose werden offensichtlich verscharfte Kriterien herangezogen.^^ Tabelle 9.3. Im psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB Untergebrachte 1995-2005, jeweils am 31.3. (alte Bundeslander) 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005
2 902 2 956 3 216 3 539 3 838 4 098 4 297 4 462 5 118 5 390 5 640
Quelle: Statistisches Bundesamt, Strafvollzug - Demographische und kriminologische Merkmale 2005 Reihe 4.1, S. 26. 863
Bestimmt § 136 StVollzG als Unterbringungsziel die Wiedereingliederung des Betroffenen^^, so folgt aus dieser Norm nicht nur die Geltung des Integrationsprinzips. Unabhangig von der Ausgestaltung der landesrechtlichen Bestimmungen muss der Vollzug auch gepragt sein von den Grundsatzen der Gegenwirkung und der Angleichung: Die psychiatrische Einrichtung hat schadlichen Folgen des Freiheitsentzugs in ihrer Institution mit geeigneten MaBnahmen gegenzusteuern und den Aufenthalt im Krankenhaus den allgemeinen Lebensverhaltnissen so weit wie moglich anzupassen.^^ So sehen die Landesgesetze z.B. - sehr unterschiedliche - Regelungen ftir die Gewahrung von Vollzugslockerungen und Urlaub vor. Praktiziert werden vor allem Gruppen- und Einzelausfiihrungen, begleiteter Ausgang, AuBenbeschaftigung oder Ausgang ohne Begleitung. Ausgeschlossen sind solche MaBnahmen nach den Bestimmungen aller Bundeslander bei Vorliegen ei59 60
Siehe Royen, 2005, S. 411 ff. Jehle, 2005, S. 6; siehe auch Dessecker, 2005, S. 23 ff. Zur Gestaltung des MaBregelvoUzugs Dessecker, 1997, S. 104ff.; Nowara, 1997, S. 116ff. Volckart/Grunebaum, 2003, S. 53.
9.2 Vollzug freiheitsentziehender MaBregeln der Besserung und Sicherung
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ner Flucht- oder Missbrauchsgefahr.^^ Dagegen enthalt keines der Landesgesetze Regelungen iiber DisziplinarmaBnahmen als Reaktion auf Pflichtverletzungen. Die Verarbeitung von Disziplinwidrigkeiten wird in der Praxis vielmehr in den Kembereich arztlichen Handelns eingeordnet.^"^ Die Entlassung eines gem. § 63 StGB Untergebrachten aus dem psychiatri- 864 schen Krankenhaus ist auf drei verschiedenen Wegen moglich: 1. Stellt sich nach Beginn des MaBregelvollzugs heraus, dass infolge eines diagnostischen Irrtums^^ oder simulierter geistiger Erkrankung die vom Gericht angenommene biologische Komponente i.S.d. §§20, 21 StGB von vomherein nicht vorgelegen hat, wird der weitere Vollzug der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus unzulassig. Die MaBregel ist von der Strafvollstreckungskammer (§§ 463 Abs. 5, 462, 462a Abs. 1 S. 1 StPO, § 78a Abs. 1 Nr. 1 GVG) nach § 67d Abs. 6 S. 1 StGB - selbst bei ungiinstiger Prognose - fur erledigt zu erklaren^^ und der Betroffene aus dem MaBregelvoUzug zu entlassen. Zwar tritt nach § 67d Abs. 6 S. 2 StGB mit der Erledigung Fiihrungsaufsicht ein. Das Gericht hat jedoch deren Nichteintritt anzuordnen, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird. Nach § 66b Abs. 3 StGB kommt unter bestimmten Voraussetzungen^'^ die nachtragliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in Betracht, um zu vermeiden, dass hochgefahrliche Tater nach Wegfall der Unterbringungsvoraussetzungen in Freiheit gesetzt werden mtissen. 2. Kommt es zur Erreichung des MaBregelzwecks, d.h. entfallt der krankhafte psychische Zustand, der zur Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB gefiihrt hat, infolge Heilung oder VoUremission, ist die Voraussetzung fiir eine Vollstreckbarkeit der MaBregel entfallen. Gleiches gilt, wenn die weitere VoUstreckung der MaBregel unverhaltnismaBig ware. Sie muss gerichtlich far erledigt erklart werden, § 67d Abs. 6 S. 1 StGB. Fiir den Eintritt von Fiihrungsaufsicht und die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gilt das zu 1. Gesagte. 3. Ist die Behandlung so weit fortgeschritten, dass im Interesse einer sozialen Wiedereingliederung des Untergebrachten das Risiko einer Entlassung aus dem MaBregelvoUzug vertretbar erscheint, setzt die Strafvollstreckungskammer im Uberpriifungsverfahren nach § 67e StGB (Uberpriifling mindestens einmal jahrlich) die Unterbringungsvollstreckung gem. § 67d Abs. 2 S. 1 StGB zur
^^ Zu Risiken und Beurteilungskriterien Schumann, 1993, S. 131 ff; WestfaHscher Arbeitskreis „MaBregelvollzug", 1991, S. 64; siehe auch Frisch, 1996, S. 29; Kammeier/ Pollahne, 2002, S. 201 ff; Pollahne, 1994, S. 33 ff 6^ Dazu Lindemann, 2004, S. 18 ff ^^ Zum Problem der Fehleinweisungen Konrad N., 1991, S. 315 ff 66 Laubenthal, 2006, S. 96; Trondle/Fischer, 2006, § 67d Rdn. 8. 67 Dazu Lackner/Kiihl, 2004, § 66b Rdn. 12 f; Trondle/Fischer, 2006, § 66b Rdn. 12 f, 15 ff; siehe weiter Schneider U., 2004, S. 650 ff
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9 Besondere Vollzugsformen
Bewahrung aus. Es muss zu erwarten sein, dass der Untergebrachte auBerhalb des MaBregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird.^^ 865
Setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung nach § 67d Abs. 2 StGB zur Bewahrung aus, hat der Betroffene seine Fahigkeit zu zukiinftigem positiven Legalverhalten auBerhalb des Krankenhauses unter Beweis zu stellen. Eine in psychiatrischen Krankenhausem bislang vorgefundene Umwandlungspraxis^^ - dem MaBregelvollzug folgt unmittelbar eine zivilrechtHche Unterbringung nach § 1906 BOB zum Wohl des Betreuten mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts oder wegen erheblicher Gefahrdung der offentlichen Sicherheit und Ordnung nach den landesrechtlichen Unterbringungsgesetzen"^^ - steht im Widerspruch zu Sinn und Zweck des § 67d Abs. 2 StGB. Eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gem. § 66b Abs. 3 StGB kommt ebenfalls nicht in Betracht. 9.2.2 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
866 Der Vollzug der Unterbringung von Straftatem mit Hang zu alkoholischen Getranken oder anderen Rauschmitteln gem. § 64 StGB in einer Entziehungsanstalt'^^ dient nach § 137 StVoUzG der Heilung des Untergebrachten von seinem Hang sowie einer Behebung der zugrunde liegenden Fehlhaltung. Durch die Behandlung wird zugleich der Zweck einer Sicherung der Allgemeinheit verfolgt.^^ Diese Verkniipfung der Zweckerreichung durch Behandlung setzt nicht nur bei der Anordnung (§ 64 Abs. 2 StGB) der MaBregel, sondem auch fiir deren weiteren Vollzug eine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg voraus. Erweist sich dieser Zweck als unerreichbar, hat deshalb das Vollstreckungsgericht den Vollzug der Unterbringung zu beenden."^^ Die Hochstdauer der MaBregel betragt nach § 67d Abs. 1 S. 1 StGB zwei Jahre. Der Untergebrachte ist daher spatestens zu diesem Zeitpunkt zu entlassen (§ 67d Abs. 4 S. 1 StGB). Eine Aussetzung der Unterbringungsvollstreckung zur Bewahrung durch die Strafvollstreckungskammer im Verfahren nach § 67e StGB (Uberpriifung wenigstens alle sechs Monate) vor Fristablauf kommt nach § 67d Abs. 2 S. 1 StGB in Betracht, wenn die Moglichkeit zukiinftigen positiven Legalverhaltens einen zureichenden Wahrscheinlichkeitsgrad erreicht hat. 867 Der Vollzug der MaBregel findet iiberwiegend in psychiatrischen ICrankenhausem oder in besonderen Entziehungseinrichtungen statt. Ebenso wie bei der UnZur Gefahrlichkeitsprognose im MaBregelvollzug Keller, 2005, S. 240 ff.; Seifert/Moller-Mussavi/Bolten/Losch, 2004, S. 302 ff.; Weber F., 1996, S. 9 ff. 69 Bischof, 1987, S. 103 ff.; Wagner, 1992, S. 11. ^^ Umfassend Marschner/Volckart, 2001. ^' Dazu Dessecker, 2004, S. 192 ff.; Dessecker/Egg, 1995; Extembrink/Schmitz, 1991, S. 111 ff.; Schalast, 1994, S. 2 ff.; Volckart/Grunebaum, 2003, S. 12 ff., 203 ff. "^2 BVerfG,StrVert 1994,8.595. 73 BVerfG, StrVert 1994, S. 597; dazu Muller-Dietz, 1995b, S. 353 ff.; Miiller-Gerbes, 1996, S. 633 ff.
9.2 Vollzug freiheitsentziehender MaBregeln der Besserung und Sicherung
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terbringung nach § 63 StGB gelten fiir diejenige in der Entziehungsanstalt nur die §§ 51 Abs. 4 und 5, 75 Abs. 3 und 109 bis 121 StVollzG entsprechend (§ 138 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 StVollzG). Im LFbrigen richtet sich die Ausgestaltung der Unterbringung gem. § 138 Abs. 1 S. 1 StVollzG nach Landesrecht und ist dort in den MaBregelvollzugs- bzw. den Unterbringungsgesetzen"^"* geregelt. Der praktische Vollzugsablauf in der Entziehungseinrichtung beginnt mit der Entgiftung. Dem folgt dann eine intensive Behandlung des Abhangigen unter Heranziehung von psycho-, sozial- und gruppentherapeutischen Methoden sowie konfliktzentrierter Einzelberatung. In dieser Phase kommt es bereits zu einer schrittweisen Belastungserprobung des Betroffenen mittels VoUzugslockerungen. Bis zur Schlussphase der Entlassungsvorbereitung soUten Kontakte mit Einrichtungen der Nachsorge aufgebaut sein."^^ Ebenso wie bei der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB ist auch in den Entziehungsanstalten seit 1995 die Patientenzahl deutlich angestiegen (siehe Tab. 9.4), was in der Praxis zu einer Uberlastung der Einrichtungen fiihrt.'^^ Tabelle 9.4. In der Erziehungsanstalt nach § 64 StGB Untergebrachte 1995-2005, jeweils am 31.3. (alte Bundeslander) 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005
1373 1277 1 363 1529 1 657 1 774 1 922 2 088 2 281 2412 2 473
Quelle: Statistisches Bundesamt, Strafvollzug - Demographische und kriminologische Merkmale 2005 Reihe 4.1, S. 26. 9.2.3 Organisationshaft Die sog. Organisationshaft ist gesetzlich nicht vorgesehen. Ordnet das erkennende 868 Gericht in seinem Urteil als Unrechtsreaktion neben der Freiheitsstrafe eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt an, dann ist gem. § 67 Abs. 1 StGB - soweit nichts anderes gerichtlich bestimmt - die MaBregel vor der Strafe zu voUziehen. Befand sich der rechtskraftig ^4 Ubersicht bei Volckart/Grunebaum, 2003, S. 263 ff "^^ Volckart/Grunebaum, 2003, S. 204. ^^ Siehe auch Dessecker, 2005, S. 23.
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9 Besondere Vollzugsformen
Verurteilte bereits in Untersuchungshaft oder hatte er zuvor eine Freiheitsstrafe wegen einer anderen Verurteilung zu verbiiBen und steht nimmehr fur den Inhaftierten nicht sofort ein Unterbringungsplatz im MaBregelvollzug zur Verfiigung, kann er die Zwischenzeit bis zum tatsachlichen Beginn der Mafiregel in der Justizvollzugsanstalt in Organisationshaft verbringen.*^"^ Diese stellt eine Regelwidrigkeit'^^ dar, einen durch faktische Zwange bedingten VerstoB gegen § 67 StGB.^^ Der Vollstreckungsbehorde wurde von der Rechtsprechung eine gewisse Organisationsfrist von bis zu drei Monaten eingeraumt, innerhalb derer der Betroffene noch in der Justizvollzugsanstalt festgehalten werden darf.^^ Diese vermag jedoch nur so lange zu dauem, wie die Behorde benotigt, um im konkreten Einzelfall- unter Beachtung des Beschleunigungsgrundsatzes in Haftsachen- einen vorhandenen Vollzugsplatz zu lokalisieren und die Uberfuhrung des Betroffenen dorthin zu bewerkstelligen.^^ Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 26.9.2005^2 die Organisationshaft fiir nicht per se verfassungswidrig erklart. Es betont aber, dass die Vollstreckungsbehorde unverziiglich die Uberstellung des Verurteilten in den MaBregelvollzug herbeiflihren muss. Insoweit kann die vertretbare Organisationsfrist nicht allgemein im Sinne einer festen Zeitspanne bestimmt werden. Vielmehr richtet sich die zulassige Organisationsfrist nach dem jeweiligen Einzelfall unter Beriicksichtigung der vollstreckungsbehordlichen Bemiihungen um eine beschleunigte Unterbringung im MaBregelvollzug. Der bis zur tatsachlichen Aufnahme in den MaBregelvollzug stattfindende Freiheitsentzug wird als Strafhaft angesehen.^^ Fiir gerichtliche Entscheidungen, die wahrend der Organisationshaft ergehen, ist deshalb die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts zustandig.^"* Geht es nicht um die Organisation der Unterbringung, sondem um ein bloBes Warten auf das Freiwerden eines Therapieplatzes in der MaBregeleinrichtung, rechtfertigt das dagegen nicht, den Verurteilten wahrend dieser Zeit in Haft zu halten.^^ Kann die Organisationshaft im Einzelfall zu einer Verlangerung des effektiven Freiheitsentzugs fuhren, gebieten Art. 2 Abs. 2 S. 2 und 104 Abs. 1 GG, dass die Vollstreckungsbehorde den Folgen dieser Regelwidrigkeit im Rahmen der Strafzeitberechnung entgegenwirkt.^^ Die vor Beginn des MaBregelvollzugs erlittene Organisationshaft ist deshalb auf die Dauer der Freiheitsstrafe anzurechnen.^'^ ^^ ^« ^^ ^^ «' «2 83 «4 «5 ^6 «^
Dazu Lemke, 1998, S. 78; Pohlmann/Jabel/Wolf, 2001, § 53 Rdn. 17. BVerfG,NStZ1998, S. 77. Krit. Linke, 2001, S. 361; Ostermann, 1993, S. 52 ff; Trennhaus, 1999, S. 511 ff OLG Diisseldorf, NStZ 1981, S. 366; OLG Celle, NStZ-RR 2002, S. 349. OLG Brandenburg, NStZ 2000, S. 500; OLG Hamm, NStZ-RR 2004, S.381; siehe auch Rautenberg, 2000, S. 502 f BVerfG, NJW 2006, S. 427. OLG Hamm, NStZ 1998, S. 479. Pohlmann/JabelAVolf, 2001, § 53 Rdn. 17; a.A. OLG Hamm, NStZ 1998, S. 479 (Gericht erster Instanz). OLG Brandenburg, NStZ 2000, S. 500. BVerfG, StrVert 1997, S. 476. OLG Celle, StrVert 1997, S. 477; OLG Zweibrticken, StrVert 1997, S. 478.
9.2 VollzugfreiheitsentziehenderMaBregeln der Besserung und Sicherung
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9.2.4 Sicherungsverwahrung In den deutschen Justizvollzugsanstalten befanden sich am 31.3.2005 im Vollzug 869 der MaBregel der Sicherungsverwahrung 350 Personen. Bleibt ihr Anteil gegentiber den eine Freiheitsstrafe VerbiiBenden mit 0,6 Prozent auch sehr gering, so war dennoch in den letzten Jahren ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen. Im Hinblick auf die Geschlechterverteilung der Untergebrachten fallt bei der Sicherungsverwahrung auf, dass seit 1992 keine Frau diese MaBregel zu verbiiBen hat. Tabelle 9.5. In der Sicherungsverwahrung Untergebrachte 1995-2005, jeweils am 31.3. 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005
183 176 200 202 206 219 257 299 306 304 350
Quelle: Statistisches Bundesamt, Strafvollzug - Demographische und kriminologische Merkmale der Strafgefangenen am 31.3.2005 Reihe 4.1, S. 6.
480 870
9 Besondere Vollzugsformen
Etwa die Halfte der Sicherungsverwahrten ist wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung untergebracht. Tabelle 9.6. In der Sichemngsverwahrung Untergebrachte am 31.3.2005 nach Art der Straftat Straftatengruppe
Sicherungsverwahrte
Straftaten gegen den Staat, die offentliche Ordnung und im Amt (§§ 80-168,331-357 StGB) Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174-184b StGB) Straftaten gegen das Leben (§§ 211-222 StGB) Korperverletzungen (§§ 223-231 StGB) Straftaten gegen die personliche Freiheit (§§234-24la StGB) Diebstahl und Unterschlagung (§§ 242-2480 StGB) Raub, Erpressung, rauberischer Angriff auf Kraftfahrer (§§249-255, 316a StGB) Betrug, Untreue (§§ 263-266b StGB) Urkundenfalschung (§§ 267-281 StGB) Gemeingefahrliche Straftaten
.......M^
Prozent
1
2,6
70 32 26
48,8 8,6 7,4
4
1,1
23 ^
6,6
65 15 2
18,7 4,3 0,6
12
M...........
Quelle: Statistisches Bundesamt, Strafvollzug - Demographische und kriminologische Merkmale der Strafgefangenen 2005 Reihe 4.1, S. 17. 871
Ziel der Sichemngsverwahrung als MaBregel der Besserung und Sicherung nach §§ 61 Nr. 3, 66 ff. StGB ist gem. § 129 StVollzG die weitere sichere Unterbringung des gefahrlichen Riickfalltaters nach VerbiiBung seiner Freiheitsstrafe zum Schutz der Allgemeinheit vor emeuten erheblichen Straftaten. Uber eine bioBe Verwahrung hinaus wird die VoUzugsbehorde jedoch auch zur Eingliederungshilfe verpflichtet. Bereits der MaBregelzweck des § 66 StGB bedingt zwar eine unterschiedliche Akzentuierung der Aufgaben des Vollzugs von Freiheitsstrafe einerseits und Sichemngsverwahrung andererseits.^^ Im Bereich des Vollzugs der SichemngsmaBregel steht jedoch nicht generell und von vomherein die Sichemngskomponente im Vordergmnd, denn das Gebot der Eingliedemngshilfe des § 129 S. 2 StVollzG lasst sich nicht als ein Minus im Verhaltnis zum Sozialisationsziel des § 2 S. 1 StVollzG interpretieren. Dies wiirde dem Gebot zur Achtung der Menschenwiirde und dem Sozialstaatsprinzip widersprechen. Auch das BVerfG^^ betont, dass sowohl der Vollzug der Freiheitsstrafe als auch derjenige der Sicherungsverwahmng auf das Ziel bin gerichtet sein muss, die Voraussetzungen fiir ein verantwortliches Leben in Freiheit zu schaffen, dass also die Sichemngsverwahmng normativ wie tatsachlich am (Re-)Sozialisiemngsgedanken auszurichten ist. Der BesserungsSchwind/Bohm/Jehle/Rotthaus/Koepsel, 2005, § 130 Rdn. 2. BVerfG, NJW 2004, S. 740.
9.2 VollzugfreiheitsentziehenderMaBregeln der Besserung und Sicherung
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zweck tritt aber dann hinter dem Sichemngszweck zuriick, wenn es zur Verhinderung kiinftiger Straftaten im Einzelfall zu dauerhafter Unterbringung eines Betroffenen kommt.^^ § 129 S. 2 StVollzG soil eine Denaturierung des VerwahrungsvoUzugs zum bloBen Verwahrvollzug^^ ausschlieBen. Im Vollzug der Sicherungsverwahrung finden nach § 130 StVollzG die §§ 3 bis 872 126, 179 bis 187 StVollzG entsprechende Anwendung, soweit sich nicht aus §§ 131 bis 135 StVollzG Besonderheiten ergeben. Da die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung erst der VerbiiBung einer Freiheitsstrafe nachfolgt und sie unbegrenzt andauem kann, muss den schadlichen Folgen eines lang andauemden Freiheitsentzugs entgegengewirkt werden. § 131 StVollzG bestimmt deshalb, dass sachliche Ausstattung sowie Forderungs- und BetreuungsmaBnahmen dem Gegensteuerungsgrundsatz des § 3 Abs. 2 StVollzG entsprechend zu einer sinnvollen Lebensgestaltung verhelfen und vor schadlichen Belastungen bewahren sollen. Auch darf der Untergebrachte eigene Kleidung, Wasche und Bettzeug benutzen, wenn dem keine Sicherheitsaspekte entgegenstehen und er fur Reinigung, Instandsetzung und Wechsel sorgt (§ 132 StVollzG). Wahrend im Vollzug der Freiheitsstrafe die Gestattung einer Selbstbeschaftigung nach § 39 Abs. 2 StVollzG im Ermessen der Anstaltsleitung liegt, gibt § 133 Abs. 1 StVollzG dem Sicherungsverwahrten einen Anspruch^^ hierauf, wenn dies der Vermittlung von Fahigkeiten fur eine Erwerbstatigkeit nach der Entlassung dient. § 133 Abs. 2 StVollzG setzt fur Untergebrachte, die unverschuldet kein Arbeitsentgelt bzw. keine Ausbildungsbeihilfe erhalten und bediirftig sind, den monatlichen Mindestbetrag des Taschengelds i.S.d. § 46 StVollzG auf den dreifachen Tagessatz der Eckvergiitung nach § 43 Abs. 2 StVollzG fest.^^ Zur Entlassungsvorbereitung kann die Vollzugsbehorde iiber die Moglichkeiten der §§13 und 35 StVollzG hinausgehend Sonderurlaub gewahren (§ 134 StVollzG). Die MaBregel der Sicherungsverwahrung wird nach § 139 StVollzG in Justiz- 873 voUzugsanstalten vollzogen. Da eigenstandige Sicherungsverwahrungsanstalten nicht bestehen, sind die Betroffenen in getrennten Abteilungen der fxir den Vollzug von Freiheitsstrafen bestimmten Institutionen unterzubringen (§140 Abs. 1 StVollzG). Fiir Frauen lasst § 135 StVollzG eine solche Unterbringung zu, wenn die Frauenstrafanstalt fiir die Sicherungsverwahrung eingerichtet ist. Da § 130 StVollzG auch auf die §§9 und 123 ff StVollzG verweist, kann ein Sicherungsverwahrter in eine sozialtherapeutische Anstalt verlegt werden. Als die groBte Schwachstelle der MaBregel Sicherungsverwahrung gilt die 874 Durchfiihrung ihres Vollzugs in der Praxis.^"^ Dieser unterscheidet sich nicht wesentlich von dem der Freiheitsstrafe, obwohl sich im Gegensatz zum Strafgefangenen der Sicherungsverwahrte nunmehr fiir zukiinftig prognostizierte, aber noch
9^ 91 92 93 94
BVerfG, NJW 2004, S. 744. Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 129 Rdn. 1. Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 133 Rdn. 1. Dazu KG, NStZ-RR 2002, S. 254. Kinzig, 1996, S. 595.
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nicht begangene Delikte im Freiheitsentzug befindet. Angezeigt ist daher eine verbesserte Ausgestaltung des Sicherungsverwahrungsvollzugs.^^ 874a Das gesetzliche Gebot der getrennten Unterbringung der Sichenmgsverwahrten gem. § 140 Abs. 1 StVollzG gilt allgemein. BloB nebeneinander liegende Haftraume auf einer Station der Einrichtung geniigen jedoch nicht dem Begriff der getrennten Abteilungen des StVollzG. Vielmehr setzt dieser voraus, dass es sich um eine auch nach verwaltungstechnischen Erfordemissen festgesetzte selbstandige Einheit handelt, die raumlich von der iibrigen Anstalt abgetrennt ist (z.B. eigenes Gebaude, abgetrenntes Geschoss mit separatem Eingang), mit eigenem fest zugewiesenem Personal bis bin zu einem fiir den MaBregelvollzug verantwortlichen Abteilungsleiter.^^ Diesen Anforderungen an eine getrennte Abteilung i.S.v. § 140 Abs. 1 StVollzG entspricht die in der Praxis^*^ teilweise gehandhabte Unterbringung Sicherungsverwahrter in einer abgetrennten Wohngruppe^^ nicht.^^ Ein Abweichen vom Trennungsgrundsatz des § 140 Abs. 1 StVollzG als vollzugspraktische Verlegenheitslosung bleibt unzulassig.^°° § 140 Abs. 1 StVollzG gibt dem einzelnen Betroffenen einen Rechtsanspruch auf Unterbringung in einer Abteilung, die ausschlieBlich fiir Sicherungsverwahrte eingerichtet wurde und die von anderen Vollzugseinheiten separiert ist.^^^ Nach § 140 Abs. 3 StVollzG kann vom Prinzip der Trennung nach Haftarten nur dann abgewichen werden, wenn dadurch dem Inhaftierten die Teilnahme an BehandlungsmaBnahmen in einer anderen Anstalt Oder einer anderen Abteilung ermoglicht werden soil. 874b Das gesetzliche Trennungsprinzip bekommt nur dann einen Sinn, wenn der VoUzug der Sicherungsverwahrung in den Justizvollzugsanstalten sich in seiner Ausgestaltung tatsachlich erkennbar von demjenigen der Freiheitsstrafe abhebt. Durch einen privilegierten VoUzug soil zum einen der Tatsache Rechnung getragen werden, dass der Untergebrachte seine Strafe bereits verbiiBt hat und er nunmehr zum Schutz der Allgemeinheit einer schuldindifferenten MaBregel unterliegt. Zum anderen muss gerade bei der mit einer Sicherungsverwahrung verbundenen lang andauemden Inhaftierung dem vollzuglichen Gegensteuerungsprinzip gemaB fiir eine Vermeidung oder zumindest Verminderung schadlicher Folgen der Inhaftierung Sorge getragen werden. ^^^ Unter diesem Blickwinkel ist die durch § 130 StVollzG erfolgende umfassende Verweisung auf die Vorschriften iiber den Vollzug der Freiheitsstrafe durchaus als positiv zu bewerten. Es stehen damit den Sicherungsverwahrten im Vollzug die gleichen Rechte zu wie den Strafgefangenen, in ihre Rechte kann nur unter den entsprechenden Voraussetzungen und in denselben Grenzen eingegriffen werden. Die Anwendung einzelner 95 96 97 9^
Kern, 1997a, S. 185; Kinzig, 1996, S. 595 f; krit. auch Weber/Reindl, 2 0 0 1 , S. 18. Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 140 Rdn. 2. Vgl. Blau, 1998, S. 774; Bohm, 2003, S. 225 f V o n Unterbringung in abgeschlossenen Wohngruppen gehen die bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften in Nr. 3 zu § 131 StVollzG aus. 99 Siehe auch Goppinger, 1997, S. 808. ^°o Schwind/Bohm/Jehle/Rotthaus/Koepsel, 2005, § 131 Rdn. 6. 101 O L G H a m m , ZfStrVo 1988, S. 6 1 ; Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 140 Rdn. 3 . So bereits BT-Drs. 7/918, S. 89.
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Bestimmungen iiber den FreiheitsstrafenvoUzug auf den SichemngsvoUzug darf nicht mit der Begriindung ausgeschlossen werden, dass sie auf die Sichemngsverwahrten nicht passten oder mit dem Sicherungszweck unvereinbar seien.^^^ Nach § 67d Abs. 2 S. 1 StGB bleibt eine Aussetzung der VoUstreckung der Si- 874c chemngsverwahrung zur Bewahrung durch die Strafvollstreckungskammer moglich (Uberpriifung nach § 67e StGB mindestens alle zwei Jahre). Wird die Unterbringung im Lauf der VoUstreckung im HinbHck auf die Bedeutung der Anlasstat und des Gewichts drohender Delikte unverhaltnismaBig, ist die Sicherungsverwahrung far erledigt zu erklaren.^^"* Vor allem an Kindem in den vergangenen Jahren veriibte schwere Sexualstraftaten mit 875 anschlieBender Totung der Opfer haben zu Bestrebungen gefuhrt, die Allgemeinheit besser vor gefahrlichen Ruckfalltatem zu schiitzen.^^^ Dies soil unter anderem durch eine Ausdehnung der Anordnungsvoraussetzungen der Sicherungsverwahrung erreicht werden. Mit dem „Gesetz zur Bekampfung von Sexualdelikten und anderen schweren Straftaten"^^^ vom 26.1.1998^^'^, das die Gefahr von Wiederholungstaten verringem soil, hat der Gesetzgeber auch Voraussetzungen fur eine erleichterte Unterbringung von einschlagig riickfalligen Sexualstraftatem und anderen Gewalttatem in der Sicherungsverwahrung geschaffen: Das Gericht kann bei den zu zeitiger Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren Verurteilten neben der Strafe Sicherungsverwahrung anordnen, wenn sie wegen eines oder mehrerer der im Gesetz genannten Delikte, die sie vor der neuen Tat begangen haben, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt wurden (§ 66 Abs. 3 S. 1 StGB). Selbst ohne friihere Verurteilung oder Freiheitsentzug darf ein Rechtsbrecher, der wegen zweier Gewalt- oder Sexualstraftaten jeweils eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat, neben der Strafe in Sicherungsverwahrung eingewiesen werden, wenn er wegen eines oder mehrerer dieser Delikte zu zeitiger Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt wird (§ 66 Abs. 3 S. 2 StGB). Damit kann Sicherungsverwahrung nicht nur nach einer Vorverurteilung, sondem sogar schon nach Begehung zweier Sexualstraftaten zur Anwendung gelangen. Bei erstmals angeordneter Sicherungsverwahrung muss der Untergebrachte nicht mehr mit Ablauf von zehn Jahren zwangslaufig entlassen werden. Besteht seine hochgradige Gefahrlichkeit fort, ist also zu befurchten, dass er wegen seines kriminellen Hangs weitere erhebliche Straftaten begehen und dadurch seine Opfer seelisch oder korperlich schwer schadigen wird, braucht gem. § 67d Abs. 3 StGB die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nicht mehr vom Gericht fur erledigt erklart zu werden. Damit ist es zulassig, auch bei erstmalig angeordneter Sicherungsverwahrung diese lebenslang zu voUstrecken. Das BVerfG^^^ hat die Zulassigkeit einer solch lang andauemden Unterbringung in der Sicherungsverwahrung grundsatzlich gebilligt. Ein VerstoB gegen die Menschenwtirde (Art. 1 Abs. 1 GG) liegt darin seiner Meinung nach nicht, wenn die Gefahrlichkeit des Betroffenen fortbesteht. Die Festschreibung einer Hochstfrist fur die MaBregel gilt damit weder generell (im Gesetz) noch speziell (im Strafurteil oder wahrend des Vollzugs) als erfor^03 AK-Feest/K6hne, 2006, § 130 Rdn. 1; a.A. Arloth/Luckemann, 2004, § 130 Rdn. 2. '^^ OLG Celle, Recht und Psychiatric 1994, S. 34. '05 Siehe Dux, 2006, S. 87 ff; Laubenthal, 2000, S. 11 f; ders., 2004, S. 704 ff; Reindl/ Weber, 2002, S. 137 ff; Streng, 1997, S. 457 f »°6 Dazu Albrecht H.-J., 1999, S. 866 ff; Dessecker, 1998, S. 1 ff; Meier B.-D., 1999, S. 445 ff; Schoch, 1998, S. 1257 ff 1^^ BGBl. I 1998, S. 160. *o« BVerfGE 109, S. 133 ff; dazu Passek, 2005, S. 105 ff
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derlich. Allerdings stellt das BVerfG Anforderungen an die verfassungskonforme Ausgestaltung der MaBregel. Die Unterbringung muss ebenso wie der Strafvollzug darauf abzielen, ein verantwortungsvolles Leben in Freiheit zu ermoglichen, die Untergebrachten aber nach Moglichkeit im Vergleich zu den Strafgefangenen besser stellen. Der VerhaltnismaBigkeitsgrundsatz gebietet es femer, umso strengere Anforderungen an die Unterbringung anzulegen, je langer diese fortdauert.^^^ Nur ausnahmsweise darf die Sicherungsverwahrung nach Ablauf der in § 67d Abs. 3 S. 1 StGB vorgesehenen Zehn-Jahres-Frist aufrechterhalten bleiben, sofem dies unter „erh6hten Anforderungen an das bedrohte Rechtsgut und den Nachweis der Gefahrlichkeit"^^^ noch gerechtfertigt ist. Wegen der besonderen Bedeutung von Vollzugslockerungen fiir die Prognosebasis kann die Vollzugsbehorde schlieBlich nicht ohne hinreichenden Grund Vollzugslockerungen versagen, die die Erledigung der MaBregel vorbereiten mogen. Die Befarchtung einer bloB abstrakten Flucht- oder Missbrauchsgefahr stellt keinen solchen ausreichenden Grund dar.^*^ Es sind aber nicht nur die Kriterien fur die Anordnung der MaBregel in § 66 StGB herabgesetzt. Auch die bedingte Entlassung aus der Sicherungsverwahrung unterliegt verscharften Anforderungen, wenn gem. § 67d Abs. 2 S. 1 StGB auf die Erwartung abzustellen ist, dass der Untergebrachte auBerhalb des MaBregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehrbegeht.^^^ 876
Da die MaBregel der Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB nur im strafrechtlichen Erkenntnisverfahren („neben der Strafe") angeordnet werden kann, bestanden auf der legislatorischen Ebene Bestrebungen divergierenden Inhalts, im Hinblick auf den Schutz der Allgemeinheit vor gefahrlichen Straftatem eine nachtragliche Anordnung der Sicherungsverwahrung'^^ zu ermoglichen.''"* Hat das Gericht im Zeitpunkt des strafrechtlichen Urteilsspruchs von einer Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen, soil dennoch eine spatere Unterbringung moglich sein, wenn sich im Verlaufe des Strafvollzugs ergibt, dass der Tater infolge seines Hangs zur Begehung erheblicher Delikte eine Gefahr fiir die Gesellschaft darstellt. Auf Landesebene wurde Anfang des Jahres 2001 in Baden-Wiirttemberg ein „Gesetz (iber die Unterbringung besonders ruckfallgefahrdeter Straftater" verabschiedet."^ Danach konnte die Strafvollstreckungskammer gegenuber einem Inhaftierten, an dem unter den Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 bis 4 StGB eine Freiheitsstrafe vollstreckt wird - befristet oder unbefristet - die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, falls aufgrund von nach der Verurteilung eingetretenen Tatsachen angenommen wird, dass von dem Betroffenen eine „erhebliche gegenwartige Gefahr fur das Leben, die korperliche Unversehrtheit, die personliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung ausgeht". Als Kriterium fur einschlagige Tatsachen gait insbesondere die beharrliche Verweigerung der Mitwirkung an der Erreichung des Vollzugsziels i.S.d. § 2 S. 1 StVollzG,
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Vgl. auch BVerfG, NStZ-RR 2005, S. 187 f; BVerfG, NJW 2006, S. 211. BVerfGE109,S. 133. BVerfGE109,S. 166. Dazu Dunkel F., 1997, S. 8 f; Schall/Schreibauer, 1997, S. 2418. Dazu Hanack, 2002, S. 709 ff Siehe BR-Drs. 48/02; BR-Drs. 118/02; BT-Drs. 14/8586. GBl. Nr. 5 V. 16.3.2001, S. 188 f.; dazu Goll/Wulf, 2001, S. 284 ff
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namentlich an einer Rtickfall vermeidenden Psycho- oder Sozialtherapie.^^^ Die Bundeslander Bayem^^'^, Niedersachsen^^^, Sachsen-Anhalt^^^ und Thtiringen^^^ sind diesem Vorbild mit jeweils eigenen Landesgesetzen gefolgt, wobei die Anordnungsvoraussetzungen der nachtraglichen Sicherungsverwahrung der Regelung Baden-Wiirttembergs im Wesentlichen entsprachen. Das BVerfG hat die landesrechtlichen Regelungen jedoch mit Urteil vom 10.2.2004^^^ fiir verfassungswidrig erklart. Es fehlte an der Gesetzgebungskompetenz der Bundeslander. Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GO erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung auf den Bereich des Strafrechts. Darunter versteht das BVerfG alle repressiven oder praventiven Sanktionen, „die an die Straftat anknupfen, ausschlieBlich fiir Straftater gelten und ihre sachliche Rechtfertigung auch aus der Anlasstat beziehen."^^^ Die preventive Zielrichtung der Unterbringung, weitere Straftaten zu verhindem, erlangt demgegeniiber keine entscheidende Bedeutung. Nachdem das Verfassungsgericht die Unterbringung gefahrlicher Straftater als Teilbereich der Materie Strafrecht einordnete und den Regelungen im StGB abschlieBenden Charakter zubilligte, blieb fur die Landergesetze kein Raum mehr. Auf Bundesebene wurde zunachst durch das „Gesetz zur Einfiihrung der vor- 876a behaltenen Sicherungsverwahrung" vom 21.8.2002^^^ mit § 66a StGB die Moglichkeit der nachtraglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung auf diejenigen Falle begrenzt, in denen bereits das erkennende Gericht bei der Verurteilung wegen einer der in § 66 Abs. 3 S. 1 StGB genannten Straftaten diese Anordnung vorbehalten hat.^^"* Es miissen zum Urteilszeitpunkt Zweifel hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB bestehen sowie die sonstigen Bedingungen der MaBregelverhangung gegeben sein.*^^ Ergibt sich dann wahrend des Vollzugs der zu verbiiBenden Freiheitsstrafe, dass der Tater i.S.d. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB fiir die Allgemeinheit gefahrlich ist, so kann auf der Grundlage des ausgesprochenen Vorbehalts nachtraglich die Sicherungsverwahrung angeordnet werden. GemaB § 66a Abs. 2 StGB entscheidet das Gericht hiertiber spatestens sechs Monate vor dem Zeitpunkt, ab dem eine Aussetzung der Vollstreckung des Strafrests zur Bewahrung nach § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB (auch i.V.m. § 454b Abs. 3 StPO) moglich ist. Das Verfahren iiber die Entscheidung des Vorbehalts der Sicherungsverwahrung normiert § 275a StPO. Danach befindet das Gericht des ersten Rechtszugs iiber die im Urteil vorbehaltene MaBregel. Es holt vor seiner Entscheidung das Gutachten eines
^^^ Krit. zum Landesgesetz Diinkel/Kunkat, 2001, S. 16 ff; Eisenberg, 2001, S. 131 ff; Greiner, 2001, S. 650 f; Ullenbruch, 2001, S. 292 ff; Wurtenberger/Sydow, 2001, S. 1201 ff ^'^ Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 26/2001, S. 978 f ^'^ Niedersachsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 2003, S. 368. ^'^ Gesetz- und Verordnungsblatt fur das Land Sachsen-Anhalt Nr. 12/2002, S. 79 ff ^20 Thuringer Gesetz- und Verordnungsblatt 2003, S. 195. '21 BVerfGE 109, S. 190 ff; dazu etwa Baier, 2004, S. 552 ff; Dunkel, 2004, S. 42 ff '22 BVerfGE 109, S. 190. '23 BGBl. I 2002, S. 3344 ff; dazu Passek, 2005, S. 99 ff '24 Siehe auch Wagner Ch., 2002, S. 93. '25 Dazu BGHSt. 50, S. 188 ff; BGH, StrVert 2006, S. 64.
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Sachverstandigen ein, wobei dieser im Rahmen des VoUzugs der Freiheitsstrafe nicht mit der Behandlung des Verurteilten befasst gewesen sein darf. 876b Der Bundesgesetzgeber reagierte sodaiin auf die Entscheidung des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit der Landemnterbringungsgesetze, indem er durch das „Gesetz zur Einfiihrung der nachtraglichen Sicherungsverwahrung" vom 23.7.2004'^^ mit § 66b StGB die Moglichkeit der nachtraglichen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung eingefiihrt hat. Nach § 66b Abs. 1 StGB kann nach einer Verurteilung wegen eines Verbrechens gegen das Leben, die korperhche Unversehrtheit, die personHche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder eines Verbrechens nach den §§ 250, 251 StGB, auch i.V.m. §§ 252, 255 StGB, oder wegen eines der in § 66 Abs. 3 S. 1 StGB genannten Vergehen die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung noch nachtraghch angeordnet werden. Das gilt, sofem die Gesamtwiirdigung des Verurteilten, seiner Taten und erganzend seiner Entwicklung wahrend des Vollzugs ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer korperlich oder seelisch schwer geschadigt werden, und wenn die iibrigen Voraussetzungen des § 66 StGB erfiillt sind.^^^ Die letzte Voraussetzung entfallt, falls der Betroffene wegen einer der aufgefiihrten Taten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens funf Jahren verurteilt war, § 66b Abs. 2 StGB. Das Verfahren richtet sich nach § 275a g^PQi28. insbesondere kann ein Unterbringungsbefehl erlassen werden (§ 275a Abs. 5 S. 1 StPO). Der Entscheidung miissen die Gutachten zweier Sachverstandiger zugrunde gelegt werden, § 275a Abs. 4 S. 2 StPO.^^^
9.3 Sonstige in Justizvollzugsanstalten vollzogene Haftarten 877 Wahrend Jugendstrafe und freiheitsentziehende MaBregeln der Besserung und Sicherung zum Bereich des Strafvollzugs gehoren, jedoch weitgehend in eigenen Institutionen zu verbiiBen sind, fallen einige andere Haftarten nicht unter den StrafvoUzug, werden aber auch in Justizvollzugsanstalten voUzogen: Untersuchungshaft, Abschiebungshaft, Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs- und Erzwingungshaft sowie Auslieferungshaft. 126 BGBl. I 2004, S. 1838 ff; dazu etwa Kinzig, 2004, S. 655 ff; Kreuzer, 2006, S. 146 ff; Passek, 2005, S. 110 ff; Peglau, 2004, S. 3599 ff; Renzikowski, 2004, S. 271 ff; Ullenbruch, 2006, S. 1377 ff 127 Zu den Voraussetzungen des § 66b Abs. 1 StGB naher BGHSt. 50, S. 121 ff BGHSt. 50, S.180 ff; BGHSt. 50, S. 275 ff; BGHSt. 50, S. 284 ff; BGH, NJW 2006^ S. 1745 f; OLG Frankfurt, StrVert 2005, S. 142; ThiirOLG, StrVert 2006, S. 71 ff ThiirOLG, StrVert 2006, S. 186 ff; Brettel, 2006, S. 64 ff; Homle, 2006, S. 188 ff Streng, 2006, S. 92 ff; speziell zur Kriminalprognose Eisenberg, 2005a, S. 345 ff Schneider H., 2006, S. 99 ff 128 Siehe BGH, NStZ-RR 2006, S. 74. 129 Hierzu BGHSt. 50, S. 129; Wolf Th., 2004, S. 666 ff
9.3 Sonstige in Justizvollzugsanstalten vollzogene Haftarten
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9.3.1 Untersuchungshaft Das Strafvollzugsgesetz beinhaltet mit § 177 lediglich eine eigenstandige Be- 878 stimmung zur Untersuchungshaft. Danach erhalt der Untersuchungsgefangene, der freiwiUig eine ihm angebotene Tatigkeit in der Anstalt ausiibt, ein nach § 43 Abs. 2 bis 5 StVollzG zu bemessendes Arbeitsentgelt mit einer gegentiber § 200 StVollzG geringeren Eckvergtitung.^^^ Im tJbrigen sind Grundlagen des VoUzugs der Untersuchungshaft^^^ in § 119 StPO sowie in der von den Landesjustizverwaltungen bundeseinheitlich vereinbarten Untersuchungshaftvollzugsordnung (UVollzO) als Verwaltungsvorschrift geregelt. GemaB Nr. 1 UVollzO dient Untersuchungshaft dem Zweck, „durch sichere Verwahrung des Beschuldigten die Durchfiihrung eines geordneten Strafverfahrens zu gewahrleisten oder der Gefahr weiterer Straftaten zu begegnen." Die Voraussetzungen fiir die Anordnung von Untersuchungshaft ergeben sich aus 879 §§ 112 ff StPO. Es muss ein dringender Tatverdacht bestehen und ein besonderer Haftgrund gegeben sein: - Der Beschuldigte ist fltichtig oder halt sich verborgen (§112 Abs. 2 Nr. 1 StPO), - Fluchtgefahr, d.h. die Gefahr, dass sich der Beschuldigte dem Strafverfahren und der Strafvollstreckung entziehen werde (§112 Abs. 2 Nr. 2 StPO), - Verdunkelungsgefahr, weil das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begriindet, er werde auf Beweismittel einwirken, weshalb die Gefahr einer Erschwerung der Wahrheitsermittlung droht (§112 Abs. 2 Nr. 3 StPO), - die Tatschwere bei den in § 112 Abs. 3 StPO genannten Verbrechen, - Wiederholungsgefahr, wenn der Beschuldigte eine der in § 112a StPO normierten Straftaten begangen hat und bestimmte Tatsachen die Gefahr begriinden, dass er vor rechtskraftiger Aburteilung weitere erhebliche Delikte gleicher Art begehen oder die Straftat fortsetzen wird. HaftausschlieBungsgrund ist gem. § 112 Abs. 1 S. 2 StPO die UnverhaltnismaBigkeit einer Inhaftierung. Zur Sicherung der Hauptverhandlung im beschleunigten Verfahren kann gem. § 127b StPO auch Hauptverhandlungshaft angeordnet werden. Die Untersuchungshaft wird dem Trennungsgrundsatz des § 119 Abs. 1 StPO 880 gemaB in besonderen Abteilungen der Justizvollzugsanstalten voUzogen; vereinzelt existieren in Deutschland auch eigenstandige Untersuchungshaftvollzugsanstalten. Der Untersuchungsgefangene darf sich nach § 119 Abs. 4 StPO auf seine Kosten Bequemlichkeiten und Beschaftigungen verschaffen. Grundrechtseinschrankungen sind gem. § 119 Abs. 3 und 4 StPO nur nach MaBgabe des Haftzwecks und den Notwendigkeiten der Anstaltsordnung zulassig, wobei es sich um unbe-
^^° Zur VerfassungsmaBigkeit der unterschiedlichen Arbeitsentlohnung von Strafgefangenen und Untersuchungshaftlingen siehe BVerfG, NStZ 2004, S. 514 f 131 Zur Untersuchungshaft siehe Dunkel F., 1994, S. 67 ff, Gebauer, 1987; Koop/Kappenberg, 1988; Schlothauer/Weider, 2001; Seebode, 1995.
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stimmte Rechtsbegriffe handelt, die einer konkretisierenden Ausfiillung unter Beachtung der verfassungsrechtlich geschutzten Freiheitsbereiche bediirfen.^^^ Beispiel: Bin Untersuchungsgefangener beantragt fur seine Ehefrau eine Besuchszeit von wochentlich einer Stunde und damit eine Erhohung der allgemein gewahrten Regelbesuchszeit von zweimal einer halben Stunde im Monat. Er begriindet dies mit sprachlichen und geschaftlichen Schwierigkeiten sowie mit gesundheitlichen Problemen seiner zum Zeitpunkt der Antragstellung schwangeren Gattin. Das Amtsgericht lehnt das Begehren des Gefangenen ab, weil einem wochentlichen Besuch von einer Stunde Dauer die im Interesse der Anstaltsordnung gebotene Gleichbehandlung aller Untersuchungshafdinge entgegenstehe; denn die Anstalt verfiige weder iiber ausreichendes Personal noch iiber entsprechende Raume, um jedem Insassen wochentlich einen einstiindigen Besuch zu ermoglichen. Das Bundesverfassungsgericht^^^ sieht in dieser Entscheidung eine Verletzung des Rechts auf eine Besuchsregelung, welche mit der Bedeutung des Art. 6 Abs. 1 GG iibereinstimmen muss: „Bei Gewahrung von Besuchszeiten ist zu beachten, dass Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen und der in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltenen wertentscheidenden Norm im Haftvollzug besondere Bedeutung zukommt. Jede Untersuchungshaft von langerer Dauer stellt fiir die Beziehungen des Betroffenen zu seiner Familie regelmaBig eine empfindliche Belastung dar. Ihr Vollzug beeintrachtigt die notwendige Kommunikation zwischen dem Inhaftierten und seinen in Freiheit lebenden Angehorigen und kann dazu beitragen, dass sie einander tief greifend entfremdet werden. Aufgabe des Staates ist es, in Erfiillung seiner verfassungsrechtlichen Pflicht, fiir die Erhaltung von Ehe und Familie zu sorgen, solche nachteiligen Auswirkungen des Freiheitsentzugs im Rahmen des Moglichen und Zumutbaren, aber auch unter angemessener Beachtung der Belange der Allgemeinheit, zu begrenzen. Daraus folgt, dass die zustandigen Behorden die erforderlichen und zumutbaren Anstrengungen untemehmen, um im angemessenen Umfang Besuche von Ehegatten von Untersuchungsgefangenen zu ermoglichen."^^"* 881
Zustandig zur Anordnung der nach § 119 StPO erforderlichen MaBnahmen ist der Richter (§§ 119 Abs. 6 S. 1, 126 StPO). In dringenden Fallen konnen auch Vollzugsbedienstete vorlaufige MaBnahmen ergreifen (z.B. den Gefangenen fesseln), die jedoch dann einer nachtraglichen richterlichen Genehmigung bediirfen (§119Abs. 6S.2,3StPO). 882 Gegen Anordnungen der JustizvoUzugsbehorde im Vollzug der Untersuchungshaft kaim der Untersuchungsgefangene den Rechtsweg beschreiten. Hierbei ist zu differenzieren: ^^^ - Wird vom Anstaltsleiter eine allgemeine Anordnung erlassen, um generell und ohne Bezug auf bestimmte einzelne Inhaftierte die Sicherheit und Ordnung der Anstalt aufrechtzuerhalten, ist der Rechtsweg nach § § 2 3 ff EGGVG zu beschreiten (z.B. ein Rechtsanwalt wendet sich gegen die Anordnung des An-
132 Zu Eingriffen in den Briefverkehr: Bemdt, 1996, S. 115 ff, 157 ff 133 BVerfG, NStZ 1994, S. 604 ff; siehe auch BVerfG, StrVert 1997, S. 257 f 134 BVerfG, NStZ 1994, S. 605; zur Gestattung intimer Kontakte zwischen Ehepartnem Seebode, 1996, S. 158 ff 135 Siehe BGHSt. 29, S. 135; BVerfG, NStZ 1995, S. 254; OLG Koblenz, ZfStrVo 1996, S. 116; dazu auch Schriever, 1996, S. 356; Sowada, 1995, S. 565.
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staltsleiters, mit der allgemein der Zugang zur Anstalt auch fiir Verteidiger von einer korperlichen Durchsuchung abhangig gemacht wird). - Wegen der Subsidiaritatsklausel des § 23 Abs. 3 EGGVG ist aber der Rechtsweg nach § § 2 3 ff. EGGVG nicht eroffnet, soweit die Sache in die Entscheidungskompetenz des Haftrichters (§ 126 StPO) fallt.^^^ Dies ist nach § 119 Abs. 6 StPO immer dann der Fall, wenn eine beschrankende MaBnahme gegeniiber einem bestimmten einzelnen Untersuchungsgefangenen getroffen wird, es also um das Wie des Vollzugs von Untersuchungshaft im Einzelfall geht. Wird der Inhaftierte - oder ein auBen stehender Dritter (z.B. ein abgewiesener Besucher) - durch die richterliche Entscheidung gem. § 119 Abs. 6 StPO in seinen Rechten betroffen, kann er dagegen mit dem Rechtsbehelf der einfachen Beschwerde nach § 304 StPO vorgehen. Im Bereich der Untersuchungshaft eingeleitete Bemiihungen^^'^ um eine rechtsstaatlich 883 zureichende gesetzliche Grundlage bleiben ohne Erfolg. Im Jahr 1999 legte die Bundesregierung den „Ent\vurf eines Gesetzes tiber den Vollzug der Untersuchungshaft (UntersuchungshaftvoUzugsgesetz - UVollzG-)" vor.^^^ Damit sollten nicht nur als e i n e - spateKonsequenz aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts^^^ zur Einschrankung von Grundrechten in besonderen Gewaltverhahnissen die Freiheitsbeeintrachtigungen eine umfassende gesetzliche Grundlage finden. Ein Schwerpunkt des UVollzGE besteht auch darin, die in der Praxis als wenig praktikabel erachtete alleinige Zustandigkeit des Richters fiir die Haftgestaltung (§119 Abs. 6 StPO) durch eine sachgerechtere Kompetenzaufteilung zwischen Richter und Justizvollzugsanstalt zu ersetzen: - Die richterliche Kompetenz soil nur bei MaBnahmen verbleiben, bei denen dem Gedanken der Verfahrenssicherung besondere Bedeutung zukommt und iiber deren Notwendigkeit regelmaBig nur bei entsprechenden Erkenntnissen zum konkreten Strafverfahren sachgerecht entschieden werden kann (Aufhahmeersuchen; Verlegungen und Uberstellungen; Unterbrechung der Untersuchungshaft zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe; Entlassungsanordnung; Beschrankung der Gemeinschaft mit anderen Gefangenen wahrend und auBerhalb der Ruhezeit; Erteilung von Besuchserlaubnissen; Anordnung einer akustischen Besuchsuberwachung und einer Textkontrolle beim Schriftwechsel; Anhalten von Schreiben; Gestattung von Telefonaten; Zustimmung zu Vorfuhrungen, Ausfuhrungen und Ausantwortungen; Anordnung von besonderen SicherungsmaBnahmen bei Verdunkelungsgefahr und von Einzelhaft; Entscheidung iiber ZwangsmaBnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfiirsorge). - Im Ubrigen liegt die Kompetenz fur vollzugliche MaBnahmen bei der Vollzugsbehorde. Dadurch konnen die Gerichte von Entscheidungen entlastet werden, die fur das Strafverfahren selbst ohne Relevanz bleiben. Zugleich wird der Entscheidungsprozess bei zahlreichen vollzuglichen EinzelfallmaBnahmen vereinfacht und beschleunigt. Der UVollzGE sieht einen Ausbau von Angeboten vor, welche den betroffenen Inhaftierten eine sinnvolle Gestaltung ihrer Haftzeit ermoglichen. Arbeits- und Freizeitmoglichkeiten sollen ein Ausbreiten von subkulturellen Strukturen verhindem. Zum Zweck einer
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OLG Frankfurt, NStZ-RR 2004, S. 184. Siehe z.B. Entwiirfe von Baumann J., 1981; Doschl/Herrfahrdt/Nagel/Preusker, 1982. BR-Drs. 249/99; dazu Paeffgen/Seebode, 1999, S. 524 ff BVerfGE 33, S. 1 ff
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9 Besondere Vollzugsformen
Minimierung von Rechtseingriffen will der Entwurf zudem auf eine starkere Differenziemng nach Haftgriinden bei der Uberwachung von AuBenkontakten hinwirken. Beabsichtigt wird schlieBlich eine Neuregelung der gegen vollzugliche MaBnahmen eroffneten Rechtsbehelfe: - Richterliche Entscheidungen bleiben mit der Beschwerde nach der StPO anfechtbar. - Bei MaBnahmen der Vollzugsbehorde und bei den den Vollzug der Untersuchungshaft betreffenden Entscheidungen der Staatsanwaltschaft wird die Moglichkeit eroffiiet, den Haftrichter anzurufen und gegebenenfalls in der Folge Beschwerde nach den Vorschriften der StPO einzulegen. Der UVollzGE bezieht die jungen Gefangenen, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in seinen Anwendungsbereich ein. Deren alterstypische Erfordemisse und Bediirfhisse sollen jedoch durch besondere Regelungen zur Entwicklungsforderung, schulischen und beruflichen Bildung berucksichtigt werden. Das Trennungsprinzip bleibt bestehen. 883a
Mit dem Einftigen der Worte „ohne das Recht des UntersuchungshaftvoUzugs" nach dem Wort „Verfahren" in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG durch Art. 1 Nr. 7a) aa) des Gesetzes zur Anderung des Grundgesetzes 2006 (sog. Foderalismusreform)^'^^ wurde die Gesetzgebungskompetenz fiir ein UntersuchungshaftvoUzugsgesetz den Bundeslandern libertragen.
9.3.2 Zwischenhaft 884 Wird ein in Untersuchungshaft befindlicher Inhaftierter rechtskraftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und die Haft bis zur Einleitung der Strafvollstreckung durch die Staatsanwaltschaft fortgesetzt, befindet er sich in dieser Zeitspanne in Zwischenhaft. ^"^^ Die Untersuchungshaft geht mit Rechtskraft des verurteilenden Erkermtnisses nicht ohne weiteres in Strafhaft iiber mit der Konsequenz, dass der Verurteilte i.S.d. § 462a Abs. 1 S. 1 StPO bereits in der betreffenden Justizvollzugsanstalt zum StrafvoUzug aufgenommen ist, in welcher er sich zur fraglichen Zeitbefmdet.^^2 Es findet keine automatische Umwandlung der Untersuchungs- in Strafhaft statt. Denn Letztere setzt die Einleitung der Strafvollstreckung mittels eines nach auBen hin zu dokumentierenden Willensakts voraus.^"^^ Strafhaft erfordert das Vorliegen eines vollstreckbaren Strafurteils. Ein solches verlangt die Vollstreckbarkeitsbescheinigung des Urkundsbeamten auf einer Urteilsabschrift.^'^'* Bis diese erteilt ist, befindet sich der Betroffene in Zwischenhaft. ^"^^ § 91 Abs. 1 Nr. 1 UVollzO schreibt vor, dass der inhaftierte Verurteilte wahrend dieser Zeitspanne ^40 BR-Drs. 178/06; BR-Drs. 462/06. ^^^ Dazu eingehend Seebode, 1985, S. 97 ff >42 A.A. BGHSt. 38, S. 63; OLG Diisseldorf, StrVert 1999, S. 607; OLG Dresden, NStZRR 1998, S. 382; OLG Hamm, StrVert 2002, S. 209; Meyer-GoBner, 2006, § 120 Rdn. 15. ^43 Linke, 2001, S. 363; Schlothauer/Weider, 2001, S. 390. ^^'* Zur Strafvollstreckung oben Kap. 1.1. '45 Krit. hierzu Ostermann, 1993, S. 52; Seebode, 1988, S. 119 ff
9.3 Sonstige in Justizvollzugsanstalten vollzogene Haftarten
491
„als Gefangener zu behandeln" ist, „soweit sich dies schon vor der Aufnahme in den Strafvollzug durchfiihren lasst".^"^^ 9.3,3 Zivilhaft Als Formen der Zivilhaft''^'' werden Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs- und Erzwingungshaft in Justizvollzugsanstalten vollzogen. Ordnungshaft wird festgesetzt bei Zuwiderhandlungen, die weder Straftaten noch Ordnungswidrigkeiten sind (z.B. gem. §51 Abs. 1 S. 2 StPO oder §70 Abs. 1 S. 2 StPO - nach Art. 6 Abs. 2 EGStGB bis zu sechs Wochen- bei Ausbleiben eines ordnungsgemaB geladenen Zeugen bzw. unberechtigter Zeugnisoder Eidesverweigerung; gem. § 178 Abs. 1 GVG bis zu einer Woche bei Ungebiihr vor Gericht). Unter Sicherungshaft fallen der personliche Sicherheitsarrest gem. §§918, 933 ZPO zur Sicherung einer ZwangsvoUstreckung in das Schuldnervermogen (bis zu sechs Monaten, § 913 S. 1 ZPO) oder einer Vollstreckung in das Vermogen eines Steuerpflichtigen (§ 326 Abs. 1 S. 1 AO), Haft zur Sicherung der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners sowie der Insolvenzmasse nach § 98 Abs. 2 Nr. 2, 3 InsO. Zwangs- und Erzwingungshaft dienen der Bewirkung eines vom Gesetz befohlenen Verhaltens (z.B. gem. § 70 Abs. 2 StPO bis sechs Monate zur Erzwingung einer Zeugenaussage oder gem. § 901 ZPO zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ebenfalls fur maximal sechs Monate, § 913 S. 1 ZPO). Weitere praxisrelevante Anwendungsfalle bilden die Erzwingungshaft gegen saumige Schuldner von GeldbuBen fur eine Hochstdauer von sechs Wochen bzw. drei Monaten bei mehreren in einer Entscheidung festgesetzten GeldbuBen gem. § 96 Abs. 1, 3 S. 1 OWiG sowie die Ersatzzwangshaft im Steuerrecht bei uneinbringlichem Zwangsgeld (hochstens zwei Wochen, § 334 Abs. 1, 3 S. 1 AO). Auch die Haft als Reaktion auf die NichterfuUung von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners im Insolvenzverfahren gehort hierher (§ 98 Abs. 2 Nr. 1 InsO) ebenso wie die Erzwingungshaft bei grundloser Zeugnisverweigerung vor einem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags nach § 27 Abs. 2 PUAG. Nach § 171 StVollzG gelten fiir den VoUzug der Zivilhaft grundsatzlich die Vorschriften der §§ 3 bis 49, 51 bis 122 sowie §§179 bis 187 StVollzG entsprechend, soweit dem nicht Eigenart und Zweck der jeweiligen Haftart entgegenstehen. Diese Vorbehaltsklausel des § 171 StVollzG dient dem Zweck, vom VoUzug der Zivilhaft spezifisch (re-)sozialisierungsbezogene Regelungen des StVollzG fern zu halten; zugleich raumt sie im Hinblick auf die Stellung des Gefangenen in der Justizvollzugsanstalt die Moglichkeit ein, die Unterschiede der
^4^ Zustimmend Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 1 Rdn. 2. 147 Dazu AK-Kellermann/Kohne, 2006, §171 Rdn. 7ff; Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 171 Rdn. 1; Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 175 Rdn. 2; Winter, 1987.
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9 Besondere Vollzugsformen
einzelnen Haftarten untereinander zu beriicksichtigen.^'^^ Erlaubt wird dadurch, einzelne Vorschriften des StVoUzG nicht zur Anwendung zu bringen. Nicht eingeraumt ist durch die Klausel allerdings die Moglichkeit, an die Stelle einer der Zivilhaft nicht gerecht werdenden Regelung eine andere mit neuem Regelungsgehalt zu setzen, welche sich weder aus den speziellen Normen der §§172 ff. StVoUzG noch aus den entsprechend anwendbaren §§ 3 bis 49, 51 bis 122 bzw. 179 bis 187 StVollzG ergibt (z.B. bei Beugehaft nach § 70 Abs. 2 StPO die gem. § 171 i.V.m. §§28 Abs. 2, 29, 31 Abs. 1 StVollzG im Zustandigkeitsbereich des Anstaltsleiters liegende Uberwachung des Schriftwechsels in Anlehnung an die Regelung in § 119 Abs. 3 und 4 StPO in die Zustandigkeit des Ermittlungsrichters zu legen).^'*^ 889 Besondere Ausnahmen regelt das Gesetz in §§ 172 bis 175 StVollzG fur die gemeinsame Unterbringung (nur mit Einwilligung des Betroffenen), die Benutzung eigener Bekleidung und Wasche, den Einkauf und die Ausnahme von der Arbeitspflicht des § 41 StVollzG. Nach § 178 Abs. 3 StVollzG bleibt ein Schusswaffengebrauch gem. § 100 Abs. 1 Nr. 3 StVollzG zur Vereitelung einer Flucht Oder zur Wiederergreifling bei Zivilhaft als alleinigem Inhaftierungsgrund ausgeschlossen.
9.3.4 Abschiebungshaft 890 Ein Auslander kann nach § 62 Abs. 1 AufenthG zur Vorbereitung seiner Ausweisung nach §§ 53 ff. AufenthG oder zur Sicherung seiner Abschiebung gem. § 62 Abs. 2 AufenthG in Haft genommen werden.^^^ Dies ist nur zulassig, wenn noch liber die tatsachlichen Voraussetzungen einer Ausweisung oder die ihr entgegenstehenden Griinde ermittelt werden muss und die in Vorbereitung befindliche Ausweisung und die damit verbundene Abschiebung ohne die Inhaftierung wesentlich vereitelt oder erschwert wiirde. Dabei betragt die Obergrenze der Vorbereitungshaft regelmaBig sechs Wochen. Eine Verlangerung kommt nur in Ausnahmefallen in Betracht. Da eine Freiheitsentziehung zur Vorbereitung einer Abschiebung nach Art. 5 Abs. If) EMRK nur so lange gerechtfertigt ist, wie das Verfahren voranschreitet, muss dieses auch ziigig durchgefahrt werden. ^^^ 891 Die Sicherungshaft darf bis zu sechs Monaten Dauer angeordnet und in Fallen, in denen der Betroffene seine Abschiebung verhindert, um hochstens zwolf Monate verlangert werden (§ 62 Abs. 3 AufenthG). Sicherungshaft ist zulassig, wenn - der Nichtdeutsche aufgrund seiner Ausweisung oder seines sonst unrechtmaBigen Aufenthalts unanfechtbar und voUziehbar ausreisepflichtig ist, - die Voraussetzungen fur eine Abschiebung gem. § 58a AufenthG vorliegen, weil eine freiwillige Ausreise nicht gesichert oder eine Uberwachung notwendig erscheint.
»48 BT-Drs. 7/918, S. 99 f ^49 BVerfG, NJW 2000, S. 273 f 150 Dazu MarschnerA^olckart, 2001, S. 391 ff 151 EGMR, NVwZ 1997, S. 1093; siehe auch Piorreck, 1995, S. 190.
9.3 Sonstige in Justizvollzugsanstalten vollzogene Haftarten
493
- die Durchfiihrung der Abschiebung innerhalb der kommenden drei Monate erfolgen kann, - einer der in § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 5 AufenthG normierten Haftgriinde vorliegt, welche in der Regel den Verdacht der Vereitelung der Abschiebung begriinden und - die Abschiebungshaft als Mittel zur Sicherung der Abschiebung erforderHch ist.^52
IJber die Freiheitsentziehung entscheidet nach § 3 S. 1 FEVG das Amtsgericht 892 auf Antrag der Auslanderbehorde. Zu vollstrecken ist die Haft jedoch nicht durch die Justiz, sondem von der Antrag stellenden Behorde. Wird die Abschiebungshaft dann im Wege der Amtshilfe in einer JustizvoUzugsanstalt voUzogen, gelten gem. § 8 Abs. 2 FEVG die Vorschriften iiber den Vollzug von Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs- und Erzwingungshaft (§§ 171 bis 175, 178 Abs. 3 StVollzG) entsprechend. Es sind damit die Normen des StVollzG iiber den Vollzug der Freiheitsstrafe anwendbar, soweit nicht Eigenart und Zweck der Abschiebungshaft entgegenstehen oder §§172 bis 175 StVollzG etwas anderes bestimmen. Damit ist auch ftir Einwendungen gegen MaBnahmen des VoUzugs der Abschiebungshaft in Justizvollzugsanstalten der Rechtsweg nach §§109 ff. StVollzG zu den StrafvoUstreckungskammem der Landgerichte gegeben. Die Praxis^^^ des Abschiebungshaft:vollzugs in den Justizvollzugsanstalten 893 sieht sich Kritik ausgesetzt.'^"* Denn wahrend nur wenige Bundeslander iiber eigene Abschiebehafteinrichtungen verftigen, befinden sich die Abschiebehaftlinge zumeist zusammen mit Strafgefangenen in einer Institution. Dabei mangelt es teilweise an einer Beachtung des vollzuglichen Trennungsprinzips. Die Abschiebungshaft - die keine Sanktion ftir ein Fehlverhalten darstellt - in Gemeinschaft mit strafrechtlich Verurteilten ftihrt zu einer unnotigen Kriminalisierung der Betroffenen.^^^ Raumliche Enge, Hygieneprobleme, Verstandnisschwierigkeiten, fehlende Arbeitsmoglichkeiten sowie Diskriminierungen und Ubergriffe seitens deutscher Insassen und Vollzugsbediensteter'^^ bringen psychische Belastungen mit sich, die zu Suiziden und Suizidversuchen ftihren.^^"^ Wird die Abschiebungshaft auBerhalb des Justizvollzugs in besonderen Ein- 894 richtungen der Innenverwaltung vollzogen^^^ (§ 8 Abs. 1 S. 3 FEVG), bleiben iiber den Freiheitsentzug hinausgehende Grundrechtseingriffe unzulassig, soweit die einzelnen Bundeslander den Vollzug nicht gesondert geregelt haben.^^^ Bislang
^52 BVerfG,InfAuslR 1994,8.342. 153 Dazu Heinold, 2004, S. 20 ft". 154 Siehe z.B. Deutscher Caritasverband, 1994, S. 13ft".;Graunke, 2001, S. 70 K; Hagenmaier, 2000, S. 10 ft; ders., 2003, S. 82 ft; Horstkotte, 1999, S. 31 ff. 155 van Kalmthout, 1999, S. 30. 156 Deutscher Caritasverband, 1994, S. 14. 157 van Kalmthout, 1999, S. 30. 15^ So in Berlin, Brandenburg, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, RheinlandPfalz, Schleswig-Holstein. 159 Marschner/Volckart, 2001, § 8 FEVG Rdn. 5.
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9 Besondere Vollzugsformen
auf landesrechtlicher Ebene verabschiedete AbschiebungshaftvoUzugsgesetze^^^ erklaren - mit Ausnahme des gerichtlichen Rechtswegs - die Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes iiber den VoUzug der Freiheitsstrafe fiir entsprechend anwendbar.^^^ Fiir Einwendungen gegen vollzugliche MaBnahmen ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eroffnet.^^^ 9.3.5 Auslieferungshaft 895 Kommt es im Fall des Auslieferungsbegehrens eines anderen Staates bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 24, 25 IRG zu einer ausliefenmgsrechtlichen Freiheitsentziehung, dann richtet sich deren Vollzug nach § 27 IRG. Die Vorschriften der Strafprozessordnung gelten entsprechend. Die Gestaltung der Auslieferungshaft bestimmt sich somit nach § 119 StPO und der UVollzO. Fine auslieferungsrechtliche Freiheitsentziehung i.S.d. § 15 IRG, die eigentliche Auslieferungshaft, ist moglich, wenn ein Auslieferungsbegehren eines anderen Staates gemaB den Voraussetzungen der §§ 2 ff. IRG vorliegt.^^^ Nach Eingang eines Auslieferungsersuchens darf gem. § 15 Abs. 1 IRG Auslieferungshaft gegen den Verfolgten angeordnet werden, wenn - die Gefahr besteht, dass er sich dem Ausliefemngsverfahren oder der Durchfuhrung der Auslieferung entziehen wird, oder - aufgrund bestimmter Tatsachen der dringende Verdacht begriindet ist, dass der Verfolgte die Ermittlung der Wahrheit in dem auslandischen Verfahren oder im Ausliefemngsverfahren erschwert. Demgegeniiber kann es nach § 16 IRG unter den Voraussetzungen des § 15 IRG schon vor dem Eingang des Auslieferungsersuchens zur Anordnung von vorlaufiger Auslieferungshaft kommen, wenn - eine zustandige Stelle des ersuchenden Staates darum ersucht oder - ein Auslander einer Tat, die zu seiner Auslieferung Anlass geben kann, aufgrund bestimmter Tatsachen dringend verdachtig ist. Wahrend Haftbefehl und HaftvoUzug (§17 IRG) in beiden Fallen identisch sind, besteht der zur eigentlichen Auslieferungshaft grundlegende Unterschied darin, dass die Auslieferungsunterlagen (noch) nicht vorliegen. Es wird iiber die vorlaufige Auslieferungshaft demzufolge auf dem Boden einer wesentlich schmaleren Tatsachengrundlage entschieden. 896 Die Auslieferungshaft ist als MaBnahme der intemationalen Rechts- und Amtshilfe Teil der gegen den Verfolgten durchgefiihrten Strafverfolgung insgesamt. Sie stellt keine besondere Form der Untersuchungshaft dar, sondem eine im Interesse des auslandischen Staates vorgenommene RechtshilfemaBnahme eigener Art.^^"^ ^^° Z.B. in Berlin, Brandenburg, Bremen, Rheinland-Pfalz. ^61 Vgl. dazu Schwind/Bohm/Jehle/Schuler, 2005, § 109 Rdn. 2. 162 LG Berlin, InfAuslR 1999, S. 242; MarschnerAAolckart, 2001, § 8 FEVG Rdn. 5. 16^ Dazu Schomburg/Lagodny, 1998. 16^ BHGSt. 2, S. 48; BVerfGE 61,8. 34.
9.3 Sonstige in Justizvollzugsanstalten vollzogene Haftarten
495
RechtshilfemaBnahmen sind Hoheitsakte des ersuchten Staates auf seinem Hoheitsgebiet, so dass sich das Verhaltnis zwischen ersuchtem Staat und betroffenem Individuum nach der iimerstaatlichen Verfassung und den innerstaatlichen Gesetzenbestimmt.^^^ Da nahezu jede Leistung von Rechtshilfe die Grundrechte des Verfolgten tangiert, be- 897 diirfen die MaBnahmen des ersuchten Staates einer Legitimation durch entsprechende Ermachtigungsgrundlagen. Diese konnen sich aus dem IRQ oder in innerstaatliches Recht transformierten volkerrechtlichen Vertragen ergeben. Der Umstand, dass die Strafverfolgung auBerhalb der Grenzen der Bundesrepubhk initiiert wird, soil die Grundrechtspositionen des Betroffenen nicht schmalem.^^^ Neben den einfachgesetzlichen, innerstaatlichen Bestimmungen finden deshalb zugunsten des Verfolgten auBerdem die grundgesetzlichen und grundrechtlichen Garantien Anwendung, so insbesondere der Richtervorbehalt bei freiheitsentziehenden MaBnahmen (Art. 104 Abs. 1, 2 GG). Eine innerstaatliche Eingriffsermachtigung i.S.v. Art. 104 GG fiir auslieferungsrechtliche Freiheitsentziehungen stellen die Vorschriften der §§ 15, 16 IRG bereit. Diese geben dem ersuchenden Staat ein Instrument an die Hand, um durch den unmittelbaren Zugriff auf den Betroffenen ein Strafverfahren vorzubereiten und zu sichem. Gleichzeitig ermoglichen sie dem ersuchten Staat unter anderem die Feststellung, ob die beantragte Auslieferung zulassig ist^^^ und damit gegebenenfalls die Erfullung einer bestehenden Auslieferungspflicht. Fiir den Vollzug sowohl der vorlaufigen als auch der eigentlichen Ausliefe- 898 rungshaft gelten nach § 27 Abs. 1 IRG die Vorschriften der StPO bzw. des JGG iiber den Vollzug der Untersuchungshaft entsprechend. MaBgebend fur die Gestaltung der Auslieferungshaft sind somit die Vorschriften des § 119 StPO sowie der UVollzO. Vollstreckungsbehorde ist nach § 27 Abs. 2 IRG die Staatsanwaltschaft bei dem gem. § 13 Abs. 1 S. 1 IRG zustandigen Oberlandesgericht. Will ein in Auslieferungshaft befindlicher Gefangener gegen vollzugliche MaBnahmen vorgehen, so kann er den Vorsitzenden des fur ihn zustandigen Strafsenats des Oberlandesgerichts anrufen (§ 27 Abs. 3 IRG). Dessen Entscheidungen sind nach § 13 Abs. 1 S. 2 IRG unanfechtbar.
^^^ Griitzner/Potz/Vogel, 2001, vor § 1 Rdn. 30. '^^ Schomburg/Lagodny, 1998, vor § 15 Rdn. 6. '67 BHGSt.27,S. 266,271.
10 Datenschutz
Im Fiinften Titel des Ftinften Abschnitts des Strafvollzugsgesetzes findet sich der Kembereich des vollzuglichen Datenschutzes geregelt.
10.1 Informationelles Abwehrrecht Konzeptionell besteht die Grundidee des Datenschutzes darin, die wegen des Ein- 899 satzes modemer Technologien fortschreitende Intensivierung staatlicher Herrschaftsmacht durch eine Starkung der Biirgerrechte normativ ins Lot zu bringen.^ Fiir den Bereich des StrafvoUzugs wurde mit dem 4. Strafvollzugsanderungsgesetz vom 26. August 1998^ eine bereichsspezifische gesetzliche Grundlage fiir die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten geschaffen. Der Gesetzgeber entsprach damit den Forderungen, die das Bundesverfassungsgericht im sog. VolkszahlungsurteiP aufgestellt hat, auch fiir den Justizvollzug. Die tragende Feststellung der verfassungsgerichtlichen Entscheidung bestand darin, dass unter den Bedingungen der modemen Datenverarbeitung der Schutz des Individuums gegen unbegrenzte Erhebung, Verwaltung, Speicherung und Weitergabe seiner personHchen Daten vom allgemeinen PersonHchkeitsrecht der Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG umfasst ist. Dieses Grundrecht auf Datenschutz bzw. das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewahrleistet die Befugnis des Einzelnen, prinzipiell selbst tiber die Preisgabe und Verwendung seiner personHchen Daten zu bestimmen. Der Betroffene muss in der Lage sein, zu erkennen, wer was wann und bei welcher Gelegenheit iiber ihn weiB."^ Gerade bei den im Strafvollzug verarbeiteten Daten handelt es sich typischerweise um solche von hoher SensibiHtat. Es werden hier straf- und sicherheitsrechtliche Daten nicht nur auBerer, sondem auch innerer, intimer Art erfasst. Geregelt wurde der Kernbereich des vollzuglichen Datenschutzes - neben 900 Anderungen und Erganzungen bereits rudimentar vorhandener Befugnisse - in den Vorschriften der §§179 bis 187 StVoUzG. Diese entsprechen einer auf die Bediirfhisse des StrafvoUzugs zugeschnittenen Variante des Bundesdatenschutz-
^ Zum Grundgedanken des Datenschutzes: Hassemer, 1998, S. 73; Tinnefeld/Ehmann/ Gerling, 2005, S. 138 ff 2 BGBl. I 1998, S. 2461 ff ^ BVerfGE 65, S. 1 ff 4 BVerfGE 65, S. 42 f
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10 Datenschutz
gesetzes (BDSG)^ imd realisieren die Idee eines informationellen Abwehrrechts des sich in Unfreiheit befindenden Burgers gegeniiber dem Staat. Normiert sind insbesondere: - Ermachtigungsgrundlagen zur Erhebung, Verarbeitung imd Nutzung personenbezogener Daten: §§179, ISOStVoUzG, - Zweckbindung und Schutzvorschriften fiir den Umgang mit besonderen Daten und deren Speicherung in Akten und Dateien: §§ 181, 182, 183 StVollzG, - Anspruch des Inhaftierten auf Berichtigung, Loschung und Sperrung: § 184 StVollzG, - Auskunfts- und Akteneinsichtsanspniche des Betroffenen sowie fiir wissenschaftliche Zwecke: §§ 185, 186 StVollzG, - Verweisung auf anwendbare Vorschriften des BDSG bzw. der Landesdatenschutzgesetze: § 187 StVollzG.
10.2 Anwendbarkeit 901 Die datenschutzrechtlichen Vorschriften der §§179 bis 187 StVollzG finden nicht nur fiir die Vollziehung von Freiheitsstrafen Anwendung, sondem auch fiir die Sicherungsverwahrung (§130 StVollzG), den in der Justizvollzugsanstalt stattfindenden Strafarrest (§ 167 StVollzG) und beim Vollzug einer gerichtlich angeordneten Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs- und Erzwingungshaft (§ 171 StVollzG). GemaB § 8 Abs. 2 FEVG i.V.m. § 171 StVollzG sind sie zudem auf die in Justizvollzugsanstalten voUzogene Abschiebungshaft anzuwenden. Die Regelungen der §§179 bis 187 StVollzG normieren den Bereich des Umgangs mit personenbezogenen Daten abschlieBend nur im Anwendungsbereich des Strafvollzugsgesetzes.^ AuBerhalb dieses Gesetzes bestehende Rechtsgrundlagen fiir Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bleiben unberiihrt. Sachlich betrifft die Regelung den Umgang mit personenbezogenen Daten. Dieser umfasst die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung derselben.
5 Rixen, 2000, S. 640. ^ Schwind/Bohm/Jehle/Schmid, 2005, vor § 179 Rdn. 6.
10.2 Anwendbarkeit
499
Ubersicht: Umgang mit Daten 902 Umgang mit Daten
Erheben
Verwenden
zielgerichtetes Beschaffen von Daten durch aktives Handeln
Verarbeiten (5 Phasen)
Nutzen Auffangtatbestand, z.B. auch Veroffentlichung
-
Speichem Erfassen: schriftlich fixieren
-
Aufnehmen: Fixieren von Daten mit Aufnahmetechnik
-
Aufbewahren von anderweitig fixierten Daten
Verandern - jede inhaltliche Umgestaltung
Ubermitteln - Weitergabe an einen Dritten
-
Sperren Kennzeichnung, um eine weitere Verarbeitung Oder Nutzung zubeschranken, z.B. durch Vermerk
Loschen - jede Form der Unkenntlichmachung, die zur Unlesbarkeit ftihrt
500 903
10 Datenschutz
Personenbezogen sind Daten nach der Definition des § 187 S. 1 StVollzG i.V.m. § 3 Abs. 1 BDSG, wenn sie Einzelangaben tiber personliche oder sachliche Verhaltnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natiirlichen Person (Betroffener) enthalten. Der Begriff der personenbezogenen Daten versteht sich auBerordentlich weit und umfasst alle Informationen iiber die Bezugsperson, gleich ob diese auBerliche, korperliche Merkmale, innere, geistige Zustande, Sachangaben oder Werturteile enthalten. Beispiel: Name, Alter, Familienstand, Kfz-, Versicherungsnummem, Vorstrafen, gesundheitliche Verhaltnisse, Krankendaten, genetische Daten, Pass- oder Rontgenbilder, Kreditkarteninformationen usw. Die Anwendbarkeit der datenschutzrechtlichen Vorschriften wird bei den im Strafvollzug verarbeiteten Daten daher regelmaBig auBer Frage stehen.
10.3 Systematisierung 904 Der Gefangene muss nach MaBgabe des sog. Volkszahlungsurteils^ Einschrankungen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung nur im iiberwiegenden Allgemeininteresse und aufgrund einer gesetzlichen Gnmdlage hinnehmen, die im Einzelnen sowohl die Voraussetzungen als auch den Umfang des Eingriffs regelt. Der Umgang mit personenbezogenen Daten unterliegt demzufolge einem strikten Verbot mit Erlaubnisvorbehalt^, welcher sich - auBer aus der Einwilligung des Betroffenen (§ 187 S. 1 StVollzG i.V.m. § 4a Abs. 1 und 2 BDSG) - nur aus einer verfassungsgemaBen Rechtsnorm ergeben kann. Der Gesetzgeber hat deshalb in den §§179 ff. StVollzG mit einer Fiille von verschiedenartig kombinierbaren Kriterien, Schachteltatbestanden und Querverweisen eine nicht leicht zu durchdringende Vielzahl von Eingriffsmoglichkeiten in das Rechtsgut der informationellen Selbstbestimmung geschaffen.^ Gemeinsam sind den datenschutzrechtlichen Vorschriften aber gewisse wiederkehrende Tatbestandsmerkmale, die jeweils auf den Einzelfall bezogen iiberpriift werden miissen. 905 Die Eingriffsnormen regeln zunachst die Modalitat des Umgangs mit Daten, wobei zwischen ihrer Erhebung (§§ 179, 27 Abs. 1, 29 Abs. 3, 32, 86 Abs. 1, 86a Abs. 1 StVollzG) und ihrer Verarbeitung und Nutzung (§§ 180, 86 Abs. 2 S. 3, 86a Abs. 2, 87 Abs. 2 StVollzG) differenziert wird. 906
Um der jeweils verschieden hohen Intensitat des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung tragen zu konnen, unterscheiden die Regelungen zwischen offener und verdeekter Erhebung von Daten. Die verdeckte Erhebung von Daten stellt den Ausnahmefall dar. Von ihr hat der Betroffene weder Kenntnis, noch hat er seine Zustimmung zu ihr erteilt. Sie ist lediglich vorgesehen in § 179 Abs. 2 S. 2 und Abs. 4 StVollzG. Vorrang hat nach diesen BVerfGE 65, S. 1 ff Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 179 Rdn. 2. Baumler, 1998, S. 3; Kutscha, 1999, S. 156 ff; krit. Kamann, 2000, S. 87.
10.3 Systematisierung
501
Bestimmungen aber die Direkterhebung beim Betroffenen selbst. Dieser Grundsatz der Primarerhebung beim Betroffenen ist in § 179 Abs. 2 S. 1 StVollzG niedergelegt und stellt sich als unmittelbarer Ausfluss des informationellen Selbstbestimmungsrechts dar. Der Betroffene soil wissen, wer was wann und bei welcher Gelegenheit tiber ihn an Daten sammelt, speichert, verarbeitet und nutzt^^ und soil bereits in dieser Phase zuverlassige Informationen erhalten, die es ihm ermoglichen, die Situation richtig einzuschatzen. Die Nutzung von Daten, die von Dritten oder von Behorden erlangt wurden, bleibt gem. § 179 Abs. 2 S. 2 StVollzG die Ausnahme. Den datenschutzrechtlichen Regelungen liegt weiterhin der Grundsatz der Zweckbindung zugrunde. Er soil die Zweckentfremdung der erhaltenen Informationen verhindem und erstreckt sich tiber die Vorschrift des § 181 StVollzG auch auf den Ubermittlungsempfanger. Dieser darf die Daten nur zu dem Zweck verarbeiten oder nutzen, zu dem sie ihm libermittelt wurden oder ihm - gemessen an § 180 StVollzG - hatten iibermittelt werden diirfen. Dies gilt sowohl im vollzuglichen Bereich als auch fiir den auBervollzuglichen Datenempfanger. Private Datenempfanger sind als mit datenschutzrechtlichen Anforderungen weniger vertraute Adressaten gem. § 181 S. 3 StVollzG auf die Zweckbindung sogar ausdnicklich hinzuweisen. Eine Legaldefinition des Empfangers enthalt § 46 Abs. 3 BDSG. Hierunter fallen nur Personen oder Stellen auBerhalb der verantwortlichen Stelle. Die anstaltsinteme Zweckbindung beruht auf den Vorschriften des § 180 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 StVollzG. 11 Es erfolgt in den Eingriffsnormen der §§179 ff. StVollzG eine Abstufung nach der Sensibilitat des Dateninhalts. Insbesondere Daten, die Auskunft iiber das religiose oder weltanschauliche Bekenntnis des Betroffenen geben, das Ergebnis arztlicher Untersuchungen enthalten oder innerhalb eines besonderen Vertrauensverhaltnisses gem. § 203 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 StGB erhoben wurden, erfahren durch die Vorschrift des § 182 StVollzG eine besondere Behandlung.^^ Was den von der Datenverarbeitung Betroffenen (§ 187 S. 1 StVollzG i.V.m. § 3 Abs. 1 BDSG) anbelangt, so unterscheiden die §§179 ff. StVollzG zwischen dem Inhaftierten und nichtinhaftierten Dritten. Fiir Letztere gelten insbesondere die Vorschriften der §§ 179 Abs. 3, 180 Abs. 9 StVollzG, wonach die Datenerhebung nur unter eingeschrankten Voraussetzungen zulassig bleibt. Beschrankt werden die datenschutzrechtlichen Eingriffsbefugnisse jeweils durch das Prinzip der VerhaltnismaBigkeit, welches in Gestalt der Standardformel „Erforderlichkeit/Unerlasslichkeit fiir die Aufgabenerfiillung" Eingang in den Normtext gefunden hat. Als spezifisch datenschutzrechtliche Auspragung des Grundsatzes der VerhaltnismaBigkeit stellt sich im Wortlaut der §§179 ff. StVollzG somit das Erforderlichkeitsprinzip dar. Es soil eine „Datensammlung auf Vorrat"!^ ausschlieBen und die Datenverarbeitung nur gestatten, wenn ein Bediirfnis des Strafvollzugs sie notwendig macht. Bereits deshalb scheidet - unbelt 11 1^ 13
Vgl. BVerfGE 65, S. 42 f.; Schwind/Bohm/Jehle/Schmid, 2005, vor § 179 Rdn. 2. AK-Weichert, 2006, § 181 Rdn. 2; Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 181 Rdn. 2. DazuuntenKap. 10.4.3. AK-Weichert, 2006, § 179 Rdn. 4.
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schadet der in § 32 StVoUzG, §§ 100a ff. StPO getroffenen abschlieBenden Regelimgen - eine Speicherung der Verbindungsdaten und Gesprachsinhalte der von Gefangenen gefuhrten Telefonate, um sie bei spater evtl. auftretendem Verdacht auf strafrechtlich relevante Vorgange bin auszuwerten, aus.^"* 911 Bei jedem datenschutzrechtlich relevanten Sachverhalt miissen zunachst die Kriterien herausgearbeitet werden, die Voraussetzung ftir die Eingriffsgrundlage sind. Liegen diese vor, darf eine Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten in Abhangigkeit von der Eingriffsintensitat erfolgen, wenn bei der im Rahmen der VerhaltnismaBigkeitspnifung vorzunehmenden Abwagung zwischen Verwendungszweck der Daten und Schutzgut der informationellen Selbstbestimmung das offentliche Interesse an der Verwendung iiberwiegt. Was den Verwendungszweck anbelangt, unterscheidet die gesetzliche Regelung zwischen vollzuglichen, gleichgestellten und vollzugsfremden Zwecken. Wird das Personlichkeitsrecht durch einen Eingriff schwerwiegend gefahrdet, etwa weil der Eingriff besonders intensiv ist, muss der Verwendungszweck selbst konkret festgelegt sein und eine restriktive Handhabung erfolgen. Dies soil beispielsweise fiir den Umgang mit Krankenakten gelten. Bei geringeren Auswirkungen des Eingriffs oder wenn sich ein konkreter Verwendungszweck aus der Natur der Sache nicht von vomherein festlegen lasst, geniigen generalklauselartige Regelungen. Beispiel: Geringe Auswirkungen sind bei der Anbringung des Namens des Gefangenen an seinen personlichen Gegenstanden, die wahrend der Haft in einem geschlossenen Behaltnis aufbewahrt werden, zu erwarten. Aufgrund der Vielzahl der in den §§179 ff. StVoUzG enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe ist der Rahmen ftir die Datenerhebung und -verarbeitung sehr weit gesteckt. Aus diesem Grund erfahrt die Kodifizierung der Materie auch Kritik. Sie wird fiir verfehlt gehalten, weil sie das Regel-Ausnahme-Verhaltnis der Datenerhebung in ihr Gegenteil verkehrt: Es sei dies das Recht eines Informations-, Sicherheits- und Praventionsstaates, der mit den Abwehrgmndrechten seiner Burger nichts anzufangen wisse.'^
10.4 Eingriffsgrundlagen
10.4.1 Erhebung personenbezogener Daten 912 Nach § 187 S. 1 StVollzG i.V.m. § 3 Abs. 3 BDSG handelt es sich beim Erheben um das zielgerichtete Beschaffen von Daten iiber den Betroffenen. Darunter ist ein aktives Handeln zu verstehen, das auf die Gewinnung von personenbezogenen Da^4 OLG Frankfurt, NStZ-RR 2003, S. 221. ^5 So Kamann, 2000, S. 87.
10.4 Eingriffsgrundlagen
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t e n abzielt.^^ E i n e sich n u r zufallig o d e r in V e r b i n d u n g m i t einer a n d e r e n H a n d l u n g e r g e b e n d e W a h m e h m u n g eines V e r h a l t e n s in d e r Offentlichkeit s c h e i d e t als E r h e b i m g e b e n s o aus w i e die „ a u f g e d r a n g t e " E r h e b u n g , die erst b e i einer S p e i c h e r u n g d a t e n s c h u t z r e c h t l i c h relevant w i r d (vgl. § 14 A b s . 1 S. 2 BDSG).^^ Beispiel: Der Strafgefangene A klagt bei einem Vollzugsbeamten iiber gesundheitliche Beschwerden im Zusammenhang mit seiner HIV-Infektion. Hierbei handelt es sich nicht um eine Datenerhebung seitens des Anstaltsbediensteten, sondem um eine diesem aufgedrangte Information. Anders ware der Fall hingegen zu beurteilen, wenn der Vollzugsbedienstete dieselben Informationen erst im Wege der Nachfrage bei dem Inhaftierten, dem Anstaltsarzt oder der Schwester des Gefangenen bei deren Angehorigenbesuch erhalten hatte. D i e Z u s a m m e n s t e l l u n g v o n bereits der VoUzugsanstalt v o r l i e g e n d e n D a t e n s o w i e die S e k u n d a r b e s c h a f f u n g v o n D a t e n aus a l l g e m e i n z u g a n g l i c h e n Q u e l l e n w i e Z e i t u n g e n o d e r T e l e f o n b i i c h e m fallen ebenfalls nicht u n t e r d e n T a t b e s t a n d der D a t e n e r h e b u n g , es liegt v i e l m e h r eine V e r w e n d u n g vor.^^ D i e a l l g e m e i n e B e f u g n i s z u r D a t e n e r h e b u n g i m Strafvollzug ist in d e r G e n e r a l k l a u s e l d e s § 1 7 9 A b s . 1 S t V o U z G geregelt. D a n a c h b l e i b t die E r h e b u n g p e r s o n e n b e z o g e n e r D a t e n n u r zulassig, s o w e i t dies far d e n V o l l z u g d e r Freiheitsstrafe ( o d e r der dieser gleichgestellten Haftart^^) erforderlich ist. E i n e u m f a n g r e i c h e D a t e n e r h e b u n g n a c h § 179 A b s . 1 S t V o l l z G findet i n s b e s o n d e r e in d e r v o l l z u g l i c h e n E i n g a n g s p h a s e statt. U m d e m V o l l z u g s z i e l des § 2 S. 1 S t V o l l z G R e c h n u n g t r a g e n z u k o n n e n , m u s s sich die V o U z u g s b e h o r d e K e n n t n i s v o n z a h l r e i c h e n p e r s o n e n b e z o g e n e n D a t e n eines Inhaftierten verschaffen. Beispiel: Dem Strafantritt des rechtskraftig Verurteilten schlieBt sich die Aufhahme des Gefangenen an (§ 5 StVollzG). Sie beginnt auf der Vollzugsgeschaftsstelle mit der Feststellung seiner Personalien. In diesem Rahmen wird der Betroffene nach Anschrift, Familienstand sowie unterhaltsberechtigten Personen befragt. Es kommt zu einer Durchsuchung nach mitgefuhrten Gegenstanden. In die Vollzugsplanung (§ 7 StVollzG) flieBen als Erkenntnis aus der Behandlungsuntersuchung gem. § 6 Abs. 1 StVollzG Einzelangaben iiber personliche und sachliche Verhaltnisse ein, die notwendig sind fur die dort vorgesehenen Entscheidungen. In all diesen Fallen erfolgt jeweils eine Erhebung personenbezogener Daten beim Inhaftierten. E i n e D a t e n e r h e b u n g ist w a h r e n d der g e s a m t e n Inhaftierung i m V o r f e l d n a h e z u j e d e r Einzelfallentscheidung fiir eine s a c h g e r e c h t e E r m e s s e n s a u s i i b u n g n o t w e n dig.2^ S o h a t die Anstaltsleitung b e i s p i e l s w e i s e b e i einer G e w a h r u n g v o n V o l l z u g s l o c k e r u n g e n die E i g n u n g des Inhaftierten i m H i n b l i c k a u f eine F l u c h t - o d e r M i s s b r a u c h s g e f a h r i.S.d. § 11 A b s . 2 S t V o l l z G z u priifen. O b eine solche vorliegt, beurteilt sich e t w a d a n a c h , o b der Inhaftierte A u s l a n d s k o n t a k t e hat. A n solche In-
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Simitis/Dammann, 2003, § 3 Rdn. 108. Tinnefeld/Ehmann/Gerling, 2005, S. 297. Schwind/Bohm/Jehle/Schmid, 2005, § 179 Rdn. 6. Siehe oben Kap. 10.2. Vassilaki, 1999, S. 14; krit. Kamann, 2000, S. 85.
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formationen kann die VoUzugsbehorde aber in der Regel nur im Wege einer Datenerhebung gelangen. 914 Gmndsatzlich sind gem. § 179 Abs. 2 S. 1 StVollzG die Daten bei dem Betroffenen zu erheben. Fiir die Erhebung ohne Mitwirkung des Betroffenen, die Erhebung bei anderen Personen oder Stellen und die Hinweis- und Aufklarungspflichten verweist § 179 Abs. 2 S. 2 StVollzG auf §§ 4 Abs. 2 und 3, 13 Abs. la BDSG. Nach § 4 Abs. 2 S. 2 BDSG ist die Erhebung ohne Mitwirkung des Betroffenen nur zulassig, wenn - eine Rechtsvorschrift dies vorsieht oder zwingend voraussetzt oder - die zu erfuUende Verwaltungsaufgabe ihrer Art nach oder der Geschaftszweck eine Erhebung bei anderen Personen oder Stellen erforderlich macht oder - die Erhebung beim Betroffenen einen unverhaltnismaBigen Aufwand erfordem wiirde. Zudem diirfen iiberwiegende schutzwiirdige Interessen des Betroffenen nicht beeintrachtigt werden.^* § 179 Abs. 3 StVollzG stellt an die Erhebung von Daten iiber Personen, die keine Strafgefangenen sind, strengere Anforderungen. Nach dieser Norm diirfen Daten bei Personen oder Stellen ohne ihre Mitwirkung auBerhalb der VoUzugsbehorde nur erhoben werden, wenn sie fiir die Behandlung eines Gefangenen, die Sicherheit der Anstalt oder die Sicherung des VoUzugs einer Freiheitsstrafe unerlasslich sind und die Art der Erhebung schutzwiirdige Interessen der Betroffenen nicht beeintrachtigt. Nach § 179 Abs. 4 StVollzG werden Gefangene und andere Betroffene iiber die zulassigerweise ohne ihre Kenntnis erhobenen personenbezogenen Daten unterrichtet, soweit der Vollzug der Freiheitsstrafe dadurch nicht gefahrdet wird. Diese Regelung gewahrleistet die Kenntnis des Betroffenen von der Datenerhebung, um diesem die Wahmehmung seiner Rechte aus § 185 StVollzG zu ermoglichen.^^ 915 Neben der Generalklausel des § 179 StVollzG finden sich besondere Eingriffsgrundlagen im Bereich der Datenerhebung beispielsweise fiir die Uberwachung der Besuche in § 27 Abs. 1 StVollzG, fur Schriftwechsel in § 29 Abs. 3 StVollzG, fur erkennungsdienstliche MaBnahmen in § 86 Abs. 1 StVollzG sowie fur die Aufnahme von Lichtbildem in § 86a StVollzG. Beispiel: Bin Strafgefangener befand sich nach Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren wegen Totschlags seit 1995 im geschlossenen Vollzug. Im Oktober 1998 wurde er von Anstaltsbediensteten aufgefordert, die Aufnahme von Lichtbildem zu dulden. Das geschah mit der auf § 23 VGO gestiitzten Begrundung, diese erkennungsdienstliche MaBnahme sei zuletzt Anfang 1995 erfolgt, diefriiherenBilder entsprachen nicht mehr dem Erscheinungsbild des Gefangenen und die Neuanfertigung sei im Hinblick auf die Reststrafe geboten. Nachdem im darauf folgenden Monat von dem Gefangenen vier Lichtbilder gefertigt wurden, begehrte dieser mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung, die Justizvollzugsanstalt zu verpflichten, die neu gefertigten Lichtbilder zu vemichten.
21 Siehe auch Rixen, 2000, S. 6 4 1 . 22 Dazu ausfuhrlich unten Kap. 10.5.1.
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Das OLG Frankfurt^^ hat den Antrag als unbegriindet erachtet. Die Neuanfertigung der Lichtbilder war gem. § 86 Abs. 1 Nr. 2 StVollzG zureichend begrundet und verhaltnismaBig. Zwar muss Zweck der erkennungsdienstlichen MaBnahmen nach § 86 Abs. 1 StVollzG die Sicherung des Vollzugs sein. Sie sollen dazu dienen, die Fahndung und Wiederergreifung fliichtiger Gefangener zu erleichtem. Hieraus ist aber nicht zu folgem, dass solche MaBnahmen im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte fiir eine Fluchtgefahr voraussetzen. Diese kann vielmehr schon durch eine noch lange Vollzugsdauer und ein nach der Tatschwere zu bemessendes besonderes Sicherungsbediirfnis indiziert sein. Durch die Einfiigung von § 86a StVollzG hat sich an diesem Ergebnis nichts geandert. Denn die Vorschrift des § 86a StVollzG hat nicht die Sicherung des Vollzugs^"* im Blick, sondem betrifft die Speicherung und Nutzung von Lichtbildem zu intemen Zwecken, also der Identitatsfeststellung von Gefangenen durch die Vollzugsbediensteten.^^
10.4.2 Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten Nach § 187 S. 1 StVollzG i.V.m. § 3 Abs. 4 BDSG wird die Verarbeitung von 916 Daten in ftinf Phasen unterteilt: Speichem, Verandem, tJbermitteln, Sperren und Loschen. Die einzelnen Verarbeitungsmodalitaten sind in § 3 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 bis 5 BDSG legaldefmiert.^^ Unter Nutzen versteht man nach § 187 S. 1 StVollzG i.V.m. § 3 Abs. 5 BDSG 917 jede Verwendung personenbezogener Daten, die keine Verarbeitung darstellt. Die Generalklausel fiir die vollzugliche Verarbeitung und Nutzung von Daten stellt § 180 Abs. 1 S. 1 StVollzG dar. Danach sind Verarbeitung und Nutzung nur insoweit zulassig, als die Erfiillung der den Vollzugsbehorden nach dem Strafvollzugsgesetz aufgegebenen Aufgaben sie erfordert. Beispiel: Zur Person jedes Gefangenen fiihren die Justizvollzugsanstalten Unterlagen in verschiedenen Formen. Dazu gehoren die Gefangenenpersonalakte, die Gesundheitsakte, das Buchwerk der Vollzugsgeschaftsstelle (Nr. 63 VGO), die Besucherkartei usw. Fiir alle derartigen Speichermedien hat § 180 Abs. 1 S. 1 StVollzG eine Rechtsgrundlage geschaffen. Die Regelung des § 180 Abs. 1 S. 2 StVollzG erteilt der VoUzugsbehorde die Befugnis, Gefangenen die Pflicht aufzuerlegen, Lichtbildausw^eise mit sich zu fiihren, soweit dies aus Griinden der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist. Dies tragt den Sicherheitsbediirfnissen der Praxis insbesondere im Freizeitund Arbeitsbereich Rechnung. Allerdings diirfte die Befugnisnorm w^egen der in § 86a StVollzG zugelassenen Speicherung von Lichtbildem in anstaltsintemen Informationssystemen bei Schaffung der erforderlichen technischen Moglichkeiten obsolet werden.^^ 23 OLG Frankfurt, NStZ-RR 2000, S. 29. 24 Dazu Kap. 7.2.1.3. 25 Arloth/Liickemann, 2004, § 86a Rdn. 1; Schwind/Bohm/Jehle/Ullenbruch, 2005, § 86a Rdn. 1. 2^ Siehe auch oben die LFbersicht in Kap. 10.2. 27 Schwind/Bohm/Jehle/Schmid, 2005, § 180 Rdn. 10.
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Besondere Eingriffsbefugnisse sind in den anderen Absatzen der Vorschrift des § 180 StVollzG geregelt. Dies betrifft z.B. die Verarbeitung und Nutzung von Daten bei der Uberwachung der Besuche, des Schriftwechsels oder des Inhalts von Paketen in § 180 Abs. 8 StVollzG. Eine Verarbeitung und Nutzung von Daten kommt hier sowohl fiir vollzugliche als auch fiir andere Zwecke in Betracht. Durch den Verweis auf § 180 Abs. 2 Nr. 4 StVollzG ergibt sich, dass die so gewonnenen Informationen auch zur Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten eingesetzt werden diirfen. Bei Ordnungswidrigkeiten gilt dies jedoch nur dann, wenn sie die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefahrden. Moglich wird eine Ubermittlung der Daten an Polizei- und Strafverfolgungsbehorden. Beispiel: Die Anstalt erfahrt aus dem Briefwechsel eines Strafgefangenen mit seiner Bekannten B, dass diese eine bisher nicht aufgeklarte Straftat veriibt hat. Es muss eine Ermessensentscheidung getroffen werden, ob Polizei oder Staatsanwaltschaft informiert werden sollen. Riihrnt sich B dagegen einer im StraBenverkehr begangenen Geschwindigkeitsiibertretung, liegt eine fiir Sicherheit und Ordnung der Anstalt nicht relevante Ordnungswidrigkeit vor. Eine Weitergabe der Information scheidet aus. Mit § 180 Abs. 2, 4 und 5 StVollzG wird der Zweckbindungsgrundsatz durchbrochen. In diesen Fallen ist eine Nutzung und Verarbeitung von Daten auch fiir andere Zwecke als die sich aus dem Strafvollzugsgesetz ergebende Aufgabenerflillung zulassig. So kommt etwa die Erteilung von Auskiinften an den Verletzten einer Straftat in Betracht, § 180 Abs. 5 S. 1 Nr. 2, S. 2 StVollzG.^^ Mit § 180 Abs. 3 StVollzG wird klargestellt, dass in AuBerungen und Stellungnahmen der Anstalt, welche in Verfahren vor den Strafvollstreckungskammem und Rechtsbeschwerdeverfahren vor den Strafsenaten der Oberlandesgerichte (§§ 109 ff. StVollzG) erfolgen, keine Zweckentfremdung personenbezogener Daten liegt.
10.4.3 Schutz besonderer Daten und spezifische Eingriffsvoraussetzungen 919 Sehr sensible personliche Daten, die Riickschliisse auf ein religioses oder weltanschauliches Bekenntnis zulassen, die durch arztliche Untersuchungen oder innerhalb eines Vertrauensverhaltnisses i.S.d. § 203 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 StGB gewonnen wurden, erfahren liber die Vorschrift des § 182 StVollzG einen besonderen Schutz.^^ Sie diirfen in der Anstalt nicht allgemein bekannt gemacht werden, also nicht fiir eine unbestimmte Vielzahl von Personen zuganglich sein. Gesetzestechnisch wird dieser Schutz durch erhohte Anforderungen an die VerhaltnismaBigkeit des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung erreicht. Die allgemeine Zulassigkeitsvoraussetzung fiir die Verarbeitung und Nutzung
28 Z u m Verletztenbegriff L G Karlsruhe, N S t Z 2 0 0 3 , S. 596; Arloth/Luckemann, 2004, § 180 Rdn. 7; Calliess/Muller-Dietz, 2 0 0 5 , § 180 Rdn. 6; Schwind/Bohm/Jehle/Schmid,
2005, §180 Rdn. 33. 29 Zur Kritik an dieser Vorschrift vgl. AK-Weichert, 2006, § 182 Rdn. 1.
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vollzugsrelevanter personenbezogener Daten, die gem. § 180 Abs. 1 S. 1 StVoUzG in der Erforderlichkeit ftir die Aufgabenerfullung besteht, geniigt hier nicht zur Rechtfertigung des Eingriffs.^^ Je nach Eingriffsschwelle hat der Gesetzgeber dariiber hinaus die Anforderun- 920 gen an die Beachtung des Grundsatzes der VerhaltnismaBigkeit angehoben. Mit fortschreitender Eingriffsintensitat ergibt sich ein Stufenverhaltnis, das nach dem Willen des Gesetzgebers die einzelnen Tatbestande auch nach der Sensibilitat des Dateninhalts unterscheiden soll.^^ Allerdings wird weiter nach Eingriffszweck und -richtung differenziert, so dass an einigen der nachfolgend genannten besonderen Voraussetzungen der Umgang mit samtlichen personenbezogenen Daten zu messen ist. Im Einzelnen sieht das Gesetz folgende Abstufung vor: - Erforderlichkeit fiir ein geordnetes Zusammenleben in der Anstalt (§ 182 Abs. 1 S. 2 StVollzG), - Erforderlichkeit aus Griinden der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt (§ 180 Abs. 1 S. 2 StVollzG), - Erforderlichkeit zur Abwehr von erhebliehen Gefahren far Leib oder Leben des Gefangenen oder Dritter (§ 182 Abs. 2 S. 2 und 3 StVollzG), - Erforderlichkeit zur Abwehr schwerwiegender Gefahren oder Wahrung bestimmter iibergeordneter Rechtsgiiter (Katalog in § 180 Abs. 2 StVollzG), - Unerlasslichkeit fiir die Aufgabenerfiillung (§ 182 Abs. 2 S. 3 StVollzG), - Unerlasslichkeit fiir die Behandlung eines Gefangenen, die Sicherheit der Anstalt oder die Sicherung des VoUzugs einer Freiheitsstrafe, wenn die Art der Erhebung schutzwiirdige Interessen der Betroffenen nicht beeintrachtigt (§ 179 Abs. 3 StVollzG), - Unerlasslichkeit zur Wahrung bestimmter iibergeordneter Rechtsgiiter (Katalog in § 184 Abs. 2 S. 1 StVollzG). Im Bereich der besonders geschiitzten Daten des § 182 Abs. 2 StVollzG hat der 921 Gesetzgeber erganzend zu den datenschutzrechtlichen Eingriffsbefiignissen sowie der Moglichkeit, nach Entbindung von der Verschwiegenheit durch den Betroffenen ein Geheimnis preiszugeben^^, eine Offenbarungspflicht fiir die in § 203 Abs. 1 Nr. 1,2 und 5 StGB genannten Personen geschaffen. Grundsatzlich gilt deren strafbewehrte Schweigepflicht auch gegeniiber der Vollzugsbehorde (§ 182 Abs. 2 S. 1 StVollzG). Namentlich Arzte, Psychologen, Sozialarbeiter und Sozialpadagogen sind aber zur Offenbarung nicht nur befiigt^^, sondem sogar verpfiichtet, soweit dies fiir die Aufgabenerfiillung der Vollzugsbehorde oder zur Abwehr von erhebliehen Gefahren fiir Leib oder Leben des Gefangenen oder Dritter erforderlich ist (§ 182 Abs. 2 S. 2 StVollzG). Als Ansprechpartner hat das Gesetz in erster Linie den Anstaltsleiter vorgesehen. Dieser kann die Offenbarung auch gegeniiber anderen Bediensteten allgemein zulassen, § 182 Abs. 3 S. 2 StVollzG. 30 Arloth/Luckemann, 2004, § 182 Rdn. 1; Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 182 Rdn. 1; Schwind/Bohm/Jehle/Schmid, 2005, § 182 Rdn. 1. 31 BT-Drs. 13/10245, S. 25. 32 Zu den verschiedenen Konstellationen: Rosch, 2000a, S. 153; Volckart, 1998, S. 193. 33 Vgl. § 203 Abs. 1 StGB: „Wer unbefugt...".
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Die Pflicht zur Offenbarung besteht aber in jedem Fall nur gegeniiber dem Anstaltsleiter selbst.^"^ Ein gesteigerter Geheimschutz gilt allerdings fiir Informationen, die der Arzt 922 im Rahmen der allgemeinen Gesundheitsfursorge (§§ 56 ff. StVollzG) erlangt hat.^^ Zur Preisgabe von Geheimnissen, die ihm hierbei bekannt geworden sind, ist er nicht verpflichtet, sondem nur befugt. Im Hinblick auf die Offenbarung fiir Zwecke der Vollzugsbehorden darf er von seiner Berechtigung nicht bereits dann Gebrauch machen, wenn der Bruch der Verschwiegenheit fiir die behordliche Aufgabenerfiillung erforderlich, sondem erst, wenn er fiir diese unerlasslich ist (§ 182 Abs. 2 S. 3 StVollzG). Unerlasslichkeit setzt ein gesteigertes MaB an Erforderlichkeit voraus.^^ Der Arzt hat die fiir und gegen einen Geheimnisbruch sprechenden Aspekte abzuwagen, wobei auch Beachtung finden darf, dass Arzte grundsatzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet sind.^*^ Soweit ein Arzt nicht im Rahmen der allgemeinen Gesundheitsfiirsorge, sondem aufgmnd seiner sonstigen Einbeziehung in das Vollzugsgeschehen von personenbezogenen Daten Kenntnis erlangt, trifft ihn demgegeniiber die Offenbamngspflicht nach § 182 Abs. 2 S. 2 StVollzG.^^ U m einen Akt der Gesundheitsfiirsorge handelt es sich insbesondere nicht bei der arztlichen Untersuchung im Aufnahmeverfahren (§ 5 Abs. 3 StVollzG), weil diese MaBnahme keine in Freiheit iibliche arztliche Leistung^^ darstellt. Beispiele: Den Anstaltsarzt trifft zur Aufgabenerfiillung der Vollzugsbehorde cine Offenbarungspflicht gegenuber dem Anstaltsleiter, wenn sich bei der Eingangsuntersuchung ergibt, dass ein Gefangener wegen einer Erkrankung oder Allergic bestimmte Tatigkeiten nicht ausuben kann (§§ 37 bis 39, 41 StVollzG). Insoweit kann es jedoch mit der Mitteilung der unstatthaften Beschaftigung sein Bewenden haben; die genaue Diagnose benotigt die Vollzugsbehorde insoweit zur Erfullung ihrer Aufgaben nicht."^^ Aus vollzuglichen Griinden kann die Offenbarung einer Drogenabhangigkeit geboten sein."^^ Die Beteiligung eines Arztes an den vollzuglichen Aufgaben und Entscheidungen bleibt wirkungslos, wenn er die erhobenen Daten nicht mitteilt, sofem die Problematik nicht ohne Befassung der Anstaltsleitung ausgeraumt zu werden vermag. Eine Offenbarungsbefugnis besteht daher nicht, wenn der Gefangene beim Arzt iiber Kopfschmerzen klagt und als deren Ursache den Genuss (illegal) selbst angesetzten Alkohols benennt."^^ Die Schweigepflicht muss allerdings durchbrochen werden, wenn der
Volckart, 1998, S. 193. Dazu Busch R., 2000, S. 344 ff Vgl. AK-Weichert, 2006, §182 Rdn 50; Arloth/Luckemann, 2004, §182 Rdn. 8; Schwind/Bohm/Jehle, 2005, § 68 Rdn. 2. AK-Weichert, 2006, § 182 Rdn. 35 f Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 182 Rdn. 8; Kaiser/Schoch, 2002, S. 340. Zum Begriff der Gesundheitsfiirsorge: Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 58 Rdn. 2. Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 182 Rdn. 7; Schwind/Bohm/Jehle/Schmid, 2005, § 182 Rdn. 12. AK-Weichert, 2006, §182 Rdn. 33; Schwind/Bohm/Jehle/Schmid, 2005, §180 Rdn. 12. Rosch, 2000a, S. 158.
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Therapeut erfahrt, dass der Gefangene eine Vollzugslockemng zur Begehung neuer Straftaten missbrauchen will."*^ Eine Verpflichtung zur Offenbarung von personenbezogenen Daten zur Abwehr von erheblichen Gefahren fiir Leib oder Leben des Gefangenen oder Dritter besteht fiir den Anstaltspsychologen, der begrundete Hinweise auf die Suizidgefahr des von ihm therapierten Gefangenen erhalt."^"* Das Gleiche gilt fiir den Anstaltsarzt, der von einer ansteckenden Krankheit eines Gefangenen erfahrt, die Vorkehrungen zum Schutze der Mitgefangenen und Bediensteten erfordert/^ Der Arzt wird sich regelmaBig um der Abwehr kunftiger Leibesgefahren fur einen Gefangenen willen zur Offenbarung entschlieBen, wenn er Verletzungen eines Gefangenen feststellt, die den Verdacht korperlicher Obergriffe durch Mitgefangene begriinden. Diesen ist dann durch eine Trennung im Rahmen der Unterbringung (§§ 17, 18 StVollzG) zu begegnen."^^ Bei Bekanntwerden der HIV-Infektion eines Gefangenen durfte eine Pflicht zur Offenbarung wegen der nur sehr eingeschrankten LFbertragbarkeit des Virus im Regelfall zu vemeinen sein."^"^ Die Durchbrechung der in § 203 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 StGB vorgesehenen Schv^eigepflicht v^ird nach Ansicht des Gesetzgebers durch den strengen MaBstab der VerhaltnismaBigkeit gerechtfertigt/^ Die Privilegierung des Arztes liegt darin begriindet, dass der Gefangene nicht den Mediziner seines Vertrauens frei v^ahlen darf, sich aber schon zur Wahrung der staatlichen Schutzpflicht fiir die Gesundheit der Gefangenen diesem offnen soil. In der Ungleichbehandlung von Psychologen, Sozialarbeitem und Sozialpada- 923 gogen sehen Teile des Schrifttums einen VerstoB gegen Art. 3 GG, v^eil die arztliche Hilfe nicht von existentiell hoherer Bedeutung sei/^ Zudem verhindere die Offenbarungspflicht das Entstehen eines vertrauensvollen Beratungs- und Behandlungsverhaltnisses.^^ Darin liege eine unverhaltnismaBige Beeintrachtigung des (Re-)Sozialisierungsauftrags, die zu einem VerstoB gegen das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 S. 1 GG) flihre.^^ Indessen lasst sich eine restriktive Auslegung des § 182 Abs. 2 S. 2 StVollzG vomehmen. Muss die Offenbarung fiir die Aufgabenerfiillung der VoUzugsbehorde erforderlich sein, so darf bei der Entscheidung liber den Geheimnisbruch Beriicksichtigung finden, dass zu den Aufgaben der VoUzugsbehorde auch die (Re")Sozialisierung des Gefangenen gehort und
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Arloth/Luckemann, 2004, § 182 Rdn. 5; Kaiser/Schoch, 2002, S. 344; Rosch, 2000a, S. 159;Wulf, 1998, S. 190. Schwind/Bohm/Jehle/Schmid, 2005, § 182 Rdn. 13. Busch R., 2000, S. 347. Busch R., 2000, S. 347. Dazu ausfuhrlich Arloth/Luckemann, 2004, § 56 Rdn. 4; Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 56 Rdn. 8-15; Schwind/Bohm/Jehle/Schmid, 2005, § 182 Rdn. 13 m. w. Nachw. BT-Drs. 13/10245,8.26. AK-Weichert, 2006, § 182 Rdn. 5 1 ; Bollinger, 1999, S. 142. Adt, 1998, S. 331 ff.; Bollinger, 1999, S. 143 ff.; ders., 2000, S. 13 ff.; Kamann, 1998, S. 321 f.; ahnlich Hartmann, 1999, S. 74 ff.; Thorwart, 1999, S. 12. AK-Weichert, 2006, § 182 Rdn. 52; Bollinger, 1999, S. 148 ff.; ders., 2000, S. 12; Goderbauer, 1999, S. 160; ablehnend auch Deutsche Gesellschaft fur Sexualforschung, 1999, S. 340 f.; positive Bewertung bei Nedopil, 2000, S. 251.
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es hierzu der Behandlung durch Fachkrafte bedarf, die nach § 182 Abs. 2 S. 1 StVollzG i.V.m. § 203 StGB generell im Interesse der Therapie einer strafbewehrten Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Damit wird der Weg frei zur Vomahme einer Giiterabwagung zwischen dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Gefangenen mit dem (Re-)Sozialisierungsauftrag einerseits und sonstigen vollzuglichen Interessen andererseits.^^ Soweit es demgegeniiber um die Offenbarung zur Abwehr von Leibes- und Lebensgefahren geht, hat der Gesetzgeber in nicht zu beanstandender Weise die erforderliche Abwagungsentscheidung selbst getroffen.^^ Nach § 182 Abs. 2 S. 4 StVollzG bleiben sonstige Offenbarungsbefugnisse unberiihrt. Eine Pflicht zur Anzeige geplanter Straftaten ergibt sich etwa aus § 138 StGB. Arzte sind insoweit wiederum gem. § 139 Abs. 3 S. 2 StGB privilegiert. 924 § 182 Abs. 4 StVollzG erstreckt die Befugnis zur Geheimnisoffenbarung in Abs. 2 auch auf Arzte und Psychologen, die auBerhalb der Anstalt mit der Untersuchung Oder Behandlung eines Gefangenen beauftragt sind. Sie sind nicht nur zur Information des Anstaltsleiters berechtigt, sondem konnen sich auch an den zustandigen Anstaltsarzt oder -psychologen wenden. Allerdings sind die voUzugsextemen Behandler nicht zum Bruch ihrer Verschwiegenheit verpflichtet, wie sich aus dem Wortlaut des § 182 Abs. 4 StVollzG ergibt.^^ § 182 Abs. 3 S. 1 StVollzG enthalt eine spezielle Regelung fur die Zweckbindung. Die Daten diirfen allein fur den Zweck, far den sie offenbart wurden oder fiir den eine Offenbarung zulassig gewesen ware, und nur unter denselben Voraussetzungen, unter denen eine in § 203 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 StGB genannte Person zur Verarbeitung oder Nutzung befugt ware, Verwendung finden. 10.4.4 Speicherung in Akten und Dateien Hinsichthch der in Akten und Dateien gespeicherten Daten legt § 183 StVollzG besondere Kriterien fest, um sowohl den unbefugten Zugang zu ihnen als auch ihren unbefugten Gebrauch zu verhindem. 925 § 183 Abs. 1 StVollzG regelt die Weitergabe personenbezogener Daten innerhalb der Anstalt in der Weise, dass der einzelne Vollzugsbedienstete sich davon Kenntnis nur insoweit verschaffen darf, als es zur ErfuUung seiner Aufgabe
Ahnlich BVerfG, NStZ 2000, S. 55; Preusker/Rosemeier, 1998, S. 324; Rosch, 2000a, S. 157 f; Schoch, 1999, S. 263 f; Schwind/Bohm/Jehle/Schmid, 2005, § 182 Rdn. 12; im Ergebnis auch Arloth/Luckemann, 2004, § 182 Rdn. 5; Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 182 Rdn. 6; Kaiser/Schoch, 2002, S. 341 ff, die von verfassungskonformer Auslegung sprechen; weiter gehend noch Rosenau, 1999, S. 397. Vgl. Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 182 Rdn. 7; Kaiser/Schoch, 2002, S. 341; Schoch, 1999,8.263. AK-Weichert, 2006, § 182 Rdn. 60; anders Arloth/Ltickemann, 2004, § 182 Rdn. 11; Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 182 Rdn. 12; Kaiser/Schoch, 2002, S. 342; Kamann, 1998, S. 321; Rosch, 2000a, S. 154; Schwind/Bohm/Jehle/Schmid, 2005, §182 Rdn. 23.
10.4 Eingriffsgrundlagen
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Oder fiir die Zusammenarbeit aller im Vollzug Tatigen nach § 154 Abs. 1 StVollzG erforderlich ist. Der Zweck der Weitergabe wird somit wiederum an die Aufgabenerfiillung gekniipft. Hierbei muss grundsatzlich auf die dem einzelnen Vollzugsbediensteten obliegende Aufgabe abgestellt werden. Da die Vollzugsbediensteten aber nicht isoliert voneinander arbeiten, ergibt sich zwangslaufig die Kenntnisnahme von Daten iiber die eigene, eng begrenzte unmittelbare Zustandigkeit hinaus.^^ Beispiel: Bei anstaltsintemen Datenweitergaben ist seitens der Vollzugsbehorde auch darauf zu achten, dass andere Gefangene keine Kenntnis nehmen konnen. Bin Aushangen von Gefangenenlisten in den Raumen der Stationsbeamten iiber Arbeitseinsatze hat daher zu unterbleiben. Bei der Versendung personenbezogener Daten mussen - auch wenn die Versendung an einen Gefangenen erfolgt - von der Anstalt verschlossene Umschlage Verwendung finden. Gleiches gilt fiir offizielle dienstliche Schreiben an Gefangene. ^^ Nach § 183 Abs. 2 S. 1 StVollzG soUen personenbezogene Daten in Akten und Dateien gegen unbefugten Zugang und unbefugten Gebrauch durch die erforderlichen technischen und organisatorischen MaBnahmen geschiitzt werden. Fiir Gesundheitsakten und Krankenblatter gelten gesteigerte Anforderungen, § 183 Abs. 2 S. 2 StVollzG. Dateien in diesem Sinne sind gem. § 46 Abs. 1 BDSG Sammlungen personen- 926 bezogener Daten, die durch automatisierte Verfahren nach bestimmten Merkmalen ausgewertet werden konnen (so z.B. Gefangenenstammdatei, Zellenbelegungsdatei, Gefangenenkontendatei als automatisierte Dateien), oder alle sonstigen Sammlungen personenbezogener Daten, die gleichartig aufgebaut sind und nach bestimmten Merkmalen geordnet, umgeordnet und ausgewertet werden konnen (z.B. Gefangenenbuch, Zugangs-, Abgangs- und Belegungsbuch als nicht automatisierte Dateien). Akten und Aktensammlungen gelten nach § 46 Abs. 1 S. 2 BDSG nicht als Dateien, es sei denn, eine Umordnung und Auswertung durch ein automatisiertes Verfahren bleibt moglich. Eine Akte stellt nach § 46 Abs. 2 BDSG jede sonstige amtlichen oder dienstli- 927 chen Zwecken dienende Unterlage dar, die nicht dem Dateibegriff unterfallt, wie Gefangenenpersonalakte, Gesundheitsakte, aber auch Bild- und Tontrager (z.B. Tonbander, Kassetten, Fotos oder Biicher). Die Akte unterscheidet sich von der Datei somit nach Inhalt und Art der Datensammlung, nicht aber nach der Beschaffenheit des genutzten Mediums. Deshalb kann eine Gefangenenpersonalakte auch
55 BT-Drs. 13/10245,8.27. 5^ AK-Weichert, 2006, § 183 Rdn. 4; fur Zahlungsbelege und Kontoausziige: LG Karlsruhe, ZfStrVo 2002, S. 188; a.A. OLG Hamburg, NStZ 2005, S. 56; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2004, S. 349; OLG Koblenz, ZfStrVo 2004, S.314; OLG Saarbriicken, ZfStrVo 2004, S. 367.
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in elektronischer Form gefuhrt werden.^'^ Nicht unter den Begriff der Akte fallen Vorentwiirfe, personliche Notizen oder Schmierzettel.^^ In der Praxis wird die Sicherung personenbezogener Daten in Dateien und Akten bei elektronischer Datenverarbeitung durch die differenzierte Vergabe von Zugriffsberechtigungen sichergestellt. Dieses Vorgehen gewahrleistet, dass viele Vollzugsbedienstete allenfalls begrenzt Stammdaten abrufen konnen. Hierbei handelt es sich um Schutzvorrichtungen gem. § 183 Abs. 2 S. 3 StVollzG i.V.m. § 9 BDSG. 10.4.5 Berichtigung, Loschung und Sperrung 928 Eine Regelung der Aufbewahrung von in Dateien oder Akten gespeicherten personenbezogenen Daten enthalt § 184 StVollzG. Grundsatzlich bleiben fiir die Berichtigung, Loschung und Sperrung gem. § 184 Abs. 5 StVollzG die allgemeinen Normen des § 20 Abs. 1 bis 4 und 6 bis 8 BDSG maBgebend. Fiir die Loschung von personenbezogenen Daten, die in Dateien gespeichert sind, sieht § 184 Abs. 1 S. 1 StVollzG Besonderheiten vor: Die Daten sind spatestens zwei Jahre nach der Entlassung oder Verlegung des Gefangenen in eine andere Anstalt zu 15schen. Ausnahmsweise diirfen Personalien sowie das Datum von Bin- und Austritt in die bzw. aus der Anstalt bis zum Ablauf der Aufbewahrungsfrist fiir die Gefangenenpersonalakte nicht geloscht werden, soweit dies fiir das Auffinden der Gefangenenpersonalakte erforderlich ist (§ 184 Abs. 1 S. 2 StVollzG). GemaB § 86a StVollzG gefertigte Lichtbilder sind nach Entlassung oder Verlegung des Gefangenen zu vemichten bzw. zu loschen, § 86a Abs. 3 StVollzG. Dies muss unverziiglich geschehen; die Zwei-Jahres-Frist des § 184 Abs. 1 S. 1 StVollzG gilt nicht.59 929 § 184 Abs. 2 StVollzG schafft im Hinblick auf den Grundsatz der Aktenvollstandigkeit fiir personenbezogene Daten in Akten eine besondere Regelung. An die Stelle der Loschung tritt die nur begrenzt zulassige tJbermittlung und Nutzung. Die Daten diirfen - nach Ablauf von zwei Jahren seit der Entlassung des Gefangenen - prinzipiell nur zu einigen besonders aufgezahlten Zwecken (Verfolgung von Straftaten, wissenschaftliche Forschung, Behebung einer Beweisnot, Bearbeitung von Rechtsanspriichen im Zusammenhang mit dem Vollzug einer Freiheitsstrafe) verwandt werden. Die Akten sind entsprechend zu sperren (§ 3 Abs. 4 Nr. 4 BDSG).6°
Arloth/Liickemann, 2004, §183 Rdn. 3; Calliess/Muller-Dietz, 2005, §183 Rdn. 2; Schwind/Bohm/Jehle/Schmid, 2005, § 183 Rdn. 5; Tolzmann, 2003, S. 56; aA. OLG Celle, NStZ 2003, S. 55. Schwind/Bohm/Jehle/Schmid, 2005, § 183 Rdn. 3; siehe noch LG Stuttgart, ZfStrVo 2002, S. 190 fur Behandlungsblatter der sozialtherapeutischen Anstalt. Arloth/Liickemann, 2004, § 86a Rdn. 4. Calliess/Muller-Dietz, 2005, § 184 Rdn. 2; Schwind/Bohm/Jehle/Schmid, 2005, § 184 Rdn. 8.
10.5 Auskunft und Akteneinsicht
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Die Verwendungsbeschrankungen fiir personenbezogene Daten in Akten enden nach § 184 Abs. 2 S. 2 StVollzG, weirn der Gefangene emeut zum Vollzug einer Freiheitsstrafe aufgenommen wird oder der Betroffene in die Verwendung einwilligt. Beispiel: Tritt ein Gefangener einige Jahre nach der Entlassung emeut in einer deutschen Haftanstalt eine Freiheitsstrafe an, darf seine zwischenzeitlich gesperrte Gefangenenpersonal- oder Gesundheitsakte wieder uneingeschrankt zu vollzuglichen Zwecken verwendet werden. Enthalt die Akte aber Daten, fiir die kein Bedarf mehr besteht oder deren Erhebung in rechtswidriger Weise erfolgte, hat eine Entfemung dieser Telle zu erfolgen.^^ Die Aufbewahrungsfristen von Akten diirfen gem. § 184 Abs. 3 StVollzG fiir Gefangenenpersonalakten, Gesundheitsakten und Krankenblatter langstens 20 Jahre, fiir Gefangenenbiicher 30 Jahre betragen, wobei Ausnahmen in engen Grenzen zulassig sind.
10.5 Auskunft und Akteneinsicht
10.5.1 Rechte des Betroffenen § 185 S. 1 StVollzG und § 19 BDSG konkretisieren den dem Inhaftierten oder ei- 930 nem anderen Betroffenen (z.B. Angehorigem oder Besucher)^^ als Ausfluss seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zustehenden Anspruch auf Auskunft iiber die zu seiner Person gespeicherten Daten, deren Herkunft, Empfanger und den Zweck der Speicherung.^^ Die Erteilung der Auskiinfte in diesem Sinne kann nach pflichtgemaBem Ermessen miindlich, schriftlich oder durch die Gewahrung von Akteneinsicht seitens der Vollzugsbehorde erfolgen (§19 Abs. 1 S. 4 BDSG). § 185 Abs. 1 S. 1 StVollzG differenziert zwischen dem Recht auf Auskunft einerseits und demjenigen auf Akteneinsicht andererseits. Der Auskunftsanspruch wird - abgesehen von den spezifischen Besonderheiten des § 19 BDSG - grundsatzlich schrankenlos gewahrt. Ein Gefangener besitzt regelmaBig ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis des Inhalts vor allem von in seinen Vollzugsakten gespeicherten Daten, well diese sich in vielfaltiger Weise auf seinen AUtag als Inhaftierter auswirken konnen (z.B. bei der Gewahrung von Vollzugslockerungen, der Fortschreibung des VoUzugsplans, in den Stellungnahmen der Justizvollzugsanstalt im Rahmen von Verfahren einer vorzeitigen Entlassung usw.). Die Form der Auskunftserteilung liegt nach § 19 Abs. 1 S. 4 BDSG im (pflichtgemaBen) Ermessen der Behorde. Dabei diirfen auch der anfallende Arbeitsaufwand und Wirtschaftlichkeitserwagungen Beriicksichtigung finden. So 6» AK-Weichert, 2006, § 184 Rdn. 11; Calliess/Mtiller-Dietz, 2005, § 184 Rdn. 3. 62 OLG Naumburg, NStZ 2004, S. 613. " BT-Drs. 13/10245, S. 28; dazu Weichert, 2000a, S. 88.
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kann der Gefangene nicht nach jeder Buchung, die die Anstalt auf den ftir ihn gefiihrten Konten vomimmt, die Erteilung eines Auszuges verlangen; es geniigt, wenn dies monatlich erfolgt.^"^ 931 Ein Recht auf Akteneinsicht wird durch § 185 S. 1 StVollzG erst gewahrt, wenn die Auskunftserteilung nicht ausreicht. Das Verlangen nach Akteneinsicht erfordert die Darlegung, dass eine Auskunft fur die Wahrung der rechtlichen Interessen des Betroffenen nicht ausreicht und er hierzu gerade auf die Akteneinsicht angewiesen ist.^^ Einer in der Literatur^^ vertretenen Ansicht, einer solchen Begriindung bediirfe es nicht, vielmehr geniige bereits der bloBe Hinweis, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wahmehmen zu wollen, kann nicht beigetreten werden, weil sie im Widerspruch zum eindeutigen Wortlaut des § 185 S. 1 StVollzG steht. Auch aus der Moglichkeit der Gewahrung des Auskunftsanspruchs aus Praktikabilitatsgriinden durch Akteneinsicht ergibt sich nicht notwendigerweise, dass die Vollzugsbehorde eine Akteneinsicht ohne die Darlegung der vom Gesetz verlangten berechtigten Interessen gestatten muss.^"^ Die Frage des Nichtausreichens der Auskunftserteilung unterliegt in voUem Umfang der gerichtlichen Uberpriifung.^^ Da ein Antrag auf Auskunft die Art der fraglichen Daten naher umschreiben muss (§19 Abs. 1 S. 2 BDSG), darf der Gefangene nicht durch das Begehren, liber samtliche Daten in Kenntnis gesetzt zu werden, die gesetzlichen Beschrankungen des Rechts auf Akteneinsicht unterlaufen.^^ Im Hinblick auf die Bedeutung des VoUzugsplans fur die Resozialisierung des Gefangenen"^^ kann dieser allerdings nicht auf eine miindliche Unterrichtung iiber dessen Inhalt verwiesen werden, sondem es ist vom Vorliegen der Voraussetzungen des Akteneinsichtsrechts auszugehen,"^^ Ahnliches gilt, wenn ein Aussetzungsantrag die Kenntnis der Gefangenenpersonalakte erforderlich macht. Das Recht auf ein faires Verfahren gebietet es, den Vemrteilten bzw. seinen Verteidiger (vgl. § 147 Abs. 1 StPO) die Akte zu diesem Zweck einsehen zu lassen.'^^ Akteneinsicht kann dann auch durch die Aushandigung von Ablichtungen gewahrt werden^^ Um dem Inhaftierten die Moglichkeit der Wahmehmung von ihm zustehenden bestimmten Rechten zu gewahrleisten, sind im Vorfeld dazu verschiedene Hin-
64 O L G Frankfurt, N S t Z - R R 2004, S. 316 f 65 O L G Frankfurt, N S t Z - R R 2005, S. 64; O L G H a m m , N S t Z - R R 2002, S. 256; O L G H a m m , ZfStrVo 2005, S. 372. 66 AK-Weichert, 2006, § 185 Rdn. 13. 67 O L G H a m m , N S t Z - R R 2002, S. 256.
68 OLG Dresden, ZfStrVo 2000, S. 124; OLG Bamberg, Beschl. v. 21.1.2002 - Ws 823/01; OLG Koblenz, ZfStrVo 2003, S. 302; siehe auch OLG Miinchen, NStZ 2001, S.415. 69 L G Hamburg, NStZ 2002, S. 56.
'^^ Dazu obenKap. 5.1.5. 7^ BVerfG, StrVert 2003, S. 408. 72 O L G Ntimberg, N S t Z - R R 2004, S. 319.
73 Vgl. BVerfG, StrVert 2003, S. 409; OLG Koblenz, ZfStrVo 2003, S. 301.
10.5 Auskunft und Akteneinsicht
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weis-, Aufklarungs- und Unterrichtungspflichten der Vollzugsbehorde vorgeseEine Hinweispflicht ist insbesondere in § 179 Abs. 2 S. 2 StVollzG i.V.m. § § 4 932 Abs. 3 S. 2, 13 Abs. la BDSG fiir die Primarerhebung der Daten angeordnet. Der Betroffene muss nach § 4 Abs. 3 S. 2 BDSG infomiiert werden iiber - die zur Auskunft verpflichtende Rechtsvorschrift, - die Freiwilligkeit der Angaben, falls sie nicht aufgrund einer verpflichtenden Rechtsvorschrift gemacht werden sollen, - die Gewahrung von Rechtsvorteilen, falls die Angaben Voraussetzung hierfiir sind. Derartige Hinweise haben rechtzeitig zu erfolgen, d.h. bevor sich der Gefangene zur Preisgabe der Daten entschieden hat. Werden Daten statt beim Betroffenen bei einer nicht offentlichen Stelle erhoben, ist nach § 13 Abs. la BDSG die zur Auskunft verpflichtende Rechtsvorschrift Oder die Freiwilligkeit der Angaben mitzuteilen. Beispiel: Bin Gefangener beantragt Urlaub, well er seinen pflegebedurftigen Eltem behilflich sein will. Uberpriift die Anstalt die gesundheitliche Verfassung der Eltem dutch eine Anfrage bei deren Nachbam, sind diese auf die Freiwilligkeit einer solchen Auskunftserteilung aufmerksam zu machen. Hinweispflichten folgen zudem aus § § 1 8 0 Abs. 5 S. 3, 182 Abs. 2 S. 5, 32 S. 4 und 86a Abs. 1 S. 2 StVollzG. Sie ergeben sich weiter aus § 187 StVollzG i.V.m. § 4a Abs. 1 S. 2 BDSG. Sollen Daten mit Einwilligung des Betroffenen erhoben werden, weil eine sonstige Befugnisnorm nicht existiert, ist Wirksamkeitsvoraussetzung u.a. ein Hinweis auf den vorgesehenen Erhebungs-, Verarbeitungs- oder Nutzungszweck. Erforderlichenfalls oder auf Verlangen muss auch auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung hingewiesen werden. Beispiel: Die Anstaltsleitung ordnet an, dass ein Gefangener seinen Lebenslauf mit der Hand schreiben soil. Fiir dieses Verlangen fehlt es an einer besonderen Rechtsgrundlage. Es kommt also auf die Einwilligung des Betroffenen an. Die Einwilligung ist schriftlich oder miindlich zu erklaren. Eine konkludente oder mutmaBliche Erklarung bleibt unbeachtlich.^^ Die Hinweispflicht kann nur ausnahmsweise entfallen, wenn der Schutzzweck der Norm wegen offensichtlicher Kenntnis des Betroffenen bereits erreicht ist und sich die Behorde dessen vergewissert hat: Eine Hinweispflicht wiirde in einem solchen Fall einen bloBen Formalismus darstellen. Eine Aufklarungspflicht wird nach § 179 Abs. 2 S. 2 StVollzG i.V.m. § 4 933 Abs. 3 S. 3 BDSG entweder auf Verlangen des Betroffenen oder insoweit begriindet, als dies nach den Umstanden des Einzelfalls erforderlich ist. Sie umfasst eine Aufklarung iiber die einen Gefangenen zur Erteilung einer Auskunft verpflichten^"^ Dazu allgemein Gola/Schomerus, 2005, §4 Rdn. 29ff; Simitis/Sokol, 2003, §4 Rdn. 39 ff ^5 Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 187 Rdn. 3; Schwind/Bohm/Jehle/Schmid, 2005, § 187 Rdn. 10.
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de Rechtsvorschrift sowie die Folgen der Verweigerung von Angaben. Dabei bedeutet Aufklaren nicht lediglich die bloBe Wiedergabe des Gesetzestextes. Bereits erfolgte Hinweise miissen gegebenenfalls ausfiihrlicher wiederholt werden, wobei auf den individuellen Bildungsstand des Betroffenen abzustellen ist. Eine in der vollzuglichen Praxis besonders wichtige Aufklarungspflicht normiert § 86 Abs. 3 S. 2 StVollzG, wonach der Betroffene bei Vomahme einer erkennungsdienstlichen Behandlung und bei der Entlassung dariiber aufzuklaren ist, dass er - abgesehen von Lichtbildem und Beschreibung korperlicher Merkmale - die Vemichtung der dort gewonnenen Daten verlangen kann, sobald die Vollstreckung der richterlichen Entscheidung ihren Abschluss gefunden hat. 934 Unterrichtungspflichten ergeben sich fiir den Fall der verdeckten Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung ab dem Zeitpunkt des Wegfalls des Hinderungsgrundes einer Gefahrdung der rechtmaBigen Aufgabenerfiillung. Solche Pflichten sind beispielsweise in §§ 179 Abs. 4 S. 1, 180 Abs. 5 S. 4, 184 Abs. 4 StVollzG geregelt. Eine Unterrichtungspflicht besteht weiter in dem Fall, dass personenbezogene Daten beim Betroffenen selbst erhoben werden. Sofem er nicht bereits Kenntnis hat, muss er von der verantwortlichen Stelle (§ 3 Abs. 7 BDSG) iiber - ihre Identitat, - die Zwecke der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung sowie - die Kategorien von Empfangem unterrichtet werden, soweit der Betroffene nicht mit der Ubermittlung an sie rechnen muss. Das folgt aus § 179 Abs. 2 S. 2 StVollzG i.V.m. § 4 Abs. 3 S. 1 BDSG. Zwar verweist das Strafvollzugsgesetz nur hinsichtlich „Hinweis- und Aufklarungspflichten" auf § 4 Abs. 3 BDSG. Eine Unterrichtungspflicht ware bei engem Verstandnis hiervon nicht erfasst. Insoweit ist jedoch von einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers auszugehen. Vor der Anderung des § 179 Abs. 2 S. 2 StVollzG durch Art. 8f des Gesetzes zur Anderung des Bundesdatenschutzgesetzes und anderer Gesetze vom 18.5.2001^^ wurde auf die Pflicht zum Hinweis auf den Erhebungszweck gem. § 13 Abs. 3 S. 1 BDSG Bezug genommen. Die letztgenannte Regelung hat der Gesetzgeber ebenfalls durch den neu gefassten § 4 Abs. 3 BDSG ersetzt. In § 179 StVollzG sollte ausweislich der Materialien^'^ nur die Verweisung angepasst, nicht aber eine inhaltliche Neuerung eingefiihrt werden.'^^ Erhebt die Vollzugsbehorde Daten, wird der Gefangene regelmaBig Kenntnis von ihrer Identitat als verantwortliche Stelle und von potentiellen Empfangem haben. Insoweit kommt der Regelung der Unterrichtungspflichten fiir den Bereich des Strafvollzugs kaum Bedeutung zu."^^ Eine spezielle Regelung fiir die Pflicht zur Unterrichtung vor Datenerhebung trifft jedoch § 182 Abs. 2 S. 5 StVollzG im Hinblick auf
^6 BGBl. 12001,8.904. 77 Vgl. BR-Drs. 461/00, S. 19; BT-Drs. 14/5793, S. 67.
78 Wie hier Schwind/Bohm/Jehle/Schmid, 2005, § 179 Rdn. 13. 7^ Vgl. Tinnefeld, 2001, S. 3080 zu den Auswirkungen des modifizierten Datenschutzrechts auf die Datenverarbeitung durch Private.
10.5 Auskunft und Akteneinsicht
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die Offenbarungsbefugnisse von Arzten, Psychologen, Sozialarbeitem und Sozialpadagogen.^^ Die haftungsrechtlichen Konsequenzen eines VerstoBes gegen die Pflichten zu Hinweis, Aufklarung bzw. Unterrichtung regeln die Landesdatenschutzgesetze, die iiber § 187 S. 2 StVollzG Anwendung finden. Daneben besteht ein Amtshaftungsanspruch nach Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB bei schuldhafter Pflichtverletzung und Schadenseintritt, dessen Voraussetzungen aber selten zu bejahen sind.^^ Zuriicktreten miissen die Auskunftsrechte des Betroffenen insbesondere in den Fallen des § 19 Abs. 4 BDSG, wenn die ordnungsgemaBe Aufgabenerfullung durch die Auskunft gefahrdet wiirde, bei einer Gefahr ftir die offentliche Sicherheit oder Ordnung, einem Nachteil fiir das Wohl des Bundes oder eines Landes Oder bei einer gesetzlich oder insbesondere aufgrund iiberwiegender berechtigter Interessen eines Dritten begriindeten Geheimhaltungspflicht mit der Folge, dass eine Auskunftserteilung unterbleibt.
10.5.2. Auskunft und Akteneinsicht fiir wissenschaftliclie Zwecke Zu wissenschaftlichen Zwecken konnen gem. § 186 StVollzG i.V.m. § 476 StPO 935 an offentliche oder nichtoffentliche Stellen, die Forschung betreiben, personenbezogene Daten in Akten iibemiittelt werden, wenn die Erforderlichkeit des Zugriffs auf diese dargelegt wird.^^ Die Vollzugsbehorde trifft bei einem entsprechenden Antrag eine Ermessensentscheidung, bei welcher zwei gegenlaufige Faktoren in die gebotene Abwagung einzustellen sind: Es ist die in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG normierte Freiheit von Wissenschaft und Forschung zu beachten, wobei der Vollzugsbehorde generell nicht das Recht zukommt, iiber die (Un-)Vemunftigkeit eines wissenschaftlichen Projekts und die Art und Weise des methodischen Vorgehens Urteile abzugeben.^^ Anderes muss allerdings gelten, sofem an der methodischen Unzulanglichkeit kein Zweifel besteht.^"^ Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gegeniiber steht aber das ebenfalls mit Verfassungsrang ausgestattete Recht der Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung.^^ Eine Dateniibermittlung mit Einwilligung der Betroffenen bleibt ohne weiteres moglich. Die Ubermittlung der Informationen erfolgt nach § 476 Abs. 2 StPO grundsatzlich durch Ausktinfte, ausnahmsweise auch durch Akteneinsicht, wenn anders der Zweck der Forschungsarbeit nicht erreicht werden kann oder die Erteilung einen unverhaltnismaBigen Aufwand erfordert. Die Personen, zu denen die Daten gelangen, miissen einer offentlich-rechtlich begriindeten Schweigepflicht unterliegen,
DazuobenKap. 10.4.3. Simitis/Sokol, 2003, § 4 Rdn. 57. BT-Drs. 13/10245,8.28. Rixen, 2000, S. 644. Vgl. AK-Weichert, 2006, § 186 Rdn. 12; Calliess-Miiller-Dietz, 2005, § 186 Rdn. 3; Schwind/Bohm/Jehle/Schmid, 2005, § 186 Rdn. 4. «5 BT-Drs. 13/10245,8.29. ^^ ^1 ^2 «3 ^'^
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ansonsten erfolgt entsprechend den Bestimmungen des Verpflichtungsgesetzes^^ eine besondere Verpflichtung zur Geheimhaltung (§ 476 Abs. 3 StPO).
10.6 Kontrolle 936 Eine interne Kontrolle der Durchfiihmng des Datenschutzes erfolgt durch die Bestellung eines Datenschutzbeauftragten (§ 4f BDSG) der einzelnen Vollzugsbehorde, welcher gem. § 4g BDSG auf die Einhaltimg der Datenschutzvorschriften hinzuwirken hat. Zudem sind die sich aus § 187 S. 1 StVoUzG i.V.m. § 18 Abs. 2 BDSG ergebenden Anforderungen zu beachten. Verantwortlich fiir die externe Kontrolle der Anwendung des vollzuglichen Datenschutzrechts sind die Landesdatenschutzbeauftragten, § 187 S. 2 StVollzG.^^ Der Schriftwechsel zwischen diesen Beauftragten und den Gefangenen wird nicht iiberwacht, § 29 Abs. 2 S. 2 und 3 StVollzG. Sind personenbezogene Informationen zu wissenschaftlichen Zwecken an nichtoffentliche Stellen, welche Forschung betreiben, libermittelt, obliegt den nach Landesrecht mit der Uberwachung des Datenschutzes betrauten Aufsichtsbehorden deren Kontrolle. Es handelt sich dabei um eine aulassunabhangige Priifung (§ 186 StVollzG i.V.m. § 476 Abs. 8 StPO, § 38 BDSG).88 Soweit eine MaBnahme die Anwendung der Datenschutznormen des Strafvollzugsgesetzes betrifft und es um eine Angelegenheit auf dem Gebiet des StrafvoUzugs, des Vollzugs der Sicherungsverwahrung, einer Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus bzw. in einer Entziehungsanstalt oder um den Vollzug von Zivilhaft geht, steht fiir eine Kontrolle auf gerichtlicher Ebene der Rechtsweg nach §§109 ff StVollzG zur Verfiigung.^^
^^ Auszugsweise abgedruckt bei Trondle/Fischer, 2006, Anh. 19. ^^ Uber Vollzugs- und Durchsetzungsdefizite: Weichert, 1999, S. 492. Dazu Calliess/Miiller-Dietz, 2005, § 186 Rdn. 7. BVerfG,NStZ2000, S. 55.
Gesetzestext: Strafvollzugsgesetz
Erster Abschnitt. Anwendungsbereich § 1. [Anwendungsbereich]. Dieses Gesetz regelt den Vollzug der Freiheitsstrafe in Justizvollzugsanstalten und der freiheitsentziehenden MaBregeln der Besserung und Sicherung.
Zweiter Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe
Erster Titel. Grundsatze § 2. Aufgaben des VoUzuges. *Im Vollzug der Freiheitsstrafe soil der Gefangene fahig werden, ktinftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu fiihren (Vollzugsziel). ^Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten. § 3. Gestaltung des VoUzuges. (1) Das Leben im Vollzug soil den allgemeinen Lebensverhaltnissen soweit als moglich angeglichen werden. (2) Schadlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken. (3) Der Vollzug ist darauf auszurichten, daB er dem Gefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit einzugliedem. § 4. Stellung des Gefangenen. (1) ^Der Gefangene wirkt an der Gestaltung seiner Behandlung und an der Erreichung des Vollzugszieles mit. ^Seine Bereitschaft hierzu ist zu weaken und zu fordem. (2) ^Der Gefangene unterliegt den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschrankungen seiner Freiheit. ^Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthalt, diirfen ihm nur Beschrankungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Stoning der Ordnung der Anstalt unerlaBlich sind.
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Gesetzestext: Strafvollzugsgesetz
Zweiter Titel. Planung des Vollzuges § 5. Aufnahmeverfahren. zugegen sein.
(1) Beim Aufhahmeverfahren diirfen andere Gefangene nicht
(2) Der Gefangene wird liber seine Rechte und Pflichten unterrichtet. (3) Nach der Aufhahme wird der Gefangene alsbald arztlich untersucht und dem Leiter der Anstalt oder der Aufhahmeabteilung vorgestellt. § 6. Behandlungsuntersuchung. Beteiligung des Gefangenen. (1) ^Nach dem Aufhahmeverfahren wird damit begonnen, die PersonHchkeit und die Lebensverhaltnisse des Gefangenen zu erforschen. "^Hiervon kann abgesehen werden, wenn dies mit Riicksicht auf die VoUzugsdauer nicht geboten erscheint. (2) ^Die Untersuchung erstreckt sich auf die Umstande, deren Kenntnis fur eine planvolle Behandlung des Gefangenen im Vollzug und fur die EingHederung nach seiner Entlassung notwendig ist. ^Bei Gefangenen, die wegen einer Straftat nach den §§174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches verurteilt worden sind, ist besonders griindlich zu priifen, ob die Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt angezeigt ist. (3) Die Planung der Behandlung wird mit dem Gefangenen erortert. § 7. Vollzugsplan. (1) Auf Grund der Behandlungsuntersuchung (§ 6) wird ein Vollzugsplan erstellt. (2) Der Vollzugsplan enthalt Angaben mindestens liber folgende BehandlungsmaBnahmen: 1. die Unterbringung im geschlossenen oder offenen Vollzug, 2. die Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt, 3. die Zuweisung zu Wohngruppen und Behandlungsgruppen, 4. den Arbeitseinsatz sowie MaBnahmen der beruflichen Ausbildung oder Weiterbildung, 5. die Teilnahme an Veranstaltungen der Weiterbildung, 6. besondere Hilfs- und BehandlungsmaBnahmen, 7. Lockerungen des Vollzuges und 8. notwendige MaBnahmen zur Vorbereitung der Entlassung. (3) ^Der Vollzugsplan ist mit der Entwicklung des Gefangenen und weiteren Ergebnissen der Personlichkeitserforschung in Einklang zu halten. ^Hierfur sind im Vollzugsplan angemessene Fristen vorzusehen. (4) Bei Gefangenen, die wegen einer Straftat nach den §§174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches zu Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden sind, ist iiber eine Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt jeweils nach Ablauf von sechs Monaten neu zu entscheiden. § 8. Verlegung. Uberstellung. (1) Der Gefangene kann abweichend vom Vollstreckungsplan in eine andere ftir den Vollzug der Freiheitsstrafe zustandige Anstalt verlegt werden, 1. wenn die Behandlung des Gefangenen oder seine EingHederung nach der Entlassung hierdurch gefordert wird oder 2. wenn dies aus Griinden der Vollzugsorganisation oder aus anderen wichtigen Griinden erforderlich ist.
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(2) Der Gefangene darf aus wichtigem Grund in eine andere Vollzugsanstalt iiberstellt werden. § 9. Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt. (1) ^Ein Gefangener ist in eine sozialtherapeutische Anstalt zu verlegen, wenn er wegen einer Straftat nach den §§174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches zu zeitiger Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden ist und die Behandlung in einer sozialtherapeutischen Anstalt nach § 6 Abs. 2 Satz 2 oder § 7 Abs. 4 angezeigt ist. ^Der Gefangene ist zurtickzuverlegen, wenn der Zweck der Behandlung aus Griinden, die in der Person des Gefangenen liegen, nicht erreicht werden kann. (2) ^Andere Gefangene konnen mit ihrer Zustimmung in eine sozialtherapeutische Anstalt verlegt werden, wenn die besonderen therapeutischen Mittel und sozialen Hilfen der Anstalt zu ihrer Resozialisierung angezeigt sind. ^In diesen Fallen bedarf die Verlegung der Zustimmung des Leiters der sozialtherapeutischen Anstalt. (3) Die §§8 und 85 bleiben unberiihrt. § 10. Offener und geschlossener Vollzug. (1) Bin Gefangener soil mit seiner Zustimmung in einer Anstalt oder Abteilung des offenen Vollzuges untergebracht werden, wenn er den besonderen Anforderungen des offenen Vollzuges genugt und namentlich nicht zu befurchten ist, daB er sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Moglichkeiten des offenen Vollzuges zu Straftaten miBbrauchen werde. (2) ^Im iibrigen sind die Gefangenen im geschlossenen Vollzug unterzubringen. ^Ein Gefangener kann auch dann im geschlossenen Vollzug untergebracht oder dorthin zurtickverlegt werden, wenn dies zu seiner Behandlung notwendig ist. § 11. Lockerungen des Vollzuges. (1) Als Lockerung des Vollzuges kann namentlich angeordnet werden, dafi der Gefangene 1. auBerhalb der Anstalt regelmaBig einer Beschaftigung unter Aufsicht (AuBenbeschaftigung) oder ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten (Freigang) nachgehen darf oder 2. fur eine bestimmte Tageszeit die Anstalt unter Aufsicht (Ausfuhrung) oder ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten (Ausgang) verlassen darf (2) Diese Lockerungen diirfen mit Zustimmung des Gefangenen angeordnet werden, wenn nicht zu beftirchten ist, daB der Gefangene sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Lockerungen des Vollzuges zu Straftaten miBbrauchen werde. § 12. Ausfuhrung aus besonderen Griinden. Ein Gefangener darf auch ohne seine Zustimmung ausgefiihrt werden, wenn dies aus besonderen Griinden notwendig ist. § 13. Urlaub aus der Haft. (1) ^Ein Gefangener kann bis zu einundzwanzig Kalendertagen in einem Jahr aus der Haft beurlaubt werden. ^§ 11 Abs. 2 gilt entsprechend. (2) Der Urlaub soil in der Kegel erst gewahrt werden, wenn der Gefangene sich mindestens sechs Monate im Strafvollzug befunden hat. (3) Ein zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilter Gefangener kann beurlaubt werden, wenn er sich einschlicBlich einer vorhergehenden Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung zehn Jahre im Vollzug befunden hat oder wenn er in den offenen Vollzug iiberwiesen ist.
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(4) Gefangenen, die sich fiir den offenen Vollzug eignen, aus besonderen Griinden aber in einer geschlossenen Anstalt untergebracht sind, kann nach den flir den offenen Vollzug geltenden Vorschriften Urlaub erteilt werden. (5) Durch den Urlaub wird die Strafvollstreckung nicht unterbrochen. § 14. Weisungen, Aufhebung von Lockerungen und Urlaub. (1) Der Anstaltsleiter kann dem Gefangenen fiir Lockerungen und Urlaub Weisungen erteilen. (2) ^Er kann Lockerungen und Urlaub widerrufen, wenn er auf Grund nachtraglich eingetretener Umstande berechtigt ware, die MaBnahmen zu versagen, 2. der Gefangene die MaBnahmen miBbraucht oder 3. der Gefangene Weisungen nicht nachkommt. ^Er kann Lockerungen und Urlaub mit Wirkung fur die Zukunft zurticknehmen, wenn die Voraussetzungen fiir ihre Bewilligung nicht vorgelegen haben. 1.
§ 15. Entlassungsvorbereitung. gelockert werden (§ 11).
(1) Um die Entlassung vorzubereiten, soil der Vollzug
(2) Der Gefangene kann in eine offene Anstalt oder Abteilung (§ 10) verlegt werden, wenn dies der Vorbereitung der Entlassung dient. (3) ^Innerhalb von drei Monaten vor der Entlassung kann zu deren Vorbereitung Sonderurlaub bis zu einer Woche gewahrt werden. ^§ 11 Abs. 2, § 13 Abs. 5 und § 14 gelten entsprechend. (4) ^Freigangem (§ 11 Abs. 1 Nr. 1) kann innerhalb von neun Monaten vor der Entlassung Sonderurlaub bis zu sechs Tagen im Monat gewahrt werden. ^§ 11 Abs. 2, § 13 Abs. 5 und § 14 gelten entsprechend. Absatz 3 Satz 1 findet keine Anwendung. § 16. Entlassungszeitpunkt. (1) Der Gefangene soil am letzten Tag seiner Strafzeit moglichst fruhzeitig, jedenfalls noch am Vormittag entlassen werden. (2) Fallt das Strafende auf einen Sonnabend oder Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag, den ersten Werktag nach Ostem oder Pfingsten oder in die Zeit vom 22. Dezember bis zum 2. Januar, so kann der Gefangene an dem diesem Tag oder Zeitraum vorhergehenden Werktag entlassen werden, wenn dies nach der Lange der Strafzeit vertretbar ist und fursorgerische Griinde nicht entgegenstehen. (3) Der Entlassungszeitpunkt kann bis zu zwei Tagen vorverlegt werden, wenn dringende Grunde dafur vorliegen, daB der Gefangene zu seiner Eingliederung hierauf angewiesen ist.
DritterTiteL Unterbringung und Ernahrung des Gefangenen § 17. Unterbringung wahrend der Arbeit und Freizeit. (1) ^Die Gefangenen arbeiten gemeinsam. ^Dasselbe gilt fur Berufsausbildung, berufliche Weiterbildung sowie arbeitstherapeutische und sonstige Beschaftigung wahrend der Arbeitszeit. (2) ^Wahrend der Freizeit konnen die Gefangenen sich in der Gemeinschaft mit den anderen aufhalten. ^Ftir die Teilnahme an gemeinschaftlichen Veranstaltungen kann der Anstaltsleiter mit Riicksicht auf die raumlichen, personellen und organisatorischen Verhaltnisse der Anstalt besondere Regelungen treffen.
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(3) Die gemeinschaftliche Unterbringung wahrend der Arbeitszeit und Freizeit kann eingeschrankt werden, 1. wenn ein schadlicher EinfluB auf andere Gefangene zu beflirchten ist, 2. wenn der Gefangene nach § 6 untersucht wird, aber nicht langer als zwei Monate, 3. wenn es die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erfordert oder 4. wenn der Gefangene zustimmt. § 18. Unterbringung wahrend der Ruhezeit. (1) ^Gefangene werden wahrend der Ruhezeit allein in ihren Haftraumen untergebracht. ^Eine gemeinsame Unterbringung ist zulassig, sofem ein Gefangener hilfsbediirftig ist oder eine Gefahr far Leben oder Gesundheit eines Gefangenen besteht. (2) 'im offenen Vollzug dlirfen Gefangene mit ihrer Zustimmung wahrend der Ruhezeit gemeinsam untergebracht werden, wenn eine schadHche Beeinflussung nicht zu befurchten ist. "^Im geschlossenen Vollzug ist eine gemeinschaftliche Unterbringung zur Ruhezeit auBer in den Fallen des Absatzes 1 nur voriibergehend und aus zwingenden Griinden zulassig. § 19. Ausstattung des Haftraumes durch den Gefangenen und sein personlicher Besitz. (1) ^Der Gefangene darf seinen Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Sachen ausstatten. ^Lichtbilder nahestehender Personen und Erinnerungsstiicke von personlichem Wert werden ihm belassen. (2) Vorkehrungen und Gegenstande, die die Ubersichtlichkeit des Haftraumes behindem oder in anderer Weise Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefahrden, konnen ausgeschlossen werden. § 20 Kleidung. (1) ^Der Gefangene tragt Anstaltskleidung. ^Fiir die Freizeit erhalt er eine besondere Oberbekleidung. (2) ^Der Anstaltsleiter gestattet dem Gefangenen, bei einer Ausfuhrung eigene Kleidung zu tragen, wenn zu erwarten ist, daB er nicht entweichen wird. "^Er kann dies auch sonst gestatten, sofem der Gefangene fur Reinigung, Instandsetzung und regelmaBigen Wechsel auf eigene Kosten sorgt. § 21. Anstaltsverpflegung. ^Zusammensetzung und Nahrwert der Anstaltsverpflegung werden arztlich tiberwacht. "^Auf arztliche Anordnung wird besondere Verpflegung gewahrt. ^Dem Gefangenen ist zu ermoglichen, Speisevorschriften seiner Religionsgemeinschaft zu befolgen. § 22. Einkauf. (1) ^Der Gefangene kann sich von seinem Hausgeld (§ 47) oder von seinem Taschengeld (§ 46) aus einem von der Anstalt vermittelten Angebot Nahrungs- und GenuBmittel sowie Mittel zur Korperpflege kaufen. ^Die Anstalt soil fur ein Angebot sorgen, das auf Wiinsche und Bedtirfnisse der Gefangenen Riicksicht nimmt. (2) ^Gegenstande, die die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefahrden, konnen vom Einkauf ausgeschlossen werden. ^Auf arztliche Anordnung kann dem Gefangenen der Einkauf einzelner Nahrungs- und GenuBmittel ganz oder teilweise untersagt werden, wenn zu befurchten ist, daB sie seine Gesundheit emsthaft gefahrden. ^In Krankenhausem und Krankenabteilungen kann der Einkauf einzelner Nahrungs- und GenuBmittel auf arztliche Anordnung allgemein untersagt oder eingeschrankt werden. (3) Verfugt der Gefangene ohne eigenes Verschulden nicht liber Haus- oder Taschengeld, wird ihm gestattet, in angemessenem Umfang vom Eigengeld einzukaufen.
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Vierter Titel. Besuche, Schriftwechsel sowie Uriaub, Ausgang und Ausfuhrung aus besonderem Anlad § 23. Grundsatz. ^Der Gefangene hat das Recht, mit Personen auBerhalb der Anstalt im Rahmen der Vorschriften dieses Gesetzes zu verkehren. ^Der Verkehr mit Personen auBerhalb der Anstalt ist zu fordem. § 24. Recht auf Besuch. (1) ^Der Gefangene darf regelmaBig Besuch empfangen. "^Die Gesamtdauer betragt mindestens eine Stunde im Monat. ^Das Weitere regelt die Hausordnung. (2) Besuche sollen dariiber hinaus zugelassen werden, wenn sie die Behandlung oder Eingliederung des Gefangenen fordem oder personlichen, rechtlichen oder geschaftlichen Angelegenheiten dienen, die nicht vom Gefangenen schriftlich erledigt, durch Dritte wahrgenommen oder bis zur Entlassung des Gefangenen aufgeschoben werden konnen. (3) Aus Griinden der Sicherheit kann ein Besuch davon abhangig gemacht werden, daB sich der Besucher durchsuchen laBt. § 25. Besuchsverbot. Der Anstaltsleiter kann Besuche untersagen, 1. wenn die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefahrdet wiirde, 2. bei Besuchem, die nicht Angehorige des Gefangenen im Sinne des Strafgesetzbuches sind, wenn zu befarchten ist, daB sie einen schadlichen EinfluB auf den Gefangenen haben oder seine Eingliederung behindem wiirden. § 26. Besuche von Verteidigern, Rechtsanwalten und Notaren. ^Besuche von Verteidigem sowie von Rechtsanwalten oder Notaren in einer den Gefangenen betreffenden Rechtssache sind zu gestatten. ^§ 24 Abs. 3 gilt entsprechend. ^Eine inhaltliche Uberprufung der vom Verteidiger mitgefuhrten Schriftstucke und sonstigen Unterlagen ist nicht zulassig. '^§ 29 Abs. 1 Satz 2 und 3 bleibt unberiihrt. § 27. Uberwachung der Besuche. (1) ^Die Besuche durfen aus Griinden der Behandlung oder der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt iiberwacht werden, es sei denn, es liegen im Einzelfall Erkenntnisse dafur vor, daB es der Uberwachung nicht bedarf ^Die Unterhaltung darf nur iiberwacht werden, soweit dies im Einzelfall aus diesen Griinden erforderlich ist. (2) ^Ein Besuch darf abgebrochen werden, wenn Besucher oder Gefangene gegen die Vorschriften dieses Gesetzes oder die auf Grund dieses Gesetzes getroffenen Anordnungen trotz Abmahnung verstoBen. ^Die Abmahnung unterbleibt, wenn es unerlaBlich ist, den Besuch sofort abzubrechen. (3) Besuche von Verteidigern werden nicht iiberwacht. (4) ^Gegenstande diirfen beim Besuch nur mit Erlaubnis iibergeben werden. ^Dies gilt nicht fur die bei dem Besuch des Verteidigers iibergebenen Schriftstiicke und sonstigen Unterlagen sowie fur die bei dem Besuch eines Rechtsanwaits oder Notars zur Erledigung einer den Gefangenen betreffenden Rechtssache iibergebenden Schriftstiicke und sonstigen Unterlagen; bei dem Besuch eines Rechtsanwalts oder Notars kann die Ubergabe aus Griinden der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt von der Erlaubnis abhangig gemacht werden. ^§ 29 Abs. 1 Satz 2 und 3 bleibt unberiihrt. § 28. Recht auf Schriftwechsel. (1) Der Gefangene hat das Recht, unbeschrankt Schreiben abzusenden und zu empfangen.
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(2) Der Anstaltsleiter kann den Schriftwechsel mit bestimmten Personen untersagen, wenn die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefahrdet wtirde, bei Personen, die nicht Angehorige des Gefangenen im Sinne des Strafgesetzbuches sind, wenn zu befiirchten ist, daB der Schriftwechsel einen schadHchen EinfluB auf den Gefangenen haben oder seine Eingliederung behindem wiirde.
§ 29. Uberwachung des Schriftwechsels. (1) ^Der Schriftwechsel des Gefangenen mit seinem Verteidiger wird nicht tiberwacht. "^Liegt dem Vollzug der Freiheitsstrafe eine Straftat nach des § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, des Strafgesetzbuches zugrunde, gelten § 148 Abs. 2, § 148a der StrafprozeBordnung entsprechend; dies gilt nicht, wenn der Gefangene sich in einer Einrichtung des offenen Vollzuges befindet oder wenn ihm Lockerungen des Vollzuges gemaB § 11 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 zweiter Halbsatz oder Urlaub gemaB § 13 oder § 15 Abs. 3 gewahrt worden sind und ein Grund, der den Anstaltsleiter nach § 14 Abs. 2 zum Widerruf oder zur Zuriicknahme von Lockerungen und Urlaub ermachtigt, nicht vorliegt. ^Satz 2 gilt auch, wenn gegen einen Strafgefangenen im AnschluB an die dem Vollzug der Freiheitsstrafe zugrundeliegende Verurteilung eine Freiheitsstrafe wegen einer Straftat nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, des Strafgesetzbuches zu vollstrecken ist. (2) ^Nicht tiberwacht werden ferner Schreiben des Gefangenen an Volksvertretungen des Bundes und der Lander sowie an deren Mitglieder, soweit die Schreiben an die Anschriften dieser Volksvertretungen gerichtet sind und den Absender zutreffend angeben. ^Entsprechendes gilt flir Schreiben an das Europaische Parlament und dessen Mitglieder, den Europaischen Gerichtshof fur Menschenrechte, die Europaische Kommission flir Menschenrechte, den Europaischen AusschuB zur Verhtitung von Folter und unmenschlicher oder emiedrigender Behandlung oder Strafe und die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Lander. ^Schreiben der in den Satzen 1 und 2 genannten Stellen, die an den Gefangenen gerichtet sind, werden nicht tiberwacht, sofem die Identitat des Absenders zweifelsfrei feststeht. (3) Der ubrige Schriftwechsel darf tiberwacht werden, soweit es aus Grtinden der Behandlung oder der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist. § 30. Weiterleitung von Schreiben. Aufbewahrung. (1) Der Gefangene hat Absendung und Empfang seiner Schreiben durch die Anstalt vermitteln zu lassen, soweit nichts anderes gestattet ist. (2) Eingehende und ausgehende Schreiben sind unverztiglich weiterzuleiten. (3) Der Gefangene hat eingehende Schreiben unverschlossen zu verwahren, sofem nichts anderes gestattet wird; er kann sie verschlossen zu seiner Habe geben. § 31. Anhalten von Schreiben. (1) Der Anstaltsleiter kann Schreiben anhalten 1. wenn das Ziel des Vollzuges oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefahrdet wtirde, 2. wenn die Weitergabe in Kenntnis ihres Inhalts einen Straf- oder BuBgeldtatbestand verwirklichen wtirde, 3. wenn sie grob unrichtige oder erheblich entstellende Darstellungen von Anstaltsverhaltnissen enthalten, 4. wenn sie grobe Beleidigungen enthalten, 5. wenn sie die Eingliederung eines anderen Gefangenen gefahrden konnen oder 6. wenn sie in Geheimschrift, unlesbar, unverstandlich oder ohne zwingenden Grund in einer fremden Sprache abgefaBt sind.
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(2) Ausgehenden Schreiben, die unrichtige Darstellungen enthalten, kann ein Begleitschreiben beigefiigt werden, wenn der Gefangene auf der Absendung besteht. (3) ^Ist ein Schreiben angehalten worden, wird das dem Gefangenen mitgeteilt. ^Angehaltene Schreiben werden an den Absender zuriickgegeben oder, sofem dies unmogHch oder aus besonderen Grtinden untunHch ist, behordHch verwahrt. (4) Schreiben, deren Uberwachung nach § 29 Abs. 1 und 2 ausgeschlossen ist, dtirfen nicht angehalten werden. § 32. Ferngesprache und Telegramme. 'Dem Gefangenen kann gestattet werden, Femgesprache zu fiihren oder Telegramme aufzugeben. ^Im (ibrigen gelten fiir Ferngesprache die Vorschriften uber den Besuch und fiir Telegramme die Vorschriften tiber den Schriftwechsel entsprechend. ^Ist die Uberwachung der femmiindlichen Unterhaltung erforderlich, ist die beabsichtigte Uberwachung dem Gesprachspartner des Gefangenen unmittelbar nach Herstellung der Verbindung durch die Vollzugsbehorde oder den Gefangenen mitzuteilen. "^Der Gefangene ist rechtzeitig vor Beginn der femmiindlichen Unterhaltung iiber die beabsichtigte Uberwachung und die Mitteilungspflicht nach Satz 3 zu unterrichten. § 33. Pakete. (1) 'Der Gefangene darf dreimal jahrlich in angemessenen Abstanden ein Paket mit Nahrungs- und GenuBmitteln empfangen. "^Die Vollzugsbehorde kann Zeitpunkt und Hochstmengen fur die Sendung und fur einzelne Gegenstande festsetzen. ^Der Empfang weiterer Pakete oder solcher mit anderem Inhalt bedarf ihrer Erlaubnis. "^Fiir den AusschluB von Gegenstanden gilt § 22 Abs. 2 entsprechend. (2) 'Pakete sind in Gegenwart des Gefangenen zu offnen. ^Ausgeschlossene Gegenstande konnen zu seiner Habe genommen oder dem Absender zuriickgesandt werden. ^Nicht ausgehandigte Gegenstande, durch die bei der Versendung oder Aufbewahrung Personen verletzt oder Sachschaden verursacht werden konnen, diirfen vemichtet werden. "^Die hiernach getroffenen MaBnahmen werden dem Gefangenen eroffnet. (3) Der Empfang von Paketen kann voriibergehend versagt werden, wenn dies wegen Gefahrdung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt unerlaBlich ist. (4) 'Dem Gefangenen kann gestattet werden, Pakete zu versenden. ^Die Vollzugsbehorde kann ihren Inhalt aus Griinden der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt iiberpriifen. § 34. (aufgehoben) § 35. Urlaub, Ausgang und Ausfiihrung aus wichtigem Anlass. (1) 'Aus wichtigem AnlaB kann der Anstaltsleiter dem Gefangenen Ausgang gewahren oder ihn bis zu sieben Tagen beurlauben; der Urlaub aus anderem wichtigen AnlaB als wegen einer lebensgefahrlichen Erkrankung oder wegen des Todes eines Angehorigen darf sieben Tage im Jahr nicht iibersteigen. ^§ 11 Abs. 2, § 13 Abs. 5 und § 14 gelten entsprechend. (2) Der Urlaub nach Absatz 1 wird nicht auf den regelmaBigen Urlaub angerechnet. (3) 'Kann Ausgang oder Urlaub aus den in § 11 Abs. 2 genannten Griinden nicht gewahrt werden, kann der Anstaltsleiter den Gefangenen ausfuhren lassen. ^Die Aufwendungen hierfur hat der Gefangene zu tragen. ^Der Anspruch ist nicht geltend zu machen, wenn dies die Behandlung oder die Eingliederung behindem wiirde. § 36. Gerichtliche Termine. (1) 'Der Anstaltsleiter kann einem Gefangenen zur Teilnahme an einem gerichtlichen Termin Ausgang oder Urlaub erteilen, wenn anzunehmen ist, daB er der Ladung folgt und keine Entweichungs- oder MiBbrauchsgefahr (§ 11 Abs. 2) besteht. ^§ 13 Abs. 5 und § 14 gelten entsprechend.
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(2) ^Wenn ein Gefangener zu einem gerichtlichen Termin geladen ist und Ausgang oder Urlaub nicht gewahrt wird, laBt der Anstaltsleiter ihn mit seiner Zustimmung zu dem Termin ausfiihren, sofem wegen Entweichungs- oder MiBbrauchsgefahr (§ 11 Abs. 2) keine iiberwiegenden Griinde entgegenstehen. ^Auf Ersuchen eines Gerichts laBt er den Gefangenen vorfiihren, sofem ein Vorfiihrungsbefehl vorliegt. (3) Die VoUzugsbehorde unterrichtet das Gericht uber das VeranlaBte.
Funfter Titel. Arbeit, Ausbildung und Weiterbildung § 37. Zuweisung. (1) Arbeit, arbeitstherapeutische Beschaftigung, Ausbildung und Weiterbildung dienen insbesondere dem Ziel, Fahigkeiten fiir eine Erwerbstatigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fordem. (2) Die VoUzugsbehorde soil dem Gefangenen wirtschaftlich ergiebige Arbeit zuweisen und dabei seine Fahigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen beriicksichtigen. (3) Geeigneten Gefangenen soil Gelegenheit zur Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung oder Teilnahme an anderen ausbildenden oder weiterbildenden MaBnahmen gegeben werden. (4) Kann einem arbeitsfahigen Gefangenen keine wirtschaftlich ergiebige Arbeit oder die Teilnahme an MaBnahmen nach Absatz 3 zugewiesen werden, wird ihm eine angemessene Beschaftigung zugeteilt. (5) Ist ein Gefangener zu wirtschaftlich ergiebiger Arbeit nicht fahig, soil er arbeitstherapeutisch beschaftigt werden. § 38. Unterricht. (1) ^Fiir geeignete Gefangene, die den AbschluB der Hauptschule nicht erreicht haben, soil Unterricht in den zum HauptschulabschluB fuhrenden Fachem oder ein der Sonderschule entsprechender Unterricht vorgesehen werden. ^Bei der beruflichen Ausbildung ist berufsbildender Unterricht vorzusehen; dies gilt auch fur die berufliche Weiterbildung, soweit die Art der MaBnahme es erfordert. (2) Unterricht soil wahrend der Arbeitszeit stattfinden. § 39. Freies Beschaftigungsverhaltnis. Selbstbeschaftigung. (1) ^Dem Gefangenen soil gestattet werden, einer Arbeit, Berufsausbildung oder beruflichen Weiterbildung auf der Grundlage eines freien Beschaftigungsverhaltnisses auBerhalb der Anstalt nachzugehen, wenn dies im Rahmen des Vollzugsplanes dem Ziel dient, Fahigkeiten fiir eine Erwerbstatigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fbrdem und nicht iiberwiegende Griinde des Vollzuges entgegenstehen. ^§ 11 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und § 14 bleiben unberiihrt. (2) Dem Gefangenen kann gestattet werden, sich selbst zu beschaftigen. (3) Die VoUzugsbehorde kann verlangen, daB ihr das Entgelt zur Gutschrift fiir den Gefangenen iiberwiesen wird. § 40. AbschluOzeugnis. Aus dem AbschluBzeugnis tiber eine ausbildende oder weiterbildende MaBnahme darf die Gefangenschaft eines Teilnehmers nicht erkennbar sein. § 41. Arbeitspflicht. (1) ^Der Gefangene ist verpflichtet, eine ihm zugewiesene, seinen korperlichen Fahigkeiten angemessene Arbeit, arbeitstherapeutische oder sonstige Beschaftigung auszuiiben, zu deren Verrichtung er auf Grund seines korperlichen Zustandes in der
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Lage ist. ^Er kann jahrlich bis zu drei Monaten zu Hilfstatigkeiten in der Anstalt verpflichtet werden, mit seiner Zustimmung auch dartiber hinaus. ^Die Satze 1 und 2 gelten nicht fiir Gefangene, die iiber 65 Jahre alt sind, und nicht fiir werdende und stillende Mutter, soweit gesetzliche Beschaftigungsverbote zum Schutz erwerbstatiger Mutter bestehen. (2) ^Die Teilnahme an einer MaBnahme nach § 37 Abs. 3 bedarf der Zustimmung des Gefangenen. ^Die Zustimmung darf nicht zur Unzeit widerrufen werden. (3) ^Die Beschdftigung in einem von privaten Unternehmen unterhaltenen Betriebe (§149 Abs. 4) bedarf der Zustimmung des Gefangenen. ^Der Widerruf der Zustimmung wird erst wirksam, wenn der Arbeitsplatz von einem anderen Gefangenen eingenommen werden kann, spdtestens nach sechs Wochen. § 42. Freistellung von der Arbeitspflicht. (1) ^Hat der Gefangene ein Jahr lang zugewiesene Tatigkeit nach § 37 oder Hilfstatigkeiten nach § 41 Abs. 1 Satz 2 ausgeubt, so kann er beanspruchen, achtzehn Werktage von der Arbeitspflicht freigestellt zu werden. ^Zeiten, in denen der Gefangene infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert war, werden auf das Jahr bis zu sechs Wochen jahrlich angerechnet. (2) Auf die Zeit der Freistellung wird Urlaub aus der Haft (§§ 13, 35) angerechnet, soweit er in die Arbeitszeit fallt und nicht wegen einer lebensgefahrlichen Erkrankung oder des Todes eines Angehorigen erteilt worden ist. (3) Der Gefangene erhalt fiir die Zeit der Freistellung seine zuletzt gezahlten Beztige weiter. (4) Urlaubsregelungen der Beschaftigungsverhaltnisse auBerhalb des Strafvollzuges bleiben unberiihrt. § 43. Arbeitsentgelt, Arbeitsurlaub und Anrechnung der Freistellung auf den Entlassungszeitpukt. (1) Die Arbeit des Gefangenen wird anerkannt durch Arbeitsentgelt und eine Freistellung von der Arbeit, die auch als Urlaub aus der Haft (Arbeitsurlaub) genutzt oder auf den Entlassungszeitpunkt angerechnet werden kann. (2) *Ubt der Gefangene eine zugewiesene Arbeit, sonstige Beschaftigung oder eine Hilfstatigkeit nach § 41 Abs. 1 Satz 2 aus, so erhalt er ein Arbeitsentgelt. ^Der Bemessung des Arbeitsentgelts ist der in § 200 bestimmte Satz der BezugsgroBe nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch zu Grunde zu legen (Eckvergiitung). ^Ein Tagessatz ist der zweihundertfunfzigste Teil der Eckvergiitung; das Arbeitsentgelt kann nach einem Stundensatz bemessen werden. (3) ^Das Arbeitsentgelt kann je nach Leistung des Gefangenen und der Art der Arbeit gestuft werden. "^75 vom Hundert der Eckvergiitung diirfen nur dann unterschritten werden, wenn die Arbeitsleistungen des Gefangenen den Mindestanforderungen nicht genugen. (4) Ubt ein Gefangener zugewiesene arbeitstherapeutische Beschaftigung aus, erhalt er ein Arbeitsentgelt, soweit dies der Art seiner Beschaftigung und seiner Arbeitsleistung entspricht. (5) Das Arbeitsentgelt ist dem Gefangenen schriftlich bekannt zu geben. (6) ^Hat der Gefangene zwei Monate lang zusammenhangend eine zugewiesene Tatigkeit nach § 37 oder eine Hilfstatigkeit nach § 41 Abs. 1 Satz 2 ausgeiibt, so wird er auf seinen Antrag hin einen Werktag von der Arbeit freigestellt. ^Die Regelung des § 42 bleibt unberiihrt. ^Durch Zeiten, in denen der Gefangene ohne sein Verschulden durch Krankheit, Ausfuhrung, Ausgang, Urlaub aus der Haft, Freistellung von der Arbeitspflicht oder sonsti-
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ge nicht von ihm zu vertretende Griinde an der Arbeitsleistung gehindert ist, wird die Frist nach Satz 1 gehemmt. "^Beschaftigungszeitraume von weniger als zwei Monaten bleiben unberiicksichtigt. (7) ^Der Gefangene kann beantragen, dass die Freistellung nach Absatz 6 in Form von Urlaub aus der Haft gewahrt wird (Arbeitsurlaub). ^§ 11 Abs. 2, § 13 Abs. 2 bis 5 und § 14 gelten entsprechend. (8) § 42 Abs. 3 gilt entsprechend. (9) Stellt der Gefangene keinen Antrag nach Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1 oder kann die Freistellung nach MaBgabe der Regelung des Absatzes 7 Satz 2 nicht gewahrt werden, so wird die Freistellung nach Absatz 6 Satz 1 von der Anstalt auf den Entlassungszeitpunkt des Gefangenen angerechnet. 1. 2.
3.
4. 5.
(10) Eine Anrechnung nach Absatz 9 ist ausgeschlossen, soweit eine lebenslange Freiheitsstrafe oder Sicherungsverwahrung verbtiBt wird und ein Entlassungszeitpunkt noch nicht bestimmt ist, bei einer Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe oder einer Sicherungsverwahrung zur Bewahrung, soweit wegen des von der Entscheidung des Gerichts bis zur Entlassung verbleibenden Zeitraums eine Anrechnung nicht mehr moglich ist, wenn dies vom Gericht angeordnet wird, well bei einer Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe oder einer Sicherungsverwahrung zur Bewahrung die Lebensverhaltnisse des Gefangenen oder die Wirkungen, die von der Aussetzung fur ihn zu erwarten sind, die Vollstreckung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erfordem, wenn nach § 456a Abs. 1 der Strafprozessordnung von der Vollstreckung abgesehen wird, wenn der Gefangene im Gnadenwege aus der Haft entlassen wird.
(11) ^Soweit eine Anrechnung nach Absatz 10 ausgeschlossen ist, erhalt der Gefangene bei seiner Entlassung fur seine Tatigkeit nach Absatz 2 als Ausgleichsentschadigung zusatzlich 15 vom Hundert des ihm nach den Absatzen 2 und 3 gewahrten Entgelts oder der ihm nach § 44 gewahrten Ausbildungsbeihilfe. "^Der Anspruch entsteht erst mit der Entlassung; vor der Entlassung ist der Anspruch nicht verzinslich, nicht abtretbar und nicht vererblich. ^Einem Gefangenen, bei dem eine Anrechnung nach Absatz 10 Nr. 1 ausgeschlossen ist, wird die Ausgleichszahlung bereits nach VerbiiBung von jeweils zehn Jahren der lebenslangen Freiheitsstrafe oder Sicherungsverwahrung zum Eigengeld (§ 52) gutgeschrieben, soweit er nicht vor diesem Zeitpunkt entlassen wird; § 57 Abs. 4 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. § 44. Ausbildungsbeihilfe. (1) 'Nimmt der Gefangene an einer Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung oder an einem Unterricht teil und ist er zu diesem Zweck von seiner Arbeitspflicht freigestellt, so erhalt er eine Ausbildungsbeihilfe, soweit ihm keine Leistungen zum Lebensunterhalt zustehen, die freien Personen aus solchem AnlaB gewahrt werden. ^Der Nachrang der Sozialhilfe nach § 2 Abs. 2 des Zwolften Buches Sozialgesetzbuch wird nicht beriihrt. (2) Fiir die Bemessung der Ausbildungsbeihilfe gilt § 43 Abs. 2 und 3 entsprechend. (3) Nimmt der Gefangene wahrend der Arbeitszeit stunden- oder tageweise am Unterricht oder an anderen zugewiesenen MaBnahmen gemaB § 37 Abs. 3 teil, so erhalt er in Hohe des ihm dadurch entgehenden Arbeitsentgelts eine Ausbildungsbeihilfe.
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§ 45. Ausfallentschddigung. (1) Kann einem arbeitsfdhigen Gefangenen aus Griinden, die nicht in seiner Person liegen, Idnger als eine Woche eine Arbeit oder Beschdftigung im Sinne des § 37 Abs. 4 nicht zugewiesen werden, erhdlt er eine Ausfallentschddigung. (2) ^ Wird ein Gefangener nach Beginn der Arbeit oder Beschdftigung infolge Krankheit Idnger als eine Woche an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dafi ihn ein Verschulden trifft, so erhdlt er ebenfalls eine Ausfallentschddigung. ^Gleiches giltfiir Gefangene, die eine Ausbildungsbeihilfe nach § 44 oder Ausfallentschddigung nach Absatz 1 bezogen haben. (3) Werdende Matter, die eine Arbeit oder Beschdftigung im Sinne des §37 nicht verrichten, erhalten Ausfallentschddigung in den letzten sechs Wochen vor der Entbindung und bis zum Ablaufvon acht Wochen, bei Frilh- und Mehrlingsgeburten bis zu zwolf Wochen nach der Entbindung. (4) Die Ausfallentschddigung darf60 vom Hundert der Eckvergutung nach § 43 Abs. 1 nur dann unterschreiten, wenn der Gefangene das Mindestentgelt des § 43 Abs. 2 vor der Arbeitslosigkeit oder Krankheit nicht erreicht hat. (5) ^Ausfallentschddigung wird unbeschadet derRegelung nach Absatz 3 insgesamt bis zur Hochstdauer von sechs Wochen jdhrlich gewdhrt. '^Eine weitere Ausfallentschddigung wird erst gewdhrt, wenn der Gefangene erneut wenigstens ein Jahr Arbeitsentgelt oder Ausbildungsbeihilfe bezogen hat. (6) Soweit der Gefangene nach § 566 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung Ubergangsgeld erhdlt, ruht der Anspruch auf Ausfallentschddigung. § 46. Taschengeld. Wenn ein Gefangener ohne sein Verschulden kein Arbeitsentgeh und keine Ausbildungsbeihilfe erhalt, wird ihm ein angemessenes Taschengeld gewahrt, falls er bedlirftig ist. § 47. Hausgeld. (1) Der Gefangene darf von seinen in diesem Gesetz geregelten Bezugen drei Siebtel monatlich (Hausgeld) und das Taschengeld (§ 46) fur den Einkauf (§ 22 Abs. 1) oder anderweitig verwenden. (2) Ftir Gefangene, die in einem freien Beschaftigungsverhaltnis stehen (§ 39 Abs. 1) oder denen gestattet ist, sich selbst zu beschaftigen (§ 39 Abs. 2), wird aus ihren Bezugen ein angemessenes Hausgeld festgesetzt. § 48. Rechtsverordnung. Das Bundesministerium der Justiz wird ermachtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium fur Wirtschaft und Arbeit mit Zustimmung des Bundesrates zur Durchfuhrung der §§43 bis 45 Rechtsverordnungen (iber die Vergtitungsstufen zu erlassen. § 49. Unterhaltsbeitrag, (J) AufAntrag des Gefangenen ist zur Erfullung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht aus seinen Bezugen an den Berechtigten oder einen Dritten ein Unterhaltsbeitrag zu zahlen. (2) ^Reichen die Einkiinfte des Gefangenen nach Abzug des Hausgeldes und des Unterhaltsbeitrages nicht aus, um den Haftkostenbeitrag zu begleichen, so wird ein Unterhaltsbeitrag nur bis zur Hohe des nach § 850c der Zivilprozefiordnung unpfdndbaren Betrages gezahlt. ^Bei der Bemessung des nach Satz 1 mafigeblichen Betrages wird die Zahl der unterhaltsberechtigten Personen um eine vermindert. § 50. Haftkostenbeitrag. (1) ^Als Teil der Kosten der Vollstreckung der Rechtsfolgen einer Tat (§ 464a Abs. 1 Satz 2 der Strafprozessordnung) erhebt die Vollzugsanstalt von dem
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Gefangenen einen Haftkostenbeitrag. ^Ein Haftkostenbeitrag wird nicht erhoben, wenn der Gefangene 1. Bezuge nach diesem Gesetz erhalt oder 2. ohne sein Verschulden nicht arbeiten kann oder 3. nicht arbeitet, weil er nicht zur Arbeit verpflichtet ist. ^Hat der Gefangene, der ohne sein Verschulden wahrend eines zusammenhangenden Zeitraumes von mehr als einem Monat nicht arbeiten kann oder nicht arbeitet, weil er nicht zur Arbeit verpflichtet ist, auf diese Zeit entfallende Einkiinfte, so hat er den Haftkostenbeitrag fiir diese Zeit bis zur Hohe der auf sie entfallenden Einkiinfte zu entrichten. "^Dem Gefangenen muss ein Betrag verbleiben, der dem mittleren Arbeitsentgelt in den Vollzugsanstalten des Landes entspricht. ^Von der Geltendmachung des Anspruchs ist abzusehen, soweit dies notwendig ist, um die Wiedereingliederung des Gefangenen in die Gemeinschaft nicht zu gefahrden. (2) ^Der Haftkostenbeitrag wird in Hohe des Betrages erhoben, der nach § 17 Abs. 1 Nr. 3 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch durchschnittlich zur Bewertung der Sachbeziige festgesetzt ist. "^Das Bundesministerium der Justiz stellt den Durchschnittsbetrag ftir jedes Kalenderjahr nach den am 1. Oktober des vorhergehenden Jahres geltenden Bewertungen der Sachbeziige, jeweils getrennt ftir das in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet und fur das Gebiet, in dem das Strafvollzugsgesetz schon vor dem Wirksamwerden des Beitritts gegolten hat, fest und macht ihn im Bundesanzeiger bekannt. ^Bei Selbstverpflegung entfallen die fur die Verpflegung vorgesehenen Betrage. "^Fiir den Wert der Unterkunft ist die festgesetzte Belegungsfahigkeit maBgebend. ^Der Haftkostenbeitrag darf auch von dem unpfandbaren Teil der Beziige, nicht aber zu Lasten des Hausgeldes und der Anspriiche unterhaltsberechtigter Angehoriger angesetzt werden. (3) Im Land Berlin gilt einheitlich der fur das in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet geltende Durchschnittsbetrag. (4) Die Selbstbeschaftigung (§ 39 Abs. 2) kann davon abhangig gemacht werden, dass der Gefangene einen Haftkostenbeitrag bis zur Hohe des in Absatz 2 genannten Satzes monatlich im Voraus entrichtet. (5) ^Fiir die Erhebung des Haftkostenbeitrages konnen die Landesregierungen durch Rechtsverordnung andere Zustandigkeiten begriinden. ^Auch in diesem Fall ist der Haftkostenbeitrag eine Justizverwaltungsabgabe; auf das gerichtliche Verfahren finden die §§109 bis 121 entsprechende Anwendung. § 51. Uberbruckungsgeld. (1) Aus den in diesem Gesetz geregelten Bezugen und aus den Beziigen der Gefangenen, die in einem freien Beschaftigungsverhaltnis stehen (§ 39 Abs. 1) oder denen gestattet ist, sich selbst zu beschaftigen (§39 Abs. 2), ist ein Uberbriickungsgeld zu bilden, das den notwendigen Lebensunterhalt des Gefangenen und seiner Unterhaltsberechtigten fur die ersten vier Wochen nach seiner Entlassung sichem soil. (2) ^Das Uberbriickungsgeld wird dem Gefangenen bei der Entlassung in die Freiheit ausgezahlt. ^Die Vollzugsbehorde kann es auch ganz oder zum Teil dem Bewahrungshelfer oder einer mit der Entlassenenbetreuung befaBten Stelle uberweisen, die daruber entscheiden, wie das Geld innerhalb der ersten vier Wochen nach der Entlassung an den Gefangenen ausgezahlt wird. ^Der Bewahrungshelfer und die mit der Entlassenenbetreuung befaBte Stelle sind verpflichtet, das Uberbriickungsgeld von ihrem Vermogen gesondert zu halten. "^Mit Zustimmung des Gefangenen kann das Uberbriickungsgeld auch dem Unterhaltsberechtigten iiberwiesen werden.
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(3) Der Anstaltsleiter kann gestatten, daB das Uberbriickungsgeld fur Ausgaben in Anspruch genommen wird, die der Eingliederung des Gefangenen dienen. (4) ^Der Anspruch auf Auszahlung des Uberbriickungsgeldes ist unpfandbar. ^Erreicht es nicht die in Absatz 1 bestimmte Hohe, so ist in Hohe des Unterschiedsbetrages auch der Anspruch auf Auszahlung des Eigengeldes unpfandbar. ^Bargeld des entlassenen Gefangenen, an den wegen der nach Satz 1 oder Satz 2 unpfandbaren Anspriiche Geld ausgezahlt worden ist, ist ftir die Dauer von vier Wochen seit der Entlassung insoweit der Pfandung nicht unterworfen, als es dem Teil der Anspruche fur die Zeit von der Pfandung bis zum Ablauf der vier Wochen entspricht. (5) ^Absatz 4 gilt nicht bei einer Pfandung wegen der in § 850d Abs. 1 Satz 1 der ZivilprozeBordnung bezeichneten Unterhaltsanspriiche. "^Dem entlassenen Gefangenen ist jedoch so viel zu belassen, als er fur seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfullung seiner sonstigen gesetzlichen Unterhaltspflichten fur die Zeit von der Pfandung bis zum Ablauf von vier Wochen seit der Entlassung bedarf § 52. Eigengeld. Beziige des Gefangenen, die nicht als Hausgeld, Haftkostenbeitrag, Unterhaltsbeitrag oder tjberbruckungsgeld in Anspruch genommen werden, sind dem Gefangenen zum Eigengeld gutzuschreiben.
Sechster Titel. Religionsausubung § 53. Seelsorge. (1) *Dem Gefangenen darf religiose Betreuung durch einen Seelsorger seiner Religionsgemeinschaft nicht versagt werden. ^Auf seinen Wunsch ist ihm zu helfen, mit einem Seelsorger seiner Religionsgemeinschaft in Verbindung zu treten. (2) *Der Gefangene darf grundlegende religiose Schriften besitzen. ^Sie diirfen ihm nur bei grobem MiBbrauch entzogen werden. (3) Dem Gefangenen sind Gegenstande des religiosen Gebrauchs in angemessenem Umfang zu belassen. § 54. Religiose Veranstaltungen. (1) Der Gefangene hat das Recht, am Gottesdienst und an anderen religiosen Veranstaltungen seines Bekenntnisses teilzunehmen. (2) Zu dem Gottesdienst oder zu religiosen Veranstaltungen einer anderen Religionsgemeinschaft wird der Gefangene zugelassen, wenn deren Seelsorger zustimmt. (3) Der Gefangene kann von der Teilnahme am Gottesdienst oder anderen religiosen Veranstaltungen ausgeschlossen werden, wenn dies aus uberwiegenden Grtinden der Sicherheit oder Ordnung geboten ist; der Seelsorger soil vorher gehort werden. § 55. Weltanschauungsgemeinschaften. Ftir Angehorige weltanschaulicher Bekenntnisse gelten die §§53 und 54 entsprechend.
Siebter Titei. Gesundheitsfursorge § 56. Allgemeine Regeln. (1) ^Fiir die korperliche und geistige Gesundheit des Gefangenen ist zu sorgen. "^§101 bleibt unberuhrt. (2) Der Gefangene hat die notwendigen MaBnahmen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene zu unterstutzen.
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§ 57. Gesundheitsuntersuchungen, medizinische Vorsorgeleistungen. (1) Gefangene, die das fiinfunddreiBigste Lebensjahr vollendet haben, haben jedes zweite Jahr Anspruch auf eine arztliche Gesundheitsuntersuchung zur Friiherkennung von Krankheiten, insbesondere zur Friiherkennung von Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen sowie der Zuckerkrankheit. (2) Gefangene haben hochstens einmal jahrlich Anspruch auf eine Untersuchung zur Friiherkennung von Krebserkrankungen, Frauen friihestens vom Beginn des zwanzigsten Lebensjahres an, Manner friihestens vom Beginn des fiinfundvierzigsten Lebensjahres an. (3) Voraussetzung fur die Untersuchungen nach den Absatzen 1 und 2 ist, daB es sich um Krankheiten handelt, die wirksam behandelt werden konnen, das Vor- oder Frtihstadium dieser Krankheiten durch diagnostische Mafinahmen erfaBbar ist, 3. die Krankheitszeichen medizinisch-technisch geniigend eindeutig zu erfassen sind, 4. genugend Arzte und Einrichtungen vorhanden sind, um die aufgefundenen Verdachtsfalle eingehend zu diagnostizieren und zu behandeln. 1. 2.
(4) Gefangene Frauen haben fur ihre Kinder, die mit ihnen in der Vollzugsanstalt untergebracht sind, bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres Anspruch auf Untersuchungen zur Friiherkennung von Krankheiten, die die korperHche oder geistige Entwicklung ihrer Kinder in nicht geringfiigigem MaBe gefahrden. (5) ^Gefangene, die das vierzehnte, aber noch nicht das zwanzigste Lebensjahr vollendet haben, konnen sich zur Verhiitung von Zahnerkrankungen einmal in jedem Kalenderhalbjahr zahnarztlich untersuchen lassen. ^Die Untersuchungen sollen sich auf den Befund des Zahnfleisches, die Aufklarung iiber Krankheitsursachen und ihre Vermeidung, das Erstellen von diagnostischen Vergleichen zur Mundhygiene, zum Zustand des Zahnfleisches und zur Anfalligkeit gegeniiber Karieserkrankungen, auf die Motivation und Einweisung bei der Mundpflege sowie auf MaBnahmen zur Schmelzhartung der Zahne erstrecken. (6) Gefangene haben Anspruch auf arztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, wenn diese notwendig sind, 1. eine Schwachung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit fuhren wiirde, zu beseitigen, 2. einer Gefahrdung der gesundheidichen Entwicklung eines Kindes entgegenzuwirken oder 3. Pflegebediirftigkeit zu vermeiden. § 58. Krankenbehandlung. 'Gefangene haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhiiten oder Krankheitsbeschwerden zu lindem. "^Die Krankenbehandlung umfaBt insbesondere 1. arztliche Behandlung, 2. zahnarztliche Behandlung einschlieBlich der Versorgung mit Zahnersatz, 3. Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, 4. medizinische und erganzende Leistungen zur Rehabilitation sowie Belastungserprobung und Arbeitstherapie, soweit die Belange des Vollzuges dem nicht entgegenstehen. § 59. Versorgung mit Hilfsmitteln. 'Gefangene haben Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Horhilfen, Korperersatzstticken, orthopadischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichem oder eine Behinderung auszugleichen, sofem dies nicht mit Rucksicht auf die Kiirze des Freiheitsent-
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zugs ungerechtfertigt ist und soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstande des taglichen Lebens anzusehen sind. ^Der Anspruch umfaBt auch die notwendige Anderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch, soweit die Belange des Vollzuges dem nicht entgegenstehen. ^Ein emeuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen besteht nur bei einer Anderung der Sehfahigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien. "^Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefallen. § 60. Krankenbehandlung im Urlaub. Wahrend eines Urlaubs oder Ausgangs hat der Gefangene gegen die Vollzugsbehorde nur einen Anspruch auf Krankenbehandlung in der fiir ihn zustandigen Vollzugsanstalt. § 61. Art und IJmfang der Leistungen. Fiir die Art der Gesundheitsuntersuchungen und medizinischen Vorsorgeleistungen sowie fiir den Umfang dieser Leistungen und der Leistungen zur Krankenbehandlung einschlieBlich der Versorgung mit Hilfsmitteln gelten die entsprechenden Vorschriften des Sozialgesetzbuchs und die auf Grund dieser Vorschriften getroffenen Regelungen. § 62. Zuschiisse zu Zahnersatz und Zahnkronen. ^Die Landesjustizverwaltungen bestimmen durch allgemeine Verwaltungsvorschriften die Hohe der Zuschiisse zu den Kosten der zahnarztlichen Behandlung und der zahntechnischen Leistungen bei der Versorgung mit Zahnersatz. ^Sie konnen bestimmen, daB die gesamten Kosten iibemommen werden. § 62a. Ruhen der Anspriiche. Der Anspruch auf Leistungen nach den §§57 bis 59 ruht, solange der Gefangene auf Grund eines freien Beschaftigungsverhaltnisses (§ 39 Abs. 1) krankenversichert ist. § 63. Arztliche Behandlung zur sozialen Eingliederung. ^Mit Zustimmung des Gefangenen soil die Vollzugsbehorde arztliche Behandlung, namentlich Operationen oder prothetische MaBnahmen durchfuhren lassen, die seine soziale Eingliederung fbrdem. "^Er ist an den Kosten zu beteiligen, wenn dies nach seinen wirtschaftlichen Verhaltnissen gerechtfertigt ist und der Zweck der Behandlung dadurch nicht in Frage gestellt wird. § 64. Aufenthalt im Freien. Arbeitet ein Gefangener nicht im Freien, so wird ihm taglich mindestens eine Stunde Aufenthalt im Freien ermoglicht, wenn die Witterung dies zu der festgesetzten Zeit zulaBt. § 65. Verlegung. (1) Ein kranker Gefangener kann in ein Anstaltskrankenhaus oder in eine fur die Behandlung seiner Krankheit besser geeignete Vollzugsanstalt verlegt werden. (2) ^Kann die Krankheit eines Gefangenen in einer Vollzugsanstalt oder einem Anstaltskrankenhaus nicht erkannt oder behandelt werden oder ist es nicht moglich, den Gefangenen rechtzeitig in ein Anstaltskrankenhaus zu verlegen, ist dieser in ein Krankenhaus auBerhalb des Vollzuges zu bringen. ^Ist wahrend des Aufenthalts des Gefangenen in einem Krankenhaus die Strafvollstreckung unterbrochen warden, hat der Versicherte nach den Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung Anspruch auf die erforderlichen Leistungen. § 66. Benachrichtigung bei Erkrankung oder Todesfall. (1) 'Wird ein Gefangener schwer krank, so ist ein Angehoriger, eine Person seines Vertrauens oder der gesetzliche Vertreter unverziiglich zu benachrichtigen. ^^Dasselbe gilt, wenn ein Gefangener stirbt. (2) Dem Wunsch des Gefangenen, auch andere Personen zu benachrichtigen, soil nach Moglichkeit entsprochen werden.
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Achter Titel. Frelzeit § 67. AUgemeines. ^Der Gefangene erhalt Gelegenheit, sich in seiner Freizeit zu beschaftigen. ^Er soil Gelegenheit erhalten, am Unterricht einschlieBlich Sport, an Femunterricht, Lehrgangen und sonstigen Veranstaltungen der Weiterbildung, an Freizeitgmppen, Gruppengesprachen sowie an Sportveranstaltungen teilzunehmen und eine Biicherei zu benutzen. § 68. Zeitungen und Zeitschriften. (1) Der Gefangene darf Zeitungen und Zeitschriften in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Anstalt beziehen. (2) ^Ausgeschlossen sind Zeitungen und Zeitschriften, deren Verbreitung mit Strafe oder GeldbuBe bedroht ist. ^Einzelne Ausgaben oder Teile von Zeitungen oder Zeitschriften konnen dem Gefangenen vorenthalten werden, wenn sie das Ziel des Vollzuges oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erheblich gefahrden wiirden. § 69. Horfunk und Fernsehen. (1) ^Der Gefangene kann am Horfunkprogramm der Anstalt sowie am gemeinschaftlichen Femsehempfang teilnehmen. ^Die Sendungen sind so auszuwahlen, daB Wiinsche und Bediirfiiisse nach staatsbiirgerlicher Information, Bildung und Unterhaltung angemessen beriicksichtigt werden. ^Der Horfunk- und Femsehempfang kann voriibergehend ausgesetzt oder einzelnen Gefangenen untersagt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt unerlaBlich ist. (2) Eigene Horfunk- und Femsehgerate werden unter den Voraussetzungen des § 70 zugelassen. § 70. Besitz von Gegenstanden fur die Freizeitbeschaftigung. (1) Der Gefangene darf in angemessenem Umfang Biicher und andere Gegenstande zur Fortbildung oder zur Freizeitbeschaftigung besitzen. (2) Dies gilt nicht, wenn der Besitz, die Uberlassung oder die Benutzung des Gegenstands 1. mit Strafe oder GeldbuBe bedroht ware oder 2. das Ziel des Vollzuges oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefahrden wiirde. (3) Die Erlaubnis kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 widerrufen werden.
Neunter Titel. Soziale Hilfe § 71. Grundsatz. ^Der Gefangene kann die soziale Hilfe der Anstalt in Anspruch nehmen, um seine personlichen Schwierigkeiten zu losen. ^Die Hilfe soil darauf gerichtet sein, den Gefangenen in die Lage zu versetzen, seine Angelegenheiten selbst zu ordnen und zu regain. § 72. Hilfe bei der Aufnahme. (1) Bei der Aufhahme wird dem Gefangenen geholfen, die notwendigen MaBnahmen fiir hilfsbediirftige Angehorige zu veranlassen und seine Habe auBerhalb der Anstalt sicherzustellen. (2) Der Gefangene ist iiber die Aufrechterhaltung einer Sozialversicherung zu beraten. § 73. Hilfe wahrend des Vollzuges. Der Gefangene wird in dem Bemiihen untersttitzt, seine Rechte und Pflichten wahrzunehmen, namentlich sein Wahlrecht auszutiben sowie far
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Unterhaltsberechtigte zu sorgen und einen durch seine Straftat verursachten Schaden zu regeln. § 74. Hilfe zur Entlassung. ^Um die Entlassung vorzubereiten, ist der Gefangene bei der Ordnung seiner personlichen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten zu beraten. ^Die Beratung erstreckt sich auch auf die Benennung der fiir Sozialleistungen zustandigen Stellen. ^Dem Gefangenen ist zu helfen, Arbeit, Unterkunft und personlichen Beistand fiir die Zeit nach der Entlassung zu finden. § 75. Entlassungsbeihilfe. (1) Der Gefangene erhalt, soweit seine eigenen Mittel nicht ausreichen, von der Anstalt eine Beihilfe zu den Reisekosten sowie eine Uberbrtickungsbeihilfe und erforderlichenfalls ausreichende Kleidung. (2) 'Bei der Bemessung der Hohe der Uberbriickungsbeihilfe sind die Dauer des Freiheitsentzuges, der personliche Arbeitseinsatz des Gefangenen und die Wirtschaftlichkeit seiner Verfugungen uber Eigengeld und Hausgeld wahrend der Strafzeit zu beriicksichtigen. ^§ 51 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. ^Die Uberbruckungsbeihilfe kann ganz Oder teilweise auch dem Unterhaltsberechtigten iiberwiesen werden. (3) 'Der Anspruch auf Beihilfe zu den Reisekosten und die ausgezahlte Reisebeihilfe sind unpfandbar. "^Fur den Anspruch auf Uberbruckungsbeihilfe und fur Bargeld nach Auszahlung einer Uberbruckungsbeihilfe an den Gefangenen gilt § 51 Abs. 4 Satz 1 und 3, Abs. 5 entsprechend.
Zehnter Titel. Besondere Vorschriften fiir den Frauenstrafvollzug § 76. Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft. (1) 'Bei einer Schwangeren Oder einer Gefangenen, die unlangst entbunden hat, ist auf ihren Zustand Riicksicht zu nehmen. "^Die Vorschriften des Gesetzes zum Schutz der erwerbstatigen Mutter iiber die Gestaltung des Arbeitsplatzes sind entsprechend anzuwenden. (2) 'Die Gefangene hat wahrend der Schwangerschaft, bei und nach der Entbindung Anspruch auf arztliche Betreuung und auf Hebammenhilfe in der Vollzugsanstalt. ^Zur arztlichen Betreuung wahrend der Schwangerschaft gehoren insbesondere Untersuchungen zur Feststellung der Schwangerschaft sowie Vorsorgeuntersuchungen einschlieBlich der laborarztlichen Untersuchungen. (3) 'Zur Entbindung ist die Schwangere in ein Krankenhaus auBerhalb des Vollzuges zu bringen. ^Ist dies aus besonderen Griinden nicht angezeigt, so ist die Entbindung in einer Vollzugsanstalt mit Entbindungsabteilung vorzunehmen. ^Bei der Entbindung wird Hilfe durch eine Hebamme und, falls erforderlich, durch einen Arzt gewahrt. § 77. Arznei-, Verband- und Heilmittel. Bei Schwangerschaftsbeschwerden und im Zusammenhang mit der Entbindung werden Arznei-, Verband- und Heilmittel geleistet. § 78. Art, Umfang und Ruhen der Leistungen bei Sciiwangerschaft und Mutterschaft. Die §§ 60, 61, 62a und 65 gelten fur die Leistungen nach den §§76 und 77 entsprechend. § 79. Geburtsanzeige. In der Anzeige der Geburt an den Standesbeamten diirfen die Anstalt als Geburtsstatte des Kindes, das Verhaltnis des Anzeigenden zur Anstalt und die Gefangenschaft der Mutter nicht vermerkt sein. § 80. Mutter mit Kindern. (1) 'ist das Kind einer Gefangenen noch nicht schulpflichtig, so kann es mit Zustimmung des Inhabers des Aufenthaltsbestimmungsrechts in der Voll-
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zugsanstalt untergebracht werden, in der sich seine Mutter befindet, wenn dies seinem Wohl entspricht. "^Vor der Unterbringung ist das Jugendamt zu horen. (2) ^Die Unterbringung erfolgt auf Kosten des fiir das Kind Unterhaltspflichtigen. V o n der Geltendmachung des Kostenersatzanspruchs kann abgesehen werden, wenn hierdurch die gemeinsame Unterbringung von Mutter und Kind gefahrdet wiirde.
ElfterTitel. Sicherheit und Ordnung § 81. Grundsatz. (1) Das VerantwortungsbewuBtsein des Gefangenen fiir ein geordnetes Zusammenleben in der Anstalt ist zu weaken und zu fordem. (2) Die Pflichten und Beschrankungen, die dem Gefangenen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt auferlegt werden, sind so zu wahlen, daB sie in einem angemessenen Verhaltnis zu ihrem Zweck stehen und den Gefangenen nicht mehr und nicht langer als notwendig beeintrachtigen. § 82. Verhaltensvorschriften. (1) ^Der Gefangene hat sich nach der Tageseinteilung der Anstalt (Arbeitszeit, Freizeit, Ruhezeit) zu richten. ^Er darf durch sein Verhalten gegeniiber Vollzugsbediensteten, Mitgefangenen und anderen Personen das geordnete Zusammenleben nicht storen. (2) ^Der Gefangene hat die Anordnungen der Vollzugsbediensteten zu befolgen, auch wenn nn er sich durch sie beschwert 1 fuhlt. ^Einen ihm zugewiesenen Bereich darf er nicht oh ne Erlaubnis verlassen. (3) Seinen Haftraum und die ihm von der Anstalt iiberlassenen Sachen hat er in Ordnung zu halten und schonend zu behandeln. (4) Der Gefangene hat Umstande, die eine Gefahr fur das Leben oder eine erhebliche Gefahr fur die Gesundheit einer Person bedeuten, unverziiglich zu melden. § 83. Personlicher Gewahrsam. Eigengeld. (1) ^Der Gefangene darf nur Sachen in Gewahrsam haben oder annehmen, die ihm von der Vollzugsbehorde oder mit ihrer Zustimmung (iberlassen werden. "^Ohne Zustimmung darf er Sachen von geringem Wert von einem anderen Gefangenen annehmen; die Vollzugsbehorde kann Annahme und Gewahrsam auch dieser Sachen von ihrer Zustimmung abhangig machen. (2) ^Eingebrachte Sachen, die der Gefangene nicht in Gewahrsam haben darf, sind fur ihn aufzubewahren, sofem dies nach Art und Umfang moglich ist. ^Geld wird ihm als Eigengeld gutgeschrieben. ^Dem Gefangenen wird Gelegenheit gegeben, seine Sachen, die er wahrend des Vollzuges und fur seine Entlassung nicht benotigt, abzusenden oder iiber sein Eigengeld zu verfugen, soweit dieses nicht als Uberbriickungsgeld notwendig ist. (3) Weigert sich ein Gefangener, eingebrachtes Gut, dessen Aufbewahrung nach Art und Umfang nicht moglich ist, aus der Anstalt zu verbringen, so ist die Vollzugsbehorde berechtigt, diese Gegenstande auf Kosten des Gefangenen aus der Anstalt entfemen zu lassen. (4) Aufzeichnungen und andere Gegenstande, die Kenntnisse iiber Sicherungsvorkehrungen der Anstalt vermitteln, diirfen von der Vollzugsbehorde vemichtet oder unbrauchbar gemacht werden. § 84. Durchsuchung. (1) ^Gefangene, ihre Sachen und die Haftraume diirfen durchsucht werden. ^Die Durchsuchung mannlicher Gefangener darf nur von Mannem, die Durchsu-
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chung weiblicher Gefangener darf nur von Frauen vorgenommen werden. ^Das Schamgefuhl ist zu schonen. (2) ^Nur bei Gefahr im Verzug oder auf Anordnung des Anstaltsleiters im Einzelfall ist es zulassig, eine mit einer Entkleidung verbundene korperliche Durchsuchung vorzunehmen. ^Sie darf bei mannlichen Gefangenen nur in Gegenwart von Mannem, bei weiblichen Gefangenen nur in Gegenwart von Frauen erfolgen. ^Sie ist in einem geschlossenen Raum durchzufuhren. "^Andere Gefangene durfen nicht anwesend sein. (3) Der Anstaltsleiter kann allgemein anordnen, daB Gefangene bei der Aufhahme, nach Kontakten mit Besuchem und nach jeder Abwesenheit von der Anstalt nach Absatz 2 zu durchsuchen sind. § 85. Sichere Unterbringung. Bin Gefangener kann in eine Anstalt verlegt werden, die zu seiner sicheren Unterbringung besser geeignet ist, wenn in erhohtem MaB Fluchtgefahr gegeben ist oder sonst sein Verhalten oder sein Zustand eine Gefahr fiir die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt darstellt. § 86. Erkennungsdienstliche Malinahmen. (1) Zur Sicherung des Vollzuges sind als erkennungsdienstliche MaBnahmen zulassig 1. die Abnahme von Finger- und Handflachenabdriicken, 2. die Aufhahme von Lichtbildem mit Kenntnis des Gefangenen, 3. die Feststellung auBerlicher korperlicher Merkmale, 4. Messungen. (2) ^Die gewonnenen erkennungsdienstlichen Unterlagen werden zu den Gefangenenpersonalakten genommen. "^Sie konnen auch in kriminalpolizeilichen Sammlungen verwahrt werden. ^Die nach Absatz 1 erhobenen Daten durfen nur fiir die in Absatz 1, § 87 Abs. 2 und § 180 Abs. 2 Nr. 4 genannten Zwecke verarbeitet und genutzt werden. (3) ^Personen, die aufgrund des Absatzes 1 erkennungsdienstlich behandelt worden sind, konnen nach der Entlassung aus dem Vollzug verlangen, daB die gewonnenen erkennungsdienstlichen Unterlagen mit Ausnahme von Lichtbildem und der Beschreibung von korperlichen Merkmalen vemichtet werden, sobald die Vollstreckung der richterlichen Entscheidung, die dem Vollzug zugrunde gelegen hat, abgeschlossen ist. ^Sie sind tiber dieses Recht bei der erkennungsdienstlichen Behandlung und bei der Entlassung aufzuklaren. § 86a. Lichtbilder. (1) 'Unbeschadet des § 86 durfen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt Lichtbilder der Gefangenen aufgenommen und mit den Namen der Gefangenen sowie deren Geburtsdatum und -ort gespeichert werden. ^Die Lichtbilder durfen nur mit Kenntnis der Gefangenen aufgenommen werden. (2) Die Lichtbilder durfen nur genutzt werden von Justizvollzugsbediensteten, wenn eine Uberprufung der Identitat der Gefangenen im Rahmen ihrer Aufgabenwahmehmung erforderlich ist, 2. ubermittelt werden a) an die Polizeivollzugsbehorden des Bundes und der Lander, soweit dies zur Abwehr einer gegenwartigen Gefahr fur erhebliche Rechtsguter irmerhalb der Anstalt erforderlich ist, b) nach MaBgabe des § 87 Abs. 2. 1.
(3) Die Lichtbilder sind nach der Entlassung der Gefangenen aus dem Vollzug oder nach ihrer Verlegung in eine andere Anstalt zu vemichten oder zu loschen.
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§ 87. Festnahmerecht. (1) Bin Gefangener, der entwichen ist oder sich sonst ohne Erlaubnis auBerhalb der Anstalt aufhalt, kann durch die Vollzugsbehorde oder auf ihre Veranlassung hin festgenommen und in die Anstalt zuriickgebracht werden. (2) Nach § 86 Abs. 1 erhobene und nach §§ 86a, 179 erhobene und zur Identifizierung oder Festnahme erforderliche Daten diirfen den Vollstreckungs- und Strafverfolgungsbehorden tibermittelt werden, soweit dies fur Zwecke der Fahndung und Festnahme des entwichenen oder sich sonst ohne Erlaubnis auBerhalb der Anstalt aufhaltenden Gefangenen erforderlich ist. § 88. Besondere SicherungsmaHnahmen. (1) Gegen einen Gefangenen konnen besondere SicherungsmaBnahmen angeordnet werden, wenn nach seinem Verhalten oder auf Grund seines seelischen Zustandes in erhohtem MaB Fluchtgefahr oder die Gefahr von Gewalttatigkeiten gegen Personen oder Sachen oder die Gefahr des Selbstmordes oder der Selbstverletzung besteht. (2) Als besondere SicherungsmaBnahmen sind zulassig: der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenstanden, die Beobachtung bei Nacht, die Absonderung von anderen Gefangenen, der Entzug oder die Beschrankung des Aufenthalts im Freien, die Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefahrdende Gegenstande und 6. die Fesselung.
1. 2. 3. 4. 5.
(3) MaBnahmen nach Absatz 2 Nr. 1,3 bis 5 sind auch zulassig, wenn die Gefahr einer Befreiung oder eine erhebliche Storung der Anstaltsordnung anders nicht vermieden oder behoben werden kann. (4) Bei einer Ausfuhrung, Vorfiihrung oder beim Transport ist die Fesselung auch dann zulassig, wenn aus anderen Griinden als denen des Absatzes 1 in erhohtem MaB Fluchtgefahr besteht. (5) Besondere SicherungsmaBnahmen diirfen nur soweit aufrechterhalten werden, als es ihr Zweck erfordert. § 89. Einzelhaft. (1) Die unausgesetzte Absonderung eines Gefangenen (Einzelhaft) ist nur zulassig, wenn dies aus Griinden, die in der Person des Gefangenen liegen, unerlaBlich ist. (2) ^Einzelhaft von mehr als drei Monaten Gesamtdauer in einem Jahr bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehorde. ^Diese Frist wird nicht dadurch unterbrochen, daB der Gefangene am Gottesdienst oder an der Freistunde teilnimmt. § 90. Fesselung. ^In der Regel diirfen Fesseln nur an den Handen oder an den FiiBen angelegt werden. ^Im Interesse des Gefangenen kann der Anstaltsleiter eine andere Art der Fesselung anordnen. ^Die Fesselung wird zeitweise gelockert, soweit dies notwendig ist. § 91. Anordnung besonderer SicherungsmaBnahmen. (1) ^Besondere SicherungsmaBnahmen ordnet der Anstaltsleiter an. "^Bei Gefahr im Verzuge konnen auch andere Bedienstete der Anstalt diese MaBnahmen vorlaufig anordnen. ^Die Entscheidung des Anstaltsleiters ist unverziiglich einzuholen. (2) ^Wird ein Gefangener arztlich behandelt oder beobachtet oder bildet sein seelischer Zustand den AnlaB der MaBnahme, ist vorher der Arzt zu horen. ^Ist dies wegen Gefahr im Verzug nicht moglich, wird seine Stellungnahme unverzuglich eingeholt.
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§ 92. Arztliche Uberwachung. (1) ^Ist ein Gefangener in einem besonders gesicherten Haftraum untergebracht oder gefesselt (§88 Abs. 2 Nr. 5 und 6), so sucht ihn der Anstaltsarzt alsbald und in der Folge moglichst taglich auf. ^Dies gilt nicht bei einer Fesselung wahrend einer Ausfiihrung, Vorfuhrung oder eines Transportes (§88 Abs. 4). (2) Der Arzt ist regelmaBig zu horen, solange einem Gefangenen der tagliche Aufenthalt im Freien entzogen wird. § 93. Ersatz von Aufwendungen. (1) ^Der Gefangene ist verpflichtet, der Vollzugsbehorde Aufwendungen zu ersetzen, die er durch eine vorsatzliche oder grob fahrlassige Selbstverletzung oder Verletzung eines anderen Gefangenen verursacht hat. ^Ansprtiche aus sonstigen Rechtsvorschriften bleiben unberiihrt. (2) Bei der Geltendmachung dieser Forderungen kann auch ein den dreifachen Tagessatz der Eckvergutung nach § 43 Abs. 2 iibersteigender Teil des Hausgeldes (§ 47) in Anspruch genommen werden. (3) Fiir die in Absatz 1 genannten Forderungen ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. (4) Von der Aufrechnung oder Vollstreckung wegen der in Absatz 1 genannten Forderungen ist abzusehen, wenn hierdurch die Behandlung des Gefangenen oder seine Eingliederung behindert wiirde.
Zwolfter Titel. Unmittelbarer Zwang § 94. AUgemeine Voraussetzungen. (1) Bedienstete der Justizvollzugsanstalten durfen unmittelbaren Zwang anwenden, wenn sie Vollzugs- und SicherungsmaBnahmen rechtmaBig durchfuhren und der damit verfolgte Zweck auf keine andere Weise erreicht werden kann. (2) Gegen andere Personen als Gefangene darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es untemehmen, Gefangene zu befreien oder in den Anstaltsbereich widerrechtlich einzudringen, oder wenn sie sich unbefugt darin aufhalten. (3) Das Recht zu unmittelbarem Zwang auf Grund anderer Regelungen bleibt unberiihrt. § 95. Begriffsbestimmungen. (1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch korperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen. (2) Korperliche Gewalt ist jede unmittelbare korperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen. (3) Hilfsmittel der korperlichen Gewalt sind namentlich Fesseln. (4) Waffen sind die dienstlich zugelassenen Hieb- und SchuBwaffen sowie Reizstoffe. § 96. Grundsatz der VerhaltnismaBigkeit. (1) Unter mehreren moglichen und geeigneten MaBnahmen des unmittelbaren Zwanges sind diejenigen zu wahlen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeintrachtigen. (2) Unmittelbarer Zwang unterbleibt, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar auBer Verhaltnis zu dem angestrebten Erfolg steht. § 97. Handeln auf Anordnung. (1) Wird unmittelbarer Zwang von einem Vorgesetzten oder einer sonst befugten Person angeordnet, sind Vollzugsbedienstete verpflichtet, ihn an-
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zuwenden, es sei denn, die Anordnung verletzt die Menschenwurde oder ist nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt worden. (2) ^Die Anordnung darf nicht befolgt werden, wenn dadurch eine Straftat begangen wtirde. ^Befolgt der Vollzugsbedienstete sie trotzdem, trifft ihn eine Schuld nur, wenn er erkennt oder wenn es nach den ihm bekannten Umstanden offensichtlich ist, daB dadurch eine Straftat begangen wird. (3) 'Bedenken gegen die RechtmaBigkeit der Anordnung hat der Vollzugsbedienstete dem Anordnenden gegenuber vorzubringen, soweit das nach den Umstanden moglich ist. ^Abweichende Vorschriften des allgemeinen Beamtenrechts tiber die Mitteilung solcher Bedenken an einen Vorgesetzten (§38 Abs. 2 und 3 des Beamtenrechtsrahmengesetzes) sind nicht anzuwenden. § 98. Androhung. ^Unmittelbarer Zwang ist vorher anzudrohen. ^Die Androhung darf nur dann unterbleiben, wenn die Umstande sie nicht zulassen oder unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muB, um eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfullt, zu verhindem oder eine gegenwartige Gefahr abzuwenden. § 99. AUgemeine Vorschriften fiir den SchuBwaffengebranch. (1) ^SchuBwaffen diirfen nur gebraucht werden, wenn andere MaBnahmen des unmittelbaren Zwanges bereits erfolglos waren oder keinen Erfolg versprechen. "^Gegen Personen ist ihr Gebrauch nur zulassig, wenn der Zweck nicht durch Waffenwirkung gegen Sachen erreicht wird. (2) ^SchuBwaffen diirfen nur die dazu bestimmten Vollzugsbediensteten gebrauchen und nur, um angriffs- oder fluchtunfahig zu machen. "^Ihr Gebrauch unterbleibt, wenn dadurch erkennbar Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefahrdet wurden. (3) ^Der Gebrauch von SchuBwaffen ist vorher anzudrohen. "^Als Androhung gilt auch ein WamschuB. ^Ohne Androhung diirfen SchuBwaffen nur dann gebraucht werden, wenn das zur Abwehr einer gegenwartigen Gefahr fur Leib oder Leben erforderlich ist. § 100. Besondere Vorschriften fiir den SchuBwaffengeb ranch. (1) ^ Gegen Gefangene diirfen SchuBwaffen gebraucht werden, 1. wenn sie eine Waffe oder ein anderes gefahrliches Werkzeug trotz wiederholter Aufforderung nicht ablegen, 2. wenn sie eine Meuterei (§121 des Strafgesetzbuches) untemehmen oder 3. um ihre Flucht zu vereiteln oder um sie wiederzuergreifen. ^Um die Flucht aus einer offenen Anstalt zu vereiteln, diirfen keine SchuBwaffen gebraucht werden. (2) Gegen andere Personen diirfen SchuBwaffen gebraucht werden, wenn sie es unternehmen, Gefangene gewaltsam zu befreien oder gewaltsam in eine Anstalt einzudringen. § 101. ZwangsmaBnahmen anf dem Gebiet der Gesundheitsfiirsorge. (1) ^Medizinische Untersuchung und Behandlung sowie Emahrung sind zwangsweise nur bei Lebensgefahr, bei schwerwiegender Gefahr fur die Gesundheit des Gefangenen oder bei Gefahr fur die Gesundheit anderer Personen zulassig; die MaBnahmen miissen fur die Beteiligten zumutbar und diirfen nicht mit erheblicher Gefahr fiir Leben oder Gesundheit des Gefangenen verbunden sein. ^Zur Durchfuhrung der MaBnahmen ist die Vollzugsbehorde nicht verpflichtet, solange von einer freien Willensbestimmung des Gefangenen ausgegangen werden kann.
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(2) Zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene ist die zwangsweise korperliche Untersuchung auBer im Falle des Absatzes 1 zulassig, wenn sie nicht mit einem korperlichen Eingriff verbunden ist. (3) Die MaBnahmen diirfen nur auf Anordnung und unter Leitung eines Arztes durchgefiihrt werden, unbeschadet der Leistung erster Hilfe fiir den Fall, daB ein Arzt nicht rechtzeitig erreichbar und mit einem Aufschub Lebensgefahr verbunden ist.
Dreizehnter Titel. Disziplinarmaflnahmen § 102. Voraussetzungen. (1) VerstoBt ein Gefangener schuldhaft gegen Pflichten, die ihm durch dieses Gesetz oder auf Grund dieses Gesetzes auferlegt sind, kann der Anstaltsleiter gegen ihn DisziplinarmaBnahmen anordnen. (2) Von einer DisziplinarmaBnahme wird abgesehen, wenn es geniigt, den Gefangenen zu verwamen. (3) Eine DisziplinarmaBnahme ist auch zulassig, wenn wegen derselben Verfehlung ein Straf- Oder BuBgeldverfahren eingeleitet wird. § 103. Arten der DisziplinarmaOnahmen. (1) Die zulassigen DisziplinarmaBnahmen sind: 1. Verweis, 2. die Beschrankung oder der Entzug der Verfiigung uber das Hausgeld und des Einkaufs bis zu drei Monaten, 3. die Beschrankung oder der Entzug des Lesestoffs bis zu zwei Wochen sowie des Horfunk- und Femsehempfangs bis zu drei Monaten; der gleichzeitige Entzug jedoch nur bis zu zwei Wochen, 4. die Beschrankung oder der Entzug der Gegenstande fiir eine Beschaftigung in der Freizeit oder der Teilnahme an gemeinschaftlichen Veranstaltungen bis zu drei Monaten, 5. die getrennte Unterbringung wahrend der Freizeit bis zu vier Wochen, 6. (aufgehoben) 7. der Entzug der zugewiesenen Arbeit oder Beschaftigung bis zu vier Wochen unter Wegfall der in diesem Gesetz geregelten Beziige, 8. die Beschrankung des Verkehrs mit Personen auBerhalb der Anstalt auf dringende Falle bis zu drei Monaten, 9. Arrest bis zu vier Wochen. (2) Arrest darf nur wegen schwerer oder mehrfach wiederholter Verfehlungen verhangt werden. (3) Mehrere DisziplinarmaBnahmen konnen miteinander verbunden werden. (4) ^Die MaBnahmen nach Absatz 1 Nr. 3 bis 8 sollen moglichst nur angeordnet werden, wenn die Verfehlung mit den zu beschrankenden oder zu entziehenden Befugnissen im Zusammenhang steht. ^Dies gilt nicht bei einer Verbindung mit Arrest. § 104. VoUzug der DisziplinarmaBnahmen. Aussetzung zur Bewahrung. narmaBnahmen werden in der Regel sofort vollstreckt.
(1) Diszipli-
(2) Eine DisziplinarmaBnahme kann ganz oder teilweise bis zu sechs Monaten zur Bewahrung ausgesetzt werden.
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(3) Wird die Verfiigung iiber das Hausgeld beschrankt oder entzogen, ist das in dieser Zeit anfallende Hausgeld dem Uberbruckungsgeld hinzuzurechnen. (4) ^Wird der Verkehr des Gefangenen mit Personen auBerhalb der Anstalt eingeschrankt, ist ihm Gelegenheit zu geben, dies einer Person, mit der er im Schriftwechsel steht oder die ihn zu besuchen pflegt, mitzuteilen. ^Der Schriftwechsel mit den in § 29 Abs. 1 und 2 genannten Empfangem, mit Gerichten und Justizbehorden in der Bundesrepublik sowie mit Rechtsanwalten und Notaren in einer den Gefangenen betreffenden Rechtssache bleibt unbeschrankt. (5) ^Arrest wird in Einzelhaft vollzogen. ^Der Gefangene kann in einem besonderen Arrestraum untergebracht werden, der den Anforderungen entsprechen muB, die an einen zum Aufenthalt bei Tag und Nacht bestimmten Haftraum gestellt werden. ^Soweit nichts anderes angeordnet wird, ruhen die Befugnisse des Gefangenen aus den §§ 19, 20, 22, 37, 38, 68 bis 70. § 105. Disziplinarbefugnis. (1) ^DisziplinarmaBnahmen ordnet der Anstaltsleiter an. "^Bei einer Verfehlung auf dem Weg in eine andere Anstalt zum Zwecke der Verlegung ist der Leiter der Bestimmungsanstalt zustandig. (2) Die Aufsichtsbehorde entscheidet, wenn sich die Verfehlung des Gefangenen gegen den Anstaltsleiter richtet. (3) ^DisziplinarmaBnahmen, die gegen einen Gefangenen in einer anderen Vollzugsanstalt oder wahrend einer Untersuchungshaft angeordnet worden sind, werden auf Ersuchen vollstreckt. ^§ 104 Abs. 2 bleibt unberiihrt. § 106. Verfahren. (1) ^Der Sachverhalt ist zu klaren. "^Der Gefangene wird gehort. ^Die Erhebungen werden in einer Niederschrift festgelegt; die Einlassung des Gefangenen wird vermerkt. (2) ^Bei schweren VerstoBen soil der Anstaltsleiter sich vor der Entscheidung in einer Konferenz mit Personen besprechen, die bei der Behandlung des Gefangenen mitwirken. ^Vor der Anordnung einer DisziplinarmaBnahme gegen einen Gefangenen, der sich in arztlicher Behandlung befindet, oder gegen eine Schwangere oder eine stillende Mutter ist der Anstaltsarzt zu horen. (3) Die Entscheidung wird dem Gefangenen vom Anstaltsleiter miindlich eroffnet und mit einer kurzen Begrundung schriftlich abgefaBt. § 107. Mitwirkung des Arztes. (1) ^Bevor der Arrest vollzogen wird, ist der Arzt zu horen. ^Wahrend des Arrestes steht der Gefangene unter arztlicher Aufsicht. (2) Der Vollzug des Arrestes unterbleibt oder wird unterbrochen, wenn die Gesundheit des Gefangenen gefahrdet wtirde.
Vierzehnter Titel. Rechtsbehelfe § 108. Beschwerderecht. (1) ^Der Gefangene erhalt Gelegenheit, sich mit Wiinschen, Anregungen und Beschwerden in Angelegenheiten, die ihn selbst betreffen, an den Anstaltsleiter zu wenden. ^RegelmaBige Sprechstunden sind einzurichten. (2) Besichtigt ein Vertreter der Aufsichtsbehorde die Anstalt, so ist zu gewahrleisten, daB ein Gefangener sich in Angelegenheiten, die ihn selbst betreffen, an ihn wenden kann.
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(3) Die Moglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde bleibt unberiihrt. § 109. Antrag auf gerichtliche Entscheidung. (1) ^Gegen eine MaBnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzuges kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden. ^Mit dem Antrag kann auch die Verpflichtung zum ErlaB einer abgelehnten oder unterlassenen MaBnahme begehrt werden. (2) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nur zulassig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die MaBnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. (3) Das Landesrecht kann vorsehen, daB der Antrag erst nach vorausgegangenem Verwaltungsvorverfahren gestellt werden kann. § 110. Zustandigkeit. ^Uber den Antrag entscheidet die Strafvollstreckungskammer, in deren Bezirk die beteiligte Vollzugsbehorde ihren Sitz hat. ^Durch die Entscheidung in einem Verwaltungsvorverfahren nach § 109 Abs. 3 andert sich die Zustandigkeit der Strafvollstreckungskammer nicht. § 111. Beteiligte. (1) Beteiligte des gerichtlichen Verfahrens sind 1. der Antragsteller, 2. die Vollzugsbehorde, die die angefochtene MaBnahme angeordnet oder die beantragte abgelehnt oder unterlassen hat. (2) In dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht oder dem Bundesgerichtshof ist Beteiligte nach Absatz 1 Nr. 2 die zustandige Aufsichtsbehorde. § 112. Antragsfrist. Wiedereinsetzung. (1) ^Der Antrag muB binnen zwei Wochen nach Zustellung oder schriftlicher Bekanntgabe der MaBnahme oder ihrer Ablehnung schriftlich oder zur Niederschrift der Geschaftsstelle des Gerichts gestellt werden. ^Soweit ein Verwaltungsvorverfahren (§ 109 Abs. 3) durchzufuhren ist, beginnt die Frist mit der Zustellung oder schriftlichen Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides. (2) War der Antragsteller ohne Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewahren. (3) ^Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindemisses zu stellen. ^Die Tatsachen zur Begriindung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren tiber den Antrag glaubhaft zu machen. ^Innerhalb der Antragsfrist ist die versaumte Rechtshandlung nachzuholen. "^Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewahrt werden. (4) Nach einem Jahr seit dem Ende der versaumten Frist ist der Antrag auf Wiedereinsetzung unzulassig, auBer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge hoherer Gewalt unmoglich war. § 113. Vornalimeantrag. (1) Wendet sich der Antragsteller gegen das Unterlassen einer MaBnahme, kann der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht vor Ablauf von drei Monaten seit dem Antrag auf Vomahme der MaBnahme gestellt werden, es sei denn, daB eine friihere Anrufung des Gerichts wegen besonderer Umstande des Falles geboten ist. (2) ^Liegt ein zureichender Grund dafiir vor, daB die beantragte MaBnahme noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus. "^Die Frist kann verlangert werden. ^Wird die beantragte MaBnahme in der gesetzten Frist erlassen, so ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt.
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(3) Der Antrag nach Absatz 1 ist nur bis zum Ablauf eines Jahres seit der Stellung des Antrags auf Vomahme der MaBnahme zulassig, auBer wenn die Antragstellung vor Ablauf der Jahresfrist infolge hoherer Gewalt unmoglich war oder unter den besonderen Verhaltnissen des Einzelfalles unterblieben ist. § 114. Aussetzung der MaBnahme. keine aufschiebende Wirkung.
(1) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat
(2) ^Das Gericht kann den Vollzug der angefochtenen MaBnahme aussetzen, wenn die Gefahr besteht, daB die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentHch erschwert wird und ein hoher zu bewertendes Interesse an dem sofortigen Vollzug nicht entgegensteht. ^Das Gericht kann auch eine einstweilige Anordnung erlassen; § 123 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung ist entsprechend anzuwenden. ^Die Entscheidungen sind nicht anfechtbar; sie konnen vom Gericht jederzeit geandert oder aufgehoben werden. (3) Der Antrag auf eine Entscheidung nach Absatz 2 ist schon vor Stellung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung zulassig. § 115. Gerichtliche Entscheidung. (1) ^Das Gericht entscheidet ohne mtindliche Verhandlung durch BeschluB. ^^Der Beschluss stellt den Sach- und Streitstand seinem wesentlichen Inhalt nach gedrangt zusammen. ^Wegen der Einzelheiten soil auf bei den Gerichtsakten befindliche Schriftstiicke, die nach Herkunft und Datum genau zu bezeichnen sind, verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt. "^Das Gericht kann von einer Darstellung der Entscheidungsgriinde absehen, soweit es der Begrtindung der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt. (2) * Soweit die MaBnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht die MaBnahme und, soweit ein Verwaltungsvorverfahren vorhergegangen ist, den Widerspruchsbescheid auf ^Ist die MaBnahme schon vollzogen, kann das Gericht auch aussprechen, daB und wie die VoUzugsbehorde die Vollziehung riickgangig zu machen hat, soweit die Sache spruchreif ist. (3) Hat sich die MaBnahme vorher durch Zurucknahme oder anders erledigt, spricht das Gericht auf Antrag aus, daB die MaBnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. (4) ^Soweit die Ablehnung oder Unterlassung der MaBnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der VoUzugsbehorde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. ^Anderenfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden. (5) Soweit die VoUzugsbehorde ermachtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, priift das Gericht auch, ob die MaBnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens iiberschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermachtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. § 116. Rechtsbeschwerde. (1) Gegen die gerichtliche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist die Rechtsbeschwerde zulassig, wenn es geboten ist, die Nachprufung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermoglichen.
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(2) ^Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestiitzt werden, daB die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. "^Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht Oder nicht richtig angewendet worden ist. (3) ^Die Rechtsbeschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. ^§114 Abs. 2 gih entsprechend. (4) Ftir die Rechtsbeschwerde gelten die Vorschriften der StrafprozeBordnung iiber die Beschwerde entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. § 117. Zustandigkeit fur die Rechtsbeschwerde. Uber die Rechtsbeschwerde entscheidet ein Strafsenat des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk die Strafvollstreckungskammer ihren Sitz hat. § 118. Form. Frist. Begriindung. (1) ^Die Rechtsbeschwerde muB bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, binnen eines Monats nach Zustellung der gerichtHchen Entscheidung eingelegt werden. ^In dieser Frist ist auBerdem die Erklarung abzugeben, inwieweit die Entscheidung angefochten und ihre Aufhebung beantragt wird. ^Die Antrage sind zu begrunden. (2) ^Aus der Begriindung muB hervorgehen, ob die Entscheidung wegen Verletzung einer Rechtsnorm uber das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. "^Ersterenfalls miissen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden. (3) Der Antragsteller als Beschwerdefuhrer kann dies nur in einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zur Niederschrift der Geschaftsstelle tun. § 119. Entscheidung iiber die Rechtsbeschwerde. miindliche Verhandlung durch BeschluB.
(1) Der Strafsenat entscheidet ohne
(2) Seiner Priifung unterliegen nur die Beschwerdeantrage und, soweit die Rechtsbeschwerde auf Mangel des Verfahrens gestiitzt wird, nur die Tatsachen, die in der Begriindung der Rechtsbeschwerde bezeichnet worden sind. (3) Der BeschluB, durch den die Beschwerde verworfen wird, bedarf keiner Begrundung, wenn der Strafsenat die Beschwerde einstimmig fur unzulassig oder fur offensichtlich unbegriindet erachtet. (4) ^Soweit die Rechtsbeschwerde fur begriindet erachtet wird, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben. "^Der Strafsenat kann an Stelle der Strafvollstreckungskammer entscheiden, wenn die Sache spruchreif ist. ^Sonst ist die Sache zur neuen Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zuruckzuverweisen. (5) Die Entscheidung des Strafsenats ist endgiiltig. § 120. Entsprechende Anwendung anderer Vorschriften. (1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, sind die Vorschriften der Strafprozessordnung entsprechend anzuwenden. (2) Auf die Bewilligung der Prozesskostenhilfe sind die Vorschriften der ZivilprozeBordnung entsprechend anzuwenden. § 121. Kosten des Verfahrens. (1) In der das Verfahren abschlieBenden Entscheidung ist zu bestimmen, von wem die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen zu tragen sind.
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(2) ^Soweit der Antragsteller unterliegt oder seinen Antrag zuriicknimmt, tragt er die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen. ^Hat sich die MaBnahme vor einer Entscheidung nach Absatz 1 in anderer Weise als durch Zuriicknahme des Antrags erledigt, so entscheidet das Gericht iiber die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen nach bilHgem Ermessen. (3) Absatz 2 Satz 2 gilt nicht im Falle des § 115 Abs. 3. (4) Im iibrigen gelten die §§ 464 bis 473 der StrafprozeBordnung entsprechend. (5) Fur die Kosten des Verfahrens nach den §§109 ff kann auch ein den dreifachen Tagessatz der Eckvergutung nach § 43 Abs. 2 ubersteigender Teil des Hausgeldes (§ 47) in Anspruch genommen werden.
Funfzehnter Titel. Strafvollstreckung und Untersuchungshaft § 122. (1) ^Wird Untersuchungshaft zum Zwecke der Strafvollstreckung unterbrochen oder wird gegen einen Strafgefangenen in anderer Sache Untersuchungshaft angeordnet, so unterliegt der Gefangene abweichen von § 4 Abs. 2 auch denjenigen Beschrankungen seiner Freiheit, die der Zweck der Untersuchungshaft erfordert. "^Die notwendigen MaBnahmen ordnet der nach § 126 der StrafprozeBordnung zustandige Richter an. ^§ 119 Abs. 6 Satz 2 und 3 der StrafprozeBordnung gilt entsprechend. (2) § 148 Abs. 2. § 148a der Strafprozessordnung sind anzwenden.
Sechzehnter Titel. Sozialtherapeutische Anstalten § 123. Sozialtherapeutische Anstalten und Abteilungen. (1) Fiir den Vollzug nach § 9 sind von den iibrigen Vollzugsanstalten getrennte sozialtherapeutische Anstalten vorzusehen. (2) ^Dem Beurlaubten Aus besonderen Griinden konnen auch sozialtherapeutische Abteilungen in anderen Vollzugsanstalten eingerichtet werden. ^Fiir diese Abteilungen gelten die Vorschriften iiber die sozialtherapeutische Anstalt entsprechend. § 124. Urlaub zur Vorbereitung der Entlassung. (1) ^Der Anstaltsleiter kann dem Gefangenen zur Vorbereitung der Entlassung Sonderurlaub bis zu sechs Monaten gewahren. ^§ 11 Abs. 2 und § 13 Abs. 5 gelten entsprechend. (2) 'Dem Beurlaubten sollen fiir den Urlaub Weisungen erteilt werden. ^Er kann insbesondere angewiesen werden, sich einer von der Anstalt bestimmten Betreuungsperson zu unterstellen und jeweils ftir kurze Zeit in die Anstalt zuriickzukehren. (3) '§ 14 Abs. 2 gilt entsprechend. ^Der Urlaub wird widerrufen, wenn dies fur die Behandlung des Gefangenen notwendig ist. § 125. Aufnahme auf freiwilliger Grundlage. (1) 'Ein friiherer Gefangener kann auf seinen Antrag voriibergehend wieder in die sozialtherapeutische Anstalt aufgenommen werden, wenn das Ziel seiner Behandlung gefahrdet und ein Aufenthalt in der Anstalt aus diesem Grunde gerechtfertigt ist. ^Die Aufnahme ist jederzeit widerruflich. (2) Gegen den Aufgenommenen diirfen MaBnahmen des Vollzuges nicht mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden.
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(3) Auf seinen Antrag ist der Aufgenommene unverziiglich zu entlassen. § 126. Nachgehende Betreuung. Die Zahl der Fachkrafte fiir die sozialtherapeutische Anstalt ist so zu bemessen, daB auch eine nachgehende Betreuung der Gefangenen gewahrleistet ist, soweit diese anderweitig nicht sichergestellt werden kann. §127,128. (aufgehoben)
Dritter Abschnitt. Besondere Vorschriften liber den Vollzug der freiheitsentziehenden Maflregeln der Besserung und Sicherung
Erster Titel. Sicherungsverwahrung § 129. Ziel der Unterbringung. ^Der Sicherungsverwahrte wird zum Schutz der Allgemeinheit sicher untergebracht. ^Ihm soil geholfen werden, sich in das Leben in Freiheit einzugliedem. § 130. Anwendung anderer Vorschriften. Fur die Sicherungsverwahrung gelten die Vorschriften uber den Vollzug der Freiheitsstrafe (§§3 bis 126, 179 bis 187) entsprechend, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist. § 131. Ausstattung. ^Die Ausstattung der Sicherungsanstalten, namentlich der Haftraume, und besondere MaBnahmen zur Forderung und Betreuung sollen dem Untergebrachten helfen, sein Leben in der Anstalt sinnvoll zu gestalten, und ihn vor Schaden eines langen Freiheitsentzuges bewahren. ^Seinen personlichen Bediirfnissen ist nach Moglichkeit Rechnung zu tragen. § 132. Kleidung. Der Untergebrachte darf eigene Kleidung, Wasche und eigenes Bettzeug benutzen, wenn Grtinde der Sicherheit nicht entgegenstehen und der Untergebrachte fur Reinigung, Instandsetzung und regelmaBigen Wechsel auf eigene Kosten sorgt. § 133. Selbstbeschaftigung. Taschengeld. (1) Dem Untergebrachten wird gestattet, sich gegen Entgelt selbst zu beschaftigen, wenn dies dem Ziel dient, Fahigkeiten fur eine Erwerbstatigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fordem. (2) Das Taschengeld (§ 46) darf den dreifachen Tagessatz der Eckvergiitung nach § 43 Abs. 2 im Monat nicht unterschreiten. § 134. Entlassungsvorbereitung. ^Um die Entlassung zu erproben und vorzubereiten, kann der Vollzug gelockert und Sonderurlaub bis zu einem Monat gewahrt werden. ^Bei Untergebrachten in einer sozialtherapeutischen Anstalt bleibt § 124 unberuhrt. § 135. Sicherungsverwahrung in Frauenanstalten. Die Sicherungsverwahrung einer Frau kann auch in einer fur den Vollzug der Freiheitsstrafe bestimmten Frauenanstalt durchgefuhrt werden, wenn diese Anstalt fur die Sicherungsverwahrung eingerichtet ist.
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Zweiter Titel. Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Erzieliungsanstalt § 136. Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. ^Die Behandlung des Untergebrachten in einem psychiatrischen Krankenhaus richtet sich nach arztUchen Gesichtspunkten. ^Soweit mogUch, soil er geheilt oder sein Zustand so weit gebessert werden, daB er nicht mehr gefahrlich ist. ^Ihm wird die notige Aufsicht, Betreuung und Pflege zuteil. § 137. Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Ziel der Behandlung des Untergebrachten in einer Entziehungsanstalt ist es, ihn von seinem Hang zu heilen und die zugrunde liegende Fehlhaltung zu beheben. § 138. Anwendung anderer Vorschriften. (1) ^Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt richtet sich nach Landesrecht, soweit Bundesgesetze nichts anderes bestimmen. ^§ 51 Abs. 4 und 5 sowie § 75 Abs. 3 gelten entsprechend. (2) ^Fur die Erhebung der Kosten der Unterbringung gilt § 50 entsprechend mit der MaBgabe, dass in den Fallen des § 50 Abs. 1 Satz 2 an die Stelle erhaltener Beziige die Verrichtung zugewiesener oder ermoglichter Arbeit tritt und in den Fallen des § 50 Abs. 1 Satz 4 dem Untergebrachten ein Betrag in der Hohe verbleiben muss, der dem Barbetrag entspricht, den ein in einer Einrichtung lebender und einen Teil der Kosten seines Aufenthalts selbst tragender Sozialhilfeempfanger zur personlichen Verfiigung erhalt. "^Bei der Bewertung einer Beschaftigung als Arbeit sind die besonderen Verhaltnisse des MaBregelvollzugs zu beriicksichtigen. ^Zustandig fiir die Erhebung der Kosten ist die Vollstreckungsbehorde; die Landesregierungen konnen durch Rechtsverordnung andere Zustandigkeiten begrtinden. "^Die Kosten werden als Justizverwaltungsabgabe erhoben. (3) Fiir das gerichtliche Verfahren gelten die §§ 109 bis 121 entsprechend.
Vierter Abschnitt. Vollzugsbehorden
Erster Titel. Arten und Einrichtung der Justizvollzugsanstalten § 139. Justizvollzugsanstalten. Die Freiheitsstrafe sowie die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung werden in Anstalten der Landesjustizverwaltungen (Justizvollzugsanstalten) vollzogen. § 140. Trennung des Vollzuges. (1) Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wird in getrennten Anstalten oder in getrennten Abteilungen einer fur den Vollzug der Freiheitsstrafe bestimmten Vollzugsanstalt vollzogen. (2) ^Frauen sind getrennt von Mannem in besonderen Frauenanstalten unterzubringen. ^Aus besonderen Griinden konnen fur Frauen getrennte Abteilungen in Anstalten fiir Manner vorgesehen werden.
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(3) Von der getrennten Unterbringung nach den Absatzen 1 und 2 darf abgewichen werden, um dem Gefangenen die Teilnahme an BehandlungsmaBnahmen in einer anderen Anstalt Oder in einer anderen Abteilung zu ermoglichen. § 141. Diffenrenzierung. (1) Fur den Vollzug der Freiheitsstrafe sind Haftplatze vorzusehen in verschiedenen Anstalten oder Abteilungen, in denen eine auf die unterschiedlichen Bediirfnisse der Gefangenen abgestimmte Behandlung gewahrleistet ist. (2) Anstalten des geschlossenen Vollzuges sehen eine sichere Unterbringung vor, Anstalten des offenen Vollzuges keine oder nur verminderte Vorkehrungen gegen Entweichungen. § 142. Einrichtungen fiir Mutter mit Kindern. In Anstalten fiir Frauen sollen Einrichtungen vorgesehen werden, in denen Mutter mit ihren Kindern untergebracht werden konnen. § 143. GroBe und Gestaltung der Anstalten. (1) Justizvollzugsanstalten sind so zu gestalten, daB eine auf die Bediirfnisse des einzelnen abgestellte Behandlung gewahrleistet ist. (2) Die Vollzugsanstalten sind so zu gliedem, daB die Gefangenen in tiberschaubaren Betreuungs- und Behandlungsgruppen zusammengefaBt werden konnen. (3) Die fur sozialtherapeutische Anstalten und fiir Justizvollzugsanstalten fur Frauen vorgesehene Belegung soil zweihundert Platze nicht iibersteigen. § 144. GroBe und Gestaltung der Raume. (1) ^Raume ftir den Aufenthalt wahrend der Ruhe- und Freizeit sowie Gemeinschafts- und Besuchsraume sind wohnlich oder sonst ihrem Zweck entsprechend auszugestalten. ^Sie miissen hinreichend Luftinhalt haben und fiir eine gesunde Lebensfuhrung ausreichend mit Heizung und Liiftung, Boden- und Fensterflache ausgestattet sein. (2) Das Bundesministerium der Justiz wird ermachtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Naheres iiber den Luftinhalt, die Liiftung, die Boden- und Fensterflache sowie die Heizung und Einrichtung der Raume zu bestimmen. § 145. Festsetzung der Belegungsfahigkeit. ^Die Aufsichtsbehorde setzt die Belegungsfahigkeit fiir jede Anstalt so fest, daB eine angemessene Unterbringung wahrend der Ruhezeit (§ 18) gewahrleistet ist. ^Dabei ist zu beriicksichtigen, daB eine ausreichende Anzahl von Platzen fur Arbeit, Ausbildung und Weiterbildung sowie von Raumen fur Seelsorge, Freizeit, Sport, therapeutische MaBnahmen und Besuche zur Verfiigung steht. § 146. Verbot der Uberbelegung. (1) Haftraume diirfen nicht mit mehr Personen als zugelassen belegt werden. (2) Ausnahmen hiervon sind nur vorubergehend und nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehorde zulassig. § 147. Einrichtungen fiir die Entlassung. Um die Entlassung vorzubereiten, sollen den geschlossenen Anstalten offene Einrichtungen angegliedert oder gesonderte offene Anstalten vorgesehen werden. § 148. Arbeitsbeschaffung, Gelegenheit zur beruflichen Bildung. (1) Die Vollzugsbehorde soil im Zusammenwirken mit den Vereinigungen und Stellen des Arbeits- und Wirtschaftslebens dafur sorgen, daB jeder arbeitsfahige Gefangene wirtschaftlich ergiebige Arbeit ausiiben kann, und dazu beitragen, daB er beruflich gefordert, beraten und vermittelt wird.
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(2) Die Vollzugsbehorde stellt durch geeignete organisatorische MaBnahmen sicher, daB die Bundesagentur fiir Arbeit die ihr obliegenden Aufgaben wie Berufsberatung, Ausbildungsvermittlung und Arbeitsvermittlung durchfiihren kann. § 149. Arbeitsbetriebe, Einrichtungen zur beruflichen Bildung. (1) In den Anstalten sind die notwendigen Betriebe flir die nach § 37 Abs. 2 zuzuweisenden Arbeiten sowie die erforderlichen Einrichtungen zur beruflichen Bildung (§ 37 Abs. 3) und arbeitstherapeutischen Beschaftigung (§37 Abs. 5) vorzusehen. (2) ^Die in Absatz 1 genannten Betriebe und sonstigen Einrichtungen sind den Verhaltnissen auBerhalb der Anstalten anzugleichen. "^Die Arbeitsschutz- und Unfallverhiitungsvorschriften sind zu beachten. (3) Die bemfliche Bildung und die arbeitstherapeutische Beschaftigung konnen auch in geeigneten Einrichtungen privater Untemehmen erfolgen. (4) In den von privaten Untemehmen unterhaltenen Betrieben und sonstigen Einrichtungen kann die technische und fachliche Leitung Angehorigen dieser Untemehmen (ibertragen werden. § 150. Vollzugsgemeinschaften. Fiir Vollzugsanstalten nach den §§ 139 bis 149 konnen die Lander Vollzugsgemeinschaften bilden.
Zweiter Titel. Aufsicht uber die Justizvollzugsanstalten § 151. Aufsichtsbehorden. (1) ^Die Landesjustizverwaltungen fiihren die Aufsicht iiber die Justizvollzugsanstalten. ^Sie konnen Aufsichtsbefugnisse auf Justizvollzugsamter iibertragen. (2) An der Aufsicht iiber das Arbeitswesen sowie iiber die Sozialarbeit, die Weiterbildung, die Gesundheitsfursorge und die sonstige fachlich begriindete Behandlung der Gefangenen sind eigene Fachkrafte zu beteiligen; soweit die Aufsichtsbehorde nicht iiber eigene Fachkrafte verfugt, ist fachliche Beratung sicherzustellen. § 152. Vollstreckungsplan. (1) Die Landesjustizverwaltung regelt die ortliche und sachliche Zustandigkeit der Justizvollzugsanstalten in einem Vollstreckungsplan. (2) 'Der Vollstreckungsplan sieht vor, welche Verurteilten in eine Einweisungsanstalt Oder -abteilung eingewiesen werden. "^Uber eine Verlegung zum weiteren Vollzug kann nach Griinden der Behandlung und Eingliederung entschieden werden. (3) Im iibrigen ist die Zustandigkeit nach allgemeinen Merkmalen zu bestimmen. § 153. Zustandigkeit fiir Verlegungen. Die Landesjustizverwaltung kann sich Entscheidungen iiber Verlegungen vorbehalten oder sie einer zentralen Stelle iibertragen.
Dritter Titel. Innerer Aufbau der Justizvollzugsanstalten § 154. Zusammenarbeit. (1) Alle im Vollzug Tatigen arbeiten zusammen und wirken daran mit, die Aufgaben des Vollzuges zu erfUllen. (2) ^Mit den Behorden und Stellen der Entlassenenfiirsorge, der Bewahrungshilfe, den Aufsichtsstellen fiir die Fiihrungsaufsicht, den Agenturen fur Arbeit, den Tragem der Sozi-
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alversicherung und der Sozialhilfe, den Hilfeeinrichtungen anderer Behorden und den Verbanden der freien Wohlfahrtspflege ist eng zusammenzuarbeiten. ^Die Vollzugsbehorden sollen mit Personen und Vereinen, deren EinfluB die Eingliederung des Gefangenen fordem kann, zusammenarbeiten. § 155. Vollzugsbedienstete. (1) ^Die Aufgaben der Justizvollzugsanstalten werden von VoUzugsbeamten wahrgenommen. "^Aus besonderen Griinden konnen sie auch anderen Bediensteten der Justizvollzugsanstalten sowie nebenamtlichen oder vertraglich verpflichteten Personen libertragen werden. (2) Fiir jede Anstalt ist entsprechend ihrer Aufgabe die erforderliche Anzahl von Bediensteten der verschiedenen Berufsgruppen, namentlich des allgemeinen Vollzugsdienstes, des Verwaltungsdienstes und des Werkdienstes, sowie von Seelsorgem, Arzten, Padagogen, Psychologen und Sozialarbeitem vorzusehen. § 156. Anstaltsleitung. (1) ^Ftir jede Justizvollzugsanstalt ist ein Beamter des hoheren Dienstes zum hauptamtlichen Leiter zu bestellen. ^Aus besonderen Griinden kann eine Anstalt auch von einem Beamten des gehobenen Dienstes geleitet werden. (2) ^Der Anstaltsleiter vertritt die Anstalt nach auBen. ^Er tragt die Verantwortung fiir den gesamten Vollzug, soweit nicht bestimmte Aufgabenbereiche der Verantwortung anderer Vollzugsbediensteter oder ihrer gemeinsamen Verantwortung libertragen sind. (3) Die Befugnis, die Durchsuchung nach § 84 Abs. 2, die besonderen SicherungsmaBnahmen nach § 88 und die DisziplinarmaBnahmen nach § 103 anzuordnen, darf nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehorde libertragen werden. § 157. Seelsorge. (1) Seelsorger werden im Einvemehmen mit der jeweiligen Religionsgemeinschaft im Hauptamt bestellt oder vertraglich verpflichtet. (2) Wenn die geringe Zahl der Angehorigen einer Religionsgemeinschaft eine Seelsorge nach Absatz 1 nicht rechtfertigt, ist die seelsorgerische Betreuung auf andere Weise zuzulassen. (3) Mit Zustimmung des Anstaltsleiters dlirfen die Anstaltsseelsorger sich freier Seelsorgehelfer bedienen und fiir Gottesdienste sowie fiir andere religiose Veranstaltungen Seelsorger von auBen zuziehen. § 158. Arztliche Versorgung. (1) ^Die arztliche Versorgung ist durch hauptamtliche Arzte sicherzustellen. ^Sie kann aus besonderen Griinden nebenamtlichen oder vertraglich verpflichteten Arzten libertragen werden. (2) ^Die Pflege der Kranken soil von Personen ausgelibt werden, die eine Erlaubnis nach dem Krankenpflegegesetz besitzen. ^Solange Personen im Sinne von Satz 1 nicht zur Verfiigung stehen, konnen auch Bedienstete des allgemeinen Vollzugsdienstes eingesetzt werden, die eine sonstige Ausbildung in der Krankenpflege erfahren haben. § 159. Konferenzen. Zur Aufstellung und Uberpriifung des Vollzugsplanes und zur Vorbereitung wichtiger Entscheidungen im Vollzug fiihrt der Anstaltsleiter Konferenzen mit an der Behandlung maBgeblich Beteiligten durch. § 160. Gefangenenmitverantwortung. Den Gefangenen und Untergebrachten soil ermoglicht werden, an der Verantwortung fiir Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse teilzunehmen, die sich ihrer Eigenart und der Aufgabe der Anstalt nach fur ihre Mitwirkung eignen.
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§ 161. Hausordnung. (1) ^Der Anstaltsleiter erlaBt eine Hausordnung. "^Sie bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehorde. 1. 2. 3.
(2) In die Hausordnung sind namentlich die Anordnungen aufzunehmen iiber die Besuchszeiten, Haufigkeit und Dauer der Besuche, die Arbeitszeit, Freizeit und Ruhezeit sowie die Gelegenheit, Antrage und Beschwerden anzubringen, oder sich an einen Vertreter der Aufsichtsbehorde zu wenden. (3) Ein Abdruck der Hausordnung ist in jedem Haftraum auszulegen.
Vierter Titel. Anstaltsbeirate § 162. Bildung der Beirate. (1) Bei den Justizvollzugsanstalten sind Beirate zu bilden. (2) Vollzugsbedienstete diirfen nicht Mitglieder der Beirate sein. (3) Das Nahere regeln die Lander. § 163. Aufgabe der Beirate. 'Die Mitglieder des Beirats wirken bei der Gestaltung des Vollzuges und bei der Betreuung der Gefangenen mit. ^Sie unterstiitzen den Anstaltsleiter durch Anregungen und Verbesserungsvorschlage und helfen bei der Eingliederung der Gefangenen nach der Entlassung. § 164. Befugnisse. (1) 'Die Mitglieder des Beirats konnen namentlich Wiinsche, Anregungen und Beanstandungen entgegennehmen. ^Sie konnen sich liber die Unterbringung, Beschaftigung, berufliche Bildung, Verpflegung, arztliche Versorgung und Behandlung unterrichten sowie die Anstalt und ihre Einrichtungen besichtigen. (2) 'Die Mitglieder des Beirats konnen die Gefangenen und Untergebrachten in ihren Raumen aufsuchen. ^Aussprache und Schriftwechsel werden nicht tiberwacht. § 165. Pflicht zur Verschwiegenheit. 'Die Mitglieder des Beirats sind verpflichtet, auBerhalb ihres Amtes iiber alle Angelegenheiten, die ihrer Natur nach vertraulich sind, besonders iiber Namen und Personlichkeit der Gefangenen und Untergebrachten, Verschwiegenheit zu bewahren. ^Dies gilt auch nach Beendigung ihres Amtes.
Fiinfter Titel. Kriminologische Forschung im Strafvollzug § 166. (1) Dem kriminologischen Dienst obliegt es, in Zusammenarbeit mit den Einrichtungen der Forschung den Vollzug, namentlich die Behandlungsmethoden, wissenschaftlich fortzuentwickeln und seine Ergebnisse fur Zwecke der Strafrechtspflege nutzbar zu machen. (2) Die Vorschriften des § 186 gelten entsprechend.
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Fiinfter Abschnitt. Vollzug weiterer freiheitsentziehender Madnahmen in Justizvollzugsanstalten, Datenschutz, Sozial- und Arbeitslosenversicherung, SchluRvorschriften
Erster Titel. Vollzug des Strafarrestes in Justizvollzugsanstalten § 167. Grundsatz. ^Fiir den Vollzug des Strafarrestes in Justizvollzugsanstalten gelten die Vorschriften iiber den Vollzug der Freiheitsstrafe (§§2 bis 122, 179 bis 187) entsprechend, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist. ^§50 findet nur in den Fallen einer in § 39 erwahnten Beschaftigung Anwendung. § 168. Unterbringung, Besuche und Schriftverkehr. (1) ^Eine gemeinsame Unterbringung wahrend der Arbeit, Freizeit und Ruhezeit (§§17 und 18) ist nur mit Einwilligung des Gefangenen zulassig. ^Dies gilt nicht, wenn Strafarrest in Unterbrechung einer Strafhaft oder einer Unterbringung im Vollzuge einer freiheitsentziehenden MaBregel der Besserung und Sicherung vollzogen wird. (2) Dem Gefangenen soil gestattet werden, einmal wochentlich Besuch zu empfangen. (3) Besuche und Schriftwechsel durfen nur untersagt oder iiberwacht werden, wenn dies aus Griinden der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt notwendig ist. § 169. Kleidung, Wasche und Bettzeug. Der Gefangene darf eigene Kleidung, Wasche und eigenes Bettzeug benutzen, wenn Griinde der Sicherheit nicht entgegenstehen und der Gefangene fur Reinigung, Instandsetzung und regelmaBigen Wechsel auf eigene Kosten sorgt. § 170. Einkauf. Der Gefangene darf Nahrungs- und GenuBmittel sowie Mittel zur Korperpflege in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Anstalt auf eigene Kosten erwerben.
Zweiter Titel. Vollzug von Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs- und Erzwingungshaft § 171. Grundsatz. Ftir den Vollzug einer gerichtlich angeordneten Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs- und Erzwingungshaft gelten die Vorschriften iiber den Vollzug der Freiheitsstrafe (§§3 bis 49, 51 bis 122, 179 bis 187) entsprechend, soweit nicht Eigenart und Zweck der Haft entgegenstehen oder im folgenden etwas anderes bestimmt ist. § 172. Unterbringung. ^Eine gemeinsame Unterbringung wahrend der Arbeit, Freizeit und Ruhezeit (§§17 und 18) ist nur mit Einwilligung des Gefangenen zulassig. ^Dies gilt nicht, wenn Ordnungshaft in Unterbrechung einer Strafhaft oder einer Unterbringung im Vollzug einer freiheitsentziehenden MaBregel der Besserung und Sicherung vollzogen wird. § 173. Kleidung, Wasche und Bettzeug. Der Gefangene darf eigene Kleidung, Wasche und eigenes Bettzeug benutzen, wenn Griinde der Sicherheit nicht entgegenstehen und der Gefangene fur Reinigung, Instandsetzung und regelmaBigen Wechsel auf eigene Kosten sorgt.
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§ 174. Einkauf.. Der Gefangene darf Nahrungs- und GenuBmittel sowie Mittel zur Korperpflege in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Anstalt auf eigene Kosten erwerben. § 175. Arbeit. Der Gefangene ist zu einer Arbeit, Beschaftigung oder Hilfstatigkeit nicht verpflichtet.
Dritter Titel. Arbeitsentgelt in Jugendstrafanstalten und im Vollzug der Untersuchungshaft § 176. Jugendstrafanstalten. (1) *Ubt ein Gefangener in einer Jugendstrafanstalt eine ihm zugewiesene Arbeit aus, so erhalt er unbeschadet der Vorschriften des Jugendarbeitsschutzgesetzes tiber die Akkord- und FlieBarbeit ein nach § 43 Abs. 2 und 3 zu bemessendes Arbeitsentgelt. ^Ubt er eine sonstige zugewiesene Beschaftigung oder Hilfstatigkeit aus, so erhalt er ein Arbeitsentgelt nach Satz 1, soweit dies der Art seiner Beschaftigung und seiner Arbeitsleistung entspricht. ^§ 43 Abs. 5 bis 11 gilt entsprechend. (2) ^Arbeitsfdhige Gefangene, denen aus Grilnden, die nicht in ihrer Person liegen, Arbeit nicht zugewiesen werden kann, erkrankte Gefangene, bei denen die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 vorliegen, und werdende Matter, die eine Arbeit nicht verrichten, erhalten eine Ausfallentschddigung. ^Hohe und Dauer der Ausfallentschddigung sind nach §45 Abs. 3 bis 6zu bestimmen. (3) Wenn ein Gefangener ohne sein Verschulden kein Arbeitsentgelt und keine Ausbildungsbeihilfe erhalt, wird ihm ein angemessenes Taschengeld gewahrt, falls er bediirftig ist. (4) Im iibrigen gelten § 44 und die §§49 bis 52 entsprechend. § 177. Untersuchungshaft. ^Ubt der Untersuchungsgefangene eine ihm zugewiesene Arbeit, Beschaftigung oder Hilfstatigkeit aus, so erhalt er ein nach § 43 Abs. 2 bis 5 zu bemessendes und bekannt zu gebendes Arbeitsentgelt. ^Der Bemessung des Arbeitsentgelts ist abweichend von § 200 ftinf vom Hundert der BezugsgroBe nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch zu Grunde zu legen (Eckvergiitung). ^§ 43 Abs. 6 bis 11 findet keine Anwendung. "^Ftir junge und heranwachsende Untersuchungsgefangene gilt § 176 Abs. 1 Satz 1 und 2 entsprechend.
Vierter Titel. UnmittelbarerZwang in Justizvollzugsanstalten § 178. (1) Die §§ 94 bis 101 iiber den unmittelbaren Zwang gelten nach MaBgabe der folgenden Absatze auch fur Justizvollzugsbedienstete auBerhalb des Anwendungsbereichs des Strafvollzugsgesetzes (§ 1). (2) Beim Vollzug der Untersuchungshaft und der einstweiligen Unterbringung nach § 126a der StrafprozeBordnung bleibt § 119 Abs. 5 und 6 der StrafprozeBordnung unberiihrt. (3) ^Beim Vollzug des Jugendarrestes, des Strafarrestes sowie der Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs- und Erzwingungshaft dtirfen zur Vereitelung einer Flucht oder zur Wiederergreifung (§ 100 Abs. 1 Nr. 3) keine SchuBwaffen gebraucht werden. ^Dies gilt nicht, wenn Strafarrest oder Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs- oder Erzwingungshaft in Unterbre-
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chung einer Untersuchungshaft, einer Strafhaft oder einer Unterbringung im Vollzug einer freiheitsentziehenden MaBregel der Besserung und Sicherung vollzogen wird. (4) Das Landesrecht kann, namentlich beim Vollzug der Jugendstrafe, weitere Einschrankungen des Rechtes zum SchuBwaffengebrauch vorsehen.
FiJnfterTiteL Datenschutz § 179. Datenerhebung. (1) Die Vollzugsbehorde darf personenbezogene Daten erheben, soweit deren Kenntnis fiir den ihr nach diesem Gesetz aufgegebenen Vollzug der Freiheitsstrafe erforderlich ist. (2) ^Personenbezogene Daten sind bei dem Betroffenen zu erheben. "^Fur die Erhebung ohne Mitwirkung des Betroffenen, die Erhebung bei anderen Personen oder Stellen und fur die Hinweis- und Aufklarungspflichten gilt § 4 Abs. 2 und 3 und § 13 Abs. la des Bundesdatenschutzgesetzes. (3) Daten uber Personen, die nicht Gefangene sind, diirfen ohne ihre Mitwirkung bei Personen oder Stellen auBerhalb der Vollzugsbehorde nur erhoben werden, wenn sie fur die Behandlung eines Gefangenen, die Sicherheit der Anstalt oder die Sicherung des Vollzuges einer Freiheitsstrafe unerlaBlich sind und die Art der Erhebung schutzwiirdige Interessen der Betroffenen nicht beeintrachtigt. (4) ^Uber eine ohne seine Kenntnis vorgenommene Erhebung personenbezogener Daten wird der Betroffene unter Angabe dieser Daten unterrichtet, soweit der in Absatz 1 genannte Zweck dadurch nicht gefahrdet wird. ^Sind die Daten bei anderen Personen oder Stellen erhoben worden, kann die Unterrichtung unterbleiben, wenn 1. die Daten nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, namentlich wegen des tiberwiegenden berechtigten Interesses eines Dritten, geheimgehalten werden miissen oder 2. der Aufwand der Unterrichtung auBer Verhaltnis zum Schutzzweck steht und keine Anhaltspunkte dafur bestehen, daB iiberwiegende schutzwiirdige Interessen des Betroffenen beeintrachtigt werden. § 180. Verarbeitung und Nutzung. (1) ^Die Vollzugsbehorde darf personenbezogene Daten verarbeiten und nutzen, soweit dies fiir den ihr nach diesem Gesetz aufgegebenen Vollzug der Freiheitsstrafe erforderlich ist. "^Die Vollzugsbehorde kann einen Gefangenen verpflichten, einen Lichtbildausweis mit sich zu fuhren, wenn dies aus Griinden der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist. (2) Die Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten fiir andere Zwecke ist zulassig, soweit dies 1. zur Abwehr von sicherheitsgefahrdenden oder geheimdienstlichen Tatigkeiten fur eine fremde Macht oder von Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen a) gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, b) eine ungesetzliche Beeintrachtigung der Amtsfuhrung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder c) auswartige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefahrden, 2. zur Abwehr erheblicher Nachteile fur das Gemeinwohl oder einer Gefahr fur die offentliche Sicherheit,
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zur Abwehr einer schwerwiegenden Beeintrachtigung der Rechte einer anderen Person, 4. zur Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten sowie zur Verhinderung oder Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten, durch welche die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefahrdet werden, oder 5. fiir MaBnahmen der Strafvollstreckung oder strafvollstreckungsrechtliche Entscheidungen erforderlich ist. (3) Eine Verarbeitxing oder Nutzung fiir andere Zwecke liegt nicht vor, soweit sie dem gerichtlichen Rechtsschutz nach den §§ 109 bis 121 oder den in § 14 Abs. 3 des Bundesdatenschutzgesetzes genannten Zwecken dient. (4) ^Uber die in den Absatzen 1 und 2 geregelten Zwecke hinaus diirfen zustandigen 6ffentlichen Stellen personenbezogene Daten iibermittelt werden, soweit dies fiir 1. MaBnahmen der Gerichtshilfe, Jugendgerichtshilfe, Bewahrungshilfe oder Fiihrungsaufsicht, 2. Entscheidungen in Gnadensachen, 3. gesetzlich angeordnete Statistiken der Rechtspflege, 4. Entscheidungen iiber Leistungen, die mit der Aufhahme in einer Justizvollzugsanstalt entfallen oder sich mindem, 5. die Einleitung von HilfsmaBnahmen fiir Angehorige (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuchs) des Gefangenen, 6. dienstliche MaBnahmen der Bundeswehr im Zusammenhang mit der Aufhahme und Entlassung von Soldaten, 7. auslanderrechtliche MaBnahmen oder 8. die Durchfiihrung der Besteuerung erforderlich ist. ^Eine Ubermittlung fiir andere Zwecke ist auch zulassig, soweit eine andere gesetzliche Vorschrift dies vorsieht und sich dabei ausdriicklich auf personenbezogene Daten iiber Gefangene bezieht. (5) ^Offentlichen und nicht-offentlichen Stellen darf die Vollzugsbehorde auf schriftlichen Antrag mitteilen, ob sich eine Person in Haft befindet sowie ob und wann ihre Entlassung voraussichtlich innerhalb eines Jahres bevorsteht, soweit 1. die Mitteilung zur Erfullung der in der Zustandigkeit der offentlichen Stelle liegenden Aufgaben erforderlich ist oder 2. von nicht-offentlichen Stellen ein berechtigtes Interesse an dieser Mitteilung glaubhaft dargelegt wird und der Gefangene kein schutzwiirdiges Interesse an dem AusschluB der Ubermittlung hat. ^Dem Verletzten einer Straftat konnen dariiber hinaus auf schriftlichen Antrag Auskiinfte uber die Entlassungsadresse oder die Vermogensverhaltnisse des Gefangenen erteilt werden, wenn die Erteilung zur Feststellung oder Durchsetzung von Rechtsansprtichen im Zusammenhang mit der Straftat erforderlich ist. ^Der Gefangene wird vor der Mitteilung gehort, es sei denn, es ist zu besorgen, daB dadurch die Verfolgung des Interesses des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden wurde, und eine Abwagung ergibt, daB dieses Interesse des Antragstellers das Interesse des Gefangenen an seiner vorherigen Anhorung uberwiegt. "^Ist die Anhorung unterblieben, wird der betroffene Gefangene iiber die Mitteilung der Vollzugsbehorde nachtraglich unterrichtet. (6) ^Akten mit personenbezogenen Daten durfen nur anderen Vollzugsbehorden, den zur Dienst- oder Fachaufsicht oder zu dienstlichen Weisungen befugten Stellen, den fiir strafvollzugs-, strafvollstreckungs- und strafrechtliche Entscheidungen zustandigen Gerichten sowie den Strafvollstreckungs- und Strafverfolgungsbehorden iiberlassen werden; die Uber-
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lassung an andere offentliche Stellen ist zulassig, soweit die Erteilung einer Auskunft einen unvertretbaren Aufwand erfordert oder nach Darlegung der Akteneinsicht begehrenden Stellen fiir die Erfiillung der Aufgabe nicht ausreicht. ^Entsprechendes gilt fiir die Uberlassung von Akten an die von der Vollzugsbehorde mit Gutachten beauftragten Stellen. (7) Sind mit personenbezogenen Daten, die nach den Absatzen 1, 2 oder 4 iibermittelt werden diirfen, weitere personenbezogene Daten des Betroffenen oder eines Dritten in Akten so verbunden, daB eine Trennung nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand moglich ist, so ist die Ubermittlung auch dieser Daten zulassig, soweit nicht berechtigte Interessen des Betroffenen oder eines Dritten an deren Geheimhaltung offensichtlich liberwiegen; eine Verarbeitung oder Nutzung dieser Daten durch den Empfanger ist unzulassig. (8) Bei der Uberwachung der Besuche oder des Schriftwechsels sowie bei der Uberwachung des Inhaltes von Paketen bekanntgewordene personenbezogene Daten diirfen nur fiir die in Absatz 2 aufgefiihrten Zwecke, fiir das gerichtliche Verfahren nach den §§109 bis 121, zur Wahrung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt oder nach Anhorung des Gefangenen fur Zwecke der Behandlung verarbeitet und genutzt werden. (9) Personenbezogene Daten, die gemaB § 179 Abs. 3 iiber Personen, die nicht Gefangene sind, erhoben worden sind, diirfen nur zur Erfullung des Erhebungszweckes, fur die in Absatz 2 Nr. 1 bis 3 geregelten Zwecke oder zur Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten von erheblicher Bedeutung verarbeitet oder genutzt werden. (10) Die Ubermittlung von personenbezogenen Daten unterbleibt, soweit die in § 182 Abs. 2, § 184 Abs. 2 und 4 geregelten Einschrankungen oder besondere gesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen. (11) ^Die Verantwortung ftir die Zulassigkeit der Ubermittlung tragt die Vollzugsbehorde. ^Erfolgt die Ubermittlung auf Ersuchen einer offentlichen Stelle, tragt diese die Verantwortung. ^In diesem Fall priift die Vollzugsbehorde nur, ob das Obermittlungsersuchen im Rahmen der Aufgaben des Empfangers liegt und die Absatze 8 bis 10 der Ubermittlung nicht entgegenstehen, es sei denn, daB besonderer AnlaB zur Priifung der Zulassigkeit der LFbermittlung besteht. § 181. Zweckbindung. Von der Vollzugsbehorde iibermittelte personenbezogene Daten diirfen nur zu dem Zweck verarbeitet oder genutzt werden, zu dessen Erfullung sie iibermittelt worden sind. "^Der Empfanger darf die Daten fiir andere Zwecke nur verarbeiten oder nutzen, soweit sie ihm auch fur diese Zwecke batten iibermittelt werden diirfen, und wenn im Falle einer Ubermittlung an nicht-offentliche Stellen die iibermittelnde Vollzugsbehorde zugestimmt hat. ^Die Vollzugsbehorde hat den nicht-offentlichen Empfanger auf die Zweckbindung nach Satz 1 hinzuweisen. § 182. Schutz besonderer Daten. (1) ^Das religiose oder weltanschauliche Bekenntnis eines Gefangenen und personenbezogene Daten, die anlaBlich arztlicher Untersuchungen erhoben worden sind, diirfen in der Anstalt nicht allgemein kenntlich gemacht werden. ^Andere personenbezogene Daten iiber den Gefangenen diirfen innerhalb der Anstalt allgemein kenntlich gemacht werden, soweit dies fiir ein geordnetes Zusammenleben in der Anstalt erforderlich ist; § 180 Abs. 8 bis 10 bleibt unberiihrt. (2) 'Personenbezogene Daten, die den in § 203 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 des Strafgesetzbuchs genannten Personen von einem Gefangenen als Geheimnis anvertraut oder iiber einen Gefangenen sonst bekanntgeworden sind, unterliegen auch gegeniiber der Vollzugsbehorde der Schweigepflicht. ^Die in § 203 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 des Strafgesetzbuchs genannten Personen haben sich gegeniiber dem Anstaltsleiter zu offenbaren, soweit dies fur die Auf-
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gabenerfiillung der Vollzugsbehorde oder zur Abwehr von erheblichen Gefahren fiir Leib Oder Leben des Gefangenen oder Dritter erforderlich ist. ^Der Arzt ist zur Offenbarung ihm im Rahmen der allgemeinen Gesundheitsfiirsorge bekanntgewordener Geheimnisse befugt, soweit dies fiir die Aufgabenerfiillung der Vollzugsbehorde unerlaBlich oder zur Abwehr von erheblichen Gefahren fiir Leib oder Leben des Gefangenen oder Dritter erforderlich ist. "^Sonstige Offenbarungsbefugnisse bleiben unberiihrt. ^Der Gefangene ist vor der Erhebung iiber die nach den Satzen 2 und 3 bestehenden Offenbarungsbefugnisse zu unterrichten. (3) ^Die nach Absatz 2 offenbarten Daten diirfen nur fur den Zv^eck, far den sie offenbart vmrden oder fur den eine Offenbarung zulassig gewesen ware, und nur unter denselben Voraussetzungen verarbeitet oder genutzt werden, unter denen eine in § 203 Abs. 1 Nr. 1,2 und 5 des Strafgesetzbuchs genannte Person selbst hierzu befugt ware. ^Der Anstaltsleiter kann unter diesen Voraussetzungen die unmittelbare Offenbarung gegeniiber bestimmten Anstaltsbediensteten allgemein zulassen. (4) Sofem Arzte oder Psychologen auBerhalb des Vollzuges mit der Untersuchung oder Behandlung eines Gefangenen beauftragt werden, gilt Absatz 2 mit der MaBgabe entsprechend, daB der beauftragte Arzt oder Psychologe auch zur Unterrichtung des Anstaltsarztes oder des in der Anstalt mit der Behandlung des Gefangenen betrauten Psychologen befugt sind. § 183. Schutz der Daten in Akten und Dateien. (1) Der einzelne Vollzugsbedienstete darf sich von personenbezogenen Daten nur Kenntnis verschaffen, soweit dies zur Erfullung der ihm obliegenden Aufgabe oder fur die Zusammenarbeit nach § 154 Abs. 1 erforderlich ist. (2) * Akten und Dateien mit personenbezogenen Daten sind durch die erforderlichen technischen und organisatorischen MaBnahmen gegen unbefugten Zugang und unbefugten Gebrauch zu schutzen. ^Gesundheitsakten und Krankenblatter sind getrennt von anderen Unterlagen zu fiihren und besonders zu sichem. ^Im (ibrigen gilt fur die Art und den Umfang der Schutzvorkehrungen § 9 des Bundesdatenschutzgesetzes. § 184. Berichtigung, Loschung und Sperrung. (1) ^Die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten sind spatestens zwei Jahre nach der Entlassung des Gefangenen oder der Verlegung des Gefangenen in eine andere Anstalt zu loschen. "^Hiervon konnen bis zum Ablauf der Aufbewahrungsfrist fur die Gefangenenpersonalakte die Angaben iiber Familienname, Vomame, Geburtsname, Geburtstag, Geburtsort, Eintritts- und Austrittsdatum des Gefangenen ausgenommen werden, soweit dies fur das Auffinden der Gefangenenpersonalakte erforderlich ist. (2) ^Personenbezogene Daten in Akten diirfen nach Ablauf von zwei Jahren seit der Entlassung des Gefangenen nur ubermittelt oder genutzt werden, soweit dies 1. zur Verfolgung von Straftaten, 2. fiir die Durchfuhrung wissenschaftlicher Forschungsvorhaben gemaB § 186, 3. zur Behebung einer bestehenden Beweisnot, 4. zur Feststellung, Durchsetzung oder Abwehr von Rechtsanspriichen im Zusammenhang mit dem Vollzug einer Freiheitsstrafe unerlaBlich ist. ^Diese Verwendungsbeschrankungen enden, wenn der Gefangene emeut zum Vollzug einer Freiheitsstrafe aufgenommen wird oder der Betroffene eingewilligt hat. (3) ^Bei der Aufbewahrung von Akten mit nach Absatz 2 gesperrten Daten diirfen folgende Fristen nicht iiberschritten werden: Gefangenenpersonalakten, Gesundheitsakten und Krankenblatter
20 Jahre,
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Gefangenenbiicher
30 Jahre.
^Dies gilt nicht, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daB die Aufbewahmng fiir die in Absatz 2 Satz 1 genannten Zwecke weiterhin erforderlich ist. ^Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem auf das Jahr der aktenmaBigen Weglegung folgenden Kalenderjahr. "^Die archivrechtlichen Vorschriften des Bundes und der Lander bleiben unberuhrt. (4) Wird festgestellt, daB unrichtige Daten ubermittelt worden sind, ist dies dem Empfanger mitzuteilen, wenn dies zur Wahrung schutzwtirdiger Interessen des Betroffenen erforderlich ist. , (5) Im ubrigen gilt fur die Berichtigung, Loschung und Sperrung personenbezogener Daten § 20 Abs. 1 bis 4 und 6 bis 8 des Bundesdatenschutzgesetzes. § 185. Auskunft an den Betroffenen, Akteneinsicht. 'Der Betroffene erhalt nach MaBgabe des § 19 des Bundesdatenschutzgesetzes Auskunft und, soweit eine Auskunft fiir die Wahmehmung seiner rechtlichen Interessen nicht ausreicht und er hierftir auf die Einsichtnahme angewiesen ist, Akteneinsicht. ^An die Stelle des Bundesbeauftragten ftir den Datenschutz in § 19 Abs. 5 und 6 des Bundesdatenschutzgesetzes tritt der Landesbeauftragte ftir den Datenschutz, an die Stelle der obersten Bundesbehorde tritt die entsprechende Landesbehorde. § 186. Auskunft und Akteneinsicht fiir wissenschaftliche Zwecke. Fur die Auskunft und Akteneinsicht ftir wissenschaftliche Zwecke gilt § 476 der Strafprozessordnung entsprechend. § 187. Anwendung des Bundesdatenschutzgesetzes. 'Die Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes iiber offentliche und nicht-offentliche Stellen (§ 2), weitere Begriffsbestimmungen (§ 3), Einholung und Form der Einwilligung des Betroffenen (§ 4a Abs. 1 und 2), das Datengeheimnis (§ 5), unabdingbare Rechte des Betroffenen (§ 6 Abs. 1) und die Durchftihrung des Datenschutzes (§ 18 Abs. 2) gelten entsprechend. ^Die Landesdatenschutzgesetze bleiben im Hinblick auf die Schadensersatz-, Straf- und BuBgeldvorschriften sowie die Bestimmungen liber die Kontrolle durch die Landesbeauftragte fiir den Datenschutz unberiihrt.
Sechster Titel. Anpassung des Bundesrechts § 188. (aufgehoben) § 189. (vom Abdruck wurde abgesehen)
SiebterTiteL Sozial- und Arbeitslosenversicherung § 190-194. (vom Abdruck wurde abgesehen) § 195. Einbehaltung von Beitragsteilen. Soweit die Vollzugsbehorde Beitrage zur Kranken- und Rentenversicherung sowie zur Bundesagentur ftir Arbeit zu entrichten hat, kann sie von dem Arbeitsentgelt, der Ausbildungsbeihilfe oder der Ausfallentschadigung einen Betrag einbehalten, der dem Anteil des Gefangenen am Beitrag entsprechen wurde, wenn er diese Beziige als Arbeitnehmer erhielte.
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Achter Titel. Einschrankung von Grundrechten. Inkrafttreten § 196. Einschrankung von Grundrechten. Durch dieses Gesetz werden die Grundrechte aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 (korperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person) und Artikel 10 Abs. 1 (Brief-, Post- und Femmeldegeheimnis) des Grundgesetzes eingeschrankt. § 197. (aufgehoben) § 198. Inkrafttreten. (1) Dieses Gesetz tritt unbeschadet der §§199 und 201 am 1. Januar 1977 in Kraft, soweit die Absatze 2 und 3 nichts anderes bestimmen. (2) 1. Am 1. Januar 1980 treten folgende Vorschriften in Kraft: §37 § 39 Abs. 1 § 41 Abs. §42 § 149 Abs. 1 § 162 Abs. 1 2., 3. (aufgehoben)
- Arbeitszuweisung - Freies Beschaftigungsverhaltnis - Zustimmungsbedurftigkeit bei weiterbildenden MaBnahmen - Freistellung von der Arbeitspflicht - Arbeitsbetriebe, Einrichtungen zur beruflichen Bildung - Beirate-.
(3) Durch besonderes Bundesgesetz werden die folgenden Vorschriften an inzwischen vorgenommene Gesetzesanderungen angepaBt und in Kraft gesetzt: § 41 Abs. 3 §45 §46 §47 §49 §50 § 65 Abs. 2 Satz 2 § 93 Abs. 2 § 176 Abs. 2 und 3 §189 § 190 Nr. 1 bis 10 und 13 bis 18, §§ 191 bis 193
- Zustimmungsbedurftigkeit bei Beschaftigung in Untemehmerbetrieben - Ausfallentschadigung - Taschengeld - Hausgeld - Unterhaltsbeitrag- Haftkostenbeitrag - Krankenversicherungsleistungen bei Krankenhausaufenthalt - Inanspruchnahme des Hausgeldes - Ausfallentschadigung und Taschengeld im Jugenstrafvollzug - Verordnung iiber Kosten -
-
Sozialversicherung - .
(4) Uber das Inkrafttreten des §41 Abs. 3 - Zustimmungsbedurftigkeit bei Beschaftigung in Untemehmerbetrieben - wird zum 31. Dezember 1983 und iiber die Fortgeltung des § 201 Nr. 1 - Unterbringung im offenen Vollzug - wird zum 31. Dezember 1985 befunden. § 199. Ubergangsfassungen. (1) Bis zum Inkrafttreten des besonderen Bundesgesetzes nach § 198 Abs. 3 gilt folgendes: 1 .-5. (vom Abdruck wurde abgesehen) 6.
(aufgehoben)
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Gesetzestext: Strafvollzugsgesetz
(2) Bis zum 31. Dezember 2002 gilt § 9 Abs. 1 Satz 1 in der folgenden Fassung: "Ein Gefangener soil in eine sozialtherapeutische Anstalt verlegt werden, wenn er wegen einer Straftat nach den §§174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches zu zeitiger Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden ist und die Behandlung in einer sozialtherapeutischen Anstalt nach § 6 Abs. 2 Satz 2 oder § 7 Abs. 4 angezeigt ist." § 200. Hohe des Arbeitsentgelts. Der Bemessung des Arbeitsentgelts nach § 43 sind 9 vom Hundert der BezugsgroBe nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch zu Grunde zu legen. § 201. Ubergansbestimmungen fur bestehende Anstalten. Fiir Anstalten, mit deren Errichtung vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begonnen wurde, gilt folgendes: 1. Abweichend von § 10 dtirfen Gefangene ausschlieBlich im geschlossenen Vollzug untergebracht werden, solange die raumlichen, personellen und organisatorischen Anstaltsverhaltnisse dies erfordem. 2. Abweichend von § 17 kann die gemeinschaftliche Unterbringung wahrend der Arbeitszeit und Freizeit auch eingeschrankt werden, wenn und solange die raumlichen, personellen und organisatorischen Verhaltnisse der Anstalt dies erfordem; die gemeinschaftliche Unterbringung wahrend der Arbeitszeit jedoch nur bis zum Ablauf des 31. Dezember 1988. 3. ^Abweichend von § 18 dtirfen Gefangene wahrend der Ruhezeit auch gemeinsam untergebracht werden, solange die raumlichen Verhaltnisse der Anstalt dies erfordem. ^Eine gemeinschaftliche Unterbringung von mehr als acht Personen ist nur bis zum Ablauf des 31. Dezember 1985 zulassig. 4. Abweichend von § 143 Abs. 1 und 2 sollen Justizvollzugsanstalten so gestaltet und gegliedert werden, daB eine auf die Bediirfhisse des einzelnen abgestellte Behandlung gewahrleistet ist und daB die Gefangenen in tiberschaubaren Betreuungs- und Behandlungsgruppen zusammengefaBt werden konnen. 5. Abweichend von § 145 kann die Belegungsfahigkeit einer Anstalt nach MaBgabe der Nummem 2 und 3 festgesetzt werden. § 202. Freiheitsstrafe und Jugendhaft der Deutschen Demokratischen Republik. (1) Fiir den Vollzug der nach dem Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik gegen Jugendliche und Heranwachsende erkannten Freiheitsstrafe gelten die Vorschriften fur den Vollzug der Jugendstrafe, fiir den Vollzug der Jugendhaft die Vorschriften iiber den Vollzug des Jugendarrestes. (2) Im iibrigen gelten fur den Vollzug der nach dem Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik rechtskraftig erkannten Freiheitsstrafe und der Haftstrafe die Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes liber den Vollzug der Freiheitsstrafe.
wird durch besonderes Bundesgesetz in Kraft gesetzt (vgl. § 198 Abs. 3).
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Sachverzeichnis
Abolitionismus 1 Abschiebungshaft 67, 762, 890 ff. Absonderung713 Adaptationsmechanismen 217 f. Aids-Problematik 639 Aids-Test 726a Akteneinsicht 931 Akzessorietatsgrundsatz 720 Altanstalten 83 AltenstrafvoUzug 64 Alternativentwurf 1973 130, 156 Alternativen zur Freiheitsstrafe 2 ff. Amsterdamer Zuchthaus 93 Amtshaftungsanspruch 389a, 568 Anfechtungsantrag 772, 791, 794, 814 Angemessene Beschaftigung 410 Angleichungsgmndsatz 135, 202, 205f., 388,395,451,484, 863 Anklopfen an Haftraumtiire 395 Annexantrag 773 Anstaltsarzt 256, 280 ff., 637 f, 716, 724 ff., 736, 922 Anstaltsbeirat 251, 296 ff., 495, 750, 757, 782 Anstaltsformen 51, 56 ff. Anstaltskonferenz 261, 269 Anstaltsleiter 45, 256, 260 ff, 715, 737, 754 - Allzustandigkeit 263 - Delegation 264 - Fachaufsicht 277 - Strafrechtliche Haftung 259, 564 ff. Anstaltsordnung 248, 696 Anstaltspersonal 251 ff. - Strafrechtliche Haftung 259 Anstaltssicherheit 246, 695
Antifolterausschuss 30, 495 Antrag auf gerichtliche Entscheidung 758 ff. Antragsbefugnis 779 ff. Antragsform 792 f. Antragsfrist 794 Antragsprinzip 759, 802 Arbeit 383, 385, 397 ff. Arbeitsentgelt 447 ff., 850 Arbeitsentlohnung 440 ff. - Monetare Komponente 447 ff. - Nicht monetare Komponente 455 ff Arbeitslosenversicherung 482 Arbeitslosigkeit 461 Arbeitspflicht50,401 - Freistellung 413 ff., 436 Arbeitstherapeutische Beschaftigung 402,411 Arbeitsurlaub 456b Arbeitszeit 385 Arrest 742 Aufklarungsphilosophie 98 Aufnahmedurchfiihrung 319 Aufnahmeersuchen 308 Aufhahmeuntersuchung 319 Aufnahmeverfahren 318 ff. Aufhahmeverhandlung 318 Aufsichtsbehorde 252 ff., 755 Ausbildung 397 Ausbildungsbeihilfe 459 Ausfallentschadigung 460 Ausfuhrung 525, 529, 532 Ausgang525, 530, 531 Ausgleichsentschadigung 458 ff. Auslander 75, 339 ff. Auslieferungshaft 67, 895 f. Aussagefreiheit 734
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Sachverzeichnis
AuBenbeschaftigung 420, 525, 526 B Bauweise 374 Begnadigung 662 ff., 847 Behandlung - BegriffSl, 158 ff., 573 - Fehlende Mitwirkungsbereitschaft 239 - Methoden 163 f. - Mitwirkung des Gefangenen 237 ff, 574 Behandlungsgruppen 576 ff. Behandlungskonferenz 269, 332 Behandlungsplan 338 Behandlungsuntersuchung 323 ff, 575, 601 Bekenntnis 631 Bekleidung319, 640 Belegung 33, 374 ff. Beratungshilfe 817 Beschaftigungsarten 402 ff. Bescheidungsbeschluss 815 Beschleunigimgsgebot 828 Beschwerderecht 754 Besitz von Gegenstanden 390, 617 ff., 699 Besserungsvollzug 99 Besuch485, 506ff. - Abbruch512 - Durchsuchung 510 - Partnerbesuch 520 ff - iJberwachung 511 - Verbot508f Beteiligtenfahigkeit 798 Betreuungsgruppe 380 Beurteilungsspielraum541 ff., 606, 811 f. Bewahrungshelfer 675 Bildung - Bemfliche 427 ff. - Schulische 434 Briefgeheimnis 489 Bundesgerichtshof 823 Bundeslander 32 ff.
Bundesratsgrundsatze 113 Biirgerbeauftragter 846a D Datenschutz 899 - Akten 927, 929,931,935 - Aufklamngspflicht 933 - Auskunft 930, 935 - Dateien926 - Erforderlichkeitsprinzip 910 - Erhebung906,912ff. - Hinweispflicht 932 - Kontrolle936 - Loschung 928 - Nutzung917 - Offenbarungspflicht 921 - Personenbezogene Daten 903 - Speicherung 925 ff - Unterrichtungspflicht 934 - Verarbeitung916 - Weitergabe 925 - Zweckbindung 907 Datzenschutzbeauftragter 495, 936 DDR 15, 131 ff. Deprivationsmodell 223 Diagnose, psycho-soziale 324 ff. Dienstaufsichtsbeschwerde 756 Dienst- und Sicherheitsvorschriften 35 Dienst- und Vollzugsordnung 124 ff. Differenzierungsprinzip 54 f., 310 DisziplinarbefUgnis 737 DisziplinarmaBnahmen 727 ff. - Allgemeine 740 - Arrest 742 - Schuldgrundsatz 739 - Spezielle741 - Voraussetzungen 728 ff. Disziplinarverfahren 733 ff. Drogenabhangigkeit 579 ff. Durchsuchung 510 - Entkleidung 704 - Haftraum703
Sachverzeichnis
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Evaluation 78 Eigenbetrieb 405 Eigengeld 475 ff., 699 - Freies476 - Gesperrtes 477 Eingriffe, korperliche 725 f. Einkauf 467, 642 Einstweilige Anordnung 826 Einweisungsanstalt (-abteilung) 57, 313,316 Einzelfallregelung 770 Einzelhaft713 Einzelhaftsystem 101 Einzelunterbringung 387 Elektronischer Hausarrest 6 ff. Entbindungsabteilung 682 Entlassung 63, 651 ff - Arten652ff - Verhandlung 674 - Vorbereitung 649, 667 ff - Vorgang 674 Entlassungszeitpunkt - Anrechnung von Freistellungstagen 457 ff - Vorverlegung 457 Entziehungsanstalt 9, 866 f Erkennungsdienstliche MaBnahmen 319,706 Ermessensausiibung 546, 552, 807 ff Emahrung 633, 641 Ersatzanspriiche der Vollzugsbehorde 744 Ersatzfreiheitsstrafe 65 Erziehungsgedanke 851 Erziehungsmittel 851 Erziehungsvollzug 117 Erzwingungshaft 18, 67, 887 Europaische Konvention zum Schutze der Menschenrechte 25, 842 ff. Europaische Strafvollzugsgrundsatze 29 Europaische Ubereinkommen 30 Europaischer Gerichtshof fur Menschenrechte 495, 750, 842 ff. Europaisches Parlament 495
Fahrverbot 5 Faimessprinzip 806 Familienangehorige 490, 508, 520 ff Femgesprache 485, 504 Femsehempfang 615 f. Fesselung712 Festnahmerecht 708 Feststellungsantrag 778, 790, 794, 816 Flucht- oder Missbrauchsgefahr 358, 534, 549 Foderalismusreform 84 Folgenbeseitigungsantrag 773 Frankisches Recht 87 Frauenanstalt (-abteilung) 52, 62, 681 Frauenfreigang 686 Frauenstrafvollzug 679 ff. Freibemfliche Tatigkeit 423 Freibeweisverfahren 804 Freies Beschaftigungsverhaltnis 419, 480 Freigang 420, 525, 527 f. Freigang, unechter 409 Freigangerstatus 527, 673 Freigangerurlaub 673 Freistellung von der Arbeitspflicht 413 ff, 436, 456 - Anteilige416 - Fehlzeiten415 Freizeit 386, 438, 608 ff - Besitz von Gegenstanden 617 ff - Gestaltung 609 f. Fiihrungsaufsicht 676 G Geburt 682 Gefangene - Allgemeine Rechtsstellung 236 ff, 241 ff - Altersstruktur 74 - Angehorige 212, 367 - Anpassung an Institution 216 ff - Auslander 75, 339 ff.
622
Sachverzeichnis Haftfolgen 207 ff Haftkostenbeitrag 423, 470 ff Haftraum388ff - Durchsuchung 703 Hafturlaub 547 ff - Bemessung 554 - Dauer 553 - Missbrauch 560 ff - Riicknahme 557 - Strafrechtliche Haftung 563 ff. - Voraussetzungen 547 ff - Weisungserteilung 555 - Widerruf556 - Zivilrechtliche Haftung 568 ff. Halboffene Anstalt 60, 352 Hausgeld 466 ff. Hausordnung 266 Hilfstatigkeiten 412 Hochschulstudium 435 H6rfixnk615f
- Deliktsstruktur 76 - Drogenabhangigkeit 579 ff. - Einkiinfte 439 ff. - Haftdeprivationen 209 ff - Mitwirkung bei Behandlung 237 f - Pflichten 728 f - Privatsphare210 - Rechtsbeschrankungen 243 ff - Sexualkontakte 212 - Sicherheitsverlust 211 - Statuswandel208, 321 - Subjektstellung 238 - Zeitfaktor215 Gefangenenbefreiung 259b, 564 Gefangenenmitverantwortung 251, 299 ff, 782 Gefangenenpopulation 70 ff Gefangenenvereine 782 Gefangnisarchitektur 374 Gefangnisgesellschaften 106 Gefangniswissenschaft 107 Gegensteuerungsgrundsatz 135, 202, 207 Gemeines Recht 90 Gemeiimiitzige Arbeit 4 Gemeinschaft, problemlosende 167 ff Generalpravention 181 Geschlossener Vollzug 58, 350 ff, 527 Gesetzgebungskompetenz 14, 84 Gestaltungsentscheidungen 179 ff Gestaltungsprinzipien 135, 202 ff Gesundheitsftirsorge 280 ff, 635 ff, 922 Gewahrsam, personlicher 699 Gewaltmonopol, staatliches 43 Gewaltverhaltnis, besonderes 120, 124 Gnadenbegehren 662 ff, 847 Group counselling 577 Grundrechtseinschrankungen 243 f, 880 Gruppe 380 ff., 576
Jugendstrafe 9, 20, 189, 848 ff, 857h Jugendstrafvollzug 67, 848 ff - Aufgabe851 - Gesetzentwurf854, 857f - Gestaltungsregelungen851 - Herausnahme 852, 854 - Hereinnahme 852 - Rechtsschutz 855 f. - Reformversuche 857d - Verwaltungsvorschriften 849b
H Haftdeprivationen 209 ff
K Klassifikationsmerkmale 54, 314
I Individualisierung 309 ff Information 611 ff. Informationsfreiheit 24 Inpflichtnahme, soziale 146 Insassenrolle 225 f Institution, totale 203 Integrationsgrundsatz 135, 202, 234 f Integrationsmodell 223
Sachverzeichnis Klassifiziemng 309 ff., 689 Klosterhaft 88 Knastsprache 221 Kommerzialisierung 38 Kommissionsentwurf 128 Kontaktsperre 519 Kooperationsklausel 251, 268 Krankenpfleger 256, 280 Krankenversicherung 479 Kriminologischer Dienst 304 Krisenintervention 678 KSZE31 Kurzstrafige 328
Labeling approach 154 Ladung zum Strafantritt 307 Landergesetze 84 Langstrafenvollzug 1 Langzeitbesuch 522 Lebenslange Freiheitsstrafe 147, 186, 193,539,551,657,659 Lichtbilder 707 M MaBregeln der Besserung und Sicherung 16, 19, 858 ff. MaBregelvollzug 858 ff. Mediative Verfahren 3 Meinungsfreiheit 24, 497 ff. Menschenwiirde 1, 23, 142 f., 389 Militarischer Strafarrest 9, 21, 67 Mittelalter 89 Mutter-Kind-Einrichtungen 683 ff. Mutterschutz 682 N Nachsorge 678 Namensschild 396 Nationalsozialismus 121 f Nordamerikanische Systeme 101 ff. Normalitatsthese 154 O Oberlandesgericht 822 Offener VoUzug 59, 176, 350 ff., 528,
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671 Opportunitatsprinzip 738 Ordnungshaft 18, 67, 885 Organisationshaft 868 Organisationskonferenz 269
Padagogen 256, 284 Paketempfang 485 Partnerbesuch 520 ff. Petitionsrecht 846 Pfandungsschutz 454, 459, 464, 467, 473 f., 478 Pflichten des Gefangenen 728 f. Postverkehr 503 ff Prisonisierung 224 ff., 685 Privatisierung 38 ff. Problemlosende Gemeinschaft 162 ff. Prognoseentscheidung 535 Progressivsystem 103, 115, 116 ff. Proportionalitatsprinzip 694 Prozesskostenhilfe 817 Psychiatrisches Krankenhaus 9, 859 ff. - Entlassungsmoglichkeiten 864 - Landesrecht 861 - Rechtsweg860 - Unterbringung 862 - Vollzugsziel 859 Psychische Haftwirkungen 228 ff. Psychologen 256, 285 ff., 923
Querulantentum 751 R Raumlichkeiten 383 ff. Realakte 767 Rechtliches Gehor 805 Rechtsberatung 760 Rechtsbeschwerde 819 ff. Rechtsbeugung 566 Rechtsquellen, intemationale 25 ff. Rechtsschutz, gerichtlicher 758 ff. Rechtsschutzgarantie 746 Rechtsstaatsprinzip 22, 24, 41
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Sachverzeichnis
Rechtswegeroffhung 761 ff., 842 Rechtswegerschopfung 840 Rechtswegverweisung 766 Regelungswirkung 768 f. Regelvollzugsform 363 Regierungsentwurf 1972 128 Reichsratsgrundsatze 118 Reichsstrafgesetzbuch 111 Reisekostenbeihilfe 649 Religionsausiibung 622 ff. Rentenversicherung 479 Resozialisierungsfonds 648 Romisches Recht 86 Riickfallquote 78 Riicknahme 557 Riickverlegung in geschlossenen Vollzug 361 Ruhezeit 387
Schadenswiedergutmachung 3 Schikaneverbot 751 Schriftverkehr (-wechsel) 485, 488 ff - Anhalten von Schreiben 496 ff. - Uberwachung491 ff. - Untersagung 490 - Vollzugsintemer 502 Schuldenregulierung 648 Schuldschwere - Aussetzung des Strafrests 193 f. - Einschrankung des Vollzugsziels 185 ff - Gestaltungswirkung 184 ff. - Rechtsanwendung 191 ff. - Reflexwirkung 200 f., 540 Schuldverarbeitung 195 ff. Schulischer Unterricht 434 Schusswaffengebrauch 723 Schutz der Allgemeinheit 173 ff. Schwangerschaft 682 Seelsorger 256, 278 f., 623 Selbstbeschadigungen 230 Selbstbeschaftigung 423 ff Selbstverantwortungsprinzip 692 Sexualkontakte 520 ff.
Sexualstraftater 48, 598 ff. Sexueller Missbrauch von Gefangenen 259a Sicherheit und Ordnung 391, 691 ff. Sichemngshaft 18, 67, 886, 891 Sicherungsklausel 173 SicherungsmaBnahmen701 ff. - Allgemeine 702 ff. - Besondere 709 ff. Sicherungsverwahrung 869 ff. - Anordnungsvoraussetzungen 875 - Nachtragliche Anordnung 876 - Unterbringungsziel 871 - VoUstreckung 874c - VoUzug 872 ff. - Vorbehaltene Anordnung 876a Sichtspion 396 Silent-system 102 Solitary-system 101 Sonderurlaub 588, 672 Sozialarbeiter 256, 288 ff., 923 - Rollenkonflikte 292 Soziale Hilfe 643 ff Soziales Training 166 f. Sozialhilfe 459 Sozialisation 140 Sozialpadagogen 258, 288 ff., 923 Sozialstaatsprinzip 22, 41, 48, 142, 145 f., 643 Sozialstab 275 ff. Sozialtherapeutische Anstalt 61, 582 ff. - Behandlungsmethoden 585 ff. - Riickverlegung 594, 605 ff. - Sexualstraftater 598 ff. - Verlegungsvoraussetzungen 589, 599 ff. - Wirkungsanalysen 595 ff. Sozialtherapie 164, 582 ff., 585 ff., 604 Sozialversicherung 422, 479 ff. Spataussiedler 220a Speisevorschriften 633 Spezialpravention 181 Spritzentausch 580a
Sachverzeichnis Spruchreife 815 Statusentscheidungen 179 ff. Stigmatisierungsprozesse 314 Strafantritt 208, 307 f. Strafentlassenenhilfe 677 Strafrestaussetzung zur Bewahrung 654 ff., 675 Strafvereitelung 565 Strafvollstreckung 10 ff., 747 Strafvollstreckungskammer 312, 658, 751,758,785, 832 ff. Strafzwecke, allgemeine 178 ff. Stufenstrafvollzug 120 Subkultur219ff.,223 Subsidiaritatsprinzip 693, 721 Substitutionsbehandlung 580c Suizidale Handlungen 230 Surrogatsleistungen 459 ff.
Tagesphasen384 Taschengeld461 Tater-Opfer-Ausgleich 3, 168 ff. Tatowieren 222a Telegramme 485, 504 Terroristische Vereinigung 494, 514 Therapeutische MaBnahmen 572 ff. Trennscheibe 515 ff. Trennungsprinzip 52 f, 107, 310, 681, 852, 880 U Uberbelegungsverbot 377 Uberbriickungsaufenthalt 678 Uberbriickungsbeihilfe 649 tiberbriickungsgeld 473 f. Ubergangsregelungen 81 Ubergangsvollzug 63 Uberstellung371,787 tjberstellungsubereinkommen 346 Ubiquitatsthese 154 Unbestimmter Rechtsbegriff 541, 811 f., 837 Unfallversichemng 481 Unmittelbarer Zwang 717 ff., 850 Unterbringung 348 ff., 705
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Unterhaltsbeitrag 469 Unterlassungsantrag 777, 794 Untemehmerbetrieb 406 Untersuchungsgrundsatz 803 Untersuchungshaft 18, 67, 878 ff.
Veranstaltungen, religiose 626 ff Verdingungsverbot 408 Verfahrensbevollmachtigter 760 Verfahrenskosten 817 Verfahrensprinzipien 802 ff. Verfassungsbeschwerde 839 ff. Verfassungsrechtliche Grundlagen 22 ff. Verfiigungsgnmdsatz 802 Vergleichsabschluss 802, 802a Verhaltenstypen, soziale 225 f. Verhaltensvorschriften 697 ff. VerhaltnismaBigkeitsgrundsatz 694, 714,722 Verlegung315,364ff.,787 - Voriibergehende 787 Verlegungskarussell 705a Verpflichtungsantrag 774, 789, 794, 815 Verschubung 372 Verteidiger 493, 513 f., 735, 817 Vertrauensschutz 147, 394, 621 Verwaltungsdienst 256, 270 Verwaltungsvorschriften 20, 35 ff. Volksvertretungen 495 Vollstreckung gerichtlicher Entscheidimgen818, 838 Vollstreckungsplan 311 Vollstreckungstransfer 347 VollverbtiBer 676 Vollzugsaufgaben 134 ff. - Schutz der Allgemeinheit 173 ff. VoUzugsbedienstete 267 ff. VoUzugsdienst, allgemeiner 256, 271 ff. Vollzugsgemeinschaften 34, 681 VoUzugsgeschaftsordnung 35 Vollzugshelfer, ehrenamtliche 251, 293 ff., 782
626
Sachverzeichnis
Vollzugskonferenz 269 VoUzugskosten 472 Vollzugslockerungen 176, 342, 524 ff., 670 - Entlassungsvorbereitung 670 - Missbrauch 560 ff. - Riicknahme 557 - Strafrechtliche Haftung 563 ff - Voraussetzungen 533 ff - Weisungserteilung 555 - Widerruf556 - Zivilrechtliche Haftung 568 ff VoUzugsmaBnahme 767 Vollzugsplan 329 ff Vollzugspopulation 70 ff VoUzugsstab 255 ff Vollzugsziel 134, 136 ff, 342 - Begrenzungsfunktion 156 - Geltungsbereich 147 - (Re-)Sozialisierung 137 ff - Schuldschwereerwagungen 185 ff - SozialeKompetenz 153 - Soziale Verantwortung 152 - Verfassungsrechtliche Grundlagen 22, 142 ff - Vorrang 148 - Zielpluralitat Vorbereitungshaft 890 Vorbestraftenquote 78 Vorlaufiger Rechtsschutz 826 ff Vomahmeantrag 775, 789, 794, 797,
815 Vorverfahren 783 f. W Weiterbildung 397, 438, 610 Weltanschauungsgemeinschaften 631 Werkdienst 256, 274 Widerruf556,620 Widerspmchsverfahren 783 f. Wiederaufiiahme in den Vollzug 678 Wiederaufhahmeverfahren 824 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 795 f Wirtschaftlich ergiebige Arbeit 403 Wohlfahrtspflege251 Wohngruppe381,782
Zeitungs-(Zeitschriften-)bezug 611 ff Zeugnisse 436 Zivilhaft 885 ff. Zuriickstellung von der Strafvollstreckung 39, 581,661 Zustandigkeit, gerichtliche 785 ff. Zustimmung des Gefangenen 354, 408, 533, 548 Zwangshaft 18, 67, 887 ZwangsmaBnahmen, arztliche 724 ff. Zwischenhaft 884