Staff Caine
Ren Dhark
Heft Nr.: 78
SOS aus dem Spiralarm
V1.0
scanned by: ichnein
kleser: madraxx
Ren Dharks...
41 downloads
200 Views
339KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Staff Caine
Ren Dhark
Heft Nr.: 78
SOS aus dem Spiralarm
V1.0
scanned by: ichnein
kleser: madraxx
Ren Dharks Welt
Im Jahre 2050 ist die politische Lage auf der Erde ausgeglichen, jedoch die Erde ist überbevölkert. Da startet der erste Kolonistenraumer »Galaxis« mit 50.000 Kolonisten an Bord zur Fahrt in den Weltraum, um neue Siedlungsräume zu suchen. Durch einen Defekt im Antrieb geraten die Kolonisten in einen unbekannten Teil der Milchstraße und wissen nicht mehr, wo sich die Erde befindet. Sie gelangen zu einem bewohnbaren Planeten, den sie »Hope« nennen, gründen hier die Stadt »Cattan« und entdecken auf einer großen Insel Spuren einer hochentwickelten Kultur. Die Insel wird »Deluge« genannt. Ren Dhark, den man zum Stadtpräsidenten gewählt hat, findet in einer riesigen Höhle auf Deluge ein Raumschiff der Ureinwohner, der Mysterious, das von ihm den Namen »Point Of« erhält. Es gelingt Ren Dhark, die Point Of startklar zu machen, und er bricht auf, um die Erde wiederzufinden. Die Suche führt schließlich zum Erfolg. Jedoch die Menschen auf der Erde sind von einer Invasorenrasse, den »Giants«, überfallen und geistig versklavt worden. Ren Dhark versucht, sie zu befreien. Es gelingt ihm, nach einem mentalen Kampf die Führungsspitze der Eindringlinge, »Cal« genannt, festzunehmen. Sie wird erst wieder freigelassen, nachdem sie das Geheimnis verraten hat, wie man die Menschen wieder zu normalen Erdbewohnern machen kann. Es geschieht mit Hilfe eines Gehirnwellensenders durch Bestrahlung. Die Menschen wachen aus ihrem Trancezustand auf, und die Giants verschwinden von der Erde. Im Brana-Tal befindet sich die »Cyborg«-Station. Dort sind die Wissenschaftler unermüdlich am Werk. Man unternimmt interessante Experimente auf dem Gebiet der Cyborg-Forschung. Die ersten Cyborgs haben bereits ihre Feuerprobe bestanden. Ren Dharks größtes Ziel ist es jetzt, die neue Heimatwelt der Mysterious, der Ureinwohner Hopes, zu finden. Auf einigen fremden Sonnensystemen trifft er auf Spuren der Geheimnisvollen, doch nie die Mysterious selbst. Plötzlich taucht eine riesige Flotte von 20.000 Ringraumern vor Terra auf. Es sind jedoch wiederum nur Robotschiffe. Fast 4000 von diesen »Point Of's« können die Terraner in ihren Besitz bringen. Bei der Verfolgung eines großen Pulks der abgedrehten Ringraumer stößt Ren Dhark mit dem Flaggschiff der Terranischen Flotte, der »Point Of«, auf eine Sternenbrücke von 9 Sonnen. Er glaubt sich am Ziel seiner
langen Suche. Doch er trifft nicht auf Mysterious, sondern auf die Schwarzen Weißen, die er schon von Hidplace kannte. Ren Dhark lernt eine unfaßbare Technik kennen, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt.
Ren Dhark
SOS aus dem Spiralarm
Staff Caine
Nogk II hatte sich verändert. Colonel Huxley und seine Männer sahen es ganz deutlich. Über dem 2. Planeten der blaugrünen Sonne Tantal wehte ein Hauch von Zerfall und Tod. Unwillkürlich ging Huxley ein paar Schritte durch den rotgelben Sand dieser heißen, trockenen Welt. Unter seinen Schritten wirbelten kleine Staubwolken empor, hingen eine Weile als gelbliche, durchsichtige Schwaden in den grellen Strahlen der Sonne Tantal und sackten schließlich wieder zu Boden. Lautlos, gespenstisch, wie alles auf diesem Planeten. Der Colonel drehte sich zu seinen beiden Offizieren herum. »Prewitt, Maxwell, verstehen Sie das?« Die beiden Männer schüttelten ihre Köpfe. »Nein, Sir. Absolut nicht!« erwiderte schließlich Maxwell, früher Sergeant auf dem Forschungsraumer FO I, jetzt Zweiter Offizier. Lee Prewitt, I. O. der FO I, deutete auf die halbzerstörten, zerfallen wirkenden gigantischen Mauern der früheren Ringstadt der Nogks. »Das könnten Spuren der Kämpfe zwischen den Nogks und den angreifenden Nor-ex sein, von denen Sie erzählt haben! Ich habe am eigenen Leibe zusammen mit den Männern unseres Schiffes zu spüren bekommen, wozu die Nor-ex imstande sind. Im Karmin-Universum haben wir dann später noch manche andere Probe von den Möglichkeiten dieser Hyperraumwesen bekommen. Aber der Kampf ist vorbei, der Pakt, den Dhark mit dem Nor-ex geschlossen hat, erstreckt sich auch auf die Nogks. Sie hätten also mit dem
Wiederaufbau ihrer Städte längst beginnen, ihre angeschlagene Flotte wieder in Schuß bringen können. Auf diesem Planeten und in dieser Stadt müßten überall die Spuren neuer Aktivität zu finden sein. Statt dessen ...« Der I. O. schüttelte abermals den Kopf. »Statt dessen überall nur halbzerfallene oder gar völlig zerstörte Städte. Von den Nogks selbst keine Spur. Bis auf jene Warnung, deren Ursprung sich nicht einmal lokalisieren ließ!« Huxley nickte. Prewitt hatte eben nur das ausgesprochen, was alle Männer an Bord der FO I dachten. Seit Wochen, seit ihrer Rückkehr aus dem Karmin-Universum. »Sir?« »Ja, Maxwell? Was ist?« Huxley wandte sich zu seinem II. O. herum. »Steht eigentlich fest, daß vor unserem Einbruch ins Karmin-Universum mit der WEGA auf Nogk II noch Prallschirme standen? Präziser gefragt: Prallschirme der Nogks?« Colonel Huxley ruckte unwillkürlich herum. Über seiner Nasenwurzel bildeten sich zwei steile, scharfe Falten. »Teufel, wie kommen Sie darauf, Maxwell? Ich habe doch deutlich gesehen, daß ...« Huxley unterbrach sich. Ein jäher Gedanke durchzuckte ihn. Er dachte plötzlich an die abgelenkten To-Funk-Strahlen. In seiner Erinnerung entstand wieder das Bild der leicht schimmernden, verschwommenen Halbkugeln, die er ohne weiteres für Prallschirme der Nogks angesehen hatte, während sein Hauptaugenmerk sich auf das über der Sonne Tantal und dem innersten Planeten stehende Nor-ex richtete. Erinnerte sich daran, wie der innerste Planet, jene Höllenwelt aus Hitze und erbarmungsloser Strahlung, plötzlich das Nor-ex angriff. Mit Mitteln, die weder er noch irgendein Mann seiner damaligen Besatzung kannte. Das Ende des Kampfes hatte
keiner von ihnen mehr erlebt, weil ihr Schiff ins KarminUniversum hineingesogen wurde ... »Maxwell, Sie könnten recht haben! Zum Donnerwetter, daß ich darauf noch gar nicht gekommen bin!« Er winkte ab, als Prewitt eine Frage stellen wollte. »Sie können davon nichts wissen, Prewitt!« sagte er nur kurz. »Maxwell hatte das Glück, durch einen Zufall nicht an Bord der FO I zu sein, als das Schiff von den Nor-ex entführt wurde. Genau wie ich. Ihnen fehlt seit Ihrem Verschwinden von Hope damals unendlich viel, das läßt sich nicht in drei Worten erklären!« Der Colonel drehte sich abrupt herum. Der nachdenkliche Ausdruck verschwand schlagartig aus seinen Zügen. Er griff nach seinem Vipho, das er stets auf der Brust seiner grauen, völlig schmucklosen Uniform trug. »Kommandant an Zentrale. Boot eins startklar machen. Sergeant Cooper und drei Mann gehen an Bord. Die FO I bleibt liegen, wo sie ist. Alarmstufe I. Erkinsson, Sie übernehmen das Kommando. Halten Sie ständig die Bordfrequenz, To-Funk und die nogkschen Detektoren besetzt. Sollte etwas Unvorhergesehenes passieren, werden wir auf einer dieser drei Wellen immer noch Verbindung bekommen. Wir fliegen mit dem Boot in die Ringstadt! Ende!« Chief Erkinsson nickte. »O. k., Colonel«, knurrte er, während er bereits die notwendigen Anweisungen an Cooper und seine Truppe gab. Von dem gut 200 Meter langen Spindelkörper der FO I drang helles Triebwerkssingen an ihre Ohren. Unwillkürlich drehten sich die drei Männer herum. Sie sahen gerade noch, wie sich aus dem Bootsdeck des ehemaligen Forschungsraumers der blitzende Punkt eines Beibootes löste. An den aufwirbelnden Sandfontänen und den ausgefahrenen Stabilisierungsflächen erkannten sie, daß Sergeant Cooper die schwenkbaren Turboaggregate benutzte. Eine Einrichtung, die
jedem Beiboot genau wie der FO I innerhalb von tragfähigen Planetenatmosphären zur Verfügung stand und besonders den Beibooten Flugeigenschaften verlieh, deren Skala vom hyperschnellen Jet bis zum Helikopter reichte. Trotz der Umrüstung seines Raumers auf Nogk-Technik hatte Huxley auf diese Möglichkeit nicht verzichtet, weil die Turboaggregate sich speziell bei Unternehmungen innerhalb von Planetenatmosphären immer wieder bewährt und ihm und seinen Männern oft genug entscheidende Vorteile verschafft hatten. Denn die Konstruktion jener Aggregate machte in ihrer Funktion keinerlei Unterschied zwischen giftigen und ungiftigen, zwischen stabilen und hochexplosiven Gashüllen ... Wenig später nahm das Beiboot Huxley und seine beiden Offiziere auf. Gleich darauf peitschten seine Triebwerke den Sand zu gigantischen Fontänen empor, hinter dessen rotgelben Schwaden sich die Sonne Tantal verfinsterte. Colonel Huxley und seine Männer starrten durch die großen Direktsichtscheiben der Bugkanzel den kegelförmigen Riesenmauern der Ringstadt entgegen, die mit jeder Sekunde größer und größer vor ihnen aufwuchsen. Huxley spürte plötzlich, wie ein Schauder über seinen hageren Körper lief. Irgend etwas in seinem Innern signalisierte ihm die drohende Gefahr, die von der Nogk-Stadt auf sie zukam. »Cooper, umfliegen Sie die Ringstadt. Gehen Sie nicht dichter heran, als notwendig ist, um Einzelheiten zu erkennen. Dann sehen wir weiter!« Der Sergeant nickte. Huxley registrierte die fragenden Blicke von Prewitt und Maxwell, aber er sagte nichts. Statt dessen hefteten sich seine Blicke auf die hoch in den grünlichen Himmel ragenden Ruinen der Nogk-Stadt. Flüchtig schätzte er ihren Durchmesser auf ungefähr fünf Kilometer, die Höhe der Ringmauern auf knapp tausend Meter. Sie sah aus wie das Fragment eines gigantischen Kegelstumpfes mitten in einer trostlosen, völlig vegetationslosen
Wüstenlandschaft, über der die Luft unter den sengenden Strahlen Tantals flimmerte. * Marschall Bulton wälzte sich unruhig auf seinem Lager hin und her. Es war eine der wenigen Nächte, die er in den letzten Jahren in seinem Bungalow außerhalb des Komplexes von Cent Field verbrachte. Er wollte endlich einmal ein Wochenende ausspannen, wollte wenigstens für ein paar Stunden von dem ganzen hektischen Getriebe auf dem gewaltigen Raumhafen nichts mehr sehen und hören. Marschall Bulton wußte, daß seine Nerven dringend eine Ruhepause brauchten. Aber er fand auch in dieser Nacht keinen Schlaf. Schließlich richtete er sich ruckartig auf und schaltete das Licht in seinem Schlafzimmer ein. »Ich sollte endlich einmal zu Dr. Sarano gehen!« murmelte er, während er noch unschlüssig in das weiche Licht der Lampen blinzelte. »So geht das auf keinen Fall mehr weiter! Woche um Woche, Monat um Monat und Jahr für Jahr diese ständigen Aufregungen! Ich möchte bloß wissen, wie Dhark und seine Leute das aushalten!« Er ging ins Wohnzimmer hinüber und ließ sich in einen der bequemen Schalensessel fallen. »Ich sollte einen Cool trinken!« murmelte er. Noch unschlüssig wanderten seine Blicke zu der bauchigen Flasche hinüber, die in einer blitzenden Kühlspirale über der kleinen Hausbar hing. Gerade wollte er aufstehen, als ein helles, scharfes Singen die nächtliche Stille seines Hauses zerriß. Marschall Bulton zuckte zusammen. Unwillkürlich runzelte er die Brauen. Dieses Geräusch kannte er nur zu gut. Mit einer blitzartigen Bewegung und plötzlich hellwach
stemmte er sich aus seinem Sessel empor und hastete mit einigen raschen Schritten zum großen, ovalen Fenster des Wohnraums hinüber. Das Singen wurde schärfer. Dann folgte das typische Drosselgeräusch eines zur Landung ansetzenden Jets, ein durch Mark und Bein gehendes Schrillen und Vibrieren. Marschall Bultons Augen verengten sich. An dem Geräusch erkannte er, daß der Jet in unmittelbarer Nähe seines Bungalows landen mußte, nahezu vor der Haustür. Also galt dieser nächtliche Besuch ihm! Marschall Bulton wartete nicht länger. Tausend Gedanken schossen durch sein Hirn. Was, zum Teufel, hatte das zu bedeuten? Warum schickte man einen Jet, anstatt ihn über Vipho zu informieren, ihn einfach anzurufen, falls es etwas Besonderes in Cent Field gab? Entschlossen stampfte er durch die Diele zur Haustür hinüber. »Wir werden sehen!« murmelte er, und seine buschigen Brauen zogen sich noch unheilvoller zusammen, während er die Frontstrahler seines Bungalows einschaltete. Als er die Tür öffnete, erkannte er sofort, daß er sich nicht geirrt hatte. Über dem Landeplatz auf der Rasenfläche seines Grundstücks hing der ovale Körper eines der schnellen Langstreckenjets. Bulton versuchte die Kontrollnummer der Maschine zu entziffern, aber es gelang ihm nicht. Inzwischen setzte der Jet auf. Mißtrauisch starrte der Marschall auf das sich fauchend öffnende Schott. Irgendwie überkam ihn plötzlich ein unbehagliches Gefühl. Ein Ziehen in der Magengegend, wie er es tausendmal schon verspürt hatte, wenn sich massiver Ärger anbahnte. Aber dann stutzte er. Ungläubig starrte er den Mann und das Mädchen an, die da mit schnellen Schritten über seinen Rasen direkt auf ihn zukamen. »Clint Derek, Tanja!« murmelte er entgeistert. Krampfhaft
versuchte er Ordnung in sein Denken zu bringen. Der ehemalige Jäger aus Alaska, spätere GSO-Agent, und seine junge, knabenhaft schlanke Frau waren keine Unbekannten für ihn. Mit beiden hatte er schon des öfteren zu tun gehabt. Aber wieso befanden sie sich denn überhaupt auf Terra? Wieso waren sie nicht mehr auf dem Planeten Orth, bei Ole Bigman und seinen Leuten? Deutlich erinnerte sich der Marschall an den Wirbel, den die Forderung Ole Bigmans, damals durch Clint Derek energisch unterstützt, verursachte, diesen nahezu idealen Siedlungsplaneten nicht zu erschließen, sondern Ole Bigman und seine verhältnismäßig kleine Gruppe sich selbst zu überlassen! Jene Männer, Frauen und Kinder, die energisch alle technische Hilfe ablehnten und das Leben von Wilden führten, denen sich Clint Derek und seine Frau freiwillig angeschlossen hatten ... Weiter kam er in seinen Gedankengängen nicht, denn die beiden traten auf ihn zu. Der erfahrene Marschall erkannte am Gesichtsausdruck Clint Dereks sofort, daß irgend etwas Ungewöhnliches geschehen sein mußte, das den Jäger veranlaßte, mitten in der Nacht hierher zu kommen. Clint Derek trat auf den Marschall zu. »Marschall, ich bedaure, daß ich Sie mitten in der Nacht ...« Bulton winkte ungeduldig ab. »Lassen Sie das, Derek! Egal, was Sie für eine Hiobsbotschaft bringen, ich freue mich, Sie nach all der Zeit wiederzusehen! Kommen Sie herein!« Impulsiv streckte er Tanja und Clint die Hand entgegen. Dann schob er die beiden jungen Menschen kurzerhand durch die Tür in die Diele und komplimentierte sie ohne viel Umstände ins Wohnzimmer. »Warten Sie einen Moment, ich muß meine Frau von Ihrem Besuch unterrichten und mir schnell etwas überziehen! In Gegenwart einer jungen Dame ist mein jetziger Aufzug doch
wohl reichlich unpassend!« Tanja schüttelte mißbilligend ihren Kopf, während der Marschall bereits im angrenzenden Schlafraum verschwand. »Der gute Bulton würde sich wundern, wenn er einmal zu uns nach Orth käme!« Clint Derek konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Gleichzeitig strich er seiner Frau zärtlich über die schmalen Schultern. »Allerdings würde er sich wundern, Tanja! Aber offengestanden sind mir unsere freien Sitten und Gebräuche auf Orth viel lieber als der ganze Zirkus dieser überzivilisierten Welt!« Doch dann wurde er unversehens wieder ernst, denn der Marschall kehrte zurück. Er trug einen leichten Sommeranzug und kam den beiden Dereks in diesem Moment beinahe wie ein Fremder vor. Denn wann auch immer sie ihn bisher gesehen oder mit ihm zu tun gehabt hatten: In seiner Uniform wirkte Bulton stets streng, unnahbar und zugeknöpft. Der Marschall ließ sich in dieser Nacht zum zweiten mal in einen seiner Sessel fallen. »Also, Derek, was gibt es, was führt Sie beide zu mir?« begann er dann ohne Umschweife. »Wir kommen aus den Kordilleren, Marschall. Genauer gesagt, aus dem Illampu-Massiv am Titicaca-See. Wir haben dort im Auftrag Ole Bigmans versucht, Eingeborene für Orth anzuwerben. Wie Sie wissen, haben die dortigen Indianer zum Teil sogar die Invasion der Giants ohne nennenswerte Schäden überstanden. Sie leben außerdem in 4000 Meter Höhe. Sie sind für Orth durch diesen Umstand und durch ihre auch heute noch äußerst einfache Lebensweise wie geschaffen ...« Marschall Bulton starrte den Jäger verständnislos an. Doch Derek beruhigte ihn mit einer beschwichtigenden Handbewegung. »Gleichzeitig haben wir mit dem Hookerschen Flugdozer,
der seit der Aktion Orth in einem Hangar Cent Fields herumstand und von mir nach Orth überführt werden soll, neben unserer Werbetätigkeit einige Schürfungen in den Anden vorgenommen. Ebenfalls im Auftrag von Ole Bigman, der dort von früher her noch Claims besitzt ...« Der Marschall schlug mit der flachen Hand auf die Lehne seines Schalensessels. »Derek, kommen Sie endlich zur Sache! Das ist doch nicht der Grund, warum Sie mich mitten in der Nacht aufsuchen!« »Im Illampu-Massiv, etwa in 6000 Metern Höhe«, fuhr Derek ungerührt fort, »fanden wir einen Nogkraumer! Das Schiff ...« Der Marschall sprang wie von der Tarantel gestochen aus seinem Sitz. »Einen was? Derek, sind Sie betrunken?« Der Jäger hatte sich ebenfalls erhoben. »Keineswegs, Marschall. Uns ist es nicht besser gegangen als Ihnen! Das Schiff liegt auf einem Felsplateau, 6000 Meter unter dem Gipfel. Sämtliche Schotts sind verschlossen, kein Schutz- oder Prallschirm ist aktiviert. Man kann ungehindert an den Raumer heran. Wir haben mit den Hydraulikarmen unseres Flugdozers gegen den Druckkörper gehämmert. Es muß im ganzen Schiff gedröhnt haben, wie in einer Glocke. Keine Antwort. Von den Nogks keine Spur, kein Zeichen. Mit dem Schiff stimmt etwas nicht, Marschall, zumal es ...« Der Marschall ballte seine Hände zu Fäusten. »Sie haben Spuren gesichert, Derek? Sie wissen wahrscheinlich ungefähr, wie lange der Nogkraumer dort schon liegt, oder?« Clint Derek nickte. »Das Schiff befindet sich seit höchstens drei Wochen dort. Die speziellen Einrichtungen des Dozers ließen eine genaue Analyse zu! Thermotest, Schneeproben, zerdrücktes Gestein ...« Bulton winkte ab.
»Bin im Bilde, Derek, kenne die Maschine.« Hinter seiner kantigen Stirn arbeitete es. »Wer weiß außer Ihnen davon, Derek?« »Niemand. Wir kommen gerade erst aus dem IllampuMassiv, Marschall, wir ...« Doch Bulton winkte abermals ab. Langsam ging er zum Fenster hinüber. Dann wandte er sich jedoch mit einem plötzlichen Ruck zu den beiden Dereks herum. »Sie wissen, daß Dhark irgendwo in der Galaxis festhängt? Daß von Huxley, der inzwischen seine FO I wiedergefunden hat und mit ihr bei den Nogks steckt, seit längerer Zeit jede Nachricht fehlt? Daß jeder Versuch, mit ihm Verbindung aufzunehmen, gescheitert ist? Daß auch die Nogks selbst auf keinen unserer Anrufe reagieren?« Er trat abermals auf die beiden Dereks zu. »Sie wissen, daß ich auf Dharks Handeln keinen Einfluß habe. Obwohl ich Dan Riker während seiner Abwesenheit in Cent Field vertrete. Es geht in der Galaxis etwas vor, Derek! Ich weiß nicht was, aber ich spüre, daß sich wieder etwas gegen uns zusammenbraut. Und ich stehe mit meiner Meinung nicht allein da. Janos Szardak, der mit seinem Geschwader von Ringraumern in Cent Field liegt, ist der gleichen Ansicht! Szardak ist einer unserer besten Männer, Derek, er hat das richtige Gespür für derartige Dinge!« Er sah die beiden an und biß nervös auf seinen Lippen herum. »Und jetzt liegt ein Nogkraumer im Illampu-Massiv am Titicaca-See! Vielleicht wollten sie zu uns, vielleicht brauchen sie Hilfe oder hatten eine Botschaft! Vielleicht befindet sich sogar Huxley an Bord dieses Schiffes!« Er packte den Jäger plötzlich am Arm. »Derek, Sie kennen die Nogks, Sie kennen die geradezu unglaubliche Technik ihrer Schiffe. Es muß etwas passiert sein, denn das Schiff liegt bestimmt nicht freiwillig dort oben!
Haben Sie irgendwelche Beschädigungen entdeckt, die auf Absturz oder Notlandung hinweisen?« Derek schüttelte den Kopf. »Nein, nichts, trotz aller Mühe! Es ist eins der 600-MeterKampfschiffe!« Der Marschall straffte sich. »Ich möchte das Schiff sehen, Derek! Wie lange brauchen wir dorthin? Wir müssen etwas unternehmen, und zwar sofort!« »In zwei Stunden wäre es zu schaffen, mit Umsteigen in den Dozer!« »Gut! Warten Sie hier, ich bin gleich fertig! Wenn Sie einen Cool mögen, gießen Sie sich einen ein und mir bitte auch!« Der Marschall verschwand. Aber schon nach wenigen Augenblicken war er wieder zurück. Diesmal trug er eine Uniform. Er schaltete das Vipho ein. Captain Patters, sein Adjutant in Cent Field, meldete sich. Fragend sah er den Marschall an. Aber der ließ ihm gar keine Zeit. »Patters, für die nächsten vier oder fünf Stunden erreichen Sie mich entweder auf der Jet-Frequenz, Jet Nummer ...«, er machte eine fragende Handbewegung zu Clint Derek hinüber und fuhr dann sogleich fort, »CF-0-7 oder auf den Bereichen des Hookerschen Flugdozers!« Er sah, wie Patters ihn entgeistert anstarrte. »Sir, pardon, auf den Bereichen des Hoo-« »Sie haben richtig gehört, Patters. Keine weiteren Fragen jetzt, alles andere später! Ende!« Trotzdem hätte der Marschall besser daran getan, seinem Adjutanten weitere Erklärungen zu geben, aber das konnte Bulton zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen. Schon Minuten später hob der Langstreckenjet von der kleinen, kreisrunden Landepiste vor dem Bungalow des
Marschalls ab und verschwand mit Kurs Süd in der sternklaren Nacht ... * Das Beiboot der FO I mit Huxley und seinen Männern umflog die Ringstadt. »Sehen Sie sich das an, Prewitt! Überall Spuren des Zerfalls, der Zerstörung!« knurrte er. »Diese Stadt würde jeder Archäologe für das Relikt einer untergegangenen Kultur halten, wenn ...« Ein Ruf Maxwells unterbrach ihn. »Da, Sir, sehen Sie!« Huxley blickte in die Richtung, in die sein Zweiter Offizier wies. Und dann sah er es auch. »Teufel!« murmelte er mit zusammengekniffenen Augen. Sekunden später hatte der Pilot des Beibootes, Sergeant Cooper, den blitzenden Gegenstand, der da vor ihnen im rotgelben Sand der Wüste lag, auf dem Tasterschirm. Ein schalenförmiges, gut fünfzig Meter langes Stück eines Druckkörpers. Unverkennbar von einem Raumschiff. Sergeant Cooper regulierte auf Höchstvergrößerung. Die Männer hielten plötzlich den Atem an. »Das Stück wurde aus einem Nogkraumer herausgerissen, Sir! Das ist ein Teil der Versorgungsschleuse eines der großen Kampfschiffe!« Die Stimme Maxwells vibrierte. Auch Huxley schluckte krampfhaft. Sein Zweiter Offizier hatte recht. Herausgerissen aus einem der riesigen Nogk-Kampfschiffe! Aus einem Raumer, der über eine Technik und Mittel verfügte, die ihn fast unüberwindlich machten. Fast! Dieses Wort schoß Colonel Huxley in dieser Sekunde siedendheiß durch sein Bewußtsein.
»Landen, Sergeant! Landen Sie genau neben dem Trümmerfragment!« Das Beiboot verlangsamte augenblicklich seine Geschwindigkeit. Die Turboaggregate schwenkten langsam herum, die flimmernde Luft unter ihnen zerriß. Und dann sahen die Männer plötzlich noch etwas. Von dem Trümmerfragment lief eine gläserne Spur in Richtung der Ringstadt. Hin und wieder markiert durch Fetzen verbogenen, zerrissenen Metalls. Als das Beiboot aufsetzte, verließen Huxley, Prewitt und Maxwell die Schleuse mit bleichen Gesichtern. Behutsam näherten sie sich dem tief im Wüstensand steckenden Stück des Druckkörpers. Erst jetzt bemerkten sie, daß es wesentlich größer war, als sie ursprünglich angenommen hatten. Colonel Huxley fuhr mit der Hand über die scharfen Bruch- und Rißkanten des Materials. Dann warf er einen Blick zur Ringstadt hinüber, die gespenstisch und still unter dem glasgrünen Himmel von Nogk II lag. Langsam drehte er sich zu seinen beiden Offizieren herum. »Wir werden jetzt zur Ringstadt hinüberfliegen. Und wir werden dort noch mehr finden, Schreckliches. Auf Nogk II hat während unserer Abwesenheit ein Kampf stattgefunden, wie wir ihn uns gar nicht vorzustellen vermögen!« Blitzartig schoß ihm die Erinnerung an den zweiten Planeten der teuflischen Sonne Mira ceti durch den Kopf. Auch dort nur noch ragende Fragmente einer gewaltigen Traumstadt, überall verstreut bis zur Unkenntlichkeit zerstörte Raumer verschiedenster Bauart. Er wußte nicht, wieso er gerade jetzt an diese Höllenszenerie dachte, der sie nur mit knapper Not wieder entronnen waren. Unwillig schüttelte er die Gedanken daran ab. Als letzter schwang er sich in die Schleuse des Beibootes. Nachdenklich ging er zur transparenten Bugkuppel hinüber. Einer plötzlichen Eingebung folgend rief er die FO I an.
»Chief, sofort Sperr- und Unsichtbarkeitsschirme aktivieren. Bleiben Sie liegen wo Sie sind, rühren Sie sich nicht ohne ausdrücklichen Befehl von der Stelle. Alarmstufe I unbedingt bestehen lassen! Ende!« Dann drehte er sich zu Sergeant Cooper herum. »Legen Sie die Steuerung zu mir herüber, Cooper. Sie übernehmen Ko-Funktion!« Huxley wußte nicht, was es war, aber sein sechster Sinn, der ihn noch nie getäuscht hatte, ließ ihn zu diesen Vorsichtsmaßnahmen greifen. Langsam hob das Beiboot ab. Huxley bemühte sich, so wenig Sand wie möglich aufzuwirbeln. Außerdem aktivierte er den Nogkmeiler des Raumantriebs so weit, daß er jederzeit in der Lage war, umzuschalten. Ein Aggregat, das mit terranischen Fusionsmeilern absolut nichts mehr gemein hatte, sondern auf der Basis komplizierter Gravo- und Feldstrukturen arbeitete. Erst nachdem auch der Unsichtbarkeitsschirm das Beiboot wie durch Zauberhand im flimmernden Glast der Mittagshitze verschwinden ließ, beschleunigte Huxley. Das Beiboot näherte sich der Ringstadt schnell. Je näher die Männer den gewaltigen Mauern aus jener schimmernden, glasartigen Substanz kamen, die die Nogks zu den meisten ihrer Bauten verwendeten, erkannten sie die Spuren der Verwüstung, die ein unsichtbarer, unbekannter Gegner an ihnen hinterlassen hatte. Huxley zog das Beiboot über den Außenring hinweg in das Innere der Stadt. Er war innerlich auf vieles gefaßt gewesen, aber nicht auf das Bild, das sich nun seinen Blicken bot. Unwillkürlich verriß er vor Schreck die Steuerung des Beibootes und streifte dadurch fast den der Außenmauer folgenden Innenring. Nur durch das blitzschnelle Reagieren des neben ihm sitzenden Sergeanten wurde ein Aufprall des Bootes vermieden.
»Danke, Cooper!« krächzte er nur, während er das Boot bereits so scharf abbremste, daß nicht einmal mehr die Andruckabsorber die plötzlich auftretenden Kräfte zu neutralisieren vermochten. »Heavens!« ächzte jetzt auch Maxwell, während der I. O. Prewitt stumm und steif in seinem Sitz hinter Huxley hockte. Vor ihnen im Innern der Ringstadt lagen die Wracks von drei Kampfschiffen der Nogks. Zwei wiesen nur mittlere Beschädigungen auf, wahrscheinlich hatten die unheimlichen Fremden sie bereits zerstört, noch ehe sie zu starten vermochten. Das dritte hingegen mußte mit geradezu unvorstellbarer Wucht in die Innenmauer der Stadt gerast sein. Die Trümmer seines völlig deformierten Rumpfes lagen fast über das ganze Innenareal verstreut unter den Strahlen der noch immer hochstehenden blaugrünen Sonne. Aber das war es nicht, was Huxley und seine Männer totenbleich und steif auf ihren Sitzen verharren ließ. Es waren vielmehr die toten Nogks, die da in den zerstörten Anlagen im Innern ihrer Stadt lagen. Ausgedörrt von der erbarmungslosen Sonne, vertrocknet und mumifiziert von der heißen Wüstenluft. Mit einem Ruck setzte Huxley das Boot auf einen der terrassenförmigen Wohnringe auf, die sich wie ein überdimensionales Amphitheater aus mehr als tausend Meter Höhe bis zum Boden hinabzogen. Huxley sprach als erster aus, was in diesem Moment alle im Beiboot der FO I dachten: »Das war kein Nor-ex! Die Nogks müssen hier von einem ganz anderen Gegner förmlich überrumpelt worden sein. Und eben das will mir nicht in den Kopf! Ich kenne ihre Technik, ich kenne ihre Vorsicht und ihre Art, sich gegen derartige Überfälle abzusichern.« Er schüttelte den Kopf, während sich seine Hände vor Erregung fast krampfhaft öffneten und schlossen.
Und wie kam es, daß die Nogks ihre Toten nicht in der üblichen Weise bestattet hatten? Er wußte, wie streng diese Rasse in dieser Beziehung mit ihren Bräuchen war. Es gab eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder hatte keiner der Nogks überlebt und der Planet war zur Zeit des Überfalls bereits verlassen gewesen, mit Ausnahme dieser drei Schiffe, oder die Nogks hatten fliehen müssen, und es gab für sie einen triftigen Grund, warum sie nicht einmal zurückkehrten, um wenigstens ihre Toten zu bestatten. Das aber würde bedeuten ... Huxley zuckte in jähem Erschrecken zusammen. DAS war es! Die Fremden waren noch hier! Er und seine Männer waren ahnungslos in eine Falle geraten, die jeden Moment über ihnen zuschnappen konnte! Er ruckte in seinem Sessel hoch, griff zum Vipho, wollte seinen Männern eine Erklärung geben – aber es war bereits zu spät. Die Fremden kamen nicht, sie waren plötzlich einfach da. Niemand vermochte sie zu erkennen, niemand vermochte zu sagen, wie sie eigentlich aussahen. Dunkle Schemen, Schatten verschiedener Größe, die plötzlich im Innern der Ringstadt hin und her huschten oder schwebten. Irgendwo neben den Wracks ein dunkler Fleck, ein Schemen oder Schatten, dessen Konturen sich nicht bestimmen, dessen Ausmaße sich auch nicht annähernd schätzen ließen. Und doch sahen die Männer im Beiboot deutlich, daß sich da jemand an den Wracks der Nogkraumer, an den Mauern und Anlagen der Stadt, ja sogar an den herumliegenden Toten zu schaffen machte ... Huxley spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Aber dann überwand er seinen Schreck, das Grauen, das ihn und seine Männer an diesem glasgrünen Mittag auf Nogk II ansprang. Instinktiv spähte er nach einer Deckung für das Beiboot. Langsam, so, als gelte es, jedes unnötige Geräusch zu
vermeiden, schaltete er auf den lautlos arbeitenden Nogkantrieb um, stutzte, und machte die Schaltung augenblicklich wieder rückgängig. Mit minimalstem Schub, ohne die Schemen aus den Augen zu lassen, manövrierte er das Beiboot mit den Turbotriebwerken hinter einen gewaltigen Mauervorsprung der geborstenen Terrasse. Dann schaltete er ab. Auf seiner Stirn stand der Schweiß in dicken Perlen. Sie konnten jetzt die Fremden nicht mehr sehen. Er hoffte, daß die Schemen sie noch nicht bemerkt hatten. Zwischen ihnen und den Wracks der Nogkraumer lagen Tausende von Metern. Und der Unsichtbarkeitsschirm des Beibootes. Huxley starrte seine Männer aus schmalen Augen an, während seine Gedanken und Empfindungen sich jagten. »Wir müssen näher heran! Zwei gehen. Ich und einer von Ihnen, Prewitt oder Maxwell. Das Los wird entscheiden!« Prewitt wollte protestieren, aber Huxley ließ ihn nicht zu Wort kommen. Er hatte inzwischen zwei Plastikstreifen unterschiedlicher Länge in seiner Linken verborgen und hielt sie Prewitt und Maxwell hin. Das Los fiel auf Maxwell. »Prewitt, Sie richten hier auf der Terrasse einen Beobachtungsposten ein, während Maxwell und ich in die Stadt hinabsteigen. Cooper und zwei Männer bleiben im Boot, bereit, sofort zu uns zu stoßen. Wenn wir innerhalb von fünf Stunden nicht zurück sind oder zumindest Nachricht über unseren Verbleib gegeben haben, kehren Sie zur FO I zurück. Mit den Turboaggregaten. Ebenso bewegt sich die FO I auf dem Planeten nur auf diese Art. Die Fremden haben möglicherweise ihre Warngeräte auf die unvermeidlichen Störungen innerhalb der Kraftlinien der Magnetfelder durch die nogkschen Antriebe einjustiert, um von den Nogks nicht überrascht zu werden! Denn daß die Nogks, falls es sie noch gibt, Vergeltung üben werden, versteht sich von selbst. Für den Fall, daß wir nicht zurückkehren, Prewitt, versuchen Sie,
sich mit der FO I nach Terra unter Anwendung aller Mittel durchzuschlagen!« Huxley erhob sich. »Kommen Sie, Maxwell!« Wenig später verließen die beiden Männer die Schleuse des Beibootes. Sie hatten Glück: Schon nach wenigen Metern fanden sie einen Einstieg in die Ringstadt. Und nach weiteren hundert Schritten durch die gewaltigen Umgänge im Innern der Mauern machten sie eine überraschende Feststellung. Obwohl die Stadt äußerlich einen völlig zerstörten Eindruck machte, funktionierte dennoch ein Teil ihrer Energieversorgung. Unwillkürlich blieb Huxley stehen. Seine Hände strichen über die glasige, selbstleuchtende Wandung des Umganges. »Merkwürdig, Maxwell! Fast könnte man meinen, die Nogks steckten doch noch irgendwo in oder unter den Mauern ihrer Stadt! Nun, wir werden sehen!« Huxley ging weiter. Geschmeidig, fast unhörbar auf seinen dicken Plastiksohlen. Über Maxwells Züge huschte ein Grinsen. Das war der alte Huxley, so, wie er ihn aus vielen Unternehmungen kannte. Wachsam, eiskalt und zum Äußersten entschlossen ... * Marschall Bulton zog fröstelnd die Schultern hoch, als er mit Clint Derek und Tanja zum Flugdozer hinüberlief. Es war kalt hier oben am Titicaca-See. Sein Blick streifte die fast nackten Indianer, die neben ihren Hütten standen und die Weißen aus ihren dunklen Augen anstarrten. Bulton hörte, wie Derek ihnen etwas zurief und registrierte aus den Augenwinkeln, daß einige von ihnen durch ein Handzeichen antworteten. Dann waren sie beim Flugdozer. Flüchtig musterte der Marschall die Maschine des verunglückten ProspektorEhepaares. Sie wirkte im fahlen Licht der ersten
Morgendämmerung wie ein bösartiges Insekt. Der gedrungene Druckkörper, von breiten Plastikraupen getragen, die glänzenden Hydraulikarme mit ihren gewaltigen Zangen, die sich aber jederzeit auch durch andere Werkzeuge ersetzen ließen, die riesigen Rotoren, die sich im Bedarfsfall völlig in den Druckkörper einfahren ließen. Ein Monstrum von Maschine, das sich sowohl auf dem Land wie in der Luft als auch auf dem Grund von Seen und Flüssen und sogar Ozeanen gleich gut zu bewegen wußte. Unterdessen hatte Clint Derek bereits den Öffnungsmechanismus der Steuerbordschleuse betätigt. Fauchend öffnete sich das außergewöhnlich starke Schott. Derek und seine Frau schwangen sich in die Schleuse. Gleich darauf streckten sie dem Marschall die Hände entgegen und zogen ihn mit einem Ruck zu sich herauf. Auf diese Weise konnten sie sich das Ausfahren der im Druckkörper verborgenen Stufen sparen. Derek ließ die Rotoren anlaufen, während Tanja bereits drei der metallisch wirkenden, flexiblen Schutzanzüge aus einem der Stauräume holte. Sie warf dem Marschall einen zu. »Ziehen Sie ihn an, Marschall! Auf dem Massiv werden Sie ihn brauchen. Die Luft ist dort oben verdammt dünn und eisig kalt!« Bulton nickte. Etwas ungewöhnlich zwar, wie die beiden mit ihm umsprangen, aber irgendwie tat es ihm gut. Trotz seiner Uniform fühlte er sich in diesem Augenblick zum erstenmal seit langer Zeit lediglich als Partner. Der Dozer hob an. Das lange gelbliche Riedgras wurde von den peitschenden Rotoren zur Seite gefegt und bildete unter der Maschine für wenige Augenblicke riesige, wirbelnde Kreise. Durch die großen Direktsichtscheiben der Kanzel sah der Marschall, wie die Ponchos und Yacollas der Indianermädchen und -frauen flogen. Der Dozer stieg rasch. Derek steuerte einen nordöstlichen Kurs. Nach einer Viertelstunde erschienen unter ihnen bereits
die ersten Schneefelder des Illampu-Massivs. Hinter ihnen lag die noch dunkle Fläche des Titicaca-Sees. Der Höhenmesser zeigte 5600 Meter an. Derek beschleunigte die Maschine abermals. Der Flugdozer stieg jetzt nahezu senkrecht empor, dicht vorbei an den graubraunen, schrundigen und zerklüfteten Felsen. Marschall Bulton, vor der Invasion der Giants selbst Kommandant eines Überwachungskreuzers der JupiterGruppe, bewunderte die Geschicklichkeit dieses ehemaligen Jägers. »Wie lange noch, Derek?« fragte er nach einer Weile mit einem Blick auf den Höhenmesser. Das Instrument zeigte 6500 Meter. »Zehn Minuten, Marschall! Der Nogkraumer liegt auf der anderen Seite des Gipfels auf einem Plateau in etwa 5000 Meter Höhe!« Minuten später überflog der Dozer den Gipfel des Illampu. Genau 6570 Meter zeigte der Höhenmesser. Derek zog die Maschine auf Nordkurs. Und dann sahen sie das riesige Schiff. Wie ein etwas zu lang geratenes Ei lag es im tiefen Schnee des Plateaus. Seine Oberseite war ebenfalls bereits von Schnee bedeckt. Der Marschall trat nervös von einem Fuß auf den ändern. »Donnerwetter!« murmelte er, während der Dozer dem Plateau entgegensank, »so groß, so mächtig hatte ich mir diese Nogkraumer gar nicht vorgestellt! Das sind ja riesige Brocken!« Er kniff die Augen zusammen. »Sie wirken durch ihre Eiform noch größer, noch kompakter, als sie in Wirklichkeit sind. Marschall«, erklärte Derek, während er die Rotoren bereits drosselte. »Aber Sie werden von der Größe dieses Schiffes gleich noch einen ganz anderen Eindruck bekommen. Warten Sie nur, bis wir uns direkt am Druckkörper befinden, dann ...« Clint Derek unterbrach sich plötzlich. Mit einem Griff
beschleunigte er die Rotoren des Dozers und stoppte das Landemanöver. Knapp hundert Meter über dem Plateau, neben sich den gewaltigen Druckkörper des Nogkraumers, der vom Bug bis zum Heck von eigenartigen, perforierten Ringen umlaufen wurde, hing der Dozer wie ein winziges Insekt reglos in der Luft. »Tanja, da!« Der Jäger wies aufgeregt durch eine der Direktsichtscheiben nach unten. Marschall Bulton schwang sich aus seinem Sessel. Mit wenigen Schritten hastete er zu den beiden hinüber. »Was gibt es, Derek, zum Teufel, reden Sie ...« Dann sah er es selbst. An der Steuerbordseite ihrer Maschine. Genau über ihnen, am Gipfel des Illampu, über den sie eben noch hinweggeflogen waren. Irritiert warf der Marschall einen Blick nach Osten auf die blitzende, eben zwischen den Schroffen des Bergmassivs aufgehende Sonne. Der höchste Punkt des Illampu erglühte in ihren Strahlen, alles andere lag noch im fahlen Licht der Morgendämmerung. Und genau dort, wo das Sonnenlicht die Felsen traf, hoben sich unübersehbar in geradezu unwirklicher Schärfe sechs schlanke, kegelförmige Gebilde ab. Ihre Spitzen ragten in den klaren Himmel. Stumm, fremdartig, unheimlich. »Heavens, Derek, was ist das? Das sind doch keine natürlichen Gebilde, die sind doch ...« Clint Derek warf Tanja einen Blick zu. Er erinnerte sich plötzlich an einen Abend, den sie zusammen mit Art Hooker und seiner Frau auf Deluge verbracht hatten. An jenem Abend erzählten die beiden Hookers von ihren ersten Begegnungen mit den Nogks, davon, wie sie unweit Cattans von den Nogks auf dem Grunde einer Schlucht überrascht worden waren, als sie gerade ... Tanja nickte unmerklich.
»Ja, Clint!« flüsterte sie, »ich ahne, was wir dort oben finden werden, in den Kegeln ...« Der Jäger straffte sich. »Wir werden uns die Kegel ansehen, Marschall! Vielleicht geben sie uns einigen Aufschluß über die Anwesenheit des Nogkraumers. Wenn meine Vermutungen mich nicht trügen, dann werden wir in wenigen Augenblicken wissen, daß in dem Kampfschiff dort«, er wies durch eine der Scheiben, »noch Leben herrscht. Denn nur Lebende sind in der Lage, ihre ...« Den Rest seines Satzes verschluckten die aufheulenden Rotoren der Maschine. Minuten später landete der Dozer auf dem Gipfel des Illampu. Marschall Bulton, Clint Derek und Tanja eilten aus der Kanzel. Noch im Laufen schalteten sie die Heizung und die Sauerstoffversorgung ihrer Schutzanzüge ein. Ungeduldig warteten sie, bis das Schott sich vor ihnen öffnete. Dann sprangen sie hinaus in den eisigen Wind, der hier oben auf dem höchsten Punkt des Illampu-Massivs längst jeden Schnee davongefegt hatte. Sie liefen die wenigen Meter zu den sechs schlanken, etwa vier Meter hohen Kegeln hinüber. Marschall Bulton blieb fast die Luft weg, als er schließlich vor einem der Kegel stand. Vor ihm, eingeschlossen in eine glasartige Masse, die erst aus allernächster Nähe Durchblick gewährte, stand in Lebensgröße ein Nogk. Seine dunklen Facettenaugen glitzerten im Licht der Sonnenstrahlen, sein Libellenkopf, der auf dem sonst humanoiden, dennoch irgendwie reptilienhaft wirkenden Körper saß, wirkte auch jetzt noch drohend, düster, gefährlich. Es war der erste Nogk, den Marschall Bulton sah. Verwirrt glitten seine Blicke über die enganliegende rote Uniform, die außer einem fremdartigen Emblem keinerlei Schmuck oder Rangabzeichen aufwies. Unwillkürlich blieben seine Augen auf den langen, sehnigen Händen haften, die auch jetzt im Tod ihre unheimliche Kraft
und Schnelligkeit noch verrieten. Am meisten aber irritierten ihn die vier langen, teleskopartigen Fühler, die aus der Stirn des Libellenkopfes steil nach oben standen. Er schrak förmlich zusammen, als Tanja ihn an der Schulter berührte. »Ja, Missis Derek, was ...« »Kommen Sie, Marschall! Zum ersten Kegel! Es muß etwas Entsetzliches geschehen sein! Clint kennt sich in den Uniformen und Rangabzeichen der Nogks aus. In dem ersten Kegel befindet sich ein Nogk, der dem Rat des Nogkschen Imperiums angehört. Im zweiten der Kommandant des Raumers!« Marschall Bulton fuhr herum. Er begriff sofort die Tragweite des Geschehens. Er wußte plötzlich, daß die Nogks jenen Raumer zur Erde geschickt hatten, mit einem Mitglied des Rates als Beauftragten. Die Nogks mußten in höchster Gefahr schweben, mußten dringend Hilfe brauchen, sonst war ein solcher Schritt dieser Rasse einfach undenkbar! Aber was war auf dem Flug zur Erde geschehen? Wie kam der Nogkraumer hierher, auf dieses entlegene Plateau hoch in den Kordilleren? Es folgte Tanja so schnell er konnte. Die goldene Uniform des Nogk, die an den Hüften von einem silbernen Gürtel gehalten wurde und von deren Schultern ebensolche Streifen bis hinab zu den vierfingeringen, gepunkteten, lederhäutigen Händen liefen, sagte ihm alles. Er warf einen Blick auf den nächsten Kegel. Das gleiche Bild, nur trug der Nogk eine silberne Uniform mit goldenen Streifen. »Huxley! Mein Gott, Huxley!« stieß der Marschall plötzlich hervor. »Wir haben seit Wochen nichts mehr von Huxley gehört! Die FO I meldet sich auf keinen unserer Anrufe!« Gedankenverloren tat der Marschall einige weitere Schritte auf den zweiten Kegel zu. Er kam nicht weit. Knapp zwei
Meter vor der glasartigen Substanz prallte er gegen eine unsichtbare Barriere. Erschrocken taumelte er zurück. »Was zum Teufel, Derek, was soll das bedeuten?« Der Jäger trat auf ihn zu. »Art Hooker erzählte mir davon. Die Grabkammern ihrer Toten werden von den Nogks durch ein Prallfeld gesichert, dessen Zusammensetzung bisher völlig unbekannt geblieben ist. Nicht einmal ein Flash vermag dieses Feld zu durchdringen, im Gegenteil, das Intervallum wird von diesem Schirm mit ungeheurer Gewalt abgestoßen! Niemand vermochte bisher auch nur ein Milligramm dieser gläsernen Substanz der Grabkammern zu Untersuchungszwecken herauszulösen. Die Sicherheitszone ist mit keinem Mittel zu durchbrechen!« Marschall Bulton straffte sich. »Wir müssen unter allen Umständen versuchen, Kontakt mit den Nogks zu bekommen, herauszufinden, was mit ihrem Schiff, was auf ihrer Reise hierher geschehen ist! Wir ...« Dem Marschall blieb das Wort im Hals stecken. Die Sonne verfinsterte sich, das eigentümliche, irisierende Leuchten der Totenkegel erlosch. Hinter dem Gipfel schob sich eine dunkle, alles erdrückende Masse empor. Ein leichtes, den drei Menschen durch Mark und Bein gehendes Vibrieren hing sekundenlang über dem Massiv. Der Marschall, Clint Derek und Tanja kämpften gegen eine jäh aufsteigende Panik, gegen eine Übelkeit die sie von den Beinen zu reißen drohte. Dann war alles vorbei. In der Ferne, genau auf Nordkurs, verschwand die gigantische Masse des Nogkraumers. Clint Derek und Tanja faßten sich zuerst. Gleichzeitig stürzten sie an den Totenkegeln vorbei zum Rand des Gipfels. Sie legten sich flach auf den Boden und schoben sich an den steil abfallenden Grat heran, bis sie das Plateau sehen konnten,
auf dem noch vor wenigen Augenblicken der Nogkraumer gelegen hatte. Es war leer. * Colonel Huxley blieb stehen. Mit der Hand gab er dem hinter ihm stehenden Maxwell ein Zeichen, zu ihm zu kommen. Dann deutete er auf die kreisrunde Platte, die vor ihnen genau in der Mitte des Umgangs lag. »Wir könnten sie benutzen, Maxwell! Sie ist intakt. Ich kenne diese Platten noch von meinen früheren Besuchen bei den Nogks her. Wahrscheinlich führt der Lift uns in irgendeines der Zentren dieser Stadt, er kann uns aber auch direkt die Schatten auf den Hals hetzen! Was schlagen Sie vor?« Maxwell überlegte. »Die Stadt hat tausend Meter hohe Mauern. Wenn wir an die Schatten heran wollen, dann müssen wir nach unten. Bei den Ausmaßen und auch deshalb, weil wir bisher noch auf keinen einzigen Zugang zu den eigentlichen Räumen gestoßen sind, sollten wir die Liftplatte benutzen! Wahrscheinlich gibt es überhaupt gar keine andere Möglichkeit, ins Innere der Ringstadt zu kommen!« Huxley nickte. »Ganz meine Meinung, Maxwell. Aber vorher sollten wir uns von einer der Terrassen aus nach den Schatten umsehen! Ich könnte Prewitt anrufen, aber ich möchte jeden unnötigen Funkverkehr vermeiden!« Maxwell nickte. Wortlos gingen die beiden Männer weiter zwischen den matt leuchtenden, glasartigen Wänden. Sie umrundeten die Liftplatte. Schon nach wenigen Augenblicken fanden sie, wonach sie suchten. Ein schwach gewundener Gang, dessen Windung das Eindringen von direktem
Tageslicht in den Umgang verhinderte, führte auf eine der Terrassen hinaus. Vorsichtig, Meter um Meter, schoben sich die beiden Männer ins Freie. Sorgfältig benutzten sie jede sich ihnen bietende Deckung. Huxley warf einen kurzen Blick nach oben. Sie befanden sich fünf Terrassen tiefer als Prewitt und seine Männer. Durch eigentümlich anmutende Steigschächte, deren Sinn auch Huxley nicht kannte, waren sie in den vergangenen Stunden tiefer in die Ringstadt eingedrungen. Und immer, ohne je eine Möglichkeit zu finden, aus den teils erleuchteten, teils stockfinsteren Umgängen herauszukommen und ins Innere der Ringstadt vorzudringen. Im stillen verwünschte Huxley, daß die Detektorschulung, die er von den Nogks erhalten hatte, nicht auch Aufschluß über ihre Lebensgewohnheiten gab. Damals hatten sich seine so andersartigen Freunde, die ihn sogar zum Mitglied des Rates ihres Imperiums ernannt hatten, sich den Umständen entsprechend auf das Notwendigste beschränkt. Das schoß ihm in diesem Moment abermals durch den Kopf, während er sich auf der Terrasse langsam Meter um Meter nach vorn schob. Und dann passierte es. Gerade als Huxley und sein II. O. wieder die huschenden, gleitenden Schatten im Innenareal erblickten, deren Konturen verzerrt und für ihre Augen einfach undefinierbar blieben, verfinsterte sich Tantal. Die beiden Männer sahen noch, wie die Schatten plötzlich erstarrten. Doch schon in der nächsten Sekunde kam wieder Bewegung in sie. Irgendwo unter ihnen erschien ein länglicher dunkler Fleck. Für Augenblicke vermeinte Huxley sogar, die scharfen Umrisse eines schwarzen, fremdartigen Raumers zu erkennen, dann jedoch blieb ihm keine weitere Zeit mehr für irgendwelche Überlegungen. Über der Ringstadt erschienen weißstrahlende, von schimmernden, rotierenden Spiralen umgebene
Miniatursonnen. Innerhalb von Sekunden. Eine gewaltige Detonation zerriß die geisterhafte Stille über der Stadt. Die folgende Druckwelle preßte Huxley und Maxwell so hart auf die Terrasse, daß ihnen die Luft ausging. Der Druckwelle folgte augenblicklich ein zweiter Donnerschlag, durchzuckt von knatternden Entladungen, die im Nu den ganzen glasgrünen Himmel überzogen. Irgendwo polterte etwas in die Tiefe. Die Terrasse erbebte unter weiteren gewaltigen Schlägen. Huxley drehte sich mühsam um. Er sah Maxwell, wie er sich instinktiv förmlich in die Risse und Vertiefungen der Terrasse einkrallte. Den Kopf hatte er zum Himmel gewendet und blickte aus weit aufgerissenen Augen auf das Schauspiel über ihren Köpfen. »Achtung, Sir, festhalten!« brüllte er plötzlich dem Colonel zu. Gleichzeitig griff er nach dem Vipho. Huxley hörte ihn noch das Beiboot anrufen, irgendeine Warnung ausstoßen. Blitzartig hob Huxley den Kopf. Er wußte nicht, was in diesem Moment geschah, nicht, warum Maxwell ihm die Warnung hinübergebrüllt hatte. Etwas Schwarzes schoß an ihnen vorbei. Ein langgestreckter Körper. Er stieß senkrecht empor. Genau dem goldenen, flirrenden Energienetz entgegen, das sich über den ganzen Himmel spannte. Wabernde, lodernde Maschen, die wie ein Netz wirkten, das von Sekunde zu Sekunde dichter, undurchdringlicher wurde. »Die Nogks!« schoß es Huxley durch den Kopf. Er kannte jene Miniatursonnen, er kannte dieses flirrende, tödliche Netz. Seine FO I verfügte wie alle Nogkkampfschiffe selbst über diese entsetzliche Waffe. Und doch war dieser Schirm noch anders. Noch tödlicher, ultimativer. Huxley wußte nicht warum, er erfaßte nur, daß es so war. Donnernde Entladungen zuckten abermals auf. Der
Schatten prallte gegen das Netz. Huxley und sein II. O. wurden von der blitzartig auf die Stadt herniederfahrenden Druckwelle gepackt und gegen die Terrassenmauer geworfen. Benommen und undeutlich sah Huxley einen länglichen Körper an ihnen vorbei in die Tiefe jagen. Ein Mann schien irgendwie außen an diesem Körper zu hängen, seine langen Beine schlugen verzweifelt um sich. Er schrie irgend etwas, dann war der Spuk auch schon unterhalb der Terrasse verschwunden. »Sir, das war das Beiboot!« Wie aus weiter Ferne vernahm Huxley die Stimme seines Gefährten. »Prewitt hing außen an der Schleuse ...« Huxley schüttelte mit aller Gewalt seine Benommenheit ab. Langsam richtete er sich in hockende Stellung auf. »Das Beiboot? Prewitt?« Maxwell nickte. Huxley griff nach dem Vipho. Doch er kam abermals nicht dazu, sein Vorhaben auszuführen. Über ihnen erschien der längliche Schatten. Gegen das flimmernde Energienetz der Nogks hob er sich deutlich ab. »Drei- bis vierhundert Meter!« schätzte Huxley flüchtig. Gleichzeitig schaltete er das Vipho ein, während er sich langsam nach rückwärts bewegte, dorthin, wo der gewundene Gang in das Innere der Ringstadt führte. Im nächsten Moment jedoch überstürzten sich die Ereignisse. Der Schatten gab seine Anonymität auf. Von einer Sekunde zur anderen verwandelte er sich in ein scharfumrissenes, abstruses Etwas. Pechschwarz, und so verrückt sich das in Huxleys Vorstellung ausnahm, von einem unbeschreiblichen, lichtlosen Leuchten oder Lodern umgeben, das ihm und Maxwell gleichzeitig den kalten Schweiß auf die Stirn trieb. Ein kompliziertes Gebilde aus gewaltigen Röhren, zwischen denen ein nicht genau erkennbarer Innenkörper hing.
Das unheimliche Schiff schob sich langsam über die Ringstadt. Dann, urplötzlich, schoß aus seinem Innern ein tiefschwarzer Strahl hervor. Er traf das nogksche Energienetz. Huxley hatte das Gefühl, als würde in diesem Moment das Kontinuum zerreissen. Von außen her drang etwas Dunkles in die Ringstadt ein, saugte das Energienetz auf, griff nach den drei Raumerwracks, die immer noch im Innenareal der NogkStadt lagen, wirbelte ganze Teile der Stadt empor und ließ alles, was es auch nur für den Bruchteil einer Sekunde berührte, verschwinden. Es war, als ob sich die Dinge und der Raum um Huxley und seinen Gefährten auflösten. Die Hände des Colonels verkrampften sich um das Vipho. Er war in diesem Augenblick unfähig, auch nur ein einziges Glied zu rühren. Wie gebannt starrte er das schwarze Monstrum an, das immer noch, nur wenige hundert Meter von ihm entfernt, zwischen den Resten der Ringstadt stand. Und plötzlich starrte er ins Nichts. Ein lodernder Ball dimensionsloser Schwärze hing für Bruchteile einer Sekunde vor ihnen zwischen Staub, Chaos und Panik. Danach nichts mehr. Von den Schatten keine Spur mehr weit und breit. Huxley lehnte schweratmend an der wieder unter den sengenden Strahlen Tantals liegenden Mauer der Terrasse, auf der sie sich befanden. Langsam, noch völlig benommen von den unfaßbaren Ereignissen der letzten Minuten, ließ er seine Blicke in die Runde gehen. Gut ein Drittel der Ringstadt war fort, zerstäubt. Die Wracks der Nogkraumer waren ebenfalls verschwunden, desgleichen die Toten, die vorher noch zwischen den zerstörten Schiffen gelegen hatten. Statt dessen hing im Norden des Planeten eine gewaltige Staubwolke, die sich langsam gegen die Sonne vorschob und sie innerhalb kürzester Frist abermals verfinstern würde. Huxley riß sich zusammen.
»Los, Maxwell, rufen Sie die FO I, ich kümmere mich um das Beiboot!« Das Beiboot meldete sich sofort. Das zerschundene Gesicht Sergeant Coopers erschien auf dem Schirm. »Wir haben unheimlich Dusel gehabt, Sir. Das Boot ist zwar hin, der I. O. ist verletzt, aber alle anderen sind o. k.!« »Wo liegen Sie, Cooper?« »Irgendwo im Süden der Stadt, Sir. Ich hatte das Boot wieder abgefangen und hochgezogen, da hat es uns erwischt und hier in die Wüste gehauen. War nichts mehr zu machen. Gut, daß wir Prewitt schon in der Schleuse hatten!« »Bleiben Sie, wo Sie sind, Cooper. Wir holen Sie! Bleiben Sie auf Empfang!« Huxley drehte sich zu Maxwell herum. »Haben Sie die FO I?« Der II. O. nickte. »Kommt gerade, Sir!« Das Gesicht Chief Erkinssons erschien. »Alles in Ordnung an Bord, Chief?« »Alles o. k., Sir! Wahrscheinlich aber nur, weil über uns eine Gruppe von Nogkschiffen steht, die uns die ganze Zeit abgeschirmt hat. Der Schwarze hat auch versucht, nach uns zu greifen, das haben die Nogks verhindert!« Huxleys Augen verengten sich. »Nogks? Sie sind noch hier, stehen über Ihnen?« Der Chief nickte abermals und nahm einige Schaltungen vor. Gleich darauf konnten Huxley und Maxwell die Raumer auch auf den Schirmen ihrer Viphos sehen. Es war ein Pulk von fünf Kampfschiffen. Eines von ihnen scherte aus dem Verband aus und nahm Kurs auf die Ruine der Ringstadt. Minuten später war es über Huxley und Maxwell. Ein blitzender, tropfenförmiger Körper löste sich aus dem gewaltigen Rumpf und stieß auf die beiden Männer herab. Knapp zehn Meter von ihnen entfernt setzte es
auf. Lautlos öffnete sich das Schott des Beibootes. Es sah aus, als öffne sich die Blende einer riesigen Kamera. Ein Nogk in goldener, weithin leuchtender Uniform trat heraus. Für einen Moment blieb er stehen und sah die beiden Menschen aus seinen dunklen Facettenaugen an. Dann kam er zu ihnen herüber. Mit den raschen, eigentümlich gleitenden Bewegungen seiner Rasse. Auch Huxley und Maxwell setzten sich in Bewegung. »Charaua!« Nur dieses eine Wort kam über Huxleys Lippen, während er dem Nogk seine Hände entgegenstreckte. Charaua ergriff sie und hielt sie eine Weile fest. »Es ist gut, daß du hier bist, Huxley!« teilte er sich dann in der lautlosen Art der Nogks mit. Und wieder registrierten die beiden Menschen erstaunt, wie präzise und deutlich die Bildersprache der Nogks war, wie sie genau das in jeder Nuance auszudrücken vermochten, was ein Nogk sagen wollte. Irgendwo in einem der Zentren ihres Hirns wurden die Impulse des Nogks zu menschlichen Begriffen umgeformt. Ohne jedes weitere Hilfsmittel, seit die Nogks die Menschen genauer kannten. »Wir hatten dich schon lange erwartet, Huxley! Dich und deine Männer. Du hast eben gesehen, was in unserem System vorgeht. Wir kennen diesen heimtückischen Feind noch nicht, wir wissen nicht, woher er kommt und was er will. Noch sind unsere Waffen ziemlich machtlos gegen diese schwarzen Schiffe. Unser Wohnplanet ist zerstört. Der Rat des Imperiums hat schwerwiegende Beschlüsse gefaßt, unsere Techniker entwickeln zusammen mit den Meegs eine völlig neue Technik, unsere Rasse mußte schwere Verluste hinnehmen!« Er machte eine Pause. Huxley sah, wie seine Fühler unruhig spielten. Gleichzeitig tauchte in den Hirnen der beiden Männer die Vision riesiger Zentren unter der Oberfläche eines heißen,
atmosphärelosen Planeten auf. In einem der Hangars arbeiteten die Nogks an einem Schiff, das sich von allen andere Nogkraumern schon rein äußerlich völlig unterschied. Er sah Mitglieder des Rates aus dem Schiff herauskommen, sah gelbuniformierte Meegs hineineilen, Huxley wußte, daß Charaua sie mit diesen Bildern auf etwas vorbereiten wollte. Deshalb sah er den Nogk jetzt fragend an. »Du bist nun ebenfalls Mitglied des Rates, Charaua. Was hat das alles zu bedeuten, wo lebt ihr und warum bekamen wir auf keinen unserer Rufe Antwort von euch, bevor wir auf Nogk II landeten?« »Wir konnten euch nicht antworten, ohne die Fremden sofort auf euch aufmerksam zu machen. Dann aber hätte auch ich dir nicht mehr helfen können. Wir sind gerade noch zur rechten Zeit gekommen. Noch heute findet eine Sitzung des Rates unseres Imperiums statt. Als Ratsmitglied wirst du daran teilnehmen, Huxley. Und nicht nur du allein, sondern alle deine Männer. Dann wird die Zeit sein, Fragen zu stellen. Wir brauchen die Hilfe deiner Rasse, Huxley! Uns droht eine Gefahr, die sich in ihrer Größe noch gar nicht abschätzen läßt!« Der Nogk legte Huxley und Maxwell seine beiden Hände auf die Schultern. »Kommt jetzt! Wir bringen euch an Bord eures Schiffes. Und wir werden darüber wachen, daß ihr wohlbehalten auf unseren neuen Wohnplaneten gelangt!« Als die riesige Staubwolke die Sonne Tantal von Norden her verfinsterte, startete die FO I, nachdem Huxley das beschädigte Beiboot und seine Besatzung wieder aufgenommen hatte. Der schlanke, spindelförmige Raumer der Terraner nahm sich zwischen den fünf Kampfschiffen der Nogks wie ein Zwerg aus.
Die sechs Schiffe nahmen Kurs auf die blaugrüne Sonne dieses unheimlichen Systems auf der anderen Seite der Galaxis. Huxley saß im Leitstand seines Schiffes und starrte nachdenklich in die nadelfeinen Punkte der fernen Sonnen ihrer Milchstraße. »Sir!« Huxley fuhr aus seinen Gedanken hoch. Chief Erkinsson stand vor ihm. »Der I. O. ist versorgt, wird aber schon bald wieder aktionsfähig sein. Das Beiboot läßt sich mit Bordmitteln nicht reparieren, der Druckkörper ist zu schwer beschädigt. Vielleicht die Nogks ...« Huxley richtete sich aus seiner lässigen Haltung auf. Aufmerksam betrachtete er den Chief. Unwillkürlich zogen sich seine Brauen zusammen. »Chief, 'raus mit der Sprache. Deswegen sind Sie doch nicht hierhergekommen! Das hätten der Doc oder Sie mir über Vipho mitteilen können! Also, was ist denn nun wirklich los?« Ganz gegen seine Gewohnheit druckste Chief Erkinsson noch eine Weile herum. Dreimal setzte er an. Erst nach einer weiteren energischen Ermahnung Huxleys faßte er sich endlich ein Herz. »Sir, ehe die Nogks uns zu Hilfe kamen, habe ich ... weil ich dachte ... also kurz und gut: Ich habe über To-Funk einen SOS-Ruf nach Terra losgelassen. Ich weiß nicht, ob das nicht ein schwerer Fehler war. Ich kannte diese teuflischen Fremden da noch nicht ...« Huxleys Hände umkrampften die Lehnen seines Konturensitzes. Fieberhaft versuchte er, mögliche Gefahren, die dieser Notruf für Terra heraufbeschwören konnte, herauszufinden. Doch dann schüttelte er plötzlich den Kopf. »Ich mache Ihnen deshalb keinen Vorwurf. Wer weiß, vielleicht hätte ich dasselbe getan. Die Sache muß sich aus
ihrer Position noch um einiges scheußlicher angesehen haben. Ehe wir in dieser Sache weitere Schritte unternehmen, wollen wir die Ratssitzung der Nogks abwarten, Chief. Bleiben Sie inzwischen auf jeden Fall auf Empfang, falls Cent Field oder Dhark antworten sollten!« Der Chief atmete auf, aber dann, als er schon im Begriff war zu gehen, blieb er noch einmal stehen. »Sie sagten falls, Sir? Wie meinen Sie das?« Huxley sah seinen Chief an. »Bevor wir das Sol-System verließen, Chief, sprach ich mit Monty Bell. Bell sagte mir für die nächste Zeit Magnetorkane von einer Stärke voraus, wie sie die Galaxis bisher nicht erlebt hat! Bell irrt sich in solchen Dingen nur sehr selten. Und wenn wir davon im Augenblick hier noch nichts merken, dann nur deshalb, weil wir uns auf der entgegengesetzten Seite des noch immer unbekannten Entstehungsherdes dieser Orkane befinden. Sie werden auch hierherkommen, Chief! Und Sie wissen ebensogut wie ich, daß gegen ein Orkanmaximum selbst To-Funk-Strahlen machtlos sind!« Chief Erkinsson nickte und verließ endgültig den Leitstand. Hätte Huxley jedoch auch nur die geringste Ahnung davon gehabt, welche verheerende Wirkungen gerade dieser SOSRuf der FO I haben sollte, er hätte alles versucht, um das zu ändern ... * Marschall Bulton starrte dem Nogkraumer nach. Dann drehte er sich ruckartig zu Clint Derek und Tanja um. »Verdammt, jetzt ist er weg! Wie war das nur möglich? Die Nogks müssen uns doch bemerkt haben, sie hätten doch erkennen müssen, daß hier oben Menschen standen, sie hätten den Flugdozer registrieren müssen!« Er zog trotz der Schlitzkombination fröstelnd die Schultern
hoch. Der Wind strich scharf und eiskalt über den Gipfel des Illampu. Blitzend brachen sich die Strahlen der steigenden Sonne in den Totenkegeln der Nogks. »Clint, Tanja!« verfiel der Marschall unwillkürlich in einen vertrauteren Ton, »wir müssen etwas unternehmen! Wenn das Nogkschiff von unseren Überwachungsstationen geortet wird, dann kann im Handumdrehen der Teufel los sein!« Clint Derek nickte. »Sie haben recht, Marschall! Wir müssen auf dem schnellsten Wege Cent Field benachrichtigen! Szardak und seine Ringraumergruppe sollten Bescheid wissen!« Der Marschall setzte sich in Bewegung. Und so selten ihn je einer seiner Trooper oder sonst irgendein Mensch hatte laufen sehen, Bulton begann zu rennen. Er hatte genug über die Nogks und ihre Technik gehört, um nicht seit dem Start des Raumers mit jeder verstreichenden Sekunde mehr und mehr in eine nahezu panikartige Erregung und Sorge zu geraten. Clint Derek und Tanja rannten hinter ihm her. Dem Jäger war plötzlich ein Gedanke gekommen, der ihn von Sekunde zu Sekunde mehr und mehr beunruhigte. »Komm, Tanja!« keuchte er und bemühte sich, Bulton einzuholen. Aber es zeigte sich, daß auch der Marschall von seiner früheren Schnelligkeit nur wenig eingebüßt hatte, daß das harte Training bei der Flotte auch jetzt noch seine Wirkung tat. »Marschall! Warten Sie!« Er packte Bulton am Arm und riß ihn zu sich herum. Bulton blieb stehen und starrte den Jäger ärgerlich an. »Was zum Teufel, Derek ...« »Haben Sie eigentlich schon einmal darüber nachgedacht, was mit den Nogks passiert sein könnte? Ihr Schiff ist völlig unversehrt, trotzdem haben sie sechs Tote. Sie starten, ohne die geringste Notiz von uns oder dem Dozer zu nehmen. Eine
Tatsache, die bei der Reaktionsfähigkeit und Wachsamkeit dieser Rasse einfach unglaublich ist!« Er verstärkte unwillkürlich seinen Griff. »Wie nun, Marschall, wenn die Nogks durch irgendwelche Einflüsse, durch Vorkommnisse, die wir nicht kennen, von denen wir nicht die geringste Vorstellung haben, in unserem Sinne vielleicht gar nicht mehr normal sind?« Der Marschall erblaßte. Er starrte erst den Jäger, dann die herankommende Tanja an. »Derek, um Himmels willen, Sie meinen nicht, Sie denken doch nicht etwa, dies wären ...« Derek schüttelte abweisend den Kopf. »Ich glaube gar nichts, Marschall. Aber mir will dieses seltsame Verhalten der Nogks nicht in den Kopf. Ich bin der Meinung, daß wir Szardak und Cent Field, und nicht nur Cent Field, auf alle Möglichkeiten vorbereiten müßten! Haben Sie schon einmal erlebt, welch eine furchtbare Kampfkraft so ein Nogkraumer in sich birgt?« Marschall Bulton antwortete nicht mehr. Er rannte, ohne auch nur eine einzige Sekunde zu verlieren, weiter. Augenblicke später verschwand er fast gleichzeitig mit den beiden Dereks im offenen Schott des Flugdozers. * Janos Szardak, Kommandant der zur Zeit auf Cent Field stationierten Ringraumergruppe Sol, schwang in seinem Konturensessel in der Zentrale seines Schiffes herum. Mit gerunzelten Brauen starrte er Captain Patters an, den Adjutanten Marschall Bultons, der eben von einem Sergeanten begleitet auf ihn zutrat. Er kannte diesen methodischen, in seiner Gründlichkeit manchmal schon pedantisch anmutenden Offizier ziemlich gut. Er wußte sofort, daß Captain Patters einen
außergewöhnlichen Anlaß haben mußte, wenn er ihn so völlig unangemeldet aufsuchte. Szardak erhob sich und trat auf Patters zu. Forschend richteten sich die Blicke seiner grauen Augen auf den Adjutanten. »Was führt Sie zu mir, Patters? Wie ich in ihren Zügen lese, nichts Angenehmes!« Der Captain nickte. »Stimmt, Szardak. Leider. Marschall Bulton ist mit Clint Derek aus einem mir unbekannten Grund in die Kordilleren geflogen. Seit einer Viertelstunde versuchen meine Leute, auf der Jet- oder Dozerwelle Verbindung mit dem Marschall zu bekommen. Vergeblich. Weder der Jet noch der Flugdozer melden sich ...« »Flugdozer?« Janos Szardak starrte den Captain fragend an. Patters zuckte die Achseln. »Ich kann nur Vermutungen anstellen, der Marschall lehnte es ab, mir genauere Informationen zu geben. Es muß sich bei der Maschine um den Hookerschen Flugdozer handeln!« Er unterbrach sich und griff in eine der Taschen seiner Uniform. »Aber lassen wir das, Szardak, ich habe im Moment noch andere Sorgen, schlimmere, wie mir scheint. Lesen Sie das!« Er reichte Szardak die Folie hinüber. Szardaks Brauen zogen sich erneut zusammen, während er die Meldung las. Sie war verstümmelt, den eigentlichen Text konnte er sich nur zusammenreimen, indem er die Bruchstücke in Gedanken miteinander verband. Captain Patters beobachtete ihn scharf. »Was halten Sie davon, Szardak?« fragte er schließlich. Szardak sah ihn an. »Das ist ein Notruf der FO I, Patters! Ein SOS-Ruf von Huxley, wie er nicht dringender sein könnte!«
In seinem sonst so unbeweglichen Gesicht arbeitete es. »Ich kenne Huxley recht gut, Patters! Er ist nicht der Mann, der leicht um Hilfe ruft! Bei ihm muß der Teufel los sein!« Er warf abermals einen Blick auf die Folie. »Schwarze Schiffe, Schatten«, murmelte er. Doch dann fuhr er plötzlich mit einem Ruck herum. »Verdammt, Patters, das Wichtigste fehlt!« Er schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. »Wieso fällt mir das denn erst jetzt auf? Wo befindet sich die FO I? Wieso haben wir keine Koordinaten des Schiffes! Sie hätten doch sofort als allererstes durchgegeben werden müssen! An Bord der FO I gibt es ganz bestimmt keinen einzigen Mann, der in einer Gefahrensituation so durchdreht, daß er vergißt, vor dem eigentlichen Notruf die Position seines Schiffes durchzugeben. Ich kenne Huxley und seine Crew, Patters!« Der Captain nickte. »Genau das ist es, Szardak! Mir ist es nicht anders ergangen als Ihnen. Und nun hören Sie gut zu, Szardak: Ich habe sofort Recherchen, in den einzelnen Peilstationen durchführen lassen. Das Ergebnis ist völlig verrückt: Der Spruch wurde im Randgebiet unseres Spiralarms abgegeben. In einem Gebiet, das von unseren Schiffen wegen der Strahlorkane so gut wie nie angeflogen wird. Richtung in der Koordinate Rot, Entfernung der Einpeilung 19 Lichtjahre. Die FO I befindet sich aber nicht in jenem Gebiet, sondern bei den Nogks. Wie kommt Huxley in die Randzone unseres eigenen Spiralarms? Ist er allein, oder sind Nogkschiffe bei ihm? Welche Gefahr droht von dort, wer sind jene Schatten, was bedeuten die Worte Schwarze Schiffe?« Captain Patters hatte seine bisher mühsam bewahrte Ruhe endgültig verloren. »Es droht Gefahr, Szardak!« fügte er hinzu. »Ich habe bereits auf eigene Faust die Gruppe Larsen verständigt. Sie hat bereits Kurs auf jenes Gebiet genommen ...«
Er wurde unterbrochen. Einer der riesigen Bildschirme flammte auf. Wie alle erbeuteten Ringraumer war Szardaks Kommandoschiff LABOR I nachträglich umgebaut und für die Bedürfnisse seiner jetzigen terranischen Besatzung hergerichtet worden. Die beiden Offiziere und Sergeant Masterson fuhren herum. Aus dem Bildschirm starrte sie das ins Überdimensionale vergrößerte Gesicht Marschall Bultons an. Erstaunt und sichtlich nervös erblickte er neben Szardak auch seinen Adjutanten in der Zentrale des Ringraumers. Doch dann wurden seine Züge wieder hart und unpersönlich. »Ich weiß nicht, warum Patters sich bei Ihnen an Bord befindet, Szardak, aber es kommt mir gelegen. Auf diese Weise spare ich mir einen Anruf!« Der Marschall straffte sich. »Alles, was ich jetzt anordne, gilt für Sie beide und damit für den gesamten Komplex Cent Field, einschließlich aller in seinem Bereich stationierten Schiffe. Lösen Sie sofort Alarmstufe eins aus! Ein Nogkraumer, eines jener gewaltigen 600-Meter-Kampfschiffe, startete vor genau fünfzehn Minuten und 23 Sekunden von einem Plateau des Illampu-Massivs mit Kurs Nord. Auf dem Gipfel des Illampu befinden sich sechs Totenkegel der Nogks. Unter den Toten befindet sich – einwandfrei kenntlich durch die Uniformen – ein Mitglied des Rates des Imperiums und der Kommandant des Kampfschiffes. Was mit den Nogks geschehen ist, wissen wir nicht. Es besteht jedoch die ans Wahrscheinliche grenzende Möglichkeit, daß die Nogks an Bord des Kampfschiffes in unserem Sinne nicht mehr normal sind. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen brauche ich Ihnen nicht erst zu nennen. Halten Sie sich und Ihre Raumer bereit, Szardak, aber greifen Sie den Nogkraumer unter keinen Umständen zuerst an, gleich was das Schiff tut. Und lassen Sie zur Überwachung sofort zwei oder drei Ihrer Ringraumer starten. Der
Nogkraumer kann, wenn er überhaupt noch auf Nordkurs liegt und nicht inzwischen unter seinem Unsichtbarkeitsschirm verschwunden ist und damit auch für unsere Ortung unauffindbar, jeden Moment bei Ihnen auftauchen! Sie kennen ja die Schnelligkeit dieser Rasse! Ich bleibe mit dem Stab der TF in Verbindung, über die Kommandowelle bin ich für Sie zu erreichen!« Der Marschall wollte abschalten, aber Szardak hinderte ihn daran. »Patters, informieren Sie den Marschall bitte, während ich die notwendigen Anweisungen an den Stab und meine Ringraumer gebe!« Marschall Bultons Züge verfinsterten sich. »Informieren, worüber? Reden Sie, Patters.« Der Captain unterrichtete Bulton über die verstümmelte Botschaft der FO I und seine inzwischen getroffenen Maßnahmen. Bulton erbleichte. Mit der Präzision eines Suprasensors verarbeitete sein Gehirn die neue Hiobsbotschaft und kombinierte sie mit den unheimlichen Vorgängen im Illampu-Massiv. »Patters, zwischen diesen beiden Vorgängen besteht ein unmittelbarer Zusammenhang. Wieso, weiß ich nicht, aber daß das so ist, daran gibt es für mich keinen Zweifel! Schwarze Schiffe ... Schatten ...« Er wandte sich den beiden Dereks zu, die in der Kanzel des Flugdozers direkt hinter ihm standen. »Ihre Meinung, Derek?« Clint Derek sah seine Frau an. »Wenn diese Fremden über Mittel verfügen, die den Nogkschiffen derartig zuzusetzen vermögen, ohne den Druckkörper auch nur im geringsten zu beschädigen, dann ist das ein sehr böses Zeichen, Marschall! Das bedeutet nämlich, daß diese Fremden über irgend etwas verfügen, das alle Schutzschirme völlig wertlos werden läßt! Und jetzt glaube ich
auch, daß die Nogks Terra um Hilfe bitten wollten oder warnen ...« Er wurde von einem lauten Ruf Szardaks unterbrochen. »Warten Sie, Marschall! Der Nogkraumer! Er kommt genau auf Cent Field zu! Verdammt noch mal, das Schiff setzt zur Landung an ...« In rasender Eile gab Szardak Anweisung an seine Schiffe und den Stab der TF, die von dem Erscheinen des Nogkraumers genauso überrascht worden waren wie er. Captain Patters nahm unterdessen einige Schaltungen vor, die den Flugdozer in eine Art Konferenzschaltung an die Bildschirme der LABOR I Szardaks anschlossen. Deutlich sahen der Marschall und seine beiden Gefährten, wie der riesige Raumer langsam auf die Piste Cent Fields niedersank. Der eiförmige Rumpf leuchtete weithin sichtbar im hellen Licht der Sonne. Das Schiff selbst und seine Besatzung aber blieben stumm. Die Nogks reagierten auf keinen der Anrufe, die die Hyperfunkstation ihnen entgegensandte. Tanja umklammerte in einer plötzlichen Eingebung den Unterarm ihres Mannes. »Clint!« flüsterte sie. »Ich weiß, was gleich geschehen wird! Sag Szardak, er soll zur Landestelle eilen! Schnell, er hat nicht viel Zeit.« Clint Derek sah seine Frau erschrocken an. Ihre Augen waren weit geöffnet. Wie in Trance hing ihr Blick an den Geschehnissen auf dem Bildschirm. Und Clint Derek, der ehemalige Jäger aus Alaska, erinnerte sich plötzlich. Schon einmal war Tanja so gewesen. Kurz vor der Invasion ... Er zögerte nicht länger. Er warf nicht einmal mehr einen Blick zu dem ebenfalls erschrocken und überrascht dreinblickenden Marschall hinüber. »Szardak!« rief er in den Schirm seiner Maschine hinein.
»Szardak, stellen Sie keine Fragen! Verfügen Sie sich möglichst schnell zur Landestelle des Nogkraumers! Aber beeilen Sie sich, Sie haben nicht viel Zeit ...« Szardak wirbelte herum. Aus schmalen Augen starrte er auf das riesige Schiff, dessen gewaltiger Rumpf in diesem Moment die Sonne verdunkelte. Sein wuchtiger Schatten fiel auf die Piste und huschte über die Gruppe der Ringraumer, in denen viele hundert Männer in atemloser Spannung die unheimliche Landung der Nogks beobachteten. Doch er fragte nicht mehr. In langen Sätzen verließ er nach einem letzten Blick auf den Nogkraumer die Zentrale seines Schiffes. Er erreichte das Schott, als der Gigant eben seine Landekufen ausfuhr. Noch im Laufen schätzte Szardak sie auf mindestens 200 Meter Länge und eine Breite von mehr als 30 Metern. Sie wuchsen aus der Mitte des eiförmigen Rumpfes hervor, geradezu ideal, dem Kampfschiff auf jedem Boden einen absolut sicheren Stand zu verschaffen, Im Mittelteil des Nogkraumers öffnete sich eines jener lamellenartigen Schotts, die immer wieder an die überdimensionale Blende eines Kameraverschlusses erinnerten. Janos Szardak verlangsamte seinen Lauf. Und dann blieb er ruckartig stehen. In der fahl leuchtenden Öffnung im Druckkörper des Raumers erschien ein Nogk. Deutlich erkannte Szardak die blaue Uniform, von deren Schultern Silberstreifen bis zu den Handwurzeln hinabliefen. Tausend Empfindungen und Gedanken durchzuckten ihn. Er dachte an seine erste Begegnung mit den Nogks auf dem Planeten Hope im System der beiden Colsonnen. Der Nogk bewegte seine beiden Fühlerpaare. Ihre Spitzen richteten sich Szardak entgegen. Gleich darauf vernahm er auch schon die lautlosen, bildhaften Impulse.
»Bleibe ruhig stehen, Terraner. Ich schicke dir ein Gleitfeld, das dich an Bord dieses Schiffes bringt. Ich muß mit dir sprechen, Terraner.« Die letzten Impulse kamen nur noch sehr schwach. Die Bilder, die sie irgendwo in seinem Hirn entstehen ließen, verloren an Schärfe und Brillanz. Szardak sah, wie der Nogk sekundenlang taumelte. Dann hüllte ihn plötzlich ein grünliches, leicht pulsierendes Energiefeld ein. Szardak spürte, wie er auf einer knapp zwei Meter breiten Lichtbahn dem Raumer entgegenschwebte. Das Gleitfeld setzte ihn Sekunden später direkt in der Schleuse des Nogkraumers ab. Erst jetzt kamen Szardak die gewaltigen Ausmaße dieses Schiffes in aller Deutlichkeit zum Bewußtsein. Die Schleuse allein war wesentlich größer, als die ganze Zentrale eines Ringraumers. Aus gläsern wirkenden Wänden drang bläuliches, keinerlei Schatten werfendes Licht. Szardak blickte sich suchend nach dem Nogk um. Er erschrak. Der Nogk lag auf dem Boden der Schleuse und rührte sich nicht mehr. Schlaff hingen seine Fühlerpaare zur Seite. Irgendwie wirkte der Körper des Nogk eigenartig verkrümmt. Szardak war mit wenigen Schritten bei dem Nogk und kniete sich nieder. Die bräunliche, gepunktete Hand des Nogk griff zuckend nach ihm. Deutlich spürte Szardak ihre trockene, lederartige Haut. Und dann vernahm er die Impulse des Nogk. Ganz schwach, verzerrt und undeutlich nahm er die Botschaft des Nogk auf. »Euch droht Gefahr, Terraner... Schwarze Schiffe einer unbekannten Rasse überfielen unseren Wohnplaneten und zerstörten unsere Städte, einen Teil unserer Schiffe, töteten viele von uns ... Auch unsere Technik allein ist machtlos gegen sie, ehe wir nicht ...« Der Nogk verstummte für eine Weile. Szardak spürte
förmlich, wie er nach neuen Kräften rang. »Nehmt Verbindung mit unserem Imperium auf, Terraner, nur zusammen können wir die Fremden vertreiben. Aber hütet euch vor den Schatten, vor den schwarzen Schiffen, unsere Schutzschirme halfen uns nichts ...« Abermals verstummte der Nogk. Und diesmal dauerte es eine ganze Weile, ehe Szardak neue Impulse vernahm. »Die Besatzung dieses Schiffes wurde von den Fremden daran gehindert, die Schlafperiode einzuhalten. Ein Nogk, der die Schlafperiode zu lange unterbricht, stirbt. Wir können euch nicht helfen, ehe die Schlafstrahler unsere Kräfte und Körper nicht regeneriert haben. Ich habe meine Zeit der Erneuerung bereits zum drittenmal unterbrochen, um hierherzukommen und euch zu warnen. Folge jetzt meinen Impulsen und bringe mich zu meinen Gefährten. Schützt uns und unser Schiff, bis wir wieder erwachen ...« Der Nogk erhob sich taumelnd. Seine dunklen Facettenaugen starrten den Menschen an. Ohne eine weitere Frage packte Szardak zu. Er nahm den über zwei Meter großen Nogk auf die Arme und lief mit ihm auf die gegenüberliegende Schleusenwand zu. Das Innenschott öffnete sich lautlos vor ihm und gab ihm den Weg ins Innere des Kampfschiffes frei. Er trat in einen zylindrischen Raum, dessen Wände in lauter kleine Zellen aufgeteilt waren, gerade groß genug, einem Körper von der Größe der Nogks Halt zu bieten. Der Nogk wies ihn an, ihn in eine der Zellen zu stellen, sich selbst in eine andere. Szardak befolgte die Anweisung sofort. Er sah, wie die sehnigen Hände des Nogk sich unter Aufbietung ihrer letzten Kräfte in die eigens dafür vorgesehenen Griffschalen verkrampften. Dann spürte Szardak eine Bewegung. So heftig, so überraschend, daß ihm fast die Knie einknickten. Sein hagerer
Körper wurde gegen die eine Wand seiner Zelle gepreßt. Der Zylinder bewegte sich mit ihnen in irgendeine Richtung. Wenn sein Orientierungsvermögen nicht trog, erst quer durch das Kampfschiff, dann dem Heck entgegen und schließlich steil nach oben. Nach einer Zeit die Szardak viel länger vorkam, als sie in Wirklichkeit war, stoppte der Zylinder so abrupt, wie er sich in Bewegung gesetzt hatte. Der Nogk schien unterdessen Kräfte gesammelt zu haben. Er stieß sich von der Wandung seiner Zelle ab und glitt durch den Zylinder auf ein sich öffnendes Schott zu. Szardak folgte ihm, bereit, jederzeit wieder helfend einzugreifen. Sie gelangten direkt vom Zylinder in einen flachen Kuppelraum, dessen Durchmesser Szardak auf mehr als hundert Meter schätzte. Im nächsten Augenblick jedoch blieb der Terraner fasziniert stehen. Vor ihm, tief eingelassen in den Boden des Gewölbes, geschützt durch eine transparente Decke, sah er die Schlafnischen der Nogks. Es mußten weit über tausend sein. Und bis auf wenige waren alle besetzt. Sie gruppierten sich in weiten, konzentrisch angelegten Kreisen um ein unheimliches Gerät, das große Ähnlichkeit mit dem hantelförmigen Projektor eines Planetariums besaß. Nur daß jedes seiner Projektionssysteme einen fahlblauen Strahl auf einen Nogk warf, seinen Körper, genau den Konturen der Schlafnische folgend, einhüllte. Der Nogk blieb stehen. Szardak spürte die Anstrengung, die der Nogk dazu brauchte, sich überhaupt auf den Beinen zu halten, fast körperlich. »Ihr dürft diesen Raum nie betreten, Terraner!« warnte er. »Die Schlafstrahlen töten euch! Ich suche jetzt meine Nische auf, dabei kannst du mir nicht helfen. Vergewissere dich jedoch, ob ich sie auch erreiche. Du kannst mich durch die Schutzdecke beobachten! Falls nicht, dann gib die Botschaft
an das Imperium weiter, die dir nach meinem Tod von den Detektoren dieser Schlafkuppel übermittelt werden wird!« Der Nogk wandte sich ab. Er wankte auf eine Stelle im Kuppelboden zu, über der eine leicht flimmernde Energiebarriere den Zugang zum Schlafgewölbe absicherte. Ehe der Nogk jedoch in der Barriere verschwand, drehte er sich noch einmal zu Szardak herum. »Die Detektoren dieses Schiffes haben dein Persönlichkeitsmodul eingespeichert und analysiert. Du hast für die Dauer unserer Schlafperiode freien Zugang zu allen Räumen unseres Kampfschiffes. Falls du aber deine Welt verläßt, ehe wir erwachen, dann kannst du sie auf einen Terraner deiner Wahl übertragen! Oder auch auf mehrere. Aber sorge dafür, daß unser Vertrauen nicht mißbraucht wird, Terraner ...« Die letzten Impulse vernahm Szardak schon nur noch wie aus weiter Ferne. Der Nogk verschwand in der Energiebarriere und sackte langsam in das Schlafgewölbe hinunter. Szardak blieb regungslos stehen, wo er sich befand und beobachtete, wie der Nogk sich langsam an den Schläfern vorbei von Nische zu Nische schob. Schließlich mußte er eine Pause einlegen. Völlig erschöpft und schweratmend hockte er seitlich von einem der Schläfer, auch jetzt noch immer sorgsam darauf bedacht, nie in den Projektorstrahl eines seiner Gefährten zu geraten. Seine Fühler vibrierten schwach, und von Zeit zu Zeit überlief sie ein heftiges Zittern. Dann raffte sich der Nogk abermals auf. Mit äußerster Anspannung schob er sich auf seine Schlafnische zu, erreichte sie und ließ sich augenblicklich hineingleiten. Es gelang ihm gerade noch, sich zurechtzulegen, als auch schon vom Projektor her der Schlafstrahl auf ihn zustieß und seinen Körper im Nu einhüllte.
Szardak atmete erleichtert auf. Er warf einen letzten Blick auf die Schläfer tief unter dem glasartigen Boden, auf dem er stand, und verließ dann mit schnellen Schritten das Gewölbe. Mit Erstaunen und Befriedigung zugleich stellte er fest, daß es ihm keinerlei Schwierigkeiten bereitete, sich in dem Riesendruckkörper des Nogkraumers zu orientieren. Schotts öffneten sich automatisch, sobald er auf sie zutrat, die Transportzylinder brachten ihn jeweils genau dorthin, wohin er wollte. Minuten später schon stand er wieder in der großen Außenschleuse und glitt gleich darauf in jener grünen Lichtbahn auf die Piste hinab, auf der seine Ringraumergruppe lag. »Patters, warten Sie auf mich. Nehmen Sie unterdessen Verbindung mit Marschall Bulton auf. Sagen Sie ihm, daß ich ihn und die beiden Dereks mit meiner LABOR I holen werde. Es dauert zu lange, bis der Marschall mit dem Gleiter hier sein kann. Er muß sofort hierher, Patters. In der Galaxis draußen scheint sich eine Suppe zusammenzubrauen, an der wir noch kräftig zu löffeln haben werden!« Er sah noch, wie der Captain mit verkniffenem Gesicht nickte, dann schaltete er sein Mini-Vipho ab. Mit schnellen Schritten ging er zu seinem Ringraumer hinüber. Eine Weile später hörten Marschall Bulton und die beiden Dereks den Bericht Szardaks in der Zentrale des Ringraumers. Die Stirn des Marschalls furchte sich von Satz zu Satz mehr. »Szardak, Sie müssen mit Ihrem Verband Larsen so rasch wie möglich folgen. Ich werde inzwischen auf Biegen und Brechen versuchen, Ren Dhark zu erreichen. Außerdem werde ich an Schiffen und Kräften mobilisieren, was ich habe. Aber wenn die Nogks mit diesen unheimlichen Fremden schon nicht mehr fertigwurden, was, zum Teufel, soll dann erst aus uns werden, wenn sie hier auftauchen? Es ist ja geradezu, als ob in unserer Milchstraße der permanente Wahnsinn ausgebrochen
ist. Einer schlägt den anderen mit immer schlimmeren Mitteln und auf immer schrecklichere Weise tot; seit der Invasion dieser verdammten Giants gibt es in unserer Galaxis nichts mehr als unaufhörlichen Krieg, Mord und Totschlag!« Der Marschall war aufgesprungen und stand mit geballten Fäusten in der Zentrale. Er starrte vor sich hin. »Und ein Ende, ein Ende dieser sinnlosen Abschlachterei ist noch nicht abzusehen«, fügte er schließlich hinzu. Doch dann trat er unvermittelt auf Szardak zu. »Auf wen wollen Sie den Zugang zum Nogkraumer übertragen, Szardak?« »Ich dachte an Sie, Marschall, und die beiden Dereks. Wobei ich sogar darum bitten möchte, daß Clint und Tanja für die Dauer der Schlafperiode zumindest abwechselnd im Nogkraumer wachen, am besten jedoch ganz und gar an Bord des Schiffes leben!« Marschall Bulton nickte zustimmend. »Der Vorschlag ist gut, Szardak. Allerdings meine ich, daß wir uns soviel von der Technik dieses Schiffes ansehen sollten, wie irgend möglich ...« Janos Szardak schüttelte jedoch energisch den Kopf. »Wir sollten diesen Fehler nicht begehen. Der Nogk warnte mich, sein uns geschenktes Vertrauen zu mißbrauchen. Von Huxley weiß ich, wie empfindlich diese Rasse auf derlei Dinge reagiert. Aus den Freunden könnten leicht Feinde werden, Marschall! Clint, Tanja und Sie, sonst niemand. Das ist meine Meinung!« Marschall Bulton kämpfte mit sich. »Gut, Sie haben mein Wort, Szardak! Warten wir mit allem andern, bis die Nogks wieder erwacht sind!« Er überlegte. »Wie lange kann das nach Ihrer Schätzung dauern, Szardak?« Doch der zuckte die Achseln.
»Ich weiß es nicht, Marschall. Huxley erzählte mir einmal davon. In ihrem alten System, der inzwischen zur veränderlich gewordenen Riesensonne Charr, mußte jeweils ein Teil dieser Rasse nach einem vollendeten Umlauf ihres Wohnplaneten in den Tiefschlaf. Ich glaube, immer ein Drittel schlief und zwei Drittel wachten. Ein Umlauf ihres Wohnplaneten entsprach fünf Jahren unserer Zeitrechnung. Wie lange jedoch die Schlafperiode dauert – ich weiß es nicht. Vielleicht Huxley, aber das hilft uns jetzt auch nicht weiter!« Der Marschall wandte sich an Clint Derek. »Ich hoffe, Sie sind mit dem Vorschlag Szardaks einverstanden, Derek! Sie unterstehen nicht mehr meiner Befehlsgewalt, ich kann Sie also nur darum bitten. Außerdem wäre ich Ihnen und Ihrer Frau sehr dankbar, wenn Sie sich das Schiff der Nogks während Ihres unfreiwilligen Bordaufenthaltes sehr genau ansehen würden. Sie haben genügend technisches Verständnis, Ihre Schulung als Reaktortechniker und GSO-Agent hebt Sie in dieser Beziehung weit über den Durchschnitt, Derek!« Statt seiner antwortete Tanja. »Seien Sie unbesorgt, Marschall. Wir haben mit Huxley oft über die Nogks gesprochen. Wir wissen eine ganze Menge über diese Rasse, ihre Eigenschaften und Eigenheiten. Deswegen hat Janos Szardak uns wohl auch vorgeschlagen, oder?« Sie lächelte Szardak zu. Der nickte gedankenverloren. Denn gerade in diesem Moment war ihm eine Idee gekommen. Er sah Tanja plötzlich voll an. »Doch, Tanja, ich weiß, daß die Nogks bei Ihnen und Ihrem Mann in den besten Händen sind! Aber entschuldigen Sie mich bitte einen Moment!« Er wandte sich an den Marschall, der ihn irritiert anstarrte. »Wenn Sie inzwischen so gut sein würden, Marschall, alles Notwendige für den Einsatz meiner Ringraumergruppe zu
veranlassen! Ich bin gleich zurück!« Szardak verließ die Zentrale seines Schiffes, ohne eine Erwiderung abzuwarten ... * Im halbkugelförmigen Leitstand der FO I herrschte absolute Stille. Huxley hatte auf Allround-Sicht geschaltet. Es sah aus, als schwebten die drei Männer mit ihren Konturensitzen irgendwo zwischen den Sternen am Rand der Galaxis. Von den Wandungen und der kreisförmigen Bodenfläche des Leitstandes war nichts mehr zu sehen. Statt dessen glommen zwischen den nadelfeinen Punkten der fernen Sonnen unheimliche, wie von Geisterhand gezogene Koordinaten, die das All in Sektoren unterteilten. Seitlich von Huxley, an Steuerbord seines Schiffes, stand als grün-blaue, durch die automatischen Filter der Sektorenschirme gedämpfte Scheibe Tantal. Über und unter ihnen zogen die für normale Augen und Apparaturen völlig unsichtbaren Kampfschiffe der Nogks durch den Raum. Derartige Allsichtschirme waren eine Spezialität der Nogks. Alle ihre Schiffe waren mit solchen Zentralen ausgerüstet. Nur das schwache Licht der Instrumentenbeleuchtung schimmerte durch die Dunkelheit. Unablässig kreisten suchend die hochempfindlichen Tasterfinger der Detektoren durch das System der Nogks. Sie würden jeden Feind erfassen, noch ehe er nahe genug heran war, um den Verband zu überfallen. »Jeden?« Huxley stellte sich diese Frage zum x-tenmale. Die Sonne Tantal blieb hinter ihnen zurück. Einer der Sektoren der Allsichtschirme glomm auf. Zwischen den Sternen des Universums erschien der ins Überdimensionale vergrößerte Kopf Charauas. Seine goldene Uniform mit den silbernen Streifen bildete einen geradezu phantastischen Kontrast zur samtenen Schwärze des Alls.
»Wir nähern uns dem innersten Planeten unseres Systems«, vernahmen die Männer seine Impulse. Gleichzeitig entstand in ihren Hirnen das Bild einer wahren Höllenwelt. Unerträglich helles, blaugrünes Sonnenlicht, klaffende Spalten, die die ganze Oberfläche durchzogen. Krater, aus denen brodelndes, metallisch anmutendes Magma floß und dort, wo es die übrige Oberfläche des Planeten berührte, Gesteine, Mineralien und alles, was sich ihm in den Weg stellte, in gelb-rote Gasschwaden verwandelte, die wiederum gierig von den klaffenden Spalten aufgesogen wurden. Huxley schauderte. Er hatte nur einmal etwas Ähnliches gesehen: Den innersten Planeten des Sol-Systems, Merkur. Aber der war im Vergleich zu dieser Ausgeburt der Hölle harmlos. Er dachte daran, was einem Schiff und seiner Besatzung geschehen mochte, das auf einer solchen Welt notlanden mußte ... Die Impulse des Nogk nahmen ihn erneut gefangen. Er suggerierte den Männern im Leitstand der FO I nun einen Krater, dessen Durchmesser knapp fünf Kilometer betragen mochte. Er lag hoch im Norden des Planeten. Dort traten die langen, oft viele Kilometer breiten Spalten und das glühende Magma mit seinen giftigen, dichten Schwaden nicht auf. »Unter diesem Krater befindet sich eine Höhlung, die wir künstlich erweitert und ausgebaut haben!« teilte ihnen Charaua mit. »Sie ist groß genug, einen Teil unserer Schiffe aufzunehmen und außerdem noch etwas, das Ihr gleich kennenlernen werdet. Wir haben auf dieser Welt noch einige solcher Höhlungen entdeckt und für unsere Zwecke ausgebaut, nachdem unsere Städte auf Nogk II zerstört waren. Zum Teil durch die ständigen Angriffe des Nor-ex, wie eure Bezeichnung für diese Hyperraumwesen war, zuletzt durch die schwarzen Schiffe.« Er schwieg einen Moment lang. Seine dunklen Facettenaugen glitzerten.
»Ich werde mit meinem Kampfschiff zuerst in unseren Hangar einfliegen. Dann folgst du, während die anderen vier Schiffe über eure Sicherheit wachen. Lande neben meinem Schiff und folge mir dann sofort mit allen Terranern, die sich an Bord deines Schiffes befinden. Der Rat des Imperiums wartet bereits auf uns!« »Gut, Charaua, ich verständige meine Männer!« Huxley schaltete die Rundsprechanlage ein. »Kommandant an Besatzung. Nach der Landung versammelt sich die gesamte Mannschaft ohne jede Ausnahme vor der Steuerbordschleuse. Ihr alle kennt unsere Freunde, die Nogks. Ich bitte mir äußerste Disziplin aus! Ich wünsche, daß ab sofort die Uniformen auf ihren einwandfreien Zustand überprüft werden. Wir nehmen geschlossen an einer Sitzung des Rates des Nogkschen Imperiums teil; denkt daran, daß wir Terra repräsentieren! Ende!« Maxwell und Chief Erkinsson warfen Huxley einen erstaunten Blick zu. Was sollte diese Ermahnung? Die Männer an Bord der FO I waren ausgesuchte Spezialisten. Disziplin an Bord des Schiffes eine Selbstverständlichkeit. Huxley nickte ihnen zu. »Sie halten mich jetzt für total übergeschnappt, oder? Sie halten meine Bemerkungen bezüglich der Disziplin und der Uniformen für völlig überflüssig, stimmt's?« Maxwell und der Chief nickten. »Warten Sie ab! Sie werden sehr bald wissen, warum diese Ermahnung keinesfalls überflüssig war!« erwiderte Huxley und beendete damit das Gespräch. Anschließend wandte er sich den Kontrollen seines Schiffes zu, denn Charauas Kampfschiff schwebte bereits dem Krater im Norden jenes Teufelsplaneten entgegen. »Chief, kümmern Sie sich bitte sofort darum, daß der Doc unseren I. O. auf die Beine bringt. Ich hoffe, Prewitt ist inzwischen wieder soweit!« fügte er nach einer Weile noch
hinzu. Der Chief erhob sich und verließ den Leitstand. * Huxley beobachtete den Nogkraumer. Ihm war noch immer unklar, wie das riesige Schiff durch den Kraterboden in das Innere des Hangars gelangen würde. Unwillkürlich unterzog er den ganzen Krater, der von seinem Schiff aus gerade noch zu überblicken war, einer genaueren Musterung. Wie unter, einem elektrischen Schlag zuckte er plötzlich zusammen. »Donnerwetter!« entfuhr es ihm unwillkürlich, während sich seine Augen zu Schlitzen verengten. Maxwell fuhr ebenfalls herum. »Das ist gar kein Krater, Maxwell!« Huxley war aus seinem Konturensitz geglitten und stand jetzt neben dem Steuerpult. »Da, sehen Sie sich einmal die beiden konzentrisch hintereinanderliegenden Ringwälle an! Bemerken Sie denn nichts?« Maxwell stieß einen leisen Pfiff aus. Gleich darauf wanderten seine Blicke über den Boden des angeblichen Kraters. »Sie haben recht, Sir! So wenig wie die Ringwälle echt sind, so wenig ist es der Kraterboden selbst! Lediglich eine täuschend ähnlich nachgeahmte Energiebarriere! Die Ringwälle hingegen ...« Er wurde unterbrochen. »Ihr habt scharfe Augen, Terraner! Der Krater ist eine Imitation, der Boden wirklich nur eine Energiebarriere mit von unseren Technikern genau berechnetem Reflexionsvermögen des Sonnenlichts!« vernahmen sie plötzlich Charauas Impulse. »Die Wälle bergen jedoch im Gegensatz zu unseren früheren
Städten keine Versorgungsaggregate, sondern hochempfindliche Taster- und Detektorzentren. Außerdem eine neue, ultimative Waffe, die aber bisher noch nicht zum Einsatz gekommen ist und auch nicht eingesetzt werden wird, wenn uns die schwarzen Schiffe hier nicht ebenfalls aufspüren und angreifen!« Charaua unterbrach seine Impulse für einen Moment, um einige Anordnungen zu erteilen. »Außerdem brauchten wir die Ringwälle, weil unsere Rasse auf die Dauer ohne direktes Sonnenlicht oder zumindest einem gleichwertigen Ersatz nicht zu leben vermag. Wir können nicht im Innern eines Planeten leben! Landen wir also jetzt, alles weitere werdet ihr dann sehen!« Der Nogkraumer senkte sich auf den Kraterboden hinab und verschwand in der Energiebarriere, die die übrige Planetenoberfläche tatsächlich täuschend ähnlich nachahmte. Huxley folgte dem Kampfschiff mit seiner FO I sofort. Da er inzwischen die Allround-Sicht-Schaltung der Zentrale wieder aufgehoben hatte, vermochte er die vier anderen Kampfschiffe der Nogks über dem Krater nicht mehr zu sehen. Sie standen irgendwo über ihm im Schutz ihres Unsichtbarkeitsschirms. Die FO I sackte durch die Energiebarriere in den gewaltigen Hangar, der sich unter ihnen auftat. Und obwohl Maxwell und er die Nogks und ihre Technik kannten, verschlug es ihnen diesmal doch den Atem. Als erstes begriffen sie, daß die beiden Ringwälle, die wie alle Nogkstädte aus jener durchlässigen, glasartigen Substanz bestanden, ein raffiniertes optisches System bildeten oder zumindest in sich bergen mußten. Der Hangar wurde von dem grünblauen Licht der nahen Sonne auf eine milde, überaus angenehme Weise durchflutet. Im Hangar selbst zog neben den anderen Kampfschiffen sofort ein Areal ihre Blicke auf sich, in dem sich ein riesiger, mit keinem der bisher verwendeten Schiffe zu vergleichender Druckkörper befand.
Er besaß von oben gesehen die mathematisch genaue Form einer Ellipse. Je tiefer die FO I sank, desto größer wurde die Bestürzung der beiden Männer im Leitstand. Auch von der Seite her bildete der Raumer, denn um einen solchen handelte es sich unverkennbar, eine Ellipse, wenn auch in abgeflachter Form. Huxley umklammerte unwillkürlich die Lehnen seines Konturensitzes. Er war Experte für Raumschiffbau. Er kannte fast jeden Raumertyp, der je in die Galaxis eingeflogen war. Er erfaßte sofort, daß keines, aber auch gar keines der herkömmlichen bekannten Verfahren dazu ausreichte, einen derartig geformten Druckkörper herzustellen. Blitzschnell versuchte er, sich verschiedene Schnittebenen durch den Raumer vorzustellen, vergebens. Dazu reichten auch seine immensen Kenntnisse nicht aus. Und dann die Ausmaße! Wirkten die normalen Schiffe der Nogks schon gewaltig gegen dieses Monstrum waren sie Zwerge. Huxley schätzte den Druckkörper auf mindestens 900 Meter Länge. »Heavens, Maxwell!« stieß er endlich konsterniert hervor. »So leicht bringt mich ja nichts und niemand aus der Fassung, aber die Nogks haben das gründlich geschafft! Was mögen sie wohl mit diesem Monstrum von Schiff vorhaben?« Sein II. O. schüttelte den Kopf. »Also wenn Sie mich fragen, Sir, so habe ich mir immer einen der vorläufig noch utopischen transgalaktischen Raumer vorgestellt, aber das ist natürlich völliger Unsinn ...« Huxley wirbelte herum. »Transgalaktischer ...« Plötzlich begriff er mit der ihm eigenen Schnelligkeit. Er starrte das riesige Schiff an, als sähe er ein Gespenst. Mit verkniffenem Gesicht setzte er die FO I auf dem Boden des Hangars auf. Gleichzeitig öffnete er über die Zentralsteuerung die Steuerbordschleuse.
»Gehen wir, Maxwell! Ich fürchte, wir werden heute noch einige Neuigkeiten erfahren, die uns sehr wenig behagen werden!« Ohne eine Antwort abzuwarten ging er davon. Maxwell starrte ihm sekundenlang hinterher, ehe er sich ebenfalls in Bewegung setzte. Krampfhaft versuchte er, den Sinn von Huxleys Worten zu erfassen, dann gab er es auf ... * Die Besatzung der FO I marschierte in geschlossener Formation durch den Hangar. Aufmerksam von den Nogks beobachtet. Und jetzt zeigte es sich, welch eine verschworene Gemeinschaft diese Besatzung bildete. Im allgemeinen verzichtete Huxley auf derartige militärische Demonstrationen, hier trug er der Mentalität seiner Freunde Rechnung. Er wußte, daß im gesamten nogkschen Imperium die Begriffe Ordnung, Zucht, Disziplin und absoluter Gehorsam an erster Stelle standen. Die Nogks waren eine militante Rasse, diesem Umstand trug er Rechnung, Und hätte er in den Gehirnen und Gedanken der beobachtenden Krieger, Techniker, Wissenschaftler und Offiziere lesen können, dann hätte sich Huxley zu seinem Einfühlungsvermögen beglückwünscht. Charaua führte sie einer transparenten Wandung entgegen, hinter der das Licht der Sonne Tantal heller zu leuchten schien, als in dem übrigen Gelände des riesigen Hangars. Durch ein Lamellenschott traten sie ein. Zum zweiten mal wunderte sich Huxley an diesem Tag darüber, mit welchem Sinn für Zweckmäßigkeit und Ästhetik die Nogks sich auf diesem Höllenplaneten ein Lebens- und Wohnzentrum aus dem Nichts heraus geschaffen hatten. Bei ihrem Eintritt erhoben sich die Ratsmitglieder und die bereits versammelten Nogks von ihren bequemen Schalensitzen. Sie taten es ruckartig und völlig gleichzeitig. Tausende hatten sich hier
versammelt. Charaua führte Huxley und seine Männer an den halbkreisförmig angeordneten Sitzreihen vorbei nach vorn zur Ratstribüne. Durch die transparenten Wände drang gedämpftes Sonnenlicht. Sein blau-grüner Schimmer tauchte den Raum und die anwesenden Nogks in eine Atmosphäre von Fremdartigkeit und Unwirklichkeit. Zugleich vermittelte die Versammlung aber auch einen Eindruck der Größe und Stärke dieser Rasse, trotz ihrer Niederlagen, trotz ihrer Verluste. »Abteilung Halt!« kommandierte Huxley leise. Schlagartig blieben seine Männer stehen. Huxley trat einige Schritte vor, dann folgte er Charaua zu einem Nogk, der bereits auf ihn wartete. Als einziger von allen Nogks trug seine goldene Uniform statt der silbernen leuchtend rote Streifen. Er glitt Huxley mit ein paar raschen Bewegungen entgegen. »Willkommen, Terraner! Willkommen als Mitglied dieses Rates, willkommen als Angehöriger unserer Rasse!« Er streckte Huxley die braune, gepunktete Hand entgegen. Huxley ergriff sie und erwiderte ihren Druck. Der Nogk wies auf die Sitze zu seiner Rechten. »Nimm dort mit deinen Gefährten Platz, wir werden über vieles miteinander zu sprechen und zu beraten haben. Anschließend möchten wir in einigen Punkten euren Rat hören. Darüber hinaus brauchen wir die Hilfe deiner Rasse, so wie ihr die unsrige brauchen werdet. Ein unbekannter Feind ist in unsere Galaxis eingedrungen. Er ist gefährlicher als alles, was wir Nogks bisher kennengelernt haben!« Der Nogk wies abermals auf die Sitzschalen und Huxley gab seinen Männern ein Zeichen. Sie nahmen Platz, mit einer Exaktheit, die selbst die Nogks in Erstaunen versetzte. Keiner fiel aus der Rolle, weder Trooper noch Wissenschaftler noch der Chief mit seinen Technikern. Huxley hatte von Anfang an darauf gedrungen, daß alle, ohne jede Ausnahme, neben ihrer
Spezialausbildung das gleiche Training durchmachten. Damals, mehr als zwei Jahre vor der Invasion der Giants. Und er hatte dieses Training fortgesetzt, wo immer sich ihm die Möglichkeit bot. Huxley ging zusammen mit Charaua zu seinen Männern hinüber. Erstaunt stellte er fest, daß ihre Sitzschalen extra für sie angefertigt worden sein mußten. Im Gegensatz zu denen der Nogks, die den anatomischen Gegebenheiten dieser Rasse genau Rechnung trugen. Eine Aufmerksamkeit ihrer Gastgeber, die Huxley insgeheim Achtung abnötigte. Der Herrscher des Imperiums erhob sich. Seine dunklen Facettenaugen richteten sich auf die Versammlung. Sein großer, schlanker Körper hob sich scharf gegen die vom Sonnenlicht durchfluteten transparenten Wände des Raumes ab. Der Herrscher der Nogks bot einen imponierenden Anblick. Die Menschen zuckten unwillkürlich zusammen, als seine ersten Impulse in ihr Bewußtsein drangen. So gestochen scharf, so brillant waren die Bilder, die ihre Hirne durchzogen. Die Menschen erlebten noch einmal den ganzen genauen Ablauf der Katastrophe im System der roten Riesensonne Charr, erblickten sich und ihre FO I, wie sie den bewußtlosen Charaua fanden, wie die glühenden Partikelwolken Charrs nach der Atmosphäre des Nogkplaneten griffen, wie ferne Städte, weitab von dem gigantischen Raumhafen der Nogks, durch Tausende von Raumern evakuiert wurden. Erlebten noch mal die Zwischenlandung einer fliehenden Rasse auf Ginok, jenem Planeten an der Peripherie ihrer Milchstraße, knapp 10.000 Lichtjahre vom Zentrum entfernt, den erneuten Aufbruch, den Bau der neuen Ringstädte auf Nogk II und ihre abermalige Vernichtung. Der Herrscher der Nogk machte eine Pause. Dann wandte er sich an die Menschen. »Seit unsere Rasse ihr altes System verließ, wurde sie von
Krieg, Tod und Vernichtung verfolgt. Nicht allein durch fast übermächtige Feinde, sondern auch noch durch jene Magnetorkane, wie sie seit langem schon die Tiefen unserer Galaxis durchtoben. Diese Orkane haben einen großen Teil unserer Brut, unserer Nachkommenschaft vernichtet. Tritt keine Änderung ein, dann ist unsere Rasse zum Sterben verurteilt, unser Imperium zum Untergang.« Er sah Huxley an. »Du kennst von allen deinen Gefährten die Probleme und Gefahren, die unsere Existenz bedrohen, am besten. Und doch weißt du nur wenig von uns, von der Geschichte der Entstehung unserer Rasse. Wir Nogks sind streng genommen das Produkt oder das Relikt einer kosmischen Katastrophe. Unser Imperium das Reich eines Zufalls. Wir Nogks sind Mutanten – jedenfalls würden eure Wissenschaftler uns so nennen. Du weißt, daß wir ohne das Licht einer Sonne, ohne die vielfältigen Strahlungen, die ununterbrochen aus den Tiefen des Universums auf jeden Planeten, auf jedes Lebewesen einwirken, nicht existieren können. Jedenfalls nicht auf die Dauer. Wir Nogks sind abhängig von jener Strahlung, vom normalen und ungestörten Ablauf all jener kosmischen Vorgänge in und um unsere Galaxis, wie sie seit Jahrmillionen und Jahrmilliarden stattfinden. Dieser Ablauf ist nun gestört, wodurch, das vermochten bisher weder eure noch unsere Wissenschaftler zu ergründen!« Er unterbrach seine Impulse und starrte eine Weile vor sich hin. »Ihr wißt, daß wir, selbst wenn unsere Schiffe derartige Entfernungen überhaupt zu überwinden vermöchten, das Sternensystem, in dem wir seit Entstehung unserer Rasse leben, nicht verlassen können. In dem strahlungsinaktiven Raum zwischen zwei Sterneninseln, zwei Galaxien, würden wir sterben, noch ehe wir ihn überwänden. Wir haben derartige Versuche unternommen. Trotzdem müssen wir hier
fort. Trotzdem müssen wir diese Galaxis verlassen, wenn wir weiterleben wollen!« Er machte mit der Hand ein Zeichen. Sofort verdunkelte sich der Raum, und an der gewölbten Decke, größer und detaillierter, als Huxley und seine Männer sie je gesehen hatten, erschien zwischen hauchdünnen, glimmenden Koordinaten die Galaxis der Andromeda mit ihren beiden Begleitern. Ein Lichtstrahl huschte auf das größere der beiden die Andromeda begleitenden Systeme zu. »Dort wird unsere neue Heimat sein, Terraner! Ihr habt vorhin das neue Schiff im Hangar liegen sehen. Unsere Wissenschaftler haben es aufgrund sorgfältiger Untersuchungen entwickelt. Das Schiff ist noch nicht fertig, das dauert noch eine Weile. Vom gleichen Typ sind aber inzwischen zwei kleinere Einheiten fast fertiggestellt. Eine davon, Huxley, sollst du mit deinen Männern und einer Gruppe von Nogks unter Führung deines Freundes Charaua erproben. Wir wollen, daß ihr Terraner die Erprobung vornehmt, weil ihr strahlungsunabhängiger seid. Und weil ihr, sollte trotz aller Sorgfalt unserer Wissenschaftler etwas Unvorhergesehenes geschehen, nicht so hilflos seid wie wir Nogks. Das ist meine eine Bitte an euch; ich hoffe, ihr schlagt sie uns nicht ab. Euer altes Schiff mag für die Zeit hierbleiben, wir werden es überholen und abermals verbessern!« Erwartungsvoll richteten sich die Facettenaugen des Herrschers auf Huxley. Auch die anderen Nogks sahen zu ihnen hinüber. Huxley erhob sich. »Wir werden euren Wunsch erfüllen. Es ist auch zu unserem Besten. Denn wer vermag heute schon zu sagen, ob wir nicht selbst eines Tages etlicher Schiffe bedürfen, mit denen wir ebenfalls unsere Milchstraße verlassen können?« Zustimmende Impulse brandeten auf. Doch auf ein Zeichen
des Herrschers hin verstummten sie sofort. Huxley benutzte die Stille. »Außerdem sind unsere Rassen miteinander befreundet. Ein Freund aber hilft dem andern, das ist selbstverständlich! Aber –«, er sah den Herrscher der Nogks fragend an, »was ist mit den schwarzen Schiffen, mit jenen unheimlichen Fremden, von denen bisher niemand weiß, woher sie kommen, wer sie sind und was sie im Schilde führen?« Der Nogk richtete sich plötzlich hoch auf. Seine Facettenaugen begannen zu glitzern. Seine ganze Haltung strahlte etwas Drohendes, eine Huxley und seinen Männern bis dahin bei den Nogks unbekannte Wildheit aus. »Das ist der zweite Punkt, über den ich vor dieser Versammlung mit euch sprechen wollte!« teilte er dann mit. »Noch nie hat eine Rasse das Imperium der Nogks ungestraft so heimtückisch angegriffen, wie diese Fremden es taten! Nicht nur, daß sie unsere Städte zerstörten, viele von uns töteten, grundlos, ohne jeden erkennbaren Anlaß über unsere, gegen ihre Waffen nahezu wehrlosen, Kampfschiffe herfielen, sie vernichteten, wo immer sie auf sie trafen, sie haben auch eines unserer Beobachtungsschiffe im Halo der Galaxis verschwinden lassen. Wir wissen nicht, wohin. Wir wissen aber mit Sicherheit, daß dieses Schiff von ihnen nicht zerstört wurde. Es gibt Anzeichen dafür, daß irgendwo zwischen unserer und der uns benachbarten Galaxis, die ihr Andromeda nennt, ein Stützpunkt existiert. Wir haben ihn bisher nicht finden können. Wir wissen nicht, wie er aussieht, ob er in unserem oder in einem anderen Kontinuum liegt. Wir wissen nur eins: Mit eurer Hilfe müssen wir ihn finden und vernichten. Darum wollte ich dich bitten, Huxley, deine Rassegefährten ebenfalls zu Hilfe zu rufen, sie notfalls mit einem der neuen Raumer zu holen. Jener Terraner, der sich Ren Dhark nennt, verfügt über ein ringförmiges Schiff, das technische Möglichkeiten besitzt, die nützlich sein könnten!
Wie denkst du darüber?« Huxley überlegte. Die Schatten waren eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Wo allerdings Dhark zur Zeit war, das wußte man vermutlich nicht einmal in Cent Field. Aber da waren ja noch die Ringraumergruppen Szardak und Larsen. An sie mußte er sich wenden. »Ich werde meine Rassegefährten verständigen! Und ich kann dir die gute Nachricht überbringen, daß die Terraner inzwischen nicht nur eines jener Ringschiffe, sondern derer viele besitzen! Tausende!« Der Nogk zuckte zusammen. Für einen Moment schwirrten die Impulse der überraschten Nogks wild durcheinander. Doch dann trat ebenso plötzlich wieder Ruhe ein. »Tausende!« Nur dieses eine Wort erfüllte den Raum. Der Herrscher der Nogks streckte impulsiv die Hände nach Huxley aus. »Komm, Terraner, folge mir jetzt! Du sollst sehen, daß auch wir nicht untätig waren!« Er reichte Huxley seine Hand und wies auch Charaua durch einen Wink an, ihm zu folgen. »Wartet hier auf mich! Prewitt, Maxwell und Sie, Chief, kommen mit! Ebenfalls Sie, Banard!« wies er nach abermaliger kurzer Überlegung den Astrophysiker der FO I an. Die Genannten erhoben sich und folgten Huxley, der bereits mit Charaua und dem Herrscher der Nogks dem Ausgang entgegenschritt. Noch im Hinausgehen bemerkte Huxley, wie die Nogks ihre starre, disziplinierte Haltung aufgaben und nun seine Männer umringten. Ungehindert von den übrigen Mitgliedern des Rates ... *
Ralf Larsen beobachtete aufmerksam die Schirme seines SKreuzers A-01. »Ortung, Madock?« fragte er. Der Ortungsoffizier schüttelte den Kopf. »Nichts, Sir, absolut nichts! Hoffentlich hat uns Patters hier nicht in die Wüste geschickt! Wie soll denn auch die FO I in dieses Gebiet kommen, was sollte Huxley denn hier wollen?« Larsen nickte. Das waren genau die Gedanken, mit denen er sich seit Stunden beschäftigte. Seit jener Spruch aus Cent Field ihn erreicht hatte. Er schaltete auf die Seiten- und Heckschirme um. Hinter ihm lagen die Ringraumer seines Geschwaders. Voraus stand die winzige Scheibe einer roten Sonne. Ein Stern ohne Namen, unregistriert, ganz am Rande des Spiralarms I/a, in dem auch die Erde ihre Bahn zog. Unregistriert, weil kaum jemals ein Raumer der TF in dieses Gebiet kam. Von der Erde aus war diese unbedeutende kleine Sonne überhaupt nicht mehr wahrzunehmen. »Wir sollten die Pause im Magnetorkan ausnutzen, Madock!« ließ Larsen sich abermals nach einer Weile vernehmen. »Kurs auf die voraus liegende Sonne, wir werden uns dieses Unikum einmal genauer betrachten!« Er griff nach der Bordsprechanlage. »Kommandant an alle! Wir nehmen Kurs auf die Sonne auf Koordinate Rot. Anweisung an alle Bordlabors: Sofort mit den Untersuchungen beginnen, Auswertung umgehend an A-01! Ende!« Die Ringraumer beschleunigten. Larsen hockte unbeweglich in seinem Konturensitz und beobachtete wachsam die Kontrollen. Plötzlich ruckte der Ortungsoffizier Madock herum. »Wir werden geortet, Sir!« »Was, geortet?« Larsen fuhr aus seinem Sitz und war mit wenigen Schritten
bei den Kontrollen der Ortung. Er sah sofort, daß Madock recht hatte. Durch die Meßkoordinaten der verschiedenen Schirme zuckten Blips unterschiedlicher Art. Nur in einem glichen sie sich aufs Haar: Ihre Amplituden waren außerordentlich steil und erfaßten sowohl die Plus- als auch die Minusbereiche. Larsen griff nach der Bordsprechanlage. »Kommandant an Labor A-01. Was ist mit den Auswertungen?« Der Astrophysiker meldete sich. »Verteufelte Sache, Sir! Die Sonne gehört zum Typ M-I. Oberflächentemperatur ca. 4000 Grad. Weitere Ergebnisse sind nicht zu bekommen. Unsere Instrumente bringen einfach nichts. Wir wissen nicht, ob es sich um eine Mono-Sonne oder um ein System handelt. Es ist, als ob über dem ganzen Raum um die Sonne irgendein Schleier liegt. Tut mir leid, Sir, aber aus dieser Entfernung ist da einfach nichts zu machen. Die Abteilungen der anderen Schiffe kommen ebenfalls nicht weiter!« Larsen schaltete ab. Nachdenklich und beunruhigt zugleich starrte er in den erlöschenden Schirm. »Madock, was halten Sie davon?« In den scharfen Zügen des Ortungsspezialisten zuckte es. »Ein System verschleiert sich nicht von selbst, Sir. Es liegt auch kein Grund zu der Annahme vor, daß es sich hier um einen Sonnentyp handelt, der irgendeine uns bisher unbekannte Strahlung aussendet und damit vielleicht ein Partikelfeld schaffen könnte, das ähnliche Auswirkungen hat. Wenn also über dieser Sonne und ihrer Umgebung ein Schleier liegt, dann will sich dort jemand verbergen. Und wer sich verbirgt, der hat normalerweise auch einen triftigen Grund dazu!« »Genau, Madock! Und wenn dort jemand ist, der sich zu verbergen trachtet, dann hat diese Sonne auch mindestens
einen Planeten!« Larsen schaltete abermals die Bordsprechverbindung ein. »Kommandant an alle, Formationsänderung. Fächer bilden, Schiffe stufenförmig anordnen, auf freies Schußfeld achten. A 01 nimmt Mittelposition ein, Alarmstufe I, Feuern nur auf Befehl oder bei Überfall! Bordsprech bleibt auf Empfang!« Larsen beobachtete, wie die Ringraumer sich zu einem breiten Fächer auseinanderzogen. Dabei bildeten die einzelnen Raumer jedoch keine gerade Linie, sondern ordneten sich von Steuerbord nach Backbord terrassenförmig an. Dadurch bekamen die beiden Waffensteuerungen jedes einzelnen Ringraumers freies Schußfeld, zugleich deckte ein Raumer den anderen, ohne von seinem jeweiligen Nebenmann auch nur im geringsten behindert zu werden. Die Besatzungen der Ringraumer legten ihre Raumanzüge an, eine Sicherheitsmaßnahme, auf die in den Gruppen Larsen und Szardak nie verzichtet wurde. Als wenig später die Klarmeldungen in der Zentrale der A 01 einliefen, verschwanden fast gleichzeitig die Ortungsblips aus dem Raum der roten Sonne. Larsen preßte die Lippen zusammen. Der Gegner bereitete sich also vor. Vielleicht starteten in diesem Augenblick schon seine Schiffe, um sich zum Kampf zu stellen. Waren sie bereits hier auf jene Schatten, auf jene schwarzen Raumer gestoßen, von denen in der letzten Meldung Cent Fields die Rede gewesen war? Larsen straffte sich. »Meldung an Stab der TF. Gruppe Larsen auf Koordinate Rot im Anflug auf nicht registrierte rote Sonne. Position Rot, 22:48,02. System wahrscheinlich bewohnt, sind geortet worden. Bitte um sofortige Unterstützung durch Einsatzgruppe Szardak. Ende!« Larsen fuhr sich flüchtig über die Stirn, ehe er seinen Raumhelm schloß. Er und seine Männer befanden sich bereits
wieder seit Monaten im Einsatz. Von seinem früheren Bauchansatz war schon lange nichts mehr übriggeblieben. Larsen hatte sich äußerlich durch die ständigen Strapazen ziemlich verändert. Er wirkte sehniger, durchtrainierter. Aber oft auch abgespannt. Die rote Sonne wuchs langsam zwischen den Sternen hervor. Der kleine Ball wurde größer und größer. Aber noch immer ließ sich kein Gegner blicken. Kein Blip zeigte an, ob die Fremden überhaupt noch da waren. Und noch immer zeigte sich kein Planet, keine Welt, auf der Lebewesen zu existieren vermochten. »Kurs um 20 Grad auf Grün ändern!« befahl Larsen einer plötzlichen Eingebung folgend. Die Ringraumer schwenkten herum. Die Exaktheit des Manövers sprach für die Ausbildung der Besatzungen, für das ständige, harte Training, dem Larsen seine Männer unterwarf. Dann sahen sie den Planeten. Eine blaßgrüne Kugel, die sich langsam hinter der roten Sonne hervorschob. Merkwürdige weiße und violette Streifen durchzogen seine Oberfläche. Doch so sehr sich die astronomischen Abteilungen der Ringraumer bemühten, noch immer vermochten sie über diesen Trabanten jener Sonne am Rand der Galaxis Näheres nicht in Erfahrung zu bringen. »Ich fürchte, wir werden uns auf recht unangenehme Überraschungen gefaßt machen müssen!« unterbrach Madock das Schweigen. »Es ist mir alles zu still da vorn! Wenn wir dort auf einen Gegner stoßen, dann hat er mindestens so gute Nerven wie wir! Das bedeutet aber weiter, daß ihn selbst hundert anfliegende Ringraumer nicht sonderlich aus der Ruhe zu bringen vermögen. Daß er selbst so gut gerüstet ist, um sich in einem bevorstehenden Kampf eine gute Chance ausrechnen zu können!« Madock ahnte indes nicht, wie sehr er mit seiner letzten Behauptung irrte ...
*
Das schwache Licht der roten Sonne hüllte die grauen Wohnzellen der Wabenstadt am Ufer des violetten Stromes ein. Lange bläuliche Schatten fielen auf das Wasser, verschmolzen mit seiner Oberfläche. Bei den Bewohnern dieser Stadt herrschte eine an Panik grenzende Aufregung. Übergroße Augen, wie geschaffen dafür, im Dunkeln und in der Dämmerung zu sehen, starrten der jetzt bereits ohne irgendwelche optischen Hilfsmittel deutlich erkennbaren Reihe des anfliegenden Ringraumergeschwaders entgegen. Riesige zweieinhalb Meter hohe Gestalten hetzten auf ihren Stummelfüßen zu flunderartigen Schiffen auf dem nahen Raumhafen hinüber, der sich hinter der Stadt auf einem provisorisch ausgebauten Terrain befand. Ein Dröhnen und Vibrieren erfüllte die Luft über der Wabenstadt. Die Schuppenhaut der Fremden glitzerte in den grellen Lichtkegeln ihrer Schiffe, die jetzt überall aufflammten. Und mit jeder Sekunde kam der Verband der Ringraumer näher. In einem der Flunderschiffe starrte einer der Fremden mit seinen großen Augen auf die vielen, eckigen Bildschirme, die die Zentrale des Raumers wie ein pulsierendes Band umliefen. Sein eiförmiger Kopf saß ohne Hals auf dem großen Körper, der breite, lippenlose Mund, der an ein riesiges Fischmaul erinnerte, klaffte vor Panik weit auseinander. Der schwere Körper wurde von einem schuppigen Schwanz gegen den glatten Boden der Zentrale abgestützt, an dessen Ende sich sogar noch verkümmerte Flossen befanden. Im Licht der grellen Lampen und in den Reflexen blitzender Apparaturen glitzerten die silbernen Schuppen
seines Körpers überall dort auf, wo die leuchtend rote Uniform ihn nicht umschloß, und verstärkten die allgemeine Unruhe innerhalb der Zentrale des Flunderschiffes nur noch mehr. Dieses fast drei Meter große Wesen wurde von anderen, nur wenig kleineren umgeben. Nur daß sie statt der roten blaue und gelbe Uniformen trugen. Das klaffende Fischmaul schloß sich mit einem scharfen, schmatzenden Geräusch. Gleichzeitig öffneten und schlssen sich die scharfen Krallen am Ende der überlangen Arme konvulsivisch. »Sie kommen hierher! Sie werden auf unserer Welt landen!« Der Kommandant der Amphis sagte es. Seine Sprache bestand aus einer Zusammenreihung scharfer, harter und akzentuierter Laute. Vor Erregung öffneten sich die dunkelgrünen Kiemenspalten beiderseitig seines Mundes, die er normalerweise gar nicht brauchte, solange er sich auf dem Land seiner Lungen bediente. »Was sollen wir tun? Schon einmal haben uns diese Fremden vernichtend geschlagen, als wir gerade glaubten, zu siegen und uns ihren Planeten zu unterwerfen!« In seinen Augen flackerte der Widerstreit seiner Empfindungen. Wut, Enttäuschung, »Wir sollten sie landen lassen und dann ganz plötzlich über sie herfallen! Mit allen unseren Waffen! Wir sollten Rache nehmen dafür, daß sie uns schon einmal von unserer Welt vertrieben haben, daß sie uns jetzt wieder nachstellen. Wir sollten diese häßlichen, glattäugigen Wesen töten, eines nach dem andern!« stieß er schließlich hervor. Die anderen Amphis stimmten ihm voller Erregung zu, während sich ihre Augen unablässig auf die anfliegenden Ringraumer hefteten. Doch der Kommandant gewann seine Beherrschung als erster Zurück. Mit aller Gewalt dämmte er die Flut
widerstreitender Gefühle ein. »Wir können jetzt aber keinen Kampf, keinen Krieg und keine Verluste brauchen! Vielleicht ergibt sich die Gelegenheit zur Rache ein anderes Mal, jetzt sollten wir versuchen, die Fremden hinzuhalten! Ihr wißt alle, warum!« Die Amphis starrten ihren Kommandanten an. Dann stimmten sie zögernd zu. Enok war klüger als sie, stärker als sie. Enok hatte noch immer das Richtige getan. Sie würden sich seinem Rat fügen. Der Kommandant wirbelte überraschend schnell herum. Sein scharfer, lippenloser Mund bewegte sich. »Es bleiben nur wenige Raumer hier. Die anderen verteilen sich sofort rund um den Raumhafen und unsere Stadt. Legt euch so, daß eure Waffen die Fremden, falls sie hier landen, sofort vernichtend treffen können. Aber wartet auf meinen Befehl. Haben wir nicht sofort, gleich beim ersten Überfall vollen Erfolg, dann sind wir verloren!« Er beobachtete, wie die Flunderschiffe sich eines nach dem andern von der Landepiste lösten und in der Dämmerung verschwanden. Auf den Schirmen und Kontrollen kontrollierte er die neuen Liegepunkte und dirigierte dieses oder jenes auch noch wieder um. Dann glomm Befriedigung in seinen kalten, erbarmungslosen Augen auf. »Gut!« sagte er dann. »Jetzt mögen sie kommen. Wenn sie unsere Wünsche nicht respektieren, werden sie bald wissen, daß unsere Rasse zu kämpfen versteht!« Allmählich verschwand auch aus den Augen der anderen die Furcht und die Panik, die sie beim Anblick der Ringraumer ergriffen hatte. Auch in der Wabenstadt trafen die Amphis ihre Vorbereitungen. Sie waren seit langem darauf eingerichtet, sich gegen Invasoren jeder Art wirksam zu verteidigen. Sehr wirksam sogar! *
Unterdessen jagte die Ringraumergruppe unter der Führung von Janos Szardak dem Geschwader Larsen hinterher. Aber Szardak befand sich nicht in der Zentrale seiner LABOR I, sondern in der aufs Modernste eingerichteten FunkZ, deren ursprüngliche, zum Ringraumer gehörige Geräte sich aufs Raffinierteste mit denen terranischer Technik ergänzten. »Los, Malone, ziehen Sie alle nur verfügbaren Informationen über die letzten Magnetorkane heran. Ich möchte die genauen Ausläufer der registrierten Stürme haben, ihre Reflexionsspiegel und möglichen Beugungsfelder! Fassen Sie alle Werte mit ihren Leuten auf einer Karte zusammen und geben Sie die gewonnenen Daten schnellstens in den Suprasensor! Die Ergebnisse dann sofort an mich. Rufen Sie alle verfügbaren Stationen und Labors an, recherchieren Sie auch bei den in der Galaxis stationierten Warnschiffen. Ich muß das diesmal so genau wie möglich wissen, es hängt unter Umständen sehr viel mehr davon ab, als wir vorläufig wissen! Haben Sie mich genau verstanden, Malone?« Der diensttuende Funküberwachungsoffizier nickte. »Ich habe begriffen, Sir, verlassen Sie sich auf mich und meine Männer!« »Gut, aber beeilen Sie sich, es muß schnell gehen! Ich brauche die Information bereits, ehe wir den Kurs auf die Koordinate Rot, 22:48,02 einstellen!« Szardak schlug Malone kurz auf die Schulter, verließ die Funk-Z und trat auf den Gang hinaus, der den Ringkörper im Zentraldeck kreisförmig durchlief. Er sah auf sein Chrono. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis sie in den Raum vorstießen, aus dem Larsen Hilfe angefordert hatte. Janos Szardak, der Mann in der TF, der auch schon vor der Invasion der Giants manches Himmelfahrtskommando in der Jupitergruppe mitgemacht hatte, der vielleicht sogar von allen Offizieren in der TF auf diesem Sektor die meisten
Erfahrungen besaß, Szardak, dieser alte Draufgänger, fragte sich in diesem Moment, wie ihnen möglicherweise eine Begegnung mit den schwarzen Schiffen bekommen würde. Was er von den Nogks erfahren hatte, gab keinerlei Anlaß zu irgendwelchem Optimismus. Er schüttelte den Kopf. Nach allem, was er von den Nogks wußte, konnte es sich bei den hypothetischen Bewohnern jenes Sonnensystems nicht um jene Schatten handeln. Wahrscheinlich hätten sie Larsen gar nicht mehr die Möglichkeit gegeben, Hilfe anzufordern! Aber warum, zum Teufel, hatte Larsen es dann trotzdem getan? Und warum antwortete er auf keinen seiner Anrufe. Was war mit Huxley und der FO I? Würden sich seine Vermutungen als stichhaltig erweisen? Szardak beschleunigte seine Schritte. Mit Larsen verfügten sie insgesamt über zweihundert Ringraumer mit erstklassigen Besatzungen. Das war eine nicht unerhebliche Streitmacht! * Larsen und seine Männer konnten jetzt mühelos Einzelheiten der vor ihren Schiffen liegenden Planetenoberfläche erkennen. Jetzt sprachen auch ihre Ortungen an. Trotzdem kamen alle Reaktionen der Instrumente stark verzögert. Es wurde immer deutlicher, daß die Lebewesen jener Wasserwelt über Einrichtungen verfügten, die selbst der kombinierten Technik der Ringraumer Schwierigkeiten bereiteten. Erst bei der dritten Umkreisung entdeckten sie auf ihren Schirmen die Wabenstadt und Teile des Raumhafens. Ihre Position war ungünstig, weil der Schirm sie behinderte, alles auf eine seltsame Weise verzerrte, verschleierte, und weil die Wabenstadt und der Raumhafen unter ihnen sich gerade anschickten, in die Nachtseite des ohnehin recht düsteren
Planeten einzutauchen. Ralf Larsen fluchte leise vor sich hin. Er hatte die verschlüsselten To-Funksprüche Szardaks bekommen. Er glaubte nicht, daß die Bewohner der Welt zu ihren Füßen damit etwas anfangen konnten. Aber er selbst durfte auf keinen Fall antworten. Das hätte möglicherweise verraten können, daß weitere Schiffe unterwegs waren. Wenn Szardak eintraf, dann sollte er überraschend eintreffen, einfach da sein. Larsen wandte sich erneut an seinen Ortungsoffizier, der zugleich an Bord seiner A-01 die Funktionen des I. O. wahrnahm. »Was meinen Sie, Madock, sollen wir mit dem ganzen Verband einfach landen? Die Intervallschirme würden uns genügend Schutz gegen plötzliche Überfälle oder plötzlichen Beschuß bieten. Zugleich könnte dem Gegner, falls es sich überhaupt um einen solchen handelt, die Landung imponieren und ihm zeigen, daß wir verhandeln wollen, daß wir Kontakte suchen!« Gespannt wartete Larsen auf die Antwort dieses jungen Offiziers, der an Bord seiner A-01 seine erste Reise auf einem Ringraumer mitmachte. Er schätzte Madock wegen seines überaus scharfen Intellekts, wegen seines sicheren Gespürs für Situationen und Gefahren. Madock bewegte abwägend den Kopf. »Nein, Colonel!« erwiderte er dann nach einer Weile. »Wir sollten das auf keinen Fall tun. Wenn ich das Kommando hätte, würde ich mit genau der Hälfte der Ringraumer landen, ohne jede Anfrage, ohne den Versuch einer Kontaktaufnahme. Aber doch so, daß meine Absicht unübersehbar deutlich bliebe, daß der Gegner nicht durch plötzliche Schreckreaktionen zu irgend etwas hingerissen wird, was nicht in unserm Sinn ist. Die restlichen Ringraumer würde ich auf einen Orbit um den Planeten verteilen. So ist erstens eine Kontrolle über mögliche, versteckte Maßnahmen jener Wesen
dort unten gewährleistet, zweitens würde der eventuelle Gegner erkennen, daß wir nicht blind in eine vielleicht gestellte Falle tappen, drittens aber vermöchte auf diese Weise kaum eine so wirksame Falle gestellt werden, daß sie plötzlich und ausweglos über uns zuschlagen könnte! Beim Orbit wäre lediglich darauf zu achten, daß die restlichen fünfzig Schiffe so verteilt werden, daß jeder Punkt der Planetenoberfläche eingesehen werden kann. Ringschaltung zu allen Zentralen würde die Wirksamkeit einer derartigen Maßnahme noch erhöhen!« Larsen nickte hochbefriedigt. »Madock, aus Ihnen wird einmal ein verdammt guter Kommandant oder Geschwaderchef! So wie Sie es gesagt haben, so hätte ich es unter allen Umständen gemacht. Geben Sie jetzt bitte die notwendigen Anweisungen!« Madock erglühte unwillkürlich unter dem Lob Larsens. Der Colonel war in der Flotte dafür bekannt, mit Lob nicht gerade freigebig zu sein. Deshalb wog sein Wort doppelt schwer. Innerhalb weniger Minuten hatte Madock alle Schiffe verständigt und eingeteilt. Jedes Schiff kannte für die kommenden Aktionen genau seinen Platz. Dann gab Larsen selbst das entscheidende Kommando. Fünfzig Ringraumer scherten aus dem Verband aus und tauchten in die blaßgrüne Atmosphäre der unter ihnen liegenden Wasserwelt ein ... * »Amphis!« Larsen stieß dieses Wort voller Betroffenheit aus, als sein Schiff an der Spitze der ihm folgenden fünfzig Ringraumer zur Landung auf dem Raumhafen neben der Wabenstadt ansetzte. Seine Stirn furchte sich beim Anblick der großen, flunderförmigen Schiffe. Er hatte diese Raumerart und alles,
was mit ihnen zusammenhing, noch in lebhafter Erinnerung, auch wenn inzwischen viele Jahre seit der letzten Begegnung mit den Amphis vergangen waren. Er erinnerte sich schlagartig an die Grausamkeit und Bösartigkeit dieser Rasse. Fühlte wieder jenes Grauen in sich aufsteigen, das ihn damals im Col-System überfallen hatte, als er mit Dhark, Riker, Szardak und der ganzen Top-Crew der GALAXIS in die Hände dieser Fischwesen fiel. Spürte erneut den ganzen Ekel, der ihn gepackt und fast gelähmt hatte, als er durch eines der morschen Dächer der Amphistadt brach und in das Bassin eines dieser Wesen stürzte. In eine schleimige, grünliche, entsetzlich übelriechende Masse. Nur der Schnelligkeit und Entschlossenheit seiner Gefährten war es zu verdanken, daß er heute noch lebte. Und jetzt stand er dieser Rasse abermals gegenüber. Wenn auch wesentlich besser gerüstet ... Larsens Gedanken überstürzten sich. Wenn Huxley sich mit seiner FO I tatsächlich diesem System genähert hatte, dann stand es schlecht um ihn und seine Männer. Larsen wußte nur zu gut, daß man die Amphis und ihre Flunderschiffe, vor allem aber ihre entsetzliche Entschlossenheit und Verbissenheit, mit der sie kämpften und starben, nicht unterschätzen durfte. Larsen wurde mit einem Schlag klar, daß er hier keine Zeit vergeuden durfte. Lebten Huxley und seine Männer noch, dann zählte jede Minute. Bei den Flunderschiffen rührte sich nichts. Kein Amphi zeigte sich. Keines der Schiffe machte auch nur den geringsten Versuch, mit ihnen Kontakt aufzunehmen. »Wieviel Flunderschiffe befinden sich auf der Piste?« Larsen stellte diese Frage fast automatisch. Die Antwort kam schnell. »Soweit wir den Raumhafen überblicken können, nicht ganz zweihundert. Ich gebe aber zu bedenken ...« »Danke, Madock! Ich weiß, was Sie sagen wollen. Die Amphis haben uns frühzeitig genug geortet, um eine prächtige
Falle für uns vorzubereiten, das ist mir völlig klar! Ich kenne diese Rasse und ihre Kampfesweise bereits von früher her! Es könnte aber sein, daß unser eigenes Arrangement den Brüdern das Konzept einigermaßen verdorben hat, wenigstens ...« Larsen unterbrach sich. Erschrocken starrte er abwechselnd auf die Schirme in der Zentrale seines Schiffes. Gleichzeitig liefen von den anderen Ringraumern Meldungen ein, die das, was er und seine Männer soeben erblickten, voll und ganz bestätigte. »Verdammt, diese Fischwesen haben uns ...« Er fuhr sich nervös mit der Hand über die Stirn unter der hochgefahrenen Scheibe seines Raumhelms. Von allen Seiten schoben sich jetzt Flunderschiffe über die Piste. Ihre massigen, eigentümlich flach wirkenden Druckkörper verdunkelten das ohnehin spärliche Licht der fast untergegangenen Sonne. Larsen machte sich gar keine Illusionen. Wohl registrierte er über die Distanzortung, daß seine Gruppe von Ringraumern ebenfalls zur Stelle war und sich ihrerseits über den Flunderschiffen zusammenzog. Aber die Aktion kam einfach zu spät. Die Amphis waren schneller gewesen. Praktisch sah die Sache für ihn und seine Männer verteufelt schlecht aus. Mochte die zweite Gruppe der Ringschiffe auch die Flundern vernichten, mochten sie die Amphis von beiden Seiten her in die Zange nehmen, sie selbst hatten dabei nur geringe Chancen. Selbst die im Falle eines Kampfes abstürzenden Flunderschiffe waren eine tödliche Gefahr, trotz der Intervallfelder. Larsen wußte genau, daß auch die Kapazität eines Intervallfeldes seine Grenzen hatte. Hinzu kam, daß keines der erbeuteten Ringschiffe – im Gegensatz zur POINT OF – über einen Checkmaster verfügte, der in Grenzfällen immer noch koordinierend, rettend einzugreifen vermochte. Trotzdem mußte er etwas tun. Sie konnten es sich den Amphis gegenüber nicht leisten, auch nur den Anflug von
Schwäche oder Furcht zu zeigen! »Madock! Befehl an alle Schiffe: Bei der folgenden Aktion der A-01 absolute Ruhe bewahren. Niemand eröffnet ohne meinen ausdrücklichen Befehl das Feuer. Niemand verläßt ohne zwingenden Grund seine gegenwärtige Position!« Er wandte sich den Kontrollen zu. »Kommandant A-01 an Besatzung! Wir sind auf Amphis gestoßen. Diese Rasse hat uns in der Vergangenheit auf Hope mehrfach angegriffen. Sie zeichnet sich aus durch Grausamkeit, Bösartigkeit und rücksichtslosen Einsatz ihrer Mittel. Ihre Technik befindet sich auf einem hohen Stand, ebenso ihre Waffen. Jeder einzelne von Ihnen müßte während seiner Ausbildung über die Amphis informiert worden sein. Es ist daher notwendig, daß wir unverzüglich eine Demonstration unserer Macht durchführen. Ich hoffe, die Amphis werden dadurch eingeschüchtert und verhandlungswillig. Das müssen wir unter allen Umständen erreichen, wenn wir Näheres über die FO I und ihre Besatzung erfahren wollen! In genau dreißig Sekunden wird unser Ringraumer mit Hilfe seines Intervalls eines der Flunderschiffe durchfliegen! Ende!« Larsen nahm den Flunderraumer aufs Korn, der nahezu senkrecht über seinem eigenen Schiff stand. »Achtung, Start!« Die A-01 stieß senkrecht in den purpurroten Himmel empor. Trotzdem reagierten die Amphis. Ob aus Schreck, Nervosität oder in kalter Berechnung, das ließ sich später nie mehr klären. Die Energie-Geschütze ihrer Schiffe flammten auf, während die Außenfläche des Intervalls sich in eine lodernde, wabernde Feuerkugel verwandelte. Flüchtig registrierte Larsen, daß die Kommandanten der übrigen Ringraumer sich an seine Befehle hielten. Keines der Schiffe eröffnete das Feuer. Dann war die A-01 heran. Gewaltige Entladungen
durchzuckten den Raum, als das Intervall die Schutzschirme des Amphiraumers berührte. Brüllender Donner fuhr über die Wabenstadt der Fischwesen an dem mächtigen Strom, auf dessen violetten Fluten sich das Inferno der Entladungen widerspiegelte. Den Bruchteil einer Sekunde später durchflog die A-01 einen weit größeren Flunderraumer. Larsen und die Männer seines Schiffes sahen auf den Bildschirmen die in völliger Panik durch die Gänge und Stationen des Raumers jagenden Amphis. Riesige, schimmernde Schemen, deren weitaufgerissene Augen den Ringraumer voller Entsetzen anstarrten, während ihre gewaltigen Körper bei der Berührung durch das Intervall schlagartig verschwanden. Dann war die A-01 durch den Amphiraumer hindurch. Larsen wirbelte in seinem Sitz herum. Entsetzt starrte er auf das Inferno um sich herum. Amphis wie Ringraumer schossen aus allen Rohren aufeinander. Die Intervallschirme glühten und loderten in allen Farben des Spektrums. Schon wollte Larsen einen hastigen Befehl geben, als er mitten in seiner Bewegung innehielt. Er erkannte, daß die Nadelstrahlen der Ringraumer die Schiffe der Amphis absichtlich nur streiften, zumeist nur ihre Schutzschirme zerrissen und hier und da einen Druckkörper ganz am Rand erfaßten. Sprühend zerstäubte das getroffene Material nach allen Seiten. Ein wahrer Funkenregen ergoß sich über die Piste des Raumhafens und die grüngrauen Waben der Amphistadt. »Feuer einstellen, verdammt noch mal, sofort das Feuer einstellen!« schrie Larsen in die Bordsprechanlage. Denn eben taumelten die ersten Flunderraumer auf die Piste und in das hochaufschäumende Wasser des Stromes. Die Ringraumer gehorchten seinem Befehl augenblicklich. »Colonel«, meldete sich durch das Chaos der immer noch
röhrenden Amphistrahler einer seiner Kommandanten. »Wir konnten nicht anders handeln! Als Sie eine der Flundern mit Ihrer A-01 durchflogen hatten, legten die auf der Piste und über uns stehenden Flundern mit ihren Strahlgeschützen sofort einen undurchdringlichen Energievorhang an die Stelle, an der Sie mit der A-01 wieder ins Freie mußten! Das hätte auch Ihr Intervall nicht verkraften können, Sir!« Larsen erschrak. Mit einer solchen Reaktion der Amphis hatte er nicht gerechnet. »Danke, Shooters! Ich hätte daran denken sollen, aber bei diesen verdammten Fischwesen weiß man nie, woran man ist! Das habe ich früher auch schon erfahren müssen!« Er hatte seinen Satz kaum beendet, als auch die Amphis zögernd, wie widerwillig, ihr Feuer auf die Ringraumer einstellten. Überrascht blickte Larsen auf die Schirme seines Schiffes. »Was sagen Sie dazu, Madock? Das sieht fast so aus, als wenn die Amphis nicht unter allen Umständen kämpfen wollen, als wenn sie nicht unbedingt darauf aus sind, für ihre damalige Niederlage jetzt endgültig Rache zu nehmen! Oder?« Die plötzliche Stille in der A-01 ließ seine Worte viel lauter klingen, als sie gesprochen worden waren. Madock nickte. »Sieht so aus, Colonel! Aber sie tun auch gut daran! Sehen Sie einmal nach Rot!« Larsen fuhr herum. Und dann plötzlich erkannte er den Grund, warum die Amphis plötzlich klein beigaben. Auf der Koordinate Rot tauchte der Verband Szardaks auf. Die Schiffe jagten auf den Planeten zu. Es konnte nur noch Minuten dauern, ehe die Spitze des Verbandes in die Atmosphäre hineinstieß. Im gleichen Augenblick dröhnte die Zentrale der A-01 auf. »LABOR I, Szardak an A-01, Larsen! Bitte kommen! Erbitte Anweisung, ob ich mit meinem Verband sofort in den
Kampf eingreifen soll!« Larsen zögerte keine Sekunde. Er wußte, welch ein Draufgänger Janos Szardak war, wie schnell dieser Mann handelte und mit welcher Wucht er seine Angriffe zu führen wußte. Mit wenigen, hastigen Worten klärte er ihn auf. »Bleiben Sie im Orbit, Szardak! Die Amphis haben begriffen, daß sie jetzt keine Chance mehr gegen uns besitzen! Ich muß mit ihnen verhandeln, Szardak! Wir müssen herausfinden, ob sie Huxleys FO I vernichtet oder sonst irgendwie in ihrer Gewalt haben!« Szardak überlegte. »Ich habe da so meine eigenen Gedanken, Larsen!« erwiderte er. »Dadurch, daß wir es mit den Amphis zu tun haben, ändert sich allerdings einiges. Warten Sie auf mich, ich stoße mit meiner LABOR I zu Ihnen, wir sollten die Verhandlungen mit diesen Fischwesen gemeinsam führen! Wir beiden kennen diese Brüder ja ziemlich gut!« Szardak schaltete ab. Bereits kurze Zeit später setzte sein Ringraumer ungehindert von den Amphis neben der A-01 auf. »Hören Sie zu, Larsen! Ich mache folgenden Vorschlag. Wir nehmen uns jeder einen der transportablen MysteriousÜbersetzer mit und gehen gemeinsam einfach auf die Piste hinaus. Die Amphis werden wir anders nie dazu bringen, mit uns zu verhandeln! Feige sind die Burschen ja nicht. Wenn wir unbewaffnet auf die Piste kommen, werden sie begreifen, was wir wollen! Alles andere müssen wir abwarten. Unsere Schiffe können uns Rückendeckung geben, so gut es geht. Das Anfangsrisiko allerdings, das liegt auf unserer Seite! Es wird aber schon nichts passieren! Die Amphis sind nicht so dumm, uns zu zerstrahlen, um sich dann anschließend von unseren Ringraumern atomisieren zu lassen! Also, kommen Sie?« Larsen holte tief Luft. Das war wieder einmal typisch Janos Szardak! Aber sein Vorschlag hatte etwas für sich.
»Gut, Szardak, ich komme. In fünf Minuten bin ich auf der Piste!« erwiderte er dann. Er erhob sich aus seinem Konturensitz. »Madock, Sie informieren inzwischen die anderen Schiffe, soweit sie nicht eben mitgehört haben! Sollte etwas geschehen, übernehmen Sie das Kommando der A-01!« Larsen verließ die Zentrale. Er wollte pünktlich sein. Ein Blick auf sein Chrono zeigte ihm, daß er sich sogar höllisch beeilen mußte ... * Die großen Augen der Amphis starrten den beiden Menschen entgegen. In ihren Gehirnen arbeitete es. Es waren mehrere Dinge geschehen, die ihnen unbegreiflich waren. Enok ließ den Schirm, der Larsen und Szardak zeigte, nicht aus den Augen. Die beiden Männer trafen sich zwischen ihren Raumern und setzten sich anschließend in Bewegung. Schritt für Schritt gingen sie auf den vordersten der Flunderraumer zu. Angestrahlt von den gleißenden Lichtkegeln der A-01 und LABOR I. Enok ruckte herum. Sein breiter, lippenloser Mund klaffte auseinander. »Sie hätten uns vernichten können! Aber sie haben statt dessen das Feuer eingestellt. Und jetzt liefern sich ihre beiden Anführer unseren Strahlern aus! Sie tragen nicht einmal Waffen bei sich!« Ratlos starrte der riesige Amphi wieder in den Schirm. Unterdessen waren Larsen und Szardak stehengeblieben. Sie befanden sich jetzt genau auf dem halben Weg zwischen ihren eigenen und den Amphiraumern. Janos Szardak hob beide Arme hoch empor und drehte den Amphis seine leeren Handflächen entgegen. Dann deutete er auf den transportablen Translator, der vor seiner Brust hing,
und machte mit den Lippen die Bewegung des Sprechens. Anschließend nahm er seine beiden Arme wieder herunter und wartete. Enok starrte die beiden Terraner aus seinen großen dunklen Augen an. »Sie wollen mit uns sprechen, sie wollen verhandeln!« stieß er schließlich verblüfft hervor. Er konnte sich seiner Mentalität entsprechend einfach nicht vorstellen, daß die Terraner auf die Chance, ihren früheren Gegner ein für allemal zu vernichten, einfach verzichteten. Larsen wiederholte jetzt die Geste Szardaks. Noch langsamer, noch deutlicher. Zusätzlich winkte er unmißverständlich mit beiden Händen. »Sie wollen wirklich mit uns verhandeln!« stieß Enok abermals völlig außer sich hervor. In seinem Hirn kämpften Mißtrauen, Neugier und Hoffnung miteinander. Nach einer Weile richtete sich sein riesiger Körper hoch auf. »Ich werde zu den Terranern gehen. Wenn sie mich töten, rächt mich! Und wenn unsere Rasse hinterher auch nicht mehr existiert, laßt keines der Ringschiffe entkommen. Die Fremden ahnen nicht, daß auch wir noch über eine Waffe verfügen, von der sie nichts wissen! Auch wenn sie unser eigener Untergang ist!« Der Amphi verließ den Kommandostand seines Schiffes. Seine leuchtendrote Uniform verschwand im Schott. Eine Weile noch waren seine stampfenden Schritte auf dem Gang zum Transportband zu hören, das ihn unverzüglich zur Bodenschleuse des Flunderschiffes bringen würde. Als Enok neben seinem Raumer auftauchte und auf sie zukam, erschraken Szardak und Larsen doch. Enok war selbst unter den Amphis ein Riese. Mehr als drei Meter groß, in seinen Bewegungen schnell und gefährlich. »Er kommt allein!« Larsen traf diese Feststellung
einigermaßen konsterniert. Das mindeste, was er erwartet hatte, waren zwei Amphis. Doch Szardak zuckte die Achseln. »Er wird wissen, warum! Für mich ist das nur ein Beweis, daß wir um so mehr auf der Hut sein müssen! Alsdann!« Der Amphi war heran, Szardak und Larsen stellten ihre Übersetzer ein, Geräte von geradezu erstaunlicher Präzision, deren Technik auch das Wissenschaftlerteam Deluges noch nicht enträtselt hatte. Zwar war es den Menschen inzwischen gelungen, ähnliche Geräte nachzubauen, aber die Qualität erreichten sie nicht. Knapp zwei Meter vor ihnen blieb der Amphi stehen. Seine rote Uniform leuchtete im Strahl der Lichtkegel der beiden Ringraumer. »Was wollt ihr auf unserer Welt? Warum habt ihr uns angegriffen?« begann der Amphi schroff und ohne Umschweife. Szardaks Züge verhärteten sich. Die Direktheit des Amphis kam ihm nicht ungelegen. Sie verkürzte die ganzen Verhandlungen wahrscheinlich nicht unbeträchtlich. »Uns erreichte der SOS-Ruf eines unserer Schiffe! Unsere Untersuchungen ergaben, daß es sich zur Zeit seines Hilferufes hier, in diesem System befand! Wir wußten nicht, daß ihr euch jetzt hier aufhaltet, aber wir wollen wissen, was mit unseren Gefährten geschah!« Fast körperlich spürten die beiden Männer, wie es hinter der hohen Stirn des Amphis arbeitete. Seine mächtigen Krallen am Ende seiner überlangen Arme, mit denen er seinen Körper gegen den Boden abstützte, öffneten und schlossen sich. »In unserem System befand sich keines eurer Schiffe!« stieß er endlich hervor. »Solange wir hier leben, kam noch nie der Raumer einer fremden Rasse in die Nähe unserer Sonne!« Larsen trat unwillkürlich einen Schritt vor. »Unsere Techniker arbeiten zuverlässig! Sie stellten fest, daß der SOS-Ruf aus diesem Gebiet kam! Also befand sich
unser Schiff auch hier! Wir glauben dir nicht und werden euren Planeten nicht eher verlassen, bis ihr uns unser Schiff und unsere Gefährten herausgegeben habt! Und wenn es uns zu lange dauert, oder wenn ihr sie getötet habt, dann werden wir sie rächen!« Larsen deutete mit einer kreisenden Handbewegung hinter und über sich. »Wir haben die Macht, meine Drohung wahrzumachen! Denke daran!« Er sah, wie sich das Gesicht des Amphis vor Wut verzerrte. Sein rechter Arm zuckte hoch und hieb dann mit aller Wucht in den Boden neben seinem Körper. Steine und Sand stoben in hohem Bogen davon. »Wir haben keines eurer Schiffe gesehen! Bei uns befindet sich kein Wesen eurer Rasse. Das ist mein letztes Wort. Wenn ihr kämpfen wollt, dann kämpft! Wir werden uns wehren!« Larsen trat noch näher an den Amphi heran. »Ihr habt uns schon lange vorher geortet, bevor wir euren Planeten erreichten. Ihr müßt also auch das Schiff unserer Gefährten entdeckt haben. Warum behauptest du, daß es nicht in die Nähe eurer Sonne gekommen sei, wo unsere Peilstationen doch die Herkunft des SOS-Rufes mit absoluter Sicherheit festgestellt haben? Siehst du nicht ein, daß wir dir nicht glauben können? Zwischen unseren Rassen schwelt noch immer der Haß eurer letzten Niederlage. Wollt ihr jetzt eure endgültige Vernichtung herbeiführen? Gebt uns unsere Gefährten und unser Schiff heraus, und nichts wird geschehen. Wir werden eure Welt verlassen und nicht wieder zurückkehren! Wir Terraner haben kein Interesse daran, euch zu vernichten. Wir achten das Leben, in welcher Form auch immer es uns begegnet!« Der Amphi starrte die beiden Menschen an. »Ihr glaubt mir nicht!« stieß er dann aus seinem breiten Mund hervor. Es klang wie ein urweltliches Dröhnen. »Wenn
ihr mir nicht glaubt, welchen Grund hätte ich, euren Worten Glauben zu schenken? Auch damals habt ihr unsere Welt zuerst überfallen; ihr seid auf unseren Planteen gekommen, nicht wir zu euch!« Er machte eine Pause und starrte die beiden Männer böse an. »Zwischen unseren Rasen wird nie Freundschaft herrschen. Aber trotzdem bleibe ich dabei: Keines eurer Schiffe kam in die Nähe unserer Sonne, kein Wesen eurer Rasse befindet sich in unserer Gewalt. Durchsucht diesen Planeten, durchsucht unsere Stadt. Kein Amphi wird deshalb sein Schiff verlassen, keiner wird euch daran hindern. Das ist mein letztes Angebot. Wenn ihr trotzdem kämpfen wollt, dann kämpft!« Hochaufgerichtet stand der Amphi vor Szardak und Larsen. »Gut!« Larsen straffte sich. »Wir werden ...« »Warten Sie, Larsen!« Szardak trat auf den Amphi zu. »Du weißt von den magnetischen Stürmen, die unsere Galaxis durchtoben! Eure Rasse leidet wahrscheinlich genauso darunter, wie die unsere! Wann durchzog der letzte Orkan euer System?« Der Amphi horchte auf. »Warum willst du das wissen? Was hat das mit eurem verlorengegangenen Schiff zu tun?« fragte er mißtrauisch. »Antworte mir erst!« forderte Szardak ihn auf. »Vielleicht weiß ich dann für alles auch noch eine andere Erklärung!« Er sah, wie der Amphi zögerte. Gleichzeitig vernahm er Larsens ärgerliche Stimme. »Sind Sie des Teufels, Szardak? Wie können Sie dem Amphi eine solche Brücke bauen, er wird ...« Doch Szardak winkte energisch ab. Die dröhnende Stimme Enoks unterbrach ihn. »Ich will es dir sagen, damit du siehst, daß ich nicht lüge! Der letzte Orkan – wie ihr das nennt – wütete in unserem System fast, bis wir eure Schiffe orteten. Er war schrecklich
und dauerte länger als jeder andere Ausbruch vorher. Keines unserer Schiffe vermochte zu starten. Wir waren gezwungen, uns in unsere Stadt zurückzuziehen. Wir können in dieser Galaxis nicht länger leben, Terraner, deswegen werden wir sie in Kürze für immer verlassen. Unsere Oks haben eine Möglichkeit gefunden, wie wir vielleicht die Reise in eine benachbarte Galaxis trotz der ungeheuren Entfernung überdauern! Es ist möglich, daß nicht alle von uns diese Nachbargalaxis lebend ereichen, aber unsere Rasse wird fortbestehen und sich einen neuen Lebensraum erkämpfen! Jetzt habe ich dir viel mehr gesagt, als ich wollte. Wir können keinen Krieg brauchen, Terraner. Wir wollen unsere letzten Vorbereitungen in Ruhe und ungestört zu Ende bringen!« Larsen starrte den Amphi ungläubig an. Eine Geste Szardaks hinderte ihn daran, etwas zu sagen. »Ich glaube dir. Wir werden euren Planeten nicht durchsuchen. Erlaubt uns, daß wir noch einige Stunden hier verbleiben, dann werden wir eure Welt wieder verlassen! Ich wünsche euch, daß eure Pläne gelingen, wir werden euch nichts in den Weg legen! Wenn du willst, soll fortan Friede zwischen unseren Rassen herrschen!« Der Amphi beugte sich unwillkürlich vor und starrte Szardak an. In seinen riesigen Augen glitzerte es. »Ich verstehe dich nicht, Terraner!« stieß er schließlich betroffen hervor, und in seiner Stimme schwang das ganze, uralte Mißtrauen seiner Rasse mit, einer Rasse, die nirgendwo im All bisher Freunde gefunden hatte, sondern stets Haß, Abscheu und Verfolgung begegnet war. »Wie kannst du deine Meinung so schnell ändern, warum glaubst du mir plötzlich?« Szardak blickte den Amphi an. »Wir wollten dich auf die Probe stellen. Wir wußten nicht genau, ob unsere Gefährten von euch gefangengehalten oder gar getötet wurden. Aber wir mußten uns Gewißheit
verschaffen! Jetzt weiß ich, daß wir uns irrten. Und noch etwas, damit auch du siehst, daß wir es ehrlich meinen: Eine neue Gefahr bedroht die Galaxis. Eine fremde Rasse, schattengleiche Wesen mit schwarzen Schiffen, zieht mordend und plündernd durch die Spiralarme der uns abgewandten Seite unserer Milchstraße. Wir wissen nicht, woher sie stammen, noch, was sie beabsichtigen. Wir wissen ebenfalls nicht, wann sie hierherkommen werden. Hütet euch vor ihnen. Bisher war ihren schwarzen Schiffen noch keine Waffe gewachsen!« Szardak grüßte und wandte sich ab. Den völlig perplexen Larsen forderte er durch einen Wink auf, ihm zu folgen. Larsen schüttelte den Kopf. Sein Gesicht wirkte verkniffen. Er zweifelte in diesem Augenblick am Verstand dieses alten, erprobten Haudegens, jenes Mannes, der in der Terranischen Flotte einen Ruf besaß, wie kaum ein zweiter. Aber er schwieg, selbst dann noch, als Szardak ihm bedeutete, mit an Bord seiner LABOR I zu kommen. Erst in der Zentrale, als er sich endlich wieder des Raumanzuges entledigt hatte, konnte er nicht mehr länger an sich halten. »Szardak, Sie müssen total den Verstand verloren haben!« fauchte er ihn an. »Wie können Sie diesen Fischwesen trauen? Erinnern Sie sich denn gar nicht mehr an unsere früheren Begegnungen mit den Amphis? Was nun, wenn Huxley und seine Männer doch von ihnen überwältigt wurden? Verdammt, Szardak, bei aller Freundschaft, aber diese Sache werden Sie unter Umständen vor Dhark oder Bulton vertreten müssen! Und ich werde mir überlegen, ob ich diesen verdammten Planeten nicht doch noch umkremple!« Larsen hatte sich in Wut geredet. Das geschah nur äußerst selten bei ihm, aber dann um so gründlicher. »Setzen Sie sich, Larsen, und warten Sie ab, was ich Ihnen zu sagen habe, ehe Sie mich verdammen! Ich habe aus gutem
Grund so gehandelt!« Er streckte die Hand aus. »Die Karte!« befahl er kurz. Malone, sein erster Funkoffizier, stand schon bereit. Er reichte ihm eine etwa fünfzig mal fünfzig Zentimeter große Folie. Szardak legte sie vor Larsen auf eines der Steuerpulte. »Sehen Sie hier, Larsen! Auf dem Flug hierher und auch schon in Cent Field habe ich Recherchen angestellt über alle bekannten Magnetorkane, die in der letzten Zeit die Galaxis durchzogen, jedenfalls über alle, die uns bekannt sind!« schränkte er seine Erklärung etwas ein. »Ich weiß also, daß der Amphi uns nicht belogen hat. Dieses Gebiet wurde am stärksten betroffen. Aber auch hier ...«, er wies auf ein Gebiet weit jenseits des Spiralarms, in dem sie sich befanden, »und hier und da und an noch anderen Stellen.« Er fuhr mit dem Finger erklärend über die Karte. »So, Larsen, und nun verfolgen Sie die rote Linie, die quer durch die Milchstraße bis in das System führt, in dem die Nogks sich befinden! Vergleichen Sie die Werte und den sich ergebenden Reflexionsspiegel! Sie können daraus ohne weiteres erkennen, daß selbst ein To-Funk-Spruch so weit abgelenkt von den Zentren der Magnetorkane so weit reflektiert werden kann, daß er schließlich aus einer gänzlich anderen Richtung in unsere Empfänger gelangt, als von dort, von wo aus er abgestrahlt wurde!« Abermals fuhr er mit dem Zeigefinger über die Karte. »Und dann sehen Sie sich das einmal an, Larsen!« Er deutete auf ein rundliches, verschwommenes Gebilde, das sich aus den anderen Eintragungen ganz deutlich heraushob. »Da steckt irgend etwas, Larsen! Um dieses Gebiet machen alle Strahlungsorkane einen Bogen, wie stark sie auch sein mögen. Sie werden einfach abgelenkt, umwandern dieses
Gebiet. Sagt Ihnen das etwas?« Ralf Larsen hockte mit gefurchten Brauen in seinem Konturensessel und starrte auf die Karte. Er war geschult und erfahren genug, um die Stichhaltigkeit von Szardaks Ausführungen zu erkennen. Schließlich sah er Szardak an. »Sie sind also der Ansicht, daß Huxley sich nach wie vor bei den Nogks befindet? Daß er seinen SOS-Ruf von dort abstrahlte und daß der Spruch durch mehrere Reflexionen schließlich aus dieser Richtung zu uns kam?« Szardak nickte bestätigend. »Sie glauben weiterhin, daß dieses seltsame Gebiet in der Nähe der Nogks mit dem Hilferuf Huxleys in Zusammenhang steht?« Szardak nickte abermals. »Nicht nur das, ich vermute sogar ...«, und er berichtete dem aufhorchenden Larsen von seinen Erlebnissen mit dem Kampfschiff der Nogks auf Cent Field. »Meine Meinung ist, Larsen, wir sollten sofort zu den Nogks aufbrechen! Sie brauchen Hilfe. Ich habe mit Bulton schon alles besprochen für den Fall, daß sich meine Vermutungen bestätigen!« Larsen erhob sich abrupt. Impulsiv streckte er Szardak seine Rechte hin. »Ich war ein Idiot, Szardak. Ich hätte gerade Sie besser kennen müssen! Starten wir!« Szardak ergriff seine Hand. »Machen Sie sich nichts draus, Larsen. Als ich erfuhr, daß Sie auf Amphis gestoßen waren, warf ich zunächst auch alle meine Überlegungen über den Haufen. Auch ich war anfangs überzeugt, daß Huxley diesen Fischwesen in die Hände geraten sei! Ohne die Karte – ich hätte mich nicht anders verhalten, als Sie es vorhatten!« Er begleitete Larsen bis zur Schleuse. Eine knappe
Viertelstunde später starteten die auf dem Raumhafen der Amphis liegenden Ringschiffe. Viele tausend Augenpaare starrten ihnen nach. Unter ihnen Enok, der Herrscher der Amphis ... * Huxley saß Charaua in der Kommando-Zentrale des neuen Ellipsenraumers gegenüber. Dieses Schiff unterschied sich von den Nogkraumern herkömmlichen Typs völlig. Zwar hatten die Nogks wiederum ihre Allsichtschirme beibehalten, bei deren Aktivierung die Illusion entstand, das Schiff löse sich auf und man befände sich schutzlos irgendwo zwischen den Sternen in der Tiefe des Universums, aber sonst waren sie völlig neuen Erkenntnissen gefolgt. Der Mittelteil des mathematisch genauen Ellipsenraumers bestand aus einem hundert Meter großen Gewölbe, das wiederum eine Ellipse darstellte. In ihren beiden Brennpunkten jedoch befand sich das Wunderwerk der nogkschen Technik, das diese Rasse in Zukunft befähigen würde, in die Tiefen des Leerraumes vorzustoßen: In jedem der beiden Brennpunkte der Ellipse glühte eine künstliche Sonne. Durch speziell dafür und mit höchster Präzision geschaffene Wandungen, die über ein kompliziertes Diffusorsystem die Strahlen jener beiden Sonnen reflektierten, wurde das Gewölbe völlig gleichmäßig ausgeleuchtet. Die beiden Sonnen wurden durch eine eigens zu diesem Zweck geschaffene Zentrale von den Meegs überwacht. Sie ließen sich sowohl in Bezug auf ihr optisches Spektrum als auch auf die Zusammensetzung ihrer Strahlung variieren. Und zwar unabhängig voneinander, so daß die eine Sonne diejenigen Nogks versorgen konnte, die sich in ihrer Schlafperiode befanden, die andere jedoch die nötige Versorgung der Mannschaft mit Licht und Strahlung sicherstellte. Ebensogut
konnten aber auch beide Sonnen auf Schlaf- oder Wachperiode eingesteuert werden. Neben dem eigentlichen Gewölbe befanden sich an den kurzen Bögen der Ellipse Behandlungsräume für erkrankte Nogks. Über ein besonderes System von Filtern und Konvertern konnte in die einzelnen Kabinen von beiden Sonnen jede nur gewünschte Strahlung abgesondert werden. Ein weiteres Meisterwerk jedoch stellten die Detektorgruppen dar, die aufgrund von Einspeicherungen den Gesundheitszustand eines jeden Besatzungsmitglieds des Ellipsenraumers überwachten und automatisch bei Gefahr Meldung an die Meegs gaben. Diese Detektoren befanden sich in jeder Abteilung des Schiffes. In der Zentrale im Bug des Raumers, in den vollautomatisch gesteuerten Waffengruppen, in den Antriebsräumen und den großen Hangars des Bootsdecks unter der Oberseite des Druckkörpers, die gleichzeitig zur Aufnahme aller möglichen Transportgüter eingerichtet waren. Im Schiff selbst erfolgte die Fortbewegung von einer Abteilung in die andere mittels Gleitfeldern, deren grünlich schimmernde Energie den leichten Krümmungen der Transportschächte folgte. Bei Versagen der Energiestationen war es jederzeit möglich, sich auch ohne Gleitfelder auf extra dafür geschaffenen Laufflächen innerhalb der Schächte fortzubewegen. Huxley schüttelte den Kopf. Dieses Schiff war wirklich das Wunderwerk einer fremden Technik, die nicht einmal er begriff. Der Colonel sah Charaua an. »Du sprachst von neuen, ultimativen Waffen, Charaua! Nach welchem Prinzip arbeiten sie? Ich glaube, wir sollten darüber sprechen, weil wir nicht wissen, wann wir auf die schwarzen Schiffe stoßen!« Er sah auf sein Chrono. »Zudem starten wir in einer knappen halben Stunde, uns bleibt also nicht mehr viel Zeit!«
Der Nogk sah seinen terranischen Freund an. »Du kennst unsere Energienetze, Huxley! Auch die neue Waffe arbeitet nach diesem Prinzip. Materie, die das Netz berührt, wird zersetzt. Auch die Schutzschirme werden aufgesogen und absorbiert. Außerdem aber geschieht noch etwas anderes.« Der Nogk starrte den Menschen an, seine Fühler spielten unruhig. »Die neuen Energienetze bilden kugelförmige Sphären, sobald ein Objekt einmal mit seinen energetischen Tastern in Berührung gerät. Hat sich die Sphäre um den Gegner geschlossen, tritt ein Prozeß ein, der auch von uns mit keinem Mittel wieder rückgängig zu machen ist. Es bildet sich innerhalb eines Normalkontinuums, so wie das uns bekannte Universum eins darstellt, eine Antisphäre. Diese Antisphäre aber wird vom weit größeren und in seinen Feldern milliardenfach stärkeren Normalkontinuum als untragbarer Fremdkörper ausgeschleudert. Wohin, wissen wir nicht. Wir haben Versuche unternommen. Wir haben Schiffe von uns auf diese Weise zur Erprobung jener Waffe verwendet, ohne Besatzung natürlich. Sie verschwanden spurlos. Lediglich eine Strukturerschütterung zeigte den Vorgang der Ausschleuderung an. Ob und wieweit diese Waffe uns gegen die Fremden hilft, wissen wir nicht. Aber wir glauben an einen Erfolg, weil dieser Prozeß erst dann anläuft, wenn das angegriffene Objekt durch die zersetzende Wirkung unseres Energienetzes bereits stark beschädigt ist!« Huxley starrte den Nogk aus schmalen Augen an. »Charaua, das ist eine teuflische Waffe!« flüsterte er dann. Sein geschulter Verstand begriff sofort die entsetzliche Konsequenz der Erklärung des Nogks. »Ihr könntet unter Umständen, wenn genügend Energie durch eine genügende Anzahl von Ellipsenschiffen vorhanden ist, ganze Welten aus dem Normalkontinuum herausstoßen!«
Charaua zögerte. »Das ist nicht ganz sicher, aber es wäre denkbar. Allerdings werden wir Nogks das nie an irgendeiner Welt erproben. Der Rat des Imperiums hat strenge Gesetze erlassen, die die Anwendung dieser Waffe genau festlegen. Jeder Verstoß gegen diese Beschlüsse wird hart geahndet werden, Terraner. Sollte es aber zum Kampf zwischen uns und den schwarzen Schiffen kommen, dann werden wir sie anwenden müssen, weil alle unsere anderen Waffen versagen. Du hast es selbst erlebt!« Huxley straffte sich. »Noch eine Viertelstunde, Charaua! Ich muß mich um meine Männer kümmern. Zum Zeitpunkt unseres Starts finde ich mich hier wieder ein. Wir sind uns also einig, daß wir vor der eigentlichen Erprobung dieses Schiffes und seiner Einrichtungen erst Verbindung zu meinen Rassegefährten aufnehmen und dann versuchen, den Stützpunkt der Fremden zu finden!« »So wünscht es der Herrscher unseres Imperiums. Und vergiß nicht, auch der bevorstehende Kampf, die Suche nach den Fremden wird schon eine Erprobung sein. Ich glaube nicht, daß sich der Stützpunkt jener Schatten – wie du sie nennst – innerhalb unserer Galaxis befindet! Alle unsere Messungen, unsere wenigen Ergebnisse, weisen auf ein Gebiet tief im Halo unserer Galaxis ...« Huxley stutzte plötzlich. Erschrocken blickte er den Nogk an. »Du meinst, die Fremden könnten aus einer uns benachbarten Galaxis kommen?« »Gerade das wissen wir nicht!« Charaua erhob sich mit der seiner Rasse eigenen Schnelligkeit. »Bis gleich, Huxley! Auch ich habe noch einiges zu tun!« Eine knappe Viertelstunde später verließ der
Ellipsenraumer den Hangar. Er schwebte lautlos vorbei an dem Riesenschiff, an dem auch jetzt ein ganzes Heer von Nogks arbeitete und es so Stunde für Stunde seiner Fertigstellung entgegentrieb. Gegen diesen Giganten war ihr Ellipsenraumer mit seinen 500 Metern Länge fast ein Zwerg. Und doch wußte Huxley, daß eine Menge Schiffe dieser Art in anderen Hangars auf ihren Werften lagen. Schon in kurzer Zeit würden die alten Eiraumer der Nogks diesem neuen Typ weichen müssen. Charaua hatte Huxley angedeutet, daß sie in Zukunft nur noch zu Patrouillenzwecken in der nächsten Umgebung der Sonne Tantal Verwendung finden würden. Der Riesenraumer hingegen würde in Begleitung einer Gruppe von 500-Meter-Schiffen in Richtung Andromeda fliegen. Aber erst dann, wenn die neue Flotte der Nogks so stark war, daß sie jeden möglichen Angreifer aus dem System der Sonne Tantal zu vertreiben mochte. Und er, Huxley, würde zusammen mit Charaua das Kommando über den Riesenraumer der Nogks übernehmen. Er und seine Männer würden einen Teil der Besatzung dieses Schiffes bilden. So hatte es der Rat des Imperiums in einer weiteren Sondersitzung gewünscht, und Huxley hatte eingewilligt. An all dies dachte der hagere Colonel, als der Gigant nun unter ihnen zurückblieb, kleiner und kleiner wurde und schließlich unter der schützenden, die Planetenoberfläche täuschend ähnlich nachahmenden Energiebarriere im Innern des imitierten Kraters verschwand. Zwischen den Koordinaten des Allsichtschirmes im Leitstand des Ellipsenraumers, den Huxley auf den Namen CHARR getauft hatte, erschien in Lebensgröße der Herrscher des Imperiums. Tausende von schwarzen Facettenaugen glitzerten aus dem Hintergrund des Ratssaales zu ihnen empor. Der Herrscher winkte ihnen zu, seine Impulse drangen durch den Leitstand. »Die gesamte Flotte des Imperiums liegt bereit. Wenn ihr Hilfe braucht, startet sie sofort!«
Der Herrscher winkte ihnen abermals zu, dann verlosch seine Gestalt zwischen den Koordinaten ... * Larsen saß vornübergebeugt in seinem Konturensitz. Angespannt beobachtete er den winzigen, blau-grünen Stern in den Koordinaten des Hauptschirmes. »Kommandant an Labor A-01: Auswertung, welcher Sonnentyp?« Das Labor meldete sich umgehend. »Blau-grüne Sonne. Klassifizierung nicht möglich, Sonnentyp unbekannt. Oberflächentemperatur dürfte zwischen zwanzigtausend und dreißigtausend Grad betragen. Vielleicht auch mehr. Spektrum weist völlig unbekannte, undeutbare Emissionslinien auf. Strahlungsablauf stabil. Wahrscheinlich drei Planeten! Das ist vorläufig alles, Sir!« »Danke! Versuchen Sie weiterhin, etwas herauszufinden!« Larsen rief die neben seinem Ringraumer fliegende LABOR I Szardaks an. »Wir sind da, Szardak! Das ist Tantal! Ich kenne die Sonne aus den Beschreibungen Huxleys. Die Koordinaten stimmen ebenfalls, soweit man das bei dieser Entfernung von nahezu 75.000 Lichtjahren überhaupt sagen kann. Wir sollten jetzt die Nogks anrufen!« Szardak nickte bestätigend. »Bin ganz Ihrer Ansicht, Larsen. Mich interessiert vor allen Dingen, ob wir Huxley nun finden oder nicht!« Die Alarmglocken schrillten Sekunden später. Larsen und Szardak fuhren herum. Zunächst sahen sie nichts. Dann tauchte seitlich ihrer beiden Verbände ein Schemen auf. Ein dunkler, undefinierbarer Schatten. Er schob sich näher an die Ringraumer heran, verhielt sich zunächst aber abwartend. »Larsen, was zum Teufel ist das? Wie kommt das Schiff so
plötzlich in unsere Flanke? Sollten das etwa diese ...« Weiter kam er nicht. Etwas Schwarzes fuhr auf sie zu. Szardak, Larsen und die übrigen Männer der beiden Verbände glaubten ihren Augen nicht zu trauen. Ein schwarzer, um seine Längsachse wirbelnder Strahl, der, so verrückt sich das auch anhören mochte, von einem unheimlichen, einfach unbegreiflichen lichtlosen Leuchten und Pulsieren umgeben war. Der Strahl stieß auf das Intervallfeld der LABOR I. Durch das Schiff ging ein Ruck. Das Intervall verformte sich unter dem plötzlichen Ansturm fremder Energien. Die LABOR I wurde aus dem Verband der Ringraumer hinausgewirbelt. Der Ringraumer jagte, von unsichtbaren Kräften getrieben, in den Raum hinein. Aber Colonel Szardak reagierte trotzdem. Seine rosaroten Nadelstrahlen fuhren auf den Schatten los. Gleichzeitig eröffneten auch die anderen Schiffe des Verbandes das Feuer. Um den Schatten leuchtete es auf. Und dann, von einer Sekunde zur andern, gab der Fremde sein Inkognito auf. Larsen sträubten sich förmlich die Haare, als er das schwarze Schiff anstarrte. Ein geradezu abstoßend häßliches, bösartig wirkendes Gebilde von gewaltigen Röhren, zwischen denen, nicht genau erkennbar, ein langgestreckter Innenkörper hing. Das Ganze wurde von einem unbeschreiblichen lichtlosen Leuchten umgeben. Der massive Beschuß der Nadelstrahler schien dem Fremden zuzusetzen. Dennoch schoß er einen weiteren schwarzen Strahl auf eines der Schiffe von Szardaks Verband ab. Auch dieser Ringraumer wurde weit aus dem Verband geschleudert. Larsen beobachtete, wie das Intervall des Raumers unter der Belastung zu pulsieren begann. Aber sonst geschah nichts. Sowohl Szardak als auch der andere Kommandant bekamen
ihre Schiffe bald wieder in die Gewalt und stießen erneut gegen den Fremden vor. »Feuer einstellen!« Larsens Stimme durchdröhnte die Zentralen der Ringraumer. »Wir wollen erst abwarten, was der Fremde weiterhin vorhat. Wir ...« Erschrocken hielt er inne. Ohne jede Warnung, wie aus dem Nichts fielen plötzlich die schwarzen Schiffe. Sie schlossen den Verband der Ringraumer im Nu ein. Die Männer in den Zentralen spürten ein eigenartiges Ziehen und Kribbeln in ihren Gliedern. Die Energiestationen der Schiffe begannen zu brummen. Die Intensitätsskalen schossen hoch. »Verdammt, Larsen, diese Brüder haben uns in eine Falle gel...« Szardaks Stimme brach plötzlich ab. Durch das Brummen, Vibrieren und das Aufheulen der augenblicklich wieder einsetzenden Waffen der Ringraumer drang eine Stimme. »Huxley an Ringraumer, Colonel Huxley an Ringraumer! Intervallfelder verstärken, Schiffe beschleunigen. Alle verfügbaren Waffen einsetzen. Aufpassen auf schwarze Bälle, die sich aus dem Raum her Ihrem Verband nähern sollten. Wir nehmen uns jetzt das große Schiff vor ihrem Verband vor, es steht genau zwischen der Sonne Tantal und der A-01 Larsens! Dorthin unter keinen Umständen feuern! Mit dem Kurs Ihres Verbandes sofort auf Grün 90 Grad gehen!« Szardak, Larsen und Madock starrten überrascht auf ihre Schirme, auf denen eben noch das hagere Gesicht des Colonels neben dem dunklen Libellenkopf eines Nogk zu sehen gewesen war. Trotz ihrer Verwunderung reagierten Szardak und Larsen fast gleichzeitig. »Okay, Huxley, verstanden!«
Dann befolgten sie seine Anweisungen. Auf den Schirmen ihrer Distanz- und Massen-Ortungen erschienen kaum wahrnehmbare Blips. Irgend etwas bewegte sich vor dem Verband auf das alleinstehende schwarze Schiff zu, das wie alle anderen sein Inkognito, seine Dunkelschirme abgebaut hatte. Und dann schlossen sie geblendet die Augen. Aus dem All zuckte ein blauweißer Ball. Blitzartig weitete er sich zu einem feinmaschigen Energienetz aus, das den fremden Raumer sofort umschloß. Die Fremden zögerten nicht. Ihr Raumer schoß vor und prallte gegen das weithin leuchtende Energienetz. Augenblicklich umzuckten entsetzliche Entladungen den Schattenraumer. Die Besatzungen der Ringraumer beobachteten, wie einige seiner mächtigen Röhren zersprühten. Und dann geschah es. Das Energienetz flammte auf. Es sah aus, als griffen plötzlich unzählige Arme durch die Schwärze eines aufreißenden Kontinuums. Das fremde Schiff wurde herumgewirbelt. Der Raum, schien sich zusammenzukrümmen, eine gewaltige Erschütterung der Kraftfelder folgte. Dann war der Spuk vorbei. Das Schiff war verschwunden. Kein Trümmerstück, keine Energiewolke trieb durch den Raum – nichts. Sekunden später registrierten die Instrumente der Ringraumer eine abermalige Erschütterung der StrukturFelder. Die Waffen der Schiffe entluden sich ins Leere. »Feuer einstellen!« Die Stimme Larsens überschlug sich beinahe. Es war alles viel zu schnell gegangen, als daß er und seine Männer genügend Zeit gefunden hatten, um zu begreifen. Und genau in diesem Augenblick allgemeiner Verwirrung tauchte neben den Ringraumern, zwischen den Koordinaten ihrer Schirme ein ellipsenförmiger Raumer auf. Ein undeutlicher, grau
weißer Nebelfleck zunächst nur, der jedoch, je weiter der Unsichtbarkeitsschirm sich abbaute, rasch an Schärfe und Deutlichkeit gewann. »Himmel und Hölle, was ist denn das nun schon wieder?« Larsen starrte verwirrt auf den Schirm. Gleichzeitig meldete sich Szardak. Auch seine Züge wirkten angespannt, ein wenig verzerrt. »Mir scheint, Larsen, Freund Huxley hat bei den Nogks keinen unvorteilhaften Tausch gemacht! Die Demonstration, die er uns da eben geliefert hat, war absolut nicht ohne. Bei den Nogks scheint man inzwischen auch nicht gerade geschlafen zu haben!« Die beiden Männer fixierten aus schmalen Augen die CHARR, die langsam auf sie zuglitt und sich dann der Fahrt des Ringraumerverbandes anpaßte. Es sah aus, als stünden die Schiffe ruhig im All. Nur die langsam seitlich auswandernde Sonne erinnerte an die hohe Geschwindigkeit, mit der sie sich bewegten. Huxley meldete sich erneut. »Ich schlage vor, wir treffen uns auf der A-01 Larsens! Es ist gut, daß Sie gekommen sind. Ich glaube, jetzt können wir mit diesen Schatten fertigwerden, gegen das Intervall sind ihre Waffen offenbar machtlos. Jedenfalls vorläufig! Und auch wir haben einiges in petto, was sie bis dahin noch nicht kannten! Aber darüber wird Ihnen Charaua berichten!« Seine grauen Augen blickten Larsen an. »Lassen Sie den Kurs Ihrer Schiffe abermals ändern, Larsen! Gehen Sie auf einen Orbit um den innersten Planeten der Sonne Tantal. Der Vorfall von eben ändert einiges an unseren Plänen!« Larsen nickte grimmig. »Also gut, Szardak und ich erwarten Sie und Charaua an Bord meines Schiffes. Wir sollten einen Teil der anderen Kommandanten ebenfalls hinzuziehen, oder?«
Doch Huxley schüttelte den Kopf. »Nein, aber einige vage Anhaltspunkte haben wir! Ich denke, wir ...« »Nun, ich glaube, da können wir Ihnen etwas helfen. Wir waren inzwischen auch nicht untätig. Auf Cent Field steht ein Kampfschiff der Nogks, die Besatzung befindet sich in ihrer Schlafperiode, sechs Mitglieder der Besatzung sind tot. Unter ihnen ein Mitglied des Rates und der Kommandant des Schiffes! Außerdem hatten wir einen Zusammenstoß mit unseren alten Freunden, den Amphis, aber auch davon gleich!« Charaua starrte Szardak aus seinen Facetten an. Er hatte die Mitteilungen Szardaks verstanden. Seine Fühler pendelten unruhig hin und her. »Es müssen sich schlimme Dinge ereignet haben! Das Schiff mußte lange vor Beginn der Schlafperiode bei euch sein! Und Chorr, der Beauftragte unseres Herrschers, ist tot!« Charaua wandte sich ruckartig um. »Gehen wir, Huxley, gehen wir schnell! Ich muß darüber Genaueres erfahren, es ist wichtig für uns alle!« Wenig später machten am blauschimmernden UnitallDruckkörper der A-01 zwei sehr verschiedene Beiboote fest. Eines von der Bauart wie sie auf den Kugelraumern der TF Verwendung fanden, denn die erbeuteten Ringschiffe verfügten über keine Flashdepots, das andere ein genaues Abbild des großen Ellipsenraumers der Nogks, der sich an Steuerbord des Ringraumerverbands befand. * Charaua beugte sich über die Karte Szardaks. Sorgfältig studierte er die Eintragungen und verglich die Bewegungsrichtungen, die Ablenkungen und die Reflexionsspiegel der Magnetorkane. Schließlich richtete er sich ruckartig auf. Seine braunen, gepunkteten Finger lagen noch auf der weißen Folie.
»Sind alle eure Berechnungen von den Gehirnen eurer Schiffe überprüft?« Szardak und Larsen nickten. »Sie stimmen, Charaua!« Der Nogk schien durch sie hindurchzusehen. »Das ist so wichtig, daß ich vorschlage, wir geben alle Unterlagen nochmals in unsere Speicher ein. Zusammen mit den von uns ermittelten Unterlagen. Aber wir müssen rasch handeln. Wir müssen den Stützpunkt der Fremden aufgespürt haben, ehe sie wieder angreifen!« Huxley legte Larsen eine Hand auf die Schulter, als er den Unwillen in seinen Zügen bemerkte. »Charaua hat recht, Larsen! Denken Sie nach: wenn wir Ihre Unterlagen zusammen mit denen der Nogks verwenden, dann ergibt sich eine weitere Peilbasis! Das heißt, wir bekommen für die Schnittpunkte unserer Peilfrequenzen plötzlich eine Basis von fast 75.000 Lichtjahren. Wenn sich auch aufgrund der Struktur jener Schatten vielleicht kein hundertprozentiges Ergebnis erzielen läßt, so werden wir doch auf jeden Fall herausfinden können, ob dieser von uns angenommene Stützpunkt der Invasoren überhaupt innerhalb unseres Normalkontinuums liegt!« Larsen begriff. »Natürlich, Huxley. Daran hatte ich im Moment nicht gedacht. Mir macht nämlich ein anderer Punkt beträchtliche Sorgen. So wirkungslos offenbar die Waffen der Schatten gegen unsere Intervallfelder sind, genauso wirkungslos blieben selbst unsere Nadelstrahl-Antennen. Wie wollen wir die Fremden auch nur einigermaßen wirkungsvoll bekämpfen, wenn allein der neue Nogkraumer über entsprechende Mittel verfügt?« Charaua hatte aufmerksam zugehört. »Euer Intervallfeld kann von ausschlaggebender Bedeutung sein, Terraner!« ließ er sich dann vernehmen. »Allein eure Ringschiffe vermögen Schutzfelder und Materie zu
durchfliegen, als existierten sie nicht. Ihr könntet in den Stützpunkt eindringen und uns einen Weg bahnen. Außerdem werde ich sofort veranlassen, daß unser zweites Ellipsenschiff, das ebenfalls fertig in seinem Hangar liegt, bemannt wird und startet. Du, Huxley«, – er wandte sich an den neben ihm stehenden Colonel – »solltest die Männer deiner Besatzung teilen. Wir wissen nicht, wie weit wir in den Raum hinaus müssen; es ist besser, wenn sich trotz der neuen Einrichtungen unserer Schiffe Terraner an Bord befinden!« Huxley nickte. »In Ordnung, Charaua! Ich schlage vor, daß Sie, Larsen, und Sie, Szardak, Charaua und mich zu den Nogks begleiten. Während dort die Auswertungen Ihrer und der nogkschen Untersuchungen laufen, können wir bereits die notwendigen Einsatzpläne schmieden! Die Ringraumer sollten unterdessen eine Sperrsphäre um den Planeten legen, damit wir nicht von den Schatten überrascht werden, denn sie sind jetzt bestimmt ganz schön nervös geworden!« Larsen und Szardak erhoben sich. Sie gaben an ihre Verbände letzte Anweisungen, dann stiegen sie in das Beiboot des Ellipsenraumers um. Unterwegs erklärte Huxley seinen beiden menschlichen Gefährten alles, was sich in letzter Zeit im Raum der Sonne Tantal ereignet hatte und die Konsequenzen, die die Nogks aus allem zogen. Auch von der Bitte, ihren Riesenraumer zur Andromeda und zurückzubringen. Szardak sah den grauhaarigen Colonel an, während das Beiboot in das Bootsdeck einflog. »Eine Aufgabe, Huxley, um die ich Sie und Ihre Männer beneide! Halten Sie gut die Augen auf, vielleicht werden wir die Erkenntnisse, die Sie auf diesem Flug zur Andromeda erwerben, noch dringend brauchen!« *
Abermals tagte eine Versammlung im Ratsgewölbe tief im Innern des Nogkplaneten. Neben den drei Terranern und dem Herrscher des Imperiums waren alle anwesenden Kampfschiffkommandanten der Nogk-Flotte versammelt. Gespannt hingen ihre Augen an der Sphäre über ihren Köpfen. Grün schimmerten die Koordinaten vor dem samtschwarzen Hintergrund des Raumes, der außer einigen Sonnen ganz am Rand der Galaxis nur noch die milchig-weiße Linse der Andromeda zeigte. Jeden Augenblick mußte das Speicherzentrum der Nogks die Ergebnisse seiner Untersuchungen projizieren. Ruckartig wandten sich die Libellenköpfe der Nogks der Sphäre zu, als die ersten Impulse das Gewölbe durchdrangen. Zwischen den Koordinaten zeichneten sich die beiden Schenkel eines sphärischen Dreiecks ab, während sich die Projektion des galaktischen Sektors automatisch veränderte. Zwischen den Schenkeln des Dreiecks bildete sich die Basislinie. Zwei Sonnen bezeichneten ihre Endpunkte. Eine gelbe, eine blaugrüne. Szardak und Larsen, zum erstenmal in ihrem Leben zu Gast bei den Nogks, blickten wie gebannt auf das Geschehen über ihren Köpfen. Diese ans Unheimliche grenzende Perfektion der Nogktechnik zog sie ganz in ihren Bann. »Die Messungen jener Wesen, die sich Terraner nennen, sind sehr exakt«, vernahmen sie die Impulse des Speichers. »Ergänzend zu unseren eigenen Untersuchungen ergibt sich, daß der gesuchte Stützpunkt der Aggressoren sich im Halo unserer eigenen Galaxis im Normalkontinuum befindet. Seine mutmaßliche Entfernung liegt bei 4000 Lichtjahren. Die Sprungdaten für unsere Schiffe errechnen sich wie folgt ...« Der Speicher gab einige für Szardak und Larsen unverständliche Werte durch. Gleichzeitig schoben sich die bis dahin noch offenen Schenkel des Dreiecks zusammen, und um
seine Spitze bildete sich ein großer Kreis, der das Gebiet abgrenzte, in dem sich der Stützpunkt der Schatten befinden mußte. Szardaks Stirn furchte sich. Aus zusammengekniffenen Augen starrte er auf das langsam verlöschende Bild zwischen den grünlich schimmernden Koordinaten. Mit einem Ruck wandte er sich Huxley, Larsen und Charaua zu. »Falls die Berechnungen des Speicherzentrums stimmen, haben wir eine Chance! Wir müssen unsere Ringraumer vor der Transition weit auseinanderziehen, so daß unsere Schiffe beim Wiedereintauchen ins Normalkontinuum das ganze vom Speicherzentrum angegebene Gebiet schlagartig besetzen. Eines oder sogar mehrere Schiffe müssen dann auch auf diesen mysteriösen Stützpunkt der Schatten stoßen, falls er sich an der errechneten Position befindet. Und das«, Szardak fuhr sich mit der Hand über die Stirn, »halte ich für durchaus wahrscheinlich!« Der Herrscher der Nogks trat auf ihn zu. »Dein Vorschlag ist gut, Terraner. Kein Feind sollte euch unterschätzen. Außer unseren beiden einsatzbereiten Ellipsenraumern – wie ihr diese Schiffe nennt – wird zwischen euch und unserer Sonne noch ein starker Verband unserer alten Kampfschiffe bereitstehen. Sie haben den Schatten zwar nicht viel entgegenzusetzen, weil sie über unsere neue Waffe noch nicht verfügen, doch vielleicht hilft ihre große Zahl dennoch, falls ihr in Not kommt! Viel Glück, Terraner, das Imperium wird eure Hilfe nicht vergessen!« * Bereits Minuten später entwickelte sich auf dem innersten Planeten der Sonne Tantal eine fieberhafte Geschäftigkeit. In den einzelnen Kavernen unter seiner glühendheißen
Oberfläche eilten die Besatzungen der Kampfraumer zu ihren Schiffen. Der zweite Ellipsenraumer unter dem Kommando eines erfahrenen Nogk-Kommandanten verließ seinen Liegeplatz. Dicht neben der CHARR ordnete er sich in den kreisenden Orbit der sich formierenden Schiffe ein. Die Hälfte von Huxleys Männern unter Führung seines I. O. Lee Prewitt schwebte im kaum wahrnehmbaren Licht eines Gleitfeldes zur Hauptschleuse des Schiffes hinüber und wurde dort von den Nogks in Empfang genommen. Nach und nach formierten sich unter dem Verband der Ringraumer und der beiden Ellipsenschiffe auch die eiförmigen Kampfschiffe der Nogks. Huxley zählte 500 Einheiten. Von allen Seiten schwirrten die Impulse der Nogks und die Klarmeldungen der terranischen Schiffe durch den Raum. Dann setzte sich die Armada von insgesamt mehr als 700 Schiffen in Bewegung. Tantal verblaßte hinter ihnen. Der Verband der Eiraumer fiel langsam zurück. Huxley beobachtete noch, wie der gewaltige Verband sich zum Sprung formierte. Minuten später verschwammen die Konturen der Schiffe, die Schirme der Felddetektoren leuchteten für den Bruchteil einer Sekunde auf, dann war von den Nogkschiffen nichts mehr zu sehen. »Jetzt sind wir dran, Charaua!« Der Nogk nickte. Prüfend beobachteten seine Facettenaugen den Verband der Ringraumer, der unter starker Beschleunigung davonjagte. Charaua wußte von Huxley, daß diese Schiffe erst bei Überschreitung der Lichtgeschwindigkeit in Transition zu gehen vermochten. Wie ein Schwarm von bläulich leuchtenden Punkten nahmen sich die Intervallschirme vor der Schwärze des Raumes aus. Charaua rief den Kommandanten des neben ihnen fliegenden Ellipsenraumers an. Ein letztes Mal verglichen die beiden Schiffe ihre
Sprungkoordinaten. Huxley und Maxwell sahen auf ihre Chronos. In knapp fünf Minuten Norm-Zeit mußten sie springen, dann hatten die Ringraumer jenen Punkt erreicht, an dem sie das Normalkontinuum verließen. Über die Schirme des Nogkraumers zuckten die gekoppelten Impulse der beiden Bordgehirne. Die Leitstände verdunkelten sich, Wandungen, Böden schienen zu verschwinden. Die Leere des Raumes schien plötzlich in das Schiff einzudringen. In den großen Gewölben im Mittelteil der Schiffe flammten die künstlichen Sonnen auf. Dann war es soweit. Die Sterne zwischen den Koordinaten verloschen ... * Als die CHARR aus der Transition kam, zuckte Huxley zusammen. Auch Charauas Körper neben ihm versteifte sich sofort. Der Nogk stemmte seine Hände gegen das Steuerpult, als wollte er die Dinge, die jetzt unweigerlich geschehen würden, aufhalten. »Nein!« Huxley stieß nur dieses Wort hervor. Ungläubig, mit weitaufgerissenen Augen starrte er die gewaltige Kugel an, die undeutlich zwischen den Koordinaten des Allsichtschirms hing. Charaua drehte sich mit einer ruckartigen, blitzschnellen Bewegung zu Huxley und Maxwell herum. »Wir müssen deine Gefährten warnen, Huxley! Für ihre Schirme ist die Kugel unsichtbar. Ich glaube das jedenfalls! Rasch, beeile dich, deine Freunde Szardak und Larsen jagen genau auf die Kugel zu!« Huxley riß sich aus seiner Erstarrung. »Verdammt, Charaua, du hast recht!« Und dann handelte er. Ohne Rücksicht darauf, ob die
Fremden nun die Impulse der CHARR auffingen oder nicht. »Huxley an A-01 und LABOR I! Vor Ihnen in Flugrichtung, auf Gelb 07:13,39, befindet sich wahrscheinlich der Stützpunkt der Fremden. Er besitzt einen hochwertigen Deflektorschirm, der auch unseren Tastern eine genaue Ortung unmöglich macht. Wir können das kugelförmige Gebilde nur verschwommen auf unserem Allsichtschirm ausmachen. Wir ...« Charaua unterbrach ihn hastig. »Erste Auswertungen aus den Doppelpeilungen unserer beiden Schiffe. Ungefährer Durchmesser nach euren Maßen 10 Kilometer. Das Objekt wird von eigenartigen Feldern umgeben, deren Natur wir noch nicht erkennen können!« Die Gesichter von Larsen und Szardak verhärteten sich. Sie hatten die Impulse des Nogk verstanden. »Danke! Haltet die Augen auf, wir gehen jetzt wie besprochen vor!« Sie sahen, wie die beiden Männer an ihre Ringraumergruppen einige Kommandos gaben. Gleich darauf zogen sich die Schiffe zu einem weiten Halbkreis zusammen, dessen Mitte die Station der Schatten bildete. Und noch immer ließ sich keines ihrer Schiffe sehen. »Ringraumer an CHARR und Begleiter. Dirigiert uns, unsere Schirme zeigen so gut wie nichts, wir fliegen blind!« Huxley nickte grimmig. »Okay! Linker Flügel auf Gelb 13:13,72 gehen. Mitte Kurs halten. Rechten Flügel auf Grün 35:02,18 korrigieren! Verlangsamen Sie Ihre Geschwindigkeit, sonst prallen Sie im Innern des Stützpunktes aufeinander. Und eröffnen Sie sofort das Feuer. Sie müssen versuchen, den Druckkörper oder was immer diesen Koloß umgibt, aufzureißen. Nur eine Lücke, eine Öffnung sichert unsere weitere Verständigung. Keiner von uns weiß, was sich im Innern der Kugel befindet ...« »Verstanden!«
Sekunden später korrigierten die Ringraumer ihre Formation. Dann eröffneten sie das Feuer. Schlagartig. Die Nadelstrahl-Antennen von 200 Ringraumern prallten auf den Deflektorschirm des Giganten. Im ersten Augenblick hatte es den Anschein, als würde der Schirm die Energie der Nadelstrahler absorbieren, verschlucken. Die blaßroten Energiefinger verschwanden im Nichts. Aber dann, von einer Sekunde zur andern, zerrissen gewaltige Entladungen das inkognito des Giganten. Der Koloß wuchs vor den Ringraumern auf. Eine lodernde, von grellen Blitzen und wirbelnden Energiefahnen umtobte Kugel. Weithin sichtbar für jedermann. Huxley brauchte die Ringraumer nicht mehr zu dirigieren. Szardaks Fäuste umkrampften die Steuerung seiner LABOR I. Das Schiff näherte sich dem Inferno von Eruptionen und Entladungen rasendschnell. Ein Blick auf einen der Seitenschirme zeigte ihm, daß Larsens A-01 ihm unmittelbar folgte. »LABOR I an alle! Wir fliegen ein!« Szardak stieß die Worte hastig hervor, während auf den Bildschirmen vor ihm die grünschwarze Masse des Giganten ins Unermeßliche anschwoll. Die Station der Fremden schien auf sie zuzustürzen. Deutlich unterschied Szardak für einen winzigen Augenblick noch Details ihrer Oberfläche. Flimmernde, möglicherweise rotierende Spiralen, deren Struktur unter dem immer noch andauernden Beschuß der Nadelstrahler zusammenbrach. Die Schirme verdunkelten sich. Szardak spannte sich in seinem Sitz. Eine Kugel von annähernd zehn Kilometern Durchmesser! Er registrierte, daß auch die Wandungen des Druckkörpers Hohlräume aufwiesen. Einmal glaubte er, sich bewegende Schemen wahrzunehmen. Dann befanden sie sich im Innern der Kugel.
»Verdammt ...« Szardak beugte sich instinktiv weit vor, so als könne er dadurch die Szenerie vor sich besser überblicken. Das erste, was er sah, war ein Nogkraumer. Eines der großen Kampfschiffe. Aber wie sah sein Druckkörper aus! Zerrissen, zerfetzt. Aus den riesigen Löchern in seinen Wandungen war eine glasartige Substanz hervorgequollen, die sich in langen Bahnen über die Flanken des eiförmigen Rumpfes zog. Wo sie war, stand ein kaum zu sehendes Leuchten über dem Druckkörper. Szardaks Augen glitten blitzschnell weiter. Die Kugel bildete einen riesigen Hangar. In ihrer Mitte schwebte, umgeben von riesigen, ringförmig angeordneten Plattformen eine jener schwarz strahlenden Kugeln. Auf den Plattformen – Szardak kniff die Augen zusammen – wahrhaftig, dort standen die schwarzen Schiffe! Eines neben dem andern! Ihre fremdartigen Gitterkörper glänzten düster in dem Licht, das das Innere der Kugel ausfüllte. »Licht?« Erst jetzt wurde Szardak bewußt, daß er einem entsetzlichen Irrtum, einer vielleicht tödlichen Selbsttäuschung verfallen war. »Masterson!« Blitzartig wandte er sich dem Sergeanten an den Raumkontrollen zu. »Strahlung, Sir, unzweifelhaft Strahlung! Sie durchdringt unser Intervallfeld. Es ist, als ob sie in die Struktur des Unitall eindringt und sich dort festsetzt! Weiß der Teufel, was ...« Er wies auf die Instrumente, zuckte aber dann plötzlich zusammen. »Da, Sir, sehen Sie!« Szardak folgte seiner Handbewegung. Einer der Schirme zeigte den gegenüberliegenden Teil der Kugel. Eine gigantische, gewölbte Fläche, aus der antennenartige
Gitterkonstruktionen hervorragten. Jeweils zwischen den ringförmigen Plattformen, die die Innenseite der Kugel in nur geringen Abständen umliefen und oben wie unten im Kugelkörper von einer schillernden, strahlenden Fläche abgelöst wurden. Aber das alles registrierte Szardak nur ganz nebenbei. Was er vor allem sah, waren die schattenhaften Gestalten, die jetzt überall auf den Ringplattformen erschienen, sich abstießen und einfach quer durch den Kugelkörper schwebten. Gestalten, so bizarr und vielfältig in ihren Formen, daß es den Männern der LABOR I graute. »Sie wollen zu den Schiffen! Achtung, die Fremden wollen zu ihren Schiffen! Wir scheinen sie überrascht zu haben! Sofort die Raumer unter Beschuß nehmen, Feuer!« Er registrierte noch, wie hinter ihm die A-01 Larsens auftauchte, wie kurz darauf auch noch andere Ringraumer in den Hohlkörper des Giganten einflogen. Ob sie seinen Befehl verstanden hatten oder nicht, sie folgten dem Beispiel seines Schiffes und schossen aus allen Rohren. Die blaßroten Nadelstrahler und die grünen Duststrahler fraßen sich durch die mit jeder Sekunde heftiger pulsierenden Strahlung. Die antennenartigen Gitterkonstruktionen an der Innenseite der Kugel ruckten herum. An ihren Spitzen erschienen schwachglühende Energiefahnen. Düster, nahezu schwarz. Die schwarze Kugel in der Mitte der Station zwischen den Plattformen, deren Material bereits unter dem Beschuß der Ringraumer zerstäubte, dehnte sich ruckartig aus. Jenes schwarze, lichtlose unbeschreiblich grauenhafte Leuchten umgab sie, ließ sie pulsieren. Der erste der fremden Raumer fiel in sich zusammen, seine Gitterkonstruktion zersprühte, der Innenkörper explodierte. Lautlos, gespenstisch. Das Schiff flog auseinander, irgendwelche Teile wirbelten empor, ohne jeden Blitz, ohne jede Entladung. Und doch schlugen in diesem Moment die Strahlungskontrollen der Ringraumer bis weit in den roten
Gefahrenbereich hinein aus. Wie gebannt starrten die Ringraumerbesatzungen auf die herumfliegenden Trümmer des schwarzen Schiffes. Und dann begriffen sie. Sie verschwanden im Innern der pulsierenden Kugel, die nun die ganze, durch eigenartige Ringe abgeschirmte Sphäre zwischen den Plattformen ausfüllte. Immer mehr der skurrilen Wesen ergossen sich aus den Ringen an der Innenwand der Kugel zwischen die feuernden Ringraumer. Unbeirrbar, von den Energien der Dust- und Nadelstrahler umflossen, bewegten sie sich von allen Seiten ihren Schiffen entgegen. Larsen und Szardak fluchten. Wie war es möglich, daß diese unheimlichen Gestalten auf ihre Waffen nicht im geringsten reagierten? Wie pulsierende, konturenlose Schatten, weder von der Ortung, noch von den Bildschirmen deutlich zu erfassen, jagten sie dahin. Die Ringraumer verstärkten ihr Feuer. Der Beschuß konzentrierte sich mehr und mehr auf die noch immer völlig schutzlos dastehenden Röhrenraumer. Mehr und mehr von ihnen lösten sich auf, zerfielen in gespenstischer Lautlosigkeit, wirbelten als Trümmer und amorpher Staub davon, um gleich darauf von der schwarzen Kugel aufgesogen zu werden. Und dann geschah es. Das, worauf die Männer der Ringraumer gewartet hatten. Aber es geschah ganz anders, als sie vermutet hatten. Mit einem Ruck hob der gewaltige Nogkraumer von einer der Plattformen ab. Undeutliche, verzerrte Impulse drangen über die Bildschirme der Ringschiffe. Unverständlich für menschliche Gehirne. Wirre, einander überlagernde Bilder, die in steile, zerrissene Amplituden ausliefen. »Vorsicht, dem Schiff ausweichen, Formation auseinanderziehen«, dröhnte die Stimme Larsens durch die Zentralen der Ringraumer. Der Nogkraumer stand über der Plattform, auf der er eben
noch bewegungslos, scheinbar ohne jedes Leben gelegen hatte. Plötzlich verschwand ein Teil des Schiffes unter seinem Unsichtbarkeitsschirm. Ein gespenstischer Anblick für die Menschen: Heck und Mittelfeld des Raumers waren wie ausgelöscht. Der mächtige Bug ragte gewaltig wie das Relikt eines zerstörten Schiffes in den Raum. Die Ringraumerbesatzungen sahen, wie das Schiff mit aller ihm zu Gebote stehenden Kraft versuchte, sich von der schwarzen Kugel frei zu machen, die ihrerseits mit aller Macht an dem Kampfschiff zu zerren schien. Plötzlich standen mehrere weißglühende Bälle über den nach wie vor im konzentrischen Feuer liegenden Schattenraumern. Sie jagten auf die schwarze Kugel zu, zerplatzten und hüllten im Nu einen Teil von ihr und den Plattformen in ihr weithin leuchtendes, flirrendes Energienetz ein. Kaskaden sprühender Funken ergossen sich in den Raum. Ganze Teile der Plattformen und Schiffe zersetzten sich unter gewaltigen, von unvorstellbaren Blitzen durchzuckten Entladungen. Mehrere der Röhrenschiffe wurden von ihren Liegeplätzen emporgerissen, wirbelten von der Gewalt der Entladungen getrieben davon. Dann beschleunigte der Nogkraumer. Nochmals schoß das gewaltige Schiff eine ganze Serie von Energiebällen auf die schwarze Kugel ab. In der Station der Fremden brach die Hölle los. Die Energienetze entluden sich mit unvorstellbarer Heftigkeit, wo immer sie auf Materie stießen. Die ersten Schatten erreichten die Plattformen, verschwanden zwischen den ununterbrochen in die Schiffe und Plattformen einschlagenden Nadel- und Duststrahlen. Aber dieser Komplex im Mittelteil der Station war viel zu groß, viel zu massiv, als daß er sich von einer Minute zur andern vernichten ließ. Szardak wußte, daß die Fremden einige ihrer Schiffe trotz ihres Beschusses erreichen und besetzen würden. Diejenigen, die innen auf den Plattformen lagen, die ihre Strahler noch
nicht zu erreichen vermochten. Unwillkürlich suchte er den Nogkraumer. Erst nach einigen Sekunden entdeckte er das Schiff, oder vielmehr den sichtbaren Teil davon. Szardak erschrak. Der Nogkraumer jagte mit unglaublicher Beschleunigung auf die Innenwand der Station zu. Eine Masse von vielen, vielen tausend Tonnen, umgeben von defekten, halb zusammengebrochenen Schutzschirmen. Szardak brüllte eine Warnung in die Bordsprechanlage. Er sah, wie einige der in diesem Teil der Station stehenden Ringraumer buchstäblich in allerletzter Sekunde auswichen. Dann raste der Nogkraumer auch schon gegen die Innenwand der Kugel. Szardak schloß für einen winzigen Moment die Augen. Das Kampfschiff durchschlug die Plattformen, riß den Druckkörper um sich herum auf, raste durch die letzte Innenwand der Station, alles zermalmend und zerfetzend. Der Kugelkörper der Station begann unter der Wucht dieses Aufpralls zu schwanken. Szardak registrierte das deutlich, weil sein Ringraumer selbst von dieser Bewegung der Station nicht betroffen wurde. Trümmer wirbelten durch den Innenraum der Kugel. Ganze Plattformen, einige der Antennen, skurrile, gezackte Gebilde, von denen keiner der Männer wußte, was sie darstellten ... Eine jähe Explosion zerriß das Chaos. Das Kampfschiff der Nogks verwandelte sich in eine gleißende, alles um sich herum verdampfende, vernichtende Sonne. Der Druckkörper der Station riß auf. Die ganze Kugelschale brach auseinander. Kilometerlange Risse sprangen über die Wandungen, klafften blitzartig auseinander und ließen den gewaltigen Druckkörper der Kugelstation von einer Sekunde zur andern zusammenbrechen. Die Reste des Nogkraumers wirbelten davon. Trümmer, die eine weithin sichtbare Energiefahne vor den Sternen der fernen
Milchstraße hinter sich herzogen. Die Männer der Ringraumerbesatzungen starrten mit bleichen Gesichtern auf das riesige Loch, das nun im Druckkörper der Station klaffte. Doch dann riß sie die scharfe Stimme Szardaks aus ihrer Erstarrung. Auf den Plattformen um die schwarze Kugel hoben die ersten Schattenraumer ab. Nur noch undeutliche, verschwommene Konturen. Szardak rechnete mit einem wütenden Angriff der Fremden, aber er irrte. Die Schiffe stürzten auf die von Sekunde zu Sekunde stärker pulsierende Kugel zu. Verschwanden in ihrer schwarzlodernden Sphäre. Andere folgten. Irgend etwas durchzuckte die Innensphäre der Station. Szardak spürte, wie sich ein unheimlicher Druck in seinem Gehirn ausbreitete. Kaum daß er die Augen noch offenzuhalten vermochte. Mit aller ihm zu Gebote stehenden Kraft kämpfte er die ihn anspringende Bewußtlosigkeit nieder. Verschwommen registrierte er einen schwarzen, kilometerdicken Strahl, der unten und oben aus der Kugel herausbrach. Er verschwand in den schillernden Ebenen, die die beiden Pole der Innenkugel der Station ausfüllten. Riesige, mehrere Kilometer im Durchmesser betragende Ebenen. Wie ein Blitz durchzuckte Szardak eine jähe Erkenntnis. Diese Kugel war ein Transmitter! Eine Station, über die ... »Larsen, hören Sie mich, Larsen, bitte kommen!« stöhnte er. In seinem Kopf hämmerten die wildesten Schmerzen, die er jemals verspürt hatte. Er sah noch das verzerrte Gesicht Larsens, sah den bereits bewußtlos in seinem Sitz hängenden Madock. Für weitere Beobachtungen oder gar Worte blieb ihm keine Zeit. Irgend etwas in der Station lief schief. Die Transmitterkugel geriet aus der Kontrolle ihrer Steuerungen. Sie blähte sich plötzlich auf. Schleuderte die in sie einfliegenden Schattenraumer zurück. Die Schiffe rasten durch
die Innensphäre, streiften die Intervallfelder einiger Ringraumer, warfen auch sie aus der Bahn und zerschellen schließlich an der Innenwand zwischen den Plattformen. Lodernde, entsetzlich lichtlose Brände flackerten auf, wo die Schiffe auftrafen, fraßen sich blitzartig weiter, sprangen über die noch unzerstörten Teile der Ringplattformen, zersetzten den Druckkörper und zuckten schließlich in langen, protuberanzähnlichen Eruptionen gegen die sich jäh verformenden Intervalle der Ringraumer. Innerhalb von Sekunden brach im Innern der Station endgültig die Hölle los. Die Kugel blähte sich weiter auf. Plattformen, Schiffe, alles was sie berührte, wurde mit ungeheurer Wucht davongeschleudert. Ein schwarzer Strahl schoß aus ihr hervor. Verschwand durch das riesige Loch im Druckkörper der Transmitterstation, das der Nogkraumer gerissen hatte. Abermals wirbelten Teile der Wandungen davon ... »Raus hier, um Himmels willen, raus!« brüllte Szardak in die Bordsprechanlage seiner LABOR I. Er sah noch, wie die Ringraumer blitzartig beschleunigten, durch die tobende, lodernde Innensphäre des Transmitters rasten. Dann wußte er nichts mehr. Ein gewaltiger Schlag durchfuhr sein Schiff. Der Ringraumer wurde wie ein Spielzeug gepackt und in den Raum hineingeschleudert... * Colonel Huxley und seine Männer wurden Zeuge des Untergangs der Transmitter-Station. Die riesige Kugel zerfiel innerhalb weniger Sekunden in ihre Teile, Riesige, sich ebenfalls zersetzende Trümmerstücke jagten in den Raum. Überall erschienen die leuchtenden Punkte der Ringraumer. Viele von ihnen steuerlos, andere noch gerade rechtzeitig ausgeflogen. Er sah, wie ein Teil der beiden Geschwader sich
an die Verfolgung der abtreibenden Ringraumer machte. Sofort beschleunigten auch die CHARR und ihre Schwesterschiff. »Wir können nichts tun, Charaua! Das Intervall ist für unsere Beiboote undurchdringlich! Ich weiß auch nicht, wie die anderen Ringraumer an die außer Kontrolle geratenen Schiffe herankommen wollen!« Charaua, noch ganz benommen von dem furchtbaren Opfertod der Besatzung des Nogkraumers, der sich im Innern der Transmitterstation befunden hatte, ruckte hoch. »Wir müssen sie stoppen! Ihre Intervall-Felder sind ein mehr als ausreichender Schutz gegen unsere normalen Energienetze! Rasch, ehe sie zu weit abtreiben. Vielleicht arbeiten sogar noch zusätzlich ihre Antriebe! Wenn sie zu schnell werden, können wir sie nicht mehr einholen!« Die CHARR und der andere Ellipsenraumer beschleunigten. Huxley schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. »Ich Narr! Ich verdammter alter Narr!« murmelte er. »Daß ich auf diese Idee nicht auch gekommen bin!« Rasch setzte er sich mit den Besatzungen der noch gerade vor der Explosion entkommenen Schiffe in Verbindung. Colonel Shooters, einer der Ringraumkommandanten aus der Gruppe Larsen, meldete sich stellvertretend für die andern. »Vielleicht geht es, Huxley! Wir müssen es auf alle Fälle versuchen! Der Antrieb der LABOR I arbeitet. Wir müssen vor allen Dingen dieses Schiff aufhalten, bis Szardak wieder bei Besinnung ist! Die meisten der anderen treiben lediglich. Um sie kann sich das andere Ellipsenschiff kümmern! Alle Intervallschirme stehen noch!« »Wir versuchen es, Shooters!« Die CHARR und ihr Schwesterschiff jagten davon. Charaua holte aus seinem Schiff heraus, was es an Beschleunigung hergab.
Gerade noch rechtzeitig. Es gelang ihnen, die LABOR I Szardaks zu überholen, Bläulich leuchtete der Intervallschirm zu ihnen herüber. Messungen ergaben, daß der Ringraumer Szardaks mit jeder Sekunde schneller und schneller wurde. Charauas Facetten glitzerten. Er wußte, daß sie ohne die Schiffe der Terraner gegen diese schattengleichen Fremden keine Chance gehabt hätten. Der kurze, verworrene Bericht des im Transmitter gefangenen Nogkraumers, der einzig und allein durch den Angriff der Ringraumer zeitweilig der Kontrolle der Schatten entglitt, war deutlich genug gewesen! Die CHARR hatte den notwendigen Vorsprung erreicht. Nacheinander verließen zehn jener blau-weißen Energiebälle die Waffensteuerungen. Die LABOR I flog in die vor ihr im Raum stehenden Energienetze der Nogks. Die ersten beiden wurden vom hellaufglühenden Intervallum durchbrochen, das dritte aber hielt dem Ansturm des steuerlosen Schiffe stand. Die LABOR I verfing sich unter blitzenden, sprühenden Entladungen in seinen Maschen. Der Ringraumer Colonel Shooters drang mit Hilfe des eigenen Intervallfeldes bis zu Szardaks Schiff vor. Fasziniert beobachteten Huxley und seine Männer das meisterhafte Manöver, mit dem er sein Ringschiff genau über die LABOR I manövrierte. Die beiden Schiffskörper schienen zu einem Doppelring zu verschmelzen. Das Intervallum von Shooters Schiff erlosch. Aus einer der beiden Schleusen kamen Bergungstrupps hervor, die nach verhältnismäßig kurzer Zeit im Innern von Szardaks Schiff verschwanden. Minuten später fiel das Intervall der LABOR I ebenfalls in sich zusammen, Die Facettenaugen Charauas wandten sich langsam Colonel Huxley zu. »Unsere beiden Rassen sollten von nun an immer zusammen kämpfen, Huxley! Auch dann, wenn wir in die
Andromeda ausgewandert sein werden, wird ein Teil unserer Schiffe, unserer Krieger und unseres Rates zu eurer Verfügung stehen! Der Herrscher unseres Imperiums hat mich beauftragt, nach Beendigung dieses Kampfes mit dir noch vor der Erprobung der CHARR zu eurem Heimatplaneten zu fliegen. Wir Nogks haben ein Geschenk für deine Rasse, das ihr von größtem Nutzen sein wird! Wir Nogks freuen uns, daß wir zu euren Freunden zählen!« Charaua erhob sich. Durch einige Impulse seiner Fühler befahl er eine Gruppe gelbgekleideter Meegs zu sich. »Wir werden jetzt zu deinen Gefährten gehen. Ich glaube, unsere Meegs vermögen ihnen rascher zu helfen, als eure Ärzte!« Huxley und Maxwell erhoben sich fast gleichzeitig. Der Colonel streckte dem Nogk seine Hand hin. »Ich danke dir im Namen Terras, Charaua. Dir und deiner Rasse! Ihr werdet auf unserer Welt stets willkommen sein!« * Szardak und seine Männer erwachten Stunden später aus ihrer todesähnlichen Ohnmacht in den Behandlungskabinen der CHARR. Szardak wollte aufspringen, aber Huxley drückte ihn wieder auf sein Lager zurück. »Sie waren so gut wie tot, Szardak! Die Nogks mußten all ihre ärztliche Kunst aufbieten, um Sie dem Schock zu entreißen, der fast alle Funktionen Ihres Körpers lähmte! Bleiben Sie jetzt noch ruhig liegen. Sie und Ihre Männer fliegen an Bord der CHARR zur Erde. Marschall Bulton wartet bereits auf uns. Sie haben durch Ihren beispiellosen Einsatz die Transmitterstation vernichtet. Sie und der Nogkraumer, dessen Besatzung sich für unsere beiden Rassen geopfert hat!« Charaua trat zu ihm. Seine goldene Uniform leuchtete im
milden Licht der künstlichen Sonnen, die im ellipsenförmigen Gewölbe neben den Kabinen brannten. »Auch ich danke dir im Namen der Nogks, Terraner. Dir und allen Besatzungen eurer Ringschiffe! Aber jetzt überlasse dich den Händen und der Pflege unserer Meegs. Bis wir auf Terra landen, wirst du und deine Besatzung nichts mehr spüren!« Über Janos Szardaks eingefallene Züge huschte ein Lächeln. Er winkte dem Nogk und den Terranern, unter denen sich auch sein alter Freund Larsen befand, zu. »So habe ich mir immer meine eigene Beerdigung vorgestellt, höchst überflüssige Reden, eine Menge alter, närrischer Burschen um mich herum, die lauter dummes Zeug schwatzen ...«, murmelte er. Seine letzten Worte waren kaum noch zu verstehen. Janos Szardak versank abermals in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Charaua wandte sich mit einigen fragenden Impulsen an Huxley. »Was meinte euer Gefährte?« wollte er beunruhigt wissen. Aber Huxley winkte ab. Er und die übrigen Terraner grinsten. »Es war nicht böse gemeint, Charaua. Dieser Mann wird sich bis zu seinem Tod nicht mehr ändern! Es war seine Art, sich bei uns zu bedanken!« Einer der Meegs trat an das Lager Szardaks. Er wechselte mit Charaua einige Impulse, dann verließ Charaua mit den Menschen die Kabine. * Marschall Bulton stand am Fenster seines geräumigen Arbeitszimmers im Stab der TF. Unter seinen buschigen Brauen blickte er in den strahlend blauen Himmel empor, der sich an diesem Sommermorgen des
Jahres 2057 über Cent Field spannte. Ganz fern im Süden des Raumhafens, gerade noch mit bloßem Auge zu sehen, reck-ten sich die schlanken Schäfte der mehr als tausend Meter hohen Stielbauten Alamo Gordos empor. Langsam wanderte sein Blick zu dem immer noch auf der Piste Cent Fields liegenden Nogkkampfschiff hinüber. Die Nogks lagen immer noch in ihrem totenähnlichen Schlaf, wenn auch die Kontrollen in den Speichern des Schiffes einen völlig normalen Ablauf der Schlafperiode registrierten. »Patters!« wandte sich der Marschall schließlich an seinen Adjutanten, »die Schlacht auf der anderen Seite der Galaxis gewährt uns einen Aufschub. Vielleicht ist den Invasoren für die nächste Zeit jede Lust vergangen, sich in unserer Milchstraße nochmals blicken zu lassen. Aber wissen können wir das nicht, darum werden wir nachher sofort gemeinsam mit den Nogks unsere Vorkehrungen treffen.« Er wandte sich vom Fenster ab, als das Vipho auf seinem Schreibtisch summte. Gleichzeitig flammte der metergroße Wandschirm auf. »Hyperfunk-Station an Marschall Bulton! Ein Verband von 200 Ringraumern fliegt soeben in den äußeren Sperrgürtel ein. Bei dem Verband befinden sich zwei ellipsenförmige Nogkraumer bisher unbekannten Typs. Der Kommandant der A-01, Colonel Larsen, bittet um Landeerlaubnis. Landung kann in einer halben Stunde erfolgen!« »Erlaubnis erteilt! Weisen Sie die Schiffe ein, Cent FieldTower. Die beiden Nogkraumer sollen neben dem Kampfschiff landen. Und bemühen Sie sich, mir für die nächste Stunde die TV- und Presseleute vom Hals zu halten. Später stehe ich zu Interviews gern zur Verfügung! Ende.« Als der Verband über Cent Field erschien, standen Marschall Bulton, Captain Patters, Clint Derek und seine Frau Tanja vor dem Druckkörper des Nogkkampfschiffes.
Fasziniert beobachteten sie die in geschlossener Formation niedergehenden Raumer. Immer wieder schweiften ihre Blicke zu den beiden Ellipsenraumern hinüber, deren Druckkörper silbern in der Sonne schimmerten. Clint Derek schüttelte den Kopf. »Können Sie sich eine Vorstellung davon machen, wie die Nogks diese Ellipse zustande bekommen haben?« Der Marschall furchte seine Stirn. »Offengestanden nein, Derek! Dieser Druckkörper wirkt fast, als verberge sich zwischen seinen Wandungen eine uns noch unbekannte Dimension! Was mag das erst für ein Schiff sein, das bei den Nogks seiner Fertigstellung entgegensieht! 1900 Meter lang, Derek, können Sie sich allein das Volumen vorstellen, das ein solcher Druckkörper umschließt? Von den statischen Problemen ganz abgesehen!« Larsen stoppte seine Ringraumergruppe. Langsam sanken die beiden Ellipsenraumer auf die Piste herab. Nebeneinander, nur wenige hundert Meter von dem alten Nogkkampfschiff entfernt, setzten sie auf. Die drei Männer und Tanja beobachteten, wie sich die Schotts an den Unterseiten der Raumer öffneten. Drei Nogks verließen das Schiff. Kurz danach die Besatzungen der FO I und der LABOR I Szardaks. Huxley winkte dem Marschall zu. Dann landeten die Ringraumer. Auch Larsen und die anderen Kommandanten verließen ihre Schiffe und kamen zusammen mit Huxleys und Szardaks Männern auf Bulton zu. Wieder eine Stunde später wußte Marschall Bulton in allen Einzelheiten, was am Rand der Milchstraße geschehen war. »Das ist eine verteufelte Geschichte!« wandte er sich an Charaua. »Was sollen wir tun, wenn die Fremden in größerer Anzahl abermals in unsere Galaxis einfallen?« Der Nogk erhob sich. »Meine Rasse hat ein Geschenk für euch, Terraner. Eine Transportflotte unseres Imperiums startet in dieser Stunde. Sie
bringt alle Teile, die ihr zur Errichtung eines undurchdringlichen, globalen Schutzschirms für euren Planeten braucht. Unsere Techniker werden die Anlagen gemeinsam mit den Wissenschaftlern Terras errichten. Dieser Schutzschirm hilft auch gegen die Fremden, frage unseren Freund Huxley!« Der Colonel blickte Charaua überrascht. »Du meinst doch nicht eure neue Waffe, die wir gegen die Schatten ...« »Doch, Terraner, sie meine ich. Wenn auch in etwas anderer Form, als auf unseren Schiffen!« Huxley schüttelte den Kopf. Dann klärte er Bulton mit wenigen Worten auf. »Das ist ein nobles Geschenk, Marschall! Zugleich der Beweis rückhaltloser Freundschaft!« Marschall Bulton erhob sich. Er trat auf Charaua zu und reichte dem Nogk die Hand. »Sage dem Herrscher eures Imperiums unseren Dank, Charaua! Sage allen denen unseren Dank, die halfen, jene Fremden aus unserer Galaxis zu vertreiben, sie zu bekämpfen! Ich spreche in dieser Stunde auch für den Commander der Planeten, für Ren Dhark! Seinen offiziellen Vertreter, einen Terraner namens Trawisheim, wirst du noch heute kennenlernen. Er wurde von eurer Ankunft benachrichtigt und wird bald hier sein!« Charaua nahm die Hand des Marschalls. »Die Männer an Bord eurer Schiffe taten mehr für uns, Terraner! Wir sollten nicht von Dank sprechen, sondern von der Freundschaft, die unsere beiden Rassen nun für immer miteinander verbindet!« Das Vipho summte. Captain Patters schaltete auf Empfang. Auf dem Schirm erschien einer der Meegs, die sich sofort nach der Landung der beiden Ellipsenraumer an Bord des Nogkkampfschiffes begeben hatten, in dem die schlafenden
Nogks sich befanden. Charaua hörte seinem Bericht aufmerksam zu. Dann gab er dem Meeg präzise Anweisungen. Der Schirm erlosch. Charaua sah die Menschen an. »Es wird nach eurer Zeitrechnung noch fast einen Monat dauern, ehe die Besatzung unseres Kampfschiffes erwacht. Vorher werden wir also nichts darüber erfahren können, was mit dem Schiff während seines Fluges zu eurem Planeten geschah, auf welche Weise der Beauftragte unseres Herrschers, der Kommandant und die vier Krieger starben, ohne daß unser Kampfschiff beschädigt wurde. Wecken dürfen wir sie auf keinen Fall vor Ablauf dieser Zeit, es wäre ihr sicherer Tod!« Er trat auf Huxley zu. Seine langen Fühler spielten einige Zeit hin und her. Der Colonel nickte schließlich. Anschließend wandte er sich an Bulton. »Charaua bittet uns, ihn zu der Stelle zu führen, an der die Totenkegel der sechs Nogks stehen! Er lädt alle Anwesenden ein, ihn an Bord der CHARR zu begleiten, der Raumer wird uns zu den Toten bringen!« Marschall Bulton warf einen Blick auf den Zeitmesser in seinem Arbeitszimmer. Dann nickte er zustimmend. »Selbstverständlich, Charaua! Bis Henner Trawisheim eintrifft, werden noch einige Stunden vergehen. Starten wir am besten gleich!« Der Marschall, Charaua, die beiden Dereks, Larsen und Szardak verließen das Arbeitszimmer. Kurz darauf startete die CHARR und nahm Kurs auf das Illampu-Massiv. * Charaua stand stumm vor den Totenkegeln seiner sechs Rassegefährten. Taktvoll hielten sich die Menschen im Hintergrund. Lediglich Huxley nahm an der Totenehrung teil.
Vor jedem der Kegel verneigte sich Charaua dreimal. Beim letzten Totenkegel nach der letzten Verneigung richtete sich Charaua hoch auf. »Huxley!« teilte er sich dumpf mit, »es muß etwas Außergewöhnliches geschehen sein! Keiner meiner Gefährten wurde verletzt. Sie starben auf die gleiche Weise, wie unser erster Toter auf jenem Planeten, auf dem ich eurer Rasse zum erstenmal begegnete! Das Wesen, das damals bei seiner Krieger tötete, nanntet ihr Syntie. Diese Wesen haben schon einmal ein Schiff unserer Rasse vernichtet, unseren damaligen Herrscher getötet. Ich weiß nicht, ob zwischen diesen Toten und jenen im System der beiden Colsonnen ein Zusammenhang besteht, aber ich werde das untersuchen!« Charaua schwieg eine Weile. Seine Fühler zuckten hin und wieder in verhaltener Erregung. In seinen Facettenaugen glitzerte der Widerschein der Totenkegel, deren glasartige Substanz in der hochstehenden Sonne leuchtete. »Wenn es euch recht ist, dann möchte ich die Toten an dieser Stätte lassen, Huxley. Es ist ein schöner Ort, eure Sonne wird sie Tag für Tag grüßen, bis sich ihre Kegel eines fernen Tages auflösen und sie wieder freigeben ...« Huxley horchte auf. Prüfend glitten seine Augen über den Nogk. »Freigeben, Charaua?« Der Nogk nickte. »Das ist der Grund, warum wir unsere Toten auf diese Weise bestatten, Terraner. Aber habe Geduld, es gibt noch eine Menge Dinge, die du nicht weißt. Du wirst sie erfahren, bald!« Charaua wandte sich ab. Mit schnellen, gleitenden Bewegungen ging er auf das Beiboot zu, vor dem die anderen warteten. Nachdenklich folgte Huxley ihm. Hoch über dem Gipfel des Illampu aber stand der mächtige Druckkörper der CHARR. Ihr Schatten fiel genau auf jenes
Plateau, auf dem vor nicht allzu langer Zeit der eiförmige Rumpf des Kampfschiffes gelegen hatte, zu dessen Besatzung auch die Toten auf dem Illampu-Massiv gehört hatten ... Die Toten?
–ENDE–
eine amateur-kurzgeschichte + eine amateur-kurzgeschichte + eine amateur-kurzgeschichte
Expedition von Klaus Gärtner Klaus Gärtner ist 19 Jahre alt und Gymnasiast der Oberprima. Seine Hobbys sind: Filmen und Malerei in Öl. Es gibt nichts Langweiligeres und Eintönigeres als einen wochenlangen Flug durch den Hyperraum. Das eintönige Summen der Aggregate, die sterile Atmosphäre an Bord des Schiffes, das undurchdringliche Tiefschwarz dieses noch so unerforschten Raumes – all dies ist dazu angetan, einen normalen Menschen in den Wahnsinn zu treiben. Nur die sorgfältige Auslese, die stundenlangen, psychologischen Tests, denen sich jeder Teilnehmer einer Explorer-Expedition unterwerfen muß, verhindern Katastrophen. Trotzdem ist die Ausfallquote mit 18 % noch relativ hoch. Unser Raumschiff, die GILGA, befand sich nun schon 3 Einheitsjahre auf Reise. Wir hatten mehrere Systeme im Zentrum der Galaxis angeflogen, jedoch nirgends intelligentes Leben entdeckt. Unser letztes Ziel war nun eine Sonne am Rande des Spiralnebels, in einem vollkommen unbekannten Sektor. Nach Aussage unserer Astronomen besaß diese Sonne nach der Scheck'schen Wahrscheinlichkeitsrechnung mehrere Planeten. Als das Raumschiff endlich aus dem Hyperraum austrat, war wohl niemand an Bord so froh darüber wie ich. Bisher war
ich mir nämlich ziemlich überflüssig vorgekommen. Mein Spezialgebiet ist Fremdrassenpsychologie, und ich hatte bisher noch keine Gelegenheit, mein Wissen anzuwenden. Man kann sich also vorstellen wie erfreut ich war, als die Astro-Abteilung schon kurze Zeit nach dem Wiedereintritt in den Normalraum mehrere Planeten entdeckte, die unsere Zielsonne umkreisten. Meßsonden und Teleaugen wurden ausgeschickt, und schon 2 Stunden später konnte Kapitän Galle uns mitteilen, daß sich aller Wahrscheinlichkeit nach auf einem Planeten dieses Systems intelligentes Leben befinde. Sofort wurde ein Beiboot der Diskusklasse klargemacht, und zusammen mit 4 Robotsoldaten nahm ich darin Platz. Meine große Stunde war gekommen. Jetzt war sie da, die so lang erwartete Gelegenheit, um berühmt zu werden. Über den Flug zu diesem Planeten – wir hatten ihn nach unserem Kapitän GALLUS genannt – kann ich hinweggehen. Die Computer-Steuerung brachte mich sicher ans Ziel und landete das Boot auf einer flachen, weithin offenen Ebene. Die Luft dieses Planeten, das hatten die Sonden ermittelt, war atembar, gefährliche Krankheitskeime waren nicht vorhanden. Als ich das Boot verlassen hatte, öffnete ich daher meinen Raumanzug und sog begierig die reine, wenn auch etwas eigenartig riechende Luft ein. In der Ferne waren einige weiße, viereckige Kästen zu erkennen, sicherlich Behausungen der hier lebenden Rasse. Ich schaltete meinen Antigravitationsautomaten ein und nahm zusammen mit einem Roboter Kurs darauf. Als ich näher kam, bemerkte ich, daß das Gebäude ziemlich primitiv war. Niemals in unserer langen Geschichte hatten wir solche unpraktischen, Licht und Luft undurchlässigen Kästen errichtet. Ich wollte gerade auf eine Öffnung des Gebäudes zufliegen, als aus einer größeren, am Boden befindlichen Öffnung ein monströses Wesen trat. Vor Schreck vergaß ich zu atmen, als ich diese bleiche, dürre Gestalt sah. Doch es gab keinen Zweifel, dies
war der Besitzer des Hauses, ein Vertreter der intelligenten Rasse von GALLUS. Mit seinen kleinen, unscheinbaren Augen starrte das Wesen mich an, aus einer Öffnung unterhalb des Augenpaares kamen schrille Geräusche. Niemals, das wußte ich sofort, würde es zu einer Verständigung mit dieser Rasse kommen. Diese Wesen waren so fremdartig, so furchterregend, jede Kontaktaufnahme mit ihnen würde zweifellos zwecklos sein. Mein Auftrag war erledigt. Enttäuscht und auch ein wenig traurig flog ich zum Boot zurück.
UFO ÜBER AMERIKA? Nach Aussage von Mr. Summer, einem in der Nähe von Edmonton lebenden Farmer, soll im Laufe des gestrigen Tages auf seinem Gebiet ein diskusförmiges Raumschiff gelandet sein. Der Farmer behauptet ferner, ein Wesen aus diesem Raumschiff sei in seinem Hof erschienen und nach kurzer Zeit durch die Luft davon geflogen. Es soll sich dabei um ein grellrotes, monströses Wesen mit unzähligen Tentakeln gehandelt haben. Diese Meldung wird jedoch von namhaften Wissenschaftlern bestritten. Professor Kant sagte ... Aus der CANADA NEWS vom 3.10.1968
eine amateur-kurzgeschichte + eine amateur-kurzgeschichte + eine amateur-kurzgeschichte
Retter der Erde Fritz E. Finder Fritz E. Finder, 27 Jahre, Barmixer. Hobbys: Fotografie, Utopialiteratur.
Kriminal-
und
Plötzlich war ein Brausen um ihn. Es verstärkte sich zu einem Heulen und Tosen. Rote Nebel wallten auf. Was war nur geschehen? Sein Herz? Nein! Das Wabbern um ihn herum verhinderte, einen klaren Gedanken zu fassen. Die dumpfen Schläge, die durch seinen Körper dröhnten, schwollen an zu einem Donnern und Grollen. Lieber Himmel, was war nur passiert? Er hatte etwas getan. Er hatte irgendetwas getan – und dann war plötzlich dieser wallende Schleier da. Rot! Er konnte sich nicht konzentrieren. Tausende von Lichtern durchdrangen dieses Etwas um ihn. Geräusche! Er meinte, Stimmen zu hören. Aber nein, das war unmöglich. Er war allein. Allein mit seinem kleinen Raumboot im All. Die unendliche Weite des Weltraums aber war erfüllt von einer undefinierbaren Bewegung und diese dröhnenden Schläge hämmerten immer noch durch seinen Körper. Da waren wieder diese Stimmen. Es wisperte, sprach und lachte. Die Feinde! Sie hatten ihn angepeilt und versuchten, ihn unter ihre Kontrolle zu bringen. Sie hatten nicht die
Fähigkeit der Menschen, zu sprechen, sich zu unterhalten. Sie waren reine Telepathen mit ungeheueren suggestiven Kräften. Sie waren auf die Erde gekommen und hatten die gesamte Menschheit geistig versklavt. Nur er, Timothy Jennings, war ihnen in seinem kleinen Raumboot entkommen. Jetzt kreuzte er mitten in den unermeßlichen Weiten zwischen den Sternen und suchte eine Position, um die Feinde zu vernichten. Waffen? O ja, er besaß eine gewisse Macht: überschwere Strahler und Impulskanonen, die die Feinde zu Atomen zerblasen würden, wenn er sie gefunden hatte! Er würde die Menschen retten. Timothy Jennings – Retter der Erde! Die schwere Waffe umklammerte er fester. Sämtliche Geschütze mußten aktiviert werden. Immer deutlicher durchbrachen diese hellen Flächen, die ihm wie Gesichter vorkamen, sein Unterbewußtsein. Er wollte schreien; doch kein Laut kam über seine Lippen. Da war es wieder ganz deutlich. Ein großes weißes Gesicht! Er zielte. Ein Stoß erschütterte sein Raumboot. Ein Krachen riß die wallenden Schleier nieder. Nur das dumpfe Pochen war noch da. »Wolltest Du mich eben erschießen?« fragte die ältere Verkäuferin arglos. »Warum starrst Du mich so an – ist Dir nicht gut, mein Junge?« Freundlich lächelnd hob sie den Plastik-Spielzeug-Blaster auf, der seinen Händen entglitten war und gab ihn ihm zurück. »Das kostet zwei Dollar fünfundzwanzig. Dort drüben ist die Kasse.« Jetzt erst wurde er sich wieder seiner Umgebung bewußt: Die Spielwarenabteilung von »Mason's«! Erschrocken stellte er fest, daß er sich auf dem Weg zum Ausgang befand. Daher das rasende Herzklopfen! Mit hochrotem Kopf ging er zur Kasse. Beschämt dachte er an die letzten drei Minuten und seinen Wachtraum: Er, Timothy Jennings, Retter der Erde – ein Dieb? Nein!
Es war der hypnotische Zwang der »Feinde«. Jawohl! Und er hatte sie besiegt. Er, Timothy Jennings, 13 Jahre alt, zweitbester seiner Klasse und Retter seiner eigenen kleinen Welt. ENDE