So verliebt wie damals
Barbara McMahon
Julia 1523
21 – 2/02
Gescannt von Almut K.
1. KAPITEL
Alec Blackston...
6 downloads
570 Views
666KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
So verliebt wie damals
Barbara McMahon
Julia 1523
21 – 2/02
Gescannt von Almut K.
1. KAPITEL
Alec Blackstone blickte dem Jeep nach, der sich auf der gewundenen Straße entfernte. Nachdem das Auto hinter einer Biegung verschwunden war, verstummte auch das Motorengeräusch. Stille umgab ihn. Ungeduldig blickte er sich um. Er sah unzählige Bäume und einen strahlend blauen Himmel. Die Sonne schien. Durch die leuchtend grünen Blätter der Laubbäume und langen Nadeln der Tannen blickte er auf den See, der in einiger Entfernung lag. Das Sonnenlicht spiegelte sich auf der Wasseroberfläche. In der warmen Frühlingsluft mischte sich der süße Duft des Geißblatts mit dem würzigen Geruch der Kiefern. Plötzlich hatte Alec wieder einen der Schwindelanfälle, unter denen er in letzter Zeit häufiger gelitten hatte. Er hielt sich am Geländer der Terrasse fest und stieß mit dem Gips an das Holz. Ein dumpfer Schmerz durchzuckte seinen Arm. Alec stieß einen unterdrückten Fluch aus und wartete, bis das Schwindelgefühl nachließ. Jetzt weiß ich wenigstens wieder, warum ich an diesem abgelegenen Ferienort anstatt im Gerichtssaal oder bei einem Treffen mit dem Anwalt der gegnerischen Partei bin, dachte er. Mit der linken Hand nahm Alec seinen Koffer und den Laptop, um in das kleine Holzhaus zu gehen. Durch den Unfall muss mein Gehirn verletzt worden sein, stellte er fest. Lieber Himmel, was tat er nur hier, am Ende der Welt? Er gehörte nach Boston! Das Haus wirkte sehr schlicht, doch laut Wyatt sollte es alle Annehmlichkeiten bieten, die man sich nur wünschen konnte. Sein Bruder Wyatt und dessen Frau Elizabeth hatten ihm vorgeschlagen, in das Ferienhäuschen zu fahren, das sie gemietet hatten. Hätte er, Alec, den Vorschlag doch nur nicht angenommen! Er würde auch in seinem eigenen Apartment bestens zurechtkommen - und ganz sicher würde er sich in diesem Resort, einem abgelegenen Feriengebiet in den Adirondack Mountains im Bundesstaat New York, nicht schneller erholen. Doch daran ließ sich nun nichts mehr ändern. Er war nun einmal hier und würde das Beste aus seiner Lage machen. Immerhin hatte er sein Handy dabei, damit er mit seiner Kanzlei in Verbindung bleiben konnte. Er würde einfach das Modem anschließen, so dass Teresa, seine Sekretärin, ihm wichtige Unterlagen zukommen lassen könnte. Und für den Fall, dass er etwas ausdrucken musste, würde er in die nächste Stadt fahren. Alec betrat das Holzhaus und sah sich im Wohnzimmer um. Es war sehr geräumig, hatte eine hohe Decke und einen Kamin. Obwohl es bereits Mai war, wurde es hier in den Bergen abends noch sehr kühl, so dass ein Feuer sehr angenehm sein würde. Unterhalb der Treppe, über die man ins obere Stockwerk des Hauses gelangte, war eine Pendeltür, die vermutlich in die Küche führte. Alec stellte den Laptop auf einem kleinen Tisch ab und stieg mit dem Koffer die Treppe hinauf. Oben
gab es zwei offen stehende Türen, die jeweils zu einem Zimmer mit Bett, Frisierkommode und Tisch führten. Er entschied sich für den linken Raum. Das Zimmer war lang gestreckt und hatte eine schräge Decke, so dass er besonders wegen seiner Gehirnerschütterung - Acht geben musste, sich nicht den Kopf zu stoßen. Schnell packte Alec seinen Koffer aus, sah sich um und runzelte die Stirn. Es war noch nicht einmal Mittag. Womit sollte er nur den Rest des Tages verbringen? Er hatte sich einige Bücher mitgebracht, verspürte aber keine Lust zum Lesen. Und wegen der Kopfschmerzen und den unerwartet auftretenden Schwindelanfällen wollte er sich nicht zu weit vom Haus entfernen. Großartig, dachte er, jetzt sitze ich achtzehn Tage lang am Ende der Welt fest und weiß nicht, wie ich die Zeit herumkriegen soll. Hoffentlich werde ich nicht verrückt. Plötzlich hörte er eine Tür ins Schloss fallen. Alec war sicher, dass er die Eingangstür zugemacht hatte. Während er langsam die Treppe hinunterging, hörte er aus dem hinteren Teil des Hauses ein Geräusch, das aus der Küche zu kommen schien. Hatten vielleicht Angestellte des Resorts etwas zu essen vorbeigebracht? Über Essen hatte er sich noch gar keine Gedanken gemacht, doch plötzlich wurde ihm klar, dass es ohne Auto in dieser Abgeschiedenheit durchaus zum Problem werden konnte, sich Lebensmittel zu besorgen. Natürlich könnte er die Rezeption anrufen und darum bitten, ihm einen Jeep zu schicken, der ihn zum Hauptgebäude bringen würde. Das Restaurant des dortigen Hotels hatte angeblich vier Sterne. Doch da Alec sehr häufig zum Essen ausging, wäre es für ihn eine Abwechslung, zu Hause zu essen. Er stieß die Schwingtür zur Küche auf und blieb wie angewurzelt stehen. Eine Frau in Jeans und einem langen karierten Hemd lehnte sich gegen die Arbeitsfläche und wartete, dass das Wasser im Teekessel zu kochen begann. Alec kannte die Frau nur zu gut - doch er war nicht darauf vorbereitet, sie ausgerechnet hier zu sehen. Und während ihr Gesicht ihm vertraut war, traf dies auf ihre Figur keinesfalls zu. Sie hatte sich verändert. Es war ein Schock. Er fühlte sich, als habe man ihm einen Schlag in den Magen versetzt. Ungläubig blickte er sie an. Sara war schwanger? "Was, zum Teufel, geht hier vor sich?" fragte er. Der Schock war so groß, dass er sich nicht darüber freuen konnte, sie zu sehen. Alec war dafür bekannt, neue Zeugenaussagen praktisch sofort beurteilen zu können. Doch jetzt schien sein Verstand aus irgendeinem Grund nicht zu funktionieren. Er blickte sie nur schweigend an und versuchte zu verarbeiten, was er sah. Er hatte das Gefühl, man würde ihm den Boden unter den Füßen wegziehen. "Alec?" Die Frau wandte sich um. Das Sonnenlicht, das durch die großen Fenster in die Küche fiel, ließ ihr schwarzes Haar glänzen. Im Nacken trug sie es fast so kurz wie er, doch an den Seiten war es so lang, dass es ihre Ohren bedeckte. Der fransige Pony ließ ihre Augen normalerweise groß und geheimnisvoll erscheinen. Doch jetzt blickte sie nur erschrocken und ungläubig. Alec sah noch immer auf ihren Bauch. Seine Frau, die er seit Monaten nicht mehr gesehen hatte, war hochschwanger - und er hatte nichts davon gewusst!
"Was tust du hier?" fragte Sara. "Das ist jetzt nebensächlich." Alec blickte ihr in die Augen. "Gibt es nicht etwas, das du mir sagen solltest?" Seine Stimme klang eiskalt, und seine Miene war undurchdringlich. Sie schluckte. Widerstreitende Gefühle spiegelten sich auf ihrem Gesicht. "Ich bin schwanger", sagte sie leise. Alec wandte den Blick nicht von ihr ab. Er fühlte eine unbändige Wut in sich aufsteigen. Die Heftigkeit seiner Empfindungen überraschte ihn, denn normalerweise hatte er seine Gefühle immer unter Kontrolle. "Wer ist der Vater?" fragte er. Sara blickte ihn an, als hätte er sie geschlagen. "Du natürlich", erwiderte sie heftig. Ihr Gesicht war gerötet. "Wer sollte es denn sonst sein?" „Ich weiß es nicht. Immerhin hast du mich verlassen." Er kannte, sich mit Schwangerschaften nicht aus, aber Saras Bauch war sehr stark gerundet. „Im wievielten Monat bist du?" „Im achten", antwortete sie zögernd. "Und während dieser acht Monate konntest du mich nicht anrufen und mir erzählen, dass du schwanger bist?" Er wurde immer wütender. Nachdem sie ihn verlassen hatte, war eine Leere in seinem Leben entstanden. Aber auch wenn sie sich einander entfremdet hatten - Sara hätte ihm nicht verschweigen dürfen, dass sie ein Kind von ihm erwartete. Sie zuckte die Schultern und verschränkte die Arme vor der Brust, als wollte sie sich schützen. "Ich hätte es dir wohl sagen müssen", gab sie widerstrebend zu. "Allerdings! " "Ich wollte es ja auch, aber …“ Alec wartete ab. Er hatte diese Technik im jahrelangen Umgang mit Straftätern perfektioniert. Den meisten Menschen war längeres Schweigen unangenehm, so dass sie unbedacht zu sprechen begannen. „Ich ... es schien nie der richtige Zeitpunkt zu sein", sagte Sara. "Hattest du denn überhaupt vor, es mir zu erzählen?" Alec versuchte, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten. Noch immer konnte er es nicht fassen schließlich war es auch sein Baby. "Ja, natürlich." „Und wann, wenn ich fragen darf? Wenn unser Kind sein Studium beendet hätte?" "Ich weiß es nicht. Ich habe auf den richtigen Zeitpunkt gewartet. " "Wissen Wyatt und Elizabeth es?" Sie nickte. Vor Wut schlug Alec mit der Faust gegen den Türpfosten. Nicht einmal sein eigener Bruder hatte es ihm gesagt! Sara begann, unruhig in der Küche hin und her zu laufen." Du hättest mich ja auch anrufen können", sagte sie schließlich. "Du hast mich verlassen. Und du wusstest, wo ich war."
"Wenn ich dir nicht völlig egal gewesen wäre, hättest du mich zumindest einmal angerufen, um zu fragen, wie es mir geht." Er kniff die Augen zusammen. "Geht es dir denn nicht gut? Verläuft die Schwangerschaft nicht normal?" "Doch, darum geht es nicht. Aber wenn du dich nicht ein einziges Mal nach mir erkundigt hast, warum sollte ich annehmen, dass es dir etwas bedeuten würde, Vater zu werden?" Vater. Er, Alec, und Sara hatten nur einmal über Kinder gesprochen. Damals hatte er darauf bestanden, dass sie noch eine Weile warteten. Er wusste nicht, ob er jemals für diese verantwortungsvolle Aufgabe bereit sein würde. Doch jetzt schien die Entscheidung ohne sein Zutun bereits gefallen zu sein. War sie etwa absichtlich schwanger geworden? "Was tust du eigentlich hier?" fragte Sara. "Ich werde einige Zeit hier verbringen. Bist du absichtlich schwanger geworden?" Heftig schüttelte sie den Kopf. "Nein. Es gibt nun einmal keine absolut sicheren Verhütungsmittel. Der Zeitpunkt hätte nicht ungünstiger sein können: Ich bin eine allein stehende Frau - ohne einen Mann in Sicht." "Weil du damals ausgezogen bist." Sie zuckte die Schultern. "Darüber könnten wir uns sicher endlos streiten. Aber du musst dir eine andere Unterkunft suchen. Hier kannst du nicht bleiben." "Wyatt und Elizabeth hatten das Haus für ihren Urlaub gemietet. Doch als sein Unternehmen ihm die Mitarbeit an einem Projekt in Europa in Aussicht gestellt hat, sagte er, ich könne hier eine Weile bleiben." Das war stark untertrieben. Wyatt hatte ihn praktisch dazu gezwungen. "Und mir hat Elizabeth das Haus angeboten. Da ich eine Zeit lang von Boston wegwollte, schien es eine ideale Lösung zu sein. " Sara war verzweifelt. "Sie hat mir nichts davon erzählt, dass du auch herkommen würdest." "Vielleicht hat Wyatt es ihr nicht gesagt." Oder hatten sein Bruder und seine Schwägerin dies alles geplant, um ihn, Alec, und Sara wieder zusammenzubringen und ihre Ehe zu retten? Aber da haben die beiden sich vergeblich Hoffnungen gemacht, dachte er grimmig. Es gab nichts mehr zu retten. "Es tut mir Leid, aber ich habe diesen Urlaub schon vor langer Zeit geplant. Du musst dir eine andere Unterkunft suchen", sagte Sara unverblümt. "Wie kann das sein? Die beiden haben doch erst vorletzte Woche von der Reise nach Europa erfahren." An dem Tag, als er, Alec, den Autounfall gehabt und eine Gehirnerschütterung erlitten hatte. "Ich hatte schon seit mehreren Monaten vor, eine Weile Urlaub zu machen - als Einstimmung auf den Mutterschutz. Und letzte Woche hat Elizabeth mir vorgeschlagen, hierher zu kommen. " "Wenn du so kurz vor der Geburt stehst, solltest du dich lieber nicht hier aufhalten - bis zum nächsten Krankenhaus sind es Meilen!" Wenn sie schon so
unvernünftig war, nicht auf sich Acht zu geben, sollte sie wenigstens an das Kind denken. "Der voraussichtliche Geburtstermin ist erst in sechs Wochen. Ich habe mit meiner Ärztin über den Urlaub gesprochen, und sie war einverstanden." Wie viele andere Leute hatten noch von dem Baby gewusst im Gegensatz zu ihm? Alec war noch immer wütend, und die Vorstellung, bald Vater zu werden, verwirrte und überforderte ihn. "Wo wohnst du jetzt? Wirst du Hilfe brauchen, wenn das Baby da ist?" "Fällt dir das nicht etwas zu spät ein?" "Und wer ist daran schuld? Verdammt, Sara, du hättest es mir sagen müssen! " "Was hättest du denn dann getan?" rief sie und stützte die Hände in die Hüften. Wollte sie vielleicht darüber hinwegtäuschen, dass sie ein schlechtes Gewissen hatte? "Ich hätte dafür gesorgt, dass du nach Hause zurückkommst wo du hingehörst." Als er auf sie zuging, bemerkte er den Duft des Parfums, das sie immer trug. Erinnerungen wurden in ihm wach. Ohne nachzudenken, zog er Sara an sich und küsste sie. Die Intensität seiner Gefühle überwältigte ihn. Der Kuss war wild und leidenschaftlich, obwohl Alec noch immer wütend war. Er hatte nichts vergessen, was die faszinierende, aber auch verwirrende Frau betraf, die er vor achtzehn Monaten geheiratet hatte. Einen Moment lang hatte er das Gefühl, nach Hause zu kommen. Saras Lippen schmeckten noch immer so süß wie Honig, und er war wie berauscht. Einen Moment lang war es, als wären sie nie getrennt gewesen ... Plötzlich spürte er sehr deutlich Saras gerundeten Bauch. Alec hob den Kopf und blickte ihr in die glänzenden Augen. Sie wich einen Schritt zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. "Du hattest ja nicht einmal Zeit für mich, als wir noch zusammengelebt haben. Ich habe daher auch nicht angenommen, dass du dir für ein Baby Zeit nehmen würdest", sagte sie schonungslos offen. "Das kannst du nicht wissen. Du hättest es mir sagen müssen." Er wandte sich um, stieß heftig die Schwingtür auf und ging hinaus. Erst auf der Terrasse hielt er inne. Alec nahm nichts von der Schönheit der Natur, den Bäumen, dem See oder dem strahlend blauen Himmel wahr. Er konnte nur daran denken, dass seine Frau bereits im achten Monat schwanger war - und er hatte nichts davon gewusst! Schweigend dachte er über Saras Frage nach. Was hätte er, Alec, getan, wenn sie ihm von dem Baby erzählt hätte? Hätte er versucht, sie zu überreden, wieder zu ihm zu ziehen? Hätte er bis zur Geburt so viel wie möglich über Babys gelernt, seine Lebenseinstellung geändert oder sich darauf vorbereitet, dass er bald Vater werden würde? Du meine Güte, ich werde Vater, dachte Alec bestürzt. Er wusste so gut wie gar nichts über das, was ihn erwartete. Sara hatte Alec nachgeblickt, als er aus der Küche gestürmt war. Ihr zitterten die Knie, und sie konnte keinen klaren Gedanken fassen. Als er sie geküsst
hatte, war ihr nicht entgangen, wie wütend er gewesen war. Doch es hatte ihr nichts ausgemacht. Sie hatte es genossen, in Alecs Armen zu liegen - damit hatte sie unter diesen Umständen nicht gerechnet. Was war nur zwischen ihnen falsch gelaufen? Und warum? Der Teekessel pfiff. Sara stellte das Gas ab, doch jede Bewegung fiel ihr schwer. Alec wieder zu sehen war ein Schock gewesen. Ihre Schuldgefühle hatten die anderen Empfindungen verdrängt, die er zuerst in ihr wachgerufen hatte. Ich hätte es ihm schon vor Monaten sagen müssen, dachte sie. Ich hätte Alec an der Vorfreude auf das Kind teilhaben lassen sollen. Er hatte Recht: Sie, Sara, hatte einen Fehler begangen. Doch es schien nie der richtige Zeitpunkt gewesen zu sein, um ihm von dem Baby zu erzählen. Als sie festgestellt hatte, dass sie schwanger war, hätte sie vor Glück am liebsten lauf aufgeschrieen. Doch ihre Ehe war bereits beendet gewesen. Und sie, Sara, hatte so viele Schwierigkeiten zu bewältigen gehabt, dass sie ohnehin nicht dazu gekommen wäre, es Alec zu erzählen. Trotzdem gab es keine Entschuldigung für ihr Verhalten. Sara atmete tief ein. Sie musste es wieder gutmachen - so weit es unter diesen Umständen möglich war. Nachdenklich verließ sie die Küche. Wo war Alec? Die Haustür stand offen. Sie sah ihn auf der Terrasse stehen, von wo aus er über eine Lichtung auf den See blickte. Sara gab sich einen Ruck und ging zu ihm. "Alec?" Er wandte sich um und blickte sie an. Seine Miene war undurchdringlich. "Wenn du nicht wusstest, dass ich hier bin, warum bist du dann hergekommen?" Er deutete auf seinen Gipsarm. "Ich war auf der Suche nach einem Ort, an dem ich mich erholen konnte. Wyatt wollte unbedingt, dass ich in diesem Haus wohne. Er und Elizabeth hatten schon eine Anzahlung geleistet, als sie ihre Pläne änderten." Er zuckte die Schultern. "Es war leichter, nachzugeben und das Angebot anzunehmen, als mich mit ihm zu streiten." Überrascht sah Sara ihn an. Sie hatte von dem Unfall gehört, aber nicht gewusst, wie schlimm er gewesen war. Offenbar waren Alecs Verletzungen ernster gewesen, als Wyatt und Elizabeth ihr erzählt hatten - sonst hätte Alec seinem Bruder gegenüber niemals so leicht nachgegeben. Denn nichts mochte er lieber, als zu diskutieren. Manchmal vertrat er sogar aus reiner Lust an Streitgesprächen einen besonders provokanten Standpunkt. Sara zögerte einen Moment und sagte dann: "Ich wusste von dem Unfall. Elizabeth hat mir gesagt, du würdest wieder ganz gesund werden. Das stimmt doch, oder?" "Das sagen zumindest die Ärzte." "Wie ist es nur passiert? Du bist doch so ein guter Autofahrer!“ Anstatt zu antworten, schwankte Alec plötzlich und hielt sich am Geländer fest. "Ist alles in Ordnung?" Erschrocken ging sie einen Schritt auf ihn zu.
"Ich hatte von dem Unfall eine Gehirnerschütterung und habe noch immer dann und wann Schwindelanfälle. Laut Aussage des Arztes werden sie aber bald aufhören." "Setz dich lieber hin. Soll ich dir einen Tee machen?" Sie streckte den Arm nach ihm aus, doch Alecs Blick ließ sie die Hand schnell wieder zurückziehen. Deutlicher hätte er ihr, Sara, nicht zeigen können, dass er sie nicht brauchte und auch nicht wollte. Das hätte ich eigentlich schon lernen müssen, als wir noch zusammengelebt haben, dachte sie bitter. Vorsichtig ging Alec zu einem in der Nähe stehenden Stuhl und setzte sich. Sara wünschte, sie hätte wie früher das Recht, sich um ihn zu kümmern. Der Unfall hatte sie zutiefst erschreckt. Auch wenn sie sich getrennt hatten, konnte sie sich eine Welt ohne Alec nur schwer vorstellen. Am liebsten hätte sie es ihm gesagt, aber sie brachte kein Wort heraus. Wehmütig fand sie sich damit ab, dass sich die Vergangenheit nicht ändern ließ. Alec lehnte sich zurück und schloss die Augen. Das Schwindelgefühl ließ langsam nach, doch er wollte Sara nicht ansehen. Er hätte nicht so heftig reagieren dürfen, als er festgestellt hatte, dass sie schwanger war. Und auf keinen Fall hätte er sie küssen dürfen! "Ich muss mich bei dir entschuldigen, Alec. Ich hätte dir sofort erzählen müssen, dass ich schwanger bin", sagte sie ein wenig steif. Allerdings, dachte er, noch immer wütend. Er öffnete die Augen und betrachtete Sara aus den Augenwinkeln. Sie stand am Geländer der Terrasse und blickte traurig zum See hinüber. Trotz der Schwangerschaft bewegte sie sich noch immer elegant und anmutig. Er hatte sie immer gern angesehen. Sara war sehr weiblich und begehrenswert. Nicht zum ersten Mal fragte Alec sich, wie sein Leben verlaufen wäre, wenn seine Mutter die Familie nicht verlassen hätte oder wenn sein Vater wieder eine liebevolle Frau geheiratet hätte, statt sich zu einem verbitterten Mann zu entwickeln. Vielleicht hätte er, Alec, dann gewusst, wie er seine Beziehung aufrechterhalten konnte. Erneut schloss er die Augen und rief sich in Erinnerung, dass er die ersten vierunddreißig Jahre seines Lebens sehr gut ohne Frau ausgekommen war. Er würde es also auch die nächsten vierunddreißig Jahre schaffen. Die Monate, die er und Sara verheiratet gewesen waren, zählten nicht. Obwohl, korrigierte er sich insgeheim, wir ja rechtlich gesehen noch verheiratet sind. Und jetzt war auch noch ein Baby unterwegs! "Hast du mir deshalb nichts von dem Kind erzählt, weil du dachtest, ich wäre sicher ein schlechter Vater?" fragte er, nachdem sie eine Weile geschwiegen hatten.
2. KAPITEL
"Nein, aber du würdest vermutlich nie da sein. Wie würdest du Zeit für das Baby aufbringen?" Sara zuckte die Schultern. "Ich dachte nicht, dass du irgendetwas ändern würdest, wenn du von dem Kind erfahren hättest - schon gar nicht deine Arbeitszeiten. Alec wies auf den Stuhl, der ihm gegenüber stand. "Setz dich doch. Wir haben schließlich etwas Wichtiges zu besprechen." Sara ließ sich vorsichtig auf der vorderen Stuhlkante nieder. "Ich erwarte nichts von dir", sagte sie schnell. "Aber es ist auch mein Baby, stimmt's?" Sie nickte nachdrücklich. "Brauchst du irgendetwas?" Sie schüttelte den Kopf. "Ich bin letzten Monat in ein größeres Apartment gezogen und habe schon eins der Zimmer für das Baby eingerichtet. Wie werden gut zurechtkommen." Die Antwort gefiel ihm nicht. Aber was sollte er schon entgegnen? Sie hatte sehr deutlich gemacht, was sie empfand, als sie ausgezogen war. "Wegen des Ferienhauses …“ "Vielleicht ist noch ein anderes frei, das du nehmen könntest" schlug sie vor. "Oder du." "Ich bleibe hier. Ich habe schon alles ausgepackt." "Ich auch." Alec bemühte sich, schwach und erschöpft auszusehen. "Ich muss mich von einem schweren Unfall erholen." „Du willst doch wohl nicht, dass ich dich bemitleide? Das sieht dir gar nicht ähnlich." Sara bog sich vor Lachen. "Du lässt dir wirklich einiges einfallen, um hier bleiben zu können. Aber so einfach wird es nicht funktionieren." Die Spannung zwischen ihnen ließ ein wenig nach. Alec war erleichtert. Es würde einige Zeit dauern, bis er sich an die Veränderungen gewöhnt hätte, die in seinem Leben anstanden. Er sah Sara an und dachte daran, wie sehr er sie vermisst hatte, nachdem sie ausgezogen war. Das Apartment war ihm leer und verlassen erschienen und die einsamen Nächte endlos. "Ich bleibe hier", wiederholte sie noch einmal. Alec merkte, wie entschlossen sie war. Er wusste, dass Sara sehr hartnäckig sein konnte. Sie hatte auch die Auseinandersetzung mit einigen Angestellten in höheren Positionen in ihrem Unternehmen nicht gescheut, wenn sie von etwas überzeugt war - und letzten Endes hatte sie sich oft durchgesetzt. Und sie hatte ihn, Alec, verlassen, weil er seinen Lebensstil nicht hatte ändern wollen - genau wie sie es angedroht hatte. Eine Weile blickten sie einander schweigend an. Doch Alec hatte es nicht ohne Grund zu einem erstklassigen und erfolgreichen Staatsanwalt gebracht. Er hatte jahrelange Erfahrung darin, mit anderen zu verhandeln und Straftäter dazu zu bringen, mit ihm zu kooperieren.
"Na gut, dann bleiben wir eben beide hier", sagte er schließlich. "Beziehungsweise wir drei. Du kannst dir natürlich auch eine andere Unterkunft suchen, wenn du möchtest." Er lehnte sich zurück und wartete gespannt ab, wie Sara auf diese Herausforderung reagieren würde. Überrascht blickte sie ihn an. Ehepartner verbrachten doch nicht die Ferien im selben Haus, nachdem sie sich getrennt hatten! Sie war hierher gekommen, um einige Wochen ganz für sich zu sein, Pläne zu machen und über ihr zukünftiges Leben nachzudenken - und über eine Scheidung. Diese Entscheidung konnte sie nicht treffen, wenn Alec in der Nähe war. Sie hatte sich seiner Ausstrahlung und seinem Sex-Appeal nie entziehen können. Alec war ein Meter neunzig groß, sie dagegen nur ein Meter sechzig. Mit dem schwarzen Haar und den dunklen Augen hätte man ihn fast für ihren Bruder halten können. Doch die Gefühle, die er in ihr auslöste, hatten nichts mit geschwisterlicher Zuneigung zu tun. Schnell wandte Sara den Blick ab und rief sich in Erinnerung, dass ihre Ehe seit sechs Monaten beendet war. Sie kam gut allein zurecht. Bald würde sie ein Kind bekommen, und ihr Leben würde sich von Grund auf ändern. Das Letzte, was sie jetzt brauchte, war jemand, der ihr Gefühlsleben durcheinander brachte. "Wyatt und Elizabeth haben das Haus für drei Wochen gebucht, und so lange möchte ich auch bleiben", sagte sie langsam. Vermutlich würde es Alec schon nach zwei oder drei Tagen langweilig werden - lange hielt er es nie ohne seine Arbeit aus. Plötzlich wurden schmerzliche Erinnerungen in ihr wach. Sara wusste nur zu gut, wie sehr seine Arbeit ihn in Anspruch nahm. "Ich darf drei Wochen lang nicht arbeiten", erwiderte er. Sie blickte auf und sah ihm in die Augen. Ihr Herz klopfte heftig. "Wer hat das gesagt?" Sie konnte sich nur schwer vorstellen, dass der selbstbewusste, manchmal sogar arrogante Alec Anweisungen von jemandem entgegennahm. Sie dachte daran, wie sie ihn früher gern damit aufgezogen hatte. Die Erinnerung tat ihr weh. "Mein Arzt." "Sollst du dich von dem Unfall erholen?" Er wandte den Blick ab. "Unter anderem. Bist du damit einverstanden, dass wir beide hier bleiben, oder sollen wir uns deswegen streiten?" Traurig dachte Sara an die Zeit, als sie und Alec frisch verliebt gewesen waren. Sie hatte sich so begehrt und geliebt gefühlt. "Also gut, dann werden wir eben gemeinsam hier wohnen. Wenn wir kein Haus gemietet hätten, sondern Zimmer im Hotel im Hauptgebäude, hätte es ja auch sein können, dass wir direkt nebeneinander wohnen." Doch insgeheim war ihr unwohl bei dem Gedanken. Würde Alec erwarten, dass sie Zeit miteinander verbringen und gemeinsam Dinge unternehmen würden? Und wie sollte sie entscheiden, wie sie sich von ihm lösen sollte, solange er in ihrer Nähe war? Noch immer ließ er ihr Herz schneller schlagen. Es würde ihr schwer fallen, ihm gegenüber gelassen zu bleiben. Sara musste daran denken, wie Alec sie
geküsst hatte, und ihr wurde heiß. Würde er es noch einmal versuchen? Das durfte sie auf keinen Fall zulassen - es würde alles verkomplizieren. "Wir können uns also einigen?" "Na gut." Sara überlegte, ob sie den Kuss ansprechen sollte. Doch das würde ihn bedeutsamer erscheinen lassen, als er gewesen war. Wenn sich die Situation als zu kompliziert erweisen sollte, würde sie eben wieder nach Hause fahren. Und vielleicht ist es gar nicht verkehrt, wenn wir einmal auf neutralem Boden miteinander sprechen können, dachte sie. "Schön. Dann also bis später. Ich muss in der Kanzlei anrufen.“ Sara blickte ihm nach, als er ins Haus ging. Warum hatte sie nur geglaubt, Alec würde sich anders verhalten, nur weil er hier war? Eigentlich sollte ich überrascht sein, dass er es so lange ausgehalten hat, ohne mit seiner Kanzlei zu telefonieren, überlegte sie. Offenbar konnten nicht einmal ärztliche Anweisungen etwas an seinen Arbeitsgewohnheiten ändern. Kurze Zeit später hörte sie Alec leise sprechen. Er musste sein Handy mitgebracht haben. Von den Telefonen in den Ferienhäusern des Resorts konnte man nur in der Rezeption anrufen. Schließlich sollten die Gäste, die hier ihren Urlaub verbrachten, dem Alltag entfliehen und einmal richtig ausspannen. Doch Alec hatte das offenbar nicht vor. Er war wie immer rastlos, voller Energie und unfähig, sich längere Zeit nicht mit seiner Arbeit zu beschäftigen. Weil er nicht in der Lage gewesen war, sich neben seiner Arbeit auch Zeit für seine Beziehung mit ihr, Sara, zu nehmen, hatte sie ihn verlassen. Noch immer grübelte sie darüber nach, wie sich die Beziehung hätte retten lassen können. Doch ihr fiel keine Lösung ein. Die harte Wahrheit war nun einmal, dass Alec sich lieber mit der Bekämpfung von Kriminalität beschäftigte als mit seiner Frau. Und offenbar hatte nicht einmal die Tatsache, dass sie ein Kind erwartete, etwas daran geändert. Eine halbe Stunde später hatte Sara eine Tasse Tee getrunken und spazierte den ausgetretenen Weg entlang, der zwischen Bäumen hindurch zum See führte. An den Holzstegen, die vom Ufer aus ins Wasser führten, waren Ruder- und Tretboote vertäut. Viele Urlauber hatten dieses Angebot genutzt und waren auf den See hinausgefahren. Sie winkte dem Pärchen zu, das in einem der Häuser neben ihrem wohnte. James und Hilary Martin saßen in einem Tretboot und versuchten, es nur über die Pedale zu lenken. Sie winkten lächelnd zurück. Sara sah ihnen eine Weile zu und musste lachen. Die beiden waren noch jung und wirkten so überglücklich und verliebt, wie Paare es nun einmal in den Flitterwochen waren. Sie musste an ihre eigene Ehe denken, und das Lächeln erstarb ihr auf den Lippen. Sie hatte sich so viel erhofft, doch ihre Hoffnungen waren schon in den ersten Monaten zerstört worden, in denen sie und Alec zusammengelebt hatten. Nun hatte sie nur noch einige schöne Erinnerungen - und viele schmerzliche. Plötzlich kam sich Sara mit ihren achtundzwanzig Jahren sehr alt vor. Sie wandte sich um und ging am Ufer entlang. Es war so friedlich hier am See. Sie
war entschlossen, sich wieder auf ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu besinnen, Pläne für die Zukunft zu machen und die schwierigen Entscheidungen zu treffen, die noch ausstanden. „Hallo, junge Lady", begrüßte Mrs. Simpson sie. Die ältere Dame und ihr Mann saßen auf einem Baumstamm in der Nähe des Wassers und lächelten Sara an. "Hallo. Ist es nicht ein wunderschöner Tag?" Sie blieb stehen und unterhielt sich mit den beiden, die ebenfalls in ihrer direkten Nachbarschaft wohnten. Sie waren schon seit mehr als fünfzig Jahren verheiratet, doch man merkte ihnen an, dass sie sich noch immer liebten. Sara sprach eine Weile mit ihnen und ging dann weiter. Es war also durchaus möglich, eine lange, glückliche Ehe zu führen. Was war wohl das Geheimnis einer solchen Beziehung? Und warum hatte sie es nicht fertig gebracht? Sie hatte nicht damit umgehen können, dass Alec seine Arbeit wichtiger gewesen war als alles andere. Ihr Vater, der sehr früh gestorben war, hatte sich nicht so verhalten. Im Nachhinein wusste Sara, dass es nicht der richtige Weg gewesen war, mit Alec, zu streiten und ihm Vorwürfe zu machen. Aber hätte sie überhaupt etwas an der Situation ändern können? Nach einem ausgiebigen Spaziergang ging sie zurück zu ihrem Ferienhaus. Sie öffnete behutsam die Tür und trat leise ein, um Alec nicht beim Telefonieren zu stören. Doch er lag auf dem Sofa im Wohnzimmer und schlief. Sein Handy lag neben ihm auf dem Fußboden. Vorsichtig ging sie zu ihm, um ihn zu betrachten. Sogar im Schlaf hatte er eine starke männliche Ausstrahlung. Sara hatte es immer genossen, ihn zu beobachten, wenn sie morgens früher aufgewacht war als er. Es waren einige der wenigen Momente gewesen, in denen sie Alec ganz für sich gehabt hatte - und die sofort zu Ende gewesen waren, sobald er aufgewacht war. Sie lächelte traurig. Sara hob das Telefon auf, vergewisserte sich, dass keine Verbindung mehr bestand, und legte es auf den Couchtisch. Dann ging sie in die Küche, um sich ein Sandwich zu machen. Während des Essens dachte sie über Alecs Unfall nach. Elizabeth hatte ihr damals nicht erzählt, wie es dazu gekommen war. Es hatte sie, Sara, erschreckt, wie besorgt sie um Alec gewesen war. Doch sobald sie gewusst hatte, dass er wieder gesund werden würde, hatte sie den Gedanken an den Unfall verdrängt. Doch jetzt fragte sie sich, ob ein betrunkener Autofahrer ihn verursacht hatte. War noch jemand verletzt worden? Würde Alec wirklich wieder ganz gesund werden? Und würde er ihr verzeihen, dass sie ihm nicht von dem Baby erzählt hatte? Als das Handy plötzlich klingelte, sprang sie auf und rannte ins Wohnzimmer. Doch Alec war bereits aufgewacht und kam ihr zuvor. Er nickte ihr kurz zu und vertiefte sich dann in das Gespräch. Manche Dinge ändern sich eben nie, dachte Sara wehmütig und ging nach oben, um einen Mittagsschlaf zu halten - ein Luxus, den sie sich nur in den
Ferien gönnen konnte. Bestimmt will sein Arzt doch nicht, dass er während des Urlaubs weiterarbeitet, dachte sie, zog die Schuhe aus und legte sich ins Bett. Kurz bevor sie einschlief, hörte sie Alec noch immer telefonieren. Was konnte nur so wichtig sein, dass es ihn davon abhielt, ein paar Tage abzuschalten und sich zu erholen? Hier kann ich unmöglich bleiben, dachte Alec, als er am Spätnachmittag sämtliche Zimmer des Hauses abgesucht und nicht eine einzige Telefonbuchse gefunden hatte. Es gab ein Telefon mit Direktverbindung zum Hauptgebäude, doch auch von dort aus konnte man ihn nicht zu einem Anschluss außerhalb des Resorts durchstellen. Wenn er sein Handy nicht mitgebracht hätte, wäre er völlig von der Außenwelt abgeschnitten. Er musste unbedingt den Laptop ans Telefonnetz anschließen, damit seine Sekretärin ihm ein Fax schicken konnte. Unruhig ging er im Wohnzimmer hin und her und suchte erneut die Wände ab. Und das alles nach den Neuigkeiten, die er morgens erfahren hatte - und die ihn gehörig durcheinander gebracht hatten. Er hoffte, die Tatsache, dass er Vater wurde, würde ihn nicht daran hindern, sein Leben wie bisher weiterführen zu können. "Wir haben wunderschönes, warmes Wetter", sagte Sara, während sie die Treppe herunterkam. "Du kannst deinen Spaziergang auch draußen machen." "Ich mache keinen Spaziergang, sondern suche eine Telefonbuchse", entgegnete er ungeduldig. Doch es gab noch einen anderen Grund für seine Verärgerung. Wie sollte er gemeinsam mit Sara in einem Haus wohnen, wenn er sich noch immer unwiderstehlich zu ihr hingezogen fühlte? Außerdem war er nach wie vor aufgebracht darüber, dass man ihm nicht früher von dem Baby erzählt hatte. "Ich glaube, im Hauptgebäude des Resorts gibt es ein Bürocenter, das die Gäste benutzen können. In den Ferienhäusern gibt es allerdings keine Telefonbuchsen. Schließlich soll man sich erholen und nicht nur den Arbeitsplatz hierher verlegen." "Aber sicher wollen doch nicht alle Gäste vom Rest der Welt abgeschnitten sein!" Nervös strich Alec sich durchs Haar. Das alles kam ihm sehr ungelegen sowohl die technischen Schwierigkeiten als auch die Gefühle, die Sara in ihm hervorrief. Er war doch über sie hinweggekommen. Und er wollte nach vorne blicken, anstatt an Zeiten erinnert zu werden, die lange vorbei waren. Ich werde mir einen Jeep mit Fahrer schicken lassen müssen, der mich zum Hauptgebäude bringt, dachte er. Wie lange das wohl dauern würde? Er warf einen Blick auf die Uhr. „Du bist nicht aus dem Motiv hergekommen, das Wyatt und Elizabeth im Sinn hatten", stellte Sara fest. "Ich wäre überhaupt nicht hier, wenn ich nicht diesen verdammten Unfall gehabt hätte. Sich ausruhen und erholen ist eine Sache - von der Außenwelt abgeschnitten zu sein ist etwas ganz anderes. Soweit ich weiß, wollten Wyatt
und Elizabeth eine Art zweite Flitterwochen hier verbringen. Ich habe keine Ahnung, warum. Sie haben doch erst vor zwei Jahren geheiratet." Sara lächelte. "Kannst du ihre Gründe wirklich nicht nachvollziehen?" Alec schüttelte den Kopf. Er hatte Wichtigeres zu tun. Er musste sich um seine Arbeit kümmern. Einige seiner Fälle würden bald verhandelt werden. Er musste sicherstellen, dass für alle Punkte des Schuldspruchs Beweise vorlagen. Und der neue Rechtsgehilfe brauchte klare Anweisungen. Er hatte keine Zeit, sich romantischen Träumereien über seine Frau hinzugeben. Sie hatten es einmal miteinander versucht, aber ihre Beziehung war zerbrochen. Alec hatte seine Lektion gelernt - ganz sicher würde er es nicht noch einmal wagen. " Wyatt und Elizabeth lieben sich eben. Sie wollten Zeit miteinander verbringen. Das tun die meisten Ehepaare. Sie sprechen über Themen, die ihnen wichtig sind, schaffen gemeinsam Dinge, an die sie sich gern zurückerinnern, und gründen eine Familie." Alec runzelte die Stirn. Er musste daran denken, dass auch er und Sara eine Familie gegründet hatten - ohne sein Wissen! Er wusste nicht das Geringste darüber, was es bedeutete, Vater zu sein. Sein eigener war nicht gerade ein Musterbeispiel gewesen. Und er selbst hatte nie wirklich vorgehabt, Kinder zu bekommen. Doch nun würde es passieren. "Du hast gesagt, dass du im achten Monat bist. Wann genau ist der voraussichtliche Geburtstermin?" "Am 21. Juni. Aber vielleicht kommt es auch später, das ist bei Erstgeborenen häufig der Fall." Plötzlich wirkte Sara niedergeschlagen. War sie vielleicht traurig, dass ihre Beziehung so schnell in die Brüche gegangen war? Oder bereute sie es, schwanger geworden zu sein? Alec verspürte den Wunsch, sie aufzuheitern, doch er wusste nicht, wie. Sara war ihm schon früher oft ein Rätsel gewesen. "Wäre es dir lieber, kein Kind zu erwarten?" Überrascht sah sie ihn an. "Nein, ganz und gar nicht. Ich freue mich sehr auf das Baby. Meine Mutter ist ganz aus dem Häuschen, weil sie Großmutter wird. Und Wyatt und Elizabeth können es kaum erwarten ..." Schuldbewusst verstummte sie und wandte den Blick ab. "Mit anderen Worten, alle sind überglücklich - außer mir." "Du freust dich also gar nicht?" "Ich muss die Vorstellung erst noch verarbeiten. Schließlich hatte ich nicht acht Monate Zeit, um mich an den Gedanken zu gewöhnen." "Es tut mir wirklich Leid. Ich würde alles anders machen, wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte." Sie schwiegen. Einen Moment lang bedauerte Alec es, dass Sara ihn nicht mehr so liebte und bewunderte, wie sie es früher getan hatte. Er hatte sich immer großartig gefühlt, wenn sie ihm ihr strahlendes Lächeln geschenkt hatte. "Komm doch mit zum Hauptgebäude. Du kannst dir ja den Geschenkartikelladen ansehen, während ich auf mein Fax warte", schlug er spontan vor, damit endlich der traurige Ausdruck von ihrem Gesicht
verschwinden würde. Alec war zwar der Meinung, dass alle Frauen gern einkauften, doch er musste zugeben, dass es bei Sara anders gewesen war. Nur einmal hatte sie ihn überredet, mit ihr Möbel für das gemeinsame Apartment aussuchen zu gehen. Erst jetzt fiel ihm wieder ein, wie viel Spaß sie an diesem Tag gehabt hatten. Ihm wurde klar, dass er viele seiner schönsten Erinnerungen Sara verdankte. Sie neigte den Kopf zur Seite und blickte ihn an. Alec betrachtete ihren schlanken Hals. Am liebsten hätte er ihr darüber gestrichen, um herauszufinden, ob er sich noch so warm und weich anfühlte wie früher. Er wünschte sich, er könnte die Lippen über ihre Haut gleiten lassen und an jener zarten Stelle nahe dem Schlüsselbein ihren Herzschlag spüren, ihr durch das kurze, glänzende schwarze Haar streichen ... Ob es noch immer so seidenweich war wie früher? Alec wandte den Blick ab und fragte sich, ob wohl auch sein Verstand bei dem Autounfall Schaden genommen hatte. Etwas Derartiges hatte er nicht mehr empfunden, seit er ein bis über beide Ohren verliebter Teenager gewesen war! Er hatte seine Arbeit und seine Freunde. Auf keinen Fall brauchte er eine Beziehung! Sara und er hatten es einmal miteinander versucht, und es hatte nicht funktioniert. Seitdem hatte sich nichts geändert. Sie zu küssen war ein Fehler gewesen. Es würde nicht wieder vorkommen. "Gut, ich komme mit, vielen Dank", sagte Sara ein wenig steif. Alec wandte sich um und ging zum Wandtelefon, um die Rezeption anzurufen. Je eher er sich erholen und sein normales Leben weiterführen würde, desto besser. Lass die Vergangenheit ruhen, ermahnte er sich. Nachdem er den Jeep bestellt hatte, nahm er seinen Laptop. "Wir könnten draußen warten", schlug er vor. "Du willst wohl keine Sekunde verschwenden. Hast du vor, in den Jeep zu springen, während er vorbeifährt, oder darf der Fahrer anhalten?" "Er kann anhalten - vorausgesetzt, er bringt uns schnell genug zum Hauptgebäude. Teresa will mir noch einen Bericht schicken, bevor sie nach Hause geht." Draußen war es noch sonnig und warm. Alec stand auf den Stufen der Terrasse und hielt nach dem Jeep Ausschau, während Sara es sich auf einem der Stühle bequem machte. "Alec, bist du bei dem Unfall von einem Betrunkenen angefahren worden?" fragte sie. Er wandte sich nur so weit zu ihr um, dass er noch immer die Straße im Blick hatte. "Nein. Ich bin am Steuer eingeschlafen.“ "Ich hatte schon immer die Befürchtung, dass deine Arbeit dich eines Tages umbringen würde. Und jetzt ist es tatsächlich beinah passiert."
3. KAPITEL
Ungeduldig warf Sara zum dritten Mal einen Blick auf die große Wanduhr. Vor einer Viertelstunde hatten sie und Alec sich treffen wollen. Wo war er nur? Vermutlich ist er noch immer mit den hochinteressanten Papieren beschäftigt, die seine Sekretärin ihm geschickt hat, dachte Sara enttäuscht. Sie seufzte und ging zum Büroraum des Hauptgebäudes. Warum war sie nur mit hierher gekommen? Vor der Glastür blieb sie stehen. Alec saß an einem der Schreibtische. Er hatte sich das Telefon zwischen Schulter und Ohr geklemmt und blickte auf den Bildschirm seines Computers. "Ist das nicht furchtbar?" Sara drehte sich um. Neben ihr stand eine Frau, die ebenfalls einen der Männer im Büro betrachtete. „Eigentlich sind wir hergekommen, um Urlaub zu machen", führ die Frau fort. "Aber mein Mann telefoniert die ganze Zeit mit seinem Büro. Ich hätte ebenso gut allein hierher fahren können." Sie blickte Sara an. "Ist es bei Ihnen dasselbe?" Sara zuckte die Schultern. Sie wollte sich nur ungern über ihre Beziehung zu Alec äußern. Offensichtlich dachte die Frau aber, sie beide befänden sich in einer ähnlichen Lage. Daher erwiderte sie, Sara, ausweichend: "Vielleicht sind Männer einfach genetisch so veranlagt." Die Frau nickte lachend und stellte sich vor. "Ich heiße Molly Harper. Der grauhaarige Mann an dem Schreibtisch rechts ist mein Mann Bill. Wir haben seit drei Jahren keinen gemeinsamen Urlaub mehr gemacht. Und ob genetische Veranlagung oder nicht - ich werde mir nicht den Rest des Tages verderben lassen! Entschlossen stieß sie die Tür auf und ging zu ihrem Mann. Belustigt sah Sara zu. Dann blickte sie Alec an. Wie würde er reagieren, wenn sie einfach so in den Raum stürmen würde, um den Tag zu retten? Vermutlich würde er vor Schreck vom Stuhl fallen - und sich dann mit ihr streiten, wie er es immer getan hatte. Aber es war müßig, sich darüber Gedanken zu machen. Sie würde sich nie wieder auf eine Beziehung mit ihm einlassen. Alec sah das andere Paar an, das sich zu streiten begann, und runzelte die Stirn. Dann schaltete er das Telefon aus, klappte den Laptop zu und stand auf. Die Auseinandersetzung wurde lauter. Er blickte auf und sah Sara. Sofort kam er zu ihr. "Hast du alles erledigt?" fragte sie auf dem Weg ins Foyer. „Ja, Teresa hat mir alles geschickt. Lesen kann ich es dann im Ferienhaus." "Ich hatte Erfolg! " rief Molly Harper, als sie und ihr Mann in den Flur kamen. "Viel Glück mit Ihrem! Sara winkte ihr lächelnd zu. "Was meinte sie damit?" erkundigte sich Alec.
"Die beiden sind hier, um Urlaub zu machen. Sie ärgert sich, weil ihr Mann so viel Zeit mit seiner Arbeit verbringt", erwiderte sie. "Übrigens bekomme ich langsam Hunger. Eigentlich wollten wir schon vor einer ganzen Weile wieder zurückfahren. Falls ich noch einmal mitkomme, werde ich für Proviant sorgen." Er sah auf die Uhr und nickte geistesabwesend. Während sie auf den Jeep warteten, der sie zurückbringen würde, fragte Alec: "Was meinte die Frau mit Viel Glück mit Ihrem'?" "Sie dachte, du wärst mein Mann und würdest auch während des Urlaubs arbeiten." Er schwieg eine Weile und sah sie prüfend an. "Und was hast du ihr erzählt?" Sara zuckte die Schultern. "Nicht viel. Wir haben uns nur sehr kurz unterhalten, bevor sie in das Büro gestürmt ist, um ihren Mann zu holen. Vermutlich hatte sie es satt, ignoriert zu werden." "Wieso ignoriert?" "Wie würdest du es denn bezeichnen, wenn ihr Mann mit ihr in den Urlaub fährt und sich dann die ganze Zeit nur mit seiner Arbeit beschäftigt? Ich habe wirklich genug von diesen egoistischen Männern, die sich kein bisschen für die Bedürfnisse anderer Menschen interessieren. Sie schenken ihren Frauen keinerlei Beachtung und machen so alles kaputt, was sie gemeinsam aufbauen wollten. Warum heiraten sie überhaupt - um eine Köchin und Haushälterin zu haben?" Die schmerzlichen Erinnerungen ließen Sara die Beherrschung verlieren. "Nun mal langsam. Was ist dir denn über die Leber gelaufen? Ich habe dich doch nicht geheiratet, damit du für mich kochst und mir den Haushalt führst." Sie warf ihm einen wütenden Blick zu. "Und warum dann? Ich war für dich doch nur eine Behinderung, weil ich dich davon abzuhalten versucht habe, Tag und Nacht wie besessen zu arbeiten!" Bevor er etwas erwidern konnte, hielt der Jeep mit quietschenden Bremsen vor ihnen an. Sara stieg hinten ein, Alec nahm vorn neben dem Fahrer Platz. Sie blickte aus dem Fenster und fragte sich, wie sie nur so die Beherrschung hatte verlieren können. Was war nur mit ihr los? Sie beschloss, sich von nun an auf sich selbst und ihre eigenen Probleme zu konzentrieren. Sobald der Jeep vor dem Ferienhaus hielt, stieg sie aus, ohne darauf zu warten, dass Alec ihr helfen würde. Sie hatte Hunger und wollte sich etwas kochen. Das würde zwar eine Weile dauern, aber Kochen beruhigte sie immer - und das hatte sie jetzt wirklich nötig. Plötzlich spürte sie eine Hand auf der Schulter. "Warte bitte, ich möchte mit dir reden." Alec war hinter sie getreten. Sara wandte sich um. Sie war so überrascht, dass sie beinahe gestolpert wäre. Alec hatte die Hand schon zurückgezogen, doch sie spürte seine Berührung noch immer. Einen Moment lang konnte sie keinen klaren Gedanken fassen. Gefühle und Empfindungen wurden in ihr wach, von denen sie geglaubt hatte, sie würden der Vergangenheit angehören.
"Worüber?" Sie wich einen Schritt zurück. Ihr Herz schlug heftig, und sie atmete schwer. "Über diesen Urlaub. Wenn wir gemeinsam mehrere Wochen in diesem Haus verbringen werden, sollten wir einige Regeln aufstellen. Ich möchte nicht, dass du noch mal so in die Luft gehst wie eben." Sara versuchte, sich zu beruhigen. Es gab viele Männer, die sich selbst bis zur Erschöpfung forderten. Alec war einer von ihnen. Er war von seiner Arbeit wie besessen. Fast immer war er erst spät abends nach Hause gekommen und hatte sich dann noch Arbeit mitgebracht. An den Wochenenden war er entweder in der Kanzlei gewesen oder hatte zu Hause gearbeitet. Ihre Flitterwochen hatten nur eine knappe Woche gedauert, und nach und nach hatte Alec immer mehr Zeit mit seiner Arbeit und immer weniger mit ihr, Sara, verbracht. Sie sah ihn an und versuchte, die Gefühle zu unterdrücken, die in ihr wach wurden, und die starke Anziehung zu ignorieren, die er noch immer auf sie ausübte. Sie würde sich nicht wieder auf eine Beziehung mit ihm einlassen, auch nicht auf eine platonische. Doch Sara konnte nichts dagegen tun, dass seine Gegenwart sie erregte. Unwillkürlich fiel ihr Blick auf seinen Mund, und sie musste daran denken, wie er sie geküsst hatte. Würde er es noch einmal tun - und diesmal nicht, weil er wütend war? Als Sara sich bei diesem Gedanken ertappte, wich sie einen Schritt zurück. Du solltest eigentlich aus deinen Erfahrungen gelernt haben, ermahnte sie sich. "Du hast gesagt, du wärst hergekommen, um dich vom Unfall zu erholen", sagte sie. "War das der einzige Grund?" „Nein. Mein Arzt ist der Ansicht, ich sollte kürzer treten und mich öfter ausruhen", gab Alec widerstrebend zu. James und Hilary gingen vorbei und winkten ihnen lächelnd zu. Sara winkte zurück. „Wer war das?" fragte Alec. „James und Hilary Martin. Sie verbringen ihre Flitterwochen hier und wohnen nebenan." "Wissen sie, dass wir verheiratet sind?" Erstaunt sah Sara ihn an. "Ich ... ich weiß es nicht. Ich habe mich ihnen gestern vorgestellt und nur kurz mit ihnen geredet." Sie überlegte, worüber sie mit James und Hilary gesprochen hatte. Die beiden hatten ihr erzählt, dass sie seit drei Tagen und wenigen Stunden verheiratet waren. Das Gespräch war nett und freundlich gewesen. Doch es hatte sie, Sara, traurig gestimmt, das frisch verliebte, überglückliche Pärchen zu sehen. "Ich glaube nicht, dass ich es erwähnt habe. Außerdem sind die beiden so verliebt, dass sie nur Augen füreinander haben und kaum bemerken, was um sie her vorgeht." „Für solche Albernheiten hätte ich gar keine Zeit", sagte Alec. "Meinst du damit die Ehe?" "Genau."
"Dann sind wir uns ja einig. Wenn sie also fälschlicherweise glauben, wir seien ein glückliches Paar, werde ich ihnen erklären, dass du ein völlig Fremder bist, der meine Urlaubspläne durchkreuzt hat und jetzt mit in meinem Haus wohnt, weil er sich weigert zu gehen. Aber vielleicht solltest du dich lieber um ein Zimmer im Hotel beim Hauptgebäude bemühen, schließlich wirst du ja jeden Tag mit deinem Computer dorthin müssen. Sonst kannst du am Ende dein Ziel nicht erreichen, jeden Tag mehr zu arbeiten als am Vortag!" Alec zog die Augenbrauen hoch. Sara schien schon wieder einen Temperamentsausbruch zu haben. Er musste sich eingestehen, dass ihm das sehr gut gefiel: Ihre Augen blitzten, und ihre Wangen waren gerötet. Sie strahlte Energie und Leidenschaft aus. Als sie ihm vor einigen Monaten mitgeteilt hatte, sie würde ausziehen, war sie ruhig und gefasst gewesen. Jetzt lernte er eine Seite von ihr kennen, die ihm bisher unbekannt gewesen war. Nur im Bett hatte Sara sich immer ganz ihrer Leidenschaft hingegeben. Plötzlich verspürte Alec ein heftiges Verlangen nach ihr. Das konnte doch nicht wahr sein - nach allem, was passiert war! Doch sein Körper schien seinem Verstand nicht zu gehorchen. Alec sehnte sich danach, Saras Wärme zu spüren, sie an sich zu ziehen und mit ihr wieder jene Leidenschaft zu erleben, die sie immer miteinander verbunden hatte. Das zumindest hatte sich auch am Ende ihrer Beziehung nicht geändert. "Ich werde mir einen Zeitplan überlegen und jeden Tag zur selben Zeit zum Bürocenter fahren", sagte er und hoffte, sie würde seine Erregung nicht bemerken. Er musste ein für alle Mal mit der Vergangenheit abschließen und sich Sara endlich aus dem Kopf schlagen. Sie stürmte an ihm vorbei ins Haus. "Mach, was du willst", rief sie ihm über die Schulter zu. "Das wirst du ohnehin tun wie immer." Bevor sie die Tür hinter sich zuschlagen konnte, hatte Alec sie eingeholt. Seine Sekretärin hatte ihm so viele Unterlagen geschickt, dass er praktisch bis zum Morgen arbeiten könnte. Doch erst musste er noch einmal mit Sara sprechen. "Warum stört es dich eigentlich, dass ich so viel arbeite?" fragte er, während er ihr in die Küche folgte. "Ich versuche eben, mir einen Namen zu machen und vorwärts zu kommen. Konnte ich von meiner Ehefrau denn nicht erwarten, dass sie mich dabei unterstützt?" Unvermittelt blieb Sara stehen und wandte sich um. "Du warst doch schon sehr erfolgreich, als wir uns kennen lernten. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, wie es dich weiterbringt, zu jeder Tages- und Nachtzeit über Akten zu brüten und stundenlange Gespräche mit Polizisten oder anderen Staatsanwälten zu führen. Du weißt einfach nicht, wo deine Grenzen sind. Irgendwann wird dich dein übertriebener Ehrgeiz noch umbringen - was ja beinahe schon passiert wäre." Sie atmete tief ein. "Bist du vor Erschöpfung am Steuer eingeschlafen? Kein Wunder, dass der Arzt dir Ruhe verordnet hat. Aber du bist viel zu besessen von deiner Arbeit und zu stur, um dir einzugestehen, dass du eine Pause brauchst." "Bist du mir deswegen böse?"
„Ja. Ich weiß nicht, wie viele Male ich allein war und mir gewünscht habe, mein Mann wäre bei mir. Oder wie oft ich mich in einsamen Nächten danach gesehnt habe, ich hätte jemanden, mit dem ich reden könnte. Aber du warst nie da - und mit deinem Verhalten zwingst du mich, die Scheidung einzureichen!" Sie brach in Tränen aus. Verwirrt sah Alec sie an. Sara hatte, solange er sie kannte, noch nie geweint. Er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Er stellte den Laptop auf den Boden und ging zu ihr. Sie barg das Gesicht in den Händen, doch er hörte sie weinen und sah, wie sie von Schluchzern geschüttelt wurde. Vorsichtig legte er ihr den Arm um die Schultern und zog sie an sich. "Wein doch nicht." Sara schluchzte unvermindert weiter. Hatte sie ihn überhaupt gehört? Alec wünschte, sein Bruder Wyatt wäre bei ihm. Vielleicht wüsste er, was zu tun war. Andererseits schien Elizabeth sehr glücklich mit ihm zu sein. Vermutlich weinte sie nie. "Ich wollte dich nicht zum Weinen bringen, Sara", sagte Alec und dachte an die Zeit, als er ihr am liebsten die ganze Welt geschenkt hätte - alles, was sie sich wünschte, damit sie ihn nicht verlassen würde, so wie seine Mutter es getan hatte. Und doch hatte er alles falsch gemacht. Schließlich war Sara gegangen - wie seine Mutter. Sie weinte noch immer, hielt sich mit der Hand an seinem Hemd fest und zerknüllte es leicht. Alec beugte den Kopf zu ihr, und ihr Parfum stieg ihm in die Nase. Der vertraute Duft ließ schöne Erinnerungen in ihm wach werden. Zögernd strich er Sara über den Rücken und den Kopf. Ihr Haar fühlte sich noch immer seidenweich an. "Ich bin so wütend auf dich", sagte sie leise. "Warum denn?" Sara machte sich von ihm los und drehte sich um. Sie wandte ihm den Rücken zu, während sie sich die Nase putzte. Dann zuckte sie die Schultern. "Weil du dein Leben aufs Spiel setzt nur für deine Arbeit!" "Manchmal muss man eben hart arbeiten, um vorwärts zu kommen ..." Sie drehte sich um und warf ihm einen wütenden Blick zu. Er sah, dass ihre Wimpern noch feucht von den Tränen waren. Er hatte einmal gehört, dass die Schwangerschaft Frauen ein gewisses Strahlen verlieh. Es schien tatsächlich so zu sein: Trotz ihres runden Bauchs und der Tränen sah Sara wunderschön aus. "Diese Ausrede lasse ich nicht gelten. Wozu musst du unbedingt vorwärts kommen?" Alec wollte darüber nicht mit Sara sprechen. Wenn es darum ging, einen strafrechtlichen Fall zu bearbeiten, hatte er keinerlei Probleme. Von emotionalen Angelegenheiten fühlte er sich dagegen völlig überfordert. "Ich wollte dir gern schöne Geschenke machen", sagte er.
"Du sprichst von materiellen Dingen, aber die habe ich nie gewollt! Ich verdiene genug, um mir ein schönes Apartment, hübsche Kleider und Kinderspielzeug leisten zu können. Ich wollte, dass mein Ehemann sich um mich kümmert und Zeit mit mir verbringt. Aber du hattest nur deine Arbeit im Kopf. Hast du jemals darüber nachgedacht, dass du nichts anderes tust und kein einziges Hobby hast? In einigen Jahren wirst du sehr einsam sein." "Ich arbeite so viel, weil es mir Spaß macht." Alec fragte sich, warum er sich überhaupt rechtfertigte. Vielleicht weil Wyatt ihm eine Woche zuvor genau dieselben Vorwürfe gemacht hatte? "Und was macht dir sonst noch Spaß?" fragte Sara herausfordernd. Verwirrt sah Alec sie an. Er begann zu überlegen. Wann hatte er sich in den vergangenen Jahren einmal Zeit genommen, um zum Beispiel schwimmen zu gehen oder Baseball zu spielen? Und wann hatte er sich das letzte Mal nur zum Spaß einen Film angesehen? Plötzlich fiel es ihm wieder ein: Er und Sara waren zusammen im Kino gewesen, und irgendwann hatten sie begonnen, sich zu streiten. Sara lächelte traurig. "Geh lieber wieder an die Arbeit." Sie drehte sich um, nahm einen Topf aus dem Schrank und knallte ihn auf den Herd. Alec räusperte sich. "Soll ich hier mit dir essen?" „Tu, was du willst." Offensichtlich wollte sie sich nicht weiter mit ihm unterhalten. Sie holte Gemüse und Fleisch aus dem Kühlschrank und nahm eine große Pfanne vom Regal. Ratlos nahm Alec seinen Laptop und ging ins Wohnzimmer. Seine Sekretärin wollte ihm verschiedene Berichte und Entwürfe für Schriftstücke schicken, die er am folgenden Morgen per Kurier erhalten würde. Doch zum ersten Mal seit vielen Jahren schwand seine Begeisterung für die Arbeit. Er ging auf die Terrasse, setzte sich in einen der grünen Liegestühle und blickte zum See. Ihm war nur ein kleines Missgeschick passiert, und schon glaubten alle Leute, sie hätten das Recht, ihn wegen seines Lebensstils zu kritisieren. Erst sein Bruder Wyatt, dann der Arzt und jetzt auch noch Sara. Doch sie tat dies nicht zum ersten Mal. War vielleicht doch etwas Wahres daran? Sara war erstaunt über sich selbst. Schließlich ging es sie nichts an, wie Alec Blackstone lebte. Seit sie vor einigen Monaten den Koffer gepackt hatte und ausgezogen war, hatte sie nicht mehr das Recht, sich in seine Angelegenheiten einzumischen. Zitternd strich sie sich durchs Haar. Fast konnte sie noch spüren, wie Alec sie berührt hatte. Sie hatte zum ersten Mal geweint, seitdem sie ausgezogen war. Und er hatte versucht, sie zu trösten. Nur aus diesem Grund dachte sie noch darüber nach - nicht weil sie sich in seinen Arm so sicher und geborgen gefühlt hatte. Und erst recht nicht, weil ihr Herz heftig schlug, wann immer er in ihrer Nähe war.
Plötzlich bewegte sich das Baby. Sara legte sich die Hände auf den Bauch. Eine überwältigende Liebe für das Kind erfüllte sie. Sie hatte schon immer eine Familie gründen wollen, doch nie wirklich mit Alec darüber gesprochen, weil sie immer auf den richtigen Moment gewartet hatte. Merkwürdig, wie das alles gekommen ist, dachte sie wehmütig. Würde Alec sich jemals darüber freuen, dass er Vater wurde? Wenn sie früher gemerkt hätte, dass sie schwanger war - wäre sie dann trotzdem ausgezogen? Oder wäre sie geblieben und hätte versucht, die Dinge zu ändern? Doch es hatte keinen Sinn, darüber nachzugrübeln. Während sie das Essen in der Pfanne umrührte, versuchte Sara, sich auf die bevorstehende Geburt zu konzentrieren. Doch ihre Gedanken kehrten immer wieder zu Alec zurück. Sein Körper hatte sich stark und geschmeidig angefühlt. Und trotz des Gipses hatte sie in seinen Armen das Gefühl gehabt, Alec könnte sie vor allen Gefahren der Welt beschützen. Einen Moment lang hatte sie geglaubt, sie beide würden zusammengehören. Aber das war wohl nur Wunschdenken, dachte sie wehmütig. Die folgende Woche verging nur sehr langsam. Sara hielt sich von Alec fern, so gut sie konnte. Das war nicht weiter schwierig, denn auch er schien sie zu meiden. Und doch hatte sie immer das Gefühl, auf einem schmalen Grat zu balancieren: ein falscher Schritt, und sie würde in einen Abgrund stürzen. Sara ärgerte sich darüber, dass Alec solche Gefühle in ihr auslöste. Eigentlich sollte sie sich erholen, stattdessen war sie ständig nervös. Am schlimmsten waren die Mahlzeiten. Sie bereitete ihr Essen möglichst leise vor, und doch hörte Alec sie oft. Dann kam er in die Küche und sah ihr beim Arbeiten zu, bis sie ihm anbot, genug für sie beide zu kochen. Zwei Mal fuhr er zum Hauptgebäude, um Emails von seiner Sekretärin zu empfangen und dort zu Abend zu essen. Heute war er wieder in die Küche gekommen, als sie eine Gemüsepfanne zubereitet hatte. Sie aßen gemeinsam auf der Terrasse und genossen die kühle Abendluft. "Ich habe bemerkt, dass es hier keinen Fernseher gibt. Womit verbringst du denn die Abende?" fragte Alec. Er selbst hatte mit seinen Akten und Berichten immer so viel zu tun, dass ihm gar nicht langweilig werden konnte. "Ich habe mir einige Bücher mitgebracht. Aber oft sitze ich einfach nur am See und genieße die Stille und die Schönheit der Natur. Manchmal sehe ich auch Rehe oder einen Waschbären." "Vielleicht komme ich heute Abend mit. Ich habe den See bisher nur von der Terrasse aus gesehen." Saras Herz begann, heftig zu schlagen. Zum ersten Mal hatte Alec vorgeschlagen, dass sie gemeinsam etwas unternahmen. Hatte er ihr endlich verziehen, dass sie ihm die Schwangerschaft verheimlicht hatte? "Gern. Aber zuerst möchte ich abwaschen. Es wird nicht lange dauern. "
"Dann räume ich ab." Er stand auf und nahm seinen Teller. "Du kennst ja unsere Regel: Derjenige, der kocht, braucht hinterher nicht aufzuräumen. Mit dem Gips kann ich natürlich nicht abwaschen. Aber ich kann dir trotzdem helfen." Sie nickte. Sie erinnerte sich daran, wie er ihr von der Abmachung zwischen ihm, seinem Bruder und seinem Vater erzählt hatte. Nur sehr selten hatte sie etwas über seine Kindheit erfahren. Alec hatte so gut wie nie über seine Familie gesprochen. Fast alles, was Sara wusste, hatte sie von Wyatt erfahren. Unter anderem auch die Tatsache, dass seine Mutter die Familie verlassen hatte, als er, Alec, fünf Jahre alt gewesen war. Sara konnte inzwischen gut nachvollziehen, warum manche Frauen ihre Männer verließen. Sie hatte es schließlich selbst getan und wusste, dass es genug Gründe gab. Doch sie war sicher, sie würde niemals ihre eigenen Kinder zurücklassen. Sie stellte sich den fünfjährigen Alec vor, der sich nach seiner Mutter sehnte und nicht verstand, warum sie nicht nach Hause kam. Es gab ihr einen Stich ins Herz. Ob er noch immer daran dachte? Als das Geschirr abgewaschen war, sagte Sara: "Ich gehe schnell nach oben und hole meine Jacke." "Das kann ich doch machen. In deinem Zustand solltest du lieber nicht so viele Treppen steigen." Sie lachte. "Vielen Dank, Alec, aber eigentlich tut Bewegung mir sehr gut. Das ist einer der Gründe, warum es mir hier so gefällt: Ich kann lange Spaziergänge machen. Schließlich bin ich schwanger und nicht krank." Er runzelte die Stirn. "Ich finde es nicht gut, dass du so oft allein unterwegs bist. Was ist, wenn du stolperst und hinfällst?" "Ich passe schon auf." Seine Besorgnis kommt etwas zu spät, dachte Sara wehmütig. Als sie am See ankamen, hatte sie sich wieder unter Kontrolle. Zwei Mal hatte Alec sie gestreift, als sie den schmalen Pfad entlanggingen, und ihr war ein Schauer über den Rücken gelaufen. Sara machte sich keine Illusionen: Wenn es ihr schon früher nicht gelungen war, Alecs Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, dann würde sie es jetzt, im achten Monat schwanger, erst recht nicht schaffen. Und doch war sie froh darüber, dass Alecs Nähe sie erregte: Ihre Reaktion zeigte, dass sie lebendig war und wieder Interesse an Männern hatte. Vielleicht würde sie sich eines Tages wieder verlieben, auch wenn sie es sich nur schwer vorstellen konnte. Doch für den Moment war sie damit zufrieden, bei ihrem Spaziergang Gesellschaft zu haben. "Ist es nicht wunderschön hier?" Sie erreichten die Bäume und blieben stehen. Die letzten Sonnenstrahlen wurden auf der fast spiegelglatten Wasseroberfläche reflektiert und ließen den See glitzern. Einige Boote waren noch unterwegs, und eine leichte Brise trug fröhliches Gelächter zu Alec und Sara herüber. "Wollen wir uns ein bisschen auf den Anlegeplatz setzen?" fragte Sara spontan und ging, ohne eine Antwort abzuwarten, zu dem breiten Holzsteg. Am
gegenüberliegenden Ufer des Sees konnte man den kleinen Yachthafen sehen. Dort gingen Lichter an, als die Dämmerung hereinbrach. Sara setzte sich auf den Steg und ließ die Beine über den Rand hängen. Alec nahm neben ihr Platz. "Wirst du überhaupt wieder aufstehen können?" Sie lachte. Die Freude über den schönen, ruhigen Abend hatte sie überglücklich gemacht. "Wenn nicht, musst du mich mit einem Kran hochhieven." Am Ende des Stegs waren ein kleines Ruderboot und ein Tretboot vertäut. "So eins möchte ich demnächst mal ausprobieren", sagte sie und wies auf das Tretboot. "Aber ich brauche jemanden, der mitfährt." Er betrachtete das kleine Boot. "Es sieht so aus, als wäre es für Kinder gedacht. Falls wir es nicht zum Sinken bringen, werden wir zumindest tropfnass gespritzt werden." Sara lachte erneut. "Nein, diese Boote sind auch für die erwachsenen Gäste gedacht. Ich habe schon einige damit fahren sehen. Außerdem habe ich nicht gesagt, dass ich mit dir fahren würde." Verdutzt sah Alec sie an. "Mit wem denn sonst?" Plötzlich wurde ihm bewusst, dass es ihm ganz und gar nicht recht wäre, wenn Sara mit jemand anders Tretboot fahren würde. Wieder betrachtete er das kleine Fahrzeug. Er und Sara würden so dicht nebeneinander sitzen, dass ihre Hüften sich berühren würden. Der süße Duft ihres Parfums würde ihn einhüllen, und ihr fröhliches Lachen würde über das Wasser klingen. Je länger er darüber nachdachte, desto besser gefiel ihm die Idee. Vielleicht hatten der Arzt, Wyatt und Sara doch Recht - er, Alec, musste seinen Horizont erweitern und entdecken, was es außer seiner Arbeit sonst noch für schöne Dinge im Leben gab. "Wenn du möchtest, komme ich mit", sagte er. "Dein Gips könnte nass werden." "Du willst damit doch wohl nicht sagen, wir würden tatsächlich mit dem Boot umkippen und im See landen?" fragte er gespielt empört. "Das Wasser ist sehr kalt", warnte sie ihn. "Ich habe gestern gesehen, wie Kinder im See gebadet haben. Aber ich habe nur die Hand hineingetaucht und weiß wirklich nicht, wie sie es aushalten." "Kinder sind da sehr unempfindlich. Wyatt und ich haben früher auch in Bächen gespielt, die so kalt waren, dass niemand anders je darin baden wollte. Uns ist das damals gar nicht aufgefallen." Sara freute sich insgeheim, dass Alec ihr von seiner Jugend erzählte. "Wie wart ihr beiden als Kinder?" fragte sie vorsichtig und hoffte, er würde sich nicht sofort wieder verschließen. "Laut meinem Vater waren wir ziemlich freche Bengel." Sara stützte die Hände hinter sich auf, lehnte sich zurück und hörte zu, wie Alec ihr abenteuerliche Geschichten von sich und seinem Bruder erzählte. Sie schloss die Augen und genoss den Klang seiner Stimme. Kein Wunder, dass er so ein erfolgreicher Staatsanwalt ist, dachte sie. Seine Vortragsweise ist beeindruckend.
Plötzlich verstummte Alec. Sie sah ihn an. "Ist alles in Ordnung?" "Mir wurde wieder schwindelig. Diese Anfälle kommen und gehen.“ "Leg dich einfach ein bisschen auf den Steg. Wenn es dir wieder besser geht, machen wir uns auf den Rückweg." Er legte sich hin. Sara tat es ihm nach. Am dunkler werdenden Himmel wurden die ersten Sterne sichtbar. Sie hoffte, es würde nicht schwierig werden, zurück zum Haus zu finden. Keiner von beiden hatte daran gedacht, eine Taschenlampe mitzunehmen. Und durch die Bäume drang die Beleuchtung der Ferienhäuser nicht bis zum See hinunter. "Hast du diese Anfälle häufig?" fragte Sara. "Es ist insgesamt schon besser geworden. Direkt nach dem Unfall war mir zwei ganze Tage lang schwindelig. Aber ich kann noch immer nicht Auto fahren oder andere Dinge tun, die durch einen Schwindelanfall gefährlich werden könnten", erwiderte er. "Der Arzt sagte mir, es würde demnächst aufhören - sobald meine Gehirnerschütterung ganz ausgeheilt ist." Sie schwiegen. Sara betrachtete den dunklen Himmel und suchte nach bekannten Sternbildern. Wie lange hatte sie das schon nicht mehr getan? Es war nicht gerade eine Beschäftigung, der sie in Boston oft nachging. "Ich habe darüber nachgedacht, was du vorhin gesagt hast", sagte Alec plötzlich. "Was genau meinst du?" "Dass ich die ganze Zeit arbeite. Vielleicht gehe ich bald einmal mit dir spazieren. Und auf jeden Fall möchte ich die Tretboote ausprobieren."
4. KAPITEL Sara wandte sich um und blickte ihn an. Es war mittlerweile so dunkel, dass sie kaum noch etwas erkennen konnte. "Meinst du das ernst?" "Natürlich." Sie dachte darüber nach. Es wäre schön, jemanden zu haben, mit dem sie etwas unternehmen konnte - zumindest die Dinge, die allein nicht möglich waren. Und sie wollte unbedingt die Tretboote ausprobieren. Mach dir nicht zu viele Hoffnungen, ermahnte sie sich insgeheim. Du kennst Alec doch. Er verspricht etwas, und wenn seine Arbeit ihm dazwischenkommt, hält er sich nicht daran. "Ich fände es schön, wenn wir zusammen Tretboot fahren, aber du brauchst dich nicht dazu verpflichtet zu fühlen. Ich hatte geplant, allein hier zu sein, und brauche niemanden zur Unterhaltung." "Soll das heißen, du möchtest lieber nicht, dass ich dich begleite?" fragte er kurz angebunden.
"Nein", entgegnete Sara schnell. Sie war überrascht, wie gern sie etwas mit Alec unternehmen wollte. "Ich bin nur ein bisschen überrascht, dass du Zeit für mich erübrigen kannst." "Ein Spaziergang oder eine Bootsfahrt wird sicher möglich sein." Tatsächlich? dachte sie und musste insgeheim schmunzeln. "Ich hatte gar nicht gemerkt, dass es schon dunkel ist." Alec setzte sich langsam auf und kam auf die Beine. "Geht es dir wieder besser?" „Ja, das Schwindelgefühl ist weg. Sollen wir zurückgehen?" „Ja. Vielleicht muss ich deine Hilfe doch in Anspruch nehmen, wenn auch ohne Kran." Alec reichte ihr den gesunden Arm und zog sie scheinbar mühelos hoch. Er ließ sie nicht los. Sara konnte nicht zurückweichen, da hinter ihr der Steg aufhörte. Doch wenn sie einen Schritt nach vorne gehen würde, käme sie Alec noch näher. Ihr Herz begann, heftig zu schlagen. Sie sehnte sich danach, von Alec berührt und leidenschaftlich geküsst zu werden, bis ihr das Verlangen den Atem rauben würde - so, wie es früher einmal gewesen war. "Irgendwann werde ich das auch wieder allein können", sagte sie und entzog ihm sanft ihre Hand, während sie energisch die Erinnerungen und Gedanken verdrängte, die in ihr wach wurden. Langsam gingen sie zurück. Sie fanden den Pfad ohne Schwierigkeiten, doch zwischen den Bäumen war es sehr dunkel. Sara stolperte, und Alec fing sie auf. "Du musst Bescheid sagen, wenn wir zu schnell gehen. Ich möchte auf keinen Fall meinen Sohn oder meine Tochter gefährden", sagte er und nahm entschlossen ihre Hand. Saras Herz schlug heftig. Sie versuchte, sich auf den Weg zu konzentrieren. Er sorgt sich um das Baby, nicht um mich, redete sie sich ein. Doch seine sanfte Berührung raubte ihr den Atem, und die Welt um sie her schien zu verschwinden. Sara nahm nur noch den Mann neben sich wahr. Seine Hand fühlte sich fest und warm an, der sichere Griff vermittelte Sicherheit. Sie prägte sich das Gefühl ein, um es für immer in Erinnerung zu behalten. Diese unerwarteten, kostbaren Momente machten sie für eine kurze Weile glücklich. Sara war fast ein wenig traurig, als sie das Haus erreichten. Widerstrebend ließ sie Alecs Hand los und ging die drei Stufen zur Terrasse hinauf. Sie ging ins Haus und schaltete im Wohnzimmer eine Lampe an. Als sie sich umwandte, bemerkte sie, dass er direkt hinter ihr stand. Wieder schlug ihr Herz heftig. Sara hoffte, er würde ihr nicht anmerken, wie nervös sie war. "Morgen früh möchte ich einen längeren Spaziergang machen. Möchtest du mitkommen?" Auch sie wollte Alec entgegenkommen. "Oder wirst du dann arbeiten?" Sei nicht enttäuscht, wenn er ablehnt, ermahnte sie sich insgeheim. "Ich werde heute Abend noch einiges erledigen, so dass ich morgen früh Zeit habe."
Als Sara kurze Zeit später nach oben ging, hatte sie das Gefühl, Alec hätte schon wieder vergessen, dass sie da war. Er blickte wie gebannt auf den Bildschirm seines Laptops und schien nichts anderes wahrzunehmen. Glaube ja nicht, dass irgendetwas sich geändert hat, warnte sie sich erneut. Vielleicht konnte sie damit rechnen, dass Alec sie dann und wann begleitete. Aber auf mehr würde sie nicht hoffen. Als Sara im Bett lag und sich mit dem Handrücken über die Wange strich, roch sie Alecs Duft. Die Gefühle, die er in ihr wachrief, trugen nicht dazu bei, dass sie schnell einschlief. Doch genau das hatte sie vor. Also verdrängte sie den Gedanken an ihn und daran, wie sich ihre Beziehung damals hätte entwickeln können, wenn ... Sie würde sich am nächsten Morgen noch genug mit ihm beschäftigen, falls seine Worte wirklich ernst gemeint waren. Doch natürlich war ihr das eigentlich egal. Sie würde nicht noch einmal denselben Fehler begehen. Sie und Alec mussten sich einige Wochen ein Ferienhaus teilen, das war alles. Nach dem Urlaub würden sie wieder getrennte Wege gehen. Als Sara am nächsten Morgen die Treppe hinunterging, war Alec bereits wach und angezogen. Er saß im Wohnzimmer, umgeben von Papierstapeln und versunken in seine Arbeit. "Guten Morgen", sagte sie. Er blickte auf, nickte nur kurz und vertiefte sich dann wieder in die Akten. Ich habe mich wohl zu früh über Begleitung gefreut, dachte sie resigniert und ging in die Küche, um sich zum Frühstück Pfannkuchen zu backen. Sara begann zu essen und genoss die Ruhe. Doch nach einer Weile fragte sie sich, ob Alec wohl schon gegessen hatte. Es kam oft vor, dass er eine Mahlzeit ausließ. Wieder musste sie an die Vergangenheit denken. Doch sie versuchte, sich nicht darüber aufzuregen. "Das tut uns beiden nicht gut", sagte sie leise und strich sich über den Bauch. Statt sich um den Mann Sorgen zu machen, der so von seiner Arbeit besessen war, dass er sogar zu essen vergaß, machte sie Pläne für den Tag. Ob Alec jetzt mitkommen wollte oder nicht - sie würde auf jeden Fall einen ausgedehnten Spaziergang machen und vielleicht versuchen, einmal um den See zu wandern. Als Sara fertig war, wusch sie das Geschirr ab und packte sich Verpflegung fürs Mittagessen ein - vorsichtshalber etwas mehr, als sie selber essen würde. Dann ging sie ins Wohnzimmer. "Ich bin jetzt fertig. Möchtest du noch immer mitkommen?" Zu spät bemerkte sie, dass Alec telefonierte. "Einen Moment, Teresa." Er blickte auf. "Wie bitte?" „Ich mache jetzt einen Spaziergang. Kommst du mit?" „Ja. Ich hin hiermit gleich fertig. Willst du nicht zuerst frühstücken?" "Das habe ich schon." "Oh." Alec runzelte die Stirn.
Wenn er glaubt, ich würde ihn bekochen, während er mich ignoriert, dann irrt er sich gewaltig, dachte Sara. "Wenn du gleich so weit bist, warte ich auf dich und trinke in der Zwischenzeit noch eine Tasse Tee." „Ja. Was haben Sie gesagt, Teresa?" Schon hatte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Telefonat gewidmet. Sara ging zurück in die Küche und brühte sich einen Kräutertee auf. Sie genoss das aromatische Getränk und wartete zwanzig Minuten. Schließlich beschloss sie, allein loszugehen. "Guten Morgen, Sara. Ist es nicht ein wunderschöner Tag?" rief Mrs. Simpson ihr zu, als Sara am benachbarten Ferienhaus vorbei zum See ging. "Ja. Ich werde heute versuchen, einmal um den See zu wandern. " "Da haben Sie sich aber viel vorgenommen, das ist eine ganz schön weite Strecke! Kommt Ihr Mann nicht mit?" Offensichtlich hatte die alte Dame sie und Alec gestern zusammen gesehen. Sara versuchte, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, und rang sich ein Lächeln ab. "Nein, heute nicht. Er arbeitet. Wenn es mir unterwegs zu anstrengend wird, gehe ich einfach zum Hauptgebäude und lasse mich von dort aus zurückfahren." "Das ist eine gute Idee. Wir wollen heute mit einem der Ruderboote fahren, und Paul möchte angeln. Ich habe ihm aber gleich gesagt, dass er die Fische selbst ausnehmen muss. Wenn er genug fängt, laden wir Sie beide und das frisch verheiratete Pärchen morgen Abend zum Essen ein. Und jetzt wünsche ich Ihnen viel Spaß bei Ihrem Spaziergang." Sara lächelte ihr zu und ging weiter. Es war noch früh am Morgen und ein wenig kühl, so dass sie die Sonnenstrahlen auf Gesicht und Armen sehr angenehm fand. Sie genoss die friedliche, stille Atmosphäre. Nur das muntere Zwitschern der Vögel und das leise Rauschen der Wellen, die ans Ufer schlugen, waren zu hören. Ich werde mir dadurch, dass Alec mich nicht begleitet, nicht den schönen Tag verderben lassen, ermunterte sie sich. Schließlich hatte sie bei ihrer Anreise nicht damit gerechnet, ihn hier im Resort anzutreffen. Doch es gelang ihr nicht, ihre Enttäuschung zu überwinden. Einen kurzen Moment lang hatte sie geglaubt, der Unfall könnte bewirkt haben, dass Alec sich geändert hatte. Oder dass er sich nach dem Baby erkundigen würde. Aber auf ein solches Wunder hätte sie wohl nicht hoffen dürfen. Alec schaltete den Computer aus und lehnte sich zurück. Plötzlich hatte er wieder einen Schwindelanfall. Er konnte nur abwarten, bis er vorbei wäre - und Geduld war nicht gerade seine Stärke. Als das Schwindelgefühl nachließ, fiel ihm auf, dass es sehr still im Haus war. Warum hörte er nichts von Sara? War sie bereit, zum Spaziergang mit ihm aufzubrechen? Er stand auf und ging in die Küche. Sie war leer.
Er ging nach oben. Sara war auch nicht in ihrem Schlafzimmer. Der Duft ihres Parfums hing in der Luft. Warum hatte er den bei seiner Ankunft nicht sofort bemerkt? Plötzlich wünschte Alec sich sehnlichst, sie zu finden und gemeinsam mit ihr spazieren zu gehen, endlich einmal etwas anderes zu tun, als Akten und Berichte zu bearbeiten. Auf der Terrasse war Sara auch nicht. War sie etwa ohne ihn losgegangen? Alec blickte auf die Uhr und bemerkte erstaunt, dass es schon fast Mittag war. Er schloss die Tür hinter sich und eilte die Stufen der Terrasse hinunter. Vielleicht ist sie zum Strand gegangen, dachte er. Als er am benachbarten Ferienhaus vorbeikam, begrüßte ihn die ältere Dame, die er schon am Vortag kennen gelernt hatte. Sie saß in einem Schaukelstuhl und strickte. "Guten Morgen, sind Sie jetzt fertig mit Ihrer Arbeit?" Woher weiß sie das? fragte Alec sich verwirrt. Er nickte. "Haben Sie Sara gesehen?" "Sie wollte um den See wandern. Aber Sie werden sie nicht einholen können, denn sie ist schon vor mehreren Stunden losgegangen." Alec runzelte die Stirn. Er war überrascht, wie enttäuscht er über diese Nachricht war. Erst jetzt wurde ihm klar, dass er sich sehr darauf gefreut hatte, mit Sara etwas zu unternehmen. Er hatte ihr doch gesagt, er würde mitkommen warum war sie also ohne ihn gegangen? "Sie könnten mit dem Jeep zum Hauptgebäude fahren und dort am Strand nach ihr suchen. Sie sagte, sie würde ihre Wanderung vielleicht dort unterbrechen, wenn es ihr zu anstrengend würde. Ich hoffe, sie übernimmt sich nicht! „Ich denke, sie weiß, wie viel Bewegung ihr gut tut", entgegnete Alec, ohne nachzudenken. Seine spontane Antwort überraschte ihn selbst. Warum verteidigte er Sara? Er machte sich auf den Weg. Als er eine halbe Stunde später das Hauptgebäude erreichte, ging er direkt zum Strand. Der Sand dort war sehr fein und weich, und es gab auch einen Bademeister. Kinder spielten ausgelassen im Wasser, während ihre Eltern sich sonnten oder ihnen vom Ufer aus zusahen. Alec blickte sich um. Es waren fast nur Familien und Paare am Strand. Für sie war das Resort ein perfekter Urlaubsort, für ihn als Alleinstehenden dagegen nicht. Er fühlte sich fehl am Platz. Er konnte Sara nirgends finden und setzte sich schließlich in einen der vielen Liegestühle, die für die Gäste aufgestellt worden waren. Noch immer war sein Wunsch sehr stark, sie zu finden und gemeinsam etwas mit ihr zu unternehmen. Was er, Alec, am Vortag gesagt hatte, war ernst gemeint gewesen. Er hatte Wyatt versprochen, sich zu entspannen und sich mit anderen Dingen als mit Arbeit zu beschäftigen. Ob Sara ihm dabei helfen konnte, während sie hier im Resort waren? Schließlich entdeckte er sie. Sara spazierte langsam am Ufer entlang und sah einigen Kindern beim Spielen zu. Er stand auf und ging zu ihr. "Ich dachte, wir wollten zusammen spazieren gehen", sagte er.
Überrascht blieb sie stehen und sah ihn an. "O Alec, ich hatte nicht erwartet, dich hier zu treffen. Wo hast du denn deinen Laptop und dein Telefon gelassen?" "Ich gebe zu, ich war vorhin sehr in das Gespräch vertieft. Aber du hättest auch auf mich warten können." Sie zuckte die Schultern. "Das habe ich auch, aber nach zwanzig Minuten habe ich aufgegeben." Sie blickte sich um. "Kann man sich hier irgendwo hinsetzen? Ich würde mich gern ein bisschen ausruhen." "Das überrascht mich nicht. Du solltest in deinem Zustand nicht versuchen, den See zu umrunden. Er ist ziemlich groß." "Bis hierher habe ich es gut geschafft." „Ja, aber du siehst völlig erschöpft aus. Du solltest darauf achten, dich nicht zu übernehmen." Er nahm ihren Arm und führte sie zu den Liegestühlen. „Ich passe schon auf mich auf", entgegnete Sara und entzog Alec den Arm. "Ich bin das letzte halbe Jahr ausgezeichnet allein zurechtgekommen. Und das werde ich auch dann, wenn das Baby einmal da ist." Sie ließ sich in einen der Stühle sinken. Er betrachtete sie nachdenklich. Sie hatte die Augen geschlossen und schien am Ende ihrer Kraft zu sein. Ihre Bemerkung hatte ihm nicht gefallen - er wollte nicht daran erinnert werden, wie gut sie ohne ihn auskam. "Hast du schon zu Mittag gegessen?" "Noch nicht, aber ich habe mir etwas im Rucksack mitgenommen." Alec setzte sich neben sie. „Es tut mir Leid, dass ich vorhin nicht bereit war, als du losgehen wolltest", sagte er ein wenig steif. Widerstrebend musste er sich eingestehen, dass Sara den ganzen Morgen mit Warten verbracht hätte, wenn sie sich auf das verlassen hätte, was er zugesagt hatte. "Oh!" Sara öffnete die Augen und legte sich die Hände auf den Bauch. "Was ist los? Stimmt etwas mit dem Baby nicht? Hast du dich überanstrengt?" fragte Alec besorgt und beugte sich zu ihr. "Nein, das Baby scheint nur gerade wieder Fußballtraining zu machen", erwiderte sie. "Vielleicht hat er das Gefühl, dass er jetzt an der Reihe ist, sich zu bewegen." "Er? Wird es denn ein Junge?“ "Das weiß ich nicht. Es könnte auch ein Mädchen sein." "Wäre dir ein Sohn lieber?" Alec sah sie interessiert an. Er hatte noch nie über Geburten und Babys nachgedacht. Doch er fand die Vorstellung sehr faszinierend, dass Sara ein Kind zur Welt bringen würde, dass ein Teil von ihr und ihm, Alec, sein und sich zu einem erwachsenen Menschen entwickeln würde. "Das ist mir gleich. Hauptsache, es ist gesund." Er sah, wie ihre Bauchdecke sich wölbte, als das Baby erneut zutrat. Was war es wohl für ein Gefühl, schwanger zu sein? "Möchtest du fühlen, wie es sich bewegt?"
Ihre Blicke trafen sich. Alec sah in ihre warmen braunen Augen. Dann nickte er und legte ihr die Hand auf den Bauch. Sara legte ihre darüber. Eine Weile geschah nichts. Doch plötzlich spürte er, wie das Baby trat. "Du meine Güte, das war ganz schön kräftig! Tut es dir nicht weh?" Sie schüttelte lächelnd den Kopf. "Nein, aber manchmal erschreckt es mich etwas. Eben hat es wieder getreten. Hast du es gespürt?" Er nickte. Plötzlich erfüllte ihn ein Gefühl der Wärme und Zärtlichkeit, wie er es noch nie zuvor verspürt hatte. Alec war überwältigt und hatte den Eindruck, an etwas Einzigartigem, Wundervollem teilzuhaben. Er hörte das Lachen und Kreischen der Kinder nicht mehr, sondern spürte nur noch die Wärme der Sonne am ganzen Körper. Er blickte Sara an. Ihr Gesicht spiegelte die ganze Liebe wider, die sie bereits für das Ungeborene empfand. Als das Baby wieder ruhiger wurde, nahm sie die Hand von seiner. Trotz der Sonne war Alec plötzlich ein wenig kalt. "Seit ich das erste Mal gespürt habe, wie er sich bewegt, wollte ich jemand anderen daran teilhaben lassen", sagte sie und schloss wieder die Augen. "Ich glaube, ich muss erst etwas essen, sonst bin ich zu schwach, um auch nur einen Schritt zu machen. Und dann werde ich mich von einem Jeep nach Hause bringen lassen und bis zum Abendessen schlafen." Obwohl Alec seine Arbeit für diesen Tag beendet hatte, schienen er und Sara nichts gemeinsam unternehmen zu können. Er hatte sich extra Zeit genommen, doch nach dem Spaziergang war sie müde und wollte schlafen, anstatt Zeit mit ihm zu verbringen. Als hätte Sara seine Gedanken erraten, öffnete sie die Augen und sah ihn an. "Stimmt etwas nicht?" "Nein. Ich habe nur ziemlichen Hunger, weil ich nicht gefrühstückt habe." Sie setzte sich auf, nahm ein Sandwich aus ihrem Rucksack und reichte es ihm. Es war mit Roastbeef, Salat und Senf belegt. "Musst du heute denn nicht mehr arbeiten?" "Bevor wir zurückfahren, muss ich noch ein Fax abholen und nachfragen, ob ein Päckchen per Kurier für mich gekommen ist." "Dann wirst du heute Nachmittag ja zur Genüge beschäftigt sein", stellte Sara fest, wandte sich ab und betrachtete die Kinder, die im Wasser spielten. "Es sei denn, du willst vielleicht auch einen Mittagsschlaf machen. Schließlich sollst du dich ausruhen und von dem Unfall erholen." Unwillkürlich stellte Alec sich vor, wie Sara und er gemeinsam nach oben ins Schlafzimmer gingen. Sie würde sich an ihn schmiegen und sich seine Hand auf den Bauch legen, so dass er vor dem Einschlafen spüren würde, wie sich das Baby bewegte. Er sehnte sich danach, Sara mit den Fingerspitzen über die samtweiche Haut zu streichen und ihren einzigartigen Duft einzuatmen. Er wünschte sich, sie eine Weile einfach nur in den Armen zu halten - und dann vielleicht ein wenig mehr zu wagen...
Wie würde sie wohl reagieren, wenn er sie noch einmal küssen würde? Ihm eine Ohrfeige geben? Oder den Kuss erwidern? Alecs Ärger war inzwischen verraucht, aber seine Sehnsucht nach ihr würde vielleicht nie enden. Er verdrängte diesen Gedanken und versuchte, sich aufs Essen zu konzentrieren. Sara hatte ihr Sandwich aufgegessen und lehnte sich nun bequem im Liegestuhl zurück. Sie war zufrieden, aber auch ein wenig müde. Das liegt am Sonnenschein und der vielen frischen Luft, dachte sie schläfrig. Und vielleicht war der Spaziergang doch ein wenig zu anstrengend gewesen. Sie genoss Alecs Gesellschaft. Er war schweigsam gewesen, wirkte aber nicht nervös oder ungeduldig. Ruhte er sich einfach nur ein bisschen aus, bevor er wieder an die Arbeit ging? Oder gab er sich wirklich Mühe, während seines mehr oder weniger unfreiwilligen Urlaubs Neues zu entdecken und einmal nicht an die Arbeit zu denken? Plötzlich fiel Sara wieder ein, was Mrs. Simpson gesagt hatte. "Die Simpsons werden uns vielleicht morgen Abend zum Fischessen einladen. Sie sind sehr nett, ich habe mich schon mehrmals mit ihnen unterhalten. Ich möchte auf jeden Fall hingehen, aber du brauchst nicht mitzukommen, wenn du nicht möchtest. " "Du meinst das ältere Paar im Ferienhaus rechts von unserem, stimmt's?" Sie nickte nur schläfrig. "Lass uns aufbrechen, du schläfst ja schon fast." Er nahm ihre Hand und zog Sara sanft hoch. Als sie die Berührung spürte, war ihre Müdigkeit mit einem Mal wie weggeblasen. Es war, als würde Alec sie nie wieder loslassen wollen. Unwillkürlich musste sie an den Vorabend denken, als er sie in den Armen gehalten hatte. Wann immer er ihr nahe gekommen war, hatte ein verzehrendes Verlangen sie erfüllt. Genau so war es jetzt wieder. Sie nahm Alec den Rucksack ab, als er ihn mit seinem verletzten Arm aufheben wollte. "Lass mich das machen. Dein Arm muss erst wieder geheilt sein, bevor du ihn belastest." "Der Rucksack ist doch ganz leicht", entgegnete er, doch Sara ignorierte seinen Einwand. "Hallo, genießen Sie gemeinsam den wunderschönen Nachmittag?" Molly Harper stand vor ihnen - die Frau, die sich am Vortag über ihren Mann beschwert hatte. Sara nickte und errötete, denn Mrs. Harper hatte ganz offensichtlich bemerkt, dass sie einander an der Hand hielten. "Das freut mich wirklich für Sie! Mein Mann Bill ist schon wieder an der Arbeit. Aber immerhin hat er mir versprochen, um vier Uhr aufzuhören. Ich wünsche Ihnen und Ihrem Mann noch eine schöne Zeit!" Sie winkte den beiden fröhlich zu und ging dann mit ihrem Buch davon. "Ich hätte ihr gestern sofort die Situation zwischen uns beiden erklären müssen", sagte Sara ein wenig schuldbewusst. Doch Alec schien eher amüsiert zu sein. Er zuckte nur die Schultern. "Dann würde sie jetzt glauben, dass zwischen uns doch noch mehr ist."
„Das glaube ich angesichts meines Zustandes kaum." "Wovon redest du?" "Sieh mich doch mal an!" Sie wandte sich zu ihm um. "Ich habe dich schon mehrfach angesehen und würde es noch öfter tun, wenn meine Höflichkeit es mir nicht verbieten würde. Sara war überrascht. Wollte Alec ihr etwa ein Kompliment machen? Nein, das war ausgeschlossen. So etwas tat er nicht. Als sie wenige Minuten später im Hauptgebäude waren, sprach Alec mit dem Rezeptionisten und nahm einen Aktenordner und einen großen Umschlag mit, die per Kurier geschickt worden waren. Zumindest werde ich keine wundersame Veränderung verpassen, die in Alec vorgeht, während ich schlafe, dachte Sara traurig. Sie wachte erst am späten Nachmittag wieder auf und fühlte sich entspannt, aber noch immer ein wenig erschöpft. Sie musste sich eingestehen, dass der Spaziergang tatsächlich ein wenig zu anstrengend gewesen war. Sara lauschte aufmerksam, doch sie hörte keine Stimme und auch sonst kein Geräusch. Hatte Alec seine wichtigen Telefonate schon beendet? Sie stand auf und ging nach unten. Er lag auf dem Sofa im Wohnzimmer und schlief. Überall stapelten sich Akten und andere Papiere. Sara entdeckte das Handy und schaltete es aus. Schließlich brauchte er Ruhe und Erholung statt noch mehr Stress. Glaubt er eigentlich, das gesamte Gerichtswesen Bostons wird aus den Fugen geraten, nur weil er sich etwas Erholung gönnt? dachte sie. Es gab doch sicher noch genügend andere Staatsanwälte in der Stadt, die ihm seine Arbeit abnehmen konnten, bis er wiederkommen würde. Sie legte das Handy auf den Tisch und ging auf die Terrasse. Mr. Simpson trat zu ihr. "Guten Abend, junge Lady. Meine Frau hat mich beauftragt, Sie und Ihren Mann für morgen Abend zum Essen einzuladen. Es wäre schön, wenn Sie um sieben Uhr zu uns kommen würden." "Dann haben Sie also genug Fische gefangen?" Er lächelte strahlend. "Sie sind mir geradezu ins Boot gesprungen. Wenn ich morgen noch einmal angeln gehe, werde ich sicher genug für uns vier und die Martins haben. Ich hoffe, die beiden können sich lange genug voneinander lösen, um mit uns zu essen!" Mr. Simpson nickte ihr zum Abschied freundlich zu und ging zum Haus der Martins. Sara blickte ihm nach. Plötzlich fiel ihr ein, dass sie gar nicht wusste, ob Alec mitkommen wollte oder nicht. Unwillkürlich musste sie daran denken, wie sie ihn schon einmal gebeten hatte, sie zu begleiten. Damals sollte sie beim jährlichen Festessen ihres Unternehmens für ihre hervorragende Arbeit im Crenshaw Projekt ausgezeichnet werden. Alec war nicht gekommen. Das hatte endgültig das Fass zum Überlaufen gebracht. Sie, Sara, hatte ihren Koffer gepackt und war am nächsten Morgen ausgezogen.
5. KAPITEL "Ich dachte, ich hätte Stimmen gehört." Alec kam auf die Terrasse. Sara wandte sich um. „Ja, Mr. Simpson kam vorbei und hat uns für morgen Abend zum Essen eingeladen." Ihr Herz schlug heftig - wie jedes Mal, wenn sie ihn sah. Sie atmete tief ein und versuchte, sich zu beruhigen. Alec sah sie aufmerksam an. "Und das hat dich nervös gemacht?" "Nein." Sara errötete. Sie hatte sich noch nie gut verstellen können. "Ich ... ich weiß nur nicht, ob es richtig war, die Einladung auch in deinem Namen anzunehmen. Ich hatte nicht viel Zeit, um nachzudenken, denn er ging gleich weiter zu den Martins, um sie ebenfalls einzuladen." "Also, ich esse gern Fisch. Von den Martins hast du mir schon einmal erzählt, stimmt's?" "Ja. Sie heißen James und Hilary und sind seit acht oder neun Tagen verheiratet. Sie können es dir sicher auf die Minute genau sagen." Sie lächelte ein wenig traurig. "Sie sind bis über beide Ohren verliebt und völlig verrückt nacheinander." Alec lehnte sich gegen eine der hölzernen Stützen und blickte auf den See hinaus. "Das wird nicht lange so bleiben." Saras Lächeln verschwand. "Unsere Beziehung hat nicht gehalten. Aber das bedeutet nicht, dass es Liebe, die ein Leben lang anhält, nicht geben kann", entgegnete sie. "Warte, bis du die Simpsons zusammen siehst. Sie sind beide schon Ende siebzig und seit mehr als fünfzig Jahren verheiratet. Aber man spürt noch immer, wie sehr sie einander lieben. Und auch Wyatt und Elizabeth sind sehr glücklich miteinander." "Und was ist mit uns beiden?" "Über dich kann ich nichts sagen, Alec. Aber ich hoffe, dass ich eines Tages jemand ganz Besonderen finde, mit dem mich eine tiefe, dauerhafte Liebe verbindet - ein Gefühl der Zusammengehörigkeit und der starke Wunsch, mein ganzes Leben mit diesem Menschen zu verbringen. Du warst offensichtlich nicht der Richtige für mich. Aber deshalb werde ich mich noch lange nicht damit abfinden, für immer allein zu bleiben." "Du wirst nicht allein sein - schließlich wird auch das Baby da sein." „Ja, und ich werde, dieses Kind über alles lieben. Aber ich wünsche mir auch einen erwachsenen Menschen an meiner Seite. Ist das so schwer nachzuvollziehen?" "Wir haben es doch miteinander versucht. Und du hast mich verlassen, nicht umgekehrt. Genau so, wie meine Mutter meinen Vater verlassen hat. Wenn sich Liebe so auswirkt, verzichte ich lieber darauf."
Sara atmete tief ein und versuchte, den aufsteigenden Ärger zu unterdrücken. "Als ich ausgezogen bin, war unsere Beziehung doch schon lange gescheitert. Und was zwischen deinen Eltern vorgefallen ist, weiß ich nicht. Vermutlich kennst auch du nicht die ganze Wahrheit, denn du hast es immer nur von einer Seite gehört. Aber eines Tages wirst du es vielleicht bereuen, dass du dein ganzes Leben allein verbracht und dich nur mit deiner Arbeit beschäftigt hast. Wie viel Zeit würdest du für deinen Sohn oder deine Tochter aufbringen? Und was ist mit einer eigenen Familie? Und an wen wirst du dich in schwierigen Zeiten wenden?" "Ich habe ja immerhin noch Wyatt. Und ich bin auch bei Problemen immer gut allein zurechtgekommen - genau wie du." Sara schüttelte den Kopf. "Ich bin zwar allein hergekommen. Aber das heißt nicht, dass ich ganz auf mich gestellt bin. Meine Mutter unterstützt mich, und ich habe Verwandte und enge Freunde, die jederzeit für mich da sind." Sie blickte ihn ernst an. "Doch trotzdem möchte ich eines Tages einen Menschen treffen, mit dem ich eine liebevolle, gleichberechtigte Partnerschaft führen kann - wie die Simpsons es tun. Du wirst staunen, wenn du sie zusammen siehst." "Sie erwarten hoffentlich nicht, dass wir beide die ganze Zeit Händchen halten und uns tief in die Augen sehen, oder?" Sara schüttelte den Kopf und wandte sich um. Sogar als ich und Alec frisch verliebt gewesen waren, hat er mich nicht umschwärmt, so wie James es bei Hilary tat, dachte sie wehmütig. Doch immerhin wollte Alec mit zum Essen bei den Simpsons gehen. Hoffentlich wird die Stimmung zwischen uns nicht zu angespannt sein, überlegte sie. Plötzlich war sie sehr traurig, dass ihre Ehe nicht gehalten hatte. Denn das hieß, dass ihre, Saras, Liebe nicht genügt hatte, um die Unterschiede zwischen ihnen zu überbrücken. Sie wandte sich um und ging ins Haus. In Alecs Gegenwart malte sie sich Dinge aus, die nie wieder geschehen würden. Sie musste eine Weile allein sein, um zur Ruhe zu kommen. Am folgenden Abend um kurz vor sieben gingen Sara und Alec gemeinsam zum benachbarten Ferienhaus. Im Garten war ein hölzerner Picknicktisch liebevoll gedeckt. Daneben stand ein Grill, auf dem bereits die Kohlen glühten. "Herzlich willkommen", rief Mrs. Simpson fröhlich. Das sieht wirklich hübsch aus", sagte Sara und wies auf den Tisch. "Die Resort-Mitarbeiter haben uns das alles vorbeigebracht und werden es auch wieder abholen. Sie sind wirklich sehr reizend und hilfsbereit. Aber bitte nehmen Sie doch Platz." „Mrs. Simpson, ich glaube, Sie und Alec kennen sich bereits, stimmt's?" "Ja. Guten Abend, Alec. Bitte nennen Sie mich doch Rosemarie. Und das ist mein Mann Paul." Sie lächelte und bot den beiden etwas zu trinken an. Kurz darauf erschienen die Martins. "Sie freuen sich bestimmt schon auf das Baby", sagte Hilary lächelnd. "Wir beide wünschen uns auch Kinder, aber nicht
sofort. Zuerst möchten wir ein bisschen Zeit für uns haben. Wie lang sind Sie denn schon verheiratet?" "Achtzehn Monate", erwiderte Alec. Sara wartete darauf, dass er hinzufügen würde, dass sie sich getrennt hatten. Doch er blickte sie nur kurz an und sagte nichts weiter. Vielleicht war es besser, das zu verschweigen - so würde keine peinliche Situation entstehen. Und was Alec gesagt hatte, entsprach ja streng genommen der Wahrheit: Sie hatten vor achtzehn Monaten geheiratet, zwölf Monate als Mann und Frau zusammengelebt und sich vor sechs Monaten getrennt. Sara wechselte das Thema. Und kurz darauf unterhielten sich die drei Paare trotz des Altersunterschieds so angeregt und fröhlich, als hätten sie einander schon seit Jahren gekannt. Insgeheim beobachtete Sara Alec. Sie hatte ihn sehr vermisst. Die Gespräche mit ihm, sein trockener Humor und seine Art zu argumentieren hatten ihr gefehlt. James Martin war mindestens sechs oder sieben Jahre jünger als Alec, Paul Simpson mehr als vierzig Jahre älter. Und doch hatten die drei Männer sich viel zu sagen. Es war schon spät, als Sara und Alec sich bei ihren Gastgebern bedankten und aufbrachen. Der Abend hatte ihr sehr gefallen. Sie fragte sich, ob ein derartiges Essen noch einmal stattfinden würde, bevor ihre Nachbarn abreisten. "Hat es dir Spaß gemacht?" fragte sie, als sie die Terrasse betraten. "Ja - und dir auch, stimmt's?" Sara war überrascht, dass er es bemerkt hatte. „Ja, ich fand es sehr schön. Mir ist aufgefallen, dass du nur ganz selten von deiner Arbeit gesprochen hast. Leidest du noch gar nicht unter Entzug?" neckte sie ihn. Für einige Stunden war Alec wieder der Mann gewesen, den sie noch so gut in Erinnerung hatte: attraktiv, aufmerksam und ein interessanter Gesprächspartner. Sie wünschte, der Abend würde noch nicht zu Ende gehen. "Möchtest du noch ein bisschen auf der Terrasse sitzen, oder bist du zu erschöpft?" fragte Alec. "Ich fühle mich gar nicht müde, ich habe ja vorhin einen Mittagsschlaf gehalten. Aber was ist mit dir? Du solltest dich eigentlich erholen, stattdessen arbeitest du." "Mir geht es gut. Ich brauche niemanden, der auf mich aufpasst“, erwiderte er kühl. "Natürlich nicht", sagte Sara heftig. Sie atmete tief ein und versuchte, sich zu beruhigen. Das gelang ihr nur schwer. Alec war ihr so nahe, dass sie nur die Hand auszustrecken brauchte, um ihn zu berühren. Sara hatte geglaubt, sie hätte die Trennung von ihm in den vergangenen Monaten verarbeitet. Hatte sie es sich vielleicht nur eingebildet? Sie verschränkte die Arme vor der Brust, um der Versuchung zu widerstehen, ihn zu berühren. Was war nur los mit ihr? Sie hatten es miteinander versucht, doch es hatte nicht funktioniert. Damit sollte ich mich ein für alle Mal abfinden, dachte sie. "Wirst du nach der Geburt des Babys weiterarbeiten?" fragte Alec plötzlich.
„Ja, auf jeden Fall. Der Mutterschutz ist sehr lang. Aber nach einigen Monaten will ich wieder anfangen. Ich liebe meine Arbeit! " "Du findest also nicht, dass Mütter zu Hause bei ihren Kindern bleiben sollten?" "Nein, nicht unbedingt. Meine Mutter hat auch immer gearbeitet, und es hat mir nicht geschadet. Wichtig ist, dass ich mir trotzdem Zeit für das Kind nehme - und das werde ich. Es wird ein sehr wichtiger Teil meines Lebens sein. Ich bin entschlossen, mich so gut um das Baby zu kümmern, wie ich nur kann." Sara glaubte zu sehen, dass Alec die Augen geschlossen hatte. Doch es war inzwischen so dunkel, dass sie es nicht erkennen konnte. „Ist alles in Ordnung?" wollte sie besorgt wissen. "Ich habe mich noch nicht an den Gedanken gewöhnt, dass ich bald Vater werde", entgegnete Alec. Sara musste sich eingestehen, dass es noch einen anderen Grund gab, warum sie ihm nicht erzählt hatte, dass sie schwanger war: Sie hatte ihr Baby nicht mit einem Mann teilen wollen, dem seine Arbeit wichtiger war als alles andere. Das Kind sollte merken, dass es geliebt wurde. Doch andererseits war es ungerecht gewesen, Alec nicht an der Vorfreude teilhaben zu lassen. "Bist du mir wegen des Babys böse?" "Nein." Er schwieg einen Moment. "Aber es verletzt mich, dass du es mir nicht gleich gesagt hast." "Ich hatte wohl die veraltete Vorstellung, dass wir wieder zusammenleben müssten, damit ich es dir erzählen könnte." Sie wechselte das Thema. "Willst du wirklich so deine freie Zeit verbringen: Faxe schicken, telefonieren und Akten bearbeiten, als wärst du in der Kanzlei?" "Das entspricht nicht deiner Vorstellung von Urlaub, stimmt's?" "Nein. Du musst wirklich lernen, dich zu entspannen. Wie wäre es, wenn du morgen mit mir wandern gingest?" Ängstlich wartete sie ab, wie Alec auf ihren Vorschlag reagieren würde. "War der Spaziergang gestern nicht sehr anstrengend?" „Ja, aber ich habe mich heute ausgeruht und kann es kaum erwarten, wieder loszugehen. Dieses Mal werde ich allerdings zur vereinbarten Zeit aufbrechen. Und wenn du dann nicht mitkommst, bitte ich dich nie wieder, mich zu begleiten." "Ich werde rechtzeitig fertig sein, das verspreche ich." Sara hätte ihn am liebsten gefragt, warum er ihr nie ein derartiges Versprechen gegeben hatte, als sie noch ein Paar gewesen waren. "Willst du ein zweites Mal versuchen, um den See zu laufen?" "Nein. Ich dachte, wir könnten vielleicht einen der Wege zu den Hügeln hinaufsteigen. Sicher hat man von dort oben aus eine schöne Sicht." "Das klingt aber anstrengend." "Ich habe mich an der Rezeption erkundigt. Angeblich sind solche Wanderungen auch in meinem Zustand gut zu bewältigen. Ich gehe ja nicht Bergsteigen."
„Also gut. Du könntest etwas zu essen vorbereiten, und dann rasten wir an einem Picknickplatz mit besonders schöner Aussicht." "Vorausgesetzt, wir finden einen." Alec blickte sie an. „Falls nicht, werde ich einfach deinen Anblick genießen." Saras Herz klopfte, und ihr wurde heiß. Alecs Bemerkung brachte sie so durcheinander, dass sie nicht mehr wusste, was sie hatte sagen wollen. Früher hatte er ihr nie Komplimente gemacht. Eine unbändige Freude erfüllte sie. "Danke, das ... das ist wirklich nett von dir", erwiderte sie errötend. "Es ist die Wahrheit. Ich glaube, ich habe früher nicht richtig zu würdigen gewusst, wie schön du bist, Sara. " Verwirrt blickte sie ihn an, doch im schwachen Mondschein war nur seine Silhouette zu erkennen. "Es ... es ist schon spät." Du Feigling, schalt sie sich insgeheim. Eigentlich wäre sie gern noch geblieben und hätte abgewartet, was Alec noch sagen würde. "Und wir wollen morgen ja früh los." Er stand auf und reichte Sara die Hand, um ihr beim Aufstehen zu helfen. Doch als sie stand, ließ er ihre Hand nicht los. Saras Herz schlug zum Zerspringen. Es war zu dunkel, um seinen Gesichtsausdruck erkennen zu können. "Gute Nacht", sagte sie leise. "Gute Nacht, Sara." Alec bewegte sich nicht und hielt ihre Hand noch immer fest. Sie hatte das Gefühl, er würde sich näher zu ihr beugen. Ihr stockte der Atem. Wollte er sie etwa noch einmal küssen? Plötzlich war sie von Panik erfüllt. Abgesehen von dem Tag, als Alec im Resort angekommen war, war sie schon seit Monaten nicht mehr geküsst worden. Sie war nicht sicher, ob sie bereit dafür war. Sie wich einen Schritt zurück und entzog ihm ihre Hand. "Ich werde uns morgen Essen für das Picknick einpacken. Aber denk daran: Ich breche um neun Uhr auf." "Ich werde pünktlich sein." Sara öffnete die Tür, ging ins Haus und eilte in ihr Schlafzimmer. Am nächsten Morgen war Sara wieder ruhiger. Sie hatte noch einmal über den Vorabend nachgedacht und beschlossen, die Situation nicht überzubewerten. Alec und sie würden während des Urlaubs im selben Ferienhaus wohnen. Und er hatte zugestimmt, mit ihr wandern zu gehen. Das war alles. Der Eindruck, dass er sie hatte küssen wollen, war sicher nur ihrer lebhaften Fantasie entsprungen. Sara beschloss, sich auf den wahren Grund für ihren Aufenthalt im Resort zu konzentrieren. Sie hatte darüber nachdenken wollen, welche Schritte sie in Zukunft ergreifen musste. Sie würde mit Alec über eine Scheidung sprechen. Schließlich waren sie beide erwachsene Menschen! Doch bei dem Gedanken daran, ihre Ehe ein für alle Mal zu beenden, zog sich ihr der Magen zusammen. Sie hatte sich so viel von dem Leben mit Alec erhofft, doch nichts war so gekommen, wie sie es sich gewünscht hatte. Vielleicht würde
sie eines Tages einen anderen Mann kennen lernen und sich in ihn verlieben. Doch im Moment konnte sie sich nicht vorstellen, Alec jemals zu vergessen. Er war nicht im Wohnzimmer, als Sara nach unten kam. War er vielleicht noch gar nicht wach? Sie ging in die Küche und machte Kaffee und Kräutertee. Dann begann sie, Pfannkuchen zum Frühstück zuzubereiten. Als sie die erste Portion Teig in die Pfanne gab, hörte sie, wie die hintere Tür des Hauses geöffnet wurde. "Guten Morgen." Alec kam in die Küche. Er trug seinen Laptop im Arm. "Guten Morgen. Du bist ja schon früh unterwegs." Saras Herz klopfte heftig wie immer, wenn er in der Nähe war. Sie versuchte, sich auf die Pfannkuchen zu konzentrieren und alle Gedanken über ihre Beziehung zu verdrängen. "Gestern Abend habe ich mir noch einige Notizen gemacht, nachdem du ins Bett gegangen bist. Ich wollte sie meiner Sekretärin möglichst schnell schicken, damit sie heute Morgen gleich anfangen kann, damit zu arbeiten." „Du warst also schon beim Hauptgebäude?" Er nickte. "Ja. Jetzt bin ich bereit für unsere Wanderung." "Gut." Sara konnte nicht verbergen, wie sehr sie sich darüber freute, Alec mehrere Stunden nur für sich zu haben. Sie kam sich vor wie ein kleines Kind in einem Bonbonladen. Er stellte den Computer ab und kam zu ihr. Es war ihr fast ein wenig zu nah, doch sie sagte nichts. Sara spürte, wie stark ihr Körper auf Alec reagierte. Um sich abzulenken, versuchte sie, sich auf den Pfannkuchen zu konzentrieren. Am liebsten hätte sie sich zu Alec umgewandt, mit ihm gesprochen und alles darüber herausgefunden, was er während der vergangenen sechs Monate getan hatte. Er hatte ihr so gefehlt! "Sara." Sie drehte sich um und stieß mit Alec zusammen. Unwillkürlich hielt sie sich an ihm fest, um nicht die Balance zu verlieren. Sie spürte seine starken Muskeln. Seine Wärme und sein Duft hüllten sie ein. Ihre Blicke trafen sich. Einen Augenblick, der ihr unendlich lang vorkam, sahen sie einander in die Augen. Dann ließ sie den Blick zu seinem Mund gleiten, und ihr Herz schlug heftig. Langsam beugte Alec den Kopf zu ihr und küsste sie. Seine Lippen waren warm, sanft und vertraut. Wieder sahen sie einander an. "Ich habe mir gewünscht, das zu tun, seit ich dich wieder gesehen habe", sagte er leise. Sara spürte seinen Atem auf dem Gesicht. "Der Kuss am ersten Tag zählte nicht - damals war ich nur wütend auf dich." Nervös fuhr Sara sich mit der Zunge über die Lippen. "Ich hätte auch nichts gegen eine Wiederholung", sagte sie leise. Alec zog sie an sich und küsste sie erneut. Diesmal war es nicht sanft und zärtlich, sondern fordernd und voll wilder Leidenschaft. Sara öffnete die Lippen. Die Liebkosungen seiner Zunge erregten sie. Sie wurde von jenem unbändigen Verlangen erfüllt, das Alec immer in ihr geweckt hatte.
Ihr wurde heiß, und sie vergaß alles um sich her, während ihr Herz zum Zerspringen schlug. Sara spürte den Druck von Alecs Gips an ihrem Rücken und seinen harten, muskulösen Körper, der sich gegen ihre Brüste und ihren gerundeten Bauch presste. Sie strich ihm durch das dichte, erstaunlich weiche Haar. Sara erwiderte Alecs Kuss und sog den Duft nach Kaffee und frischer Luft ein und jenen ganz besonderen Duft, der ihr so vertraut war und sie schon immer erregt hatte. Noch nie hatte Sara etwas Ähnliches empfunden, und sie wünschte... Plötzlich trat das Baby zu. Sie ließen einander los und wichen zurück. Alec blickte ihren Bauch an. "Das war ein deutliches Zeichen", stellte er fest. "Habe ich dich zu fest gehalten?" Sara strich sich über den Bauch und schüttelte den Kopf. "Nein. Das Baby ist nur um diese Uhrzeit immer sehr aktiv." Vorsichtig berührte Alec die Wölbung ihres Bauchs. Sara legte die Hand über seine und bewegte sie zu der Stelle, an der die Bewegungen zu spüren waren. Eine Weile standen sie wie gebannt da, ohne sich zu rühren, und staunten darüber, wie ihr Kind sich bewegte. Plötzlich zog eine Rauchschwade an ihnen vorbei. "O nein, der Pfannkuchen!" Schnell ging Sara zum Herd, nahm den verkohlten Pfannkuchen und warf ihn in den Mülleimer. Warum habe ich nur nicht besser aufgepasst! „Das ist doch nicht so schlimm. Wir müssen ja nicht zu einer bestimmten Uhrzeit los, oder?" Alec ging zur Tür. "Ich bringe nur den Computer weg und bin gleich zurück." Er musste schnell aus Saras Nähe verschwinden, ehe er noch eine Dummheit begehen würde - zum Beispiel sie in die Arme zu schließen, hochzuheben und die Treppe hinauf ins Schlafzimmer zu tragen. Das wäre sicher das Letzte, was sie wollte. Alec legte den Laptop aufs Sofa und ging auf die Terrasse. Es war noch nicht sehr warm. Vielleicht würde ihm die kühle Luft helfen, sich zu beruhigen. Er lehnte sich gegen die hölzerne Stütze und verschränkte die Arme vor der Brust. Noch nie hatte er für eine andere Frau ein so starkes Verlangen empfunden wie für Sara. Und obwohl sie sich schon vor mehreren Monaten getrennt hatten, begehrte er sie noch immer. Alec sehnte sich danach, die Leidenschaft in ihren Augen zu sehen, wenn er sie küsste und überall liebkoste. Er wünschte, er könnte erkunden, wie die Schwangerschaft ihren Körper verändert hatte - bis sie ihm wieder so vertraut wäre wie damals, als sie noch zusammengelebt hatten. Er sehnte sich danach, seine Frau zu lieben. Alec atmete tief ein und blickte zum See. Er versuchte, nicht mehr daran zu denken und sich stattdessen auf den gemeinsamen Spaziergang zu konzentrieren. Er hatte schon seit Jahren keinen Urlaub mehr gemacht. Es
konnte also nicht schaden, den Rat des Arztes zu befolgen und sich wenigstens ein bisschen zu entspannen. "Das Frühstück ist fertig." Er wandte sich um. Sara stand im Türrahmen und sah ihn fragend an. Alec rang sich ein Lächeln ab und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Sie wäre schockiert, wenn sie seine Gedanken lesen könnte: dass er sich danach sehnte, ihr durch das seidenweiche Haar zu streichen, sie zu küssen und mit den Lippen die zarte Haut an ihrem Hals zu liebkosen. Er hätte gern herausgefunden, wie schwer sich ihre Brüste anfühlten und wie rund ihr Bauch... Mit aller Macht verdrängte er diese Gedanken - zumindest so lange, bis er allein war und sich vorstellen konnte, was alles passieren würde, wenn er und Sara ihre frühere Leidenschaft füreinander wieder entdeckten. Es war bereits nach neun Uhr, als sie aufbrachen. Sie folgten einem Pfad, der hinter dem Haus begann, und waren bald umgeben von Grün. Die Zweige der Bäume trafen hoch über ihren Köpfen zusammen. Sonnenstrahlen fielen auf den Weg, Vögel zwitscherten, doch sonst war es still und kühl. Manchmal war der Weg so schmal, dass sie hintereinander gehen mussten, doch wann immer sie eine Wiese betraten, liefen sie nebeneinander. Fröhlich blickte Sara sich um. "Ist es nicht wunderschön hier?" Alec legte ihr die Hand auf die Schulter. "Sieh mal, dort drüben", sagte er leise. Sie blieb stehen und blickte in die Richtung, in die er wies. Auf einer Lichtung ästen drei Rehe. Fasziniert betrachtete sie die Tiere. Dann schloss sie die Augen und versuchte, sich alles einzuprägen, so dass sie es nie wieder vergessen würde: die warmen Sonnenstrahlen, den frischen Duft der Frühlingsluft, die Stille - und Alecs Hand auf ihrer Schulter. Sara machte die Augen wieder auf und lächelte. "Sie sind sehr hübsch." "Lass uns weitergehen", sagte er. "Vielleicht sehen wir unterwegs noch andere Tiere." Ihre Bewegungen erschreckten die Tiere, die eilig davonliefen. Ein Rascheln im Unterholz war das einzige Geräusch, das sie machten. "Du bist aufmerksamer als ich", stellte Sara fest. "Ich hätte die Rehe gar nicht gesehen, wenn du sie mir nicht gezeigt hättest." "Ich habe durch meine Arbeit gelernt, genau zu beobachten. Ich muss erkennen können, ob die Geschworenen meiner Argumentation folgen. Außerdem haben Wyatt und ich als Kinder sehr viel draußen gespielt. Wir waren Seeräuber oder Cowboys und Indianer." "Das kann ich mir von Wyatt gut vorstellen, aber von dir nicht." "Und warum nicht? Ich war ein tollkühner und sehr gefürchteter Seeräuber!“ Sara lachte. Alec blieb stehen, drehte sie herum und zog sie an sich. "Ich habe immer als Erster den Schatz gefunden. Aber das waren nur Kinderspiele. Jetzt weiß ich, was Seeräuber wirklich wollen. "
Auch Sara wusste es - dasselbe, was sie auch wollte. Erschrocken über ihre Empfindungen, machte sie sich los und wich einen Schritt zurück. Was bilde ich mir nur ein? dachte sie. Mit ihrem dicken Bauch kam sie sich sehr unförmig vor. Wie sollte ein Mann sie in diesem Zustand attraktiv finden? Sie machte sich los. "Schöne Maiden, die sie von ihren Schiffen locken wollen?" brachte sie atemlos hervor. Alec lächelte. Zum ersten Mal seit langer Zeit wirkte er völlig entspannt. Der Spaziergang war also genau richtig gewesen. "Du bist auch eine sehr schöne Maid", sagte er und nahm ihre Hand. Sie gingen weiter. "Wohl kaum", widersprach sie betont gelassen, doch ihr Herz schlug heftig. Sie stiegen auf einen der Hügel und fanden einen Platz, von dem aus sie einen herrlichen Blick auf den See hatten. Nur während der letzten Meter war der Weg steil und ein wenig steinig gewesen, so dass Sara nicht allzu erschöpft war. "Lass uns hier rasten", schlug Alec vor. "Ja. Ich habe furchtbaren Hunger! Wie wäre es jetzt mit Mittagessen?" "Gute Idee." Er nahm den Rucksack ab und breitete die Decke aus. Sie setzten sich und genossen die schöne Aussicht. Ein leichter Wind kam auf. Sara freute sich über die kühle Brise. Ihr war während der Wanderung so warm geworden, dass sie ihren Pullover ausgezogen hatte. Alec betrachtete sie, während sie ein Sandwich aß. Wie hatte er nur vergessen können, dass sie wunderschön war? Ihre Augen schienen vor Freude zu strahlen. Die Haut wirkte samtweich und so zart, dass er am liebsten darüber gestrichen hätte. Ihr Mund ... Schnell wandte er den Blick ab und dachte daran, wie gern er sie noch einmal küssen würde. Dann knüllte er die Plastikfolie mit den Überresten seines Sandwichs zusammen. Er wollte nichts mehr essen - er wollte Sara! Er wollte mit den Lippen und der Zunge ihren Mund liebkosen, Saras Wärme spüren, sie berühren, sich in ihr verlieren... Mit aller Macht verdrängte Alec diese Gedanken, lehnte sich zurück und blickte zum See. "Für einen wilden Piraten bist du ganz schön verschwiegen", neckte sie ihn und reichte ihm eine Flasche Wasser. Er trank einen großen Schluck und gab ihr dann die Flasche zurück. Sara lächelte unsicher. Plötzlich konnte Alec sich nicht länger beherrschen. Ganz langsam beugte er sich zu ihr, so dass sie Zeit hatte, um auszuweichen, falls sie es wollte. Schließlich war sein Mund nur noch wenige Millimeter von ihrem entfernt. "Sara", sagte er sanft und küsste sie. Ihre Lippen fühlten sich weich und warm an, als sie seinen Kuss erwiderte. Alec hörte nicht auf, sie zu küssen, während sie beide auf die Decke sanken. Sara stockte der Atem. Damit hatte sie nicht gerechnet. Und doch es war genau das, wonach sie sich gesehnt hatte. Sie legte die Arme um seinen Nacken, spürte seinen Körper eng an ihrem und genoss die Nähe und die Empfindungen, die
seine Gegenwart in ihr auslöste. Wie berauscht erwiderte sie seine Liebkosungen. Sara wusste nicht, wie viel Zeit verging, während sie Alec durch das weiche, dichte Haar fuhr, die Hände über seine warme Haut und die muskulöse Brust gleiten ließ. Sie gab sich ganz ihren Gefühlen hin: ihrem Begehren - und ihrer Liebe. Alec ließ die Hand vom Rücken über die Seite gleiten und umfasste eine ihrer Brüste. Durch die Schwangerschaft waren sie besonders sensibel, und Sara spürte die Berührung im ganzen Körper. Er schob die Hand vorsichtig unter ihr locker sitzendes Oberteil, ließ sie über die bloße Haut gleiten und strich ihr mit dem Daumen über die Brustspitze. Sara sehnte sich nach mehr. Sie wünschte, er würde die Brustknospe mit dem Mund umschließen. Sie erwiderte seinen Kuss noch leidenschaftlicher und drehte sich weiter zu Alec um. Ohne ein Wort zu sagen, machte sie ihm deutlich, wie sehr ihr seine Liebkosungen gefielen. Sie hatte sich so lange danach gesehnt... Plötzlich wurde Alec schwindelig. Lag es an dem übermächtigen Verlangen, das Sara in ihm geweckt hatte? Ihr Duft und ihre Nähe brachten ihn beinahe um den Verstand. Er hielt inne, doch das Schwindelgefühl ließ nicht nach. Er stöhnte leise auf. "Alec?" Sara blickte ihn an. Sie sah schöner aus als jemals zuvor. Er fluchte unterdrückt, legte sich auf die Seite und schloss die Augen. Sie stützte sich auf den Ellenbogen und sah ihn besorgt an. "Ist alles in Ordnung?" erkundigte sie sich. "Mir ist schon wieder schwindelig", erwiderte Alec. Er hasste die Anfälle, denn sie gaben ihm das Gefühl, keine Macht über sich zu haben. Wann würden sie endlich aufhören? "Kann ich irgendetwas für dich tun? Möchtest du vielleicht einen Schluck Wasser trinken?" "Nein, vielen Dank. Ich muss einfach abwarten, bis es vorbei ist." "Es ist der erste, den du heute hast, stimmt's?" fragte sie und strich ihm sanft das Haar aus der Stirn. "Ja", bestätigte er und sah sie an. Am liebsten hätte er ihre Hand genommen, seine Finger mit ihren verschränkt und sie einfach festgehalten. Mein Verstand muss wirklich bei dem Unfall Schaden genommen haben, dachte er. Früher hatte er doch nie Saras Hand gehalten - er war gar nicht der Typ, der so etwas tat! "Ich habe das Gefühl, die Anfälle werden seltener", versuchte Sara, ihn aufzumuntern. "Sicher hören sie bald ganz auf. Aber vielleicht solltest du lieber noch einmal zum Arzt gehen." "Das ist wirklich nicht nötig." "Alec, ich mache mir Sorgen um dich!" "Das brauchst du wirklich nicht. Es wird mir gleich wieder besser gehen. Die Anfälle sind sicher bald ganz vorbei." Sie runzelte die Stirn.
"Mach das nicht“, neckte er sie. "Sonst bekommst du Falten." Obwohl sie ihm noch immer vorwarf, wie er sich ihr gegenüber verhalten hatte, als sie zusammengelebt hatten, machte Sara sich offensichtlich Sorgen um ihn. Aus irgendeinem Grund machte Alec diese Feststellung glücklich. "Wir bleiben einfach hier, bis du dich wieder gut fühlst", sagte Sara. Sie setzte sich auf und strich sich durch das kurze Haar. "Hast du mir nicht erzählt, dass es hier Höhlen gibt?" Alec hasste das Gefühl, nicht zu hundert Prozent einsatzbereit zu sein - besonders wenn er mit Sara zusammen war. Um keinen Preis wollte er, dass sie Mitleid mit ihm hatte. Noch immer glaubte er, ihre samtweiche Haut unter seinen Händen zu spüren, ihre durch die Schwangerschaft schweren Brüste ... Und er sehnte sich nach mehr. „Ja, sie liegen ganz in der Nähe. Ich habe mir von der Rezeption eine Broschüre mitgenommen. Darin stand, dass es ungefährlich ist, sie zu betreten. Willst du dir die Höhlen ansehen?" Er nickte. "Sehr gern, aber nicht heute." Er schloss erneut die Augen, als ihm wieder schwindelig wurde. "Wir kommen einfach noch mal her und erkunden sie." Sie legte sich auf die Decke. "Ich bin müde." "Dann schlaf doch ein bisschen. Wir müssen ja noch nicht aufbrechen." Keiner von ihnen erwähnte die leidenschaftlichen Küsse, doch Alec wusste, dass Sara über das nachdachte, was zwischen ihnen passiert war. Ob sie ihn wohl darauf ansprechen würde, wenn es ihm besser ginge?
6. KAPITEL Alec wachte auf und blickte sich verwirrt um. Einen Moment lang wusste er nicht, wo er war. Plötzlich kam ihm ein unangenehmer Gedanke. Er musste unbedingt verhindern, dass Thompson eine geheime Absprache mit Snellings Anwalt traf. Und hatte er Teresa überhaupt gesagt, dass der Anwaltsgehilfe im Rahmen des Cannady-Gerichtsverfahrens wegen eines Präzedenzfalles recherchieren sollte? Es gab so viel zu tun! Dann fiel Alecs Blick auf Sara, die noch immer schlief. Er setzte sich auf und stellte fest, dass das Schwindelgefühl ganz vergangen war. Er betrachtete Sara. Sie lag auf der Seite. Die langen Wimpern ruhten auf ihren Wangen, und sie hatte sich eine Hand unter den Kopf geschoben. Eine sanfte Brise strich durch eine Strähne, die ihr in die Stirn gefallen war. Am liebsten hätte Alec sie wachgeküsst und dort weitergemacht, wo sie vorhin durch seinen Schwindelanfall unterbrochen worden waren. Er wünschte, er könnte seine Arbeit vergessen, Saras und seine Vergangenheit, die Zukunft und eine kurze Weile lang nur für den Moment leben. Nachdenklich betrachtete er seine Frau und fragte sich, ob das wohl alles war, was er sich erhoffen konnte. Als er auf die Uhr blickte, stellte er fest, dass es
bereits Nachmittag war. Wenn er seine Sekretärin noch erreichen wollte, bevor sie die Kanzlei verließ, musste er bald aufbrechen. Das war also der idyllische Nachmittag zu zweit, dachte er zerknirscht. Doch er musste sich auch eingestehen, dass er sich nach dem Aufenthalt an der frischen Luft und dem Mittagsschlaf ausgeruht und entspannt fühlte. Er blickte auf den See, der in der Sonne glitzerte, und ihm fiel ein, dass er tatsächlich den ganzen Vormittag nicht ein einziges Mal an seine Arbeit gedacht hatte. Das lag an dem Zauber, den Sara auf ihn ausübte. Er konnte an nichts anderes mehr denken als an sie. Für heute habe ich genug Urlaub gemacht, dachte Alec. Jetzt musste er zurückgehen und sich mit Teresa in Verbindung setzen. In wenigen Wochen standen die Gerichtsverhandlungen der laufenden Fälle an, und er wollte so gut wie möglich vorbereitet sein. Doch es widerstrebte ihm, Sara zu wecken. Sie schlief so friedlich und wirkte so vertrauensvoll. Zum ersten Mal fragte er sich, wie die Zukunft für sie und das Baby wohl aussehen würde. Und für ihn selbst. Warum hatte ihre Beziehung nicht gehalten? Er hatte geglaubt, eine Frau müsse ihrem Mann zur Seite stehen. Er hatte auch ihretwegen so viel gearbeitet: damit sie sich ein schöneres Apartment und ein größeres Auto leisten konnten. Würde das Kind nicht einen Vater brauchen? Er, Alec, und sein Bruder Wyatt hatten den größten Teil ihrer Kindheit mit nur einem Elternteil verbringen müssen, und noch heute schmerzte ihn dieser Verlust. Sein Kind sollte wissen, dass es von beiden Eltern geliebt wurde - auch wenn er und Sara nicht zusammenleben konnten. Er schüttelte sie sanft. "Wach auf, Sara. Wir müssen zurück." Er beobachtete, wie sie langsam wach wurde. Ihre großen Augen wirkten verträumt, die Wange, auf der sie gelegen hatte, war rosig. Sie rekelte sich ein wenig. Alec wurde von einem heftigen Verlangen erfüllt und wandte den Blick ab. Abgesehen von ihrem runden Bauch, hatte ihre Figur sich nicht verändert. Sie war noch immer schlank, aber auch sehr weiblich. Es ärgerte ihn, dass er seine Erregung und die Gefühle für Sara nicht unter Kontrolle hatte - und dass er nicht mehr das Recht besaß, einfach dort weiterzumachen, wo sie vorhin aufgehört hatten. "Ist es denn schon so spät?" fragte sie und stand langsam auf. Sie wich seinem Blick aus und sah stattdessen zum Himmel. Er hatte sich gerade ausgemalt, sie würde sich zu ihm beugen und ihn küssen. Das war wohl nur Wunschdenken, ermahnte er sich, und im Stillen verwünschte er die ganze Situation. Dann stand er ebenfalls auf und faltete die Decke zusammen. "Es ist schon später Nachmittag. Ich muss noch in der Kanzlei anrufen. " "Natürlich! Wie konnte ich auch nur annehmen, du würdest einen ganzen kostbaren Tag opfern, um dich zu entspannen?" Saras kühler Tonfall tat ihm weh. Immerhin hatte er doch den ganzen Vormittag mit ihr verbracht. Und es hatte ihm viel Spaß gemacht. Obwohl sie nichts weiter sagte, spürte er förmlich,
wie sie auf Distanz ging. Es war, als wäre eine unsichtbare Mauer zwischen ihnen errichtet worden. „Sara", begann er, unterbrach sich jedoch sofort. Hatten sie nicht schon vor langer Zeit über alles gesprochen? „Was ist?" "Nichts. Bist du fertig?" Sie zuckte die Schultern und betrachtete sehnsüchtig die Hügel, die sich hinter ihnen erhoben. "Da wir schon einmal hier sind, würde ich mir gern die Höhlen ansehen." Alec blickte auf die Uhr und schüttelte den Kopf. "Wir müssen jetzt aufbrechen. Es wird mindestens eine Stunde dauern, bis wir wieder zu Hause sind." "Dann erkunde ich die Höhlen eben allein", erwiderte sie ungeduldig. "Zum Abendessen bin ich wieder zurück." Sie wandte sich um und begann, einen der Hügel hinaufzusteigen. "Sara, warte. Du kannst nicht allein dorthin gehen. Es ist zu gefährlich! " Sie blieb stehen und wandte sich um. "Die Resort-Mitarbeiter haben mir versichert, dass nichts passieren kann. Ich glaube nicht, dass sie die Gesundheit ihrer Feriengäste aufs Spiel setzen würden. Und außerdem passe ich auf." "Aber ich habe wirklich keine Zeit, dich zu begleiten." "Ich habe dich auch nicht darum gebeten, Alec." Sara drehte sich wieder um und ging weiter. Während sie darauf achtete, den gekennzeichneten Pfad nicht zu verlassen, lauschte sie angestrengt. Enttäuscht stellte sie nach einer Weile fest, dass nur ihre eigenen Schritte zu hören waren. Alec war ihr also nicht gefolgt. Unwillkürlich musste sie daran denken, wie er sie geküsst hatte. Als sie aufgewacht war, hatte sie nicht gewusst, wie sie sich verhalten sollte. Wenn er mich wachgeküsst hätte, wäre mir sicher etwas eingefallen, dachte sie wehmütig. Aber er hatte so getan, als wäre nichts passiert. Vielleicht hatte es ihm nichts bedeutet? Energisch versuchte sie, diese Gedanken zu verdrängen und sich auf die kurze Wanderung zu den Höhlen zu freuen. Vielleicht würde sie unterwegs wieder Rehe oder ein Eichhörnchen entdecken. Doch das Gefühl der Enttäuschung nahm zu. Nach den Küssen hatte sie erwartet, dass Alec gern noch mehr Zeit mit ihr verbringen würde. Sicher würde in seiner Kanzlei doch kein Chaos ausbrechen, nur weil er sich einen Tag frei nahm? Ich habe mir eben zu große Hoffnungen gemacht, dachte sie resigniert. Alec war ein Workaholic und würde sich nie ändern. Außerdem war sie, Sara, darauf vorbereitet gewesen, die Ferien allein zu verbringen. Dass er sich bereit erklärt hatte, sie auf einer Wanderung zu begleiten, war zwar schön - aber sie konnte nicht erwarten, dass er es noch einmal tun würde. Sara kehrte erst nach sieben Uhr zurück. Sie war ein wenig müde, aber sehr zufrieden. Als sie das Haus betrat, wusste sie sofort, dass es leer war. Wenn Alec da wäre, würde er im Wohnzimmer sitzen und telefonieren, dachte sie. Wahrscheinlich war er also noch im Bürocenter.
Sara duschte und zog sich ein weites Kleid an. Sie hatte den ganzen Tag Jeans getragen und sehnte sich nach etwas Bequemem. Da es bereits kühl wurde, streifte sie einen Wollpullover über, bevor sie nach unten ging. Da es schon spät war, briet sie sich nur ein Omelett. Beim Essen begann sie, den neuen Krimi zu lesen, den sie sich extra für den Urlaub gekauft hatte. Dann wusch sie das Geschirr ab und ging ins Wohnzimmer. Seit Alec den Raum für sich in Anspruch genommen hatte, verbrachte sie nicht mehr viel Zeit darin. Er schien es als eine Art Büro zu betrachten: Der Fußboden und der Couchtisch waren bedeckt von unzähligen Akten und anderen Papieren, fein säuberlich in Stapeln angeordnet. Wenigstens auf dem Sofa ist noch Platz, stellte Sara fest. Sie machte es sich bequem und vertiefte sich wieder in ihr Buch. Als Alec kurze Zeit später wiederkam, blickte sie auf und versuchte, das heftige Herzklopfen zu ignorieren. Sie verspürte es, wann immer sie ihn sah. Es hat gar nichts zu bedeuten, versuchte sie sich selbst zu überzeugen. "Ich habe mich schon gefragt, wo du wohl bist", sagte sie betont gelassen und legte ein Lesezeichen zwischen die Seiten. "Ja, ich hätte dich anrufen sollen. Es hat länger gedauert, als ich erwartet hatte. War es schön in den Höhlen?" Sie nickte. „Ja, sehr interessant. Einige sind nur klein, aber manche reichen sehr weit in die Hügel hinein. In denen war es sehr dunkel und fast ein wenig unheimlich. Das nächste Mal werde ich eine Taschenlampe mitnehmen, damit ich mehr sehen kann." "Dann komme ich auch mit." Sara ignorierte seine Bemerkung. Alec stellte Laptop und Aktenkoffer neben der Tür ab. Er schien zu zögern, als wüsste er nicht, was er tun sollte. Sie sah ihn an, und ihre Blicke trafen sich. Er wirkte erschöpft. "Ich werde mir einen Kaffee kochen. Möchtest du auch etwas, vielleicht einen Tee?" fragte er. „Ja, gern. Vielen Dank." Sie stand auf und folgte ihm in die Küche. "Ich bin erstaunt, dass du nach der Wanderung noch so lange gearbeitet hast. Deine Energie scheint keine Grenzen zu haben." Er zuckte die Schultern. "Aber jetzt bin ich auch ziemlich müde." "Hattest du noch einen Schwindelanfall?" Sie blieb im Türrahmen stehen und sah zu, wie er in der Küche hin und her lief und mit dem Wasserkessel hantierte. "Nur einen nicht sehr schlimmen, als ich im Bürocenter war." "Meinst du nicht, dein Körper will dir sagen, dass du etwas kürzer treten solltest?" "Nein. Und ich habe auch keine Lust, darüber zu sprechen." Sara seufzte. Warum schienen Männer nur zu glauben, sie dürften keine Schwäche zeigen? Sie machte sich ernstlich Sorgen um ihn. Als er ihr einen Becher Tee reichte und sich ihre Hände berührten, erschauerte sie. Sie wandte sich schnell um und ging zurück ins Wohnzimmer, wo sie wieder auf dem Sofa Platz nahm. Alec setzte sich neben sie. Unwillkürlich
musste sie an den vergangenen Nachmittag denken - daran, wie er sie geküsst und liebkost hatte. Sie warf ihm einen kurzen Blick aus den Augenwinkeln zu. Was wäre, wenn er sie jetzt noch einmal küssen und sie sich wieder ganz ihren Gefühlen hingeben würde? Und was wäre, wenn sie ihn küssen würde? Die Vorstellung erregte sie. Sicher würde Alec sie nicht zurückweisen. Sie hatte am Nachmittag deutlich gespürt, dass er sie begehrte. Und was würde ein kleiner Kuss schon ausmachen - um der alten Zeiten willen? Wieder warf sie ihm einen Blick zu und bemerkte, dass er sie eingehend betrachtete. "Du siehst in dem Kleid sehr hübsch aus", stellte er fest. "Danke", erwiderte Sara kurz angebunden. Sie trank einen Schluck Tee. Dann stellte sie den Becher ab und wandte sich zu ihm um. Seinem Gesicht war keine Regung anzusehen, doch plötzlich schien die Luft wie aufgeladen zu sein. Wie sehr Sara sich danach sehnte, ihn zu küssen. Aber sollte sie sich wirklich trauen? Sie fasste sich ein Herz, nahm ihm den Becher aus der Hand und stellte ihn auf den Couchtisch. Dann atmete sie tief ein und rückte näher, bis ihr Mund nur noch wenige Zentimeter von seinem entfernt war. Wie gebannt sah Alec sie an, ohne sich zu rühren. Sie beschloss, dies als gutes Zeichen zu deuten. Immerhin wich er nicht zurück oder wies sie ab. Als ihre Lippen seine berührten, wurde Sara von einer Woge der Erregung überflutet. Sofort zog Alec sie an sich und erwiderte den Kuss voller Leidenschaft. Ihr stockte der Atem. Die Gefühle, die Alec in ihr, auslöste, waren überwältigend. Wo auch immer er sie berührte, sie erschauerte vor Lust. Seine Hände schienen überall zu sein. Er strich ihr über das Haar, liebkoste ihr den Rücken, die Arme und sogar den gerundeten Bauch. Noch nie hatte Sara sich so glücklich, so lebendig und begehrt gefühlt. Es kam ihr noch schöner vor als früher, denn was waren Erinnerungen, verglichen mit der Gegenwart? Sie legte Alec die Arme um den Nacken und bog sich ihm entgegen. Ihr wurde warm, und er half ihr dabei, den Pullover abzustreifen. Als er eine ihrer Brüste umfasste und ihr sanft über die Spitze strich, verlor Sara beinahe den Verstand vor Verlangen. Sie knöpfte Alec das Hemd auf und genoss das Gefühl, seine warme Haut und die starke, muskulöse Brust zu spüren. Als Sara seine Brustwarzen berührte, erschauerte er. Offenbar hatte sie ihren weiblichen Instinkt nicht eingebüßt, denn sie hatte weder vergessen, wie Alecs Liebkosungen sie erregten, noch, wie sie sein Begehren wecken konnte. Er streifte das Oberteil ihres Kleides nach unten und zog sie an sich. Als Sara seinen starken, männlichen. Körper an ihrem spürte, stöhnte sie leise auf und schmiegte sich noch enger an ihn. Schauer der Erregung liefen ihr über den Rücken. Obwohl sie im achten Monat schwanger war, fühlte sie sich jung, schön und begehrenswert. Plötzlich bewegte sich das Baby. Alec hielt inne. Er löste die Lippen von ihren und ließ die Hand von ihrer Brust zum Bauch gleiten, wo sich das Kind gerade bewegt hatte.
Sara lehnte sich zurück und sah ihn an. Atemlos fragte sie sich, was wohl in ihm vorgehen mochte. "Der kleine Kerl spielt seine Rolle als Anstandsdame wirklich gut. " Alec gab ihr einen Kuss auf den Mund, zog das Oberteil des Kleides wieder hoch und rückte ein wenig zur Seite. Dann stand er auf und strich sich durchs Haar. "Ich gehe kurz nach draußen", sagte er unvermittelt und verschwand. Wie erstarrt blickte Sara ihm nach. Hatte sie sich gerade lächerlich gemacht? Oder war Alec ebenso erregt gewesen wie sie? Sie hatte nicht erwartet, dass ihr Verlangen so stark sein würde. Es war fast gewesen wie damals, als sie frisch verliebt gewesen waren. Wenn ihre beste Freundin ihr früher erzählt hatte, was sie empfand, wenn ihr Freund sie küsste, hatte Sara immer gelacht und es als übertrieben abgetan - bis sie Alec kennen gelernt hatte. Und noch immer brachte er es fertig, sie zumindest für eine kurze Weile - glücklich zu machen. Tränen schimmerten Sara in den Augen. Sie zitterte und verschränkte die Arme vor der Brust. Es war so ungerecht! Alles, was sie sich wünschte, waren ein Mann und eine Familie. Beides hatte sie eigentlich, doch nicht so, wie sie es sich erträumt hatte. Sie dachte an die intensiven Gefühle und Empfindungen, die Alec gerade in ihr geweckt hatte. Wehmütig musste sie sich eingestehen, dass Leidenschaft nicht genügte. Als ihr das klar wurde, stand Sara auf, nahm ihren Pullover und lief, so schnell sie konnte, nach oben. Sie wollte nicht mehr im Wohnzimmer sein, wenn Alec zurückkommen würde. Am Ende würde er noch glauben, sie wartete darauf, dass sie dort weitermachen würden, wo sie aufgehört hatten! Wie konnte sie ihm nur je wieder gegenübertreten? Sie ermahnte sich, nie mehr davon zu träumen, dass sich zwischen ihr und ihm etwas ändern könnte oder er sich weniger mit seiner Arbeit und dafür mehr mit ihr, Sara, beschäftigen würde. Niemand hatte sie je so geküsst wie Alec. Doch sie wusste, sie wollte mehr als das: nicht nur Leidenschaft, sondern eine dauerhafte, starke und liebevolle Beziehung. Sara wünschte sich einen Menschen, mit dem sie ihr Leben verbringen würde und auf den sie sich verlassen konnte - und niemanden, dem die Arbeit wichtiger war als seine Familie. Mit so einem Mann hatte sie es einmal versucht, und ihre Beziehung war gescheitert. Hatte sie denn nichts aus dieser Enttäuschung gelernt? In ihrem Zimmer lehnte sie sich gegen die geschlossene Tür und versuchte, sich zu beruhigen. Doch als sie einige Zeit später im Bett lag, schlug ihr Herz noch immer heftig. Wie sollte sie sich nur Alec gegenüber verhalten, nach allem, was passiert war? Als Sara am nächsten Morgen hinunterging, merkte sie, dass sie vergeblich gegrübelt hatte: Alec telefonierte bereits wieder mit seiner Kanzlei. Die Küsse vom Vorabend schien er schon vergessen zu haben. Sie nickte ihm nur kurz zu und ging in die Küche.
Im Kühlschrank war jedoch nichts, worauf sie Appetit hatte. Daher beschloss sie, sich einmal richtig zu verwöhnen: Sie würde zum Hauptgebäude fahren und im Restaurant des dortigen Hotels frühstücken. Danach könnte sie vielleicht die Seeumrundung beenden, indem sie den Weg zurück zu Fuß ging. Sie bestellte einen Jeep und ging nach oben, um ihre Handtasche zu holen. Einen kurzen Moment überlegte sie, ob sie Alec einladen sollte, sie zu begleiten. Doch da sie ihn nicht stören wollte, verwarf sie die Idee. Vermutlich wird er gar nicht merken, dass ich gegangen bin, dachte sie traurig. Als Sara das Motorengeräusch des Jeeps hörte, ging sie auf die Terrasse. Kurze Zeit später saß sie im Restaurant auf einem Platz am Fenster. Von dort aus hatte sie einen herrlichen Blick auf den See. Sie dachte daran, wie schön es wäre, beim Essen Gesellschaft zu haben, verdrängte den Gedanken jedoch sofort. Nach dem Frühstück schlenderte sie zum See. Sie war noch immer verwirrt, und unzählige Fragen gingen ihr durch den Kopf. Was wollte Alec? Wie sollten sie in Zukunft miteinander umgehen? Und was genau hatte ihrer Beziehung gefehlt? Sie hoffte, der Spaziergang würde ihr helfen, die Dinge etwas klarer zu sehen. Sie hatte Alec wirklich geliebt und hätte alles für ihn getan. Doch bald hatte er mehr Zeit bei seiner Arbeit als zu Hause verbracht. Wie wäre es wohl, wenn er sich dann und wann frei nehmen und sich ganz auf sie konzentrieren würde, so wie am Vortag? Bis sie eingeschlafen waren, hatte sie nicht ein einziges Mal den Eindruck gehabt, er wäre mit den Gedanken bei seiner Arbeit. Vielleicht muss er öfter solche Ausflüge machen - dann wird er sicher irgendwann merken, dass bei etwas mehr Freizeit nicht gleich die Welt zusammenbricht. Doch Sara rief sich in Erinnerung, dass es nicht ihre Aufgabe war, Alec Blackstone zu helfen. Sie musste sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern und Pläne für das Leben mit dem Baby machen. Es war ein wunderschöner Tag, und der Spaziergang machte ihr großen Spaß. Auf dieser Seite des Sees gab es viel Sandstrand. Einzelne große Bäume wuchsen am Ufer. Sara winkte den Anglern in ihren Booten zu, lachte über die Kinder, die sich an den Tretbooten versuchten, und staunte darüber, dass einige der Kleinen sich tatsächlich in das kalte Wasser trauten. "Wir müssen unbedingt noch einmal herkommen, wenn du größer bist“, sagte sie und strich sich dort über den Bauch, wo das Baby deutlich zu spüren war. "Dann kannst du am Strand spielen, und wir fahren zusammen Tretboot oder erkunden die Höhlen. Das wird sicher ein toller Urlaub!" Sie lächelte versonnen und dachte daran, wie schön es wäre, eine richtige Familie mit Vater, Mutter und Kind zu haben oder, besser noch, mehreren Kindern. Doch wann immer sie sich einen Vater für das Kind vorzustellen versuchte, tauchte Alec vor ihrem geistigen Auge auf. Energisch verdrängte sie den Gedanken. Als sie sich dem Ferienhaus näherte, sah sie Alec beim Telefonieren auf der Terrasse hin und her gehen. Als er sie sah, hielt er inne. "Ich rufe Sie morgen
wieder an, Teresa. Nehmen Sie sich den Rest des Tages frei." Er schaltete das Telefon ab und sah sie an. „Wo warst du?" fragte er, als Sara die Stufen zur Terrasse hinaufging. "Ich habe einen Spaziergang gemacht." Er hielt sie fest und zog sie näher zu sich. "Ich wollte dir folgen, aber ich wusste nicht, in welche Richtung du gegangen warst. Hattest du mir von diesem Plan erzählt? Ich kann mich gar nicht daran erinnern." Sie schüttelte den Kopf. "Nein. Du hast doch telefoniert." "Du meinst heute Morgen? Aber das ist doch schon viele Stunden her!" "Und woher sollte ich wissen, wie lange du noch telefonieren musstest? Meistens verbringst du ja praktisch den ganzen Tag mit geschäftlichen Gesprächen." Alecs Duft umgab sie, und sie spürte die Wärme seiner Hand auf ihrem Arm. Sara wünschte, sie könnte sich gegen seine starke Brust lehnen und es einfach nur genießen, ihm nahe zu sein. "Ich dachte, wir wollten gemeinsam etwas unternehmen." "Nach dem gestrigen Tag weiß ich, dass es ein unrealistisches Vorhaben war." "Hat dir unsere Wanderung denn keinen Spaß gemacht?" "Doch, aber ich wollte noch nicht so früh umkehren wie du." "Ich…“ "Ich will deine Erklärungen gar nicht hören. Glaubst du wirklich, das gesamte Gerichtswesen von Boston wird aus den Fugen geraten, wenn du dir ein paar Tage frei nimmst?" Sie blickte ihn ernst an. Er seufzte. "Nein, natürlich nicht." "Gut. Dann fangen wir sofort damit an, es in die Tat umzusetzen." Sie nahm ihm das Handy weg. "Keine Telefongespräche mehr." Langsam zog Alec sie an sich, bis sie seinen Atem auf ihrer Wange spüren konnte. "Wenn ich nicht arbeite, muss ich mich irgendwie anders beschäftigen", neckte er sie und ließ eine Hand zu ihrem Nacken gleiten. "Wirst du mir dabei behilflich sein?" Sara blickte ihm in die Augen. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen, und die Welt um sie her schien zu versinken. "Natürlich. Ich stehe ganz zu deiner Verfügung." Erschrocken stellte sie fest, wie vielsagend das geklungen hatte. Eigentlich hatte sie nur einen Scherz machen wollen - stattdessen flirtete sie mit ihm! "Das ist mit Abstand das beste Angebot, das mir seit langem gemacht wurde." Alec küsste sie - mitten auf der Terrasse, wo jeder es sehen konnte! Er liebkoste sie so zärtlich und leidenschaftlich, als wären sie ein Liebespaar. Und er ließ sich sehr viel Zeit dabei, so als gäbe es nichts Wichtigeres auf der Welt. Sara sank ihm in die Arme und gab sich ganz ihren Gefühlen hin. Sie genoss das unbändige Verlangen, das er in ihr erweckte, und konnte an nichts anderes denken. Als Alec den Kopf hob und sie ansah, war sie unfähig, etwas zu sagen. Sanft lehnte er die Stirn an ihre. "Ich freue mich, dass du mir zur Verfügung stehst. Aber ich befürchte, du verstehst darunter etwas anderes als ich."
Warum hörte er nicht auf zu sprechen und küsste sie noch einmal? Sara räusperte sich. "Ich ... wir könnten zusammen zum Angeln gehen." Alec lachte und ließ sie los. "Das habe ich zum letzten Mal gemacht, als ich noch ein Kind war. Die beste Zeit dafür ist ganz früh am Morgen. Meinst du, das schaffst du?" "Natürlich kann ich früh aufstehen. Wir können uns jederzeit eins der Boote nehmen, die am Steg vertäut sind. Aber ich weiß nicht, woher wir die Angelruten bekommen", erwiderte sie betont gelassen. "Ich habe welche im Garderobenschrank gesehen. Köder sind auch dabei - es sei denn, dir ist die traditionelle Methode mit den Würmern lieber?" „Igitt, nein danke." Alec lachte, wandte jedoch den Blick nicht von ihr ab. Ihr wurde heiß. Konnte es sein, dass er sich erneut in sie verliebte? Oder war das nur Wunschdenken? "Wo bist du denn bei deinem heutigen Spaziergang gewesen?" "Ich habe im Hotel gefrühstückt und bin dann von dort aus hierher spaziert also habe ich jetzt den See einmal ganz umrundet.“ Er runzelte die Stirn. "Meinst du nicht, du überanstrengst dich ein wenig mit deinen Wanderungen?" "Was soll ich denn sonst den ganzen Tag tun? Zusehen, wie du telefonierst?" Er wies mit dem Kinn auf das Handy, das sie noch immer in der Hand hielt. "Das wird sich jetzt wohl ändern. Übrigens haben wir Eis in der Gefriertruhe. Möchtest du vielleicht etwas?" "Nur wenn es Schokoladeneis ist." Sie gingen hinein. Sara fragte sich, was Alec wohl für ein Spiel mit ihr trieb. Sie konnte nicht glauben, dass er ihr wirklich sein Handy überlassen würde. Und doch freute sie sich darüber, dass sie zumindest für den Moment die Verbindung zu seiner Kanzlei unterbrochen hatte. Es ist ein Anfang, dachte sie zufrieden.
7. KAPITEL Nach dem Abendessen saßen Sara und Alec auf der Terrasse und sahen zu, wie die Sonne hinter den Hügeln versank. Es herrschte eine friedliche und stille Atmosphäre. Durch die Bäume schienen Lichter von den anderen Ferienhäusern zu ihnen. Entspannt und zufrieden betrachtete Sara den dunkler werdenden Himmel, an dem bereits die ersten Sterne zu leuchten begannen. Alec stand auf und ging unruhig zum anderen Ende der Terrasse. "Ich habe das Gefühl, etwas unternehmen zu müssen." "Aber das tust du doch auch. Du ruhst dich aus! Setz dich wieder hin, und entspann dich." "Du hast gut reden, schließlich warst du heute so aktiv, dass du wahrscheinlich ganz erschöpft bist."
"Nein, nur ein bisschen. Ich fühle mich sehr wohl. Aber du hast doch auch gearbeitet und bist sicher ebenfalls müde. Mach es dir einfach bequem. Bald sind sicher viele Sterne zu sehen." Er blickte flüchtig zum Himmel. "Wollen wir einen Spaziergang machen?" "Ich finde, wir sollten lieber hier bleiben und uns unterhalten", erwiderte sie schnell. „Es wundert mich nicht, dass du einen Unfall hattest - du gönnst dir wirklich nicht die kleinste Pause." Alec ließ sich in einen der Liegestühle fallen. "Ich verstehe nicht, warum Frauen immer reden wollen", sagte er ungeduldig. "Das ist doch reine Zeitverschwendung!“ „Tatsächlich?" „Immer wollen sie über Gefühle sprechen. Man empfindet nun einmal so oder so - darüber zu reden ändert doch nichts!" "Aber manchmal hilft es, einander besser zu verstehen." Er stand wieder auf und lief unruhig hin und her. "Also gut, wenn du es unbedingt wissen willst: Ich ärgere mich, dass ich diesen Unfall hatte und mir nun jeder - mein Bruder, meine Sekretärin, mein Arzt - erzählt, dass ich Erholung brauche. Ich bin wütend, dass du mir nicht früher von dem Baby erzählt hast. Und ich habe dir noch immer nicht verziehen, dass du mich verlassen hast. Hilft das irgendwie weiter?" fragte er gereizt. "Nicht solange du von deiner Arbeit derartig besessen bist“, erwiderte Sara ruhig. "Was helfen würde, wäre Folgendes: Erklär mir, warum du nicht einfach drei kurze Wochen deine Fälle vergessen und dich entspannen kannst. Nach dem Urlaub könntest du dich wieder ganz erholt deiner Arbeit in der Kanzlei widmen. " "Darüber haben wir doch neulich schon gesprochen und uns geeinigt, dass wir gemeinsam Dinge unternehmen werden", versuchte Alec vom Thema abzulenken. "Wir sollten lieber über uns sprechen - vor allem über deine Pläne für die Zeit nach der Geburt." "Ein einziger Spaziergang ist doch noch kein Urlaub", entgegnete sie, ohne auf seine letzte Bemerkung einzugehen. "Aber ich fühle mich ausgeruht. Mir geht es gut." "Abgesehen von deinen Schwindelanfällen und den Schmerzen, die du manchmal im Arm hast." "Woran hast du das gemerkt?" fragte Alec erstaunt. "Ich bin doch nicht blind! Außerdem weiß ich, dass es nun einmal schmerzt, wenn gebrochene Knochen verheilen. Es wäre sicher hilfreich, wenn du dich öfter ausruhen würdest." Ehe er etwas erwidern konnte, stand sie auf und sagte: "Ich gehe jetzt ins Bett. Wir wollen morgen ja früh aufstehen. Ich hoffe nur, das Baby lässt mich schlafen." "Hält es dich oft wach?" Sara blieb im Türrahmen stehen und antwortete: "Manchmal ist das Kleine nachts sehr aktiv und weckt mich. Dann fällt es mir schwer, wieder einzuschlafen."
Alec lehnte sich an das Geländer und sah sie eingehend an. Oft hatte sie sich gewünscht, er würde ihr seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenken. Doch in diesem Moment machte es sie nervös. "Wie wird dein Leben aussehen, wenn das Baby erst mal da ist?" "Das ist eine der Entscheidungen, die ich während dieses Urlaubs treffen muss. Ich möchte, dass mein Kind es so gut wie möglich hat." "Das will ich auch. Komme ich überhaupt in deinen Plänen vor?" "Möchtest du das denn?" "Das weißt du doch, Sara", antwortete er. "Es ist mir sehr wichtig, im Leben des Kindes eine Rolle zu spielen. Denn ich bin nur mit einem Elternteil aufgewachsen und habe meine Mutter schrecklich vermisst. Ich möchte nicht, dass mein Kind etwas Ähnliches erlebt." "Und ich will meinem Kind Enttäuschungen ersparen! Wir werden uns immer freuen, wenn du zu Besuch kommst - aber darauf verlassen werden wir uns nicht.“ Er runzelte die Stirn. "Ich würde mein Kind nicht im Stich lassen.“ "Tatsächlich? Das hast du bei mir doch auch getan." Sie schwiegen eine Weile. Dann sagte er sanft: "Das war nicht meine Absicht." "Sicher hast du auch nicht vor, unser Kind zu enttäuschen, wenn du ihm etwas versprichst und das Versprechen dann doch nicht einhalten kannst. Aber genau das würde passieren. Und solche Erfahrungen möchte ich ihm ersparen." Er wurde wütend. Glaubte sie wirklich, dass er sich seinem Kind gegenüber so verhalten würde? "Jetzt übertreibst du aber. Das würde ich niemals tun!“ Sie antwortete nicht, doch er wusste, dass sie ihm nicht glaubte. „Es wird mir nicht genügen, das Kind einmal in der Woche zu besuchen. Ich möchte immer wissen, wie es ihm geht, und sehen, wie es heranwächst", sagte er. Und plötzlich wurde ihm klar, dass es die Wahrheit war. Er war schließlich der Vater und wollte mit dazu beitragen, dass sein Kind ein glückliches Leben haben würde. "Und wie willst du das in die Tat umsetzen? Indem wir uns das Sorgerecht teilen?" „Es gibt auch noch andere Möglichkeiten." "Zum Beispiel die, dass wir wieder zusammenleben?" Erstaunt blickte Alec Sara an. War es das, was sie wollte? Immerhin hatte sie ihn verlassen. Doch sie hatte Recht mit ihrem Argument, dass er nicht unschuldig daran gewesen war. Würde er sich jemals verändern können? Könnte er überhaupt weniger arbeiten, ohne seine Karriere zu gefährden, damit er mehr Zeit für seine Familie hätte? Sara blickte zum See, der in der Dunkelheit kaum noch zu sehen war. "Wie dem auch sei: Eigentlich stehen meine Pläne bereits fest. Ich habe mich mit meinem Chef geeinigt, dass ich jeden Tag einige Stunden arbeiten werde, um den Rest der Zeit mit meinem Baby verbringen zu können. Außerdem gibt es im Unternehmen eine eigene Kinderbetreuung. Wir beide werden uns also nur über
die Besuchszeiten einigen müssen." Sie wandte sich um. "Darüber können wir ein anderes Mal sprechen. Gute Nacht." Als sie gegangen war, blieb Alec noch eine Weile allein auf der Terrasse sitzen und dachte nach. Sara hatte davon gesprochen, wieder ein gemeinsames Leben zu führen. Aber kam diese Möglichkeit für sie wirklich in Betracht? In den frühen Morgenstunden des nächsten Tages klopfte Alec an Saras Schlafzimmertür. Es kam keine Antwort. Er klopfte noch einmal. "Was ist passiert? Wer ... wer ist da?" hörte er sie schläfrig fragen. Er musste lächeln. Sie brauchte morgens immer eine Weile, bis sie richtig wach war. Er hatte sie oft deswegen geneckt. Doch manchmal hatte sie morgens wach im Bett gesessen und ihn betrachtet, wenn er aufgewacht war. Am liebsten wäre er in ihr Zimmer gegangen und hätte sie wachgeküsst. Ob sie noch immer Nachthemden aus zartem, halb durchsichtigem Stoff trug? Er stellte sich vor, wie zerzaust ihr Haar aussah. Es war jedoch so kurz, dass es kurze Zeit nach dem Aufstehen wieder in Form fallen würde. Alec sehnte sich danach, Sara beim Wachwerden zuzusehen. Er konnte förmlich ihre Wärme spüren. Doch dann verdrängte er den Gedanken energisch. "Ich bin es, Alec. Willst du immer noch zum Angeln gehen?" "Natürlich. Wie spät ist es denn?" "Kurz nach fünf Uhr. Wenn die Sonne aufgeht, sollten wir schon auf dem Wasser sein." „In zehn Minuten bin ich fertig." Er hörte Geräusche. Plötzlich ging die Tür auf, und Sara wäre fast gegen ihn gerannt. "Entschuldigung! Ich bin gleich so weit." Mit ihren Kleidern im Arm eilte sie ins Badezimmer. Alec blickte ihr nach. Sara trug ein langes Nachthemd, unter dem sich ihre Kurven jedoch deutlich abzeichneten. Wütend auf sich selbst, stellte er fest, dass allein dieser Anblick in ihm ein fast unwiderstehliches Verlangen auslöste. Am liebsten hätte er sie zum Bett getragen, um sie den ganzen Tag zu lieben. Er ging in die Küche und beschloss, Kaffee zu kochen, um sich ein wenig abzulenken. Dann bereitete er Kräutertee für Sara zu. Erfreut nahm sie den Becher entgegen, als sie kurze Zeit später in die Küche kam. Alec sah ihr zu, wie sie in der Küche umherlief und Bagels mit Frischkäse zum Frühstück zubereitete. Sie reichte ihm einen und fragte: "Müssen wir auch Proviant fürs Mittagessen mitnehmen?" "Nein, wir werden am späten Vormittag schon wieder hier sein. Bist du fertig?" "Ja", erwiderte sie und nahm ihren Bagel vom Teller. "Ich kann auf dem Weg zum See weiteressen." Die Sonne ging gerade erst hinter den Hügeln auf, und es war noch kühl. Kein Lüftchen regte sich, als sie den mit Tannennadeln bedeckten Weg zum See gingen. Auch ihre Nachbarn schienen noch zu schlafen. Alec trug die Angelausrüstung.
Am Anlegesteg stieg er in eins der beiden vertäuten Boote und legte die Angeln hinein. Dann half er Sara beim Einsteigen. Er umfasste ihre Taille und spürte die starke Rundung ihres Bauches. Sara lachte fröhlich - ein Geräusch, das ihm in den letzten Monaten sehr gefehlt hatte und ihn für einen kurzen Augenblick glücklich machte. Sie legte ihm die Hände auf die Schultern und stieg ins Boot, das heftig zu schaukeln begann. Doch Alec hielt sie fest. "Bring uns bloß nicht zum Kentern!“ "Ich werde mir Mühe geben - das Wasser muss eiskalt sein." Sie ließ sich vorsichtig auf einem der Sitze nieder und lächelte strahlend. „Es war wirklich eine gute Idee, zu angeln." Alec kontrollierte den Benzinstand. Der Tank war fast voll, und so machte er das Boot los und startete den Motor. In der Stille kam Sara das Brummen sehr laut vor. "Hoffentlich wecken wir nicht die anderen Gäste auf", sagte sie ein wenig besorgt. "Es ist nicht so laut, wie es scheint. Und du bist ja auch nicht vom Motorengeräusch eines der anderen Boote wach geworden, stimmt's?" Sie blickte sich um. Es waren bereits ein halbes Dutzend Boote auf den spiegelglatt wirkenden See hinausgefahren, ohne dass sie etwas davon gemerkt hatte. Als Alec den Motor wieder ausstellte, war die Sonne bereits ganz aufgegangen. Es wurde langsam wärmer. Er lehnte sich bequem zurück. "Ich war noch nie zum Angeln, du musst mir also alles erklären", sagte Sara und drehte sich ein wenig. Das Boot schaukelte heftig. "Du meine Güte, wie sollen wir uns nur bewegen, ohne zu kentern?" "Am besten gar nicht", erwiderte Alec. "Gibst du mir bitte den Behälter mit den Ködern? Ich werde dir zeigen, was du machen musst." Kurze Zeit später hing an beiden Enden des Bootes eine Angel im Wasser. Sara schien gespannt und voller Vorfreude zu sein. Alec betrachtete sie amüsiert. Offenbar erwartete sie, schon innerhalb der nächsten fünf Minuten einen Fisch zu fangen. Nachdem eine Viertelstunde vergangen war, blickte sie ihn stirnrunzelnd an. "Was ist so komisch?" fragte sie misstrauisch. "Machst du dich über mich lustig?" "Du scheinst zu glauben, dass dir die Fische sofort und wie von selbst ins Boot springen. Aber Angeln ist eine langwierige Angelegenheit. Also entspann dich, und warte ab." "Ich kann mich aber nicht entspannen, wenn ich Angst haben muss, dass bei der kleinsten Bewegung das Boot umkippt. Und außerdem haben wir bei unserer Ausflugsplanung nicht bedacht, wie oft schwangere Frauen die Toilette aufsuchen müssen." Um Alecs Mund zuckte es leicht. "Sollen wir zurückfahren?"
Sie schüttelte missmutig den Kopf. "Eine Weile halte ich es schon noch aus. Aber eigentlich hatte ich gedacht, dass wir inzwischen schon einige Fische gefangen hätten. Ich wollte mich so gern bei den Simpsons für ihre Gastfreundschaft revanchieren und sie ebenfalls zum Abendessen einladen." "Bestimmt werden wir ebenso viele Fische fangen wie Mr. Simpson, wenn wir etwas Geduld haben." "Ich muss mir nicht von einem Workaholic sagen lassen, ich solle mich entspannen!" Alec musste lachen. Sie sah ihn an und lächelte schalkhaft. Ihre Augen glänzten. Plötzlich sehnte er sich danach, sie an sich zu ziehen und zu küssen. Er wollte die ungewohnten Formen ihres Körpers erkunden, Saras Duft einatmen, ihre zarten Lippen liebkosen - und das überwältigende Gefühl der Zusammengehörigkeit spüren, das ihn erfüllte, wann immer er sie umarmte. Schnell wandte er sich ab. Da spürte er ein leichtes Ziehen an seiner Angel. Im selben Momente bewegte sich auch Saras. Sie geriet so in Aufregung, dass sie fast das Boot zum Kentern gebracht hätte. "Ich habe einen Fisch! Ich habe einen Fisch!“ Mit Schwung zog Alec seine Angel aus dem Wasser. Der Fisch glänzte in der Sonne. "Pass auf, dass er mich nicht berührt! " rief Sara ängstlich. Sie stellte die Füße auf der anderen Seite der Sitzbank ab und blickte sich im Boot um. "Wohin tust du den Fisch jetzt? Wir können ihn doch nicht einfach so auf dem Boden liegen lassen!" "Neben dir steht ein Korb, in dem wir unseren Fang aufbewahren können." Sie reichte ihm den Behälter. Geschickt nahm Alec den Fisch vom Haken und legte ihn hinein. "Und was ist mit deinem Fisch?" Sara wandte sich um und begann, die Angelleine einzuholen. Als der Fisch aus dem Wasser kam, wusste sie offenbar nicht, was sie mit ihm anfangen sollte. Alec musste über ihren verdutzten Gesichtsausdruck lachen. Mit Sara zu angeln ist etwas ganz anderes als mit Wyatt, dachte er amüsiert. "Hol ihn ins Boot!" Sie befolgte seine Anweisung mit so viel Schwung, dass Alec den Fisch beinahe ins Gesicht bekommen hätte. Er machte ihn vom Haken los und legte ihn ebenfalls in den Korb. "Ich muss jetzt zurück", sagte Sara plötzlich. "Hast du schon genug vom Angeln?" Sie schüttelte den Kopf. "Nein, aber vielleicht sollte ich lieber vom Anlegesteg aus weiterangeln. Und jetzt muss ich erst einmal an Land - sofort!" Alec steuerte das Boot so schnell wie möglich zurück zum Steg. Kaum hatten sie angelegt, da stieg Sara aus. "Ich bin gleich zurück", rief sie ihm über die Schulter zu, während sie zum Haus rannte. Er blickte ihr nach. Sollte der Angelausflug damit schon beendet sein? Plötzlich merkte er, wie gern er wieder auf den See hinausfahren, Sara beim Angeln beobachten und ihr zuhören würde. Er blickte auf die Uhr. Bald würde
Teresa, seine Sekretärin, in die Kanzlei kommen. Aber zum ersten Mal hatte er nicht das dringende Bedürfnis, seinen Mitarbeitern Anweisungen zu geben und sich zu vergewissern, dass die Bearbeitung seiner Fälle nach Plan lief. Sara hat Recht, dachte er. Bostons Gerichte würden nicht aus den Fugen geraten, wenn er einmal nicht da wäre. Er beschloss, erst später zum Bürocenter zu fahren. Vielleicht wenn Sara einen Mittagsschlaf machte - dann würde sie es gar nicht bemerken. Aus irgendeinem Grund wollte er nicht, dass sie enttäuscht wäre. Als es Mittag wurde, war Sara erschöpft, aber zufrieden. Der Angelausflug hatte ihr großen Spaß gemacht. Jedes Mal, wenn es nötig war, brachte Alec sie zurück ans Ufer, ohne sich zu beschweren. Die Sicherheit, mit der er das Boot trotz seines Gipsarms lenkte, beeindruckte sie. Als sie das erste Mal vom Ferienhaus zurückkam und sah, wie er am Steg auf sie wartete, klopfte ihr Herz schneller. Sie schlug ihm vor, er solle allein wieder auf den See hinausfahren, doch er lehnte ab. Während des Ausflugs erzählte sie wesentlich mehr als er. Kein Wunder, dass Alec als Staatsanwalt solchen Erfolg hat, dachte sie. Es fiel ihm einfach leicht, Menschen mit einer kurzen Frage zum Reden zu bringen. Vielleicht würde sie ihm einmal bei einer seiner Gerichtsverhandlungen zusehen. Sie könnte Elizabeth nach den Terminen fragen und sich dann unauffällig in die hinteren Zuschauerreihen setzen. Doch so weit voraus wollte Sara jetzt noch nicht denken. Heute hatten sie einen sehr schönen Vormittag zusammen verbracht. "Ich bin wirklich beeindruckt", sagte sie, als sie das Boot festmachten. "Du hast heute Morgen nicht ein einziges Mal über deine Arbeit gesprochen." "Ich habe jedes Mal daran gedacht, wenn du zum Ferienhaus gelaufen bist“, neckte er sie und berührte sie flüchtig am Kinn. "Und wenn du deinen Mittagsschlaf machst, werde ich zum Bürocenter fahren." "Und ich hatte gehofft, du wärst endlich zur Vernunft gekommen", erwiderte sie gespielt verzweifelt. Sie gingen zurück. Unterwegs kamen ihnen die Simpsons entgegen. "Wie ich sehe, waren Sie auch schon zum Angeln. Hoffentlich haben Sie uns nicht alle Fische weggefangen!" sagte Paul Simpson. "Ich dachte, man müsste zum Angeln sehr früh aufstehen?" Sara warf Alec einen misstrauischen Blick zu. "Das wurde mir zumindest gesagt." Mr. Simpson lachte. "Das stimmt. Aber ich hatte keine Lust, während meines Urlaubs so früh aufzustehen. Vielleicht werden wir nicht ganz so viele Fische fangen, aber es geht uns auch vor allem darum, gemeinsam etwas zu unternehmen." Alec und Sara wünschten den beiden viel Glück und gingen weiter. "Sie sind wirklich nett, stimmt's?" fragte sie. "Darüber haben wir doch vor ein paar Tagen schon gesprochen. Ja, sie sind nett. Ja, sie sind verliebt. Ja, sie führen eine glückliche Ehe. Ausnahmen bestätigen die Regel", erwiderte Alec, als sie in den Schatten der Bäume traten. Die kühle Luft tat gut.
"Du bist wirklich zynisch." "Nein, nur realistisch." "Wyatt und Elizabeth sind ebenfalls verliebt und sehr glücklich.“ "Und ihre Ehe hat bisher zwei Jahre gehalten. Würdest du das etwa als Rekord bezeichnen?" neckte er sie. Doch sie ging nicht darauf ein. Sie musste daran denken, dass ihre Ehe mit Alec schon nach einer viel kürzeren Zeit in die Brüche gegangen war. Sie zuckte die Schultern und wechselte das Thema. "Kannst du die Fische säubern oder mir zeigen, wie es geht?" "Ich werde das übernehmen. Du kannst dich währenddessen ein bisschen ausruhen." "Ja, ich bin wirklich ziemlich müde. Das kommt sicher von der ganzen frischen Luft." Vielleicht lag es auch daran, dass sie letzte Nacht, nachdem sie über das Baby gesprochen hatte, lange wach gelegen und nachgedacht hatte. Sara sehnte sich nach einer Familie. Trotzdem musste sie sich entscheiden, ob sie sich von ihrem Mann scheiden lassen wollte. Doch daran hatte sie schon seit Tagen nicht mehr gedacht. Das heißt aber nicht, dass ich mit ihm verheiratet bleiben will, redete sie sich ein. "Schade, dass wir nicht genug Fische gefangen haben, um unsere Nachbarn zum Essen einzuladen", sagte sie und hoffte, Alec würde ihr nicht anmerken, worüber sie nachgedacht hatte. "Wir könnten morgen noch einmal zum Angeln rausfahren", schlug er vor. "Lieber nicht. Ich möchte nicht schon wieder so früh aufstehen." "Wie wäre es dann mit einer Wanderung zu den Höhlen?" "Gute Idee. Sie werden dir bestimmt gefallen. Wir könnten Seeräuber spielen, wie in deiner Kindheit. Ich übernehme Wyatts Rolle." Alec legte ihr den Arm um die Schultern. "Ehrlich gesagt, ich kann mir dich besser als Gefangene vorstellen, die ich entführt habe, um Lösegeld zu erpressen." „Für mich würde doch niemand Lösegeld bezahlen!“ "Tja, dann würde ich dich wohl für immer in meiner Gewalt haben." Er tat so, als würde er einen mächtigen Schnurrbart zwirbeln. Sara lachte, doch ihr Herz klopfte heftig. Unwillkürlich malte sie sich aus, wie Alec sie in seine starken Arme schließen würde. Sie brachte kein Wort heraus, als sie sich vorstellte, wie er sie küssen, ihr die Hände über den Körper gleiten lassen und ein unbändiges Verlangen in ihr wecken würde .... Mit einem Mal war ihre Müdigkeit wie weggeblasen. Sie war hellwach, und ihre Haut prickelte vor Erregung. Doch energisch unterdrückte sie diese Gefühle. Alec und sie waren eine Beziehung eingegangen, und es hatte nicht funktioniert. Ihre Pläne und Träume waren einfach zu unterschiedlich. Nur die starke körperliche Anziehung zwischen ihnen hatte nie nachgelassen. Als sie das Ferienhaus erreichten, ging Alec sofort in die Küche, um den Fisch zu säubern und im Kühlschrank zu verstauen. Sara beobachtete ihn eine Weile
und versuchte herauszufinden, ob ihre Gegenwart ihn auch erregte. Doch Alec war nichts anzumerken. Seine Miene war undurchdringlich. Schließlich seufzte Sara und ging nach oben, um ihren täglichen Mittagsschlaf zu halten. Sie legte sich ins Bett und zog eine leichte Decke über sich. Ein Workaholic wie Alec ändert sich wohl nie - die Arbeit ist ihm wichtiger als alles andere, dachte sie. Warum konnte sie es nicht endlich akzeptieren? Sara schlief unruhig. Spät am Nachmittag wachte sie auf, fühlte sich jedoch nicht ausgeruht. Sie duschte ausgiebig, wusch sich die Haare. Sie waren so kurz, dass sie innerhalb kurzer Zeit von selbst getrocknet waren. Dann setzte sie sich auf die Terrasse und genoss den warmen, stillen Spätnachmittag. Irgendwann fragte sie sich, wann Alec wohl wiederkommen würde, doch sie ermahnte sich sofort. Sie konnte sich allein beschäftigen und ihren Urlaub ohne ihn genießen. Sie hatte sich Bücher und Zeitschriften mitgebracht, und außerdem musste sie über einige Dinge nachdenken und wichtige Entscheidungen treffen. Doch sie blieb träumend auf der Terrasse sitzen, blickte auf die Straße und horchte auf das Motorengeräusch eines Jeeps. Schließlich war es fast sieben Uhr, und sie wurde langsam hungrig. Sie beschloss, mit dem Essen nicht auf Alec zu warten das hatte sie in der Vergangenheit bereits zu oft vergeblich getan. Sie briet den Fisch, bereitete einen Salat zu und schnitt frisches Maisbrot. Dann setzte sie sich an den Tisch und aß, während sie aus dem Fenster blickte und zusah, wie die Sonne als roter Feuerball hinter den hohen Bäumen versank. Es ist ganz normal, dass ich mich ein bisschen einsam fühle, dachte sie. Es lag daran, dass sie in den letzten Tagen so viel Zeit mit Alec verbracht und sich an seine Gesellschaft gewöhnt hatte. Doch warum kam es ihr so vor, als würde sie sich selbst belügen? Sie stellte Alecs Essen in den Kühlschrank. Falls er nicht im Hotel gegessen hatte, würde er es sich später aufwärmen können. Als Alec die Tür öffnete, war er darauf vorbereitet, dass Sara ihm Vorwürfe machen würde. Das Wohnzimmer war leer. Das sanfte Licht von zwei Lampen erhellte es, und in der Luft lag ein schwacher Duft nach gebratenem Fisch. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen. Er ging in die Küche, doch auch sie war leer. War Sara ausgegangen? Enttäuscht ging er wieder ins Wohnzimmer und legte seine Aktentasche aufs Sofa. Er hatte länger als erwartet im Bürocenter bleiben müssen und damit gerechnet, dass Sara darüber verärgert sein würde, dass ihm seine Arbeit wieder einmal wichtiger war als alles andere. Doch diesmal hatte er einen wichtigen Grund gehabt und hoffte auf ihr Verständnis. Plötzlich hörte er Geräusche, die aus dem Badezimmer zu kommen schienen. Er ging nach oben und klopfte an die Badezimmertür. "Sara?" "Hallo, Alec", rief sie fröhlich. "Musst du ins Badezimmer?"
"Nein, ich bin nur eben nach Hause gekommen und habe mich gefragt, wo du bist." "Ich nehme gerade ein Bad." Er lehnte sich mit der Stirn gegen die Tür und schloss die Augen. Unwillkürlich stellte er sich Sara vor, die von Schaum bedeckt in der Badewanne lag. Ihre Haut würde rosig und samtweich sein. Am liebsten hätte er die Tür geöffnet, wäre zu ihr ins Wasser gestiegen und hätte ihr die Hände über die feuchte Haut gleiten lassen und ... "... du musst es also aufwärmen, aber es schmeckt sicher trotzdem gut", hörte er sie sagen. "Was?" „Den Fisch, den ich zum Abendessen gebraten habe", erwiderte sie etwas lauter. "Er steht im Kühlschrank. Wärm ihn dir einfach auf." Er hatte noch nicht gegessen und war sehr hungrig. Der Fisch schmeckte einfach köstlich. Sara hatte schon immer ausgezeichnet gekocht. Alec wünschte, er hätte mit ihr zusammen gegessen. Sicher war sie sehr stolz darauf gewesen, den selbst gefangenen Fisch zuzubereiten. Er hörte, wie die Badezimmertür aufging. Ob Sara wohl noch einmal nach unten kommen würde? Er setzte sich so hin, dass er die Treppe im Auge behalten konnte.
8. KAPITEL Nach dem Bad war Sara entspannt und gut gelaunt. Da sie nachmittags lange geschlafen hatte, war sie nicht müde und beschloss, noch eine Weile wach zu bleiben. Sie betrachtete sich im Spiegel. Der lange Bademantel umspielte locker ihren Körper und schützte sie vor der kühlen Abendluft. Der dunkle Roséton stand ihr ausgezeichnet. Sie überlegte, ob sie sich ein wenig schminken sollte, entschied sich aber dagegen. Alec sollte keine falschen Schlüsse ziehen. Sie atmete tief ein und ging nach unten. "Das Essen hat wirklich fantastisch geschmeckt." Alec stand auf und wollte sie zum Sofa führen. Doch sie blieb lieber auf Distanz und nahm auf einem Sessel Platz. "Es freut mich, dass es dir geschmeckt hat." "Bitte entschuldige, dass ich erst so spät wiedergekommen bin." Sie zuckte die Schultern. "Du kannst deinen Urlaub verbringen, wie du es möchtest", erwiderte sie betont gelassen, ohne ihn dabei anzusehen. "Es ist etwas passiert, womit ich nicht gerechnet hatte. Ich habe dir doch von der Gerichtsverhandlung erzählt, die kurz nach meinem Urlaub stattfinden wird, stimmt's?" Sara dachte kurz nach. Dann erinnerte sie sich und nickte.
"Ein neuer Zeuge ist aufgetaucht, der unsere sämtlichen Pläne über den Haufen wirft. Ich muss also eine ganz neue Strategie ausarbeiten und habe deshalb mit verschiedenen Personen sprechen müssen, unter anderem mit dem Anwalt der gegnerischen Partei." "Wird deine Position durch diesen Zeugen geschwächt?" Sara freute sich darüber, dass Alec mit ihr über seine Arbeit sprach. Das hatte er bisher nur sehr selten getan. "Vielleicht." Er erzählte von seiner ursprünglich geplanten Strategie und den neuen Plänen. Plötzlich unterbrach er sich. "Bitte entschuldige, das alles muss furchtbar langweilig für dich sein." "Nein, im Gegenteil, es ist sehr interessant! Ich bedauere wirklich, dass ich dir noch nie bei einer Gerichtsverhandlung zugesehen habe. Das muss ich unbedingt nachholen." Er blickte sie so überrascht an, dass sie lachen musste. "Sag mir einfach, wann du kommen möchtest. Ich werde dafür sorgen, dass du in der ersten Reihe sitzen kannst", sagte er schließlich. "Abgemacht.“ Schweigend blickten sie einander an. Sara spürte, wie ihr Herz heftig schlug und eine starke Erregung von ihr Besitz ergriff. Plötzlich bewegte sich das Baby, und der Bann war gebrochen. Was, um alles in der Welt, tat sie nur? Statt über die Scheidung nachzudenken, flirtete sie mit Alec. "Ich ... ich gehe jetzt schlafen." Sara stand auf. Sie brauchte jetzt ein wenig Zeit für sich, um wieder einen klaren Gedanken fassen zu können. Vor allem musste sie sich ein für alle Mal aus dem Kopf schlagen, dass Alec sich von ihr angezogen fühlte. Schließlich war sie im achten Monat schwanger - nicht einmal ein bis über beide Ohren verliebter Mann würde sie in diesem Zustand hübsch finden! "Würdest du morgen Abend mit mir im Restaurant des Hotels essen gehen? Ich habe einen Tisch reservieren lassen. Es gibt dort auch eine recht gute Band. Ich habe sie heute spielen hören, als ich vom Bürocenter kam. Wir könnten also nach dem Essen auch ein wenig tanzen." Sie hätte am liebsten sofort zugestimmt. Bei dem Gedanken, mit Alec zu tanzen, wurde ihr fast schwindelig. Doch sie zögerte. "Ich ... ich weiß nicht ..." "Bitte sag doch Ja. Essen musst du sowieso, und es wäre doch nett, wenn du einmal nicht zu kochen brauchst." Das klang alles andere als romantisch. "Also gut", stimmte sie zu und versuchte, sich die Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. "Gute Nacht." Sie ging an ihm vorbei zur Treppe. Einen Moment lang glaubte sie, er würde die Hand nach ihr ausstrecken und ... "Gute Nacht, Sara. "
Als Sara am nächsten Morgen nach unten kam, duftete es dort bereits nach Kaffee. Alec saß in der Küche. Vor ihm auf dem Tisch lag etwas, das wie ein Knäuel Fäden aussah. "Was ist das denn?" fragte Sara. "Eine Hängematte. James Martin hat sie vorbeigebracht. Er und Hilary fahren heute wieder nach Hause. Sie hatten sie an der Rezeption ausgeliehen." "Ich habe schon seit Jahren nicht mehr in einer Hängematte gelegen", stellte sie fest. Dann füllte sie Wasser in den Teekessel und setzte sich zu Alec an den Tisch. "Weißt du, wie man sie aufhängt?" „Ja, James hat es mir gezeigt." Er blickte sie an. "Allerdings ist es eine ZweierHängematte. Das wollte ich nur erwähnen falls du schon vorhattest, den Nachmittag in Ruhe und allein zu verbringen." Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. "Du wirst ja ohnehin die meiste Zeit im Bürocenter verbringen. Dann habe ich die Matte ganz für mich." "Da wäre ich mir nicht so sicher. Ich möchte sie unbedingt ausprobieren. Hängematten wecken nostalgische Gefühle in mir. Meine Großeltern hatten nämlich eine. Wyatt und ich haben uns so lange darum gestritten, bis sie einen genauen Zeitplan aufgestellt haben." "Das könnten wir natürlich auch tun", sagte Sara und lächelte schalkhaft. Ihre Augen glänzten. "Oder nicht?" "Keine Chance, Darling. Es sei denn, du nimmst die Schicht von neun Uhr abends bis Mitternacht, während ich die Hängematte nachmittags benutzen kann." "Sie träumen wohl, Mr. Blackstone!" protestierte sie. "Du solltest wirklich etwas mehr Rücksicht auf mich nehmen schließlich bin ich schwanger!" "Aber das tue ich doch! Ich möchte dich und das Baby nicht allein lassen. Und außerdem muss dir jemand helfen, wieder auszusteigen. Wir beide wissen doch, wie oft du auf die Toilette musst!" Er erwiderte ihr Lächeln. "Lass es uns doch nach dem Mittagessen gemeinsam ausprobieren." "Vielleicht." Der Gedanken daran, wie sie und Alec zusammen in der Hängematte lagen, ließ Sara den Atem stocken. Schnell stand sie auf, ging zum Kühlschrank und nahm Eier, Spinat und Käse heraus. Vielleicht bringt mich das Kochen auf andere Gedanken, dachte sie nervös. "Was möchtest du heute Morgen unternehmen?" Alec lehnte sich zurück und beobachtete, wie sie sich ein Omelett zubereitete. Sie entspannte sich. "Ich weiß es noch nicht. Musst du denn nicht arbeiten?" "Nein, heute nicht. Ich habe verschiedene Nachforschungen für das Gerichtsverfahren in die Wege geleitet und Arbeit delegiert, so dass jetzt einige meiner Kollegen für mich die Vorarbeit leisten." Überrascht drehte sie sich um. "Habe ich richtig gehört? Du hast einen Teil deiner Arbeit abgegeben?" Er nickte. "Wie wäre es also mit einer Fahrt im Tretboot?"
"Bist du sicher, dass es eine gute Idee ist?" wollte Sara wissen, als sie eine Stunde später auf dem Bootssteg standen und die nicht sehr stabil wirkenden Tretboote betrachteten. "Ich habe schon viele Besucher gesehen, die damit gefahren sind", erwiderte Alec. "Und keiner von ihnen ist untergegangen.“ "Also gut, versuchen wir es!" Entschlossen hob sie das Kinn und stieg vorsichtig ins Boot. Als er sich neben sie setzte, stockte ihr der Atem: Er war ihr so nahe, dass ihre Hüften und ihre Beine sich berührten. Seine Schultern schienen viel zu breit zu sein. Es wird nicht funktionieren, dachte sie nervös. Alec machte das Seil los und stieß das Boot vom Steg ab. Das Fahrzeug schwankte heftig. "Vorsicht!" rief Sara erschrocken. Er legte ihr den Arm um die Schultern und lehnte sich zurück. "Diese Boote wurden offensichtlich für kleinere Menschen konzipiert.“ "Aber Spaß macht es trotzdem", stellte sie begeistert fest, als sie langsam dahinglitten. Sonnenstrahlen spiegelten sich auf dem Wasser, und die hohen Bäume hoben sich majestätisch gegen den strahlend blauen Himmel ab. Eine leichte Brise wehte über den See und spendete angenehme Kühle. Einige Male fuhren sie im Kreis, weil Alec stärker trat als sie. Eifrig versuchte Sara, mit ihm mitzuhalten. Sie lachte über seine Späße und genoss es, ihn so nahe neben sich zu spüren: seinen Arm um ihre Schultern, seine Beine an ihren. "Wyatt und Elizabeth haben sich wirklich einen tollen Urlaub entgehen lassen", stellte sie fest, als sie umkehrten und zum Steg zurückfuhren. "Wärst du nicht auch lieber nach Europa gefahren?" "Nein. Hier kann ich mich in meiner eigenen Sprache verständigen, brauche kein Geld umzutauschen und nicht alle zwei Tage meine Koffer zu packen. Ich wünschte nur, ich hätte mehr Zeit der Urlaub scheint wie im Flug zu vergehen." "Ein paar Tage bleiben uns ja noch." Sie nickte. Das Einzige, was ihre Freude trübte, war die Tatsache, dass die gemeinsame Zeit mit Alec bald zu Ende sein würde. Würde sie ihn danach jemals wieder sehen? Hatte er vor, sie und das Baby regelmäßig zu besuchen, oder würde er zu beschäftigt sein, um dafür Zeit zu finden? Die Vorstellung machte sie unendlich traurig. "Ist alles in Ordnung?" fragte er. Sie nickte lächelnd. "Das Bootfahren macht noch mehr Spaß, als ich gedacht hatte." Als Alec nichts erwiderte, wandte sie sich um und merkte, dass er sie eingehend ansah. Dann beugte er sich zu ihr und küsste sie. Sie schloss die Augen und gab sich den Gefühlen hin, die sie überwältigten. Sie wünschte, der Kuss würde niemals aufhören. Plötzlich zog Alec sich zurück und schloss für einen kurzen Moment die Augen. "Entweder macht mich deine Nähe schwindelig, oder ich habe wieder einen Anfall." Er, hielt sich an Sara fest.
"Hast du dein Medikament dabei?" fragte sie besorgt. "Nein. Ich hatte schon seit mehreren Tagen keine Anfälle mehr und dachte, sie wären endgültig vorbei." "Kannst du denn noch die Pedale bedienen? Wir müssen irgendwie zum Anlegesteg kommen." Alec biss die Zähne zusammen und nickte. Langsam fuhren sie zurück. Sara merkte, wie sehr es ihn anstrengte. Als sie anlegten, fragte sie: "Kannst du ohne Hilfe aussteigen, oder soll ich Mr. Simpson holen?" "Ich schaffe es allein." Typisch Mann, dachte sie. Aber wenn sie nicht überzeugt gewesen wäre, dass er es wirklich fertig bringen könnte, hätte sie trotzdem Hilfe geholt. Als sie ausgestiegen waren, vertäute Sara das Boot. Dann legte sie sich Alecs Arm um die Schulter. "Ich komme schon allein zurecht", wiederholte er. "Ich weiß, aber es ist trotzdem besser, wenn ich in der Nähe bin - nur für den Notfall." "Und was würdest du tun, wenn ich hinfalle?" fragte er mit einem ironischen Unterton in der Stimme. „Fängst du mich dann auf?“ "Du wirst nicht fallen", entgegnete sie energisch. "Wir gehen jetzt vorsichtig zum Haus zurück. Und wenn wir da sind, legst du dich hin und nimmst deine Medizin. Dann wird es dir bald besser gehen." Alec gab sich geschlagen, und sie gingen los. Sara wusste, wie sehr er es hasste, eine Situation nicht vollständig unter Kontrolle zu haben. Er schwankte leicht, wie ein Betrunkener. Sie war heilfroh, dass er sich von ihr stützen ließ. Als sie beim Ferienhaus ankamen, legte er sich aufs Sofa. Sara rannte nach oben und holte ihm seine Tabletten. Dann ging sie in die Küche, um ein leichtes Mittagessen zuzubereiten. Nach der morgendlichen Bootsfahrt hatte sie großen Hunger und war auch ein wenig müde. Alec bestand darauf, zum Essen aufzustehen und sich mit ihr an den Küchentisch zu setzen. Sara beobachtete ihn ein wenig besorgt, bis er sie ungeduldig anfuhr: "Hör auf, mich anzustarren. Ich brauche keine Krankenschwester." "Nein, aber vermutlich solltest du dich noch ein wenig erholen. Wenn du möchtest, kannst du die Hängematte zuerst benutzen. " Ungeduldig schüttelte er den Kopf. Dann kniff er die Augen zusammen und sagte: „Es ist genug Platz für zwei Personen." "Ich glaube nicht, dass es sehr erholsam wäre, sich zusammen in die Hängematte zu legen", entgegnete Sara. Sie hatte nicht vergessen, wie er sie im Boot geküsst hatte. Doch unwillkürlich überlegte sie, wie es wäre, wieder neben ihm zu liegen. Würde er den Arm um sie legen und sich anschmiegen wie früher? Sie stellte sich vor, wie, er sie an sich ziehen, sie küssen und überall berühren würde ...
Energisch versuchte sie, diese Gedanken zu verdrängen. Alec musste sich von seinem schweren Unfall erholen. Und wenn das Baby erst einmal auf der Welt wäre, würde sie, Sara, keinen Mittagsschlaf mehr machen können. Ich sollte diesen Luxus genießen, solange es noch geht, dachte sie. Doch ihre Sehnsucht war stärker als ihre Vernunft. "Also gut", gab sie nach. "Aber nur, wenn wir uns wirklich ausruhen." "Was sollten wir denn sonst tun?" neckte er sie und lächelte schalkhaft. Sie ignorierte die Frage und wich seinem Blick aus. Doch sie spürte deutlich, wie die Spannung zwischen ihnen immer mehr zunahm. Nach dem Essen befestigten sie die Hängematte zwischen zwei Bäumen. Sie hing einen halben Meter über dem Boden. Sara betrachtete sie skeptisch. Alec setzte, sich in die Mitte und rutschte langsam zur Seite. Die Hängematte schien groß genug, dass sie beide bequem darin sitzen konnten. Der schattige Platz und die warme, nach Tannennadeln duftende Luft waren verlockend. Vorsichtig ließ sie sich auf dem äußeren Rand der Matte nieder. "Du musst weiter nach hinten rutschen, sonst verlieren wir das Gleichgewicht", warnte er sie. Doch durch die Schwangerschaft war sie nicht so beweglich wie sonst. Sie rutschte mit einem sanften Plumps auf den Boden, und auch Alec fiel aus der Hängematte. Sie blickte ihn an und musste über seinen überraschten Gesichtsausdruck lachen. „Das findest du wohl komisch, was?" Er schloss Sara in die Arme. Während sie auf den Boden sanken, küsste er sie, bis ihr schwindelig wurde. Sie legte ihm die Arme um den Nacken und zog ihn zu sich herunter. Dann schloss sie die Augen und erwiderte seinen Kuss mit ihrer ganzen Leidenschaft. Plötzlich wurde ihr klar, warum es ihr so gut ging - weil er bei ihr war. Sie war dabei, sich erneut Hals über Kopf in ihn zu verlieben. Wenn sie mit ihm zusammen war, erschien ihr alles noch schöner. Erschrocken über diese Erkenntnis, versuchte sie, sich aus der Umarmung zu lösen. Doch ihre Gefühle waren stärker als ihre Vernunft. Schauer der Erregung liefen ihr über den Rücken, als Alec mit der Zunge ihren Mund liebkoste. Sie spürte seine starke, muskulöse Brust und wünschte, sie könnte seine bloße Haut streicheln. Ob ihre Nähe ihn ebenfalls erregte? Alec bewegte sich unvermittelt, und sie öffnete die Augen. Eine lange Zeit sahen sie einander schweigend an. Sie brauchten keine Worte, um sich zu verständigen. Sara versuchte, sich diesen Moment einzuprägen, so dass sie ihn für immer im Gedächtnis behalten würde. Warum konnten sie nur nicht für immer zusammenbleiben? "Ist alles in Ordnung?" fragte er leise. Sie nickte und nahm die Hände von seinem Nacken. "Es tut mir Leid, dass du hingefallen bist. Ich hoffe, dein Arm schmerzt nicht zu sehr?"
Er schüttelte den Kopf. "In einer Hängematte muss man immer darauf achten, dass man sich nicht zu weit an den Rand setzt, sonst gerät alles aus dem Gleichgewicht", erklärte er. Wieder nickte Sara. Sie war noch zu durcheinander, um etwas sagen zu können. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen, und ihr Atem ging stoßweise. Wie konnte Alec nur so gelassen von Hängematten sprechen? Doch dann merkte sie, dass auch er schnell und unregelmäßig atmete. Also hat der Kuss ihn auch erregt, dachte sie zufrieden, auch wenn er es sich nicht anmerken lässt. Sie befolgte seine Anweisungen, so dass beide nach kurzer Zeit ohne Zwischenfälle in der Hängematte lagen. Sara blickte durch die Baumwipfel in den blauen Himmel. Bestimmt kann ich gar nicht schlafen, wenn er so nahe neben mir liegt, dachte sie nervös. Doch schon nach wenigen Minuten war sie sanft eingeschlummert. Als sie wieder aufwachte, ruhte ihr Kopf auf Alecs Schulter, und sie hatte ihm den Arm über die Brust gelegt. Ihr runder Bauch lag eng an seinem. Alec hatte einen Arm um sie gelegt. Sara lag ganz still und atmete seinen Duft ein, der sich mit dem würzigen Geruch der Tannen vermischte. Seine starke Brust hob und senkte sich langsam und regelmäßig. Um ihn nicht zu wecken, bemühte sie sich, sich möglichst nicht zu bewegen. Es war sehr lange her, seit sie das letzte Mal so nebeneinander gelegen hatten. Es fühlt sich gut an, dachte sie glücklich - gut und genau richtig. Wieder versuchte sie, sich den Moment genau einzuprägen. Als sie noch ein Paar gewesen waren, hatte sie solche Augenblicke als selbstverständlich hingenommen. Erst jetzt wusste sie die gemeinsame Zeit mit ihm wirklich zu schätzen. Die Tatsache, dass Alec und sie keine gemeinsame Zukunft mehr hatten, änderte nichts daran, dass sie ihn noch immer liebte. Doch nach dem Urlaub würden ihre Wege sich wieder trennen. Und sie, Sara, würde sich damit abfinden, dass er ihre Liebe nicht so erwidern konnte, wie sie es sich ersehnte. Ihre Liebe hatte keine Zukunft. Aber daran wollte sie heute nicht denken. Sie spürte, wie das Kind sich bewegte. Alec und sie würden zwar keine gemeinsame Zukunft haben, doch sie hatte ihr Baby und war fest entschlossen, es glücklich aufwachsen zu lassen, auch wenn es nur mit ihr - nicht aber mit seinem Vater - zusammenleben würde. Sie wollte ihrem Sohn oder ihrer Tochter beibringen, mit ganzem Herzen zu lieben, auch wenn das bedeutete, Risiken einzugehen. "Schläfst du noch?" fragte Alec plötzlich. Sie hatte geglaubt, er würde tief und fest schlafen. Zum Glück kann er keine Gedanken lesen, dachte sie. "Nein", erwiderte sie und rieb die Wange an seiner Schulter. "Wie geht es dir? Ist dir schwindelig?“ "Nein, gar nicht." Die Minuten verstrichen, und keiner von beiden rührte sich. Sara fragte sich, ob Alec das Gefühl der Nähe und Vertrautheit ebenso genoss wie sie. Machte es ihn auch traurig, dass ihre Beziehung nicht gehalten hatte?
Schließlich bewegte er sich, und sie setzte sich vorsichtig auf. "Möchtest du immer noch heute Abend mit mir essen und tanzen gehen?" fragte er. "Solltest du nicht lieber hier bleiben? Vielleicht bekommst du wieder einen Schwindelanfall! " "Das glaube ich nicht. Die Abstände werden immer größer. Und außerdem habe ich schon einen Tisch reservieren lassen." "Gut, dann komme ich sehr gern mit." Das Restaurant des Hotels war voller fröhlicher Menschen. Für Sara war es eine Umstellung. Gegen die friedliche, ruhige Atmosphäre im Ferienhaus wirkte es sehr laut und lebendig. Mehr als die Hälfte der Tische war besetzt, und die Musiker spielten bereits. Sie genoss das köstliche Essen und Alecs Gesellschaft. Sie erzählten einander von ihren Urlaubserlebnissen. Sara fand es ein wenig traurig, dass sie viel zu berichten hatte, während er selbst seit seiner Kindheit kaum noch Urlaub gemacht zu haben schien. "Du solltest wirklich öfter Ferien machen", sagte sie. Er nickte nachdenklich und ließ den Blick durch den Raum schweifen, bis er schließlich wieder sie ansah. "Ja, dieser Urlaub hat mir besser gefallen, als ich erwartet hatte. Aber vielleicht liegt es auch an deiner Gesellschaft." Sie errötete vor Freude über dieses Kompliment. Als sie mit dem Essen fertig waren, waren bereits einige Paare auf der Tanzfläche. "Möchtest du tanzen?" fragte Alec. "Gern." "Ein Dessert können wir ja später essen." "Ich glaube nicht, dass ich noch etwas schaffe - ich bin wirklich satt." Er stand auf. Wieder war sie überwältigt, wie gut er in dem schwarzen Sakko, dem weißen Hemd und der schwarzen Hose aussah. Sara trug ein Sommerkleid, da sie keine Abendgarderobe mitgenommen hatte. Ihre Sandaletten waren flach, aber bequemer, als hochhackige Schuhe es in ihrem Zustand gewesen wären. Sie schwebten geradezu über die Tanzfläche, als hätten sie das schon unzählige Male getan. Doch tatsächlich erinnerte Sara sich nur an eine einzige Gelegenheit, bei der sie und Alec miteinander getanzt hatten. Sie schmiegte sich ein wenig enger an ihn, genoss seine geschmeidigen Bewegungen - und obwohl ihre Vernunft sie davor warnte, begann sie erneut, von einer gemeinsamen Zukunft mit ihm zu träumen. "Wo hast du eigentlich so gut tanzen gelernt?" Neugierig sah sie ihn an. Er schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. Saras Herz klopfte heftig, und ihr wurde ein wenig schwindelig, so dass sie aufpassen musste, ihm nicht auf die Füße zu treten. "Ich habe Unterricht genommen, als ich auf dem College war. Ich dachte, ich könnte mir Vorteile verschaffen, wenn ich bei offiziellen Anlässen mit der Frau meines Chefs tanzen würde."
"Du hast bei allem, was du tust, immer nur deine Karriere im Kopf, stimmt's?" neckte sie ihn. „Ja, denn nur so kommt man voran." "Aber welches Ziel willst du denn erreichen? Und wann wird das sein? Wenn du neunzig Jahre alt bist und zu alt, um das Leben zu genießen? Oder erst dann, wenn du Millionär bist?" Als er nur die Schultern zuckte, fügte sie hinzu: "Dein Ehrgeiz ist doch schon fast zur Gewohnheit geworden. Du wirst niemals aufhören, wie ein Besessener zu arbeiten." „Warum sollte ich auch? Es macht mir Spaß." „Aber ist dein Leben nicht sehr einseitig? Für dich gibt es ja kaum noch etwas anderes außer deiner Arbeit - sogar jetzt, während deines Urlaubs." Die Musik verstummte, und er ließ Sara los. "Ich fürchte, wir werden uns damit abfinden müssen, dass wir in diesem Punkt einfach anderer Meinung sind." Sie nickte, doch insgeheim war sie traurig darüber, dass er so viel Schönes im Leben verpasste. Ihre Bemerkung hatte Alec verärgert. Sein Leben war genau so, wie er es sich wünschte - zumindest zum größten Teil. Er beobachtete Sara, während sie zurück zum Tisch gingen. Ihre Bewegungen waren anmutig und geschmeidig. Ihm wurde bewusst, wie sehr er die Zeit genossen hatte, die sie bisher gemeinsam im Resort verbracht hatten. Alec hatte es inzwischen aufgegeben, sich gegen den verordneten Urlaub zu sträuben, und seinen Mitarbeitern mehr Verantwortung übertragen. Und jetzt neigte sich die freie Zeit bereits ihrem Ende zu. In drei Tagen musste er zu einem Arzttermin nach Boston. Er hatte nicht vor, danach ins Resort zurückzukehren. Falls der Doktor ihm noch mehr Urlaub verordnete, würde er, Alec, in seinem eigenen Apartment bleiben. Plötzlich erkannte er, wie wenig ihm diese Vorstellung gefiel. Denn in Boston würde er seine Zeit nicht mit einer lebenslustigen jungen Frau verbringen, um den See wandern oder angeln können. „Ich habe es mir anders überlegt", riss Sara ihn aus seinen Gedanken, als er ihr den Stuhl hinschob. "Ich möchte doch noch ein Dessert, und zwar ein Stück von dem Schokoladenkuchen, den das Paar dort drüben isst." Sie wies auf einen der benachbarten Tische. Alec winkte den Ober herbei und bestellte den Nachtisch für sie. „Möchtest du mit mir teilen?" fragte sie, als der Kuchen gebracht wurde. Er nickte. Es machte ihn glücklich, an Saras kindlicher Freude teilzuhaben. Als sie aufgegessen hatten, führte er sie wieder auf die Tanzfläche. Alec genoss es, sie in seinen Armen zu halten und sich mit ihr im Takt der Musik zu bewegen. Vielleicht sollte ich es wagen, einen Schritt weiterzugehen, dachte er. Sara hatte seine Küsse immer sehr leidenschaftlich erwidert und jedes Mal ein unbändiges Verlangen in ihm geweckt. Nach einiger Zeit fiel ihm auf, wie erschöpft sie aussah.
"Möchtest du nach Hause?" fragte er. Sie nickte. „Ja, ich bin trotz des Mittagsschlafs ziemlich müde. Das kommt sicher vom Bootfahren und vom Tanzen." Alec zahlte, und sie verließen das Restaurant. Draußen stiegen sie in einen der Jeeps und ließen sich durch die Dunkelheit fahren. Der Himmel war sternenklar. Zu Hause angekommen, gab er dem Fahrer ein Trinkgeld, und der Wagen entfernte sich. Alec blickte ihm nach wurde an den Tag seiner Ankunft erinnert, als er auf der Terrasse gestanden und dem Jeep nachgeblickt hatte. Die Dinge hatten sich ganz anders entwickelt, als er es sich damals vorgestellt hatte. Er öffnete die Tür und hielt sie für Sara auf. "Ich gehe jetzt schlafen", sagte sie. "Es war ein wunderschöner Abend, vielen Dank." Sie wirkte noch immer erschöpft, als sie die Treppe hinaufging. Alec beschloss, nicht ausgerechnet jetzt den nächsten Schritt zu wagen. Wir haben ja noch drei Tage Zeit, ermahnte er sich. Er blickte auf die Uhr und überlegte, wie er den restlichen Abend verbringen sollte. Wyatt hatte ihm einige Bücher ausgeliehen, doch Alec war zu unruhig, um zu lesen. Er ging nach oben und zog sich etwas Bequemeres an. Aus Saras Zimmer war kein Laut zu hören. Ob sie schon schlief? Er ging über den Flur und klopfte leise bei ihr an. Als sie nicht antwortete, öffnete er vorsichtig die Tür. Sara lag auf der Seite und hatte sich eine Hand unter den Kopf geschoben. Unwillkürlich musste er daran denken, wie er nachmittags in der Hängematte aufgewacht war und Saras Kopf an seiner Schulter gelegen hatte. Warum, um alles in der Welt, hatte er sie nur nicht an sich gezogen und mit all der Leidenschaft geküsst, die er für sie empfand? Vielleicht hätten sie dann ... Jetzt blieb ihm nichts anderes übrig, als zu warten. Und das tat er gar nicht gern. Als Sara am nächsten Morgen erwachte und hörte, wie Regentropfen aufs Dach des Ferienhauses prasselten, war sie verzweifelt. Sie fühlte sich gereizt und würde keine Gelegenheit haben, Alec aus dem Weg zu gehen. Bei diesem Wetter konnte sie unmöglich einen Spaziergang machen, um auf andere Gedanken zu kommen. Sie war mitten in der Nacht aufgewacht und hatte lange Zeit nicht wieder einschlafen können. Ihre Gedanken waren um Alec gekreist - und darum, dass ihre Gefühle für ihn immer stärker wurden. Was konnte sie nur dagegen tun? Sie wusste doch, dass ihm seine Arbeit nach wie vor wichtiger war als alles andere. Als sie später am Morgen die Treppe hinunter ins Wohnzimmer ging, wusste sie, dass das Haus leer war. Sie blickte aus dem Fenster. Im stetig fallenden Regen sah alles grau und trostlos aus. Sie fröstelte und ging in die Küche, um sich Frühstück zu machen. Neben dem Teekessel lag eine Nachricht von Alec. Seine Handschrift wirkte genau wie er: charismatisch und energisch. Sara las die Zeilen und ließ den
Zettel auf den Tisch fallen. Natürlich war Alec zum Bürocenter gefahren. Außerdem schlug er vor, sie könnten nachmittags in der nächsten Stadt ins Kino gehen. Sara runzelte die Stirn. Sie wollte das Resort nicht verlassen. Der abgelegene Ort, weit weg von ihrem normalen Alltag, gefiel ihr. Die Zeit vergeht ohnehin viel zu schnell, dachte sie. Nur noch eine Woche Urlaub lag vor ihr. Sie beschloss, den Tag allein zu verbringen, um sich über ihre Gefühle für Alec klar zu werden und endlich Pläne für die Zukunft zu machen. Er kam erst am späten Vormittag zurück. Der Regen hatte aufgehört. Die Sonne strahlte und ließ die Wassertropfen an den Zweigen der hohen Bäume glitzern. "Das Wetter ist wirklich schön geworden", stellte Alec fest, als er ins Wohnzimmer kam. Sara blickte von ihrem Buch auf und nickte. Er stellte Laptop und Aktentasche ab. "Möchtest du ins Kino gehen?" "Nein, danke, heute lieber nicht." "Bist du böse, weil ich heute Morgen gleich ins Bürocenter gefahren bin?" Sie schüttelte den Kopf. "Was ist es dann?" Sie rang sich ein Lächeln ab. "Nichts, es ist alles in Ordnung. Ich bin nur ein bisschen müde und habe Muskelkater in den Beinen. Deswegen würde ich heute lieber zu Hause bleiben und mich ausruhen." Alec sah sie eine Weile schweigend an. Dann blickte er aus dem Fenster. "Also gut. Allein werde ich auch nicht fahren." "Du könntest doch das schöne Wetter für einen Spaziergang nutzen", schlug sie vor. "Oder mit Mr. Simpson zum Angeln gehen." "Vielleicht. Oder ich sehe mir die Höhlen an. Du willst ganz sicher nichts unternehmen?" fragte er noch einmal. "Heute lieber nicht. Ich esse gleich Mittag, und dann werde ich mich ausruhen." Nach den Anstrengungen des vergangenen Tages war sie müde. Doch vor allem musste sie ein wenig Abstand zu Alec gewinnen, bevor sie noch eine große Dummheit begehen würde. Auf keinen Fall sollte er ihre innere Zerrissenheit bemerken.
9. KAPITEL Obwohl sie Alec selbst vorgeschlagen hatte, etwas zu unternehmen, fühlte Sara sich verlassen, als er nach dem Mittagessen wirklich aufbrach. Sie blickte ihm nach, wie er in den Wald ging, und vermisste ihn bereits in dem Moment, als er außer Sichtweite war. Doch sie war überzeugt, dass es besser gewesen war, zu Hause zu bleiben. Die Wege waren aufgeweicht vom Regen und sicher rutschig. Und außerdem musste sie sich wirklich etwas ausruhen.
Sie ging ins Schlafzimmer, legte sich ins Bett und schlief fast augenblicklich ein. Nach einiger Zeit wachte sie jedoch wieder auf, weil das Baby sehr aktiv war. Sie beschloss, ein wenig zu lesen. Als das Kind sich beruhigt hatte, döste sie wieder ein. Es war bereits dunkel, als sie vom Regen wach wurde, der aufs Dach trommelte. Sie stand auf und ging in den Flur. Im ganzen Haus brannte kein Licht. Ob Alec schon zurückgekommen und dann zum Bürocenter gefahren war? Doch das war unwahrscheinlich. Er hätte mir Bescheid gesagt, wenn er nicht zum Abendessen hier wäre, dachte Sara. Sie ging nach unten, um nachzusehen, ob er ihr vielleicht eine Nachricht hinterlassen hatte. Als sie eine Lampe anschaltete, fröstelte sie. Es war kalt im Haus. Regen peitschte gegen die Fenster, und der Wind heulte. Sie konnte nirgends eine Nachricht entdecken und wurde unruhig. Wo konnte Alec nur sein? War er vielleicht noch auf seiner Wanderung? Es war zwar erst acht Uhr, doch draußen war es schon dunkel. Vielleicht hatte er sich verlaufen? Sie beschloss, im Hauptgebäude anzurufen und um Hilfe zu bitten. Doch die Telefonleitung war tot. Als er um zehn Uhr noch immer nicht da war, begann Sara, sich große Sorgen zu machen. Sie ging auf die Terrasse und stellte fest, dass es sehr kalt war. Wenn jemand bei solchem Wetter eine Nacht im Freien verbringen musste, konnte er ernstlich krank werden. Sie dachte daran, wie Alec am Nachmittag aufgebrochen war: Er hatte nur leichte Sommerkleidung getragen und keine Jacke mitgenommen. War er durch den Sturm aufgehalten worden? Oder hatte er womöglich wieder einen Schwindelanfall bekommen und sich verletzt? Sara ging ins Haus, holte ihre Jacke und lief zum Haus der Simpsons. Vielleicht funktioniert ihr Telefon, dachte sie. Oder sie hatten gesehen, wie Alec nach Hause gekommen und dann zum Bürocenter gefahren war. Im Nachbarhaus brannte kein Licht. Sara klopfte und wartete ungeduldig, doch niemand öffnete. Kurz entschlossen ging sie hinein. Da das Haus denselben Grundriss hatte wir ihres, fand sie das Telefon sofort. Doch auch hier war die Leitung tot. Sie rannte zurück. Als sie ins Wohnzimmer kam, sah sie den Laptop neben dem Sofa stehen. Alec war also auf keinen Fall ins Bürocenter gefahren. Sara überlegte verzweifelt. Ihr blieben nur zwei Möglichkeiten: Entweder versuchte sie selbst, Alec zu finden, oder sie ging zum Hauptgebäude, um Hilfe zu holen. Doch die Resort-Mitarbeiter würden nicht genau wissen, wo sie nach ihm Ausschau halten mussten. Und sie würde nicht genug Kraft haben, um bis zum Hauptgebäude zu laufen und sich darin noch an der Suche zu beteiligen. Plötzlich trat ihr Baby sie. "Du hast Recht, mein Kleines", sagte Sara und legte sich die Hand auf den Bauch. "Wir müssen deinen Daddy selbst finden." In Windeseile packte sie warme Kleidung, Wolldecken und einen kleinen Erste-Hilfe-Kasten in ihren Rucksack. Dann kochte sie Kaffee, füllte ihn in eine Thermoskanne und bereitete noch einen kleinen Imbiss zu. Sara zog ihre
wärmste Jacke an und streifte sich einen Plastiksack gegen den Regen über, in den sie ein Loch für den Kopf geschnitten hatte. Schließlich setzte sie noch einen Hut auf, nahm sämtliche Taschenlampen, die sie finden konnte, und machte sich auf den Weg. In der Dunkelheit war es sehr viel schwieriger, dem Weg zu folgen, als es tagsüber bei Sonnenschein gewesen war. Regen peitschte Sara ins Gesicht, und der Boden war aufgeweicht und rutschig, so dass sie nur mühsam vorankam. Doch sie gab nicht auf. "Alec! " Immer wieder rief sie seinen Namen. Einmal stolperte sie und wäre beinah gestürzt. Von da an ging sie langsamer. Die hohen Bäume wirkten in der Dunkelheit bedrohlich, und der Regen schien gar nicht mehr aufzuhören. Sara war verzweifelt und hatte Angst, doch was sollte sie tun? Sie musste ihn unbedingt finden! "Alec, wo bist du?" Wie weit war sie noch von der Wiese entfernt, auf der sie gepicknickt hatten? War Alec vielleicht zu den Höhlen gegangen, um dort Unterschlupf vor dem Unwetter zu finden? "Alec!" rief sie erneut. Die Hand, mit der sie die Taschenlampe hielt, zitterte vor Kälte. „Sara?" hörte sie plötzlich leise seine Stimme. Aus welcher Richtung kam sie? Tränen der Erleichterung schimmerten in ihren Augen. "Alec, wo genau bist du?" rief sie. Sie hob die Taschenlampe und drehte sich einmal um die eigene Achse, damit er signalisieren konnte, wo er war. „Jetzt sehe ich dich. Du musst ein wenig nach links gehen. Aber pass auf, es ist sehr rutschig! " Vorsichtig folgte sie einem Pfad in die Richtung, die er angegeben hatte. Sie gelangte zum Ende einer Lichtung. Wasser floss in Strömen über den mit kleinen Felsen und Kies bedeckten Boden. "Du kommst näher", rief Alec. „Jetzt musst du ein wenig nach rechts gehen. Aber pass auf, dass du nicht hinfällst! " Plötzlich sah Sara ihn. Sie eilte zu ihm und musste sich dabei mit beiden Händen abstützen, um auf dem rutschigen Untergrund nicht das Gleichgewicht zu verlieren. "Was ist denn passiert?" fragte sie atemlos. "Ich hatte wieder so einen verdammten Schwindelanfall und bin gestürzt. Dabei habe ich mir den Knöchel verstaucht." Er blickte sich um. "Bist du allein gekommen?" "Natürlich! Wen hätte ich denn mitbringen sollen?" "Wie konntest du nur allein in diesen Sturm hinausgehen? Du hättest stürzen und dich verletzen können!" "Ich konnte doch den Vater meines Babys nicht seinem Schicksal überlassen! Zuerst habe ich versucht, im Hauptgebäude anzurufen, aber es gab keine Verbindung. Und ich wusste nicht, ob ich bis dorthin hätte laufen können. Also habe ich mich selbst auf die Suche gemacht." Sara erreichte Alec, kniete sich hin und warf sich ihm in die Arme. "Ich hatte solche Angst um dich!"
Er hielt sie fest. "Trotzdem war es sehr riskant." „Und du bist sicher, dass du außer dem verstauchten Knöchel keine Verletzungen hast? Ist dir nicht furchtbar kalt?" Bevor er etwas erwidern konnte, fuhr sie fort: "Wir müssen zurück zum Haus. Kannst du gehen, wenn du dich auf mich stützt?" Sie stand auf. "Nicht sehr weit." Er erhob sich vorsichtig, wobei er nur den linken Fuß belastete. Dann stützte er sich vorsichtig auf Sara. Entmutigt dachte sie an den unwegsamen, aufgeweichten Pfad. Wir werden es nicht schaffen, dachte sie. "Was ist in dem Rucksack?" fragte er plötzlich. Er konnte noch immer nicht glauben, dass Sara sich trotz des Unwetters allein auf den Weg gemacht hatte, um ihn, Alec, zu suchen. Trotz allem machte der Gedanke ihn glücklich. Er hatte sich schon immer auf sie verlassen können. "Eine Decke, Essen und heißer Kaffee." Er überlegte kurz. "Sara, ich glaube nicht, dass ich bis zum Haus zurückgehen kann. Am besten suchen wir in einer der Höhlen Unterschlupf. Sie sind ganz in der Nähe und bieten wenigstens Schutz gegen den Wind und den Regen. Wenn wir ein bisschen Glück haben, werden wir auch etwas trockenes Brennholz finden, um ein kleines Feuer zu machen." Langsam machten sie sich auf den Weg. Sie kamen nur mühsam voran. Doch immerhin kannte Alec den Pfad genau, denn er hatte die Umgebung den ganzen Nachmittag lang erkundet. Als sie in einer Höhle angekommen waren, ließ er sich auf den Boden sinken und stöhnte leicht. "Ist alles in Ordnung?" Sara kniete sich neben ihn. „Ja. Der Schmerz wird sicher gleich nachlassen. Könnte ich etwas Kaffee bekommen? Mir ist ziemlich kalt!" "Natürlich. Und ich habe noch etwas anderes für dich mitgebracht", erwiderte sie stolz und packte den Rucksack aus. "Trockene Kleidung, damit du dich umziehen kannst." „Sara Blackstone, manchmal hast du wirklich brillante Einfälle.“ „Bei so einem Wetter wie heute kann man leicht unterkühlen - sogar im Sommer." Er streifte das Hemd ab, während sie ihm vorsichtig die Schuhe auszog. "Der verstauchte Knöchel ist geschwollen", stellte sie fest. "Aber nicht sehr stark - dank der nassen Socke vermutlich." "Zieh dich um, ich suche inzwischen trockenes Holz." Sara stand auf, nahm eine zweite Taschenlampe und suchte das Innere der Höhle ab. Sie sammelte einen Arm voll und ging zurück zu Alec. Er hatte sich umgezogen und eine der Decken um seine Schultern gelegt. "Im Rucksack sind Streichhölzer", sagte sie und häufte das Holz auf. "Du hast wirklich an alles gedacht", stellte er anerkennend fest. "Ich möchte dir noch einmal danken, Sara. Aber ich kann es wirklich nicht fassen, dass du deine Gesundheit und die des Babys aufs Spiel gesetzt hast."
"Du hättest doch auch nach mir gesucht", rechtfertigte sie sich. Dann zündete sie das Holz an. Die Wärme des kleinen Feuers tat ihnen gut. Zum ersten Mal, seit sie ihre Suche nach Alec begonnen hatte, entspannte sie sich. "Setz dich her zu mir", bat er sie. Sara nahm neben ihm Platz, und er zog die Decke auch über ihre Schultern. Dann schraubte er die Thermoskanne auf. Plötzlich fühlte Sara sich am Ende ihrer Kraft. "Ich hatte solche Angst um dich." Erschöpft ließ sie sich gegen ihn sinken. "Meinst du, du wirst zurückgehen können?" "Ich weiß es nicht. Vielleicht musst du Hilfe holen. Aber zumindest habe ich es jetzt warm und trocken." Das Baby bewegte sich. Instinktiv legte Sara sich die Hand auf den Bauch. Alec schob seine darüber. Einen kurzen Moment war sie überglücklich und fühlte sich wie im Paradies. "Du hast mir noch nicht gesagt, was dir lieber wäre, Alec - ein Sohn oder eine Tochter?" "Das ist mir gleich, solange das Baby gesund ist. Ich mache mir eher Gedanken um etwas anderes: Ich finde, Kinder sollten bei beiden Elternteilen aufwachsen. Ich hatte nur meinen Vater und habe meine Mutter immer schrecklich vermisst." "Und mein Vater starb, als ich neun Jahre alt war. Aber bei einer Scheidung können die Eltern zumindest den Kontakt zu ihren Kindern halten. Es tut mir Leid, dass deine Mutter das nicht getan hat. Aber es bedeutet nicht, dass wir beide uns keine Lösung überlegen können - wenn du wirklich am Leben des Kindes teilhaben möchtest." "Natürlich will ich das. Ich..." Er sprach nicht weiter. "Was?" fragte Sara sanft. "Ach, nichts." Er nahm die Hand von ihrer und blickte gedankenverloren in die züngelnden Flammen. "Es ist besser, sich gar nicht erst auf eine Beziehung einzulassen - dann läuft man keine Gefahr, verletzt zu werden", sagte er wie zu sich selbst. "Aber dann würde man sehr viel Schönes verpassen." Er schüttelte den Kopf und sah sie an. "Bist du denn zufrieden damit, wie die Dinge sich zwischen uns entwickelt haben? Würdest du mich noch einmal heiraten, wenn du die Zeit zurückdrehen könntest?" "Ich wünschte wirklich, alles wäre anders gekommen, aber trotz allem würde ich auf nichts verzichten oder etwas anders machen wollen. Wir hätten auch Glück haben und in fünfzig Jahren unsere goldene Hochzeit feiern können, so wie die Simpsons. Das hatte ich damals gehofft", erwiderte Sara wehmütig. Wenn sie an all die Hoffnungen dachte, die sie damals gehegt hatte, verspürte sie einen Stich im Herzen. Was ist nur zwischen uns falsch gelaufen? überlegte sie. Plötzlich wurde ihr wieder bewusst, wie erschöpft sie war. Sie gähnte herzhaft. "Ich bin auch sehr müde. Meinst du, dass du hier einschlafen kannst?" Sie nickte. "Aber vorher suche ich noch etwas Holz, damit das Feuer noch eine Weile brennt. Gegen Morgen wird es sicher etwas kälter werden."
Sie durchsuchte die Höhle bis zum hintersten Winkel, um Holz zu sammeln. Einige Zweige legten sie ins Feuer, den Rest stapelten sie daneben auf. Alec bestand darauf, dass Sara direkt am Feuer schlief. Sie legten sich auf eine der Decken und breiteten die andere über sich. Innerhalb weniger Minuten war sie eingeschlafen. Als sie mitten in der Nacht aufwachte, spürte sie Alecs Arme um ihren Körper. Er hatte seine Jacke aufgeknöpft und sie, Sara, eng an sich gezogen. Ihr war wohlig warm, und sie fühlte sich sicher und geborgen. Wenn doch nur der Boden der Höhle etwas weniger hart gewesen wäre ... Sie schmiegte sich an Alec, schloss die Augen und schlief wieder ein. Am nächsten Morgen wachte Sara auf, weil sie fror. Und obwohl sie Schuhe trug, waren auch ihre Füße kalt. Alec hielt sie noch immer in den Armen, und sie spürte seine Wärme und die starke, muskulöse Brust. Sie streckte sich ein wenig. Als Sara die Augen öffnete, sah sie die Decke und die Wände der Höhle. Sie blickte zum Eingang und stellte fest, dass es schon relativ spät sein musste. Zitternd setzte sie sich auf. Es war sehr kalt, doch zumindest hatte der Regen aufgehört. Der Himmel war strahlend blau, und Sonnenstrahlen fielen durch die Wipfel der hohen Bäume. "Guten Morgen", sagte Alec. Sie drehte sich um und lächelte ihn an. Ihr Herz klopfte heftig. Alec sah atemberaubend aus. Die dunklen Bartstoppeln und das vom Schlafen zerzauste Haar verliehen ihm ein leicht verwegenes Aussehen. Ich dagegen sehe vermutlich furchtbar aus, dachte sie und wandte verlegen den Blick ab. "Ich wünschte, wir hätten noch etwas Kaffee übrig", sagte sie betont gelassen. "Ich auch. Wir sollten uns so bald wie möglich auf den Heimweg machen. Ich übernachte zwar gern im Freien, aber nicht ohne Proviant! " Das Feuer war inzwischen ausgegangen. Nur ein wenig Asche war davon übrig geblieben. Sara stand auf, faltete die Decken zusammen und packte sie in den Rucksack. Ihr Blick fiel auf Alecs nasse Kleidung. "Die Sachen packe ich lieber in meinen Rucksack, sonst werden die Decken ganz nass", sagte Alec, als hätte er ihre Gedanken erraten. Er zog sich vorsichtig die Schuhe an und fluchte leise, als der verletzte Fuß schmerzte. "Sind deine Schuhe schon getrocknet?" fragte sie. "Nein, aber ich habe sie gestern Abend ans Feuer gestellt, so dass sie nicht mehr ganz durchweicht sind." Bald waren sie bereit zum Aufbruch. Sara blickte sich noch einmal in der Höhle um und schüttelte den Kopf. "So hatte ich mir die Erkundung der Höhlen wirklich nicht vorgestellt. Ich vermute, sogar Piraten haben es wärmer und bequemer! " "Aber trotzdem möchte ich mit niemand anders mehr Seeräuber spielen als mit dir", sagte Alec rau. Er versuchte zu gehen und belastete dabei vorsichtig den verletzten Fuß. "Stütz dich lieber wieder auf mich."
"Vielleicht werde ich allein zurechtkommen. Heute geht es schon wesentlich besser." "Aber es ist sehr weit bis zum Haus. Du solltest meine Hilfe lieber in Anspruch nehmen. Und notfalls laufe ich allein voraus und hole jemanden." "Ich werde es schon schaffen. Lass uns losgehen." Mr. und Mrs. Simpson sahen die beiden, als sie sich humpelnd den Ferienhäusern näherten. Sie brachten Alec und Sara sofort in ihr Haus und riefen einen Jeep, der sie zur medizinischen Notfallstation des Resorts bringen sollte. Während sie auf den Wagen warteten, bot Mrs. Simpson ihnen heißen Tee und frisch gebackene Zimtschnecken an. "Es tut mir so Leid, dass wir gestern Abend nicht hier waren", sagte sie, nachdem Sara ihr von den Ereignissen am Vorabend berichtet hatte. "Paul und ich haben im Restaurant gegessen und sind dann noch ein wenig dort geblieben, um zu tanzen." "Das haben wir neulich auch getan", erwiderte Sara. "Sie brauchen sich wirklich nicht zu entschuldigen. Woher hätten Sie denn wissen sollen, dass wir Hilfe benötigten oder dass die Telefone nicht funktionierten?" Doch Mrs. Simpson ließ sich nicht so leicht beruhigen. "Ich kann es nicht fassen, dass Sie bei diesem furchtbaren Unwetter allein losgegangen sind! " "Genau dasselbe habe ich ihr auch gesagt", pflichtete Alec ihr bei. Sara lächelte. "Ich bin zäher, als ich aussehe." Er kniff die Augen zusammen, sagte jedoch nichts. Es war bereits Mittag, als Alecs Fuß behandelt und verbunden worden war. Auch Sara hatte sich untersuchen lassen. Laut Aussage des Arztes war sie bei bester Gesundheit. Die Leitung des Resorts lud die beiden ein, auf Kosten des Hauses im Restaurant zu Mittag zu essen, bevor sie in ihr Ferienhaus zurückkehren würden. "Sie wollen wohl verhindern, dass wir uns beschweren", stellte Alec lächelnd fest, als sie sich an einen Tisch nahe den großen Fenstern setzten, von wo aus sie auf den See blicken konnten. "Es ist doch sehr nett von ihnen. Schließlich haben sie weder Schuld an dem Unwetter noch an deinen Schwindelanfällen." Sie blickte sich im Restaurant um und sah dann wieder Alec an. "Und mutig ist es auch - wir sind bei weitem nicht so schick angezogen und sauber wie die anderen Gäste." Er blickte ihr in die Augen. "Ich finde, du siehst wunderschön aus." Sara machte große Augen. Sie war überwältigt, wie oft Alec ihr das in letzter Zeit gesagt hatte - und wie sehr sie sich jedes Mal darüber freute. Nach dem Essen gingen sie nach draußen, um auf einen Jeep zu warten, der sie zurückbringen würde. Alec stützte sich auf die Krücke, die man ihm auf der Krankenstation geliehen hatte. "Möchtest du nicht noch schnell ins Bürocenter gehen und dich von deiner Sekretärin auf den neuesten Stand bringen lassen?" fragte sie.
Er schüttelte den Kopf. "Nein, heute nicht." Sara wollte ihren Ohren nicht trauen. Sie war erstaunt über die Veränderung, die mit Alec vorgegangen zu sein schien. Früher hatte er immer jede Gelegenheit ergriffen, sich um seine Gerichtsfälle zu kümmern. Und jetzt verzichtete er freiwillig darauf? "Was willst du denn stattdessen tun?" erkundigte sie sich. "Mich in der Hängematte ausruhen und erst zum Abendessen wieder aufstehen", antwortete er prompt und sah sie eindringlich an. "Möchtest du dich dazulegen?" Bevor Sara etwas erwidern konnte, hielt ein Jeep mit quietschenden Bremsen neben ihnen. "Darf ich Sie zu Ihrem Haus bringen?" fragte der Fahrer. Auch nachdem sie geduscht hatte, fühlte Sara sich noch immer erschöpft. Die Vorstellung, mit Alec in der Hängematte zu liegen, war äußerst verlockend besonders da ihre gemeinsame Zeit sich dem Ende zuneigte. Aber sie musste sich dringend ausruhen. Und sie wusste, dass ihr das allein in ihrem Bett besser gelingen würde. Als Alec aus der Dusche kam, war sie bereits fest eingeschlafen. Er hatte nachsehen wollen, wie es ihr ging. Enttäuscht schloss er die Tür ihres Schlafzimmers. Er hatte sich darauf gefreut, mit ihr in der Hängematte zu liegen. Zwei Mal hatten sie nun schon eng aneinander geschmiegt geschlafen. Und wenn er aufgewacht war, hatte er sich gewünscht, es würde von nun an immer so sein. Sei vernünftig, ermahnte er sich. Sara und er hatten ein paar Tage gemeinsam verbracht und viel Spaß miteinander gehabt. Aber er wusste, wenn er wieder arbeiten würde, wäre alles wie zuvor: Er würde sich zu sehr in seine Arbeit vertiefen und zu wenig Zeit für sie, Sara, haben. Sie hatte richtig gehandelt, als sie ihn verlassen hatte. Doch Alec wurde das Gefühl nicht los, dass etwas in seinem Leben ganz und gar nicht so war, wie es sein sollte. Er lag in der Hängematte und blickte durch die Baumwipfel in den klaren blauen Himmel. Und plötzlich wurde ihm klar, dass er sich selbst etwas vormachte. Ich werde sie nie vergessen, dachte er. Er würde sich Gedanken darüber machen, wie es ihr und dem Baby ging. Und es würde ihm nicht ausreichen, die beiden nur dann und wann zu besuchen. Alec bewegte sich und stieß sich den verletzten Fuß. Von wegen Erholung, dachte er und verzog das Gesicht vor Schmerz. Als ich hier ankam, war ich weniger lädiert. Doch eigentlich musste er sich eingestehen, dass sich der Urlaub trotz allem gelohnt hatte. Er war nicht darauf vorbereitet gewesen, Sara hier zu treffen. Letzten Endes hatten sie sich jedoch gut verstanden. Aber noch immer hatten sie nicht über ihre Beziehung gesprochen. Sollte er, Alec, sie auffordern, eine Entscheidung zu fällen? Oder hatte sie sich vielleicht längst entschieden und wartete nur darauf, dass der Urlaub zu Ende sein würde? Alec hätte über vieles nachgedacht, als er während des Unwetters allein im
Wald gewesen war. Manche der Schlüsse, zu denen er gekommen war, hatten ihm nicht gefallen. Eine lange Zeit blickte er gedankenverloren in den Himmel, bis er endlich einschlief. Als Alec aufwachte, sah er, dass Rosemarie Simpson in der Nähe Platz genommen hatte. "Ich wollte Sie nicht aufwecken", sagte sie entschuldigend. "Paul und ich würden Sie und Sara gern einladen, heute Abend mit uns zu essen. Sie beide sind sicher zu erschöpft, um selbst zu kochen. Und wenn Sie es wegen der Verletzung nicht bis zu uns schaffen, können wir das Essen natürlich auch zu Ihnen bringen." Alec setzte sich auf den Rand der Hängematte und probierte vorsichtig aus, wie stark er seinen Fuß belasten konnte. "Ich glaube schon, dass ich bis zu Ihrem Haus gehen kann", erwiderte er. "Vielen Dank für die Einladung! " "Ich mache mir noch immer Vorwürfe, dass wir gestern Abend nicht hier waren, als Sara unsere Hilfe brauchte. Dafür sind Nachbarn schließlich da! " "Es ist ja alles gut ausgegangen", versuchte Alec sie zu beruhigen. "Zum Glück! Aber ihr oder dem Baby hätte so leicht etwas passieren können. Ich kann immer noch kaum glauben, dass sie sich während des Sturms ganz allein auf die Suche nach Ihnen gemacht hat. Sara muss Sie wirklich sehr lieben. Sicher war sie ganz krank vor Sorge um Sie - das wäre ich zumindest, wenn Paul etwas passieren würde." Mrs. Simpson stand auf. "Dann also bis heute Abend. Bitte richten Sie Sara aus, dass wir Sie gegen sieben Uhr erwarten." Gedankenverloren blickte Alec der alten Dame nach. Sara muss Sie wirklich sehr lieben. Früher einmal hatte diese einzigartige junge Frau ihm all ihre zärtliche Liebe geschenkt. Er hatte es damals nicht zu schätzen gewusst, und irgendwann waren ihre Gefühle für ihn gestorben. Mrs. Simpson irrt sich, dachte er. Sara hatte nicht nach ihm gesucht, weil sie ihn liebte - sie hätte dasselbe auch für jeden anderen Menschen getan, der ihre Hilfe brauchte. "Ich konnte doch den Vater meines Babys nicht allein seinem Schicksal überlassen", hatte sie gesagt. Noch lieber wäre es ihm allerdings, wenn sie gesagt hätte. "Ich kann doch nicht ohne den Vater meines Babys leben ... " Er seufzte, stand auf und ging, auf die Krücke gestützt, zum Haus. Er wollte sich vergewissern, dass es Sara gut ging und die Strapazen des Vorabends ihr nicht geschadet hatten. Der Arzt des Resorts hatte zwar versichert, sie sei bei bester Gesundheit, doch Alec wollte sich selbst davon überzeugen. Als er das Haus betrat, stieg ihm der Duft frisch gebackener Schokoladenkekse in die Nase. Er ging zur Küche, blieb jedoch im Türrahmen stehen und beobachtete Sara eine Weile, die gerade ein Blech mit Keksen aus dem Backofen zog. Es sieht nicht so aus, als würde es ihr schlecht gehen, dachte Alec und lächelte.
Plötzlich wandte Sara sich um und bemerkte ihn. "Hallo! Möchtest du die frisch gebackenen Kekse probieren?" Sie lächelte strahlend. Bildete er es sich nur ein, oder freute sie sich wirklich, ihn zu sehen? Alec schüttelte den Kopf. "Nein. Ich will dich." Er ging zu ihr, zog sie an sich und küsste sie. Saras Lippen waren weich und warm, ihre Haut duftete nach Blumen - und nach Schokolade. Er hatte das Gefühl, ihr Körper würde in seinen Armen aufleben. Aber vielleicht bin ich es auch, der in ihrer Nähe erst richtig lebendig wird, dachte er. Sara brachte ihn fast um den Verstand. Er konnte einfach nicht genug von ihr bekommen. Und noch immer hatte er ihr nicht gesagt, dass er in zwei Tagen abreisen würde.
10. KAPITEL Sara sah der Einladung bei den Simpsons mit gemischten Gefühlen entgegen. Einerseits freute sie sich darüber, andererseits hätte sie die Zeit gern mit Alec allein verbracht, statt ihn mit anderen zu teilen. Sei nicht so egoistisch, ermahnte sie sich, während sie sich das kurze Haar bürstete und ein dezentes Make-up auflegte. Sie zog ein leichtes Sommerkleid an und nahm einen Wollpullover mit, denn sicher würde es später kühl werden. Als sie die Treppe herunterkam, sah sie Alec, der, auf seine Krücke gestützt, am Fenster stand und auf den See hinausblickte. Sie hatte eher damit gerechnet, ihn auf dem Sofa sitzend zu finden, von Aktenbergen umgeben und in einen Bericht vertieft. Hatte er sich etwa den ganzen Tag über noch nicht um seine Arbeit gekümmert? Oder hatte er alles erledigt, während sie, Sara, geschlafen hatte? Als Alec hörte, wie sie die Treppe herunterkam, drehte er sich um und sah sie an. Unter seinem eindringlichen Blick fühlte Sara sich unsicher. Wieder einmal fiel ihr auf, wie umwerfend er aussah. Alecs Haut war von den vielen Spaziergängen sonnengebräunt, und er wirkte entspannt und erholt. Sein Haar war etwas länger, als er es normalerweise trug, doch es stand ihm gut und passte ausgezeichnet zu seiner legeren Kleidung. Wenn man über den Gips und die Krücke hinwegsah, wirkte er so gesund und stark, als könnte er es mit jeder Herausforderung aufnehmen. "Lass uns nicht so lange bleiben", sagte Alec. Sara nickte überrascht und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sie sich über seine Bemerkung freute. Wollte er vielleicht ebenso gern mit ihr allein sein wie sie mit ihm? "Einverstanden. Aber wir können uns auch nicht gleich nach dem Essen wieder verabschieden." Er zog die Augenbrauen hoch. "Natürlich können wir das. Ich werde einfach einen Schwindelanfall bekommen."
"Ich glaube nicht, dass es funktionieren wird", erwiderte sie lachend. "Du müsstest dich hinlegen und warten, bis es dir besser geht. Das könnte Stunden dauern." "Dann wirst du eben so tun, als wärst du sehr erschöpft von unserem Abenteuer und müsstest sofort schlafen gehen." Schnell wandte Sara den Blick ab, denn sie musste daran denken, wie sehr sie sich danach sehnte, neben Alec einzuschlafen. Sie erinnerte sich noch gut an die ersten Monate ihrer Beziehung, die von Nähe und Zärtlichkeit geprägt gewesen waren. Während sie zum Haus der Simpsons gingen, fragte sie sich, ob sie genug dafür getan hatte, dass Alec und sie Zeit miteinander verbrachten. Ihm das Telefon wegzunehmen hatte besser funktioniert, als sie es sich erhofft hatte. Und weder an diesem noch am Vortag war er im Bürocenter gewesen. Bevor sie noch mehr über sein verändertes Verhalten nachdenken konnte, kamen sie bei den Simpsons an und wurden von dem älteren Paar erfreut begrüßt. Sie nahmen am großen Holztisch unter hohen Bäumen Platz, wo bereits der Duft von Gegrilltem in der Luft lag. Sara bemerkte, dass Alec sie häufig anschaute. Fragend hob sie die Augenbrauen, doch er schüttelte nur den Kopf und wandte den Blick ab. Es war bereits nach zehn, als sie sich auf den Rückweg machten. Sara hatte der Abend gut gefallen, und Alec schien es ebenso zu gehen. Er kann sich also doch mit anderen Dingen außer seiner Arbeit beschäftigen, dachte sie zufrieden. Wie wäre es wohl, wenn er seine Arbeitszeit noch mehr einschränken und anderen Interessen nachgehen würde? Wenn er sich beispielsweise um sie, Sara, und das Baby kümmern würde ... "Sie sind wirklich sympathisch, stimmt's?" fragte sie, als sie eintraten und das Licht im Wohnzimmer einschalteten. „Ja. Sie scheinen sehr viel gemeinsam zu haben, findest du nicht?" "Ganz bestimmt. Besonders gut hat es mir gefallen, wie sie von ihren Familientraditionen erzählt haben - diese Freude daran, Dinge regelmäßig und gemeinsam zu tun. So etwas möchte ich mit meinem Kind auch machen." „Meinst du, wir beide haben auch etwas gemeinsam?" fragte er und sah sie an. Sara lehnte sich gegen das Treppengeländer und dachte einen Moment nach. "Wir haben uns nicht genug bemüht, stimmt's?" sagte sie schließlich traurig. "Wir waren beide beruflich erfolgreich und wollten unser Leben weiterführen wie zuvor. Und als ich gemerkt habe, dass mir etwas fehlte, war es bereits zu spät." Sie setzte sich auf die Stufen und stützte das Kinn in ihre Hand. "Ich wünschte, wir wären den Simpsons schon früher begegnet. Das hätte uns vielleicht dazu gebracht, über unsere Beziehung nachzudenken." Sie überlegte einen Moment. "Es gibt zumindest eine Sache, die wir gemeinsam haben: Wir gehen beide gern zum Angeln." Alec zuckte die Schultern.
Tränen schimmerten Sara in den Augen, doch sie schluckte sie hinunter. Hatten sie denn wirklich nichts gemeinsam, worauf sie eine Beziehung aufbauen könnten? Sie liebte ihn doch! Und ihr war klar geworden, dass sie ihr ganzes Leben mit ihm verbringen wollte. War es unmöglich? "Wir könnten morgen noch einmal zum Angeln gehen, Alec. Und wenn dein Knöchel in ein paar Tagen nicht mehr wehtut, können wir im Hotel Mittag essen und dann am Strand spazieren gehen. Am Rand des Sees ist das Wasser sehr flach und deshalb warm genug, um darin zu waten." Er schüttelte den Kopf. "Das geht leider nicht, Sara. Ich werde bald abreisen." Ihr Herz begann, heftig zu schlagen. "Wann?" konnte sie nur fragen. "Übermorgen. Ich habe einen wichtigen Arzttermin. Bestürzt sah sie ihn an. "Aber danach kommst du doch wieder, oder? Wyatt hat das Ferienhaus für drei Wochen gemietet. Wir könnten also noch das Wochenende zusammen verbringen.“ Als Alec nichts erwiderte, sprang sie auf. "Nein, natürlich wirst du nicht zurückkommen - wie konnte ich nur so dumm sein, das anzunehmen? Du wirst gleich in Boston bleiben und dich wieder auf deine Arbeit stürzen - und genauso weitermachen wie vor dem Urlaub." Sie stürmte die Treppe hinauf in ihr Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu. Ungeduldig trocknete sie die Tränen, die ihr über die Wangen liefen. Wie habe ich nur glauben können, Alec und ich hätten eine Chance, dachte sie. Sie hatte angenommen, Alec hätte sich verändert - nur weil er es einige Tage ohne seine Arbeit ausgehalten hatte. Aufgebracht ging Sara in dem kleinen Schlafzimmer hin und her. Sie war wütend, aber auch unendlich traurig. Denn nun wusste sie, dass die gemeinsame Zukunft, die in scheinbar greifbare Nähe gerückt war, nur in ihren Träumen existiert hatte. Sara blieb stehen und atmete tief ein, um sich zu beruhigen. Der nächste Tag war alles, was ihr noch blieb - danach wartete eine einsame, trostlose Zukunft auf sie. Plötzlich bewegte sich das Baby, und sie strich sich sanft über den Bauch. "Wenn uns wirklich nur noch ein einziger Tag bleibt, dann soll es der schönste werden, den wir je gemeinsam erlebt haben", schwor sie sich. Früh am nächsten Morgen ging Sara über den Flur zu Alecs Zimmer und klopfte energisch an seine Tür. "Hm? Was ist los?" Er öffnete die Tür. "Sara, ist etwas passiert?" Er sah unglaublich sexy aus, sein Anblick raubte ihr fast den Atem. Lächelnd sah sie ihn an. "Nein, aber wir wollten doch heute zum Angeln gehen. Und der frühe Morgen ist der beste Zeitpunkt dafür, stimmt's?" Er fuhr sich durch das zerzauste Haar. Unwillkürlich ließ sie den Blick über seine muskulöse Brust und die schmalen Hüften gleiten. Alecs Schlafanzughose saß sehr tief, und so musste Sara all ihre Kraft aufbringen, um nicht die Hand auszustrecken und ... Sie zwang sich, den Kopf zu heben und ihm in die Augen zu sehen.
Doch ihre Sehnsucht war stärker als ihre Vernunft. Sara ließ ihm sanft die Finger über die Brust gleiten. Er hielt sie fest und zog Sara in seine Arme. Sie spürte seinen starken Körper an ihrem. Dann beugte Alec den Kopf und küsste sie fordernd. Noch nie in ihrem Leben hatte sie einen Mann so sehr begehrt. Das leichte Kratzen seiner Bartstoppeln war vertraut und sehr angenehm. Alecs Lippen liebkosten ihre und weckten ein unbändiges Verlangen in ihr. Sara gab sich ganz ihren Gefühlen hin und erwiderte seine Küsse mit all der Zärtlichkeit, die sie für ihn empfand. Plötzlich hob er den Kopf und sah ihr in die Augen. "Ich will nicht frühstücken und auch nicht zum Angeln gehen", sagte er. Seine Stimme klang rau und ein wenig heiser. Sara erschauerte. Sie wünschte, sie könnte ihm vorschlagen, stattdessen den Tag zusammen im Bett zu verbringen. Konnte sie es wagen? Aber warum eigentlich nicht? dachte sie. Schließlich waren Alec und sie noch immer verheiratet und hatten gemeinsam zwei wunderschöne Wochen verbracht. Sie hatten einander geküsst, zusammen gelacht und getanzt. Warum also nicht ein letztes Abenteuer wagen eins, an das sie sich ein Leben lang erinnern würde ... Alec blickte ihr noch immer in die Augen. Sara war die Kehle wie zugeschnürt. Sie wusste, wenn sie diesen Gedanken einmal ausgesprochen hätte, würde es kein Zurück mehr geben. Dann bemerkte sie, wie sich sein Gesichtsausdruck veränderte. Voller Verlangen sah er sie an. Vielleicht brauche ich gar nichts zu sagen, dachte sie plötzlich. Alec schien ihre Gedanken lesen zu können. "Sara?" fragte er leise. "Wenn du weder frühstücken noch angeln möchtest - was möchtest du dann?" "Das hier." Er küsste sie erneut, zog sie noch enger an sich und hielt sie so fest, als wäre sie das Wertvollste, was er besaß. Sara wünschte, sie könnte Alec verdeutlichen, wie sehr sie ihm in den nächsten Jahren fehlen würde, wenn er weiterhin nur für seine Arbeit lebte. Seine Küsse wurden fordernder, und ihr stockte der Atem. Dann ließ er die Hände über ihren Rücken gleiten, umfasste ihren Po und hob sie hoch. Sara schmiegte sich an seine starke Brust und spürte, wie erregt er war. "Komm mit, Sara, lass uns herausfinden, was wir beide gemeinsam haben", sagte er rau und trug sie zu seinem Bett. Sie versuchte, sich jeden dieser kostbaren Momente einzuprägen - jede Berührung seiner Finger, jede Liebkosung -, damit sie sich auch noch in vielen Jahren daran erinnern könnte. Alec hielt sie fest, während sie gemeinsam aufs Bett sanken. "Ich begehre dich so, Sara", flüsterte er und ließ die Lippen über ihren Hals gleiten. Sie erschauerte. Ich liebe dich, antwortete sie im Stillen und versuchte, ihm ihre tiefen Gefühle durch ihre Körpersprache mitzuteilen. Die Hitze der durch die hohen Fenster fallenden Sonnenstrahlen mischte sich mit der Wärme, die Alecs Körper ausstrahlte. Er küsste Sara wieder, und sie
musste an die Zeit kurz nach ihrer Hochzeit denken. Damals hatten sie sich fast jede Nacht wild und leidenschaftlich geliebt. Bei dieser Erinnerung schimmerten ihr Tränen in den Augen. Sie verdrängte die schmerzlichen Gedanken sofort und genoss Alecs Nähe und das Verlangen, das er in ihr entfachte. Er streifte ihr die Kleider ab und zog sich dann selbst aus. Sie ließ ihm die Hände über die Haut gleiten und spürte, wie er unter der Berührung erbebte. Eine Woge des Verlangens erfasste Sara, und sie wusste, dass nur er es stillen konnte. Doch stattdessen entfachte Alec ihr Begehren noch mehr. Als er schließlich in sie eindrang, schien die Welt um sie her zu versinken. Sara glaubte, vor Lust den Verstand zu verlieren. Er zog sie noch enger an sich und stöhnte auf, als sie gemeinsam zum Höhepunkt kamen. Sie ließ sich zurück aufs Bett sinken und wünschte, die Zeit würde stillstehen. Alec legte sich neben sie. Er zog sie an sich und küsste sie auf die Stirn. Gedankenverloren sah sie ihn an und wusste, dass sie diesen Moment ihr ganzes Leben lang nicht vergessen würde. "Was wirst du tun, wenn ich abgereist bin?" fragte er und strich ihr sanft das Haar aus dem Gesicht. Sara wurde daran erinnert, dass sie nur noch wenig Zeit zusammen verbringen würden. Sie versuchte, sich ihren Schmerz nicht anmerken zu lassen, und zuckte die Schultern. "Genau das, was ich vorhatte, als ich hier ankam. Ich war ja darauf vorbereitet, den Urlaub allein zu verbringen. Außerdem sind es ja auch nur noch wenige Tage." "Geh bitte nicht allein in die Höhlen." "Alec, mir wird schon nichts passieren. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen." Er schloss die Augen und widerstand dem Drang, etwas zu entgegnen. Sie hat ja Recht, ich sollte mich wirklich nicht um sie sorgen, dachte er. Doch in den vergangenen zwei Wochen war Sara mehrmals unnötige Risiken eingegangen. Zum Beispiel als sie versucht hatte, den See zu umrunden. Erst nachdem er sich bei dem Unwetter den Knöchel verstaucht hatte, war ihm bewusst geworden, wie gefährlich ein scheinbar harmloser Spaziergang werden konnte. Was würde passieren, wenn sie stürzte und niemand wüsste, wo sie war? Er beschloss, mit den Simpsons zu sprechen, damit sie ein Auge auf Sara haben würden. Ob sie wohl wieder über die Scheidung nachdenkt, wenn ich weg bin? grübelte er und runzelte die Stirn. Darüber wollte er lieber gar nicht nachdenken. Eigentlich überraschte es ihn, dass sie die Scheidung noch nicht eingereicht hatte. Aber sicher würde sie es bald tun, denn zwischen ihnen hatte sich schließlich nichts geändert. Er, Alec, war nun einmal, wie er war. Und Sara wollte mehr, als er geben konnte. Diese Einsicht gefiel ihm gar nicht. Er setzte sich auf und versuchte, den Gedanken zu verdrängen. Neckend sah sie ihn an. "Ist unser Schäferstündchen schon beendet?" "Nein. Bleib bitte hier, ich komme gleich zurück."
Alec sah, wie sie lächelte. Er wünschte, er könnte die Zeit anhalten. Er liebte ihr Lachen, das Glänzen ihrer Augen, ihren Duft. Das alles hatte ihm in den Monaten seit ihrer Trennung sehr gefehlt. Ebenso wie die Nächte, in denen sie sich eng aneinander gekuschelt viele Stunden lang unterhalten hatten. Verärgert stellte er fest, dass er die Trennung von Sara noch immer nicht verkraftet hatte. Dabei war es ihm doch gut gegangen. Seine Arbeit hatte ihn abgelenkt. Er beschloss, sich nach seiner Rückkehr so intensiv mit seinen Fällen zu befassen, dass er nicht ständig an Sara denken musste. Er ging nach unten, um in der Küche Kaffee zu kochen und etwas zu essen zuzubereiten. Die Idee, im Bett zu frühstücken, war ihm ganz plötzlich gekommen. Alec beeilte sich, um möglichst schnell wieder bei Sara zu sein. Er war überwältigt, wie sehr er seine hübsche Ehefrau begehrte - dabei hatten sie sich doch erst vor einer halben Stunde geliebt! Ob es ihm wohl gelingen würde, sie den ganzen Tag bei sich im Bett zu behalten? Dann würde sie vorerst hoffentlich nicht mehr über eine Trennung nachdenken. Als er mit dem Frühstückstablett ins Schlafzimmer kam, war Sara überrascht und freute sich. Sie aßen, unterhielten sich und lachten viel. Nach dem Frühstück kuschelten sie sich aneinander und sprachen über mögliche Namen für das Baby. Und als Alec sie erneut in seine Arme schloss, erwiderte sie seinen Kuss leidenschaftlich. Die Stunden vergingen wie im Flug. Schließlich ging die Sonne unter, und sie betrachteten die rosa angestrahlten Wolken, die hoch am Himmel vorbeizogen. "Ich bin froh, dass wir diese Zeit miteinander hatten", sagte sie leise. "Ich auch." Einerseits wollte er nicht, dass die Tage mit ihr schon vorbei waren. Andererseits wusste er, dass er bald fortgehen musste. Denn je länger er bei Sara war, umso mehr wünschte er sich Dinge, die nie in Erfüllung gehen würden. "Um wie viel Uhr musst du morgen los?" fragte sie nach einer Weile. "Um acht Uhr kommt ein Jeep, um mich abzuholen. Ich fahre dann um halb neun mit dem Shuttle zum Flughafen." Er fürchtete bereits, sie würde ihm Vorwürfe machen oder versuchen, ihn mit Tränen zum Bleiben zu überreden. Doch eigentlich war das nicht Saras Art. Sie war ihm gegenüber immer direkt und ehrlich gewesen. Plötzlich kam er sich neben ihr sehr klein vor. Er zog sie an sich und sagte rau: "Bitte bleib heute Nacht bei mir." Sie nickte. "Morgen mache ich dir dann Frühstück." "Nein, das ist wirklich nicht nötig. Schlaf lieber aus. Ich kann etwas am Flughafen essen." Alec wusste, dass es an der Zeit war, einen Schlussstrich zu ziehen und in sein altes Leben zurückzukehren. Der Urlaub mit Sara war wie ein schöner Traum gewesen. Doch er wusste nur zu gut, dass es so im wirklichen Leben nicht funktionieren würde.
Obwohl Alec ihr gesagt hatte, sie solle liegen bleiben, stand Sara am nächsten Morgen früh auf. Als er nach unten kam, hatte sie bereits Kaffee gekocht. Sie rang sich ein Lächeln ab, fest entschlossen, die folgenden schweren Minuten zu überstehen. "Leider bin ich nicht rechtzeitig aufgestanden, um ein ganzes Frühstück zu machen. Aber immerhin gibt es Kaffee - ich weiß doch, dass du ohne ihn morgens nicht richtig wach wirst." Sie reichte ihm einen Becher. "Danke." Während er trank, wandte er den Blick nicht von ihr. Sara hoffte, sie würde in den rosa Shorts und dem rosa Oberteil gut aussehen. Rosa war die Farbe, die ihr am besten stand. Sie hatte sich auch ein wenig geschminkt, damit Alec sie so hübsch wie möglich in Erinnerung behalten würde. Plötzlich fiel ihr ein, dass sie noch immer sein Handy hatte. Sie reichte es ihm. "Du wirst es sicher brauchen." "Wenn du wieder in Boston bist, werde ich dich anrufen", versprach er und schob das Telefon in seine Aktentasche. Sie nickte und rang sich erneut ein Lächeln ab. "Wir haben uns gar nicht auf einen Namen geeinigt", sagte sie. Sie und Alec hatten stundenlang über die verschiedenen Möglichkeiten diskutiert. Doch als er sie geküsst hatte, war das Thema schnell vergessen gewesen. Sie zwang sich, nicht mehr daran zu denken. Sonst würde sie den Abschied nicht überstehen. Vor dem Haus hupte ein Wagen. Der Jeep, der Alec zum Hauptgebäude bringen sollte, war da. Sie atmete tief ein. "Ich wünsche dir eine gute Reise, Alec. Ich hoffe, der Arzt wird dir sagen, dass du bald wieder ganz gesund bist. " "Ich werde dich anrufen." Er stellte den Becher ab, ging zu ihr und küsste sie. Dann blickte er ihr in die Augen. "Wirst du auch wirklich allein zurechtkommen?" "Natürlich. Du musst jetzt los, sonst verpasst du noch deinen Flug.“ Er nickte kurz und ging. Sie hörte, wie er zur Haustür ging. Als diese ins Schloss fiel, herrschte Stille. Tränen schimmerten Sara in den Augen. Sie schluchzte, hatte sie doch das Gefühl, ihr Herz wäre in tausend Stücke zerbrochen. Sie ging auf die kleine Terrasse hinter dem Haus, lehnte sich an das Geländer und ließ ihren Tränen freien Lauf. Es ist vorbei, dachte sie. Die schönen Wochen mit Alec waren wie ein Traum gewesen - doch nun war sie aufgewacht. Und nichts hatte sich geändert. Sie war allein. Denn wieder einmal war Alec seine Arbeit wichtiger gewesen als alles andere. Sie putzte sich die Nase. Ihr Blick fiel auf die Hängematte. Sara merkte, dass ihr der Rücken wehtat. Zu viel Liebe gestern und letzte Nacht, dachte sie wehmütig. Doch sie musste zugeben, dass sie noch immer nicht genug von Alec bekommen hatte. Schließlich gab sie sich einen Ruck und beschloss, sich den restlichen Urlaub nicht von Alecs Abreise verderben zu lassen. Sie packte eine Decke und einen
kleinen Imbiss in den Rucksack und brach zu der Wiese auf, wo sie gemeinsam gepicknickt hatten. Doch während sie ging, nahmen die Schmerzen zu. Sara ging schneller, weil sie hoffte, die Bewegung würde den Muskeln gut tun. Nach einer Weile ging es ihr wirklich besser. Als sie die Wiese erreichte, breitete sie die Decke aus, um zu Mittag zu essen. Ich könnte mir noch einmal die Höhlen ansehen, dachte sie, als sie plötzlich einen scharfen Schmerz im Unterbauch verspürte. Konnte das wirklich nur von den überanstrengten Muskeln kommen? Sara ließ sich vorsichtig auf der Decke nieder. Nach zehn Minuten erfasste sie erneut ein heftiger Schmerz. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr, woher diese Beschwerden kamen: Die Wehen hatten eingesetzt. "O nein", dachte sie verzweifelt. Das konnte doch nicht wahr sein! Der Geburtstermin war erst in drei Wochen - und meist kam das erstgeborene Baby doch noch später als erwartet! Bevor sie ihre Sachen zusammenpacken konnte, ließ die nächste Wehe sie vor Schmerz auf der Decke zusammensinken. Sara wurde von Panik ergriffen: Sie war etwa eine Stunde vom nächsten Telefon entfernt, und niemand hatte auch nur die geringste Ahnung, wo sie sich befand!
11. KAPITEL „Sara? " Sara hob den Kopf. Ich habe wohl schon Halluzinationen, dachte sie. Denn sie war ganz sicher gewesen, dass sie Alecs Stimme gehört hatte. Dabei musste er doch schon fast in Boston sein. Doch dann sah sie ihn, durch die Tränen, die ihr vor Angst und Schmerzen übers Gesicht liefen. Er saß nicht im Flugzeug, sondern ging schnell auf sie zu, während der Wind ihm das Haar zerzauste. "Alec?" Sie brach erneut in Tränen aus. "Meine Wehen haben eingesetzt!" "Was tust du denn hier ganz allein?" Er kniete sich neben sie und legte ihr eine Hand auf den Bauch. Mit der anderen hob er ihr Kinn an und blickte ihr in die Augen. "Hast du den Verstand verloren? Ich habe dir doch gesagt, du sollst nicht allein wandern gehen! " "Ich wäre nicht allein, wenn du nicht hättest abreisen müssen", entgegnete sie. Dann presste sie die Lippen zusammen, als die nächste Wehe einsetzte. "Jetzt bin ich ja wieder bei dir. Wir müssen dich sofort ins Krankenhaus bringen." "Das ist eine großartige Idee. Hast du auch einen Vorschlag, wie wir das schaffen sollen?" „In welchen Abständen kommen die Wehen?"
"Ich weiß es nicht, ich habe meine Uhr nicht dabei. Es kommt mir so vor, als würden sie direkt aufeinander folgen." Sie sah ihn fragend an. "Warum bist du zurückgekommen? Hast du etwas vergessen?" Alec nickte ernst. „Ja. Dich." Er setzte sich auf den Boden, zog sie auf seinen Schoß und küsste sie heftig. Dann hob er den Kopf und lehnte die Stirn an ihre. Saras Herz schlug heftig. "Oh", stöhnte sie plötzlich, als der Schmerz sie erneut überwältigte. "Es tut so weh!" Stirnrunzelnd blickte er auf die Uhr. "Wir müssen sofort los, Sara. Ich kann es immer noch nicht fassen, dass du in deinem Zustand hierher gekommen bist! " Ich konnte doch nicht wissen, dass die Wehen schon so früh einsetzen würden!" Mit Alecs Hilfe stand sie vorsichtig auf und atmete tief ein. "Kannst du gehen?" Fast hätte sie laut losgelacht. "Und falls nicht? Wirst du mich dann tragen?" "Natürlich werde ich das." Überrascht sah sie ihn an. Er erwiderte ihren Blick - und sie wusste, dass er es ernst meinte. "Ich glaube schon, dass ich gehen kann. Zumindest eine kurze Strecke. In meinem Geburtsvorbereitungskurs habe ich auch gelernt, dass Gehen gegen die Wehenschmerzen helfen kann." „Eine so anstrengende Wanderung war damit aber sicher nicht gemeint." "Oh! " Sara spürte die nächste Wehe. Alec stellte sich hinter sie und umfasste ihre Schultern, so dass sie sich gegen ihn lehnen konnte. Wieder sah er auf die Uhr. "Sie kommen in Abständen von acht Minuten. Weißt du, was das bedeutet?" Als der Schmerz abgeebbt war, atmete Sara tief ein und erwiderte: "Die Wehen werden immer schneller aufeinander folgen. Aber das Ganze zieht sich oft über Stunden hin. Uns bleibt also genug Zeit, um zurückzugehen." Zumindest hoffe ich das, dachte sie verzweifelt. Auf keinen Fall wollte sie ihr Kind mitten im Wald zur Welt bringen! Alec half ihr, den Rucksack zu packen. Dann hakte er sie unter und führte sie zum Pfad. "Warum bist du wiedergekommen?" fragte Sara, als sie langsam den Hügel hinabstiegen. "Als ich am Flughafen ankam, wurde mir klar, dass ich nicht ohne dich abreisen konnte - und auch nicht wollte. Also bin ich umgekehrt. Mrs. Simpson sagte mir, in welche Richtung du gegangen bist." Sie zuckte erneut vor Schmerz zusammen und blieb stehen. Alec hielt sie fest, bis die Wehe abgeklungen war. "Immer noch acht Minuten", sagte er, als sie wieder losgingen. "Bist du sicher, dass du weitergehen kannst? Nicht dass das Baby plötzlich herausfällt und sich den Kopf stößt!"
Sara musste lachen. Sie drückte ihm die Hand und sagte leise: "Danke, dass du zurückgekommen bist. Was hätte ich nur ohne dich getan?" Sie sah ihn eindringlich an und fragte: "Gibt es etwas, was du mir sagen möchtest, Alec?" "Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll." "Wie wäre es mit dem Anfang?" schlug sie vor. Vielleicht würde Alecs Erzählung sie ein wenig von ihrer Angst ablenken, dass sie es doch nicht mehr rechtzeitig ins Krankenhaus schaffen würden. "Ich weiß selbst nicht genau, wann alles begonnen hat. Als ich dich das erste Mal sah und du mir den Atem geraubt hast? Als mir klar wurde, dass ich dich brauche und mein Leben mit dir verbringen möchte? Oder fing es an, als ich nach der Hochzeit meine alten Gewohnheiten wieder angenommen habe? Ich hatte sehr lange allein gelebt, Sara. Ich habe wohl nie richtig gelernt, mit anderen zu teilen. Und ich dachte, ich müsste dir die Welt zu Füßen legen, also habe ich immer mehr gearbeitet, um dir schöne Dinge kaufen zu können." "Aber ich wollte nur dich." "Die letzten Monate waren kaum zu ertragen. Das Apartment ist furchtbar leer, und überall spüre ich deine Gegenwart." Sara lächelte unter Tränen. "Also bin ich immer länger in der Kanzlei geblieben, um nicht in die leere Wohnung zurückkommen zu müssen, wo mich alles an dich erinnerte. Außerdem lenkte mich die Arbeit ab." "Warum hast du mich nicht einfach gebeten, zu dir zurückzukommen?" fragte sie leise. "Weil ich mir dann hätte eingestehen müssen, dass du Recht hattest, als du sagtest, ich müsste meinen Lebensstil ändern." Er schwieg eine Weile und fuhr dann fort: "Wir hätten uns beide umstellen müssen, aber ich mehr als du." "Oh! " Wieder blieb sie stehen und krümmte sich vor Schmerzen. Alec hielt sie fest und wartete geduldig, bis die Wehe vorbei war. Um Sara Mut zu machen, ließ er sich nicht anmerken, wie besorgt er war. Als sie weitergingen, fragte sie: "Und wann ist dir klar geworden, dass wir beide uns ändern müssen?" "Als ich während des Unwetters gestürzt war und lange Zeit allein im Regen saß. Da habe ich über vieles nachgedacht. Ich war zwar überzeugt, dass ich nicht wirklich in Gefahr war. Aber was, wenn mir doch etwas passiert wäre?" Sara lief ein kalter Schauer über den Rücken. Sie wollte sich gar nicht ausmalen, wie eine Welt ohne Alec aussehen würde. "Ohne dich ist mein Leben nicht viel wert, Sara. Für mich ist meine Arbeit inzwischen wie eine Droge, mit der ich den Schmerz betäube, seit du mich verlassen hast. Und du hast völlig Recht: Bostons Gerichtswesen würde ohne mich nicht aus den Fugen geraten. Ich glaube schon, dass ich wertvolle Arbeit leiste. Aber das tun auch all die anderen Anwälte in meiner Kanzlei. Wir sind schließlich ein Team, keine Einzelkämpfer. " "Sie würden dich sicher vermissen", erwiderte Sara. "Aber im Chaos versinken würde ihre Arbeit ohne dich nicht."
"Wir werden es herausfinden." "Und wie?" "Zuerst einmal werde ich mir so lange frei nehmen, wie der Arzt es mir verordnet hat. Denn ich habe festgestellt, dass mir außer der Arbeit auch viele andere Dinge Spaß machen - wenn ich sie mit dir zusammen tue." Saras Herz klopfte zum Zerspringen. Sie vergaß alle Vorsicht und warf sich ihm in die Arme. "Ich liebe dich, Alec", flüsterte sie. "Ich liebe dich auch, Sara - mehr, als ich je geglaubt hätte." Er küsste sie leidenschaftlich. Sie stieß einen Schmerzensschrei aus, als die nächste Wehe einsetzte. Alec blickte auf die Uhr. "Wir müssen uns beeilen, Darling. Die Abstände betragen jetzt nur noch sechs Minuten." Den restlichen Weg zum Ferienhaus nahm Sara nur wie im Traum wahr. Sie klammerte sich an Alec und ging, so schnell sie konnte. Doch mit jedem Schritt wuchs ihre Angst. Sie war unendlich erleichtert, als schließlich das Haus zu sehen war. Als sie es kurze Zeit später betraten, rief Alec sofort an der Rezeption an, damit man einen Krankenwagen schickte. Zu diesem Zeitpunkt kamen die Wehen bereits unmittelbar nacheinander. "Und nun musst du schleunigst ins Bett, Darling", sagte Alec und wollte sie zur Treppe führen. "Auf keinen Fall werde ich jetzt Treppen steigen", entgegnete Sara und hielt sich an seinem Arm fest. "Ich will ins Krankenhaus!" "Ich habe einen Krankenwagen rufen lassen. Aber ich bezweifle, dass er hier eintrifft, bevor das Baby kommt. Außerdem wirst du dich im Bett sicher besser entspannen können. Kannst du die Treppe hinaufgehen?" Sie schüttelte heftig den Kopf. Ohne etwas zu sagen, nahm Alec sie auf den Arm und trug sie in ihr Schlafzimmer. "Aber dein verstauchter Knöchel..." wandte sie ein, doch er hörte nicht auf sie. Bevor die nächste Wehe kam, hatte er Sara vorsichtig aufs Bett gelegt, ihr die Kleider abgestreift und ein leichtes Nachthemd übergezogen. Er legte ihr die Hand auf den Bauch und sagte eindringlich: "Ich möchte, dass unser Baby mit beiden Eltern aufwächst, Sara. Und ich verspreche dir, dass du mir von nun an wichtiger sein wirst als meine Arbeit. Wir werden gemeinsame Interessen entdecken, Familientraditionen begründen und eine unerschütterliche Grundlage für unsere Ehe schaffen." "Tust du das nur für das Baby?" fragte sie. "Nein. Ich tue es für uns beide. In den vergangenen Tagen ist mir klar geworden, wie sehr ich dich liebe. Ohne dich ist mein Leben leer und sinnlos. Ich möchte dich zurückhaben, und das hat nichts mit dem Baby zu tun." Konnte sie ihm wirklich glauben? Alec sah sie eindringlich an. "Bitte gib mir noch eine Chance, Darling. Du wirst von nun an das Wichtigste in meinem Leben sein. Und du hattest Recht: Wir haben genug materielle Dinge. Aber die Zeit gemeinsam mit dir zu
verbringen, das ist unendlich kostbar und unbezahlbar." Er blickte ihr in die Augen. "Ich liebe dich, Sara, und ich möchte dich zurückhaben! " Sie warf sich ihm in die Arme und schmiegte sich an ihn. Niemand konnte sagen, was die Zukunft bringen würde. Aber sie, Sara, war bereit, Risiken einzugehen - für den Mann, den sie liebte. Eine unbändige Freude erfüllte sie. Zum ersten Mal seit vielen Monaten erschien ihr die Zukunft schön und vielversprechend. "Ja", flüsterte sie nur. Dann rief sie erschrocken: "O Alec, ich glaube, das Baby kommt!“ "Hab keine Angst, Darling. Wir werden es schaffen - gemeinsam! " Als der Krankenwagen kurze Zeit später kam, hatte Angela Blackstone ihre Ankunft bereits mit herzhaftem Geschrei kundgetan. Den glücklichen Eltern schimmerten Freudentränen in den Augen. All ihre Angst und Besorgnis waren vergessen. Alec wickelte seine kleine Tochter vorsichtig in ein weiches, sauberes Handtuch, während Sara untersucht wurde. Schließlich erklärte der Arzt, es würde ihr ausgezeichnet gehen. Alec war unendlich erleichtert. Er beugte sich zu ihr und küsste sie zärtlich. "Ich liebe dich", sagte er rau. "Jetzt und für immer." „Jetzt und für immer", wiederholte sie überglücklich. - ENDE -