·
'
F ranz Zinniker
PROBLEME DER SOGENANNTEN KINDHEITSGESCHICHTE BEI MATTAUS von Franz Zinniker
Der Verfasser hat sich seit einer Reihe von Jahren mit dem Problem der mattäischen Votlgeschichte beschäftigt und legt hier die Ergebnisse seiner Stu dien vor. Die sogenannte Kindheitsgeschichte Jesu gehört, soweit sie in den beiden Anfangskapiteln des Mattäusevangeliums zur Sprache kommt, ohne Zweifel zu den << heissen Eisen » der heutigen Exegese. Es geht um die- natürliche oder wunderbare? - Empfängnis J esu im Schoss Marias und um seine Geburt in Bethlehem - oder vielleicht in Nazareth? -, um die seltsame Geschichte von den Magiern aus dem Osten, um die Flucht nach Agypten und den Kindermord von Bethlehem. Um was handelt es sich bei diesen evangelischen Berichten? Welches ist die literarische Gattung dieser Stücke? Wo sind sie entstanden und welches sind die Quellen dieser urchristlichen Überlieferungen ? Sind sie lediglich literarische Kompositionen, entstanden aus theologisch-katechetischen Interessen und Absichten? Oder stecken darin echte Nachrichten aus dem Milieu von beteiligten Personen? Diesen Fragen geht die vorliegende Arbeit nach. Sie zeigt die in den Texten ruhende Problematik . Sie versucht
Klarheit zu· schaffen und Antwort zu geben und scheut dabei nicht die notwendige ehrliche Auseinandersetzung. Auch die immer wieder diskutierte Frage, woher es kommt, dass die mattäische Vorgeschichte so stark von der lukanischen abweicht, wird aufgeworfen und findet eine glaubwürdige Antwort.
'
Die Ergebnisse, die vorgelegt werden, verdienen die Aufmerksamkeit aller, die sich mit neutestamentlicher Exegese beschäftigen. Die Arbeit von Franz Zinniker ist vor allem gedacht für gebildete Laien, die biblisch interessiert sind. Sie ist aber auch für Fachleute erheblich, weil auf zum Teil nicht oder kaum beachtete Gesichtspunkte hingewiesen wird und neue Argumente vorgebracht werden. Prediger und Katecheten werden es begrüssen, für die katechetische und homiletische Behandlung der in Frage stehenden Perikopen eine verständlich geschriebene, anregende und zugleich gründliche Untersuchung vorzufinden.
'
FRAN Z ZINNIKER
PROBLEME DER SOGENANNTEN KINDHEITSGESCHICHTE BEI MATTÄUS
PAULUSVERLAG FREIBURG SCHWEIZ- 1972
Mit kirchlicher Druckerlaubnis des bischöflichen Ordinariates der Diözese Basel vom 29. November 1971
@ 1972 by Paulusverlag Freiburg Schweiz Paulusdruckerei Freiburg Schweiz
Der hochbetagten Mutter
ANNA ZINNIKER-AMREIN dankbar gewidmet
VORWORT
Die Kindheitsgeschichte Jesu, so wie sie- allerdings nur stückweisein den Vorgeschichten von Mattäus und Lukas enthalten ist, wirft immer noch, und heute mehr als je, zahlreiche Fragen auf, die einer Lösung entgegengeführt werden sollten. Das Bemühen darum ist nützlich und wertvoll. Die vorliegende Schrift möchte sich mit solchen Fragen beschäftigen, welche die beiden ersten Kapitel des Mattäusevangeliums uns aufgeben. Der Verfasser ist sich der Schwierigkeiten bewußt, die sich aus dem gestellten Problem ergeben. Er vertritt die Meinung, daß das letzte Wort über die mattäische Vorgeschichte noch nicht gefallen ist und daß Vorschläge und Hypothesen über dieses Thema vorgebracht werden dürfen und sollen, damit sie ohne Vorurteil geprüft werden. Die vorliegende Arbeit ist eine exegetisch-historische Studie. Es sei zum voraus gesagt: Der Verfasser möchte die Verbindung mit dem Boden nicht verlieren, mit diesem Erdboden, auf dem der Mensch steht, lebt, arbeitet, sich entwickelt und Geschichte macht. Die Offenbarung Gottes erfolgte in der Geschichte der Menschheit und in diese Welt hinein. Der Verfasser ist der Meinung, daß das Bemühen nicht aussichtslos ist, hinter den evangelischen Berichten historischen Boden zu greifen und geschichtliche Begebenheiten wenigstens umrißweise und in Bruchstücken zu erkennen. Diese «Welt der Menschen» ist nicht in sich abgekapselt. Sie ist geöffnet, sie hat Antennen für das Jenseitige und Göttliche, es gibt Verbindungen hin und zurück. Die Heilsgeschichte, von der die Schriften des Alten und des Neuen Testamentes Kunde geben, hat innerhalb der Menschheitsgeschichte deutliche Spuren hinterlassen, denen man nachgehen kann. Einer solchen Spur, die in der mattäischen Vorgeschichte ihren literarischen Niederschlag gefunden hat, wird hier nachgegangen. 7
Den Herren Prof. Dr. Bugen Ruckstuhl und Prof. Dr. Rudolf Schmid, beide an der Theologischen Hochschule in Luzern, wie auch Prof. Dr. Josef Pfammatter (Chur), sei für die Durchsicht des Manuskriptes und für Hinweise und Anregungen herzlich gedankt. Ebenso herzlich danke ich Herrn J osef Guggenheim (Zürich) für die kritische Lesung des Exkurses «Jüdische Sitten und Bräuche in bezug auf Verlobung und Vermählung». In der Meinung, daß die vorliegende Arbeit nicht nur der Fachwelt von Interesse sei, sondern auch Pfarrern und Predigern, Katecheten und Katechetinnen nützlich sein könne, wurde so gut als möglich auf allgemein verständliche Sprache geachtet. Griechische und lateinische Zitate sind stets übersetzt. Quellen- und Literaturangaben wurden so abgefaßt, daß jenen Lesern, denen der Talmud oder die Patrologia Graeca und Latina oder die griechische Ausgabe der Werke von Flavius Josephus nicht leicht zugänglich ist, mit den Angaben bei Strack-Billerbeck, mit einer deutschen Übersetzung des Flavius Josephus und mit der Köselschen Ausgabe der Kirchenväter (Bibliothek der Kirchenväter) gedient ist. Im übrigen sei gesagt: Die Beschäftigung mit dem Evangelium Jesu Christi ist immer und überall auch in sich wertvoll und beglückend. DE SACRA SCRIPTURA NUNQUAM SATIS I Nie ist es genug mit der Erforschung (und Betrachtung I) der heiligen Schriften. PRANZ ZINNIKER
Die biblischen Eigennamen im Text (nicht in den Zitaten!) sind geschrieben in der Schreibweise, wie sie im «Ökumenischen Verzeichnis der biblischen Eigennamen nach den Loccumer Richtlinien» (Stuttgart 1972) empfohlen wird.
8
INHALT
Vorwort........................................................ Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7 10
I. Zur Einführung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
II. Ist Mattäus 1,18-2,23 eine literarische Einheit? . . . . . . . . . . . . . . . . .
18
III. Die Erfüllungszitate im Mattäusevangelium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs 1: Ist Mt 1,18-25 ein christologischer Midrasch? . . . . . . . . Exkurs 2: Ist der Ausdruck «Sohn der Maria» bei Mk 6,3 als Schimpfwort aufzufassen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30 96 106
IV. Der besondere Charakter von Mt 2,1-12.......................
111
V. Die Engelerscheinungen in der mattäischen Vorgeschichte........
130
VI. Die Herkunft der Josefüberlieferungen in Mt 1 und 2 und ihr historischer Gehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs 3: Jüdische Sitten und Bräuche in bezug auf Verlobung und Vermählung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
143 154
VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
167
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Register der Bibelstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
171 177 182 184
9
ABKÜRZUNGEN
1. Altes Testament
Gen Ex Lev Num Dtn Jos Ri Rut 1 Sam 2Sam 1 Kön 2Kön 1 Chr 2Chr Esr Neh
Tob Jdt Est 1 Makk 2Makk Ijob Ps Spr Koh Hld Weish Sir Jes Jer Klgl
Bar Ez Dan Hos Joel Am Obd Jon Mich Nah Hab Zef Mal Sach Hag
2. Neues Testament
Mt Mk Lk Joh Apg Röm 1 Kor 2Kor Ga!
10
Eph Phi! Kol 1 Thess 2 Thess 1 Tim 2Tim Tit Phlm
Hebr Jak 1 Petr 2 Petr 1 Joh 2Joh 3 Joh Jud Offb
J. Biicher 11nd Zeilschriflen
Antiquitates Judaicae von Flavius Josephus. Acta Sanctorum. Annual of the Swedish Thcological Institute. Altes Testament Deutsch, herausgegeben von A. Weiser (1949 lf.). Biblisch-Historisches Handwörterbuch, herausgegeben von B. Reicke und L. Rost (1962/f.). Bellum Judaicum von Flavius Josephus. BJ BKV Bibliothek der Kirchenväter, herausgegeben von 0. Bardenhewer u. a. (1911/f.). BL Bibellexikon, herausgegeben von H. Haag (1968). BT Babylonischer Talmud. BuK Bibel und Kirche, Organ des Kath. Bibelwerkcs, Stuttgart. BuL Bibel und Leben, herausgegeben von J. Botterweck u. a. (1960 lf.). BWANT Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament. BZNF Biblische Zeitschrift, Neue Folge, herausgegeben von V. Hamp und R. Schnackenburg (19571f.). DBS Dictionnaire de Ia Bible, Supplement (19281f.). GA Gazette Archeologique. GCS Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte (Leipzig 1897 ff.). Jerusalemer Talmud. JT NTD Neues Testament Deutsch, herausgegeben von P. Althaus und G. Friedeich (19321f.). PG Patrologia Graeca. PL Patrologia Latina. RAC Reallexikon für Antike und Christentum. RECAW Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft von PaulyWissowa. RNT Regensburger Neues Testament, herausgegeben von A. Wikenhauser und 0. Kuss. SBS Stuttgarter Bibelstudien. Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, herausgegeben TWNT von G. Kittel (1949 ff.). ZA Zeitschrift für Assyriologie. Zeitschrift für Katholische Theologie. ZKTh Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft. ZNW ZThK Zeitschrift für Theologie und Kirche. AJ ASS AST! ATD BHHWB
11
I
ZUR EINFÜHRUNG
Man hat die beiden ersten Kapitel des Mattäusevangeliums - ebenso wie die von Lukas- gerne als «Kindheitsgcschichte Jesu» bezeichnet. Passender ist jedoch die neuere Bezeichnung «Vorgeschichte», weil sie die Hauptintention des Verfassers dieser Texte besser erfaßt. Das älteste Evangelium, das des Markus, beginnt mit dem Auftreten des Täufers Johannes. Was Mattäus und Lukas, jeder gestützt auf eine Sonderquelle, diesem Täuferbericht vorausschicken, ist Vorgeschichte ihres Evangeliums. Freilich hat diese Vorgeschichte mit der Geburt und Kindheit J esu zu tun, aber sie befaßt sich damit weder systematisch noch vollständig, und sie tut es aus besonderer Blickrichtung. Die Vorgeschichte sowohl des Mattäus wie des Lukas hat jede ihre eigene Herkunft, ihren besonderen Charakter und ihre besondere Zielrichtung. Bleiben wir bei der Vorgeschichte des Mattäus, denn unsere Arbeit will nur diese behandeln. Der Stammbaum 1,1-1,17 soll nicht im einzelnen studiert werden, es genügen einige generelle Feststellungen. Daß die jüdischen Familien Stammbäume besessen haben und daß solche in den Archivräumen des Tempels in Jerusalem aufbewahrt worden sind, darf als sicher betrachtet werden. «Das Vorhandensein glaubwürdiger genealogischer Tabellen in de:r neutestamentlichen Zeit kann hiernach nicht in Zweifel gezogen werden. Ausdrücklich werden solche mehrfach in der älteren jüdischen Literatur erwähnt, zum Teil auch inhaltlich skizziert» 1 • Das hindert natürlich nicht, daß talmudische Angaben 1 H. L. STRACK- P. BrLLERBECK, Kommentar zum NT aus Talmud und Midrasch, München 1922, I 4. - «Die Geschlechtsregister in der Bibel weisen öfters Spuren einer Bearbeitung auf; die Geschichtsschreiber treffen eine bestimmte Auswahl, kürzen, schematisieren, ergänzen usw .... Mehrere Listen sind sehr schematisch überliefert; die Zahl der aufgenommenen Namen hat symbolische und mnemotechnische Bedeutung.» So A. V AN DEN BoRN, Geschlechtsregister = BL von H. Haag, Einsiedeln 2 1968, 575.
13
auch Legendenhaftes und Tendenziöses enthalten können, das einer kritischen Prüfung unterworfen werden kann. - Belege für die Herkunft waren notwendig in einem Volk, dessen Priestertum auf blutmäßiger Abstammung beruhte. Nicht Wahl oder Wille des Einzelnen machten den Weg frei für den Zutritt zum Priestertum, sondern die richtige Abstammung. Für den Zutritt zu öffentlichen Ehrenämtern war Ahnennachweis erforderlich. Das Recht auf Erbbesitz im Lande und notfalls auf Versorgung durch die Gemeinde mußte durch die Ahnenliste erwiesen werden. Im Buche Esra 2, 59-63 werden sechs Familien genannt, die «nicht angeben konnten, ob ihre Familien und ihr Geschlecht wirklich aus Israel stammten». Es wird nicht berichtet, wie der Streitfall gelöst worden ist. Flavius J osephus gibt in seiner Vita die väterliche Ahnenliste für eine Zeitspanne von etwa 200 Jahren an, er nennt auch die Geburtsjahre einzelner Ahnen und rühmt sich, durch die väterliche Linie priesterlicher Abstammung, von der Mutter her aber königlichen Geblütes zu sein 1 • Davididen gab es nach Eusebius, der aus Hegesippus schöpft, unter den Kaisern Vespasian (69-79), Domitian (81-96) und Trajan (98-117) 2 • Zusammenfassend sei Joachim Jeremias zitiert: «Schon die Tatsache, daß von dem Nachweis der legitimen Abstammung die Ausübung wichtigster bürgerlicher Rechte abhing, sichert den Schluß, daß nicht nur, wie wir sahen, jeder zum Amt zugelassene Priester ausnahmslos über seine Genealogie im Bilde war, sondern daß auch der einfache Israelit seine nächsten Vorfahren kannte und angeben konnte, von welchem der zwölf Stämme er sich herleitete. War doch, seit nach der Rückkehr aus dem Exil die reinen Familien sich von denjenigen absonderten, die sich mit Heiden vermischt hatten, der Nachweis der legitimen Abstammung geradezu zur Grundlage der wiederhergestellten Volksgemeinschaft geworden. Die reinrassigen Familien, nur sie, stellten das wahre Israel dar. Die genealogischen Angaben der biblischen Bücher Esra und Nehemia, insbesondere die ausführlichen Stammbäume der zwölf Stämme 1 Chr 1-9, spiegeln das genealogische Interesse der nachexilischen Zeit wider; sie haben die Grundlage für die Aufstellung von Stammbäumen in der Folgezeit gebildet» 3• BENEDICTUS NIESE, Flavii Josephi opera, Berlin 1955, Bd. 4, 321 f. Nr. 1. MIGNE PG 20, 246-255; 281-286 ( = BKV, Des Eusebius Pamphili, Bischofs von Caesarea, Kirchengeschichte, München 1932, 121-126 und 141 ff.). 3 J. ]EREMIAS, Jerusalem zur Zeit Jesu, Göttingen 2 1958, II B 145. 1 2
14
Wie der Stammbaum Josefs, nach mehrfacher Überlieferung der neutestamentlichen Schriften ein Nachkomme Davids 1, ausgesehen hat, kann nicht mehr genauer ermittelt werden. Die Ahnenliste in Mt 1,1-17 ist sicher idealisiert und auf das kerygmatische Zahlenspiel von dreimal vierzehn Namen ausgerichtet. Der Name David hat im Hebräischen den Zahlenwert 4 + 6 + 4 = 14. Es soll also offenbar die Zahl von dreimal vierzehn Geschlechtern erreicht werden. Und dies eben will etwas aussagen. In Jesus vollendet sich die Davidszahl. In ihm ist das Ende und zugleich die Krönung der israelitischen Geschlechterfolge erreicht. In Jesus, dem Sohn Abrahams und dem Sohn Davids, ist die von Gott verheißene Erfüllung und Vollendung gekommen. Die eschatologische Endzeit hat begonnen 2 • Jesus ist Sohn Davids, weil Josef sein rechtmäßiger Vater ist. Alle Evangelien bezeugen, daß J esus in der Öffentlichkeit als Sohn J osefs galt. Die Einwohner von Nazaret sagen: «<st dieser nicht des Josefs Sohn?» (Lk 4,22; vgl. Mk 6,3 und Mt 13,55). Die gleiche Nachricht überliefert das Johannesevangelium an zwei Stellen: 1,45 und 6,42. Besonders eindrücklich ist diese letzte Stelle. «Da murrten die Juden über ihn, weil er sagte: 'Ich bin das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist', und sie sagten: 'Ist dieser nicht J esus, der Sohn J osefs, dessen Vater und Mutter wir kennen?'» Ob auch Maria väterlicherseits aus davidischer Linie stammte, ist umstritten, hat aber achtbare Gründe für sich 3• Jedenfalls galt Jesus 1 Nach Mt 1,1.20; Lk 2,4; 3,23-31. - Dazu gehören auch jene Stellen, die Jesu leibliche Abstammung von David behaupten: z. B. Apg 2,30; 13,23; Röm 1,3; 2 Tim 2,8; Offb 22,16. 2 «Ein derart wohlüberlegtes und kunstvolles Gebilde muß von Haus aus ein Produkt der Feder sein, das - gewiß aus verfügbaren Quellen und Traditionen schöpfend - auf ein konkretes schriftstellerisches Vorhaben hinweist. Dieses wird immer noch am plausibelsten mit unserem Mt-Ev selbst identifiziert, das sich im besonderen um den Nachweis bemüht, daß Jesus der verheißene Messias Israels und der Völker ist.» So A. VöGTLE, Die Genealogie Mt 1,2-16 und die matthäisehe Kindheitsgeschichte, BZ NF 8 (1964) 45-58; 239-262; 9 (1965) 32-49, Zitat ebenda 48. Vögtle spricht die Abfassung der Genealogie dem Verfasser des Mt-Ev zu und legt dafür gute Gründe vor, so «die Verwendung von Zahlen als Kompositionsprinzip und schließlich der stark systematisierende und lehrhaft-demonstrative Charakter der Genealogie» (48/49). 3 Die Bemerkungen in Röm 1,3 und Apg 2,30 verlangen nicht ohne weiteres die Abstammung Marias aus dem Geschlecht Davids, da in Israel einzig die gesetzliche Vaterschaft galt, sie verbieten sie aber auch nicht. «Die Frau wird mit Vorliebe aus dem gleichen Geschlecht (Tochter des Vaterbruders) oder dem gleichen Stamm genommen (Gen24,4ff.; 29,12; Tob 7,2.12, vgl. Ri 14,3)»:
15
mit vollem Recht als Sohn Davids, da sein legitimer Vater ein Sprosse Davids war. Der Stammbaum Josefs wird etwas anders ausgesehen haben, als er in Mt 1 aufgezeichnet ist, denn niemand, der bei der Geburt J osefs dabei war, konnte wissen, was für eine Rolle in der Heilsgeschichte diesem verarmten Abkömmling Davids beschieden sein werde. Demgemäß konnte der Stammbaum J osefs natürlich noch nicht idealisiert und auf das eschatologische Ziel ausgerichtet sein. Aber die wichtigsten Namen, speziell der dritten Gruppe, wird auch er aufgewiesen haben. Der Stammbaum in Mt 1 ist also eigentlich der Stammbaum Josefs, des legitimen Vaters Jesu. Es leuchtet ein, daß der jüdische Brauch, Ahnenlisten zu führen, eine recht gut geeignete Voraussetzung darstellte und Anlaß bot, bedeutsame Familienereignisse aufzuschreiben. Das Vorhandensein einer Geschlechterliste, die als wichtiges Erbstück vom Vater auf den Sohn überging, regte an, auch wichtige und außerordentliche Begebenheiten der Familie oder Sippe für die kommenden Geschlechter festzuhalten. Wir wenden uns nun dem literarischen Aufbau von Mt 1 und 2 (ohne 1,1-17) zu. Wie auch die Ahnentafel Josefs ausgesehen haben mag, die Ereignisse, die in der mattäischen Vorgeschichte darauf folgen, schließen sich an diese Ahnenliste an. Sie endet Mt 1,16 mit dem bedeutungsvollen Satz: «Von Jakob stammte Josef, der Mann Marias, aus der geboren wurde Jesus, genannt Christus(= Messias).» Vers 17 gibt eine Erklärung des Evangelisten über den - eschatologischen! - Sinn der Ahnentafel. Vers 18a bildet mit den Worten «Mit der Geburt Jesu Christi verhielt es sich aber so» die Übetleitung zu den darauf folgenden Ereignissen. Diese Ereignisse berühren das Geheimnis Jesu. Nun steht aber im Mittelpunkt des Interesses in Mt 1,18-2,23 weder das Kind noch seine Mutter, sondern genau genommen sein rechtmäßiger Vater, Josef. Der Text enthält m. E. vier Erzähleinheiten:
1. 2. 3. 4.
Die Bedenken Josefs und ihre Zerstreuung: 1,18-25. Der Besuch der Magier: 2,1-12. Die Flucht nach Ägypten: 2,13-18. Die Rückkehr aus Ägypten: 2,19-23.
So A. VAN DEN BoRN, Ehe = BL von H. Haag, Einsiedeln 21968, 360.- So stammten- in neutestamentlicher Zeit- z. B. beide Eltern des Täufers Johannes aus dem Geschlechte Aarons. 16
Josef bildet in diesen Stücken, wie gesagt worden ist, den :Mittelpunkt, die Zentralfigur, - allerdings mit einer Ausnahme, nämlich mit Ausnahme des zweiten Stückes. Dort spielt er überhaupt keine Rolle. Diese Tatsache muß erklärt werden. In den vier Erzähleinheiten finden sich insgesamt fünf Engelerscheinungen: 1, 20; 2,12; 2,13; 2,19; 2, 22. Der Text weist vier Erfüllungszitate auf, nämlich in: 1,23; 2,15; 2,18; 2,23. Dreimal wird der Gegenspieler, der König Herodes, als Handelnder eingeführt: 2,3; 2,7 und 2,16. Das erstemal, als er auf Grund der Nachfrage der Magier die Hohenpriester und Schriftgelehrten zusammenruft, das zweite Mal, als er den Magiern den Auftrag erteilt, nach dem Kind zu suchen, das dritte Mal, als er den Mordbefehl gegen die Knaben von Betlehem gibt. Unser Hauptziel ist die Durchleuchtung der vier Erzähleinheiten. Dabei wird sich herausstellen, daß die Nummern 1, 3 und 4 gemeinsame charakteristische Eigenheiten aufweisen, so daß sie als ein einheitlicher Block anzusehen sind, den wir « J osefblock » nennen wollen. Dagegen wird sich das Erzählstück 2, die Magiergeschichte, als ein Stück eigener Prägung erweisen, das in einem bestimmten Punkt der Überlieferungsgeschichte mit dem J osefblock verbunden worden ist. Die Untersuchung des ganzen Textes setzt voraus, daß die Funktion der Erfüllungszitate erkannt wird und daß Sinn und Aufgabe der Engelerscheinungen erfaßt werden. Diese Arbeit soll im folgenden an die Hand genommen werden. Zunächst aber muß uns die Frage beschäftigen: Ist Mt 1,18-2,23 eine literarische Einheit oder nicht?
2
17
II
IST MATTAUS 1,18-2,23 EINE LITERARISCHE EINHEIT?
Es ist bereits darauf hingewiesen worden, daß wir in diesem Abschnitt vier Erzählstücke annehmen müssen: 1,18-25; 2,1-12; 2,13-18; 2,19-23. Jedes Stück beginnt im Urtext mit einer Konstruktion im Genitivus absolutus; im ersten Stück findet sie sich gerade zweimal, nämlich in Vers 18 und 20. Diese Konstruktion ist für den Beginn einer neuen Erzählung oder Szene ausgezeichnet geeignet, denn sie faßt ein vorausgehendes Ereignis oder einen bestehenden Zustand prägnant zusammen und gibt den Auftakt zu einem neuen Erzählschritt. In diesem Text der mattäischen Vorgeschichte gehören, wie man sehen wird, drei Stücke zusammen, eines jedoch fällt aus dem Rahmen. Mt 1,18-2,23 bildet keine ursprüngliche Einheit. Die drei Stücke, die eindeutig zusammengehören, sind: 1,18-25; 2,13-18 und 2,19-23. Man darf, wie wir sagten, diesen Komplex den J osefblock nennen, weil J osef hier im Mittelpunkt des Interesses und des Handeins steht. Das zweite Stück aber, nämlich 2,1-12, das ursprünglich ein Erzählstück für sich war, ist in die vorhandenen J osefstücke nachträglich eingebaut und mit ihnen verwoben worden 1 • Diese Behauptung soll im folgenden begründet werden. Die Ahnenliste schließt in Vers 16 mit Josef, dem Mann Marias. Dieser Mann wird auf Grund seiner Verlobung und seiner Eheschließung mit Maria in Verwicklungen hineingerissen. Er gerät in 1 Daraufhaben z. B. aufmerksam gemacht: F. HAHN, Christologische Hoheitstitel, Göttingen 21964, 277: «Daß dem Ganzen eine ehedem selbständige Magiererzählung zugrunde liegt, ist recht wahrscheinlich.» - G. BoRNKAMM, Überlieferung und Auslegung im Matthäusevangelium, Neukirchen 61970,308: «Auch zeigt vorausweisend die 2,1-12 eingefügte, sicher ursprünglich selbständige Magiergeschichte die Ausweitung des Gottesvolk-Gedankens auf die Völkerwelt.»- G. STRECKER, Der Weg der Gerechtigkeit, Göttingen 21966, 51: «Daß die Magiergeschichte (2,1-12) von dem Vorangehenden und dem Folgenden abzutrennen sei, wird seit DrETERICHS motivgeschichtlicher Untersuchung weitgehend angenommen.»
18
Nöte und Schwierigkeiten, weil Neues und Unerhörtes eintrifft. Niemals kann beabsichtigt gewesen sein, in Mt 1 und 2 eine sozusagen vollständige «Kindheitsgeschichte Jesu» zu bieten. Es werden nur einige wenige Begebenheiten erzählt und diese sind unter einem besonderen Aspekt ausgewählt, der auf die Tradition bzw. auf die Traditionsquelle zurückgeht. «Auch die erste Szene (1,18-25), die von der wunderbaren Empfängnis Jesu redet, erzählt eigentlich nur von der schweren seelischen Not, in die Joseph, der Verlobte Marias, dadurch gestürzt wird» 1 • Eben von diesen Problemen, Nöten, Sorgen, Schwierigkeiten des Nährvaters J esu ist in den Stücken 1, 3 und 4 die Rede. Man schaue diesbezüglich die Texte etwas näher an.
Erzählstück 1 (Mt 1,18-25) Josef ist verlobt mit Maria. Nun stellt sich unerwartet heraus, daß die Verlobte schwanger ist. Dadurch wird Josef aus den gewohnten Gleisen und aus seiner Ruhe aufgescheucht und zu peinlichen Überlegungen und zu einem harten Entscheid aufgerufen. Er erwägt hin und her: Schuld oder Unschuld Marias? Und was ist zu tun - im einen und im anderen Fall? Da greift, wie der Text schildert, der Himmel ein (Vers 20), gibt J osef Klarheit über das, was geschehen ist, und sagt ihm, was zu tun sei. « J osef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen ... » Es handelt sich um die Aufforderung, die Verlobungszeit zu beenden, aber nicht etwa durch die Entlassung Marias, sondern durch die Heimführung. Josef soll die Hausgemeinschaft mit Maria aufnehmen. Der Ausdruck !L~ cpoß'YJ87i~; = «Fürchte dich nicht» gibt uns die Frage auf, was für eine Furcht bzw. was für eine Scheu Josef überwinden soll. Ist es Scheu oder Furcht moralischer oder religiöser Art? Eine religiöse Scheu, die davor zurückschreckt, die Verlobte heimzuführen, die von heiligem Geist berührt worden ist? Moralische Scheu, die sich dagegen sträubt, eine Frau heimzuführen, die ein Kind erwartet, das nicht von ihm stammt? Zwei Probleme müssen Josef beschäftigen. Das eine betrifft das Faktum «Was ist geschehen?», das andere betrifft den Entschluß «Was ist zu tun?». Josef steht tatsächlich in einer Gewissensnot 2• Er wird von Gründen und Gegengründen hin und hergerissen. 1
2
J. ScHMID, Das Evangelium nach Matthäus (RNT 1), Regensburg 3 1956, 53. Treffend wird dieser Gewissenskonflikt in der apokryphen Schrift «Prot19
Die Tatsache, daß Josef um Maria und um des Kindes willen in Nöte und Schwierigkeiten gerät, ist jedoch nicht Mittelpunkt der Erzählung, sondern nur deren Voraussetzung. Worauf die Erzählung hinzielt, ist dies, daß Josef in seiner Entscheidung vom Himmel erleuchtet und geführt ist. Das auszusagen, ist die Aufgabe des Engels, der J osef im Schlaf erscheint. Der Engel ist eben der Bote des Himmels, der den Mann Gottes erleuchtet und leitet, so daß die Pläne Gottes zur Ausführung kommen. Ein Vergleich der sprachlichen Form in 1,20; 2,13 und 2,19 zeigt, daß sie in allen Fällen sozusagen wörtlich gleich lautet, also zur Formel geworden ist. Im Josefblock kommt einmal, in 2,22, eine verkürzte Form zur Anwendung, wie dies auch in der eingeschobenen Magiergeschichte, in 2,12, geschieht. Erzählstück 3 (Mt 2,13-18) Auf Grund irgendwelcher Vorkommnisse oder Nachrichten wird am Königshof in J erusalem von einem Davidssprossen geredet, der in Betlehem zur Welt gekommen sein soll. Der Talmud gibt mehrfach, wenn auch nicht ausschließlich, die Meinung wieder, daß Betlehem der Geburtsort des Messias sei 1 • Sehr beachtenswert ist eine Stelle im J ohannesevangelium (7, 40-42), welche die Volksmeinung aufzeigt: «Von den Volks scharen, die diese Worte hörten, sagten die einen: 'Dieser ist wahrlich der Prophet!' Andere sagten: 'Dieser ist der Christus.' Wieder andere: 'Soll denn aus Galiläa der Christus kommen? Hat die Schrift nicht gesagt, daß aus dem Geschlechte Davids und aus dem Dorfe Betlehem, wo David war, der Christus komme?'»Sobald Josef inne wird, daß am Königshof oder überhaupt in der Kapitale über die Geburt eines Davidssprossen geredet wird, dann liegt auch die Erkenntnis nahe, daß das Leben des Neugeborenen in Gefahr ist. Es muß also gehandelt, das Kind muß in Sicherheit evangelium des Jakobus» (wohl um etwa 150 n. Chr. entstanden) geschildert: «Und Joseph fürchtete sich sehr und entfernte sich von ihr, und er überlegte, was er mit ihr tun sollte. Und Joseph sprach: 'Verberge ich ihre Sünde, so werde ich als einer erfunden, der gegen das Gesetz des Herrn streitet. Stelle ich sie bloß vor den Söhnen Israels, so fürchte ich, das, was in ihr ist, könnte von den Engeln stammen, und ich könnte so als einer erfunden werden, der unschuldig Blut dem Todesgericht ausliefert. Was soll ich nun mit ihr tun? Ich will sie heimlich von mir entlassen'.» W. ScHNEEMELCHER, Neutestamentliche Apokryphen, Tübingen 31959, 285. An dieser Stelle ist auch klar, daß «von den Engeln>) soviel heißt wie «vom Himmel» oder «von Gott». 1 Mehrere Belege bei STRACK-BILLERBECK, I 83. 20
gebracht werden. Alles Nähere ist dann Josefs Sache, gehört zu seiner selbstverständlichen Pflicht als «Vater» dieses Kindes. Es genügt also tatsächlich, daß Josef ein Gerücht feststellen muß, das besagt, in Betlehem sei ein Messiasanwärter geboren worden. Das ist für einen jüdischen Mann zur Zeit Herades d. Gr. genug, um zu wissen, was geschehen bzw. wie der Herrscher reagieren wird. Josef wird durch diese Mitteilung aufgerüttelt und er handelt umsichtig und rasch, wie das Gebot der Stunde es verlangt. Er ist vom Finger Gottes geleitet. Er flüchtet, wir würden sagen« bei Nacht und Nebel», nach Ägypten. Argwohn und Eifersucht treiben Herades an, das zu tun, was er in einem solchen Fall für richtig und gut findet, um diese lästige Sorge um einen möglichen Nachfolger los zu werden. Die in Betlehem gefundenen kleinen Knaben - es wird sich um etwa zwanzig handeln - müssen ihr Leben lassen. Sie fangen das Schwert auf, welches das Messiaskind treffen soll. Herades hat eigene Söhne umbringen lassen, weil sie allzu deutlich nach dem Thron des Vaters verlangten. Davon ist bei Flavius Josephus zu lesen. Von dem Häuflein Fellachenkindern in Betlehem, die der krankhaften «Vorsicht» des Königs zum Opfer fallen, spricht bald niemand mehr. Die Sache gerät in Vergessenheit. In Mt 2,13-18 ist die Nachricht erhalten, daß das wahre Messiaskind durch die Umsicht und rasche Handlungsweise J osefs dem Würgegriff des Herades entgangen ist.
Erzählstück 4 (Mt 2,19-23) Diese Erzählung bringt einen weiteren Wendepunkt. Josef erfahrt, daß Herades gestorben ist. Die Nachricht vom Tod eines orientalischen Herrschers hat sich auch damals - ohne Radio und Depeschenagentur - mit unglaublicher Schnelligkeit verbreitet. Die nächste Karawane, die aus Palästina kommend in Ägypten eintraf, hat die wichtige Neuigkeit ausgestreut und dann ist die Nachricht mit Windeseile von Khan zu Khan und von Stadt zu Stadt getragen worden. Es ist klar, daß J osef nicht für immer in der Fremde bleiben wollte. Er wollte ja lediglich einer drohenden Gefahr ausweichen. Es braucht also eigentlich keinen Engel, der meldet, daß Herades gestorben ist und daß Josef die Heimreise antreten darf. Jedenfalls wird die Rückkehr vorbereitet und darnach in Szene gesetzt. Aber es taucht die Frage auf: Wo soll der dauernde Wohnsitz sein? Was ist der Wille des Herrn diesbezüglich? Einerseits drängt sich Betlehem auf. Soll 21
denn das Kind, dem der «Thron Davids)) verheißen ist (Lk 1,32), nicht in Betlehem aufwachsen? Dazu dürfte hinzugekommen sein, daß J osef noch Grundbesitz oder Besitzanteil in der Davidsstadt hatte. Es gäbe also genug Gründe für ein Bleiben in Betlehem. Anderseits werden aus Jetusalern schlimme Nachrichten bekannt. Ein Aufstand ist ausgebrochen, den Archelaos, der Haupterbe des verstorbenen Königs und Anwärter auf den Thron, nur mit starkem militärischem Einsatz und unter großem Blutvergießen niederschlagen konnte 1• Wäre es, so muß Josef sich sagen, nicht unvorsichtig und gewagt, so nahe am Unruheherd sich niederzulassen? So gäbe es auch schwerwiegende Gründe, Jerusalem und Judäa zu meiden und dorthin zu ziehen, wo J osef schon vorher Wohnsitz gehabt hatte (nach Lk 1,26; 2,4 und 2,51), nämlich nach Nazaret. Er war vom Geist Gottes geleitet, als er dies tat. Damit sind die drei Erzählstücke skizziert. J osef steht klar im Mittelpunkt dieser Berichte, - im Gegensatz zur lukanischen Vorgeschichte, wo Maria im Mittelpunkt steht. V m des Kindes willen wird dieser Mann in schwierige und notvolle Situationen hineingestellt. Aber er besteht. Er tut, was in Gottes Augen das Richtige ist, er handelt nach Gottes Plänen und Absichten. Josef ist erleuchtet und von oben geführt. «Der Engel Gottes)) weist ihn an, wann und wie er handeln soll. Im Gefolge der Entscheidungen J osefs erfüllen sich die Schriften. Und eben dies bestätigt, daß der Wille Gottes geschieht. Man kann nun ferner die Beobachtung machen, daß das literarische Schema und oft auch der Sprachgebrauch in jeder der drei Erzählungen gleich bleibt.
1. Die Ansgang.rsituation wird geschildert (Gen. abs. Konstruktion): a) TcxüTcx 8€ cxu-roü E'l6ufL"'Ie€v"oc; «Als er darüber nachdachte)) (1,20) b) 'AVCX;(WfJ"fjO"cXV't"WV 8€ CXU"t"WV «Als sie fortgegangen waren)) (2,13) c) Te:A.e:u-djcrcxv-roc; 8€ "t"OÜ 'Hpcj>8ou «Als Herodes gestorben war)) (2,19) 1 Über diese Wirren nach dem Tod Herodes d. Gr. berichtet FL. JosEPHUS AJ XVII 206-323 (= 17, 9-11); BJ II 1-100 (= 2, 1-6). Nach diesen Berichten gab es bei jenem Aufstand einige tausend Todesopfer.
22
2. Der «Engel des Herrn» erscheint und überbringt die göttliche Weisung:
a) toou &yye'Aoc, xup(ou XOC"t" 5vocp ECjlOCV'YJ ocun'fl 'Al:ywv «siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sprach» (1,20) b) toou &yye'Aoc, xup[ou cpoc[veTocL xocT' övocp T<ji lc,)~cp 'Al:ywv «siehe, da erschien ein Engel des Herrn dem Josef im Traum und sprach» (2,13) c) toou &yye'Aoc, xup[ou cpoc[ve"t"OCL xocT' Övocp T<ji I(,)(J~tp )J;y<J)V «siehe, da erschien ein Engel des Herrn dem J osef im Traum und sprach» (2,19) 1
3. ]osef hört und handelt: • a ' OE ~' I , ' "t"OU- U7tVOU d , , a) eyepvELC, W<J'Y')Cjl OC7t0 E7tOL' Y)<JEV
«Josef stand auf vom Schlaf, tat ... » (1,24) b) 0 Oe tyep6dc, 7t0CpE'Aocße:v ... xoct cXVEXWp'Y)<JEV ... «Da stand er auf, nahm ... und zog fort ... » (2,14) c) 0 oe l:yepfldc, 7tocpl:'Aoc.ßev ... xoct drrYj'Aflev .. . «Da stand er auf, nahm ... und zog hin ... » (2,21) 4. Ein Schriftwort wird erfüllt:
a) Toiho oe 8A.ov y&yovev tvoc 1tA'Y)pwfl'jj "t"O PYJflev U7t0 xup[ou OLOC "t"OÜ 7tpocp~"t"OU 'A&yovToc, ...
«Dies alles ist geschehen, damit erfüllt würde, was gesagt ist vom Herrn durch den Propheten» (1,22) b) tvoc 7tAYJpw6'jj TO pYJ6ev U1to xup[ou oLoc TOÜ 7tpocp~Tou 'Al:yovToc, «Damit erfüllt würde, was gesagt ist vom Herrn durch den Propheten (2,15) c) 81twc, 7t'AYJpw6'jj To pYJElev oLoc ..(;}v 7tpocp'YJT(;}v «damit erfüllt würde, was gesagt ist durch die Propheten» (2,23)
Die Parallelität des Aufbaus und der sprachlichen Formulierung ist offensichtlich. Die Genitivus-absolutus-Konstruktion vor dem Eingreifen des Engels gibt den Grund (1,20 und 2,19) oder den Zeitpunkt (2, 13) dieses Eingreifens an. In jedem dieser Erzählstücke des Josefblockes bringt jeweilen eine Engelerscheinung den Fortschritt oder den Umschwung der Ereignisse. Aber Fortschritt und Umschwung gehen über die Person Josefs. Um Josef kreisen die Berichte. Am regelmäßigsten ist Erzählstück 1 aufgebaut: Schilderung der Ausgangssituation, - eine Engelerscheinung - ei11 Erfüllungszitat. 23
Stück 3 ist ebenso gebaut, es hat jedoch einen Anhang, in dem Herodes auftritt und sein übles Werk vollbringt, wodurch ebenfalls die Schrift sich erfüllt. Deshalb ergibt sich hier ein zweites Erfüllungszitat. In Stück 3 haben wir also: eine Engelerscheinung, zwei Erfüllungszitate. Auch Stück 4 bringt eine gewisse Erweiterung, bedingt durch die Bedenken J osefs. Deshalb wird hier eine zweite Engelerscheinung notwendig, die mit der vereinfachten Formel eingeführt wird: XP"'J P.(X'rtcrSd~
ae ~t(X-r' 5v(Xp
«Nachdem er im Traum Weisung erhalten hatte» (2,22). Von einem Engel ist zwar nicht die Rede, aber es ist klar, daß dieselbe Art der göttlichen Führung gemeint ist wie in den vorausgegangenen Fällen: der Engel ist nicht genannt, aber gemeint I Also in Stück 4: Zwei Engelerscheinungen, ein Erfüllungszitat. Nachdem wir so Einblick gewonnen haben in den literarischen Aufbau von Mt 1 und 2, können wir feststellen: 1. In den drei Stücken 1, 3 und 4 steht Josef klar im Mittelpunkt der Berichte, jedoch ist dies nicht der Fall in Stück 2. Dieses handelt von den Magiern aus dem Osten. An der Stelle, wo der Name Josef fallen könnte, nämlich in 2,11, wird zwar das Kind und seine Mutter genannt, von J osef aber ist nicht die Rede. Er bleibt im Dunkeln. Der oder die Erzähler dieser Geschichte haben an J osef gar nicht gedacht, er hat sie nicht interessiert, weil sie offenbar etwas anderes im Sinne hatten. -Wir halten fest: In den Stücken 1, 3 und 4 spielt Josef die Hauptrolle. In Stück 2 aber wird er nicht einmal genannt, er bleibt völlig außerhalb der Betrachtung. So sind wir berechtigt zu sagen: Die genannten drei Erzählstücke oder Traditionen sind thematisch auf J osef ausgerichtet. Das Erzählstück 2 aber unterscheidet sich radikal von ihnen; sein Thema ist ein anderes.
2. Die J oseftraditionen unterscheiden sich von der Magiergeschichte auch in sprachlicher Hinsicht. Fünfmal wird im J osefblock Herodes genannt (2,13. 15. 16. 19. 22), nicht ein einzigesmal erhält er hier den Titel «König». In der Magiergeschichte kommt Herodes ebenfalls fünfmal vor (2,1. 3. 7. 9. 12), hier jedoch wird der Name zweimal 24
mit dem Titel «König» verbunden (2,1 und 3), einmal wird «der König» ohne Namen genannt (2, 9) und nur zweimal findet sich der Name ohne Königstitel (2,7. 12). Auch sonst deuten sprachliche Unterschiede auf zwei verschiedene Quellen. In 2, 8 wird der im NT sehr seltene Ausdruck e!;e-roc~w = erforschen, erkunden, suchen gebraucht, während 2,13 und 20 das vielgebrauchte ~'Yj-rlw verwendet wird, das ebenfalls «suchen, um zu findem> bedeutet 1• In 2,11 lautet die Wendung «das Kind mit Maria, seiner Mutter», in 2,13. 14. 20. 21 (viermall) heißt es konstant «das Kind und seine Mutter». Es sind also zwischen dem Josefblock und der Magiererzählung auch sprachlich-stilistische Unterschiede festzustellen.
3. Ein drittes Charakteristikum, wodurch der J osefblock sich von der Magiererzählung unterscheidet, betrifft die Erfüllungszitate. Die Stücke 1, 3 und 4 enthalten insgesamt vier Erfüllungszitate, Stück 2 jedoch keines. Was ist aber von der Stelle 2,5 f. zu halten? Sie lautet: «Sie sagten zu ihm: 'Zu Bethlehem in Judäa; denn so steht geschrieben durch den Propheten: Und du Bethlehem, Land Juda, keineswegs bist du der geringste unter den Fürstensitzen Judas; denn aus dir wird hervorgehen ein Führer, der leiten wird mein Volk Israel.'» Diese Stelle stammt aus dem Propheten Micha 5, 1. Es handelt sich um Schriftbefragung und Schriftauskunft. Das Zitat wird den Schriftkundigen in den Mund gelegt (Mt 2, 4), kann aber auch lediglich die vorherrschende Meinung der Öffentlichkeit oder der Schriftgelehrten wiedergeben. Solche Zitate nennt man richtigerweise «Kontextzitate», weil sie zum berichtenden Text gehören. Grundsätzlichanderer Art sind die Erfüllungszitate. Sie gehen vom Evangelisten aus, unterbrechen sozusagen den Text und sind Ausdruck seiner Reflexion über das Berichtete. Deshalb werden die «Erfüllungszitate» auch «Reflexionszitate» genannt. Die Magiererzählung enthält kein Erfüllungszitat, sondern ein Kontextzitat (Mt 2, 6). Die Stelle wäre auch als Erfüllungszitat an diesem Ort.' schlecht geeignet. Denn im 1 W. BAUER, Griechisch-Deutsches Wörterbuch zu. den Schriften des NT, ' Bcrlin 5 1958, 669.
25
Mittelpunkt der Erzählung stehen ja die Magier, und zwar die Magier als Vertreter der Heidenvölker, geführt von einem wunderbaren Stern, und ihre Gesinnung ist sichtbar gemacht durch ihre Huldigung und ihre Gaben. Das Erfüllungszitat müßte sich also auf die Magier selbst oder auf den Stern beziehen, der sie geführt hat, oder auf die Gaben, die sie darbringen. Der Geburtsort Betlehem spielt im Ganzen der Magiererzählung nur eine untergeordnete Rolle. Die Tatsache, daß in Mt 2,1-12 kein Erfüllungszitat des Evangelisten sich findet, wäre verständlich und würde niemand verwundern, wenn in den Schriften des AT kein geeignetes zu finden gewesen wäre. Gerade das aber ist nicht der Fall. Es gibt nicht nur eine, sondern eine ganze Reihe alttestamentlicher Schriftstellen, die als Erfüllungszitate in diesem Zusammenhang in Betracht gekommen wären, ja sich vorzüglich geeignet hätten. Es handelt sich beispielsweise um folgende Stellen:
1. Psalm 72,10: «Die Könige von Tarsis und den Inseln sollen Geschenke bringen, die Könige von Saba und Seba Gaben entrichten I» 2. Psalm 72,11 : «Alle Könige sollen ihm huldigen, alle Völker ihm dienstbar sein.» 3. Jesaja 49,7 (ev. mit Auslassungen): «So spricht der Herr, Israels Erlöser, sein Heiliger, zum allseits V erachteten, den die Leute verschmähen ... : Fürsten werden sich niederwerfen um des Herrn willen, der getreu ist, um des Heiligen Israels willen, der dich erwählt hat.» 4. Jesaja 60,2: «Denn seht, die Erde bedeckt Finsternis und Wolkendunkel die Völker, doch über dir strahlt der Herr, und seine Herrlichkeit wird über dir sichtbar.» 5. Jesaja 60,3: «Völker wallen zu deinem Licht und Könige zu deinem strahlenden Lichtglanz. » 6. J esaja 60,4: «Erhebe deine Augen ringsum und schau: Sie alle haben sich versammelt und kommen zu dir. Deine Söhne kommen von fern und deine Töchter werden auf den Armen getragen.» 7. Jesaja 60,6: «Die Flut der Kamele wird dich bedecken, Jungkamele von 26
Midian und Epha; von Saba kommen sie alle, tragen Gold und Weihrauch mit sich und verkünden froh die Ruhmestaten des Herrn.» 8. Numeri 24,17: «Aufgeht aus Jakob ein Stern, ein Zepter erhebt sich aus Israel.>> Diese Stellen enthalten so viele treffende Aussagen, die sich entweder auf den Stern oder auf die Huldigung der Fremden oder auf die königlichen Gaben beziehen, daß es einfach nicht zu verstehen ist, warum die Magiererzählung keine davon als Erfüllungszitat gebracht hat. Bedenkt man, daß in den drei Erzählstücken des Josefblockes insgesamt vier Erfüllungszitate stecken, während in der Magiergeschichte, die umfangmäßig das größte Stück darstellt, überhaupt keines vorkommt, dann haben wir hier ein Charakteristikum der Magiergeschichte vor uns, das sie deutlich von den J osefgeschichten unterscheidet. Diese Tatsache kann nicht Zufall sein, sie muß ihren Grund haben. Das Fehlen eines Erfüllungszitates muß vernünftig erklärt werden können. Wir werden darauf zurückkommen. 4. Als vierte Beobachtung wäre zu nennen, daß die Magiergeschichte gleich im ersten Satz (2, 1) mit einer genauen Orts- und Zeitangabe aufwartet: «Als nun Jesus geboren war zu Betlehem in J udäa in den Tagen des Königs Herodes ... » Der Hörer bzw. Leser wird also gleich am Anfang orientiert über das Wo und Wann der zu erzählenden Ereignisse. Das ist überraschend und steht im Gegensatz zu Stück 1 der J oseftraditionen, wo die Ausgangssituation geschildert und das gewichtige Anfangsereignis berichtet wird, ohne auch nur mit einer Andeutung auf Ort oder Zeit des Berichteten hinzuweisen. Man wäre demgemäß versucht, als weiteres Charakteristikum der Magiergeschichte die zeitliche und örtliche Orientierung mitzugeben. Doch könnte man hier einer Täuschung erliegen. Wohl fehlt diese völlig im Erzählstück 1. Jedoch werden wir orientiert in den zum Josefblock gehörenden Erzählstücken Nummer 3 und 4. In diesen beiden Stücken werden alle Ortsveränderungen mitgeteilt. Ja, in Kapitel 2 scheinen die Ortsverände27
rungen wesentlich zum Text zu gehören, so sehr, daß man von einem «geographischen Itinerarium» spricht 1• Auch die Zeitangaben spielen hier mit, denn es ist von Herades die Rede, es wird von seinem kommenden (2,15) und vom eingetretenen Ende (2,20) und vom Herrschaftsbeginn seines Nachfolgers in Judäa (2,22) gesprochen. Umso erstaunlicher ist die Tatsache, daß gerade das Erzählstück 1 keine örtliche und zeitliche Orientierung enthält. Doch kann dies leicht erklärt werden und dies wird gegebenenorts geschehen. Doch zurück zu Kapitel 2, Vers 1, mit seiner genauen örtlichen und zeitlichen Orientierung. Wenn schon mehr und mehr klar wird, daß die Magiergeschichte mit dem J osefblock keine ursprüngliche Einheit bildet und deshalb als Einschub angesehen werden muß, dann stellt sich die Frage, ob Vers 1 dieses Kapitels von Anfang an zur Magiergeschichte gehört hat oder ob sie - wenigstens zum Teil dem Beginn des zweiten Erzählstückes des J osefblockes zuzusprechen ist. Sicher ist in der Wendung 'AviXx
oou Toü ß1Xcr~'AE
28
schon hier vorgelegen hat oder ob sie erst mit der Magiererzählung eingefügt wurde. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, daß sie erst zusammen mit der Magiergeschichte eingefügt worden ist. Die Genitivus-absolutus-Konstruktion würde auffällig der Formulierung der beiden anderen Engelerscheinungen im J osefblock entsprechen, nämlich 1,20 und 2,19. So dürfte wohl Mt 2,13 vor Einfügung der Magiergeschichte gelautet haben: Toü ~€ 'IYJcroü ye:wYJ6~v-ro.; ev BYJ6:Aee:fl nj.; 'lou~cr(o:.; t~ou &yye::Ao.; xup(ou cpcdve:-rou xo:-r' 15vo:p -rcj> 'lwcr~ql :AeyCJlV ...
«Als nun Jesus geboren war zu Betlehem in Judäa, siehe, da erschien ein Engel des Herrn dem J osef im Traum und sprach ... » Fassen wir nun zusammen, was den Block der J oscfgeschichten von der Magiergeschichte unterscheidet. Erstens. Im Josefblock steht - deshalb haben wir diese Texte so genannt - J osef, der Mann Marias und der gesetzliche Vater J esu, im Mittelpunkt. Ihm gilt das besondere Interesse und um ihn bewegen sich die Berichte. Im Magierbericht ist jedoch von J osef überhaupt nicht die Rede. Er wird auch da übergangen, wo er passenderweise genannt werden könnte. Zweitens. Die Magiergeschichte unterscheidet sich auch in sprachlicher Hinsicht von den J oseftraditionen. Drittens. Der J osefblock enthält vier Erfüllungszitate, die Maria oder das Kind betreffen. Die Magiergeschichte hingegen bringt kein Erfüllungszitat, obgleich mehrere alttestamentliche Stellen sich dafür angeboten hätten. Gestützt auf diese Beobachtungen ist der Schluß berechtigt, daß Mt 1,18-2,23 keine literarische Einheit bildet, sondern aus zwei verschieden gearteten Teilen zusammengesetzt ist. Diese sind allerdings miteinander vernäht und verwoben. Die Magiergeschichte (2,1-12) ist ein Stück eigener Art, das in den Josefblock eingeschoben worden ist. Die Nahtstellen sind in 2,13 und 2,16 gut zu erkennen.
29
III DIE ERFÜLLUNGSZITATE IM MATTAUSEVANGELIUM
Es gehört zum neutestamentlichen Gedankengut, daß die Hl. Schrift des AT in Jesus Christus ihre Erfüllung gefunden hat. Die christliche Urgemeinde hatte den festen Glauben, daß die Hl. Schrift Gottes Wort sei und messianisch-prophetischen Charakter trage. In Jesu Leben, Wirken, Leiden und Auferstehung erfülle sich die Schrift. Erfüllung der Schriften war ein Hauptthema der urchristlichen V erkündigung. «Mußte nicht der Messias dies leiden und so eingehen in seine Herrlichkeit?» Diese Frage ist den Ernmausjüngern gestellt und es wird ihnen gezeigt, daß dieses «Muß» in den Schriften enthalten ist: «Und ausgehend von Moses und allen Propheten, zeigte er ihnen, was in allen Schriften sich bezieht auf ihn» (Lk 24,26 f.). Und noch einmal im Schlußkapitel des Lukasevangeliums begegnet dieser Gedanke: «Er sprach zu ihnen: Dies sind meine Worte, die ich zu euch sagte, da ich noch bei euch war: Alles muß erfüllt werden, was im Gesetz des Moses, in den Propheten und Psalmen geschrieben steht über mich» (24,44). In diesem Licht sieht die Urgemeinde das Leben und Sterben Jesu. Jesus geht den Weg, den der Wille des Vaters ihm vorgezeichnet und in den Schriften geheimnisvoll vorhergesagt hat. Auch nach Mattäus weiß sich J esus zur Erfüllung von Gesetz und Propheten gesandt: «Denkt nicht, ich sei gekommen, das Gesetz oder die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen aufzuheben, sondern zu erfüllen. Denn wahrlich, ich sage euch: Bis der Himmel und die Erde vergehen, wird nicht ein einziges Jota oder ein einziges Häkchen vom Gesetz vergehen, bis alles geschehen ist» (Mt 5,17 f.). Wo nahm die urchristliche Gemeinde den Erfüllungsgedanken her? Dieser findet sich nicht nur in allen Evangelien, sondern auch in den Apostelakten (hier etwa 24 Bezeugungen des Erfüllungsgedankens und zwar im paulinischen und im petrinischen Kerygma) und in der Mehrzahl der neutestamentlichen Briefe. Ist etwa der Erfüllungs30
gedanke und mit ihm die ganze Erfüllungstheologie ureigene «Erfindung» der Urkirche? Das wird wohl niemand behaupten wollen. Sie fand den Erfüllungsgedanken vor im zeitgenössischen Judentum, im rabbinischen und apokalyptisch-eschatologischen Denken des damaligen Judentums. «Ohne Frage besteht eine gewisse Beziehung zwischen der exegetischen Terminologie des Rabbinates und der mt Erfüllungsformel ... Sowohl das Spätjudentum als auch das Christentum sind überzeugt davon, daß das Alte Testament Prophetie enthält, die auf den kommenden Messias zielt» 1 • Ist es denkbar, daß· Jesus selbst in keiner Weise den Gedanken von der «erfüllten Zeit» und von der «erfüllten Schrift» in sich genährt und gelegentlich vor den Jüngern geäußert hat? Das Gegenteil ist wahrscheinlich! Anders ausgedrückt: Wenn auch nicht alle Erfüllungsworte der Evangelien, die Jesus in den Mund gelegt sind, auch tatsächlich Jesusworte waren, so ist damit nicht gesagt, daß kein Erfüllungswort auf Jesus zurückgeht. Wie im allgemeinen das urchristliche Kerygma die Jesusüberlieferung beeinflußt hat, so hat im besonderen die Erfüllungstheologie die überlieferten Jesusworte da und dort ausgestaltet und ergänzt. Aber vorher schon hat natürlich die Jesusüberlieferung das Kerygma und die urchristliche Theologie, namentlich die Erfüllungstheologie, beeinflußt. Wenn Jesus ein einzigartiges Sendungsbewußtsein hatte, drängt sich die Annahme auf, daß er auch in seiner Person und in seinem Schicksal die Erfüllung alttestamentlicher Erwartungen gesehen und diese Erkenntnis zu gegebener Zeit ausgesprochen hat. Doch ist diese Frage für unsere Untersuchung nicht wesentlich. Wir fragen lediglich, welchen Sinn die Erfüllungszitate im Mattäusevangelium haben, was gemeint war und für unsere Auslegung verpflichtend sein muß, wenn der betr. Text «sinn-gemäß» verstanden werden will. Es ist vorerst notwendig, sich einmal darüber zu besinnen, was dies eigentlich heißt «Die Schrift hat sich erfüllt» oder «Die Schrift muß sich erfüllen». Was hat der Evangelist, was hat die urchristliche Gemeinde sich dabei gedacht? Im Griechischen stehen für die Bedeutung «erfüllen» drei Ausdrücke zur Verfügung: yefLW bzw. ye:fL(~w, fLEcr-r6w und 7rb)p6w. Die beiden Parallelbegriffe ye:fLt~w und fLEcr-r6w werden jedoch im NT ausschließlich in einem äußerlich-räumlichen Sinne gebraucht und 1
W.
RoTHFUCHS, a. a.
0. 134.
31
treten in ihrer Häufigkeit, verglichen mit 7t):1Jp6w, im NT stark zurück. Das Verbum 1tA"I)p6w kommt in den neutestamentlichen Schriften gegen 90 mal vor. In den Evangelien allein findet es sich über 40 mal, nur selten in einem räumlichen Sinn (z. B. Mt 13,48 «Als es [= das Netz!] gefüllt war, zog man es ans Ufer»), meistens in einem geistigen oder geistlichen Sinn, und meistens im Zusammenhang mit der Hl. Schrift. Schrifterfüllung ist ja ein Zentralthema in der Belehrung und Erbauung der urchristlichen Gemeinde. Auf die Hl. Schrift bezogen hat das Wort «7t:A"I)p6w» in den Evangelien die Bedeutung: Vollmachen oder erfüllen, vollenden, verwirklichen 1 • Welcher geistige Gehalt steckt in diesen Ausdrücken? 1. Ein prophetisches Wort erfüllen oder vollmachen setzt voraus, daß das Schriftwort bei seinem ersten Gebrauch oder Einsatz noch nicht ganz «voll», noch nicht ganz «gefüllt» war. Für das biblische Denken ist es unmöglich, daß Gottes Wort hinter dem Geschehen zurückbleibt. Gott hört mit seinem Heilswirken nicht auf, bis das V ollmaß erreicht ist. Ein alttestamentliches Wort geht im Leben, Wirken und Leiden J esu in Erfüllung, weil das einmal gesprochene Wort Gottes erst jetzt seine ganze Fülle, sein volles Maß erreicht. 2. Ein Schriftwort wird vollendet, - dies setzt voraus, daß das einst gesprochene Wort noch nicht das letzte und endgültige war. Es war darauf angelegt, auf neue Weise und endgültig gesprochen zu werden. Dies geschah in J esus Christus. Er ist das letzte und endgültige Wort Gottes. Die Verheißungen Gottes haben erst jetzt, in Jesus Christus, ihr Ende und ihre volle Kraft bewiesen. Sie sind zum Endpunkt gelangt und damit gültig geworden für alle Zeiten. 3. Der Heilswille Gottes wird voll verwirklicht. Das Wort Gottes in den alttestamentlichen Schriften weist nach rückwärts und nach vorwärts. Es weist nach rückwärts, nämlich auf das Heilsgeschehen, das Gott «an den Vätern» gewirkt hat, und nach vorwärts auf ein neues Geschehen in der eschatologischen Zeit. Gottes Gnadenwille hat in Jesus Christus eine neue Verwirklichung der alten Worte vorgesehen und geschaffen. Das im AT gesprochene Wort sah einer 1
Siehe die Darlegungen über den Sprachgebrauch dieser Vokabel von G. DELin TWNT, VI 285-296, bes. 293.
LING
32
neuen und endgültigen Verwirklichung entgegen. Diese Verwirklichung ist jetzt da und Gottes Wort ist voll realisiert. Was ist nun ein Erfüllungszitat? Es ist eine alttestamentliche Schriftstelle, die der Evangelist zitiert, um zu sagen, daß ein neutestamentliches Geschehen von Gott vorausgesehen war und daß das betr. Schriftwort in diesem Geschehen sich erfüllt hat. Das Erfüllungszitat heißt auch Reflexionszitat, weil es der Reflexion des Evangelisten über das von ihm berichtete Geschehen entspringt. Damit ist der Unterschied zu den sog. «Kontextzitaten» angezeigt. Kontextzitate sind gesprochen von den im Text vorkommenden Personen. Hier wird aber zugleich die Problematik sichtbar. Ein Schriftsteller kann, statt selber zu zitieren, das Zitat einer der im Text handelnden Personen in den Mund legen. Ist z. B. Mt 26,56: «Dies alles aber ist geschehen, damit erfüllt würden die Schriften der Propheten» ein Erfüllungszitat vonseitendes Evangelisten? Oder gehört es noch zur Rede Jesu, die in Vers 55 anhebt? Der griechische Text gibt darüber keine Klarheit. Viele Übersetzer empfinden Vers 56 als zur Rede J esu gehörig, andere nicht, und wieder andere lassen den Leser die Unsicherheit des Urtextes empfinden, indem sie die Frage offen lassen. Uns muß diese Frage nicht weiter beschäftigen, da die Stelle ja kein Zitat enthält, sondern nur ein allgemeiner Hinweis auf die Schrifterfüllung überhaupt ist. - Hier sei beigefügt, daß Mt 2, 6 nicht unter die Erfüllungszitate gerechnet wird, da keinerlei Erfüllungsformel damit verbunden ist. Es handelt sich, wie an anderer Stelle schon gesagt wurde, um Schriftbefragung und Schriftauskunft. So sind im Mattäusevangelium insgesamt zehn Erfüllungszitate zu finden. Sie sollen hier in einer Übersicht dargeboten werden.
Oberblick über die Erfüllungszitate bei Mattäus
1. 1,22f.: «Dies alles ist geschehen, damit erfüllt würde, was gesagt ist vom Herrn durch den Propheten: 'Siehe, die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären, und man wird ihn Emmanuel nennen', was übersetzt heißt: 'Gott mit uns'.» 2. 2,14 f.: «Da stand er auf, nahm in der Nacht das Kind und seine Mutter und zog fort nach Ägypten. Er blieb dort bis zum Tod des 3
33
Herodes, damit erfüllt würde, was gesagt ist vom Herrn durch den Propheten: 'Aus Ägypten rief ich meinen Sohn'.>> 3. 2,17 f.: «Da erfüllte sich, was gesagt ist durch den Propheten Jeremias: 'Eine Stimme ward gehört zu Rama, viel Weinen und Klagen; Rache! beweint ihre Kinder und will sich nicht trösten lassen, da sie nicht mehr sind'.» 4. 2,23: «Dort angekommen, nahm er Aufenthalt in einer Stadt, die Nazareth heißt, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch die Propheten: Er wird ein Nazoräer genannt werden.» 5. 4,13-16: «Er verließ Nazareth, kam nach Kapharnaum, am See gelegen, im Gebiet von Zabulon und Nephtalim, und nahm dort seinen Wohnsitz. So wurde erfüllt, was gesagt ist durch den Propheten Isaias: 'Das Land Zabulon und das Land Nephtalim entlang am See, jenseits des Jordan, das Galiläa der Heiden, das Volk, das im Finstern sitzt, sah ein großes Licht, und denen, die im Land und im Schatten des Todes sitzen: ein Licht ging aufüber ihnen'.» 6. 8,16 f.: «Als es Abend wurde, brachten sie viele Besessene zu ihm, und er trieb durch sein Wort die Geister aus und machte alle Kranken gesund. So erfüllte sich, was gesagt ist durch den Propheten Isaias: 'Er nahm unsere Gebrechen und trug unsere Krankheiten fort'.» 7. 12,15-21: «Als dies Jesus erfuhr, zog er sich von dort zurück, und es folgten ihm viele nach, und er machte sie alle gesund. Er gebot ihnen streng, ihn nicht öffentlich bekannt werden zu lassen. So sollte sich erfüllen, was gesagt ist durch den Propheten Isaias: 'Seht meinen Knecht, den ich erwählt, meinen Geliebten, an dem meine Seele Wohlgefallen hat. Ich will meinen Geist auf ihn legen, und er wird den Völkern das Recht verkünden. Er wird nicht zanken noch schreien, noch wird jemand seine Stimme hören auf den Gassen. Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen und den glimmenden Docht nicht auslöschen, bis er zum Siege führt das Recht, und auf seinen Namen werden die Völker hoffen'.» 8. 13,34 f.: «Dies alles redete Jesus in Gleichnissen zum Volke, und ohne Gleichnisse redete er nichts zu ihnen, damit erfüllt würde, was 34
gesagt ist durch den Propheten: 'Ich will meinen Mund auftun in Gleichnissen und aussprechen, was seit Anbeginn der Welt verborgen war'.» 9. 21,2-5: «'Geht in das Dorf dort vor euch, und sogleich werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Füllen bei ihr; macht sie los und führt sie zu mir I Und wenn euch jemand anspricht, so sagt: Der Herr bedarf ihrer, und er wird sie sogleich ziehen lassen! Dies aber ist geschehen, damit sich erfüllte, was gesagt ist durch den Propheten: 'Sagt der Tochter Sion: Siehe, dein König kommt zu dir, sanftmütig und auf einer Eselin reitend, mit einem Füllen, dem Jungen des Lasttieres'.» 10. 27,7-10: «Sie hielten Rat und kauften damit den Acker des Töpfers zum Begräbnis für die Fremden. Deswegen heißt dieser Acker Blutacker bis auf den heutigen Tag. So erfüllte sich, was gesagt worden ist durch den Propheten Jeremias: 'Sie nahmen die dreißig Silberlinge, den Schätzwert für ihn, wie er von den Söhnen Israels eingeschätzt worden war, und gaben sie für den Acker des Töpfers, wie mir der Herr befohlen hat'.» Die einzelnen Zitate sind nun zu untersuchen, und es soll die Frage gestellt werden, welches ihre Aussage ist. Am Schluß wird es möglich sein, die Frage zu beantworten: In welchem Sinn sind die Erfüllungszitate zu nehmen? Sind sie im Hinblick auf historische Begebenheiten konzipiert worden? Sind sie im eigentlichen Wortsinn oder in einem übertragenen Sinn aufzufassen?- Dabei sollen jedoch die Erfüllungszitate 2 und 3 der Liste vorderhand übersprungen und erst am Sch~uß behandelt werden. Der Grund für dieses Vorgehen liegt darin, daß die genannten zwei Zitate mehr Schwierigkeiten bieten als die übrigen. Zudem wird der Einblick in die übrigen acht Zitate auch die Einsicht in diese beiden erleichtern.
1. 1,22f.: «Dies alles ist geschehen, damit erfüllt würde, was gesagt ist vom Herrn durch den Propheten: 'Siehe, die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären, und man wird ihn Emmanuel nennen', was übersetzt heißt: 'Gott mit uns'.» 35
Schauen wir uns zuerst die Erfüllungsformel an und dann das Erfüllungszitat. Die Erfüllungsformel lautet: «Dies alles ist geschehen, damit erfüllt würde ... » Nur einmal noch, nämlich in 21,4, hat Mattäus ähnlich formuliert: «Dies aber ist geschehen, damit sich erfüllte ... » Alle übrigen Erfüllungszitate werden wesentlich kürzer eingeleitet. Meistens wird an die Schilderung der Begebenheiten lediglich ein tvot oder l>muc; Satz angeschlossen: «damit erfüllt würde, was gesagtist ... »Was ist gemeint mit diesem betonten «Dies alles ist geschehen, damit erfüllt würde ... ?» Doch sicher das, was vorher in den Versen 18-21 berichtet worden ist, nämlich: Die unerklärliche Empfangnis Marias während ihrer V erlobungszeit, die daraus entstehenden Sorgen und Nöte Josefs, sein schließliehet Entschluß, Maria dennoch heimzuführen, und das Kind als das seinige anzunehmen, indem er ihm den Namen gibt. Man kann sich des Eindruckes nicht erwehren, daß Mattäus mit den Versen 18a und 22 auf ein wirkliches Geschehen hinweisen wollte: «Mit der Herkunft Jesu Christi verhielt es sich aber so» (18a)- «Dies alles ist geschehen, damit erfüllt würde ... » (22). Das Erfüllungszitat stammt seiner Substanz nach aus Jesaja 7,14. Der Text lautet dort: «Siehe, die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären und seinen Namen Immanuel nennen.» Über den Literalsinn dieser Worte ist ungeheuer viel geschrieben worden, ohne daß bis heute ein allseits befriedigendes Ergebnis erzielt worden wäre. Es wird auf die Kommentare und die Spezialliteratur verwiesen. Uns interessiert insbesondere, was der Evangelist mit der Anführung dieses Zitates aussagen wollte. Dies aber ist klar und ergibt sich ohne jeden Zweifel aus dem Kontext: EineJungfrau hat- ohne Geschlechtsverkehr - empfangen und wird einen Sohn gebären, dem man den Namen Immanuel geben wird. Der Wortlaut des Zitates ist zum größten Teil der griechischen Bibel, also dem Septuagintatext, entnommen. Vom Gesamtbild des Sprachgebrauchs von 7totp8~voc; in der Septuaginta ist mindestens gefordert, daß die Jungfrau von Jes 7,14 von einem Manne bis zur Empfangnis des Immanuel unberührt war 1 • Es ist «jedoch auch die Möglichkeit vorhanden, daß der Übersetzer von Jes 7,14 sich eine ungeschlechtliche Entstehung des Jungfrauensohnes vorgestellt hat» 2 • 1 2
36
G. G.
DELLING, DELLING,
parthenos (gr.) ebenda 831.
=
TWNT V
82~35,
bes. 831.
Es ist möglich, daß die Übersetzer bei dieser Wortwahl von einem ägyptischen Mythos beeinflußt waren, der von der wunderbaren Zeugung und Geburt eines Pharaos erzählt 1• Aber was auch die Septuagintaübersetzer sich bei der sprachlichen Gestaltung von Jes 7,14 gedacht haben mögen, sicher ist, was der Evangelist bei der Zitierung der Stelle gedacht hat: Er dachte an die Zeugung Jesu aus heiligem Geist. Er bezog mxp8evoc; auf Maria, die Mutter dieses neuen Immanuel, den sie nicht durch männlichen Samen, sondern kraft göttlicher Einwirkung empfangen hat. Jede menschliche Einwirkung auf diese Empfängnis wird in zweimaliger Aussage ausgeschlossen, nämlich in den Versen 1, 18b: «Es fand sich, ehe sie zusammenkamen, daß sie empfangen hatte aus heiligem Geist.» 1,25: «Und er erkannte sie nicht, bis sie einen Sohn gebar.» Diese zwei Aussagen werden bestärkt durch Vers 16, wo es heißt : «Von Jakob stammte Josef, der Mann Marias, aus der geboren wurde Jesus, genannt Christus.» Wenn man beachtet, daß vorher (in den Versen 2 bis 14) die Zeugungslinie stets vom Vater zum Sohn bzw. Erben weitergeführt wird, so fällt auf, daß in Vers 16 diese Linie gebrochen wird. Jetzt steht nicht mehr der Mann- Josef- im Vordergrund, sondern die Frau - Maria, die den Christus hervorbringt. Diesen Sachverhalt hat Otto Knoch sehr schön herausgestellt 2• Die Anführung des Jesajazitates, wodurch etwas als «erfüllt» und «verwirklicht» bezeichnet wird, zwingt zu der Annahme, daß der Evangelist an ein wirkliches Geschehen gedacht hat, sonst verliert das Erfüllungszitat jeden Sinn. Es fragt sich jedoch, von wo der Evangelist, dem man diese alttestamentlichen Zitate zuschreibt, sein Wissen her hat? Hat er es aus Mitteilung, also aus Tradition? Oder Die Geburt des Immanuel aus der Jungfrau, in FRANK, KILIAN, Zum Thema Jungfrauengeburt, Stuttgart 1970, 32 ff. 2 «Demnach sagt der Text Vers 16 am Höhepunkt des Stammbaumes Jesu, daß Jesus nur kraft Adoption des Davididen Josef zur Sippe Davids gehört, nicht aber durch die biologische Vaterschaft Josefs. Das ist doppelt auffällig, wenn man sieht, daß durch diese Aussage das Stammbaumschema am Höhepunkt seiner Aussage durchbrochen wird und dies, obwohl Josef als Mann Marias dargestellt wird.» So 0. KNOCH, Die Botschaft des Matthäusevangeliums über Empfängnis und Geburt Jesu vor dem Hintergrund der Christusverkündigung des NT, in FRANK, KrLIAN, KNOCH u. a., Zum Thema Jungfrauengeburt, Stuttgart 1970, 37-59, bes. 45. 1
R. KrLIAN,
KNOCH, LATTKE, RAHNER,
37
hat er es durch Schlußfolgerung erlangt? Im letzten Fall wäre sein Wissen nichts anderes als eine Annahme, ein Theologumenon. Wir haben Gründe anzunehmen, daß der Evangelist sein Wissen aus Mitteilung, aus Überlieferung wissender Kreise bezogen hat. Siehe Exkurs 1: Ist Mt 1,18-25 ein christologischer Midrasch? Es fällt auf, daß Mattäus den Schlußteil seines Jesajazitates geringfügig geändert hat. Bei Jesaja ist es die Jungfrau selbst, die dem Kind den theophoren Namen gibt. In Mt 1,23 aber heißt es xcx'AecroucrLV = «sie werden ihn nennen» oder «man wird ihn nennen». Keine Septuaginta-Handschrift hat diese Verbalform von Mt 1,23. Die griechische Bibel hat entweder die 2. oder dann die 3. Person Singular. Das bedeutet: Entweder ist es die Jungfrau selbst, die dem Kind den Namen beilegt, oder es ist der König - es handelt sich um König Ahas -, zu dem der Prophet spricht und dem er das Zeichen verheißt. Der masoretische Text enthielt wohl die Lesung der 3. Person Singular, ursprünglich war aber vermutlich doch die 2. Person Singular gemeint; der Konsonantenbestand erlaubt diese Annahme 1 • Ein Vergleich der verschiedenen modernen Übersetzungen zeigt dem Leser an, für welche Lesart der betr. Übersetzer einsteht. Wir haben Grund anzunehmen, daß nach dem hebräischen Urtext der König, dem die Geburt des Kindes angekündigt wurde, auch mit der Namengebung beauftragt worden ist. Soviel zur Stelle Jesaja 7,14. Wie kommt nun der Evangelist dazu, statt der 2. oder 3. Person Einzahl die 3. Person Mehrzahl einzusetzen? Das Motiv für diese Wahl ist leicht zu finden. Nachdem in Mt 1,21 Josef aufgefordert worden ist, den Neugeborenen Jesus zu nennen, kann er jetzt schwerlich aufgefordert werden, das Kind Immanuel zu nennen. Das ergibt Spannung, um nicht zu sagen einen Widerspruch. Dazu tritt ein zweites Motiv, auf das wir noch zurückkommen werden. So muß man sagen, eine handschriftliche Vorlage, auf die Mattäus sich stützen konnte, um xcx'AecroucrLV einzusetzen, ist bis heute nicht mit Sicherheit gefunden worden. Es bleibt immer noch am wahrscheinlichsten, daß der Evangelist im Stil des Targum, also der oft freien, paraphrasierenden aramäischen Volksbibel übersetzt hat, weil nur in dieser Form das Jesajazitat dem beabsichtigten Zweck dienen konnte 2• 1 Näheres über diese Frage siehe W. RoTHFUCHS, a. a. 0. S. 57 ff. und R. H. GuNDRY, Theuse ofthe Old Testament in St.Matthew's Gospel, Leiden 1967, 89f. 2 «Dieses sein Verfahren kann als 'targumisierend' beschrieben werden.» W. ROTHFUCHS, a. a. 0. 59.
38
In welchem Zusammenhang sitzt nun in Mt 1 dieses Jesajazitat? Maria ist zur Zeit ihrer Verlobung schwanger geworden. Josef, ihr Verlobter, erfährt davon, und diese Nachricht wird für ihn eine Belastungsprobe. Die Tatsache der Schwangerschaft Marias während der Zeit ihrer Verlobung bezeugt auch das Lukasevangelium (1,27 und 34). Das Zeugnis des Lukas, das in dieser Hinsicht Mattäus bekräftigt, wiegt umso schwerer, als die lukanische Vorgeschichte sicher unabhängig von Mattäus ist. Die Tatsache der geheimnisvollen Empfängnis Jesu, einer Empfängnis ohne menschliches Zutun, ·gelangte erst in der nachösterlichen Zeit zur Kenntnis der Urgemeinde. Nachdem einmal diese Kunde unter den Christen vorerst bekannt, sodann mündlich und später schriftlich weiter tradiert worden war, dürfte sie nach einigen Jahren oder Jahrzehnten auch in der Judenschaft bekannt geworden sein. Daß es dazu eine Zeit von zwei oder drei Jahrhunderten gebraucht haben sollte, m. a. W. daß erst im 3. oder 4. Jahrhundert die Judenschaft davon erfahren haben soll, ist doch völlig unglaubwürdig. Es drängt sich also die Annahme auf, daß das im Talmud zu findende Echo über die geheimnisvolle Mutterschaft Marias in die früheste Zeit zurückreichen muß. Die im Talmud erhaltenen, z. T. sehr beleidigend tönenden Angriffe auf diesen Glauben der Christen haben ihre Wurzel in dieser frühen Zeit. Es wäre den Christen, selbst wenn sie es gewollt hätten, unmöglich gewesen, ihre Tradition über den Ursprung Jesu zwei oder drei Jahrhunderte lang geheim zu halten. Zwar gehörte diese nicht zum Kern des Kerygmas über Jesus. Deshalb enthalten das Markus- und das Johannesevangelium keine Art von« Kindheitsgeschichte Jesu», und Mattäus und Lukas enthalten diese nur, weil die Evangelisten in den Besitz von Familien- bzw. Sippenüberlieferungen gelangt waren. So kam es denn dazu: Was den Christen als Wirkung heiligen Geistes galt, wurde von jüdischer Seite als Wirkung moralischer Entgleisung von seiten Marias betrachtet und Maria demgemäß als Hure und Dirne hingestellt 1• Rabbi Chijja ben Abba, der um 280 n. Chr. in Palästina lebte, hat folgendes gesagt: «Wenn der Sohn der Hure zu dir sagt: Es gibt zwei Götter, so antworte ihm: Ich bin derselbe vom Meer (Schilfmeer), ich bin derselbe vom Sinai. (So oft sich Gott offenbart hat, so ist er doch nur Ein Gott).» Ganz ähnlich eine zweite Stelle in der gleichen Schrift, der sog. «Pesikta rabbati», die zwar 1
Siehe hierzu auch Exkurs 2, S. 106 ff.
39
aus dem 9. Jahrh. n. Chr. stammt, aber wertvolle alte Traditionen enthält 1• Daß das Schimpfwort «Dirne» für Maria sicher wenigstens in das 2. Jahrhundert zurückgeht, bestätigen Tertullian (gest. nach 220 n. Chr.) und Origenes (gest. um 254). In der Schrift Tertullians «Über die Schauspiele» wendet dieser sich im Schlußabschnitt gegen jene, «die gegen die Person des Herrn selbst gefrevelt haben». Damit sind jene gemeint, die Jesus abgelehnt und ans Kreuz gebracht haben, und es kann kein Zweifel sein, daß Tertullian hier in erster Linie an die damaligen führenden Männer der Judenschaft in J erusalem gedacht hat. Die Stelle lautet: «Nur möchte ich dann weniger die Genannten sehen als vorziehen, meinen unersättlichen Blick auf jene zu richten, die gegen die Person des Herrn selbst gefrevelt haben. Hier ist, würde ich dann sagen, der Sohn des Zimmermanns und der Dirne, der Sabbatschänder, der Samariter, der Mensch, der den Teufel haben soll. Das ist er, den ihr mit dem Rohr und mit Ohrfeigen mißhandelt, durch Anspeien besudelt, mit Galle und Essig getränkt habt ... » 2 Noch einige Jahrzehnte weiter zurück reicht die Schrift des Celsus, die aus Origenes' Werk «Contra Celsum» rekonstruiert wird. In dieser Schrift läßt Celsus einen Juden auftreten, der sich mit Jesus unterredet und ihm u. a. vorwirft, «daß er sich fälschlich als den Sohn einer Jungfrau ausgegeben habe ... , daß er aus einem jüdischen Dorf und von einer einheimischen armen Handarbeiterin stamme ... Diese sei von ihrem Mann, der seines Zeichens ein Zimmermann gewesen, verstoßen worden, als des Ehebruchs schuldig» 3 • Die Streitschrift des Celsus, mit der Origenes sich auseinandersetzt, trug den Titel 'AI·:IJ8~.; A.6yo.; und ist um etwa 178 n. Chr. entstanden. Der Vorwurf, der offenbar von jüdischer Seite Jesus gemacht wurde STRACK-BILLERBECK, a. a. 0. I 42 f. MrGNE PL 1 (Tertullianus, Liber de spectaculis) 661 f. ( = BKV, Tertullians ausgewählte Schriften, I, München 1912, 136). 3 MIGNE PG 11 (Origenes, Contra Celsum) 714 (= BKV, Des Origenes acht Bücher gegen Celsus, I 38 f.). - In der gleichen Schrift findet sich die Behauptung, die Celsus jüdischem Mund zuschreibt: «Die Mutter Jesu sei von dem Zimmermann, mit dem sie verlobt war, verstoßen worden, weil sie des Ehebruchs überführt worden sei und von einem Soldaten namens Panthera geboren habe.» MrGNE PG 11, 719-722 (= BKV ebenda 44). Es ist bekannt, daß in der rabbinischen Literatur mehrfach Jesus als Ben (Bar) Pantera (Pandera) bezeichnet wird. In den älteren Texten geschieht dies rein sachlich genealogisch, im babylonischen Talmud kommt die Tendenz hinzu, damit etwas Schimpfliches zu verbinden. Darüber siehe STRACK-BILLERBECK I 36 ff. 1
2
40
und der Maria ebenso wie Jesus treffen sollte, war der Vorwurf außerehelicher Abkunft. Wer J osef als natürlichen Vater J esu gemäß Mt 1,18 f. ausschließt und eine Empfängnis aus heiligem Geist, d. h. aus göttlicher Einwirkung, nicht anzunehmen geneigt ist, dem bleibt selbstverständlich nichts anderes übrig als die Annahme unerlaubter sexueller Beziehungen Marias 1• Da die totale natürliche Parthenogenese einerseits unwahrscheinlich und umstritten, anderseits noch viel zu wenig erforscht ist, darf auf die Erörterung dieses Problems verzichtet werden. Das Selbstzeugnis Marias, das in Lk 1,26-38 wohl doch zum Ausdruck kommt, darf nicht einfach bei Seite geschoben oder als nichtexistent betrachtet werden. Wir kommen zurück auf das Motiv, das den Evangelisten veranlaßt hat, als Urheber der Namengebung eine Mehrheit einzusetzen, und stellen die Frage: Woher und warum das x01::A~croucr~v in 1, 23? Die Lösung liegt hier: Josef, rechtlicher Vater des K.indes, gibt ihm den Namen Jesus. Mit diesem Namen wird der Knabe gerufen werden. Darüber h.inaus wird eine Mehrheit («sie» oder «man»), wenn sie erkannt hat, wer er in Tat und Wahrheit ist, ihm den Namen Immanuel geben, d. h. «Gott mit uns» (Jes 7,14; vgl. 8,10). Diese Mehrheit kann niemand anderer sein als das wahre Volk Israel, die Gemeinde der Jesusgläubigen. Immanuel heißt, wie der Evangelist selbst erklärend beifügt (1,23) « Me:S' ~wvv o 6e:6c;». Vermutlich kommt der letzte Satz des Mattäusevangeliums darauf zurück: eyw fle:S' ÜfL&v ELfl~ = «
41
urchristlichen Gemeinde mit hineinbezieht. Diese Gemeinde weiß «Gott mit uns», sie glaubt an den in ihr geheimnisvoll gegenwärtigen erhöhten J esus als an ihren Herrn.
2. 2J14f Siehe am Schluß dieses Kapitels I
3. 2J17f Siehe am Schluß dieses Kapitels I 4. 2}23:
«Dort angekommen, nahm er Aufenthalt in einer Stadt, die Nazareth heißt, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch die Propheten: Er wird ein Nazoräer genannt werden.» Dieses Erfüllungszitat birgt eine besondere Schwierigkeit in sich: Auf welche alttestamentliche Stelle wird Bezug genommen, welche Propheten sind gemeint? Eine wörtlich genau entsprechende Stelle ist weder im hebräischen noch im griechischen Text des AT zu finden. Wenn es 2, 23 heißt otoc -rwv 7tpoqrYJ-r&v = «durch die Propheten», dann drängt sich die Annahme auf, daß der Verfasser eine bestimmte Stelle nicht angeben konnte und wollte, sondern an mehrere Bezugsstellen dachte. Tatsächlich ist 2, 23 auch die einzige Erfüllungsformel bei Mt, die von einer Mehrzahl von Propheten spricht. Es müssen also mehrere alttestamentliche Stellen in Frage kommen. Wir haben Grund anzunehmen, daß mit diesem Zitat auf den Beinamen Jesu «der Nazarener», der dann auch auf seine Jünger und auf die Christen überging, hingewiesen und damit ein messianischer Sinn verbunden werden sollte. «Die Benennung des Mannes nach seiner Heimat kommt häufig vor und war dadurch vollauf begründet, daß die biblischen Eigennamen überaus häufig vorkommen» 1 • Der Beiname «der Nazarener» oder «von Nazaret» war also in erster Linie ein Merkmal der Unterscheidung. Sicher war er nicht eine Selbstbezeichnung J esu und seiner Anhänger, sondern eine Benennung von seiten der jüdischen Umwelt und sie war - wenigstens anfänglich- ohne Zweifel verächtlich gemeint. Das zeigt klar Apg 24, 5, wo der jüdische Anwalt vor dem römischen Statthalter Felix folgende Anklage erhebt: «Wir haben nämlich diesen Menschen als eine Pest 1
42
A. ScHLATTER, Der Evangelist Matthäus, Stuttgart 61963, 49.
kennengelernt und als Unruhestifter unter allen Juden in der ganzen Welt; er ist ein Anführer der Sekte der Nazaräer ... » Wenn in den neutestamentlichen Schriften bald «Nazarener» und bald «Nazaräer» geschrieben wird, ist dies sprachlich durchaus möglich und gibt zu keinen Bedenken Anlaß. «Danach kann Noc~wpoci:o<; unbedenklich ebenso wie N oc~ocp1Jv6<; als Graecisierung von aram. nä$räjä, abgeleitet von nä$ra~ N oc~ocp€6, angesprochen werden» 1• Jesus hat seine Jugendjahre in Nazaret verbracht. Nazaret galt als seine Vaterstadt (Mt 13,54) und er hat diesen Ort erst zu Beginn seiner öffentlichen Tätigkeit verlassen. Die Nachricht, daß Jesus aus Nazaret kam und als Nazarener galt, ist in den Evangelien und den Apostelakten insgesamt etwa 29 mal bezeugt. Notieren wir die wichtigsten Stellen: Jesus, in Nazaret aufgewachsen: Mt 2,23; Lk 2,39. 51; 4,16 Jesus, in Nazaret zu Hause: Mt 4,13; 13,54ff.; 21,11; Mk 1,9; Joh 1,45f. Jesu Verwandte wohnen in Nazaret: Mt 13,54 ff.; Mk 6,1 ff. Jesus, der Nazarener oder Nazaräer: Mt 2,23; 26,71; Mk 1,24; 10,47; 14,67; 16,6; Lk 18,37; 24, 19; Joh 18,5.7; 19,19; Apg 2,22; 3,6; 4,10; 6,14; 22,8; 24,5; 26,9. Der Beiname Jesu «der Nazarener» ist auch in die Mischna und den Talmud eingegangen. Rabbi EHezer (um 90 n. Chr.), der in den Verdacht gekommen war, ein Christ zu sein, erzählt: «Einst ging ich auf dem oberen Markt von Sepphoris und traf da einen von den Schülern Jesu des Nazareners, namensJakobaus Kephar Sekhanja ... Da sprach er zu mir: So lehrte mich Jesu der Nazarener ... » 2 Bei Strack-Billerbeck werden weitere drei Beispiele dieser Art aufgezählt 3• Es besteht kein Zweifel, daß mit dieser Benennung der Stifter des Christentums gemeint ist. Ein sehr frühes Zeugnis für die Benennung der Anhänger Jesu als Nazarener ist die 12. Benediktion im Schemone-Esre = TWNT IV, 882. BT 'Aboda Zara 17a (= STRACK-BILLERBECK I 94f.). Parallelstellen: Tos. Chullin 2,24 (503) und Midr. Qoh. 1,8 (8b). 3 STRACK-BILLERBECK I 95. 1
H. H. ScHAEDER, Nazarenos, Nazoraios
2
43
(= «Achtzehn-Gebet»), die in der palästinischen Rezension lautet: «Den Apostaten sei keine Hoffnung I Entwurzle das böswillige Reich schnell in unsern Tagen. Die Nazarener und die anderen Entarteten sollen in einem Augenblick zugrunde gehen. Ausgetilgt mögen sie werden aus dem Buche des Lebens. Sie sollen nicht aufgeschrieben werden zusammen mit den Gerechten. Gepriesen seist du, Herr, der du niederhältst die Frechen.» Diese Einfügung geschah durch Garnallel II um etwa 100 nach Christus 1• Jesus wuchs in Nazaret auf und erhielt den Beinamen «der Nazarener». «Jesus von Nazaret, König der Juden» lautete nach Joh 19,19 die Schuldinschrift am Kreuz. Wie aber ist dies «von den Propheten» vorhergesagt, da doch bekanntlich der Name Nazaret als Stadt oder Dorf an keiner Stelle des AT vorkommt? Die meisten Exegeten denken an das hebräische ne$er aus dem Buch J esaja 11,1 : «Doch wächst hervor ein Reis aus Isais Stumpf, ein Schößling bricht aus seinen Wurzeln hervor.» Der Sinn ist klar: Der Prophet sieht in seiner Zeit nur noch einen Stumpf von Davids Herrschergeschlecht. Aber dieser birgt noch genug Lebenskraft in sich, die von Gott aufgeweckt wird, so daß ein neuer David ersteht, der mit Gottes Weisheit und Kraft erfüllt ist (]es 11,2 ff.) 2 • ne$er ist allerdings nie ein messianischer Titel geworden, wohl aber der Parallelbegriff $emafi,. Dieses $emafi, = Sproß kommt in messianischem Sinn vor: Jes 4, 2; Jer 23,5; 33,15; Sach 3,8; 6,12 3 • Man achte darauf z. B. in den beiden letztgenannten Stellen: «Denn siehe, ich lasse meinen Knecht kommen, den 'Sproß'» (Sach 3,8).- «So spricht der Herr der Heerscharen: Siehe da, ein Mann, 'Sproß' ist sein Name; unter seinen Füßen wird es sprossen, und er wird den Tempel des Herrn bauen ... Hohe Würde wird er innehaben und als Herrscher auf seinem Throne sitzen» (Sach 6,12 f.). Kein Zweifel, daß hier vom kommenden Mes1 Übersetzung freundlicherweise mitgeteilt von Dr. C. THOMA (Theol. Hochschule Luzern). Vgl. C. THOMA, Auswirkungen des jüdischen Krieges gegen Rom (66-70/73 n. Chr.) auf das rabbinische Judentum, BZ NF 12 (1968), 30-54 und 186--210, bes. 202. Siehe auch H. CoNZELMANN, Geschichte des Urchristentums, {NTD Ergänzungsreihe 5), Göttingen 1969, 150. 2 Im Traktat Sanhedrin des BT (43a) wird unter den Jüngern Jesu ein nefer genannt. STRACK-BILLERBECK (I 95) stellt dazu die Frage, ob nicht darin die Erinnerung der alten Synagoge stecke, daß Jesus den Beinamen n'ifer getragen hat. - Ein Musterbeispiel dafür, wie die Rabbinen mit Schriftstellen, die das Wort n'ifer enthalten, argumentieren, siehe a. a. 0. 95. 3 Der Synagoge galt fema~ als Messiasname: STRACK-BILLERBECK, II 113.
44
sias die Rede ist. Daß $emal;t der Synagoge als Messiastitel galt, ist im Talmud mehrfach bezeugt 1 • Gewiß, $emal;t ist nicht dasselbe wie ne$er, wohl aber ist die Bedeutung dieselbe und einem schriftkundigen Juden konnte der Zusammenhang der Stellen wie auch deren Bedeutung nicht verborgen bleiben. Es ist übrigens möglich und wahrscheinlich, daß die zuweilen - wie etwa in Mk 14,67 - verächtlich gemeinte Bezeichnung Jesu als Nazarener im Sinne seiner Gegner ihm zum vorneherein den Nimbus der Messianität nehmen sollte. Das Erfüllungszitat von Mt 2, 23 dürfte wohl eine indirekte Antwort auf solche Bemühung sein: Jesus ist nl$erJer ist derverheißene Sproßl Diese apologetische Nebenabsicht macht auch die Schwierigkeit der Stelle, den etwas forcierten Weg vom N oc~wpoc~ot;; über ne$er zum $emal;t verständlich. Apologetische Absichten bringen das etwa mit sich. «Forciert» hat bei Gelegenheit auch Paulus in seiner Argumentation, auch Mischna und Talmud enthalten solche Beispiele von «Forderung».- Faßt man zusammen, so ergibt sich: Das Erfüllungszitat hat die Aufgabe auszusagen: 1. Jesus ist Nazarener, d. h. Bürger von Nazaret geworden. 2. Dies war gottgewollt und ist in Schrifttexten prophetisch vorausgesagt. 3. Jesus ist auch der verheißene Sproß, der Messias I
«Er verließ Nazareth, kam nach Kapharnaum, am See gelegen, im Gebiet von Zabulon und Nephtalim, und nahm dort seinen Wohnsitz. So wurde erfüllt, was gesagt ist durch den Propheten Isaias: 'Das Land Zabulon und das Land Nephtalim entlang am See, jenseits des Jordan, das Galiläa der Heiden, das Volk, das im Finstern sitzt, sah ein großes Licht, und denen, die im Land und im Schatten des Todes sitzen: ein Licht ging aufüber ihnen'.» Das Erfüllungszitat ist Jesaja 8,23 und 9,1 entnommen. Dort lautet der Text: «Fürwahr, nicht wird im Dunkel bleiben das Land, das jetzt in Bedrängnis ist! In der früheren Zeit brachte der Herr Schmach über das Land Sebulun und das Land Naphtali, aber zur letzten Zeit bringt er zu Ehren das Gebiet der Meeresstraße, das Gebiet jenseits des Jordan, den Gau der Heiden (Galiläa). -Das Volk, das in Fin1 STRACK-BILLERBECK,
a. a. 0. 113.
45
sternis wandelt, erschaut ein gewaltiges Licht. Über den Bewohnern eines finsteren Landes strahlt ein Lichtglanz hell auf.» Man muß wissen, um was es dem Propheten geht. Es geht um den Zusammenbruch des Nordreiches und seinen Wiederaufstieg. Der Zusammenbruch erfolgte unter Tiglatpileser, der von 734 bis 732 Palästina und Syrien eroberte und die westlichen und nördlichen Teile Israels in assyrische Provinzen umwandelte. Ein großer Teil der Bevölkerung wurde fortgeführt und an ihrer Stelle wurden Heiden angesiedelt. Das ist die Erniedrigung und die Schmach von Sebulon und von Naftali. Der Stamm Sebulon (in Mt 4,15: Zabulon) saß im galiläischen Gebirge am Nordrand der Ebene Jesreel, also etwa in der Gegend, die später durch Nazaret bekannt geworden ist. Der Stamm Naftali hatte seine Wohnsitze in den fruchtbaren Gegenden westlich des Sees Genesaret und des oberen Jordantales. Wer den Text von Jes 8,23 f. mit dem Zitat bei Mt 4,15 f. vergleicht, wird bemerken, daß kleinere Satzteile weggelassen, andere etwas modifiziert wurden oder bereits modifiziert übernommen worden sind. Bezüglich der Herkunft des Erfüllungszitates schreibt Wilhelm Rothfuchs: «Das Zitat kann also als Ganzes weder auf den masoretischen Text noch auf die LXX zurückgeführt werden. Nichtsdestoweniger scheint es Kenntnis beider zu verraten. Vor allem aber spricht es selbst durch seine Form dafür, daß die Motive für diese Textbehandlung zum großen Teil im mt Kontext (Auftreten Jesu in Galiläa als messianisches Ereignis) ihren Ursprung und ihre Ansatzpunkte haben» 1 • Gehen wir dem Sinn des Erfüllungszitates noch etwas nach. Niemand bestreitet, daß das Randgebiet des Sees Genesaret, speziell das westliche und nördliche, der Hauptschauplatz von Jesu galiläischer Tätigkeit gewesen ist. Der Mittelpunkt dieses Schauplatzes war die Stadt Kafarnaum. Mt 4,13 wird gesagt, daß Jesus in Kafarnaum «Wohnsitz genommen hat». Das dabei verwendete griechische Wort xcxTmxe(J) ist spezifisch für« Wohnsitz nehmen, wohnen, sich ansiedeln>>. In diesem Verb steckt ja das Wort olx[oc = Haus; die nächstliegende Bedeutung von xcx-rotxe(J) wäre also «sich häuslich niederlassen». Jesus wird dann hier so sehr heimisch, daß Kafarnaum einfach «seine Stadt» genannt wird (Mt 9,1). Wenn es heißt, daß Jesus sich in Kafarnaum wohnlich niedergelassen hat, nachdem er Nazaret verlassen hatte, liegt es nahe anzunehmen, daß er vorher seinen festen Wohnsitz eben 1
46
W.
ROTHFUCHS,
a. a. 0. 70.
dort, in Nazaret, gehabt hat. Kafarnaum ist offenbar der Ansatzpunkt für das Anbringen des Erfüllungszitates. Wenn es heißt «Er verließ Nazaret, kam nach Kafarnaum, am See gelegen, im Gebiet von Zabulon und Naphtali ... » (Mt 4, 13), fragt man sich, in welchem dieser Stammesgebiete lag denn nun Kafarnaum? Kafarnaum lag im alten Stammesgebiet von Naftali. Freilich reichte auch Sebulon in das südliche Galiläa hinein. Beide gehörten zum Bezirk der Heiden« Galiläa», von hebräisch galil = Kreis, Bezirk. Also nicht in der Hauptstadt mit dem Tempel, nicht in den Kreisen der Vornehmen, der Gelehrten, der Schriftkundigen ließ Jesus sein Licht leuchten, sondern im verachteten halbheidnischen Galiläa I Mattäus wählt in Vers 16 b das Verb cX.vor:·dA.A.e:Lv statt dem AOC(l7tELV der Septuaginta. Dadurch wird das Motiv «aufgehen, aufleuchten, aufstrahlen» verstärkt, denn cX.va"t'EJ..J..e:Lv gehört zum messianischen Vokabularium 1• Es ist offenbar die Absicht des Evangelisten, das Auftreten Jesu in Kafarnaum, «im dunklen Bezirk der Heiden», als das Aufleuchten des Messias zu verkünden und den Moment dieses Geschehens als den Beginn der messianischen Zeit anzuzeigen.
6. Mt8,16j.: «Als es Abend wurde, brachten sie viele Besessene zu ihm, und er trieb durch sein Wort die Geister aus und machte alle Kranken gesund. So erfüllte sich, was gesagt ist durch den Propheten Isaias 'Er nahm unsere Gebrechen und trug unsere Krankheiten fort'.» Was hier von Exorzismen und Krankenheilungen berichtet wird, verlegen die Synoptiker einstimmig nach Kafarnaum. Mattäus fügt das Erfüllungszitat in den Stoff der markinischen Quelle ein. Er macht seinen Bericht zu einem Summarium der Heilungswunder Jesu. Jesus ist für ihn der Wunderheiland, der Heiland der Kranken, und er wirkt dieses Heilswerk als Erfüllet der Schriften und als Vollbringer des göttlichen Willens. Die nähere Zeitbestimmung lautet gleichermaßen bei Markus und Mattäus 'Oiji(~ ae ye:VO(lEV'rjc; = als es Abend geworden war, bei Lukas Äuvov"t'oc; be "t'oÜ ~J..(ou = als die Sonne unterging. BeiMarkus liegt der Grund dafür klar: Es war Sabbat (1,21) und Jesus hatte die Synagoge besucht (1,21 und 1,29). Die Sabbatruhe war die Ursache 1 H. ScHLIER, analeilein (gr.)
=
TWNT, I 354.
47
dafür, daß die Leute den Sonnenuntergang und damit das Tagesende abwarteten, um Kranke und Besessene zum Hause zu bringen, wo Jesus sich aufhielt (vermutlich im Haus des Petrus gemäß Mt 8,14). Bei Mattäus ist die Angabe vom Sabbat verloren gegangen, so daß das Abwarten des Tagesendes nicht recht motiviert ist. Das Erfüllungszitat ist dem vierten Lied vom Gottesknecht (52,13-53,12) bei Jesaja entnommen: «Er nahm unsere Gebrechen und trug unsere Krankheiten fort» (53, 4). Es ist nicht leicht zu sagen, in welcher Zeit man begonnen hat, die Stelle vom leidenden Gottesknecht messianisch zu deuten. Sicher haben J esus selbst und die Apostel das sühnende Leiden des Herrn im Licht der Gottesknechtgestalt von Deuterojesaja gesehen. Jesus hat Züge des Gottesknechtes mit denen des danielischen Menschensohnes vereinigt. Mt 8,17 zeigt, wie die urchristliche Verkündigung in J esus den dienenden und leidenden Gottesknecht gesehen hat. Nach Jesaja 53,4 hat der Gottesknecht unsere Krankheiten und Schmerzen sich selbst aufgeladen und stellvertretend für uns getragen. Nach Mt 8,17 hat Jesus durch sein machtvolles Wort Besessene und Kranke geheilt und auf diese Weise unsere Krankheiten und Gebrechen fortgeschafft. Mattäus hat also die J esajastelle in seinem eigenen Sinn aufgefaßt und somit etwas umgedeutet. Aber er hat sie jedenfalls messianisch gedeutet, freilich in einem anderen messianischen Sinn, als die zeitgenössische jüdische Erwartung den Messias gesehen hat. Diese nämlich erwartete einen mächtigen und glanzvollen Messias, der in erster Linie politischnationale Aspirationen erfüllen würde. Mattäus sieht in J esus den Messias, der sich der Elenden und Gebeugten, der Armen und Kranken annimmt. Er verkündet den barmherzigen, den helfenden und heilenden Messias. Es ist schon gesagt worden, daß der Evangelist in seinem Erfüllungszitat das Jesajawort etwas umgedeutet hat, besser gesagt, in einem neuen und überraschenden Sinne erfüllt sieht. Nach der damaligen Mentalität waren Krankheit und Schmerz stets Auswirkungen der göttlichen Gerechtigkeit und Folgen des göttlichen Zornes; sie waren also als Strafen anzusehen. In diesem Sinn ist z. B. Psalm 32,10 zu verstehen: «Zahlreiche Schmerzen erwarten den Frevler; doch wer auf den Herrn vertraut, den umgibt er mit Huld.» Im gleichen Sinn und sehr deutlich spricht im NT die Stelle Joh 9,2. Die Jünger Jesu sehen einen Blinden an der Straße und fragen: «Meister, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, daß er blind geboren wurde?» Versenken wir uns etwas in das damalige 48
Denken, so werden wir sagen müssen: Jesus hat die Schuld und die Folgen der Schuld weggeschafft und mit dieser messianischen Tätigkeit beide Wunden geheilt. Dieser Messias, der sich herabneigt, der sich der Geplagten und Beladenen annimmt, der Not und Mühsal lindert und heilt, - dieser Messias ist ein anderer als jener, der nach Macht und Größe verlangt und ein Reich aufbaut. Jesus hat Kranke und Besessene geheilt, dies berichten alle Evangelien. Es ist in diesem Zusammenhang nicht notwendig, Besessenheit und Krankheit genau zu unterscheiden. Man mag, wenn man will, Besessenheit unter «Krankheit und Gebrechen» subsumieren. (Nach der Auffassung der Evangelien sind alle Besessenen krank, aber nicht alle Kranken sind auch Besessene I) 1 Für die Evangelisten steht fest, daß Jesus auf Grund überlegener Macht Krankheiten von vielerlei Art geheilt hat. Dafür zeugen die Schriften christlicher Autoren, inspirierte und nichtinspirierte, aber auch einige rabbinische Schriften, die im jerusalemischen und babylonischen Talmud auf uns gekommen sind 2• Die neutestamentlichen Schriften breiten in reicher kerygmatischer Fülle die Aussage von der Wundertätigkeit Jesu aus. Was die rabbinischen Schriften anbetrifft, sei das zusammenfassende Urteil des jüdischen Gelehrten Joseph Klausner wiedergegeben, das 1 Vergleiche etwa Mt 4,24. - Dazu W. FoERSTER im TWNT, dain1on (gr.) = TWNT, li 1-20. «Es ist nicht so, daß im NT alle Krankheiten auf Dämonen zurückgeführt werden» (a. a. 0. 19). 2 Die Jünger Jesu, namentlich der Herrenbruder Jakobus, waren auch unter den Juden für Wunderheilungen bekannt. In der Gernara heißt es: «Man darf mit den Minäern [ = Ketzern, Judenchristen) in keinerlei Verkehr stehen, auch darf man sich von ihnen keine Heilung angedeihen lassen, selbst für eine kleine Lebensdauer. Einst wurde Ben Dama, ein Schwesterssohn R. ]ismaels, von einer Schlange gebissen, und als ]aqob aus Kephar Sekhanja kam, um ihn zu heilen, ließ es R. ]ismae/ nicht zu. Da sprach jener zu ihm: Meister und Bruder ]ismall, laß ihn, auf daß ich durch ihn geheilt werde, und ich will dir aus einem Schriftvers in der Tora beweisen, daß dies erlaubt sei l Kaum hatte er dies gesprochen, als seine Seele ausfuhr und er starb.» BT 'Aboda Zara 27b.- Ben Damas Lehrzeit wird um 130 n. Chr. angesetzt. ]aqob aus Kephar Sekhanja ist nach L. GoLDSCHMIDT (Der Babylonische Talmud, Berlin 1967, IX, Anm. 113 S. 518) «der Apostel Jacobus», ein früher verbreiteter Irrtum; es ist der auch unter der Judenschaft von Jerusalem hochgeachtete Herrenbruder Jakobus. - Eine Parallele zu dem Erzählten findet sich in der Tosephta Chullin, 2,22 f. (503) = STRACK-BILLERBECK, I 36. Da wird ausdrücklich gesagt, daß Ben Dama im Namen des Jeschua ben Pantera (so wird Jesus öfters im Talmud genannt!) hätte geheilt werden sollen. Vgl. JT, Schabbath XIV 4. Ein weiteres Beispiel, das berichtet, wie der Enkel eines bekannten Rabbi, der etwas verschluckt hatte, von einem Christen im Namen Jesu geheilt wurde, siehe STRACK-BILLERBECK, I 38.
49
er als Ergebnis seiner Studien über Jesus in Talmud und Midrasch so zusammenfaßt: «Es gibt berücksichtigenswerte historische Stellen, die aussagen, das sein Name Jeschua (Jeschu) von Nazareth war, daß er Zauberei trieb (d. h. Wunder vollbrachte, wie dies in jenen Tagen üblich war), Israel verführte und irreleitete ... , daß er am Vorabend des Pessachfestes, das auf einen Sabbat fiel, als ein Irrlehrer und Verführer gehängt (gekreuzigt) wurde, und daß seine Jünger in seinem Namen Kranke heilten ... Sie [gemeint sind die tannaitischen Autoritäten, überhaupt die jüdischen Weisen] zogen nie in Zweifel, daß er Wunder vollbracht habe; aber sie hielten diese Taten für Zauberwerk; und aus dem Bericht von seiner Zeugung durch den Heiligen Geist wurde die Behauptung von seiner illegitimen Geburt ... » 1 Drei frühchristliche Zeugnisse dürfen hier erwähnt werden, die als Echo auf die jüdischen Erklärungen der Wunder Jesu anzusehen sind. Justinus, der Philosoph und Märtyrer (gest. um 165 n. Chr.) schreibt in seinem Hauptwerk «Dialog mit dem Juden Tryphon» folgendes über J esus Christus: « ... Welcher auch in eurem Volke erschienen ist und die, welche von Geburt aus und dem Fleische nach blind, taub und lahm waren, heilte, indem er dem einen durch sein Wort die Möglichkeit zu springen gab, dem andern durch dasselbe das Gehör, wieder einem anderen das Augenlicht verlieh. Aber auch Tote erweckte er zum Leben. Durch seine Werke führte er die Menschen seiner Zeit zu seiner Erkenntnis. Sie aber nahmen, obwohl sie diese Wunder sahen, in ihnen Trugbilder und Zauberei an; wagten sie es ja auch, Christus einen Zauberer und Volksverführer zu nennen» 2• Als zweites Echo der jüdischen «Erklärung» der Jesuswunder ist ein Passus bei Origenes «Contra Celsum» zu betrachten: «Dieser [= Jesus] habe aus Armut sich nach Ägypten als Tagelöhner verdungen und dort sich an einigen Zauberkräften versucht, auf die die Ägypter stolz seien; er sei dann zurückgekehrt und habe sich viel auf diese Kräfte eingebildet und sich ihretwegen öffentlich als Gott erklärt.» Da die Schrift des Celsus um 178 entstanden ist, ist das Zeugnis so früher Zeit als wertvoll zu erachten 3• J. KLAUSNER, Jesus von Nazareth, Jerusalem 3 1952, 55 ff. MrGNE PG 6 (Justinus, Dialogus cum Tryphone Judaeo) 639 (= BKV, Justinus, Dialog mit dem Juden Tryphon, München 1917, 115). 3 MrGNE PG 11, 714 ( = BKV, Des Origcnes acht Bücher gegen Cclsus, I 39). 1
2
50
Eine dritte Stimme ist in den Märtyrerakten des Pionius von Smyrna (gest. um 250 n. Chr.) zu finden: «Sie [= die Juden] behaupten überdies, daß Christus Totenbeschwörung [Zauberei?] getrieben habe und kraft dieser nach dem Kreuzestod auferweckt worden sei» 1 • Das Jesuszeugnis des Flavius josephtt.r ist umstritten, aber kaum mehr total, sondern vielmehr partiell, d. h. es wird mit christlichen Interpolationen gerechnet. Ob nun gerade die eigenartige Formulierung über Jesu Wundertätigkeit «~v ytip mxpa06~(JJV ~pywv 7tOL1JTIJ<;i> = «er war nämlich ein Vollbringer unglaublicher Taten» eine christliche Prägung sei, das darf doch sehr bezweifelt werden. Klausner rechnet diese Stelle zum echten, ursprünglichen Text 2 • Wollen wir diesem kritischen jüdischen Autor zustimmen, dann reicht dieses Zeugnis etwa in das Jahr 93, denn um diese Zeit wurden die Antiquitates Judaicae geschrieben. Johannes, der Vorläufer Jesu, hat als Bußprediger wohl mindestens soviel Aufsehen erregt wie Jesus von Nazaret. Aber es wird von ihm keine einzige Wundertat berichtet 3, er ist als «Johannes der Täufer» in die Geschichte eingegangen. Mit Jesus aber sind die «Wunder und Zeichen» (Joh 4,48) untrennbar verbunden. Als Wundertäter war er bekannt bei Freund und Feind. Das Echo von wunderbaren und erstaunlichen Taten findet sich nicht nur in den neutestamentlichen Schriften, sondern auch in Talmud und Midrasch als direkten jüdischen Zeugnissen, in frühchristlichen Schriften als indirekten jüdischen Urteilen über Jesu Wundertätigkeit und, so dürfen wir annehmen, auch bei Flavius J osephus. Es wird angenommen, daß das Erfüllungszitat ein Sammelurteil für das gesamte Wirken Jesu als Wunderheiland sein will. Das Zitat hat in diesem Fall den Charakter einer Zusammenfassung. Der Wortlaut weicht beträchtlich von dem der Septuaginta ab und hält sich nahe an den hebräischen Text. Es ist nicht schwer zu erraten, warum 1 ASS, Pionius, 1. Februar, 45: «Dicunt (= Judaei) praeterea Christum necromantiam exercuisse eiusque vi post crucem fuisse suscitatum. » 2 A] XVIII, 63 f. (= 18,3,3). J. KLAUSNER, a. a. 0. 68. 3 Dafür zeugt schon FLAVIUS ]OSEPHUS. Er widmet zwar dem Täufer mehr Text als Jesus (AJ XVIII 116-119 = 18,5,2), weiß aber nichts von «unglaublichen Taten» zu berichten. Er sagt an der genannten Stelle von ihm: «... ein edler Mann, der die Juden anhielt, nach Vollkommenheit zu streben, indem er sie ermahnte, Gerechtigkeit gegeneinander und Frömmigkeit gegen Gott zu üben und so zur Taufe zu kommen.»
51
die Septuagintaversion dem Evangelisten nicht dienlich war, sie setzte ihm zu spiritualisierend OC(J.IXPTLIX ( = Sünde) statt cXcrOeve:Loc (= Krankheit, Schwäche) oder v6cro<;; (= Krankheit, Leiden, Plage). Mattäus will keinen Zweifel übrig lassen, es geht ihm um wirkliche Kranke und Leidende. Sogar das Jesajazitat hat er in seinem Sinn etwas bearbeitet. Bei J esaja ist von Krankheiten und Schmerzen die Rede, der Evangelist vermeidet den Ausdruck Schmerzen, er spricht nur von Krankheiten und Gebrechen. J esus als wundertätiger Helfer und Heiland der Kranken soll ins Licht gestellt werden. Jesus ist der Messias, der jede Art Krankheit heilt, der sich als Helfer und Arzt der menschlichen Not erbarmt, - ein Messias, der sich beugt und herabläßt, nicht ein Messias, der sich ein Reich errichtet. Die Heilungen an Kranken und Besessenen waren die geschichtliche Voraussetzung dafür, daß ein messianisches Ereignis sich vollziehen konnte. Sie waren der Ansatzpunkt dafür, daß Mattäus das J esajawort 53,4 erfüllt sah. 7. Mt 12,15-21:
«Als dies Jesus erfuhr, zog er sich von dort zurück, und es folgten ihm viele nach, und er machte sie alle gesund. Er gebot ihnen streng, ihn nicht öffentlich bekannt werden zu lassen. So sollte sich erfüllen, was gesagt ist durch den Propheten Isaias: 'Seht meinen Knecht, den ich erwählt, meinen Geliebten, an dem meine Seele Wohlgefallen hat. Ich will meinen Geist auf ihn legen, und er wird den Völkern das Recht verkünden. Er wird nicht zanken noch schreien, noch wird jemand seine Stimme hören auf den Gassen. Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen und den glimmenden Docht nicht auslöschen, bis er zum Siege führt das Recht, und auf seinen Namen werden die Völker hoffen'.» Auch hier, wie schon in Nummer 6, scheint Mattäus die markinische Quelle vorgelegen zu haben, ob in mündlicher oder schriftlicher Form, bleibe dahingestellt. Mattäus hat das, was Markus 3,7-12 bietet, schon 4,23-25 verarbeitet, um die Bergpredigt einzuleiten. Er faßt deshalb hier die markinische Vorlage in einen Satz zusammen, in Mt 12,15. Es ist übrigens interessant zu sehen, wie Mattäus mit dem markinischen Stoff umgeht. Markus berichtet von einer großen Menge, die J esus nachfolgt. Darunter sind Kranke und Leidende, die von Jesus große Dinge (Mk 3, 81) gehört hatten. Markus be52
richtet sodann 3,10: «er heilte viele». Mattäus scheint diese Angabe zu erweitern, wenn er sagt <
tä'a~
53
dürfte das nicht zutreffen. Das geknickte, gebrochene Rohr bedeutet Schwäche und Ohnmacht (2 Kön 18,21), der glimmende Docht ganz ähnlich Ohnmacht und Kraftlosigkeit (Jes 42,3 und 43,17). In diesem Sinne lautet der Text im P:rophetenta:rgum zu Jesaja 42,1-4: «Siehe, mein Knecht, der Messias, den ich herbeibringe, mein Erwählter, an dem mein Mem:ra Wohlgefallen hat! Meinen heiligen Geist werde ich auf ihn legen, mein Recht wird e:r den Nationen kundtun. Nicht wird e:r schreien noch :rufen noch seine Stimme nach außen hin erheben. Demütige, die dem geknickten Rohr gleichen, werden nicht zerbrochen; Dürftige, die wie verglimmende Dochte sind, werden nicht erlöschen; getreulich wird e:r das Recht hinaustragen. E:r wird nicht ermüden noch ermatten, bis daß e:r das Recht auf Erden einsetzt, und seiner Lehre werden ferne Völker harren» 1• Hier nun wird auch ausdrücklich gesagt, daß der Knecht Gottes der Messias ist. Wie der Wortlaut zeigt, ist an dieser Stelle nicht oder noch nicht an den leidenden Knecht gedacht. Knecht Gottes werden im AT z. B. genannt: Abraham (Gen 26,24), Jakob (Gen 32,10), Mose (Ex 14,31; Num 11,11), David (vielfach, z. B. 2 Sam 7,5). «Knecht Gottes» kann Bezeichnung sein für jeden :rechtgläubigen Israeliten. In den Gottesknechtliedern bei Deute:rojesaja wird gelegentlich auch das Volk als ganzes so angesprochen. Hier tritt nun zudem der Gottesknecht als Erlöser und Heilbringer hervor, und als solcher spielt e:r bei Mt 12,18 ff. eine Rolle. Aus Mt 12,16 geht hervor, daß das Schweigegebot Jesu dem Evangelisten den Anlaß bot, das E:rfüllungszitat anzubringen. Wie hängen nun die Wundertätigkeit Jesu (Mt 12,15) und sein Schweigegebot mit dem Messiasgedanken zusammen? Das ist nicht schwer zu entdecken. Jesus will kein Geschrei, keine laute Bewunderung vonseitender Massen. Jesus ist zwar nicht unempfindlich für Dankbarkeit; das ist im Bericht von der Heilung von zehn Aussätzigen (Lk 17,11-19) zu erkennen. Die Dankbarkeit geht mit Bewunderung, mit Lob und nicht selten mit Jubel einher. Warum sucht Jesus die laute und stürmische Begeisterung der Massen von sich fernzuhalten? Ist es allein deswegen, weil e:r die Menschen kennt, die am .Äußeren kleben und von Emotionen hin und hergerissen werden? Es ist nicht dies allein, sondern es muß etwas mit der jüdischen Messiaserwartung zu tun haben. Der Wohltäter des 1 STRACK-BILLERBECK (I 630). Dazu wird beigefügt: «<m übrigen ist die Verwendung dieser Prophetenworte in der rabbinischen Literatur selten und ziemlich nichtssagender Art.>>
54
Volkes, der Wundertäter, wird mit dem Nimbus des Messias versehen, aber eines Messias, der er nicht sein kann, nicht sein will und nicht sein darf. Die Propaganda, die einem irdisch und weltlich aufgefaßten Messiasturn willkommen ist, will J esus nicht, er lehnt sie ab. Jesus weiß sich als Diener und Knecht Gottes. Er ist gesandt zu dienen, nicht zu herrschen. Er nimmt sich der Armen, der Hilflosen und Verstoßenen an, der Sünder und Verirrten. Das ist seine Aufgabe und diesem Werk weiht er sein Leben. Das Werk Jesu soll nicht mit eitlem Glanz und eitler Glorie einherschreiten und es soll niemals der falschen, weil unechten und gottwidrigen Messiaserwartung Vorspann leisten. Deshalb das Schweigegebot 1 • Das Erfüllungszitat Mt 12,17-21 enthält noch zwei Motive, die von großer Bedeutung sind. Einmal muß auf die Textverwandtschaft aufmerksam gemacht werden, die zwischen Mt 12,18, 3,17 (Taufstimme) und 17,5 (Verklärungsstimme) besteht.
1. «Seht meinen Knecht, den ich erwählt, meinen Geliebten, an dem meine Seele [= ich] Wohlgefallen hat» (12,18). 2. «Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen fand» (3, 17). 3. «Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen fand» (17, 5). Klar ist, daß die Himmelsstimme bei der Taufe wie bei der Verklärung genau dasselbe ausruft. (Das ist natürlich auch im griechischen Urtext der Fall!) Es ist aber ein scheinbar kräftiger Unterschied zwischen dem Text 3,17 und 17,5 einerseits und 12,18 anderseits. «Sohn» und «Knecht» ist ja nicht dasselbe. Nun ist zu bedenken, daß das griechische 1tcx."i:c; Se:oü diese Doppelbedeutung hat, es kann sowohl «Gottes Kind» wie auch «Gottes Knecht» bedeuten 2 • In 1 Markus hat ohne Zweifel das Schweigegebot wesentlich erweitert.- Es geht um das Messiasgeheimnis. Ed. Schweizer schreibt dazu: «Es soll also nicht bekannt werden, daß Jesus der Messias ist. Warum nicht? Es liegen sachliche Widersprüche vor. Warum tut denn Jesus in aller Öffentlichkeit Wunder? Wie kann 5,43 bei den vielen Leuten, die nach 5,35-38 anwesend sind, befolgt werden? Wie ist 2,7-11 möglich, wenn Jesus geheimhalten will, daß er als Messias an Gottes Stelle handelt? Da es sich um eine Konstruktion des Markus handelt, haben wir umso genauer hinzuhören, was er uns damit sagen will.» E. ScHWEIZER, Das Evangelium nach Markus (NTD 1), Göttingen 1968, 29. 2 Über die Bedeutung der Vokabel pais und Verweise auf den Gebrauch in der griechischen Literatur siehe A. ÜEPKE, pais (gr.) = TWNT, V 636-653, bes. 637.
55
einer Reihe von europäischen Sprachen gibt es Parallelen dazu 1 • Joachim Jeremias spricht die Vermutung aus, daß der u!6t; !J.OU (= mein Sohn) der Tauf- und Verklärungsstimme auf das doppeldeutige 7t1X'i:t; !J.OU von Jesaja 42,1 zurückgehe 2• Der Titel 7toc'i:t; !:le:oü (Knecht Gottes), auf Jesus bezogen, muß in der ältesten palästinischen Urgemeinde entstanden sein. Der Heidenkirche war er offenbar wegen der damit ausgesprochenen «Niedrigkeit» anstößig erschienen, was zum frühen Ersatz von 7toc'i:t; 6e:oü durch u!ot; 6e:oü geführt haben muß 3• Die Stelle vom Gottesknecht in Jesaja 42,1-4, die bei Mt 12,18 ff. auf Jesus bezogen und durch ihn als erfüllt bezeichnet wird, ist damit messianisch gesehen und messianisch gedeutet. Das palästinische Judentum hat aber bereits vor Mattäus die messianische Deutung der genannten Stelle vorgenommen, Mattäus steht hier ganz auf palästinischem Boden, er hat nur die Linie weiter gezogen und mit Jesus von Nazaret verbunden. Das zweite bedeutungsvolle Motiv liegt in Mt 12,18 und 21: «Und er wird den Völkern das Recht verkünden» - «Auf seinen Namen werden die Völker hoffen». Die Völker sind natürlich die Heidenvölker, und das Recht, das ihnen verkündet wird, ist das hohe und höchste Recht, nämlich das Recht Gottes. Es ist jenes Recht gemeint, kraft dessen Gott seine (gerechten I) Forderungen an die Menschen stellt. Es ist das Recht, das Gerechtigkeit schafft und Heil bringt. Mit dem Auftrag Jesu an die Jünger, alle Völker zu Schülern zu machen und auf den Namen des dreifaltigen Gottes zu taufen (Mt 28,19), schließt ja die Evangeliumsschrift des Mattäus. Allen Völkern soll das Gottesrecht des Evangeliums verkündet werden. Auf den Namen, d. h. auf die Person des Erlösers haben sie gewartet und gehofft und dieser Name wird ihnen die Heilung und das Heil bringen. Mattäus weist mit diesem Erfüllungszitat auf das demütige und stille, nicht auf Propaganda und stolze Präsentation ausgerichtete 1 Das mittelhochdeutsche «Knabe» hatte sowohl die Bedeutung Junge oder Jüngling wie auch die von Bursche und Diener, vgl. «Knappe». Siehe FR. KLUGE, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, Berlin 171957, S. 379. Das französische garron bedeutet Knabe, aber auch Geselle und Diener, besonders im Gastgewerbe, wo garron Kellner bedeutet. Ahnlieh ist es mit ragazzo im Italienischen und mit boy im Englischen. Siehe ausführliche Wörterbücher. 2 Siehe die Ausführungen von J. JEREMIAS, Abba, Studien zur neutestamentlichen Theologie und Zeitgeschichte, Göttingen 1966, 191-216. 3 J, JEREMIAS, a. a. Q, 195 f.
56
Wirken Jesu an Kranken und Leidenden und sieht durch dieses Wirken die Prophetenstelle Jesaja 42,1-4 erfüllt. Das Zitat ist nicht nur ein Hinweis auf historisches Geschehen im Leben Jesu von Nazaret - Heilungen an Kranken und von Dämonen Geplagten -, sondern zugleich ein erläuternder Kommentar und ein Bekenntnis zu J esus als dem Messias.
8. Mt 13,34f: «Dies alles redete J esus in Gleichnissen zum Volke, und ohne Gleichnisse redete er nichts zu ihnen, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten: 'Ich will meinen Mund auftun in Gleichnissen und aussprechen, was seit Anbeginn der Welt verborgen war'.» Wenn man im Anschluß an das Zitat den Text des Evangeliums weiter verfolgt, bemerkt man, daß weitere Gleichnisse anschließen: Die Deutung des Gleichnisses vom Unkraut unter dem Weizen, das Gleichnis vom Schatz und von der Perle und das Gleichnis vom Fischnetz. Sollte Erfüllungszitat Mt 13,34 f. denn nicht den Abschluß der Gleichnissammlung bilden? Wahrscheinlich war dies einmal der Fall. Denn Markus 4,33 f. hat diesen Schluß, der lautet: «In vielen solchen Gleichnissen predigte er ihnen das Wort, so wie sie es fassen konnten. Ohne Gleichnisse redete er nicht zu ihnen; waren sie aber unter sich allein, erklärte er seinen Jüngern alles.» Es ist wirklich ein Abschluß für Markus, denn erst in Kapitel12,1-9 kommt nochmals ein Gleichnis, nämlich das von den bösen Winzern; dieses schlägt das Thema des gewaltsamen Endes an und damit das Thema des Todesleidens Jesu. Außer diesem findet sich nur noch in Kapitel? (14-16) ein Rätselwort und seine Erklärung. Mattäus nimmt Markus 4,33 f. auf und verkürzt das dort Gesagte zu dem Satz 13,34: «Dies alles redete Jesus in Gleichnissen zum Volke, und ohne Gleichnisse redete er nichts zu ihnen.» Jetzt folgt das Erfüllungszitat, und darauf kommen wieder Gleichnisse, die aber nicht an das Volk, sondern an die Jünger gerichtet sind. Diese Gleichnisse an die Jünger (13,36-52) sind Sondergut des Mattäus, kein anderer Evangelist weist diesen Text oder auch nur ähnliche Texte auf. Der Ausdruck 7rcxpocßo'A~ (Gleichnis), der 13,34 zweimal vorkommt, ist das Stichwort für den Evangelisten, es bietet ihm Anlaß und Ansatzpunkt für das Erfüllungszitat, das er in der Einleitungsformel als Wort des Propheten einführt. Tatsächlich findet sich das Wort aber in Psalm 78,2. Viele 57
betrachten die Formulierung «was gesagt ist durch den Propheten» als Irrtum des Autors. Man darf aber darauf hinweisen, daß ein Psalmenverfasser auch etwa Prophet genannt wurde, besonders dann, wenn ein Psalmwort als Weissagung aufgefaßt wurde. In der jüdischen Tradition werden sogar die biblischen Geschichtsbücher zu den prophetischen Büchern gezählt. Im babylonischen Talmud heißt es: «Die Rabbanan lehrten: Die Reihenfolge de:r Propheten ist wie folgt:] ehösua, Richter, Semuel, Könige, ]irmeja,]ef!,ezqel,]esaia und die zwölf [kleinen Propheten]» 1 • Als Verfasser von Psalm 78 wird im Psalm selbst Asaf genannt, der in 2 Chron 29,30 als Seher (= Prophet) bezeichnet wird. Wenn dem so ist, darf man doch sehr bezweifeln, ob :rein irrtümlich «der Prophet» als Autor in Mt 13, 35 angegeben wird; es könnte mit voller Absicht geschehen sein. Das griechische 7t(Xp(Xßo):~ ist seit der Septuaginta meistens die Wiedergabe des hebräischen Ausdrucks mäsäl. Das hebräische mäsäl hat aber eine viel weitere Bedeutung als das Wort Gleichnis. mäsäl würde auch umfassen: Bildwo:rt, Bildrede, V e:rgleich, Allegorie, Beispielerzählung usw. Niemand zweifelt da:ran, daß Jesus mit Vorliebe in Gleichnissen bzw.- im weiteren Sinn!- in der Art des mäsäl gesprochen hat. Stand J esus mit dieser Art, zum Volke zu reden, allein? Zwar war der mäsäl im Judentum seit langem in hohem Ansehen. Die Schrift :rühmt von Salomo, daß er dreitausend Sprüche (= mäSäl!) geredet habe (1 Kön 5, 12). Man sagte, daß er dadurch das Verständnis der Tara eigentlich erst ermöglicht habe. «So konnte vor dem Auftreten Salomos niemand das Wort der To:ra verstehen; als aber Salomo aufgetreten wa:r, begannen alle, Einsicht in die To:ra zu gewinnen» 2 • Aber was hier unter mäsäl verstanden wird, ist Spruchweisheit; diese fällt ja auch unter diesen Begriff. Die prägnante Darstellung eines Gedankens in einem Spruch: Das ist die eine Kategorie von mäsäl. Zur zweiten Kategorie gehört die Darstellung eines Gedankens mit Hilfe eines Bildes, oder, ganz einfach ausgedrückt, die bildliehe Redeweise. Wenn wir von den Gleichnissen Jesu :reden, meinen wi:r diese bildliehe Redeweise, der ein Vergleich zu Grunde liegt. Sie ist typisch und einzigartig im Munde Jesu. Joachim Jeremias schreibt: «]esu Gleichnisse sind zudem etwas völlig Neues. Aus BT Baba Bathra 14 b ( = STRACK-BILLERBECK I 670) Im Midrasch zu HL 79a (= STRACK-BILLERBECK, I 654). Ebenda mehrere originelle Bildworte, mit denen die hilfreiche Rolle Salomos beschrieben wird, durch den Maschal die Tora zu erklären. 1 2
58
der Zeit vor Jesus ist uns in der gesamten rabbinischen Literatur kein einziges Gleichnis überliefert, nur zwei Bildworte Hilieis (um 20 v. Chr.), der scherzhafte Vergleich des Körpers mit einer Statue und der Seele mit einem Gast. Erstmalig bei Rahban ] o!zanan bän Zakkai (um 80 n. Chr.) stoßen wir auf ein Gleichnis ... Da dieses Gleichnis sich im Bildstoff mit einem Gleichnis Jesu berührt, ist ernsthaft zu fragen, ob Jesu Vorbild nicht (neben anderen Einflüssen, z. B. den griechischen Tierfabeln) maßgeblich an der Entstehung der Literaturgattung der rabbinischen Gleichnisse beteiligt gewesen ist» 1 • Wenn Jesus mit seiner Redeweise irgendwo angeknüpft hat, dann war es, so scheint es uns, bei den Propheten des Volkes Israel. Parallelstücke zu den Gleichnissen Jesu sind da z. B. die allegorische Parabel Natans, die er an David richtete (2 Sam 12, 2-4), das Weinberglied Jesajas (Jes 5,1-7); überhaupt ist die Sprache der Propheten außergewöhnlich anschaulich, plastisch und bilderreich. Jesus hat eine Botschaft zu verkünden, und im Dienste dieser Botschaft stehen seine mesälim, seine Parabeln, Beispielerzählungen, Bildreden. Mit Hilfe der Gleichnisse bringt J esus diese neue und unerhörte Botschaft seinen Hörern nahe, macht er sie anschaulich und verständlich. «
J.
]EREMIAS,
Die Gleichnisse Jesu, Göttingen 71965, 8. 59
die unerhörte Meisterschaft in der anschaulichen, packenden Rede. Ob er- in einem Gleichnis- etwas sagt, was allgemein bekannt und anerkannt ist, oder ob er - in einer Parabel - etwas Seltenes, Einmaliges, Schockierendes schildert, immer ist es aus dem blutwarmen Leben geschöpft, immer muß der Hörer bzw. Leser gestehen: Ja, so ist es I So ist der Mensch I So sind wir I Der Hörer sieht sich durchschaut. Er sieht sich angesprochen, betroffen und zur Stellungnahme herausgefordert. «Wer sich mit den Gleichnissen Jesu, wie sie uns die drei ersten Evangelien überliefern, beschäftigt, steht auf besonders festem historischem Grund; sie sind ein Stück Urgestein der Überlieferung. Es gilt ja schon ganz allgemein, daß sich Bilder dem Gedächtnis fester einprägen als abstrakter Stoff ... Allenthalben schimmert ferner hinter dem griechischen Text die Muttersprache Jesu durch. Auch der Bildstoff ist dem palästinischen Leben entnommen» 1• Die Bildreden und Gleichnisreden Jesu sind verhältnismäßig getreu überliefert worden. «Die Gleichnisse werden bei den drei Synoptikern so völlig in der charakteristischen Sprache und Denkart J esu gebracht und sie tragen so stark das Gepräge der palästinensischen Heimat des Evangeliums, daß wir hier dem echten Jesuswort offenbar sehr nahe stehen» 2• Trotzdem hat man erkannt, daß manche von ihnen eine gewisse Umformung durchgemacht und den ursprünglichen «Sitz im Leben» verändert haben. Waren gewisse Gleichnisse bei ihrem ersten Gebrauch an jüdische Zuhörer gerichtet, so richteten sie sich später gemäß ihrer Verkündigung im Gemeindeleben an Christen. Die meisten waren ursprünglich an Gegner gerichtet, in der Gemeindekatechese bezogen sie sich auf die anwesenden Gläubigen. Mit der veränderten Zuhörerschaft mußte sich auch die Zielrichtung ändern. Die katechetische Auswertung der Gleichnisse brachte spontan und fast unvermeidlich die Allegorie hinein. Als sie schließlich niedergeschrieben wurden und in den Evangelien ihren Platz einnahmen, haben sie damit wieder einen neuen Standort und eine neue Blickrichtung erhalten 3 • Der traditionsgeschichtlichen Untersuchung gelingt es, in sehr vielen Fällen die so entstandenen verschiedenen Schichten der Gleichnisse voneinander abzuheben und somit auch das ursprüngliche Wort Jesu wieder zu gewinnen. 1 2 3
60
J. }EREMIAS, a. a. 0, 7, F. HAUCK, parahole (gr.) = TWNT, V 741-759, bes. 751. Vgl. 0. KNOCH, Gleichnis = BL von H. Haag, Einsiedeln 21968, 600 f.
Mattäus weist mit seinem Erfüllungszitat auf einen besonders auffälligen und typischen Zug der Persönlichkeit Jesu und auf eine charakteristische Eigenart der messianischen Verkündigung Jesu hin.
9. Mt 21,2-5: «'Geht in das Dorf dort vor euch, und sogleich werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Füllen bei ihr; macht sie los und führt sie zu mir! Und wenn euch jemand anspricht, so sagt: Der Herr bedarf ihrer, und er wird sie sogleich ziehen lassen.' Dies aber ist geschehen, damit sich erfüllte, was gesagt ist durch den Propheten: 'Saget der Tochter Sion: Siehe, dein König kommt zu dir, sanftmütig und auf einer Eselin reitend, mit einem Füllen, dem Jungen des Lasttieres'.» Die Stelle Mt 21,5 ist dem Propheten Sacharja (9,9) entnommen. Der Evangelist hat jedoch den ersten Teil des Satzes, der lautet «Tochter Sion, juble laut l Jauchze, Tochter ] erusalem! » gestrichen und durch Jesaja 62,11 ersetzt« Saget der Tochter Sion>>. Der Grund füt dieses Vorgehen liegt ohne Zweifel darin, daß er den Freudenruf der Sacharjastelle als unpassend empfand, da ja Jesus mit diesem Einzug seine Passion begann. Die Sacharjastelle «Siehe, dein König kommt zu dir; gerecht und heilbringend ist er, demütig, und reitend auf einem Esel, auf dem Füllen einet Eselin» wurde auch in der rabbinischen Literatur messianisch gedeutet. Strack- Billerbeck schreibt: «Dagegen ist in der rabbinischen Literatur die Deutung der Stelle auf den Messias gang und gäbe.» und er bringt dafür eine ganze Anzahl von Belegen 1• Im Sacharjatext sind natürlich nicht zwei Tiere gemeint, sondern nur eines. Die Doppelung der Ausdrücke stammt lediglich aus dem poetischen Sprachgebrauch des Parallelismus membrorum, der in der hebräischen Literatur häufig vorkommt. Der Sinn der Aussage ist: Der kommende Messiaskönig ist demütig und friedliebend, er kommt nicht mit militärischer Macht und nicht im Glanz eines Triumphators! Das ist aus dem Kontext beim Propheten klar ersichtlich: «Er beseitigt die Streitwagen aus Ephraim und die Rosse aus Jerusalem. Die Kriegsbogen werden vernichtet. Er gebietet den Völkern Frieden» (Sach 9,10). Nun gibt allerdings das Reittier, das Jesus benützt hat, Anlaß zu Fragen. Alle 1
STRACK-BILLERBECK,
I 842 ff. 61
Evangelien außer Mattäus reden nur von einem Tier: Markus und Lukas von einem (Esels)Füllen, Johannes von einem jungen Esel. Mattäus aber spricht von zwei Tieren, einer Eselin und ihrem Füllen; auf beide werden (Mt 21,7) Kleider ausgebreitet, damit Jesus sich darauf setze. Daß auf beide Tiere Kleider ausgebreitet werden, kann man zur Not noch verstehen. Daß aber Jesus auf zwei Tiere zugleich sich setzen soll, ist gewiß eine unmögliche Vorstellung. Der griechische Text kann immerhin so verstanden werden: Auf beide Tiere werden Kleider gelegt, und Jesus setzt sich darauf,- wohlverstanden auf die Kleider, nicht auf die zwei Tiere. Die rabbinische Exegese hat bei der Kommentierung von Sacharja 9, 9 stets nur von einem Tier gesprochen 1 und, wie bereits gesagt, haben auch die Evangelien -außer Mattäus- dies so verstanden. Warum also hat Mattäus zwei Tiere? Hat er den Parallelismus membrorum nicht verstanden? Oder hat er als Orientale und Palästiner seine Auffassung einfließen lassen, daß ein junges Füllen stets noch neben dem Muttertier einhergeht? Otto Michel sieht eine weitere Möglichkeit, nämlich daß «der Evangelist offenbar an einen orientalischen Thronsitz über zwei Tieren denkt» 2 • Wenn man aber beachtet, daß der Einzug Jesu auf einem Reittier völlig überraschend kam für die Jünger und den Charakter der Improvisation hatte, wird man doch kaum an so etwas denken, ganz abgesehen davon, daß der biblische Text keinen Anhaltspunkt dafür bietet. Da haben die Überlegungen von Paul Gaechter doch mehr Gewicht, wenn er sagt, daß die Schwierigkeit eher bei Markus und Lukas liege als bei Mattäus. Man könne nicht ein Eselsfüllen, das noch nicht zugeritten ist, von einem Fremden besteigen lassen, ohne daß das Muttertier neben dem Jungen einhergeht. «Unter diesen Umständen hätte es sich nämlich wie alle nicht zugerittenen Jungtiere endlos bockig gezeigt und wäre für den gewollten Zweck absolut unbrauchbar gewesen ... Die Erwähnung der Eselin entspricht durchaus der geschichtlichen Situation ... Matth zeigt genaueres Wissen als Mk und Lk; die Eselin muß in diesen beiden Evv hinzugedacht werden» 3• In der Mischna heißt es: «Wer eine Eselin verkauft, hat das Füllen mitverkauft» 4• Ein Füllen, auf dem noch Zahlreiche Belege ebenda 842-844. 0. MICHEL, polos (gr.) = TWNT, VI 961. 3 P. GAECHTER, Das Matthäus-Evangelium, Innsbruck 1963, 657. 4 BT Baba Bathra 78b (= STRACK-BILLERBECK, I 842). In der Linie der Erklärung von P. Gaechter kommentieren auch z. B.: D. BuzY, Evangile selon 1
2
62
niemand gesessen ist, ist ein Jungtier, das noch zu seiner Mutter gehört, von ihr gesäugt wird und neben ihr einhergeht, deshalb auch nur mit ihr zusammen gekauft oder verkauft und auch - wie hier nur mit ihr zusammen ausgeliehen wird. Diese praktischen, der Natur der Sache entsprechenden Überlegungen sollten hier beachtet und berücksichtigt werden. Im übrigen kann man ruhig Otto Michel zustimmen, wenn er schreibt: «Die Frage, weshalb für Mt die Erwähnung der Eselin neben dem 'Füllen' (1tw'Aoc;) wichtig wurde, bleibt offen» 1• Markus und Lukas legen Wert darauf zu sagen «Ein Füllen, auf dem noch nie ein Mensch gesessen ist». Diese Bemerkung zielt darauf ab, daß nur ein solches Tier des königlichen Messias würdig ist. Es ist durchaus möglich, daß diese Aussage mehr kerygmatisch als historisch zu nehmen ist. Sie ist aber in diesem Bericht vom Einzug Jesu nur von nebensächlicher Bedeutung. Sie möchte lediglich der Idee dienen: Die Würde des Messias soll augenfällig hervortreten und die Bedeutung dieses Ereignisses (Der König zieht in seine Stadt ein!) soll kräftig betont werden. Das Hauptmotiv jedoch liegt im Einzug Jesu, des gerechten und demütigen Königs, der in die Königsstadt einzieht auf dem Tier des Armen und Friedfertigen, - auf einem Esel, nicht auf einem Streitroß! St. Matthieu (La Sainte Bible, von Pirot und Clamer, Bd. IX), Paris 1950, 270 f.; F. M. WILLAM, Das Leben Jesu im Land und Volk Israel, Freiburg 8 1949, 377, offenbar aus praktischer Beobachtung im Orient; G. M. LAMSA, Die Evangelien in aramäischer Sicht, Gossau/St. Gallen 1963, 172, der schreibt: «Die Eselin mußten sie mitführen, denn das Füllen war noch nicht entwöhnt und konnte darum nicht von seiner Mutter getrennt werden.» 1 0. MICHEL, onos (gr.) = TWNT V 286. - Wenig überzeugend ist der Lösungsvorschlag von R. PESCH, Eine alttestamentliche Ausführungsformel im Matthäus-Evangelium, BZ NF 10 (1966) 220-245 und 11 (1967) 79-95. Pesch rechnet mit starker redaktioneller Bearbeitung der Markusvorlage durch den Verfasser des Mt.-Evangeliums (a. a. 0. 10 [1966] 240 f.). Der Haupteingriff sei dadurch geschehen, daß er statt des einen Tieres in der Vorlage deren zwei einsetzte, damit eine «wortwörtliche, ja überwörtliche Ausführung und Erfüllung» (ebenda 244) des Sacharjawortes eintreten kann. Nun ist darauf hinzuweisen, daß Mattäus offenbar der einzige Schriftkundige ist, der Sacharja so versteht (um nicht zu sagen- vergewaltigt!), denn weder Lukas noch insbesondere Johannes, der ja auch Sacharja 9, 9 erfüllt sieht, noch die gesamte rabbinische Literatur, soweit man sehen kann, hat in der Sacharjastelle zwei Tiere gefunden. STRACKBILLERBECK (I 842 ff.) führt aus dieser Literatur über ein Dutzend Belegstellen an, die alle einmütig dasselbe Bild bieten. Mattäus fällt also völlig aus der Reihe dieser Schriftkundigen. Er erscheint mit seiner «überwörtlichcn» Erfüllungstheologie in der These Peschs als ein etwas naiver Sonderling.
63
Die Frage des Reittieres beim Einzug Jesu in die Heilige Stadt ist tatsächlich ein ungelöstes Problem. Was steckt dahinter? Was ist in Wirklichkeit geschehen? So fragt man sich, wenn man die vier diesbezüglichen Texte nebeneinander stellt: Mk 11,1-7; Lk 19,28-35; Mt 21,1-7; Joh 12,14-16. Ist vielleicht der Bericht vom Einzug Jesu auf einem Eselsfüllen eine Legende oder ein urchristlicher Midrasch? Beginnen wir beim Bericht des letzten Evangeliums, J ohannes, der sicher eigenständig ist und keine literarische Verwandtschaft mit den Synoptikern zeigt. Bei Johannes lautet der Einzugsbericht so: «Jesus aber fand einen jungen Esel und setzte sich darauf, wie geschrieben steht: 'Fürchte dich nicht, Tochter Sion! Siehe, dein König kommt, sitzend auf einem Eselsfüllen'. Dies verstanden seine Jünger zunächst nicht; als aber Jesus verherrlicht war, dachten sie daran, daß dies von ihm geschrieben war und daß sie ihm dies getan hatten» (Joh 12,14-16). Der Unterschied zu den Synoptikern springt in die Augen. Bei Johannes scheint es, daß Jesus wie zufällig einen jungen Esel findet, ihn besteigt und zur Stadt reitet. Die Jünger kommen erst später darauf, was da eigentlich geschehen ist. Bei den Synoptikern schickt Jesus zwei Jünger voraus, das junge Tier (bei Mt: das Junge und sein Muttertier) herzubringen, nachdem er- gleichsam hellseherischweiß, daß und wo es (sie) zu finden ist (sind) und daß der Eigentümer keinen Einspruch machen wird. Es scheinen da zwei Varianten vorhanden zu sein, die nicht leicht miteinander zu versöhnen sind. Stellen wir aber trotzdem fest, was übereinstimmender Inhalt der Variantenist. Erstens ist gesagt, daß der feierliche Einzug nicht von langer Hand vorbereitet war. Der Vorgang findet statt in geringer Entfernung von den Stadtmauern, als J esus mit den Jüngern sich der Stadt näherte (vgl. Mt 21,1; Mk 11,1; Lk 19,28; Joh 12,12). Die Ortsangaben bei Markus und Mattäus sind nicht sehr aufschlußreich. Es ist nicht möglich, gestützt auf die synoptischen Angaben sich ein genaues Bild der damaligen Topographie und des Weges Jesu zu machen. Freilich fehlen auch bis heute sichere archäologische Punkte, die uns die Wege und Straßen um Jerusalem und um den Ölberg herum mit Sicherheit und in genügendem Umfang bestimmen ließen. Doch dies kann mit Bestimmtheit gesagt werden, der Standplatz des Reittieres war nicht weit vor den Stadtmauern; hier wurde es durch Jesus bestiegen. «Am Ölberg» heißt es ja bei allen Synoptikern. Jesus 64
muß den Entschluß, ein Reittier zu besteigen, kurz vor Erreichen der Stadtgrenze mitgeteilt haben. Zweitens ist in allen Evangelien implicite gesagt, daß Jesus der Initiant des feierlichen Einzuges gewesen ist, nicht die Jünger und nicht das Volk. Jesus selbst hat also eine Art messianischer Kundgebung beabsichtigt. Sie war derart, daß politische Absichten und jegliche Demonstration von Macht vermieden wurden. Drittens ist zu beachten, daß Johannes (12,15) dieselbe Sacharjastelle erfüllt sieht wie Mattäus. Die J ohannesparallele zum mattäischen Erfüllungszitat ist übrigens sehr interessant und aufschlußreich. Sie wirft ein überraschendes Licht auf die Entstehung der Erfüllungszitate überhaupt und speziell auf das von Mattäus 21,5. Fassen wir Johannes 12,14-16 noch einmal ins Auge, besonders den aufschlußreichen Vers 16: «Dies verstanden seine Jünger zunächst nicht; als aber Jesus verherrlicht war, dachten sie daran, daß dies von ihm geschrieben war und daß sie ihm dies getan hatten.» Markus, das älteste Evangelium, und der von ihm abhängige Lukas haben betr. den feierlichen Einzug kein Erfüllungszitat. In Mattäus aber findet es sich, und es ist in seinem Hauptteil dem Propheten Sacharja (9, 9) entnommen. Dieselbe Prophetenstelle liegt auch bei J ohannes vor, lediglich etwas mehr gekürzt als bei Mattäus. J ohannes aber fügt die gar nicht selbstverständliche Bemerkung hinzu, daß die Jünger zunächst ('ro 1tflW't'ov) nicht verstanden, daß eine Weissagung - eben die von Sacharja 9, 9 - dadurch in Erfüllung ging. Erst später, genauer «als Jesus verherdicht war», d. h. nach seiner Auferstehung, ist ihnen ein Licht aufgegangen. Welche Zeitspanne ist wohl mit dem Temporalsatz gemeint «als J esus verherrlicht war»? Ist an die allernächste Zeit nach der Auferstehung Jesu zu denken oder darf mit einer längeren Frist gerechnet werden? Die Tatsache, daß das zuerst entstandene Evangelium, Markus, dieses Erfüllungszitat nicht aufweist -und es wird ja noch vor das Jahr 70 datiert! - deutet doch wohl darauf hin, daß an eine längere Periode biblischer Besinnung und theologischer Arbeit zu denken ist. Diese biblisch-theologische Arbeit wird im Zusammenhang mit der Verkündigung innerhalb der christlichen Gemeinden, dann besonders bei der Entstehung der Jesusüberlieferung und der Evangelien geleistet worden sein, näherhin bei der Sammlung und Ausscheidung des Stoffes, bei der Anordnung und Verbindung der Stücke, bei der Komposition einzelner Teile, bei der Sinngebung der Teile und des Ganzen. Die Erfüllungszitate 5
65
sind das Resultat der Besinnung und des Nachdenkens der Jünger Jesu in der nachösterlichen Zeit, das ist die Aussage von Joh 12, 16. Gewisse Kritiker betrachten die Geschichte vom Einzug Jesu auf einem Reittier als Legende. Diese habe sich allmählich aus der Stelle Sacharja 9, 9 entwickelt, wobei die Behauptung, daß Jesus auf einem Esel in die Stadt eingeritten sei, am Anfang der Legendenbildung gestanden habe 1 • Wenn Jesus nun nicht auf dem Rücken eines Esels, sondern zu Fuß in J erusalem eingezogen wäre, - hätte dann das AT keinen Text hergegeben, der als Erfüllungszitat hätte dienen können, d. h. eine Stelle, die in messianischem Sinn gedeutet wurde oder gedeutet werden konnte? Solche Stellen hätte es genug gegeben. Es seiz. B. hingewiesen auf den Gen 49,10: «Nicht weicht der Herrscherstab von Juda noch der Fürstenstab von seinen Füßen, bis der kommt, dem er gebührt und dem der Völker Gehorsam gehört.» Im Buche Jesaja gäbe es die Stellen 46,12: «
66
Nachtrages, daß man annehmen wird, der Nachtrag ist in Erinnerung an die schon bekannte Geschichte vorgenommen worden. » Die «schon bekannte Geschichte» ist natürlich der Bericht der Jesusüberliefcrung über den Ritt J esu zur Stadt, die - an der gleichen Stelle - als Legende bezeichnet wird. Bultmann spricht also die Meinung aus, der Bericht vom Einzug Jesu, wie er Joh 12,12 f. beschrieben ist und wo nichts von einem Ritt Jesu auf dem Jungesel gesagt ist, sei bereits fertig gewesen. Dann sei, vermutlich einem Redaktor, «die schon bekannte Geschichte» von dem Besteigen des Esels und der Erfüllung der Sacharjastelle eingefallen und nachträglich an Joh 12,13 angefügt worden. Der Eindruck von einem Nachtrag der Verse 14-16 besteht tatsächlich und man sucht nach einer Erklärung dafür. Nun beachte man einmal, von welchem Standort aus die Berichte vom Einzug Jesu geschrieben sind. Die Synoptiker stehen im Zug Jesu und seiner Jünger und berichten von da aus: «Und als sie sich Jerusalem näherten>> (Mt 21,1). «Sie», das sind die Jünger zusammen mit Jesus. Der Standort des J ohannes aber ist J erusalem mit seinen Festpilgern aus allen Landesgegenden. Subjekt aller Sätze von Joh 12,9-13 sind entweder Einwohner von Jerusalem oder Festpilger oder die Hochpriester. Der Erzähler befindet sich in Jerusalem. Dort erlebt er das Staunen und das Gerede der Menge wegen der Auferweckung des Lazarus (Vers 9), er erfährt den Plan der Hochpriester, auch Lazarus umzubringen (Vers 10), er heohachtet das Hinauslaufen vieler Juden ~rach lktanic:n (Vtrrl 11 ), er hilrt da~ (;crtdc dn V1Jihrr1trJ$~t Obtr Jesus (Vers 12), er sieht, wie sie sich Palmzweige beschaffen und hinau';ziehen, um Jesus zu empfangen (Vers 13). Die Hosannarufe erklingen. Jetzt ist der Blick wieder auf Jesus gerichtet, und es wird beschrieben, in welchem Zustand er ankommt: Er hat ein Reittier gefunden, einen Esel, und auf diesem reitend kommt er auf die Stadt zu. Wenn man den Standpunkt des Erzählers in Betracht zieht, wird es doch wieder fraglich, ob Joh 12,14-16 tatsächlich als Nachtrag angesehen werden muß. Der Text selbst enthält einen Hinweis, welcher der Legendenhypothese nicht günstig ist: «Dies verstanden seine Jünger zunächst nicht. Als aber Jesus verherrlicht war, dachten sie daran, daß dies von ihm geschrieben war und daß sie ihm dies getan hatten» (Joh 12,16). Durch diese Bemerkung wird der historische Gehalt des unmittelbar vorher Berichteten tangiert. Gehen wir diesem Satz etwas nach. Was haben die Jünger zunächst nicht verstanden? Sicher dies, 67
was in Vers 15 gesagt ist, d. h. daß eine Schriftstelle - Sacharj a 9, 9 in Erfüllung gegangen ist. Als Jesus auf einem Esel reitend zur Stadt zog, dachten sie nicht an die Erfüllung der Schrift. Erst später, «als Jesus verherrlicht war», d. h. nach Jesu Auferstehung, kam ihnen der Gedanke (!!J.v~ae"t)a()(v = sie erinnerten sich), daß sich durch jene Begebenheit diese Schriftstelle erfüllt hatte. Es ergibt sich von selbst, daß der Gedanke an Schrifterfüllung sich einstellte im Verlauf der Betrachtung der geschehenen und erlebten Ereignisse, im Nachdenken über die Person Jesu, seine Stellung, seine Aufgabe, seine Sendung, und dies alles im Licht der alttestamentlichen Schriften. Sie erkannten, daß die Stelle Sacharja 9, 9 sich gemäß dem Plan und der Absicht Gottes auf Jesus bezog, m. a. W. daß dies über ihn «geschrieben war» 1 • Joh 12,16 schildert einen seelischen Vorgang, ist Ausdruck einer Reflexion, beleuchtet die theologische Entwicklung der Jünger. Er könnte tatsächlich auf eine Mitteilung eines am Ereignis Beteiligten zurückgehen. Joh 12,16 ist nicht die Sprache der Legende. Damit soll nicht gesagt sein, daß im Bericht über den Einzug J esu in Jerusalem jedes einzelne Detail einer historisch exakten Schilderung entspreche. Es gilt hier die Regel, extreme Thesen zu vermeiden : Alles und jedes ist historisch - Alles ist fromme Erfindung. Wer Legende sagt, sollte sich bewußt sein, daß Legende immer ein Gemisch ist, das Historisches enthält und Züge frommer Ausschmükkung. Dabei kann der historische Gehalt sehr stark oder sehr schwach sein, er kann jeden Teilstrich zwischen einem Minimum und einem Maximum einnehmen. Was unser Thema betrifft, geht es darum, einsichtig zu machen, daß zum allermindesten der Kern der Erzählung Vertrauen verdient. Der Kern lautet: Jesus ist auf dem Rücken eines Esels in Jerusalem eingeritten und schuf damit die passende Voraussetzung für die Huldigung der Menge, die er ohne Widerspruch entgegennahm. Doch zurück zu den synoptischen Berichten. Da Lukas weitgehend dem Markustext folgt, bleibt die Konfrontation im Grunde auf Markus - Mattäus beschränkt. Die Berichte dieser beiden unterschei1 Es sei hier einmal beigefügt: Es ist keineswegs erforderlich, daß wir der Idee der «Schrifterfüllung», wie sie bei Mattäus und überhaupt in den Evangelien zum Ausdruck kommt, in jeder Hinsicht zustimmen oder daß wir sie nachvollziehen müssen. Es soll hier lediglich aufgespürt werden, wie man dort und damals gedacht hat.
68
den sich hauptsächlich in drei Stücken voneinander: Erstens hat Markus nur ein Reittier, 1twA.ov oe:oe:(Levov =«ein Füllen, angebunden» (Mk 11, 2), während Mattäus von zwei Tieren weiß: Övov oe:oe:fLCV1JV xat 7tWAOV (L&-r' aunjt; =«eine Eselin, angebunden, und ein Füllen bei ihr». Zweitens, Markus betont, daß auf dem Füllen «noch nie ein Mensch gesessen ist», Mattäus jedoch ist dieses Detail unbekannt. Drittens hat Markus das Erfüllungszitat nicht, das Mattäus so wichtig und bedeutsam ist. Der auffällige und augenfällige Unterschied im Erzählungsinhalt beider Berichte ist die Anzahl der Tiere. Was hat das zu bedeuten bzw. was läßt sich daraus schließen? Wir gehen von einer Alternative aus und sagen: Entweder hat Mattäus den Markustext (oder die Markusüberlieferung) gekannt und als Vorlage benützt (vieles spricht dafür!), oder er hat den Markustext nicht gekannt und nicht benützt. Dann ergibt sich: a) Wenn Mattäus den Markustext nicht gekannt hat, dann muß ihm eine (andere) Überlieferung vorgelegen haben, die von zwei Tieren berichtete (Muttertier und ihr Füllen). Dann hat der Evangelist dieser Überlieferung so großes Gewicht beigelegt, daß er sich veranlaßt sah, die Sacharjastelle 9, 9 anzupassen, so daß aus dem einen Tier nun deren zwei wurden 1 • Man kennt keine Textvarianten, weder der Masora noch der Septuaginta, aus denen zwei Tiere herausgelesen werden müssen. Auch die rabbinische Literatur, welche die Stelle ebenfalls messianisch deutet 2, findet darin stets nur ein Tier. Mattäus 1 Es ist unglaubwürdig, daß Mattäus, dem man gewiß - nicht zuletzt auf Grund der von ihm eingefügten Erfüllungszitate - einige Schriftkenntnis zuschreiben muß, Sach 9, 9 mit so «unsemitischen» Augen gelesen haben soll, daß er im Text zwei Tiere gefunden hat! Merkwürdig argumentiert diesbezüglich R. PESCH in BZ NF 10 (1966) 245. Einerseits schreibt er Mattäus eine bedeutende Schrift- und Sprachenkenntnis zu, wenn er sagt: «Man darf annehmen, daß er nicht nur die Texte seiner Reflexionszitate ad hoc jeweils selbst interpretierend übersetzt, sondern auch die Einleitungsformeln dazu gebildet hat» (a. a. 0. zweimal!).- Auch rabbinische Literatur soll Mattäus gekannt haben. «Die jüngste Forschung hat mit Recht auf den Einfluß der Moses-Haggada auf die Bildung der matthäisehen Kindheitsgeschichte hingewiesen. Hier stecken die Elemente des erzählerischen Vorwurfs unserer Szene» (BZ NF 11 [1967] 88). Wenn Mattäus Schriftkenner und Schriftübersetzer war, wenn er einigermaßen Einblick in die rabbinische Literatur hatte, dann konnte er unmöglich - ohne sich zu blamieren l - in Sach 9, 9 zwei Tiere hineinlesen und sich damit obendrein die messianische Bedeutung der Stelle erschweren, denn es ist bis jetzt keine jüdische oder rabbinische Schrift gefunden worden, die in Sach 9, 9 zwei Tiere findet. 2 STRACK-BILLERBECK, I 842 ff.
69
mußte sich also mit seiner Deutung gegen die gewohnte Lesung und Deutung stellen 1 • Dafür muß er einen gewichtigen Grund gehabt haben. Es wäre ja leichter und seiner messianischen Deutung dienlicher gewesen, wenn er sich der herkömmlichen Auffassung angeschlossen hätte. Dieser gewichtige und genügende Grund kann nur in der Überlieferung gesehen werden, der Mattäus folgen wollte. b) Wenn aber Mattäus den Markustext kannte und trotzdem von zwei Tieren sprach, dann kommt sein Vorgehen einer Korrektur des Markustextes gleich. Mattäus fühlte sich besser informiert. Er wies bewußt den markinischen Text zurück und brachte seine eigene Vorlage zur Geltung. In diesem Fall wiegt das Zeugnis des Mattäus noch schwerer als bei der ersten Annahme. Man kann dieser Alternative nur ausweichen, wenn man annimmt, Mattäus habe überhaupt keine andere Überlieferung gekannt als den Markustext, und er habe diesen auf Grund eigener Überlegung modifiziert bzw. korrigiert. Doch ist dies sehr unwahrscheinlich und wird wohl kaum angenommen. So haben wir Grund für die Annahme, daß Mattäus eine Überlieferung über den Einzug Jesu in die Heilige Stadt vorgefunden hat, die sich in gewissen Einzelheiten von der Markustradition unterschied. Nepper-Christensen argumentiert so: «Entweder liegt im Matthäusevangelium ein Mißverständnis des parallelismus membrarum vor, oder aber wir haben eine echte Tradition vor uns» 2• Nachdem er die Möglichkeit eines Mißverständnisses von Sacharja 9, 9 als schlecht vorstellbar ausgeschlossen hat, kommt er zum Schluß: «Unter solchen Bedingungen erscheint es uns notwendig, mit der von uns erwähnten anderen Möglichkeit zu rechnen, daß wir hier einer 'echten' Tradition gegenüberstehen>> 3• Nun wird man die Frage stellen: Wenn die mattäische Überlieferung zwei Tiere annimmt, aufwelchem von ihnen ist dann Jesus bei 1 Diesen Gedanken spricht auch 0. MrCHEL (TWNT, V 286) aus: «Der Einzug auf zwei Eseln stimmt nicht mit der Messiaserwartung überein, erscheint aber auch sachlich schwierig. Die Frage, weshalb für Mt die Erwähnung der Eselin neben dem 'Füllen' wichtig wurde, bleibt offen.» Die Antwort liegt vermutlich darin, daß der Evangelist sich an die ihm vorliegende Überlieferung gebunden glaubte. 2 P. NEPPER-CHRISTENSEN, Das Matthäusevangelium ein judenchristliches Evangelium?, Aarbus 1958, 146. Auch dieser Autor betont, daß nirgends in der rabbinischen Literatur Sach 9, 9 so gelesen worden ist, daß zwei Tiere auftreten. 3 A. a. 0. 147.
70
seinem Einzug geritten? Doch wohl nicht auf dem jungen, sondern auf dem alten Tier, das gewohnt war, Lasten zu tragen I Dies wird auch von Nepper-Christensen angenommen. «Das Tier, das man holt, hat ein Füllen bei sich, das natürlich dem Muttertier folgt, und man kann nicht im Zweifel darüber sein, welches Tier zum Reiten benutzt werden soll ... Nichts im Bericht des Matthäus also deutet darauf hin, daß das jüngere der beiden Tiere zum Reiten benutzt wurde. Im Gegenteil: wir sind der Ansicht, daß es sich um das Muttertier handelte, und deswegen berichtet Matthäus nicht, daß das benutzte Tier nicht früher zum Reiten gedient hatte» 1• Mit Recht weist der Autor darauf hin, daß bei Mattäus nicht das Füllen {7twAoc;}, sondern die Eselin {i>voc;) im Vordergrund steht. Das Füllen folgt stets dem Muttertier, aber es hat keine selbständige Funktion. Es ist eben ein Füllen, kein ausgewachsenes Tier 2, und deshalb auch noch nicht zugeritten. Da Johannes den Zusatz «auf dem noch nie ein Mensch gesessen ist» ebenfalls nicht hat, ist es durchaus möglich, daß sein öv,Xpwv dasselbe meint wie i>voc; bei Mattäus. So rückt dann die Johannesdarstellung in dieser Beziehung in die Nähe der mattäischen. Zwar meint Otto Michel, der kleine Esel (ovtXptov) in Joh 12,14 entspreche dem Eselsfüllen (7twAoc; ISvou) bei Sacharja 3• Walter Bauer aber erklärt, daß das Deminutiv oft nur formellen Charakter hat und übersetzt ov,Xptov in Joh 12,14 einfach mit Esel 4• Es scheint uns demnach, Mattäus hat die schlichtere und deshalb ältere Darstellung des Einzugs Jesu in Jerusalem. In der Markustradition wurde wohl von den überlieferten zwei Tieren (Muttertier und Füllen) das eine, das Muttertier, vergessen bzw. verdrängt. Es blieb nur das Füllen, das allein geeignet ist für die Aussage «auf dem noch nie ein Mensch gesessen war». In der Überlieferung, die dem Johannesevangelium zu Grunde liegt, verschmolzen die beiden Tiere zu einem einzigen, was verständlich ist, da ja in der Erzählung überhaupt nur eines eine aktive Rolle spielen konnte. Die Überlieferung, die sich bei Mattäus erhalten hat, verdient Vertrauen und scheint die ältere zu sein. Denn es ist leichter erklärbar, daß in der erzählerischen Weitergabe von zwei Tieren, von denen nur eines eine Rolle spielen kann, eines in Vergessenheit gerät, als umgekehrt, daß zu dem einen Tier, 1 2
3 4
A. a. 0. 147. A. a. 0. 147. 0. MICHEL, onos, onarion (gr.) = TWNT, V 283-287, bes. 286 f. W. BAUER, onarion (gr.) = WNT, 1128. 71
das tatsächlich gebraucht wird, noch ein zweites, das eigentlich nicht gebraucht wird, hinzuerfunden wird. Das Füllen, auf dem noch nie jemand saß, hat seine Parallele und sein Vorbild im Bericht von der Grablegung, wo das Felsengrab geschildert wird als eines, «in das noch nie jemand gelegt worden wa:r» (J oh 19,41; vgl. Lk 23, 53; Mt 27,60 «neue Gruft»). Abschließend zitieren wir Ed. Schweizer, der zu Markus 11,1-11 schreibt: «Daß die ganze Geschichte erst aus Sach. 9, 9 nachträglich herausgesponnen wäre, ist unwahrscheinlich; in diesem Fall wären die Beziehungen darauf viel deutlicher» 1 • Diesem Urteil möchten wir zustimmen. Es scheint uns, es ist nicht gerechtfertigt, die Einzugsgeschichte mit dem Reittier als fromme Erfindung abzutun. Die Erzählung in ihrem Kern und in ihren Hauptzügen ist durchaus zuverlässig. Sie wird gestützt von drei verschiedenen Überlieferungssträngen, von Mattäus, von Markus-Lukas und von Johannes. Zwei Evangelisten fügen ein Erfüllungszitat bei, sehen also in dem, was sie als geschehen betrachten, eine alttestamentliche Schriftstelle erfüllt. Freilich treten legendäre, erbaulich ausschmückende Züge hinzu, so z. B. das Reinheitsmotiv beim Reittier (Mk 11,2 par), das die Würde und Hoheit Jesu hervorheben will 2 • Schließlich gibt Heinz Schürmann über den Einzug Jesu zu bedenken, er sei «vielleicht doch am besten verständlich zu machen als eine eschatologische Zeichenhandlung angesichts der bevorstehenden Katastrophe. Diese setzt mit dem Hinweis auf den demütigen Friedenskönig - allen zelotischen Erwartungen entgegen - Zeichenhaft Sach 9, 9 in Szene und löst eine peinlich-geHihrliehe messianische Ovation aus ... , die dann Anlaß gab für den Kreuzigungstitel 'König 1 E. ScHWEIZER, Das Evangelium nach Markus (NTD 1), Göttingen 1968, 129. - «Es läge an dieser Stelle der Argumentation nahe, den Schluß zu ziehen, also sei Jesu Ritt auf dem Esel unhistorisch und aus Sach 9, 9 erlesen. Dieser Ausweg ist meines Erachtens zu bequem ... Historisch näher liegt der umgekehrte Schluß: Sach 9,9 konnte erst dann auf Jesus bezogen werden, als von seinem Eselritt erzählt wurde.» So H. PATSCH, Der Einzug Jesu in Jerusalem, ZThK 68 (1971) 1-26, bes. 23/24. 2 0. MICHEL sieht wohl richtig, wenn er sagt: «Die Einzugsgeschichte wird allerdings legendäre Einzelzüge in sich aufgenommen haben» (TWNT, V 286).Die Zuverlässigkeit einer Tradition wird nicht in jedem Fall erwiesen durch volle und allseitige Übereinstimmung verschiedener Tradentet\. Dieser Glücksfall kann eintreten, ist aber selten. Die Harmonie im Kern qer Sache und das Auseinandergehen in Einzelzügen ist eigentlich der Normalfall und eben dies entspricht den Möglichkeiten und Gesetzen mündlicher Überlieferung.
72
der Juden' (Mk 14,26 parr)» 1• Auch dieser Gesichtspunkt verdient Beachtung. Mattäus sieht in der Begebenheit, die ihm als Jesusüberlieferung vorlag, die Schriftstelle Sacharja 9, 9 erfüllt und verwirklicht.
10. Mt 27,7-10: «Sie hielten Rat und kauften damit den Acker des Töpfers zum Begräbnis für die Fremden. Deswegen heißt dieser Acker Blutacker bis auf den heutigen Tag. So erfüllte sich, was gesagt worden ist durch den Propheten Jeremias: 'Sie nahmen die dreißig Silberlinge, den Schätzwert für ihn, wie er von den Söhnen Israels eingeschätzt worden war, und gaben sie für den Acker des Töpfers, wie mir der Herr befohlen hat'.» Dieses Zitat samt seinem Kontext wirft schwere Probleme auf. Der ganze Bericht von der unfruchtbaren Reue des Judas, sein Gang zu den hohen jüdischen Instanzen, sein Bekenntnis, unschuldiges Blut verraten zu haben, die Rückgabe der Geldsumme, der Kauf des Töpferackers, der nun Blutacker genannt wird, ist mattäisches Sondergut. Nur in der Apostelgeschichte wird über das Ende des Judas noch berichtet und zwar in folgender Weise: «Dieser erwarb sich einen Acker vom Lohn des Verbrechens, stürzte kopfüber, barst mitten entzwei, und alle seine Eingeweide traten heraus. Und es wurde allen Bewohnern von Jerusalem bekannt, so daß jenes Grundstück in ihrer Sprache Hakeldama genannt wurde, das ist Blutacker» (Apg 1,18 f.). Kann dieser Bericht mit Mt 27,3-10 in Einklang gebracht werden? Wohl kaum! Nach Mattäus kauften die Hohenpriester einen Acker, der als Begräbnisplatz für Fremde dienen sollte. Nach Apg erwarb jttdas einen Acker für sich. Nach Mattäus starb Judas als Selbstmörder durch Erhängrmg, nach Apg starb er, indem er kopfüber (vornüber) stürzte, sein Leib zerbarst und die Eingeweide austraten. Dabei kann man sich fragen, ob das Bersten des Leibes und das Austreten der Eingeweide Mitursache des Todes waren oder ob dies erst nach dem Tod des Judas, also im Lauf der Verwesung, eingetreten ist. Nach Mt wurde der Acker Blutacker 1 H. ScHÜRMANN, Die Symbolhandlungen Jesu als eschatologische Erfüllungszeichen. (Eine Rückfrage nach dem historischen Jesus), BuL 11 (1970), 29--41, bes. 39.
73
genannt, weil er vom «Blutgeld» des Verräters erworben wurde, nach Apg scheint es, daß der Name von dem an jener Stelle vergossenen B/IJI des Verräters entstanden ist. Immerhin bleibt als gemeinsamer Kern der beiden Berichte: Das gewaltsame und grausige Ende des Judas, Kauf eines Ackers vom Verrätergeld, der dann «Blutacker» genannt wird. Diese letzte Bemerkung- bei Mattäus in der Form «Deswegen heißt dieser Acker Blutacker bis auf den heutigen Tag»- hat ganz Lokalkolorit. Es wird, nebenbei gesagt, hier auch ersichtlich, daß die biblischen Verfasset - es handelt sich um den Verfasset des Mattäusevangeliums und um den der Apostelgeschichte - sich bei der Abfassung ihrer Schrift auf das stützen, was ihnen bekannt ist, d. h. was sie an Überlieferung vorfinden, - was man sagt, was man erzählt, was mündlich oder schriftlich weitergegeben worden ist. Wenn man die beiden Varianten von Mattäus 27,3-10 und von Apg 1,18 f. miteinander vergleicht und erwägt, welche von ihnen ein Plus von historischer Wahrscheinlichkeit aufweise, dann wird man gewiß dieses Plus Mattäus zubilligen. Die Variante in Apg wird am besten erklärt durch Anlehnung an den schimpflichen und grausigen Tod des Ungerechten, wie er im Buch der Weisheit geschildert wird 1 • Eine sachliche Verbindung zwischen dem mattäischen Bericht und dem der Apg könnte darin bestehen, daß Judas als erster auf dem Blutacker bestattet wurde. Der eben gekaufte Acker «zum Begräbnis für die Fremdem> konnte für den Nichtjerusalemer und Selbstmörder Judas tatsächlich als passender Bestattungsort in Frage kommen. Wie wurde der Selbstmord bei den Juden betrachtet? Sie sahen ihn als schlecht und verwerflich an. Flavius J osephus schreibt darüber: «Wer aber im Wahn selbst Hand an sich legt, dessen Seele nimmt ein besonders finsterer Ort in der Unterwelt auf ... Es ist bei uns bestimmt, Selbstmörder bis zum Sonnenuntergang unbeerdigt draußen liegen zu lassen, während wir es für unsere Pflicht halten, selbst Feinde zu bestatten» 2 • Man pflegt gern die Berichte in Mt 27,6-10 und Apg 1,19 f. als christliche Aetiologien zu bezeichnen, d. h. als Geschichten, die in christlichem Milieu entstanden seien, um den Namen «Blutacker» zu erklären und ihm Sinn zu geben. Nun kommt allerdings Wilhelm 1 «Als Quelle für die Apg kommt die genannte Stelle Weish 4,18 f. in Betracht, die das dunkle 'stürzte kopfüber' am besten erklärt.» So A. WrKENHAUSER, Die Apostelgeschichte (RNT 5), Regensburg 31956, 35. 2 B J Ili 375-378 ( = 3, 8, 5).
74
Rothfuchs, dessen Arbeit über die Erfüllungszitate bei Mattäus schon mehrfach erwähnt worden ist, zum Ergebnis, daß die arn besten begründete Erklärung der in Frage stehenden Texte die ist, «daß eben doch eine Tradition bestanden hat, die von einem Acker des Töpfers wußte, der anläßlich seines Kaufes für den 'Blutlohn' des Verräters den Namen 'Blutacker' erhalten hat» 1• Zunächst ist es kaum fraglich, was Judas beabsichtigt hat, als er die dreißig Silberlinge den Hohenpriestern und Altesten zurückbrachte. Seine Erkenntnis, <
75
Schatzmeister, in der Zahl von drei, hatten die Verwaltung des Tempelgutes in den Händen, nämlich Verwaltung des Tempelschatzes und der täglichen Einnahmen, des Grundbesitzes, der deponierten Privatkapitalien, Einkauf der Opfermaterialien, Verkauf von Opfergaben an die Pilger usw. 1. Wenn nicht alle, so müssen doch stets einige dieser wichtigen Posten besetzt gewesen sein, besonders zur Zeit eines großen Festes. Das aber ist hier der Fall, die Begebenheit fällt ja nach Mt 26,2 zeitlich in die nächste Nähe des Osterfestes. Es ist also anzunehmen, daß Judas im Bereich des Tempels eine Anzahl dieser Hochpriester (ev. auch Älteste, d. h. Vertreter des Laienadels) treffen konnte. Welches war der Sinn dieser Geste, als Judas die Silberstücke «in den Tempel» warf? Im griechischen Text lautet die am besten bezeugte Lesart d~ -rov vrx6v, meist übersetzt mit «in den Tempel». Die Wendung kann aber ebenso gut übersetzt werden mit «gegen den Tempel hin» oder «gegen das Tempelhaus hin». Man sollte genau wissen, was mit vrx6~ hier gemeint ist, das Tempelhaus selbst oder die Tempelanlage schlechthin mit Vorhof und Hallen. Im NT werden die Ausdrücke o vrx6t;, -ro &yLOv oder -r<X llyLr:t. und -ro te:p6v nebeneinander gebraucht, ohne deutlicheAbsetzung des einen Begriffes vom anderen 2• Wohl mit Sicherheit kann ausgeschlossen werden, dt; -rov vr:t.6v bedeute «in das Tempelhaus hinein», denn Judas hatte keinen Zutritt in das heilige Haus und es wäre ihm nicht möglich gewesen, ihn zu erzwingen, da ja genug Wächter herumstanden. Unter Berücksichtigung aller Umstände würde man am liebsten übersetzen «gegen das Tempelhaus hin». Einen neuen Gesichtspunkt zum Problem bringt J oachim Jeremias. Der Text lautet: « ... daß Judas das Geld zum Tempel bringt, ist durch die Sitte bedingt und dürfte geschichtlich sein. Die Mischna bezeugt uns nämlich bereits für die Zeit vor J esus als Sitte, daß man in gewissen Fällen, in denen sich der ursprüngliche Besitzer des Geldes der Zurücknahme entzog, dieses zum Tempel brachte und dadurch einen Kauf rückgängig machen konnte ... Will man von seinem Vorrecht, das verkaufte Haus innerhalb von zwölf Monaten zurückzukaufen, Gebrauch machen und versteckt sich der Käufer, um das zu verhindern, so soll man Hillel dem Älteren zufolge das Geld zu dem 1
2
76
A. a. 0. 32 ff. 0. MICHEL, naos (gr.)
=
TWNT, IV 886 f.
Geheiligten im Vorhof werfen; der Käufer kann, wenn er will, kommen und sein Geld holen. Ein analoger Fall dürfte Mt 27,5 vorliegen: nicht, um das Geld dem Tempelschatz zukommen zu lassen, sondern um einen abgeschlossenen Kauf rückgängig zu machen, bringt Judas das Geld zum Tempel; nur ist nicht ein Haus, wie in der zitierten Mischnastelle, sondern die Person Jesu der Kaufgegenstand. Der Vorgang ist der: der Käufer, die Hohenpriester und Ältesten, d. h. das Synedrium (Mt 27, 3), verweigert die Zurücknahme des Geldes. Daraufhin bringt Judas das Geld zum Tempel, um auf diesem Wege den Kauf rückgängig zu machen. Im Tempel wird das Geld als herrenloses Gut betrachtet, für dessen Verwendung die Hohenpriester (Mt27,6) zuständig sind; es ist zu beachten, daß sie V. 3 als Mitglieder des Synedriums genannt werden, dagegen in V. 6 in ihrer Eigenschaft als Tempelverwaltungskörper» 1• Man kann die Geste des unglücklichen Mannes in diesem Sinn auffassen oder einfach als Ausdruck ohnmächtiger Wut und Verzweiflung, es bleibt in jedem Fall bestehen: Judas wollte das Geld loswerden, das ihn mit Blutschuld befleckt hatte. Auch das Erfüllungszitat Mt 27,9 f. bietet mehrere Schwierigkeiten. Es wird zunächst als Wort des Propheten J eremia eingeführt; man findet es dort aber nicht, sondern bei Sacharja (11,13). Die Angabe «Jeremia» kann ein Versehen sein, ein Gedächtnisfehler. Allerdings ist zu sagen: Mit Jeremia pflegte man die Prophetenbücher beginnen zu lassen. Möglicherweise ist also mit Jeremia lediglich die Gesamtheit der Prophetenbücher gemeint. Wie lautet nun die Stelle bei Sacharja? «Der Herr aber sprach zu mir: Wirf ihn dem Silbergießer hin, diesen herrlichen Preis, den ich ihnen wert bin. Da nahm ich die dreißig Silberlinge und warf sie im Haus des Herrn dem Silbergießer hin» (Sach 11,13). Vergleicht man damit das Zitat in Mt 27, 9, dann stellt man fest, daß sehr frei zitiert und zugleich adaptiert wird. Statt der ersten Person Einzahl («ich») wird die dritte Person Mehrzahl («sie») genommen, weil das Zitat auf die Hohenpriester und Altesten bezogen wird. Dem mattäischen «den Schätzwert für ihn, wie er von den Söhnen Israels eingeschätzt worden war» entspricht Sacharja «diesen herrlichen (ironisch gemeint!) Preis, den ich ihnen wert bin». Das «ihnen» wird ersetzt und scharf verdeut1
J.
]EREMIAS,
a. a. 0. II A 55 ff. (Exkurs über die Geschichtlichkeit von
Mt 27, 7). 77
licht durch «die Söhne Israels». Dem Wortlaut von Sacharja <mnd warf sie ... dem Silbergießer hin» entspricht «und gaben sie für den Töpferacker». Tatsächlich kann das hebräische jö$er sowohl mit Gießer als auch mit Töpfer übersetzt werden. Der Acker freilich ist Adaptation an den Kontext bzw. an die von Mattäus ins Auge gefaßte Begebenheit. Ferner besteht auch die Möglichkeit, daß der Evangelist die Intention hatte, auf Jeremia 18,3 hinzuweisen, wo vom Töpfer die Rede ist, und auf 32,6 ff., wo der Kauf des Ackers geschildert wird. Die Sacharjastelle ist also ohne Zweifel sehr frei übersetzt und den Gegebenheiten angepaßt worden. Es ist deshalb wahrscheinlich, daß Mattäus bei der Behandlung des Erfüllungszitates nach Art des Targum vorgegangen ist, d. h. nach Art jener ziemlich freien und oft paraphrasierenden Übersetzungen des AT in die aramäische Volkssprache. Man stellt diesbezüglich im Mattäusevangelium, wie auch in anderen neutestamentlichen Schriften, fest, daß gelegentlich das Zitat den Begebenheiten angepaßt wird. So ein Vorgehen scheint hier vorzuliegen. Sucht man aber den Grund für eine solche Adaptation, dann ist der vernünftigste und naheliegendste der: Mattäus fand Traditionen vor, die feststanden: Verrat des Judas um Geld, Reue und Verzweiflung, Wegwurf des Blutgeldes angesichts der Priesterschaft, der Acker des Töpfers, der vom Verräterlohn gekauft und von nun an Blutacker genannt wird. Dazu kommt ein weiteres. Der Hirte, der bei Sacharja der undankbaren Herde den Dienst aufkündet, ist im Grunde genommen nicht der Prophet, sondern Jahwe selbst. Sacharja wird seine Hirtenallegorie auf bestimmte Zustände und Begebenheiten seiner Zeit bezogen haben. Vom späteren Judentum wurde sie jedoch mehr und mehr eschatologisch und messianisch verstanden 1 • Mattäus ist gerade ein Beispiel dafür. Derjenige, der 1,1m dreißig Silberstücke eingeschätzt und verkauft wird, ist der Messias und dieser Messias ist gottgesandt, ja gottgleich. Der Preis, um den der göttliche Hirte verkauft wird, ist gerade gut genug, daß dafür ein Acker für die Bestattung von Fremden erworben wird. Die Hohenpriester und Ältesten als Vertreter der «Söhne Israels» haben so gehandelt, sie haben den Gottgesandten verkannt und ausgeliefert. In welche Richtung zielt das Erfüllungszitat Mattäus 27,9 f.? Geht 1 V gl. K. ELLIGER, Das Buch der zwölf kleinen Propheten II (ATD 25), Göttingen 4 1959, 165.
78
es mehr um den Töpferacker, der als Blutacker jedem Bewohner und Besucher der Stadt vor Augen lag, oder geht es mehr um die Schuld «der Söhne Israels», die den gottgesandten Hirten um die Einschätzungssumme eines getöteten Sklaven verkauft hatten? Das ist schwer zu sagen. Der Abendländer liebt das klare Entweder- Oder, der Orientale das geheimnisvolle Sowohl - Als auch. Die Sacharjastelle ist, wie bereits festgestellt wurde, sehr frei übersetzt und ihr ursprünglicher Sinn adaptiert worden. Warum frei übersetzt und auf was angepaßt? Die Antwort kann nur lauten: Es is't frei übersetzt worden, um besser anpassen zu können und zwar anpassen auf Berichte, die sich auf bestimmte Ereignisse und Orte in Jerusalem bezogen. In diesen Ereignissen sah der Evangelist die Schriftstelle in Erfüllung gegangen.
Hier sei nun ein kleiner Rückblick gestattet auf die bisher betrachteten Erfüllungszitate im Mattäusevangelium. Diese beziehen sich auf folgende Punkte: Erstens: Jesus wird von Maria auf wunderbare Weise empfangen. Zweitens: Josef läßt sich in Nazaret nieder, so wird Jesus ein «Nazarener». Drittens: Jesus begibt sich nach Kafarnaum und wirkt in den Ortschaften am See Genesaret. Viertens: Jesus heilt Kranke und Besessene. Fünftens: Jesus, vom Geist Gottes erfüllt, wirkt als Knecht Gottes die Werke Gottes. Sechstens: J esus redet in Gleichnissen. Siebtens: J esus reitet auf einem Esel in J erusalem ein. Achtens: Die Hochpriester nehmen das weggeworfene Verrätergeld und kaufen damit den Acker eines Töpfers. Es handelt sich, wie uns klar geworden ist, um Ereignisse, Begebenheiten, Fakten aus dem Leben Jesu. Sie werden vorausgesetzt, auf sie wird abgestützt, an sie wird angeknüpft, wenn ein Erfüllungszitat vorgebracht wird. Nur auf Grund eines Faktums fühlt der Evangelist sich berechtigt, zu sagen «Dies alles ist geschehen, damit erfüllt würde» (1,22) oder «Dies aber ist geschehen, damit sich erfüllte» (21,4). So lautet die vollständige Formel. Sie kann verkürzt werden, indem an die Schilderung des Ereignisses ein tvot oder 81tw<; Satz an79
gehängt wird (2,15; 2,23; 4,14; 8,17; 12,17; 13,35) oder indem gesagt wird «Da erfüllte sich» (2,17) oder «So erfüllte sich» (27, 9). Ohne Geschehnis keine Erfüllung. Das Wort, das erfüllt wird, setzt das Ereignis voraus, das geschieht oder geschehen ist. Es hat jedoch nicht den apologetisch ausgerichteten Zweck, Fakten des Lebens Jesu durch Bibelstellen zu «beweisen», also etwa «einen Schriftbeweis zu erbringen». Die Ereignisse werden nicht bewiesen, sondern schlicht vorausgesetzt. Damit ist allerdings der Sinn und Zweck des Erfüllungszitates nicht erschöpft. Das Erfüllungszitat stellt ein Ereignis, das berichtet wird, in ein bestimmtes Licht. Es soll zum Ausdruck kommen, daß durch dieses Ereignis ein Schriftwort sich erfüllt. Das prophetische Wort findet Erfüllung, Vollendung, Wirklichkeit. Das ist nur möglich, weil Gott die Dinge - alle Dinge! - weiß, plant, führt und fügt. Vor allem geht es um jene Dinge und Geschehnisse, die Gott zum Heil des auserwählten Volkes und der Menschheit geplant hat und zur Durchführung bringt. Es geht um die Pläne und Taten Gottes, die dem Heil dienen und zum Heil führen. Es geht um Offenbarung, um Heilsgeschichte, um messianische und eschatologische Ereignisse. Die Pläne Gottes gehen in Erfüllung, sie werden verwirklicht. Das ist der Sinn der Aussage, die gemacht wird durch die Wendung: «Dies alles ist geschehen, damit erfüllt würde, was gesagt ist vom Herrn durch den Propheten» (1,22). «Vom Herrn» ist ausdrücklich gesagt in 1,22 und 2,15, also in den zwei ersten Erfüllungszitaten. In den übrigen ist es weggelassen, es heißt dann nur noch «was gesagt ist durch den Propheten» oder «durch die Propheten». Aber der Sinn bleibt der gleiche: Was gesagt ist in den Schriften, ist vom Herrn gesagt durch den Propheten! Das Licht, in das hinein die Ereignisse gestellt werden, ist kein anderes als das Licht der Heilspläne Gottes, die sich Zug um Zug und Schritt für Schritt erfüllen. Demgemäß erweisen sich die Erfüllungszitate als Interpretation von Geschehnissen, als deutender Kommentar zu der überlieferten Geschichte Jesu 1• Diese Deutung und Interpretation geschieht durch höhere, ja allerhöchste Instanz, nämlich durch das Wort des Herrn. Die zitierten Schriftworte werden an die berichteten Ereignisse heran1 W. RoTHFUCHS, a. a. 0. 92: «Diese Worte der Propheten nimmt er als Gottes 'Kommentar' zu der Geschichte Jesu, so daß sie diese exegesieren. Mittels der Erfüllungszitate verkündigt Mt also das über Jesus als Messias Überlieferte.» Vgl. auch a. a. 0. 30 und 113.
80
getragen. Sie geben den berichteten Ereignissen Dmttmg, damit man sie im Sinne Gottes versteht, und Bedmtung, damit man sie richtig, d. h. nach dem Plane Gottes, wägt und wertet.
Aus der Reihe der mattäischen Erfüllungszitate wurden zwei bis jetzt ausgespart und aufgehoben, nämlich die Nummern 2 und 3. Diese Lücke soll nun aufgefüllt werden.
«Da stand er auf, nahm in der Nacht das Kind und seine Mutter und zog fort nach Ägypten. Er blieb dort bis zum Tod des Herodes, damit erfüllt würde, was gesagt ist vom Herrn durch den Propheten: 'Aus Ägypten rief ich meinen Sohn'.» Man pflegt heute diesem Bericht von der Flucht nach Ägypten ein ziemliches Mißtrauen entgegenzubringen. Das ist verständlich. Die Sache fällt aus dem Rahmen des Normalen und Alltäglichen. Sie hat den Aspekt des Außerordentlichen, des Romantischen und Abenteuerlichen. Die Flucht nach Ägypten wird nur in der Vorgeschichte des Mattäus erwähnt. Warum weiß Lukas nichts davon, der doch auch eine Vorgeschichte hat? Das Thema der Flucht ist bei Mattäus zudem verquickt mit der Geschichte von den Magiern und dem wunderbaren Stern, - eine bedenkliche, eine ziemlich unglaubwürdige Sache I Da bietet sich glücklicherweise die Möglichkeit einer typologischen Deutung an. Sie scheint die leidigen Schwierigkeiten beheben zu können. Man weist hin auf die Typologie Jesus- Jakob (Israel). Ägypten wird als Ausdruck und Bild für Finsternis, Knechtschaft, Todesschatten genommen. Johannes Ried! schreibt zu Mattäus 2,15: «Das Zitat weist auf den Auszug aus Ägypten hin, der in Jesus, dem Sohn Gottes, erfüllt ist. Daß Jesus Gottes Sohn ist, weiß Mattäus mit dem Urchristentum erst nach Ostern (vgl. Röm 1, 3 f.; Apg 2, 36; Joh 20,29). Aus dieser nachösterlichen Sicht versteht er auch das Hosea-Zitat in einem ganz anderen Licht wie vorher. Die dem Jakob verheißene 'Herausführung' (vgl. Gen 46,4) sieht Mattäus durch Tod und Auferstehung des 'neuen Jakob-Israel' enderfüllt. Daß das einen wirklichen Aufenthalt des Jesuskindes in Ägypten erfordert, müßte 6
81
erst bewiesen werden und darf aus Mt 2 nicht einfach als selbstverständlich angenommen werden» 1• Schauen wir das Erfüllungszitat etwas genauer an. Mattäus nennt den Propheten nicht, dem er das Zitat entnommen hat. Es ist der Prophet Hosea und die Stelle 11,1. Sie lautet: «Als Israel noch ein Knäblein war, gewann ich es lieb, und aus Ägypten berief ich meinen Sohn.>> Man sagt, in der gesamten prophetischen Literatur gehört dieses Kapitel zum Ergreifendsten, was im AT über die göttliche Liebe gesagt ist. Die Kraft und Größe, die Zartheit und Innigkeit seiner Liebe hat der Ewige seinem Volk geschenkt. Hos 11,1 erinnert also an die göttlichen Erbarmungen und Gnadenerweise, als er Mose sandte und dem geknechteten Volk Befreiung und Erlösung aus der Fron in Ägypten bereitete. Das also ist gemeint mit «Aus Ägypten rief ich meinen Sohn». Der geliebte Sohn ist das junge Volk Israel. Das ist der Wortsinn dieser Stelle. Mattäus gibt ihr darüber hinaus noch einen prophetischen Sinn und sieht diesen Sinn aktualisiert, als J esus aus Ägypten zurückgerufen wird. War Josef mit Jesus und Maria in Ägypten? Der Text scheint klar: «Da stand er auf, nahm in der Nacht das Kind und seine Mutter und zog fort nach Ägypten. Er blieb dort bis zum Tod des Herodes, damit erfüllt würde, was gesagt ist vom Herrn durch den Propheten: 'Aus Ägypten rief ich meinen Sohn'» (Mt 2,14 f.).- Allem Anschein nach wird hier ein Geschehnis, eine historische Begebenheit, kurz, schlicht und prägnant geschildert. Meint der Text das, was die Worte sagen, oder meint er etwas anderes? Bedeutet Ägypten das Land am Nil oder bedeutet es Tod und Untergang? Will der Text sagen, daß Jesus aus seinem Ägyptenaufenthalt durch Gottes Fügung zurückgerufen wurde, oder will er sagen, daß Jesus nach seinem Tod in ein neues Leben zurückgerufen wurde? Riedl legt Wert auf die Feststellung, daß Mattäus im Bericht von der Flucht nach Ägypten nicht ein «Einzugszitat», sondern ein «Auszugszitat» anführt. Er riüßt dieser Tatsache große Bedeutung bei für seine typologische Deutung des Erfüllungszitates Mt 2,15. Er schreibt: «Nun findet sich aber in Mt 2 kein Reflexionszitat, das die Flucht nach Ägypten (den Einzug) als geschichtliches Geschehen erweist. Hos 11,1 wird nur für die Rückkehr aus Ägypten (für den Auszug) angeführt ... » 2 Was ist dazu 1
2
82
J. RrEDL, Die Vorgeschichte Jesu, Stuttgart 1968, 40 f. RrEDL, a. a. 0. 39.
J.
zu sagen? Tatsächlich wäre ja ein passender Text, der auch von Riedl angeführt wird, zur Verfügung gestanden in Gen 46,2 ff.: «Jakob ... habe keine Furcht, nach Ägypten zu ziehen, denn zu einem großen Volk werde ich dich dort machen. Ich werde mit dir hinabziehen nach Ägypten und ich werde dich auch wieder herausführen.» Warum wurde diese Stelle nicht gewählt, dafür aber Hosea 11,1? Der Grund liegt doch eigentlich sehr nahe: Weil nur das Hoseazitat den Ausdruck «meinen Sohn» enthält. Gerade wenn betont wird, daß die mattäisch_e Vorgeschichte der nachösterlichen Zeit und der nachösterlichen theologischen Besinnung angehöre, muß es einleuchten, daß es dem urchristlichen V erkündiger dienlicher war, Hos 11,1 statt Gen 46, 2 ff. zu zitieren. Er hatte dadurch die Möglichkeit, Jesus als den einzigen und geliebten Sohn Gottes zu verkündigen. Dasselbe tut das Mattäusevangelium z. B. bei der Taufe Jesu (3,17), bei der Versuchung (4,3 und 6), bei der Verklärung auf dem Berg (17,5). Ob Jesus in Ägypten war? Wenn dies außergewöhnlich ist, ist es deshalb unglaubwürdig? Außergewöhnlich, aber auch historisch sicher, ist das argwöhnische Mißtrauen und die grausam-brutale Vorsorge von seiten des Herodes für seine eigene Dynastie. Der berühmte jüdisch-hellenistische Philosoph Phiion von Alexandrien entstammte einem reichen und vornehmen Geschlecht mit römischem Bürgerrecht, das mit den Hasmonäern verbunden war und unter Herodes - vermutlich eben wegen der gefährlichen politischen Lage von Palästina nach Ägypten auswanderte 1 • Alexandra, eine Hasmonäerin, Mutter der Mariamne und dadurch Schwiegermutter des Herodes, wollte zusammen mit ihrem Sohn Aristobul nach Ägypten (zu Kleopatra) flüchten. Dieses Vorhaben gehört in die ersten Regierungsjahre von Herodes, wohl in das Jahr 35 v. Christus. Nur durch Verrat eines Dieners konnte die Ausführung des Planes verhindert werden 2• Man sieht, wer an Flucht aus dem Reich Herodes' d. Gr. dachte, dachte zunächst an Ägypten als mögliches Land der Zuflucht. 1 «Le pere [de Phiion I] dut descendre en Egypte dans les prernicrs temps du regne d' Auguste, c'est-a-dire SOUS le regne d'Herode, a cause, peut-etre, de Ia situation palestinienne.» M. J. ScHWARTZ, L'Egypte de Philon, in PHILON n'ALEXANDRIE (Colloques nationaux du Centre national de Ia recherche scientifique), Paris 1967, 43. 2 AJ XV 42-47 (= 15,3,2). - Vgl. E. ScHORER, Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi, Hitdesheim 1964 (Reprograf. Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1901), I 362 und 379.
83
Die Kunde, daß Jesus in Ägypten gewesen sei, war offenbar in jüdischen Kreisen des 2. Jahrhunderts bekannt. Das ist bezeugt in der schon genannten Schrift 'A).l)9~~ A6yo~ des heidnischen Philosophen Celsus. Der hier interessierende Passus findet sich bei Origenes «Contra Celsum» und lautet: «Dieser [nämlich Jesus] habe aus Armut sich nach Ägypten als Tagelöhner verdungen und dort sich an einigen Zauberkräften versucht, auf die die Ägypter stolz seien; er sei dann zurückgekehrt und habe sich viel auf diese Kräfte eingebildet und sich ihretwegen öffentlich als Gott erklärt» 1 • Der Text ist aufschlußreich. Er zeigt Gerüchte über Jesus auf der Seite seiner Gegner, die Zutreffendes in verzerrter Form enthalten. Ob auch der Talmud Erinnerungen an den Aufenthalt Jesu in Ägypten enthält, ist unsicher. Strack-Billerbeck nennt zwei Texte, die möglicherweise ein Echo davon wiedergeben, J osef Klausner glaubt dies ablehnen zu müssen 2 • Die Sache sieht also so aus: Mt 2,13-15 macht dem unbefangenen Leser den Eindruck eines erzählend-historischen Textes. Einem vielleicht auftauchenden Zweifel macht der Erfüllungsgedanke ein Ende. Das Erfüllungszitat 2,15 setzt wie in allen vorher besprochenen Reflexionszitaten ein Geschehen voraus. Freilich trägt dieses Zitat zugleich einer theologischen Absicht Rechnung: Jesus soll als Sohn Gottes gesehen und verkündigt werden. Das ausgewählte Zitat birgt also ein historisches und ein theologisches Element. Man kann jedoch nicht das historische ausschließen und nur noch das theologische sehen. Ebenso wenig wäre der umgekehrte Fall erlaubt. Unzureichend ist auch die typologische Deutung. Dazu schreibt Wilhelm Rothfuchs: «Mt hat aber in 2,6 und 2,15 gewiß nicht wieder an 'Typologien' (David- Christus bzw. Israel- Christus) gedacht ... Dazu weist die Erfüllungsformel auch hier viel zu eindeutig auf das geschriebene bzw. gesprochene Wort hin, das nun in diesem Geschehen erfüllt worden ist. Auch Justin zitiert übrigens da, wo er Jesus und Israel gegenüberstellt (Dial36, 75, 100, 126), diese prophetische Stelle gerade nicht. Typologie und Erfüllung sollten auch in der Exegese scharf von einander unterschieden werden. Gerade Mt 2,15 ist ein anschauliches 1 MrGNE PG 11 (Origenes, Contra Celsum) 714 (= BKV, Des Origenes acht Bücher gegen Celsus, I 39). 2 STRACK-BILLERBECK, I, 84 f. Billerbeck glaubt folgern zu können, «daß der Aufenthalt Jesu in Ägypten eine innerhalb der Synagoge verbreitete Überlieferung gewesen ist» (a. a. 0. 85). - J. KLAUSNER, a. a. 0. 27 f.
84
Beispiel dafür, daß und wie Mt die typologischen Traditionselemente der Kindheitsgeschichten Jesu in Mt 2 nicht meh:r als Typologie (eine alttestamentliche Begebenheit, Person oder Personenkreis ist Typos für eine neutestamentliche Begebenheit, Person oder Personenkreis) versteht, sondern als Erfüllung des Gotteswortes, das durch den Propheten gesprochen wurde. Er versteht die Notiz aus der Geschichte Israels in Hos 11,1 als ein Propheten- Wort, das dort in jener Flucht Jesu nach Agypten erfüllt wurde und dessen Anführung es ihm ermöglichte, von jenem Kinde als von dem ulo~ "t"oÜ Oe:oü z~ sprechen. Anknüpfungspunkt ist offensichtlich auch hier das äußere Geschehen, das durch die Einführung Agyptens bestimmt ist» 1 •
«Da erfüllte sich, was gesagt ist durch den Propheten Jeremia: 'Eine Stimme ward gehört zu Rama, viel Weinen und Klagen; Rachel beweint ihre Kinder und will sich nicht trösten lassen, da sie nicht mehr sind'. » Wem die Flucht Jesu nach Agypten als historisches Faktum unglaubwürdig erscheint, dem muß natürlich auch die Ursache der Flucht unglaubwürdig erscheinen, nämlich die herodianische Verfolgung des Messiaskindes und der Kindermord in Betlehem. In Wirklichkeit liegt jedoch die Wurzel der Verlegenheit noch weiter zurück, und zwar im Besuch der Magier. Da man diesem - übrigens, wie wir sehen werden, mit Grund- starke Reserven und Zweifel vom historischen Standpunkt aus entgegenbringt, müssen diese Zweifel sich auch auf die davon abhängigen Ereignisse ausdehnen, die Flucht nach Agypten und den Kindermord von Betlehem. Das Problem des Magierbesuches muß uns noch eingehend beschäftigen. Das Zitat Mt 2,18 spricht von der Klage Raheis um ih:re Kinder und von der Unmöglichkeit, sie zu trösten, weil die Kinder «nicht mehr sind». Rahel war bekanntlich die Lieblingsgattin Jakobs, die Mutter von J osef und Benjamin. Sie starb bei der Geburt Benjamins und wurde am Weg von Bet-El nach Efrat begraben. Dieses Efrat lag im Stammesgebiet von Benjamin, also nördlich von Jerusalem. Es gab noch ein zweites Efrat, das südlich von Jetusalern lag. Dieses hatte seinen Namen von einem alten judäisch-kalebitischen Geschlecht, 1
W.
RoTHFUCHS, a. a.
0. 62 f.
85
das in Betlehem ansässig war. Dieses Efrat wurde verständlicherweise identisch mit Betlehem. Rahel wurde unzweifelhaft in dem zuerst genannten, nördlich von Jerusalem liegenden Efrat begraben. Es entstand jedoch eine jüngere Tradition, welche das Grab Raheis nicht mehr in diesem (nördlichen) Efrat suchte, sondern in dem südlich gelegenen, das mit Betlehem gleichzusetzen ist. Mattäus 2,18 setzt nun diese jüngere Tradition voraus 1 • In Betlehem also geschah nach Mattäus 2,16 das tragische Ereignis, das jüdischen Knaben das Leben kostete. Nun weint und klagt die Stammutter Rahel, die gemäß Volksmeinung in einem bei Betlehem gezeigten Grab ruhte. Es ist wertvoll, das Erfüllungszitat in seinem ursprünglichen Kontext bei Jeremia (31,15-17) zu sehen: «So spricht der Herr: 'Horch, Klage hört man in Rama, bitteres Weinen: Ihre Söhne beweint Rachel und läßt sich nicht trösten, ihre Söhne, weil sie dahin sind.' So spricht der Herr: 'Wehre deiner Stimme das Weinen und deinen Augen die Tränen! Denn für deine Mühsal gibt es einen Lohn' - Spruch des Herrn -, 'sie kehren aus Feindesland heim; für deine Nachkommen gibt es eine Hoffnung'Spruch des Herrn -, 'in ihre Heimat kehren die Söhne zurück'.» Was ist Sinn und Inhalt dieses Textes? Der Prophet spricht vom Leid, das über das Nordreich Israel gekommen ist. Gemeint ist der Untergang dieses Reiches durch die Assyrer im Jahr 721 vor Christus. DasSätzlein «Weil sie dahin sind» ist doppelsinnig. Es kann den Tod durch die Hand des Feindes meinen, aber auch die Deportation nach Assyrien. Tatsächlich sind beim Untergang des Nordreiches viele Söhne Israels umgekommen, noch mehr aber mußten den Weg in die Verbannung antreten. J eremia spricht aber nicht nur von Leid, Schmerz und Untergang, sondern auch von Hoffnung und Heimkehr. Auffällig ist die starke Berufung auf Gott und sein Wort. In dem kurzen Text findet sich zweimal die Formel «So spricht der Herr» und zweimal «Spruch des Herrn». Mattäus greift nur das heraus, was an das Leid und den Untergang erinnert, denn nur dies kann er gebrauchen, nur dies dient dem von 1 Der Text in Jeremia 31,15 «Horch, Klage hört man in Rama ... Rache! beweint ihre Söhne» nimmt natürlich Bezug auf das Grab der Stammutter in Rama. Dieses Rama aber lag im Stammesgebiet von Benjamin, nördlich von Jerusalem. Der Text Gen 35,19 lautete ursprünglich: «Rache! starb und wurde auf dem Weg nach Efrat begraben». Die beigefügte Erklärung zu Efrat «das ist Betlehem» ist nach allgemeiner Annahme eine spätere Glosse.
86
ihm intendierten Zweck. Das ist der Teil des Textes, der auf jenes traurige historische Geschehen zurückblickt. Den eigentlich «prophetischen», tröstlichen und in die Zukunft blickenden Teilläßt er weg. Auch die sprachliche Seite der literarischen Arbeit von Mattäus wurde untersucht. Er gibt das Prophetenwort im großen und ganzen in Anlehnung an den hebräischen Text, er nimmt aber auch gewisse Wendungen aus der Septuaginta, und gewisse Termini setzt er nach eigener Intention ein 1 • Es ist z. B. zu beachten, daß Mattäus in diesem Reflexionszitat das Wort TeX Ttxvcx braucht und nicht etwa ToU<; ulou<; (= ihre Söhne) oder TOU<; 1tcx'L8cx<; (= ihre Kinder); Tlxvcx bedeutet genau und eng genommen Nachkommen. Mit diesem Terminus konnte Mattäus unterschwellig aber merkbar hinweisen auf den Ruf (Mt 27,25) der Menge vor Pilatus: «Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!» (auch hier TeX ..Exvcx !). Der herodianische Kindermord scheint manchen Auslegern höchst unwahrscheinlich und unglaubwürdig. Deshalb wird nach einer Möglichkeit gesucht, den biblischen Text Mt 2,16-18 nach typologischer Weise aufzufassen und zu erklären. Die Jakob- Jesus Parallele in Verbindung mit der Moses- Jesus-Parallele sollte ja schon Mt 2,13-15 erklären helfen, nun sollte sie auch hier Hilfe bringen. Daß Rahel von Mattäus hier erwähnt werde, sei veranlaßt durch die Tatsache, daß sie eben Jakobs Frau gewesen und ihr Grab in der Nähe von Betlehem gezeigt worden sei. Der tiefere theologische Sinn für die Anführung der Jeremiastelle (Mt 2,18) stecke aber in Jeremias Trostsprüchen: «Der Israel zerstreute, sammelt es wieder und hütet es wie ein Hirt seine Herde ... Denn der Herr macht Jakob frei und erlöst ihn aus der Faust dessen, der stärker ist als er» (31,10 f.). Das Thema der Vernichtung und des Untergangs werde ergänzt durch das Thema der Befreiung und der Heimführung. Und diese Befreiung und Heimführung werde enderfüllt in Jesu Auferstehung 2 • Nun ist allerdings mit einem einzigen Blick festzustellen, daß in Mt 2,16-18 Jeremia lediglich insoweit zitiert wird, als von Weinen, Klage und Untergang die Rede ist. Von schließlieber Befreiung und Heimkehr ist mit keinem Wort die Rede. Wenn Mattäus wirklich an dieses tröstliche Thema gedacht hätte, wäre es ihm ein Leichtes gewesen, sein Jeremiazitat um einen oder zwei Sätze weiterzuführen, 1
2
Vgl. die Darlegungen von W. RIEDL, a. a. 0. 43 ff.
RoTHFUCHs,
a. a. 0. 63 f.
J.
87
dann wäre seine Absicht klar geworden. Da er das nicht getan hat, ist anzunehmen, daß er es nicht hat tun wollen. Sonst würde man Absichten in den biblischen Text hineintragen, die weder ausgesprochen noch angedeutet sind. Die Meinung, daß Mattäus an der Stelle, wo er das Jeremiazitat von der Klage Raheis um die verlorenen Kinder bringt, eigentlich von der endgültigen Befreiung und Rettung habe sprechen wollen, ist nun wirklich unglaubwürdig! Als zweites kommt hinzu, daß der- nichtvorhandenel- Text von der Befreiung und Heimführung keineswegs historisch, sondern typologisch ausgelegt werden müßte. Daß die typologische Auslegung aber den eigentlichen Sinn der Erfüllungszitate nicht treffen kann, ist bereits gesagt und begründet worden. Das Erfüllungszitat verlangt ein Geschehen, und dieses Geschehen ist hier nun einmal gemäß Mt 2,16 die Anordnung des Herodes, daß alle Knaben in Betlehem von zwei Jahren und darunter getötet werden sollen. Ist dies unmöglich oder unwahrscheinlich? Wer die Herades d. Gr. betreffenden Kapitel in Antiquitates Judaicae und Bellum Judaicum des Flavius Josephus liest und erwägt, wird einen solchen Mordbefehl weder unmöglich noch unwahrscheinlich finden 1 • Herades war von Anfang seiner Regierungstätigkeit an außerordentlich hart, ja unerbittlich in der Bekämpfung jeder Person und jeder Bewegung, die ihm selbst oder seiner Dynastie gefährlich werden konnte. Man denke nur an die völlige Ausrottung der Hasmonäerfarnilie 2 • Mißtrauen, Argwohn, Verdächtigung, ja eine Art 1 AJ XIV 370-XVII 199 (= 14,14,1-17, 8,3); BJ I, 282-673 (= 1,14, 4Schluß des ersten Buches). J. KLAUSNER, a. a. 0. 198, gibt folgendes summarisches Urteil: «<m Verlauf dieser dreiunddreißig Jahre (37-4 v. Chr.) ist fast kein Tag ohne Todesurteil vergangen.» Dann gibt er einen Überblick über die Bluturteile Herodes' d. Gr. über meist prominente Persönlichkeiten (198-201). Eine erschreckende Bilanz l 2 Herodes hat in der Zeit zwischen dem Sommer 37 v. Chr. (Eroberung Jerusalems) und dem Jahr 28 v. Chr. fünf Mitglieder des Hauses der Hasmonäer zu Tode gebracht, sicher alle männlichen Nachkommen. Wahrscheinlich blieb einzig am Leben eine Tochter des letzten Hasmonäerkönigs Antigonus, deren Namen wir nicht kennen und die mit Antipater, einem Sohn des Herodes, vermählt war. Im Jahre 37 v. Chr. wurde der unterlegene Hasmonäerkönig Antigonus- auf Drängen des Herodes - durch den Triumvir Antonius in Antiochien zum Tod verurteilt und durch das Beil hingerichtet. Siehe: AJ XIV, 487-491; XV, 1-10 (= 14, 16,4; 15,1, 1-2) BJ I, 355 ff. (= 1,18,3); E. ScHORER I, 360; A. ScHALlT, König Herodes, 691 f. Im Jahre 35 verriet Herodes am deutlichsten seine Absichten gegenüber den
88
Verfolgungswahn kennzeichneten clie letzten Lebensjahre des Herodes. Es ist nicht abwegig, wenn man annimmt, daß der König gegen Ende seines Lebens zeitweise seiner Sinne kaum mehr mächtig und der geistigen Umnachtung und dem seelischen Zusammenbruch nahe war 1 . Es sei erinnert an die Ereignisse wohl des Jahres 10 v. Chr.: Die Einkerkerung seines Sohnes Alexander und die Erpressung von
letzten Hasmonäern. Er ließ Aristobul (III), seinen Schwager (denn Herodes' Gattin Mariamne war dessen Schwester), heimtückisch bei einem Badespiel im Teich der königlichen Gärten in Jericho ertränken. Der Grund für den Mordbefehl lag gewiß in der ungeheuren Popularität des jungen siebzehnjährigen Hohepriesters, die beim Laubhüttenfest des Jahres 36 zum Ausdruck gekommen war. AJ XV 50-56(= 15,3,3); BJ I 435-437 (= 1, 22, 2). Als im Jahre 31 bei Actium die Entscheidung gegen den von Herades unterstützten Antonius ausgefallen war, geriet das Königtum des Herades in eine schwere Krise. Bevor nun Herades im Frühling des folgendes Jahres sich aufmachte, um in Rhodas dem siegreichen Octavianus Augustus seine Aufwartung zu machen, war er schlau und grausam genug, den letzten Hasmonäersproß männlichen Geschlechtes aus dem Weg zu schaffen. Der Idumäer wußte ja nicht, ob er vor Octavian seinen Thron retten oder verlieren werde. Um nun ja den Hasmonäern jede Chance zu nehmen, wurde Hyrkan von Herades wegen Bestechung und Verrat zum Tode verurteilt und unverzüglich hingerichtet. So starb im Jahre 30 der letzte Hasmonäer, Hyrkan II, ein alter Mann von über 80 Jahren «von mildem und gemäßigtem Charakter», wie Flavius Josephus schreibt. AJ XV 161-182 ( = 15, 6, 1-4); BJ I 431-434 ( = 1, 22, 1). Das vierte Opfer der Hasmonäer war Mariamne, des Herades eigene Frau. Sie war allerdings nicht ganz unschuldig an der Zerrüttung dieser Ehe und an ihrem eigenen tragischen Ende. Mariamne, stolz auf ihre Herkunft und rechthaberisch in ihrem Gebaren, ließ ihren Mann des öfteren spüren, daß sie ihn und seine idumäische Sippe verachtete. Als Herades in krankhafter Eifersucht glaubte, sie habe sich während seiner zweimaligen Abwesenheit im Laufe des Jahres 30 mit ihrem von ihm selbst beauftragten Bewacher eingelassen und so die eheliche Treue verletzt, ließ er sie verurteilen und hinrichten. Dies geschah gegen Ende des Jahres 29 vor Christus. AJ XV 218-236 ( = 15,7,4 f). Nun blieb noch Alexandra, die Mutter der Mariamne. Als Herades nach der Hinrichtung der so leidenschaftlich geliebten Frau in eine Krise verfiel und schwer krank in Samaria lag, so daß an seinem Aufkommen gezweifelt wurde, versuchte Alexandra für den Fall seines Todes sich die Herrschaft zu sichern. Deshalb wandte sie sich an die Kommandanten der beiden königlichen Burgen in Jerusalem (gemeint ist offenbar die Burg Antonia beim Tempel und der Heradespalast in der Oberstadt I) und suchte sie für sich zu gewinnen. Die beiden erstatteten jedoch Bericht an Herodes. Dieser gab ohne Zögern den Befehl, die Frau abzuführen und hinzurichten. Dies dürfte im Verlauf des Jahres 28 v. Chr. gewesen sein. AJ XV 247-251 (= 15, 7, 8). Mit diesem fünften, sicher nicht schuldlosen Opfer war die Linie der Hasmonäer praktisch ausgelöscht, und Herades mußte inskünftig von dieser Seite her keine Rivalen mehr befürchten. 1 A. ScHALIT, König Herodes, Berlin 1969, 662.
89
Geständnissen durch Folterung von Eunuchen des Palastdienstes. J osephus berichtet: «Da er aber bald gegen alle Welt Verdacht und Argwohn hegte, weil seine Sicherheit das zu fordern schien, so dehnte er sein Mißtrauen auch auf ganz Unschuldige aus und kannte dabei keinerlei Mäßigung. Wer oft zu ihm kam, den fürchtete er, weil er mehr Gelegenheit finde, ihm nachzustellen; wer aber nicht oft kam, den brauchte man meist nur zu nennen, um bei ihm den Entschluß zur Reife zu bringen, ihn seiner größeren Sicherheit halber umbringen :"u luN!lrll >> 1•
Josephus sagt hier ganz offen, daß Herodes von Verdacht, Argwohn und Mißtrauen erfüllt war selbst gegenüber Unschuldigen und daß er, lediglich um größerer Sicherheit willen, imstande war, jemand umzubringen. Die geschilderte Einstellung des Königs gegenüber potentiellen Gegnern bzw. Thronanwärtern ist nun gerade die, welche es brauchte, um den Mordbefehl gegen die Knäblein von Betlehem auszugeben, - um der Sicherheit willen, einen möglichen Thronanwärter aus dem Weg geräumt zu sehen. Über die schon genannte Episode um das Jahr 10 v. Chr. heißt es im Bellum Judaicum: «Dies setzte Herodes so sehr in Schrecken, daß er überhaupt nicht wagte, die Anzeigen bekannt zu geben, sondern er schickte Späher nachts und bei Tage umher und ließ alle Handlungen und Worte auskundschaften; wer aber verdächtig war, den ließ er unverzüglich töten. Der Palast war voll der schlimmsten Greueltaten; jeder erdichtete im Sinne seiner Feindschaft und seines Hasses die entsprechenden Verleumdungen, und viele mißbrauchten die Mordgier des Königs gegen ihre Gegner. Die Lüge fand sofort Glauben, und die Strafen waren noch schneller als die Verleumdungen» 2 • Texte ähnlicher Art gäbe es noch mehr. Die zitierten Stellen zeigen ein V erhalten und Vorgehen des Königs, das einerseits pathologische Züge trägt, anderseits den Typus des machtbewußten und skrupellosen orientalischen Herrschers zeigt. Ins Jahr 6 v. Chr. setzt Emil Schürer 3 die Hinrichtung einer großen Zahl von Pharisäern, die sich 1
AJ XVI 236 ff. ( = 16, 8, 2).
z BJ I 492 f. (= 1, 24, 8). 3 Diese zeitliche Fixierung freilich noch mit einem Fragezeichen, siehe E. ScHüRER, I 374. - A. ScHALlT, a. a.O. 318 f., setzt- in ziemlicher Übereinstimmung mit E. Schürer - dieses Ereignis «kurz vor dem Jahr 6 v. Chr.». Vgl. auch }. KLAUSNER, a. a. 0. 199 f.
90
offenbar im Zug einer messianischen Bewegung verdächtig gemacht hatten. Josephus nennt diese Begebenheit im Zusammenhang mit der Treueidverweigerung von über 6000 Pharisäern, nachdem er früher schon 1 von einer ähnlichen Widerstandsaktion von Pharisäern berichtet hatte. Die Stelle lautet: «Der König ließ daher die am meisten bloßgestellten Pharisäer sowie den Eunuchen Bagoas und seinen [= des Königs!] Pagen C:otrus, der zu jener Zeit als der schönste Jüngling galt, hinrichten. Desgleichen wurden aus seiner Dienerschaft alle diejenigen umgebracht, die den Reden der Pharisäer Glauben geschenkt hatten» 2 • Wenn Herades den Willen und die Macht hatte, angesehene und bedeutende Männer, auch Hofbeamte, entwederim Palast aufNimmerwiedersehen verschwinden 3 oder nach despotischem Urteilsspruch hinrichten zu lassen, so gab es sicher für ihn auch kein moralisches oder rechtliches Hindernis, etwa zwei Dutzend Fellachenbübchen in Betlehem umzubringen. Gegen potentielle Gegner und Rivalen kannte Herades weder Rücksicht noch Erbarmen. Daß unter diesem Herrscher zuweilen die Todesstrafe ohne Verhör und Urteilsspruch verhängt wurde, berichtet Josephus mehrmals 4 • Dieser antike Schrift1 AJ XV 368 ff. ( = 15, 10, 4). - A. ScHALlT hält diese Eidesleistung - wohl im Jahre 26 v. Chr. - für die erste unter der Herrschaft des Herodes. Dazu schreibt er: «Wir haben keinen Grund zu bezweifeln, daß in den Provinzen dieser Brauch kurz nach dem Jahr 27 v. Chr., d. h. bald nach der Errichtung des Prinzipates (28 v. Chr. wird Augustus zum 'Princeps civium et senatus' erklärt], in Übung kam. Als Herades also damals von der römischen Regierung aufgefordert wurde, auch seinen Untertanen einen Treueid auf den Kaiser abzuverlangen, benutzte er die gute Gelegenheit und fügte seinen eigenen Namen in die Schwurformel ein. Die römische Regierung wird in dieser Erweiterung kaum eine Anmaßung des kleinen 'Bundesgenossen und Freundes des römischen Volkes' gesehen haben. Denn erstens war in den hellenistischen Staaten ein Treuschwur auf den König sicherlich von jeher üblich ... Zweitens wußten Augustus und die offiziellen Kreise Roms zweifellos, daß die Stellung des Herades in seinem Staat infolge des Widerstandes der Juden gegen ihn ungleich schwieriger war als die irgendeines anderen 'verbündeten' Königs, und erkannten, daß er besonderer Stützung bedürftig war» (a. a. 0. 321.) 2 AJ XVII 42-45, bes. 44 (= 17, 2, 4).- Diese Stelle betrifft das Ereignis des Jahres 6 v. Chr. Der nachfolgende Text spricht sodann ziemlich deutlich von einer messianischen Erwartung zu jenem Zeitpunkt. 3 AJ XV 366 (= 15, 10, 4): «Und es wurden viele offen oder heimlich in die Festung Hyrkania abgeführt und dort hingerichtet.» 4 «Der König nämlich empfand bald Reue, wenn er jemand ohne regelrechtes Urteil hatte hinrichten lassen»: AJ XVI 240 (= 16, 8, 2). «Weder Verteidigung noch Widerlegung zur Aufdeckung der Wahrheit wurden gestattet, sondern ohne jedes Verhör wurde die Todesstrafe verhängt.» AJ XVI 258 (= 16, 8, 5).
91
steller gibt in seiner Schlußbetrachtung über Herodes d. Gr. folgendes Urteil ab: «Er war ein Mann, der gegen alle ohne Unterschied mit gleicher Grausamkeit wütete, im Zorn kein Maß kannte und sich über Recht und Gerechtigkeit erhaben dünkte ... » 1 Fühlte Herodes sich erhaben über Recht und Gerechtigkeit? Man muß seine eigene Auffassung über das Königtum und seine Stellung als «König der Juden» kennen. Herades war Klientelfürst, also abhängig vom römischen Kaiser. Er trug den Titel «Rex socius et amicus populi Romani»= «Freund und Bundesgenosse des römischen Volkes». An diese Abhängigkeit erinnerte ihn im Jesusprozeß der perfide und- wie Herodes sofort erfaßte- gefährliche Zuruf der führenden Juden: «Wenn du diesen freiläßt, bist du kein Freund des Kaisers! (Joh 19,12)» Aus dieser Abhängigkeit ergaben sich folgende Pflichten: Erstens die Tributpflicht, zweitens die Bindung der Außenpolitik an Rom (d. h. keine Staatsverträge und keine Kriegführung über die Landesgrenzen hinaus ohne Absprache mit Rom), drittens Verzicht auf selbständige Nachfolgeregelung (also nur Vorschlagsrecht, kein Ernennungsrecht). In allen übrigen Belangen hatte Herades freie Hand. Insbesondere hatte er das Recht, ein Heer zu unterhalten, Steuern und Abgaben zu erheben, sein Reich zu regieren und zu verwalten, Recht zu sprechen, eingeschlossen die Kapitalfälle. Da Herades sich Rom gegenüber loyal und willfahrig zeigte und mit freiwilligen Leistungen und luxuriösen Geschenken nicht geizte, wurde ihm mehr und mehr und selbst großzügig Freiheit gewährt. In der Gesetzgebung und Rechtsprechung scheint er sich weit mehr an hellenistisches und römisches Denken als an jüdisches Empfinden gehalten zu haben. Nach hellenistischem Empfinden aber war der König der absolute Herr, Quelle von Recht und Gesetz und Herr über Leben und Tod seiner Untertanen. Diesbezüglich schreibt Abraham Schalit: «Auch sein Tun und Lassen in seinem Haus gehörte zu dem erhabenen, absoluten Status des Herades als hellenistischen Königs. Auch dieses Tun war ein unmittelbarer Ausfluß dieses seines Ranges, und wir machen uns seinen vollen juristischen Sinn nicht klar, wenn wir in ihm nicht den legitimen Ausdruck dafür sehen, daß Herades Herr über Leben und Tod sowohl seiner Untertanen als auch seiner Familienangehörigen war, und er also das Recht hatte, sie zum Tod 1
92
AJ XVII 191 (= 17, 8, 1).
zu verurteilen. Herodes war demnach durchaus befugt, von diesem Recht Gebrauch zu machen, wenn er Gefahr für sein Leben oder für seine Herrschaft befürchtete» 1• Flavius Josephus denkt und spricht als Jude, für den die Tora erste und oberste Verpflichtung ist. Herodes aber fühlte und dachte als absoluter hellenistischer Machthaber. - Die Standpunkte sind sehr verschieden, der Gegensatz ist unüberbrückbar! Gab es den Kindermord zu Betlehem? Viele nehmen an, daß der herodianische Kindermord eine Sage sei, die eine Parallele zur Mosesage darstelle. Die Aussageabsicht der Sage sei kerygmatisch ausgerichtet, J esus soll als der neue, der zweite Moses dargestellt und verkündet werden. Gewiß, diese Möglichkeit soll im Zeitalter des kritischen Realismus ernsthaft geprüft und diskutiert werden. Sagenmotive können sich wiederholen, können in andere Länder, in andere Zeiten und auf andere Personen übertragen werden. Aber auch die andere Möglichkeit besteht und muß ernst genommen werden, nämlich die, daß Vorfälle menschlicher Leidenschaft, königlichen Argwohns und königlicher Machtgier sich wiederholen, weil der Mensch mit seiner Leidenschaft der gleiche bleibt und weil Despoten immer wieder um ihre Macht bangen. Ein so ausgewiesener Historiker und Kenner der hellenistisch-römischen Epoche wie Abraham Schallt schreibt in seinem monumentalen Werk «König Herodes» zum Thema «Kindermord in Betlehem» u. a. folgendes: «Nichtsdestoweniger sehe ich in dem Befehl als solchem kein Ding der Unmöglichkeit. Herades war gegen Ende seines Lebens nicht mehr im V ollbesitz seiner Sinne und dicht am Rande des Irrsinns. Warum sollen wir also nicht annehmen dürfen, daß ein halbwahnsinniger Despot imstande war, einen wahnwitzigen Blutbefehl, wie er im Matthäusevangelium überliefert ist, auszugeben? Gerade wir, die wir Zeugen der jüngsten Geschichte Europas waren, sollten uns hüten, eine Untat von der Art des bethlehemitischen Mordbefehls einzig und allein aus dem Grund aus dem Bereich des Möglichen auszuschalten, weil sie einer historisch-kritischen Prüfung nicht standhält ... Das Entscheidende an ihm [= dem bethlehemitischen Mord1 A. ScnALIT, a. a. 0. 662. - Zum ganzen Problem a. a. 0. 146-167. - E. ScnüRER schreibt: «Die Hoheitsrechte, welche den abhängigen Königen belassen wurden, umfaßten, unter den angegebenen Beschränkungen, die gesamte innere Verwaltung und Rechtspflege. Sie hatten unbeschränkte Gewalt über Leben und Tod ihrer Untertanen.» (I 403 f.)
93
befehl] ist, daß er von Herodes mit der Absicht ausgegeben wurde, den neugeborenen Feind seines Königtums zu töten. Der Glaube an die unmittelbar bevorstehende Ankunft oder Geburt des messianischen Königs lag damals in der Luft. Der argwöhnische Despot spürte überall V errat und Feindschaft, und ein vages zu ihm gedrungenes Gerücht kann seinem kranken Geist sehr wohl den Gedanken eingegeben haben, die neugeborenen Kinder zu töten. Der Befehl hat somit nichts Unmögliches an sich. Wenn es die Herrschaft galt, kannte auch der sterbende Herades keinen Scherz» 1• Schallt betrachtet also den Tötungsbefehl gegen die Kinder von Betlehem als historisch möglich, wenn er auch die Tatsache des Kindermordes als geschichtlich nicht erwiesen ansieht. Er bemerkt: «Die Mehrzahl der Gelehrten betrachtet diese Erzählung als Sage, die in der Mosessage und auch im römischen Bereich ihre Parallele habe.» Dazu zitiert er eine Stelle des römischen Schriftstellers Sueton über das Leben des Augustus, die in Übersetzung so lautet: «Julius Marathus berichtet: wenige Monate vor Augustus' Geburt sei an einem öffentlichen Ort in Rom ein Wunderzeichen geschehen, durch welches verkündet wurde, daß die Natur dem römischen Volk einen König gebären werde; der Senat habe darauf voller Schrecken beschlossen, kein in diesem Jahr geborenes Kind dürfe aufgezogen werden. Die Männer aber, deren Frauen schwanger waren, hätten dafür gesorgt, daß jener Senatsbeschluß nicht Gesetzeskraft erlangte, da jeder diese Weissagungen auf sein Kind bezogen habe» 2 • Das Erzählte gehört wohl zum Geschichtenkomplex der Auseinandersetzungen zwischen Republikanern und Monarchisten in der Zeit des Überganges von der Republik zur Monarchie. Das angetönte «Wunderzeichen» wird überhaupt nicht näher beschrieben. Der ominöse Senatsbeschluß wird kaum auf festem historischem Boden stehen. Daß aber Dynasten im Bemühen, ihre eigene Stellung zu festigen oder die gewünschte Nachfolge zum voraus zu regeln, zukünftige Rivalen und selbst nahe Verwandte aus dem Leben schaffen, dafür zeugt nicht nur die Geschichte Herodes' d. Gr., sondern z. B. auch die Geschichte der römischen Kaiser und orientalischer Herrscher 3• A. ScHALlT, a. a. 0. 649 Anm. 11. A. ScHALlT, a. a. 0. 648 Anm. 11. - Die Stelle aus SuETON, Leben der Caesaren, Divus Augustus 94, 3. 3 SuETONIUS berichtet z. B. von Nero: «Britannicus [seinen Adoptivbruder) vergiftete er aus Eifersucht auf dessen Stimme, die angenehmer war als seine 1
2
94
Bedenken wir die messianischen Erwartungen der Juden, die gerade zur Zeit Herodes' d. Gr. stark waren, ziehen wir in Betracht den leidenschaftlichen Charakter und die despotische Herrschermentalität des Herodes, die sich in zahlreichen ungerechten und grausamen Bluturteilen manifestierte, was brauchte es dann noch, damit es zum Kindermord von Betlehem kommen konnte? Es brauchte nur noch ein vages Gerücht über einen in Betlehem geborenen Davidssproß, um die Hand des Despoten herauszufordern. Das Erfüllungszitat Mt 2,17 f. setzt ein Geschehen voraus, das in dem vorausgehenden Vers 16 geschildert ist. Dieser Vers enthält auch die Nahtstellen, die das Thema Kindermord mit dem Thema Magierbesuch verbinden. Doch der mattäische Text über den Magierbesuch ist von besonderer Art und verlangt ein spezielles Studium.
eigene, und aus Angst, daß dieser einmal, dank der guten Erinnerung an seinen Vater [Kaiser Claudius], in der Gunst des Volkes obenaufschwingen könne ... Als Nero hörte, daß sein noch unmündiger Stiefsohn Rufrius Crispinus, ein Sohn Poppaeas, im Spiel sich immer Feldherren- und Kaiserrollen zuteile, trug er dessen eigenen Sklaven auf, ihn beim Fischen im Meer zu ertränken.» G. Suetonius Tranquillus, Leben der Caesaren, übersetzt von A. Lambert, Zürich 1955, Nero Nr. 33 und 35. Von Kleopatra berichtet Flavius Josephus: «So hatte sie ihren fünfzehn Jahre alten Bruder, von dem sie wußte, daß er ihr auf dem Throne folgen sollte, mit Gift aus dem Weg geräumt, und ihre Schwester Arsinoe, als diese sich zu Ephesus in den Dianatempel geflüchtet hatte, mit Hilfe des Antonius umbringen lassen.» AJ XV 89 (= 15, 4,1).
95
EXKURS
1
Ist Mt 1,18-25 ein christologischer Midrasch? Die Perikope Mt 1,18-25 steht als biblischer Text im Feuer einer heißen Diskussion. Es geht um das Thema «Jungfrauengeburt», d. h. um die Frage: Empfängnis Jesu ohne menschlichen Samen, also eine von göttlicher Kraft gewirkte Parthenogenesis - ein biologisches Wunder. Es ist klar, daß es sich hierbei, wenn auch nicht um die Kernfrage, so doch um ein gewichtiges Problem der Christologie handelt. Stellen wir gleich fest: Dieses Problem kann nicht ausschließlich vom mattäischen Text her gelöst werden. Es muß ja auch die lukanische Vorgeschichte beigezogen werden. Darüber hinaus müssen die beiden Vorgeschichten mit dem Gesamtinhalt der Evangelien überhaupt und mit den neutestamentlichen Briefen, insbesondere mit dem Corpus Paulinum, konfrontiert werden. Gewiß eine große und weitschichtige Aufgabe, die allerdings über das Ziel und den Umfang dieser Arbeit hinausgeht. Rud. Pesch hat 1966/1967 eine exegetische Arbeit vorgelegt 1 , worin Mt 1,18-25 einer redaktionsgeschichtlichen Prüfung unterzogen wird. Am Schluß werden folgende Fragen gestellt: «Dürfen wir diesem Evangelisten nicht die Bildung der ganzen Perikope als 'erweiterter Fußnote' zu 1,16 zutrauen? Weit davon entfernt, mit dieser kostbaren Szene apologetische Absichten zu verfolgen, schafft der Evangelist ein Stück in Erzählform gegossener, hochentwickelter Christologie ... Handelt es sich wirklich um einen vom Evangelisten gebildeten christologischen Midrasch?» 2 R. Pesch beantwortet diese Fragen mit Ja und legt die Gründe dafür vor. Zunächst wird gezeigt, daß die Verse 18, 20a, 20c, 21-24a, 25a die redaktionelle Hand des Evangelisten verraten, also - literarisch gesehen - ihm zuzusprechen sind. Trotzdem die restlichen Verse, die als nichtmattäisch oder vormattäisch erkannt werden, nach Umfang
1 R. PEsen, Eine alttestamentliche Ausführungsformel im Matthäus-Evangelium, BZ NF 10 (1966) 220-245 'und 11 (1967) 79-95. 2 A. a. 0. 11 (1967) 87 f.
96
und Aussagewert bedeutend sind, möchte Pesch auch diese in den mattäischen Text aufnehmen. Deshalb schreibt er: «Dürfen wir diesem Evangelisten nicht die Bildung der ganzen Perikope .. . zutrauen?» Die Perikope Mt 1,18-25 wäre dann eben eine 'erweiterte Fußnote' zu Mt 1,16. Die Textgestalt von Mt 1,16 ist unsicher. Es gibt vier verschiedene Fassungen 1 • Die für unsere Ohren extremste Fassung hat der Codex Syrosinaiticus: 'Iocxwß SE: &y&wf)crev -rov 'Iwcr~ fLV'1Jcr-reu6dcroc ~v 7tocp6evo~ MocpLafL &yew'l)crev 'I'l)croüv -rov J..ey6fLEvov Xpm-r6v.
«Jakob zeugte den Josef. Josef, dem die Jungfrau Maria verlobt war, zeugte J esus, der Christus genannt wird.» In einem Land und in einer Kultur, wo der Adoptierte völlig in die Rechte des direkten Nachkommen eintrat, gab dieser Vers zu keinen Bedenken Anlaß 2 • «Er zeugte» heißt da soviel wie «Er hatte zum (legitimen, wenn auch nicht blutsverwandten) Nachkommen». Die israelitische Königsgeschichte weist mehrere Beispiele dafür auf 3• Auch in dieser Form würde Vers 16 nichts anderes als die übrigen Textformen aussagen. Es soll lediglich gesagt werden, daß Jesus durch die Person Josefs in die königliche Geschlechterfolge gehört und deshalb mit Recht als Sohn Davids bezeichnet wird. In der gewohnten und meistgebrauchten Textgestalt wird überdies auf feine Weise angedeutet, daß Jesus nur mit Maria, nicht mit Josef, blutmäßig verbunden war.
1 E. LOIIMEYER- W. SCHMAUCH, Das Evangelium des Matthäus, Göttingen 1958, 6. 2 Die neuere Forschung hat die uralte orientalische und israelitische Mentalität aufgedeckt, die sich z. B. in den Stammbäumen geäußert hat: Die Verwandtschaft der israelitischen Stämme untereinander und mit den Nachbarvölkern war viel mehr juridischer Art und beruhte mehr auf Adoption als auf wirklicher Abstammung l Die Adoption war der beredte Ausdruck für die engen Beziehungen kultureller und zivilisatorischer Natur. 3 «Adoption war auch in Alt-Israel bekannt, wenngleich es dafür keinen terminus technicus gegeben hat.» So P. GAECHTER, Das Matthäus-Evangelium, Innsbruck 1962, 30. - Hier auch Beispiele von Adoption in der Davidischen Königsrcihe, a. a. 0. 30 f. Siehe ferner R. DE V Aux, Das Alte Testament und seine Lebensordnungen, Freiburg 1960/62, I 78; 93-95 und V. BASLER, Adoption = BHHWB I, Göttingen 1962, 27 f. 2
7
97
Nach Pesch ist Mt 1,18-25 ein christologischer Midrasch, der seine Entstehung dem Evangelisten verdankt 1 • Er stellt die Gründe für diese· Annahme kurz wie folgt zusammen: «Die jüngste Forschung hat mit Recht auf den Einfluß der MosesHaggada auf die Bildung der matthäisehen Kindheitsgeschichte hingewiesen. Hier stecken die Elemente des erzählerischen Vorwurfs unserer Szene. Mit diesen erzählerischen Elementen der Moses-Haggada, dem sicher vormatthäisehen Theologumenon von der Zeugung Jesu aus Hl. Geist, dem Reflexionszitat und seiner Einleitungsformel, sowie dem atl Ausführungsschema mit seiner Formel hat der Evangelist Matthäus diese Perikope bilden können und auch wohl - wie das Übergewicht als redaktionell erweisbarer Einzelteile der Szene beweisen dürfte - gebildet» 2• In Anmerkung 133 nennt Pesch die beiden Elemente der Mosetradition, die - entsprechend verwandelt - im Mattäustext verwendet worden seien: « 1. Die Ankündigung der Geburt des Moses, des Retters des Volkes, durch die Prophezeiung Mirjams an Amram, den Vater des Moses. 2. Amram nimmt daraufhin seine Frau (neuerdings) zu sich, von der er sich zur Zeit der Verordnung Pharaos, die männliche Erstgeburt zu töten, durch drei Jahre ferngehalten hatte.» Ob Mattäus in Tat und Wahrheit diese beiden Elemente in seiner Vorgeschichte verwendet hat, das darf man doch bezweifeln. Man lese den Text jener rabbinischen Überlieferung, auf die R. Pesch in der genannten Anmerkung hinweist: «Nach Ablauf von drei Jahren stieg der Geist Gottes auf Mirjam herab, und sie weissagte (im Hause ihrer Eltern): Siehe, diesmal wird meinem Vater und meiner Mutter ein Sohn geboren werden, der die Kinder Israels aus der Hand Ägyptens erretten wird. Als Amram die Worte des Mädchens hörte, nahm er (neuerdings) seine Frau zu sich, von der er sich zur Zeit der Verordnung (Pharaos) durch drei Jahre ferngehalten hatte» 3• In dieser Haggada ist einzig und allein wichtig die Weissagung Mirjams, daß den Eltern ein Sohn geboren wird, der Israel aus der Hand Ägyptens befreien wird. Bei der Botschaft, die J osef erhält,
R. PESCH, a. a. 0. 11 (1967), 87 f. R. PESCH, a. a. 0. 88. 3 R. BLOCH, Die Gestalt des Moses in der rabbinischen Tradition, in: Moses in Schrift und Überlieferung, Düsseldorf 1963, 111. 1 2
98
geht es in erster Linie um einen Auftrag zu handeln, also um etwas Pragmatisches. Zuerst wird Josef die Weisung gegeben, Maria heimzuführen. Daß das von Maria empfangene Kind aus heiligem Geist gezeugt ist, wird in einem Denn-Satz als Begründung und zur Beruhigung Josefs beigefügt. Der Engel will die Bedenken und Zweifel, in die J osef wegen des Zustandes seiner Braut geraten ist, beseitigen und seiner Not- eingeschlossener Weise auch der Not Marias I - ein Ende machen. Dies kommt denn auch in Vers 24 klar zum Ausdruck: «]osef stand auf vom Schlaf, tat, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich.» - Gewiß, auch Amram ist in Sorge und Not, aber keineswegs im Blick auf seine Frau, sondern im Blick auf den König und seinen TötungsbefehL Die Ursache der Not Josefs ist seine eigene Braut, die Ursache der Not Amrams ist der Pharao. Die zweite Weisung, die Josef erteilt wird, ist die, dem zur Welt kommenden Kind den Namen Jesus zu geben. Auch hier wird in einem Denn-Satz der Grund angegeben, warum es dieser Name sein soll (Vers 21 b). Josef tat, wie ihm befohlen war, <mnd er gab ihm den Namen Jesus» (Vers 25). Wir haben das Recht festzustellen: Die Situation J osefs ist von der Situation Amrams sehr verschieden. Bei Amram geht es um reine Weissagung. Bei Josef geht es um Befehle zum Handeln. Bei Mattäus 1,18-25 geht es um etwas Einmaliges und völlig Neues, um eine wunderbare Empfängnis, eine Empfängnis ohne irdischen Vater. Mit Recht schreibt hier Pesch: «Die jungfräuliche Empfängnis hat keine Vorstufe in der haggadischen Mosesliteratur ... » 1 So hat man eigentlich genug Gründe, daran zu zweifeln, daß Mattäus aus der rabbinischen Mosestradition geschöpft hat. Die Parallelen sind zu klein, die Unterschiede zu groß. Dies ist in bezug auf die Inhalte gesagt. Ob Mattäus rein formell-sprachlich von der rabbinischen Moses-Haggada sich hat beeinflussen lassen, bleibe dahingestellt. Uns geht es hier um den Inhalt der Berichte, nicht um ihre sprachliche Form. Woher stammt Mt 1,18-25? Aus der Feder des Evangelisten, sagt man. Und woher hat der Evangelist seinen Text? R. Pesch zählt die Elemente auf, mit denen der Evangelist vermutlich seine Erzählung aufgebaut hat: Die Mose-Haggada, das Theologumenon von der
1
R.
PESCH,
a. a. 0. 88 f. Anm. 133.
99
Zeugung Jesu aus Hl. Geist, das Reflexionszitat aus Sacharja samt Einleitungsformel und alttestamentlicher AusführungsformeL Aber schauen wir näher hin. Was die Mose-Haggada betrifft, die auf die Entstehung von Mt 1, 18-25 eingewirkt haben soll, ist bereits gesagt worden, was wir davon halten. Sie hat, wenn überhaupt, zum Inhalt der Mattäusperikope sehr wenig beigetragen. Sehen wir uns die redaktionsgeschichtliche Untersuchung von R. Pesch näher an. Nach ihm sind die Verse 18, 20a, 20c, 21-24a und 25 a der Feder des Evangelisten zuzuschreiben. Somit bleiben als Verse nichtmattäischen oder vormattäischen Charakters: 19, 20 b, 24 b und 25 b. Diese Verse lauten: 19 : « J oseph, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, gedachte, sie heimlich zu entlassen.>> 20 b: « J oseph, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen.» 24b: <mnd nahm seine Frau zu sich.» 25b: <
Fügt man nun diesen Vers zu den oben zitierten als nichtmattäisch erkannten Versen hinzu, so ergibt sich ein sinnvoller Text, der aussagt: 1. Daß Maria vor ihrer Heimführung durch Josef als schwanger er-
funden wurde. 2. Daß J osef deshalb daran dachte, Maria heimlich zu entlassen. 3. Daß Josef dennoch zum Entschluß kam, Maria heimzuführen. 4. Daß Josef dem Neugeborenen den Namen Jesus gab. Dies aber dürfte eben der Inhalt jener Überlieferung gewesen sein, die dem Evangelisten vorlag, als er 1,18-25 niederschrieb. Betrachten wir auch näher das «vormattäische Theologumenon» von der Zeugung Jesu aus Hl. Geist. Auch andere Exegeten reden -vorsichtig- von der Möglichkeit eines solchen Theologumenons 1 • Was ist überhaupt darunter zu verstehen? Theologumenon im weitesten Sinn ist eine theologische Annahme. Genauer gesagt: Ein Theologumenon ist eine mögliche Annahme, die eine sichere theologische Wahrheit voraussetzt und sie zu erklären versucht. In unserem Fall handelt es sich um die geschichtlich-erzählerische Darstellung der Menschwerdung Gottes in Jesus. Daß Jesus Mensch und Gottessohn ist, war seit seiner Auferstehung von den Toten feste Glaubensüberzeugung der christlichen Gemeinde. Aber wie kam Jesus in die Welt? Auf welche Art und Weise ist der Sohn Gottes Mensch geworden? Auf diese Frage gibt Mt 1,18-25 eine konkrete Antwort: Jesus ist durch göttliche Einwirkung im Schoße Marias gezeugt worden, und dies zu einem Zeitpunkt, als seine Mutter mit J osef zwar verlobt, aber von ihm noch nicht heimgeführt worden war. Das ist eine Möglichkeit, aber offenbar nicht die einzige. Maria hätte den Gottessohn auch nach vollzogener Heimführung empfangen können. Dadurch wäre den beiden Verlobten eine schwere und
1 H. DöRING, Jungfrauengeburt in neuer Sicht? in: Jungfrauengeburt gestern und heute, herausgegeben von H. J. Brosch und J. Hasenfuß, Essen 1969,89-108. Döring schreibt a. a. 0. 98: «Der Mangel an historisch-biblischer Beweisbarkeit führt dazu, daß man die Erzählungen bei Mt und Lk als ein Christologoumenon oder als ein Theologoumenon einstuft.»- Siehe auch 0. KNOCH, Die Botschaft des Matthäusevangeliums über Empfängnis und Geburt Jesu vor dem Hintergrund der Christusverkündigung des Neuen Testamentes, in: Zum Thema Jungfrauengeburt, Stuttgart 1970, 58.
101
schmerzliche Prüfung erspart geblieben. Und dem Evangelisten bzw. seinen Vorgängern wäre das bekannte Motiv der Unfruchtbarkeit, das im AT bei den Stammüttern Sara, Rebekka und Rahel und im NT bei Elisabet eine große Rolle spielt, sehr dienlich gewesen, um die Zeugung aus heiligem Geist vorzubereiten. Diese Weise der Menschwerdung hätte eigentlich näher gelegen als die bei Mattäus und Lukas berichtete, und Jesus wäre ebenfalls als Erstgeborener zur Welt gekommen, ohne Marias Ruf zu gefährden. Ferner hätte der Gottessohn in einer «normalen» Familie in dieses irdische Leben eintreten können als Frucht des natürlichen Geschlechtsverkehrs. Denn der Mensch als unsterblicher, personaler Geist verlangt einen Schöpfungsakt Gottes, unbeschadet des genetischen Zusammenhangs, der ihn mit Eltern und Voreltern verbindet. Diese Idee gewinnt heutzutage Anhänger. Sie möchten J esus als natürlichen Sohn Josefs und Marias betrachten, der aber zugleich das inkarnierte Wort Gottes ist. Sie sagen: Der göttliche Logos hätte sich mit jenem Lebenskeim verbinden können, der - in normalem Eheleben- von Josef und Maria bereitet worden war. Der göttlichen Vorsehung standen gewiß mehrere Wege offen, auf denen der Sohn Gottes in die menschliche Lebensreihe und Geschichte eintreten konnte. Es fragt sich nur, welchen Weg sie in Tat und Wahrheit beschritten hat. Enthält der Text von Mt 1,18-25lediglich die gedankliche Arbeit eines frühchristlichen Theologen, also eine theologische Annahme, ein Theologumenon? Oder geht er schlußendlich auf Mitteilungen der direkt beteiligten Personen zurück ? Dann wäre er mehr als ein Theologumenon, bzw. dieses Theologumenon würde mit dem tatsächlichen Hergang, also mit der historischen Wahrheit zusammenfallen. Machen wir einen weiteren Schritt der Überlegung. War es überhaupt notwendig, daß ein Theologumenon entstehen mußte? Es hat ja etwas zum Inhalt,- die konkrete Art der Menschwerdung Jesudas man wissen bzw. von den direkt beteiligten Personen erfahren konnte. Haben Maria und J osef mit keinem Wort und zu keinem Menschen je gesagt, wie es zur Empfängnis Jesu gekommen ist? Und wenn sie gesprochen haben, mußte die Kenntnis von dem Berichteten unbedingt verloren gehen? Das ist doch höchst unwahrscheinlich. Das Theologumenon ist nicht notwendig, wenn es Nachrichten, d. h. wenn es eine echte Überlieferung gegeben hat I Das Milieu der möglichen Ersttradenten ist bekannt, es ist der 102
Kreis der nächsten Verwandten von J osef und Maria. Denken wir an die sog. «Brüder Jesu». Es waren, wie Josef Blinzlcr nachgewiesen hat, Vettern Jesu 1• Wir wissen, daß es mindestens bis in den Anfang des zweiten Jahrhunderts nahe Verwandte Jesu gegeben hat. Von den Brüdern Jesu berichten die neutestamentlichen Schriften 2 , aber auch Hegesippus, ein Mann des 2. Jahrhunderts 3, und Flavius Josephus 4• Von den Brüdern Jesu gehören später zwei oder drei zu den «Prominenten» der christlichen Urgemeinde: Jakobus, Bischof von Jerusalem, um 62 n. Chr. als Glaubenszeuge gestorben, Simon, afs sein Nachfolger ebenfalls Leiter der Kirche von Jerusalem bis in die Zeit Trajans, dazu ev. auch Judas («Bruder des Jakobus» im Eingangsversdes Judasbriefes), wenn der Judasbrief ganz oder teilweise auf ihn zurückgeht. Jesus ist nicht nur auf die Welt gekommen, sondern zugleich in eine Familie, in eine Sippe, in einen Verwandtenkreis eingetreten. Wir stellen fest: Es gab zur Zeit der Evangelienbildung nahe V erwandte Jesu, die in der Lage waren zu sagen, «wie es gewesen ist.» Die Brüder Jesu waren ohne Zweifel beteiligt an den Verlobungsund Hochzeitsfestlichkeiten von Maria und Josef. Wenn es auch in Galiläa Brautführer gegeben hat - was wir annehmen - kann dies kaum jemand anderer gewesen sein als einer der «Brüder Jesu» 5 • Mt 1,25 berichtet von der geschlechtlichen Enthaltsamkeit Josefs bis zur Geburt J esu, um die natürliche Vaterschaft J osefs auszuschließen. Diese Nachricht, als echte Überlieferung aus dem engsten Verwandtenkreis Josefs betrachtet, erscheint verständlich und glaubwürdig, denn es ist nicht einzusehen, daß die geschlechtliche Enthaltsamkeit J osefs in diesem vertrauten Kreis hätte verborgen bleiben sollen. Aber als Ausdruck eines Theologumenons (ohne historischen Wert, ja im Widerspruch zum wirklichen Vorgang 1), das zu Lebzeiten der z. T. prominenten Verwandten J esu erdacht, schriftlich fixiert und in den J. BLINZLER, Die Brüder und Schwestern Jesu (SBS 21), Stuttgart 1967, 145. Genaue Zusammenstellung und Vergleichung siehe J. BuNZLER, a. a. 0. 21-26. 3 Die Nachrichten des Hegesippus sind erhalten bei EusEBIUS, Kirchengeschichte, siehe Anm. 2 S. 14. 4 «Er versammelte daher den hohen Rat zum Gericht und stellte vor dasselbe den Bruder des Jesus, der Christus genannt wird, mit Namen Jakobus ... » So F. JosEPHUS AJ XX 200 (= 20, 9,1). Die Stelle wird auch von J. KLAUSNER, Jesus von Nazareth, Jerusalem 3 1952, 75 ((als völlig echt» angesehen. 5 Siehe Exkurs 3: ((jüdische Sitten und Bräuche in bezugauf Verlobung und Vermählung» Seite 163. 1
2
103
Gemeinden propagiert worden wäre, erscheint diese Nachricht unwahrscheinlich, ja unmöglich. Sie wäre im Kreis dieser Wissenden als Entstellung der tatsächlichen Vorgänge, als «Falschmeldung», ja als Lüge erschienen. So scheint es uns ausgeschlossen, daß unter diesen konkreten Umständen das postulierte Theologumenon hätte aufkommen können. - Als dann J osef nicht nur wegen der Schätzung, sondern aus einem ganz anderen, die öffentliche Meinung betreffenden Grund recht frühzeitig nach Betlehem reiste, konnte er dies nicht tun, ohne seine nächsten Angehörigen zu orientieren, d. h. ohne ihnen näheren Aufschluß über die Gründe seiner Abreise zu geben. Wir glauben nachweisen zu können, daß Mt 1,18-25 eine Überlieferung ist, die aus Nazaret stammt und auf direkt beteiligte Personen zurückgehen muß (siehe Kapitel VI). Eine solche Überlieferung macht ein Theologumenon überflüssig. Nehmen wir nun noch den Vers Mt 1,18 hinzu: «Mit der Herkunft Jesu Christi verhielt es sich aber so». Dieser Satz trägt allem Anschein nach eine gewisse apologetische Spitze. Er ist so formuliert, als wollte er sagen: Mit der Herkunft Jesu Christi verhielt es sich so- und nicht anders, wir wissen es, wir haben Nachrichten. Diese Nachrichten folgen sofort nach: «Als Maria, seine Mutter, mit Josef verlobt war, fand es sich, ehe sie zusammenkamen, daß sie empfangen hatte von heiligem Geist» (Mt 1,18b). Das sieht nicht nach einer theologischen Annahme aus. Fassen wir zusammen. Bei der redaktionsgeschichtlichen Untersuchung von R. Pesch bleibt ein vormattäischer Rest übrig, der ein sinnvolles Ganzes ergibt, eine Nachricht, die auf Ur- und Erstzeugen zurückweist, von denen aus sie auf Tradenten übergegangen ist, wobei sie die nüchterne, knappe Form angenommen hat. Das Theologumenon hat etwas zum Inhalt, was nicht ein unmöglich zu klärendes Geheimnis umschließt, sondern etwas, das von den direkt Beteiligten durchaus zu erfahren war. Das Milieu, wo über die näheren Umstände der Menschwerdung Jesu gesprochen worden sein muß, kennen wir. Es sind ohne Zweifel die näheren Verwandten Jesu, seine Onkel und Tanten, Vettern und Basen. Nach J. Blinzler war z. B. Klopas, der Vater der Herrenbrüder Sirnon und Judas, Davidide und ein Bruder Josefs 1• Bei dem Sippenbewußtsein, wie 1 }. BLINZLER,
104
a. a. 0. 145,
es im Orient bis auf den heutigen Tag gepflegt wird, ist es undenkbar, daß niemand aus der Verwandtschaft J osefs erfahren hat, woher nun eigentlich Jesus gekommen ist. Mt 1,18a weist sozusagen mit dem Finger auf eine Tradition. In Hinsicht auf die vorhandenen Anzeichen und Gründe müssen wir sagen: Mt 1,18-25 enthält nicht ein Theologumenon, sondern eine Überlieferung von grundsätzlich historischer Art. Diese Überlieferung macht das Theologumenon überflüssig. Daraus ergibt sich auch, daß Mt 1,18-25 nicht als Midrasch betrachtet werden kann.
105
EXKURS
2
Ist der Ausdruck «Sohn der Maria» bei Mk 6}3 als Schimpfwort aufzufassen? Ethelbert Stauffer versuchte nachzuweisen, daß die Bezeichnung Jesu als «Sohn der Maria» bei Mk 6, 3 als Schimpfname seitens der Einwohner von Nazaret aufzufassen sei. Die Nazarener hätten Jesus als illegitimes Kind Marias bezeichnet, weil der diesen Leuten unverständliche Vollmachtsanspruch Jesu ihnen nahegelegt habe, daß er -gemäß damaliger jüdischer Denkweise- einen Makel der Herkunft an sich tragen müsse. Die urchristliche Gemeinde habe diese schimpfliche Bezeichnung Jesu planmäßig aus der Überlieferung ausgetilgt, nur Markus habe den Mut gehabt, ihn zu wiederholen 1• Die Argumentation Stauffers hat manches für sich, aber schlußendlich zeigt sich, daß sie doch nicht stichhaltig ist. Es ist auffällig, daß Stauffer die bei Markus 6,3 vorkommende Bezeichnung Jesu als «Sohn der Maria» völlig isoliert behandelt und nicht im Zusammenhang mit der dort berichteten Szene betrachtet. Markus 6,1-6 ist eine geschlossene und abgerundete Szene. Der Text lautet: «Er ging von dort weiter und kam in seine Vaterstadt, und seine Jünger begleiteten ihn. Als es Sabbat war, lehrte er erstmals in der Synagoge, und die vielen, die ihn hörten, gerieten außer sich und sagten: 'Woher hat er denn dies? Was ist das für eine Weisheit, die ihm zu eigen ist? Und was sind das für Wunder, die durch seine Hände geschehen? Ist er nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria und der Bruder des Jakobus und des Joses und des Judas und des Simon? Und sind nicht auch seine Schwestern hier bei uns?' Und sie nahmen Anstoß an ihm. Jesus aber sprach zu ihnen: 'Ein Prophet ist nirgends so wenig geachtet wie in seiner Vaterstadt, bei seinen V erwandten und in seinem Haus.' Und er konnte dort keine Wunder wirken, nur einigen Kranken legte er die Hände auf und heilte sie. Er wunderte sich über ihren Unglauben und zog durch die Dörfer ringsum und lehrte.»
1 E. STAUFFER, Jeschu ben Mirjam, in Neotestamentica et Semitica, ed. E. Ellis und M. Wilcox, Edinburgh 1969, 119-128, bes. 122.
106
Welches ist der Sinn des Ganzen? Die Nazarener sind in Staunen geraten über die Lehre, d. h. über die Schrifterklärung, die sie aus Jesu Mund vernommen haben. Markus verwendet 6,2 den Ausdruck €~exA~crcrov-ro von hxA~crcro(LIXL = außer sich geraten, betäubt sein vor Schrecken oder vor Verwunderung. Fünfmal kommt dieser Ausdruck im Markusevangelium vor: 1,22; 6,2; 7,37; 10,26; 11,18. Nur in 10,26 hat das Wort die Bedeutung von bestürzt sein oder betäubt sein vor Schrecken,· mindestens ist hier Schrecken verbunden mit großer Verwunderung. In den restlichen vier Fällen ist der Sinn "eindeutig: betäubt sein, außer sich geraten vor Verwunderung. Dreimal ist es Verwunderung und Staunen über die Lehre J esu (1, 22; 6, 2; 11,18), einmal über die Wundertaten Jesu (7,37). Hier in 6,2 sind mit crocp(IX (Weisheit) 8uvcX(LE:L~ (Machttaten) eng verbunden, so daß das Staunen und die Verwunderung der Menge beidem gilt. Das Staunen der Mitbürger Jesu hat aber zunächst nichts Negatives an sich, es ist ein ehrliches Staunen über die Lehre Jesu, von der sie soeben ein Beispiel gehört, und über die Werke Jesu, von denen sie offenbar gehört haben. Sie stehen also fassungslos vor dieser Weisheit und Macht. Dann allerdings kommt Kleinliches und Häßliches zum Vorschein, nämlich Neid, Mißgunst, Kritisiersucht, Herabsetzung. Sie machen sich folgende Gedanken: Jesus hat keine Gelehrtenschule besucht, ist keinem Rabbi nachgefolgt 1 • Er ist nichts anderes als ttx.-rwv, also Handwerker, Zimmermann. Gegen 20 Jahre lang sahen sie ihn in ihrem Städchen sein Handwerk ausüben, nahm er ihre Aufträge entgegen. Jetzt tritt er plötzlich als Rabbi auf und hat Jünger um sich geschart (Mk 6,1 «Und seine Jünger begleiteten ihn»). Das paßt nicht in ihr kleinbürgerliches Denken. Sein Berufswechsel ist ihnen verdächtig. Sie wollen ihn einebnen, auf ihr eigenes Niveau zurücksetzen. Sie verweigern ihm Anerkennung und Gefolgschaft. Deshalb sagen sie: Ist er nicht der Zimmermann? (Was gibt ihm das Recht, sich als Rabbi aufzuspielen?) Ist er nicht der Sohn der Maria
1 Man bedenke die rabbinischen Auffassungen über die Tradition: «Zur Zeit Jesu konnte nach den Ordnungen des Standes der Rabbinen in Palästina Rabbi nur werden, wer Schüler eines solchen war und dem dieser die Hände auflegte eigentlich aufdrückte ( = samasch). Diese Handauflegung hatte ihr Vorbild in der Handauflegung, die Josua von Moses (Dt 34,9) erhielt. So fühlten sich die Rabbinen in der mosaischen Sukzession stehend.» So HuBERT VoGLER, Rabbinische Voraussetzungen und Parallelen der urkirchlichen Tradition, BuL 12 (1971), 105-117, Zitat 108.
107
und der Bruder des Jakobus und des Joses und des Judas und des Simon? (Woher hat er die Vollmacht, sich als Propheten und Gottgesandten auszugeben?) Verwunderung und Staunen mischen sich mit Kritik, Spott, Mißbilligung und Ablehnung. Dies ist der Sinn der Szene, wie sie in Markus 6,1-6 geschildert ist. Der Text gibt auch nicht den kleinsten Anhaltspunkt für die Annahme, die Nazarener hätten Jesus einen sittlichen Makel anhängen, ihn als Hurensohn beschimpfen wollen. In dieser Meinung wird man bestärkt, wenn man dieses «der Sohn der Maria» im engeren Zusammenhang des Verses beachtet. Die Nazarener wollen sagen: Wir kennen ihn doch- Er ist doch der Zimmermann (vielleicht der einzige am Ort) - der Sohn der Maria - der Bruder von dem und dem - und seine Schwestern sind hier, uns bekannt ... All das steht gleichwertig nebeneinander, Beruf und Verwandte. Jesus wird sozusagen wieder in sein altes Milieu eingegliedert, in seine am Ort eingesessene Verwandtschaft wieder eingereiht. Mutter, Brüder, Schwestern werden aufgezählt, um damit zu sagen: Wir kennen sie alle, und er ist nicht mehr als sie! Als einen Rabbi, als religiöse Autorität, als einen «Lehrer Israels» (vgl. Joh 3,10) wollen sie ihn nicht anerkennen. «Sohn der Maria» kann in diesem Zusammenhang nicht einen anderen Sinn haben als etwa «Bruder des Jakobus» oder «Bruder des Joses» usw. Hat «Bruder. des Jakobus» keinen schimpflichen Sinn, kann auch «Sohn der Maria» nicht schimpflich gemeint sein! Nun ist allerdings die metronymische Bezeichnung «Sohn der Maria» auffällig und muß eine Erklärung finden. Wenn man sich vorstellt, daß J osef noch gelebt hätte zur Zeit, als sich diese Begebenheit in Nazaret abspielte, dann - muß man sagen - hätten die Nazarener so nicht gesprochen. Sie hätten dann gewiß gesagt: «<st er nicht der Zimmermann, der Sohn des J osef und der Maria und der Bruder des Jakobus ... usw.». Aus der Tatsache, daß der Vater nicht erwähnt wird, ist zu schließen, daß er zu dieser Zeit nicht mehr unter den Lebenden weilte. In einer kleinen Ortschaft, wo jeder jeden kennt, kann es wohl geschehen, daß ein junger Mann, dessen Vater nicht mehr lebt, eine Kennzeichnung von der Mutter her bekommt. Das ist einleuchtend. Noch mehr drängt sich die metronymische Bezeichnung auf, wenn der Betreffende auch keine Geschwister hat, also einziger Sohn ist.
108
Daß Jesus als der einzige Sohn einer Witwe galt, schließt kein Geringerer als Ernest Renan aus der Tatsache, daß er - gemäß Markus 6,3- «Sohn der Maria» genannt worden ist.« J
E. RENAN, Les Evangiles et la seconde generation chretienne, Paris 21877,
542. 2 GRANDE ENCICLOPEDIA VALLARDI, Bd. 12, Milano 1967, 251 über Piero della Francesca: « ... deriva il suo nome da una storpiatura antica del patronimico originale.» 3 J, BLINZLER, a. a. Ü. 72.
109
Bezeichnung zu vermeiden. Von dieser vorbeugenden Absicht zeugen wohl Mattäus und Lukas. Daß Markus das gefährliche Wort noch hat, kann verschiedene Ursachen haben. Es kann sein, daß in dem Milieu, in dem er schrieb oder für das er schrieb (doch wohl an eine heidenchristliche Gemeinde!), die angedeutete Gefahr nicht bestand. Es kann auch sein, daß er einfach glaubte, den Wortlaut der ihm vorliegenden Überlieferung festhalten zu müssen. Wir stellen fest: Es gibt in keinem der vier Evangelien irgend einen Anhaltspunkt dafür, daß zu Lebzeiten Jesu die Ehrbarkeit seiner Abkunft und damit die sittliche Reinheit seiner Mutter Maria in Zweifel gezogen oder angegriffen worden wäre.
110
IV DER BESONDERE CHARAKTER VON Mt 2,1-12
Das Problem vom Stern und vom Magierbesuch ist so oft gewälzt und soviel ist darüber geschrieben worden, daß auch gar nicht der Versuch gemacht werden soll, alles zu wiederholen und vor dem Leser hier auszubreiten. Es muß auf ältere und neuere Kommentare und auf die Spezialliteratur verwiesen werden. Uns ist wichtig, das Problem zu sehen und die hier vorgebrachte Lösungsmöglichkeit zu begründen. In Kapitel li ist gezeigt worden, daß der Abschnitt Mt 2,1-12 mit dem übrigen Text der mattäischen Vorgeschichte keine ursprüngliche Einheit bildet. Dafür sind starke und m. E. stichhaltige Gründe vorhanden. Das Stück hat einen anderen Ursprung als die übrigen Stücke der Vorgeschichte. Aber es ist mit dem Josefblock verknüpft worden, ohne allerdings die Spuren seines eigenen Ursprungs zu verleugnen. Diese Verknüpfung zeigt sich:
1. in 2,13: 'AvtXx_wplJrrocvTwv oE a.u-r&v ••
«Als sie fortgegangen waren ... » 2. in 2,16a: ToTe: 'Hp
«Als Herodes sah, daß er von den Magiern hintergangen war, wurde er sehr zornig ... ». 3. in 2,16c: \X.flOVOV , ,_, K IXTIX\'t"OV OV lJXfl W(JEV 7ta.pa. TWV (.LIXYWV «entsprechend der Zeit, die er von den Magiern genau erfragt hatte». ~'(ß
Es sind also drei Satzteile im anschließenden Text, im Bericht von der Flucht und im Bericht vom Kindermord, welche die Magiergeschichte voraussetzen und diesen Text mit der Magiergeschichte fest verbinden. 111
1. Der Ausdruck «Magier aus dem Osten (Morgenland)» fordert die Frage heraus, woher diese Leute gekommen sein mögen. Drei Länder kommen in Frage: Arabien, Babylonien, Persien. Der Name Magier weist nach Persien. Dort gab es unter diesem Namen die persische Priesterkaste. Diese hatte sich nach Herodot aus einem der sechs medischen Stämme entwickelt. Die Bezeichnung Magier war hier auch lebendig geblieben, sicher bis in das zweite und dritte Jahrhundert nach Christus 1 • Aber das Ursprungsland der Astrologie ist nach neuesten Erkenntnissen Babylonien. Astrologie verlangt Beobachtung und Berechnung der Himmelserscheinungen, also Astronomie. Dieses Land war während der babylonischen Gefangenschaft unter jüdischem Einfluß gestanden und hatte wohl von daher den jüdischen Messianismus kennen gelernt. Die Babyionier hatten Tabellen, mit deren Hilfe die Positionen der Planeten zum voraus bestimmt werden konnten. Insbesondere wurde das erste Auftauchen eines Planeten nach Sonnenuntergang wie auch das Verschwinden eines Planeten vor dem Aufgang der Sonne beobachtet. Hingegen weisen die Gaben- Gold, Weihrauch, Myrrhe- eher auf Arabien hin, denn diese drei Materialien sind für dieses Land charakteristisch. Woher kamen also die Magier, -aus Arabien, Babylonien, Persien? Der biblische Autor beantwortet diese Frage nicht. Die Herkunftsangabe «aus dem Osten» ist weit gefaßt. Sie erweckt mit ihrer geographischen Ungenauigkeit und Unbestimmtheit nicht gerade Vertrauen bezüglich ihrer Historizität. Konnte der Erzähler bzw. Verfasser nichts Genaueres sagen oder wollte er es nicht ? Schon oft wurde die Frage gestellt: Ist mit dem Stern eine wunderbare Erscheinung gemeint oder darf an eine natürliche Sternerscheinung gedacht werden? Muß an nur einen Stern gedacht werden oder darf u. V. eine Konstellation von zwei Sternen, d. h. eine Sternkonjunktion angenommen werden? Der biblische Bericht läßt die erste Frage - natürliche oder wunderbare Erscheinung- offen, er behauptet weder 1 Cicero z. B. spricht von Magi Persarum, ähnlich Tertullian (Gegen Mareion I, 13), Aelian (Varia historia II, 17), Origenes (Gegen Celsus I, 24) und viele andere antike Schriftsteller. Pseudo-Lukian (Makrobius 4) spricht von Magiern bei den Persern, Parthern, Baktrern, Medern usw. Siehe: C. CLEMEN, Magoi = RECA W 14, 509-518, spez. 510. - Herodot spricht von Magiern in seinen Historien I, 101 und 132. (Herodot, Historien, Deutsche Gesamtausgabe, übersetzt von A. Horneffer, Stuttgart 1963.)
112
das eine noch das andere. Die zweite Frage wäre durch den genauen Sinn des im griechischen Text verwendeten Wortes zu lösen. Das griechische ~cr... ~p bezeichnet «fast ausnahmslos den einzelnen Stern, während &a't"pov auch das Sternbild bezeichnen kann» 1 • Das Wort &a't"pov deutet auf ein Kollektivum hin. Es ist auch umfassender, denn es kann sowohl einen Einzelstern wie auch ein Sternbild, eine Sterngruppe, bezeichnen. 'Aa... ~p verhält sich zu &cr... pov wie etwa Feld zu Gefild oder Stein zu Gestein ..Mit «Gestein» kann ich eine Mehrzahl von Steinen benennen oder auch ein einzelnes Stück Stein, jedoch nicht umgekehrt, ich kann nicht zu einer Vielheit von Steinen sagen «dieser Stein» 2 • Mt 2,2 verwendet den terminus ~cr... ~p, womit streng genommen auf einen Einzelstern hingewiesen wird. Es wäre ein seltener Ausnahmefall, wenn mit diesem Ausdruck eine Sternkonstellation gemeint wäre. Es gab in der Antike, bezeugt vom 5. Jahrh. v. Chr. bis in das 6. Jahrh. n. Chr., die volkstümliche Meinung, daß jedem Menschen ein Stern zugehöre, ein großes helles Licht einem großen, bedeutenden Menschen, ein kleines Licht einem kleinen, unbedeutenden Menschen. Der Stern geht am Himmel auf bei der Geburt des Menschen und vergeht bei seinem Tod. Bei dieser Vorstellung ist natürlich nicht an Planeten, sondern an Fixsterne zu denken. Plinius der Ältere (23/24-79 n. Chr.) schreibt darüber « ... sidera, quae adfixa diximus mundo, non illa ut existimat vulgus, singulis attributa nobis, et clara divitibus, minora pauperibus, obscura defectis, ac pro sorte cuiusque lucentia adnumerata mortalibus, nec cum suo quaeque homine oriuntur nec aliquem exstingui decidua significant ... » 3
Die Formulierung in Mt 2,2: eX~o{-te:v yocp cdJ't"oÜ 't"Öv ~a...epct tv "7i ~vct't"o"A7j = «Wir sahen seinen Stern aufsteigen» («aufgehen») könnte einer solchen Vorstellung durchaus entsprechen. Man beachte, daß die Magier nicht schon am Anfang sagen, daß der Stern vor ihnen hergezogen sei. Das geschieht erst, als sie von Jerusalem fortziehen. Somit hätten wir zwei Möglichkeiten einer natürlichen Erklärung: W. FoERSTER, aster, astron (gr.) = TWNT, I 501. F. BoLL, Der Stern der Weisen, ZNW 18 (1917), 40-48, bes. 41 f. 3 «Die Sterne, die wir als Fixsterne bezeichnet haben, sind nicht, wie das Volk annimmt, einem jeden von uns so zugeordnet, daß die hellen den Reichen, die schwachen den Armen, die dunklen den Gebrechlichen leuchten, ganz nach dem Schicksal eines jeden; denn die Sterne entstehen nicht mit irgend einem bestimmten Menschen noch deutet ihr Untergang das Verlöschen eines Lebens an.» PLrNius (Maior), Naturalis Historia, 2. Buch VI (28). 1
2
8
113
einmal die Möglichkeit einer bestimmten Sternkonstellation und die andere, sehr volkstümliche, daß jedem Menschen überhaupt ein bestimmter Stern zugehöre, ein besonders heller und glänzender natürlich einem großen und bedeutenden Menschen. Doch diese zweite Vorstellung, von Plinius abgelehnt, kann hier nicht in Frage kommen, - wie könnte ein plötzlich aufleuchtender Fixstern ausgerechnet auf einen Judenkönig deuten? Man muß an Planeten und Planetenkonstellationen denken! Gehen wir der Sache nach. Was bedeutet es, wenn in Mt 2,2 die Magier sagen «Wir haben seinen Stern gesehen»? Diese Behauptung ist zu kombinieren mit der Frage «Wo ist der neugeborene König der Juden?» So kann nur fragen, wer Sterne beobachtet und an Sterndeutung interessiert ist, also Astronomen und Astrologen. Nur solche Leute wissen bzw. glauben zu wissen, was Sterne bedeuten und welche Sterne einen «neugeborenen König» ankündigen. In diesem Zusammenhang wird auf die Jupiter-Saturn-Konjunktion des Jahres 7 v. Chr. hingewiesen 1 • Eine Konjunktion ist nichts anderes als das scheinbare Zusammentreten zweier Planeten, wobei auch das Sternbild des Tierkreises wichtig ist, in dem dies geschieht. Die Konjunktion von J upiter und Saturn geschah im Jahr 7. v. Chr. gerade dreimal, nämlich im Mai, Oktober und Dezember. Die auffällige Konstellation dieser zwei Planeten, geschehen im Zeichen der Fische, ist selten 2• Die Frage lautet nun: Was hat diese Erscheinung einem Astrologen von damals 1 Diese Konjunktion wird meiste!ls in das Jahr 7 v. Chr. angesetzt, so z. B. von J. SCHNIEWIND, Das Evangelium nach Matthäus (NTD 2), Göttingen 91960, 17; von J. SCHMID, Das Evangelium nach Matthäus (RNT 1), Regensburg 31956, 46; von H. MERTENS, Handbuch der Bibelkunde, Düsseldorf 1966, 704; von P. GAECHTER, Das Matthäusevangelium, Innsbruck 1963, 61; von E. STAUFFER, Jesus, Gestalt und Geschichte, Bern 1957, 34 f.; von K. FERRARI o'OccHIEPPO, Der Stern der Weisen, Wien 1969, 112 und öfters. Dagegen setzt W. GuNDEL dieses Ereignis in das Jahr 5 v. Chr., siehe unter Astrologie = RAC I 827. Nachdem schon Origenes den Stern der Magier in astronomischem Sinn (als Komet!) erklärt hatte (Gegen Celsus, MIGNE PG 11, 767-770 = BKV, Origenes, Gegen Celsus, I 80 ff.), war vermutlich Johannes Kepler der erste Forscher, der die Konstellation Jupiter-Saturn im Zeichen der Fische zur Erklärung herangezogen hat. Vgl. W. GuNDEL, a. a. 0. 827. 2 Erhebliche Diskrepanzen findet man bei den Angaben, nach welcher Zeitspanne sich die Königskonstellation wiederholt. E. STAUFPER (a. a. 0. 34) schreibt: «die äußerst seltene Conjunctio Magna, die in dieser Form nur alle 794 Jahre eintritt.» Dagegen J. ScHNIEWIND (a. a. 0. 17): «die nur alle 257-258 Jahre eintritt.)) P. ScHNABEL (in ZA NF 2, 1925, 68f.) hingegen: «Wir müssen je sieben Jahrhunderte auf- und abwärts steigen, um die gleiche Konjunktion wiederzufinden.))
114
bedeutet? Jupiter, «der Vater der Götter und Menschen», wie Hesiod ihn nannte, nimmt unter den Göttern die höchste Stellung, eben die königliche, ein. Der Planet Jupiter ist also Königsstern. Der Saturn, dem babylonischen Kaimanu oder Ninib und dem griechischen Kronos gleichgesetzt, galt in der antiken östlichen Welt als Stern des Westens 1• Bekanntlich befand sich nach Meinung der Antike die Insel der Seligen, das Elysium, irgendwo im äußersten Westen des Ozeans, und dort hatte auch Kronos-Saturn seinen Wohnsitz. Insbesondere aber wurde Saturn mit dem J udenland, mit Palästina, verbunden. Wir werden sogleich darauf zurückkommen. Somit ergibt sich der Sinn ganz von selbst: Der Stern der Juden gesellt sich zum Königsstern = ein neuer Judenkönig ist gekommen.
2. Um die Zeit der Geburt Jesu ist Judentum und Sabbat und die Verbindung Sabbat - Saturn allgemein bekannt. Der römische Elegiendichter Tibull (ca. 54-17 v. Chr.) kennt den «Tag des Saturn» und damit höchst wahrscheinlich die Benennung auch der übrigen Wochentage nach den Planeten 2 • Ovid (43 v. Chr.-17/18 n. Chr.) weiß, daß die Juden in Rom den siebten Tag feiern, so daß viele Läden geschlossen bleiben und es schwer ist, Geschenke einzukaufen 3• Tacitus 1 «Von den Agyptern wird Jupiter als der Südstern bezeichnet; Venus gilt als West- und Oststern, Mars als West- und als Oststern, Saturn als Weststern ... » So H. GuNDEL, Planeten= RECAW 20 (1950) 2140. Es wird aufBouche-Leclercq L'Astrologie grecque, Paris 1899, Anm. 2 S. 201 verwiesen. Und hier zeigt sich, daß erstens das Prinzip, Planeten mit Himmelsrichtungen zu verbinden, von den Agyptern ausgegangen ist und zweitens, daß im besonderen die Saturn und Mars zugeteilte Himmelsrichtung verschieden sein konnte. Die ägyptische astrologische Tradition enthielt also Varianten, sogar Varianten kontradiktorischer Art. Siehe BoucHJ3-LECLERCQ, a. a. 0. 201 Anm. 2. - Sicher scheint mir jedenfalls, daß spätestens im 1. Jahrh. n. Chr. Judenland und Saturn fest miteinander verknüpft waren. Man beachte das Urteil von J. DE WITTE: «Ün ignore a quelle epoque remonte l'usage de designer par le nom d'un dieu ou d'une deesse chaque jour de Ia semaine. Mais assez generalement on est dispose a admettre comme point de depart Je premier siede de notre ere, ou tout au plus les dernieres annees de Ia Republique.» J. DE WITTE, Les divinites des sept jours de Ia semaine, = GA 3 (1877), 50-57 und 77-85, bes. 50. 2 TIBULLUS, Buch 1, 3. Elegie: « Saturnive sacram me tenuisse diem. » (Oder der Tag des Saturn, der mich zu warten bewog.) 3 Ovm, Ars amatoria, I 75 f. und 415 f.: «Nec te praetereat Veneri ploratus Adonis,
115
(ca. 55-120 n. Chr.), der den Juden und ihren Bräuchen im fünften Buch seiner Historien ein größeres Interesse zuwendet, weiß, daß sie den siebten Tag und das siebte Jahr(= Sabbatjahr) heiligen. Nach Ansicht gewisser Leute, wie er vorsichtig sagt, soll dadurch dem Saturn Ehre erwiesen werden! 1 S.Jul. Frontinus(ca. 40-ca. 103 n. Chr.) schreibt «vom Tag des Saturn, da es ihnen[= den Juden] als Sünde gilt, etwas Ernstliches zu unternehmen» 2 • Flavius Josephus darf es wagen zu schreiben, es gebe keine Stadt weder von Griechen noch von Barbaren und kein Volk, wo nicht die Gewohnheit bestünde, den siebten Tag, «den wir als Ruhetag überliefern», zu feiern 3• Ein Graffito in Pompeji, um etwa 50 n. Chr. anzusetzen, nennt in griechischer Sprache als «Tage der Götter: Kronos-Hellos-Selene-AresHermes - Zeus - Aphrodite» 4• Wir nennen zwei weitere Zeugnisse Cultaque Judaeo septima sacra Syro.» (Auch entgeh' es dir nicht, wenn Venus klagt um Adonis, Und wenn des siebenten Tags Feier der Jude begeht.) « Quaque die redeunt, rebus minus apta gerendis, Culta Palaestino septima festa Syro. >> (Oder am siebenten Tag, der nicht zu Geschäften sich eignet, Den als stehendes Fest Syriens Jude begeht.) 1 TACITUS, Historien, V 4: «Jeweils den siebten Tag zur Ruhe zu bestimmen, sagte ihnen angeblich deshalb zu, weil dieser Tag das Ende ihrer Mühsal gebracht habe. Daß sie weiterhin auch jedes siebte Jahr dem Müßiggang weihten, soll von ihrer Freude am Nichtstun herrühren. Nach anderer Ansicht wird damit dem Saturn eine Ehre erwiesen ... >> (Tacitus, Historien, lateinisch-deutsch, herausgegeben von J. Borst, München 21969). 2 FRONTINus, Strategemata II, 1, 17.- Die ganze Stelle lautet: «Divus Augustus Vespasianus Judaeos Saturni die, quo eis nefas est quicquam seriae rei agere, adortus superavit.» (Der vergöttlichte Augustus Vespasian griff die Juden am Tag des Saturn an, wo es bei ihnen Sünde ist, sich mit ernstlichen Dingen zu beschäftigen, und trug den Sieg davon.) (Frontin, Kriegslisten- Lateinisch und deutsch, von Gerhard Bendz, Berlin 1963.) 3 FL. JosEPHUS, Contra Apionem Il 282 (= 2, 39). 4 W. KuBITSCHEK, Grundriß der antiken Zeitrechnung, München 1928, 37.Werden die im Text genannten griechischen Gottheiten durch die entsprechenden lateinischen ersetzt (Kronos = Saturn, Helios = Sol = Sonne; Selene= Luna = Mond; Ares = Mars; Hermes = Merkur; Zeus = Jupiter; Aphrodite = Venus), so kommen die heute noch in europäischen Sprachen geltenden Namen der Wochentage zum Vorschein: Satur-day (englisch) und Sater-tag (in gewissen Gegenden Deutschlands) = Tag des Saturns. (Samr-tag geht auf ein vulgär-griechisches rambaton [ = rabbaton] zurück, vgl. franz. rame-di I - Siehe Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache von F. KLUGE, Berlin 171957, 623 «Samstag».) Sonn-tag, Smz-day (eng!.) = Tag der Sonne. Mon(d)-tag, Lune-di (ital.), Lun-di (franz.), Mon-day (eng!.) = Tag des Mondes. Marte-di (ital.), Mar-di (franz.), Ziu-tag (die Iatein. Gottheit wurde durch eine
116
aus Pompeji. Der erste Fund ist eine Malerei, 1760 freigelegt, mit der Darstellung der sieben Schutzgottheiten der Wochentage in folgender Reihenfolge: Saturn- Sonne- Mond- Mars - 1Ierkur - JupitcrVenus 1 • Der zweite Fund ist ein lateinisches Graffito, das jeden Tag der Planetenwoche in der soeben genannten und heute noch fortlebenden Ordnung nennt. Der Fund wurde 1927 erstmals veröffentlicht 2 • Cassius Dio (2.f3. Jahrh.) kennt den «Tag des Kronos» bei den Juden. Er kennt unsere Woche mit den Planetentagen und gibt die Erklärung dafür, warum die Planetentage diese Reihenfolge aufweisen 3• So versteht man das Urteil von Ulrich Kahrstedt, einem vorzüglichen Kenner der römischen Kaiserzeit: «Das Judentum ist jedermann geläufig; für den älteren Plinius ist nicht. Babyion oder Memphis, sondern Jetusalern die berühmteste alte Stadt des Morgenlandes ... Den Sabbat als eine praktische Einrichtung halten auch Heiden, schon Horaz kennt diesen Brauch, im 1. Jahrhundert wird er überall vorausgesetzt ... Keine der vom Osten vordringenden Religionen dürfte im 1. und im frühen 2. Jahrhundert eine so hohe Zahl von Anhängern gehabt haben wie das Judentum» 4 • Daraus dürfte klar hervorgehen, daß zur Zeit der Entstehung der Evangelien der Zusammenhang Judentum - Sabbat- Saturn bekannt war. Aber hat man zur fraglichen Zeit die Jupiter-Saturn-Konjunktion tatsächlich gekannt, hat man dafür Interesse gehabt? Dafür zeugt vor allem ein Keilschrifttext des Jahres 7 v. Chr. der sog. «Sternkalender von Sippar», der 1925 publiziert worden ist 5 • Die Tafel ist beschädigt und schwer lesbar. Die Jahresangabe und die Monatsnamen fehlen, sie konnten aber mit Sicherheit erschlossen werden. Der Kalender enthält die Prognostik der wichtigsten planetarischen germanische ersetzt!) = Tag des Mars bzw. Ziu («Zisch-tig» in schweizerdeutscher Mundart). Mercole-di (ital.), Mercre-di (franz.) = Tag des Merkur. Giove-di (ital.), Jeu-di (franz.), Donars-tag (die latein. Gottheit durch eine germanische ersetzt) = Tag des Zeus bzw. des Donar. Vener-di (ital.), Vendre-di (franz.), Freya-tag (latein. Gottheit durch eine germanische ersetzt), Fri-dqy (eng!.) = Tag der Venus bzw. der Freya. 1 J. DE WrTTE, Les divinites des sept jours de la semaine, in GA, Paris 3 (1877), 79. 2 W. KuBITSCHEK, a. a. 0., Nachtrag S. 232. 3 CAssrus Dro, Römische Geschichte, 37. Buch, 17 und 18. 4 U. KAHRSTEDT, Kulturgeschichte der römischen Kaiserzeit, Bern 21958, 384f. 5 P. ScHNABEL, Der jüngste datierbare Keilschrifttext, ZA NF 2 (1925), 66--70.
117
Erscheinungen, einschließlich derer von Sonne und Mond, und reicht über sieben Monate, nämlich vom Frühlingsmonat Nisan bis zum Herbstmonat Tischri des Jahres 7, also von März/April bis September/Oktober jenes Jahres. Der übrige Teil der Daten befand sich vermutlich auf der Rückseite, deren Text nicht erhalten ist. Ein wichtiges, vielleicht das wichtigste Thema des Textes ist Jupiter und Saturn («Kaiwanu») im Zeichen der Fische. Die Konjunktion der beiden Planeten war vorausberechnet, wie die Bemerkung über eine Sonnenfinsternis anzeigt, von der gesagt wird, sie sei zu beobachten. Sodann wird als weiterer Zeuge für das Interesse an den Planetenbewegungen angeführt die «Berliner Planetentafel», ein Papyrus aus den früheren Königlichen Museen in Berlin. Der Papyrus enthält eine große Tabelle über die Bewegungen der Planeten und ihre Stellung in den zwölf Tierkreiszeichen für die Jahre 17 v. Chr. bis 10 nach Christus. Der Text ist eine Abschrift, geschrieben auf die leere Rückseite eines griechischen Aktenstückes (über Korneingänge) und datiert aus der Regierungszeit des Kaisers Claudius (41-54 n. Chr.) 1• Kehren wir zurück zur Sternerscheinung, wie sie bei Mattäus beschrieben wird. Zwei Phasen sind zu unterscheiden. Die erste betrifft das Aufgehen oder Aufsteigen des Sternes, das von den Magiern beobachtet und gedeutet wird. Sie machen sich- gemäß Text- auf und gelangen in die Hauptstadt des J udenlandes, J erusalem (Mt 2,1 f. ). In Vers 9 beginnt die zweite Phase der Sternbewegung, wenn gesagt ist: der Stern «ging vor ihnen her, bis er ankam und stehenblieb über dem Ort, wo das Kind war». Diese Bewegung ist für einen Fixstern grundsätzlich unmöglich, weil diese sich ja nicht bewegen, aber auch für einen Planeten unmöglich, weil diese sich zwar bewegen, aber nicht von Norden nach Süden; die Normalbewegung der Planeten geht von Westen nach Osten. Eine Nord-Südbewegung käme nur in Frage bei den sonnennahen Planeten Merkur und Venus und nur für sehr kurze Zeit während den sog. Schleifenbewegungen. Bei Saturn aber spielen diese für das menschliche Auge kaum eine Rolle. Zudem sind an der «Königskonjunktion» zwei Sterne beteiligt, nämlich Jupiter und Saturn. Weder Jupiter allein noch Saturn allein bedeuten da etwas, nur die Konjunktion beider ist aussagekräftig. Beachten wir auch die Bemerkung über den Wunderstern: «bis er ankommend 1 W. SPIEGELBERG, Demotische Papyrus aus den königl. Museen zu Berlin, Leipzig und Berlin 1902, 29-32.
118
stehenblieb über dem Ort, wo das Kind war». Kann ein Stern über einer menschlichen Wohnung, also über einem Haus, stehen bleiben? Sobald man diesem Haus näher kommt, steht der Stern wieder über einem andem Haus, und, wenn das letzte Gebäude der Ortschaft erreicht ist, weist der Stern bereits wieder in die Feme auf eine andere Stadt und auf neue Häuser. Sterne stehen eben ihrer Natur nach in «himmelweiten> Entfernung von uns und eignen sich nicht zur Kennzeichnung eines bestimmten Hauses. Möglich wäre dies nur unter der Voraussetzung, daß nicht an irgend einen Stern unseres Weltalls gedacht wird, sondern an eine subjektive Affektion der Augen, was als ein Wunder zu bezeichnen wäre. Man nimmt in diesem Zusammenhang - um die zweite Phase der Sternerscheinung natürlich erklären zu können - Zuflucht zum sog. Zodiakallicht. Dies ist eine bekannte Lichterscheinung, zurückgehend auf die Reflexion des Sonnenlichtes nach dem Untergang oder vor dem Aufgang der Sonne. Aber ist so ein diffuser Lichtschein, ein Lichtkegel, geeignet, ein einzelnes Haus zu bezeichnen? Und kann dieser Lichtschimmer ein Stern genannt werden? Beide Fragen müssen klar verneint werden. Fassen wir das Gesagte zusammen: Während schon die erste Phase der Sternerscheinung (Mt 2,1 f.) kaum oder nu:r sehr schwer mit einer natürlichen astronomischen Erscheinung, z. B. mit der Königskonjunktion des Jahres 7 v. Chr., zusammengebracht werden kann, bietet die zweite Phase (Mt 2, 9) die allergrößten Schwierigkeiten für jede natürliche Erklärung. Somit ergibt sich, daß auch die Jupiter-SatumKonstellation das Problem des Sternes in Mt 2,1-10 nicht lösen kann. Man darf Adolf Schlatter zustimmen, wenn er schreibt: «Die Vermutung, daß eine Konjunktur des J upiter mit dem Satum hinter der Erzählung stehe, entspricht vielleicht dem, was geschehen ist. Das ist aber nicht das, was Mattäus gesagt hat. Zu ihm ist keine deutliche Vorstellung vom Stern des Christus gelangt» 1•
3. Wenden wir uns wieder dem biblischen Text zu. Die wichtigste Feststellung, die betr. Mt 2,1-12 zu machen war, ist die: Dieses größte Erzählstück der mattäischen Vorgeschichte enthält kein Erfüllungszitat. Es fehlt die übliche Einführungsformel, sowohl die volle aust
A. ScHLATTER, Der Evangelist Matthäus, Stuttgart 61963, 31. 119
führliche, wie in Mt 1,22, als auch eine abgekürzte wie in 2,15; 2,17; 2, 23. Es fehlt auch der spezifische Ausdruck, der sonst bei jedem Erfüllungszitat angewendet wird, nämlich eine Verbalform von 7tA.1Jp6w, das den Gedanken der Erfüllung, Vollendung, Verwirklichung ausdrückt. Das Zitat Mt 2, 6 ist sicher kein Erfüllungszitat. Es will auch keines sein, sonst wäre der Gedanke der Erfüllung durch das entsprechende Verb ausgedrückt worden. Ist es wenigstens ein Reflexionszitat? Das Erfüllungszitat spricht die Reflexion des Evangelisten aus, daß sich - nach seiner Ansicht - durch das geschilderte Ereignis diese oder jene Schriftstelle erfüllt habe. Jedes echte Erfüllungszitat ist auch ein Reflexionszitat. Es gibt aber auch verdeckte Reflexionszitate. Solche entstehen, wenn der Evangelist seinen Gedanken irgend jemandem der in der Erzählung vorkommenden Personen in den Mund legt. Das Zitat Mt 2,6 wird den Schriftgelehrten und Hohepriestern in den Mund gelegt. Deren Antwort könnte kurz und knapp lauten «
Erfüllungszitate eingefügt hat, nicht auf dieselbe Stufe gestellt wie die Joseferzählungen. Die Magiergeschichte wurde anders qualifiziert als die Josefberichte. Sie ist inmitten des Josefblockes ein Fremdkörper, ein Einschiebsel, bildet allerdings in der heutigen Form mit ihm eine Einheit. Wenn die Josefberichte auf Grund ihrer Erfüllungszitate gewisse Fakten enthalten, kann dasselbe von der Magiergeschichte nicht gesagt werden, wenigstens nicht im gleichen Maß. Lassen sich auf Grund der J osefberichte gewisse historische Begebenheiten herausschälen, so kann dies auf Grund der Magiergeschichte nicht in gleicher Weise geschehen. Vielmehr sind in ihr Züge zu erkennen, die in anderen Erzählgattungen zu finden sind. Die Jascferzählungen sind grundsätzlich historische Berichte, die Magiergeschichte ist grundsätzlich etwas anderes. Auf die Josefberichte werden wir zurückkommen. Die Magiergeschichte soll jetzt noch näher betrachtet werden. Ist die J\Jagiergeschichte grundsätzlich nichthistorischer Art, dann muß sie entweder eine Legende oder eine literarische Komposition sein. Die Legende im strengen Sinn ist etwas Gewachsenes, die Komposition etwas Gemachtes. Die Legende hat einen historischen Kern, um ihn herum bildet sich erbauliche Ausschmückung und Erweiterung. Sie ist ein Rankenwerk, das auf dem Weg der Weitererzählung gewachsen ist, ohne erkennbaren Autor, also anonym, Volkserzählung. Legenden wachsen auf historischem Boden, um eine religiöse Person oder um einen religiösen Ort; deshalb haben sie stets, nur graduell verschieden, einen gewissen historischen Kern. Die Legenden, aus religiöser Verehrung oder Begeisterung erwachsen, sind geeignet, Glaubensaussagen zu machen. Die religiöse Komposition kann dasselbe Ziel haben, aber sie ist sinnvoll und zielbewußt gemacht. Sie hat einen bestimmten Autor, der bekannt oder unbekannt sein mag. Die jüdischen Rabbinen haben viele solche Erzählungen geschaffen, die Midraschim. Es ist ohne weiteres zu erwarten, daß auch innerhalb der christlichen Gemeinde, die ja ihre Wurzeln im Judentum hat, Midraschim entstanden sind, demgemäß also christliche Midraschim. Gewiß, die Wirklichkeit kann die Unterschiede zwischen Legende und Midrasch verwischen, oft aber und in der Regel bleibt der Charakter erhalten und erkennbar. Die Magiergeschichte ist in die Kategorien von Legende und Midrasch einzuordnen.
121
4. Versuchen wir einen Überblick über jene Züge dieser Geschichte, die historisch sicher oder glaubhaft oder wenigstens möglich sind und über jene, die historisch unglaubhaft oder verdächtig sind. 1. Als historisch sicher muß die Geburt Jesu in Betlehem in der Zeit des Königs Herodes d. Gr. betrachtet werden. 2. Eine faktische Gegebenheit ist die «Königskonstellation» von Jupiter und Saturn im Jahre 7 (5 ?) v. Chr. und ihre Beobachtung durch Sternkundige. 3. Historisch glaubhaft ist die Charakterschilderung des Herodes als eines Herrschers, der mißtrauisch und argwöhnisch ist, der sich verstellen kann, der Spione aussendet und den Palast und die Hauptstadt mit Schrecken erfüllt 1• 4. Historisch möglich ist es, daß die Geburt eines Davidnachkommen in der Umgebung von Betlehem bekannt wurde und daß eine kleine Gruppe von einfachen Leuten dieses Kind im Nimbus des Messias gesehen hat. Da das Kind in einem ärmlichen Milieu zur Welt kam und das messianische Gerede in ebensolchem Milieu geschah, blieb eine größere Wirkung aus bzw. die Sache wurde nicht für verheißungsvoll angesehen und das Kind verschwand ja bald aus dem Gesichtskreis der Leute. Historisch unwahrscheinlich und unglaubwürdig ist: 1. Die Schwenkung des Sterns in Jetusalern und seine Bewegung von Norden nach Süden, ebenso sein Verweilen über der Stelle, wo das Kind war. 2. Das Zusammenrufen «aller Hohepriester und Schriftgelehrten» durch Herodes, um den Geburtsort des Messias zu erfahren. Daß Betlehem, der Heimatort Davids, auch als Geburtsort des Messias galt, dürfte Herodes längst. gewußt :haben. 3. Daß Herodes erwartet, die\'iMagiec:W,:iirden nach Auffindung d(i.S Kindes zu ihin zur,:ückkeh4n, l.lm '~richt ~ ers,tatten. D~n Mi. gi~rn ~ann ~h~pe,~tgan?:·' ..~e~, :~.'.:~-. am;;:~?f(~fug Tfi.to~a~~ ... :·'farter:yorha~d~~~d;..si~~ ·!!rn:, . : ~t so -~tV.:s.;t~an.z~~tnF~ . .. 4er regter~ni·:~g w.e r~~~lf't:.f: ,.... ~es_ t;w~fa~~ etn~~All~~ .• ··:_.w,erkef{f· d'ü_·li_.·:··aJ*'·~~-~-···qrut_._· t. :·'·"tr~:~·---,l;~ -~" ;~d~·.~•... m.~- iy~li'-:p.·~· .'i ,] 1 , (·li. , . _,. -:~: . i.~.,-- ·'f":.·-:i\t--._}R~--~ ._ ~.~--.{·tt:-.; :,ji:~4--.~~. _~, ~;_ t.,. ~;;·r.ß _ . 1·} .• ,. 1 -~ .. ~~ ·.····· r•,: ·~····., .·: .,,.t~· .. -:..-:'''''. ·.;,: 1.,. ~--~· ,,,_.,. "_~;i; ........ ···&t·l.-.·~·-•· .. · . ·~ ··ll1·!~ ~,,\1' -·•- ··· J --1~ ~~L·_ 'f}\·~-·-. 'ä"''~.}.F'· ... - ,'\:!-• •' _ ~V"-~· _-"' · c~ 0; :t~'~ir · I ;.,.L ,,J.O$l'kl r;udiil , ,,\:IIP~:~w ·.i •. 5;~~.:1'; iil!!'·· :? ß . ·t, ;~1-1':; ~.... ;~ .:\~,t·i'" ,;; i_ .•
·. ·
235ff. (= 16, 8, 2); XVI 253. (= 16, 8, 4); XVI 71 (= 16, 3, 1).
122
4. Daß die Magier, die ein Königskind an einem Königshof erwarten, einem Kind aus ärmlicher Familie in Handwerkermilieu königliche Huldigung darbringen. Diese Beobachtungen zusammen mit der Feststellung, daß ein diesbezügliches Erfüllungszitat fehlt mitten in einem Komplex von Erzählungen, deren jede mit einem Erfüllungszitat abschließt, berechtigen uns zur Annahme, daß hier keine Geschiehtsetzählung vorliegt, sondern ein Midrasch oder eine Legende. · Die Magiergeschichte enthält Elemente sowohl der Legende wie des Midrasch. Damit will gesagt sein, daß nicht die ganze Magiergeschichte in all ihren Teilen dichterische Komposition sei, sondern daß ein gewisser historischer Hintergrund und historische Elemente darin liegen. Recht gut fügen sich hier einige Sätze aus dem Vorwort des jüdischen Werkes «Aus Israels Lehrhallen» von August Wünsche ein, um Sinn und Geist des Midrasch zu beleuchten: «Aber auch vom dichterischen Gesichtspunkte verdienen die kleinen Midraschim Beachtung .. . Die Phantasie mag noch so umrankend und üppig wuchernd gestalten, allenthalben geschieht es im Geist der biblischen Schriftsteller. Die dichterische Zutat ist dem Geiste des Alten Testamentes kongenial. Wir haben plastische Gemälde vor uns von großer Lebendigkeit und Anschaulichkeit. Oft geht durch sie sogar ein frischer dramatischer Zug mit reichem Wechsel der Szenerie. Man hört Monologe und Dialoge, bald oben im Himmel, bald unten auf der Erde. Engel steigen auf göttliches Geheiß hernieder und greifen in die Handlung ein. Bisweilen erscheint Gott selbst auf dem Plan und gibt der kritischen Situation entscheidende Wendung ... » 1 Mit der echten Legende hat dle Magiergeschichte gemeinsam, daß der historische Hintergrund und darüber hinaus zutreffende historische Züge vorhanden. sind, vor allem aber die religiös belehrende, erbauende und geilii.its~ft ergreif~nqe Tendenz. Sie hat mit dem .Midrasch gemein$a .1'~: ga~ sie :~m ~ine;:jSobrift~telle angelegt ist - hier .is~.es (Mt 2,6) Mt···· ~~hbl.die erzä~epd,~edepte~ und um die herum
:.t~e si~~vo,lle, ~~··.•
·.~It1*· c;~et. Erz. jl:l
'A' n.;J,.~.;:,ii.'I:!. ~·. '".' .·'.Ii!· 1 :~ 1'1: ;•rn :p,··~~)W~cl'jll ·. . ·:cJariS'cH~.kae~ll.Jjt;
~~~f4,:~.rba.~c~~.;,f:~z~.?lu4g gelept wird. J?er .e~.:.·. de~/. J ~l.J.:.~...·.~st:·itl. er; erwa(l:....ete Messtas:f! '''h~ cj ~: ' rst: ··. ;schickt und
·~I'
,
·' •s, · ··'·(:t\wf .~~,.,~JJP-9.cr o.,,
. ~·.J-:-< r. ;· \ }·~P: :. 'J·~:_,.i s~,,;,)i\, .~.· il1i.
~.. ·4· ;·: '; ·
.;\·
,~. • ~ ,. ~&;!~..".· .· ·~.:: . . . . ·;i1·'· ••'', ... •:.··.· ::1: ... . · · . · ... ~'W': . ~~~~\!lirt'zHt;~pat~ren)egen,., 'f iishesnfi" t j;.i(R:-i!P\!oglli:'· Naehdrhck·'A'u'Sg., ".
Leipzig 1907), I, Vorwort. 123
durch diesen Stern Heiden aus der Ferne herbeiführt, die dem neu:.. geborenen Messias huldigen, während sein eigenes Volk passiv bleibt, der König ihm sogar nach dem Leben trachtet.
5. Die Idee des Königtums Jesu ist den Evangelien nicht fremd. Sie ist einmal gegeben mit der Anerkennung seines Messiasanspruchs. Sie tritt ferner im Mattäusevangelium hervor: beim Einzug Jesu in Jerusalem («Siehe, dein König kommt zu dir» Mt 21,5), in der Rede vom Weltgericht (Mt 25,34), bei der Verhandlung vor Pilatus (Mt 27, 11 par), bei der Verspottung durch die Soldaten (Mt 27,29 par), durch den Schuldtitel am Kreuz (Mt 27, 37), bei der Verhöhnung durch jüdische Prominente (Mt 27,42). Woher kam die Idee vom «Königsstern»? Nicht aus dem einheimischen Judentum l Gegen astrologische Einflüsse, von denen damals die Welt voll war, hat sich der jüdische Glaube erfolgreich verteidigt. Die Astrologie war in Mesopotamien zu hause. Man denke an die ersten Namen, die in der Völkertabelle Apg 2, 9 genannt werden: Parther, Meder und Elamiter. Die Parther, Nachfolger des alten Perserreiches, waren gerade damals ein oft genanntes Volk, sie gaben den Römern, angefangen von Caesar durch die Kaiserzeit hindurch bis ins 3. Jahrhundert, viel zu schaffen. Vor allem bekannt ist der Zug des armenischen Königs Tiridates nach Rom, um Herrschaft und Krone dieses Landes sich zu sichern und als vom römischen Senat anerkannter König nach Armenien zurückzukehren. In Parthien gab es eine Judenkolonie, wie 1 Makk 15,22 voraussetzt. Von den beiden nächsten Völkernamen, Medern und Elamitern, heißt es, sie seien um jene Zeit bereits als antiquiert, weil nicht mehr existent, zu betrachten 1 • Doch spricht z. B. Tacitus unbedenklich von Medien und den Medern 2 • Beide Ländernamen, Medien 1 E. HAENCHEN, Die Apostelgeschichte, Göttingen 13 1961, 134: «Der Name 'Meder' gehörte längst der Vergangenheit an, und Elam, nördlich vom Persischen Golf, ebenso.» Von Elam dürfte dies gelten, nicht aber von Medien. 2 Daß der Name Meder und Medien noch durchaus lebendig geblieben war, ist aus T ACITUS zu ersehen. Siehe Annalen: II 4 und 56; VI 34; XII 14; XIII 41 ; XIV 26; XV 2 und 31. - Dasselbe bezeugt F. )OSEPHUS in seinen Schriften. Siehe: A complete Concordance to Flavius Josephus, ed. by K. H. RENGSTORF, Suppl. I, Namenwörterbuch zu Flavius Josephus von A. ScHALlT, Leiden 1968 (Media, Medike, Medoi, gr.) 86. -Von RABBI JosE BEN KrsMA (um 110 n. Chr.) ist ein Wort überliefert, das er vor seinem Tod gesprochen hat: «Versenkt meinen Sarg ganz tief, denn es gibt keine Palme in Babylonien, an der nicht ein persisches
124
und Elam, kommen auch im Talmud vor. Man hielt in talmudischer Zeit das Gebiet von Medien für das Hauptexilsland der zehn Stämme 1 • Medien samt dem alten Elam gehörten damals zum großen Partherreich, in dem offenbar von den Babyioniern her die alten astronomischen und astrologischen Traditionen weiterlebten 2 • Aus dem Talmud ist bekannt, daß die jüdischen Familien in jenem Exilsgebiet sich stark mit heidnischen Elementen vermischt hatten. Man darf somit kombinieren: Große Judenschaft - viele Mischehen - viele Proselyten. Hier darf man nun auf die Völkerliste von Apg 2, 9 ff. hinweisen, die beginnt mit «Parther und Meder und Elamiter ... » Hat Lukas an dieser Stelle im Zusammenhang mit dem Pfingstereignis lediglich eine vorgegebene Völkerliste eingefügt oder enthält die Liste nicht doch wenigstens zum Teil die Erinnerung an tatsächliche Verhältnisse? Man darf wohl die Vermutung äußern, daß die frühe Glaubensannahme von Juden aus diesem Gebiet, dem damaligen Partherreich, die Anregung zur Magiergeschichte gegeben hat. Die Magier kamen ja, wie Mt 2, 1 berichtet, aus dem Osten. Dort sind die Parther, Meder und Elamiter zuhause, dort lag die alte Wiege der Sternkunde und des Sternglaubens. Es ist doch eigenartig und höchst auffällig, daß ein Evangeliumstext aus judenchristlichem Milieu, wie für die mattäische Vorgeschichte angenommen wird, ein so astrologisches Stück enthält wie die Magiergeschichte. - Damit wird lediglich der V ersuch gemacht, die Entstehung dieses christlichen Midrasch zu erklären, der so stark astrologisch gefärbt ist. Pferd angebunden sein wird, und es gibt keinen Sarg im Lande Israel, aus dem nicht ein medisches Pferd sein Futter fressen wird.» (BT Sanhedrin 98a/b). - Zu der ersten Generation der tannaitischen Schriftgelehrten gehört «Nachum, der Meder», der um 70 n. Chr. gewirkt hat. Siehe: STRACK-BILLERBECK VI 110 (= Verzeichnis der Schriftgelehrten, von }OACHIM }EREMIAS, München 1961). 1 «Die Deportierten des Zehnstämme-Reiches erhielten als Ansiedlungsgebiet nach 2 Kg 17,6; 18,11 zugewiesen Chalach, die Gegend am Chaborfluß in Gozan und die Städte Mediens ... » STRACK-BILLERBECK II 606. «Hiernach hat man in der talmudischen Zeit im großen und ganzen die Provinz Medien für das Hauptexilsland der 10 Stämme gehalten ... Wegen der vielen Mischehen, die bei den medischen Juden vorkamen, trug man gegen eine eheliche Verbindung mit ihnen Bedenken.» Ebenda 607. 2 C. CLEMEN, «Magoi» = RECAW, 14. 510 f.- G. DELLING: «Ob Mt 2,1 (2, 16) ... speziell 'babylonische Astrologen' oder ganz allgemein Astrologen gemeint sind, ist kaum ganz sicher festzustellen. Das erstere ist wahrscheinlich dadurch, daß eigentlich nur in Babylonien durch Berührung mit den Exulanten die magoi Interesse für den jüdischen 'König' (Messias) gewonnen haben konnten» (TWNT, IV 362). 125
So darf gesagt werden: Die Magiergeschichte ist ein urchristlicher Midrasch, der vom Michazitat ausgeht und - dieses erweiternd - aussagen will: Gott hat auch die Heiden berufen, Jesus als den Messiaskönig aller Völker zu erkennen und zu verehren. Der Midrasch ist jedoch nicht in allen Teilen erdichtet, sondern er knüpft an bedeutsame historische Ereignisse an. Er ist von einem Meister der christlichen Erzähltradition oder, wenn man an jüdische Formen anknüpfen will, der christlichen Haggada geschrieben und verkündet sinnvoll und zielbewußt die Botschaft vom großen Völkerhirten Jesus Christus. 6. Es ist reizvoll, nach dem Anlaß zu fragen, der zur Entstehung dieses christlichen Midrasch geführt haben kann. Hier drängt sich der Gedanke auf, der schon Albrecht Dieterich um 1902 beschäftigt hat 1, daß der Zug des Magierkönigs Tiridates, Bruders des Partherkönigs Vologaeses I, nach Rom, um Kaiser Nero zu huldigen und aus seiner Hand die Krone Armeniens entgegenzunehmen, den Anstoß zur Bildung des Midrasch gegeben haben kann. Das Ereignis fällt in das Jahr 66 n. Christus. Der Zug des Ti:ridates glich, wie man den zeitgenössischen Berichten entnehmen kann, einem prunkhaften Triumphzug; denn der reiche und ehrgeizige Parther war begleitet von zahlreichen königlichen Verwandten, von seinem ganzen Hofstaat, von vornehmen Römern und von rund 3000 partbischen Reitern. Sueton und Cassius Dio berichten z. T. ausführlich über das Ereignis, das großes Aufsehen erregt haben muß 2 • Die römische Staatskasse gab für die Versorgung dieses Magierzuges täglich 200.000 Denare aus. Die Reise ging vom Partherreich aus, vermutlich am Nordrand Kleinasiens entlang nach Byzanz und führte von dort über Thrazien, Mazedonien, Illyricum, das jonische Meer nach Süditalien und über Neapel nach Rom. Der Rückweg berührte die großen und reichen Städte A. DIETERICH, Die Weisen aus dem Morgenlande, ZNW 3 (1902), 1-14. CAssms Dw, Römische Geschichte, Buch 62 und 63. SuETON, Leben der Caesaren, Nero, Nr. 13 und 30. Auch TACITUS in den Annalen 16, 23 erwähnt das Ereignis. «Der Bericht über die Reise des Tiridates und das großartige Volksfest, das Nero aus der Krönung des armenischen Königs machte, ist leider mit der zweiten Hälfte des 16. Buches verloren.» (Tacitus, Annalen, deutsch von A. Horneffer, Stuttgart 1964, Anm. 25 S. 569.) 1
2
126
Kleinasiens, wo pompöse Empfänge orgarustert wurden. Es kann nicht unbekannt geblieben sein, mit welcHen Worten bei jenem feierlichen Akt auf der Rednertribüne des römischen Forums Tiridates sich vor Nero niederwarf: «Ego ... tuus servus sum, venique, ut te deum meum non secus ac mithran, id est solem, colerem» 1• Plinius betont, daß Tiridates als Magier nach Rom gezogen war: «Magus ad eum Tiridates venerat, Armeniacum de se triumphum afferens ... Magos secum adduxerat. Magicis etiam coenis eum initiaverat ... » 2 Nun ist allerdings aus Plinius nicht klar ersichtlich, in welchem Sinn hier die Bezeichnung Magus zu nehmen ist. Von einer Sternerscheinung ist nichts gesagt und von Astrologie ist auch nicht die Rede. Magus kann eben auch im Sinne von «
127
der Christusgläubigen, was wiederum Tacitus näher berichtet: «Man machte aus ihrer Hinrichtung ein lustiges Fest: In Tierhäuten steckend, wurden sie entweder von Hunden zerfleischt oder ans Kreuz geschlagen oder angezündet, um nach Eintritt der Dunkelheit als Pakkein zu dienen. Nero hatte seine eigenen Parkanlagen für dieses Schauspiel hergegeben und verband es mit einer Zirkusaufführung; in der Tracht der Wagenlenker trieb er sich unter dem Volke umher oder fuhr auf dem Rennwagen. So regte sich das Mitleid mit jenen Menschen. Obwohl sie schuldig waren und die härtesten Strafen verdient hatten, fielen sie ja doch nicht dem Allgemeinwohl, sondern der Grausamkeit eines einzigen zum Opfer» 1 • Es ist klar, daß diese Vorgänge in Rom überall in den christlichen Gemeinden bekannt wurden und entsprechende Reaktionen hervorriefen. In dieselbe Zeit etwa fällt der Zeugentod des Völkerapostels Paulus und des ersten von den Zwölf, Petrus. Im Jahr 66 saßen die beiden wohl bereits in Haft ohne Hoffnung auf Freispruch. Zeit der Prüfung und Heimsuchung! Der Kaiser, gottgesetzte Obrigkeit, vom Magierkönig als Gott angesprochen, zeigt sich als Brandstifter, als ungerechter Richter und grausamer Henker unschuldiger Menschen. Die Geschichte von den Magiern, die von einem wunderbaren Stern an die Wiege des wahren Königs und gottgesandten Messias gerufen werden, um ihm zu huldigen, kann vielleicht als christliche Konkurrenzerzählung zum Bericht über den Tiridateszug nach Rom angesehen werden. Trost und Erbauung in schwerer Zeit: In der Magiergeschichte erhält der neugeborene Messias die Huldigung, die ihm gebührt. Möglicherweise liegt darin auch eine versteckte Polemik: Die Huldigung, die Nero dargebracht wurde, gebührt einem anderen, dem Heiland der Welt! Derjenige, dem Verehrung und Huldigung aller Menschen gehört, ist in Betlehem geboren worden. Sein eigenes Volk hat ihn nicht erkannt. Aber Heiden haben ihn erkannt und haben ihm gehuldigt 2• Diese Vorstellung erhält eine Stütze, wenn, wie die und den Untergang Trojas besungen, indem er die gegenwärtige Not dem alten Unglück verglich.» A. a. 0. 15, 39. «Aber das entsetzliche Gerücht, Nero selber habe den Brand anlegen lassen, wollte sich durch keine teilnahmsvolle Unterstützung, durch keine Schenkungen und Sühnezeremonien aus der Welt schaffen lassen.» A. a. 0. 15, 44. 1 TACITUS, a. a. 0. 15, 44. 2 «Im Erfolg der urchristlichen Missionspredigt bei den Heiden» sieht E. NELLESSEN (Das Kind und seine Mutter, SBS 39, Stuttgart 1969, 120) vor allem die Beziehung der Magiererzählung zur Geschichte. Dieser Auffassung kann man
128
Apostelakten berichten, Angehörige des Parthervolkes - «Parther und Meder und Elamiter» (Apg 2, 9) -in frühester Zeit Zugang zum Glauben an Jesus gefunden haben. Daß das Mattäusevangelium erst nach dem Jahr 70 abgefaßt worden ist, dürfte heute allgemeine Annahme sein. Der Tiridateszug fällt also jedenfalls vor die Endredaktion dieses Evangeliums und sicher in die Entstehungszeit seiner Quellen. gern zustimmen. Doch hält NeUessen es «nicht wahrscheinlich, daß die Huldigungsfahrt des Tiridates als Modell für den Magierbericht gedient hat» (a. a. 0.120). Hingegen sagt er: «Die Erzählung von den Magiern wirkt wie ein Kommentar zu Mt 8,11 f.: 'Viele werden vom Aufgang (apo anatolon) und vom Untergang kommen und sich mit Abraham, Isaak und Jakob im Reiche der Himmel zu Tische setzen. Die Söhne des Reiches dagegen werden in die Finsternis, die draußen ist, hinausgestoßen werden.' Die Magiererzählung ist also auf Geschichte bezogen. Nur dürfte ihr Bezugspunkt weniger in Ereignissen der frühen Kindheit des Herrn liegen als vielmehr im Erfolg der urchristlichen Missionspredigt bei den Heiden» (a. a. 0. 120). Das ist gewiß ein gutes Urteil. Warum aber sollte der Tiridateszug, der um 66 n. Chr. so viel Aufsehen erregt hat, nicht stimulierend gewirkt und als Modell gedient haben?
9
129
V DIE ENGELERSCHEINUNGEN IN DER MATTÄISCHEN VORGESCHICHTE
Es handelt sich um insgesamt fünf Engelerscheinungen in diesen zwei Kapiteln der Vorgeschichte. Eine Erscheinung wird eingeführt durch eine längere oder kürzere Formel. Die längere Formel wird dreimal verwendet, nämlich in: 1,20; 2,13 und 2,19. Sie lautet jedesmal fast genau gleich: t8ou &yye'Ao~ xup(ou xoc-r' Övocp EqJOCV1J (cpoc(veut) 'Aty(J)v
«Siehe, ein Engel des Herrn erschien (erscheint) im Traum und sprach» ... Die Kurzformel, gebraucht in 2,12 und 2,22, lautet: X.P1J!J.IX"rLu6Ev-re~ (X.P1J!J.IX"rLu6d~) xoc-r' Övocp
«Als sie im Traum die Weisung erhielten»- «Als er im Traum die Weisung erhalten hatte» ... Die Kurzformel spricht nicht von einer Engelerscheinung, sondern nur von der Weisung im Traum. Trotzdem wird angenommen, daß das gleiche gemeint ist: Engel erscheinen und geben Weisung im Traum. Das xoc-r' Övocp, das in der längeren wie in der kürzeren Fassung erscheint, deutet doch wohl darauf hin, daß der gleiche Vorgang gemeint ist. Die Wendung xoc-r' Övocp ist spätgriechisch und speziell neutestamentlich, kommt aber auch in Profantexten, besonders in Votivinschriften vor 1• Merkwürdig ist die Kombination von Engel und Traum,- als ob dieser Himmelsbote nur nachts und nur durch Träume wirken könnte I
1. Der Traum spielte seit frühesten Zeiten bis auf den heutigen Tag bei allen Völkern eine große Rolle. Traumdeutung war in der Antike eine eigentliche Wissenschaft. Traumbücher gab es in Ägypten, Baby1
A.
ÜEPKE,
kat' onar
130
TWNT, V 220-238, spez. 223 f. und 235 («das sprachlich junge
= im Traum»).
lonien, Griechenland. Das AT ist bekanntlich auch nicht frei von Traumdeutung, man denke nur an den Traum Jakobs in Betel (Gen 28,12 ff.) oder an die Träume der Josefgeschichte(Gen 37,5 ff.; 40,5ff;. 41,1 .ff.). Aber das AT ist, verglichen mit den Anschauungen der Umwelt, sehr nüchtern in seiner Auffassung und Wertung des Traumes. Gewiß, Träume kommen vor und gelten als Mittel der Offenbarung Jahwes. Gott kann, wenn er will, auch durch Träume sprechen, Mahnung und Weisung geben. Zugleich aber findet man auch Zurückhaltung und Kritik gegenüber Träumen und ihrer Deutung.· Dies geschieht z. B. herb und scharf bei Jeremia (23,25 ff.), wenn er verkündet: «'Der Prophet, der einen Traum hat, erzählt nur einen Traum, wer aber mein Wort hat, redet in Wahrheit mein Wort. Was hat denn das Stroh mit dem Korn zu tun?' - Spruch des Herrn» (]er 23,28). - Später, in der hellenistischen Zeit ging die kritische Einstellung bedeutend zurück und in der rabbinischen Literatur spielt die Traumdeutung eine nicht geringe Rolle; auch Traumdeuter treten nun auf. In den Schriften des NT werden Träume nur sehr spärlich genannt. Der Traum ist immer noch möglich als Mittel einer göttlichen Weisung. Man denke an den Traum des Apostels Paulus in Troas (Apg 16, 9). Aber das NT ist, was das Traumwesen betrifft, sehr zurückhaltend und kritisch eingestellt. Ferner ist die Beobachtung wichtig: Alle im NT berichteten Träume sind theorematisch und nicht allegorisch. Dies bedeutet: Sie enthalten nicht Bilder, die gedeutet werden müssen, sondern der Traum gibt Weisung, die ohne Deutung - verstanden wird und auszuführen ist. Von einem Weisung gebenden Traum ist außer hier in der Kindheitsgeschichte bei Mattäus nur noch die Rede in der Leidensgeschichte (Traum der Frau des Pilatus, Mt 27,19). Berichte, in denen Engel eine Rolle spielen, gibt es bei Mattäus, von der Kindheitsgeschichte abgesehen, nur noch zwei, in der Versuchungsgeschichte und vor dem leeren Grab. Man sieht: In der Kindheitserzählung bei Mattäus kommen Engelerscheinungen gehäuft vor, ebenso die Weisungen im Traum. Die Verbindung beider, eben die Verbindung von Engelerscheinung und Weisung im Traum, ist absolut einmalig; sie findet sich sonst nirgends in den Evangelien. Wir wollen der Aussage der drei Stellen 1,20; 2,13 und 2,19 nachgehen und dabei annehmen, daß die Formel von 2,12 und 2,22 nur die Kurzformel der längeren darstellt und deshalb den gleichen Aussagewert hat wie sie. 131
2. Ohne Zweifel ist &.yyeJ..o~:" xup(ou die griechische Wiedergabe von hebräisch mal'ak jahwe. Dieser mal'ak ]ahwe ist die wichtigste Engelgestalt in den Schriften des AT. Er ist der starke, hilfreiche, gütige Bote Gottes, die Person gewordene Hilfe und Gnade Gottes. An einigen Stellen ist es schwer, den mal'ak jahwe von Jahwe selbst zu unterscheiden, der Bote verschmilzt sozusagen mit seinem Herrn. Neben dieser bestimmten Engelgestalt kennt das AT aber noch eine Anzahl Engelwesen, die Jahwe dienen. Sie umgeben Jahwe und bilden seinen Hofstaat, der dem Lob Gottes dient oder zum Kampf ausgesandt wird. Jedoch erst in einem der spätesten Bücher des AT, im Buche Daniel (2. Jahrh. v. Chr.), kann man von einer eigentlichen Engellehre sprechen. Das Danielbuch kennt eine ganze Welt von Zwischenmächten und nennt erstmals im AT Namen von Engeln. Diese Engellehre geht rasch in die Volksfrömmigkeit und in die religiösen Vorstellungen der Rabbinen ein 1 • Mit Daniel beginnt auch in aller Form die jüdische Apokalyptik, die in vorausgehenden Büchern allerdings schon Ansätze gezeigt hatte . .In der apokalyptischen Literatur tritt dann insbesondere jener Deuteengel auf, der «angelt!s interpres», der die Offenbarungen Gottes nicht nur übermittelt, sondern auch deutet, damit der Empfänger sie verstehen kann 2 • Die Engel der jüdischen Angelologie bleiben aber stets «Repräsentation von Jahwes allgegenwärtigem und allwissendem Wort» und «Sichtbarmachung seiner Macht und Göttlichkeit» 3• Das NT übernimmt die alttestamentliche Anschauung von den Engeln als Boten Gottes und als Vertretern der himmlischen Welt. Die Geschichte Jesu ist von Engeln begleitet, dies ganz besonders in den Vorgeschichten von Mattäus und Lukas und dann wieder in den Auferstehungsberichten aller Evangelien. Jesus selbst spricht mehrfach und unbedenklich von den Engeln und ihren Aufgaben. Was will die eigenartige, sonst in keinem Evangelium vorkam1 G. KITTEL, aggelo1 (gr.) C: Die Engellehre des Judentums = TWNT I, 79-81, bes. 80. 2 Über den Angelus interpres (Deuteengel) siehe: G. VON RAD, mal'äk im AT, = TWNT I 75-79, bes. 78. J. TouzARD, Ange de Yahweh, = DB Suppl. I 242-255, spez. 248-253. W. GROssouw, Engel Jahwes, = BL 395. ]. MICHL, Engel = Bibeltheol. Wörterbuch, herausgegeben von J. B. Bauer, Graz 21962, I 227-240, spez. 231, und in RAC 5, 61 f. 3 G. KITTEL, a. a. 0. 80.
132
mende Kombination von Engel und Traum in Mt 1 und 2 aussagen? Zunächst ist es klar, daß der Engel die Hauptsache ist, er ist das Subjekt der Handlung, der Traum bezeichnet lediglich das Wie und Wodurch, d. h. den näheren Umstand oder das Mittel, wodurch der Engel sich kundtut. In allen drei Fällen wird der Engel näherhin als Engel des Herrn bezeichnet. Der Engel hat also eine dienende Funktion im Auftrag eines Höheren, er kommt als Bote des Herrn. Wenn er Weisungen gibt, gibt er sie im Namen, d. h. im Auftrag des Herrn. Das kommt hier in der Vorgeschichte des Mattäus recht deutlich zum Ausdruck. Gott der Herr steht im Mittelpunkt. Er weiß um die Dinge und führt sie zu dem von ihm festgesetzten Ziel. Er schickt den Engel, der die Weisung bringt. Sind die Pläne Gottes ausgeführt, heißt es dann im Erfüllungszitat «Das alles ist geschehen, was gesagt ist vom Herrn durch den Propheten ... » (Mt 1,22 und sinngemäß auch 2,15 und 2,23). Der Herr hat den Gang der Dinge vorausgesehen und geplant. Er ist es, der durch den Propheten gesprochen hat. Er ist es auch, der den Engel ausschickt, damit seine Weisung erkannt wird und sein Plan in Erfüllung geht. Was aber bedeutet der Traum, der mit den Engelerscheinungen gekoppelt ist? Hier muß vor allem bedacht werden, daß es sich nicht um allegorische Träume handelt, die einer Deutung bedürfen. Es geht nur um die Übermittlung von Weisungen und notfalls - als Voraussetzung dazu- um Aufklärung eines Rätsels oder eines Mißverständnisses, wie etwa in 1,20. Man achte auch darauf, daßes-im Traumnicht etwa zu einem Gespräch kommt, wie z. B. in 1 Kön 3, 5 ff., sondern daß Josef absolut passiv bleibt. Das Rätsel wird geklärt, die Weisung wird entgegengenommen. J osef steht auf und handelt. Die Formel «im Traum» will vermutlich vor allem negativ aussagen, daß J osef nicht im wachen Zustand den Besuch des Engels empfangen hat, sondern daß die Sache im verborgenen, unauffälligundgeheimnisvoll geschah. Im Schlafund im Traum wurde Josef die göttliche Führung zuteil. Wir kommen zur Erkenntnis: Es soll die Aussage gemacht werden, daß Josef in den kritischen Situationen, wie sie Mt 1 und 2 geschildert werden, jeweilen durch eine Engelerscheinung im Traum göttliche Führung und Weisung erhalten hat. Dies geschah jedoch nicht so sehr zum Wohl Josefs, sondern um des Kindes willen. Um des gottgesandten Messias willen macht sich Gott bemerkbar, gibt er seinen Dienern auf Erden Klarheit und Weisung. 133
3. Es darf die Frage gestellt werden: Sind diese Engelerscheinungen -vier an Josef, eine an die Magier- Edebnisbericht, und wenn nicht, was sonst? Gehören sie zur Gattung Geschichtserzählung oder zur Gattung Legende? Da sie nicht selbständige Erzählungen sind, sondern lediglich Elemente oder Motive innerhalb des Josefblocks bzw. der Magiergeschichte darstellen, muß diese Frage jedenfalls im Zusammenhang dieser Geschichten betrachtet und beantwortet werden. Diese Engelerscheinungen werden derart kurz und gleichförmig berichtet, daß man gedrängt ist, von einer Formel, einer Ausdrucksweise, einer Redensart zu sprechen. Doch wird es gut sein, wenn man die Engelerscheinungen im J osefblock auch inhaltlich-sachlich untersucht. Beginnen wir bei den zwei letzten Engelerscheinungen, Mt 2,19 und 2,22. In 2,19 f erhält Josef eine Weisung und deren Begründung. Die Weisung lautet: Kehre zurück in das Land Israeli Die Begründung heißt: Denn die Todfeinde des Kindes sind gestorben. Braucht es dafür dne Weisung des Himmels? Wenn Herades stirbt, wird diese Neuigkeit sehr rasch von Mund zu Mund gehen und durch die nächste Karawane, die aus Palästina kommend im Nildelta eintrifft, weiter verbreitet. Nach acht bis zehn Tagen wird auch J osef davon wissen. Und weil der Pflegevater Jesu ja niemals die Absicht hatte, auf Lebenszeit in Ägypten zu bleiben, wird er dann die Rückkehr antreten. Für diese Rückkehr gibt es aber keine Gründe, die zur Eile drängen. Im Gegenteil! Es wäre gut zu wissen, wie sich die Dinge entwickeln, ob sich gegebenenfalls Aufstände und Wirren abspielen werden. Dies war denn auch tatsächlich der Fall. In Jerusalem kam es noch im Todesjahr des Herades zu Aufständen, die blutig unterdrückt wurden und viele Todesopfer forderten. Dabei ging auch ein Teil der großartigen Tempelhallen in Flammen auf 1• In 2,22 heißt es, daß Josef sich fürchtete, nach Judäa zu gehen, als er vernahm, daß Archelaos dort regiere. Flavius J osephus berichtet, daß Archelaos, eben erst als bestätigter Ethnarch von Rom zurückgekehrt, den amtierenden Hohepriester absetzte und einen neuen ernannte, daß er entgegen dem jüdischen Gesetz nach Verstoßung 1 AJ XVII 206-218; 250-298 ( = 17,9,1-17,9,3; 17,10,1-17,10,10).- «So war Judäa eine wahre Räuberhöhle» (XVII 285 = 17,10,8).
134
seiner eigenen Frau die ehemalige Gattin seines Bruders Alexander heiratete. E. Schürer schreibt von Archelaos: «Unter den Söhnen des Herodes genießt er den schlechtesten Ruf» 1• Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß Rom den tyrannischen und unbeliebten Herrscher in seinem zehnten Regierungsjahr absetzte und aus seinem Land verbannte 2• Mt 2,19 und 2,22 begleitet die Entschlüsse Josefs, in das Land Israel zurückzukehren und sich in Galiläa niederzulassen, mit je einer Engelerscheinung. Aber nach allem, was Hl. Schrift und Theoiogie uns sagen, pflegt Gott nicht Engel zu senden, wo der menschliche Verstand genügt. Wenn also diese Engelerscheinungen tatsächlich in bezug auf den Inhalt unwahrscheinlich und unglaubwürdig sind, wozu dienen sie dann? Welchen Zweck erfüllen sie hier? Das ist nicht schwer einzusehen. Die genannten Erscheinungen haben offensichtlich die Funktion auszusagen, daß J osef unter göttlicher Leitung stand, daß er von Gottes Einsprechungen geführt war und Gottes Pläne zur Ausführung brachte. Sie sind also konkreter Ausdruck für eine theologische Aussage. Gehen wir die Reihe der Traumerscheinungen weiter zurück. Auch in der Erscheinung von Mt 2,13 erhält Josef eine Weisung und deren Begründung: Er soll nach Ägypten fliehen, weil Herodes dem Kind nach dem Leben trachtet. Einmal wird hier klar, daß die Magier offenbar nichts von ihren Erlebnissen in der Hauptstadt berichtet haben, insbesondere kein Wort über ihren Aufenthalt am Königshof. Das ist merkwürdig und unverständlich und somit- nebenbei gesagtein weiterer Hinweis auf den besonderen literarischen Charakter dieses eingeschobenen Stückes. Zweitens wird nun nötig, daß Josef von himmlischer Seite, nämlich durch den Engel, orientiert wird über die Gefahr, die dem Kind droht, weil Herodes in ihm einen potentiellen Widersacher heranwachsen sieht. Muß, so lautet unsere Frage, J osef durch einen Engel aufgefordert werden, das Kind durch die Flucht außer Landes zu retten, wenn er erkannt hat, daß ihm Gefahr droht? Dazu braucht es keine Engelerscheinung! Diesen Entschluß wird Josef sofort fassen, sobald er innewird, daß in der Umgebung oder gar in der Hauptstadt von einem Davidssproß geredet 1 E. SCHORER, I 451.- Er stützt sich dabei auf AJ XVII 339-344 (= 17,13, 1 und 2) und BJ II 111-116 (= 2, 7, 3 und 4). 2 FLAVIUS jOSEPHUS, ebenda.
135
wird, der in Betlehem geboren sein soll. Wenn Herades die ganze Hasmonäerfamilie ausgerottet hat und drei seiner eigenen Söhne dem Henkertod überliefert hat, weil sie seine eigene Stellung und seine Nachfolgepläne gefährdeten oder wenigstens zu gefährden schienen, hat er auch gewiß nicht gezögert, einen Davidssprößling zu beseitigen, der auch nur von ferne bedrohlich werden konnte, weil er eben ein Davidide war 1 • Setzen wir nun den Fall, daß Herades von einem in Betlehem geborenen Davidssproß erfährt und daß, wenn auch nur in einer kleineren, lokal begrenzten Gruppe jüdischer Frommer, um dieses Kind eine gewisse messianische Erwartung entsteht, dann wird Herades handeln, - er hatte überall seine Spione! Dann aber wird auch J osef zum Handeln gezwungen. Er wird, sobald dieses Gerede umgeht, das Messiaskind aus dem Machtbereich des argwöhnischen und mißtrauischen Landesfürsten herausbringen. Einen solchen Schritt diktiert ihm die Kenntnis der Verhältnisse und seine väterliche Schutzpflicht über das Kind. Die in 2,13 genannte Engelerscheinung wird denselben Sinn haben wie in 2,19 und 2, 22: J osef war in seinen Beschlußfassungen vom Geist Gottes erleuchtet und geführt. In seinem Tun erfüllten sich die Absichten und Pläne Gottes. Es bleibt die Engel-Traum-Erscheinung von 1,20 f. Hier wäre man am ehesten versucht, eine wirkliche, sinnlich wahrnehmbare übernatürliche Begebenheit anzunehmen. Denn es gibt keinen Zweifel darüber, daß die unerwartete Schwangerschaft seiner Verlobten, die für ihn ohne Zweifel «gerecht», fromm und untadelig war, Josef in schwere innere Zweifel und Kämpfe, ja in einen eigentlichen Gewissenskonflikt bringen mußte. Hier wäre das Eingreifen des Himmels nicht nur nützlich, sondern höchst willkommen gewesen. Aber der Himmel pflegt im allgemeinen nicht so handgreiflich einzu1 Herades hat seine Herrschermacht nach hellenistischer Auffassung absolutistisch verstanden und ausgeübt. «Nach hellenistischer Auffassung ist die Quelle allen Rechtes und aller Gerechtigkeit der Herrscher: Sein Wille ist Gesetz und Recht, er ist die absolute Gerechtigkeit. Gegen seine Entscheidungen gibt es keine Berufung und keine Kritik, sie sind einer göttlichen Fügung gleichzusetzen.» A. ScHALlT, a. a. 0. 660. Nach dieser Mentalität handelte Herades nicht nur gegenüber seinen Untertanen, sondern auch gegenüber seiner Familie. «Es läßt sich wirklich nicht bezweifeln, daß Mariamme ungerecht verurteilt, daß der greise Hyrkanos unschuldig getötet worden ist und daß die Söhne der Mariamme hingerichtet wurden, ohne daß ihre Schuld erwiesen war und ohne daß man ihre Verteidigung angehört hätte. Ebensowenig kann man bezweifeln, daß viele Leute aus dem Volk in den Festungen des Herades ihren Geist aufgegeben haben ohne Gericht und ohne Richter ... » (ebenda 661 f.)
136
springen, und Gott mutet auch seinen treuen Dienern und Dienerinnen das eine und andere zu. Stellen wir also die Frage: Konnten Maria und ihre Familie, unter deren Obhut sie noch stand, es dem Zufall überlassen, wann Josef über den Zustand seiner noch nicht heimgeführten Frau orientiert würde? Wohl kaum! Wir müssen annehmen, sie erkannten die Notwendigkeit, sobald der Zustand Marias feststand, J osef zu informieren und das Schicksal Marias in seine Hand zu legen. Dies geschah durch Maria selbst oder durch verwandte und vertraute Personen. Es drängt sich ferner die Annahme auf, daß diese nicht nur die Tatsache der Schwangerschaft selbst, sondern auch die näheren Umstände mitgeteilt haben. Diese Mitteilungen mußten J osef in den schweren inneren Konflikt stürzen. Und er, J osef, hatte schließlich der Zeit des Bedenkens und Abwägens durch seinen höchst persönlichen Entschluß ein Ende zu setzen. Bei diesem Entschluß stand ihm die göttliche Hilfe zur Seite. Aber wie? Etwa durch eine im Traum sichtbare himmlische Gestalt? Warum nicht auf dem sehr «normalen» Weg, wo Gott zwar führt und lenkt, aber so, daß der Mensch nichts merkt, nichts sieht und nichts hört. Gott kann einen Menschen im Gefühl der Unsicherheit, des Risikos und des Schwebens belassen und ihm gleichzeitig sehr nahe sein. Aber die göttliche Nähe und göttliche Fügung wird, wenn überhaupt in diesem Leben, erst viel später, nach langer oder sehr langer Zeit, und im Blick zurück erkannt. An diese Art göttlicher Führung auf dem «gewöhnlichen» Weg- ohne sichtbares Eingreifenist hier gedacht. Dafür gibt es Gründe. Nirgends in der mattäischen Vorgeschichte wird die Erscheinung des Gottesboten näher geschildert, nirgends ein konkretes Detail, vom menschlichen Auge beobachtet, beschrieben. Nirgends auch wird dem Engel eine handelnde Rolle zugeschrieben. Er erscheint zwar redend, aber im übrigen farblos und blaß. Jedesmal tritt er im Schlaf und im Traum auf, nie im wachen Zustand des Empfängers. Der Engel ist ausschließlich «Briefträger» der göttlichen Weisung, Botschafter, Übermittler des Willens Gottes. Und noch einmal sei daran erinnert, daß alle Weisungen des «Engels Gottes» im Dienste des Messias Jesus stehen. Da nun Jesus in der nachösterlichen Glaubenserkenntnis der Jünger tief mit Gott und der himmlischen Welt in Verbindung steht, liegt es nahe, die himmlischen Boten besonders dann in Bewegung zu sehen, wenn Entscheidungen fallen. Solche Entscheidungen stehen hier in der Vorgeschichte auf dem Spiel. Wie kann J esus in einer ehrbaren 137
Familie zur Welt kommen und doch eine von heiligem Geist berührte Jungfrau zur Mutter haben? Wie kann Jesus vor dem Tötungsbefehl des Königs gerettet werden? Wo wird Jesus in Obhut gebracht? Wann wird er in sein Vaterland zurückkehren und wo wird er sich aufhalten, um zur gegebenen Zeit sein heilbringendes Werk zu erfüllen?- Der «Engel des Herrn» wird ausgesandt und bringt seine Weisungen zur rechten Zeit und am rechten Ort, damit die Pläne Gottes in Erfüllung gehen. Die Darstellung dieser Engelerscheinungen ist so knapp und formelhaft, daß man wohl an eine Redensart denken darf, wie etwa wenn ein frommer Mensch heute sagt «Das hat mir ein guter Geist eingegeben» oder «Diesen Gedanken hat mir mein Schutzengel eingegeben». Rückblickend auf eine schwer lösbare Situation, auf eine kritische Lage, die jemand bedrängt hat, sieht man den richtigen, den zum glücklichen Ende führenden Entscheid oder Beschluß als ein Geschenk des Himmels an, als Erleuchtung, als gnadenhafte Fügung und Führung. Jedenfalls, der «Engel Gottes» in der mattäischen Vorgeschichte ist wirklich &yye:A.o~ = Bote. Offenbar dachte sich der Verfasser dieser Berichte die Übermittlung guter und heiliger Gedanken und den Anstoß zu gottgewollten Entschlüssen auf dem Weg über Engel. Am wahrscheinlichsten ist jedoch, daß er sich der Bildhaftigkeit dieser Aussagen bewußt war. Der Engel, der im Traum seine Weisung gibt, ist nichts anderes als ein Bild, das ausdrücken will: Gott läßt diesem Menschen seine Weisung zukommen. Dieser Engel gehört also zur orientalischen Bildsprache. Die nächtlichen Engelerscheinungen in der mattäischen Vorgeschichte gehören nach unserer Auffassung nicht zu jenen übernatürlichen, in diese irdische Welt sichtbar und hörbar eingreifenden, «Wunderbaren» Ereignissen, sondern sie gehören zu den orientalischen Stilmitteln, die geeignet sind, ein an sich unsichtbares Geschehen anschaulich zu machen. Sie setzen Glauben voraus, nämlich Glauben an den wahren und zum Heil der Menschen tätigen Gott, der die Wege seines menschgewordenen Sohnes bereitet, lenkt und schützt. Sie setzen den Christusglauben voraus, weil diese Begebenheiten zu ihm in besonderer Beziehung stehen, seinem Kommen in diese Welt, seinem Werk und seiner Sendung dienen.
138
4. Die Auffassung, daß göttliche Erleuchtungen im Schlaf oder Traum geschehen, war in apostolischer Zeit in jüdischen Kreisen offenbar verbreitet. Es lohnt sich, bezüglich dieses Themas das Werk des Flavius Josephus «Antiquitates Judaicae» durchzusehen, das im letzten Jahrzehnt des 1. Jahrhunderts entstanden ist, also wenig später als das Mattäus- und das Lukasevangelium. Allein in den Antiquitates Judaicae berichtet der jüdische Autor von mindestens elf Gottesoffenbarungen im Schlaf oder Traum 1• Die meisten Berichte sind nicht unmittelbar aus Bibelstellen geschöpft. An zwei Stellen jedoch wird der biblische Text insofern präzisiert, als von Gottesoffenbarung nachts oder im Traum die Rede ist, während der biblische Bericht dies nicht sagt. Im Richterbuch bei der Episode, da Gideon die Kriegsschar gegen die Midianiter sammeln soll, heißt es 7,4 «Dann sprach der Herr zu Gideon». Flavius Josephus, wenn er diese Szene schildert, schreibt: «Gott aber erschien dem Gideon im Traum und sprach zu ihm ... » 2 Der göttliche Auftrag geschieht nachts im Traum! Mit 2 Sam 11,27 schließt die Erzählung über die Heimholung Batsebas als Ehefrau Davids in den königlichen Palast mit der Bemerkung: «Doch dem Herrn mißfiel, was David getan hatte.» Darauf folgt 12,1 der Text: «Der Herr entsandte Natan zu David. Dieser ging hin und verkündete ihm ... » Dann kommt die prophetische Strafrede, die mit der bekannten Parabel vom Schäflein des Armen beginnt und in die Anklage ausmündet: «Du bist der Mann!» (12,7). Wenn der biblische Text sagt «Der Herr entsandte Natan zu David», so ist natürlich damit ausgesprochen, daß Natan im Namen und Auftrag Jahwes zu David gesandt war, m. a. W. daß er von Gott erleuchtet und geführt war, als er vor David hintrat. Flavius J osephus gibt dieser Auffassung Ausdruck, indem er eine nächtliche Erscheinung Gottes an den Propheten annimmt: ~h' opylj~ ~X,CiN T0\1 L\ocu(8YJV Tij:J 7tp0tp~T1l N &eq; cpocvd~ XIXTeX TOU<; Ö7tVOU<; ••. «Zürnend gegen David erschien er dem Propheten Natan im Traum ... » 3• t AJ: li 212; V 215; VII 92; VII 147; XI 327; XII 112; XIII 322; XIV 451; XVII 345 ff.; XVII 351; XX 18 (= 2, 9, 3; 5, 6, 3; 7, 4, 4; 7, 7, 3; 11, 8, 4; 12, 2, 14; 13, 12, 1; 14, 15, 11; 17, 13,3; 17, 13,4; 20,2, 1). z AJ V 215 (= 5, 6, 3). 3 AJ VII 147 (= 7, 7, 3).
139
Man sieht, es ist die Auffassung des Flavius Josephus, daß göttliche Erleuchtungen und Aufträge nachts im Traum geschehen. Er sagt dies, ohne daß die Bibel an Ort und Stelle irgend einen konkreten Anhaltspunkt dafür gibt. Ein drittes Beispiel sei dem Bellum J udaicum entnommen. Im Buche Genesis 12,10-20 wird erzählt, wie Abraham wegen einer Hungersnot nach Ägypten zieht, wo er seine Frau Sara als seine Schwester ausgibt. Sara wird an den Hof des Pharao gebracht und der Pharao wird für diese Tat von Gott gestraft. «Der Herr aber schlug den Pharao mit schweren Plagen und auch seinen ganzen Hof wegen Sarajs, der Frau des Abram» (Gen 12, 17). J osephus weiß auch hier von «nächtlichen Traumgesichten», die den Pharao erschrecken und bewegen, Sara frei zu geben und die Hebräer mit Gold und Silber zu beschenken 1 • Es kann sein, daß J osephus hier von Gen 20, 3 und 6 beeinflußt war (Parallelerzählung mit Abimelech, dem König von Gerar), wo tatsächlich von einem nächtlichen Traumgesicht Abimelechs berichtet wird. Aber auch in diesem Fall wird deutlich, daß J osephus von der Vorstellung geleitet wird, daß Gottesoffenbarungen in nächtlichen Traumgesichten gegeben werden. Nun ist zu bedenken, wer Flavius Josephus ist. Er entstammte dem priesterlichen Hochadel Jerusalems 2 • Er wurde rabbinisch erzogen, machte der Reihe nach die Schulen der Pharisäer, Sadduzäer und Essener durch. Nach Jerusalem zurückgekehrt, schloß er sich- neunzehnjährig geworden - der pharisäischen Richtung an. In der Folgezeit widmete er sich dem öffentlichen Leben 3 • Man darf wohl sagen, Josephus gibt mit der oben geschilderten Denk- und Redeweise eine weit verbreitete, auch unter gebildeten Juden herrschende Auffassung wieder. Soviel zum Sinn der nächtlichen Traumgesichte. Was das zweite und Hauptelement in diesen Erscheinungen anbetrifft, die Engel, haben wir als Hilfe zum Verständnis den Engelglauben, wie er in der jüdischen Literatur der hellenistischen und römischen Zeit zum Ausdruck kommt. Als Zeugnisse dieser jüdischen Engellehre ist von den kanonischen Büchern, wie bereits gesagt wurde, speziell das Buch Daniel wichtig. Sodann sind bedeutsam und
1
2 3
140
BJV381(= 5,9,4). Vita 1-3 (1). - E. ScHORER, I 74 ff. Vita 7-16 (2 und 3).- E. ScHORER, I 75.
aufschlußreich: die umfangreiche außerkanonische Literatur, besonders die Henochbücher, das Buch der Jubiläen, die Apokalypse des Mose, des Esra, die syrische Baruchapokalypse, das Schrifttum der Sekte von Qumran, die rabbinische Midrasch-Literatur. Es muß auffallen, daß die Septuagintaübersetzer an manchen Stellen, wo nach dem hebräischen Text Gott selbst handelt, nun ein Engel genannt wird 1• Wenn man nach der Ursache dieses Vorgehens sucht, findet man, daß diese Übersetzer-Theologen das Bestreben hatten, Gottes Transzendenz zu wahren und ihn vor unschicklich Scheinendem zu schützen. Die Gottesvorstellung hatte sich also verfeinert. Wir stellen fest: Flavius Josephus setzt Traumgesichte ein, wenn er die Überzeugung aussprechen will, daß Gott zu jemandem gesprochen hat. Die Septuaginta schaltet einen Engel ein, wenn sie Gottes Hoheit, Würde und Heiligkeit wahren will. Die apokryphen Bücher setzen Engel ein, einerseits mit der Aufgabe zu erklären und zu deuten («Angelus interpres»), anderseits um den Thron Gottes zu umgeben und die himmlische Welt zu bevölkern, d. h. um Gottes Größe und Herrlichkeit besser ins Licht zu setzen. Die rabbinische Literatur verwendet Engel, um alttestamentliche Erzählungen auszumalen, um sie anschaulicher, bewegter und dramatischer zu gestalten 2 • In all diesen Fällen von Traumgesichten und Engelerscheinungen geht es also nicht um Glaubensaussagen, sondern um kerygmatische und katechetische Anliegen. Es gibt keinen Z weife!, daß in diesen Schriften Engel als Stilmittel und literarische Figuren eingesetzt werden. Alles deutet darauf hin, daß auch in der mattäischen V argeschichte die nächtlichen Engelerscheinungen solche Stilfiguren darstellen. Sie erhalten vom Schriftsteller keinerlei konkrete Beschreibung. Die Erscheinungsberichte wirken blaß und formelhaft, sie haben nicht den Aspekt von Erlebnisberichten. Der Verfasser kannte sich aus in den literarischen Bräuchen des Judentums seiner Zeit. Er kombinierte Traum und Engelerscheinung und wußte, was man damit ausdrücken konnte. Der Engel, den er in der mattäischen Vorgeschichte einsetzt, ist lediglich Stilfigur mit der Rolle des V ermittlers, des Boten. Ja, sein Engel ist sozusagen der Mund Gottes. Worauf es ihm ankam, ist die Aussage, daß die Wünsche und Weisungen 1 «An manchen Stellen der Schrift, wo nach dem hehr. Text Gott selbst handelt, wird in der LXX ein Engel genannt.» J. MrcHL, Engel, = RAC 5, 53-258, spez. 65 f. 2 G. KITTEL, a. a. 0. 80.
141
Gottes durch den Mann von Nazaret, J osef, getreulich erfüllt wurden, damit J esus der Christus in die Welt kommen konnte. Höchst interessant und beachtenswert ist es, über diese nächtlichen Engelerscheinungen die Meinung des größten Theologen der frühen griechischen Kirche, nämlich des Origenes, zu erfahren. Nachdem er, in seinem Werk «Contra Celsum», die Engelbotschaften Mt 1,20 und 2,13 wörtlich zitiert hat, fährt er fort und sagt: « Ubi nihil scripturn quidem est, quod mihi admodum insolens videatur. In utroque enim Scripturae loco narratur angelus J osephum allocutus fuisse per somnium: at pluribus aliis contigit, ut per somnium admonerentur, quid facto opus esset; sive angelus, sive quaedam alia res in anima imagines efformaverit. Quid igitur absurdi est, ei, qui semel naturam humanam susceperat, humano more provideri ut pericula declinet? » «Hier ist nun freilich nichts aufgezeichnet, was mir sehr wunderbar zu sein scheint. Denn an beiden Stellen der Schrift wird berichtet, der Engel habe Josef im Traum angesprochen. Aber zahlreichen anderen Leuten geschieht es, daß sie im Traum angewiesen werden, was zu tun ist, sei es nun, daß ein Engel oder irgend ein anderes Wesen in ihrer Seele den Gedanken hervorruft. Was ist befremdlich daran, daß der, welcher nun einmal Mensch geworden ist, auch nach menschlicher Weise angeleitet wird, Gefahren abzuwenden 1 »? Der Text spricht für sich und es ist ihm nichts beizufügen. Er liegt genau auf jener Linie der Erklärung, die wir für das Verständnis der Engelerscheinungen in Mt 1 und 2 annehmen. 1 MIGNE PG 11 (Origenes, Contra Celsum) 783 f ( - BKV, Des Origenes acht Bücher gegen Celsus, I 93).
142
VI DIE HERKUNFT DER JOSEFÜBERLIEFERUNGEN IN Mt 1 UND 2 UND IHR HISTORISCHER GEHALT
Wenn hier von den Josefüberlieferungen die Rede ist, muß nach den bisherigen Darlegungen jenes Stück ausgeklammert bleiben, das als ein Einschiebsel erkannt wurde, die Magiergeschichte Mt 2,1-12. Die zurückbleibenden Stücke dürfen mit Recht Josefüberlieferungen genannt werden, weil sie auf J osef, wie wir hier zeigen wollen, zurückgehen müssen und weil in ihnen J osef im Mittelpunkt des Interesses steht. Zuerst aber soll gezeigt werden, daß der Kerngehalt der mattäischen Vorgeschichte in Nazaret entstanden sein muß, dort also ihren Sitz im Leben gehabt haben muß.
1. Nazaret ist der Ort dieser Überlieferungen. Dies wird gefolgert aus der Tatsache, daß gerade im Anfangsbericht Mt 1,18-25 der Ort der erzählten Begebenheiten mit keinem Wort und mit keiner Andeutung bezeichnet wird. Das scheint paradox zu sein, ist aber leicht einzusehen. Das, was für einen Ortsbewohner selbstverständlich ist, das sagt er nicht. Es wird auch nicht daran gedacht, daß die Überliefe:rung, die an einem bestimmten Ort zu Hause ist und dort bewahrt, d. h. weitererzählt wird, in andere Ortschaften und Länder hingelangen kann, wo die Ortsangabe natürlich wichtig wäre. Mit andern Worten: Das Selbstverständliche wird nicht gesagt, weil es eben selbstverständlich ist. Dies schadet solange nicht, als die Tradition am Orte bleibt. Der Ortsbewohner rechnet nicht mit dem Wandern «seiner» Tradition und denkt nicht daran, Vorkehrungen zu treffen, damit nicht etwa Zweifel und Mißverständnisse entstehen.- Jedoch, das Fehlen jeglicher Ortsangabe in Mt 1 ist zwar ein typisches Zeichen für eine bestimmte Ortsüberlieferung, -warum aber gerade ein Zeichen für Nazaret? Daß nur Nazaret und keine andere galiläische Ortschaft in Frage kommt, dafür zeugt nicht nur Lukas 1,26 und 2,4, sondern 143
die Überlieferung bei Markus 6,1-6, die Mattäus in 13,54-58 übernommen hat. Hier ist gesagt, daß J esus in seine Vaterstadt kam und in der Synagoge lehrte. Viele nahmen Anstoß an ihm und sagten: «<st er nicht des Zimmermanns Sohn? Heißt nicht seine Mutter Maria? Und seine Brüder J akobus, J oseph (] oses), Sirnon und Judas? Und sind nicht alle seine Schwestern bei uns?» (Mt 13,55 f.). Man sieht, Nazaret nimmt in Anspruch, die Verwandten Jesu bei sich zu haben und mit Namen zu kennen. J osef Blinzler hat überzeugend nachgewiesen, daß die in neutestamentlichen Texten mehrfach genannten «Brüder» und «Schwestern» Jesu tatsächlich Vettern und Basen Jesu gewesen sind 1 • Es besteht kein Grund, die in Mk 6,3 und Mt 13,54 ff. enthaltene Tradition anzuzweifeln. Nazaret ist demnach nicht nur die Vaterstadt J esu, weil er hier aufgewachsen ist, sondern auch die Vaterstadt seiner Verwandten, seiner Onkel und Tanten, seiner Vettern und Basen. Die Nichterwähnung der Ortsbezeichnung in Mt 1 entspringt also nicht der Unkenntnis oder Unsicherheit der Überlieferung, sondern im Gegenteil der Sicherheit und unangefochtenen Selbstverständlichkeit dieser Tradition. Sie ist ein Beispiel für die Tatsache, daß Traditionen eines bestimmten Ortes keine Ortsbezeichnung benötigen 2 • So kann keine Rede davon sein, daß etwa Mt 1,18-25 der Wanderung von Josefund Maria nach Betlehem, die Lukas berichtet, widerspreche, dann bestätigt im Gegenteil die mattäische Vorgeschichte dieses Detail, das die lukanische Vorgeschichte beschreibt.
2. Wir sind so sehr an die Texte in Mt 1 und 2 gewöhnt, daß wir kaum mehr bemerken, wie sehr gewisse darin enthaltene Nachrichten aus der höchst persönlichen Sphäre des Hauptbeteiligten stammen. Schon die Nachricht, die sowohl Mattäus wie auch Lukas mitteilen, daß nämlich J esus von Maria empfangen wurde zur Zeit, als sie erst mit Josef verlobt, aber noch nicht verheiratet war, muß doch eigentlich J. BLINZLER, Die Brüder und Schwestern Jesu (SBS 21), Stuttgart 1967, 145. Beobachtungen des Alltags können dies bestätigen. Man trifft in Tageszeitungen nicht selten Berichte von Ereignissen, aus denen nicht hervorgeht, wo das Berichtete sich abgespielt hat. Mancher lokale Berichterstatter schickt seinen Bericht ab, ohne im Text eine Ortsangabe zu machen. (Der Chefredaktor wird dann diese Lücke ausfüllen I) Was dem Betreffenden selbstverständlich ist, sagt er nicht I 1
2
144
als sehr diskrete Mitteilung unter vertrauten Personen taxiert werden, die nicht zu einer böswilligen Auslegung und damit also nicht zum Mißbrauch dieser Mitteilung bereit sind. Eine solche Mitteilung mußte ohne Zweifel bis zum Erweis der Gottessohnschaft Jesu absolut verborgen bleiben, wenn nicht der Ruf Jesu und seiner Mutter dem Gespött und der öffentlichen Verachtung seiner Mitbürger preisgegeben werden sollte. Der Verlobte hatte zwar theoretisch das Recht auf seine Verlobte, aber er durfte bis zur Heimführung keinen Gebrauch davon machen 1 • Die Verlobte war durch den Akt der Verlobung an ihren Verlobten als an ihren Herrn gebunden, und sie wurde als Ehebrechetin betrachtet, wenn sie in dieser Zeit mit einem fremden Mann intimen Verkehr gepflegt hatte. Daraus ergibt sich, in welcher Gefahr Maria sich befand, als sie zur Zeit ihrer Verlobung schwanger wurde, und welcher Makel auf Jesus gefallen wäre, wenn bekannt geworden wäre, daß Josef nicht sein richtiger Vater war. Daß Maria auf wunderbare Weise empfangen hatte, durfte zunächst und auf viele Jahre hinaus nicht bekannt werden. Wenn überhaupt jemand davon erfahren durfte, mußten es Menschen sein, die geneigt waren, dem Bericht von einer wunderbaren Empfängnis Glauben zu schenken, gestützt auf die Ehrenhaftigkeit und Glaubwürdigkeit Marias vor allem und auch jener Personen, die - wie J osef- bereits zum Kreis der «Glaubenden» gehörten. Die Veröffentlichung des Geheimnisses war erst möglich zu einem Zeitpunkt, da J esus als Mensch von höherer Art und Macht sich erwies. Das war frühestens der Fall, als durch mannigfache Zeichen und Wunder «die Hand Gottes» (vgl. Lk 1,66) sichtbar mit Jesus waltete, als die Jünger vorbereitet und in der Lage waren, in Jesus mehr zu sehen als einen gewöhnlichen Menschen. Dieser früheste Zeitpunkt war gegeben, als Jesus durch seine Taten die Bewunderung des Volkes erregte, als die Leute staunten, ja als sie «außer sich gerieten» und sagten «So etwas haben wir noch nie gesehen» (Mk 2,12). Wenn in Jesus etwas Höheres steckte, wenn Gottes Hand mit ihm war, dann war es auch plausibel, daß seine Geburt nicht war wie bei gewöhnlichen Sterblichen. Trotzdem ist allem Anschein nach das Außergewöhnliche seiner Empfängnis vor seiner Auferstehung nicht bekannt geworden. Dies 1 Siehe Exkurs 3 «Jüdische Sitten und Bräuche in bezugauf Verlobung und Vermählung» Seite 154 ff.
10
145
läßt sich daraus erschließen, daß seine Gegner nie irgend etwas Ehrenrühriges bezüglich seiner Geburt und Abstammung vorgebracht haben. Der Ausdruck «Sohn der Maria» in Mk 6, 3 kann nicht in einem verächtlichen und schimpflichen Sinn gedeutet werden 1• Wohl behauptete man: Er hat den Teufel und steht mit dem Teufel im Bund (Mk 3,22 par); er ist ein Gotteslästerer (Mk 2,7 par; Mk 14,64 par); er wiegelt das Volk auf, hält es ab, Steuern zu zahlen, stiftet Unruhe (Lk 23,2 und 5); er ist ein Fresser und Säufer, hält es mit Zöllnern und Sündern (Mt 11,19 par). Niemals aber wurde ihm vorgeworfen, er sei ein mamzer, d. h. ein Kind aus verbotener fleischlicher Verbindung. Es ist auch nicht einzusehen, warum die Tradition einen solchen Vorwurf verschwiegen hätte, wenn er wirklich vorgebracht worden wäre, sie hat ja auch die eben genannten z. T. massiven Beleidigungen verzeichnet. Später freilich, als die jungfräuliche Geburt Jesu unter den Christen bekannt geworden war und in die Evangelien von Mattäus und Lukas Eingang gefunden hatte, da kamen Schimpfnamen auf für Jesus (Hurensohn, mamzer) und für Maria (Hure) 2• Die Tatsache aber, daß zu Lebzeiten Jesu noch kein Vorwurf und keine Beschimpfung dieser Art weder an ihn selbst noch an Maria gerichtet wurde, berechtigt uns zu der Annahme, daß selbst die Jünger J esu das Geheimnis seiner Empfängnis nicht erfahren hatten. Offenbar ist es erst nach seiner Auferstehung publik geworden. Bedenken wir nochmals den Charakter dieser Mitteilung von Mt 1,19 «Und er gedachte, sie heimlich zu entlassen». Es handelt sich um einen inneren, seelischen Vorgang, um eine Erzählung, «die ganz im Herzen eines Mannes spielt» 3, die unbekannt bleibt, wenn sie nicht aus eigenem Entschluß verraten wird. Da wir nun aber durch das Evangelium bzw. seine Sonderquelle Kenntnis davon haben, muß J osef irgendwann und zu irgendwem gesprochen haben. Er selbst hat das Geheimnis preisgegeben. Und dieses Geheimnis wurde in einem bestimmten Kreis oder Milieui aufbewahrt und ist schließ-, lieh als Sonderberifhtjn die HärWe des ~~angeli~ten gelangt. Zu wem[ woh! h~t J osef ge~proc~crn? E~a z~ .M~~~? DaFrlist riic~t ~ehr '\vahr.;~ ,schet~ch. Und ciJ.e ·~r.~$.e, pb, , · ~lll. q~yon g!fußt ~~t•. mu~ 1,msl'-
fi.~ht:Fin~lll b~scf,~~~re~ ~~~.·I '~.iur,,~,··· .~.l~:Wg ,.,, ,..,, .· .'. Jö. "''l'·''.'i.
I··''.' ...
··:
,Ii.
···'{'~
1~ Siehe ·~u t/~ ·;;'+.Eti16~ S'f~A.·c:K..,.'J~r 1' : .:•11
y
11'918;' 21:· ,i'j 146
·~:. ·~·
~·j:';::··~
.•ie~J~~o
ff,! v.
·
.;.;..
di~~~~ 1.frr~ .. ..gege~~n~r~ . .·• ,r.\
t,. ·.:·'~·[ •· t·~·~~.• ~·;~~ ~; ~~ '~-·~•.. ·'•.··.··~· ·~~~· !;:::·~' ·Ii 'll~Y-' .·F . r •.. ,~l, .J.iti i .1 ';f.'\ i•· ·u;l,ljW · · . ;~ ~.} .~_!··;.: ··, /::./·: ··~·~ ;r- ••., • '· ra. ~ : : .:.,_, ri ·-r
. . J.•'t.t~(''•·-jj ·•·i•. ~J'~
,:;t-1'.
l "· ,.,.,.,., '·I. •~.~. •··•· ·.~ !!:i!l.. !L ····, ·'.·''
~:.
\!,
·'I····
'i..
falls das Geheimnis weiter getragen und damit publik gemacht hätte. Die Erinnerung an diese Begebenheit war für sie gewiß demütigend, ebenso aber und noch mehr für J osef. Deshalb ist anzunehmen, daß die Verantwortung für die Preisgabe des Geheimnisses auf Josef fallt, daß er selbst das Geheimnis mitgeteilt hat. Wann kann dies geschehen sein? Das Wahrscheinlichste ist doch, daß Josef seinen schweren inneren Konflikt, als ihm die unerwartete Schwangerschaft Marias bekannt wurde, mit jemandem besprechen wollte, dem er V ertrauen entgegenbrachte und auf dessen gerechten und frommen Sinn er bauen konnte. Der biblische Text legt nahe, daß diese vertraute Person in der engsten Umgebung, am ehesten in der Verwandtschaft Josefs gesucht werden muß. Denn der Text stellt Josef in den Mittelpunkt, von seinem Standpunkt aus sind die Ereignisse betrachtet. Verwandte denken an ihr eigenes Fleisch und Blut. Es ist natürlich, daß sie sich mit dem Los eines der Ihrigen beschäftigen, seine Sorgen teilen, aber auch in seinem Glanz sich sonnen. Dazu kommt, daß die in Frage kommenden Personen Orientalen sind, es spielt also auch das orientalische Sippengefühl und Sippendenken eine Rolle. Wir denken deshalb, daß der Tradent der Josefüberlieferung in Mt 1 und 2 am ehesten innerhalb der Verwandten J osefs gesucht werden muß. Wir wollen dem biblischen Text noch etwas nachgehen und gleichzeitig dabei unsere These testen.
3.
147
der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, gedachte, sie heimlich zu entlassen. Als er darüber nachdachte, wurde ihm Klarheit, und er sagte sich: Entlaß Maria nicht und habe keine Bedenken, sie als deine Frau heimzuführen; denn was gezeugt ist in ihr, stammt von heiligem Geist. J osef stand auf vom Schlaf, tat, wie ihm klar geworden war vor dem Angesicht des Herrn und nahm seine Frau zu sich. Und er erkannte sie nicht, bis sie einen Sohn gebar, und er gab ihm den Namen Jesus.» Da hier die Engelerscheinung als erfahrbares Faktum ausfällt, -von wem erhielt dann Josef Kenntnis über Marias Empfängnis aus heiligem Geist? Die Antwort lautet: Diese Kenntnis konnte ihm von Maria selbst oder von einer ihr nahestehenden Person zugekommen sein. Daß Maria schwanger geworden war, konnte und mußte Josef annehmen, wenn seine (noch nicht heimgeführte) Frau oder z. B. ihre Mutter dies aufs bestimmteste versicherten. Daß diese Empfängnis aber durch Gottes Schöpferkraft, also auf wunderbare Weise, geschehen war, verlangte von J osef Glauben, zunächst menschlichen Glauben an das aus glaubwürdigem Mund Berichtete, sodann religiösen Glauben an Gott und sein Heilswirken, insbesondere an sein gnadenvolles Hinabsteigen in die Welt der Menschen. Auch wenn wir den vollen biblischen Text überdenken, sicher steht J osef im Mittelpunkt, er dirigiert das Geschehen: Er gedenkt, Maria heimlich zu entlassen - Er empfängt eine Engelerscheinung - Er steht auf vom Schlaf - Er tut, wie der Engel ihm befiehlt - Er nimmt Maria zu sich- Er verzichtet auf den ehelichen Umgang- Er gibt dem Kind den Namen. Die Ereignisse sind ohne Zweifel vom Standpunkt J osefs aus gesehen. Machen wir den gleichen V ersuch mit dem Bericht von der Flucht nach Ägypten. Der Text würde dann etwa so lauten: «Da wurde Joseph die Erleuchtung zuteil, und er sprach zu sich selbst: Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter und flieh nach Ägypten, und bleibe dort, bis die Gefahr vorüber ist; denn Herades hat vor, das Kind zu suchen und es umzubringen. Da stand er auf, nahm in der Nacht das Kind und seine Mutter und zog fort nach Ägypten. Er blieb dort bis zum Tod des Herodes.» Josef steht im Zentrum der Beobachtung, er führt die Geschichte: Er empfängt die nächtliche Erscheinung - Er versteht und handelt Er steht auf und nimmt Kind und Mutter - Er zieht fort nach Ägypten - Er bleibt in Ägypten, bis weiteres befohlen wird. 148
Dasselbe Bild in der Erzählung von der Rückkehr. Versuchen wir auch hier, den Text zu zeigen ohne Engelerscheinung und ohne Erfüllungszitat. «Nachdem aber Herodes gestorben war, erfuhr Josef in Ägypten davon, und er sprach zu sich selbst: Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter und zieh in das Land Israel; denn die dem Kind nach dem Leben trachteten, sind gestorben. Da stand er auf, nahm das Kind und seine Mutter und zog in das Land Israel. Als er aber hörte, daß Archelaos anstatt seines Vaters Herodes in J udäa regiere, fürchtete er sich, dorthin zu gehen, und zog in das Gebiet von Galiläa. Dort angekommen, nahm er Aufenthalt in einer Stadt, die Nazaret heißt.» Es ist wiederum klar, daß der Erzähler vom Standpunkt J osefs aus berichtet. Der Schluß ist zwingend: J osef steht im Hintergrund dieser Erzählungen und Berichte, und zwar Josef als Mann und Familienoberhaupt. Werfen wir einen Blick zurück. Kann man die Geburt eines Kindes knapper berichten als mit den Worten: «Und er erkannte sie nicht, bis sie einen Sohn gebar, und er gab ihm den Namen Jesus»? Bei Lukas kommt unzweideutig die Hand der Frau zum Vorschein, wenn es heißt: «Und sie gebar ihren erstgeborenen Sohn, hüllte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe» (Lk 2,7). Der Bericht bei Mattäus verrät den Mann, und dieser Mann ist J osef. Allerdings kann der mattäische Bericht nicht direkt und unmittelbar auf J osef zurückgehen, denn es fehlen jegliche konkrete Details. So berichtet ein unmittelbar Beteiligter nicht. Es werden sozusagen nur die Umrisse geboten, nirgends gibt es eine Ausmalung durch näher beschreibende Angaben. Nur das Allernotwendigste ist gesagt, nur nackte Tatsachen werden überliefert. Man würde z. B. gerne fragen: Auf welchem Weg gelangte man nach Ägypten? Wie lange dauerte die Reise? Stand den Flüchtlingen ein Esel oder ein Maultier zur Verfügung? In welcher Gegend Ägyptens hat die Familie sich niedergelassen? Auf welche Weise konnte Josef das tägliche Brot verdienen? Derartige Einzelheiten erfahren wir nicht. Und wir sagen dazu: Es ist unmöglich, daß der Betroffene selbst so knapp und so neutral berichtet. Eine derart präzise, objektiv-sachliche, in knappste Form gebrachte Darstellung kann nicht der Erlebnisbericht eines direkt Beteiligten sein. Dieser wäre vielmehr konkret ausgeschmückt und emotionell gefärbt. (Und eben die knappe, nüchterne Form der Über149
lieferung gibt dann der Legende Anlaß, auszuschmücken und Details hinzuzufügen!) Es ist in diesem Fall auch klar, daß zwischen den berichteten Ereignissen und der Entstehung des Textes eine längere Zeit verstrichen sein muß.
4. Es ist gesagt worden, daß die Berichte von einem Mann als Ersterzähler stammen müssen, nicht von einer Frau. Weiter darf man sagen: Sie stammen von einer Person, die J osef schätzt und ihn gebührend ins Licht stellen will. Nur auserwählte Menschen werden durch Engelerscheinungen belehrt und nur in wichtigen Angelegenheiten. Josef stand mit dem Himmel in Verbindung, seine Entschlüsse Wlltr'll \'0111 lllttll\ll'ltlwt ~~cldtcl. Dltmus ersieht man sdne Größe und sdnc: \VllrJc:. Ferner wirJ ihm das Prädikat ausgestellt, daß er «gerecht» war. Dieses Prädikat, im Sinne von gerecht, gut, gütig, fromm, gottgefällig, war nach alttestamentlichem Beispiel ungefähr das höchste Lob, das man einem Mann spenden konnte. J osef wird nicht sich selbst gelobt haben, wohl aber kann das Lob über Josef von jemand stammen, der ihn kannte, der um seine Nöte und Sorgen wußte und zur Überzeugung gekommen war, daß er in bezug auf Maria und Jesus «gotterleuchtet» gehandelt hatte. Man darf noch einen Schritt weitergehen. Das NT gibt uns ja die Namen der Brüder Jesu bekannt. Einmal werden die Namen aller vier zusammen genannt (Mk 6, 3 par), Paulus nennt im Galaterbrief (1,19) einen aus ihnen, nämlich «Jakobus, den Bruder des Herrn», mehrfach werden zwei Brüder, nämlich Jakobus (oft mit dem Zunamen «der Kleine» oder «der Jüngere») und Joses (oder Joseph) als Söhne einer Maria genannt (Mk 15,40; Mt 27,56; Mk 15,47 und 16,1; Lk 24,10). Josef Blinzler teilt als Ergebnis seiner Untersuchung folgendes mit: «Bei Sirnon und Judas ging das Verwandtschaftsverhältnis zu Jesus über ihren Vater Klopas, der ein Bruder des heiligen Joseph und wie dieser Davidide war; der Name ihrer Mutter ist unbekannt. Die Mutter der Herrenbrüder Jakobus und Joses war eine von der Herrenmutter verschiedene Maria; sie oder ihr Mann war mit J esu Familie verwandt, aber die Art dieses Verwandtschaftsverhältnisses läßt sich nicht mehr ermitteln» 1 • Von den Lebensschick1
150
J. BLINZLER, a. a. 0. 145.
salen dieser Brüder des Herrn ist einiges bekannt: Jakobus, mit dem Beinamen «der Gerechte», war Vorsteher der Urgemeinde in Jerusalem von ca. 45-62 nach Christus. Judas ist möglicherweise der Verfasser des Judasbriefes und starb spätestens bald nach 70 nach Christus. Sirnon war der zweite Bischof von Jerusalem, Amtsnachfolger seines Vetters Jakobus, und ist um 107 n. Chr. gestorben. Vom vierten dieser Herrenbrüder ist weiter nichts bekannt. Es ist nicht sicher, ob Jesus außer den genannten vier noch weitere« Brüder» hatte. Man sieht jedoch, daß es ein Milieu gab, in welchem sich Nachrichten über den Nährvater Jesu haben erhalten können. Zwei oder drei dieser Vettern Jesu gehörten sogar, wie wir gesehen haben, zu den «Prominenten» der christlichen Urgemeinde in Jerusalem.
5. Wir können zusammenfassen. Die Erzählungen des J osefblockes gehen letztlich auf Josef selbst zurück. Dies ergibt sich daraus, daß sie vom Standpunkt des Mannes und Familienhauptes aus geschrieben sind. Sie enthalten ferner Dinge, die zur Intimsphäre des Mannes gehören, wie seine Absicht, Maria im stillen zu entlassen, und seine geschlechtliche Enthaltsamkeit. Zwischen den Ereignissen selbst und der Entstehung des Textes muß eine längere Zeit verstrichen sein, während der Josef gestorben ist. Also waren die Geheimnisse Josefs einer Person anvertraut und von ihr gehütet worden. Diese Person muß Josef hochgeschätzt haben. Das zeigen die eingefügten Engelerscheinungen, die Stilmittel sind, aber gleichzeitig auch theologische Deutungen enthalten, die auf die Wichtigkeit der Ereignisse - es geht um das Kommen des Messias I und auf die Würde und Begnadigung der beteiligten Hauptperson hinweisen. Wir gehen kaum fehl, wenn wir den oder die Tradenten dieser Überlieferungen in der nächsten Umgebung Josefs suchen, unter engsten Freunden oder am ehesten unter nahen und sehr vertrauten Verwandten. Und es ist vermutlich jene Person oder jene Personen, die von Josef in seiner seelischen Not und schweren Krise zu Rate gezogen worden sind, als zu entscheiden war, ob er seine Verlobte entlassen oder die siebentägige Hochzeitsfeier ansagen und Maria in sein Haus heimführen solle. In diesem engsten Kreis von vertrauten Personen wurden diese Nachrichten bewahrt und sie wur151
den später an die Öffentlichkeit gebracht, d. h. es wurde davon in einem Kreis von Jüngern gesprochen zu einem Zeitpunkt, als die Sache Jesu groß geworden war und als es Gläubige gab, die ein Interesse hatten, solche Nachrichten von den Anfängen zu hören, zu vernehmen, wie es gewesen war mit, «-rou ae: Il)crou XpLcr-rou ~ yeve:crt~;» (Mt 1,18), mit der Geburt Jesu Christi. Wir dürfen nun die Frage stellen: Welches ist also der historische Gehalt dieser Überlieferungen und wie verhalten sie sich zur lukanischen Vorgeschichte, die doch auch eine Art «Kindheitsgeschichte Jesu» darstellt. Es dürfte wohl feststehen, daß weder Mattäus noch Lukas eine vollständige Kindheitsgeschichte haben bieten wollen. Es lagen einem jeden von ihnen gewisse Traditionen vor, die sich auf die Geburt und Kindheit Jesu bezogen, aber keine dieser Traditionen war entstanden mit der Intention, alles Notwendige und Wünschenswerte über Jesu Geburt und frühe Kindheit auszusagen. Nachrichten erhalten sich oder erhalten sich nicht. Man muß sie nehmen, wie sie sind. Zudem sind es - und das macht ihr Verständnis schwierig nicht nur schlichte Nachrichten, sondern es sind Nachrichten, vermischt mit orientalischen Stilfiguren und mit theologischer Deutung. Die lukanische Vorgeschichte kann und soll hier nicht behandelt werden. Aber dies dürfte wohl mit ziemlicher Sicherheit gesagt werden: Mit einem Globalurteil kann man auch hier dem Text nicht gerecht werden. Zu sagen, die ganze lukanische Vorgeschichte ist Geschichtserzählung, ist also historische Wahrheit, geht wohl ebenso an der Wirklichkeit vorbei wie die Behauptung, die gesamte lukanische Vorgeschichte sei Legende oder Haggada. Die mattäische Vorgeschichte kann unter den Titel gestellt werden «Menschliche Sorgen und göttliche Erleuchtungen Josefs in bezugauf das Messiaskind». Wollte man die Magiergeschichte, die mit diesem Titel nicht erfaßt wird, eigens einschließen, müßte man hinzufügen «mit einem eingefügten urchristlichen Midrasch über den Wunderstern». Die lukanische Vorgeschichte könnte überschrieben werden mit «Sammlung von auffallenden und wunderbaren Begebenheiten um die Geburt und Kindheit Jesm>. Mit diesem Titel wäre noch nichts gesagt über die literarische Gattung der Stücke, und auf die drei im Text stehenden Hymnen (Benedictus, Magnificat, Nunc dimittis) wäre nicht Rücksicht genommen. Man sieht jedoch, daß die Verschiedenheit der Titel auch verschiedene Inhalte erwarten läßt. Das Auswahlprinzip, 152
dem die beiden Vorgeschichten unterworfen sind, zeigt, daß in keiner von ihnen eine eigentliche «Kindheitsgeschichte Jesu» zu erwarten ist und läßt zum vornherein vermuten, daß jede der beiden Vorgeschichten Eigenes und Besonderes zu bieten hat. Der historische Gehalt von Mt 1,18-2,23 kann folgendermaßen skizziert werden:
1. Als Josef und Maria sich verloben, ist Nazaret ihr Wohnsitz. Das ist aus den Texten sozusagen mit Sicherheit zu erschließen. In Nazaret sind auch die Verwandten Jesu zu Hause. 2. Maria wird auf unerklärliche Weise schwanger zur Zeit, als sie erst mit Josef verlobt, aber noch nicht heimgeführt ist. 3. Dadurch gerät Josef in schwere Bedrängnis und Gewissensnot. Die Krise wird gelöst, Josef führt die Hochzeitszeremonien durch und führt Maria heim. 4. Jesus wird in Betlehem in Judäa, wohin die beiden Vermählten offenbar hingezogen sind, geboren. 5. Das Kind, als dessen Vater der Davidide J osef gilt, gerät für eine zeitlang in den Bereich messianischer Erwartungen und wird dadurch gefährdet. 6. J osef bringt das Kind in Sicherheit durch die Flucht nach Agypten. 7. Als Folge der krankhaften Angst und Vorsicht des Herrschers muß eine Anzahl kleiner Knaben in Betlehem das Leben lassen. 8. Nach dem Tod He:rodes' d. Gr. kehrt Josef nach Palästina zurück und nimmt nach einigem Zögern wieder Wohnsitz in Nazaret. Hier werden nüchterne Dinge berichtet. Es sind Begebenheiten, die als historischer Gehalt in den Erzählungen der mattäischen Vorgeschichte enthalten sind. Wunderbar für den, der an Wunder zu glauben vermag, ist einzig die ohne menschliches Zutun entstandene Schwangerschaft Marias. «Als Maria, seine Mutter, mit Josef verlobt war, fand es sich, ehe sie zusammenkamen, daß sie empfangen hatte ... » (Mt 1,18). Die textgerechte Auslegung der mattäischen Vorgeschichte schließt, so glauben wir, dieses Wunder ein.
153
EXKURS
3
Jüdische Sitten und Bräuche in bezug auf Verlobung und Vermählung Daß der Mann sich verehelichen und Kinder zeugen soll, wurde als Pflichtgebot betrachtet. Dies galt jedoch nicht für die Frau. Für die Ehepflicht des Mannes bringt Billerbeck zahlreiche talmudische Zeugnisse, auch solche aus der Zeit um etwa 100 nach Christus 1 • Daß aber um eines höheren Ideales willen Ehelosigkeit möglich war, beweist die Sitte der Essener, ehelos zu sein 2 • Auch die Gemeinde von Qumran scheint Ehelosigkeit vorgezogen zu haben, mindestens lebte die führende Gruppe unter ihnen zölibatär 3 • Jesus selbst war ehelos und hat nach Mt 19,12 Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen empfohlen.
1 STRACK-BILLERBECK, li 372 f.- Siehe auch S. KRAuss, Talmudische Archäologie, Hildesheim 1966, li 25. Hierzu zwei Zeugnisse aus früher Zeit: Rabbi EHezer (um 90 n. Chr.) hat gelehrt: «Wenn jemand die Fortpflanzung nicht übt, so ist es ebenso, als würde er Blut vergießen» (BT Jabmuth 63b) ... Rabbi Jochanan ben Beroqa (um 110 n. Chr.) erklärte zum Satz ((Der Mann ist zur Fortpflanzung verpflichtet, nicht aber die Frau»: ((Von beiden heißt es: Der Herr segnete sie und sprach: Seid fruchtbar und mehret euch» (BT Jabmuth 65b). 2 Betreffs der Frage ((Essener und Ehe» siehe: FL. JosEPHUS BJ li 121 (= 2, 8, 2); AJ XVIII 21 (= 18, 1, 5). PHILON schrieb eine Apologia pro Judaeis, die nur bei EusEBIUS in der Praeparatio evangelica erhalten ist, und wo gesagt ist: ((Sie lehnen die Ehe ab, so daß sie das seltene Lob vollständiger Enthaltsamkeit beanspruchen dürfen. So pflegt also kein Essäer zu heiraten, weil die Frau so veranlagt sei, daß sie wegen ihrer heftigen Selbstliebe und Eifersucht die Sitten des Mannes leicht verkehren und durch die verführerischen Reize ihrer Schmeicheleien verweichlichen könne.» MIGNE PG 21, 643. PLINIUS schreibt: dm Westen [= des Toten Meeres I] leben die Essener, ein einsames und sonderbares Volk, das sich vor allen Völkern des Erdkreises dadurch auszeichnet, daß es keine Frauen nimmt, der Liebe ganz entsagt, und ohne Geld inmitten der Palmen lebt» Naturalis Historia, 5. Buch XV (73). Ganz ähnlich berichtet auch am Anfang des 3. Jahrh. n. Chr. HIPPOLYT von Rom in seinem Werk Refutatio omnium haeresium ( = Elenchos). Siehe Hippolytus Werke 3. Band, ed. P. Wendland, GCS 26, Leipzig 1916, 256. Allem Anschein nach gab es freilich auch eine Gruppe von Essenern, die sowohl Ehe wie auch Privateigentum hochhielten. Dafür zeugt die sog. DAMASKUSSCHRIFT, die durch einige QuMRAN-Fragmente ergänzt wird. Siehe z. B. K. SGIUBERT, Die jüdischen Religionsparteien in neutestamentlicher Zeit (SBS 43), Stuttgart 1970, 52. 3 J. VAN DER PLOEG, Qumran = BL von H. Haag, Einsiedeln 21968, 1430-1440.
154
Die Werbung Der jüdische Jungmann heiratete im allgemeinen zwischen dem 18. und 24. Lebensjahr 1• Für Mädchen galt es als normal. wenn sie im Alter von 12 bis 12% Jahren von ihrem Vater verlobt wurden. Die Verlobungszeit dauerte in der Regel etwas mehr als ein Jahr. So wurde das jüdische Mädchen normalerweise im Alter von 13% bis 14 Jahren verheiratet. Wenn ein Mädchen 12% Jahre alt geworden war, ohne verlobt zu sein, dann, meinte man, tue Eile not und man dürfe in der Wahl des Mannes nicht mehr wählerisch sein 2• Der Mann sollte sich eine ebenbürtige Frau nehmen, möglichst aus dem gleichen Gesellschaftskreis. «Es war weithin üblich, daß man sich mit einer Verwandten verlobte, und zwar nicht nur in den vornehmen Kreisen ... » 3 «Auch die beliebte und mehrfach empfohlene Verwandtenehe wird mit dem Wunsch zusammen gehangen haben, die Frau möglichst aus einem Kreis zu wählen, dem der Mann selbst angehörte. Mit der Zugehörigkeit der Braut zur Familie des Bräutigams schien ihre Ebenbürtigkeit am sichersten gewährleistet zu sein» 4• Vor allem war es wünschenswert, die Frau möglichst aus dem eigenen Stamm zu wählen. Freilich war es im Laufe der Zeit zu einer gewissen Freizügigkeit gekommen, die nur dann zwingend eingeschränkt wurde, wenn eine Tochter Erbtochter war, d. h. wenn kein männlicher Erbe vorhanden war und die Tochter somit Erbin des väterlichen Grundbesitzes wurde. Zeugnis für die genannte Freizügigkeit ist z. B. die Stelle Num 36, 3, wo die Folgen ins Auge gefaßt werden, die entstehen, wenn Erbtöchter außerhalb des Stammes heiraten. Num 36,6 enthält sodann die Bestimmung, daß Erb1 Dies sind eher obere Grenzen. In der Mischna heißt es: «Achtzehn Jahre alt - zum Trauhimmell» (Abot V, 21). - Gewisse Quellen geben schon das 16. Lebensjahr an. Siehe STRACK-BILLERBECK, II 374 f. 2 Zur Stelle Lev 19,29 «Du sollst deine Tochter nicht entweihen, indem du sie zum Huren anhältst» sagte Rabbi Akiba (gest. um 135 n. Chr.), «dies beziehe sich auf den Fall, wenn jemand seine mannbare Tochter sitzen läßt.» (BT Sanhedrin 76a). - Ein Rabbi sagte: «Wenn deine Tochter mannbar geworden ist, dann laß deinen Sklaven frei und gib sie ihm.» Das bedeutet, das Mädchen ist schnell an den Mann zu bringen und man hat nicht mehr Zeit, lange zu wählen. (BT Pesachim 113a.) Betr. Alter und Einverständnis der Tochter siehe auch Anm. 3 Seite 156. 3 J. }EREMIAS, Jerusalem zur Zeit Jesu, Göttingen 21958, II B 238.- Vergleiche Gen 24, 4: «Vielmehr sollst du in mein Heimatland und zu meiner Verwandtschaft ziehen und dort für meinen Sohn eine Frau suchen.» 4 STRACK-BILLERBECK, II 379.
155
töchter nur innerhalb des eigenen Stammes heiraten dürfen. Dieser Text gehört vermutlich der Priesterschrift an, also der Zeit des 6. oder 5. Jahrh. vor Christus. Doch- auch vom Sonderfall der Erbtochter abgesehen- die Tendenz, innerhalb des Stammes zu heiraten, blieb bestehen, oder wurde wenigstens als wünschbares Ideal betrachtet. Deshalb wird dem jungen Tobias gesagt: «Nimm dir eine Frau aus dem Geschlecht der Väter, keine fremde Frau, die nicht aus dem Stamm deines Vaters ist» (Tob 4,12). Das Buch Tobias ist mindestens drei Jahrhunderte jünger als das Buch Num, es muß um 200 v. Chr. geschrieben worden sein. Natürlich boten Ehen übet die Stammesgrenzen hinaus im allgemeinen keine Schwierigkeiten, aber «Heirat innerhalb des Stammes und der Familie ist das Normale und Wünschenswerte», wie Joachim Jeremias auch für die Zeit Jesu annimmt 1• Diese alte Sitte scheint vor allem in Priesterkreisen beobachtet worden zu sein 2• Nach Lk 1,5 waren sowohl Zacharias wie auch seine Frau Elisabet aus dem Hause, d. h. aus der Familie und Nachkommenschaft Aarons. Wenn der heiratslustige Mann sich eine Braut erkoren hatte, galt es, alle jene Schritte zu unternehmen, die nach Recht und Brauch notwendig waren, um sie als seine Frau heimzuführen. Der junge Mann mußte, wenn seine Erwählte das Verlobungsalter erreicht hatte, bei ihrem Vater vorsprechen und seine Einwilligung zu erreichen suchen. Dies gab nach orientalischer Art Anlaß zu längeren Verhandlungen. Der Werbende mußte zum voraus der Zuneigung seiner zukünftigen Verlobten sicher sein, denn ohne ihre Zustimmung gab es keine Heirat 3• Der Fachausdruck für die Werbung war siddukhin (= wörtlich «Überredung»). Sie konnte durch den jungen Mann selbst oder durch einen Mittelsmann - in der Regel war dies der zukünftige Brautführer bei den Hochzeitsfeierlichkeiten! erfolgen. Das Ziel dieser Verhandlungen war der Ehevertrag mit den damit verbundenen vermögensrechtlichen Vereinbarungen. Diese Verhandlungen wurden für so wichtig angesehen, daß sie auch an J. JEREMIAS, a. a. 0. 238 Anm. 55, mit Verweis auf Quellen. J. JEREMIAS, a. a. 0. 238. 3 Siehe STRACK-BILLERBECK, a. a. 0. 375, S. KRAUSS, Talmudische Archäologie, Hildesheim 1966, II 24 ff. - Das Mädchen ist minderjährig bis zum Alter von «zwölf Jahren und einem Tag», es ist Jungfrau im Alter von 12- 121/ 2 Jahren, es ist volljährig, wenn es älter ist als 121/ 2 Jahre. «Erst die Volljährige (über 121/ 2 Jahre) ist selbständig: sie kann nicht ohne ihre Einwilligung verlobt werden.» So J. ]EREMIAS, a. a. 0. 236 f. 1
2
156
einem Sabbat geführt werden durften normalerweise vier Punkte.
1•
Der Ehevertrag enthielt
1. Die Aussteuer der Braut. Der Vater war verpflichtet, seiner Tochter eine Aussteuer oder Ausstattung in die Ehe zu geben im Mindestwert von 50 Zuz. Ein Zuz=ein Denar. Da der Denar nach Mt 20,2 den Wert eines Tageslohnes hat, war die Mindestaussteucr etwa 50 Tageslöhne wert. Dabei wird es sich in einfachen oder ärmlichen Verhältnissen um die notwendigsten Kleidungsstücke und Hausgeräte gehandelt haben. In vermöglichen Kreisen werden auch Grundstücke, Sklaven (Dienerinnen!) und Bargeld dazu gekommen sein. Die Aussteuer sollte standesgemäß sein. Sie blieb Eigentum der Frau, ihrem Gatten aber stand die Nutznießung zu. Bei einer Auflösung der Ehe nahm die Frau wieder an sich, was davon noch vorhanden war 2 • 2. Die Mitgift. Sie ist nicht dasselbe wie die Aussteuer. Sie wird in den meisten Fällen in Geld bestanden haben, kann aber auch in Form von Vieh oder Sklaven gegeben worden sein. Ihre Höhe war dem Belieben des Brautvatersanheim gestellt. Nach Sitte und Brauch sollte sie sich jedoch nach dem Vermögen des Brautvaters richten. Im babylonischen wie im jerusalemischen Talmud wird angenommen, daß die Mitgift etwa ein Zehntel des väterlichen Vermögens ausmachen sollte 3 • Das ist ein beträchtlicher Anspruch, besonders wenn man bedenkt, daß die zu verlobende Tochter meist nicht das einzige Kind und nicht unbedingt auch die einzige Tochter dieses Vaters sein mußte. Aber es ist zu bedenken, daß nach alttestamentlicher Auffassung die Töchter vom Vermögen ihres Vaters nicht erben konnten, ausgenommen in dem Fall, daß keine Söhne vorhanden waren (Num 27, 8). Diese Bestimmung beruht jedenfalls auf der Annahme, daß das Hauptvermögen in Grund und Boden besteht und daß dieser nicht aufgeteilt werden sollte. So darf man annehmen, daß diese Mitgift eine Art Ersatz dafür war, daß die Töchter nicht erben konnten 4• Die vereinbarte Mitgift ging mit der Heirat in den Besitz li 384. li 385. 3 BT Kethuboth 68a-69a (etwa zehnmall). JT Kethuboth IV 11; VI 6. 4 R. DE V Aux, Das Alte Testament und seine Lebensordnungen, Freiburg 1960, I 96 f.: «Als Grundregel gilt, daß nur die Söhne erbberechtigt sind.» «Töchter können nicht erben, außer wenn keine männlichen Erben da sind.»1 STRACK-BILLERBECK, 2 STRACK-BILLERBECK,
157
des Mannes über, und es stand ihm auch das Verfügungsrecht darüber zu. Aber der Wert dieses Besitzes mußte zugunsten der Frau sichergestellt sein und die Frau konnte bei Auflösung der Ehe durch Entlassung oder durch den Tod des Mannes diese Mitgift zurückfordern. 3. Die Kethubba oder Hochzeitsverschreibung. Es ging darum, genau festzusetzen, welche Summe der Frau aus dem Vermögen des Mannes auszuzahlen war, wenn er sie entlassen oder wenn er vor ihr sterben sollte. Diese Kethubba setzte sich zusammen aus drei Teilen: Erstens aus einer Summe, die ohne Rücksicht auf die von der Frau hereingebrachte Mitgift festzusetzen war; man mag sie als Grundbetrag oder Grundtaxe bezeichnen. Sie betrug für eine Braut, die als Jungfrau heimgeführt worden war, 200 Zuz (= Denare), für eine Braut, die als Witwe geheiratet worden war, 100 Zuz. Zweitens durfte dieser Grundbetrag vom werbenden Mann durch eine beliebig hohe «Zugabe» erhöht werden. Die Priesterschaft von Jetusalern nahm z. B. das Recht in Anspruch, für Frauen ihres Standes in jedem Fall das Doppelte des Grundbetrages zu verlangen. Drittens kam hinzu ein Betrag, der nach der Höhe der von der Frau mitgebrachten Mitgift berechnet wurde. Brachte z. B. die Frau 1000 Zuz Bargeld mit in die Ehe, so wurde diese Mitgift plus 50 Prozent Zuschlag berechnet, d. h. die Kethubba betrug dann 1500 Zuz plus Grundbetrag plus «Zugabe». Es ist klar, daß sich hierbei am Schluß beträchtliche Summen ergeben konnten. Die gesamte Kethubba mußte durch Grundpfandverschreibung auf den vorhandenen Liegenschaften des Mannes oder, wenn solche nicht oder nicht im genügenden Ausmaß vorhanden waren, durch Bürgen gesichert werden. In der Institution der Kethubba steckt wohl auch die Absicht, die Auflösung einer eingegangenen Ehe zu erschweren. Die Mitgift erhöhte den Wert der umworbenen Frau, die Kethubba schützte ihre Stellung als Gattin und Mutter. Die früheste Nachricht, die von der Kethubba und ihrer Sicherung durch das Vermögen des Mannes spricht, stammt von Sim'eön ben Setalt um etwa 90 vor Christus 1• L. DELEKAT, Erbe = BHHWB, Göttingen 1962, 423: «Töchter werden durch eine Mitgift abgefunden.» 1 BT Kethuboth 82b: «Da kam Simon ben Setah und ordnete an, daß er ihr schreibe: all meine Güter haften für deine Morge.ngabe.» ( = STRACK-BILLERBECK II 390 und 391.) 158
4. Weitere Bestimmungen besonderer oder gar sonderbarer Art konnten noch in den Ehevertrag einbedungen werden. Ein solcher V ertrag wurde wohl in vielen Fällen zuerst mit einem Sachverständigen beraten, sodann vom Schreiber geschrieben und von zwei Zeugen unterzeichnet. Die älteste Erwähnung eines Ehevertrages ist im Buche Tobias (7,14) zu finden. Der Ehevertrag kommt offenbar erst in nachexilischer Zeit auf und stammt ohne Zweifel aus Babylonien. Dort war - in der Zeit des neubabylonischen Reiches - die Institution des Ehevertrages und der Mitgift (viel weniger der «Brautpreis» von seiten des werbenden Mannes) wesentlich für die Eheschließung 1 • Man weiß aus dem Talmud, daß es Orte gab, wo Eheverträge geschrieben wurden, und Orte, wo nichts geschrieben wurde 2 • Man geht nicht fehl, wenn man annimmt, daß schriftliche Eheverträge vor allem in Jerusalem und überhaupt in größeren Ortschaften ausgefertigt wurden. In ländlichen Gegenden wird man sich meistens mit mündlichen Abmachungen begnügt haben. So wird es wohl zutreffen, daß im kleinen und unbedeutenden Nazaret die Eheverträge in mündlicher Form geschlossen wurden. Aber irgend eine Art von Ehevertrag wird auch der Verlobung J osefs mit Maria vorausgegangen sein. Die Verlobung War es dem jungen Mann gelungen, selbst oder durch seinen Mittelsmann den gewünschten Ehevertrag zu vereinbaren, war der Weg frei für die Verlobungsfeier. Diese fand im Hause des Brautvaters statt, der auch das Verlobungsmahl veranstaltete 3 • Der eigentliche Verlobungsakt bestand darin, daß der Bräutigam seiner Braut in Gegenwart von zwei Zeugen eine Peruta oder einen Gegenstand im Wert von wenigstens einer Peruta (= kleinste Münze) übergab und dabei sagte: «Siehe, du bist mir verlobt» oder «Siehe, du bist mir zur Ehefrau» 4• Während des Mahles wurde- wahrscheinlich vom Vater der Braut - über einem Becher Wein der Segensspruch für Verlobte gesprochen. Von nun an hieß die Verlobte «das Mädchen des So1 2 3
4
W. KoRNFELD, Mariage = DBS, Paris 1957, V 908 und 923. BT Kethuboth 89a (= STRACK-BILLERBECK, II 393). BT Pesachim 49a (= STRACK-BILLERBECK, II 394 ff.). BT Qiddusin 2a, Sb, 6a (= STRACK-BrLLERBECK, II 394 f.). 159
undso» oder «die Frau des Soundso» 1• Sie wurde als Witwe betrachtet, wenn der Verlobte starb. Nach der Verlobung pflegte der Neuverlobte Geschenke an die Braut und wohl meistens auch an deren Vater zu übersenden. Hier lebte also der uralte Brauch der «Morgengabe», des mohar, wenigstens zum Teil weiter. (Vgl. Gen 24,53; 34,12; Ex 22,16; 1 Sam 18,25.) An die Übersendung der Morgengabe konnte sich ein zweites Verlobungsmahl anschließen. Im jüdischen Recht galt der Grundsatz: «Die Frau wird erworben durch Geld, durch Urkunde und durch Beiwohnung.» Verlobung durch Geld meint offenbar die soeben geschilderte Form mit der Übergabe einer Münze. Die Münze ist hierbei offenbar das Symbol des Brautpreises bzw. der Kethubba. «Durch Beischlaf» könnte den Eindruck erwecken, als ob Geschlechtsverkehr als völlig normales Mittel der Verlobung betrachtet worden wäre. Aber dies ist nicht der Fall. Billerbeck schreibt dazu: «Der letzte Modus ist wohl schon frühzeitig in Verruf gekommen» 2 • Gaechter im Anschluß an Jakob Neubauer denkt an uralte Tradition, an ein Relikt aus weit zurückliegender Zeit, als die Eheschließung aus einem einzigen Vorgang bestand, der Übergabe der Braut und dem Vollzug des Geschlechtsverkehrs 3 • (Vgl. etwa Gen 30,4; 38,2; Deut 21,13.) Sodann legt Gaechter eine Reihe von Argumenten vor, die zeigen, daß von der Braut Jungfräulichkeit verlangt wurde. Im Sinne dieser Anschauung war es, wenn den Brautleuten verboten war, allein beisammen zu sein oder unter dem gleichen Dach die Nacht zuzubringen. Die Braut, obgleichrechtlich bereits die Frau des Verlobten, lebte bis zur Heimführung im Haus und damit auch unter der Kontrolleihres Vaters 4• Der übliche Hochzeitstag in der früheren Zeit war der vierte Wochentag (= Mittwoch) für Jungfrauen. Wenn also der junge Ehemann eine Klage wegen fehlender Jungfrauschaft vorbringen wollte, konnte er gleich am folgenden Tag die Klage vorbringen, denn Donnerstag und Montag waren Gerichtstage. (Sabbat und Sonntag waren als Hochzeitstage nicht gebräuchlich!) 5 Wir dürfen anS. KRAuss, a. a. 0. II 35.- STRACK-BILLERBECK, II 393. STRACK-BILLERBECK, a. a. 0. 394. 3 P. GAECHTER, Maria im Erdenleben, Innsbruck 1953, 81 f. • P. GAECHTER, a. a. 0. 83. 5 BT Kethuboth 2a: «Eine Jungfrau ist am Mittwoch und eine Witwe am Donnerstag zu ehelichen, weil zweimal wöchentlich, am Montag und am Don1
2
160
nehmen, daß die Verlobung zwischen J osef und Maria in diesem Rahmen vor sich gegangen ist, und daß selbstverständlich auch von ihnen die geschlechtliche Enthaltsamkeit bis zum Tag der Heimführung gemäß allgemeiner Anschauung gefordert war. Wäre den Nazarenern bekannt geworden, daß Maria während der Verlobungszeit schwanger geworden war, wäre sie selbst zum mindesten der öffentlichen Verachtung anheim gefallen und J osef wäre in schlimmen Verdacht geraten. Gaechter schreibt: «Es besteht somit kein Zweifel, daß zur Zeit, als Maria verlobt war, auf die Jungfrauschaft der Braut am Hochzeitstag größtes Gewicht gelegt wurde und ihr Verlust eine öffentliche Schmach bedeutete, für religiös eingestellte Mädchen zugleich ein Vergehen gegen Gottes Willen. Nur auf diesem Hintergrund läßt sich ermessen, was die voreheliche übernatürliche Empfängnis für Maria bedeutete» 1• Es wird etwa die Meinung vertreten, die jüdischen Verlobten zur Zeit Jesu hätten schon vor der Heimführung- der eigentlichen Hochzeitsfeier! - den ehelichen Verkehr ausüben können, ohne der öffentlichen Verachtung anheimzufallen. Der Grund für diese zugestandene Freiheit sei das ius primae noctis gewesen, das die römische Besatzungsmacht für sich in Anspruch nahm und das die Juden durch Erlaubnis bzw. Duldung eines freieren Verkehrs der Verlobten zu sabotieren suchten. Tatsächlich sind aus dem Talmud drei Dinge zu ersehen: Erstens, daß - gemäß altem Empfinden - die körperliche Unversehrtheit der Braut vor der Hochzeit erwartet und verlangt wurde und daß gerichtliche Klage erhoben werden konnte, wenn die Braut in der Hochzeitsnacht schon defloriert erfunden wurde 2• Zweitens zeugt der Talmud für das angemaßte Recht der römischen Besatzungsbehörde, die neuvermählte jüdische Braut dem obersten am Orte anwesenden Vertreter der Besatzungsmacht zuzuführen, um das ius primae noctis auszuüben 3• Drittens ist bezeugt, daß es bezüglich der Verlobten - offenbar seit der römischen Besatzung -zweierlei Gewohnheiten gab, die strengere nerstag, die Gerichte Sitzungen in den Städten abhalten, und er, wenn er die Jungfernschaftsanklage zu erheben hat, sich sofort am folgenden Morgen an das Gericht wenden kann»(= STRACK-BILLERBECK, II 398). 1 P. GAECHTER, a. a. 0. 89. 2 BT Kethuboth 2a; JT Kethuboth I 1. 3 BT Kethuboth 3b; JT Kethuboth I 5. 11
161
galiläische, die den Verlobten jedes Alleinsein unter sich verbot (was eine vorzeitige Deflo:rierung des Mädchens unmöglich machte I) und die freiere judäische Gewohnheit, die den Geschlechtsverkehr der Verlobten aus dem schon genannten Grund durchaus möglich machte 1 • Dazu ist nun allerdings zu sagen, daß es zur Zeit, als Josef und Maria verlobt waten, noch keine :römische Besatzung gab. Denn wenn, wie allgemein angenommen wird, Jesus jedenfalls vor dem Jahre 4 v. Chr., vermutlich zwischen 8 und 6 v. Chr. geboren wurde, dann muß die Verlobung Josefs mit Ma:ria etwa ein Jahr zuvor angesetzt werden, also in der Zeit 9 bis 7 vor Christus. Damit stehen wir aber in der Regierungszeit Herodes' d. G:r. und keineswegs in der Periode der :römischen Besetzung Palästinas. Es gab somit in Palästina noch kein verhaßtes ins primae noctis einer ebenso verhaßten fremden Besatzungsmacht. Das jüdische Volk hatte weder Grund noch Anlaß, die überlieferten Auffassungen und Gewohnheiten bezüglich V e:rlobung und Heimführung aufzugeben und einer veränderten Situation anzupassen. Man gewährte der Braut von dem Tage an, da der Bräutigam sie zur Hochzeit ( = Heimführung) aufgefordert hatte, zwölf Monate Zeit, um ihre Ausstattung zu besorgen 2 • Etwa soviel Zeit benötigte auch der Bräutigam, um die notwendigen Konsumgüter (Mehl, Wein, Schlachtvieh, Öl usw.) für das siebentägige Hochzeitsfest zu besorgen und die Wohnung und insbesondere das Brautgemach herzurichten 3 •
Die Heimführung Die Heimführung war das eigentliche Hochzeitsfest. Die Feier begann mit der Abholung der Braut aus ihrem Elternhaus. Die Braut hatte sich gewaschen und gesalbt, das Brautkleid angezogen und sich mit 1 BT Kethuboth 12a (vgl. auch 7b); JT Kethuboth I 5.- Hier im Jerusalemer Talmud ist ausdrücklich gesagt: «Ün subjugua !es Judeens, on violenta leurs filles, et l'on decreta, que le a-rpiXTLWnJc; (stratege, chef de guerre) aurait le droit d'en user d'abord (avant le mariage). Pour parer a cet outrage et a ses suites juridiques, il fut institue, que le fiance pourrait s'unir a sa fiancee dans Ia maison de son beaupere ... » (JT Kethuboth I 5). Auch der babylonische Talmud antwortet auf die Frage über Zeit und Anlaß der geduldeten größeren Freiheiten: «Als verhängt worden war, jede Jungfrau, die ... geehelicht wird, werde erstmalig vom Hegemon beschlafen» (BT Kethuboth 3b). 2 BT Kethuboth 57a und b (= STRACK-BILLERBECK II, 394, 397 f.). 3 S. KRAuss, a. a. 0. II 36.
162
dem Brautschmuck geschmückt. (Vgl. Apok 21,2: «gekleidet wie eine Braut, die geschmückt ist für ihren Mann».) Als Salböl wurde das wohlriechende Nardenöl verwendet. Vom Schmuck der Braut spricht Psalm 45,14 f. und Jesaja 61,10. Die Braut war vermutlich auch in irgend einer Art bekränzt. Es scheint sich um Kränze aus Rosen oder Myrten gehandelt zu haben. Zwischen 115-117 n. Chr. erließ man jedenfalls ein V erbot der Brautkränze. Während sonst die jüdische Frau Kopftücher trug, ein Haarnetz und ein Stirnband mit herabfallenden Bändern, die das Gesicht verhüllten, war die Braut unverschleiert (im Gegensatz zu Gen 24,65 I); das Haar trug sie lose herabfallend 1 • So erwartete sie, von ihren Freundinnen umgeben, den Bräutigam. Der Bräutigam war begleitet von seinen Freunden, die Mt 9,15 wörtlich «Söhne des Brautgemachs» genannt werden, und vom Brautführet oder von den Brautführern, wenn er zwei solche hatte. Diese letzten waren vertrauteste Freunde (vgl. Joh 3,29 «der Freund des Bräutigams»), sie hatten auch die Aufgabe, den Geschlechtsverkehr des jungen Paares zu überwachen 2• Der Bräutigam trug einen Kopfschmuck, den seine Mutter ihm aufsetzte. Davon spricht Jesaja 61,10 und Hoheslied 3,11. Aber welcher Art dieser Schmuck gewesen ist, weiß niemand genau. Die einen reden ganz allgemein von Kopfputz, andere von Turban, Krone, Diadem, Kopfbund. Das Stichwort in BT Kethuboth 15 b; 28a. STRACK-BILLERBECK, I 500. -In STRACK-BILLERBECK, I 46 gewinnt man den Eindruck, daß die Institution des Brautführers nur in Judäa, nicht aber in Galiläa zu finden sei. Ein etwas anderer Eindruck entsteht jedoch im Kommentar zu Mt 9,15 (I 500-518, bes. 500 f. und 503 f.). - Auffällig sind die zahlreichen Zeugnisse (S. 503 f.) für die rabbinische Auffassung, daß Gott die neugeschaffene Eva dem Adam zugeführt habe in der Rolle eines Brautführers. Es bereitet tatsächlich Schwierigkeiten anzunehmen, daß diese Institution nur in Judäa bekannt gewesen sein soll, wenn man bedenkt, daß es noch andere Aufgaben des Brautführers gegeben haben muß - außer der Überwachung des ersten Geschlechtsverkehrs (speziell der Kontrolle der Zeichen für die körperliche Unversehrtheit der Braut). Der Brautführer konnte, wie man weiß, schon bei der Brautwerbung in Erscheinung treten, vor allem aber am Hochzeitstag bei der Abholung der Braut in der Sänfte und beim festlichen Hochzeitszug. Darüber heißt es in der Talmudischen Archäologie: «Das Gefolge stellten, abgesehen von der ganzen jüdischen Bevölkerung des betreffenden Ortes, die durch Herolde zur Teilnahme aufgefordert worden war, die besten Kameraden des Bräutigams, geführt vom Brautbeistand (schöschbin, Paranymphios), seinem intimsten Freund, der an diesem Tage überhaupt in den Vordergrund tritt» (S. KRAuss, a. a. 0. II 38). - Die Vorstellung vom Brautwerber bzw. Brautführer hat wohl auch Paulus in 2 Kor 11, 2. 1
2
163
Jes 61 ist im Septuagintatext !J.hpcx, was Kopfbinde, aber auch Gürtel bedeuten kann; im Hohelied ist es O"'t'tcpocvoc;, was eindeutig Diadem, Stirnband, Kranz bedeutet. Im Traktat Sota des babylonischen Talmud heißt es: «Bei der Invasion des Vespasian verbot man die Bräutigamskränze .. . Bei der Invasion des Quietus verbot man die Brautkränze ... Bei der letzten Invasion verbot man, die Braut unter einem Baldachin durch die Stadt zu führen» 1• Wir dürfen annehmen, daß es sich um einen Kranz gehandelt hat, der vermutlich aus Goldblech gefertigt :war. Unter den Freunden des Bräutigams waren auch die Musikanten, wie 1 Makk beschrieben ist: «Sie erhoben ihre Augen, schauten und nahmen viel Lärm und einen großen Aufzug wahr: Der Bräutigam samt seinen Freunden und Brüdern kam ihnen entgegen mit Pauken und Musikinstrumenten ... » (1 Makk 9,39). Sowie der Bräutigam mit seiner Begleitung beim Hause der Braut angelangt war, formierte sich der Hochzeitszug. Die Braut erbat und erhielt von ihrem Vater den Segen. Sie bestieg die bereit gestellte Sänfte, die von vornehmen Leuten getragen wurde 2 • Nun setzte sich der Zug in Bewegung. Der Bräutigam und seine Freunde sowie Musikanten begleiten die Sänfte mit der Braut. Die Hochzeitsgäste tragen Myrtenzweige. Musik ertönt, Hochzeitslieder werden gesungen und es wird getanzt. Man denkt an Mt 11,17: «Wir haben euch aufgespielt, aber ihr habt nicht getanzt» 3 • Man wirft Nüsse und geröstete Ähren unter das Volk. (Nüsse und geröstete Ähren waren die Bonbons der Antike!) Die
1 BT Sota 49a und b. - Der hier genannte Quietus ist der Nordafrikaner («Maure») Lusius Quietus, der sich und seine Reiter dem Kaiser Domitian zuführte und das römische Bürgerrecht und Ritterrang erlangte. Unter Trajan wurde er Konsul und 116/17 Legat von Judäa. Von Hadrian wurde er von diesem Posten abberufen. Die «letzte Invasion» meint wohl die unter Hadrian von 132-13S, die dem Aufstand unter Bar-Kochba ein Ende setzte. 2 STRACK-BILLERBECK, a. a. 0. I SOS und S09 f.- S. KRAUSS, a. a. 0. II 38.Das hebräische Wort für «Sänfte»= 'aftrjon ist vermutlich als Lehnwort aus dem Griechischen übernommen: <popdov = Tragsessel, Sänfte. Von dieser Sänfte ist natürlich die Chuppa (= Brautgemach, Brautzeit) zu unterscheiden! 3 Über den Hochzeitszug siehe STRACK-BrLLERBECK, I SOS; S. KRAuss, I 37-40. - Das kleine Gleichnis ist dem Alltagsleben entnommen: Kinder spielen auf der Straße. «Wir wollten Hochzeit spielen», so rufen die Knaben ihren Kameraden zu (der Reigentanz bei der Hochzeit ist überwiegend Sache der Männer), aber «
164
Bewohner des Ortes eilen herbei, um dem Brautpaar ihre Aufmerksamkeit zu erweisen und ihm Glückwünsche darzubieten. Das Gleichnis von den fünf klugen und fünf törichten Mädchen (Mt 25,1-13) zeigt, daß die Heimführung abends bei Anbruch der Nacht stattfand und daß eine Gruppe von fackeltragenden Mädchen den Hochzeitszug begleiten konnte. Es heißt Mt 25,1 « ... die ihre Lampen nahmen und sich aufmachten zur Begegnung mit dem Bräutigam.» Es muß sich um Fackeln gehandelt haben, wie eindeutig nachgewiesen ist 1 • Offenbar wurde auch der Bräutigam festlich abgeholt, wenn er mit seinen Freunden sich aufmachte, um die Braut in sein Haus zu holen, wo dann - nach Mt 25,10 - die Hochzeit gehalten wurde. Was diese Fackeln betrifft: Es waren Holzstäbe, die oben mit einer Art Pfanne versehen waren, in denen ölgetränkte Lappen steckten. Da solche Fackeln wohl hell leuchten, aber nicht sehr lange brennen, mußten die Mädchen Reserveöl in einem Krüglein bei sich haben, um bei Bedarf die Lappen neu zu tränken. Diese Mädchen holten also zuerst den Bräutigam ab, begleiteten dann den Hochzeitszug und nahmen mit den übrigen Eingeladenen am Feste teil. Die Feier erhielt mit der Hochzeitszeremonie und dem Festmahl im Hause des Bräutigams ihren Höhepunkt. Haus und Hof waren festlich geschmückt und beleuchtet. Der Bräutigam nahm an der Tafel die oberste Stelle ein, neben ihm saß die Braut, während die übrigen Frauen für sich in einem Raum saßen, mindestens an der Tafel eine eigene Gruppe bildeten. Das Hochzeitsmahl bekam ein religiöses Gepräge durch den feierlichen, mehrgliedrigen Segensspruch, der bei einem besonderen Becher Wein über das Brautpaar gesprochen wurde 2 • Die Fröhlichkeit fehlte natürlich nicht. Man aß und trank, man machte Musik und sang, lustige Sprüche, Fabeln und Schwänke wurden erzählt. Nach vollendetem Mahl zog sich das Brautpaar in das dafür vorbereitete und geschmückte Gemach zurück, die Chuppa, das Brautgemach, das in Psalm 19,6 und bei Joel 2,16 genannt wird. Es war eine Art Zelt, das sich über dem Ehebett erhob und das aus Stangen errichtet war, über die man kostbare Tücher gebreitet hatte. Die Fest1 Siehe den interessanten Artikel von J. ]EREMIAS «lampades- Mt 25, 1. 3 f. 7 f.» in ZNTW 56 (1965) 196-201. - P. GAECHTER, Das Matthäusevangelium, 801. 2 Den Wortlaut dieses Brautsegens siehe: BT Kethuboth 8a, oder auch STRACK-BILLERBECK, I 514 f.
165
lichkeiten dauerten bei einer jungfräulichen Braut sieben Tage, bei einer Witwe drei Tage oder noch weniger 1• Der oder- wenn es zwei waren - die Brautführer schliefen in diesen Tagen im Haus der Neuvermählten. Die übrigen Gäste konnten wechseln, wohl jeden Tag saßen neue an der Tafel. Die Segenssprüche über das Brautpaar wurden deshalb auch jeden Tag wiederholt 2• Der Verbrauch an Brot, Fleisch und Wein war beträchtlich, die Kosten für das siebentägige Fest wogen schwer. Deshalb war es mit der Zeit Brauch geworden, daß die Gäste mit Geschenken anrückten, um so ihren Anteil an die Auslagen zu leisten. Eine solche Hochzeit war ein eindrucksvolles Fest. Man versteht, daß das Hochzeitsmahl oder das große Gastmahl in der Bildersprache der evangelischen Gleichnisse eine Rolle spielt (Mt 22,1-14; Lk 14, 16-24) und daß in der Johannesoffenbarung das Wort fallt: «Selig, die zum Hochzeitsmahl des Lammes gerufen sind I» (Offb 19, 9). 1 STRACK-BILLERBECK, 2. STRACK-BILLERBECK,
I 506; s. KRAUSS, II 41. I 514; s. KRAUSS, II 41.
VII ZUSAMMENFASSUNG
Die schon früher z. B. durch Ferd. Hahn, Günther Bornkamm, Georg Strecker und andere (siehe Anm. 1 S. 18) geäußerte Ansicht, daß die Magiererzählung ein ursprünglich selbständiges und deshalb eingeschobenes Stück sei, darf als sicher betrachtet werden. Sie unterscheidet sich thematisch, sprachlich-stilistisch und erfüllungstheologisch von allen Erzählungen des J osefblockes. Die Engelerscheinungen der mattäischen Vorgeschichte sind ein theologisches Stilmittel, eine Redeweise, die eine theologische Aussage anschaulich machen will und besagt, daß der Empfänger der Erscheinung unter göttlicher Erleuchtung und Führung stand und daß seine Entschlüsse dem göttlichen Willen entsprachen. Die Erfüllungs- oder Reflexionszitate, die eine alttestamentliche Schriftstelle als erfüllt und verwirklicht bezeichnen, gehören als heilsgeschichtliche Aussagen zur Glaubensverkündigung und damit zum Kerygma des Evangeliums. Die Erzählungen des J osefkomplexes haben ihren Ursprung in Nazaret, näherhin in der Verwandtschaft des Nährvaters Josef. Sie sind Sippentraditionen, die lange Zeit aus Familien- und Sippeninteresse geheim gehalten wurden und erst in nachösterlicher Zeit der urchristlichen Gemeinde mitgeteilt worden sind. Sie haben keineswegs die Absicht, eine auch nur halbwegs vollständige «Kindheitsgeschichte Jesu» zu berichten, sondern ihre Intention ist, gewisse Nöte, Schwierigkeiten und Sorgen Josefs in bezug auf das Kind zu nennen und auf die göttlichen Erleuchtungen hinzuweisen, die J osef geführt und dem Messias den Weg in die Welt und zu seinem Volk bereitet haben. Es sind einige wenige und nüchterne, zugleich aber auch historisch bedeutsame Begebenheiten, die in den J oseftraditionen erhalten geblieben sind. Sie wurden bereits aufgezählt. Ebenso wichtig und bedeutsam ist aber auch die Übereinstimmung in wesentlichen Punkten zwischen der lukanischen und mattäischen Vorgeschichte. 167
Die Übereinstimmungen sind umso überraschender und gewichtiger, als die beiden Vorgeschichten ja voneinander unabhängig sind. Sie können wie folgt zusammengefaßt werden: 1. Die Mutter Jesu ist Maria, als Vater Jesu wird Josef angesehen (Mt 1,21.25; Lk 2,16.41.48). 2. Josefwar aus dem Geschlecht Davids (Mt 1,20; Lk 1,27 und 2,4). (Die Frage, ob nicht auch Maria aus dem Haus Davids stammte, ist damit noch nicht beantwortet, weder positiv noch negativ.) 3. Der Wohnsitz von J osef und Maria schon zur Zeit ihrer V erlobung war Nazaret. Dies ist bei Lukas ausdrücklich gesagt (1,26), bei Mattäus zu erschließen (vgl. 13, 55). 4. Maria hat Jesus empfangen zur Zeit, als sie mit Josef erst verlobt, aber von ihm noch nicht heimgeführt worden war (Mt 1,18; Lk 1,27). 5. Jesus ist von Maria durch göttliche Kraft, durch Einwirkung heiligen Geistes empfangen worden (Mt 1,18.20; Lk 1,35). 6. Die Geburt Jesu geschah in Betlehem in Judäa (Mt 2,1; Lk 2,4). 7. Die Geburt Jesu geschah zur Zeit des Königs Herades (Mt 2,1 und öfters; Lk 1,5). 8. Eine gewisse Zeit nach der Geburt Jesu zog Josef mit Maria und dem Kind wieder nach Nazaret und blieb dort (Mt 2, 23; Lk 2, 39. 51). Man wird nicht leugnen können, daß diese in den beiden Evangelien unabhängig voneinander bezeugten Gemeinsamkeiten bedeutend sind. Nennen wir nun aber auch die beiden größten Verschiedenheiten: Bei Lukas findet sich der Bericht von der Huldigung der Hirten, den Mattäus nicht kennt. Mattäus aber berichtet die Flucht nach Ägypten, die Lukas unbekannt ist. Nun wurde bereits darauf hingewiesen, daß sowohl die Hirtenerzählung wie die Magierperikope einander gleichen, beiden geht es um den Gedanken der Erscheinung, der Offenbarung, der Epiphanie. Im einen Fall ist es Epiphanie vor niedrigen und einfachen Leuten, im anderen Fall Epiphanie vor Hohen und Reichen. Im einen Fall Epiphanie vor Juden, im andern Fall Epiphanie vor Heiden. Die Magiergeschichte ist eine eigenartige Parallelerzählung zur Hirtengeschichte. Sie sagt dasselbe aus, benützt lediglich ein anderes Milieu und einen anderen kulturellen Hintergrund. Mit dem J osefblock hat die Magiergeschichte jedoch nichts zu tun, sie ist ein Einschub. 168
Lukas 2, 39 scheint das Ereignis der Flucht nach .Ägypten auszuschließen. Die Sache sieht aber anders aus, wenn man das Auswahlprinzip beachtet, unter dem die Berichte gesammelt und tradiert worden sind. Steht der Josefblock bei Mattäus, wie gezeigt worden ist, unter dem Gesichtspunkt «Die göttlichen Erleuchtungen Josefs in bezug auf das Messiaskind», so steht die lukanische Vorgeschichte bestimmt unter einem ganz anderen. Dieser kann etwa so formuliert werden: «Verheißungsvolles und Wunderbares um Geburt und Kindheit Jesu». Auffällig und wunderbar sind: Die Verkündigung an Maria und ihre Empfängnis (1,26-38), die Geschehnisse beim Besuch ihrer Verwandten Elisabet (1,39-56), der Besuch der Hirten (2,8-20), der Lobpreis Sirneons (2,25-35), der Lobpreis Hannas (2,36-39), die Selbstoffenbarung des Zwölfjährigen (2,41-50). Alle diese Begebenheiten schließen Wunderbares und Großartiges ein. Hier würde das Thema von Verfolgung und Flucht als störend empfunden. Es wird jedenfalls klar: Wer die Jugendgeschichte Jesu unter dem Gesichtspunkt oder Auswahlprinzip des Wunderbaren betrachtet, der kann kein Interesse haben für Berichte, die Widerwärtiges, Schmerzliches und Demütigendes erzählen. So werden die Unterschiede zwischen der mattäischen und lukanischen Vorgeschichte erklärbar und verlieren ihre Rätselhaftigkeit. Die Magiererzählung will nicht als Geschiehtsetzählung verstanden sein. Sie enthält kein Erfüllungszitat, obgleich genug sinnvolle und theologisch bedeutsame Schriftstellen zur Verfügung gestanden wären. Die Tatsache, daß in dieser Erzählung ein Erfüllungszitat fehlt, läßt darauf schließen, daß man sich der besonderen literarischen Art des Stückes bewußt war. Denn sonst wäre nicht zu verstehen, daß der Evangelist, dem die Einfügung der Erfüllungszitate zugeschrieben werden, in die drei ziemlich kurzen Josefstücke insgesamt vier erfüllte Schriftstellen einfügt, den ziemlich langen Magierbericht hingegen ohne Erfüllungsgedanken ausgehen läßt. Die Magierperikope ist eine Art christlicher Midrasch, der von der Schriftstelle Micha 5, 1 ausgeht und- diese in haggadischer Art weiterführend - die Vertreter der Heiden zum Messiaskind führt und sie vor ihm huldigen läßt. Dieser Midrasch enthält auch Züge der echten Legende oder Volksüberlieferung, insofern er deutliche historische Anklänge aufgenommen hat, die den historischen Hintergrund des Erzählten bilden: Die Verhältnisse am Hof in Jerusalem, der arglistige und despotisch-grausame Charakter des Herrschers, frühe 169
Glaubensannahme von Proselyten oder Heiden aus dem Partherreich, möglicherweise auch ~e Königskonstellation von Jupiter und Saturn im Jahr 7 vor Christus. Der J osefkomplex verkündet an Hand von Begebenheiten die göttlichen Fügungen und Führungen zu Gunsten des Messiaskindes und die Erfüllung und Verwirklichung der Schriften, die den Beginn der Endzeit der Heilsgeschichte anzeigt.
170
LITERATURVERZEICHNIS
SEPTUAGINTA, id est Vetus Testamenturn graece iuxta LXX interprctes, ed. A. Rahlfs, Ed. octava, Stuttgart 1965. THE GREEK NEw TESTAMENT, ed. Kurt Aland, Matthew Black, Bruce M. Metzger, Allen Wikgren, London 1966. SYNOPSIS quattuor Evangeliorum, ed. Kurt Aland, ed. secunda, Stuttgart 1965. ZüRCHER EvANGELIEN-SYNOPSE, herausgegeben von C. H. Pcisker, Zürich 1962. (Die Bibelstellen in deutscher Übersetzung sind geboten nach DIE HEILIGE ScHRIFT, Familienbibel, übersetzt von V. Hamp und J. Kürzinger, Stuttgart 1966.) PATROLOGIAE CuRsus CoMPLETus, von J. P. Migne: EuSEBIUS: PG Band 20 und 21. ÜRIGENES: PG Band 11 und 16, III. TERTULLIAN: PL Band 1 und 2. HIPPOLYTus WERKE, 3. Band: Refutatio omnium haeresium (GCS 26), Ed. P. Wendland, Leipzig 1916. AcTA SANCTORUM, 1. Februar: Pionius von Smyrna. FLAVII JosEPHI OPERA, ed. Benedictus Niese, I-VII, ed. secunda lucis ope expressa, Berlin 1955. FLAVIUS JoSEPHUS, De bello Judaico, griechisch und deutsch. herausgegeben von 0. Michel und 0. Bauernfeind, Bd. I-III, München 1962-1969. DER BABYLONISCHE TALMUD, neu übertragen durch L. Goldschmidt, 2. Auflage, Berlin 1964-1967. LETALMUD DE }:ERUSALEM, traduit par Moise Schwab, Vol. 1-6, Paris 1969. DIE AGADA DER TANNAITEN, von Wilh. Bacher, Bd. I und Il, Straßburg, Nachdruck 1965/1966. MISCHNAJOT (Die sechs Ordnungen der Mischna), herausgegeben im Victor qql~schmidt Verlag, Bd. I-VI, 3. Auflage, Basel1968.
* * *
Ji\ci~f~'., :ß~ie4 . ) .••.':~P~l,ltsches Wörterbuch zu den Schriften des NT, 5. Auf~ilij B~rltn J.9,~$lli . tlEYER H. W. Die Apostelgeschichte (NTD 5), 9. Auflage, Göttingen 1959. 171
BIBEL-LEXIKON, herausgegeben von H. Haag, 2. Auflage, Einsiedeln 1968. BIBLIOTHEK DER KIRCHENVÄTER, herausgegeben von 0. Bardenhewer u. a., München: EusEBIUS I/11, Mün~hen 1913 und 1932. ÜRIGENES I/I und 11, München 1926 und 1927. TERTULLIAN I/11, München 1926 und 1927. FROHCHRISTLICHE APOLOGETEN I/II. München 1913. BIBLISCH-HISTORISCHES HANDWÖRTERBUCH, herausgegeben von Bo Reicke und Leonhard Rost, 3 Bände, Göttingen 1962-1966. BLASs-DEBRUNNER, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, 10. Auflage, Göttingen 1959. BLINZLER J., Die Brüder und Schwestern Jesu, SBS 21, Stuttgart 1967. - - Die Heimat Jesu, Artikel in BuK 25 (1970), Stuttgart, 14-20. BLOCH R., Die Gestalt des Moses in der rabbinischen Tradition, in: MosEs in Schrift und Überlieferung, verschiedene Autoren, Düsseldorf 1963. Originalausgabe: Moise, l'Homme de !'Alliance, Tournai 1955. BoLL F., Der Stern der Weisen, in ZNW 18 (1917) 40-48. - - Sternglaube und Sterndeutung, 4. Auflage, Berlin 1931. BONNARD P., L'Evangile selon Saint Matthieu, Neuchl1tel1963. BoRNKAMM I BARTH I HELD, Überlieferung und Auslegung im Matthäusevangelium, 5. Auflage, Neukirchen 1968. BoRNKAMM G., Jesus von Nazareth, 7. Auflage, Stuttgart 1965. BouCHE-LECLERCQ, L'astrologie grecque, Paris 1899. BROSCH J.l HASENFUSS J., Jungfrauengeburt gestern und heute, Essen 1969. BuLTMANN R., Das Urchristentum im Rahmen der antiken Religionen, Zürich 1949. - - Das Evangelium des Johannes, 15. Auflage, Göttingen 1957. Buzy D., Evaagile selon Saint Matthieu (Bd. IX von La Sainte Bible von Pirat und Clamer), Paris 1950. CAssws Dio, Römische Geschichte, übersetzt von L. Tafel, Stuttgart 1831-1844. CoNZELMANN H., Geschichte des Urchristentums (NTD Ergänzungsreihe 5), Göttingen 1969. ELLIGER K., Das Buch der zwölf Kleinen Propheten 11 (A TD 25), 4. Auflage, Göttingen 1959. ENCYCLOPAEDIA JuDAICA (A- J), 8 Bände, Berlin 1928-1931, und Jüdisches Lexikon(]- Z), 3 Bände, Berlin 1929-1930. FERRARI D'OccHIEPPO K., Der Stern der Weisen, Wien und München 1969. FESTUGIERE A. ]., La revelation d'Hermes Trismegiste, Bd. I-IV, Paris 1950-1954. FIEDLER P., Die Formel UND SIEHE im NT, München 1969. FLAVIUS JosEPHUS, Jüdische Altertümer, übersetzt von Heinrich Clementz, Bd. I und II, Darmstadt 1967. FRANK/ KILIAN / KNOCH / LATTKE / RAHNER, Zum Thema Jungfrauengeburt, Stuttgart 1970. FRONTIN- Kriegslisten (Lateinisch und deutsch) von Gerhard Bendz, Berlin 1963. GAECHTER P., Das Matthäusevangelium, Innsbruck 1963. - - Maria im Erdenleben, Innsbruck 1953.
172
- - Der Verkündigungsbericht Lk 1,26-38 in ZKTh, 91. Band, 322-363 und 567-586, Wien 1969. GOPPELT L., Christentum und Judentum im ersten und zweiten Jahrhundert, Gütersloh 1954. GRUNDMANN W., Das Evangelium nach .Matthäus, Berlin 1968. GuNDEL W., Art. «Astrologie» in RAC Bd. 1, Stuttgart 1950. GuNDRY R. H., The use of the Old Testament in St . .Matthew's Gospel, Leiden 1967. HAENCHEN E., Die Apostelgeschichte, 13. Auflage, Göttingen 1961. HAHN F., Christologische Hoheitstitel, 2. Auflage, .München 1964. HENGEL .M., Judentum und Hellenismus, Tübingen 1969. BENNECKE E. / ScHNEEMELCHER W., Neutestamentliche Apokryphen, 3. Auflage, Bd. I und II, Tübingen 1959-1964. BERODOT, Historien (Deutsche Gesamtausgabe), übersetzt von A. Horneffer, 3. Auflage, Stuttgart 1963. BoMMEL F., Ethnologie und Geographie des Alten Orients, .München 1926. HuMMEL R., Die Auseinandersetzung zwischen Kirche und Judentum im .Matthäusevangelium, .München 1966. JEREMIAS J., Jerusalem zur Zeit Jesu, 2. Auflage, Göttingen 1958. - - «ABBA», Studien zur neutestamentlichen Theologie und Zeitgeschichte, Göttingen 1966. - - Die Gleichnisse Jesu, 7. Auflage, Göttingen 1965. KAHRSTEDT U., Kulturgeschichte der römischen Kaiserzeit, 2. Auflage, Bern 1958. KITTEL G., Theologisches Wörterbuch zum NT, bis jetzt 8 Bände, Stuttgart 1949-1969. KLAUSNER J., Jesus von Nazareth, 3. Auflage, Jerusalem 1952. KLUGE F., Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 17. Auflage, Berlin 1957. KNÖRZER W., Wir haben seinen Stern gesehen, Stuttgart 1967. KRÄMER .M., Die .Menschwerdung Jesu Christi nach .Matthäus (.Mt 1), Biblica 45 (1964), 1-50. KuBITSCHEK W., Grundriß der antiken Zeitrechnung, .München 1928. LAMSA G . .M., Die Evangelien in aramäischer Sicht, St. Gallen 1963. LAURENTIN R., Structure et theologie de LUC 1-II, Paris 1957. Deutsch: - - Struktur und Theologie der lukanischen Kindheitsgeschichte, Stuttgart 1967. LEXIKON FÜR THEOLOGIE UND KIRCHE, zweite völlig neu bearbeitete Auflage, Freiburg 1957-1965. LEXIKON DER ALTEN WELT, Zürich und Stuttgart 1965. LOHMEYER E. / ScHMAUCH W., Das Evangelium nach .Matthäus, 2. Auflage, Göttingen 1958. .MERTENS B. A., Handbuch der Bibelkunde, Düsseldorf 1966 . .MEYER E., Ursprung und Anfänge des Christentums, Photomechanischer Nachdruck, Stuttgart 1962. .MICHAELIS W., Das Evangelium nach .Matthäus, Zürich 1948. - - Die apokryphen Schriften zum NT, 3. Auflage, Bremen 1962. 173
MICHL J., Artikel «Engel» im RAC, Bd. 5, Stuttgart 1962. MoRGENTHALER R., Statistik des neutestamentlichen Wortschatzes, ZürichFrankfurt 1958. MouLTON and GEnEN, A Concordance to the Greek Testament, 4. Auflage, Edinburgh 1963. NELLESSEN E., Das Kind und seine Mutter, SBS 39, Stuttgart 1969. NEPPER-CHRISTENSEN P., Das Matthäusevangelium ein judenchristliches Evangelium? Aarbus 1958. NocK A. D./ FESTUGIERE A. ]., Corpus Hermeticum, 4 Bände, Paris 1945-1954. Ovmms P. N., Liebeskunst (Lateinisch-deutsch), nach der Übersetzung W. Hertzbergs bearbeitet von F. Burger, München 1969. PATSCH H., Der Einzug Jesu in Jerusalem, in ZThK 68 (1971), 1-26. P AULY- W1ssow A - KROLL - ZIEGLER, Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaften: Artikel: Astrologie, Magoi, Planeten, Tiridates. PESCH R., Eine alttestamentliche Ausführungsformel im Matthäus-Evangelium in BZ NF Jahrgang 10 (1966) Heft 2 und Jahrg. 11 (1967) Heft 1. PHILON n'ALEXANDRIE, Lyon 11-15 Septembre 1966, Colloques Nationaux du Centre National de Ia recherche scientifique, Paris 1967. PLINIUS DER ALTERE, Naturalis Historia, Ausgabe (lateinisch-englisch): RackhamfJones/Eichholz, London 1938-1963. RÄISÄNEN H., Die Mutter Jesu im Neuen Testament, Helsinki 1969. RENAN E., Les evaagiles et Ia seconde generation chretienne, 2. Auflage, Paris 1877. RENGSTORP K. H., A complete Concordance to Flavius Josephus, ed. K. H. RENGSTORP, Supplement I Namenwörterbuch zu Flavius Josephus von A. Schalit, Leiden 1968. - - Das Evangelium nach Lukas (NTD 3), Göttingen 1968. RICCIOTTI J., Das Leben Jesu, Basel 1949. RIEDL J., Die Vorgeschichte Jesu, Stuttgart 1968. RIESSLER P., Altjüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel, Augsburg 1928. RoseHER W. H., Lexikon der griechischen und römischen Mythologie, Leipzig (1884-1937). RomFUCHS W., Die Erfüllungszitate des Matthäus-Evangeliums, Stuttgart 1969. SCHALlT A., Die frühchristliche Überlieferung über die Herkunft der Familie des Herodes, Art. in ASTI Vol. I, Leiden 1962. - - Die ((Herodianischen» Patriarchen und der ((Davidische» Herodes, Art. in ASTI, Vol. VI, Leiden 1968. - - König Herodes, der Mann und sein Werk, Berlin 1969. ScHLATTER A., Der Evangelist Matthäus, 6. Auflage, Stuttgart 1963. ScHMID J., Das Evangelium nach Matthäus (RNT 1), 3. Auflage, Regensburg 1956. ScHMIDT K. L., Der Rahmen der Geschichte Jesu, reprograf. Nachdruck, Darmstadt 1969. ScHNABEL P., Der jüngste datierbare Keilschrifttext, in ZA NF 2, Berlin und Leipzig 1925. ScHNACKENBURG R., Die Geburt Christi ohne Mythos und Legende, Mainz 1969. 174
ScHNIEWIND J., Das Evangelium nach Matthäus, NTD Bd. 2, 9. Auflage, Göttingen 1960. ScHOEPS H. J., Urgemeinde, Judenchristentum, Gnosis, Tübingen 1956. ScHUBERT K., Die jüdischen Religionsparteien in neutestamentlicher Zeit (SBS 43), Stuttgart 1970. ScHORER E., Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi, Band 1-III, reprograf. Nachdruck, Bildesheim 1964. ScHURMANN H., Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zu den synoptischen Evangelien, Düsseldorf 1968. - - Die Symbolhandlungen Jesu als eschatologische Erfüllungszeichen (Eine Rückfrage nach dem historischen Jesus) in BuL (Düsseldorf) 11 (1970), 29-41 und 73-78. - - Das Lukasevangelium (1. Teil), Freiburg 1969. ScHWEIZER E., Er wird Nazoräer heißen, in «Judentum, Urchristentum, Kirche», Festschrift für Joach. Jeremias, herausgegeben von W. Eltester, Berlin 1960, 90-93. - - Das Evangelium nach Markus (NTD 1), Göttingen 1968. - - Beiträge zur Theologie des Neuen Testaments, Zürich 1970. SPIEGELBERG W., Demotische Papyrus aus den königlichen Museen zu Berlin, Leipzig und Berlin 1902. STÄHLIN G., Die Apostelgeschichte, Göttingen 1966. STAUFPER E., Jesus, Gestalt und Geschichte, Bern 1957. - - Jerusalem und Rom im Zeitalter Jesu Christi, Bern 1957. - - Jeschu ben Mirjam (Mk 6,3) in Neotestamentica et Semitica, ed. Earle Bilis, Max Wilcox, Edinburgh 1969, 119-128. STENDAIIL K., Quis et Unde? (An Analysis of Mt 1-2) in Judentum, Urchristentum, Kirche (Festschrift für J. Jeremias), herausgegeben von W. Ehester, Berlin 1960. - - The School of St. Matthew and its Use of the Old Testament, Uppsala 1954. STRACK H., Einleitung in Talmud und Midrasch, unveränderter Abdruck der fünften ganz neu bearbeiteten Auflage der «Einleitung in den Talmud», München 1961. STRACK H.-BILLERBECK P., Kommentar zum NT aus Talmud und Midrasch, Bd. I, Das Evangelium nach Matthäus, München 1922.- Bd. II, Das Evangelium nach Markus, Lukas und Johannes, München 1924. STRECKER G., Der Weg der Gerechtigkeit, Untersuchung zur Theologie des Matthäus, 2. Auflage, Göttingen 1966. SuETONIUS, Leben der Caesaren, eingeleitet und übersetzt von A. Lambert, Zürich und Stuttgart 1955. SuHL A., Die Funktion der alttestamentlichen Zitate und Anspielungen im Markusevangelium, Gütersloh 1965. TACITUS, Annalen, deutsch von A. Horneffer, Stuttgart 1964. - - Historien, lateinisch-deutsch, ed. Borst, 2. Auflage, München 1969. THOMA C., Auswirkungen des jüdischen Krieges gegen Rom (66-70/73 n. Chr.) auf das rabbinische Judentum, in BZ NF 12 (1968) 30-54; 186--210. 175
TIBULL und sein Kreis, lateinisch und deutsch, ed. Wilh. Willige, München 1966. TRILLING W., Das wahre Israel, 3. Auflage, München 1964. - - Fragen zur Geschichtlichkeit Jesu, 2. Auflage, Düsseldorf 1967. VAN DER VAART SMIT H. W., Geboren zu Bethlehem, Düsseldorf 1961. VoGLERH., Rabbinische Voraussetzungen und Parallelen der urkirchlichen Tradition, in BuL 12 (1971) 105-117. VöGTLE A., Die Genealogie Mt 1,2-16 und die matthäisehe Kindheitsgeschichte, in BZ NF 8 (1964) 45--58 und 239-262; 9 (1965) 32-49. - - Offene Fragen zur lukanischen Geburts- und Kindheitsgeschichte, in BuL 11 (1970) 51-67. WIKENHAUSER A., Die Apostelgeschichte (Bd. 5 RNT), 3. Auflage, Regensburg 1956. WILLAM F. M., Das Leben Jesu im Land und Volke Israel, 8. Auflage, Freiburg 1949. DE WITTE J., Les divinites des sept jours de Ia semaine, in GA, 3. Jahrg., 1877, Paris. WREDE W., Das Messiasgeheimnis in den Evangelien, 4. Auflage, Göttingen 1969. WONsCHE A., Aus Israels Lehrhallen, I-V in zwei Bänden, reprograf. Nachdruck, Hildesheim 1967. ZAHN Th., Das Evangelium des Matthäus, 3. Auflage, Leipzig 1910.
176
REGISTER DER BIBELSTELLEN
ALTES TESTAMENT Genesis
12,10-20 12,17 20,3 20,6 24,4 24,4-6 24,53 24,65 26,24 28,12-14 29,12 30,4 32,10 34,12 35,19 37,5-7 38,2 40,5-7 41,1-3 46,2-4 46,4 49,10
Deuteronomium
140 140 140 140 155 15 160 163 54 131 15 160 54 160 86 131 160 131 131 83 81 66
Exodus
14,31 22,16
12
139 15
1 Samuel
18,25
160
2 Samuel
5,2 7,5 11,27 12,1 12,2-4 12,7
120 54 139 139 59 139
1 Könige
3,5-7 5,12
133 58
2 Könige
17,6 18,11 18,21
155
29,30
54 27 157 155 155
2,59-63
125 125 54
2 Chronik
Numeri
11,11 24,17 27,8 36,3 36,6
160 107
Richter
7,4 14,3
54 160
Levitikus
19,29
21,13 34,9
58
Esra
14
Tobias
4,12 7,2
156 15 177
Tobias 7,12 7,14
15 159
1 M ai:J:abiier 9,39 15,22
164 124
P1alme11 19,6 32,10 45,14f. 72,10 72,11 78,2
165 48 163 26 26 57
Hohe1/ied 3,11
163
Weilheil 4,18 f.
74
Juaja 4,2 5,1-7 7,14 8,10 8,23 8,23f. 9,1 11,1 11,2-4 42,1 42,1-4 42,2 42,3 43,17 46,12
44 59 36-38, 41 41 45 46 45 44 44 56 53 f., 56 f. 53 54 54 66
49,7 52,13-53,12 53,4 60,2 60,3 60,4 60,6 61,10 62,11
26 48 48,52 26 26 26 26 163 61,66
]tremia 18,3 23,5 23,25-27 23,28 31,10 f. 31,15 31,15-17 32,6-8 33,15
78 44 131 131 87 86 86 78 44
Ho1ea 11,1
82, 83, 85
]oel 2,16
165
Mi&ha 5,1
25, 120, 123, 169
Sa&harja 3,8 6,12 6,12f. 9,9 9,10 11,13
44 44 44 61-63, 65, 66, 68-73 61 77,78
NEUES TESTAMENT 1,18-21 1,18-25
Malläus
1,1 1,1-17 1,2-16 1,16 1,17 1,18 1,18 f. 178
15 13, 15 15 16, 37, 96, 97 16 16,18, 36, 37, 96,100, 104,105,152,153,168 41
1,19 1,20 1,20f. 1,21 1,21-24
36 16,18, 19, 38,96-105 143, 144, 147 100, 146 15, 17, 18, 19, 20, 22, 23, 29, 96, 100, 130, 131, 133, 142, 168 136 38, 99, 168 96, 100
Malliius
1,22 1,22 f. 1,23 1,24 1,25 2,1 2,1 f. 2,1-10 2,1-12 2,2 2,3 2,4 2,5 2,5 f. 2,6 2,7 2,8 2,9 2,11 2,12 2,13 2,13-15 2,13-18 2,14 2,14 f. 2,15 2,16 2,16-18 2,17 2,17 f. 2,18 2,19 2,19 f. 2,19-23 2,20 2,21 2,22 2,23
23, 36, 79, 80, 120, 133 33,35 17, 38, 41 23, 99, 100 37, 96, 99, 100, 103, 168 24, 25, 27, 28, 125, 168 118, 119 119 16, 18, 26, 29, 111129, 143 113, 114 17, 24, 25 25 120 25 25, 33, 84, 120, 123 17, 24, 25 25 24, 25, 118, 119 24,25 17, 20, 24, 25, 130, 131 17,20-25,28,29,111, 130, 131, 135, 136, 142 84,87 16, 18, 20 23,25 33, 42, 81, 82 17, 23, 24, 28, 80, 81, 82, 84, 120, 133 17, 24, 29, 86, 88, 95, 111 87 80, 120 34, 42, 85, 95 17, 85, 86, 87 17, 20, 22, 23, 24, 28, 29,130,131,134--136 134 16, 18, 21 25,28 23,25 17, 20, 24, 28, 130, 131, 134--136 17, 23, 34, 42, 43, 45, 80, 120, 133, 168
3,17 4,3 4,6 4,13 4,13-16 4,14 4,15 4,15 f. 4,16 4,23-25 5,17f. 8,11 f. 8,14 8,16 f. 8,17 9,1 9,10 9,15 9,18 9,32 11,17 11,19 12,15 12,15-21 12,16 12,17 12,17-21 12,18 12,18-20 12,21 12,46 13,34 13,34 f. 13,35 13,36-52 13,48 13,54 13,54--56 13,54--58 13,55 13,55 f. 17,5 19,12 20,2 21,1 21,1-5 21,1-7 21,2-5 21,4 21,5 21,7 21,11
55, 83 83 83 43, 46, 47 34,45 80 46 46 47 52 30 129 48 34,47 48, 80 46 28 163 28 28 164 146 52, 53, 54 34, 52 53, 54 80 55 55,56 54, 56 56 28 57 34, 57 58, 80 57 32 43 43, 144 144 15, 168 144 28, 55, 83 154 157 64,67 66 64 35, 61 36,79 61, 65, 124 62 43 179
MallätiJ
.
22,1-10 22,1-14 25,1 25,1-13 25,10 25,34 26,2 26,47 26,55 26,56 26,71 27,3 27,3-10 27,4 27,5 27,6 27,6--10 27,7-10 27,9 27,9f. 27,11 27,19 27,25 27,29 27,37 27,42 27,56 27,60 28,11 28,19 28,20
59 166 165 165 165 124 76 28 33 33 43 75, 77 73,74 75 77 77 74 35, 73 77,80 77, 78 124 131 87 124 124 124 150 72 28 56 41
Markur
1,9 1,21 1,22 1,24 1,29 1,44 2,7 2,7-11 2,12 3,7-12 3,8 3,10 3,22 4,33 4,33f. 5,35-38 5,43 6,1 180
43 47 107 43 47 53 146 55 145 52 52 53 146 59 57 55 55 107
6,1-3 6,1-6. 6,2 6,3 7,14-16 7,36 7,37 10,26 10,47 11,1 11,1-3 11,1-7 11,2 11,18 12,1-9 14,26 14,64 14,67 15,40 15,47 16,1 16,6
43 106, 108, 144 107 15, 106-110, 144, 146, 150 57 53 107 107 43 64 66 64 69,72 107 57 73 146 43,45 150 150 150 43
Lukar
1,5 1,26 1,26--38 1,27 1,32 1,34 1,35 1,39-56 1,66 2,4 2,5 2,7 2,8-20 2,16 2,25-35 2,36-39 2,39 2,41 2,41-50 2,48 2,51 3,23-31 4,16 4,22 7,41-43 14,16--24 15,4-10
156, 168 22, 143, 168 41, 169 39, 168 22 39 168 169 145 15, 22, 143, 168 100 149 169 168 169 169 43, 168, 169 168 169 168 22, 43, 168 15 43 15 59 166 59
Lukas 15,11-32 17,11-19 18,37 19,28 19,28-35 23,2 23,5 23,53 24,10 24,19 24,26f. 24,44
59 54 43 64 64 146 146 72 150 43 30 30
Johannes 1,45 1,45f. 3,10 3,29 4,48 6,42 7,40--42 9,2 12,9 12,9-13 12,10 12,11 12,12 12,12f. 12,13 12,14f. 12,14-16 12,15 12,16 18,5 18,7 19,12
15 43 108 163 51 15 20 48 67 67 67 67 64,67 67 67 66 64, 65,67 65 65-68 43 43 92
19,19 19,41 20,29
43,44 72 81
Aposte/ges&hichte 1,18 f. 1,19 f. 2,9 2,9-11 2,22 2,30 2,36 3,6 4,10 6,14 13,23 16,9 22,8 24,5 26,9
73,74 74 124, 129 125 43 15 81 43 43 43 15 131 43 42,43 43
Römer 1,3 1,3f.
15 81
2 Korinther 11,2
163
Galater 1,19
150
2 Timolheus 2,8
15
Offenbarung 19,9 21,2 22,16
166 163 15
181
A UTORENVERZ EICHNI S
Aelian 112 Bauer W. 25, 71 Blinzler J. 103, 104, 109, 144, 150 Bloch R. 98 Boll F. 113 Bornkamm G. 18, 167 Bouche-Leclercq 115 Bultmann R. 66, 67 Buzy D. 62 Cassius Dio 117, 126, 127 Cicero 112 Clemen C. 112, 125 Conzelmann H. 44
Haenchen E. 124 Hahn F. 18, 167 Basler V. 97 Hauck F. 60 Hegesippus 14, 103 Herodot 112 Hesiod 115 Hippolyt von Rom 154 Jeremias J. 14, 56, 59, 60, 75, 76, 77, 125, 155, 156, 164, 165 Justinus 50, 84
Delekat L. 158 Delling G. 32, 36, 125, 127 De Vaux R. 97, 157 De Witte J. 115, 117 Dieterich A. 18, 126 Döring H. 101
Kahrstedt U. 117 Kilian R. 37 Kittel G. 132, 141 Klausner J. 50, 51, 84, 88, 90, 103 Kluge F. 56, 116 Knoch 0. 37, 60, 101 Kornfeld W. 159 Krauss S. 154, 156, 160, 162, 163, 164, 166 Kubitschek W. 116, 117
Eiliger K. 78 Eusebius 14, 103, 154
Lamsa G. M. 63 Lohmeyer-Schmauch 97, 146
Ferrari d'Occhieppo K. 114 Flavius Josephus 14, 22, 51, 74, 83, 88, 89, 90, 91, 92, 95, 103, 116, 122, 124, 134, 135, 139, 140, 154 Foerster W. 49, 113 Frontinus 116
Macrobius 112 Marathus Julius 94 Mertens H. 114 Michel 0. 62, 63, 70, 71, 72, 76 Mich! J. 132, 141
Gaechter P. 62, 97, 114, 160, 161, 165 Grossouw W. 132 Gundei H. 115 Gundei W. 114 Gundry R. H. 38
182
NeUessen E. 128, 129 Nepper-Christensen P. 70, 71 Oepke A. 55, 130 Origenes 40, 50, 84, 112, 114, 142 Ovid 115, 116
Patsch H. 72 Pesch R. 63, 69, 96, 98, 99, 100 Phiion 83, 154 Pionius (Akten) 51 Plinius Maior 113, 127, 154 Pseudo-Lukian 112 Renan E. 109 Rengstorf K. H. 124 Ried! J. 81, 8?., 87 Rothfuchs W. 28, 31, 38, 46, 53, 75, 80, 84, 85, 87 Schaeder H. 43 Schalit A. 88, 89, 90-94, 124, 136 Schlatter A. 42, 119 Schlier H. 47 Schmid J. 19, 114 Schnabel P. 114, 117 Sehneerneicher W. 20 Schniewind J. 114 Schubert K. 154 Schürer E. 83, 88, 90, 93, 135, 140 Schürmann H. 72, 73 Schwartz M. J. 83
Schweizer E. 55, 72 Spiegelberg W. 118 Stauffer E. 106, 114 Strack-Billerbeck 13, 20, 40, 43, 44, 45, 49, 54, 58, 61, 62, 63, 69, 84, 125, 146, 154--166 Strecker G. 18, 167 Sueton 94, 95, 126 Tacitus 115, 116, 124, 126, 127, 128 Tertullian 40, 112 Thoma C. 44 Tibullus 115 Touzard J. 132 Vallardi 109 Van den Born 13, 16 V an der Ploeg 154 Vogler H. 107 Vögtle A. 15 Von Rad G. 132 Wikenhauser A. 74 Willam F. M. 63 Wünsche A. 123
183
SACHREGISTER
Aaron 156 Abraham 15, 54, 140 Abimelech 140 Absolutistische Gesinnung Herodes' 92, 93, 136 Abstammung 14 Abstammung Jesu 41, 146 Achtzehngebet 44 Actium, Schlacht bei 89 Adaptation, adaptiert 77, 78, 79 Adoption 97 Ägypten, Ägypter 16, 21, 50, 81-85, 98, 115, 130, 134, 135, 140, 148, 149, 153, 168, 169 Ägyptischer Mythos 37 Ahas 38 Ahnenliste, Ahnentafel 13-17 Ahnennachweis 14 Akiba, Rabbi 155 Aktualisierung eines Bibelwortes 41, 82 Alexander, Sohn Herodes' 89, 135 Alexandra, Mutter der Mariamne 83, 89 Allegorie, allegorisch 58, 59, 60, 131 Älteste 75, 77, 78 Amram 98,99 Angelologie 132 Angelus interpres 132, 141 Antigonus, Hasmonäerkönig 88 Antipater, Sohn Herodes' 88 Antiochien in Syrien 88 Antonius, Triumvir 88, 89, 95 Apologetisch 45, 96, 104 Apokalypse des Baruch 141 Apokalypse des Esra 141 Apokalypse des Mose 141 Apokalyptik 31, 132 Apokryphe Bücher 141 Arabien 112
184
Archelaos, Sohn des Herodes, 22, 134, 135, 149 Argwohn des Herodes 21, 88, 89, 90, 93, 94, 122 Aristobul, Schwager Herodes' 83, 89 Armenien, armenisch 124, 126 Arsinoe, Schwester Kleopatras 95 Asaf 58 Assyrer, Assyrien 86 Assyrische Provinzen 46 Astrologen 114, 124, 125 Astrologie, astrologisch 112, 115, 124, 125, 127 Astronomen 114 Astronomie, astronomisch 112 Ätiologie 74 Aufenthalt in Ägypten 82, 84 Auferstehung Jesu 65, 68, 87, 101, 145, 146 Auferstehungsberichte 132 Aufstand nach Herodes' Tod 134 Aufstand unter Bar-Kochba 164 Auflösung der Ehe 157, 158 Augustus, Kaiser 83, 89, 91, 94 Auslegung, typologisch 81, 82, 84, 87, 88 Ausrottung der Hasmonäer 80 Aussage, theologische 135, 167 Außenpolitik Herodes' 92 Ausstattung 157, 162 Aussteuer der Braut 157, 162 Auswahlprinzip der Vorgeschichten 152, 169 Auszug aus Ägypten 81 «Auszugszitat» 82 Babylon, babylonisch 115, 117, 125 Babylonien, Babyionier 112, 124, 125, 130, 159
Babylonische Gefangenschaft 112 Bagoas, Eunuche 91 Baktrer 112 Baldachin 164 Basen (Kusinen) Jesu 144 Batseba 139 Bedenken Josefs 16 Behörde, jüdische 75 Beispielerzählung 58, 59 Belastungsprobe Josefs 39 Ben Dama, Rabbi 49 Benedictus 152 Benjamin 85 Benjamin, Stamm und Stammesgebiet 85, 86 Bergpredigt 52 Berliner Planetentafel 118 Berufswechsel Jesu 107 Besatzungsbehörde 161 Besatzungsmacht 161, 162 Beschimpfung Jesu 146 Besessene 48, 49, 79 Besessenheit 49 Besuch der Hirten 169 Betanien 67 Bet-El 85, 131 Betlehem 20, 21, 26, 85, 86, 94, 104, 120, 122, 128, 136, 144, 153, 168 Bildliehe Redeweise 58 Bildrede, Bildwort 58-60 Bildsprache, Bildersprache 138, 166 Bildwort 58 Blutacker 73-79 Blutgeld des Verräters 74 Blutschuld 77 Bluturteile des Herodes 88, 95 Bote Gottes 132, 137, 138, 141 Botschaft Jesu 59 Brand Roms 127 Braut, jüdische 154-166 Brautbeistand 163 Brautführer 103, 156, 163, 166 Brautgemach, Brautzelt 162, 164, 165 Bräutigam 154-166 Bräutigamskranz 163, 164 Brautkleid 162 Brautkranz 163, 164 Brautleute 160 Brautpreis 159 Brautschmuck 163 Brautsegen 165 Brautvater 156, 157, 159, 160
Brautwerber 163 Brautwerbung 155, 156, 163 Britannicus 94 Brüder Jesu 103, 106, 108, 144, 150, 151 Buch der Jubiläen 141 Bürgen 158 Byzanz 126 Caesar 124 Carus, Page im Herodespalast 91 Cassius Dio 117, 126, 127 Celsus, heidnischer Philosoph 40, 84 Chabor, Fluß 125 Chalach 125 Charakter, literarischer 24-29, 121, 135 Chijja ben Abba, Rabbi 39 Christologie, christologisch 38, 96 Christusglauben 138 Chuppa, siehe Brautgemach Cicero 112 Claudius, Kaiser 95, 118 Codex Syrosinaiticus 97 Conjunctio magna 114 Corpus Paulinum 96 Damaskusschrift 154 Dämonen 49, 57 Danielbuch 132, 140 David 15, 44, 54, 59, 139, 168 Davididen 14, 16, 104, 136, 150, 153 Davidnachkomme, D.sproß 15, 20, 44, 97, 122, 135, 136 Davidszahl 15 Demonstration von Macht 65 Denar 126, 157, 158 Deportation nach Assyrien 86 Despotischer Charakter des Herodes 88-95, 169 Deuteengel 132 Deuterojesaja 48, 54 Deutung, allgemein 70, 80, 81, 151,152 Deutung, typologisch 81, 82, 84, 87, 88 Diadem 163 Domitian, Kaiser 14, 164 Dynastie des Herodes 88 Ebenbürtigkeit der Verlobten 155 Efraim 61 Efrat 85, 86 Ehe 156 Ehebett 165
185
Ehebrechetin 145 Ehebruch 40 Ehelosigkeit 154 Ehepflicht 154 Eheschließung 160 Ehevertrag 156, 157, 159 Ehrenhaftigkeit Marias 145 Ehrenrühriges bezüglich Jesu Geburt 106-110, 145, 146 Einheit, literarische 29 Einschub, Einschiebsel 28, 143, 168 Einzug Jesu in Jerusalem 61-68, 70, 71, 124 Einzugsgeschichte, Einzugsbericht 72 «Einzugszitat» 82 Elam, Elamiter 124, 125, 129 Eliezer, Rabbi 43, 154 Elisabet 102, 156, 169 Elysium 115 Ernmausjünger 30 Empfängnis Jesu im Schoß Marias 19, 36, 39, 41, 79, 96, 99, 102, 109, 144146, 148, 153, 161, 168, 169 Empfängnis aus heiligem Geist 41, 99, 100, 101, 109 Endzeit 15, 170 Engel 20, 22, 99, 123, 131, 132, 133, 135, 137, 138, 140, 141, 142 Engel des Herrn, E. J ahwes 23, 130, 132, 133, 138 Engelerscheinung 17, 23, 24, 29, 130142, 147-150, 167 Engelglaube 140 Engellehre 132, 140 Engellehre, jüdische 140 Entgleisung, moralische 39 Enthaltsamkeit, geschlechtliche 103, 161 Epiphanie 168 Ephesus 95 Erbe, Erbbesitz 14 Erbrecht 157 Erbtochter 155, 156 Erfüllung der Schrift 23, 30, 32, 33, 84, 170 Erfüllungsformel 31, 33, 36, 42, 79, 80, 84 Erfüllungsgedanke 30, 31, 84, 120, 169 Erfüllungstheologie 31, 63 Erfüllungszitat 17, 23--27, 29, 31, 33-36, 41, 45-48, 51, 53, 55, 56, 57, 61, 65, 66, 69, 72, 75, 77-82, 84, 88, 95, 186
100, 120, 121, 123, 133, 147, 149, 167, 169 Erlebnisbericht 134, 141, 149 Erleuchtung 138, 147, 148, 152, 167 Erleuchtung im Schlaf oder Traum 139, 140 Ersttradenten 102 Erwartung, messianische 72, 136, 153 Erzähleinheiten in Mt 1-2 16, 17 Erzähltradition 24, 126 Eschatologie, eschatologisch 15, 16, 32, 72, 78, 80 Esel, E.füllen, Eselin 61, 62, 68, 71, 72, 79, 149 Esra, Buch 14 Essener 140, 154 Eunuchen im Heradespalast 90 Eusebius 14, 103, 154 Evangelienbildung 103 Exegese, rabbinische 62 Exil 14 Exorzismus 47 Fabeln 59, 165 Fackeln am Hochzeitszug 165 Falschmeldung 104 Familienüberlieferung 39 Felix, röm. Statthalter 42 Fellachenkinder 21, 91 Felsengrab 72 Festmahl 165 Fixsterne 113, 114, 118 Flucht nach Ägypten 16, 81, 85, 111, 135, 148, 153, 168, 169 Folterung 90 Formel 133, 134 Freizügigkeit der Frauenwahl 155 «Freund des Bräutigams» 163 Friedenskönig 72 Fron in Ägypten 82 Frontinus 116 Fügung Gottes 137 Gaben der Magier 26, 27, 112 Galiläa 20, 46, 47, 163 Garnaliel II. (Rabban) 44 Gastmahl 166 Geburt Jesu 13, 122, 145, 146, 152, 162, 168 Geburtsort des Messias 20, 122 Geburtsort Jesu 26, 122 Gefangenschaft, babylonische 112
Gegenwart Jesu 41, 42 Gegner Jesu 59 Geheimnis der vorzeitigen Schwangerschaft Marias 145, 146 Geheimnis Josefs 145, 147, 151 Geister, böse, unreine 47-49, 53 Gelehrtenschule 107 Gemeinde, urchristliche 31, 101, 106, 121, 128, 167 Gemeindekatechese 60 Genealogie im Judentum 13-16 Genesaret, See 46, 79 Genitivus absolutus 18, 23, 28, 29 Geographisches Itinerarium in Mt 2 28 Gerar 140 Gerechtigkeit 48, 56, 92, 136 Gerichtstage 160 Gerüchte über Jesus 21, 84 Geschiehtseczählung 123, 134, 152, 169 Geschlecht Davids 20, 168 Geschlechterfolge, königliche 97 Geschlechterliste 16 Geschlechtsregister 13 Geschlechtsverkehr 36, 160, 162, 163 Gesetz (des Moses) 30 Gewalt über Leben und Tod 92, 93 Gewissenskonflikt Josefs 19, 136, 137, 153 Gideon 139 Glauben, zwischenmenschlich 148 Glauben an Gott 138, 148 Glaubensaussage 121 Glaubenserkenntnis, nachösterliche 137 Glaubwürdigkeit Marias 145 Gleichnisse 57-60, 79, 165 Gleichnisrede 60 Gleichnissammlung 57 Globalurteile 152 Glosse 86 Gold 112, 140 Gottesknecht 48, 54, 56 Gotteslästerer 146 Gottesoffenbarungen 139, 140 Gottesrecht 56 Gottesreich, G.herrschaft 59 Gotteswort 33 Gozan 125 Grab Jesu 131 Grab Raheis 86 Griechenland 131 Grundbesitz 22, 76, 155, 157, 158
Grundbetrag, Grundtaxe 158 Grundpfandverschreibung 158 Grundstücke 157, 158 Gut, herrenloses 77 Hadrian, Kaiser 164 Haggada 69, 98-100, 126, 152 Hakeldamach 73 Handauflegung 107 Handwerker 107 Handwerkermilieu 40, 123 Hanna (NT) 169 Hasmonäer 83, 88, 89, 136 Hauptexilsland 125 . Hegemon (röm. Befehlshaber) 162 Hegesippus 14, 103 Heiden, H.völkcr 14, 26, 46, 47, 54, 56, 124, 126, 128, 168, 169 Heidenkirche 56 Heiland der Kranken 47, 49, 50, 52, 55 Heilige Stadt 64, 70 Heilsgeschehen 32 Heilsgeschichte, h.geschichtlich 80, 170 Heilsplan Gottes 80 Heilswerk, H.wirken 32, 47, 48 Heilswille Gottes 32 Heimführung 19, 87, 101, 145, 153, 160--162, 165 Heirat 156, 157 Hellenistische Gesinnung Herodes' 92, 136 Henochbücher 141 Herkunft Jesu 104, 106, 109 Herodes d. Gr. 17, 21, 22, 24, 28, 82, 83, 88-90, 92, 94, 122, 134-136, 149, 153, 162, 168 Herodot 112 Herrenbrüder 49, 104, 151 Hesiod 115 Hillel der Ältere 59, 76 Himmelsstimme 55 Hippolyt von Rom 154 Hirtenallegorie 78 Hirtengeschichte, H.erzählung 168 Historischer Gehalt 67,68,143-152,153 Historischer Hintergrund 123, 169 Hochadel, priesterlicher 140 Hochpriester 67, 75, 79 Hochzeit 162, 165 Hochzeitsfeier, H.fest 103, 151, 156, 161, 162 Hochzeitsgäste 164
187
Idumäer, idumäisch 89 Illyricum 126 Immanuel 36, 37, 38, 41 Insel der Seligen 115 Interpretation von Geschehnissen 80 Intimsphäre 151 Israel 41, 66, 86, 134, 135, 149 Itinerarium, geographisches 28 Ius primae noctis 161, 162
108, 144, 150, 151 Judas, der Verräter 73-78 Judasbrief 151 Judenchristen 66 Judenkolonie 124 Judenland 115, 118 Judenschaft 39, 40, 125 Judentum 31, 44, 56, 58, 117, 141 Judentum und Sabbat 115-117 Jüdischer Krieg 44, 127 Jugendgeschichte Jesu 169 Jünger Jesu 57, 67, 107, 145, 152 Jungfrauengeburt 37, 96, 101, 146 Jungfräulichkeit 160 Jungfrauschaft 160, 161 Jungmann, jüdischer 155 Jupiter, Gottheit 115 Jupiter, Planet 115, 117, 118 Jupiter-Saturn-Konjunktion 114, 117119 Justinus, Philosoph und Märtyrer 50, 84
Jahwe 132, 139 Jakob (AT) 27, 54, 85, 131 Jakobus, Bruder des Herrn 49, 103, 106, 108, 144, 150, 151 Jericho 89 Jerusalem 13, 22, 47, 64, 67, 70, 85, 113, 117, 118, 122, 124, 134, 135, 140, 151, 159, 169 Jesreel, Ebene 46 Jesusüberlieferung 31, 65, 66, 67, 73 Jesusworte 31, 60 Jochanan ben Beroqa, Rabbi 154 Jochanan ben Zakkai, Rahban 59 Joel 165 Johannes der Täufer 13, 51 Jordan 45, 46 Jose ben Kisma 124 Josef (AT) 85, 131 Josefbericht 121, 146 Josefblock 17, 18, 20, 23, 25, 27, 28, 29, 111, 121, 134, 151, 167, 169 Josefgeschichte, J.erzählung 27, 29, 121 Joseftradition, J.überlieferung 24, 27, 29, 120, 143, 147, 167 Joses (Josef), Bruder des Herrn 106, 108, 144, 150 Josua 107 Judäa 22, 134, 149, 153, 163 Judas, Bruder des Herrn 103, 104, 106,
Kafarnaum 34, 46, 47, 79 Kaimanu (Kaiwanu) 115, 118 Kaiser 91, 92, 94 Kapitalfälle 92 Karawane 21, 134 Kepler Johannes 114 Kerygma (Verkündigung) 30, 31, 39, 60, 63, 65, 66, 93, 141, 167 Kethubba 158 Khan 21 Kindermord in Betlehem 85, 87, 93-95, 111 Kindheitsgeschichte Jesu 13, 19, 39, 69, 98, 131, 152, 153, 167 Klage vor Gericht 161 Kleinasien 126, 127 Kleopatra 95 Klientelfürst 92 Klopas, Bruder Josefs 104, 150 Knabe-Knecht-Parallelen 56 Knecht Gottes 44, 48, 52, 54, 55, 56, 79 Kombination von Engel und Traum 130, 133 Komet 114 Komposition, literarische 121 Konflikt Josefs 137, 147 König 25, 38, 61, 63, 94, 122 «König der Juden» 44, 92, 114 Königsgeschichte, israelitische 97
Hochzeitslieder 164 Hochzeitsmahl, H.essen 165, 166 Hochzeitstag 160, 161, 163 Hochzeitsverschreibung 158 Hochzeitszeremonie 153, 165 Hochzeitszug 164, 165 Hohepriester 17, 73, 75, 77, 78, 120, 122, 134 Horaz 117 Huldigung 68, 168 Hurensohn 108, 146 Hyrkan II., letzter Hasmonäer 89
188
Königshof 20, 123, 135 Königskonstellation, K.konjunktion 114, 118, 119, 122, 170 Königsstern 115, 124 Königtum Jesu 124 Konjunktion, astronomisch 114 Konkurrenzerzählung 128 Konstellation von Sternen 112, 114 Kontextzitate 25, 33 Kopfbinde 164 Kopfschmuck 163, 164 Kopftuch der Frau 163 Krankenheilungen 47-49, 53, 57, 79 Kranke und Krankheit 48-52 Kranz 164 Kreuzigungstitel 72 Kritik gegenüber Träumen 131 Kritiker Jesu 59 Kronos-Saturn 115, 117 Kult im Tempel 75 Kundgebung, messianische 65 Laienadel 76 Lampen 165 Lazarus von Betanien 67 Legende, Legendenhaftes 14, 64, 66, 67, 68, 121, 123, 134, 150, 152, 169 Legendenbildung 66 Legendäre Einzelzüge 72 Lehre Jesu 59, 107 «Lehrer Israels» 108 Leidensgeschichte 131 Literatsinn 36 Literarischer Aufbau von Mt 1 und 2 18-24 Literarische Einheit von Mattäus 1,182,23? 18-29 Literarische Figur 141 Literarische Komposition 121 Literarisches Schema 22 Literatur, apokalyptische 132 Literatur, außerkanonische 141 Literatur, hebräische 61 Literatur, jüdische 140 Literatur, prophetische 82 Literatur, rabbinische 59, 61, 63, 69, 131, 141 Lobpreis Hannas 169 Lobpreis Sirneons 169 Logos 102 Lokalkolorit 74 Machtgier des Herodes 93
Machttaten Jesu 107 Macrobius 112 Mädchen, jüdisches 155 Mädchen, kluge und törichte 165 Magier17, 24, 26, 81, 85, 112, 114, 118, 120, 122, 123, 125, 127, 135 Magierbesuch 85, 95, 111-129 Magiererzählung, M.geschichte 17, 18, 20, 24--29, 111, 120, 121, 123, 125, 126, 128, 129, 134, 143, 152, 167, 168, 169 Magierkönig Tiridates 126, 128 Magierzug 126, 127 Magnificat 152 Makel der Herkunft Jesu? 106, 108, 145 Marathus Julius 94 Maria, als Dirne oder Hure hingestellt 39, 40, 146 Maria, verschieden von der Mutter Jesu 150 Mariamne, Frau des Herodes 89 Mackinische Quelle (Vorlage) 47, 52, 53, 63 Markusüberlieferung, M.tradition 69, 70, 71 Maschal 58 Masora, masoretisch, Masoretentext 38, 46, 69 Mazedonien 126 Meder 124, 125, 129 Medien, medisch 112, 124, 125 Memphis 117 Memra 54 Menschensohn 48 Menschwerdung Gottes in Jesus 101, 102, 104 Mesopotamien 124 Messias 20, 30, 31, 44, 47, 48, 49, 52, 54--51, 61, 63, 66, 78, 124, 151, 167 Messianisch 30, 42, 46-48, 51, 52, 56, 61, 65, 66, 69, 70, 72, 78, 80, 91, 94, 95, 153 Messianisches Wirken Jesu 49, 147 Messianismus 112 Messianität 45 Messiasanspruch Jesu 124 Messiasanwärter 21 Messiaserwartung 48, 54, 55, 70, 136, 153 Messiasgeheimnis 55 Messiaskind 21, 85, 120, 136, 152, 169, 189
170 Messiaskönig 61, 123, 126 Messiastitel, mess.Titel 44, 45 Metronymische Bezeichnung 108 Midianiter 139 Midrasch 38, 50, 51, 64, 66, 96-105, 121, 123, 125, 126, 152, 169 Midraschliteratur, rabbinische 141 Minäer 49~ Minderjährigkeit 156 Mirjam, Tochter Amrams 98 Mischna 43, 45, 62, 76, 77, 155 Missionspredigt, urchristliche 128, 129 Mißtrauen des Herodes 83, 88, 90, 122 Mitgift 157-159 Mithras 127 Mordbefehl des Herodes 17, 88, 90, 93, 94 Morgengabe, mohar 158, 160 Mose 30, 54, 98, 107 Mose-Haggada 69, 98, 99, 100 Mosesage 93, 94 Moseliteratur, haggadische 99 Mosetradition 98, 99 Motiv der Unfruchtbarkeit 102 Musik 164, 165 Musikanten 164 Musikinstrument 164 Mutterschaft Marias 39 Muttersprache Jesu 60 Myrrhe 112 Myrten, M.zweige 163, 164 Mythos 37 Nachfolgepläne, N.regelung 92, 136 Nachkomme Davids 15, 16 Nachösterliche Zeit 39, 66, 81, 83, 167 Nachrichten von den Anfängen 152 Nachum, der Meder 125 Naftali, Stamm 46, 47 Nahtstellen 29, 95 Namen 38, 41, 99 Namen der Wochentage 116, 117 Namengebung 38, 41 Nardenöl 163 Natan, Prophet 59, 139 Nazarener, Einwohner 15, 79, 106, 107, 108, 161 Nazarener, Nazoräer 42-45, 79 Nazaret 15, 22, 43, 46, 47, 106, 142-144 153, 159, 167, 168 Neapel 126 190
Nehemia, Buch 14 Nero, Kaiser 94, 95, 126, 127, 128 Ninib 115 Nisan 118 Nordreich 46, 86 Not Josefs 19, 20, 36, 99, 151, 153, 167 Numeri, Buch 156 Nunc dimittis 152 Nutznießung 157 Oberpriester 75 Octavianus Augustus 89 Offenbarung 80, 140 Ölberg 64 Opfergaben 76 Opfermaterialien 76 Orientierung, örtlich, zeitlich 28 Origenes 40, 50, 84, 112, 114, 142 Ortsangaben 27, 64, 143, 144 Ortsbewohner 143 Ortsüberlieferung 143 Ortsveränderungen 27, 28 Ostern, Osterfest 76, 81 Ovation, messianische 72 Ovid 115 Palast des Herodes 89, 90 Palästina 46, 83, 115, 134, 153, 162 Palmzweige 67 Pantera 40, 49 Parabel 59, 60 Parabel Natans 59, 139 Parallele Jakob-Jesus 87 Parallele Mose-Jesus 87, 93 Parallelismus membrorum 61, 62, 70 Paraphrase, Paraphrasierung 41, 78 Parthenogenese 41, 96 Parther, P.reich 112, 124, 125, 126, 129, 170 Parthien, parthisch 124, 126 Passion Jesu 61 Pathologische Züge bei Herodes 90 Pauken 164 Paulus 128, 131 Perser, Persien 112, 124 Person, Persönlichkeit Jesu 61, 68, 77 Peruta 159 Pesachfest 50 Pesikta rahbad 39 Petrus 128 Pfingstereignis 125
Pharao 37, 98, 99, 140 Pharisäer 90, 91, 140 Phiion von Alexandrien 83, 154 Piero della Francesca 109 Pilatus 87, 124, 131 Pionius von Smyrna 51 Plan, Pläne Gottes 20, 22, 68, 80, 81, 133, 135, 136, 138 Planet, Planeten 112-115, 118 Planetenbewegungen 118 Planetenkonstellation 114 Planetentage 116, 117 Planetenwoche 117 Plinius der Altere 113, 117, 127, 154 Polemik 128 Pompeji 116, 117 Priesteraristokratie 75 Priesterkreise 156 Priesterliche Oberschicht 75 Priesterschaft von Jetusalern 75, 158 Priesterschrift 156 Priestertum, jüdisches 14 Prominente, jüdische 124 Prominente der christl. Urgemeinde 103, 151 Prophet, prophetisch 20, 30, 42, 44, 57-59, 77, 78, 80, 82, 133, 139 Prophetentargum 54 Prophetenwort 80, 85, 87 Prophetie 31 Proselyten 125, 170 Protevangelium des Jakobus 19, 20 Provinzen, assyrische 46 Pseudo-Lukian 112 Quietus Lusius 164 Qumran 141, 154 Rabbi, Rabbinen 107, 121, 132 Rabbinat 31 Rabbinisch 31, 44, 49, 59, 61, 62, 63, 69, 131, 141 Rahe! 85-88, 102 Rama 86 Realismus, kritischer 93 Rebekka 102 Recht Gottes 56 Recht, jüdisches 92, 93, 160 Rechtsleben 53, 92 Rechtspflege 93 Redaktion, mattäische 100
Redaktionsgeschichtl. Untersuchung von Mt 1,18-25 100-105 Redensart, Redeweise 134, 138, 140, 167 Reflexion 25, 68, 120, 147 Reflexionszitat 25, 33, 69, 82, 84, 87, 98, 100, 120, 167 Reigentanz 164 Reinheitsmotiv 72 Reittier 61, 64, 65, 69, 72 Renan E. 109 Reue des Judas 73, 78 Rhodos 89 Rom, Römer 124, 126, 127, 128, 135 Rosen 163 Ruf Jesu 106-110, 145 Ruf Marias 106-110, 145 Rufrius Crispinus 95 Ruhetag 116 Sabbat 47, 48, 106, 115, 116, 117 Sabbatjahr 116 Sabbatruhe 47 Sabbatschänder 40 Sadduzäer 140 Sage 93 Sagenmotiv 93 Salböl 163 Salomo 58 Samaria 89 Samariter 40 Samstag= Sabbattag 116 Sänfte 164 Sara 102, 140 Saturn, Gottheit 115, 116, 117 Saturn, Planet 115, 118 Schatzmeister des Tempels 75, 76 Schätzung 104 Schema, literarisches 22 Schernone-Este 43, 44 Schimpfnamen für'Jesus und Maria 146 Schlaf und Traum 137, 139 Schöpferkraft Gottes 148 Schöpfungsakt Gottes 102 Schreiber 159 Schriftbefragung 25, 33 Schriftbeweis 80 Schriften, rabbinische 49 Schrifterfüllung 31, 32, 33, 68 Schrifterklärung 107 Schriftgelehrte 17, 25, 120, 122, 125 Schriftkundige 25, 47
191
Schriftwort, Schriftstelle 23, 32, 33, 80, 167 Schuldinschrift, Sch.titel 44, 124 Schutzgottheiten der Wochentage 116, 117 Schwangerschaft Marias 19, 39, 100, 101, 136, 137, 145, 147, 148, 153, 161 Schwänke 165 Schweigegebot 53, 54 Schwestern Jesu 106, 108, 144 Sebulon 46 Segensspruch für Verlobte 159 Segensspruch für das Brautpaar 165, 166 «Sekte der Nazoräer» 43 Selbstmord, Selbstmörder 73, 74 Selbstzeugnis Marias 41 Senat, römischer 94, 124 Sendung Jesu 68, 138 Sendungsbewußtsein Jesu 31 Sepphoris 43 Septuaginta 38, 47, 51, 58, 69, 87, 141 Septuagintatext 36, 52, 164 Septuagintaübersetzer 37, 141 Sicherstellung des Frauengutes 158 Siebter Tag 115, 116 Silbergießer 77, 78 Simon, Bruder des Herrn 103, 106, 108, 144, 150, 151 Sirneon ben Schetach 158 Sippenbewußtsein 104 Sippendenken, S.gefühl 147 Sippentradition, S.überlieferung 39,167 Sitten und Bräuche bei Verlobung und Vermählung 154-166 Sitz im Leben 59, 60, 143 «Sohn der Ärztin» 109 «Sohn der Dorkas» 109 Sohn Davids 16, 19, 97 Sohn, einziger 83, 108, 109 Sohn Gottes (Gottes Sohn) 55, 81, 83, 84, 102 «Sohn der Maria» 106-110, 146 Sohn des Zimmermanns 106-108 «Söhne des Brautgemachs» 163 Söhne Israels 77, 78, 79, 86 Sonderbericht 146 Sondergut des Mattäus 57, 73 Sonderquelle 13, 146 Spione des Herodes 90, 122 Sprachgebrauch 22 Sproß, messianischer Titel 44, 45
192
Sprüche 58, 165 Spruchweisheit 58 Stamm 155, 156 Stammbaum in Mt 1,1-17 13-16, 37 Stammbäume der zwölf Stämme 14 Stammbäume nach oriental. Auffassung 97 Stern 26, 27, 81, 111-115, 119, 120, 122, 124, 128 Stern des Westens 115 Sternbewegung 118 Sternbild 113 Sterndeutung 114 Sternerscheinung 112, 118, 119, 127 Sternglaube 125, 127 Sterngruppe 113 Sternkalender von Sippar 117 Sternkonjunktion, St.konstellation 112, 113, 114, 118 Sternkunde 125, 127 Steuern 92, 146 Stilfigur 141, 147, 152 Stilmittel 138, 141, 151, 167 Stirnband 163, 164 Strafrede Natans 139 Stratiotes (Soldat, Mann der Besatzung) 162 Süditalien 126 Sueton 94, 95, 126 Summarium der Heilungswunder 47 Symbolhandlungen J esu 73 Synagoge 44, 47, 84, 144 Synedrium 75, 77 Synoptiker 47, 60, 64, 67, 68 Syrien 46 Tabellen, genealogische 13 Tacitus 115, 116, 124, 126, 127, 128 Tag des Kronos 117 Tag des Saturn 115, 116 Talmud 39, 43, 45, 49, 50, 51, 84, 125, 154, 159, 161 Talmud, babylonischer 40, 43, 44, 49, 58, 62, 125, 154, 155, 157-165 Talmud, jerusalemischer ( = palästinischer) 49, 157, 161, 162 Tannaidsehe Schriftgelehrte 50, 125 Targum 38, 41, 54, 78 Taufe Jesu 83 Taufstimme 55, 56 Tempel 13, 47, 75, 76, 77 Tempelanlage 76
Tempelaufseher 75 Tempelgut 76 Tempelhallen 76, 134 Tempelhaus 76 Tempeloberst 75 Tempelschatz 76, 77 Tempelschatzmeister 75 Tempelverwaltung 77 Tempelvorhof 76 Tertullian 40, 112 Teufel 146 Textvarianten 69, 97 Theologie, urchristliche 31 Theologische Arbeit 65 Theologische Aussage 135, 167 Theologische Entwicklung 68 Theologumenon 38, 98, 99, 101-105 Thrazien 126 Thron Davids 22 Thron Gottes 141 Thronanwärter 90, 122 Thronsitz, orientalischer 62 Tibull 115 Tierkreiszeichen 118 Tiglatpileser 46 Tiridates, König von Armenien 124, 126-129 Tischri 118 Tobias, Sohn des Tobit 156 Tobias, Buch 156, 159 Todesleiden Jesu 57 Todesstrafe ohne Verhör 91 Töpfer 75, 78, 79 Töpferacker 73, 75, 78, 79 Topographie Jerusalems 64 Tora 58, 93 Totenbeschwörung 51 Tötungsbefehl des Herodes 94, 99, 138 Tradition (Überlieferung) 19,24,37-40, 58, 60, 69-75, 78, 86, 101, 104, 105, 107, 110, 143, 144, 146, 150, 152 Traditionsgeschichtliche Untersuchung 60 Traditionsquelle 19 Trajan, Kaiser 14, 103 Transzendenz Gottes 141 Traum, Traumgesicht 130, 131, 133, 137, 139-142 Traum, allegorisch oder theoremarisch 131 Traumbücher 130 Traumdeuter 131 13
Traumdeutung 130, 131 Traumerscheinung 135 Treueid, T.schwur auf den Kaiser 91 Treueidverweigerung 91 Tributpflicht des Herodcs 92 Troas 131 Typologie, allgemein 85 Typologie Jesus-Jakob(Isracl) 81, 84,85 Typologische Deutung (Auslegung) 81, 82, 85, 87, 88 Unfruchtbarkeit 102 Untergang des Nordreiches 86, 87 Unterwelt 74 Unversehrtheit der Braut 160--163 Urchristentum 44, 81 Urgemeinde, christliche 30, 39, 56, 103, 106, 121, 151, 167 Urkirche 31 Ursprung Jesu 39 Urtext 18, 33, 38, 55 Vaterschaft, biologische 37 Vaterstadt Jesu 43 Verachtung, öffentliche 145, 161 Verfolgung der Christusgläubigen 127, 128 Verheißungen Gottes 32 Verfolgungswahn des Herodes 89 Verklärung Jesu 83 Verklärungsstimme 55, 56 Verkündiget, urchristlicher 83 Verkündigung (Kerygma) 30, 31, 39, 48, 60, 65, 66, 167 Verkündigung an Maria 169 Verlobung, jüdische 155-162 Verlobung Josefs und Marias 39, 103, 145, 159, 161, 162 Verlobungsakt 145, 159 Verlobungsalter 155, 156 Verlobungsfeier 159 Verlobungsmahl 159 Verlobungszeit 19, 36, 145, 155, 161 Vermählung 154 Vermögen 158 Vermögensrechtliche Vereinbarungen 156 Verräterlohn 78 Verspottung Jesu 124 Versuchung Jesu 83 Versuchungsgeschichte 131 Verwandte Jesu 43, 103, 104, 144, 153
193
Verwandte Josefs und Marias 103, 105, 147, 151, 167 Verwandtenehe 155 Verwebungsstellen in Mt 2 28, 29 Verzweiflung des Judas 77 Vespasian, Kaiser 14, 116, 164 Vettern Jesu 103, 144, 151 Vokabularium, messianisches 47 Volk Israel 41, 59 Völker, Heidenvölker 26, 46, 47, 54, 56, 124, 126, 128, 168, 169 Völkerliste von Apg 2,9 124, 125 Volkserzählung, V.überlieferung 121, 169 Volksfrömmigkeit 132 Volkssprache, aramäische 78 Volljährigkeit 156 Vollmachtsanspruch Jesu 106 Vologaeses I, Partherkönig 126 Vorgeschichte 13, 96, 153 Vorgeschichte des Mattäus 13, 18, 28, 81, 83, 111, 119, 120, 125, 130, 132, 133,137,138,141,143,144,152,153, 167, 168, 169 Vorgeschichte des Lukas 13, 39, 96, 132, 144, 152, 153, 167, 168, 169 Vorhof des Tempels 76, 77 Wandern der Überlieferung 143 Weihrauch 112 Weinberglied Jesajas 59 Weisheit 107 Weissagung 58, 65, 98, 99 Weisung 23, 131, 138, 141 Weisung im Traum 130, 131, 133, 135, 138 Weltgericht 124 Werbung der Frau 155, 156
194
Werk (Wirken) Jesu 57, 107 Wirren nach Herodes' Tod 22, 134 Witwe 158, 160 Wochentage, nach Planeten benannt 115-117 Wohnsitz Jesu 46, 47, 153, 168 Wort Jesu, ursprüngliches 60 Wunder, W.zeichen 50, 51, 119, 145, 153 Wunderbare Empfängnis Jesu 39, 79, 145, 148 Wunderheiland 47, 51 Wunderheilungen 49, 52 Wunderstern 118, 152 Wundertaten, W.tätigkeit Jesu 47-52, 54, 55, 107 Zacharias (NT) 156 Zahlenspiel 15 Zauberei, Zauberwerk 50, 51 Zauberer 127 Zauberkräfte 50, 84 Zehnstämme-Reich 125 Zeichen der Fische 114, 118 «Zeichen und Wunder» 51, 145 Zeichenhandlung, eschatologische 72 Zeit, eschatologische 32 Zeugen beim Ehevertrag 159 Zeugentod 128 Zeugung Jesu aus heiligem Geist 37, 50, 99-102 Zeus 116, 117 Zimmermann 40, 106-108, 144 Zodiakallicht 119 Zugabe 158 Zuz 157, 158 Zwischenmächte 132