Preißing · Visual Thinking
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ISBN: 9783448087390
BestellNr. 002380001
1. Auflage 2008 © 2008, Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG Niederlassung München Redaktionsanschrift: Postfach, 82142 Planegg/München Hausanschrift: Fraunhoferstraße 5, 82152 Planegg/München Telefon: (089) 895 170, Telefax: (089) 895 17290 www.haufe.de
[email protected] Produktmanagement: Bettina Noé Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe (einschließlich Mikrokopie) sowie die Auswertung durch Datenbanken, vorbehalten. Zeichnungen: Dr. Werner Preißing Redaktion und Koordination: Prof. Ursula Bertram Redaktion und DTP: rausatz, HansJörg Knabel, 77731 Willstätt Umschlag: Kienzle gestaltet, Stuttgart Druck: SchätzlDruck, 86609 Donauwörth Zur Herstellung dieses Buches wurde alterungsbeständiges Papier verwendet.
Visual Thinking
Werner Preißing
Haufe Mediengruppe Freiburg · Berlin · München
Inhaltsverzeichnis
Visual Thinking entspricht der Arbeitsweise des Gehirns Was ist die Faktorenfeldmethode?
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Wie die Faktoren in den Kopf gekommen sind
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1
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1.1 1.2 1.3 1.4 1.5
2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7
3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7
4
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Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
Die Faktorenfeldmethode aus Sicht der Systemtheorie 28 Die Faktorenfeldmethode aus Sicht der Systemvisualisierung 40 Denkwerkzeuge 47 Gehirnforschung 69 Die Faktorenfeldmethode aus Sicht der Philosophie 84
Der Werkzeugkasten der Faktorenfeldmethode Das Analogiemodell „Atlas“ Die Übersichtskarte der Werkzeuge Das Suchsystem Strategische Wege Die Werkzeuge: Aufbau der BasicKarten Der Atlas Die Basics
Probleme lösen Der Problemlösungszirkel Über den Umgang mit Problemen Das Spindelmodell Intuition: Ein Außenseiter zur Problemlösung Attraktivität als Erfolgsfaktor Ideen generieren und umsetzen Wie kann ich in die Zukunft schauen?
98 98 99 100 101 102 103 104
149 149 185 213 239 249 267 290
Inhaltsverzeichnis
4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8 4.9 4.10 4.11 4.12 4.13 4.14 4.15
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Gelöste Probleme – erlebte Geschichten Mein Problem mit den Problemen Martin M. eckt an Lähmende Strukturen Übermächtige Formalismen Alle zerren an mir Kein Land mehr sehen – Die Geschichte des Fotografen Sebastian M. Aufgabenstellungen hinterfragen Fehlende Entlastung Aufbruch zu neuen Ufern Die wirtschaftlichen Probleme der Bettina S. Transparent diskutieren Konstruktive Strukturdiskussion in Systembildern Ideen kombinieren Marktlücke gefunden, Handwerker Albrecht W. Keine Probleme: Der Politiker Dr. T.
Epilog
305 305 309 313 317 322 327 336 342 345 354 358 359 366 368 372
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Literatur
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Stichwortverzeichnis
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Visual Thinking entspricht der Arbeitsweise des Gehirns Visual Thinking bildet im Sinne der Bionik die Arbeitsweise des menschlichen Gehirns bei Denkprozessen ab. Die Faktorenfeldmethode funktioniert also so, wie das Gehirn selbst funktioniert. Die Bionik ist eine Methode, bei der Prozesse und Elemente der Natur auf die technologischen Entwicklungen neuer Produkte übertragen werden. Insofern ist die Bionik eine Copyistenstrategie in Bezug auf das „Unternehmen Natur“. Viele technische Errungenschaften haben auch früher schon auf der Nachahmung in der Natur vorgefundener Funktionen beruht. Das Flugzeug beispielsweise ist die Inkarnation des alten Menschheitstraums, wie ein Vogel fliegen zu können – über Ikarus, die Flugmaschinen von Leonardo da Vinci, Otto Lilienthal bis hin zur Concorde. Manche Erfindungen haben sich weniger auf große Visionen wie das Fliegen, sondern eher auf technische Errungenschaften bezogen. So hat z. B. die Entschlüsselung des Geheimnisses der wasserabweisenden Blattoberflächen der Lotospflanze zur Entwicklung schmutzabweisender Toilettenschüsseln und Waschbecken geführt – sicher kein uralter Menschheitstraum, aber eine durchaus nützliche Erfindung. Die Bionik als Copyistenstrategie gilt im Grunde auch für die Entwicklung des Computers, der in den Anfängen die rechnerischen Kompetenzen des menschlichen Gehirns („to compute“ = rechnen) und später die Fähigkeit, große Datenmengen im Langzeitgedächtnis zu speichern (EDV = Elektronische Datenverarbeitung) und bei Bedarf wieder abzurufen, nachgeahmt hat. Auch die Fähigkeit des Menschen zu lernen, wurde nachgeahmt. Heute lernen Computer nach dem menschlichen Trial-and-Error-Prinzip. Auch die Lösung von Problemen der ganzheitlichen Wahrnehmung durch neuronale Computer stellt heute keine prinzipiellen technischen Hindernisse mehr dar. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis Wahrnehmungs-
Visual Thinking
Bionik
Computer
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Visual Thinking entspricht der Arbeitsweise des Gehirns
Roboter
Internet
Neue Welt der geistigen Mobi lität
Neue Geistes haltung
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prozesse, Bilderkennung und sogar die Einschätzung der über die Mimik erkennbaren Emotionen technisch möglich sein werden. Roboter sind in den Fertigungsstraßen der Automobilindustrie heute nicht mehr wegzudenken. Sie sind robuster als jeder menschliche Organismus. Eigentümlicherweise wird dabei versucht, Computer menschenähnlich zu bauen. Das Problem des Gleichgewichts bei einem Zweibeiner wird als eine Herausforderung betrachtet und die Balancebewegungen des Kleinkindes als Vorbild genommen, obwohl eine Roboterspinne auf acht Beinen Treppen wesentlich leichter bewältigen könnte. Die partielle Überlegenheit des Computers hat u. a. auch zu der Behauptung geführt, der Mensch sei lediglich eine Zwischenstufe der Evolution und werde vom erheblich leistungsfähigeren Computer und vom leidensfähigeren Roboter abgelöst. Vertretern dieser Auffassung lässt sich allerdings entgegengehalten, dass das menschliche Bewusstsein, die freie Entscheidung etwas zu tun oder zu lassen, der freie Wille eine ausschließlich menschliche Eigenschaft bleiben wird. Von den Stand-alone-Systemen der Bionik sind wir heute unmerklich in ein Zeitalter der integrierten Bioniksysteme eingeschwenkt. Die Entwicklung des Internets in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts bedeutet vordergründig den Beginn eines neuen Computerzeitalters, in dem die Kommunikation untereinander und der Zugriff auf gemeinsame Wissensdatenbanken weltweit möglich geworden ist. Im Kern bedeutet die Entwicklung des Internets den Beginn einer neuen Mobilität auf der geistigen Ebene. Die Erfindung der Eisenbahn um 1850 und später des Automobils entsprach dem Bedürfnis nach physischer Mobilität. Diese Erfindungen erlaubten es den Menschen, Freunde und Bekannte in kurzer Zeit und ohne große Anstrengung zu besuchen und neue Umwelten und Lebensbedingungen kennenzulernen. Die jetzt (im Jahr 2008) knapp 20 Jahre junge Technologie des Internets eröffnet heute eine neue Welt der geistigen Mobilität. Ebenso wie die sich immer weiter entwickelnde physische Mobilität nicht nur zu einer Veränderung der Lebensweise, sondern auch zu einer neuen Geisteshaltung im Sinne einer geistigen Revolution)
Visual Thinking entspricht der Arbeitsweise des Gehirns
geführt hat, wird die Nutzung des Internets eine noch weitergehende, revolutionär neue Geisteshaltung mit sich bringen. Noch befinden wir uns am Beginn des neuen Zeitalters, aber die Veränderung der Lebensweise durch das Internet ist heute bereits deutlich spürbar, nicht nur im wissenschaftlichen Umfeld oder im Bereich ökonomischer Verflechtungen, sondern auch im privaten Alltag. Chatrooms machen eine weltweite Diskussion von Problemen möglich. Bekanntschaften entstehen mitunter zunächst über das Internet, um dann evtl. auch „live“ fortgesetzt zu werden. Folgt man den Ausführungen von Nefiodow (Nefiodow 2001), befinden wir uns am Beginn eines neuen Innovationszyklus, des „sechsten Kondratjeff“, der von technischen Informationsnetzen (um 1990, 5. Kondratjeff), zu weltweiten Denknetzen (ab 2040, 6. Kondratjeff) führt. Wie auch immer die Szenarien einer solchen Denkwelt aussehen mögen, fest steht, dass mit den technischen Veränderungen auch umwälzende geistige Entwicklungen verbunden sein werden, und das allein schon deshalb, weil die zunehmende Komplexität geistig bewältigt werden muss. Selbstverständlich fallen solche Denkwelten nicht vom Himmel, sondern erfordern eine möglichst frühzeitige Umorientierung. Lineare Methoden und das entsprechende lineare Verständnis von Prozessen müssen abgelöst werden durch integrative, auf Vernetzung beruhenden Ansätzen des Arbeitens und Denkens, das „Denken mit einem Gehirn“. Wieder bietet sich hierbei eine Nachahmung der Natur, speziell der Arbeitsweise des menschlichen Gehirns an. Die Wahrnehmung der Realität erfolgt überwiegend über visuelle Kanäle und wird als visuelle Struktur in Rasterpunkten auf der Retina an das Gehirn weitergeleitet. Es ist naheliegend, zumindest einen Teilbereich der Datenverarbeitung im Gehirn im Sinne eines Visual Thinkings, einer visuellen Repräsentanz der Realität im Gehirn zu vermuten. Es entspricht durchaus der Alltagserfahrung, dass sich visuelle Darstellungen einfacher erfassen und merken lassen als beispielsweise Texte. Handelt es sich dabei nicht nur um Abbildungen oder Schaubilder, sondern um Systembilder – um Bilder also, die der Speicherstruktur des menschlichen Gehirns nahekommen –, beinhalten solche Darstellungen nicht nur den Aspekt der Anschaulichkeit,
Weltweite Denknetze
Denken mit einem Gehirn
Visuelle Wahr nehmung
Systembilder
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Visual Thinking entspricht der Arbeitsweise des Gehirns
Vom Teamwork zum Teamthin king
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sondern auch die Möglichkeit einer Reduzierung der Komplexität des Wahrgenommenen und die Vermittlung von Essenzen komplexer Fragestellungen, von Problemen und ihren Lösungen. Die Faktorenfeldmethode arbeitet mit Systembildern zur Darstellung von Sachverhalten und Problemen. Probleme lösen bedeutet u. a. die Essenz der Probleme zu erkennen und dabei unwesentliche Details wegzulassen. Das ist die Bioniktechnologie der kommenden Generation, die aus dem Stand-alone-Denken zu einem integrativen Denken führt, von „Teamwork“ zum „Teamthinking“.
Was ist die Faktorenfeldmethode? Die Faktorenfeldmethode ist ein Werkzeugkasten zur Lösung von Problemen. Ein unschlagbares Argument, das für diese Methode spricht, ist, dass sie gut funktioniert, in freiwilligen und unfreiwilligen, persönlichen und beruflichen Problemsituationen, bei Fragen der strategischen Entwicklung von Unternehmen und in der Ausbildung. Der Grund für die Praxistauglichkeit der Faktorenfeldmethode liegt darin, dass sie im Rahmen von Beratungen und in der Betreuung von Masterthesen aus praktischen Problemsituationen heraus erfunden und mit jeder neuen Frage ständig weiterentwickelt wurde. Am Anfang stand also nicht die Grundlagenforschung (beispielsweise zur Wahrnehmungstheorie, zur Verhaltensforschung, zur Psychologie oder zur Gehirnforschung), um daraus dann eine neue Theorie oder Methode zu entwickeln. Vielmehr ergab sich die Entwicklung der Theorie aus der Suche nach den Essenzen problemrelevanter Wissensgebiete parallel zur Beschäftigung mit den Essenzen der jeweiligen Problemstellung. Im Zusammenhang mit der Faktorenfeldmethode kann sich eine solche Grundlagenforschung angesichts der theoretisch nahezu unbegrenzten Vielfalt der Wissensgebiete nur auf Kernaussagen und nicht auf Details beziehen. Außerdem spielt die subjektive Interpretation eine wesentliche Rolle, weil das oberste Kriterium nicht die wissenschaftliche Tiefbohrung sondern die möglichst stringente Lösung des jeweiligen Problems ist. Im vorliegenden Buch erklärt sich die Faktorenfeldmethode durch ihre Sprache der Systembilder sozusagen von selbst. Auch komplexe Problemstellungen und Gedankengänge, die zu Problemlösungen führen, lassen sich mithilfe der von der Faktorenfeldmethode entwickelten Systemsprache in ihrer Essenz relativ einfach und spontan erfassen. Dabei beinhaltet eine gute Systemvisualisierung neben der Essenz des Problems manchmal auch gleich seine Lösung. Um die Faktorenfeldmethode anwenden zu können, ist es nicht erforderlich, das ganze Buch zu lesen und sich dann erst mit der
Praxistauglich keit
In der Praxis entwickelt
Systemvisuali sierung
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Was ist die Faktorenfeldmethode?
Umsetzung zu befassen. Bereits die ersten Schritte zur Situationsanalyse mithilfe der Faktorenfeldmethode können schon während der Lektüre ausprobiert werden. Erfahrungsgemäß zeigen sich die Vorteile der Methode schon bei den ersten Anwendungsversuchen. Ein erstes Beispiel für eine Systemvisualisierung ist die folgende Übersicht über das vorliegende Buch: V.001
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Was ist die Faktorenfeldmethode?
Im ersten Kapitel des Buches werden verschiedene Sichtweisen beschrieben, aus denen heraus die Faktorenfeldmethode betrachtet werden kann. Das zweite Kapitel des Buches (der Werkzeugkasten) beinhaltet die Basics der Faktorenfeldmethode in Form von Systembildern zur Visualisierung der Methode und der Denkmodelle, die im Zusammenhang mit der Lösung von Problemen stehen. Im dritten Kapitel (Probleme lösen) werden anhand des Problemlösungszirkels grundlegende Schritte zur Problemlösung dargestellt. Es geht um die Haltung, die Aufzucht und die Pflege von Problemen, um die Strukturierung von Unternehmen nach dem Spindelmodell zur Vermeidung toter Spindeln, um die Bedeutung der Intuition bei der Problemlösung, um Attraktivität, um die Generierung von Ideen und um Zukunftsszenarien. Das vierte Kapitel enthält Beispiele aus der Beratungspraxis, der Fall einer Eigenanalyse, bei der alle Schritte der Faktorenfeldmethode nachvollziehbar aufgezeigt werden, die Schritte auf dem Weg zur Problemlösung, die Neuorientierung von Sebastian M. in einer desolaten Situation, ein Berufsverband in einer misslichen Lage, eine Universität bei der Neudefinition ihrer Identität, ein Ingenieurbüro auf dem Weg zu neuen Ufern und Ernst Muster in einer Situation, die uns allen wohlbekannt ist. Das Literaturverzeichnis ist zur Weiterbeschäftigung mit der Theorie des Visual Thinkings und der Faktorenfeldmethode gedacht. Es beinhaltet u. a. Grundlagen zur Systemtheorie, Wahrnehmungspsychologie, Gehirnforschung und Philosophie entsprechend den, in diesem Buch beschriebenen Hintergründen der Faktorenfeldmethode. Mein Dank geht an alle, die mir nicht triviale Fragen gestellt und mich mit Problemen konfrontiert haben. Jede Frage und jedes Problem hat mich in meinen eigenen Erkenntnissen weitergebracht und dazu verführt, mich mit den vielfältigsten Wissensgebieten zu beschäftigen. Allen Wissenschaftlern, denen ich vielleicht manchmal etwas naive Fragen zu ihrem Wissensgebiet gestellt habe, danke ich für ihre Geduld und insbesondere Prof. Dr. Manfred Jahrmarkt für den intensiven Gedankenaustausch zum gesamten Themenfeld.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
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Was ist die Faktorenfeldmethode?
Dem Haufe Verlag – namentlich Frau Bettina Noé und Herrn Heiner Huß – danke ich für ihr Vertrauen in das Abenteuer dieses Buches. Mein ganz besonderer Dank gilt Prof. Ursula Bertram, die in Engelsgeduld auch die fünfte Version dieses Buches mit mir geordnet hat und dabei nicht nur wichtige Fragen gestellt, sondern auch Inhalte eingebracht hat. In dieser Zusammenarbeit hat sich ein „Denken mit einem Gehirn“ ergeben, das ich allen Lesern beim „Teamthinking“ wünschen möchte. Le Dreff im August 2007 Werner Preißing
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Wie die Faktoren in den Kopf gekommen sind Die Entstehung der Faktorenfeldmethode hat mit der Entwicklung der letzten 30 Jahre zu tun und im Detail mit mir selbst. Die Entscheidung für ein Studienfach fiel mir nicht leicht. Nachdem ich anfänglich gedanklich zwischen Pädagogik, Kybernetik, Landwirtschaft und Volkswirtschaft gependelt hatte, schien mir das Studium der Architektur eine gute Gelegenheit, meine Vorlieben für eine breit angelegte Wissensbasis, strukturelles Denken und Kunst zu verbinden. Ich habe meine Entscheidung für das Architekturstudium nie bedauert, weil es mir die vielfältigsten Möglichkeiten zur Beschäftigung mit den unterschiedlichsten Aufgaben eröffnete. Das in den 68er Jahren eingeführte projektbezogene, d. h. problembezogene Studium kam meinen Neigungen sehr entgegen. Fasziniert hat mich dabei immer die strukturelle und logistische Komponente des Planungsprozesses, die Frage danach, wie gestalterische Vorgänge ablaufen, so dass ich nach dem Studium beschloss, mich mit dieser Komponente noch intensiver zu befassen. EDV war damals noch Neuland. Ein Entwicklungsfeld fand ich als Architekt in einem Softwarehaus. In meiner Zeit als Systemanalytiker beim Rechen- und Entwicklungsinstitut für EDV im Bauwesen (RIB) – etwa 1973 bis 1979 – bekam ich relativ früh die Aufgabe, die Konzeption für ein Straßenentwurfssystem als Basis für die Erstellung von Computerprogrammen auf seine Stimmigkeit hin zu überprüfen. Als Grundlage dienten Datenflusspläne mit etwa 300 Einzelvorgängen, jeweils etwa 100 Eingabe- und Ausgabeformularen und Verarbeitungsdateien. Solche Datenflusspläne waren bereits in verschiedenen Arbeitsgruppen in Bonn diskutiert worden. Das Ganze war auf sechs Übersichtsplänen im Format DIN A0 dargestellt.
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Wie die Faktoren in den Kopf gekommen sind
Als erste formale Grundanforderung eines logistisch stimmigen Systems war dabei zu gewährleisten, dass alle Bezeichnungen nur einmal vorkommen durften. Arbeitsvorgänge, die den gleichen Vorgang meinten, mussten also auch den gleichen Namen haben, ebenso wie alle Eingabe-, Ausgabe- und Verarbeitungsdateien. Ein weiteres Überprüfungskriterium war, dass jeder Vorgang mindestens einen Input und einen Output haben musste, weil er ansonsten entweder nicht möglich oder nicht sinnvoll gewesen wäre. Dabei gab es Stellen, an denen auf Systemgrenzen und damit auf Schnittstellen zu anderen Bereichen verwiesen wurde – so z. B. auf den Bereich der Umweltverträglichkeitsprüfung, der zwar wichtige Einflüsse auf das Straßenentwurfssystem hatte, bei der vorliegenden Aufgabe aber nicht mit untersucht werden sollte. Hiermit beschäftigten sich andere Arbeitsgruppen. Letztlich erwies sich gerade die Definition solcher Schnittstellen als besonders wichtig, weil sonst im Prinzip das gesamte Universum mit einzubeziehen gewesen wäre. Außerdem musste bei der Festlegung von Arbeitsschritten darauf geachtet werden, dass der Detaillierungsgrad jeweils auf einem angemessenen Niveau gewählt war und nicht einerseits der Entwurf einer gesamten Straßenabwicklung und andererseits das Zeichnen einer Gradiente beschrieben war. Die Symbole auf den Datenflussplänen waren sehr einfach zu verstehen: V.002
Arbeitsvorgänge Eingabedaten (damals gab es noch Lochkarten zur Eingabe) Ausgabedaten (wie ein abgeschnittener Computerausdruck)
Nachdem ich zwei Tage lang versucht hatte, die an die Wand gepinnten Übersichtspläne auf direkte Weise optisch zu überprüfen, erschien mir die Aufgabe unlösbar. Ein schwacher Trost war, dass ich einige offensichtliche Fehler auf Anhieb entdeckt hatte.
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Wie die Faktoren in den Kopf gekommen sind
Es gab ihrem Wesen nach gleiche Vorgänge, Ein- und Ausgabeformulare mit unterschiedlichen Bezeichnungen, fehlende Bezüge zwischen Einzelvorgängen, falsch definierte Schnittstellen. Die Aufgabe bestand aber nicht darin, Fehler auszumerzen, die mehr oder weniger zufällig entdeckt wurden. Es ging vielmehr um absolute Präzision. Letztlich sollte in einer der nächsten Sitzungen in Bonn darüber befunden werden, welche Programme in der Prioritätenliste zuerst entwickelt werden sollten. Nach einer Phase tiefster Verzweiflung kam ich auf folgende Methode: Alle Vorgänge (Input-, Output- und Verarbeitungsdateien) erhielten einen Identifikationscode. Die Verknüpfung stellte ich auf einem DIN-A3-Blatt dar. V.003
Tabelle aus dem Forschungsbericht CAD Straßenentwurfssystem (BAST 1977) 1
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Wie die Faktoren in den Kopf gekommen sind
Bereits beim Erstellen der Übersicht konnte ich einige Doppelungen identifizieren. Dadurch wurde die Matrix überschaubarer. Außerdem konnte ich horizontal überprüfen, ob jeder Vorgang mindestens ein Kreuz in einer oder in mehreren Spalten hatte. In der Vertikalen ließen sich Vorgänge identifizieren, die das gleiche Kreuzmuster hatten und damit eigentlich identisch waren. Mit meiner Matrix erzielte ich auf der nächsten Sitzung in Bonn zumindest einen Achtungserfolg. Neben Hartnäckigkeit hatte ich aus dieser Aufgabe viel über die Grundprinzipien der Systemanalyse gelernt: • Es ist von Vorteil, komplexe Systeme so darzustellen, dass man sie überschauen kann, was am besten auf einer Seite funktioniert. Das war die Geburt des OPO-Prinzips (One Page Only). • Es kommt darauf an, klare Systemgrenzen festzulegen. Jedes System, sofern es nicht das gesamte Universum betreffen soll, hat seine Grenzen. Diese Grenzen sind nicht naturgegeben. Sie richten sich nach dem Zweck der Untersuchung. • Es ist wichtig, den Genauigkeitsgrad der Betrachtung auf einer angemessenen Ebene zu halten. Auch das ist eine Entscheidung (und nichts Naturgegebenes), die sich nach dem Zweck der Untersuchung richtet. Dabei geht es in erster Linie darum, den Aufwand und den Nutzen abzuwägen. Erst später erkannte ich, dass Systemanalyse die Kunst ist, die richtigen, (im Sinne der Aufgabe) zielführenden Fragen zu stellen. Meine erste Begegnung mit vernetzten Modellen und Computersimulationssystemen hatte ich in meiner Zeit als Student und späterer Partner von Dr. Werner Bayer (Büro für angewandte Mathematik, Stuttgart und Berlin). Wir erstellten Computermodelle für eine Warteschlange in der Mensa der Universität, die Ampelsteuerung in einer Kleinstadt, das Aufzugs- und Transportsystem in einem Krankenhaus. Faszinierend daran war, dass solche Modelle bei der Abbildung realer Sachverhalte nicht mit festen Input- und Outputparametern arbeiteten (wie bei linearen Programmsystemen), sondern dass
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Wie die Faktoren in den Kopf gekommen sind
Input und Output selbst Teile einer Computersimulation waren und das Modell in erster Linie zum Durchspielen von Szenarien diente. Ich selbst war auf dieser Grundlage an der Erstellung eines dynamischen Modells zur Erfassung der Energiebilanz von Gebäuden beteiligt, bei dem wir simulativ über mehrere Jahre hinweg die Sonne auf- und untergehen ließen und so die Qualität von Wärmedämmstoffen, Raumausstattungen und Steuerungen von Heizanlagen prüfen und optimieren konnten. Ich lernte daraus, dass das Festlegen der Ausgangsparameter ausschlaggebend ist und dass Ergebnisse immer nur relativ zur Menge der erfassten, systemimmanent verknüpften Parameter erwartet werden können. In meiner Zeit als Berater erkannte ich, dass bei der Beurteilung eines Unternehmens alle Faktoren eine Rolle spielen und entwickelte für eine Bestandsaufnahme der Faktoren die Faktorenfeldmethode. Ihrem Prinzip nach entsprach sie der Vorgehensweise bei der Definition von Einflussparametern beim Erstellen eines Simulationssystems. Die maßgebliche Ausgangsfrage meines Gegenübers ist dabei immer mit ihm selbst und seiner Ausgangssituation verbunden. Wie bei der Computersimulation gibt es eine Menge von Parametern, die miteinander zu tun haben. Aufgrund dieser Tatsache ergeben sich Situationen, die durchaus ähnlich sein können, in ihrer Gesamtheit aber immer einmalig sind. Außerdem gibt es im Gegensatz zur Computersimulation Einflussgrößen, die nur äußerst schwer quantitativ erfasst und verknüpft werden können, qualitative Faktoren also, die aber die Gesamtsituation maßgeblich beeinflussen. Vieles dabei lässt sich auch nicht logisch, sondern nur intuitiv begreifen. Vor allem aber lernte ich, dass der maßgebliche Einflussfaktor des Systems nicht auf der Tagesebene zu finden ist, sondern in der Persönlichkeit des Gegenübers, seinen Zielen, seinen Ideen und Wertvorstellungen. An dieser Stelle angelangt hätte ich durchaus zufrieden sein können mit wichtigen grundlegenden Erkenntnissen über die Logistik von Systemen, die Reduzierung von Komplexität durch einfache, übersichtliche Darstellungen, die Möglichkeit zur Abbildung realer Sachverhalte durch verknüpfte Modelle. Ich erkannte, dass letztlich alle
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Wie die Faktoren in den Kopf gekommen sind
formalen Methoden zwar hilfreich sind, die Realität aber durch etwas beeinflusst wird, das sich grundsätzlich jeder Formalisierbarkeit entzieht: durch die Welt der Ideen, Einstellungen und subjektiven Wertvorstellungen. Wirklich existenzielle Fragen beziehen sich aber gerade auf diese schwer fassbare Ebene. Lösungsvorschläge bei Problemsituationen können gut gemeint sein, aber völlig danebenliegen, sofern diese ausschlaggebende Ebene nicht mitberücksichtigt wird. Die Verhaltensforschung, die Wahrnehmungstheorie und die Gehirnforschung haben zu wichtigen Erkenntnissen auf der Suche nach den Grundlagen des Verhaltens, von Einstellungen und Denkweisen geführt. Insbesondere in der Gehirnforschung haben sich Parallelen zwischen der Vernetzung der Neuronen bei der ganzheitlichen Wahrnehmung und der grundsätzlichen Systembetrachtung bei Simulationsprogrammen ergeben. In meinem Buch „Neuronales Management“ (Preißing 2000) habe ich hierzu einige Grundlagen beschrieben. Offen geblieben ist die Frage, was das menschliche Bewusstsein ausmacht und „wie das Selbst sein Gehirn steuert“ (s. Eccles 1997). Bei der Frage, in welcher Weise die Ebene der Faktoren mit der geistigen Ebene zusammenhängt, haben mir Philosophen weitergeholfen. Sokrates mit seiner subtilen Fragetechnik und dem aus meiner Sicht intelligentesten Satz in der Geschichte der Philosophie und der Wissenschaft: „Ich weiß, dass ich nichts weiß, und kaum das“, Platons Ideenlehre und Karl R. Popper (1902–1994), mit seiner unnachahmlichen Klarheit der Sprache bei aller Komplexität der von ihm behandelten Themen. Popper lernte ich zum ersten Mal indirekt über meinen Doktorvater Prof. Horst Rittel kennen, der als glühender Popper-Verehrer den Grundgedanken des systematischen Zweifelns auf seine Lehre übertragen hatte. Leider war das damals dem Fortschritt meiner stets systematischen Zweifeln ausgesetzten Dissertation nicht sehr zuträglich. Heute bin ich überaus dankbar für die Denkweise, mit der ich damals konfrontiert wurde. Warum wurde bislang der, für die Sichtweise jedes Systems eigentlich bestimmende Faktor Mensch nicht in die Systemdarstellung mit einbezogen? Warum wurde so getan, als ob die Systemanalyse und
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Wie die Faktoren in den Kopf gekommen sind
die Wissenschaft zunächst neutral und ohne menschliche Wertesysteme funktionieren und diese erst später hinzukommen? Ich kam auf die Idee, die Ebene der zweidimensionalen Analyse durch eine dritte, philosophische Ebene zu ergänzen und das auch entsprechend zu visualisieren. Betrachte ich beispielsweise die Kommunikationsprozesse in einem Unternehmen, lässt sich das auf der zweidimensionalen Ebene durch eine einfache zweidimensionale Darstellung veranschaulichen: V.004
Der Zusammenhalt eines Unternehmens und seine Ausstrahlung ergibt sich aber nicht aus der Summe aller Kommunikationsprozesse, sondern aus deren Integration im Sinne einer gemeinsamen Idee. Die Darstellung dieses Sachverhalts erfolgt zweckmäßigerweise dreidimensional: V.005
Aus diesen Überlegungen heraus entstand das so genannte Spindelmodell, bei dem im Zusammenhang mit der funktionalen Struktu-
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Wie die Faktoren in den Kopf gekommen sind
rierung eines Unternehmens die Unternehmensidee über mehrere Ebenen hinweg transportiert wird. V.006
Diese Darstellung verbindet die strukturelle bzw. logistische Ebene mit der philosophischen Ebene der Unternehmensidee. Im seinem Kern beinhaltet das Spindelmodell die Faktorenfeldmethode: 1. Logistische Erfassung der Faktoren eines Systems unter Beach-
tung der Systemgrenzen. V.007
Untersuchung der Verknüpfungen; ggfs. Erfassung der Zusammenhänge in einem Simulationsmodell 2. Betrachtung der Faktoren aus einer übergeordneten Ebene. V.008
Hierzu ist Distanz erforderlich, Übersicht, vor allem aber der Abstand von der Tagesebene.
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Wie die Faktoren in den Kopf gekommen sind 3. Ordnung der Faktoren im Sinne einer zentralen Idee. V.009
Hierbei muss die Distanz von der Tagesebene stabilisiert werden. Aus diesen, zunächst durch die Beschäftigung mit der Philosophie angeregten Visualisierungen ergab sich meine bislang erstaunlichste Entdeckung: Die Denk- und Arbeitsweise (guter) Künstler folgt den gleichen Gesetzmäßigkeiten, wie ich sie im Management, aus der Beschäftigung mit der Entwicklung von Unternehmen kennengelernt habe. Eine innovative, sich immer an der eigenen Persönlichkeit und am Umfeld orientierende Unternehmensführung hat viel mit künstlerischem Denken zu tun. Seit etwa 6 Jahren arbeite und forsche ich zusammen mit der Künstlerin Ursula Bertram über das Thema „Transfer Kunst/Management“. Seminare (u. a. auch in der Bretagne) für Kunst- und Managementstudenten und für Unternehmen zeigen, wie die Generierung von Innovationen in der Praxis wirklich funktioniert. Die Faktorenfeldmethode findet ein völlig neues Anwendungsfeld im Transferbereich Kunst/Management. In Tandemvorträgen werden die Grundlagen des „Wegdenkens“, des „Andersdenkens“ vermittelt. Neueste Kreation ist die ID-Factory, die sich derzeit auf dem Campus der Universität Dortmund befindet und in der als Kernprodukte Innovationen für Unternehmen generiert werden. Die Faktorenfeldmethode liefert hierzu die methodischen Grundlagen.
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1 Neues Zeitalter
Denkweise hinkt hinterher
Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
Wir stehen heute am Beginn eines Zeitalters, in dem unsere Gehirne immer mehr zusammenwachsen müssen, nicht auf der physischen Ebene wie bei siamesischen Zwillingen, sondern auf der Ebene des Bewusstseins, auf der Ebene des Denkens. Das gilt nicht nur für die großen Zusammenhänge globaler ökologischer und ökonomischer Probleme, sondern auch für unseren Alltag, unser berufliches und häusliches Umfeld. Die technischen Voraussetzungen für eine globale Vernetzung sind geschaffen. Weltweite mobile Verbindungen sind heute jedermann zugänglich. Gegenüber dieser rasanten Entwicklung der technischen Möglichkeiten, hinkt die Software – unser Bewusstsein, unsere Denkweise – hinterher. Die Internetgeneration ist jetzt 30 Jahre alt und geht spielerisch, intuitiv und wie selbstverständlich mit der Technologie um. Ältere Semester tun sich da schwerer. Bisher bewährte Denkmethoden zur Lösung von Problemen sind nicht mehr angemessen, manche sind sogar kontraproduktiv. So führen rein lineare, am geschlossenen System orientierte Problemlösungsstrategien mit großer Wahrscheinlichkeit zu unerwünschten Folgeerscheinungen.
1.001
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Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
Sowohl die Ausgangssituation eines Problems als auch seine Lösung sind non-linear, erfordern das Navigieren im offenen System.
Probleme sind nonlinear 1.002
Unsere Wahrnehmung funktioniert ganzheitlich, nicht nur beim Sehen, sondern generell. Zur Interpretation eines Wortes oder eines Satzes ist es unerlässlich, den Kontext zu berücksichtigen. Das Gehirn erstellt bei jeder Wahrnehmung Systembilder, vergleicht sie mit bereits vorhandenen Strukturen und schenkt unbekannten Strukturen erhöhte Aufmerksamkeit. Heinz Georg Schuster (Schuster 2007, S. 103) formuliert: „Wenn wir uns und unsere Umwelt beobachten und manipulieren, geschieht dies vermutlich primär in Form von dynamischen Bildern, die erst in einem sekundären Prozess durch unsere Sprache zeitlich geordnet und noch weiter manipuliert werden können.“ Er erwähnt einen Brief von Albert Einstein, der erklärt, dass seine Ideen stets in „muskulären dynamischen Bildern“ aufgetreten sind. Wie das Gehirn dabei genau funktioniert, wissen wir trotz aller beachtlichen Fortschritte in der Gehirnforschung nicht, weil wir Insider unseres Gehirns sind, es also nicht von außen beobachten können. Wir können beschließen, etwas bestimmtes zu denken, aber ansonsten denkt das Gehirn selbstverloren in der Gegend herum. Eindrücke von außen wirken ganzheitlich, über alle Sinnesorgane gleichzeitig. Mit den Augen können wir in gewissem Maße steuern, was wir sehen wollen, können Dinge genauer betrachten oder die Augen schließen. Die Ohren und die Nase sind ständig offen, auch im Schlaf. Nahe liegend ist, dass nicht nur die Wahrnehmung, sondern auch die Verarbeitung der Wahrnehmung im Gehirn ganzheitlich erfolgt.
Ganzheitliche Wahrnehmung
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1 Visual Thinking
Technischer und wissenschaftli cher Fortschritt im Wandel
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Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
Visual Thinking – verstanden als ganzheitlich-systemisches Denken – kann als eine grundlegende Verarbeitungsmethode des Gehirns angesehen werden. Diese Annahme wird durch die neuesten Erkenntnisse der Gehirnforschung durchaus bestätigt, weil beispielsweise gesprochene oder geschriebene Worte nicht – wie früher angenommen – nur an einer bestimmten Stelle des Gehirns (dem Sprachzentrum) Reaktionen auslösen, sondern weil sich die Neuronenaktivitäten bei bestimmten Worten oder Sätzen z. T. über das gesamte Gehirn verteilen. Es wird angenommen, dass dabei Landkarten und Denkwege im Gehirn angelegt und je nach Häufigkeit der Erfahrungen mal stärker, mal schwächer miteinander verbunden werden. Bei positiven Erfahrungen werden beim Beschreiten der erfolgreichen Denkwege mehr positive Hormone ausgeschüttet als bei anderen Denkwegen. Steht das nicht im Gegensatz zur Präferenz verbal-logistischer, eher linearer Denkmethoden, wie sie heute noch in unserem Ausbildungssystem, im Wissenschaftsbetrieb und in Unternehmen vorherrscht? Die schlichte Antwort lautet: „Ja!“ Verständlich ist die Präferenz verbal-logischen Denkens durchaus, weil diese Art des Denkens in der Vergangenheit zu bedeutenden technischen Errungenschaften geführt hat und weil lineare Problemlösungen übersichtlicher sind als nicht lineare. Heute werden aber wissenschaftliche und technische Fortschritte kaum mehr in den Studierstuben einzelner Forscher gemacht. Interdisziplinäre Teams arbeiten zusammen. Wissenschaftlicher Fortschritt beruht heute immer mehr auf dem Zusammenwirken vieler Einzeldisziplinen.
1
Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe 1.003
Häufig wird aber immer noch eher additiv als integrativ gedacht. Offensichtliche Gründe dafür sind, dass Wissenschaftler heute meistens um die 40 Jahre oder älter sind (also im engeren Sinne eher nicht zur Internetgeneration gehören), dass universitäre Strukturen immer noch eher separatistisch konstruiert sind, dass die erforderliche Denkhaltung fehlt, das Bewusstsein den globalen Denkansprüchen nicht genügt und die entsprechenden Werkzeuge nicht verfügbar sind. Charakteristisch für die erforderlichen neuen Denkstrukturen sind • Systemdenken (d. h. Denken in größeren Zusammenhängen bzw. Wirkungsgefügen), • Essenzdenken (d. h. die Kenntnis der wesentlichen Grundstrukturen mehrerer Fachdisziplinen), • Systemvisualisierung (als Denken in Bildern), • Denken mit einem Gehirn („Teamthinking“ anstelle von „Teamwork“, was Offenheit und Angstfreiheit erfordert). Die Faktorenfeldmethode bietet die Werkzeuge dazu.
Neue Denk strukturen
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Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
1.1
Die Faktorenfeldmethode aus Sicht der Systemtheorie
Was die Welt zusammenhält Gemeinsame Frage aller Wis senschaften
Universale Weltformel
Globale Vernet zung
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Mit der Frage, was ein System ist, was das Ganze ist, wie sich die Teile vom Ganzen unterscheiden und wie sie sich gegenseitig beeinflussen, haben sich Philosophen, Biologen, Soziologen, Physiker, Chaosforscher, im Grunde alle wissenschaftlichen Disziplinen gemäß ihrem ureigenen Anliegen auf der Suche nach Erkenntnis beschäftigt. So unterschiedlich die einzelnen Ansätze aufgrund des Wissenschaftsgebietes auch sein mögen, ein zentrales Anliegen aller Wissenschaftsgebiete besteht darin, hinter den offensichtlichen Phänomenen der jeweiligen Realität eine Struktur zu finden, die allem zugrunde liegt, eine Struktur, die sich als kosmisches Prinzip auf alle Bereiche übertragen lässt und zur universalen Weltformel wird. Begriffe wie „Ganzheitlichkeit“, „Systemik“, „Vernetzung“ gehören heute zum Repertoire von Beratern, Wissenschaftlern und Politikern. Historisch gesehen wurde spätestens seit dem Aufschwung der ökologischen Bewegung in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts breiten Bevölkerungsschichten bewusst, dass isolierte, durchaus gut gemeinte, lineare Maßnahmen in einem vernetzten Wirkungsgefüge zu fatalen Folgen führen können. Basierend auf einer ersten Studie des Club of Rome weist Dean Meadows auf die „Grenzen des Wachstums“ (Meadows 1972) hin, Jay W. Forrester (Forrester 1972) spricht von einem „Teuflischen Regelkreis“, der durch den Bevölkerungswachstum, die Nahrungsproduktion, die Abholzung von Urwäldern und den CO2-Ausstoß von Fabriken und Autos zu einem Crash führen werde. Etwa in dieser Zeit entstand in Deutschland die Grünenbewegung. Frederic Vester (Vester 1991) verdeutlicht die globale Vernetzung unserer Welt und weist auf die Verantwortung der Politiker hin. Ernst Ulrich von Weizsäcker relativiert in seinem Buch „Faktor 4“ (Weizäcker et al. 1995) die Weltuntergangsstimmung und verdeutlicht, wie auch unter Beibehaltung des gleichen Nutzwertes der
Die Faktorenfeldmethode aus Sicht der Systemtheorie
Energieverbrauch durch zum Teil einfache Maßnahmen deutlich gesenkt werden kann. Im Weltmaßstab tut man sich heute immer noch äußerst schwer, die erforderlichen Maßnahmen (z. B. zur Verringerung des CO2-Ausstoßes) durchzusetzen. Auch der TokioGipfel im Jahre 2007 brachte eher halbherzige Übereinkünfte. Vielleicht haben die Eisbären in Alaska, deren Lebensgrundlage wegschmilzt, als Mahner mehr Erfolg. Die den ökologischen Szenarien zugrunde liegenden Computermodelle basierten auf speziellen Simulationssprachen wie z. B. DYNAMO, das um 1960 am Massachusetts Institute of Technologies (MIT) von einer Gruppe von Forschern um Jay W. Forrester entwickelt wurde. Mit der Fuzzy-Logik (Kosko 1995), entwickelt um 1965, wurden die erforderlichen mathematischen Grundlagen geschaffen. Man hätte meinen können, mit der Erkenntnis, dass die Welt ein vernetztes System ist, und der Theorie der Chaosforscher (Gleick 1990, Briggs/Peat 1993, Küppers 1987, Cramer 1989), dass selbst kleinste Faktoren zum Zusammenbruch eines Systems führen können, sei die Stunde der Systemwissenschaften angebrochen, die diesen ökologischen Ansätzen zugrunde liegen. Man hätte glauben können, dass systemisches, ganzheitliches Denken Einzug in Politik und Unternehmensführung halten würde, bis hinein ins Alltagsleben. Weit gefehlt! In allen Bereichen überwiegen bis heute lineare Denkansätze und Versuche zu Problemlösungen, die angesichts des veränderten Umfeldes nahezu zwangsläufig zu immer aufwändigeren Materialschlachten und zu immer neuen Problemen führen. Aus der Addition linearer Methoden resultiert eine Erhöhung von Komplexität, weil lineare Methoden Unschärfe grundsätzlich nicht zulassen. Systemische Methoden sind non-linear und erfordern integrative, non-lineare Denkstrukturen. Für non-lineares Denken ist Unschärfe Voraussetzung. Seit den Anfängen der Systemtheorie gibt es Wissenschaftler wie Ludwig von Bertalanffy (Bertalanffy 1969) , Frederik Vester (Vester 1993), Fritjof Capra (Capra 1996 u. Capra 1997), Gregory Bateson (Bateson 1985), Werner Heisenberg (Heisenberg 1972 u. Heisenberg 1989), Niklas Luhmann (Luhmann 2006), die vehement auf
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Ökologische Szenarien beru hen auf Sys temwissen schaften
Lineares Denken herrscht weiter vor
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1 Keine einheitli che Systemthe orie
Poppers Welt 3
Umdenken ist notwendig
30
Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Schau der Dinge hinweisen, nicht zuletzt im Zusammenhang mit den sich abzeichnenden ökologischen, ökonomischen und demoskopischen Krisen unseres Erdballs. Bis heute ist es jedoch nicht gelungen, die unterschiedlichen Ansätze zu einer einheitlichen Systemtheorie zu vereinen. Eine einheitliche Systemtheorie, wie sie beispielsweise von Ludwig von Bertalanffy (Bertalanffy 1969) oder Niklas Luhmann (Luhmann 1987 u. Luhmann 2006) vorgelegt wurde, kann ihre jeweilige Herkunft aus dem Bereich der Biologie respektive der Soziologie nicht verleugnen. Gleiches gilt für alle Ansätze einer fachübergreifenden Systemtheorie. Das lässt die These zu, dass die Entwicklung einer universalen Systemtheorie als ein Erklärungsversuch realer Phänomene ihre Heimat eher in der Philosophie, genauer gesagt in der Erkenntnistheorie haben muss, weil auch die Philosophie sich universal und spartenübergreifend als Suche nach Erkenntnissen versteht. Nur so kann von den Bedingungen der jeweils betrachteten Teildisziplinen abstrahiert werden. Ein interessanter Ansatz findet sich beispielsweise in Poppers „Welt 3“ (mehrere Fundstellen; u. a. Popper 1991, Popper 1997a, Popper 1997b, Popper 2004a, Popper 2004b u. Popper 2006). Popper beschreibt die Welt 3 als einen Teil unserer Realität, und zwar als den Bereich der menschlichen Erfindungen, Theorien, Strukturen und Denkmodelle, im Gegensatz zu Welt 1, der Welt der physischen Dinge, und Welt 2, der Welt der Ideen und Empfindungen. Begriffe wie „System Dynamics“, „Systems Theory“ und „Systems Science“ haben seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts nur zögerlich Einzug in die Vorlesungspläne der Universitäten gefunden. Die Fuzzy-Logik sollte eigentlich an Grundschulen unterrichtet werden, ist dort aber wohl weitgehend unbekannt. Ohne Systemtheorie, kybernetische Modelle und Simulationstechniken sind Forschungsarbeiten in der Biologie, Chemie, Medizin, Ökologie und Ökonomie kaum mehr denkbar. Methoden der Systemanalyse sind heute unabdingbar für die Entwicklung komplexer Computersysteme. Qualitätsmanagementsysteme basieren auf der Analyse von Prozessen (Material- und Informationsflüssen). Die Systemtheorie
Die Faktorenfeldmethode aus Sicht der Systemtheorie
1
begreift die Realität als ein Beispiel für ein Muster der ihr zugrunde liegenden Strukturen. Es fehlt nicht an technischen und methodischen Grundlagen, auch nicht an Erkenntnissen, es fehlt das Bewusstsein, dass etwas getan werden muss und dabei liebgewordene, althergebrachte Denkpfade verlassen werden müssen. Was also hält die Welt zusammen? Wir wissen es nicht, werden es in Gänze vielleicht nie wissen, weil wir selbst Teil des Systems sind und das System damit nie wirklich von außen betrachten können. Wir sind Bewohner dieses Universums und Bewohner unseres Gehirns. Aber wir können denken, können Vermutungen anstellen, Theorien entwickeln, um sie im Sinne des wissenschaftlichen Fortschritts dann erneut zu widerlegen – immer auf der Suche nach besseren Erkenntnissen. Vielleicht bleibt allein die Erkenntnis der asiatischen Philosophie, dass alles mit allem verbunden ist und dass es nichts gibt, das unwichtig ist.
Systemanalyse ist die Kunst, die richtigen Fragen zu stellen Der Begriff „Systemanalyse“ und die bei dieser Analyse verwendeten Methoden stammen aus dem Bereich der Informatik (insbesondere aus der Entwicklung von Computersystemen). Als ein System in diesem Sinne kann grundsätzlich alles verstanden werden, z. B. ein Friseurladen, ein Unternehmen, ein Verkehrsleitsystem oder ein Biotop. Bei der Analyse ist es wichtig, die Systemgrenzen als Grenzen des Betrachtungsraumes und die zu unterscheidende Tiefenschärfe zweckmäßig festzulegen und die Zusammenhänge innerhalb des Systems, die Logistik bzw. die Spielregeln des Zusammenwirkens zu erkennen und transparent zu machen. Der Systemanalytiker muss dabei nicht unbedingt ein Experte auf dem jeweiligen Gebiet sein, er muss aber unbedingt dazu in der Lage sein, die richtigen, d. h. zielführenden Fragen an Experten zu stellen. Für Zwecke der Systemanalyse als Grundlage für die Systempro-
Systemanalyse
Der Systemana lytiker
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1 Datenfluss und Programmab laufpläne
Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
grammierung wurde eine eigene Symbolsprache entwickelt und hinsichtlich ihrer verwendeten Zeichen normiert.1 In Datenflussplänen werden Dateien bzw. Datenbestände und Programme unterschieden, die auf diese Datenbestände grundsätzlich zugreifen und sie nach den in den Programmen festgelegten bzw. programmierten Regeln verarbeiten. Programmabläufe enthalten demgegenüber Entscheidungen bzw. Regeln dafür, unter welchen Bedingungen ein Programm oder Arbeitsschritt durchgeführt wird. Damit beinhalten Datenfluss- und Programmablaufpläne die Logistik eines Systems, die anschließend mithilfe einer Computersprache (früher FORTRAN, COBOL, heute HTML usw.) übersetzt wird. Das so erstellte Computerprogramm verarbeitet Eingabedaten nach festen Regeln der Systemlogistik zu einem ganz bestimmten Ergebnis. Die Symbolsprache der Datenfluss- und Programmablaufpläne wird auch heute noch bei der Entwicklung von Computersystemen verwendet. Die folgende Abbildung zeigt einen Ausschnitt aus einem typischen Datenflussplan für die Darstellung der Logistik eines Programmsystems.
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DIN 66001 Informationsverarbeitung, Sinnbilder für Datenfluss- und Programmablaufpläne (Sept. 1966).
1
Die Faktorenfeldmethode aus Sicht der Systemtheorie 1.004
Diese Symbole eignen sich aber auch allgemein zur Darstellung von Arbeitsprozessen, zur Entwicklung von Qualitätsmanagementsystemen und zur Erfassung der Logistik vertraglicher Konstellationen bei verbundenen Unternehmen. Die folgende Abbildung zeigt die Verbindung von vier Unternehmen U1, U2, U3 und U4. Die vertraglichen Beziehungen sind dabei durch V1, V2 usw. gekennzeichnet. Die Unternehmen U2 und U3 stehen rechtlich gesehen in keiner vertraglichen Beziehung. Für den von U1 geschlossenen Vertrag (V1) mit dem Auftraggeber haftet U1 zunächst vollständig. U4 hat über den Vertrag V4 ausschließlich eine Vereinbarung mit U3. Sofern von Unternehmen U4 ein Fehler verursacht wird, haftet es ausschließlich gegenüber U3 aus dem Vertrag
Datenfluss und Programmab laufpläne lassen sich auf andere Bereiche über tragen
33
1
Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
V4. Die Gesamtverantwortung liegt immer bei U1, was für den Auftraggeber Vorteile bietet, für U1 aber große Risiken beinhaltet. 1.005
Dreidimensio nale Darstellung
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Das bekannte Sprachrepertoire der Systemanalyse wird bei diesem Transfer auf Anwendungsgebiete außerhalb der Entwicklung von Computerprogrammen erweitert. Eine neue Klasse von Sprachelementen kommt hinzu, wenn die Sichtweise des Betrachters selbst bzw. die Perspektive des Entscheiders in die Systemdarstellung mit einbezogen wird. Folgerichtig ergibt sich bereits aus dem Begriff der „Perspektive“ eine dreidimensionale Darstellung des Systems.
1
Die Faktorenfeldmethode aus Sicht der Systemtheorie 1.006
Was ist ein System? Vorab sei gesagt: Ich liebe keine Definitionen. Der Begriff „DeFinition“ beinhaltet für mich die Bedeutung „Ent-Endung“, so, als ob eine Definition ein für alle Mal einen Begriff erklären könne. Dabei ist für jede Begriffsdefinition die Verwendung von Begriffen erforderlich, die ihrerseits zu definieren wären, bis ins Unendliche. Trotzdem gehört es zum wissenschaftlichen Anstand, auf Begriffsdefinition hinzuweisen, was manchmal in der Tat auch erhellend sein kann. Nach dem etymologischen Wörterbuch ist ein System „ein sinnvoll in sich gegliedertes, geordnetes Ganzes“. Immanuel Kant definiert: „Unter einem System (griechisch: systema) versteht man ein Zusammengesetztes, eine Zusammenstellung, ein geordnetes Ganzes, eine Anordnung von Teilen zu einem Ganzen. Dieses Ganze ist als solches gegliedert, nicht bloß gehäuft.“ (Kant 1986). Im umstrittenen, aber beliebten Internetlexikon „Wikipedia“ wird System wie folgt beschrieben: „System bezeichnet ein Gebilde, des-
Begriffsdefiniti onen
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1
Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
sen wesentliche Elemente (Teile) so aufeinander bezogen sind und in einer Weise wechselwirken, dass sie (aus einer übergeordneten Sicht heraus) als aufgaben-, sinn- oder zweckgebundene Einheit (d. h. als Ganzes) angesehen werden (können) und sich in dieser Hinsicht gegenüber der sie umgebenden Umwelt auch abgrenzen.“ Allen Definitionen ist gemeinsam, dass sie – wie bereits gesagt – Begriffe verwenden, die eigentlich ihrerseits definiert werden müssten; so in einem unendlichen Regress. Der Systembegriff wird auf Anhieb verständlich, wenn er anstelle einer solchen Definition in eine visuelle Form gebracht wird. 1.007
Elemente Relationen Systemgrenzen
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Ein System besteht aus Elementen und Relationen, die in einer bestimmten Struktur miteinander verbunden sind. Elemente sind dabei Arbeitseinheiten, Prozesse, Organismen, Staatsgebilde oder Unternehmen – je nach Zweck der Betrachtung. Relationen bestehen aus Informations-, Energie-, Materialund Leistungsflüssen zwischen den Elementen. Unmittelbar erkennbar wird in der Abbildung auch die Bedeutung von Systemgrenzen. Es gibt Elemente innerhalb (endogen) und außerhalb (exogen) des jeweils betrachteten Systems. Auch außerhalb des betrachteten Systems befindliche Elemente beeinflussen das System. Bei den klassischen Definitionen des Systembegriffs bleibt darüber hinaus eine wichtige Frage offen: Wer bestimmt, was eine sinnvolle
1
Die Faktorenfeldmethode aus Sicht der Systemtheorie
Gliederung ist? Welche Rolle spielt der Systembetrachter? Warum gehören bestimmte Elemente zu einem „Ganzen“ und andere nicht? Was wir als System erkennen, hängt von unserer Idee, unserer Sicht weise ab.
Diesen Aspekt berücksichtigt das folgende Systembild: 1.008
Die Faktorenfeldmethode baut auf das klassische Systemverständnis auf, bezieht aber in einer dritten Dimension die Ebene der Idee mit ein. Hierdurch wird auch die Darstellung dreidimensional. Damit ergibt sich eine erweiterte Definition des Systembegriffs: Die Zusammengehörig keit von Teilen zu einem Ganzen ergibt sich aus einer gemeinsamen Idee.
Geschlossene und offene Systeme Geschlossene Systeme wie z. B. das Bürgerliche Gesetzbuch, die Straßenverkehrsordnung, die Struktur in einem Unternehmen sind durch Bestimmbarkeit, Vorhersehbarkeit, feste Regeln und Normen gekennzeichnet. Das Wertesystem innerhalb geschlossener Systeme ist normativ und absolut. Zur Lösung von Problemen dienen über-
Geschlossene Systeme
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1
Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
wiegend formale, lineare Vorgaben. Im geschlossenen System gibt es richtige und falsche Aussagen. Geschlossene Systeme bieten Sicherheit und Geborgenheit, engen aber auch ein. In der Welt der geschlossenen Systeme leben Klischees, Vorurteile und Intoleranz gegenüber Außenseitern. 1.009
Offene Systeme
Sloterdijk spricht in einem Symposium (Sloterdijk 1996) von der „Erleuchtung im schwarzen Kasten“ und von fünf „Figuren“ als Beispiele für (vermeintlich) geschlossene Systeme: „Das Grab“, „der Körper“, „das Buch“, „die Bürokratie“ und „die komplexe Maschine“. Er stellt dabei infrage, ob es geschlossene Systeme überhaupt gibt, selbst bei einem so extremen Beispiel wie dem Grab. Was dort im Grab ruht, hat in manchen Fällen auch über den physischen Tod hinaus großen Einfluss auf die Ideenwelt. Offene Systeme haben Aspekte der Unbestimmbarkeit und Unschärfe.
1.010
In offenen Systemen gibt es Aussagen, die innerhalb eines relativen Wertesystems weder ganz richtig noch ganz falsch sind. Problemlösungen in offenen Systemen bewegen sich immer in einem vernetz-
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Die Faktorenfeldmethode aus Sicht der Systemtheorie
1
ten Umfeld. Dabei ist die persönliche Positionierung wichtig. In offenen Systemen zu navigieren (Bertram/Preißing 2007) erfordert persönlichen Mut, Offenheit und Angstfreiheit. In der Praxis kommen wir ohne geschlossene Systeme nicht aus. Es kommt nur darauf an, ob wir sie für uns als absolut oder nur als subjektiv und temporär zweckmäßig verstehen. Unternehmen zu führen heißt, überwiegend in offenen Systemen zu navigieren und erfordert als Grundbedingungen Offenheit und Angst freiheit.
Die Faktorenfeldmethode als Systemsprache Aus Sicht der Systemtheorie ist die Faktorenfeldmethode eine Grundlage zur Veranschaulichung von Systemen, ihrer inneren Logistik und ihrer äußeren Bezüge zu anderen Systemen.
Faktorenfeld methode
Was dabei als System aufgefasst wird, hängt von der Fragestellung, vom Problem und von der Idee des Ganzen ab. Anders formuliert: Ohne eine Frage, ein Problem oder eine Idee gibt es kein System an sich.
Als Besonderheit gegenüber der konventionellen Systemdarstellung wird bei der Systemsprache der Faktorenfeldmethode auch der Betrachter selbst mit seiner Idee in die Visualisierung des Systems einbezogen. Dabei wird die dritte Dimension verwendet. Qualitative und quantitative Parameter können mit ihren Relationen in einem Computersimulationsmodell abgebildet werden. Unter diesem Aspekt ist die Faktorenfeldmethode Grundlage einer Programmiersprache für die Simulation des Verhaltens von Systemen.
Der Betrachter und seine Idee
Simulation des Verhaltens von Systemen
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1
Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
1.2
Die Faktorenfeldmethode aus Sicht der Systemvisualisierung
Wer das Bild besetzt, hat die Macht Bilder bleiben besser im Ge dächtnis haften als abstrakte Texte
Systembilder stellen die Lo gistik eines Systems dar
Wer in einer Sitzung an das Flipchart geht und dazu in der Lage ist, die Problemstellung oder den Diskussionstand in einem Systembild darzustellen, wird zum Hauptansprechpartner in der Sitzung. Gute Systembilder haben den Vorteil der Evidenz und reduzieren Komplexität. Besprechungsergebnisse werden i. d. R. als Wort- oder Ergebnisprotokolle festgehalten. Was aber am besten im Gedächtnis haften bleibt, sind Bilder, in denen die Gedanken, Irrwege und großen Linien, die letztlich zum Ergebnis geführt haben, dargestellt werden. Manche Redner sind dazu in der Lage, mit Worten Bilder zu zeichnen und die Zuhörer mit lebendigen Bildergeschichten in ihren Bann zu ziehen. Jenseits der fachlichen Aussagen bleiben die Bilder im Gedächtnis haften. Untersuchungen untermauern, dass die Erinnerungsquote bei nur vorgetragenen Texten bei etwa 10 % liegt, bei Texten in oder mit Bildern bei ca. 60 %. Zudem erzeugen stimmige Überlegungen automatisch stimmige Bilder. Ein unscharfes Bild deutet auf unklare Inhalte hin. Gute Systembilder besitzen eine geheimnisvolle Ausstrahlung. Systembilder sind weder Bilder noch Grafiken, auch wenn sie optisch manchmal so wirken. Sie stellen die Logistik eines Systems dar und strahlen damit, sofern sie stimmig sind, in ihrer Visualisierung die Essenz des Systems selbst aus. Logistisch stimmige Systeme haben eine Ästhetik. Fehlt sie, ist das entweder ein Hinweis auf eine logistisch noch nicht stimmige Systemdarstellung oder aber ein Indiz für ein in sich logistisch nicht stimmiges System. Zur Herstellung guter Systembilder sind analytische und gestalterische Fähigkeiten von Nöten, insbesondere wenn die Systembilder auch als Basis für die interdisziplinäre und übersprachliche Kommunikation dienen sollen. Die Faktorenfeldmethode dient aus Sicht der Systemvisualisierung als dreidimensionaler Werkzeugkasten zur Darstellung der Logistik von Systemen. Die beste und anspruchsvollste Systemskizze ist ein klar lesbares Bild.
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Die Faktorenfeldmethode aus Sicht der Systemvisualisierung
1
Systembilder sind keine Bilder Seit der Zeit der Höhlenmalerei hat sich der Mensch in Bildern ausgedrückt. Ob es zu magischen Beschwörungen gehörte, eine Jagdszene beschreiben oder nur die Höhle verschönern sollte, wissen wir nicht genau. Die Kirchenmalerei des Mittelalters, die Gestaltung der Kirchenfenster mit Szenen aus der biblischen Geschichte sollte den des Lesens Unkundigen das Evangelium vermitteln. Landschaftsund Porträtmalerei dienten auch zur Abbildung der Realität, wie sie der Künstler wahrnahm bzw. der Auftraggeber forderte. Bei den Porträtmalern an den Höfen der Fürsten kam es auf Genauigkeit, bestimmte Botschaften und den guten Willen des Künstlers an. Picasso malte gegenständlich bzw. figürlich, wenn auch nach einer anderen Realität; so wie er sie für wichtig empfand. Grafische Darstellungen begegnen uns heute auf Schritt und Tritt in Form von Logos, auf Plakaten, als Piktogramme auf Flugplätzen und als Verkehrszeichen im Straßenverkehr. Zu den besonderen Darstellungen gehören Charts (besonders beliebt in Vorstandssitzungen), die z. B. die Umsätze des Unternehmens im Zeitverlauf oder die Proportion der Umsätze in verschiedenen Produktbereichen veranschaulichen. Die heutigen Schriftzeichen haben sich aus bildhaften Darstellungen entwickelt. Die chinesische Schrift hat sich als Bilderschrift erhalten. Das alles sind keine Systembilder. Am ehesten können die Steinerschen Tafeln (Nietzsche 1941) oder die Tafelaufschriebe von Joseph Beuys (Nietzsche 1940) als Systembilder bezeichnet werden. Auch wenn man die Erklärungen vermissen mag, muten diese Abbildungen per se wie geheimnisvolle essentielle Gedanken an. Gute Beispiele für Systembilder finden sich auch in Physiklehrbüchern. Dort wird besonders deutlich, wie sich schwierige physikalische Zusammenhänge erheblich einfacher erklären lassen als mit einem ausführlich beschriebenen Text. Die Darstellung eines Elefanten in einer Mindmap ist kein Systembild (Buzan 2002). Die Abbildung eines Smileys (☺) ist kein Systembild. Ein Verkehrszeichen ist kein Systembild. Was also ist das charakteristische an einem Systembild?
Bilder, die keine Systembilder sind
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1 Was ein Sys tembild aus macht
Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
Systembilder beschreiben Elemente eines Systems, eines Denkmodells sowie die Bezüge zwischen Elementen. Zur Veranschaulichung können dabei Bestandteile durchaus mit realistischen Bezügen dargestellt werden. Der Kern eines Systembildes ist jedoch die möglichst anschauliche Darstellung der Logistik eines Systems.
Eine Sprache zum gemeinsamen Denken Das Problem der Fachsprachen
Der Ansatz der Systemvisuali sierung
Fachübergrei fende Symbol sprache
Vorteile der Systemvisuali sierung
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Eine einheitliche, für alle wissenschaftlichen Disziplinen akzeptierbare Systemtheorie scheiterte bisher an der Sprachbarriere. Jede Disziplin verwendet eine Fachsprache, formuliert auch die Ansätze ihrer jeweiligen Theorien und Erkenntnisse vorwiegend über verbale Beschreibungen. Diese Beschreibungen sind für andere Disziplinen nicht nur aufgrund ihrer fachspezifischen Inhalte, sondern auch aufgrund ihrer Form nur schwer verständlich und kaum übertragbar. Das mag einer der Gründe dafür sein, dass Ansätze zu einer universalen Systemtheorie bisher gescheitert sind. Der Ansatz der Systemvisualisierung liegt in einer übersprachlichen Visualisierung von Denkinhalten in Bildern. Bei der Systemvisualisierung werden Begriffe nur spärlich zur Ergänzung von Systembildern verwendet. Gute Systembilder sind selbst erläuternd. Die Qualität von Systembildern erkennt man am Maß ihrer Eigenständigkeit. In den Systembildern werden essenzielle Erkenntnisse in einer Symbolsprache abgebildet, die aufgrund ihres gemeinsamen Zeichenrepertoires fachübergreifend verwendbar ist. Bei der Systemvisualisierung wird die Sichtweise des Betrachters selbst, d. h. die Perspektive des Entscheiders in die Systemdarstellung mit einbezogen. Folgerichtig ergibt sich bereits aus dem Begriff der „Perspektive“ eine dreidimensionale Darstellung des Systems. Die Vorteile der Methode der Systemvisualisierung sind: • Gute Systembilder stellen die Essenz eines Sachverhaltes dar und reduzieren damit die Komplexität des Sachverhaltes. • Eine gute Systemskizze ist prägnant und ersetzt bzw. ergänzt weitgehend schriftliche oder verbale Erläuterungen. • Auf der Ebene der Systemvisualisierung wird eine Auseinandersetzung über Begriffe und Definitionen unnötig, weil die Zu-
1
Die Faktorenfeldmethode aus Sicht der Systemvisualisierung
•
• •
•
sammenhänge in allgemein verständlichen Bildern erklärt werden. Das Sprachrepertoire der Systemvisualisierung ist nicht begrenzt und kann je nach Anwendungsgebiet um weitere Symbole erweitert werden. Systemvisualisierung ist international, weil eine Zeichensprache grundsätzlich überall verstanden wird. Systemvisualisierung ist interdisziplinär, wodurch die unterschiedlichen Ansätze der Systemtheorie in den Einzeldisziplinen eine gemeinsame Schnittstelle erhalten. Durch die einheitlichen Sprachelemente sind Analogieschlüsse zwischen unterschiedlichen Fachdisziplinen möglich.
Die Sprachelemente der Systemvisualisierung Die Faktorenfeldmethode basiert auf dem bekannten Sprachrepertoire der Systemtheorie, erweitert es aber um wesentliche Elemente. Jede Sprache benötigt ein Zeichenrepertoire und Regeln für den Zusammenbau von Zeichen. Eine der ältesten DIN-Normen ist die DIN 66001 „Sinnbilder für Datenfluss- und Programmpläne“ (132). In ihr sind u. a. die folgenden Symbole genormt:
DIN 66001
1.011
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1 Zeichenreper toire der Fakto renfeldmethode
Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
Ebenso einfach wie die Basissymbole sind die Grundregeln für den Zusammenbau des Zeichenrepertoires. Es gilt das EVA-Prinzip. Jedes Element verarbeitet Informationen und hat mindestens eine Eingabe (E) und eine Ausgabe (A).
1.012
Die Eingabe des betrachteten Elementes ist immer Ausgabe eines anderen Elementes. Der Output des betrachteten Elementes wird Eingabe für ein anders Element. 1.013
Damit ergibt sich ein vernetztes System aus definierten Elementen und ihren Relationen. Mithilfe dieses Repertoires lassen sich Datenund Informationsflüsse sowie Arbeitsprozesse logistisch darstellen. Dabei liegt die Schwierigkeit nicht darin, die Systematik zu verstehen, sondern sie bei der logistischen Analyse anzuwenden und die Logik des Systems selbst zu erfassen.
44
1
Die Faktorenfeldmethode aus Sicht der Systemvisualisierung
Bei der Faktorenfeldmethode wird dieses Sprachrepertoire um wenige Symbole erweitert: 1.014
Faktorenfeld 1.015
Gelbe Wolke: Je nach Zusammenhang Idee, geistige Ebene, Energie, Innovation. Blaue Wolke: Je nach Zusammenhang Materielle Ebene, Substanz, Redundanz, Kapital, Formalismen Es handelt sich dabei um eine Sprache mit nicht beliebigen, aber grundsätzlich offenen Sprachelementen. Die Symbole können – je nach Zusammenhang – modifiziert und erweitert werden. Die einzige Anforderung ist dabei das Kriterium der Anschaulichkeit.
Anschaulichkeit
1.016
Dabei wird die Darstellung in der Regel dreidimensional, wodurch sich Zusammenhänge zwischen der Betrachtung des Systems an sich mit seinen Bezügen und der darüber liegenden Idee bzw. Sichtweise anschaulich darstellen lassen. Je nachdem wozu die Systemvisualisierung dienen soll, bietet sich die zwei- oder dreidimensionale Darstellung an. Für die Zusammenhänge eines Wirtschaftssystems ist beispielsweise eine zweidimensionale Darstellung ausreichend.
Zwei oder dreidimensiona le Darstellung?
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1
Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
1.017
Wirtschaftssystem in zweidimensionaler Darstellung Soll dargestellt werden, wie die Sicht der Dinge die Erwartungshaltung dieses Wirtschaftssystems unmittelbar beeinflusst (z. B. die Ebene der Börsenspekulation), bietet sich eine dreidimensionale Darstellung an. 1.018
Wirtschaftsystem in dreidimensionaler Darstellung
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1
Denkwerkzeuge
Ein Wechsel im Vorstand, die Fusionierung eines Unternehmens, die Ankündigung eines neuen Produktes wirkt sich auf den Aktienkurs eines Unternehmens und damit letztlich auf das gesamte wirtschaftliche Gefüge aus, ohne dass manchmal auf der Faktorenebene messbare Größen zu beobachten sind. Damit bezieht die Faktorenfeldmethode in der dritten Dimension auch irrationale Faktoren in die Betrachtung mit ein.
1.3
Irrationale Faktoren
Denkwerkzeuge
Die Faktorenfeldmethode als Denkwerkzeug Wie wir denken Wie wir denken – in Worten, in Formeln oder in Bildern – mag situativ bedingt sein oder auch etwas mit Veranlagung zu tun haben. Genau wissen wir das nicht, weil wir uns beim Denken nicht selbst beobachten können. Für sprachliche Äußerungen benutzen wir Wörter, Begriffe, Sätze als Ausdrucksmittel. Verständigen können wir uns damit nur im gleichen Sprachraum. Zudem benötigen wir immer den Kontext zur Interpretation. Je nach wahrgenommener Mimik und Gestik, Betonung, Modulation und Lautstärke kann der gleiche Satz diametrale Bedeutung haben. Der Kontext spielt auch bei mathematischen Formeln eine ausschlaggebende Rolle, allerdings ist die Bedeutung innerhalb des jeweiligen Kontextes eindeutig vorgegeben. Logik und Mathematik sind in ihrem Repertoire international verständlich, also nicht an einen Sprachraum gebunden. Allerdings gehört zur Interpretation der Formeln das möglichst vollständige Verständnis des jeweiligen mathematisch-logischen Denkmodells. Mathematisch-logisches Denken ist abhängig von speziellem Vorwissen und für die allgemeine Verständlichkeit im Alltag eher untauglich; sieht man einmal von den in der Schule erlernten Grundrechenarten ab. Visuelles Denken ist Denken in Zeichen, in Bildern, in Symbolen. Unsere Träume verwenden überwiegend eine Bildsprache. Der Chemiker Friedrich August Kekulé träumte beispielsweise nach
Sprachliches Denken
Logischmathe matisches Den ken
Visuelles Den ken
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1
Denken in Systembildern
Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
langer Forschungsarbeit eines Nachts die Ringstruktur des Benzolmoleküls. Visuelle Sprache ist international und verlangt i. d. R. kein Grundlagenstudium. Der Kontext ihrer Aussage kann im Bild enthalten sein. Denken in Bildern hat gegenüber anderen Denkformen einen hohen Stellenwert für praktische Probleme. Die Faktorenfeldmethode verwendet eine spezielle Bildsprache, nicht Abbilder, Charts oder symbolische Darstellungen, sondern Systembilder, in denen die Logistik eines Systems, die Essenz eines Sachverhaltes, eines Problems dargestellt wird. In der dreidimensionalen Darstellung wird die Ebene des Betrachters in die Visualisierung mit einbezogen.
Wie denken wir, dass wir denken Haben Tiere ein Bewusstsein?
Was zeichnet menschliches Bewusstsein aus?
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Volker Arzt und Immanuel Birmelin (Arzt/Birmelin 1995) stellen die Frage, ob Tiere ein Bewusstsein haben bzw. welche Art von Bewusstsein Tiere haben könnten. Durch welche Komponenten unterscheidet sich ein Bewusstsein, das Tieren zugesprochen wird, vom menschlichen Bewusstsein? Wo genau ist die Grenze? Auf die Frage, ob das menschliche Bewusstsein ein Ergebnis neuronaler chemisch-physikalischer Prozesse ist oder etwas, das von materiellen Vorgängen unabhängig das Gehirn steuert, geben Gehirnforscher und Philosophen unterschiedliche Antworten. Viele Forscher gehen davon aus, dass es die menschliche Sprache ist, die den Menschen ausmacht, die Fähigkeit, über die Vergangenheit und die Zukunft zu reden, wahre Geschichten oder Lügengeschichten zu erzählen. Denken wir also in einer Sprache? Wenn ja, in welcher? Jerry Fodor stellt die Theorie auf, dass es eine unabhängig von der gesprochenen Sprache beim Denken benutzte „Sprache des Geistes“ gibt. Das ist ein Gedanke, der sich schon bei Aristoteles als „lingua mentis“ findet. Jean-Christophe Ammann glaubt eher an ein Denken in Bildern: „Das Denken in Bildern ist etwas anderes als das Denken über Bilder. Letzteres ist ein Diskurs, der Wissen transportiert. Bilder transportieren Inhalte, die anderweitig nicht transportierbar sind. Bilder lesen zu lernen, heißt lesen lernen überhaupt. Nicht das
Denkwerkzeuge
1
Wissen über Bilder, sondern das Wahrnehmen von Bildern lehrt mich mit der Flut von Eindrücken immanente, intuitive Bildvorstellungen schaffen“. Edward de Bono (Bono 1972) weiß über vier richtige und fünf falsche Denkmethoden zu berichten. Als falsch bezeichnet er u. a. lineares oder zu kopflastiges Denken. Bochenski (Bochenski 1993) klassifiziert Methoden des Denkens und unterscheidet dabei phänomelogische, semiotische, axiomatische und reduktive Methoden. Tony Buzan (s. Müller 2006) zeigt mit „Mind-Mapping“ eine Methode zum strukturierten Denken und empfiehlt dabei auch die Veranschaulichung durch erläuternde Bilder. Konrad Lorenz (Lorenz 1992, S. 185) bezeichnet die Fähigkeit zum begrifflichen Denken und zur Wortsprache, zur Anhäufung von individuellem Wissen als wesentliches Element zur Unterscheidung des menschlichen vom tierischen Verhalten. Nach Backerra, Malorny und Schwarz (Backerra/Malorny/Schwarz 2002) spielt kreatives Denken eine große Rolle bei der Entwicklung von Innovationen. Überwiegend verweisen sie dabei auf lineare Methoden wie z. B. den Morphologischer Kasten, die TRIZMethode usw. Hans-Georg Häusel (Häusel 2000) zeigt Denkmethoden auf, bei denen berücksichtigt wird, dass die Instruktionen des limbischen Systems die des Großhirns und aller anderen Bereiche überlagern. Das limbische System ist nach Häusel neben den Grunddispositionen Sexualität, Nahrung, Schlaf und Atmung auf drei archaische Instruktionen (Stimulanz, Dominanz und Balance) reduzierbar. Denken ist also auch Gefühlssache. Die Kognitionspsychologie unterscheidet zwischen analytischem und analogem Denken. Danach basiert analytisches Denken auf einer Analyse von Sachverhalten, während analoges Denken assoziativ und spontan ist. Eine große Tradition hat in jedem Fall das analytische Denken. In der Folge des analytischen Denkens haben auch die großen Errungenschaften der Technik eine herausragende Tradition. Hierzu gehört auch die Computertechnologie.
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Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
Analoges Denken verbunden mit ganzheitlicher Wahrnehmung und zwangsläufiger Unschärfe im Detail hat es schon deshalb etwas schwerer, weil seine Erfolge nicht so evident sind. Unscharf Denken Eine der herausragenden Fähigkeiten unseres Gehirns besteht darin, unscharf denken zu können und dann wieder zu fokussieren. Ebenso wie es beim Sehen vorteilhaft sein kann, die Augen etwas zuzukneifen, um Strukturen besser erkennen zu können. Essenzdenken und der Wissenswürfel Essenzen
Essenzen enthalten das Konzentrat eines Stoffes ohne Beimischungen oder Lösungsmittel. Calvados wird durch Destillation aus vergorenem Apfelsaft gewonnen, Cognac aus Wein. Im Gegensatz zum Calvados und zum Cognac ist Essigessenz nicht trinkbar, hat aber eine erheblich größere Reinigungskraft als Essig. In der Homöopathie werden durch Potenzierung Flüssigkeiten so lange verdünnt, bis vom ursprünglichen Stoff in der verbleibenden Flüssigkeit theoretisch kein Molekül mehr vorhanden sein kann. Die durch praktische Erfahrungen nachgewiesene Heilkraft homöopathischer Arzneien beruht auf der Idee, der Essenz, dem Wesen des jeweiligen Stoffes.
1.019
Ungenauigkeit
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In Fachwissenschaften ist es bei der Differenzierung des jeweiligen Stoffes nicht immer leicht, die Essenz im Auge zu behalten, geschweige denn, den anderen zu vermitteln. Hervorragende Fachwissenschaftler sind dazu häufig kaum in der Lage. Journalisten sind manchmal perfekt in der mund- bzw. lesergerechten Aufbereitung
1
Denkwerkzeuge
des Essenz- und Fachwissens. Das Wesentliche ist dabei, unnötige Details wegzulassen, was zwangsläufig mit Ungenauigkeit verbunden ist. Ungenauigkeit, oder besser gesagt, die Konzentration auf das Wesentliche, ist also eine wichtige Voraussetzung, um Wissen in Form von Essenzen zu vermitteln. Bei interdisziplinären Fachgesprächen ist es unerlässlich, dass die Teilnehmer nicht nur über Fachwissen auf ihrem Gebiet, sondern auch über Essenzwissen verfügen und dieses Wissen auch kommunizieren können. Nur wer sein Fachgebiet in seiner Essenz beherrscht, kann darüber mit anderen kommunizieren und die Erkenntnisse seines Fachgebiets auf andere Fachgebiete transferieren.
Essenzwissen
Der Wissenswürfel Der Wissenswürfel repräsentiere das gesamte, theoretisch vorhandene Wissen unseres Universums. Philosophie ist dann die Suche nach Erkenntnissen über diesen Wissenswürfel. Kosmologie versucht, das Ganze zu erklären. Die Suche nach Erkenntnissen erfolgt im Rahmen wissenschaftlicher Forschung entweder vertikal oder horizontal.
Vertikale oder horizontale Suche nach Erkenntnissen
1.020
Vertikalwissenschaften befassen sich mit Tiefbohrungen und bewegen sich dabei überwiegend in voneinander getrennten geschlossenen Systemen. Die Bohrlöcher erhalten Bezeichnungen wie „Physik“, „Chemie“, „Biologie“ usw. Wissenschaftlicher Fortschritt im Sinne der Vertikalwissenschaften besteht darin, in einem Bohrloch tiefer zu bohren, unter Hinweis auf alle, die hier schon gebohrt haben (z. B. im Rahmen einer Dissertation). Im Sprachgebrauch werden „Vertikalwissenschaften“ auch als „Wissenschaften“ bezeichnet, woraus sich indirekt folgern lässt, dass jede andere Suche nach Erkenntnissen „unwissenschaftlich“ ist. Das
Vertikalwissen schaften
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1
Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
Ideal der Methode wissenschaftlicher Forschung in diesem Sinne wurde im logischen Kalkül von René Décartes (1596–1650), Blaise Pascal (1623–1662) und Leibniz (1646–1716) festgelegt und hat sich bis in unsere Zeit erhalten. 1.021
Methoden der Vertikalwissen schaften
Horizontalwis senschaften
Die Methoden der Vertikalwissenschaften basieren auf Intersubjektivität. Sie sind von Menschen unabhängig und beruhen auf der Wiederholbarkeit von Experimenten unter gleichen Versuchsbedingungen, basieren auf absoluter Präzision und Fehlerfreiheit. Die Darstellung der Essenz des jeweiligen Wissenschaftsgebietes ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die – wie bereits gesagt – Wissenschaftsjournalisten manchmal in interessanterer Weise gelingt als denjenigen, die tief in ihrem Bohrloch stecken. Horizontalwissenschaften befassen sich mit „Flächenschürfungen“, d. h. mit der Verbindung mehrerer einzelner Bohrlöcher.
1.022
Um dabei unterschiedliche Fachdisziplinen miteinander verknüpfen zu können, ist Essenzwissen über die jeweiligen „Bohrstellen“ erforderlich. Zur knappen, präzisen Darstellung eignet sich die Bildsprache der Systemwissenschaften.
52
1
Denkwerkzeuge 1.023
Bei den Horizontalwissenschaften spielt die erkennende und wahrnehmende Person eine ausschlaggebende Rolle. Sie bestimmt u. a. den Zweck der Erkenntnissuche und legt die Systemgrenzen und die Beschreibungstiefe zweckmäßig fest. Horizontal- und Vertikalwissenschaften ergänzen sich dabei. 1.024
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1
Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
1.025
Vermittelbarkeit und Anschau lichkeit
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Die Faktorenfeldmethode ist fast zwangsläufig mit der Suche nach Erkenntnissen verbunden, vor allem nach dem Wesen und der Essenz des vorliegenden Problems. Je komplexer die Fragestellung, desto intensiver muss das Bemühen um die Essenz, um den Kern beschaffen sein, denn nur so lassen sich Probleme an der Wurzel packen und nachhaltig lösen. Die Vermittelbarkeit und Anschaulichkeit ist Voraussetzung für Kommunikations- und Problemlösungsstrategien. Probleme lösen sich mitunter auch von selbst, wenn sie erst einmal verstanden werden. Zum Verständnis dient in hohem Maße die Visualisierung der elementaren Zusammenhänge. Die Faktorenfeldmethode gibt deshalb weniger formale Antworten, sie dient eher dazu, Fragestellungen anschaulich zu machen. Wenn es allerdings gelingt, die Fragen in ihrer Essenz visuell treffend darzustellen, impliziert das häufig schon die Beantwortung der Frage.
Denkwerkzeuge
1
Denken mit einem Gehirn Seit der Zeit der Jäger und Sammler hat sich die Wissensgemeinschaft bemüht, Wissen und Erkenntnisse zu sammeln und für andere verfügbar zu machen, sofern es sich nicht um das Geheimwissen von Schamanen, Sehern und Heilern gehandelt hat. Die Entwicklung von Zeichen und Sprache war die grundsätzliche Voraussetzung dafür, Bilder entwickeln und Geschichten erzählen zu können. Wissenschaftliche Forschung baut auf einen Fundus erarbeiteten Wissens und Theorien auf. Dissertationen treiben Wissen in jeweils einzelnen Fachgebieten voran. Früher wurde dieses Wissen in Büchern und Bibliotheken gespeichert. Seit der Erfindung der Elektronischen Datenverarbeitung findet die Wissensspeicherung auch in Dateien auf dem Computer statt. Der Weg, sich in den neuesten Stand von Erkenntnissen einzuarbeiten, hat früher i. d. R. in Bibliotheken und Vorlesungen geführt. In Bezug auf die theoretische Verfügbarkeit von Wissen bedeuten die Entwicklung der Datenbanktechnologie (um 1960), die um das Jahr 1990 entstandene Internettechnologie und die damit verbundenen weltweiten Kommunikationsmöglichkeiten einen Quantensprung. Noch entsprechen die Speicher- und Suchmechanismen bei Weitem nicht den theoretisch denkbaren und in einem menschlichen Gehirn tatsächlich auch verfügbaren Funktionen. Angesichts von 20–30 Jahren Entwicklungszeit stehen wir aber ganz sicher erst am Anfang der Entwicklungsstufe einer Menschheit, die sich irgendwann das Wissen aller Gehirne zunutze machen kann. Wie bei jeder neuen Technologien gibt es Mahner, die vor einer unüberschaubaren Wissensflut und der Vereinsamung des Individuums vor dem Internet/Computer warnen. Diese Mahner haben sicherlich nicht ganz Unrecht, aber die möglichen negativen Begleiterscheinungen der Internettechnologie sind im Vergleich zu den möglichen negativen Folgen der Atomkernspaltung und der Gentechnologie harmlos. Richtig ist aber grundsätzlich, dass weder das zur Bewältigung und Nutzung der neuen Technologien und Wissensspeicher erforderliche Bewusstsein noch die dazu erforderlichen Denkmethoden der-
Wissensspei cherung
Theoretische Verfügbarkeit von Wissen
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Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
zeit ausreichend entwickelt sind. Zur weltweiten Nutzung vernetzter Informationen sind Methoden erforderlich, die auf der Vernetzung verschiedener Denkfelder und nicht mehr nur auf linearen Verknüpfungen basieren. Hier bietet die Faktorenfeldmethode die theoretischen und die methodischen Grundlagen für ein neues, integratives Denken und innovative Problemlösungen. Das Denken mit einem Gehirn erfordert Offenheit und Angstfreiheit – Teamthinking anstelle von Teamwork. Die Schnittstelle der verschiedenen Fachdisziplinen, die Sprache zur Verständigung basiert auf Visual Thinking, auf der Darstellung der Essenzen von Problemen und den Erkenntnissen der Fachdisziplinen in Systembildern.
Denkkunst Es gibt kaum ein Fachgebiet, das bisher in Forschung und Lehre so sträflich vernachlässigt wurde wie das Denken. Jeder denkt, er denkt, dabei dilettiert er mit unzulänglich ausgebildeten Denkwerkzeugen dahin, ist weit von einer denkbaren Denkkunst oder gar Denkmeisterschaft entfernt. Wozu ist das Denken gut? Beispielsweise zur Beantwortung genau dieser Frage. Sofern das Denken dem Handeln vorausgeht, lassen sich in gewissen Grenzen missliche Situationen durch (simulatives) Vorausdenken vermeiden. Denken hilft auch dabei, Ziele zu erreichen. Wann ist Denken unnötig? Wenn Verhaltensweisen sicher und schematische Handlungen ausreichend sind. Wer nur imitiert, muss nicht denken. Wer ausschließlich konsumieren und nichts produzieren will, muss auch nicht denken. Dasselbe gilt für den, der kein Ziel erreichen will. Wann ist Denken schädlich? Wenn zu viel Denken das Handeln blockiert (im Kreis herum denken). Wenn eine Schindel vom Dach fällt, und man anfängt zu denken, statt zur Seite zu springen.
56
1
Denkwerkzeuge
Kann man denken lernen? Da jeder zunächst davon ausgeht, er könne denken (so wie er z. B. atmen und gehen kann), besteht die Grundvoraussetzung für Denkfortschritte in der Bereitschaft, Zweifel zuzulassen. Nur wer zweifelt, unangenehme Fragen in sich zulässt und an Konventionen vorbeidenkt, kann Fortschritte beim Denken machen. So wie man lernen kann, bewusster zu atmen, kann man auch lernen, bewusster und effektiver zu denken. Denken in unterschiedlichen Welten, simulativ denken, abstrahieren macht Spaß. In Problemsituationen ist simulatives Denken (das Durchdenken von Handlungsalternativen) sehr hilfreich. Parallelwelten erreicht man nur, wenn man die gewohnte Denkwelt verlässt. Jedes Verlassen des gewohnten Umfeldes macht aber auch Angst. Das Verharren in einer gewohnten Denkwelt bietet dagegen Sicherheit. Simulativ denken beinhaltet die Gefahr, in keiner der möglichen Denkwelten wirklich zu leben.
Bedeutung des Zweifelns
Die Realität ist der statistische Mittelwert möglicher Denkwelten.
Denken im Wandel Die Zeit ist reif für die Ablösung der zweidimensionalen Denkmethoden. Am Anfang war das Denken linear 1.026
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1
Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
1.027
Linear denken 1.028
Konzentrisch denken 1.029
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1
Denkwerkzeuge
Radial denken 1.030
Radial assoziieren 1.031
Assoziationsketten bilden 1.032
Denkbäume/radialer Assoziationsbaum
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Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
Dann wurde die Welt zweidimensional 1.033
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Denkwerkzeuge
Jetzt ist die Zeit der dritten Dimension gekommen 1.037
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1 1.040
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Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
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Denkwerkzeuge
1.043
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Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
Sonderfälle des Denken 1.046
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Denkwerkzeuge 1.049
Wie Architekten denken Die Entwicklung des Denkens in verschiedenen Dimensionen 1.050
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Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
Das Individuum positioniert und organisiert sich 1.051
Wer weiß, was das Gehirn im Schlaf denkt? 1.052
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Denkwerkzeuge
Denktechniken im Überblick 1.053
Bildhaftes Denken 1.054
Systemisches Denken 1.055
Strukturelles Denken
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Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
1.056
Lineares Denken 1.057
Gegensatzpaare in Systembildern
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Gehirnforschung
1.4
Gehirnforschung
Dein Gehirn ist schlauer als du Dein Gehirn ist ungenau, unterscheidet Wesentliches von Unwesentlichem, Hat keine Angst, Fehler zu machen, Verwirft auch lieb gewonnene Hypothesen Und stellt blitzschnell neue auf. Das Gehirn abstrahiert, erkennt Essenzen und sorgt in einem ständigen Lernprozess dafür, dass der von ihm gesteuerte Organismus in einem sich permanent verändernden Umfeld überlebt und neue Positionen besetzen kann. Lässt man es in Ruhe, stellt das Gehirn Theorien auf, entwirft Konzepte für die Gestaltung des Umfeldes, für sich und für die ihm nahestehenden Artgenossen. In der Schule haben wir gelernt, genau zu sein, keine Fehler zu machen und Hypothesen über die Wirklichkeit des Lebens als Wahrheiten zu erlernen und hinzunehmen. Die Instrumentarien hierzu sind Sprache und Logik mit meist präzisen Vorgaben darüber, was richtig und was falsch ist. Sprache dient aber auch dazu, falsche Aussagen zu machen, sie aber präzise zu formulieren. Mit solchen verbal-logischen Denkmethoden wurden in der Vergangenheit große wissenschaftliche Fortschritte erzielt. Gleichzeitig erzeugt die Ausschließlichkeit der damit verbundenen Denkmethoden aber heute Denkblockaden in Bezug auf die aktuelle Realität. Visual Thinking umgeht die verbal-logische Denkbarriere. Unternehmen, die nicht dazu bereit sind, lieb gewonnene Verhaltensweisen infrage zu stellen, Ungenauigkeiten im Detail bei der Beurteilung von Situationen in Kauf zu nehmen, Fehler zu akzeptieren, haben im heutigen Wirtschaftsumfeld kaum Überlebenschancen.
Das Gehirn
Sprache und Logik
Verballogische Denkbarriere
Die Faktorenfeldmethode aus Sicht der Gehirnforschung Je mehr offene Fragen es in einem Wissensgebiet gibt, desto spannender ist die Beschäftigung mit diesem Wissensgebiet. Ganz beson-
Gehirnfor schung
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1
Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
ders faszinierend sind Wissensgebiete, bei denen völlig offen ist, wo die Grenzen der Erkenntnis liegen und ob es sich dabei nur um temporäre oder um prinzipielle Grenzen handelt. Die Gehirnforschung ist wie die Kosmologie eines dieser Gebiete. Dabei berühren uns die Erkenntnisse der Gehirnforschung hautnah, weil wir ständig mit unserem Gehirn umgehen, damit Probleme lösen und uns bemühen, dabei immer noch besser zu werden. Das vorliegende Kapitel befasst sich mit der Gehirnforschung nur insoweit sie im Sinne des Visual Thinkings mit den Themen der visuellen Wahrnehmung als Verarbeitungsform und der Repräsentanz des Denkens in Systembildern im Gehirn zusammenhängt. Das Kapitel schließt mit einer Theorie des Visual Thinkings in verknüpften operativen Feldern und einem, das Gehirn steuernden Bewusstsein. Diese Theorie leitet unmittelbar zu zweiten Teil des Buches über, in dem für Zwecke der Problemlösung visuelle, dreidimensionale Basisdenkmodelle vorgeschlagen werden.
Faszination Gehirn Gehirnfor schung
Untersuchun gen am toten Gehirn
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Hatten Albert Einstein oder Wolfgang Amadeus Mozart größere Gehirne als andere Menschen oder waren ihre Gehirne speziell gebaut? In der Tat ist man dieser Frage nachgegangen, hat aber festgestellt, dass es weder im Umfang noch im Gewicht (ca. 1500 g) wesentliche Unterschiede gibt. Allerdings hat man beim Gehirn von Albert Einstein eine etwas ungewöhnliche Ausprägung des Frontallappens festgestellt, was aber möglicherweise auch auf das Phänomen der sich selbst erfüllenden Prophezeiungen („self-fulfilling prophecies“, s. Watzlawick/Beavin/Jackson 1990) zurückgeführt werden könnte. Seit ihren Anfängen waren die Gehirnwissenschaften jedenfalls bemüht, physische Entsprechungen von Handlungen und Verhaltensweisen im Gehirn aufzuspüren; anfänglich durch sezieren, später durch etwas subtilere Methoden. Nicht zuletzt glaubte man, an irgendeiner Stelle des Gehirns den Sitz der Seele entdecken zu können. Descartes meinte, den Sitz der Seele in der Zirbeldrüse gefunden zu haben. Am toten Gehirn konnte man zumindest feststellen, dass sich das Gehirn aus sehr unterschiedlichen Gewebegebilden
Gehirnforschung
zusammensetzt, woraus man auf unterschiedliche Zuständigkeitsbereiche innerhalb des Gehirns geschlossen hat. Am lebenden Gehirn konnte man aus der Verletzung bestimmter Bereiche folgern, für welche Funktionen sie zuständig gewesen wären. Ganze Gehirnlandkarten wurden angelegt, und mit der Phrenologie entwickelte sich ein spezieller, hierfür zuständiger Wissenschaftsbereich. Durch gezielte Elektroschocks und in das Gehirn eingeführte Sonden wurde die Suche nach Funktionsbereichen auch beim gesunden Gehirn möglich. Es konnten Schmerz- und Lustzentren, Bereiche und spezielle Nervenbahnen für das Sehen, das Hören und das Riechen lokalisiert werden. Dabei hat man festgestellt, dass sich im Gehirn Milliarden von Neuronen (ca. 100 Milliarden = 10 hoch 15) befinden, die durch Synapsen (ca. 10.000 bis 20.000 je Neuron) miteinander vernetzt sind. Hieraus ergibt sich eine Anzahl von etwa 10 hoch 29 möglicher Verbindungen – eine Zahl, die manchmal mit der Anzahl der Sonnen im Universum verglichen wird. Inzwischen ist man technisch dazu in der Lage, Funktionsbereiche im Gehirn auch berührungsfrei (also weder am toten noch am verletzten, sondern am normal lebenden Gehirn) aufzuspüren – mit Geräten wie dem funktionalen Magnet Resonanz Tomographen (fMRT). Allerdings gerät hierbei die Theorie der klaren funktionalen Lokalisierung etwas ins Wanken, weil festgestellt wurde, dass sich bei äußeren Reizen zwar durchaus Präferenzen in bestimmten Bereichen feststellen lassen, die Informationen sich aber mehr oder weniger über das gesamte Gehirn verteilen. In der Zwischenzeit hat die Gehirnforschung zu großen Erfolgen bei der Behandlung von Krankheiten (beispielsweise der Epilepsie) geführt. Absehbar sind auch Erfolge bei der Behandlung von Behinderungen. So sind beispielsweise Versuche gelungen, behinderten Menschen durch eine rückgekoppelte Steuerung des Gehirns die Bedienung eines Computercursors zu ermöglichen. Selbstverständlich haben sich durch solche Technologien auch phantasievolle Verwendungsideen in außermedizinischen Feldern ergeben. So wurden beispielsweise mit fMRT im Bereich Marketing unterschiedliche Gehirnaktivitäten bei Pepsi Cola und Coca Cola festgestellt. Hans Georg Häusel beschreibt in seinem Buch „Neuro-
1 Untersuchun gen am kranken Gehirn
Untersuchun gen am gesun den Gehirn
Behandlungser folge
Missbrauch der Gehirnfor schung?
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1
„Was ist das, was da denkt?“
Neuronale Fel der und Karten
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Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
marketing“ (Häusel 2007) einige sehr interessante Experimente. Ebenso wie es in der Medizin nicht bei Untersuchungen geblieben ist, könnten solche Untersuchungen den Bereich der Produktvermarktung durch Implantieren eines „Buy Buttons“ revolutionieren – das zumindest behaupten die vehementen Gegner solcher Methoden. Der Kauf-Chip im Gehirn, der automatisierte Strafschock beim Überfahren eines Stoppschildes, die gezielt manipulierte Ausschüttung von Glückshormonen bei Wahlveranstaltungen sind Horrorszenarien, die verständlicherweise Urängste vor dem Verlust der persönlichen Freiheit auslösen. Wie bei der Atom- oder der Genforschung sind solche Ängste nicht ganz unberechtigt. Es ist eine Frage des ethischen Übereinkommens, wie solche Technologien genutzt werden dürfen. Ein gewisser Trost liegt darin, dass sich der Mensch nicht nur in Bezug auf das Gehirn, sondern insgesamt ein komplexes, vernetztes System ist. Die Wissenschaftsjournalistin Gaby Miketta (Miketta 1991) hat das in ihrem Buch „Netzwerk Mensch“ anschaulich dargestellt. Sie bezieht sich dabei auf den Forschungsbereich der Psychoneuroimmunologie, in dem nicht nur auf die Steuerung des menschlichen Organismus durch das Zentralnervensystem und das hormonelle System, sondern auch auf die unmittelbare Beeinflussung durch das Umfeld und die Psyche eingegangen wird. Insbesondere Letzteres führt zu einer Kernfrage, bei der auch die heutigen Gehirnforscher passen müssen, es sei denn sie erklären den menschlichen Geist zu einer Funktion chemisch-physischer Prozesse. Die zentrale Frage dabei lautet: „Was ist das, was da denkt?“ Gibt es nur Materie oder gibt es Geist und Materie und in welcher Beziehung stehen beide zueinander? Damit sind wir bei einer Frage angelangt, mit der sich weniger die Gehirnforscher, sondern eher die Philosophen aller Zeiten beschäftigt haben, einer Frage, die auch mit der Annahme einer, möglicherweise von den physischen Funktionen unabhängigen Instanz des menschlichen Bewusstseins verbunden ist. Zumindest konnte man – trotz aller Bemühungen – den Sitz der Seele auf der materiellen Ebene bislang nicht lokalisieren. Der Gehirnforscher John C. Eccles meint in Bezug auf ein vollständiges Verstehen des Gehirns: „Dies mag sogar paradox sein – ein Gehirn,
1
Gehirnforschung
das ein Gehirn vollständig versteht“ (Eccles 1990, S. 11). Gehirnforschung ist eminent spannend, weil uns das Thema hautnah und permanent berührt. Der neueste Stand der Forschung weist darauf hin, dass es im Gehirn neuronale Felder und Karten gibt, die durch ständiges Problemlösen miteinander gekoppelt werden. Alles steht im Prinzip mit allem in Verbindung – abhängig davon, welche Aufgabe gerade gelöst werden soll. Die Faktorenfeldmethode arbeitet entsprechend dieser vermutlichen Grundstruktur des Gehirns mit operationalen Feldern und Faktoren, die im Sinne einer gemeinsamen Idee verbunden werden. Im Falle der Umsetzung dieser gemeinsamen Idee werden Faktoren oder funktionale Felder im Spindelmodell miteinander verbunden.
Informationsverarbeitung im Gehirn Systemtheoretisch können Erkenntnisse über Systeme, deren innere Struktur schwer zugänglich ist, über ihren Output bei einem bestimmten Input gewonnen werden. Durch Verarbeitung des Inputs und Beobachtung des Outputs können Rückschlüsse auf die innere Struktur, auf die Logistik des Systems gezogen werden. Es handelt sich dabei um das bekannte Black-Box-Modell aus der Kybernetik.
BlackBox Modell
1.058
Black Box (Popper/Eccles 1997, S. 331) Im Hinblick auf die Probleme der visuellen Wahrnehmung in ihrer Beziehung zu den bekannten Funktionen des Gehirns stellt Weis-
73
1
Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
krantz fest: „Ich glaube, dass lediglich auf dem Gebiet der Merkmalerkennung Grund dafür besteht, zu glauben, dass das Ende des Tunnels in Sicht sein könnte … Für die wichtigsten Funktionen, d. h. für das Zusammensetzen oder Zusammenbrauen des Wesens von Wahrgenommenem wie Gegenständen und Menschen aus der Entdeckung von Merkmalen, und für das Erkennen von Wahrnehmungskonstanten hat, glaube ich, noch keine Graufärbung der black box stattgefunden – das heißt, eine Zuordnung in der gray box des realen Nervensystems, im Gegensatz zu den gänzlich im Reich abstrakter black boxes verweilenden Spekulationen“ (Weiskrantz 1974). Für die vorliegenden Zwecke genügt allerdings ein einfaches Arbeitsschema: 1.059
Input
Aktivatoren
74
Informationen werden über die Rezeptoren (Sinnesorgane wie Auge, Ohren und Nase) aus dem Umfeld erfasst und an das Gehirn weitergeleitet. Körper, Hände und Füße des Organismus wirken auf das Umfeld. Dabei werden Output und Input verglichen, um ein angemessenes Verhalten des Organismus zu bewirken. Das gilt auch für sprachliche Äußerungen, also für Kommunikation. Geht man davon aus, dass dieser Prozess durch Bewusstsein gesteuert wird, durch Aufmerksamkeit, Wollen und durch bewusst überlegte Handlungen, erweitert sich das Verarbeitungsschema:
1
Gehirnforschung 1.060
Informationsverarbeitung und Bewusstsein Angesichts dieser Abbildung stellt sich die Frage, ob in dem Feld links oben ebenfalls ein Begriff stehen müsste, und wenn ja, welcher. In den folgenden Ausführungen werden die Aspekte Bewusstsein, Input und Verarbeitung im Gehirn unter dem Gesichtspunkt des Visual Thinkings beleuchtet.
Geist und Bewusstsein In Bezug auf die bislang unbeantwortete – ggfs. auch prinzipiell nicht zu beantwortende – Frage, ob es ein Bewusstsein gibt, das im Sinne einer zentralen Verarbeitungseinheit alle Vorgänge im Gehirn steuert, gibt es drei mögliche Anschauungen. 1. Das Bewusstsein ist das Ergebnis der Gesamtheit aller chemischphysikalischen Prozesse im Gehirn (Bottom-up-Anschauung). Bei dieser Anschauung könnte rein theoretisch auf den Begriff „Bewusstsein“ verzichtet werden.
Gibt es ein Bewusstsein?
Bottomup Anschauung
75
1
Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
1.061
Topdown Ansatz
2. Es gibt ein autonomes Bewusstsein, das die Gehirnfunktionen
steuert (Top-down-Ansatz). Bei diesem Ansatz benutzt das Bewusstsein das Gehirn als ein Werkzeug und steuert die chemischphysikalischen Prozesse.
1.062
Interaktionsan satz
76
3. Der dritte Ansatz geht von einer Interaktion zwischen dem Be-
wusstsein und den materiellen Konstellationen aus. Das Bewusstsein ergibt sich also einerseits aus den chemischphysikalischen Prozessen, wird aber andererseits auch durch diese Prozesse gesteuert.
1
Gehirnforschung 1.063
Der dritte Ansatz erscheint logischerweise als etwas problematisch, hat aber den Vorteil einer Synthese zwischen zwei Lagern. John C. Eccles glaubt an einen Geist-Körper-Dualismus (nicht zu verwechseln mit dem Zwei-Substanzen-Dualismus von Descartes) und führt an (Eccles 1997, S. 244): „Uns liegen heute überzeugende Beweise dafür vor, dass das Selbst durch pure Vorstellung erfolgreich ausgewählte Bereiche der Hirnrinde aktiviert“ Er fährt fort: „Bewusstsein wird dort im Gehirn erfahren, wo man es durch Aufmerksamkeit erweckt, die auf ausgewählte Bereiche der Hirnrinde wirkt und sie erregt“ (Eccles 1997, S. 255). Und: „Bereits die Erwartung der Berührung der Fingerspitze hat beobachtbare Auswirkungen auf den Neokortex“ (Eccles 1997, S. 250). Im berühmten Dialog zwischen dem Gehirnforscher John C. Eccles und dem Philosophen Karl R. Popper „Das ich und sein Gehirn“ gibt es zwischen beiden den Konsens, dass „die Substanz des Gehirns in Wechselwirkung mit etwas steht, was als Geist bezeichnet wird“ (Popper/Eccles 1997). Die Frage nach Geist, Bewusstsein und Wollen auf der einen und Materie, Substanz und Form auf der anderen Seite spielt bei der Faktorenfeldmethode eine ganz besondere Rolle.
GeistKörper Dualismus
Ansatz der Faktorenfeld methode 1.064
77
1 Materie Bewusstsein
Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
Die Ebene der Faktoren, der Materie wird überwiegend zweidimensional in der Farbe Blaugrün dargestellt. Die gelbe Wolke ist das Zeichen für Bewusstsein, die Ebene der Wertesysteme und Entscheidungen, die Ebene der Fragen und Probleme.
1.065
Wie kommt das Denken ins Gehirn Informations vermittlung über die Sinne
Bedeutung des Sehens
78
Abgesehen davon, dass das Gehirn ganz gut damit zurechtkommt, wenn man es in Ruhe lässt, werden ihm über die Sinnesorgane (Augen, Ohren, Nase usw.) ständig Informationen aus dem Umfeld übermittelt. „Die Zahl der Neuronenverbindungen im Gehirn selbst ist etwa um den Faktor 100.000 größer als die Zahl der Verbindungen zur Außenwelt.“ Heinz Georg Schuster, drückt das so aus: „Das Gehirn redet daher meistens über die durch innere Rückkoppelungsschleifen verbundenen Karten mit sich selbst“ (Schuster 2007, S. 21). Wenn sich das Bewusstsein für etwas interessiert und wenn es sich dabei um keine bekannten Informationen handelt, für die eine Standardreaktion ausreicht, beschäftigt sich das Gehirn mit den Informationen. Wenn nicht, werden die Informationen zunächst in den Keller, das Unterbewusstsein, verfrachtet. Geht man nach der Anzahl der Nervenfasern, erhält das Gehirn etwa 99 % der Informationen über die Augen. Gibt es zu viele Informationen oder sind die Informationen uninteressant, können die Augen willentlich geschlossen werden. Mit der Nase und den Ohren geht das nicht, jedenfalls nicht so einfach. Im Falle der Ohren ist das Gehirn immerhin dazu in der Lage, Dauergeräusche auszublenden. Kinder sind bei Reizüberflutung dazu in der Lage, einfach einzuschlafen.
Gehirnforschung
Das Auge rastert die über die Linse von außen kommenden Informationen auf den Sehstäbchen der Retina in digitaler Form. Das Originalbild der Realität wird – wie bei einem Scanner – in Pixeln erfasst und als Muster an das Gehirn weitergeleitet (übrigens wie bei jeder Linse verkehrt herum). Das Gehirn dreht dann die Bilder um, weil es gelernt hat, dass es zweckmäßig ist, oben und unten zu unterscheiden. Interessanterweise übermittelt dabei die linke Hälfte des Auges überwiegend Informationen an die rechte und die rechte Hälfte überwiegend Informationen an die linke Gehirnhemisphäre. Naheliegend ist, dass auch die Denkprozesse im Gehirn auf der Basis solcher Muster ablaufen und dass diese Muster systemisch zu operationalen Feldern der Wahrnehmung umgesetzt werden.
1 Operationale Felder der Wahrnehmung
Neuronale Karten: Die Sprache des Gehirns ist visuell Aus der Präferenz visueller Informationen auf der Inputseite des Gehirns und der dabei vorliegenden Rasterstruktur kann darauf geschlossen werden, dass die Speicherorganisation des Gehirns zunächst auf eben solchen Strukturen aufbaut. Die Sprache des Gehirns ist also visuell. Wahrnehmung ist immer ganzheitlich und damit komplex. Das gilt auch für Worte, die ohne Berücksichtigung des Kontextes grundsätzlich nicht korrekt interpretiert werden können. Beim Denkprozess wird die wahrgenommene Realität zunächst in Strukturen transformiert, wobei eine Reduzierung der Komplexität auf die Essenzen der Realität stattfinden muss. Vom Maß des Interesses bzw. der Betroffenheit hängt es ab, ob bestimmte Dinge fokussiert oder diffus belassen werden. Dabei werden die wahrgenommenen Informationen mit Strukturen auf verschiedenen Karten im Langzeitgedächtnis verglichen. Das Gehirn arbeitet systemisch, d. h. über spezialisierte Funktionsbereiche hinweg ganzheitlich. Damit sind wir beim „sensus communis“ von Aristoteles angelangt: „Alle Wahrnehmungen stammen aus den Sinnen. Doch muss ein sensus communis hinzutreten, da das Gehör nur hören, das Auge nur sehen kann“ (Spitzer 2007, S. 47). Und weiter: „Wir integrieren alle Sinnesqualitäten zu einem Ganzen.
Speicherorgani sation des Ge hirns
Essenzen der Realität
Sensus commu nis
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1
Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
Die „phantasia“ (Einbildungskraft) wird als „Sehen mit geschlossenen Augen aufgefasst“ (Spitzer 2007, S. 47). Aristoteles führt an: „Ohne ein Phantasiebild ist Denken unmöglich“ (Spitzer 2007, S. 47). Die Schaltzentrale des Gehirns Zentrale Steue rung
1.066
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Schuster spricht von einem „Globalem Arbeitsplatz“ (Schuster 2007, S. 42), der die Aufmerksamkeit, das Sprachsystem, die Motorik, das Kurz- und das Langzeitgedächtnis und die von den Sinnesorganen kommenden Informationen steuert.
1
Gehirnforschung
Im Spindelmodell lässt sich die Rolle der zentralen Steuerung durch die dritte Dimension besser veranschaulichen: 1.067
1.068
Selbstbild als gelernte dynamische Körperkarte
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1 Neuronale Kar ten
Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
Heinz Georg Schuster bezeichnet das Selbstbild als „gelernte dynamische Körpersprache“ und weist in seinem Buch „Bewusst oder Unbewusst“ auf interessante diesbezügliche Experimente hin (Schuster 2007). Dabei spricht er von neuronalen Karten im Gehirn.
1.069
„Unser Nervensystem ist in Modulen mit vielen Tausenden von Nervenzellen, sogenannten neuronalen Karten, organisiert. Diese Karten sind die eigentlichen Funktionsträger wichtiger Elemente des Bewusstseins“ (Schuster 2007, S. 21).
Das Gehirn als Atlas Insidernachteil
Praxistauglich keit
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Eine Theorie kann nach Popper nur dann als wissenschaftlich bezeichnet werden, wenn sie falsifiziert, also durch Beobachtungen und der Theorie widersprechende wahre Aussagen widerlegt werden kann. Da genau das bei jeder Theorie zur Speicherorganisation des Gehirns aufgrund des Insidernachteils („ein sich selbst beobachtendes Gehirn“) prinzipiell als schwierig, wenn nicht sogar als unmöglich anzusehen ist, möchte ich die hier vorliegende Theorie der Speicherorganisation, eher als Modell bezeichnen. Das hier beschriebene Modell ist – von seinem Ansatz her – ohnehin weniger für den wissenschaftlichen Diskurs gedacht. Es soll eher als ein Hinweis auf die Praxistauglichkeit der Faktorenfeldmethode dienen, bei der Faktoren auf der materiellen Ebene, operationale Felder und ihre Verknüpfungen eine zentrale Rolle spielen. Als Systembild wird die Organisation eines Atlas benutzt:
Gehirnforschung
1 1.070
Die Speicherstruktur des Gehirns entspricht der eines Atlas mit Landkarten und Orten. Die einzelnen Landkarten beziehen sich auf unterschiedliche Themengebiete wie Topografie, Geschichte, Flugverbindungen usw. Übergeordnete Masterlandkarten beziehen sich auf Strukturen, Emotionen, Sprache und Logik. Die Orte auf den Landkarten können über ein dreidimensionales Koordinatennetz lokalisiert werden. Die Orte sind Basisdenkmodelle als operationale Neuronenfelder, die mit allen anderen operationalen Feldern verknüpft werden können. Lernen ist wie Straßenbau: Viel befahrene Wege werden ausgebaut. Auf diese Weise kommt es auch zu unbewussten Handlungen. Dabei kontrolliert der „Manager“ Bewusstsein, ob Routinehandlungen adäquat sind.
Speicherstruk tur des Gehirns
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Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
1.5
Die Faktorenfeldmethode aus Sicht der Philosophie
Systembilder zur Philosophie
LeibSeele Problem
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„Philosophie ist die Wissenschaft von den allgemeinen Entwicklungsgesetzen der Natur, der Gesellschaft, des Denkens und von der Stellung des Menschen in der Welt und die damit verbundene Suche nach ganzheitlichen Erkenntnissen“ (Pfeifer 1998). Eine der Kernfragen der Philosophien ist das so genannte LeibSeele-Problem, die Frage nach der Erscheinungsform dessen, was wir als Realität wahrnehmen. Gibt es nur Geist? Gibt es nur Materie? Oder gibt es beides? Und: Wie hängen Geist und Materie zusammen? Die verschiedenen grundsätzlichen Denkrichtungen der Philosophie zur Erkenntnis der Realität lassen sich in Systembildern vereinfacht darstellen: In Bezug auf die Komplexität der Denkwelten der großen Philosophen unserer Geschichte sind die gezeigten Systembilder zur Essenz der Philosophien möglicherweise etwas holzschnittartig reduziert. Außerdem sind andere Sichtweisen bzgl. der Essenz dieser Philosophien durchaus möglich. In jedem Fall lassen sich die unterschiedlichen Sichtweisen auf der Basis dieser Bilder einfacher diskutieren als mit umfangreichen Texten. Der Einwand, textliche Formulierungen seien präziser, trifft wohl nicht ganz zu, weil auch die Verwendung von Begriffen Fehlinterpretationen nicht ausschließt und manchmal in einem unendlichen Regress von Definitionen endet. Unterstützt wird die Vergleichbarkeit durch die Verwendung einheitlicher Farben: • Gelb steht für Ideen, • Blaugrün für Materie, • Blau für Strukturen, • Rot für Richtungen, Spindelhub. Diese Farbwelt findet sich einheitlich im gesamten vorliegenden Werk, so dass sich grundlegende Gedanken auch über die Farben erschließen.
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Die Faktorenfeldmethode aus Sicht der Philosophie
Popper bemüht sich bei aller Komplexität der von ihm behandelten Themenkomplexe um eine verständliche Sprache. Das bezieht sich nicht in erster Linie auf die Vermeidung von Fremdwörtern, die im Zusammenhang mit Erklärungsmodellen manchmal nur unzutreffend umschrieben werden können, sondern um die Formulierungen selbst. Ein amüsantes Beispiel findet sich in „Auf der Suche nach einer besseren Welt“ (Popper 1991, S. 111 f.). Hier „übersetzt“ Popper Ausführungen von Habermas über Adorno: Zitate aus Habermas‘ Aufsatz
Poppers Übersetzungen
Adorno begreift die Gesellschaft in Kate gorien, die ihre Herkunft aus der Logik Hegels nicht verleugnen.
Adorno verwendet eine an Hegel erin nernde Ausdrucksweise.
Er begreift Gesellschaft als Totalität in dem streng dialektischen Sinne, der es verbietet, das Ganze organisch aufzufas sen nach dem Satz: es ist mehr als die Summe seiner Teile;
Er sagt daher (sic) nicht, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile;
ebenso wenig aber ist Totalität eine Klasse, die sich umfangslogisch bestim men ließe durch ein Zusammennehmen aller unter ihr befassten Elemente.
ebenso wenig ist (sic) das Ganze eine Klasse von Elementen.
Poppers „Übersetzungen“ lassen sich in der Darstellung der Systemvisualisierung weiter komprimieren: 1.071
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1
Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
Sofern die Ausführungen richtig verstanden wurden, lassen sich unterschiedliche Sichtweisen bzgl. der Begriffe „Totalität“ und „Synergie“ (Interpretation des gegensätzlichen Standpunktes) noch klarer diskutieren. Eine gute Denkskizze gelingt eher selten auf Anhieb. An einer wirklich guten Denkskizze zur Philosophie von Rudolf Steiner bin ich bislang gescheitert: 1.072
Um Verwechslungen zu vermeiden: Weder Popper noch andere Philosophen, die im Folgenden genannt werden, haben die dargestellten Systembilder entworfen. Es handelt sich um eine systemische Sprache, in der die Essenzen der Denkrichtungen visuell vermittelt werden. Jede Theorie sollte sich letztlich in dieser Weise veranschaulichen lassen, so sie klar genug ist. Im optimalen Fall lässt sich die Theorie in ein klares Bild fassen, was wiederum ihr Verständnis und ihre Vermittlung erleichtert. Im Folgenden werden 12 grundsätzliche philosophische Positionen in der Sprache der Systemvisualisierung dargestellt: Die Positionen 1
86
1
Die Faktorenfeldmethode aus Sicht der Philosophie
bis 4 beziehen sich auf das Leib-Seele-Problem, d. h. auf das Verhältnis von Geist und Materie. Position 1 Es gibt nur Geist. Materie existiert lediglich in unserer Einbildung. Sie ist ein Konstrukt unseres Gehirns. Diese Denkrichtung, die als Idealismus, Psychismus, Spiritualismus oder Immaterialismus bezeichnet wird, wurde beispielsweise von George Berkley, Ernst Mach, Fichte und Schelling vertreten.
Idealismus
1.073
Position 2 Es gibt nur Materie. Geistig genannte Funktionen sind ausschließlich ein Produkt der Materie, die auf chemisch-physikalische Prozesse im Gehirn zurückzuführen sind. Dieser Ansatz, der als Materialismus, reiner Physikalismus, philosophischer Behaviorismus oder Verhaltensphilosophie bezeichnet wird, wurde von Demokrit, Epikur und Lukrez, später u. a von Holbach, Diderot und Büchner vertreten. Letztere bezeichneten ihre Denkrichtung auch als Energetik, weil die Äquivalenz von Masse und Energie inzwischen durch die Relativitätstheorie von Albert Einstein postuliert worden war.
Materialismus
1.074
87
1
Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
Position 3 Parallelismus
Es gibt sowohl Geist als auch Materie. Beide existieren parallel in zwei unterschiedlichen, abgeschlossenen Welten. Bezeichnet wird diese Position als psychophysischer Parallelismus. Insbesondere René Descartes war ein Vertreter dieser Denkrichtung, die von zwei parallelen, kausal abgeschlossenen Systemen ausgeht.
1.075
Position 4 Interaktionis mus
1.076
88
Es gibt sowohl Geist als auch Materie. Zwischen beiden besteht eine Interaktion. Bezeichnet wir diese Position als psychophysische Wechselwirkung oder Interaktionismus. Sie wird u. a. auch von Popper vertreten.
1
Die Faktorenfeldmethode aus Sicht der Philosophie
Ein weiterer Unterschied zwischen den hier behandelten philosophischen Positionen besteht dahingehend, ob Materie als ein homogenes Gebilde ohne Zwischenräume oder als Atome in einem ansonsten leeren Raum verstanden wird. Position 5 Abgesehen von der heutigen Atomtheorie geht eine Theorie der Materie in Form von Atomen in einem ansonsten leeren Raum bereits auf die Atomisten der antiken Philosophie (z. B. Demokrit) zurück.
Atomisten
1.077
Position 6 Interessant ist die Frage nach der Struktur des Geistes. Nach Vertretern der Assoziationstheorie, zu denen neben Spinoza und Locke auch Descartes gehörte, ist auch Geist nicht homogen, sondern setzt sich aus „geistigen Atomen“ zusammen.
Assoziations theorie
1.078
89
1
Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
Position 7 Leibniz
Einen Sonderfall bedeuten die Monaden von Leibniz, der von kleinsten abgeschlossenen Einheiten ausgeht, die aus Geist und Materie bestehen.
1.079
Position 8 Pythagoras
Ein grundsätzlich anderer Ansatz wurde von Pythagoras vertreten, der davon ausging, dass das Wesen der Dinge etwas Abstraktes, eine Struktur sei, wie die Reihe der natürlichen Zahlen und die darin enthaltenen Erkenntnisse bezüglich der Seitenverhältnisse im rechtwinkligen Dreieck oder die ganzzahligen Harmonien auf einem Monochord.
1.080
Bei der Frage nach dem Urgrund allen Seins, einer Frage, derer sich auch die Religionen in besonderer Weise angenommen haben, lässt sich aus philosophischer Sicht eine statische und eine dynamische Variante unterscheiden.
90
1
Die Faktorenfeldmethode aus Sicht der Philosophie
Position 9 Platon geht von einer von Gott geschaffenen statischen Welt mit der höchsten Idee des Schönen und Guten aus, die es zu erkennen gilt.
Platon
1.081
Position 10 Nach Aristoteles entwickelt sich alles Sein in Richtung einer (wie auch immer definierten) Vollendung, strebt einem Zweck bzw. einem Ziel zu. Möglicherweise lässt sich so auch die Darwinistische Theorie der Evolution der Arten und die Theorie einer zunehmenden geistigen Verfeinerung bei der Menschheitsentwicklung interpretieren. Im Sinne der Chaostheorie könnte man den theoretischen Zielpunkt der Entwicklung als Attraktor bezeichnen.
Aristoteles
1.082
91
1 Popper
Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
Position 11 Popper vertritt die Theorie von drei Erscheinungsformen der Wirklichkeit, der Welt der Materie, der Welt der Ideen und der Welt der erfundenen bzw. entdeckten Strukturen. Zwischen diesen Welten bestehen Interaktionen.
1.083
Position 12 Faktorenfeld methode
1.084
92
In der Theorie der Faktorenfeldmethode werden Faktoren, Ideen und Strukturen unterschieden. Das entspricht im Prinzip Poppers Einteilung in Welt 1, 2 und 3. Der Unterschied besteht in der Annahme einer fraktalen Struktur, bei der sich das Grundelement aus Faktoren, Ideen und Strukturen auf höheren Ebenen wiederholt.
1
Die Faktorenfeldmethode aus Sicht der Philosophie
In einer anderen Darstellung entspricht das dem Spindelmodell, bei dem sich das Spindelelement auf jeweils unterschiedlichen Ebenen wiederfindet. 1.085
93
1
Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
Im Spindelmodell selbst sind Struktur und Materie auf einer Ebene dargestellt. 1.086
Poppers Welten
Drei Welten
Welt 1
Welt 2 Welt 3
94
Poppers Philosophie ist der Faktorenfeldmethode am nächsten. Insofern sei ein Exkurs an dieser Stelle gerechtfertigt: Einer der grundlegendsten Gedanken im philosophischen Werk von Karl R. Popper (1902–1994) ist die Unterteilung der Wirklichkeit in drei Welten (siehe u. a. Popper 1991, S. 16, Popper 2004a, S. 84, Popper 2006, S. 93 ff., Popper/Eccles 1997, S. 61 ff., Popper 2004b, S. 263 ff., Popper 1997, S. 40). Die Welt der physikalischen Materie, der Kraftfelder und aller physischen Konstellationen ordnet Popper Welt 1 zu. Hierzu gehört auch der menschliche Organismus einschließlich seines Gehirns. Subjektive Denkvorgänge, bewusste und z. T. unbewusste Erfahrungen, Sichtweisen und Ideen gehören zu Welt 2. Welt 3 ist für Popper der Bereich menschlicher Erfindungen, Theorien (sowohl wahrer als auch falscher), der Zeichen und vor allem der Sprache und der Logik. Zusammen mit dem Neurophysiologen und Nobelpreisträger John E. Eccles (1903–1997) hat Popper die Abhängigkeiten zwischen diesen drei Welten diskutiert (z. B. Popper/Eccles 1997, S. 642). Die besondere Rolle der Welt 3 fasst Popper wie folgt zusammen: „… dass der Mensch sich durch die Schaffung der darstellenden
1
Die Faktorenfeldmethode aus Sicht der Philosophie
Sprache und damit die Welt 3 selbst geschaffen hat“ (Popper/Eccles 1997, S. 665). Interessant ist Poppers Annahme einer teilweisen Autonomie der Welt 3 (Popper 2006, S. 83 ff.). Er unterscheidet Erfindungen des menschlichen Geistes und Entdeckungen. Als Beispiel aus der Mathematik führt er die unendliche Reihe der natürlichen Zahlen an, die als Produkt des menschlichen Geistes und der entwickelten menschlichen Sprache anzusehen ist. Demgegenüber weist er darauf hin, dass beispielsweise die Menge der geraden und ungeraden Zahlen oder der Primzahlen und die damit verbundenen gelösten und ungelösten Probleme in der Reihe der natürlichen Zahlen nicht erfunden, sondern entdeckt wurden. Insofern gäbe es nach Popper einen unabhängig vom Menschen anzunehmenden Teil der Welt 3. Hierüber lässt sich Popper allerdings auch in seinen anderen Werken nicht genauer aus, verweist jedoch auf mögliche weitere Welten (Popper 2006, S. 76). Die Systembilder der Faktorenfeldmethode sind als Denkmodelle und Darstellungen der Essenz von Fragen und Problemen Teil von Poppers Welt 3. Heinz Georg Schuster beschreibt das Gehirn wie folgt: „Unser Nervensystem ist in Modulen mit vielen Tausenden von Nervenzellen, sogenannten neuronalen Karten organisiert. Diese Karten sind die eigentlichen Funktionsträger wichtiger Elemente des Bewusstseins“ (Schuster 2007, S. 21). Und weiter auf der gleichen Seite: „Ähnliche Begriffe wie Hund, Katze oder Pferd werden in (den Synapsen) der Karte so gespeichert, dass sie bei Auftreten des entsprechenden Bildes räumlich benachbarte Zellen aktivieren.“ Das Gehirn ist wie ein Atlas strukturiert, in dem auf verschiedenen Landkarten politische Grenzen, Geschichte, Verkehrsnetze usw. dargestellt sind. Die Orte in diesem Atlas sind Denkmodelle im Sinne von operationalen, vernetzen Feldern im Gehirn. Karl Popper führt aus: „… ich nehme an, dass es den immateriellen Teil der Welt 3 gibt, der wirklich ist und der sehr wichtig ist: zum Beispiel Probleme.“ Probleme und Theorien sind also Teile der Welt 3.
Neuronale Karten
Operationale Felder
95
1
Die Faktorenfeldmethode und ihre Hintergründe
Die Welt der Faktorenfeldmethode Faktoren
Der erkenntnistheoretische Ansatz der Faktorenfeldmethode besteht in der Annahme einer Interaktion zwischen einer geistigen Ebene der Ideen und einer Ebene der materiellen Dingen an sich. Letztere werden als Faktoren bezeichnet (1). Faktoren liegen in bestimmten Formen oder Strukturen vor (2) und werden vom erkennenden Subjekt wahrgenommen (3).
1.087
Strukturen
Idee
96
Faktoren an sich sind „unschuldig“, erhalten eine Bedeutung erst durch Interesse und Wahrnehmung, gesteuert durch das individuelle Bewusstsein (4). Wahrnehmung ist dabei zwangsläufig immer subjektiv, d. h.: „Jeder lebt in einem eigenen Universum“. Wahrgenommene Strukturen werden mit den im Gehirn gespeicherten individuellen Strukturen (5) verglichen und führen hinsichtlich ihres Gehaltes und ihrer über das limbische System bewerteten Bedeutung zu Denkprozessen. Resultat dieser Denkprozesse ist die Idee (6) zur Gestaltung von Strukturen des Faktorenfeldes und die Auslösung entsprechender Handlungen.
1
Die Faktorenfeldmethode aus Sicht der Philosophie
Bis zu diesem Punkt entspricht die Faktorenfeldmethode hinsichtlich der dargestellten philosophischen Positionen der Annahme einer psychophysischen Wechselwirkung (Position 4), von Elementen (Position 5) und Strukturen (Position 8). Dabei wird weiterhin angenommen, dass Organismen nur deshalb in der Lage sind, Strukturen zu erkennen bzw. zu gestalten, weil sie selbst Teil dieser Struktur sind. 1.088
Das führt zur Annahme eines transpersonalen Bewusstseins (7) und einer teilautonomen transpersonalen Struktur (8). Diese Annahmen folgen der These von Popper, der einerseits davon ausgeht, dass die Welt 3 die Erfindungen des menschlichen Geistes beinhaltet, aber anderseits auch das Entdecken bereits vorhandener Strukturen erlaubt. Popper verweist hinsichtlich der autonomen Welt der Ideen auf Platon. Im Gegensatz zur statischen Position Platons (Position 10) vertritt die Faktorenfeldmethode die Sichtweise einer dynamischen Welt, die einen Attraktor (9) zunehmender geistiger Verfeinerung (Sublimierungsprinzip) verfolgt.
Transpersonales Bewusstsein/ transpersonale Struktur
Inhaltlich geht die Faktorenfeldmethode von der Existenz von Faktoren aus (Faktoren sind), die erst durch eine gemeinsame Idee zu einem Sys tem werden. Es besteht eine Interaktion zwischen der Welt geistiger Ideen und der Welt materieller Faktoren, wobei nach meiner Theorie letztlich die Idee die Materie bestimmt. Die Wahrnehmung von Materie durch unser Bewusstsein ist nur deshalb möglich, weil es eine gemein same Struktur gibt.
97
1
Der Werkzeugkasten der Faktorenfeldmethode
2
2.1
Der Werkzeugkasten der Faktorenfeldmethode
Das Analogiemodell „Atlas“
Der Werkzeugkasten der Faktorenfeldmethode ist ein Analogiemodell für die Speicherorganisation des Gehirns. Er funktioniert wie ein Atlas. 2.001
Landkarten
98
Es gibt Landkarten für Sprache, für Geschichte bzw. Geschichten, für Erlebnisse, für Logik, für Mathematik usw. Jede dieser Landkar-
2
Die Übersichtskarte der Werkzeuge
ten im Gehirn beinhaltet operationale Felder mit zusammengehörigen Einzelfaktoren. Operationale Felder und Einzelfaktoren können je nach Problemstellung sowohl auf einer Landkarte als auch über mehrere Landkarten hinweg verknüpft werden. Besonders nahe an der visuellen Wahrnehmung sind die im Gehirn gespeicherten Systembilder, in denen die Essenz der Einzelwissensgebieten dargestellt ist. Im vorliegenden Teil des Buches sind Systembilder und Denkmodelle der Faktorenfeldmethode zur Lösung von Problemen dargestellt. Die einzelnen Systembilder lassen sich auf der Landkarte über ein Koordinatensystem einfach lokalisieren. Jedes dieser als Basics bezeichneten Werkzeuge ist mit einem kurzen Erläuterungstext versehen.
2.2
Systembilder
Basics
Die Übersichtskarte der Werkzeuge
Jede neue Problemlösung ist allein schon aufgrund der divergierenden ganzheitlichen Betrachtung immer ein Unikat. Faktoren einer Situation sind im Gesamtzusammenhang immer unterschiedlich. Dennoch ergeben sich Kernfragen, die in verschiedenen Kontexten immer wieder auftauchen. Diese Kernfragen sind auf der vorliegenden Systemkarte als Basics dargestellt. Je nach spezifischer Situation und Fragestellung können mehrere Basics als Einzelkomponenten eine Rolle spielen.
99
2
Der Werkzeugkasten der Faktorenfeldmethode
2.002
2.3
Das Suchsystem
Zur besseren Auffindbarkeit wird über diese „Landkarte“ ein Koordinatensystem gelegt: 2.003
100
2
Strategische Wege
Jedes Basic lässt sich so auf diesem Blatt wie ein bestimmter Ort auf einer Landkarte über seine Koordinaten lokalisieren. Beispielsweise hat das Basic No 38 (bezeichnet als Spindelmodell) die Koordinaten 3,5/6,5. Die Koordinaten beziehen sich immer in etwa auf den Mittelpunkt des jeweiligen Basics.
2.4
Strategische Wege
Jedes Problem, jede konkrete Fragestellung hat immer einen Anfang und ein Ende, einen Start- und einen Zielpunkt. 2.004
Der Ausgangs- und der Endpunkt werden jeweils in einem Faktorenfeld dargestellt. Manchmal verläuft der Weg zum Ziel über verschiedene Basics hinweg. Veranschaulicht wird das in Teil 4 des Buches mit konkreten Beispielen.
101
2
Der Werkzeugkasten der Faktorenfeldmethode
2.5
Die Werkzeuge: Aufbau der BasicKarten
Die Basic-Karten beinhalten Grundmodelle der Faktorenfeldmethode (z. B. das Faktorenfeld und das Spindelmodell sowie Denkmodelle im Zusammenhang mit dem Thema „Problemlösung“). 2.005
Einzelne Themenbereiche und Modelle lassen sich über • die Modellbezeichnung, • den Schlagwortticker und • die Koordinaten einfach lokalisieren. Darüber hinaus lassen sich Modelle auch visuell durch schnelles Durchblättern (Daumenkino) auffinden, weil die Essenzbilder der Basics immer auf der gleichen Stelle (oben rechts) der Basic-Karte angeordnet sind.
102
2
Der Atlas
2.6
Der Atlas 2.006
103
2
Der Werkzeugkasten der Faktorenfeldmethode
2.7
Die Basics
Preißing Basic
№1
Der Atlas
3,5/4,0
Der Atlas ist ein Denkmodell für die dreidimensionale Speicherorganisation des Gehirns. Ein konventioneller Atlas enthält einzelne Landkarten mit Informationen zu Geologie, politischen Grenzen, Verkehrsverbindungen und Eisenerzvorkommen. Analog sind im Gehirn gleichartige Informationen in Neuronenfeldern auf einzelnen „Landkarten“ gespeichert.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 1/1
Gesteuert durch Bewußtsein, Interesse und Aufmerksamkeit werden wahrgenommene Muster mit den im Gehirn gespeicherten Mustern abgeglichen. Die Darstellung von Zusammenhängen erfolgt in einer Masterkarte mit Systembildern, in der die Essenz von Denkmodellen dargestellt ist. Die Auffindbarkeit ist über ein Koordinatensystem gewährleistet.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 1/2
. gehirn . speicherorganisation . atlas . landkarten . operationale felder
104
Die Basics
Preißing Basic
2
№2
Das Faktorenfeld
0,6/0,6
Ein Faktorenfeld beinhaltet die mit einer Situation oder Ausgangsfrage zusammenhängenden Faktoren.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 2/1
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 2/2
DIe Faktoren werden zunächst ohne Berücksichtigung irgendeiner Form von Hierachie oder angemessener Beschreibungstiefe über das Blatt verteilt. Durch dieses Verfahren entsteht Distanz von der Tagesebene. Die Anordnung ist dabei bewußt nonlinear und gestaltet sich so als Einstieg in ein offenes System.
. faktorenfeld . distanz . frage
105
2
Der Werkzeugkasten der Faktorenfeldmethode
Preißing Basic
№ 3 3,5/6,3
Operationale Felder
In operationalen Feldern werden Faktoren zusammengefasst, die im Hinblick auf die gestellte Frage oder das Problem näher zusammenhängen als andere.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 3/1
Nachdem diese Felder benannt wurden, ergeben sich erfahrungsgemäß aus dieser Gruppierung weitere bisher unberücksichtigte Einzelfaktoren. Später werden operationale Felder zu Funktionsbereichen einer zentralen Idee (Spindelmodell).
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 3/2
. operationale felder . gruppierung
106
Die Basics
№ 4
Preißing Basic Verbindungen
Verbindet man in einem Faktorenfeld jeweils zwei nahe oder entfernt liegende Punkte, entstehen Zufallskombinationen von Begriffen innerhalb eines Faktorenfeldes. Häufig zeigen sich dadurch neue, bisher unbeobachtete Aspekte einer Fragestellung oder eines Problems.
2
2,8/6,9
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 4
. verbindungen
107
2
Der Werkzeugkasten der Faktorenfeldmethode
Preißing Basic
№5
Sichtweise
2,8/5,4
Faktoren sind. Faktoren sind weder gut noch böse, weder wichtig noch unwichtig. Es kommt auf die Sichtweise an.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 5
Wahrnehmung ist selektiv. Es werden nur diejenigen Funktionen wahrgenommen, die gerade von Interesse sind. Bei der bewussten Wahrnehmung kommt es darauf an, wie Faktoren interpretiert werden. Die subjektive Sichtweise, der Zweck der Betrachtung, die Frage, das Problem bestimmt, welche Faktoren erfasst werden.
. faktorenfeld . sichtweise . wahrnehmung
108
Die Basics
Preißing Basic
2
№6 2,0/6,3
Vernetzung
Alle Faktoren stehen entweder direkt oder indirekt, d. h. über Fernwirkung miteinander in Verbindung. Wird ein Faktor verändert, verändern sich entweder über direkte oder über indirekte Verbindungen alle anderen Faktoren, entweder nur graduell oder gravierend.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 6/1
Fernöstliche Philosophen/Religionen gehen von der Einheit aller Dinge aus. Im Taoismus ist alles mit allem verbunden, im Kleinen wie im Großen.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 6/2
. system . vernetzung
109
2
Der Werkzeugkasten der Faktorenfeldmethode
Preißing Basic
№7
Systemgrenzen
5,2/6,4
Ein System wird durch Faktoren bestimmt, die innerhalb einer Systemgrenze eine gemeinsame Idee haben. Umgekehrt ergibt sich aus einer Systemgrenze eine gemeinsame Idee.
Idee
Systemgrenze
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 7/1
Bei einer Systemanalyse sind horizontale Systemgrenzen subjektiv und zweckmäßig festzulegen.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
. systemgrenzen . horizontal . idee
110
Preißing Basic No 7/2
2
Die Basics
Preißing Basic
№8 4,4/6,8
Tiefenschärfe
Die Entscheidung, in welcher Tiefenschärfe ein System betrachtet wird, ist subjektiv, hängt vom Zweck der Betrachtung ab. Dabei spielt die Aufwand-NutzenRelation eine maßgebliche Rolle. Vertikale Systemgrenzen bedeuten den Detaillierungsgrad einer Betrachtung. Dieser sollte bei einer Systemanalyse durchgängig beibehalten werden. Bei Gesprächssituationen ist die Einhaltung der Betrachtungsebene Aufgabe des Moderators.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 8/1
Ebene 1
Ebene 2
Ebene 3
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 8/2
. tiefenschärfe . systemgrenzen . vertikal
111
2
Der Werkzeugkasten der Faktorenfeldmethode
Preißing Basic
№9
Distanz
6,0/4,6
Übersicht
Zur Wahrnehmung ist Distanz erforderlich. Ohne Abstand können auf der Faktorenebene nur die unmittelbar umgebenden Faktoren bemerkt werden.
Distanz
Faktoren
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 9/1
Übersicht
Aus der Distanz ergibt sich die Übersicht, die Gesamtschau der Dinge.
Distanz
Faktoren
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 9/2
Aus der Distanz kann aus dem Zusammenhang heraus entschieden werden, welche Faktoren genauer betrachetet, d. h. fokussiert werden sollten. © Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 9/3
Bewußtsein
Grenze
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Wir nehmen nur die Faktoren wahr, auf die sich unser Bewusstsein richtet. Faktoren außerhalb des Bewusstseinskegel, bzw. der Systemgrenzen können nur intuitiv wahrgenommen werden.
Preißing Basic No 9/4
. distanz . wahrnehmung . bewusstsein . übersicht
112
Die Basics
Preißing Basic Der Wahrnehmungskreis
2
№ 10 10,0/6,2
a: Bereich der unmittelbaren Wahrnehmung über Sinnesorgane b1: Makrobereich, Teleskope b2: Mikrobereich, Elekronenmikroskope c: Bereich der Vermutungen, Modelle und Intuition
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 10
Mit unseren Sinnesorganen können wir im Bereich a Dinge unmittelbar wahrnehmen. Im Makrobereich b1 wird der Wahrnehmungsbereich durch Fernrohre, Teleskope erweitert, im Mikrobereich b2 durch Lupen bis hin zum Elektronenmikroskop. Es gibt keinen plausiblen Grund dafür, dass damit die Grenzen der Erfassbarkeit der Dinge erreicht sind. Sowohl über den Makrobereich als auch über den Mikrobereich c2 hinaus (c1 und c2), gibt es keine theoretische Grenze der Wahrnehmung. Es verbleibt immer ein Bereich c, in dem wir auf Vermutungen, Modelle und Intuition angewiesen sind. In unserem Gehirn verbinden sich sowohl die unmittelbaren (a) oder über Hilfsmittel erschlossenen Bereiche (b) mit dem nur durch Intuition zu erschließenden Bereich (c) zur Gesamtwahrnehmung.
. wahrnehmung . physikalische grenzen . intuition
113
2
Der Werkzeugkasten der Faktorenfeldmethode
Preißing Basic
№ 11
Das Hemisphärenmodell
9,8/4,5
Nach dem Hemisphärenmodell ist die linke Gehirnhälfte überwiegend für logische Operationen zuständig und steuert die rechte Körperseite.
Die rechte Gehirnhälfte arbeitet eher ganzheitlich vernetzt und steuert die linke Körperseite.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Die Gehirnhälften sind durch den Balken verbunden, der für die Koordination sorgt. Das Stammhirn oder Reptiliengehirn, als entwicklungsgeschichtlich vermutlich ältester Teil des Gehirns, steuert archaische Reaktionen, Angriff und Flucht. Die Faktorenfeldmethode widmet sich besonders der, in unserem Ausbildungssystem vernachlässigten rechten Gehirmhälfte und der Ventilation beider Seiten.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 11/2
. hemisphärenmodell . gehirn
114
Die Basics
Preißing Basic
№ 12
Der Wissenswürfel
7,5/5,4
© Dr.-Ing. Werner Preißing
2
Preißing Basic No 12/1
Der Wissenswürfel enthalte das gesamte Wissen der Menschheit: Vertikalwissenschaften befassen sich mit Tiefbohrungen, Horizontalwissenschaften mit Flächenschürfungen. Zur Verknüpfung der Wissensgebiete ist Essenzwissen erforderlich. H - Typus Horizontal - Wissenschaften Überblick
Weitsicht
Umsicht
Essenz - Wissen Einblick
V - Typus Vertikal - Wissenschaften
Überblick
Tiefbohrung
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 12/2
. wissenswürfel . horizontalwissenschaften . vertikalwissenschaften
115
2
Der Werkzeugkasten der Faktorenfeldmethode
Preißing Basic
№ 13
Essenzwissen
8,8/5,6
Essenzwissen ist das Konzentrat, das Wesen eines Fachgebietes
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 13/1
Zur Verknüpfung mehrerer Fachgebiete ist Essenzwissen der Einzeldisziplinen erforderlich. Damit ist je nach Fragestellung Unschärfe im Detail verbunden. Essenzwissen ist für die interdisziplinäre Diskussion von Fragestellungen unerläßlich.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 13/2
. essenzwissen . verknüpfung
116
Die Basics
2
117
2
118
Der Werkzeugkasten der Faktorenfeldmethode
Die Basics
2
119
2
Der Werkzeugkasten der Faktorenfeldmethode
Preißing Basic
№ 17
Geist- und Materienetze 17
1,2/6,9
Die Faktorenfeldmethode basiert auf der Grundannahme, dass unsere Realität aus materiellen und geistigen Faktoren besteht, die jeweils untereinander vernetzt sind.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 17/1
Die Faktorenfeldmethode geht von einer Wechselwirkung zwischen Geist und Materie aus.
für Geist, Idee, Innovation und Energie
für Materie, Substanz, Redundanz und Masse
Für Idealisten dominiert Geist die Materie, bzw. es gibt gar keine Materie. Materie ist Einbildung, ein Produkt des Geistes.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 17/1
. geist . materie . erkenntnistheorie . die wolke
120
Für Materialisten dominiert Materie den Geist, bzw. es gibt gar keinen Geist. Geist ist eine Funktion der Materie.
Die Basics
Preißing Basic
№ 18
Strukturmodell
1,6/4,4
2
Das Universum besteht aus Materie, Geist und Struktur. Dass wir Dinge überhaupt wahrnehmen können, beruht darauf, dass unser Organismus aus Materie, Geist und der gleichen Struktur wie das Universum besteht.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 18/1
Nach Albert Einstein sind Energie und Masse zwei Erscheinungsformen desselben Stoffes, die nach E=M*c² ineinander überführt werden können. Masse ist Energie mit geringer Schwingungsfrequenz. Nennt man diesen Stoff „Energiemasse“, so sind Dinge bei gleicher Stofflichkeit nur dadurch unterscheidbar, dass sie eine unterschiedliche Struktur aufweisen. © Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 18/2
. geist . materie . struktur
121
2
Der Werkzeugkasten der Faktorenfeldmethode
Preißing Basic
№ 19
19
Interaktionen
Die Faktorenfeldmethode geht von Interaktionen zwischen Idee und Faktoren im Sinne von Bottom up und Top down aus, von einem Bewusstsein, das aufgrund der Distanz von der Tagesebene (bezeichnet als Spindelhub) Faktoren eines Faktorenfeldes in bestimmter Weise wahrnimmt und Zusammenhänge der Faktorenebene beeinflusst. Auf die Wahrnehmung eines Faktorenfeldes und die Interpretation (Bottom up) folgt die probeweise Beleuchtung des Faktorenfeldes unter dem Aspekt der gefundenen Idee (Top down). Dieser Prozess verläuft so lange, bis eine befriedigende Konstellation erreicht ist.
5,3/7,5
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 19
. faktorenfeld . bottom up . top down . ideengenerierung . situationsanalyse
122
Die Basics
Preißing Basic
2
№ 20
20 Bottom up
7,7/6,3
Bottom up: Erkennen was ist. Aus den Faktoren einer Situation ergibt sich aus der Distanz betrachtet eine gemeinsame Idee. Bei einer Situationsanalyse werden Faktoren eines Ist-Zustandes zunächst ohne Wertung erfasst. Anschließend wird versucht, eine gemeinsame Idee dieser Faktoren zu finden. Die probeweise Kombination beliebiger Faktoren ist dabei hilfreich.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 20
. faktorenfeld . bottom up . ideengenerierung
123
2
Der Werkzeugkasten der Faktorenfeldmethode
Preißing Basic
№ 21
21
Top down
6,6/6,4
Top down: Ideen bestimmen, was sein soll. Faktoren werden aufgrund einer Idee aus der Distanz wahrgenommen und in ihren Zusammenhängen beeinflusst. Projektentwicklung bedeutet die Umsetzung einer Idee auf der Tages- bzw. Faktorenebene. Das bedeutet, dass im Sinne des Projektes eine logistisch stimmige Anordnung der Faktoren gefunden werden muss.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 21
. faktorenfeld . top down . ideengenerierung . projektentwicklung
124
Die Basics
Preißing Basic
2
№ 22
22
Innovationsgenerierung
7,7/7,9
Innovationsgenerierung verläuft als oszillierender Prozess zwischen der Ideenebene und der Faktorenebene und impliziert einen permanenten Wechsel zwischen dem Top-down und Bottom-up Ansatz der Faktorenfeldmethode. © Dr.-Ing. Werner Preißing
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 22/1
Preißing Basic No 22/2
. innovationsgenerierung . oszillation . top down . bottom up
125
2
Der Werkzeugkasten der Faktorenfeldmethode
Preißing Basic
№ 23
23
Der Ballonflug
1,2/1,7
Die Entwicklung von Unternehmen verläuft zyklisch entlang einer Tendenzlinie. Innovation (I) sorgt für Auftrieb. Redundanz (R) folgt der Gravitation. I Der Quotient α² ~ R kennzeichnet das Attraktivitätsmaß (α) des Unternehmens.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 23/1
Innovation (I) bedeutet neue Ideen, erzeugt Auftrieb. Redundanz (R) ist Beharrungsvermögen, Sicherheitsbestreben und beinhaltet formale Rahmenbedingungen, Redundanz folgt der Gravitation.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 23/2
5.000.000
4.930.339
4.500.000 4.175.418 4.003.721
4.000.000
3.787.982
3.629.436 3.679.196 3.459.099 3.472.556
3.500.000 3.000.000
2.987.916
3.122.261
3.259.667 3.256.151
2.927.843 2.916.011 2.840.733
Betrag
2.658.946 2.590.113 2.583.875 2.402.686 2.388.646 2.430.403 2.242.774 2.155.095 2.100.980 2.078.468 2.006.470 1.952.143 1.924.466 1.874.082 1.823.537 1.699.534 1.698.708 1.631.569 1.505.132 1.444.344 1.462.214 1.380.631 1.327.314 1.318.622 1.298.170 1.237.326 1.226.976 1.164.379 1.134.557 1.117.173 1.113.594 1.095.321 1.083.911 1.039.323 1.026.674 1.009.801 1.010.824 1.037.335 1.000.000 967.876 931.063 926.618 916.235 919.267 888.590 883.001 860.139 847.211 833.917 820.112 862.549 815.031 786.878 781.254 775.118 768.472 761.314 737.642 723.989 722.967 709.162 691.857 677.462 676.950 678.996 673.883 660.589 624.799 618.152 593.610 579.805 566.000 550.661 537.368 517.427 511.292 500.000 492.885 483.171 455.561 447.380 441.756 412.613 405.454 383.980 378.867 310.865 279.165 240.818 226.502 204.005 197.870 187.133 190.712 187.133 184.065 180.997 166.681 162.591 162.591 156.967 156.967 133.447 130.379 120.665 101.236 93.566 86.920 74.137140.094 75.671 72.092 20.452 13.29470.047 0 Jahr Jahr Jahr Jahr Jahr Jahr Jahr Jahr Jahr Jahr Jahr Jahr Jahr Jahr Jahr Jahr Jahr 1971 1973 1975 1977 1979 1981 1983 1985 1987 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2.500.000 2.000.000 1.500.000
E
© Dr.-Ing. Werner Preißing
A
G
Jahr 2005
P
Preißing Basic No 23/3
. ballonflug . zyklen . innovation . redundanz
126
In der Umsatz- und Kostenentwicklung von Unternehmen sind Zyklen erkennbar. Die Umsatzentwicklung zeigt den Verlauf der Attraktivität des Unternehmens in seinem Umfeld. Die Gewinnentwicklung weist auf die Fähigkeit zur Wertschöpfung hin.
Die Basics
Preißing Basic
24
Der Attraktor
2
№ 24 12,3/5,3
Der Attraktor beinhaltet das kosmische Prinzip der Umwandlung von Masse (M) in Energie (E) im Sinne einer zunehmenden Sublimierung. E ~ 1/M Diese Proportionalität gilt für jede Position eines Elements an jeder Stelle des Umwandlungsprozesses.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 24/1
Jedes Element hat ein bestimmtes Maß von Energie- und Masseanteil, Innovation und Redundanz. Hieraus bestimmt sich seine Attraktivität (α²) wobei: α² ~ E/M ( α² ~ I/R).
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 24/2
Ein Element wirkt attraktiv auf ein Umfeld, dessen eigener Attraktivitätsfaktor etwas geringer ist, aber nicht zu sehr abweicht. Jenseits eines neutralen Feldes kommt es bei zunehmendem Unterschied der Attraktivitätsfaktoren zu einer (vehementen) Ablehnung. © Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 24/3
. attraktor . attraktivität . sublimierung . energie . masse
127
2
Der Werkzeugkasten der Faktorenfeldmethode
Preißing Basic Das EVA-Prinzip
№ 25 1,7/7,6
25
Jedes Element eines Systems hat mindestens eine Eingabe (E) und verarbeitet diese (V) zu einer bestimmten Ausgabe (A).
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 25/1
In der Faktorenfeldmethode werden Innovationen, Idee, Energie analog behandelt. Je nach Art des Systems bedeuten die Symbole für Ein- und Ausgabe Informationen, Leistung, Material oder Kapital. Ein Prozessor verarbeitet Eingaben in bestimmter Weise zu Ausgaben.
Information Energie Material Kapital
Innovation Idee Energie
Prozessor
© Dr.-Ing. Werner Preißing
. eva . prozessor
128
Preißing Basic No 25/2
Die Basics
Preißing Basic
2
№ 26
Der Prozessor
3,9/7,9
26
Ein Prozessor P ist eine Verarbeitungseinheit innerhalb eines Systems, die über einen Kapital- und Ideenspeicher verfügt und sich aus der Differenz zwischen Eingabe und Ausgabe ernährt.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 26/1
Über den Leistungsaustausch besteht in der Regel eine vertragliche Vereinbarung. Für jeden Prozessor gilt: L2 => L1, d. h. die Leistungsbilanz muss zumindest langfristig positiv sein. Kommt beim Prozessor P2 zu viel Energie an und wird zu wenig Energie zurückgegeben, kommt es beim Input der Prozessors P2 zu einer Überhitzung und beim Prozessor P1 zu einer Unterkühlung. IdeenSpeicher, Wissen
Vertrag Leistung L1
Prozessor
P2
P1
Leistung L2
KapitalSpeicher
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 26/1
. prozessor . leistungsaustausch
129
Copyright Dr.-Ing. Werner Preißing
04.02.2008
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2
Der Werkzeugkasten der Faktorenfeldmethode
Preißing Basic Umwandlungspotenzial
№27 6,6/7,6
27
Die tatsächliche oder vermutete Fähigkeit eines Prozessors, Masse in Energie zu verwandeln, macht attraktiv.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 27/1
Ist das Umwandlungspotenzial sehr hoch, bewirkt das auf das Umfeld Anziehungskräfte bis hin zu Suchterscheinungen.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 27/2
. prozessor . umwandlungspotential
130
Die Basics
Preißing Basic Spindelhub
2
№ 28 4,3/5,8
28
Spindelhub bezeichnet die Fähigkeit, über den Dingen der Tagesebene zu stehen und sie aus einer übergeordneten Sicht zu Funktionen einer Idee zu machen.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 28/1
Selbstdistanz erzeugt Souveränität und Humor im Abstand von der Tagesebene.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 28/2
Aus der Vogelperspektive lassen sich Probleme besser identifizieren und ordnen.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 28/3
Im Spindelmodell sorgt der Spindelhub für die Aufrechterhaltung der Distanz zwischen der Ideenebene und der Ebene der Faktoren.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 28/4
. spindelmodell . spindelhub
131
2
Der Werkzeugkasten der Faktorenfeldmethode
Preißing Basic Ökologisches System
№ 29
29
10,7/7,6
In ökologischen Systemen sind Elemente gleichzeitig Prozessoren und Energieträger. Der Energieaustausch im Wirtschaftssystem verläuft analog.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 29/2
. ökologisches system . prozessor . energieträger
132
Preißing Basic No 29/1
Die Basics
Preißing Basic
2
№ 30
30 Erd- und Luftanteile
2,5/11,4
Jeder Prozessor und jedes Produkt lässt sich über sein Mischungsverhältnis aus Innovation (I) und Redundanz (R) charakterisieren.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 30/2
Preißing Basic No 30/1
Im Sinne der Informationsverarbeitung können auch die Mitarbeiter eines Unternehmens als Prozessoren mit einem bestimmten Mischungsverhältnis an Innovation und Redundanz verstanden werden. Für das Gesamtunternehmen ergibt sich dadurch eine Gesamtkonstellation in Bezug auf dieses Mischungsverhältnis. Redundanz wird in diesem Zusammenhang als Erdanteil, Innovation als Luftanteil bezeichnet.
. erdanteile . luftanteile . unternehmen
133
2
Der Werkzeugkasten der Faktorenfeldmethode
31 Preißing Basic
№ 31
Das Leistungsflussmodell Erla P.
5,2/10,7
Der Leistungsfluss in einem Unternehmen verläuft (hier von rechts nach links) von Anbahnungen (Prognosen P2) über Angebote (Prognosen P1) zu Aufträgen (A), Leistungen (L), Rechnungen (R) bis hin zu den Einnahmen (E). © Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 31/1
Bei der Steuerung ist für einen ausgeglichenen Leistungsfluss, vor allem aber für genügend Zufuhr von außen (über P2) zu sorgen. Beim Controllingverfahren nach Erla P. wird das Soll–Volumen der Pipeline-Abschnitte mit dem vorhandenen Ist–Volumen verglichen. Für die Leistungsabschnitte und die Transferstellen gelten spezifische Anforderungen an die dafür zuständigen Mitarbeiter. Bei der Auswahl geeigneter Mitarbeiter wird u. a. das Balanceprofil verwendet.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 31/2
Preißing Basic No 31/3
. leistungsfluss . erla p. . balanceprofil
134
Im Balanceprofil werden persönliche Eigenschaften wie N Nervenstärke, O Offenheit, V Verträglichkeit, E Extraversion, G Gründlichkeit mit Anforderungsprofilen verglichen. Auf diese Weise ist eine adäquate, gezielte Positionierung und Förderung von Mitarbeitern möglich.
Die Basics
Preißing Basic
32
Geschlossene und offene Systeme Geschlossene Systeme sind durch klare Regeln, Konventionen und Vorschriften gekennzeichnet. Sie sind für ein vernünftiges Zusammenleben erforderlich, bieten Sicherheit, verhindern, das man jedesmal den Tag neu erfinden muss. Geschlossene Systeme sind aber auch die Heimat von Klischees, Angstvorstellungen und Intoleranz. Geschlossene Systeme gibt es nur, wenn wir sie als solche definieren oder akzeptieren. Fremdbestimmte geschlossene Systeme neigen dazu, Angst und Stress zu erzeugen. Offene Systeme sind überwiegend chaotisch, erfordern ein ständiges Navigieren, Positionieren, Zielbestimmung und Bewegung. Offene Systeme sind die Heimat von Intuition, Innovation und Neuorientierung. Innerhalb offener Systeme dienen geschlossene Systembereiche zur Vereinfachung. Der Übergang vom geschlossenen System in ein offenes System ist schmerzhaft und erzeugt Angst.
2
№ 32 3,6/2,2
Geschlossenes System
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 32/1
Offenes System
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 32/2
Übergang
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 32/3
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 32/5
Die Geburt
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 32/4
. geschlossene systeme . offene systeme
135
2
Der Werkzeugkasten der Faktorenfeldmethode
Preißing Basic
33
Der Problemklumpen
№ 33 1,0/3,4
Ein Problem ist manchmal wie ein Felsbrocken, ein Konglomerat, bei dem die Person selbst Teil des Problemklumpens ist.
Zur Problemlösung muss der Problemklumpen zunächst in Einzelteile zerschlagen werden.
Durch die damit erst mögliche Betrachtung der Bestandteile aus der Distanz können die Komponenten des Problems isoliert und aus der Sicht einer übergeordneten Idee relativiert werden.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
. problemlösung . problemklumpen
136
Preißing Basic No 33
Die Basics
Preißing Basic Das Navigationssystem
© Dr.-Ing. Werner Preißing
2
№ 34
34
5,4/0,9
Preißing Basic No 34/1
Zum Navigieren in offenen Systemen gehört die Standortbestimmung, d. h. die Feststellung der Ausgangssituation mit allen wichtigen Einflussfaktoren. Das Ziel läßt sich, wie der Standort auch, in einem Faktorenfeld beschreiben. Um von der Ausgangssituation zum Ziel zu gelangen, ist eine Strategie erforderlich. Die Idee des Zieles orientiert sich möglicherweise an einer höheren Idee, die als Leitbild formuliert und möglichst visualisiert wird. Sowohl in Bezug auf die Ist-Situation als auch in Bezug auf das gesteckte Ziel, spielen nicht nur die jeweiligen Faktoren eine Rolle, sondern immer auch die Idee, die Interpretation des Ist-Zustandes und die mit dem Ziel zu erreichende Idee.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 34/2
. navigationssystem . idee . vision . ziel . strategie . offene systeme
137
2
Der Werkzeugkasten der Faktorenfeldmethode
Preißing Basic Idee und Persönlichkeit
№ 35
35
6,6/4,4
Eine homogene Persönlichkeit wirkt durch Haltung, Profil und Ausstrahlung.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 35/1
Hierzu gehört eine klare Idee, die die Persönlichkeit von sich selbst hat.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 35/2
Sind Persönlichkeiten mit einem entsprechenden, eigenen Profil in ein Unternehmen eingebunden, muss die Unternehmensidee für die Idee der jeweiligen Persönlichkeit attraktiv oder zumindest akzeptabel sein.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 35/3
. idee . persönlichkeit
138
Die Basics
Preißing Basic
2
№ 36
36
Idee des Unternehmens
9,6/3,0
Ein Unternehmen benötigt eine gemeinsame, klare Idee im Sinne einer Identität. Diese Idee bewirkt Identifizierbarkeit, Authentizität und Homogenität.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 36/1
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 36/2
Die Mitarbeiter eines Unternehmens müssen sich mit der Unternehmensidee identifizieren können oder zumindest einen Sinn darin sehen.
. idee . unternehmen . organismus . authentizität . identität
139
2
Der Werkzeugkasten der Faktorenfeldmethode
Preißing Basic
№ 37
37
Idee und Form
10,2/1,0
Jede Idee benötigt eine Form, um sich in der Realität manifestieren zu können.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 37/1
Wächst eine Idee, muss die Form mitwachsen, ansonsten entwickelt sich die Idee weiter und findet eine neue Form.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 37/2
Die alte Form bleibt als tote Spindel übrig.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
. idee . form . formalismus . tote spindel
140
Preißing Basic No 37/3
Die Basics
Preißing Basic Das Spindelmodell
2
№ 38
38
4,5/3,2
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 38/1
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 38/2
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 38/3
In einer Spindel werden einer Idee die Faktoren eines Faktorenfeldes als Funktionen zugeordnet.
Die Idee wird durch einen organisatorischen Fußpunkt auf der Funktionsebene repräsentiert und durch Spindelhub auf der Ebene über den Funktionen stabilisiert.
. spindelmodell
141
2
Der Werkzeugkasten der Faktorenfeldmethode
Preißing Basic
№ 39
39
Die Spindelorganisation
4,8/4,5
Das Spindelmodell ist ein zentrales Organisationsprinzip lebender Organismen. Unternehmen sind funktional nach diesem Modell zu strukturieren. Die Grundkonstruktion der Spindel wird in den Teilfunktionen wiederholt. © Dr.-Ing. Werner Preißing
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 39/2
. spindelorganisation . lebendiger organismus
142
Preißing Basic No 39/1
Die Basics
Preißing Basic
40
2
№ 40 6,1/4,4
Tote Spindeln
Bei „toten Spindeln“ fehlt die Ideenebene. Nur die funktionale Ebene, die Struktur existiert weiter.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 40/1
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 40//2
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 40/3
Eine Wiederbelebung toter Spindeln durch eine neue Idee ist schwierig bis unmöglich. Der Energieaufwand ist unverhältnismäßig groß, die Erfolgsquote gering.
Der Zusammenhang in der toten Spindel muss zunächst aufgelöst werden, um der Spindel eine neue Idee geben zu können.
. tote spindeln
143
2
Der Werkzeugkasten der Faktorenfeldmethode
Preißing Basic
№ 41
41
Persönliche Positionierung
8,2/1,4
Die persönliche Positionierung ist nicht statisch, sondern verläuft als Prozess zwischen Chaos und Ordnung, schlafen und aufwachen, sich positionieren und loslassen. Eingebunden sein in eine Situation wie im Schlaf bedeutet Entspannung, aber auch Fremdbestimmtheit, heißt auf der zweidimensionalen Ebene passiv von Faktoren gesteuert zu werden. © Dr.-Ing. Werner Preißing
© Dr.-Ing. Werner Preißing
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 41/1
Preißing Basic No 41/2
Preißing Basic No 41/3
Idee
Faktoren werden Funktionen
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Beim Aufwachen nehmen wir die Dinge um uns herum wahr, unterwerfen uns der glücklicherweise vorhandenen Routine. Die Dinge um uns herum sind geordnet, allerdings immer noch auf der zweidimensionalen Ebene. Weg von der Routine, neue Ideen umsetzen, erfolgt ausschließlich in einer Ebene oberhalb des Tagesgeschehens. Dazu ist Spindelhub erforderlich. Wegdenken, Infragestellen, führt zu innovativen Ansätzen, die aus der zweidimensionalen RoutineEbene in die dritte Dimension führen. Ist die neue Idee, ein Projekt geboren, werden Faktoren zu Funktionen der Idee, wird die Ideenebene durch Spindelhub in der dritten Dimension stabilisiert und ein neuer Organismus geboren.
Preißing Basic No 41/4
. persönliche positionierung . chaos . ordnung
144
Die Basics
Preißing Basic
42
Zyklen
2
№ 42 1,5/0,8
Die Entwicklung von Unternehmen verläuft zyklisch entlang einer Tendenzlinie. Innovation (I) sorgt für Auftrieb. Redundanz (R) folgt der Gravitation. I Das Attraktivitätsmaß (α²) setzt sich zusammen aus den Quotienten α² ~ R.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 42/1
Der Abstand zwischen Hoch- und Tiefpunkten, die Amplituden sind jeweils für die Entwicklung eines Unternehmens charakteristisch. Auch langfristige wirtschaftliche Entwicklungen zeigen solche Zyklen, wobei für den wirtschaftlichen Aufschwung grundlegende Basisinnovationen erforderlich sind. In den Zyklen lassen sich vier Phasen unterscheiden: Talsohle: gekennzeichnet durch Depression, Arbeitslosigkeit, aber gute Entwicklungsmöglichkeiten für Innovatoren. Aufschwungphase: Erfindungen, Innovationen, positive Gesamtstimmung. Hochphase: wirtschaftlicher Wohlstand, aber auch gekennzeichnet durch Dominanz von Bewahrern und innovationsfeindlichen Strömungen.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 42/2
Abschwungphase: Zunahme von Konflikten und Auseinandersetzungen, aber auch beginnende Chancen für Innovation.
. zyklen . phasen . innovation
145
2
Der Werkzeugkasten der Faktorenfeldmethode
Preißing Basic Die Entwicklungsspirale
№ 43
43
6,7/12,3
Die Entwicklung von Organismen verläuft solange in weitgehend ruhiger Kreisbahn, bis ein außergewöhnliches Ereignis, ein Problem als Exzenter zur Neuorientierung zwingt. Exzenter sind Ereignisse gravierender Art (z. B. Erkrankungen, aber auch impulsgebende Begegnungen). © Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 43/1
In der Folge ergibt sich eine Regression oder Progression im Verlauf der Entwicklung.
© Dr.-Ing. Werner Preißing Preißing Basic No 43/2
Im Falle der wiederholten progressiven Entwicklung ergibt sich die Form einer Entwicklungsspirale.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
Preißing Basic No 43/3
. entwicklungsspirale . exzenter
146
Die Basics
Preißing Basic Der Problemlösungszirkel
© Dr.-Ing. Werner Preißing
2
№ 44
44
8,8/6,8
Preißing Basic No 44
Im Problemlösungszirkel werden 9 Schritte durchlaufen: Schritt 1: Identifikation Schritt 2: Analyse Schritt 3: Ideenentwicklung Schritt 4: Ideenbewertung Schritt 5: Zielentscheidung Schritt 6: Aktionsplanung Schritt 7: Aktion Schritt 8: Kurskontrolle Schritt 9: Bewertung Je nach Situation und Problemlage werden alle Schritte vollständig durchlaufen oder abgekürzt. Bei allen Schritten spielt der Faktor Intuition eine maßgebliche Rolle.
. problemlösungszirkel . intuition
147
2
Der Werkzeugkasten der Faktorenfeldmethode
Preißing Basic
№ 45
45
Das magische Dreieck
12,1/1,0
Projekte und Produkte entwickeln sich im Spannungsfeld zwischen Idee, Persönlichkeit und Umfeld. Nur wenn alle drei Komponenten ausgewogen berücksichtigt sind, ergibt sich eine erfolgreiche Konstellation.
© Dr.-Ing. Werner Preißing
. magisches dreieck . persönlichkeit . idee . umfeld
148
Preißing Basic No 45
3 3.1
Probleme lösen
Der Problemlösungszirkel
Problem, Frage oder Aufgabe Ein Problem ist, was seine Wortbedeutung anbelangt, eine „schwer zu beantwortende Frage, bzw. eine schwierige, noch ungelöste Aufgabe, Fragestellung“ (Pfeifer 2004). Das Wort selbst stammt vom griechischen Wort probállein ab, das wörtlich vor- oder hinwerfen bedeutet. Es wurde in dem Sinne verwendet, einem Gremium eine schwierige Frage zur Besprechung vorzutragen. Ausgehend von dieser Bedeutung hat das Wort „Problem“ (und vielleicht auch sein substanzieller Hintergrund) einen immensen Verbreitungsgrad erlangt. Wir kennen wissenschaftliche, akademische, persönliche, technische, existenzielle, wirtschaftliche Probleme. Vermutlich kann alles, was ist, auch Probleme bereiten, und zwar dann, wenn etwas nicht so funktioniert, wie wir wollen. Dafür kann es dann zwei Gründe geben: Etwas ist tatsächlich in einem unakzeptablen Zustand oder wir erwarten zu viel von unserem Umfeld. Ein Problem haben, ist somit auch eine Frage der persönlichen Wahrnehmung. Was für den einen ein schwieriges Problem ist, nimmt ein anderer gar nicht als Problem wahr.
Problem
Wir lösen ständig Probleme Wir sind eigentlich ständig damit beschäftigt, Probleme zu lösen. Viele Probleme tauchen als solche gar nicht mehr in unserem Bewusstsein auf, weil die Lösungen bereits seit langer Zeit bekannt und entsprechende Handlungen zur Problemlösung längst automatisiert sind. Das Binden von Schnürsenkeln ist ein an sich recht kompli-
Automatisierte Problemlösun gen
149
3
Probleme lösen
zierter Vorgang, wurde aber geübt und läuft beim Erwachsenen i. d. R. ab, ohne dass er darüber nachdenken muss. Autofahren funktioniert nach entsprechender Fahrpraxis ebenfalls weitgehend automatisiert. Erst wenn eine neue Situation eintritt, der Schnürsenkel reißt oder das Auto schleudert, wird die Situation bewusst wahrgenommen. Probleme auf der Tagesebene erfordern praktisches Denken und u. U. eine sehr schnelle Reaktion. Leider können automatisierte Problemlösungen auch zu unangemessenen Handlungen führen, und zwar dann, wenn sich die Problemsituation geändert hat. Wurde z. B. die Vorfahrtsregelung auf dem täglichen Weg zur Arbeit geändert, erfordert das ein erhebliches Maß an Aufmerksamkeit und einen Prozess des Umlernens. Die erneute Automatisierung im gewohnten Umfeld ist schwieriger als beim ersten Mal. Jedes Problem kann als eine Chance, eine Herausforderung betrachtet werden. Wer sich Ziele setzt oder Aufgaben formuliert, schafft sich Probleme und sollte dabei durchaus das Ziel selbst zum Untersuchungsobjekt machen und hinterfragen, wozu es eigentlich dient. Manche erkennen Probleme auch gar nicht als solche und sind dabei durchaus nicht unglücklich. Wer aus allem ein Problem macht, kann vor lauter Problemlösungsstrategien auch handlungsunfähig werden. Am Stammtisch werden die schwerwiegendsten Probleme gelöst, ohne bei der Umsetzung beteiligt zu sein. Probleme im Team zu lösen, erfordert eine gute Aufbereitung der Sachlage und einen Moderator. „Bei manchem Sitzungsteilnehmer muss man fragen: Hilft er bei der Lösung oder gehört er zum Problem?“ (Robert Jungk) Fragen
150
Im Gegensatz zu einer Frage ist ein Problem verbindlicher und hat zumeist auch mit persönlicher Betroffenheit zu tun. Unbeantwortete Fragen können manchmal auch zu Problemen werden, dann z. B., wenn vermeintliche Selbstverständlichkeiten infrage gestellt werden. Bertrand Russel (engl. Mathematiker und Philosoph) formuliert: „Hin und wieder ist es sinnvoll, ein Fragezeichen hinter Dinge zu setzen, die wir schon lange für selbstverständlich nehmen“ (Russel).
3
Der Problemlösungszirkel
Fragen und die damit verbundene Neugier sind die Ausgangsbasis aller Erkenntnisse. Viele existentiellen Probleme haben häufig ihren Entstehungsort auf der Tagesebene, ein anstehender Prozess, eine Auseinandersetzung im Büro, wirtschaftliche Schwierigkeiten usw. Sind solche Probleme groß genug, kann es zu Panikattacken und zu Denkblockaden kommen. In solchen Situationen ist die Faktorenfeldmethode besonders hilfreich, weil sie zwangsläufig zur Distanz von der Tagesebene führt, die geballten Problemfaktoren eines Problemklumpens isoliert, und damit überhaupt erst die Basis zur Problemlösung schafft. Wenn man das Gehirn in Ruhe lässt, denkt es ständig über Fragen nach, macht sich manchmal Probleme, denkt dabei häufig auch im Kreis herum. Geschwister der Probleme sind dann Sorgen, die z. B. ungewollt nach dem Aufwachen auftauchen, manchmal durch einen Traumrest initiiert, was dazu führt, dass man nicht mehr einschlafen kann.
Die Faktoren feldmethode als Problemlö sungsmittel
Am besten ist es dann, aufzustehen, sich die Faktoren zu notieren (am besten in einem Faktorenfeld oder einer Problemskizze), um sich dann evtl. wieder schlafen zu legen. Dieses Rezept funktioniert, zumindest bis zu einem gewissen Grad der Probleme einfach dadurch, dass das Gehirn durch das Blatt Papier einen Partner gefunden hat, dem es ge nauso geht wie ihm selbst.
Bösartige Probleme entstehen dann, wenn alle Handlungsalternativen letztlich zu einem negativen Ergebnis führen. Das erfordert dann ein Abwägen der vermutlichen Folgeschäden, sofern das überhaupt möglich ist. Muss dann trotzdem sofort eine Entscheidung getroffen werden, bleibt als einziges Instrumentarium die Intuition.
Bösartige Probleme
Das Lösen von Problemen gehört zum Leben „Probleme und Problemlösungen scheinen zusammen mit dem Leben entstanden zu sein“ (Popper 2006, S. 70). Popper sieht die Entwicklung der Arten im Sinne von Darwins Evolutionstheorie in enger Verbindung mit der Entwicklung des menschlichen Bewusstseins und der Fähigkeit, Probleme zu lösen. Insofern sind Stra-
Bedeutung von Problemen
151
3
Problemlö sungsschema
152
Probleme lösen
tegien zur Vermeidung von Problemen lebensfeindlich. Jedes gelöste, nicht triviale Problem bringt uns voran, bringt uns einen Erkenntnisgewinn. Die Vorstufe von Problemen sind Fragen und die Neugier, etwas wissen zu wollen. Dabei sind Kinder unsere großen Vorbilder. Popper schlägt ein dreistufiges Schema vor („Alles Leben ist Problemlösen“ (Popper 2006, S. 15 ff.) 1. das Problem, 2. die Lösungssuche, 3. die Elimination und zeigt auf, wie sich dieses Schema auf einen einzelnen Organismus, auf die Darwinistische Entwicklungstheorie bei der Entstehung der Arten und auf die Wissenschaftstheorie anwenden lässt. Aus dem Trial-and-Error-Prinzip entstehen Lernprozesse, die sich über „synaptische Transmission“ (Eccles 1990, S. 226) im Gehirn verankern. Wir lernen aus Experimenten, und zwar sowohl auf der Handlungsals auch auf der Denkebene. Experimentelles Handeln kann aber bei gefährlichen Situationen zum Tod des Organismus führen. Popper stellt im Zusammenhang mit dem dreistufigen Problemlösungsschema die Frage [(120), S. 24]: „Worin besteht der Unterschied zwischen einer Amöbe und Albert Einstein?“ (Popper 2006, S. 24) und antwortet: „Im Fall der Amöbe stirbt diese bei einem fehlgeschlagenen Lösungsversuch, wird eliminiert, während bei Albert Einstein höchstens eine Theorie eliminiert wird“ (Popper 2006, S. 24). In der Praxis ist experimentelles Denken häufig vorteilhaft. Als Werkzeug hierzu dienen u. a. auch Computersimulationsprogramme, mit denen komplexe Situationen auf einem Computer durchgespielt und Handlungsalternativen ausprobiert werden können. Popper formuliert: „Jede Lösung eines Problems schafft neue, ungelöste Probleme. Diese neuen Probleme sind um so interessanter, je schwieriger das ursprüngliche Problem war und je kühner der Lösungsversuch. Je mehr wir über die Welt erfahren, je mehr wir unser Wissen vertiefen, desto bewusster, klarer und fester umrissen wird unser Wissen über das, was wir nicht wissen, unser Wissen über unsere Unwissenheit. Die Hauptquelle unserer Un-
3
Der Problemlösungszirkel
wissenheit liegt darin, dass unser Wissen nur begrenzt sein kann, während unsere Unwissenheit notwendigerweise grenzenlos ist“ (Popper 2004a, S. 186) und weiter: „Ich glaube, dass es der Mühe wert ist, den Versuch zu machen, mehr über die Welt zu erfahren, selbst wenn alles, was bei dem Versuch herauskommt, nichts ist als die Erkenntnis, wie wenig wir wissen. Es dürfte uns gut tun, uns manchmal daran zu erinnern, dass wir zwar in dem Wenigen, das wir wissen, recht verschieden sein mögen, dass wir aber in unserer grenzenlosen Unwissenheit alle gleich sind“ (Popper 2004a, S. 186).
Der Problemlösungszirkel: Schritte zur Problemlösung Im Problemlösungszirkel werden neun Schritte im Zusammenhang mit der Lösung von Problemen unterschieden. 1. Identifikation, 2. Analyse, 3. Ideenentwicklung, 4. Ideenbewertung, 5. Zielentscheidung, 6. Aktionsplanung, 7. Aktion, 8. Kurskontrolle, 9. Bewertung.
Der Problemlö sungszirkel
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Probleme lösen
In der Mitte steht das Problem selbst, manchmal in einer Häufung mehrerer Probleme als „Problemrudel“, manchmal als „diffuse Wolke“, manchmal als „Problemklumpen, bei dem der Problembesitzer selbst Teil eines Problemkonglomerates ist. Grundvoraussetzung für die Problemlösung ist, dass man das Problem identifiziert, ihm einen Namen gibt und es zumindest temporär aus einer gewissen Distanz betrachtet
Die neun Schritte des Problemlösezirkels Schritt 1: Identifikation Distanz
Distanz ist die erste wichtige Grundvoraussetzung, um Probleme überhaupt wahrnehmen zu können. Besonders bei einem hohen Maß an Betroffenheit ist es schwer, sich von der Faktenebene des Problems zu lösen, um das Problem so nüchtern es geht aus der Distanz zu betrachten, die Vogelperspektive einzunehmen. Noch schwieriger ist es, wenn man selbst sozusagen Bestandteil des Problems ist und die Umklammerung zuerst einmal gelöst werden muss. Um ein Problem lösen zu können, muss es zunächst als solches wahrgenommen, identifiziert und dabei auch angemessen ernst genommen werden.
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Schritt 2: Analyse Problemkontext
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Bei der Analyse eines Problems ist die Frage nach dem Problemkontext und dem Hintergrund des Problems zu stellen. Hierzu bietet sich die Faktorenanalyse der Faktorenfeldmethode zur nüchternen Bestandsaufnahme an. Außerdem ist es hilfreich, die Problemsituation in Form eines Systembildes zu veranschaulichen. Kriterium für eine gute Problemdarstellung in diesem Sinne ist, dass ein Außen-
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Der Problemlösungszirkel
stehender das Problem möglichst unmittelbar und ohne große Erläuterung erfassen kann. Erstaunlicherweise ergeben sich aus der Durchdringung des Problems auf diese Weise manchmal bereits Ansätze für Problemlösungen. 3.003
Ziel der Problemanalyse ist es, die Essenz des Problems zu erkennen, die Hintergründe aufzudecken, um so von vornherein auf Nachhaltigkeit und die Berücksichtigung der Fernwirkung bei der Problemlösung hin zu steuern. Wichtig ist dabei die Kunst, die richtigen Fragen zu stellen. Bereits in dieser Phase ist Kreativität und Fantasie gefragt, denn ungewöhnliche Probleme erfordern ungewöhnliche Fragen, um sie in ihrer Essenz verstehen zu können. Schritt 3: Ideenentwicklung Wie ich von meinem Doktorvater Prof. Rittel im Laufe meines Architekturstudiums gelernt habe, besteht „Entwerfen … darin, Varianten zu erzeugen und anschließend einzugrenzen.“
Varianten finden
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Probleme lösen
Varianten zur Problemlösung zu finden, ist Entwurfsarbeit. Dabei ist es wichtig, zunächst auch die verrücktesten Ideen zuzulassen. Das gilt insbesondere dann, wenn Teams an eine Entwurfsaufgabe gehen. Auch in dieser Phase ist es vorteilhaft, Systembilder der Lösungsvarianten zu zeichnen, weil es bei der folgenden Bewertung der Lösungsvarianten darum geht, die Essenz der alternativen Problemlösung möglichst mit einem Blick erfassen zu können. Jede Variante sollte dabei auch einen Namen erhalten, der die Lösungsvariante treffend identifiziert. Schritt 4: Ideenbewertung Varianten bewerten
Auch wenn die Schritte 3 und 4 manchmal eng verzahnt sind, ist es sinnvoll, mit der Bewertung der Varianten erst nach Abschluss der kreativen Entwurfsarbeit zu beginnen.
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Entscheidungs tabelle
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Taktgeber bei der Bewertung der Lösungsvarianten sind die eigenen Ziele und Präferenzen, die in Form von Bewertungskriterien schriftlich festgehalten werden. Dabei hat sich eine Entscheidungstabelle bewährt. Auch hierbei gilt wieder: Zunächst alle Bewertungskriterien zulassen und erst dann bewerten – in diesem Fall z. B. auch mit einem Punktesystem zur Gewichtung (W).
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Der Problemlösungszirkel 3.006
Bewertungstabelle für Varianten Die Problemlösungsvarianten (V1, V2, …) erhalten in Bezug auf das jeweilige Bewertungskriterium Punkte (P), die dann mit dem Kriteriengewicht der Problemlösungsvarianten multipliziert werden (W x P). Die gewichtete Gesamtpunktzahl weist auf die differenzierte, gewichtete Priorisierung der einzelnen Varianten hin. Schritt 5: Zielentscheidung Bei diesem Schritt wird aus dem Problem „eine zu lösende Aufgabe“ bzw. ein Projekt, das mit den üblichen Methoden des Projektmanagements angegangen werden kann.
Aufgabe bzw. Projekt
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Hierzu gehört zunächst die nochmals klare Formulierung des Projektzieles und die Beschreibung der Strategie(n) zur Erreichung
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Probleme lösen
dieses Zieles. Auch dieser Schritt ist mit dem folgenden Schritt der Durchführungsplanung (Schritt 6) eng verbunden, sollte aber als bewusster Vorgang gestaltet werden. Während sich alle vorangegangen Schritte eher auf der theoretischen Denkebene abspielen, beginnt mit Schritt 5 u. U. auch der Ernstfall. Auch bei der Verwendung der Simulationstechnik, der Erstellung eines Simulationsprogramms zur Analyse, Variantenerzeugung und -evaluation muss irgendwann eine Entscheidung getroffen werden. Das fällt nicht immer leicht. Die manchmal vorhandene Angst vor dem Ernstfall führt zu endlosen Schleifen beim Entwurf und bei der Bewertung von Lösungsvarianten. Besonders schwierig wird es, wenn die Varianten hinsichtlich ihrer Konsequenzen trotz aller differenzierten Bewertung sehr nahe beieinanderliegen oder aber in ihren langfristigen Folgen kaum einschätzbar sind. „Bösartige Probleme“ (wicked problems) haben Ausgänge, die insgesamt nicht zu optimalen positiven Ergebnissen führen. Trotzdem muss manchmal entschieden werden. Schritt 6: Aktionsplanung Ressourcen
Zur Aktionsplanung gehört die Einschätzung der vorhandenen Mittel zur Zielerreichung, der Ressourcen sowie der Kosten, Kapazitäten und Zeitabläufe. Zur Lösung dieser Aufgaben bieten sich konventionelle Verfahren des Projektmanagements (wie z. B. Balkenplanoder Netzplantechniken) an.
3.008
Entsprechend dem Projektziel bzw. der Idee zur Problemlösung sind vor allem auch die erforderlichen Funktionsbereiche zur Umsetzung festzulegen. Sie ergeben sich i. d. R. aus der Untergliederung des Problems/Faktorenfeldes in operationale Felder.
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Der Problemlösungszirkel
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Hilfreich ist auch die Festlegung von Meilensteinen auf dem Weg zur Zielerreichung. Alle Instrumentarien zur Durchführungsplanung werden im nächsten Schritt, der eigentlichen Durchführung zu Kontrollinstrumentarien. Schritt 7: Aktion Bei der Durchführung von Aktionen zur Problemlösung ist die Zielkontrolle, die Feinjustierung auf dem Weg zum Ziel besonders wichtig. Aufgrund unvorhersehbarer Ereignisse erfolgt die Feinjustierung manchmal wie das „Navigieren in einem offenen System“. Sie erfordert neben logischen Komponenten auch Intuition bei erforderlichen Ad-hoc-Entscheidungen. Bei aller gründlichen Vorbereitung ist mit Unwegsamkeiten zu rechnen, auf die flexibel zu reagieren ist. Wichtig ist dabei insbesondere, das Ziel im Auge zu behalten. Zwischenergebnisse zu bewerten und den Erfolg zu kontrollieren. Sind mehrere Personen an der Projektbearbeitung beteiligt, wird aus dem Spindelmodell der Funktionsverteilung ein lebendiges System, bei dem sich alle Beteiligten in gewisser Weise selbst organisieren, die Funktionsbereiche dabei weiter differenzieren; immer unter dem Aspekt der gemeinsamen Idee. Aus einer Unternehmung kann sich so auch ein Unternehmen bilden.
Feinjustierung
Schritt 8: Kurskontrolle Kurskontrolle ist an sich ein wesentlicher Bestandteil der Projektdurchführung in Schritt 7. Wie bei der Navigation eines Schiffes ist es möglich, dass unvorhergesehene äußere Umstände, interne Schwierigkeiten oder mangelnde Aufmerksamkeit Kurskorrekturen erforderlich machen. Dabei ist auch immer die Frage zu stellen, ob die gesteckten Zwischenziele im Sinne von Meilensteinen der Zielerreichung dienen. Ebenso ist durchaus die Frage erlaubt, ob das Ziel in allen Faktoren noch der gestellten Problemlösung entspricht, denn den Abschluss dieses Schrittes bildet die Problemlösung selbst.
Zwischenziele prüfen
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Probleme lösen
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Schritt 9: Bewertung Lernerfolg
Aus dem Vergleich des erreichten Zustandes mit der Ausgangssituation, dem Zielerreichungsgrad, dem betriebenen Aufwand bei der Problemlösung und dem erreichten Nutzen ergibt sich ein Lernerfolg, der durch das Einüben der systematischen Bearbeitungsschritte später ggfs. für die Lösung von Problemen ähnlicher Art hilfreich sein kann. Letzteres ist jedoch mit Vorsicht zu genießen, denn schematisch an die Lösung von Problemen zu gehen, beinhaltet die große Gefahr, wichtige Faktoren der neuen Problemsituation zu übersehen.
Sonderfälle Aus einem Problem eine Aufgabe, ein Projekt zu machen, erzeugt schrittweise eine zunehmende Distanz bei gleichzeitig hohem persönlichen Engagement. Rückkoppelungsschleifen sind allerdings bei allen Schritten möglich und manchmal auch zwingend erforderlich. Neue Aspekte, die eine erneuerte Analyse notwendig machen, können sich insbesondere auch in der Durchführungsphase ergeben. Jede Entscheidung muss revidierbar bleiben. Unabdingbar hierfür ist die kritische Selbstdistanz bei der Problemlösung. Eine Entscheidung ist der wichtigste Schritt, zu dem Mut und Selbstvertrauen gehört. Ohne eine Entscheidung bleibt zwar erholsamerweise alles beim Alten. Was man
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Der Problemlösungszirkel
aber nicht aktiv selbst tut, muss man dann bereit sein, passiv zu ertragen. Zwischen der Wahrnehmung eines Problems und einer Aktion liegen manchmal nur Sekunden. Im Sinne von „trial and error“ sind Aktionen in manchen Situationen zum Überleben des Organismus unbedingt erforderlich. Die Trial-and-Error-Methode ist für Tiere die einzige Möglichkeit, sich zu behaupten und zu entwickeln, weil Tiere nicht dazu in der Lage sind, Situationen zu analysieren, entsprechende Handlungen simulativ vorauszudenken und zu bewerten. Für ein Tier ist der fehlgeschlagene Lösungsversuch eines Problems manchmal tödlich, bedeutet aber im größeren Zusammenhang das Prinzip der Darwinschen Auslese. Wenn Entscheidungen schnell getroffen werden müssen und das Problem selbst unübersichtlich ist, folgt nach der Wahrnehmung des Problems die sofortige Aktion. Bei der Trial-and-Error-Methode wird die Problemsituation als Black Box behandelt. Die Abbildung zeigt die Schritte bei der Trial-and-Error-Methode:
TrialandError Methode
TrialandError Methode
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3 Routinelösun gen
Probleme lösen
Nach der Problemidentifikation (1) erfolgt eine sofortige Aktion (7) zur Problemlösung. Aus der Bewertung des Resultates (9) ergibt sich u. a. eine sofortige erneute Aktion. Bei Routinelösungen erfolgt nach der Identifikation des Problems (1), die Zielentscheidung (5) und die Aktion (7).
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Probleme durchdenken
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Werden Probleme durchdacht, besteht die Problemlösung zunächst ohne das Ziel einer praktischen Umsetzung, in einer Analyse des Problems (2), der Entwicklung von Problemlösungsideen (3) und der Bewertung dieser Ideen (4).
Der Problemlösungszirkel
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Das entspricht in etwa auch der Vorgehensweise bei wissenschaftlichen Problemen.
Wissenschaftli che Probleme 3.013
Vor jedem Schritt der Problemlösung ist eine Rückkopplung zur eigentlichen Fragestellung erforderlich. Zu allen Bearbeitungsschritten gehört neben der analytischen Betrachtung auch Intuition.
11 Basisschritte der Faktorenfeldmethode Ein grundlegendes Problem besteht darin, Probleme als solche zu erkennen, sich zu positionieren und das Ganze in eine der individuellen Idee angepasste Ordnung zu bringen. Die folgenden elf Schritte zeigen, wie das Repertoire der Faktorenfeldmethode zur Ideengenerierung eingesetzt werden kann.
Bausteine der Faktorenfeld methode
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Probleme lösen
Dabei wird ein bestimmtes Repertoire an Werkzeugen einzeln bzw. in Verknüpfungen eingesetzt. Schritt 1: Mit einem Faktorenfeld Übersicht gewinnen 3.015
Stichpunkte
Mehrere offene Punkte werden über ein weißes Blatt Papier verteilt. Alle gedanklichen Stichpunkte, die zum Untersuchungsfeld aufkommen, werden ohne Berücksichtigung von Hierarchie und Wertigkeit in beliebiger Folge notiert. Begriffe, die in Anbetracht der Fragestellung gefühlsmäßig zueinander gehören, werden gleich in nächste Nähe gesetzt. Das kann auch in mehreren Schritten erfolgen. Allein durch das Notieren einzelner Stichworte auf dem Blatt werden Faktoren aus gedanklichen „Problemklumpen“ herausgelöst, isoliert, und damit in eine neutrale, entlastende Distanz gebracht.
Strukturellen Zusammenhang ermitteln
Einen Faktor in den Mittelpunkt stellen
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Je nach Untersuchungsfeld können sich die weiteren Schritte unterscheiden. Geht es beispielsweise um eine Unternehmensanalyse, bzw. Neuorientierung können operationale Felder gebildet werden. Sollten bei einem komplexen und inhomogenen Faktorenfeld die operationalen Felder nicht unmittelbar ersichtlich werden, wird man zwischen verschiedenen Faktoren probeweise Bezüge herstellen, bis sich ein sichtbarer struktureller Zusammenhang ergibt. Eine weitere Möglichkeit ist die direkte Fokussierung eines bestimmten Faktors, der als Ausgangspunkt aller weiteren Operationen in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt wird. Dieser Mittel-
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Der Problemlösungszirkel
punkt entspricht der speziellen individuellen (oder gruppenspezifischen) Bedürfnislage und nicht einer allgemeinen Wertehierarchie. Klassische Managementmethoden funktionieren i. d. R. genau umge kehrt: Sie geben Ordnungsraster vor, nach denen die vorhandenen Res sourcen, Fakten oder Funktionseinheiten eingegliedert werden sollen. Bei der Faktorenfeldmethode ist die Struktur nicht vorgegeben, sondern wird passgenau generiert. Ausgangspunkt ist kein Regelsystem, sondern es sind die real vorhandenen Faktoren, für die die geeignete Struktur individuell gesucht und erstellt wird. Hierzu ist es notwendig, dass alle vorhandenen Strukturen und Konzepte probeweise auf Null gestellt werden. Alle Faktoren werden aus dem Korsett ihres momentanen Zu sammenhanges herausgelöst, um neu denken zu können.
Schritt 2: Ordnung schaffen in ope rationalen Feldern 3.016
Operationale Felder Die Faktoren werden – entsprechend ihrer intuitiven Zusammengehörigkeit – in lose operationale Felder gegliedert. Punkte, die nicht zugeordnet werden können, bekommen ein eigenes Feld. Die Felder bleiben zunächst offen und gewissermaßen unscharf. Das richtige Maß an Ungenauigkeit hält den Prozess flexibel und le bendig. Die oft zu schnelle Zementierung von vermeintlich unver zichtbaren, linearen Strukturen lähmt die Innovationsfähigkeit.
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Probleme lösen
Schritt 3: Beziehungen ausprobieren 3.017
Einordnen von Zusammenhängen Was haben ver schiedene Fak toren miteinan der zu tun?
Einige Faktoren erscheinen im übrigen Feld manchmal als unpassend oder störend. Gerade sie können zu neuen Impulsen führen. Betrifft das Faktorenfeld beispielsweise die Untersuchung der Tätigkeiten und Handlungen einer Person, können gerade auch außerberufliche Faktoren Kompetenzen sichtbar machen, die bisher nicht wahrgenommen wurden. Die bewusste Konfrontation und Kontextualisierung an sich fremder Elemente ist eine künstlerische Strategie, die zu erstaunlichen und un verbrauchten Kontexten führt, Impulse setzt, Analogien ermöglicht und Neuordnungen schafft.
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Der Problemlösungszirkel
Schritt 4: Fokussieren 3.018
Bildung eines Zentrums Möglicherweise bekommt ein Faktor in der Betrachtung des Gesamtfeldes eine zunehmende Bedeutung, was durchaus intuitiv begründet sein kann. Probeweise kann dieser Punkt in den Mittelpunkt des operativen Geschehens gesetzt werden. Oft werden noch andere Faktoren als Zentren erprobt und somit temporäre Ordnungen hergestellt, bis sich die Idee des Ganzen allmählich abzeichnet.
Die Idee des Ganzen finden
Systematisieren bedeutet nicht zwangsläufig rational vorgehen – viel mehr erlaubt ausschließlich das spielerische Element von Probeord nungen und gedanklichen Experimenten eine Neuorientierung des Sys tems.
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Probleme lösen
Schritt 5: Verdichten 3.019
Eine Idee verdichten
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Bei der Verdichtung wird ein auf Anhieb besonders wichtig erscheinender Faktor betrachtet und nach seiner Idee befragt. Anschließend werden weitere Faktoren im Feld gesucht und mit der ersten Idee verglichen. Dabei sind Veränderungen möglich. Dann stellt sich die Frage, wie die (angepasste Idee) auf der Umsetzungsebene funktioniert. Über die Bildung von Varianten der Faktoren wird die Idee verdichtet. Der Prozess wird solange wiederholt, bis das Ergebnis zufriedenstellend ist oder gar begeistert.
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Der Problemlösungszirkel
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Der kreative Prozess bei der Ideenfindung
Schritt 6: Sich Positionieren 3.021
Positionierung und Attraktivität
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3 Positionierung als kreativer Prozess
Probleme lösen
Positionierung ist ein sukzessiver und persönlicher Prozess. Jede noch so triviale Situation sollte dazu genutzt werden, Positionierung zu erproben. Aus Ideenansätzen, die sich auf Faktoren beziehen, bildet sich in mehrfacher Angleichung die Positionierung heraus. Sie ergibt sich im Prozess zwischen dem Ist-Zustand, der Suche nach größtmöglicher Attraktivität und Dichte und persönlicher Authentizität. Positionierung findet ständig statt. Sie ist ein nie abgeschlossener kreativer Prozess, ähnlich der Heranbildung einer Kultur (Unternehmenskultur oder Unternehmensphilosophie). Ein solcher Prozess lässt sich weder durch rationale Zielsetzung ersetzen noch durch Strukturen erzwingen. Kreative Prozesse lassen sich aber durch Impulse fördern und erlernen. Oft verwechselt man eine Positionierung mit dem formalen Posten, bei spielsweise dem Posten des Personalleiters, dem Posten des Geschäfts führers etc. „Postierung“ – also die formale Einrichtung von hierarchi schen Positionen oder Posten, die keiner Idee folgt – kann eine lebendige und authentische Positionierung geradezu verhindern. Die Struktur sollte immer der Idee folgen und kein Selbstzweck sein.
Schritt 7: Idee bilden Durch die Konzentration auf ein Faktorenfeld zeichnen sich dessen Ideen ab. Jeder Punkt kann zum zentral wichtigen Element erhoben werden. 3.022
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Der Problemlösungszirkel
Auch alle anderen Punkte lassen sich probeweise von der Idee dieses Punktes aus beleuchten. 3.023
Aus der Betrachtung persönlicher Kompetenzschwerpunkte ergibt sich die Idee von sich selbst und die Einbindung in das Umfeld. 3.024
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Probleme lösen
Analog ergibt sich aus der Betrachtung des Unternehmensfeldes die Unternehmensidee unter Berücksichtigung der Kompetenzen der Mitarbeiter. 3.025
Es ist dabei zu vermeiden, einen „Wolperdinger“ zu bilden, also mehrere Ideen auf gleicher Ebene umsetzen zu wollen. Eine überlebensfähige Strategieumsetzung ist so nicht möglich. 3.026
Die Idee hat immer auch eine persönliche Komponente. Ein Beispiel soll das verdeutlichen: Die Betriebswirtin Christiane K. war von Haus aus etwas mollig, liebte kulinarisches Essen, vorzugsweise in französischen Restaurants, und legte auch sonst Wert auf Kultur und Lifestyle. Ärger lich erschienen ihr schon lange die eingeschränkten Möglichkeiten ei ner modischen Kleidung aufgrund ihrer Konfektionsgröße. Designerklei der werden vom „Idealmaß“ einfach hochvergrößert, ohne auf Problem
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Der Problemlösungszirkel
stellen der Figur einzugehen. Sie entschloss sich, zu handeln, kündigte ihre Stelle in einem großen Steuerberatungsbüro und gründete ein Un ternehmen für Designermode für Mollige. Die Idee – eine Marktlücke – beschäftigt heute 150 Schneiderinnen, Modedesigner und Führungs kräfte. Christiane K. lebt Ihre Idee überzeugend.
Schritt 8: Stabilisieren Die (Unternehmens-)Idee ist mit jedem einzelnen Faktor verbunden. Gleichzeitig ist sie die zentrale Position der Funktionseinheiten. 3.027
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Probleme lösen
Jede einzelne Funktion kann wieder in eine weitere Funktionseinheit gegliedert werden. Auf diese Weise setzt sich die Idee als Teilidee fort. Bisherige Modelle von Managementstrukturen basieren in der Regel auf einer zweidimensionalen Darstellung. Die dritte Dimension der Fak torenfeldmethode erlaubt die strukturelle Einbindung der Idee. System fehler werden in der Darstellung unmittelbar erkennbar.
Schritt 9: Systemfehler vermeiden Verlust der Idee
Ein gravierender Systemfehler ist beispielsweise der Verlust der Idee. Geht die Idee verloren, entsteht eine tote Spindel. Dabei überdauern die Formalismen, die sich noch eine Weile selbst verwalten, auf Dauer jedoch zerfallen.
3.029
Ist eine Funktion von zwei unterschiedlichen Ideen besetzt, agiert sie schizophren. Der Energieverlust ist zu hoch, eine nachhaltige Strategie nicht möglich. 3.030
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Der Problemlösungszirkel
Eine direkte Verbindung zwischen zwei Funktionen unterschiedlicher Ideen auf der gleichen Ebene ist zum Scheitern verurteilt, Streit vorprogrammiert. 3.031
Schritt 10: Allianzen schaffen 3.032
Allianzen bedürfen einer gemeinsamen Idee, um dauerhaft und erfolgreich miteinander kooperieren zu können. Größere Struktureinheiten wie große Firmen oder Universitäten leiden häufig an einer falsch verstandenen Interdisziplinarität, bei der Koope rationen rein formal verstanden werden. Solche Kooperationen bleiben unbelebt und können nicht erfolgreich sein.
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Probleme lösen
Schritt 11: Ein Unternehmen strukturieren 3.033
Die Spindel eines Unternehmens setzt sich aus einem Ideenträger, den Funktionen der Idee und dem Fußpunkt der Idee, der mit der Idee über den Spindelhub verbunden ist, zusammen. Die Spindel kann als Baustein auf unterschiedlichen Ebenen weitergeführt werden. Dabei wiederholt sich das Prinzip. 3.034
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Der Problemlösungszirkel
Jede Funktionseinheit ist mit der zentralen Idee verbunden. 3.035
Jede gute Unternehmensstruktur lässt sich lückenlos mit dem Spindel modell abbilden. Gelingt das nicht, sind Kommunikations und Kompe tenzprobleme vorprogrammiert. Somit deckt das Spindelmodell Struk turfehler auf.
Lineare und nonlineare Methoden Die heute verfügbaren Problemlösungsmethoden können unterschieden werden in lineare und non-lineare oder systemische Methoden. Lineare Problemlösungsmethoden setzen innerhalb eines geschlossenen Systems einen fest umrissenen Problemrahmen und einen klar definierten Ausgangspunkt voraus. Lineare Methoden sind überwiegend analytisch orientiert und sprechen im Hemisphärenmodell eher die linke Gehirnhälfte an.
Lineare Prob lemlösungs methoden
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Probleme lösen
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Nonlineare Problemlö sungsmethoden
Non-lineare Problemlösungsmethoden dienen zur Problemlösung in offenen Systemen und setzen weder einen klaren Problemrahmen noch einen klar definierten Bezugspunkt voraus. Sie sind überwiegend intuitiv orientiert und eher in der rechten Gehirnhälfte angesiedelt.
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Reale Probleme
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Reale Probleme haben immer einen Problemkontext und sind nonlinear. Deshalb eignen sich zur Lösung realer Probleme überwiegend non-lineare Methoden.
Der Problemlösungszirkel
Die Faktorenfeldmethode ist in Bezug auf die Schritte der Faktorenerfassung vergleichbar mit Methoden des Brainstormings2, Brainwritings3 oder Clusterings4. Wenn ein Faktor zum zentralen Punkt erhoben wird, ähnelt die Vorgehensweise der Methode des Mindmappings5. Beim Mindmapping geht es schwerpunktmäßig nicht um Problemlösung und Entscheidung, sondern um die von der Struktur her gesehene hierarchische Darstellung eines Themenfeldes. Deshalb ist beim Mindmapping auch keine dritte Dimension erforderlich. Balkenplantechnik6 und Netzplantechnik7 eignen sich für die Vorbereitung und Umsetzung von Projekten. Im Bereich der Bestandsaufnahme und Analyse werden heute beispielsweise die Verfahren der SWOT-Analyse8, PEST-Analyse9, Portfolio-Analyse10 eingesetzt. Bei der Ideengenerierung und -bewertung finden matrixorientierte
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3 Faktorenerfas sung Mindmapping
Brainstorming: Von Alex Osborn entwickelte Methode zur Ideenfindung, bei der Teilnehmer einer Gruppe Begriffe zu einem Thema suchen. Brainwriting: Ähnlich wie Brainstorming, aber die Teilnehmer schreiben die Begriffe auf. Clustering: Kreativitätstechnik, entwickelt von Gabriele L. Rico als eine Methode des kreativen Schreibens. Mindmapping: Baumdiagramm zur Gliederung von Themen, entwickelt von Tony Buzan. Balkenplantechnik: Nach Henry L. Gantt benanntes Instrument zur Darstellung des Zusammenhanges von Aktivitäten in einer Zeitachse. Netzplantechnik: Darstellung der Vernetzung von Arbeitsvorgängen mit Vorgängern und Nachfolgern und „kritischem Weg“. SWOT-Analyse: SWOT = strength, weakness, opportunities and threats = Stärken, Schwächen, Möglichkeiten und Risiken PEST-Analyse: Globale Umwelt-Analyse, Politisch-rechtliches Umfeld, Soziokulturelles Umfeld, Makroökonomisches Umfeld, Technologisches Umfeld, Natürlich-Ökologisches Umfeld, Auswirkungen, Handlungsstrategien und Szenarien Portfolio-Analyse: Produkt-Portfolio-Matrix der Boston Consulting Group. Analyse und Einteilung der Produkte in 4 Kategorien (Poor Dogs, Question Marks, Stars und Cash Cows). Betrachtung des Marktwachstums in Bezug zum relativen Marktanteil. Diverse Abwandlungen (z. B. Marktattraktivität in Bezug zur relativen Wettbewerbsposition).
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3 Spindelmodell
Intuition
Dreidimensio nalität
Probleme lösen
Methoden wie z. B. die Zwicky-Box-11 oder die TRIZ-Methode12 Anwendung. Die Faktorenfeldmethode geht durch die Verbindung der Faktorenebene mit der Ideenebene und durch die Einführung der dritten Dimension über diese linearen Methoden hinaus. Das Spindelmodell ist die dreidimensionale Grundkonstruktion für die Struktur von Organismen, Betrieben, von Gemeinschaften bis hin zur Organisation der Persönlichkeit. Das zugrunde liegende Prinzip ist einfach, evident und unmittelbar erlernbar, auch auf der persönlichen Ebene. Die Methode schließt den Faktor Intuition ein und versteht sich als einfaches Handwerkszeug im Bereich horizontal-wissenschaftlicher Disziplinen. Dabei wird die Betrachtungsweise dreidimensional, d. h., dass die z. B. in einer Matrix angeordneten Faktoren aus einer übergeordneten Ebene betrachtet und bewertet werden. Ein typischer Vertreter dieser Methode ist im Prinzip die Balanced Scorecard13, die sich neben wertorientierten Systemen besonders für die strategische Unternehmensentwicklung eignet.
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Zwicky Box: Nach dem Schweizer Astrophysiker Fritz Zwicky benannte analytische Methode zur Ideengenerierung. (Morphologischer Kasten). TRIZ-Methode: Technik, die in größeren Unternehmen zur systematischen Gewinnung von Ideen verwendet wird. Balanced Scorecard: Definition von Erfolgsfaktoren, kritischen Erfolgsfaktoren, Messwerten, kritischen Kennzahlen, Zielen und konkreten Maßnahmen, regelmäßige Evaluierung. Betrachtet wird das Unternehmen aus der Finanz-, Markt-/Kunden-, Prozess- und Potenzialperspektive, Auswirkung auf Vision und Mission.
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Der Problemlösungszirkel
Interessanterweise wird auch die Balanced Scorecard in der Literatur zweidimensional dargestellt, obwohl ausdrücklich die Begriffe Finanzperspektive, Kundenperspektive, Interne Perspektive und Lernund Entwicklungsperspektive verwendet werden.
Balanced Scorecard
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Perspektiven der Balanced Scorecard14
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Zeichnung aus Kaplan/Norton 2001, S. 70.
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Probleme lösen
Verständlicher wird die Darstellung, wenn die dritte Dimension in der Betrachtung auch zeichnerisch mit einbezogen wird. 3039
Balanced Scorecard im Spindelmodell Damit verbinden sich in der Faktorenfeldmethode Faktorenbetrachtungen in der zweidimensionalen Ebene mit der Sicht aus der dritten Dimension, d. h. mit der persönlichen Sicht, der Bewertung und der Interpretation. 3.040
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Der Problemlösungszirkel
Die TurnaroundMethode Intuitive Methoden wie die Turn-around-Methode von Bertram verhindern allzu kopflastige Prozesse, fördern das Wegdenken und führen zu erstaunlich innovativen Ideen. Die Turn-around-Methode stammt aus dem künstlerischen Bereich und wurde in Seminaren zum Thema Kunst-Transfer-Management erfolgreich erprobt. Sie lebt davon, Texte in Bilder und Bilder wiederum in Texte zu verwandeln und führt in einem Prozess mehrerer Schritten mit Ratio und Intuition zu überraschenden Ergebnissen. Bei der Turn-around-Methode werden in Schritt 1 zunächst die Faktoren (z. B. zur Idee eines Produktes oder eines Unternehmens) notiert. Zu diesen Faktoren werden in Schritt 2 gegenteilige Begriffe gesucht. In Schritt 3 werden zu den gegenteiligen Begriffen Bilder erfunden. Danach werden diesen Bildern in Schritt 4 wiederum gegenteilige Bilder gegenübergestellt. Diese gegenteiligen Bilder stehen nunmehr analog zu den Ausgangsbegriffen.
Die Schritte der Turnaround Methode
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Probleme lösen
Bei der Anwendung der Methode ist es wichtig, schnell und intuitiv vorzugehen und die Bilder nicht nur zu denken, sondern tatsächlich skizzenhaft zu zeichnen. Bei jedem Schritt ist es erforderlich, sich ausschließlich auf diesen einen Schritt zu konzentrieren und die vorangegangenen Schritte auszublenden. Ein Fall aus der Beratungspraxis Ein energietechnisches Unternehmen möchte seine Corporate Identity mit entsprechenden Maßnahmen optimieren. Ziel ist die Hervorhebung der Innovationskompetenz. Eine beauftragte Werbefirma schlägt zum bestehenden Slogan „Sonne ist Energie“ einen Internetauftritt vor, der eine strahlende Sonne zeigt. Der Vorschlag stößt bei der Führungsebene verständlicherweise nicht gerade auf Begeisterung, weil es sich einerseits lediglich um eine ausschließliche Illustration eines Gedankens handelt und weil das Produkt andererseits absolut redundant ist, ohne jeden Innovationsgrad. Auch weitere Vorschläge (Sonne und Strand) bleiben im Hamsterkäfig der Illustration. Sie entsprechen einem Prozess im geschlossenen System. Mithilfe der Turn-aroundMethode wurde binnen weniger Stunden eine Lösung gefunden, die heute den Ausgangspunkt für das Image des energietechnischen Unternehmens darstellt. 1. Schritt:
Suche nach Faktoren Sonne ist Energie (Firmenslogan)
2. Schritt:
Gegenteilige Begriffe suchen gefunden wurden: Tod, Stillstand, Nacht, Eis, Kälte
3. Schritt:
Für diese Begriffe Bilder finden skizziert wurde: ein Friedhof, ein liegen gebliebenes Auto, die Farbe Schwarz, ein leerer Teller, ein Eisbär
4. Schritt:
Für diese Bilder gegenteilige Bilder finden skizziert wurde: eine Babystation, eine Autofahrt, ein Riesenrad auf dem Jahrmarkt, ein kulinarisches Essen, ein Tiger
Anschließens wurden die gefundenen Bilder visuell optimiert. Es entstand ein Videofilm mit folgenden Szenen: Festlich, farbenfroh angerichtete Speisen, ein schleichender Tiger, eine Kamerafahrt mit vorbeifliegender Landschaft, eine Säuglingsstation, ein in bunte
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Über den Umgang mit Problemen
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Lichter getauchtes Riesenrad in voller Fahrt inmitten eines sprühenden Jahrmarkts. Verglichen mit der redundanten Darstellung einer Sonne entwickelten sich nunmehr Bilder, die über den intuitiven, mehrfach gebrochenen Prozess eine Bilderwelt eröffnen, die insgesamt mit Energie zu tun hat und genügend innovatives Potenzial bietet, um in weiteren Schritten verarbeitet werden zu können. Das betrifft den Internetauftritt, die Firmenbroschüre, das Firmenlogo bis hin zu einer Bilderwelt in den Räumen des Unternehmens. Ein Lichtblick für das energietechnische Unternehmen!
3.2
Über den Umgang mit Problemen
Haltung, Aufzucht und Pflege Die Aufzucht und Haltung von Problemen ist auch für ungeübte Problembesitzer relativ einfach. Lässt man sie in Ruhe, vermehren sie sich ständig und nehmen dabei possierliche Formen an. Es ist anzuraten, Probleme zumindest in einem abgegrenzten Bereich zu halten, möglichst in einem Käfig, weil sie sonst die Tendenz haben, sich überall auszubreiten. Probleme sind sehr genügsam und fressen im Grunde alles. Will man sie dressieren, ist es ratsam, möglichst früh mit ersten kleinen Übungen zu beginnen. Es gibt Lieblingsprobleme, die gehegt und gepflegt werden wie Haustiere. Ohne das geliebte Kätzchen ist das Leben nur halb so schön. Überall trägt man es mit sich herum und zeigt es möglichst jedem. Lieblingsprobleme sind Dauerthemen wie • „ich bin klein und hässlich“ oder • „meine Umwelt beachtet mich zu wenig“ usw. Mangelndes Selbstvertrauen, aber auch Selbstüberschätzung lösen solche Probleme aus. Leider ist die beliebte Schuldzuweisung an das Umfeld dann sehr schwierig, aber durchaus üblich. Eine Lösung solcher Probleme lässt sich nicht durch eine Veränderung des Umfeldes, sondern nur durch eine Veränderung der eigenen Positionierung erreichen.
Lieblingsprob leme
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Probleme lösen
Wahrnehmung aus der Distanz Bedeutung der Distanz
Der wichtigste Schritt zur Lösung eines Problems besteht darin, das Problem überhaupt erst einmal als solches wahrzunehmen. Charakteristisch für eine Problemsituation ist, dass man sich „mittendrin“ fühlt, dass einem die Distanz fehlt, die man bräuchte, um das Problem überhaupt wahrnehmen zu können. Distanz aber ist die Voraussetzung für eine differenzierte Wahrnehmung. Aus der Distanz relativieren sich die Dinge. Wie aber erreicht man die erforderliche Distanz? Eine meist nicht nachhaltige Methode besteht darin, zu flüchten, um Distanz zu gewinnen, oder aber darin, Drogen zu nehmen. Alles wird leichter, klarer – zumindest am Anfang. Auf der Tagesebene holt einen das Problem dann aber wieder ein. Der erste Schritt zur Lösung eines Problems besteht darin, das Problem zuzulassen, es wahrzunehmen, um es zu isolieren, nicht aber zu verdrängen.
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Problemflucht Manche Probleme machen einem Angst und erzeugen Fluchtgedanken. Einfach die Augen schließen und sagen: „Ich bin gar nicht da“,
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Über den Umgang mit Problemen
hilft nur kurzfristig weiter. Problemflucht ist eine ungeeignete Methode, denn viele Probleme haben die unangenehme Eigenschaft sehr hartnäckig zu sein und sich an die Fersen des Flüchtenden zu hängen. Mit Problemen auf einer Augenhöhe Aus einer „Mücke einen Elefanten“ machen ist ebenso unangemessen wie aus einem „Elefanten eine Mücke“. Ersteres führt zur maßlosen Überschätzung des Problems und zu einem unnötig hohen Adrenalinspiegel, Letzteres zu bösen Überraschungen. Problemen auf einer Augenhöhe zu begegnen, sie durchaus ernst zu nehmen, dabei aber nicht überzubewerten, hilft dabei, Angst oder Panik zu vermeiden. Die Angst vor einem scheinbar unlösbaren Problem erzeugt Stress. Einen kühlen Kopf zu bewahren ist wie beim Kampfsport von großem Vorteil. Bösartige Probleme (Wicked Problems) Bei der Klasse der „bösartigen Probleme“ gibt es zwar Problemlösungsvarianten, bei der Abwägung der Folgen führen diese Problemlösungsvarianten jedoch allesamt zu unerwünschten bzw. unerträglichen Zuständen. Manchmal wäre es dann schön, einfach abzuwarten, bis bessere Zeiten kommen, das Problem schlicht auszusitzen. Manchmal geht das aber nicht. Als einziger Ratgeber bleibt in solchen Situationen die Intuition. Es ist dann wichtig, sich auch mit einer in einer solchen Situation getroffenen, manchmal suboptimalen Entscheidung voll und ganz zu identifizieren.
Intuition
Aktiver Fatalismus oder: die PantoffeltierchenStrategie Aktiver Fatalismus – ein scheinbarer Gegensatz – bedeutet, ein Problem einerseits aktiv und mit viel Energie zu einem Projekt bzw. zu einer Aufgabe zu machen und es zu lösen, sich andererseits aber passiv zu verhalten und eher treiben zu lassen, wenn sich trotz aller Bemühungen kein Lösungsweg abzeichnet, dabei aber aufmerksam zu beobachten, ob sich eine Chance bietet. Das Problem wird dabei „unter Quarantäne gestellt“, wird in gewisser Weise isoliert und eingekapselt. Bei einem hohen Maß an Betroffenheit ist aktiver Fatalismus eine äußerst schwierige Haltung, trotzdem aber die einzige Möglichkeit des Überlebens.
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3
Probleme lösen
Tiere praktizieren das in vorbildlicher Weise, so z. B. das Pantoffeltierchen, das sich bei ungünstigen Bedingungen einkapselt und so jahrelang überleben kann, um dann bei günstigeren Bedingungen wieder aufzuleben. Übung beim Problemlösen Jede bewusst herbeigeführte Problemlösung hat einen Übungseffekt. Das gilt sowohl für Erfolge als auch für Misserfolge bei der Problemlösung. Misserfolge bringen manchmal sogar mehr Erkenntnisse als Erfolge, bei denen die Tendenz besteht, sie ohne größeres Nachdenken einfach abzuhaken. Simulativ Probleme zu durchdenken, Lösungsversuche durchzuspielen und zu bewerten ist wohl eine Hauptbeschäftigung des Gehirns – vermutlich auch ohne unmittelbaren äußeren Anlass. Ansonsten geschieht die aufmerksame Beobachtung des Umfelds aber nicht in erster Linie auf der Suche nach Problemen, sondern auf der Suche nach Chancen und Möglichkeiten – grundlegende Bedingungen für jede erforderliche Entwicklung. Tipp: Geben Sie Ihren Problemen einen Termin. Probleme haben die Eigenart, unangemeldet aufzutauchen, sich in den Tagesablauf zu drängen, sich wichtigzumachen, die innere Ruhe zu stören und sich als Sorgen auf dem Schreibtisch breitzumachen – zumeist in Haufen. Geben Sie jedem einzelnen Problem einen Namen, notieren Sie es auf ein eigens dafür vorgesehenes Blatt, geben Sie Ihren Problemen einen Termin, an dem Sie sich ihrer annehmen (z. B. morgens früh von 8:30– 8:45 Uhr). Entfernen Sie Ihre Probleme von Ihrem Schreibtisch und be achten Sie sie erst wieder zum vorgesehenen Termin.
Vorkommen Probleme gehö ren zum Leben
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Weil Probleme zum Leben gehören, können Probleme auch überall dort auftauchen, wo Leben stattfindet. Nur tote Organismen haben keine Probleme. Ernste Probleme treten auf beim Kampf ums Dasein, als Hindernis auf dem Weg zu einem Ziel, im Umfeld und im eigenen Körper, bei der Kommunikation, in sozialen Gebilden, bei
Über den Umgang mit Problemen
inneren und äußeren Konflikten. In ihrer negativen Form bedeuten Probleme Schwierigkeiten, Auseinandersetzungen und z. T. auch als existenziell empfundene Bedrohungen. Die persönliche Betroffenheit macht es manchmal schwer, Probleme überhaupt zu identifizieren, sich aus der Umklammerung der Situation zu lösen und die Lösung der Probleme gezielt anzugehen. Viele Probleme entstehen ohne äußeren Anlass im Gehirn selbst. Vermutlich ist das Gehirn ständig damit beschäftigt, Probleme zu lösen – leider manchmal auch in wiederkehrenden, endlosen Schleifen. Ist ein Problem erst einmal gedanklich gelöst, wird es zu einer Aufgabe, zu einem Projekt. In der Umsetzung werden Probleme zu Herausforderungen. Begeisterung und Engagement sind dabei die tragenden Elemente. Eine Klassifikation von Problemen ist ebenso schwierig wie der Versuch einer Klassifikation des Lebens an sich. Aus diesem Grund kann es auch keine allgemeingültigen Regeln für das Lösen von Problemen geben. Trotzdem lassen sich Prinzipien finden, die bei der Lösung von Problemen hilfreich sind. Probleme gibt es auch in harmloser, gemeinhin als positiv empfundener Form. Fragen, hervorgerufen durch Neugier, durch Explorationstrieb, etwas erforschen zu wollen, ungelöste Rätsel der Wissenschaft. Interesse und Aufmerksamkeit führen dazu, immer wieder neue Fragen zu stellen. Kinder sind Experten darin, alles zu hinterfragen, insbesondere auch vermeintliche Selbstverständlichkeiten. Fragen eröffnen neue Chancen, Möglichkeiten zur Entwicklung, zum Überschreiten von Grenzen. Die Frage „Verzeihung, wo geht es hier zum Bahnhof?“ klingt wesentlich harmloser als „Verzeihung, ich habe ein Problem damit, den Bahnhof zu finden … können Sie mir da weiterhelfen?“ Letzteres ist ja im Grunde auch keine Frage, sondern impliziert ein persönliches Problem, das an jemanden herangetragen wird. Eigentlich kann es auch mehrere Gründe dafür geben, dass jemand den Bahnhof nicht findet. Handelt es sich einfach um ein technisches Problem oder hat der Frager vielleicht grundsätzliche Probleme bei der Orientierung? Manchmal beantwortet sich diese Frage aus dem Kontext, aus dem Erscheinungsbild der Person. In jedem Fall ist die Frageform direkter als die Aussageform und wirkt letztlich auch harmloser. Würde
3
Probleme kön nen zu einer Aufgabe, einem Projekt werden
Prinzipien der Problemlösung
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3
Probleme lösen
es gelingen, Probleme in Fragen umzuwandeln, wäre es vermutlich manchmal einfacher, diese auch wirklich ohne große Rückfragen zu beantworten. Den Problemkontext beachten Probleme haben einen Kontext
Den Kontext visualisieren
Abgesehen von trivialen Alltagsproblemen, bei denen es glücklicherweise bewährte Problemlösungs- und Handlungsroutinen gibt, treten Probleme in aller Regel nicht isoliert, sondern in einem Problemkontext auf. Ohne Berücksichtigung des jeweiligen Kontextes können Problemlösungen zu äußerst unerwünschten Folgeerscheinungen führen. Entsprechende Beispiele aus dem Bereich der Medizin oder Ökologie finden sich in ausreichender Zahl in der Literatur und in den Tageszeitungen. Wir leben im Kontext eines Systems und nehmen diesen Kontext mit unseren Sinnesorganen ganzheitlich wahr. Der erste Schritt der Faktorenfeldmethode zur Problemlösung besteht darin, den Kontext des Problems zu visualisieren, ein Faktorenfeld aufzumachen und dadurch zwangsläufig Distanz vom Problem zu gewinnen. Aus der Distanz wird eine bessere Übersicht über den Problemkontext erreicht. Zur Darstellung der Einflussfaktoren eignen sich Systembilder, in denen die Logistik des Systems abgebildet wird. Wie bei jeder Systemanalyse ist es dabei wichtig, die richtigen, d. h. zielführenden Fragen zu stellen. Die diffuse Wolke
Das Problem lässt sich nicht identifizieren
190
Manchmal lässt sich ein Problem gar nicht genauer beschreiben. Es gibt lediglich ein diffuses Gefühl des Unbehagens. Irgendetwas stimmt nicht. Kleinkinder können Schmerzen nicht genau lokalisieren. Sie schreien, weil sie sich ganzheitlich nicht wohlfühlen. Eine Depression als Krankheitsbild lässt sich in ihrer Erscheinungsform sicher häufig als eine diffuse Wolke beschreiben. Die Identifikation des Problems ist nicht möglich, geschweige denn seine Formulierung und Umsetzung in zielorientierte Handlungen. Um aus dem Teufelskreis dieser Denkblockade zu kommen, ist Hilfe von außen dringend erforderlich.
3
Über den Umgang mit Problemen
Herkunft 3.043
Sicherlich haben nicht immer nur wir selbst Schuld an Problemen, aber es ist heilsam, zunächst die Frage zu stellen, ob das Problem seinen Ursprungsort zumindest zum Teil vielleicht bei uns selbst hat, ob die Probleme über die Projektion unserer eigenen Befindlichkeit entstanden sind. Das gilt regelmäßig und in besonderem Maße für Kommunikationsprobleme, bei denen es sich zumeist um ein Geben und Nehmen handelt. Der Grad der persönlichen Betroffenheit ist bei dieser Art von Problemen zumeist sehr hoch. 3.044
Hilfreich ist es, nach dem ursächlichen Entstehungsort eines Problems zu fragen: • Handelt es sich um ein Problem auf der materiellen, faktischen, physischen Ebene? (1) • Befindet sich der Ursprung des Problems auf der emotionalen Ebene, auf der Ebene des Selbstverständnisses? (2) • Geht es um ein Problem des rational-logischen Verständnisses, um ein strukturelles Problem? (3) • Liegt das Problem auf der spirituellen Ebene, handelt es sich um Fragen des menschlichen Seins? (4)
Entstehungsort eines Problems
3.045
191
3
Probleme lösen
Manche Probleme lassen sich relativ klar zuordnen, so z. B. existenzielle, wirtschaftliche Probleme auf Ebene 1. Häufig überlagern sich aber auch Problembereiche, und ein Problem, das oberflächlich betrachtet auf der Faktenebene (Ebene 1) angesiedelt wird, erweist sich bei genauerer Betrachtung als ein emotionales Problem (Ebene 2) und umgekehrt. Rational-logische Probleme (Ebene 3) sind eher intellektueller Art, haben mit dem Verständnis von Situationen, mit der Erklärung von Verhaltensweisen zu tun. Häufig sind gegebene Strukturen die Ursache von Problemen. Spirituelle Probleme (Ebene 4) beziehen sich auf Kernfragen der Identifikation, auf Fragen nach dem Sinn des Lebens. Die Frage nach dem Entstehungsort, nach der Herkunft des Problems, führt dann dazu, Probleme nicht oberflächlich zu lösen, sondern den Kern, die eigentliche Ursache des Problems anzugehen.
Wer ist der Problembesitzer? Die Probleme anderer Persönliche Betroffenheit
Distanz
192
Ein gewisses Maß an persönlicher Betroffenheit, an Mitgefühl oder Mitleiden gehört dazu, wenn Probleme von anderen an uns herangetragen werden, sei es im beruflichen (z. B. beim Arzt, beim Psychologen, beim Berater) oder im privaten Bereich. Manche Menschen ziehen andere förmlich magisch an, um ihnen ihre Probleme vorzutragen. Sofern es sich dabei nicht um notorische Problemsammler handelt, die es sich angewöhnt haben, anderen ihren Problemmüll einfach vor die Füße zu kippen, um sich selbst von Problemarbeit zu entlasten, gehört es zum sozialen Leben, sich auch mit der Lösung von Problemen anderer zu befassen. Dabei muss es nicht unbedingt um alle Probleme dieser Welt gehen. Es genügen manchmal bereits die Probleme vor der Haustür oder im Haus. Ein gewisses Maß an Betroffenheit, an Mitleid ist hierzu erforderlich. Um aber anderen wirklich helfen zu können, ist – wie bei eigenen Problemen auch – eine gewisse Distanz grundsätzliche notwendig.
3
Über den Umgang mit Problemen
Berufliche Problemlöser wie Berater, Psychologen und Ärzte sind darauf angewiesen, bei allem Mitleiden eine ausreichende Distanz zu wahren. Außerdem ist die Fähigkeit, Leiden zu ertragen (auch die Leiden anderer), durchaus individuell unterschiedlich, vergleichbar mit der Fähigkeit, Schmerzen ertragen zu können. Wer sich mit den Problemen anderer beschäftigen will, sollte die eigene Energiebilanz realistisch einschätzen können.
Die eigene Energiebilanz realistisch ein schätzen
Dressur Probleme im Rudel Probleme haben die unangenehme Eigenschaft, nicht immer brav allein, sondern im Rudel aufzutreten oder wie Tiger in einem Raubtierkäfig. In diesem Fall ist es erforderlich, die Tiger wie ein Dompteur auf ihre Podeste zu verweisen, nacheinander Männchen machen zu lassen, um sie dann wieder in den Käfig zurückzuschicken.
Probleme kom men im Rudel
3.046
Eigentlich können wir mit allem und jedem Probleme bekommen – mit der Spülmaschine, mit dem Auto, mit dem Nachbarn, mit dem Chef, mit uns selbst. Häufig rotten sich Probleme dann auch noch in Rudeln zusammen („ein Unglück kommt selten allein“). Wahrscheinlich sind wir daran selbst schuld, denn sind wir erst mal in übler Laune, macht das einen entsprechenden Eindruck auf unser häusliches und berufliches Umfeld und nicht zuletzt auch auf uns selbst. Im Grunde erwarten wir dann auch schon weitere Probleme, die sich dann prompt auch einstellen. Paul Watzlawick hat das sehr treffend und humorvoll in seinem Buch: „ Vom Schlechten des Guten …“ beschrieben (Watzlawick 1991).
193
3
Probleme lösen
Würde es gelingen, ein Problem sofort auszugrenzen und dem Rudel eine Warteposition zuzuweisen, würde sich vielleicht das erste Problem lösen lassen und das Rudel würde sich missmutig trollen. Problemklumpen Probleme sind manchmal wie Klumpen, wie ein Konglomerat aus zusammengeballten Einzelfaktoren. Durch seinen Synergieeffekt wirkt dieses Konglomerat bedrohlicher als die Summe der Einzelfaktoren. 3.047
Löst man die Einzelfaktoren aus ihrer Verklumpung, wirken sie für sich gesehen schon erheblich weniger bedrohlich. Zur Auflösung des Konglomeratverbundes ist Energie erforderlich. 3.048
194
3
Über den Umgang mit Problemen
Wer selbst Teil des Problemklumpens ist, hat es schwer, sich ohne Energiezufuhr von außen aus dieser Situation zu lösen. Hilfreich sind dann gute und neutrale Gesprächspartner. 3.049
Wenn es gelingt, die Dinge – einschließlich der eigenen Person – aus der Distanz zu betrachten, klären sich viele Problemklumpen von selbst.
Distanz
3.050
Betrachtet man die Faktoren aus einer anderen Perspektive, relativieren sich viele Zusammenhänge.
Perspektiven wechsel 3.051
195
3
Probleme lösen
Dabei kann diese Perspektive ausweitend oder fokussierend sein. 3.052
Ausweitung
Bei der Ausweitung werden die Faktoren in einem größeren Kontext betrachtet.
3.053
Fokussierung
3.054
196
Die Fokussierung kann sich auf mehrere Einzelfaktoren in ihrem Zusammenhang beziehen oder aber gezielt auf einen Faktor.
3
Über den Umgang mit Problemen
Bei genauerer Betrachtung eines Faktors, wird der Faktor wieder in seine Konglomeratbestandteile zerlegt. 3.055
Dieser Prozess der Fokussierung kann im Prinzip beliebig oft fortgesetzt werden. 3.056
Dabei ist es wichtig, ein angemessenes Maß an Detaillierung zu betreiben und vor allem auch wieder zur Ausgangsposition zurückzukehren.
197
3
Probleme lösen
Wenn Funktionen in einem Unternehmen unklar abgegrenzt sind, ergibt sich hieraus das Konglomerat eines Problemklumpens. Erforderlich ist eine klare Funktionsverteilung auf der Tagesebene und die Steuerung in Verbindung mit einer, für das Unternehmen bestehenden zentralen Idee. Diese zentrale Idee kann wiederum Teil einer übergeordneten Idee sein. 3.057
Ungelöste Probleme sind Energiefresser Alles was ist, besteht aus Energie. Ein Teil davon ist als Materie wahrnehmbar und durch differenzierte Strukturen unterscheidbar. Eine CD ist Materie, ebenso der CD-Player, der daraus Klänge produziert. “Die vier Jahreszeiten“ von Vivaldi unterscheiden sich von der Beatles-CD “Yesterday“ in ihrer, von den Komponisten erfun-
198
3
Über den Umgang mit Problemen
denen Struktur. Hätte die CD kein Etikett, könnte man nicht erkennen, um welches Stück es sich handelt, eigentlich könnte man nicht einmal erkennen, ob dieser Gegenstand überhaupt etwas mit Klängen zu tun hat. Er ließe sich beispielsweise auch als Untersetzer für Gläser verwenden – immerhin. Was uns verzaubert, in andere Welten versetzt, ansteckend wirkt, traurig macht und fröhlich stimmt, sind die Klänge. Im Vergleich zur Substanz ist also der immaterielle Anteil einer solchen Form von Materie sehr hoch. 3.058
Auch ein Formular für die Steuererklärung besteht zunächst aus Substanz, einem Blatt Papier mit Kästchen und Linien darauf. Der Fiskus benötigt zur Erfassung der Einkommensverhältnisse und zur Berechnung der zu bezahlenden Steuern Informationen in einer bestimmten, vergleichbaren Struktur, die angesichts der derzeitigen Steuergesetzgebung für den Laien manchmal undurchschaubar und erschreckend wirkt. Aus dem Blatt Papier lässt sich eine Papierschwalbe machen. Hinter den Kästchen und Linien aber verbirgt sich eine Menge von Informationen, die es aufgrund der Gesetzeslage zu erfassen gilt. Probleme sind Energiefresser.
Energiefresser 3.059
199
3
Äquivalenzprin zip
Probleme lösen
Energiefresser wirken drückend und energieraubend. Energielieferanten hingegen wirken belebend und erfrischend. Jeder Organismus tauscht ständig Energie mit seinem Umfeld aus, liefert Energie und erhält Energie. Für das Wohlbefinden eines Organismuses ist dabei zumindest langfristig ein Gleichgewicht zwischen der abgegebenen und der aufgenommenen Energie erforderlich. Leider haben wir es in unserem Umfeld nicht nur mit Energiespendern, sondern häufig auch mit Energiefressern zu tun. Energiefresser ziehen uns zunächst unbemerkt Energie ab, weil sie selbst an Energiemangel leiden. Das erzeugt bei dem, der „angezapft“ wird Ermüdungserscheinungen, Aversionen, allgemeines Unwohlsein und kann letztendlich zu Erkrankungen führen. Es ist deshalb unerlässlich, Energiefresser als solche zu identifizieren, was allein schon sehr hilfreich sein kann. Im Weiteren ist es notwendig, Strategien zum Schutz vor Energiefressern zu entwickeln. Positiver Energieaustausch erfolgt nach dem Äquivalenzprinzip. Die abgegebene Energie L1 ist ebenso groß wie die zurückgegebene Energie L2. Ideen sprühen dabei hin und her, wirken belebend und erfrischend.
3.060
Energiefresser nehmen mehr Energie auf, als sie abgeben; sie saugen Energie förmlich ab. 3.061
200
3
Über den Umgang mit Problemen
Schwingung und Resonanz Beim Energieaustausch kann sich Energie multiplizieren oder gar potenzieren und ständig neue Anregungen geben. Begeisterungsfähigkeit erzeugt Schwingung und Resonanz, während Gleichgültigkeit lähmend wirkt.
Energieaus tausch
3.062
3.063
3.064
201
3
Probleme lösen
3.065
Strategien gegen Energiefresser Da wir unvermeidbar nicht nur von Energiespendern, sondern auch von mehr oder weniger hungrigen Energiefressern umgeben sind, ist es hilfreich, Verhaltensweisen bewusst zu üben. Dabei gibt es grundsätzlich verschiedenen Strategien: • Abschottungsstrategie: Schutzschild, innerlich abschalten. 3.066
•
Ablenkungsstrategie: Energie auf ein anderes Thema lenken. 3.067
202
3
Über den Umgang mit Problemen •
Überfütterungsstrategie: Selbst von (uninteressanten) Themen ausführlich berichten. 3.068
•
Spiegelstrategie: Negative Energien zurückspiegeln. 3.069
•
Judostrategie: Ausweichen, Energien ablenken. 3.070
203
3
Probleme lösen
Vom Umgang mit Energiefressern Energiefresser müssen gar nichts tun, um Energie zu fressen, ihre bloße Anwesenheit genügt. Einfache Formen von Energiefressern sind Berge von unsortierten Zeitschriften, unerledigte Post, ein Fragebogen vom Finanzamt. 3.071
IITMethode
Entlasungsstra tegien
204
Eine geballte Ladung dieser Dinge kostet Energie, allein schon deshalb, weil sie da sind, sich geballt und latent schmollend im Hintergrund halten und ein schlechtes Gewissen produzieren. Für diese Art von Energiefressern gibt es die „IIT-Methode“: • Identifizieren • Isolieren • Terminieren Für direktes Abarbeiten und Aufräumen ist nicht immer Zeit, es gibt ständig Wichtigeres. Also bedarf es einer Entlastungsstrategie. Die Energiefresser werden in einem Faktorenfeld identifiziert. Durch ihre einzelne Betrachtung und die vorgesehenen Methoden zur
3
Über den Umgang mit Problemen
Erledigung werden sie isoliert, möglicherweise in einzelne Klarsichthüllen verpackt und mit einem Erledigungstermin versehen. 3.072
Andere Energiefresser sind schwerer zu identifizieren. Es handelt sich dabei um Menschen ohne eigene Ideen, die sich wie Vampire an Menschen mit Ideen hängen und versuchen, sie auszusaugen. Sie ziehen Energie ab, ohne Energie zurückzugeben. Es kann sich dabei um Kunden, Mitarbeiter oder Menschen aus dem persönlichen Umfeld handeln. Während beim positiven Austausch von Energie Ideen hin und her sprühen und belebend wirken, ermüdet der Umgang mit Energiefressern ungemein. Energiefresser sind zu meiden. Wenn das kurzfristig nicht machbar ist, sollten sie strategisch isoliert werden.
Energiebilanz beachten Jeder Organismus nimmt nach dem „EVA-Prinzip“ Energie aus seinem Umfeld auf (E = Eingabe), verarbeitet sie (V = Verarbeitung) und gibt sie an sein Umfeld ab (A = Ausgabe).
EVAPrinzip
3.073
205
3
Probleme lösen
Im Rahmen seiner operativen Möglichkeiten bewegt sich jeder Organismus zum Ort seiner optimalen Energiebilanz oder er verändert sein Umfeld. 3.074
Attraktoren
Organismen mit hoher Energiebilanz, d. h. mit großer operativer Potenz (des Prozessors) werden zum Attraktor für Ihr Umfeld.
3.075
Operative Potenz wird dabei vermutet aufgrund von Ausstrahlung, Charisma, bedingt durch ein hohes Attraktivitätsmaß, d. h. das Verhältnis von Innovation (I) zu Redundanz (R). 3.076
206
3
Über den Umgang mit Problemen
Wird ein Organismus in seiner Bewegungsfreiheit behindert, wird er krank und verändert sich entsprechend der Einschränkung. 3.077
Zu wenig Eingabeenergie im Verhältnis zum Bedarf führt zu Unterkühlung, Aushungerung der Input-Organe. 3.078
Zu viel Eingabeenergie führt zu einer Überhitzung der InputOrgane. 3.079
207
3
Probleme lösen
Der Organismus wehrt sich durch Abschottung. 3.080
Zu wenig Möglichkeit zur Energieabgabe führt zu Stauungen, zu einer Überhitzung der Output-Organe. 3.081
Zu hohe Anforderungen des Umfeldes an die Energieabgabe führt zu Unterkühlung, zu einer Aushungerung der Output-Organe. 3.082
208
3
Über den Umgang mit Problemen
Wenn ständig zu wenig Energie von außen zugeführt wird, magert der Verarbeitungsteil des Organismus ab. 3.083
Wird ständig mehr Energie zugeführt, als der Organismus verarbeiten kann, werden Reserven (Fettpolster) gebildet. 3.084
Wird ständig zu wenig Energie vom Umfeld abgefordert, wird der Überschuss ebenfalls in Fettpolster umgewandelt. 3.085
Wird ständig zu viel Energie vom Umfeld verlangt, magert der Organismus ab.
3.086
209
3 Ebenen der Energieverar beitung
3.087
210
Probleme lösen
Bei der Energieverarbeitung lassen sich vier parallele Ebenen unterscheiden: • Physische Ebene (P) Materielles, Nahrung, Sexualität • Emotionale Ebene (E) Beziehungen, Zuwendung, Verbindungen, Netze • Rationale Ebene (R) Logistik, Vernunft • Spirituelle Ebene (S) Geistiger Überbau, Religiosität
3
Über den Umgang mit Problemen
Für alle Ebenen gelten die Prinzipien der optimalen Energiebilanz. 3.088
Ungleichgewichte können z. T. durch Ebenen-Verlagerung ausgeglichen werden. Die Anforderungen bzgl. der Energieaufnahme und -abgabe beim Menschen sind in den einzelnen Ebenen individuell unterschiedlich ausgeprägt. 3.089
211
3
Probleme lösen
Verarbeitungsintensive, eher introvertierte Menschen sind weniger von äußeren Einflüssen abhängig, als Menschen mit einem hohen Bedarf an Energieaufnahme bzw. -abgabe. 3.090
Beim Informationsaustausch zwischen zwei Partnern spielt die Höhe des Energiepotenzials eine grundsätzliche Rolle. Bei Partnern mit sehr unterschiedlichem Energiepotenzial wirkt sich das auf alle Kommunikationsebenen aus. 3.091
Aus dem Energiepotenzial sowie der Struktur des Energieverarbeitungs- und -ausgabebedarfs in den verschiedenen Kommunikationsebenen lassen sich Kommunikationsprofile ableiten. 3.092
212
Das Spindelmodell
3
Ist beim Leistungsaustausch zwischen den Prozessoren P1 und P2 die von P1 abgegebene Leistung L1 erheblich größer als die zurückfließende Leistung L2, ergibt sich bei Prozessor P1 Unterkühlung und bei Prozessor P2 Überhitzung. Jeder Organismus wird zwangsläufig auf den Weg seiner optimalen Energiebilanz gebracht. Jeder Mensch wird zum Attraktor oder zum abstoßenden Faktor innerhalb seines Umfelds. Je weniger Sperren er aufbaut, je kommunikativer er ist, desto leichter erfolgt der Energieaustausch mit dem Umfeld. Jeder Mensch bewegt sich hin zum Ort höchster Attraktivität und weg von Orten der Unlust – physisch, emotional, rational und spirituell. Innere und äußere Sperren in Bezug auf den Bewegungsdrang werden bekämpft – bewusst oder unbewusst.
3.3
Das Spindelmodell
Der lebendige Organismus als Vorbild Das Spindelmodell stellt im Rahmen der sonstigen Modelle der Faktorenfeldmethode eine Besonderheit dar. In ihm kommen alle Kernelemente der Methode vor: • Die philosophische Trennung zwischen der materiellen Ebene der Faktoren und der geistigen Ebene der Idee. • Der Spindelhub als die Distanz des Betrachters von der Tagesebene. • Die Systemvisualisierung in der dreidimensionalen Darstellung. So lassen sich auch größere Organisationsformen übersichtlich und platzsparend darstellen. • Das Spindelmodell als systemisches Prinzip der Struktur/Organisation von Organismen (Mensch, Unternehmen, soziale Gebilde). Lebende Organismen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie eine Idee von sich selbst haben, eine Idee, die Faktoren zu Funktionen macht.
Hierarchische Strukturen
213
3
Probleme lösen
Gewachsene Strukturen sind nicht immer lebendige Strukturen. Hierarchische Strukturen können an sich durchaus lebendig sein, haben aber einen gewissen Hang zur Verknöcherung. 3.093
PeterPrinzip
Netzstrukturen
Einmal geschaffene Strukturen werden erhalten. Die für die jeweilige Position zuständige Person auf einer hierarchischen Stufe verquickt die Funktion mit ihrer Persönlichkeit. Eine nette Theorie zum Thema Hierarchie ist das so genannte „Peter-Prinzip“ (Popper 2003), nach dem jeder Mitarbeiter in einer Hierarchie zwangsläufig bis zum Maße seiner Unfähigkeit befördert wird, so dass in letzter Konsequenz eigentlich alle Mitarbeiter in einer hierarchisch strukturierten Organisation unfähig sind. Netzstrukturen sind gegenüber hierarchischen Strukturen flexibler. Der Einzelne hat mehr Entfaltungsspielraum. Allerdings besteht in solchen Strukturen die Gefahr, dass sich keiner wirklich für das Ganze verantwortlich fühlt. Vernetzte Strukturen sind schwerer kontrollierbar als hierarchische Strukturen.
3.094
Bei allen Strukturen, die eine gewisse Größe erreicht haben, besteht die Gefahr der Zementierung von Positionen und vor allem die Gefahr eines Verlustes der gemeinsamen Idee.
214
3
Das Spindelmodell
Ein lebendiger Organismus besteht aus einer zusammenhängenden Struktur von Funktionen, die über eine zentrale Koordinationsstelle miteinander kommunizieren. Die funktionale Ebene reagiert, ist aber nur dann lebendig, wenn eine zentrale Idee den einzelnen Funktionen ihre Bedeutung verleiht. Erst durch eine Idee wird die an sich tote Spindel zum lebendigen Organismus. Dieses Modell lässt sich auf die Existenz jedes Organismus übertragen, sei es eine einzelne Person, eine Sozialgemeinschaft oder ein Unternehmen.
Zentrale Idee
3.095
Der menschliche Organismus Beim menschlichen Organismus kommunizieren die Organe über das Zentralnervensystem. Das Skelett bildet das Gerüst. 3.096
215
3 Funktionale Energie
Probleme lösen
Ein menschlicher Körper, der sich im Koma befindet, existiert ausschließlich in dieser Weise. Im funktionalen Sinn lebt ein solcher Körper noch. Geistig aber ist er nach unserem heutigen Kenntnisstand tot. Werden die Maschinen zur technischen Versorgung des Körpers abgeschaltet, tritt der körperliche Tod ein. Die bisher durch die funktionale Energie zusammengehaltenen Organe zerfallen in einzelne Elemente. Die funktionale Energie sorgt für den Zusammenhalt und das Zusammenwirken der Elemente, bildet aus einer Ansammlung von Elementen einen Organismus, definiert dieses Agglomerat als Organismus. Ist diese funktionale Energie nicht mehr vorhanden, zerfällt der Organismus in unkoordinierte Bestandteile.
3.097
Geistige Energie
3.098
216
Erst durch geistige Energie wird der Organismus belebt. Wacht der Mensch aus einem Koma auf, erkennt er sein Umfeld, kann mit ihm kommunizieren und ggf. seine Lage einschätzen.
3
Das Spindelmodell
Ob er sich selbst als Identität erkennt, Wünsche äußert, seine Lage wahrnimmt, hängt davon ab, wie stark sich die geistige Ebene wieder mit der funktionalen Ebene verbindet und inwiefern sie wieder das Kommando über die Funktionsebene übernimmt.
Geistige und funktionale Ebene
3.099
Im täglichen Leben findet eine ständige Oszillation zwischen den Ebenen statt. Handeln und darüber nachzudenken, was man tut, Ziele definieren, Ziele umsetzen, findet in ständigem Wechsel statt. Es erfordert einen gewissen Abstand von sich selbst, überhaupt beobachten zu können, was man tut und warum man es tut. Im Schlaf lösen sich die beiden Ebenen temporär voneinander, bleiben aber miteinander verbunden. 3.100
217
3
Probleme lösen
Nach dem Aufwachen übernimmt die geistige Ebene wieder das Kommando über die funktionale Ebene. Die Identität ist erhalten geblieben. Eine Gemeinschaft Eine Ansammlung von Personen bildet normalerweise keine Gemeinschaft. 3.101
Gemeinsame Idee
Gemeinschaft entsteht durch eine gemeinsame Idee.
3.102
Für das Zusammenleben in einer Gemeinschaft werden Konventionen, Regeln geschaffen. 3.103
218
3
Das Spindelmodell
Geht die tragende Idee verloren und die Gemeinschaft existiert lediglich durch ihre bestehenden Regeln weiter, funktioniert sie als tote Spindel. 3.104
Tote Spindeln können entweder als Baumaterial lebendiger Spindeln benutzt oder eventuell durch eine neue Idee wiederbelebt werden. 3.105
Jedes Sozial- oder Wirtschaftssystem lässt sich als funktionales System verstehen, das aufgrund einer gemeinsamen Idee zu einem Organismus wird. Fehlt die gemeinsame Idee, handelt es sich nur um eine funktionale Anordnung von Elementen. Das Wohlbefinden des Gesamtorganismus, eines Sozialsystems, eines Unternehmens erfordert die Identifikation mit dem Organismus. Erkrankungen entstehen, wenn die gemeinsame Idee, der Common Sense nicht mehr vorhanden ist und sich innerhalb der funktional verbundenen Elemente eine neue, konkurrierende Idee entwickelt. Dann kommt es im menschlichen Körper zum Krebsgeschwür, im Staat zur Revolution oder zum Terrorismus, in einem Unternehmen zu feindseligen Kontrapositionen. 3.106
219
3
Probleme lösen
Das Unternehmen als Organismus Ein Unternehmen verhält sich in seinem Umfeld wie ein lebendiger Organismus. 3.107
Die Elemente des Unternehmens sind die Mitarbeiter, die in bestimmter, d. h. organisierter Weise miteinander zum Wohle des Ganzen kommunizieren. Das Unternehmen benötigt für seine Existenz eine gemeinsame Idee. 3.108
Zur Umsetzung der gemeinsamen Idee gehören z. B. Funktionsbereiche wie Projektbearbeitung, Finanzen, Controlling, Außenauftritt. 3.109
220
3
Das Spindelmodell
Für die Konstruktion des Unternehmens werden die Faktoren im Spindelmodell zu Funktionen der Idee. Auf der Funktionsebene wird das Zusammenspiel der Teilfunktionen über den zentralen Punkt “Managementunterstützung“ geregelt. Auf diese Ebene gehören auch alle organisatorischen Hilfsmittel. 3.110
Besonders wichtig ist das Zusammenspiel zwischen der Unternehmensidee und dem organisatorischen Basispunkt auf der operativen Ebene.
221
3
Probleme lösen
Die Konstruktion der Spindel Bei der Konstruktion der Spindel lassen sich die einzelnen Positionen über ein Kodierungssystem identifizieren, bei dem die einzelnen Schichten eindeutige Bezeichnungen erhalten. Zwischen der Ideenebene und dem Fußpunkt der Spindel wird eine +/- Codierung vorgenommen, die dem Prinzip der Ladungstrennung ähnelt. 3.111
222
3
Das Spindelmodell
Die Konstruktion einer Unternehmensspindel Beim Aufbau einer Organisationsspindel werden zunächst die für das Unternehmen wichtigen Faktoren in einem Faktorenfeld festgehalten.
Faktorenfeld
3.112
In einem zweiten Schritt werden operationale Felder gebildet und benannt.
Operationale Felder 3.113
223
3 Spindelmodell
Probleme lösen
Anschließend werden die operationalen Felder im Spindelmodell geordnet.
3.114
In der Abbildung sind die Funktionsbereiche eines kleinen Unternehmens mit sechs Mitarbeitern (MA 1–MA 6) erfasst. 3.115
Als Unternehmer ist MA 1 der Träger der Unternehmensidee. Er ist neben der Unternehmensführung auch für die Entwicklungsberei-
224
3
Das Spindelmodell
che des Unternehmens zuständig. Außerdem ist er für die strategische Entwicklung in einem Projekt zuständig. Die Leitung dieses Projektes liegt in den Händen des Mitarbeiters MA 3. MA 3 ist darüber hinaus für die Bereiche Finanzen und Mitarbeiterführung verantwortlich und steuert die Koordination aller Projekte des Unternehmens. MA 2 ist in seiner Funktion als „Managementunterstützung“ für die Steuerung des Gesamtunternehmens in enger Abstimmung mit der Unternehmensführung zuständig. In einem größeren Unternehmen werden die einzelnen Funktionsbereiche einer Spindel durch dafür zuständige Mitarbeiter besetzt, so z. B. die Zuständigkeit für die Publikationen und die permanente Aktualisierung der Homepage im Bereich PR. Bei kleineren Unternehmen übernimmt ein Mitarbeiter möglicherweise mehrere Funktionen. Das jedoch ändert an den für das Unternehmen definierten Funktionsbereichen vom Prinzip her nichts. Auch bei kleinsten Unternehmen ist die Unterteilung der Funktionsbereiche erforderlich, schon allein, damit die notwendigen Kompetenzen der einzelnen Funktionsbereiche erkannt und bei der Weiterentwicklung berücksichtigt werden können. In der Abbildung ist die Spindelstruktur eines Unternehmens mit mehreren Teilunternehmen und einem angegliederten Institut für Forschung und Entwicklung dargestellt. Die Teilunternehmen besitzen wiederum eine eigene Organisationsstruktur (siehe Prototyp). 3.116
225
3
Probleme lösen
Unternehmensentwicklung und Neustrukturierung Häufig entwickeln sich kleinere Unternehmen zunächst rein additiv. Der Unternehmensgründer deckt anfangs alle Funktionen selbst ab. Die Organisation seiner fachlichen Kompetenz bei wenigen Aufträgen bleibt überschaubar. Die erste Entlastung ist meist eine Schreibkraft mit Telefonkompetenz. Die Aufträge wachsen, sind alleine nicht mehr zu bewältigen, weitere Fachkräfte werden hinzugenommen. Unmerklich multipliziert sich der Aufgabenbereich des Unternehmensgründers, er akquiriert Aufträge, macht die Verträge, organisiert die Zeitabläufe, kommuniziert, überwacht die Auftragsbearbeitung, organisiert die Zusammenarbeit, kontrolliert die Ergebnisse, arbeitet selbst noch fachlich an den komplexesten Inhalten und schult überdies im laufenden Prozess seine Mitarbeiter. Am Wochenende beschäftigt er sich mit den Finanzen, der Wirtschaftlichkeit und Kostenvoranschlägen, längst reicht der 14-Stunden-Tag nicht mehr aus, um alles in einer Arbeitswoche unterzubringen. Er kommt an die Grenzen seiner physischen und psychischen Belastbarkeit. Spätestens jetzt ist es unabdingbar, über die Unternehmensstruktur nachzudenken und eine entlastende Organisation aufzubauen. Wie am folgenden Beispiel gezeigt wird, kann sich eine, in den laufenden Betrieb nachträglich implantierte Unternehmensstruktur als problematisch erweisen, weil die bestehenden Mitarbeiterkompetenzen möglicherweise mit den erforderlichen Kompetenzen der neuen Strukturen nicht mehr kompatibel sind. Werden die erforderlichen Kompetenzen nicht innerhalb der Personalstruktur ergänzt, erweitert oder verändert, führt das zwangsläufig zum Austausch von Mitarbeitern.
Ein Fall aus der Beratungspraxis Im Folgenden wird die Entwicklung eines kleineren Unternehmens für energietechnische Gutachten dargestellt. Kurz nach der Gründungsphase des Unternehmens arbeitet P1, der Inhaber des Büros, mit einem Mitarbeiter P2 zusammen, der hinsichtlich der fachlichen
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3
Das Spindelmodell
Struktur den Bereich der intelligenten und formalen Gutachtenserstellung perfekt abdeckt. 3.117
P1 ist über den Bereich der fachlichen Beratung hinaus besonders in der überzeugenden Kommunikation und Vertretung der Gutachtensergebnisse auch in problematischen Gremien qualifiziert. Aufgrund dieser Tatsache erhält das Unternehmen immer mehr Aufträge, so dass im Verlauf von etwa 6 Jahren vier weitere Mitarbeiter für die Gutachtensbearbeitung (P3 bis P6) und eine Halbtagskraft (P7) für Sekretariatsarbeiten eingestellt werden. 3.118
Zustand 2 zeigt, systemisch gesehen, eine additive Ausweitung auf der funktionalen Ebene. Alle Fäden laufen nach wie vor bei P1 zusammen, was hier zu einer sehr hohen Belastung führt. P1 betätigt sich nicht nur im Bereich seiner Exzellenzkompetenz (auf der Ideeneben), sondern koordiniert, korrigiert und steuert alle Gutachten, bereitet darüber hinaus Angebote und Honorarabrechnungen vor. Der Sekretariatsbereich umfasst neben dem Telefondienst reine Schreibarbeiten, die Postbearbeitung und die Ablage. Die Steue-
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3
Probleme lösen
rungsfunktion (s. Spindelhub) ist nicht besetzt. Die Struktur stimmt so nicht. Damit ist ein Crash vorhersehbar. Die Anzahl der zu bearbeitenden Gutachten steigt nach wie vor. Alle Mitarbeiter sind stark ausgelastet. P1, der in Auftraggeberkreisen immer mehr als ein exzellenter Gesprächspartner und Berater akzeptiert wird, ist völlig überlastet. Als erste Maßnahme ist eine Klassifikation der Aufträge in A-, Bund C-Aufträge vorgesehen, wobei in die Kategorie A Aufträge von zukunftsweisenden Top-Auftraggeber mit hohen Ansprüchen, hohem Beratungsanteil und großem Honorarvolumen fallen. In die Kategorie C fallen die reinen Gutachtensaufträge ohne große Fernwirkung. C-Aufträge werden, wenn möglich, nicht mehr bearbeitet. Als zweite Maßnahme wird die Unternehmensstruktur verändert (Zustand 3). 3.119
P2 soll die Koordination und Korrektur der Gutachtensbearbeitung übernehmen, um P1 zumindest in diesem Bereich zu entlasten. Das scheitert aber sehr schnell. P2 ist zwar ein hervorragender Gutachter, aber kein Kommunikationsgenie. Es fällt ihm ausgesprochen schwer, seine Kenntnisse in angemessener Form weiterzugeben. Die Probleme auf dieser Ebene führen dazu, dass im gesamten Betrieb des Öfteren eine feindselige Atmosphäre herrscht. Eine Spindelstruktur ist in Phase 3 der Unternehmensentwicklung zwar vorhanden, die Steuerungsfunktion ist aber falsch besetzt. P7 ist für Sekretariatsarbeiten geeignet, für die Steuerungsposition aber ebenfalls nicht. Aus diesem Grund wird ein neuer Mitarbeiter (P8) eingestellt, mit der Maßgabe, hauptsächlich die Entlastungs-
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3
Das Spindelmodell
funktion für P1 wahrzunehmen, u. a. aber auch Angebote und Abrechnungen mit zu erstellen. P2 ist für die Koordination der Gutachtensbearbeitung zuständig und bearbeitet selbst komplexere Gutachten. 3.120
In Zustand 4 entspricht die Konstruktion zwar formal dem Spindelprinzip, scheitert aber wieder an der mangelnden kommunikativen Fähigkeit von P2. P1 wird durch die Steuerungsfunktion entlastet, die Büroatmosphäre bleibt aber angespannt. In Zustand 5 kehrt P2 in seinen Hauptkompetenzbereich, der qualitativ exzellenten Gutachtensbearbeitung zurück. Dabei entwickelt er zusätzlich Prototypen und einen Leitfaden für die Projektbearbeitung. Die nach wie vor steigende Zahl von Gutachtensaufträgen (auch der Klasse A) wird z. T. über Subunternehmer abgewickelt. Für die Koordination der Subunternehmer wird ein weiterer Mitarbeiter eingestellt, bei dessen Auswahl neben guten, übergreifenden Fachkenntnissen vor allem kommunikative Fähigkeiten eine herausragende Rolle spielen. Fazit: In der Spindelstruktur sind Funktionsbereiche dargestellt. Diese Funktionsbereiche haben im Kern eine zentrale Idee und eine
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3
Probleme lösen
Steuerungsfunktion. Bei der personellen Besetzung der einzelnen Funktionen ergeben sich daraus zentral wichtige Kompetenzanforderungen. Existiert keine Spindelstruktur oder sind einzelne Funktionsbereiche falsch besetzt, ist das Unternehmen instabil oder sogar zum Scheitern verurteilt. Bei der Unternehmensgründung sollte bereits eine Organisationsstruk tur bedacht werden, die dem Spindelmodell entspricht. Selbst wenn der Existenzgründer in der Anfangsphase des Unternehmens alle Funktio nen selbst bedient, zeigt das Spindelmodell bereits auf, welche Positio nen mit welchen entsprechenden Kompetenzen bei einer Weiterent wicklung zu besetzen sind. Nur so kann das Unternehmen sukzessive und passgenau in eine größere Struktur hineinwachsen.
Die personelle Besetzung der Spindelpositionen Das Spindelmodell als Organisationsprinzip Spindelmodell
Das Spindelmodell ist ein Organisationsprinzip lebendiger Organismen. Dabei werden die Ideenebene, die Bewertungs- und Entscheidungsebene sowie die Handlungs- und Umsetzungsebene unterschieden.
3.121
Organismen
Spindelhub
230
Als Organismen in diesem Sinne sind neben menschlichen, tierischen und pflanzlichen Organismen auch soziale Gebilde wie Unternehmen, Vereine, Staatsgebilde zu verstehen. Die grundsätzliche Fähigkeit eines Organismus zur Trennung der Ebene der Idee und des Bewusstseins von der Umsetzungs- und Handlungsebene, wird als Spindelhub bezeichnet. In diesem Sinne ist der Spindelhub die Fähigkeit, sich selbst aus der Distanz zu
3
Das Spindelmodell
betrachten und aus dieser Distanz heraus die Handlungsebene zu steuern. Im Gegensatz zu menschlichen Organismen und sozialen Gebilden sind tierische und pflanzliche Organismen hierzu nicht in der Lage. Bei der Differenzierung verschiedener Funktionsbereiche auf der Umsetzungsebene (C) werden die Funktionsbereiche über eine zentrale Koordinationsfunktion (B) im Sinne der Ideenebene (A) als Impulsgeber gesteuert.
Differenzierung verschiedener Funktionsberei che
3.122
Für das Wohlbefinden eines sozialen Gefüges im Sinne eines Gesamtorganismus spielen Zusammengehörigkeitsgefühl, Begeisterung und eine offene Atmosphäre eine ausschlaggebende Rolle. Insgesamt sind die folgenden Faktoren für das Wohlbefinden eines Organismus maßgeblich: • Fluidum, • Atmosphäre, • Zusammengehörigkeitsgefühl, • Offenheit, • Angstfreiheit und • Begeisterung. Für die „Konstruktionselemente“ Ideenrepräsentanz (A), Koordinationsfunktion (B) und für die Funktionsbereiche (C) gelten hinsichtlich der personellen Besetzung grundsätzliche Anforderungen.
Wohlbefinden eines Organis mus
231
3
Probleme lösen
Anforderungen an Position A 3.123
Anforderungen an Position B 3.124
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3
Das Spindelmodell
Anforderungen an Position C 3.125
Besetzung der Funktionsbereiche Die Trennung von Funktion und Person ist ein zentrales Element der Spindelorganisation nach der Faktorenfeldmethode. Aus der Gesamtidee ergeben sich die erforderlichen Funktionen zur Umsetzung der Idee. Bei der Suche nach geeigneten Mitarbeitern, bei deren Bewertung und bei der Formulierung von Zielvorgaben für die Personalentwicklung ergibt sich aus der Grundkonstruktion der Spindel und der Funktionsbereiche ein einfaches Bewertungsschema. Die Sollanforderungen werden im gezeigten Beispiel in einer Anforderungsskala von • 5 = unabdingbar, sehr wichtig • 3 = erwünscht • 1 = nicht vorrangig eingestuft.
Trennung von Funktion und Person
233
3
Probleme lösen
Sofern Position C weiter differenziert wird (wenn also in dieser Position auch Führungsaufgaben anfallen), gelten auch für diese Position die Anforderungen von Position A. 3.126
Faktoren/Personalbewertung Für Position A sind beispielsweise Selbstdistanz, Humor, Verantwortung für das Ganze, Begeisterungsfähigkeit von ausschlaggebender Bedeutung (Bewertung mit 5 Punkten), während diese Eigenschaften bei den Positionen B und C zwar wünschenswert, aber nicht unabdingbar sind.
234
3
Das Spindelmodell
Bei der Selbsteinschätzung eines Mitarbeiters (E) werden Punkte für die einzelnen Eigenschaften in einer Skala von 1 bis 5 vergeben. 3.127
Daraus ergibt sich ein Passprofil des Mitarbeiters für die Bereiche A, B und C. 3.128
Der Mitarbeiter eignet sich relativ klar für Position C des Spindelmodells. Vermutlich ist er hier aber für Führungsaufgaben nicht geeignet.
235
3
Probleme lösen
Hinsichtlich der Einzeleinschätzungen können diejenigen Faktoren weitergehend identifiziert werden, bei denen „Unterdeckung“ (high) oder Überdeckung (low) vorliegt. 3.129
Aufgrund der hohen Abweichungen der Einzelfaktoren wird nochmals verdeutlicht, weshalb der Mitarbeiter weder für Position A noch für Position B geeignet ist. In Bezug auf die Positionierung im Bereich C sind die Punkte 10, 11 und 12 möglicherweise verbesserungsfähig, also die fachliche Professionalität, die Einhaltung formaler Rahmenbedingungen und der Beitrag zur Gesamtatmosphäre. Auf diese Weise lassen sich zumindest in einem groben Raster Personalbesetzungen der Funktionsbereiche optimieren.
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3
Das Spindelmodell
Die Anforderungen an die Hauptspindel gelten bei einer stärkeren Differenzierung der Funktionsbereiche in weitere Spindelebenen analog. 3.130
Differenzierung komplexer Organismen Je komplexer ein Organismus wird, desto wichtiger ist die klare Gliederung der Spindelstruktur, die professionelle Besetzung der einzelnen Funktionsbereiche, die „Spindelhubfähigkeit“ in allen Ebenen und der Transport der gemeinsamen Idee des Organismus über alle Differenzierungsebenen hinweg. Für jeden Mitarbeiter innerhalb der Unternehmensspindel ist das herrschende Fluidum, die Gesamtatmosphäre, von ausschlaggebender Bedeutung für das Engagement und die Freude an der Arbeit: • Zusammengehörigkeitsgefühl, Wir-Gefühl, sich als Teil eines Ganzen empfinden, • sich mit der Gesamtidee identifizieren können, • Gefühl, etwas Besonderes zu repräsentieren, • Verantwortungsbewusstsein fürs Ganze, • seine Persönlichkeit einbringen können, • Akzeptanz der anderen, Toleranz,
237
3
Probleme lösen
• • • • • • • 3.131
3.132
238
Vertrauen in die anderen, Begeisterungsfähigkeit für neue Ideen, Aufmerksamkeit, merken, was um einen herum passiert, Interesse, Offenheit, Neugier, Gefühle anderer bemerken (Empathie) und berücksichtigen, positive Ausstrahlung, Freundlichkeit, emotionale Stabilität, Ausgeglichenheit.
Intuition: Ein Außenseiter zur Problemlösung
3.4
3
Intuition: Ein Außenseiter zur Problemlösung
Intuition spart Zeit und Geld Befragt man erfolgreiche Unternehmer, wie sie ihre Entscheidungen treffen, erhält man manchmal sehr überraschende Antworten. Am Ende einer langen Reihe von Hinweisen auf „gründliche Untersuchungen“ kommen Worte vor wie „ aus dem Bauch“, „gefühlsmäßig“ und „intuitiv“. Manchmal hat man den Eindruck, einige aufwändige, systematische Untersuchungen haben lediglich zur Legitimation der intuitiven Entscheidung gedient. Begleitet wird diese Erklärung manchmal von einem Gesichtsausdruck, der neben Stolz auch eine gewisse Verlegenheit ausdrückt. Dabei ist das Bauchgefühl oder die Intuition in manchen Situationen der einzige Weg, eine schwierige Entscheidungen treffen zu können. Das widerspricht keinesfalls einer systematischen Vorgehensweise (z. B. entsprechend dem Problemlösungszirkel). Intuition spielt aber nicht nur bei Entscheidungen, sondern auch bei allen Einzelschritten des Problemlösungszirkels eine wesentliche Rolle. Intuition gehört zu jedem der Schritte von der Wahrnehmung des Problems über die Zielfestlegung bis hin zur Durchführungskontrolle. Intuition spart Zeit und Geld und beginnt dort, wo das rationallogische Denken aufhört, an den Grenzen der physischen Wahrnehmung, an den Grenzen der durch unser Bewusstsein erfassten Realität.
Bedeutung der Intuition
Intuition und Unschärfe ist ein Erfolgsfaktor heutiger Unternehmens führung.
239
3
Probleme lösen
3.133
Intuition wird benötigt, … … wenn eine Situation unübersichtlich ist und nur ganzheitlich erfasst werden kann. • … wenn es mehrere Entscheidungsvarianten gibt, die hinsichtlich ihres Ergebnisses in etwa gleichwertig sind. • … wenn eine Entscheidung sehr schnell getroffen werden muss. • … wenn es um Fragen der Gestaltung geht. • … wenn ein Gremium bei der Beurteilung einer Situation uneinig ist. • … wenn eine Entscheidung hinsichtlich der zu verwendenden Methode bei einer komplexen Aufgabe mit mehreren linearen Lösungsansätzen erfolgt. •
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Intuition: Ein Außenseiter zur Problemlösung
Kinder versuchen ständig, zu Erkenntnissen über das zu gelangen, was sie wahrnehmen. Sie sind ungeheuer neugierig, wissensbedürftig und beobachten ihr Umfeld sehr genau. Die Verhaltensweise der Eltern in bestimmten Situationen fügt sich zu einem Mosaik der kindlichen Verhaltensforschung. Experimente in Form von Provokationen runden das Bild immer mehr ab. Die Ergebnisse dieser kindlichen Forschung werden von den „Autoren“, den Kindern, nicht in Forschungsberichten dokumentiert, sind aber in Bezug auf den individuellen Erkenntnisgewinn des Kindes mindestens genauso bedeutungsvoll wie eine Dissertation über das Verhalten von Seeschwalben bei Gewitter. Das Studium der Funktionsweise des väterlichen Rasierapparates führt nicht nur zur Erkenntnis darüber, warum etwas funktioniert bzw. nicht mehr funktioniert, sondern ergänzt das Bild über die väterlichen Verhaltensweisen in Verbindung mit offensichtlich existierenden Wertvorstellungen. Kinder erfassen mangels anderer Wege zur Erkenntnisgewinnung zwangsläufig intuitiv, lernen durch Imitation und Rollenspiele. Spätestens mit dem Eintritt in die Grundschule reduziert sich diese Phase des intuitiven Lernens gewaltig und wird durch die systematische Einführung in die wohlgeordnete Welt scheinbar gesicherter Erkenntnisse und durch die Vermittlung des entsprechenden Handwerkzeuges wie rechnen, schreiben und lesen abgelöst. Intuition ist nicht mehr gefragt, sie ist eher unerwünscht. Sicherlich lässt sich eine Rechenaufgabe wie 5 + 4 = ? besser rechenmechanisch und unter Anwendung der entsprechenden Regeln lösen als intuitiv. Beim Lernen von Sprachen gelten ebenso Regeln in Form von Grammatik und Rechtschreibung. Musische Fächer, bei denen Intuition gefragt ist und gefördert werden soll, treten im Schulalltag immer mehr nur als Randerscheinungen auf und werden manchmal ebenso didaktisch vermittelt wie Rechenaufgaben. Eine große Rolle spielt dabei die weit verbreitete Meinung, dass in unserem Wirtschaftssystem nur diejenigen einen Arbeitsplatz finden, die gelernt haben, alle Regeln und Gesetzmäßigkeiten möglichst optimal zu verinnerlichen.
3 Kinder und Intuition
Schule unter drückt die Intuition
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3 Intuition in der menschlichen Erkenntnisge schichte
Intuition bei Führungskräf ten
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Probleme lösen
Einige Quantensprünge in der Erkenntnisgeschichte der Menschheit basieren auf Intuition, plötzlicher Eingebung. „Heureka“ soll Archimedes (ca. 287–212 v. Chr.) ausgerufen haben, als ihm in der Badewanne sitzend die Idee kam, wie man aufgrund der Wasserverdrängung das Volumen eines Gegenstandes und damit seine Dichte bestimmen kann. Konkreter Anlass für diese Eingebung war das Problem, den Goldanteil der Krone von Heiron II von Syrakus bestimmen zu müssen, ohne die Krone einzuschmelzen. Eine nette Anekdote zur Entwicklung der Fallgesetze ist die Geschichte von Isaak Newton, dem bei einer Siesta unter einem Baum ein Apfel auf den Kopf fiel. Alle Erkenntnisse basieren aber zunächst sicherlich auf härtester Arbeit in einem speziellen Fachgebiet. Ohne diesen Hintergrund wären die berühmtesten Einfälle harmlos verpufft oder gar nicht erst entstanden. Ein Apfel ist sicherlich schon Millionen Menschen auf den Kopf gefallen, ohne dass sie daraus messerscharf die Fallgesetze abgeleitet hätten. Gleichzeitig sind die bahnbrechenden Erkenntnisse nicht unmittelbar aus einer Situation scharfen Nachdenkens heraus, sondern im Gegenteil in einer völlig entspannten Situation entstanden. Andererseits fällt Intuition nicht ohne Weiteres vom Himmel, sondern bedarf in der Regel großer Anstrengung, um das Feld dafür zu bereiten. Intuition entwickelt sich am besten in einer entspannten Atmosphäre des „Loslassens“. Intuition hilft dann weiter, wenn wir am Ende der rational-logisch Denkmethoden angelangt sind und innehalten. Dieter Brandes, ehemaliger Geschäftsführer von AldiNord berichtete, dass er einer komplexen Studie zur Markterschließung und Produktauswahl eines neu einzurichtenden Aldi-Marktes in der Türkei intuitiv misstraute und ansässige türkische Frauen und Männer bat, die Produkte zu besorgen, die sie am liebsten einkaufen. Daraus wurde eine Reihe gebildet, in die Produkte, die mehrfach vorkamen, aufgenommen wurden. Bis heute hat sich diese Produktpalette zu 80 % bewahrt und wird erfolgreich verkauft. Intuition spielt bei Führungskräften eine wichtige Rolle, wenn es beispielsweise darum geht, bei wichtigen Verhandlungen die Stimmungslage der Beteiligten einschätzen zu können. Die Anwendung analytischer Methoden schließt sich hier allein schon aufgrund des
Intuition: Ein Außenseiter zur Problemlösung
zur Verfügung stehenden Zeitrahmens aus. Um eine Situation in Sekundenbruchteilen optimal einschätzen zu können, bleibt nur die möglichst gut ausgebildete Fähigkeit zur intuitiven Einschätzung. Kann es sein, dass da in unserem Bildungssystem wichtige Komponenten späterer Qualifikation zu kurz kommen? In der Wortbedeutung ist Intuition „Erkenntnis ohne wissenschaftliche Einsicht“. Wie wertvoll müssen diese Erkenntnisse sein, noch dazu, wenn sie entstehen, ohne Wissenschaftler bemühen zu müssen. Wäre die Fähigkeit der Intuition besser ausgereift, könnten Milliarden für teure Forschungseinrichtungen gespart werden, würden tausende von Gutachten und deren Verwaltung überflüssig. Oder ist Intuition etwas so Seltenes, Einmaliges, dass man sich nicht darauf verlassen kann, sie immer rechtzeitig bei dringenden Entscheidungen parat zu haben. Dass man ganz hilflos ausgeliefert ist, wenn nun gerade Intuition erforderlich ist, stimmt nicht ganz. Von Künstlern hört man, dass sie ein Thema umkreisen und dabei „Antennen“ benutzen, die vor allem in angeregter Atmosphäre sensibel reagieren. Lässt sich so etwas nicht auch auf die Führung eines Unternehmens übertragen? Sind Unternehmer und Führungskräfte so hilflos und gnadenlos eingesperrt in das Tagesgeschehen, dass die für Intuition erforderlichen Freiräume gar nicht erst entstehen können? Leider ist das häufig so und es gibt eine verbreitete Tendenz, mit Druck und möglichst großen Materialschlachten zu guten Entscheidungen kommen zu wollen. Sicher gelingt das manchmal. Um wie viel leichter und einfacher wäre es aber, wenn für Intuition mehr Frei- und Entwicklungsraum geschaffen würde. Das aber geht nicht durch Druck und Anstrengung, was eher zu kontraproduktiven Situationen führt, sondern vielmehr durch loslassen, sich zurücklehnen, entspannen, durch Humor, Abstand von den Dingen und Selbstvertrauen. Etwas fragwürdig bei der Erklärung des Wortes „Intuition“ ist die selbstverständliche Verwendung des Terminus „Wissenschaftliche Einsicht“. Kann es nicht sein, dass hier Wissenschaftler bei der Definition etwas zu eng gedacht haben, dass Wissenschaft als „Suche nach Erkenntnissen“ unterschiedliche Wege gehen kann und wissenschaftliche Einsicht durchaus auch den Parallelbegriff wissen-
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Intuition in der Kunst
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3 Linke/rechte Gehirnhälfte
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Probleme lösen
schaftlicher Übersicht verträgt. Vielleicht gibt es neben den Vertikalwissenschaften auch Horizontalwissenschaften, bei denen die Intuition gegenüber logisch-rationalen Erwägungen im Vordergrund steht. In Bezug auf das Hemisphärenmodell besteht nach wie vor eine starke Bevorzugung der linken Gehirnhälfte, der das rationallogische Denken zugeschrieben wird. Intelligenztests beziehen sich überwiegend auf das Prüfen von Leistungen der linken Hemisphäre. Immer mehr wird die Bedeutung emotionaler, weicher Faktoren erkannt, insbesondere bei der Personalführung in Unternehmen, sind Intuition und Kreativität gefragt. Leider kommen solche, mehr der rechten Hemisphäre zugeschriebenen Gehirnleistungen in der Ausbildung immer noch zu kurz. Musische Fächer werden eher als dekorative Attribute ernsthafteren Denkens verstanden. In Betrieben wird das Hemisphärenmodell in einer ganz einfachen Formel umgesetzt. Historisch gesehen werden Methoden im Management überwiegend für den rational-logischen Bereich entwickelt. Der intuitive Bereich entzieht sich aus Gründen des Selbstverständnisses solchen rational-logischen Ansätzen. Die Faktorenfeldmethode bezieht beide Hemisphären ein, unterstützt die Ideenfindung im Netz und liefert den operativen methodischen Rahmen für die Umsetzung von Ideen. Zweifellos: Die rechte und die linke Gehirnhälfte sind gleich groß! Wir verwenden 90 % der Ausbildung auf das Training der linken Gehirnhälfte. Intuitive Fähigkeiten bedürfen ebenfalls des intensiven Trainings entsprechend der Ausbildung der rationalen Denkweise. Bei erfolgreichen Unternehmen ist wirtschaftliches Denken und Handeln abhängig von der Bewältigung der Komplexität und Flexibilität. Im Zeitalter des Internets und der globalen Vernetzung haben ausschließlich lineare Methoden keine Zukunft mehr. Erfolgreiches unternehmerisches Handeln bedeutet zunächst, in offenen Systemen frei navigieren zu können. Die Methoden hierfür generieren sich aus dem non-linearen, vernetzten und intuitiven Denken und Handeln.
Intuition: Ein Außenseiter zur Problemlösung
3
Intuition fördern Intuition fördern bedeutet, in Arbeitsgruppen und Teamsitzungen Ideen nicht abzuwürgen, die auf Anhieb völlig verquer oder gar verrückt erscheinen. Ideenmanagement ist gefragt! Aus solchen Ideenansätzen entstehen entweder neue, wirklich grundsätzlich innovative Konzeptionen oder aber eine ursprüngliche Konzeption erhält durch die Negativabgrenzung („Warum nicht so?“) eine schärfere Kontur. Innovative Umgebung schaffen Eine innovative Atmosphäre zu schaffen, hat auch mit dem Umfeld und der Umgebung etwas zu tun. Ein Ortswechsel hinaus aus der Alltagsumgebung kann dabei hilfreich sein. Offenheit bedingt Angstfreiheit Intuition stellt sich nur außerhalb von Zwangssituationen ein. Das bedeutet für ein Team, dass alle Teammitglieder im Sinne der Sache offen, damit aber auch verletzlich sind. Offenheit erfordert Angstfreiheit. Loslassen Wer tagelang vergeblich über einem Problem gebrütet hat, verkrampft sich zwangsläufig. Loslassen heißt, einen kurzfristigen Stellungswechsel vorzunehmen, sich verrücken, bevor man verrückt wird, an etwas ganz anderes denken, wegdenken oder das Gegenteil denken.
Intuitive Anlagen von Mitarbeitern erkennen und fördern Personalauswahl und -entwicklung haben heute in allen Betrieben einen hohen Stellenwert erlangt. Fehlbesetzungen im Bereich von Führungskräften kosten Energie und Geld, abgesehen von den sich daraus ergebenden strukturellen Störfaktoren für den Gesamtbetrieb. Aus diesem Grund wird versucht, im Vorfeld von Stellenbesetzungen eine möglichst hohe Trefferwahrscheinlichkeit zu erreichen. Das geschieht – je nach Stellenwert der Position – über recht aufwändige
Personalaus wahl und entwicklung
Assessment Center
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3
MbOVerfahren
CIAAnalyse
Probleme lösen
Assessment-Center. Guten Bewerbern gelingt es dabei (u. a. auch durch entsprechendes Training bekannter Assessment-CenterVerfahren), das Auswahlraster und die Bewerter zu „überlisten“. Verfahren zur Persönlichkeitsanalyse (z. B. auch auf der Grundlage graphologischer Gutachten) werden heute als eher überholt angesehen. Im Gegensatz zur trainierbaren Überzeugungskraft bei linearen Testmethoden kann die Handschrift nicht verstellt werden. Lediglich bei ihrer Interpretation und beim Transfer auf die Stellenbesetzung bestehen große Interpretationsspielräume. Bei Maßnahmen zur Personalentwicklung und zur Nutzung des vorhandenen Potenzials finden systematische Methoden heute weniger Anwendung. Das MbO-Verfahren (Management by Objectives) bezieht sich auf die Vereinbarung von linearen Faktoren für Zielvorgaben und weniger auf die Persönlichkeit. Die spezifischen Charaktereigenschaften einer Person korrelieren jedoch immer mit der grundlegenden Disposition zur Arbeitsweise. Die CIA-Analyse (Analyse zur Charakterisierung intuitiver Anlagen), entwickelt von Ursula Bertram, setzt an beim intuitiven Prozess künstlerischer Gestaltung, wobei sich vier grundsätzliche Typen deutlich ablesen lassen, gekennzeichnet durch die Herangehensweise an den Arbeitsprozess und sein Ergebnis. Aus dieser Herangehensweise folgern klare Aussagen über die Passprofile der vorhandenen Persönlichkeitsstruktur und ihr Entwicklungspotenzial. Intuition lässt sich dabei ebenso wenig verstellen wie die Handschrift. Grundlage der Beobachtungen war eine Übung, die über Jahre angeboten wurde und überraschende Parallelen in der Problemlösung zeigte. Die Studierenden wurden aufgefordert, einen Baumstamm als Ausgangspunkt ihrer Gestaltung zu benutzen. Dabei ergaben sich unterschiedliche Vorgehensweisen, die sich zu vier Grundtypen zusammenfassen ließen. Der Optimierer (Typ 1) Der Optimierer bleibt eher an der Oberfläche, arbeitet zurückhaltend und etwas ängstlich. Er verschönt die Außenform, ohne dabei die vorgegebene Form zu verlassen.
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3
Intuition: Ein Außenseiter zur Problemlösung 3.134
Ein Optimierer kann ein hervorragendes Ergebnis erreichen, wenn er an einer optimalen und in sich spannenden Ausgangsform arbeitet. Er zeigt ein hohes Maß an Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit, ist anpassungsfähig und nachgiebig. Er ist eher konservativ und scheut Veränderungen. In der Gesellschaft und im Team verhält er sich eher zurückgezogen, ist aber ein guter Beobachter und dazu in der Lage, sozial zu wirken. In einem Unternehmen fühlt sich der Optimierer wohl, wenn er eine wichtige Position unterstützen kann, nicht aber an vorderster Front stehen muss. Durch seine freundliche Zurückhaltung kann er zu einem wichtigen Bindeglied im Team werden, das er gut unterstützt, wenn die Vorgaben klar sind. Der (Trans)Former (Typ 2) Der Former bildet eine eigenständige, aber doch bekannte archaische Form. Diese reproduziert er in mehrfacher oder leicht abgewandelter Ausführung. Dabei arbeitet der Former zuverlässig und gewissenhaft mit einem Hang zum Perfektionismus. 3.135
247
3
Probleme lösen
Der Former zeigt ein hohes Maß an Belastbarkeit und Gewissenhaftigkeit. Gegenüber neuen Ideen verhält er sich eher abwartend. Er fühlt sich in Regelwerken wohl und bearbeitet vorgegebene Aufgaben gründlich. Er kann aus einer klaren Idee vielfache Varianten bilden, ohne sich zu verlieren. Der Sammler (Typ 3) Der Sammler hat im Kern keine klare Idee gefunden. Ihm fehlt die Orientierung, er arbeitet additiv, springt von Idee zu Idee, und versucht mit Witz zu überzeugen. Er findet aber in der Konsequenz zu keiner klaren Aussage, und somit (noch) nicht zu sich selbst. 3.136
Der Sammler produziert freundliche Wolperdinger. Per Zufall kann ihm ein „Wurf“ gelingen. Er zeigt insbesondere ein hohes Maß an Verträglichkeit, ist anpassungsfähig und nachgiebig. Seine Ergebnisse sind aber nicht zuverlässig abrufbar. Im Unternehmen ist der Sammler oft anerkannt, als jemand, der für alle ein offenes Ohr hat. Er ist ein Ansprechpartner für persönliche Probleme des Teams. Fachlich bleibt seine Leistung eher sprunghaft. Sein Auftreten ist vermittelnd, aber nicht souverän. Der Erfinder (Typ 4) Der Erfinder verändert die Grundform, so dass sie nicht mehr erkennbar ist. Er zwingt sich keine Regeln auf, wo keine sind, und widmet sich ganz seiner eigenen Idee. Dabei ist er auf sich konzentriert. Er überzeugt durch kraftvolle und eigenständige Formen. Er ist nicht leicht zu beeinflussen, aber offen für gute Impulse; arbeitet aus innerer Überzeugung.
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3
Attraktivität als Erfolgsfaktor 3.137
Der Erfinder zeigt große Offenheit für neue Ideen und Strömungen. Er ist im höchsten Maße kreativ und orientiert sich dabei stark nach außen. Bei seiner gegebenen Konzentration kann er unbequem werden für Störfaktoren. Seine Verträglichkeit ist folglich nicht sehr groß. Im Unternehmen ist der Erfinder verantwortlich für alle neuen Entwicklungen, braucht aber zur Umsetzung andere Mitarbeiter im Team.
3.5
Attraktivität als Erfolgsfaktor
Geheimnis Attraktivität Die tatsächliche oder vermutete Fähigkeit, Masse in Energie zu verwandeln und über der Tagesebene zu stehen, ist für das Umfeld attraktiv.
Attraktivität
3.138
249
3
Probleme lösen
Was macht attraktiv? Verkauft wer den nicht Pro dukte, sondern Emotionen
Marketing, Public Relations, Corporate Design, Corporate Behaviour, Corporate Identity und Branding sind Zauberworte in einer Zeit der Überproduktion von Gütern, deren Verkauf im Konkurrenzmarkt nicht mehr ausschließlich über ihre unterschiedliche materielle Beschaffenheit erfolgt, sondern über die Verpackung, die Aufmachung und die „Story behind“. Verkauft werden nicht Produkte, sondern Emotionen. Formale Methoden zur Definition von Zielgruppen und die Analyse von Verhaltensweisen und Bedürfnissen helfen dabei, Produkte nach dem statistisch mittleren Geschmack zu designen. Nach Meinung von Marketingfachleuten, die sich dieses Themenkomplexes angenommen haben, sollte der jährliche Werbeetat von Unternehmen 10 % des Gesamtjahresbudgets nicht unterschreiten. Angesichts der Tatsache, dass immer mehr Unternehmen solchen Empfehlungen folgen und sich der Konkurrenzmarkt auf hohem Marketingniveau immer weiter fortsetzt, erscheint es sinnvoll, einmal mehr zu etwas einfacheren Denkansätzen zurückzukehren. Alle formalen Methoden zielen letztlich darauf ab, als Unternehmen mit seinen Produkten in einem bestimmten Umfeld attraktiv zu wirken. Was aber bedeutet Attraktivität im Kern? Kann man Attraktivität mit formalen Methoden produzieren? Oder sind wir eher auf der Spur geheimnisvoller Anziehungskräfte? Kann man etwas ausstrahlen, das man nicht in sich hat? Für den Unternehmenserfolg gibt es ein ganz einfaches Patentrezept: Machen Sie Ihr Unternehmen, Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung att raktiv.
Was attraktiv ist
250
Attraktiv ist es, einen Tag lang nur in der Sonne zu liegen. Attraktiv ist es, ein schnelles Auto zu besitzen. Attraktiv ist es, den Dalai Lama zu erleben. Attraktiv ist Bungee-Jumping, mit den Füßen am Gummiseil von einer Brücke herunter – aber nicht für jeden und nicht jederzeit.
Attraktivität als Erfolgsfaktor
Attraktivität ist subjektiv und situativ bedingt. Der Schwarm meiner Jugend lässt mich heute kalt. Für einen Bungee-Sprung von einer Brücke müsste man mir viel bieten oder es müssten zehn bis zwanzig Tiger auf der Brücke nach mir schnappen. Wenn die Attraktivität groß genug ist, bin ich bereit, viel Geld zu bezahlen, etwas zu riskieren, eine große Gegenleistung zu erbringen. Attraktivität beinhaltet ein Geheimnis, hat etwas mit Ausstrahlung, Nimbus, Erwartung zu tun. Attraktivität kann zur Sucht führen, nach etwas, das für uns so attraktiv bis unverzichtbar geworden ist, dass alles andere zurücktritt und verblasst.
3 Attraktivität ist subjektiv und situativ bedingt
Attraktivität bezieht sich nicht auf das, was ist, sondern auf unsere Vorstellung davon, auf die Bedeutung, die wir dem beimessen, was ist.
Auf der Attraktivität des imaginierten Zustandes, einst auf dem richtigen Platz im Paradies zu sitzen, beruht das Erfolgsrezept von Religionen. Das kann im Extrem bis zur Selbstaufgabe führen. Religiöse Fanatiker sprengen sich selbst als Selbstmordattentäter in die Luft, in dem Glauben, dann auf direktem Wege zu einem paradiesischen Zustand zu gelangen. • Eine Stadt im Wasser, schmutzig und stinkend von Abfällen, feuchte Keller, bröckelnde Fassaden, Taubendreck überall auf den Plätzen …
Attraktivität ist eine Frage der Perspektive
Oder: Attraktion (nicht nur) für Liebespaare, einmal dort gewesen sein, Traumstadt, Romantik pur, Gondolieri, verschwiegene Plätze … •
… Venedig. Ein kleiner Mann, schütteres, fettiges Haar mit einer Schmalzlocke in der Stirn, untersetzt, häufig etwas forsch … Oder: Ein Feldherr, der es geschafft hat, eine ganze Nation hinter sich zu bringen …
•
… Napoleon. Ein fahrbarer Untersatz, technisch perfekt, aber sehr unbequem zum Einsteigen, schlechte Stoßdämpfer, kaum Platz für einen Koffer …
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3
Probleme lösen
Oder: Das kleinste, große Automobilwerk der Welt, ein Traumauto für jung gebliebene und sportlich ambitionierte Fahrer … … Porsche.
Anziehungskräfte Was macht die Anziehungskraft aus bei Orten, Dingen und Menschen? Durch die physikalischen Fakten allein lässt sich diese Anziehungskraft nicht begründen. Sicherlich gehört ein Porsche zu den technisch perfektesten Autos der Welt. Der VW Touareg und der Porsche Cayenne liegen nach Expertenmeinung aber nicht sehr weit auseinander – technisch gesehen. Dennoch: Es ist das „Porschefahren“, das attraktiv erscheint. Der Cayenne wurde zum Verkaufshit. Nimbus, Ausstrahlung, geheimnisvolle, nicht messbare Anziehungskräfte sind die Ursache dafür, dass Massen dazu bereit sind, einen hohen Gegenwert zu bezahlen, um sich einen Teil des Nimbus einzuverleiben. Das erinnert etwas an die Verhaltensweise von Indianerstämmen, die das Gehirn des Häuptlings (nach dessen Tod) essen, um sich dessen Weisheit einzuverleiben. Auch in der Physik sind Anziehungskräfte bis heute ein Geheimnis. Das Newtonsche Gravitationsgesetz (1666, Isaak Newton, 1643– 1727) besagt, dass sich zwei Körper aufgrund ihrer Masse gegenseitig anziehen. Henry Cavendish (1731–1810) bestimmte dazu durch empirische Messungen die Gravitationskonstante G:
F = G*
M 1* M 2 R2
Wobei F die Anziehungskraft zwischen zwei Massen M1 und M2 und R der Abstand ist. G ist die Gravitationskonstante, mit
G = 6,67 *10 −11
252
m3 kg * s 2
3
Attraktivität als Erfolgsfaktor
Die Anziehungskräfte sind sehr klein und eher in kosmischen Regionen beobachtbar, wirken jedoch grundsätzlich überall. Worauf diese Anziehungskräfte beruhen, wie sie übertragen werden, ist bis heute unbekannt. Halten wir fest: • Anziehungskräfte beinhalten ein Geheimnis. • Attraktiv können sowohl Dinge, Orte als auch Menschen ebenso wie Aktivitäten und Zustände sein. • Anziehung hat zu tun mit Nimbus, Ausstrahlung, einem Versprechen von Mehrwert, einer Form grundlegender, nicht messbarer Irrationalität. • Attraktivität wird subjektiv empfunden. • Attraktivität wird situativ empfunden In der Werbung wird versucht, die Umsatzzahlen eines Unternehmens oder eines Produktes beispielsweise durch Branding, Profilierung der „Corporate Identity“ und einer „Story Behind“ zu steigern. Die Irrationalität von Attraktivität, Nimbus und Ausstrahlung verhindert dabei rein technologische Lösungsansätze. Wenn es ein Unternehmen schafft, sich selbst und/oder seine Produkte attraktiv zu machen, sind die Kunden dazu bereit, einen hohen Preis zu bezahlen, um sich das Produkt zu kaufen bzw. um sich den Nimbus einzuverleiben.
Anziehungskraft und Ausstrahlung 3.139
Attraktivität ist die geheimnisvolle Anziehungskraft von etwas, von Dingen, Situationen, Personen und auch Unternehmen, die dazu
Attraktivität
253
3
Probleme lösen
führt, dass Menschen bereit sind, große Mühen auf sich zu nehmen, viel Geld auszugeben um sich dieses attraktive Etwas „einzuverleiben“ bzw. es zu besitzen. 3.140
Unternehmens erfolg
Für den Unternehmenserfolg geht es also darum, sich selbst und seine Produkte oder Dienstleistungen so attraktiv zu gestalten, dass eine bestimmte und möglichst große Zielgruppe davon angezogen wird.
3.141
Anziehungskraft eines Unterneh mens
254
Anziehungskräfte sind unsichtbar und werden beispielsweise in der Physik mit Gravitation, Magnetismus und Kohäsion nur aufgrund ihrer Wirkungen postuliert. Wie groß die Anziehungskraft eines Unternehmens ist, sieht man am nachhaltigen Erfolg. Attraktivität beinhaltet ein Geheimnis, ein Versprechen, hat mit Nimbus, Ausstrahlung und Charisma zu tun. Die sichtbaren physikalischen Komponenten sind nicht ausschlaggebend, sondern das Drumherum, die Idee, die das Produkt ausstrahlt. Im Extremfall gibt es gar kein Produkt, sondern nur einen Nimbus.
3
Attraktivität als Erfolgsfaktor
Es ist also in erster Linie nicht das Produkt selbst, sondern seine Ausstrahlung, die Erfolg bewirkt. Marketing-, Werbe- und PRAktionen befassen sich mit Outfit, Emotionsdesign und der “Story Behind“. In einer Zeit physikalisch kaum unterscheidbarer Produkte kann die Vermarktung nur über eher irrationale Faktoren gefördert werden. Der „Weiße Riese“ dürfte als Waschmittel chemisch kaum ganz anders beschaffen sein als „Persil“, vermittelt dem Käufer aber ein Gefühl übermächtiger Reinigungskraft. Verkauft werden keine Produkte, sondern Gefühle, ein Image, ein Nimbus, wobei der Aspekt der Einmaligkeit, der Identifizierbarkeit, des Brandings eine maßgebliche Rolle spielt.
Nicht das Pro dukt, sondern seine Ausstrah lung zählt
3.142
In der Chaosforschung ist der Attraktor ein gedachter Anziehungspunkt, dem sich alle Faktoren nähern, auf mathematisch manchmal kaum beschreibbaren Wegen, aber mit Zwangsläufigkeit. In der Kunst wird die nicht materielle Basis der Attraktivität besonders deutlich. Ein Gemälde, ein Konzert besteht aus wenig bzw. gar keiner Substanz, sondern nahezu ausschließlich aus der von ihm ausgestrahlten Idee.
Nicht materielle Basis der Att raktivität
3.143
255
3
Probleme lösen
Die mit einem Unternehmen zusammenhängenden Faktoren, Produkte und Produktionsmittel sind nicht ausschlaggebend für den Erfolg, sondern die Attraktivität einer Idee, etwas Nichtmateriellem. Wie kann man also die Attraktivität seines Unternehmens, seiner Produkte und/oder Dienstleistungen erhöhen? Einerseits sicherlich durch technische Maßnahmen, Zielgruppenanalysen, PR-Maßnahmen, die Optimierung der Corporate Identity, des Designs und des Behaviours, anderseits durch logisch schwer zugängliche Methoden, die etwas mit Intuition zu tun haben.
Das Attraktivitätsmaß Der Verhältnis von Innovation und Redundanz
In Anlehnung an das ästhetische Maß nach Max Bense kann das Attraktivitätsmaß α2 verstanden werden als eine den Dingen innewohnende Eigenschaft, die durch das Verhältnis von Innovation I und Redundanz R definiert wird.
α² =
I R
Innovationen (I), neue Ideen, Veränderungen des Gewohnten sind für das individuelle Bedürfnis nach Weiterentwicklung erforderlich. Redundanz (R), Gewohntes, Regeln, Wiedererkennungswert sind für das individuelle Sicherheitsbedürfnis erforderlich. 3.144
256
3
Attraktivität als Erfolgsfaktor
Jeder Mensch empfindet Dinge individuell als attraktiv, wenn sie innovativ sind, allerdings nur bis zu einem gewissen Grad. Über dieses Maß hinaus erzeugen Innovationen Angst, Ablehnung und Aggression.
Wirkung von Innovationen
3.145
Zuviel Redundanz erzeugt aber Langeweile und ist damit wenig attraktiv.
Wirkung der Redundanz 3.146
Das individuelle subjektive Attraktivitätsmaß ist abhängig von der Situation, vom Umfeld, von der Zeit, von der Bildung und von der persönlichen Anschauung. Attraktiv sind innovative Ideen und Verhaltensweisen. Wenn Sie ein gewisses Maß an Gewohntem überschreiten, werden Sie abgelehnt.
Akzeptanz
3.147
257
3
Probleme lösen
Selbst wenn eine Idee langfristig erfolgreich ist, kann es sein, dass das momentane Umfeld sie noch nicht annimmt. So fanden die heute hoch gehandelten Bilder von van Gogh in den Pariser Salons zu ihrer Zeit keine Akzeptanz. 3.148
Zielgruppe
Unternehmens idee
258
Ein erfolgreiches Unternehmen ist dazu in der Lage, das richtige Attraktivitätsmaß in Bezug auf seine Zielgruppe zu bieten. Es gilt also für ein Unternehmen, ständig die Balance zu halten zwischen Innovation und Redundanz, und das im Verhältnis zu einer bestimmten Zielgruppe. In diesem Zusammenhang wird auch deutlich, dass beim Festlegen von Unternehmenszielen der Zielbestimmung auf der Ideenebene maßgebliche Bedeutung zukommt. Die Unternehmensidee ist im Sinne einer Vision wie der Fixierungspunkt eines Gummibandes zu verstehen, der für alle definierten Teilziele maßgeblich ist und die Faktoren auf der materiellen Ebene beeinflusst. Es genügt also nicht, monetäre Größen als Ziele zu definieren. Monetäre Größen haben eher den Charakter von Beobachtungsparametern auf der Tagesebene. Wenn die Unternehmensidee in Richtung
3
Attraktivität als Erfolgsfaktor
einer gesellschaftlich relevanten, übergeordneten Idee geht, ist das Unternehmen nahezu zwangsläufig erfolgreich. 3.149
259
3
Probleme lösen
3.150
Die Richtung muss stimmen! I = Innovation, R = Redundanz, α2 = Attraktivität
Attraktivität und Informationsdichte Informations dichte 3.151
260
Eine hohe Informationsdichte in Bezug auf die vorhandene Informationsdichte des Umfeldes ist attraktiv.
3
Attraktivität als Erfolgsfaktor
Aus eigener Erfahrung heraus lässt sich dieser Zusammenhang zwischen Attraktivität und Informationsdichte leicht in Gesprächssituationen nachempfinden. Ein interessantes Gespräch, ein interessanter Vortrag ist dadurch gekennzeichnet, dass man auf die Uhr schaut und feststellt, dass nicht etwa 5 Minuten, sondern eine Stunde vergangen sind. Ein Gespräch über unattraktive Themen wird als langweilig empfunden; die Zeit will nicht vergehen, manche Themen verursachen subjektive körperliche Beschwerden wie z. B. Kopfschmerzen. Interessante Gespräche beinhalten innovative Gedanken, Ideen. Bei ganz besonders fesselnden Gesprächen ist die Dichte der subjektiv empfundenen innovativen Information sehr hoch. Personen und Dinge mit hoher Informationsdichte können zu Suchterscheinungen führen. Wenn man in einem Unternehmen die Mitarbeiter motivieren möchte, sollte man das (gemeinsame) Ziel attraktiv machen. Mitarbeiter lassen sich durch ein gemeinsames Ziel eher motivieren, wenn es mit Eigenüberzeugung, viel Elan und großer Informationsdichte dargestellt wird. Die Umwandlung von Masse in Energie, Materie in Geist bedeutet eine Erhöhung der Informationsdichte und ist analog zur Reduzierung der Masse.
Mitarbeitermo tivation und In formationsdich te
3.152
261
3
Probleme lösen
Je höher die Informationsdichte, desto geringer ist die individuell empfundene Zeit.
Spindelhub macht süchtig Die tatsächliche oder vermutete Fähigkeit, Masse in Energie zu verwandeln, macht attraktiv. 3.153
Ist das Umwandlungspotenzial sehr hoch, bewirkt es Suchterscheinungen auf das Umfeld. 3.154
Charisma 3.155
262
Bei Personen wird diese Fähigkeit als Charisma bezeichnet.
3
Attraktivität als Erfolgsfaktor
Spindelhub ist die Fähigkeit, über den Dingen, über den Faktoren der Tagesebene zu stehen, diese Dinge aus der Distanz wahrzunehmen, auf der Faktorenebene zu verändern, dann wieder in die Ideenebene zurückzukehren.
Spindelhub
3.156
Humor ist die Fähigkeit, über sich selbst zu stehen, sich selbst aus einer gewissen Distanz heraus betrachten zu können und einmal über sich selbst lächeln oder auch kräftig lachen zu können. Diese Fähigkeit bzw. bereits die Vermutung, dass man diese Fähigkeit besitzt, macht attraktiv und damit erfolgreich. Je höher die Ebene der Idee, desto attraktiver ist der Vertreter der Idee. Große Philosophen wie Platon oder Sokrates und Religionsstifter wie Jesus oder Buddha waren Vertreter sehr großer Ideen. Spindelhub ist ein Prozess, bei dem Masse in Energie umgewandelt, Stumpfsinniges mit Geist umhüllt, Probleme, Regularien und Formalismen durch innovative Ideen aufgelöst werden. 3.157
Wer ausschließlich auf der Faktorenebene (re-)agiert, ist ausgeliefert, materiellen Dingen verhaftet, klammert sich an die materiellen Dinge, hat Angst, sie zu verlieren, wird geschubst, getreten und gesteuert. 3.158
263
3 Attraktivität des Spindelhubs
Probleme lösen
Als Reaktion kapselt er sich ab, igelt sich ein, um nicht so verletzlich zu sein, verliert damit aber Beweglichkeit, Lebendigkeit und stirbt innerlich und äußerlich. Jeder Ausweg aus dieser Situation ist willkommen, jeder Ort und jede Person, die Spindelhub bietet. Erkenntnisse sind Nahrung der Seele, des Geistes. Je höher die Stufe der Erkenntnis, desto wertvoller ist der Erkenntnisprozess und desto attraktiver ist derjenige, der verspricht, solche Erkenntnisse zu bewirken.
3.159
Attraktivität als Erfolgsfaktor Attraktivität ist der maßgebliche Faktor für persönlichen Erfolg und für Unternehmenserfolg. Ausschlaggebend ist dabei die Ausstrahlung, der Nimbus, das geheimnisvolle Versprechen, in einem bestimmten Umfeld etwas Unerwartetes, Neues, Mehrwert, Erkenntnisse mit hoher Informationsdichte zu vermitteln, ohne dabei das Bedürfnis nach Geordnetem, Wiedererkennen aus dem Auge zu verlieren. Attraktivität und Ausstrahlung lassen sich nicht produzieren. Charisma hat mit dem Selbst einer Persönlichkeit oder eines Unternehmens zu tun, mit Ausgeglichenheit, innerer Ruhe und einer homogenen, ganzheitlichen Ausstrahlung. Diese Faktoren ergeben sich aus einem lebenslangem Prozess, der viel mit der Arbeit an sich selbst, mit der Suche nach Erkenntnissen zu tun hat, im Falle des Unter-
264
3
Attraktivität als Erfolgsfaktor
nehmens mit der Arbeit an der Personality, repräsentiert durch die Unternehmensidee, mit der sich alle Mitarbeiter identifizieren. Personality Was verkörpert das Unternehmen? Wie ist seine Ausstrahlung? Worin bestehen die Innovationen? Wie hoch ist die Informationsdichte? Durch welche Faktoren wird ausreichend Redundanz gewährleistet? 3.160
Mitarbeiter Hat das Unternehmen als Ganzes, als homogene Einheit mit allen Mitarbeitern diese Ausstrahlung? Gibt es Störfaktoren? 3.161
Produkte Welche Ausstrahlung haben die Produkte des Unternehmens? Entspricht Ausstrahlung der Produkte der Personality des Unternehmens? 3.162
265
3
Probleme lösen
Zielgruppe Welche Zielgruppe besitzt eine ähnliche Ausstrahlung wie die des Unternehmens und seiner Produkte? Wie ist das individuelle Bedürfnis nach Innovation, Informationsdichte und Redundanz der Zielgruppe beschaffen? 3.163
Innovation Welche Produkte sind für eine bestimmte Zielgruppe unter dem Aspekt einer höheren relativen Informationsdichte und eines höheren Attraktivitätsmaßes I/R denkbar? 3.164
266
3
Ideen generieren und umsetzen
Orientierung Geht die Gesamtorientierung des Unternehmens, seine Idee, sein Leitbild, seine Vision in Richtung einer gesellschaftlich relevanten übergeordneten Idee? Um was wäre die Welt ärmer, wenn es die Produkte des Unternehmens nicht gäbe? 3.165
3.6
Ideen generieren und umsetzen
Faktor Begeisterung Eine gute Idee ersetzt ein Jahr Arbeit Die Begriffe „Vision“, „Idee“, „Branding“, „Positionierung“, „Ziel“, „Strategie“ werden in der Literatur nicht immer konsequent und einheitlich verwendet. Äußerungen wie „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“ (Gerhard Schröder) sind nicht unbedingt zielführend. Der Begriff „Idee“ reicht von seiner Bedeutungen in Platons Ideenlehre bis zur „Idee“ auf der Tagesebene, im nächsten Urlaub nach Tahiti zu fliegen. Branding heißt, seine Duftmarke zu hinterlassen. Positionierung heißt im ursprünglichen Sinn, Position zu beziehen, bedeutet Unverwechselbarkeit. Fragt man Unternehmer nach Ihren Zielen, können nur wenige klare Antworten geben, höchstens „hohe Gewinne“ oder „der größte Friseurladen am Ort
267
3
Probleme lösen
werden“. Ohne klar formulierte Ziele lassen sich aber auch keine Strategien ableiten, weil Strategien i. d. R. als „Wege zum Ziel“ definiert werden. 3.166
268
3
Ideen generieren und umsetzen
Vision, Ziele, Strategie 3.167
269
3
Probleme lösen
Nur wenn sich die Persönlichkeit(en) für eine (gemeinsame) Idee begeistern können, entsteht genügend Motivation, klare Ziele zu definieren und diese auch mit Vehemenz umzusetzen. 3.168
Ideen stecken an und motivieren Menschen nachhaltiger als Geld. Nur so lässt es sich erklären, dass Künstler ihren Ideen oft lebenslang nach gehen, obwohl der wirtschaftliche Profit für 93 % nicht existenzsi chernd ist. Das Gefühl, an einer Idee teilzuhaben, ist ungleich stärker, als nur das Gefühl zusammenzuarbeiten. Ein motiviertes Team arbeitet nicht in ei ner Firma, sondern an einer Idee.
Wo und wie findet man Ideen?
Ideen wahr nehmen
270
Es gibt künstlerische Ideen, Geschäftsideen, Produktideen, architektonische Ideen, Kernideen und Ideenderivate, nützliche Ideen und Schnapsideen, zündende Ideen und langweilige Ideen. Ideen entstehen nicht abstrakt im luftleeren Raum, sondern haben immer mit einer Person oder einer Personengruppe zu tun und mit bestehenden Verhältnissen. Unser heutiges Wirtschaftssystem verlangt mehr denn je nach innovativen Ideen. Innovationsforschung befasst sich mit Produktentwicklung und Prozessoptimierung, mit der Herkunft, Generierung und Umsetzung von Ideen. Findet man Ideen im Wald, auf Gebirgspfaden, von Bäumen hängend, in der U-Bahn, am Zeitungskiosk ? Die nahe liegende Antwort „nein“ ist falsch. Im Prinzip findet man Ideen eigentlich überall, wenn man mit offenen Augen und ausgefahrenen Antennen durchs
3
Ideen generieren und umsetzen
Leben geht. Potenzielle Ideen sind da, wir müssen sie aber wahrnehmen, bereit dazu sein und in der Lage, potenzielle Ideen zu bewerten und umzusetzen. Luxusideen, die einem zufliegen, irgendwann, irgendwo, sollte man unbedingt festhalten. Denn eine unangenehme Eigenschaft von Ideen besteht darin, dass sie flüchtig sind. Ein Notizbuch oder ein Skizzenblock kann da sehr hilfreich sein. Für eifrige Ideensammler ist das Blättern in diesen Notizen manchmal nützlich. Gezieltes Suchen in dieser Sammlung ist natürlich einfacher, wenn die Ideen in geeigneter Form im Computer gespeichert werden. Vor allem bei Teamarbeit sind Ideen-Management-Systeme gut geeignet, weil aus festgehaltenen Ideen manchmal neue Ideen entstehen. So vermehren sich Ideen. Unternehmens- und Geschäftsideen zu finden, funktioniert manchmal auch ohne systematische Verfahren in ähnlicher Weise. Allerdings ist in einer üblen wirtschaftlichen Lage, beim Kampf ums Überleben das Finden von Ideen besonders wichtig, zugleich aber auch besonders schwierig. Panik, Verkrampfung, unbedingt eine Idee erzwingen wollen, blockiert die Atemwege und die für Ideen unbedingt erforderliche Frischluftzufuhr. Auf Eingebungen zu warten ist eine zumeist ungeeignete Methode.
Ideen sind flüchtig
Unternehmens ideen finden
Richten Sie auf Ihrem PC einen „IdeenPool“ ein, auf dem Sie und alle Mitarbeiter Ideen sammeln; zunächst ungeordnet wie ein Faktorenfeld. Allmählich werden sich Ideenfelder abzeichnen, die wiederum zu über geordneten Ideen und Innovationen führen können.
Eigenes Potenzial entdecken und nutzen Bei jeder Idee spielt die Identifizierung der Persönlichkeit des Unternehmens mit der Idee, die Begeisterung für die Idee eine ausschlaggebende Rolle. Deshalb führen Fragen wie • „Was können wir besonders gut?“ und • „Woran haben wir am meisten Spaß?“
Identifikation mit einer Idee
271
3
Probleme lösen
manchmal zu interessanten Entdeckungen. Wichtig ist es dabei, von den momentanen Gegebenheiten wegzudenken, zu abstrahieren, und erst im zweiten Schritt an die Umsetzbarkeit zu denken. 3.169
Die Kernidee finden
Hilfreich sind Gesprächsrunden, Workshops, bei denen mehrere Beteiligte ihre Sicht der Dinge äußern. Im Faktorenfeld ergeben sich Gesichtspunkte, die zur Klärung der Zielfrage hilfreich sind. Nun genügt es aber nicht, den Mittelwert aus Meinungen zu bilden. Es ist erforderlich, aus den beschriebenen Faktoren die Gemeinsamkeit, die gemeinsame Essenz der Einzelfaktoren herauszufinden, die Kernidee des Ganzen.
3.170
Insidernachteil
272
Die Suche nach Ansätzen für innovative Ideen ist in Bezug auf die eigene Persönlichkeit aufgrund des Insidernachteils besonders schwierig, letztlich aber fundamental. Egal auf welchem Weg eine Idee entstanden ist, sie muss sich zur nachhaltig erfolgreichen Umsetzung letztlich immer mit der eigenen Persönlichkeit verbinden.
Ideen generieren und umsetzen
3
Wenn man von einer gefundenen Idee wirklich begeistert ist, sollte man sie unbedingt umsetzen. Denn der Erfolg von Ideen in der Umsetzung hängt maßgeblich davon ab, mit wie viel Elan und Energie man sich für die Idee einzusetzen bereit ist. Nur wenn man wirklich begeistert ist, kann man sich voll einsetzen und seine Idee dann auch anderen gegenüber authentisch vertreten. Man sollte sich dann auch nicht unbedingt von Bedenkenträgern irritieren lassen. Viele große Ideen wären nie umgesetzt worden, hätte man vorher alles gewusst, was bei der Umsetzung an unvorhersehbaren Problemen aufgetreten ist. „Jeder Mensch mit einer neuen Idee ist so lange ein Spinner, bis er Er folg hat“ (Mark Twain).
Ideenpotenziale aus Trendprognosen entwickeln In Bezug auf die aktuelle Situation des Umfeldes lässt sich feststellen, welche Ideen momentan gut ankommen und welche nicht. Nun wäre die pure Imitation gängiger, vom Markt gewünschter Geschäftskonzepte zwar denkbar, es stellt sich jedoch die Frage, ob die derzeitige Situation sich in 10 Jahren nicht evtl. etwas anders gestaltet und ob man jedem aktuellen Trend nachlaufen sollte. Große Strömungen, wie der ökologische Gedanke oder zunehmendes Gesundheitsbewusstsein, können sich entweder verstärken oder von neuen Strömungen abgelöst werden. Ein Blick in die Zukunft bleibt zwar Spekulation, hilft manchmal aber dabei, neue Ideen zu finden.
Generierung von Ideen Systematische Methoden zur Generierung von Ideen eignen sich für Einzelpersonen und besonders gut für Teams. Bekannte, klassische formale Methoden sind beispielsweise der morphologische Kasten (Zwicky-Box) und die TRIZ-Methode, die vorwiegend auf die Generierung von Produktideen abzielen und als formale Verfahren eher formale Lösungen ergeben. Offener sind Verfahren wie das Brainstorming, das Mindmapping und die Faktorenfeldmethode, weil diese Methoden zunächst keinen konkreten Rahmen für die Ideenentwicklung voraussetzen.
Systematische Methoden
273
3 Ideenentwick lung mit der Faktorenfeld methode
Probleme lösen
Bei der Faktorenfeldmethode wird zunächst relativ frei alles notiert, was einem zur aktuellen Situation (beispielsweise zu Einschätzung von Entwicklungstendenzen) einfällt. Namen, Projekte, Fakten usw. Einige dieser Faktoren haben bei etwas näherer Betrachtung eine engere Verbindung miteinander als andere, so dass Faktorenfelder gebildet werden können. Beispiel Faktorenfeld zur Einschätzung von Entwicklungs tendenzen:
3.171
Beispielsweise hat sich als Auswirkung des verstärkten Ökologiebe wusstseins auf das Bauwesen der Bereich des ökologischen Bauens in den letzten Jahrzehnten entwickelt. Probeweise lassen sich dann un terschiedliche Einzelfaktoren miteinander kombinieren, um so zu An sätzen für neue Ideen zu gelangen. Kombiniert man z. B. die Faktoren „Ökologiebewusstsein“ und „Vernetzung von Arbeitsplätzen“, liegt der Gedanke einer interdisziplinären Kooperation nahe. Fügt man den
274
Ideen generieren und umsetzen
3
Faktor „Bildungsbewusstsein“ hinzu, ergeben sich evtl. Ideenansätze für breitenwirksame Informationsveranstaltungen zum Thema „Ökolo gisch Bauen“, vielleicht in Verbindung mit einem entsprechenden In ternetauftritt. Der wichtigste Aspekt der gefundenen Idee sollte aber sein, dass die Idee zur Persönlichkeit passt. Vermutlich wird ein einge fleischter Nichtraucher kaum auf die Idee kommen, einen Tabakladen zu eröffnen.
Umsetzung von Ideen Bei aller Begeisterung für eine Idee ist es wichtig, im Anschluss möglichst sachlich zu beurteilen, wie gut und vielversprechend die Idee wirklich ist. Ob eine Ideen gut war oder gar exzellent, ob sie für ein Unternehmen als kurzfristiger Rettungsanker dienen kann oder gar als Innovationsschub für die nächsten zehn Jahre, stellt sich immer erst später heraus. Vor der Umsetzung einer Idee sollten folgende Fragen möglichst umfassend beantwortet werden: • Wie heißt die Idee? (Schlagwort, Motto) • Was ist der Kern der Idee? (Kein Ideenmix) • Was hat die Idee mit der eigenen Persönlichkeit zu tun? • Ist die Idee schlicht, lässt sie sich in einer Minute beschreiben? • Lässt sich die Idee bildlich darstellen? • Aufgrund welcher besonderen Eigenschaft begeistert die Idee? • Warum ist die Idee so besonders attraktiv? • Womit hat die Idee allgemein zu tun? • Was beeinflusst die Idee positiv, was negativ? (auch Fernwirkungen) • Für wen ist die Idee interessant und attraktiv? • Welche Komponenten sind an der Umsetzung der Idee beteiligt? • Was sind die Schritte zur Umsetzung der Idee? • Was wird durch die Umsetzung der Idee verbessert? • Für wen ist die Umsetzung besonders interessant? • Was ist jemand bereit, für die umgesetzte Idee zu geben? • Welche ähnlichen umgesetzten Ideen gibt es? • Worauf beruht der Erfolg ähnlicher Ideen?
Diese Fragen sollten vor der Umsetzung ei ner Idee beant wortet werden
275
3
Probleme lösen
•
Umsetzungslo gistik
Was ist daran nicht so gut? • Welche Umfeldentwicklungen/-faktoren haben einen positiven, welche einen negativen Einfluss auf die Idee? • Gibt es messbare Größen? • Mit wem kann ich mich verbünden? • Bewegt die Idee etwas, wird durch sie etwas nachhaltig/positiv beeinflusst? • Wie kann die Idee verbreitet, bekannt gemacht werden? • Reichen die eigenen Ressourcen auch langfristig? • Müssen Ressourcen entwickelt oder beschafft werden? • Was kostet die Beschaffung der erforderlichen Ressourcen? • Reichen die finanziellen Mittel? • Wie können Mittel beschafft werden? • In welchem Zeitrahmen kann die Idee umgesetzt werden? • Was ist, wenn ich mir vorstelle, dass die Idee vollständig optimal umgesetzt wäre? Welches Gefühl hätte ich dann? In der Frageliste werden qualitative und quantitative Faktoren abgefragt, die direkt in die Umsetzungslogistik einfließen. Die Umsetzungslogistik beinhaltet möglichst präzise Szenarien, die sich auf den Marktauftritt, das Kundenpotenzial, die Konkurrenz, vorhandene eigene Ressourcen, Kosten, Return of Investment beziehen. Die von Banken geforderten üblichen Businesspläne reichen dabei bei Weitem nicht aus. Das Durchspielen von Worst-case- und Best-caseSzenarien erfordert Simulationsmodelle, in denen sowohl betriebswirtschaftliche Annahmen als auch Umfeld- und Marktentwicklungen sowie strategische Teilschritte berücksichtigt werden müssen.
Umsetzung simulieren Simulationsmo delle
276
Simulationsmodelle sind rechnergestützte Verfahren, die heute bei der Untersuchung vernetzter ökonomischer und ökologischer Systeme in zunehmendem Maße angewendet werden. Die in der Betriebswirtschaft verwendeten Modelle zur Erfassung des wirtschaftlichen Status und der Entwicklung von Unternehmen sind besonders gut geeignet, um Worst-case- und Best-case-Szenarien durchzuspie-
3
Ideen generieren und umsetzen
len. Dabei werden die bereits im Faktorenfeld qualitativ erfassten Einflussfaktoren als Parameter quantifiziert und mit den entsprechenden Abhängigkeitsgleichungen im Computer erfasst. Im Vordergrund steht zunächst die Logistik des Gesamtsystems, die Erfassung möglichst vieler systembeeinflussender Größen und deren Beziehungen zueinander. Einzelwerte müssen auf dieser Stufe nicht unbedingt mit hohem Genauigkeitsgrad vorliegen. Beispiel: Faktorenfeld Unternehmensführung 3.172
Ein allzu hoher Genauigkeitsgrad bei Einzelwerten kann manchmal sogar eher hinderlich sein. Bei der Modellbildung sollte das richtige Maß an Ungenauigkeit gefunden werden. Dieses Maß orientiert sich
277
3
Probleme lösen
am Zweck des Modells und an der Aufwand-Nutzen-Relation zwischen dem erforderlichen Datenerhebungsaufwand und den in Bezug auf das Gesamtsystem folglich möglichen Aussagen. Technisch gesehen kann man einfache Simulationssysteme selbst recht gut auf Excel-Basis erstellen. Einige grundlegende Tabellen und Hilfsmittel sind im Handbuch Existenzgründung dargestellt. Das Buch beinhaltet auch eine entsprechende CD-ROM.
Umsetzungslogistik, Bausteine In den Entwurf der Umsetzungslogistik fließen alle Ergebnisse aus den vorangegangenen Phasen der Ideenfindung ein. Die dabei hergestellten Unterlagen, Skizzen, Rechentabellen und Checklisten dienen gleichzeitig zur späteren Erfolgskontrolle. Beispiel: Umsetzungslogistik von Ideen 3.173
278
3
Ideen generieren und umsetzen
Last but not least „An Ideen fehlt es nicht, aber an Männern, sie auszuführen“ (Honoré de Balzac).
Abgesehen davon, dass es bekanntermaßen auch Frauen und nicht nur Männer sind, die Ideen ausführen, stellt sich die Frage, ob wirklich immer genügend Ideen da sind. Superideen sind – realistisch gesehen – eher selten. Ansonsten ist es sicher richtig, dass es viel mehr Menschen gibt, die Ideen äußern (im Sinne von „man könnte doch …“, „man sollte …“), als Menschen, die dann tatsächlich Ernst machen und Ideen auch wirklich umsetzen. Beides – Ideen finden und umsetzen – gehört zusammen. Die solide Umsetzung auch einer kleinen Idee ist ebenso wichtig wie die Idee selbst.
Ideen finden und umsetzen
Ideen mit Eigenleben Ein Ganzes wird durch eine gemeinsame übergeordnete Idee gebildet. Anders formuliert: Ein Ganzes besteht dadurch, dass Faktoren eine gemeinsame Idee haben. 3.174
Ist diese Idee nicht vorhanden, handelt es sich um eine bloße Ansammlung von Faktoren. 3.175
279
3
Probleme lösen
Eine in sich ruhende Persönlichkeit hat eine homogene Idee von sich selbst. 3.176
Wird eine Person von mehreren Ideen beherrscht, ist sie gespalten (schizophren). 3.177
Entweder ist eine der Ideen aufzugeben oder es ist eine höhere Idee erforderlich. 3.178
280
3
Ideen generieren und umsetzen
Eine Person ohne Idee ist ein Zombie. 3.179
Wird eine Person von einer ihr fremden Idee besetzt, ist sie „besessen“. 3.180
Ein Unternehmen wird durch eine gemeinsame Idee bestimmt, mit der sich die Persönlichkeiten identifizieren können. 3.181
281
3
Probleme lösen
Ein Unternehmen ohne Idee ist ein Zombie. 3.182
Wird ein Unternehmen von mehreren Ideen beherrscht, ist es schizophren und nicht steuerbar. 3.183
Ein in sich ruhendes Unternehmen hat eine homogene Idee von sich selbst. 3.184
282
3
Ideen generieren und umsetzen
Der lebendige Organismus hat eine Idee. Ohne Idee verbleiben lediglich Faktoren, die aufgrund von Formalismen zusammenhalten. Findet sich keine neue Idee, zerfällt die Spindel wieder in Einzelfaktoren. 3.185
Zur Stabilisierung einer Idee in Bezug auf ihre Funktionen sind Formalismen und Regeln erforderlich. 3.186
283
3
Probleme lösen
Die Idee wird auf der operativen Ebene durch eine zentrale Funktion repräsentiert. 3.187
Idee und Persönlichkeit Eine Lebensidee, eine Idee von sich selbst macht das Leben zu mehr als einer bloßen Ansammlung von Faktoren. 3.188
Diese Idee durchdringt die Persönlichkeit, führt zu Homogenität aller Lebensäußerungen und strahlt diese Homogenität nach außen ab. 3.189
284
3
Ideen generieren und umsetzen
Die Persönlichkeit wird zum Repräsentanten dieser Idee und vermittelt Authentizität durch Haltung, Profilschärfe, Standfestigkeit und Ausstrahlung. 3.190
Je höher und attraktiver die Idee selbst ist und je mehr Energie die Persönlichkeit im Sinne dieser Idee ausstrahlt, desto attraktiver ist die Persönlichkeit für ihr Umfeld. 3.191
Die Person wird zur charismatischen Leitfigur. Führungspersönlichkeiten erstellen Regeln im Sinne der Idee, an denen sich die Mitarbeiter orientieren können, auch dann noch, wenn die Führungspersönlichkeit nicht (mehr) anwesend ist. 3.192
285
3
Probleme lösen
Die Idee und ihre Form „Das Ganze ist mehr als die Summe aller Teile.“ Dieser auf Aristoteles zurückgeführte Satz führt zu Begriffen wie Synergie und zur systematischen Betrachtung von Vorgängen in ihrer ganzheitlichen Interaktion. 3.193
In der Hermeneutik wird ein Zirkelbezug zwischen den Teilen und dem Ganzen postuliert. Es wird davon ausgegangen, dass das Ganze die Teile und die Teile das Ganze beeinflussen. 3.194
Voraussetzung dafür, dass etwas als homogene Ganzheit empfunden wird, ist die Existenz einer gemeinsamen Idee. 3.195
286
3
Ideen generieren und umsetzen
Jeder Verein, jedes Staatsgebilde, jedes Unternehmen bedarf zunächst einer gemeinsamen Idee der Beteiligten, sonst gibt es keinen Grund für einen Zusammenschluss. 3.196
Zur Festigung der Idee ist ein formaler Rahmen in Form von Statuten, einer Verfassung, eines Vertrages erforderlich. Die Aufgabe einer solchen formalen Struktur besteht darin, den Rahmen für die Umsetzung der Idee auf der Tagesebene zu regeln und das Zusammenspiel der Beteiligten im Sinne der gemeinsamen Idee festzulegen. Im Idealfall bildet die formale Struktur die Idee des Zusammenschlusses in allen wesentlichen Komponenten ab. 3.197
Die Idee muss sich in einem sich permanent verändernden Umfeld ständig weiterentwickeln und anpassen. Deshalb muss der formale Rahmen eine vorhersehbare Bandbreite von Entwicklungen zulassen, muss flexibel sein oder aber bei einer in wesentlichen Bestandteilen veränderten Idee neu gefasst werden. 3.198
287
3
Probleme lösen
Formale Strukturen besitzen einen Hang zur Selbsterhaltung, insbesondere dann, wenn sich Personen mit ihrer Funktion stark identifiziert haben, wenn die Gebilde sehr groß geworden sind und bereits seit langer Zeit existieren. Deshalb ist es beispielsweise in der Satzung von Vereinen empfehlenswert, ein Verfallsdatum vorzusehen, zu dem sich der Verein automatisch formal auflöst. Anschließend wird geprüft, inwieweit die ursprüngliche Idee noch vorhanden ist, modifiziert werden muss, um in der Folge auch die Satzung entsprechend neu zu formulieren. Gibt es keine gemeinsame Idee mehr, gibt es auch keinen Grund mehr, den Verein bestehen zu lassen. Gleiches gilt für Institutionen und Firmenstrukturen. 3.199
Über die Entwicklung von Ideen 1. 2. 3. 4. 5. 3.200
288
Die Form entspricht der Idee. Die Idee entwickelt sich. Die Idee verlässt die alte Form. Die alte Form bleibt als Formalismus erhalten. Die Idee sucht sich eine neue Form.
3
Ideen generieren und umsetzen 3.201
Varianten der Entwicklung von Idee und Form
289
3
Probleme lösen
3.7
Wie kann ich in die Zukunft schauen?
Die zyklische Entwicklung von Wirtschaft und Unternehmen Zyklischer Ver lauf von Umsät zen und Gewin nen
Dass auf Regen wieder Sonne folgt, hat etwas Tröstliches. Entwicklungsanalysen von Unternehmen zeigen auffallende Ähnlichkeiten hinsichtlich des zyklischen Verlaufes von Umsätzen und Gewinnen. Der russische Wirtschaftsökonom Kondratjeff (1892–1938) hat die ökonomischen Entwicklungen im 18. und 19. Jahrhundert untersucht und Zyklen von etwa 50 Jahren entdeckt, in denen Abschwünge nahezu zwangsläufig sind und Basisinnovationen wie z. B. der Webstuhl, die Eisenbahn oder die Elektrizität zu neuen Aufschwüngen führen. Der Zukunftsforscher Nefjodow (*1947) leitet daraus den „6. Kondtratjeff“ ab und postuliert aktuelle Basisinnovationen im Bereich der psychosozialen Gesundheit, die für einen Aufschwung bis in das Jahr 2040 hinein sorgen sollen. Der vorliegende Abschnitt behandelt zyklische Entwicklungen von Unternehmen in Bezug auf das Verhältnis von Innovation und erforderlicher Redundanz und zeigt aktive Strategien, mit denen auf der Basis der Faktorenfeldmethode unternehmensspezifische Innovationen generiert und in wirtschaftlichen Erfolg umgesetzt werden können. Betrachten Sie die Entwicklungskurven Ihres Unternehmens über einen möglichst langen Zeitraum. Ergänzen Sie die Tendenzlinien. Prüfen Sie die Attraktivität Ihres Unternehmens aktuell (Einnahmen) und konzent rieren Sie sich besonders auf die Einnahme und Gewinnkurve im Ver gleich. Überprüfen Sie bei großen Abweichungen Optimierungsmög lichkeiten in Ihrer Unternehmensstruktur, in den Prozessabläufen und der Mitarbeitereffizienz. Versuchen Sie, die Kurven mithilfe der Ten denzlinie in die Zukunft weiter zu zeichnen. Beachten Sie dabei die ak tuellen Umfeldfaktoren wie die allgemeine Wirtschaftslage, die Bran che, politische Einflussgrößen etc.
290
3
Wie kann ich in die Zukunft schauen?
Unternehmensentwicklung in Zyklen Unternehmen entwickeln sich hinsichtlich ihrer Umsätze und Gewinne in Zyklen. Aufschwung- und Abschwungphasen wechseln je nach Unternehmensgröße und -art in einem Zeitraum von circa 3 bis 5 Jahren. Die Entwicklung der Einnahmen ist der Maßstab für die Attraktivität des Unternehmens in seinem Umfeld. Die Gewinnentwicklung weist auf die Fähigkeit des Unternehmens hin, aus den Umsätzen entsprechende Wertschöpfung zu generieren. Die Umsatz- und die Gewinnentwicklungskurve korrelieren nicht unmittelbar, weil sie von unterschiedlichen Faktoren im Unternehmen beeinflusst werden. Entscheidend ist die Tendenzlinie, die wie beim Aktienkurs an der Börse den Erfolgskurs kennzeichnet und eine Prognose hinsichtlich der weiteren Entwicklung zulässt.
Tendenzlinie
Die Tendenzlinie verrät Ihnen Ihre unternehmerische Attraktivität.
3.202
E = Einnahmen A = Ausgaben G = Gewinne P = Personalkostenanteil T = Tendenzlinie
291
3
Probleme lösen
Die Abbildung zeigt ein reales Unternehmen (erfasst im Zeitraum von 1971 bis 2002). Die Entwicklung der Einnahmen zeigt einen kontinuierlichen Anstieg, während die Gewinnentwicklung nur mäßig folgen kann. Fazit: Das Unternehmen ist für sein Umfeld hoch attraktiv, gerade wieder im letzten Erfassungsjahr, während die Wertschöpfungskurve auf Optimierungsmöglichkeiten in der Unternehmens- und Organisationsstruktur hinweist.
Der Ballonflug eines Unternehmens Die Entwicklungsphasen lassen sich mit dem Flug (korrekter: der Fahrt) eines Heißluftballons vergleichen. Innovationen bedeuten Auftrieb, den Gegenpart spielen die erforderlichen Ressourcen, Formalien, Betriebsmittel im Sinne einer Gravitationskraft. Unternehmensentwicklung bedeutet, beide Kräfte – Auftrieb und Gravitation – jeweils im Gleichgewicht zu halten. Für die Aussteuerung des Ballonfluges spielen die Umfeldbedingungen (Gegenwinde, Aufwinde) eine maßgebliche Rolle. 3.203
Typische Unter nehmensent wicklung
292
Eine typische Unternehmensentwicklung sieht folgendermaßen aus: Bei der Existenzgründung erzeugt die Idee den Auftrieb. Weitere Mitarbeiter, eventuell größere Räumlichkeiten, Organisationskosten etc. erhöhen den Ballast. Umstrukturierung, bessere Organisation der Prozessabläufe bei gleichzeitiger Weiterentwicklung der Idee
Wie kann ich in die Zukunft schauen?
3
und Motivationsmaßnahmen steuern das Unternehmen wieder aus. Der dadurch entstandene Auftragszuwachs führt wiederum zu einer größeren Belastung auf der Umsetzungsebene, die Innovationsentwicklung wird vernachlässigt. Die Auftragslage ist rückläufig, durch die Verminderung des Personalbestands erfolgt eine Entlastung u. s. w.
Innovationszyklen nach Kondratjeft und Nefjodow Innovationen finden in Zyklen statt und hängen mit der jeweiligen Basisinnovation zusammen: Die Erfindung der Dampfmaschine bis hin zur Nanotechnologie, die erst unsere Zukunft bestimmen wird. Die Innovationen (zum Beispiel die Dampfmaschine) bedingen das weitere Wirtschaftswachstum (zum Beispiel den Aufbau der Handelsnetze, die wiederum neue Erfindungen erforderlich machen, wie z. B. die schnellere Bedienung der Handelswege – hier: die Einführung der Eisenbahn). Insofern bedeutet jede Basisinnovation zunächst einen wirtschaftlichen Aufschwung, danach erfolgt die Konsolidierung und Ausschöpfung der neuen Erfindung, die Redundanz erhöht sich und die wirtschaftliche Entwicklung ist rückläufig bis zur nächsten Basisinnovation. Der Prozess ähnelt dem „Ballonflug“ eines Unternehmens.
Basisinnovatio nen
Zykleninterpretation nach Preißing Innerhalb der Zyklen gibt es jeweils Tiefpunkte und Hochpunkte sowie Wendepunkte mit jeweils spezifischen Verhältnissen zwischen Innovation und Redundanz.
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3
Probleme lösen
Wendepunkte 3.204
Die hier dargestellte Sinuskurve für die zyklische Entwicklung ist charakterisiert durch Hoch- und Tiefpunkte sowie die Wendepunkte W1 und W2. Die Wendepunkte liegen auf der langfristigen Tendenzlinie.
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Wie kann ich in die Zukunft schauen? 3.205
Der Zeitpunkt für Innovationen liegt vor dem Tiefpunkt. Er läutet die Aufschwungphase ein. Die Plateauphase ist eine Konsolidierungsphase. Die Redundanz überwiegt gegenüber der Innovation. Die Abschwungphase nach der Konsolidierung ist zwangsläufig und für die wirtschaftliche Entwicklung vorhersehbar. Hier ist eine Investition in Forschung und Entwicklung notwendig.
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3
Probleme lösen
Das Stimmungsbild der Zyklen 3.206
Bestimmte soziale Faktoren und politische Stimmungen sind charakteristisch für die jeweiligen Ab- bzw. Aufschwungphasen. Das Marktverhalten verändert sich entsprechend. Vor den Wendepunkten sind bestimmte Kompetenzen und Qualifikationen gefragt (Erfinder/Innovation). Spezifische Gestaltungen haben jeweilige Priorität und beeinflussen die Handlungen und die gesamte Stimmungslage. Innerhalb der Zyklen ergeben sich vorhersehbare Zusammenhänge, die entsprechend der Faktorenfeldmethode in Kontexten betrachtet und analysiert werden können. 3.207
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3
Wie kann ich in die Zukunft schauen?
Wirtschaftszyklen und Innovationsbereitschaft Folgt die wirtschaftliche Entwicklung einer vereinfachten Sinuskurve, entspricht die Innovationsbereitschaft der Kosinuskurve. Das heißt, dass der wirtschaftliche Tiefpunkt und gleichzeitig der Aufschwung bzw. die Bereitschaft für Innovationen am Wendepunkt der Abwärtsbewegung liegen. 3.208
Der nachhaltige Unternehmenserfolg ist – insbesondere in der Konsoli dierungsphase – von der langfristigen Innovationsplanung abhängig. Eine weitblickende Unternehmensführung stellt sich nicht nur auf die zwangsläufigen Entwicklungszyklen der Wirtschaft ein, sondern auch auf die damit einhergehenden Umfeldfaktoren, die vorhersehbare Stim mungslage und den damit erforderlichen Ausbau entsprechender Quali fikationen und Kompetenzen im Unternehmensgefüge.
Innovationen generieren Innovationen sind unzweifelhaft die zentralen Erfolgsfaktoren für Unternehmen und damit für unser Wirtschaftssystem. Wie aber kommt es zu Innovationen? Lassen sich Innovationen generieren oder muss man warten, bis sie vom Himmel fallen?
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3 Intuitive Inno vationsgenerie rung
Probleme lösen
In der Tat lassen sich Innovationen mithilfe zweidimensionaler Matrix-Methoden (z. B. mithilfe der Zwicky-Box- oder der TRIZMethode) generieren. Bei diesen Methoden ist der Innovationsrahmen jedoch vorgegeben. Auch das Feld für intuitive Ideenansätze lässt sich mit solchen Methoden vorbereiten. Intuition entsteht aber nicht im vorgegebenen Rahmen und hält sich nicht an Regelwerke. Intuition erfordert eine Atmosphäre der Offenheit und der Angstfreiheit, sie wird durch innerlichen und äußerlichen Orts- und Positionswechsel gefördert. Aus Sicht der Faktorenfeldmethode geht der Innovationsprozess auf den Bottom-up- und den Top-down-Ansatz bei der intuitiven Innovationsgenerierung zurück. Innovation heißt, Bestehendes neu ordnen.
3.209
Die Voraussetzung dazu ist Wahrnehmung aus der Distanz. 3.210
Aus der Distanz ergibt sich der Überblick über die aktuellen Komponenten der Situation. Einer der wichtigsten Schritte ist dabei, die Faktoren so zu akzeptieren, wie sie momentan sind. 3.211
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3
Wie kann ich in die Zukunft schauen?
Horizontale Querverbindungen, Fakten lassen sich spontan oder systematisch verknüpfen. Dabei ergeben sich häufig neue Aspekte und bislang unbeachtete Einflüsse. 3.212
Je nach Ausgangsbasis und Interessenslage werden einzelne Faktoren mit ihren Komponenten genauer betrachtet. 3.213
Ein veränderter Blickwinkel ergibt neue Perspektiven, relativiert die unterschiedlichen möglichen Sichtweisen. 3.214
Bei einer systematischen Betrachtung einzelner Faktoren und einer Vertiefung in mehreren Schritten ist es wichtig, wieder an den Ausgangspunkt der Idee zurückzukehren. 3.215
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3
Probleme lösen
Systemik des Innovationsprozesses Bottom up/Top down
Bottom up und Top down sind Ansätze der Fraunhofer Technologie Entwicklungsgruppe zur Innovationsplanung.15 Computerprogramme sollen bei der Ideenfindung bzw. bei der Projektumsetzung helfen. Innovationen sind unzweifelhaft die zentralen Erfolgsfaktoren für Unternehmen, und damit für unser gesamtes Wirtschaftssystem. Bottom up und Top down sind die zwei essenziellen Ansätze der Faktorenfeldmethode.
3.216
Bottom up: von den Fakten zur Idee Bestehende Dinge so zu sehen, wie sie sind, nach ihrer Essenz und ihrer gemeinsamen Idee zu fragen, ist der induktive Ansatz der Faktorenfeldmethode. Dabei werden zunächst Faktoren als Ist-Zustand wertfrei und ohne Einschränkungen gesammelt, Ansatzpunkte und Rahmenbedingungen für ein Projekt, Hintergründe, Umfeldfaktoren, Eigenschaften von Personen. 3.217
15
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Siehe www.tip-u.org oder www.teg.frauenhofer.de.
3
Wie kann ich in die Zukunft schauen?
Welche Kompetenzen haben Sie und Ihre Mitarbeiter? Welche Dinge fallen Ihnen leicht? Was können Sie gut, auch außerhalb des Berufes? Lesen Sie gerne, sind Sie ein Denker? Sollten Sie ein Fachbuch schreiben? Kommunizieren Sie gerne? Können Sie gut Inhalte vermitteln? Sollten Sie an einer Hochschule einen Lehrauftrag akquirieren? Welche Produkte oder Dienstleistungen haben Sie? Welche davon begeistern Sie? Welche sind erfolgreich? Welche Ihrer Produkte sind besonders gefragt? Wenn eine Fee käme, um Ihnen einen Wunsch zu erfüllen, was würden Sie sich wünschen? Gehen Sie auf Distanz!
Durch die Betrachtung aus der Distanz ergibt sich eine neue Sicht der Dinge und manchmal auch eine völlig neue, innovative Idee zur Lösung eines Problems. 3.218
Top down: von der Idee zur Umsetzung Ideen bestimmen, was sein soll, die Idee für eine Reise, für eine Erfindung, die Gründung eines Unternehmens oder seine Neuorientierung. 3.219
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3
Probleme lösen
Was begeistert Sie? Was wollten Sie mit 20 Jahren werden? Wenn Sie die Wahl hätten, welcher Idee würden Sie am liebsten nach gehen? Was beschäftigt Sie in Ihrer Freizeit? Wie hängt dies mit Ihren Kompetenzen zusammen? Was wäre der Traum Ihres Büros, in welcher Umgebung, welcher Stadt wäre es? Wen bewundern Sie? Was hat das mit Ihnen zu tun? Was stört Sie? Was möchten Sie ändern? Welche Ideen liegen vor Ihrer Haustür?
Erscheint die Idee attraktiv genug, geht es an die Umsetzung, manchmal spontan und ohne genauen Plan, in der Regel aber unter Abwägung aller zur Umsetzung der Idee gehörenden Faktoren. Die Idee wird zu einem Ziel, der Weg zum Ziel zu einer Strategie, die dann in einer logistisch stimmigen Folge von Einzelmaßnahmen umgesetzt wird. Die Faktoren werden zu Funktionen der Idee. 3.220
Oszillierender Prozess Bei der Faktorenfeldmethode greifen der Top-down- und der Bottom-up-Ansatz häufig ineinander. Die Entscheidung für einen dieser Ansätze bedeutet kein Entweder-oder, sondern gleicht einem oszillierenden Prozess. Eine zündende Idee ergibt Faktoren zur Umsetzung, die wiederum mit allen anderen Faktoren zusammen eine Veränderung der Idee ergeben, und so fort, so lange bis intuitiv alles stimmig ist und das
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Wie kann ich in die Zukunft schauen?
Zusammenspiel von Idee und Faktoren eine belastbare Organisation erlaubt. 3.221
Dabei fließt die Idee des Ganzen über mehrere Ebenen hinweg mit dem Spindelprinzip bis in die unterste Ebene der Funktionen. 3.222
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3
Probleme lösen
Top down und Bottom up als oszillierende Prozesse entsprechen der Arbeitsweise von Künstlern, deren künstlerisches Denken und Handeln immer wieder innovative Werke hervorbringen.
Der Innovationsprozess Aus dem Wechsel zwischen dem Top-down- und dem Bottom-upAnsatz ergibt sich ein permanenter Prozess der Innovation. 3.223
Faktorenfeldmethode im Innovationsprozess
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4
4.1
Gelöste Probleme – erlebte Geschichten
Mein Problem mit den Problemen
Eine meiner wichtigsten Erkenntnisse der letzten Zeit entstand im Zusammenhang mit dem Versuch, möglichst anschauliche Beispiele für die Anwendung der Faktorenfeldmethode zu schildern. Welche Systematik sollte ich dabei zugrunde legen? Sollte ich Beispiele zur Verwendung einzelner Basics wählen (z. B. das „Schlichtermodell“ mit Beispielen aus der Mediationspraxis, wenn zwei Partner unterschiedlicher Auffassung bezüglich der Fakten sind)? 4.001
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4
Gelöste Probleme – erlebte Geschichten
Sollte ich nach der Problemherkunft unterscheiden und Beispiele für Probleme auf der materiellen, emotionalen und rationalen Ebene darstellen? 4.002
Sollte ich darauf eingehen, dass viele Probleme struktureller Art sind, und dabei auf die Bedeutung der Spindelpositionen eingehen? 4.003
Oder sollte ich Beispiele für das Durchlaufen des Problemzirkels schildern? 4.004
Klar war, dass es sich nicht um „triviale“ Probleme handeln konnte, auch wenn sie ernsthafter Natur wären (wie z. B. die Frage nach der Angemessenheit von Verrechnungsstundensätzen oder nach der Einführung eines Qualitätsmanagementsystems). Solche Fragen beziehen sich schwerpunktmäßig auf Bedingungen innerhalb geschlossener Systeme. Bei den von mir dargestellten Beispielen sollte es sich aber schwerpunktmäßig um Probleme in offenen Systemen handeln.
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4
Mein Problem mit den Problemen
Meine Fragetechnik hat bei Beratungsgesprächen sicherlich oft das Gefühl von Verunsicherung erzeugt, wenn ich vermeintlich einfache, geschlossene Systeme hinterfragt habe. Vertrauen war dabei eine wichtige Grundlage, um solche Fragen überhaupt stellen zu können. 4.005
Beispiele für Beratungsfälle zu finden, war für mich nicht schwierig. Es fielen mir eher zu viele als zu wenige ein. Immerhin habe ich seit etwa 1980 zeitweise über 100 Beratungsgespräche pro Jahr geführt. Die Architektenkammer Baden-Württemberg hatte aufgrund einer Strukturuntersuchung zur wirtschaftlichen Situation von Architekturbüros Gelder vom Wirtschaftsministerium zur Verfügung gestellt bekommen, mit denen Kurzberatungen von Büros gefördert wurden. Anfänglich handelte es sich dabei vor allem auch um die Beratung von Architekturbüros, die in Bezug auf die Anschaffung und Einführung von Computern ihre Probleme hatten. Da ich selbst Architekt war, als solcher damals auch praktizierte, und zudem auf eine 7-jährige Ausbildung und Praxis im Bereich EDV zurückblicken konnte, war ich Ansprechpartner u. a. auch bei Kommilitonen und Kollegen, die mein Interesse an der trockenen Computermaterie ehemals etwas belächelt hatten. Welche Geräte sollte man anschaffen? Diese Frage war um so bedeutungsvoller, als in dieser Pionierzeit selbst bessere Schreibautomaten, Programme für die Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung von Bauleistungen, insbesondere auch für CAD (Computer Aided Design), zusammen mit dem erforderlichen Einführungsprozedere noch sehr teuer waren und durchaus manchmal ein Viertel des Jahresbudgets eines kleineren Büros ver-
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Gelöste Probleme – erlebte Geschichten
schlangen. Bei der Empfehlung für ein System war ich dann auch entsprechend vorsichtig. Meine wichtigste Frage war damals: „Wozu brauchen Sie eigentlich einen Computer? Was versprechen Sie sich davon?“ Es ging ja nicht nur um die Anschaffung, sondern auch um die Einpassung in den Bürobetrieb und um organisatorische Vorbereitungen, was einige Zeit kostete. 4.006
So ergaben sich im Zusammenhang mit der Anschaffung eines EDV-Systems nicht nur Fragen nach der wirtschaftlichen Situation des Büros, nach den vorhandenen organisatorischen Grundlagen und nach Vorkenntnissen der Mitarbeiter, sondern auch nach der Zielorientierung des Unternehmens insgesamt. Ein interessanter Telefonanruf ist mir gut im Gedächtnis haften geblieben, bei dem im Grunde nur eine Frage klar zu beantworten gewesen wäre: „Was denken Sie, welche CAD-Anlage sollte ich mir kaufen?“ Meine Gegenfrage „Wozu und warum so plötzlich?“ ergab, dass die wirtschaftliche Situation des Büros noch kürzlich desolat gewesen ist und dass es jetzt gelungen sei, einen großen Auftrag an Land zu ziehen. Rückfragen nach Vorkenntnissen und Organisationsgrundlagen ergaben, dass es hier keinerlei Basis gab. Die Anschaffung und Einführung einer CAD-Anlage parallel zur Bearbeitung eines sehr wichtigen, unter Zeitdruck stehenden Projek-
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Martin M. eckt an
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tes hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem absoluten Desaster geführt. Meine Empfehlung ging deshalb dahin, auf keinen Fall jetzt eine CAD-Anlage zu kaufen, sondern zunächst mit einer EDVgerechten Projektorganisation zu beginnen. Ein späteres Gespräch ergab Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit einem Kollegen, der bereits einschlägige Erfahrungen hatte. So konnte das Projekt in einer Kooperation abgewickelt werden und das Büro konnte dazulernen. Ich hatte mir aus dieser Zeit als Berater angewöhnt, immer nach den Hintergründen und Zusammenhängen zu fragen, insbesondere bei den existenziellen Fragen bei einer Bürogründung, einer Neuorientierung und besonders beim Thema Nachfolgeregelung. Auch wenn die Ausgangsfrage sich klar beschreiben ließ, ergaben Problemskizzen, in denen die Essenz der Frage dargestellt war, immer auch ein Umfeld von Einflussfaktoren, das bei der Problemlösung unbedingt berücksichtigt werden musste. Letztlich gab es für das Problem in seinem Umfeld immer ein Faktorenfeld. Und darin bestand meine Erkenntnis in Bezug auf die Auswahl der Beispiele im vorliegenden Kapitel. In gewisser Weise hat jedes Problem nicht nur mit einem Schwerpunkt, sondern im Prinzip mehr oder weniger mit allen Denkmodellen auf der in Teil 2 gezeigten Systemkarte zu tun. Das entspricht letztlich auch dem Grundsatz der Faktorenfeldmethode. Insbesondere, wenn es sich um diffuse, nicht genau lokalisierbare Probleme handelt, kann die Systemkarte als Checkliste benutzt werden. Und so sind wir mitten in der ersten Geschichte.
4.2
Martin M. eckt an
Martin M. hat das latente Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt, in seinem Unternehmen, in seinem persönlichen Umfeld, in der Kommunikation mit anderen. Ständig bekommt er mit irgendjemandem Probleme. Er scheut sich zwar nicht vor Auseinandersetzungen, aber die Frage, warum es ihm so häufig passiert, dass sich andere provoziert fühlen oder einfach zurückziehen und den Kontakt abbrechen, beschäftigt ihn in zunehmenden Maße. Ist er viel-
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Gelöste Probleme – erlebte Geschichten
leicht zu bestimmend? Sollte er sich manchmal eher etwas zurücknehmen? Eine selbstkritische Analyse fällt ihm schwer. Die Außensicht fehlt. Auch seine Lebensgefährtin ist vermutlich zu sehr Insider und nimmt ihn, bis auf kleinere Auseinandersetzungen, im Grunde so, wie er ist. Größere Streitpunkte entstehen eigentlich immer nur dann, wenn er wieder einmal über seiner Arbeit vergessen hat, dass eigentlich ein gemeinsamer Konzertbesuch vereinbart war. Das allerdings ist in letzter Zeit immer häufiger passiert, so dass es deswegen auch immer öfter in seinem häuslichen Umfeld eine gespannte Atmosphäre gab. Martin M. kannte mich noch aus unserer Studienzeit, wusste, dass ich als Berater tätig war, und so vereinbarten wir spontan, uns kurzfristig in meinem Büro zu treffen. „Eigentlich fällt das vermutlich nicht so ganz in dein Fachgebiet“, meinte er, als er mir seine Geschichte erzählt hatte, „aber ich brauche einfach einmal jemanden, der die Situation vorurteilslos von außen betrachtet.“ Interessiert schaute er auf ein Blatt auf meinem Schreibtisch. Ich arbeitete damals gerade am Konzept der Übersichtskarte meiner Basics. Er deutete erst auf die Skizze zur Positionierung, 4.007
dann auf die Skizze zur Kommunikation. 4.008
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4
Martin M. eckt an
„Kann es sein, dass diese Skizzen mit meiner Situation etwas zu tun haben?“ Intuitiv hatte Martin M. die Bedeutung dieser Systemskizzen richtig interpretiert. Mit Sicherheit hatten seine Probleme mit Kommunikation im weitesten Sinne zu tun. Ich deutete auf das Adlerbild. Ob er denn in seinem Alltag immer wieder mal auf Distanz vom Tagesgeschehen gehe? 4.009
Ohne konkret auf seine Situation einzugehen, besprachen wir fast alle Systembilder auf der Übersichtkarte. „Irgendwie hat wohl alles in gewissem Grade mit meiner Situation zu tun“, war seine etwas verblüffte Feststellung. Da wir bereits über der Zeit waren, vereinbarten wir für die kommende Woche einen Open-End-Termin. Martin M. nahm eine Kopie meiner Übersichtkarte mit, um sich im Vorfeld noch einmal Gedanken zu machen. Einfache Rezepte, Patentlösungen und Handlungsanweisungen schließen sich bei persönlichen und existenziellen Fragen aus. Jede Situation ist – als Gesamtheit gesehen – einmalig. Sicherlich ist bei der Lösung wichtiger Probleme und bei unübersichtlichen Situationen die Außensicht eines kompetenten Beraters hilfreich. Mithilfe der Faktorenfeldmethode und den in der Systemkarte dargestellten
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4
Komponenten einer guten Beratung
Gelöste Probleme – erlebte Geschichten
Werkzeugen können essentielle Fragen zu einer Situation zumindest präziser formuliert und visualisiert werden, was auch bei der Einschaltung eines Beraters hilfreich ist. Eine klar formulierte Fragestellung, die Darstellung der Essenz des Problems ist der erste Schritt zur Lösung. Wenn das in keiner Weise möglich ist, das Problem also diffus bleibt, ist fremde Hilfe unbedingt erforderlich. Drei wichtige Komponenten spielen unabhängig von der Art des Problems bei der Beratung eine wesentliche Rolle: 1. Eine gute Beratung ist ganzheitlich (manchmal auch systemisch genannt). Das bedeutet, dass bei der Ausgangsfrage der Beratung möglichst viele Einflussfaktoren erfasst und mit dem jeweils angemessenen Grad an Ungenauigkeit hinterfragt werden müssen. Das entspricht der konventionellen Methode der Systemanalyse, mit der Prozesse, Arbeitsabläufe, Strukturen, Material- und Informationsflüsse untersucht werden. Die Darstellung ist dabei i. d. R. zweidimensional.
4.010
2. Eine gute Beratung ist persönlich, berücksichtigt die Sichtweise
der beteiligten Personen, deren Ideen und Vorstellungen hinsichtlich der, die Gesamtsituation betreffenden Einzelfaktoren. Eine Systemanalyse dieser Art erfordert die Einführung einer dritten Dimension in der Darstellung. Die Perspektive ist dabei nicht nur eine grafische Komponente, sondern bedeutet eine dritte Dimension im Sinne einer persönlichen Sichtweise. 4.011
312
4
Lähmende Strukturen 3. Eine gute Beratung ist anschaulich, und zwar sowohl in der
Darstellung der Ist-Situation, als auch bei allen Überlegungen zur Zielentwicklung und den damit zusammenhängenden Einzelfaktoren. Darstellungen realer Sachverhalte in Zeichnungen und Plänen sind in vielen Technikbereichen üblich, so z. B. in der Architektur, im Maschinenbau, in der Elektrotechnik. Systemvisualisierungen beziehen sich auf die Logistik eines Sachverhaltes, auf die systemischen Zusammenhänge. Solche Darstellungen gehen also etwas weiter, abstrahieren dabei, verwenden Analogmodelle, sind im Optimalfall äußerst einfach und damit evident. 4.012
Die im Folgenden dargestellten Beispiele für Problemlösungen stammen aus der Beratungspraxis. Zum einem geht es dabei um Fälle persönlicher und beruflicher Probleme, die bei kleineren Unternehmen häufig im Verbund auftreten. Zum anderen handelt es sich um die Beratung größerer Unternehmen und Organisationen, bei denen sich die Beratung eher auf Teilfragen bezieht. Nicht immer wird damit der Problemzirkel vollständig durchlaufen.
4.3
Lähmende Strukturen
Auf einer Veranstaltung zum Thema „Umweltschutz“ in einem Hotel in Berlin traf ich den Geschäftsführer einer bundesweiten, berufsständischen Vereinigung, mit dem ich in meiner Zeit als Präsident einer eben solchen Vereinigung des Öfteren Kontakt gehabt hatte. Insbesondere hatten wir in einer europäischen Organisation gemeinsam die Interessen der deutschen berufsständischen Vereinigungen vertreten. Im Gespräch an der Hotelbar beklagte sich Martin S. darüber, wie schlecht die Welt doch geworden sei, seit unserer schönen, gemeinsamen Zeit in Paris, London und Kopenhagen, dass die Mitgliederzahl in seiner Vereinigung immer weiter abgenommen hatte, dass
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4
Gelöste Probleme – erlebte Geschichten
der Altersdurchschnitt der verbliebenen Mitglieder jetzt bei etwa 55 Jahren lag, dass kaum mehr Neuzugänge zu verzeichnen seien und einige Landesverbände, die früher bereits mit Austritt gedroht hatten, den Austritt tatsächlich auch vollzogen hatten. Die finanzielle Situation sei entsprechend desolat. Erfreulich aber sei, dass er es als Geschäftsführer geschafft habe, die noch engagierten Mitglieder zu einem freiwilligen, zweckgebundenen Sonderbeitrag zu bewegen, um so ein Aktionsprogramm zur Mitgliederwerbung starten zu können. Das Motto „Gemeinsam sind wir stark“ war auf der letzten Bundesversammlung sehr begrüßt worden. Mit der Gestaltung von Annoncen für einschlägige Fachzeitschriften hatte man eine professionelle Werbeagentur beauftragt und auch eine neue Vereinsbroschüre erstellen lassen. Neuzugänge seien zwar zu verzeichnen, allerdings bei weitem noch nicht in dem erforderlichen Umfang, um eine nachhaltige Verbesserung der Situation zu bewirken. Da wir uns relativ gut kannten und auch gegenseitig schätzten, wagte ich meine für solche Fälle etwas provokant wirkende, aber erfahrungsgemäß zielführende „Killerfrage“ zu stellen: „Um was wäre die Welt ärmer, wenn es diese Vereinigung nicht mehr gäbe?“ Die Antwort, es gebe dann keine gemeinsame Vertretung berufsständischer Interessen der einzelnen Mitglieder mehr, stimmte so nicht ganz, weil es in der Zwischenzeit eher zu viele als zu wenige solcher Interessensvertretungen gab, die im Grunde auch im Zusammenhang mit der entstandenen Konkurrenzsituation in der gleichen Zielgruppe alle über Mitgliederschwund zu klagen hatten. Die Zielgruppe selbst war im Übrigen nicht größer, sondern eher kleiner geworden. Einen Hinweis auf „langjährige Tradition“ und „die Verantwortung vor der Geschichte“ ersparte er sich, weil er mich kannte. Wir diskutierten dann noch Ideen der Fusionierung mehrerer artverwandter Vereinigungen, endeten aber bei den zu erwartenden empörten Gegenstimmen auf der nächsten Bundesversammlung und dem vermutlich entschiedenen „Nein“ des inzwischen 68-jährigen Präsidenten, der sich zur Wiederwahl stellen wollte.
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4
Lähmende Strukturen
Im Vertrauen teilte er mir am Ende unseres netten Gespräches mit, dass er sich bereits bei einer großen Anwaltskanzlei beworben habe und die Chancen nicht schlecht stünden. Vereine sollten nur mit satzungsgemäß vorgesehenem, automatisch wirksamem Verfallsdatum gegründet werden. Ist nach diesem Ablauf datum die Idee des Vereins immer noch frisch genug, kann der Verein neu gegründet werden. Der diesbezügliche Aufwand ist sicher geringer, als die Aufrechterhaltung einer maroden Struktur.
Tote Spindeln entstehen, wenn die Idee einer Organisation, eines Organismus verloren gegangen oder wenn die formale Struktur gegenüber der Idee immer gewichtiger geworden ist. 4.013
Sofern die Idee noch zeitgemäß ist und in das gegebene Umfeld oder in ein neues Umfeld passt, sucht sich die Idee einen neuen Rahmen. Übrig bleibt eine tote Spindel, die zumindest eine Zeit lang immer noch die Aura der ursprünglichen Idee ausstrahlt. Je größer die formalen Strukturen waren, desto länger dauert der Zerfall. 4.014
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4
Gelöste Probleme – erlebte Geschichten
Eine Wiederbelebung toter Spindeln durch eine neue Idee ist äußerst schwierig, vermutlich sogar unmöglich, insbesondere dann, wenn es sich um große formale Strukturen handelt. 4.015
Eine Idee schafft sich formale Rahmenbedingungen und gibt sich mit unpassenden Funktionen nicht zufrieden. Der Weg toter Spindeln führt langfristig zur vollständigen Auflösung der formalen Strukturen in ihre Bestandteile, wodurch der Weg frei wird, die Bestandteile als Faktoren in anderer Anordnung wieder zur Funktion einer Idee zu machen. 4.016
Tote Spindeln begegnen uns auf Schritt und Tritt: • Menschen, die keine eigene Idee haben und sich von den Ideen anderer ernähren, sie aussaugen, wenn sie das zulassen, weil sie gerade nicht stark genug sind oder es gar nicht merken. 4.017
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4
Übermächtige Formalismen •
Vereine, Organisationen und Unternehmen, deren Idee verloren gegangen ist oder deren Idee in einem unbemerkt veränderten Umfeld nicht mehr zeitgemäß ist, die nur noch existieren, weil die formalen Rahmenbedingungen noch überdauert haben. 4.018
Die immer noch vorhandene Ausstrahlung der formalen Struktur zieht Menschen an, denen es nicht darauf ankommt, Ideen umzusetzen, sondern die sich mit der immer noch vorhandenen Aura einer Funktion umgeben. 4.019
4.4
Übermächtige Formalismen
In einem großen Unternehmen der Metallindustrie sollte in einer Vorstandssitzung die Einführung von Zielvereinbarungen für Mitarbeiter im Zusammenhang mit dem Vergütungssystem und einer eventuellen Beteiligung von Mitarbeitern am Unternehmen diskutiert werden. Als externe Teilnehmer dieser Führungsrunde sollten wir überwiegend mitdenken und gegebenenfalls Fragen stellen. Nach Erläuterung des Vorhabens durch einen kurzen Power-Point-Vortrag zu technischen Details taten wir das dann auch. Unsere erste Frage lautete: “Warum?“ – „Welchem Zweck sollen die Regelungen dienen?“ – „Welches Ziel verfolgt das Unternehmen damit?“
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4
Gelöste Probleme – erlebte Geschichten
4.020
„Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit“, „Attraktiv für Mitarbeiter zu bleiben“, „Anziehung neuer qualifizierter Mitarbeiter“ usw. waren Antworten, die weitere Fragen nach sich zogen. Bereits zu diesem Zeitpunkt hatten wir uns bei einigen Sitzungsteilnehmern etwas unbeliebt gemacht. Das war doch alles schon im Vorfeld der Sitzung diskutiert worden. Trotzdem blieben wir penetrant und fragten: „Welche Ziele verfolgt das Unternehmen insgesamt?“ Und: „Identifizieren sich die Mitarbeiter mit der Unternehmensidee?“ 4.021
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Übermächtige Formalismen
4
Ein paar schnelle Skizzen am Flipchart erläuterten unsere Fragen. „Welche Mitarbeiter sind derzeit unzufrieden und woran liegt das hauptsächlich?“ – „Wie ist der Status quo?“ Wenn es um das Ziel einer Verbesserung der Mitarbeiterzufriedenheit geht, sollte man bei diesen Frage anfangen und zuerst untersuchen, inwieweit ganz konkret Unzufriedenheit festgestellt wird, ob es eine Gruppe gibt, bei der das besonders der Fall ist und welche Möglichkeiten zur Verbesserung es vielleicht geben könnte, außer der jetzt eigentlich zu diskutierenden Lösung. Es gebe einige Mitarbeiter, die sich ganz besonders engagieren und die das Gefühl haben, im Grunde für andere mit zu arbeiten. Das sei der Hauptgrund für die Einführung eines erfolgs- und engagementbezogenen Vergütungssystems, erklärte der Vorsitzende. Mit Zielvereinbarungen sollten die „Schläfer“ geweckt und zu mehr Leistung angespornt werden. Ob Schläfer vielleicht deshalb nicht so engagiert seien, weil sie die Unternehmensidee nicht verstanden bzw. verinnerlicht haben oder aber evtl. eigene, ganz andere Ideen verfolgen? Ob sich „Schläfer“ wohl durch Zielvereinbarungen zu mehr Engagement bewegen lassen würden? Was wohl die bereits Engagierten dazu sagen würden? An dieser Stelle hatten wir die Runde wieder etwas mehr gewonnen. In der Tat gab es offensichtlich das Problem der Abgrenzung zwischen unterschiedlichen Gruppen. Durch unsere Fragen hatten wir die Sitzung, bei der eigentlich Details besprochen und umgesetzt werden sollten, etwas durcheinander gebracht. Wir hatten aber kein schlechtes Gewissen dabei, weil uns Fälle bekannt waren, bei denen gut gemeinte, aufwändige und teure Maßnahmen zur Mitarbeiterbeteiligungen zum genauen Gegenteil dessen, was sie eigentlich erreichen sollten, geführt haben. „Mitarbeiter“ zu „Mitunternehmern“ zu machen klingt ideal, beginnt aber nicht bei formalen Maßnahmen. „Mitunternehmer“ müssen sich zuerst als solche empfinden, was man nicht durch formale Regelungen erreicht, sondern durch die Kommunikation einer zentralen, für alle Mitarbeiter einsichtigen und attraktiven Unternehmensidee.
Die technischen Regelungen zur Unternehmensbeteiligung und zur Einführung eines veränderten Vergütungssystem, wie sie bereits in
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4
Gelöste Probleme – erlebte Geschichten
der Power-Point-Präsentation zu Beginn der Sitzung vorgetragen worden waren, müssten vorab nicht im Detail besprochen werden, sondern zuerst im Gesamtzusammenhang. Die Ansätze waren formal durchaus nicht verkehrt. Als Ergebnis der Sitzung wurden eine differenzierte Betrachtung des Themenfeldes und möglichst vertrauliche Gespräche mit Mitarbeitern beschlossen. 4.022
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4
Übermächtige Formalismen
„Form follows function“ ist ein altes Prinzip aus der Architektur der Bauhauszeit. „Form follows idea“ dürfte die zeitgenössische Variante sein. 4.023
Es ist ein systemischer Fehler, zuerst über eine Formalie zu reden, wenn der Sinn und Zweck der Formalie nicht völlig klar ist 4.024
oder aber die Einbindung der Idee im übergeordneten Zusammenhang nicht berücksichtigt wurde. 4.025
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Gelöste Probleme – erlebte Geschichten
4.5
Alle zerren an mir
Die Situation, die ich gleich beschreiben werde, hat jeder schon erlebt. Wir sind alle Ernst Muster. Ernst Muster betritt sein Architekturbüro. Etwas benommen ist er noch, so früh am Morgen. Bis zwei Uhr nachts hat er am neuen Wettbewerb gearbeitet. Lilo Schreiber überfällt ihn mit hektisch geröteten Wangen. Auf der Baustelle in der Karlsstraße hat der Wind eine Plane vom Dach gerissen, es regnet hinein. Der Bauherr ist schon da und tobt. Ernst Muster dreht auf dem Absatz um, will gerade wieder in sein Auto steigen, als er kurz innehält: Das geht ihn direkt ja gar nichts an. Als er das Lilo Schreiber sagt, schmollt sie. Auf dem Schreibtisch findet Ernst Muster – quer über seinen Abrechnungsunterlagen ausgebreitet – ein Baugesuch, aufgeschlagen zum Unterschreiben. Beim dritten Exemplar platzt Siegfried Zeichner ins Zimmer, legt ihm Fliesenmuster aufs Baugesuch, mit der Frage, welche davon er denn nun nehmen solle. Gleichzeitig klingelt das Telefon. Übergangslos brüllt ihm der Hörer ins Ohr, wie er denn dazu käme, jetzt schon seine Honorarrechnung zu stellen, vor allem in dieser absurden Höhe. Als dann auf der anderen Leitung der Zimmermann anfragt, wo denn die Aufmaßblätter vom Kindergarten geblieben seien, die neue Auszubildende ins Zimmer schlendert und fragt, wo man denn die Essensmarken einlösen könne, gleichzeitig über das noch nicht ordentlich verlegte Computerkabel stolpert und den Monitor entflimmert, geht Ernst Muster schlurfenden Schrittes aufs Klo, obwohl er gar nicht muss, zieht sich die Hose runter und setzt sich auf die Brille. Was hatte er doch gleich in der kurzen Nacht heute geträumt? Jetzt fällt es ihm wieder ein: Raubtiere, überall Raubtiere um ihn herum. Löwen, Panther, Tiger, alles zusammen – und gefährlich. Angegriffen haben sie ihn zwar nicht, aber dauernd bedroht. Dann stand er plötzlich in einer Manege und hielt eine Peitsche in der Hand. Er war der Dompteur. Mit dem Knall der Peitsche konnte er die Raubtiere scheuchen. Gefährlich waren sie zwar immer noch, aber sie reagierten butterweich auf den Schwung seiner Peitsche. So dirigierte er die Raubtiere auf ihre Podeste, die den Kreis der Mane-
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Alle zerren an mir
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ge bildeten. Jedes musste Männchen machen, schön brav nacheinander. Sie brüllten nur manchmal gefährlich, aber Ernst Muster blieb souverän und schickte sie, nachdem sie ihre Kunststückchen vorgeführt hatten, zurück in ihren Käfig. Ein schöner Traum. Ernst Muster grinst in sich hinein und zieht die Hose wieder hoch. Nachdenklich schaut er in den Spiegel, reibt sich den Morgenbart und geht wieder ins Büro. Als ihn Lilo Schreiber wieder mit der Nachricht überfällt, die Feuerwehr habe angerufen, würdigt er sie keines Blickes. Mitten im Raum steht er, ruft die neue Auszubildende zu sich und teilt ihr freundlich mit, dass sie sich künftig mit allen Fragen, die in Richtung Essensmarken gehen, vertrauensvoll an Lilo Schreiber wenden könne, begleitet sie zu Lilo Schreiber und teilt auch ihr ihre neue Zuständigkeit mit. Als ihn der zahlungsunwillige Bauherr noch mal anruft, vereinbart er mit ihm einen Telefontermin für 14:00 Uhr. Er habe sicher Recht, man müsse die Sache aber insgesamt sehen und in Ruhe darüber reden. Max Planer freut sich, als Ernst Muster von sich aus zu ihm kommt und fragt, wie er mit der Detailplanung vorankomme. Bereitwillig zeigt er stolz seine neuesten Skizzen. Ernst Muster sieht zwei Fehler in der Wärmedämmung beim Dachanschluß, bespricht freundlich, was hier warum zu verbessern sei. Im Hintergrund klingelt das Telefon. Am Abend, als alle Mitarbeiter gegangen sind und Ernst Muster normalerweise damit beginnt, die liegengebliebene Tagesarbeit zu erledigen, verlässt er das Büro und setzt sich in das Straßencafé um die Ecke – einfach so. Eigentlich müsste er jetzt die Ausschreibung Wilpert nochmals überprüfen, dann wartet zu Hause wieder der Wettbewerb. Seine Frau hat er gestern gar nicht gesehen und Thomas, sein Ältester, kennt ihn wohl kaum noch. Jetzt aber sitzt er im Café und schaut den Leuten zu, wie sie vorbeihasten. Er ist müde. Wenn er den zweiten Teil des Tages noch mal Revue passieren lässt, gefällt ihm seine Rolle wesentlich besser als am Morgen, nicht mehr wie ein gehetztes Kaninchen zwischen all den Raubtieren, sondern als Dompteur, wie im Traum.
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Gelöste Probleme – erlebte Geschichten
Und dann sieht er sich plötzlich von oben, aus der Vogelperspektive, wie er in seinem Büro alles so ordentlich wie möglich erledigt. Was soll das Ganze eigentlich? Wozu der Wettbewerb? Eine Herausforderung, ja, auch sehr spannend, aber 16 Stunden Arbeit am Tag. Was wird aus der Ehe, den Kindern und seinem geliebten Sporttraining? Ernst Muster beschließt, in seinem Büro etwas gravierend zu ändern – nämlich sich selbst. Bestandsaufnahme der Fakten Ernst Muster notiert, was ihn dauernd im Hintergrund beschäftigt. Sollte er nach größeren Räumlichkeiten suchen? Er könnte dann Wettbewerbe im Büro bearbeiten und die Mitarbeiter einbeziehen. Zu Hause könnte er das Kinderzimmer vergrößern. Das würde aber in der Innenstadt laufende Mehrkosten für die Miete verursachen. Außerdem sind die Mitarbeiter ganz zufrieden, wegen der guten Erreichbarkeit der derzeitigen Räume. Ob es überhaupt sinnvoll ist, sein Glück mit Wettbewerben auch weiterhin so intensiv zu versuchen, sei überhaupt dahingestellt. Bereits beim kleinsten Wettbewerb beteiligen sich 100 Mitbewerber. Die Chancen stehen nicht gut. Sollte er vielleicht sein Spezialgebiet, den Holzbau, etwas weiter perfektionieren? Das würde auch wieder Zeit und Geld kosten. Die Finanzierungsfrage erscheint immer wieder bei allen Überlegungen, die er anstellt. Irgendwie kommt Ernst Muster mit seinen Überlegungen nicht weiter. Er notiert: • enge Büroräumlichkeiten, • Mietkosten, • Wettbewerbssituation, • Mitarbeiterzufriedenheit, • Gesamtausgaben des Büros, • Holzbau-Idee. Die Auftragssituation bestimmt mögliche Investitionen. Sie ist abhängig davon, ob Ernst Muster einen Volltreffer bei einem Wettbewerb landet. Da ihm die derzeitige Raumsituation bei der Wettbewerbsbearbeitung behindert, müsste er in neue Räumlichkeiten investieren, die Mitarbeiter wären damit aber nicht glücklich und,
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Alle zerren an mir
und, und. Irgendwie hängt alles zusammen. Ernst Muster notiert anders, ohne auf die Reihenfolge zu achten: 4.026
Dabei fallen ihm noch mehr Faktoren ein. Äußerst verwirrend. Ernst Muster erhebt sich und schaut aus der Distanz auf seine Zeichnung. Alles hängt irgendwie miteinander zusammen. Damit müsste es eigentlich möglich sein, durch die Verästelung eines Faktors alle anderen irgendwie mit zu verändern. Ernst Muster beschließt zunächst, das Naheliegendste zu tun, nämlich sich mehr Klarheit zu verschaffen bzgl. der wirtschaftlichen Situation. Irgendwie haben viele der Faktoren mit Investitionen zu tun. Er wird morgen gleich mit seinem Steuerberater telefonieren. Noch besser: Lilo Schreiber soll Kontakt mit dem Steuerberater aufnehmen. Außerdem soll sie die vorhandene Adressendatei aus-
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Gelöste Probleme – erlebte Geschichten
drucken. Auch eine Liste der anderen Büros vor Ort soll sie aufstellen. Morgen, gleich morgen, auch wenn viel anderes zu tun ist. Ein neuer Tag beginnt. Mit einem Traum hat alles angefangen. Veränderungen beginnen im Kopf Manchmal gibt es Tage, da hetzt man wie ein wildgewordener Hase durch die Ereignisse, wird von außen gesteuert, agiert nicht, sondern reagiert, wird herumgeworfen und durchgeknetet. Eine Ruheposition zu finden und von ihr aus die Dinge zu steuern, Aufgaben zu definieren, bevor sie bearbeitet werden, seine Zeit selbst einzuteilen und nicht von anderen zerpflücken zu lassen, ist ein Wunschbild, das nahezu unerreichbar erscheint. Es gibt keine Patentrezepte, vor allem keine wirklich wirksamen Instrumente, die eigentliche Veränderung muss im Kopf geschehen. Sich über die Tagesebene zu erheben, sich einmal aus der Vogelperspektive zu betrachten, klingt einfacher, als es ist. Die Methode des neuronalen Managements kann ein wirksames Hilfsmittel sein, erfordert aber ein Umdenken und vor allem Arbeit an sich selbst, ständige Arbeit mit Rückschlägen und immer wieder neuen Ansätzen. Und es gehört Mut dazu, die Höhenangst zu überwinden, denn die Vogelperspektive ist eben normalerweise den Vögeln vorbehalten.
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Kein Land mehr sehen – Die Geschichte des Fotografen Sebastian M.
4.6
Kein Land mehr sehen – Die Geschichte des Fotografen Sebastian M.
Die Ausgangssituation 4.027
Sebastian M. ist 49 Jahre alt, Fotograf und hat seit etwa einem halben Jahr keine Aufträge mehr. Früher hatte er auch Kunden in der Großindustrie. Die Kontakte sind aber abgebrochen, nachdem er mehrfach Termine nicht wahrgenommen hat. Der Grund dafür war, dass er einfach zu viel getrunken hat und manche Dinge gar nicht mehr wahrnehmen konnte. Ersparnisse hat Sebastian M. keine mehr. Sein Bruder musste ihm Geld leihen, nachdem die Bank sein Konto gesperrt hat. Mit der Miete ist er 3 Monate im Rückstand. Das Finanzamt will noch eine Steuernachzahlung aus dem Vorjahr von ihm. Sein Auto läuft vermutlich nur noch auf drei Töpfchen. Für seine Fotoaufträge, so sie dann wieder kämen, bräuchte er aber dringend ein Auto zum Transport seiner Utensilien.
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Gelöste Probleme – erlebte Geschichten
Nebenher hat Sebastian M. Geld als Musiker verdient. Er kann recht gut singen und Gitarre spielen. Überhaupt liegen ihm musische Dinge sehr. Er kann gut zeichnen und hat z. B. vor drei Jahren ein kleines Buch mit Reiseskizzen und recht guten Texten einem Verlag angeboten. Der Verlag war sehr interessiert, ging aber leider insolvent, so dass aus dem Buch nichts geworden ist. Von seiner Ehefrau lebt Sebastian M. jetzt seit einem Jahr getrennt. Sein Sohn ist 16 Jahre alt, lebt bei seiner Mutter und hat große Probleme in der Schule. Sebastian M. weiß nicht mehr weiter. Faktorenfelder Im ersten Schritt notiert Sebastian M. alle Faktoren, die zur aktuellen Situation gehören. Dabei ist es wichtig, zumindest einen gedanklichen „Break“ in die desolate und verworrene Situation einzubauen und die Faktoren zunächst so zu akzeptieren wie sie sind, ohne Beschönigung und ohne Wertung einzelner Faktoren. Dabei sind alle Faktoren gleichberechtigt. Eine lineare Reihenfolge ist bei diesem Schritt nicht angemessen. Deshalb werden die Faktoren auch so, wie sie kommen, relativ beliebig auf einem Blatt verteilt. 4.028
Auch wenn es sich möglicherweise um sehr viele Faktoren handelt, ist es erforderlich, alle Faktoren auf einem einzigen Blatt zu notieren. Faktoren, die gefühlsmäßig etwas miteinander zu tun haben, werden – soweit bereits möglich – in Bereichen des Faktorenfeldes
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Kein Land mehr sehen – Die Geschichte des Fotografen Sebastian M.
näher zusammen geschrieben. Jeder scheinbar noch so unbedeutende Faktor wird erfasst. Nichts ist unwichtig. Erfahrungsgemäß ergeben sich bei diesem „Speicherauszug“ des Gehirns mehr Einzelfaktoren als vermutet. Durch die möglichst nüchterne und wertfreie Bestandsaufnahme der Faktoren relativieren sich einzelne Faktoren manchmal von selbst, zumindest etwas. Die Faktoren werden als solche akzeptiert und erhalten dadurch eine eigenständige Bedeutung. Durch die logistische Gliederung der Gesamtsituation in ihre einzelnen Bestandteile wirken die Faktoren weniger bedrohlich als in ihrem Verbund als „Problemklumpen“. Zwangsläufig ergibt sich in der Betrachtung des so festgehaltenen Faktorenfeldes eine gewisse Distanz, und damit eine Übersicht über die Einzelfaktoren. Aus der Distanz betrachtet lassen sich operationale Felder ausmachen, die in engerer inhaltlicher Verbindung zueinander stehen. 4.029
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Gelöste Probleme – erlebte Geschichten
Außerdem lassen sich Bezugslinien zwischen Einzelfaktoren erkennen, und damit Faktoren identifizieren, die entweder direkt oder indirekt (über Fernwirkung) besonders wichtig für die Gesamtsituation sind. 4.030
Um überhaupt wieder denk- und handlungsfähig zu werden, sind Sofortmaßnahmen erforderlich, wobei das Alkoholproblem als zentraler Negativfaktor mit Auswirkungen auf nahezu alle anderen Faktoren offensichtlich ist und zuerst angegangen werden muss. Der Leidensdruck zur Änderung der Gesamtsituation ist in der Zwischenzeit sehr hoch geworden, so dass ein erneutes Absinken in die beschwichtigende Welt der Drogen latent sehr attraktiv, gleichzeitig aber auch absolut schädlich zu sein scheint. Sebastian M. beschließt, eine „Trinkpause“ einzulegen – zumindest bis sich die Gesamtlage wieder einigermaßen konsolidiert hat.
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Kein Land mehr sehen – Die Geschichte des Fotografen Sebastian M.
Die bisherigen Auftraggeber werden in einem Faktorenfeld zusammengestellt. Zunächst ergeben sich daraus realistische Möglichkeiten zur Wiederbelebung nicht allzu beschädigter Kontakte. 4.031
Sebastian M. fertigt eine Telefonliste an und überlegt sich eine Strategie für kurzfristige Gespräche. Gleichzeitig nimmt er sich vor, seine Auftraggeberstruktur später genauer unter die Lupe zu nehmen, und zwar bezüglich der Frage, welche Positivfaktoren früher zu den relativ hochwertigen und damit auch lukrativen Aufträgen geführt haben. Bezüglich seiner Finanzstruktur beginnt Sebastian M. mit einer Aufstellung all seiner Verbindlichkeiten. Bei der Erfassung seiner laufenden Fixkosten entdeckt er Posten, bei denen Einsparungen
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Gelöste Probleme – erlebte Geschichten
möglich sind. Aus der Übersicht über seine bisherigen Auftraggeber und aus der Telefonaktionsliste rechnet Sebastian M. mit realistischen Möglichkeiten zumindest für kleinere Aufträge. Gleichzeitig nimmt er sich aber vor, über das Geschäftsfeld Fotografie, über seine Zielgruppe und über sein Leistungsbild einmal etwas genauer und sehr kritisch nachzudenken. Digitalfotografie und Bildbearbeitungssysteme haben, abgesehen von seinen eigenverschuldeten Kommunikationsproblemen, dieses Geschäftsfeld mit Sicherheit stark beeinflusst, womit er sich bisher aber nicht weiter auseinandergesetzt hat. Zusammen mit einer Aufstellung über die dringlichsten Investitionen (insbes. Reparatur des Autos), der Aufstellung über Verbindlichkeiten, Fixkosten und mögliche Aufträge trifft er sich mit seinem Bruder, um mit ihm einen Vorschlag für einen Privatkredit zu besprechen, der auch eine Vereinbarung über die Rückzahlung in regelmäßigen Raten enthält. In dieser Vereinbarung ist auch berücksichtigt, dass er mit einer Vorlaufzeit von ca. drei Monaten rechnen muss, bis er wieder Fuß gefasst hat. In dieser Zeit wird sich Sebastian M. auch intensiv Gedanken über seine künftige geschäftliche Positionierung machen. Das Betätigungsfeld „Fotografie“ hat sich in der Tat seit etwa 10 Jahren grundlegend verändert. Trotzdem sieht Sebastian M. durchaus noch Chancen, denn die Qualität seiner Fotografien mit sehr professionellen, situativen Bildern wurde immer sehr hoch geschätzt. Die reine Technik macht das nicht wett. Große Konkurrenz und Preisverfall sind aber eine nicht zu übersehende Tatsache. Seine Musikauftritte bei privaten Gesellschaften haben ihm immer sehr viel Spaß gemacht. Bis auf Ausnahmen war aber der wirtschaftliche Erfolg hier nie besonders groß. Völlig bedeutungslos war bisher – zumindest von der wirtschaftlichen Seite betrachtet – sein Zeichentalent, obwohl insbesondere seine treffsicheren Porträts immer Interesse geweckt haben. Sebastian M. denkt über die gemeinsame Basis seiner Begabungen nach. Eine Gemeinsamkeit der Gebiete, die ihm wirklich liegen, ist sein Vermögen, sich auf Situationen und Orte sehr sensibel einstellen zu können. Bei Musikauftritten hat er es immer geschafft, Stimmungslage und Schwingungen aufzunehmen und zu verstärken. Das
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Kein Land mehr sehen – Die Geschichte des Fotografen Sebastian M.
hat er auch immer bei seinen Zeichnungen und im Bereich „Fotografie“ geschafft. Als Negativauswirkung hat seine hohe Sensibilität zu Belastungssituationen geführt, in denen die Droge Alkohol zur Entlastung benutzt wurde, bis sie irgendwann ein Eigenleben entwickelt hat. Das wiederum hat sich negativ auf seine Geschäftspartnerschaften, auf seine Ehe und auf das Verhältnis zu seinem Sohn ausgewirkt. Einen weiteren kennzeichnenden Faktor erkennt Sebastian M. in seiner Vielseitigkeit. Weder bei der Fotografie noch beim Zeichnen oder im Bereich der Musik hat er sich auf bestimmte Bereiche konzentriert und spezialisiert. Das hat dazu geführt, dass er auf relativ hohem Niveau Anerkennung bekam, aber nirgends auf einem Spitzenniveau. Sollte er sich folglich lieber spezialisieren – z. B. auf Porträt- oder Architekturfotografie? Die bisher bestimmenden Faktoren seines Lebens „Sensibilität“ und „Vielfältigkeit“ beinhalten aus der Distanz betrachtet sowohl positive als auch negative Aspekte. Sebastian M. überlegt, wie er aus der Kombination seines Positivkapitals in der Zukunft geschäftlich erfolgreicher werden kann. Die Konkurrenz in allen Einzelbereichen ist groß, vielleicht aber kann er mit einer „Kombi-Idee“ etwas ganz Neues schaffen. In welchem Betätigungsfeld sind Sensibilität und Vielfältigkeit besonders gefragt? Positivkapital 4.032
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Gelöste Probleme – erlebte Geschichten
Die intensive Auseinandersetzung mit seinen persönlichen Fähigkeiten, seiner Situation und seine Entschlossenheit, eine Lösung zu finden, haben alle seine Antennen sensibilisiert, und er hat einen plötzlichen Einfall: 4.033
Seine privaten Musikauftritte erschienen Sebastian M. immer attraktiv, auch wenn der wirtschaftliche Erfolg bescheiden war. Das liegt daran, dass es ihm eigentlich immer gelungen ist, sein Publikum zu begeistern. Wenn er nun im Rahmen eines Auftrittes (z. B. mit Gitarrenuntermalung) erklären würde, dass es der Faktor „Begeisterung“ sei, der ihn sowohl bei der Musik als auch bei der Fotografie beflügele, dass die Resultate von Musik im Grunde aus der gleichen
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Quelle schöpfe wie die Resultate einer guten Fotografie. Das Publikum bei solchen Veranstaltungen wäre durchaus geeignet, diese Gedanken nachzuvollziehen, so dass er es schaffen könnte, die Begeisterung aus der Musik auf seine Fotografie zu lenken und damit auch Aufträge zu generieren. Als Geschäftsidee würde das bedeuten, den an sich auf Anhieb eher unwichtigen musikalischen Bereich intensiver zu bewerben und ein gut gestaltetes Informationsblatt hinsichtlich seiner Art der Fotografie vorzubereiten. Bei etwa einer Veranstaltung pro Woche und jeweils etwa 30 Zuhörern rechnet er sich relativ gute Auftragschancen aus. Auf dieser Basis erstellt Sebastian M. einen Businessplan, in dem er seine Geschäftsidee beschreibt und dem er Kalkulationsdaten über Investitionen, laufende Ausgaben und zu erwartende Einnahmen beifügt. Zur Untermauerung legt er die bereits erstellte Kontaktliste mit seinen bisherigen Auftraggebern bei. Die Einnahmeerwartungen sind auch bei vorsichtiger Schätzung durchaus vielversprechend. Da er gleichzeitig beschlossen hat, die Ausgaben bis zur Konsolidierung auf einem absoluten Minimum zu belassen, ergibt auch die Worst-Case-Berechnung eine Kalkulationsbasis, bei der er seine Verbindlichkeiten gegenüber der Bank und auch seinem Bruder in einem Zeitraum von etwa 18 Monaten erfüllen kann. In der Best-Case-Betrachtung könnte er es aber bereits in etwa einem halben Jahr schaffen, endlich wieder in eine positive Zukunft hinein zu wirtschaften. Nicht nur die gut aufbereiteten Zahlen, sondern vor allem auch seine positive Ausstrahlung vor dem Hintergrund dieser klaren Perspektiven führt zu einem sehr erfreulich verlaufenden Gespräch mit seiner Bank. Es gelingt Sebastian M., einige Kundenkontakte neu zu beleben, und gleich beim ersten Musikabend für einen befreundeten Architekten wird er von einem der Gäste auf seine interessante Darstellung der Verbindung von Musik und Fotografie angesprochen und gefragt, ob er nicht Lust habe, sein Bürogebäude einmal unter dem Aspekt der positiven Mitarbeiterkommunikation zu fotografieren. Sebastian M. hat neue Perspektiven. Die Bestandsaufnahme ist für Sebastian M. relativ einfach: Ohne festen Willen und Durchhaltevermögen hätte er es nie geschafft, aus
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Gelöste Probleme – erlebte Geschichten
dem Sumpf seiner Probleme wieder aufzutauchen. Außerdem hatte er auch eine gute Portion Glück. Die neue Unternehmensidee erschien ihm attraktiv. Eines war Sebastian M. völlig klar: Noch einmal würde er eine solche Situation kaum überleben. Deshalb war oberstes Gebot jetzt, die Lage zu stabilisieren. Die entstandene Problemsituation war für Sebastian M. ein Glücksfall. Alle Negativfaktoren hatten sich so zugespitzt, dass es nur zwei Wege gab: Endgültig versumpfen oder es noch einmal probieren. Die Faktoren Glück und Intuition kamen ihm dabei zu Hilfe.
4.7
Aufgabenstellungen hinterfragen
Projektentwicklung mit der Faktorenfeldmethode (ein Fall aus der Praxis) Ein Planungsteam erhält die Aufgabe, eine neue Produktionsanlage für einen Automobilzulieferer zu konzipieren. Der Investitionsrahmen für die Baulichkeiten ist mit 15 Mio. Euro vorgegeben. Im ersten Schritt werden die folgenden Ausgangsparameter festgehalten: • Investitionskosten, • Flächenbedarf, • Produktionsabläufe, • Funktionalität, • Investitionsrahmen, • Nutzungskosten, • Grundstückskosten, • Anbindung, • Transportlogistik, • Transportkosten, • Lage.
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4
Aufgabenstellungen hinterfragen
Zwischen den Einflussparametern bestehen Abhängigkeiten, die das ganze Problem zu einer Optimierungsaufgabe machen. Deshalb werden die Einzelaspekte in einem Faktorenfeld angeordnet. 4.034
Maßgeblich für den ersten Schritt ist der Investitionsrahmen, der mit dem erforderlichen Flächenbedarf und den resultierenden Investitionskosten, aber auch mit den Nutzungskosten zusammenhängt. Bezüglich der Investitionskosten spielen die Lage des Grundstückes und die Grundstückskosten eine wesentliche Rolle, wobei sich die Lage und Anbindung des Produktionsortes über die Produktionslogistik auch auf die Transportkosten auswirkt. In der Gesamtschau der Investitionsentscheidungen wird deutlich, dass für die Ermittlung der Investitionskosten der Flächenbedarf festzulegen ist, der ursächlich von den Produktionsabläufen beeinflusst wird. Die Produktionsabläufe wiederum stehen im Zusammenhang mit der Transportlogistik für die An- und Auslieferung und damit im Zusammenhang mit der Lage des Grundstückes.
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Gelöste Probleme – erlebte Geschichten
Bezieht man in den Investitionsrahmen auch die Folgekosten mit ein, sind die Nutzungskosten zu berücksichtigen, wobei die Betriebskosten u. a. mit der Gestaltung der Produktionsabläufe zusammenhängen. Diese Zusammenhänge werden in einem erweiterten Faktorenfeld erfasst: 4.035
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4
Aufgabenstellungen hinterfragen
Dabei wird klar, dass die Aufgabe nicht ohne Weiteres in linearen Abläufen angegangen werden kann. Im zweiten Faktorenfeld werden operative Felder gebildet: Umfeld, Kosten, Unternehmen. Manche Faktoren bleiben ohne Einbindung in ein operatives Feld für sich stehen. 4.036
Im nächsten Schritt werden alle Einzelfaktoren für sich auf einer Ebene ausreichender Genauigkeit betrachtet. Aus der Skizzierung der Produktionsabläufe ergibt sich zunächst eine Schätzung des Flächenbedarfs für die Baulichkeiten. Über die Kubatur werden die Investitionskosten eingeschätzt, über den Flächenbedarf die Grundstückskosten. Dabei wird zunächst von einer hinsichtlich der Transportlogistik optimierten Lage ausgegangen. Die im Investitionsrahmen von 15. Mio. Euro bislang nicht berücksichtigten Nutzungskosten werden als zusätzlicher Posten ermittelt.
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Gelöste Probleme – erlebte Geschichten
Hinsichtlich der mit den Investitionskosten zusammenhängenden kalkulatorischen Nutzungsdauer und der Ausstattungsqualität werden über Erfahrungswerte Annahmen getroffen. Aufgrund der Kenntnisse aus dieser Bearbeitungsstufe wird der Investitionsrahmen in einer ermittelten betriebswirtschaftlichen Gesamtkalkulation um den Faktor der Folgekosten ergänzt. Um den vorgegebenen Kostenrahmen einhalten zu können, schlägt das Planungsteam vor: • Optimierung der Transportlogistik in Bezug auf die Lage, • sparsame Ausstattung unter Berücksichtigung von Investitionsund Folgekosten. Untermauert werden die Vorschläge durch eine Grobskizze der Funktionsabläufe, ein Gestaltungskonzept und eine betriebswirtschaftliche Kalkulation über die Gesamtnutzungsdauer der Produktionsanlage. Unter den gesamten Prämissen kann der vorgegebene Kostenrahmen eingehalten werden. Der Planungsauftrag wird aufgrund der überzeugenden Darstellung erteilt. Im Fall dieser Projektentwicklung hat sich das Planungsteam nicht strikt an die vorgegebenen Aufgaben gehalten, sondern sie hinterfragt. Hierdurch entstand eine enge Kundenbeziehung, weil das Team über die Kernaufgabe hinaus an die Konsequenzen aus Kundensicht gedacht hat.
Bei der ursprünglichen Aufgabenstellung hätte das Planungsteam die Zielentscheidung des Auftraggebers als gegeben angesehen und mit der Umsetzung beginnen können. Im Grunde hätte es ausgereicht, den vorgegebenen Kostenrahmen einzuhalten. Die unnötigen Zusatzkosten wären ja erst nach der Inbetriebnahme deutlich geworden.
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4
Aufgabenstellungen hinterfragen 4.037
Durch die Vorgehensweise, die Aufgabe zunächst im Gesamtzusammenhang zu überdenken, zu hinterfragen und um wichtige Gesichtspunkte zu ergänzen, konnten Vorgaben für die Durchführung der Aufgabe – insbesondere auch unter Kostengesichtspunkten – präzisiert werden. 4.038
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4
Gelöste Probleme – erlebte Geschichten
4.8
Fehlende Entlastung
Jens K. ist zu mir gekommen, weil er so wie bisher mit seinem kleinen Architekturbüro in einer süddeutschen Kleinstadt keine Perspektiven mehr gesehen hat. Wir schreiben das Jahr 2004 – eines der düstersten Jahre der Baubranche. Trotzdem hat Jens K. derzeit noch genügend Aufträge, um seine 8 Mitarbeiter zu beschäftigen. Das Problem liegt eher darin, dass er rund um die Uhr und auch an den Wochenenden arbeitet. In seiner Ehe knirscht es. Seine 12-jährige Tochter, Anne, und seinen 9-jährigen Sohn, Robert, sieht Jens K. kaum. Trotz des enormen Arbeitseinsatzes sind die Gewinne des Unternehmens und damit das Familieneinkommen eher bescheiden. Seine Frau Tina macht ihm in letzter Zeit immer öfter Vorhaltungen: „Wärst du doch Beamter geworden wie dein Studienfreund Michael. Der braucht sich um die Zukunft keine Sorgen zu machen.“ Jens K. sah allerdings nicht niedergeschlagen aus, als er mir seine Situation geschildert hat, eher wild entschlossen. Er wollte etwas ändern. Interessiert blickte er auf das Blatt Papier, auf dem ich in einer etwas ungewöhnlichen Weise Stichworte zu seinen Ausführungen notiert hatte. 4.039
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4
Fehlende Entlastung
Bei meiner ersten Frage, wie sich denn so ein normaler Tag bei ihm abspiele, musste Jens K. etwas nachdenken. Ab 7:00 Uhr Handwerkertelefonate, kurz auf Baustellen, dann Post, Arbeiten mit den Mitarbeitern besprechen, Telefonate mit Handwerkern und Bauunternehmen, Vorbereitung von Abrechnungen, Honoraraufstellungen machen, Angebote schreiben. Dann ist es 21:00 Uhr. Gegessen wird nebenher, am Schreibtisch. Während Jens K. berichtet hat, habe ich skizziert: 4.040
„Ja, genau so ist es. Ständig bin ich am rotieren, reagiere nur und komme kaum zum Denken, geschweige denn zum Entwerfen.“ „Wenn eine funktionierende Unternehmensstruktur so aussieht“, ich habe mein Spindelmodell gezeichnet, „wie sieht sie dann bei Ihnen aus?“ 4.041
„Gibt es in Ihrer Mitarbeiterstruktur jemanden, der Sie im Sinne Managementunterstützung entlastet? Oder sieht das bei Ihnen eher so aus?“ 4.042
343
4
Gelöste Probleme – erlebte Geschichten
Jens K. deutete auf die untere Zeichnung. Die Mitarbeiter bearbeiteten Projekte, jeder für sich eigentlich recht gut. Die gesamte Organisation lag aber allein bei Jens K. Eine Halbtagssekretärin bediente das Telefon, sorgte für Kaffee und kümmerte sich um die Projektablage. Das aber entlastete Jens K. nicht wesentlich. Alle Fäden liefen bei ihm zusammen. Die Projektstruktur des Büros war seit den Anfängen sehr kleinteilig, d. h., es wurden Projekte in einer Spanne von einer kleinen Pergola bis hin zu einer Aussegnungshalle bearbeitet. Das hielt Jens K. angesichts der Verflechtungen in der lokalen Bauherrenstruktur auch für erforderlich. Was die Leistungstiefe anbelangte, wurde das Gesamtspektrum vom Entwurf bis zur Bauleitung abgedeckt. 4.043
Hotels
Verwalt. Bau
Eigenheim bau
Schulen
Sanierung
Vorentwurf Entwurf Werkplanung Ausschrei bung Bauleitung
Mit einem Blick auf die Skizze meinte Jens K. etwas nachdenklich: „Vielleicht mache ich zu viele unterschiedliche Projekte? – Sollte ich mich besser spezialisieren?“ Darüber wollten wir später noch reden, über das Profil des Büros, eventuelle Schwerpunkte, die zur Persönlichkeit von Jens K. passen und eine dem entsprechende Außendarstellung. Zuallererst sollte Jens K. aber bei sich selbst anfangen. Er sollte seinen Tagesablauf besser strukturieren. Außerdem sollte er dafür sorgen, dass die Bürostruktur verbessert und eine Entlastungsfunktion für ihn installiert wird. Am Ende des ersten Gespräches bat Jens K. um Kopien meiner Skizzen. Das Hauptproblem von Jens K. lag darin, dass er sich persönlich in sei nem Unternehmen nicht klar positioniert hat. Auch in Bezug auf sein Unternehmen hat er sich eher passiv verhalten, hat darauf gewartet, was sich in seinem Umfeld abspielt, um dann zu reagieren. Für Jens K.
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Aufbruch zu neuen Ufern
4
war es wichtig, klare Ziele für sich und sein Unternehmen festzulegen, um dann zu einer Aktivstrategie umzuschwenken.
4.9
Aufbruch zu neuen Ufern
Bernd S. hat vor 10 Jahren ein Büro für Stadtplanung und Projektentwicklung gegründet. Das Büro lief nach relativ kleinen Startproblemen in den ersten Jahren jetzt recht gut. In letzter Zeit hat sich bei Planungs- und Beratungsprojekten der Sonderbereich „Umweltschutz“ als besonders wichtig erwiesen. Bernd S. hat sich bereits in seiner Diplomarbeit intensiv mit dem Thema „Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)“ beschäftigt, so dass jetzt Überlegungen angestellt wurden, sich als Unternehmen in diesem Bereich stärker zu profilieren. Strategische Unternehmensentwicklung Aus der Sicht von Bernd S. war zu erwarten, dass das Thema „Umweltschutz“ zunehmend zu einem zentralen Thema für viele städtebauliche Planungsaufgaben werden dürfte. Insbesondere bei der Umnutzung ehemals gewerblich genutzter Flächen in innerstädtischen Bereichen. Folgende Einflussparameter und Standortfaktoren spielen dabei in der Regel eine Rolle: • Lage der Standorte, • Urbanität, Dichte, • Erreichbarkeit, kurze Wege, • städtebauliches Potenzial, Quartiersaufwertung, • Nutzungsmöglichkeiten, • Ressourceneinsparung und Nachhaltigkeit, • Werthaltigkeit, • Vermarktbarkeit, • Klima, • Luftschadstoffe, • Freiraum und Grün, • Altlasten.
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4
Gelöste Probleme – erlebte Geschichten
Zur besseren Übersicht wurden die relevanten Einflussgrößen in einem Faktorenfeld dargestellt. 4.044
Dabei wurde klar, dass solche Planungsaufgaben neben der Kenntnis städtebaulicher Rahmenbedingungen, exzellente Fachkenntnisse im Bereich „Umweltschutz“ erfordern. Angesichts der komplexen Planungsaufgaben ist jeweils eine umfassende Beurteilung erforderlich, die alle für die Planungsaufgabe relevanten Faktoren erkennt, bewertet und angemessen berücksichtigt. Nur so ist es möglich, die Interessen des Auftraggebers, die Ängste der Betroffenen, die fachlichen und rechtlichen Aspekte des Planungsträgers und der Genehmigungsbehörden sowie die Interessen der Politik zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen und den Ausgleich zwischen allen Planungsbeteiligten zu kommunizieren.
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4
Aufbruch zu neuen Ufern
Einige der Faktoren haben bei näherer Betrachtung eine engere Verbindung miteinander als andere, so dass in einem weiteren Schritt operationale Felder gebildet wurden: 4.045
Operationale Felder Durch das Zusammentragen aller Faktoren und das Abgrenzen von Operationalen Feldern ließ sich die Beratungsaufgabe und der Kontext klarer erkennen.
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4
Gelöste Probleme – erlebte Geschichten
Ein tragfähiger Konsens ist im Ergebnis nur möglich, wenn es gelingt, jedem Beteiligten die jeweils anderen Sichtweisen transparent zu machen. 4.046
Zur Umsetzung der äußeren Anforderungen und des Kontextes der Aufgabe in die Unternehmensstruktur wurden im nächsten Schritt alle relevanten Faktoren in der Innensicht eines Unternehmens zusammengestellt. 4.047
Faktorenfeld „Unternehmen“
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Aufbruch zu neuen Ufern
4
Das resultierende Faktorenfeld zeigte deutlich die Bandbreite an Themen, die durch das Büro abzudecken ist. In einem nächsten Schritt galt es nun, das diffuse Feld zu ordnen. Hierzu wurden die Faktoren, die innerhalb des Faktorenfeldes inhaltlich in engerer Beziehung stehen, wieder in operationalen Feldern zusammengefasst. So stehen z. B. Faktoren wie • Buchhaltung/Lohnbuchhaltung, • Verträge, • Honorare, • Rechnungs- und Mahnwesen, • Investitionen, • Bilanzen, • Kredite/Finanzierungen, • Umsatz, • Gewinn, • Effizienz, • Gehälter, in einem inhaltlichen Zusammenhang und bilden das operationale Feld „Controlling Finanzen“. Auf diese Weise wurden aus dem Faktorenfeld „Unternehmen“ zehn operationale Felder gebildet. Bei diesem Verfahren ergaben sich zahlreiche neue Faktoren, die im „unsortierten Zustand“ des Feldes nicht erkannt werden konnten. Die Anforderungen wurden somit immer klarer. Die folgenden operationalen Felder ergaben sich für die zukünftige Unternehmensstrukturierung: 1. Strategische Unternehmensentwicklung, 2. Personalentwicklung, 3. Umweltverträglichkeitsprüfung, 4. Projektkoordination, 5. Transfer Städtebau, 6. Transfer Beratung, 7. Organisation, Steuerung und Qualitätssicherung, 8. Finanzen und Controlling, 9. Corporate Identity und Außenauftritt, 10. EDV und technische Ausstattung.
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4
Gelöste Probleme – erlebte Geschichten
4.048
Operationale Felder „Unternehmen“
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4
Aufbruch zu neuen Ufern
Ausgehend von der Idee einer neuen Profilierung als Büro für Umweltschutz im Städtebau ließen sich die operativen Felder als Teilfunktionen im Spindelmodell darstellen. 4.049
Ideen- und Umsetzungsebene Die operationalen Felder wurden zu Funktionsbereichen, die über eine zentrale Koordinationsfunktion, den Fußpunkt der Spindel, im Sinne der Unternehmensidee gesteuert werden. 4.050
Spindelmodell
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Gelöste Probleme – erlebte Geschichten
Die Umsetzung des Spindelmodells auf das Unternehmen ergab folgende Unternehmensstruktur. 4.051
Unternehmensstruktur: Spindelmodell zur Unternehmensentwicklung Zur erfolgreichen Umsetzung der Unternehmensidee mussten sowohl die Funktionsbereiche auf der Umsetzungsebene als auch die Koordinationsfunktion mit den entsprechenden Kompetenzen oder dem entsprechenden Expertenwissen ausgestattet sein. Diesbezügliche Anforderungen an die unterschiedlichen Funktionsbereiche ließen sich unter Rückgriff auf die Faktoren in den operationalen Feldern relativ eindeutig formulieren. Anhand dieser Anforderungen war es möglich, die Funktionsbereiche optimal zu besetzen und nach neuen Mitarbeitern zu suchen. Die Struktur ermöglichte allerdings auch eine Integration externer Kooperationspartner. In einer tabellarischen Aufstellung wurden die für die Besetzung der Funktionsbereiche und der Koordinationsfunktion zu erfüllenden Kriterien aufgeführt. Außerdem wurde die Bedeutung der einzelnen Kriterien für den jeweiligen Funktionsbereich bewertet (1–5 mit 1 = weniger wichtig bis 5 = unabdingbar).
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4
Aufbruch zu neuen Ufern
Kriterien
Koordinations Funktionsbereiche Funktion UVP, Umwelt Finanzen verträglich keitsprüfung
Controlling
5
5
5
5
2
5
Einhaltung formaler Inhalte
5
4
5
Steuerung
5
2
3
Kommunikation
5
2
2
4.052 ...
Fachliche Anforderungen 1.... 2..... 3..... Vorgabe formaler Inhalte
...
Kriterien und Bewertungsansätze für die Funktionsbereiche Die für das Unternehmen erarbeitete Tabelle diente zunächst als Soll-Vorgabe bei der Auswahl von Mitarbeitern und externen Partnern. Durch einen Soll-Ist-Vergleich wurden in Bezug auf die Entwicklung der eigenen Mitarbeiter der Fortbildungs- und Qualifizierungsbedarf ermittelt. Nach Einschätzung der Zielgruppen, des Marktes und der Konkurrenz wurde beschlossen, das Leistungsprofil des Unternehmens in allen Bereichen, vor allem auch im Außenauftritt, entsprechend zu gestalten. Die neue strategische Ausrichtung entstand aus der Erkenntnis heraus, dass der Markt sich in Richtung eines weiter verstärkten Umweltbe dürfnisses entwickelt und dass Potenziale im Unternehmen nicht aus reichend genutzt wurden. Anstelle einer AdhocStrategie wurden die äußeren Rahmenbedingungen genauer betrachtet und dann vor allem in Verbindung mit der inneren Entwicklung des Unternehmens ge bracht.
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Gelöste Probleme – erlebte Geschichten
4.10 Die wirtschaftlichen Probleme der Bettina S. Statusfeststellung Wir sitzen bei einem Glas Wein zusammen, Bettina S. und ihr Ehemann. Sie ist Architektin. Zusammen haben sie sich vor zwei Jahren ihren Traum verwirklicht – das eigene Haus. Viele Schulden haben sie machen müssen, das Architekturbüro läuft nicht blendend, die Einkünfte des Ehepartners kommen zwar regelmäßig, reichen aber gerade so für den normalen Lebensunterhalt. Der monatliche Schuldendienst ist bedrückend hoch. Das alles weiß ich nur so ungefähr, weil wir uns zwar seit längerer Zeit kennen, über die wirtschaftliche Situation aber nie genauer geredet haben. Ich hatte nur ihr Haus bewundert. Beiläufig erzählt Bettina, dass ihre Hausbank letzten Monat die fällige Telefonrechnung nicht überwiesen habe. Sie sei dann zur Bank gegangen und habe noch mal eine Erhöhung ihres Überziehungskredites erreichen können. Es stehe aber jetzt eine Überweisung an das Finanzamt an und da sei noch nicht ganz klar, wie das zu bewerkstelligen sei. Erstmals frage ich jetzt etwas genauer nach und erfahre, dass das Ehepaar Kredite in unterschiedlicher Höhe bei insgesamt sechs Banken hat. Mit ihrem Charme hatte es Bettina geschafft, Gelder auch ohne ausreichende Sicherheiten zu beschaffen (die Geschichte hat sich vor Basel II zugetragen). Es ist zwar schon kurz vor Mitternacht, aber wir setzen uns alle zusammen vor meinen Computer, um zumindest in etwa den Grad der Verschuldung, die Kredite, das Vermögen, die laufenden Privatausgaben und die Ausgaben für das Büro und die zu erwartenden Zahlungseingänge zu erfassen. In dieser Form gab es das noch nicht und das Zahlenergebnis war erschreckend und im wahrsten Sinne des Wortes ernüchternd. Das Ganze konnte auf Dauer so gar nicht funktionieren und es war nur eine Frage der Zeit, bis auch andere Banken nicht mehr mitspielen würden. Der Abend endete zwar nicht so fröhlich, wie er begonnen hatte, aber er endete auch nicht im Chaos. Zumindest war die finanzielle Situation, so desolat sie auch sein mochte, kein Damoklesschwert
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Die wirtschaftlichen Probleme der Bettina S.
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mehr, das über den beiden schwebte, sondern hatte Konturen angenommen. Es wurde beschlossen, die Bestandsaufnahme zu verfeinern und um Ansprüche aus Lebensversicherungen und Renten zu erweitern, um sich dann mit einem neutralen Experten zusammenzusetzen und nach Strategien zur kurz-, mittel- und langfristigen Lösung des Problems zu suchen. Der größte Wunsch der beiden war es, ihr Haus nicht verkaufen zu müssen, was bei der spezifischen architektonischen Gestaltung des Hauses auch nicht ganz einfach gewesen wäre. Ein Verkauf wäre zumindest nicht zu einem Preis möglich gewesen, der die Baukosten abgedeckt hätte. Im Grunde waren auch die bestehenden Schulden höher als ein unter Druck kurzfristig zu erzielender Verkaufspreis. Leider ergab auch die genauere Bestandsaufnahme kein erheblich freundlicheres Bild, auch wenn sich Quellen auftaten, um die kurzfristige Liquidität zu verbessern. Eine klare Statusfeststellung ist die Voraussetzung dafür, über Zu kunftskonzepte nachdenken zu können.
Zum Entwurf einer Entlastungsstrategie gehörten eine genaue Betrachtung der Potenziale des Architekturbüros und die Suche nach Möglichkeiten zur Steigerung seiner Einnahmen, weil die sonstigen Quellen relativ fixiert waren. Da der wirtschaftliche Status (die Fixkosten und die variablen Kosten des Architekturbüros) bereits erfasst waren, konnten sich die jetzigen Überlegungen auf die Projektsituation, die laufenden Projekte, die Auftraggeberstruktur und vor allem auf die vorhandenen Exzellenzpotentiale beziehen. Aufgrund der intensiven Beschäftigung mit dem eigenen Wohnhaus hatte die Bearbeitung der anderen Projekte und insbesondere die Bemühung um neue Aufträge etwas gelitten. Der Schwerpunkt der bisherigen Projekte lag im Einfamilienhausbau, wobei Bettina S. sich gerne mit viel Liebe zum Detail mit der Innenraumgestaltung beschäftigte. Hier wiederum lag ihr besonders Interesse im Bereich der Optimierung der funktionalen und gestalterischen Einbindung des Küchenbereiches in die Wohnsituation. Beide waren kulinarischen Genüssen sehr zu getan und kochten leidenschaftlich gern. Mit ihrem eigenen Haus hatten sie ein
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Gelöste Probleme – erlebte Geschichten
gestalterisches Meisterwerk umgesetzt. Das gesamt Haus vermittelte durch große Glasflächen nach innen und außen den Eindruck von Transparenz und Offenheit – im Grunde ein Abbild Ihrer Persönlichkeit. Diese persönlichen Eigenschaften hatten nicht nur bei der Überzeugungsarbeit gegenüber der Bank geholfen, sondern auch zu einem vielfältigen Kreis guter Freunde, Bekannter und Geschäftspartner beigetragen. Aufgrund der großen Glasflächen und der damit verbundenen genaueren Untersuchung der Fugendichte, des Energieverbrauchs, der Wärmedämmung usw. hatte sich Bettina intensiver als bisher mit den erforderlichen Technologien und Konstruktionsvarianten für energiesparendes Bauen beschäftigt. Einer ihrer drei Mitarbeiter konnte sich in diesem Bereich sehr stark mit einbringen, weil er sich bereits während des Studiums für solche technischen Probleme interessiert hatte. Das Potenzial der Mitarbeiter berücksichtigen.
Im Faktorenfeld ergaben sich in dieser Betrachtung operative Felder mit den Bereichen Küchenplanung, Kochen, Transparenz, Energietechnik und Kontakte. 4.053
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Die wirtschaftlichen Probleme der Bettina S.
Während die Generierung neuer Projektaufträge bisher dem Zufall überlassen war, wurde beschlossen, auf der Basis der Bestandsaufnahme eine Aktivstrategie mit einer schärferen Profilierung des Büros zu konzipieren. Als Erstes wurde versucht, der Neukonzeption einen Namen zu geben. Danach wurde im ersten Schritt für den Außenauftritt ein Flyer entwickelt. Alle Bürokontakte und privaten Kontakte wurden in einer Übersicht erfasst. Anschließend wurden erste Gespräche geführt, bei denen die Büroidee und der Nutzen für einen potenziellen Auftraggeber verdeutlicht werden konnten. Bei der Unternehmensstrukturierung wurde beschlossen, die bisherigen Leistungsbilder zunächst beizubehalten, parallel dazu aber die Spezialbereiche „Energie“ und „Küchenplanung“ aufzubauen. 4.054
Interessanterweise ergaben sich aus dem Gespräch Ansätze für die Kooperation mit einem Raumausstatter und Küchenplaner und hieraus wiederum ein Bereich relativ zuverlässiger, regelmäßiger Einnahmen. Daraus entwickelte sich dann ein wesentlicher Baustein für die wirtschaftliche Konsolidierung. Der wesentliche Schritt dieser Problemlösung bestand in der klaren, nüchternen bzw. ernüchternden Bestandsaufnahme aller Fakten. Die Vogelstraußhaltung hatte zu einer Situation geführt, bei der ein Crash nur noch eine Frage der Zeit war. Das Ehepaar hatte es geschafft, die bedrückende Situation emotional soweit möglich zu isolieren, um einen freien Blick für Zukunftsüberlegungen zu ermöglichen. Wichtig war da bei der Schwenk von der Passivstrategie zur Aktivstrategie – aus der Not heraus geboren, aber immerhin.
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4.11 Transparent diskutieren Ein Unternehmen der Energiebranche hat sich seit 5 Jahren in einem stark expandierenden Wachstumsmarkt etabliert. Der Konkurrenzdruck erfordert eine Strategie, mit deren Hilfe sich das Unternehmen gegenüber Mitbewerbern abhebt. In einer Geschäftsführerrunde sollen Möglichkeiten für eine solche Strategie erörtert werden. Über das Produkt selbst ist eine Differenzierung am Markt nur schwer möglich, auch nicht über das Design oder die aktuelle Technologie, weil sich die Technologie bei allen Mitbewerbern aufgrund der spezifischen Lagerung des Produktes kaum unterscheiden kann. Welche Möglichkeit gibt es, um künftig Marktführer zu werden? Eine Möglichkeit, sich gegenüber Mitbewerbern am Markt zu positionieren, ist eine erweiterte Servicestrategie. Zwischen dem Jahr 2000 und dem Jahr 2020 soll der mit dem Produkt verkaufte Serviceanteil von derzeit 10 % auf 40 % angehoben werden. Die Portfolioanteile und die Werbung sollen entsprechend gestaltet werden. Die Relation zwischen Produkt- und Serviceanteilen lässt sich in einer Hyperbelabhängigkeit darstellen. Es ist anzunehmen, dass es eine wirtschaftliche Ober- und Untergrenze zwischen den beiden Parametern (P = Produkt, S = Service) gibt, nach der Formel: S ~1/P. Im Unternehmen, das unter der Gesamtidee „Energie für alle“ angetreten ist, muss eine Abteilung „Projekt und Service“ eingerichtet werden, die sich in Abstimmung mit den Bereichen „Finanzen“ und „Marketing“ projektübergreifend mit der Erhöhung des Serviceanteils bei der Produktvermarktung beschäftigen muss. Die Kernpunkte der ausstehenden Unternehmensentwicklung wurden im Gespräch auf einem Übersichtsblatt entwickelt. Das Übersichtsblatt wurde später als Titelblatt eines Strategiepapiers für die Unternehmensentwicklung verwendet.
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Konstruktive Strukturdiskussion in Systembildern
Protokollskizze 4.055
4.12 Konstruktive Strukturdiskussion in Systembildern Als externer Berater erhalte ich Positionspapiere der Führungsgremien einer großen Universität, in denen in schriftlicher Form verschiedene strategische Richtungen formuliert sind.
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Leseprobe (vom Lehrstuhlinhaber einer geisteswissenschaft lichen Fakultät) „Die Universität X positioniert sich im Kontext des Ausbildungssys tems der Bundesrepublik Deutschland als Keimzelle interdisziplinärer Erfassung und Weiterentwicklung technisch und prozessual orientier ter Systeme und integriert dabei in ihrem wissenschaftlichen Diszipli nen kulturelle, ökonomische und gesellschaftliche Aspekte. Die beste henden Exzellenzkompetenzbereiche in den Natur und Ingenieurwis senschaften werden mit den Fakultäten der Geistes, Gesellschafts und Wirtschaftswissenschaften zu einem schlagkräftigen, innovativen Verbund mit hoher Transferkompetenz ausgebaut.“
Die Formulierungen sind durchaus treffend, können aber in ihrem Kern und ihren praktischen Konsequenzen so nur schwer diskutiert werden. Aufgrund der Übertragung dieser Formulierungen in Skizzen lassen sich die unterschiedlichen Standpunkte und Entscheidungsmöglichkeiten transparent und diskussionsfähig machen. Angesprochen werden horizontale und vertikale Untergliederungen der Fakultäten A und B sowie C, D und E mit jeweils den Bereichen Forschung, Lehre und Entwicklung. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit horizontale und vertikale Verbindungen vorhanden bzw. gewollt sind. 4.056
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Konstruktive Strukturdiskussion in Systembildern
Die Zuordnung unterschiedlicher Fachbereiche innerhalb einer Gesamtidee der Universität zeigt wichtige Bereiche, die aber nicht unbedingt im Sinne von Kernkompetenzen abgedeckt werden können. 4.057
Erweiterte Kompetenzen sollen deshalb über strategische Allianzen abgedeckt werden.
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Zur Integration der Fachbereiche ist die Einführung einer Ebene der Vermittlung fachübergreifender Essenzen erforderlich. 4.058
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Konstruktive Strukturdiskussion in Systembildern
Als eine wesentliche Anforderung an die Lehrperson kommt in diesem Bereich die Vermittlungskompetenz hinzu. In der Gesamtschau ergeben sich so drei Bereiche (Fachwissen, Essenzwissen und Vernetzung), die in dieser Form an der Universität bisher nicht diskutiert wurden. 4.059
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Konstruktive Strukturdiskussion in Systembildern
Zur Gesamtübersicht gehören an einer Universität der Zukunft auch unternehmerische Denkweisen und Managementfähigkeiten. Soll eine Universität als Unternehmen am Markt auftreten, gelten die allgemeinen Gesetzmäßigkeiten der Betriebs- und Volkswirtschaft hinsichtlich der Äquivalenz von Input- und Output-Leistungen. 4.061
Nach dem Äquivalenzprinzip erbringt die Universität im Bereich „Forschung“ Leistungen, die im Sinne von Produktkonzepten an Unternehmen fließen. Die Unternehmen bezahlen dafür mit Drittmitteln. Bildung und Wissen fließen über die ausgebildeten Studenten wiederum in Unternehmen ein.
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Gelöste Probleme – erlebte Geschichten
Auf der Grundlage dieser Protokollskizzen wurden im Detail weitere Konsequenzen für die Schärfung des Profils der Universität entwickelt, insbesondere auch im Hinblick auf die Auswahl und die Fortbildung des Lehrpersonals.
4.13 Ideen kombinieren „Gebäudeberatung“ war die Idee eines Immobilienfachwirtes, der immer wieder offensichtliche Differenzen zwischen dem Gebäudenutzer und den Nutzungsbedingungen der Immobilie festgestellt hat. Im besonderen Maße galt das auch für Unternehmen, bei denen die Betriebsabläufe manchmal von bestehenden Gebäudestrukturen behindert wurden. In Kooperation mit Architekten und Maklern wollte der Immobilienfachwirt ein Serviceunternehmen gründen, das die Gegebenheit eines Gebäudes mit den Kundenwünschen in Übereinstimmung bringt. Das führte zu der Idee einer „Symbiose-Matrix“. Diese Matrix wurde sowohl das Verkaufsargument für die Dienstleistung als auch das Abwicklungsinstrumentarium für die Erstellung von Kostenübersichten und Maßnahmenkatalogen. Der Kernpunkt dieser Problemlösung lag darin, die Nutzeridee und die Idee des Gebäudes im Sinne einer Mediation oder Schlichtung zu betrachten.
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Ideen kombinieren 4.062
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4.14 Marktlücke gefunden, Handwerker Albrecht W. Der Handwerker Albrecht W. musste seit längerer Zeit feststellen, dass das Handwerk den goldenen Boden unter den Füßen verloren hat. Nach einer abgebrochenen kaufmännischen Lehre hatte er zunächst drei Jahre als Trockenbauer bei einem größeren Unternehmen gearbeitet und sich dann vor sechs Jahren selbstständig gemacht. In den ersten Jahren war es ihm gelungen, auch über Subunternehmerleistungen recht gut zu verdienen, so dass er zeitweise drei bis vier Arbeiter beschäftigen konnte. Jetzt lief alles etwas schleppender. Die laufenden Kosten waren kaum mehr mit den Einnahmen abzudecken. Albrecht W. wollte jetzt darüber nachdenken, wie er sich mit seinen kaufmännischen Grundkenntnissen, seinem relativ umfangreichen Fachwissen in anderer Weise am Markt positionieren könnte. In einem Faktorenfeld wurden Ideen gesammelt, die von der Funktion als „Kümmerer“ für Bauherren über die Gründung eines Baustoffhandels bis hin zur Beratung von Handwerkern oder der Beratung der Angestellten von Baumärkten reichten. Die Gesamtschau „Wer ist AW“ ergab neben dem Blick auf die ihm wohlbekannte kaufmännische Inkompetenz mancher seiner Handwerkerkollegen eine Präferenz für den Aufbau eines Beratungsunternehmens für Handwerker. Die Kernfrage dabei war, wie viel ein Handwerker im Sinne des Leistungsmodells für eine solche Dienstleitung bezahlen würde. Da Beratungen dieser Art auch im öffentlichen Interesse sind, bemühte sich Albrecht W. im nächsten Schritt um Informationen bezüglich möglicher Fördermittel. Bei der örtlichen IHK kam das von Albrecht W. ausgearbeitete Konzept so gut an, dass er darauf angesprochen wurde, ob er nicht Seminare zum Thema „Wirtschaftlichkeit im Handwerksbetrieb“ halten wolle.
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Marktlücke gefunden, Handwerker Albrecht W. 4.063
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Beratungsskizzen 4.064
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Marktlücke gefunden, Handwerker Albrecht W.
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4.15 Keine Probleme: Der Politiker Dr. T. Dr. Joachim T. ist der Inhaber eines größeren Betriebes der Autozulieferindustrie mit 300 Mitarbeitern, sieht blendend aus – braun gebrannt, gepflegtes wallendes Haar, Nadelstreifenanzug und Fliege. Sein Büro ist geräumig, luftig und geschmackvoll eingerichtet. Wir haben uns auf einer politischen Veranstaltung kennengelernt, bei der er als Hauptredner und Spitzenkandidat seiner Partei eine mitreißende Rede zum Thema „Bildungssysteme in Deutschland“ gehalten hat. Zuerst war ich mir nicht ganz sicher, was er mir eigentlich sagen wollte. Er erzählte pausenlos von seinen gigantischen Erfolgen, seiner bedeutenden Position, seinem florierenden Unternehmen und zuletzt von seinen fast schon überintelligenten Kindern. Im Grunde hätte er der glücklichste Mensch der Welt sein müssen, ein Mann ohne Probleme. Hatte er mich zu sich gebeten, nur um mir seine Erfolgsstory mitzuteilen? Publikum hatte er ja genügend. Was erwartete er von mir? Ich fragte ihn also: „Was erwarten Sie von mir?“ Meine Frage irritierte ihn offensichtlich etwas, und er schaute mich einen kurzen Augenblick fast feindselig an. Dann lächelte er: „ Sie meinen, wir sollten auf den Punkt kommen. Wenn Sie mir helfen wollen, müssen Sie aber meine Situation etwas genauer kennenlernen.“ Da hatte er wieder Recht. In der nächsten Viertelstunde stellte sich heraus, dass es eigentlich um seinen Sohn ging, der mit einem vermutlich blendenden Abitur im nächsten Jahr nach der Wunschvorstellung des Vaters ein betriebswirtschaftliches Studium aufnehmen sollte, um später das väterliche Unternehmen weiterführen zu können. Auch wenn er sich in der Bildungsszene hervorragend auskannte, stelle sich doch die Frage, welches derzeit der beste Ausbildungsweg und die beste Universität in Deutschland sei oder ob er seinen Sohn eher ins Ausland schicken sollte. Da wollte er noch ein paar Meinungen einholen, und mich habe er auf seiner Wahlversammlung als kritischen Mitdiskutanten kennengelernt, der interessante Fragen gestellt habe.
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So stellte ich ihm meine erste Frage: „Wie denkt Ihr Sohn darüber?“ Wieder schaute mich Dr. T. etwas irritiert an, und ich merkte, dass er kurz davor war, das Gespräch abzubrechen. Sein Sohn habe noch Flausen im Kopf, ging er dann nach einer kurzen Denkpause doch auf meine Frage ein. Trotz überragender Noten in naturwissenschaftlichen Fächern wolle er unbedingt Kunst studieren. Ob er denn mit seinem Sohn seine eigenen Vorstellungen schon so deutlich besprochen habe? Jetzt waren wir an einer kritischen Stelle angelangt. Offensichtlich hatte sich Dr. T. mit den Vorstellungen seines Sohnes noch gar nicht ernsthaft auseinandergesetzt, weil er sie angesichts der Gesamtsituation für völlig abwegig hielt. Ich bat ihn, mir etwas über seinen Sohn zu erzählen. Sein Sohn hatte seine Schulzeit eigentlich immer ohne große Anstrengungen absolviert, nebenher Tennis gespielt, als Schlagzeuger eine Band gegründet, Auftritte organisiert und eine CD produziert. Sein Kunstlehrer habe ihn sehr gefördert und einige von seinem Sohn hergestellte Plastiken im Rahmen einer Ausstellung präsentiert. Das alles erzählte Dr. T. mit merklichem Stolz, allerdings auch mit dem Tenor, dass solche Betätigungen ja höchstens Beiwerk, nicht aber Hauptinhalt einer ernsthaften beruflichen Laufbahn sein können. Meine Bemerkung, sein Sohn müsse ja neben seiner künstlerischen Begabung auch Organisationstalent haben, wenn er nicht nur in einer Band mitgespielt, sondern die Band sogar gegründet und geleitet habe, bestätigte der Vater und bemerkte, sein Sohn habe seine Schularbeiten immer sehr konzentriert und in kurzer Zeit bearbeitet, schon als kleiner Junge. Damit waren wir gegenüber der Ausgangsbasis des Gespräches an einer völlig anderen Stelle angelangt. Ein Gesprächsschwenk zu seinem Betrieb ergab, dass dieser wohl hervorragend organisiert war. Dr. T. war die Gallionsfigur mit souveräner Ausstrahlung. Er konnte sich auf eine engagierte Führungsebene verlassen. Nur so war es auch möglich, dass Dr. T. den nicht unerheblichen Aufwand für sein politisches Engagement betreiben konnte. Mit seinen 54 Jahren war es sehr vernünftig, bereits jetzt an
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die Unternehmensnachfolge zu denken. Von der betrieblichen Seite her schien dafür aber zumindest eine gute Basis geschaffen zu sein. Einziger Kritikpunkt meinerseits war, dass Dr. T. zwei Bereiche automatisch miteinander verknüpft hatte: • die Nachfolgeregelung für seinen Betrieb und • die Zukunftsplanung seines Sohnes. Wenn er seinem Sohn die Freiräume ließe, sich entsprechend seiner persönlichen Vorstellungen und Begabungen frei zu entscheiden, würde Dr. T. die Chancen nicht verschlechtern, sondern im Gegenteil erhöhen, dass sein Sohn irgendwann vielleicht freiwillig und mit Begeisterung die Unternehmensnachfolge antreten werde. Väterlicher Zwang zum jetzigen Zeitpunkt sei eher kontraproduktiv. Dr. T. hörte mir jetzt genauestens zu. Vor allem schaute er jetzt auch genauer auf meine Zeichnung, die ich während des Gespräches angefertigt hatte. „Meinen Sie, dass mein Sohn vielleicht irgendwie eine ähnliche Ausstrahlung hat wie ich?“ Ich sagte nichts dazu. „Dass sich die Frage nach der nicht nur technischen, organisatorischen, sondern vor allem inhaltlichen Unternehmensnachfolge irgendwann von selbst beantwortet?“ „Ja, das glaube ich. Schärfer formuliert: Jede andere Lösung könnte vielleicht durch Zwang durchsetzbar sein, wäre aber mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Scheitern verurteilt. Außerdem besteht bei der Flexibilität der heute angebotenen Studiengänge durchaus die Möglichkeit, Kunst, Betriebswirtschaft und Management miteinander zu verbinden. Wenn Ihr Sohn schon bisher in der Lage war, andere Bereiche professionell unter einen Hut zu bringen, schafft er das auch. Er muss es nur wollen.“
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Dr. T. dachte jetzt nach und schaute dabei immer noch auf meine Zeichnung. Das Gespräch war völlig anders verlaufen, als er es sich vorgestellt hatte. „Ich glaube, Sie haben Recht“, meinte er dann und schaute mich dabei sehr offen an. „Wären Sie bereit, mit meinem Sohn einmal darüber zu reden?“ 4.067
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Epilog
Auf dem Weg zu einem denkenden Universum Unternehmen treten heute bereits als Global Player auf. Die Zukunft hat schon begonnen. Möglicherweise führt die Evolutionsgeschichte der Menschheit in diese Richtung. Der Weg zu einem denkenden Universum ist aber noch weit. Vielleicht haben wir unseren Erdball bereits so geschädigt, dass die Besiedelung neuer Planeten zur Erhaltung des Lebens unumgänglich wird. Neue Erkenntnisse über die Beschaffenheit von Raum und Zeit, neue Antriebstechnologien, Techniken zur klimatischen Urbanisierung von Planeten stehen vielleicht auf dem Programm der nächsten 1.000 Jahre Menschheitsentwicklung. Ganz sicher werden diese Probleme nur gemeinsam gelöst werden können, so dass zumindest die Wissenschaftler der Welt damit beginnen müssen, mit einem Gehirn zu denken. Auch wenn diese Zukunft noch sehr fern zu sein scheint, so fern, dass mit Sicherheit alle Leser dieses Buches sie nicht mehr erleben werden, verhindert das nicht, jetzt in diese Richtung zu denken und zu arbeiten. Die heutige Generation muss diejenigen ausbilden, die die übernächste Generation unterrichten werden. Hierzu gehört die Förderung von Verbunddenken an Schulen und Hochschulen, die Toleranz gegenüber Fehlern, damit Offenheit und Angstfreiheit zum Prinzip gemeinsamen Lernens und Forschens werden kann. Denken mit einem Gehirn Denken mit einem Gehirn, sich bedingungslos einer gemeinsamen Aufgabe hingeben, ohne Vorbehalte und Angst, etwas von sich selbst preiszugeben, ist ein Idealzustand, der dazu führen würde, dass sich persönliche Kapazitäten potenzieren. Team Thinking in diesem
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Sinne ermöglicht ungewöhnliche Denkleistungen zur Lösung ungewöhnlich schwieriger Probleme. Denken mit einem Gehirn erfordert dabei, ein Stück von sich selbst abzugeben, erfordert nicht Selbstaufgabe, sondern im Gegenteil starke Persönlichkeiten.
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Literatur
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384
Stichwortverzeic hnis Anziehungskraft....... 252, 253 Äquivalenzprinzip............ 200 Assessment-Center .......... 246 Attraktivität..... 250, 251, 253, 254, 255, 256, 261, 264 Attraktivitätsmaß.... 256, 257, 258 Attraktor................... 206, 255 Ausstrahlung ............ 255, 264 Balanced Scorecard.......... 180 Balkenplantechnik ........... 179 Basic-Karten............. 102, 103 Basics .......................... 99, 101 Atlas ..................... 103, 104 Attraktivität......... 127, 149 Attraktor.............. 127, 149 Authentizität ....... 139, 149 Balanceprofil ....... 134, 149 Ballonflug ............ 126, 149 Bewusstsein ......... 112, 149 Bottom up .. 122, 123, 125, 149 Chaos ................... 144, 149 die Wolke ............ 120, 149 Distanz......... 105, 112, 149 Energie................. 127, 149 Energieträger ....... 132, 149 Entwicklungsspirale... 146, 149 Erdanteile ............ 133, 149
Erkenntnistheorie 120, 149 Erla P.................... 134, 149 Essenzwissen........ 116, 149 EVA...................... 128, 149 Exzenter ............... 146, 149 Faktorenfeld 105, 108, 117, 122, 123, 124, 149 Form .................... 140, 149 Formalismus........ 140, 149 Frage .................... 105, 149 Gegenwart............ 117, 149 Gehirn.. 103, 104, 114, 149 Geist ............. 120, 121, 149 geschlossene Systeme . 135, 149 Gruppierung................ 106 Hemisphärenmodell .. 114, 149 horizontal ............ 110, 149 Horizontalwissenschaften ......................... 115, 149 Idee...... 110, 137, 138, 139, 140, 149 Ideengenerierung122, 123, 124, 149 Identität ............... 139, 149 Innovation ... 126, 145, 149 Innovationsgenerierung ......................... 125, 149 Intuition ...... 113, 147, 149
385
Stichwortverzeichnis
Landkarten .......... 103, 104 lebendiger Organismus ........................ 142, 149 Leistungsaustausch .... 129, 149 Leistungsfluss ...... 134, 149 Luftanteile ........... 133, 149 magisches Dreieck ...... 149 Masse ................... 127, 149 Materie ........ 120, 121, 149 Navigationssystem ..... 137, 149 offene Systeme ... 135, 137, 149 ökologisches System .. 132, 149 operationale Felder .... 103, 104, 106 Ordnung.............. 144, 149 Organismus......... 139, 149 Oszillation ........... 125, 149 persönliche Positionierung 144, 149 Persönlichkeit ..... 138, 149 Phasen ................. 145, 149 physikalische Grenzen113, 149 Problemklumpen 136, 149 Problemlösung.... 136, 149 Problemlösungszirkel 147, 149 Projektentwicklung.... 124, 149
386
Prozessor .... 128, 129, 130, 132, 149 Redundanz .......... 126, 149 Schlichteridee ...... 119, 149 Sichtweise ............ 108, 149 Sichtweisen .......... 119, 149 Situationsanalyse. 122, 149 Speicherorganisation . 103, 104 Spindelhub .......... 131, 149 Spindelmodell .... 131, 141, 149 Spindelorganisation ... 142, 149 Strategie ............... 137, 149 Struktur ............... 121, 149 Subjektivität ........ 118, 149 Sublimierung....... 127, 149 System.................. 109, 149 Systemgrenzen ... 110, 111, 149 Tiefenschärfe ....... 111, 149 Top down ... 122, 124, 125, 149 tote Spindel ......... 140, 149 tote Spindeln ....... 143, 149 Übersicht ............. 112, 149 Umfeld......................... 149 Umwandlungspotenzial ........................ 130, 149 Unternehmen..... 133, 139, 149 Verbindungen ..... 107, 149
Stichwortverzeichnis
Vergangenheit ..... 117, 149 Verknüpfung....... 116, 149 Vernetzung.......... 109, 149 vertikal................. 111, 149 Vertikalwissenschaften ........................ 115, 149 Vision .................. 137, 149 Wahrnehmung... 108, 112, 113, 118, 149 Wegdenken.......... 118, 149 Wissenswürfel ..... 115, 149 Zeitfaktor............. 117, 149 Ziel ....................... 137, 149 Zukunft................ 117, 149 Zyklen.......... 126, 145, 149 Basisinnovationen............ 293 Bewusstsein74, 75, 76, 77, 78, 96 menschliches................. 72 transpersonales.............. 97 Bionik ............................... 7, 8 Black-Box-Modell.............. 73 Bottom-up-Ansatz... 302, 304 Brainstorming .......... 179, 273 Brainwriting ..................... 179 Clustering ......................... 179 Denken simulatives..................... 57
Ebene funktionale .......... 217, 218 geistige ................. 217, 218 Einzelfaktoren .................... 99 Energie funktionale .................. 216 geistige ......................... 216 Energiefresser .. 199, 200, 202, 204, 205 Essenzwissen....................... 51 EVA-Prinzip ............... 44, 205 Faktoren........................ 73, 96 Faktorenfeldmethode.... 7, 10, 11, 12, 39, 40, 43, 45, 92, 273 Bausteine der ............... 164 Systemsprache der......... 39 Felder funktionale .................... 73 operationale 73, 83, 95, 99, 165 Gehirn Speicherstruktur............ 83 Geist.................................... 72 Horizontalwissenschaften.. 52 Methode der .................. 53 Ideen . 270, 271, 273, 275, 279 Generierung................. 273 innovative .................... 272
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Stichwortverzeichnis
IIT-Methode .................... 204 Informationen.................... 78 visuelle........................... 79 Informationsdichte. 260, 261, 262 Innovation256, 257, 258, 292, 293, 295, 297, 298 Innovationsgenerierung intuitive ....................... 298 Insidernachteil ........... 82, 272 Internet............................. 8, 9 Intuition ................... 180, 298
Probleme . 149, 150, 151, 185, 186, 188, 189 bösartige .............. 151, 187 Problemkontext ............... 190 Problemlösungen............. 163 automatisierte ..... 149, 150 Problemlösungsmethoden lineare .......................... 177 non-lineare.................. 178 Problemlösungsschema .. 152 Problemlösungsstrategien lineare ............................ 24
Karten neuronale ...................... 82 Kommunikationsprobleme ..................................... 191
Realität Essenzen der .................. 79 Redundanz ...... 256, 257, 258, 293, 295 Relationen .......................... 36
Leib-Seele-Problem.... 84, 87 Materie ................... 72, 77, 78 MbO-Verfahren............... 246 Mindmapping .......... 179, 273 Mobilität geistige ............................. 8 physische ......................... 8 Netzplantechnik............... 179 Netzstrukturen................. 214 PEST-Analyse................... 179 Peter-Prinzip.................... 214 Portfolio-Analyse............. 179
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Simulationsmodelle ......... 276 Spindel tote ....................... 174, 219 Spindelhub ............... 263, 264 Spindelmodell ............ 73, 180 Strukturen hierarchische ............... 214 individuelle.................... 96 transpersonale ............... 97 wahrgenommene .......... 96 Sublimierungsprinzip ........ 97 SWOT-Analyse ................ 179 Systemanalyse..................... 31 Systembetrachter................ 37
Stichwortverzeichnis
Systembilder 9, 10, 11, 40, 42, 99 Systeme................... 31, 35, 36 geschlossene 24, 37, 38, 39 offene ................. 25, 38, 39 Systemgrenzen ............. 31, 36 Systemtheorie .............. 29, 30 Systemvisualisierung... 11, 12, 40, 42 Vorteile der.................... 42 Tendenzlinie............. 291, 294 Top-down-Ansatz.... 302, 304 Trial-and-Error-Methode 161 Trial-and-Error-Prinzip . 152 TRIZ-Methode. 180, 273, 298 Turn-around-Methode ... 183
Unternehmensidee........... 258 Vertikalwissenschaften...... 51 Methoden der................ 52 Visual Thinking.......... 7, 9, 26 Wahrnehmung ....... 25, 79, 96 Welt 1............................ 30, 94 Welt 2............................ 30, 94 Welt 3...................... 30, 94, 95 Wissensspeicherung .......... 55 Wissenswürfel.................... 51 Zielgruppe ........................ 258 Zwicky-Box ...................... 273 Zwicky-Box-Methode..... 180, 298
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Notizen
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