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Dietrich Henckel · Kester von Kuczkowski Petra Lau · Elke Pahl-Weber · Florian Stellmacher (Hrsg.) Planen – Bauen – Umwelt
Dietrich Henckel · Kester von Kuczkowski Petra Lau · Elke Pahl-Weber Florian Stellmacher (Hrsg.)
Planen – Bauen – Umwelt Ein Handbuch Unter Mitarbeit von: Anja Besecke, Robert Hänsch, Josiane Meier Anja Neubauer, Waltraud Schelter
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Katrin Emmerich VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Satz und Layout: Robert Hänsch, Seitenmanufaktur Berlin Druck und buchbinderische Verarbeitung: Ten Brink, Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-16247-8
ZU EHREN VON PROF. DR. RUDOLF SCHÄFER
PLANEN BAUEN UMWELT – EINE EINFÜHRUNG IN DAS HANDBUCH
PLANEN BAUEN UMWELT EINE EINFÜHRUNG IN DAS HANDBUCH Ein Handbuch Planen Bauen Umwelt herauszugeben, ist ein ambitioniertes Programm. Es stellt den Versuch dar, zentrale Begriffe der räumlich planenden Professionen (u. a. Stadt- und Regionalplaner, Raumplaner, Landschaftsplaner, Architekten, Umweltplaner, Urban Designer) für die Fachwelt und den interessierten Laien aufzubereiten. „Zentrale Begriffe“ erfassen zu wollen, macht schon deutlich, dass es um eine Balance zwischen Vollständigkeitsanspruch und pragmatischer Beschränkung geht. Diese Balance wird noch dadurch erschwert, dass ein solches Handbuch nur in einem Zusammenspiel von Autorinnen und Autoren aus den unterschiedlichsten Disziplinen gelingen kann. Auch wenn alle sich der räumlichen Planung verbunden fühlen, bleiben die unterschiedlichen kategorialen Herkünfte, die unterschiedlichen wissenschaftlichen Paradigmen prägend. Das bedeutet, dass ein querschnittsorientiertes Handbuch immer dem Vorwurf ausgesetzt sein wird, eklektisch und wissenschaftlich heimatlos zu sein, wichtige Begriffe nicht erfasst, dafür „überflüssige“ einbezogen, einzelne Begriffe in eine „falsche“ Zuordnung (Über- oder Unterordnung) gebracht zu haben. Dies wird sich bei einem Handbuch dieser Art nicht vermeiden lassen. Wir hoffen aber, bei aller notwendigen Pragmatik ein hinreichend umfassendes Werk vorgelegt zu haben, das über die ausgewählten Begriffe einen Einstieg in die unterschiedlichen Facetten planerischer Theorie und Praxis vermittelt. Dieses Werk sieht sich nicht in Konkurrenz zu anderen Handbüchern, sondern als eine Ergänzung durch die stärkere Betonung städtischer und architektonischer Komponenten – etwa im Vergleich zum „Handwörterbuch der Raumordnung“ der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL), zum Glossar von Planungsbegriffen der ARL (The Planning System and Planning Terms in Germany. A Glossary) – oder durch einen breiteren und stärker interdisziplinären Fokus (etwa im Vergleich zum Handbuch „Großstadt. Soziologische Stichworte“ herausgegeben von Häußermann). Die Idee zu diesem Werk hat eine persönliche Grundlage. Die Veröffentlichung soll zwar für sich stehen, gleichzeitig ist sie aber als Würdigung für Rudolf Schäfer gedacht. Prof. Dr. Rudolf Schäfer, einer der bekanntesten und renommiertesten Bau- und Planungsrechtler Deutschlands, scheidet im Februar 2010 aus dem aktiven Dienst an der Technischen Universität Berlin aus. Er hat sich an den unterschiedlichsten Stellen, in sehr vielen Zusammenhängen um das ganze Spektrum der in diesem Buch abgehandelten Themen verdient gemacht. Der Titel des Buches ist dem Namen der Fakultät an der Technischen Universität Berlin entlehnt, die ein Ergebnis mehrerer Fakultätsfusionen ist (zunächst die Fusion der Fachbereiche Architektur sowie Umwelt und Gesellschaft zu einer Fakultät im Jahr 2001, dann die Fusion dieser Fakultät mit der Fakultät für
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PLANEN BAUEN UMWELT – EINE EINFÜHRUNG IN DAS HANDBUCH
Bauingenieurwesen und Angewandte Geowissenschaften im Jahr 2005). Mittlerweile handelt es sich mit über 60 Lehrstühlen um eine der größten Fakultäten in Deutschland, die alle wesentlichen Aspekte der Gestaltung des Raumes (ohne Verkehr) zusammenfasst. Diese Fusionen hat Rudolf Schäfer in seiner Funktion als Dekan gemanagt, moderiert und gestaltet. Dabei ist es ihm gelungen, diesen sehr schwierigen Prozess nicht nur gut über die Runden zu bringen, sondern aus den Fusionen „Funken zu schlagen“ und eine Reihe von Großvorhaben zu initiieren und auf den Weg zu bringen: An der Fakultät sind zwei Projekte des Young Cities Programms des BMBF zu den künftigen Megacities (hier im Iran und in Marokko) angesiedelt. Im Rahmen der Profilierung der TU ist ein Innovationszentrum „Gestaltung von Lebensräumen“ etabliert worden, dessen Ziel es ist, auf sieben Schwerpunktfeldern die interdisziplinäre Forschung durch Ausnutzung der an der TU vorhandenen Kompetenzen voranzubringen. Im Sinne einer räumlichen Bündelung der internationalen Kooperation wurde die Einheit WANACU (West Asian North African Cooperation Unit) gegründet, unter deren Ägide mittlerweile eine Vielzahl von Kooperationsprojekten läuft. Im Sinne einer losen Plattform zum Informationsaustausch und zur Bündelung von Kompetenzen wurde das „Kompetenzzentrum Stadt und Region in Berlin und Brandenburg“ gegründet, das Lehrstühle planender Fakultäten (TU, FU, HU, BTU Cottbus, Uni Potsdam), außeruniversitäre Forschungsinstitute (Difu, IRS), Planungsinstitutionen (Senat von Berlin, Gemeinsame Landesplanung Berlin-Brandenburg, Infrastrukturministerium Brandenburg), Verbände (IHK, SRL u. a.) in Berlin und Brandenburg zu einem Austausch und zu gemeinsamen Workshops und Tagungen zusammenführt. Als einer der ersten postgradualen berufsbegleitenden Masterstudiengänge an der TU wurde der Master für Real Estate Management etabliert, der mittlerweile im achten Jahr läuft und auch international vom RICS (Royal Institute of Chartered Surveyors) akkreditiert ist. Die Würdigung von Rudolf Schäfer müsste noch eine Vielzahl anderer Aktivitäten umfassen, die hier nur – unvollständig – erwähnt werden können. Zu seinen wichtigen Impulsen zählen nicht nur die zahlreichen Projekte und Gutachten für die unterschiedlichen Auftraggeber, von denen etwa die verschiedenen Planspiele zur Novellierung der Baugesetzgebung hervorzuheben sind. Von großer Tragweite waren auch seine zahlreichen Moderationsaktivitäten für das Stadtforum Berlin in den ersten Jahren nach dessen Etablierung, die Moderation der Metropolregionen und der Vorsitz der Dekanekonferenz für die Architekturund Planungsfakultäten. Seine vielfältigen wissenschaftlich und praktisch weit gespannten Aktivitäten haben ihn auch personell in umfassender Weise eingebettet. Dieses Netzwerk ist
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PLANEN BAUEN UMWELT – EINE EINFÜHRUNG IN DAS HANDBUCH
auch in wesentlichen Teilen der Ausgangspunkt des Buches und der beteiligten Autorinnen und Autoren. Die Herausgeber haben versucht, vor allem dieses Netzwerk zu aktivieren und die jeweiligen Spezialistinnen und Spezialisten für die einzelnen Begriffe zu gewinnen. Das ist nicht in allen Fällen gelungen und wir haben auch nicht alle potenziellen Autorinnen und Autoren berücksichtigt. Das hat zum Teil inhaltliche Gründe, zum Teil ist es auch unserer mangelnden Kenntnis des Netzwerks geschuldet. Für Enttäuschungen, die wir durch ein Übersehen und eine ungerechtfertigte Nichtberücksichtigung der einen oder anderen Person produziert haben, bitten wir ausdrücklich um Nachsicht. Es tut uns sowohl für den Geehrten wie für die nicht Berücksichtigten leid. Auch war es nicht möglich, in allen Fällen den inhaltlichen Anregungen der Beteiligten für die Aufnahme von weiteren Begriffen zu folgen. Die Produktion eines Handbuches mit einer solch hohen Zahl an Begriffen ist ein ziemlich großes Unterfangen. Trotz wohlmeinender oder ironischer Warnungen durch einige angefragte Personen haben wir das Wagnis auf uns genommen. Neben der inhaltlichen Bereicherung resultierte daraus auch eine persönliche Bereicherung durch den häufig sehr angenehmen Kontakt mit den Autorinnen und Autoren. Das Konto Lebenserfahrung wurde ebenfalls aufgestockt durch die Mühseligkeit, Autorinnen und Autoren bei der Stange zu halten oder auch nach längst gegebener Zusage wieder zu verlieren. Bei allem Bewusstsein über die Vermessenheit des Anspruchs, die notwendige Pragmatik und die erforderlichen Kompromisse bei der Fertigstellung der Veröffentlichung hoffen die Herausgeber und Herausgeberinnen, nicht nur dem Geehrten, Rudolf Schäfer, einen Ausdruck ihrer Wertschätzung und Dankbarkeit zu vermitteln, sondern auch eine hilfreiche Orientierungsgrundlage für ein breites Zielpublikum in den planungswissenschaftlichen und -praktischen Professionen bereitzustellen. Berlin, im Dezember 2009 Dietrich Henckel, Kester von Kuczkowski, Petra Lau, Elke Pahl-Weber, Florian Stellmacher
Aus dem alleinigen Grund der besseren Lesbarkeit der Beiträge wird in diesem Handbuch überwiegend die männliche Form verwendet. Frauen und Männer sind dabei immer gleichermaßen gemeint und angesprochen.
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PLANEN BAUEN UMWELT – EINE EINFÜHRUNG IN DAS HANDBUCH
VERZEICHNIS DER BEITRÄGE
Abwägung . . . . . . . . . . . . . . Akademien und Netzwerke . . . . Akteure der Planung . . . . . . . . Aktionsforschung . . . . . . . . . . Architekten- und Planerausbildung Architektur . . . . . . . . . . . . . Architektur im Bestand . . . . . . . Architekturdarstellung und CAD. . Architekturexport . . . . . . . . . . Ausbildung zur Planung . . . . . . Außenbereich/Innenbereich . . . .
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12 15 18 21 23 26 31 34 36 37 40
Barrierefreies Bauen . . . . . . . . . . . . . Bauaufsichtliche Verfahren . . . . . . . . . . Baukultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bauleitplanung . . . . . . . . . . . . . . . . Baunutzungsverordnung . . . . . . . . . . . Bauordnungsrecht. . . . . . . . . . . . . . . Bauplanungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . Bauwirtschaft und Baubetrieb . . . . . . . . Benchmarking in der Immobilienwirtschaft und Stadtentwicklung . . . . . . . . . . . Bestandsentwicklung und Stadterneuerung . Bodenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bundesraumordnung . . . . . . . . . . . . . Business Improvement Districts und Housing Improvement Districts . . . . . .
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46 48 52 55 60 64 66 71
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75 78 83 86
. 90
Cluster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Consulting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Corporate Real Estate Management . . . . . . 98
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Daseinsvorsorge . . . . . . . . . . . . . . Demographischer Wandel . . . . . . . . Dezentrale Konzentration . . . . . . . . Dichte: Begriff und Erscheinungsformen. Dingliche Sicherung . . . . . . . . . . . . Dorferneuerung . . . . . . . . . . . . . .
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. 101 . 105 . 109 . 112 . 114 . 116
E-Government. . . . . . . . . . . . Eingriff und Ausgleich . . . . . . . Einzelhandel. . . . . . . . . . . . . Energieeffiziente Stadtentwicklung. Entwerfen und Konstruieren . . . . Erhaltungssatzung . . . . . . . . . Erschließung. . . . . . . . . . . . . Ethik in der Planung . . . . . . . .
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. 121 . 123 . 125 . 131 . 133 . 137 . 139 . 143
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Europäische Raumentwicklungspolitik Europäische Stadt . . . . . . . . . . . . Evaluation . . . . . . . . . . . . . . . . Experimentelle Architektenausbildung am Beispiel Baupiloten . . . . . . . .
. . . . 160
Fachplanungen . . . Facility Management Festivalisierung . . . Flächenmanagement
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. 164 . 170 . 174 . 177
Gebaute Geschichte . . . . . . . . . . . Gender Mainstreaming in der Planung Geographische Informationssysteme . . Gestaltungssatzung . . . . . . . . . . . Gewährleistung und Haftung. . . . . . Gleichwertige Lebensverhältnisse . . . Globalisierung. . . . . . . . . . . . . . Government und Governance . . . . . Großsiedlungen . . . . . . . . . . . . .
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. 182 . 185 . 188 . 190 . 192 . 197 . 199 . 203 . 209
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. . . . 147 . . . . 153 . . . . 157
Historische Bauforschung. . . . . . . . . . . . 212 Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . Immobilienfinanzierung . . . . . . . . . Immobilienwirtschaft . . . . . . . . . . . Informelle Planung in der Stadt- und Regionalplanung . . . . . . . . . . . . Informelle Siedlungen . . . . . . . . . . . Innenarchitektur . . . . . . . . . . . . . Innenentwicklung/Außenentwicklung . . Integration. . . . . . . . . . . . . . . . . Interdisziplinarität, Transdisziplinarität. Internationale Bauausstellung (IBA). . . Internationales Baurecht . . . . . . . . .
. . . 216 . . . 218 . . . 220 . . . . . . . .
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. 227 . 232 . 234 . 235 . 240 . 243 . 247 . 249
Klein- und Mittelstädte . . . . . . . Klimawandel . . . . . . . . . . . . Kommunale Wirtschaftsförderung . Kommunikation und Moderation . Konversion und Revitalisierung . . Kooperation . . . . . . . . . . . . . Kreative Städte . . . . . . . . . . . Kulturlandschaft . . . . . . . . . .
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. 254 . 257 . 262 . 265 . 269 . 273 . 276 . 278
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Ländliche Räume . . . . . . . . . . . . . . . . 284 Landschaftsarchitektur . . . . . . . . . . . . . 288
PLANEN BAUEN UMWELT – EINE EINFÜHRUNG IN DAS HANDBUCH
Landschaftsplanung. . . . . . . . Landwirtschaft und Agrarpolitik. Lebenszyklus von Immobilien . . Leitbilder . . . . . . . . . . . . .
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. 294 . 300 . 303 . 308
Machbarkeitsstudien in der Stadt-, Standortund Projektentwicklung . . . . . . . . . . . 313 Markt- und Standortanalysen . . . . . . . . . 315 Megastädte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 Metropolen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 Metropolregionen . . . . . . . . . . . . . . . . 325 Milieu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 Mischnutzung in Gebäuden . . . . . . . . . . 332 Modellvorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 Nachhaltige Stadtentwicklung Naturschutz . . . . . . . . . . New Towns . . . . . . . . . . New Urbanism . . . . . . . .
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. 343 . 347 . 350 . 354
Partizipation – Ein Leitbegriff im Wandel . Placemaking . . . . . . . . . . . . . . . . . Planspiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Planungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . Planungswissenschaft . . . . . . . . . . . . Projektentwicklung . . . . . . . . . . . . . Projektmanagement. . . . . . . . . . . . . Public Private Partnership bei baulichen Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. 357 . 361 . 363 . 365 . 369 . 373 . 377
Raum- und Stadtbeobachtung . . . . . . . Raumordnung und Landesplanung . . . . Raumplanung im internationalen Kontext Raumvorstellungen . . . . . . . . . . . . . Raumzeitstrukturen. . . . . . . . . . . . . Real Estate Management . . . . . . . . . . Regionale Kooperation . . . . . . . . . . . Regionale Strukturpolitik . . . . . . . . . . Retail-Immobilien. . . . . . . . . . . . . . Risikomanagement . . . . . . . . . . . . .
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. 386 . 388 . 395 . 400 . 402 . 404 . 408 . 413 . 417 . 419
Soziale Stadt. . . . . . . Sozialer Wohnungsbau . Stadtbild . . . . . . . . . Städtebau/Urban Design Städtebauförderung . . . Städtebauliche Dichte . .
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. 423 . 427 . 432 . 435 . 440 . 444
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. . 382
Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen . Städtebauliche Großprojekte . . . . . . . . Städtebauliche Kalkulation . . . . . . . . . Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen . . Städtebaulicher Vertrag. . . . . . . . . . . Städtebauliches Entwerfen . . . . . . . . . Stadtentwicklungsplanung . . . . . . . . . Stadt- und Regionalmanagement . . . . . Stadtökologie . . . . . . . . . . . . . . . . Stadt- und Regionalökonomie . . . . . . . Stadtplanerischer Immissionsschutz . . . . Stadtplanung . . . . . . . . . . . . . . . . Stadtpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . Stadt- und Regionalsoziologie . . . . . . . Stadtumbau . . . . . . . . . . . . . . . . . Standortwahl . . . . . . . . . . . . . . . . Strategische Stadtentwicklungskonzepte . . Subsidiarität. . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . .
Umweltprüfung . . . . . . . . . . . Unternehmensimmobilien als neue Assetklasse. . . . . . . . . . . . . Urbane Landschaften . . . . . . . . Urbanisierung . . . . . . . . . . . . Urbanität . . . . . . . . . . . . . .
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. 446 . 449 . 452 . 454 . 457 . 461 . 466 . 472 . 476 . 481 . 486 . 489 . 494 . 497 . 503 . 507 . 509 . 512
. . . . . . 516 . . . .
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. 520 . 525 . 529 . 533
Verfassungsgrundlagen der Planung . . . . . . 536 Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 Vertragsmanagement . . . . . . . . . . . . . . 545 Weiterbildung in der Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . Weiterbildung zwischen Hochschule und Wirtschaft . . . . . . . . . . . Wertermittlung . . . . . . . . . . . . Wettbewerbe. . . . . . . . . . . . . . Wissenschaftskooperation . . . . . . Wissensgesellschaft . . . . . . . . . . Wohnen . . . . . . . . . . . . . . . . Wohnungsmarkt . . . . . . . . . . .
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. 551 . 553 . 558 . 561 . 563 . 567 . 570
Zivilgesellschaft . . . . . . . . . . . Zukunftsforschung . . . . . . . . . Zwischennutzungen . . . . . . . . Zyklen in der Immobilienwirtschaft
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. 576 . 580 . 585 . 587
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. . . . . 549
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ABWÄGUNG
A
ABWÄGUNG Die Abwägung der öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander bildet den materiellen Kern des Planungsprozesses. Im Baugesetzbuch ist die grundlegende Forderung in § 1 Abs. 7 festgehalten: „Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.“ (▷Bauleitplanung) Das Abwägungsgebot Mit Rücksicht auf die Tragweite dieser Forderung hat die Rechtsprechung den Gemeinden eine genaue „Gebrauchsanweisung“ an die Hand gegeben, welche Dinge sie im Abwägungsprozess und beim Abwägungsergebnis berücksichtigen müssen (Grundlegend: BVerwG, BVerwGE 34:301; im Anschluss daran BGH, NJW 1977:388; Bestätigung in BVerwG, NJW 1982:1473 – Das Abwägungsgebot wurzele im Verfassungsrecht und gelte daher auch ohne ausdrückliche Normierung.) Diese Grundsätze sind unter dem Stichwort ,,Abwägungsgebot“ zusammengefasst. Das Abwägungsgebot enthält drei Stufen: 1) Es muss überhaupt eine Abwägung stattgefunden haben; die Abwägung darf nicht aus Unkenntnis, Irrtum oder wegen unzulässiger Vorabsprachen entfallen sein. Wenn dies geschieht, leidet der Plan unter „Abwägungsausfall“. 2) In die Abwägung müssen alle Umstände und Belange eingestellt (und daher auch zuvor in ihrer wahren Bedeutung richtig ermittelt und bewertet) worden sein, die nach Lage der Dinge zu berücksichtigen waren. Geschieht dies nicht oder fehlerhaft, leidet der Plan unter einem ,,Abwägungsdefizit“. 3) Bei der Abwägung müssen schließlich die Gewichte so gesetzt werden, daß einzelne Belange nicht in einem Ausmaß bevorzugt oder benachteiligt werden, das zu ihrem objektiven Gewicht außer Verhältnis steht. Geschieht dies, leidet der Plan unter ,,Abwägungsdisproportionalität“. Die Berücksichtigung „falscher“, insbesondere unzulässiger Belange (z. B. eine Vorteilsnahme) führt immer zur Abwägungsdisproportionalität. Im Einzelnen ist hier folgendes zu beachten: 1) Es muss überhaupt eine Abwägung stattfinden. Die Gemeinde darf sich nicht unter Umgehung der Vorschriften des geordneten Planungsver-
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fahrens durch Absprachen mit Interessenten vorab so binden, dass ihr bei der förmlichen Planung praktisch gar kein Abwägungsspielraum mehr bleibt. Nur wenn Vorabsprachen im Ergebnis allen Bedingungen einer förmlichen Planung genügen, können sie ausnahmsweise akzeptiert werden. Dazu muss das für die Bauleitplanung zuständige Organ – also der Gemeinderat - in einer Weise eingeschaltet worden sein, die es gestattet, ihm die Planung zuzurechnen, die Vorabverhandlungen müssen sachlich begründet und das inhaltliche Ergebnis muss unbedenklich sein (vgl. insb. BVerwG, NJW 1975:70 – Flachglasfall). Wohlgemerkt: Diese Grundsätze gelten für den Fall, dass der vorher abgesprochene Plan schließlich zustande gekommen ist; eine rechtliche Bindung der Gemeinde, den Plan wie abgesprochen aufzustellen, kann es nicht geben. Sind diese Bedingungen nicht eingehalten, ist der Plan unwirksam. 2) Beim Abwägungsvorgang sind – positiv – alle Argumente, Gesichtspunkte und Erkenntnisse zu berücksichtigen, die ,,nach Lage der Dinge“ eingestellt werden müssen; umgekehrt dürfen sachfremde Argumente oder bodenrechtlich unbeachtliche Sachverhalte keine Rolle spielen. Wettbewerbssteuerung ist z. B. ein unzulässiges Argument. D. h.: Alle Tatsachen und Argumente, die einem sorgfältig vorgehenden und vernünftigen Menschen zugänglich sind und die nach dem Urteil eines solchen Menschen bei dieser Planung eine Rolle spielen können und dürfen, müssen ermittelt, in ihrer Bedeutung bewertet und in die Abwägung einbezogen werden. 3) Bei der Abwägung des Für und Wider von einzelnen Argumenten und bei der Herstellung des Gesamtergebnisses müssen die Gewichte so gesetzt werden, dass sie nach dem Urteil eines vernünftigen Betrachters nicht außer Verhältnis zueinander stehen. Die Bedeutung jedes einzelnen öffentlichen oder privaten Belangs darf nicht verkannt werden. Dazu gehört insbesondere, dass ein einzelner (öffentlicher oder privater) Belang nicht in einer Weise bevorzugt oder benachteiligt werden darf, die zu seinem objektiven Gewicht außer Verhältnis steht (Beispiele für völlige Verfehlung: BVerwG, DVBl. 1985:901 sowie OVG Münster BauR 1995:659 – Müllabfuhr soll Stichstraße ohne Wendemöglichkeit rückwärts befahren). Innerhalb dieser Grenzen besitzt die Gemeinde planerische Gestaltungsfreiheit, zu der auch gehört, daß sie es nicht jedermann recht machen kann.
ABWÄGUNG
Was ,,nach Lage der Dinge“ in den Abwägungsvorgang einzustellen ist, kann im Einzelfall durchaus zweifelhaft sein. Folgendes darf oder muss unberücksichtigt bleiben: a) Offensichtlich nebensächliche Belange, die sich vernünftigerweise auf das Abwägungsergebnis nicht auswirken können; b) verborgene Gesichtspunkte, die während der Planaufstellung weder von den Behörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange noch von der angemessen beteiligten Öffentlichkeit zur Sprache gebracht worden sind; solche Gesichtspunkte brauchen nicht berücksichtigt zu werden - es sei denn, es besteht eine spezifische Aufklärungspflicht der planenden Gemeinde; c) in der Abwägung dürfen nur solche Belange eine Rolle spielen, die von bodenrechtlicher Bedeutung sind; rein wirtschaftliche Gesichtspunkte (z. B. Schutz von Geschäftsleuten vor unerwünschter Konkurrenz) oder parteitaktische Gesichtspunkte (Ausweisung eines ,,bürgerlichen Wohnviertels“ mit Reihenhäusern statt Geschoßwohnungsbau, um bürgerliche Wähler anzuziehen) dürfen nicht in die Abwägung eingestellt werden. Beim dritten Schritt, bei der Gewichtung der einzelnen Argumente, besitzt die Gemeinde planerische Gestaltungsfreiheit; die Abwägung darf zwar nicht in einer Weise vorgenommen worden ist, die zu der objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb dieser Grenzen ist die Gemeinde jedoch frei, sich in der Kollision zwischen den verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen Belangs zu entscheiden. Hierin liegt die eigentliche planerische Entscheidung, in der die Gemeinde autonom ist. Dies ist das schöpferische Element der Planung, das es jeder Gemeinde ermöglichen soll, sich ihre eigene Individualität, ihr unverwechselbares Stadtbild zu geben (vgl. BVerwG, NVwZ 1985:737 – Die planerische Gestaltungsfreiheit erstreckt sich umfassend auf alle planerischen Gesichtspunkte, die zur bestmöglichen Verwirklichung der gesetzlich vorgegebenen Planungsaufgabe und zugleich auch zur Bewältigung der von dem Vorhaben in seiner räumlichen Umgebung aufgeworfenen Probleme von Bedeutung sind.) Ob das Abwägungsgebot zum „richtigen“ Ergebnis geführt hat, ist zum einen eine Frage des subjektiven Geschmacks, auch der politischen Meinung; insoweit gibt es mehrere richtige Lösungen, zwischen denen sich das Abstimmungsgremium durch Mehrheitsbildung entscheiden
muss. Zum anderen ist es aber auch eine Rechtsfrage, ob die rechtlichen Grenzen des Abwägungsgebots eingehalten sind. Darüber entscheiden die Gerichte. Hier greifen die Abwägungsfehlerlehre und der Grundsatz der Planerhaltung ein.
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Abwägungsfehler Bei der Identifikation von Abwägungsfehlern unterscheidet man zwischen Fehlern im Abwägungsvorgang (hervorgerufen durch Fehler bei der Ausführung der Stufen 1 und 2 des Abwägungsgebots) und Fehlern im Abwägungsergebnis (herbeigeführt durch Fehler bei der Ausführung der dritten Stufe des Abwägungsgebots. Die Gefahr für die Gemeinden, dass ein Bauleitplan wegen eines Mangels im Abwägungsvorgang oder im Abwägungsergebnis vom Gericht als fehlerhaft erkannt wird, ist recht groß. Die Forderung, dass beim Abwägungsvorgang alle Gesichtspunkte und Umstände, die für die Planung Bedeutung haben können, berücksichtigt werden müssen, ist mit letzter Sicherheit von der Gemeinde nicht erfüllbar. Denn eine objektive Grenzziehung für dasjenige, was in einem Abwägungsprozess für einen Bauleitplan noch oder nicht mehr herangezogen werden muss, ist so gut wie unmöglich. Jede Gemeinde, jede Stadt, jedes Plangebiet unterliegt einem so vielfältigen Geflecht von Einflüssen, die irgendwie auch die Bauleitplanung berühren, dass die Zahl der Argumente in einem Planungsprozeß praktisch unendlich ist. Die Rechtsprechung fordert ausdrücklich, dass auch nur mittelbar betroffene Belange, die selbst nicht Gegenstand der Planung sind, einbezogen werden müssen (vgl. BVerwG, NJW 1978:120; bestätigt in JW 1980:1061, NJW 1981:1000 und DVBl. 1980:999); auch Wechselwirkungen mit Anschlussflächen müssen beachtet werden (Hess. VGH NVwZ RR 1995:72). Die schematische Übernahme von Planungsrastern bei der Festsetzung öffentlicher Verkehrsflächen (OVG Bremen, Städtetag 1981:835) oder die Nichtberücksichtigung von Bedenken und Anregungen von Bürgern wegen der damit verbundenen Verzögerung des Planaufstellungsverfahrens (VGH Mannheim, ZfBR 1981:250) ist fehlerhaft. Irrt sich der Ortsgesetzgeber über Funktion und Verkehrsaufkommen einer geplanten Straße (VGH Mannheim, BaWüVBl. 1981:119; OVG Bremen, ZfBR 1981:97), über die Zulässigkeit eines geplanten Heizkraftwerkes (OVG Berlin, ZfBR 1982:45), über die Grenzen eines Landschaftsschutzgebietes (BVerwG, NJW 1982:591), über die Wirksamkeit der Festsetzung einer Lärmschutzmauer (OVG Lüneburg, ZfBR
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ABWÄGUNG
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1981:294), über die rechtlichen Grenzen der Gliederung eines Baugebietes nach der Baunutzungsverordnung (OVG Lüneburg, BauR 1981:454), dann hat er das Abwägungsmaterial falsch zusammengestellt und damit zugleich die Fehlerhaftigkeit des Plans herbeigeführt. Ein Bebauungsplan leidet auch dann an einem Abwägungsfehler, wenn er auf einer methodisch unrichtigen Prognose der zu erwartenden Verkehrsbelastung beruht, die im Ergebnis richtig ist. Nach dem VGH Mannheim (VGH Mannheim, ZfBR 1990:254, nur Leitsatz) ist es ohne positiven Belang, wenn sich nachträglich infolge von unvorhergesehenen Veränderungen herausstellt, dass die Prognose für einen bestimmten Zeitpunkt mit der tatsächlichen Belastung ungefähr übereinstimmt. Damit nicht genug: Wird der Bebauungsplan von der Rechtsaufsichtsbehörde nur unter Maßgaben genehmigt, dann muss dem Beschluss des Rates, den Plan entsprechend zu ändern, eine neue Ermittlung der durch die Änderung betroffenen Belange vorangehen (zur Erforderlichkeit dieses Beschlusses vgl. OVG Münster, VerwRspr. 1981:711; einschränkend BVerwG, ZfBR 1985:48 – Ein ,,Beitrittsbeschluss“ bei nur teilweiser Genehmigung eines BPlans ist bundesrechtlich nicht erforderlich; seine Notwendigkeit kann sich nur aus dem Landesrecht ergeben.) Die ungeprüfte Übernahme der von der Aufsichtsbehörde angeregten Änderung des Plans ist fehlerhaft. Angesichts dieser Rechtsprechung ist die Aufgabe der Gemeinde und damit der Gemeindevertretung, sich im Bauleitplanverfahren nach bestem Wissen und Gewissen eine Meinung zu bilden und dann in angemessener Zeit zur Entscheidung zu kommen, mit einem sehr hohen Fehlerrisiko belastet. Zur Abmilderung dieses Risikos hat der Gesetzgeber den Grundsatz der Planerhaltung eingeführt. Der Grundsatz der Planerhaltung Die Rechtsunsicherheit, die sich aus der Ungewissheit über das Schicksal eines Bebauungsplans oder anderer Satzungen nach dem BauGB ergibt, wenn sie vor die Schranken eines Gerichts geraten, hat negative Folgen. Bauwillige müssen abwarten und erleiden Zinsverluste, Investoren springen ab. Daher hat der Gesetzgeber in immer neuen Anläufen versucht, die Bestandskraft von Plänen und Satzungen zu erhöhen. 1976 wurden mit den §§ 155a-c BBauG zum ersten Mal Unbeachtlichkeitsvorschriften in das damalige BBauG eingefügt. Mit dem BauGB von 1986 wurden sie überarbeitet. Durch das Bau- und Raumord-
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nungsgesetz 1998 wurde das Prinzip der Planerhaltung als Überschrift des Vierten Abschnitts im Zweiten Teil des Dritten Kapitels (§§ 214-216) in das BauGB eingeführt. Mit dem EAG Bau und auch mit der Novelle 2007 wurden Einzelheiten erneut überarbeitet und geändert. Für die „Mängel der Abwägung“ gilt seither folgendes: Mängel im Abwägungsvorgang müssen offensichtlich (d. h. aus den Akten erkennbar) und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sein, um erheblich zu sein; nach der Rechtsprechung genügt für letzteres die praktische Wahrscheinlichkeit, nicht nur die weit entfernte Möglichkeit, dass das Abwägungsergebnis beeinflusst wurde. (Im Grunde handelt es sich insoweit um eine Anforderung an die Nachweisbarkeit des behaupteten Mangels). Im Rahmen der Beurteilung als Verfahrensfehler kommt es dann nicht darauf an, ob das Abwägungsergebnis wegen der (wahrscheinlichen) Beeinflussung als falsch beurteilt werden muss oder ob es trotz des Verfahrensfehlers inhaltlich vertretbar ist; es genügt die unsachgemäße Beeinflussung. Derart erhebliche Mängel im Abwägungsvorgang müssen binnen eines Jahres ab Bekanntmachung gegenüber der Gemeinde schriftlich gerügt werden, wenn sie als Verfahrensfehler beachtlich sein sollen. Geschieht dies nicht, wird der in der bloßen Beeinflussung des Abwägungsergebnisses liegende Verfahrensfehler unbeachtlich. Wenn der Fehler jedoch zu einem unvertretbaren Abwägungsergebnis geführt hat, liegt darin ein schwerwiegender materieller Fehler, der ohne jede Rüge dauerhaft beachtlich ist. Alle Form- und Verfahrensfehler (einschließlich von Fehlern im Abwägungsvorgang, die sich nicht auf den Kern des Abwägungsergebnisses ausgewirkt haben) können durch Nachholen der richtigen Form und/oder des richtigen Verfahrens (z. B. durch erneute Abwägung) nachträglich behoben werden; der betreffende Plan bzw. die betreffende Satzung kann mit Rückwirkung in Kraft gesetzt werden, sofern sich aus der Fehlerbehebung keine inhaltliche Änderung des Plans ergeben hat. Für Fehler im Abwägungsergebnis gilt: Anders als noch bis zum Inkrafttreten des EAG Bau können materielle Fehler im Abwägungsergebnis nicht durch Zeitablauf (sieben Jahre) unbeachtlich werden; Schwerwiegende, nicht durch Ergänzung oder leichte Änderung des Plans behebbare Mängel
AKADEMIEN UND NETZWERKE
des Abwägungsergebnisses und andere materielle Mängel, die auf fehlender oder falsch angewendeter Rechtsgrundlage beruhen, können nicht behoben werden; das Gleiche gilt für Planinhalte, die gegen anderweitige Rechtsvorschriften verstoßen. Derartige Pläne oder Satzungen sind endgültig unwirksam und nichtig. Schmidt-Eichstaedt
AKADEMIEN UND NETZWERKE Wesentliches Ziel aller wissenschaftlichen Aktivitäten ist es, durch Vorhaben, einzelne Persönlichkeiten oder Gruppen in die Gesellschaft und ihre wesentlichen Teilbereiche, d. h. in Politik, Wissenschaft, Praxis und Öffentlichkeit hineinzuwirken, indem die jeweiligen Aufgaben verantwortungsbewusst und transparent erledigt und die Absichten und Ergebnisse öffentlich zur Diskussion gestellt werden. An diesem Prozess beteiligen sich aus der Wissenschaft v. a. Akademien, Hochschulen, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, Forschungseinrichtungen der Wirtschaft und anderer gesellschaftlicher Bereiche und private Forscher, die immer häufiger auch miteinander vernetzt. Einige davon stellen selbst Netzwerke dar. Diese Vernetzungen stehen im Mittelpunkt des Beitrags. Aufgrund der Vielfalt solcher Netzwerke können hier nur wenige Beispiele kurz beschrieben werden; zunächst für wissenschaftliche Akademien in Deutschland. Im Weiteren wendet sich der Beitrag dann unter nationalem und internationalem Blick ausgewählten (weiteren) raumwissenschaftlichen Einrichtungen und Vereinigungen zu. Wissenschaftliche Akademien Im traditionellen Sinn sind Akademien der Wissenschaften Vereinigungen hochrangiger Gelehrter, deren Mitglieder sich regelmäßig zu wissenschaftlichem Austausch treffen. Man unterscheidet Akademien der Wissenschaften, die privat und vom Staat unterhalten werden. Im Gegensatz zu Universitäten findet an Akademien keine wissenschaftliche Lehre statt. Die großen deutschen Akademien der Wissenschaften, z. B. in Berlin, Göttingen und Halle/Saale, sind in der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften zusammengeschlossen. Zudem sind die deutschen Akademien vielfältig international vernetzt.
Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina
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Die im Jahr 1652 gegründete Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina ist die älteste naturwissenschaftlich-medizinische Gelehrtengesellschaft in Deutschland. Sie hat seit 1878 ihren Sitz in Halle/Saale und vereint unter ihrem Dach mehr als 1300 hervorragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt. Unter dem Leitspruch „Die Natur zu erforschen zum Wohle des Menschen“ fördert die Akademie durch verschiedenste Veranstaltungen die Zusammenarbeit unter Forscherinnen und Forschern, berät in wissenschaftlichen Fragen Politik und Öffentlichkeit auf nationaler und internationaler Ebene und setzt dazu Ad-hoc-Kommissionen und Arbeitsgruppen ein, pflegt Verbindungen zur Wissenschaft im europäischen und außereuropäischen Ausland durch gemeinsame Veranstaltungen, aber auch durch die Mitwirkung in verschiedenen Gremien sowie durch die Zusammenarbeit mit den nationalen Akademien der G8-Staaten und unterstützt die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses durch das Leopoldina-Förderprogramm und fördert junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Rahmen der Jungen Akademie, die sie im Jahr 2000 gemeinsam mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften gegründet hat. Darüber hinaus unterhält die Leopoldina ein Archiv und eine Bibliothek und verleiht Auszeichnungen und Preise. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (vormals Preußische Akademie der Wissenschaften) wurde 1992 durch einen Staatsvertrag zwischen den Bundesländern Berlin und Brandenburg ins Leben gerufen. Sie steht in der Tradition der von Gottfried Wilhelm Leibniz im Jahre 1700 konzipierten und als spätere Preußische Akademie der Wissenschaften weltweit zu Ruhm und Ansehen gelangten Berliner Wissenschaftsakademie. Die Akademie hat ihren Hauptsitz in Berlin. Rund 200 gewählte Mitglieder als herausragende Vertreter ihrer Disziplin bilden diese Fach- und Ländergrenzen überschreitende Wissenschaftlervereinigung. Das Hauptanliegen der Akademie ist die Förderung der Wissenschaften. Dabei wird ihr Forschungsprofil durch Arbeiten zur Erschließung des kulturellen Erbes, durch inter- und transdisziplinär angelegte Projekte von wissenschaftlicher
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und gesellschaftlicher Bedeutung sowie durch den Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit geprägt. Drei Aufgaben stehen im Mittelpunkt der Akademiearbeit. Zum einen hat sie die aus dem Akademienprogramm von Bund und Ländern übernommenen, kulturwissenschaftlich bestimmten, langfristigen Akademienvorhaben, wie Wörterbuchprojekte, Editionen, Dokumentationen und Bibliographien, zu betreuen. Zum anderen hat die Akademie mit eigenbestimmter Forschung den Erkenntnisprozess zu fördern, wobei die Forschung vorwiegend in der Zusammenführung und Synthese von bereits vorhandenem kontroversen Wissen, im Aufspüren neuer Wissensquellen und der Hinleitung zu erfolgversprechenden Themen der Zukunft besteht. Darüber hinaus stellt sich die Akademie als Forum für die gezielte und kritische Erörterung wissenschaftlicher Fragen mit gesellschaftlich und gesellschaftspolitisch bedeutsamem Hintergrund zur Verfügung. Die Akademie gliedert sich in fünf Klassen: die Geisteswissenschaftliche, die Sozialwissenschaftliche, die Mathematisch-naturwissenschaftliche, die Biowissenschaftlich-medizinische und die Technikwissenschaftliche Klasse. Die Klassen pflegen den disziplinären und interdisziplinären Dialog. International ist die Akademie auf der Basis von Kooperationsverträgen mit fast 20 Akademien auf vier Kontinenten vernetzt. Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) Die 1946 gegründete Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) ist eine selbstständige und rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts. Sie wird als außeruniversitäre und unabhängige raumwissenschaftliche Forschungseinrichtung von überregionaler Bedeutung und gesamtstaatlichem wissenschaftspolitischem Interesse gemeinsam von Bund und Ländern finanziert. Die ARL gehört der Leibniz-Gemeinschaft an. Mit ihrer spezifischen Struktur und Arbeitsweise, mit ihren Aufgaben und ihren Forschungsschwerpunkten hat die ARL ein eindeutiges Profil und Kernkompetenzen, die auf ihrem Arbeitsgebiet in der Form sonst nicht angeboten werden – weder im Hochschulbereich noch außerhalb der Universitäten – und die in Wissenschaft, Verwaltung, Politik und Wirtschaft einen hohen Stellenwert besitzen und eine beständige Nachfrage finden. Das besondere Profil zeigt sich einerseits in struktureller Hinsicht. Die ARL ist das zentrale Netzwerk der zu Raumentwicklungsthemen im weitesten Sinne arbeitenden Fachbereiche und
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die interdisziplinäre Plattform für den raumwissenschaftlichen und raumpolitischen Diskurs im deutschen Sprachraum. Die Mitarbeit in der ARL ist ehrenamtlich. Zurzeit besteht das personelle Netzwerk der ARL aus über 1.000 Mitwirkenden aus Wissenschaft, Planungspraxis, Politik und Wirtschaft. Für eine solche Plattform gibt es im deutschen Wissenschaftssystem ansonsten keinen institutionalisierten Rahmen. Durch die Wissenschaft und Praxis zusammenführende und ressortübergreifende Herangehensweise verfügt die ARL über ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal und weist im engen Zusammenspiel mit Hochschulen einen erheblichen Mehrwert auf. Die ARL organisiert anwendungsorientierte raumwissenschaftliche Forschung in den für die räumliche Ordnung und Entwicklung Deutschlands bedeutsamen Arbeitsgebieten, auch in ihren internationalen Bezügen. Sie fördert die Kommunikation zwischen Wissenschaft und Praxis, auch durch konkrete Beratung der Politik und durch Information der breiteren Öffentlichkeit. Mit ihrem Profil ist sie Mittlerin zwischen Wissenschaft, Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Das besondere Profil zeigt sich andererseits in inhaltlicher Hinsicht. Die ARL befasst sich mit der raumwissenschaftlichen Forschung in den für die räumliche Ordnung und Entwicklung Deutschlands bedeutsamen Arbeitsgebieten, auch in ihren internationalen Bezügen. Sie erforscht die Wirkungen des menschlichen Handelns in den Bereichen Wirtschaft, Soziales, Ökologie und Kultur auf den Raum und analysiert die Möglichkeiten einer nachhaltigen Raumentwicklung. Insofern hat sich die Akademie im Laufe ihrer Entwicklung unter den raumwissenschaftlichen Einrichtungen Deutschlands als Kompetenzzentrum für Fragen nachhaltiger Raumentwicklung profiliert. Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung (DASL) Auch die DASL ist 1946 gegründet worden. Sie ist ein Zusammenschluss von Fachleuten, die auf den Gebieten des ▷Städtebaus und der Landesplanung oder der damit verknüpften Forschungs- und Planungsdisziplinen durch besondere Leistungen hervorgetreten sind. Die Zahl der Mitglieder ist auf 400 beschränkt. Wesentliches Ziel der DASL ist es, Städtebau und Landesplanung in Wissenschaft und Praxis zu fördern. Dafür bietet sie ein Forum, das unterschiedliche Gruppierungen der Gesellschaft und an der Stadtentwicklung interessierte Kreise der Wirtschaft mit Fachleuten der Planung zur Diskussion zusammenführt. Besondere Be-
AKADEMIEN UND NETZWERKE
deutung kommt in dem Zusammenhang den drei Instituten zu, die von der DASL getragen werden: Institut für Städtebau Berlin, Institut für Städtebau und Wohnungswesen München, Zentralinstitut für Raumplanung an der Universität Münster. Finanziert wird die DASL aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden. Die Tätigkeit der drei Institute wird durch Zuwendungen des Bundes und des jeweiligen Sitzlandes gefördert. Weitere raumwissenschaftliche Einrichtungen und Raumplanervereinigungen Es haben sich im Aufgabenfeld von raumwissenschaftlicher Forschung, Raumentwicklung und Raumplanung fachliche Netzwerke gebildet, von denen einige stärker berufsständisch bzw. praxisorientiert sind, anderen vereinen mehr wissenschaftlich Interessierte und dritte wiederum führen gezielt Wissenschaft und Praxis zusammen. ARL und DASL gehören dazu, die vorn bereits angesprochen worden sind. Von den weiteren Einrichtungen können hier nur ausgewählte Vereinigungen kurz beschrieben werden, denn es gibt zahlreiche weitere Netzwerke, auch aus anderen Disziplinen, die auf dem Gebiet tätig sind. Nationale Netzwerke Zu den stärker berufsständischen bzw. praxisorientierten Netzwerken gehören in Deutschland der Informationskreis für Raumplanung (IfR) und die Vereinigung der Stadt-, Regional- und Landesplanung (SRL). Die raumwissenschaftliche Forschung steht im Fokus des sog. 4R-Netzwerkes. Vereinigung der Stadt-, Regionalund Landesplanung (SRL) Die gut 2.000 Mitglieder der im Jahr 1969 von Planern aus verschiedenen Bereichen des Berufsfeldes gegründeten SRL kommen aus privaten Büros, dem öffentlichen Dienst, Verbänden und anderen Institutionen. Projekt-, Regional- und Fachgruppengruppen arbeiten zu aktuellen fachlichen, politischen, rechtlichen oder methodischen Fragen der Planungspraxis, Aus- und Weiterbildung, Honorargestaltung und Berufsordnung. Es werden Stellungnahmen verfasst, Zeitschriftenartikel erarbeitet und Veranstaltungen durchgeführt.
praxis, der Forschung, Lehre und Studium. Der IfR bündelt als Berufsverband die Interessen seiner Mitglieder und transportiert das verbandsintern diskutierte Planungsverständnis in die Fachöffentlichkeit, Fachgesetzgebung und Hochschulen. Der IfR vertritt ein weit gefasstes Verständnis von Planung, das sich an den Prinzipien der Nachhaltigkeit orientiert. Arbeitsfelder sind u. a. Stadterneuerung, -umbau, -erweiterung, stadtregionale Entwicklung, Entwicklung des ländlichen Raumes.
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4R-Netzwerk Innerhalb der Leibniz-Gemeinschaft (WGL) haben sich Netzwerke zur Bündelung fachlicher Kompetenzen gebildet. Einen solchen Verbund haben auch die raumwissenschaftlichen Einrichtungen Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL), Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL), Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) und Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) in der WGL geschaffen. ARL, IfL, IÖR und IRS haben sich auf der Grundlage einer Kooperationsvereinbarung zu einem Netzwerk zusammengeschlossen, um bei bestimmten Aufgaben und Vorhaben gemeinsam eine wichtige Netzwerkfunktion innerhalb der raumwissenschaftlichen Forschung in Deutschland wahrzunehmen. Dazu zählen gemeinsame Veröffentlichungen, Arbeitsgruppen, Veranstaltungen und Stellungnahmen. Auch werden die Forschungsprogramme noch stärker als bisher schon untereinander abgeglichen. Die Partner haben neben der Bearbeitung von Forschungs- und Paktvorhaben v. a. auch die Aktivitäten auf europäischer Ebene und die gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit intensiviert. Dazu zählt das German Annual of Spatial Research and Policy. Internationale Netzwerke Auch die Zahl der Vernetzungen auf internationaler Ebene ist trotz der Tatsache, dass raumwissenschaftliche Forschung, Raumentwicklung und Raumplanung nicht im Zentrum des gesellschaftlichen Interesses stehen, relativ groß. Insofern kann auch hier die Szene nur beispielhaft skizziert werden. Fachverband Schweizer Planerinnen und Planer (FSU)
Informationskreis für Raumplanung (IfR) Seit 1975 ist der IfR als Fach- und Berufsverband aktiv. Er hat ca. 1.700 Mitglieder aus der Planungs-
Der FSU ist ein Netzwerk von in der Schweiz tätigen Raumplanern und Vertretern anderer planungsbezogener Berufsgruppen und hat folgende
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AKTEURE DER PLANUNG
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strategische Hauptanliegen. Er vertritt die beruflichen Interessen seiner Mitglieder, fördert den Austausch von Informationen und ist in der Aus- und Weiterbildung aktiv. Die Mitglieder beraten die Öffentlichkeit in Fragen der Raumplanung. Der FSU setzt sich für das Ansehen des raumplanerischen Berufsstandes ein und befasst sich mit fachlichen, rechtlichen und politischen Fragen der Raumplanung und Raumentwicklung in der Schweiz. International Society of City and Regional Planners (ISoCaRP) Um anerkannte und qualifizierte Planer auf internationalem Niveau zusammenzubringen, wurde im Jahr 1965 ISoCaRP als globales Netzwerk gegründet. Die Vereinigung ist von UN, UNESCO und dem Europarat offiziell anerkannt. Sie bildet eine Plattform für den Austausch zwischen den Planern, unterstützt Planung, raumwissenschaftliche Forschung und Raumplanerausbildung, insbesondere durch Informationsvermittlung und Beratung. Scholich
AKTEURE DER PLANUNG
Begriffsbestimmung Akteure der Planung sind alle diejenigen natürlichen oder juristischen Personen, die am Planungsprozess beteiligt sind. Die Zahl kann mehrere hundert umfassen, abhängig von der räumlichen Reichweite der Planung resp. Maßnahme. Nach ihrer Funktion im Planungsprozess lassen sich die Akteure ordnen in 1) Planer, 2) Projektbetreiber/Immobilienbesitzer/Investoren, 3) Planungsbetroffene, 4) Fachverwaltungen (Bund, Land, Kommune), 5) (Aufsichts- und Genehmigungs-) Behörden, 6) Politische Entscheider, 7) Gutachter/intermediäre Akteure und 8) Medien. Bei den Planungsbetroffenen lässt sich unterscheiden in a) Adressaten der Planung und b) indirekt Betroffene (d. h. alle diejenigen, die von den positiven oder negativen externen Effekten der Planung betroffen werden) sowie c) Advokaten, die Belange für Dritte wahrnehmen, z. B. Umwelt- und Naturschutzverbände für Natur und Landschaft. Bei den Behörden ist nach dem Interventionsgrad zu unterscheiden, ob sie lediglich regulative Instrumente oder auch Fonds einsetzen können.
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Die Akteure verhalten sich zudem unterschiedlich, ob sie natürliche Personen oder kooperative Akteure sind, und bei letzteren wiederum, ob es sich um organisierte Akteure (z. B. Behörden, Gebietskörperschaften, Unternehmen, Kommunalverbände, Interessenverbände, Kammern, Parteien) handelt oder um locker-gekoppelte Netzwerke (z. B. zivilgesellschaftliche Vereinigungen). „Akteure zeichnen sich durch bestimmte Fähigkeiten, bestimmte Wahrnehmungen und bestimmte Präferenzen aus“ (Scharpf 2000:86). „Fähigkeiten“ werden durch „Begabungen“, Ressourcen und Kompetenzen markiert; „Wahrnehmungen“ beziehen sich auf akteursspezifische Paradigmen, ihre Umwelt zu analysieren, zu deuten und zu bewerten. „Präferenzen“ schließlich betreffen Werthierarchien, Interessen, Betroffenheiten sowie Handlungsorientierungen (egozentrisch vs. gemeinwohlbezogen) und Interaktionsorientierungen (kompetitiv vs. kooperativ). Organisationen sind regelgebunden, müssen in ihren Entscheidungen personenunabhängige Kontinuität wahren (Präzedenzfallproblematik), sind häufig aber auch inflexibler als natürliche Personen, weil ihre Entscheidungen durch zahlreiche rechtliche, wirtschaftliche und politische Restriktionen gebunden sein können und „Mehrebenenverfahren“ (Hierarchie) durchlaufen. Behörden und Gebietskörperschaften verhalten sich anders als Unternehmen, weil sie stärker politisch ausgerichtet sind (an Wählerverhalten eines Gebiets gebunden), mehr externer Kontrolle unterliegen (Medien, Rechnungshöfe, Gerichte) und ihre Interessendefinition meist relativ eng, häufig territorial begrenzt, ausfällt („Ressortegoismus“, „Kirchturmdenken“). „Kollektive und korporative Akteure“ werden zudem von komplexeren internen Willensbildungsprozessen bestimmt, abhängig vom internen Grad der Konzentration und Zentralisierung von Entscheidungsmacht (Scharpf 2000:101f). Das führt zu unterschiedlicher Strategiefähigkeit der Akteure. Diese wird zum einen beeinflusst durch Potenziale und Restriktionen, wozu auch gehört, wie bei den Akteuren die Willensbildung entsteht (Einzelentscheidung oder kollektive Meinungsbildung, Einebenen- oder Mehrebenenprozess), welche Interessen und Präferenzen sie vertreten, welche Handlungs- und Interaktionsorientierung sie gegenüber kollektiven Belangen zeigen und welche Machtmittel sie einsetzen können (z. B. Informationsmacht, Tauschressourcen, politische Koalitionsfähigkeit, politische Artikulationsfähigkeit, Vetomacht, formale Autorität). Zum anderen wird die Strategiefähigkeit durch
AKTEURE DER PLANUNG
die Akteurskonstellation und das institutionelle Regelsystem der Interaktionsarenen beeinflusst. Akteurskonstellation und Interaktionsarenen verändern sich im Planungsprozess: In der Phase der Planerstellung handelt es sich meist um eine andere Akteurskonstellation mit anderen Regelsystemen als in der Phase der Planumsetzung, wo sich z. B. Vetomacht über Spontaninitiativen bilden kann (Bürgerinitiativen). Die Zahl der Akteure hat sich im Laufe der Zeit ständig erhöht und die Akteurskonstellation ist komplexer geworden, was v. a. die Phase der Planerstellung betrifft. Gründe für eine wachsende Zahl der Akteure sind: gesellschaftliche Ausdifferenzierung (wachsende Arbeitsteilung und funktionale Fragmentierung in eine wachsende Zahl von Behörden, Einrichtungen/Betrieben und Nichtregierungsorganisationen), Emanzipation des Individuums (Individualisierungsprozesse) und wachsende Sensibilisierung für Betroffenheiten (z. B. über Umwelt- und Naturschutzorganisationen). Die wachsende Komplexität der Akteurskonstellation hat ihre Ursache in: räumlicher und sachlicher Ausdehnung der Interdependenzen (z. B. von der Lokalebene auf die Regionalebene, von der sektoralen Perspektive zur interdisziplinären Perspektive), wachsender Zahl korporativer Akteure (interkommunale Kooperation, ▷Public Private Partnerships, Verbandsgründungen, überlokale oder übersektorale Arbeitskreise etc.) und Zunahme der „Mehrebenen-Governance“. In den letzten 20 Jahren wurde zudem immer häufiger zwei weitere Akteursgruppen eingeschaltet: einerseits (intermediäre) Mediatoren/Moderatoren, deren Aufgabe es ist, die Vielzahl von Akteuren zu gemeinsamem Handeln zusammenzuführen, den Planungsprozess zu managen und Konflikte auszuhandeln. Andererseits wächst die Bedeutung von Wissenschaft und wissenschaftlicher Beratung in Prozessen der Stadt- und Regionalentwicklung (▷Wissenschaftskooperation). Einordnung in die Planungsdiskussion Akteure als „Macher“ im Planungsprozess wurden vielfach unter Fragestellungen beforscht, wie sie sich verhalten und unter welchen Bedingungen Planungsprozesse scheitern können. Untersucht wurden insbesondere Entscheidungsprozesse in der Stadt- und Regionalplanung: Wie formieren sich Interessen, wie artikulieren sie sich und setzen sich durch, wie entsteht aus der Fülle unterschiedlicher Betroffenheiten schließlich eine konsensfähige Lösung? Im Zusammenspiel der Interessenharmonien und -gegensätze sowie Regelsysteme wendet
jeder Akteur Strategien der Interessendurchsetzung an, die spieltheoretisch beschrieben werden können (Scharpf 2000). Das Durchsetzungspotenzial hängt von Positionsvorteilen, Machtverhältnissen und situativen Einflüssen ab. Positionsvorteile ergeben sich durch die funktionale Bedeutung, die der Beitrag des Einzelnen für den Gesamtprozess hat. Die wichtigsten Positionsvorteile verbinden sich mit Zeitvorsprüngen (monopolartiger Positionsvorteil), mit Verhinderungsmöglichkeiten (Vetomacht) und mit formalen Funktionen in Planungs- und Entscheidungsprozessen (Initiativvorteile, Steuerungsvorteile, Gestaltungsvorteile). Machtverhältnisse können durch Institutionen (z. B. durch Hierarchie), durch Ressourcenkontrolle (intellektuelle, wirtschaftliche oder regulative Macht), durch Deutungsmacht (Autorität) oder durch technische Überlegenheiten bestimmt sein. Situative Einflüsse verändern die Positionsvorteile, aber auch die Nutzbarkeit von Machtstrukturen. So können Konjunkturkrisen die Ressourcenverfügbarkeit beeinträchtigen, können kommunale Finanzknappheiten die Abhängigkeit von privaten Akteuren erhöhen, können Skandale die Autorität einzelner Akteure mindern, aber auch das Verhältnis zu potenziellen Koalitionspartnern kann sich situativ ändern. Mit der Hinwendung zur „diskursiven Planung“ wurde v. a. wichtig, dass Machtungleichheiten in ihrer Wirkung auf den Prozess gezähmt werden. Deshalb beeinflusst die diskursive Planung v. a. die Handlungs- und Interaktionsorientierungen der Akteure: Sie sollen sich als Partner in einem gemeinsamem Prozess der Problembearbeitung verstehen und ihren kruden Egoismus durch eine Handlungsorientierung an den „wohlverstandenen Eigeninteressen“ ersetzen, also einbeziehen, dass ihr längerfristiges Wohlergehen von Entscheidungen abhängt, die auch andere Akteure zu konstruktiven Beiträgen zum Gemeinwohl veranlassen. D. h. aber auch, dass sich die Prozesse durch Interaktionsorientierungen auszeichnen sollen, die stärker kooperativ als kompetitiv ausgerichtet sind. Das führte zur Diskussion des „Sozialkapitals“, also zur Frage, ob die Gemeinwohlorientierung in modernen, marktwirtschaftlich gesteuerten Gesellschaften zugunsten individualistischer Interessenmaximierung sinkt, auch auf Kosten der Allgemeinheit, und wie Sozialkapital gebildet oder regeneriert werden kann (Putnam 2001).
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Praktische Planungsrelevanz Planungsprozesse „leben“ von der jeweiligen Akteurskonstellation. Wer Planungsprozesse zu
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gestalten und zu steuern hat, muss sich intensiv damit auseinandersetzen, wer die relevanten Akteure sind, welche Interessen sie verfolgen und mit welchen Mitteln sie diese durchsetzen können, also welche Strategieoptionen sie haben (vgl. für die Landschaftsplanung: von Haaren 2004:376f). Planer betreiben deshalb in gewisser Weise auch „Planmarketing“, indem sie die Akteure enger in die Prozesse einbinden, Netzwerke organisieren, sie regelmäßig mit Information beliefern, aber auch früh genug aufklärend tätig werden, wenn neue Planungsentscheidungen anstehen. Planungsprozesse sind deshalb heute meist in Akteursnetzwerke eingebettet, die über längere Zeit bestehen und durch regelmäßige Kommunikation und Information lebendig gehalten werden. Akteurskonstellationen sind projekt- und arenagebunden. Aber es gibt längerfristige Trends, die sich v. a. auf lokaler und regionaler Ebene in den Akteurskonstellationen niederschlagen. Zu einigen der wichtigeren Trends gehört erstens, dass als Folge der Kapitalkonzentration dem Privatkapital zunehmend ein größeres Gewicht in kommunalen und regionalen Entwicklungsprozessen eingeräumt wird und sich Steuerungsmacht von den Planern auf Investoren verlagert. Das ist nicht nur auf den härter gewordenen Wettbewerb zwischen Städten und Regionen zurückzuführen, sondern auch auf die gewachsene Bedeutung des (gemeinde- und regionsexternen) Finanzkapitals, also von Banken, Finanzinvestoren, Großprojektbetreibern (z. B. im Handel, bei Freizeiteinrichtungen) und insbesondere der sog. Real Estate Investment Trusts (REITs). Sie verändern die Konstellationen insofern, als sie vergleichsweise kurze Kapitalbindungsfristen einkalkulieren (ca. zehn Jahre), auf spektakuläre Großprojekte setzen und damit die politische Aufmerksamkeit erheblich beeinflussen können. Gleichzeitig mindern sie die Chancen partizipativer Planung (Ibert 2007). Ein zweiter Trend betrifft die sinkende Bedeutung der Parteien auf lokaler und regionaler Ebene zugunsten von Verbänden, Großbetrieben, Wählergemeinschaften und personalen Netzwerken, verbunden mit dem Rückzug der formalen Kommunalpolitik (Kuhlmann 2006). Damit entstehen Ad-hoc-Allianzen, deren mittelfristige Berechenbarkeit sinkt. Ein dritter Trend verbindet sich mit der Verwaltungsreform. Immer mehr Funktionen der Verwaltung, v. a. aus dem Bereich der ▷Daseinsvorsorge werden privatisiert oder auf selbständige Einrichtungen ausgelagert. Das hat zur Folge, dass sich die Zahl der institutionalisierten Interessenträger erhöht.
Als vierter Trend ist zu beobachten, dass sich Planungsprozesse immer stärker dezentralisieren, weil sie sich aus der Sphäre der Planungsämter in die Sphäre der gesellschaftlichen Governance (▷ Government und Governance) verlagern: Die Mitwirkung von Akteuren wird heute immer mehr als Ressource für die Planrealisierung betrachtet. Deren Beiträge können intellektueller, materieller/finanzieller oder politisch-unterstützender Art sein. Gleichzeitig aber zeigt sich – fünftens – dass lokale und regionale Entscheidungen immer häufiger von organisierten Entscheidern bestimmt werden, deren Bezug zum Bürger eher lockerer wird. Dabei werden zunehmend Entscheidungsstellen einflussreich, die außerhalb der Kommune oder Region liegen. Die Akteure „vor Ort“ sind immer mehr in vertikal verflochtene Entscheidungsstrukturen eingebunden, häufig außerhalb der Gemeinde oder Region mit der Folge von „Mehrebenen-Governance“ (z. B. als Folge der Unternehmenskonzentration, des Vordringens großer Einzelhandelsketten, der wachsenden überregionalen Kapitalverflechtung, der vertikalen „Fachbruderschaften“). Mehrebenen-Governance verlagert Entscheidungen auf Ebenen, die mit den Folgen ihrer Entscheidung nicht unmittelbar „leben“ müssen. Insgesamt führt das dazu, dass das Management der Interdependenzen zwischen der Vielzahl von Akteuren mit unterschiedlichen Präferenzen und Interessen komplexer, komplizierter und zeitaufwendiger wird. Die Folge davon ist, dass Entscheidungen sich aus den formalen Gremien herausverlagern und durch Absprachen im Vorfeld vorbereitet werden. Planung bewegt sich immer mehr in Richtung neuer Formen der Governance. Diese haben Vorzüge (z. B. Nutzung externen Sachverstands, Einbindung der Akteure in konsensfähige Lösungen, Mobilisierung zusätzlicher Ressourcen), aber auch Nachteile, weil sie den Akteuren außerhalb der politischen Gremien größeres Mitsprachegewicht verleihen (Legitimationsproblem), nicht immer gut zu kontrollieren sind (Transparenzproblem) und für kommunale und regionale Entwicklungsprozesse selektiv wirken können. Sie wirken korporatistisch (Heinze/ Voelzkow 1998:235f) und privilegieren die Maßnahmen, für die es in den außerparlamentarischen Steuerungsstrukturen starke Anwälte gibt. Die Fragmentierung und Sektoralisierung der Akteursstruktur mit wachsender Zahl von potenziellen Vetopositionen entzaubert die Planungsund Steuerungsillusion der amtlichen Planung. Letztere hat Initiativmöglichkeiten, aber kontrolliert nicht mehr das Ergebnis. Vielmehr ist dieses
AKTIONSFORSCHUNG
Folge zahlreicher Einzelentscheidungen mit ungeplanten Folgewirkungen, deren Koordination sich als Abfolge von partiellen Konfliktregelungen darstellt. Große Konzepte und „Große Würfe“ sind dann nur möglich, wenn entweder große Flächen gesamthaft überplant werden können (z. B. Konversionsflächen) oder wenn Großprojekte entwickelt werden. Solche Vorhaben können der Planung wieder Einfluss verleihen, weil sie implizit eine Konzentration und Zentralisation von Einflusschancen bewirken. Aber häufig werden die Projekte von (Finanz-)Interessen gesteuert, die außerhalb der kommunalen und regionalen Gemeinschaft stehen und lediglich peripher mit deren Belangen verbunden sind. Fürst, D.
Literatur Haaren, C. von (2004): Landschaftsplanung. Stuttgart Heinze, R.G.; Voelzkow, H. (1998): Verbände und „Neokorporatismus“. In: Wollmann, H.; Roth, R. (Hrsg.): Kommunalpolitik. Politisches Handeln in den Gemeinden. Opladen, 227-39 Ibert, O. (2007): Megaprojekte und Partizipation, Konflikte zwischen handlungsorientierter und diskursiver Rationalität in der Stadtentwicklungsplanung. In: DISP, 171, 50-63 Kuhlmann, S. (2006): Kommunen zwischen Staat und Markt: Lokalmodelle und -reformen im internationalen Vergleich. In: Deutsche Zeitschrift für Kommunalwissenschaften, 2, 84-102 Putnam, R. D. (Hrsg.) (2001): Gesellschaft und Gemeinsinn, Sozialkapital im internationalen Vergleich. Gütersloh Scharpf, F.W. (2000): Interaktionsformen, Akteurzentrierter Institutionalismus in der Politikforschung. Opladen
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„Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie!“ Davon war Lewin überzeugt, als er mit einem Artikel unter dem Titel „Action Research and Minority Problems“ im Jahr 1946 die Aktionsforschung begründete. Mit diesem neuen Forschungsstil wandte sich der 1933 aus Deutschland in die USA emigrierte Psychologe, der als Professor am Massachussets Institute of Technology (MIT) lehrte, gegen eine aus seiner Sicht teils stumpfsinnige, teils selbstverliebte und jedenfalls praxisferne experimentelle Sozialpsychologie, die nicht wirklich an der Praxis interessiert sei, sondern das experimentelle Ergebnis nur als objektiven Nachweis einer bestimmten Theorie benötige. Diesem Zerrbild stellte Lewin eine Aktionsforschung mit praxisorientierten Hypothesen gegenüber, deren Implikationen und Schlussfolgerungen die Praxis im Sinne einer Problemlösung verändern wollten und sollten. Aktionsforschung ist also keinesfalls
theoriefeindlich, sondern im Gegenteil theoretisch aufgeladen und reflektiert. Eine in diesem Sinne gute analytische Theorie birgt bereits das Potenzial zur Veränderung bzw. zur Verbesserung der praktischen Realität. Für die Aktionsforschung forderte Lewin daher konstitutiv drei immer wiederkehrende Arbeitsschritte: erstens die theorie- und hypothesengestützte Planung, zweitens die konkrete gesellschaftliche Intervention als Test und drittens die ausführliche Reflexion zur Optimierung der eigenen Ansätze. Anstatt allerdings psychologische Phänomene im Labor zu vereinzeln und zu sezieren, sieht Lewins Aktionsforschung die gesellschaftliche Realität als Aufgabenstellung für Analyse und Therapie, ist also integrativ. Lewin starb kurz nach der Einführung des Begriffs „Action Research“, die sich seit den späten 1940er Jahren entscheidend weiterentwickelt hat und von anderen Disziplinen aufgegriffen und übernommen wurde, während die Psychologie selbst der Methode in den nächsten Jahrzehnten eher ablehnend gegenüberstand. Das Ziel der Aktionsforschung, gesellschaftliche Problemlagen im Sinne eine Problemlösung analytisch aufzugreifen und gemeinsam mit den Betroffenen konkrete Lösungsszenarien zu entwickeln und zu testen, hatte seit den späten 1960er Jahren politisch Konjunktur und die Aktionsforschung in die Arme von politisch engagierten Weltverbesserern getrieben, die von der Wissenschaft insgesamt eine nicht nur aufklärerische, sondern revolutionäre Gesinnung einforderten. Den links Engagierten gefiel natürlich der Terminus der Aktion im Begriff der Aktionsforschung, klang er doch ein wenig nach Aufstand und Revolution. Daher erlebte die Aktionsforschung seit den späten 1960er Jahren einen durchaus politisch motivierten Aufschwung als kritische Sozialwissenschaft mit dem Anspruch der emanzipatorischen Gesellschaftsveränderung. Mittelfristig haben der Aktionsforschung diese Konnotationen nicht genutzt, sondern die von Anfang an latent vorhandene Kritik vermeintlichen ideologischer Vorannahmen sogar massiv verstärkt. Aus diesem Grund reüssierte die Aktionsforschung seit den späten 1980er Jahren unter anderen Namen, der Praxisforschung, der „Mode-2-Forschung“ und später der transdisziplinären Forschung. Befördert wurde die Aktionsforschung dagegen von einer breiten Konjunktur partizipativer Forschungsansätze in den 1970er und dann wieder seit den 1990er Jahren, die in vielen Disziplinen eine grundlegende Veränderung des Wissenschaftsparadigmas bedeutete. Praktiker und Betroffene wurden von einem reinen Objekt der Forschung zu
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Partnern im Forschungsprozess und Mitgestaltern von Forschungsfragen, -ansätzen und -praktiken. In der Psychologie mit ihren ideologischen Kämpfen zwischen den verschiedenen, naturwissenschaftlich und sozialwissenschaftlich ausgerichteten Forschungsrichtungen selbst war die Aktionsforschung von Anfang an höchst umstritten und hat sich langfristig dort nicht durchgesetzt. Die naturwissenschaftlich ausgerichtete Psychologie diskreditierte die Aktionsforschung als nicht hinreichend objektiv und neutral, während die Kritik der Aktionsforschung an der naturwissenschaftlichen Psychologie, dass ihre Forschung sich von der sozialen Realität abgekoppelt und sich damit von ihrem eigenen Gegenstand distanziert habe, vergleichsweise wirkungslos verhallte. Dafür war in der Psychologie das naturwissenschaftliche Paradigma zu stark. Anders sah dies in den Sozialwissenschaften aus, welche die praxisorientierten Theorien und Ansätze der Aktionsforschung dankbar aufgriffen und unter ganz unterschiedlichen Namen umsetzten. In den 1990er Jahren beschrieb die Wissenschaftsforschung die neuen Ansätze als „Mode-2-Forschung“ und stellte fest, dass aktuelle Wissensproduktion insgesamt seltener als früher als nomothetische Suche nach grundlegenden Naturgesetzen verläuft, sondern zunehmend als anwendungs- und damit kundenorientierte Praxisforschung. Disziplinen und – allgemeiner – auch Universitäten sinken in ihrer Bedeutung als Orientierungsrahmen für diese Forschung. Vielmehr sei „Mode-2-Forschung“ durch Multiperspektivität und Transdisziplinarität charakterisiert. Problemlösungen entstünden im Kontext der Anwendung, transdisziplinäres Wissen habe seine eigenen theoretischen Strukturen und Forschungsmethoden, die Resultate würden nicht mehr über die institutionellen Kanäle, sondern an die am Forschungsprozess Beteiligten kommuniziert. Eine langfristige Wirkung der Wissensproduktion der Aktionsforschung neuen Stils ist ihre veränderte Legitimation gegenüber der Gesellschaft. Sie wird stärker rechenschaftspflichtig und reflexiv und steht damit unter stärkerem politischen und sozialen Legitimationszwang als früher. Aktionsforschung und „Change Management“ Eine besondere Nähe hatte die Aktionsforschung von Anfang an zur Veränderung sozialer Organisationen und Institutionen. Schon Kurt Lewin hat die Aktionsforschung in den Kontext der von ihm ebenfalls entwickelten Theorie des organisa-
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tionalen Wandels gestellt. Lewin hatte entdeckt, dass Organisationen sich i. d. R. nicht kontinuierlich und stetig verändern, sondern schubweise und in Rhythmen, die sich wiederum aus jeweils drei Phasen zusammensetzen. Lewin nannte diese Phasen „Unfreezing“ (das Auftauen, Aufweichen von Strukturen), „Changing“ (die eigentliche organisatorische Veränderung) und „Freezing“ (die Sicherung und Etablierung der neuen Strukturen). Mit diesem Modell nahm Lewin die berühmten Thesen von Thomas Kuhn zur Struktur wissenschaftlicher Revolutionen vorweg. Aktionsforschung kann einen solchen organisationalen Wandel auslösen und mitgestalten und ist damit ein möglicher Treiber für organisationale Reform. Mit der ausgefeilten Institutionalisierung der reflexiven Phase am Ende von Interventionen ist die Aktionsforschung dabei vielen anderen Planungsprozessen, bei denen die kritische Prüfung von Veränderung keine vergleichbare Rolle spielt, turmhoch überlegen. Aktionsforschung und qualitative Forschungsmethoden Die Überzeugung, dass jeder praktische Fall ein Unikat darstellt und daher eine auf ihn zugeschnittene Weiterentwicklung theoretischer Annahmen bedarf, führte die Aktionsforschung hin zu qualitativen, ideosynkratischen Forschungsmethoden, welche das Besondere des einzelnen Falles in den Mittelpunkt der Forschung stellen, in Abgrenzung zu den nomothetischen Wissenschaften. Aktionsforschung und qualitative Forschungsmethoden haben daher einen großen Überlappungsbereich und in ihren Konjunkturen einen vergleichbaren, gemeinsamen Verlauf der Phasen und Amplituden. Seit mindestens zehn Jahren erleben qualitative Forschungsmethoden und der Ansatz der Aktionsforschung einen steilen Anstieg des Interesses. Die alte Arroganz der quantitativen und naturwissenschaftlichen Neutralität und vermeintlichen Objektivität hat sich abgenutzt, auch weil Aktionsforschung und qualitative Forschungsmethoden durch den permanenten Vorwurf der Parteilichkeit und Theoriearmut zwangsweise eine engagierte Theorie- und Methodendebatte geführt haben, die in anderen Wissenschaften ihresgleichen sucht. Aktionsforschung und die Planungswissenschaften Auch wenn die Aktionsforschung in der Auseinandersetzung mit gleichsam „naturwissenschaft-
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lichen“ Methoden der quantitativen empirischen Sozialforschung in den 1940er Jahren entstanden ist, steht sie in ihrem Anspruch der Verbesserung konkreter gesellschaftlicher Problemlagen den Ingenieur- und Planungswissenschaften viel näher als den Naturwissenschaften, von denen sie allerdings wiederum die theoretische Reflexion übernommen hat. Durch diese Kombination von theoretischem Anspruch, praktischem Interesse und Selbstreflexion birgt die Aktionsforschung für die Ingenieur- und Planungswissenschaften ein großes Veränderungs- und Reformpotenzial. Seitdem in den 1970er Jahren der positivistische Enthusiasmus in den ▷Planungswissenschaften einem selbstkritischerem und bescheidenerem Anspruch Platz machen musste, stieg deren Interesse an partizipativen und damit transdisziplinären sowie an qualitativen Forschungsansätzen. Wie in nur wenig anderen Disziplinen haben die Planungswissenschaften sich gegenüber der Aktionsforschung geöffnet. Nach wie vor aber haben die Planungswissenschaften methodische Defizite in der Reflexion ihres Tuns (▷Planungstheorie). Hier bieten die Ansätze der Aktionsforschung ein wichtiges methodisches Rüstzeug für die Modernisierung der Planungswissenschaften hin zu einer reflexiven und gleichwohl gestaltungsorientierten Praxiswissenschaft. Dienel
Literatur Altrichter, H.; Gstettner, P. (1993): Action Research: a closed chapter in the history of German social science? In: Educational Action Research, 3, 329-360 Gibbons, M. (1994): The New Production of Knowledge. London Levin, K. (1946): Action Research and Minority Problems. In: Journal of Social Issues, 2, 34-46 Moser, H. (2003): Instrumentenkoffer für die Praxisforschung. Zürich Smith, M. K. (2009): Kurt Lewin: Groups, experimental learning and action research. Zugriff auf www.infed.org/thinkers/et-lewin. htm. am 18.05.2009 Zuber-Skerritt, O. (Hrsg.) (1996): New Directions in Action Research. London
ARCHITEKTEN- UND PLANERAUSBILDUNG Fünf Wünsche Planen und Bauen ist immer mit dem Willen zum Neuen, zur Veränderung verknüpft, mit neuem Bauen, mit Erneuerung, mit Erweiterung
und Entwicklung. Das gilt selbst dann, wenn das Neue die Sehnsucht nach dem Alten ist. Das Planen und Bauen ist die Suche nach der Form, die dem persönlichen oder gesellschaftlichen Veränderungswunsch gegeben werden soll. Das fängt mit der ganz persönlichen Entscheidung an: „Ich will meine Wohnung renovieren“ und mündet bei grundsätzlichen gesellschaftlichen und politischen Entscheidungen. Meine Wünsche an die Architekten- und Planerausbildung sind eine Mischung aus aktuellen und traditionellen Anforderungen. Ich will absehbare Entwicklungen akzeptieren und dabei die Widerstandskräfte gegen problematische Trends stärken.
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Gesellschaftliche und politische Neugier pflegen Sehr viele politische Weichenstellungen implizieren bauliche Entscheidungen: Der Bund beschließt ein Programm für Ganztagsschulen – wer erweitert die Schule um Mensa, Projekträume und Lehrerarbeitsräume? Stadt und Land müssen sich auf den demografischen Wandel einstellen – wer baut die barrierefreie Stadt, das barrierefreie Büro? Dem Klimawandel müssen Taten folgen – wer macht den Altbau zum Niedrigenergiehaus? Wer baut das Passivhaus? Wir müssen die Zersiedlung eindämmen – wer hat neue Ideen für urbanes Wohnen? Wer macht das Wohnen in Baugruppen zum neuen Trend? Wer plant und baut, braucht wache Sinne und viel Einfühlungsvermögen in gesellschaftliche Entwicklungen. Den Studierenden der ▷Architektur und ▷Planungswissenschaft ist darum grundsätzlich viel gesellschaftliche und politische Neugier zu raten und den Hochschulen, ihren Studierenden gezielt Kontakt zu Institutionen zu vermitteln, die sich mit wirtschaftlichen, technologischen und gesellschaftlichen Modernisierungsprozessen befassen, denn wir durchleben aktuell Zeiten, die sehr grundlegende gesellschaftliche und ökonomische Transformationen verlangen: von der Industriegesellschaft zur Wissens- und Bildungsgesellschaft (▷Wissensgesellschaft), vom nationalen Wirtschaftsraum zur europäischen und globalen Standortkonkurrenz (▷Globalisierung), vom Zeitalter fossiler und atomarer Energien zur Energieeinsparung, Energieeffizienz und
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den Erneuerbaren Energien (▷Energieeffiziente Stadtentwicklung), vom unbegrenzten Flächenverbrauch und unbegrenzter Automobilität zur kompakten Stadt der kurzen Wege und von der Überflussgesellschaft zum Wirtschaften mit knappen Kassen. Morgen können schon wieder neue Anforderungen im Raum stehen, die Geschwindigkeit, mit der sich aktuell gesellschaftliche, wirtschaftliche und technologische Veränderungen vollziehen, ist rasant. Architekten und Planer sind in vielfacher Weise gefordert, neuen Entwicklungen Gestalt und Raum zu geben. Und es ist nicht selten, dass kreative Architekten ein besonderes Gespür für das gesellschaftlich Neue haben. Sie erwarten dabei auch neue Aufträge. Und manchmal prägen einige auch regional und international neue Leitbilder und Symbole wie die Elbphilharmonie in Hamburg oder das „Vogelnest“ in Peking. Die nachhaltige Stadt planen Der Klimawandel und die steigenden Energiekosten fordern neues Denken und viel soziale, wirtschaftliche und technologische Innovationen für die Stadt- und Siedlungsstrukturen ebenso wie für das Bauen und Erneuern. Die Leitbilder der untergegangenen Industriegesellschaft waren das Bauen von StandardSozialwohnungen und homogenen Siedlungen für homogene Arbeiter-, Angestellten- und Beamtenfamilien. Es war und ist immer noch das Planen und Bauen standardisierter (Kauf-)Eigenheim- und Kleinsiedlungen in der Fläche. Es ist immer noch das Planen der autogerechten Stadt und Region. Es ist nach wie vor das Hinstellen nicht-integrierter Einkaufsstereotype. Aber weder die Sozialbausiedlung noch das „Häusle im Grünen“ spiegelt die heutigen und zukünftigen Lebenswelten treffsicher. Die Arbeitswelt fordert lebenslange berufliche Mobilität. Die neuen Ökonomien sind urbane Ökonomien. Die Frau kann und will nicht mehr „Grüne Witwe“ sein. Sie möchte oder muss ihrerseits berufstätig und mobil sein. Die Kosten der Automobilität steigen. Das Einkaufen in der Stadtrand-Mall erweist sich als langweilig. Kurzum – das lange geforderte „Zurück in die Städte“ drängt endlich auf praktische Umsetzung. Industrie- und Infrastrukturbrachen eröffnen neue Chancen, die Stadt der kurzen Wege zu planen und zu realisieren. Das Bauen im Bestand ist längst Alltag. Auch das Bauen mit offenen Grund-
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rissen für sich wandelnde Nutzungsansprüche setzt sich mehr und mehr durch. Planer sind aber auch gefordert, die technischen Infrastrukturen neu zu denken. Mutige fordern als neues Leitbild die „Eco-Stadt“. Wie plane ich die Fahrrad-Stadt, die Stadt des „shared space“, die Stadt mit mehr Lebensqualität durch weniger Auto, weniger Lkw-Verkehr? Wie sieht die Stadt aus, in der neue Elektroautos die Stromtankstellen suchen? Was lerne ich aus dem neuen ErneuerbareEnergien-Wärmegesetz (EEWärmeG)? Wie geht die Stadt von morgen mit Wasser und Abwasser um? Wie wird aus den Abwasserkanälen Wärmeenergie gewonnen? Den Klimaschutz planen und bauen Die Spatzen pfeifen es schon lange von den Dächern, aber haben es die Hochschulen schon in Lehrpläne umgesetzt? Eine solide Ausbildung für energieeffizientes und umweltverantwortliches Bauen und für den Einsatz regenerativer Energien ist heute ein absolutes Muss! Dies zumal die Weiterentwicklung der Technologien sehr rasant vor sich geht – bei den Baumaterialien und den Anforderungen an baubiologisches und gesundes Bauen ebenso wie bei der Solarthermie, der Photovoltaik, den Wärmepumpen und der Geothermie, dem Umgang mit Kraft-Wärme-Kopplung etc. Dabei geht es nicht nur darum, zu wissen, wie ein Haus am besten mit umweltverträglicher Wärmedämmung verpackt werden kann und wie der Energiebedarf ermittelt wird. Hier gilt es, technologisch auf der Höhe der Zeit zu sein und die enge Kooperation mit Gebäude- und Energietechnikern zu suchen und dem Bauherrn konkret zu raten, wie es gelingen kann, nicht nur Hauswirt, sondern auch Energiewirt zu werden. Es geht auch darum, energetisch innovatives Bauen mit guter Gestaltung zu verbinden – und zwar auch bei der Altbausanierung! Baukultur und Schönheit schaffen Zentrale Aufgabe bleibt das Bauen und Gestalten von Schönheit und Klarheit. Nun meinen viele, über Geschmack ließe sich streiten. Dies führt aber immer mehr zum Bauen der Beliebigkeit, zu Kitsch und Hässlichkeit. Wie kann es sein, dass im 19. Jahrhundert wunderschöne Einkaufspassagen gebaut wurden, heutige Shoppingmalls aber durchweg hässlich und kalt wirken? Die Nachfrage vieler Investoren nach billigen Standardbauten, umhüllt mit ein wenig Design und Image, verstärkt das weit verbreitete, resi-
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gnative Urteil, heutiges Bauen sei im Regelfall abstoßend und kalt. Die Forderung fast aller Investoren nach einer unangemessenen Überausnutzung ihres Grundstücks ist oft der Kern schlechter Architektur. Die Sehnsucht mancher Nachwuchsarchitekten, „Icon“-Architektur wie Rem Koolhaas, Herzog & de Meuron oder Liebeskind nachzubauen, macht es manchmal noch schlimmer. Die viele schlechte Architektur, die uns alltäglich umgibt, hat die Sehnsucht nach nachgebauten Schlössern mit unpassendem Inhalt geweckt, wie das Beispiel des Braunschweiger Shopping-Schlosses zeigt. In Berlin, Potsdam und Hannover könnten bald weitere Exempel folgen. Es ist sehr schwer, den nur auf Nutzflächenmaximierung setzenden Investoren mit qualitätvoller Architektur zu begegnen. Umso wichtiger ist es, den eigenen Maßstab von Qualität zu entwickeln und die Hürde möglichst hoch anzusetzen. Sehen, räumlich denken und material- und detailgerecht arbeiten, lässt sich lernen. Gerade den Jungen ist zu empfehlen: arbeitet nicht nur am Computer. Nehmt hin und wieder ganz konventionell Skizzenbuch und Aquarellblock zur Hand. Gönnt euch die Muße, das Sehen zu lernen. Studiert gerade auch das Hässliche, um euch dagegen zu immunisieren. Dass sparsames Bauen nicht automatisch schlechtes Bauen bedeutet, hat uns die Moderne der zwanziger Jahre doch in großartiger Weise vorgemacht! Offen sein für neue Bauherren, neue Kooperationen, neue Berufsfelder Bauvorhaben, Bauherrentypus und Bauproduktion haben sich stark verändert: Der Anteil und auch der Aufwand des öffentlichen Bauens ist stark zurückgegangen. Das private Bauen wird immer mehr zum Bauen für anonyme Kapitalgesellschaften und Investoren. Der Anteil von Großprojekten, die professionelle Projektsteuerung und ein hohes Maß an fachübergreifenden Kooperationen erfordern, steigt von Jahr zu Jahr (▷Städtebauliche Großprojekte). Die Bauprozesse selbst werden zunehmend von Generalübernehmern und Generalunternehmern organisiert. So wichtig Kreativität ist, das schon längst überholte Bild vom entwerfenden Architekten, dessen schöne Pläne sich ganz einfach in den Maßstab 1:1 übertragen lassen, ist heute definitiv Illusion. In sehr vielen Fällen muss der Architekt selbst Projektmanager sein oder mit guten Projektmanagern zusammenarbeiten (▷Projektmanagement). Dies zumal die veränderten Bauordnungen das Haftungsrisiko deutlich erhöht haben.
Die Spezialisierung von Planungsbüros ist zwingend und es tun sich sehr unterschiedliche Spezialfelder auf. Während die Nachfrage der öffentlichen Hände nach Stadtplanern und Architekten durch die Finanznöte stark zurückgegangen ist, steigt die Zahl der Büros, die nicht nur regional und national, sondern auch international tätig sind (▷Architekturexport). Architekten werden Facility-Manager, Projektentwickler, Immobilienmakler, Spezialisten für Investorenauswahlverfahren etc. Sie werden gebraucht für Film, Bühne und Event-Architektur. Es schadet auch nicht, wenn hin und wieder Architekten und Planer in der Politik landen. Was ich mir besonders wünsche, sind die Spezialisten fürs Planen und Bauen mit den Bürgern. In Berlin haben sich einige mutige Büros das Bauen mit Baugruppen zur Aufgabe gemacht. In England gibt es die Verhandlung mit den vom Bau betroffenen Nachbarn und das Planen von öffentlichen Einrichtungen mit Bürgerworkshops. In Deutschland besteht Bürgerbeteiligung oft genug noch aus sehr unverbindlichen Veranstaltungen im Zuge der sehr abstrakten Bauleitplanung. Das muss sich ändern.
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Was heißt das für die Lehre? Im Grundsatz geht es um die gleichen Ziele, um die meine Generation bereits vor 40 Jahren an der TU Berlin gestritten hat: Lehre soll fördern, nicht überfordern. Lehre muss sowohl den Studierenden als auch den Lehrenden Freude bringen. Nur in einer offenen und vertrauensvollen Atmosphäre kann die notwendige Neugierde und Kreativität, aber auch das individuelle Talent der jungen Planer und Architekten gefördert werden. Vorlesungen haben sicherlich in einigen kleinen Bereichen ihren Sinn, sollten aber niemals die Lehre dominieren. Ich wünsche mir, dass gerade in der Architektur und den Planungswissenschaften die Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge als Chance begriffen wird und die Studiengänge nicht stark verschult und mit neuen bürokratischen Hürden versehen werden (▷Ausbildung zur Planung). Ökologisches und energieeffizientes Planen und Bauen muss direkt in die Projekte integriert werden. Interdisziplinarität ist eine Stärke der Architektur- und Planerausbildung und sollte weiter ausgebaut werden. Das projektorientierte Studium und das Erproben neuer Lehr- und Lernformen muss weiter gestärkt werden ebenso wie die Lernund Experimentierfreudigkeit der Lehrenden. Eichstädt-Bohlig
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ARCHITEKTUR Vorbemerkung Seit der Zeit aus der die ersten baulichen Zeugnisse stammen, beschäftigt eine umfangreiche Debatte das Fachpublikum wie auch Laien: Was ist Architektur, was sind ihre Aufgaben und Ziele, worin bestehen ihre Mittel und Voraussetzungen? Vielfältige Antworten auf diese Fragen geben sowohl die gebaute Umwelt als auch profunde wie kontroverse architekturtheoretische Traktate. Aufgrund der zahlreichen konkurrierenden Aussagen über Architektur wird diese Auseinandersetzung seit Mitte des 19. Jahrhundert bis heute vielstimmig und besonders leidenschaftlich geführt. Anliegen dieses Beitrags ist es, die Entwicklung und wechselnde Deutung des Begriffs Architektur zu skizzieren sowie Theorien zur Architektur zu hinterfragen. Mit einem Exkurs in die Geschichte der Theorie der Architektur soll die Vielfalt der Deutungsmöglichkeiten des Begriffs Architektur verfolgt werden. Architektur vs. Baukunst? In Enzyklopädien wird das Stichwort Architektur fast ausschließlich mit dem Verweis auf Baukunst erklärt. Darin zeigt sich die Schwierigkeit des Unterfangens, eine verlässliche Deutung von Architektur als Kunst (d. h. als Baukunst) zu wagen. Sinn und Wesen von Baukunst mit Hilfe einer Abgrenzung zur Kunstwissenschaft zu begründen provoziert die Frage: Wo fängt Baukunst an? Bis zum 20. Jahrhundert galten mehr oder minder verbindliche Konventionen, die für repräsentative Aufgaben eine reichere Formensprache vorsahen als für reine Zweckbauten. Ausgehend von den frühesten Hochkulturen in Mesopotamien und Ägypten ist architektonisches Schaffen seit mehr als fünftausend Jahren fast ausschließlich im religiösen Kult-, Tempel- und Grabbau dokumentiert. Die Wandlung des nomadenhaften Daseins in die Sesshaftigkeit der Gemeinschaft führte zu Städte- und Staatenbildungen. Dies erzeugte einen Bedarf nach neuen Bauten mit Schutzfunktionen und besonderer Formgebung im Vergleich zur Masse der einfachen Behausungen. Nach und nach berücksichtigten Bauwerke sowohl die Erfordernisse des praktisch-materiellen Lebens als auch Sinngebungen mit menschlichen Deutungen des Religiösen, Staatlichen und Gesellschaftlichen (▷Baukultur).
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Für die Kunstgeschichte ist Architektur ein Teilbereich der bildenden Künste. Als Gegenstand kunstgeschichtlicher Betrachtungen steht der Begriff Architektur für zeitliche, geografische, stilistische, personale, politische und gesellschaftliche Aspekte von Gebautem. Die Kunstgeschichte neigt dazu, Architektur und Baukunst synonym zu betrachten. Architektur vs. Bauen: Die Rolle der Architekturtheorie Kann dennoch verbindlich gesagt werden, was Architektur ist und was „nur“ Bauen? An der Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert erläutert Lethaby: „Es ist nicht möglich, zwischen Architektur und Bauen zu unterscheiden, und wir werden wahrscheinlich finden, dass es völlig unnötig … ist, einen solchen Unterschied zu machen. Wir werden sehen, wie wahrhaft interessant das Bauen und die Gebäude sind und dass man in vielen Gebäuden aller Zeiten, nicht nur in wenigen den Abglanz dessen findet, was der Mensch ist und wonach er strebt.“ (Neumeyer 2002) Architektur wird hier behandelt als die Kunst zu bauen und Gebäude zu planen. Das klingt abstrakt sehr plausibel, denn Lethaby versteht Architektur nicht als Eingebung, sondern als tätigen Prozess. Im Kontrast zu Lethaby zieht Pevsner Mitte des 20. Jahrhundert eine klare Trennlinie zwischen Architektur und Bauen: Die Architektur sieht er als Kunst an, als einen bedeutenden Teil menschlicher Zivilisation, das Bauen dagegen betrachtet er nur als Fertigkeit, der keine besondere kulturelle Bedeutung zukommt. Seit mehr als 2000 Jahren zeigen architekturtheoretische Beiträge die Vielfalt der Möglichkeiten, Architektur zu sehen, wahrzunehmen und zu beurteilen. Die Theoria (griech. Anschauen) bildet den Hintergrund der Architekturtheorie. Moravánszky erläutert: „Die Frage der Theorie wird oft im Zusammenhang mit der Position der Architektur zwischen Wissenschaft und Kunst erhoben. Architektur als Kunst wäre – zumindest für ein naives Kunstverständnis – eine instinktive Formschöpfung ... „aus dem Bauch“, die eine bewusste Reflexion gar nicht braucht. Architektur als Wissenschaft untersucht dagegen die vielschichtigen technischen, sozialen, und sozioökonomischen Prämissen der Architektur und leitet die Form daraus ab. … Wir müssen Architektur in ihren vielfältigen kulturellen Verflechtungen betrachten, anstatt sie als Kunst oder Wissenschaft zu isolieren ... dieses – nie restlose – Aufgehen in anderen technischen, künstlerischen, wissenschaftlichen Beziehungen ist das Wesentliche in der Architek-
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tur. Damit ist die Aufgabe der Architekturtheorie gestellt ..., die unter historischen Bedingungen entstandenen Gedanken, Programme, Ansichten auf diese Problematik hin zu untersuchen und nicht aus der Perspektive ihrer historischen Bedingtheit – was die Aufgabe der Architektur- bzw. Stadtbaugeschichte wäre. … Was können wir jedoch von Wörtern erwarten, wenn sie die sinnliche Erfahrung von Räumen und Oberflächen, Farben und Stoffen nicht ersetzen können? ... Architektur ist seit geraumer Zeit einer einfachen Definition entzogen. So kann auch die Disziplin der Architekturtheorie keinen allgemein verbindlichen Anspruch erheben, bedingt durch einen bisweilen hohen Anteil an apologetischen und ideologischen Aspekten. Die Rolle der Architekturtheorie zielt ... auf die Frage nach dem Gesamtzusammenhang von Form und Funktion, Inhalt und Bedeutung ohne kunstwissenschaftliche und stilistische Betrachtung.“ (Moravánszky 2003) Architekturtheoretische Traktate Vitruv, römischer Architekt und Theoretiker, verfasst um 30 v. Chr. das Traktat „De architectura libri decem“ (Zehn Bücher über Architektur) und damit die älteste der Architektur gewidmete Darstellung. Mit seinem Lehrbuch stellt er eine Theorie des Faches Architektur – und nicht der Baukunst – vor. Er benennt sechs Grundbegriffe, die bei der Herstellung von Gebäuden, zu Baustoffen und deren Verarbeitung, zu Proportionen, zu Gebäudetypologien und dem Ausbau der Gebäude zu beachten sind und liefert damit die zur Ausbildung und zur Praxis des Architekten notwendigen theoretischen Grundlagen. Diese sind: ordinatio (Massordnung), dispositio (Konzeption), eurythmia (Gestaltung und harmonische Gliederung), symmetria (modularer Aufbau), decor (Angemessenheit) und distributio (Einteilung). Es handelt sich dabei nicht um ästhetische Grundbegriffe, sondern um ein terminologisches Grundgerüst der Architekturlehre Vitruvs, der versucht, eine Abgrenzung zur bildenden Kunst zu ziehen. In der Architekturdiskussion wird Vitruv vorrangig mit den Charakteristika firmitas, utilitas und venustas – im Sinne der „Aufgabe, aus festen Stoffen ein stabiles, brauchbares und ansehnliches Bauwerk zusammenzufügen“ – zitiert. Gegen Ende des 19. Jahrhundert entstanden in der frühen Moderne erweiterte Interpretationen für firmitas als Solidität, Dauerhaftigkeit, Festigkeit, Standhaftigkeit (statt nur Konstruktion), für utilitas als Nützlichkeit, Brauchbarkeit, Gebrauch, Nutzen (statt nur Funktion) und für venustas als
Schönheit, Anmut (statt nur Form). Die unterschiedlichen Übersetzungen zu firmitas (Festigkeit oder Konstruktion), zu utilitas (Zweckmäßigkeit oder Funktion), zu venustas (Anmut oder Form) bestimmen seither die kontroverse Debatte über Sinn und Wesen von Architektur. Sie sind Schlüsselbegriffe der Moderne zwischen rationalistischen Erklärungsmodellen und der Privilegierung einzelner Aspekte. Eine Reduktion auf Technik und Zweckerfüllung, auf Konstruktion und Funktion, ist nicht ausreichend: Zur architektonischen Aussage bedarf es der gleichzeitigen Erfüllung aller drei Kriterien. Alberti veröffentlicht Mitte des 15. Jahrhundert mit „De re aedificatoria“ die erste eigenständige und umfassende Architekturtheorie der Neuzeit und wird damit zum eigentlichen Begründer der Architekturtheorie. Grundlage seines Beitrages sind die Positionen Vitruvs. Alberti kennzeichnet die Baukunst mit sechs Elementen: regio (Gegend), area (Grund), partitio (Einteilung), paries (Mauer), tectum (Decke) und apertio (Öffnung). Damit gründet er seine Beurteilung auf die Bedingungen des Ortes bis hin zum architektonischen Detail. Die drei Grundbegriffe Vitruvs bedeuten bei Alberti: Materialien und Verwendung für firmitas, städtebauliche Anlagen und Gebäudearten für utilitas sowie Schmuck i. Allg. für venustas. Bezieht sich der Begriff Architektur bei Vitruv noch eindeutiger auf das Fach und den Vorgang des Bauens, so interpretiert Alberti Architektur als eine gesellschaftsstiftende Kunst, um dem Bauen und damit dem Gemeinwesen (Stadtbaukunst; ▷Städtebau) Gestalt zu geben. Es handelt sich nur dann um Architektur, „wenn über die technisch notwendige Konstruktion hinaus die Teile zu einer Ordnung geführt werden, die für sich genommen ein Ganzes darstellen und von denen kein Teil wegzunehmen ist“ ohne den Gesamteindruck zu stören (Neumeyer 2002). Gut ein Jahrhundert später (1570) veröffentlicht Palladio unter dem Titel „I quattro libri dell‘architectura“ Handbücher zur Entwicklung von Architektur. Grundlage seiner Thesen sind die drei Grundbegriffe von Vitruv, dabei stellt Palladio den Privatbau in den Vordergrund seiner Betrachtungen: Die grundlegende Bauaufgabe ist für ihn das private Haus. Damit beeinflusst Palladio die Entwicklung der klassizistischen Architektur entscheidend. Schinkel veröffentlicht Mitte des 19. Jahrhundert „Das architektonische Lehrbuch“ und die „Sammlung architektonischer Entwürfe“, in denen das lebenslange Bemühen des Architekten nachvollziehbar wird, Architektur als eine stete
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Suche nach dem Gleichgewicht von Wandel und Kontinuität zu begreifen. Beeinflusst vom Pathos der Revolutionszeit nach 1800 ist ein starker Bezug auf die griechische Antike zu beobachten. Als romantischer Klassizismus benannt, ist dies die eine Seite der Medaille, während gleichzeitig „die Kraft seiner künstlerischen Person, die preußischbürgerlichen Zeitverhältnisse, dem Neuen zugewandt, ... eine neue Architektur“ begründen und „die Befreiung des Baukörpers von den Konventionen der architektonischen Grammatik, der Sinn für das Körperhafte des einzelnen Gebäudes ... der Bau selbst, die Wirkung seiner Massen und nicht mehr seine Gliederungen und Schmuckformen werden zum Signum der Architektur erklärt ... das Architektonische ist ein allen Stilen übergeordneter Begriff “ (Posener 1983). Ruskin klagt 1849 in dem Essay „The Seven Lamps of Architecture“ gegen die moderne Welt und stimmt ein Loblied auf die Gotik an und verteidigt handwerkliche Arbeit gegen Industrieproduktion. Mit dem metaphorischen Bild der sieben Leuchter der Architektur benannt als „Leuchter der Aufopferung, der Wahrheit, der Kraft, der Schönheit, des Lebens, der Erinnerung und des Gehorsams“ will er den Weg zum wahren Wesen der Architektur weisen. Statt architekturtheoretischer Grundsätze formuliert er moralische Tugenden als Grundsätze. Architekturtheorie ist in Ruskins Verständnis Architekturethik mit dem Hinweis auf die Ehrlichkeit der Konstruktion und die Bedeutung der Materialgerechtigkeit. Seine sozialreformerischen Forderungen – Architektur wird als Instrument des sozialen Fortschritts definiert – wirken bis ins 20. Jahrhundert als moralische Verpflichtung für die Avantgarde. Zur Zeit der Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert belegen Manifeste den leidenschaftlichen wie kontroversen Diskurs zur Überwindung von Historismus und Eklektizismus und um den richtigen Begriff der jeweils „modernen“ Architektur. Die Moderne suchte nach einer neuen Form, nach einem adäquaten Ausdruck für die politischen und gesellschaftlichen Ideen der Epoche, d. h. Ziel waren gebaute Manifeste. Es ging nicht um die Frage nach trockener Sachlichkeit oder Funktionalismus, um einen Verzicht auf Ausdruckkraft oder Mitteilung, sondern um die Suche nach der intellektuellen oder emotionalen Ebene. Denn Formen verweisen nur dann auf Inhalte, wenn sie auf künstliche weise mit Konventionen verbunden sind. Pioniere und Leitfiguren der Avantgarde im frühen 20. Jahrhundert verdeutlichen die kontroversen Positionen der architektonischen Debatte.
So schreibt Sullivan 1901: „Architektur ist eine soziale Manifestation. Wenn wir wissen wollen, weshalb gewisse Dinge in unserer Architektur so und nicht anders sind, müssen wir auf die Gesellschaft schauen; denn unsere Bauten und Städte sind ein Abbild unserer Gesellschaft. So gesehen wird das kritische Studium der Architektur in Wirklichkeit zum Studium der sozialen Verhältnisse, die sie hervorbringen“ (Frei 1992). Mit seinem Manifest „Vers une architecture“ legt Le Corbusier 1923 seine Sicht zum Wesen der Architektur in bisweilen radikalen Leitsätzen dar. Mit dem Blick auf die „wissenschaftliche Präzision des Ingenieurs“ benennt er „Architektur als reine Schöpfung des Geistes“. Er formuliert: „Die Durchbildung der Form ist der Prüfstein für den Architekten. Dieser erweist sich an ihr als Künstler oder als einfacher Ingenieur. Die Durchbildung der Form ist frei von jedem Zwang. Es handelt sich dabei nicht mehr um Herkommen oder Überlieferung noch um konstruktive Verfahren noch um Anpassung an die Bedürfnisse des Gebrauchs. Die Durchbildung der Form ist reine Schöpfung des Geistes: sie ruft den gestaltenden Künstler auf den Plan“ (Le Corbusier 1963). Einen besonderen Raum nimmt die Auseinandersetzung mit der Definition von Architektur als Definition eines räumlichen Lichtspiels ein: „Architektur ist das kunstvolle, korrekte und großartige Spiel der unter dem Licht versammelten Körper … Licht und Schatten enthüllen die Formen“. Und: „Architektur wird somit zur Kunst der Komposition zwischen den Mauern, die das Licht einfangen und lenken … Sie merken es wohl: ich verwende Licht in reichem Maße, das Licht ist für mich die Grundlage der Architektur. Ich komponiere mit Licht.“ (Le Corbusier 1964) Mies van der Rohe postulierte 1923: „Jede ästhetische Spekulation, jede Doktrin und jeden Formalismus lehnen wir ab. Baukunst ist raumgefasster Zeitwille. Lebendig. Wechselnd. Neu. Gestaltet die Form aus dem Wesen der Aufgabe mit den Mitteln unserer Zeit“ und: „Wir kennen keine Form, sondern nur Bauprobleme. Die Form ist nicht das Ziel, sondern das Resultat unserer Arbeit“ (Conrads 1964). 1950 führt er aus: „Die Technik wurzelt in der Vergangenheit. Sie beherrscht die Gegenwart und reicht hinein in die Zukunft. Sie ist eine echte historische Bewegung, eine der großen Bewegungen, die ihre Epoche formen und repräsentieren. ... Wo immer die Technik ihre wirkliche Erfüllung findet, dort erhebt sie sich in die Sphäre der Architektur; ... Architektur ist eine Sprache mit der Disziplin einer Grammatik, man kann Sprache im Alltag als Prosa benutzen,
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und wenn man sehr gut ist, kann man ein Dichter sein“ (Conrads 1964). Aus zeitgenössischer Sicht erläutert Habermas den Begriff modern: „Das Wort „modern“ ist zuerst im späten 5. Jahrhundert verwendet worden, um die soeben offiziell gewordene christliche Gegenwart von der heidnisch-römischen Vergangenheit abzugrenzen. Mit wechselnden Inhalten drückt „Modernität“ immer wieder das Bewusstsein einer Epoche aus, die sich zur Vergangenheit der Antike in Beziehung setzt, um sich selbst als Resultat eines Übergangs vom Alten zum Neuen abzugrenzen ... das gilt nicht nur für die Renaissance, als Beginn unserer Neuzeit. Als „modern“ fühlte man sich in der Zeit von Karl dem Großen, im 12. Jahrhundert wie auch zur Zeit der Aufklärung ... modern ist, was der Aktualität des Zeitgeistes zu objektivem Ausdruck verhilft. Die Signatur solcher Werke ist das Neue, das von der Neuerung des nächsten Stils überholt und entwertet wird. Aber während das bloß Modische, in die Vergangenheit versetzt, altmodisch wird, behält das Moderne einen geheimen Bezug zum Klassischen, … seit je galt als klassisch, was die Zeiten überdauert: diese Kraft entlehnt das im empathischen Sinne moderne Zeugnis freilich nicht mehr der Autorität einer vergangenen Epoche, sondern einzig der Authentizität einer vergangenen Aktualität.“ (Habermas 1992:33) In den Debatten der 1960er und 1970er Jahre formuliert Norberg-Schulz zum Begriff Architektur: „Architektur ist ein Phänomen. Sie umfasst Landschaften und Ansiedlungen, Gebäude und charakterisierende Gliederung. Sie ist also eine lebendige Wirklichkeit. Seit ältester Zeit hat die Architektur dem Menschen dabei geholfen, seinem Dasein Sinn zu geben. Mit Hilfe der Architektur hat er in Raum und Zeit einen Halt gefunden. Es geht also in der Architektur um mehr als praktische Bedürfnisse und Wissenschaft. Sie hat mit existentiellen Sinngehalten zu tun. Existentielle Sinngehalte leiten sich von natürlichen, menschlichen und geistigen Phänomenen her und werden als Ordnung und Charakter erfahren. Architektur übersetzt diese Sinngehalte in räumliche Formen. Räumliche Formen in der Architektur haben weder mit Euklid noch mit Einstein zu tun. In der Architektur bedeutet die räumliche Form Ort, Weg und Bereich, d. h., die konkrete Struktur der menschlichen Umwelt. Architektur kann deshalb nicht durch geometrische und semiotische Begriffe beschrieben werden. Architektur sollte als sinnträchtige Form begriffen werden. Als solche ist sie Teil der Geschichte existentieller Sinngehalte. Der Mensch empfindet heute ein dringendes Bedürfnis nach einer Wiedereroberung der Archi-
tektur als eines konkreten Phänomens“ (NorbergSchulz 1979). In dieser Zeit reicht die Bandbreite theoretischer und streng apologetischer Beiträge von Venturis „Komplexität und Widerspruch in der Architektur“ über Rossis „Architettura razionale“, mit dem architektonischen Typus und den Ordnungsgesetzen der Stadt als Grundlage der Architektur, bis zu Koolhaas These von „Bigness“ als dem „Retter der Architektur“ mit Blick auf die weltweit boomenden Mega-Agglomerationen (▷Megastädte): „Stadt ist nur noch der Zusammenhang großer Gebäude ... öffentlicher Raum besteht nur noch im Inneren der Gebäude“ (Neumeyer 2002). Venturi veröffentlicht 1966 die legendäre Architekturstudie „Complexity and Contradiction in Architecture“. Er beginnt sein Buch mit den Worten „Für eine beziehungsreiche Architektur – ein behutsames Manifest“ und erläutert seine persönliche Sicht auf den Begriff Architektur: „Ich freue mich über Vielfalt und Widerspruch in der Architektur. Die Zusammenhangslosigkeit und die Willkür nicht bewältigter Architektur aber lehne ich ab; ebenso wenig mag ich die erkünstelten Raffinessen pittoresker oder expressiv übersteigerter Architektur. Im Gegensatz dazu will ich über eine komplexe und widerspruchsreiche Architektur sprechen, die vom Reichtum und der Vieldeutigkeit moderner Lebenserfahrung zehrt … Architektur ist aber auch schon durch die Beachtung der alten Vitruv‘schen Forderungen nach Zweckdienlichkeit, solider Bauweise und Anmut (utilitas, firmitas, venustas) notwendig vielfältig und widerspruchsreich“ (Venturi 1978, Erstveröffentlichung 1966). Venturi entwickelt eine Antithese zum rigiden wie vornehmen Purismus, wie ihn Le Corbusier fordert und setzt gegen das moralische und ästhetische Diktat der Moderne und insbesondere gegen die Kälte und Langeweile der 1950er und 1960er Jahre die Komplexität und den Widerspruch. Er bejaht die Komplexität und Gegensätzlichkeit urbaner Formen und die vielfältigen Anpassungen an gegensätzliche Anforderungen von Innen und Außen, an Aktivitäten des Alltags als ein allgemeingültiges Gestaltungsprinzip des Urbanen (▷Urbanität). Mit seinem Schlachtruf für eine beziehungsreiche Architektur – „less is a bore“ anstatt des Dictums „less is more“ – stellt er die gesamte Avantgarde der Moderne in Frage. Auf diese Studie folgt 1972 mit „Learning from Las Vegas“ (Venturi/Scott Brown/Izenour 1972) ein frühes Manifest für die Sinnhaltigkeit des Populären in der Architektur, ein Engagement für gewöhnliche und alltägliche Architektur, ge-
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gen angestrengte formale Elemente der Moderne und eine Hinwendung zu amerikanischen Zweckbauten, verbunden mit der akademischen Auseinandersetzung mit der Popkultur der Zeit. Die Autoren plädieren für einen neuen Symbolismus, der es den „Gebäuden erlauben sollte, mit den Betrachtern zu kommunizieren“ und für eine Öffnung vielfältiger Ausdrucksmöglichkeiten im Sinne von Architektur als Behälter mit Symbolen darauf – die „Bratenten-Bude“ wird zum prototypischen Beispiel. Venturi fordert die Rückbesinnung auf die Ausdruckskraft architektonischer Zeichen, die von seinen Kritikern als „Architektur des dekorierten Schuppens“ beschrieben wird. Moderater im Sinne der Nachkriegsmoderne erklärt Hoesli den Begriff Architektur „als das Zusammenwirken von Raum, Konstruktion, Material, und plastischer Form ... Aufgabe des Architekten ist die Zusammenschau dieser Faktoren zu einem wie auch immer gearteten emotional oder intellektuell festgelegten Konzept …, das im Bauwerk enthalten sein soll …; das Aufspüren der vorbedachten und im Nachhinein wahrnehmbaren Wirkungen dieser benannten Komponenten wäre eine Möglichkeit des Genießens …; in stiller Anschauung, beim Durchwandern oder nach dem Studium relevanter Unterlagen. Das eigentliche Medium der Architekten ist und bleibt das Bauwerk im Original“ (Hoesli 1989). Herzog, ein Vertreter des konstruktionsorientierten Entwerfens, schreibt: „Die Diskussion über Qualität in der Architektur … ist weniger eine Suche nach dem Qualitätsbegriff als solchem, als v. a. eine Suche … nach dem Wesen der Architektur; … in der Terminologie der Nichtfachwelt spricht man z. B. in der Informatik von der Architektur einer EDV-Anlage und meint die innere Ordnung und Logik, Zwänge, Bindung, Freiheit und Klarheit als Merkmale des Gesamtgefüges … was die „Kunst des Fügens“ angeht, so ist jedenfalls die Stelle, wo zwei und mehr Teile zusammentreffen, ein Ort materieller und gedanklicher Verdichtung. Übergang, aber auch Offenlegung eines visuellen Reizes. Sinneskitzel einerseits und Klärung der geometrischen Zusammenhänge zwischen den Teilen andererseits – kurz ein Ort rationaler wie emotionaler Aussage und seit jeher vorrangiges Thema der Architektur; … das Problem der Wahrnehmung und Interpretation von Architektur über Bilder, über Oberflächen und nicht über die innere Substanz ... führt zu einer „Packaging Industry“ …; es verbirgt die innere Logik, die Syntax des Bauwerks.“ (Herzog 1987) Vitruv nennt neben Angemessenheit und Schönheit die Beständigkeit oder Dauerhaftigkeit
(firmitas) als drittes Kriterium für Architektur. Heute ist diese Debatte erweitert um den Begriff der Nachhaltigkeit, einem optimierten Verhältnis von Energieaufwand (bei Herstellung und Gebrauch) zur Langlebigkeit der Nutzung. So hat die Dauerhaftigkeit auch in der aktuellen Diskussion um energieeffizientes und ressourcenschonendes Bauen ihren Platz. Zusammenfassung Versucht man eine gültige, aktuelle Definition des Begriffs Architektur nachzuzeichnen, bleibt ein widersprüchliches Bild, das je nach Erfahrungshorizont und den Erwartungen der Akteure und Konsumenten unterschiedlich akzentuiert ist. Architektur ist das Ergebnis eines Prozesses, und als solches nachvollziehbar. Architektur ist gleichzeitig ein Bild, und als solches nur als Ganzes erlebbar. Dieses doppelte Phänomen kann weitgehend mit logischen Erkenntnisschritten nachvollzogen werden – für eine Interpretation ist dies jedoch noch nicht ausreichend. Emotionale Aspekte, aus spezifischen Erfahrungen sublimiert, entziehen sich i. d. R. der rationalen und analytischen Erfassung. Sinnliches Raumempfinden kann nur im Umgang mit Gebautem gewonnen werden. Solt (2001) schreibt: „Architektur wirkt nicht nur optisch, sie wird in erster Linie körperlich erfahren: Akustik, Temperatur, Geruch, Material, Weite und Enge, Licht und Schatten prägen die Wahrnehmung räumlicher Gebilde entscheidend … aus dem Zusammenwirken der verschiedenen Eindrücke entstehen Gefühle und Stimmungen, meist nicht klar benannt und die nur über Wortbilder aus dem Bereich der Sinne umschrieben werden können; … dieses emotional geprägte räumliche Erlebnis kann durch gezielte Gestaltung gesteuert werden“. Die Suche nach Gestaltungsmitteln für atmosphärische Qualitäten impliziert die zwiespältige Frage nach Wohlbehagen und Gemütlichkeit. Erkennbare Grenzen von Sachlichkeit und Funktionalität lenken das Interesse von eher intellektuellen auf die sinnlichen und emotionalen Aspekte der Architektur. Zudem werden Verbindlichkeiten kultureller Konventionen und das Verständnis für abstrakte Zeichensysteme in Frage gestellt. Die Folge ist eine Suche nach unmittelbarer, vom kulturellen Hintergrund des Betrachters unabhängiger Wirkung architektonischer Formen: Anthropologische und physiologisch bedingte Empfindungen des Menschen gewinnen an Bedeutung. Sewing verweist auf das widersprüchliche Bild, das „die Aufwertung der Architektur in der Öf-
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fentlichkeit“ auf der einen und der zunehmende „Kontrollverlust des Architekten“ auf der anderen Seite ergibt. Er konstatiert: „Architektur ist … ein identitätsstiftendes Kernstück kommunaler Selbstdarstellung in der Städtekonkurrenz. … Medienereignisse, politische und fachöffentliche Kontroversen unterstützen die allgemeine Tendenz zur Ästhetisierung und Stilisierung der Lebenswelt v. a. auch darin, soziale Komplexität auf räumliche Arrangements zu reduzieren, auf Images und Bilder … die neuere Kultursoziologie beginnt die spezifische Verräumlichungs- und Visualisierungskompetenz der Architekten zu erkennen …, Architektur ist in dieser Sicht integraler Bestandteil der Erzeugung sozialer Ordnung, soziale Produktion des öffentlichen Raumes“ (Sewing 1996; ▷Identität). Darüber hinaus stellt er fest: „zwei wesentliche Tendenzen bestimmen heute die Debatte über das Wesen der Architektur: die parallele Entwicklung einer erneuerten, reflexiven Moderne und eines neuen Traditionalismus … mit Raumbildern für Lebensstile und Bühnenbildern für die Stadtkultur hat sich die Architektur in der Erlebnisgesellschaft unentbehrlich gemacht. Stadtmarketing als touristische Bewirtschaftung des Imaginären bedarf des gebauten Bildes. Diese architektur-politische Strategie, kurz: Bildregie, bedroht inzwischen die professionelle Identität der Architektur. „Architainment“ ist zu einer nicht beabsichtigten Folge der Bilderpolitik geworden.“ (Sewing 2003; ▷Festivalisierung) Bächer (2008) versteht Architektur als einen „dreidimensionalen Spiegel der Gesellschaft. … die Qualität von Architektur hängt nicht von ihren inneren technischen Voraussetzungen ab, sondern zuerst von den gesellschaftlichen Zuständen, unter denen sie entsteht“ und beschreibt damit Architektur als eine „ars res publica“. Der bestimmende Maßstab für Bächer ist die Frage, ob das Konzept, unabhängig vom gewählten Ausdruck, eine in sich konsistente Qualität besitzt – so formulierte bereits Alberti im 15. Jahrhundert: „Nichts soll man wegnehmen, nichts hinzufügen können“ (Neumeyer 2002). Berten
Literatur Bächer, M. (2008): Mehr als umbaute Luft, Betrachtungen über Architektur und Zeitgeschichte. Stuttgart Conrads, U. (Hrsg.) (1964): Programme und Manifeste zur Architektur des 20. Jahrhunderts. Berlin, Frankfurt/M, Wien Fischer, G. (2009): Vitruv NEU oder Was ist Architektur? Basel, Gütersloh, Berlin Frei, H. (1992): Louis Henry Sullivan. Zürich Habermas, J. (1992): Die Moderne – ein unvollendetes Projekt. Philosophisch-politische Aufsätze. Leipzig Herzog, T. (1987): Zur Kunst des Fügens. In: Der Architekt, 2
Hoesli, B. (1989): Architektur lehren. Zürich Le Corbusier (1964): Feststellungen zu Architektur und Städtebau. Basel, Gütersloh Le Corbusier (1963): Ausblick auf eine Architektur. Basel, Gütersloh Lampugnani, V. M. u. a. (Hrsg.) (2004): Architekturtheorie 20. Jahrhundert, Positionen, Programme, Manifeste. Ostfildern Moravánszky, Á. (2003): Architekturtheorie im 20.Jahrhundert, Eine kritische Anthologie. Wien Neumeyer, F. (Hrsg.) (2002): Quellentexte zur Architekturtheorie. München Norberg-Schulz, C. (1979): Vom Sinn des Bauens, Die Architektur des Abendlandes von der Antike bis zur Gegenwart. Stuttgart Posener, J. (1983): Schinkels architektonisches Lehrbuch. In: Archplus, 69/70, 49-55 Sewing, W. (2003): Bildregie, Architektur zwischen Retrodesign und Eventkultur. Basel, Gütersloh Sewing, W. (1996): Architektur und Gesellschaft. In: Deutsches Architektenblatt, 4, 594-596 Solt, J. (2001): Architektur für die Sinne. In: Archithese, 3 Venturi, R. (2000): Komplexität und Widerspruch in der Architektur. Basel, Gütersloh Venturi, R. (Hrsg. Heinrich Klotz) (1978): Komplexität und Widerspruch in der Architektur. Braunschweig Venturi, R.; Scott Brown, D.; Izenour S. (1972): Lerning from Las Vegas, The forgotten Symbolism of Arcitectural Form. Cambridge/ MA Pahl, J. (1999): Architekturtheorie des 20. Jahrhunderts, Zeit-Räume. München, London, New York
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ARCHITEKTUR IM BESTAND Architektur im Bestand bezeichnet die bewusste und mit gestalterischem Anspruch durchgeführte Weiterentwicklung von vorhandener Bausubstanz zur Anpassung an moderne, oft geänderte Nutzungsanforderungen. Dadurch wird nicht nur ein Beitrag zur Wahrung gebauter ▷Identität, sondern mehr noch zum umweltverträglichen Handeln geleistet (Cramer/Breitling 2007). In der systematisch nicht wirklich gefestigten Literatur wird nur selten explizit und konsequent unterschieden zwischen dem Neubau im Kontext von Vorhandenem und der hier einzig besprochenen baulich-architektonischen Umgestaltung eines schon physisch und körperhaft vorhandenen Gebäudes. Grundsätze Alles, was heute gebaut wird, ist morgen schon Geschichte (▷ Gebaute Geschichte). Die ältesten weitgehend vollständig erhaltenen Bauwerke in Europa stammen, neben den wenigen noch älteren römischen Großbauten, aus dem 5. und 6. Jahrhundert, zusammenhängend erhaltene Bürgerhäuser gehen bis in das 12. Jahrhundert zurück und auch die Bauten der Gründerzeit haben bei durchschnittlicher Bauweise eine Lebenserwar-
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tung von weit mehr als 200 Jahren. Es versteht sich von selbst, dass ein offensichtlich gealterter Baubestand in regelmäßigen Abständen an moderne Nutzungsanforderungen und Lebensgewohnheiten angepasst werden muss. Das gilt ganz grundsätzlich und gleichermaßen für die ungefähr drei Prozent des Baubestands, die unter Denkmalschutz stehen. In der Aufgabe, Vorhandenes mit neuen Ideen neu zu überformen, haben Architekten über Jahrtausende eine selbstverständliche Herausforderung gesehen und sie mit herausragenden Lösungen bewältigt. Dabei spielte die weitgehende und kreativ eingesetzte Erhaltung des Vorgefundenen immer eine wichtige Rolle, aus pragmatischen Gründen, weil Abbruch ohne schweres Gerät und der Abtransport von Schuttmassen ohne leistungsfähige Transportmittel ein unverhältnismäßig hoher Aufwand gewesen wäre, aber auch aus ideologischen Gründen, weil der Respekt vor den Leistungen der Vorfahren dies gebot. Diese schon in der Antike selbstverständliche Position machten sich auch in der Neuzeit alle bedeutenden Architekten (z. B. Andrea Palladio mit dem Umbau der „Basilica“ in Vicenza) zueigen. Mit der Industrialisierung hat sich diese Haltung geändert. Besonders die nach dem Zweiten Weltkrieg ausgebildete Architektengeneration verschloss sich vor dem Hintergrund der durch die Nationalsozialisten missbrauchten Debatte um Ortsverbundenheit, Kontinuität und Tradition dem überlieferten Bestand. Sie suchte vielmehr in der Nachfolge des Bauhauses den radikalen Bruch mit der als rückständig und konservativ empfundenen Geschichte und damit auch dem historisch Gewordenen. Daran konnte auch die Notwendigkeit, nach 1945 kriegsbeschädigte Bauwerke wieder aufzubauen und dabei modern zu erneuern, wenig ändern. Erst in der Folge des Europäischen Denkmalschutzjahres 1975 trat die Auseinandersetzung mit dem Bestehenden und dessen Veränderung mit architektonischem Anspruch wieder aus dem Schatten der unbedingten Neubaueuphorie heraus (▷Baukultur). Ressourcengerechtes Bauen Ein Bauwerk ist die Summe umfangreicher Ressourcen – Rohstoffe, Arbeitskraft und Erfahrung. Ein intaktes Gebäude nur deswegen abzureißen, weil es dem Zeitgeschmack nicht mehr entspricht, ist deswegen schon aus Gründen der Nachhaltigkeit unangebracht. Darüber hinaus fallen mit seinem Abbruch große Mengen Deponiegut an. Im Jahr 2005 waren 80 Prozent aller nicht wei-
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ter recycelten und deswegen abschließend deponierten Stoffe Aushub und Bauschutt (Hassler/ Kohler 1999). Aus beiden Gründen ist es in aller Regel umweltverträglicher und wirtschaftlicher, ein vorhandenes Bauwerk zu entwickeln und zu verbessern, anstatt es abzubrechen und durch einen Neubau zu ersetzen. Nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit, sondern auch im Hinblick auf die systemische Langlebigkeit der europäischen Architektur ist deswegen der Baubestand des Jahres 2050 schon heute zu mehr als 80 Prozent vorhanden. Dessen Veränderung ist folglich eine der großen Zukunftsaufgaben des Architektenberufs. Haltungen Die planerische und gestalterische Haltung zu dem zu verändernden Bestand ist unterschiedlich (Cramer/Breitling 2007, Powell 1999, Thiebaut 2007). Gebäude, die unter Denkmalschutz stehen, sollen so wenig als möglich in ihrer Substanz beeinträchtigt werden. In der Theorie darf nichts entfernt werden. Jede Zufügung muss so geplant sein, dass sie sich zu einem späteren Zeitpunkt wieder restlos zurückbauen lässt, also reversibel ist. In der Realität ist diese Forderung ganz offensichtlich aber schwer einzulösen. Defizite, die sich aus den Veränderungen des modernen Gebrauchs ergeben – beispielsweise Aufzüge oder Sanitärräume – sollten außerhalb des historischen Baubestands additiv hinzugefügt werden. Auch für die moderne Hautechnik muss man auf Lösungen zurückgreifen, welche die neuen Installationen ohne Verletzung des Bestands einfügen. Unter dem Gesichtspunkt der Energieeffizienz auf der einen Seite und der Bewahrung der identitätsstiftenden Gesamterscheinung auf der anderen Seite haben viele Architekten besonders in den Gebäuden der untergegangenen Schwerindustrie eigenständige Bauwerke in die großen Hallen gesetzt und so durch das „Haus-im-Haus“-Prinzip eine neue Antwort auf die Forderung nach additiven Lösungen gefunden. Gleichzeitig schafft der Raum zwischen dem Alten und dem Neuen einen Klimapuffer, welcher die Erfordernisse der Energieeffizienz erfüllt (▷Energieeffizientes Stadtentwicklung). In ähnlicher Weise , aber ohne auf die historisch begründete Denkmaleigenschaft einzugehen, haben A. und P. Smithson schon in den 1960er Jahren mit dem „as found“-Prinzip eine vergleichbare Position beschrieben, die davon ausgeht, dass jedes vorhandene Bauwerk genügend eigene, aus sich selbst entstandene und begründete Qualitäten
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habe, welche der Architekt nur erkennen und für seine Umbauplanung nutzen müsse. Auf diesem Wege entsteht dann eine eigene, vom alten Zustand unterschiedene und authentische Qualität. In diesem Sinne findet heute das „Weiterbauen“ die größte Übereinstimmung mit der Unterstellung, dass die Fortsetzung derjenigen Entwurfsgrundsätze, die sich aus dem Bestand ableiten lassen, auch für den zukünftigen Gebrauch des Hauses die geeignetsten sein müssten. Wie über den Bereich der geschützten Baudenkmale hinaus wurde zuerst im Werk des über lange Zeit als exzentrisch, eigenbrötlerisch und völlig unmodern geschmähten Architekten Carlo Scarpa (Schultz 2007) die Inszenierung des Historischen aus dem Kontrast thematisiert. Der Italiener Scarpa reduzierte die alte Burg (Castelvecchio) in Verona auf seine freigelegte Rohbaukonstruktion, fragmentierte das Vorgefundene durch scheinbar zufällige Eingriffe und komponierte die so gewonnenen Bruchstücke zusammen mit Elementen der modernen Architektur zu einem neuen, unzweifelhaft modernen Ganzen (Marciano 1989). Das Ergebnis ist gekennzeichnet durch den Kontrast von Neuem und Altem einerseits und durch die Gebrochenheit des architektonischen Raumes und der gewohnten Konstruktionen, die zunächst allen tradierten Sehgewohnheiten zuwiderlaufen. In Deutschland hat schon früh Karljosef Schattner den Ansatz von Scarpa aufgegriffen und besonders als Diözesanbaumeister von Eichstätt zahlreiche Bauwerke in diesem Sinne entwickelt. Die kontrastreiche Inszenierung von architektonischen Fragmenten ist heute eine der gebräuchlichen Strategien, die nicht nur im Kulturbau, sondern auch und v. a. in der modernen Einrichtung anspruchsvoller Verkaufsräume in alten Gebäuden überaus beliebt ist. Mit der respektvollen Pflege der Denkmalsubstanz hat dieses Vorgehen bei aller Faszination durch die eindrucksvollen Gestaltungen nichts gemein. Als pragmatisches, weniger aus der entwurflichen Gestaltung heraus entwickeltes Vorgehen ist schließlich die Zusammenfassung und die Teilung eine der gängigen Strategien im Umgang mit dem Baubestand. Bei wachsendem Wohlstand und größeren Flächenansprüchen werden mehrere kleine Gebäude zu einem größeren zusammengefasst und/oder erweitert. Bei schwindenden Ressourcen werden große Räume geteilt und hohe Geschosse geteilt. Letzteres lässt sich vielfach im 19. Jahrhundert und v. a. im Bereich des Wohnens nach dem Zweiten Weltkrieg beobachten. Nicht nur in diesem Fall kann heute die richtige Entwurfsidee darin bestehen, die letzten, gestalterisch und historisch ggf. weniger bedeutenden Schich-
ten wieder zu entfernen und damit den ursprünglichen Raumluxus wiederzugewinnen (Cramer/ Breitling 2007, Mastropietro 1996).
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Berufsbild Architektur im Bestand macht schon heute mehr als die Hälfte aller Bauaufgaben aus. Gleichwohl halten viele für den Neubau geschulte Architekten das Arbeitsfeld noch immer für minderwertig oder minder interessant. Der seit etwa 1980 vielfach verwendete Begriff „Bauen im Bestand“ reflektiert die Einschätzung, dass es in diesem Felde nur um architektonisch Unerhebliches gehen könne. Entsprechend uneinheitlich sind die professionellen Herangehensweisen an die Aufgaben. Vielfach wird bis heute, ein noch weitgehend nutzungsfähiges Gebäude (Hassler/Kohler 1999) ohne sachliche Notwendigkeit auf seine tragende Struktur reduziert, um so für den Planer die aus der bisherigen Berufserfahrung gewohnte Situation des architektonisch zu gestaltenden Rohbaus zu schaffen. Die über Jahrzehnte in der Denkmalpflege entwickelte sorgfältige Vorbereitung einer Baumaßnahme im Bestand durch exakte Dokumentation und umfassende Kenntnis der Bauund Veränderungsgeschichte sowie der technischen und gestalterischen Eigenheiten hat sich in der gängigen Praxis der Architektur im Bestand bisher nur ansatzweise durchgesetzt. Durch die so immer wieder entstehenden Unsicherheiten und Überraschungen während der Baudurchführung werden viele Planer bei der Veränderung im Bestand mit Rückschlägen und Misserfolgen in baupraktischer und finanzieller Hinsicht konfrontiert. Ob sich das Thema der „Architektur im Bestand“ angesichts immer kürzerer Erneuerungszyklen in der Investorenarchitektur demnächst gleichsam von selbst erledigt, weil ein Gebäude schon wieder abgerissen wird, bevor es überhaupt umgebaut werden könnte, hängt vom Verantwortungsbewusstsein der Politiker, Investoren und Architekten ab. Cramer
Literatur Cramer, J.; Breitling, S. (2007): Architektur im Bestand/Architecture in Existing Fabric. Berlin, Basel, Boston Hassler, U.; Kohler, N. (1999): Umbau, die Zukunft des Baubestands. Tübingen Marciano, F. (1989): Carlo Scarpa. München, Zürich Mastropietro, M. (Hrsg.) (1996): Restoration and beyond, Architecture from conservation to conversion. Milano Powell, K. (1999): Bauen im Bestand. Stuttgart Schultz, A.-C. (2007): Carlo Scarpa – Layers. Stuttgart Thiebaut, P. (2007): Old Buildings Looking for New Use. Stuttgart
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ARCHITEKTURDARSTELLUNG UND CAD
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ARCHITEKTURDARSTELLUNG UND CAD Begriffsbestimmung und -grenzung Als Architekturdarstellung bezeichnet man die visuelle Darstellung von geplanter oder gebauter Architektur. Die Darstellungsverfahren in der Architektur unterscheiden sich in Anschaulichkeit und Maßgerechtigkeit wesentlich. Von der bemaßten Herstellungszeichnung, die nur der Fachmann lesen kann, bis zum anschaulichen Bild der Perspektive gibt es eine Palette von althergebrachten zeichnerischen Darstellungsverfahren, die zunehmend von computergenerierten technischen Darstellungsverfahren abgelöst wurden (▷Kommunikation und Moderation). Diese Verfahren werden unter den Begriffen Computer Aided Design (CAD) und Computer Aided Architectural Design (CAAD) subsumiert. Die Architekturdarstellung dient während der Entwurfsphase (▷Entwerfen und Konstruieren) der ästhetischen und dreidimensionalen Überprüfung und Präsentation der geplanten Idee. Die dreidimensionale Darstellung in graphischer Form wird auch Visualisierung genannt. Darstellungsmethoden Grundriss, Ansicht und Schnitt sind die maßgerechten Darstellungen für die Werk- und Ausführungsplanung. Die Axonometrie ist ein räumliches Darstellungsverfahren, bei dem ein räumliches Objekt entsprechend einem rechtwinkligen Achsenkreuz parallel auf eine Zeichenebene projiziert wird. Es entsteht ein räumliches Bild. Bei der Arbeit mit den CAAD-Programmen ist ein axonometrisches Bild neben den Grund-, Auf- und Seitenrissen häufig ein wichtiges Hilfsmittel. Die Perspektive kommt dem natürlichen Sehvorgang sehr nahe, da wie beim Sehvorgang alle Projektionsstrahlen durch ein Projektionszentrum gehen. Dabei entsteht ein räumliches Bild, das durch die Darstellung der Objekte im Raum hintereinander und durch die entsprechende Verkleinerung der Objekte mit zunehmender Distanz vom Auge, der täglich erlebten Realität nahe kommt. Analog hierzu ist auch das Verfahren der Fotografie. In der Architekturdarstellung wird i. d. R. mit Perspektiven gearbeitet, bei denen die senkrechten Gebäudekanten parallel zur Ab-
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bildungsebene bleiben, was bedeutet, dass diese Kanten senkrecht bleiben, also stürzende Linien vermieden werden. Architektur- und städtebauliche Modelle (▷Städtebauliches Entwerfen/Urban Design) geben die Vorstellungen der Architekten und Stadtplaner als verkleinerte Abbilder der geplanten Realität wieder. Durch den Einsatz geeigneter Materialien kann ein sehr hoher Realitätsgrad erzielt werden. Die maßgerechten Darstellungen, Zeichnungen und Modelle werden üblicherweise in den Maßstäben 1:1.000 (Darstellung ganzer Stadtteile), 1:500 (Darstellung eines ausgewählten Gebietes), 1:200 und 1:100 (Darstellung von Einzelhäusern) hergestellt. Größere Maßstäbe, 1:50, 1:20 und 1:10, werden für die Werkplanung genutzt. Unabhängig von der Darstellungsart entwickeln die renommierten Architekten und Architekturbüros eine eigene „Handschrift“ für ihre Darstellungen. Dies geschieht aus Gründen der Selbstdarstellung der „Haltung“ des Architekten, aber auch um in anonymen Wettbewerbsverfahren (▷Wettbewerbe) für die Preisrichter erkennbar zu werden. Architekturzeichnungen und virtuelle Modelle, vormals stets per Hand gefertigt, werden heute hauptsächlich mit Hilfe aufwändiger Visualisierung und Computersimulation erstellt. Seit den 1990er Jahren können mit Hilfe von CADTechnik neben den Bauzeichnungen unmittelbar dreidimensionale Bilder generiert werden. Die 3D-Modelle können mit spezieller RenderingSoftware weiterbearbeitet werden. Das virtuelle Modell wird mit Texturen belegt, eine Perspektive z. B. mit Hilfe einer virtuellen Kamera bestimmt und diese in einer hohen Auflösung in ein zweidimensionales Foto umgesetzt, dieser Vorgang wird auch als „Rendern“ bezeichnet.Weit verbreitet ist heute die Darstellung fotorealistischer Bilder. In dieses künstlich erzeugte Bild können mit Hilfe von Bildbearbeitungssoftware z. B. Fotos von Menschen, Fahrzeugen, Pflanzen, dem Himmel, Hintergründen, Landschaften usw. integriert und farblich und perspektivisch so angepasst werden, dass ein natürlich räumlicher und fotorealistischer Eindruck entsteht. Bei der Animation wird auf der Grundlage von CAD-Daten ein Film erstellt. Dieser entsteht durch eine schnelle Aneinanderreihung vieler Einzelbilder. So kann durch das dreidimensionale Modell am Rechner mit der Kamera durch ein Gebäude gefahren werden, aber auch Material- und Lichtsimulationen, individuelle Energie- und Akustiksowie Aufbausimulationen sind möglich.
ARCHITEKTURDARSTELLUNG UND CAD
Computer Aided Design Mit CAD-Programmen kann man neben technischen Zeichnungen auch dreidimensionale Volumenmodelle erzeugen. Daraus können zwei- oder dreidimensionale Zeichnungen oder auch bewegte Visualisierungen der Objekte abgeleitet werden. Mit spezieller Software kann man mit den Volumenmodellen verschiedenartigste Simulationen durchführen, z. B. Lichtsimulationen oder auch Simulationen des Innenklimas bei Gebäuden. In den 1960er Jahren begann die Entwicklung von CAD-Systemen im Bereich des Flugzeugbaus in den USA und Frankreich und der universitären Forschung in Großbritannien. Zunächst wurden Programme zur 2D-Darstellung entwickelt, die die Darstellung verschiedener Ansichten erlaubten. Zum Betreiben dieser CAD-Systeme waren Großrechner und spezielle Bildschirme nötig, was mit hohen Kosten verbunden war. Die ab Mitte der 1980er Jahre aufkommenden Programme zur 3D-Darstellung ermöglichten eine neue Art des Technischen Zeichnens. Statt einer Zeichnung im klassischen Sinne wird ein 3D-Modell des Objektes modelliert. Dieses 3D-Modell ließ sich um zusätzliche geometriefremde Eigenschaften, wie z. B. Bemaßung, Farbe und Werkstoff erweitern. Ab Anfang der 1980er Jahre gab es CAD-Programme für PCs. Allerdings gab es beim Zeichnen im Computer kaum einen Unterschied zum Konstruieren auf dem Papier. Vorteilhaft waren jedoch die sehr sauberen Zeichnungen, die einfach wieder geändert werden konnten. Einfache 2D-CAD-Systeme sind vektorbasierte Zeichenprogramme, die sich prinzipiell relativ gering von der klassischen Arbeit am Zeichenbrett unterscheiden. Funktionen wie Mehrfachkopieren, Unterstützungen mit Hilfslinien, automatischem Finden von Fangpunkten wie z. B. Mittelpunkten, Lotrechten, Tangenten und automatisches Zeichnen der Äquidistante machen das Entwerfen mit CAD-Software allerdings um einiges effizienter und einfacher und um ein vielfaches genauer. Bei 2½D-CAD-Systemen werden ebenen 2DObjekten Höhen zugewiesen, die sich auf beliebigen Höhenkoordinaten im Raum befinden. Diese Methode ermöglicht ähnliche Ergebnisse wie bei Volumenmodellen, ist aber weniger rechenintensiv als 3D, unterliegt jedoch erheblichen Einschränkungen bei der Gestaltung der Objekte. In einem 3D-CAD-System werden die Geometriedaten der Objekte in drei Konstruktionsachsen dargestellt und ein Volumenmodell erzeugt. Dabei gibt es verschiedene Modellierungsverfahren. Bei Kanten- bzw. Drahtmodellen werden die
Körperkanten als gedachte Drahtgeometrie durch eine mathematische Beschreibung abgebildet. Ein Netz wird gedanklich über die Körperkanten gespannt, dabei erhält man ein Flächenmodell, welches man in beliebiger Ansicht betrachten kann. Beim Flächenmodell werden die den Körper begrenzenden Flächen wie beim Kanten- bzw. Drahtmodell mathematische beschrieben, zusätzlich wird die Topologie der Flächen, d. h. eine Beschreibung, welche Flächen aneinandergrenzen, festgehalten. Beim Volumenmodell wird neben den beschreibenden Flächen eines Körpers die Information der Seite der jeweiligen Fläche, die eine Außenfläche bildet, beschrieben, d. h. die Fläche ist eine Begrenzungsfläche des Volumens und dient einerseits zur Feststellung von Durchdringungen sowie zur Volumenbestimmung eines dargestellten Objektes. Das Körpermodell vereinigt alle bisher beschriebenen Modelle (besteht also aus Kanten, Flächen, dem dazugehörigen Volumen) und enthält zusätzliche Informationen bezüglich des Werkstoffes und der Oberflächenbeschaffenheit. Bei der Konstruktionshistorie wird das Objekt durch eine Reihe von Konstruktionsschritten, wie z. B. Vereinen oder Schneiden, aus Grundgeometrien wie z. B. Quader, Zylinder oder Kegel hergeleitet. Die Reihenfolge der Konstruktionsschritte sowie die geometrischen Parameter der Grundkörper werden gespeichert. Ein wesentlicher Vorteil des historienbasierten Modellierens ist die hohe Flexibilität. Durch Änderungen an den einzelnen Konstruktionsschritten kann die ursprünglich festgelegte Geometrie auch im Nachhinein vielfältig geändert werden, wenn die Konstruktionslogik der Erstellungslogik im CAD-System folgt.
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Moderne CAD-Programme können Ansichten in beliebigen Schnittwinkeln und beliebiger Projektion komplett von einem 3D-Modell ableiten und in eine digitale technische Zeichnung umwandeln. Hierbei besitzen die einzelnen Objekte eine weitgehende Assoziativität zwischen den verschiedenen Darstellungsarten, i. d. R. der Zeichnung und dem daraus abgeleiteten 3D-Objekt, d. h. Änderungen an der Zeichnung ändern auch gleichzeitig das 3D-Modell. Ausblick Die Entwicklung im Bereich der Architekturdarstellung und des CAD geht in den nächsten Jahren
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ARCHITEKTUREXPORT
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eindeutig in eine Richtung, die durch den Begriff Building Information Modelling (BIM) definiert werden kann. Bei dieser Gebäudeinformationsmodellierung wird ein einziges Datenmodell erstellt, an dem alle Teilnehmer des Planungsprozesses gemeinsam arbeiten. Möglich wird dies durch die Leistungsfähigkeit von Hard- und Software. Für den Architekten und Planer entsteht so in Zukunft wieder die Chance, am gesamten Planungsprozess, auch gestalterisch, führend teilzunehmen. Hirche
ARCHITEKTUREXPORT
Vorbemerkung Sucht man Beispiele für deutsche Exportschlager, so denkt man an Autos, Bier und Derrick – der Begriff Architektur taucht dagegen selten in diesem Zusammenhang auf. Tatsächlich scheint Deutschland in der Architektur eher Import- als Exportweltmeister zu sein. Dabei existieren Büros, die erfolgreich Architektur exportieren. Wegen der Nähe zum größten deutschen Flughafen gibt es besonders viele davon in Frankfurt am Main, darunter die AS&P – Albert Speer & Partner GmbH. Die Ausrichtung auf den internationalen Markt ist jedoch auf dem Sektor der ▷Architektur und ▷Stadtplanung eine Ausnahmeerscheinung: Die deutsche Wirtschaft gründet ihren Erfolg seit Bestehen der Bundesrepublik auf einen starken Export. Auch große Teile der deutschen Bauindustrie operieren exportorientiert. In Zeiten eines schnell schrumpfenden Inlandsmarktes richtet sich gegenwärtig auch der Blick vieler Architekten auf das Ausland. Anlass genug, Architektur als Exportgut näher zu betrachten. Begriffsbestimmung Begreift man Architekturexport nur als die Ausführung von Bauaufgaben im Ausland, so hat diese Form des Exports durchaus eine lange Tradition. Gerade prominente Bauaufgaben wurden und werden weltweit als internationale ▷Wettbewerbe ausgeschrieben. Doch diese Form des internationalen Architekturaustausches bezieht nur eine kleine Gruppe von Büros mit ein. I. d. R. sind dies Architekturbüros, die mit ihrer Auslandstätigkeit keinen spezifischen strategischen Ansatz verfolgen, sondern deren Architektur vielmehr auf-
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grund ihrer besonderen Designauffassung und abhängig von Einzelbegabungen, Moden und gesellschaftlichen Strömungen, für einen meist begrenzten Zeitraum auch im Ausland besonders nachgefragt ist. Aus Einzelprojekten kann aber nur dann ein Exportschlager werden, wenn man den Export von Planungsleistungen als eigenen strategischen Ansatz versteht. Die Grundzüge einer solchen Strategie sind dabei die gleichen wie in anderen Wirtschaftszweigen, in denen der Export eine wesentliche Rolle spielt: Das Agieren auf einem Exportmarkt verteuert zunächst das Produkt. Erfolgreich exportieren kann daher nur, wer eine Alleinstellung auf dem Markt innehat, aufgrund besonderer Produktionsfaktoren besonders preiswert produzieren oder eine überdurchschnittliche aber marktgerechte Qualität anbieten kann. Die ersten beiden Ansätze sind für deutsche Neulinge im Exportmarkt kaum Erfolg versprechend. Dafür lassen sich aber bspw. städtebauliche Projekte und Architektur mit besonders hoher Planungsqualität aus Frankfurt am Main nach China, Saudi Arabien oder Dubai exportieren. Die Strategie sollte sich dabei an drei Fragestellungen orientieren: Welche Planungsansätze können angeboten werden? Auf welchen Märkten gibt es eine entsprechende Nachfrage und gleichzeitig akzeptable Arbeitsbedingungen? Welche Kompromisse müssen eingegangen werden, um auf diesen Märkten erfolgreich zu sein und sind diese tragbar? Die letzte Frage ist in der internen Diskussion oft die interessanteste, doch die beiden anderen Fragestellungen sind entscheidend. Den spezifischen Ansatz kann man nachvollziehen, wenn man Auslandsprojekte analysiert und mit anderen Projekten auf den jeweiligen Märkten vergleicht: Bspw. versucht AS&P stets, den europäischen oder deutschen Know-how-Vorsprung zu nutzen, um möglichst nachhaltige, technologisch innovative Stadtquartiere und Gebäude zu errichten. Dies ist zwar auch ein wesentliches Kriterium bei Inlandsprojekten, im Ausland findet es sich aber ausnahmslos. Dabei sind die besondere Qualifikation der eigenen Mitarbeiter und deren Erfahrung aus sehr verschiedenen Projekten eine wichtige Ressource. Von Vorteil ist, dass deutsche und europäische Architekten und Ingenieure auf der Basis gewachsener Traditionen, Methoden und Haltungen ausgebildet werden, die einerseits eine völlig selbstverständliche Basis für alle weiteren Entwicklungen sind, andererseits aber einen wesentlichen Unterschied zum inzwischen ebenfalls hohen Ausbildungsniveau bspw. chinesischer Ingenieure darstellen. Erfolg versprechend für den Export von Planung und Architektur sind daher
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Märkte, die einerseits den Bedarf, das Bewusstsein und das ökonomische Potenzial für einen Technologie- und Qualitätssprung haben, diesen aber – noch – nicht aus eigener Kraft vollziehen können. Daher gehören der Mittlere und Ferne Osten, aber auch Russland und der Kaukasus zu den derzeit interessantesten Auslandsmärkten. Export-Strategien Innovationen und Nachhaltigkeit sind wichtige Elemente des Exporterfolges. Der Know-how- und Innovationstransfer sollte aber immer in angemessener Form, stets an die Bedürfnisse und Möglichkeiten des Kunden angepasst geschehen. Die für chinesische Verhältnisse seinerzeit ökologisch hochinnovativen Projekte „Anting New Town“ oder „Zhang Jiang High Tech Park“ in Shanghai würden in Deutschland vermutlich kein Aufsehen mehr erregen. Es war aber in beiden Fällen entscheidend, die neuen Technologien behutsam einzuführen und ein Technologieniveau zu wählen, das die lokale Bauindustrie realisieren konnte. Diese Strategie der kleinen, realistischen Schritte ist erfolgreicher als die unreflektierte Übertragung westlicher Standards auf andere Märkte. Basis ist allerdings ein hohes Technologieniveau, das auf dem Inlandsmarkt entsteht. Während natürlich belüftete Hochhäuser oder Passivhäuser in Innenstädten v. a. in Deutschland gebaut werden, kommt das Know-how aus solchen Vorhaben auch den Auslandsprojekten zugute. Für den Export von Architektur ist außerdem die gestalterische Qualität entscheidend. Dabei muss keine oberflächlich erkennbare Handschrift entstehen. Dennoch können Gestaltungsgrundsätze angebracht sein, die sich an allen Projekten ablesen und nachweisen lassen und die entscheidend für den Erfolg sind. Es ist bspw. möglich, auf Basis der Tradition der europäischen Moderne Gebäude zu entwerfen, deren Gestalt aus dem Ort und ihrer Funktion entwickelt wird. Ihre europäische Herkunft und ihr Entstehungsdatum verleugnen diese Gebäude auch dann nicht, wenn sie Elemente lokaler Bautraditionen integrieren. So nimmt etwa der Entwurf von AS&P für den „Criminal Court Complex“ im saudi-arabischen Riad Gestaltungselemente und Materialien seiner Umgebung auf, ordnet und interpretiert sie jedoch streng geometrisch und entwickelt den Baukörper damit zu einer eigenständigen, europäisch-klaren Form, die in ihren Proportionen, in ihrem Zusammenspiel von Innen- und Außenraum, in der Interpretation der Fassade und des Gebäudekerns sehr modern ist. Die innere Organisation bezieht
gleichzeitig alle Erkenntnisse aus ähnlichen Planungsaufgaben in Deutschland mit ein – bspw. berücksichtigt die Grundrissgestaltung wichtige bauliche Sicherheitsaspekte. Das „Ministry of Water and Electricity“ nimmt dagegen lokale Gestaltungselemente im Detail auf und verwendet sie im Kontext einer europäisch anmutenden Büroarchitektur. Ein solch undogmatischer Architekturansatz, der, von abstrakten Grundsätzen ausgehend, Raum für die Anpassung an die Bedürfnisse und Haltungen des Kunden lässt, führt unternehmensintern immer wieder zu Fragen der Grenzziehung. Diese können gestalterische Aspekte betreffen ebenso wie die eigene Arbeitsweise. Bspw. wünschen sich arabische Auftraggeber in den meisten Fällen vorerst ein attraktives Bild des Projekts, ohne auf die weiteren Details einzugehen. Die Frage, ob noch nicht fundiert untersuchte und daher möglicherweise schwierig zu realisierende Planungsvarianten mit dem Kunden diskutiert werden sollen, stellt sich in Deutschland üblicherweise nicht. In Dubai erwartet der Kunde aber genau das. Es gilt daher darauf zu achten, dass die eigenen Qualitätsmaßstäbe erhalten bleiben und das Ergebnis gleichzeitig den Bedürfnissen des Kunden so nahe wie möglich kommt. Auf diese Weise beeinflusst jedes Exportprojekt im Umkehrschluss die weitere Entwicklung des exportierenden Unternehmens und ist damit gleichzeitig die Voraussetzung für dessen weiteren internationalen Erfolg. Denn die erforderliche Flexibilität und die aus derartigen Diskussionen und Projekten resultierenden Erfahrungen sind letztlich der Kern des Wissensvorsprungs, der mit jedem Projekt wieder exportiert werden kann.
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Bienhaus, Brand
AUSBILDUNG ZUR PLANUNG Es besteht kaum ein Zweifel darüber, dass räumliche Planung weltweit an Bedeutung eher zunehmen wird und dass Planung auch in weiten Teilen eine öffentliche Aufgabe bleiben wird. Darauf deutet auch der wachsende Stellenwert nationaler Stadtentwicklungspolitiken in Europa hin (▷Europäische Raumentwicklungspolitik) – selbst in Ländern wie Deutschland, in denen eine nationale Politik lange Zeit keine Rolle gespielt hat (▷Stadtpolitik). Gleichwohl hat die räumliche Planung – trotz einer Vielzahl von Studiengängen in den an-
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gelsächsischen Ländern – in Deutschland keinen besonders hohen Stellenwert in der Wissenschaft, war in den letzten Jahren auch in der Praxis eher auf dem Rückzug und in der Defensive, auch wenn gegenwärtig ein Interesse an der Intensivierung von ▷Kooperationen mit Wirtschaft und Verwaltung zu beobachten ist. Das Interesse an den entsprechenden Studiengängen ist allerdings – gemessen an der Zahl der Bewerbungen – gewachsen. Mit der Umstellung der Studiengänge auf Bachelor und Master, also auf ein zweistufiges (wenn nicht gar mit den sich entwickelnden formalisierten Promotionsprogrammen dreistufiges) Ausbildungssystem, ist erneut Bewegung in die Debatte um die Ziele der Ausbildung in den raumplanerischen Studiengängen gekommen (AESOP 2008). Die raumplanerische Ausbildung steht dabei vor widersprüchlichen Anforderungen, die teilweise allgemeiner Art sind, also alle universitären Ausbildungen gleichermaßen betreffen, teilweise aber auch spezifisch für die Ausbildung von Planern sind. Allgemeine Anforderungen Mit der – in ihren Ergebnissen umstrittenen – Umstellung der Studiengänge auf Bachelor und Master im Zuge des Bolognaprozesses sind Erwartungen und Anforderungen formuliert worden, deren Einlösung bislang nicht ohne weiteres als erfüllt bezeichnet werden kann, worauf auch der Deutsche Hochschulverband wiederholt hingewiesen hat. Mit der Umstellung sollten unterschiedliche Ziele erreicht werden: Studiengänge sollten europaweit kompatibel werden, so dass die Ergebnisse vergleichbarer gemacht, ein Wechsel zwischen den Hochschulen erleichtert werden sollte. Die Internationalisierung sollte vergrößert werden, mehr Studierende sollten zumindest einen Teil ihres Studiums im Ausland verbringen. Die Studierenden sollten schneller studieren und schneller einen berufsqualifizierenden Abschluss erreichen. Dadurch sollte es erleichtert werden, die stärker auf wissenschaftliche Laufbahnen orientierten Studierenden auf die Masterstudiengänge zu konzentrieren. Mit diesen Veränderungen sollte den Anforderungen von Internationalisierung und ▷Globalisierung sowie der Entwicklung auf eine Informations- und ▷Wissensgesellschaft, in der Wissen, seine Produktion und Weitergabe, zu zentralen
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Ressourcen wirtschaftlicher Prosperität werden, Rechnung getragen werden. Diese Ziele enthalten aber implizit widersprüchliche Anforderungen: Wenn es bei Wissen um die Verarbeitung und Bewertung, die Neukombination von Informationen geht, erfordert dies eher eine umfassende Bildung und verträgt sich nicht so gut mit einer Beschleunigung von Ausbildung; v. a. durch das Erreichen berufsqualifizierender Abschlüsse nach der ersten Studienstufe bzw. dem ersten Studiengang im Bachelor; dies ist aber gerade Kern der Bolognareform. Die Kompatibilität von Studiengängen hat durch die Modulorientierung nicht unbedingt zugenommen, weil nicht mehr wie in der Vergangenheit Leistungsnachweis für Leistungsnachweis die Anerkennung zwischen Hochschulleistungen erfolgt, sondern nach Modulen. Module sind aber nahezu zwangsläufig weniger vergleichbar, weil im Zuge des – durchaus gewollten – verschärften Wettbewerbs der Universitäten die Ausdifferenzierung der Studiengänge in immer kleinere Spezialisierungen massiv zugenommen hat. Ein stärker reglementiertes und verschultes Curriculum mit Normverläufen zur Förderung der Schnelligkeit des Abschlusses verträgt sich nicht mit Auslandsaufenthalten, deren Anerkennung im Standardcurriculum nicht gesichert ist. Hinzu kommt, dass bei einer Regelstudienzeit von sechs Semestern im Bachelor der Auslandsaufenthalt zu einer Zeit vorbereitet werden muss, zu der die Studierenden noch kaum in ihrem Studiengang angekommen sind. Daher zeigen die ersten Erfahrungen auch, dass die Quote der Auslandsaufenthalte deutlich zurückgegangen ist. Bei einigen Studierenden, die bereits als Schüler Auslandsaufenthalte durchgeführt haben, ist erkennbar, dass auch im Studium der Auslandsaufenthalt wie selbstverständlich eingeplant wird, nicht selten ist dabei aber die Verlängerung des Bachelorstudiums, ein bis zwei Semester zusätzlich werden dabei in Kauf genommen. Der Anteil der Studierenden, die neben dem Studium arbeiten und sich so den Lebensunterhalt finanzieren, bleibt hoch. Bei der hohen Arbeitsbelastung durch das Studium, wird die Zeitkonkurrenz größer. Die Bachelorausbildung ist sehr viel stärker zweckgerichtet und weniger auf eine breite Grundlagenausbildung orientiert, das wird auch an den Anreizen und im Verhalten der Studierenden erkennbar. Sie engagieren sich weniger außerhalb des engen Curriculums, das
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sie auch zeitlich sehr intensiv belastet. Sie fragen stärker nach Vorgaben, richten sich sehr eng an diesen Vorgaben aus, leisten das, was gefordert ist, aber kaum etwas darüber hinaus. (G 8, also die Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur, an den Schulen führt zu den gleichen Entwicklungen, es bleibt einfach keine Zeit mehr für Experimente und Seitenwege.) Das geht z. T. so weit, dass die Fragen interessierter Studierender von deren Kommilitonen mitunter als zeitraubend und überflüssig eingestuft werden.
Die Bolognareform (wie auch die Verkürzung der Gymnasialzeit auf acht Jahre) scheinen eher nach dem Motto erfolgt zu sein, dass die Überholspur als der gerade Weg ins Glück anzusehen sei. Eine buddhistische Weisheit besagt, dass wer es eilig habe, einen Umweg machen solle, was eher klassischen Bildungsidealen entspricht. Dass gegenwärtig weitgehend nach dem ersten Grundsatz verfahren wird, führt dazu, dass die Reform eher Ausbildung und Training als Bildung betont. Spezifische Anforderungen Planung ist eine junge und wenig etablierte „Disziplin“. Interdisziplinäre Ansprüche (▷Interdisziplinarität, Transdiziplinarität) und die Vielfältigkeit der Anforderungen an die Ausbildung lassen befürchten, dass die Umstellung eher bisherige Schwächen der Ausbildung verstärkt und neue Probleme erzeugt (Kunzmann 2008). Nach Blotevogel (2008) ähnelt der Versuch, die verschiedenen Ansprüche an ein raumplanerisches Hochschulstudium miteinander in Einklang zu bringen, der Quadratur eines Kreises. Aus verschiedenen Gründen werden die Herausforderungen für die Planungsstudiengänge größer: Die Internationalisierung von Planungsaufgaben erfordert zusätzliche Kenntnisse und Qualifikationen. Der Konflikt zwischen Anwendungsorientierung, der in den Planungsstudiengängen immer einen hohen Stellenwert hatte und haben muss (AESOP 2008), und der wissenschaftlichen Grundlagenorientierung nimmt zu (so klagen etwa die planungswissenschaftlichen Institute, dass sie in den Gremien der DFG nicht ausreichend repräsentiert seien). Verschärft wird dies durch den Konflikt zwischen Praxisrelevanz und der Sicherung wissenschaftlicher Exzellenz, die gerade im internationalen Wettbewerb und den durch die Exzellenzinitiative geförderten Wettbewerb zwischen den deutschen Hochschulen an Be-
deutung gewonnen hat. Die Anforderungen an wissenschaftliche Exzellenz rücken die disziplinäre Fundierung stärker in den Vordergrund und fördern so ohnehin vorhandene zentrifugale Kräfte und stärken daher nicht die Wettbewerbsfähigkeit der entsprechenden Fakultäten oder Institute. In der Ausbildung spielen Praxisaufenthalte gleichwohl eine zentrale Rolle – die ihrerseits zunehmend zumindest teilweise im Ausland absolviert werden. Die ▷Planungswissenschaften sind durch den Versuch gekennzeichnet, immer wieder eine Balance zwischen Interdisziplinarität und disziplinärer Fundierung zu finden, da sie keinen eigenen disziplinären Kern haben, sondern ein „Mosaik unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen“ bilden, das sich nach den Anforderungen der Ausbildungsaufgabe strukturiert (Blotevogel 2008). Mit der Forderung nach Exzellenz geraten interdisziplinäre Studiengänge eher unter Druck und die Anforderung an eine entsprechende Fundierung des Faches wachsen. Mit dem Umbau des Hochschulsystems und der Exzellenzinitiative haben sich Anreize verändert. Der von Hochschulmanagern zu hörende Leitsatz „Lehre folgt Forschung“ schafft wenig Anreize für eine exzellente und interdisziplinäre Lehre – auch die Exzellenzinitiative zur Lehre hat einen deutlich geringeren Stellenwert und ist immer noch nicht etabliert. Die Anreize, die in vielen universitären Leistungsbewertungssystemen enthalten sind, führen zu einer deutlich höheren Bewertung von (Drittmittel-) Forschung und allen damit zusammenhängenden Aktivitäten, so dass der Spagat zwischen Forschung und Lehre eher vergrößert wird. Noch nicht am Ende ist die Debatte um das Verhältnis der Studienabschlüsse und den berufsständischen Organisationen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Bedeutung der Kammern und anderer berufständischer Organisationen zurückgehen könnte, ist mittelfristig die Kammerfähigkeit von Absolventen der Planungsstudiengänge für ihre berufliche Perspektive von großer Bedeutung. Neben wissenschaftlichen Kompetenzen spielen in den Studiengängen zunehmend auch soziale Kompetenzen (Soft Skills) eine zentrale Rolle. Solche Generalistenkompetenzen, Fähigkeiten der Prozessteuerung, Moderation und Konfliktlösung (▷Kommunikation, Moderation, ▷Partizipation), Sprach-, Präsentationsund Beurteilungsfähigkeit bilden zunehmende Anforderungen an die Planungsdisziplin ab, die nicht die technischen Fähigkeiten ersetzen,
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sondern ergänzen müssen, aber gleichwohl im Curriculum um Zeitanteile in einem knapp bemessenen Ausbildungsgang konkurrieren. Für die Ausbildung stellt sich eine weitere Herausforderung in der Etablierung einer universitären Weiterbildung – etwa durch berufsbegleitende Masterstudiengänge – wie sie in jüngster Zeit insbesondere im Bereich Immobilienmanagement (▷Real Estate Management) zahlreich entstanden sind. Damit müssen sich auch die Hochschulen dem wachsenden Bedarf an lebenslangem Lernen (▷Weiterbildung) Rechnung tragen, ohne dass die Strukturen dafür schon hinreichend absehbar, geschweige denn etabliert wären.
Ache, P. (2008): Raumplanerausbildung in Europa – Situation und Perspektiven. In: Raumforschung und Raumordnung, 6, 508518 Blotevogel, H. H.; Scholz, T. (2008): Zukunftsfähige Raumplanungsausbildung: Das Beispiel der Fakultät Raumplanung der TU Dortmund. In: Raumforschung und Raumordnung, 6, 519-532 Kunzmann, K. R. (2008): Die Bologna-Beschlüsse und die möglichen Konsequenzen für die Ausbildung von Raumplanern in Deutschland. In: Raumforschung und Raumordnung, 6, 498-507 Meier, T. (2008): Absolventenstudie 2007/08 des Instituts für Stadtund Regionalplanung. Berlin
Erfahrungen mit dem Übergang zwischen Bachelor/Master und Diplomstudium lassen vermuten, dass Diplomabsolventen im Vergleich deutlich selbständiger sind, weil sie vom Curriculum viel stärker darauf vorbereitet wurden, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen und eigene Motivation ins Spiel zu bringen. Erst eine längere Erfahrung wird zeigen, welcher Weg zu höherer Leistungsbereitschaft im Durchschnitt führt, wie sich das Verhältnis zwischen Zielgerichtetheit und Effizienz einerseits und Selbständigkeit andererseits entwickeln wird.
Eine der wichtigsten Unterscheidungen des ▷Bauplanungsrechts bezieht sich auf die Abgrenzung zwischen dem Außenbereich und dem Innenbereich. Im Innenbereich darf man bauen, im Außenbereich grundsätzlich nicht. Der Innenbereich ist durch den „im Zusammenhang bebauten Ortsteil“ definiert, der Außenbereich stellt die Restkategorie dar, in die alle Flächen hineingehören, die nicht durch einen Bebauungsplan als Bauland ausgewiesen sind und auch nicht im Zusammenhang bebaut sind
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Der „im Zusammenhang bebaute Ortsteil“ Fazit Die Planungsaufgaben werden nicht kleiner werden. Damit steigen die inhaltlichen Anforderungen. Gleichzeitig wachsen die Anforderungen durch Veränderungen der strukturellen Rahmenbedingungen – für die Orientierung an wissenschaftlicher Exzellenz spielen Kriterien der Anwendungsorientierung und Praxisrelevanz eine eher untergeordnete Rolle. Durch die Einbeziehung größerer Akteurskreise in Planungsaufgaben steigen auch die Ansprüche an die sozialen Kompetenzen der Planer, die ebenfalls ein größeres Gewicht in der Ausbildung erhalten müssen. Zusätzlich stellt sich für die Hochschulen die Anforderung, sich an der Fort- und Weiterbildung auf Dauer intensiver zu beteiligen. Sich mit diesen anspruchsvollen, heterogenen und widersprüchlichen Herausforderungen auseinander zu setzen, wird eine Daueraufgabe für die Planerausbildung bleiben. Henckel, Pahl-Weber
Literatur AESOP (2008): Towards a European Recognition for the Planning Profession. Leuven
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Ein ,,im Zusammenhang bebauter Ortsteil“ ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ,,jeder Bebauungskomplex, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt, Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist und deshalb ein Bereich für eine angemessene Fortentwicklung der Bebauung ist“ (BVerwGE 31:26; NJW 1976:1855; NJW 1984:1576). Ein Ortsteil i. S. d. § 34 BauGB kann sich nach dem BVerwG nicht unter Überschreitung der rechtlichen Gemeindegrenzen hinweg bilden (BVerwG 03.12.1998, 4 C 7/98; bestätigt von BVerwG 19.09.2000, 4 B 49.00; anders noch das OVG Lüneburg, BauR 1995:825), weil dadurch die Planungshoheit einer Gemeinde ausgehebelt werden könne. Die Voraussetzungen für einen Ortsteil sind bei regelloser, d. h. willkürlich erscheinender Anordnung der vorhandenen Gebäude nicht erfüllt. Kann die optische Regellosigkeit aber sinnvoll erklärt werden, z. B. durch die Funktion der Gebäude, durch Bodenbeschaffenheit oder ähnliche Umstände, kann der regellos erscheinende Bestand dennoch Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur sein und die Anwendung des § 34 BauGB rechtfertigen.
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Ob ein Ortsteil im Zusammenhang bebaut ist, lässt sich im Einzelfall oft nur schwer beantworten. Jedenfalls müssen die Gebäude dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. Ställe und Gartenhäuser sind grundsätzlich keine Bebauung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB (BVerwG 02.08.2001, 4 B 26.01). Auch ein Sportplatz stellt keinen Bebauungszusammenhang her, selbst wenn dort ein Kassenhäuschen und Flutlichtmasten vorhanden sind (BVerwG 10.07.2000, 4 B 39.00); entsprechendes gilt für befestigte Tennisplätze (BVerwG 08.11.1999, 4 B 85.99). Kleingartengebiete oder Baulichkeiten, die ausschließlich landwirtschaftlichen Zwecken dienen, können ebenfalls für sich genommen keinen Ortsteil bilden (BVerwG, NJW 1984:1576). Gleiches gilt für 20 Ferienhäuser (OVG Bremen, BauR 1984:495), während ein Weiler mit fünf Wohnhäusern und fünf landwirtschaftlichen Nebengebäuden durchaus ein Ortsteil sein kann (VGH Mannheim, BauR 1984:496). Auch eine unbebaute Fläche in der Innenstadt, die ganz von Bebauung umgeben ist, liegt nicht innerhalb des Bebauungszusammenhangs, wenn sie so groß ist, dass sich ihre Bebauung nicht als zwanglose Fortsetzung der vorhandenen Bebauung aufdrängt (zur Baulücke im Innenbereich vgl. BVerwG ZfBR 1987:44 – Sanatorium in Konstanz). Dies ist dann ein sog. ,,Außenbereich im Innenbereich“ (siehe unten). Ob ein unbebautes Grundstück, das sich einem Bebauungszusammenhang anschließt, diesen Zusammenhang fortsetzt oder ihn unterbricht, hängt davon ab, inwieweit nach der maßgeblichen Betrachtung der ,,Verkehrsauffassung“ die aufeinanderfolgende Bebauung trotz der vorhandenen Baulücke den Eindruck der Geschlossenheit bzw. der Zusammengehörigkeit vermittelt (so wörtlich das BVerwG, NVwZ-RR 1992:227). Ähnlich BGH WM 1982:1315 (Eindruck der Geschlossenheit entscheidet). Auch der unbebaute Teil eines bebauten Grundstücks kann den Bebauungszusammenhang unterbrechen (BVerwG, 4 B 78.93 in Hoppe/Stüer 1995:Rn. 362). Die Innenbereichssatzung Der Gesetzgeber hat die Gemeinden ermächtigt, die schwierige Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich zeichnerisch mit Hilfe von sog. Innenbereichssatzungen vorzunehmen. 1976 wurde zunächst die reine Klarstellungssatzung des (damaligen) § 34 Abs. 2 BBauG eingeführt. Danach konnten die Gemeinden die Grenzen für die im Zusammenhang bebauten Ortsteile oder für Teile von diesen durch eine Satzung festlegen.
Rechtsprechung und Lehre waren sich darüber einig, dass mit dieser Satzung nach § 34 Abs. 2 BBauG nur die bereits vorhandenen Gegebenheiten auf der Karte nachvollzogen werden konnten. Was zum Innenbereich gehörte, konnte und durfte nicht ausgegliedert werden; was zum Außenbereich rechnete, konnte nicht durch Satzung zum Innenbereich gemacht werden. Nur einzelne Grundstücke konnten in den Innenbereich einbezogen werden, wenn dadurch der im Zusammenhang bebaute Ortsteil abgerundet wurde, dies mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar war und wenn auf solchen Grundstücken die zulässige Nutzung nach den Maßstäben des § 34 Abs. 1 bestimmt werden konnte. Eine Abrundungssatzung, die planungsrechtliche Festsetzungen enthielt, war nach der ersten Fassung des Gesetzes unzulässig und unwirksam (OVG Saarlouis NVwZ 1982:126; im Anschluss an VGH München, BayVBl. 1981:341; zu den rechtlichen Grenzen einer Abgrenzungssatzung nach dem BBauG vgl. auch VGH Kassel, NVwZ 1985:839 und VGH München, BayVBl. 1985:567 und 690; zur Abrundungssatzung nach dem BauGB 1987 vgl. BVerwG, ZfBR 1990:248 – Die Einbeziehung einzelner Außenbereichsflächen in den Geltungsbereich einer Satzung, mit der die Gemeinde die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegt, stellt nur dann eine ,,Abrundung“ des Innenbereichs dar, wenn dadurch die Grenzlinie zwischen Innen- und Außenbereich ,,begradigt“ oder in anderer Weise vereinfacht wird). Seither wurden die Möglichkeiten der Abgrenzungssatzung mehrfach erweitert. Seit 1987 können gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 2 BauGB über die bisherigen Möglichkeiten der Grenzklarstellung und des Einbeziehens von (damals) ,,einzelnen Abrundungsgrundstücken“ hinaus auch ,,bebaute Bereiche im Außenbereich“ als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festgelegt werden, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind (Entwicklungssatzung). Seit dem 1. Dezember 1998 dürfen nicht mehr nur einzelne Abrundungsgrundstücke, sondern auch einzelne ,,Außenbereichsflächen“ in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbezogen werden, ,,wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind“. Von der ,,Innenbereichs-Ergänzungssatzung“ nach § 34 Abs. 4 Nr. 3 und von der ,,Entwicklungssatzung“ nach Nr. 2 ist die 1998 aus dem BauGBMaßnahmenG in das BauGB übernommene „Außenbereichssatzung“ nach § 35 Abs. 6 BauGB zu unterscheiden. Mit Hilfe der Außenbereichs-
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satzung können ,,bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist“, für ergänzende Wohnungsbauvorhaben und kleine Handwerks- und Gewerbebetriebe in der Weise geöffnet werden, dass einige wesentliche öffentliche Belange diesen Vorhaben nicht entgegengehalten werden können. Näheres dazu wird unten bei § 35 BauGB ausgeführt. In den Satzungen nach § 34 BauGB können auch einzelne Festsetzungen nach § 9 BauGB getroffen werden, also solche Festsetzungen, die sonst einem Bebauungsplan vorbehalten sind. Zulässig sind aber nur Festsetzungen zur Regelung der durch die Satzung zugelassenen Vorhaben – keine sonstigen „allgemeinen“ Festsetzungen (vgl. BayVGH 16.10.2003, 1 N 01.3178 – Festsetzung einer öffentlichen oder privaten Grünfläche unzulässig). In entsprechender Anwendung der Regeln des vereinfachten Verfahrens nach § 13 BauGB müssen die Entwicklungs- und Ergänzungssatzung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 BauGB ein dem Bebauungsplanverfahren ähnliches Aufstellungsverfahren durchlaufen. Es ist also entweder eine öffentliche Auslage durchzuführen oder den betroffenen Bürgern und berührten Trägern öffentlicher Belange Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVPG unterliegen, darf nicht begründet werden. Die Gefahr der Beeinträchtigung von FFH-Gebieten oder Vogelschutzgebieten darf nicht bestehen. Bei der Aufstellung einer Ergänzungssatzung ist nach § 34 Abs. 5 Satz 4 BauGB die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung (▷Eingriff und Ausgleich) zu bearbeiten. Bauen im Außenbereich Das Bauen im Außenbereich ist prinzipiell unerwünscht, es kann und soll jedoch nicht gänzlich verboten werden. § 35 BauGB, der das Bauen im Außenbereich regelt, verfolgt daher zwar grundsätzlich das Ziel, das Bauen im Außenbereich zu verhindern (so ausdrücklich BVerwG, BRS 25 Nr. 58; BRS 23 Nr. 75), gestattet jedoch die Ausführung einer Reihe von einzeln aufgezählten Vorhaben auch im Außenbereich. Bei der Beschäftigung mit § 35 ist zu beachten, dass der Hauptanwendungsbereich der Vorschrift zwar durchaus der ,,Außenbereich“ im Wortsinn ist, also Feld, Wald und Wiese außerhalb der Ortschaften; daneben kann § 35 aber auch innerhalb
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von Siedlungsbereichen zur Anwendung kommen, nämlich im sog. ,,Außenbereich im Innenbereich“. Dies beruht darauf, dass zu § 35 all das gehört, was nicht unter § 30 oder § 34 fällt. Demnach gehören zu § 35 auch solche unbebauten Flächen in den Städten und Dörfern, für die es keinen Bebauungsplan gibt und für die § 30 deshalb nicht anwendbar ist, die aber auch nicht in den Zusammenhang eines bebauten Ortsteiles integriert sind, so dass auch die Anwendung des § 34 ausscheidet. Dabei kann es sich z. B. um Brachflächen zwischen zusammenwachsenden Ortsteilen, aufgegebene Fabrikgelände, ehemaliges Bahngelände oder um aufgegebene innerstädtische Flughäfen handeln – Flächen jedenfalls, die so groß sind, dass sie den Bebauungszusammenhang unterbrechen, ohne zugleich Anschluss an die freie Landschaft zu finden. Die privilegierten Vorhaben Was ist nun im ,,klassischen Außenbereich“ und im ,,Außenbereich im Innenbereich“ zulässig? Es gibt einige Vorhaben, wie z. B. Bauernhöfe, Steinbruchanlagen oder Abdeckereien, die typischerweise in den klassischen Außenbereich gehören. Die zugehörigen Gebäude sind daher von Gesetzes wegen im Außenbereich unter der Bedingung zugelassen, dass öffentliche Belange nicht entgegenstehen und eine ausreichende Erschließung gesichert ist. Damit diese Bevorzugung nicht zu einer Zersiedlung des Außenbereichs durch zahlreiche unterschiedliche Vorhaben führt, hat der Gesetzgeber in § 35 Abs. 1 unter nunmehr sieben Ziffern die Vorhaben aufgezählt, die er als in den Außenbereich gehörend betrachtet. Diese Aufzählung ist abschließend. Es handelt sich um Vorhaben, die entweder zur Land-, Forst- oder Gartenbauwirtschaft gehören (Nr. 1 und 2) oder die wegen ihrer besonderen (i. d. R. für etwaige Nachbarn ungünstigen) Eigenarten besser im Außenbereich aufgehoben sind (Nr. 3 bis 7). Angesichts des Strukturwandels in der Landwirtschaft ist die Frage zunehmend wichtig, unter welchen Umständen ein landwirtschaftlicher Nebenerwerbsbetrieb noch als privilegiert eingestuft werden kann. Gewinnerzielungsabsicht und Gewinnerzielung sind ein wichtiges Indiz, aber nicht allein entscheidend. Fehlt es an Gewinnerzielung, können andere Indizien wie z. B. die Größe der Betriebsfläche, die Betriebsorganisation, das aufgewendete Kapital, der Bestand an Maschinen und Tieren, die Zahl der Arbeitnehmer für die Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung und damit für die Betriebseigenschaft im Sinne der Nr. 1 sprechen.
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Entscheidend ist, dass die Nachhaltigkeit der landwirtschaftlichen Tätigkeit hinreichend gewährleistet ist (BVerwG, NVwZ 1986:916; BVerwG, NJW 1989:601 und BVerwG, ZfBR 1989:177). Durch das EAG Bau ist für landwirtschaftliche Betriebe eine zusätzliche Aktivität im Außenbereich legitimiert worden, nämlich die Installation von Biogasanlagen. Je Hofstelle oder Betriebsstandort ist eine Anlage zur Erzeugung von elektrischer Energie aus Biogas mit einer Leistung von maximal 0,5 Megawatt zulässig, wenn die Anlage in einem räumlich funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb steht (also nicht isoliert irgendwo im Außenbereich) und die Biomasse überwiegend aus diesem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen landwirtschaftlichen oder gartenbaulichen Betrieben (einschließlich Tierhaltungsbetrieben auch nach § 35 Abs. 1 Nr. 4) stammt. Die Konzentrationsflächen Soweit Ziele der Raumordnung nicht entgegenstehen, kann die Kommune die Ansiedlung von privilegierten Vorhaben im Außenbereich nicht nur positiv durch die Aufstellung von Bebauungsplänen, sondern auch negativ durch die Darstellung von Konzentrationsflächen im Flächennutzungsplan steuern. Dazu heißt es in § 35 Abs. 3: ,,Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 auch dann entgegen, wenn hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der ▷Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.“ Mit diesem Satz wurde das Institut der sog. Konzentrationsflächen in das BauGB eingeführt. Mit der Darstellung von Konzentrationsflächen kann eine Gemeinde ihren Willen zum Ausdruck bringen, dass die betreffenden Anlagen – insbesondere Windkraftanlagen – nur innerhalb dieser Flächen errichtet werden sollen - nicht aber an anderer Stelle, für die der Flächennutzungsplan wiederum eine andere Bewirtschaftung als geeignete Bodennutzung vorsieht (z. B. landwirtschaftliche Nutzung). Die Lage der Konzentrationsflächen kann wiederum großräumig durch die Landesplanung mittels der Ausweisung von Eignungsgebieten gesteuert werden. Die nichtprivilegierten Vorhaben Alle Vorhaben, die nicht unter § 35 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 subsumiert werden können, sind nicht privilegiert, sie gehören nicht in den Außenbereich. Gemäß § 35 Abs. 2 können sie aber als ,,sonsti-
ge Vorhaben“ dennoch im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt. Diese Generalklausel liest sich auf den ersten Blick recht großzügig. Es wird der Eindruck erweckt, als hätte man auch nach Abs. 2 gute Chancen für die Genehmigung eines Vorhabens im Außenbereich. Diese Zuversicht wird jedoch nachhaltig getrübt, wenn man im § 35 Abs. 3 nachliest, welche öffentlichen Belange einem Vorhaben insbesondere entgegengehalten werden können. Zu diesen öffentlichen Belangen zählen nämlich insbesondere: 1) die Darstellungen des Flächennutzungsplans, 2) die Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, 3) schädliche Umwelteinwirkungen, 4) unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen und andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder die Gesundheit oder für sonstige Aufgaben, 5) Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihr Erholungswert oder das Orts- und Landschaftsbild, 6) die Agrarstruktur und die Wasserwirtschaft, 7) die Gefahr der Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung und schließlich (nur bei raumbedeutsamen Vorhaben und – soweit das Ziel reicht – nicht durch Abwägung überwindbar) 8) die Ziele der Raumordnung.
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Diese lange, noch erweiterungsfähige Liste macht deutlich, dass nichtprivilegierte Vorhaben nur selten genehmigungsfähig sind. Praktisch besteht insoweit im Außenbereich ein Bauverbot. Die begünstigten Vorhaben Bis 1976 gab es nur den krassen Gegensatz zwischen den privilegierten und den nichtprivilegierten Vorhaben. Dies wirkte sich besonders hart in den Fällen einer ,,Entprivilegierung“ aus. Von einer Entprivilegierung spricht man, wenn die Nutzung eines bislang nach § 35 Abs. 1 in den Außenbereich gehörenden und damit privilegierten Gebäudes (z. B. eines Bauernhofs) in der bisherigen Form aufgegeben und durch eine nichtprivilegierte Nutzung (z. B. durch Vermietung als Ferienwohnung) ersetzt werden soll. Solche Nutzungsänderungen sind genehmigungspflichtig; bis 1976 waren sie häufig nicht genehmigungsfä-
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hig – eben weil die Gebäude durch die Nutzungsänderung entprivilegiert wurden (zur Problematik vgl. insbesondere BVerwG, BauR 1975:44), die angestrebte Nutzung gehörte ,,eigentlich“ nicht in den Außenbereich. Wurde die Nutzungsänderung dementsprechend nicht genehmigt, mussten die Gebäude dem Verfall preisgegeben werden – ein sowohl wirtschaftlich als auch allgemein sehr unbefriedigendes Ergebnis. Um dem abzuhelfen, wurden 1976 die ersten begünstigten Vorhaben in das Bundesbaugesetz eingeführt. Das gemeinsame Merkmal aller begünstigten Vorhaben ist, dass sich die Begünstigung auf im Außenbereich bereits vorhandene, im Zeitpunkt ihrer Errichtung zulässigerweise Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit muss geprüft worden sein; nach BauO genehmigungsfreie Vorhaben sind keine „zulässigerweise errichteten“ Gebäude i. S. d. § 35 Abs. 4 BauGB – (so BVerwG 08.10.1998, 4 C 6.97) errichtete bauliche Anlagen bezieht, die nun (i. d. R. wegen einer Nutzungsänderung) nicht mehr zu den privilegierten Vorhaben gehören. Ein klassisches Beispiel dafür sind eigentlich erhaltenswerte, das Bild der Kulturlandschaft prägende Gebäude, deren Nutzung wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit aufgegeben worden ist. Man denke z. B. an eine alte, aber noch gut erhaltene Windmühle, in der schon lange kein Getreide mehr zu Mehl gemahlen wird. Steht sie an landwirtschaftlich reizvoller Stelle, so wäre es schade, wenn sie verfallen müsste (bereits zu Ruinen verfallene Gebäude sind nicht mehr begünstigt: BVerwG, NJW 1983:950; ebenso BVerwG, NVwZ 1985:184. Zur Nutzungsänderung eines alten Bahnhofs vgl. BVerwG, ZfBR 1991:131. Zum Begriff des die Kulturlandschaft prägenden Gebäudes VGH München, NVwZ-RR 1995:320). Wenn sich jemand findet, der in diesem Gebäude einen Jugendtreffpunkt, eine Teestube, ein Museum einrichtet, dann ist dies eine bessere Lösung als der Verfall. Das Gesetz ermöglicht diese Umnutzung, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung des Gebäudes und der Erhaltung des Gestaltwertes dient (vgl. § 35 Abs. 4 Ziffer 4). Nicht kulturell von Belang, aber wirtschaftlich sinnvoll ist es, wenn ein nicht mehr für die Landwirtschaft genutztes Gebäude einer neuen Nutzung z. B. als Ponyhof oder Landmaschinenwerkstatt oder auch nur als Reifenlager (vgl. VGH Kassel, BauR 1984:274 – Umnutzung abgelehnt) zugeführt wird; derartige Nutzungsänderungen sind zulässig wenn sie sieben, im Gesetz in § 35 Abs. 4 Nr. 1 genannte Bedingungen erfüllen, darunter die Voraussetzung, dass die äußere Gestalt des Gebäudes im wesentlichen erhalten bleiben muss.
Der Aus- und Umbau von Wohngebäuden im Außenbereich ist sogar in der Weise zulässig, dass an Stelle eines mangelhaften Gebäudes, das zulässigerweise als Wohnhaus errichtet worden ist (,,zulässigerweise errichtet“ sind genehmigte oder im Zeitpunkt ihrer Errichtung genehmigungsfähige Gebäude; vgl. BVerwG, NJW 1980:1010), ein gleichartiges Wohngebäude an (im wesentlichen) gleicher Stelle errichtet wird (§ 35 Abs. 4 Nr. 2) (zu den Grenzen siehe BVerwG 19.02.2004, 4 C 4.03). Ebenso wie eine Erweiterung ist der Neubau allerdings nur dann zulässig, wenn damit der Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, oder seiner Familie erfüllt wird (§ 35 Abs. 4 Nr. 2 lit. d und Nr. 5 lit. c); wer zur Familie gehört, richtet sich nach § 8 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (BVerwG, NJW 1981:1225; bestätigt von BVerwG, ZfBR 1988:285 und 286). Wohnzeiten anderer Voreigentümer sind nicht anzurechnen (BVerwG, NJW 1981:1225 und 2143; vgl. auch BVerwG, ZfBR 1988:198), wohl aber die eines Erblassers. Eine Erweiterung muss auch im Verhältnis zum bereits vorhandenen Wohngebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der angestammten Bewohner ,,angemessen“ sein; denn zur Weitervermietung an Städter sollen die Ausbauten nicht dienen. Auch ehemals zulässigerweise errichtete gewerbliche Betriebe im Außenbereich dürfen nach Entprivilegierung noch baulich erweitert werden, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist (vgl. § 35 Abs. 4 Nr. 6; vgl. BVerwG, ZfBR 1991:83). Insbesondere in diesem Zusammenhang ist der Hinweis wichtig, dass es neben den gesetzlichen Tatbeständen keine Ansprüche auf Zulassung von Vorhaben aus dem Gesichtspunkt des Bestandsschutzes gibt (anders zunächst BVerwG 17.01.1986, 4 C 80.82 – „erweiterter Bestandsschutz“, aufgegeben durch BVerwG 12.03.1998, 4 C 10.97 – „Außerhalb der gesetzlichen Regelungen gibt es keinen Anspruch auf Zulassung eines Vorhabens aus eigentumsrechtlichem Bestandsschutz“)! Für alle diese Vorhaben (schließlich auch noch für die Wiedererrichtung von durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten Gebäuden an gleicher Stelle (vgl. § 35 Abs. 4 Nr. 3; Beispielfall: BVerwG, ZfBR 1991:80) hat der Gesetzgeber in § 35 Abs. 4 angeordnet, dass dem Aus-, Um- oder Neubau bestimmte öffentliche Belange nicht entgegengehalten werden können, die üblicherweise die Unzulässigkeit des Umbaus, des Ausbaus, der Umnutzung oder des Wiederaufbaus dieser nicht
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mehr privilegierten Gebäude herbeiführen würden. Folgende öffentliche Belange sind nicht als Ablehnungsgründe verwendungsfähig: die Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans, die Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft, die Gefahr der Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung. Bildlich ausgedrückt ist bei den begünstigten Vorhaben die Schranke der Unzulässigkeit zwar nicht ganz, aber doch halb geöffnet, so dass die Chance der Genehmigung weitaus größer ist als bei sonstigen nichtprivilegierten Vorhaben. Die Außenbereichssatzung nach § 35 Abs. 6 BauGB Der Begünstigung sehr ähnlich ist der Status eines Vorhabens, das im Geltungsbereich einer Außenbereichssatzung nach § 35 Abs. 6 BauGB errichtet werden soll. Mit Hilfe der Außenbereichssatzung können ,,bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaft lich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist“, für ergänzende Wohnungsbauvorhaben und kleine Handwerksund Gewerbebetriebe in der Weise geöffnet werden, dass bestimmte öffentliche Belange diesen Vorhaben nicht entgegengehalten werden können. Sehr ähnlich zu den begünstigten Vorhaben sind als Gegenargumente im Geltungsbereich einer Außenbereichssatzung nicht verwendbar: eine Darstellung im Flächennutzngsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald oder die
Befürchtung, dass eine Splittersiedlung entstehen oder sich verfestigen könnte. Die Satzung muss mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sein. Sie kann sich nur auf den „bebauten Bereich“ erstrecken; sie ist kein Instrument, um einen Siedlungssplitter in den Außenbereich hinein zu erweitern (OVG Lüneburg 27.07.2000, 1 L 4472/99). Eine „Wohnbebauung von einigem Gewicht“ kann aber schon ab vier Häusern vorhanden sein (BayVGH 12.08.2003, 1 BV 02.1727). In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden, aber nur solche Bestimmungen, die sich auf die gemäß der Satzung zulässigen Vorhaben beziehen, nicht aber anderweitige Regelungen (vgl. OVG Münster 08.06.2001, 7a D 52/99.NE – Verpflichtung zum Einbau von Flugfeuerschutzvorrichtungen). In entsprechender Anwendung der Regeln des vereinfachten Verfahrens nach § 13 BauGB muss die Satzung ein dem Bebauungsplanverfahren ähnliches Aufstellungsverfahren durchlaufen. Es ist also entweder eine öffentliche Auslage durchzuführen oder den betroffenen Bürgern und berührten Trägern öffentlicher Belange Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVPG unterliegen (▷Umweltprüfung), darf nicht begründet werden. Die Gefahr der Beeinträchtigung von FFH-Gebieten oder Vogelschutzgebieten darf nicht bestehen.
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Literatur Hoppe, W.; Stüer, B. (1995): Rechtsprechung zum Bauplanungsrecht. München
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BARRIEREFREIES BAUEN
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Vorbemerkung Im folgenden Beitrag werden nicht einzelne technische Lösungen vorgestellt oder auf gängige DINNormen Bezug genommen, sondern barrierefreies Bauen im Zusammenhang mit Städtebau, Architektur und Handicap kurz beleuchtet. Barrieren im Alltag selbst sind vielfältig. Dies können bauliche, soziale sowie auch kommunikative Barrieren sein. All diese Hindernisse treten im täglichen Leben auf und betreffen sowohl behinderte als auch nicht behinderte Menschen. Oberstes gesellschaftliches Ziel sollte daher sein, diese Schwellen soweit wie möglich zu minimieren oder gar nicht erst entstehen zu lassen, indem beispielsweise baulich vorausschauend geplant wird, denn „barrierefreies Planen und Bauen … schließt niemanden aus“ (Stadt Münster 2005) und dient daher der sozialen Integration. Begriffsbestimmung im städtebaulichen Kontext Die Fachrichtung ▷Städtebau übernimmt, vereinfacht gesagt, die planerische, gestalterische und umsetzende Funktion, um (öffentliche) funktionierende städtische Gefüge zu schaffen. ▷Stadtplanung hat somit einen enormen Einfluss auf die Integration bzw. Separation bestimmter Bevölkerungsgruppen, wie ausländische Mitbürger, Senioren, Kinder oder eben Menschen mit Handicap. Betroffene Individuen können einerseits von einer körperlichen Einschränkung als auch von einer Sinnesbehinderung betroffen sein, aber ebenso auch durch alltägliche äußere Barrieren in ihrer Mobilität eingeschränkt werden. Leider sind sich viele Städtebauer dieser gesellschaftlichen Verantwortung meist gar nicht bewusst. Hier besteht ein enormer Handlungsbedarf, d. h., der Fokus darf z. B. nicht nur auf funktionierenden stadtplanerischen, verkehrstechnischen, grünplanerischen oder architektonischen Strukturen liegen, sondern muss auch auf die gesellschaftlichen Auswirkungen dieser städtischen Gefüge ausgerichtet sein. Begriffsbestimmung im architektonischen Kontext Diese Fähigkeit, des „über den Tellerrand Schauens“, gilt auch für die ▷Architektur. Baukunst ist mehr, als nur das Gestalten und Entwerfen eines Gebäudes bzw. einer Parzelle oder einer großen
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Fläche. Heutige Architekten verwenden gerne für ihren Beruf den Begriff des „Allround Managers“. Im Bereich der rasanten baulichen und technischen Entwicklung ist dies sicher zutreffend, aber leider profitiert der soziale Aspekt des Gestaltens von diesem ständigen Lernen und Weiterbilden, bisher sowohl in der Ausbildung als auch in der späteren Praxis, kaum. Eher fristet die soziale Verantwortung im baulichen Sektor ein Schattendasein und wird überwiegend unter ökonomischen Aspekten betrachtet. Immerhin ist es seit 2002 Standard, dass Bauvorhaben des Bundes ab einer Million Euro (vgl. Behindertengleichstellungsgesetz) barrierefrei gestaltet werden müssen. Die meisten Landesbauordnungen (LBO) fordern nun auch bei Neubauten verpflichtend barrierefreie Maßnahmen, wirtschaftliche Verhältnismäßigkeit vorausgesetzt. In fast allen Bundesländern wurde die Thematik „Barrierefreiheit“ in die Landesbauordnung rechtsverbindlich als „Technische Baubestimmung“ bauaufsichtsrechtlich eingeführt (▷Bauaufsichtliche Verfahren). Obwohl im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) explizit vermerkt ist, was Barrierefreiheit bedeutet, finden in planerischen (Entscheidungs-)Gremien immer wieder Diskussionen statt, wie viel Barrierefreiheit nötig ist und wie diese auszusehen hat. Eine absolute Barrierefreiheit ist baulich leider nicht realisierbar, dafür existieren zu viele verschiedene Behinderungen und Einschränkungen mit sehr unterschiedlichen Bedürfnissen. Es gilt, einen adäquaten Mittelweg zu finden, dies besagt aber nicht, sich planerisch beispielsweise nur auf Aspekte der Körperbehinderten zu beschränken. Diese Diskrepanz kommt wohl daher, da viele Planer bis heute den Begriff Barrierefreiheit mit Rollstuhlgängigkeit gleichsetzen. Eine gute Architektur zeichnet sich aktuell u. a. durch eine klare gestalterische Handschrift, funktionale Energie- sowie Licht- und Verschattungskonzepte, klare Erschließungssysteme, am besten sich „selbsterklärend“, und den Aspekt der Nachhaltigkeit aus. Sollte es sich um ein öffentliches Gebäude handeln, ist es selbstverständlich, dies möglichst barrierefrei für alle Bevölkerungsgruppen zu erschließen sowie erfahr- und erlebbar zu machen. Auch hier liegen Integration (=barrierefreies Gesamtkonzept) und Separation (=keine oder minimale barrierefreie bauliche Strukturen) nah beieinander. An dieser Stelle kommt nun wieder das Umfeld bzw. der Städtebau ins Spiel. Die Nutzbarkeit eines barrierefrei ausgestatteten Gebäudes wird massiv eingeschränkt, wenn Wege und Erschließungen zu diesem Objekt alles andere als hindernisfrei sind. Hier wird erkennbar,
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dass verantwortungsbewusstes Planen und Bauen nicht an Grundstücksgrenzen aufhören. Architektur und Städtebau müssen also eine Symbiose bilden, insbesondere bei öffentlichen Projekten. Erst dann ist es möglich, schon im Planungsstadium optimale bauliche Rahmenbedingungen und Voraussetzungen zu schaffen, um eine größtmögliche Grenzen überschreitende Barrierefreiheit zu erreichen. Definition Behinderung Behinderung ist eine sehr komplexe und weit gefasste Begriffsbestimmung. Die Definition bzw. der Behindertenbegriff und ebenso die Rechte benachteiligter Menschen sind in Deutschland per Gesetz verankert, wie etwa im Grundgesetz, Behindertengleichstellungsgesetz (§ 3 BGG) und im Neunten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen. Der Behinderungsbegriff enthält eine zeitliche Komponente: „Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist“ (§ 4 BGG). Das SGB IX nimmt diese Definition wörtlich auf und ergänzt sie zusätzlich mit: „Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist“. International findet sich hingegen bisher keine eindeutige Definition. Es ist extrem schwierig, alle mannigfaltigen Behinderungen und Barrieren zu definieren, zu berücksichtigen sowie baulich zu fassen. In der internationalen Medizin halten sich zudem die meisten Ärzte konsequent an die Definition der World Health Organization (WHO) zur „International Classification of Functioning, Disability and Health“ (ICDIH II; WHO 2001), da bisher keine eindeutige internationale Auslegung von der Definition „Behinderung“ existiert. Die ICIDH II beinhaltet die vier Begrifflichkeiten: „impairment“: Schädigung, „disability“: Beeinträchtigung der Aktivität (funktionelle Einschränkung), „handicap“: Beeinträchtigung der Partizipation (soziale Beeinträchtigung) und „environmental factors“: Umweltfaktoren. Praxisbeispiel Die TU Darmstadt, als öffentliche Institution, ist bemüht, sowohl die Problematik von Mobilitäts-, Körper- und Sinnesbehinderten als auch solcher
Personen mit einzubeziehen, die in ihrem täglichen Umgang auf bauliche, soziale und kommunikative Barrieren stoßen. Zielgruppe sind nicht nur Studenten, Universitätspersonal und ausländische Gäste, sondern auch Senioren (Gasthörer), Eltern mit Kinderwagen sowie temporär behinderte Menschen, die zeitweise in ihrer Bewegung und/oder Orientierung eingeschränkt sind. Als Leitbild dient die größtmögliche soziale Integration. Die drei Schlagworte „Städtebau“, „Architektur“ und „Behinderung“ werden im „Projekt Handicap“ zusammengeführt, im Konsens gesehen und wissenschaftlich betreut. Vor vier Jahren wurde dieses Vorhaben an der TU Darmstadt gegründet und ist nun fester Bestandteil der Universität. Akteure sind die Bauabteilung, Verwaltung, Lehrende und Forschende verbunden mittels Kooperationen und interdisziplinärer Zusammenarbeit. Angestrebt werden barrierefreie äußere, wie innere Erschließungen und Wegebeziehungen sowie (bauliche und technische) Maßnahmen, sodass einzelne Gebäude von allen Personen, auch mit einer Einschränkung, selbstständig genutzt werden können. Eine Schwierigkeit diesbezüglich bereitet die Topographie Darmstadts. Diese beinhaltet sehr viele Hügel und somit starke Steigungen. Es ist somit baulich fast unmöglich, eine durchgehende Barrierefreiheit für Mobilitätsbehinderte zu schaffen. Hier muss stets hinterfragt werden, ob DIN-konforme Planung (=barrierefrei) vor barrierearmen Lösungen (=nicht immer mit der DIN übereinstimmend) steht. Es stellt sich also immerzu die kontroverse Frage: Integration oder nicht umsetzbare DIN-konforme Planungen? Die Umsetzung innerhalb der Universität funktioniert nicht immer reibungslos. Ein Leitkonzept hilft, in komplexen (finanziellen) Gesamtsituationen dennoch einen planerischen sowie ästhetischen Konsens zu finden. Die barrierefreien/barrierearmen Planungen und Umsetzungen sind in dieser Form an der TU Darmstadt erst seit dem Erhalt des Autonomiestatus (seit Januar 2005) realisierbar. Dies beinhaltet, dass die Planungshohheit über alle Flächen und Gebäude bei der Hochschule selbst liegen. Daher ist es nun möglich, baulich so einzuwirken, dass die vielfältigen Nutzer durch größtmögliche Barrierefreiheit oder barrierearme Lösungen integrativ unterstützt werden.
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Literatur Stadt Münster – Sozialamt (Hrsg.) (2005): Broschüre Bauen für Alle – Barriere frei! Münster WHO – World Health Organisation (Hrsg.) (2001): ICDIH II Beta 2 draft. Zugriff auf www.who.org am 26.04.2009
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BAUAUFSICHTLICHE VERFAHREN
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Der Katalog der verfahrensfreien Vorhaben wurde gegenüber der alten Bauordnungsfassung erweitert. Auch die Beseitigung von baulichen Anlagen bedarf keiner Genehmigung mehr. Komplizierte Abrissvorhaben müssen jedoch angezeigt werden.
Begriff Genehmigungsfreistellung (§ 63 BauO Bln) Bauaufsichtliche Verfahren sind - neben den materiellen Vorschriften (wie z. B. Brandschutz, Abstandsflächen) – Bestandteil des ▷Bauordnungsrechts. Die Regelungskompetenz ist wegen der Zuordnung zum Polizeirecht den Bundesländern zugewiesen. Im Fokus von Deregulierungs- und Beschleunigungsbestrebungen der Länder entwickelte sich das Bauordnungsrecht zunehmend auseinander, beförderte aber die Liberalisierung und Weiterentwicklung bauaufsichtlicher Verfahren. Deshalb verabschiedete die Bauministerkonferenz im Jahre 2002 eine Musterbauordnung (MBO), die diese Entwicklungen aufgriff, um allen Bundesländern einen neuen einheitlichen Maßstab zur Verfügung zu stellen, an dem sich die jeweiligen Landesgesetzgeber orientieren können. Zentrales Anliegen der neuen Verfahren ist dabei die Reduzierung bauaufsichtlicher Prüfprogramme auf wesentliche Prüfinhalte und die Stärkung der Eigenverantwortung der am Bau Beteiligten. Folgende verfahrensrechtlichen Grundtypen wurden in diesem Zusammenhang entsprechend angepasst und fortgeschrieben: verfahrensfreie Vorhaben, die Genehmigungsfreistellung, das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren und das Baugenehmigungsverfahren. Die MBO lässt den Ländern in definierten Grenzen Umsetzungsspielräume. Die folgenden Ausführungen und Paragrafen beziehen sich auf die Bauordnung für Berlin (BauO Bln) vom 29.09.2005, zuletzt geändert durch § 9 des Gesetzes vom 07.06.2007. Sie setzt die Liberalisierungsansätze der MBO sehr weitgehend um. Verfahrensrechtliche Grundtypen Verfahrensfreie Vorhaben, Beseitigung von Anlagen (§ 62 BauO Bln) Diese (kleineren) Vorhaben (z. B. Garagen), aber auch Anlagen der technischen Gebäudeausrüstung dürfen ohne Einbindung der Behörde und ohne Einschaltung einer bauvorlageberechtigten Person (Bauvorlageberechtigung: § 66) errichtet werden.
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Folgende Vorhaben unterfallen der Genehmigungsfreistellung. Sie bedürfen keiner Baugenehmigung: 1) keine Sonderbauten (§ 2 Abs. 4) sind und 2) im Geltungsbereich eines Bebauungsplans im Sinne des § 30 Abs. 1 oder 2 BauGB liegen und den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht widersprechen oder die erforderlichen Befreiungen und Ausnahmen nach § 31 BauGB erteilt worden sind oder in einem planungsrechtlichen Bescheid gemäß § 74 Abs. 2 abschließend als insgesamt planungsrechtlich zulässig festgestellt worden sind, und bei denen 3) die ▷Erschließung im Sinne des BauGB gesichert ist, Die Bauvorlagen müssen entsprechend der Bauverfahrensverordnung von einer bauvorlageberechtigten Person (§ 66) vollständig eingereicht werden. Die Behörde prüft grundsätzlich nicht; sie erhält nur Gelegenheit in die Genehmigungsfreistellung einzugreifen, wenn das Vorhaben gegen einen künftigen Bebauungsplan verstößt, von dem der Entwurfsverfasser noch keine Kenntnis haben kann. Äußert sich die Baugenehmigungsbehörde nicht, darf mit dem Bauen einen Monat nach Vorlage der vollständigen Unterlagen begonnen werden. Der Entwurfsverfasser trägt in der Genehmigungsfreistellung die Verantwortung sowohl für die Einhaltung des materiellen Bauordnungs- und des sonstigen öffentlichen Fachrechts (Baunebenrecht). Über Abweichungs-, Befreiungs- und Ausnahmeanträge wird isoliert entschieden. Vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren (§ 64 BauO Bln) Dem vereinfachten Baugenehmigungsverfahren unterfallen Vorhaben, die 1) keine Sonderbauten (§ 2 Abs. 4) sind und 2) nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans im Sinne des § 30 Abs. 1 oder 2 BauGB liegen bzw. kein abschließender planungsrechtlicher Bescheid vorliegt. Die Bauvorlagen müssen von einer bauvorlageberechtigten Person unterschrieben sein. Unvoll-
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ständige oder mangelhafte Bauvorlagen sind in einer von der Bauaufsichtsbehörde zu setzenden angemessenen Frist zu ergänzen bzw. zu korrigieren. Werden die Mängel nicht innerhalb dieser Frist behoben, gilt der Antrag als zurückgenommen (§ 70 Abs. 1). Der vollständige Bauantrag ist Gegenstand einer eingeschränkten behördlichen Prüfung, in der die Bauaufsicht Stellungnahmen der Behörden und Dienststellen einholt, deren Beteiligung vorgeschrieben oder deren Stellungnahme für die Beurteilung im Rahmen des Prüfprogramms beurteilungsrelevant ist (§ 70 Abs. 2). Das bauaufsichtliche Prüfprogramm im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren umfasst die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit, beantragte Abweichungen, die bauordnungsrechtliche Erschließung und das Abstandsflächenrecht (§§ 4 bis 6) sowie die Prüfung der anderen öffentlich-rechtlichen Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt oder ersetzt wird. Charakteristisch für das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren ist, dass vom Grundsatz her eine Prüfung des Bauordnungsrechts nicht stattfindet; die Prüfung der §§ 4 bis 6 stellt insofern eine Berliner Besonderheit dar. Im Wesentlichen zielt das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren auf eine planungsrechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung ab. Durch den letzten Prüfpunkt wird die Entscheidung darüber, ob im Baugenehmigungsverfahren eine Prüfung des sonstigen öffentlichen Fachrechts (Baunebenrecht) stattfindet oder nicht, ausdrücklich dem Fachrecht selbst zugewiesen. Die vom Prüfprogramm betroffenen und beteiligten Behörden haben innerhalb einer Frist von einem Monat gegenüber der Bauaufsichtsbehörde ihre Stellungnahme abzugeben, anderenfalls gilt das Einvernehmen der Fachbehörde als erteilt (§ 70 Abs. 2). Aus Sicht des Fachrechts notwendige Ausnahme- oder Befreiungsanträge sowie fachrechtlich nachzufordernde zusätzliche Unterlagen unterbrechen diese Frist. Liegen die Stellungnahmen der beteiligten Behörden und Dienststellen vor, entscheidet die Bauaufsichtsbehörde über den Bauantrag innerhalb einer Frist von einem Monat (§ 70 Abs. 3). Wird diese Frist nicht eingehalten, gilt die Baugenehmigung fiktiv als erteilt (§ 70 Abs. 4). Der Entwurfsverfasser trägt im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren die alleinige Verantwortung für die Einhaltung des nicht von der Bauaufsichtsbehörde geprüften materiellen Bauordnungs- und Baunebenrechts.
Baugenehmigungsverfahren (§ 65 BauO Bln) Nur Sonderbauten (§ 2 Abs. 4) unterliegen dem Baugenehmigungsverfahren, und zwar unabhängig davon, welche planungsrechtlichen Rahmenbedingungen dem Vorhaben zu Grunde liegen. Da nur noch Sonderbauten im Baugenehmigungsverfahren geprüft werden, fällt dem Sonderbaubegriff eine verfahrenssteuernde Wirkung zu. Grund hierfür ist das besondere Gefahrenpotenzial, welches von diesen Gebäuden und Nutzungen ausgehen kann. Da in vielen Fällen die Standardanforderungen der Bauordnung ungeeignet sind, um Sonderbauten, wie z. B. Hochhäuser oder Versammlungsstätten angemessen zu beurteilen, können von der Bauaufsichtsbehörde an solche Bauvorhaben besondere Anforderungen gestellt oder Erleichterungen von den bauordnungsrechtlichen Grundanforderungen zugelassen werden (§ 52). Soweit im Land keine eigenen Rechtsverordnungen für Sonderbauten existieren, orientiert sich das behördliche Ermessen an den von den Gremien der Bauministerkonferenz veröffentlichten Muster-Sonderbauvorschriften (vgl. www.bauministerkonferenz.de). Das Einreichen von Bauvorlagen, das Erfordernis der Bauvorlageberechtigung und die Behördenbeteiligung entsprechen dem vereinfachten Baugenehmigungsverfahren. Das bauaufsichtliche Prüfprogramm im Baugenehmigungsverfahren umfasst die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit, die bauordnungsrechtliche Zulässigkeit sowie die Prüfung der anderen öffentlich-rechtlichen Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt oder ersetzt wird (siehe oben).
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Nachdem die Stellungnahmen der beteiligten Behörden und Dienststellen bei der Baugenehmigungsbehörde eingegangen sind oder das Einvernehmen einer Behörde wegen Fristablaufs als erteilt gilt, bleibt der Bauaufsichtsbehörde ein Monat, um über den Bauantrag zu entscheiden. Diese Frist ist im Unterschied zum vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nur eine Ordnungsfrist, deren Überschreitung zunächst ohne Folgen bleibt. Im Rahmen einer Untätigkeitsklage kann der Bauherr jedoch überprüfen lassen, ob die Behörde nicht innerhalb einer angemessenen Frist auf den Bauantrag reagiert hat. Deshalb ist die Bauaufsichtsbehörde gehalten, den Bauherrn über etwaige Verzögerungsgründe vor Ablauf der Frist zu informieren.
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Soweit im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens Erleichterungen von bauordnungsrechtlichen Anforderungen gewährt werden, ergeht hierzu kein separater Abweichungsbescheid; mit Erteilung der Baugenehmigung wird über die Erleichterungen entschieden. Vom Entwurfsverfasser begehrte Erleichterungen sind nicht zu beantragen, aber schriftlich darzulegen. Der Entwurfsverfasser trägt im Baugenehmigungsverfahren die alleinige Verantwortung für die Einhaltung des sonstigen öffentlichen Baunebenrechts. Prüfung bautechnischer Nachweise (§ 67 BauO Bln) Da die bautechnischen Risiko- und Gefährdungspotenziale vom Vorhaben abhängen und nicht vom bauaufsichtlichen Verfahren, ist die Prüfung bautechnischer Nachweise in § 67 eigenständig geregelt. Dies kann zur Folge haben, dass der Nachweis der Standsicherheit und/oder des Brandschutzes geprüft werden muss, auch wenn das Vorhaben der Genehmigungsfreistellung unterfällt. Die Einhaltung der Anforderungen an die Standsicherheit, den Brand-, Schall-, Wärmeund Erschütterungsschutz ist für nicht verfahrensfreie Vorhaben nachzuweisen. Während die Schall-, Wärme- und Erschütterungsschutznachweise grundsätzlich nicht geprüft werden, ist die Prüfung und Überwachung der bautechnischen Anforderungen hinsichtlich der Standsicherheit und des Brandschutzes in den Fällen vorgesehen, in denen der Schwierigkeitsgrad und das Gefährdungspotenzial eines Vorhabens eine Prüfung derartiger Nachweise gebietet. Die Prüfpflicht der Standsicherheit und des Brandschutzes ergibt sich aus § 67 Abs. 2. Die BauO Bln sieht eine bauaufsichtliche Prüfung dieser bautechnischen Nachweise vor; § 13 der Bauverfahrensverordnung ebnet den Weg für eine bauaufsichtliche Prüfung durch Prüfingenieure, die als beliehene Unternehmer, d. h. als verlängerter Arm der Behörde, die Prüfaufgaben des Brandschutzes und der Standsicherheit wahrnehmen. In Berlin werden die Brandschutznachweise auch durch die Bauaufsichtsbehörden geprüft, bis genügend Prüfingenieure anerkannt sind. Die MBO überlässt es den Ländern, die bautechnische Prüfung der hoheitlichen Sphäre zuzuweisen, d. h. die bauaufsichtliche Prüfung vorzuschreiben (wie Berlin), um sie dann an Prüfingenieure zu delegieren (Funktionsprivatisierung) oder die bautechnische Prüfung gänzlich in die private Sphäre zu verlegen (Aufgabenpriva-
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tisierung), in der privatrechtlich vom Bauherrn beauftragte Prüfsachverständige der Behörde gegenüber die Einhaltung der Brandschutz- und Standsicherheitsanforderungen bescheinigen. Regelungsinhalte der Baugenehmigung (§ 71 BauO Bln) Die Baugenehmigung ist ein den Antragsteller begünstigender Verwaltungsakt mit Drittwirkung, d. h. mit der Baugenehmigung wird auch über die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden nachbarschützenden Bestimmungen entschieden. Die Rechtswirkungen dieses Verwaltungsaktes sind im „normalen“ Baugenehmigungsverfahren nach § 65 und im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach § 64 gleich, obwohl in letzterem Fall - unter den in § 70 Abs. 4 beschriebenen Voraussetzungen – an Stelle der schriftlichen Baugenehmigung der Eintritt der Genehmigungsfiktion steht. Feststellungswirkung Mit der Baugenehmigung wird verbindlich festgestellt, dass das beantragte Vorhaben mit den im Baugenehmigungsverfahren von der Bauaufsichtsbehörde zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften übereinstimmt. Dabei umfasst die Feststellungswirkung auch die Teile des beantragten Vorhabens, die bei isolierter Betrachtung für sich verfahrensfrei wären. Dies ist z. B. der Fall, wenn in einem Bauantrag im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren für ein Einfamilienhaus die Garage in den Bauvorlagen dargestellt ist. Obwohl die Garage in den Größenbeschränkungen des § 62 für sich genommen verfahrensfrei ist, wird mit der Baugenehmigung auch die Übereinstimmung der Garage mit den zu prüfenden öffentlichrechtlichen Vorschriften festgestellt (z. B. mit dem Abstandsflächenrecht). Die Feststellung, dass ein Vorhaben den zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht, erfolgt zum Zeitpunkt der Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde über die Baugenehmigung. Für größere Bauvorhaben ist es möglich und sinnvoll eine Teilbaugenehmigung (§ 73) von der Baugenehmigungsbehörde einzuholen, um nach Feststellung der grundsätzlichen Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens für einzelne Bauabschnitte oder Bauteile die Baufreigabe zu bewirken. Wenn ein Vorhaben nach erteilter Genehmigung, jedoch vor oder nach dem Beginn der Bauausführung modifiziert werden soll, bedarf es einer Nachtrags- bzw. Änderungsgenehmigung, die mit der ursprünglichen Baugenehmigung eine Einheit bildet.
BAUAUFSICHTLICHE VERFAHREN
Verfügender Teil der Baugenehmigung
Schriftform
Mit der erteilten Baugenehmigung wird die Baufreigabe verfügt. Mit ihr wird die Sperrwirkung des unter Genehmigungsvorbehalt stehenden präventiven Bauverbots aufgehoben. Insofern handelt es sich bei der Baugenehmigung um einen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt. Entsprechend der Feststellungswirkung der Baugenehmigung bezieht sich auch die Baufreigabe nur auf den im Baugenehmigungsverfahren vorgeschriebenen Prüfumfang. Dies bedeutet, dass sowohl anderes, nicht geprüftes öffentlich-rechtliche Vorschriften als auch aus privatrechtliche Gründe (denn die Genehmigung wird unbeschadet der Rechte Dritter erteilt) der Realisierung eines Vorhabens entgegenstehen können. Teilbaugenehmigungen bewirken entsprechend eingeschränkte Baufreigaben.
Die Baugenehmigung bedarf der Schriftform; sie muss die Anforderungen an schriftliche Verwaltungsakte des § 37 Abs. 3 Verwaltungsverfahrensgesetz erfüllen. Soweit unter den Voraussetzungen des § 70 Abs. 4 im vereinfachten Baugenehmigungverfahren die Genehmigungsfiktion eingetreten ist, findet das Erfordernis der Schriftform keine Anwendung.
Nutzungsgenehmigung Die Baugenehmigung enthält neben dem feststellenden und verfügenden Teil auch die Nutzungsgenehmigung, wenn nicht besondere Rechtsvorschriften der Nutzungsaufnahme entgegenstehen. Wegen der Einheit von Bauwerk und der ihm zugeordneten Funktion bedürfen Nutzungsänderungen einer Baugenehmigung, soweit das Vorhaben nicht der Genehmigungsfreistellung unterfällt. Nebenbestimmungen Die Baugenehmigung darf mit Nebenbestimmungen versehen werden. Unterschieden werden Auflagen, Bedingungen, Auflagenvorbehalte und Befristungen. Sie dienen, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgend, der Herbeiführung der Genehmigungsfähigkeit, wenn behebbare Hindernisse einer Genehmigung sonst entgegenstehen würden.
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Geltungsdauer Die Geltungsdauer der Baugenehmigung beträgt drei Jahre. Wird rechtzeitig vor Ablauf dieser Frist die Verlängerung der Baugenehmigung beantragt, sind für die Beurteilung des Vorhabens wieder die Vorschriften maßgeblich, die zum Zeitpunkt der Verlängerung gelten. Deshalb kann nach dem Zeitpunkt der Ursprungsgenehmigung geändertes Recht der Genehmigung der Verlängerung entgegenstehen. Zusammenfassend ist somit die Baugenehmigung, unabhängig davon, ob ein vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren oder „normales“ Baugenehmigungsverfahren durchgeführt worden ist, die Bescheinigung, mit der die zuständige Behörde feststellt, dass ein bestimmtes Bauvorhaben dem im Zeitpunkt der Entscheidung geltenden öffentlichen Recht, welches Gegenstand der bauaufsichtlichen Prüfung ist, entspricht oder dann entspricht, wenn die mit der Baugenehmigung etwa verbundenen Nebenbestimmungen erfüllt werden. Weitere Baugenehmigungstypen Von der MBO 2002 abweichend sind in Deutschland zwei weitere Systeme von Baugenehmigungsverfahren etabliert: „Klassische“ Baugenehmigung
Bestimmtheit Der Inhalt der Baugenehmigung muss in Bezug auf die materiell-rechtlichen Erfordernisse hinreichend bestimmt sein (§ 37 Abs.1 Verwaltungsverfahrensgesetz). Die Bestimmtheit der Baugenehmigung als Verwaltungsakt ist gewährleistet, wenn der Inhalt der Baugenehmigung unter Berücksichtigung der zum Bauantrag gehörenden Bauvorlagen dem Genehmigungsadressaten und betroffenen Nachbarn erkennbar ist. Die Bauvorlagen sind Bestandteil der Baugenehmigung; sie müssen den Anforderungen der §§ 1 bis 8 Bauverfahrensverordnung (Teil 1 – Bauvorlagen) entsprechen.
Die „klassische“ Baugenehmigung steht als öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung am Ende eines Verfahrens, in dem nach Einreichung der vollständigen Bauvorlagen durch den bauvorlageberechtigten Entwurfsverfasser von der Bauaufsichtsbehörde eine umfängliche Behördenbeteiligung eingeleitet wird. Gehört werden die Behörden, deren öffentlich-rechtliche Belange berührt sind. Die Bauaufsichtsbehörde koordiniert die Stellungnahmen, gleicht sie ab und stellt mit den Fachbehörden das Einvernehmen her, d. h., die Bauaufsichtsbehörde darf nicht gegen die Fachbehörde entscheiden. Die fachlichen
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BAUKULTUR
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Stellungnahmen werden dann inklusive des bauordnungsrechtlichen Prüfergebnisses im Baugenehmigungsbescheid gebündelt. Insofern steht die Baugenehmigung gewissermaßen als Schlussstein eines Verfahrens, welches aus im Einzelfall unterschiedlichen Fachbausteinen zusammengesetzt ist (sog. Schlusspunkttheorie). Fachrechtliche Bescheide werden in diesem Baugenehmigungsverfahren jedoch nicht immer ersetzt. So kann z. B. neben dem Baugenehmigungsbescheid eine parallele Baumfällgenehmigung oder Genehmigung für eine Sondernutzung des Straßenlandes erforderlich sein, obwohl diese Belange im Baugenehmigungsverfahren Berücksichtigung fanden. Von der Bündelungswirkung der Baugenehmigung nicht erfasst sind die bundesrechtlichen Regelungen (z. B. das Sanierungs- und Entwicklungsrecht), die einer Implementierung ins Baugenehmigungsverfahren entgegenstehen. Baugenehmigung mit Konzentrationswirkung Auch diese Baugenehmigung zielt auf eine weitgehend umfassende öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung. Antrags- und Beteiligungsverfahren entsprechen dem klassischen Baugenehmigungsverfahren. Der Unterschied besteht in der allumfassenden Kompetenzzuweisung an die Baugenehmigungsbehörde, die eigenverantwortlich auch über das Baunebenrecht entscheidet. Sie setzt sich mit den beteiligten Behörden und Dienststellen ins Benehmen, d. h. sie holt nur deren fachliche Meinung ein; die Herstellung des Einvernehmens ist nicht erforderlich. Vorbescheid (§ 74) Der Vorbescheid (Bauvoranfrage) ist ein Instrument zur grundsätzlichen Klärung der Genehmigungsfähigkeit eines baugenehmigungsbedürftigen Vorhabens; er dient der Verfahrensökonomie. Bauherrn und Investoren können mit Hilfe des Vorbescheids auf das Grundstück bezogene Kaufs-, Verkaufs-, Planungs- und Finanzentscheidungen treffen, ohne im Einzelfall kostenintensive Baugenehmigungsverfahren durchführen zu müssen, die auch die Erstellung aufwendiger Bauvorlagen voraussetzen. Im Vorbescheidsantrag sind vom Bauherrn konkrete Einzelfragen zum Vorhaben zu stellen, z. B. ob sich das Vorhaben planungsrechtlich in die Umgebung einfügt oder ob die zulässige Geschossfläche um ein bestimmtes Maß überschritten werden darf. Die Baugenehmigungsbehörde bindet sich mit ihrer Beantwortung der Fragen im Vorbescheid über den Zeitraum seiner dreijähri-
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gen Gültigkeit. Auf den Vorbescheid aufbauende Bauanträge dürfen nicht aus Gründen versagt werden, die im Vorbescheid positiv beschieden wurden. Deshalb stellt der Vorbescheid einen vorweggenommenen Teil der Baugenehmigung dar. Meyer
BAUKULTUR
Begriffsbestimmung Wer sich mit Baukultur beschäftigt, darf sich weder vor theoretischen Überhöhungen noch vor Widersprüchen fürchten. Weil ein jeder für Kunst und Kultur ist, hat auch Baukultur keine Feinde – zumindest keine erklärten Feinde. Jeder möchte mehr Baukultur, mehr Gestaltungsqualität von Gebäuden, schönere Parks und Plätze und auch eine anspruchsvolle Bürgerbeteiligung. Die baukulturelle Praxis sieht allerdings deutlich anders aus: Verlärmte Ausfallstraßen, ausufernde und phantasielose Einfamilienhausgebiete, austauschbare Innenstädte, überdimensionierte Verkehrsanlagen, vernachlässigter öffentlicher Raum usw. – eine leicht fortzusetzende Aufzählung. Derselbe Widerspruch gilt für die wortreiche und nicht selten lyrische Baukulturtheorie, die zwar Anforderung auf Anforderung türmt, deren Einfluss auf die realisierte Baukultur jedoch offensichtlich begrenzt ist. Dem anhaltenden Bekenntnis zur Baukultur entspricht eine anhaltende Klage über gravierende Baukulturdefizite. Dabei ist fehlende Baukultur sicher nicht nur Ergebnis von Zufall oder Gedankenlosigkeit, denn im konkreten Einzelfall, wenn die baukulturelle Qualifizierung in Konflikt mit Kosten- und Zeitkalkülen gerät, wird es für die Qualifizierungsverfahren regelmäßig eng. Hinzu kommt, dass es selbst in der sich für Baukultur zuständig fühlenden Profession der Architekten und Stadtplaner keinen Konsens im Hinblick auf baukulturelle Wertigkeiten gibt: Was der eine unmittelbar als „hohe Gestaltqualität“ anpreist, bezeichnen andere schlicht als „Bausünde“. Fest steht, dass es keine allgemein akzeptierte Definition oder Abgrenzung des Baukulturbegriffs gibt. Einig ist man sich nur darin, dass der Begriff „sehr weit“ zu fassen ist. So geht es nach überwiegender Meinung nicht allein um (die wie auch immer definierte) Gestaltqualität (eines Gebäudes, einer städtebaulichen Situa-
BAUKULTUR
tion etc.), sondern um die „Qualität des gesamten Bau- und Planungsprozesses“. Damit wird der Baukulturbegriff – ähnlich wie der Nachhaltigkeitsbegriff – sachlich mehrdimensional und zeitlich variabel. Dem entsprechend bestimmt sich Baukultur nicht durch Zahlen oder Proportionen, sondern umschreibt mehr eine Haltung, ein Bekenntnis zur Qualität oder eine Verpflichtung zum „guten Bauen“. Relevant sind nicht nur Ästhetik und Proportionen, sondern auch Einstellungen, Bewertungen und Verfahren, die im Zusammenhang mit der Entstehung, der Nutzung und der Beseitigung von Gebäuden relevant sind. Es geht mehr um Prozesse als um Ergebnisse. Konkreter wird es, wenn man sich mit den Gegenständen bzw. Handlungsbereichen von Baukultur befasst. Angesprochen ist hier v. a. die moderne ▷Architektur mit ihrem fortwährenden Bestreben nach Gestaltqualität und baukünstlerischer Weiterentwicklung. Auf der nächsten Maßstabsebene treten der ▷Städtebau und hier v. a. die Gestaltung des öffentlichen Raumes hinzu. Den dritten Schwerpunkt der baukulturellen Debatte bilden die im Prozess des Planens und Bauens angewendeten Verfahren – vom ▷Wettbewerb bis zur Bürgerbeteiligung (▷Partizipation). Zweifellos gehört schließlich auch der Umgang mit dem bauhistorischen Bestand zu den Kernelementen von Baukultur. Das baukulturelle Erbe ist als Kriterium, Referenz und Maßstab für Baukultur nahezu durchgängig akzeptiert. Gerade die Auseinandersetzung mit Denkmalschutz und Denkmalpflege macht deutlich, dass sich baukulturelle Wertigkeiten im Zeitablauf verändern können (und auch ändern müssen). Dasselbe gilt in räumlicher Hinsicht: Baukultur muss immer im konkreten räumlichen, infrastrukturellen, sozialen und ökonomischen Kontext von Städten und ▷Kulturlandschaften gesehen werden. Wenn es regionale Architektur, regionale Kultur und regionale Governancestrukturen gibt, dann gibt es auch regionale Baukultur. Einfacher als eine sachliche, räumliche und zeitliche Abgrenzung von Baukultur fällt die Beschreibung der (stadtentwicklungspolitisch relevanten) Funktionen von Baukultur. Hier steht die besondere Bedeutung für städtische ▷Identität und Identifikation im Mittelpunkt. Schöne Gebäude und schöne Städte fördern die urbane Verankerung der Stadtbewohner, sind Grundlage für vielfältiges gesellschaftliches Engagement und stärken die touristische Anziehungskraft von Städten. Vereinfacht kann man Baukultur auch als ein permanentes Streben nach dem guten Bauen, der
guten Planung und dem guten Umgang mit der gebauten Umwelt bezeichnen. Auf eine solche Abgrenzung zielt die Baukulturdefinition in der Begründung des Gesetzes zur Errichtung der Bundesstiftung Baukultur: „Baukultur ist die Qualität der Herstellung von gebauter Umwelt – Gebäude und Infrastrukturanlagen und ihrer Einordnung in Landschafts- und Siedlungsbild sowie der öffentliche Raum. Dies schließt Planen und Planungsverfahren, Bauen und Instandhalten ein. Baukultur bezieht sich auf Architektur, Ingenieurbau, Stadt- und Regionalplanung, Belange des Denkmalschutzes, Landschaftsarchitektur, Innenarchitektur sowie Kunst am Bau. Die Kultur des Bauens zeigt sich in der Wahl angemessener Verfahren und in einer Integrationsleistung, die soziokulturelle, ökologische, gestalterische, technisch-funktionale und wirtschaftliche Qualitätsbelange zu einer ausgewogenen, nachhaltigen Gesamtqualität zusammenführt.“ (Bundestag 2006)
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Baukulturpolitik Zweifellos gehört Baukulturpolitik nicht zum Kernbereich der Staatsfunktion. Ihre Berechtigung und auch Notwendigkeit ergibt sich aus dem Kulturstaatsauftrag. Vor diesem Hintergrund haben alle politisch relevante Ebenen – also Bund, Länder und Gemeinden – jeweils spezifische Grundlagen mit dem Ziel der Förderung von Baukultur geschaffen. Im Folgenden stehen bundespolitische Aktivitäten im Vordergrund. Der Bund ist dabei grundsätzlich bestrebt, seine Aktivitäten mit den Akteuren auf Länder- und Gemeindeebene sowie mit den Kammern, Verbänden und sonstigen bedeutsamen Institutionen abzustimmen. Der Bund sieht es als seine Aufgabe an, das Thema Baukultur auf der politischen Tagesordnung zu halten, Bewusstsein für das Thema in Politik und Öffentlichkeit zu schaffen und ein positives baukulturelles Klima zu unterstützen. Konkret wird die baukulturelle Verantwortung: im Gesetzgebungsprozess (z. B. Verankerung baukultureller Kriterien im Baugesetzbuch), bei der Ausfüllung der Rolle als öffentlicher Bauherr (z. B. Wettbewerbs-Durchführung), in der Forschung (z. B. im Experimentellen Wohnungs- und Städtebau), in der Förderpolitik (z. B. Förderfähigkeit von Wettbewerben) und in der öffentlichen Kommunikation über Baukultur (z. B. in ▷Wettbewerben, Ausstellungen, Veranstaltungen, Veröffentlichungen etc.).
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BAUKULTUR
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Hervorzuheben sind dabei die Instrumente, mit denen die Kommunikation über baukulturelle Qualitäten gestaltet wird, was insbesondere die Folgenden sind: Wettbewerbe und Auszeichnungen: In Deutschland gibt es mehr als 45 Baukultur-, Architektur- und Ingenieurbaupreise mit zum Teil erheblicher Reputation (z. B. Europan-Wettbewerb, Schinkelpreis, LEG-Preis, Bauherrenpreis, Brückenbaupreis etc.) ▷Internationale Bauausstellungen (IBA): Bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde es üblich, bautechnische und planungsstrategische Neuerungen auch in Weltausstellungen zu präsentieren. Zurzeit gibt es drei internationale Bauausstellungen (IBA Fürst-Pückler-Land, IBA Stadtumbau 2010 in Sachsen-Anhalt und IBA Hamburg 2013). Architekturbiennalen: Die Biennalen bilden eine Plattform für die internationale Diskussion über Stellenwert und Entwicklungslinien der deutschen Architektur (im zweijährigen Rhythmus in Venedig und São Paulo). Sog. „Panoramen Deutschland“: Hier wird der internationale Baukulturaustausch des Bundes mit verschiedenen Partnern aus Europa vertieft (zurzeit Panorama Deutschland – Slowenien). Veranstaltungen zu baukulturellen Themen (z. B. zur „Rekonstruktionsdebatte“). Baukulturberichte und -veröffentlichungen. Ihre eigentliche Dynamik erhält die Baukulturdebatte regelmäßig durch Konflikte und Auseinandersetzungen um „besondere Bauprojekte“. Dazu gehören zurzeit: Eine Reihe umstrittener Wiederaufbauprojekte, sowohl von Einzelbauwerken als auch von ganzen Stadtquartieren. Gegenstand ist die Auseinandersetzung zwischen Tradition und Innovation und die Frage nach baulicher Authentizität. Die aktuelle Diskussion über die baukulturellen Konsequenzen der zahlreichen gebäudebezogenen Maßnahmen zum Klimaschutz (Gebäudedämmung). Gerade bei historisch wertvollen Gebäuden sind Maßnahmen zur Wärmedämmung nicht unmittelbar umsetzbar. Die „Baukultur des Alltags“. Ausgangspunkt ist hier die Beobachtung, dass in der breit geführten Fachdiskussion über die „architektonischen Highlights“ die Standardaufgaben der Architektur (z. B. Geschosswohnungsbau, Gewerbebau) vernachlässigt werden. Die baukulturelle Auseinandersetzung mit (großen) Infrastrukturanlagen, also v. a. Stra-
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ßen, Brücken, Eisenbahnen oder Energieerzeugungs- und -verteilungsanlagen. Genauso wichtig wie die Formate und Themen der Baukulturdebatte ist die Frage nach den geeigneten Plattformen für die Diskussion. Explizit mit dem Ziel, Baukultur als politischen Handlungsschwerpunkt auch institutionell zu verankern, hat der Bund im Jahr 2000 die Initiative „Architektur und Baukultur“ ins Leben gerufen. In dieser Initiative arbeitet eine Vielzahl von Gruppen und Initiativen zusammen, die für den Baukulturprozess in der Bundesrepublik relevant sind. Sie hat das Ziel, den „baukulturellen Qualitätsgedanken“ auf allen Ebenen des Planens und Bauens „erkennbar“ zu machen. Dabei geht es v. a. darum, Baukultur über die engeren Fachkreise hinaus zu einem öffentlichen Thema zu machen. Das Aufgabenspektrum der Initiative ist breit und ambitioniert zugleich: Baukulturelle Qualitätsoffensiven, Baukulturberichte, berufsständische Themen (Honorarordnungen, Wettbewerbsrecht, Vergaberecht etc.) und aktuelle „Streitfälle“ der nationalen Baukulturdiskussion. Daneben wurde im Rahmen der Initiative auch die Gründung einer Bundesstiftung Baukultur initiiert und im Weiteren begleitet. Mit der Gründung der Bundesstiftung Baukultur, den regelmäßigen Baukulturberichten an den Bundestag und der Etatisierung im Bundeshaushalt hat die Initiative „Architektur und Baukultur“ Baukultur als politisches Handlungsfeld etabliert. Auch in Zukunft soll sie als kommunikative und handlungsorientierte Plattform für den institutionalisierten baukulturellen Dialog in der Bundesrepublik bestehen bleiben. Zu einem wesentlichen Träger der Baukulturdebatte in Deutschland gehört darüber hinaus die öffentlich rechtliche Bundesstiftung Baukultur, die auf Initiative des Bundes im Jahre 2007 gegründet wurde. Ziel der Stiftung ist es, einen öffentlichen Dialog über Kriterien der Baukultur zu organisieren, öffentliches Bewusstsein für Baukultur zu schaffen und die Leistungsfähigkeit deutscher Architekten und Ingenieure national und international zu verdeutlichen. Obwohl die Stiftung im Wesentlichen aus Bundesmitteln finanziert wird, sind ihre Gremien (Mitgliederversammlung, Stiftungsrat, Beirat, Förderverein) inhaltlich und institutionell unabhängig. Als Teil der ▷Zivilgesellschaft führt die Stiftung einen eigenständigen bundesweiten Dialog mit baukulturellen Bezügen. Ausblick Die Tatsache, dass die Baukultur in Deutschland
BAULEITPLANUNG
im europäischen Vergleich gut aufgestellt erscheint, enthebt nicht von der Notwendigkeit, über die zukünftige Gestaltung der Debatte nachzudenken. Dabei wird zunächst Einigkeit bestehen, dass qualitative Aspekte des Planens und Bauens in Zukunft wichtiger werden; denn die Städte sind einerseits weitgehend „zu Ende gebaut“, und zum anderen wird der demografische Wandel die Baunachfrage in Deutschland bremsen. Mit Blick darauf und die voranschreitende wirtschaftliche ▷ Globalisierung ist es daher naheliegend, die deutsche Baukulturdiskussion auch auf die internationale Ebene auszudehnen. Weitere Anhaltspunkte für die zukünftigen Handlungsschwerpunkte von Baukulturpolitik ergeben sich aus den bereits genannten Defiziten bzw. noch nicht wahrgenommenen Chancen: Baukulturpolitik muss sich noch mehr auf Zielgruppen ausrichten. Bisher ist es noch nicht befriedigend gelungen, alle relevanten Gruppen für einen gesamthaften Qualifizierungsprozess zu gewinnen (z. B. Bauherren, Produzenten von Bauprodukten, ▷Immobilienwirtschaft etc.). Ziel ist, neue „Verbündete“ für die baukulturelle Qualifizierung zu finden. Baukulturpolitik muss sich thematisch breiter aufstellen. Die Baukulturdebatte darf nicht nur „in der Spitze“, sondern muss auch „in der Breite“ geführt werden. Unterbelichtet sind Themen wie „Alltagsarchitektur“, „öffentlicher Raum“ und „Infrastrukturanlagen“. Baukulturpolitik muss auch die Methoden zur baukulturellen Qualifizierung weiterentwickeln. Das betrifft zum einen das Wettbewerbswesen, zum anderen aber auch die Formate, mit denen baukulturell relevante Themen kommuniziert werden. Baukulturpolitik muss für andere Politikansätze „anschlussfähig“ sein. Will Baukultur ihrem Anspruch gerecht werden, eine breite und gesamthafte Qualifizierung des Planungs- und Bauprozesses zu bewirken, wird dies nur gelingen, wenn sie eine systematische Verbindung mit den anderen beteiligten Politiken herstellt (z. B. unter den Gesichtspunkten: „Baukultur schafft langfristige Werthaltigkeit von Immobilien“, „Baukultur bindet Mieter“, „Baukultur verbindet sich mit Klimaschutz“ etc.). Hatzfeld
Literatur Deutscher Bundestag (Hrsg.): BT-Drucksache 16/1945. Berlin
BAULEITPLANUNG Aufgabe der Bauleitplanung, Arten der Bauleitpläne
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Die Bauleitplanung ist im BauGB (▷Bauplanungsrecht) definiert und geregelt. Ihre Aufgabe ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe der Vorschriften des BauGB durch förmliche Planung vorzubereiten und zu leiten (§ 1 Abs. 1 BauGB). Bauleitpläne im Sinne des BauGB sind der Flächennutzungsplan als vorbereitender Bauleitplan und die Bebauungspläne als verbindliche Bauleitpläne (§ 1 Abs. 2 BauGB). Der Flächennutzungsplan wird für das gesamte Gemeindegebiet aufgestellt (§ 5 Abs. 1 BauGB). Bebauungspläne werden i. d. R. nur für Teilflächen des Gemeindegebiets aufgestellt (§ 8 Abs. 2 BauGB). Die Bauleitpläne sind von der Gemeinde in eigener Verantwortung aufzustellen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Dies folgt aus der verfassungsrechtlichen Garantie der kommunalen Selbstverwaltung. Diese besagt, dass den Gemeinden das Recht gewährleistet sein muss, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG). Die daraus abgeleitete sog. Planungshoheit hat allerdings Grenzen: Die kommunale Planung muss sich an die übergeordneten Ziele der Raumordnung anpassen (§ 1 Abs. 4 BauGB; § 4 Abs. 1 ROG). Ferner gibt es für eine Reihe von wichtigen Infrastruktureinrichtungen – v. a. für das Straßen- und Schienennetz, für Flugplätze, für Abfallbeseitigungseinrichtungen, für Pipelines und Stromleitungen – ein eigenes Planungsverfahren, das Planfeststellungsverfahren. Gemäß § 38 Satz 1 BauGB sind die Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen und sonstigen Nutzung der Grundstücke (§§ 29-37 BauGB) und damit auch Bebauungspläne auf die der Planfeststellung unterliegenden Vorhaben nicht anzuwenden. Ob die kommunale Flächennutzungsplanung von der Planfeststellung berücksichtigt werden musste, hängt von der Aktualität des F-Plans ab: Wenn der Flächennutzungsplan früher als die Planfeststellung verfestigt war (und auch noch aktuell, als die Planfeststellung begonnen wurde), muss die Fachplanungsbehörde ihre Planung grundsätzlich den Darstellungen des Flächennutzungsplans anpassen (vgl. § 7 BauGB). Aber das gilt nur dann, wenn sie dem Flächennutzungsplan im Aufstellungsverfahren nicht widersprochen
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BAULEITPLANUNG
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hat und auch nicht wegen Änderung der Verhältnisse nachträglich widersprechen kann. Die Position der Bauleitplanung gegenüber den Fachplanungen ist also relativ schwach. Auch aufgrund anderer Bundes- und Landesgesetze können der gemeindlichen Planungshoheit vorgreifliche Flächennutzungsentscheidungen getroffen werden, etwa durch Schutzgebietsfestsetzungen nach dem Wasser-, Naturschutz- und Denkmalschutzrecht (vgl. dazu die Bestimmungen über die „nachrichtliche“ Übernahme derartiger Festsetzungen in Flächennutzungspläne nach § 5 Abs. 4 BauGB und in Bebauungspläne nach § 9 Abs. 6 BauGB). Anforderungen an die Bauleitpläne Erforderlichkeit der Bauleitplanung Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist (§ 1 Abs. 3 BauGB). Die daraus abgeleitete Rechtmäßigkeitsvoraussetzung einer eigenständigen „Erforderlichkeit der Bauleitplanung“ hat juristisch kein besonderes Gewicht, weil angenommen wird, dass die Erforderlichkeit schon dann zu bejahen ist, wenn sie sich aus den Vorstellungen der Gemeinde über ihre sinnvolle und zweckmäßige städtebauliche Weiterentwicklung ergibt. Die Gemeinde entscheidet selbst mittels ihrer Planungshoheit über die Erforderlichkeit ihrer Pläne. Verfehlungen sind selten (Beispiel für fehlendes Planerfordernis: BVerwG, ZfBR 2004:563 – Planung kann in absehbarer Zeit nicht realisiert werden). Anpassung der Bauleitpläne an die Ziele der Raumordnung Die Bauleitpläne sind den Zielen der ▷Raumordnung anzupassen (§ 1 Abs. 4 BauGB; § 4 Abs. 1 ROG). Dabei handelt es sich um eine zwingende Verpflichtung, deren Missachtung einen inhaltlichen Mangel des Bauleitplans begründet und deshalb seine Nichtigkeit zur Folge haben kann. Weniger eindeutig ist dagegen, was unter „Zielen“ der Raumordnung zu verstehen ist. Damit Aussagen in Landesentwicklungsprogrammen oder -plänen und Regionalplänen als „Ziele“ in diesem Sinne gewertet werden können, müssen sie einen klaren und eindeutigen Inhalt haben. Umstritten ist, ob ein Ziel durch eine „Soll“-Anforderung begründet werden kann oder ob dies nur in Befehlsform („muss“, „hat zu“) möglich ist. Da die Gemeinde auch im Rahmen ihrer Anpassungspflicht an
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Ziele noch einen gewissen Gestaltungsfreiraum besitzen muss, sind auch „Soll-Formulierungen“ als Ziele möglich. Sie verpflichten für den Regelfall, gestatten aber auch begründete Ausnahmen. Allerdings müssen diese Ausnahmen in der Zielformulierung klar umrissen sein, damit die Regel noch als verbindliches „Ziel“ gelten kann (vgl. BVerwG, ZfBR 2004:177). Abstimmung mit den Bauleitplanungen benachbarter Gemeinden Die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden sind aufeinander abzustimmen (§ 2 Abs. 2 BauGB): Verfahrensmäßig bedeutet dies, dass jede Gemeinde bei der Aufstellung, Änderung und Ergänzung von Bauleitplänen alle Gemeinden zu beteiligen hat, deren städtebauliche Entwicklungsinteressen durch die Planungsabsichten berührt werden können. In inhaltlicher Hinsicht ergibt sich aus der Abstimmungspflicht das „Gebot zwischengemeindlicher Rücksichtnahme“. Eine Gemeinde darf in ihren Bauleitplänen (grundsätzlich) keine städtebaulichen Entwicklungsziele und Maßnahmen darstellen oder verbindlich festlegen, durch deren Verwirklichung die städtebauliche Entwicklung einer benachbarten Gemeinde erheblich nachteilig beeinflusst würde. Die Nachbargemeinde darf sich auf die ihr durch Ziele der Raumordnung zugewiesene Funktionen (insbesondere auf zentralörtliche Funktionen) berufen; ihre zentralen Versorgungsbereiche dürfen nicht beeinträchtigt werden. Ein Verstoß gegen dieses Gebot hat die Rechtsfehlerhaftigkeit des Bauleitplans, zumindest der die Nachbargemeinde erheblich beeinträchtigenden Planinhalte, zur Folge. Beachtung der städtebaulichen Oberziele Die Bauleitpläne sollen gemäß § 1 Abs. 5 BauGB eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung (▷Nachhaltige Stadtentwicklung), die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt und eine dem Wohl der Allgemeinheit entsprechende sozialgerechte Bodennutzung gewährleisten. Sie sollen weiterhin dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern und die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln, auch in Verantwortung für den allgemeinen Klimaschutz, sowie
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die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Diese vier Oberziele der Bauleitplanung sind mehr grundsätzlicher Natur, verglichen mit der nachfolgenden umfangreichen Auflistung der wichtigsten Belange, die bei der Bauleitplanung zu beachten sind (§ 1 Abs. 6 BauGB). Die Zielrichtung des Umweltschutzes wurde erst 1976 ausdrücklich in das Gesetz aufgenommen. Sie ist aber dann mit und seit dem BauGB 1986 kontinuierlich verstärkt worden, insbesondere durch die Neusortierung der Umweltschutzbelange in § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB , durch die Einfügung des § 1a BauGB über die Berücksichtigung umweltschützender Belange in der Abwägung und durch die Einführung der Umweltprüfung für Bauleitpläne (§§ 2, 2a BauGB). Das BauGB regelt auch den naturschutzrechtlichen Ausgleich nach Eingriffen in Natur und Landschaft (§ 1a Abs. 3 BauGB). Die Bauleitplanung kann deshalb heute nicht mehr nur als Leitplanung für die bauliche Entwicklung der Gemeinde angesehen werden. Sie hat vielmehr die Aufgabe, den Abwägungsprozess integrativ für alle Bodennutzungen wahrzunehmen und die Flächennutzung auf dieser Grundlage integrativ-allumfassend zu ordnen. Berücksichtigung der planungserheblichen öffentlichen und privaten Belange Beginnend mit den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und endend mit den Belangen des Hochwasserschutzes, reiht das BauGB in § 1 Abs. 6 eine Vielzahl von Belangen auf, die bei der Aufstellung der Bauleitpläne „zu berücksichtigen“ sind. Alle öffentlichen und privaten Belange, die durch die Bauleitplanung berührt werden können, müssen im Verfahren zur Aufstellung eines Bauleitplans umfassend ermittelt und mit dem ihnen einerseits nach den örtlichen Gegebenheiten, andererseits nach der Rechtsordnung zukommenden Gewicht bei der Gestaltung des Inhalts des Bauleitplans berücksichtigt werden (▷Abwägung). Dabei ist die gesetzliche Reihenfolge der Belange nicht als Rangordnung zu verstehen. Die Belange erhalten ihr Gewicht aus den Verhältnissen des Planungsraums und der Planungsziele sowie der möglichen Planungsfolgen. Das gilt auch für die in § 1a BauGB besonders aufgeführten Belange des Umweltschutzes. Auch sie sind keine Vorrangbelange, die kraft Gesetzes mehr Gewicht hätten als andere. Die Verhältnisse des Einzelfalls können allerdings
ergeben, dass Umwelt und Natur besonders zu schützen sind und dass ein möglicher Ausgleich für unvermeidliche Eingriffe auch tatsächlich zu leisten ist und nicht „weggewogen“ werden darf.
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Umweltverträglichkeitsprüfung/ Umweltprüfung in der Bauleitplanung Mit der Umsetzung der europarechtlichen UVPRichtlinie Nr. 85/337/EWG durch das UVPGesetz von 1990 wurde die Umweltverträglichkeitsprüfung (▷Umweltprüfung) in das deutsche Recht eingeführt. Das UVPG fordert und regelt die Ermittlung, Bewertung und Berücksichtigung aller erheblichen Umweltauswirkungen von bestimmten öffentlichen und privaten Projekten anläßlich von deren Zulassung. Da ein qualifizierter Bebauungsplan nach deutschem Recht die planungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben in seinem Geltungsbereich abschließend regelt (und die nachfolgende Baugenehmigung insoweit nur noch die Rechtslage bestätigt), gehört ein Bebauungsplan im Sinne des UVP-Rechts zu den Verfahren, mit denen bestimmte Projekte endgültig zugelassen werden. Die durch einen Bebauungsplan zulässig werdenden Projekte müssen daher im Verfahren der Bauleitplanung auf ihre Umweltauswirkungen geprüft werden. Eben dies regelt § 17 UVPG. Mit der Umsetzung der europarechtlichen Richtlinie Nr. 2001/42/EG zur Umweltprüfung von Plänen und Programmen werden nicht mehr nur Projekte, sondern auch die den Projekten vorgelagerten Pläne und Programme im Hinblick auf ihre Vorwirkungen geprüft. Damit sind nicht mehr nur Bebauungspläne, sondern auch Flächennutzungspläne und eine Vielzahl weiterer raumbedeutsamer Pläne einer strategischen Umweltprüfung zu unterziehen. Gebot der Berücksichtigung der naturschutzrechtlichen Eingriffs- und Ausgleichsproblematik Mit § 1a BauGB ist die Bewältigung der naturschutzrechtlichen ▷Eingriffs- und Ausgleichsproblematik im Geltungsbereich von Bebauungsplänen zur Aufgabe der Bauleitplanung gemacht worden (und zwar in Verbindung mit der ▷ Landschaftsplanung). Wird ein Bebauungsplan aufgestellt (oder eine Innenbereichs-Ergänzungssatzung erlassen), haben die Gemeinden mit dem Inhalt der Planung dafür zu sorgen, dass die durch den Plan vorbereiteten Eingriffe in Natur und Landschaft (v. a. durch Bebauung und Herstellung der Verkehrsanlagen) so gering wie möglich gehalten
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werden. Für (voraussichtlich) verbleibende Eingriffe ist dafür Vorsorge zu treffen, dass sie soweit wie möglich ausgeglichen werden. Soweit dies nicht im Geltungsbereich des Bebauungsplans möglich ist, sind Ersatzmaßnahmen an anderer Stelle in Erwägung zu ziehen, die dort zu einer Verbesserung des Naturhaushalts und (oder) des Landschaftsbilds führen und damit den Verlust an Natur und Landschaft am Ort des Eingriffs ausgleichen. Über dies alles haben die Gemeinden im Rahmen der bauleitplanerischen Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) zu befinden. Abwägungsgebot Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen (§ 1 Abs. 7 BauGB) (▷Abwägung der öffentlichen und privaten Belange). Es handelt sich dabei um die wichtigste Forderung des Rechts an die Bauleitplanung. Das Abwägungsgebot ergibt sich aus dem Rechtsstaatgebot des Art. 20 Abs. 3 GG, wonach die Verwaltung an Gesetz und Recht gebunden ist. Um dieser Forderung zu entsprechen, ist es geboten, (1.) keine ungerechtfertigten Absprachen schon vor Beginn der Planung zu treffen, die eine Abwägung verhindern, (2.) alle in einem Planungsfall bedeutsamen Belange umfassend zu ermitteln und in die Planung einzustellen, (3.) diese Belange sachgerecht zu bewerten und sie nur mit dem ihnen zukommenden Gewicht bei der Planungsentscheidung zu berücksichtigen.
chen nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung (Bauflächen), nach der besonderen Art ihrer baulichen Nutzung (Baugebiete) sowie nach dem allgemeinen Maß der baulichen Nutzung dargestellt werden können (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 BauGB), ist zur näheren Verdeutlichung der Begriffe und der Darstellungsmöglichkeiten die Baunutzungsverordnung (BauNVO) heranzuziehen. Im Flächennutzungsplan sind nicht nur die positiven städtebaulichen Entwicklungsabsichten darzustellen. Auch problematische Flächen, die nicht oder nur eingeschränkt genutzt werden können, sind in ihm zu „kennzeichnen“ (§ 5 Abs. 3 BauGB). Dies gilt z. B. für Flächen, die bei Hochwasser von Überschwemmungen bedroht sind oder für Flächen, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sind (Altlastenbereiche). „Nachrichtlich“ sollen in den Flächennutzungsplan Planungen und sonstige Nutzungsregelungen, die nach anderen gesetzlichen Vorschriften festgesetzt sind, sowie nach Landesrecht denkmalgeschützte Mehrheiten von baulichen Anlagen übernommen werden (§ 5 Abs. 4 BauGB). Die Festsetzungen nach anderen gesetzlichen Vorschriften beruhen auch und v. a. auf den oben bereits erwähnten Planfeststellungsbeschlüssen. Dem Flächennutzungsplan ist eine Begründung beizufügen (§ 5 Abs. 5 BauGB). Zum Vollzug der strategischen Umweltprüfung muss ein Umweltbericht in die Begründung aufgenommen werden. Bebauungspläne
Inhaltliche Gestaltung der Bauleitpläne Flächennutzungsplan Im Flächennutzungsplan ist für das ganze Gemeindegebiet die sich aus der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung ergebende Art der Bodennutzung nach den voraussehbaren Bedürfnissen der Gemeinde in den Grundzügen darzustellen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Aus dem Flächennutzungsplan können Flächen und sonstige Darstellungen ausgenommen werden, wenn dadurch die darzustellenden Grundzüge nicht berührt werden und die Gemeinde beabsichtigt, die Darstellung zu einem späteren Zeitpunkt vorzunehmen; in der Begründung sind die Gründe hierfür darzulegen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 BauGB). § 5 BauGB enthält dazu eine Vielzahl von Darstellungsmöglichkeiten; Die Aufzählung in § 5 BauGB ist nicht abschließend. Soweit bestimmt ist, dass die für die Bebauung vorgesehenen Flä-
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Die Bebauungspläne enthalten die rechtsverbindlichen Festsetzungen für die städtebauliche Ordnung (§ 8 Abs. 1 Satz 1 BauGB); sie sind deshalb von den Gemeinden als Satzung zu beschließen (§ 10 BauGB). Sie bilden die Grundlage für weitere zum Vollzug des Städtebaurechts erforderliche Maßnahmen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 BauGB), nämlich für die Bodenordnung durch Umlegung (§§ 45ff BauGB), für städtebaulich erforderliche Enteignungen (§§ 85ff BauGB), für die ▷Erschließung (§§ 123ff BauGB), für bestimmte städtebauliche Gebote (§§ 175ff BauGB) und – als Hauptzweck – für die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben im Geltungsbereich von Bebauungsplänen (§§ 30, 31 BauGB). Die Bebauungspläne sind (grundsätzlich) aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln (§ 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB). Für die Ausnahme, nach der ein Flächennutzungsplan nicht erforderlich ist, wenn der Bebauungsplan ausreicht, um die
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städtebauliche Entwicklung zu ordnen (§ 8 Abs. 2 Satz 2 BauGB), dürfte bei der Größe der Planungsräume nach den kommunalen Gebietsreformen kaum noch eine Anwendungsmöglichkeit gegeben sein. Häufig wird jedoch die Bestimmung bedeutsam, wonach mit der Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung eines Bebauungsplans gleichzeitig auch der Flächennutzungsplan aufgestellt, geändert oder ergänzt werden kann (sog. Parallelverfahren, § 8 Abs. 3 BauGB). Der Bebauungsplan kann vor dem Flächennutzungsplan in Kraft gesetzt werden, wenn nach dem Stand der Planungsarbeiten anzunehmen ist, dass der Bebauungsplan aus den künftigen Darstellungen des Flächennutzungsplans entwickelt sein wird. Ein Bebauungsplan kann sogar aufgestellt, geändert, ergänzt oder aufgehoben werden, bevor der Flächennutzungsplan aufgestellt ist, wenn dringende Gründe es erfordern und der Bebauungsplan der beabsichtigten Entwicklung des Gemeindegebiets nicht entgegenstehen wird (sog. vorzeitiger Bebauungsplan, § 8 Abs. 4 Satz 1 BauGB). Da in den Bebauungsplänen alle verbindlichen Flächennutzungsentscheidungen getroffen werden müssen, für die die Gemeinden zuständig sind, enthält das BauGB eine Vielzahl von Festsetzungsmöglichkeiten (§ 9). Ein sog. qualifizierter Bebauungsplan, aufgrund dessen es möglich ist, abschließend über die städtebaurechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens zu entscheiden (§ 30 Abs. 1 BauGB), muss mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB in Verbindung mit den §§ 1-21a BauNVO), die überbaubaren Grundstücksflächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB in Verbindung mit § 23 BauNVO) und die örtlichen Verkehrsflächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB) enthalten. Fehlt es an einer dieser Festsetzungen oder weist der Bebauungsplan keine dieser Festsetzungen auf (etwa im Falle der Festsetzung von Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft nach § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB), so handelt es sich um einen „einfacher“ Bebauungsplan (§ 30 Abs. 3 BauGB), in dessen Geltungsbereich sich die Zulässigkeit von Vorhaben „im Übrigen“ nach den Innenbereichs- oder Außenbereichsregelungen (§§ 34, 35 BauGB) richtet. Über die in § 9 Abs. 1-3 BauGB geregelten Festsetzungsmöglichkeiten hinaus sind die Bebauungspläne offen für Festsetzungen kraft Landesrechts (§ 9 Abs. 4 BauGB). Aufgrund dieser Öffnung können örtliche Bauvorschriften (meist Gestaltungsregelungen) nach den Bauordnungen der Länder in die Bebauungspläne aufgenommen werden.
Wie im Flächennutzungsplan sollen auch in den Bebauungsplänen problematische Flächen gekennzeichnet werden (§ 9 Abs. 5 BauGB). Entsprechend sollen nach anderen gesetzlichen Vorschriften getroffene Festsetzungen sowie Denkmäler nach Landesrecht in die Bebauungspläne „nachrichtlich“ übernommen werden, soweit dies zum Verständnis des Planinhalts oder für die städtebauliche Beurteilung von Baugesuchen notwendig oder zweckmäßig ist (§ 9 Abs. 6 BauGB). Jedem Bebauungsplan ist eine Begründung beizufügen (§ 9 Abs. 8 BauGB). In ihr sind die Ziele, Zwecke und wesentlichen Auswirkungen des Bebauungsplans darzulegen. Sie enthält ggf. auch den Umweltbericht; dieser darf nur fehlen, wenn der .Plan im vereinfachten Verfahren nach § 13 BauGB oder im beschleunigten Verfahren als „Bebauungsplan der Innenentwicklung“ nach § 13a BauGB 2007 aufgestellt wurde. Die Begründung ist nicht Rechtsbestandteil des Bebauungsplans; ihr Fehlen oder ihre inhaltliche Lückenhaftigkeit stellt jedoch einen Rechtsmangel dar, weil die Entwürfe der Bebauungspläne mit Begründung öffentlich auszulegen sind (§ 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB) und die Bebauungspläne nach ihrer Inkraftsetzung bei der Gemeindeverwaltung mit Begründung zu jedermanns Einsicht bereitzuhalten sind (§ 10 BauGB). Sie ist eine wichtige Informationsgrundlage für die Bürgerschaft, die Mitglieder der Gemeindevertretung, die höhere Verwaltungsbehörde sowie die Verwaltungs- und Baulandgerichte. Eine bloße Unvollständigkeit ist vor Gericht unbeachtlich, die fehlenden Angaben können nachgeholt werden (§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB).
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Die Baunutzungsverordnung Umfang und Einzelheiten der Festsetzungsmöglichkeiten zu Art und Maß der baulichen Nutzung, zur Bauweise und zu den überbaubaren Grundstücksflächen – und damit die städtebaulichen Gestaltungsspielräume – werden erst aus den ergänzenden Regelungen der ▷Baunutzungsverordnung (BauNVO) ersichtlich. Verfahren der Bauleitplanung Das Verfahren zur Aufstellung eines Bauleitplans beginnt formal mit dem Aufstellungsbeschluss, der ortsüblich bekannt zu machen ist (§ 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB). Dem Aufstellungsbeschluss geht eine Vorphase voran, in der die Erforderlichkeit des Plans geklärt wird. Schon in dieser Phase ist es zweckmäßig, die „landesplanerische Anfrage“ nach etwaigen Zielen der Raumordnung (§ 1 Abs. 4
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BauGB) an die zuständige Behörde der Landesplanung zu richten. An dem nachfolgenden Aufstellungsverfahren ist die Öffentlichkeit zu beteiligen (§ 3 BauGB), und zwar zuerst möglichst frühzeitig in einem Erörterungsstadium und sodann – nach Verfestigung der Planung – durch eine einmonatige öffentliche Auslegung der Planentwürfe mit der Begründung; in dieser Zeit können Bedenken und Anregungen zu den Planungsabsichten der Gemeinde vorgebracht werden (▷Partizipation). Frühzeitig zu beteiligen sind auch die Behörden und Stellen, die Träger öffentlicher Belange sind (§ 4 Abs. 1 und 2 BauGB). Wenn sich nach der öffentlichen Auslegung die Notwendigkeit ergibt, den Planentwurf zu ändern, muss er erneut öffentlich ausgelegt werden (§ 4a BauGB). Wer seine Argumente gegen den Plan nicht spätestens während der öffentlichen Auslegung vorbringt, kann später den Plan nicht mit den „verschwiegenen“ Argumenten mittels einer Normenkontrollklage nach § 47 VwGO angreifen (sog. Präklusionswirkung – neu eingeführt mit dem BauGB 2007). Zuständig für die Beratung und Beschlussfassung über Bedenken und Anregungen sowie für den endgültigen Planbeschluss ist die Gemeindevertretung (mit Besonderheiten in den Stadtstaaten). Der Flächennutzungsplan (Aufstellung, Änderung, Ergänzung) bedarf stets der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde (§ 6 BauGB). Ein Bebauungsplan (Aufstellung, Änderung, Ergänzung, Aufhebung) muss nur dann genehmigt werden, wenn er nicht aus dem Flächennutzungsplan entwickelt ist. Bei genehmigungsbedürftigen Plänen wird der Plan in Kraft gesetzt, indem die Genehmigung ortsüblich öffentlich bekannt gemacht wird, bei den übrigen wird der Satzungsbeschluss öffentlich bekannt gemacht. Damit tritt der Plan in Kraft. Danach kann jedermann den Plan und die Begründung einsehen und über deren Inhalt Auskunft verlangen (§§ 6 Abs. 5, 10 BauGB). Rechtsschutz gegen Bauleitpläne V. a. wegen seiner gewährenden, aber auch einengenden Steuerungswirkung für die Bodennutzung trifft nicht jeder Bauleitplan auf die Zustimmung der Betroffenen. Jeder Bebauungsplan ist Rechtsnorm und daher möglicher Gegenstand einer direkten Normenkontrolle nach § 47 VwGO. Im übrigen wird jeder Bauleitplan einer indirekten, incidenten Kontrolle auf seine Rechtmäßigkeit unterzogen, wenn seine Gültigkeit eine der Entscheidungsvoraussetzungen in einer anderweitigen Klage vor den Gerichten ist (z. B. in einer
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Verpflichtungsklage auf eine Baugenehmigung, einer Nachbarklage gegen eine Baugenehmigung oder bei der Anfechtung einer Enteignung in einem Bauland-Enteignungsprozess). Der Flächennutzungsplan ist wegen seiner Rechtsnatur als behördeninternes Planwerk nur dann vor Gericht angreifbar, wenn er Konzentrationsflächen enthält (▷Außenbereich/Innenbereich) und deswegen unmittelbare Rechtswirkungen für die Grundstückeigentümer enthält, deren Grundstücke von der Ausschlusswirkung erfasst werden (BVerwG, ZfBR 2007:1000). Wenn in einem Flächennutzungsplan für bestimmte privilegierte Nutzungen eine Konzentrationsfläche dargestellt ist, dann sind diese Nutzungen (z. B. Windkraftanlagen) an anderen Orten im Geltungsbereich des Flächennutzungsplans i. d. R. unzulässig. Schmidt-Eichstaedt
BAUNUTZUNGSVERORDNUNG Entstehungsgeschichte, Zweck und Aufbau der Baunutzungsverordnung Die Baunutzungsverordnung (BauNVO), eine Rechtsverordnung auf der Grundlage des Baugesetzbuchs (§ 9 a BauGB), ist erstmals am 1.08.1962 in Kraft getreten. Sie ist mehrfach geändert worden, in größerem Umfang 1968, 1977 und 1990 und durch Einzeländerungen 1987 (zu § 11 Abs. 3 BauNVO), 1990 (Übergangsregelung in § 26a BauNVO für das Beitrittsgebiet im Zusammenhang mit dem Einigungsvertrag) und 1993 (Aufhebung von § 25c Abs. 2 und 3 BauNVO 1993). Die Baunutzungsverordnung (▷Bauplanungsrecht) ergänzt die §§ 5 und 9 BauGB um Darstellungsmöglichkeiten in den Flächennutzungsplänen und um Festsetzungsmöglichkeiten in den Bebauungsplänen (▷Bauleitplanung). Dies gilt besonders für den Bebauungsplan, mit dem die verbindlichen Festsetzungen für die städtebauliche Ordnung (§ 8 Abs. 1 BauGB) getroffen werden. In systematischer Hinsicht ist von Bedeutung, dass die Vorschriften der BauNVO ähnlich wie §§ 5 und 9 BauGB Rechtsgrundlagen (Ermächtigungsgrundlagen) für die Darstellungen und Festsetzungen in den Bauleiplänen enthalten. Von ihnen kann – wie auch sonst – nach Maßgabe insbesondere der Planungsgrundsätze der §§ 1 und 1a BauGB in den Bauleitplänen Gebrauch gemacht werden.
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Die Regelungen der Baunutzungsverordnung sind aber mit Besonderheiten versehen. So werden für die Anwendung bestimmter Festsetzungsmöglichkeiten bestimmte Voraussetzungen verlangt. Diese „Vorgaben“ ergänzen bzw. konkretisieren die sich aus den allgemein zu beachtenden Planungsgrundsätzen der §§ 1 und 1a BauGB ergebenden Anforderungen an die Bauleitplanung und können weitreichend sein. Bei diesen „Vorgaben“ kann systematisch unterschieden werden zwischen Voraussetzungen für die Verwendung von Darstellungs- und Festsetzungsmöglichkeiten und Verpflichtungen zur Verwendung bestimmter Festsetzungen im Sinne eines Typenzwangs. Zum Teil sind diese Vorgaben miteinander verbunden. So sieht die Baunutzungsverordnung für die Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung die Verwendung bestimmter Maßbestimmungsfaktoren und die Einhaltung von Obergrenzen vor (§§ 16 und 17 BauNVO). Eine weitere Besonderheit folgt aus dem System der Baugebietsvorschriften. Für die Festsetzung von Baugebieten enthält die Baunutzungsverordnung in den §§ 2 bis 11 verschiedene Baugebietstypen, von denen die Gemeinde bei Aufstellung von Bebauungsplänen im Grundsatz wahlweise Gebrauch machen kann. Festsetzungen der Art der baulichen Nutzung für Baugebiete sind also daran gebunden, dass hierfür eines der in der Baunutzungsverordnung geregelten Baugebiete verwendet wird. Setzt der Bebauungsplan eines dieser Baugebiete fest, ergibt sich aus der betreffenden Baugebietsvorschrift, welche Vorhaben ihrer Art nach in dem festgesetzten Baugebiet zulässig sind. Die Baugebietsvorschriften enthalten somit die für die Beurteilung von Vorhaben nach § 30 BauGB maßgeblichen Regeln. In den anderen Teilen der Baunutzungsverordnung mit ihren Vorschriften über das Maß der baulichen Nutzung, die Bauweise und die überbaubaren Grundstücksflächen findet sich dieses besondere System nicht; nur in einzelnen Beziehungen enthält die Baunutzungsverordnung hierzu für die Beurteilung nach § 30 BauGB maßgebliche Regeln. Mit diesen Vorgaben werden bestimmte städtebauliche Zwecke verfolgt. Dies gilt für die Bindung an die Baugebietsvorschriften und an die damit vorgegebene Unterteilung der Baugebiete nach Baugebietstypen und der sich daraus ergebenden Zweckbestimmung dieser Baugebiete und des in ihnen zulässigen Störgrads. Innerhalb der Baugebiet werden somit – bedeutsam für die städtebauliche Entwicklung – bestimmte Nutzungsstrukturen vorgegeben. Insbesondere verschaffen sie der Bauleitplanung einen der Zweckbestimmung des jeweiligen Baugebiets entsprechenden
und i. d. R. weiten Rahmen für die planungsrechtlichen Grundlagen von Vorhaben. Anders als bei einer auf konkrete bauliche Anlagen ausgerichteten vorhabenbezogenen Planung werden auf diese Weise für Baugebiete die planungsrechtlichen Grundlagen für eine mehr oder weniger große Gruppe unterschiedlicher Vorhaben geschaffen. Dadurch erhalten diese Vorhaben auch im Blick auf künftig notwendige Veränderungen (Erweiterungen, Nutzungsänderungen, Neuerrichtungen) die notwendige Planungssicherheit. Den Gemeinden ist ein allgemeines „Baugebietsfindungsrecht“ verwehrt. Ihr obliegt es aber, aus dem Katalog der Baugebietstypen auszuwählen und die verschiedenen Baugebiete einander zuzuordnen. Auf Grund der mit diesen Regelungen getroffenen Vorgaben für die Bauleitplanung wird die Frage diskutiert, ob und inwieweit der Baunutzungsverordnung ein bestimmtes ▷Leitbild zugrunde liegt. Dies ist aber fraglich, wenn nicht sogar zu verneinen. Dies gilt auch für die verschiedentlich geäußerte These, mit dieser Typisierung der Baugebiete sei eine Übernahme der sog. Charta von Athen im Sinne einer Trennung der Nutzungen und eine Entscheidung gegen „Funktionsmischungen“ verbunden, denn dies betreffe Fragen der funktionsgerechten Zuordnung der verschiedenen Nutzungen, die mit den Baugebietstypen der Baunutzungsverordnung aber möglich ist. So bietet die Baunutzungsverordnung mit den Mischgebietstypen Dorf-, Misch- und Kerngebieten selbst Baugebiete mit Nutzungsmischungen an. Die Bestimmung der Größe der Baugebiete und deren Zuordnung zueinander bleibt der Bauleitplanung vorbehalten. Im Übrigen ist von Bedeutung, dass die Baugebietsvorschriften ein bestimmtes Maß an verlässlicher planungsrechtlicher Grundlage für die Investitionen in den Baugebieten, verbunden mit einem mehr oder weniger weiten Rahmen an zulässigen Nutzungen enthalten. Dies hat auch anders als eine vorhabenbezogenen Planung eine die Gemeinden entlastende Wirkung. Die Unterscheidung der Baugebiete nach ihrem jeweiligen Gebietscharakter verschafft den Beteiligten zudem die für ihre Investitionen und deren dauerhafte Sicherung notwendigen Grundlagen. So kann sich ein in einem Gewerbegebiet angesiedelter Betrieb darauf verlassen, dass seine Betätigung nicht etwa durch eine benachbarte Wohnbebauung behindert wird. Umgekehrt ist es für Werthaltigkeit einer Wohnbebauung in einem Wohngebiet wichtig, dass sie nicht durch störende Gewerbebetriebe beeinträchtigt wird. Die Baunutzungsverordnung ist gegliedert in folgende Abschnitte: (1) Art der baulichen Nut-
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zung, (2) Maß der baulichen Nutzung, (3) Bauweise und überbaubare Grundstücksfläche, (4) weggefallen und (5) Überleitungs- und Schlussvorschriften. Die Unterteilungen in Art und Maß der baulichen Nutzung, die Bauweise und überbaubare Grundstücksfläche entspricht den Grundlagen für die Darstellungen und Festsetzungen nach § 5 Abs. 2 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BauGB sowie den auch im Baugesetzbuch für die Beurteilung der Zulässigkeit von Vorhaben maßgeblichen Unterscheidungen (vgl. §§ 30 Abs. 1 und 34 Abs. 1 BauGB). Zu den wichtigsten Inhalten der Baunutzungsverordnung Art der baulichen Nutzung (§§ 1 bis 15) Aus § 1 Abs. 1 bis 3 BauNVO ergibt sich, dass für die Darstellung und Festsetzung der Art der baulichen Nutzung in Bauflächen und Baugebieten (vgl. § 5 Abs. 2 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BauGB) die in den §§ 1 bis 15 BauNVO enthaltenen Regelungen insbesondere über die Baugebiete und die in ihnen zulässigen Nutzungen anzuwenden sind. Zentrale Funktionen haben die Unterteilungen in elf Baugebietstypen (§§ 2 bis 11 Abs. 1 und 2 BauNVO). Sie werden ergänzt durch Differenzierungsmöglichkeiten (§ 1 Abs. 4ff BauNVO) und Regelungen über die (teils begrenzte) Zulässigkeit von (teils weiteren) Vorhaben in den Baugebieten (§ 11 Abs. 3, §§ 12 bis 15 BauNVO). § 1 BauNVO enthält allgemeine Vorschriften über Bauflächen und Baugebiete als Rechtsgrundlagen für die Darstellung von Bauflächen in den Flächennutzungsplänen (Abs. 1) und für die Darstellung und Festsetzung von Baugebieten in den Flächennutzungs- und Bebauungsplänen (Abs. 2 und 3). Dabei wird unterschieden zwischen vier Arten von Bauflächen: Wohnbauflächen, gemischte Bauflächen, gewerbliche Bauflächen und Sonderbauflächen sowie elf Arten von Baugebieten, im Wesentlichen unterteilt in vier Arten von Wohngebieten, drei Arten von gemischten Baugebieten, zwei Arten von Gewerbegebieten und zwei Arten von Sondergebieten. In den §§ 2 bis 9 BauNVO sind die Baugebiete in der Weise geregelt, dass in ihren ersten Absätzen jeweils eine Regelung der Zweckbestimmung des Baugebietes, in den jeweils zweiten Absätzen eine Regelung der im Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen und in den jeweils dritten Absätzen eine Regelung solcher Nutzungen bezeichnet sind, die in dem Baugebiet ausnahmsweise zugelassen werden können (vgl. § 31 Abs. 1 BauGB). Davon
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abgegrenzt sind die Sondergebiete, die der Erholung dienen (§ 10 BauNVO), und die sonstigen Sondergebiete (§ 11 BauNVO) zu beurteilen, die sich von den in den §§ 2 bis 9 BauNVO geregelten Baugebieten wesentlich unterscheiden. Mit der Darstelllung von Bauflächen und Baugebieten in Flächennutzungsplänen entstehen die Rechtswirkungen des vorbereitenden Bauleitplans, insbesondere nach § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB (Entwicklung des Bebauungsplans aus dem Flächennutzungsplan). Mit der Festsetzung eines Baugebiets im Bebauungsplan ist die entsprechende Baugebietsvorschrift insbesondere für die Beurteilung der Zulässigkeit von Vorhaben im Sinne des § 30 BauGB bodenrechtlich verbindlich. Bei Festsetzung der jeweiligen Baugebiete besteht eine grundsätzliche Bindung an die einzelnen Baugebietsvorschriften. Nach Maßgabe von § 1 Abs. 4 bis 10 BauNVO besteht die Möglichkeit, unter den dort bezeichneten Voraussetzungen durch differenzierende Festsetzungen die sich aus der jeweiligen Baugebietsvorschrift ergebende Zulässigkeit von Vorhaben zu modifizieren. Die für die Wohnnutzung vorgesehenen Baugebiete, die Kleinsiedlungsgebiete, reinen, allgemeinen und besonderen Wohngebiete, dienen vornehmlich dem Wohnen, aber auch anderen Nutzungen, nach denen die einzelnen Wohngebietstypen unterschieden werden. Von praktisch weit reichender Bedeutung ist das allgemeine Wohngebiet, aber auch das reine Wohngebiet; diese dienen ganz (so das reine Wohngebiet, § 3 BauNVO) oder vorwiegend (so das allgemeine Wohngebiet, § 4 BauNVO) dem Wohnen, zum Teil aber auch bestimmten öffentlichen und privaten Einrichtungen und Anlagen der Infrastruktur. Besondere Wohngebiete (§ 4 a BauNVO) werden für überwiegend bebaute Gebiete festgesetzt, die aufgrund ausgeübter Wohnnutzung und anderer Nutzungen eine besondere Eigenart aufweisen und in denen unter Berücksichtigung dieser Eigenart die Wohnnutzung erhalten und fortentwickelt werden soll. Das Kleinsiedlungsgebiet (§ 2 BauNVO) dient der Unterbringung von Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebäuden mit Nutzgärten sowie landwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen. Nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe können im allgemeinen Wohngebiet und Kleinsiedlungsgebiet als Ausnahmen zugelassen werden, in den besonderen Wohngebieten, wenn sie nach der Eigenart des Gebiets mit der Wohnnutzung vereinbar sind. Die Gebiete mit gemischter Nutzungsstruktur sind die Dorf-, Misch- und Kerngebiete. Dorfund Mischgebiete (§§ 5 und 6 BauNVO) dienen
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gleichermaßen dem Wohnen und dem nicht wesentlich störenden Gewerbe, wobei bei Dorfgebieten die Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe hinzukommen, auf die vorrangig Rücksicht zu nehmen ist (das Dorfgebiet ist das einzige in der Baunutzungsverordnung geregelte Gebiet für die Land- und Forstwirtschaft). Der Gebietscharakter der Kerngebiete ist dadurch bestimmt, dass sie vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dienen; die allgemeine Zulässigkeit der Wohnnutzung kann durch Festsetzung im Bebauungsplan vorgesehen werden. Die dem Gewerbe vorbehaltenen Gebiete, die Gewerbe- und Industriegebiete, dienen vorwiegend der Unterbringung von Gewerbebetrieben, und zwar von nicht erheblich belästigenden Betrieben in Gewerbegebieten (§ 8 BauNVO) und vorwiegend von Gewerbebetrieben, die in anderen Baugebieten unzulässig sind, in Industriegebieten (§ 9 BauNVO). Nach diesen Maßgaben sind in diesen Gebieten grundsätzlich Gewerbebetriebe aller Art zulässig. Die Wohnnutzung ist in diesen Gebieten nicht vorgesehen; nur Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber bzw. -leiter können in begrenztem Umfang als Ausnahmen zugelassen werden. Die Sondergebiete, die Sondergebiete, die der Erholung dienen, und sonstigen Sondergebiete, unterscheiden sich wesentlich von den anderen Baugebietstypen. Zu den in § 10 BauNVO geregelten Sondergebieten, die der Erholung dienen, zählen insbesondere Wochenendhaus-, Ferienhausund Campingplatzgebiete. Zu den in § 11 Abs. 1 und 2 BauNVO geregelten „sonstigen Sondergebieten“ gehören – nach der beispielhaften Aufzählung in § 11 Abs. 2 BauNVO – Gebiete für Einkaufszentren und großflächige Handelsbetriebe, Gebiete für Messen und Kongresse, Hochschul-, Klinik- und Hafengebiete sowie Gebiete für Anlagen der erneuerbaren Energien wie Wind- und Sonnenenergie. Für diese Sondergebiete sind jeweils die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung darzustellen und festzusetzen. § 11 Abs. 3 BauNVO enthält zusätzlich eine modifizierende Regelung über die Zulässigkeit von großflächigen Einzelhandelsbetrieben in den verschiedenen Baugebieten. Nach dieser Vorschrift sind großflächige Einzelhandelsbetriebe nur in Kerngebieten oder in für sie ausgewiesenen Sondergebieten zulässig, d. h. in anderen Baugebieten unzulässig, wenn sie sich auf die Ziele der Raumordnung und die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken
können. Im Sinne einer (widerleglichen) Regelvermutung ist dies anzunehmen, wenn ihre Geschossfläche 1.200 qm überschreitet; diese Regel gilt wiederum nicht, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Auswirkungen bei weniger oder keine Auswirkungen bei mehr als 1.200 qm Geschossfläche vorliegen bzw. nicht vorliegen. Darüber hinaus enthält die BauNVO sonstige Vorschriften zur Art der baulichen Nutzung (§§ 12 bis 15 BauNVO). Stellplätze und Garagen sind nach § 12 BauNVO bedarfsorientiert zulässig. Gebäude und Räume für freie Berufe sind in den jeweiligen Baugebieten in bestimmtem Umfang zulässig (§ 13 BauNVO). Nach § 14 BauNVO sind untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen unter bestimmten Voraussetzungen allgemein zulässig und es können die der Versorgung der Gebiete mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser sowie zur Ableitung von Abwasser dienenden Nebenanlagen als Ausnahmen zugelassen werden. Nach der allgemeinen Zulässigkeitsregelung des § 15 BauNVO können die in den Baugebieten vorgesehenen baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall dennoch unzulässig sein, wenn sie der Eigenart des betreffenden Baugebiets widersprechen oder wenn von dem Vorhaben Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets unzumutbar sind, oder wenn ein Vorhaben solchen Belastungen ausgesetzt wird. Diese Regelungen dienen insbesondere der Sicherung der Eigenart des jeweiligen Baugebiets einschließlich des in ihnen zulässigen Störgrads.
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Maß der baulichen Nutzung (§§ 16 bis 21a) Die §§ 16 bis 21a BauNVO enthalten die Grundlagen für die Darstellung und die Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung und die dazugehörigen Begriffsbestimmungen. Dazu regelt § 16 Abs. 2 BauNVO abschließend, mit welchen Festsetzungen das Maß der baulichen Nutzung bestimmt werden kann. Es sind dies: die Grundflächenzahl oder die Grundflächen der baulichen Anlagen: näher definiert in § 19 BauNVO, einschließlich der Berechnungsregeln und Regeln zur Begrenzung der Grundflächen für Garagen und Stellplätze sowie Nebenanlagen und bauliche Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche (zum Zweck der Begrenzung der Bodenversiegelung darf das Baugrundstück auch hinsichtlich von Nebenanlagen nur in begrenzter Weise baulich genutzt werden; § 19 Abs. 4 BauNVO), die Geschossflächenzahl, Größe der Geschoss-
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fläche, Baumassenzahl oder Baumasse: näher bestimmt in den §§ 20, 21 BauNVO, ebenfalls einschließlich der Berechnungsregeln für die Ermittlung der Geschossfläche und Baumasse, die Zahl der Vollgeschosse: zum Begriff der Vollgeschosse verweist § 20 Abs. 1 BauNVO auf die landesrechtlichen Vorschriften, die Höhe baulicher Anlagen: dazu regelt § 18 BauNVO die Bestimmung der Bezugspunkte und Abweichensmöglichkeiten. Bei Darstellung des allgemeinen Maßes der baulichen Nutzung im Flächennutzungsplan reicht die Angabe der Geschossflächenzahl, der Baumassenzahl oder der Höhe baulicher Anlagen (§ 16 Abs. 1 BauNVO), bei Festsetzungen im Bebauungsplan sind bestimmte Mindestfestsetzungen vorzusehen (§ 16 Abs. 3 BauNVO). Bei der Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung durch Grundflächenzahl, Geschossflächenzahl und Baumassenzahl sind nach § 17 BauNVO bestimmte Obergrenzen einzuhalten, die sich nach Baugebieten und diesen Maßbestimmungen unterscheiden. Diese Obergrenzen dürfen überschritten werden, wenn dies besondere städtebauliche Gründe erfordern, die Überschreitung in bestimmter Weise ausgeglichen wird und sonstige öffentliche Belange nicht entgegen stehen (§ 17 Abs. 2 BauNVO). Für überdachte Stellplätze und Garagen enthält § 21 a BauNVO spezielle Anrechnungsregeln. Bauweise, überbaubare Grundstücksfläche (§§ 22 und 23) § 22 BauNVO regelt die Bauweise. Danach kann die Bauweise als offene oder geschlossene Bauweise oder auch als abweichende Bauweise festgesetzt werden. In der offenen Bauweise darf die Länge der unterschiedlichen Hausformen (z. B. Doppelhäuser) maximal 50 m betragen. Die Hausform kann festgesetzt werden, also Festsetzung, dass auf bestimmten Flächen nur Einzelhäuser, nur Doppelhäuser oder nur zwei dieser Hausformen zulässig sind. An die Festsetzung der offenen Bauweise knüpfen die Vorschriften der Bauordnungen der Länder über die Einhaltung von Abständen zwischen Grundstücksgrenze und Gebäude an. In der geschlossenen Bauweise werden die Gebäude grundsätzlich ohne seitlichen Grenzabstand errichtet. Und schließlich ist die Festsetzung einer abweichenden Bauweise möglich, bei der z. B. mit geringeren Abständen oder für bestimmte Gebäudeteile ohne Abstände gebaut werden darf oder muss. § 23 BauNVO regelt die Festsetzung der über-
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baubaren Grundstücksfläche. Dies kann geschehen durch Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen und/oder Bebauungstiefen. Die Baugrenzen und Bebauungstiefen dürfen nicht überschritten werden. Auf Baulinien muss gebaut werden. Überleitungsvorschriften (§§ 25 bis 26a) Die Überleitungsvorschriften regeln, unter welchen Voraussetzungen bei einem eingeleiteten Bauleitplanverfahren im Zeitpunkt einer Änderung der Baunutzungsverordnung noch die bis dahin geltende Fassung anzuwenden war bzw. angewendet werden durfte. Die Möglichkeit, auf die neue Baunutzungsverordnung durch erneute Einleitung des Bauleitplanverfahrens umzustellen, blieb dabei unberührt. Im Übrigen ist zu beachten, dass die früheren Fassungen der Baunutzungsverordnung weiterhin Bedeutung haben können. Denn mit der Festsetzung insbesondere eines Baugebiets nach der Baunutzungsverordnung wird die jeweilige Baugebietsvorschrift Inhalt des Bebauungsplans (siehe oben). Maßgeblich ist dabei die bei Erlass des Bebauungsplans geltende Fassung der Baunutzungsverordnung. Es sind daher die verschiedenen Fassungen der Baunutzungsverordnung 1962, 1968, 1977, 1987 und 1990 auf die im Zeitpunkt ihrer Geltung aufgestellten Bebauungspläne weiter anzuwenden. So ist z. B. die Baugebietsvorschrift über das Dorfgebiet bei Aufstellung eines Bebauungsplans im Jahre 1980 in der Fassung des § 5 BauNVO von 1977 maßgeblich, bei einem Bebauungsplanaus dem Jahre 1995 die Fassung des § 5 BauNVO von 1990. Davon unberührt bleibt die Möglichkeit, einen Bebauungsplan auf die aktuelle Fassung der Baunutzungsverordnung durch ein Bebauungsplan - Änderungsverfahren „umzustellen“. Ein Beispiel hierfür ist die Umstellung eines Bebauungsplans aus dem Jahr 1980 auf die seit 1987 geltende Fassung des § 11 Abs. 3 BauNVO über die (begrenzte) Zulässigkeit von großflächigen Einzelhandelsbetrieben in den Baugebieten. Söfker
BAUORDNUNGSRECHT Zum öffentlichen Baurecht gehören alle Rechtsvorschriften, die die Reichweite und Grenzen einer baulichen oder sonstigen Nutzung des Bodens, die Zulässigkeit von Vorhaben, die Errich-
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tung, bestimmungsgemäße Nutzung, Änderung, Nutzungsänderung sowie den Abbruch baulicher Anlagen sowie spezialgesetzliche Anforderungen an das Bauen stellen. Begrifflich wird unterschieden zwischen dem ▷Bauplanungsrecht, dem Bauordnungsrecht und dem Baunebenrecht. Die Gesetzgebungskompetenzen für das öffentliche Baurecht werden durch das Grundgesetz zwischen dem Bund und den Ländern aufgeteilt. Während das Bauplanungsrecht nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz unterliegt, gehört das Bauordnungsrecht nach Art. 70 Abs. 1 GG in die Gesetzgebungskompetenz der Länder (BVerfG 28.10.1975, 2 BvL 9/74; BVerfG 10.06.1954, 1 PBvV 2/52). Die wichtigste Rechtsquelle des Bauordnungsrechts sind die jeweiligen Landesbauordnungen. Sie basieren auf der jeweils aktuellen Fassung der Musterbauordnung – MBO (derzeit gilt die MBO in der Fassung von November 2002, zuletzt geändert durch Beschluss der Fachkommission Bauaufsicht vom Mai 2009). Da die MBO den einzelnen Ländern in gewissen Grenzen Umsetzungsspielräume lässt, weichen die einzelnen landesrechtlichen Regelungen z. T. voneinander ab (▷Bauaufsichtliche Verfahren). Alle Landesbauordnungen enthalten Ermächtigungsgrundlagen zum Erlass von Rechtsverordnungen, von denen weitgehend Gebrauch gemacht wurde. Hierzu gehören Rechtsverordnungen zur Konkretisierung verfahrensrechtlicher Anforderungen (z. B. Brandenburgische Bauvorlagenverordnung – BbgBauVorlV vom 28. Juli 2009) oder materiell-rechtlicher Anforderungen (z. B. Brandenburgische Verkaufsstätten-Bau-Verordnung in der Fassung vom 21.07.1998, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 23.03.2005). Darüber hinaus sehen die Landesbauordnungen Ermächtigungsgrundlagen für den Erlass von örtlichen Bauvorschriften durch die Gemeinden vor. Das Bauordnungsrecht wird in das formelle und das materielle Bauordnungsrecht unterteilt. Formelles Bauordnungsrecht Die verfahrensrechtlichen Vorschriften der Landesbauordnungen – z. T. ergänzt durch die Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder – enthalten im Wesentlichen Regelungen über die Aufgaben und Befugnisse der Bauaufsichtsbehörden, das ▷bauaufsichtliche Verfahren sowie über die Pflichten der am Bau Beteiligten (insb. Bauherr, Nachbar, Entwurfsverfasser, Unternehmer und Bauleiter). Der Vollzug der Bauordnung sowie anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften für die Errich-
tung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie die Nutzung und die Instandhaltung von Anlagen ist eine staatliche Aufgabe, für die i. d. R. die untere Bauaufsichtsbehörde zuständig ist (vgl. § 57 Abs. 1 Satz 2 MBO). Die Bauaufsichtsbehörden haben – soweit nicht andere Behörden zuständig sind – bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlage darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden (vgl. § 58 Abs. 2 Satz 1 MBO). Für die Wahrnehmung dieser Aufgaben stehen den Bauaufsichtsbehörden präventive und repressive Instrumente zur Verfügung. Vor Baubeginn verfügen die Bauaufsichtsbehörden mit dem Baugenehmigungsverfahren über ein präventives Kontrollinstrument. Im Zuge der Deregulierung des Bauordnungsrechts wurde der Dualismus von genehmigungspflichtigen und genehmigungsfreien Vorhaben aufgegeben und neue Verfahrensarten eingeführt. Alle Landesbauordnungen gehen im Grundsatz davon aus, dass die Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung von baulichen Anlagen einer Baugenehmigung bedarf, soweit in anderen Vorschriften nichts anderes bestimmt ist (vgl. § 59 MBO). Zu beachten ist, dass die Genehmigungsfreiheit oder die Beschränkung der bauaufsichtlichen Prüfung nicht von der Pflicht zur Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften (vgl. § 59 Abs. 2 MBO) entbindet. Unterliegt das beantragte Vorhaben einem anderen Gestattungsverfahren (z. B. eine Werbeanlage bedarf einer Genehmigung nach Straßenverkehrsrecht), findet dieses Verfahren anstelle des Verfahrens nach der Bauordnung Anwendung (vgl. § 61 MBO). Bauvorhaben geringen Umfangs sind verfahrensfrei (vgl. § 61 MBO). Die Beseitigung baulicher Anlagen ist bis zu einer bestimmten Größenordnung verfahrensfrei, darüber hinausgehend anzeigepflichtig (vgl. § 61 Abs. 3 MBO). Des Weiteren gibt es die Genehmigungsfreistellung (vgl. § 62 MBO) (auch als Kenntnisgabe- oder Anzeigeverfahren bezeichnet). Darüber hinaus wird zwischen dem vereinfachten (vgl. § 63 MBO) und dem Baugenehmigungsverfahren (§ 64 MBO) unterschieden. In einigen Ländern kann der Bauherr den Verfahrenstyp wählen, in anderen Ländern muss der jeweilige Verfahrenstyp angewendet werden, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Die rechtliche Ausgestaltung des bauaufsichtlichen Verfahrens stellt sich in den einzelnen Ländern z. T. sehr differenziert dar. Soweit es nicht in der jeweiligen Landesbauordnung oder im einschlägigen Fachrecht geregelt
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ist, kommt der Baugenehmigung keine Konzentrationswirkung zu. Dies hat zur Folge, dass u. U. zusätzliche Genehmigungen eingeholt werden müssen. Auch die Geltungsdauer der Baugenehmigung weicht voneinander ab; sie reicht von drei bis sechs Jahren, wobei z. T. Verlängerungsmöglichkeiten bestehen oder begonnene Bauvorhaben innerhalb eines bestimmten Zeitraums beendet werden können. Neben der präventiven Kontrolle der Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften durch das Baugenehmigungsverfahren stehen den Bauaufsichtsbehörden auch repressive Instrumente zur Verfügung. Hierbei handelt es sich zunächst einmal um ihnen zugewiesene Spezialermächtigungen (z. B. Einstellung von Arbeiten nach § 79 MBO oder Beseitigung von Anlagen, Nutzungsuntersagung nach § 80 MBO). Sind aber entsprechende Spezialermächtigungen in der jeweiligen Landesbauordnung aber nicht vorhanden, können die erforderlichen Maßnahmen auf die Generalermächtigung gestützt werden, die nach § 58 Abs. 2 Satz 2 MBO lautet: „Sie können in Wahrnehmung dieser Aufgaben die erforderlichen Maßnahmen treffen.“ In bestimmten Fällen sind Eingriffe auf die Ermächtigungsgrundlagen des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts zu stützen. Materielles Bauordnungsrecht Das Bauordnungsrecht ist in erster Linie Sicherheitsrecht. Demzufolge besteht das wesentliche Ziel in der Vermeidung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei der Anordnung, Errichtung, Benutzung, Instandhaltung, Instandsetzung, Änderung, Nutzungsänderung oder dem Abbruch baulicher Anlagen. Über die reine Gefahrenabwehr hinaus haben die Landesbauordnungen die Einhaltung bestimmter Standards in sozialer (z. B. durch Mindestanforderungen an die Barrierefreiheit sowie an Aufenthaltsräume und Wohnungen), ökologischer (z.B. Begrünung und Bepflanzung nicht überbauter Grundstücksflächen) und gestalterischer Hinsicht (Verunstaltungsverbot) zum Ziel. Alle Landesbauordnungen enthalten eine bauordnungsrechtliche Generalklausel (vgl. § 3 Abs. 1 MBO), die auf die Abwehr der von einer baulichen Anlage potentiell ausgehenden Gefahren gerichtet ist. Schutzgüter sind die öffentliche Sicherheit oder die öffentliche Ordnung (nicht in allen Landesbauordnungen). Teilweise werden darüber hinausgehend weitere allgemeine Anforderungen an den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen sowie an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse
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gestellt. Die Generalklausel fungiert als Auffangtatbestand, d. h. sie wird als Rechtsgrundlage nur dann angewendet, wenn keine speziellere Regelung vorhanden ist. Die Generalklausel selbst enthält aber keine Ermächtigungsgrundlage für das Eingreifen der Bauaufsichtsbehörde. Wie bereits oben beschrieben, kann die Bauaufsichtsbehörde die erforderlichen Maßnahmen auf der Grundlage von Spezialermächtigungen oder der Generalermächtigung anordnen. Zur Konkretisierung der Ziele und der Generalklausel stellen die Landesbauordnungen sowie die auf der Grundlage der Landesbauordnungen erlassenen Rechtsverordnungen detaillierte Anforderungen an das Grundstück und seine Bebauung (z. B. ▷Erschließung, Abstandsflächen, Begrünung und Bepflanzung, die Errichtung von Kinderspielplätzen, Stellplätzen, Garagen und Fahrradabstellflächen), an die Bauausführung (z. B. Verwendung von und brandschutztechnische Anforderungen an Baustoffe und Bauteile sowie Rettungswege, Ausstattungsmerkmale von Aufenthaltsräumen und Wohnungen, Barrierefreiheit, Sonderbauten) oder die Gestaltung baulicher Anlagen (Verunstaltungsverbot). Für das Gemeindegebiet oder Teile davon können die Gemeinde örtliche Bauvorschriften als Festsetzungen eines Bebauungsplans oder als sonstige Satzung insbesondere zur positiven Gestaltungspflege (▷Gestaltungssatzung), zu Kinderspielplätzen sowie zu Stellplätzen, Garagen und Fahrradabstellflächen erlassen. Lau, Schäfer
BAUPLANUNGSRECHT Zum öffentlichen Baurecht gehören alle Rechtsvorschriften, die die Reichweite und Grenzen einer baulichen oder sonstigen Nutzung des Grund und Bodens die Zulässigkeit von Vorhaben, sei es die Errichtung, bestimmungsgemäße Nutzung, Änderung, Nutzungsänderung oder der Abbruch baulicher Anlagen sowie spezialgesetzliche Anforderungen an das Bauen stellen. Begrifflich wird unterschieden zwischen dem Bauplanungsrecht, dem ▷Bauordnungsrecht und dem Baunebenrecht. Die Gesetzgebungskompetenzen für das öffentliche Baurecht werden durch das Grundgesetz zwischen dem Bund und den Ländern aufgeteilt. Im Bereich des Städtebaurechts stützt sich die Kompetenz des Bundes auf die in Art. 74 Nr. 18 GG geregelte konkurrierende Gesetzgebung für
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den städtebaulichen Grundstücksverkehr und das Bodenrecht. Die Gesetzgebungskompetenzen im Bereich des Bodenrechts wurden durch ein Rechtsgutachten des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1954 geklärt. Danach gehören die Vorschriften zum Bodenrecht, die den Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand rechtlicher Ordnung haben und damit die rechtlichen Beziehungen des Menschen zum Grund und Boden regeln (BVerfG, 1 PBvV 2/52). Hieraus leitet sich die Kompetenz des Bundes für das Recht der städtebaulichen Planung, das Recht der Umlegung und Zusammenlegung von Grundstücken, das Recht der Bodenbewertung, das Erschließungsrecht ohne das Erschließungsbeitragsrecht und das Recht des Bodenverkehrs. ab Das Bauordnungsrecht liegt dagegen in der Gesetzgebungskompetenz der Länder. Die wichtigste Rechtsquelle des Bauplanungsrechts ist das Baugesetzbuch (BauGB), das das einheitliche Städtebaurecht der Bundesrepublik Deutschland enthält. Ergänzt wird das BauGB durch die aufgrund des BauGB erlassene Baunutzungsverordnung (BauNVO), die Planzeichenverordnung (PlanzV) und die Wertermittlungsverordnung (WertV). Allgemeines Städtebaurecht Das zentrale Instrument des Bauplanungsrechts ist die ▷Bauleitplanung. Sie gehört zu den Selbstverwaltungsaufgaben der Gemeinden. Das BauGB verpflichtet die Gemeinden, die Bauleitpläne in eigener Verantwortung aufzustellen, „sobald und soweit dies für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist“ (§ 1 Abs. 3 BauGB). Wann die Aufstellung eines Bauleitplans oder seine Änderung erforderlich ist, liegt weitgehend im planerischen Ermessen der Gemeinde. Ein Anspruch auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht nicht und kann auch nicht durch Vertrag begründet werden (§ 1 Abs. 3 BauGB). Die ▷Bauleitplanung besteht aus zwei Planungsstufen: dem Flächennutzungsplan als vorbereitendem Bauleitplan und dem Bebauungsplan als verbindlichem Bauleitplan (§ 1 Abs. 2 BauGB). Der Flächennutzungsplan ist der übergeordnete Bauleitplan für das gesamte Gemeindegebiet. Er hat die Aufgabe, für das ganze Gemeindegebiet die sich aus der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung ergebende Art der Bodennutzung nach den voraussehbaren Bedürfnissen der Gemeinde in den Grundzügen darzustellen (§ 5 Abs. 1 BauGB). Als Inhalte des Flächennutzungsplans kommen in Betracht: Darstellungen (Abs. 2
und 2a), Kennzeichnungen (Abs. 3) sowie nachrichtliche Übernahmen und Vermerke (Abs. 4 und 4a). Ein sachlicher Teilflächennutzungsplan kann in den Fällen, in denen die Gemeinde Darstellungen des Flächennutzungsplans mit Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 zu treffen beabsichtigt, aufgestellt werden. Er bedarf grundsätzlich einer konkreten Umsetzung durch einen Bebauungsplan, weil er die Zulässigkeitskriterien für die in ihm dargestellte Bodennutzung nicht verbindlich regelt. Dies gilt allerdings nicht für die nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB privilegierten Vorhaben, die den Steuerungswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB und der damit einhergehenden Standortzuweisungen unterliegen. Entsprechend seiner vorbereitenden Funktion wird der Flächennutzungsplan – anders als der Bebauungsplan – auch nicht als Satzung und damit bindendes Ortsrecht erlassen. Er ist vielmehr als hoheitliche Maßnahme eigener Art anzusehen, der keine eigene Rechtsnormqualität zukommt und daher keine Bindungswirkungen nach außen aufweist. Dies gilt jedoch aufgrund der Steuerungswirkungen nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB nicht mehr uneingeschränkt. Eine Bindungswirkung besteht gegenüber den nach § 4 oder § 13 beteiligten öffentlichen Planungsträgern nach § 7 BauGB, soweit sie diesem Plan nicht widersprochen haben. Der Bebauungsplan enthält die rechtsverbindlichen Festsetzungen für die städtebauliche Ordnung eines Gebiets (§ 8 Abs. 1 BauGB). Er wird als Satzung, d. h. als Ortsrecht mit unmittelbarer Außenwirkung für die überplanten Grundstücke beschlossen (§ 10 BauGB). Als Inhalte des Bebauungsplans kommen in Betracht: Festsetzungen (Abs. 1 bis 3 BauGB), Kennzeichnungen (Abs. 3 BauGB), nachrichtliche Übernahmen und Vermerke (Abs. 4 und 4a BauGB). Bebauungspläne sind aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln (§ 8 Abs. 2 BauGB). Das BauGB enthält die Grundsätze (§§ 1 und 1a BauGB) und das Bauleitplanverfahren für die Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Bauleitplänen (§§ 2 bis 4b, 6, 10, 13, 13a, 204 und 205 BauGB). Es besteht eine Pflicht zur frühzeitigen Beteiligung und zur Beteiligung im Auslegungsverfahren der Öffentlichkeit sowie der Behörden und Träger öffentlicher Belange. Die Ergebnisse der ▷Umweltprüfung und der Bearbeitung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung (▷Eingriff und Ausgleich) sind in der ▷Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB zu berücksichtigen. Soweit durch einen Bauleitplan die Erhaltungsziele und Schutzzwecke der FFH- oder Vogelschutzgebiete erheblich beeinträchtigt werden können, ist eine
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Verträglichkeitsprüfung durchzuführen, die zu einer Unzulässigkeit des Plans führen kann. Erleichterungen von den Verfahrensanforderungen bestehen, sofern die Voraussetzungen für das vereinfachte oder beschleunigte Verfahren nach § 13 bzw. 13a BauGB vorliegen. Das BauGB enthält Vorschriften über die Voraussetzungen, unter denen Flächennutzungspläne, Bebauungspläne und sonstige städtebaurechtliche Satzungen wirksam sind (Planerhaltung). Zur Sicherung der Bauleitplanung stellt das BauGB den Gemeinden die Instrumente Veränderungssperre (§§ 14-18 BauGB) und Zurückstellung von Baugesuchen (§ 15 BauGB) zur Verfügung. Mit ihnen kann verhindert werden, dass in diesem Zeitraum Fakten geschaffen werden, die den Zielen des künftigen Plans entgegenstehen. In Gemeinden mit Fremdenverkehrsfunktion kann die Begründung oder Teilung von Wohnungs- und Teileigentum durch Bebauungsplan oder sonstige Satzung unter Genehmigungsvorbehalt gestellt werden, um eine städtebaulich nachteilige Zunahme von Zweitwohnungen zu verhindern (§ 22 BauGB). Die Gemeinden verfügen über ein allgemeines Vorkaufsrecht in den durch das Gesetz genannten Gebieten (§ 24 Nr. 1 bis 7 BauGB). Darüber hinaus kann die Gemeinde durch Satzung ein Vorkaufsrecht an unbebauten Grundstücken im Geltungsbereich eines Bebauungsplans oder in Gebieten, in denen sie städtebauliche Maßnahmen beabsichtigt, geltend machen (§ 25 BauGB). Die Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von Bebauungsplänen kann zu Vermögensnachteilen betroffener Eigentümer führen. Deshalb regelt das BauGB in den §§ 39-44 das sog. Planungsschadensrecht. Dies sind der Ersatz des Vertrauensschadens (§ 39 BauGB), die Entschädigung in Geld oder die Übernahme (§ 40 BauGB), die Entschädigung bei Begründung von Geh-, Fahr- und Leitungsrechten und bei Bindungen für Bepflanzungen (§ 41 BauGB) und die Entschädigung bei Änderung oder Aufhebung einer zulässigen Nutzung (§ 42 BauGB). Das Enteignungsrecht (§§ 85-122 BauGB) beinhaltet Regelungen für die Fälle, in denen im Interesse des allgemeinen Wohls eine Enteignung erforderlich ist. Wenn ein bestimmter, im Baugesetzbuch definierter Zweck auf andere Weise nicht erreichbar ist, darf als letztes Mittel die Enteignung eingesetzt werden (§ 87 Abs. 1 BauGB); hauptsächlich geht es um die Beschaffung von Grundstücken, für die eine Gemeinbedarfsnutzung verbindlich festgesetzt ist. Für jede Enteignung ist eine Entschädigung zu leisten (vgl. §§ 93103 BauGB).
Zum Recht der Bodenordnung gehören die Umlegung (§§ 45-79 BauGB) und die vereinfachte Umlegung (§§ 80-84 BauGB). Die Umlegung und die vereinfachte Umlegung sind amtliche Verfahren, mit deren Hilfe ungünstige Grundstücksgrenzen so verändert werden, dass nach Lage, Form und Größe für die bauliche oder sonstige Nutzung zweckmäßig gestaltete Grundstücke entstehen. Die vereinfachte Umlegung kann auch der Beseitigung baurechtswidriger Zustände dienen. Bodenordnende Maßnahmen können sowohl im Geltungsbereich eines Bebauungsplans als auch im unbeplanten Innenbereich (▷Außenbereich/Innenbereich) durchgeführt werden. Die Umlegung ergreift ein ganzes Gebiet, während die vereinfachte Umlegung nur einzelne Grundstücke betrifft. Neben der amtlichen Umlegung erlangt auch die freiwillige Umlegung eine steigende Bedeutung. Die Vorschriften über die ▷Erschließung sind in den §§ 123 bis 135 BauGB geregelt. Ohne gesicherte Erschließung ist die bauliche Nutzung von Grundstücken unzulässig. Die Erschließung von Grundstücken umfasst ihren Anschluss an das öffentliche Straßennetz, an die Wasserver- und -entsorgung, an Energie- und ggf. auch Fernheizungsleitungen, ggf. die Errichtung von Grünanlagen innerhalb der Baugebiete und Immissionsschutzanlagen (§ 127 BauGB). Sie ist Aufgabe der Gemeinde. Die Gemeinde kann die Durchführung der Erschließung durch den Abschluss eines Erschließungsvertrags an einen Dritten übertragen (§ 124 BauGB). Der Dritte kann sich gegenüber der Gemeinde auch verpflichten, die Kosten der Erschließung ganz oder teilweise zu tragen (§ 124 Abs. 2 BauGB). Die Erhebung von Erschließungsbeiträgen vollzieht sich nach den §§ 127-135 BauGB, soweit nicht die Länder von ihrer Gesetzgebungskompetenz für das Erschließungsbeitragsrecht Gebrauch gemacht haben. Erschließungsanlagen in diesem Sinne sind die in § 127 Abs. 2 BauGB aufgeführten Anlagen. Die Gemeinde hat von den Grundstückseigentümern bis zu 90 Prozent des Herstellungsaufwands dieser Anlagen als Erschließungsbeiträge zu erheben. 10 Prozent des Herstellungsaufwands hat sie selbst zu tragen (vgl. § 129 Abs. 1 BauGB). Zentrale Vorschriften des BauGB sind auch die Vorschriften über die Zulässigkeit von Vorhaben. Mit ihnen wird geregelt, ob ein Vorhaben in planungsrechtlicher Hinsicht zulässig ist. Das BauGB unterscheidet bei der Zulässigkeit von Vorhaben folgende Fallgruppen. Die erste Fallgruppe betrifft Grundstücke, die im Geltungsbereich eines Bebauungsplans nach § 30 BauGB liegen. Hier werden drei Arten von Bebauungsplänen unterschie-
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den. Nach § 30 Abs. 1 BauGB liegt ein qualifizierter Bebauungsplan vor, wenn er mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen trifft. Ein Vorhaben ist planungsrechtlich zulässig, wenn es den Festsetzungen dieses Bebauungsplans nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Im Geltungsbereich eines einfachen Bebauungsplans, d. h. eines Bebauungsplans, der die zuvor genannten Mindestfestsetzungen nicht enthält, richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 BauGB oder § 35 BauGB (§ 30 Abs. 3 BauGB). Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 BauGB ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist (§ 30 Abs. 2 BauGB). Als Untergruppen dieser Fallkonstellation kommen die Zulässigkeit von Vorhaben während der Planaufstellung (§ 33 BauGB) sowie die Erteilung von Ausnahmen und Befreiungen (§ 31 BauGB) in Betracht. Die zweite Fallgruppe betrifft Grundstücke, die innerhalb von im Zusammenhang bebauten Ortsteilen liegen (§ 34 BauGB). Das beabsichtigte Vorhaben muss sich nach Art und Maß der beabsichtigten Nutzung, nach Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen. Den wichtigsten Maßstab der Zulässigkeit bildet damit die vorhandene Umgebung. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem Baugebietstyp nach der BauNVO, ist es nach der Art der baulichen Nutzung nur zulässig, wenn es nach der BauNVO in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre oder ggf. erforderliche Ausnahmen und Befreiungen in entsprechender Anwendung des § 31 Abs. 1 und 2 BauGB erteilt werden (§ 34 Abs. 2 BauGB). Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung keinem Baugebietstyp nach der BauNVO, wird die Art der baulichen Nutzung wie auch das Maß der baulichen Nutzung, die Bauweise und die Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, nach der Einfügungsklausel des § 34 Abs. 1 BauGB geprüft. Vom Erfordernis des Einfügens kann bei Vorliegen der in § 34 Abs. 3a BauGB geregelten Voraussetzungen abgewichen werden. Von Vorhaben im Innenbereich dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche ausgehen (vgl. § 34 Abs. 3 BauGB). Darüber hinaus muss die Erschließung gesichert sein, die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben und das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden (vgl. § 34 Abs. 1 BauGB).
Die dritte Fallgruppe betrifft den Vorhaben im Außenbereich (▷Außenbereich/Innenbereich) (§ 35 BauGB). Wenngleich der Außenbereich im Grundsatz von einer Bebauung freigehalten werden soll, werden in § 35 Abs. 1, 2, 4 BauGB sog. privilegierte, begünstigte und nicht privilegierte (sonstige) Vorhaben geregelt, die unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sind.
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Besonderes Städtebaurecht Die Erhaltung und Erneuerung von Städten und Dörfern ist eine zentrale Aufgabe des Städtebau(recht)s. Die Vorschriften zur Stadterhaltung und Stadterneuerung sind aus dem ehemaligen Städtebauförderungsgesetz (StBauFG) hervorgegangen und weiterentwickelt worden. Die Gemeinde kann bei Vorliegen der in § 136 BauGB geregelten Voraussetzungen, zu denen insbesondere das Vorliegen städtebaulicher Missstände in einem Gebiet in Form von Substanz- und/oder Funktionsschwächen gehört, die Durchführung einer ▷städtebaulichen Sanierungsmaßnahme durch Satzung beschließen. In der Satzung hat sie die voraussichtliche Dauer der Sanierung sowie die Wahl des Sanierungsverfahrens in Form des klassischen oder vereinfachten Verfahrens zu bestimmen. Die Wahl des Verfahrens ist abhängig davon, ob es bei der Durchführung der Sanierung eines besonderen sanierungsrechtlichen Instrumentariums bedarf. Soweit nicht im vereinfachten Verfahren ganz oder teilweise ausgeschlossen, besteht im Sanierungsgebiet ein zusätzlicher Genehmigungsvorbehalt für die in § 144 BauGB aufgeführten Vorhaben und Rechtsvorgänge. Die Genehmigung darf nach § 145 Abs. 2 BauGB nur versagt werden, wenn das Vorhaben oder Rechtsvorgang die Durchführung der Sanierung unmöglich machen oder wesentlich erschweren oder den Zielen und Zwecken der Sanierung zuwiderlaufen würde. Neben diesen Genehmigungsvorbehalten sind im klassischen Verfahren die besonderen sanierungsrechtlichen Vorschriften von Bedeutung, zu den insbesondere die Preisprüfung (§ 153 Abs. 2 BauGB) und die Erhebung von Ausgleichsbeträgen (§ 154 BauGB) gehören. Zur zügigen Neuentwicklung und Neuordnung von Ortsteilen und anderen Teilen des Gemeindegebiets mit einer besonderen Bedeutung für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung der Gemeinde oder entsprechend der angestrebten Entwicklung des Landesgebiets oder der Region kann unter bestimmten Voraussetzungen das Instrument der ▷städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (§§ 165ff BauGB) eingesetzt werden.
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Entwicklungsbereiche können nicht nur für Maßnahmen im Außenbereich, sondern auch für Innenentwicklungen in zusammenhängend bebauten Gebieten in Betracht kommen. Der Sache nach kann es sich dabei um Wohnstätten, Arbeitsstätten, Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen, sowohl in eher monofunktionalen als auch in typischen gemischten Strukturen handeln. Strukturveränderungen vor allem in Demografie und Wirtschaft und damit einhergehende Auswirkungen auf die städtebauliche Entwicklung machen seit Ende der 1990er Jahre zunächst in den neuen Bundesländern, zunehmend bundesweit die Durchführung von Stadtumbaumaßnahmen (▷Stadtumbau) erforderlich. Stadtumbaumaßnahmen sind Maßnahmen, durch die in von erheblichen Funktionsverlusten betroffenen Gebieten Anpassungen zur Herstellung nachhaltiger städtebaulicher Strukturen vorgenommen werden (§ 171a Abs. 2 BauGB). Das Stadtumbaugebiet wird durch einen Beschluss der Gemeinde auf der Grundlage eines städtebaulichen Entwicklungskonzepts, das die Ziele und Maßnahmen des Stadtumbaus darzulegen hat, beschlossen (vgl. § 171b BauGB). Zur Umsetzung von Stadtumbaumaßnahmen können Stadtumbauverträge abgeschlossen werden (vgl. § 171c BauGB). Zur Sicherung von Stadtumbaumaßnahmen kann die Gemeinde durch eine Satzung eine Genehmigungspflicht für Vorhaben und Maßnahmen im Sinne des § 14 Abs. 1 BauGB einführen (vgl. § 171d BauGB). Alternativ oder ergänzend zu den Regelungen der §§ 171a-d BauGB können auch die Vorschriften des allgemeinen und besonderen Städtebaurechts eingesetzt werden. Als Reaktion auf sich verschärfende soziale, wirtschaftliche und städtebauliche Probleme in Städten, Orts- und Stadtteilen wurde 1999 das BundLänder-Programm ▷Soziale Stadt eingeführt. Städtebauliche Maßnahmen der Sozialen Stadt sind Maßnahmen zur Stabilisierung und Aufwertung von durch soziale Missstände benachteiligten Ortsteilen oder anderen Teilen des Gemeindegebiets, in denen ein besonderer Entwicklungsbedarf besteht (§ 171e Abs. 2 Satz 1 BauGB). Die Maßnahmen der Sozialen Stadt können instrumentell durch die Regelungen zur Sozialen Stadt in § 171e BauGB sowie ergänzend oder anstelle dessen durch das allgemeine und besondere Städtebaurecht umgesetzt werden. Das Gebiet wird durch Beschluss der Gemeinde festgelegt (§ 171e Abs. 3 BauGB). Die Grundlage dafür bildet ein unter Beteiligung der Betroffenen und öffentlichen Auftraggeber aufzustellendes städtebauliches Entwicklungskonzept, in dem die Ziele und Maßnahmen, insbesondere
zur Verbesserung der Wohn- und Arbeitsverhältnisse sowie der Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bevölkerungsstrukturen, darzulegen sind (vgl. § 171e Abs. 4 BauGB). Das in vielen Städten auf Grundlage des § 171e Abs. 5 Satz 3 BauGB eingesetzte Quartiersmanagement hat sich bislang bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Sozialen Stadt als Schlüsselinstrument erwiesen. Für die Umsetzung von Maßnahmen der Stadterneuerung ist die ▷Städtebauförderung von erheblicher Bedeutung. Viele Eigentümer wären ohne finanzielle Unterstützung insbesondere im Hinblick auf die unrentierlichen Kosten nicht in der Lage, erforderliche Maßnahmen der Stadterneuerung durchzuführen. Das Städtebauförderungsrecht findet sowohl bei städtebaulichen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen als auch bei Stadtumbaumaßnahmen und Maßnahmen zur Sozialen Stadt Anwendung. Zur Erhaltung baulicher Anlagen und der Eigenart von Gebieten kann eine ▷Erhaltungssatzung (§§ 172-174 BauGB) erlassen werden. Die Gemeinde kann durch Satzung Gebiete zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des Gebiets auf Grund seiner städtebaulichen Gestalt (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1; Erhaltungssatzung im engeren Sinne), zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2; Milieuschutzsatzung) oder bei städtebaulichen Umstrukturierungen (§ 172 Abs. 1 Satz1 Nr. 3; Umstrukturierungssatzung) bezeichnen. Im Geltungsbereich dieser Satzungen besteht ein zusätzlicher Genehmigungsvorbehalt für den Rückbau, die Änderung oder Nutzungsänderung, in den Fällen des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 auch die Errichtung baulicher Anlagen. Zur Verwirklichung der städtebaulichen Ordnung und Entwicklung sieht das BauGB in den §§ 175-179 städtebauliche Gebote vor. Mit den – in der Praxis allerdings selten eingesetzten – städtebaulichen Geboten können Grundstückseigentümer verpflichtet werden zur Bebauung des Grundstücks bzw. zur Anpassung einer baulichen Anlage an die Festsetzungen des Bebauungsplans, zur Modernisierung oder Instandsetzung einer baulichen Anlage, zur Bepflanzung des Grundstücks, zur Duldung des Rückbaus baulicher Anlagen bzw. der Entsiegelung nicht mehr genutzter Flächen. Sonstige Vorschriften Die Anwendung des Instrumentariums des BauGB erfordert in vielen Fällen die Ermittlung von Grundstückswerten (▷Wertermittlung). Dies betrifft z. B. die Entschädigung des Grundstückseigentümers
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im Rahmen des Planungsschadensrechts oder die Anwendung der Verteilungsregelungen im Rahmen der Umlegung. Die Rechtsgrundlagen für die Wertermittlung sind das BauGB und die aufgrund des BauGB erlassene Wertermittlungsverordnung (WertV), die in Kürze durch die Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) abgelöst werden soll. Ergänzt werden sie durch die Wertermittlungs-Richtlinien in der Fassung vom 10.06.2006, Berichtigung vom 1.07.2006, die allerdings keine Rechtsnormqualität besitzen. Zentraler Begriff in der Wertermittlung ist der Verkehrswert. Der Verkehrswert (Marktwert) wird durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre (§ 194 BauGB). Zur Sicherstellung der Transparenz des Grundstücksmarkts und der Bereitstellung der für die Wertermittlung erforderlichen Datengrundlagen wurden flächendeckend Gutachterausschüsse eingerichtet, deren Rechtsstellung, Zusammensetzung und Aufgaben sich aus §§ 192ff BauGB ergeben. Die WertV regelt die allgemeinen Grundsätze des Vergleichswert-, des Ertragswert- und des Sachwertverfahrens. Diese Verfahren sind im Einzelnen unterschiedlich ausgestaltet. Die Wahl des Wertermittlungsverfahrens ist in Abhängigkeit vom Gegenstand der Wertermittlung unter Berücksichtigung der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten und den sonstigen Umständen des Einzelfalls zu treffen. Durch die Regelung der vorgenannten Verfahren in der WertV wird die Anwendung anderer, nicht in der WertV geregelter Verfahren nicht ausgeschlossen, soweit sie im Ergebnis zu einem sachgerechten Verkehrswert führen können. Lau, Schäfer
BAUWIRTSCHAFT UND BAUBETRIEB Definitionen und Abgrenzungen Als Bauwirtschaft – umgangssprachlich teilweise auch Baugewerbe genannt – wird der Wirt-
schaftszweig bezeichnet, in dem Planungs- und Ausführungsleistungen erbracht werden, die für die Errichtung, Erhaltung und Nutzung baulicher Anlagen erforderlich sind. Die Bauwirtschaft prägt durch die Langlebigkeit ihrer Produkte nicht nur die Umwelt, sondern sie erfüllt auch das Grundbedürfnis des Wohnens und schafft mit infrastrukturellen Anlagen die Basis für Produktion und Dienstleistung. Der Bauwirtschaft kommt damit eine bedeutende Rolle für die Gesamtwirtschaft (▷Immobilienwirtschaft) zu. In der Wirtschaftsstatistik wurden bis 1993 die Bereiche Bauhauptgewerbe, Baunebengewerbe und Bauhilfsgewerbe unterschieden. Diese Begriffe tauchen zwar immer noch in Veröffentlichungen auf, die Bauwirtschaft wird aber nach der EUeinheitlichen Systematik von Wirtschaftszweigen nunmehr folgendermaßen unterteilt: Vorbereitende Baustellenarbeiten, Hoch- und Tiefbau, Bauinstallation, Sonstige Baugewerbe, Vermietung von Baumaschinen.
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Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Bauwirtschaft lässt sich u. a. daran ablesen, dass das gesamte produzierende Gewerbe im Jahr 2006 einen Anteil von ca. 27 Prozent am Bruttoinlandsprodukt hatte. Hierzu steuerte die Bauwirtschaft etwa 15 Prozent oder nominal fast 78 Mrd. Euro bei. Allerdings schwanken die Anteile in Abhängigkeit von der konjunkturellen Entwicklung. Insbesondere der ab 1995 einsetzende Investitionsrückgang hat die Bauwirtschaft in starkem Umfang beeinflusst. So hat sich die Anzahl der in der Bauwirtschaft Beschäftigten zwischen 1995 und 2006 nahezu halbiert. Für den Begriff „Baubetrieb“ existieren zwei unterschiedliche Definitionen. Einerseits wird hierunter die abgekürzte Bezeichnung für die Baubetriebslehre verstanden, nämlich der branchenspezifische Zweig der Industriebetriebslehre, der sich mit allen baubetriebswirtschaftlichen Methoden und Problemstellungen in der Bandbreite zwischen Unternehmensführung und Bauausführung beschäftigt und somit auch die interdisziplinären Schnittstellen von Technik, Wirtschaft und Recht umfasst. Andererseits wird „Baubetrieb“ definiert als „Zusammenfassung aller Produktionsfaktoren (menschliche Arbeit, Maschinen, Werkstoffe, Disposition) zur Erstellung von Bauwerken. Der Baubetrieb ist eine örtlich, technisch, und organisatorisch selbstständige Einheit. In der Wirtschaftsstatistik ist jede Niederlassung eines Bauunternehmens und jede Baustelle einer Arbeitsgemeinschaft
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ein Betrieb, so dass es mehr Baubetriebe als Bauunternehmen gibt.“ (Olshausen 1997:68) Die in Baubetrieben betriebswirtschaftlich und technisch-ökonomisch zu bewertenden Aufgaben sind Gegenstand der „Baubetriebslehre“. Hierzu gehören die Verfahren zur Planung, Steuerung und Optimierung der technologischen und wirtschaftlichen Prozesse in der Bauwirtschaft. Sie lassen sich in folgende Teilgebiete untergliedern: Baubetriebstechnik, Baubetriebswirtschaft, Baubetriebsführung, Baubetriebsorganisation und Baurecht/Vertragswesen Obwohl es sich dabei nicht um genormte Begriffe handelt, können die wesentlichen Handlungsbereiche auf diese Weise grundsätzlich gegeneinander abgegrenzt werden.
unternehmen sowie die Baustoff- und Zulieferindustrie als Anbieter gebildet (siehe Abbildung). Der Begriff „Auftraggeber“ wird dabei im Sinne des „Bestellers“ nach BGB verwendet. Der Begriff „Bauherr“ wird dagegen noch im öffentlichen Baurecht, beispielsweise in den Landesbauordnungen, verwendet. Als „Investor“ wird der Auftraggeber, Besteller oder Bauherr im betriebswirtschaftlichen Sinne bezeichnet. Die planenden und beratenden Architektur- und Ingenieurbüros stellen zwar rechtlich gesehen sog. „Erfüllungsgehilfen“ dar, sind aber in der Marktstruktur ebenfalls Anbieter, nämlich Anbieter von Dienstleistungen. Die Nachfrageseite wird im Wesentlichen von öffentlichen und privaten Auftraggebern geprägt, die Anbieterseite ist dagegen aufgrund der weitgehend arbeitsteiligen, spezialisierten Leistungserbringung sehr viel heterogener strukturiert. Prozessstrukturen
Marktstrukturen Der Baumarkt ist als Markt für Investitionsgüter im Gegensatz zum Markt für Konsumgüter fast ausschließlich ein Nachfragemarkt, in dem auf Bestellung produziert wird. Hiervon ausgenommen ist ein relativ geringer Anteil der Vorratsproduktion im Wohnungsbau. Der Baumarkt wird einerseits durch die Auftraggeber als Nachfrager und anderseits durch die Handwerksbetriebe, die Bau-
Struktur des Baumarktes (Berner/Kochendörfer/Schach 2007:19)
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Die Produktion von Gütern in der stationären Industrie ist dadurch gekennzeichnet, dass die Zuständigkeit für die Produktphasen Planung, Konstruktion und Fertigung in den meisten Fällen in einer Hand, nämlich beim Produzenten liegt (siehe Abbildung). Die Produktphasen laufen dort i. d. R. nach einem „Normalablauf “ ab. Dies bedeutet, dass die Reihenfolge stufenweise und chronologisch geordnet ist.
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Außerdem werden zumeist eindeutige Zwischenstadien, beispielsweise für Prototypen und Erprobungsphasen, vor dem Eintritt in die Serienproduktion eingefügt. Werden Produktphasen zu sehr gekürzt oder wird die Produktion ohne ausreichenden Vorlauf für die Erprobung aufgenommen, müssen Konstruktionsfehler nach Produktionsbeginn behoben werden und bereits ausgelieferte Produkte ggf. in aufwendigen Rückrufaktionen nachgebessert werden. Bauprojekte sind, im Gegensatz zur Produktorientierung in der stationären Industrie, durch einen prozessorientierten Markt gekennzeichnet, in dem von der Projektidee bis zum Nutzungsbeginn im Wesentlichen die folgenden Projektbeteiligten mitwirken (siehe Abbildung): Auftraggeber (Besteller, Bauherr), Planer und Berater (Architekten und Fachingenieure), Ausführungsfirmen (Bauunternehmen, Handwerksbetriebe, Lieferanten), Behörden (Zulassungs-, Aufsichts- und Genehmigungsstellen), Nutzer (Bauherr, Käufer, Mieter).
Finanzierungszwängen und zur Verkürzung der Gesamtdauer. Man spricht hierbei auch von der „baubegleitenden Planung“ oder – im englischen Sprachraum – vom „fast track“. Aus dem Parallelablauf entstehen häufig u. a. folgende Problembereiche mit teilweise komplexen Zielkonflikten zwischen den Projektbeteiligten: kurze Planvorlaufzeiten für Konstruktion und Fertigung hohe Störanfälligkeit im Planungs- und Bauablauf, großer Informationsfluss auf Baustellen, häufige Auseinandersetzungen über Termine und Preise.
Die ausführende Wirtschaft wird meistens erst dann hinzugezogen, wenn die Planung sehr weit gediehen ist und die Bauleistungen über sog. Ausschreibungen dem Preiswettbewerb zugeführt werden. Während bei Produzenten der stationären Industrie meistens Planung, Konstruktion und Fertigung in einer Hand liegen, ist bei Bauprojekten i. d. R. eine wechselnde Zuständigkeit für Planung, Konstruktion und Fertigung gegeben (zu anderen Abwicklungsmodellen vgl. ▷Projektmanagement und ▷Public Private Partnership). Ein weiterer Unterschied zwischen der stationären Industrie und der Bauproduktion besteht darin, dass der industrieübliche „Normalablauf “ im Bauwesen durch den sog. „Parallelablauf “ (siehe Abbildung) ersetzt wird – dies meist aus
Den Rationalisierungsbestrebungen der Fertigung stehen oft die Ansprüche der Planung entgegen. Außerdem führt die zeitliche Überlagerung von Planung, Konstruktion und Fertigung dann zu Zwangspunkten, wenn Aufgabenstellungen der Vorstufen nicht exakt oder vollständig genug abgearbeitet worden sind und damit den Folgeprozess negativ beeinflussen. In diesem Zusammenhang muss auch gesehen werden, dass die ausführenden Firmen im Baubereich individuell gefertigte Projekte zu einem vorher festgelegten Preis herstellen, die der Auftraggeber darüber hinaus noch bis zum Zeitpunkt der Fertigstellung ändern kann. Trotz dieser komplexen Abhängigkeiten besteht die grundsätzliche Aufgabenstellung darin, ein Bauwerk mit der gewünschten Gestaltung und Funktionalität (Qualität), im vorgesehenen Budgetrahmen und (Kosten) und im geplanten Zeitrahmen (Termine) auszuführen, wobei Wirtschaftlichkeitsberechnungen sowohl die Investitions- als auch die später entstehenden Betriebsund Nutzungskosten zu berücksichtigen haben (weiterführende Erläuterungen ▷Facility Management, ▷Nachhaltige Stadtentwicklung und ▷Projektmanagement).
Güterherstellung in der stationären Industrie (Berner/Kochendörfer/Schach 2007:45)
Planung und Produktion bei Bauwerken (Berner/Kochendörfer/ Schach 2007:46)
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Strukturen für Normalablauf und Parallelablauf (Berner/Kochendörfer/Schach 2007: 47)
Leistungsstrukturen Die Vergabe und Ausführung von Bauleistungen ist traditionell geprägt von Leistungs- und Vertragsstrukturen, die sich an den sog. Gewerken orientieren und nach Fachlosen gegliedert sind. So kann die Fachkompetenz der spezialisierten Anbieter optimal genutzt werden und die Auftraggeber haben den Vorteil umfassender Steuerungsmöglichkeiten. Nachteilig kann sich jedoch die Vielzahl der notwendigen Verträge und der damit verbundenen Schnittstellen auswirken. Zumindest große und mittelständische Bauunternehmen haben in den letzten 30 bis 40 Jahren auf geänderte Marktanforderungen dadurch reagiert, dass sie sich zunehmend zu Anbietern schlüsselfertiger Leistungen gewandelt haben und den Kunden die „Leistung aus einer Hand“ offerieren. Übernimmt ein Unternehmen sämtliche Bauleistungen und führt hiervon einen Teil selbst aus, so spricht man i. Allg. von einem Generalunternehmer. Führt der Auftragnehmer selbst keine gewerblichen Leistungen aus, übernimmt aber die gesamte Ausführung, so wird dieser i. Allg. als Generalübernehmer bezeichnet und übernimmt dabei auch die Gesamtkoordination der Baumaßnahme. Werden von einem Auftragnehmer weitere Leistungen übernommen, die über die eigentliche Bauausführung hinausgehen, beispielsweise Planungsleistungen, so spricht man i. Allg. von einem Totalunternehmer oder Totalübernehmer. Damit
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wird einerseits die größtmögliche Reduktion der Schnittstellen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer erreicht, andererseits aber vom Auftraggeber eine vergleichsweise frühzeitige Festlegung der Anforderungen an das Bauwerk (gestalterisch, funktional, qualitativ, technisch) verlangt. Die Projektabwicklung im sog. Bauteam ist v. a. in den Niederlanden und in den skandinavischen Ländern verbreitet. Auf der Grundlage eines vom Auftraggeber oder seines Planers erstellten Planungskonzeptes mit Qualitätsanforderungen erarbeiten zunächst ein oder mehrere Wettbewerber konkrete Vorschläge mit dem Ziel, die vom Auftraggeber gestellten Anforderungen einschließlich der Zielkosten optimal zu erfüllen. Ausgehend von diesen Vorschlägen wählt der Auftraggeber daraufhin das erfolgreiche Bauteam aus und setzt gemeinsam mit diesem weitere Optimierungsvorschläge um. Die Planer und Ausführungsfirmen werden dadurch bereits in einer sehr frühen Projektphase ausgewählt. Die Projektabwicklung mit Vertragsformen des „Construction Management“ basiert auf einer Organisationsform, die ursprünglich von den USA ausging und in den letzten 30 Jahren zunehmend Verbreitung gefunden hat. Der Construction Manager nimmt hierbei – quasi als Projektmanager – die zentrale Stelle in der Projektorganisation ein, was die Bezeichnung dieser Vertragsform erklärt. Grundsätzlich unterscheidet man als alternative Abwicklungsformen das Construction Manage-
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ment mit Ingenieurvertrag und das Construction Management mit Bauvertrag. Die beiden Modelle unterscheiden sich in der vertraglichen Übernahme von Risiken für die Einhaltung von Kostenund Terminzielen. Construction ManagementLeistungen werden sowohl von Baufirmen als auch von Planungs- und Ingenieurgesellschaften angeboten. Eine weitere Vertragsform stellt der GMP-Vertrag dar (Garantierter Maximal-Preis). Dieses Verfahren zielt darauf ab, eine Kooperationsform für Auftraggeber und Auftragnehmer zu finden, bei der beide Seiten von Optimierungen profitieren, die nach Vertragsabschluss vorgenommen werden. Hierzu schreibt der Auftraggeber die Leistungen i. d. R. funktional auf der Grundlage einer abgeschlossenen Vorplanung aus und schließt dann einen Pauschalvertrag mit verbindlicher Preisobergrenze ab. Der typische GMP-Vertrag enthält Regelungen für spätere Leistungs- und Preisänderungen, die auf Vergaben an Nachunternehmer sowie auf Änderungsvorschläge beider Vertragspartner zurückgehen können und von denen beide Seiten nach festgelegten Anteilen profitieren. Mit den sog. PPP-Modellen hat das Leistungsspektrum von Bauunternehmen eine lebenszyklusorientierte Erweiterung erfahren. In den unterschiedlichsten Ausprägungen von PPP-Verträgen zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft werden i. A. nicht nur Planungs- und Bauleistungen an das Bauunternehmen vergeben, sondern der Leistungsumfang wird auf die Wertschöpfungskette Planen-Bauen-Finanzieren-Betreiben ausgedehnt. Kochendörfer
Literatur Berner, F.; Kochendörfer, B.; Schach, R. (2007): Grundlagen der Baubetriebslehre 1. Wiesbaden Olshausen, H.-G. (1997): VDI-Lexikon Bauingenieurwesen. Berlin
BENCHMARKING IN DER IMMOBILIENWIRTSCHAFT UND STADTENTWICKLUNG Begriffsdefinition und Methodik Benchmarking ist ein systematischer Prozess des Strebens einer Organisation nach Verbesserung ihrer Leistungen. Wettbewerbsvorteile sollen durch Orientierung an den jeweiligen Bestleis-
tungen in der Branche, im Tätigkeitsfeld oder an sonstigen Referenzleistungen erreicht werden (vgl. Sabisch/Tintelnot 1997:12). Als Methode ist Benchmarking ein fach- und branchenübergreifendes Managementinstrument und wurde in den späten 1980er Jahren maßgeblich von Robert Camp im XEROX-Konzern entwickelt. Es basiert auf dem archetypischen Urprinzip des Lernens und Messens an Meistern und Vorbildern, das in den Künsten, in der Architektur und im Handwerk schon immer im Zentrum von Qualitätswahrung und Innovation steht. Robert Camp hat dieses Prinzip unter betriebswirtschaftlichen Kriterien systematisiert und in der Praxis erprobt. Für das Verständnis der erst in Ansätzen vollzogenen Integration des Benchmarkings in die Stadtentwicklung, die Immobilien- und die Bauwirtschaft ist es sinnvoll, eine Unterscheidung nach den durch Benchmarking zu verbessernden Leistungsbereichen zu treffen: Produkt- oder Objekt-Benchmarking für Immobilien, Quartiere und Städte aufgrund von Kennzahlen und Qualitätsstandards, Prozess-Benchmarking für Baulandentwicklung, Finanzierung, Marketing und Bauprozesse aufgrund von Kennzahlen und Ablauforganisationen, Strategie-Benchmarking für Entwicklungsmaßnahmen aufgrund von Vorgehensweisen, generisches Benchmarking zur Entwicklung von Innovationen durch Ableitung und Übertragung von Erfolgsprinzipien.
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Die methodische Grundstruktur eines Benchmarking-Prozesses bildet ein standardisierter Ablauf in fünf Schritten: 1) Zielsetzung für den Benchmarking-Prozess, 2) Analyse des Gegenstandes für das Benchmarking, 3) Vergleich mit der Bestlösung, 4) Maßnahmen zur Zielerreichung, 5) Umsetzung der Maßnahmen. Zentrale Grundlage für die Durchführung des Vergleichs von Projekten, Prozessen oder Strategien ist die Beschaffung der erforderlichen Informationen über die jeweiligen Bestlösungen (Best Practice). Diese Grundlagenerstellung kann durch systematische organisationsinterne Datenerfassung von Projekten erfolgen, aber auch durch Bezug der Daten von Drittanbietern oder in Durchführung von Benchmarking-Projekten gemeinsam mit anderen Unternehmen. Letztere sind vergleichsweise aufwendig, ermöglichen aber am ehesten größere Entwicklungssprünge. Für die
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Durchführung sind ein neutraler Moderator sowie Vereinbarungen erforderlich, die das notwendige Vertrauen schaffen, sensible Informationen auszutauschen. Benchmarking unterscheidet sich von Methoden des Ratings, des Wettbewerbsvergleichs und des Kennzahlenvergleichs insofern, als dass es immer den Gesamtprozess in den Fokus nimmt und nicht nur den Vergleich von Ergebnissen beinhaltet. Es zielt nicht auf die Kopie einer Bestlösung ab, sondern versucht aus dieser zu lernen, um die eigene Leistung zu verbessern. Neben dem Finden und Bewerten von vergleichbaren Bestlösungen gehört das Überzeugen von Partnern zur Kooperation zu den wesentlichen Herausforderungen beim Benchmarking, da systematisches Benchmarking mit Kooperationspartnern eine bessere Informationsqualität erschließt. Dimensionen des Benchmarkings Für die Immobilien- und Bauwirtschaft sowie für die Stadtentwicklung sind basierend auf den speziellen Anforderungen von Lebenszyklusphasen von Gebäuden und Quartieren zwei Anwendungsfelder zu unterscheiden. Innerhalb dieser Anwendungsfelder kann Benchmarking jeweils auf die vorgenannten Leistungsbereiche bezogen werden. 1) Immobilien-Benchmarking bezieht sich auf die Verbesserung eines Immobilienbestandes im Maßstab der Einzelimmobilie, des Quartiers oder eines Immobilienportfolios. Es ist vorwiegend objektorientiert, z. B. in der Optimierung von Betriebskosten, kann aber auch auf Prozesse, z. B. im ▷Facility Management und Asset Management, angewendet werden. Die Anwendung erfolgt also im Rahmen der Nutzungsphase des Lebenszyklus einer Immobilie (▷Lebenszyklus von Immobilien). Diese Form des Benchmarkings hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend zur Optimierung von Beständen etabliert, sie hat aber noch erheblichen Forschungs- und Standardisierungsbedarf (Reisbeck/Schöne 2006). 2) Integriertes Benchmarking bezeichnet die Verknüpfung von Benchmarking mit unterschiedlichen Teilprozessen in Entwicklungsprojekten, z. B. in der (konsensualen) Programmstellung, in der Kalkulation von Kosten und Erlösen und im Controlling. Je nach Art des Projektes und der Projektphase gibt es vielfältige Anwendungsmöglichkeiten in den Bereichen von ▷Machbarkeitsstudien, Planungen und Bauabläufen. Ein wesentliches Grundprinzip ist hier
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das „Lernen von Projekten für Projekte“, das für die Simulation von Projektergebnissen anhand der Erfahrungen von abgeschlossenen Projekten steht. In der Automobilindustrie wird dieses Verfahren als „Frontloading“ eingesetzt, d. h. die virtuelle Simulation des Projektergebnisses zu Projektbeginn dient als Anleitung für richtungsweisende Entscheidungen. In Entwicklungsprojekten als „Planung der Planung“ bezeichnet, strebt dieses Verfahren an, bereits in der Ideenphase interdisziplinäre und realisierbare Lösungen zu durchdenken, die die Belange der relevanten Interessenvertreter berücksichtigen. Dabei verfolgt insbesondere das Benchmarking der Prozesse der Realisierungsphase das Ziel, sicherzustellen, dass eine angestrebte Lösung auch erreicht wird (Kyrein 2000). Diese Kombination von Produkt- und ProzessBenchmarking kann als Projekt-Benchmarking definiert werden (Bormann 2007). Durch die Verbindung des integrierten Benchmarkings mit dem Immobilien-Benchmarking können frühzeitig wichtige Entscheidungskriterien aus der Nutzungsphase in die Entwicklungs- und Planungsphasen einbezogen werden. Insbesondere für den Anwender einer solchen kombinierten Methode stellen sich zentrale Fragen nach Möglichkeiten der Datenerhebung in der erforderlichen Zeit, zu vertretbaren Kosten und in ausreichender Qualität. Es fehlt hier noch an einer systematischen Erhebung und Bereitstellung, z. B. durch eine entsprechende Institution bzw. einen entsprechenden Dienstanbieter. Bedeutung und kritische Würdigung des Benchmarkings Benchmarking kann i. Allg. als etablierte und fachübergreifende Methode verstanden werden, die in unterschiedlichen Branchen seit etwa zwanzig Jahren zur Anwendung kommt. Institutionen wie das Informationszentrum Benchmarking am Fraunhofer IPK (Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik) haben sich als Anbieter etabliert. Im Bereich der Immobilien- und Bauwirtschaft fehlen bisher noch die ausreichende Verbreitung der methodischen Grundlagen und notwendige Standardisierungen für die effiziente Durchführung von Benchmarking-Projekten. Grundsätzlich verspricht die Anwendung von Benchmarking auch in der Immobilienwirtschaft und Stadtentwicklung einen Nutzen auf mehreren Ebenen. Für Bestandsobjekte im Maßstab von Gebäuden, Quartieren und Städten liegt der Fo-
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kus maßgeblich auf dem Verbesserungsprozess. Dieser kann einmalig oder kontinuierlich angelegt sein. Auf Basis der Erhebung von Kennzahlen werden Schwachstellen identifiziert und Maßnahmen zu deren Behebung anhand der systematischen Transformation von Bestlösungen definiert. In der Immobilien- und Stadtentwicklung bietet es sich aufgrund des eher langfristigen Horizonts an, Benchmarking als einen fortlaufenden Verbesserungsprozess zu installieren. Für öffentliche wie privatwirtschaftliche Organisationen verspricht Benchmarking einen Mehrwert im Rahmen des eigenen Wissensmanagements. Hier dient das Vorgehen dazu, systematisch aus eigenen und fremden Projekten zu lernen. Grundlage dafür ist die standardisierte Erfassung der Projekte und die Integration eines Controllings für die Maßnahmenumsetzung in die betrieblichen Abläufe der jeweiligen Organisation. Insbesondere beim Prozess-Benchmarking liegt ein wesentliches Potenzial darin, sich mit anderen Branchen zu vergleichen, was auf Ebene der Produkte wegen fehlender Vergleichbarkeit oft nicht erfolgen kann. Hier bieten sich insbesondere die Bereiche Marketing, methodische Produktentwicklung und Fertigungsprozesse zum Vergleich an. In Prozessen der Stadtplanung und der Stadtund Immobilienentwicklung kann Benchmarking eine Schlüsselfunktion in der Simulation und Steuerung zukommen. Als „Planung der Planung“ können Planungsergebnisse und Planungsprozesse anhand von Beispielen aus der gebauten Realität simuliert und getestet werden. Dies sollte interdisziplinär, d. h. mindestens in wirtschaftlicher, architektonischer, technischer und rechtlicher Hinsicht erfolgen. Durch diese dem herkömmlichen Planungsprozess vorgeschaltete Abstimmung von Fachdisziplinen und Akteursinteressen sind alle Beteiligten schon zu Beginn der Planung über den tatsächlich vorhandenen Lösungsspielraum für die betreffende Planungsaufgabe informiert. Dokumentiert wird das Ergebnis in einer integrierten Machbarkeitsstudie als Zielund Maßnahmenplan. Diese stellt ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen den unterschiedlichen Anforderungen dar und kann somit als eine Art Balanced Scorecard verstanden werden. Im Rahmen der Umsetzung ist das Instrument der integrierten Machbarkeitsstudie dann die wesentliche Grundlage, die Zielerreichung anzusteuern und Risiken zu beherrschen. Kritik am Benchmarking zielt meistens auf zwei Punkte ab. Zum einen wird bemängelt, dass die Methodik nur zum – zumeist schlechten – Kopie-
ren von Vorbildern anleite. Zum anderen verhindere die Einmaligkeit von Projekten und Immobilien die Vergleichbarkeit. Der erste Punkt trifft zu, wenn die Methode nicht gemäß ihrer ursprünglichen Intention und Zielsetzung angewendet wird. Die Grundidee ist die ständige Verbesserung für individuelle Lösungen, um Spitzenleistungen zu erzeugen. Z. B. ist das Lernen aus der Natur für bauliche Lösungen ein Unterzweig der Bionik und kann als generisches Benchmarking verstanden werden. Hier geht es um die Übertragung grundsätzlicher Prinzipien zur Erreichung innovativer Lösungen. Der zweite Punkt markiert die wesentliche Herausforderung in den beschriebenen Anwendungsfeldern: Die Schaffung von Vergleichbarkeit. Nur in dem Maße, in dem ein Vergleich in Teilaspekte und Vergleichsparameter strukturiert werden kann, ist ein Benchmarking möglich. Im Rahmen von Projekt-Benchmarking wird es deshalb meistens erforderlich sein, nicht ganze Projekte miteinander zu vergleichen, sondern lediglich Teilbereiche.
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Ausblick Eine Studie des Fraunhofer IPK legt die Schlussfolgerung nahe, dass ein Bedarf für Benchmarking in der Immobilien- und Bauwirtschaft sowie in der Stadtentwicklung vorhanden ist und noch zunehmen wird (IPK 2008). Dies beruht maßgeblich auf folgenden langfristigen Entwicklungstendenzen: Die Globalisierung des Kapitalmarktes, die Anforderungen aus der Kreditbeschaffung (Basel II) und die Zertifizierungsanforderungen an Immobilien nehmen stetig zu. Damit steigt auch der Bedarf an Informationen und deren Auswertung. In der Wissensgesellschaft ist vermehrt ein zielgerichtetes Wissensmanagement erforderlich. Aus den genannten Gründen kann ein erheblicher Forschungsbedarf über die Einsatzmöglichkeiten von Benchmarking als Methode der Prozess- und Ergebnisverbesserung in der Immobilien- und Stadtentwicklung festgestellt werden. In jüngster Zeit mehren sich die Anzeichen dafür, dass verstärkte Anstrengungen in dieser Richtung unternommen werden. So gibt es verschiedene Bemühungen etwa von Seiten einiger Immobilienverbände (GEFMA, IFMA-Deutschland, RealFM), notwendige Standards im ImmobilienBenchmarking zu schaffen oder diese durch Institutionen wie das Immobilien-BenchmarkingInstitut an der Fachhochschule Kufstein Tirol erforschen zu lassen. Auch die TU Berlin beteiligt sich maßgeblich an einer Forschungsinitiative, die integriertes Benchmarking zur Verfahrensverbes-
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serung in der Immobilien- und Stadtentwicklung erforscht und in der Praxis anwenden will. U. a. wird hier die Unterstützung von Benchmarking mit ▷Geographischen Informationssystemen (GIS) untersucht. Bormann, D.
Literatur Bormann, D. (2007): Integriertes Benchmarking – „Push“-Faktor für die Projektentwicklung. Discussion Paper des Weiterbildungsstudiums Real Estate Management Nr. 1/2007. Berlin IPK – Informationszentrum Benchmarking am Fraunhofer (Hrsg.) (2008): Benchmarking-Trends in der „Immobilien- und Stadtentwicklung“. Ergebnisse einer Expertenbefragung. Berlin Kyrein, R. (2000): Baulandentwicklung und Baurealisierung in Public Private Partnership. München Reisbeck, T.; Schöne, L. B. (2006): Immobilien-Benchmarking: Ziele, Nutzen, Methoden und Praxis. München Sabisch, H.; Tintelnot C. (1997): Integriertes Benchmarking für Produkte und Produktentwicklungsprozesse. Berlin, Heidelberg
BESTANDSENTWICKLUNG UND STADTERNEUERUNG Definitionen Stadterneuerung ist eine „bewusst eingeleitete Strategie, die zur Verbesserung ökonomischer, baulicher, funktionaler oder sozialer Stadtstrukturen führen soll“ (Albers 1995). Als globale Aufgabe mit unterschiedlichsten Ausgangsbedingungen und Potenzialen ist sie dem Prinzip der nachhaltigen Entwicklung verpflichtet. Für die im Folgende, auf Deutschland konzentrierte Darstellung wird im Hinblick auf die Intensität der Stadterneuerung unterschieden zwischen Stadtsanierung im Sinne des besonderen Verfahrens-, Steuerungs-, und Finanzierungsrechts der §§ 136ff Baugesetzbuch (BauGB) für Gebiete mit besonders schwerwiegenden städtebaulichen Problemstellungen und einfacher Stadterneuerung, die ohne das Sanierungsrecht des BauGB auskommt. Das Aufgabenspektrum ist breit: Es reicht in Deutschland von der Erhaltung historischer Stadt- und Ortskerne über die Stärkung der Stadtzentren als Wirtschafts- und Infrastrukturstandorte bis hin zur Stabilisierung von sozialen Brennpunkten in ▷Großsiedlungen und Altbauquartieren. Unter Bestandsentwicklung im Sinne einer Aufgabe der Städtebaupolitik können alle weiteren städtebaulichen Maßnahmen verstanden werden, die mit dem Ziel der Stabilisierung oder Änderung vorhandener Stadtgebiete durchgeführt werden. Die Intensität kann vom umfassenden rechtlichen
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und finanziellen, zeitlich befristeten Ressourceneinsatz bis zur begrenzten Einflussnahme über kommunale Erhaltungs- und Gestaltungsvorgaben reichen. Bestandsentwicklung umfasst in diesem Sinne auch das stark wohnungswirtschaftlich geprägte Aufgabenfeld des ▷Stadtumbaus und die Aufgaben der Innenentwicklung (▷Innenentwicklung/Außenentwicklung) und der kommunalen Flächenkreislaufwirtschaft (▷Flächenmanagement), nicht nur in den Innenstädten. Zentrale Akteure von Bestandsentwicklung und Stadterneuerung sind die Gemeinden im Rahmen ihrer Selbstverwaltungshoheit, wenngleich an der rahmensetzenden Steuerung und insbesondere an der Finanzierung die Länder und der Bund und zunehmend die EU – etwa im Rahmen der Strukturfondspolitik (▷Europäische Raumentwicklungspolitik) – erheblichen Anteil haben. Ziele und Lösungsansätze der Stadterneuerung stehen in engem Bezug zu übergeordneten Rahmensetzungen, etwa im wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, demographischen und ökologischen Bereich und sind in ihrer Entwicklungsgeschichte untrennbar verbunden mit den jeweiligen gesellschaftspolitischen Konzepten, die den Umgang mit der vorhandenen Stadt prägen (Bodenschatz/ Heise/Korfmacher 1983) und damit Spiegel der damit verbundenen Konflikte und Chancen. Die öffentliche Bewertung des Aufgabenfelds reicht daher von grundsätzlicher Ablehnung („Kahlschlagsanierung“, „Teil eines strategischen Kalküls des herrschenden Interessenblocks“) bis zu ungeteilter Zustimmung („wirksamste Form der örtlichen Strukturpolitik“). Stadterneuerung und Bestandsentwicklung erfordern eine breite Einbindung bürgerschaftlichen Engagements und die Koordinierung mit privaten Trägern, etwa von Wohnungsunternehmen und Immobilieneigentümern, um Hebel und Motor sein zu können für private, objektbezogene Investitionen. Die starken Beschäftigungs- und Fiskalwirkungen der Stadterneuerung sind – neben den stadtstrukturellen Wirkungen – anerkannt. (BMVBS 2005:90) Entwicklungsgeschichte und Aufgabenschwerpunkte In den zurückliegenden 40 Jahren Entwicklungsgeschichte haben sich die Aufgabenfelder von Stadterneuerung und Bestandsentwicklung immer weiter ausdifferenziert. Sie tangieren dabei viele Fachthemen und -politiken und spiegeln deren Wandel in den eigenen Leitbildern und Konzepten wieder. Dies gilt für Denkmalschutz, ▷Städtebau, ▷Verkehrspolitik und auch für Wirt-
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schafts- und Sozialpolitik (▷Kommunale Wirtschaftsförderung, ▷Sozialer Wohnungsbau). (Becker/Jessen/Sander 1998, Schröteler-von Brandt 2008) Mitte der 1960er Jahre bedeutete „Stadtsanierung“ als Pendant zur Tertiärisierung, zur „urbanen Verdichtung“ der Stadtkerne und dem Bau von Stadtrandsiedlungen und Trabantenstädten fast immer die grundlegende Modernisierung und wachstums- und verkehrsgerechte Neuordnung der überkommenen Stadtstrukturen bis hin zum kompletten Abbruch von Altbauquartieren. Sie konzentrierte sich auf die Stadtbereiche mit „städtebaulichen Missständen“, seien sie baulichsubstanzieller oder auch funktionaler, etwa verkehrlicher, gewerbe- oder sozialstruktureller Art. Mit den zunächst über einzelne Länderprogramme und ab 1971 über die ▷Städtebauförderung bundesweit verfügbaren öffentlichen Fördermitteln und den dafür neu geschaffenen Rechtsinstrumenten konnten die Gemeinden einen Ausbau der öffentlichen Infrastruktur, die Schaffung von Bauflächen bzw. die Unterstützung unrentierlicher privater Aufwendungen sowie die notwendige Prozesssteuerung über den absehbar langjährigen Durchführungszeitraum einleiten. Die erkennbaren Grenzen des Wachstums, die stärkere öffentliche Wahrnehmung von negativen sozialen Effekten der Stadt- und Raumentwicklung sowie von Verkehrs- und Umweltproblemen bedeuteten Mitte der 1970er Jahre für das Aufgabengebiet der Stadterneuerung eine grundlegende Schwerpunktverschiebung. Hinzu kam der Bedeutungsgewinn des Denkmalschutzes bei stärkerer Betonung des Ensembleschutzes und seiner europaweit diskutierten stadtentwicklungspolitischen Bedeutung. (Europarat 1975, Debold/DeboldKritter 1975) Mit der veränderten Wertschätzung sozialer und gebauter Strukturen wurden bisherige Ergebnisse und Konzepte der Flächensanierung öffentlich und fachpolitisch in Frage gestellt. Dies gilt besonders für die Großstädte, in denen die Anspannung der Wohnungsmärkte und die drohende Verdrängung einkommensschwacher Sanierungsbetroffener eine besondere Rolle bei der kritischen Bewertung von überzogenen Entwicklungskonzepten und der damit verbundenen Subventionspolitik für die Wohnungswirtschaft (Bodenschatz/Heise/Korfmacher 1983:392) erhielten. Der baugeschichtliche und gesellschaftliche Wert historischer Baustrukturen und vorhandener Nutzungsmuster und Bestandsmilieus (▷Milieu) erhielt bei der breiten Diskussion um Formulierung und Fortschreibung bis hin zur Revision von örtlichen Stadterneuerungszielen einen höheren Stellenwert. Die Begriffe behut-
same (sozial verträgliche) und erhaltende (substanzschonende) Stadterneuerung stehen für die Zielanpassungen, die in aller Regel innerhalb der laufenden örtlichen Stadtsanierungsmaßnahmen stattfanden. (Becker/Schäfer/Schmidt 1986:45ff ) Bis Mitte der 1980er Jahre stieg die Zahl der in der Bundesrepublik durchgeführten bzw. laufenden Stadterneuerungsmaßnahmen auf etwa 800. Stadterneuerung war damit in fast jeder Stadt ein Thema. Die erhaltende Erneuerung der historischen, durch denkmalwerte Bausubstanz geprägten Kernbereiche zunehmend auch kleinerer Städte und Dörfer (▷Dorferneuerung), die behutsamere Modernisierung und Instandsetzung der durch Mietwohnungsbau (▷Wohnen) geprägten städtischen Altbauquartiere und auch die Neuordnung städtischer Infrastrukturschwerpunkte bestimmten das ausdifferenzierte Aufgabenspektrum. Über die Städtebauförderung und ergänzende Konjunkturprogramme waren Bund und Länder die Schrittmacher dieses Politikfelds mit seinem anerkannten volkswirtschaftlichen Nutzen für Arbeits- und Wohnungsmärkte, für die Aufwertung der Städte und die Bewältigung gesellschaftlicher Konflikte v. a. in den Wohnquartieren der Großstädte. (Bodenschatz/Heise/Korfmacher 1983) Die deutsche Vereinigung löste eine Schwerpunktverlagerung aus, die über ein Jahrzehnt Bestand hatte und auch heute noch nachwirkt. In Ostdeutschland wurde die Stadterneuerung nach 1990 als Chance begriffen, quasi in letzter Minute den Verlust der historischen Stadtlandschaft zu verhindern, die zwar von Bombenkrieg und „zweiter Zerstörung“ weniger berührt worden war, um so mehr jedoch von großflächigem Investitionsstau, Verfall und Funktionsschwächung. Denn unter den in der DDR herrschenden baupolitischen Bedingungen und ökonomisch-technischen Zwängen im Bauwesen hatte die Erhaltung funktionsfähiger Altbauquartiere insgesamt keine Erfolgsperspektive. Wo überhaupt Ansätze zur Stadterneuerung möglich gewesen waren, mussten sie den Restriktionen der zentralen Planwirtschaft und überwiegend auch der Dominanz des industriellen Neubaus als vorgegebenem Lösungsansatz Rechnung tragen. (Goralczyk 1996, Andrä 1996, Hannemann 2003) Prägend für die Stadterneuerungspolitik in den neuen Ländern war zunächst die Dominanz der Substanzerneuerung im privaten und öffentlichen Bereich, kombiniert mit der notwendigen grundlegenden Ertüchtigung der Infrastruktur. Für bedeutende historische Stadtkerne wurde ausgewählten Städten mit dem Programm „Städtebaulicher
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Denkmalschutz“ die Sicherung und Erhaltung der Baustrukturen ermöglicht und das gewohnte Zielspektrum der Stadtsanierung mit der Bezugnahme auf Erhaltungsgebiete nach § 172 BauGB auch räumlich erweitert. Auch vor dem Hintergrund der Wiederherstellung der kommunalen Selbstverwaltung unter demokratischen Vorzeichen kann die inzwischen fortgeschrittene Erneuerung der historischen Stadtkerne in den neuen Ländern als ein Erfolgskapitel des deutschen Vereinigungsprozesses gelten. Sie ist aber auch eine notwendige Grundlage für die Funktionsstärkung der großen Zahl v. a. kleiner und mittlerer ostdeutscher Städte, die im Sinne der Entwicklung zentraler Innenstadtnutzungen und der Leerstandsbeseitigung bei wichtigen Einzelbauten und Ensembles weiter vorangebracht werden muss. Die deutliche Fokussierung der Stadterneuerungspolitik des Bundes auf die Rettung der Altstädte in Ostdeutschland wurde bereits in den 1990er Jahren durch die Veränderung der demographischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und komplexere regionale Aufgabenentwicklungen differenziert – mit folgenden neuen Schwerpunkten: Der massive und dauerhafte Wohnungsüberhang in den Städten mit zurückgehenden Einwohnerzahlen (▷Demographischer Wandel) erforderte zur Konsolidierung der Wohnungsmärkte und der Wohnungsunternehmen einen Abbruch überzähliger Wohnbauten, der als „▷Stadtumbau“ zunächst in den neuen Ländern, inzwischen aber mit einem erweiterten Ansatz deutschlandweit vorangetrieben wird. Dabei soll mit dem Grundsatz „Schrumpfung außen – Aufwertung innen“ den städtebaulich begründeten Prioritäten bei der Stabilisierung der Innenstädte auch als Wohnort Rechnung getragen werden. Mit der Entspannung der Wohnungsmärkte, der Veränderung der innerstädtischen Sozialstrukturen und der Entstehung neuer Ungleichgewichte zwischen den Stadtquartieren hat die soziale Stadterneuerung als Querschnittsaufgabe über den Ausbau von lokalen Ausbildungsund Beschäftigungsmöglichkeiten, von bedarfsgerechter sozialer Infrastruktur und von Kulturangeboten für die Bewohnerschaft im Sinne eines integrierten Verständnisses von Stadterneuerung Segregationstendenzen entgegengewirkt, bundesweit insbesondere mit dem Programm ▷Soziale Stadt für Stadtgebiete mit hohen Migrantenanteilen und hohen Arbeitslosenquoten. Im Zuge des Strukturwandels entstanden um-
fangreiche Handlungserfordernisse auch bei der Reaktivierung von Stadtbrachen im gewerblichen, im militärischen und im infrastrukturellen Bereich. Innenentwicklung, bis dahin vorrangig unter dem Gesichtspunkt der Eindämmung des hohen Siedlungsflächenverbrauchs diskutiert, hat unter den Vorzeichen einer Stadtentwicklung ohne Wachstum für die Auslastung der vorhandenen Infrastruktur und die Verbesserung stadtstruktureller Qualitäten – auch durch temporäre Nutzungen – an Bedeutung gewonnen. (Sander 2006:18) Auch diese Aufgabenstellung trat in den neuen Ländern zunächst umfangreicher auf als in den alten Ländern, hat dort inzwischen aber in den Förderbereich Stadtumbau Eingang gefunden. Neue Aufgaben der Stadterneuerung sind im Bereich der kommunalen Zentren entstanden. Um den dynamischen Strukturwandel im ▷Einzelhandel zumindest in seinen räumlichen Standortausprägungen beeinflussen zu können und die oft durch kleinteilige Strukturen geprägten Innenstädte als zentrale Versorgungsbereiche zu stabilisieren, müssen kommunale Planung, gebietliche Investitionen und Prozesssteuerung besser miteinander abgestimmt werden, etwa bei der Integration von Einkaufszentren. Auch bei diesem neuen Ansatz der Stadterneuerung steht die aktive Einbindung der lokalen Akteure und die teilweise Delegation von Entscheidungskompetenzen seitens der Kommune im Vordergrund. Im Zuge der Städtebauförderung bestehen mit dem Förderprogramm Aktive Stadt- und Ortsteilzentren seit kurzem auch bessere investive Umsetzungsmöglichkeiten. Instrumente In der Bundesrepublik Deutschland markiert das Inkrafttreten des Städtebauförderungsgesetzes 1971 die Begründung eines Grundmusters der Stadterneuerungspolitik, die die Städte und Gemeinden als Akteure in den Mittelpunkt stellt und ihnen für die Maßnahmenvorbereitung und die Durchführung des Erneuerungsprozesses erweiterte Handlungsspielräume und auch die entsprechende Verantwortung gegenüber den anderen Beteiligten überträgt. Das Funktionsprinzip der Stadtsanierung basiert auf den erweiterten rechtlichen Kompetenzen und finanziellen Spielräumen der Gemeinde einerseits und auf der Entlastung der privaten Betroffenen bei der Durchführung von Ordnungsmaßnahmen und der Kompensation städtebaulich
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begründeten Mehraufwands bei Baumaßnahmen über Förderhilfen andererseits. Die Bewohner, die über die Bodenwertabschöpfung meist erst zeitlich verzögert und nur gemäß dem erreichten Maßnahmenerfolg an den Kosten der Sanierung beteiligt werden, werden zusätzlich über die steuerliche Absetzbarkeit von Erhaltungsinvestitionen in Sanierungsgebieten entlastet. Im Mittelpunkt der Stadterneuerung nach dem Städtebauförderungsgesetz (und ab 1986 dem BauGB) steht der Begriff der ▷städtebaulichen Sanierungsmaßnahme, die von der Gemeinde zügig durchzuführen ist. Wesentliche Elemente sind die Vorschaltung einer Erforderlichkeitsprüfung (vorbereitende Untersuchungen zur Erfassung von Missständen und öffentlichen Handlungsbedarfen), die breite Einbindung von Betroffenen in den Gesamtprozess der Vorbereitung und Durchführung sowie der konsequent gebietsbezogene Ansatz in Verbindung mit einer darauf ausgerichteten differenzierten Finanzierungsstruktur (Gesamtmaßnahmenprinzip) mit der anteiligen Finanzierung nicht anderweitig – z. B. durch Bodenwertabschöpfung oder sektorale Förderprogramme – zu deckender Kosten durch Bund, Land und Gemeinde im Rahmen der Städtebauförderung. Ein weiteres (längst schon fakultatives) Element der Stadtsanierung sind befristet erweiterte kommunale Genehmigungsvorbehalte und das spekulationshemmende bodenrechtliche Instrumentarium der Gemeinde. Hohen Verfahrensanforderungen (förmliche Festlegung der Sanierungsgebiete) steht eine Flexibilität der inhaltlichen Konzepte gegenüber, die kommunale Schwerpunktsetzungen und deren bedarfsweise Fortschreibung zulässt. Große Flexibilität besteht auch bei der Organisation der Durchführung und ihrer Delegation auf Sanierungsträger oder -beauftragte. Bemerkenswert ist, dass sich diese grundlegenden Spielregeln der Stadtsanierung in den nunmehr fast vier Jahrzehnten der praktischen Anwendung nur wenig gewandelt haben. Vielmehr hat sich die Robustheit und Flexibilität dieses auf die Gewährleistung eines fairen Prozesses konzentrierten Instrumentariums in der Stadterneuerung immer wieder bewährt, obwohl ihre Aufgabenstellungen und Rahmenbedingungen – in Widerspiegelung der gesellschaftspolitischen Diskussionen – einer ständigen Veränderung und Ausdifferenzierung unterliegen. Dies spiegelt sich in der schrittweisen Weiterentwicklung der Instrumente des Baugesetzbuchs wieder, etwa in der frühen Einführung des für viele erhaltende Stadterneuerungsmaßnahmen ausreichenden vereinfachten Sanierungsverfahrens und in der
Abbildung neuer Förderprogrammbereiche (z. B. Soziale Stadt nach § 171e BauGB). Für die kommunale Bestandspolitik außerhalb der Stadtsanierung stehen vielfältige weitere Instrumente zur Verfügung. Im BauGB sind dies die ▷Bauleitplanung (mit den verbesserten kommunalen Planungsinstrumenten für die Zentrenentwicklung, z. B. § 9 Abs. 2a BauGB) und ihre Sicherungsinstrumente (z. B. Vorkaufsrechte), die Bodenordnung, naturschutzrechtliche Kompensationsregelungen (und darauf gegründete lokale Flächenpool-Strategien; ▷Eingriff/Ausgleich), ▷Erhaltungssatzungen und städtebauliche Gebote sowie Grundlagen für private Initiativen zur Stadtentwicklung (§ 171f BauGB). Länderspezifische Muster der Stadterneuerungspolitik entstehen nicht nur durch regionale Disparitäten, sondern auch durch die Beteiligung der Länder an der Ausgestaltung der Durchführungsregeln, etwa für die Gestaltung der zu erbringenden kommunalen Mitleistungsanteile an der Förderung oder für die Unterstützung privater Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen in den jeweiligen Förderrichtlinien. In sehr unterschiedlichem Ausmaß haben die Länder über die zentrale Bund-Länder-Städtebauförderung hinaus für die Gemeinden weitere, z. T. sehr umfangreiche Landesprogramme der Stadterneuerung geschaffen. Diese Länderstrategien werden entweder als städtebauliche Ergänzungsprogramme – etwa für “einfache Stadterneuerung” in kleineren Städten oder die Flächenkonversion – eingesetzt oder mit klassischen sektoralen Zielsetzungen aufgelegt, etwa für die Wohnraumförderung oder für lokale Verkehrsprojekte. Sie können im Sinne einer konsequenten Programmbündelung eng mit der klassischen Stadterneuerung verzahnt sein und deren gebietsbezogene Maßnahmen unterstützen. Für die kommunale Bestandspolitik sind außerdem unterschiedliche Rechtsinstrumente der Länder v. a. im Bereich von Denkmalschutz- und ▷Bauordnungsrecht (z. B. Gestaltungssatzungen) von Bedeutung, sowie eine Vielzahl informeller und kooperativer Strategien, etwa über Planungs- und Bürgerteams, Innenstadtinitiativen und -wettbewerbe. Aus dem in den vergangenen Jahren schrittweise gewachsenen Raumbezug der EU-Strukturpolitik, insbesondere dem stärkeren Engagement für die Stadtentwicklung in der laufenden Fondsperiode 2007-2013 (EFRE – Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung, aber auch ESF – Europäischer Sozialfonds und ELER – Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums), entstehen neue Verknüp-
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fungsmöglichkeiten für die Stadterneuerung und Bestandspolitik. Sie bedeuten für die Städte, vermittelt über entsprechende Länderprogramme, gegenüber den nationalen Instrumenten zusätzliche Handlungsspielräume, aber auch erweiterte Anforderungen an die Beachtung von übergeordneten EU-Querschnittszielen im ökonomischen, sozialen und ökologischen Bereich. Aktuelle Perspektiven In den vier zurückliegenden Jahrzehnten Stadterneuerungsgeschichte ist das Themenspektrum immer vielfältiger und umfassender geworden. In Zukunft werden die Erhaltung historischer Stadtstrukturen und die Stabilisierung der auch für die Stadtidentität und Stadtkultur so wichtigen Innenstädte sowie der Problemquartiere zentrale Aufgaben bleiben, sich aber unter dem Druck demographischer, ökonomischer und ökologischer Tendenzen weiter wandeln. Aktuell veränderte sektorale Anforderungen sind z. B. die verstärkte Einbindung energetischer Aspekte in den Stadterneuerungsprozess (▷Nachhaltige Stadtentwicklung). Die stärkere Einbindung privatwirtschaftlichen und bürgerschaftlichen Engagements (▷Public Private Partnership, ▷Partizipation) in die klassischen öffentlichen Aufgaben (z. B. bei Zentrenstärkung und Quartiersmanagement) steht zur Diskussion, etwa durch die Verknüpfung mit neuen Finanzierungsformen (z. B. Stadtentwicklungsfonds und Vergabe von Kleinkrediten und Förderhilfen an Unternehmen) (Hatzfeld/Jakubowski 2008:130ff ). Der auch durch das Primat der wirtschaftlichen Entwicklung bedingte Trend zur ▷Kooperation und Konsens mit Privaten birgt allerdings für die Städte die Gefahr einer inkrementalistischen städtebaulichen Entwicklung und des fortschreitenden Verlustes nicht mehr marktgerechter historischer Stadtstrukturen. Hierbei muss sich die Stadterneuerungspolitik mit einer stärkeren regionalen Polarisierung der Rahmenbedingungen, etwa bei der Entwicklung der kommunalen Finanz- und Verwaltungskraft und sehr unterschiedlich ausgeprägten Nachfrageentwicklungen auseinandersetzen (BMVBS/ BBR 2008). Schon heute stehen viele Städte angesichts der fehlenden Wachstumsperspektiven vor der Aufgabe einer strengen Prioritätensetzung, die Erneuerungs- und Entwicklungsschwerpunkte klar benennt ebenso wie solche Bereiche, in denen ein quantitativer Bedeutungsverlust allein schon durch die notwendigen kommunalen Entscheidungen bei der räumlichen Konzentration der öffentlichen Versorgungsinfrastruktur vorge-
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zeichnet ist. Bestandspolitik bedeutet in den Ausdünnungs- und Rückbaugebieten der „perforierten“ Städte, mit dem Mangel zu leben, etwa mit Hilfe von ▷Zwischennutzungen oder der naturbestimmten Gestaltung dauerhafter Stadtbrachen. Für die Städte bleibt daher eine übergreifende, die Zusammenhänge erfassende und rahmensetzende Gesamtplanung unverzichtbar, um – auch unter dem Vorzeichen der Schrumpfung – eine geordnete städtebauliche Entwicklung zu sichern. Dafür werden neue städtebauliche ▷Leitbilder und entsprechende Planungs- und Finanzierungsansätze erarbeitet werden müssen. Die Impulse aus der europäischen Perspektive bestärken grundsätzlich den prozessorientierten, integrierten, gebietsbezogenen Ansatz der in Deutschland praktizierten Stadterneuerung als Voraussetzung für sozialen Fortschritt und wirtschaftliches Wachstum. Sie werden im Zuge der stärkeren Durchdringung von nationaler und europäischer Stadtentwicklungspolitik aber auch neue Strategien und Instrumente im konzeptionellen, investiven und Managementbereich mit sich bringen. In dieser Richtung wirkt auch der aktuelle Modernisierungs- und Inszenierungsanspruch der nationalen Stadtentwicklungspolitik (▷Stadtpolitik), die eine breite gesellschaftspolitische Akzeptanz des Aufgabenfelds auch für die Zukunft sicherstellen will (Hatzfeld/Jakubowski 2008). Stricker
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BODENPOLITIK Unter Bodenpolitik im allgemeinen Sinne werden alle Maßnahmen verstanden, mit denen die öffentliche Hand insbesondere auf die Bodenverteilung (Distribution), die Bodennutzung (Allokation) und den Bodenschutz Einfluss nimmt. Da der Boden unentbehrliche Daseinsgrundlage des Menschen ist, kommt der Bodenpolitik seit jeher besondere staats-, wirtschafts- und sozialpolitische Bedeutung zu. Instrumentell ist die Bodenpolitik von der verfassungsrechtlichen Grundordnung stark abhängig. Hier ist insbesondere von Bedeutung, dass die Art. 14 und 15 des Grundgesetzes einerseits das Eigentum garantieren und andererseits der Sozialpflichtigkeit des Eigentums einen besonderer Rang einräumen. Bodenpolitische Zielsetzungen richteten sich über Jahrhunderte vornehmlich an der ökonomischen Nutzung des Bodens als originäre Produktionsgrundlage für Land- und Forstwirtschaft (Anbauboden), als Standort (u. a. für Unternehmen, Infrastruktur, Wohn- und Erholungszwecke), zur Gewinnung von standortgebundenen Rohstoffen (Bodenschätzen) sowie zur Nutzung natürlicher Energiequellen (Abbauboden) aus. Im Zuge der ▷Urbanisierung traten im Hinblick auf die Unbeweglichkeit und die Unvermehrbarkeit des Grund und Bodens die gesellschaftspolitisch definierte „gerechte“ Verteilung des Grund und Bodens insbesondere in den Verdichtungsräumen einschließlich der Verteilung des Bodeneinkommens, der sog. Bodenrente, (Bodenreformbewegung) und eine vornehmlich durch Planung und entsprechende städtebauliche ▷Leitbilder (z. B. Charta von Athen) gesteuerte Bodennutzung in den Mittelpunkt bodenpolitischer Maßnahmen.
Eine „gerechte Bodenordnung“ und die Schaffung eines „funktionierenden Bodenmarktes“ als Schlüssel für eine breite Eigentumsbildung wurden zu einem zentralen Ziel zahlreicher bodenrechtsreformerischer Ansätze. Das unausgewogene Verhältnis zwischen Nachfrage und Angebot an erschwinglichem Bauland sowie die überdurchschnittlichen Preissteigerungen auf dem Baulandmarkt wurden vor diesem Hintergrund als ein gesellschaftspolitisches Ärgernis ausgemacht. „Die Tatsache, dass der Grund und Boden unvermehrbar und unentbehrlich ist, verbietet es, seinen Nutzen dem unübersehbaren Spiel der freien Kräfte und dem Belieben des Einzelnen vollständig zu überlassen; eine Rechts- und Gesellschaftsordnung zwingt vielmehr dazu, die Interessen der Allgemeinheit beim Boden in weit stärkerem Maße zur Geltung zu bringen, als bei anderen Vermögensgütern. Der Grund und Boden ist weder volkswirtschaftlich noch in seiner sozialen Bedeutung mit anderen Vermögenswerten ohne Weiteres gleichzusetzen; er kann im Rechtsverkehr nicht wie eine mobile Ware behandelt werden“ heißt es in einer viel zitierten Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgerichts zu einer Entscheidung aus dem Jahre 1967. Hier knüpften zahlreiche Reformen im Bereich der Bodenpolitik an. Mit dem gestiegenen Umweltbewusstsein ist der Bodenschutz in den Fokus bodenpolitischer Maßnahmen getreten. Ein Teilaspekt der Bodenpolitik ist die Bodenwirtschaft, die mit der Ermittlung von Grundstückswerten (▷Wertermittlung), dem Liegenschaftskataster, dem Grundbuchwesen und der Bodenschutzgesetzgebung instrumentalisiert ist. Träger der Bodenpolitik ist insbesondere die öffentliche Hand, d. h. der Bund, die Länder und die Gemeinden. Während sich die bodenpolitische Tätigkeit des Bundes und der Länder vornehmlich auf gesetzgeberische Maßnahmen beschränkt (Steuerrecht, Bau- und Planungsrecht sowie Umweltrecht), liegt die Aufgabe der Gemeinden v. a. darin, Grund und Boden dort rechtzeitig und zu einem als tragbar verstandenen Preis verfügbar zu machen, wo er für die Verwirklichung bestimmter Zielvorstellungen gebraucht wird, sei es für die Nutzung als Gemeinbedarfsfläche (z. B. als Kindertagesstätte) oder sei es zur Deckung des Baulandbedarfs der Bevölkerung. Aufgabe der Gemeinde ist es, diese mit ökologischen Belangen konfligierenden Zielsetzungen verträglich zu gestalten. Die dazu erforderlichen Instrumente sind den Gemeinden v. a. mit dem Baugesetzbuch (BauGB) (▷Bauplanungsrecht) an die Hand gegeben. Tragendes Element ist die ▷Bauleitplanung (Flächennutzungs- und Bebauungsplanung) unter Beachtung der übergeord-
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neten ▷Raumordnung und Landesplanung. Das BauGB regelt vornehmlich die Ausweisung von Bauland durch Planung, Plansicherung, Bodenordnung und Erschließung aber auch den Stadtrückbau (▷Stadtumbau). Die Verwirklichung der in den Bauleitplänen vorgesehenen Nutzung kann dagegen nur sehr eingeschränkt erzwungen werden, wenn die Grundeigentümer nicht selbst an der Realisierung interessiert sind. Die als Zwangsmaßnahmen in Betracht kommenden sogenannten Planverwirklichungsgebote (Bau-, Pflanz- und Abbruchgebot) sind ebenso wie die Möglichkeiten der Vorkaufsrechtsausübung und der Enteignung nur in Einzelfällen von Bedeutung. V. a. die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie die steuerliche Unterbewertung des Grundbesitzes (Einheitsbewertung) nach den Wertverhältnissen von 1964 als Bemessungsgrundlage für Grund-, Vermögen-, Erbschaft- und Schenkungsteuer haben dazu beigetragen, dass dem vielerorts in nicht unbeträchtlichem Maße vorhandenen Baulandpotential eine große unbefriedigte Bodennachfrage gegenübersteht. Auf dem Gebiet des Steuerrechts ist deshalb v. a. eine Entprivilegierung des Grundbesitzes durch eine zeitnahe und in möglichst kurzen Zeitabständen zu wiederholende Einheitsbewertung des Grundbesitzes gefordert worden. Mit der Grundbesitzbewertung ist den Forderungen nur teilweise entsprochen worden. In diesem Zusammenhang ist die Forderung der erneuten Einführung einer erhöhten Grundsteuer für unbebaute baureife Grundstücke (Baulandsteuer) zu erwähnen. Der Bundesfinanzhof hat anknüpfend an ein Rechtsgutachten des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1954 (BVerfGE 3:407) in einer Grundsatzentscheidung zur Baulandsteuer im Jahre 1968 klargestellt, dass es nicht erforderlich ist, dass Steuergesetze überwiegend oder in erster Linie die Erzielung von Einkünften bezwecken und die rechtstaatliche Ordnung nicht dadurch verletzt wird, dass eine Steuer vorwiegend wirtschaftspolitische Ziele zu erreichen versucht oder in erster Linie bodenpolitische Ziele verwirklichen soll (BFHE 92:495). Zu den um die Baulandsteuer sich rankenden Legenden gehört die Behauptung, sie sei wirkungslos und verfassungswidrig. Tatsächlich wurde sie auch hinsichtlich ihrer Verfassungskonformität vom Bundesfinanzhof (BFH) (BFHE 92:495) und vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) (BVerwGE 32:21) bestätigt. Sie ist auch nicht wegen ihrer Wirkungslosigkeit abgeschafft worden. Sie muss sogar recht wirksam gewesen sein. Dafür spricht, dass ihre Aufhebung maßgeblich damit begründet wurde, dass sie un-
vereinbar mit dem Baustoppgesetz vom 8. Juni 1962 (BGBl. 1962 I:365) war, mit dem zur Vermeidung von Überhitzungen in der Bauwirtschaft u. a. die Errichtung von Gebäuden untersagt wurde, die zu anderen als Wohnzwecken bestimmt waren (vgl. Troll 1972:160). Baureifes Land wird selbst dann noch als bevorzugtes und „krisensicheres“ Anlagegut vom Eigentümer zurückgehalten, wenn dieser selbst keine Bauabsichten hat. Eine städtebaulich unerwünschte Zersiedlung des Außenbereichs mit erheblichen Folgekosten für die Infrastruktur sowie ein überdurchschnittlicher Bodenwertzuwachs sind die Folgen. Einen Überblick über das jeweilige Bodenpreisniveau in den verschiedenen Gemeindegebieten vermitteln die von den Gutachterausschüssen für Grundstückswerte i. d. R. alljährlich zu ermittelnden durchschnittlichen Lagewerte für das Bauland (Bodenrichtwerte). Sie werden in Bodenrichtwertkarten bekanntgemacht, die jedermann einsehen kann. Um die Verhältnisse auf dem Bodenmarkt zu verbessern, werden in der kommunalen Bodenpolitik Wege gesucht, das ausgewiesene Bauland in angemessener Zeit seiner Nutzung zuzuführen, z. B. durch eine langfristige Bodenvorratspolitik oder dadurch, dass sich die Gemeinde vor Verleihung von Baurechten zwischenzeitliche Verfügungsrechte über das Grundeigentum sichert. Der in den Verfassungen Bayerns (Art. 161) und Bremens (Art. 45) enthaltene Auftrag, Bodenwerterhöhungen für die Allgemeinheit nutzbar zu machen, soweit sie ohne besonderen Kapital- und Arbeitsaufwand entstanden sind (so schon Art. 155 der Weimarer Reichsverfassung), findet lediglich in der „Abschöpfung“ umlegungs-, sanierungs- und entwicklungsbedingter Werterhöhungen in den einschlägigen Veranstaltungsgebieten zum Zwecke der finanziellen Entlastung der Gemeinde auch seine bodenpolitische Ausformung. Die in den 1970er Jahren im Mittelpunkt der bodenpolitischen Auseinandersetzung stehende allgemeine „Abschöpfung maßnahmenbedingter Werterhöhungen“, fälschlicherweise als „Planungswertausgleich“ bezeichnet, wurde in das Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmenrecht des BauGB gesetzlich eingeführt und wird seither erfolgreich praktiziert. Die Übertragung dieser bodenpolitischen Konzeption in das allgemeine Städtebaurecht im Rahmen der Novellierung des Bundesbaugesetzes im Jahre 1975 scheiterte seinerzeit am Widerstand der Opposition (Schüßler-Langeheine/ Steinfort 1997:107). Von den Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen wurde die Idee 1997 gleichwohl erneut aufgegriffen (Vorschlag zur
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Einführung der §§ 28aff BauGB: Deutscher Bundestag 1996; Deutscher Bundestag 1997b; Deutscher Bundestag 1997a). Zuvor hatte das Land Nordrhein-Westfalen, unterstützt durch Schleswig-Holstein, im Bundesrat einen entsprechenden Antrag eingebracht, der eine Ergänzung des Zweiten Teils des Ersten Kapitels des BauGB um einen neuen Vierten Abschnitt „Planungswertausgleich“ vorsah. Von der früheren Gesetzesinitiative der 1970er Jahre unterscheidet sich der Vorschlag nach dem politisch Gewollten darin, dass damit die Idee einer „echten“, allein auf die Abschöpfung planungsbedingter Werterhöhungen abzielenden Ausgleichsabgabe realisiert werden sollte (Bundesrat 1996a; Bundesrat 1996b). Mit der gesetzlichen Instrumentalisierung des ▷städtebaulichen Vertrags (§ 11 BauGB) können diese Überlegungen als überholt gelten, denn damit steht den Gemeinden ein inzwischen bewährtes Instrument zur partnerschaftlichen Finanzierung und Realisierung städtebaulicher Maßnahmen bei gleichzeitiger Mobilisierung neu geschaffenen Baulands zur Verfügung. Mit dieser Praxis werden die Eigentümer verursachungsgerecht und in angemessener Höhe an den Kosten der Maßnahme beteiligt; gleichzeitig werden damit im Ergebnis die maßnahmenbedingten Werterhöhungen – initiiert durch eine städtebauliche Planung – in Anspruch genommen, denn erst im Hinblick auf die den begünstigten Eigentümern durch den Planungsvollzug zufließen Werterhöhung sind sie zum Abschluss eines städtebaulichen Vertrags bereit. In der bodenpolitischen Diskussion wurde nun immer wieder auf die gesetzgeberische Lücke für den Fall hingewiesen, dass die Eigentümer nicht zum Abschluss entsprechender Verträge oder zur Veräußerung bereit seien. Diese Lücke hat der Gesetzgeber schon vor langem weitgehend geschlossen, denn unter den Voraussetzungen des § 165 BauGB kann die Gemeinde eine ▷städtebauliche Entwicklungsmaßnahme in den Fällen einleiten, wo das allgemeine Städtebaurecht versagt. Der Gesetzgeber hat mit der Ergänzung des § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB klargestellt, dass im Falle des gemeindlichen Durchgangserwerbs die Veräußerungsbereitschaft der betroffenen Eigentümer am entwicklungsunbeeinflussten Grundstückswert (i. S. d. § 169 Abs. 1 Nr. 6 i. V. m. § 153 Abs. 1 BauGB) bzw. am Verkehrswert nach § 169 Abs. 4 BauGB zu messen ist; dies ist immer dann bedeutsam, wenn als milderes Mittel im Vergleich zur Entwicklungsmaßnahme städtebauliche Verträge in Betracht kommen oder der Eigentümer veräußerungsbereit ist. Die Lücke ist in den städtebaulich bedeutsamen Gebieten mit erhöhtem Bedarf an Wohn- und
Arbeitsstätten von daher nicht gegeben. Soweit es um die Errichtung von Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen oder um die Wiedernutzung von Brachflächen geht, ist ein erhöhter Bedarf an Wohn- und Arbeitsstätten noch nicht einmal erforderlich (§ 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB). Im letzten Jahrzehnt ist die Ausweisung neuer Entwicklungsbereiche sehr stark zurückgegangen. Vielmehr liegt der Schwerpunkt auf der Abwicklung der in den 1990er Jahren förmlich festgelegten städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen. Eine Ende der 1990er Jahre durchgeführte Rechtstatsachenforschung von Schäfer u. a. zur Praxis der Baulandbereitstellung (BMVBW 2000) kam zum Ergebnis, dass die klassische Angebotsstrategie (Bebauungsplanung, Bodenordnung, Erschließung) und anschließende Beitragserhebung von den Gemeinden am häufigsten angewendet wird (rund 60 Prozent) und die Anwendung des Instrumentariums des städtebaulichen Vertrags oder eines Vorhaben- und Erschließungsplans seit Anfang der 1990er Jahre erhebliche Verbreitung erfahren hat. Der städtebauliche Vertrag wird als Strategie zur Baulanderschließung und -bereitstellung von etwa einem Viertel der Kommunen angewendet. In vielen Grundsatzbeschlüssen zur kommunalen Baulandentwicklung wird diese Vorgehensweise als zentrale Strategie verankert. Ökologische Zielsetzungen sind ein verhältnismäßig junger Aspekt der Bodenpolitik, der insbesondere mit der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zur Bewertung und Bilanzierung von „Eingriffen in Natur und Landschaft“ (§§ 1a Abs. 3, 135aff BauGB; ▷Eingriff und Ausgleich) und der sog. Bodenschutzklausel, dem Gebot mit dem Grund und Boden sparsam und schonend umzugehen (§ 1a Abs. 2 Satz 1 BauGB), in das Baurecht eingeführt wurde. Den ökologischen Ausgleichsmaßnahmen wurde dabei z. T. angelastet, dass von dem Brutto-Bauland letztlich weniger als 40 Prozent für die Bebauung übrig bliebe und damit das Bauen für den Durchschnittsverdiener unerschwinglich werde (vgl. BFV 1997). Vor dem Hintergrund eines zunehmenden Flächenverbrauchs wurde von der Enquête-Kommission Schutz des Menschen und der Umwelt eine degressive Verringerung der Umwandlungsrate für bislang unbebaute Flächen in Siedlungsund Verkehrsflächen gefordert, und zwar bis zum Jahre 2010 auf zehn Prozent der Rate, die für die Jahre 1993 bis 1995 festgestellt worden ist, d. h. auf etwa 10 ha/Tag (Deutscher Bundestag 1998a:129). Die Forderung mag ökologisch, aber auch im Hinblick auf ihre Sozialverträglichkeit in Frage zu stellen sein, zumal die Entwicklung der
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Siedlungs- und Verkehrsflächen bei Fortschreibung der bisherigen Entwicklung in zehn Jahren gerade einmal um 1,02 Prozentpunkte ansteigt, wovon nur etwa die Hälfte auf den Wohnungsbau entfällt (Deutscher Bundestag 1998b). Entscheidend dürfte das von der Forderung der EnquêteKommission ausgehende Signal sein. Als Reaktion darauf forderte ein umweltpolitischer Programmentwurf des Bundesumweltministeriums die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme auf 30 ha/Tag bis zum Jahre 2020. Dieses Ziel nahm die Bundesregierung im Jahre 2002 in ihren Beschluss zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie „Perspektiven für Deutschland“ auf (Bundesregierung 2002; ▷Nachhaltige Stadtentwicklung). Die Weiterführung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie wurde im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD aus dem Jahre 2005 bekräftigt (CDU/CSU/SPD 2005). Die Umsetzung dieser Zielsetzung erfordert eine konsequente Hinwendung zu einer sog. Innenentwicklung und der „Mobilisierung“ bzw. „Aktivierung“ der bereits vorhandenen bzw. neu zu schaffenden baureifen Grundstücke. Einen Beitrag hierzu soll die 2007 erfolgte Einführung von „Bebauungsplänen der Innenentwicklung“ (§ 13a) in das BauGB leisten (▷Innenentwicklung/Außenentwicklung, ▷Flächenmanagemement). Derzeit werden durch die Europäische Kommission Grundlagen für eine rechtliche Regelung der Bodenpolitik auf europäischer Ebene mit dem Ziel, den Zustand europäischer Böden langfristig zu erhalten und den Grund und Boden vor ökologischer Bedrohung zu schützen, erarbeitet. Eine geplante Richtlinie definiert acht Bodenbedrohungen und verlangt deren Beobachtung und Bewertung. Zu den Bodenbedrohungen zählen Versiegelung, Bodenkontamination, Erdrutsche, Verdichtung, Bodenbiodiversität, Versalzung, Erosion und Verlust an organischer Substanz. Mit einer europaweit einheitliche Beobachtung und Bewertung der ökologischen Bedrohung sollen die Voraussetzungen für die Implementierung einer vornehmlich ökologisch ausgerichteten EU Bodenpolitik geschaffen werden. Methoden zur Beurteilung des „guten Bodenzustandes“ für alle Bodenbedrohungen werden derzeit im Forschungsprojekt ENVASSO (ENVironmental ASsessment of Soil for mOnitoring) mit Unterstützung von 30 europäischen Experteninstitutionen von der Universität Cranfield (UK) erarbeitet. Einer der fünf Kernpartner ist das Bundesumweltamt, das die Definition von Indikatoren, Grenzwerten und Zielen für alle acht Bodenbedrohungen bearbeitet. Kleiber
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BUNDESRAUMORDNUNG Begriffsbestimmung und -abgrenzung Die Bundesraumordnung ist Teil des weiten Feldes der ▷Raumordnung und Landesplanung mit seinem Aufgabendreiklang „Ordnen – Entwickeln – Schützen/Sichern“. Charakteristika sind u. a. Überörtlichkeit, weitgehende Überfachlichkeit und Querschnittsorientierung. Raumordnung ist in Deutschland als Mehrebenensystem organisiert, in dem sich Bund und Länder die Aufgaben teilen. So bearbeiten die Länder Fragen der Landesentwicklung (Landesplanung) sowie die vorausschauende Lösung von Flächennutzungskonflikten auf regionaler Ebene (Regionalplanung). Dem Bund fiel in diesem System bis 2008/09 eine rahmensetzende Aufgabe zu, die sich einerseits auf die gesetzlichen Grundlagen (Grundsätze, Begriffe, Systematik, Verfahren) und andererseits auf das Einbringen einer nationalen Perspektive (länderübergreifende Themen, ▷Leitbilder, Raumordnungsforschung, Europäische Kooperation) in den Raumordnungsdiskurs bezog. Mit der
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Änderung des Grundgesetzes im Zuge der Föderalismusreform 2006 und der damit verknüpften Novellierung des Raumordungsgesetzes 2008 veränderte sich die Rolle der Bundesraumordnung. Formal kann sie nun im Zuge der konkurrierenden Gesetzgebung mehr Vorgaben setzen. Faktisch wird sie ähnlich kooperativ und koordinierend denken müssen wie in der Vergangenheit, um die Länder „im Boot“ zu behalten. Daneben sind der Bundesraumordnung neue eigenständige Aufgaben zugewachsen (siehe unten). Institutionen und Akteure Die Bundesraumordnung ist institutionell beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) im Rahmen einer Unterabteilung „Raumordnung, Baurecht“ angesiedelt (Stand 2005-2009). Personell und finanziell ist die Bundesraumordnung im Vergleich zu vielen anderen Aufgaben des Bundes bescheiden ausgestattet. Fachlich beraten wird der Bundesminister für Raumordnung durch einen externen Beirat mit Wissenschaftlern, Sachverständigen und Vertretern von Spitzenverbänden, der Positionen zu Grundsatzfragen der Raumordnung erarbeitet. Operativ und wissenschaftlich wird der Bundesraumordnung vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) in Bonn zugearbeitet. Das BBSR ist eine Ressortforschungseinrichtung im Geschäftsbereich des BMVBS, das die Bundesregierung u. a. bei Aufgaben der Stadtund Raumentwicklung durch Forschungsbetreuung und wissenschaftliche Arbeit unterstützt. Es führt die Arbeit der Vorläufereinrichtungen BfLR (bis 1998) und BBR (Abt. I u. II; bis 2008) fort. Mit den Ländern arbeitet die Bundesraumordnung in der Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) zusammen, deren Geschäftstelle beim Bund liegt. Die Zusammenarbeit erfolgt auf Ebene von Fachausschüssen, einem Hauptausschuss der Abteilungsleiter sowie der Konferenz der Minister. Die MKRO dient der gegenseitigen Unterrichtung und der Abstimmung von grundsätzlichen Fragen und Positionen der Raumentwicklung. Meilensteine aus 50 Jahren Den formalen Anfang der Bundesraumordnung kann man im Jahr 1965 mit der Verabschiedung des ersten Bundesraumordnungsgesetzes (ROG) sehen, dem eine längere Diskussion vorausging. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit Nationalsozialismus und Kommunismus gab es nach
dem 2. Weltkrieg in der Bundesrepublik zunächst eine spürbare Distanz zur überörtlichen Planung. Die Aufbauerfordernisse, die Integration der Vertriebenen und die zunehmende Kluft zwischen ländlicher und städtischer Entwicklung trugen aber zur Etablierung der Raumordnung bei. Zunächst wurde die Landesplanung in den Ländern aufgebaut und in den 1960er Jahren auf den verschiedenen Maßstabsebenen das gestufte Mehrebenensystem geschaffen. In den letzen 50 Jahren wurde die Bundesraumordnung durch wichtige Meilensteine und Epochen geprägt: 1955 wurde ein Sachverständigenausschuss für Raumordnung etabliert, der 1961 das sog. SARO-Gutachten vorlegte, das für die Herausbildung der (Bundes-)Raumordnung und die Verabschiedung des ROG 1965 wegweisend war (▷Bodenpolitik). Dessen Grundsätze zielten „ganz überwiegend auf einen räumlichen Ausgleich und Maßnahmen zur Strukturverbesserung in Bereichen wie Infrastruktur, Wohnungsversorgung (▷Wohnen, ▷Wohnungsmarkt) und Landwirtschaft (▷Landwirtschaft und Agrarpolitik) sowie bei Bildungs-, Kultur- und Verwaltungseinrichtungen“ (Sinz 2005:865). Sie haben über Jahrzehnte auch die praktische Seite der Bundesraumordnung bestimmt. Der Disparitätenabbau zwischen Stadt und Land, das Postulat ▷gleichwertiger Lebensverhältnisse, die Entwicklung des Städtesystems mit einem Netz zentraler Orte oder die Förderung des Zonenrandgebietes waren zentrale Handlungsfelder. Die späten 1960er und frühen 1970er Jahre waren neben praktischen Fragen der Raumentwicklung von dem Versuch geprägt, die Steuerungskraft der Bundesraumordnung zu erhöhen. Dazu sollte ein Bundesraumordnungsprogramm (BROP) beitragen, das 1975 beschlossen wurde. Seine Wirkung war jedoch gering, weil sich die politischen Erwartungen an die Steuerungsfähigkeit der Raumordnung in den 1970er Jahren drastisch reduzierten, und weil sich im Zuge der Ölkrise 1973 die Entwicklungsbedingungen deutlich änderten. Rückblickend kann man die Jahre nach 1975 als Konsolidierungsphase bezeichnen, in der z. B. die laufende Raumbeobachtung (▷Raum- und Stadtbeobachtung) aufgebaut und neue Verfahren etabliert wurden. Das wachsende Umweltbewusstsein hatte bereits seit Ende der 1970er Jahre zu einer ökologischen Durchdringung der Raumordnung in Bund und Ländern geführt. Mit dem Brundtland-Report
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„Unsere gemeinsame Zukunft“ (1987) der UN begann in Deutschland die Diskussion über eine nachhaltige (Raum-)Entwicklung (▷Nachhaltige Stadtentwicklung). Sie schlug sich 1997 auch in der Novellierung des ROG nieder. „Eine nachhaltige Raumentwicklung, die die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang bringt und zu einer dauerhaften, großräumig ausgewogenen Ordnung führt“ (ROG 1998, § 1, Abs. 2) wurde zur zentralen Leitvorstellung der Raumordnung. Wenig später brachte die Wende 1989/90 große Herausforderungen für Deutschland und damit auch für die Bundesraumordnung mit sich. Zunächst bestand die Aufgabe der Integration der Neuen Bundesländer in das „Raumordnungssystem West“. Mit den formalen Angleichungen wurden auch inhaltliche Herausforderungen sichtbar, die Niederschlag in der Verabschiedung eines Raumordnungspolitischen Orientierungs- (1993) und Handlungsrahmens (1995) fand. Nach 2000 richtete sich der Blick in Deutschland vermehrt auf den Globalisierungsprozess (▷Globalisierung), der den ökonomischen Strukturwandel in Deutschland beschleunigte und regionale Wettbewerbsbedingungen verschärfte. Gleichzeitig wurde der ▷demographische Wandel als Herausforderung neben der nachhaltigen Raumentwicklung erkannt. Eine Antwort auf diese Themen zeigen die 2006 von der MKRO verabschiedeten „Leitbilder und Handlungsstrategien der Raumentwicklung“ mit den drei Leitbildern „Wachstum und Innovation“, „Sicherung der Daseinsvorsorge“ und „Ressourcen bewahren, Kulturlandschaften gestalten“ (vgl. BMVBS 2006, Aring/Sinz 2006). In den Leitbildern und Handlungsstrategien spielen die großen Städte und Stadtregionen (▷Metropolregionen) aufgrund der ihnen zugesprochenen entwicklungsbestimmenden Funktion eine stärkere Rolle als zuvor, gleichzeitig soll jedoch die ausgewogene räumliche Ordnung in Deutschland, die Balance zwischen heterogenen Herausforderungen (Ökonomie, Gesellschaft, Umwelt) und die klassische Aufgabentrias „Ordnen – Entwickeln – Schützen/ Sichern“ nicht aufgegeben werden. Neben die drei Schwerpunkte der Leitbilder trat ab 2007 noch als vierter das Thema „Raumordnung und Klimawandel“ (vgl. MKRO 2009). In den „▷Modellvorhaben der Raumordnung“ wird seit 2007 auf eine Raumentwicklung im Sinne der Leitbilder hingewirkt.
In den Jahren 2008/09 trat in Folge der Föderalismuskommission und der darauf folgenden Grundgesetzänderungen ein neues ROG in Kraft (vgl. Deutscher Bundestag 2008). Das Raumordnungsgesetz – die zentrale gesetzliche Grundlage Die grundlegende Struktur der Raumordnung und damit die Aufgabenteilung zwischen den Ebenen sind im ROG (aktuelle Fassung vom 22.12.2008, in Kraft seit 31.12.2008 bzw. 30.6.2009) geregelt. Es wurde erstmals 1965 verabschiedet und 1997 und 2008 umfassend novelliert. Die bis 2006 geltende Verfassungslage (▷Verfassungsgrundlagen der Planung) wies dem Bund eine Rahmenkompetenz zu. Damit war das ROG ein inhaltlich beschränktes Gesetz, das ausfüllungsfähig und -bedürftig für die Bundesländer sein musste. Es enthielt „Leitvorstellungen und Grundsätze der Raumordnung für das gesamte Bundesgebiet, Vorschriften für die Raumordnung in den Ländern, v. a. über Raumordnungs- und Regionalpläne, die Abstimmung raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen, das Raumordnungsverfahren, sowie Festlegungen über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Raumordnung“ (Sinz 2005:864). Im Rahmen der Grundgesetzänderung vom 1. September 2006 wurde die Raumordnung in die konkurrierende Gesetzgebung überführt und damit das Zusammenspiel von Bundesraumordnung und Landesplanung auf eine neue Grundlage gestellt. Es wurde jedoch angestrebt, die komplementären Strukturen, wie sie sich unter der Rahmengesetzgebung herausgebildet haben, auch in Zukunft weiter wirken zu lassen. Deswegen „sollen durch bundesrechtliche Vollregelungen nur die Bereiche der Raumordnung geregelt werden, in denen eine bundeseinheitliche Regelung aus fachlichen Gründen angezeigt ist; ansonsten soll gesetzgeberische Zurückhaltung zugunsten des Landesrechts geübt werden“ (Deutscher Bundestag 2008:19). Das ROG 2008 enthält vier Abschnitte: a) Allgemeine Vorschriften, u. a. zu Leitvorstellung, Grundsätzen, Begriffsbestimmungen, Bindungswirkungen; b) Regelungen zur Raumordnung in den Ländern; c) Regelungen zur Raumordnung im Bund; d) Ergänzende Vorschriften und Schlussvorschriften. Neben der Neuregelung des Zusammenspiels von Bund und Ländern enthält die Novellierung eine
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Überarbeitung der gesetzlichen Grundsätze der Raumordnung. Die neuen Grundsätze sind weniger sektoral und stattdessen funktional strukturiert: Allgemeiner Grundsatz, Raum- und Siedlungsstrukturen, Infrastruktur, Verkehr, Wirtschaft, Kulturlandschaften, Umwelt, Klimaschutz, Verteidigung, Zivilschutz, Europäische Zusammenarbeit (▷Europäische Raumentwicklungspolitik). Steuerungsmöglichkeiten der Bundesraumordnung Im Gegensatz zur „starken“ Finanzplanung, über die ebenfalls eine Integration von Sektoralpolitiken erreicht wird, fehlt der Raumordnung ein starker Arm zur Steuerung. Zwar gab es in der Planungseuphorie der späten 1960er Jahre das Bestreben, über das BROP eine Top-Down-Koordination der raumwirksamen Maßnahmen des Bundes zu erreichen, doch dieses Ziel wurde nicht eingelöst. Stattdessen musste die Bundesraumordnung ihre Steuerungsaufgabe oder ,weicher formuliert, „ihre Abstimmungs- und Koordinationsaufgabe gegenüber den raumbedeutsamen Fachpolitiken der Ressorts und gegenüber den Ländern und der Europäischen Gemeinschaft auf andere Weise wahrnehmen“ (Sinz 2005:867f), nämlich durch Abstimmungsverfahren, Raumordnungsberichte, Information, Überzeugung, Stellungnahmen, Leitbildentwicklung sowie Forschungs- und ▷Modellvorhaben. Ungeachtet dieser relativen Schwäche ist es der Bundesraumordnung in den letzten Jahren gelungen, Impulse in der Raumentwicklung zu setzen. Das gilt für die politische Wirkung der Leitbilder von 2006, die v. a. auf der Ebene der Länder und Regionen zur Herausbildung neuer Kooperationen in Form von Regional Governance-Modellen (▷Government und Governance) für Stadt- und Metropolregionen beigetragen haben. Wichtig ist aber auch die kontinuierliche Arbeit des BBSR, das eine wichtige Stelle im wissenschaftlichen Netzwerk der raumwissenschaftlichen Diskussion darstellt sowie Ressortforschungen und Modellvorhaben der Raumordnung betreut. Mit der Raumplanung für die Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) hat die Bundesraumordnung 2004 die Raumplanungskompetenz für Gebiete in internationalen Gewässern erhalten, die der wirtschaftlichen Nutzungshoheit der
Bundesrepublik unterstehen. Das für Raumordnung zuständige Bundesministerium stellt über einen Raumordnungsplan in Form einer Rechtsverordnung für die AWZ Ziele und Grundsätze der Raumordnung auf. 2008 wurde vom BMVBS ein Entwurf für einen Raumordnungsplan in der AWZ in der Nord- und Ostsee vorgelegt (vgl. BMVBS 2008). Zusätzlich hat die Bundesraumordnung mit dem ROG 2008 die Kompetenz zur Aufstellung von Raumordnungsplänen für das Bundesgebiet und damit ein zusätzliches, möglicherweise stärkeres Instrument zur Unterstützung des Aufgabendreiklangs „Ordnen – Entwickeln – Schützen/ Sichern“ erhalten. Die reale Wirkung muss sich allerdings erst in der Praxis erweisen. Schließlich dürften – wenn auch nicht die Institution Bundesraumordnung, so doch die von ihre bearbeiteten Felder – von Entwicklungen auf europäischer Ebene unterstützt werden (▷Europäische Raumentwicklungspolitik). So zählt der Vertrag von Lissabon die Förderung des „Territorialen Zusammenhalts“ zu den Grundaufgaben der Europäischen Union. Desweiteren wurde während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2007 die „Territoriale Agenda“ verabschiedet, die u. a. Empfehlungen für eine integrierte Raumentwicklungspolitik gibt, um die Potenziale der Regionen und Städte Europas für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum und mehr Beschäftigung zu mobilisieren.
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Literatur Aring, J.; Sinz, M. (2006): Neue Leitbilder der Raumentwicklung in Deutschland, Modernisierung der Raumentwicklungspolitik im Diskurs. In: DISP, 165, 43-60 BMVBS – Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung (2008): Entwurf: Verordnung über die Raumordnung in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (Stand 13.06.2008) BMVBS – Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung (2006): Leitbilder und Handlungsstrategien für die Raumentwicklung in Deutschland. Berlin Deutscher Bundestag (2008): Entwurf eines Gesetzes zur Neufassung des Raumordnungsgesetzes und zur Änderung seiner Vorschriften. Drucksache 16/10292. Berlin MKRO – Ministerkonferenz für Raumordnung (2009): Raumordnung und Klimawandel. Beschluss der 36. Ministerkonferenz für Raumordnung Sinz, M. (2005): Raumordnung/Raumordnungspolitik. In: ARL (Hrsg.): Handwörterbuch der Raumordnung. Hannover, 863872
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Begriffs- und Verfahrenserläuterung „A Business Improvements Districts (BID) is a public/private partnership in which property and business owners elect to make a collective contribution to the maintenance, development and promotion of their commercial district” (DSBS 2005). „A Housing Improvement Area (HIA) is a defined area in a city in which housing improvements in condominium or townhome complexes may be financed with the assistance of the city” (Baker/ Dyson 2005). Business Improvement Districts (BIDs), Housing Improvement Districts (HIDs) oder auch Neighbourhood Improvement Districts (NIDs) sind ein aus Nordamerika stammender, lokaler Steuerungsansatz zur Revitalisierung von Standorten. Während sich die Verbreitung von BIDs in 48 Bundessstaaten der USA nachweisen lässt (MSWKS 2001), entspringt der Begriff der Housing Improvement Areas stärker aus der hierzulande geführten Diskussion zur Übertragung des BID-Ansatzes auf durch ▷Wohnen geprägte Gebiete. In Nordamerika existieren gleichlautende Initiativen nur im Bundesstaat Minnesota, andere Bundesstaaten arbeiten mit NIDs (Wickel/Kreutz/Bitz 2007). Die Besonderheit dieser Improvement Districts gegenüber traditionellen Standortgemeinschaften liegt in ihrer spezifischen Organisations- und Finanzierungsform, welche durch die folgenden drei Hauptmerkmale gekennzeichnet ist (u. a. Houston 2003, Bloem/Bock 2001): Die Finanzierung erfolgt durch eine zweckgebundene Zwangsabgabe, die bei entsprechendem Quorum von den betroffenen Akteuren in einem klar definierten, innerstädtisch gelegenen Bereich prozessbegleitend zu zahlen ist. Die Hauptakteure des Ansatzes sind die Eigentümer Bei ihnen liegt die Abstimmungspflicht zur Festsetzung des Bereiches sowie die Zahlungsanforderung zur Finanzierung der Maßnahmen. Die rechtliche Legitimation erfolgt durch eine eigene Gesetzgebung, welche insbesondere den verpflichtenden kommunalen Abgabeneinzug bei den Eigentümern sowie Organisation, Beteiligte und alle wesentlichen Elemente zum Prozessverlauf festlegt.
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Private Initiative und staatlicher Zwang (Kersten 2007) bilden das Spannungsfeld in dem Improvement Districts agieren. Ausgehend von privater Initiative, einem durch Eigentümer erarbeiteten und abgestimmten Entwicklungs-, Maßnahmenund Finanzierungskonzept, wird bei der Gemeinde ein Improvement District beantragt (siehe Abbildung). Nach Durchführung eines öffentlichen Beteiligungsverfahrens werden alle Zahlungspflichtigen zu ihrer Meinung über die Einrichtung eines solchen Bereiches befragt. Je nach gesetzlich festgesetztem Quorum erfolgt bei 51 bis zu 70 Prozent Zustimmung bzw. Nichtwiderspruch der befragten Eigentümer die Festsetzung des Improvement Districts durch die Gemeinde. Einmal festgesetzt, erfolgt die Umsetzungsphase und damit die Finanzierung der Maßnahmen durch einen öffentlichen Abgabeeinzug. In New York City beispielsweise betrug das Budget im Jahr 2004 der zu diesem Zeitpunkt bestehenden 52 BIDs insgesamt rund 62 Mio. US-Dollar (DSBS 2005). Die Festsetzung eines Improvement Districts ist zeitlich befristet, kann jedoch nach erneutem Antragsverfahren verlängert werden. Die umgesetzten Maßnahmen reichen von investiven Projekten zur Steigerung der Aufenthaltqualität im öffentlichen Raum über Veranstaltungsmanagement bis hin zur Vermarktung des Standortes (Hoyt 2003, Houston 2003).
BID/HID-Entstehungs- und Entscheidungsphase in Hamburg (nach Krüger/Wickel/Kreutz 2007:39, überarbeitet)
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Inhalte, Akteure und Verbreitungsgrad Auslöser für Improvement Districts sind Funktionsverluste, die sich durch Umsatzrückgänge, Leerstände, Attraktivitätsverluste im öffentlichen Raum und letztlich durch ein negatives Image manifestieren. Wesentliches Strukturmerkmal dieser Standorte ist häufig eine kleinteilige und stark heterogene Eigentümerstruktur, so dass ▷Kooperationen langwierige Abstimmungsprozesse mit vielen Beteiligten erfordern. Im Gegensatz zu privatrechtlich und einheitlich geführten Shoppingcentern tritt in gewachsenen Lagen in Ermangelung von Zwangsinstrumenten zusätzlich das Problem von Trittbrettfahrern auf. Freiwillige Initiativen zur Stadtentwicklung haben demnach oftmals das Problem, dass die individuell durchaus rationale Kostenvermeidungsstrategie von Trittbrettfahrern oft zu kollektiv irrationalen Ergebnissen führt: die Initiative wird erst gar nicht begonnen oder läuft nach kurzer Zeit aus (Ruther-Mehlis/Weber 2005). BIDs lösen dieses Grunddilemma über ein hoheitlich legitimiertes Zwangselement. Ziel der Immobilieneigentümer an gewachsenen Geschäftsstandorten sowie Wohnstandorten ist es, sich gegenüber Mitbewerbern als Standort wettbewerbsfähig zu erweisen mittels: eines abwechslungsreichen Branchenmixes bzw. einer nachfrageorientierten, zielgruppenspezifischen Qualifizierung des Wohnraums,
einer guten Erreichbarkeit durch alle Verkehrsträger, eines attraktiven öffentlichen Raumes, eines guten Versorgungsstandards mit sozialer und technischer Infrastruktur und einer gemeinsamen Kundenkommunikation
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Der BID-Ansatz hat seit seiner Etablierung in Nordamerika in den 1970er Jahren des vorigen Jahrhunderts weltweit Nachahmer gefunden, wobei sich aufgrund länderspezifischer Rahmenbedingungen durchaus starke Abweichungen feststellen lassen (Wiezorek 2006a). In Deutschland wird ungefähr seit dem Jahr 2000 über die Chancen und Risiken der Übertragung von BID nach Deutschland diskutiert (Bloem/Bock 2001, Wiezorek 2004). Im Mittelpunkt der Diskussion stehen – bei weitgehender Einigkeit über die notwendige Einbindung von Immobilien- und Grundstückseigentümern – der Grad der Verpflichtung der Beteiligten zu finanziellem Engagement sowie Fragen zur öffentlich-privaten Aufgabenteilung. Im Januar 2005 trat die erste gesetzliche Grundlage zur Gründung eines BIDs bzw. sog. Innovationsbereiche in Hamburg in Kraft. Nach dem Inkrafttreten des „Gesetzes zur Stärkung von Einzelhandels- und Dienstleistungszentren“ ermöglichte zu Beginn des Jahres 2006 mit Hessen erstmals ein Flächenland auf der Grundlage des „Gesetzes zur Stärkung von innerstädtischen
Überblick zur Aufgaben- und Akteursstruktur am Beispiel des Hamburger Innovationsbereiches (=BID) bzw. Innovationsquartiers (=HID) (eigene Darstellung)
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Geschäftsquartieren“ (INGE) einen verpflichtenden Abgabeneinzug. Weitere Bundesländer wie Schleswig-Holstein, Bremen, das Saarland oder auch Nordrhein-Westfalen folgten. Allerdings ist die Anzahl der festgesetzten BIDs in Deutschland bisher überschaubar (Heinze/Tscherner 2008). Hamburg ist mit einer Vielzahl an BID-Initiativen Vorreiter der Entwicklung (Binger/Büttner 2008), aber auch in den anderen Bundesländern wird intensiv an der Erprobung von Improvement Districts gearbeitet (vgl. u. a. DIHK 2009). Housing Improvement Districts, im Sinne einer BID-Initiative in durch Wohnnutzungen geprägten Gebieten, lassen sich derzeit weder in Deutschland noch in Europa finden. Die entsprechenden Referenzobjekte finden sich bislang nur in den USA (Wickel/Kreutz/Bitz 2007). Die Freie und Hansestadt Hamburg hat als erstes Bundesland eine gesetzliche Grundlage für die Schaffung von „Innovationsquartieren“ (HID und NID) geschaffen, die zum 1. Dezember 2007 in Kraft getreten ist. Seither wird intensiv an der Realisierung des ersten HID-Projektes, Hamburg-Steilshoop, gearbeitet. Das vorgesehene Festsetzungsverfahren ähnelt den BID-Vorbildern aus Nordamerika und auch die grundlegende Akteurskonstellation beruht auf den Erfahrungen mit dem BID-Modell (siehe Abbildung). Gemeinsamkeiten und Unterschiede von BIDs und HIDs Business und Housing Improvement Districts haben grundlegende Ähnlichkeiten: sie entstehen auf Initiative und durch Antrag von privaten Grundstückeigentümern, sie finanzieren sich zu einem hohen Anteil privatwirtschaftlich, sie beruhen auf einer eigenen Gesetzgebung und sie definieren das Zusammenwirken von strategischer ▷Stadtentwicklungsplanung (▷Strategische Stadtentwicklungskonzepte) sowie von privaten Interessen und damit das privatöffentliche Verhältnis teilweise neu. Sowohl bei BIDs wie auch bei HIDs lösen Imageprobleme bis hin zum teilweisen Funktionsverlust gemeinsame Bemühungen der Eigentümer aus. Beide Instrumente binden im Sinne des öffentlichen Interesses privates Engagement zur Stärkung und Aufwertung von Stadtquartieren – gleich welcher Nutzung – ein (Krüger/Wickel/Kreutz 2007, Kreutz/Krüger 2007). Sie unterstützen gleichermaßen die Selbstorganisation privater Akteure
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durch einen gesetzlichen Rahmen und beseitigen damit Defizite freiwilliger Selbstorganisation und ▷Kooperationen (Schuppert 2007). HIDs agieren aufgrund der hauptsächlichen Wohnnutzung in sensibleren Strukturen, bei denen im Gegensatz zu BIDs ausschließlich die Eigentümer wirtschaftliche Verwertungsinteressen vertreten (Krüger/Wickel/Kreutz 2007:18). Die Projekte können einen stärker investiven Charakter haben, z. B. durch Maßnahmen aus dem Infrastrukturbereich, und somit ein größeres Investitionsvolumen aufweisen. Diese werden über ein höheres Grundbudget und längere Laufzeiten realisiert. Im Vergleich zu BIDs, die sich zunächst auf eine Laufzeit von fünf Jahren beschränken, können sich hier von vornherein langfristig angelegte Bündnisse von bis zu 20 Jahren ergeben (Wiezorek 2006b). Die Gesetzgebung in Minnesota zeigt, dass HIDs zudem teilweise als Kreditvergabeverfahren der Gemeinden für Immobilieneigentümer fungieren (Wickel/Kreutz/Bitz 2007:15). Einordnung des BID/HID-Ansatzes in die Stadtentwicklung und Ausblick Traditionelle Verfahren der Quartiers- bzw. Standortentwicklung, wie die Programme nach dem Besonderen Städtebaurecht des Baugesetzbuches (BauGB), liefern eine Vielzahl von ausdifferenzierten Instrumenten und Strategien zur Einbindung von Eigentümern. Diese richten sich allerdings tendenziell an Einzelakteure in zuvor hoheitlich festgesetzten Quartieren. Die Debatte um ein verändertes Staatsverständnis, vom hoheitlichen zum kooperativen Staat (Ritter 1979, Benz 199, Selle 2006), hat eine stärkere Hinwendung zu bürgerschaftlich getragenen Stadtentwicklungsinitiativen bewirkt. (▷Akteure der Planung) Seit der Novellierung des BauGB 2007 lässt der Bundesgesetzgeber über § 171f private Initiativen zur Durchführung von standortbezogenen Maßnahmen auf der Grundlage städtebaulicher Ziele durch landesrechtliche Regelungen zu. Damit eröffnet der Gesetzgeber die Möglichkeit, neben finanziellen Anreizen über Förderprogramme auch das Zwangselement zur Mitwirkung an der Quartiersentwicklung einzusetzen. Allerdings verbindet sich dies mit der Forderung nach einem strategischen privatwirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichem Engagement und Gestaltungsanspruch. In diesem Sinne lassen sich BIDs und HIDs als „Urban Governance“-Strukturen (▷Government und Governance), im Sinne neuer „Herrschaftsstrukturen, bei denen eine übergeordnete Instanz
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fehlt“ (Mayntz 2004), identifizieren. Angesichts der komplexen Problemsituationen in der Stadtentwicklung erscheint die Debatte über neue Steuerungsformen und deren Rückwirkung auf die strategische Bestandsentwicklung unerlässlich. BIDs lösen das Problem der freiwilligen Erstellung öffentlicher Güter mit Zwang. Allein deshalb können sie nur eine von vielen Möglichkeiten sein, die Aufwertung von Stadtquartieren voran zu treiben. Andere neue, stärker auf freiwilliger Mitwirkung beruhende Steuerungsinstrumente, die sog. Eigentümerstandortgemeinschaften, befinden sich gerade mittels eines ExWoSt-Modellvorhabens in der Erprobung. Der Widerspruch zwischen individuellen und gemeinwesenorientierten Interessen sowie die teilweise noch undefinierte Abgrenzung zwischen notwendiger staatlicher Steuerung und erwünschtem privater Engagement zeigen, dass der aktuelle Wissens- und Verfahrensstand zur Integration von Eigentümern in die Standortentwicklung eine Basis darstellt, zu der noch viele Fragen zu beantworten sind. Wiezorek
Literatur Baker, K.; Dyson, D. A. (2005): House Research, Short Subjects: Housing Improvement Areas. Zugriff auf www.house.leg.state. mn.us/hrd/issinfo/sshia.pdf am 02.12.2009 Benz, A. (1994): Kooperative Verwaltung: Funktionen, Voraussetzungen und Folgen. Baden-Baden MSWKS - Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.) (2001): Business Improvement Districts, Untersuchung von BIDs in Bezug auf Möglichkeiten und Grenzen einer Übertragbarkeit auf innerstädtische Geschäftsquartiere in Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf Binger, S.; Büttner, F. (2008): Erfolgsfaktoren bei der Gründung und Umsetzung von BIDs, Hamburger Erfahrungen mit Business Improvement Districts. In: RaumPlanung, 138/139, 129-134 DIHK – Deutscher Industrie- und Handelskammertag (Hrsg.)
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Kaum ein Begriff des jüngeren Diskurses um ▷Stadt- und Regionalökonomie und Wirtschaftsförderung ist schillernder als der des Clusters. Hierbei vermischt sich meist eine nicht einheitlich verwendete räumliche Abgrenzung des Begriffes mit einem immanenten Versprechen erfolgreicher räumlicher Wirtschaftspolitik. Die Clusterabgrenzungen reichen von der supranationalen Ebene (Dicken 2003) bis zur stadteil- bzw. quartiersbezogenen räumlichen Einheit (BBR 2006). Dementsprechend finden sich Clusterinitiativen auf nahezu allen Raumskalen. Die häufig zitierte Definition von Porter beschreibt regionale Cluster als die räumliche Konzentration von miteinander verbundenen Unternehmen bestimmter Branchen, spezialisierten Zulieferern, Dienstleistern, Unternehmen verwandter Branchen sowie unterstützenden Organisationen (Universitäten, Kammern, Verbänden u. a.), die gleichzeitig kooperieren und konkurrieren („Coopetition“) (Porter 2006). Entgegen der mit dem Aufkommen und der Verbreitung der Informations- und Kommunikationstechniken vermuteten Zunahme der Standortwahlfreiheit von Unternehmen, gar der Beliebigkeit der ▷Standortwahl, zeigt sich weiterhin, dass spezifische und gemeinsame Standorte nach wie vor von zentraler Bedeutung für die Unternehmen sind. Theoretische Grundlagen Hierbei kann sich diese Beobachtung auf die Agglomerationstheorien stützen, die die räumliche Ballung von Unternehmen im Wesentlichen mit der Wirkung positiver externer Effekte, sog. Agglomerationseffekte (Marshall 1890) begründen. Diese können zu einer Konzentration von Unternehmen gleicher Branchen (Lokalisationseffekte) oder unterschiedlicher Branchen (Urbanisationseffekte) führen. Als Gründe für die Ballung wird eine Reihe von Faktoren angeführt, wie die Senkung der Transaktionskosten, Spezifika der Wissensproduktion (Initiierung von kreativen Prozessen und Innovation durch „face-to-face contacts“), nicht marktlich vermittelte Abhängigkeiten („untraded interdependencies“) oder Poolbildung bei Inputfaktoren (z. B. auf Arbeitsmärkten) (Maier/ Tödtling 2002). Auch die formalen Modelle der Neuen Wachs-
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tumstheorie oder die stärker deskriptiv gehaltenen Erklärungsansätze von regionalen Innovationssystemen und lernenden Regionen stützen die Begründung und Erklärung von Clustern auf positive externe Effekte oder Spill-over-Effekte bei privater und öffentlicher Forschung und Entwicklung (FuE), auf Netzwerkexternalitäten sowie auf das Vorhandensein von Marktunvollkommenheiten bei der Beschaffung von Wagniskapital (Spars 2005). Zur Relativierung der Allgegenwärtigkeit des Clusterbegriffs in der Debatte um räumliche Entwicklungen zeigen jedoch jüngere Untersuchungen zur empirischen Verteilung von Branchenkonzentrationen in Deutschland mit Hilfe von Konzentrationsmaßen (Alecke u. a. 2005, Alecke/Untiedt 2006), dass nur etwa ein Zehntel der Wirtschaftszweige als räumlich stark konzentriert einzuschätzen ist. Überdies findet die stärkste Konzentration nicht, wie vielfach vermutet, in den forschungs- und technologieintensiven Industrien, sondern eher in rohstoffintensiven und traditionellen Branchen statt. Unter den 20 am stärksten räumlich konzentrierten Wirtschaftszweigen in Deutschland befindet sich keiner aus dem Bereich der industriellen Spitzen- oder hochwertigen Technik (Alecke/Untiedt 2006). Dieses Ergebnis deckt sich weitgehend mit den Ergebnissen in anderen europäischen Ländern (Maurel/ Sédillot 1999, Devereux/Griffith/Simpson 1999, Mayerhofer/Palme 2003, Barrios u. a. 2003). Eine weitere vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) verwendete Terminologie für eine regionale Ballung von Unternehmen in Ostdeutschland ist methodisch breiter angelegt und wird als sog. Ökonomischer Entwicklungskern (OEK) diskutiert. Laut Definition stützt er sich auf die Kombination der drei Kriterien Existenz von Branchenschwerpunkten, Unternehmensnetzwerken und innovativen Kompetenzfeldern (Rosenfeld u. a. 2004). Diese Definition lehnt sich an diejenige der OECD an, die bei Clustern von der Interdependenz und vertikalen Kooperationen der Akteure entlang der unternehmensübergreifenden Wertschöpfungskette einer bestimmten Branche ausgeht, die auf Handelsbeziehungen, Innovationsnetzwerken, Wissensflüssen oder einer gemeinsamen Wissensbasis beruhen (OECD 1999:13; ▷Wissensgesellschaft) Cluster als Instrument der Wirtschaftsförderung Die Entstehung von Clustern auf der Basis von Agglomerationsvorteilen und Spill-over-Effekten
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hat vielfach zu der Vorstellung geführt, dass Cluster auch systematisch gefördert oder erzeugt werden können. Dazu haben eine Reihe von Studien z. B. durch Leo van den Berg und seine Mitarbeiter für das Eurocities-Netzwerk beigetragen (van den Berg u. a. 1999 und 2001). Clusterproduktion und -management werden zunehmend als neue Instrumente der Wirtschaftsförderung (▷kommunale Wirtschaftsförderung) entwickelt und eingesetzt. Clusterpolitik stellt jedoch eine normative Umdeutung eines zunächst empirisch festgestellten Phänomens dar. Die räumliche Ballung von Unternehmen entlang einer Wertschöpfungskette unter Einbeziehung von Dienstleistern, Bildungs- und Forschungseinrichtungen sowie von öffentlichen Institutionen soll heute oftmals durch eine gezielte politische Förderung hergestellt werden. Hierbei besteht die Gefahr, dass es sich lediglich um sog. Wunschcluster („wishful thinking“) bzw. „politikgetriebene Cluster“ (Enright 2003, Küpper/Röllinghoff 2005) handelt, die über keine Mindestanzahl von Unternehmen (kritische Masse) und somit nicht über ausreichende Agglomerationsvorteile verfügen, aber dennoch politisch sehr stark „gewollt“ werden. Neben diesen beiden Clustertypen unterscheidet Enright noch „potenzielle“, „latente“ und „funktionierende“ („working“) Cluster, wobei bei den potenziellen Clustern zwar wichtige Elemente funktionierender Cluster vorhanden sind, diese jedoch (noch) nicht ausreichend entwickelt sind, um Agglomerationseffekte entstehen zu lassen (Enright 2003). Latente Cluster verfügen hingegen zwar über eine kritische Masse an Unternehmen, allerdings bestehen noch Defizite bei der Interaktion und dem Wissensaustausch. Sobald sowohl eine kritische Masse an Unternehmen vorhanden ist und auch tatsächlich Agglomerationsvorteile generiert werden, die den Unternehmen als Wettbewerbsvorteil zugute kommen, spricht man von einem funktionierendem bzw. „working“ Cluster (Enright 2003). Sowohl die Untersuchungen von Berg u. a. als auch die auf verschiedenen Erfahrungen mit der Förderung von Clustern aufbauenden Ergebnisse von Küpper und Röllinghoff (2005) zeigen einige für die Umsetzung von Clusterstrategien wesentliche Bedingungen (van den Berg u. a. 1998 und 2001, Küpper/Röllinghoff 2005): Grundvoraussetzung ist die „Entdeckung“ des Clusters, also die Erfassung der vorhandenen Unternehmen und ihrer Vernetzungen, die Analyse der vorhandenen Stärken und Entwicklungspotenziale sowie der zusätzlichen Vernetzungsmöglichkeiten. Das bedeutet,
dass i. d. R. wichtige (Anker-)Unternehmen am Standort bereits ansässig sein müssen. Eine Clusterstrategie bedeutet i. d. R. eine Verstärkung der aufgrund von Agglomerationseffekten (bereits) entstandenen Konzentrationen. Es müssen qualitativ hochwertige Rahmenbedingungen am Standort gegeben sein – wie hochrangige Ausbildungseinrichtungen, Forschungsinstitutionen unterschiedlicher Art, hohe Erreichbarkeit, gute Lebensqualität.
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Dabei sind Clusterstrategien langfristig angelegt und müssen nicht unbedingt kurzfristig große Erfolge bringen. Räumlich handelt es sich eher um regionale als städtische Projekte. Der Effekt von Clustern für die Wertbewerbsfähigkeit beruht auf der Erzeugung positiver Rückkopplungsschleifen, die zu einem sich selbst verstärkenden Prozess führen. Für die Wettbewerbsfähigkeit und Erfolgswahrscheinlichkeit eines Clusters gilt die Einrichtung eines Clustermanagements als wichtiger Faktor. In der Einrichtung eines Clustermanagements kann auch im Kern die Produktion der die öffentliche Förderung rechtfertigenden öffentlichen Güter gesehen werden. Zu diesen öffentlichen Gütern gehören u. a. die Formulierung einer Zukunftsperspektive, die Organisation von Serviceleistungen (insbesondere die Reduzierung von Kooperationsbarrieren), die Senkung von Transaktionskosten, die Verminderung des Informationsproblems sowie die Vermarktung des Standorts. Da es aber bei der Clusterförderung nicht nur um die wirtschaftliche Entwicklung der Region und ihrer Wettbewerbsfähigkeit geht, sondern auch um die Wettbewerbsfähigkeit und Effizienz der Unternehmen selbst, ist und bleibt die Mitwirkung der Unternehmen eine unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Clusterentwicklung. Eine rein öffentlich finanzierte Clusterförderung dürfte auf Dauer nicht erfolgreich sein können. Zu den strukturellen Erfolgsfaktoren von Clusterpolitik gehören daneben u.a. ein langfristiges Commitment der Politik, die entsprechende Autorisierung des Managements, die Entwicklung von Leitprojekten sowie eine professionelle und glaubwürdige Öffentlichkeitsarbeit (Küpper/Röllinghoff 2005). Spars
Literatur Alecke, B. u. a. (2005): New Evidence on the Geographic Concentration of German Industries. In: Johansson, B.; Karlsson, C.; Stough, R. R. (Hrsg.): Industrial Clusters and Inter-firm Networks. Chaltenham, 321-356 Alecke, B.; Untiedt, G. (2006): Die geografische Konzentration von Industrie und Dienstleistungen in Deutschland, Neue empirische
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Evidenz mittels des Ellison-Glaeser-Index. GEFRA Working Paper Nr. 2. Münster Barrios, S. u. a. (2003): Agglomeration Economies and the Location of Industries: A Comparison of Three Small European Countries. CORE Discussion Paper 2003/67. Louvain BBR – Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.) (2006): Quartiers-Impulse, Neue Wege zur Stärkung der lokalen Wirtschaft. ExWoSt-Informationen 31/2. Bonn Devereux, M. P.; Griffith, R.; Simpson, H. (1999): The Geographic Distribution of Production Activity in the UK. The Institute for Fiscal Studies Working Paper 26/99. London Dicken, P. (2003): Global Shift: Reshaping the Global Economic Map in the 21st Century. London Enright, M. (2003): Regional Clusters: What we know and what we should know. In: Bröcker, J.; Dohse, D.; Soltwedel, R. (Hrsg.): Innovation Clusters and Interregional Competition. Berlin, 99-129 Floeting, H. (2008): Cluster in der kommunalen und regionalen Wirtschaftspolitik, Vom Marketingbegriff zum Prozessmanagement. Edition Difu, 5. Berlin Küpper, U.-I.; Röllinghoff, S. (2005): Cluster Management: Demands on Cities and Regional Networks. In: Deutsche Zeitschrift für Kommunalwissenschaften, 1, 60-93 Maier, G.; Tödtling, F. (2002): Regional- und Stadtökonomik. Band 2: Regionalentwicklung und Regionalpolitik. Wien Mayerhofer, P.; Palme, G. (2001): Strukturpolitik und Raumplanung in den Regionen an der mitteleuropäischen EU-Außengrenze zur Vorbereitung auf die EU-Osterweiterung. Teilprojekt 6/1: Sachgüterproduktion und Dienstleistungen: Sektorale Wettbewerbsfähigkeit und regionale Integrationsfolgen. Zugriff auf www. preparity.wsr.ac.at/public/veroeffentlichungen/at/veroeffentlichungen_a6.html am 1.11.2008 Marshall, A (1890): Principles of Economics. London Maurel, F.; Sedillot, B. (1999): A Measure of the Geographic Concentration in French Manufacturing Industries. In: Regional Science and Urban Economics, 29, 575-604 Porter, M. (1998): Clusters and the New Economics of Competitions. In: Harvard Business Review, 6, 77-90 OECD – Organisation for Economic Co-operation and Development (Hrsg.) (1999): Boosting Innovation: The Cluster Approach. Paris Rosenfeld, M. u. a. (2004): Ökonomische Entwicklungskerne in ostdeutschen Regionen: Zur Ausstattung der neuen Bundesländer mit regionalen Branchenschwerpunkten, innovativen Kompetenzfeldern und Unternehmensnetzwerken. Gutachten im Auftrag des BBR. Halle Spars, G. (2005): Regionalentwicklung in Brandenburg im Lichte neuer Theorieansätze. In: Spars, G. (Hrsg.): Regionalentwicklung Brandenburg, Neuere Entwicklungen in Theorie und Praxis. Berlin van den Berg, L. u. a. (1999): Growth Clusters in European Metropolitan Cities: A new Policy Perspective. Rotterdam van den Berg, L. u. a. (2001): Growth Clusters in European Cities: An Integral Approach. In: Urban Studies, 1, 185
CONSULTING Der Anglizismus Consulting bezeichnet allgemein eine Beratung in Form einer von Externen erbrachten entgeltlichen Leistung. Öffentlich stark wahrgenommen wird die Unternehmens- und Managementberatung, v. a. im Kontext von Rationalisierungen und Umstrukturierungen großer Unternehmen. Im Zuge der sog. Modernisierungen und den Privatisierungen seit den 1990er Jahren haben Aufträge für Beratungsunternehmen
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auch im öffentlichen Sektor, zumindest temporär, erheblich zugenommen. Der Schwerpunkt dieses Beitrages liegt in der externen Beratung im öffentlichen Sektor und insbesondere in der Stadtplanung. Arbeitsfelder externer Beratung Es können drei idealtypische Arbeitsfelder der Beratung unterschieden werden, die in gewisser Weise die Evolution von externen Beratungsleistungen widerspiegeln. 1) Gutachten, Expertisen, Bewertungen von Experten bzw. Sachverständigen, die zur Vorbereitung einer Entscheidung herangezogen werden, bilden in gewisser Weise die Basis des Beratungsgeschäftes. Mit ihnen kann sich der Auftraggeber eine bestimmte Fachkompetenz, eine zusätzliche Arbeitskapazität oder eine von der eigenen Organisation zumindest formal unabhängige Bewertung verschaffen. Im Rahmen einer „make or buy“-Entscheidung werden eigene Kapazitäten gar nicht oder nur in begrenztem Umfang bereitgestellt und im Bedarfsfall gezielt externe Beratungsaufträge erteilt. In der Wirtschaft werden solche punktuellen oder projektförmigen Formen externer Beratung in vielen Bereichen, u. a. zu technischen, steuerlichen oder rechtlichen Fragen, in Anspruch genommen. Im öffentlichen Bereich sind die Vergabevorschriften zu berücksichtigen, was unabhängig davon, ob für solche Ausgaben überhaupt Haushaltsansätze bestehen, eine erhebliche Barriere darstellt, externe Beratung zu beauftragen. Dies führt dazu, dass in der Stadtplanung i. d. R. nur im Falle großvolumiger Sonderaufgaben wie z. B. Entwicklungskonzepten, teilräumlichen oder sektoralen Planungen (▷Informelle Planung) und bei besonderen rechtlichen oder wirtschaftlichen Fragestellungen im Rahmen größerer Projekte (▷Markt- und Standortanalysen) externe Gutachten vergeben werden. Eine institutionalisierte Form der Aufnahme externer Expertise sind Beiräte. Diese werden z. B. für den Denkmalschutz eingerichtet oder Trägern von Stadtentwicklungsmaßnahmen zugeordnet, wie es etwa für die HafenCity Hamburg GmbH der Fall ist. 2) Strategie- und Konzeptberatungen durch externe Berater ist die klassische Domäne der Unternehmens- und Managementberatung in der Wirtschaft. Sie werden für die Unternehmensführung erarbeitet, um grundlegende Fragen der Unternehmensentwicklung und -struktur zu
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bearbeiten und operationalisierbare Lösungen vorzuschlagen und insbesondere, um tief greifende Umstrukturierungen von Unternehmen vorzubereiten, zu legitimieren und durchzusetzen (siehe unten Funktionen der Beratung). Im Zuge der Ansätze der sog. Modernisierung der öffentlichen Verwaltungen, die sich primär auf eine betriebswirtschaftliche Perspektive stützen („Effizienzgewinne“), sowie den Umstrukturierungen und Privatisierungen von großen öffentlichen Unternehmen und Einrichtungen seit den 1990er Jahren (Treuhandanstalt, Bundesanstalt für Arbeit, Bahn, Post, Telekom, Wohnungsunternehmen), hatten extern erstellte Strategien und Konzepte im öffentlichen Sektor bis hin zu den „Hartz-Reformen“ eine gewisse Hochkonjunktur. Diese Entwicklung hat sich in der zweiten Hälfte der 2000er Jahre nicht fortgesetzt. Obwohl das Sozialprodukt in Deutschland zu annähernd fünfzig Prozent direkt oder indirekt über öffentliche Kassen fließt, melden die größeren Unternehmensberatungen einen Anteil ihres Umsatzes mit dem öffentlichen Sektor von unter fünf Prozent. Eine umfassende Strategie- und Konzeptberatung wäre auf der kommunalen Ebene mit Politikberatung durch Externe gleichzusetzen. Dafür ist die kommunale Politik bzw. sind Gemeinderäte nur in Ausnahmefällen aufgeschlossen und auch kaum bereit, dazu finanzielle Mittel bereitzustellen. Von Externen ausgearbeitete umfassende Strategien und Konzepte sind gelegentlich im Bereich der Wirtschaftsförderung (▷kommunale Wirtschaftsförderung) sowie im Stadtmarketing anzutreffen. Auch hier bilden ökonomische Strategien oder Umbrüche einen wichtigen Anlass (vgl. Wolfsburg AG, dortmund-project sowie regionale Clusterkonzepte). 3) Konzeptentwicklung und Implementierung bei grundlegenden Veränderungen zu verbinden, ist die wohl jüngste und am weitesten reichende Entwicklungsstufe der externen Beratung. In den der Strategie und Produktpolitik nachgelagerten Beratungsfeldern wie Informationstechnologie, Personalsuche und -entwicklung sowie Marketing und Public Relations sind Konzeptentwicklung und Umsetzung unter Einbeziehung von Beratern weit verbreitet. Werden externe Berater allerdings in die Reorganisation der jeweiligen Kernprozesse der Unternehmen als „Change Agents“ eingebunden, steigen die Anforderungen an die Fach-, Branchen und Strukturkenntnis wie auch an die soziale Kompetenz erheblich.
Im öffentlichen Sektor ist i. d. R. schon bei eher operativen Beratungsfeldern wie Informationstechnologie, Personal und Öffentlichkeitsarbeit die Beauftragung Externer, wenn sie überhaupt erfolgt, auf Pionieraufgaben, Spitzenfunktionen oder Sonderprojekte begrenzt. Funktionen externer Beratung
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Externe Beratung wird beauftragt, wenn ein Bedarf dafür ausgemacht wird und der erwartete Nutzen die Kosten übersteigt. Da externe Beratung nicht billig ist, muss der Nutzen für die konkreten Auftraggeber und ggf. diejenigen, die deren Handeln überprüfen, klar umrissen werden. Neben der Bearbeitung der explizit beschriebenen Aufgabe können organisationspolitische Aspekte eine große Bedeutung haben. 1) Durch externe Beratung wird eine drastische Reduktion von Komplexität vorgenommen. Die Analysen und Einschätzungen werden weitgehend aus dem gewachsenen personalen, organisatorischen und sachlichen Kontext heraus gelöst, mit dem Wissen und den Bewertungen der Berater gefiltert und angereichert, und schließlich in relativ kurzer Zeit zu möglichst klaren Ergebnissen und Vorschlägen aufbereitet. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an Qualifikation, Einsatzbereitschaft, Flexibilität und Kommunikationsfähigkeit der in der Beratung Tätigen. 2) Externe Beratung hat i. d. R. Vorschläge zum Ergebnis, die im Korridor der Erwartungen der Auftraggeber, d. h. der Führung, liegen. Dabei hat externe Beratung die Funktion der Überprüfung oder Vertiefung und insbesondere eine wichtige Legitimationsfunktion für grundlegende Entscheidungen. Die für die Entscheidungen Verantwortlichen können sich im Falle schmerzhafter Entscheidungen durch Verweis auf die Ergebnisse der Beratung entlasten – und sie können im Falle von Fehleinschätzungen die Beratung verantwortlich machen. 3) Bei externer Beratung bestehen keine Befangenheit oder Loyalitäten gegenüber eingespielten Routinen und Sichtweisen sowie vorhandenen Akteuren und Strukturen in einer Organisation. Eine auf diese Weise gegebene „Rücksichtslosigkeit“ erleichtert es, neue Sichtweisen einzunehmen, schnell „auf den Punkt“ zu kommen, aber insbesondere auch, tief greifende Umstrukturierungs- und Rationalisierungsprozesse vorzuschlagen und umzusetzen. Einschränkend muss allerdings konstatiert werden, dass externe Beratung eine hohe Loyalität
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gegenüber dem Auftraggeber, das ist i. d. R. die Führung einer Organisation, hat. Ergebnisse externer Beratung, die den strategischen und taktischen Interessen der Führung deutlich widersprechen, dürften eher selten vorkommen. 4) Externe Beratung stützt sich auf ausgeprägte Fachexpertise, einen Überblick über Herausforderungen und Handlungsansätze in vergleichbaren Fällen und ein elaboriertes Set von Methoden zur Strukturierung von Analysen und Konzeptentwicklungen sowie damit vertrauten Experten. Führung wie Beschäftigte in Unternehmen oder Organisationen haben ihre fachlichen Schwerpunkte und Erfahrungen im jeweiligen Arbeitsgebiet, sodass der Einsatz externer Beratung zur Unterstützung von Entscheidungen in strategischen, konzeptionellen, organisatorischen und spezifischen Fachfragen oftmals effizienter ist, als diese Fragen mit dem Anspruch vergleichbaren Niveaus selber zu bearbeiten. 5) Im Unterschied zur Wirtschaft, in der Entscheidungen aufgrund des Wettbewerbs oft relativ schnell getroffen werden müssen, wird externe Beratung im öffentlichen Sektor nicht selten eingeschaltet, um bis zu einer Entscheidung Zeit zu gewinnen bzw. sich noch nicht festlegen zu müssen. Es wird darauf gesetzt, dass die Parameter der Entscheidungen durch zwischenzeitlich mögliche neue Entwicklungen oder politische Konstellationen verändert werden.
und Verwaltung eher heterarchische Strukturen und Akteurskonstellationen vorherrschen sowie schließlich sehr komplexe und eigenlogische institutionelle Rahmenbedingungen bestehen, aus denen erhebliche Widerstände und Persistenz gegen Vorschläge und Veränderungen erwachsen können. Dabei spielen Kriterien wie die wirtschaftliche Effizienz oder gar der Erfolg, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle. Ob sich vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und fortgesetzter ökonomischer Strukturwandlungen Tendenzen zu einer „performativen“ Politik auf der kommunalen Ebene verstärken und im Zuge dessen verstärkt auf externe Beratung zurückgegriffen wird, ist noch nicht abzusehen. Krüger
Literatur Eichmann, H.; Hofbauer, I. (2008): Man braucht ein sehr hohes Energieniveau, Zum Arbeitsalltag der UnternehmensberaterInnen. Berlin Fürst, D. (2008): Planung als politischer Prozess. In: Fürst, D.; Scholles, F. (Hrsg.): Handbuch Theorien und Methoden der Raum- und Umweltplanung. Dortmund, 48-69 Leif, T. (2006): Beraten und verkauft: McKinsey & Co. – der große Bluff der Unternehmensberater. München Niedereichholz, C.; Niedereichholz, J. (2006): Consulting Insight. München
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Besonderheiten in der Stadtplanung Die ▷Stadtplanung und die kommunale Planungshoheit als eine ihrer wesentlichen Grundlagen sind ein wesentliches Gestaltungsfeld der Politik in den Gemeinden. Adressaten von Vorschlägen der Stadtplanung und letztlich die Entscheider sind Kommunalpolitiker. Die Ausrichtung auf die Sphäre der Politik unterscheidet die Stadtplanung fundamental von der Privatwirtschaft, in der letztlich die Eigentümer das Sagen haben und das Prinzip des wirtschaftlichen Wettbewerbs vorherrscht. Externe Beratung auf dem Gebiet der Stadtplanung, selbst wenn sie ihrerseits den Bedingungen des wirtschaftlichen Wettbewerbs unterliegt, muss die besonderen Rahmenbedingungen und Prozesse der Politik auf der kommunalen und regionalen Ebene berücksichtigen. Das Primat der Politik bedeutet, dass Sichtweisen und Entscheidungen stark vom politischen Agenda-Setting bestimmt werden, gegenüber den hierarchisch geprägten Organisationsstrukturen, die in der Wirtschaft bestehen, in Politik
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Begriffsdefinition Corporate Real Estate definiert das Immobilienvermögen eines Unternehmens. Dabei ist zwischen Immobilienunternehmen und sonstigen Unternehmen zu unterscheiden. Im Folgenden wird das Corporate Real Estate Management von Unternehmen dargestellt, die nicht zur Immobilienbranche gehören. Der Immobilenbestand eines Unternehmens setzt sich i. d. R. aus Büro- und Verwaltungsgebäuden, Produktionsstandorten, Logistikstandorten, Verkaufsflächen und technologie- oder produktionsbedingten Sonderimmobilien zusammen. Zu den immobilienwirtschaftlichen Sonderimmobilien zählen u. a. Fabriken, Brauereien, Hafenanlagen, Kraft-, Wasser-, Gas- und Umspannwerke. Während für Bürogebäude, Produktionshallen und Logistikstandorte marktübliche Immobilienpreise über Mietpreise definiert werden können, ist dies bei Sonderimmobilien häufig schwierig.
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Das Corporate Real Estate Management zielt auf eine transparente, marktübliche Bewertung, die Beschaffung, das Management, den Betrieb und ggf. die Verwertung von Unternehmensimmobilien. Eine zentrale Bedeutung für ein Immobilienmanagement hat die Renditeerwartung des Unternehmens im Kerngeschäft. Diese Eigenkapitalrendite definiert die Voraussetzungen für die Finanzierungsmöglichkeiten der Unternehmensimmobilien (▷Immobilienfinanzierung) als Eigentum, Miet- oder Leasingobjekt. Da Industrieunternehmen regelmäßig eine hohe Eigenkapitalrendite (i. d. R. über 12 Prozent) erwarten, werden häufig Miet- und Leasing-Lösungen gewählt, weil weniger oder kein Kapital gebunden wird und sich die Unternehmen so auf ihr Kerngeschäft fokussieren können. Unternehmen betrachten ihre Immobilien zunehmend als strategische Reserve. Insbesondere produktionsintensive Unternehmen verfolgten vor der Implementierung eines Corporate Real Estate Management häufig eine konservative Vorhaltepolitik von Flächen und Gebäuden und generierten damit hohe Vorlaufkosten. Wenn sich dann das wirtschaftliche Umfeld ändert (z. B. durch Produktionsverlagerungen), können diese Unternehmen oft nicht mehr reagieren und es droht ihnen die Insolvenz. Deshalb ist ein zweistufiges Corporate Real Estate Management, d. h. ein Management für betriebsnotwendige Immobilien und ggf. für nicht betriebsnotwendige Immobilien, sinnvoll. Strategien für betriebsnotwendige Immobilien Die Strategie des Corporate Real Estate Management für betriebsnotwendige Immobilien berücksichtigt die Unternehmensziele, das Marktumfeld, Veränderungs- und Produktionszyklen sowie Realisierungszeiträume, Renditeerwartungen, die Kosten- und Einsparungssituation, die Unternehmensform und Eigentümersituation wie auch eine Mitbewerberanalyse. Grundsätzliche Ziele sind die Optimierung und ggf. auch Reduktion der Betriebsstandorte sowie der Gesamtkosten. Kenntnisse über die regionalen Immobilienmärkte (▷Immobilienwirtschaft) sind dabei ebenso notwendig, wie die Anwendung von Szenarienmodellen und eines ▷Risikomanagements. Im Ergebnis soll ein werterhaltendes, nachhaltiges, kostenreduzierendes Immobilienmanagement geschaffen werden, das die Kerngeschäftsprozesse unterstützt. Für die unterschiedlichen Immobilientypen
sind jeweils andere Parameter von Interesse. Zu den relevanten Aspekten für die Strategieentwicklung gehören im Segment der Büroimmobilien die Anforderungen an die Unternehmenszentrale und andere Verwaltungsstandorte, die Corporate Identity des Unternehmens, Wachstums- und Schrumpfungsperspektiven des eigenen Unternehmens und der Branche, eine KostenNutzen-Betrachtung der betrieblich genutzten Immobilien, der Flächenbedarf pro Mitarbeiter, Strategien der Zentralisierung versus Dezentralisierung, Erreichbarkeit und Akzeptanz der Immobilien. Betriebswirtschaftliche und immobilienwirtschaftliche Kennzahlen unterstützen dabei die Steuerungsparameter (▷Benchmarking). Bei Produktionsstandorten sind v. a. die spezifischen Kosten für Standort, Personal, Logistik und Verlagerung zu berücksichtigen. Gerade in größeren Unternehmen mit mehreren Verwaltungsstandorten sind aufgrund der üblichen Umstrukturierungen, Unternehmensverkäufe, Unternehmensübernahmen und anderen Veränderungsprozessen permanente Reorganisationen die Regel geworden. Das Corporate Real Estate Management kann und muss hierfür Lösungen anbieten. Eine auf Immobilienwerte orientierte Strategie lässt dabei Raum für Veränderungen. Deshalb entwickelt sich der Trend hin zu mittelgroßen Bürogebäuden, die im Eigentum der Gesellschaft bzw. steueroptimiert Eigentum einer Konzerngesellschaft sein können oder nach Bedarf angemietet werden. Im Rahmen von Saleand-Lease-back-Modellen werden Unternehmenseigene Immobilien veräußert und dann von dem Verkäufer wieder angemietet. Sie verschaffen einem Unternehmen kurzfristig Liquidität und öffnen Chancen für mittelfristige Optimierungen, was in der Realität meist Standortschließungen bedeutet.
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Strategien für nicht betriebsnotwendige Immobilien Fehlendes oder mangelndes Corporate Real Estate Management führt häufig zu einer Schieflage im Immobilienbesitz eines Industrieunternehmens. Alte Produktionsanlagen werden durch neue ersetzt, aber die Altanlagen und Gebäude bleiben weiterhin im Immobilienportfolio und sollen als strategische Reserve dienen. Dieser Zustand hält häufig über Jahre oder Jahrzehnte an und ist bei Kraftwerken, Zechen, Stahlwerken, Gaswerken, Lagergebäuden u. ä. immer noch üblich. Stehen diese Anlagen zudem unter Denkmalschutz, so verschärft sich das Problem.
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Marktwachstum/ Entwicklungschancen
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Grundsätzlich hat natürlich das Prinzip „Betrieb geht vor Verwertung“ zu gelten. Dennoch müssen Veränderungsprozesse erkannt und unumkehrbare Entwicklungen akzeptiert werden, die dazu führen können, dass eine Standortaufgabe und die immobilienwirtschaftlich orientierte Verwertung durch Verkauf, Vermietung und/ oder Verpachtung angestrebt werden. Hier stoßen die Immobilienabteilungen von Industrieunternehmen häufig an ihre Kapazitäts- und Erfahrungsgrenzen, denn für die Entwicklung nicht betriebsnotwendiger Immobilien sind ein breites immobilienwirtschaftliches Wissen und Immobilienmarktkenntnisse unabdingbar. Eine realistische Einschätzung der eigenen Möglichkeiten und ein Austausch mit strategischen Partnern sind notwendig, um kostenintensive Fehlentscheidungen zu vermeiden. Grundlage für eine Verwertungs- und Vermarktungsstrategie sollte die Erfassung und Bewertung des Immobilienbestands sein. Erfolgreich ist Immobilienmanagement v. a. dann, wenn klare Organisationsformen und Zuständigkeiten festgelegt sind. Idealerweise ist das Corporate Real Estate Management daher an strategisch wichtiger Position mit entsprechender Entscheidungskompetenz bei der Unternehmensleitung verankert, z. B. beim Finanzvorstand. Die notwendige Bestandserfassung und Bewertung kann sowohl mit eigenen Mitarbeitern erfolgen – wobei die objektspezifischen Kenntnisse von großem Vorteil sind – als auch extern eingekauft werden. Erfassungsparameter für jede einzelne Liegenschaft sind mindestens: Lage, Größe, bisherige Nutzungsart, Altlasten, bestehende Gebäudetypen, Brutto- und Nettogeschossflächen, eine Zustandsanalyse, Bodenrichtwerte, Buchwerte, Nutzungsdauer sowie Mieteinnahmen, Nebenkosten Verwaltungskosten, Sachkosten, Personalkosten, Instandhaltungskosten, Sicherungs- und Bewachungskosten und öffentliche Abgaben. Diese Parameter beeinflussen die immobilienwirtschaftliche Bewertung der Liegenschaften und verfolgen
Problem Children
Stars
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Portfolioanalyse (Grube 2003)
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das Ziel einer objektspezifischen Einzelbewertung jedes einzelnen Firmengrundstückes. Darauf aufbauend kann wiederum mit internem oder externem Sachverstand der gesamte Immobilienbestand bewertet, analysiert und weiterentwickelt werden. Für die Bewertung und Verwertung der Immobilie ist wiederum zu berücksichtigen, ob einem Standort eine strategische Bedeutung zukommt. Diese Frage ist unter Umständen mit den Strategiebereichen der Unternehmen zu klären, eine partnerschaftliche Abstimmung ist dabei der Schlüssel zum Erfolg. Die Chancen einer erfolgreichen immobilienwirtschaftlichen Verwertung ehemaliger Betriebsimmobilien steigen mit ihrer Lagegunst. Innerstädtische Areale in Großstädten haben ein erhebliches Wertschöpfungspotenzial, während Industriebrachen in Mittel- und Kleinstädten oder im ländlichen Raum große Herausforderungen darstellen. Dennoch gilt für alle Liegenschaften dieselbe Reihenfolge der ▷Projektentwicklung: Bestand erfassen, Gebäude/Gelände erlebbar machen, Konzepte entwickeln, Nutzer binden, Erträge generieren. Eine besondere Bedeutung hat dabei die Bewertung der Bestandsgebäude. Ehemalige technische Sondergebäude bieten häufig Umnutzungspotenzial, da die Gebäudesubstanz i. d. R. solide ist, der Standort eine besondere Tradition hat und damit Identität schafft. Sollten diese Anlagen unter Umständen unter Denkmalschutz stehen, ist diese Umnutzung sogar geboten. Wertsteigerung durch Corporate Real Estate Management Ein ganzheitliches Corporate Real Estate Management führt nachhaltig zur Wertsteigerung des Gesamtunternehmens und kann somit einen wichtigen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten. Ganzheitlich bedeutet dabei die zusätzliche Begleitung der Prozesse durch ein internes Kontrollsystem und die Beteiligung von Fachabteilungen wie den Rechts- und Controlling-Bereichen. Investitions- und Verkaufsentscheidungen werden so auf eine verlässliche und transparente Entscheidungsgrundlage gestellt. Die Immobilienstrategie sollte zudem in sinnvollen Abständen überprüft und den jeweiligen Industriestandards angepasst werden. Regulierungsansätze, Steuerthematiken und Abschöpfungsregeln sollten ebenso berücksichtigt werden wie Marktschwankungen und Modernisierungsimpulse. Um letztendlich eine auf das gesamte Immobilienportfolio bezogene und auf das Ergebnis orientierte Verwertungs- und Bewertungsstrategie
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entwickeln zu können, werden die Immobilien im Corporate Real Estate Management häufig in vier Hauptgruppen mit unterschiedlichen Markt-/ Entwicklungschancen und Renditeergebnissen eingeteilt: Stars, Cash Cows, Problem Children und Poor Dogs. Ob das Portfolio dabei nach betriebs- und nichtbetriebsnotwendigen Immobilien geteilt wird oder ob eine Mischdarstellung geeignet ist, hängt von den Steuerungszielen des Unternehmens ab. Grundsätzlich empfiehlt sich jedoch eine derartige Aufteilung und Abgrenzung, da Gewinn- und Verlustbringer auf diese Weise besser analysiert werden können. Entscheidungswilligkeit und Entscheidungsfähigkeit stellen eine wichtige Voraussetzung für den Gesamterfolg der Immobilienstrategie dar. Im Zuge der Veränderung und Beschleunigung gesamtwirtschaftlicher Zusammenhänge und globaler Wirkungskreise werden auch die betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen für die Refinanzierbarkeit von Immobilientransaktionen schwankungsanfälliger. Für Sale-andLease-back- und Verkaufs-Transaktionen zählen nunmehr neben der Bonität und dem Rating des Unternehmens (und ggf. zusätzlich zu Patronatserklärungen für Tochtergesellschaften) auch die objektspezifischen Standortfaktoren wie Land, Ort, Größe, Lage und Wiederverwendbarkeit. Auch die Verhandlungsdauer und die notwendige juristische Absicherung nimmt durch immer neue Regulierungen des Finanzmarktes (z. B. Basel II) stetig zu. Ein kompetentes Corporate Real Estate Management wird damit zur Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches und zukunftsorientiertes Unternehmen, letztendlich auch deshalb, weil mit den sich wandelnden Rahmenbedingungen auch immer neue Akteure auf die interessanten und weiter wachsenden Immobilienmärkte kommen. Grube
Literatur Diederichs, C. J. (1999): Führungswissen für Bau- und Immobilienfachleute. Berlin, Heidelberg Grube, H. A. (2003): Renaissance der E-Werke, Historische Industriearchitektur im Wandel. Berlin Schäfers, W. (1997): Strategisches Management von Unternehmensimmobilien: Bausteine einer theoretischen Konzeption und Ergebnisse einer empirischen Untersuchung. Köln Volhard, R.; Weber, D.; Usinger, W. (2001): Real Property in Germany: Legal and Tax Aspects of Development and Investment. Frankfurt
DASEINSVORSORGE Begriff Der Begriff der Daseinsvorsorge ist in den 1930er Jahren von dem Staatsrechtler Ernst Forsthoff (1902-1974) geprägt worden, der damit die staatliche Aufgabe umschrieb, dafür zu sorgen, dass den Bürgern bestimmte notwendige Güter und Dienstleistungen diskriminierungsfrei zur Verfügung gestellt werden, die der Markt nicht in erforderlichem Umfang, erforderlicher Qualität oder zu erschwinglichen Preisen liefern kann. In Deutschland war und ist es deshalb v. a. der öffentliche Sektor, der Dienstleistungen der Daseinsvorsorge erbringt. „Daseinsvorsorge“ ist ein spezifisch deutscher Begriff (Bocklet 2001), der neben dem traditionellen deutschen Staatsverständnis zugleich die Erfahrungen unmittelbarer Not während und nach dem Ersten Weltkrieg widerspiegelt – in der angelsächsischen oder französischen Terminologie ist dagegen schlicht von „services of general interest“ bzw. vom „service public“ die Rede. Mit der breiten Entfaltung der Wirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und mit der Entwicklung des Europäischen Binnenmarktes und seines Wettbewerbsrechts erfuhr insbesondere der Bereich der staatlichen Daseinsvorsorge einen grundlegenden Wandel: Wurden früher viele Leistungen dieser Art von Regiebetrieben der öffentlichen Verwaltung (z. B. Betriebe des ÖPNV, Stadtwerke etc.), von Anstalten des öffentlichen Rechts (z. B. Sparkassen, Landesbanken, Radiound Fernsehanstalten), von Staatsverwaltungen wie Bahn, Post, Telekommunikation, oder von Kapitalgesellschaften in öffentlichem Eigentum (z. B. gemeinnützige Wohnungsunternehmen der Länder und Gemeinden) erbracht, so interessieren sich seit den 1980er Jahren mehr und mehr private Anbieter für die bisher von öffentlichen Unternehmen außerhalb des Wettbewerbs wahrgenommenen Aufgaben und verlangen Marktzugang – unter Berufung auf die Grundprinzipien der EU zur Schaffung eines freien Binnenmarkts. In der Terminologie der EU haben sich neue Begriffe herausgebildet, die genauere Abgrenzungen zum privatwirtschaftlichen Sektor zulassen als der unscharfe Begriff der Daseinsvorsorge. Der Europäische Gemeinschaftsvertrag formuliert in Art. 86 EGV maßgebliche Vorgaben für die Aufgabenerfüllung der öffentlichen Hand im Rahmen der Daseinsvorsorge mit dem Ziel der Gleichbehandlung, um Vorteile für öffentliche Unterneh-
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men im Wettbewerb mit privaten Unternehmen auszuschließen. Grundsätzlich marktbezogene „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“, die bisher weitestgehend vom öffentlichen Sektor erbracht wurden – wie insbesondere die Ver- und Entsorgungsdienste mit leitungsgebundener Infrastruktur (Wasser/Abwasser, Energie, Bahn, ÖPNV, Post, Telekommunikation etc.; Dickertmann/Piel 2002) –, sind zu unterscheiden von Gütern und Dienstleistungen im allgemeinen („nichtwirtschaftlichen“) Interesse, wie öffentliche Sicherheit (Militär, Polizei, Zoll), Bildung (Schule, Universität), kulturelle, soziale und Wohlfahrtsdienste, die grundsätzlich nicht marktbezogen und nicht dem Wettbewerb unterworfen sind. Die Grenze zwischen diesen beiden Typen von Gütern und Dienstleistungen ist allerdings fließend: Es liegt in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, die verschiedenen Leistungen der Daseinsvorsorge zu definieren und zuzuordnen. Das schließt nicht aus, dass staatlich definierte Zuordnungen im Laufe der Zeit durch den wirtschaftlichen Strukturwandel oder durch die Rechtsprechung korrigiert werden – um z. B. im Krankenhaussektor oder im Bildungssektor auch Dienstleistungen privater Anbieter zuzulassen. Eine wichtige Untergruppe der im Allgemeininteresse benötigten Leistungen der Daseinsvorsorge sind die sog. Basis- oder Universaldienstleistungen (Cox 2001), die der Grundversorgung dienen und die bestimmte Kriterien erfüllen müssen: Gleichheit des Angebots hinsichtlich Quantität und Qualität, diskriminierungsfreier Zugang für jedermann innerhalb des gegebenen regionalen oder nationalen Raums – auch an entfernten Standorten außerhalb der Ballungsräume, Versorgungssicherheit und Erschwinglichkeit des Preises, um minderbemittelte Bevölkerungsgruppen nicht auszuschließen. Viele dieser Universaldienstleistungen – z. B. in den Bereichen der Ver- und Entsorgungsgüter mit leitungsgebundener Infrastruktur (Dickertmann/ Piel 2002) – sind grundsätzlich Dienstleistungen im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse. Nur die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse sind den Wettbewerbsregeln der EU unterworfen – mit der Folge, dass für diese Dienste das Gebot der Deregulierung und Entmonopolisierung, der Marktöffnung für private Anbieter und das Verbot ungleichen Wettbewerbs – etwa durch Gewährung staatlicher Beihilfen – gilt.
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Die Mitgliedstaaten haben die geltenden Richtlinien der EU sehr unterschiedlich umgesetzt. In Deutschland wurden z. B. Bahn, Post und Telekommunikation in Aktiengesellschaften umgewandelt (formale Privatisierung) oder wurden bereits (teil-) privatisiert (materielle Privatisierung). Diese Unternehmen können ihren Kapitalbedarf künftig auf dem allgemeinen Geldmarkt decken und stehen mit anderen Anbietern in Wettbewerb. Öffentliche Unternehmen in Deutschland Seit mehr als 100 Jahren ist es der Staat, der auf allen drei Ebenen der Staatlichkeit in Deutschland Leistungen der Daseinsvorsorge erbringt: Die Kommunen und Kreise schufen mit Hilfe ihrer Stadtwerke oder sonstiger, spartenweise organisierter Eigenbetriebe die Netze der lokalen oder regionalen Wasserver- und -entsorgung, der Energieversorgung und des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Die deutschen Staaten erwarben – auch aus militärstrategischen Gründen – sehr bald im 19. Jahrhundert die oft zunächst von Privatunternehmern geschaffenen Eisenbahnverbindungen und bauten sie, organisiert in eigenständigen Staatsverwaltungen, zum Netz des öffentlichen deutschen Eisenbahnwesens aus, das nach 1919 in der Deutschen Reichsbahn zusammengeführt wurde. In ähnlicher Weise entstanden andere staatliche Monopolbetriebe wie die Post, die auch die Telekommunikation umfasste, oder, nach 1918, der staatliche Rundfunk und das öffentliche Fernsehen als Anstalten des öffentlichen Rechts. Bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelten sich die öffentlichen, meist kommunalen Sparkassen mit der Gewährträgerhaftung ihrer öffentlichen Gesellschafter und das öffentliche Bankenwesen mit dem System der deutschen Landesbanken. In Reichs-, später Bundesanstalten waren die öffentlichen Renten- und Arbeitslosenversicherungen organisiert, in die Arbeitnehmer und Arbeitgeber Zwangsumlagen entrichten mussten, in berufsständischen Organisationen die Krankenversicherungen mit Zwangsmitgliedschaft der unselbstständig Beschäftigten, deren Tätigkeit ebenfalls durch staatliche Rahmengesetze geregelt war. Das weite Tätigkeitsfeld des öffentlichen Sektors hat seine Wurzeln im Selbstverständnis vom vorsorgenden Staat, das sich in Deutschland im Gegensatz zu vielen anderen westeuropäischen Ländern schon im 19. Jahrhundert herausgebildet hat und zu einem System staatlicher Daseinsvorsorge fortentwickelt wurde: Der öffentliche Sektor musste nach deutschem Verständnis überall dort tätig werden, wo die privatwirtschaftliche Ver-
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sorgung wegen hoher Investitionen, hoher fixer Kosten und mangelnder Rendite gestört oder wo um des Gemeinwohls willen die Verordnung von Anschluss- und Benutzungszwängen, Versicherungspflichten und anderen gesetzlichen Auflagen notwendig war (Dickertmann/Piel 2002). Für die Vielfalt öffentlicher Unternehmen einschließlich betriebsähnlicher Organisationen der öffentlichen Verwaltung waren bisher vier Merkmale kennzeichnend: öffentliche Trägerschaft: Bund, Länder oder Gemeinden sind Kapitaleigner des öffentlichen Unternehmens; Alleineigentümerschaft des Staates durch Bereitstellung des Eigenkapitals, Ausübung der Kontrollfunktion durch eigene Aufsichtsorgane; Auftrag zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben, z. B. im Bereich der Daseinsvorsorge, die gesetzlich vorgegeben sind: Instrumentalfunktion des öffentlichen Unternehmens und Öffentliche Unternehmen agierten meist außerhalb des Wettbewerbs: Die Finanzierung der Unternehmenstätigkeit erfolgte entweder über Preise und Gebühren zur Kostendeckung bis zur Möglichkeit limitierter Gewinne (z. B. bei gemeinnützigen Wohnungsunternehmen) oder, bei nicht kostendeckenden Preisen, durch Finanzausgleich zwischen profitablen und nicht profitablen Geschäftssparten (Quersubventionierung) oder gar durch Verlustsausgleich seitens des öffentlichen Eigentümers. Die Form der Querfinanzierung ist jedoch heute durch EU-Recht grundsätzlich nicht mehr zulässig. (Cox 2001) Heute hat sich die Struktur der öffentlichen Daseinsvorsorge durch den Staat drastisch verändert: Europäische Anstöße wie der Erlass einschlägiger Richtlinien durch die EU-Kommission, Rechtsverfahren gegen einzelne Mitgliedsstaaten bei Verstößen sowie die schrittweise Umsetzung der EU-Vorgaben aus Art. 86 (2) Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft – EGV in nationales Recht waren ein wichtiger Impuls zur Neustrukturierung des öffentlichen Sektors. Ordnungspolitische Forderungen von Wirtschaftsverbänden zur Privatisierung ganzer Branchen oder nach Marktzugang zu den rentablen Teilen des Geschäfts öffentlicher Unternehmen wiesen in die gleiche Richtung. V. a. die gravierenden Haushaltsprobleme von Bund, Ländern und Gemeinden, spätestens seit der deutschen Wiedervereinigung, und die kritische Prüfung des überkommenen staatlichen Aufgabenspektrums haben den Strukturwandel in Richtung schlanker Staat bewirkt.
Der deutsche Staat ist heute nicht mehr in erster Linie selbst Produzent von Gütern oder Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge, sondern hat als Gewährleistungsstaat deren Erbringung in geeigneter Weise sicherzustellen (Cox 2001). Hierfür muss er nicht mehr selbst Eigentümer entsprechender Unternehmen sein: die schrittweise Privatisierung von Post und Telekom, demnächst der Bahn, die Privatisierung öffentlicher Unternehmen der Energie- und Wasserversorgung, der Verkauf der Wohnungsunternehmen von Bund und Ländern, ja selbst von Kommunen, ist in vollem Gange. Die Aufgaben der Daseinsvorsorge müssen in Verträgen mit den neuen privaten Akteuren definiert und ausgehandelt werden. Die von der EU geforderte Ausschreibungspflicht bei Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen ermöglicht den Wettbewerb der Anbieter um die bestmögliche Aufgabenerfüllung im Allgemeininteresse. Dieser Wettbewerb der Institutionen (Cox 2001) kann ein Such- und Entdeckungsverfahren zugunsten bestmöglicher Arrangements und Regelsysteme bei der Erfüllung von Aufgaben des Allgemeinwohls sein und damit der Gesellschaft insgesamt Vorteile bringen.
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Aktuelle Fragen Die notwendige Abstimmung von Privat- und Allgemeinwohlinteressen führt zu neuen Fragestellungen: Wie kann der Staat bei privater Erbringung von früher öffentlichen Dienstleistungen die Einhaltung definierter Qualitätsstandards (z. B. Wasser) und die Erfüllung notwendiger Investitionsaufgaben zur Instandhaltung und Modernisierung bestehender Einrichtungen (z. B. Leitungsnetze) sicherstellen? Wie sind bei vorrangiger Erfüllung der Forderung nach erschwinglichen Preisen für die Kunden trotzdem zugleich angemessene Dividenden für den privaten Investor zu erwirtschaften? Wie soll bei nicht kostendeckender Erbringung von Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge durch Private ein externer Finanzausgleich zu Lasten des öffentlichen Haushalts ermittelt, nachgewiesen und vereinbart werden? Wie kann bei Ausschreibung früher öffentlich erbrachter Transport- und Versorgungsdienstleistungen mehr Wettbewerb auf den vorhandenen Infrastrukturnetzen (Schiene, Leitungen etc.) und damit die Entwicklung zu günstigeren Preisen für den Verbraucher ermöglicht werden? Welche Konsequenzen sind
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bei Trennung von Netzinfrastruktur und Nutzung der Netze zu bedenken? Welche Sanktions- oder Zugriffsmöglichkeiten hat die öffentliche Hand nach der Privatisierung öffentlicher Unternehmen der Daseinsvorsorge bei Schlechterfüllung durch den privaten Eigentümer? Welche Infrastrukturstandards sind in schrumpfenden Städten und Regionen zwingend aufrecht zu halten? Wie können die vorhandenen Leitungsnetze der Ver- und Entsorgung der verminderten Nachfrage angepasst werden? Wie soll der Zugang für jedermann zu medizinischer Versorgung, zu Bildung und Ausbildung, zur öffentlichen Verwaltung und zur Rechtspflege in schrumpfenden Regionen organisiert werden? Fragestellungen dieser Art beherrschen zurzeit mit Recht die öffentliche Diskussion in den politischen Gremien und in der Öffentlichkeit bei Privatisierung öffentlicher Unternehmen oder bei Schließung öffentlicher Einrichtungen. Erst ex post wird sich herausstellen, welche Lösungen im Sinne des Gemeinwohls verfehlt, welche Lösungen erfolgreich waren. Aus diesem Grunde müssen ex ante Kontroll- und Korrekturmöglichkeiten vereinbart werden, um bei groben Fehlentwicklungen eingreifen zu können (▷Evaluation). Daseinsvorsorge im Wohnungswesen Für die Bürger wie für die politisch Verantwortlichen in Bund, Ländern und Gemeinden hat die Wohnungsversorgung seit vielen Generationen einen hohen Rang. In der deutschen Praxis ist die Daseinsvorsorge im Bereich ▷Wohnen auf zwei Ebenen organisiert: Auf der staatlichen Ebene (Bund, Länder) durch die wohnungspolitischen Instrumente der direkten und indirekten Objektförderung (Wohnungsbauförderung, Steuererleichterungen etc.) und der Subjektförderung (Wohngeld), auf der lokalen Ebene durch das Wohnungsangebot der öffentlichen Unternehmen des Bundes, der Länder und insbesondere der Kommunen. Das deutsche Mietrecht, das den Interessenausgleich zwischen Vermieter und Mieter auf der Grundlage der Vertragsfreiheit regelt und den Mieter vor Willkür schützt, ist wegen der Bedeutung des Mietwohnungssektors eine wichtige Ergänzung. Angesichts der Wohnungsnot nach dem Ersten Weltkrieg wurde die öffentliche Förderung des Wohnungsbaus gemäß Verfassung der Weimarer Republik Staatsaufgabe. (▷sozialer Wohnungs-
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bau) Die damals entwickelten Instrumente hatten sich so bewährt, dass das Fördersystem der Bundesrepublik darauf aufbauen konnte. Im Gegensatz zu vielen anderen EU-Mitgliedsstaaten ist das deutsche System der Wohnungsbauförderung EU-kompatibel: Alle Bauherren, auch Privatpersonen, haben Zugang zu den staatlichen Fördermitteln, die durch Vertrag vergeben werden (kontraktuelle Förderung), nicht als Beihilfe. Der Bauherr verpflichtet sich, die öffentlich geförderten Wohnungen nur an berechtigte Nachfrager zu vergeben; das waren in den Wiederaufbaujahren der Bundesrepublik 80 Prozent der Bevölkerung. Nach Rückzahlung der öffentlichen Darlehen erlöschen die Bindungen aus der Förderung (Miethöhe, Berechtigte); die Vermietung unterliegt nur noch dem allgemeinen Mietrecht. Auf lokaler Ebene, d. h. in den Städten und Gemeinden, erfüllen öffentliche, insbesondere kommunale Wohnungsunternehmen Aufgaben der Daseinsvorsorge, nachdem der Bund, Bahn und Post, die Deutsche Rentenversicherung und viele Bundesländer ihre Wohnungsunternehmen verkauft haben. Dennoch erwägen auch Städte den Verkauf ihrer Wohnungsunternehmen, um ihre Haushaltsprobleme zu lösen (Pfeiff 2003). Diese sind jedoch unverzichtbare Akteure ihrer Gemeinden (Duvigneau 2006): durch gesetzeskonforme Mieten haben sie mäßigenden Einfluss auf die lokale Mietpreisentwicklung, sie sind die einzigen Vermieter, die der Gemeinde bei der Versorgung prekärer Haushalte helfen, sie sind die Hauptakteure bei der Aufrechterhaltung sozialen Friedens in ihren Quartieren, sie sind wichtige Partner bei der Integration von Zuwandererfamilien, sie schaffen durch ihr praktisches Handeln vor Ort eine Art sozialer Zusatzrendite und ersparen dadurch der öffentlichen Hand Sozialausgaben in den sog. überforderten Nachbarschaften, durch Ausschüttungen tragen sie zu den ordentlichen Einnahmen ihres kommunalen Eigentümers bei, sie verfolgen im Gegensatz zu den neuen Private Equity-Eigentümern eine langfristige Strategie des Haltens und der kontinuierlichen Verbesserung ihres Wohnungsbestandes, mit positiver Ausstrahlung auf die Wertentwicklung in der weiteren Nachbarschaft,
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sie erhalten durch regelmäßige Aufträge zur Instandhaltung, Modernisierung und Ergänzung ihrer Wohnanlagen Arbeitsplätze in der lokalen Bauwirtschaft, sie übernehmen als Sanierungs- und Entwicklungsträger wichtige Aufgaben der Stadterneuerung und -entwicklung. Bei Verkauf ihrer kommunalen Wohnungsunternehmen verlieren die Städte ein zentrales Instrument der Daseinsvorsorge. Sie müssen abwägen, ob der einmalige Verkaufserlös diesen nachhaltigen Verlust aufwiegt. Duvigneau
Literatur Bocklet, R. (2001): Leistungen der Daseinsvorsorge im Konflikt mit EU-Wettbewerbsrecht. In: Schader-Stiftung (Hrsg.): Die Zukunft der Daseinsvorsorge – Öffentliche Unternehmen im Wettbewerb. Darmstadt Cox, H. (2001): Zur Organisation der Daseinsvorsorge in Deutschland. In: Schader-Stiftung (Hrsg.): Die Zukunft der Daseinsvorsorge – Öffentliche Unternehmen im Wettbewerb. Darmstadt Dickertmann, D.; Piel, V. W. (2002): Öffentliche Unternehmen. In: Hasse, R. H.; Schneider, H.; Weigelt, K. (Hrsg.): Lexikon Soziale Marktwirtschaft. Paderborn Duvigneau, H. J. (2006): Zur Entwicklung des Wohnungs- und Städtebaus in Deutschland seit 1890. In: Deutscher Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung (Hrsg.): Materialien. Berlin Pfeiff, C. (2003): Die Versorgung mit Wohnraum als Aufgabe der Daseinsvorsorge – über die Existenzberichtigung von Wohnungsunternehmen in öffentlicher Hand. Diskussionsbericht. In: SchaderStiftung (Hrsg.): Öffentliche Daseinsvorsorge – Problem oder Lösung? Darmstadt
DEMOGRAPHISCHER WANDEL Begriff Unter dem Sammelbegriff „demographischer Wandel“ wird eine Vielzahl von Prozessen zusammengefasst (Geburtenentwicklung, Zuwanderung u. a. m.), die sich in ihren Entstehungszusammenhängen, ihrer Dynamik und ihren Wirkungsrichtungen deutlich unterscheiden, auch wenn einige kausal miteinander verbunden sind (wie etwa der Geburtenrückgang als Ursache für die Zunahme des Altenquotienten). Über den demographischen Wandel im Singular lässt sich kaum mehr sagen, als dass er wichtig ist. Die systematische wissenschaftliche Erforschung der demographischen Wandlungsprozesse mit Hilfe statistischer Modelle geht in Deutschland auf Johann Peter Süßmilch (1707-1767) zu-
rück, der in merkantilistischer Sicht die positiven wirtschaftlichen Effekte des Bevölkerungswachstums betonte. Die politische Aufmerksamkeit ist seither großen Schwankungen unterworfen gewesen. In der Bundesrepublik Deutschland ist das Themenfeld erst spät – etwa um das Jahr 2000 – in den Vordergrund öffentlicher Debatten getreten – bei gleichzeitiger Vernachlässigung an den Hochschulen. Dabei weisen die Positionen zur Relevanz der Bevölkerungsprozesse eine bemerkenswerte Spannweite zwischen „überschätzt“ und „fünf nach zwölf “ auf.
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Entwicklungen Nationales Bevölkerungsvolumen Seit 2004 sinkt die Bevölkerungszahl in Deutschland und alle langfristigen Vorausberechnungen gehen von einer Schrumpfung in wachsendem Tempo aus. Dieser Prozess wird von zwei Komponenten bestimmt, deren erste in der Prognose relativ gesichert, deren zweite aber sehr unsicher ist. Geburten- und Sterbezahlen bestimmen den natürlichen Saldo: Seit der zweiten Hälfte der 1960er Jahre unterschreitet die zusammengefasste Geburtenziffer (total fertility rate) in Deutschland (West wie Ost) dauerhaft die zur Bestandserhaltung erforderliche Höhe von 2,1 Kinder pro Frau erheblich und liegt heute bei etwa 1,4. Nach einer dramatischen Halbierung der Geburtenziffer in Ostdeutschland nach der Vereinigung nähert diese sich den Westwerten wieder an. Diese Geburtenentwicklung leistet einen Beitrag zu Schrumpfung und Alterung der Gesellschaft. Seit Jahrzehnten erleben wir eine kontinuierliche, deutliche Erhöhung der Lebenserwartung der Männer und Frauen um ein Jahr alle fünf bis sechs Jahre. Die Lebenserwartung liegt heute bei ca. 77 Jahren für Männer und 82 Jahren für Frauen, im Westen um ein bis zwei Jahre höher als im Osten. Dieser Prozess mildert die Schrumpfung, trägt aber zur Alterung bei. Zuzüge und Fortzüge über die Staatsgrenzen bestimmen den internationalen Wanderungssaldo: Bei den Zuzügen sind die großen Volumina der 1990er Jahre (Asylbewerber, Aussiedler) inzwischen abgeflacht. Hier stellen sich wichtige Strukturfragen: Handelt es sich um Deutsche oder Ausländer, Männer oder Frauen, aus welchen Herkunftsländern? Bleiben sie dauerhaft oder temporär? Sind ihre Qualifikationen hoch oder niedrig? Die Fortzüge sind zeitlich stabiler. Der internationale Wanderungssaldo ist der zentrale Unsicherheitsfaktor bei den langfristigen
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Bevölkerungsvorausberechnungen (u. a. des Statistischen Bundesamtes). Der positive internationale Wanderungssaldo übertraf nur bis 2002 den negativen natürlichen Saldo. Seither schrumpft die Bevölkerung. Die absolute Höhe der amtlichen Statistik (31.12.2007: 82,2 Mio.) basiert seit der letzten Volkszählung 1987 auf Fortschreibungen und gilt als überschätzt (um 1,3 Mio., FAZ 23.07.08). Eine Volkszählung 2011 soll verlässlichere Grundlagen schaffen. Auf der nationalen Ebene stehen die Komponenten der beiden Salden etwa im Verhältnis eins zu eins. 2007 gab es 681.000 Zuzüge und 685.000 Geburten, 637.000 Fortzüge und 827.000 Sterbefälle. Auf der regionalen und lokalen Ebene sind wegen der Binnenwanderungen die Wanderungen quantitativ bedeutsamer als die natürlichen Bevölkerungsbewegungen.
burtenziffer (meist geringfügig, zugunsten der ländlichen Räume), durch die internationalen Wanderungen, durch die regionalen/lokalen Abweichungen von den nationalen Durchschnitten, z. B. bei der internationalen Zuwanderung (oft erheblich, zugunsten der Agglomerationsräume) sowie durch die Binnenwanderungen bestimmt. Regionale/lokale Bevölkerungsvorausberechnungen sind daher weit schwieriger und unsicherer als nationale. Regionale Prognosen sind vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung verfügbar (2006). Eine Datenbank der Bertelsmann Stiftung stellt für alle Gemeinden mit mehr als 5.000 Einwohnern sogar lokale Prognosen (zurzeit bis 2025) bereit (Bertelsmann Stiftung 2008). Wachsende und schrumpfende Gemeinden liegen oft eng benachbart. Bevölkerungsstrukturen
Binnenwanderungen Die Binnenwanderungen sind von großer Bedeutung für die räumliche Verteilung der Bevölkerung im Staat (Konzentration/Dekonzentration) und damit für die regionale und lokale Bevölkerungsentwicklung und Bevölkerungsdichte. Großräumige Wanderungen (über die Grenzen von Arbeitsmarktregionen, evtl. Ländern) sind überwiegend ausbildungs- und arbeitsmarktbedingt, neuerdings wird daneben eine Altenwanderung identifiziert. Seit der deutschen Vereinigung ist die Abwanderung aus Ostdeutschland das beherrschende Thema. Diese Abwanderung ist selektiv und betrifft eher Junge, Frauen und Qualifizierte. Großräumige Wanderungen werden zunehmend ergänzt durch Fernpendeln im Tages- oder Wochenrhythmus. Kleinräumige Wanderungen (innerhalb von Arbeitsmarktregionen, aber über Gemeindegrenzen) sind überwiegend wohnungs- und wohnumfeldbedingt. In Westdeutschland ist seit den 1960er Jahren, in Ostdeutschland seit den 1990er Jahren die Suburbanisierung der beherrschende Trend (Brake/Dangschat/Herfert 2001). Seit etwa 2000 sind in einzelnen Stadtregionen Prozesse einer Reurbanisierung erkennbar (▷Innenentwicklung/Außenentwicklung). Regionales/lokales Bevölkerungsvolumen Die Entwicklung des regionalen/lokalen Bevölkerungsvolumens wird also durch die nationalen Entwicklungen bei Geburten und Sterbefällen, durch die regionalen/lokalen Abweichungen von den nationalen Durchschnitten, z. B. in der Ge-
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Alle Bevölkerungsbewegungen (Geburten, Sterbefälle, Wanderungen) beeinflussen uno actu auch die Bevölkerungsstrukturen. Für Raum- und Stadtentwicklung, Raum- und ▷Stadtplanung sind die folgenden Strukturveränderungen von besonderer Bedeutung: Alterung: Der Prozess der Alterung ist ein säkularer, genereller Prozess, regional unterschiedlich ist allerdings das Tempo. Die Alterung betrifft die Altersklassen sehr unterschiedlich. Während die Zahl der „Alten“ (60+) bis 2050 um etwa 50 Prozent wachsen wird, wird die Zahl der „alten Alten“ (80+) um etwa 200 Prozent wachsen. In schrumpfenden Städten und Regionen liegen die Altenquotienten typischerweise höher als in stagnierenden oder wachsenden. Vereinzelung: Vereinzelung ist nicht nur eine Folge der Alterung, sondern nimmt auch bei jungen Erwachsenen zu. Die Quote der Einpersonenhaushalte („Singles“) wächst und bislang auch noch deren absolute Zahl. Die Quote ist in Verdichtungsräumen, wo sie immer häufiger die 50-Prozent-Marke übersteigt, höher als in ländlichen Räumen. Heterogenisierung: Die internationale Zuwanderung erhöht die Verschiedenheit der Einwohner. Besondere Integrationsaufgaben stellen v. a. Ausländer aus Nichtindustriestaaten und außereuropäischen Kulturkreisen sowie (deutsche) Spätaussiedler mit ihren (oft nichtdeutschen) Angehörigen. Migranten und ihre Kinder, also „Personen mit Migrationshintergrund“, haben (mit ca. 20 Prozent) einen doppelt so hohen Anteil an der Gesamtbevölkerung wie Ausländer
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(so eine Sonderauswertung des Mikrozensus 2003). In Verdichtungsräumen, v. a. wirtschaftsstarken, ist der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund höher als im ländlichen Raum, im Westen höher als im Osten. Migranten sind jünger als Einheimische. In Berlin liegt zurzeit bei einem durchschnittlichen Migrantenanteil von 26 Prozent deren Anteil bei den 6- bis 15-Jährigen bei 43 Prozent. Folgen für Raum- und Stadtentwicklung, Raum- und Stadtplanung Die Prozesse des demographischen Wandels sind von ganz erheblicher Wirkung für fast alle Entwicklungen in den Regionen und Städten und sie fordern die öffentliche Verwaltung in vielen Politikfeldern heraus (Mäding 2006; siehe Abbildung). Sie betreffen öffentliche Infrastrukturen (Auslastung, Kosten, Ersatzbedarf), ▷Wohnungsmärkte und Siedlungsdichte, Flächenverbrauch (▷Flächenmanagement), ▷Verkehrsströme, Wirtschaftskraft und -entwicklung, Arbeitsmärkte, Nachfragestrukturen, öffentliche Finanzen (Einnahmen, Ausgaben), Segregation, ethnische und soziale Konflikte, Sicherheit. Die Wirkungen hängen v. a. von der Art des Prozesses ab (Schrumpfung wirkt anders als Alterung), seiner Intensität und einer Vielzahl von Rahmenbedingungen (von der Wirtschaftskraft über die Siedlungsstruktur bis zur regionalen/lokalen Toleranz und Kreativität). Diese Folgen wirken mehr be- als entlastend, sie sind Herausforderungen für die Politik, die sie mehr oder weniger
rechtzeitig, geschickt und erfolgreich zu bearbeiten versucht. Neben solcher Anpassungspolitik steht eine ursachenorientierte Bevölkerungspolitik. Auf der Bundesebene ist die Familienpolitik mit ihren unsicheren und unbefriedigenden pronatalistischen Nebenwirkungen inzwischen mit ca. 150 Mrd. Euro dotiert; ein überzeugendes Konzept einer Zuwanderungspolitik fehlt. Auf der kommunalen Ebene gibt es Konzepte für eine kinder- und familienfreundliche Stadt, doch auch diese setzen – wie die allgemeinen Bemühungen um Steigerung der Attraktivität, z. B. durch Baulandausweisung – eher auf Wanderungsgewinne als auf Geburtensteigerung. Sie sind löblich, doch aus nationaler Perspektive eher ein Nullsummenspiel, das sich unter der Überschrift „ruinöse Einwohnerkonkurrenz“ (Mönnich 2005) auch sehr kritischen Fragen ausgesetzt sieht. Es ist unmöglich, die Folgen der demographischen Prozesse, die Herausforderungen und Gegenstrategien auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene hier im Einzelnen auch nur zu skizzieren. Wenige Beispiele müssen genügen (siehe Übersicht): Schrumpfung bedeutet für viele Regionen und Städte etwas Neues; ein oft über weit mehr als 100 Jahre erlebter Wachstumstrend kippt. Für die betroffenen Wirtschafts- und Lebensräume besteht die Gefahr eines zirkulär-kumulativen Prozesses: Bevölkerungsabnahme bewirkt sinkende Nachfrage nach privaten Gütern und Diensten, Wohnungen und Infrastrukturleistungen; Leerstände und steigende Kosten pro Einwohner/Nutzer für Wohnungen und Infra-
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Demographische Prozesse und politische Reaktionen (eigene Darstellung)
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DEMOGRAPHISCHER WANDEL
Stadt als Wirtschaft-/ Lebensraum Schrumpfung
Alterung
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und Vereinzelung Heterogenisierung
gebaute Stadt Leerstände
Nachfragerückgang
weite Wege
Arbeitskräfterückgang Belastung des Gesundheitssystems Vergesellschaftung von Dienstleistungen
steigende Kosten Nachfrage nach altersgerechten Angeboten wachsende Wohnfläche/Kopf
Disparität
Segregation
Desintegration
politische Stadt sinkende Finanzkraft „Misserfolg“
neue Prioritäten sinkende politische Beteiligung sinkende politische Beteiligung Polarisierung
Demographische Prozesse als Herausforderungen (eigene Darstellung)
strukturleistungen; Schließung von Geschäften, Arztpraxen; weitere Wege, wachsende Einzugsbereiche; sinkende Attraktivität; (selektive) Abwanderung; Rückgang an qualifizierten Arbeitskräften und so verstärkte Schrumpfung. Schrumpfung gefährdet den Fortbestand von Einrichtungen (etwa im Bildungssystem) v. a. in ländlichen Räumen und fördert die Konkurrenz um Einwohner und Arbeitskräfte. Mit Maßnahmen der Wirtschaftsförderung (▷kommunale Wirtschaftsförderung), der Infrastrukturanpassung, des ▷Stadtumbaus versucht die öffentliche Hand, diese Prozesse zu mildern oder gar umzukehren. Das ist oft außerordentlich schwierig oder teuer, wie das Beispiel der nachträglichen Neudimensionierung von Wasserversorgung oder Abwasserentsorgung beim Stadtrückbau zeigt. Hinzu kommt die notorische Finanzknappheit in den öffentlichen Haushalten. Für die Landesplanung (▷Raumordnung und Landesplanung) wird eine Anpassung des Systems der zentralen Orte ebenso notwendig wie für die Kreise und kreisfreien Städte die Anpassung des öffentlichen Personennahverkehrs. Schrumpfung stützt Maßstabsvergrößerung bei Gebietsreformen. Alterung, etwa der Hinweis, dass das Medianalter von 42 (2001) auf 48 (2050) Jahre ansteigt, erscheint zunächst weniger dramatisch. Doch bei der Entstehung des (regionalen) Sozialprodukts stellt sich die Frage, ob eine weiter alternde Erwerbsbevölkerung die bisherige Produktivitätsentwicklung aufrechterhalten kann. Die Zunahme der Altenquotienten, die in gesamtwirtschaftlicher Betrachtung primär als Herausforderung für das Rentensystem diskutiert wird, ist in regionaler und lokaler Betrachtung eine Herausforderung vorrangig für die soziale Infrastruktur, v. a. für die Sicherstellung adäquater Gesundheits- und Pflegedienstleistungen bei den „alten Alten“, deren Pflege heute noch weit überwiegend in der Familie erbracht
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wird. Fortschreitende Alterung macht bekannte Maßnahmen dringlicher: von organisatorischen Hilfen beim Umzug Alleinstehender aus Einfamilienhausgebieten zur Vermeidung neuer Flächenausweisungen bis hin zu investiven Maßnahmen zur Steigerung der Barrierefreiheit im öffentlichen Raum. Heterogenisierung kann gewichtige soziale Probleme aufwerfen. Durch die unterdurchschnittlichen Beteiligungsquoten und Erfolgsaussichten der Kinder von umfangreichen (nicht allen!) Migrantengruppen in Kita, Schule und Berufsausbildung vererbt sich deren unterdurchschnittliche Arbeitsmarktbeteiligung, Produktivität und Einkommenssituation. Schwache Berufsperspektiven und das damit zunehmende Ausfallen der „Integrationsmaschine Arbeitsplatz“ befördern abweichendes Verhalten (Schulverweigerung, Drogenkonsum, Kriminalität). Ethnische residentielle Segregation hat als Push- und Pull-Faktor die Tendenz sich zu verstärken. Es können „überforderte Nachbarschaften“, verwahrloste Quartiere, No-go-Areas entstehen. Politische Maßnahmen bloßer Umverteilung im Raum bleiben wirkungslos. Das Bildungssystem und ein integratives Quartiersmanagement besitzen zentrale Bedeutung. Für einen erfolgreichen Berufsstart junger Migranten kommt der ethnischen Ökonomie eine wichtige Rolle zu. Die Öffnung des öffentlichen Dienstes, also von Polizei und Verwaltung, als Arbeitsplatz für Migranten hat mehr als Symbolwert. Etwa seit dem Jahr 2000 sind die Prozesse des demographischen Wandels Schritt für Schritt im Bewusstsein der Bevölkerung und der Akteure in Politik und Verwaltung deutlicher geworden und werden ihre Folgen samt Gegenstrategien diskutiert. Zivilgesellschaftliche Initiativen breiten sich aus und stadtpolitische Programme (zur Kinderund Familienfreundlichkeit, zur Integrationspolitik) nehmen zu. Die engsten Berührungsflä-
DEZENTRALE KONZENTRATION
chen zur Raumplanung i. e. S. ergeben sich bei der Schrumpfung in strukturschwachen, peripheren ländlichen Räumen. Hier sind die Institutionen der Landes- und Regionalplanung direkt betroffen (Anpassung des Zentrale-Orte-Systems, der infrastrukturellen Mindestausstattung, der Erreichbarkeiten, des regionalen Verkehrs, des kommunalen Finanzausgleichs). Strategien zur Bewältigung von Folgen der Alterung oder Heterogenisierung werden heute eher auf der kommunalen als auf der staatlichen Ebene formuliert. Die Aufgabenstellung von Landes- und Regionalplanung bleibt hier noch weitgehend unbestimmt. Eine kompensatorische Politik, die negative Folgen von Schrumpfung, Alterung und Heterogenisierung durch staatliche oder kommunale Maßnahmen auszugleichen versucht (Bildungs-, Gesundheits-, Integrationspolitik), kommt nicht ohne Zusatzausgaben aus. Dies belastet die überall angespannten Haushalte eventuell mehr als die aus dem demographischen Wandel ebenfalls zu erwartende Folge langsamer wachsender Einnahmen. Mäding
Literatur Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) (2008): Wegweiser Kommune. Zugriff auf www.wegweiser-kommune.de am 10.12.2008 Brake, K.; Dangschat, J.; Herfert, G. (Hrsg.) (2001): Suburbanisierung in Deutschland, Aktuelle Tendenzen. Opladen Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (2006): Raumordnungsprognose 2020/2050. Berichte Band 23. Bonn Gans, P.; Schmitz-Veltin, A. (Hrsg.) (2006): Demographische Trends in Deutschland, Folgen für Städte und Regionen. Forschungs- und Sitzungsberichte der Akademie für Raumforschung und Landesplanung, Band 226. Hannover Mäding, H. (2006): Demographischer Wandel als Herausforderung für die Kommunen. In: Gans, P.; Schmitz-Veltin, A. (Hrsg.) (2006): Demographische Trends in Deutschland, Folgen für Städte und Regionen. Forschungs- und Sitzungsberichte der Akademie für Raumforschung und Landesplanung, Band 226. Hannover, 338354 Mönnich, E. (2005): Ruinöse Einwohnerkonkurrenz, Eine Analyse von Suburbanisierungsproblemen am Beispiel der Region Bremen. In: Raumforschung und Raumordnung, 1, 32-46 Statistisches Bundesamt (2006): Bevölkerung Deutschlands bis 2050. 11. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung. Wiesbaden
DEZENTRALE KONZENTRATION Der Begriff und seine Komponenten Dezentrale Konzentration ist ein raumordnerisches Leitbild und in seinem Kern ein Siedlungsstrukturkonzept, das in Deutschland auf unter-
schiedlichen Maßstabsebenen der Raumordnung und Stadtentwicklung Anwendung findet. Das Konzept hat zwei entscheidende Komponenten: Mit „Dezentralität“ wird auf der Ebene der Bundesraumordnung die spezifische, historisch bedingte Polyzentralität des deutschen Städtenetzes aufgegriffen, um einer einseitigen Entwicklung zu Gunsten weniger ▷Metropolen entgegen zu wirken. Auf der stadtregionalen Ebene soll die Kernstadt durch Standorte im näheren oder weiteren Umland entlastet werden. Mit „Konzentration“ soll die Bündelung der Ressourcen und eine Fokussierung der Entwicklung auf eine begrenzte Zahl von Entlastungsund/oder Entwicklungszentren betont werden; auf der Ebene der Stadtregionen soll damit den Tendenzen zur unkontrollierten Zersiedlung („urban sprawl“) entgegengewirkt werden.
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Im Folgenden wird die Anwendung des Konzepts getrennt nach der gesamtstaatlichen Ebene der Bundesraumordnung und der stadtregionalen Ebene dargestellt. Dezentrale Konzentration auf der Ebene der Bundesraumordnung Auch wenn sich der eigentliche Begriff dezentrale Konzentration auf der Ebene der ▷Bundesraumordnung erst mit dem Raumordnungspolitischen Orientierungsrahmen des Jahres 1993 etabliert hat, reicht seine konzeptionelle Anwendung zurück in die 1970er Jahre, als die Ausgleichsorientierung im Mittelpunkt der Raumordnungspolitik des Bundes und der Länder stand (▷Raumordnung und Landesplanung). Dokumentiert ist dieser Ansatz v. a. im Bundesraumordnungsprogramm aus dem Jahr 1975. Entsprechend bezeichnet der Raumordnungspolitische Orientierungsrahmen die dezentrale Konzentration als bewährtes Grundkonzept auf Bundesebene, mit dem der einseitigen Förderung des wirtschaftsstärksten Raums der EU (von Brunet im Jahr 1989 als „Blaue Banane“ bezeichnet) entgegengewirkt werden soll (▷Gleichwertige Lebensverhältnisse). Gleichzeitig formuliert der Orientierungsrahmen von 1993 einen Entlastungsbedarf für überlastete Stadtregionen. Den Abbau der Überlastungserscheinungen sieht er aber nicht in der einfachen Verlagerung von Aktivitäten aus der Kernstadt in das Umland. Beim Ausbau von Entlastungsorten soll es sich nicht um Schlafstädte sondern um funktionsgemischte Orte mit eigenem Profil handeln. Diese sollen sowohl untereinander (tangential) als auch mit der Kernstadt
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DEZENTRALE KONZENTRATION
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(radial) über gute Schnellverbindungen des öffentlichen Personennahverkehrs verbunden sein (siehe Abbildung). In den Niederlanden wird für dieses Konzept auch die Formulierung „konzentrierte Dekonzentration“ gebraucht, was Stiens (1994) als den eigentlich treffenderen Begriff für den stadtregionalen Kontext präferiert. Zweifelsohne enthält der Begriff dezentrale Konzentration eine sprachliche und konzeptionelle Unschärfe etwa bezüglich der Frage, ob die Kernstadt Teil der Konzentration ist oder ob wirklich nur an peripheren Standorten eine konzentrierte Entwicklung stattfinden soll. Außerdem steht der Begriff weitgehend separat neben klassischen Konzepten, etwa der Wachstumspoltheorie (▷Cluster). Allerdings steht er in direktem Kontext mit den seit den 1980er Jahren verstärkten Regionalisierungsanstrengungen auf zahlreichen Politikfeldern. Dezentrale Konzentration auf der stadtregionalen Ebene Dezentrale Konzentration ist auch auf stadtregionaler Ebene grundsätzlich als Synonym für eine polyzentrische Raumentwicklung zu sehen. Das Konzept ist hier v. a. als Gegenkonzept zum ringförmigen Städtewachstum zu sehen, konzeptionell aber in gewissem Umfang auch zum Achsenkonzept, das etwa im Großraum Hamburg seit Jahrzehnten das Leitbild der Siedlungsentwicklung darstellt. Der konzeptionelle Gegensatz zwischen dezentraler Konzentration und Achsenentwicklung ist in besonderer Schärfe Anfang der 1990er Jahre im Raum Berlin-Brandenburg zu Trage getreten, auf den unten gesondert eingegangen wird. Die Grundkonzeption der dezentralen Konzentration auf stadtregionaler Ebene als ▷Leitbild für großstädtisch geprägte Räume reicht zurück in die Phase der hektischen Industrialisierung und ▷Urbanisierung am Ende des 19. Jahrhunderts. Schon 1870 setzte Bruch die „dezentralisierte“ Stadtanlage der „zentralisierten“ gegenüber. Um dem siedlungsstrukturellen Ansatz der dezentralisierten Entwicklung zum Durchbruch zu verhelfen, bedurfte es jedoch erst noch der Formulierung eines griffigen und populären Ansatzes, wie es mit der Formulierung des Gartenstadt-Konzeptes gelang. Wichtigster Vordenker dieses Konzeptes war der Engländer Howard, der im Jahr 1898 mit der Gartenstadt das Gegenmodell zu dem damals für viele Schichten der Bevölkerung ungesunden Leben in den verdichteten Industriestädten propagierte (siehe Abbildung). Durch Howards Einsatz konnte – in Zusammenarbeit mit Unwin – die erste englische Garten-
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Das Prinzip der Dezentralen Konzentration (Hesse/Schmitz 1998:452)
stadt ab 1903 in Letchworth entstehen. Das Gartenstadt-Konzept war auch tragendes Element für die Entlastung- und Dezentralisierungsplanungen im Großraum London, wie sie seit Anfang des 20. Jahrhunderts betrieben wurden und die 1943 im Greater London Plan von Abercrombie ihren Niederschlag fanden. Durch den „New Towns Act“ des Jahres 1946 wurde dieser Ansatz auf nationaler Ebene konkretisiert. Nachdem die ersten acht ▷New Towns außerhalb des Londoner Grüngürtels primär der Entlastung Londons dienten, wurden später auch in größerer Entfernung von London und in anderen Landesteilen neue Entlastungsstädte gebaut. Hier wurde unter einer anderen Begrifflichkeit eine sehr konsequente Anwendung der dezentralen Konzentration, allerdings explizit unter Ausschluss der Kernstadt, praktiziert. In Deutschland war es insbesondere May, der im frühen 20. Jahrhundert eine dezentralisierte Siedlungsentwicklung in den Stadtregionen durch die planmäßige Gründung von Trabantenstädten propagierte. Als Mitarbeiter im Büro von Unwin hatte er in den Jahren 1910 bis 1912 an der Planung von Hampstead Garden Suburb mitgewirkt und beeinflusste mit seinen englischen Erfahrungen stark die frühe regionalplanerische Diskussion in Deutschland. Bekannt ist sein Anfang der 1920er Jahre für den Raum Breslau entwickeltes stadtregionales Siedlungskonzept, das einem radialen großstädtischen Wachstum ein Konzept dezentraler Trabantensiedlungen entgegen stellte (siehe Abbildung). In seiner späteren Funktion als Stadtbaurat von Frankfurt am Main (1925-1930) hat May diesen Ansatz fortgeführt und die Entstehung neuer Siedlungen an der städtischen Peripherie („Das neue Frankfurt“) vorangetrieben. Nach dem 2. Weltkrieg setzte sich auf der Ebene der Stadtregionen die dezentralisierte Stadtentwicklung in Deutschland auf breiter Front durch, wofür das Leitbild der „gegliederten und aufgelockerten Stadt“ steht. In vielen deutschen Städten, die unter den Kriegseinwirkungen gelitten hatten, wurden neue Trabantensiedlungen
DEZENTRALE KONZENTRATION
(▷Großsiedlungen) gebaut, wobei die funktionale Stadt deutlich über die administrativen Grenzen der Kernstadt hinaus erweitert wurde. In diesem Sinne wurde durch den damaligen Stadtbaurat von Hannover, Hillebrecht, der Begriff der Regionalstadt geprägt – unter dieser Bezeichnung legte er für den Raum Hannover eine klare und konsequent postulierte Konzeption vor, die von einer dezentralen, aber konzentrierten Siedlungsentwicklung an den Verkehrslinien geprägt war (siehe Abbildung). Dieser Ansatz wurde nach 1963 in der Regionalplanung des Verbandes Großraum Hannover aufgegriffen und konkretisiert. Trotz dieser langen Tradition beginnt die Verwendung des Begriffs dezentrale Konzentration auch in den Stadtregionen erst mit den 1990er Jahren und hier v. a. in der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg, auf die nachfolgend vertieft eingegangen werden soll. Dezentrale Konzentration in der Gemeinsamen Landesplanung Berlin/Brandenburg In keiner anderen deutschen Stadtregion hat die dezentrale Konzentration in den letzten Jahrzehnten intensivere Diskussionen ausgelöst als in der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg. Aufbauend auf konzeptionellen Überlegungen ihres Beraters Stroschein aus dem Jahr 1991 hatte die brandenburgische Landesregierung das Idealbild der polyzentrischen Raumentwicklung in der Region Berlin-Brandenburg propagiert und in der Folge für das Umland von Berlin das Leitbild der dezentralen Konzentration eingeführt. Dezentrale Konzentration galt anfangs als Gegenmodell Brandenburgs zu dem von der Planungsgruppe Potsdam entwickelten Stern-Modell, mit dem das Siedlungswachstum auf von Berlin ausgehende Achsen konzentriert werden sollte, was die Fachdiskussion zusätzlich anheizte. Da nach Brandenburger Vorstellungen vorrangig die Überschusspotenziale Berlins abgeschöpft und in die Tiefe Brandenburgs geleitet werden sollten, standen im Mittelpunkt des Konzeptes in einer Entfernung von 50 und mehr Kilometern zu Berlin gelegene Städte als sog. regionale Entwicklungszentren (siehe Abbildung). Es überrascht nicht, dass dieser Ansatz in der Fachwelt vor allem als Modell der stadtregionalen Außenentwicklung (▷Innenentwicklung/Außenentwicklung) verstanden worden ist und auch in Berlin auf wenig Akzeptanz stieß. Aber auch in Brandenburg selbst waren die alleinige Förderung der Berlin-ferneren Standorte und die ursprünglich beabsichtigten Restriktionen für das engere
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Das Gartenstadtkonzept von Ebenezer Howard (Howard 1965:143)
Das Trabantenstadtkonzept für den Raum Breslau von Ernst May 1922 (Bollerey 1990:185)
Das Regionalstadtkonzept von Rudolf Hillebrecht 1962 (Hillebrecht 1962:56)
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DICHTE: BEGRIFF UND ERSCHEINUNGSFORMEN
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Umland Berlins nicht unumstritten. Nachdem die dezentrale Konzentration seit 1992 zum gemeinsamen landesplanerischen Leitbild der Länder Berlin und Brandenburg erhoben worden war, wurde das Konzept deutlich verbreitert, indem zahlreiche weitere, auch Berlin-nahe Standorte Bestandteil der Dezentralen Konzentration wurden. Trotzdem ist das Modell in der Fachwelt immer wieder erheblicher Kritik ausgesetzt gewesen und wurde wegen seiner überzogenen Annahmen für Wachstum und planerische Steuerungsmöglichkeiten als illusionär bezeichnet. Bei der Beurteilung der Wirksamkeit des Konzeptes sollte allerdings berücksichtigt werden, dass es über viele Jahre dazu gedient hat, die berlinferneren Räume immer wieder ins Gedächtnis der Politik zu rufen. In den letzten Jahren hat sich nach der Berliner auch die brandenburgische Politik weitgehend von der dezentralen Konzentration zu Gunsten eines differenzierteren Konzeptes verabschiedet, in dem allerdings die Polyzentralität und die Förderung des Wachstums in räumlichen und sektoralen Schwerpunkten verankert bleibt. Aktuelle Anwendung und Ausblick Seit den 1990er Jahren hat sich der Begriff der dezentralen Konzentration in der Raumordnung durchgesetzt und bundesweit Eingang in eine Reihe von Dokumenten der Landes- und Regionalplanung gefunden. Teilweise wird er normativ gebraucht, so etwa im Regionalplan München 2005 mit der klaren Festlegung, dass die monozentrisch-radiale Raumstruktur der Region München im Sinne einer dezentralen Konzentration ergänzt und weiterentwickelt werden soll. In anderen Dokumenten, so etwa im Landesentwicklungsplan Baden-Württemberg 2002, wird der Begriff eher erläuternd gebraucht. Auffällig ist, dass die Zurückhaltung gegenüber dem Begriff und damit wohl auch dem dahinter stehenden Leitbild in jüngster Zeit wächst. So enthalten die im Jahr 2006 von der Ministerkonferenz für Raumordnung verabschiedeten „Leitbilder und Handlungsstrategien für die Raumentwicklung in Deutschland“ den Begriff überhaupt nicht mehr; seine konzeptionellen Elemente treten zurück hinter andere Schwerpunkte, z. B. die überregionalen Verantwortungsgemeinschaften in den ▷Metropolregionen. Hintergrund dieser Entwicklung dürfte zum einen die Rückbesinnung auf die Bedeutung der großen Städte als Wachstumsmotoren und der statistisch zwar noch nicht signifikante, aber trotzdem häufig zitierte Trend der Bevölkerung zurück in die Kernstädte, zum anderen die
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Dezentrale Konzentration im Raum Berlin-Brandenburg (IRS 1994)
stärkere Betonung individueller bzw. angepasster Strategien für die einzelnen Regionen sein. Priebs
Literatur Aring, J. (1997): Dezentrale Konzentration – ein tragfähiges regionales Leitbild gegen die Auflösung der Stadt in der Region? In: Bose, M. (Hrsg.): Die unaufhaltsame Auflösung der Stadt in die Region? Harburger Berichte zur Stadtplanung, 9. Hamburg, 101-116 Bollerey, F. (1990): Architekturkonzeptionen der utopischen Sozialisten. Berlin Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung (Hrsg.) (1994): Dezentrale Konzentration. In: Informationen zur Raumentwicklung, 7/8 Hesse, M.; Schmitz, S. (1998): Stadtentwicklung im Zeichen von „Auflösung“ und Nachhaltigkeit. In: Informationen zur Raumentwicklung, 7/8, 435-453 Hillebrecht, R. (1962): Städtebau und Stadtentwicklung. In: Archiv für Kommunalwissenschaften, 1, 41-64 Howard, E. (1965): Garden Cities of To-Morrow. Cambridge IRS – Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (Hrsg.) (1994): Raumordnung in Brandenburg und Berlin. Dokumentation der Raumordnungskonferenz Brandenburg-Berlin am 6./7.Juni 1994 in Eberswalde. Erkner Mehwald, L. (1997): Leitbild Dezentrale Konzentration, Neue Wege zur Lösung alter Probleme in den Stadtregionen? In: Bundesbaublatt, 11, 770-774 Stiens, G. (1994): Veränderte Entwicklungskonzeption für den Raum außerhalb der großen Agglomerationsräume, Von der monozentrisch dezentralen Konzentration zur interurbanen Vernetzung. In: Informationen zur Raumentwicklung, 7/8, 427-443
DICHTE: BEGRIFF UND ERSCHEINUNGSFORMEN Begriff und Verständnis von Dichte sind in der städtebaulichen Planung mit vielfältigen Zielvor-
DICHTE: BEGRIFF UND ERSCHEINUNGSFORMEN
stellungen verbunden, die heute fast durchweg positiv besetzt sind. Dichte gilt weithin als Synonym für städtische Vielfalt, Lebendigkeit, Erlebnisfülle, als Voraussetzung für ▷Urbanität. Die verdichtete, kompakte, nutzungsgemischte Stadt gilt aber auch als Garant einer ▷nachhaltigen Stadtentwicklung, als Sicherheit gegen Flächenverbrauch, Energieverschwendung und unnötigen Verkehrsaufwand. Dichte ist jedoch ein vieldeutiger Begriff. Sie bezeichnet zunächst nur die Menge eines Stoffes, die Zahl von Körpern oder die Häufigkeit von Impulsen bezogen auf einen bestimmten Raum- oder Flächenausschnitt, damit aber auch die räumliche Distanz zwischen den Objekten oder Ereignissen und den Umfang des diese jeweils umgebenden freien Raumes. Je nach den Objekten und Ereignissen, deren Verteilung im Raum zur Diskussion steht, kann Dichte also sehr unterschiedliche Dimensionen und Erscheinungsformen aufweisen. Im Hinblick auf die städtebauliche Planung sind v. a. materielle Dichte, Einwohnerdichte und soziale Dichte in einem bestimmten Raum von Bedeutung. Einflussmöglichkeiten ergeben sich sowohl über das Maß als wie über die Art der baulichen Nutzung. Materielle Dichte ist dabei v. a. als bauliche Dichte zu verstehen. Sie wird gemessen durch die Baumasse je Raum- oder die bebaute Fläche je Flächeneinheit, Maße, die sich auch in der Baugesetzgebung in der Baumassenzahl (BMZ), Grundflächenzahl (GRZ) und Geschossflächenzahl (GFZ) niederschlagen. Dabei ist die Geschossflächenzahl als Summe der Geschossflächen bezogen auf die Grundstückfläche nach der ▷Baunutzungsverordnung für allgemeine und reine Wohngebiete zunächst auf 1,2 und für Kerngebiete auf 3,0 begrenzt, wird aber häufig überschritten. Das Verhältnis von bebauter zu unbebauter Fläche gibt allerdings noch keine Auskunft über die Nutzbarkeit der unbebauten Flächen für die Bevölkerung. Sie kann je nach Zugänglichkeit und Ausstattung stark differieren. Die Einwohnerdichte bezieht sich demgegenüber auf die Zahl der Einwohner je Flächeneinheit. Dabei wird unterschieden nach Bevölkerungsdichte (Einwohner je qkm), Einwohnerdichte im engeren Sinne (Einwohner je ha), Wohndichte (Einwohner je ha Wohnbauland) und Belegungsdichte (Bewohner je Wohnung oder Wohnraum). Weniger gebräuchlich, aber aufschlussreich ist eine Unterscheidung nach Außendichte und Innendichte, wobei unter Außendichte die Zahl der Einwohner je ha Wohnbauland, unter Innendichte die Zahl der Bewohner je Wohnraum zu verstehen ist. Je nach dem Verhältnis von Außen- zu Innen-
dichte können sich sehr unterschiedliche Wohnsituationen ergeben. Beispiele sind das traditionelle Dorf, in dem i. d. R. eine hohe Innendichte mit geringen Außendichten verbunden war, das gründerzeitliche Arbeiterquartier, in dem hohe Innendichten mit hohen Außendichten einhergingen, „gehobene“ innerstädtische Wohnviertel, bei denen häufig niedrige Innendichten mit hohen Außendichten zusammenfallen. Bei höheren Einpendlerquoten kommt auch der Beschäftigtendichte eine erhebliche Bedeutung zu. Auch Beschäftigte sind nicht nur in zahlreiche lokale Interaktionsprozesse eingebunden, sie stützen mit ihrem Nachfragepotenzial auch das städtische Waren-, Dienstleistungs- und Kulturangebot. Ähnliches gilt für die Besucherdichte: eine große Zahl von Einkaufs-, Kongress- oder Wochenendbesuchern erhöht nicht nur das Nachfragepotenzial, sie kann auch zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten den Eindruck einer hohen „urbanen“ Dichte vermitteln (▷Raumzeitstrukturen, ▷Urbanität). Unter sozialer Dichte wird hier die Zahl der Interaktionen zwischen Individuen bezogen auf eine Flächeneinheit verstanden. Dabei ist mit wachsender Arbeitsteilung und sozialer Differenzierung die Zahl der Interaktionen zwar stetig gewachsen, gleichzeitig ist jedoch mit der Verbreitung elektronischer Kommunikationsmittel der Anteil der physische Präsenz voraussetzenden Interaktionen erheblich gesunken. Trotzdem bieten hohe Einwohner-, Beschäftigten- und Besucherdichten zumindest die Chance, gezielt oder zufällig auch soziale Interaktionen zu erleichtern. Eine weitere, im Hinblick auf die Befindlichkeit der Bevölkerung wichtige Klärung des Dichtebegriffs ist im Rahmen der ökologischen Psychologie erfolgt. Dort wird zwischen Dichte und Enge unterschieden, wobei unter Dichte nur die objektiv messbare Verteilung der Körper im Raum verstanden wird, unter Enge („crowding“) dagegen die subjektive psychische Erfahrung der ggf. damit verbundenen räumlichen Beschränkungen, das „Engeerlebnis“. Von daher ergeben sich auch deutliche Bezüge zum Begriff des „personal space“, und zwar als Bezeichnung für den Raumausschnitt, der dem Individuum unmittelbar zugeordnet ist und dessen Umfang und Beschaffenheit seine Verhaltensspielräume bestimmt. Die Ansprüche an diese Verhaltensspielräume sind zwar kultur-, schicht-, alters- und situationsspezifisch variabel, markieren aber am ehesten die untere Grenze dessen, was an materieller Dichte noch toleriert wird. Kausalbeziehungen zwischen materieller Dichte, Einwohnerdichte und sozialer Dichte können,
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DINGLICHE SICHERUNG
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müssen aber nicht gegeben sein. Sog. „ökologische Fehlschlüsse“, d. h. unzutreffende Rückschlüsse von der baulich-räumlichen Beschaffenheit eines Gebietes auf das Sozialverhalten der dort lebenden Bevölkerung, sind weit verbreitet, ebenso überhöhte Erwartungen, über baulichräumliche Eingriffe das Verhalten beeinflussen oder etwa die soziale Dichte erhöhen zu können. Sie bedürfen jeweils einer genaueren Kenntnis der Ursache-Wirkungszusammenhänge und darauf abgestimmter Maßnahmenbündel. Spiegel
Literatur Boeddinghaus, G. (Hrsg.) (1995): Gesellschaft durch Dichte, Kritische Initiativen zu einem neuen Leitbild für Planung und Städtebau 1963/1964. Bauwelt Fundamente 107. Braunschweig, Wiesbaden Kruse, L.; Graumann, C.-F.; Lantermann, E.-D. (Hrsg.) (1990): Ökologische Psychologie, Ein Handbuch in Schlüsselbegriffen. München Mästle, C. (2006): Verdichtete Wohnformen und ihre Akzeptanz bei den Bewohnern, Eine Gebäudeevaluation aus der Nutzerperspektive. Göttingen Spiegel, E. (1998): Dichte. In: Häußermann, H. (Hrsg.): Großstadt. Soziologische Stichworte. Opladen
DINGLICHE SICHERUNG Der Begriff dingliche Sicherung findet in der Immobilienwirtschaft v. a. im Finanzwesen bei der Sicherung von Krediten für Immobilieninvestitionen seine Anwendung. Das Thema spielt aber auch im Zusammenhang mit Baugenehmigungsverfahren eine gewichtige Rolle. Dingliches Recht im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren In der Projekt- und Stadtentwicklung ist die dingliche Sicherung ein häufiges Thema im Baugenehmigungsverfahren, insbesondere bei der Überprüfung der dauernden Sicherung öffentlich-rechtlicher Vorschriften durch die Bauaufsicht, die bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen eine Zulässigkeitsvoraussetzung sein kann. Bei einer rechtlichen bzw. dinglichen Sicherung übernimmt der Grundstückseigentümer oder Bauherr bzw. der Eigentümer des Nachbargrundstückes oder eines anderweitig betroffenen Grundstückes bestimmte Verpflichtungen, die nach notarieller Beglaubigung als Grunddienstbarkeit und
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eventuell ergänzend als beschränkte persönliche Dienstbarkeit im Grundbuch des jeweils betroffenen Grundstücks eingetragen werden. Diese Verpflichtungen sind somit grundstücksgebunden und gelten dadurch auch für die Rechtsnachfolger. Auch grundstücksgleiche Rechte wie das Erbbaurecht können mit Grunddienstbarkeiten belastet werden. Die gesetzliche Grundlage für Grunddienstbarkeiten und beschränkt persönliche Dienstbarkeiten ist das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB). Grunddienstbarkeiten nach § 1018 BGB sind die Belastungen eines Grundstücks (dienendes Grundstück) zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks (herrschendes Grundstück). Eine Grunddienstbarkeit ist also vorteilhaft für das herrschende Grundstück, wobei sie nur eine Duldung oder Unterlassung festschreiben kann. Als Beispiele für Grunddienstbarkeiten seien Anbaurechte, Fensterrechte, Geh-, Fahr- und Leitungsrechte oder Unterfahrtrechte genannt. Die beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten sind in § 1090 BGB geregelt. Der Unterschied zur Grunddienstbarkeit besteht darin, dass diese dinglichen Rechte nicht dem jeweiligen Eigentümer eines anderen Grundstücks, sondern nur einer (natürlichen oder juristischen) Person oder einer rechtsfähigen Personengesellschaft zustehen können. Bei Bezug auf eine natürliche Person ist die beschränkte persönliche Dienstbarkeit nicht übertragbar und nicht vererbbar. Typische Beispiele sind: dingliche Wohnungsrechte, Mieterdienstbarkeiten oder Wohnungsbelegungsrechte. Ein weiteres Instrumentarium zur Sicherung öffentlich-rechtlicher Vorschriften im Baugenehmigungsverfahren stellen Baulasten dar, welche bei den Baubehörden der Länder in Baulastenverzeichnissen geführt werden. Einzig die Länder Bayern und Brandenburg verwenden statt der Baulast nur die Grunddienstbarkeit. Inhalt der Baulast ist die öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Grundstückseigentümers zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen. Sie basieren auf freiwilligen Erklärungen des Grundeigentümers gegenüber der Bauaufsichtsbehörde und wirken gegenüber jedem Rechtsnachfolger. Baulasten wie z. B. die Stellplatzbaulast oder die Abstandsbaulast haben je nach Bedeutung bzw. Beeinträchtigung des belasteten Grundstücks einen wesentlichen Einfluss auf den Grundstückswert. Wenn ein Vorhaben wegen fehlender dinglicher Sicherungen nicht den öffentlichen-rechtlich Vorschriften entspricht, kann die Bauaufsichtsbehörde eine Baugenehmigung für eine Entwicklungsmaßnahme verwehren.
DINGLICHE SICHERUNG
Dingliches Recht im Finanzwesen Im Zusammenhang mit der ▷Immobilienfinanzierung wird unter einer dinglichen Sicherung die Absicherung von Darlehen für Investitionen in Immobilen durch Grundpfandrechte verstanden. Das Bürgerliche Gesetzbuch definiert das Darlehen ausschließlich als Gelddarlehen. Durch einen Darlehensvertrag verpflichtet sich der Darlehensgeber gegenüber dem Darlehensnehmer zur Überlassung eines Geldbetrags in vereinbarter Höhe. Im Gegenzug ist der Darlehensnehmer zur Zahlung des geschuldeten Zinses verpflichtet und er hat das Darlehen bei Fälligkeit vollständig zurückzuerstatten. Der Begriff Grundpfandrecht ist gesetzlich nicht definiert. Ein Grundpfandrecht stellt eine Belastung eines Grundstücks oder eines grundstücksgleichen Rechtes (z. B. eines Erbbaurechtes) dar. Für den Grundstückseigentümer oder den Erbbauberechtigten ist diese Belastung mit der Verpflichtung gegenüber dem Rechtsinhaber (i. d. R. dem Kreditinstitut) verbunden, regelmäßig einen bestimmten Geldbetrag zu zahlen bzw. die Belastung aus dem Grundstückserlös (zuzüglich Zinsen und anderer Nebenleistungen wie z. B. den Kosten für ein Zwangsversteigerungsverfahren) abzulösen. Für einen Darlehensgeber ist es von Bedeutung, dass über die i. d. R. lange Darlehenslaufzeit (üblich sind fünf, zehn oder 15 Jahre) eine Veräußerbarkeit des Grundstücks zum Wert in Höhe des Grundpfandsrechts realisierbar ist und zwar uneingeschränkt und möglichst unabhängig von äußeren Einflüssen wie konjunkturellen Marktschwankungen oder der Bonität des Darlehensnehmers. Der Grundstückserlös sollte erforderlichenfalls auch in einem gesetzlich geregelten Zwangsversteigerungsverfahren erzielt werden können. Grundpfandrechte sind also Verwertungsrechte und damit echte dingliche Pfandrechte an einem Grundstück oder grundstücksgleichen Rechten. Eine wesentliche Grundlage für ein rechtsbeständiges Grundpfandrecht als Darlehenssicherheit stellt der dauerhafte Wert des Grundstücks dar. Der Grundstückswert, der die Anforderungen an die langfristige Wertbeständigkeit am ehesten erfüllt, ist der Beleihungswert im Sinne des § 16 Pfandbriefgesetz (PfandBG). Nach Absatz 2 lautet seine Definition: „Der Beleihungswert darf den Wert nicht überschreiten, der sich im Rahmen einer vorsichtigen Bewertung der zukünftigen Verkäuflichkeit einer Immobilie und unter Berücksichtigung der langfristigen, nachhaltigen Merkmale des Objektes, der normalen regionalen Marktgegebenheiten sowie der derzeitigen
und möglichen anderweitigen Nutzungen ergibt. Spekulative Elemente dürfen dabei nicht berücksichtigt werden. Der Beleihungswert darf einen auf transparente Weise und nach einem anerkannten Bewertungsverfahren ermittelten Marktwert nicht übersteigen.“ Bei der Festsetzung des Beleihungswerts eines Grundstücks (dieser wird auch als Sicherungswert eines Grundpfandrechts bezeichnet) sind eventuell bereits vorhandene Grundschulden oder anderweitige Belastungen eines Grundstücks dann als Vorlasten zu berücksichtigen, wenn sie nach den Vorschriften über die Zwangsversteigerung vor dem Grundpfandrecht aus dem Grundstückserlös zu decken sind. Belastungen, die nicht als Vorlast eingestuft sind, aber von einem Ersteher in der Zwangsversteigerung übernommen werden müssen und den Grundstückswert negativ beeinflussen, stellen sowohl im Beleihungswert als auch im Markt- bzw. Verkehrswert zu berücksichtigende Wertabschläge dar. Nachrangige Rechte gelangen ansonsten im Versteigerungsverfahren zur Löschung. Diese ggf. als Wertminderung zu berücksichtigenden Belastungen, auch dingliche Lasten genannt, werden in Abteilung II des Grundbuchs eingetragen. Zu den dinglichen Lasten und Beschränkungen, die die Nutzung eines Grundstücks oder eines Gebäudes beeinträchtigen und daher bei einer Beleihung besonders geprüft werden, zählen Reallasten, Vorkaufs- und Erbbaurechte sowie Dienstbarkeiten (Grunddienstbarkeiten, beschränkt persönliche Dienstbarkeiten, Nießbrauch). Zu den Grundpfandrechten zählen i. Allg. Hypotheken, Grundschulden und Rentenschulden, die in Abteilung III des Grundbuchs eingetragen werden. In Deutschland hat die Grundschuld die Hypothek als Sicherungsinstrument verdrängt. Der Grund hierfür ist, dass eine Hypothek eine akzessorische Sicherheit ist, d. h. sie ist vom Bestehen und vom Umfang einer Forderung abhängig. Sie ist damit eine Darlehensforderung gegenüber den Grundstückseigentümern oder Dritten. Eine Obergrenze des Umfangs der gesicherten, persönlichen Forderung ergibt sich aus der im Grundbuch ersichtlichen Höhe der Hypothek. Der Hypothekengläubiger hat – unabhängig vom im Grundbuch angeführten Kapitalbetrag – nur das Recht, entsprechend der akzessorischen Sicherheit Zahlungen aus dem Grundstück zu verlangen bzw. diese zu verwerten. Mit zunehmender Darlehenstilgung wird aus der Hypothek schrittweise und automatisch eine Eigentümergrundschuld. Mit vollständiger Darlehenstilgung erlischt letzt-
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endlich die Forderung und damit auch die Sicherheit der Hypothek. Die Grundschuld sichert eine oder mehrere persönliche Forderungen (überwiegend zugunsten von Kreditinstituten). Im Gegensatz zur Hypothek ist sie nicht akzessorisch, sondern eine treuhänderische (fiduziarische) Forderung, die als abstrakte Sicherheit vom Bestand und von der Veränderung einer persönlichen Forderung unabhängig ist. Über den Sicherungsvertrag wird die zur Kreditsicherung eingesetzte Grundschuld zur Sicherungsgrundschuld (§ 1192 BGB). Wesentlicher Inhalt des Sicherungsvertrages ist die Sicherungsabrede (auch Zweckerklärung genannt), welche insbesondere klärt, was die Basis der Sicherungsgrundschuld ist und welche persönliche Darlehensforderung über die Grundschuld gesichert ist (Sicherungszweck). Diese Abrede bestimmt auch, welche Verwertungsbefugnisse zur Forderung dem Gläubiger zustehen. Die Sicherungsabrede zu einer Grundschuld wirkt schuldrechtlich nur im Verhältnis der Vertragsparteien zueinander. Bei der Vereinbarung des Sicherungszwecks können bestehende und künftige, auch bedingte oder befristete Forderungen eines Kreditinstituts aus der Geschäftsverbindung zu einem Darlehensnehmer gesichert werden. Eine gesetzliche Voraussetzung für das Entstehen der Grundschuld ist – neben dem dinglichen Vertrag mit Einigung der Vertragspartner über die bestimmte Höhe des Darlehens sowie Verzinsung und Fälligkeit der Forderung – deren Eintragung im Grundbuch. Der Eintragungsantrag wird entweder vom Grundstückseigentümer oder vom Grundschuldgläubiger gestellt und die Grundschuld wird mit Eingang beim Grundbuchamt wirksam. Dem Eingangsdatum des Antrags kommt besondere Bedeutung für den Rang der Grundschuld zu. Werden weitere Eintragungsanträge bezüglich des Grundstücks gestellt, erfolgt entsprechend § 17 Grundbuchordnung (GBO) der Eintragungsrang im Grundbuch entsprechend der Zeitfolge. Aus dieser zeitlichen Rangordnung resultiert bei der Verwertung einer Grundschuld durch Zwangsvollstreckung die Reihenfolge, in der die Gläubiger befriedigt werden. So kann es bei einer Zwangsversteigerung durchaus vorkommen, dass der rangletzte Darlehensgeber feststellen muss, dass seine anfängliche Objekt- bzw. Sicherheitenbewertung zu optimistisch war und seine vermeintliche Sicherheit nicht durch den Versteigererlös gedeckt werden kann. Die notariell erstellte Urkunde zur Grundschuldbestellung beinhalten üblicherweise die vom Darlehensgeber geforderten Vollstreckungs-
unterwerfungen. Mit diesen unterwirft sich ein Grundstückeigentümer als Schuldner dinglich mit seinem Grundstück und ein – möglicherweise mit dem Eigentümer nicht identischer – Darlehensnehmer „persönlich“ mit seinem gesamten Vermögen. Diese abstrakten Schulderklärungen ermöglichen es den Darlehensgebern, teure und langwierige Gerichtsverfahren zur Erlangung eines Zwangsvollstreckungstitels zumindest im ersten Schritt zu umgehen, insofern mit dem Schuldner anderweitige, freiwillige Kreditrückzahlungswege vereinbart werden können. Andernfalls muss als rechtliche Basis für die Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen wie Pfändungen oder Versteigerungen ein Vollstreckungstitel vorliegen. Nach Darlehensbegleichung kann die dingliche Sicherung mittels Löschungsbewilligung eliminiert werden. Alternativ besteht die Möglichkeit, die Grundschuld zur Sicherung etwaiger zukünftiger Verbindlichkeiten aufrecht zu erhalten. Wird diese Verfahrensweise gewählt, sollte sich der Darlehensnehmer vom Darlehensgeber eine Verzichtserklärung aushändigen lassen und die Vollstreckungsurkunde zurückfordern. Klingebiel
Literatur Hennings-Holtmann, D. (2006): Eintragungen in Abteilung II des Grundbuches. Stuttgart Schmidt, B. (2004): Absicherung von Darlehen durch Grundpfandrecht. Frankfurt/M
DORFERNEUERUNG Geschichte der Dorferneuerung Die Dorferneuerung hat ihren Ursprung in der Flurneuordnung. Ziel der Flurbereinigung war es, die landwirtschaftlichen Arbeitsverhältnisse zu verbessern. Für die engen Dorflagen bedeutete dies in erster Linie eine Auflockerung der Bebauung und manchmal auch die Auflösung des Dorfes. Schon ab dem 16. Jahrhundert wurden im Rahmen der sog. „Kemptener Verödung“ beengte Gehöfte aus den Ortslagen ausgelagert. Seit den 1920er Jahren konnten nach dem preußischen Gesetz über die Umlegung von Grundstücken Dorfbereiche in die ländliche Neuordnung einbezogen werden. In der Bundesrepublik lassen sich heute vier Phasen der Dorferneuerung nachzeichnen: Die Dorfsanierung und Dorfauflockerung bis
DORFERNEUERUNG
Mitte der 1970er Jahre: Bis in die 1960er Jahre waren Maßnahmen der Ortserneuerung weiterhin ausschließlich auf die Verbesserung der Agrarstruktur ausgerichtet. Erst mit dem Erlass des Bundesbaugesetzes und der Diskussion um die „städtebauliche Erneuerung in Stadt und Land“ im Vorfeld des Städtebauförderungsgesetzes von 1972, wurde die bauliche und infrastrukturelle Erneuerung der Dörfer ein Thema. So förderten Bund und Länder seit 1962 sog. Studien- und Modellvorhaben der Erneuerung u.a. auch in 30 ländlichen Gemeinden (BMWS 1967 u. 1968). Angesichts der z. T. noch desolaten infrastrukturellen und städtebaulichen Missstände waren die Maßnahmen eher auf den Bau der Grundinfrastruktur, den Straßenbau und Abriss und Neubau denn auf eine Sanierung der Altbauten ausgerichtet. Die Folge war der Verlust und die Überformung der historischen Bausubstanz und der gewachsenen Dorfstruktur. Die erhaltende Dorferneuerung bis Anfang der 1980er Jahre: Die Impulse des europäischen Denkmalschutzjahres 1975, und damit die neue Wertschätzung der historischen Bausubstanz, veränderten auch die Philosophie der Dorferneuerung. Die Aufnahme der Dorferneuerung als Fördergegenstand im Zukunftsinvestitionsprogramm zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (ZIP) in den Jahren 1977-1980 eröffnete auf breiter Front eine Auseinandersetzung mit Inhalten und Verfahren der Dorferneuerung bzw. dem gesellschaftlichen Stellenwert des Dorfes (Henkel 1995:221). Die Gestaltung und Erhaltung des Dorfbildes rückte in den Mittelpunkt der Erneuerung (▷Erhaltungssatzung, ▷Gestaltungssatzung). BadenWürttemberg und Hessen legten in der Folge eigene Landesprogramme der Dorferneuerung auf. Niedersachsen förderte Modellvorhaben zur Optimierung der Dorferneuerungsverfahren. Die ganzheitliche Dorferneuerung oder Dorfentwicklung bis in die 1990er Jahre: Seit 1984 ist die Dorferneuerung unabhängiger Fördergegenstand der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK). Mit dieser fördertechnischen Aufwertung erfolgte eine Weiterentwicklung des Selbstverständnisses von der historisch bedingten agrarstrukturellen Ausrichtung zur ganzheitlichen Aufgabe. Ziel war es nun, die Lebensverhältnisse im ▷ländlichen Raum auf der Grundlage einer behutsamen und erhaltenden Dorferneuerung zu verbessern. In den Mittelpunkt rückte nun der Dorferneuerungsprozess und damit die Beteiligung der Dorfbewohner.
Durch moderierte Leitbildprozesse sollte z. B. in Hessen und Bayern der Dorferneuerungsprozess selbsttragend und nachhaltig in der Dorfgemeinschaft verankert werden. Der Bedeutungsverlust der Dorferneuerung seit Ende der 1990er Jahre: Aus heutiger Sicht waren Theorie und Praxis der Dorferneuerung Mitte der 1980er Jahre ausgereift. Der Versuch, sie in den 1990er Jahren stärker in regionale Zusammenhänge und die regionale Strukturpolitik (▷Regionale Strukturpolitik) einzubinden, angestoßen durch die EU-Förderstrategie für den ländlichen Raum und den Bedeutungsgewinn der regionalen Ebene, führte in den meisten Bundesländern zu einem Stillstand der Auseinandersetzung und zu einem Bedeutungsverlust der Dorferneuerung (▷Europäische Raumentwicklungspolitik).
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In der DDR war das Dorf zunächst, vergleichbar mit der Bundesrepublik, als landwirtschaftlicher Produktionsstandort von gesellschaftlichem und planerischem Interesse. Der Idee des neuen sozialistischen Dorfes, folgte – ausgehend von der Bodenreform und gesteuert durch eine Zentraldorfplanung Anfang der 1950er Jahre – zunächst der Bau von Großanlagen für die landwirtschaftliche Produktion und von Geschosswohnungsbauten und seit Ende der 1970er Jahre flächendeckend Orts- und Flurgestaltungskonzeptionen der Büros für Stadt- und Dorfplanung mit dem Ziel, die historische Baustruktur und die Individualität der einzelnen Dörfer zu erhalten. Begriffsdefinition Der Versuch den etwas unscharfen Begriff Dorferneuerung näher zu bestimmen ist naturgemäß abhängig vom Begriffsverständnis des „Dorfes“. Eine dörfliche Siedlung ist bei einer offenen und pragmatischen Begriffsauslegung gekennzeichnet von vier Merkmalen: Das Dorf ist in einem noch relevanten Maß von Landwirtschaft geprägt, sei es von noch produzierenden Betrieben, sei es von landwirtschaftlicher Bausubstanz. Die Einwohnerzahl und der Siedlungskörper eines Dorfes sind überschaubar. Der Siedlungskörper wird durch einen starken Bezug zur freien Landschaft geprägt. Im Dorf überwiegen Land- und Hausbesitz und individuelles Wohnen. Als programmunabhängiger Fachbegriff umfasst Dorferneuerung sämtliche Maßnahmen die der
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Ordnung, Gestaltung und Entwicklung dörflicher Siedlungen dienen, mit dem Ziel, vorhandene Mängel und Missstände zu beheben und dadurch die Lebensbedingungen der Menschen und die Umweltsituation zu verbessern. Dorfentwicklung ist, darüber hinausgehend, ein Prozess, im Verlauf dessen ein Dorf nicht nur im baulichtechnischen und wirtschaftlichen, sondern auch im gesellschaftlichen Bereich in die Lage versetzt wird, den sich ständig wandelnden Ansprüchen der Einwohner und der Gesellschaft gerecht zu werden (Schäfer/Schmidt/Dehne 1989:12). Beide Begriffe werden häufig nicht trennscharf verwendet. In den meisten Fällen wird gerade die Erneuerung wesentliches Element der Entwicklung sein. Der Einfachheit halber werden im Folgenden beide Begriffe synonym verwendet. Dorferneuerung wird häufig auch als Programmbegriff benutzt. Dann bezeichnet Dorferneuerung ein Bündel an Maßnahmen zur Erneuerung und Entwicklung von Dörfern nach bestimmten, vorrangig bei den Landwirtschaftsressorts angesiedelten und agrarstrukturell orientierten Dorferneuerungsprogrammen. In Abgrenzung zur agrarstrukturellen Dorferneuerung wurde Ende der 1980er Jahre die städtebauliche Erneuerung nach dem besonderen Sanierungsrecht des Baugesetzbuches als „Städtebauliche Dorferneuerung“ bezeichnet (Schäfer/Schmidt/ Dehne 1989:9f). Programme der Dorferneuerung Nach den Rahmenvorgaben der GAK werden Dorferneuerung und Dorfentwicklung in ländlich geprägten Orten von Bund und Ländern gefördert. Die Förderung dient der Erhaltung und Gestaltung des dörflichen Charakters und der Verbesserung der Lebensverhältnisse der örtlichen Bevölkerung. Neben investiven privaten und öffentlichen Maßnahmen wird auch die Vorbereitung, Planung und Beratung gefördert. Daneben gibt es eine gesonderte Förderlinie für die Umnutzung landwirtschaftlicher Bausubstanz. Die Länder kombinieren die Mittel aus der GAK i. d. R. mit EU-Mitteln aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER-Fonds). Eigenständige Landesprogramme unabhängig von den engen Rahmenvorgaben der GAK gibt es nur noch in wenigen Bundesländern. In Bayern wird generell der verfahrensrechtliche Rahmen der Flurbereinigung für die Dorferneuerung genutzt, mit der Teilnehmergemeinschaft als besondere Trägerform.
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Im Jahr 2004 wurden Dorferneuerung, Flurbereinigung und die sog. „Agrarstrukturelle Entwicklungsplanung“ in der integrierten ländlichen Entwicklung (ILE) zusammengefasst. Dahinter steht der Anspruch, die Dorferneuerung und Dorfentwicklung stärker in regionale Strategien einzubinden und mit Regionalen Entwicklungskonzepten und Regionalmanagement zu verbinden (▷Regionale Kooperation). Die sog. städtebauliche Dorferneuerung nach dem besonderen Städtebaurecht des Baugesetzbuches in Verbindung mit dem Bund-LänderProgramm der Städtebauförderung hat seit den 1990er Jahren an Bedeutung verloren. Die meisten Länder haben ressortübergreifend eine klare Aufgabenteilung zwischen beiden Programmen vereinbart, nach der Erneuerungsmaßnahmen in kleineren Orten bzw. Gemeinden ausschließlich nach der GAK bzw. ELER finanziert werden. Daneben gibt es Wettbewerbe wie „Unser Dorf soll schöner werden“ (seit 1962) oder die „TATOrte“-Wettbewerbe des Deutschen Instituts für Urbanistik (1995-2000), die eine akteursorientierte Dorfentwicklung fördern bzw. ökologische Dorferneuerung gefördert haben. Lokale Agenda 21-Aktivitäten in Dörfern und kleinen Gemeinden können ebenfalls im weiteren Sinne als Dorferneuerungs- bzw. Dorfentwicklungsmaßnahmen angesehen werden. In einigen Bundesländern gibt es hierfür gesonderte Förderprogramme. Sie fördern insbesondere das Engagement der Bewohner sowie kleine investive Maßnahmen. Kontinuität der Aufgabenstellungen Seit Mitte der 1980er Jahre wird die Dorferneuerung von zwei Aufgaben bzw. Leitzielen bestimmt, die bis heute gelten: 1) materiell-inhaltlich von der Ausrichtung auf den Dorfkern und die Innenentwicklung sowie 2) formal-prozessual von der besonderen Betonung des Dorferneuerungsprozesses und der aktiven Beteiligung und Mobilisierung der Bewohner. Zu 1: Faktoren des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturwandels wie der Bedeutungsverlust der Landwirtschaft, Konzentrationsprozesse im Einzelhandel und der Daseinsvorsorge sowie die Ausweitung der Sozial- und Lebensräume auf regionale Zusammenhänge drücken sich baulich-strukturell in der zunehmenden sozialen, wirtschaftlichen, infrastrukturellen und baulichen Verödung der alten Dorfbereiche aus
DORFERNEUERUNG
(Henkel 1995:227). Dementsprechend waren und sind die Wiederbelebung alter Dorfkerne und die Wieder- und Nachnutzung alter, vorwiegend landwirtschaftlicher Bausubstanz zentrale und typische Aufgaben der Dorferneuerung. Hinzu kommen in wachsenden Dörfern der Verdichtungsbereiche der Flächenverbrauch und die innerörtliche Konkurrenz durch neue Wohngebiete am Ortsrand. Schäfer und Schmidt entwickelten ausgehend von der herausgehobenen Bedeutung der Innenentwicklung eine bundesweit aussagekräftige Typologie von Aufgabenstellungen und Strategieansätzen der Dorferneuerung (Schäfer/Schmidt/ Dehne 1989:14ff ): 1) Innenentwicklung zur Sicherung und Verbesserung der zentralörtlichen Struktur von Gemeinden in ländlichen Gebieten, 2) Innenentwicklung zur Stärkung und Sicherung der Fremdenverkehrsfunktion, 3) Innenentwicklung zur Sicherung von ländlichen Wohnstandorten im Einzugsbereich von Mittel- und Oberzentren sowie 4) Innenentwicklung zur Steuerung von Prozessen der Eigenentwicklung und der Schrumpfung in besonders strukturschwachen Orten und bei schwierigen Entwicklungsperspektiven. Diese Typen der Dorferneuerung sind heute weiterhin richtig und haben nichts von ihrer Aktualität verloren. In einigen Bundesländern wie Hessen, Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ist die Innenentwicklung mit den Zielen Flächenschonung und Erhalt des sozialen Zusammenhalts weiterhin zentrales Thema der Dorfentwicklung und wird durch entsprechende Kampagnen gefördert (z. B. Ministerium für Ernährung und ländlichen Raum Baden-Württemberg o. J., Bayerisches Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten 2006). Zu 2: „Ohne die aktive Beteiligung geht im Dorf nichts!“ (Konieczny/Rolli 1983:127) war das Credo in der Hochzeit der Dorferneuerungsdebatte. Besonders im überschaubaren Sozialgebilde des Dorfes verfehlen Konzepte, Planungen und Erneuerungsmaßnahmen ihre Ziele, wenn sie nicht die Bedürfnisse der Betroffenen berücksichtigen und diese im gesamten Planungs- und Erneuerungsprozess miteinbeziehen. Die Beteiligung und Aktivierung des Bürgers wurde somit schon früh zur zentralen Aufgabe der Dorfentwicklungsplanung und zur entscheidenden Herausforderung für den Planer. Konieczny und Rolli entwickelten Ende der 1970er Jahre ein Modell der Organisation und aktiven Bürgerbeteiligung mit Leitbild-
entwicklung und Arbeitskreisen, dessen Grundgedanken bis heute die Dorferneuerung prägen. Besonders in Hessen wurden in den 1980er Jahren moderne und experimentelle Formen der Bürgeranimation, Bürgerbeteiligung und kulturellen Dorferneuerung entwickelt, die zu einer bewussten Auseinandersetzung mit dem Dorf und einer von der Dorfgemeinschaft bestimmten und getragenen Dorfentwicklung führen sollten. (z. B. das Modellvorhaben Niederbrechen in Dehne/Schäfer/Schmidt 1990:95f). Auch diese Grundidee spiegelt sich heute im Bedeutungsgewinn der ▷Zivilgesellschaft und im Ansatz des „aktiven und sozialen Dorfes“ bzw. der „sozialen Dorferneuerung“ wider.
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Aktuelle Tendenzen, neue Aufgaben und Ausblick Die Integration in regionale Zusammenhänge und Strukturprogramme sollte der Dorferneuerung eigentlich eine neue Qualität verleihen. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Die besonderen Stärken und Qualitäten der Dorferneuerung als ein eigenständiges, auf die örtlichen Zusammenhänge ausgerichtetes Instrument gehen im regionalen Kontext und unter dem Primat der Wertschöpfung weitgehend verloren. Die programmbezogene Dorferneuerung ist vielerorts zurückgefallen auf reine Bautätigkeit und hat heute ihre experimentelle und innovative Kraft verloren. Kritiker bezeichnen die Dorferneuerungsprogramme als „Dauersubventionsprogramme der lokalen und regionalen Wirtschaft“, die an den eigentlichen Problemen des Dorfes vorbeigehen (Herrenknecht o. J.). Gefordert wird eine Verschiebung der Schwerpunkte von den harten Baumaßnahmen hin zu weichen, auf die sozialen Kompetenzen und die Stärkung und Aktivierung des Zusammenlebens ausgerichtete Strategien. Es ist daher nicht überraschend, dass Innovationen und neue Impulse von Initiativen außerhalb der Dorferneuerungsprogramme und aus dem Ausland kommen. Die Ökodorf-Bewegung brachte ökologische Aspekte und das Handeln als lokale Gemeinschaft in die Dorfentwicklung ein (Krambach 2001). Themendörfer konzentrieren die Kräfte auf die regionalen und örtlichen Stärken und machen diese zur Botschaft. Die Dorfnetzwerke in Skandinavien fördern Formen der Selbstorganisation und Selbstbestimmung unterhalb der kommunalen Ebene (Krambach 2004). Der „Steinbacher Weg“ ist ein Modell für eine nachhaltige, werteorientierte Dorf- und Gemeindeentwicklung. Die Idee des „lebendigen Dorfes“ oder
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der „Dörfer in Bewegung“ sehen Lebendigkeit und Zusammenhalt als Leitziel und Gradmesser lokaler Entwicklung. In Niederösterreich gibt es seit 2004 ein Dreisäulenmodell mit klassischer Dorferneuerung, nachhaltiger Gemeindeentwicklung im Sinne der Lokalen Agenda 21 und Ideenbörse der Dorfvereine. Die Europäische Arbeitsgemeinschaft Landentwicklung und Dorferneuerung vergibt seit 1990 den europäischen Dorferneuerungspreis. Hinter allem steht die Mobilisierung lokaler Akteure als Kernaufgabe. Angesichts der Auswirkungen des ▷demografischen und strukturellen Wandels auf die ländlichen, peripheren Regionen, der innerregionalen Konzentrationsprozesse in diesen Regionen und der zunehmenden Spreizung der Raumentwicklung, erscheint es legitim, die klassische Dorferneuerung grundsätzlich infrage zu stellen. Sicherlich trifft die programmbezogene, agrarstrukturell ausgerichtete Dorferneuerung nicht mehr die eigentlichen Probleme des Dorfes. Grundsätzlich ist eine stärkere Akzentverschiebung hin zu einer sozialorientierten Dorferneuerung erforderlich, die den Bewohnern Möglichkeiten einer eigenständigen und selbstbestimmten Entwicklung eröffnet. In den strukturschwachen Regionen muss diese Verschiebung im Einzelfall programmatischer und radikaler ausfallen, von der Dorferneuerung hin zum Dorfumbau. Eigenorganisation der örtlichen Daseinsvorsorge, soziale Konzepte für den sehr hohen Anteil alter Menschen im Dorf und der Umgang mit Armut auf dem Dorf sind die neuen Herausforderungen. Dies erfordert alternative Strategien und eine Neuausrichtung und Flexibilisierung der Programme, die auf die Entwicklungsbedingungen unterschiedlicher Dorftypen ausgerichtet sind. Und das Verhältnis von Dorf und Kommune muss, auch angesichts weitergehender Gebietsreformen, im Sinne einer konstruktiven Arbeitsteilung zwischen Kommune und örtlicher Zivilgesellschaft neu gestaltet werden. Dehne
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Literatur Bayerisches Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten (2006): Aktionsprogramm Dorf vital: Innenentwicklung in der Dorferneuerung. Materialien zur ländlichen Entwicklung. München BMWS – Bundesministerium für Wohnungswesen und Städtebau (Hrsg.) (1969): Städtebaubericht 1969. Bonn BMWS – Bundesministerium für Wohnungswesen und Städtebau (Hrsg.) (1968): Wohnungsbau und Stadtentwicklung, Demonstrativbauvorhaben des Bundesministeriums für Wohnungswesen und Städtebau. München BMWS – Bundesministerium für Wohnungswesen und Städtebau (Hrsg.) (1967): Wohnungsbau und Stadtentwicklung, Demonstrativbauvorhaben des Bundesministeriums für Wohnungswesen und Städtebau. München Dehne, P.; Schäfer, R.; Schmidt, E. (1990): Städtebauliche Dorferneuerung. Forschungsvorhaben des Experimentellen Wohnungs- und Städtebaus. Bonn Henkel, G. (1995): Der Ländliche Raum: Gegenwart und Wandlungsprozesse seit dem 19. Jahrhundert. Stuttgart, 221, 227 Herrenknecht, A. (ohne Jahresangabe): Was haben 20 Jahre Dorferneuerung für die „Innere Entwicklung“ der Dörfer gebracht? Versuch einer kritischen Bilanz. Pro Provincia Paper, Reihe Dorfentwicklung, 1. Zugriff auf www.pro-provincia.de am 12.10.2008 Konieczny, G.; Rolli, E. (1983): Bürgerbeteiligung im Rahmen der Dorfentwicklung. In: Baumeister, 2 Konieczny, G.; Rolli, E. (1982): Organisation der Dorfentwicklung: Ein Leitfaden für ländliche Gemeinden. KTBL-Schrift 282. Darmstadt Konieczny, G.; Rolli, E. (1979): Bürgerbeteiligung in der Dorfentwicklung. KTBL-Schrift 242. Darmstadt Krambach, K. (2001): Ländlicher Raum, nachhaltige Dorfentwicklung und lokale Agenda 21, Einsichten und praktische Erfahrungen. Berlin Krambach, K. (2004): Nationale Dorfaktionsbewegungen und ländliche Parlamente in europäischen Ländern. Zugriff auf www.rosalux.de am 12.10.2008 Ministerium für Ernährung und ländlichen Raum Baden-Württemberg (Hrsg.) (ohne Jahresangabe): Dorf komm+: Dörfer beleben – Flächen sparen, Wissenschaftliche Zusammenführung von 18 Ortsentwicklungskonzepten in der LEADER+ Gebietskulisse Hohen-Tauber zur Entwicklung eines Leitfadens für Kommunen. Stuttgart Rößle M.; Henkel, G. (1978): Dorferneuerung aus Sicht der Hochschule. In: Innere Kolonisation – Land und Gemeinde, 4, 154 Schäfer, R.; Schmidt, E.; Dehne, P. (1989): Städtebauliche Erneuerung von Dörfern und Ortsteilen – Qualitative Erneuerung von Aufgaben und Instrumenten. Schriftenreihe Forschung des Bundesministeriums für Raumordnung und Städtebau, Heft Nr. 447. Bonn, 12, 14ff
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E-GOVERNMENT E-Government – eine Kurzform für den Begriff electronic Government – gilt heute als ein Treiber einer vernetzten, modernen und effizienten Verwaltung. Die Informationstechnik nimmt dabei eine Schlüsselfunktion ein. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, Arbeitsvorgänge und Informationen über räumliche und organisatorische Grenzen hinweg zu gestalten, etwa zwischen Verwaltungen auf verschiedenen föderalen Ebenen und mit unterschiedlichen Zuständigkeitsbereichen. Das hat Auswirkungen auf die Beschäftigten wie auch auf die Kunden der Verwaltung, denn E-Government ermöglicht die Einführung von prozessorientierten Organisationsformen. Bei der Bearbeitung von Anfragen oder der Genehmigung von Anträgen steht dabei nicht mehr die Zuständigkeit im Vordergrund, sondern das Anliegen der Verwaltungskunden, also der Bürger oder Wirtschaftsunternehmen. Gleichzeitig können interne Prozesse schneller und effizienter gestaltet werden. Daher sind Ideen und neue Konzepte gefragt, die aufzeigen, wie es gelingen kann, Verwaltungsebenen-übergreifend zu arbeiten und z. B. den gemeinsamen Zugriff auf Informations- und Wissensressourcen zu organisieren. Vernetzte Verwaltungen sind allerdings noch längst nicht Alltag, sie müssen auch gelebt und es müssen praktische Erfahrungen weitergegeben werden. Dazu bedarf es dringend neuer Konzepte für Aus- und Weiterbildungswege in der Verwaltung. Ebenso gefragt sind Ideen und Anwendungsbeispiele für die Verwaltungsarbeit mit Hilfe von vernetzten intelligenten Systemen (z. B. Web 2.0, soziale Netzwerke), mit denen Verwaltungsmitarbeiter auf unterschiedliche Informationsressourcen und Wissensbasen zugreifen und sich untereinander austauschen können. Die demographische Entwicklung (▷Demographischer Wandel) stellt Verwaltungen vor erhebliche Herausforderungen. Im Zusammenhang mit der insgesamt sinkenden Bevölkerungszahl wird auch die Zahl der Verwaltungskunden abnehmen, der Leistungsumfang der Kommunen dagegen bleibt gleich. Dabei ist die Altersstruktur der öffentlichen Verwaltung schon heute so, dass in den nächsten Jahren viele Mitarbeiter aus Altersgründen aus dem Dienst ausscheiden werden, während die finanziellen Spielräume der Kommunen kaum oder gar keine Neueinstellungen zulassen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie mit Hilfe von E-Government die Verwaltungsarbeit
in Zukunft so organisiert werden kann, dass sie für Bürger kundenfreundlich gestaltet wird, vom vorhandenen Personal auch zu bewältigen ist und eine Auslagerung (Outsourcing) öffentlicher Leistungen an Private (▷Public Private Partnership) möglichst vermieden werden kann. Neue Formen von interkommunaler Kooperation, u. a. mittels Aufgabenübertragung oder durch die Etablierung gemeinsamer Dienstleistungszentren (Shared Service Centers), werden deshalb schon heute vor dem Hintergrund möglicher Effizienzgewinne und Kostensenkungen erprobt. Für die Kunden der Verwaltung rückt das viel beschworene One-Stop-Government in greifbare Nähe. Danach sollten Verwaltungsdienstleistungen für Bürger und Wirtschaft unabhängig von Zuständigkeitsgrenzen und Aufenthaltsort so einfach und effizient wie möglich gestaltet werden. Nach dem Prinzip „no wrong door“ können Anlaufstellen für Kunden z. B. in Bürgerbüros, sog. Front-Offices gebildet werden, in denen Anträge und Anfragen entgegen genommen werden, während die Bearbeitung, also die eigentliche Leistungserstellung, an einer beliebigen Stelle innerhalb der Verwaltung (im sog. Back-Office) erfolgt. Damit werden sich neue Verwaltungsarchitekturen ergeben, deren Kennzeichen die Trennung von Produktion und Vertrieb von Leistungen ist.
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Einsatz von Informationstechnologie in der Verwaltung Der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien in der öffentlichen Verwaltung kann auf eine lange Historie zurückblicken. In der Verwaltungsinformatik wird die Bereitstellung und Nutzung von Daten und Informationen seit den späten 1960er Jahren thematisiert. Der Einsatz von Informationstechnik zur Bearbeitung von Verwaltungsentscheidungen ist unter dem Begriff Verwaltungsautomation bekannt (Lenk/Traunmüller 1999:26ff ). Seit den 1980er Jahren werden in der öffentlichen Verwaltung Vorgangsbearbeitungssysteme erprobt, mit deren Hilfe sowohl Dokumente in Papierform als auch elektronische Informationen zu einer elektronischen Akte gebündelt und bearbeitet werden können. Kollaborationssysteme ermöglichten später den räumlich und zeitlich voneinander unabhängigen Zugriff auf elektronische Akten und wurden zur Erleichterung der Kommunikation, Koordination und Kooperation eingesetzt. In den 1990er Jahren stieg die Verbreitung von PC und Internet nicht nur in der Bevölkerung: Auch in den Verwaltungen des Bundes, der Länder und der Kommunen wurden Intranet und
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Internet zunehmend als Arbeitsinstrument genutzt und die entsprechende Infrastrukturausstattung wurde kontinuierlich verbessert. 1999 verfügten fast 90 Prozent der Mitarbeiter in den städtischen Verwaltungen über einen PC, fast die Hälfte aller Mitarbeiter hatte Zugang zum Internet und war per E-Mail erreichbar (Siegfried 2001). Die zunehmende Technisierung innerhalb der Verwaltung und die weiterhin kontinuierlich zunehmende Nutzung von PC und Internet durch die Bürger gingen auch mit einem Wandel in der Selbstdarstellung und im Selbstverständnis der Verwaltung einher. Von den ersten virtuellen Stadtportalen, in denen Kommunen sich selbst und ihre Dienstleistungen im Internet präsentierten, war es nur noch ein kurzer Schritt hin zu Kommunikations- und Transaktionsangeboten. Um Behördengänge für Bürger rechtssicher zu machen, wurden pilothaft elektronische Signaturen erprobt, die sich aber bis heute nicht durchsetzen konnten. Ab 2010 wird der neue elektronische Personalausweis verfügbar sein, mit dem OnlineTransaktionen für Bürger sowohl im Bereich der Privatwirtschaft als auch der öffentlichen Verwaltung einfacher werden sollen. E-Government: mehr als digitalisierte Verwaltungsprozesse Die Erkenntnis, dass E-Government mehr als den Ausbau von Internetkontakten zwischen der Verwaltung und ihren Kunden bedeutet, setzte sich nur langsam durch. Im Jahr 2000 wurde das Memorandum „Electronic Government als Schlüssel zur Modernisierung von Staat und Verwaltung“ vorgelegt (GI/VDE 2000). Die dort aufgeführte und heute noch gültige Definition von E-Government umfasst „die Durchführung von Prozessen der öffentlichen Willensbildung, der Entscheidung und der Leistungserstellung in Politik, Staat und Verwaltung unter sehr intensiver Nutzung der Informationstechnik“. Auf Grundlage dieser breiten Interpretation von E-Government wurden in den darauf folgenden Jahren verschiedene Aspekte und Anforderungen an ein „integriertes E-Government“ näher beschrieben, bei dem alle Prozesse innerhalb der Verwaltung nahtlos und möglichst ohne Unterbrechung der Nutzung eines Mediums ineinander greifen sollten, und zwar unabhängig von der Zuständigkeit der Verwaltung auf kommunaler, Bundes- oder Landesebene. In verschiedenen Konzepten wurde v. a. darauf hingewiesen, dass nicht die Technik allein der Schlüssel für erfolgreiches EGovernment sein könne. Vielmehr komme es für
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die Verwaltung darauf an, ein ganzes Bündel von Maßnahmen zu entwerfen, bei dem die Klärung strategischer und organisatorischer Fragen ebenso von Bedeutung ist wie die Themen Kommunikation, Qualifizierung des Personals, ▷Kooperation mit externen Akteuren, Ressourcensicherung etc. (vgl. z. B. Grabow/Drüke/Siegfried 2003) Auf dem Weg zur Netzwerkverwaltung Anfang 2009 zeigt sich, dass E-Government auch heute noch oftmals zu technikgetrieben ist und dass den Möglichkeiten und Potenzialen, die mit E-Government eigentlich erreicht werden können, zu wenig Aufmerksamkeit zuteil wird. Die Informationstechnik wird lediglich auf der Mikroebene genutzt, um vorhandene Prozesse zu beschleunigen oder um die Koordination bestehender Arbeitsteilungen zu verbessern. Das eigentliche Potenzial von E-Government – eine umfassende Verwaltungsmodernisierung durch die Integration von Informationen, eine Modularisierung von Prozessen und die systematische Neugestaltung von Akteursbeziehungen sowohl innerhalb der Verwaltung selbst als auch mit externen Organisationen – wird oftmals nicht ansatzweise ausgeschöpft. (vgl. Brüggemeier u. a. 2006:15ff ) Die Betonung des technischen Aspekts von EGovernment verhindert eine umfassende Verwaltungsmodernisierung, die sich am Konzept des Gewährleistungsstaats orientiert. Danach muss der Staat nicht zwangsläufig alle öffentlichen Leistungen selber erbringen. Vielmehr soll er darüber entscheiden, welche Leistungen erbracht werden sollen, welche davon er selber erbringen will und welche Leistungen von Dritten erbracht werden können. (Reichard 1998) Der Einsatz von Informationstechnik ermöglicht die zeitliche und räumliche Unabhängigkeit und die Trennung von Front- und Back-Offices. Dies ermöglicht wiederum neue arbeitsteilige Formen der Leistungsgestaltung und letztlich die Neugestaltung von öffentlichen Leistungsnetzwerken. Beispielsweise wäre denkbar, dass Bürger ihre Anliegen bei einer beliebigen Verwaltung vorbringen und der Antrag beim nächsten freien Sachbearbeiter in der Republik bearbeitet wird, oder dass Kommunen ihr Know-How bündeln und Prozesse arbeitsteilig abwickeln. Erste Ansätze in diese Richtung bestehen bereits, aber noch sind verwaltungs- und sektorenübergreifende Leistungsnetzwerke kaum sichtbar. Eine grundlegende Neuorganisation der Kooperation zwischen verschiedenen Organisationen im öffentlichen Sektor – die Netzwerkverwaltung – ist kaum erkennbar.
EINGRIFF UND AUSGLEICH
Die öffentliche Leistungserbringung in Form solcher Leistungsnetzwerke rückt mit der EGDienstleistungsrichtlinie, die bis Ende 2009 in allen Mitgliedstaaten umzusetzen ist, in greifbare Nähe. Die bisherigen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit von Dienstleistungserbringern und des freien Dienstleistungsverkehrs sollen beseitigt werden – dazu gehören insbesondere die Komplexität, Langwierigkeit und mangelnde Rechtssicherheit von Verwaltungsverfahren. Um das Ziel des freien Dienstleistungsverkehrs zu erreichen, sollen diese effektiver gestaltet, Genehmigungsverfahren gestrafft und i. Allg. bürokratische Hürden abgebaut werden. (vgl. Siegfried 2007) Die EG-Dienstleistungsrichtlinie erweist sich damit als ein Treiber für horizontales und vertikales EGovernment und erfordert von allen Verwaltungen in Deutschland eine optimale und nahtlose Zusammenarbeit über Zuständigkeitsebenen hinweg. Die für die organisatorischen Veränderungen notwendigen rechtlichen Änderungen z. B. im Verwaltungsverfahrensrecht hat der Bund Ende 2008 angestoßen. Damit rückt jetzt erstmals ein echtes One-Stop-Government in greifbare Nähe, bei dem Kooperationen zwischen verschiedenen Behörden und sogar unter Einbezug verwaltungsexterner Partner angestrebt werden müssen. V. a. die Kommunen, aber auch Bund und Länder arbeiten zurzeit daran, die damit verbundenen Herausforderungen zu meistern. Siegfried
Literatur Brüggemeier, M. u. a. (2006): Organisatorische Gestaltungspotenziale durch Electronic Government, Auf dem Weg zur vernetzten Verwaltung. Berlin GI – Gesellschaft für Informatik e. V.; VDE – Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V. (2000): Electronic Government als Schlüssel zur Modernisierung von Staat und Verwaltung. Zugriff auf www.gi-ev.de/fileadmin/redaktion/Download/presse_memorandum.pdf am 30.1.2009 Grabow, B.; Drüke, H.; Siegfried, C. (2003): Erfolgsmodell kommunales E-Government. Zugriff auf http://mediakomm.difu. de/erfolgsmodell/index.php?modus=einfmediakomm am 30.1.2009 Lenk, K.; Traunmüller, R. (1999): Öffentliche Verwaltung und Informationstechnik. Heidelberg Reichard, C. (1998): Institutionelle Wahlmöglichkeiten bei der öffentlichen Aufgabenwahrnehmung. In: Budäus, D. (Hrsg.): Organisationswandel öffentlicher Aufgabenwahrnehmung. BadenBaden, 121-153 Siegfried, C. (2007): Die EU-Dienstleistungsrichtlinie als Beschleuniger der Netzwerkverwaltung? In: Verwaltung & Management, 4, 171-175 Siegfried, C. (2001): E-Government und E-Commerce – die deutschen Erfahrungen beim Aufbau virtueller Rathäuser und Marktplätze am Beispiel von MEDIA@Komm. Zugriff auf http://mediakomm.difu. de/index.phtml?text_id=111&language=de&menu_id=2#part3 am 30.1.2009
EINGRIFF UND AUSGLEICH Mit der Einführung der Eingriffsregelung im Bundesnaturschutzgesetz im Jahre 1976 besitzt Deutschland ein planerisches Instrument zur konkreten Bewältigung von Eingriffsfolgen in Natur und Landschaft. Auswirkungen auf den Naturhaushalt oder auf das Landschaftsbild können z.B. durch ▷Verkehrsinfrastrukturvorhaben oder durch sonstige Nutzungen hervorgerufen werden. Auch Siedlungserweiterungen können negative Folgen für die Natur nach sich ziehen, z. B. durch Versiegelung von Böden oder die Zerstörung von Lebensräumen für Tiere und Pflanzen (▷Innenentwicklung/Außenentwicklung). In diesem Falle greift die Eingriffsregelung nach dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) oder dem Baugesetzbuch (BauGB). Ziel des Instruments ist es, die negativen Folgen für Umwelt und Natur durch planerische Optimierung von Projekten möglichst zu vermeiden oder zu reduzieren. Denkbar sind hier z. B. optimierte Trassenführungen von Straßen, um Zerschneidungswirkungen zu verringern. In einem zweiten Schritt zielt das Instrument darauf ab, negative Auswirkungen auf die Natur naturschutzfachlich zu kompensieren. Das heißt, dass z. B. wertvolle Lebensräume von Tieren und Pflanzen wiederhergestellt werden sollen. Damit erweitert das Prinzip des Ausgleichs von Eingriffen den Naturschutz um einen flächendeckenden Ansatz. Es geht nicht mehr nur darum, mit Hilfe klassischer Gebietsschutz-Instrumente exponierte Reservatsflächen zu schaffen, sondern Naturschutz auch in der „Normal-Landschaft“ umzusetzen. Damit ist die Eingriffsregelung auch Symbol für die Modernisierung des Naturschutzes in Deutschland. Erste Bestrebungen Natur und Landschaft auch außerhalb von Schutzgebieten vor Beeinträchtigungen durch menschliche Aktivitäten zu schützen, gab es aber schon im frühen 19. Jahrhundert (Gassner 1995). Anfänglich konzentrierte sich der Schutz vor Eingriffen vorwiegend auf die Ästhetik des Landschaftsbildes (Heimatschutzbewegung; Preußisches Gesetz gegen Verunstaltung; Reichsnaturschutzgesetz). Mit dem Gesetzesentwurf zur Änderung und Ergänzung des Reichsnaturschutzgesetzes wurde dann erstmals ein ganzheitlicher Landschaftsschutz per Gesetz formuliert, der sowohl ästhetische Aspekte als auch die naturschutzfachliche Bedeutung von Natur und Landschaft herausstellte. Darüber hinaus wurde hier die „Lenkung der Eingriffe von Wirt-
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schaft, Technik, Verkehr, Wohlfahrt und Siedlung in der Landschaft“ (§ 5 RNatG Erg-Entwurf) angesprochen, wobei mögliche Beeinträchtigungen von Natur und Landschaftsbild verhindert sowie „bestehende Verunstaltungen“ beseitigt oder gemildert werden sollten (§ 19 RNatG Erg-Entwurf, vgl. Mrass 1971:15f). Obgleich dieser Gesetzesentwurf nie verabschiedet wurde, benannte er zwei entscheidende Grundgedanken, die dem heutigen Verständnis von Natur- und Umweltschutz zugrunde liegen: die Erweiterung des Schutzes auf die gesamte Landschaft als komplexes System, die Vermeidung und der Ausgleich von Eingriffen. Aufgrund des zunehmenden Landschaftsverbrauchs sowie der steigenden Luft- und Wasserverschmutzung wuchs gegen Ende der 1960er Jahre das gesellschaftliche Bewusstsein über die Endlichkeit von Ressourcen und die Sensibilität von Natur und Umwelt gegenüber menschlichen Einflüssen (von Haaren 2004:29). Bis es jedoch zu einer einheitlichen, bundesweiten Definition von Eingriff und Ausgleich anhand des Bundesnaturschutzgesetzes von 1976 kam, gab es eine Reihe von Gesetzesentwürfen und Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern bezüglich der Gesetzgebungskompetenz im Bereich Naturschutz. Mit der Einführung des Bundesnaturschutzgesetzes als Rahmengesetz, wurde neben allgemeinen Bestimmungen zum Naturschutz und der Landschaftspflege eines der wichtigsten Instrumente der Landschafts- und Umweltplanung bundesweit verankert: die Eingriffsregelung. Die Eingriffsregelung stellt ein landschaftsplanerisches Instrument dar, das nicht präventiv wirkt, sondern die Folgen von Eingriffen in Natur und Landschaft kompensieren bzw. ausgleichen soll. Die Eingriffsregelung ist dabei kein eigenständiges Prüfverfahren, sondern sie wird innerhalb bestehender Zulassungsverfahren für Vorhaben und Projekte mit angewandt. Sie folgt dabei dem so genannten Verursacherprinzip, wonach der Träger eines Vorhabens bzw. der Verursacher eines Eingriffs für dessen Ausgleich (Folgenbewältigung) verantwortlich ist (§ 19 BNatSchG). Der Vorsorgecharakter der Eingriffsregelung steht dabei an erster Stelle. Um diesem Grundsatz gerecht zu werden, schreibt das Vermeidungsgebot (§ 19 Abs. 1 BNatSchG) vor, dass grundsätzlich alle vermeidbaren Beeinträchtigungen zu unterlassen sind. Unvermeidbare Beeinträchtigungen müssen vorrangig ausgeglichen (Ausgleichsmaßnahmen) oder in sonstiger Weise (Ersatzmaßnahmen) kompensiert werden (§ 19 Abs. 2 BNatSchG). In einem letzten Schritt, der Abwägung, werden die „Rest-
konflikte“ eines Vorhabens mit der Natur den Vorteilen eines Vorhabens (z. B. wirtschaftlicher Art) gegenübergestellt und es wird darüber entschieden, ob das Vorhaben Vorrang genießt oder ob die Belange des Naturschutzes überwiegen. Wird das Vorhaben zugelassen, so sind jedoch die vorher entwickelten Ideen und Maßnahmen zur Bewältigung der Konflikte beim Bau strikt umzusetzen. Den Bundesländern bleibt es überlassen, ggf. auch noch Ersatzzahlungsmechanismen anzuwenden. Die Eingriffsregelung beim Verfahren der ▷Bauleitplanung ist im Baugesetzbuch geregelt (§ 1a BauGB und §§ 13 bzw. 13a BauGB). Grundlegendes Prinzip der Eingriffsregelung ist damit die Sicherung des aktuellen Zustands von Natur und Landschaft, d.h. ein Verschlechterungsverbot (Köppel/Peters/Wende 2004: 21). Dieser Ansatz ist im internationalen Gebrauch auch als „no-net-loss-principle“ bekannt. Die Eingriffsregelung existiert nicht allein im deutschen Kontext, sondern findet sich – in abgewandelter Form – durchaus auch in anderen Staaten der Erde wie den USA, Südafrika, Niederlanden. Besonders hervorzuheben ist das „Wetland-Mitigation“-Prinzip in den USA, welches der deutschen Eingriffsregelung sehr ähnelt (vgl. Wende/Herberg/Herzberg 2005:102). Das zur Eingriffsregelung dazugehörige Fachgutachten ist der Landschaftspflegerischer Begleitplan (LBP). Er umfasst Informationen über den derzeitigen Zustand und den Wert von Natur und Landschaft. Darüber hinaus beinhaltet er eine dezidierte Auseinandersetzung mit dem geplanten Vorhaben und dessen Auswirkungen auf Natur und Landschaft. Herzstück ist jedoch das fachliche Konzept zur Bewältigung der Umweltfolgen (Vermeidungs-, Verminderungs-, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen). Der LBP ist damit eine wesentliche Entscheidungsgrundlage für die zuständige Zulassungsbehörde. Mit seiner Aufstellung werden unterschiedliche Bilanzierungsverfahren angewandt, mit deren Hilfe die Eingriffsintensität und der erforderliche Umfang von Maßnahmen zur Folgenbewältigung bestimmt werden können. Gängige Verfahren sind z. B. das Biotopwertverfahren, eine verbal-argumentative Bestimmung von Kompensationsumfängen oder auch der so genannte Herstellungskostenansatz. Bevor die Eingriffsregelung überhaupt zur Anwendung kommt, muss jedoch der Eingriff bzw. die Schwere des Eingriffs bestimmt werden. Nach § 18 Abs. 1 BNatSchG gilt als Eingriff in Natur und Landschaft, wenn die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes bzw. des Landschaftsbildes erheblich beeinträchtigt wird. Darüber
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hinaus zählen Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwassers (§ 18 Abs. 1 BNatSchG) ebenfalls als Eingriffe. Diese Eingriffsdefinition lässt allerdings deutliche Interpretationsspielräume zu, z. B. bei Formulierungen wie „erhebliche Beeinträchtigung“ oder „Gestalt und Nutzung von Grundflächen“, die eine konkrete und schnelle Einschätzung von Eingriffen nicht zulässt. Auf der anderen Seite bietet dieser unklare Rechtsbegriff auch eine bestimmte Flexibilität bei der Einschätzung der konkreten Vorhabensfälle (Einzelfallprüfung), die sich nur schwer vereinheitlichen lassen (Köppel/Peters/ Wende 2004:22). Um die Eingriffsbestimmung für die Praxis handhabbarer zu machen, haben die meisten Bundesländer sog. Positivlisten entwickelt. Sie beruhen auf der Annahme (aufgrund von Erfahrungswerten), dass bestimmte Vorhaben per se einen Eingriff im Sinne des BNatSchG und der Ländernaturschutzgesetze darstellen (Köppel/Peters/ Wende 2004:22). In umgekehrter Form existieren auch Negativlisten, die bestimmte Vorhaben per se von der Eingriffsregelungspflicht ausnehmen. Obgleich Positiv- oder Negativlisten mit den darin festgelegten Eingriffstatbeständen, z. B. Abbau und Gewinnung von Bodenschätzen oder Errichtung oder Änderung von baulichen Anlagen im Außenbereich, die Anwendung der Eingriffsreglung entscheidend vereinfachen, muss auch immer eine sorgfältige Prüfung des Einzelfalls erfolgen. Gewisse Vorhaben finden in den Listen keine Erwähnung und stellen trotz alledem einen Eingriff laut § 18 BNatSchG dar (Köppel/Peters/Wende 2004:22). Anders als häufig vermutet, gilt die land-, forstund fischereiwirtschaftliche Bodennutzung, orientiert an den Zielen und Grundsätzen des Naturschutzes und der Landschaftspflege, nicht als Eingriff in Natur und Landschaft (§ 18 Abs. 2 und 3 BNatSchG). Diese Landwirtschaftsklausel bewirkt, dass rund drei Viertel der Flächennutzungen Deutschlands, die wiederum land- und forstwirtschaftlich geprägt sind, für die Eingriffsregelung nicht von Bedeutung sind (vgl. Köppel/ Peters/Wende 2004:25). Neuere Tendenzen in der wissenschaftlichen Diskussion sowie in der Planungspraxis befassen sich mit der verbesserten Umsetzung von Maßnahmen zur Folgenbewältigung. So werden seit einigen Jahren vermehrt Kompensationsflächenpools oder auch Ökokonten eingerichtet, um den Vollzug der Eingriffsregelung zu optimieren. Als Pool bezeichnet man die strukturierte Sammlung und
Konzentration von Flächen und Maßnahmen zur Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft (vgl. Bruns/Köppel/Herberg 2000). Poollösungen weisen den Vorteil auf, dass sie schon vor den eigentlichen Eingriffen eingerichtet werden können und helfen, im Vorgriff der Planung von Vorhaben Naturschutzmaßnahmen zu realisieren. Das führt letztlich auch zur Beschleunigung von Vorhabensplanungen. Die meisten Pools werden durch entsprechende Institutionen verwaltet, was ebenfalls zur Sicherung des Vollzugs von Naturschutzmaßnahmen beiträgt. Letztlich führt die Bündelung von Maßnahmen dazu, dass in der Summe mehr für den Naturschutz getan werden kann. Synergieeffekte bei der Realisierung einer Vielzahl von Maßnahmen innerhalb eines Pools oder eines Ökokontos können erzielt werden. Erste empirische Studien zeigen jedenfalls, dass das Instrument der Eingriffsregelung wirksam dazu beiträgt, dass Naturschutzbelange eine stärkere Berücksichtigung bei Vorhabensplanungen erhalten. Ob dies ausreicht, um den Verlust von Natur zu stoppen, bleibt zu bezweifeln. Allerdings ist sicher, dass ohne eine Anwendung des Eingriffs-Ausgleichsprinzips in den letzten 30 Jahren die Entwicklung der Situation für Natur und Landschaft bei weitem schlechter ausgesehen hätte.
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Köppel, Wende
Literatur Bruns, E.; Köppel, J.; Herberg, A. (2000): Konstruktiver Einsatz von naturschutzrechtlichen Kompensationsmaßnahmen im Kontext der Regionalparkentwicklung durch interkommunale Pool-Modelle. Berlin Gassner, E. (1995): Das Recht der Landschaft, Gesamtdarstellung für Bund und Länder. Radebeul Köppel, J.; Peters, W.; Wende, W. (2004): Eingriffsregelung, Umweltverträglichkeitsprüfung, FFH-Verträglichkeitsprüfung. Stuttgart Mrass, W. (1971): Zu einem fast dreißig Jahre alten Änderungsgesetz des RNG. In: Natur und Landschaft, 1, 15-16 von Haaren, C. (2004): Landschaftsplanung. Stuttgart Wende, W.; Herberg, A.; Herzberg, A. (2005): Impact Mitigation Regulation – Mitigation banking and compensation pools: improving the effectiveness of impact mitigation regulation in the project planning procedures. In: Journal for Impact Assessment and Project Appraisal, 2, 101-111
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Einführung Der Einzelhandel besitzt mit einem Beschäftigtenanteil von über zehn Prozent in Deutschland nicht nur große wirtschaftliche Bedeutung, son-
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dern prägt durch die Standorte seiner Betriebe in erheblichem Maße das Siedlungs- und Zentrensystem. Einzelhandel wird definiert als der Verkauf von Waren an Endverbraucher. Damit erfüllt der Einzelhandel vermittelnde Funktionen zwischen den Herstellern von Waren (Landwirtschaft, Industrie) sowie ggf. der Distribution (Großhandel, Logistik) und den Konsumenten/ Endverbrauchern. Als Formen lassen sich der stationäre Einzelhandel (dauerhaft an einem Standort vorhandene Verkaufsstellen), der mobile Einzelhandel (temporär lokalisierte Verkaufsstellen wie z. B. Marktstände) und der Versandhandel (d. h. Bestellung der Waren per Katalog oder Internet und Auslieferung) unterscheiden. Größte Bedeutung besitzt der stationäre Einzelhandel (ca. 90 Prozent Umsatzanteil). Der klassische Versandhandel per Katalog verliert gegenwärtig an Marktanteilen, während E-Commerce (Warenangebot im Internet, elektronische Bestellung, Auslieferung) an Bedeutung gewinnt (Marktanteil ca. sechs Prozent). In den letzten Jahrzehnten verzeichnete der Einzelhandel starke strukturelle Veränderungen mit erheblichen räumlichen Konsequenzen. Der Wandel der Standortstrukturen ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Angebot, Nachfrage und Planung. Wichtige Einflussfaktoren sind das
Betriebsformen des Einzelhandels (Kulke 2001:59)
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Auftreten neuer Angebotsformen (z. B. Betriebsformenwandel) mit anderen Standortpräferenzen, veränderte Verhaltensweisen der Konsumenten (z. B. Einkaufsmotive, Mobilität) und gestaltende Maßnahmen der räumlichen Planung (z. B. Raumplanung, ▷Bauleitplanung). Struktur und Dynamik des Angebots Gliederung des Angebots Die Ladengeschäfte des stationären Einzelhandels lassen sich nach der Art der von ihnen verkauften Waren (Lebensmittel/Food oder Nichtlebensmittel/Non-Food), nach der Wertigkeit (Grundbedarf: z. B. Nahrungsmittel; Ergänzungsbedarf: z. B. Bekleidung; hochwertiger Bedarf: z. B. Unterhaltungselektronik) oder nach der Häufigkeit ihres Erwerbs (kurzfristig: z. B. Lebensmittel; mittelfristig: z. B. Bekleidung; langfristig: z. B. Möbel) einordnen. Ladengeschäfte weisen darüber hinaus typische Kombinationen von Merkmalen wie Flächengröße (Verkaufsfläche), Bedienungsform (Fremdbedienung, Selbstbedienung), Sortiment (Breite – Angebot aus verschiedenen Warengruppen; Tiefe – Auswahlmöglichkeiten innerhalb einer Warengruppe) und Preisniveau auf; diese werden als Betriebsformen bezeichnet.
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Betriebsformen Die Betriebsformen unterliegen aufgrund des Wandels von Angebots- (z. B. Kostenstrukturen, Sortimente) und Nachfragestrukturen (z. B. Einkaufspräferenzen) einem Lebenszyklus. Neue Betriebsformen weisen zuerst geringe Marktanteile auf; wenn sie sich als erfolgreich erweisen, werden in der Wachstumsphase zahlreiche Einheiten dieser Art errichtet und der Marktanteil steigt stark. In der Reifephase stagniert der Marktanteil und in der Schrumpfungsphase wird die inzwischen gealterte Betriebsform durch neue, besser den Marktbedingungen entsprechende Einheiten ersetzt. Im Lebensmittelbereich (siehe Abbildung) dominierten bis in die 1960er Jahre kleine Bedienungsläden (sog. Tante-Emma-Läden), sie wurden durch Selbstbedienungsläden ersetzt, dann traten Supermärkte auf, später Verbrauchermärkte und heute expandieren Discounter. Mit dem Betriebsformenwandel waren Veränderungen im Standortsystem verbunden. Die Bedienungsläden besaßen ein dichtes Netz von Standorten in den Wohngebieten, Supermärkte entstanden in Subzentren und am Rand der Bebauung, Verbrauchermärkte finden sich v. a. in nicht integrierten Lagen des Stadtumlandes. Gegenwärtig verringert sich aufgrund ungünstiger Kostenstrukturen die Zahl der Supermärkte (hohe Personalintensität wegen großer Artikelzahlen; ca. 8.000-12.000 Artikel); ihre Standorte werden häufig von Discountern (Niedrigpreisorientierung, günstige Kostenstrukturen aufgrund geringer Artikelzahlen; ca. 8001.500 Artikel) übernommen. (▷Standortwahl) Im Nichtlebensmittelbereich (siehe Abbildung) dominierten seit dem 19. Jahrhundert Warenhäuser und Fachgeschäfte, welche v. a. Standorte in innerstädtischen Zentren besaßen. Seit drei Jahrzehnten werden sie schrittweise durch Fachmärkte, welche sich sowohl im Stadtumland (z. B. Baumärkte, Möbelmärkte) als auch in innerstädtischen Zentren (z. B. Unterhaltungselektronikmärkte, Bekleidungsmärkte) ansiedeln, ersetzt. Unternehmensformen In den letzten Jahrzehnten prägen den Einzelhandel immer stärker große Mehrbetriebsunternehmen (Filialisten), die zahlreiche Niederlassungen besitzen, während unabhängige inhabergeführte Einzelgeschäfte (der Inhaber erledigt selbständig alle betrieblichen Aufgaben wie z. B. Einkauf, Buchführung, Personalwirtschaft, Verkauf, Werbung) nur noch in Marktnischen existieren (z. B. Boutiquen, Schmuckgeschäfte, Gemüseläden).
Mehrbetriebsunternehmen können erhebliche Kostenreduzierungen (Economies of Scale) durch große Einkaufsmengen, Standardisierung des Sortiments, interne Distributionssysteme und zentrales Management realisieren und so die Waren zu niedrigen Preisen anbieten. Im Lebensmittelbereich entfallen in Deutschland bereits über zwei Drittel des Umsatzes auf die fünf größten Filialisten, während inhabergeführte Geschäfte weniger als zehn Prozent Umsatzanteil erzielen. An Bedeutung gewinnt für selbständige Einzelhändler das Franchisesystem, bei welchem selbständige Unternehmen (Franchisenehmer) gegen Gebühr das Angebot (z. B. Warensortiment, Betriebsgestaltung, Ausstattung, Werbung) eines Franchisegebers übernehmen; sie profitieren von dem Bekanntheitsgrad, der Werbung, dem Standardsortiment des Franchisegebers. Auch die Unternehmenskonzentration hat Standortwirkungen. Filialisten können aufgrund günstiger KostenErlös-Strukturen attraktive Lagen einnehmen (z. B. 1a-Lagen der Citybereiche), während inhabergeführte Geschäfte oft nur in schlechteren Lagen (z. B. 1b-Lagen der Subzentren, kleine Städte im ländlichen Raum) überleben. Auch trägt die Unternehmenskonzentration zur Ausdünnung des Versorgungsnetzes bei, da Filialisten größere Betriebsformen bevorzugen; diese Einheiten benötigen eine höhere Mindestumsatzmenge und wählen entsprechend nur Standorte mit größerem Umsatzpotenzial und Marktgebiet.
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Standortsysteme Zwei Grundprinzipien, die „Konkurrenzmeidung“ und die „Konkurrenzanziehung“, prägen die Standorte von Einzelhandelsbetrieben. Die Konkurrenzmeidung tritt v. a. bei gleichartigen Ladengeschäften mit einem relativ standardisierten Sortiment auf (z. B. Backshops, Supermärkte). Diese Einheiten versorgen meist relativ kleine Marktgebiete in ihrer unmittelbaren Umgebung. Entsprechend verteilen sie sich netzförmig über den Raum, wobei die Maschendichte des Netzes von der Einwohnerdichte abhängt. Ladengeschäfte unterschiedlicher Branchen mit sich ergänzendem Angebot und Ladengeschäfte mit einem eher längerfristigen und hochwertigen Angebot zeigen eine Tendenz zur räumlichen Konzentration (Konkurrenzanziehung). Sie bilden Zentren (Absatzagglomerationen), an welchen sie von der Nähe zu anderen Betrieben profitieren und dadurch höhere Kundenfrequenzen generieren. Denn diese Zentren besitzen für Konsumenten aufgrund der Möglichkeit, während eines Besuchs mehrere
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Besorgungen (z. B. Besuch verschiedener Ladengeschäfte) zu erledigen, größere Attraktivität. Unterschieden wird zwischen einem primären Standortsystem (gewachsenen Zentren in innerstädtischen Lagen) und einem sekundären Standortsystem (junge Agglomerationen großflächiger Betriebe außerhalb der geschlossenen Wohnbebauung). Das primäre Zentrensystem weist eine hierarchische Gliederung auf; das höchstrangige Zentrum in einer Stadt ist die City, mit zahlreichen Ladengeschäften (z. B. Warenhäuser, Fachgeschäfte, Fachmärkte) und einem vielfältigen Angebot an mittel- und langfristigen Artikeln. Es folgen verschiedene Stufen von Stadtteilzentren und Nachbarschaftszentren; mit abnehmendem Rang der Zentren sinken die Gesamtverkaufsfläche und die Zahl der Ladengeschäfte und es steigt der Anteil des Warenangebots im Bereich von Grundbedarfsgütern. Im System der Siedlungen erfolgt eine Gliederung in Ober-, Mittel- und Grundzentren. Oberzentren verfügen über ein differenziertes innerstädtisches Zentrensystem. Mit abnehmender Größe der Siedlungen und Rang in der Zentralität nimmt die Differenzierung der innerstädtischen Zentrentypen ab und das jeweils höchstrangige Zentrum wird kleiner. Kleine Städte besitzen meist nur noch einen zentralen Einkaufsbereich und Einzelgeschäfte in Streulagen. Sehr stark expandieren gegenwärtig geplante Standortgemeinschaften von Ladengeschäften, die sich in einer baulichen Einheit befinden, sog. Shoppingcenter. Sie verfügen über ein gemeinsames Management, welches die Flächen vermietet und zentrale Aufgaben (z. B. Werbung, Aktionen) übernimmt. Das Management achtet auf einen vielfältigen Angebotsmix aus verschiedenen Sortimentsbereichen und Betriebsformen. Üblicherweise besitzt ein Shoppingcenter einen oder mehrere großflächige Magnetbetriebe (z. B. Warenhaus, Verbrauchermarkt), zahlreiche kleinere spezialisierte Ladengeschäfte/Fachmärkte und ein ergänzendes Gastronomie- und Dienstleistungsangebot (z. B. Bankfiliale, Reisebüro, Kino). In der Vergangenheit wurden Shoppingcenter oft an suburbanen Standorten errichtet; gegenwärtig entstehen zahlreiche Shoppingcenter in innerstädtischen Lagen, an denen sie bestehende Zentren ergänzen bzw. neue Stadtteilzentren bilden. Struktur und Dynamik der Nachfrage Die räumliche Verteilung und die Angebotsstruktur des Einzelhandels werden in starkem Maße durch das Verhalten der Nachfrager geprägt. Die-
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ses ergibt sich aus den Faktoren Einkommen, Mobilität, Einkaufsverhalten und Sozialmerkmalen; die Einzelfaktoren stehen dabei in gegenseitigem Zusammenhang. Einkommen Den Zusammenhang zwischen Einkommen und dem Nachfrageprofil beschreiben die Engel-Kurven. Bei niedrigem Einkommen entfällt der überwiegende Nachfrageanteil auf Grundbedarfsgüter, v. a. Lebensmittel. Mit steigendem Einkommen werden mehr Güter nachgefragt; aber die Nachfrage nach Grundbedarfsgütern nimmt nur wenig zu (sie sind einkommensunelastisch), während ein überproportionaler Nachfragezuwachs nach höherwertigen Gütern (z. B. Bekleidung, Unterhaltungselektronik) erfolgt (einkommenselastisch). Der Einkommensanstieg hat nicht nur strukturelle Effekte (begünstigt Geschäfte mit höherwertigem Angebot), sondern auch räumliche Wirkungen. Bei höherem Einkommen kaufen die Nachfrager mehr Artikel; unter der Annahme einer gleichen für den Einkauf verfügbaren Zeit müssen sie deshalb mehrere Besorgungen während des Besuchs eines Zentrums erledigen. Entsprechend verschiebt sich die Nachfrage aus Streulagen von Geschäften in Richtung von Zentren mit Kopplungspotenzial (d. h. wo mehrere Besorgungen während eines Besuchs möglich sind). Mobilität Die Art der verfügbaren Verkehrsmittel prägt das Standortsystem. Wenn Konsumenten nur zu Fuß ihre Besorgungen vornehmen, bestehen nur begrenzte Möglichkeiten der Raumüberwindung. Entsprechend müssen sich die Anbieter in relativ kleinen Einheiten an den Wohnstandorten ansiedeln, es entwickelt sich ein dichtes Netz kleiner Ladengeschäfte. Bei Verfügbarkeit von liniengebunden öffentlichen Verkehrsmitteln können die Konsumenten auch größere Distanzen überwinden; es entstehen Zentren an den Kreuzungspunkten der Verkehrsmittel. Ein solches innerstädtisches, auf öffentlichen Verkehr orientiertes Zentrensystem entwickelte sich in Deutschland im 19. Jahrhundert und differenzierte sich bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts aus. Mit der Verfügbarkeit von Individualverkehrsmitteln (v. a. PKWs) erlangen Konsumenten eine große räumliche Nachfrageflexibilität; dezentrale, nicht integrierte Lagen werden erreichbar. Auch können mit PKWs größere Mengen transportiert werden. Die Durchdringung mit Individualverkehrsmitteln ermöglichte
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die Suburbanisierung im Einzelhandel Deutschlands ab den 1970er Jahren. In Ländern mit starker Orientierung auf PKWs (z. B. USA) dominiert dieses dezentrale sekundäre Standortsystem. Einkaufsverhalten Individuelle Verhaltensweisen prägen den Einkauf. Wichtige Einkaufsmotive sind der Versorgungseinkauf (Orientierung auf die nächste Versorgungseinrichtung mit dem gewünschten Angebot), der Preiskauf (Orientierung auf Ladengeschäfte und Sortiment zu niedrigem Preis), der Erlebniseinkauf (Orientierung auf Standorte mit vielfältigem Angebot und ergänzenden Dienstleistungen) und der Umwelteinkauf (Orientierung auf den Erwerb umweltschonend erzeugter Artikel). Der klassische Versorgungseinkauf hat an Bedeutung verloren, während Preiskauf und Erlebniseinkauf in den letzten Jahrzehnten dominieren. Gerade bei Grundbedarfsgütern und standardisierten Artikeln liegt eine ausgeprägte Orientierung auf niedrige Preise vor; sie begünstigt die Entwicklung von Discountern und Fachmärkten. Erlebniseinkauf verbindet den Erwerb von – meist eher höherwertigen - Gütern mit der Freizeitgestaltung; Zentren mit einem vielfältigen Angebot sowie Shoppingcenter bieten hierfür geeignete Voraussetzungen. Der Umwelteinkauf – v. a. im Lebensmittelbereich zu finden – bleibt bisher vom Umfang im Vergleich zum Preiskauf begrenzt; er führte zuerst zur Entstehung von kleineren Ökoläden, gegenwärtig ergänzen klassische Supermärkte ihr Sortiment um umweltschonend erzeugte Artikel. Sozialmerkmale Abhängig vom Alter, von Haushaltsgrößen, vom Einkommen, der Verfügbarkeit von PKWs oder dem Bildungsstand ergeben sich individuelle Einkaufsmuster. Gegenwärtig wird versucht, diese durch Lebensstilgruppen (Gruppen von Personen mit ähnlichen Merkmalen u. ä. Verhalten) abzubilden. Im Trend sind eher ältere Personen und eher kleinere Haushalte stärker beim Einkauf auf den Nahbereich orientiert. Große Haushalte mit mittlerem Einkommen zeigen eine ausgeprägte Orientierung auf Großeinkauf in preisgünstigen Verbrauchermärkten. Jüngere Ein-/Zweipersonenhaushalte und höhere Einkommensbezieher orientieren sich stark auf attraktive Zentren. Personen mit niedrigem Sozialstatus sind stärker nahbereichsorientiert als Personen mit höherem Sozialstatus.
Einfluß der räumlichen Planung Planer/Politiker versuchen durch den Einsatz raumplanerischer Instrumente ihre Leitbilder durchzusetzen; zugleich begrenzen aber die zur Verfügung stehenden Instrumente die räumlichen Umsetzungsmöglichkeiten. In Deutschland erfolgt die Gestaltung von Einzelhandelsstandorten auf kommunaler Ebene im Rahmen der ▷Bauleitplanung (Flächennutzungs- und Bebauungsplan – FNP und B-Plan, siehe Abbildung) und auf regionaler Ebene im Rahmen der Raumplanung (z. B. Regionale Raumordnungsprogramme – RROP; ▷Raumordnung und Landesplanung). Die einzelhandelsrelevante Bauleitplanung basiert auf einer einheitlichen Grundlage des Bundes (Baugesetzbuch – BauGB, Baunutzungsverordnung – BauNVO), während die einzelnen Bundesländer die Raumplanung regeln.
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Bauleitplanung Auf Ebene der Bauleitplanung sind Ansiedlungen größerer Einzelhandelsbetriebe entsprechend der Baunutzungsverordnung (§ 11 Abs. 3 BauNVO) nur in Kerngebieten (MK) sowie in Sondergebieten für Einzelhandel (SO) zulässig. Der Schwellenwert für die Darstellung von SO liegt bei 1.200 qm Geschossfläche (entspricht ca. 800 qm Verkaufsfläche). Die Darstellung ist nur zulässig, wenn durch sie keine nachteiligen Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich des Betriebs erfolgt und keine zentralen Versorgungsbereiche gestört werden. In den übrigen Bauflächen (v. a. W, siehe Abbildung) sind nur kleinere Ladengeschäfte zulässig, welche zur lokalen Versorgung dienen. Der Schwellenwert wurde erst Ende der 1970er Jahre definiert und seitdem schrittweise reduziert (1977 galten lt. BauNVO Baugebietstyp
Einzelhandelsansiedlungen
Kleinsiedlungsgebiete (WS) kleinere, der lokalen Verreine Wohngebiete (WR) sorgung dienende Läden (v. a. Lebensmitteleinzelhandel) allg. Wohngebiete (WA) bes. Wohngebiete (WB) Dorfgebiete (MD) Mischgebiete (MI
größere Einzelhandelsbetriebe
Kerngebiete (MK) sonst. Sondergebiete (SO)
alle Arten und Betriebsgrößen von Einzelhandel
Gewerbegebiete (GE)
i. d. R. kein Einzelhandel
Industriegebiete (GI) Zulässige Einzelhandelsansiedlungen nach Baugebietstypen der BauNVO (eigene Darstellung)
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1.500 qm). Dies ist ein Ausdruck der veränderten ▷Leitbilder (z. B. Stadt der kurzen Wege; kompakte und durchmischte Stadt), welche die Entwicklungen im Außenbereich zu begrenzen und Innenentwicklungen zu stärken versuchen (z. B. Ausbau vorhandener Zentren, Folgenutzung von Gewerbebrachen). Die Einzelhandelsentwicklung stellt eine wichtige kommunale Aufgabe dar, führt aber immer wieder zu erheblichen Konflikten zwischen verschiedenen Akteuren (z. B. Investoren, Wirtschaftsförderung, ansässigen Einzelhandelsbetrieben). Neben dem Einsatz der Bauleitplanung versuchen Kommunen Einzelhandelsstandorte durch begleitende Maßnahmen (z. B. Verkehrsplanung, Umfeldgestaltung) zu stärken. Raumplanung Die einzelnen Bundesländer regeln, dass die kommunale Planung der übergeordneten Raumplanung angepasst werden muss. Hinsichtlich der Einzelhandelsentwicklung wird dabei der Grundsatz verfolgt, dass die Größe von Einzelhandelsansiedlungen dem zentralörtlichen Rang von Gemeinden entsprechen muss und bestehende ausgeglichene Versorgungsstrukturen nicht wesentlich gestört werden dürfen. Auch hier treten immer wieder Konflikte zwischen kommunalen Ansiedlungsinteressen (z. B. aus Gründen der Wirtschaftsförderung, zur Stärkung der zentralörtlichen Bedeutung) und dem regionalen Ausgleich auf. Eine besondere Problemlage ergab sich mit der Wiedervereinigung in Ostdeutschland. Der Rahmen des BauGB und der BauNVO war sofort gültig und entsprechend wiesen die Kommunen im Umland der Städte zahlreiche Flächen für Einzelhandel aus, dagegen fehlten noch die auf Länderebene zu entwickelnden raumordnerischen Rahmenbedingungen. Es kam ohne die übergeordnete Raumplanung zu einer massiven Suburbanisierung des Einzelhandels. Erst Mitte der 1990er Jahre traten raumplanerische Rahmenbedingungen in Kraft und seitdem haben Innenentwicklungen Vorrang. (▷ Innenentwicklung/ Außenentwicklung) Entwicklung des Standortsystems Bis zu Beginn der 1960er Jahre bestand in Deutschland, wie auch in den anderen Staaten Westeuropas, ein klassisches Standortsystem. Neben einem relativ dichten Netz von kleinen Lebensmittelgeschäften (Bedienungs- und Selbstbedienungsläden) in den Wohngebieten und kleineren Orten gab es ein hierarchisch gegliedertes innerstädti-
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sches Zentrensystem für den mittel- und längerfristigen Bedarf des Nichtlebensmittelsortiments. Mit dem Auftreten von größeren Supermärkten in den 1960er Jahren trat ein erster Ausdünnungsprozess im Versorgungsnetz auf; kleine Lebensmittelläden in Wohngebieten schlossen. Dieser Trend verstärkte sich in den 1970er Jahren mit dem Auftreten großer Verbrauchermärkte und zugleich setzte eine erste Welle der Suburbanisierung des Einzelhandels ein; in für PKWs verkehrsgünstigen Lagen „auf der grünen Wiese“ entstanden großflächige Verbrauchermärkte und Selbsbedienungswarenhäuser. Der Suburbanisierungsprozess verstärkte sich in den 1980er Jahren durch die Errichtung von Fachmärkten des Non-Food-Bereichs; zuerst traten Bau-, Möbelund Heimtextilienmärkte auf, später waren fast alle Branchen (z. B. Bekleidung, Schuhe, Unterhaltungselektronik) betroffen. In den ländlichen Räumen konnten Mittelzentren durch Angebotserweiterungen ihre Funktion stärken, während in kleinen Orten eine massive Ausdünnung des Versorgungsnetzes erfolgte. Seit den 1990er Jahren erfolgen gleichzeitig eine Standardisierung und eine Differenzierung der Einzelhandelslandschaft. Filialisten mit Standardsortimenten dominieren inzwischen die attraktiven Lagen (z. B. City, Subzentren) und die neuen Shoppingcenter; Discounter mit begrenztem Standardsortiment übernehmen große Teile der Lebensmittelversorgung. Zugleich gibt es eine immer größere Artikelvielfalt in Fachgeschäften und großen Fachmärkten und die Verbraucherverhaltensweisen werden immer vielfältiger. Von diesem schrittweisen Wandel Westdeutschlands abweichende radikale Veränderungen traten in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung auf. Ganz neu und sehr rasch entstanden (aufgrund der Planungslücke, dem starken Nachfrageüberhang und unklaren Eigentumsverhältnissen in bebauten Bereichen) Standorte großflächiger Betriebe im suburbanen Raum; heute ist dort bereits ein Überangebot vorhanden (Overstoring) und weniger attraktive Betriebe schließen. Seit Mitte der 1990er Jahre erfolgt eine Reorientierung auf innerstädtische Standorte; allerdings dominieren dort in ausgeprägtem Maße Filialisten und geplante Shoppingcenter. Kulke
Literatur BauNVO – Baunutzungsverordnung in der Fassung vom 23. Januar 1990 Heinritz, G.; Klein, K.; Popp, M. (2003): Geographische Handelsforschung. Berlin, Stuttgart Kulke, E. (2001): Entwicklungstendenzen suburbaner Einzelhan-
ENERGIEEFFIZIENTE STADTENTWICKLUNG delslandschaften. In: Brake, K.; Dangschat, J.; Herfert, G. (Hrsg.): Suburbanisierung in Deutschland. Opladen, 57-70 Kulke, E. (Hrsg.) (2005): Dem Konsumenten auf der Spur. Geographische Handelsforschung, 11. Passau Kulke, E. (2006): Competition between formats and locations in German retailing. In: Belgeo, 1-2, 21-40 Martin, N. (2006): Einkaufen in der Stadt der kurzen Wege? Studien zur Mobilitäts- und Verkehrsforschung, 16. Mannheim Popp, M. (2002): Innenstadtnahe Einkaufszentren. Geographische Handelsforschung, 6. Passau
ENERGIEEFFIZIENTE STADTENTWICKLUNG
Begriffsbestimmung Energieeffiziente Stadtentwicklung umfasst die Planung und Umsetzung von Maßnahmen, um den nichterneuerbaren Primärenergiebedarf der Bebauung und der Infrastruktursysteme im städtischen Raum in allen Lebensphasen – Errichtung, Betrieb, Erneuerung, Abriss und Verwertung – zu verringern (▷Lebenszyklus von Immobilie). Durch planerische, bauliche und technische Maßnahmen soll die Energienachfrage der Wohn- und Nichtwohngebäude, des industriellen Sektors, der Verkehrssysteme sowie der Ver- und Entsorgungssysteme weitgehend reduziert und über optimal angepasste Energieversorgungssysteme (Energiezentralen, -speicherung, -verteilung) gedeckt werden. Im Gegensatz zum energieeffizienten Bauen, bei dem die energetische Optimierung des einzelnen Gebäudes im Mittelpunkt steht, versucht die Energieeffiziente Stadtentwicklung einen rationellen Energieeinsatz auf Siedlungs-, Stadtteil- oder Stadtebene zu realisieren, indem sie die Wechselwirkungen der gesamten städtischen Bebauung und Infrastruktur mit einbezieht. Historische Entwicklung Ausgehend von traditionellen Stadtstrukturen mit einem geringen Bedarf an nichterneuerbaren Energieträgern entwickelte sich im Industriezeitalter die „Fossile Stadt“ (Scheer 1999). Die scheinbar unbegrenzte Verfügbarkeit von Energie in Verbindung mit leistungsfähigen Verkehrs- und Produktionssystemen trug in den Industrieländern zu einem starken Flächenwachstum der Städte und zu einer stärkeren Funktionstrennung bei. Die Ölkrise 1973 trug zu ersten nennenswerten technologischen Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs im Gebäudebereich (wärme-
technische Gebäudehüllensanierung, Erneuerung der Heizungstechnik) bei, welche durch gesetzgeberische Maßnahmen wie die ab 1977 in der Bundesrepublik Deutschland geltende „Verordnung über einen energiesparenden Wärmeschutz bei Gebäuden“ (Wärmeschutzverordnung) flankiert wurden. Ab Mitte der 1970er Jahre wurden neue Technologien zur rationellen Energieverwendung und zur Nutzung erneuerbarer Energien im Bauwesen verstärkt erforscht und entwickelt. Seit 1985 wurden Demonstrationsprojekte (▷Modellvorhaben) zur Solarenergienutzung staatlich gefördert. Anfang der 1990er Jahre erfolgte eine breite Markteinführung für solarthermische Anlagen und erste Nahwärmeprojekte mit energieeffizienten Blockheizkraftwerken wurden realisiert. Ab Mitte der 1990er Jahre wurden erste Siedlungsprojekte mit einer solaren Nahwärmeversorgung, zunächst zur Heizungsunterstützung, später auch mit saisonaler Wärmespeicherung für höhere solare Deckungsraten umgesetzt. Seit Anfang der 1990er Jahre wurde die energetisch hocheffiziente Passivhaustechnologie systematisch erforscht und hierbei neue Gebäude- und Anlagenkomponenten sowie Konstruktionsweisen entwickelt (weitgehend wärmebrückenfreie, hoch dämmende Gebäudehüllen, energetisch hocheffiziente Verglasungen, Lüftungssysteme mit Wärmerückgewinnung), auf deren Grundlage seit 2000 eine Vielzahl von Passivhäusern und Passivhaussiedlungen gebaut wurden.
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Aktuelle gesetzliche Regelungen in Deutschland Derzeit wird die Energieeffiziente Stadtentwicklung auf Bundesebene durch folgende gesetzliche Regelungen gefördert: Die seit 2002 geltende Energieeinsparverordnung (EnEV) betrachtet die Gebäudehülle und die zugehörige Energieversorgungstechnik erstmals als gemeinsam zu bilanzierendes System. Neu errichtete und energetisch sanierte Gebäude müssen nach der EnEV auf die Nutzfläche bezogene Grenzwerte für den Primärenergieverbrauch einhalten, die in bisherigen und zukünftigen Novellierungen der EnEV (2007, 2009, 2012) noch weiter verschärft wurden und werden. Das seit 2000 geltende Erneuerbare Energiegesetz (EEG) fördert die Stromerzeugung aus regenerativen Energieträgern, was im Gebäudebereich bereits zu einer stärkeren Verbreitung von dach- oder fassadenintegrierten Fotovoltaiksystemen geführt hat.
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ENERGIEEFFIZIENTE STADTENTWICKLUNG
Mit dem seit 2002 geltenden Kraft-WärmeKopplungsgesetz sollen die Erhaltung, die Modernisierung und der Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung beschleunigt werden. Das 2008 verabschiedete Erneuerbare-EnergieWärmegesetz (EEWärmeG) soll zukünftig die erneuerbare Energienutzung im Wärmesektor (Biomasse, Geothermie, Solarenergie, Umweltwärme) bei Neubauten verstärken.
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Trotz positiver Trends zur verstärkten Einsparung nichterneuerbarer Energieträger bestehen auch gegenläufige Tendenzen, die eine energieeffiziente Stadtentwicklung erschweren: Der zunehmende technische Ausstattungsgrad von Wohn- und Nichtwohngebäuden mit Kommunikations- und Medientechnik, der zunehmende Pro-Kopf-Bedarf an Wohnfläche, der Bau von Einfamilienhaus-Siedlungen in städtischen Randgebieten (▷Innenentwicklung/Außenentwicklung) erhöhen den Strom- und Wärmebedarf des städtischen Gebäudebestands sowie den Energiebedarf für ein erhöhtes Verkehrsaufkommen. Strategien Energieeffizienter Stadtentwicklung Energieeffiziente Stadtentwicklung ist ein andauernder Optimierungsprozess, der planerische, technologische, politische und rechtliche Aspekte umfasst. Erfolgreiche Strategien folgen daher einer breit angelegten mehrstufigen Vorgehensweise: Zunächst sollten lokale Ausgangsimpulse identifiziert werden, die für die Initiierung einer energieeffizienten Stadtentwicklung aufgegriffen werden können, z. B. die anstehende Sanierung des Fernwärmenetzes wie bei der Stadt Neckarsulm Anfang der 1990er Jahre (Fisch/ Möws/Zieger 2001). In einer grundlegenden Analyse zur Energieeffizienz des städtischen Gebäudebestands und der energetischen Versorgungsstrukturen wird zunächst quantifiziert, in welcher energetischen Qualität der Gebäudebestand, differenziert nach Gebäudetypen und -alter, besteht, welcher Energiebedarf sich hieraus über das Jahr verteilt ergibt und mit welcher Effizienz die bestehenden Versorgungssysteme diesen Energiebedarf decken. Auf dieser Grundlage kann die Erstellung eines gesamtstädtischen Energiekonzeptes erfolgen. Typische Bestandteile solcher Konzepte sind die Zusammenstellung von Maßnahmen zur wärmetechnischen Sanierung der Bestandsgebäude, zur Effizienzsteigerung der lokalen
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Energieversorgungssysteme (z. B. Kraft-Wärme-Kopplung, Ausbau und Verdichtung der Nah- und Fernwärmeversorgung, erneuerbare Energienutzung in den Bereichen Solarthermie, Fotovoltaik und Biomasse), die Initiierung von Neubauvorhaben deutlich unterhalb der EnEV, energetisch vorbildliche Sanierungen kommunaler Liegenschaften, die Bereitstellung passender Förderungs- und Finanzierungsmodelle zur Realisierung der Energieeffizienz-Investitionen und die Schaffung günstiger rechtlicher Rahmenbedingungen (z. B. Auflagen zur Energieeffizienz in der ▷Bauleitplanung). Mittels geeigneter Durchsetzungsstrategien können Prozesse für eine energieeffiziente Stadtentwicklung angestoßen werden: Bündnisse aus Teilen der Bevölkerung (Mieter, Immobilienkäufer), der Wirtschaft (Wohnungsbauunternehmen, Energieversorger, Banken, Planer) und aus Akteuren der Lokalpolitik (Bürgermeister, Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsverwaltung) können durch die Energieeinsparung gegenseitig profitieren. Durch kommunale Förderprogramme für private Bauherren wird die Investitionsbereitschaft in die energetische Gebäudesanierung und in Anlagen zur erneuerbaren Energienutzung stimuliert. Diese investiven Maßnahmen können positive Rückkopplungen auf die lokale Wirtschaft erzielen. Eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, u. a. bei Architekturwettbewerben (▷Wettbewerbe), kann das Thema im lokalen Bewusstsein dauerhaft verankern. Möglichkeiten der räumlichen Planung Die Energieeffizienz einer städtischen Struktur wird wesentlich durch Parameter der räumlichen Planung beeinflusst: Durch die Wahl der Höhe, der Orientierung, des Abstands, der Vegetation sowie der Stellung der Gebäude untereinander können die gegenseitige Gebäudeverschattung, der langwellige Strahlungsaustausch zwischen den Gebäudeoberflächen sowie die Luftströmungsmuster in der Stadtlandschaft maßgeblich beeinflusst und so der Heizwärme- und Kühlenergiebedarf gesenkt sowie ein thermisch behagliches Mikroklima erzielt werden. Ein hohes nutzbares Dachflächenpotential verbunden mit einer günstigen Dachausrichtung und Dachneigung können den Wärme- bzw. Stromertrag von Solarenergieanlagen deutlich steigern. Für eine hoch verdichtete städtische Bebauung eignen sich eher kompakte Gebäudetypen, die einer thermisch verlustminimierenden Strategie folgen. In eher locker bebauten
ENTWERFEN UND KONSTRUIEREN
oder hügeligen Stadteilen können Gebäudeformen mit einer solar gewinnmaximierenden Strategie, die südlich orientierte und im Winter weitgehend unverschattete solare Gewinnfassaden aufweisen, die Gebäudeenergieeffizienz verbessern. Stadtplanungskonzepte, welche eine Mischung der Funktionen Wohnen, Arbeiten, Freizeit etc. zusammen mit einer verdichteten Bauweise bewirken, reduzieren den städtischen (Individual-)Verkehr und damit auch den Energieverbrauch. Technologische Maßnahmen Energieeffizienter Stadtentwicklung Technologische Maßnahmen zu einer energieeffizienten Stadtentwicklung beziehen sich zum einen auf die Gebäudehülle der Einzelgebäude. Eine effektive Wärmedämmung der Fassaden und Dächer, minimierte Lüftungsverluste durch Wärmerückgewinnung, hohe passive solare Gewinne der Fassaden sowie eine Nutzung der Dach- und Fassadenflächen zur aktiven Solarenergienutzung können den Endenergiebedarf der Gebäude radikal reduzieren (Passivhaus, Nullenergiehaus). Eine rationelle Wärme- und Kälteversorgung aus Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung, die Nutzung von Umweltwärme (Grundwasser, Tiefensonden) oder saisonaler Solarwärme sowie der Einsatz von erneuerbaren Biomassen-Brennstoffen (z. B. Holzpellets) können bei der Energieversorgung der Gebäude und städtischen Strukturen zudem zu einem sehr niedrigen Bedarf an nichterneuerbaren Primärenergieträgern führen. Planungshilfsmittel Energieeffizienter Stadtentwicklung Computer-gestützte Simulations-, Planungs- und Auslegungsprogramme stehen sowohl für das lokale Mikroklima (Bruse/Schuster 2008), als auch zur energetischen Bewertung von städtebaulichen Entwürfen von Siedlungen oder Stadtteilen zur Verfügung (z. B. GOSOL; Robinson u. a. 2008). Mit Hilfe solcher Tools lässt sich die Energieeffizienz ganzer Gebäudeensembles unter Berücksichtigung der Wechselwirkungen zwischen den Einzelgebäuden (z. B. gegenseitige Verschattung, sich ausbildendes Mikroklima, gemeinsame Energieversorgungssysteme) analysieren und optimieren. Für detaillierte energieeffiziente Planungen und Auslegungen einzelner Objekte eignen sich modulare Simulationssprachen und -tools zur energetischen Gebäude- und Anlagensimulation (US Department of Energy 2009). Nytsch-Geusen
Literatur Bruse, M.; Schuster, H. (2008): Mikroklimasimulation ergänzend zur Gebäudesimulation. In: International Building Performance Simulation Association – IBPSA (Hrsg.): Tagungsband BAUSIM 2008, 8.-10. September. München, Kassel Fisch, N.; Möws, B.; Zieger, J. (2001): Solarstadt: Konzepte, Technologien, Projekte. Stuttgart Robinson, D. u. a. (2007): SUNtool – A new modelling paradigm for simulating and optimising urban sustainability. Solar Energy, 81, 1196-1211 Scheer, H. (1999): Solare Weltherrschaft, Strategie für die ökologische Moderne. München US Department of Energy (2009): Building Energy Software Tools Directory. Zugriff auf http://apps1.eere.energy.gov/buildings/ tools_directory am 11.08.2009
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ENTWERFEN UND KONSTRUIEREN Das Bauingenieurwesen verbindet technisch-naturwissenschaftliches Wissen und Kreativität. Diese Kombination erlaubt es, Tragwerke zu entwerfen, die über das Nützliche und Wirtschaftliche hinaus auch einen Beitrag zur ▷Baukultur leisten. So sind in der Praxis der Tragwerksplanung zwar das Nützliche wie das Praktische gefordert, allerdings zeigen zu viele eintönige, ästhetisch und auch konstruktiv unbefriedigende Bauwerke, dass dies oft nicht zufriedenstellend umgesetzt wird. Vielmehr zieht sich das Ingenieurwesen v. a. auf den technisch-rationalen Aspekt der Ingenieurbaukunst zurück und überlässt den gestalterischen Anteil der ▷Architektur. Infolgedessen wird in der Öffentlichkeit das Ingenieurwesen als die technisch-rationale Seite der Architektur begriffen und als rational, berechenbar, monoton und einfach reproduzierbar wahrgenommen. Damit bildet es den Gegenpol zur künstlerischen Tätigkeit, die als einzigartig und innovativ charakterisiert wird und als Ausdruck persönlicher Kreativität gilt. Insbesondere die heutigen Anforderungen wie neue Materialien, neue digitale Werkzeuge (▷Architekturdarstellung und CAD) und i. w. S. die Globalisierung mit neuen Kommunikationsmöglichkeiten und der Dezentralisierung von Arbeitsschritten verlangen auch im Ingenieurwesen permanent nach neuen Lösungen. Um innovative, ingenieurmäßige Antworten auf die Herausforderungen der Gegenwart zu finden, erscheint eine grundlegende Veränderung der Arbeitsweise von Ingenieuren unabdingbar. Zukünftige ingenieurmäßige Methoden müssen auf die gezielte Ausbildung von Kreativität gerichtet sein.
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Die Planung eines Tragwerks ist kein normierbarer, kein geradliniger Prozess. Auf dem Weg zum tragfähigen, wirtschaftlichen und gestalterisch anspruchsvollen (schönen) Tragwerk wird iteriert, tauchen zufällige und manchmal sogar chaotische Elemente auf und müssen Kompromisse geschlossen werden. Die Grundbausteine dieses Prozesses des Entwerfens und Konstruierens lassen sich dessen ungeachtet eindeutig identifizieren. Die tägliche, immer den Bauablauf berücksichtigende Arbeit des „Tragwerkplaners“ besteht aus den folgenden vier Schritten (siehe Abbildung): Entwerfen: In diesem wichtigsten Schritt der Planung werden das Konzept des Tragwerks und signifikante Details festgelegt. Der Entwurf entsteht aus dem örtlichen Kontext, der topographisch-physikalischer (Geländeform, Art des Bauwerks, Baugrund, Zufahrten, Klima, Lasten), technisch-konstruktiver (verfügbare Werkstoffe, verfügbare Technologie, Qualität der Arbeit, Organisation der Bauindustrie) oder politisch-kultureller (gestalterischer Anspruch, Termine und Budgets) Natur sein kann. Modellieren: Abstraktion des Konzeptes. Modellbildung für die statische oder dynamische Berechnung, Festlegung der Lasten, Bestimmung der Schnittkräfte und Verformungen. Bemessen: Bestimmung der Querschnittsabmessungen in Abhängigkeit von der Art und der Kombination der gewählten Werkstoffe. Konstruktives Durchbilden: Endgültige Detaillierung aller Verbindungen und Knoten des Tragwerks und Zeichnen der Pläne. So wie diese Schritte in der Praxis bewusst umgesetzt werden müssen, haben sie selbstverständli-
Der Prozess des Entwerfens und Konstruieren (eigene Darstellung)
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cher Bestandteil der Lehre zu sein. Das Konzept des „Entwerfens und Konstruierens baut auf deduktivem technisch-wissenschaftlichem Wissen, und kreativen induktiven Fähigkeiten auf. In der Praxis wie in der Lehre verdeutlicht dieses Konzept des Entwerfens und Konstruierens“, dass der Entwurf die Geburtsstunde des Tragwerks ist und dass viele spätere Probleme bei der Berechnung und der Bemessung Folge eines nachlässigen Entwurfes sind; Bauingenieure eine kulturelle und soziale – nicht deligierbare – Verantwortung für die von ihnen entworfenen und konstruierten Bauten haben, und im Hochbau anspruchsvolle Planungspartner der Architekten sein sollen, nicht auf Berechnung und Bemessung reduzierte „Statiker“; ohne profunde Kenntnisse der theoretischen Grundlagen von Mathematik, Mechanik, Statik und Dynamik, Werkstoffkunde, Bauphysik, Geotechnik und Management „state of the art“Tragwerke nicht möglich sind. Diese Kenntnisse sind auch unabdingbare Voraussetzungen für die Bearbeitung anspruchsvoller konstruktiver Aufgaben wie: aerodynamischen Untersuchungen moderner seilgestützter Brücken und weitgespannter Dächer, deren Konstruktionen zunehmend leichter und „lebendiger“ werden, Formfindung, Berechnung, (CNC; Computerized Numerical Control)-Fabrikation und Bau freigeformter Dächer und Schalen, Planung integraler Tragwerke, d. h. von Bauwerken ohne Fugen und Lager, unter Berücksichtigung von Baugrundsetzungen, rheologischen Effekten und Temperaturlastfällen, Nachhaltigkeits- und „life cycle“-Untersuchungen, die ganzheitlich betrachtet werden.
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Bei „Ingenieurbauten“, wie Brücken, Türmen und weitgespannten Dächern zeichnen Bauingenieure auch für die gestalterische, visuelle Qualität verantwortlich und müssen, um dieser Verantwortung gerecht werden zu können, eine entsprechende Ausbildung haben. Ausbildung Um einen solchen Paradigmenwechsel im Ingenieurwesen zum Konzept des Entwerfens und Konstruierens zu erreichen, ist insbesondere in der Ausbildung anzusetzen. In der traditionellen Lehre des Bauingenieurwesens wird den theoretischen Grundlagen wie Mathematik, Mechanik und Statik viel Platz eingeräumt; vom ersten Semester an werden sie bis ins Detail behandelt. In den höheren Semestern wird dann Entwerfen und Konstruieren, nach Materialien getrennt und auf die Querschnittsbemessung reduziert, vermittelt. Das Entwerfen selbst, die konzeptionellen und schöpferischen Aspekte des Planungsprozesses werden – wenn überhaupt – nur am Ende des Curriculums gestreift. Die Lehre an den Hochschulen wurde in den letzten Jahrzehnten oft auf die Vermittlung materialorientierter theoretischer Grundlagen reduziert. Ansätze, die entwerferische Kreativität der Studierenden zu fördern, sind selten. Die von Kindheit an entwickelte Fähigkeit zu basteln, zu entwerfen und zu konstruieren, läuft deshalb Gefahr, während des Studiums zu verkümmern. Es muss eine Erweiterung der Ausbildung stattfinden. Dafür müssen sich auch die Inhalte der Ausbildung im „konstruktiven Ingenieurbau“ verändern. Eine mögliche Antwort auf diese Herausforderungen liegt im werkstoffübergreifenden Entwerfen und Konstruieren. So wie der Entwurf selbst immer ein Kompromiss zwischen sich zum Teil ausschließenden Anforderungen bezüglich Sicherheit, Gebrauchstauglichkeit, Dauerhaftigkeit, Ästhetik und Wirtschaftlichkeit ist, muss auch in der Lehre ein Kompromiss gesucht werden. Die Herausforderung besteht darin, die Grundlagen und das Entwerfen und Konstruieren parallel zu lehren. Gleichzeitig mit der Vermittlung der Grundlagen und von Anfang an sollten die Studierenden an das Entwerfen und Konstruieren herangeführt werden. Es fällt ihnen leichter, Analysis und Mechanik zu verstehen, wenn ihnen in den Vorlesungen über Entwerfen und Konstruieren gezeigt wird, wo sie die Theorie später nutzbringend anwenden können. In den höheren Semestern sollten sich dann die Schwerpunkte in Richtung der Ausarbeitung und Präsentation von Tragwerken verschieben.
Vorlesungen wie Brückenbau, Hochbau und Flächentragwerke werden im Masterstudium zu einer Umkehrung des Verhältnisses von Grundlagenveranstaltungen zu Veranstaltungen im Entwerfen und Konstruieren führen. Genauso wichtig wie der gute Entwurf selbst ist es, Zuhörer, eine Jury oder den Bauherrn vom Wert des Entwurfs überzeugen zu können. Deshalb muss auch die Fähigkeit, eine Planung vorzustellen, sie zu kommunizieren, an der Universität gelehrt und geübt werden. Von fundamentaler Bedeutung ist auch das Wissen um die Geschichte der Ingenieurbaukunst. Auf die Frage nach ihren Lieblingsingenieuren und Lieblingsingenieurbauten können viele Erstsemestrige des Bauingenieurswesens keine Antwort geben. Allenfalls können Sie Stararchitekten und deren „Landmarken“ nennen. Es ist schwer zu glauben, dass selbst nach mehreren Semestern an der Universität große Namen wie Röbling, Telford, Eiffel, Maillart, Suchov, Torroja oder Leonhardt keinerlei Reaktion hervorrufen.
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Werkstoffübergreifendes Entwerfen und Konstruieren Aus historischen Gründen und sicher auch durch die Entwicklung der Bauindustrie geprägt gibt es an den meisten Universitäten Lehrstühle für Massiv-, Stahl- und Holzbau. Ganz im Gegensatz dazu werden aber Fächer wie Mechanik, Werkstoffkunde und Bauinformatik für alle Werkstoffe, d. h. werkstoffübergreifend gelesen. Die Aufteilung der Lehre des Entwerfens und Konstruierens, des „konstruktiven Ingenieurbaus“, in drei Materialien entpuppt sich als Anachronismus, wenn man bedenkt, welche Vielzahl von neuen Werkstoffen und Werkstoffkombinationen heute im Bauwesen verwendet wird und wie sich parallel dazu die Berechnungs- und Fertigungsmethoden entwickelt haben. Diese Entwicklung muss in die Lehre und die Forschung eingehen. Entwerfen und Konstruieren ist werkstoffübergreifend zu lehren: Aus didaktischen Gründen: Viele moderne Baumaterialien wie Glass, textile Membrane, Folien und Composites (Verbundwerkstoffe) werden in der Lehre vernachlässigt, wenn man sich auf Professuren für Beton, Stahl und Holz beschränkt. Alle diese Werkstoffe verbindet viel mehr als die Mauer, die durch die Trennung der Lehre nach Materialien aufgebaut wird, impliziert. Oft werden Stabilitätsprobleme und Effekte zweiter Ordnung oder dynamische Phänomene sowohl im Stahl- als auch im Massivbau gelesen. Dies geschieht dann
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Eine werkstoffübergreifende Ordnung der Tragwerke (eigene Darstellung)
aber so materialspezifisch unterschiedlich, dass die zugrundeliegenden Entwurfskonzepte und verbindende Prinzipien verlorengehen. Schon Kleinigkeiten in der nach Materialien getrennten Lehre bergen Verwirrungspotenzial. Wenn in einer Vorlesung das Prinzip der Teilsicherheitsbeiwerte für Stahl mit gs = 1,15 (DIN 1045-1) und in der anderen mit gm = 1,1 (DIN 18800) erklärt wird, fällt es einem Anfänger schwer zu verstehen, dass in beiden Fällen das Gleiche gemeint ist. Aus praktischen Gründen: Die Lehre sollte Absolventen zum Ziel haben, die in der Lage sind, zeitgemäße Tragwerke von höchster Qualität zu planen. Ein Bauherr „bestellt“ i. d. R. aber weder eine Betonhohlkastenbrücke noch ein Stahlskeletthochhaus. Er möchte eine gute Brücke und ein gutes Hochhaus. Die folgende Abbildung zeigt eine Ordnung der Tragwerke, die unabhängig ist von Werkstoffen. Diese werden erst im Laufe der Planung gewählt. Nur ein guter Entwurf und die Fähigkeit, werkstoffübergreifend das passende Material bzw. eine werkstoffgerechte Materialkombination wählen zu können, führen zu ganzheitlicher Qualität, zum guten Tragwerk. Nur ein Ingenieur, der mit allen Materialien vertraut ist, wagt sich an den kreativen Akt, eine seilgestützte Brücke oder ein weitgespanntes Dach zu entwerfen, und nur dann ist er ein ernstzunehmender Partner im Planungsteam mit Architekten, wenn es um Hochbauten geht.
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Die Abgänger der Universitäten müssen Antworten auf die derzeitigen Fragen und Anforderungen der Architekten, Bauherren und Baufirmen haben. Um sie zu befähigen, mit ganzheitlicher Planung antworten zu können, dürfen in der Lehre und Forschung auf dem Gebiet des werkstoffübergreifenden Entwerfens und Konstruierens folgende Themen nicht fehlen: Konstruieren mit „neuen“ Werkstoffen: Hoch- und höchstfeste Stähle und Betone, rostfreie Stähle und Leichtmetalle, Ultraleicht- bzw. Isolationsbeton, Seile aus Stahl, rostfreiem Stahl, Verbundmaterialien sowie deren Verbindungen, Glas, Teilvorgespanntes Glas (TVG), Einscheibensicherheitsglas (ESG), Verbund, Beschichtung und Bewehrung etc.), Membrane, beschichtete Gewebe und Folien (PVC-beschichtetes Polyester, Teflonbeschichtete Glasfasergewebe, Ethylen-Tetrafluorethylen-Folien – ETFE etc.), moderne Composites (faserbewehrte Materialien, Sandwich-Komponenten, Holzwerkstoffe). Werkstoffübergreifendes Entwerfen zeitgemäßer Hochleistungstragwerke: Hochbau (Niedrigenergie und Adaptivität), Hochhäuser (von New York über Taiwan bis nach Dubai), Brücken: integrale, bewegliche und autonome, Extra-dosed- und „Signature“-Tragwerke, Weitgespannte und leichte Dächer: Mem-
ERHALTUNGSSATZUNG
brantragwerke, Gitternetze und Netzkuppeln, aktive und wandelbare Tragwerke, Freie Formen, leichte und adaptive Fassaden, Tragwerke für Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energien (Windkraftanlagen, Spiegel, Aufwindkraftwerke). Ausblick Ausgangspunkt für die dargelegten Überlegungen ist die Stuttgarter Ingenieurschule. An der Universität Stuttgart haben J. Schlaich und K. Schäfer schon Anfang der 1990er Jahre Entwurfsseminare für die Studierenden des Bauingenieurwesens eingeführt. Im Jahr 1996 nannten Schlaich und Kuhlmann dann ihre Lehrstühle „Massivbau“ und „Stahlbau“ in „Konstruktion und Entwurf “ um und führten zusammen mit Schäfer das Konzept der werkstoffübergreifenden Lehre ein. Heute wird diese Schule von Sobek und Kuhlmann weitergeführt und weiterentwickelt. Auch an der Universität Dortmund wurde unter Polonyi das Entwerfen schon früh und zusammen mit der Ausbildung der Architekten eingeführt. Dieses Konzept wird derzeit auch konsequent an der Technischen Universität Berlin an der Fakultät VI Planen Bauen Umwelt umgesetzt. Die systematische Lehre des Entwerfens und Konstruierens ergänzt die traditionell an den Technischen Universitäten vertretenen naturwissenschaftlichen Inhalte und Methoden und erlaubt, die Aufgaben von Bauingenieuren ganzheitlich zu betrachten. Indem dieses Konzept gleichermaßen an den Universitäten an angehende Bauingenieure vermittelt und in der IngenieursCommunity dafür geworben wird, besteht die Aussicht, dass es zunehmend in die Realisierung der Bauaufgaben einfließen kann. Letztendlich kann so höherqualitativer Ingenieurbau entstehen, der zu befriedigenderen Bauwerken und im Idealfall zu Ingenieurbaukunst führt. Schlaich
Literatur Kuhlmann, U.; Ressel, W. (2004): Das Studium des Bauingenieurwesens an der Universität Stuttgart. In: Verein Deutscher Ingenieure (Hrsg.): VDI-Jahrbuch 2004. Düsseldorf Polonyi, S.; Walochnik, W. (2003): Architektur und Tragwerk. Berlin Schlaich, J. (1991): Zum Entwerfen von Ingenieurbauten. In: Verein Deutscher Ingenieure (Hrsg.): VDI-Jahrbuch 1991. Düsseldorf Sobek, W. (2005): Integrale Planung – ein Gespräch mit Werner Sobek. In: Detail, 12, 1416-1420
ERHALTUNGSSATZUNG Zur Erhaltung von baulichen Anlagen und der Eigenart von Gebieten stehen der Gemeinde nach § 172 Baugesetzbuch (BauGB) drei verschiedene Satzungstypen, die auch miteinander kombiniert werden können, zur Verfügung. Satzungstypen
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Die Gemeinde kann Gebiete zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des Gebiets aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1; Erhaltungssatzung im engeren Sinne), zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2; Milieuschutzsatzung) oder bei städtebaulichen Umstrukturierungen (§ 172 Abs. 1 Satz1 Nr. 3; Umstrukturierungssatzung) bezeichnen. Mit der Aufstellung der Satzung(en) verfügt die Gemeinde in den festgelegten Gebieten über einen besonderen Genehmigungsvorbehalt für die Durchführung bestimmter baulicher Maßnahmen (siehe unten). Erhaltungsziele Als Instrument des städtebaulichen Denkmalschutzes dient die Erhaltungssatzung der Erhaltung der besonderen städtebaulichen Qualität eines Gebiets, die sich aus der vorhandenen Bebauung ergibt. Mit dem zusätzlichen Genehmigungsvorbehalt steht der Gemeinde ein Instrument zur Abwehr von Störungen der städtebaulichen Eigenart des Gebiets aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt zur Verfügung. Die Schutzziele dieser Satzung werden in den Versagungsgründen für die Genehmigung konkretisiert. Mit der Erhaltungssatzung sollen zum einen das Ortsbild, die Stadtgestalt (▷Stadtbild) oder das Landschaftsbilds (▷Kulturlandschaft) und zum anderen die baulichen Anlagen, die eine städtebauliche, insbesondere geschichtliche oder künstlerische Bedeutung haben, geschützt werden. Die Milieuschutzsatzung dient der Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung (z. B. hoher Anteil von Studierenden, hoher Anteil älterer Menschen und von Menschen mit niedrigem Einkommen). Für die in dem Gebiet lebenden Menschen soll der Bestand der Umgebung
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ERHALTUNGSSATZUNG
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gesichert und die Bevölkerungsstruktur in ihrer Zusammensetzung vor unerwünschten Veränderungen geschützt werden (vgl. BVerfG 26.01.1987, 1BvR 969/83). Die Schutzbedürftigkeit des Gebiets kann sich z. B. daraus ergeben, dass die vorhandenen Infrastruktureinrichtungen den im Gebiet lebenden Menschen angepasst sind oder durch ein Vorhaben Abwanderungsbewegungen in andere Quartiere hervorgerufen werden, die dort ebenfalls zu Verdrängungseffekten führen oder die Beschaffung preiswerten Wohnraums erfordern würden. Die Gefährdung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung kann insbesondere in der Durchführung von baulichen Maßnahmen zur Modernisierung und der Bildung von Wohneigentum bestehen. Während die zuvor genannten Satzungstypen auf Dauer angelegt sind, vermittelt die Umstrukturierungssatzung einen zeitlich begrenzten Schutz bei städtebaulichen Umstrukturierungsprozessen; sie soll einen sozialverträglichen Ablauf nach Maßgabe eines Sozialplans ermöglichen. Förmliche Festlegung des Erhaltungsgebiets Die Erhaltungssatzung ist durch ein zweistufiges Ablaufprogramm gekennzeichnet. Mit der Festlegung des Erhaltungsgebiets wird noch keine verbindliche Nutzungsregelung für das Grundstück getroffen. Vielmehr wird hiermit nur ein Verbot mit Genehmigungsvorbehalt begründet. Eine Einzelfallprüfung erfolgt erst bei Vorliegen eines Antrags auf Genehmigung für ein bestimmtes Vorhaben. Das Erhaltungsgebiet wird wahlweise in einem Bebauungsplan (▷Bauplanungsrecht, ▷Bauleitplanung) oder einer sonstigen Satzung förmlich festgelegt. In der Satzung ist aufzuführen, auf welchen der in § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BauGB genannten Gründe die Festlegung des Gebiets gestützt wird. Die Gemeinde hat vor Erlass der Satzung eine Untersuchung des Gebiets dahingehend durchzuführen, ob die Erhaltungsgründe vorliegen, soweit sie nicht bereits über entsprechende Unterlagen verfügt. Sofern ein Erhaltungsgebiet in einem Bebauungsplan festgelegt wird, bestimmt sich das Aufstellungsverfahren nach den für die Aufstellung von Bebauungsplänen geltenden Vorschriften nach §§ 3ff BauGB. Im Gegensatz dazu findet das für den Bebauungsplan vorgeschriebene Verfahren bei der Aufstellung einer sonstigen Satzung keine Anwendung (OVG Lüneburg 27.04.1983, 1C 1/82).
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Demnach besteht keine Pflicht zur Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden oder Träger sonstiger öffentlicher Belange. So ist z. B. bei der Aufstellung der Erhaltungssatzung der städtebaulichen Eigenart aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt auch keine Beteiligung der Denkmalschutzbehörden vorgeschrieben. Wenngleich also diese gesetzliche Verpflichtung fehlt, ist eine Beteiligung der Öffentlichkeit und der berührten Behörden oder Träger öffentlicher Belange zu empfehlen. Die ortsübliche Bekanntmachung und das Inkrafttreten der sonstigen Satzung werden in § 172 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 16 Abs. 2 BauGB entsprechend geregelt. Genehmigungsvorbehalt Mit der förmlichen Festlegung des Erhaltungsgebiets bedürfen der Rückbau, die Änderung oder Nutzungsänderung, in den Fällen des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 auch die Errichtung baulicher Anlagen der Genehmigung nach §§ 172, 173 BauGB. Bei der Prüfung des Genehmigungsantrags für ein konkretes Vorhaben obliegt der Gemeinde ein Ermessen. Dies ergibt sich aus der Formulierung „darf “ in § 172 Abs. 3-5 BauGB. Bei der Ausübung dieses Ermessens obliegt es der Gemeinde insbesondere zu prüfen, ob sie in der Lage ist, die eventuell auftretenden finanziellen Folgen einer Versagung der Genehmigung zu bewältigen (siehe unten). Die Genehmigungspflicht besteht unbeschadet einer bauordnungsrechtlichen Genehmigungspflicht oder -freistellung oder weiterer landesrechtlicher Vorschriften zum Schutz oder zur Erhaltung von Denkmälern (vgl. § 173 Abs. 4 BauGB). Die Genehmigung wird durch die Gemeinde erteilt (§ 173 Abs. 1 BauGB). Ist eine baurechtliche Genehmigung oder an ihrer Stelle eine baurechtliche Zustimmung erforderlich, wird die Genehmigung durch die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde erteilt (§ 173 Abs. 1 BauGB). Die Gründe, aus denen die Genehmigung versagt werden darf, sind in § 172 BauGB abschließend geregelt. Im Fall der Erhaltungssatzung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB darf die Genehmigung nach § 172 Abs. 3 Satz 1 BauGB nur versagt werden, wenn die bauliche Anlage allein oder im Zusammenhang mit anderen baulichen Anlagen das Ortsbild, die Stadtgestalt oder das Landschaftsbild prägt oder sonst von städtebaulicher, insbesondere geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung ist. Die Genehmigung zur Errichtung der baulichen Anlage darf nach § 172 Abs. 3 Satz 2 BauGB
ERSCHLIESSUNG
nur versagt werden, wenn die städtebauliche Gestalt des Gebiets durch die beabsichtigte bauliche Anlage beeinträchtigt wird. Liegt eine Milieuschutzsatzung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB oder ein Fall nach § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB vor, darf die Genehmigung nach § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB nur versagt werden, wenn die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen erhalten werden soll. Bei Vorliegen einer Umstrukturierungssatzung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB darf die Genehmigung nach § 172 Abs. 5 BauGB nur versagt werden, um einen den sozialen Belangen Rechnung tragenden Ablauf auf der Grundlage eines Sozialplans (§ 180 BauGB) zu sicher. Ist ein Sozialplan nicht aufgestellt worden, hat ihn die Gemeinde in entsprechender Anwendung des § 180 aufzustellen (§ 172 Abs. 5 Satz 2 BauGB).
Erhaltung der baulichen Anlage oder ein Absehen von der Begründung von Wohnungseigentum oder Teileigentum wirtschaftlich nicht mehr zumutbar ist. Darüber hinaus ist die Genehmigung in den Fällen des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nrn. 1 bis 6 BauGB zu erteilen. Auch bei der Umstrukturierungssatzung darf die Genehmigung bei Vorliegen der in § 172 Abs. 5 BauGB bezeichneten Gründe nur versagt werden, wenn dem (konkreten) Eigentümer die Erhaltung der baulichen Anlage wirtschaftlich zuzumuten ist. Dagegen ist die Genehmigung in entsprechender Anwendung des § 172 Abs. 4 Satz 2 BauGB zu erteilen, wenn eine wirtschaftliche Zumutbarkeit nicht gegeben ist.
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ERSCHLIESSUNG Folgen einer wirtschaftlichen Unzumutbarkeit Liegen die Voraussetzungen für die Versagung des Antrags auf Rückbau, Änderung, Nutzungsänderung bzw. Errichtung baulicher Anlagen nach § 172 Abs. 3, 4 oder 5 BauGB vor, hat sich die Gemeinde im Rahmen ihres Ermessens mit den eventuellen finanziellen Folgen der Versagung auseinanderzusetzen. Wie bereits oben dargestellt, darf im Falle der Erhaltungssatzung nach § 172 Abs.1 Satz1 Nr. 1 BauGB die Genehmigung auf Rückbau, Änderung oder Nutzungsänderung bzw. Errichtung einer baulichen Anlagen nur aus den in § 172 Abs. 3 BauGB geregelten Gründen versagt werden. Der Genehmigungsvorbehalt im Falle der Erhaltungssatzung wird nicht von einer wirtschaftlichen Zumutbarkeit für den Eigentümer abhängig gemacht. Als Rechtsfolge kann der Eigentümer nach § 173 Abs. 2 i.V.m. § 40 Abs. 2 BauGB aber von der Gemeinde die Übernahme des Grundstücks verlangen, wenn und soweit es ihm mit Rücksicht auf die Versagung der Genehmigung wirtschaftlich nicht mehr zuzumuten ist, das Grundstück zu behalten oder es in der bisherigen oder einer anderen zulässigen Art zu nutzen. Im Falle einer Milieuschutzsatzung darf die Genehmigung bei Vorliegen der in § 172 Abs. 4 BauGB geregelten Gründe nur versagt werden, wenn dem (konkreten) Eigentümer die Erhaltung der baulichen Anlage wirtschaftlich zuzumuten ist. Die Genehmigung ist dagegen nach § 172 Abs. 4 Satz 2 BauGB zu erteilen, wenn auch unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls die
Begriff Der Begriff Erschließung bezeichnet im Städtebau die Summe aller baulichen Maßnahmen und Rechtsakte, die notwendig sind, um ein Baugrundstück oder ein Baugebiet im erforderlichen Umfang an die vorhandene oder noch zu entwickelnde Netzinfrastruktur anzuschließen und damit die Voraussetzung für die Nutzbarkeit des Baugrundstücks bzw. des Baugebiets zu schaffen. Es handelt sich also um einen funktionalen Begriff. Zu differenzieren ist dabei zum einen danach, was Gegenstand der Erschließung ist. Im ▷Städtebau sind dies entweder ein Baugebiet oder ein oder mehrere Grundstücke. Im Hochbau geht es demgegenüber um die Erschließung des Gebäudes und die Erschließung jeder einzelnen Wohnung in den Gebäuden. Zum anderen ist danach zu unterscheiden, welche Funktion durch die Erschließung bedient werden soll. Dabei geht es neben der Erreichbarkeit (Zufahrt, Zuwege) um die Versorgung mit leitungsgebundenen Infrastrukturen (Gas, Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung, Strom, Telekommunikation). Die innere Erschließung neuer Baugebiete kann, soweit die Ver- und Entsorgung der einzelnen Grundstücke dauerhaft durch Dienstbarkeiten oder Baulasten gesichert ist, auch privat erfolgen (▷Dingliche Sicherung). Physischer Gegenstand der Erschließung ist die Erschließungsanlage, die vom Träger der Erschließung herzustellen ist. Als Erschließungsträger wird derjenige bezeichnet, in dessen Aufga-
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ERSCHLIESSUNG
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benbereich die Herstellung und Gewährleistung der Erschließung fällt. Dies ist grundsätzlich die Gemeinde, soweit die Erschließung nicht nach anderen gesetzlichen Vorschriften oder öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen einem anderen obliegt (§ 123 Abs. 1 Baugesetzbuch – BauGB). Die Herstellung von Straßen und Wegen sowie gebietsbezogener Grünflächen fällt demgemäß i. d. R. in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinden genauso wie die Wasserver- und Abwasserentsorgung, wobei diese häufig auf Zweckverbände, Stadtwerke oder öffentliche Beteiligungsgesellschaften übertragen sind. Für die anderen „Medien“ (Strom, Gas, Telekommunikation) gibt es i. d. R. private Anbieter. Erschließung im engen baurechtlichen Sinne (▷Bauplanungsrecht) ist nur die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlagen. Nach der erstmaligen Herstellung der Erschließungsanlage sind spätere Ausbau- und Verbesserungsmaßnahmen, wie z. B. die Verbreitung einer Straße, die Umstellung der Straßenbeleuchtung von Gas auf Strom, die grundhafte Erneuerung des Straßenunterbaus, keine Erschließungsmaßnahmen im Sinne des Baugesetzbuchs, sondern entweder Ausbau oder Unterhaltungsmaßnahmen. Diese Unterscheidung ist v. a. für die Refinanzierung der Kosten dieser Maßnahmen von Bedeutung (siehe unten). Rechtlicher Rahmen der Erschließung Der rechtliche Rahmen der Erschließung im Städtebau ist im BauGB nur sehr allgemein geregelt. Nach § 123 Abs. 1 BauGB ist die Erschließung Aufgabe der Gemeinde soweit sie nicht nach anderen gesetzlichen Vorschriften oder öffentlichrechtlichen Verpflichtungen einem anderen obliegt. Nach § 124 BauGB kann die Gemeinde die Erschließung durch Vertrag auf einen Dritten übertragen (vgl. unten). Die Erschließungslast der Gemeinde geht mit der Übertragung allerdings nicht unter, sondern lebt im Falle eines Scheiterns der Erschließung durch den Dritten wieder auf (Driehaus 2004:130). Ein Rechtsanspruch auf Erschließung besteht nicht. Die Gemeinde als Träger der Erschließungslast entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen über das „Ob“ sowie über Art und Umfang der Erschließung. Die Erschließung soll nach den Investitionsplanungen und dem Ausbauprogramm der Gemeinden erfolgen und nicht von den Wünschen einzelner Interessierter abhängen. Soweit die Gemeinde einen qualifizierten Bebauungsplan im Sinne von § 30 Abs. 1 BauGB aufgestellt hat, kann sie abweichend von dem vor-
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genannten Grundsatz unter den in § 124 Abs. 3 Satz 2 BauGB genannten Voraussetzungen verpflichtet sein, die Erschließung selbst durchzuführen. Eine solche Verpflichtung besteht nach der genannten Vorschrift dann, wenn ein Dritter der Gemeinde ein zumutbares Angebot macht, die im Bebauungsplan vorgesehene Erschließung vorzunehmen, die Gemeinde dieses Angebot gleichwohl aber ablehnt (Driehaus 2004:87ff ). Die Erschließungsanlagen sollen nach § 123 Abs. 2 BauGB entsprechend den Erfordernissen der Bebauung und des Verkehrs kostengünstig hergestellt werden. Der rechtliche Rahmen für die Erschließung ist damit nur durch die funktionale Verknüpfung gekennzeichnet. Weitere technische Anforderungen an die Erschließungsanlagen ergeben sich allerdings aus den Bauordnungen, den Wassergesetzen und den Straßengesetzen der Länder. So enthalten z. B. die Landesbauordnungen Angaben dazu, welche Anforderungen an die Zufahrten der Grundstücke von einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche zu stellen sind. Zudem sind die Erschließungsanlage so herzustellen, dass von ihnen keine Beeinträchtigungen oder Gefahren für andere Rechtsgüter ausgehen. Auch sind bei der Erschließung eines Baugebiets Vorkehrungen zu treffen, dass ein tiefer liegendes Nachbargrundstück durch Niederschlagswasser nicht überschwemmt wird. Durch die Erschließung muss mindestens sichergestellt sein, dass eine funktionsgerechte Nutzung der baulichen Anlagen auf den Grundstücken in dem jeweiligen Bebauungsplangebiet gewährleistet ist. Dies ergibt sich bereits aus der Natur der Sache, in rechtlicher Hinsicht aus den Anforderungen, die sich aus §§ 30, 33, 34 und 35 BauGB für die Zulässigkeit von Vorhaben ergeben (▷Bauleitplanung). Die Zulässigkeit eines Bauvorhabens hängt danach u. a. davon ab, dass eine (ausreichende) Erschließung gesichert ist. Dies erfordert die verkehrliche Erreichbarkeit und die Entwässerung sowie die Sicherstellung der Versorgung mit Strom und Wasser. Die Erschließungsanlagen sollen kostengünstig hergestellt werden. Dieser in § 123 Abs. 2 BauGB verankerte Grundsatz ruft das allgemein nach dem kommunalen Haushaltsrecht für den Wirkungskreis der Gemeinde geltende Sparsamkeitsgebot in Erinnerung. Luxus- und Übermaßerschließungen sind danach verboten. Der gesetzliche Hinweis hat zudem Folgen für den Planungsprozess und die Abwägung zwischen unterschiedlichen Erschließungsvarianten und kann damit auch auf die Rechtsmäßigkeit eines Bauleitplans durchschlagen (Quaas 1997:§ 123 Rn. 8).
ERSCHLIESSUNG
Das BauGB geht davon aus, dass die Erschließung i. d. R. auf der Grundlage eines Bebauungsplans erfolgt. Dem liegt der Gedanke zu Grunde, dass bei der Entwicklung oder Neuordnung von Baugebieten im Wege eines Bebauungsplans nicht nur Art und Maß der baulichen Nutzung bestimmt werden, sondern das städtebauliche Konzept maßgeblich auch durch die Erschließungsstruktur beeinflusst wird. Die Aufstellung eines Bebauungsplans ist aber nicht zwingende Voraussetzung für die Herstellung von Erschließungsanlagen. § 125 Abs. 2 BauGB erlaubt Erschließungsanlagen herzustellen, ohne dass ein Bebauungsplan vorliegt, wenn die Erschließungsanlagen den Anforderungen, die sich aus § 1 Abs. 4-7 BauGB ergeben, entsprechen. Die Technischen Anforderungen für die Herstellung von Erschließungsanlagen ergeben sich aus dem jeweiligen Fachrecht sowie den hierzu ergangenen spezifischen technischen Regelwerken (▷Fachplanungen). Für den Bau von Erschließungsstraßen sind v. a. die Richtlinien und Empfehlungen der Forschungsgesellschaft für Straßenund Verkehrswesen (FGSV) in Köln maßgeblich (▷Verkehr). Die früher geltenden „Empfehlungen für die Anlage von Erschließungsstraßen“ (EAE 85/95) sind 2007 durch die Richtlinie für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06) ersetzt worden. Dort finden sich differenziert nach Straßenkategorie und Verkehrsaufkommen sowie angestrebter Funktion der Straße Empfehlungen zu Straßenquerschnitten, Straßengestaltung und Straßenaufbau. Gesicherte Erschließung als Voraussetzung für die Bebaubarkeit Das BauGB macht die Zulässigkeit baulicher Vorhaben u. a. davon abhängig, dass die Erschließung der für die Bebauung vorgesehenen Grundstücke (ausreichend) gesichert ist. Ohne gesicherte Erschließung sind die Grundstücke, welche für eine Bebauung vorgesehen sind, noch nicht baureif. In der ▷Wertermittlung wird der Entwicklungszustand eines Grundstücks, das nach den §§ 30, 33 und 34 des Baugesetzbuchs für eine bauliche Nutzung bestimmt ist, dessen Erschließung aber noch nicht gesichert ist, als Rohbauland bezeichnet (§ 4 Abs. 3 WertV). Relevant wird die Frage, ob die Erschließung gesichert ist, v. a. bei der erstmaligen Entwicklung oder bei der grundlegenden Neuordnung von Baugebieten. Zur Erschließung gehören, allgemein gesprochen, alle Maßnahmen, die notwendig sind, um ein Grundstück baureif zu machen (Schrödter 2006:§ 30 Rn. 18). Ob in diesem Sinne
eine gesicherte Erschließung vorliegt, ist für jedes einzelne Grundstück gesondert festzustellen. Abzustellen ist dabei auch auf den von dem jeweiligen Vorhaben verursachten Erschließungsbedarf. Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans muss die Erschließung an den Festsetzungen des Plans ausgerichtet werden. Geringe Abweichungen sind nach Maßgabe von § 125 Abs. 3 BauGB möglich. Die Erschließung muss zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens noch nicht vorhanden sein. Sie muss allerdings „gesichert sein“. Nach der Rechtsprechung ist hierfür die verlässliche Annahme ausreichend, dass die Erschließungsanlage in den notwendigen und die volle Funktionsfähigkeit einschließenden Zustand spätestens bis zur Fertigstellung der anzuschließenden baulichen Anlage vorhanden und benutzbar sein wird. Abzustellen ist insoweit auf die Investitions- und Ausbauplanung der Gemeinde sowie den Stand der Beauftragung und die sich daraus ergebenen zeitlichen Vorgaben ergeben. Nicht erforderlich ist es, dass die Erschließungsanlagen bereits endgültig hergestellt sind. Vielmehr genügt ihre Funktionsfähigkeit. Dies bedeutet, dass z. B. bei Straßen in Wohngebieten zumindest die physische Herstellung einer befestigten Fahrbahn, der Straßenbeleuchtung, der Straßenentwässerung und, soweit dies geplant ist, eines Gehwegs abgeschlossen ist. Dem gegenüber müssen die notwendigen rechtlichen Maßnahmen, wie z. B. die Widmung und die Übertragung von Rechten noch nicht zwingend abgeschlossen sein. Auch bei Vorhaben innerhalb von im Zusammenhang bebauten Ortsteilen (▷Außenbereich/ Innenbereich) kann im Einzelfall eine gesicherte Erschließung fehlen, wenn die dort regelmäßig vorhandene Erschließung den Anforderungen des geplanten Vorhabens nicht entspricht, der Erschließungsbedarf des Vorhabens über die vorhandene Erschließungsqualität also hinausgeht. Zu denken ist hier v. a. an die Belastung des vorhandenen Straßennetzes. Wird z. B. durch ein Vorhaben ein Verkehrsaufkommen auf der für die Erschließung vorgesehenen Straße ausgelöst, für das diese Straße nicht dimensioniert ist, handelt es sich um keine ausreichende Erschließung. Erforderlich kann es hier sein, den Straßenquerschnitt zu verbreitern oder über die Anlage von Abbiegespuren für eine Entlastung zu sorgen. Ein Anspruch auf entsprechende Maßnahmen zur Verbesserung der Erschließung besteht gegenüber der Gemeinde jedoch nicht (Schrödter 2006:§ 30 Rn. 18). Auch bei Vorhaben im Außenbereich muss eine (ausreichende) Erschließung gesichert sein. Gewährleistet sein muss also auch hier die Er-
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reichbarkeit, die Versorgung des Grundstücks mit Wasser und i. d. R. Strom sowie die Entwässerung und Abfallbeseitigung. Die Erschließung muss für die Bedürfnisse der im Außenbereich zulässigen Nutzung ausreichend sein („Außenbereichsgemäße Erschließung“). Auch hier gilt kein einheitlicher Standard, sondern es kommt auf die spezifischen Anforderungen des jeweiligen Vorhabens an. Mindestanforderung an die wegemäßige Erschließung sind z. B., dass das Baugrundstück mit Kraftfahrzeugen erreichbar ist, die wie Polizei-, Feuerwehr- und Rettungsfahrzeuge im öffentlichen Interesse im Einsatz sind (Schrödter 2006:§ 35 Rn. 11-14). Erschließungsvertrag Die Gemeinde kann die Erschließung durch Vertrag auf einen Dritten übertragen (§ 124 BauGB). Dieser als Erschließungsvertrag bezeichnete besondere städtebauliche Vertrag ist von einem schlichten Bauauftrag, bei dem es sich um einen entgeltlichen Werkvertrag handelt, zu unterscheiden. Beim Erschließungsvertrag verpflichtet sich der Vertragspartner gegenüber der Gemeinde, die Erschließung entsprechend den vertraglichen Vorgaben im eigenen Namen durchzuführen und die Erschließungskosten ganz oder zumindest teilweise zu tragen. Hierbei sind ganz unterschiedliche Konstellationen denkbar. Zu denken ist nicht nur an den Fall des Investors, der eine Fläche erwirbt, um sie baureif zu entwickeln. Ebenso verbreitet ist der Fall, dass sich Eigentümer von Grundstücken mit dem Zweck der Erschließung der Grundstücke zusammentun und einen geeigneten Erschließungsunternehmer mit der Planung und Herstellung der Erschließung beauftragen (Bunzel/ Coulmas/Schmidt-Eichstädt 2007:209-212). In einigen Städten ist es auch gängige Praxis, dass Stadtentwicklungsgesellschaften oder Wohnungsbaugesellschaften, an denen die Gemeinde selbst maßgeblich beteiligt ist, als Erschließungsunternehmer im Rahmen von Erschließungsverträgen auftreten. Diese Praxis ist allerdings rechtlich nicht ganz unumstritten (zum Meinungsstand Bunzel/ Coulmas/Schmidt-Eichstädt 2007:212-215). Renanzierung der Erschließung Die Kosten der in öffentlicher Trägerschaft hergestellten Erschließungsanlagen werden zu wesentlichen Teilen durch Beiträge der Eigentümer der erschlossenen Grundstücke getragen. Die Rechtsgrundlagen finden sich hierzu im BauGB, soweit es um Erschließungsanlagen i. e. S. (§ 127 Abs. 2
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BauGB) geht, in den Kommunalabgabengesetzen sowie anderen Fachgesetzen der Länder und in den auf diesen Rechtsgrundlagen von den jeweiligen Aufgabenträgern erlassenen Beitragssatzungen. Zu unterscheiden sind insbesondere Erschließungsbeiträge von Straßenausbaubeiträgen. Erschließungsbeiträge werden für die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlagen i. S. d. § 127 Abs. 2 BauGB erhoben, also für die öffentlichen zum Ausbau bestimmten Straßen, Wege und Plätze; die öffentlichen, aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen mit Kraftfahrzeugen nicht befahrbaren Verkehrsanlagen innerhalb der Baugebiete (z. B. Fußwege, Wohnwege); Sammelstraßen innerhalb der Baugebiete; Parkflächen und Grünanlagen mit Ausnahme von Kinderspielplätzen, soweit sie Bestandteil der zuvor genannten Verkehrsanlagen sind oder nach städtebaulichen Grundsätzen innerhalb der Baugebiete zu deren Erschließung notwendig sind; Anlagen zum Schutz von Baugebieten gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des BImSchG, auch wenn sie nicht Bestanteil der Erschließungsanlage sind. Zu den Erschließungskosten zählen der Erwerb und die Freilegung der Flächen der Erschließungsanlagen, ihre erstmalige Herstellung einschließlich der Einrichtung für ihre Entwässerung und ihre Beleuchtung, die Übernahme von Anlagen als gemeindliche Erschließungsanlage sowie der Wert der von der Gemeinde aus ihrem Vermögen bereit gestellten Flächen. Die Erweiterung oder die grundhafte Erneuerung einer Erschließungsanlage ist dem gegenüber keine erstmalige Erschließung. Die hierfür entstehenden Kosten können nach Maßgaben der einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen durch Erhebung von sog. „Straßenausbaubeiträgen“ teilweise refinanziert werden. Ausgehend von den Gesamtkosten haben die Gemeinden als Träger der Erschließungslast einen Eigenanteil zu tragen, der bei den Erschließungsbeiträgen mindestens 10 Prozent, bei Straßenausbaubeiträgen gestaffelt nach der Kategorie der Straße i. d. R. erheblich höher ist. Die für den in öffentlicher Trägerschaft hergestellten Anschluss an die Wasserversorgung und das Entwässerungsnetz erhobenen Abgaben folgen den Gesamtkostendeckungsprinzip. Die hier maßgeblichen zugrunde liegenden Kalkulationen sind daher komplexer (vgl. Quaas 1997). Bunzel
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Literatur Bunzel, A.; Coulmas, D.; Schmidt-Eichstädt, G. (2007): Städtebauliche Verträge – Ein Handbuch. Berlin Burmeister, T. (2005): Praxishandbuch Städtebauliche Verträge. Bonn Driehaus, H.-J. (2004): Erschließungs- und Ausbaubeiträge. München Quaas, M. (1997): Kommunales Abgabenrecht. München Schmidt-Eichstädt, G. (2005): Städtebaurecht, Einführung und Handbuch mit Neuerung des Europarechtsanpassungsgesetzes (EAG Bau 2004) sowie des Gesetzes zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes vom 03.05.2005. Stuttgart Schrödter, W. u. a. (Hrsg.) (2006): Baugesetzbuch. München
ETHIK IN DER PLANUNG Ethik und Planung sind Begriffe, die der Klärung bedürfen. Nicht präzise Definitionen sind gesucht. Das Augenmerk hat sich auf den inhaltlichen Kontext zu richten, in dem sie zum Tragen kommen. Planung – Auseinandersetzung mit der Zukunft Gegenstand der Planung als Auseinandersetzung mit der Zukunft ist das Erhalten der Lebensvoraussetzungen und das Gestalten des Lebens als Individuum und in der Gemeinschaft (▷Planungswissenschaft sowie ▷Planungstheorie). Es geht also bei der „Planung“ nicht in abstracto um die Zukunft als solche, sondern es geht – gegenstandsbezogen – um das konkrete Leben in Raum und Zeit, um das Leben in seiner Vielgestaltigkeit über die Zeiten hinweg. Noch umfassender: Es geht um den Schutz der Lebensvoraussetzungen und um die Entfaltung des Lebens unter den Bedingungen politischer, wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Chancen und Grenzen, mitten im Fluss von Vorgängen. V. a. aber geht es um das Leben, dem wir mit Respekt – Ehrfurcht vor dem Leben (Schweitzer o. J.) – zu begegnen haben, wohl einfach deshalb, weil es letztlich dem Verfügbaren entzogen ist, weil es – theologisch gesprochen – ein Geschenk ist. Diese allgemeine Beschreibung bleibt farblos, wenn wir nicht bereit sind, die Menschen so zu nehmen, wie sie sind, wenn wir nicht akzeptieren, dass die Welt als Gegebenheit und als Geschehen sich nicht so präsentiert, wie wir sie uns vorstellen oder wie wir sie gern sähen. Es geht um die Wirklichkeit, um die Realitäten der Politik, der Wirtschaft und der Gesellschaft wie auch der Umwelt. Eingeschlossen sind das tatsächliche Verhalten der Menschen und deren Wertvorstellungen
sowie Interessen. Zudem: Nicht statisch zeigt sich die „Welt“, im Fluss ist sie, gleichsam in die Zukunft hinein bewegt sie sich, unablässig, nicht nach uns bekannten, berechenbaren Gesetzen, sondern als ein Prozess voll offener Fragen nach dem Natürlichen, dem Menschlichen, nach Ursachen und Wirkungen, nach Überraschendem und Erahnbarem, nach dem Humanen mit den Fähigkeiten zum Gewissenhaften – belastet mit Unvermögen. Ungewisses kommt auf uns zu. Planung ist nach dem Gesagten mehr als Raumplanung (▷Stadtplanung, ▷Raumordnung und Landesplanung), sie ist mehr als Umweltschutz und Umweltplanung, sie ist mehr als Koordination von Handlungsbeiträgen samt deren Steuerung und Lenkung über längere Zeit. Sie traktandiert die Kernfrage nach der Verantwortung für die Zukunft – und damit des Lebensraumes, der Umwelt, der Finanzen, der Katastrophenabwehr, der Versorgungssicherheit, der Unternehmen usw.. Sicherlich, dass Wort Planung schreckt ab. Es geht aber nicht um Wort und Begrifflichkeit sondern darum, dass die Zukunft akzeptiert wird, dass die offene Tür samt der Schwelle der Ungewissheiten durch- und überschritten wird, dass das, was vorausschauend mit Umsicht und in Vorsorge getan werden kann, vorgekehrt wird, nicht als Vorwegnahme der Zukunft, nicht als Finalisierung dessen, was erwünscht scheint, sondern geleitet von der Bereitschaft, laufend Neubeurteilungen vorzunehmen, falsche Annahmen zu verwerfen und Vorsorgliches, soweit sinnvoll und zweckmäßig, neu vorzukehren. Auf den Punkt gebracht: „Was die Zukunft bringt, wissen wir nicht, dass wir aber handeln müssen, das wissen wir“ – so ein dictum, das Dürrenmatt zugeschrieben wird.
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Ethik – Tun-Müssen Und weil dem so ist, stellt sich zentral die Frage nach dem, was wir tun sollen. Es ist dies eine der großen Kant‘schen Grundfragen: Was können wir wissen, was müssen wir tun, was dürfen wir hoffen, was ist der Mensch? Nicht isoliert darf also die ethische Frage des Tun-Müssens (Sollens) angegangen werden, ein großer Bogen umschließt sie, der zurückstrahlt, was uns vor vorschnellen Antworten und Vor-Urteilen bewahren möge. Dessen ungeachtet: Die ethische Frage steht an – akzentuiert mit Blick auf die Zukunft und in Kenntnis von Bedrohungen, Belastungen, aber auch von Chancen und Erwartungen, zusätzlich gefordert durch das Geschehen im Raum bzw. in unseren Dörfern, Städten, Agglomerationen, offenen Landschaften, Berggebieten, Küstenregio-
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nen usw., außerdem durch die Belastungen der Umwelt bis hin zu den unabdingbaren Lebensvoraussetzungen, weit ausholend auf alles, was in den gegebenen Räumen konfliktträchtig aufeinander prallt. Adressaten sind wir Menschen, das sind wir als Bürger, das sind sie als homines politici, gar als institutionell Beauftragte, als direkt oder indirekt Berührte, aber vorweg und v. a. als Gewissensträger, verstanden als Beunruhigte, die erahnen, dass es Fragen gibt, denen wir uns nicht entziehen können und dürfen, auch wenn Menschen dazu neigen, die Augen zu verschließen. Das was im innersten Kern niemandem gleichgültig sein kann, das ist das eigene Leben, das Leben der Anderen, das Leben der nächsten Generationen, das sind auch die Voraussetzungen für das Leben und die Entfaltungsmöglichkeiten des Da- und So-Seins, mithin das Leben in Raum und Zeit, das gestaltete, das politisch, wirtschaftlich, sozial und ökologisch mitgetragene und das sich fantasievoll einbringende. Als Tun-Müssen belastet Ethik. Sie lastet auf den einzelnen Menschen, auf der Gesellschaft und ganz allgemein auf der Menschheit. Es ist eben nicht einfach, sich ethischen Herausforderungen zu stellen, gerade dann, wenn sie das Gewissen tangieren. Auf der andern Seite verbinden sich mit moralischen Herausforderungen ausholende Dimensionen, Horizonterweiterungen, also Befreiungen des Tuns, damit auch Befreiungen vom Sich-Entziehen. Nicht um Aktivismus geht es, sondern um Bedachtes, Besonnenes, durch Distanz und Zuwendung gewonnene Gewissenhaftigkeit, die ihrerseits nach Orientierungen und Maßstäben ruft. Das Zweckmäßige, das Vernünftige, die Fachkompetenz Wer sich innerhalb der Planung – als öffentliche Aufgabe und als Wissenschaft – auf den Weg der Suche nach dem, was zu tun ist, begibt, der stößt vorerst und v. a. auf Aspekte der sachlichen Zweckmäßigkeit und Gebote des rationalen Handelns, auf Rückverweisungen, auf die Sachkompetenz. Für die Raumplanung, die Umweltplanung und andere Planungen trifft dies in besonderem Maße zu. Sie fragen nach dem zukunftsorientiert Zweckmäßigen – bei der Raumplanung für den gegebenen Raum, bei den ▷Fachplanungen für den spezifischen Gegenstand wie Umwelt, Finanzen, ▷Verkehr, Energie usw. Die Raumplanung, um bei diesem Kernbeispiel zu verweilen, versucht, der Sachlichkeit zu folgen, hinsichtlich der anzustrebenden Strukturen von Landschaft, Siedlung
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und Transport/Versorgung samt Gestaltungsvariationen, Konflikte lösend, Probleme meisternd (▷Abwägung). Zu vermeiden sind Sachfremdes und Willkürliches. Vernunft lässt sie walten. Das Zweckmäßige und das Vernünftige ergeben sich aus dem Verbund von Forschung, Lehre, Erfahrung. Praxisorientierte (lehr- oder verwaltungsseitige) „Richtlinien“, die das planerisch zu Disponierende vordenken, können hilfreich sein. Sie verraten angewandte Fachkompetenz. Auf diese kann nicht verzichtet werden. Nicht anders verhält es sich bei den Umwelt-, Verkehrs-, Energieplanungen usw., also bei den die Raumplanung begleitenden Fachplanungen. Auch bei ihnen steht das Zweckmäßige, verbunden mit planerischer Vernunft und Fachkompetenz, im Vordergrund. Das Beispiel der Verkehrsplanung illustriert die Sachnähe nachvollziehbar. Sie fragt nach Infrastrukturen, Verkehrsträgern, nach Nachfrage und Angebot von Verkehrsleistungen, nach betriebsseitigen Leistungskapazitäten, nach den Chancen am Verkehrsmarkt, nach dem Modal Split, nach der Substitution des materiellen durch den immateriellen Verkehr, ferner nach der Ein- und Zuordnung in und zu den Siedlungen, zu den Landschaften sowie nach den Auswirkungen auf Umwelt und auf die Qualitäten der Siedlungen, nicht zuletzt nach den verfügbaren finanziellen Mitteln usw. Normen Nicht beantwortet ist mit den Akzenten auf dem Zweckmäßigen, dem Vernünftigen und auf der Fachkompetenz die Frage nach dem, was zu tun geboten ist. Wer so fragt, der stößt bald auf Normen, auf Sätze des Sollens, des Müssens. Es handelt sich dabei um Präjudizien, Empfehlungen, Fachnormen, v. a. aber um Normen des Rechts, konkret um Rechtsnormen, um Rechtssätze. Dass es darüber hinaus moralische Normen gibt oder geben könnte, das ist vertraut, doch geht es zunächst um die greifbaren Sollens-Sätze, mit denen sich Planer in der Alttagsarbeit auseinandersetzen. Sie unterscheiden sich nach Art und Verbindlichkeit. Präjudizien, frühere Anwendungsfälle mit Leitcharakter, sind äußerlich unverbindlich wie Empfehlungen, doch wohnt ihnen Ausrichtung inne, mit der es sich zu befassen lohnt, gar aufdrängt – denn sie können die Grenze zur Notwendigkeit des Befolgens aufstoßen. Fachnormen enthalten technische Aussagen zu Erprobtem und Bewährten – hinter ihnen steht ausgewiesene Fachkompetenz. Häufig sind sie quasi-verbindlich in dem
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Sinne, dass derjenige, der Abstand nehmen will, begründungspflichtig wird. Er muss gleichsam nachweisen, dass ihn die Sorgfalt anhält. Gewichtiger sind die Rechtssätze. Es handelt sich um verbindliche Sollens-Sätze. In Frage stehen Verhaltens-, Ziel-, Organisations- und Verfahrensnormen. Die Rechtswissenschaft spricht von materiellen, finalen und formellen Rechtssätzen. Als verbindliche Normen sind sie in der Regel durchsetzungsfähig, sanktionsbewehrt, oft justiziabel. Der für die öffentliche Aufgabe tätige Planer hat, daran führt kein Weg vorbei, die Rechtssätze zu beachten, zu befolgen. Das rechtsstaatliche Legalitätsprinzip gebietet dies. Verbindliche Rechtswirkungen können sich auch aus Plänen herleiten, sodann aus Verträgen des privaten und öffentlichen Rechts. Der Vertragsweg ist, entgegen dem, was aus Abhandlungen über kooperative Planungen bisweilen anklingt, kein Ausweg aus dem Recht. Normen, dies nicht nur nebenbei, bieten Informationen, oft gewichtige. Als Sollens-Sätze informieren sie aber nicht nur, sie halten zu einem entsprechenden Tun an, als Rechtssätze sogar zu einem rechtsverbindlichen. Die verbreitete Neigung, das Recht seitens der Planung nur noch als Informationsquelle zu nutzen, verkennt den Verbindlichkeitscharakter. Ein Elementarfehler. Rechtsethik Zur Eigenart des Rechts zählt, dass es durch seine Sollens-Sätze ethische Aussagen aufnimmt. Allein schon das mitverfolgte Gerechtigkeitspostulat impliziert ethische Bezüge. So ist Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln. Angerufen ist auch die Verpflichtung, mit Nachdruck jedem das Seine zuzuerkennen. Vorgaben aus dem Kern der Gerechtigkeit. Die Rechtssätze konkretisieren sie in reichhaltigen Ausformungen. Vom Willkürbis zum Diskriminierungsverbot. Betont sichtbar, direkt greifbar, wird die Rechtsethik in jenen Sollens-Sätzen, die unmittelbar auf ethische Werte gerichtet sind: Treu und Glauben, pacta sunt servanda (Verträge sind einzuhalten), Verbot des Rechtsmissbrauches, Schutz der Persönlichkeit, Schutz von Leib und Leben, Wahrung der menschlichen Würde, auch der Würde der Kreatur insgesamt usw. Auf Verfassungsstufe treten sie markant hervor. So mit der Akzentuierung der Grundrechte, der Freiheitsrechte: Menschenwürde, Recht auf Leben und persönliche Freiheit, Schutz der Privatsphäre, Recht auf Ehe und Familie, Glaubens- und Gewissensfreiheit, Medien- und Informationsfreiheit, Kunstfreiheit, Versammlungsfreiheit, Garantie
des Eigentums und Wirtschaftsfreiheit usw. Dazu kommen politische Rechte und das Hervorheben von Sozialzielen sowie von Justizgrundsätzen. Überraschend: Das für die Raum-, Umwelt, die Verkehrsplanung usw. maßgebende Recht enthält, ungeachtet der Dominanz des fachlich Zweckmäßigen, ein erhebliches Ethikpotenzial – v. a. im Umfeld der Raumplanung, etwas weniger ausgeprägt beim Umweltschutz. Allein schon der Input aus dem Vorrang des Verfassungsrechts (▷Verfassungsgrundlagen der Planung) bestätigt diese These: Eigentumsgarantie, Wirtschafts-, Niederlassungsfreiheit schlagen durch, prägen die Raumplanung, die staatliche Planung insgesamt. Zweifellos sind die Schranken, die sich aus der Funktion der Planung ergeben, mitzunehmen, doch bleibt es dabei, dass im verfassten Rechtsstaat die Gesetzgeber und die Anwender des Planungsrechts (▷Bauplanungsrecht) die maßgebenden rechtsethischen Grundbezüge des Verfassungsrechts zu beachten haben. Unbestritten: Konflikte gehen mit einher, besonders deutlich, wo es um Planung und Rechtsgleichheit geht, aber auch dort, wo die Sozialpflichtigkeit des Eigentums betont wird. Auf Gesetzesstufe sind die legaliter vorgegebenen Ziele und die Planungsgrundsätze mit besonderer Intensität der Ethik nahe – es geht implizit um Wertungen und also um vorausgesetzte Werte, nicht simplifiziert als direkte Aussagen, sondern als Rechtssätze erlassen im Wissen, dass sie untereinander und gegeneinander abgewogen werden müssen. Die Rechtsethik unterscheidet sich von der allgemeinen, gleichsam der philosophisch oder theologisch unterlegten Ethik durch die direkte Adressatenansprache – Planende und Planungsberührte, Planungsbetroffene, Rechtsschutz Suchende, mitwirkende Bürgerinnen und Bürger (▷Akteure der Planung) – und den Einbezug in die Verbindlichkeit des Rechts. Sie kann vor diesem Hintergrund nicht höchste Anforderungen stellen, sie hat die Verständnisfähigkeit der Angesprochenen (v. a. der Rechtsadressaten) sowie die Durchsetzbarkeit im Auge zu behalten. Von der Rechtsethik als einer Durchschnittsethik sollte trotzdem nicht vorschnell gesprochen werden, da sie auf hohe Werte, wie Freiheit, Schutz des Lebens, Selbstverantwortung usw. mit Nachdruck zugeht. Die Planer, die sich an das Recht halten, den Sinn für den rechtsethischen Inhalt schärfen, sind der Ethik jedenfalls nahe, v. a. dort, wo sie die keimenden Konflikte zwischen Ethik und Fachkompetenz, zwischen Ethik und planerischer Rationalität erkennen, auszustehen vermögen und zu glätten wissen.
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Pforten für die Ethik jenseits der Rechtsethik
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Die Rechtsethik, so scheint es, stehle gleichsam dem Verhältnis von Ethik und Planung die Schau. Dem ist aber nicht so, weil das Planungsrecht nicht stricti iuris ist. Die Planung hat, unbesehen des Legalitätsprinzips nur in Teilbereichen eine relativ intensive rechtliche Regelung erfahren, vorweg in der Raumplanung (als Planungsrecht), allerdings weitgehend konzentriert auf Organisations- (inklusive instrumentelle Seite), Verfahrens- und Zielaussagen. Verhaltensnormen bleiben dünn gesät. In andern Bereichen (Verkehrs-, Energieplanung usw.) fällt die Regulierung noch schmaler aus, v. a. dort, wo die Planung eher am Rand agiert. Dies hat seine Gründe. Als Schritt ins Ungewisse erträgt die Planung letztlich – über formelle und finale Rechtssätze hinaus – keine durchdringenden Verhaltensvorschriften. Sie erfordert im Gegenteil Planungsermessen, freies Ermessen, weil die Durchnormierung nur zu halten wäre, wenn die Zukunft bekannt wäre. Das Planungsermessen ist deshalb die folgerichtige, adäquate Antwort auf die Zukunftsoffenheit und die Zukunftsungewissheiten. Es wird zur großen Pforte für die Ethik, und umgekehrt von der Planung zur Ethik, gleichsam hin zu einer Ethik jenseits der gesetzlichen Bindungen und der damit verbundenen rechtsimmanenten „Rechtsethik“. Die zweite große Öffnung ist die Gesetzgebung. Sie ist Mitgestalterin der Rechtsethik. Planung als Vorwärtsschritt in die Zukunft kommt ohne kritisches Befassen mit dem geltenden Recht nicht aus. Sie muss nötigenfalls auf Rechtsänderungen drängen, in den weiten Bereichen des nominalen und des zugehörigen funktionalen Rechts. Dies gilt vorweg für die Raumplanung als Wissenschaft, dies gilt aber auch für die Raumplanung als öffentliche Aufgabe, in einem begrenzten Maße zwar, aber nichtsdestotrotz. Übertragbar ist diese Feststellung auch auf die Fachplanungen. Die Planung versagt, wenn sie Barrieren des Rechts ortet, ohne diese zu öffnen. Zu beachten: das Recht ist änderbar. Keinesfalls zur Unzeit und aus unsachlichen Gründen, also in Verantwortung und stets mit Blick auf die Wirkungen. Die Gesetzgebung, als gestaltende Politik, ist der Ethik zugänglich. Die dritte offene Tür bilden die Zielfindungen und die Konfliktregelungen sowie die Abstimmungsvorgänge, z. B. zwischen Plänen. Rechtsmethodisch müsste auch hier von Planungsermessen gesprochen werden, doch empfinden forschende und handelnde Planer diese spezi-
fischen planerischen Anliegen als besondere, die deshalb auch hier gesondert hervorgehoben werden. Um Ziele zu formulieren, um Konflikte zu meistern, um Pläne unter sich abstimmen zu können, sind Orientierungen nötig, braucht es Maßstäbe – sicherlich nicht einseitig ethische, aber doch im Bedenken von Ethik und Sachkompetenz gewachsen, d. h. die Vorgaben müssen sachlich stimmen und ethisch zu verantworten sein. Wie das Recht der Planung rechtsethische Minima abfordert, so erfordern Zielformulierungen und Zielansprachen, das Ausstehen und Lösen von Konflikten sowie das Plan-Abstimmen ergänzend zum Sachlichen ethische Stimmigkeit, das Einbeziehen des Gebotenen. Ethik – unablässiges Fragen, Besonnenheit, Gewissenhaftigkeit Die Lehre von der Planung würde sich übernehmen, wenn sie selbst eine hauseigene Ethik entwickeln würde. Dazu fehlt ihr die Kompetenz. Sie gewinnt hingegen schon viel, wenn sie die rechtlich fundierten Aussagen aufnimmt und diese gedanklich für das Planungsermessen, für die Gesetzgebung und für die Zielfindung usw. sinngemäß belebt. Der Planung erstes Anliegen muss sein – mitten im Ungewissen und bedrängt von kaum zu ergründenden Problemstellungen –, sich Übersicht zu verschaffen, Orientierungen und Maßstäbe zu gewinnen, nicht einseitig reduziert auf erhöhte Informationsdichte, auf nachgeführte Fachkompetenz, sondern vorweg gerichtet auf Kriterien zur Sachlichkeit, aber stets im Verbund mit dem, was getan werden muss, mit dem Gebotenen, mitgetragen von der Verantwortung für die Wirkungen des Handelns. Orientierung wird erleichtert, wenn angesichts von Problemlagen und offenen Fragen Distanz genommen wird, bewusst, in der Absicht, die Sachprobleme, das vorhandene Wissen und das ausstehende Nicht-Wissen samt dem Ungewissen in ihrer vollen Tragweite zu erkennen, sich darüber zu besinnen, und Entscheidungen aufgrund der Besinnung besonnen zu treffen, in Gewissenhaftigkeit. Dies bedingt, die Verantwortung nicht zu unterlaufen, sie nicht willkürlich zu delegieren, sondern sie wahrzunehmen, sie an sich zu ziehen. Orientierung wird potenziert erleichtert, wenn sie öffentlich bedacht wird, wenn vertiefend gefragt wird, nach allgemeinen und besonderen Grundorientierungen. Diese werden nicht widerspruchsfrei sein, sie ersparen Entscheidungen nicht (es sind keine Dogmen), sie führen zu einem bewussten Reflektieren und Handeln – in Verantwortung
EUROPÄISCHE RAUMENTWICKLUNGSPOLITIK
(für Versuche zu formulierten Grundorientierungen vgl. Literatur). Gefahren tun sich auf. Der Fluchtweg, auf Formeln zu verfallen, droht in steigendem Maße. Lebensqualität, ▷Daseinsvorsorge, Grundversorgung, Siedlungsqualität, Effizienz, Effektivität, ▷Kooperation, ▷Partizipation, Markt, Deregulierung versus gesetzliche Regelungen sind Beispiele. Sie suggerieren Normativität, bewegen sich aber nahe dem Nützlichen. Selbst dem so elementaren „Prinzip Verantwortung“ haftet beiläufig, da und dort, die Versuchung an, auf das geistige Schürfen zu verzichten, es bei der Mahnung zur Verantwortung bewenden zu lassen. Dies aber lässt die Ethik nicht zu. Ethik ist eben ohne Ringen um Fragen und Antworten, ohne Besinnen und Differenzieren nicht zu haben. Schwieriger steht es um das „Prinzip der Nachhaltigkeit“ (▷Nachhaltige Stadtentwicklung). Es wird oft und gern als Leerformel abgestempelt. Dem ist aber nicht so, steckt doch darin ein fundamentaler Aufriss von Spannungsfeldern, die für die Raumplanung bestimmend sind, die zur Orientierung drängen und zum Handlungsauftrag werden: Rechtsstaatlich-politische Stabilität, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, gesellschaftliche Solidarität, ökologisches Gleichgewicht – ausgerichtet in die Zukunft hinein und damit – als ethische Aussage – auf die intergenerationelle Verantwortung. Jedes Element in sich nachhaltig und zudem insgesamt. Ohne langen Atem, ohne Besonnenheit, ohne begleitenden ethischen Ductus nicht anzugehen. Das Prinzip hat da und dort Verfassungsrang, z. B. in der Schweiz, und kann als Teil der Rechtsethik verstanden werden. Wo dies nicht der Fall ist, da wird das Prinzip aus seinem sachlichen Anspruch heraus zu einem zentralen Orientierungspunkt ethischer Ausrichtung, der die Planung bereichert, in Verantwortung nimmt, anhaltend, langfristig, mit Blick auf die kommenden Generationen. Es ersetzt aber das noch breiter angelegte Ringen um ethische Fragenstellungen nicht. Vorschnelle Antworten zur Frage nach der Ethik-Substanz sind nicht zu erlangen. Weder als kasuistische Fallsammlung, noch als geschlossenes System von Werten. Dennoch, es gibt Annäherungen, z. B. überall dort, wo mitten in sachlichen und zielbetonten Widersprüchen die Ehrfurcht vor dem Leben bedacht, wo die Freiheit der Menschen hochgehalten, ihre Mündigkeit samt Selbstverantwortung herausgefordert, ihre Bildung gepflegt, ganz allgemein die Würde der Menschen, die Würde der Kreatur, der Schutz des Lebens, die Verantwortung für das Leben und die Lebensvoraussetzungen der kommenden Genera-
tionen ernst genommen werden. Allein schon das beunruhigende Fragen, darf man dies oder jenes, muss dies oder jenes getan werden, öffnet sich der Ethik. Das Fragen kann durch gewichtete fachlich-ethische Grundorientierungen, Maßstäbe sowie Rückbezüge auf Werte erleichtert werden – Versuche, sie zu formulieren, müssen gewagt werden. Sie dürfen aber nicht Gesetz werden, denn sie müssen immer wieder innerlich und sachlich bedacht werden. Die Ethik stärkt Besonnenheit und Verantwortung der Planung, fördert Qualitäten, vertieft und weitet Problemabsteckungen – ihren Rückhalt hat sie im Respekt vor dem Leben als einem Leben in Freiheit, über die Zeiten hinweg, in die Zukunft hinein.
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EUROPÄISCHE RAUMENTWICKLUNGSPOLITIK Das allmähliche Zusammenwachsen der Länder Europas in der Europäischen Union macht es notwendig, neben den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Dimensionen dieses Integrationsprozesses auch die räumlichen Implikationen der fortschreitenden Integration im Auge zu behalten und gegebenenfalls steuernd in Raumentwicklungsprozesse einzugreifen. Auf europäischer
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Ebene sind zahlreiche transnationale Institutionen und Netzwerke tätig, die direkt oder indirekt Einfluss auf die Raumentwicklung nehmen. Die wichtigsten unter ihnen sind der Europarat, der Europäische Rat, die europäische Kommission und das Europäische Parlament, der Rat der Gemeinden und Regionen Europas, der Wirtschaftsund Sozialausschuss, sowie die Europäische Investitionsbank. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von transnationalen Institutionen und Netzwerken, die jeweils besondere raumbezogene und inhaltliche Interessen vertreten (vgl. Europäische Union 2008). Es gibt keine formal, institutionell und legal abgesicherte gemeinsame Europäische Raumentwicklungspolitik (bzw. Raumordnungspolitik); weder für die derzeitigen 27 Mitglieder der Europäischen Union, noch für die 41 vom Europarat vertretenen Länder. Doch faktisch beeinflusst die Europäische Kommission über ihre Fachpolitiken (u. a. Agrarpolitik, Wettbewerbspolitik, Verkehrspolitik, Forschungspolitik, Sozialpolitik und insbesondere Regionalpolitik) und ihre finanziellen Programme die Entwicklung von Städten und Regionen in Europa auf vielfältige Art und Weise. Dadurch sind nationale und regionale Institutionen immer mehr gezwungen, ihre Raumentwicklungspolitik – sofern sie eine solche Politik überhaupt betreiben – in größere europäische Zu-
Deutschland im europäischen Raum (BMVBS)
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sammenhänge einzuordnen. Während beispielsweise in Frankreich eine solche nationale Politik etabliert ist, gibt es in Deutschland und in Italien oder in anderen Ländern der Europäischen Union keine explizite Raumentwicklungspolitik auf nationaler Ebene. In Deutschland wird die Raumentwicklungspolitik im Wesentlichen von den Bundesländern betrieben (▷Raumordnung und Landesplanung). Herausforderungen der Raumentwicklung in Europa Prozesse der ▷Globalisierung, erleichtert durch neue Informations- und Kommunikationstechnologien, der ▷demographische Wandel und der Wandel individueller Wertesysteme in einer postindustriellen Zeit bestimmen die Rahmenbedingungen der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung und damit auch die räumliche Entwicklung in Europa. Darüber hinaus haben gesellschaftliche Anliegen zum Schutz natürlicher Ressourcen und zur Reduzierung des Energieverbrauchs Einfluss auf Art und Weise der Raumnutzung in Städten und Regionen (▷Energieeffiziente Stadtentwicklung, ▷Nachhaltige Stadtentwicklung). Zu Beginn des 21. Jahrhunderts lassen sich in Europa drei große räumliche Entwicklungstrends beobachten: Metropolisierung, Peripherisierung
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und Polarisierung. Die wirtschaftliche Entwicklung konzentriert sich in zunehmenden Maße in den großen, gut zugänglichen Stadtregionen Europas, die aus traditionellen Kernen immer weiter in ihr Hinterland hinauswachsen und die sich, zusammen mit kleinen und mittleren Städten, zu komplexen hierarchisch-polyzentrischen urbanen Systemen entwickeln (▷Metropolregionen). Demgegenüber entleeren sich periphere Räume, die nur schwer erreichbar sind (▷Ländliche Räume). Aus ihnen wandern die jüngeren und mobileren Bewohner ab, weil die Lebensgrundlagen für sie dort immer schlechter werden und sie in einem Verbleib keine Perspektiven sehen. Es fehlen Arbeitsplätze und in zunehmendem Maße öffentliche und private Dienstleistungseinrichtungen. Neue Informations- und Kommunikationstechnologien können die Defizite nicht ausgleichen. Während die regionalen Disparitäten zwischen den Staaten in Europa und insbesondere zwischen den Ländern der Europäischen Union abnehmen, wachsen die räumlichen Unterschiede zwischen wirtschaftlich prosperierenden und benachteiligten Räumen in den einzelnen Ländern. Selbst wohlhabende Metropolregionen weisen immer mehr Merkmale innerer Polarisierung auf. Europäische Raumentwicklungspolitik kann diese Prozesse nur marginal beeinflussen. Traditionell gibt es in Europa sehr unterschiedliche Meinungen
Titelblatt des ersten Entwurfs für das Europäische Raumordnungskonzept EUREK
dazu, ob es sinnvoll sei „Stärken zu stärken“, also die Wettbewerbsfähigkeit an erfolgreichen Standorten (siehe Abbildung) weiter zu stärken oder im Gegenteil, Räume zu unterstützen, die durch marktorientierte wirtschaftliche Entwicklungen i. d. R. benachteiligt werden (vgl. u. a. Adams/Alden/Harris 2006, Kunzmann 2006b). Zum Entstehen einer europäischen Raumentwicklungspolitik Als Christaller im Jahre 1950 ein Grundgerüst der räumlichen Ordnung in Europa entwarf (Christaller 1950), war dies nicht mehr als eine akademische Fingerspitzenübung. Es war nicht der Beginn einer europäischen Raumentwicklungspolitik, aber ein erster wissenschaftlicher Versuch, den europäischen Raum als eine Einheit zu betrachten. Die Karte, die er entwarf, ist ein vernetztes System von Städten mit einer einfachen Hierarchie zentraler Orte, die aus heutiger Sicht nicht ganz die Realität des Städtesystems in Europa wiedergeben. Ob die Veröffentlichung in den Frankfurter Geografischen Heften über Fachkreise hinaus bekannt wurde und irgendwelche politischen Impulse ausgelöst hat, ist nicht bekannt. Die Herausforderungen des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg beherrschten die Diskussionen um die Raumentwicklung in einzelnen Staaten Europas, nicht theoretische Überlegungen zum Städtesystem. Die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit einer europaweiten Raumentwicklungspolitik stellte sich damals noch nicht. Der Europarat, der im Jahre 1949 seine Tätigkeit in Strassburg aufnahm, sah es anfänglich nicht als seine Aufgabe an, sich auch um Fragen der europäischen Raumentwicklung zu kümmern. Die römischen Verträge, die den Beginn eines neuen Europas markierten, wurden erst im Jahre 1957 unterschrieben. Auf Drängen einzelner parlamentarischer Mitglieder des Europarates wurde im Jahre 1964 eine Initiative angestoßen, die in der Folge zur Veröffentlichung eines Berichtes in deutscher, englischer und französischer Sprache führte, der unter dem deutschen Titel „Regionalplanung: ein europäisches Problem“ die Notwendigkeit einer überregionalen und transnationalen Raumordnung formulierte (Kunzmann 2006b). Im Wesentlichen begründete dieses Dokument, warum Raumordnung – der Begriff Raumentwicklungspolitik war damals noch nicht gebräuchlich – in Europa notwendig sei, welche Herausforderungen zu bewältigen seien, und welche Ziele eine europäische Raumentwicklungspolitik zu verfolgen habe (CoE 1968).
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Unmittelbare Folge der Veröffentlichung dieses Dokuments war die Vereinbarung, eine europäische Konferenz der für Raumordnung zuständigen Minister in Europa – die Cenférence européene des Ministres responsables de l‘Aménagement du Territoire (CEMAT) – einzurichten, jährlich zusammenzutreffen und dabei Themen zu erörtern, die für alle teilnehmenden Staaten zentral waren. Es waren Themen, die einzelne Raumkategorien (z. B. kleine und mittlere Städte, Küstenregionen oder Alpenregionen) und aktuelle Herausforderungen europäischer Raumentwicklung artikulierten. Der damalige deutsche Innenminister Genscher war es dann, der im Jahre 1970 die in den Ländern Europas für Raumordnung zuständigen Minister nach Bonn einlud und damit eine neue Phase europäischer Raumentwicklungspolitik initiierte. Von nun an fanden die jährlichen Treffen der für Raumordnung zuständigen Minister Europas (2009 waren 46 Länder Mitglied der CEMAT) jeweils in einem anderen Land Europas statt. Auf der sechsten Konferenz der Minister in Torremolinos/Spanien wurde eine Europäische Charta der Regionalplanung verabschiedet, die einen ersten inhaltlichen Rahmen für eine gemeinsame Raumentwicklungspolitik in Europa formulierte (vgl. Kunzmann 1978). Weder der Europarat noch die CEMAT hatten irgendwelche politische Legitimation, noch ein Instrumentarium zur Umsetzung der in der Charta genannten Ziele einer europäischen Raumordnung, aber das Dokument inspirierte den weiteren Diskurs über die Wünschbarkeit einer europäischen Raumentwicklungspolitik. Während die europäische Kommission in Brüssel in jenen Jahren kein Interesse an der Raumordnung, und dafür auch keine Legitimation hatte, war das Thema für den Europarat interessant genug, um eine Debatte über Ziele, Inhalte und Verfahren einer europäischen Raumentwicklung anzustoßen. Der Europarat war damit der eigentliche Pionier einer gemeinsamen europäischen Raumentwicklungspolitik (Faludi 2005). Studien zu einzelnen Aspekten einer europäischen Raumentwicklungspolitik wurden vergeben, Diskussionsrunden einberufen und Konferenzen in Strassburg abgehalten. In diesem Zusammenhang entstand dann auch der erste Entwurf für ein Europäisches Raumentwicklungskonzept (Kunzmann u. a. 1977). Während die CEMAT ihre jährlichen Treffen in Europa routinemäßig fortsetzte, hat der Europarat das Thema nicht weiter verfolgt. Doch dann begann die Europäische Kommission sich Ende des 20 Jahrhunderts für das Thema Raumentwicklung im-
mer mehr zu interessieren. War es zunächst nur die Entwicklung der Städte in Europa, die ins Blickfeld der Kommission rückte, so entstand im Jahre 1992 mit „Europa 2000“ ein Dokument, das zum ersten Mal die Raumentwicklung in Europa als ein potenzielles Handlungsfeld der Kommission ins Visier nahm (Europäische Kommission 1991). Mit der Kommunikationsmacht der Europäischen Kommission, – das Dokument wurde in alle Sprachen der Europäischen Union übersetzt – haben dieser und der darauf folgende Bericht „Europa 2000+“ (Europäische Kommission 1995) die Diskussionen über die Raumentwicklung in Europa sehr stark beeinflusst. Nach langen Abstimmungsprozessen wurde eine gemeinsame Initiative der Kommission und der europäischen Raumordnungsminister zur Erstellung eines Europäischen Raumentwicklungskonzept (EUREK) veranlasst (Williams 1996, Europäische Kommission 1999). Das Europäische Raumentwicklungskonzept EUREK Das im Jahre 1999 in Potsdam von den anwesenden und für Raumordnung zuständigen Ministern verabschiedete Konzept für die räumliche Entwicklung in Europa basiert im Wesentlichen auf deutschen, niederländischen und französischen Erfahrungen nationaler Raumordnungspolitik. Es postuliert eine ausgewogene räumliche und nachhaltige Entwicklung in Europa, fordert den Erhalt des polyzentrischen Städtesystems, die Sicherung des Zugangs zu Infrastruktur und Wissen, den Erhalt natürlicher Ressourcen und des kulturellen Erbes und es betont die Notwendigkeit einer engeren Partnerschaft von Stadt und Land zum gegenseitigen Nutzen (Europäische Kommission 1999). Auch wenn das Konzept keine rechtliche Bedeutung hat, so sind doch seine Prinzipien in Europa zu einem anerkannten Paradigma der Raumentwicklung geworden. In einzelnen Ländern der Europäischen Union hat das Konzept neue Initiativen zur Raumentwicklung ausgelöst. Insbesondere aber hat es die wissenschaftliche Diskussion über Ziele, Inhalte und Umsetzung europäischer und nationaler Raumentwicklungspolitiken sehr befruchtet. Die Europäische Kommission, die nach dem Entwurf der neuen europäischen Verfassung auch weiterhin keine Raumordnungskompetenz hat, bezieht sich in ihren Fachpolitiken immer wieder und in immer stärkerem Maße auf die zentralen inhaltlichen Anliegen des Konzepts. Fortschreibung und Aktualisierung des Dokuments, das seinerzeit nur für die damaligen 15 Mitgliedstaaten
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gedacht war, sind nicht erfolgt. Die politischen Diskussionen zur Raumentwicklung in Europa werden inzwischen unter dem von französischer Tradition beeinflussten Begriff „Territoriale Kohäsion“ subsumiert und fortgesetzt (vgl. Faludi 2002, Gualini 2008, Kunzmann 2006a, Pedrazzini 2006, Europäische Kommission 2006a). Territoriale Kohäsion Territorialer Zusammenhalt der Regionen in Europa ist zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine der zentralen politischen Zielsetzungen der Europäischen Union und ihrer Mitgliedsländer. Es ist der Versuch, Prinzipien des Wettbewerbs und der Zusammenarbeit im Rahmen einer integrierten Raumentwicklungspolitik in Europa zu verknüpfen, v. a. aber die räumliche (territoriale) Dimension wirtschaftlicher und sozialer Entwicklungsprozesse in Europa zu stärken. Im Jahre 2006 verabschiedete der Europäische Rat strategische Leitlinien der Gemeinschaft zur Förderung der territorialen Kohäsion in Europa (Europäische Kommission 2006b). In diesen Leitlinien wird gefordert, dass alle Gebiete der Europäischen Union die Möglichkeit erhalten sollen, zur Lissabon-Agenda für Wachstum und Beschäftigung beizutragen. Diese Leitlinien sind an alle diejenigen gerichtet, die in europäischen Institutionen Politiken formulieren, die Auswirkungen auf die räumliche Entwicklung haben. Gleichzeitig wird in diesen Leitlinien aber auch betont, dass die Ziele territorialer Kohäsion nur dann erreicht werden können, wenn die verschiedenen Verwaltungsebenen und die direkt an Entwicklungsprozessen beteiligten Menschen und Unternehmen vor Ort partnerschaftlich zusammenarbeiten (▷Government und Governance). Im Jahre 2007 verabschiedete die CEMAT eine Territoriale Agenda der Europäischen Union
Die Europäische Traube (Kunzmann/Wegener 1991)
(TAEU), die einen akteursorientierten Rahmen zur Stärkung des territorialen Zusammenhalts formulierte. Im Jahr darauf veröffentlichte die Europäische Kommission ein Grünbuch zur Territorialen Kohäsion, mit dem sie v. a. die Absicht verfolgt, europaweit Verständnis für diesen neuen Begriff zu wecken und eine breite öffentliche Debatte über territorialen Zusammenhalt einzuleiten, und letztlich natürlich auch damit für Europa zu werben (Europäische Kommission 2008). In diesem Grünbuch wird insbesondere die territoriale Vielfalt der Regionen Europas als Stärke betrachtet. Das Dokument enthält die wesentlichen Anliegen und Grundsätze einer neuen europäischen Raumentwicklungsstrategie und es skizziert Handlungsansätze zur Bewältigung der wesentlichen Herausforderungen der Raumentwicklung in Europa: den Erhalt des für Europa typischen Städtesystems mit wenigen ▷Metropolen und vielen ▷Klein- und Mittelstädten, die Anbindung aller Regionen Europas an leistungsfähige Transportnetze und Infrastruktursysteme, und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Regionen (▷Regionale Kooperation). Die Zielsetzungen dieser Strategie reflektieren weitgehend das schon im Jahre 1991 lancierte Raumbild der europäischen Traube (siehe Abbildung), das eine ausgewogene Raumentwicklung in Europa postulierte und das Bild der europäischen Banane aus den Köpfen von Raumwissenschaftlern und Entscheidungsträgern verdrängen sollte (vgl. Kunzmann/Wegener 1991, Kunzmann 2009) . Ein neues, im Jahre 2006 geschaffenes Rechtsinstrument, der Europäische Verbund für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ), soll dazu beitragen, die praktische Umsetzung dieser Strategie in Grenzregionen zu sichern. Dies ermöglicht den Mitgliedssatten, Regional- und Kommunalbehörden, Verbänden und anderen Einrichtungen grenzüberschreitende transnationale und interregionale Zusammenarbeit zu verbessern. Mit diesem Instrument können sie grenzüberschreitend zusammenarbeiten, ohne dass langwierig auszuhandelnde Staatverträge zwischen den betroffenen Ländern geschlossen werden müssen. Die Städte Lille, Tournai und Kortrjik in Frankreich bzw. in Belgien sind Pioniere der Anwendung dieses Rechtsinstruments, das die Selbstverwaltungskraft von Grenzregionen in Europa stärkt und die Verwirklichung regionaler Projekte erheblich erleichtert. ESPON (European Spatial Planning Observation Network) ist ein europäische Netzwerk zur Beobachtung der Raumentwicklung in Europa (ESPON 2007). Das Netzwerk ist 2002 eingerich-
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tet worden, da im Prozess der Entwicklung des EUREK offensichtlich wurde, dass vergleichbare, raumbezogenen Informationen kaum zur Verfügung stehen. Es ist für die wissenschaftliche Fundierung, Formulierung und konzeptionelle Gestaltung einer europäischen Raumentwicklungspolitik unentbehrlich geworden, da empirisch abgesicherte Informationsgrundlagen erarbeitet werden. Europäische Regionalpolitik
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Natürlich ist Regionalpolitik auch Raumentwicklungspolitik, insbesondere in Europa, wo die Europäische Kommission seit dem Jahre 1975 explizit und in zunehmendem Maße Regionalpolitik betreibt und ausdrücklich dafür den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) eingerichtet hat (▷Regionale Strukturpolitik). Mit dem gemeinsamen Binnenmarkt, und der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion bekam die europäische Regionalpolitik zusätzliches Gewicht. Die Erweiterung der Union auf heute 27 Staaten hat die wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede zwischen den Regionen Europas beträchtlich erhöht und damit die Notwendigkeit einer Kohäsionspolitik unterstrichen, die darauf abzielt, diese Disparitäten schrittweise abzubauen. Die Europäische Kommission nutzt ihre finanziellen Mittel für Programme und Projekte, die von gesamteuropäischem Interesse sind (z. B. europäische Verkehrsnetze), aber insbesondere. um benachteiligte Regionen in Europa bei ihren Bemühungen zu unterstützen, wirtschaftlich Anschluss zu halten. Das Schwergewicht hat sich dabei in den letzten Jahren von peripheren Regionen in Westund Südeuropa (in Irland, Spanien, Portugal, Italien und Griechenland) etwas verschoben. Die europäische Regionalpolitik richtet sich inzwischen v. a. auf die wirtschaftlich benachteiligten Regionen in Mittel- und Osteuropa (Eser 2005). Die Regionalpolitik ist in den letzten Jahrzehnten zu einer riesigen, oft auch kritisierten Umverteilungsmaschine geworden, mit langwierigen politischen und administrativen Abstimmungsprozessen. Bei aller Kritik an den bürokratischen Regelungen der Regionalpolitik, bleibt die Tatsache, dass diese Mechanismen erheblich zur Qualifizierung der beteiligten Institutionen beigetragen haben. Die Formen und Instrumente der Regionalpolitik haben sich in den letzten Jahrzehnten immer wieder geändert. Waren es zunächst v. a. regionalwirtschaftliche Überlegungen so wurden im Laufe der Zeit die räumlichen (territorialen) Dimensionen, Fachpolitiken integrierende Anliegen und
Formen partnerschaftlicher Mitwirkung bei der Regionalentwicklung zunehmend stärker berücksichtigt. Die wesentlichen Instrumente der EURegionalpolitik sind der Europäische Sozialfonds (ESF), der Europäische Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) und der Kohäsionsfond. Letzterer soll den Mitgliedstaten, deren Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Einwohner unter 90 Prozent des EU-Durchschnitts liegt, helfen, ihren wirtschaftlichen und sozialen Rückstand zu verringern und ihre Wirtschaft zu stabilisieren. Im Rahmen des EFRE werden drei Ziele einer gemeinsamen Regionalpolitik gefördert: 1) Konvergenz (Modernisierung und Diversifizierung der Wirtschaftsstruktur sowie die Erhaltung oder die Schaffung dauerhafter Arbeitsplätze), 2) Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung (Innovation und wissensbasierte Wirtschaft sowie Umwelt und Risikoprävention), 3) Europäische territoriale Zusammenarbeit (Entwicklung von grenzüberschreitenden wirtschaftlichen und sozialen Projekten). Das Instrument INTERREG, das die interregionalen Zusammenarbeit in institutionellen Netzwerke und den Erfahrungsaustausch zwischen regionalen und lokalen Behörden fördert, hat sich dabei als ein sehr erfolgreiches Instrument transnationaler Raumentwicklung herausgebildet. Seine Existenz und die damit verbundenen Aussichten auf finanzielle Zuweisungen haben viele Impulse ausgelöst, innovative Projekte der Raumentwicklung in Städten und Regionen zu identifizieren und zu initiieren. Die Kooperation mit anderen Partnern in Europa hat interkulturelles Lernen gefördert und damit das Zusammenwachsen von Europa erleichtert und beschleunigt (Europäische Kommission 2009). Blick in die Zukunft Die allgemeine Finanzkrise gegen Ende des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts wird die weitere wirtschaftliche Entwicklung in den Städten und Regionen wie auch das Zusammenwachsen der Regionen in Europa vorübergehend verlangsamen. Auf längere Sicht wird der Raum Europas aber weiter zusammenwachsen (territoriale Kohäsion). Doch während die Disparitäten zwischen Regionen in Europa weiter abnehmen, gibt es viele Anzeichen dafür, dass die wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede innerhalb der Regionen weiter zunehmen werden. Nationale und regionale Interessen werden für eine Übergangszeit Raumentwicklungspolitiken in Europa bestimmen. Die
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europäische Dimension wird aus nationaler und regionaler Perspektive nur dann eine Rolle spielen, wenn damit finanzielle Unterstützung durch die Europäische Kommission für lokale und regionale Projekte eingeworben werden kann.
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Die „europäische Stadt“ ist zu einem Begriff in der Stadtforschung geworden, der dazu dienen soll, die Besonderheiten der europäischen Städte zu kennzeichnen und gegenüber Stadttypen in anderen Kontinenten bzw. Kulturkreisen abzugrenzen. Solche Besonderheiten bestehen in der baulichphysischen Gestalt, in der politischen Organisation und in der kulturellen Bedeutung für die gesellschaftliche Entwicklung. Hinsichtlich der baulich-physischen Gestalt gelten die hohe Dichte und die kompakte Form mit einem eindeutigen Zentrum, i. d. R. markiert durch einen großen Kirchenbau sowie ein Rathaus mit Marktplatz, als Merkmale einer Stadtentwicklung, die eng zusammenhängt mit der politischen und sozialen Geschichte der europäischen Städte. Diesem Stadttypus werden heute gute Möglichkeiten für eine ökologische Nachhaltigkeit (▷Nachhaltige Stadtentwicklung) zugeschrieben, da der Flächenverbrauch pro Einwohner vergleichsweise gering und die Möglichkeiten für kollektive Transportwege günstig sind. Die Vielgestaltigkeit historischer Städte in Europa und die Funktionsmischung, die sich aus einer langsamen Entwicklungsgeschichte und den Aktivitäten von unterschiedlichen Trägern und Eigentümern ergab, dienen heute in der städtebaulichen Bewegung des ▷New Urbanism als Vorbild für einen Gegenentwurf zur „modernen“ Stadt. Dieser wird eine Zerstörung von ▷Urbanität durch die funktionalistische Auflösung städtischer Komplexität, architektonische Monotonie und Naturzerstörung durch ausufernden Flächenverbrauch und ▷Verkehrsaufkommen vorgeworfen.
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Die „okzidentale“ Stadt Die Idee, einen Typus der „europäischen Stadt“ (im Vergleich z. B. zur „orientalischen“ Stadt) zu definieren, stammt ursprünglich von Max Weber. Er war interessiert an der Frage, warum die europäischen Städte zum Geburtsort des Kapitalismus wurden, während in Städten in anderen Kontinenten bzw. anderen Kulturen eine solche Entwicklung nicht stattgefunden hat. Als wichtigste Charakteristika stellte Weber fünf Merkmale heraus: die Befestigung der Stadt durch Mauern,
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die städtische Marktfunktion mit einer autonomen Gewerbeaufsicht der Städte, die selbständige Gesetzgebung und Rechtsprechung in der Stadt, der Verbandscharakter der Stadt, also die soziale Organisation der Stadt, die politische Autonomie, die Selbstverwaltung und die Selbstbestimmung der Stadtbürger.
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Der Typus „europäische Stadt“ wird von Weber an der Tatsache festgemacht, dass die Städte politische Subjekte waren, die sich neben bzw. gegen die Sozialordnung des Feudalismus etabliert hatten. Der Stadtbürger, der von feudalen Bindungen frei war, wurde zum Träger einer Entwicklung, die in die politische und kulturelle Moderne führen sollte. In der „Stadt des Okzidents“, wie Weber sie gern nannte, bildeten die Einwohner eine formelle Gemeinschaft, eine schwurgemeinschaftliche Verbrüderung, eine Conjuratio. Das Kollektiv der Stadtbürger, eine Genossenschaft, zu der nur wenige Einwohner, nämlich die Besitzenden, gehörten, diente den gemeinsamen Interessen, v. a. dem kollektiven Schutz des privaten Eigentums. Sie repräsentierte die Interessen der Stadtbürger, der Bewohner der Burg (von der sich das Wort Bürger herleitet). Diese soziale und politische Institutionalisierung, deren Kern die Selbstbestimmung der Stadtbürger war, schuf ein eigenständiges politisches Subjekt, von dem eine völlig andere ökonomische und gesellschaftliche Entwicklung ausging als diejenige, aus der sich die Städte durch eine bewehrte Grenze ausgegrenzt hatten. Im Schoße der alten Ordnung bildete sich eine neue, der Kapitalismus, heraus und in seiner Folge die bürgerliche Gesellschaft. Die Stadt wird von Weber wie eine Gesellschaft beschrieben, die mittelalterlichen europäischen Städte waren Stadtstaaten. Europa war die Zivilisation mit der schärfsten Polarität zwischen Stadt und Land (vgl. Kaelble 2001), deren Grenze durch Mauern markiert war. In scharfer Abgrenzung vom umgebenden feudalen Land konnte sich innerhalb der Mauern jene ökonomische und politische Dynamik entwickeln, die zur Grundlage der okzidentalen Moderne wurde. In der Stadt lebte man unbehelligt von der Leibeigenschaft, die der ländlichen Bevölkerung die Anerkennung als menschliche Subjekte verweigerte. Die schlichte Zugehörigkeit zur städtischen Population bedeutete daher einen großen sozialen Aufstieg, hier waren die Menschen „frei“. Dadurch wurden die Städte zum Ort sozialer und kultureller Emanzipation. Die Inkorporierung der autonomen Städte in die am Beginn der historischen Moderne entste-
henden Territorialstaaten bedeutete ihr Ende als autonome Einheiten und damit auch das Ende der Gültigkeit von Webers Charakterisierung der „okzidentalen Stadt“. Von nun an waren die Städte mit den nationalen Ökonomien und den nationalen Gesellschaften eng verbunden, sie bildeten keine speziellen Gesellschaften mehr. Diese Wirklichkeit der europäischen Stadt ist verschwunden – was aber bleibt, ist das Modell bzw. der Idealtypus im Weberschen Sinne. Die soziale Organisation der Stadt Der „Stadtbürger“ ist in der Diskussion über die Rückgewinnung europäischer Urbanität (vgl. z. B. Hoffmann-Axthelm 1993) zu einer messianischen Figur geworden, weil er eine entscheidende Rolle für die Entwicklung der europäischen Zivilisation und der städtischen Kultur spielte. Aus der Erinnerung an die potenziellen ökonomischen und politischen Energien des Stadtbürgers werden heute Hoffnungen auf eine Wiedergewinnung dieses sozialen Kapitals der Städte gesetzt (▷Zivilgesellschaft). Der soziale Gehalt des Stadtbürgermodells liegt in der Verbindung der persönlichen Interessen der Stadtbewohner mit dem Schicksal der gesamten Stadt. Bis zur Industrialisierung waren die Eigentümer der städtischen Gebäude in den Städten i. d. R. identisch mit den Nutzern; auf der Erdgeschossebene befanden sich die Läden und Werkstätten, in den oberen Geschossen die Kontore und die Wohnräume der „Familie“, die sich aus Verwandten und Angestellten zusammensetzte (▷Wohnen). Die Eigentümer nutzten die Stadt nicht nur, sie bildeten die Stadt. Die europäische Stadt war eine soziale Organisation und ein politisches Subjekt, dem die Bewohner institutionell und kulturell verpflichtet waren. Wenn heute (in der Theorie oder in der Planungspraxis) wieder von der europäischen Stadt gesprochen wird, dann steht die Vorstellung, dass diese sich aus sozialen und ökonomischen Einheiten, identisch mit einer städtischen Parzelle, zusammensetze, im Mittelpunkt. Ökonomischer Erfolg und soziale Integration waren in der historischen europäischen Stadt unauflöslich mit dem Grundstück, mit der Parzelle in der Stadt verbunden, was sich im Bild von der Verwurzelung der Bürger in der Stadt ausdrückt. Dieses Bild suggeriert mehr als ein rein utilitaristisch-partikularistisches Verhältnis zwischen den Interessen der Stadtbewohner und den Angelegenheiten der Stadt, eines, das auch von der kommunitaristischen Bewegung beschworen wird. Ist es vorstellbar, dass Stadtgesellschaften, die als Ort der Herausbildung
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der modernen Gesellschaft eine historische Funktion hatten, auch heute noch (oder wieder) eine kollektive Identität ausbilden? Der Bruch in der Kultur- und Sozialgeschichte der Stadt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war tiefgreifend: Mit der Industrialisierung setzte ein grundlegender Wandel der Sozialstruktur und der sozialen Organisation der Städte ein. Mit der industrialisierten kapitalistischen Ökonomie kam eine radikale Nivellierung von sozialen Hierarchien und unterschiedlichen Kulturen über die Städte. Dies bedeutete das Ende der Bürgerstadt. Geleitet von liberalen Prinzipien sollte nach dem Ende von Zunftwirtschaft und Standesgesellschaft die kapitalistische Wirtschaftsorganisation auch in den Städten das Regiment übernehmen. Zwischen den Partikularinteressen der Grundbesitzer auf der einen Seite und den Repräsentanten der städtischen „Selbstverwaltung“, die von einer „neutralen“ Fachverwaltung unterstützt wurde, auf der anderen Seite entspann sich ein zäher Kampf um die Prinzipien der Bodennutzung: Sollte die Stadtverwaltung für die Art und die Intensität der Nutzung Vorschriften machen dürfen? Wie könnte dies begründet und gerechtfertigt werden, nachdem überall die Legitimität des Ancien Régime, die Bevormundung des freien Individuums in Zweifel gezogen worden war? Dies war nur möglich, weil aus der kollektiven Selbstverwaltung der Städte im Mittelalter die revolutionäre Kraft zur Befreiung von der Bevormundung und finanziellen Ausbeutung durch die feudalen Obrigkeiten erwachsen war. Trotz des rechtlichen Autonomieverlustes blieb die Idee der kollektiven Selbststeuerung lebendig. Obwohl die kommunalen Verwaltungen inzwischen zu riesigen Bürokratien herangewachsen sind, haben sie bis heute den historischen Titel einer Selbstverwaltung nicht abgelegt, der an die Existenz eines kollektiven Subjekts erinnert. Ist aber „Selbstverwaltung“ angesichts der politischen und ökonomischen Umwälzungen, sich zuspitzend in globalen Verflechtungen, denen die Städte im Laufe des 20. Jahrhunderts unterworfen waren, lediglich noch eine Worthülse? Oder steckt darin ein politisches Potenzial, das auch heute noch die Rede von einer europäischen Stadt rechtfertigen würde? Das Erbe der europäischen Stadt im 19. und 20. Jahrhundert In Europa entwickelte sich – von großen Teilen des aufgeklärten Bürgertums unterstützt – bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine breite Opposition gegen eine marktgesteuerte Stadtent-
wicklung, die für die tiefen sozialen Widersprüche und für die unmenschlichen Lebensbedingungen der Unterschichten in den Städten verantwortlich wurde. Obwohl mit den bürgerlichen Revolutionen seit Mitte des 19. Jahrhunderts liberale Prinzipien in der Stadtentwicklung Platz gegriffen hatten und obwohl die lokalen Parlamente durch eine institutionalisierte Mehrheit der Grundbesitzer dominiert wurden, konnte sich in den europäischen Städten ein urbanes Regime etablieren, in dem die partikularen ökonomischen Interessen dazu gedrängt wurden, Kompromisse mit sozialer Verantwortung und mit den Interessen der Stadt als ganzer zu finden, die v. a. als Vermeidung von Epidemien und von sozialem Aufruhr definiert wurden (Häußermann 1991). Beispiele finden sich nicht nur in der Stadthygiene, in der Gesundheitspolitik und in der Armutspolitik. Die Stadt sollte nicht nur das Ergebnis von Marktbewegungen, nicht nur die Summe von Einzelinteressen sein, vielmehr wurde sie auch als Kultur- bzw. Sozialgut respektiert. Ihre Entwicklung als Sozialraum wurde daher Gegenstand von planerischen Anstrengungen, in denen private und öffentliche Interessen gegeneinander abgewogen wurden. So entstand das Modell einer „moderaten Modernität“ (Kaelble 2001), das auf einem starken Einfluss der öffentlichen Verwaltungen, auf Regulierung beruht: Öffentliches Grundeigentum wurde – unter Einbezug und Fortführung der Tradition der „Allmende“ – gebildet, das die Städte befähigte, eine wichtige Rolle in den Entscheidungen über die Nutzungsstruktur des Stadtgebietes zu spielen und ihnen mit der Bodenbevorratung auch die Möglichkeit gab, die Stadtstruktur in einer langfristigen Perspektive zu planen und tatsächlich auch zu realisieren. Nach negativen Erfahrungen mit Privateigentümern bei der Bereitstellung der Infrastruktur für die Wasser- bzw. Energieversorgung und für das Transportsystem wurden diese Aufgaben als eine öffentliche Angelegenheit organisiert. Eine Art „Munizipalsozialismus“ entstand und zwar überwiegend von liberalen Politikern realisiert! Er war effizient und erwirtschaftete sogar Gewinne für das kommunale Budget. So entwickelte sich eine Infrastruktur in den Großstädten, die sich bereits früh am Ziel einer gleichen Grundversorgung in allen Teilen der Stadt orientierte. Parallel zum wachsenden Einfluss auf die städtische Entwicklung durch private ökonomische Aktivitäten wurden Rechtsinstrumente für die kommunale Stadtplanung entwickelt. Die Ge-
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setze für die Planung der Stadtstruktur und für die Bauleitplanung wurden auf lokaler Ebene im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts experimentell entwickelt, im Laufe des 20. Jahrhunderts auf staatlicher Ebene vereinheitlicht. Gleichzeitig haben sich in den zentral- und nordeuropäischen Staaten mehr oder weniger starke Wohlfahrtsstaaten entwickelt, in denen mit verschiedenen Sicherungs- und Hilfesystemen die gröbste Armut der Massen in den Städten bekämpft wurde. Der Wohlfahrtsstaat löste die kommunalen Fürsorgesysteme ab, die noch auf bürgerschaftlicher Solidarität und Nachbarschaftshilfe beruht hatten, die aber das Schicksal der Armen und Kranken im Prinzip zu einer kommunalen Aufgabe erklärten. Das Risiko lebensgefährdender Not wurde mit der Etablierung kollektiver Sicherungssysteme (Sozialversicherung und Sozialhilfe) in den letzten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts auf staatlicher Ebene für eine wachsende Zahl von Einwohnern stark gemindert. Wo solche Systeme – wie z. B. in den USA – nicht aufgebaut wurden, wurden in den Städten Slums und solche Gebiete zur Normalität, in denen eine den zivilen Standards entsprechende Lebensführung nicht mehr möglich war. In allen Staaten, in denen die Industrialisierung einsetzte und gleichzeitig die Verstädterung begann, wurden Ansätze eines ▷sozialen Wohnungsbaus entwickelt, d. h. man begann mit dem kumulativ gedachten Aufbau eines marktfernen Segmentes der Wohnungsversorgung, in welchem die Qualität der Wohnung nicht direkt abhängig von der ökonomischen Kaufkraft der Bewohner war. In Deutschland befanden sich im Jahr 1993 ein knappes Drittel aller Mietwohnungen in der Hand von öffentlichen bzw. „sozialen“ Trägern. Solche Schritte in Richtung einer „Dekommodifizierung“ des ▷Wohnens wurden allein in europäischen Städten unternommen (Harloe 1995). Durch die sozialstaatlichen Sicherungen und durch den öffentlichen Einfluss auf die Wohnungsversorgung konnten in den europäischen Städten Slums und Ghettos weitgehend vermieden werden, die so typisch für Städte in Ländern sind, wo kein Wohlfahrtsstaat entstand, sondern marktförmige Organisationen für Wohnungsversorgung und soziale Sicherung zuständig sein sollten. Die ersten Ansätze „rein kapitalistischer“ Stadtentwicklung, wie sie Friedrichs Engels 1845 für Manchester beschrieben hatte, wurden zum Menetekel der europäischen Stadtentwicklungspolitik und sind tatsächlich
nie typisch für die europäischen Städte geworden. Die überkommenen Armuts- und Elendsviertel konnten im Laufe des 20. Jahrhunderts weitgehend aufgelöst werden. Immer wieder griff die öffentliche Verwaltung auch in die Entwicklung der Altstädte mit Programmen zur Stadtsanierung und -erneuerung ein. Auch wenn die Vertreibung der Arbeiter bzw. der Unterklassen aus den Stadtzentren zu den Konsequenzen solcher Eingriffe zählte, so gab es doch nie einen Zweifel daran, dass „die Stadt“ sich für die Lebensbedingungen auch der armen Bevölkerung verantwortlich fühlen muss und dass die innerstädtischen Quartiere nicht dem marktkonformen Verfall oder einer rein kapitalistisch gesteuerten Restrukturierung überlassen bleiben dürfen. Auch die Kritiker an den Zielen, Methoden und an der Durchführung von Stadterneuerungsprojekten (▷Stadtumbau) zweifelten nie daran, dass man die Armenviertel nicht einfach sich selbst überlassen dürfe. Wegen des traditionell starken öffentlichen Einflusses auf die Stadtentwicklung war Europa auch der prädestinierte Ort für Modelle und Visionen einer „Stadt der Zukunft“, die die Defizite der frühindustriellen Stadt und des Massenwohnungsbaus der Gründerzeit hinter sich lassen sollte. Angetrieben vom Entsetzen über die katastrophalen Wohnverhältnisse für die „arbeitende Klassen“ und vom Hass auf die kapitalistische Stadt des 19. Jahrhunderts entwickelten Utopisten, Stadtreformer und Sozialrevolutionäre seit dem späten 19. Jahrhundert Visionen und Bilder einer „modernen“ Stadt. Eine ganze Generation von Architekten geriet in einen wahren Rausch von technischen Phantasien, um die „alte“ Stadt aufzulösen und eine vollkommen neue zu entwerfen. Die Grundlage dafür bildete die Gesellschaftskonzeption des „Fordismus“, die das Versprechen enthielt, materielle Not durch die exponentiale Steigerung der industriellen Produktivität zu beseitigen. Architekten und Stadtplaner malten sich auf dieser Basis einen „Sozialismus“ aus, in dem die Wohnungsversorgung und die Stadtorganisation einer rigiden technische Rationalität unterworfen werden sollten. Daraus entstand das Konzept des städtebaulichen Funktionalismus (Mohr/Müller 1984), bei dem eine so starke ordnende Hand mitgedacht wurde, wie sie in der Stadtgeschichte einzig in der Zeit des Absolutismus tatsächlich vorhanden war. Dieses autoritäre Konzept bildete die ideologische Grundlage für die gigantische Stadtzerstörung, die im Laufe des 20. Jahrhunderts als Beseitigung der alten („chaotischen“) Stadt betrieben wurde.
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Auch im ▷Städtebau zeigte sich damit jene Ambivalenz der Moderne bzw. die Dialektik der Aufklärung, die inzwischen zum Allgemeingut der Gesellschaftstheorie geworden sind. Die radikale Durchsetzung des modernen Städtebaus war auf dem Boden historischer Städte nur in einer politischen und sozialen Organisation möglich, die eine Umsetzung des Konzepts auch gegen den Willen der vielen Einzeleigentümer ermöglichte. Auch das gehört zum Erbe der europäischen Stadt. Der starke zentrale Akteur, den die Stadtverwaltung darstellte, diente auch den destruktiven Energien der Modernisierung. (▷Akteure der Planung) Das Neue Bauen und der städtebauliche Funktionalismus wurden von ihren Vertretern nicht nur als das Ende der sozialen Gegensätze in der Wohnungsversorgung propagiert, sondern auch als Durchbruch zu einer universellen Ästhetik und zu einer ultimativ richtigen Stadtorganisation. Das war die Brücke zur transatlantischen Kooperation und die bewusste Negation einer europäischen Tradition. Regionalismus war der Idee der modernen Stadt fremd. Die ‚Amerikanisierung‘ der Wohn-, Lebens- und Konsumstile war die positive Utopie, durch die kleinbürgerlicher Muff, das Elend des Proletariats und die finstere Dichte der alten Stadt beseitigt werden sollten. Die Differenzen zur amerikanischen Stadt wurden in diesem internationalistisch gedachten Stadtmodell immer geringer. Zwar wurde die Herstellung der modernen Stadt in Europa v. a. als eine öffentliche Aufgabe gesehen und deshalb rückten Protagonisten dieses Konzepts auch in die Stadtbauämter der großen Städte ein, aber die Stadtstruktur wurde dadurch dem amerikanischen Vorbild angeglichen, das sich der Dynamik von Marktkräften verdankte: die stärkere Trennung von Erwerbssphäre und Freizeit, der Ausbau der Straßen für den individuellen Massenverkehr und die Ausdehnung der Stadt ins Umland gehörten auch in den großen Städten Europas zum Leitbild. Traditionalismus oder kulturelles Potenzial? Städte sind nicht mehr autonom, die Grenzen zwischen Stadt und Land sind fließend geworden, selbst die Grenzen der Stadt in der Region haben stark an Bedeutung verloren. Städte heute noch als Orte zu betrachten, die durch eine gemeinsame Identität und kollektives Handeln geprägt sein könnten, erscheint vielen als hoffnungsloser Rückblick auf die mittelalterliche Stadt oder auf das 19. Jahrhundert. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass es sehr wohl noch eine stark ausgeprägte
Identifikation mit der Stadt, in der die Menschen leben, gibt. Und angesichts der Unübersichtlichkeit von ▷ Globalisierung, angesichts der Abgabe von Steuerungsbefugnissen im Rahmen der Europäisierung scheinen Städte und Regionen ein neues Feld für eigenständige politische Mobilisierung gefunden zu haben. Die Bestrebungen der Stadtbewohner, sich an politischen Entscheidungen zu beteiligen, haben zugenommen; die Möglichkeit, Bürgerbegehren gegen Entscheidungen der politischen Bürokratie zu initiieren, wird immer öfter wahrgenommen. Die Städte sind trotz aller ökonomischen Liberalisierung immer noch die Orte, wo sich die Bürger gegen eine Auflösung der Stadt als einer öffentlichen Angelegenheit wehren. Privatisierung von öffentlicher Infrastruktur und der Ausverkauf von kommunalem Wohnungseigentum wurde überall dort verhindert, wo die Bürger die Möglichkeit hatten, in einem Referendum ihre Meinung dazu zu äußern. Sicher, es gibt keine autonomen Städte mehr – aber es gibt ein politisches und kulturelles Potenzial, ein „Bürgerbewusstsein“, das an die Geschichte der europäischen Stadt gebunden ist und das nach wie vor eine Besonderheit der Städte in Europa ausmacht. Die europäische Stadt ist in ihrer historischen Form verschwunden, aber sie lebt als politische und kulturelle Ressource, auf die sich eine Politik der sozialen Integration berufen kann, fort.
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Häußermann
Literatur Engels, F. (1974): Die Lage der arbeitenden Klasse in England. In: Marx-Engels-Werke. Band 2. Berlin, 225-506 Harloe, M. (1995): The People´s Home? Social Rented Housing in Europe & America. Oxford Häußermann, H. (2001): Die europäische Stadt. In: Leviathan, 2, 237-255 Häußermann, H. (1993): Stadtplanung: Machtkampf, Kunst oder Fachdisziplin? In: Leviathan, 1, 102-116 Hoffmann-Axthelm, D. (1993): Die dritte Stadt. Frankfurt/M Kaelble, H. (2001): Die Besonderheiten der europäischen Stadt im 20. Jahrhundert. In: Leviathan, 2, 256-274 Le Galès, P. (2002): European Cities. Oxford Mohr, C.; Müller, M. (1984): Funktionalität und Moderne. Köln Siebel, W. (Hrsg.) (2006): Die europäische Stadt. Frankfurt/M
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Begriffe und Definitionen Unter dem (aus dem Angelsächsischen übernommenen) Terminus Evaluation oder Evaluierung werden Analyseverfahren verstanden, die
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mit Bezug auf politisch-administratives Handeln im Wesentlichen zwei Aufgaben haben. Zum einen sind sie darauf ausgerichtet, die Wirkungen von politisch-administrativen Programmen und Maßnahmen (deshalb auch Wirkungs- bzw. Programmforschung genannt) und den Grad deren Zielerreichung als Erfolg bzw. Nicht-Erfolg (deshalb auch als Erfolgskontrolle bezeichnet) zu erfassen. Soweit sie sich hierbei sozialwissenschaftlicher Methoden bedienen, wird von Evaluationsforschung gesprochen. Zum andern ist Evaluation als kybernetischer Feedback-Prozess darauf angelegt, ihre Ergebnisse und Informationen in das politische, administrative und gesellschaftliche Handlungsfeld „zurückzumelden“ (zu Begriffen und Definitionen vgl. etwa Hellstern/Wollmann 1983:7). Entstehung und Reichweite Politikevaluation erlebte in den 1960er Jahren einen raschen Aufschwung, zunächst in den USA, dann in einer Reihe europäischer Länder, insbesondere auch in Deutschland (zur Entwicklung in Deutschland vgl. Hellstern/Wollmann 1984, Stockmann 2006, zur internationalen Entwicklung vgl. Furubo/Rist/Sandahl 2002 mit einer auf elf Indikatoren gestützten vergleichenden Übersicht von insgesamt 22 Ländern). Von einer breiten Palette von Politikfeldern, die Gegenstand von Evaluation waren bzw. sind, seien hier Bildungs-, Umwelt-, Sozial-, Arbeitsmarkt- und Städtebaupolitik und die EU-Strukturförderung hervorgehoben (für eine Übersicht der evaluierten Politikfelder vgl. Beiträge in Hellstern/Wollmann 1984 sowie in Stockmann 2006). Über die laufende Fachdiskussion informieren die (seit 2002 halbjährlich erscheinende) Zeitschrift für Evaluation (vgl. www.zfev.de) sowie die Jahrestagungen der (im Jahr 2000) gegründeten Deutschen Gesellschaft für Evaluation. Varianten und Ansätze von Evaluation Die folgende Übersicht zu Varianten der Evaluation soll am Beispiel der Städtebaupolitik (▷Stadtpolitik) und entsprechender Evaluationsansätze des (hier verkürzt als Bundesbauministerium bezeichneten) zuständigen Ministeriums veranschaulicht werden. (für in der Städtebaupolitik einschlägigen Evaluationsvarianten vgl. vertiefend Hellstern/Wollmann 1983) In ihrer doppelten Aufgabenstellung von Analyse und Rückmeldung sind die Evaluationsverfahren in einen – in der Begrifflichkeit der Policy-/ Politikfeldforschung ausgedrückt – Politikzyklus
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eingebettet. Dieser kann idealtypisch in die Phasen Politikformulierung/Planung/Entscheidungsfindung, Politikrealisierung/Implementation und Politikbeendigung/Wirkungen unterteilt werden. Je nach Aufgabenstellung und Zeitpunkt der Durchführung sind Evaluationsverfahren mit den Phasen des Politikzyklus unterschiedlich verknüpft, nämlich ex-ante, laufend (ongoing) oder ex-post. Varianten von ex-ante Analysen Ex-ante Evaluation hat die Aufgabe, die Wirkungen einer Politik/Planung vorab abzuschätzen (pre-assessment). Sie ist in die Formulierungs- und Entscheidungsphase des Politikzyklus eingebunden und darauf gerichtet, die positiven wie negativen Folgen von Planungs- und Handlungsalternativen vorab zu identifizieren und damit für die Auswahlentscheidung transparenter zu machen. In dieser prospektiven Aufgabenstellung weist die ex-ante Evaluation konzeptionelle Gemeinsamkeiten mit der (ex-ante) Kosten-Nutzen-Analyse sowie mit anderen Ansätzen einer Folgenabschätzung auf, etwa der Umweltfolgenabschätzung oder auch der Umweltverträglichkeitsprüfung (▷Umweltprüfung). Einer ähnlich „antizipierenden“ Logik gehorcht die (sog. prospektive) Gesetzesfolgenabschätzung, mit der im Gesetzgebungsprozess die Wirkungen, auch unbeabsichtigte Wirkungen, vorab identifiziert werden sollen (vgl. Konzendorf 2005:462ff ) Den prospektiven Analysetechniken können auch ▷Planspiele zugerechnet werden, die in Vorbereitung von Gesetzgebungsvorhaben dazu genutzt werden, vorab Erkenntnisse über die voraussichtliche Wirkungsweise bestimmter Organisations- und Verfahrensregeln dadurch zu gewinnen, dass die „Spieler“, die in ihrer Zusammensetzung die in der Realität vorfindliche Akteurs- und Konfliktkonstellation abbilden sollen und i. d. R. einschlägige Praxiserfahrungen einbringen, in der ihnen vom „Drehbuch“ („Szenario“) zugewiesene Rolle agieren. Das Bundesbauministerium hat in seiner Gesetzgebungsarbeit wiederholt Planspiele durchgeführt, mit deren Durchführung i. d. R. das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) beauftragt wurde (vgl. z. B. Schäfer/Scharmer/Schmidt-Eichstaedt 1986, Difu/Forschungsgruppe Stadt und Dorf 2004). Varianten von formativer/ laufender/ ongoing Evaluation, Begleitforschung Formative, laufende oder – in international inzwischen gängiger Diktion – ongoing Evaluation
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setzt im Politikzyklus idealtypisch mit dem Beginn der Realisierungs-/Implementationsphase ein. Die der Evaluation eigentümliche Doppelfunktion (Analyse und Rückmeldung) ist hierbei insofern besonders ausgeprägt, als die analytisch gewonnenen Informationen über den Verlauf und (erste) Ergebnisse des Implementationsprozesses laufend und unmittelbar an die relevanten Akteure „rückgemeldet“ und damit eine unverzüglichen Korrektur und Umsteuerung des noch laufenden („lernenden“) Politik- und Durchführungsprozesses möglich werden. Als eine Variante der ongoing Evaluation ist die sog. Begleitforschung zu begreifen, die eine zentrale Komponente in dem vom Bundesbauministerium in den 1990er Jahren inaugurierten Programm des Experimentellen Wohnungs- und Städtebaues (ExWoSt) bildet. Dieser zielt darauf, „innovative Planungen und Maßnahmen zu wichtigen städtebau- und wohnungspolitischen Themen [zu fördern]. Aus den Erfahrungen sollen Hinweise für die Weiterentwicklung der Städtebau- und Wohnungspolitik abgeleitet und der Wissenstransfer unterstützt werden“ (BBSR 2009a). Die Begleitforschung ist einerseits als ongoing Evaluation darauf gemünzt, laufende und Interimsergebnisse zu ermitteln, und zielt andererseits als ex-post Evaluation darauf, abschließend die Ergebnisse zu summieren. Innerhalb des Typus der Begleitforschung kann weiterhin zwischen einer gegenüber dem (zu evaluierenden) Akteurenfeld (analytisch) distanziert bleibenden und einer dieses aktiv beratenden Rolle unterschieden werden – mit fließenden Übergängen zu „intervenierender“ und „Aktionsforschung“. Dem Feld der ongoing Evaluation können ferner unterschiedliche Formen von Monitoring zugerechnet werden, die als Verfahren laufender Beobachtung und Informationsbeschaffung darauf gerichtet sind, relevante Veränderungen zu erfassen, zu speichern, „weiterzuverarbeiten“ und interessierten Akteuren verfügbar zu machen. Ein Beispiel gibt das Raumbeobachtungsssystem des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), durch das raumrelevante Entwicklungen anhand von 60 Indikatoren erfasst und – bis auf Kreisebene scharf – abgebildet werden können (vgl. BBSR 2009b) (▷Raum- und Stadtbeobachtung).
men ein. Hierbei sollen zum einen Zielerreichung bzw. -verfehlung des Handlungsprogramms/der Maßnahme (durch einen Soll-Ist-Vergleich), aber auch nicht-intendierte Wirkungen identifiziert werden. Zum andern wird (idealiter) angestrebt, die Faktoren zu ermitteln, auf die die beobachteten Veränderungen (kausal) zurückzuführen sind. Durch eine methodische Vorstudie vorbereitet (vgl. Hellstern/Wollmann 1983), leitete das Bundesbauministerium in den 1980er Jahren umfangreiche Evaluationsuntersuchungen zur Städtebauförderung und Stadt- und Dorferneuerung (vgl. z. B. Autzen u. a. 1986). Eine spätere evaluative Projektfamilie galt dem im Jahr 2000 begonnenen Bund-Länder-Programm ▷Soziale Stadt (vgl. z. B. Difu 2003:52ff ). Die ex-post Evaluation weist Übergänge und Überschneidungen mit der (rechtssoziologischen) Rechtstatsachenforschung auf, der die Aufgabe gestellt ist, die Wirkungen und die (tatsächliche) Geltung rechtlicher Regelungen empirisch zu ermitteln. Seit den 1980er Jahren hat das Bundesbauministerium begonnen, seine Gesetzgebungstätigkeit geradezu systematisch durch Rechtstatsachen- bzw. Evaluationsstudien vorzubereiten bzw. zu evaluieren. (vgl. Krautzberger 1982, Wollmann 1982).
Varianten von ex-post Analysen
Die Konzipierung der interessierenden Wirkungen eines Handlungsprogramms/einer Maßnahme ist mit dem bekannten Problem konfrontiert, dass Ziele (als intendierte Wirkungen) vielfach nur vage, vieldeutig, wenn nicht in sich wider-
Ex-post oder summative Evaluation setzt typischerweise nach Abschluss der zu evaluierenden politischen Programme, Planungen und Maßnah-
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Konzeptionelle und methodische Probleme Im Evaluationsverfahren sind v. a. zwei konzeptionelle und methodische Probleme zu bewältigen. Zum einen dreht es sich darum, die interessierenden (intendierten, aber auch nicht-intendierten) Wirkungen mit Hilfe geeigneter Indikatoren zu erfassen, nach Möglichkeit „zu messen“ (Indikatorenproblem). Zum andern geht es darum, die Frage, ob die beobachtbaren Veränderungen (kausal) auf das interessierende Politikprogramm/die Maßnahme zurückzuführen seien, mit Hilfe geeigneter (sozialwissenschaftlicher) Methoden zu beantworten (Kausalitätsproblem) (hierzu und zum folgenden vgl. z. B. Hellstern/Wollmann 1983, Stockmann 2006:22ff ). Auf die dadurch aufgeworfenen konzeptionellen und methodischen Probleme kann an dieser Stelle nur in wenigen Stichworten und Verweisen eingegangen werden. Indikatorenproblem
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sprüchlich und konfligierend formuliert sind. Darin spiegeln sich die der Entscheidung zugrunde liegenden Kompromisse zwischen rivalisierenden politischen und gesellschaftlichen Interessen wider. Sodann stellt sich das dornige Problem, diese Zielsetzung mit Hilfe von Indikatoren zu erfassen, die einer mehrfachen Anforderung genügen, nämlich valide (d. h. den gemeinten empirischen Sachverhalt zutreffend abbildend), operationalisierbar (d. h. nach Möglichkeit quantitativ messbar) und forschungsökonomisch machbar (d. h. mit Hilfe bereits verfügbarer Daten oder zumindest unter vertretbarem zeitlichen, personellen, finanziellen usw. Aufwand empirisch darstellbar) zu sein. Kausalitätsproblem Zur Beantwortung der „Kausalitätsfrage“ steht für Evaluationsuntersuchungen prinzipiell das gesamte methodische Arsenal und Repertoire der empirischen Sozialforschung zu Gebote. Da sich Evaluationsforschung seit den 1970er Jahren als ein Hauptfeld angewandter Sozial- und Politikforschung entfaltet und etabliert hat, wurde sie – zunächst insbesondere in den USA – Arena grundsätzlicher methodischer Kontroversen (vgl. etwa Hellstern/Wollmann 1983:47ff ). Hierbei dominierten zunächst Ansätze, die, am naturwissenschaftlich-nomologischen Analyseund Erklärungsmodell orientiert, auf (quasi-) experimentellen (Querschnitts-, Zeit-Reihen-Designs usw.) und quantitativen Untersuchungsverfahren (Korrelationsanalysen) bestanden und „qualitative“ (sich auf Fallstudien stützende) Vorgehensweisen als wissenschaftlich kaum akzeptabel (weil gesicherter Verallgemeinerungsfähigkeit entbehrend) ablehnten. Im weiteren Verlauf hat sich dieser „Schulenstreit“ indessen in dem Maße entspannt, wie die methodischen Grenzen sowohl des quasi-experimentellen Vorgehens (dessen Leistungsfähigkeit hängt wesentlich von der hinlänglichen Herstellbarkeit der ceteris paribus-Vergleichsgruppe ) als auch des quantatitiven Vorgehens (dessen Leistungsfähigkeit steht und fällt mit der Untersuchungsvoraussetzung von „vielen Fällen und wenigen Variablen“) erkannt wurde; demgegenüber kommt die Stärke von Fallstudien anerkanntermaßen unter der Voraussetzung von „wenigen Fällen und vielen Variablen“ zum Tragen. Inzwischen wird verbreitet davon ausgegangen, dass es den einen methodischen Königsweg nicht gibt, sondern dass bei der Auswahl und Kombination der Methoden, insbesondere bei der Mischung aus quantitativem und qualitativem Vorgehen, dem konkreten Untersuchungsgegenstand
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sowie den zur Verfügung stehenden finanziellen, zeitlichen und weiteren Forschungsressourcen Rechnung zu tragen ist. Auch und gerade in der Evaluationsforschung werden denn Methodenpluralismus und Methodenmix akzeptiert und praktiziert (zum Konzept einer „realistischen Evaluation“ vgl. Pawson/Tilley 1997). Wollmann
Literatur Autzen, R. u. a. (1986): Erfahrungen mit der Sanierung nach dem Städtebauförderungsgesetz – Perspektiven der Stadterneuerung. Schriftenreihe des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Nr. 36. Bonn BBSR – Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (2009a): Experimenteller Wohnungs- und Städtebau (ExWoSt). Zugriff auf www.bbsr.bund.de im Juli 2009 BBSR – Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (2009b): Raumbeobachtung. Zugriff auf www.raumbeobachtung.de im Juli 2009 Difu – Deutsches Institut für Urbanistik; Forschungsgruppe Stadt und Dorf (Hrsg.) (2004): Planspiel BauGB-Novelle 2004 – Bericht über die Stellungnahme der Planspielstädte und Planspiellandkreise. Berlin Difu – Deutsches Institut für Urbanistik (Hrsg.) (2003): Soziale Stadt – Strategien für die Soziale Stadt, Erfahrungen und Perspektiven – Umsetzung des Bund-Länder-Programms „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – die soziale Stadt“. Berlin Furubo, J.-E.; Rist, R.; Sandahl, R. (Hrsg.) (2002): International Atlas of Evaluation. New Brunswick Hellstern, G.-M.; Wollmann, H. (Hrsg.) (1984): Handbuch zur Evaluierungsforschung. Bd. 1. Opladen Hellstern, G.-M.; Wollmann, H. (1983): Evaluierungsforschung, Ansätze und Methoden dargestellt am Beispiel des Städtebaues. Basel, Stuttgart Konzendorf, G. (2005): Gesetzesfolgenabschätzung. In: Blanke, B. u. a. (Hrsg.): Handbuch zur Verwaltungsreform. Wiesbaden, 460-469 Krautzberger, M. (1982): Rechtstatsachenforschung im Städtebaurecht, Einführung. In: Informationen zur Raumentwicklung, 1, 1-5 Pawson, R.; Tilley, N. (1997): Realistic Evaluation. London Schäfer, R.; Scharmer, E.; Schmidt-Eichstaedt, G. (1986): Planspiel zum Baugesetzbuch, Methode und Ergebnisse des Praxistests. Berlin Stockmann, R. (Hrsg.) (2006): Evaluationsforschung. Wiesbaden Wollmann, H. (2005): Evaluation. In: ARL (Hrsg.): Handwörterbuch der Raumordnung. Hannover, 274-280 Wollmann, H. (1982): Untersuchungsansätze und Nutzungschancen einer Rechtstatsachenforschung im Städtebaurecht. In: Informationen zur Raumentwicklung, 1, 7-15
EXPERIMENTELLE ARCHITEKTENAUSBILDUNG AM BEISPIEL BAUPILOTEN „Das Semester bei den Baupiloten hat mich in meiner Studienwahl bestätigt, ich habe Stärken und Schwächen besser kennen gelernt.“ (Baupilot, Sommersemester 2006, Zitat Evaluationsverfahren)
EXPERIMENTELLE ARCHITEKTENAUSBILDUNG AM BEISPIEL BAUPILOTEN
Das Studienreformprojekt „Die Baupiloten: Das Studium als praxisbezogener Idealfall“ wurde von 2004 bis 2007 an der Fakultät VI Planen Bauen Umwelt der Technischen Universität Berlin (TU Berlin) durchgeführt und durch einen wissenschaftlichen Mitarbeiter und zwei Tutoren begleitet. Nach dem erfolgreichem Verlauf des Projektes hat das Institut für Architektur das Studienprojekt regulär in das Architekturstudium an der TU Berlin integriert. Ein Bauvorhaben als konkretes Entwurfsprojekt im Architekturstudium Ausschlaggebend für die Initiative des Studienmodells „Die Baupiloten“ war die von Seiten der berufsständischen Organisationen immer wieder vorgebrachte Klage über die Praxisuntauglichkeit der Absolventen. Mit der Gründung des Projektes „Die Baupiloten“ im Jahre 2003 erhielten die Studierenden der TU Berlin die Chance, in ihrem Architekturstudium (▷Architekten- und Planerausbildung, ▷Ausbildung zur Planung) eine Baumaßnahme unter professioneller Anleitung zu realisieren. Die Baupiloten durchlaufen alle Bauphasen vom konzeptionellen Entwurf, dem Überzeugen des Bauherrn mit entsprechenden Darstellungen bis zur Realisierung bei knappen Budgetvorgaben. Die Maßnahmen werden eigenverantwortlich durchgeführt und müssen abgerechnet werden. Der Entwurf wird als Studienarbeit mit Experten der TU Berlin in den Fächern Bauökonomie, Baukonstruktion, Brandschutz, Lichtplanung, Baurecht, CAD (▷Architekturdarstellung und CAD) und darüber hinaus bei Bedarf mit dem Fachgebiet für Geodäsie und Ausgleichsrechnung und dem Fachgebiet für Lichttechnik z. B. zu dem Thema Lichtumlenksysteme koordiniert. In diesen Disziplinen erhalten die Studierenden die Möglichkeit, ihren Entwurf zu vertiefen und die Baumaßnahme hat so den realitätsnahen vielfältige Belange umfassenden Charakter. Strategische Allianz Architekturbüro und Hochschule Integraler Bestandteil des Studienreformprojektes ist die Kooperation mit einem Architekturbüro. Das Anforderungsprofil aus der Praxis bezieht sich v. a. auf die Leistungsphasen der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI). Da die TU keine Haftung für Architektenleistungen übernehmen kann, ist eine Rechtsgrundlage für die Kooperation zwischen freier Architektin bzw.
Architekturbüro und der TU Berlin geschaffen worden. Bei allen Projekten ist Susanne Hofmann als freie Architektin und Leiterin durch die Bauherren beauftragt und agiert mit ihrem Architekturbüro entsprechend auch als verantwortliche und persönlich haftende Architektin. In zweifacher Hinsicht erwies sich diese Kooperation mit einem Architekturbüro als sinnvoll: 1) Die enge Verschränkung mit der Praxis ist Grundvoraussetzung für die Arbeit der Baupiloten, nur so können sie von aktuellem Praxiswissen, den Kontakten zu ausführenden Firmen u. ä. profitieren. 2) Die Flexibilität der Baupilotenarbeit kann durch die Kooperation erhöht werden. Das Architekturbüro übernimmt die Projektleitung und das Controlling für die Realisierungsprojekte. Es akquiriert und überprüft, ob ein Projekt zur Durchführung für das Studienreformprojekt geeignet ist und kann kurzfristig zeitgebundene Vorstudien und Gutachten erledigen, Auftragsschwankungen ausgleichen und damit weitgehend sicherstellen, dass zu Semesterbeginn immer ausreichend Realisierungsprojekte den Studierenden geboten werden können.
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Der Bauherr kann so eine professionelle Durchführung erwarten, die nur in Kooperation mit dem Architekturbüro gewährleistet ist. Die Inhaber des Architekturbüros übernehmen die Haftung für Architektenleistungen in allen Bauphasen gegenüber dem Bauherrn. Nur sie sind durch ihre Mitgliedschaft in der Architektenkammer legitimiert, diese Architektenleistungen zu erbringen. Herausforderungen im Projekt Die klassische Auftragssituation für ein Architekturprojekt wird immer seltener. Für die Projekte der Baupiloten sind deshalb neue Strategien für ▷Kooperationen und Organisationsstrukturen, mit denen Kommunen, Entwerfer und Verwaltungen den großen Herausforderungen begegnen können entwickelt worden. Dabei wird die erhöhte Bedarfslage an sozialen Projekten und Sparzwängen berücksichtigt. In den Projekten werden die zukünftigen Nutzer motiviert, an der Konzeption ihrer Bauten zu partizipieren. Es ist Ziel, neue Netzwerke aufzubauen, um bestimmte Bedarfslagen in den Quartieren zu erkennen, diese mit den Ressourcen und dem sozialen Engagement von privatwirtschaftlichen Unternehmen und der Ausbildung an der Hochschule zu verknüpfen, wenn daraus wechselseitige Vorteile entstehen.
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Die Architektur der Baupiloten hat den Anspruch, den sozialen und gesellschaftlichen Auftrag von ▷Architektur zu verwirklichen, so dass die realisierten Projekte von außen (SchadeBünsow vom Förderverein Bundesstiftung Baukultur e. V.) als lebensfroh, realitätsnah und bewusstseinsprägend wahrgenommen werden. Lehr- und Lernziele
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Die gesetzten Lehr- und Lernziele des Studienmodells „Die Baupiloten: das Studium als praxisorientierter Idealfall“ bilden eine direkte Schnittstelle zwischen akademischer und beruflicher Praxis: Vermittlung methodischer Kompetenz: Der Erwerb einer Entwurfsmethodik befähigt die Studierenden eigenständig einen Entwurf zu entwickeln, Prinzipien zu formulieren und sich eine Bandbreite an Arbeitsweisen zu schaffen, um erfolgreich den Weg zum eigenen Produkt zu beschreiten. Vermittlung fachlicher Kompetenz: Dies beinhaltet das Heranführen und Erarbeiten der geforderten Planung in den einzelnen Bauphasen nach HOAI, d. h. die Entwicklung der ersten Entwurfsideen bis hin zu einer detaillierten Ausführungsplanung, die dann realisiert wird. Die fachliche Kompetenz, die durch das Studienreformprojekt gelehrt wird, soll durch das spezialisierte Wissen anderer Fachgebiete ergänzt werden. Vermittlung von Systemkompetenz: Systemkompetenz beinhaltet das ganzheitliche Herangehen, das Denken in Zusammenhängen und die Befähigung zur Komplexitätsbewältigung, d. h. das Verstehen der Verzahnung der Bereiche und Aufgaben, die den Alltag eines Architekten bestimmen und das kompetente Agieren in diesem Feld. Förderung von sozialen Kompetenzen im Team: Zielsetzung ist das Erlernen von Kommunikations- und Teamfähigkeit, kritischem Denken, Leistungs- und Verantwortungsbereitschaft und Führungseigenschaften für die Studierenden im Austausch mit ihren Kommilitonen sowie mit Bauherren, Behörden, Handwerksund Baufirmen (▷Kommunikation und Moderation). Interne Vernetzung: Der Entwurf wird innerhalb der Lehrveranstaltung mit Experten der TU Berlin in den Fächern Bauökonomie, Baukonstruktion, Brandschutz, Lichtplanung, Baurecht und CAD koordiniert. Die Studierenden haben die Möglichkeit, in diesen Fächern ihren Entwurf zu vertiefen.
Einbeziehung externer Lernorte und Kritiker: Der Besuch von Baustellen, beispielhaften Projekten und Architekturbüros sowie das Einladen von Experten aus der Praxis als Kritiker und Berater vermitteln den Studierenden einen direkten Kontakt zur beruflichen Realität. Partizipation und Rezeption durch die Nutzer: Durch die Einbeziehung der Nutzer und Betroffenen treten die Studierenden mit ihren Projekten aus dem universitären Kontext und stellen sich direkt deren Anforderungen (▷Partizipation). Schaffung eines konstruktiven Lernklimas: Ziel ist die Schaffung eines positiven Lernklimas, in dem jeder Baupilot entsprechend seiner Fähigkeiten gefördert und gefordert wird. Dies beinhaltet die unterstützende Begleitung des Entwurfsprozesses durch die Lehrenden in einer kooperativen und zielorientierten Atmosphäre. Der Einzelne steht dabei genauso im Mittelpunkt wie die Gruppe als Ganzes. Evaluation und Mitsprachemöglichkeit: Durch ein eigens für die Baupiloten entwickelte Evaluationsverfahren konnten die Studierenden aktiv an der Verbesserung und Verfeinerung des Studienmodells mitwirken. Die realisierten Projekte wie z. B. die Modernisierung zahlreicher Schulen und Kindergärten zeigen sowohl den architektonischen als auch gesellschaftlichen Anspruch der Baupiloten. Potenziale des Projektes Auch wenn die Arbeit der Baupiloten stets ergebnisorientiert ausgerichtet ist, an Termine gebunden und eine Ausbildung an konkreten Bauaufgaben mit ihrer komplexen Verflechtung zu den notwendigen Fachdisziplinen verfolgt, hat die Projektarbeit der Studierenden bei den Baupiloten einen grundsätzlich anderen Zweck als das Absolvieren eines Büropraktikums nach der Studienordnung. Ihre Arbeit ist auch grundsätzlich anders ausgerichtet als der Praxisbezug eines Fachhochschulstudiums. Auf der Basis eines Bauauftrags wird ein Entwurfsprogramm gesellschaftlicher Relevanz erarbeitet, welches die Studierenden in den universitären Alltag und Auftrag einbindet. Dabei findet Berücksichtung, dass das Studienreformprojekt den Studierenden den notwendigen Freiraum geben muss, eine angemessen anspruchsvolle Projektaufgabe selbstständig zu entwickeln. Des Weiteren können die Baupiloten nach eigenem Ermessen den praxisorientierten Entwurf in technischer, ökonomischer, rechtlicher und soziologischer Hinsicht vertiefen.
EXPERIMENTELLE ARCHITEKTENAUSBILDUNG AM BEISPIEL BAUPILOTEN
Die Studierenden treten mit ihren realisierten Projekten aus dem universitären Kontext und stellen sich der Bewertung durch die Öffentlichkeit. Die zahlreichen Veröffentlichungen sind eine große Wertschätzung der studentischen Arbeit. Das Interesse an den Baupiloten kräftigt offenbar das Selbstwertgefühl der Studierenden. Die durch die
Baupiloten aufgebauten Netzwerke sollen ihnen auch nach Abschluss ihres Studiums eine Unterstützung sein. Die Veröffentlichungen geben ihnen Referenzen, welche wiederum ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt steigern. Hofmann
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FACHPLANUNGEN Abgrenzung zur Raumplanung
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Vielfältige Interessen bestimmen die Nutzung von Grund und Boden. Dies macht eine planerische Koordination nicht nur der einzelnen Nutzungswünsche, sondern auch der Anforderungen der Allgemeinheit an die Nutzung von Grund und Boden erforderlich, um einerseits zu gewährleisten, dass gänzlich untragbare Situationen sich nicht entwickeln, und um andererseits sicherzustellen, dass die Ziele der Allgemeinheit auch künftig weiterhin aufrechterhalten werden. Diese Koordinationsaufgabe übernimmt auf örtlicher Ebene die Bauleitplanung auf der Grundlage des Städtebaurechts, auf überörtlicher Ebene die Raumordnung und Landesplanung (▷Raumordnung und Landesplanung) auf der Grundlage des Raumordnungsrechts. Zur Erfüllung dieser Aufgaben sind Bauleitplanung sowie Raumordnung und Landesplanung in ein System räumlicher Planungen eingebunden. Die Raumordnung und Landesplanung sowie auch die Bauleitplanung können vor diesem systematischen Hintergrund der räumlichen Gesamtplanung zugeordnet werden, welche ihrerseits wiederum von der Kategorie der räumlichen Fachplanung zu unterscheiden ist. Während die Gesamtplanung die Koordination und Integration aller Raumnutzungsansprüche zum Gegenstand hat, ist es Aufgabe der Fachplanung, unter jeweils nur einem fachlich sektoralen Gesichtspunkt raumgestaltend zu wirken. Zu den Fachplanungen zählen eine Vielzahl von Planungen. Unterschieden werden können diese hinsichtlich ihres formellen oder informellen Charakters sowie in Bezug auf ihre Außenverbindlichkeit. Deshalb ist es sinnvoll in diesem Zusammenhang für den Bereich der räumlichen Fachplanung noch einmal eine Differenzierung vorzunehmen, wobei insoweit allerdings den sog. „Planfeststellungen“, also Vorhaben und Anlagen, die der Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens bedürfen (z. B. überörtliche Straßenplanung), in der Planungspraxis die größte Bedeutung im Sinne von „Fachplanungen im engeren Sinne“ zukommt. Bei ihnen handelt es sich um formelle und dabei strikt bindende Fachplanungen für raumbedeutsame Vorhaben und Maßnahmen. Daneben gibt es noch die ebenfalls unter den Begriff der raumbezogenen Fachplanungen einzuordnenden:
Verbindlichen Nutzungsregelungen: Gebietsfestlegungen, die dem Schutz oder der Förderung bestimmter öffentlicher Belange dienen (z. B. Landschaftsschutzgebiete oder Wasserschutzgebiete) und Sonstigen räumlichen Fachplanungen: Festlegung von Grundstücksnutzungen unter fachlichen Gesichtspunkten, aber ohne Verbindlichkeitsanspruch für die Gesamtplanung (z. B. Landschaftsplanung oder forstliche Rahmenplanung). Räumliche Gesamtplanungen und räumliche Fachplanungen sind unterschiedlichen Planungsträgern zugeordnet, können sich aber räumlich auf die gleichen Bodenflächen beziehen. So kann bspw. einer bestimmten Maßnahme der Fachplanung eine raumordnerische Zielausweisung oder auch bauleitplanerische Darstellung bzw. Festsetzung entgegenstehen. Handelt es sich daher um strikt bindende Planungen, bedarf es klarer Kollisionsregeln zur Konfliktbewältigung, da eine bestimmte Bodenfläche nicht von zwei einander ausschließenden Bodennutzungen in Anspruch genommen werden kann. Derlei Kollisionsvorschriften gibt es mehrere. Zwar ist die Konfliktbewältigung meistens gesetzlich normiert, im spezifischen Fall kann sie aber auch planerisch herbeigeführt werden. Eine gesetzgeberische Lösung ergibt sich bspw. aus § 4 Abs. 1 Raumordnungsgesetz – ROG in Bezug auf Ziele der Raumordnung. Diese Vorschrift regelt die Bindungswirkung von Erfordernissen der Raumordnung und bestimmt insoweit, dass Ziele der Raumordnung von öffentlichen Stellen bei ihren raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen zu beachten sind, insbesondere auch bei Planfeststellungen. Werden daher in einem Raumordnungsplan Ziele festgelegt, so sind diese für den Fachplanungsträger strikt beachtlich. Wie für die der Fachplanung übergeordnete Raumordnung, existieren auch für die der Fachplanung gleich geordnete Bauleitplanung ähnliche Kollisionsnormen gesetzlicher Natur. Anzuführen sind hier § 7 Baugesetzbuch – BauGB für den Flächennutzungsplan sowie § 38 BauGB für den Bebauungsplan. Außerdem ergibt sich aus dem zeitlichen Prioritätsgrundsatz, dass diejenige Planung auf eine konkurrierende andere Planung Rücksicht nehmen muss, die zeitlichen Vorsprung hat. Allerdings reicht hier eine bloße Absichtserklärung nicht aus, sondern die den Vorrang beanspruchende Planung muss bereits eine hinreichende Verfestigung erfahren haben. Stehen mehrere Fachplanungen einander gegen-
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über, so sieht § 78 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG (vom 23.01.2003, zul. geändert durch Artikel 2 Abs. 1 des Gesetzes vom 14.08.2009) ein einheitliches Planfeststellungsverfahren vor. Demgegenüber gibt es eine planerische Konfliktlösung beim sog. „planfeststellungsersetzenden Bebauungsplan“. Ein solcher, die eigentlich erforderliche Planfeststellung des Fachrechts ersetzender Bebauungsplan darf aber nur in zwei Fällen aufgestellt werden, und zwar bei Planungen im Rahmen des Bundesfernstraßengesetzes (vgl. § 17 Abs. 3 Bundesfernstraßengesetz – FStrG) sowie bei Straßenbahnen (vgl. § 28 Abs. 3 Personenbeförderungsgestz – PBefG), weil sich bei diesen Maßnahmen aufgrund der mit ihnen verbundenen Auswirkungen regelmäßig ein Erfordernis auf Einbeziehung auch der räumlichen Umgebung des Vorhabens selbst ergibt. Planfeststellung, Plangenehmigung und genehmigungsfreie Maßnahmen Für die Realisierung von Vorhaben der Fachplanung kommen drei unterschiedliche Verfahrensarten in
Frage. Zu unterscheiden sind Planfeststellungsverfahren, gegenüber diesen vereinfachte Plangenehmigungsverfahren sowie genehmigungsfreie Vorhaben in Fällen unwesentlicher Bedeutung. Vorhaben, die einer Planfeststellung bedürfen Die Planfeststellung ist ein gesetzlich vorgeschriebenes Verfahren, mit dem raumbeanspruchende öffentliche wie auch bestimmte private Vorhaben (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 6 ROG) zugelassen werden. Häufig angewandt wird die Planfeststellung auf Vorhaben der Verkehrs- sowie der Ver- und Entsorgungsinfrastruktur (z. B. Straßen, Eisenbahnstrecken, Bahnhöfe oder Straßenbahnen sowie Abfalldeponien). Planfeststellungspflichtig ist aber nicht nur die Errichtung solcher Vorhaben, sondern auch deren Änderung (z. B. der Ausbau einer Bundeswasserstraße). Inwieweit die Beseitigung planfeststellungsbedürftiger Vorhaben einer Planfeststellung unterliegt, ist fraglich. Eine derartige Verpflichtung sieht ausdrücklich nur das Wasserwege- und Wasserwirtschaftsrecht vor, alle anderen Rechtsbereiche nicht.
Planfeststellungsbedürftiges Vorhaben
Rechtsgrundlage
Bau oder Änderung von Bundesfernstraßen (Bundesautobahn, Bundesstraße)
Bundesstraßenrechtliche Planfeststellung nach § 17 FStrG
Bau oder Änderung von Schienenwegen und Betriebsanlagen der Eisenbahn sowie Bahnfernstromleitungen des Bundes Errichtung und Änderung von Versuchsanlagen zur Erprobung von Techniken für den spurgeführten Verkehr Bau oder Änderung von Magnetschwebebahnen
Eisenbahnrechtliche Planfeststellung nach § 18 AEG und § 2 Abs. 1 SpurVerkErprG
Anlage oder Änderung eines Flugplatzes oder Landeplatzes
Luftverkehrsrechtliche Planfeststellung nach § 8 und 17 LuftVG
Bau von Betriebsanlagen für Straßenbahnen
Personenbeförderungsrechtliche Planfeststellung nach § 28 PBefG
Ausbau oder Neubau einer Bundeswasserstraße
Bundeswasserrechtliche Planfeststellung nach § 14 WaStrG
Ausbau (Herstellung), Beseitigung oder wesentliche Umgestaltung eines Gewässers oder seiner Ufer einschließlich Deich- und Dammbau
Wasserwirtschaftliche Planfeststellung nach § 31 Abs. 2 WHG
Errichtung und Betrieb einer Anlage des Bundes zur Sicherstellung und zur Endlagerung radioaktiver Abfälle sowie die wesentliche Änderung einer solchen Anlage und ihres Betriebs - Atomendlager Gemeinschaftliche und öffentliche Anlagen im Flurbereinigungsgebiet (z. B. Wege- und Gewässernetz)
Atomrechtliche Planfeststellung nach § 9b AtG
Aufstellung eines Rahmenbetriebsplans
Bergrechtliche Planfeststellung nach §§ 52 Abs. 2a und § 57a und b BBergG
Errichtung, Betrieb und Änderung von bestimmten Hochspannungsfrei- und Gasversorgungsleitungen
Energiewirtschaftliche Planfeststellung nach § 43 EnWG
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Planfeststellung von Magnetschwebebahnen nach § 1 Abs. 1 MBPlG
Flurbereinigungsrechtliche Planfeststellung nach § 41 Abs. 3 FlurbG Errichtung und Betrieb einer Abfalldeponie sowie die wesentliche Änderung einer Abfallrechtliche Planfeststellung nach solchen und ihres Betriebs § 31 Abs. 2 KrW-/AbfG
Errichtung und Betrieb von Rohrleitungen für wassergefährdende Stoffe, sonstige §§ 20 und 21 UVPG Gase und Chemikalien sowie bestimmte künstliche Wasserspeicher Rechtsgrundlagen planfeststellungsbedürftiger Vorhaben (eigene Darstellung)
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Für weitere Vorhaben wird schließlich auch noch auf der Landesebene ein Planfeststellungsvorbehalt vorgesehen. Bspw. betrifft dies die Herstellung oder wesentliche Änderung von Landes- oder Kreisstraßen oder von öffentlichen Kläranlagen. Auch bestimmte Bahnen, wie Bergbahnen sowie Bahnstrecken werden davon erfasst. Planungsentscheidungen staatlicher Aufgabenträger dienen regelmäßig dem Wohl der Allgemeinheit. Aus der vorangehenden Übersicht kann auch die Rechtsgrundlage entnommen werden, nach der fachgesetzlich eine Planfeststellung als Voraussetzung für die Errichtung oder Änderung eines Vorhabens vorgeschrieben ist. Ebenfalls durch Gesetz wird der planenden Behörde die Aufgabe übertragen, für ein bestimmtes Vorhaben alle Belange, öffentliche und private, im Rahmen einer planerischen Abwägung gestaltend zu einem Ausgleich zu bringen. Bei vielen Maßnahmen umfasst die Planfeststellung nicht nur den Bau oder die Herstellung, sondern vielmehr auch den Betrieb oder Änderungen im Betrieb der Anlage. Bspw. ist dies bei Energieversorgungs- oder Rohrleitungsanlagen der Fall. Dass diese Änderungen, um eine Planfeststellungspflicht auszulösen, nicht immer auch baulicher Natur sein müssen, zeigt etwa die luftverkehrsrechtliche Planfeststellung. Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 Luftverkehrsgesetz – LuftVG (vom 10.5.2007, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 24.08.2009) sind betriebliche Regelungen Gegenstand der Planfeststellung, mit der Folge, dass wesentliche Betriebsänderungen ebenfalls genehmigungspflichtig sind. Vorhaben, die eines Plangenehmigungsverfahrens bedürfen Die Möglichkeit an Stelle einer Planfeststellung lediglich eine Plangenehmigung durchzuführen, geht auf das Planungsvereinfachungsgesetz (vom 17.12.1993) zurück. Neben anderen Gesichtspunkten wurde mit diesem Gesetz v. a. den aus der deutschen Wiedervereinigung resultierenden Anforderungen in Bezug auf die beschleunigte und vereinfachte Zulassung von Infrastrukturanlagen Rechnung getragen. Vor dem Hintergrund dieser Zielsetzung sollten Plangenehmigungen bei planungsrechtlich weniger komplexen Sachverhalten zur Anwendung gebracht werden. In diesem Sinne bestimmt § 74 Abs. 6 VwVfG, dass in bestimmten, einfacher gelagerten Fällen an die Stelle der Planfeststellung eine Plangenehmigung treten kann. Der Rückgriff auf die Plangenehmigung unterliegt damit für die infrage kommenden Fälle einem Verfahrensermessen der planenden Behörde.
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Voraussetzung für die Plangenehmigung ist, dass entweder Rechte anderer nicht beeinträchtigt werden (nach § 17b Abs. 1 Nr. 2 FStrG und § 28 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 PBefG) ist eine Plangenehmigung auch möglich, wenn Rechte anderer nur unwesentlich bzw. nicht wesentlich beeinträchtigt werden oder die Betroffenen sich schriftlich mit der Inanspruchnahme ihres Eigentums oder eines anderen Rechts einverstanden erklärt haben und mit den Trägern öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich berührt wird, das Benehmen hergestellt worden ist. Das Herstellen des Benehmens verlangt, dass die andere Behörde im Verfahren anzuhören ist. Vertritt diese einen anderen Standpunkt, dann muss die planende Behörde sich zwar mit den gegenläufigen Standpunkten auseinandersetzen, ist aber nicht – wie beim Einvernehmen – zwingend daran gebunden. Soweit einzelne Fachgesetze keine diesbezüglichen Vorschriften enthalten, kommt § 74 Abs. 6 VwVfG zur Anwendung. Der wesentliche Unterschied zwischen Plangenehmigung und Planfeststellung besteht darin, dass bei der Plangenehmigung das planfeststellungsrechtliche Verfahren im Sinne der §§ 72ff VwVfG nicht durchgeführt werden muss (dazu genauer unten), insbesondere aber auf das Anhörungsverfahren verzichtet werden kann. Gleichwohl hat die Plangenehmigung die Rechtswirkungen der Planfeststellung mit Ausnahme der enteignungsrechtlichen Vorwirkung (§ 74 Abs. 6 Satz 2 VwVfG sowie unten). Dieser bedarf es für die Plangenehmigung aber auch nicht, weil Voraussetzung für diese u. a. ist, dass zu ihrer Durchführung eine Enteignung nicht erforderlich ist. Eine Einschränkung findet die Anwendung der Bestimmungen über die Plangenehmigung regelmäßig in einzelnen Vorschriften des Fachrechts, wonach das Vorhaben nicht der Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterliegen darf, da für diesen Fall eine Öffentlichkeitsbeteilung verfahrensrechtlich vorgeschrieben ist (vgl. z. B. § 8 Abs. 2 LuftVG oder § 28 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 PBefG). Für die neuen Bundesländer regelt § 17b Abs. 1 Nr. 5 FStrG abweichend, dass ein Vorhaben, für das nach dem Gesetz zur Umweltverträglichkeitprüfung – UVPG eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, und das vor dem 31.12.2007 beantragt wurde, an Stelle eines Planfeststellungsbeschlusses eine Plangenehmigung erteilt werden kann. Allerdings ist in diesen Fällen dann eine Öffentlichkeitsbeteiligung auf der Grundlage von § 9 Abs. 3 UVPG durchzuführen. Für diese Vorhaben ist in der Folge die Verbandsklage eröffnet. Gerade im Hinblick auf die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung als Abgrenzungskriterium
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zwischen Planfeststellung und Plangenehmigung ist darauf hinzuweisen, dass im Grunde genommen erst durch das Artikelgesetz im Jahr 2001 die materiellen Anforderungen der UVP-Richtlinie in das Plangenehmigungsrecht gefunden haben. Zuvor bestand eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung in Abhängigkeit von der Art des Zulassungsverfahrens, genauer vom Erfordernis zur Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens, mit der Folge, dass Plangenehmigungsverfahren, bei denen die §§ 72ff VwVfG nicht anzuwenden waren, auch keiner Pflicht zur Durchführung einer Umweltprüfungspflicht unterlagen. Mit dem Artikelgesetz ist diese europarechtlich bedenkliche Situation bereinigt worden, so dass nunmehr, soweit nicht zwingend eine Umweltverträglichkeitsprüfung für ein Vorhaben vorgeschrieben ist, eine Vorprüfung im Einzelfall durchgeführt und in deren Rahmen geklärt wird, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist. Dieses sog. Screening-Verfahren verlangt eine überschlägige Prognose durch die planende Behörde auf der Grundlage der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Kenntnisse. Zwar ist bei einer Fehleinschätzung ein Wechsel vom Plangenehmigungsverfahren in das Planfeststellungsverfahren möglich, die erteilte Plangenehmigung aber dennoch rechtmäßig, so dass aufgrund der Bindung an das planerische Abwägungsgebot lediglich das Anhörungsverfahren mit öffentlicher Auslegung der Planunterlagen und der Erörterungstermin „gespart“ werden. Im Rahmen der Plangenehmigung sind daher – wie bei allen anderen Planungen auch – die von der Planung betroffenen Interessen umfassend gegeneinander und untereinander abzuwägen. Genehmigungsfreie Vorhaben Neben der gegenüber der Planfeststellung schon deutlich vereinfachten Plangenehmigung gibt es schließlich noch eine dritte Form, die sog. genehmigungsfreien Vorhaben, bei denen auf ein Verwaltungsverfahren mit einer Planfeststellung oder Plangenehmigung verzichtet wird. Diese weitestgehende Form der Deregulierung im Planfeststellungsrecht ist für Änderungen und Erweiterungen von unwesentlicher Bedeutung vorgesehen. Derartige Fälle liegen vor, wenn andere öffentliche Belange nicht berührt sind oder die erforderlichen behördlichen Entscheidungen vorliegen und sie dem Plan nicht entgegenstehen. Außerdem dürfen Rechte anderer nicht beeinflusst werden oder mit den vom Plan Betroffenen müssen entsprechende Vereinbarungen getroffen worden sein (vgl. § 74
Abs. 7 VwVfG). Das betreffende Vorhaben wird insoweit nicht planfestgestellt und auch nicht plangenehmigt, sondern vielmehr durch Verwaltungsakt zugelassen. Dabei ist von Bedeutung, dass im Rahmen der Erteilung des Verwaltungsaktes nicht nur über die Freistellung von der Planfeststellung und der Plangenehmigung, sondern auch über die Zulassung des Vorhabens selbst entschieden wird. Dies verdeutlicht, dass auch bei den genehmigungsfreien Vorhaben eine Bindung an das Abwägungsgebot erhalten bleibt. Da sowohl eine Planfeststellung als auch eine Plangenehmigung entfallen, kann bei den genehmigungsfreien Vorhaben nicht auf den Vorteil der Konzentrationswirkung (vgl. unten) als Kennzeichen des Planfeststellungsbeschlusses zurückgegriffen werden. Das bedeutet, dass bei den genehmigungsfreien Vorhaben andere erforderliche Genehmigungen isoliert eingeholt werden müssen.
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Verfahren der Planfeststellung Die maßgeblichen Rechtsgrundlagen für das Planfeststellungsverfahren werden heute durch die §§ 72ff VwVfG bzw. die entsprechenden Vorschriften des LVwVfG zur Verfügung gestellt, allerdings nur insoweit, als das jeweils einschlägige Fachplanungsrecht keine abweichenden Bestimmungen vorsieht. Das Planfeststellungsverfahren ist ein sehr komplexes Verfahren und von unterschiedlich weitreichenden Mitwirkungspflichten und -befugnissen verschiedener Akteure geprägt. In diesem Sinne wird das Planfeststellungsverfahren von der bundes- oder landesrechtlich bestimmten Anhörungsbehörde durchgeführt. Soweit eine landesrechtliche Bestimmung erfolgt, werden als Anhörungsbehörde meistens die höheren Verwaltungsbehörden festgelegt. Das sind in den Flächenstaaten die Regierungspräsidien oder Bezirksregierungen. In den Aufgabenbereich der betroffenen Gemeinden fällt die Auslegung der Planunterlagen. Der Planfeststellungsbeschluss als das Ergebnis des Planfeststellungsverfahrens wird von der Planfeststellungsbehörde getroffen. Im Einzelnen ist zwischen unterschiedlichen aufeinander aufbauenden Stufen des Planfeststellungsverfahrens zu differenzieren. Da Planfeststellungsverfahren regelmäßig für technische Großvorhaben durchgeführt werden (vgl. den vorangestellten Überblick), ist ihre Verfahrensdauer meistens deutlich mehrjährig, in nicht wenigen Fällen sogar länger als zehn Jahre. Dies ergibt sich aus unterschiedlichen Gründen, insbesondere aus der Komplexität des Verfahrens und seiner Einzelbestandteile. Weitere Gründe dürften aber auch in
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der oftmals nicht ungeteilten Akzeptanz solcher Vorhaben in der Öffentlichkeit und der damit verbundenen Rechtsstreitanfälligkeit sowie im Kostenumfang für die Planung und Realisierung von Planfeststellungsvorhaben liegen. Zusammengenommen waren sie ausschlaggebend dafür, dass der Gesetzgeber v. a. in den ersten Jahren nach der deutschen Wiedervereinigung umfangreiche Vereinfachungs- und Beschleunigungsbestrebungen im Zusammenhang mit der Durchführung von Planfeststellungsverfahren durch Veränderungen am gesetzlichen Regelwerk unternommen hat. Bevor im Folgenden die wesentlichen Ablaufschritte des Planfeststellungsverfahrens aufgezeigt werden, bedarf es noch eines Hinweises auf die Umweltverträglichkeitsprüfung und die ▷Umweltprüfung, deren Durchführung nach den einschlägigen Bestimmungen des UVPG sowie des jeweiligen Fachrechts erforderlich sein kann. Für die Durchführung des Planfeststellungsverfahrens können die insoweit erforderlichen Angaben zum Vorhaben v. a. im Hinblick auf die zeitliche Dauer des Verfahrens von erheblicher Bedeutung sein. Das Planfeststellungsverfahren beginnt nun mit der Einreichung des Plans durch den Vorhabenträger bei der Anhörungsbehörde, damit diese das Anhörungsverfahren durchführen kann. Geregelt ist das Anhörungsverfahren in § 73 VwVfG. Wie bei allen Planungen üblich, so besteht der Plan auch bei Planfeststellungsverfahren aus Zeichnungen und Erläuterungen, die das Vorhaben, seinen Anlass und die von dem Vorhaben betroffenen Grundstücke und Anlagen erkennen lassen. Innerhalb eines Monats nach Zugang des vollständigen Plans fordert dann die Anhörungsbehörde die Behörden, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird, zur Stellungnahme auf und veranlasst weiterhin, dass der Plan in den Gemeinden, in denen sich das Vorhaben auswirkt, ausgelegt wird. Dabei müssen die Stellungnahmen der berührten Behörden binnen einer von der Anhörungsbehörde zu bestimmenden Frist, die nicht länger als drei Monate sein darf, ihre Stellungnahme abgeben. Nach der Einführung der Verbandsbeteiligung sind neben den Behörden auch die anerkannten Naturschutzverbände im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens berechtigt, sich zur beabsichtigten Planung zu äußern. Die Einbeziehung der Gemeinden, in denen sich das Vorhaben auswirkt, läuft meistens parallel zur Beteiligung der Behörden und der anerkannten Naturschutzverbände. Aufgabe der Gemeinde ist es, die Planunterlagen innerhalb von drei Wochen nach Zugang für die Dauer von einem Monat der Öffentlichkeit zur Einsicht auszulegen. Die Aus-
legung ist ortsüblich bekannt zu machen. Nur wenn der Kreis der Betroffenen bekannt ist und ihnen innerhalb einer angemessenen Frist Gelegenheit gegeben wird, den Plan einzusehen, kann auch auf die Auslegung verzichtet werden. Mit der Auslegung wird das Ziel verfolgt, einerseits die Gemeinde über das beabsichtigte Vorhaben zu informieren und andererseits zusätzliche Kenntnisse, über den Sachstand hinaus, zu gewinnen. Einwendungen können bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist schriftlich oder zur Niederschrift bei der Anhörungsbehörde oder bei der Gemeinde erhoben werden. Es darf dabei aber nur derjenige Einwendungen machen, dessen Belange durch das Vorhaben berührt werden. Abgesehen davon, dass durch die Öffentlichkeitsbeteiligung maßgeblich zur Akzeptanz des Vorhabens beigetragen wird, gehen von ihr auch noch weitere wichtige Folgen für das Verfahren sowie für den Rechtsschutz von Betroffenen aus. Nach Ablauf der Einwendungsfrist sind nämlich alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln (z. B. Dienstbarkeiten) beruhen. Dabei handelt es sich um eine formelle sowie materielle Präklusion. Das bedeutet, dass verspätet vorgebrachte Einwendungen nicht nur nicht im Erörterungstermin erörtert, sondern auch im Planfeststellungsbeschluss nicht berücksichtigt werden müssen und außerdem eine nachfolgende verwaltungsgerichtliche Klage nicht mehr auf Umstände gestützt werden kann, die bereits im Wege der Einwendung hätten geltend gemacht werden können. Aufgrund dieser immensen Bedeutung der Präklusion sind an die Bekanntmachung hohe Anforderungen zu stellen. Insbesondere muss in ihr auf diese Folgen hingewiesen werden. Nach Ablauf der Einwendungsfrist hat dann die Anhörungsbehörde die rechtzeitig erhobenen Einwendungen gegen den Plan und die Stellungnahmen der Behörden zu dem Plan mit dem Träger des Vorhabens, den Behörden, den Betroffenen sowie Personen, die Einwendungen erhoben haben, zu erörtern. Dieser Erörterungstermin ist mindestens eine Woche vorher ortsüblich bekannt zu machen. Die Erörterung soll innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Einwendungsfrist abgeschlossen werden. Die Anhörungsbehörde gibt zum Ergebnis des Anhörungsverfahrens eine Stellungnahme ab und leitet diese möglichst innerhalb eines Monats nach Abschluss der Erörterung mit dem Plan, den Stellungnahmen der Behörden und den nicht erledigten Einwendungen der Planfeststellungsbehörde zu. Aufgabe der Planfeststellungsbehörde ist es nun, unter Berücksichtigung des bisherigen Verfahrens
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und seiner Ergebnisse eine verfahrensabschließende Entscheidung zu treffen (vgl. § 74 VwVfG). Sie kann nun entweder die Planfeststellung ablehnen oder aber, wie dies regelmäßig der Fall ist, den Planfeststellungsbeschluss erlassen. Meistens ergeht der Planfeststellungsbeschluss unter Auflagen oder sonstigen Nebenbestimmungen, um dem Wohl der Allgemeinheit oder der Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf die Rechte anderer Rechnung zu tragen. Wird jedenfalls der Planfeststellungsbeschluss erlassen, so muss dieser dem Vorhabenträger, den bekannten Betroffenen und denjenigen, über deren Einwendungen entschieden worden ist, zugestellt werden. Sind dabei mehr als 50 Zustellungen vorzunehmen, so können diese Zustellungen durch eine öffentliche Bekanntmachung des verfügenden Teils des Planfeststellungsbeschlusses ersetzt werden. Eine Ausfertigung des Beschlusses einschließlich einer Ausfertigung des festgestellten Plans ist schließlich auch in den Gemeinden zwei Wochen zur Aussicht auszulegen. Ort und Zeit der Auslegung sind wiederum ortsüblich bekannt zu machen. Mit dem Ende der zweiwöchigen Auslegungsfrist gilt der Beschluss gegenüber den übrigen Betroffenen als zugestellt, worauf in der Bekanntmachung hinzuweisen ist. Verfahrensmäßig wesentlich weniger aufwendig ist das Plangenehmigungsverfahren. Da die §§ 72ff VwVfG für die Plangenehmigung nicht heranzuziehen sind und damit eine Stufung wie im Planfeststellungsverfahren zwischen Anhörungsund Entscheidungsverfahren nicht stattfindet, kann dieses deutlich beschleunigt und auch inhaltlich vereinfacht (eine Umweltverträglichkeitsprüfung ist nicht erforderlich) durchgeführt werden. Vielmehr stellt hier der Vorhabenträger den Antrag direkt bei der Plangenehmigungsbehörde (das ist sinnvollerweise dieselbe Behörde, die auch die Planfeststellung durchführt). Planfeststellungsbeschluss Der Planfeststellungsbeschluss ist schriftlich zu erlassen und zu begründen. Er kann – darauf ist bereits hingewiesen worden (siehe oben) mit Auflagen und sonstigen Nebenbestimmungen durch die Planfeststellungsbehörde versehen werden. Durch ihn wird das Vorhaben eindeutig bestimmt, insbesondere hinsichtlich seiner Auswirkungen auf potenziell Betroffene. Bspw. erstreckt sich ein Planfeststellungsbeschluss für eine neu zu bauende Bundesfernstraße regelmäßig auf folgende Angaben: die Straßenbestandteile, wie den Straßenkörper (Unterbau, Decke, Brücken, Tunnel usw.),
das Höhenniveau (Dammführung, Einschnitte, Troglagen), das Zubehör (Bepflanzungen, Verkehrsanlagen), die Nebenanlagen (Straßenmeistereien), die temporären Flächeninanspruchnahmen (Baustraßen, Lagerflächen für den Bau), die Folgemaßnahmen (Verlegung von Wegen oder Gewässern, Über- und Unterführungen) und den landschaftspflegerischen Begleitplan (Ausgleichs- und Ersatzflächen und -maßnahmen). Mit der Planfeststellung ist der Vorhabenträger berechtigt, das betreffende Vorhaben durchzuführen. Er ist jedoch nicht dazu verpflichtet, das planfestgestellte Vorhaben auch zu verwirklichen. Nach § 75 Abs. 4 VwVfG tritt der Planfeststellungsbeschluss allerdings außer Kraft, wenn mit der Umsetzung nicht innerhalb von fünf Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit begonnen wird.
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Rechtswirkungen des Planfeststellungsbeschlusses Nach § 75 VwVfG entfaltet der Planfeststellungsbeschluss eine ganze Reihe von Rechtswirkungen: Genehmigungswirkung, Konzentrationswirkung, Gestaltungswirkung, Duldungs- bzw. Ausschlusswirkung, Enteignungsvorwirkung. Die Genehmigungswirkung (oder Gestattungswirkung) des Planfeststellungsbeschlusses hat zur Folge, dass die Zulässigkeit des Vorhabens einschließlich aller erforderlicher Folgemaßnahmen an anderen Anlagen in Bezug auf alle von dem Vorhaben berührten öffentlichen Belange festgestellt und seine Durchführung gestattet wird. Die Konzentrationswirkung führt dazu, dass andere behördliche Entscheidungen neben der Planfeststellung nicht mehr erforderlich sind (es sei denn, das jeweilige Fachrecht schränkt dies ein). Dies betrifft bspw. öffentlich-rechtliche Genehmigungen, Verleihungen, Erlaubnisse, Bewilligungen, Zustimmungen und Planfeststellungen. Die Konzentrationswirkung beinhaltet eine Entscheidungs-, Zuständigkeits- und Verfahrenskonzentration. Die Gestaltungswirkung des Planfeststellungsbeschlusses führt dazu, dass alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan Betroffenen
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rechtsgestaltend geregelt werden. Entsprechend dem im Planfeststellungsbeschluss festgelegten Umfang kann sich der Vorhabenträger über die Rechte Dritter hinwegsetzen, während diese dazu verpflichtet sind, dies zu dulden. Andererseits können auch dem Vorhabenträger aus dem Planfeststellungsbeschluss Pflichten entstehen, wie bspw. die Erfüllung von Schutzauflagen oder die Entschädigung in Geldleistungen als Ausgleich für bestimmte Eingriffsbefugnisse. Die Betroffenen, zu deren Gunsten bestimmte Schutzauflagen im Planfeststellungsbeschluss getroffen wurden, haben gegenüber dem Vorhabenträger einen Rechtsanspruch, den sie notfalls auch gerichtlich durchsetzen können. Nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses sind private oder öffentlich-rechtliche Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens, auf Beseitigung oder Änderung der Anlagen oder auf Unterlassung ihrer Benutzung ausgeschlossen. Diese Duldungs- und Ausschlusswirkung ist somit auch privatrechtsgestaltend; es sind gesetzliche privatrechtliche Unterlassung-, Änderungs- oder Beseitigungsansprüche nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB betroffen. Dies führt dazu, dass Körperschaften und private Betroffene das Vorhaben nach Eintritt der Bestandskraft zu dulden haben. Schließlich kommt dem Planfeststellungsbeschluss auch noch eine enteignungsrechtliche Vorwirkung zu. Danach ist der planfestgestellte Plan in einem möglichen Enteignungsverfahren zugrunde zu legen und für die Enteignungsbehörde bindend. Mitschang
Literatur Kühling, J.; Herrmann, N. (2000): Fachplanungsrecht. Düsseldorf Mitschang, S. (2003): Steuerung der städtebaulichen Entwicklung durch Bauleitplanung. Köln Runkel, P. (2005): Fachplanungen, raumwirksame. In: ARL (Hrsg.): Handwörterbuch der Raumordnung. Hannover, 281ff Sparwasser, R.; Engel, R.; Voßkuhle, A. (2003): Umweltrecht. Heidelberg Stüer, B. (2005): Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts. München Ziekow, J. (2004): Praxis des Fachplanungsrechts. München
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Begriffsannäherung und Abgrenzung Die Analyse des Begriffs Facility Management zeigt zwei Teilbegriffe mit folgenden Übersetzungen:
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Facility, Facilities: Einrichtungen, Anlagen, Ausrüstung, Management: Handhabung, Verwaltung, Leitung, (Geschäfts-)Führung, geschickte Behandlung. Unter dem Begriff Facility (Facilities) sind zusammenfassend alle Grundstücke, Gebäude, Anlagen, Versorgungseinrichtungen sowie Sachressourcen, Dienstleistungen und Informationen zu fassen, die für die Leistungserstellung eines Unternehmens notwendig sind. Betriebswirtschaftlich gesehen handelt es sich hierbei um das Anlagevermögen und die zur Leistungserstellung benötigten Sachmittel (Krimmling 2005:16). Management bezeichnet in Anlehnung an die Betriebswirtschaft eine Führungsaufgabe (to manage: to control a business), welche die Funktionen des Zielesetzens, Planens, Entscheidens, Realisierens und Kontrollierens beinhaltet. Ganzheitliche Aufgabe des Managements in der ▷Immobilienwirtschaft ist es, über alle Phasen des ▷Lebenszyklus der Immobilie hinweg die Prozesse zu sichern, zu optimieren und die erfolgsorientierte Verwaltung und Vermarktung durchzuführen (Krimmling 2005). In der Betriebswirtschaft werden Primär- und Sekundärprozesse bzw. Kern- und Unterstützungsprozesse unterschieden. Aufgabe des Facility Management ist es, die Sekundär- oder Unterstützungsprozesse im Unternehmen professionell zu steuern. Hierzu gehören strategische, technische, infrastrukturelle und kaufmännische Aufgaben, die nicht das Kerngeschäft einer Unternehmung betreffen, aber ohne die das Kerngeschäft nur eingeschränkt möglich wäre (Krimmling 2005:20, Gondring/Wagner 2007:19). In der Richtlinie der German Facility Management Association (GEFMA) sind Kernprozesse Abfolgen „von Tätigkeiten, durch deren Ergebnisse sich eine Organisation im Markt gegenüber externen Kunden definiert und gegenüber Wettbewerbern differenziert“ (GEFMA 2004:4). Entsprechend dieser Definition reflektieren die Kernprozesse i. d. R. den Unternehmenszweck. Typische Unterstützungsprozesse, die Voraussetzungen für die Realisierung der Kernprozesse schaffen, sind bspw. Buchhaltung, Personalwesen, Wartung und Instandhaltung, Reinigungs- und Energiemanagement, Vermietungsmanagement, aber auch die Planung leicht zu reinigender Bodenbeläge oder die Dimensionierung und Auswahl technischer Anlagen (z. B. Klima, Heizung) (Krimmling 2005). Das Facility Management wird üblicherweise
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Funktionsbereiche des Facility Management (eigene Darstellung nach Nävy 2003:13 und Gondring 2007:19)
in die Funktionsbereiche kaufmännisches, technisches, infrastrukturelles Gebäudemanagement sowie Flächenmanagement unterteilt (siehe Abbildung). Dabei umfasst das Gebäudemanagement die Leistungsbereiche, die zum Bewirtschaften der Immobilie und der technischen Anlagen notwendig sind sowie die erforderlichen geschäftsunterstützenden Dienstleistungen, die die Nutzung des Gebäudes verbessern. Das Gebäudemanagement (vgl. auch DIN 32736) versteht sich als Teilbereich des Facility Management. Es wird als „operative Komponente“ bezeichnet und findet ausschließlich in der Nutzungsphase des Immobilienlebenszyklus Anwendung (Nävy 2003). Das Flächenmanagement wird als unterstützender Leistungsbereich betrachtet, der dem Gebäudemanagement eine allgemeine Datenbasis mit dem Ziel einer optimalen Ausnutzung der Flächen bei Belegschafts-, Nutzungsänderungen, Neu- und Umbaumaßnahmen etc. zur Verfügung stellt (Krimmling 2005). Diesem Gedankengang folgend, hat das ganzheitliche Facility Management eine strategische Dimension inne: Neben der operativen Komponente beinhaltet es auch Managementaufgaben. Betrachtet man den Lebenszyklus einer Immobilie so umfasst das Facility Management im Gegensatz zum operativen Gebäudemanagement alle Lebenszyklusphasen. Definition Facility Management kann als ganzheitlicher, strategischer und lebenszyklusorientierter Managementansatz beschrieben werden, bei dem Immobilien, deren Systeme und Prozesse kontinuierlich bereitgestellt, funktionsfähig gehalten sowie an die sich verändernden organisatorischen und marktgerechten Rahmenbedingungen angepasst werden.
Facility Management ist nach Nävy (2003:3) „ein strategisches Konzept zur Bewirtschaftung, Verwaltung und Organisation aller Sachressourcen innerhalb eines Unternehmens“, mit dem Ziel, einer langfristigen Ertragssteigerung, Qualitätssicherung und Werterhaltung für Investoren, Eigentümer, Nutzer und Kunden. Verschiedene Definitionen beziehen das Facility Management weitestgehend auf die Immobilien und alle Betriebs- und Arbeitsmittel in den Liegenschaften. Die Vielzahl der verfügbaren Definitionen zeigt jedoch deutlich den Charakter des Begriffs Facility Management als Schlagwort, das entsprechend der Betrachtungsweise und des Erfahrungshorizontes des Verwenders variiert und unterschiedlich abgegrenzt wird: „Facility Management ist eine Managementdisziplin, die durch ergebnisorientierte Handhabung von Facilities und Services im Rahmen geplanter, gesteuerter und beherrschter Facility-Prozesse eine Befriedigung der Grundbedürfnisse von Menschen am Arbeitsplatz, Unterstützung der Unternehmens-Kernprozesse und Erhöhung der Kapitalrentabilität bewirkt.“ (GEFMA 2004:3) „Facility Management: A profession that encompasses multiple disciplines to ensure functionality of the built environment by integrating people, place, process and technology.“ (IFMA 2009) „Facility Management ist die Gesamtheit aller Leistungen zur optimalen Nutzung der betrieblichen Infrastruktur auf der Grundlage einer ganzheitlichen Strategie.“ (VDMA 1996) „Facility Management is the practice of coordinating the physical workplace with the people and work of the organization; integrates the principales of business administration architecture, and the behavioral and engineering sciences.“ (Cotts/Lee 1992:3)
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In Wissenschaft und Praxis unterschiedlicher Fachdisziplinen erhalten die erarbeiteten Ansätze des nationalen Verbandes GEFMA sowie der International Facility Management Association (IFMA) breite Anerkennung. Bemerkenswert ist der Unterschied zwischen den deutschen und den amerikanischen Definitionen für Facility Management, die sich nur langsam angleichen. Während im amerikanischen Raum typischerweise der Nutzer im Zentrum des Interesses steht, stellte der allgemein anerkannte deutsche Ansatz der GEFMA lange die Facilities selbst in den Vordergrund. Dies wird auf die traditionell bestehenden Unterschiede des unternehmerischen Immobilienbestands
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in Deutschland und Nordamerika zurückgeführt. Während in Amerika ein Großteil der betrieblich genutzten Immobilien angemietet werden, sind diese in Deutschland häufig im Eigentum der Unternehmen. Unternehmer in eigengenutzten Immobilien erkennen den Wert der Immobilien als erfolgsrelevanten Faktor häufig nicht, so dass die Renditeerwartung hier oft nicht im Vordergrund steht (Pfnür 2004). Die aktuelle Definition der GEFMA fokussiert jedoch ebenfalls deutlich auf den Nutzer und die Kapitalrentabilität. Sie dokumentiert dadurch den in Deutschland herrschenden Trend, sowohl den Nutzer als auch die Immobilie verstärkt als Wirtschaftsgut zu erkennen und wahrzunehmen. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass eine einheitliche Verwendung des Begriffs derzeit noch nicht erfolgt. Einigkeit besteht allerdings weitgehend darüber, dass Grundstücke und Gebäude, die Unternehmensorganisation zur Unterstützung der Kernprozesse sowie die integrative Verknüpfung der gebäudebezogenen Prozesse Teil des Facility Management sind (Gondring/ Wagner 2007). Inhalt und Bedeutung Facility Management ist grundsätzlich ein interdisziplinärer strategischer Ansatz. Gebäude, Liegenschaften und betriebliche Abläufe werden im Facility Management ganzheitlich betrachtet. Wesentliche Aufgaben der strukturierten Abwicklung von Prozessen sind dabei – neben der eigentlichen Werterhaltung von Gebäuden und Anlagen – die Nutzungskosten dauerhaft zu senken, die Fixkosten zu flexibilisieren sowie die technische Verfügbarkeit der Anlagen sicherzustellen. Hierbei unterscheidet man die strategische und die operative Ebene des Facility Management. Die strategische Ebene umfasst Entscheidungen, die sich auf den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes auswirken. Sie betrifft zudem die Gestaltung von Gebäude und Technik, wie auch die Gestaltung des Gesamtprozesses des Facility Management. Die operative Ebene – das Gebäudemanagement – umfasst die Komponenten des Tagesgeschäftes in Form von Organisation und Abwicklung der Prozesse des Facility Management (siehe Abbildung). Das Spektrum der Aufgaben des Facility Management ist groß und berührt die Tätigkeitsfelder diverser Fachrichtungen, wozu u. a. Architekten, Ingenieure, Juristen, Kaufleute, Arbeitswissenschaftler und Informatiker gehören. Facility Management hat sich mittlerweile zu einer eigenen
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Strategisches und operatives Facility Management (eigene Darstellung nach Krimmling 2005:29)
Schwerpunktbereiche der Forschung im Facility Management (eigene Darstellung nach Pfnür 2004:56)
Managementdisziplin entwickelt, die bereits an einigen Hochschulen als Studiengang angeboten wird. Hier haben sich bisher drei grundlegende Schwerpunktbereiche der Forschung im Facility Management entwickelt, die in der Abbildung unten dargestellt sind (Pfnür 2004). Im Falle der Konzentration auf das Kerngeschäft ist das strategische Managementziel, dem Unternehmen einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, indem die Kernkompetenzen des Unternehmens systematisch ausgebaut und kumuliert werden. Aufgaben, die nicht in den Bereich des Kerngeschäfts gehören, werden hierbei konsequent an Dritte abgegeben und ausgegliedert (Outsourcing), um frei werdende Ressourcen verstärkt im Kernbereich einsetzen zu können. Konsequenterweise ist auch das Facility Management vom Outsourcing betroffen, so dass sich hier ein eigener Dienstleistungssektor am Markt entwickeln konnte. Die Rahmenbedingungen sowie Chancen und Risiken des Outsourcing von Leistungen des Facility Management in Verbindung mit einer geeigneten Vertragsgestaltung stellen Forschung und Praxis vor neue Aufgaben. Ein weiterer Ansatz des Facility Management liegt im Bereich des computergestützten Facility Management (Computer Aided Facility Management oder CAFM). Ziel eines solchen CAFM-Systems ist die Abbildung und Vernetzung der Prozesse des Immobilienmanagements entlang der einzelnen Lebenszyklusphasen unter Nutzung der Möglichkeiten der Informationstechnik. Hierbei werden, unter der Prämisse der Ganzheitlichkeit, unterschiedliche Gebäudeinformationen digital zusammengeführt, um als Entscheidungsvorlage
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für das Management, die Entscheidungsträger des Unternehmens sowie für Architekten oder Fachplaner bereitzustehen. Die Datenbasis für das CAFM liefern häufig CAD-Systeme (▷Architekturdarstellung und CAD), obgleich die Datenerfassung, insbesondere bei älteren Bestandsgebäuden ohne CAD-Zeichnungen, noch immer eine wesentliche Hürde bei der Einführung solcher Gebäudeinformationssysteme darstellt. In der Nutzungsphase ergänzen Module für Gebäudeverwaltung, technischen Betrieb sowie Planung, Durchführung und Kontrolle von Dienstleistungen das CAFM-System. Neuere Systeme enthalten neben der prozessorientierten Anwendung verstärkt EDV-Komponenten für Gebäudeautomation, bspw. Zugangskontrollen, Klimasteuerung oder Elektro- und Sanitärsteuerung. Der Kauf und die Einführung einer CAFM-Software generiert allerdings nur einen erkennbaren Nutzen, wenn sie in eine stabile Facility-Management-Organisation mit gesicherten Prozessabläufen integriert wird (Pfnür 2004, May 2004). Im dritten Ansatz, der lebenszyklusorientierten Planung, nimmt das Facility Management eine Schnittstellenfunktion zwischen ökonomischen und planerischen Kriterien ein. Der Ansatz folgt der Erkenntnis, dass – ausgehend von den Lebenszyklusphasen Konzeption, Planung, Errichtung, Nutzung und Rückbau – die Kostenverursachung i. d. R. bereits in der Planungsphase einer baulichen Anlage stattfindet, während jedoch die Kostenentstehung erst in späteren Phasen des Immobilienlebenszyklus (i. d. R. Nutzungsphase) erfolgt. Da diese Nutzungskosten von Gebäuden häufig ein Vielfaches der Errichtungskosten umfassen, setzt der lebenzyklusorientierte Ansatz des Facitilty Management bereits in der Planungsphase an. Dies führt zu einer erhöhten Komplexität in der Planung, da hier bereits die ökonomischen Ziele des späteren Nutzers, wie bspw. optimierte Mieteinnahmen oder kostengünstig zu reinigende Oberflächen, berücksichtigt werden sollen. Beispielhaft ist auch die Vermeidung von Nutzungseinbußen, z. B. des sog. „Sick Building Syndrom“, zu nennen. Das bedeutet einerseits, dass durch eine zielgerichtete Planung die Kosten für den Gebäudebetrieb innerhalb der Nutzungsphase beeinflusst bzw. gesenkt werden können. Andererseits wird an diesem Beispiel deutlich, dass es sich bei Facility Management nicht um das bloße Gebäudemanagement innerhalb der Nutzungsphase handelt, sondern es eine strategische Aufgabe des Facility Management ist, die notwendigen Informationen in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Planern und Ingenieuren phasenübergreifend be-
reitzustellen, um ein ökonomisches Problembewusstsein bereits in den frühen Phasen des Immobilienlebenszyklus zu unterstützen (Pfnür 2004, Krimmling 2005). Entwicklung und Ausblick Betrachtet man den Immobilienlebenszyklus, so wurde dieser bisher in die zwei weitgehend voneinander unabhängigen Bereiche der Bauphase, bestehend aus Konzeption, Planung und Errichtung, und der Nutzungsphase unterschieden. Traditionelle Bauprozesse sind dabei von einem Wechsel der Projektbeteiligten bei Bau- und Nutzungsphase begleitet, deren Zielstellungen häufig variieren. Ein Bauvorhaben ist i. d. R. dann erfolgreich, wenn der Fertigstellungstermin eingehalten und die vorgegebenen Baukosten nicht überschritten werden. Demgegenüber ist das Ziel eines Betreibers in der Nutzungsphase die Senkung der Nutzungskosten basierend auf einem guten Facility Management. Der Anreiz für den bauausführenden Investor, Kostensenkungspotenziale in einer späteren Phase des Lebenszyklus auf Grundlage eines geeigneten Bewirtschaftungskonzeptes zu generieren, ist häufig gering, da dies oftmals mit erhöhten Investitionskosten verbunden ist, die den Gewinn in dieser Phase schmälern würden (Krimmling 2005). Die Beeinflussung der Gebäudegestaltung aus der Nutzungsphase heraus ist jedoch rückwirkend nur noch begrenzt möglich. Aus Sicht des Facility Management muss der Projekterfolg daher über den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie definiert werden. Strukturell eignen sich hierfür neuere Vertragsmodelle, bei denen die Projektbeteiligten in Planung, Bauausführung und Betrieb nicht wechseln, wie bspw. bei Public Private Partnerships, und damit ein Anreiz zur Kostensenkung in späteren Lebenszyklusphasen besteht. Wird der Prozess der Entstehung und Nutzung als Ganzes verstanden, ist es Aufgabe des Facility Managers, die Planung in den frühen Phasen hinsichtlich der Einhaltung des Kostenbudgets der späteren Nutzungsphase zu beurteilen und gegebenenfalls zu beeinflussen (Krimmling 2005). Facility Management gewinnt aktuell durch die politische Debatten zum Klimaschutz, dem CO2-Ausstoß sowie der Ressourcenschonung an Bedeutung. Insbesondere die Diskussionen über die Reduktion der CO2-Emission von Immobilien sowie die durch die Energieeinsparverordnung rechtlich fixierte konsequente Umsetzung tragen dazu bei, über neue Strategien nachzudenken, die sich insbesondere im Bereich des operativen
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Gebäudemanagements niederschlagen. Hierdurch zeichnet sich gerade für Immobilien, die zum CO2-Ausstoß wesentlich beitragen, ein neuer Trend für Investoren, Eigentümer und Nutzer von Immobilien ab: Ein gutes operatives und auch strategisches Facility Management entwickelt sich zu einem am Markt wesentlichen und wettbewerbsbeeinflussenden Faktor. Riediger
Literatur
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Cotts, D. G.; Lee, M. (1992): The Facility Management Handbook. New York DIN – Deutsches Institut für Normung (2000): DIN 32736: Gebäudemanagement – Begriffe und Leistungen. Berlin DIN – Deutsches Institut für Normung (2008): DIN 18960: Nutzungskosten im Hochbau. Berlin GEFMA – German Facility Management Association (2004): Richtlinie GEFMA 100-1: Facility Management – Grundlagen. Bonn (Entwurf 2004-07) Gondring, H.-P., Wagner, T. (2007): Facility Management, Handbuch für Studium und Praxis. München IFMA – International Facility Management Association (2009): FM definitions. Zugriff auf www.ifma.org/what_is_fm/fm_definitions.cfm im 20.07.2009 Krimmling, J. (2005): Facility Management, Strukturen und methodische Instrumente. Stuttgart Lochmann, H.-D., Köllgen, R. (1998): Facility Management – strategisches Immobilienmanagement in der Praxis. Wiesbaden May, M. (2004): IT im Facility Management erfolgreich einsetzen. Heidelberg Nävy, J. (2003): Facility Management – Grundlagen, Computerunterstützung, Systemeinführung, Anwendungsbeispiele. Heidelberg Pfnür, A. (2004): Modernes Immobilienmanagement. Berlin VDMA – Verband deutscher Maschinen- und Anlagenbauer e. V. (1996): Einheitsblatt 24196. Berlin
FESTIVALISIERUNG Der Begriff Festivalisierung ist in die stadtpolitische Diskussion v. a. anlässlich der Vorbereitungen für die Expo in Hannover im Jahr 2000 eingeführt worden (Häußermann/Siebel 1993, Selle 1994). Unter dem Begriff wird eine Ausrichtung der Stadtentwicklungspolitik (▷Stadtpolitik) auf raumrelevante Großereignisse im Stadtgebiet oder der Stadtregion verstanden, für deren Vorbereitung und Durchführung beträchtliche Ressourcen der Stadt und übergeordneter öffentlicher Einrichtungen aufgewendet werden. Städte und insbesondere die in ihnen stadtentwicklungspolitisch tätigen Akteure (▷Akteure der Planung) versprechen sich von ihnen eine Mobilisierung von Fördermitteln, eine Bündelung der verfügbaren Mittel und personellen Ressourcen, eine verbesserte Durchsetzbarkeit komplexer Strategien und Maßnahmen in der Stadtentwicklung und nicht
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zuletzt positive Effekte für die Wettbewerbsfähigkeit der Stadt. Hierzu zählen neben einer Zunahme der Besucherzahlen während des Großereignisses eine Verbesserung der Infrastruktur, eine Aufbereitung von Flächen und eine Steigerung der Aufmerksamkeit im Städtewettbewerb um Ansiedler und Gäste. Mit der Bezeichnung Festivalisierung ist die Beobachtung verbunden, dass die genannte Strategie zu einer bewussten Ausrichtung der Stadtentwicklungspolitik an möglichen Festivals und großen touristisch wirksamen Einzelereignissen führt. Dies bedeutet zunächst eine Politik der aktiven Bewerbung um die Ausrichtung von Großereignissen wie Olympischen Spielen, Weltausstellungen und Gartenschauen sowie ihrer nationalen und regionalen Pendants und die Schaffung oder Bündelung vermarktbarer Anlässe unter dem Gesichtspunkt ihrer Verwertbarkeit, insbesondere als Motoren der Stadtentwicklung. Weiterhin ist mit ihr einerseits eine Planung und Durchführung von räumlichen Projekten im Takt der geplanten bzw. anstehenden Festivals, und andererseits deren besondere Bevorzugung gegenüber „normalen“ Projekten verbunden. Dies bedeutet nicht zuletzt eine gezielte Aushebelung der im Alltagsbetrieb üblichen Routinen und Verfahren. Organisation, Planung und Durchführung von Festivalisierungsstrategien Die im Zuge der Festivalisierung verfolgten Projektstrategien zeichnen sich durch ihren temporären Charakter aus. Zur Planung und Durchführung werden häufig „Sonderbehörden“ oder Durchführungsgesellschaften gegründet, die weitgehend unabhängig von der städtischen Politik und Verwaltung agieren können. Sie unterliegen demgemäß der Kontrolle von Aufsichtsgremien und Aufsichtsbehörden, sind aber bspw. nicht den haushalts- und personalrechtlichen Vorschriften der öffentlichen Verwaltung unterworfen. Damit können sie ihr „Tagesgeschäft“ unabhängig von politischer Einflussnahme auf Einzelentscheidungen flexibel und problembezogen im Rahmen ihres durch einen Grundsatzbeschluss der städtischen Politik abgesicherten Aufgaben- und Haushaltsrahmens erledigen. Die Entscheidungsfähigkeit des städtischen Gemeinwesens wird auf diese Weise stark erhöht und die Mobilisierung von Ressourcen erleichtert, ohne die Festivals und Großprojekte (▷Städtebauliche Großprojekte) nur schwer in den zur Verfügung stehenden Vorbereitungszeiträumen durchführbar wären.
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Weiterhin kann besonderes externes Know-how schnell verfügbar gemacht werden. Dies ist v. a. angesichts der hohen Anforderungen im künstlerischen, marketingbezogenen und organisatorischen Bereich entscheidend, die häufig aus dem Personalbestand der öffentlichen Verwaltung nicht geleistet werden können, aber nur den begrenzten Zeitraum der Vorbereitung und Durchführung von Festivals anfallen. Die organisatorische Autonomie von Sonderbehörden wirft aber neben den genannten Vorteilen auch naheliegende Probleme auf: Da das Handeln der öffentlichen Kontrolle immer dann entzogen ist, wenn keine standardisierten Verfahren mit Beteiligung damit verbunden sind, werden hier noch mehr als etwa bei Projektgruppen in der öffentlichen Verwaltung Entscheidungen ohne Dialog mit einer breiten Öffentlichkeit gefällt. Damit besteht die Gefahr, Politik für einen engen, elitären Zirkel einflussreicher Persönlichkeiten zu machen und das Risiko, eine breite gesellschaftliche Akzeptanz zu verfehlen. Dies gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil Festivals häufig bestimmte „Hauptschauplätze“ aufweisen und zur Revitalisierung innerstädtischer oder innenstadtnaher Flächen genutzt werden (▷Konversion und Revitalisierung). Auf ihnen ansässige Nischennutzer stehen den Festivals aber oftmals im Weg und werden im Zuge der festivalbedingten Aufwertung der Flächen verdrängt. Erscheinungsformen und stadträumlicher Niederschlag Festivalisierungsstrategien können unterschiedliche Formen annehmen. Im engsten Wortsinn kann darunter die Bewerbung, Konzeption, Planung und Durchführung eines oder mehrerer Festivals mit gesamtstädtischer oder darüber hinausreichender Bedeutung verstanden werden. Anlässe geben meist Stadtjubiläen, Jahrestage oder die Bündelung von meist mit einer Tradition versehenen und um einen thematischen Rahmen gruppierten kulturellen Einzelveranstaltungen. Voraussetzung ist hier nicht zuletzt eine „intakte“ historische Altstadt, die zur „Bühne“ für Feste wird und damit neben konventionellen Sehenswürdigkeiten mit weiteren Höhepunkten für Stadttouristen angereichert wird. Regelmäßig an unterschiedlichen Orten stattfindende Großereignisse, die in einem Wettbewerbsverfahren von der öffentlichen Hand oder Fachverbänden vergeben und von Land, Bund oder gar internationalen Einrichtungen gefördert werden, sind bspw. Olympische Spiele, andere größere Sport-
ereignisse, Weltausstellungen oder ihre nationalen und regionalen Pendants, die Europäische Kulturhauptstadt oder Gartenschauen. Daneben werden auf Initiative öffentlicher Gebietskörperschaften in Deutschland ▷Internationale Bauausstellungen ausgetragen. Im weiteren Sinne sind zu Festivalisierungsstrategien auch die das eigentliche Ereignis begleitenden Aktivitäten von Städten zu rechnen, etwa politische Strategien, die die Chancen in Bewerbungsprozessen erhöhen oder weitere Großereignisse wie Messen oder Kongresse durch den Ausbau entsprechender Tagungs- und Veranstaltungszentren anziehen und damit die Aufbereitung von Flächen, öffentlichen Räumen oder öffentlichen Infrastruktureinrichtungen in der Stadtregion unterstützen. Weiterhin sind zu ihnen Maßnahmen zu rechnen, die die Wirkungen der Großereignisse etwa im Rahmen der überregionalen Stadtvermarktung und einer „nach innen“ gerichteten Bereitstellung von in der Bevölkerung „identitätsstiftenden“ Einrichtungen oder Anlässen der öffentlichen Selbstvergewisserung verbessern. Auch die Stadtentwicklung selbst kann, etwa im Rahmen der Besichtigung, medialen Darstellung oder stadtöffentlichen Reflexion von Planungs- und Bauvorhaben zum Thema der Festivalisierung werden.
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Wirkungen und Kritik Der Begriff Festivalisierung legt die Instrumentalisierung „performativer“ Strategien für die Stadtpolitik nahe. Stadtentwicklungspolitisch besteht ein großer Unterschied darin, ob Großereignisse den Ausrichtern allein oder darüber hinaus Touristen und damit einem gewissen Teil der städtischen Ökonomie oder aber überdies einem möglichst breiten Kreis von Bewohnern zugutekommen. Hierzu sind sie daran zu messen, inwiefern sie an authentische Traditionen vor Ort anknüpfen, aus dem Blick der Öffentlichkeit geratene Orte bespielen oder in der jeweiligen Stadt virulente gesellschaftliche Fragen thematisieren. Von performativen Strategien kann noch ein größerer Nutzen ausgehen, wenn sie die örtliche Bevölkerung in die Stadtproduktion einbeziehen oder wenigstens die Voraussetzungen hierfür schaffen. Häufig werden hier „Bilder“ produziert, um Möglichkeiten gemeinschaftlichen Handelns aufzuzeigen, wo ohne sie Zweifel an stadtpolitischer Handlungsfähigkeit eine Umsetzung lähmt. Neben den katalytischen Wirkungen, die Festivals innewohnen können, sind die mit ihnen verbundenen Herausforderungen und Gefahren zu berücksichtigen (Altrock 2007). Sie liegen neben
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einer Überschätzung der Tragfähigkeit von katalysierten Ideen zunächst in der Frage der Verstetigung genuin temporärer Konzepte, die auf hohe Besucherzahlen ausgelegt worden sind, im Dauerbetrieb dann aber Tragfähigkeitsprobleme aufweisen. Weiter sind Legitimationsdefizite, die Eigendynamik von Projekten, die Ausgrenzung von Benachteiligten und die Verschärfung von Polarisierungseffekten zu beachten, wenn die besonders besucherfreundliche Umgestaltung von Stadtquartieren auf Kosten bestimmter Bevölkerungsgruppen zu gehen droht. Schwer verdauliche Haushaltsrisiken spielen längerfristig eine Rolle, wenn Folgekosten aufgrund einer zu geringen Auslastung der nachgenutzten Festivaleinrichtungen „aus dem Ruder“ laufen. Funktional kann mit ihnen die Schaffung unverträglicher Konkurrenzen einhergehen – etwa, wenn ein Stadtteil für die Tragfähigkeit eines Festivals mit Nutzungen angereichert wird, die dann andernorts fehlen. Im Hinblick auf die stadtpolitische Prioritätensetzung können sie andere bedeutende Projekte verdrängen, für die die Mittel aufgrund der Bündelungswirkungen des Festivals fehlen. Räumlich kann sich dies in „Oaseneffekten“ niederschlagen, also der besonders aufwendigen Entwicklung einzelner Stadtquartiere bei gleichzeitiger Vernachlässigung ihrer weiteren Umgebung. Festivals und andere Großereignisse garantieren also keinen Stadtentwicklungserfolg. Durch eine städtebaulich-planerische Einbettung in eine räumliche Gesamtstrategie kann versucht werden, Großereignisse zu Schlüsselprojekten der ▷strategischen Stadtentwicklung zu machen und damit ihre Mobilisierungs- und Bündelungseffekte mit den Integrationszielen räumlich umfassender Planungsansätze zu verbinden. Im Lauf der langen Vorbereitungs- und Durchführungszeit können mit den Großereignissen aber vielfältige Anpassungserfordernisse verbunden sein. Nach der „Rückkehr zur stadtentwicklungspolitischen Normalität“ sind bisweilen enorme Anstrengungen notwendig, um etwaige negative Auswirkungen planerisch, haushälterisch und ökonomisch zu bearbeiten. Sie bringen eine Zementierung von Provisorien mit sich, wenn ein ehrgeiziges Bauprogramm nur z. T. umgesetzt werden konnte. In anderen Fällen bleiben maßstabsunverträgliche und schwer bespielbare Bauten zurück. Kommt es erst gar nicht zur Durchführung, stellt sich die bisweilen unbeantwortete Frage nach einem „Plan B“. Ein Festival wird deshalb eher erfolgreich sein, wenn es möglichst breite Potenziale für eine sozi-
ale Integration ausschöpft, und sei dies auch nur indirekt über touristische oder kulturelle Effekte. Eine Konzentration wesentlicher Ressourcen für städtische Projekte aus unterschiedlichsten Quellen ohne Rücksicht auf soziale Folgewirkungen ist wenig erfolgversprechend, wenn die Mobilisierung von Ressourcen auf Kosten anders gelagerter Projekte in der Stadt geht. Politik der Festivalisierung – eine Erscheinungsform der „nachmodernen Stadtentwicklungspolitik“? Inzwischen kann als gesichert gelten, dass die Festivalisierung der Stadtpolitik eine alte Erscheinung ist, deren Vorläufer sich über Jahrhunderte oder gar länger zurückverfolgen lassen. Insbesondere im Zusammenhang mit vielfältigen Umbrüchen im ausgehenden 20. Jahrhundert hat sie in einer häufig als „nachmodern“ (im Gegensatz zu den Erscheinungsformen der städtebaulicharchitektonischen Moderne) bezeichneten Stadtentwicklungspolitik in einer „postfordistischen“ Gesellschaft einen besonderen Stellenwert erlangt. Verändert man den Blickwinkel ein wenig, so lässt sich der Zusammenhang zwischen Festivalisierung und Stadtentwicklung aber auch umgekehrt deuten: als immer systematischere Durchwirkung der Politik der Festivalisierung mit Strategien der Stadtentwicklung. Dies spielt insbesondere bei der Bewerbung von Städten, die Festivals ausrichten möchten, eine zentrale Rolle. Wirkungen kleinerer Events und Festivals werden teilweise deutlich überschätzt. Selbst die positiven Wirkungen größerer Festivals werden teilweise kritisch gesehen (Selle 1994). Die Hoffnungen auf Festivals gehen teilweise auf eine analoge Übertragung von vermeintlichen Erfolgen wie den Olympischen Sommerspielen in München 1972 oder Barcelona 1992 zurück, die aber ohne ein komplexes begleitendes Stadtentwicklungsprogramm so nicht denkbar gewesen wären. Dort spielte das Festival tatsächlich eine wichtige Katalysatorenrolle für die Stadtentwicklung, war jedoch nur ein Baustein in der jeweiligen „Erfolgsgeschichte“. Altrock
Literatur Altrock, U. (2007): Am Morgen danach: Großereignisse und ihre Folgen. In: Informationen zur Raumentwicklung, 12, 719-730 Häußermann, H.; Siebel, W. (1993): Festivalisierung der Stadtpolitik. Leviathan Sonderheft 13. Düsseldorf Selle, K. (1994): Expositionen, Eine Weltausstellung als Mittel der Stadtentwicklung? Hannover, Dortmund
FLÄCHENMANAGEMENT
FLÄCHENMANAGEMENT Definition
schaft“ (BMVBS/BBR:2007) beschreiben Anforderungen an die Modifikation bestehender Instrumente sowie an die Einführung neuer Instrumente für eine nachhaltige Steuerung der Flächeninanspruchnahme. Das Flächenmanagement als kommunale Aufgabe basiert auf der den Kommunen nach Art. 28 Grundgesetz – GG garantierten Planungshoheit für die Ausweisung von Bauland. Zumeist wird das Flächenmanagement daher als eine kommunale Aufgabe gesehen. Jedoch wird in jüngerer Vergangenheit in Anbetracht der vielfältigen über die einzelne Kommune hinausreichenden räumlich-funktionalen Verflechtungen der Anspruch an die Etablierung eines regionalen Flächenmanagements formuliert.
Flächenmanagement kann als eine Kombination staatlicher und konsensualer Instrumente zur Realisierung einer aktiven, bedarfsorientierten, strategischen und ressourcenschonenden Bodennutzung in einem integrierten Planungsprozess definiert werden (Löhr/Wiechmann 2005:317). Es schließt Elemente der Flächeninformation, der Kommunikation, der Kooperation und der Finanzierung sowie der Steuerung und Gestaltung von Prozessen im aktiven Zusammenwirken der relevanten Akteure ein und dient damit einer nachhaltigen Flächen- und Siedlungspolitik. Kommunales Flächenmanagement dient der quantitativen und qualitativen Optimierung der Flächennutzung sowie der Baulandbereitstellung und folgt dabei städtebaulichen, ökologischen, sozialen und ökonomischen Belangen. Ein Prozess des Flächenmanagements ist dabei langfristig und vorausschauend angelegt (siehe Abbildung). Strategisch setzt das Flächenmanagement auf der Ebene der Flächennutzungsplanung an und ermöglicht die Entwicklung und Mobilisierung von Flächen auf Basis räumlicher und zeitlicher Prioritätensetzungen. Im engen Zusammenhang mit dem Begriff des Flächenmanagements stehen die Begriffe „Flächenressourcen-Management“ (Gloger/Lehle 2002:14ff, Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen 2003), „Bodenmanagement“ (Fuhrich/Dosch 2000:242ff ) und „strategisches Landmanagement“ (Thiel 2008). Insbesondere die mit dem Flächenmanagement verknüpften Prinzipien und Politik- und Managementansätze der „Flächenhaushaltspolitik“ (ARL 1987 und 2004) und der „Flächenkreislaufwirt-
Ein Flächenmanagement erfüllt ökonomische, ökologische, städtebauliche und soziale Funktionen. Es dient der Schaffung von Planungs- und Entscheidungssicherheit und kann das Verfahren der Bereitstellung von Bauland beschleunigen, insbesondere bei einer engen Verzahnung von Flächenmanagement und Bauleitplanung (MSWV 1994:8). Das kommunale Flächenmanagement erstreckt sich auf folgende Handlungsfelder: Flächenentwicklung und -sicherung, Bodenordnung, Erschließung, Mobilisierung und Verfügbarmachung für die beabsichtigte Nutzung, Bodenvorratspolitik, Beeinflussung von Bodenmarkt und -preisen, Mitwirkung bei der Klärung von Eigentumsverhältnissen und Mitwirkung bei der Vermarktung von Flächen (MSWV 1994:8ff ).
Ablaufzyklus eines Flächenmanagements (eigene Darstellung)
Ein effizientes Flächenmanagement setzt die Kenntnis aller in einem Gemeindegebiet oder in einer Region verfügbaren Flächenpotenziale voraus. Dazu zählen sowohl die vorhandenen oder planerisch ausgewiesenen Erweiterungspotenziale als auch die im Bestand verfügbaren Potenziale für eine Innenentwicklung (▷Innenentwicklung/Außenentwicklung), wie z. B. Baulücken, Brachflächen, minder genutzte Grundstücke sowie absehbare Flächenfreisetzungen. Diese Flächenpotenziale sollten in einem hierfür geeigneten Informationssystem erfasst werden, das neben Flurbezeichnung, Lage, Größe, ggf. Vornutzung auch Informationen über
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Handlungsfelder und Ziele des Flächenmanagements
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den jeweiligen Planungsstatus, Nutzungsrestriktionen und die Eigentumsverhältnisse enthält. Auf der Basis der Kenntnis vorhandener Flächenpotenziale und einer fundierten Analyse der für Wohnen und Gewerbe in einem definierten Zeitraum erforderlichen Flächenbedarfe wird eine adäquate Flächenmanagementstrategie abgeleitet, die räumliche und zeitliche Schwerpunkte bzw. Prioritäten enthält. Voraussetzung für die Ableitung einer derartigen Strategie ist eine umfassende Bewertung von Flächen, die ökonomische, ökologische, städtebauliche und soziale Kriterien beinhaltet und sich an den zuvor formulierten Zielen des Flächenmanagements orientiert. Ein wichtiges Kriterium ist die Rentierlichkeit von Flächenentwicklungen, wonach häufig nach marktgängigen Flächen mit rentierlicher Entwicklungsmöglichkeit, in marktgängige Flächen ohne rentierliche Entwicklungsmöglichkeit und in nicht marktgängige Flächen unterschieden wird (Kötter/Weigt 2006:49ff; Ferber 2003). Eine nachhaltige Steuerung der Flächeninanspruchnahme folgt sowohl Mengen- als auch Qualitätszielen (Erhaltungs- und Schutzziele, nutzungsstrukturelle Ziele, Nutzungseffizienzziele). Kommunales Flächenmanagement soll v. a. zur Steigerung der Effizienz in der Flächennutzung führen. Hierbei gilt es, die vorhandenen Potenziale im Bestand für eine weitere Baulandnachfrage verstärkt auszuschöpfen und damit zu einer sparsamen Neuausweisung zu kommen. Dabei sollen die bereits heute bestehenden Handlungsmöglichkeiten als Basis für eine Festlegung mittel- und langfristiger Ziele dienen, die regelmäßig überprüft und konsequent verfolgt werden (Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg 2003). Dazu zählen u. a. bodenpolitische Grundsatzbeschlüsse, die Erfassung und das Monitoring von Flächenpotenzialen oder KostenNutzen-Betrachtungen im Zusammenhang mit Flächenausweisungen (Preuß/Floeting 2009). Generell sollte das Flächenmanagement auch die bereits in der Bauleitplanung regelmäßig beschriebenen Planungsabsichten zur vorrangigen Innenentwicklung, zur Konzentration der Siedlungsentwicklung entlang bestehender Infrastrukturen und zum Erhalt von Böden, Natur und Landschaft aufgreifen und schließlich in Form von Maßnahmenempfehlungen operationalisieren. Akteure des Flächenmanagements Zu den Hauptakteuren des Flächenmanagements zählen neben den unterschiedlichen Ressorts der Kommunalverwaltungen (Stadtentwick-
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Akteure des Flächenmanagements (eigene Darstellung)
lung, Stadtplanung, Umwelt, Wirtschaftsförderung, Liegenschaften, usw.), die Kommunalpolitik, regionale Planungsstellen, Unternehmen, Wirtschaftsförderungsgesellschaften, Developer, Makler, Großflächeneigentümer, Banken und Planungsbüros (siehe Abbildung). Ein tragfähiges Flächenmanagement lässt sich nur in kooperativer Zusammenarbeit und unter Berücksichtigung der Interessen vieler Akteure entwickeln, wobei Kooperationen zwischen öffentlichem Sektor und Privatwirtschaft zunehmende Bedeutung erlangen (▷Public Private Partnership). Instrumente des Flächenmanagements Alle Instrumente des Flächenmanagements zielen auf eine oder mehrere der folgenden Teilstrategien zur Verminderung der Flächenneuinanspruchnahme und zur Konzentration auf die Innenentwicklung: Reduzierung des Zuwachses bebauter Siedlungs- und Verkehrsfläche, Verbesserung der Effizienz der Flächennutzung im Bestand, Schließen von Baulücken, Brachflächenreaktivierung und Rückbau und Renaturierung. Bei der Umsetzung dieser Teilstrategien wird gleichzeitig besonderes Augenmerk auf den Schutz leistungsfähiger Böden, den Schutz und die Entwicklung von Freiflächen sowie die Minimierung von Versiegelung bzw. auf Möglichkeiten zur Entsiegelung gelegt. Die für ein Flächenmanagement relevanten Instrumente lassen sich in die Bereiche Informationen, Planung (inkl. Bodenordnung und Flächenentwicklung), Kooperation, Organisation, Fördermittel und Investitionen sowie Vermarktung untergliedern. Mit dem Ziel der Mobilisierung von Flächen werden freiwillige und
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gesetzliche bzw. formelle und informelle Instrumente und Verfahren miteinander kombiniert. Informationen: Wichtige grundstücksbezogene Informationen für Kommunalpolitik und -verwaltung sind u. a. Brachflächenkataster und Baulückenkataster, Kartierungen von Nachverdichtungspotenzialen, Baulandkataster, Grundstückspässe, Realnutzungskartierungen, Altlastenkataster oder Informationen über Bodenqualitäten. Wichtige ökonomische Informationen sind Bodenrichtwerte, grundstücksbezogene Wertgutachten/Expertisen/ Abschätzungen der Aufbereitungskosten, Immobilienmarktanalysen/Renditeprognosen für Innen- und Außenbereich, Kosten- und Nutzen-Betrachtungen für Baugebietsausweisungen oder Informationen über Förderprogramme für Innenentwicklungsprojekte, Grundstücksrecycling oder Vermarktungshilfen. Relevante Informationen können in einem kommunalen Informations- und Monitoringsystem gebündelt werden, in das eine Vielzahl der o. g. grundstücksbezogenen Informationen in digitaler Form aufgeführt sind. Denkbar ist auch eine regelmäßige Berichterstattung zur Entwicklung und Mobilisierung von Flächen. Planung: Es sind auf lokaler, interkommunaler und regionaler Ebene diverse formelle und informelle Planungen für das Flächenmanagement von Interesse. Auf kommunaler Ebene sind v. a. die Flächennutzungsplanung und Stadtentwicklungspläne sowie auf teilräumlicher Ebene Bebauungspläne sowie Stadtumbaukonzepte, Quartiers- und Standortplanungen relevant. Ebenso sind hier die Erhaltungssatzung sowie städtebauliche Gebote zu nennen. Für ein Flächenmanagement auf stadtregionaler Ebene spielen überörtliche Planungen zur Koordination der Siedlungsund Verkehrsflächenentwicklung zwischen den Gemeinden, insbesondere die Regionalplanung, regionale Entwicklungskonzepte, interkommunale Flächennutzungspläne und andere interkommunale Pläne eine Rolle. Wichtige Mobilisierungsinstrumente sind z. B. Maßnahmen der Bodenordnung und sonstige grundstücksbezogene Ordnungsmaßnahmen, städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen, städtebauliche Sanierungsmaßnahmen, Stadtumbaumaßnahmen sowie öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Vereinbarungen. Kooperation: Projektbezogene und projektübergreifende Kooperationen für ein Flächenmanagement kommen sowohl zwischen öffentlichen Trägern, z. B. bei der Entwicklung
interkommunaler Gewerbeflächen, als auch zwischen öffentlichen und privaten Akteuren , etwa als gemischtwirtschaftliche Grundstücksentwicklungsgesellschaften, in Betracht (▷Kooperation). Auf stadtregionaler Ebene sind außerdem regionale Entwicklungskonzepte und übergreifende vertragliche Vereinbarungen anzuführen (▷regionale Kooperation). Hilfreich für die Etablierung eines Flächenmanagement kann das Anknüpfen an bestehende Kooperationsstrukturen innerhalb der Kommune bzw. zwischen den Kommunen sein. Von Bedeutung für Kooperationen sind Regelungen zum Interessenausgleich bzw. zur Verteilung von Kosten und Einnahmen z. B. bei interkommunalen Gewerbegebieten. Organisation: Zuständigkeiten im Zusammenhang mit der Erfassung, Entwicklung und Mobilisierung von Flächen sollten koordiniert und ggf. gebündelt werden. Hierfür kommt z. B. die Einrichtung von regionalen oder verwaltungsinternen Stabstellen oder Arbeitsgruppen für das Flächenmanagement, die Zusammenfassung von Verwaltungsverfahren zur beschleunigten Flächenmobilisierung oder von unterschiedlichen personellen Kompetenzen o. ä. in Betracht. Auf stadtregionaler Ebene können Regionale Planungsstellen, Regionalverbände, Stadt-Umland-Verbände, Nachbarschaftsverbände, Planungs- und Zweckverbände, Städtenetze und Regionalkonferenzen in Belange des Flächenmanagements einbezogen werden. Ein Ansatz kann in der Einrichtung einer kommunalen oder stadtregionalen Kompetenzstelle für Flächenmanagement bzw. Innenentwicklung bestehen. Fördermittel und Investitionen: Aufgrund der angespannten Haushaltslage tritt der kommunale Zwischenerwerb zugunsten privat-öffentlicher Finanzierungsmodelle in den Hintergrund. Für die Baureifmachung von Bestandflächen sind von Seiten der Kommunen erhebliche personelle und finanzielle Ressourcen aufzubringen, um derartige Flächen marktfähig zu machen. Große Bedeutung kommt aktuellen Programmen von EU, Bund und Ländern zu, die zur Kofinanzierung von Flächenentwicklungen beitragen können. Besonders hervorzuheben sind Finanzierungsmöglichkeiten im Rahmen der ▷Städtebauförderung und des ▷Stadtumbaus. Vermarktung: Im Interesse des Flächenmanagements liegen aktive Vermarktungsstrategien für Innenbereichsflächen (z. B. über zielgruppenspezifische Vermarktungskonzepte,
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Erbringung von Zusatzleistungen wie Finanzierungsvermittlung usw.), die Einbindung der Immobilienwirtschaft in die Vermarktung unter Ausrichtung auf ein nachhaltiges Flächenmanagement oder die Verbesserung der reaktiven Vermarktung im Hinblick auf das Flächenmanagement (z. B. über die Schaffung einheitlicher Anlaufstellen für Grundstücksnachfrager). Es bietet sich eine enge Verzahnung kommunaler Vermarktungsaktivitäten mit Aktivitäten der ▷kommunalen bzw. regionalen Wirtschaftsförderung an.
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Steuerungsstrukturen im Rahmen des Flächenmanagements Flächenmanagementansätze zur Verminderung der Flächenneuausweisung und zur verstärkten Innenentwicklung benötigen geeignete Governance- bzw. Steuerungsstrukturen. Dieses betrifft die Kommunalverwaltung und ihre Gliederungen, das Zusammenspiel zwischen Verwaltung und Kommunalpolitik, das Zusammenwirken zwischen Gebietskörperschaften sowie das Zusammenspiel zwischen öffentlichen und privaten Akteuren auf kommunaler und regionaler Ebene. Eine komplexe Aufgabe wie das Flächenmanagement erfordert eine umfassende Koordinierung öffentlicher und privater Akteure in netzwerkartigen Strukturen entlang gemeinsam formulierter Ziele. Daher spielen in der Praxis des Flächenmanagements Aushandlungsprozesse im Sinne einer aktivierten Selbstregulierung eine herausragende Rolle. Dabei geht es um die Identifizierung problemadäquater Ziele, die Verständigung über Flächenbedarfe für Wohnen und Gewerbe, die Ermittlung geeigneter Mobilisierungsraten für Bestandflächen sowie die Verteilung von Flächenneuausweisungen in definierten räumlichen Zuschnitten (Ortsteile, Gemeinde, Stadtregion) und Zeitabschnitten. Perspektiven Die Flächenausweisungspolitik der Kommunen wird von politischen, ökonomischen und sozialen Wertesystemen geprägt, wodurch die Chancen eines nachhaltigen Flächenmanagements wesentlich beeinflusst werden. Die kommunale Konkurrenz um Einwohner, das Denken von Kommunalpolitikern in Legislaturperioden und Anreize des Gemeindefinanzierungssystems lassen häufig eine Reduzierung der Flächenneuausweisungen nicht opportun erscheinen. Der Umsetzung eines nachhaltiges Flächenmanagements steht auch ent-
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gegen, dass die Entwicklung von Bestandflächen im Vergleich zu Neuausweisungen auf der Grünen Wiese häufig zeit- und personalaufwendig ist, die Baureifmachung von Brachflächen mit oftmals unrentierliche Kosten verbunden ist und es auf stadtregionaler Ebene an tragfähigen Mechanismen für einen Lasten-Nutzen-Ausgleich bei der Flächenausweisung mangelt. Der gegenwärtige instrumentelle Rahmen führt zu Fehlanreizen bzw. Fehlsteuerungen in der Flächeninanspruchnahme auf Seiten der am Flächengeschehen beteiligten Akteure. Daher bedarf es neuer Instrumente mit zieladäquaten Anreizen. In der Fachöffentlichkeit werden eine Reihe Instrumente diskutiert. Dazu gehören neue Ansätze zur Beeinflussung der Grundstückspreise (z. B. durch eine umfassende Grundsteuerreform oder eine reformierte Grunderwerbsteuer), die Einführung von Preismechanismen für die Neuausweisung von Flächen (z. B. durch handelbare Flächenausweisungsrechte oder eine Baulandausweisungsumlage jeweils in Verknüpfung mit Kosten-Nutzen-Betrachtungen) und die Einführung von Finanzierungsmöglichkeiten und die flächenkreislaufgerechte Modifizierung von Fördermaßnahmen (z. B. durch Reform des Kommunalen Finanzausgleichs, zinsgünstige Kredite, Grundstücksfonds, Rückbauhaftpflicht, Subvention von Renaturierungen) (BMVBS/BBR 2007:2). Die Erfahrungen aus Kommunen, wie z. B. Emsdetten (Stadt Emsdetten 2007), Bottrop (Stadt Bottrop 2007), Stuttgart (Landeshauptstadt Stuttgart 2003), Baiersdorf (Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen 2003) oder mehrere Gemeinden in der Region Freiburg (Öko-Institut 2008), die bereits ein Flächenmanagement aufgebaut haben bzw. etablieren, zeigt bereits heute, dass die Kenntnis verfügbarer Flächenpotenziale, ein Flächenmonitoring und die Abschätzung von mittel- und langfristigen Kosten von Flächenneuausweisungen wichtige Schritte hin zu einer nachhaltigen kommunalen Flächenpolitik sind. Preuß
Literatur ARL – Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.) (1987): Flächenhaushaltspolitik, Ein Beitrag zum Bodenschutz. Hannover ARL – Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.) (2004): Flächenhaushaltspolitik, Ein Beitrag zur nachhaltigen Raumentwicklung. Hannover Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen (Hrsg.) (2003): Kommunales FlächenressourcenManagement. München Besecke, A.; Hänsch, R.; Pinetzki, M. (Hrsg.): Flächensparbuch, Diskussion zu Flächenverbrauch und lokalem Bodenbewusstsein.
FLÄCHENMANAGEMENT Berlin BMVBS – Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung; BBR – Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.) (2007): Kreislaufwirtschaft in der städtischen/stadtregionalen Flächennutzung, Das ExWoSt-Forschungsfeld „Fläche im Kreis“. Bonn Ferber, U. (2003): Finanzierung des Flächenrecyclings in Deutschland. In: Tomerius, S.; Barczewski, B.; Knobloch, J.; Schrenk, V. (Hrsg.): Finanzierung von Flächenrecycling. Difu-Materialien 8/2003. Berlin Fuhrich, M.; Dosch, F. (2000): Indikatoren für ein haushälterisches Bodenmanagement – im Praxistest erfolgreich. In: UVP-Report, 14, 242-245 Gloger, S.; Lehle, M. (2002): Flächenressourcen-Management – ein umweltpolitischer Schwerpunkt im Land Baden-Württemberg. In: altlasten-Spektrum, 1, 14-19 Kötter, T.; Weigt, D. (2006): Flächen intelligent nutzen – ein marktwirtschaftlicher Ansatz für eine nachhaltiges Flächenmanagement. In: Flächenmanagement und Bodenordnung, 2, 49-55 Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (Hrsg.) (2003): Kommunales Flächenmanagement, Strategie und Umsetzung. Karlsruhe
Landeshauptstadt Stuttgart (2003): Nachhaltiges Bauflächenmanagement Stuttgart (NBS). Schlussbericht. Stuttgart Löhr, R.-P.; Wiechmann, T. (2005): Flächenmanagement. In: ARL (Hrsg): Handwörterbuch der Raumordnung, Hannover, 315322 MSWV – Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr des Landes Brandenburg (Hrsg.) (1994): Flächenmanagement in Brandenburg: Grundlagen, Aufgaben und Instrumente. Potsdam Öko-Institut e. V. (Hrsg.) (2008): Die Zukunft liegt im Bestand, Kommunales Flächenmanagement in der Region. Freiburg, Darmstadt, Berlin Preuß, T.; Floeting, H. (Hrsg.) (2009): Folgekosten der Siedlungsentwicklung, Bewertungsansätze, Modelle und Werkzeuge der KostenNutzen-Betrachtung. Berlin Stadt Bottrop (2007): Flächenbericht Bottrop 2007. Bottrop Stadt Emsdetten (2007): Flächenbericht Emsdetten 2007. Emsdetten Thiel, F. (2008): Strategisches Landmanagement. Baulandentwicklung durch Recht, Ökonomie, Gemeinschaft und Information. Norderstedt
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Kultur definiert sich nicht nur in den westlichen Zivilisationen in hohem Maße über ihre gebauten Zeugnisse. Anders als viele andere Kulturgüter ist ▷Architektur grundsätzlich langlebig und wird von jedem, der am gesellschaftlichen Leben teilnimmt, als gestalteter Lebensraum in Städten und Gebäuden wahrgenommen. Im Gegensatz zum Genuss der Werke der bildenden Kunst, der Literatur oder der Musik kann sich niemand der Auseinandersetzung mit der gebauten Geschichte entziehen. Nicht nur daraus ergibt sich, dass die Architektur für die menschliche Umwelt eine besondere und herausgehobene Bedeutung hat. Über die Bau- und Stadtbaugeschichte wird damit ganz generell städtische und nationale Identität generiert. Und weil Geschichte immer gerade jetzt an der Schwelle zur Gegenwart endet, ist jeder Neubau schon bei seiner Eröffnung zu einem Teil der Baugeschichte geworden – sei er nun bedeutend oder auch nicht. Die Bedeutung der Architektur für das kulturelle Gedächtnis wurde schon früh erkannt. Die planvolle und bewusste Anlage von Städten gehört, ebenso wie der Entwurf und die Errichtung von bemerkenswerten und bildmächtigen Bauwerken, zu den Urbedürfnissen der Menschheit. Schon die ersten Texte über die Zivilisation der frühen Kulturen rühmen die eindrucksvollen Befestigungen und die prächtigen Paläste als Ausweis von Macht, Reichtum und Unverwechselbarkeit einer Kultur. Die systematische Beschreibung von Architektur und ▷Städtebau setzt jenseits von Reiseberichten spätestens mit der Neuzeit ein. Eine nennenswerte fragende und aufklärende Forschung zur gebauten Geschichte gibt es seit der Aufklärung. Baugeschichte Das Fach Baugeschichte ist eine Besonderheit der ingenieurwissenschaftlichen Ausbildungsstätten, besonders der Architekturschulen. Ausgehend von der Erkenntnis, dass der Entwurf zeitgemäßer Bauwerke nur im Wissen um die eigene Tradition des Bauens und der Eigenheiten der im Kontext bereits vorhandenen Architektur sinnvoll gelingen kann, haben alle Ausbildungsstätten seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts – jedenfalls im westlichen Kulturraum – Elemente der baugeschichtlichen Bildung in die Ausbildung von zukünftigen Architekten integriert. Zunächst stand die Bauformenlehre im Vordergrund. Die
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sichere Beherrschung der Architekturformen der vorausgegangenen Epochen in Wort und Zeichnung – Perspektive ebenso wie Projektionen - bildete die Grundlage für einen Entwurf, der sich am Vorhandenen orientierte und aus dem Formengut der Geschichte schöpfen sollte. Lehrstühle mit der Bezeichnung „Entwerfen im Stile des Mittelalters“ oder „… der Renaissance“ waren noch am Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland die Regel. Auf diese Weise war jeder Entwurfsarchitekt immer auch ein Stück weit Baugeschichtler. Zugleich wurde durch die zeichnerische Darstellung und Rekonstruktion von historischen Architekturen die körper- und bildhafte Darstellung von Architektur und Baudekoration geübt. Dass dabei das Verständnis für das architektonische Gesamtkunstwerk nicht in Vergessenheit geraten durfte, versteht sich von selbst. Gleichwohl ist die Baugeschichte als eine an der Substanz und den körperlich-stofflichen Eigenschaften von Architektur orientierte und gewachsene Sachforschung ganz besonders durch diese Herangehensweise von der eher beschreibend-interpretierenden Kunstgeschichte unterschieden. Der unglückliche Begriff Architekturgeschichte versucht dem Konflikt, welcher der beiden Methoden in der Auseinandersetzung mit dem Gegenstand man sich tatsächlich verpflichtet fühlt, kompromisslerisch aus dem Wege zu gehen. Dieser Unterschied fand und findet sich bis in die jüngste Vergangenheit besonders bildhaft in dem Skizzenbuch dokumentiert, das jeder Architekt auf seinen Reisen fertigte, indem er die ihm interessant erscheinenden Bauwerke nicht einfach porträtierte, sondern sie durch analytisches Zeichnen zu verstehen und zu interpretieren suchte. Aus dem Skizzenbuch erwuchsen zugleich Anregungen für den eigenen Entwurf. Bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts gehörte es für einen ambitionierten Architekturstudenten unausweichlich zur vollständigen Ausbildung, mit dem Skizzenbuch in der Tasche eine Bildungsreise durch Europa und vorzugsweise nach Italien zu unternehmen, um dort die Großwerke der römischen Antike ebenso wie der Ewigen Stadt zu vermessen, zu studieren und sich im Skizzenbuch interpretierend anzueignen. Aus der eingehenden Beschäftigung mit dem real vorhandenen Baubestand und dessen Analyse durch exakte Dokumentation und Untersuchung samt Erforschung der verschiedenen Veränderungen entstand seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts eine systematische Auseinandersetzung zunächst mit den antiken Ruinen, später auch mit den Bauwerken des Mittelalters, die beständig in
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den Versuch mündete, aus den vorgefundenen Relikten das ursprüngliche Gebäude zunächst nur gedanklich wiederzugewinnen. Dieses Streben wurde seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, vorwiegend an den Großbauwerken des Mittelalters auch konkret umgesetzt. Der französische Architekt Viollet-le-Duc steht für diese Position, unfertige oder nach den Grundsätzen anderer Stile weitergebaute Monumente stilrein zu glätten. Der Berliner Bauhistoriker Wilhelm Lübke kritisierte dieses Vorgehen als „Restaurationsfieber“ und Verfälschung der authentischen Substanz, welche das Ziel einer zeitgemäßen Denkmalpflege sein müsse. Am Ende des 19. Jahrhunderts erwuchs aus der analytischen Untersuchung des veränderten Bauwerks – maßgeblich von Robert Koldewey entwickelt – die „archäologische ebenso wie die ▷Historische Bauforschung“. Die politischen Umbrüche nach dem Ersten Weltkrieg und der weitgehende gesellschaftliche Konsens, neue, nicht mehr von der leidvollen Geschichte geprägte Wege gehen zu müssen, machten auch der tradierten Art von baugeschichtlichem Unterricht ein Ende. Baugeschichtliches Wissen war jetzt nicht mehr länger unmittelbares Handwerkszeug für den Neubauentwurf, sondern nur noch Bildungshintergrund für eine auf Innovation fokussierte Architektenschaft. Die baugeschichtlichen Lehrstühle konzentrierten sich neben diesem Bildungsauftrag auf Fragen der Bauforschung, wodurch tendenziell eine Entfremdung zwischen den entwerfenden und den forschenden Architekten eintrat, die sich auch über den Zweiten Weltkrieg hinaus fortsetzte. Erst mit der Einsicht, dass bauhistorisches Wissen in einem sich wandelnden Aufgabenfeld genauso wie der Neubauentwurf die notwendige Voraussetzung für die erfolgreiche praktische Architektentätigkeit ist, änderte sich diese Situation seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts wieder. Heute vermittelt die Baugeschichte den zukünftigen Architekten weiter einen Orientierungsrahmen zu dem deutlich gewachsenen Wissensfeld der Weltarchitektur bis hinein in die jüngste Vergangenheit, erklärt die historischen Zusammenhänge, vor denen das aktuelle Entwurfsgeschehen zu verstehen ist, und liefert den Studierenden darüber hinaus das notwendige bautechnische Wissen für die sachkundige Weiterentwicklung des vorhandenen Baubestands als „▷Architektur im Bestand“. Stadtbaugeschichte Architektur wird heute ganz überwiegend als Architektur im städtischen Raum wahrgenommen.
Bei einer Weltbevölkerung, die bereits jetzt zu mehr als 50 Prozent, zukünftig wahrscheinlich zu zwei Dritteln in Städten wohnt oder wohnen wird (▷Urbanisierung), ist dies nicht übermäßig erstaunlich. Gleichwohl ist die Auseinandersetzung mit der gebauten Umwelt als städtischer Raum schon wesentlich älter als die moderne Stadtgesellschaft. Städte bildeten sich als Zentren von Herrschaft und Handel und wurden so schnell auch zu Zentren der Kultur und des Fortschritts. Diese Wahrnehmung, welche den ländlichen Raum als rückständig, die Stadt dagegen als Trägerin der Innovation versteht, ist so alt wie die menschliche Zivilisation. Geordnete und wohl geformte Städte galten schon den Mesopotamiern als wichtige Manifestation der eigenen Herrschaftsansprüche. Ebenso festigten die Griechen in den Städten Groß-Griechenlands (Mertens 2006) und die Römer ihr wachsendes Reich mit Stadtanlagen, die stets einem grundsätzlich ähnlichen Schema in Aufbau und Gestaltung des Stadtraums folgten. Ohne diese Städte wären diese Großreiche ohne Zweifel nicht von ähnlichem Erfolg und ähnlicher Dauer gewesen. Der Untergang beider Reiche manifestierte sich stets im Untergang ihrer Städte und ihrer städtischen Zivilisation. Europäische Städte sind ganz überwiegend zwischen dem 11. und 14. Jahrhundert entstanden – meist aus unterschiedlichen Wurzeln allmählich gewachsen, bisweilen unter strategischen Gesichtspunkten zur Sicherung des Territoriums gegründet (Meckseper 1982). Eine zweite Welle von Stadtgründungen folgte dann erst wieder im Zuge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert Die erste systematische Darstellung einer städtischen Kulturlandschaft sind die Werke von Schedel von 1493 und Braun/Hogenberg aus dem Jahre 1572. Die äußerst knappen Texte zu den wichtigen Städten des alten Europa, aber auch des Morgenlandes werden stets bereichert durch eine bildliche Darstellung in einer Mischung aus Ansicht und Vogelschau, welche die Einbettung in die Landschaft und die Ausdehnung, die Stadtbefestigungen und die wichtigen öffentlichen Bauten naturnah abbildet und darüber hinaus das Meer der Häuser darstellt (▷Stadtbild). Hier wird besonders deutlich, welche herausragende Bedeutung die Silhouette der Stadt und die markanten öffentlichen Bauten schon damals für die Zeitgenossen hatten. Auch spätere Stadtbeschreibungen bedienen sich dieser Methode noch bis weit in das 18. Jahrhundert hinein. Mit dem Beginn der Neuzeit wurden die gewachsenen und damit keiner leicht erkennbaren Ordnung im Straßenverlauf folgenden Stadt-
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grundrisse als unzeitgemäß empfunden. Der Versuch, mit neuen Grundsätzen moderne Städte zu schaffen (Kruft 1989), scheiterte freilich in aller Regel an dem beschränkten Veränderungspotenzial der damals schon in ihren Besitzstrukturen gefestigten Städte. Deswegen ist Stadtbaugeschichte bis weit in das 19. Jahrhundert hinein ganz überwiegend die Baugeschichte des allmählichen Austauschs einzelner Gebäude im modernen Stil, aber in der tradierten Struktur. Erst die industriellen Revolutionen des 19. und 20. Jahrhunderts führten zuerst zu weit ausgreifenden Stadterweiterungen, welche erstmals die im Hochmittelalter gefundenen Stadtgrenzen systematisch sprengten, dann auch zu radikalen Eingriffen in den historischen Baubestand. Nachdem die Motorisierung auch das Individuum erreicht hatte, verlor die kompakte ▷europäische Stadt, welche über eintausend Jahre das Fundament der Stadtbaugeschichte gewesen war, vollends ihr unverwechselbares Gesicht und wurde durch andere, oft von der grenzenlosen Mobilität erzwungene Stadtstrukturen – von der Zwischenstadt bis zur Netzwerkstadt – weitgehend aufgesogen. Die moderne Stadtbaugeschichte beschreibt einerseits die vorgefundene Stadtstruktur mit den Instrumenten der Archäologie, der Bauforschung und der Baugeschichte als das kulturelle Gedächtnis einer jahrtausendealten Stadtkultur und zeigt andererseits zugleich auf, welche Bilder und Raumsichten aus diesem Zusammenhang bildmächtig in die Zukunft weisen. Eine systematische stadtgeschichtliche Forschung gibt es, angestoßen durch Geografen und Historiker, seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts. Den umfassendsten Überblick zur Stadtbaugeschichte, wenn auch aus einer heute durchaus diskussionswürdigen Detailsicht, gibt immer noch (Benevolo 1980). Gebaute Identität Die von der Baugeschichte und der Stadtbaugeschichte erforschten Bauwerke und Stadträume sicherten über Jahrtausende die unverwechselbare städtische ▷Identität der Stadt und auch die selbstbestimmte Darstellung des einzelnen Bauherrn im sozialen und politischen Kontext. Durch ein an ausgesprochenen oder unausgesprochenen Regeln orientiertes Bauwesen wurden Hierarchien vermittelt und Konkurrenzen ausgetragen. Der Wettbewerb um die größte und prächtigste Kirche am Ende des Mittelalters unterscheidet sich nicht grundsätzlich von den derzeit laufenden Anstrengungen, das höchste oder prächtigste Hochhaus
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der Welt zu errichten. Durch solche Zeichen einerseits und durch regionale Besonderheiten des an die lokal verfügbaren Baustoffe gebundenen Bauwesens andererseits, entstand ohne besondere planende Eingriffe eine gebaute Umwelt, die an jedem Ort besonders, einzigartig und deswegen auch wiedererkennbar war. Das Wissen um diese aus sich selbst heraus entstandene gebaute Identität prägte den Diskurs über das Bauen und die Stadt bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Erst mit dem sich beständig beschleunigenden Informationsaustausch, der billigen Transportierbarkeit von jedwedem Baustoff durch Eisenbahn, Schiff und Lastwagen sowie schlussendlich der ▷Globalisierung, die zu einem einheitlichen Erscheinungsbild nicht nur der weltweit operierenden Firmen führte, ging das uralte Kulturprinzip der aus dem Ort heraus begründeten gebauten Identität zunächst eher unbemerkt verloren. Mit der Ernüchterung angesichts dieser verlorenen Identität am Ende des 20. Jahrhunderts wurden die Bemühungen zunehmend stärker, an die Stelle der gleichsam von selbst entstehenden Identität eine bewusst und geplant geschaffene zu bauen. Dazu bediente man sich unterschiedlicher Ansätze. Das Zeichenhafte der Architektur wurde schon bald nach dem Zweiten Weltkrieg zuerst von Bandmann 1951 aus dem Blickwinkel der Kunstgeschichte und später von Lynch 1960 als Instrument der Stadtplanung und Stadtgestaltung thematisiert. Aufbauend auf diesen Vorarbeiten finden sich, beginnend mit den „Grands Projets“ in Frankreich (zuerst das Centre Pompidou in Paris, 1966), verstärkt seit dem Beginn der 1980er Jahre des 20. Jahrhunderts zahlreiche Projekte des CityShaping und des zielgerichtet durch die Baupolitik geförderten City-Marketing. Großprojekte für die Kultur – v. a. Museen, aber auch Konzerthallen und Theater – konkurrieren dabei mit den in den USA bewunderten und seit den 1970er Jahren auch in Europa (hier v. a. das Bankenviertel in Frankfurt am Main – „Mainhattan“) bewusst als stadtbildverändernde Bauten eingesetzten Hochhäusern. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts führten diese Hochhausprojekte zu einem schon an das Verrückte grenzenden Hype, der erst mit der Finanzkrise des Jahres 2008 zu einem gewissen Stillstand kam. Parallel dazu wurde der öffentliche Raum der Stadt systematisch aufgewertet, um die Attraktivität und die Wiedererkennbarkeit des individuellen Ortes zu steigern. Teilweise sind sogar Versuche zu verzeichnen, die durch maßstablose Eingriffe in den Stadtgrundriss entstandenen Verluste des gewohnten Stadtbildes durch die Rekonstruktion von Bauwerken oder Straßenräumen wieder zu heilen.
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Alle diese Planungsansätze verfolgen das Ziel, die durch die Globalisierung und Einebnung der Planungsziele verloren gegangene gebaute Identität wiederzugewinnen und damit den Menschen eine bessere Orientierung in ihren gewohnten Lebensräumen zu geben. Neben der Baugeschichte, der Bauforschung und der Stadtbaugeschichte befassen sich auch andere Disziplinen mit der gebauten Geschichte: die Architekturtheorie, die Kunstgeschichte, die Archäologie, viele historischen Wissenschaften, die historische Geografie ebenso wie die Geografie, die Volkskunde und manche weitere. Ihnen allen ist gemein, dass sie im Gegensatz zur Bau- und Stadtbaugeschichte andere als die real vorhandene Substanz betreffende Fragen in den Vordergrund ihrer Forschung stellen. Cramer
Literatur Bandmann, G. (1951): Mittelalterliche Architektur als Bedeutungsträger. Berlin Benevolo, L. (1980): The History of the City. Rom Braun, G.; Hogenberg, F. (1572): Civitates orbis Terrarum. Köln Kruft, H.-W. (1989): Städte in Utopia. München Lynch, K. (1960): Das Bild der Stadt. Frankfurt Meckseper, C. (1982): Kleine Kunstgeschichte der deutschen Stadt im Mittelalter. Darmstadt Mertens, D. (2006): Städte und Bauten der Westgriechen. München Schedel, H. (1493): Registrum huius operis libri cronicarum cu [cum] figuris et imagibus [imaginibus] ab inicio mudi [mundi]. Nürnberg
GENDER MAINSTREAMING IN DER PLANUNG Einführung und Begriffserläuterung Der Begriff Gender Mainstreaming begann seine Karriere auf dem Weltfrauenkongress 1995 in Peking. Unzufrieden über die mühsamen Fortschritte der Frauenbewegung sollte ein Strategiewechsel gewagt werden. Gleichstellung – so die Kernbotschaft aus Peking – gehört raus der Nischenecke und rein in die strategischen Entscheidungen aller Politikfelder. Wesentliche Prinzipien der neuen Strategie sind: Als Top-Down-Prinzip wird Gender Maintreaming zur Chefsache und durch hochrangige politische Beschlüsse explizit bestätigt (z. B. Amsterdamer Vertrag der EU von 1999). Politische Akteure sind nicht nur für die Abschaffung von Geschlechterungleichheit, son-
dern auch unter präventiven Gesichtspunkten in die Pflicht zu nehmen. Die Umsetzung erfolgt auf der Ebene aller Fachressorts bzw. der politischen Instrumente (oder Produkte), etwa in der Stadtplanung, im Umweltschutz, im Bauwesen oder im Finanzwesen. Mit Gender Mainstreaming wird beim Blick auf beide Geschlechter systematisch auch nach den Männern gefragt, um eine etwaige Benachteiligung oder auch ihren Beitrag zum bestehenden Problem zu erkennen. Die Bundesregierung erklärte nach der Unterzeichnung des Amsterdamer Vertrages (1999) per Kabinettsbeschluss Gender Mainstreaming zum Leitprinzip des Regierungshandelns. Die systematische Umsetzung dieses Beschlusses ist seitdem ein zähes Ringen einzelner Personen in zahlreichen Institutionen gegen altbekannte Widerstände. Dennoch ist einiges in Bewegung geraten. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) bzw. die nachgeordnete Behörde des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) hat folgende Aktivitäten veranlasst: Die Chancengleichheit ist als Abwägungsbelang durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau in § 1 Absatz 6 Baugesetzbuch (BauGB) aufgenommen worden. Somit kann inzwischen die Nicht-Beachtung des Tatbestandes der Chancengleichheit rechtlich zu einem Abwägungsmangel führen. Auch die Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern zur Städtebauförderung betont in der Fassung von 2004 ausdrücklich die Bedeutung der Chancengleichheit. Mit dem 2006 abgeschlossenen Forschungsfeld „Gender Mainstreaming im Städtebau“ (vgl. BBR 2006) liegen insbesondere für Kommunen zahlreiche Handlungsleitfäden und „gute Beispiele“ vor, Gender Mainstreaming im kommunalen Planungsalltag einzuführen und umzusetzen. Der im Herbst 2008 freigeschaltete Gender-Index (www.gender-index.de) des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) misst die Chancengleichheit oder -ungleichheit von Frauen und Männern anhand verschiedener Indikatoren auf regionaler Ebene. Damit liegt ein umfassendes Messinstrument zum bundesweiten, regionalen Vergleich der Gleichstellung und eine weitere wichtige Argumentations- und Entscheidungshilfe vor.
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Welchen Nutzen oder Vorteil bringt aber nun Gender Mainstreaming? Führen zusätzliche Prüfaufträge nicht zu unnötigem bürokratischen Aufwand und ist Planung nicht ohnehin auf den Interessenausgleich verschiedener Nutzer- oder Interessengruppen ausgelegt? Diese Fragen sollen am Beispiel der Flächenhaushaltspolitik beantwortet werden (vgl. Bauer 2006) Beispiel Flächenkreislaufwirtschaft
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Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, die Flächeninanspruchnahme bis 2020 auf 30 ha pro Tag zu reduzieren (▷Flächenmanagement). In diesem Zusammenhang stellt die Eindämmung des Siedlungsflächenverbrauchs eine zentrale Stellschraube dar. Der Flächenverbrauch für Siedlungsflächen ist wesentlich vom Wohnstandortverhalten (z. B. Stadt versus Umland), der Wohnform (z. B. Einfamilien- oder Mehrfamilienhaus) und dem Wohnflächenverbrauch der privaten Haushalte bestimmt. Zunächst ist deshalb zu fragen, ob an dieser Entwicklung die Geschlechterrollen bzw. Männer und Frauen unterschiedlich beteiligt sind. Ursachen für den bislang noch nicht gebremsten Wohnflächenverbrauch sind sicher der wachsende Wohlstand, aber auch gesellschaftliche Trends der Individualisierung und Alterung. Beide Trends sind ursächlich mit den Geschlechterrollen verknüpft. Die stetig steigende Zahl der Einpersonenhaushalte sowie Haushalte allein Erziehender ist u. a. eine Folge zunehmender ökonomischer Unabhängigkeit von Frauen. Aber auch der mit dem demografischen Wandel einhergehende Alterungsprozess der Gesellschaft hat geschlechtsspezifische Auswirkungen. Frauen haben eine deutlich höhere Lebenserwartung und verbleiben häufig in der Familienwohnung. Dies ist allgemein bekannt. Darüber hinaus leben ältere Frauen und Männer auch wegen unterschiedlicher Chancen der Partnerfindung in verschiedenen Haushaltskonstellationen: Frauen wohnen mit wachsendem Alter eher allein, Männer eher in Paarhaushalten (siehe Abbildung). Die Annahme, dass Frauen aufgrund ihrer geringeren Einkommen und Vermögen weniger Eigentum besitzen und sich weniger Wohnfläche leisten, kann nach Auswertung der Daten der Einkommens- und Verbraucherstichprobe EVS (2003) sowie des Mikrozensus (2002) nicht ohne Einschränkungen bestätigt werden. Im Durchschnitt schlägt sich tatsächlich die bessere Einkommenssituation bei Männern in einer deutlich höheren Eigentümerquote nieder (vgl. BBR 2007:140ff ). Die
größten Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt es dabei bei den Ein-Eltern-Familien. Allein erziehende Väter besitzen zu 45 Prozent im Vergleich zu allein erziehenden Müttern (25 Prozent) Wohneigentum. Überraschend und weitgehend unbeachtet ist jedoch der Fakt, dass in Deutschland bezogen auf die alleinlebenden über 50 Jährigen 725 000 männliche Wohnungseigentümer immerhin rund 1,86 Mio. gleichaltrige Wohnungseigentümerinnen gegenüber stehen. Ähnlich unerwartet ist die Feststellung, dass über alle Altersklassen und Regionstypen hinweg weibliche Single-Mieterinnen in größeren Wohnungen leben als Männer (siehe Abbildung). Ein Fünftel der männlichen Single-Mieter lebt in Wohnungen mit weniger als 40 qm, aber nur rund ein Zehntel der alleinstehenden Mieterinnen. Frauen – so eine nahe liegende Interpretation – legen mehr Wert auf das Wohnen. Neben dem Wohnflächenverbrauch ist der Suburbanisierungsprozess ein weiterer Motor des wachsenden Siedlungsflächenverbrauchs. Auch hier spielen die Geschlechterrollen und damit die innerfamiliäre Aufgabenverteilung eine Rolle (vgl. Frank 2008). Zugespitzt formuliert ist das suburbane Einfamilienhaus (▷Wohnen) das „Gehäuse“ der Familie mit traditioneller Rollenaufteilung, in der der Ehemann das Haushaltseinkommen erwirtschaftet, die Ehefrau den Alltag der Kinder „zusammenfährt“ und koordiniert.
Anteil der Alleinlebenden nach Geschlecht und Alter (Statistisches Bundesamt 2004:25)
Zahl der Einpersonenhaushalte (Hauptmieter) nach Wohnfläche und Geschlecht in Tausend (eigene Berechnung nach Daten aus Statistisches Bundesamt 2004)
GENDER MAINSTREAMING IN DER PLANUNG
Einen Beleg dafür liefert z. B. die Wanderungsbefragung in Köln (2002). Hausfrauen/-männer sind an der Umlandwanderung mehr als doppelt so häufig vertreten (10 Prozent) wie bei den nach Köln Zuziehenden (4,0 Prozent) oder den innerhalb Köln Umziehenden (2,3 Prozent). Die aktuell zu beobachtende „Wiederentdeckung innenstadtnahen Wohnens“ (Brühl u. a. 2005) ist neben den inzwischen verbesserten Wohnqualitäten in den Städten auch eine Folge des veränderten Rollenverständnisses der Geschlechter, in der beide Partner Kinder und Berufstätigkeit miteinander kombinieren möchten. Treffend hat Läpple den Reurbanisierungstrend mit dem Kommentar „der Suburbanisierung geht das Personal aus“ beschrieben (▷Innenentwicklung/Außenentwicklung). Zusammenfassend kann festgehalten werden: Die geschlechterdifferenzierte Analyse wichtiger Ursachen des Siedlungsflächenverbrauchs zeigt eine Reihe genderrelevanter Zusammenhänge auf. Frauen sind offenbar qualitätsbewusste Wohnkonsumentinnen. Sie besitzen als Rentnerinnen häufig Wohneigentum. Mit der fortschreitenden Alterung der Gesellschaft wächst die Herausforderung, für die wachsende Zahl älterer alleinlebender Frauen (insbesondere in suburbanen Einfamilienhausgebieten) nachfragegerechte, flächensparende Wohnformen zu finden. Andererseits sind junge, berufstätige Familien mit Kindern schon jetzt neue Verbündete der Innenentwicklung, für sie sind qualitative städtische Wohnangebote zu schaffen. Konsequenzen für die Instrumentenauswahl Die Flächenkreislaufwirtschaft setzt bislang überwiegend auf ein angebotsorientiertes Flächenmanagement. Akteure und Zielgruppen sind in erster Line öffentliche Verwaltungen bzw. private Unternehmen. Nachfrageorientierte Instrumente (informatorische, organisatorische Maßnahmen, Bestandsmanagement), die das Wohnstandortverhalten oder die Wohnungsnachfrage direkt beeinflussen, sind in Zukunft stärker zu gewichten. Um z. B. die Lücke zwischen dem zu groß gewordenen Familienheim und betreutem Wohnen zu schließen, sind Angebote erforderlich, die älteren Menschen den Verbleib in ihrem sozialen Wohnumfeld ermöglichen. Hierzu sind einzelne Quartiere umzubauen oder nachzurüsten. Die Identifizierung von Gebieten mit besonderem demografischem Handlungsbedarf (Verjüngungspotenzial (z. B. 1950er Jahre Siedlungen), altengerechter Umbau
des Wohnungs- und Infrastrukturbestandes) hilft, öffentliche und private Investitionen zu lenken. Neben den räumlichen Angeboten und der entsprechenden Mischung an Wohnungsgrößen/Wohnformen sind ältere Menschen bei der Umsetzung altengerechten Wohnens zu begleiten und zu unterstützen, wie z. B. bei der Bildung von Interessengruppen für Mehrgenerationenwohnen oder „Alten-Hausgemeinschaften“. Die erwünschte „Flexibilisierung des Wohnungsbestandes“ bzw. ein „lebenszyklusorientiertes Wohnen im Quartier“ kann deshalb nur mit einem Mix an entsprechenden Angeboten und unterstützenden organisatorischen Maßnahmen (Wohnungstauschbörsen, Umzugsmanagement) gelingen. Deutlich wird, dass es den Grundstückseigentümer nicht gibt. Vielmehr ist zu vermuten, dass man in einer hohen Zahl auf ältere Grundstückseigentümerinnen trifft. Zu prüfen ist deshalb, ob informatorische Instrumente wie Brachflächenund Baulückenkataster um andere persönlichere Formen der Kontaktaufnahme zu ergänzen sind, um z. B. Flächen im Innenbereich optimaler mobilisieren zu können. Zu empfehlen ist auch die Adressaten auf der Seite der öffentlichen Akteure (Verwaltungen), der Grundstücksbesitzer und der Immobilien- und Wohnungsnachfrager nach Geschlecht stärker zu differenzieren. Einzelne Maßnahmen sind auf die jeweiligen Zielgruppen abzustimmen. Fiskalische Instrumente wie z. B. die immer wieder zur Diskussion stehende Entfernungspauschale sind vorab einer differenzierten GenderAnalyse zu unterziehen. Da Berufspendlerinnen im Durchschnitt deutlich geringere Distanzen als männliche Pendler zurücklegen, gleichzeitig geringere Einkommen erwirtschaften (2004 waren 84 Prozent aller teilzeitarbeitenden Berufspendler weiblich), profitieren in der Mehrzahl gut verdienende Männer von der Entfernungspauschale. Nicht nur deshalb sind die politischen Widerstände bei einer diskutierten Abschaffung der Entfernungspauschale am größten. Einfluss auf Wohnstandortentscheidungen könnte u.U. der Wegfall der Entfernungspauschale bei (kinderlosen) Doppelverdienerhaushalten haben. Eine Ausrichtung der Wohnstandorte an zwei Arbeitsorten wird bei Doppelverdienerhaushalten mit Wegfall der lebenslangen Arbeitgeberbindung und bei unsicherer wirtschaftlichen Situation immer schwieriger. Bei angenommenen niedrigen Mobilitätskosten (zusätzlich unterstützt durch die Entfernungspauschale) und hohen Wohnkosten verhalten sich Haushalte ökonomisch rational, wenn sie die Wohnkosten bei hoher Standortqualität minimie-
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ren (suburbaner Raum) und weite Arbeitswege in Kauf nehmen. Bei Doppelverdienerhaushalten ist der Steuerspareffekt der Entfernungspauschale hoch. Hier könnten bei Wegfall der Entfernungspauschale Anreize für integriertere, flächensparendere Wohnstandorte geschaffen werden. Der kurze und zugegeben unvollständige Abriss zum Thema Gender und Flächenpolitik beweist, dass scheinbar geschlechtsneutrale Themen dennoch häufig eine Geschlechterdimension haben und es Sinn macht, den adäquaten Einsatz von Maßnahmen und Instrumenten auf seine spezifischen Wirkungen zu überprüfen. Bauer
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Bauer, U. (2006): Gender Mainstreaming in der Flächenpolitik am Beispiel der StadtRegion Stuttgart. Zugriff auf www.flaeche-imkreis.de/veroeffentlichungen/expertisen am 12.01.2009 Brühl, H. u. a. (2005): Wohnen in der Innenstadt – eine Renaissance? Berlin BBR – Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.) (2006): Städtebau für Frauen und Männer: Das Forschungsfeld „Gender Mainstreaming im Städtebau“ im Experimentellen Wohnungs- und Städtebau. Werkstatt: Praxis, 44. Bonn BBR – Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.) (2007): Frauen – Männer – Räume. Bonn Frank, S. (2008): Gender Trouble in Paradise, Suburbia Reconsidered. In: DeSena, J. (Hrsg.): Gender in an Urban World – Special Issue of Research in Urban Sociologie. London, 127-148 Statistisches Bundesamt (2004): Leben und Arbeiten in Deutschland, Ergebnisse des Mikrozensus 2003. Wiesbaden
GEOGRAPHISCHE INFORMATIONSSYSTEME Begriffsbestimmung und -abgrenzung Auf dem Gebiet der ▷Planungswissenschaften finden seit einigen Jahren große Veränderungen statt, die Einfluss auf die Nutzung Computer-basierter Methoden in der Planungspraxis und -ausbildung haben. Eine dieser Veränderungen ist durch die kontinuierlich ansteigende Verfügbarkeit digitaler raumbezogener Daten entstanden. Parallel dazu haben vielseitige, preiswerte und leicht zu benutzende Programme den Markt erobert. Damit werden heute Geographische Informationssysteme (GIS) in nahezu allen Bereichen raumbezogener Entscheidungen – allerdings noch in sehr unterschiedlicher Intensität – eingesetzt. Während die Hauptanwendungsgebiete in den 1980er Jahren v. a. das Vermessungswesen sowie der Umweltschutz waren, reicht das Spektrum heute von Leitungsdokumentationen über Verkehrsmanagementsys-
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teme, Funknetzplanung, Standortsuchen aller Art, Marketing, Raum- und Umweltplanung, Fremdenverkehr, Lagerstättensuche bis hin zu komplexen Modellen z. B. für die Analyse des Klimas oder der Schadstoffausbreitung in Luft oder Wasser. Ein GIS ist ein System für die Erfassung, das Management, die Analyse und die Kommunikation von Geodaten (▷Raum- und Stadtbeobachtung, ▷Kommunikation und Moderation), die sich auf ein räumliches Objekt beziehen. Es besteht aus einer räumlich adressierbaren Datenbank und geeigneter, darauf abgestimmter Anwendungssoftware. In der Datenbank enthalten sind zusammengehörige Datensätze geographischer Einheiten oder Objekte, die – außer durch ihren Ort – durch ein oder mehrere Attribute beschrieben werden können. Beispielsweise können alle Grundstücke einer Stadt einen geographischen Datensatz bilden. Diesen Grundstücken können Eigenschaften wie Nummer, Eigentumsverhältnisse und Gebietstyp zugewiesen werden. Nach einmaliger Eingabe der Daten können eine Vielzahl von Abfragen und Analysefunktionen ausgeführt und die Daten in verschiedenen Ebenen ausgewertet werden. Diese Ebenen von räumlichen Daten können als Karten, Pläne, Tabellen und Berichte dargestellt werden. Entsprechend der Nutzeranforderungen kann bei der Anwendungssoftware zwischen einem Einzelplatzsystem mit lokaler Datenhaltung (Desktop-GIS) und einer Mulituser-Umgebung mit dezentraler Datenhaltung ausgewählt werden. Der Zugriff auf die dezentrale Datenbank kann dabei über ein Intra- bzw. das Internet erfolgen. Die Mulituser-Systeme können als reine Auskunftssysteme, als sog. Web-Mapping-Systeme, oder als echte Web-GIS-Lösungen mit voller GIS-Funktionalität betrieben werden. Im Unterschied zu den Computer Aided Design (CAD)Systemen (▷Architekturdarstellung und CAD) liegt bei den Geographischen Informationssystemen der Schwerpunkt weniger auf dem interaktiven geometrischen Modellieren in 2D und 3D als vielmehr auf dem Management und der Analyse vielzähliger intelligenter Geoobjekte. Neben der Digitalisierung der allgemeinen Lebens- und Arbeitswelt haben planungsrelevante Gesetzesänderungen wie z. B. in Deutschland das Gesetz zur Einführung einer Strategischen Umweltprüfung (SUPG; ▷Umweltprüfung) oder die Fauna-Flora-Habitat-(FFH)-Richtlinie der Europäischen Union die Anforderungen an eine moderne Planung erhöht. Die Geoinformatik stellt dazu Methoden und Tools für eine fortschrittliche Planung zur Verfügung. Sie bietet dabei u. a.
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die Möglichkeit, vielfältige, komplexe Analysen durchzuführen, Entwicklung und Darstellung von Planungsalternativen und Szenarien in 2D oder 3D sowie Echtzeit darzustellen und trägt zu zusätzlichen Möglichkeiten für einen flexiblen, dynamischen und transparenten Planungsprozess bei. Restriktionen für den Einsatz von GIS Der Einsatz von GIS ist in vielen Behörden und Planungsbüros sowie in einem Teil der Kommunen, v. a. in den größeren Städten bereits etabliert. Es bestehen aber noch diverse Hemmnisse, die eine weitere Verbreitung von GIS sowie eine optimale Nutzung und Weiterentwicklung des GIS-Einsatzes behindern. Dazu gehören mangelndes Bewusstsein bei den Entscheidungsträgern für die strategische Bedeutung des GIS-Einsatzes, unzureichende Ausbildung der Mitarbeiter (▷Architekten- und Planerausbildung, ▷Ausbildung zur Planung sowie ▷Weiterbildung) sowie die anfallenden Kosten für Daten und Schulungen sowie für die Beschaffung und Pflege von Hard- und Software. Stark restriktiv wirken darüber hinaus die eingeschränkte Verfügbarkeit relevanter Daten. Zum Teil stehen vorhandene Daten nicht für die Nutzung von Planungsaufgaben zur Verfügung, weil die Kosten für die Daten unangemessen hoch, die Zuständigkeiten für die Verwaltung und Herausgabe der Daten unklar sind, die Daten aufgrund fehlender oder unzureichender Dokumentationen nicht zu benutzen oder die Qualität der Daten unzureichend (geringe Auflösung, fehlende Aktualität der Daten, geometrische oder inhaltliche Fehler) sind. Der Aufwand, um unzureichend dokumentierte, unvollständige, ungenaue oder fehlerhafte Daten aufzubereiten, ist i. d. R. nicht zu leisten. Ausblick Mit Inkrafttreten der INSPIRE-Richtlinie (INfrastructure for SPatial InfoRmation in Europe) der Europäischen Union im Jahre 2007 wurde eine rechtliche Grundlage zur Harmonisierung und Integration sämtlicher verfügbarer Umweltdaten über internetbasierte Geodatendienste geschaffen. Ziel ist die Realisierung einer europäischen Geodateninfrastruktur. Geodaten des Bundes, der Länder aber auch der Kommunen sollen nach den Vorgaben von INSPIRE interoperabel und nahezu kostenfrei verfügbar werden. Grundlegendes Prinzip von INSPIRE ist: zentrale Strukturen und dezentrale Daten. Konkret bedeutet dies, dass die Datensätze nach Bedarf („on demand“) von den fachlichen Stellen, also dezentral bereitgestellt werden sollen.
Im Ergebnis wird man die Geodateninfrastruktur Deutschland (GDI-DE) als technisch-fachliches Netzwerk mit zentralen Strukturen nutzen. Als Basisgeometrie ist für Planungsaufgaben die Nutzung von ALKIS® (Amtliches Liegenschaftskatasterinformationssystem) – die Geobasisinformationen des Liegenschaftskatasters und der Landesvermessung – als bundesweiter Standard zu empfehlen. Von entscheidender Bedeutung ist dabei, dass die Daten ausreichend aktuell gehalten und weitgehend kostenfrei von den Kommunen und Ländern zur Verfügung gestellt werden. Ein effizienter GIS-Einsatz beinhaltet die Weiterverarbeitung und Nachnutzung der in Planungsprozessen erarbeiteten Geofachdaten. Hierzu ist eine Beschreibung und Dokumentation in Form von Metadaten erforderlich. Metadaten sind Daten, die Informationen über andere Daten enthalten, wie z. B. über den Inhalt, räumlich-zeitliche Bezüge, Datenqualität, Datenzugangsmöglichkeit oder Nutzungsrechte, so dass die Eignung der Daten für bestimmte Anwendungszwecke beurteilt oder auch sinnvolle Präsentations- und Verarbeitungsmethoden abgeleitet werden können. Dabei erleichtert die Berücksichtigung vorliegender internationaler Standards, die auch in Deutschland Verwendung finden, wie der ISO-Standard 19115 zu Metadaten (ISO 2003), die Arbeit. Gleiches gilt für den Austausch von Daten. Bei der Fülle an verfügbaren GIS-Produkten ist die Anzahl der existierenden Datenformate ähnlich hoch. Um Ansprüche der Interoperabilität zu gewährleisten, sind auch hier Standards anzuwenden. Ein Beispiel eines solchen international anerkannten interoperablen Standards ist die City Geography Markup Language (CityGML), welche zur Speicherung und zum Austausch für virtuelle 3D-Stadtmodelle entwickelt wurde. Modelliert werden Stadt- und Landschaftsobjekte, insbesondere das Gelände, Gebäude, Wasser- und Verkehrsflächen, Vegetation, Stadtmöblierung und Landnutzungen. Durch die Integration der dritten Dimension in Stadt- und Landschaftsmodelle entstehen derzeit weltweit virtuelle dreidimensionale Abbilder realer Städte und Landschaften (z. B. www.3d-stadtmodell-berlin.de, www.muenchen3d.de). Diese Modelle eignen sich für ganz unterschiedliche Anwendungen: Im kommunalen ▷Flächenmanagement z. B. für den Einsatz im Stadtmarketing und der Investorenberatung oder für komplexe räumliche Simulationen wie z. B. zur Berechnung der Lärmausbreitung. Neben der dritten Dimension spielt zunehmend die vierte Dimension – die Zeit – für Planungs- und Monitoringaufgaben eine zentrale Rolle (▷Raumzeitstrukturen).
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Die Erweiterung der Geoobjekte um die dritte bzw. vierte Dimension steht beispielhaft für die schnelle Fortentwicklung der GIS-Technologie. Durch den raschen Fortschritt im Datenmanagement und den Analysemöglichkeiten etablieren sich zu den bereits vielfältigen Nutzerkreisen ganz neue Anwendungsfelder wie z. B. das ▷Real Estate Management (▷Immobilienwirtschaft), das Sicherheits- und Katastrophenmanagement oder die Landschaftsarchitektur. Kleinschmit
Literatur
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Brail, R.K.; Klosterman, R.E. (2004): Planning Support Systems: Integrating Geographic Information Systems, Models, and Visualization Tools. Redlands Demers, M. (2002): Fundamentals of Geographical Information Systems. London Guhse, B. (2005): Kommunales Flächenmonitoring und Flächenmanagement. Wichmann ISO – International Organization for Standardization (2003): ISO 19115:2003, Geographic Information – Metadaten. Gend Lange, N. de (2005): Geoinformatik in Theorie und Praxis. Berlin, Heidelberg
GESTALTUNGSSATZUNG Das öffentliche Baurecht enthält Vorschriften über die Gestaltung baulicher Anlagen und Grundstücke. Die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes liegt im Aufgabenbereich des ▷Bauplanungsrechts, die Frage der Baugestaltung ist eine Aufgabe des ▷Bauordnungsrechts. Die Anforderungen an die Gestaltung dienen dem Interesse der Allgemeinheit, nicht dem Schutz Einzelner und sollen das Gemeinwohl fördern. Eine Vorschrift zur Gestaltung baulicher Anlagen enthalten alle Landesbauordnungen (§ 9 Musterbauordnung (MBO) in der Fassung von November 2002, zuletzt geändert durch Beschluss der Bauministerkonferenz vom Oktober 2008 einschließlich der Änderung von § 20 Satz 1 gemäß Beschluss der Fachkommission Bauaufsicht vom Mai 2009 bzw. entsprechende landesrechtliche Regelung). Die MBO lässt den einzelnen Ländern in definierten Grenzen Umsetzungsspielräume. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf die Brandenburgische Bauordnung (BbgBO). Verunstaltungsverbot Die Vorschrift zur Gestaltung in § 8 BbgBO dient keiner positiven Gestaltungspflege. Zentraler Begriff ist vielmehr der Begriff der Verunstaltung. Es
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soll keine besondere Schönheit oder positive bauliche Gestaltung als Ziel verfolgt werden, sondern lediglich ein negativ abwehrender Schutz vor unästhetischen Zuständen (OVG Berlin 19.02.1971, II B 102.68). „Nicht bereits jede Störung der architektonischen Harmonie, also die bloße Unschönheit“ ist eine Verunstaltung, sondern nur „ein hässlicher, das ästhetische Empfinden verletzender Zustand“ (BVerwG 28.06.1955, 1 C 146/53). Bei der Beurteilung, wann eine Verunstaltung vorliegt, „kann nicht auf den ästhetisch besonders empfindlichen oder geschulten Betrachter abgestellt werden, es muss vielmehr das Empfinden jedes für ästhetische Eindrücke offenen Betrachters maßgebend sein, also des so genannten gebildeten Durchschnittsmenschen“ (BVerwG 28.06.1955, I C 146.53). Das Überschreiten der Schwelle der Verunstaltung ist aber auch von der jeweiligen Situation abhängig. Befinden sich die zu beurteilenden baulichen Anlagen in exponierter Lage (z. B. im ▷Außenbereich/Innenbereich), kann ein schärferer Maßstab angebracht sein (BVerwG 15.05.1997, 4 C 23/95). Bauliche Anlagen sind nach den anerkannten Regeln der Baukunst (▷Architektur) durchzubilden und so zu gestalten, dass sie nach Form, Maßstab, Verhältnis der Baumassen und Bauteile zueinander, Werkstoff und Farbe nicht verunstaltet wirken (§ 8 Abs. 1 BbgBO). Bauliche Anlagen sind mit ihrer Umgebung derart in Einklang zu bringen, dass sie das Straßen-, Orts- oder Landschaftsbild nicht verunstalten oder deren beabsichtigte Gestaltung nicht stören (§ 8 Abs. 2 BbgBO; ▷Stadtbild). Das Verunstaltungsverbot gilt in zwei Richtungen. Es muss zum einen eine Beurteilung der einzelnen architektonischen Elemente der baulichen Anlage und ihrer ästhetischen Wirkung und zum anderen eine Prüfung der Auswirkungen ihrer Gestalt auf ihre Umgebung, d. h. das Straßen-, Orts- und Landschaftsbild erfolgen. Die Entscheidung, ob eine Verunstaltung vorliegt, ist durch die zuständige Behörde im Einzelfall zu treffen. Hierbei handelt es sich nicht um eine Ermessensentscheidung. Vielmehr handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Gestalterische Anforderungen an die bauliche Anlage werden im Rahmen des bauaufsichtlichen Verfahrens durchgesetzt, z. B. durch die Erteilung von Nebenbestimmungen. Der verunstaltungsfreie Zustand muss dauerhaft sein und daher auch bei bestehenden baulichen Anlagen vorliegen. Das Ziel einer positiven Gestaltung im Sinne der Durchsetzung von als besonders „schön“ emp-
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fundenen Zuständen kann nicht auf der Grundlage des § 8 BbgBO durchgesetzt werden. Positive Gestaltungsvorschriften können nur auf der Grundlage von § 81 BbgBO erlassen werden. Gestaltungssatzung § 81 BbgBO beinhaltet die Ermächtigung der Gemeinden zum Erlass örtlicher Bauvorschriften. Inhalt der Gestaltungssatzung Die Gemeinden können gemäß § 81 Abs. 1 BbgBO örtliche Bauvorschriften erlassen über: 1) besondere Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen und anderer Anlagen und Einrichtungen sowie die Notwendigkeit oder das Verbot von Einfriedungen, 2) besondere Anforderungen an die Art, die Größe, die Gestaltung, die Farbe und den Anbringungsort von Werbeanlagen, 3) den Anschluss von Werbeanlagen an bestimmten baulichen Anlagen, 4) eine besondere Erlaubnispflicht für Werbeanlagen, die ohne Baugenehmigung errichtet werden dürfen, soweit für diese Werbeanlagen besondere Anforderungen nach Nummer 2 bestehen. Die Gemeinde kann die örtlichen Bauvorschriften nach Satz 1 Nr. 1 und 2 erlassen, soweit dies zur Verwirklichung baugestalterischer und städtebaulicher Absichten oder zum Schutz bestimmter Bauten, Straßen, Plätze oder Ortsteile von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher (▷Städtebau) Bedeutung sowie von Baudenkmälern und Naturdenkmälern erforderlich ist (§ 81 Abs.1 Satz 2 BbgBO). Für den Außenbereich dürfen örtliche Bauvorschriften nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 nicht erlassen werden (§ 81 Abs. 9 Satz 2 BbgBO). Die Anforderungen an die Gestaltung können sich insbesondere beziehen auf: Gestaltung und Farbe der Außenwände, Gebäudehöhe, Traufhöhe, Dachausbildung, Baustoffe, Gestaltung der unbebauten Flächen der bebaubaren Grundstücke, Verbot von Fenstern in Außenwänden oder Teilen von Außenwänden, Art, Ausbildung und Höhe von Einfriedungen, Ausschluss von Einfriedungen, Beschränkung von Werbeanlagen und Warenautomaten auf Teile baulicher Anlagen, Beschränkung von Werbeanlagen und Warenautomaten auf bestimmte Größen und Farben oder Ausschluss bestimmter Werbeanlagen oder Warenautomaten. Die Gestaltungsanforderungen müssen sich nicht auf die gesamte Baugestaltung beziehen,
sondern können auch nur einzelne Aspekte der Gestaltung beinhalten. Was an besonderen Gestaltungsanforderungen im Einzelfall gestellt wird, muss sich einerseits aus dem vorhandenen Bestand, d.h. den vorhandenen Bauten, Straßen, Plätzen und Ortsteilen mit ihrer geschichtlichen, künstlerischen oder städtebaulichen Bedeutung sowie vorhandenen Bau- und Naturdenkmälern ergeben, andererseits aber auch mit den zukünftigen baugestalterischen und städtebaulichen Absichten begründen lassen. Die Gestaltungsanforderungen sind somit speziell für den Geltungsbereich der Satzung zu entwickeln. Dies setzt i. d. R. das Vorhandensein eines homogenen Gebiets voraus. In gewissen Grenzen können aber auch Gestaltungsanforderungen getroffen werden, wenn das Gebiet durch eine gewisse Heterogenität geprägt wird, mit der Gestaltungssatzung aber gerade das Ziel verfolgt wird, in diesem Bereich eine einheitlichere Gestaltung durchzusetzen. Ggf. können in einer Satzung für verschiedene Bereiche auch unterschiedliche gestalterische Anforderungen geregelt werden. Die Gestaltungssatzung kann sich auf Teile des Gemeindegebiets oder auch auf das gesamte Gemeindegebiet beziehen. Tendenziell wird die Anforderungsdichte an die Gestaltung mit zunehmender Größe des Satzungsgebiets abnehmen.
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Erlass der Gestaltungssatzung Die Gemeinde kann Gestaltungsanforderungen wahlweise als Satzung für das Gemeindegebiet oder Teile des Gemeindegebietes erlassen (§ 81 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 9 BbgBO) oder als Festsetzungen in einen Bebauungsplan nach § 30 Abs. 1 bis 3 oder in eine Satzung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und 3 BauGB aufnehmen (§ 81 Abs. 10 BbgBO). Beabsichtigt die Gemeinde den Erlass einer Gestaltungssatzung als selbständige Satzung, hat sie den betroffenen Bürgern und den berührten Trägern öffentlicher Belange vor dem Erlass der Satzung Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer Frist von einem Monat zu geben (§ 81 Abs. 9 Satz 3 BbgBO). Die Gestaltungssatzung unterliegt dem Anzeigeverfahren. Sie ist der Sonderaufsichtsbehörde anzuzeigen (§ 81 Abs. 9 Satz 4 BgbO) und darf durch die Gemeinde bekannt gemacht werden, wenn die Sonderaufsichtsbehörde die Satzung nicht innerhalb von drei Monaten beanstandet hat (§ 81 Abs. 9 Satz 5 BbgBO). Sofern die Gemeinde Festsetzungen in Form zeichnerischer Darstellungen getroffen hat, kann ihre Bekanntgabe dadurch ersetzt werden, dass dieser Teil der örtlichen Bauvorschriften bei der
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Gemeinde zur Einsicht ausgelegt wird; hierauf ist in den örtlichen Bauvorschriften hinzuweisen (§ 81 Abs. 11 BbgBO). Sofern Gestaltungsanforderungen als Festsetzungen in einen Bebauungsplan oder in eine Entwicklungs- oder Ergänzungssatzung aufgenommen werden sollen, sind die Verfahrensvorschriften des Baugesetzbuchs entsprechend anzuwenden (§ 81 Abs. 10 Satz 2 BbgBO). Vollzug der Gestaltungssatzung
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Soll von den Regelungen der Gestaltungssatzung bzw. den gestalterischen Festsetzungen eines Bebauungsplans oder einer Entwicklungs- oder Ergänzungssatzung abgewichen werden, stellt sich die Frage nach der Zuständigkeit für die Erteilung von Abweichungen. Sofern das beabsichtigte Bauvorhaben baugenehmigungspflichtig ist, entscheidet die zuständige Bauaufsichtsbehörde nach § 60 Abs. 1 BbgBO auf Antrag über die Erteilung von Abweichungen. Abweichungen können gewährt werden, wenn sie 1. dem Schutzziel der jeweiligen Anforderung entsprechen, 2. unter Würdigung der öffentlichrechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des § 3 Abs. 1, vereinbar sind. Die zuständige Bauaufsichtsbehörde hat zuvor das Einvernehmen der Gemeinde einzuholen. Es gilt als erteilt, wenn es nicht innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Ersuchens durch die Genehmigungsbehörde verweigert wird (§ 60 Abs. 2 BbgBO i. V. m. § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB entsprechend). Die Bauaufsichtsbehörde ist an das verweigerte Einvernehmen gebunden, kann es bei rechtswidriger Verweigerung aber nach § 70 Abs. 1 BbgBO ersetzen. Über die Zulassung von Abweichungen bei genehmigungsfreien Bauvorhaben entscheidet dagegen die amtsfreie Gemeinde oder das Amt nach § 61 Abs. 1 BbgBO auf Antrag, der bei der amtsfreien Gemeinde oder dem Amt schriftlich einzureichen ist, als Sonderordnungsbehörde. Für die Erteilung einer Abweichung ist es nicht Voraussetzung, dass in der Gestaltungsvorschrift selbst Abweichungstatbestände geregelt sind. Bei Verstoß gegen Gestaltungsvorschriften ist zu prüfen, ob von den Eingriffsbefugnissen der Bauaufsichtsbehörde bzw. der amtsfreien Gemeinde oder des Amts Gebrauch gemacht werden soll. Lau
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GEWÄHRLEISTUNG UND HAFTUNG Begriffe Gewährleistung Die Gewährleistung beschreibt den Rahmen, innerhalb dessen der aus einem gegenseitigen Vertrag zur Erbringung einer Leistung verpflichtete Schuldner nach Abschluss des Vertrages und Übergang der Leistungsgefahr (Mängelrechte auf den Gläubiger) für die vertragsgemäße Erbringung der geschuldeten Leistungen einzustehen hat. In der aktuellen Fassung verwendet das bürgerliche Gesetzbuch den Begriff nur beiläufig (z. B. § 365 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). In der alten, vor der Schuldrechtsreform bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung enthielt das Gesetz ausdrückliche Regeln zur Gewährleitung bei den wesentlichen Vertragstypen wie Kauf (§§ 459ff BGB a. F.), Miete (§§ 536ff BGB a. F.) oder Werkvertrag (§ 634 BGB a. F.). Mit der Schuldrechtsreform spricht das Gesetz nicht mehr von Gewährleistung, sondern von Rechten bei Mängeln. In Schrifttum und Rechtsprechung werden gleichbedeutend auch die Begriffe Mängelrechte bzw. -ansprüche verwendet. Gewährleitung, Mängelansprüche und Mängelrechte bezeichnen letztlich denselben Tatbestand. Mängelrechte Mängelrechte bestehen bei allen Verträgen, bei denen eine Verpflichtung zur Erbringung einer Leistung besteht, die bestimmten, zwischen den Parteien vereinbarten Kriterien entsprechen muss. Diese Rechte setzen das Vorhandensein von Mängeln voraus, die wiederum von der tatsächlichen Beschaffenheit des Gegenstandes (Sachmangel) bzw. rechtliche Beeinträchtigungen (Rechtsmangel) abhängen. Haftung Haftung ist das Äquivalent zu den Mängelrechten. Haftung im Rechtssinne bedeutet das Unterworfensein des Schuldnervermögens unter den Vollstreckungszugriff des Gläubigers (vgl. Palandt 2009:Einl v. § 241 Rn. 10). Im Zusammenhang mit Mängelrechten ergibt die Haftung, in welchem Umfang der Gläubiger als Inhaber eines Mangelanspruchs von seinem Schuldner eine Leistung zur Kompensation des Mangels verlangen kann.
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Mangel Was ein Mangel ist, bestimmt zunächst das BGB. Entsprechende Regeln enthalten die gesetzlichen Vorschriften über die einzelnen Vertragstypen. Beim Kaufrecht legen §§ 434 und 435 BGB fest, was ein Sachmangel bzw. ein Rechtsmangel ist. Im Werkvertragsrecht ergibt sich dies aus § 633 BGB, im Mietrecht aus § 536 BGB. Im Hinblick auf den Grundsatz der Privatautonomie steht es den Parteien frei, vom Gesetz abweichende Regelungen zu treffen und die Voraussetzungen für die Feststellung von Mängeln in einem Vertrag frei zu vereinbaren. Dies kann durch individuell ausgehandelte Vertragsklauseln, aber auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch vorformulierte Klauseln erfolgen. Dies ist z. B. der Fall, wenn die Parteien vereinbaren, Teil B der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/B) in einen Vertrag mit einzubeziehen. Denn in der VOB/B enthält § 13 eine Regelung, nach der sich die Feststellung von Mängeln bestimmt.
bzw. Besteller gegen sich geltend lassen muss (vgl. § 435 BGB, § 633 Abs. 3 BGB). Haftung Liegt ein Mangel vor, entstehen Mängelansprüche. Dem Gläubiger steht bei Vorliegen eines Mangels das Recht zu, von seinem Vertragspartner eine mangelfreie Leistung im Wege der Nacherfüllung zu verlangen (vgl. § 437 Nr. 1 BGB, § 634 Nr. 1 BGB). Verlangt der Gläubiger Nacherfüllung, so hat der Schuldner den vorhandenen Mangel zu beseitigen. Beseitigt der Schuldner den Mangel nicht, kann der Gläubiger nach den gesetzlichen Regelungen von dem Vertrag zurücktreten oder die von ihm zu erbringende Gegenleistung (Kaufpreis bzw. Werklohn) mindern und außerdem Schadensersatz oder die Erstattung vergeblicher Aufwendungen verlangen. Das Recht zur Mangelbeseitigung im Wege der Selbstvornahme besteht außerdem beim Werkvertrag.
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Mängelansprüche und Haftung beim Werkvertrag
Der Begriff des Mangels Das Gesetz stellt in § 434 BGB sowie in § 633 BGB auf den sog. subjektiven Mangelbegriff ab. Danach liegt ein Mangel vor, wenn der Kaufgegenstand bzw. das Werk nicht die vereinbarte Beschaffenheit haben. Maßgeblich ist der zwischen den Parteien vereinbarte Soll-Zustand, den eine Kaufsache bzw. das Werk nach den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen aufzuweisen hat. Auf objektive Kriterien stellt das Gesetz erst ab, wenn keine ausdrückliche Vereinbarung zwischen den Parteien getroffen ist. Dann ist maßgeblich, ob sich die Leistung für den nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch eignet. Ein nach dem Vertrag vorausgesetzter Gebrauch lässt sich nur feststellen, wenn die Parteien ausdrücklich oder stillschweigend eine bestimmte Verwendung der Sache vereinbart haben (vgl. Palandt 2009:§ 434 Rn. 21). Ist den vertraglichen Vereinbarungen der nach dem Vertrag vorausgesetzte Gebrauch nicht zu entnehmen, stellt das Gesetz auf die Funktionstauglichkeit ab. Danach ist die Leistung auch dann mangelfrei, wenn sie sich zur gewöhnlichen Verwendung eignet und die übliche Qualität gleichartiger Leistungen aufweist, die der Gläubiger nach den vertraglichen Vereinbarungen auch erwarten kann (vgl. § 434 Abs. 1, § 633 Abs. 2 BGB). Von einem Rechtsmangel wiederum spricht das Gesetz, wenn Dritte in Bezug auf die Leistung Rechte geltend machen können, die der Käufer
Die Erbringung von Bauleistungen bzw. Planungsleistungen für Bauwerke erfolgt in aller Regel auf der Grundlage von Werkverträgen, so dass sich Rechte wegen Mängelansprüchen nach den §§ 634ff BGB geben. Dies gilt sowohl für Bauverträge als auch bei Architektenverträgen. Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil B (VOB/B) Das BGB-Werkvertragsrecht beruht auf der Annahme, dass die Parteien die Herstellung eines bei Vertragsschluss abschließend bestimmten Werkes vereinbaren. Die Praxis zeigt, dass diese Annahme bei Bauverträgen nicht unbedingt sachgerecht ist. Aufgrund der Prozesshaftigkeit des Bauens können sich infolge neuer technischer Erkenntnisse, geänderter Anforderungen der Bauwerksnutzer, aber auch wegen aus dem Planungsprozess gewonnener Erkenntnisse Anforderungen an das Werk ergeben, die bei Vertragsschluss nicht bekannt und deshalb zwischen den Parteien auch nicht vereinbart sind. Die allgemein gültigen gesetzlichen Regelungen unterscheiden aber nicht zwischen Werkverträgen für Schuhreparaturen oder für die Errichtung eines Wolkenkratzers. Deshalb liegt auf der Hand, dass die gesetzlichen Regelungen im Hinblick auf Bauleistungen gewisse Modifikationen erfordern, die dem besonderen Vertragsgegenstand und v. a. auch den Prozess des
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Baugeschehens bis zur kompletten Herstellung eines Bauwerkes Rechnung tragen. Diesem Erfordernis können die Parteien durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen gerecht werden. Eine Vorgehensweise ist die Einbeziehung der VOB/B in den Werkvertrag, denn diese enthält Vertragsklauseln, die den vorstehend aufgeführten Modifikationsbedarf berücksichtigen. Die VOB/B ergänzt bzw. modifiziert die gesetzlichen Bestimmungen bei Werkverträgen, die Bauleistungen zum Gegenstand haben; zum Teil enthält die VOB auch Klarstellungen, die Schrifttum und Rechtsprechung zum Werkvertragsrecht bei Bauverträgen entwickelt haben. Dies zeigt sich insbesondere in § 13 Nr. 1 Satz 2 VOB/B. Danach ist ein Werk frei von Sachmängeln, wenn es den vertraglichen Vereinbarungen und den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Dieser Zusatz ist eben in § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht enthalten. Die Rechtsprechung hatte aber angenommen, dass auch beim reinen BGB-Werkvertrag immer zwischen den Vertragsparteien stillschweigend vereinbart ist, dass ein Unternehmer die Leistung den anerkannten Regeln seines Faches entsprechend als Mindeststandard zu erbringen hat (vgl. Palandt 2009:§ 633 Rn. 6a). Mängel im Sinne des Werkvertragsrechts Beim Bauwerkvertrag kommt es deshalb zur Ermittlung eines Mangels darauf an, welche Beschaffenheit die Vertragsparteien ausdrücklich vereinbart haben und welche technischen Regeln für das jeweils betroffene Bauhandwerk gelten. Die Vereinbarung ergibt sich aus den Vertragsanlagen wie etwa eine Leistungsbeschreibung, Pläne, Zeichnungen und dergleichen. Die anerkannten Regeln der Technik ergeben sich aus den geltenden Normen, Herstelleranweisungen aber auch aus sonstigen Veröffentlichungen, wenn diese anerkannte Standards enthalten. Letzteres kann im Streitfall eine Tatsachenfrage sein, über die durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis erhoben werden kann. Fehlt darin eine ausdrückliche Vereinbarung und ist eine genaue Spezifikation dem Vertrag nicht enthalten, dann kommt es auf den nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch des Werkes an. Hierfür ist erforderlich, dass die Parteien den Gebrauch in irgendeiner Weise in die vertragliche Vereinbarung einbezogen haben. Ggf. ist dies durch Auslegung des Vertrages nach den allgemeinen Regeln (§§ 133, 157 BGB) vom Standpunkt eines objektiven Dritten zu ermitteln. Ist die Erbringung bestimmter Handwerksleistungen im
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Zusammenhang mit einem ausdrücklich benannten Bauwerk bzw. einem in dem Vertrag benannten Nutzungszweck des Bauwerkes vereinbart, so gilt als Prüfungsmaßstab die Eignung der erbrachten Handwerksleistung für das benannte Bauwerk bzw. den benannten Nutzungszweck. Fehlt es an einer solchen Vereinbarung kommt es auf die Eignung zur gewöhnlichen Verwendung und die Beschaffenheit, die bei gleichartigen Leistungen üblich ist, an, die nach allgemeinen Maßstäben erwartet werden kann. Insoweit gibt es keine wesentlichen Unterschiede zwischen dem gesetzlichen Werkvertragsrecht und VOB/B. Mit der Übernahme des subjektiven Fehlerbegriffs im Zuge der Schuldrechtsreform in das BGB ergibt sich das Problem, dass auch eine positive Abweichung der Erstbeschaffenheit, d. h. einer höherwertigen Ausführung der Leistung gegenüber dem vereinbarten Soll-Zustand einen Mangel im Sinne des § 633 Abs. 2 BGB darstellt. Es bedarf dann einiger konstruktiver Anstrengungen, um in diesen Fällen zu einem sachgerechten Ausgleich zu kommen (siehe unten). Die Mängelrechte Die bei Vorliegen eines Mangels in Betracht kommenden Mängelrechte werden im Folgenden dargestellt. Nacherfüllung Der wichtigste Anspruch des Bestellers bei einer mangelhaften Werkleistung ist das Recht auf Nacherfüllung. Der Besteller kann von dem Unternehmer auf diesem Wege die Beseitigung eines Mangels verlangen (§§ 634 Nr. 1, 635 Abs. 1 BGB; § 13 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B). Im Zuge der Nacherfüllung ist der Unternehmer verpflichtet, den Mangel durch Reparatur oder auch Neuherstellung des Werkes zu beseitigen. Das Recht zur Nacherfüllung kann der Unternehmer nur dann verweigern, wenn die Beseitigung des Mangels für ihn mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist (§ 635 Abs. 3 BGB, § 13 Nr. 6 VOB/B). Dabei herrscht das weit verbreitete Missverständnis, dass es bei der Beurteilung in der Verhältnismäßigkeit auf die Gegenüberstellung des Minderwertes des mangelhaften Werkes mit den Mangelbeseitigungskosten ankommt. Die Betrachtung ist jedoch unrichtig. Entscheidend ist immer, ob durch die mögliche Mangelbeseitigung aus Sicht des Bestellers eine Verbesserung eintritt. Unverhältnismäßig ist der Aufwand lediglich dann, wenn der wirtschaftliche
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Einsatz für die Mangelbeseitigung für den Besteller zu keiner nennenswerten Verbesserung führt. (vgl. u. a. BGH 4.07.1996, VII ZR 24/95) Diese Betrachtung ist auch richtig, andernfalls bestünde ein generelles Recht des Werkunternehmers, geringfügige Mängel nicht zu beseitigen, sondern lediglich wirtschaftlich abzugelten. Der Besteller hat aber grundsätzlich einen Anspruch auf ein mangelfreies Werk, was dem Unternehmer klar sein muss. Selbstvornahme Kommt der Unternehmer der Aufforderung zur Beseitigung eines Mangels innerhalb einer vom Besteller gesetzten Frist nicht nach, so ist der Besteller berechtigt, den Mangel im Wege der Selbstvornahme gem. §§ 634 Nr. 2, 637 BGB; § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B zu beseitigen. Der Aufforderung zur Mangelbeseitigung mit Fristsetzung bedarf es nicht, wenn der Unternehmer die Mangelbeseitigung ernsthaft und endgültig verweigert (§ 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB) oder die Leistung zu einem fest vereinbarten Termin zu erbringen hatte, die Leistung zu einem späteren Zeitpunkt für den Besteller jedoch nicht von Interesse ist (§ 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB) oder aber sonstige schwerwiegende Gründe wie etwa völlige Unzuverlässigkeit, unzumutbares Verhalten des Unternehmers oder auch mangelnde Qualifikation des Unternehmers gegeben sind (§ 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB). Auch wenn dies in der VOB/B nicht ausdrücklich in derselben Weise wie in § 323 Abs. 2 BGB geregelt ist, dürften auch bei Einbeziehung der VOB/B die gleichen Grundsätze heranzuziehen sein. Der Unternehmer wird sich nach § 242 BGB nicht auf das Fehlen einer Fristsetzung zur Nacherfüllung berufen können, wenn er zuvor die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert hat bzw. weiß, dass die Nachholung der Leistung nicht von Interesse für den Besteller ist oder aber die vorstehend aufgeführten schwerwiegenden Gründe gegeben sind. Minderung, Rücktritt, Schadensersatz und Selbstvornahme In den Fällen, in denen die Aufforderung zur Nacherfüllung unter Setzung einer entsprechenden Frist entbehrlich ist, mithin der Unternehmer kein Recht zur Nachbesserung hat und bei Fehlschlagen der Nacherfüllung oder Unzumutbarkeit der Nacherfüllung für den Besteller kann dieser von dem Vertrag zurücktreten oder die vereinbarte Vergütung für das mangelhafte Werk mindern
(§§ 634 Nr. 3, 636, 638 BGB). Außerdem steht dem Besteller unter diesen Voraussetzungen das Recht zu, Schadensersatz zum Ausgleich etwaiger Nachteile bzw. den Ersatz vergeblicher Aufwendungen zu verlangen (§§ 636, 634 Nr. 4 BGB). Zwischen diesen Rechten besteht ein Stufenverhältnis. Vom Grundsatz her muss der Besteller Nacherfüllung verlangen bzw. dem Unternehmer eine Nacherfüllungsmöglichkeit einräumen. Die weiteren Rechte bestehen, wenn Nacherfüllung ausnahmsweise nicht in Betracht kommt bzw. die Nacherfüllung scheitert oder der Unternehmer die Nacherfüllung verweigert. Dann hat der Besteller die Wahl zwischen einer Minderung des Werklohns zum Ausgleich des Mangels oder dem Rücktritt vom Vertrag oder auch Geltendmachung von Schadensersatz zum Ausgleich der Nachteile, die durch die mangelhafte Leistung entstanden sind oder den Anspruch auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen zum Vertragsbschluss. Außerdem steht dem Besteller die Befugnis zu, sich statt der vorstehend aufgeführten Mängelrechte für die Selbstvornahme der Mangelbeseitigung auf Kosten des Unternehmers zu entscheiden. Nach allgemeiner Auffassung steht dem Besteller im Wege der Selbstvornahme auch zu, einen angemessenen Kostenvorschuss in Höhe der voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten zu verlangen. In diesem Fall besteht allerdings eine Verpflichtung zur Abrechnung des empfangenen Kostenvorschusses. Um im Prozess sicherzugehen, dass bei Geltendmachung eines im Nachhinein nicht auskömmlichen Vorschusses weitergehende Ansprüche nicht verloren gehen, kann der Zahlungsantrag mit einem Antrag auf Feststellung auch der weitergehenden Kosten verbunden werden. Bei Ausübung des Rücktrittsrechts ist zu beachten, dass der ursprüngliche Erfüllungsanspruch ebenso wie der Nacherfüllungsanspruch, die Befugnis zur Selbstvornahme und der Minderungsanspruch erlöschen. Der Vertrag wandelt sich in ein Abrechnungsverhältnis, bei dem die wechselseitig empfangenen Leistungen zurückzugewähren sind. Entsprechendes gilt für das Minderungsbegehren, dessen Ausübung ebenfalls die Geltendmachung eines Nacherfüllungsanspruchs, das Recht zur Selbstvornahme und das Recht zum Rücktritt ausschließen. Bei Einbeziehung der VOB/B gibt es kein Rücktrittsrecht. Der Anspruch auf Minderung setzt die Unzumutbarkeit der Mangelbeseitigung aus Sicht des Auftraggebers voraus bzw. die Unmöglichkeit (auch wirtschaftliche) zur Beseitigung oder das Erfordernis eines unverhältnismäßig hohen Aufwandes (zur Ermittlung siehe oben). Allerdings
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besteht bei Einbeziehung der VOB/B das Recht zur Kündigung gemäß § 8 Nr. 3 VOB/B. Der Unterschied zum Rücktritt liegt insbesondere darin, dass bei Kündigung über die ausgetauschten Leistungen abzurechnen ist und die empfangenen Leistungen nicht wechselseitig zurückzugewähren sind (vgl. §§ 346ff BGB). Nach Kündigung des Vertrages kann der Besteller bei Einbeziehung der VOB/B die Restleistung auf Kosten des Unternehmers fertig stellen lassen und darüber hinausgehenden Schaden ersetzt verlangen (z. B. Mehrkosten oder Ausgleich von Nachteilen wegen zeitlicher Verzögerungen). Hat die Ausführung der Leistung einen Sinn für den Besteller, kann er Schadensersatz statt Leistung geltend machen. Die Kündigung setzt eine Aufforderung zur Mangelbeseitigung voraus oder aber eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung des Unternehmers, die eine Aufforderung mit Fristsetzung entbehrlich macht. Im Gegensatz zum BGB-Vertrag bestehen die Rechte aus § 8 Nr. 3 VOB/B sowohl vor als auch nach Abnahme. Bei Einbeziehung der VOB/B kann der Auftraggeber daher bereits vor Abnahme die Erbringung vertragsgerechter Leistungen (z. B. Ersetzen mangelhafter Leistungsteile durch mangelfreie, § 4 Nr. 7 VOB/B) oder die Verstärkung der Baustelle bei zögerlicher Leistungserbringung (§ 5 Nr. 4 VOB/B) vom Unternehmer verlangen. Will der Besteller vor Abnahme der werkvertraglich geschuldeten Leistungen nach § 8 Nr. 3 VOB/B kündigen, so muss er die Kündigung für den Fall der Nichtabhilfe androhen. Abhilfeverlangen mit Fristsetzung und Kündigungsandrohung können nach allgemeiner Auffassung in einem Akt erfolgen. Die gesetzlichen Schadensersatzansprüche stehen neben den übrigen Mängelrechten und zwar sowohl als sog. kleiner als auch großer Schadensersatz. So kann der Besteller aufgrund eines Mangels Schadensersatz statt der Leistung (§§ 634 Nr. 4, 281, 283, 311a BGB) verlangen. Der Anspruch tritt an Stelle des Erfüllungsanspruchs und erfasst sowohl Mangelschäden als auch Mangelfolgeschäden. Der Unternehmer hat in diesem Fall einen Ausgleich für den Mangel an der nicht vertragsgerechten Leistung zu erbringen. Geht der Besteller diesen Weg, so besteht kein Anspruch auf Nacherfüllung, Rücktritt oder Minderung. Auch das Recht auf Selbstvornahme entfällt. § 634 Nr. 4 BGB verweist außerdem auf § 280 BGB, nach dem der Unternehmer die sonstigen durch einen Mangel verursachten Schäden zu ersetzen hat. Dieser Anspruch bezieht sich auf sämtliche Folgenachteile, die dem Besteller unter Umständen
dadurch entstehen, dass die Leistung einen Mangel aufweist. Sowohl beim Ersatz des Mangelschadens als auch hinsichtlich der durch den Mangel verursachten Folgeschäden hat der Unternehmer den Besteller so zu stellen, als wäre die Leistung vertragsgerecht in mangelfreiem Zustand erbracht worden (großer Schadensersatz). Aufwendungsersatz Schließlich besteht der Anspruch auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen, der den Unternehmer verpflichtet, dem Besteller alles zu ersetzen, was dieser im Vertrauen auf den Vertragsschluss und die vertragsgerechte Erfüllung aufgewendet hat (vgl. § 284 BGB). Zu beachten ist, dass die Ansprüche auf Schadensersatz und Aufwendungsersatz auch neben Rücktritt und Minderung geltend gemacht werden können. Haftung von Architekten Eine Besonderheit besteht bei Leistungen von Architekten. Im Regelfall ist eine Nacherfüllung nach Fertigstellung eines Bauwerkes nicht mehr möglich. In diesem Fall hat sich die mangelhafte Planungs- bzw. Überwachungsleistung bereits in dem Bauwerk realisiert, so dass eine nachträgliche Bearbeitung der Planung bzw. eine „nachträgliche Beaufsichtigung“ der Ausführungsarbeiten nicht mehr zu einer Beseitigung des Mangels führen kann. Nacherfüllung und Selbstvornahme kommen dann nur noch in Betracht, wenn Leistungen des Architekten zur Beseitigung von Mängeln an dem Bauwerk erforderlich sind. Da Architekten selbst keine Bauleistungen erbringen, wird dies nur ausnahmsweise der Fall sein, etwa wenn die Planung einer mangelfreien Ausführungsvariante benötigt wird, die bei ihrer Ausführung eine Überwachung erfordert. In allen anderen Fällen bleiben nur Minderung, Rücktritt und Schadensersatz. Dem Architekten steht insoweit auch kein Recht auf Nacherfüllung zu. Die Fristsetzung zur Nacherfüllung ist im Regelfall entbehrlich. Kehrberg
Literatur Ingendoh, A. (2006): Keine automatische „Unverhältnismäßigkeit“ der Mängelbeseitigung trotz Hundertfachem der Kosten im Verhältnis zum Minderungswert. Anmerkung zum Urteil des BGH vom 10.11.2005 – VII ZR 64/04. In: Der Bauträger, 3, 129-131 Kniffka, R.; Koeble, W. (2004): Kompendium des Baurechts; Privates Baurecht und Bauprozess. München. Moufang, O. (2008): Zum funktionalen Mangelbegriff, Anmerkungen zum Urteil des BGH vom 08.11.2007 – VII ZR 183/05. In: Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht, 10, 301-302 Palandt, O.; überarbeitet von Bassenge, P.; Brudermüller, G.;
GLEICHWERTIGE LEBENSVERHÄLTNISSE Diederichsen, U.; Edenhofer, W.; Heinrichs, H. (2009): Bürgerliches Gesetzbuch – BGB, Kommentar. München Werner, U.; Pastor, W. (2007): Der Bauprozess: Prozessuale und materielle Probleme des zivilen Bauprozesses. Neuwied
GLEICHWERTIGE LEBENSVERHÄLTNISSE „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ ist eine zentrale Zielformulierung räumlich orientierter Politik in Deutschland. Sie verpflichtet öffentliche Akteure, regionale Disparitäten in ihrem Gebiet zu vermindern. „Die Debatte um die räumliche Entwicklung und Raumordnung (▷Raumordnung und Landesplanung) der Bundesrepublik wurde und wird von zwei Leitzielen geprägt: der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse und der Nachhaltigen Raumentwicklung“ (Dehne 2005: 612). Im Raumordnungsgesetz (ROG) vom 18.08.1997 wurde diese politische Zielformulierung in § 1 Abs. 2 Nr. 6 an prominenter Stelle rechtlich verankert. Gleichwertige Lebensverhältnisse sind Leitvorstellungen auch auf anderen räumlichen Maßstabsebenen: Auf europäischer Ebene wird eine Politik zur Stärkung des territorialen Zusammenhalts („territorial cohesion“) wie folgt konkretisiert: „Die Union setzt sich insbesondere zum Ziel, die Unterschiede im Entwicklungsstand der verschiedenen Regionen und den Rückstand der am stärksten benachteiligten Gebiete zu verringern…“ (Entwurf EU-Verfassung Art. III-220; ▷Europäische Raumentwicklungspolitik) Auf städtischer Ebene verfolgt etwa das BundLänder-Programm der Städtebauförderung „▷Soziale Stadt“ analoge Ausgleichsziele in problematischen Stadtquartieren. Um Gleichwertigkeit gibt es eine aktuelle politische Debatte in Deutschland: Nachdem Bundespräsident Köhler (Krumrey/Markwort 2004) auf die „großen Unterschiede in den [regionalen] Lebensverhältnissen“ hingewiesen und warnend hinzugefügt hatte: „wer sie einebnen will, zementiert den Subventionsstaat“, reißt der Diskurs nicht mehr ab (ARL 2005 und 2006). Empirisch wird die Zunahme der Disparitäten festgestellt (Gatzweiler/Milbert 2006), normativ die Konkurrenz von Ausgleichs- und Wachstumsziel thematisiert. Gleichwertigkeit ist nicht nur zentral und aktuell, gleichwertige regionale Lebensverhältnisse im ganzen Staat, in der ganzen Stadt sind auch
unmöglich, es kann sie nicht geben und gibt sie daher auch nicht. Lebensverhältnisse sind territorial, d. h. an Orte, an Räume gebunden, gelten also für viele Menschen. Da diese aber unterschiedliche Präferenzen haben, bewerten sie schon ihre gleichen Lebensverhältnisse jeweils unterschiedlich. Mit der fortschreitenden Individualisierung und Pluralisierung der Lebensstile fallen diese Bewertungen immer unterschiedlicher aus. Mit dem Fehlen einer einheitlichen Bewertung der lokalen Lebensverhältnisse fehlt schon die Basis für den überlokalen Vergleich. Einen Ausweg aus der Sackgasse dieser subjektiven Betrachtung suchen die anspruchsvollen Bemühungen der Wissenschaft seit den 1970er Jahren, Lebensverhältnisse über soziale Indikatoren zu objektivieren und vergleichend zu messen. Dabei stellen sich viele Fragen, u. a.: Was alles (vom Durchschnittseinkommen bis zur Feinstaubbelastung) soll und kann in die Lebensverhältnisse einbezogen werden? Wie ist es zu operationalisieren und zu skalieren – wenn die Rangplätze von Räumen beim gleiche Tatbestand (z. B. Arbeitslosigkeit) von der Wahl des Indikators abhängen (Maretzke 2006:327ff )? Wie steht es mit der Datenverfügbarkeit?
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Sodann die Zentralfrage: Wie ist das bunte Bild zu aggregieren? Unter Ökonomen gibt es einen Konsens, die Werte der Güter und Dienste innerhalb einer Volkswirtschaft über ihre Preise zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) zusammenzufassen und zwischen Volkswirtschaften über Wechselkurse oder Kaufkraftparitäten zu vergleichen. Für Lebensverhältnisse ist das unmöglich: für Arbeitslosigkeit, Luftqualität, Verkehrssicherheit und sozialen Zusammenhalt gibt es keine gemeinsame Währung. Man kann in Ranking-Verfahren Rangplätze von Regionen ermitteln und mit diesen Rangplätzen weiterrechnen, aber auch hier zeigt sich, dass die dann verwendeten Aggregationsregeln einen großen Einfluss auf das Ergebnis haben (Maretzke 2006:330ff ). Zwei Auswege aus diesen Dilemmata bieten sich an: Zur Skalierung: Hier kann man Mindeststandards definieren und im Sinne einer binären Zuordnung 1/0 alles oberhalb als hinreichend und unterhalb als unzureichend einordnen. Per Konvention würden unterschiedliche Werte oberhalb (oder unterhalb) der Standards als gleichwertig bezeichnet.
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Zur Aggregation: Gleichwertigkeit lässt sich indirekt über Wanderungen erfassen. Hohe (Netto-)Wanderungen von A nach B belegen, dass die Menschen bei integraler Bewertung B besser finden als A.
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Die Tatsache, dass gleiche Lebensverhältnisse an einem Ort für die Menschen subjektiv ungleichwertig sind, und die Tatsache, dass das Maß der Ungleichwertigkeit zwischen verschiedenen Orten nicht objektiv, umfassend und unzweideutig bestimmt werden kann, ist allerdings kein hinreichender Grund, das politische Ziel ad acta zu legen. Politik kann und wird sich ja nicht von Wissenschaftlerskrupeln Handschellen anlegen lassen. Politik muss das Ziel von Gesetzes wegen aufgreifen: Dazu verpflichtet sie nicht nur das Raumordnungsgesetz, sondern nach herrschender Meinung auch das Grundgesetz mit seinem Sozialstaats- und Bundesstaatsgebot (Art. 20 GG). Politik wird das Ziel aber auch aus politischer Klugheit aufgreifen: abhängig von Wählerpräferenzen kann keine Regierung im Staat, aber auch in der Stadt, es sich leisten, die räumliche Ausprägung des Gerechtigkeitsziels zu missachten. Sie muss mindestens signalisieren, dass sie sich kümmert, besser aber: handeln, um Disparitäten abzubauen. Die Formulierung „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse“ (ROG) ist aber in einem doppelten Sinne das falsche Wort für das richtige Ziel. 1) Gleichwertigkeit ist ein Richtungsziel, eine produktive Utopie. Es geht nicht um gleichwertige, sondern um gleichwertigere Lebensverhältnisse. Fortschritte werden hier immer dann gemacht, wenn Nachzüglerregionen in irgendeiner beliebigen Dimension (Durchschnittseinkommen, Arbeitslosenquote, Infrastrukturausstattungen) an nationale Durchschnitte herangeführt werden. Gleichwertigkeit sollte nicht dadurch gefördert werden, dass die Politik Vorreiter bremst. Diese Orientierung an den Nachzüglern ist nicht nur der inhaltliche Kern der heute anerkanntesten sozialphilosophischen Gerechtigkeitstheorie (John Rawls‘ „Theory of Justice“, 1971), sondern sie wird auch explizit in der Regionalpolitik der EU verfolgt (siehe oben). Auch die Abgrenzung der Ziel 1-Fördergebiete zielt auf die Nachzügler und orientiert sich am BIP als Indikator. Förderwürdig sind hier die Regionen, die unter 75 Prozent des EU-Durchschnitts-BIP erwirtschaften. Der Wert 75 Prozent zeigt im Übrigen eine Disparitätstoleranz, die bei der Reform unserer föderalen Finanzverfassung
Nachdenken stiften sollte, denn heute gleichen wir auf Länderebene die Steuereinnahmen fast zu 100 Prozent aus. 2) Die „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse“ überfordert den Adressaten, den Staat. Wenn nach allgemeiner Auffassung heute die Arbeitsmarktsituation das Feld ist, auf das die Menschen bei der Bestimmung ihrer Lebensverhältnisse die größte Aufmerksamkeit richten und bei dem im Übrigen das Disparitätsgefälle wächst, dann wird sofort klar: Arbeitsplätze schafft in unserer Wirtschaftsordnung nicht primär der Staat. Er kann Rahmenbedingungen fördern, um in einer globalisierten Welt (▷Globalisierung) mit weltweitem Wettbewerb auf Güter- und Faktormärkten der heimischen Wirtschaft bessere Chancen zu bieten, aber die meisten Rahmenbedingungen haben die Eigenschaft, für alle Regionen gleich zu sein. Sie sind daher i. d. R. nicht in der Lage, regionale Unterschiede zu reduzieren. Selbst wenn der Staat – wie in der regionalen Wirtschaftspolitik – die Rahmenbedingungen regional differenziert, bleibt er auf die Wirksamkeit seiner Anreize bei den privaten Unternehmen angewiesen. „Herstellen“ kann der Staat hier seine Outputs (z. B. das Angebot von Investitionszulagen und -zuschüssen), aber nicht deren eventuelle Wirkungen, die Arbeitsplätze. Direkter als bei der regionalen Wirtschaftspolitik vermag der Staat seine Verantwortung für die Förderung gleichwertigerer Lebensverhältnisse in den zwei anderen Feldern wahrzunehmen, die ihm zu Gebote stehen: beim Finanzausgleich und bei der Infrastrukturpolitik: 1) Der Bund-Länder-Finanzausgleich mit seinen drei Stufen (Umsatzsteuerverteilung, Länderfinanzausgleich und Bundesergänzungszuweisungen) und seinem besonders hohen Ausgleichsgrad ist neben den regionalen Umverteilungswirkungen der Sozialversicherungen die wirksamste Säule einer Politik zugunsten gleichwertigerer Lebensverhältnisse. Zwar nimmt er in Stufe 1 und 2 wenig Rücksicht auf unterschiedliche Bedarfslagen, aber da er dort die Steuereinnahmen pro Kopf zwischen den Ländern fast völlig nivelliert, befähigt er die armen unter ihnen, ihre öffentlichen Ausgaben und Leistungsangebote auf annähernd durchschnittlichem Niveau zu halten. Die Bundesergänzungszuweisungen v. a. des Solidarpakts (bis 2019) führen sogar zu einer Überkompensation und ermöglichen eine nachholende Infrastruktursanierungs- und -ausbaupolitik der neuen
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Länder. Jährlich werden fast 100 Mrd. Euro „in den Dienst der ‚gleichwertigen Lebensverhältnisse’ gestellt“ (Eltges 2006:368). Dass sie nicht dafür zweckgebunden sind, ist politisch immer wieder strittig, aber Konsequenz des Föderalismusverständnisses des Grundgesetzes (unabhängige Haushaltswirtschaft). Die Grundgedanken und Wirkungsketten einer solchen Politik gelten auch innerhalb der Länder, beim kommunalen Finanzausgleich. 2) Bei der Infrastrukturpolitik ist nochmals festzuhalten, dass gleichwertige Lebensverhältnisse im Wortsinne undenkbar sind, und zwar wegen der räumlichen Dimension. Das nächste Opernhaus oder Gymnasium kann nicht für alle gleich weit entfernt sein. Dass der Staat aber eine relevante Mitverantwortung für die Förderung gleichwertigerer Lebensverhältnisse hat, zeigt sich im Bereich der öffentlichen Infrastrukturen, der sog. ▷Daseinsvorsorge, immer wieder. Dazu nur zwei Beispiele: Es gibt häufig ein deutliches Spannungsverhältnis zwischen der Fachpolitik, die oft das große Aggregat (sei es ein Schulzentrum oder eine Kläranlage) aus guten Gründen der Effektivität oder Effizienz bevorzugt, und der Raumpolitik, die dezentrale Einrichtungen bevorzugt, um Wege, Transportkosten, Umweltlasten etc. zu mindern. Die Systeme zentraler Orte in Landes- und Regionalplanung mit ihren zugeordneten Infrastrukturkatalogen suchen neben der Konzentration verschiedener Einrichtungen an einem Ort einen angemessenen Ausgleich zwischen Systemeffizienz und Erreichbarkeit. Wird bei Bevölkerungsrückgang im ▷ländlichen Raum die Maschenweite der Infrastruktur vergrößert, z. B. in der Krankenhaus- oder Schulplanung, wird die Gleichwertigkeit in der Versorgung im Vergleich zur Stadt reduziert. Auch Prozesse der Privatisierung (bei Post und Telekommunikation, Wohnungswirtschaft, Energieversorgung oder Öffentlicher Personennahverkehr) reduzieren regelmäßig öffentliche Einflussmöglichkeiten und damit auch die zugunsten gleichwertigerer Lebensverhältnisse. Beide Beispiele zeigen, dass das Ziel der Förderung gleichwertigerer Lebensverhältnisse keinen Absolutheitsanspruch besitzt. Auch dieses Ziel muss für Abwägung offen sein und in zeitlich – räumlich – sachlich konkreten Konstellationen hin und wieder zurückstehen. Diese Position
sollte durch die Erkenntnis erleichtert werden, dass viele Politikfelder Potenzial für positive und negative Beiträge zur Zielerreichung besitzen, so dass Abstriche in einzelnen Politikfeldern in anderen kompensiert werden können. An gleichwertigeren Lebensverhältnissen müssen sich alle Ressorts orientieren, nicht nur der für die Raumordnung zuständige Minister. Politik für gleichwertigere Lebensverhältnisse ist kein Drahtseilakt, bei dem abstürzt, wer einen Schritt falsch setzt. Die Bahn ist breit genug für Experimente, für konkurrierende Lösungen der Länder, Regionen und Städte. Mäding
Literatur ARL – Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.) (2005): Gleichwertige Lebensverhältnisse. Diskussionspapier des Präsidiums der Akademie für Raumforschung und Landesplanung. In: ARL-Nachrichten, 2, 1-3 ARL – Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.) (2006): Gleichwertige Lebensverhältnisse: eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe neu interpretieren! Positionspapier aus der ARL. Hannover Dehne, P. (2005): Leitbilder in der räumlichen Entwicklung. In: Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.): Handwörterbuch der Raumordnung. Hannover, 608-614 Eltges, M. (2006): Fiskalische Ausgleichssysteme und gleichwertige Lebensverhältnisse. In: Informationen zur Raumentwicklung, 6/7, 363ff Gatzweiler, H.-P.; Milbert, A. (2006): Regionale Disparitäten in den Erwerbsmöglichkeiten, Grund für eine ausgleichsorientierte Raumordnungspolitik? In: Informationen zur Raumentwicklung, 6/7, 317ff Krumrey, H.-H.; Markwort, H. (2004): Einmischen statt Abwenden. Interview mit Bundespräsident Horst Köhler. In: Focus, 38 Maretzke, St. (2006): Regionale Rankings – ein geeignetes Instrument für eine vergleichende Bewertung regionaler Lebensverhältnisse? In: Informationen zur Raumentwicklung, 6/7, 325ff Rawls, J. (1971): A Theory of Justice. Cambridge/MA
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GLOBALISIERUNG Globalisierung als Tendenz der Moderne Der Prozess der Globalisierung ist eine immanente Tendenz der Moderne (Giddens 1996:84ff ). Die Globalisierung entfaltet sich schon seit Ende des 15. Jahrhunderts in unterschiedlichen Entwicklungsmustern und Entwicklungsschüben und führte immer wieder zu krisenhaften Regressionen, die mit einem vorübergehenden Rückgang weltwirtschaftlicher Integration verbunden waren. Die Entwicklung der Städte wird also bereits seit Jahrhunderten in immer wieder veränderten Formen von Globalisierungsprozessen beeinflusst und geprägt.
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Globalisierung ist Vernetzung und wechselseitige Abhängigkeit
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In den letzten drei Jahrzehnten ist es in der Folge des Zusammenbruchs des internationalen Währungssystems von Bretton Woods mit seinen festen Wechselkursen zu einem außerordentlich starken Internationalisierungsschub gekommen. In diesem Kontext ist der Begriff der Globalisierung im deutschen Sprachraum etwa ab Ende der 1980er Jahre sehr populär geworden (Dürrschmidt 2002). Globalisierung beschreibt zunächst eine Vielfalt von realgeschichtlichen Transformationsprozessen, die mit einer zunehmenden internationalen Vernetzung und gegenseitiger Durchdringung von Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft und Politik sowie einem starken Bedeutungsgewinn transnationaler Institutionen verbunden sind.Neben der zunehmenden Mobilität von Menschen, dem internationalen Austausch von Ideen und Wissen und der Herausbildung einer globalen Kulturproduktion sind für die neuen Muster der Globalisierung v. a. der außerordentlich starke Anstieg ausländischer Direktinvestitionen, also der Export von Kapital, sowie die Globalisierung der Finanzmärkte bestimmend. Das wesentliche Merkmal unserer heutigen, durch die Globalisierung geprägten Weltgesellschaft lässt sich mit einem Wort erfassen: Interdependenz (Schumann/ Grefe 2008:23). Die gegenseitige Abhängigkeit von Staaten und Ökonomien hat – wie die gegenwärtige Krise des internationalen Finanzsystems anschaulich zeigt – ein bedrohliches Ausmaß angenommen. Die Krise, die vor zwei Jahren im US-Immobilienmarkt (▷Immobilienwirtschaft) mit einem Verfall der Preise für Eigenheime und Zwangsversteigerungen begann, hat sich inzwischen in einem Dominoeffekt über den gesamten Globus ausgebreitet. Kaum ein Land, in dem es nicht zu dramatischen Einbrüchen der Börsenkurse, tiefgreifenden Branchenkrisen und einem Anstieg der Arbeitslosigkeit gekommen ist und wo nicht Banken und Unternehmen vor der Pleite stehen oder zumindest standen. Die Nationalstaaten, die angesichts des starken Globalisierungsschubes der letzen Jahre von vielen politischen und wissenschaftlichen Kommentatoren bereits für obsolet erklärt wurden, rücken plötzlich wieder in eine Schlüsselrolle: als Retter zahlungsunfähiger Banken, als Käufer fauler Immobilienkredite, als Garanten von Spareinlagen, als Kontrolleure und Regulierer. Das neue politische Schlagwort ist: „Die Globalisierung gestalten“.
Eine Re-Regulierung der Weltwirtschaft nach dem zerbrochenen Mythos der Selbstregulation des Marktes? In der Krise zeigt es sich in aller Deutlichkeit: Die Globalisierung macht die Nationalstaaten nicht obsolet, sondern weist ihnen – so Joseph Stiglitz – neue Aufgaben zu: „sie müssen sich mit der wachsenden Ungleichheit und Unsicherheit befassen, die dieser Prozess verursachen kann, und auf die verschärfte Wettbewerbssituation reagieren“ (Stiglitz 2008:41). Gleichzeitig schränkt die Globalisierung die Spielräume der Nationalstaaten in vielerlei Hinsichten ein. Es gibt viele Fragen, wie der internationaler Kapitalverkehr, der globale Klimawandel oder die wachsende Spaltung der Weltgesellschaft zwischen Gewinnern und Verlierern, die nur auf globaler Ebene zu lösen sind. „Doch während die Nationalstaaten geschwächt wurden, müssen auf internationaler Ebene jene demokratischen globalen Institutionen erst noch geschaffen werden, die den von der Globalisierung aufgeworfenen Problemen effektiv begegnen können“ (Stiglitz 2008:42). Die mit der Globalisierung verbunden Versprechen einer allgemeinen Wohlstandssteigerung erweisen sich als brüchig, und die politische Globalisierung – im Sinne eines Ausbaus und einer Demokratisierung globaler Regelwerke und Institutionen – konnte mit der ökonomischen Globalisierung offensichtlich nicht Schritt halten. Somit fehlen gegenwärtig die Voraussetzungen, um die ökonomischen und v. a. sozialen Folgen der Globalisierung durch politisches Handeln zu bewältigen. Nachdem jahrelang in der öffentlichen Diskussion der Globalisierung der Charakter einer unaufhaltsamen kausalen Kraft zugeschrieben wurde, wird in der gegenwärtigen Krise – mit Verweis auf den Zusammenbruch der Weltwirtschaft nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges (Abelshauser 2004) – die Frage nach einem möglichen Scheitern der Globalisierung gestellt. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg schrumpft der Welthandel und in vielen Ländern wird über protektionistische Maßnahmen diskutiert. Es sieht so aus, als käme gegenwärtig „den Kritikern der Globalisierung zusehends die Rolle zu, das weltweite Zusammenwachsen von Märkten, Mächten und Kulturen gerade vor denen zu retten, die diesen Prozess über Jahrzehnte vorangetrieben haben: den Global Playern der Konzern- und Finanzwelt und ihren Zuträgern in Medien und Wissenschaft“ (Schuman/Grefe 2008:30). Nach Schumann und Grefe steht die Menschheit am Scheideweg. „Die Alternative lautet: globale Kooperation oder globalisierte Katastrophen.“ Es geht darum, so die
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beiden Autoren, das offensichtliche Scheitern des neoliberalen Konsenses vom Glauben an die Allmacht des Marktes zu nutzen für eine Re-Regulierung der Weltwirtschaft im Interesse aller und für die Entwicklung klarer Regeln für die richtige politische Arbeitsteilung zwischen globalen, nationalen und regionalen Institutionen. Globalisierung und der Mythos einer „Enträumlichung“ der Ökonomie Der Globalisierungsschub der letzten Jahre war unmittelbar mit der Entwicklung neuer Informationstechnologien verbunden, deren spektakulärste Form gegenwärtig das Internet ist. Die Universalität ihrer Einsetzbarkeit und die globalen Vernetzungsmöglichkeiten der dezentralen Strukturen dieser Informationstechnologien eröffnen kaum überschaubare Anwendungsbereiche und ermöglichen eine bisher unbekannte Überwindung der Schranken von Raum und Zeit. Angesichts der technischen Eigenschaften des Internets – seiner dezentralen und offenen Architektur, seiner Negation eines Zentrums oder einer Hierarchie sowie seiner Fähigkeit, immer größere Datenmengen zu immer geringeren Kosten in Echtzeit zu übermitteln – scheinen geographische Unterschiede im Cyberspace aufgehoben zu sein (▷Raumzeitstrukturen). Die Welt – so Thomas F. Friedman – ist „flach“ geworden: „Die Einebnung von Macht- und Möglichkeitshierarchien ist eine Folge davon, dass eine große Zahl von Menschen heute die Mittel und Fähigkeiten besitzt, miteinander zu kommunizieren, zu konkurrieren und kooperieren“ (Friedman 2008:10). Was bedeutet dies für die Stadtentwicklung? Sind in einer „flachen Welt“, also einer Welt mit eingeebneten Möglichkeitshierarchien, überhaupt noch Städte nötig? Das Konzept der Stadt stand bisher immer für eine bestimmte Zentralität von Möglichkeitsstrukturen. Unter dem Eindruck der Dynamik und der Intensität internationaler Wirtschaftszusammenhänge, der Entstehung transnationaler Wertschöpfungsnetzwerke und transnationaler ▷Kooperationsformen wird von Globalisierungstheoretikern die These vertreten, dass sich tradierte Standortbindungen auflösen und Arbeits- und Lebensverhältnisse aus ihren tradierten lokalen und regionalen Bezügen „entankert“ werden. Als die zentralen Akteure der Globalisierungsdynamik werden die transnationalen Unternehmen betrachtet. Diese Global Players organisieren ihre Wertschöpfungsketten durch gezielte Fragmentierung und Dislozierung über Unternehmens-, Branchen- und Landesgrenzen
hinweg. Das transnationale Unternehmen wird – dieser Logik entsprechend – „standortlos“’, denn sein eigentlicher Standort ist ein sich ständig veränderndes transnationales Netz, das eingebunden ist in einen „globalen Raum der Ströme“. Von diesen Entwicklungstendenzen sind auch Städte und Regionen betroffen. Durch die Restrukturierungsdynamik und Verhandlungsmacht der transnationalen Industrie- und Dienstleistungsunternehmen werden Städte einer zunehmenden Abhängigkeit und Kontrolle von ‚außen’ unterworfen und einem immer stärkeren Anpassungsdruck ausgesetzt. Gleichzeitig scheinen die neuen Informations- und Kommunikationssysteme soziale Interaktionen zunehmend zu enträumlichen und zu virtualisieren. Kurz: es droht die elektronische Auflösung der räumlich gebundenen Stadt in eine „City of Bits“ (Mitchell 1996): so – zusammengefasst – die Argumente der „Globalisten“ und „Cyberspace-Theoretiker“. Es ist sicherlich richtig, dass durch die Globalisierung und Digitalisierung Entfernungsräume schrumpfen, tradierte Standorte „entankert“ werden und sich Grenzen verflüssigen. Und zweifellos sind Städte in vielfältiger Weise durch die Globalisierung betroffen: Als Folge der globalen Wettbewerbs- und Investitionsstrategien von Unternehmen sind sie einem zunehmenden Standortwertbewerb um Investitionen, Arbeitsplätze und qualifizierte Arbeitskräfte ausgesetzt. Sie sind Ziel internationaler Migrationsprozesse, wodurch sie vor die Aufgabe gestellt werden, eine wachsende Zahl ausländischer Bürger unterschiedlichster Herkunft zu integrieren, und sie sind in zunehmendem Maße mit global agierenden Immobilienunternehmen konfrontiert. Die Städte sind in die globalen Informations- und Kommunikationsnetzwerke eingebunden, die die Entwicklung und die Produktion von Waren und Dienstleistungen, den Handel und Transport, die private und öffentliche Verwaltung, Wissenschaft und Kultur sowie die private Kommunikation und Unterhaltung durchdringen.
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Ökonomien sind auch in der globalisierten Welt raumgebunden Die Globalisierung der Ökonomie und die globalen Informations- und Kommunikationssysteme führen jedoch nicht zu einer allgemeinen „Verflüssigung“ von Produktionsstrukturen und einer allgemeinen „Enträumlichung“ von Lebensformen. Die Globalisierungskräfte wirken keineswegs eingleisig in der Form einer räumlichen Dispersion der Ökonomie, einer Erosion sozialstaatlicher
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Arrangements oder einer Nivellierung kultureller Unterschiede. So führt insbesondere die Herausbildung einer wissensbasierten Ökonomie zu einer Aufwertung urbaner Arbeits- und Lebenszusammenhänge und damit zu einer neuen städtischen Zentralität (▷Wissensgesellschaft). Der Auflösung tradierter Standortbindungen stehen neue Standortbindungen gegenüber und der komplementäre Prozess zur „Entbettung“ ist die „Rückbettung“. Der Tendenz zu einer Nivellierung kultureller Unterschiede steht die Revitalisierung lokaler Kulturen und Identitäten gegenüber. Das „Standortparadox“ der Globalisierung
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Zu dem Mythos der Enträumlichung der Ökonomie lässt sich folgende Gegenthese formulieren: Durch die turbulenten Marktverhältnisse und instabilen Währungssysteme einer globalisierten Ökonomie, den Trend zu immer komplexeren Produkten und kürzeren Innovationszyklen und eine zunehmende Kulturalisierung der Ökonomie wird die Möglichkeit der Einbindung von Produktions- und Dienstleistungsfunktionen in städtische und regionale Verflechtungszusammenhänge und Kooperationsformen zunehmend zu einer wichtigen Voraussetzung für die Innovations- und Anpassungsfähigkeit von Unternehmen. Dieser Zusammenhang verweist auf eine Paradoxie, die Porter (1998:236 und 1999:52) das „Standortparadox in einer globalen Wirtschaft“ nennt: Gerade in einer Situation, in der sich Unternehmen Kapital und Güter, Informationen und Technik weltweit per Mausklick beschaffen können, ist ihre spezifische Wettbewerbssituation vielfach von der jeweiligen städtischen oder regionalen „Einbettung“ bzw. „Rückbettung“ abhängig (▷Standortwahl). Diese lokal gebundenen Wettbewerbsvorteile beruhen nach Porter „auf der Konzentration von hoch spezialisierten Fähigkeiten und Kenntnissen, Institutionen, Konkurrenten sowie verwandten Unternehmen und anspruchsvollen Kunden. Geographische, kulturelle und institutionelle Nähe führt zu privilegiertem Zugang, engeren Beziehungen, kräftigeren Anreizen und weiteren Produktivitäts- und Innovationsvorteilen, die sich schwerlich aus der Ferne nutzen lassen“ (Porter 1999:63). Soziale Polarisierung der Städte In diesem Sinne erscheint es angebracht, den Zusammenhang von Globalisierung und Stadtentwicklung nicht nur in der negativen Perspektive einer Bedrohung der Städte durch die zersetzen-
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de Kraft der globalen Wirtschaft zu diskutieren. Aus der Globalisierung ergeben sich für die Städte nicht nur Probleme, sondern auch neue Chancen. Allerdings muss in diesem Zusammenhang betont werden, dass sich in fast allen Ländern und v. a. in den Städten seit über 20 Jahren die Schere zwischen Kapitalgewinnen und Lohneinkommen immer mehr geöffnet hat. Mit Verweis auf die Ergebnisse der „World Commission on the Social Dimension of Globalization“ der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO 2004) betont Stiglitz, dass die Globalisierung in ihrer jetzigen Form nicht nur die Spaltung zwischen reichen und armen Ländern vertiefe, sondern auch reiche Länder mit armen Menschen hervorbringe (Stiglitz 2008:26ff ). Und diese armen Menschen konzentrieren sich gegenwärtig v. a. in den Städten. Wachsende Durchdringung globaler und lokaler Entwicklungsdynamiken So einsichtig der allgemeine Zusammenhang zwischen Globalisierung und Stadtentwicklung zunächst sein mag, so schwierig ist es, die tatsächlichen Effekte der Globalisierung auf die städtische Ökonomie und die Stadtgesellschaft zu identifizieren (▷Stadt- und Regionalökonomie). Angesichts der komplexen Durchdringung globaler und lokaler Entwicklungsdynamiken ist möglicherweise bereits der Versuch einer Unterscheidung von „internen“ und „globalisierungsbedingten“ Komponenten im Hinblick auf die Ökonomie der Stadt und den städtischen Arbeitsmarkt irreführend. Denn die „globale Ökonomie“ existiert nicht „irgendwo da draußen“, außerhalb von Nationalstaaten, Städten und Regionen (Sassen 1997:10). In der heutigen Phase der Weltwirtschaft werden nationale Territorien von transnationalen Räumen durchdrungen und globale Prozesse entfalten ihre Dynamik im Wesentlichen innerhalb nationaler Hoheitsgebiete, insbesondere innerhalb regionaler Produktionszusammenhänge und städtischer Räume. In diesem Sinne ist Globalisierung nicht als eine exogene Kraft, sondern als eine immanente Tendenz moderner Gesellschaften zu thematisieren. Die gegenwärtigen Formen der Globalisierung tragen v. a. zu einer Intensivierung eines „global-local interplay“ bei – also einer wachsenden Durchdringung globaler und lokaler Entwicklungsdynamiken (Läpple 2001). Konvergenz oder Divergenz? Unter dem Eindruck der Globalisierung sowie der europäischen Integration mit der Einführung ei-
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nes einheitlichen Währungssystems konzentrierte sich die Diskussion über die Entwicklungsperspektiven national organisierter Gesellschaften auf die Frage: Konvergenz oder Divergenz? Die Ausgangsthese für die Begründung einer Konvergenz erscheint zunächst plausibel. Die Zunahme grenzüberschreitender sozialer Beziehungen, die Öffnung nationaler Volkswirtschaften und die zunehmenden Kapitalverflechtungen können zu einer Einebnung nationaler Unterschiede, einer Erosion nationalspezifischer institutioneller Arrangements und damit einer Konvergenz nationaler Gesellschaften im Kontext einer sich herausbildenden Weltgesellschaft führen. V. a. in der angelsächsischen Diskussion ist die These vorzufinden, dass dies zu einem unaufhaltsamen Siegeszug einer universalistisch verstandenen Moderne führen wird. Beck u. a. sprechen in diesem Zusammenhang von einem unreflektierten „Mythos einer monolithischen Modernität“, die davon ausgeht, dass Modernisierung und Globalisierung nur zu einem einzigen Ergebnis führen, „nämlich einer universellen Verbreitung des American way of life“ (Beck/Bonß/Lau 2004:17). Zur Begründung einer Divergenz wird darauf verwiesen, dass es verschiedene historische Pfade in die Moderne gegeben hat und gibt und dass die gegenwärtige Weltgesellschaft – v. a. nach der Krise des neoliberalen Modells – durch eine zunehmende Polyzentralität und Diversität geprägt ist. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Nationalstaaten. So vertritt Streeck die These, dass die nach außen nicht mehr abschließbaren nationalen Gesellschaften das politische Instrumentarium der Nationalstaaten nutzen, „um unter dem Druck des wachsenden internationalen Wettbewerbs ihre besonderen wirtschaftlichen Stärken zu identifizieren und auszubauen“ (Streeck 2004:6f). In einer zunehmend offenen und systemisch integrierten Weltwirtschaft ist nach Streeck – zumindest dort, wo es politisch verfassten territorialen Gemeinschaften gelingt, sich als Ausgleich für die verlorene Kontrolle durch den Ausbau ihrer komparativen Vorteile eine Nische zu sichern – „heute nicht Konvergenz die beherrschende Tendenz der Globalisierung, sondern Konvergenz in Wechselwirkung mit Divergenz (Streeck 2004:7). In diesem Sinne sind offensichtlich Globalisierung und das Fortbestehen von Nationalstaaten mit unterschiedlichen Entwicklungspfaden keineswegs unvereinbar. Läpple
Literatur Abelshauser, W. (2004): Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945. München
Beck, U.; Bonß, W.; Lau, C. (2004): Entgrenzung erzwingt Entscheidung: Was ist neu an der These reflexiver Modernisierung? In: Beck, U.; Lau, C. (Hrsg.): Entgrenzung und Entscheidung. Frankfurt/M, 13-62 Dürrschmidt, J. (2002): Globalisierung. Bielefeld Friedman, T. L. (2008): Die Welt ist flach, Eine kurze Geschichte des 21. Jahrhunderts. Frankfurt/M Giddens, A. (1996): Konsequenzen der Moderne. Frankfurt/M ILO – International Labour Organization (Hrsg.) (2004): World Commission on the Social Dimension of Globalization, A Fair Globalization for All. Genf Läpple, D. (2001): Stadt und Region in Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung. In: Deutsche Zeitschrift für Kommunalwissenschaften, 2, 12-36 Mitchell, W. J. (1996): City of Bits: Leben in der Stadt des 21. Jahrhunderts. Boston, Basel, Berlin Porter, M. E. (1999): Unternehmen können von regionaler Vernetzung profitieren. In: Harvard Business Manager, 3, 51-63 Porter, M. E. (1998): On Competition. Boston Sassen, S. (1997): Metropolen des Weltmarktes, Die neue Rolle der Global Cities. Frankfurt/M, New York Schumann, H.; Grefe, C. (2008): Der globale Countdown, Gerechtigkeit oder Selbstzerstörung – die Zukunft der Globalisierung. Köln Streeck, W. (2004): Globalisierung: Mythos und Wirklichkeit. MPIfG Working Paper 04/4. Zugriff auf www.mpifg.de/pu/workpap/ wp04-4/wp04-4.html am 5.12.2008 Stiglitz, J. (2008): Die Chancen der Globalisierung. München UN-HABITAT – United Nations Human Settlements Programme (2003): The Challenge of Slums, Global Report on Human Settlements 2003. London
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GOVERNMENT UND GOVERNANCE Einleitung Governance steht für ein neues Verständnis wie für eine veränderte Praxis politischen Handelns zur Bearbeitung gesellschaftlicher Probleme. Während mit Government das politisch-administrative System mit staatszentriertem, hoheitlich-hierarchischem Handeln öffentlicher Akteure, d. h. Regierung und Regieren bezeichnet wird, werden unter Governance sämtliche Formen und Mechanismen der Koordination des Handelns öffentlicher, privater sowie öffentlicher und privater Akteure verstanden. In ihrer Vielfalt können diese ihrerseits den Grundformen von Koordination und Entscheidungsumsetzung, nämlich Hierarchie, Markt und Netzwerke, zugeordnet werden. Governance gilt als Ausdruck einer sich wandelnden Staatlichkeit in westlichen Demokratien, vom hoheitlich-hierarchischen zum kooperativen Staat. Dieser interne Wandel von Staatlichkeit impliziert auch den Wandel von Planung im Allgemeinen und von Raumplanung im Besonderen, die in Raumentwicklungspolitik und Regionalpolitik (▷Regionale Strukturpolitik) eine zunehmende Ergänzung und Erweiterung erfährt.
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Governance steht zudem für eine „multidisziplinäre Begriffsverwendung“ (Zürn 2008:553). Als Herkunftsdisziplinen gelten die Neue Institutionenökonomik als Teilgebiet der Wirtschaftswissenschaften, die politikwissenschaftlichen Teilgebiete „Internationale Beziehungen“ und „Institutionen- und Steuerungstheorien“ sowie das Konzept von „Good Governance“ der Weltbank. Konstatiert wird eine weitgefächerte Governance-Forschung, die von sozial- und geisteswissenschaftlichen Disziplinen getragen wird. Bezogen auf die Zahl durchgeführter Forschungsprojekte gelten die Politikwissenschaften als führende Disziplin (Schuppert 2008:17f). Der Governance-Begriff firmiert im wissenschaftlichen Diskurs als ein „anerkannt uneindeutiger Begriff “ (so in Schuppert 2008 in Anlehnung an Blumenthal 2005), über dessen Herkunft, Entwicklungsstufen, Konturen und Verwendungsweisen inzwischen zahlreiche empirische Untersuchungen und theorieorientierte Abhandlungen vorliegen (statt vieler: Benz 2004; Benz u. a. 2007; Schuppert/Zürn 2008). Mit dem nachfolgenden Beitrag wird das Anliegen verfolgt, den Ertrag insbesondere aus dem politikwissenschaftlichen Diskurs über Government und Governance für das Politikfeld Raumplanung und -entwicklung fruchtbar zu machen. Dies liegt im Übrigen ganz im Sinne des Governance-Begriffs, dem Schuppert (2008:14f) bescheinigt, verkrustete theoretische Zugänge aufzubrechen, neue Perspektiven zu eröffnen „und insbesondere durch die Überwindung überkommenen Grenzdenkens neue Phänomene und Entwicklungen erkennbar werden“ zu lassen. In diesem Sinne wird Governance auch als „Brückenbegriff “ (Schuppert 2008:18) genutzt. Government und Governance – Begriffsklärungen Im deutschen Sprachgebrauch bilden Government und Governance ein eigentümliches Begriffspaar: Der Begriff Government hat sich hier erst im Zusammenhang mit dem Diskurs über Governance eingebürgert, obwohl er sich auf Sachverhalte bezieht, die traditionell Gegenstand jeder Regierungslehre und mithin älter als der GovernanceBegriff sind. Government steht für das Regieren in modernen Demokratien bzw. im modernen Verfassungs- und Rechtsstaat. Ein Blick beispielsweise in die Inhaltsverzeichnisse politikwissenschaftlicher Lehrbücher, die sich mit dem Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland beschäftigen,
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verdeutlicht, was damit gemeint ist. Mit Government werden die Aufgabenverteilung und Politikverflechtung zwischen Gemeinden und Staat, zwischen Bund und Ländern dargestellt; die Organisation der politischen Beteiligung über freie Massenmedien, politische Parteien und Interessenorganisationen; die Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative; das Verhältnis zwischen Parlament und Regierung; die Position der Verwaltung im Regierungssystem. Government steht somit für den Nationalstaat, der autonom und hoheitlich handelt, und damit für die strikte Trennung zwischen Staat als Steuerungssubjekt und Gesellschaft als Steuerungsobjekt. Die Vorstellung, dass der Staat im Außenverhältnis seinen Willen gegenüber der gesellschaftlichen Umwelt über hierarchische Anweisungen, d. h. mit Recht und Macht, durchsetzt und im Innenverhältnis die staatliche Verwaltung über eine hierarchisch strukturierte Aufbau- und Ablauforganisation lenkt, liegt in der Logik dieses Staatsverständnisses. Eng verbunden damit ist der Begriff der politischen Steuerung, der auf der Vorstellung beruht, dass eine Gesellschaft bzw. gesellschaftliche Entwicklung durch eine intelligente politische Zentrale steuerbar wäre. Steht der Begriff Government somit für die Fokussierung auf den Staat als Steuerungssubjekt und -zentrum der Gesellschaft, liegt dem Begriff Governance eine andere Perspektive auf die politische und soziale Wirklichkeit zugrunde. Governance will der Erkenntnis Rechnung tragen, dass die Bearbeitung und Lösung gesellschaftlicher Problemlagen i. d. R. nicht bzw. nicht ausschließlich über etatistisch-hoheitliche Steuerung, d. h. über top-down-Verfahren erfolgt (▷Planungstheorie), sondern durch das absichtsvolle Handeln unterschiedlicher Akteure und Organisationen. Mit dem Governance-Begriff wird die Vorstellung von der strikten Trennung zwischen (staatlichem) Steuerungssubjekt und (gesellschaftlichem) Steuerungsobjekt überwunden. Er bedeutet deshalb zunächst, „dass wir dieses erweiterte Spektrum von Möglichkeiten des koordinierten kollektiven Handelns in den Blick nehmen“ (Benz u. a. 2007:14). Mayntz bringt den Kern des politikwissenschaftlichen Governance-Begriffs folgendermaßen auf den Punkt: Dieser meint „die Gesamtheit der in einem Staat mit- und nebeneinander bestehenden Formen der absichtsvollen kollektiven Regelung gesellschaftlicher Sachverhalte. Auf der gesellschaftlichen Makro-Ebene verweist das Wort Governance auf den Tatbestand der Kombination, des Neben- und Miteinanders verschiedener Arten kollektiver Regelung gesellschaftlicher
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Sachverhalte. Zu den Governance-Formen zählt neben zivilgesellschaftlicher Selbstregelung und verschiedenen Formen der Kooperation staatlicher und privater Akteure auch das hoheitliche Handeln staatlicher Akteure. Dabei können sich verschiedene Politikfelder im Mischungsverhältnis der verschiedenen Governance-Formen mehr oder weniger stark unterscheiden“ (Mayntz 2008:45). In der Mayntz’schen Aussage von der Kombination, vom Neben- und Miteinander verschiedener Arten kollektiver Regelung gesellschaftlicher Sachverhalte sind drei Aspekte angesprochen, auf die vertiefend eingegangen werden soll: 1) Government und Governance dürfen nicht als kategoriales Gegensatzpaar verstanden werden. Governance steht vielmehr als Oberbegriff für die Gesamtheit der Formen und Mechanismen, mit denen das kollektive Handeln von Akteuren und Organisationen koordiniert werden kann. Deren Handlungsweisen beziehen sich auf bestimmte gesellschaftliche Problemlagen und stehen in einem wechselseitigen Verhältnis zueinander, d. h. sie können sich gegenseitig beeinträchtigen oder unterstützen. Government im Sinne staatlicher Hierarchie ist demnach als eine Ausprägung von Governance zu verstehen. 2) Die ausschließlich von individuellen Eigeninteressen geleitete Handlungskoordination von Akteuren über den Markt fällt demnach nicht unter den Governance-Begriff. Governance steht für eine spezifische Form von Handlungskoordination, „nämlich die durch Normen und Regeln, die bestimmte Verhaltenserwartungen erzeugen. (…) Governance ist demnach eine nicht-marktförmige Form der Handlungskoordination“ – so Zürn (2008:561), der zu Recht ausdrücklich darauf verweist. Insofern müssen wir die in der Einleitung formulierte Aussage präzisieren: Governance-Formen und -Mechanismen können in ihrer Vielfalt dann den Grundformen von Koordination und Entscheidungsumsetzung, nämlich Hierarchie,
Markt und Netzwerken, zugeordnet werden, wenn auch die Handlungskoordinationen des Markts durch verhaltenssteuernde Normen erfolgen, wie es ja auch in der Neuen Institutionenökonomik, eine der wissenschaftlichen Heimatdisziplinen des Governance-Begriffs, herausgearbeitet worden ist. 3) Wenn Government und Governance nicht als kategoriales Gegensatzpaar verstanden werden dürfen, heißt dies, dass auch in Zeiten der Internationalisierung und Europäisierung von Politik nationalstaatliche Regierungen „bei der absichtsvollen kollektiven Regelung gesellschaftlicher Sachverhalte“ (Mayntz 2008:45) nach wie vor ihre Bedeutung haben. Anstatt Governance-Strukturen den drei Koordinationsmechanismen Hierarchie, Markt und Netzwerke zuzuordnen, hat Zürn deshalb bereits 1998 (Zürn 1998:166-171) vorgeschlagen, die Typologie von Governance-Strukturen an der Mitwirkung staatlicher Akteure auszurichten. Der Nutzen dieser Typologie wird darin gesehen, dass mit ihr unterschiedliche Governance-Strukturen erfasst werden können, die innerhalb etablierter Nationalstaaten wie auch jenseits des Nationalstaates auftreten. Gerade für ein Politikfeld wie die Raumplanung und -entwicklung ist diese Typologie von Governance-Strukturen von Interesse, weil hier staatliche und kommunale Akteure nach wie vor eine wichtige Rolle spielen, sei es über ordnungspolitische Entscheidungen und ausgleichspolitische Interventionen oder sei es über die Initiierung und Moderation von regionalen Entwicklungsprozessen (▷Regionale Kooperation). Regionalförderung und -politik sind zudem schon seit langem nicht mehr ausschließlich in der nationalen Politik verortet. Sie sind eingebettet in das System europäischer Regionalförderung und damit in das europäische Mehrebenensystem (Multilevel Governance). Hat Governance zunächst für ein Analysekonzept gestanden, mit dem die veränderte Realität von Politik im Zusammenwirken zwischen öffent-
Governance-Modell
Nationale Ebene
Internationale Ebene
By Government
Territorialstaat: Nationalstaatliche Regelungen werden hierarchisch gesetzt und durchgesetzt Private-Public Partnerships im nationalen Kontext: Handlungskoordination zwischen öffentlichen und privaten Akteuren Gesellschaftliche Selbstregelung: Handlungskoordination zwischen privaten Akteuren
Weltstaat/Imperium (Real nicht existent)
With Government(s)
Without Government(s)
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Internationale Institutionen mit dominanter Rolle der Staaten (zwischenstaatliche Institutionen) Transnationale Netzwerke: Handlungskoordination zwischen privaten Akteuren
Eine Typologie von Governance-Strukturen (eigene Darstellung nach Zürn 2008:559)
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lichen und privaten Akteuren wie auch im europäischen Mehrebenensystem verstanden werden konnte, hat es in seiner normativen Ausrichtung Eingang in die Raumentwicklungspolitik gefunden. V. a. die Arbeiten von Fürst stehen für ein (enges) Verständnis von Regional Governance im Sinne von Governance with Government, d. h. für das kooperative Handeln von öffentlichen und privaten Akteuren (Fürst 2004). Governance-Formen in der Raumplanung und -entwicklung
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Die Ordnung, Sicherung und Entwicklung von Raum ist ein Politikfeld mit einer beachtlichen institutionellen Vielfalt. Sie ist interregionale Ausgleichspolitik, flächenbezogene Ordnungspolitik und regionale Entwicklungspolitik zugleich. Regionalförderung ist eingebettet in europäische Regionalpolitik. Jede dieser Ausprägungen zeichnet sich aus durch unterschiedliche Leitbilder, Aufgaben und Raumvorstellungen sowie spezifische Akteurskonstellationen und Governance-Formen, Ressourcen, Kompetenzen und Instrumente. Sie stehen in einem interdependenten Verhältnis zueinander (dazu: Kilper 2008). Governance by Government in der interregionalen Ausgleichs- und raumbezogenen Ordnungspolitik Der Abbau regionaler Disparitäten und die Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen im Staatsgebiet gelten als Leitbilder einer Raumentwicklungspolitik, die sich als Ausgleichs- und/ oder Ordnungspolitik definiert. Beide gelten als Säulen der deutschen Raumordnung. Ihre institutionelle Verortung finden sie in der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ sowie in der Landes- und Regionalplanung der Bundesländer. Beide zeichnen sich durch Governance-Strukturen aus, die dem Typus der „Governance by Government“ zuzuordnen sind. Mit der Gemeinschaftsaufgabe wird interregionale Ausgleichspolitik durch regionale Wirtschaftsförderung betrieben. Bund und Länder als staatliche Akteure versuchen gemeinsam, mit Investitionen in die wirtschaftsnahe Infrastruktur und mit der Subventionierung ansiedlungswilliger, privater Investoren die wirtschaftliche Position einer Region so zu beeinflussen, dass sie ihre Strukturschwächen und Entwicklungsrückstände gegenüber anderen Regionen überwinden kann. Sie verpflichten sich, gemeinsam für die Gleich-
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wertigkeit der Lebensverhältnisse (▷Gleichwertige Lebensverhältnisse) in allen Teilräumen des Staatsgebiets zu sorgen. Die Gemeinschaftsaufgabe steht für Mischfinanzierung sowie das System der Politikverflechtung im bundesdeutschen Föderalismus. Anders als bei der regionalen Wirtschaftsförderung strukturschwacher Regionen sind bei der Landes- und Regionalplanung die zentralen Akteure die Bundesländer, die Regionalen Planungsgemeinschaften bzw. -verbände sowie die Kommunen, die mit ihrer verbindlichen ▷Bauleitplanung Baurecht setzen. Wesentliche Änderungen sind bei den Rechtsgrundlagen für die Landes- und Regionalplanung zu verzeichnen. Ursprünglich oblag dem Bund die Kompetenz zur Rahmengesetzgebung für die Raumordnung nach Art. 75 Grundgesetz (GG) a. F. Auf dieser Grundlage erließ er rahmenrechtliche Regelungen für die Gesetzgebung der Länder, die diese in ihren Landesplanungsgesetzen umzusetzen hatten. Diese Kompetenz wurde durch die Föderalismusreform in die konkurrierende Gesetzgebung nach Art. 74 Abs.1 Nr. 31 GG überführt. Der Bund hat von dieser Kompetenz zwischenzeitlich Gebrauch gemacht und das Raumordnungsgesetz (ROG) vom 22.12.2008 erlassen. Es regelt nunmehr im Zusammenspiel mit den jeweiligen Landesplanungsgesetzen, soweit es sich um ergänzende und – ggf. zukünftig – abweichende Vorschriften handelt, die Planung der Raumordnung in den Ländern. Governance by Government bedeutet im Fall der Gemeinschaftsaufgabe wie im Fall von Landes- und Regionalplanung ein Dreifaches: Es geht erstens um die Koordination kollektiven Handelns ausschließlich zwischen öffentlichen, d. h. zwischen staatlichen (Gemeinschaftsaufgabe) bzw. staatlichen und kommunalen Akteuren (Landes- und Regionalplanung in Verbindung mit Flächennutzungsplanung). Dritte werden allenfalls als Träger öffentlicher Belange beteiligt oder im Rahmen anderer Beteiligungsverfahren gehört. Es handelt sich zweitens um ein innerstaatliches Mehrebenensystem mit autonomen Akteuren, die nicht in einem hierarchischen, d. h. weisungsgebundenen Verhältnis zueinander stehen. Der Staat fungiert drittens gegenüber der Gesellschaft als Steuerungssubjekt. Er fällt seine Entscheidungen autonom und setzt diese gegenüber der gesellschaftlichen Umwelt über hierarchische Anweisungen durch. Für die Erfüllung der Gemeinschaftsaufgabe wird durch einen von der Bundesregierung und den Landesregierungen gebildeten Planungsaus-
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schuss ein gemeinsamer Rahmenplan aufgestellt. Die zur Umsetzung dieses Rahmenplanes erforderlichen Finanzmittel werden in die Entwürfe der Haushaltspläne von Bund und Ländern aufgenommen. Hierdurch werden enorme staatliche Finanzmittel zugunsten strukturschwacher Regionen umverteilt. Governance with Government in der regionalen Entwicklungspolitik Im Rahmen des europäischen Mehrebenensystems hat sich ein neues Leitbild regionaler Entwicklung und neue Formen und Verfahren der Kooperation und Koordination zwischen supra-staatlichen, staatlichen, kommunalen und privaten Akteuren herausgebildet, die auf der europäischen Ebene als Multilevel Governance und auf der innerstaatlichen Meso-Ebene als Regional Governance analysiert werden. Die Region, die dank ihrer internen Kohärenz wie dank ihrer Innovationsfähigkeit im internationalen Standortwettbewerb erfolgreich ist, gilt als neues Leitbild einer Regionalpolitik, die sich als regionale Entwicklungspolitik definiert. Räumliche Bezugsebene ist nicht mehr der Nationalstaat (wie bei der Gemeinschaftsaufgabe) oder ein Bundesland (wie bei der Landes- und Regionalplanung), sondern die einzelne Region als Teil eines globalen Wirtschaftsraumes. Alle Regionen sind aufgerufen, ihre endogenen Potenziale optimal zu mobilisieren und ihre regionsspezifischen Begabungen und Kompetenzen zu erkennen und weiterzuentwickeln, um im internationalen Standortwettbewerb dauerhaft bestehen zu können. Hinter regionaler Entwicklungspolitik verbergen sich staatliche Initiativen, die vom Bund, den Ländern und/oder den Kommunen getragen werden. Dazu zählt eine beachtliche Anzahl von Förderprogrammen des Bundes. Für jedes der sechzehn Bundesländer gibt es interessante und einzigartige Beispiele für die Implementation regionaler Entwicklungspolitik. Beispiel für eine Bundesinitiative ist das Förderprogramm „Regionen Aktiv – Land gestaltet Zukunft“, das vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz initiiert und getragen worden ist. Mit diesem Förderprogramm hat der Bund für den Zeitraum 2002 bis 2007 Mittel in Höhe von knapp 60 Mio. Euro zur Verfügung gestellt, um bundesweit integrierte regionale Entwicklungsprojekte in 18 Modellregionen im ländlichen Raum zu entwickeln und umzusetzen. Prominentes Beispiel für eine Landesinitiative, die im In- und Ausland viel Aufmerksamkeit ge-
funden hat, ist die „▷Internationale Bauausstellung Emscher Park“, die mit einer Laufzeit von zehn Jahren (1989 bis 1999) von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen getragen worden ist (▷Festivalisierung). Ziel war, in der Emscher-Region als dem nördlichen Teil des Ruhrgebiets einen umfassenden Erneuerungsprozess anzustoßen, zu begleiten und mitzugestalten. Direkte Nachfolgerinnen der IBA Emscher Park sind die REGIONALEN Nordrhein-Westfalen, die zwischen 2000 und 2016 landesweit stattfinden, und bei denen, wie im Stafettenlauf, bislang alle zwei Jahre, ab 2013 alle drei Jahre eine andere Region REGIONALESchauplatz ist. Als weitere Nachfolgerin der IBA Emscher Park ist auch die „Internationale Bauausstellung Fürst-Pückler-Land“ zu verstehen, die mit einer ebenfalls zehnjährigen Laufzeit (2000 bis 2010) angetreten ist, in der Niederlausitz in SüdBrandenburg im ehemaligen Braunkohlenrevier die Entwicklung neuer Landschaften zu initiieren und zu begleiten. Anders als die IBA Emscher Park wird die IBA Fürst-Pückler-Land von der Stadt Cottbus und vier Landkreisen in der Niederlausitz getragen. Die Landesregierung Brandenburg spielt eine begleitende und unterstützende Rolle. Gemeinsam ist allen diesen regionalen Modellvorhaben, Förderprogrammen und Initiativen, dass sie Akteurskonstellationen und Formen der kollektiven Handlungskoordination aufweisen, für die sich der Begriff Regional Governance eingebürgert hat. Staatliche Institutionen öffnen sich der Kooperation mit gesellschaftlichen Akteuren, Gruppen oder Organisationen und gewähren ihnen Einfluss, ohne dass dabei ein institutioneller Zwang zur Zusammenarbeit besteht. Die Akteure in den Regionen, öffentliche und private, sollen gemeinsam Entwicklungskonzepte erarbeiten, die auf die spezifischen Ressourcen, Stärken und Begabungen der Region ausgerichtet sind. In diesem Kontext wird Region nicht als Territorium, d. h. als Hoheitsgebiet einer Gebietskörperschaft, definiert. Region wird im Zusammenhang mit regionaler Entwicklungspolitik als funktionaler und als sozialer Raum verstanden, der sich in den Kommunikations- und Kooperationsbeziehungen, die die regionalen Akteure miteinander pflegen, konstituiert, und dessen Grenzen flexibel sind, je nach Problemlage, die gemeinsam bewältigt werden soll. Damit verzichtet der Staat auf seine Durchsetzungsmacht als einer hierarchisch übergeordneten Institution und entscheidet nicht mehr einseitig. Was er sucht, ist der Konsens mit den Adressaten und Betroffenen seiner Entscheidungen und Anweisungen. Dieser Wandel des Staates hat auch zu seiner Aufwertung der Region als Ebene öf-
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Governance by Government in der Ausgleichs- und Ordnungspolitik
Governance with Government in der Entwicklungspolitik
Leitbild
Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen Förderung und Entwicklung dynamischer für alle Bürger im gesamten Staatsgebiet; Regionen, die innovativ und in der internatioAbbau regionaler Disparitäten nalen Standortkonkurrenz erfolgreich sind
Räumliche Bezugsebene
Das gesamte Staatsgebiet als Gesamtraum
Regionsbegriff
Politisch-administrativer Handlungsraum mit Region als funktionaler und sozialer Raum mit territorialen Grenzen flexiblen Grenzen
Modus der Handlungskoordination
Staatszentrierte Steuerung
Region (= substaatliche Ebene) als Teilraum
Regional Governance
Governance in der Raumplanung und -entwicklung (eigene Darstellung)
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fentlicher Aufgabenerfüllung und damit als einer neuen Handlungsebene geführt. Drei Prinzipien regionaler Entwicklungspolitik können als kennzeichnend für Regional Governance betrachtet werden: Planung durch Projekte, offensive Organisation von Experten-Netzwerken sowie Ideen- und Qualitätswettbewerbe. Planung durch Projekte gilt als ein neuer Typus von Planung. Damit ist die Erwartung verbunden, dass für die komplexen Aufgaben, die es beim regionalen Strukturwandel zu bewältigen gilt, auch komplexe Antwortungen und Lösungen gefunden werden können. In Projekten lassen sich diese auf ein operationalisierbares Maß reduzieren. Projekte konkretisieren Zukunftsentwürfe und Ideen. Sie machen dadurch Wandel und Veränderungen sichtbar. Da sich in ihnen verschiedene Politikfelder kombinieren und integrieren lassen, sind sie für regionale Entwicklungsvorhaben besonders geeignet. Projektbezogene Planung macht die Kooperation von Vertretern unterschiedlicher Disziplinen, Kompetenzen und Zuständigkeiten erforderlich (▷Interdisziplinarität, Transdisziplinarität). Über die offensive Organisation von ExpertenNetzwerken kann neues Denken und Handeln in einer Region angeregt werden. Es war beispielsweise erklärtes Prinzip der IBA Emscher Park, gegenüber denjenigen offen zu sein, die bisher an der Politikformulierung in der Region nicht oder nur am Rande beteiligt waren. Dies galt für betroffene und interessierte Bürger in der Region, und dies galt für Experten aus dem In- und Ausland, die bisher wenig oder gar nicht in der Region gearbeitet hatten. Ideen- und Qualitätswettbewerbe gelten auf regionaler und lokaler Ebene als weiche Formen staatlicher Steuerung, die auf materiellen und immateriellen Anreizen beruhen können. Wettbewerbe sprechen die Emotionen an. Sie können das Verhalten regionaler Akteure beeinflussen, indem sie an deren Motivation anknüpfen, „besser zu sein“ als andere. Sie betonen die Einzigartigkeit
dezentraler Ideen und Entscheidungen. Gerade in der Raumentwicklungspolitik versprechen Wettbewerbe eine Qualitätsverbesserung und Effektivitätssteigerung, denn Gegenstand sind i. d. R. innovative Politikinhalte, neue Konzepte, Organisations- oder Beteiligungsformen. Governance als neue Perspektive auf die politische Realität Das Politikfeld Raumplanung und -entwicklung weist heutzutage eine breite Palette unterschiedlicher Mechanismen der Handlungskoordination zwischen Bund und Ländern (in der regionalen Wirtschaftsförderung/Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, zwischen Ländern und Kommunen (in der Regionalplanung), zwischen Europäischer Kommission und regionalen Akteuren (europäische Regionalpolitik; ▷Europäische Raumentwicklungspolitik), zwischen Bund und/oder Ländern, Kommunen und regionalen Akteuren (regionale Entwicklungspolitik) auf. Interessant ist die „Entdeckung“, dass mit Government und Governance auch unterschiedliche Raumvorstellungen verbunden sind. Government ist an den territorialen Raum mit seinen eindeutigen Grenzen gebunden. Im Begriff der öffentlichen Gebietskörperschaften kommt dies zum Ausdruck. Über formelle Institutionen (Verfassung, Gesetze, Verordnungen, Satzungen) ist geregelt, welche staatlichen Organe und Behörden aufgrund welcher Legitimation und mit welchen Kompetenzen und Ressourcen für welchen Raum Entscheidungen treffen und für deren Durchsetzung zu sorgen haben. Diese Eindeutigkeit ist in einer Welt, die von der Globalisierung der ökonomischen und finanzpolitischen Beziehungen und der Internationalisierung und Europäisierung von Politik geprägt wird, nicht mehr uneingeschränkt gültig. Die territorialen Räume sind in der Realität von einer Vielzahl anderer Räume überlagert, die i. d. R. nicht miteinander kongruent sind. Diese Räume sind sozial und kognitiv
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konstruierte Räume, die durch Kommunikation und ▷Kooperation zwischen Akteuren entstehen. Es sind funktionale Räume, die keine eindeutigen, sondern fließende Grenzen aufweisen. Die Befunde über Formen und Mechanismen der Handlungskoordination im Politikfeld Raumplanung und -entwicklung können wie in der Darstellung gezeigt zusammengefasst werden. Regionalpolitik weist eine breite Palette unterschiedlicher Mechanismen der Kooperation und Koordination zwischen Ländern und Kommunen (in der Regionalplanung), zwischen Europäischer Kommission und regionalen Akteuren (europäische Regionalpolitik), zwischen Bund und/oder Ländern, Kommunen und regionalen Akteuren (regionale Entwicklungspolitik) auf. Politische Entscheidungs- und Gestaltungsprozesse in der Raumplanung und -entwicklung vollziehen sich in unterschiedlichen Arenen, die i. d. R. gleichzeitig genutzt werden. Dies mag zu einer mitunter beklagten Unübersichtlichkeit angesichts der Vielzahl regionalpolitischer Initiativen führen. Es führt aber nicht zur Selbstblockade im deutschen Bundesstaat. Im Gegenteil: Aufgrund vielfältiger Interdependenzen vermitteln sich die unterschiedlichen Politikarenen immer wieder gegenseitig Impulse. Dies soll zum Abschluss an einigen Beispielen verdeutlicht werden. Die europäische Regionalpolitik etwa hat mit ihren Förderkriterien (Regionale Stärken-Schwächen-Analysen, Regionalkonferenzen und Regionale Entwicklungskonzepte als Bedingung für die Einreichung von Förderanträgen) und mit ihren Bewilligungs- und Beteiligungsverfahren (Prinzipien von Komplementarität und Partnerschaft) wesentliche Impulse für die Herausbildung einer regionalen Entwicklungspolitik und von Regional Governance geliefert. Diese wiederum hat mit dem Instrument „Regionalmanagement“ zu einer prozessualen Erweiterung des Instrumentariums der bisher ausschließlich verteilungsorientiert ausgerichteten Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ geführt. Ganz beachtliche Auswirkungen hatte die regionale Entwicklungspolitik auf die Landes- und Regionalplanung. In ihrer primär ordnungspolitischen Ausrichtung ist sie natürlich geprägt von einer formalisierten Aufbau- und Ablauforganisation und auf formale Instrumente wie den Regionalplan. Auch wenn das Beziehungsgefüge zwischen Staat und Markt bei der Nutzung des Bodens nach wie vor das institutionelle Fundament von Landesund Regionalplanung bildet und der Regionalplanung insbesondere in Flächennutzungskonflikten nach wie vor eine wichtige Vermittlungsfunktion
zukommt, so ist dieses Beziehungsgefüge inzwischen um ein Vielfaches komplexer geworden. Dies hat seinen Ausdruck darin gefunden, dass mit der Novellierung des Raumordnungsgesetzes 1998 die Regionalplanung mit neuen Instrumenten ausgestattet worden ist: Regionale Entwicklungskonzepte, Städtenetze, Vertragslösungen. Damit soll Regionalplanung zusätzlich und verstärkt auch kooperationsorientierte Entwicklungsaufgaben erfüllen. Nicht zuletzt über diese Instrumente hat Regional Governance in einigen Bundesländern Eingang in die Regionalplanung gefunden. Sie hat hier zu einer Stärkung der Entwicklungsaufgaben von Regionalplanung führen und die Bedeutung der Selbststeuerung komplexer Netzwerke aus privaten und öffentlichen Akteuren in der strategischen Planung wie in der Planungspraxis fördern können. Kilper
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Literatur Benz, A. u. a. (Hrsg.) (2007): Handbuch Governance, Theoretische Grundlagen und empirische Anwendungsfelder. Wiesbaden Benz, A. (Hrsg.) (2004): Governance – Regieren in komplexen Regelsystemen. Wiesbaden Blumenthal, J. v. (2005): Governance – eine kritische Zwischenbilanz. In: Zeitschrift für Politikwissenschaft, 15/4, 1149-1180 Fürst, D. (2004): Regional Governance. In: Benz, A. (Hrsg.): Governance – Regieren in komplexen Regelsystemen. Wiesbaden, 293-315 Kilper, H. (2008): Variable Verflechtungsformen und GovernanceMuster, Über institutionelle Vielfalt und pragmatische Anpassungsleistungen in der Regionalpolitik. In: Scheller, H.; Schmid, J. (Hrsg.): Föderale Politikgestaltung im deutschen Bundesstaat, Variable Verflechtungsmuster in Politikfeldern. Baden-Baden, 264-283 Mayntz, R. (2008): Von der Steuerungstheorie zu Global Governance. In: Schuppert G. F.; Zürn, M. (Hrsg.): Governance in einer sich wandelnden Welt. PVS-Sonderheft 41/2008. Wiesbaden, 43-60 Schuppert, G. F. (2008): Governance – auf der Suche nach Konturen eines „anerkannt uneindeutigen Begriffs“. In: Schuppert, G. F.; Zürn, M. (Hrsg.): Governance in einer sich wandelnden Welt. PVSSonderheft 41/2008. Wiesbaden, 13-40 Schuppert, G. F.; Zürn, M. (Hrsg.) (2008): Governance in einer sich wandelnden Welt. PVS-Sonderheft 41/2008. Wiesbaden Zürn, M. (2008): Governance in einer sich wandelnden Welt – eine Zwischenbilanz. In: Schuppert, G. F.; Zürn, M (Hrsg.): Governance in einer sich wandelnden Welt. PVS-Sonderheft 41/2008. Wiesbaden, 553-580 Zürn, M. (1998): Regieren jenseits des Nationalstaates. Globalisierung und Denationalisierung als Chance. Frankfurt/M
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Begriffsbestimmung und Abgrenzung Wenn heute von Großsiedlungen die Rede ist, sind i. d. R. die nach einheitlichem städtebaulichem Konzept geplanten und überwiegend in industri-
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alisierter Bauweise errichteten großen Siedlungen der 1960/1970er Jahre in der Bundesrepublik – in der DDR auch noch der 1980er Jahre – angesprochen. Mit diesem Begriff wurden aber auch schon Wohnanlagen der Weimarer Republik mit etwa 1.000 und mehr Wohnungen (z. B. Großsiedlung Siemensstadt und Hufeisensiedlung in Berlin, Jarrestadt in Hamburg) und der Nachkriegszeit bezeichnet. Die Dimension, die sich hinter der Klassifizierung „Groß“ für die in den 1960er bis 1980er Jahren gebauten Siedlungen verbirgt, wurde im Großsiedlungsbericht der Bundesregierung (1994) mit 2.500 Wohnungen und mehr definiert, auf Intervention der Länder etwas später auf 2.000 und mehr reduziert. Entstehungsgeschichte
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Der Bau von Großsiedlungen zur Bewältigung der Wohnungsnachfrage (▷Wohnungsmarkt, ▷Wohnen) für die „breiten Schichten der Bevölkerung“ war ein europaweites Phänomen der Nachkriegszeit. Nahezu alle Großstädte „leisteten“ sich in dieser Phase der Wachstumseuphorie, der Fortschrittsgläubigkeit und Begeisterung für moderne Fertigungstechniken die geschlossene und gleichzeitige Bebauung von riesigen Arealen für eine Einwohnerschaft, die teilweise der mittelgroßer Städte entspricht. In der Bundesrepublik hatte der Bau von Großsiedlungen parallel zur innerstädtischen Flächensanierung in den 1960er und 1970er Jahren seinen Höhepunkt. Es entstanden Siedlungen wie z. B. das Märkische Viertel und die Gropiusstadt in Berlin, Osterholz-Tenever in Bremen, Steilshoop und Wilhelmsburg-Kirchdorf-Süd in Hamburg, Mettenhof in Kiel, Hasenbergl in München und Chorweiler in Köln. In der DDR setzte der industrialisierte und verstaatlichte Bauboom Mitte der 1970er Jahre mit dem „Wohnungsbauprogramm zur Lösung der Wohnungsfrage als soziales Problem“ ein. Im „komplexen Wohnungsbau“ der DDR sind mehr und größere Siedlungen entstanden als in der Bundesrepublik, z. B. Berlin-Marzahn und -Hellersdorf, Leipzig-Grünau, Magdeburg-Olvenstedt und Schwerin-Neu-Zippendorf. Nach dem Großsiedlungsbericht von 1994 gibt es 95 westdeutsche und 144 ostdeutsche Großsiedlungen mit 2.500 und mehr Wohnungen. Dementsprechend liegt der Anteil der in Großsiedlungen lebenden Einwohner in den neuen Bundesländern erheblich höher: Hier lebte jeder vierte Bewohner einer Großsiedlung, in den alten Ländern nur jeder zwanzigste.
In der Bundesrepublik entzündete sich schon während der Entstehungszeit heftige Kritik an den Konzepten der Siedlungen. Bereits Ende der 1970er Jahre wurde ihre Sanierungsbedürftigkeit thematisiert. Nachteile und Belastungen für die Lebensverhältnisse erwiesen sich zu großen Teilen als Geburtsfehler, waren bereits angelegt in den städtebaulichen, wohnungs- und stadtentwicklungspolitischen ▷Leitbildern für Planung und Produktion der Siedlungen. Dies betrifft v. a. Standortentscheidungen („Stadt am Stadtrand“), Fertigungsprinzipien (unausgereifte Bautechniken), Förderungskonditionen und Mietenkonstruktion (programmierter Abbau von Subventionen und entsprechende Mieterhöhungen in Erwartung von wirtschaftlichem Wachstum), Normierung des Wohnens (Standardisierung der Grundrisse orientiert an Bedürfnissen der Kleinfamilie). Die Siedlungen erfuhren negative Publizität v. a. wegen der hohen sozialen Folgekosten durch aufwendige Arbeitswege, starken Gebietsgebundenheit der weniger mobilen Bevölkerungsgruppen (auch wegen unzulänglicher ▷Verkehrsanbindungen), wachsenden Mietbelastungen, mangelnden Versorgungsangeboten und fehlenden Einrichtungen der sozialen Infrastruktur. Zwar galten die neuen Wohnungen mit ihrem modernen Ausstattungsstandard erst einmal als Aufstieg und Gewinn. Doch erfolgte aufgrund der real erlebten Nachteile und Belastungen in vielen westlichen Großsiedlungen schon bald eine kulturelle Umwertung ins Negative. Kritik an den DDR-Wohnungen und Wohnkomplexen gab es vereinzelt auch schon in den 1980er Jahren; doch nach der deutsch-deutschen Vereinigung, nach Aufwertung der Innenstädte und tatsächlichen Wahlmöglichkeiten auf dem Wohnungsmarkt büßten die Großsiedlungen ihren weitgehend positiven Ruf ein. Großsiedlungen in der Bundesrepublik: Sanierungsfälle der 1980er Jahre „Erneuerungsgebiete der Zukunft“ lautete 1984 das Motto eines Raumes im Rahmen der zentralen Ausstellung zur „▷Internationalen Bauausstellung Berlin 1987“. Die Öffentlichkeit reagierte erstaunt darauf, dass die noch kein Vierteljahrhundert alten Produkte des Massenwohnungsbaus dem Aufgabenbereich von Stadterneuerung und Sanierung zugeordnet wurden. Tatsächlich waren die Großsiedlungen mit ihren gravierenden Bauschäden, städtebaulichen Defiziten, hohen Fluktuationsraten, Leerständen, sozialen Konflikten und Imageproblemen als Aufgabenfelder für Stadterneuerung und Bestandssicherung
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(▷Bestandsentwicklung und Stadterneuerung) bereits Anfang der 1980er Jahre ins Blickfeld getreten. Die bereits in den 1970er Jahren vorgebrachte Kritik – seinerzeit ignoriert – wurde nun offiziell als berechtigt anerkannt, nicht zuletzt weil sich die großen Wohnungsbaugesellschaften mit ihren Irritationen über Vermietungsschwierigkeiten, Leerstand und immense Bauschäden zu Wort gemeldet hatten. 1982 wurde die „Nachbesserung von Großsiedlungen“ in das bundesministerielle Ressortforschungsprogramm „Experimenteller Wohnungs- und Städtebau“ aufgenommen (▷Modellvorhaben). Der nun proklamierte Einsatz von Mitteln der ▷Städtebauförderung bewirkte, dass 1986/87 zehn Großsiedlungen zu Programmgebieten erklärt wurden. Das Spektrum der Nachbesserungsmaßnahmen war breit. Es reichte von Maßnahmen an den Gebäuden (z. B. Dach-, Beton-, Fugensanierung, Fassadenerneuerung, Umgestaltung der Hauseingangsbereiche) über Aufwertungsmaßnahmen im Wohnumfeld (Entsiegelung und Renaturierung von Freiflächen, Anlage von Mietergärten, Rückbau von überdimensionierten Straßen usw.) bis zu Veränderungen von Bewirtschaftung und Verwaltung (z. B. Mietenkorrekturen, verstärktes soziales Management) sowie Imagewerbung (u. a. Feste, Pressekampagnen). Nach der deutsch-deutschen Vereinigung bekam dieses Nachbesserungspotenzial durch die Plattenbausiedlungen der Neuen Bundesländer erheblichen Zuwachs. Das Schwergewicht der Städtebauförderung wurde nun auf die dortigen Siedlungen verlagert. 1993 etablierten Bund und Länder das Programm „Städtebauliche Weiterentwicklung großer Neubaugebiete in den neuen Bundesländern und Berlin Ost“, wobei es besonders um Verbesserungsmaßnahmen für das Wohnumfeld ging. Entwicklung zu „Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf“ und Gebieten des „Stadtumbaus“ Bereits im Rahmen der Nachbesserungen spielten neben den baulich-städtebaulichen Interventionen soziale Stabilisierungsversuche, neue Formen der Mieterbeteiligung, Einrichtung von Stadtteilgremien und Integration in Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse eine Rolle (▷Partizipation). Als Folge kommunaler Belegungspolitik, verstärkter Orientierung der Wohnungsversorgung an Marktmechanismen (▷Sozialer Wohnungsbau) und dem Abbau sozialstaatlicher Sicherungssysteme konzentrieren sich in vielen Großsiedlun-
gen Haushalte, die auf Transfereinkommen und soziale Unterstützung angewiesen sind. Je mehr Siedlungen dadurch das Image von „sozialen Brennpunkten“ und „überforderten Nachbarschaften“ zugeschrieben bekamen, desto deutlicher zeichnete sich die Notwendigkeit sektorübergreifender integrierter Handlungskonzepte sowie der Vernetzung von Quartiers-, Gesamtstadt- und Zielgruppenpolitik ab. Bund und Länder haben 1999 die Städtebauförderung um das Programm „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – die soziale Stadt“ (▷Soziale Stadt) ergänzt, um der sich verschärfenden sozialen und räumlichen Spaltung in den Städten entgegenzuwirken. Mit dem Programm sollen die Lebens- und Wohnverhältnisse in diesen Stadtteilen verbessert werden. Auf Basis Integrierter Handlungskonzepte sollen finanzielle und personelle Ressourcen gebündelt, die Bewohnerschaft aktiviert und leistungsfähige Verwaltungs- und Managementstrukturen auf Stadt- und Quartiersebene geschaffen werden. Als Programmgebiete der Sozialen Stadt spielen Großsiedlungen der 1970er und 1980erJahre bundesweit mit mehr als 60 Prozent eine herausragende Rolle (in den neuen Bundesländern über 70 Prozent). In vielen ostdeutschen Großsiedlungen kommen nicht nur Mittel des Programms „Soziale Stadt“, sondern auch des Programms „Stadtumbau Ost“ (▷Stadtumbau) zum Einsatz. Dieses Bund-Länder-Programm wurde 2002 aufgelegt, nachdem die Sachverständigenkommission „Wohnungswirtschaftlicher Strukturwandel in den neuen Bundesländern“ im Jahr 2000 v. a. als Folge des massiven Bevölkerungsrückgangs einen Leerstand von einer Million Wohnungen in den neuen Bundesländern (13 Prozent des Bestands) ausgemacht hatte (▷Demographischer Wandel). Im Rahmen des Stadtumbaus Ost werden Rückbau- (Abriss) und Aufwertungsmaßnahmen als Strategien einer Stadtentwicklung ohne Wachstum gefördert, wobei sich Abrisse v. a. auf die Siedlungen des DDR-Wohnungsbaus der 1970er und 1980er Jahre konzentrieren. In Erwartung weiteren Nachfragerückgangs wird davon ausgegangen, dass über das bis 2008 ursprünglich vorgesehene Abrissziel von 350.000 Wohnungen hinaus weitere 216.000 Wohneinheiten „zurückgebaut“ werden müssen. Sowohl zum Programm „Soziale Stadt“ als auch zum „Stadtumbau Ost“ ist im Rahmen von Evaluierungen (▷Evaluation) bisher Wissen v. a. im instrumentell-strategischen Bereich der Programmumsetzung, aber noch kaum über die Wirkungen der Programme in den Stadtteilen gewonnen worden.
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Die neuen großen Quartiere – Stadtteile in der Bewährung
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Das Mitte der 1980er Jahre erklärte Ende des Massenwohnungsbaus erwies sich als Fehlschluss. Mit Beginn der 1990er Jahre zeichneten sich wieder massive Versorgungsengpässe bei steigender Wohnungsnachfrage ab (u. a. durch Zuwanderungen aus den neuen Bundesländern und Osteuropa, Stagnation der Wohnungsbauförderung). Deshalb entstanden im letzten Jahrzehnt große neue Vorstädte und Stadterweiterungen wie beispielsweise Berlin Karow-Nord, Hamburg Neu-Allermöhe-West, Freiburg-Rieselfeld, Ostfildern-Scharnhauser Park, Potsdam-Kirchsteigfeld (▷Innenentwicklung/Außenentwicklung). Analysen der Entstehungsgeschichte zeigen, dass die neuen Quartiere weniger als Experimentierfelder, denn als „Orte verarbeiteter Erfahrung“ (Jessen 2004) geplant wurden. Vor dem Hintergrund der Nachbesserungsbedürftigkeit der bestehenden Großsiedlungen in Ost und West wurden die neuen Quartiere nicht mehr als ganzheitlicher Wurf sondern schrittweise mit der Möglichkeit, die Konzepte auf Basis von Erfahrungen mit den ersten Bauabschnitten und Veränderungen der Rahmenbedingungen zu modifizieren, realisiert. Unterschiede der neuen Quartiere zu den „klassischen“ Großsiedlungen bestehen darüber hinaus darin, dass in Abkehr von der funktionalistischen Moderne nutzungsgemischte Strukturen sowie Mischungen von Eigentum und Miete angestrebt werden, bessere verkehrliche Anbindungen vorgesehen sind, verschiedene Projektträger beteiligt werden, gestalterische Vielfalt geplant und differenzierte Wohnformen angeboten werden. Außerdem findet die Planung nicht mehr hinter verschlossenen Türen statt. Die Verfahren werden von öffentlichen Diskursen und Beteiligungsangeboten begleitet (▷Partizipation). Untersuchungen zu den Lebensverhältnissen in den neuen Quartieren liegen noch nicht vor. Ebenso wie die nachgebesserten und/oder teilrückgebauten Siedlungen der 1960er bis 1980er Jahre müssen sie sich in der alltäglichen Nutzung erst noch bewähren. Becker, H.
Literatur Becker, H. (1990): Neubauerneuerung: Vom Rückbau zur Nachverdichtung. Berlin Hannemann, C. (2000): Großsiedlungen – Ost. In: Häußermann, H. (Hrsg.): Großstadt. Soziologische Stichworte. Opladen, 91-103 Informationen zur Raumentwicklung (2006): Themenheft „Stadtumbau in Großsiedlungen“. Bonn Jessen, J. (2000): Großsiedlungen – West. In: Häußermann, H. (Hrsg.): Großstadt. Soziologische Stichworte. Opladen, 104-115
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Jessen, J. (2004): Europäische Stadt als Bausteinkasten für die Städtebaupraxis – Die neuen Stadtteile. In: Siebel, W. (Hrsg.): Die europäische Stadt. Frankfurt/M, 93-104 Liebmann, H. u. a. (2007): 5 Jahre Stadtumbau Ost – eine Zwischenbilanz. Zweiter Statusbericht der Bundestransferstelle Stadtumbau Ost. Berlin
HISTORISCHE BAUFORSCHUNG Begriffsbestimmung und -abgrenzung Mit dem Begriff Bauforschung wird zunächst die Untersuchung von Bauwerken bezeichnet, die zum Ziel hat, den Zustand oder auch die „Gebrechen“ eines Gebäudes zu ergründen und zu analysieren. Die Bauforschung geht daher mit Befundungen sowie v. a. im Kontext der Feststellung von Mängeln, mit Schadenserhebungen und Schadenskartierungen einher, die i. d. R. am Anfang von Maßnahmenplanungen stehen. Die Bauforschung ist somit eine Untersuchungsmethode, die die technische Analyse von Gebautem in den Vordergrund stellt. Hier steht aber v. a. die historische Bauforschung im Mittelpunkt, eine wissenschaftliche Untersuchungsmethode, die über die genannten Analysen hinaus den Erkenntnisgewinn über die Geschichte von Gebautem zum Ziel hat. Ausgangspunkt ist dabei die Analyse von anstehender ▷Architektur oder auch von Baubefunden im Kontext von archäologischen Untersuchungen. Hintergrund ist der Ansatz, die Bauwerke selbst „zum Sprechen“ zu bringen und ihnen Aussagen zur Geschichte der Entstehung und den Veränderungen des untersuchten Objekts zu entlocken (Meckseper 1985, Schirmer 1994, Gruben 2000). Darüber hinaus erfolgt im Kontext der historischen Bauforschung eine Auswertung der vorhandenen Quellen und Archivalien. Ziele von Untersuchungen mit den Methoden der historischen Bauforschung sind es, einerseits Grundlagen für die Sicherung, Erhaltung und Weiterentwicklung der untersuchten Objekte und ihres räumlichen Umfelds zu erarbeiten und andererseits über das Untersuchungsobjekt hinausgehend, Erkenntnisse zur Bau-, Siedlungs-, Sozial- und Kulturgeschichte zu erhalten. Die Methode der historischen Bauforschung ist unverrückbar mit zwei Namen verbunden, mit Koldewey, dem Ausgräber von Babylon (Koldewey 1913, Andrae 1952), und mit Dörpfeld (Dörpfeld 1902), dem Grabungsarchitekten unter Schliemann und späteren Grabungsleiter in Troja, die
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als ausgebildete Architekten im Wesentlichen in der Archäologie tätig waren. Sie waren es, die zum einen die Bauforschung in die Feldarchäologie eingeführt und zum anderen die archäologischen Untersuchungsmethoden, das Sehen und Denken in Schichten und schichtmäßigen Zusammenhängen, in die Erforschung von Gebäuden eingebracht und somit die systematisch-analytische Betrachtungsweise bei der Untersuchung von Architektur etabliert haben. Damit sind die beiden Felder umrissen, aus denen sich die historische Bauforschung begründet. Von Gerkan, dem Nestor des von Architekten vertretenen akademischen Faches Baugeschichte, als archäologische Bauforschung bezeichnet (Gerkan 1924:375ff ), wird die Disziplin heute meist historische Bauforschung genannt und mit dem englischsprachigen Begriff „Building Archaeology“ in den internationalen Kontext übertragen (Schuller 2002). Im internationalen Kontext hat die historische Bauforschung einen herausragenden Ruf – sie wird als „deutsche Methode“ angesehen, da das Fach in keinem anderen Land mit diesem methodischen Ansatz gelehrt wird. Das Fach wird in Deutschland an verschiedenen Technischen Universitäten vertreten, vielfach in enger Koppelung mit dem Fach Baugeschichte (Schirmer 1987, Wulf-Rheidt 2002). Die Entstehung und Entwicklung der Methoden der historischen Bauforschung Ende des 19. Jahrhunderts sind mit den großen Expeditionen in Griechenland, Kleinasien und im Zweistromland verbunden, einem Arbeitsfeld, an dem von Beginn an u. a. auch die Technische Universität Berlin bzw. ihrer Vorgängereinrichtungen federführend beteiligt waren (Bahe/Sack 2000). Zu nennen sind hier beispielhaft die namhaften Bauforscher, die die Arbeiten an berühmten Ausgrabungsplätzen aufnahmen, wie Adler (ab 1876 in Olympia), Andrae (zunächst mit Koldewey in Baalbek und Babylon, ab 1903 in Assur), Schulz und Krencker (ab 1900 in Baalbek) sowie Lenzen und Heinrich (ab 1930/31 in Uruk-Warka). Mit der Emeritierung Heinrichs 1965 wurde die lange Tradition der archäologischen Bauforschung an der TU Berlin unterbrochen, bevor sie 1998 mit der erstmaligen Einrichtung eines eigenständigen Lehrstuhls historische Bauforschung am Institut für Architektur fortgeführt wurde, an dem auch der Orientbezug wieder auflebte (u. a. Erforschung der in Syrien gelegenen spätantiken und frühislamischen Stadt Resafa; Sack u. a. 2007). Am Beginn einer Untersuchung und der Analyse eines Bauwerks mit den Methoden der historischen Bauforschung steht i. d. R. ein exaktes Bauaufmaß, bei dessen Erstellung meist schon die
ersten Unregelmäßigkeiten, an denen sich Veränderungen ablesen lassen, erkennbar sind. Wesentlicher Punkt ist dabei immer, dass das Bauwerk selbst als Quelle genutzt wird und erst dann weitere Quellen, wie schriftliche Belege oder historische Zeichnungen, zur Interpretation herangezogen werden. Dieses Vorgehen hat seine Wurzeln in der Archäologie, denn bei Felduntersuchungen steht immer die Interpretation der materiellen Befunde vor Ort im Vordergrund. Untersuchungen von Einzelobjekten Ausgehend von der zeichnerischen Dokumentation des Einzelobjekts folgt bei der Untersuchung anstehender Architektur, dem Messen, das Sehen und Verstehen sowie die Interpretation der Befunde. Am Ende lässt sich dann ein nach den verschiedenen Bauphasen aufgeteiltes Bild der einzelnen Entwicklungsstufen und Veränderungen eines Bauwerks gewinnen. I. d. R. dokumentieren die mit handwerklicher und technischer Akribie ausgeführten Aufmaßzeichnungen von Grundrissen, Schnitten, Ansichten und Details ein vollständiges Bild des untersuchten Objekts (▷Architekturdarstellung und CAD). Stand lange das Handaufmaß im Vordergrund, so erfolgen die Aufmaße heute vielfach mit einem digital gestützten Bauaufnahmesystem in Form einer 3D-Bauaufnahme, die es ermöglicht, jeden Punkt, der im Gebäude gemessen wird, dreidimensional zu erfassen und dann aus der „Punktwolke“ an beliebigen Stellen Schnitte zu generieren (Weferling/Heine/Wulf 2001). Unterstützt werden die Untersuchungen vielfach durch großflächig durchgeführte photogrammetrische Aufnahmen. Zudem kommt in jüngster Zeit immer häufiger das terrestrische Laserscanning zum Einsatz, ebenfalls ein dreidimensionales Aufnahmeverfahren, das ganzflächig allerdings undifferenzierte Daten liefert. Auf diese Weise werden die Untersuchungen zwar immer vielschichtiger, aber ein anderer Schritt bleibt dennoch notwendig, nämlich die exakte Baubeobachtung, die zu einer Stratigraphie der unterschiedlichen Bauteile führt. Nur dadurch lässt sich klären, wann welches Bauteil errichtet oder verändert wurde. Über die Untersuchungen von Gebäuden oder Architektur im Zusammenhang mit archäologischen Ausgrabungen hinaus gibt es ein weites Spektrum von Forschungen, die mit den Methoden der historischen Bauforschung bearbeitet werden können. Dabei rücken über einzelne Gebäude hinausgehend sowohl größere zusammenhängende Bauensembles als auch Untersuchungen von lebenden Städten und ganzen Landstrichen oder
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großräumigen Landschaften in den Vordergrund (Sennhauser 1993, Schwandner/Rheidt 1999), die aus dem archäologischen und dem architekturbezogenen Kontext betrachtet werden. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass die Anwendung der Methode nicht auf bestimmte Dimensionen festgelegt ist. Zudem hat die Fortentwicklung der Arbeits- und Untersuchungsansätze zum Einsatz von neuen Techniken geführt, wie der Anwendung von Geophysik (Geomagnetik, Geoelektrik, Georadar) und der Erstellung von Digitalen Geländemodellen, deren Ergebnisse unter Verwendung von Geoinformationssystemen (▷Geographische Informationssysteme) verortet werden (Riedel/Heine/Henze 2006). Untersuchungen von Stadtstrukturen
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Die nächste Dimension ist die Untersuchung einer Stadt. Auch hier werden die Methoden der Historischen Bauforschung angewendet, wenngleich in einer auf den größeren Rahmen abgestimmten Form. Die hier zu stellenden Fragen umfassen z. B. Untersuchungen zu überkommenen historischen Stadtstrukturen, Überlegungen zur Konzentration von Bauaktivitäten in bestimmten Bereichen zu bestimmten Zeiten und zur Erweiterung der Stadt unter topographischen und historischen Gesichtspunkten sowie die Einflussnahme von politischen und sozialen Komponenten auf die baulichen Veränderungen in der Stadt. Antworten auf diese Fragen gibt – wie sonst der Bau – der Stadtorganismus selbst. Dazu gibt es die Möglichkeit, alle Baudenkmale, weitere historische Bauten und Bauteile sowie Straßenstrukturen, die zum historischen Bestand gehören, zu kartieren und diese nach den Phasen ihrer Errichtung zu differenzieren (▷Architektur im Bestand, ▷Bestandsentwicklung und Stadterneuerung). So lassen sich für die einzelnen Entwicklungsphasen der Stadt Pläne erstellen, die die Wachstums- und Schrumpfungsprozesse nachvollziehbar machen. Diese Erhebungen lassen sich aber auch in einer „Archäologischen Karte“ zusammenfassen (Creswell 1978, Sack 1985), wobei die Anzahl der noch vorhandenen historischen Bauten bestimmt, ob die Kartierung von öffentlichen Gebäuden und Handelsbauten von denen der Wohnhäuser zu trennen ist. Nachvollziehbar und ablesbar werden auf diese Weise die Veränderungen des Stadtorganismus in den unterschiedlichen Zeitabschnitten. In diesem Rahmen werden inzwischen vielfach Geoinformationssysteme (▷Geographische Informationssysteme) verwendet, die so aufgebaut sind, dass sie sowohl die historischen Pläne als
auch Einzelinformationen zu den Gebäuden abrufbar in einer vernetzten Datenbank bereithalten, die alle zusammengetragenen und erarbeiteten Materialien umfasst (Gebhardt u. a. 2005). Untersuchungen von Siedlungs- und Landschaftsräumen Eine weitere Dimension ist die Untersuchung einer Siedlung oder eines Landschaftsraums (▷Landschaftsplanung, ▷Urbane Landschaften). Auch hier wurde die Methode im archäologischen Kontext entwickelt. Am Anfang stehen systematische Begehungen, bei denen Fundpunkte oder verdichtete Fundbereiche identifiziert und kartiert werden. Auf dieser Basis und sich an den dabei erarbeiteten Grundinformationen orientierend, können dann geophysikalische Untersuchungen (Geomagnetik, Geoelektrik, Georadar) durchgeführt werden, um die nicht obertägig sichtbaren Strukturen erfassen zu können. Abgerundet werden diese Forschungen durch die Erstellung von Digitalen Geländemodellen und durch die Auswertung von Luftbildern. Die Vielzahl von unterschiedlichen Informationen ist i. d. R. die Vorbereitung für archäologische Sondagen, die zum Ziel haben, die Struktur der Siedlungsagglomeration zu klären (Sack u. a. 2004). Im Ansatz ähnlich sind die Untersuchungen in einem größeren zusammenhängenden Landschaftsraum, bei dem Wegesysteme, Wasserläufe und verschiedenartige Vegetationszonen kartiert werden. Jung- und Altbestand lassen sich vielfach durch Bewuchsmerkmale unterscheiden und dadurch die verschiedenen Phasen von Kultivierungen in einem Raum feststellen. Wesentlich ist auch hier der Ansatz vom Großen ins Kleine und vom Gesamten zum Einzelmerkmal, wobei bei der Erfassung die Vorgehensweise zwischen den verschiedenen Dimensionen hin- und herpendeln muss, um am Ende ein Gesamtbild erstellen zu können (Fechter u. a. 2003). Historische Bauforschung und Denkmalpflege In einem noch weiter führenden Zusammenhang hat die historische Bauforschung die Arbeitsweisen eines anderen Fachs, des der Denkmalpflege, entscheidend mitgeprägt. Daher werden die Begriffe historische Bauforschung und Denkmalpflege vielfach auch zusammen genannt. Hintergrund ist die Tatsache, dass ein denkmalgerechtes Vorgehen bei der Konsolidierung, Konservierung oder auch Restaurierung eines Gebäudes nur dann gewährleistet ist, wenn zunächst eine vollständige und genaue
HISTORISCHE BAUFORSCHUNG
Untersuchung durchgeführt wird. Daher sollten am Anfang immer das formtreue Aufmaß und die Detailuntersuchung sowie die Erstellung eines Raumbuchs stehen. Alle Ergebnisse fließen in die Dokumentation ein, an deren Ende die Erstellung eines Bauphasenplans steht. Dieser Plan bildet die Basis für den denkmalpflegerischen Bindungsplan, der parallel zur Schadenskartierung und der so untermauerten denkmalgerechten Maßnahmenplanung erstellt wird. Diese Vorgehensweise entspricht nicht nur den wissenschaftlichen Maßstäben, die durch die Methoden der historischen Bauforschung vorgegeben werden, sondern sie vermeidet auch unliebsame Überraschungen beim Umgang mit historischer oder auch nur vorhandener Substanz und sie hilft i. d. R., Kosten zu sparen, indem Planungsfehler vermieden werden (Cramer 1998). Durch die Dokumentation und Analyse der Schäden mit dem dezidierten Ziel der Vorbereitung einer denkmalgerechten Instandsetzungsmaßnahme trifft sich die historische Bauforschung hier wieder mit den Zielen der eingangs beschriebenen „allgemeinen“ Bauforschung. Auch der bei archäologischen Ausgrabungen durch die Anwendung der Methoden der historischen Bauforschung erzielte Erkenntnisgewinn kann und sollte direkt in die Konzeptionen von Konservierungsmaßnahmen und deren Präsentation einmünden (Sack u. a. 2009, Kinzel 2008). Darüber hinaus kann die historische Bauforschung durch ihre Kompetenzen und Kenntnisse über die langfristige Tauglichkeit von Materialien, Konstruktionen und Baukonzepten einen wichtigen Beitrag zur aktuellen Debatte der Nachhaltigkeit im Bauen liefern (Wohlleben/Meier 2003, Hassler 2009; ▷Nachhaltige Stadtentwicklung). Bei der Zusammenschau der Anwendungsgebiete der Historischen Bauforschung, bei denen das Bauwerk, die Stadt oder die Siedlung als Quelle ihrer materiellen Kultur im Mittelpunkt steht, zeigt sich, dass die von Koldewey und Dörpfeld eingeführte Methode zur archäologischen Untersuchung von sowohl vergangener, also nur noch archäologisch zu erfassender, als auch aufgehender Architektur angewendet wird (Mader 2005). Darüber hinaus ist es wichtig, dass diese Methode auch in größere Dimensionen, bei der Untersuchung von Stadt-, Siedlungs- und Landschaftsräumen Eingang gefunden hat, wenngleich auch hier nur die Detailbeobachtung und -untersuchung zum Ziel führt. Genau unter diesem Aspekt hat sich die Methode der historischen Bauforschung inzwischen weiterentwickelt, denn sie wurde um zusätzliche Dimensionen erweitert und um eine Vielzahl von technischen Aspekten verfeinert. Sack
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Identität kann als modernisierte Form von Persönlichkeit verstanden werden und gilt als ein Schlüsselbegriff der Gegenwart, vergleichbar z. B. mit dem der Aufklärung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Identität bezieht sich vorrangig auf Einzelpersonen und bezeichnet die Einmaligkeit und Unverwechselbarkeit eines Individuums, darüber hinaus den besonderen Charakter und die Stabilität, Festigkeit und Sicherheit eben dieses Individuums und als drittes Selbstgewissheit, Selbstbestimmtheit und Selbsterkenntnis, so dass Identität wie Persönlichkeit zwar schon im Kindes- und Jugendalter angelegt sein können, sich aber in ihrer ganzen Tiefe erst als Resultat einer Biografie, eines Lebensweges, ja sogar als Ergebnis eines gelungenen Lebens einstellen. In dieser Perspektive bezeichnet Identität – wiederum wie Persönlichkeit – nicht nur das je besondere und einmalige Individuum, sondern das ständig neu zu klärende, zu stabilisierende und zu reflektierender Selbst jeder menschlichen Existenz. Identität ist nichts zweifelsfrei immer Gegebenes, sondern deutet eine Herausforderung an, die von jedem und jeder Einzelnen permanent und als Lebensziel zu bewältigen ist, die Aufgabe der Selbstentwicklung, Selbstformung und Selbstbestimmung. In der Formulierung von der „Biografie als Projekt“ kommt der gleiche Anspruch zum Ausdruck. Ihre überragende Aktualität gewinnt Identität mit dem Wertewandel seit den 1960er Jahren, der Selbstverwirklichungswerte an Stelle von Pflichtund Akzeptanzwerten in den Vordergrund rückt. Identität wächst zur Verpflichtung. Gleichzeitig werden ihre Gefährdungen, die Hindernisse, die ihrer Verwirklichung entgegenstehen, aber auch die Gefahren, die ihre Entwicklung für Einzelne wie für Kollektive bergen, deutlich. Der ersten Bedingung von Identität, der Unterscheidbarkeit, stehen Anpassungsforderungen gegenüber, wie sie in jeder Gesellschaft bestehen, wie sie aber in hoch arbeitsteiligen und verdichteten Gesellschaften in besonderem Maße wirksam sind. Die vielfältigen ▷Kooperationsanforderungen, denen jeder Mensch täglich unterliegt, wären gar nicht zu erfüllen, wenn jeder und jede ständig auf die Besonderheit der eigenen Person und ihrer ganz eigenen Bedingungen verweisen und danach leben wollte. Darüber hinaus werden in Gesellschaften, in denen Kasten-, Klassen- oder Statuszugehörigkeiten nicht mehr völlig selbstverständlich als vorgegebene Ordnungen wirken, ak-
tive symbolische Anpassungsleistungen verlangt, durch die die Zugehörigkeit der Einzelnen zu einer Schicht oder zu einem ▷Milieu und damit die Distanzierung von anderen dokumentiert wird. Identität kann sich nur innerhalb solcher sozialen Gruppen durch Zugehörigkeit einerseits, durch Abgrenzung gegen Anderes andererseits entfalten. Darüber hinausgehende Identität wäre Außenseitertum und tendenziell pathologisch. Daraus resultiert die Integrationsleistung von Identität. Als zweites wird die Stabilität eines Charakters, seine Dauerhaftigkeit und Festigkeit, die als Bedingung von Identität gelten muss, durch Flexibilitätsanforderungen des modernen Arbeitslebens eingeschränkt. Die Fähigkeit zur schnellen Anpassung an sich ständig wandelnde Bedingungen, verbunden mit einer gewissen Oberflächlichkeit, die Fähigkeit sich nicht festzulegen, „loszulassen“, stehen der Entwicklung einer konsistenten, in sich gefestigten, stabilen Identität entgegen, oder aber sie verlangen eine jenseits dieser äußeren Zwänge bestehende, ganz außerordentlich gesicherte Persönlichkeit, so dass auch hier eine Ambivalenz erkennbar wird. Und die dritte Basis von Identität, die Selbstbestimmung, die Selbstkonstruktion, die „Biografie als Projekt“, die die Selbstreflexion des Individuums einschließt, gerät gleichfalls unter Bedingungen moderner Massengesellschaften und der Entwicklung politischer und ökonomischer Großeinheiten und internationaler Verflechtungen unter Druck. Die Bedingungen des je eigenen Lebens entziehen sich der individuellen Beeinflussung und Steuerung, so dass sich ein neues Kontingenz- und Schicksalsbewusstsein einstellt – oder ein altes zurückkehrt –, das die Möglichkeiten der Selbstbestimmung als Bedingung von Identität infrage stellt. Bei der für Raum- und Stadtplanung relevanten Übertragung des Identitätsbegriffes zum einen auf soziale Kollektive, zum anderen auf Orte, Landschaften, Regionen oder Städte zeigen sich die gleichen Bedingungen, die dem Identitätsbegriff als Herausforderung, aber auch durch seine Gefährdungen Aktualität verleihen und ihn ins Bewusstsein treten lassen. Der Begriff der Identität in seinen Dimensionen der Unterscheidbarkeit, der biografischen Stabilität und des eigenverantwortlichen Selbst lässt die Vorstellung eines tiefen, inneren Kerns, eines Wesens der jeweils als Identität verstandenen Persönlichkeit oder sozialen Einheit mitschwingen. Gegenwärtige Bedingungen – Nivellierungstendenzen von Technik und Warenwelt, Fremdsteuerung in global verflochtener Ökonomie (▷Globalisierung), Mobi-
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lität von Arbeit und Kapital und die genannten Anpassungsleistungen bei der Entwicklung von Identität – lassen solche Wesens- oder Seinsvorstellungen fragwürdig werden. Damit lösen sich aber auch die Sicherheiten und Gewissheiten auf, die mit solchen ontologischen Begriffen gegeben waren, so dass sie schließlich, und das zeigt sich besonders bei der Übertragung des Identitätsbegriffes auf Städte und Regionen, inszenatorisch rekonstruiert oder konstruiert werden müssen. Derartige Identitätskonstruktionen bilden aktuell einen der wesentlichen Handlungsschwerpunkte kommunaler und regionaler Entwicklungspolitik (▷Stadtpolitik), lassen sich aber auch historisch in der Entwicklung unterschiedlichster politischer Einheiten nachweisen. Identität, das wird besonders bei sozialen Kollektiven deutlich, ist ein kulturelles Phänomen, es beschreibt Kultur oder Kulturen. Die Kultur einer Person oder eines Kollektivs begründet dessen Identität, also z. B. eine besondere Sprache, ein Dialekt, manchmal auch nur ein Tonfall oder spezifische Redewendungen in der Alltagssprache, Alltagspraktiken wie z. B. Essgewohnheiten, manchmal auch Kleidungsstile, häufig Arbeitsoder soziale Umgangsformen, Konsummuster usw. Jede soziale Gruppierung, die eine Identität für sich in Anspruch nimmt, entwickelt um derartige Alltagspraktiken einen spezifischen Habitus, der nach innen wie von außen als Besonderheit wahrgenommen wird und der mit der jeweiligen Gruppierung so eng verbunden ist, dass er ihr gleichsam „wesenhaft“ oder „natürlich“ verbunden, quasi „angeboren“ zu sein scheint. Darin liegt ein Schlüsselproblem von Identität. Kulturelle, also historisch und sozial „gemachte“, Phänomene können wie natürliche wirken. Im Identitäts- wie im Habitusbegriff liegt die Gefahr einer „Naturalisierung des Sozialen“ (Bourdieu 1982), eine Transformation von gleichwertiger Unterschiedlichkeit in gerechtfertigte, wertende Ungleichheit zwischen Einzelnen, sozialen Kollektiven, Städten, Regionen, Kulturen oder Staaten. Territoriale Einheiten verfügen auch dann, wenn sie häufig schwer abzugrenzen sind, und auch unter aktuellen Nivellierungsbedingungen – noch – über „lokale Identität“, d. h. über lokale, nur hier, nur an einem bestimmten Ort auftauchende Merkmale oder Merkmalskombinationen, und dies häufig in einer Dichte und Prägnanz, die es erlauben, bildhaft vom Charakter eines Ortes oder Raumes wie von dem eines Individuums zu sprechen. Solche lokalen Identitäten reichen bis in die Stadtteile, ja sie gewinnen hier durch zunehmende Segregation der Bevölkerung sogar wieder
an Deutlichkeit. Besonders auf regionaler oder landschaftlicher Ebene sind diese lokalen Besonderheiten nicht zu übersehen. Ökonomie, Klima, Geografie und Geologie, Regierungsform und religiöse Traditionen vermitteln jeder Landschaft wie jeder Stadt und jedem Stadtquartier ihr besonderes, einmaliges Gepräge. Sie geben ihren Bewohnern Sicherheit der Zugehörigkeit, ein Gefühl von Heimat, auch wenn dieses historisch nur zu häufig eher als Kontrolle und Fessel empfunden wurde. Vergleichbar jedoch den Bedingungen individueller Identität der einzelnen Persönlichkeit erscheint auch lokale Identität gefährdet. Allerorts gleiche technische Infrastrukturen nivellieren geografische und architektonische Besonderheiten und lassen identitäts- oder charakterlose Nicht-Orte entstehen. Wandel von Orten und Räumen durch ständig neue Nutzungsanforderungen untergräbt die Stabilität als Voraussetzung von Identität; und überregionale Verflechtungen reduzieren lokale Selbstbestimmungsmöglichkeiten (▷Government und Governance, ▷Globalisierung). Sowohl die Gefährdungen individueller wie kollektiver und lokaler Identität lassen jedoch die Defizite bei ihrem Verschwinden spürbar werden, so dass Bemühungen ihrer Rekonstruktion und Konstruktion z. B. in der Denkmalpflege und einer inszenierten „Klassizität“ als Garantie des Unwandelbaren (Lübbe 1992), der Zeit enthobenen und damit Sicherheit und Identität gebenden, einsetzen. V. a. aber die Rechtfertigung von Ungleichheit und Partikularismus, die im Identitätsbegriff liegen kann, wird aktuell auf regionaler und städtischer Ebene virulent (▷Gleichwertige Lebensverhältnisse). In einer ökonomischen Konkurrenz zwischen Regionen und Städten, die von lokal fixierten Standortmerkmalen durch die ubiquitäre Verfügbarkeit von Mobilität, Energie, Rohstoffen, Kapital und Humanressourcen zunehmend unabhängig wird, gewinnen kulturelle Merkmale, die eine räumlich nicht transferierbare Identität als ein „Wesen“ eines Raumes zu erfassen scheinen, an Bedeutung (▷Standortwahl). Identität wird zur Basis von Entwicklungs- und Wachstumspolitik. Mit einer solchen kulturell begründeten Politik, die wie die Konkurrenz zwischen sozialen Kollektiven eine „Naturalisierung sozialer Ungleichheit“ vornimmt, werden jedoch die liberalen Grundlagen moderner Politik und des modernen Staates verlassen. An die Stelle universaler Normen als Basis von Politik, die nicht an Grenzen politischer Einheit gebunden sind, treten kulturelle Partikularismen als abgrenzbare Identitäten und rechtfertigen Ungleichheit und partikularen Ego-
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ismus. Darin liegt die planerische Ambivalenz des Identitätsbegriffs und seine problembeladene Aktualität: Sie verweist einerseits auf eine Sehnsucht nach Sicherheit und Stabilität in einer Zeit dramatischen Wandels und wachsender Unsicherheit, lässt aber andererseits Politik- und Planungsstrategien entstehen und als akzeptabel erscheinen, die die normativen Grundlagen eines modernen, an Universalien und Bürgerrechten ausgerichteten Staatswesens untergraben. Göschel
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IMMOBILIENFINANZIERUNG Wie der Begriff bereits andeutet, geht es in der Immobilienfinanzierung um die Frage, wie Liegenschaften finanziert werden. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, Immobilien zu finanzieren – sie alle im Detail zu behandeln ist angesichts des begrenzten Umfangs dieses Beitrags jedoch praktisch unmöglich. Stattdessen werden im Folgenden die drei grundlegenden Konzepte behandelt, auf denen jede Finanzierungsweise aufbaut. Dies sind: 1) das Verhältnis zwischen Risiko und Rendite, 2) die Fremdkapitalquote bzw. der Leverage-Effekt und 3) die Amortisation. Das Verständnis dieser drei Konzepte ermöglicht es, die verschiedenen Formen der Immobilienfinanzierung zu analysieren und zu verstehen. Das Verhältnis zwischen Risiko und Rendite ist recht einfach zu erklären: je höher das eingegangene Risiko (▷Risikomanagement), desto höher die erwartete oder benötigte Rendite. Zunächst muss der Investor, der Finanzmittel für Immobi-
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lien zur Verfügung stellt, für die erwartete Inflation kompensiert werden – und für den Verzicht auf Güter, die mit dem in das Gebäude investierten Kapital genossen werden könnten. Letzteres wird mit dem Begriff Opportunitätskosten bezeichnet. Diese Werte werden zusammen als risikofreie Rendite (=Rf) definiert. Die angestrebte Gesamtrendite kann entsprechend als Summe der risikofreien Rendite und der vom Risiko abhängigen Risikoprämie bezeichnet werden (R = Rf + Rp). Die für den Kapitalgeber benötigte Rendite ist damit letztlich eine mathematische Funktion des Risikos, welches mit dem durch die Immobilie generierten Cashflow verbunden ist, da dieser den Kapitalgeber mit der Rendite des ursprünglich investierten Kapitals versorgt. Zwei Einkommensquellen sind zu unterscheiden: der jährliche Cashflow aus dem operativen Geschäft und der Cashflow aus Verkäufen, der dem Investor dann zufließt, wenn eine Immobilie veräußert wird. Diese beiden Cashflows müssen das Finanzierungsrisiko des Investors aufwiegen. Ein Beispiel: Im Gegensatz zu ständig fluktuierenden Cashflows mindern stabile Cashflows das Risiko des Immobilieninvestors, sodass dieser eine niedrigere Rendite verlangen wird. Bis hierhin wurde von nur einem Kapitalgeber ausgegangen. Dies ist in der Realität nur selten der Fall: I. d. R. gibt es sowohl einen Kapitaleigner als auch einen Akteur, der externe Finanzierung in Form eines Kredits, also einer Hypothek, zur Verfügung stellt. Der Kapitaleigner behält das Eigentumsrecht, ist aber auch für die Rückzahlung des Kredits verantwortlich – und zwar unabhängig von dem erwähnten, von der Immobilie generierten Cashflow. Das Risiko des Kapitaleigners ist damit höher als jenes des Kreditgebers, und letzterer wird angesichts des beschriebenen Verhältnisses zwischen Risiko und Rendite eine geringere Rendite benötigen. An dieser Stelle kommt das zweite grundlegende Konzept mit ins Spiel, nämlich die Fremdkapitalquote bzw. der Leverage-Effekt (engl. Hebeleffekt). Der Kapitaleigner zieht durch den Kreditgeber Kapital an, das mit einem Zinssatz behaftet ist der niedriger liegt als die erwartete Rendite der Immobilie. Dies wird als positive Hebelwirkung (positive leverage) bezeichnet. Generiert die Immobilie tatsächlich eine Rendite, die die Kosten des Kredits übersteigt, so ist der Differenzbetrag reiner Profit für den Kapitaleigner. Wenn beispielsweise der Zinssatz eines Kredits bei sechs Prozent und die (durchschnittliche) Rendite der Immobilie bei acht Prozent liegen, sind die zwei Prozent Unterschied Gewinn für den Kapital-
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eigner. Fällt jedoch die (durchschnittliche) Rendite auf vier Prozent, wird der Kreditgeber dennoch sechs Prozent verlangen und der Kapitaleigner Geld verlieren. Dies wird als negative Hebelwirkung (negative leverage) bezeichnet und stellt ein bedeutendes Risiko für den Kapitaleigner dar. Er kann dieses Risiko steuern, indem die Immobilie so gehandhabt wird, dass eine negative Hebelwirkung soweit wie möglich ausgeschlossen ist. Der Kreditgeber gewährt die Mittel zur Finanzierung der Immobilie, er kann aber keine Kontrolle auf die Bewirtschaftung und/oder auf den Verkauf der Liegenschaft (nach Abbezahlung des Kredits) ausüben. Die ausschlaggebende Risikobewertung zur Festlegung des Zinssatzes für den Kredit muss daher vor der Kreditvergabe erfolgen. Diese Risikobewertungen werden als Kreditvergaberichtlinien bezeichnet. Im Hinblick auf die bisherige Diskussion ist es nicht weiter überraschend, dass die Kreditvergaberichtlinien sich insbesondere auf die Risikobehaftung des Cashflow des Gebäudes, das Risikoprofil des Kapitaleigners (sollte der Cashflow des Gebäudes für die Kreditrückzahlungen nicht ausreichen so ist dieser haftbar) und die Höhe der Fremdkapitalquote konzentrieren. Letzterer Faktor ist besonders bedeutend, da mit einer höheren Fremdkapitalquote ein höheres Risiko für den Kreditgeber einhergeht. Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens: Ist die Fremdkapitalquote höher, so steht für den Kreditgeber mehr, für den Kapitaleigner weniger auf dem Spiel. Keinen direkten Einfluss auf die Bewirtschaftung der Immobilie nehmen zu können, bedeutet für den Kreditgeber ein höheres Risiko. Zweitens: Die höhere Fremdkapitalquote erzeugt größere Fixkosten im Sinne der feststehenden Zinszahlungen, die der Kapitaleigner an den Kreditgeber abführen muss. Es ist anzumerken, dass Kredite mit variablem Zinssatz vergeben werden können – hier wird der Zinssatz letztlich durch Inflationsschwankungen bestimmt. Mit einem solchen Kredit wird das Risiko, die künftige Inflation falsch einzuschätzen, vom Kapitaleigner zugunsten des Kreditgebers übernommen. Da der Kreditgeber damit einem geringeren Risiko gegenübersteht, wird er einen niedrigeren Zinssatz verlangen, als es bei einem Kredit mit fixem Zinssatz der Fall wäre. Wie aus diesem einfachen Beispiel deutlich wird, erklärt das grundlegende Konzept des Verhältnisses zwischen Risiko und Rendite in Verbindung mit dem Konzept des Leverage-Effekts die Preisbildung der Immobilienfinanzierung. Zahlreiche weitere Arten der Immobilienfinanzierung und deren Preisbildung können auf ähnliche Weise anhand
dieser grundlegenden Konzepte erklärt werden. Beispielsweise gibt es Staffelkredite, bei denen die Kreditrückzahlungen mit der Zeit zunehmen. Sie sind ausgezeichnete, obgleich risikoreiche, Möglichkeiten für solche Immobilienprojekte, deren Cashflows im Anfangsstadium niedrig sind aber mit der Zeit anwachsen – etwa für einen Neubau, der erst nach einiger Zeit Mieter anzieht, also anfänglich geringe, später höhere Cashflows generiert. Ein anderes Beispiel sind Kredite mit Gewinnbeteiligung des Gläubigers: Hier ist der Kreditgeber am (erwarteten) Anstieg des Liegenschaftswertes beteiligt – im Gegenzug wird der Zinssatz für die Haltedauer des Gebäudes niedriger angesetzt. Es ist möglich, dass der Preis für das mit den Cashflows verbundene Risiko auf dem Markt inkorrekt festgelegt wird. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Kreditkrise, die Mitte 2007 in den USA begann. Ihre Ursache lag in der Herausgabe von Hypotheken für Wohnimmobilien während der fünf bis sieben vorausgegangenen Jahren (▷Wohnungsmarkt). Kreditgeber legten inkorrekte Preise für Risiken fest, indem sie das künftige Wachstum der Immobilienwerte – und damit die Cashflows aus Verkäufen – überschätzten. In Wirklichkeit hatten viele Kredite äußerst hohe Fremdkapitalquoten und die Bonität der Kreditnehmer wurde von den Kreditgebern nicht ausreichend begutachtet. Wenn ein Kreditnehmer seinen Kredit nicht weiter bediente, konnten die Banken ihren Verlust nicht ausgleichen, da die Immobilienwerte hierfür nicht ausreichend schnell gestiegen waren. Entsprechend schnell vervielfachten sich die Verluste mit den Zwangsversteigerungsverfahren, die die Immobilienwerte weiter reduzierten. Mit dem Ziel, ihre Geschäftstätigkeit und damit ihre Rendite zu erhöhen, lockerten Kreditgeber kontinuierlich ihre Kreditvergaberichtlinien. Dies führte zu einem „Herdentrieb“ unter Kreditgebern: Um die Konkurrenz zu überbieten und die eigene Geschäftstätigkeit zu erhöhen, sahen sie sich genötigt, ihre Kreditvergaberichtlinien immer weiter zu lockern, was wiederum die Risiken erhöhte. Ein bedeutender Schritt im Bereich der Immobilienfinanzierung in den USA war die Schaffung des sog. sekundären Hypothekenmarktes, dem ab den 1970er und 1980er Jahren zunehmend Aufmerksamkeit zuteil wurde. Der sekundäre Hypothekenmarkt bot Kreditgebern die Möglichkeit, ihre vergebenen Kredite zu verkaufen. Auf diese Weise wurde zusätzliche Liquidität geschaffen, da Kreditgeber das durch den Verkauf der Kredite gewonnene Kapital einsetzen konnten, um zusätzliche
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Kredite zu vergeben. Zudem wurden die Zinssätze gesenkt, da Kreditgeber nicht mehr zum Halten all ihrer Kredite verpflichtet waren und wussten, dass die Möglichkeit zum Verkauf bestand. Das dritte grundlegende Konzept ist jenes der Amortisation. Es handelt sich dabei im Grunde um die Anwendung einer Rechenmethode zur Erstellung eines Tilgungsplans. Dieser reduziert die Risikogefährdung der Bank, indem der Kreditnehmer gleichzeitig Zinsen für den Kredit bezahlt und die Höhe des Kredits reduziert, indem er immer größere Tilgungszahlungen erbringt. Die monatlichen Zahlungen (Raten) bleiben in ihren Summen zwar gleich, allerdings verändert sich mit der Zeit das Verhältnis der zwei darin enthaltenen Beträge zueinander. Die erste Zahlung besteht aus einem (hohen) Zinsanteil und einem (niedrigen) Tilgungsanteil. Die darauf folgende Zahlung besteht aus einem etwas kleineren Zinsanteil, da die Höhe des Kredits mit der ersten Tilgungszahlung reduziert wurde. Entsprechend beinhaltet die zweite Zahlung einen etwas höheren Tilgungsanteil. Dies wiederholt sich mit jeder darauf folgenden Zahlung, bis der Kredit mit der letzten Zahlung vollständig abgegolten ist. Es wird weithin anerkannt, dass die von Irving Fisher entwickelten Theorien zu Inflation und Zinsen von grundlegender Bedeutung dafür waren, dass Kreditgeber die Risiken langfristiger Kredite besser einschätzen und diese Methode der Kreditrückzahlung während der Kreditlaufzeit entwickeln konnten. Die Amortisation fand erst ab 1934 weite Verbreitung. Bis dahin besaßen nur vier von zehn Haushalten Immobilien mit einer Hypothek. Deren Fremdkapitalquote war auf 50 bis 60 Prozent des Marktwerts der Immobilie begrenzt, während der Tilgungsplan auf drei bis fünf Jahre angelegt und mit einer endfälligen Rückzahlung abgeschlossen wurde. Da diese Kredite nicht mittels Amortisation getilgt wurden, war das Risiko höher; die Laufzeiten der Kredite waren recht kurz und die Zinsen hoch. Sie standen damit nur sehr wohlhabenden Personen zur Verfügung, die sich die hohen Zinsen leisten konnten und für die Kreditgeber niedrige Risiken darstellten. Aufgrund der schrittweisen Rückzahlung reduziert die Amortisation das Risiko und damit die für den Kreditgeber nötige Rendite deutlich. Zudem waren Kreditgeber dank der Amortisation bereit, die Laufzeiten ihrer Kredite zu verlängern. Neben Krediten mit den herkömmlichen fünf- bis siebenjährigen Laufzeiten wurden nun auch solche mit 15-jähriger Laufzeit angeboten – insgesamt wurden die Laufzeiten sukzessive bis auf die heu-
te verfügbaren 30 Jahre verlängert. Dies brachte eine Verringerung der monatlichen Zahlungen mit sich, sodass breitere Bevölkerungskreise die Voraussetzungen für eine Kreditaufnahme erfüllten. Zusammengenommen bedeutete dies, dass Immobilienfinanzierung breiter verfügbar und damit die Bildung von Immobilieneigentum gefördert wurde. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass es zahlreiche unterschiedliche Möglichkeiten der Immobilienfinanzierung gibt; dieser Beitrag befasste sich mit den drei grundlegenden Konzepten, die bestimmen, welche Finanzierungsmethode am besten geeignet ist. Diese drei Konzepte sind: das Verhältnis zwischen Risiko und Rendite, die Fremdkapitalquote bzw. der Leverage-Effekt und die Amortisation. Geurts
Literatur Clauretie, T. M.; Sirmans, G. S. (2006): Real Estate Finance. Mason Dennis, M. J.; Robertson, M. J. (1995): Residential Mortgage Lending. Englewood Cliffs Downs, A. (1985): The Revolution in Real Estate Finance. Washington Saulnier, R. J. (1950): Urban Mortgage Lending by Life Insurance Companies. New York
IMMOBILIENWIRTSCHAFT Begriff Immobilienwirtschaft Die Immobilienwirtschaft stellt im Gegensatz zur juristischen und physischen Definition auf den ökonomischen Begriff der gebauten Immobilie einschließlich des Bodens ab. Die ökonomische Betrachtung bezieht sich auf die Nutzungsmöglichkeit des gebauten Objekts, das erst durch die ertragbringende Nutzung zu einem ökonomischen Wert wird. Immobilien, die langfristig mangels Nachfrage keinen Nutzen (mehr) stiften, stehen leer und werden ökonomisch wertlos oder wegen der Haltekosten zu einer Belastung. Allerdings können sie mit Blick auf die künftigen Nutzungen sogar Wertsteigerungen erleben. Der Vermögenscharakter der Immobilie wird v. a. bei Übertragungen des Eigentums als ewiges Nutzungsrecht auf einen anderen Eigentümer gegen ein Entgelt sichtbar. So gesehen bezeichnet man unter Immobilienwirtschaft den Teilbereich der Volkswirtschaft, der auf den wirtschaftlichen Leistungen fußt, die sich aus der Nutzung und Bewirtschaftung der
IMMOBILIENWIRTSCHAFT
Lebenszyklus einer Immobilie (eigene Darstellung)
Immobilien sowie aus den Veränderungen der Immobilienbestände ergeben. Die Wirtschaftsstatistik teilt Unternehmen anhand verschiedener Gliederungs- bzw. Hierarchieebenen nach der Art ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit in homogene Gruppen, sog. Wirtschaftszweige, ein. Es gibt aber keine wirtschaftsstatistische Legaldefinition der Immobilienwirtschaft. Lediglich in der Wirtschaftsabteilung „KA 70 – Grundstücksund Wohnungswesen“ nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003 werden wirtschaftliche Tätigkeiten rund um die Immobilie erfasst. Anhand der gesamten Wertschöpfungsketten von Immobilien im Lebenszyklus wird deutlich, dass es sich dabei nur um einen kleinen Ausschnitt aus der gesamten Immobilienwirtschaft handelt (▷Lebenszyklus von Immobilien). Immobilienmarkt und Immobilienteilmärkte Im weiteren Sinn treffen auf dem Immobilienmarkt das Angebot von und die Nachfrage nach Leistungen der Immobilienwirtschaft aufeinander. Im engeren Sinn stellt der Immobilienmarkt auf den Vermögenscharakter der Immobilie ab, d. h. auf dem Immobilienmarkt wird das Nutzungsrecht für Immobilien gehandelt. Aus der Nachfrage und dem Angebot ergibt sich der Preis für das gehandelte Nutzungsrecht der Immobilie. Der Immobilienmarkt unterscheidet sich nach sektoralen, räumlichen, funktionalen und institutionellen Teilmärkten. Die bedeutendsten sektoralen Teilmärkte sind ▷Wohnungsmarkt, Büromarkt, Markt für ▷Einzelhandelsflächen, Gewerbeparks, Industrie- und Logistikimmobilien sowie Spezialimmobilien (v. a. Hotels, Gastronomie- und Freizeiteinrichtungen sowie Wohnformen für ältere Menschen). Die Abgrenzung regionaler Märkte erfolgt je nach sektoralem Teilmarkt und je nach Zielsetzung
unterschiedlich. Bei immobilienwirtschaftlichen Marktanalysen folgt die Regionsabgrenzung dem Funktionalitätsprinzip. Funktionalgebiete spiegeln die wirtschaftlichen Aktivitäten im Raum wider, sie stellen also relativ eigenständige ökonomische Einheiten dar. Als Abgrenzungskriterien dienen Indikatoren, die die jeweiligen Gebiete miteinander verbinden, z. B. Kaufkraftverflechtungen im Einzelhandel (sog. Marktregionen), kleinräumige Wanderungsverflechtungen beim Wohnungsmarkt (sog. Wohnungsmarktregionen) oder Pendlerverflechtungen bei gewerblichen Immobilienteilmärkten (sog. Arbeitsmarktregionen). In der Praxis wird häufig jedoch auf administrative Regionen zurückgegriffen (z. B. Büromarkt der Stadt Köln). Während die sektorale Differenzierung des Immobilienmarktes nach den Nutzungsarten der Immobilie (Einzelhandel, Hotel, Büro, Produktion, Wohnen etc.) unterscheidet, stellt die funktionale Differenzierung auf die Nutzung durch die Eigentümer ab. Dabei besteht prinzipiell die Möglichkeit der Eigennutzung oder der Nutzung einer Immobilie als Kapitalanlage, indem das Nutzungsrecht einem Dritten überlassen wird. Beide Investitionsmotive, die der Selbstnutzung als auch die der Kapitalanlage, müssen sich nicht grundsätzlich ausschließen. So können selbstnutzende Wohnungseigentümer auch aus Gründen der Altersvorsorge oder der Vermögensanlage eine Wohnimmobilie erwerben. Im Vordergrund von selbstnutzenden Immobilieneigentümern steht aber nicht die Renditeerzielung, sondern der Besitz der Immobilie aus unterschiedlichen Gründen, z. B. zur Sicherung des Produktionsprozesses von Unternehmen (▷Unternehmensimmoblien als neue Assetklasse). In der Bundesrepublik haben die Privateigentümer im Vergleich zu den institutionellen Eigentümern eine starke Position. Einzelanleger verfügen zumeist nur über eine oder sehr wenige Wohneinheiten, teils selbstgenutzt, und nur selten über Gewerbeimmobilien. Private Großanleger sind dagegen hinsichtlich der Professionalität und dem Investitionsmotiv vergleichbar mit den institutionellen Immobilienanlegern. Im Unterschied zu privaten sind institutionelle Investoren aber juristische Personen, die nicht für sich selbst, sondern als Kapitalsammelstelle überwiegend für Dritte Gelder professionell in den Immobilienmarkt anlegen. Zu den institutionellen Immobilieninvestoren zählen v. a. Pensionskassen, Versicherungsunternehmen, Kapitalanlagegesellschaften (offene Immobilienfonds und Spezialfonds), geschlossene Immobilienfonds und Immobilienaktiengesellschaften bzw. REITs (Real Estate Investment Trusts).
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Der Immobilienmarkt und seine Teilmärkte (eigene Darstellung)
Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft Die empirische Grundlage zur Analyse der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Immobilienwirtschaft hinsichtlich Niveau, Struktur und Entwicklung bildet die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR). Eine umfassende Analyse der volkswirtschaftlichen Bedeutung hat das ifo Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München durchgeführt und im Jahr 2005 veröffentlicht (Ifo 2005). Die Untersuchung basiert dabei größtenteils auf Daten zum Stand von 2002/2003. Soweit möglich werden die Untersuchungsergebnisse an dieser Stelle aktualisiert. Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft verdeutlichen folgende Kennziffern: Das wertmäßige Anlagevermögen des Immobilienbestandes (ohne Grundstücke) belief sich Immaterielle Anlagegüter 63 Mrd. € 0,8 %
Bauten 6.608 Mrd. € 86,5 %
Wohnbauten 3.920 Mrd. € 51,3 %
Ausrüstungen 970 Mrd. € 12,7 %
zum Jahresanfang 2008 auf gut 6.600 Mrd. Euro und damit auf mehr als 85 Prozent des gesamten Nettoanlagevermögens in der Bundesrepublik. Dabei sind im Nettobauvermögen nur die Gebäude, nicht aber die dazugehörigen Grundstücke erfasst. Der aktualisierte Grundstückswert beläuft sich auf ca. 2.250 Mrd. Euro. Das gesamte volkswirtschaftliche Immobilienvermögen bestehend aus dem Nettowiederbeschaffungswert der Bauten und den Grundstückswerten liegt demnach ungefähr bei 8.850 Mrd. Euro. Das Immobilienvermögen macht demnach rd. 90 Prozent des gesamten volkswirtschaftlichen Kapitalstocks aus. Differenziert nach Bauwerke- und Gebäudekategorien entfällt auf die gut 18 Mio. Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäuser mit 31 Prozent der höchste Anteil am gesamten Nettobauvermögen (Stand: 2003). Der Anteil der knapp 21 Mio. Wohnungen in Mehrfami-
3 % Gebäude des Bildungswesens 4 % Gebäude des Gesundheitswesens 3 % Gebäude des Bildungswesens 4 % Handels- und Lagergebäude
Nichtwohnbauten 2.688 Mrd. € 35,2 %
3 % Büro- und Verwaltungsgebäude 4 % Gebäude für Sport, Kultur und Freizeit 3 % Sonsge Gebäude
Nettoanlagevermögen 2008 (eigene Darstellung auf Grundlage eigener Berechnungen nach Statistisches Bundesamt 2008)
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Nettobauvermögen 2003 nach Bauwerke-/Gebäudekategorie (ifo 2005:38)
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lienhäusern beläuft sich auf gut ein Viertel des Nettobauvermögens, weitere rd. 23 Prozent machen Nichtwohngebäude aus. Die Stromgröße „Bauinvestitionen“ erfasst das jährliche Immobilienmarktgeschehen auf der physischen Angebotsseite. Zusammen mit den Ausrüstungsinvestitionen (z. B. Maschinen oder Fahrzeuge) und den sonstigen Anlageinvestitionen (insbesondere Nutztiere und Nutzpflanzungen, immaterielle Anlageinvestitionen) bilden sie die volkswirtschaftlichen Bruttoanlageinvestitionen. Die Bauinvestitionen beliefen sich im Jahr 2007 auf rd. 236 Mrd. Euro und machten damit weit über 50 Prozent der gesamten volkswirtschaftlichen Bruttoinvestitionen aus. Der Beitrag der Immobilienwirtschaft zur volkswirtschaftlichen Gesamtleistung ist erheblich. Die Bruttowertschöpfung des Wirtschaftszweiges „Grundstücks- und Wohnungswesen“ erreichte im Jahr 2005 einen Wert von 242 Mrd. Euro. Der Anteil an der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung lag bei zwölf Prozent. Damit das Grundstücks- und Wohnungswesen die Wirtschaftsabteilung mit der höchsten Bruttowertschöpfung überhaupt. Im Vergleich dazu erzielten volkswirtschaftlich so bedeutende Wirtschaftszweige wie der Maschinenbau eine Bruttowertschöpfung von
Entwicklung der Bauinvestitionen nach Sparten 1991 bis 2007 (eigene Darstellung auf Grundlage eigener Berechnungen nach Statistisches Bundesamt 1999-2008)
Bruttowertschöpfung nach Wirtschaftsbereichen 2005 (Statistisches Bundesamt 2008)
67 Mrd. Euro, der Fahrzeugbau von 74 Mrd. Euro, die chemische Industrie von 47 Mrd. Euro, die Metallindustrie von 61 Mrd. Euro und das Baugewerbe von 80 Mrd. Euro. Nach der Dienstleistungsstatistik erzielten die knapp 186.000 Unternehmen des Grundstücksund Wohnungswesens mit insgesamt 427.000 Beschäftigten im Jahr 2006 einen Umsatz von 111 Mrd. Euro. Die beschriebenen Stromgrößen beziehen sich ausschließlich auf den Wirtschaftszweig „Grundstücks- und Wohnungswesen“, berücksichtigen aber nicht Liefer- und Leistungsströme der Immobilienwirtschaft mit übrigen Wirtschaftszweigen. Erst die Analyse dieser Verflechtungsbeziehungen verdeutlicht die volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft in ihrer Gesamtheit. Unter Berücksichtung der Verflechtungsbeziehungen gehörten im Jahr 2000 rd. 3,6 Mio. Beschäftigte bzw. rd. neun Prozent aller Erwerbstätigen der Immobilienwirtschaft an. Sie waren für die Bereitstellung von Immobiliennutzungen sowie Erweiterung, Instandhaltung und Modernisierung des Immobilienbestandes erforderlich.
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Besonderheiten der Immobilie und des Immobilienmarktes Der Immobilienmarkt unterscheidet sich aufgrund der spezifischen Charakteristika der Immobilie deutlich von anderen Gütermärkten. Zu den besonderen Charakteristika von Immobilien zählen: Immobilität und Standortgebundenheit der Immobilien, Unteilbarkeiten und mangelnde Drittverwendungsmöglichkeiten, insbesondere bei Spezialimmobilien, Dauer des Entwicklungs- und Länge des Lebenszyklus, hohe Investitions- und Transaktionskosten sowie Heterogenität bzw. Einzigartigkeit jeder Immobilie. Die Einzigartigkeit jeder Immobilie und die zumeist hohen erforderlichen Investitionsvolumina und Transaktionskosten beim Immobilienkauf führen zu einer sehr eingeschränkten Fungibilität – die Möglichkeit, eine Geldanlage in eine andere umzuwandeln – von Immobilien im Vergleich zu anderen Kapitalanlagen. So lassen sich Wertpapiere oder Aktien jederzeit an der Börse verkaufen und in eine andere Geldanlage umwandeln. Im-
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mobilien können dagegen aufgrund ihrer Heterogenität und geringen Vergleichbarkeit nicht auf einem zentralen Marktplatz wie die Börse einheitlich gehandelt werden. Ihr Preis bestimmt sich individuell. Die Wertermittlung im Rahmen von individuellen Immobilienbewertungen ersetzt die Preisbildung auf einen zentralen Marktplatz. Diese Form der Wertermittlung schränkt gleichzeitig die Transparenz des Immobilienmarktes stark ein. Die lange Dauer des Entwicklungsprozesses von der Projektidee bis zur Nutzung (und damit bis zum Beginn der Verzinsung des eingesetzten Kapitals) erhöht das ökonomische Risiko von Immobilienprojektentwicklungen. Durch den Timelag reagiert das Immobilienangebot nur sehr träge auf konjunkturelle Nachfrageschwankungen. Die zyklischen Schwankungen von Angebot, Preis und Leerstand insbesondere auf den gewerblichen Immobilienmärkten sind deshalb deutlich ausgeprägter als die Streuung der Nachfrage (▷Zyklen in der Immobilienwirtschaft). Besonderheiten der Immobilienwirtschaft in Deutschland Ein altmodischer Markt Der deutsche Immobilienmarkt – Wohnungen und Büros – war lange Zeit durch etwas altmodische Strukturen gekennzeichnet, wobei altmodisch hier wirklich nur eine zeitlich versetzte Entwicklung meint. Einige Indikatoren mögen dies verdeutlichen: Am Mietwohnungsmarkt herrschten noch sehr viel mehr als in Frankreich oder Großbritannien Verhältnisse aus dem 19. Jahrhundert, d. h. ein großer Teil der Mietwohnungen wurde von privaten Haushalten finanziert und bewirtschaftet. 60 Prozent des Mietwohnungsbestandes sind bis heute in der Hand privater Eigentümer. Große Wohnungsgesellschaften mit Marktbedeutung entstanden erst in den 1920er Jahren als Folge der Inflation und der Finanzierung von Wohnungsinvestitionen durch die Hauszinssteuer und erst recht nach dem Zweiten Weltkrieg, als die großen Sozialwohnungsprogramme zu einem beachtlichen Teil – ausgeprägter in Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Berlin, weniger in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen – durch große Gesellschaften, insbesondere gemeinnützige Gesellschaften, errichtet wurden. Anders als in den meisten europäischen Ländern war die Eigentumsbildung statistisch gesehen schwach. Bis heute bleibt die deutsche Eigentumsquote mit
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44,3 Prozent das Schlusslicht in der EU (EU-25Durchschnitt: 62,7 Prozent, vgl. Eurostat 2007). Weniger als historische, sondern als strukturelle Besonderheit fällt auf, dass in Deutschland der Anteil der Geschosswohnungen am Gesamtwohnungsbestand besonders hoch ist. Einem Prozentsatz in Höhe von 53 Prozent in Deutschland steht ein Prozentsatz von 17 Prozent in England gegenüber (vgl. Statistisches Bundesamt 2008:288, Office for National Statistics 2009) (▷Immobilienfinanzierung). Bei den gewerblichen Immobilien, insbesondere bei Büros, dominierte lange Zeit das selbstgenutzte Bürogebäude. Hier bieten sich verschiedene Erklärungen an, ohne dass die quantitativen Gewichte dieser Erklärungen genau bestimmt werden können. Deutschland ist bis heute das am höchsten industrialisierte Land in Westeuropa. Die Quote des Dienstleistungssektors ist niedrig. In der Industrie dominierten wiederum die mittelständischen Unternehmen. Dort war es Gewohnheit oder auch Ausdruck eines spezifischen Familienstolzes, dass die „Verwaltungsbauten“ zur Eigennutzung auf dem Betriebsgelände errichtet wurden. Diesem Stil folgten die großen Aktiengesellschaften von Daimler bis Siemens. Daimler Benz zog erst in den 1990er Jahren aus der Innenstadt in ein eigenes Managementzentrum an den Stadtrand um. Angesichts einer sehr restriktiven Planung bestand bei allen Industriebetrieben, auch den großen Brauereien, die Tendenz, so früh wie möglich so viel Flächen nahe an den alten Betriebsstätten zu erwerben, um auf Dauer flexibel zu bleiben. Diese Grundstückshortung war wiederum möglich, weil die Grundsteuer anders als in den USA oder in England eine völlig irrelevante Belastung mit sich brachte. Nicht genutzte Flächen wurden in vielen Fällen völlig von der Grundsteuer befreit. In einer späteren Modernisierungsphase führte dies dazu, dass Industriebetriebe vielfach eigene Immobiliengesellschaften gründeten oder Immobilienvermögen aussonderten. In dieser Phase wurde die Professionalisierung der Immobilienwirtschaft gefördert. Deutschland ist anders als Frankreich, Belgien oder Großbritannien nicht durch einen zentralen Büromarkt und durch eine Hauptstadt mit überragender Bedeutung im tertiären Sektor charakterisiert. Der Föderalismus hat dazu geführt, dass München, Düsseldorf, Frankfurt, Köln, Hamburg, Hannover und Berlin jeweils gemessen an internationalen Standards über
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kleine Büromärkte verfügen. Dabei war der Eigennutzeranteil sehr hoch. Die großen Banken und Versicherungen folgten dem Beispiel der Industrie und waren gewohnt, in eigenen Bauten zu residieren, die allerdings in einer späteren Phase oft als geschlossener Immobilienfonds zugunsten der Belegschaft oder anderer Zielgruppen vermarktet wurden. Im Ergebnis konnte sich ein großer kommerzieller Markt, auf dem Bauträger für eine unbekannte Zahl von Marktteilnehmern Büroflächen anbieten, erst spät im Zuge einer fortgeschrittenen Tertiarisierung entwickeln. Im Wohnungssektor dominierten nach dem Rückgang des ▷Sozialen Wohnungsbaus die privaten Kapitalanleger bis in die jüngste Vergangenheit. Dabei spielte eine Rolle, dass bis Ende der 1990er Jahre das Steuerrecht für private Kapitalanleger – das gilt generell für den Immobiliensektor – besonders günstig war. Private Haushalte konnten Immobilien oder Immobilienanteile erwerben und die Verluste, die aus hohen Abschreibungen und hohen Zinsbelastungen entstanden, mit anderen Einkommensarten verrechnen. Haushalte mit Spitzensteuersatz hatten einen besonders hohen Anreiz, Immobilienvermögen zu akkumulieren. Gleichzeitig war der Mietwohnungsmarkt frühzeitig in der Preisbildung weitgehend liberalisiert. Dies erklärt den Unterschied etwa zu Großbritannien, wo die Mietpreisbindung schon in den 1960er Jahren zu einer Flucht der Investoren aus dem Mietwohnungssektor führte und die damaligen Mieter, die „Sitting Tenants“ aus dem Mietwohnungssektor, eine starke Marktposition hatten, um ihre Wohnungen preisgünstig als Eigentümer zu erwerben. Schwache Zyklen Die Zyklen am Immobilienmarkt in Deutschland waren im internationalen Vergleich seit dem Kriege ausgesprochen schwach entwickelt. Es gab einige besonders ausgeprägte Zyklen, so 1972 oder 1980 und später nach der Vereinigung. Diese besonderen Zyklen wurden jedoch jeweils durch eine Kombination von niedrigen Realzinsen und hohen steuerlichen Abschreibungen bzw. neuen Steuersparmodellen ausgelöst. Sie waren angebotsbetrieben. Die „Flucht in das Betongold“ kam weniger durch eine besondere Vorliebe für Immobilien oder durch Inflationsfurcht zustande, sondern durch den Wunsch, Steuern zu sparen. Völlig exzessiv wurde dieses Steuersparmotiv nach der Wiedervereinigung, als in Ostdeutschland Ab-
schreibungserleichterungen von 50 Prozent pro Jahr möglich wurden und eine Art Steuersparrausch mit riesiger Überproduktion entstand. Abgesehen von solchen Sonderfaktoren bleibt v. a. der Markt für Mietwohnungen und Eigentum im Konjunkturzyklus relativ stabil. Hier spielt eine Rolle, dass die Banken anders als in Großbritannien oder Irland die Beleihungswerte nicht mit der Entwicklung der Marktpreise synchronisieren. Sie ermitteln nachhaltig erzielbare Werte, d. h. sie versuchen, die Zyklen in ihrer Bewertung zu glätten. Gleichzeitig ist der Markt dominiert von Festzinshypotheken, d. h. Käufer sind i. d. R. fünf Jahre gegen Zinsschwankungen abgesichert. Daraus entstehen weit weniger Risiken als in den USA, wo der „Open Market Value“ als Beleihungswert gilt und die Kredite mit den Beleihungswerten mitwachsen. Hinzu kommt, dass ein voller Schuldzinsenabzug eine solche aufsteigende Nachfrage zusätzlich anheizt. Während die Rahmenbedingungen in den USA Zyklen verstärken, führen die deutschen Regulierungen und das Finanzierungsverhalten der deutschen Banken zu einer Glättung und Dämpfung der Zyklen. Deutschland ist wegen dieses restriktiven Verhaltens kritisiert worden, weil dadurch nach Meinung angelsächsischer Experten die Expansion der Märkte behindert wurde. Als Indikator wird ständig auf die niedrige Eigentumsquote in Deutschland (43 Prozent) und die hohen Eigentumsquoten in Großbritannien und USA mit 69 Prozent verwiesen. Tatsächlich ist diese Erklärung zu einfach, wenn nicht falsch. Denn es gab in Deutschland anders als in England niemals eine Flucht aus den Mietwohnungsbeständen und den Verkauf von Mietwohnungen, um Vermögensverluste zu vermeiden. Es gab das extrem günstige Steuerrecht, das in Großbritannien für den Investor sehr viel weniger attraktiv ist. Es gab niedrige Steuerbelastungen. Wohnungsvermögen wurde zu einem Medium des Hortens von Vermögen und zur sicheren Anlage über lange Fristen bei gleichzeitig hohen Steuerersparnissen.
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Immobilien und Immobilienmystik Unabhängig von diesen fast schon quantifizierbaren Einflüssen, die zu Besonderheiten am deutschen Immobilienmarkt führten, gab es gespeist aus verschiedenen Quellen eine besondere Wertschätzung, eine besondere Einstellung zu langfristigen Immobilienanlagen und auch einen besonderen Stolz auf Immobilienvermögen, dessen Spiegelbild natürlich ein besonders hohes Prestige in der Gesellschaft war. Immobilieneigentü-
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mer blieben bis in die jüngste Vergangenheit besonders geachtete Bürger. Immobilien wurden zu einer Quelle von besonderem Prestige. Dies hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass die Produktion von Immobilien in Deutschland nicht als ein Gewerbe wie andere verstanden wurde. Bis heute dominieren v. a. im Wohnungsbau kleine und mittlere Handwerksbetriebe. Wohnungen wurden bis in die jüngste Vergangenheit auf der Baustelle individuell gefertigt. Es gab eine starke Qualitätsorientierung. Der einzelne Käufer sah sich als langfristigen Eigentümer. Das Eigenheim, das man sich mit 40 Jahren kaufte, sollte gleichzeitig auch das Haus sein, in dem man bis zum Tode lebte. Auch hier ist wiederum schwer nachvollziehbar, was Ursache und was Wirkung ist. Die handwerkliche Produktion und die Liebe zu hoher Qualität führten zu extrem hohen Kosten. Die restriktive Planung machte Bauland teuer. Die Kommunen zwangen die Investoren, teure Erschließung mitzufinanzieren. Die Folge war, dass sich deutsche Nachfrager Wohneigentum erst im Durchschnitt mit 40 Jahren leisten konnten. Das deutsche Familienheim wurde bezogen, wenn die Kinder schon 14 oder 15 Jahre alt waren oder die Pubertät hinter sich hatten und das Eigenheim gar nicht mehr brauchten. Dann war es über zehn, 20 Jahre ein Ehepaarheim, um schließlich nochmals fast zehn Jahre ein Witwenheim zu sein. Der gesellschaftspolitische Zweck wurde aufgrund dieser perversen Konstellationen weitgehend verfehlt. Analog dazu gab es den besonderen Stolz der Industriebetriebe auf ihre oft sehr repräsentativ gestalteten Verwaltungsgebäude. Nicht selten wohnten die Fabrikeigentümer direkt neben der Fabrik in einer speziellen Villa. Diese besondere Rolle im Bewusstsein der Investoren, die Immobilien errichten, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg regelrecht ideologisch überhöht. Die Zerstörung der Industriebauten und Industrieanlagen, aber auch die Zerstörung von 2,5 Mio. Wohnungen wurde zum Symbol einer Niederlage mit erheblichen Wirkungen für das nationale Selbstbewusstsein. Zwölf Mio. Flüchtlinge mussten in einem geschrumpften Bestand untergebracht werden. Überbelegung und mehrere Haushalte in einer Wohnung waren eine übliche Konsequenz. Vor diesem Hintergrund erhielt das Wirtschaftswunder unabhängig von seiner quantitativen Bedeutung ein Gewicht im Bewusstsein der Menschen, denn es wurde zur Grundlage eines neuen Selbstbewusstseins und einer wiedergewonnenen nationalen Identität und Achtung. Dabei erhielten die Immobilien eine besonders symbolische Bedeutung, denn sie zeigten anders als abstrakte
Produktionsziffern der deutschen Bevölkerung, dass es wieder aufwärts ging. Bauen war mehr als ökonomische Wertschöpfung. Bauen wurde zu einem ständigen Triumph der Selbstbehauptung des Willens voranzukommen. Bauen erhielt eine fast mystische Bedeutung. Produktionsrekorde wurden gefeiert wie der Titel 1954 in der Fußballweltmeisterschaft in der Schweiz. Es hat sich natürlich bis heute verdünnt und ist weitgehend in Vergessenheit geraten. Bauen ist zur Normalität geworden und Immobilien zu Investitionen, die mehr allen anderen Investitionen ähneln als jemals vorher. Das Eigenheim hat im Bewusstsein der Verkäufer aber immer noch eine besondere Bedeutung. Dennoch ist schon lange eine Normalisierung erfolgt. Dies kann man in den Organisationsformen, in den Rechtsformen, in den Finanzierungsformen, auch in den Bauformen und in der Marktorganisation inzwischen deutlich ablesen. Bemerkenswert ist, dass dieses Einschwenken auf europäische und internationale Trends am Immobilienmarkt besonders spät erfolgte. Die deutsche Industrie wurde durch die Erhardsche Liberalisierungspolitik unmittelbar nach dem Kriege gleichsam ins kalte Wasser des internationalen Wettbewerbs geworfen und musste sich innerhalb von Jahren oder wenn nicht sogar innerhalb von Monaten behaupten und hat diesen Wettbewerbsschock gestärkt und sehr robust bis heute besser als andere industrielle Sektoren in Europa überstanden. Der Immobiliensektor brauchte längere Zeit, weil er zum Teil als nationale Sonderkultur weitergepflegt wurde und weil er bis in die 1980er und 1990er Jahre hinein kaum einer internationalen Konkurrenz ausgesetzt wurde. Pfeiffer, Baba
Literatur Eurostat (2007): Europa in Zahlen – Eurostat Jahrbuch 2008. Luxemburg Ifo – Institut für Wirtschaftsforschung e. V. (Hrsg.) (2005): Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft. In: Zeitschrift für Immobilienökonomie, Sonderausgabe Office for National Statistics (2009): Survey of English Housing. Zugriff auf www.statistics.gov.uk/CCI/nscl.asp?ID=7670&RT=128& PG=1 am 16.08.2009 Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (1999-2008): Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland. Ausgaben 1999 bis 2008. Wiesbaden
INFORMELLE PLANUNG IN DER STADT- UND REGIONALPLANUNG
INFORMELLE PLANUNG IN DER STADT- UND REGIONALPLANUNG
Definition und Charakteristika Als begriffliches Pendant zu formeller Planung ist informelle Planung in der Stadt- und Regionalplanung informierend, auf festgelegte Formen verzichtend und als nicht förmlich auch nicht grundsätzlich verbindlich. Trotzdem ist sie nicht als freiwillige Form der Stadt- und Regionalplanung zu verstehen, das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zu formeller Planung besteht darin, dass informelle Planung im Ablauf nicht bzw. nicht in der Genauigkeit geregelt ist wie die formelle Planung, d. h. v. a. die ▷Bauleitplanung nach dem Baugesetzbuch (BauGB). Informelle Planung ist sowohl für die Vorbereitung der formellen Planung als auch darüber hinaus unverzichtbar. Die Annäherung an die Charakteristika informeller Planungsverfahren gelingt am deutlichsten in Gegenüberstellung mit den formellen Verfahren der ▷Stadtplanung. Letztere gehören zum Regelungsbereich des öffentlichen Planungsrechts (▷Bauplanungsrecht). Sie sind geprägt durch festgelegte Verfahrensschritte und Beteiligungsstrukturen. Der Themenkatalog, zu dem planerische Aussagen getroffen werden können und müssen, ist vorgegeben. Zum jeweiligen Planungsraum sind umfassende inhaltliche Aussagen erforderlich. Das Planungsergebnis formeller Verfahren erzeugt eine Bindungswirkung und somit Planungssicherheit, in der vorbereitenden Bauleitplanung (▷Flächennutzungsplanung) für die Gemeinde und in der verbindlichen Bauleitplanung Rechtssicherheit auch für die Bürger. Informelle Planungsverfahren unterliegen nicht vorgegebenen Verfahren des öffentlichen Planungsrechts, so dass sie je nach Anlass, Thema, Akteurskonstellation und räumlicher Situation flexibel ausgestaltet und an die jeweiligen Bedingungen angepasst werden können. Dabei besteht auch die Möglichkeit, während des Planungsprozesses das Verfahren zu überarbeiten und zu korrigieren. Die Regeln informeller Planung hängen von dem jeweils gewählten Verfahren ab, werden möglicherweise im Planverfahren dem jeweiligen Kontext entsprechend festgelegt oder ggf. auch zwischen den beteiligten ▷Akteuren ausgehandelt. Auch wenn informelle Planung grundsätzlich
keine Rechtswirkung entfaltet, so kann sie doch durch Beschluss der entsprechenden Gremien in den Kommunen Verbindlichkeit erlangen, so etwa bei der ▷Abwägung im Rahmen der formellen Planverfahren, wenn Ziele der Planung aus den informellen Planungen übernommen werden. Informelle Planung kann darüber hinaus bei der Umsetzung von Bauleitplänen Entscheidungshilfe für Bauvorhaben sein, sie kann zur Steuerung öffentlicher und privater Investitionen dienen oder den Einsatz von Fördermitteln vorbereiten. Verfahren und Prozesse informeller Planung sind abhängig vom Plantyp, von der Planungsphilosophie der Bauverwaltung und Politik und der Planungskultur in Kommune, Land und Bund. Es gibt eine große Vielfalt an Planungstypen und -verfahren in der informellen Planung. Nach der Form und Intensität des Zusammenwirkens der Akteure lassen sich unterscheiden: Gutachterverfahren, Wettbewerbsverfahren, dialogorientierte Verfahren und Kooperationsverfahren und Planungen, die eben nicht verbindlichen Status erreichen, wie Stadtentwicklungskonzepte, Dorfentwicklungsplanungen, Regionale Entwicklungskonzepte. Diese Verfahren werden in der Regel ebenfalls dialogorientiert durchgeführt. In dialogorientierten Verfahren und Kooperationsverfahren ist der Grad des Zusammenwirkens der Akteure am größten. Hier muss auch nicht unbedingt die öffentliche Hand Auftraggeber oder Initiator sein, es gibt auch Bürgerplanungen, Planungsinitiativen der ▷Zivilgesellschaft und der privaten Wirtschaft. Zu beobachten ist aktuell eine Zunahme solcher Initiativen und ein Bemühen der Fachwelt, diese in ihrer Bedeutung für die Entwicklung der Städte, v. a. der ▷Bestandsentwicklung, weiter als entscheidende Ausprägung von Stadtplanung zu etablieren. In Gutachter- und Wettbewerbsverfahren (▷Wettbewerbe) ist i. d. R. der Grad des Zusammenwirkens eher geringer. Je nach Entscheidung der auftraggebenden Einheit – dies können private Personen oder Unternehmen ebenso sein wie die öffentliche Hand – kann aber die Zusammenarbeit unterschiedlicher Ressorts und Fachgebiete, die Beteiligung von Bürgern oder von ausgewählten Interessenträgern vorgegeben werden (▷Partizipation). Zentrale Elemente informeller Verfahren mit einem hohen Grad des Zusammenwirkens der Akteure sind Verhandlung und Konsens. Die Motivation zur Mitwirkung an informellen Prozessen entsteht aus der Nutzenerwägung der Akteure. So soll im Dialog ein Ausgleich zwischen den als relevant erachteten Akteuren aus Verwaltung und Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft erzielt werden.
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Die Akteurskonstellation wird entsprechend des jeweiligen Kontextes verhandelt. Informelle Verfahren sind v. a. auf der regionalen Planungsebene als Netzwerke organisiert und durch Selbststeuerung geprägt. Allerdings wird auch hier eine Institution benötigt, die den Prozess initiiert und leitet. Durch den kooperativen Ansatz (▷Kooperation) und die frühzeitige Einbindung umsetzungsrelevanter Akteure sind informelle Verfahren häufig geprägt durch die Parallelität von Planung und Umsetzung. So wird mit informellen Verfahren die spätere Realisierung des Planungsergebnisses vorbereitet. Prioritäten und Umsetzungsfristen können vorgesehen werden und dazu beitragen, den formellen Planungsprozess zu qualifizieren und zu verkürzen. Die Verhandlungsergebnisse entfalten keine formelle Verbindlichkeit. Vielmehr wird mit informellen Verfahren auf die Überzeugungswirkung und die Veränderung in den Köpfen der Beteiligten gesetzt. Es gilt das Prinzip der Selbstbindung der beteiligten Akteure (Selle 1994, Priebs 1998). Vorteile und Nachteile informeller Planungsverfahren Wenn als Aufgabe informeller Planung die Vorbereitung formeller Planungen und die Unterstützung von Entscheidungen für die Umsetzung gesehen wird und dabei Ziel ist, die Verfahren im Konsens zu gestalten und damit in der Entwicklung weniger störanfällig zu machen, so können bezogen auf diese Aufgabe und dieses Ziel Vor- und Nachteile von informeller Planung aufgezeigt werden. Die Vorteile informeller Verfahren liegen in großer Flexibilität in Bezug auf die Wahl des Verfahrens, des Aufwands, der Ergebnisdarstellung und -präsentation und damit auch in der Möglichkeit, die Planungsabläufe und -inhalte situationsgerecht zu gestalten. Auf konkrete planerische Herausforderungen und Problemlagen kann reagiert werden, ohne umfassende Aussagen zu allen planungsrelevanten Themenkomplexen treffen zu müssen. Wenn in informellen Verfahren Planungsaussagen im Dialog mit zentralen Akteuren erarbeitet werden, erhöht sich damit die Wahrscheinlichkeit der späteren Umsetzung der Planungsergebnisse. Eine Sicherheit dafür gibt es allerdings nicht. Hier ist insbesondere die Politik im Dilemma, Entscheidungen in informellen Verfahren mitgestaltend vorbereiten zu können, verbindliche Entscheidungen aber in politischen Gremien treffen zu wollen und zu müssen und dabei mitunter einer anderen Logik, der des politischen Handelns, zu folgen als im informellen Planungs-
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prozess. So kommt es immer wieder vor, dass politische Akteure in weiten Strecken Ergebnisse miterarbeiten, sich bei der politischen Entscheidung aber enthalten oder gar Gegenstimmen abgeben. Es kommt aber genauso vor, dass gerade in informellen Planungsverfahren die unterschiedlichen, möglicherweise verhärteten Positionen in der Politik aufgebrochen werden können und ein Konsens erzielt wird, der dann tatsächlich auch in der Entscheidungsfindung mitgetragen wird. Die Nachteile informeller Verfahren liegen in ihrer Abhängigkeit von der formellen Umsetzung einerseits, besonders in den wenig zusammenarbeitsintensiven Verfahren, und in der Abhängigkeit von der Mitwirkungsbereitschaft zentraler Akteure und deren Interesse an einer gemeinsamen Lösungsfindung in den dialogintensiven Verfahren andererseits. So ist Kritik von Kommunen geäußert worden, die nach erfolgreichem Abschluss von Wettbewerbsverfahren bei der Umsetzung in formelle Planung Zeit verlieren und möglicherweise umfassende Änderungen am Wettbewerbsergebnis in Kauf nehmen. Hier wurde bereits vorgeschlagen, Wettbewerbsergebnissen, insbesondere wenn die Wettbewerbe nach den Grundsätzen und Richtlinien für Wettbewerbe auf den Gebieten der Raumplanung, des Städtebaus und des Bauwesens durchgeführt werden, also einem vereinbarten Regelwerk unterliegen, einen verbindlichen Status zu geben. Das würde erfordern, die Schnittstelle zwischen informeller und formeller Planung genau zu definieren. Da die formelle Planung grundsätzlich Beteiligung und Abwägung vorsieht, wären zumindest diese Planungsteile in das informelle Verfahren zu integrieren. Das ist grundsätzlich vorstellbar, aber bislang nicht umgesetzt. Bei informeller Stadtplanung mit hohem Dialoganteil kann infolge vielfältiger Interessenlagen eine hohe Unsicherheit bezüglich des Planungserfolges entstehen. In harten Konfliktfällen sind deshalb informelle Verfahren, die über den Dialog hinaus auch die Mediation einbeziehen, das Mittel der Wahl, um rechtliche Auseinandersetzungen möglichst zu vermeiden. In diesen Fällen werden häufig Kompromisse in Kauf genommen, um die Fortführung des Verfahrens nicht zu gefährden. Die Gefahr dieser kooperativen Verfahren liegt weiterhin in ihrer Selektivität und Exklusivität. Es kann zu Vorentscheider-Strukturen kommen, die Planungsentscheidungen bereits so konkret vorbereiten, dass eventuell nachfolgende formelle Verfahren die bereits informell getroffenen Entscheidungen nur noch bestätigen können und eine tatsächliche Verfahrensoffenheit nicht mehr gegeben ist.
INFORMELLE PLANUNG IN DER STADT- UND REGIONALPLANUNG
Die Planungspraxis ist geprägt von einer Parallelität formeller und informeller Planungsverfahren. Informelle Ansätze werden sowohl als eigenständige Verfahren als auch zur Vorbereitung formeller Planungsverfahren durchgeführt. Gerade im Vorfeld rechtsverbindlicher Verfahren können mit informellen, kooperativen Prozessen mögliche Konflikte beseitigt oder ausgeglichen werden. Formelle und informelle Ansätze greifen im Planungsverfahren ineinander, so dass die in der Theorie mögliche Unterscheidung der Planungsarten in der Planungspraxis nicht immer eindeutig vorzunehmen ist. Unstrittig ist, dass nicht von einer Überlegenheit informeller Verfahren ausgegangen werden kann, sondern dass vielmehr beide Verfahrensarten ergänzend angewandt werden müssen, um die jeweiligen Vor- und Nachteile auszugleichen. Auch das öffentliche Planungsrecht sieht die Verknüpfung der Planungsarten und die Anerkennung informeller Planungsverfahren vor. So sind die Ergebnisse informeller Verfahren Bestandteil der Abwägung zur Aufstellung von Bauleitplänen, wenn der Gemeinderat die Pläne beschlossen oder zustimmend zur Kenntnis genommen hat (§ 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB). Auch in der Regionalplanung werden informelle und kooperative Verfahren, die die Verwirklichung der Raumordnungspläne unterstützen, explizit unterstützt (§ 13 Raumordnungsgesetz). Kontext des Bedeutungsgewinns informeller Planungen Informelle Planungsansätze haben spätestens seit Beginn der 1990er Jahre in der Planungsliteratur und -praxis an Bedeutung gewonnen. Ausschlaggebend war die Kritik an der die räumliche Planung prägenden Erarbeitung von Plänen und Programmen in formellen Verfahren. Die Kritik ist als Teil der Deregulierungsdebatte zu verstehen, in der die raumbezogene Planung als langwierig, reaktiv-verwaltend und zu wenig flexibel kritisiert wird. Im Ergebnis wurde allerdings nicht der Ersatz sondern die Erweiterung des Planungsinstrumentariums im Sinne eines Ausgleichs der Nachteile formeller Verfahren durch informelle Ansätze gefordert (Selle 1994). Ausdruck und Folge dieser Kritik ist ein „Wandel der Planungskultur“, durch den der eigentliche Planungsprozess gegenüber dem am Ende stehenden Ergebnis an Bedeutung gewinnt. Ein stärker prozessuales und kooperatives Planungsverständnis wurde geprägt, das z. B. im Raumordnungspolitischen Orientierungsrahmen der ▷Bundesraumordnung von 1992 zum
Ausdruck kommt. Gefordert wird dort, dass formelle Instrumente durch informelle flankiert werden sollen, damit insbesondere regionale Entwicklungskonzepte umgesetzt werden. Der möglichst breite Einfluss der Öffentlichkeit, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft wird hier betont. Mit dem veränderten Planungsverständnis wird das Ziel verfolgt, die Entwicklung des Raumes in Einklang mit den Handlungsmöglichkeiten und Absichten der als wichtig erachteten Akteure zu konzipieren, um auf diese Weise die spätere Umsetzung der Planungsergebnisse zu gewährleisten. Die Planungsinstitutionen werden verstärkt zu Initiatoren, Moderatoren und Managern von konkreten Entwicklungsprozessen (Knieling/Fürst/ Danielzyk 2003). Auch vor dem Hintergrund von Schrumpfungsbedingungen gewinnt die stärkere Verknüpfung von Planung und Umsetzung an Bedeutung. Damit verbunden ist die besondere Gewichtung der Akteurskonstellationen in informellen Verfahren, die die Frage nach Inklusion und Exklusion in Planungsprozessen aufwirft. Die Diskussion über informelle Verfahren der Planung ist insofern intensiv mit dem Kontext der Governance-Debatte (▷Government und Governance) verknüpft. Vor diesem Hintergrund verändert sich auch die Rolle der planenden Disziplinen und somit die Ansprüche, die an professionell planende Akteure gestellt werden. Neben fachlichen Qualifikationen sind Fähigkeiten in der Moderation und der strategischen Verfahrensgestaltung unabdingbar (▷Ausbildung zur Planung).
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Informelle Verfahren in den räumlichen Planungsebenen Der beschriebene Wandel des Planungsverständnisses hat auf allen planerischen Maßstabsebenen Auswirkungen entfaltet, so dass sowohl in der Landes- und Regionalplanung (▷Raumordnung und Landesplanung) als auch in der Stadtund Stadtteilplanung formelle Planungsverfahren durch informelle ergänzt wurden. Mit besonderer Intensität wurden informelle Verfahren im regionalen Planungskontext diskutiert (Knieling/Fürst/Danielcyk 2003). Dies geht mit der Aufwertung der Region als Umsetzungsebene räumlicher Planung einher (▷Stadt- und Regionalmanagement), die insbesondere im Raumordnungspolitischen Handlungsrahmen der Bundesraumordnung (1995) gefordert wurde. Die regionale Ebene ist weiterhin aufgrund ihrer schwachen Institutionalisierung stärker als die kommunale Planung auf kooperatives Ver-
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waltungshandeln unterschiedlicher Kommunen und themenspezifische Netzwerke der Problembearbeitung angewiesen (Knieling/Fürst/Danielcyk 2003). Auf der kommunalen Ebene hingegen sind die Regelungshierarchien durch die Hoheit der kommunalen Planung klarer definiert. Dort werden dialogorientierte, informelle Verfahren häufig als Vorbereitung formeller Verfahren genutzt, um die Ausrichtung der Planung auf breiter Basis zu diskutieren. Auch Wettbewerbsverfahren zur Auslotung innovativer Nutzungs- und Gestaltungsideen finden als informelle Verfahren Anwendung als Vorbereitung der Bauleitplanung. Ein wichtiges Instrument informeller Planung auf der kommunalen Ebene ist die Erarbeitung von Stadtentwicklungskonzepten (▷Stadtentwicklungsplanung), mit denen die stadtspezifische Entwicklungsstrategie und ein Konzept zu ihrer Umsetzung entwickelt werden. Stadtentwicklungskonzepte sind nicht formalisiert und hinsichtlich des Verfahrens und der inhaltlichen Ausrichtung frei von der jeweiligen Kommune auszugestalten. Der klassische planerische Raumbezug wird ergänzt durch die vielfältigen, nicht-räumlichen Bezüge der Stadtentwicklung. Gerade vor dem Hintergrund knapper werdender Ressourcen müssen öffentliche Akteure ressortübergreifend und querschnittsorientiert handeln. Deshalb ist die Erarbeitung von Stadtentwicklungskonzepten stark auf einen Dialogprozess in der kommunalen Verwaltung und Politik ausgerichtet. Im Mittelpunkt steht der lokale Diskussionsprozess, in dem Richtungen und Ziele erörtert und Maßnahmen nach Dringlichkeit und Priorität abgeleitet werden. Stadtentwicklungskonzepte übernehmen damit Zusatzfunktionen, die durch die Flächennutzungsplanung nicht umfasst werden. Sie dienen der Entscheidungsvorbereitung und Konsensbildung in Politik und Verwaltung sowie als Koordinierungsinstrument mit weiteren Akteuren aus Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft. Vielfach werden sie in kommunikativen Verfahren wie Planungswerkstätten erarbeitet (Berding 2006). Die Planungsverfahren zur Erarbeitung dieser Stadtentwicklungskonzepte sind informelle Verfahren, die Inhalte frei bestimmbar. In der Kritik an der Erarbeitung von Stadtentwicklungskonzepten der 1970er und 1980er Jahre hat sich in den 1990er Jahren eine neue Generation von Stadtentwicklungskonzepten herausgebildet, die seitdem verfeinert und immer weiter strategisch ausgerichtet worden ist. Informelle Planung ist hier zum Träger strategischer Planung geworden,
die auf Schwerpunkte statt auf Vollständigkeit setzt, damit überschaubare Zeiträume für die Bearbeitung generiert und i. d. R. noch Handlungsspielräume einschließt. Als „Philosophie“ für die Flächennutzungsplanung hat die Stadtentwicklungsplanung großes Gewicht, als rahmengebende informelle Planung für nachfolgende weitere Planungen ist sie für die Steuerung von Stadtentwicklung nicht nur geeignet, sie ist eigentlich unverzichtbar, zumal sie i.d. R. als dialogorientiertes Verfahren abläuft. Stadtentwicklungsplanung kann auch den Rahmen für teilräumliche informelle Planungen vorgeben, diese können allerdings auch ohne diesen übergeordneten Rahmen stattfinden. Teilräumliche informelle Planung findet unterhalb der Ebene Gesamtstadt in den Stadtteilen oder Bezirken statt. Dies gilt v. a. für Groß- und Mittelstädte. Der Ortsbezug ist hier genauer, die Aussageschärfe präziser als auf der gesamtstädtischen Ebene. Bereichs- oder Bezirksentwicklungsplanung ist in einigen Großstädten das Mittel der Wahl, um Entwicklungsperspektiven für einzelne Stadtteile zu erarbeiten. Hier spielt v. a. die Entwicklung von Innenstadt- bzw. Zentrenplanungen eine Rolle. Diese finden i. d. R. als informelle dialogorientierte Planungsverfahren statt und betreffen nicht nur das Stadtzentrum sondern die lokalen Zentren einzelner Stadtteile. Die aktuellen Verfahren der Entwicklung „Aktiver Stadt- und Ortsteilzentren“ sind auf Kooperation privater und öffentlicher Akteure angelegt und als strategische Planung ist ihr Ziel, in Schwerpunkten Umsetzungen zu erzielen, die von der öffentlichen Hand ebenso getragen werden wie von privaten Investoren (▷Public Private Partnership). Informelle Planungsverfahren sind hier unverzichtbar, um die Zielrichtung, die Schwerpunkte und Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen und in einem Aushandlungsprozess zu vereinbaren. Auch unterhalb der Ebene der Stadtteilplanung hat informelle Planung erhebliche Bedeutung, sie kann einzelne Quartiere umfassen und sich auch auf ausgewählte kleine Einheiten, etwa Blöcke oder Straßenzüge beziehen. Sie ist i. d. R. Frage- oder Problem-geleitet und findet dort statt, wo ein Handlungsbedarf erkannt wurde. Dieser kann aus einer übergeordneten informellen Planung abgeleitet sein, kann aber genauso durch Akteure vor Ort thematisiert werden. Rahmenplanungen legen hier in unterschiedlich genauen Maßstäben die Entwicklungsrichtung fest, werden als informelle Planung erarbeitet. Das kann, muss aber nicht in dialogorientierten Verfahren erfolgen. Je genauer die Planungsebene ist, um-
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so präziser werden auch die Ansprüche einzelner Akteure. In dialogorientierten Verfahren gewinnt deshalb bei der informellen Planung zunehmend an Gewicht, dass keine Erwartungen durch die Gestaltung des Prozesses geweckt werden, für die anschließend keine Umsetzungsmöglichkeiten vorhanden sind. Im ▷Stadtumbau hat die informelle Planung in den vergangenen Jahren gezeigt, wie sie ineinandergreifen und zur Vorbereitung notwendiger Maßnahmen führen kann. Integrierte Stadtentwicklungskonzepte sind nach BauGB die Grundlage für ein Stadtumbaukonzept, in dem nach den derzeit aktiven Förderprogrammen Rückbau und Aufwertung in den Stadtteilen durchgeführt und mit öffentlichen finanziellen Unterstützungen gefördert werden kann. Hier ist die Notwendigkeit informeller Planung zur Steuerung der Entwicklung sehr deutlich geworden. In der Stadterneuerung allgemein haben Rahmenpläne sich in zahlreichen Sanierungsverfahren als Grundlage für die Umsetzung von Maßnahmen und die Aufstellung von Bauleitplänen als Mittel der Wahl erwiesen. Sanierungsverfahren fordern bislang nicht die Einbindung in ein gesamtstädtisches informelles Konzept, unter dem Blickwinkel der Entwicklung des Bestandes der Städte wäre dies aber durchaus sinnvoll. Unabhängig von den räumlichen Ebenen finden in der informellen Planung kommunikative Instrumente wie Perspektiven- und Zukunftswerkstätten, Planungszellen sowie Moderationsund Mediationsverfahren Anwendung (▷Kommunikation und Moderation). Beispiele informeller Planung auf regionaler und kommunaler Ebene Ein viel diskutiertes Beispiel informeller Planung auf der regionalen Ebene ist die IBA Emscher Park (1989-1999), mit der der Strukturwandel der Emscherregion begleitet wurde. Diese ▷internationale Bauausstellung hat unter dem Stichwort „Planung durch Projekte“ intensiv den planungstheoretischen Diskurs des perspektivischen Inkrementalismus und insofern auch den informeller, regionaler Planungsansätze geprägt (▷Planungstheorie). Mit dem Format der „Regionalen“ werden die innovativen Ansätze der IBA Emscher Park weiterentwickelt und auf die übrigen Landesteile Nordrhein-Westfalens übertragen. Seit dem Jahr 2000 können sich die Städte und Gemeinden im regionalen Verbund unabhängig von der Einteilung in Planungsregionen für die Durchführung einer „Regionale“ bewerben. Diese regionalen Ver-
bünde erarbeiten eigene Profile und Strategien, die durch qualitativ hochwertige Projekte verdeutlicht und umgesetzt werden. Ein weiteres Beispiel innovativer informeller Regionalplanung ist die „Städteregion Ruhr 2030“, die sich im Rahmen des Forschungsvorhabens „Stadt 2030“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gebildet hat. Dabei haben sich zehn der größten Ruhrgebietsstädte unter der Devise „Kooperation und Eigensinn“ zusammengefunden. Zugrunde liegt die Überzeugung, dass eine Kooperation nur fruchtbar sein kann, wenn die einzelnen Städte daraus einen Nutzen ziehen können. Die Städteregion ist als Netzstruktur mit einer Geschäftsstelle organisiert. Sie beschäftigt sich mit selbst gewählten Themenbereichen, bei denen jede Stadt einzeln entscheiden kann, zu welchen der Themenfelder sie mitarbeiten und kooperieren möchte. Im Regionalen Flächennutzungsplan, der von einigen Städten der Städteregion entworfen wurde, mündete die bisher informelle Vorgehensweise in einem formellen Verfahren. Auf kommunaler Ebene hat das räumliche ▷Leitbild von Hamburg (2006) Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Unter dem Motto „▷Metropole Hamburg – Wachsende Stadt“ richtet sich die Hansestadt entgegen der allgemeinen Schrumpfungsdebatte auf ein qualitatives Wachstum im Bereich der Einwohnerzahl, der Wirtschafts- und Beschäftigungsstruktur sowie der Lebensqualität aus. Neben der Einbindung der Verwaltungsressorts war auch die Öffentlichkeit aufgefordert, an dem Leitbildprozess mit Ideen mitzuwirken. Das Münchner Stadtentwicklungskonzept aus den 1990er Jahren „kompakt, urban, grün“ ist in zahlreichen örtlichen Planverfahren Grundlage für teilräumliche informelle Planung geworden. Seine Gültigkeit wurde nach etwa zehn Jahren (2006/07) im Rahmen einer Evaluation überprüft. Die ▷Evaluation von Stadtteilkonzepten oder gesamtstädtischen Konzepten ist noch Neuland und bedeutet die Überprüfung informeller Planung auf ihren Realitätsgehalt und ihre Umsetzung hin. München hat mit der Evaluation der Entwicklung von München-Riem zur Halbzeit der Entwicklung bereits einen ersten Aufschlag gemacht, mit der Evaluation des Stadtentwicklungskonzeptes legt die Stadt einen Ansatz zur Bewertung informeller Planungsinstrumente vor, der für die Weiterentwicklung informeller Planung sicherlich hohe Bedeutung haben wird. Ein Beispiel für die Verknüpfung formeller und informeller Planungsansätze auf kommunaler Ebene ist das Flächennutzungsplanverfahren in
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der nordrhein-westfälischen Stadt Schwerte, das mit dem Nachhaltigkeitspreis des Bundeslandes ausgezeichnet wurde (▷Nachhaltige Stadtentwicklung). Im Rahmen der Neuaufstellung des Flächennutzungsplanes wurden stadtweite Diskurse über die Stadtentwicklung angestoßen, auf deren Basis der Flächennutzungsplan vorbereitet wurde. Durch die Auflockerung des formellen Planungsablaufs war ein kooperatives und akteursoffenes Planungsverfahren möglich, das weit über das festgelegte Maß an Bürgerbeteiligung hinausging. Weiterhin konnten Aussagen über räumliche Qualitäten, Entwicklungsschwerpunkte und zeitliche Prioritäten getätigt werden, die im Rahmen der formellen Flächennutzungsplanung nicht möglich waren. Kern des Verfahrens waren öffentliche Planungswerkstätten in den einzelnen Ortsteilen, in denen Qualitäten, Probleme und Potenziale und anschließend Ziele, Leitbilder und Maßnahmen für die jeweiligen Planungsräume formuliert wurden. Aus den Ergebnissen der Planungswerkstätten wurde von Kommunalpolitikern, Verwaltung und Planungsbüros ein Flächennutzungsplankonzept abgeleitet. Der so entstandene Entwurf zum Flächennutzungsplan wurde im Rahmen der frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit erneut zur Diskussion gestellt (Nadrowski/Wachten 2006). Gesamtstädtische, aber thematisch eingegrenzte Verfahren dienen ebenfalls der Vorbereitung informeller Pläne und formeller Handlungsmöglichkeiten. Das Beispiel der Stadt Münster zeigt die Verknüpfung von Moderationsverfahren und informeller Planung. Hier werden seit einigen Jahren im Arbeitskreis ▷Wohnen unter Beteiligung von Akteuren der Wohnungswirtschaft, der Mietervertretung, der Politik und Verwaltung sowie der Wissenschaft, extern moderiert, die strategischen Entwicklungsleitlinien für die Wohnstandortentwicklung in der gesamten Stadt aber auch in einzelnen Ortsteilen diskutiert, und in einem „Bündnis für Wohnen“ Ziele und Leitlinien dafür vereinbart. Die Ergebnisse werden der Münsteraner Öffentlichkeit online zur Verfügung gestellt. Pahl-Weber
Literatur ARL – Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.) (2002): Informelle räumliche Planungm, Stand der aktuellen Forschung und Forschungsbedarf. Hannover Berding, U. (2006): Große Pläne für große Aufgaben? Ein Blick auf aktuelle Stadtentwicklungskonzepte. In: Selle, K. (Hrsg.): Praxis der Stadt- und Regionalentwicklung. Analysen. Erfahrungen. Folgerungen. Planung neu denken, Bd. 2. Dortmund, 164-176 BMBau – Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Hrsg.) (1993): Raumordnungspolitischer Orientierungsrahmen. Bonn
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Danielzyk, R. (2005): Informelle Planung. In: Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.): Handwörterbuch der Raumordnung. Hannover, 465-469 Knieling, J.; Fürst, D.; Danielzyk, R. (2003): Kooperative Handlungsformen in der Regionalplanung, Zur Praxis der Regionalplanung in Deutschland. Dortmund Nadrowski, S.; Wachten, K. (2006): Pläne und Prozesse – Planungskultureller Wandel. In: Selle, K. (Hrsg.): Praxis der Stadt- und Regionalentwicklung. Analysen. Erfahrungen. Folgerungen. Planung neu denken, Bd. 2. Dortmund, 453-464 Priebs, A. (1998): Instrumente der Planung und Umsetzung. In: ARL (Hrsg.): Methoden und Instrumente räumlicher Planung. Hannover, 205-221 Selle, K. (1994): Was ist bloß mit der Planung los? Erkundungen auf dem Weg zum kooperativen Handeln. Dortmund
INFORMELLE SIEDLUNGEN Begriffsbestimmung Der Begriff informell wurde bereits in den 1970er Jahren in einem Diskurs über die Wirtschaft in Entwicklungsländern geprägt. Er wurde zunächst von Hart (1973) in einer Studie über Ghana eingeführt und danach in einer Reihe von Studien des International Labour Office (ILO), einer Unterorganisation der Vereinten Nationen, aufgegriffen. In der Folge etablierte sich der Begriff „informeller Sektor“ der Wirtschaft in der entwicklungspolitischen Diskussion der 1980er und 1990er Jahre (vgl. Herrle 1982 und 1990). Die Dichotomie formell vs. informell löste früher gebräuchliche Begriffspaare ab, so z. B. die Unterscheidung modern vs. traditionell (Weeks 1975), kapitalistisches vs. bäuerliches Produktionssystem (McGee 1971) oder Firmenökonomie vs. Basarökonomie (Geertz 1963). Grundlegendes Merkmal des Begriffs der Informalität war, dass er die Transformation vorkolonialer Strukturen anerkannte, die z. T. modernisiert wurden, ohne dass sie Teil der formalisierten Austauschbeziehungen der modernen wirtschaftlichen Systeme wurden. Diese informellen Systeme boten Arbeit und Einkommensmöglichkeiten auch für arme Stadtbewohner ohne formelle Verträge und ohne soziale Absicherung. Als starres duales Schema wurde das Konzept bald aufgegeben. Mit der These des Kontinuums formell-informell wurde auf die starke Vernetzung mit formellen Betrieben der Wirtschaft reagiert (McGee 1996). Santos beschrieb als erster die gegenseitige Abhängigkeit informeller und formeller Bereiche der Wirtschaft (Santos 1979). Unter dem Eindruck sich ausbreitender städtischer Armut konzentriert sich die neuere Forschung auf die Frage der Einkommensbeschaffung und
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Wirtschaftsformen der Überlebensstrategien der städtische Armen („urban livelihoods“) (Rakodi/ Lloyd-Jones 2002, Zetter/Hamza 2004). Der Begriff legt eine Kongruenz mit informellen, d. h. illegalen, nicht autorisierten Siedlungsstrukturen nahe, die allerdings nur teilweise zutrifft: Nicht alle Bewohner dieser Siedlungen arbeiten in informellen Wirtschaftsformen, und nicht alle Beschäftigten in informellen Betrieben leben in „informellen“ Siedlungen. Die Informalität dieser Siedlungen kann folgende Aspekte umfassen: eine Verletzung der Bauvorschriften, das Bauen ohne Baugenehmigung, die Verletzung von Planungsrecht und geplanten Flächennutzungen und die illegale Besetzung von privatem und öffentlichem Land. In weiterem Sinne wird darunter eine Siedlungsentwicklung verstanden, deren „Regeln“ und Funktionsmechanismen „außerhalb“ der offiziellen Planungs- und Implementierungsstrategien liegen – aber gleichwohl mit ihnen verknüpft sind. Insbesondere das Kriterium der illegalen Besetzung von Land hat sich als entscheidendes Hindernis für eine Verbesserung der Wohn- und Lebensverhältnisse in vielen Städten des Südens erwiesen (▷Megastädte). Einer der Ersten, die das Konzept – ohne den Begriff informell explizit zu verwenden – im Bereich der Wohnungsversorgung der städtischen Armen entdeckten, war John Turner, der mit seinem berühmten Aufsatz „Housing as a Verb“ (Turner 1972) bekannt wurde und mit den darauffolgenden Publikationen die Debatte auf der ersten UN-Habitat-Konferenz in Vancouver 1976 maßgeblich prägte. Er lenkte den Blick auf die Potenziale der Selbsthilfe und Selbstorganisation armer Stadtbewohner bei der Beschaffung von Wohnraum. Auch Perlman argumentierte in ihrem berühmten Buch „The Myth of Marginality“ (Perlman 1976) gegen den Mythos des Chaos und der Ungeplantheit in den informellen Wohngebieten der Armen in Rio de Janeiro. In den 1990er Jahren wurde der Begriff informelle Siedlungen von Planern, Architekten und Housing-Experten allgemein aufgegriffen – interessanterweise parallel zum nachlassenden Interesse der Wirtschaftswissenschaften an diesem Thema. Die bis heute gebräuchliche Bezeichnung informelle Siedlungen verdrängte nicht zuletzt wegen ihrer Neutralität bis dahin verwendete Bezeichnungen wie ungeplant, irregulär, illegal, oder auch Spontansiedlungen (Oestereich 1980). Diese
erwiesen sich als wertgeladen oder z. T. auch als euphemistisch. Auch informelle Siedlungen entstehen in den wenigsten Fällen spontan, sondern i. d. R. geplant, häufig in Absprache oder mit Duldung der Stadtverwaltungen. Häufig sind sie von Familien mit niedrigen Einkommen bewohnt, die aufgrund ihrer niedrigen und unregelmäßigen Einkommen keinen Zugang zu den formellen Angeboten der Privatwirtschaft oder des ▷sozialen Wohnungsbaus haben. In vielen Ländern entstehen auch informelle Siedlungen für die Mittelschicht, indem Agrarland illegal aufgekauft, parzelliert und (teilweise legal) in der Form von Bauparzellen weiterverkauft wird. Das grundlegende Problem der meisten informellen Siedlungen ist die fehlende oder erst in einem späteren Stadium der Konsolidierung eingebrachte Basisinfrastruktur, wie Wasser, Abwasser und Drainage (▷Daseinsvorsorge). Die Folge sind extrem schlechte Lebensbedingungen mit hoher Kindersterblichkeit. Häufig müssen die Bewohner informeller Siedlungen Wasser für ein Vielfaches des regulären Preises von Tankwagen kaufen. Ein wichtiger Grund für die mangelnde Investitionsbereitschaft ist die fehlende rechtliche Sicherheit der Siedlungen. Sie hindert sowohl die öffentliche Hand als auch die Bewohner selber, notwendige Investitionen in Infrastruktur und die Häuser vorzunehmen. Alte informelle Siedlungen befinden sich oft in verkehrstechnisch bevorzugten innerstädtischen Lagen, um die Kosten für den Transport zum Arbeitsplatz zu verringern. Diese Lagen sind aber aufgrund ihrer hohen Bodenpreise auch für Investoren von Interesse. Schon aufgrund der niedrigen Dichte informeller Siedlungen besteht häufig kaum ein Interesse an ihrer Sanierung und Integration. Die Wichtigkeit der Bodenfrage war Anlass für eine Reihe von Studien über neue Formen des Bodenmanagements, die für die Entwicklung flexibler Formen des Eigentums plädierten und damit auch den Bedürfnissen der Armen Rechnung tragen (z. B. Payne 1999 und 2002, Durand-Lasserve/Royston 2002). Die Debatte über Informalität im Kontext von Stadtentwicklung hat sich heute verbreitert (▷Raumplanung im internationalen Kontext). Viele Wissenschaftler erkennen an, dass Informalität eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung nachhaltiger Städte spielen kann (▷Nachhaltige Stadtentwicklung). Selbst in stark zentralisierten Ländern mit durchregulierten Planungssystemen wie z. B. China hat sich Informalität in der Sieldungsentwicklung als wichtiger Faktor des wirtschaftlichen Wachstums erwiesen (Herrle u. a. 2008). Hinzu kommt, dass Aspekte der Informali-
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tät in einer zunehmend weiteren Debatte enthalten sind – auch wenn der Begriff nicht explizit verwendet wird. So wird z. B. das subtile Verhältnis zwischen staatlichen Organisationen und der ▷Zivilgesellschaft thematisiert und im Zusammenhang mit der Wohnungsversorgung von Slumbewohnern diskutiert (Van Dijk/Noordhoek/Wegelin 2002, Mitlin/Satterthwaite 2004). Dabei werden auch Fragen der Planung und ihrer Legitimität aufgeworfen (Goethert/Hamdi 1997), die eine neue Dimension in die Diskussion über informelle Aspekte in der Stadtentwicklung, Planung und lokalen Governance einbringen (▷Government und Governance). AlSayyad (2001) diagnostiziert eine „hybride Urbanität“, in der auch Informalität, verflochten mit institutionellen, ökonomischen und sozialen Strukturen, ihren Platz findet. Herrle
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AlSayyad, N. (Hrsg.) (2001): Hybrid Urbanism, On the Identity Discourses and the Built Environment. London Durand-Lasserve, A.; Royston, L. (2002): Holding their Ground, Secure Land Tenure for the Urban Poor in Developing Countries. London Geertz, C. (1963): Peddlers and Princes: Social Change and Economic Modernization in two Indonesian Towns. Chicago Goethert, R.; Hamdi, N. (1997): Action Planning in Cities: A Guide to Community Practice. New York Hart, K. (1973): Informal Opportunities and Urban employment in Ghana. In: Journal of Modern African Studies, 1, 61-89 Herrle, P. (1990): Die Stadt in der Dritten Welt. In: Zeller, P. (Hrsg.): Stadt der Zukunft. Zürcher Hochschulforum Band 17, 225-244 Herrle, P. (1982): The Informal Sector: Survival Economy in Third World Metropolitan Cities. In: IECONOMICS. A Biannual Collection of Recent German Contributions to the Field of Economic Science, 26, 109-126 Herrle, P. u. a. (2008): Wie Bauern die mega-urbane Landschaft prägen: Zur Rolle der Urban Villages bei der Entwicklung des Pearl River Delta. In: Geographische Rundschau, 11, 38-46 McGee, T. (1996): On the Utility of Dualism: The Informal Sector and Mega Urbanization in Developing Countries. In: Regional Development Dialogue, 1, 1-15 McGee, T. (1971): Catalysts or Cancers? The role of Cities in the Asian Society. In: Jacobsen L.; Prakash, V. (Hrsg.): Urbanization and National Development. Beverly Hills, 157-182 Mitlin, D.; Satterthwaite, D. (2004): Empowering Squatter Citizen: Local Government, Civil Society and the Urban Poverty Reduction. London Oestereich, J. (1980): Elendsquartiere und Wachstumspole, Beiträge zur räumlichen Entwicklung in der Dritten Welt. Köln Payne, G. (Hrsg.) (2002): Land, Rights and Innovation, Improving Tenure Security for the Urban Poor. London Payne, G. (Hrsg.) (1999): Making Common Ground, Public-Private Partnerships in Land for Housing. London Perlman, J. (1976): The Myth of Marginality: Urban Poverty and Politics in Rio de Janeiro. Berkeley Rakodi, C.; Lloyd-Jones, T. (Hrsg.) (2002): Urban Livelihoods: A People-centered Approach to Reducing Poverty. London Santos, M. (1979): The Shared Space, The Two Circuits of the Urban Economy in Underdeveloped Countries. London Turner, J. F. C. (1972): Housing as a Verb. In: Turner, J. F. C.; Fichter, R. (Hrsg.): Freedom to Build. Dweller Control of the Housing Process. London, 148-175 Van Dijk, M. P.; Noordhoek, M.; Wegelin, E. (2002): Governing Cities, New Institutional forms in Developing Countries and Transitional Economies. London
Weeks, J. (1975): Policies for Expanding Employment in the Informal Urban Sector of Developing Economies. In: Zetter, R.; Hamza, M. (Hrsg.) (2004): International Labour Review. London, 1-13 Zetter, R.; Hamza, M. (Hrsg.) (2004): International Labour Review. London
INNENARCHITEKTUR
Zwischen Raumkunst und Kitsch Innenarchitektur. Ein Schuft, wer dabei an Behaglichkeit oder anheimelnd Wohnliches denkt. Innenarchitektur, das ist im landläufigen Verständnis nichts für Leute, die es, nun ja, gemütlich haben wollen. Und damit ist schon ein Problem benannt, mit dem sich der Berufsstand der professionellen Raumplaner herumzuschlagen hat. Denn seine Dienste werden zumindest im Privatbereich nur von einer verschwindend kleinen Minderheit in Anspruch genommen, die sich nicht nur als kulturell-ästhetische Elite versteht, sondern zunächst erst einmal über die Mittel verfügt, jemanden mit der Einrichtung der eigenen Wohnung zu beauftragen. Es ist außerdem eine gesellschaftliche Gruppe, die sich zu einem gewissen Repräsentationsbedürfnis bekennt und ihr privates Zuhause als Schnittstelle zwischen der eigenen öffentlichen Rolle und dem Privaten zu inszenieren gedenkt. Man könnte sie auch als Protagonisten des klassisch Bürgerlichen bezeichnen. Doch dass es sich dabei nur um eine kleine Gruppe handelt, gibt eigentlich zu denken. Denn im Prozess der allgemeinen Verbürgerlichung und der Demokratisierung des Wohlstands scheint die Innenarchitektur irgendwo auf der Strecke geblieben zu sein. Während andere, vormals bourgeoise Privilegien wie Reisen, Bildung oder kulturelle Zerstreuung heute selbstverständliches Allgemeingut sind, ist die von professioneller Hand vorgenommene Planung des Privatbereichs nach wie vor ein Luxus geblieben, den sich nur wenige Menschen leisten. Dieser Tatsache steht kompensatorisch ein unüberschaubares Angebot an höchst erfolgreichen Publikationen sowie Fernsehsendungen gegenüber, die nichts anderes als die stil- und geschmackvolle, individuelle und zeitgemäße Ausstattung und Veredelung der eigenen vier Wände zum Thema haben und zum beherzten do it yourself auffordern. Doch Innenarchitektur ist weit mehr als nur die Gestaltung und Einrichtung von Wohnraum. In einem Zeitalter, dessen Maßstab die Selbst-
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verwirklichung des Einzelnen ist, in dem Corporate Identity über den wirtschaftlichen Erfolg entscheidet, sind die Innenarchitekten so etwas wie Ministranten beim Hochamt des Einzigartigen. Sie schaffen die Bühnen der Repräsentation: ganz gleich, ob es sich dabei um Wohnungen, Vorstandsetagen oder Hotelbars, Museen, Theater oder Kirchen handelt. Durch Innenarchitektur werden die Qualitäten eines Gebäudes für seine Nutzer, Bewohner und Besucher sinnlich erfahrbar. Das, was dem klassischen Architekten Fassaden, Steine, Stützen und Grundrisse sind, sind für den Innenarchitekten Räume, Farben, Licht und Oberflächen. Deshalb gehört die Perspektive des Innenarchitekten eigentlich in den Entwurfsprozess. Eigentlich. Doch der Innenarchitektur wird mittlerweile nur mehr die Aufgabe zugestanden, korrigierend einzugreifen; als Nachbesserung für fahrlässig geplante Gebäude, deren defizitäre innere Beschaffenheit dann mittels anheimelnder Wandgestaltung oder extravaganter Möbel etwas kaschiert werden soll. Im schöpferischen Prozess des Bauens hat man der Innenarchitektur nolens volens eine nachgeordnete Rolle zugewiesen; an den Architekturfakultäten (▷Architekten- und Planerausbildung) gilt nur der „richtige“ Hochbau etwas, die Beschäftigung mit einem Wohnzimmer wird allenfalls zur Kenntnis genommen. Aber nicht als ▷Architektur. Dieser Verdrängung und Geringschätzung innenarchitektonischer Fragestellungen entspricht auch die Abwesenheit gestalterischer Professionalität im Leben der gesellschaftlichen Mehrheit. Doch kann es sein, dass die Innenarchitekten selbst an ihrer Verzichtbarkeit mitgewirkt haben? Wenn jenseits der bunten Einrichtungsmagazine von Innenarchitektur berichtet wird, bspw. im Feuilleton, werden immer Projekte präsentiert, die v. a. nichts mit der Lebenswirklichkeit der meisten Leser zu tun haben dürfen. Um Badewannen, die von juvenilen Interior Designern verwegen an das Kopfende einer Bettstatt montiert werden, entspinnt sich dann ein akademisch verstrahlter Diskurs, in dem es schnell mal um soziokulturelle Zukunftsszenarien und ästhetische Weichenstellungen geht. Doch die in solchen Foren (ohnehin selten) diskutierten Planungen haben mit der profanen Alltagsrealität nichts zu tun; ja, es scheint fast, als spalte sich die Welt in den erdfernen Orbit einer diskursiv veredelten Oberflächenästhetik und ein optisch verwahrlostes Flachland, in dem allenfalls die Kataloge der Einrichtungshäuser und Baumärkte als Sekundärliteratur benutzt werden. Über das Elend des Letzteren findet keine Debatte statt.
Ähnliches lässt sich allerdings auch für die Architektur konstatieren, bei der die spektakelhaften, mitunter verwechselbaren Gebäude der ubiquitären Gehry-Hadid-Foster-Sprache weder etwas über den Stand der allgemeinen ▷Baukultur aussagen noch über die fast immer hässliche Durchschnittlichkeit der sog. Alltagsarchitektur hinweghelfen. Diese Schizophrenie – einerseits die Leuchtturm-Projekte einer kleinen, immergleichen Schar von Star-Architekten, andererseits das unbeachtete, zwischen Wirtschaftlichkeitsdiktat und ästhetischer Gewissenlosigkeit zerriebene Planungsgeschehen in Einfamilienhaussiedlungen, Gewerbegebieten oder Geschäftsvierteln der Städte – prägt das Verhältnis zwischen der Gesellschaft und ihrer gebauten Umwelt. Wer sich in diesem Spannungsfeld auf sein architektonisches Credo beruft, hat es schwer. Das gilt v. a. für die Innenarchitektur. Sie ist anfälliger für Moden und Zeitgeist-Erscheinungen als die schwerfälligen, fundamentierten Strukturen des Hochbaus; jährlich werden neue Trends proklamiert, die Farben wechseln mit der Saison. Wo gestern noch gespachtelte Wände und Eichenholzdielen als Must galten, sind es heute Sichtbeton und Estrichboden. Die offene Bereitschaft, sich dieser raschen Abfolge von modischen Wohnkonzepten zu unterwerfen, spiegelt die innere Unsicherheit nicht nur der Bewohner und Benutzer dieser Räume wider. Es gibt auch nur wenig Planer, die sich der gewaltigen Unterströmung von Trendwellen mit Eigensinn oder einer Form von selbstbestimmtem Idealismus widersetzen. Aus Angst, als gestrig, überholt oder – ganz schlimm – konservativ zu gelten? Dabei geht es doch eigentlich nicht um Moden. Es geht um Schönheit. Nicht mehr und nicht weniger.
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Meuser
INNENENTWICKLUNG/ AUSSENENTWICKLUNG Begriffsbestimmung und -abgrenzung „Von der Außen- zur Innenentwicklung“ ist seit den 1980er Jahren eine Art Grundsatz (nachhaltiger) Raum- und Stadtentwicklungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Innenentwicklung kann in erster Annäherung als Subsumtion verschiedener städtebaulicher Handlungsansätze und Maßnahmen bezeichnet
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werden, deren gemeinsames Merkmal eine mehr oder minder ausgeprägte räumliche Orientierung auf den baulichen Bestand ist. Innenentwicklung grenzt sich damit deutlich von der sog. Außenentwicklung ab, die auf die Ausweitung des Baulandangebotes auf bisher nicht baulich genutzten Flächen im Außenbereich (▷Außenbereich/ Innenbereich) der Gemeinden gerichtet ist. In der städtebaulichen Praxis werden mit Innenentwicklung zumeist drei Maßnahmentypen angesprochen, nämlich (Schink 2001:161): die Schließung von Baulücken auf überplanten Flächen sowie in im Zusammenhang überbauten Ortsteilen, die sog. Nachverdichtung, die auf die Erweiterung oder Ergänzung der baulichen Nutzung eines oder mehrerer Grundstücke über das bereits bestehende Maß abzielt, sei es durch Neuerrichtung oder den Umbau von Gebäuden, das sog. Flächenrecycling, womit die Um- und Wiedernutzung brachgefallener Siedlungsflächen bezeichnet wird. Während es bei der Schließung von Baulücken um die Ausschöpfung bestehender Baurechte geht, zielen das Flächenrecycling und die Nachverdichtung häufig auf die Schaffung neuer Baurechte durch Überplanung vorhandener Baugebiete, ohne aber land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen im Außenbereich in Anspruch zu nehmen (▷Flächenmanagement). Neben diesem primär quantitativen Verständnis kommt Innenentwicklung in den vergangenen Jahren eine qualitative Dimension zu. Maßnahmen der Innenentwicklung sollen auch zu einer Verbesserung der innerstädtischen ▷Freiraumsituation sowie zu einer Stabilisierung und Verbesserung des städtebaulichen Bestandes beitragen. Vor diesem Hintergrund wurde das Bild einer „doppelten Innenentwicklung“ (Selle 2000:54, Bundesregierung 2002:291) entworfen, die den offenen Landschaftsraum vor weiteren baulichen Eingriffen schützt, gleichzeitig aber den Siedlungsraum u. a. durch freiraummobilisierende und -aufwertende Maßnahmen qualifiziert. Innenentwicklung bildet auf diese Weise eine Schnittstelle zwischen den i. e. S. städtebaulichen und freiraumplanerischen Handlungsfeldern der ▷Stadtplanung. Auch bei der Außenentwicklung können sehr verschiedenartige Formen angetroffen werden. Neben meist kleinflächigen Arrondierungen am Siedlungsrand (die teilweise auch als Innenentwicklung verstanden werden) vollzieht sich Außenentwicklung meist in Form von Siedlungserweiterungen
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unterschiedlicher Größe, häufig verbunden mit der Schaffung neuer Infrastruktur. Potenziale der Außen- und Innenentwicklung Die Planung der städtebaulichen Entwicklung einer Gemeinde bedarf einer ausreichenden Kenntnis der baulichen Entwicklungspotenziale im Innen- wie im Außenbereich. Größere Städte unterhalten bereits vielfach Brachflächen- und Baulandkataster, mit denen Informationen zu Baulücken- und Brachflächenbeständen verwaltet werden. In kleineren Gemeinden fehlen derartige Informationssysteme meist, was dazu beigetragen haben dürfte, dass Innenentwicklungspotenziale v. a. in suburbanen und ländlichen (▷Ländliche Räume) Gemeinden stabil unterschätzt werden. Erfahrungen in zahlreichen Modellprojekten zeigen, dass auch erfahrene Kommunalpolitiker dazu neigen, die marktverfügbaren Potenziale ihrer Gemeinde im Innenbereich zu unterschätzen. Bis heute existieren auf Bundes- oder Länderebene nur grobe Schätzungen zum Innenentwicklungspotenzial. Diese basieren meist auf kommunalen Fallstudien oder Kommunalbefragungen und umfassen häufig nur Teilpotenziale wie Brachflächen oder Baulücken, was eine globale (Flächen-)Angebotsschätzung auf Länder- oder gar Bundesebene erschwert. Basierend auf verfügbaren Studien kann ein Innenentwicklungspotenzial von durchschnittlich mindestens 10 bis 20 Prozent des Nettobaulandbestandes einer Gemeinde angenommen werden. Nicht nur in Großstädten, sondern auch in kleineren Kommunen sind erhebliche Reserven im Baulandbestand vorhanden. So wurde in der Stadt Rottenburg Anfang der 1980er Jahre ein Baulückenbestand von 25 Prozent an der Gesamtzahl aller bebauungsplanmäßig erschlossenen Bauplätze festgestellt. Ähnliche Größenordnungen dürften auch andernorts anzutreffen sein. Zwar konnte in Rottenburg der Baulandbestand durch Baulückenschließungen reduziert werden. Neue Baugebiete „produzieren“ jedoch immer wieder neue Baulücken (Keppel 2002). In Gemeinden mit altindustrieller Wirtschaftsstruktur können noch weitaus höhere Potenziale vermutet werden. Gleiches gilt für Gemeinden mit starkem Bevölkerungs- und Siedlungswachstum in den 1960er und 1970er Jahren, da in dieser Phase oft mit Angebotsplänen operiert wurde, die zu einem erheblichen Altbestand an Baulücken geführt haben. Weitaus schwieriger ist die Schätzung des realistischerweise mobilisierbaren Nachverdichtungspotenzials. Das theoretische Potenzial ist mit Blick
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auf die meist sehr geringen Bebauungsdichten (▷Städtebauliche Dichte) v. a. in suburbanen und ländlichen Lagen quasi unbegrenzt. Für BadenWürttemberg wird geschätzt, dass in den meisten Kommunen der überwiegende Teil der Wohnbaufläche nur zu ca. 10 bis 15 Prozent, gemessen am baurechtlich Möglichen bebaut ist (Sahner/Sahner/ Thung 2008). Das mit Blick auf die Akzeptanz der lokalen Bevölkerung tatsächlich realisierbare Potenzial wird aber allgemein als gering eingestuft. Auch die Außenentwicklung ist natürlich nicht grenzenlos. In den letzten Jahren wurden die Entwicklungspotenziale der Gemeinden im landschaftlichen Außenbereich durch den raumordnerischen Freiraum- und Ressourcenschutz sowie fachplanerisch begründete Entwicklungsrestriktionen zurückgenommen. Verwiesen sei auf die Verschärfung des Hochwasserschutzes, die Einführung eines europaweiten Schutzgebietssystems (FFH-, Vogelschutzgebiete) oder die Restriktionen für „heranrückende Wohnbebauung“ durch linien- und punkthafte Infrastrukturen (z. B. Windenergiestandorte). Der Umfang solcher Restriktionen für die Außenentwicklung lässt sich naturgemäß kaum allgemein quantifizieren, da die restriktiven Bedingungen regionale und örtliche Abweichungen aufweisen. In den Verdichtungsgebieten mit geringem Freiraumanteil sowie in Regionen mit hohem Naturpotenzial dürften die Innenentwicklungspotenziale mittlerweile die bedeutendere „Verfügungsmasse“ für die städtebauliche Entwicklung darstellen als die mit der Außenentwicklung realistischerweise mobilisierbaren Bauflächen. Bewertung der Außen- und Innenentwicklung Es besteht heute in der wissenschaftlichen wie politischen Debatte weitgehend Konsens, dass die Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrszwecke deutlich begrenzt werden muss. Mit dem sog. 30-Hektar Ziel der Bundesregierung (Bundesregierung 2002) liegt seit 2002 erstmals auch ein quantifiziertes Mengenziel vor. Angesichts anhaltender Nachfrage nach Siedlungsnutzungen kann eine diesbezügliche Zielerreichung aber nur durch verstärkte Innenentwicklung gewährleistet werden. In den vergangenen Jahren haben sich die Argumentationsmuster für eine flächensparsamere Entwicklung deutlich erweitert. War es in den 1970er und 1980er Jahren vor allem die Kritik an den landschaftsverändernden und verkehrlichen Folgen der Suburbanisierung, so umschließt die aktuelle Kritik an der Außenentwicklung auch:
die hohen infrastrukturellen Folgekosten unter den Bedingungen des ▷demographischen Wandels (Schiller/Siedentop 2005, Siedentop u. a. 2006, Doubek 2001), den Beitrag zur Verminderung der biologischen Vielfalt durch die Herausbildung fragmentierter Landschaftsräume mit hohem anthropogenen Störpotenzial (Sachverständigenrat 2008), den Beitrag zur Herausbildung ressourcen- und damit auch (klimagas-)emissionsintensiver Raum- und Siedlungsstrukturen, v. a. durch die Verfestigung motorisierter ▷Verkehrszwänge (Siedentop 2005) und den anhaltenden Verlust ▷landwirtschaftlicher Böden mit überdurchschnittlicher natürlicher Ertragsfähigkeit (NBBW 2004). Eine konsequentere Innenentwicklung würde zu einer deutlichen Reduktion des Siedlungs- und Verkehrsflächenwachstums führen und so eines der zentralen Anliegen einer nachhaltigen Stadtentwicklung (▷Nachhaltige Stadtentwicklung) befördern. Zugleich wird aber darauf aufmerksam gemacht, dass eine forcierte Innenentwicklung nicht schrankenlos sein darf. Um den Ansprüchen einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung im Sinne des § 1 Abs. 5 BauGB gerecht zu werden, muss eine Innenentwicklungsstrategie auch ökonomischen, sozialen und stadtökologischen Belangen gerecht werden. Unter den sozialen Belangen sind v. a. die angemessene Wohnraumversorgung der Bevölkerung und deren Freiraumbedürfnisse anzusprechen. Unter ökonomischen Gesichtspunkten darf Innenentwicklung nicht zu Nachteilen für die wirtschaftliche Entwicklung in Städten und Gemeinden führen. Erweiterung und Mobilisierung von Nutzungspotenzialen im Innenbereich vollzieht sich in einer mehr oder minder ökologisch vorbelasteten Umwelt. Die weitere Verdichtung von bereits überbauten Gebieten ist zwangsläufig mit Veränderungen der stadtökologischen Situation verbunden, sodass Maßnahmen der Innenentwicklung nicht per se als „umweltverträglich“ bezeichnet werden können (Finke 2003, Karlstetter/Haase 1993:4, Albrecht 1992:302). Die Reduzierung der Grundwasserneubildung, die Minderung kleinklimatischer Ausgleichsfunktionen sowie die Zunahme von Luft- und Lärmbelastungen gelten als typische Folgen baulicher Verdichtungsmaßnahmen. Die absehbare Verschärfung großstädtischer Wärmeinselphänomene durch den Klimawandel kann eine neue Abwägung zum vertretbaren Maß städtischer Verdichtung erfordern (Gill u. a. 2007). Die soziale Konfliktträchtigkeit der Innenent-
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wicklung ist entscheidend davon abhängig, ob diese als reine Verdichtungsstrategie oder vielmehr als ein Ansatz einer umfassenden städtebaulichen Erneuerung des Bestandes angesehen wird (▷Bestandsentwicklung und Stadterneuerung). V. a. Nachverdichtungsvorhaben waren wiederholt mit erheblichen Vorbehalten der betroffenen Bevölkerung konfrontiert, v. a. dann, wenn Anwohner Beeinträchtigungen des Wohnumfeldes, z. B. durch die Überbauung von wohnungsnahen Freiflächen oder eine Destabilisierung des gewachsenen sozialen Gefüges befürchten. Empfohlen werden daher umfassende planerische Ansätze, die bauliche Ergänzungen in bestehenden Siedlungen mit Maßnahmen zur Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität verbinden (Weeber u. a. 1998, Schauerte/Klein 2002). Nur das „Zusammenwirken von Wohnungsneubau mit Maßnahmen etwa zur Modernisierung des Gebäudebestandes, zur Ergänzung der sozialen Infrastruktur, zur Aufwertung des Wohnumfeldes und zur Verbesserung der Belegungssituation schafft die Voraussetzung für breite Akzeptanz“ (MSWKS 2000:70). Ob Innenentwicklung bei gleichzeitiger Restriktion der Baulandbereitstellung zu einer Verknappung von Baurechten und damit zu einer sozial unausgewogenen Verteuerung des Wohnens führen kann, ist Gegenstand intensiver Debatten. In Deutschland wurde diesbezüglich kaum empirische Forschung betrieben (Eduard Pestel Institut 2000). In Staaten wie Großbritannien oder den USA, die über langjährige Erfahrungen mit Innenentwicklungsstrategien auf unterschiedlichen politischen Ebenen verfügen (urban containment policy, inward development, urban intensification) sind die Forschungsergebnisse nicht eindeutig (Dawkins/Nelson 2002, Steinacker 2003). Einigkeit dürfte dahingehend bestehen, dass das Ausmaß von Bodenpreissteigerungen vom Mengeneffekt einer Innenentwicklungsstrategie abhängig ist. Insbesondere die mangelnde Verkaufs- oder Investitionsbereitschaft von Grundstückseigentümern stellt oftmals ein nicht überwindbares Hindernis für eine Ausschöpfung der inneren Entwicklungsreserven dar (Boeddinghaus 1994:68). Die soziale Verträglichkeit einer bestandsorientierten Baulandstrategie einer Kommune ist damit entscheidend vom Mobilisierungserfolg potenziellen Baulands im Siedlungsbestand abhängig. Die Frage der ökonomischen Auswirkungen der Innenentwicklung wird in der Literatur ebenfalls kontrovers diskutiert. Hingewiesen wird auf erhebliche Kosteneinsparungen der öffentlichen Hand bei gleichzeitigen Kostenbelastungen privater Akteure. Weitgehend unstrittig ist, dass die
Gewinnung und Mobilisierung von Baurechten über Innenentwicklungsmaßnahmen weitaus kostengünstiger ist als bei der Außenentwicklung, da Neubauten im Bestand (▷Architektur im Bestand) an bereits existierende Infrastrukturen anschließen oder bestehende Einrichtungen mitnutzen können (Keding 1997). Unstrittig ist ferner, dass die wirtschaftliche Tragfähigkeit der technischen und sozialen Infrastruktur mit der Einwohnerdichte zunimmt. Die Kommunen können die Kosten für Betrieb und Erhalt nicht vollständig auf die Nutzer umlegen, sodass die Belastung der öffentlichen Haushalte auch von der Bevölkerungsund Siedlungsdichte abhängig ist (Doubek/Hiebl 2000). Eine baulich beförderte Erhöhung der Einwohner- bzw. Nutzerdichte kann daher kostensenkend wirken. Die vielerorts dringend notwendige Erneuerung der technischen Infrastruktur wird oft erst durch eine Erhöhung der Nutzerdichte wirtschaftlich, weil sich die Sanierungskosten auf mehr Nutzereinheiten verteilen lassen (BPW 2000:61). Zukünftige Investitionen in die Substanzerhaltung, Modernisierung und Redimensionierung der kommunalen Infrastruktur sind zudem primär von den Kommunen zu tragen, während die Erstinvestitionen meist in erheblichem Umfang mit staatlichen Subventionen vorgenommen wurden. Andererseits können Maßnahmen der Innenentwicklung aufgrund höherer Bodenpreise und oft hoher Entwicklungskosten innerstädtischer Standorte im Einzelfall zu höheren finanziellen Belastungen von Investoren und Eigentümern führen. V. a. Maßnahmen der Altlastensanierung sind häufig mit Kosten verbunden, die nicht mit dem erwarteten Entwicklungsgewinn kompensiert werden können. Dies gilt v. a. dann, wenn (anteilig) Nutzungen mit einem niedrigen Bodenwert, wie z. B. Grün- und Freiflächen angestrebt werden. Neue Technologien in der Altlastensanierung haben allerdings die Kosten für die Aufbereitung kontaminierter Flächen deutlich reduziert (Kahnert/Rudowsky 1999). Aus gewerblicher Perspektive ist ferner auf „strukturelle Handicaps“ von Bestandsstandorten hinzuweisen, die sich z. B. in höheren Bodenpreisen, räumlich beengten Situationen oder immissionsschutzrechtlichen Konfliktsituationen oder schlechter Erreichbarkeit für den Individualverkehr äußern können. Zusammenfassend sei konstatiert, dass Innenentwicklung nicht per se „nachhaltig“ ist. V. a. in hoch verdichteten Siedlungsbereichen kann eine weitere bauliche Verdichtung mit erheblichen stadtökologischen Funktionseinbußen wie sozialen Konflikten einhergehen. Dennoch erscheint eine ökologisch, ökonomisch und sozial vertretba-
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re Verdichtung in den meisten Gemeinden möglich. Erforderlich ist ein strategisches Gesamtkonzept, das bauliche Verdichtungsmaßnahmen mit einer umfassenden Qualifizierung des Siedlungsbestandes verbindet. Dies setzt einen langfristigen Lernprozess in der Kommunalpolitik, bei Investoren wie in der Bürgerschaft voraus. In der kommunalen Praxis sind nach wie vor starke Vorbehalte bis hin zur völligen Ablehnung feststellbar, da Innenentwicklung mit jahrzehntelang stabilen Paradigmen städtebaulichen Handelns bricht (Scholl 2002:43). Höhere Anforderungen an den Ressourcen- und Klimaschutz sowie schwindende fiskalische Handlungsspielräume werden diesen Lernprozess aber mehr und mehr erfordern. Perspektiven der städtebaulichen Entwicklung Gegenwärtig stellen sich die Rahmenbedingungen für Innenentwicklung ambivalent dar. Zum einen schafft der nachlassende Siedlungsdruck Luft für eine verstärkte Auseinandersetzung mit dem baulichen Bestand. Die noch zu Beginn der 1990er Jahre festgestellten erheblichen Nachfrageüberhänge auf den Baulandmärkten haben sich mehr und mehr abgebaut. Zahlreiche Kommunen sehen eine bestandsorientierte Siedlungsentwicklung wieder als vorrangige Aufgabe stadtplanerischen Handelns an. Zugleich hat sich der verfügbare Flächenbestand für Innenentwicklungsmaßnahmen durch den ökonomischen Strukturwandel, politische Veränderungen (Freiwerden von militärischen Liegenschaften) und eine veränderte Standort- und Liegenschaftspolitik großer Unternehmen wie der Bahn oder der Post stark erhöht. Die potenzielle „Manövriermasse“ für Innenentwicklung ist daher auch in kleineren Gemeinden deutlich gestiegen. Auf der anderen Seite muss konstatiert werden, dass eine rückläufige Bevölkerungsentwicklung allein eine Trendwende der Siedlungsentwicklung nicht herbeiführen wird. Es wäre ein Trugschluss zu erwarten, dass das Siedlungs- und Verkehrsflächenwachstum bei zurückgehender Bevölkerungszahl in kürzerer Zeit von selbst zum Erliegen kommt. Allein durch die Alterung der Gesellschaft wird ein weiterer Anstieg der Wohnflächenansprüche um ein Viertel in den nächsten 20 Jahren erwartet (Pfeiffer 2002). Erst 2030 wird ein Auslaufen des Wohnflächenbedarfszuwachses erwartet (Simons 1999). Der interkommunale Wettbewerb um das in Zukunft knapper werdende Erwerbspersonenpotenzial lässt zudem befürchten, dass sich die Inanspruchnahme von Siedlungsflächen mehr und mehr von der tatsächlichen Ent-
wicklung der Bevölkerungs- und Haushaltszahlen bzw. des Wohnflächenbedarfes entkoppelt. Denn die Bereitstellung von preisgünstigem Bauland für Zuziehende gehört zu den klassischen kommunalen Strategien im Wettbewerb um Einwohner und Steuereinnahmen. Gleichzeitig wird es innerhalb der Gemeinden zu einer verschärften Konkurrenz zwischen den einzelnen Segmenten des Bestandes, aber auch zwischen Bestand und Neubau kommen. Doubek spricht in diesem Zusammenhang von einem „Baulanddilemma“ – die Baulandbereitstellung auf der grünen Wiese erscheint der einzelnen Kommune als Wettbewerbsstrategie rational. Gleichzeitig wird es den Kommunen immer seltener gelingen, Bestandsflächen zu entwickeln und zu vermarkten, da die Konkurrenz der im Außenbereich geschaffenen, zumeist attraktiveren und preisgünstigeren Baulandangebote übermächtig ist (Doubek 2002:23). Im Ergebnis kann dieser Prozess zu einer höchst ineffizienten Ausweitung der Siedlungsflächen sowie zu einer forcierten Fragmentierung der bestehenden Siedlungsstrukturen führen. Von entscheidender Bedeutung für den Erfolg einer breit angelegten Innenentwicklungsstrategie ist daher auch eine verbesserte interkommunale Abstimmung der Baulandbereitstellung, die einem ruinösen Baulandwettbewerb entgegentritt. Demographische und soziokulturelle Trends könnten indes kommunale Innenentwicklungsstrategien zukünftig befördern. Unter dem Stichwort der Reurbanisierung (▷Urbanisierung) wird eine zunehmende Nachfrage nach städtischen Wohnstandorten ausgemacht. Die Hintergründe sind vielfältig und noch nicht ausreichend erforscht. Ursachen werden u. a. in der Verringerung des demographischen Potenzials der Suburbanisierung, im Wandel von Lebens- und Konsumstilen, in der zunehmenden Doppelberufstätigkeit in Familien und der „Erschütterung“ einer allgemeinen beruflichen und sozialen Aufstiegserwartung sowie der Erosion des Normalarbeitsverhältnisses und damit einhergehenden zeitökonomischen Flexibilisierungszwängen gesehen. Dies hat zu einem Bedeutungsgewinn städtischer Standorte mit komparativen Erreichbarkeitsvorteilen und guter Infrastrukturversorgung geführt (Siedentop 2008). Als dämpfender Faktor einer breiteren Reurbanisierung erweist sich jedoch ein der Nachfrage hinterherhinkendes Angebot an städtischen Wohnformen i. e. S. Zwar können viele Städte auf verstärkte Revitalisierungsbemühungen (▷Konversion und Revitalisierung) v. a. in Wasserlagen und attraktiven Innenstadtrandlagen verweisen. Andererseits setzen zahlreiche Städte wie auch
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Wohnungsbauinvestoren ungebrochen auf konventionelle Angebote in Form von Eigenheimen mit eher suburbaner Anmutung/Erscheinung. Die zu konstatierende Nachfragesteigerung nach urbanen Wohn- und Lebensformen lässt derartige Entwicklungsstrategien aber zumindest mittelfristig fragwürdig erscheinen. Siedentop
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INTEGRATION Integration gilt als zentraler sozialwissenschaftlicher Gegenstand, da mit diesem Begriff der Zusammenhalt einer Gesellschaft als Ganzes und die Teilhabe aller an deren relevanten Werten und Gütern bezeichnet wird. Nach Zusammenhalt oder Funktionsfähigkeit einerseits, nach Teilhabe andererseits unterscheiden auch die beiden Verwendungsweisen des Integrationsbegriffs: Zusammenhalt als – systemische – Integration der Gesellschaft; Teilhabe an den relevanten Werten und Gütern als – soziale – Integration in die Gesellschaft. Trotz Überschneidungen werden die Integrationsmechanismen, also die gesellschaftlichen Teilsysteme und Leistungsbereiche, die Integration gewährleisten sollen, für systemische Integration der Gesellschaft und soziale Integration in die Gesellschaft unterschieden. Als Gegenbegriff zu systemischer Integration der Gesellschaft gilt Desintegration im Sinne einer Auflösung dieses gesellschaftlichen Ganzen. Als Gegensatz zu sozialer Integration in die Gesellschaft gilt Exklusion als Ausschluss Einzelner oder einzelner Gruppen von relevanten Gütern.
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Systemische Integration der Gesellschaft soll durch das politisch-rechtliche, das ökonomische und das normative System gewährleistet werden. Das politisch-rechtliche System erreicht dies durch die Definition von Rechten und Pflichten, denen jeder Einzelne unterliegt und die durch diese Bindungen ein hinreichend konfliktfreies Zusammenleben ermöglichen. Es sichert demnach vor destruktiver Willkür des Stärkeren, garantiert also in der Bestimmung von Rechten und Pflichten und der Sanktionen, die bei deren Verletzung einsetzen, den gesamten Komplex der Bürgerrechte. Es sichert durch allgemeine und allgemein gültige, von Person, Status, Geschlecht, Vermögen, ökonomischer Macht, Stärke, Glauben usw. unabhängige Regeln Freiheit und Sicherheit: Freiheit durch Sicherheit vor willkürlichen Zugriffen nicht legitimierter Stärkerer. Damit ist das Rechtssystem unabdingbar auf Gleichheit ausgerichtet. Diese erscheint jedoch gefährdet, weil Freiheit durch Macht gesichert und durchgesetzt werden muss, wenn auch deren Einsatz wiederum durch Recht geregelt ist. In modernen Gesellschaften resultieren vielfältige Konflikte aus der unhintergehbaren Tatsache, dass sich jede Gesellschaft ein derartiges politisches und Rechtssystem in hoch komplexen Verfahren selbst geben muss. Die Rechtmäßigkeit der Regeln, die Pflichte und Rechte definieren, resultiert aus der Rechtmäßigkeit, aus der Legitimität und Anerkennung der Verfahren, unter denen die Regeln formuliert werden, so dass die Integrationsleistung letzten Endes in den politischen Verfahren der Rechtssetzung liegt. Das ökonomische System erreicht seine Integrationsleistung durch die Entfaltung gesellschaftlicher ▷Kooperation in der ökonomischen Arbeitsteilung und durch Zuteilung der Gratifikationen aus dieser arbeitsteiligen Produktion an die Einzelnen – im Idealfall – je nach Leistung und Beitrag zur arbeitsteiligen Kooperation. Die Regeln dieser Kooperation werden dabei teils vom ökonomischen System selber, teils vom politisch-rechtlichen System entwickelt und vorgegeben. Im Gegensatz zum politischen und Rechtssystem bewirkt das ökonomische System faktische Ungleichheit, da Leistungen und Beiträge der Einzelnen in der arbeitsteiligen ökonomischen Kooperation als ungleich gelten. Die Integrationsleistung des ökonomischen Systems basiert also auf dem Zwang, sich ökonomische Gratifikation durch einen Leistungsbeitrag erwerben zu müssen, und es integriert im Unterschied zum politisch-rechtlichen System nicht in Gleichheiten zwischen Rechtsgleichen, sondern in Ungleichheiten zwischen Leistungsstarken und Leistungsschwachen.
Das System der Werte und Normen regelt in einem vor- oder außerrechtlichen und gleichfalls vor- und außerökonomischen Feld die Verhaltensweisen, moralischen Einstellungen und Werte, die für das Funktionieren einer Gesellschaft als unerlässlich gelten, die von jedem Einzelnen zu akzeptieren als Bedingung für die Zugehörigkeit zu einem bestimmten sozialen Ganzen angesehen werden. Auch wenn in modernen Gesellschaften die Integrationsleistung dieses normativen oder „moralischen“ Systems hinter die des politischrechtlichen oder des ökonomischen Systems zurückzutreten scheint, verglichen etwa mit religiös geprägten, vormodernen Gesellschaften, erscheinen Normen und Werte, wie z. B. der Solidarität, der Empathie, der Toleranz, Werte also, wie sie in den Menschenrechten ausformuliert werden, als unverzichtbar für das Funktionieren einer Gesellschaft und damit für die Integration der Gesellschaft. Auf diesen Normen und Werten basieren im Wesentlichen Relativierungen der Ungleichheiten, die das ökonomische System ohne sie erzeugen würde, sowie die Gleichheitsvorstellungen, die im politisch-rechtlichen System verwirklicht werden. Die drei Systeme Recht, Geld und Solidarität leisten demnach die systemische Integration der Gesellschaft. Unsicher bleibt allerdings die Vorstellung einer auf diese Weise integrierten Gesellschaft als eines „Ganzen“, als das i. d. R. die Nation verstanden wird. Einerseits lassen Differenzierungen und Fragmentierungen im Innern oder internationale Verflechtungen im Äußeren den Begriff des Ganzen und damit den Geltungsund Wirkungsbereich der Mechanismen einer systemischen Integration verschwimmen. Zum anderen kann die Vorstellung einer integrierten Gesellschaft als eines fest verbundenen Ganzen die Distinktion von „wir“ vs. „die anderen“ nahe legen, die mit modernen Menschenrechten unvereinbar wäre. Die soziale Integration in die Gesellschaft formuliert im Unterschied zur systemischen eine Reihe von Subsystemen, an denen Teilhabe des Einzelnen gegeben sein muss, sollen Einzelne oder Gruppen als sozial integriert angesehen werden können. Als solche Sub- oder Teilsysteme gelten: Bürgerrechte, Citizenship: Partizipation in diesem Subsystem bezeichnet die Teilnahme an den Diskurs- und Entscheidungsverfahren, die zur Formulierung der Rechte und Pflichten führen, die als politisch-rechtliches System systemische Integration durch Rechtsfreiheit und Rechtssicherheit bieten. Im Unterschied zur kontinentaleuropäischen sieht die angelsächsische Tradition die primäre soziale Integ-
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rationsleistung durch partizipative Citizenship gewährleistet (▷Partizipation). Arbeitsmarkt: Teilhabe am Arbeitsmarkt verschafft Zugang zu den ökonomischen Gratifikationen und damit zu wünschenswertem materiellem Lebensstandard, zu den Gütern des Marktes, die als lebensnotwendig und erstrebenswert gelten. V. a. in der deutschen Debatte gilt Teilnahme am Arbeitsmarkt als primäre Bedingung einer sozialen Integration in die Gesellschaft. Bildungswesen: Teilhabe am Bildungssystem gilt als Voraussetzung einer Chancengleichheit sowohl im Arbeitsmarkt wie in politisch-rechtlicher Partizipation, so dass ihr eine grundlegende Integrationsleistung zukommt. Wohlfahrtstaat: Teilhabe an wohlfahrtstaatlichen Leistungen soll Integration in die Gesellschaft durch Gewährung von Einkommen auch bei unverschuldeter, individueller ökonomischer Leistungsschwäche – z. B. Alter, Krankheit, Kindererziehung – sicherstellen. Besonders in der deutschen Tradition wird diesem Integrationsmechanismus eine zentrale Bedeutung beigemessen. Umstritten ist, wie eng wohlfahrtsstaatliche Leistungen an vorausgegangene oder noch zu erwartende Arbeitsleistungen im ökonomischen System gebunden sein sollen und welches Ausmaß an Umverteilung zwischen Leistungsstarken und Leistungsschwachen mit den Wohlfahrtsleistungen verbunden sein darf, wie weit also Gleichheitsvorstellungen Bedingungen einer wohlfahrtsstaatlicher Integration in die Gesellschaft sein sollen. Familie: Familien erbringen trotz entwickelter Wohlfahrtsstaatlichkeit den Großteil von Betreuungs-, Versorgungs- und v. a. von Erziehungsleistungen, so dass uneingeschränktes Recht zur Familiengründung und das Recht auf eigene Kinder, begrenzt nur durch eine Mündigkeitsschwelle im Zeitpunkt der Eheschließung, im Unterschied z. B. zu vor- und frühmodernen Gesellschaften heute zu den wesentlichen Integrationsmechanismen zählen. Organisationen, Verbände, Vereine: Freie Zusammenschlüsse dieser Art zu unterschiedlichsten Zwecken bieten Teilhabechancen, die von einer Partizipation am Arbeitsmarkt relativ unabhängig sein können und denen damit besonderer Wert bei einer Integration in die Gesellschaft zukommen kann. Stadt, Stadtteil, Stadtquartier: Zwar wird auch Integration in die Gesellschaft zunehmend durch Teilhabe an formalisierten Organisatio-
nen und Einrichtungen geleistet, dennoch vermittelt aber auch die Teilnahme am informellen Leben einer Stadt oder eines Stadtteils dem Einzelnen sowohl symbolische als materiell relevante Zugehörigkeit durch informelle Leistungen zwischen Mitbürgern und Nachbarn. Szene, Clique, Peergroup: In hoch differenzierten, durch symbolischen Konsum geprägten Gesellschaften erscheint die Teilnahme an orientierenden, identitätsstiftenden Szenen und Cliquen besonders während einer extrem verlängerten Jugendphase als unverzichtbarer Integrationsmodus. Religionsgemeinschaft: Zwar hat die Integrationsleistung der Kirchen, verglichen mit der frühen Neuzeit, in der Exkommunikation einem Totalausschluss gleichkam, deutlich nachgelassen, besonders aber für Einwohner mit Migrationshintergrund bildet Teilnahme an religiösen Praktiken einen zentralen Integrationsvorgang, der allerdings systemische Integration in eine säkularisierte Gastgesellschaft beeinträchtigen kann. Kennzeichnend für moderne Gesellschaften ist die Partikularität der sozialen Integration, d. h. jedes integrierende Subsystem erfasst immer nur Teilaspekte, so dass häufig unklar ist, welche Teilhabe als unverzichtbar gilt, um Integration in die Gesellschaft zu gewährleisten, oder welche fehlen muss, um Exklusion zu unterstellen. Häufig wird dem Arbeitsmarkt und dem an ihn gekoppelten Wohlfahrtsstaat eine derartige dominante Integrationsleistung unterstellt, so dass unzureichende Teilhabe hier als alleiniger Grund für Exklusion gewertet werden kann, die sich zur „Überflüssigkeit“ verhärtet, wenn der Arbeitsmarkt nicht alle potenziellen Arbeitskräfte aufnehmen kann. Für die Stadt- und Raumplanung (▷Stadtplanung, ▷Raumordnung) gewinnt Integration in zweifacher Weise an Bedeutung, zum einen in ihrer wohlfahrtsstaatlichen Dimension, nach der z. B. die gesamte Bevölkerung einer Region oder einer Stadt so mit infrastrukturellen Leistungen versorgt sein sollte, dass Chancengleichheit besteht, dass also keine gravierenden, benachteiligenden Disparitäten oder Ausschlüsse entstehen: soziale Integration in die Gesellschaft. Zum anderen stellt sich raumplanerisch das Problem einer Überlagerung sozialer und systemischer Integrationsgefährdung durch Segregation der Bevölkerung nach Schicht-, Klassen- oder ▷Milieuzugehörigkeit in verschiedenen Teilräumen der Stadt, v. a. als Folge der Ungleichheiten aus dem ökonomischen System. Diese Segregati-
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on kann zu gravierenden Konflikten führen, die die systemische Integration der Gesellschaft gefährden. Sie kann aber auch – in Verbindung mit Disparitäten – Teilhabechancen und damit soziale Integration in die Gesellschaft einschränken und bis zur sozialen Exklusion reichen, die dann als Ghettoisierung bezeichnet wird. Allerdings muss Segregation und soziale Homogenität von Statteilen nicht zwangsläufig zu sozialer Exklusion und systemischer Desintegration führen, da derartige Quartiere ihren Bewohnern vielfältige informelle Hilfsbeziehungen ermöglichen, die in heterogenen Quartieren schwer zu erreichen sind. Segregation gilt in der Raumplanung daher als ambivalent, als integrationsgefährdend, aber potenziell auch als integrationsfördernd, während Disparitäten immer als Einschränkungen sozialer Integration angesehen werden. Göschel
Literatur Göschel, A.; Difu – Deutsches Institut für Urbanistik (Hrsg.) (2001): Deutsche Zeitschrift für Kommunalwissenschaften. Themenheft Integration und Stadt, 1 Häußermann, H. (2005): Integration und Stadtentwicklung – eine problematisch gewordene Beziehung. In: Difu – Deutsches Institut für Urbanistik (Hrsg.): Zukunft von Stadt und Region. Band I: Integration und Ausgrenzung in der Stadtgesellschaft. Beiträge zum Forschungsverbund „Stadt 2030“. Wiesbaden, 19-51 Peters, B. (1993): Die Integration moderner Gesellschaften. Frankfurt/M
INTERDISZIPLINARITÄT, TRANSDISZIPLINARITÄT Einleitung Die Welt hält sich nicht an die Ordnung der Fächer, welche die Menschen zu ihrer Beobachtung und Gestaltung zugeschnitten haben. Zwar entstanden mit der Ausdifferenzierung und Vertiefung der Disziplinen beachtliche Problemlösungsfähigkeiten. Trotzdem werfen die Einheit der Wirklichkeit, ihre Komplexität und nicht zuletzt ihre Dynamik immer wieder neue Fragen und Probleme auf, die den Horizont der einzelnen Disziplinen bei weitem überschreiten. Hier hat der Vorschlag einer interdisziplinären Kommunikation, Zusammenarbeit und Problemlösung seinen Ursprung (▷Kooperation, ▷Wissenschaftskooperation). Die Nebenfolgen und Unzulänglichkeiten der an sich erfolgreichen disziplinären Arbeitsteilung sollen so kompensiert,
zuweilen gar korrigiert werden. Der Ruf nach Interdisziplinarität ist insofern Ausdruck einer kritischen Beobachtung der Disziplinarität. Doch auch Interdisziplinarität ist kein einfaches, voraussetzungsfreies Unterfangen, sondern an Rahmenbedingungen und Vorkehrungen geknüpft. Klärungen Was sind Disziplinen? Vor einer Erörterung von Interdisziplinarität, Multi- oder Transdisziplinarität ist es zweckmäßig, sich Klarheit darüber zu verschaffen, was man unter Disziplinen verstehen will. Disziplinen sind Fächer. Man kann sie verstehen als Komplexe fachspezifischen Wissens und fachspezifischer Fähigkeiten. Diese bilden die inhaltliche und damit definierende Dimension einer Disziplin. Sie entstehen und entwickeln sich rund um extern gesellschaftlich oder auch intern autonom formulierte Fragen und Probleme. In diesem Sinne sind Disziplinen Fragen-Beantwortungsund Problem-Lösungs-Einrichtungen. Dabei sind die betreffenden Probleme und Gegenstandsfelder nicht etwa immer schon da, sondern werden neben Sachproblemen, die sich realweltlich aufdrängen, oft erst im Wege der disziplinären Bearbeitung und anschließenden Ausdifferenzierung konstruiert. Fachspezifisches Wissen und fachspezifische Fähigkeiten entwickeln sich weiter. Mit zunehmender Reife kommt es zur Ausbildung spezialisierter Untereinheiten, die bei hinreichender Lebensdauer und Institutionalisierung ebenfalls disziplinären Charakter annehmen. Disziplinen sind keine statischen Gebilde, sondern dynamische, fluide Phänomene. Disziplinen sind soziale Systeme. Sie sind, als Wissenschaftsdisziplinen, Teilsysteme des Wissenschaftssystems und damit Sub-Sub-Systeme der Gesellschaft (Luhmann 1992:446). Sofern sie nicht zur Wissenschaft gehören, sind Disziplinen immer noch Teilsysteme der Gesellschaft. Für sie gelten – wie für alle sozialen Systeme – die Formen und Folgen der Systemdifferenzierung, also die Aspekte der Spezialisierung und Ausbildung eigener Beobachtungsmodi (Unterscheidungen), Medien, Sinndefinitionen und Sprachen, samt der damit einhergehenden gegenseitigen Undurchdringbarkeit und Unverständlichkeit. Als soziale Systeme entstehen, existieren und entwickeln sich Disziplinen erst in den Kommunikationen ihrer Mitglieder. Disziplinen sind Instrumente der Weltbeobachtung. Sie entwickeln sich rund um spezifische Fragen und Probleme. Und sie existieren allein in
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Form der Kommunikationen eines sozialen Systems, das in diesen Kommunikationen die Welt beobachtet. Aus diesen Gründen entwickeln Disziplinen eigene Weltsichten. Diese Weltsichten enthalten eigene Relevanzurteile zu Ausgangsproblemen, über die zu beobachtenden Teilaspekte der Welt sowie zu Haupt- und Nebenfolgen von Handlungen. Daraus folgt, dass verschiedene Disziplinen die Welt sehr unterschiedlich sehen (müssen). Disziplinen unterscheiden sich substanziell darin, was sie sehen – und was sie nicht sehen. Disziplinen entwickeln eigene Sprachen. Die disziplinäre Kommunikation bildet mit der Zeit und der fortschreitenden Entwicklung von Fragen, Antworten und Anschlussfragen immer feingliedrigere, spezifischere Begriffe heraus, versehen mit immer engeren, spezielleren Definitionen. Gerade die Sprache konstituiert dabei den spezifischen disziplinären Blick auf die Welt, enthält Benennungen für die Gegenstände des Interesses – und dient zugleich der Errichtung einer Sprachgrenze, mit der die Disziplin auch ihre SystemUmwelt-Grenze markiert. Disziplinen sind jeweils eigene Kulturen. Sie entwickeln nicht nur eigene Basisprämissen, Weltsichten und Sprachen. Sie bilden auch Regeln und Normen sowie spezifische Artefakte aller Art heraus: Von der korrekten Zitationsweise, dem richtigen Aufbau eines Fachbeitrages über Ausbildungsanforderungen und Symboliken bestimmter beruflicher Stationen, über Normen korrekter Arbeitsausführung und Rechnungslegung bis hin zu Fragen der Kleidung und der Selbstinszenierung. Auch von der Kenntnis und Befolgung dieser Regeln hängen Akzeptanz, Glaubwürdigkeit und Einfluss in der Disziplin ab. Zwar sind die Kulturen sozialer Systeme nicht zwingend unveränderlich, doch unterliegen sie, insbesondere nach Phasen großer Erfolge und anhaltender Bestätigungen, starken Beharrungskräften. Fach, Soziales System, Beobachtungsinstrument, Sprache, Kultur – Disziplinen sind all dies zugleich. Die Disziplin ist eine dynamische Einheit von disziplinärem Wissen, disziplinärem Handeln, disziplinärer Kommunikation und disziplinärem Sozialsystem. Multi-, Inter- und Transdisziplinarität Als neben den Vorzügen der disziplinären Differenzierung und Abgrenzung auch deren Unzulänglichkeiten deutlicher wurden, begann man sich für Problembearbeitungsformen zu interessieren, die über die einzeldisziplinäre Zuständigkeit hinaus weisen: Multidisziplinarität, Interdis-
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ziplinarität und Transdisziplinarität fanden als Idee und Anspruch zunehmendes Interesse. Ursprünglich Eigenschaftsbegriffe, beschreiben sie Antworten und Problemlösungen sowie die Kommunikationen, Prozesse und organisatorischen Strukturen zu ihrer Erzeugung. Forschung, Problemlösungen, Projekte, Teams, Organisationen, Kongresse, Medien: All diese können entweder als disziplinär oder aber eben als multi-, inter- oder transdisziplinär qualifiziert werden. Diese Reihung markiert auch eine Steigerung in der Überschreitung von Disziplinengrenzen. Multidisziplinarität, als Grundfall einer nicht auf eine Disziplin beschränkten Problembearbeitung, bezeichnet die bloße Präsenz mehrerer Disziplinen beziehungsweise disziplinärer Kompetenzen nebeneinander in einem Fragen-, Problem- oder Organisations-Zusammenhang. Ein nennenswerter, Disziplinengrenzen überschreitender und durchdringender Austausch findet nicht statt. Typische Fälle multidisziplinärer Problem- und Fragen-Bearbeitung finden sich in unterschiedlichen Reflexions-Situationen, etwa in Reader-Publikationen oder Handbüchern, wie auch auf Podien, in Expertenanhörungen oder in Beiräten aller Art. Als klassische Form multidisziplinärer Arbeit und Wissens-Aggregation kann die Enzyklopädie gelten. Interdisziplinarität dagegen geht darüber substanziell hinaus, weil es zu einer sachlich-inhaltlichen Verbindung zwischen Disziplinen kommt – zu einer gemeinsamen Problem- oder FragenBearbeitung, zu einer disziplinenübergreifenden Kommunikation. Interdisziplinarität beginnt, wenn über das bloße Nebeneinander disziplinärer Beobachtung, Kommunikation und Problembearbeitung hinaus der inhaltliche Austausch beginnt und etwas Drittes entsteht, das dennoch auf den Grundlagen und Beiträgen der beteiligten Disziplinen ruht. Von Transdisziplinarität kann man sprechen, wenn es zu einer auf Dauer angelegten interdisziplinären Kooperation kommt, die schließlich in die Entstehung einer neuen Disziplin mündet. Oft werden solche transdisziplinären Fächer von einem integrierenden Paradigma aus gegründet, wie etwa im Falle der Kybernetik (Luhmann 1992:459). Die transdisziplinäre Kommunikation und Kooperation ist eine besondere Form der laufenden Disziplinen-Genese und -Differenzierung, welche nicht disziplinintern, sondern unter Beteiligung von mindestens zwei Disziplinen verläuft. Als vierte Erscheinungsform, in dieser Reihe zwischen Interdisziplinarität und Transdiszipli-
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narität anzusiedeln, können auf Dauer angelegte Problembearbeitungs-Einrichtungen wie Forschungszentren, Beratungseinrichtungen oder Think Tanks genannt werden, die für wechselnde Problem- und Fragestellungen multidisziplinär Kompetenz für die interdisziplinäre Arbeit bereithalten, ohne dass daraus eine geschlossene neue Disziplin oder Protodisziplin mit eigenem Paradigma entstünde. Im Folgenden liegt der Schwerpunkt auf Interdisziplinarität, verstanden als Disziplinengrenzen überschreitende, jedoch disziplinär fundierte Problembearbeitung in Form von ▷Kommunikation und Kooperation. Was kann Interdisziplinarität? Interdisziplinarität zielt auf Ergänzung, Leistungssteigerung oder gar Korrektur gegenüber einer einzel- oder mehrdisziplinären Problembearbeitung. Sie ist damit Ausdruck einer Beobachtung zweiter Ordnung, welche die Beobachtung und Bearbeitung in den Kategorien, Sichtweisen und Lösungsangeboten der bis dahin verfügbaren Disziplinen kritisch beobachtet. In einem zurückhaltenderen, kompensatorischen Aufgabenverständnis sollen interdisziplinäre Vorhaben etwas leisten, das die etablierten Disziplinen in ihrer aktuellen Differenzierung nicht erreichen können. Darüber hinaus wird von Interdisziplinarität zuweilen sogar eine Korrektur der negativen Folgen der disziplinären Arbeitsteilung erwartet. Die zugrundeliegende Kritik an den Disziplinen bezieht sich hier nicht nur auf die Grenzen ihrer Fähigkeiten, sondern zielt auf die Schäden, die sich aus der disziplinären Differenzierung und Problemfokussierung ergeben. Der Zweck- und Zuständigkeitsbereich von Interdisziplinarität beginnt somit, wenn Fragen und Probleme, die in den Gegenstandsbereich mehrerer Disziplinen fallen, und die verfügbaren Antworten der Einzeldisziplinen, selbst in der Addition, unzureichend erscheinen. Wann dies der Fall ist, lässt sich am Besten anhand des betreffenden Problems oder der betreffenden Frage feststellen. Es ist also ratsam, zu klären und zu fixieren, was das Problem ist. Da sich die Realität nicht an die Grenzen der Disziplinen hält, die zu ihrer Beobachtung geschaffen wurden, wird der Bedarf an Interdisziplinarität umso akuter, je weniger es um bloße Beobachtung und je mehr es um Gestaltung der Realität geht. Disziplinäre Beobachtung und Kommunikation können sich noch weitgehend folgenlos im Rahmen ihrer disziplinären Abstrak-
tion – der ausgeblendeten Nebenaspekte – bewegen. Disziplinäres Handeln und Gestalten in Konfrontation mit der Welt dagegen zieht neben den, im Erfolgsfalle erreichten, intendierten Hauptfolgen (Zielen) unweigerlich auch Nebenfolgen nach sich. Zwar ist zielgerichtetes Handeln zweifellos nur unter einer Ein- und Ausblendung der absehbaren Folgen möglich. Man kann nicht alle Handlungsfolgen gleichermaßen berücksichtigen und die beachtlichen Erfolge disziplinärer Spezialisierung und disziplinären Handelns sind oftmals gerade auf solche Fokussierung zurückzuführen. Trotzdem ist es gerade dieser Zusammenhang, der an den Rändern der etablierten Disziplinen, aufgrund einer gesellschaftlichen Neugewichtung von Haupt- und Nebenfolgen disziplinären Handelns oder ihres Offenbarwerdens, den Ruf nach Interdisziplinarität laut werden lässt. Interdisziplinarität kann dann potenziell einen Betrag leisten, wenn die beobachteten und als erheblich erachteten Folgen konkreten Handelns die Grenzen der Disziplinen überschreiten. Eine der wichtigsten Leistungen von Interdisziplinarität besteht in der Aufdeckung und Beschreibung von Zielkonflikten und Dilemmata. Interdisziplinarität macht deutlich, dass die Welt komplizierter ist, als ihr Bild in den Disziplinen zugeschnitten wird. Damit schafft sie die Grundlage für bessere Problemlösungen und Innovationen, deren Hauptleistung ja oft gerade in der Auflösung von vormaligen Dilemmata und Zielkonflikten liegt. Interdisziplinarität soll die Weltund Problemsichten verschiedener Disziplinen, ihre Antwort- und Problemlösungs-Beiträge integrieren, d. h. auf neue, konstruktive Weise verbinden – und nicht einfach nebeneinander stellen. Interdisziplinäre Vorhaben müssen daher ein originäres, eigenes Ergebnis haben. Die einzeldisziplinären Beiträge hierzu müssen anders aussehen als bei isolierter Bearbeitung. Darüber hinaus ist auch davon auszugehen, dass Interdisziplinarität auf die beteiligten Disziplinen zurückwirkt. Diese Rückwirkung kann selbst zu einem Ziel interdisziplinärer Vorhaben werden. Gesehen werden muss jedoch auch, was Interdisziplinarität nicht kann. So ist Interdisziplinarität keine Postdisziplinarität, kein Ersatz für Disziplinarität. Sie kann i. Allg. nicht, was die Disziplinen können. Interdisziplinarität ist kaum in der Lage, jenen Grad an Detaillierung und Spezifität zu erreichen, der den Einzeldisziplinen möglich ist. Dafür kann sie sich gründlich ihren eigenen Gegenständen an den Grenzen, Schnittstellen und Blinden Flecken der Disziplinen widmen, die in den Disziplinen marginal erscheinen.
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Interdisziplinäre Vorhaben sind mit einer weniger elaborierten Fachsprache konfrontiert, nicht zuletzt aufgrund ihrer zumeist begrenzten Laufzeit und nur temporären Institutionalisierung. Wo allerdings längere Zeit interdisziplinär gearbeitet und kommuniziert wird, kann sich wieder eine Fachsprache herausbilden, so dass unter Umständen mit der Zeit von einer neuen Proto-Disziplin gesprochen werden kann und Transdisziplinarität beginnt. In jedem Falle sehen sich interdisziplinäre (wissenschaftliche) Vorhaben dem Problem gegenüber, dass sie wegen der fehlenden theoretischen Integration „auf ein niedriges Theorieniveau gezwungen“ werden (Luhmann 1992:642). Das aber ist der Preis, der für die interdisziplinären Erkenntnisgewinne, für den erweiterten Horizont, zu entrichten ist. Schließlich verschwinden die durch Interdisziplinarität aufgedeckten Zielkonflikte und Dilemmata durch ihre bloße Benennung und Beschreibung nicht. Sowohl natürlich-technische Zwänge als auch konkrete Interessenkonflikte stehen einem gleichzeitigen Erreichen widersprüchlicher Ziele und Belange oft auch dann noch entgegen, wenn diese interdisziplinär benannt worden sind. Interdisziplinarität ist daher nicht das universale Problemlösungswerkzeug, als das sie zuweilen dargestellt wird. Aber sie kann eine tragfähige Plattform bereitstellen, auf der nach neuen Lösungen gesucht werden kann, die einer größeren Zahl von Belangen besser gerecht werden. Was braucht Interdisziplinarität? Interdisziplinarität ist Interkulturalität. Darum ist sie nicht voraussetzungslos zu haben. Interdisziplinäre Vorhaben benötigen als Ausgangs- und Orientierungspunkt ein Problem oder eine Frage. Fehlen diese, entfallen leicht der Handlungsdruck und die Motivation, die im oft mühsamen Beschreiten des interdisziplinären Neulandes unverzichtbar sind. Darüber hinaus dienen Bezugsproblem und -frage auch während der interdisziplinären Arbeit immer wieder als Richtmarken und Ober-Kriterien in den allfälligen Richtungsentscheidungen, die ja nicht auf disziplinäre Gepflogenheiten und Routinen zurückgreifen können. Auch entscheidet am Ende das realweltliche Problem, ob die interdisziplinäre Integration gelingt und das Ergebnis tatsächlich den disziplinären Lösungen überlegen ist. Schließlich sind es v. a. Bezugsproblem und Bezugsfrage, die das interdisziplinäre Vorhaben während seiner Laufzeit mit Sinn versehen. Bleibt das Bezugsproblem unscharf, besteht die Gefahr, dass die an Sinn ge-
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knüpften internen und externen Ressourcen, prototypisch Motivation und Geld, ausgehen. Das Gegenstück zum gemeinsamen Ausgangsproblem ist das gemeinsame Erzeugnis der interdisziplinären Anstrengung. Das interdisziplinäre Projekt benötigt ein gemeinsames Gestaltungsobjekt, ein gemeinsames Ergebnis, das die disziplinären Beiträge in einer Einheit integriert. Sonst bleibt das Vorhaben bloß multidisziplinär. Als Negativ-Kriterium kann hier gelten, ob die einzeldisziplinärem Beiträge auch ohne das interdisziplinäre Unterfangen genau so ausgefallen wären. Interdisziplinarität braucht Disziplinen. Bevor man sich an die Integration der disziplinären Sichtweisen und Beiträge machen kann, müssen die disziplinären Grundlagen bereitstehen. D. h., dass zu dem betreffenden Bezugsproblem bereits relevante einzeldisziplinäre Perspektiven und Kompetenzen existieren und der Zugang zu ihnen über entsprechende Vertreter gewährleistet ist. Dabei ist es wichtig, die Auswahl der zu beteiligenden Disziplinen weder zu eng noch zu weit auszulegen, in jedem Falle aber nicht aus einzeldisziplinärer Perspektive zu bestimmen. Interdisziplinären Vorhaben fehlt, beinahe per Definitionem, in den meisten Fällen eine institutionelle Basis, über welche die etablierten Disziplinen zumeist verfügen. So können eine oder mehrere der beteiligten Disziplinen dem „unbehausten“ interdisziplinären Vorhaben zumindest anfangs eine institutionelle und reputationsbezogene „vorläufige Unterkunft“ (Luhmann 1992) gewähren. Allerdings ist dann sicherzustellen, dass der Einfluss der gastgebenden Disziplin unter Kontrolle bleibt. Doch auch, wenn das interdisziplinäre Vorhaben autonom etabliert wird, kann die Reputation der Teilnehmer und vertretenen Disziplinen zur Anerkennung und Ressourcenversorgung beitragen. Allerdings wachsen mit der Reputation der Teilnehmer auch manche für die interdisziplinäre Arbeit dysfunktionale Effekte. In jedem Falle benötigen interdisziplinäre Vorhaben einen eigenen institutionellen Rahmen, der gerade aufgrund des grenzüberschreitenden Charakters weniger selbstverständlich gegeben ist als im etablierten disziplinären Kontext. Eine solche institutionelle Infrastruktur ist daher bewusst einzurichten, etwa mit einer neutralen Koordinations-, Integrations- und Clearing-Stelle, mit eigener Aufbau- und Ablauf-Organisation und eigenen Identifikationsmedien bis hin zu eigenen Räumlichkeiten. Weil interdisziplinäre Kommunikation und Zusammenarbeit nicht im eingeübten Modus verlaufen können – es fehlen gemeinsame Defi-
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nitionen, Konzepte, Sprachen, Anschlussstellen des Handelns – müssen hierfür explizit Ressourcen, v. a. Zeit, Anstrengung und Geld, bereitgestellt werden. Diese Ressourcen müssen sowohl die aufwendigere Kommunikation und Kooperation der Beteiligten selbst ermöglichen als auch die erforderliche Organisation, Koordination und gezielte Integration der Beiträge. Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist aufwendig und diesem Aufwand muss Rechnung getragen werden. Weitere Erfolgsvoraussetzungen interdisziplinärer Vorhaben betreffen die Disposition und Haltung der beteiligten Personen und Organisationen. Wesentlich ist die Bereitschaft der Beteiligten, den Ausschließlichkeitsanspruch ihrer Disziplin bzw. ihrer Problem- und Lösungssicht aufzugeben und die Prämisse zu teilen, dass es mehr als eine relevante Sicht auf das Problem gibt. Das ist einfacher gesagt als getan. Denn hier sind die normalerweise unbefragten Basisannahmen der Disziplinen berührt – jene Basisannahmen zu Problemdefinitionen und Lösungswegen, welche die betreffende Disziplin erst definieren, ihre Zuständigkeit begründen und sie damit schließlich auch am Leben erhalten. Konflikte zwischen den disziplinären Kulturen haben daher oft existentielle Wurzeln. Manche Fragen und Probleme fallen fast schon von selbst in die Beobachtungs- und Zuständigkeitsbereiche mehrerer Disziplinen. Die Folge ist dann oft zunächst ein Kampf um Deutungshoheit, bevor schließlich der fruchtbarere Weg der interdisziplinären Kooperation gewählt wird. Doch auch der Wille zur Interdisziplinarität und die Bereitschaft, die eigene Disziplin nur als eine unter mehreren zuständigen zu sehen, sind noch nicht hinreichend für den interdisziplinären Erfolg. Denn Interdisziplinarität erfordert im Kern und zwingend weitere Leistungen der disziplinären Selbst-Distanzierung. Über den Verzicht auf Alleinzuständigkeit hinaus ist eine kritische Selbstreflexion der eigenen disziplinären Leistungsfähigkeit und Leistungsgrenzen erforderlich: „…interdisziplinäre Forschung kann nur heißen, dass man die […] Sichtbehinderungen, so weit möglich, thematisiert und in die Forschung wieder einbringt“ (Luhmann 1992:460). Interdisziplinäre Arbeit erfordert den nüchternen Blick auf die eigenen disziplinären blinden Flecken und das eigene Unvermögen, in inhaltlicher wie in methodischer Hinsicht. Die Fachpersonen müssen darüber hinaus willens und in der Lage sein, die mühsam erklommenen – jedoch schmalen – Gipfel ihrer Expertise zu verlassen, auf denen effizient kommuniziert und kooperiert und von denen aus man sich auf
professioneller Augenhöhe, doch auf Distanz, begegnet. Stattdessen gilt es, sich in der interdisziplinären Kommunikation hinab in die Tiefebene des Laientums zu begeben, weil es zumindest anfangs keine gemeinsame effiziente Fachsprache und Fachsicht gibt. Die Kommunikation wird mühsam, weit mehr als gewohnt muss erst erläutert und definiert werden, es besteht ein Verständlichkeitsgebot, es gibt kein privilegiertes Wissen. Im interdisziplinären Gespräch begegnet man sich auf Augenhöhe als Laie unter Laien. Hilfreich dabei sind so alte wie im Angesicht von Ungewissheit bewährte Ressourcen: Vertrauen und Selbstvertrauen. Neben einem klaren Ausgangproblem und der Motivation, Neuland zu betreten, braucht Interdisziplinarität das Vertrauen der Beteiligten in die Kompetenz, den guten Willen und die Selbstdistanz ihrer Mitstreiter, in die Tragfähigkeit des errichteten institutionellen Rahmens – und nicht zuletzt auch in die eigene Fähigkeit, auch ohne Gewissheit den Halt nicht zu verlieren.
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Neuhaus
Literatur Kocka, J. (Hrsg.) (1987): Interdisziplinarität: Praxis – Herausforderungen – Ideologie. Frankfurt/M Luhmann, N. (1992): Die Wissenschaft der Gesellschaft. Frankfurt/M
INTERNATIONALE BAUAUSSTELLUNG (IBA)
Der Begriff Internationale Bauausstellung bezeichnet ein Planungs-, Städtebau- und Hochbauprojekt, das durch die Verbindung der drei sonst traditionell vielfach getrennt voneinander bearbeiteten Planungsebenen zu einer ganzheitlichen und nachhaltigen Lösung komplexer regionalplanerischer und städtebaulicher Probleme führen soll. Die Abkürzung IBA wurde zuerst in Berlin für die Internationale Bauausstellung 1984/87 genutzt und seither vielfach an anderen Orten und in vergleichbaren Kontexten eingesetzt. Bauausstellungen gehören seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts zum festen Bestandteil des Diskurses über neue und zukunftsweisende Bau- und Planungsstrategien (Cramer/Gutschow 1984). Zunächst eher als Demonstrationsvorhaben für richtungsweisende neue ▷Architektur konzipiert (z. B. Darmstadt Mathildenhöhe 1901/1908/1914;
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Leipzig 1913), wurden Bauausstellungen v. a. in der Zeit zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg zur Durchsetzung der Architektur des Internationalen Stils an zahlreichen Orten in Europa veranstaltet (z. B. Stuttgart 1927: Weißenhofsiedlung; Brno 1929: Novy Dum). In diesen Vorhaben wurden neben der neuartigen Architektur auch zukunftszugewandte städtebauliche Aspekte erprobt (z. B. Wien 1932: Werkbundsiedlung; Basel 1932: Schorenmatten und Eglisee). Der städtebauliche Aspekt wurde 1957 in Berlin für die „Interbau“ noch einmal verstärkt und weiterentwickelt zu einem explizit urbanistischen Ansatz der Ausstellung, in dem der ▷Städtebau das zusammenfügende Element der Hochbauprojekte bildete. Hier wurden die Grundsätze der 1933 als „Charta von Athen“ diskutierten funktionsgegliederten, aufgelockerten und durchgrünten Stadt im Hansaviertel exemplarisch und demonstrativ umgesetzt (Landesdenkmalamt Berlin 2007). Wie schon bei den meisten Bauausstellungen der Zwischenkriegszeit war die Mitwirkung berühmter Architekten aus der internationalen Avantgarde für die Konzeption und die Wahrnehmung der „Interbau“ von konstitutiver Bedeutung. Eine Generation später wurden diese Erfahrungen eines umgreifenden städtebaulichen Ansatzes in einer Ausstellung unter der Wortführerschaft von Kleihues für eine ganzheitliche Neubestimmung der ▷Stadtplanung Berlins unter dem Schlagwort der kritischen Rekonstruktion erneut aufgegriffen. Unter dem Schirm einer umfassenden Masterplanung wurden zahlreiche, räumlich jetzt voneinander getrennt realisierte Einzelprojekte aus Architektur, Städtebau und Freiraumplanung (▷Landschaftsplanung, ▷Landschaftsarchitektur) zu einer Art Leistungsschau der am Ende des 20. Jahrhundert vorstellbaren Lösungsmöglichkeiten für eine lebenswerte Umwelt zusammengeführt. Neben der konkreten Realisierung von Hochbauprojekten wurde auch das visionäre Nachdenken über Stadt und von vollständig neuen Stadtstrukturen eingefordert. Zahlreiche bekannte Architekten aus der gesamten Welt wurden zur Mitwirkung an diesem Prozess eingeladen, was die Erweiterung des altbekannten Titels „Bauausstellung“ um das Wort „International“ durchaus rechtfertigte (Kleihues 1986). Neben der Implementierung der architektonischen Avantgarde gewann in der IBA auch die Auseinandersetzung mit dem vorhandenen Baubestand und den von den städtebaulichen Veränderungen betroffenen Menschen immer mehr an Bedeutung. So wurde von Hämer unter dem Begriff behutsame Stadterneuerung eine sozial
verträgliche und abgestimmte Verbesserung des Wohnungsbestands ebenso wie des Wohnumfelds eingefordert und in intensiven Auseinandersetzungen schließlich erreicht (Hämer 1990; ▷Sozialer Wohnungsbau). Durch beide Verfahrensansätze trat das Prozesshafte des Städtebaus, der bis dahin wesentlich in der Umsetzung durchgeplanter Großprojekte wahrgenommen worden war, deutlicher als bisher in den Vordergrund. Die Qualität der realisierten Einzellösungen diente dann als Ausweis des Gesamterfolges. Einen konkreten Eröffnungstermin für die gebaute Ausstellung konnte es jetzt und für alle weiteren IBAs naturgemäß nicht mehr geben. Er wurde in Berlin ersetzt durch eine museal-architekturhistorische Schau zu eindrucksvollen Architekturdarstellungen (Baldus/Lampugnani 1987). Der große Erfolg der IBA Berlin bei Publikum, Presse und Fachwelt hat in der Folge andere Protagonisten veranlasst, an anderen Orten mit ähnlichen Verfahren ähnliche Fragen zu bearbeiten. Mit der IBA Emscher Park wurde in den Jahren zwischen 1989 und 1999 der Versuch unternommen, den strukturellen Umbruch einer über mehr als 150 Jahre fast ausschließlich industriell geprägten Kulturlandschaft organisiert und bewusst in eine neue Zukunft der Dienstleistungs-, Kreativund ▷Wissensgesellschaft zu überführen (Ganser 1999). Dazu gewannen neben den schon in Berlin bewährten Strategien der architektonischen Leuchtturm-Projekte unter Beteiligung bekannter Entwerfer aus dem In- und Ausland v. a. Aspekte der Umwelttechnologie und des Umgangs mit den gebauten Zeugnissen der industriellen Vergangenheit an Bedeutung (▷Gebaute Geschichte). Im Gegensatz zu früheren Bauausstellungen trat jetzt neben die unbedingte architektonische und städtebauliche Innovation auch die Frage nach der Bewahrung von historisch gewachsener Identität in dem Zusammenspiel von gebauter Struktur und Freiraum. Dieser Wandel hatte die ausgreifende Diskussion um die Nachnutzung der aus der ursprünglichen Zweckbestimmung gefallenen Bauwerke der Bergbau- und Schwerindustrie zur Folge. Hier entstanden zwischenzeitlich zahlreiche wichtige Beiträge und Lösungsansätze zur ▷Architektur im Bestand und zur ▷Konversion von (Frei-) Räumen und deren Nutzungsmöglichkeiten. Neben vielen anderen kleineren IBAs, versuchen derzeit zwei Akteure die IBA neu zu interpretieren. Das Land Brandenburg hat die IBA Fürst-Pückler-Land (2000-2010) und das Land Sachsen-Anhalt die IBA Stadtumbau SachsenAnhalt 2010 (2003-2010) initiiert. Hier sollen die durch den Zusammenbruch der Industrie
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und den andauernden Bevölkerungsschwund (▷Demographischer Wandel) gekennzeichneten Strukturschwächen mit einer Vielzahl von kleinen Interventionen und v. a. der Ausweitung der Planungstätigkeit auf soziale, künstlerische und performative Handlungsfelder aufgefangen und gemildert werden. Anders als in den VorläuferVeranstaltungen kommt hier aber das Internationale weder von der Fragestellung (Braunkohletagebau) noch von der Beteiligung her wirklich deutlich zum Vorschein. Eine besondere Betonung erhält stattdessen das Ökologische. In Hamburg wird in Erweiterung der Internationalen Gartenbauausstellung (IGA) ebenso eine IBA konzipiert (Eröffnung 2012), die den Umbau von Hamburg-Wilhelmsburg von einem benachteiligten Ortsteil zu einem „Stadtteil mit Zukunft“ zum Ziel hat. Fragen der klimatischen, städtebaulichen und architektonischen Entwicklung werden mit den Nutzungen ▷Wohnen, Arbeiten, Hafen und Logistik verknüpft, wodurch der Quartiersbegriff eine neue Identität erhalten soll. Auf diese Weise ist das Kürzel IBA zu einer Chiffre für das umfassende und integrierte planerische, architektonische und soziale Handeln zur prozessgesteuerten Beseitigung von architektonischen, städtebaulichen und landschaftsplanerischen Mängeln der gestalteten Umwelt geworden. Cramer
Literatur Baldus, C.; Lampugnani, V. M. (1987): Das Abenteuer der Ideen: Internationale Bauausstellung Berlin 1987, Architektur und Philosophie seit der industriellen Revolution. Berlin Cramer, J.; Gutschow, N. (1984): Bauausstellungen: Eine Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts. Stuttgart Ganser, K. (1999): Liebe auf den zweiten Blick: Internationale Bauausstellung Emscher Park. Dortmund Hämer, H.-W. (1990): Behutsame Stadterneuerung. In: Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen Berlin (Hrsg.): Stadterneuerung Berlin. Berlin Kleihues, J. P. (1986): Internationale Bauausstellung Berlin: 1987. Stuttgart Landesdenkmalamt Berlin (Hrsg.) (2007): Das Hansaviertel in Berlin: Bedeutung, Rezeption, Sanierung. Beiträge zur Denkmalpflege in Berlin, 26. Petersberg
Hierzu zählt im Schwerpunkt das Bauvertragsrecht, das die Beziehungen zwischen dem Auftraggeber (Bauherr) und den Beteiligten (Architekten, Ingenieure, Bauunternehmen und -handwerker) regelt. Durch die Internationalisierung des Wettbewerbs um Bauvorhaben können nationale Regelungen und Gebräuche kollidieren, wenn Bauakteure verschiedener Nationen zusammenarbeiten oder sich die Baustelle in einem Drittstaat befindet. Einen „internationalen Bauprozess“ gibt es nicht. Das Internationale Baurecht (in seiner privatrechtlichen Dimension) regelt die Frage nach dem eigentlich anwendbaren Baurecht. Dies wird grundsätzlich durch das Internationale Privatrecht (IPR) eines jeden Staates geregelt (z. B. in Deutschland: Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch – EGBGB, Österreich: Gesetz über das Internationale Baurecht – IPRG). Das IPR bestimmt das anwendbare Recht („Statut“) dadurch, dass es für einzelne Rechtsbereiche die hierfür maßgebenden Anknüpfungsmomente festlegt. Diese stellen typisierte Fallgruppen auf, welche die stärkste sachliche Verbundenheit zu der Rechtsordnung kennzeichnen, auf die verwiesen wird. Das für das Baurecht vornehmlich interessante Vertragsstatut unterliegt weitergehender Vertragsfreiheit. Wenn keine ausdrückliche Vereinbarung besteht, wird vermutet, dass die Rechtsordnung desjenigen Ortes die „sachnächste“ ist, an dem die die Leistung erbringende Partei ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verbrauchers oder an dem Ort, an dem der Arbeitnehmer für gewöhnlich seine Dienste erbringt. Diese Regelungen werden durch EG-Gemeinschaftsrecht teilweise modifiziert (siehe unten). Neben dem IPR finden sich Regelungen zur Bewältigung von Streitigkeiten grenzüberschreitender Sachverhalte im sog. Einheitsrecht (z. B. dem Wiener UN-Kaufrecht – CSIG). Die Existenz einer weltweiten ungeschriebenen Rechtsordnung für Kaufleute (sog. lex mercatoria) ist dagegen umstritten und wird mehrheitlich abgelehnt.
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Internationale Vertragsgestaltung
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Internationales Privates Baurecht Das private Baurecht regelt die rechtlichen Beziehungen zwischen den privaten Baubeteiligten.
Durch die Internationalisierung des Wirtschaftsverkehrs (▷Globalisierung) wachsen die Anforderungen an die Vertragsgestaltung. Hierbei sind Standardbedingungen hilfreich (Großbritannien: JCT/ICE-Bedingungen, Frankreich: AFNORKlauseln, USA: AIA-Standardverträge, Schweiz: SIA-Klauseln), die jedoch häufig – wie die deutsche VOB/B – im Ausland nur wenig bekannt sind und keine vollständige Streitmanagementgrundla-
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ge enthalten. International gültige Standardbedingungen sollen Abhilfe schaffen. Hierzu gehören z. B. die Vertragsmuster der Fédération Internationale des Ingénieurs-Conseils (FIDIC) und die vom Council of the Institution of Civil Engineers herausgegebenen New Engineering Contracts (NEC). Während die FIDIC-Bedingungen in einigen Teilen der Welt bereits häufig angewandt werden, besteht bei kontinentaleuropäischen Unternehmen vielfach noch Zurückhaltung. Diese gründet v. a. darauf, dass die FIDIC-Klauseln, auf dem anglo-amerikanischen System beruhend, Architekten und Ingenieuren eine stärkere Stellung z. B. im Rahmen von Streitschlichtungsaufgaben übertragen. Die Abkopplung der Streitbeilegung von den nationalen Gerichten erlaubt ausländischen Unternehmen dagegen größere Gestaltungs- und Handlungsfreiheit und eine oftmals zügigere Streitbeilegung.
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Internationales Öffentliches Baurecht Öffentliches Baurecht, Definition Das öffentliche Baurecht teilt sich auch international in ▷Bauplanungs- und ▷Bauordnungsrecht. Das Bauplanungsrecht regelt die planerischen Voraussetzungen für die Bebauung einzelner Grundstücke. Internationale Systeme öffentlicher Bauleitplanung Es lassen sich drei verschiedene Systeme unterscheiden. Das in der kontinentaleuropäischen Rechtstradition herrschende Kodifikationsmodell im Gegensatz zum anglo-amerikanischen Common Law-Modell sowie Mischformen aus beiden. Kodifikationsmodell: Beispiel Frankreich. Das französische Planungsrecht ist nahezu vollständig kodifiziert (Code d’Urbanisme). Es existiert ein dreiphasiges System aus Flächennutzungsplänen (schémas de cohérence territoriale – SCOT), qualifizierten Bebauungsplänen (plans locaux d’urbanisme – PLU) und einfachen Bebauungsplänen (cartes communales). Zwar existiert kein System flächendeckender Regionalpläne, jedoch unterliegt insbesondere die Entwicklung der Flächennutzungspläne erheblichen zentralstaatlichen Vorgaben. Qualifizierte Bebauungspläne müssen sich auf das gesamte Gemeindegebiet erstrecken (anders im deutschen Modell: ▷Bauleitplanung), sehen ein differenziertes Anhörungsverfahren vor
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und müssen der Öffentlichkeit bekannt gegeben werden. Infolge dieser strengen Vorgaben verfügt bis dato lediglich eine knappe Hälfte der französischen Kommunen überhaupt über einen Bebauungsplan, was durch die durchschnittlich geringe Größe und insgesamt große Anzahl der französischen Kommunen noch schwerer ins Gewicht fällt. Das Baugenehmigungsverfahren (▷Bauaussichtliches Verfahren) ist an den Code d’Urbanisme sowie den lokalen Bebauungsplan gebunden. Letzteren kommt wegen der zwingenden Erstreckung auf das gesamte Gemeindegebiet aber nur eine geringe Festsetzungsdichte zu. Die „verhandelte Baugenehmigung“ mit Investoren zur Übernahme späterer Kosten ist weit verbreitet. Common Law Modell: Beispiel Großbritannien. Das britische öffentliche Baurecht ist ebenfalls zweiphasig ausgestaltet (siehe oben). Seit 2004 existiert ein neues Verfahren der Regionalplanung, wofür acht regional planning bodies eingeführt wurden. Diese sind durch kommunale Mitglieder besetzt, wobei die Zentralregierung einen bestimmenden Einfluss ausübt und dem zuständigen Minister ein direktes Interventionsrecht zusteht, um die Planungsentscheidung jederzeit an sich zu ziehen. Den districts kommt bei der Aufstellung der Bebauungspläne und im Baugenehmigungsverfahren (anders im französischen und deutschen Modell) ein traditionell großer (politischer) Ermessensspielraum zu. Allerdings existiert auch ein plangeleitetes Entscheidungsverfahren, wonach die Erteilung einer Baugenehmigung in Abweichung vom Bebauungsplan der ministeriellen Genehmigung bedarf. Das Aushandeln von Baugenehmigungen gehört insbesondere im Bereich des sozialen Wohnungsbaus zur kommunalen Praxis. Mischsystem: Beispiel Schweden. Das schwedische Modell greift Elemente beider genannter Bauleitplanungssysteme auf. Die Aufgabe des Planungs- und Baugesetz (plan- och bygglagen – PBL) beschränkt sich – ähnlich dem britischen Modell – auf eine Rahmengesetzgebung. Den Kommunen wird bei ebenfalls bestehender Zweistufigkeit des Verfahrens eine umfassende Zuständigkeit eingeräumt. Flächennutzungspläne (översiktsplan) sind für das gesamte Gemeindegebiet unter Beteiligung der Nachbargemeinden aufzustellen. Eine Verletzung dieses Gebots zieht die Nichtigkeit des Plans nach sich. Es existiert bislang kein System der Regionalplanung. Im Sinne einer „Verschlankung“ des Rechts ist seit 1999 ist das
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Umweltschutzgesetz (miljöbalken) vollständig ins Baugesetz integriert. Der Gemeindevertretung kommen – ähnlich dem britischen Modell – breite kommunalpolitische Entscheidungsspielräume zu. Der Bebauungsplan (detaljplan) ist bindend, geringfügige Abweichungen aber zulässig. Im Übrigen gilt der Flächennutzungsplan. Die bauordnungsrechtlichen Prüfungserfordernisse sind – ähnlich dem deutschen Modell – stark eingeschränkt und vom Grundsatz einer „repressiven Kontrolle“ der Bautätigkeit mit weitgehender Haftungsverlagerung auf den Bauherrn geprägt. Verhandlungsplanung und Vereinbarungen mit dem Bauherrn gehören zur Genehmigungspraxis. Europarechtliche Dimension Das EG-Gemeinschaftsrecht hat einen eigenen Rechtsrahmen geschaffen, der sowohl Auswirkungen auf das im Bauprozess geltende Verfahrensrecht hat als auch materiellrechtliche Aspekte des privaten und öffentlichen Baurechts determiniert. Auswirkungen auf internationales (Bau-)Prozessrecht Das nationale Internationale Prozessrecht, das die internationale Zuständigkeit nationaler Gerichte normiert und die Vollstreckbarkeit ausländischer Gerichtsentscheidungen sowie Anerkennung sonstiger ausländischer Rechtsakte klärt, wird maßgeblich durch die EG-Verordnung Nr. 44/2001 (EuGVVO oder Brüssel-I-Verordnung) verdrängt. Die EuGVVO regelt die internationale Zuständigkeit der Gerichte gegenüber einem Beklagten, der seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der EU hat, sowie die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen aus anderen EU-Mitgliedstaaten. Für die EFTAStaaten (Island, Norwegen, Schweiz) gilt insoweit das Luganer Übereinkommen (LGVÜ). Nur wenn der Anwendungsbereich der EuGVVO nicht eröffnet ist, leben nationale IPR-Vorschriften auf. Für das Bauwesen interessant ist insbesondere der Gerichtsstand des Erfüllungsorts. Hierfür bestimmt Art. 5 Nr. 1 EuGVVO, dass sich der Erfüllungsort dort befindet, wo die Dienstleistung erbracht wird. Da baurechtliche Werkverträge traditionell zu den Dienstleistungen gezählt werden, sind Streitigkeiten aus Bau- und Architektenverträgen dort auszutragen, wo die Leistungen vertragsgemäß erbracht worden sind oder hätten werden müssen. Somit ist grundsätzlich am Baustellenort zu klagen, weil dort der Schwerpunkt des Vertragsverhältnisses
liegen wird, unabhängig davon, dass Planung und Baukoordinierung auch vom Unternehmenssitz aus bewältigt werden können. Ein Rückgriff auf das IPR des Staates, dessen Gericht angerufen wurde (so noch der EuGH in der Tessili-Entscheidung (Rs. 12/76, Slg. 1976:1473) zum EuGVÜ als Vorgängerregelung der EuGVVO), ist insoweit nicht mehr erforderlich. Materiellrechtliche Regelungen Privates Baurecht und Auswirkungen auf einzelne Baubeteiligte: In der EU herrschen die Grundsätze der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit (Art. 43 und 49 EGV). Alle Berufe und Berufsgruppen sind grundsätzlich berechtigt, ihre Leistungen europaweit anzubieten. Dienst-, Werk- und Bauleistungen sind unter die Dienstleistungsfreiheit zu fassen. Bauunternehmen: Beschränkungen für Unternehmen anderer EU-Mitgliedstaaten, die entgeltlich und grenzüberschreitend in einem anderen Staat als demjenigen, in dem sie ansässig sind, (Bau-) Dienstleistungen erbringen, sind grundsätzlich verboten (EuGH 493/99, Slg. 2001:I-8163 Rn. 20 – Mitgliedschaft in nationalem Arbeitgeberverband). Nur ausnahmsweise können „zwingende Gründe des Allgemeininteresses“ Beschränkungen rechtfertigen, wenn sie dem sozialen Schutz der Arbeitnehmer des Baugewerbes dienen (EuGH C-272/94, Slg. 1996:I-1905 Rn. 16 – Arbeitgeberbeiträge an Sicherheitsfonds und EuGH C-113/89, Slg. 1990:I-1417 Rn. 18 – Ausdehnung von nationalen Tarifverträgen). Erwägungen rein administrativer Art reichen nicht aus (EuGH C-18/95, Slg. 1999:I-345 Rn. 45 – Kombinierte Veranlagung von Einkommensteuer und Sozialversicherungsbeiträgen). So ist es den Mitgliedstaaten untersagt, die Zulässigkeit des grenzüberschreitenden Arbeitskräfteverleihs von der Gebundenheit des Unternehmens an einen deutschen Tarifvertrag und vom Vorhandensein eines inländischen Sitzes/Niederlassung abhängig zu machen (EuGH 493/99, Slg. 2001:I-8163 Rn. 21). Auch darf ein Mitgliedstaat einem Unternehmen nicht die Führung von Unterlagen vorschreiben, wenn das Unternehmen bereits im Niederlassungsstaat für dieselben Arbeitnehmer und Beschäftigungszeiten Verpflichtungen unterliegt, die diesen vergleichbar sind (EuGH 493/99, Slg. 2001:I8163 Rn. 21). Handwerk: Mangels vollständiger Liberalisierung des Industrie- und Handwerkmarktes
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bleiben die Mitgliedstaaten – in den Grenzen der Art. 43 und 49 EGV – weiterhin befugt, die Bedingungen für die Aufnahme dieser Tätigkeiten festzulegen. Mit den in der Richtlinie 64/427/EG vorgesehenen Übergangsmaßnahmen existieren aber erste Harmonisierungen. Hiernach stellt es eine (unzulässige) Beschränkung dar, wenn einem Handwerker die Ausübung seiner Tätigkeit in einem anderen EU-Mitgliedstaat von der Eintragung in die Handwerksrolle abhängig gemacht wird. Die Eintragung kann zwar durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. Dies gilt aber nur, sofern das im Ursprungsmitgliedstaat eingerichtete Verfahren diese Voraussetzungen nicht vorsieht oder diese noch nicht überprüft wurden (EuGH 279/80, Slg. 1981:3305 Rn. 17; EuGH C-180/89, Slg. 1991:I-709 Rn. 17). Ist dies hingegen der Fall, kann eine Eintragung in die Handwerksrolle nur noch automatisch erfolgen und weder Voraussetzung für die Dienstleistungserbringung sein noch Folgekosten (Verwaltungskosten, Beitragszahlung an die Handwerkskammer u. ä.) verursachen (EuGH C-215/01, Slg. 2003:I-14847, Rn. 36f; EuGH C-58/98, Slg. 2000:I-7919 Rn. 47). Architekten: Die Richtlinien 85/384/EWG und 2005/36/EG regeln die gegenseitige Anerkennung von Diplomen, sonstigen Befähigungsnachweisen und Berufsqualifikationen für Architekten. Hiergegen verstößt ein EU-Mitgliedstaat, wenn er verlangt, dass dem Antrag auf Anerkennung eines Befähigungsnachweises eine amtliche Übersetzung, das Originaldiplom oder eine beglaubigte Kopie oder ein Staatsbürgerschaftszeugnis beigefügt wird oder der Bewerber verpflichtet wird, sich bei der regionalen Architektenkammer einzuschreiben (EuGH C-298/99, Slg. 2002:I-3129). Dasselbe gilt für die Berücksichtigung von lediglich im nationalen oder örtlichen Architektenverzeichnis eingetragenen Bewerbern (EuGH 225/98, Slg. 2000:I-7445). Ausgewählte EU-Instrumente mit Auswirkungen auf das öffentliche Baurecht: Raumordnungsrecht: Das Recht der Raumordnung (▷Raumordnung und Landesplanung) ist auf europäischer Ebene bisher nur schwach ausgeprägt, da der EU in diesem Bereich keine originäre Kompetenz zukommt. Sie verfügt lediglich über Kompetenzen in einzelnen Fachbereichen, die raumordnungstechnisch bedeutsam sind, z. B. die transeuropäischen
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Netze (Art. 154ff EGV), die Regionalpolitik (Art. 158ff EGV) und die Umweltpolitik (Art. 174ff EGV). Im Bereich der Umweltpolitik steht dem Europäischen Rat zwar die Befugnis zu, „Maßnahmen, die die Raumordnung berühren“ zu erlassen (Art. 175 Abs. 2 lit. b Spiegelstrich 1 EGV). Dies bietet der EU-Kommission qua Querschnittskompetenz die Möglichkeit Stadtentwicklung- und Raumordnungspolitik entsprechend dem Leitbild einer nachhaltigen europäischen Stadtentwicklung aktiv zu gestalten, wie an aktuellen Projekten wie der Territorialen Agenda und der Leipzig-Charta deutlich wird. Zwar gehen diese auf Beschlüsse einer informellen Ministerkonferenz der Mitgliedstaaten zurück, an denen die EU-Kommission aber beteiligt war und deren Umsetzung durch EU-Programme nun erfolgt (näher: ▷Europäische Raumentwicklungspolitik, ▷Europäische Stadt und ▷Soziale Stadt). Naturschutzrecht (Flora-Fauna-Habitat- und Vogelschutzrichtlinie): Die FFH-Richtlinie 92/43/EWG verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten für ihr Hoheitsgebiet eine Liste schützenswerter Gebiete zu erstellen. Diese werden dann von der EU-Kommission geprüft und – wie bereits bestehende Schutzgebiete nach der Vogelschutzrichtlinie 79/409/EWG – in das europaweite Biotopverbundsystem „Natura 2000“ integriert. Die Ausweisung als Schutzgebiet führt zur grundsätzlichen Unzulässigkeit der Bauleitplanung in diesem Gebiet, wenn dort erhebliche Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele oder des Schutzzwecks zu erwarten sind (zu Umsetzung und Ausnahmen: vgl. § 5 II i. V. m. § 34 I-IV BNatSchG). Der Vorgang ist in solchen Fällen der städtebeaulichen Planung entzogen (zur Umsetzung: vgl. § 1a IV BauGB). Bei nicht zu befürchtender Beeinträchtigung ist die Auseinandersetzung mit Belangen des Umweltschutzes im Rahmen der Abwägung weiter zu berücksichtigen (vgl. zum deutschen Modell: § 1 VI Nr. 7b) BauGB). Strategische Umweltplanung (UVP und SUP): Die UVP (Umweltverträglichkeitsprüfung) dient der frühzeitigen Folgenerkennung eines Projektes für die Umwelt. Sie kommt jedoch erst bei der Zulassung umwelterheblicher Vorhaben zum Zuge. Auf der Planungsebene wird sie durch die SUP (Strategische Umweltprüfung) ergänzt. Die SUP geht zurück auf die SUP-Richtlinie 2001/42/EG, die europaweit sicherstellen will, dass schon Planungen, die Festlegungen für spätere Zulassungsentscheidungen treffen, umweltverträglich, transpa-
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rent und unter Einbeziehung der Öffentlichkeit durchgeführt werden. Die SUP begründet keine materiellen Umweltstandards, sondern erhöht nur die verfahrensrechtlichen Anforderungen für die Regional- und Bauleitplanung. Zentrales Element ist der zu erstellende Umweltbericht (zur Umsetzung: vgl. §§ 2 IV, 2 a Satz 2 Nr. 2 und 4 c). Ein Verstoß hiergegen kann die Nichtigkeit des Bauleitplans begründen (vgl. § 214 III 2 BauGB; zur Umsetzung von UVP und SUP insgesamt: ▷Umweltprüfung). Grenzüberschreitende Öffentlichkeitsbeteiligung: Nach der das internationale Aarhus-Übereinkommens umsetzenden Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie 2003/35/EG bedarf das umweltrechtliche Zulassungsverfahren und der Erlass bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme der umfassenden Öffentlichkeitsbeteiligung. Gemeinden werden zur grenzüberschreitenden Unterrichtung und Abstimmung von Bauleitplänen mit Behörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange der Gemeinden des Nachbarstaates verpflichtet. Kann ein Bauleitplan erhebliche Umweltauswirkungen auf einen anderen Staat haben, so ist das UPVerfahren (▷Umweltprüfung) einzuhalten (zur Umsetzung in nationales Recht: vgl. § 4 a Abs. 5 Satz 1 BauGB i.V.m. § 9a UVPG). Ferner ist die Einführung eines erweiterten Gerichtszugangs, insbesondere für Umweltverbände, bei UVPpflichtigen Industrieanlagen und Infrastrukturmaßnahmen vorgesehen (zur Umsetzung in nationales Recht: UmwRBehG).
Fazit „Das“ Internationale Baurecht gibt es nicht. Der Begriff spaltet sich in eine privatrechtliche Komponente, welche maßgeblich im Internationalen Privatrecht fußt, und eine öffentlich-rechtlichen Komponente auf. Die Internationalisierung des privaten Baurechts hängt entscheidend von der Akzeptanz internationaler Vertragsbedingungen ab, deren Durchsetzung unter den Bauakteuren abzuwarten bleibt. Im übrigen eröffnen die EGGrundfreiheiten für europäische Baubeteiligte bereits ein differenziertes Schutzsystem. Eine echte Internationalisierung des öffentlichen Baurechts ist bislang nur in Europa zu beobachten und wird bisher v. a. von umweltrechtlichen Aspekten getragen. Eine weitere Entwicklung wird maßgeblich davon abhängen, inwieweit die Mitgliedstaaten der EU, insbesondere in der Raumordnungspolitik, mehr Kompetenz zu übertragen bereit sind. Battis
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Literatur Battis, U.; Kersten, J. (2008): Europäische Politik des territorialen Zusammenhalts, Europäischer Rechtsrahmen und nationale Umsetzung. In: UPR, 201ff Hök, G.-S. (2005): Handbuch des Internationalen und Ausländischen Baurechts. Berlin, §§ 17-18, 27-30 Möllers, Ch.; Voßkule, A.; Walter, Ch. (Hrsg.) (2007): Internationales Verwaltungsrecht, Eine Analyse anhand von Referenzgebieten. Tübingen Wollmann, H. (2008): Städtebauliche Planung und Baugenehmigung in Großbritannien, Frankreich und Schweden im Vergleich. In: Battis, U.; Söffker, W.; Stüer, B. (Hrsg.): Nachhaltige Stadt- und Raumentwicklung. Festschrift für Michael Krautzberger zum 65. München, 147-167
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KLEIN- UND MITTELSTÄDTE
KLEIN- UND MITTELSTÄDTE „Wie in der gesamten Lebenswelt gibt es auch in den menschlichen Ballungen Stellen, wo Quantität umschlägt in Qualität. Die 100.000-Einwohnergrenze werden wir als einen solchen Schwellenwert erkennen“ (Pfeil 1950:15). Mit der Zunahme an Einwohnern werden Städten nicht nur neue Aufgaben und Funktionen zugewiesen. Sie ändern sich zumindest auch in der Übersichtlichkeit ihres Gemeinwesens und der Überschaubarkeit von Strukturen und damit auch im Umgang mit Determinanten räumlicher Planung. Definitionen und Abgrenzungen
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Die Beschreibung für die Größe einer Stadt ist unterschiedlich besetzt. Sie lässt sich fassen über die Fläche, ▷Dichte, Wirtschaftsbevölkerung oder funktionale Bedeutung im Raum. Von Kunzmann wurde in einer skizzierten Typisierung von Klein- und Mittelstädten ihre funktional-räumlichen Entwicklungslinien zugrunde gelegt und die Notwendigkeit einer problemorientierten Typisierung hervorgehoben (Kunzmann 2004). Von Adam wurden Mittelstädte in ihrer Dynamik und Stabilität, im Vergleich der Lage in Ostund Westdeutschland sowie entsprechend der polyzentralen stadtregionalen Zusammenhänge regionalstatistisch unterlegt und typisiert. Dieser Ansatz ergänzt Größe um Zentralität und Dichte und kann anhand von Fallstudien unterschiedliche Entwicklungspfade herausarbeiten, bei denen Siedlungsbild (▷Stadtbild) und Funktionalität einbezogen werden (Adam 2005:495-523). Eine Typenbildung von Kleinstädten in der Region Stuttgart zeigte Grundtendenzen ihres Wachstums auf und differenzierte nach Kleinstädten entsprechend ihrer funktionalen und stadträumlichen Prägung durch Suburbanisierungsprozesse (▷Innenentwicklung/Außenentwicklung) und Stadtgrößenbezeichnung
Einwohnerschwellenwerte
Landstadt
2.000-5.000 Einwohner
Kleinstadt
5.000-10.000 Einwohner
Mittelstadt
10.000-100.000 Einwohner
Großstadt
100.000-1.000.000 Einwohner
Weltstadt
über 1.000.000 Einwohner
Abgrenzung und Gliederung der Städte als statistisch-administrative Stadt (Quelle: Statistiker-Kongress von 1887, zitiert nach Pfeil 1950:14)
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der Konsequenzen durch die Kommunalreform in den 1970er Jahren (Brombach/Jessen 2003). Stadtgröße im Sinne des quantitativen Stadtbegriffs bezieht sich auf die Einwohnerzahl der jeweiligen Stadt oder Gemeinde und damit auf eine Gemeinschaft in einem administrativ zugeordneten Raum. Aus der Verteilung der Einwohner auf die Gemeindegrößenklassen ergibt sich, dass ca. 6,7 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung in Kleinstgemeinden bis 2.000 Einwohner, ca. 35 Prozent in Gemeinden mit 2.000 bis 20.000 Einwohnern und etwa 27 Prozent in Mittelstädten zwischen 20.000 und 100.000 Einwohnern leben. 31,3 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung entfallen auf Großstädte (vgl. Statistisches Bundesamt 2006:28). Mit Ausnahme des Saarlandes und NordrheinWestfalens ist bundesweit die Kleinstadt der dominierende Stadtgrößentyp. Die durchschnittliche bundesdeutsche Gemeindegröße mit ca. 6.300 Einwohnern ist als Kleinstadt im statistischen Sinne zu bezeichnen und bewegt sich im europäischen Vergleich im unteren Drittel, gemessen an der Anzahl der Gemeinden in den Ländern. Mittelstädte sind neben den Kleinstädten typische Städte des bundesdeutschen Siedlungssystems. „Fast die Hälfte der Bevölkerung des Bundesgebietes, 48,4 Prozent bzw. 39,9 Mio. Einwohner, lebt heute in Klein- und Mittelstädten“ (Gatzweiler 2003:13). Als typisch „deutsche Mittelstadt“ kann das kleinere, kreisangehörige Mittelzentrum mit etwa 40.000 Einwohnern und einer Flächengröße von durchschnittlich 80 qkm gelten. Ausgewählte raumrelevante Merkmale Zentrale Bedeutung für den Blick auf Kleinund Mittelstädte nehmen die Determinanten Bevölkerung und Arbeitsplätze ein. Klein- und Mittelstädte weisen einerseits etwa 50 Prozent der Arbeitsplätze aller abhängig Beschäft igten auf (Gatzweiler 2003) und sind anderseits auch Wohnort für ca. die Hälfte der bundesdeutschen Bevölkerung. Mit etwa einem Drittel ist die Mittelstadt am häufigsten in Nordrhein-Westfalen vertreten, so dass weitgehende, bundesweite Strukturdaten über Mittelstädte immer auch vor diesem Hintergrund gesehen werden müssen. In der Klassifizierung von Demographietypen (BertelsmannStiftung 2006) handelt es sich bei etwa 40 Prozent der Mittelstädte um demographisch (Demographischer ) stabile Städte mit geringen Familienanteilen.
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Die Zusammensetzung des Steueraufkommens einer Gemeinde hängt u. a. auch von ihrer Größe ab. Während die Gewerbesteuer (netto) in Großstädten in 2006 mehr als 50 Prozent am Gesamtsteueraufkommen einer Gemeinde ausmacht, erfährt der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer in Gemeinden unter 10.000 Einwohner eine gewichtige Bedeutung. Bei kreisangehörigen und damit kleineren Gemeinden steigt der Anteil an der Gewerbesteuer, der Anteil an Einkommenssteuer, an der Umsatzsteuer und die gemeindliche Steuerkraft fast kontinuierlich mit dem Anstieg der Stadtgröße. Bei der Grundsteuer B, der Gewerbesteuer und dem Anteil an der Umsatzsteuer ist ebenfalls ein stetiger Anstieg der Pro-KopfEinnahmen im Zusammenhang mit der Größe der Stadt festzustellen. Während bei Städten zwischen 100.000 und 200.000 Einwohnern der Anteil an der Einkommenssteuer mit 295,48 Euro (2007) am höchsten ist, liegt er bei kreisangehörigen Gemeinden unter 1.000 Einwohner mit 159,32 Euro (2007) an der unteren Grenze. Planungshandeln in Stadt und Region Wie bei Großstädten liegt bei Klein- und Mittelstädten ein Schwerpunkt planerischen Handelns auf der Stabilisierung und Entwicklung der Innenstadt. Anhand der nach Stadtgrößenklassen differenzierten Erkenntnisse zu Multifunktionalität in Klein- und Mittelstädten werden am häufigsten Art und Umfang des ▷Einzelhandels- und Gastronomieangebots bemängelt. Gleichwohl wird die Bedeutung von Freizeiteinrichtungen für vitale Innenstädte auch in Klein- und Mittelstädten als wichtiges Handlungsfeld Mittelstadt genannt und als nachholende Entwicklung interpretiert (Frehn 2004:155). So zielen die vordringlichen Handlungsfelder in allen Größenklassen gleichermaßen auf eine Aufwertung und Inszenierung des öffentlichen Raums (Frehn 2004:220). Für Kleinund Mittelstädte gilt besonders, dass Handlungsansätze im City- und Stadtmarketing, differenziert nach Lagekontext, Funktionen und Ressourcen organisatorisch und planerisch eingebunden sein sollten (Frehn 2004:162, Frehn 2005:24). Bei den auf nachholende Stadtentwicklung abzielenden Strategien der Ansiedlung von Freizeitgroßeinrichtungen in kleinen und mittleren Städten besteht für Altrock die Gefahr, dass sie als Nachahmer andernorts erfolgreicher Trends häufig zu spät kommen und geringere Professionalität bei den Betreiberkonzepten mit den entsprechenden risikoreichen Konsequenzen vorfinden. Er folgert daraus, dass sich längerfristig eine ▷Ko-
operation mit „organisch“ wachsenden regionalen Anbietern insbesondere im Bereich der Freizeitgroßeinrichtungen anbietet“ (Altrock 2007:724). In der Differenzierung von Städten nach dem Einfluss der Stadtgröße auf das planerische Handeln zeigt sich u. a., dass Einsatz bestimmter Methoden auch eine Funktion der Stadtgröße ist: kleinere Kommunen sind stärker auf raumbezogene Planungen konzentriert, der Einsatz einer gesamträumlichen, konzeptionellen Planung steigt mit der Größe der Stadt an. Das Bewusstsein für aktuelle planerische Herausforderungen jedoch steht nicht in ableitbarem Zusammenhang mit der Stadtgröße. Demgegenüber zeigen bauleitplanerische Aktivitäten (▷Bauleitplanung) starke Abhängigkeiten zur jeweiligen siedlungsstrukturellen Lage und Größe einer Stadt. Je kleiner die Stadt, desto mehr „Produkte“ werden von nur einer Person verantwortlich bearbeitet. Eine Zunahme der Planungsfälle und Planungsobjekte wird meist entweder über Arbeitsroutine oder durch eine prioritäre Bearbeitung bestimmter Aufgaben abgefangen. Die Beschäftigten sind eher querschnittsorientiert und für mehrere, auch wechselnde Handlungsfelder gleichzeitig zuständig. Damit gewinnt der individuelle Planer – innerhalb oder in Kooperation mit der Verwaltung – in kleineren Städten an Bedeutung. Durch eine deutliche Akzentuierung und Konzentration auf planerisches Routinehandeln sind kleinere Kommunen in der Lage, schnell und direkt nutzbare Ergebnisse zu produzieren. Interkommunale Zusammenarbeit ist auch für Klein- und Mittelstädte zu einem wichtigen Handlungsfeld geworden. Im Rahmen des 2006 dokumentierten MORO-Wettbewerbs „KommKoop“, bei dem insgesamt 167 ▷Wettbewerbsbeiträge eingereicht worden waren, bildeten Klein- und Mittelstädte mit ihrer Beteiligung an 87 Prozent der Vorhaben den am häufigsten vertretenen Kooperationspartner. Sie sind damit auch in Relation zu ihrem Anteil an allen Städten und Gemeinden in Deutschland (ca. 40 Prozent) weit überproportional beteiligt. Das Handlungsfeld der „räumliche Planung und Entwicklung“ als Schwerpunkt bei den Vorhaben wird v. a. um das Handlungsfeld „Stadt- und Regionalmarketing“ ergänzt. Bei Kooperationen von Klein- und Mittelstädten untereinander stehen ▷Daseinsvorsorge und Kommunales Wirtschaften im Vordergrund (Baumgart/ Schlegelmilch/Stefansky 2007:189-193).
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Planungskommunikation Dass Mittelstädte – wenn auch in ihrem politischadministrativen System als Abbilder n der Groß-
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städte – übersichtliche Strukturen aufweisen, betont Zirbel betont. Übersichtliche Entscheidungs- und Verwaltungsstrukturen und maßstabsübergreifendes Arbeiten sieht er als besondere Qualitäten, allerdings auch noch unausgeschöpfte Potenziale wie die Förderung der ▷Baukultur und das Erforschen spezifischer Entwicklungschancen. Die sozialräumliche Überschaubarkeit aufgrund fehlender Anonymität in Kleinstädten bildet ein Potenzial, das mit gezielten Impulsen und Unterstützungsleistungen zur Organisation bürgerschaftlichen Engagements (▷Zivilgesellschaft) gefördert werden kann. Angesichts eines veränderten Kräfteverhältnisses zwischen Bürgerschaft, ▷Stadtpolitik und Stadtverwaltung im Sinne kooperativer Planungsverfahren (▷Oartizipation) wurde dies von Grüger (2004) als notwendig erachtet. Mit Blick auf die informellen Netzwerke in ostdeutschen Kleinstädten, die auf der Identifikation mit dem sozialen ebenso wie mit dem gebauten, historisch geprägten Stadtraum basieren (▷ Gebaute Geschichte), erkannte Hannemann eine personalisierte und an Sachfragen orientierte Lokalpolitik im Rahmen lokaler Kommunikation. Förderbedingungen Um handlungsfähig zu bleiben, Projekte zu initiieren und Stadtentwicklung (▷Stadtentwicklungsplanung) zu betreiben, werden mehr denn je externe Fördermittel akquiriert. Der Zugang zu einzelnen Förderprogrammen ist sowohl aufgrund umfangreicher Antragsstellungen, spezifischer, lokaler Voraussetzungen und insbesondere aufgrund notwendiger Kofinanzierungen nicht jeder Stadt möglich. Eine Änderung der Förderpolitik, die bisher eine Kofinanzierung mit Mitteln Dritter ausschloss, scheint in Sicht. So sieht bspw. der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) für die Förderperiode 2007 bis 2013 in der Umsetzung durch die Länder die Möglichkeit einer privaten Kofinanzierung vor (vgl. MS Nds 2007, Nr. 4.1: 830). Mit der Größe der Stadt wachsen die Inanspruchnahme von Fördermitteln und die Distanz zur administrativen Ebene der Fördermittelgeber. Während kleinere Gemeinden und Städte eher auf Landesmittel zurückgreifen, nehmen größere Städte Mittel sowohl des Landes und Bundes als auch der Europäischen Union in Anspruch. Bedingt durch ihre Vielzahl und heterogene Verteilung im Raum, variieren die Strukturen, die Verhältnisse und Funktionen der Mittelstadt. Die unterschiedlichen Bedingungen sind maßgeblich dafür, dass eine allgemeingültige, qualitative De-
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finition der Mittelstadt ihres eigentlichen Inhalts beraubt wird. Die Kleinstadt oder die Mittelstadt gibt es demnach nicht. Programmatisch heißt es in der am 24. Mai 2007 verabschiedeten Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt „Ziel ist eine gleichberechtigte Partnerschaft zwischen Stadt und Land und zwischen Klein-, Mittel- und Großstädten innerhalb von Stadt- und ▷Metropolregionen. (BMVBS 2007)“ Baumgart, Rüdiger
Literatur Adam, B. (2005): Mittelstädte – eine stadtregionale Positionsbestimmung. In: Informationen zur Raumentwicklung, 8, 495-523 Altrock, U. (2007): Am Morgen danach: Großereignisse und ihre Folgen. In: Information zur Raumentwicklungent , 12, 719-730 Baumgart, S.; Schlegelmilch, F.; Stefansky, A. (2007): Neue Impulse für interkommunale Interaktionen. In: RaumPlanung, 134, 189-193 Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) (2006): Wegweiser demographischer Wandel 2020, Analysen und Handlungskonzepte für Städte und Gemeinden. Gütersloh Brombach, K.; Jessen, J. (2003): Die Kleinstadt im Suburbanisierungsprozess. Nivellierung oder Selbstbehauptung? Beispiel Region Stuttgart. In: Zimmermann, C. (Hrsg.): Kleinstadt in der Moderne. Ostfildern, 183-196 BMVBS – Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.) (2007): Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt. Berlin. Zugriff auf www.eu2007.de/de/News/ download_docs/Mai/0524-AN/075DokumentLeipzigCharta. pdf am 18.11.2008 Frehn, M. (2005): Freizeit in Klein- und Mittelstädten – Chancen und Grenzen für urbane Räume. In: Planerin, 2, 23-25 Frehn, M. (2004): Freizeit findet InnenStadt: Mobilitätsanalysen, Handlungsansätze, Fallbeispiele. Dortmunder Beiträge zur Raumplanung: Verkehr. Band 3. Dortmund Gatzweiler, H.-P. (2003): Klein- und Mittelstädte – Motoren oder Treibholz? In: ARL – Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.): Mittelstädte im Anpassungsprozess. Eisenach, 13-18 Grüger, C. (2004): Partizipation in Klein- und Mittelstädten. In: Baumgart, S. u. a. (Hrsg.): Kleine und mittlere Städte – Blaupausen der Großstadt? Dokumentation des Expertenkolloquiums am 29. April 2004 in Dortmund (Srpapers Nr. 1), 63-69 Hannemann, C. (2004): Sozialräume in Kleinstädten. In: Baumgart, S. u. a. (Hrsg.): Kleine und mittlere Städte – Blaupausen der Großstadt? Dokumentation des Expertenkolloquiums am 29. April 2004 in Dortmund (Srpapers Nr. 1), 53-61 Kunzmann, K. R. (2004): Der Typ macht Eindruck, Anmerkungen zur Typisierung von Klein- und Mittelstädten in Deutschland. In: Baumgart, S. u. a. (Hrsg.): Kleine und mittlere Städte – Blaupausen der Großstadt? Dokumentation des Expertenkolloquiums am 29. April 2004 in Dortmund (Srpapers Nr. 1), 19-24 MS Nds – Ministerium für Soziales, Frauen und Familie und Gesundheit des Landes Niedersachsen (Hrsg.) (2007): Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung der Erneuerung und Entwicklung städtischer Gebiete. Erlaß vom 10.08.2007 Pfeil, E. (1950): Großstadtforschung: Fragestellungen, Verfahrensweisen und Ergebnisse einer Wissenschaft, die dem Neubau von Stadt und Land von Nutzen sein könnte. In: Raumforschung und Landesplanung, Abhandlungen, Band 19. Bremen Rüdiger, Andrea (2009): Der Alltäglichkeit auf der Spur: Die Rolle der Stadtgröße für die räumliche Planung. Studien zur Stadt- und Verkehrsplanung,10. Hamburg Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2006): Datenreport. Zahlen und Fakten über die Bundesrepublik Deutschland. Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, 544. Bonn Zirbel, M. (2005): Gerade die richtige Größe – Über die Vorzüge der Mittelstädte. In: Planerin, 2, 29-30
KLIMAWANDEL
KLIMAWANDEL Der Begriff Klimawandel bezeichnet gemeinhin die seit der industriellen Revolution beobachtete und für die Zukunft zu erwartende globale Erwärmung, die vom Menschen verursacht wird. Im weiteren Sinn umfasst der Begriff auch natürliche Veränderungen des Klimas wie die erdgeschichtlichen Wechsel zwischen Warm- und Kaltzeiten. Zur Spezifizierung wird häufig vom „anthropogenen“, d. h. vom Menschen verursachten, im Gegensatz zum „natürlichen“ Klimawandel gesprochen. Klimageschichte Das Klima der Erde war immer schon großen Schwankungen unterworfen. Am Ende der letzten Eiszeit vor etwa 15.000 Jahren stieg die globale Mitteltemperatur um etwa fünf Grad Celsius auf einen Wert an, der nahezu dem heutigen entspricht. Gewaltige Eisschilde schwanden, die sich von der Arktis bis weit ins Gebiet des heutigen Deutschlands ausgedehnt hatten. Die Forschung macht sich verschiedene Klimaarchive zunutze, um solche Schwankungen im Klima zu rekonstruieren. Dazu gehören bspw. Sedimente am Meeresgrund, Wachstumsringe von Korallenstöcken und Bäumen und Schichten im Gletschereis. Durch Messungen an Eisbohrkernen können Wissenschaftler die Temperatur und – dank
winziger im Eis eingeschlossener Luftbläschen – auch die Zusammensetzung der Atmosphäre bis zu 650.000 Jahre in die Vergangenheit zurückverfolgen. Solche Messungen zeigen etwa, dass sich die Konzentration von Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre während der Eiszeitzyklen im Bereich von 180 bis 300 ppm (parts per million = Millionstel Volumenanteile) bewegte (siehe Abbildung). Klimaerwärmung Seit Beginn der Industrialisierung ist die CO2Konzentration in der Atmosphäre um mehr als 35 Prozent, also von 280 ppm auf über 380 ppm im Jahr 2008, angestiegen. Damit ist die Konzentration heute höher als jemals während der letzten 650.000 Jahre. Es ist unbestritten, dass der Mensch für diesen Anstieg verantwortlich ist. Eines der Indizien sind atomare Eigenschaften, genauer die Isotopensignatur des Kohlenstoffs in der Luft. Der Kohlenstoff, der bei der Verbrennung fossiler Energieträger freigesetzt wird, weist eine andere Signatur auf als der Kohlenstoff in der vorindustriellen Atmosphäre. Zudem wissen wir in etwa, wie viel CO2 durch die Verbrennung von Öl, Gas und Kohle und die Abholzung von Wäldern in die Atmosphäre gelangt ist. Dieses anthropogene CO2 ist nur zu einem Teil in der Atmosphäre verblieben. Die Biosphäre und die Ozeane haben fast die Hälfte der Emissionen aufgenommen. Menschliche Aktivitäten haben auch zur Anreicherung
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Verlauf von Temperaturen in der Antarktis und von atmosphärischen CO2 Konzentrationen während der letzten 400.000 Jahre, rekonstruiert aus dem Wostok-Eisbohrkern. Die CO2-Kurve wurde um die seit 1959 regelmäßig direkt in der Atmosphäre gemessenen Daten (Keeling-Kurve) erweitert. (Rahmstorf 2008)
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weiterer Treibhausgase in der Atmosphäre geführt, v. a. Methan und Lachgas, die hauptsächlich in der Landwirtschaft und in der Industrie freigesetzt werden. Die Treibhauswirkung dieser Gase besteht darin, dass sie zwar die Sonnenstrahlung passieren, aber die von der Erde wieder abgestrahlte Wärme nicht ungehindert entweichen lassen. Der Treibhauseffekt wurde schon im 19. Jahrhundert beschrieben. Ohne die Wirkung der natürlich vorkommenden Treibhausgase – unter ihnen ist Wasserdampf das wichtigste – würde sämtliche von der Erde ausgehende Wärme ins Weltall abgestrahlt. Anstelle von 15 Grad Celsius über Null würde eine lebensfeindliche Durchschnittstemperatur von 18 Grad Celsius unter Null herrschen: die Erde wäre ein Eisplanet. Durch den Ausstoß von zusätzlichen Treibhausgasen verstärkt der Mensch nun den natürlichen Temperierungsprozess. Wenn man die Wirkung der Treibhausgase wie eine Decke versteht, die um die Erde gelegt ist, dann ist der Mensch im Begriff diese Decke dicker zu machen und damit ihre wärmende Wirkung zu erhöhen. Unsere Kenntnisse über die physikalischen Eigenschaften der Treibhausgase und über den Aufbau der Atmosphäre erlauben es abzuschätzen, wie viel mehr Energie durch die zusätzlichen Treibhausgase auf die Erdoberfläche einstrahlt. Man misst diese zusätzliche Heizwirkung (korrekt: Strahlungsantrieb) in Watt (wie etwa bei einer Glühbirne) pro Quadratmeter Erdoberfläche. Zusammen bewirken die Treibhausgase, die sich seit Beginn der Industrialisierung in der Atmosphäre angereichert haben, einen durchschnittlichen zusätzlichen Strahlungsantrieb von etwa drei Watt pro Quadratmeter. Wie stark die globale Mitteltemperatur durch diesen zusätzlichen Strahlungsantrieb ansteigt, hängt von einer Vielzahl zum Teil noch wenig verstandener Rückkopplungsprozesse ab. So nimmt wärmere Luft z. B. mehr Wasser auf als kältere, und der zusätzliche Wasserdampf verstärkt den Treibhauseffekt. Der Wert der sog. Klimasensitivität, angegeben in Grad Celsius pro Watt pro Quadratmeter, ist daher mit relativ großen Unsicherheiten behaftet. Die Auswertung der Klimaarchive und Modellrechnungen ergeben eine wahrscheinliche Klimasensitivität von etwa 0,8 Grad Celsius pro Watt pro Quadratmeter. Dies entspricht einem Temperaturanstieg von etwa drei Grad Celsius bei einer Verdoppelung der CO2-Konzentration in der Lufthülle der Erde. Die heute schon in der Atmosphäre enthaltenen zusätzlichen Treibhausgase könnten mit dem zusätzlichen Strahlungsantrieb von drei Watt pro
Quadratmeter also eine globale Erwärmung um rund 2,4 Grad Celsius herbeiführen. Es gibt allerdings noch andere Faktoren, die auf das Klimasystem wirken. Weitere wichtige, durch menschliche Aktivitäten bedingte Einflussfaktoren sind die durch ▷Verkehr und Industrieprozesse in die Atmosphäre gelangenden Schmutzpartikel, sog. Aerosole, und Veränderungen der Landnutzung, beispielsweise die Umwandlung von dunklen, Wärme absorbierenden Wald- in hellere Agrarflächen. Beide Faktoren haben unterm Strich eine abkühlende Wirkung auf das Klima. Als Strahlungsantrieb ausgedrückt beträgt diese etwa minus 1,4 Watt pro Quadratmeter. Um abzuschätzen, wie stark der Mensch das Klima seit Beginn der Industrialisierung aufgeheizt hat, muss man außerdem berücksichtigen, dass die Weltmeere einen Teil der zusätzlichen Wärme schlucken. Man spricht hier von der thermischen Trägheit der Ozeane. Bislang ist wahrscheinlich erst die Hälfte bis zwei Drittel der längerfristig zu erwartenden Erwärmung eingetreten. Wenn man alle Faktoren mit einbezieht, ergibt sich eine Erwärmung von 0,6 bis 0,9 Grad Celsius allein durch menschliche Aktivitäten. Tatsächlich zeigen Messungen rund um den Globus einen Anstieg der globalen Mitteltemperatur von etwa 0,8 Grad Celsius seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (siehe Abbildung). Der Wert der theoretisch erwarteten Erwärmung stimmt demnach in der Größenordnung recht gut mit der tatsächlich beobachteten Erwärmung überein. Menschliche Aktivitäten sind also nach dem heutigen Verständnis des Klimasystems hauptsächlich für die beobachtete globale Erwärmung verantwortlich. Eine Vielzahl von Modellstudien hat zudem ergeben, dass natürliche Faktoren wie etwa die Sonnenaktivität als alleinige
Globale Durchschnittstemperatur, aufgezeichnet von Wetterstationen zwischen 1851 und 2006. Der Nullwert der Kurve entspricht dem langjährigen Mittel 1961-90. (GWArt 2008)
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Antriebskraft ausgeschlossen werden können. Die in den letzten fünfzig Jahren beobachtete Erwärmung lässt sich nur rekonstruieren, wenn man die Eingriffe des Menschen in das Klimasystem berücksichtigt. Im vierten Sachstandsbericht des Weltklimarates (IPPC - Intergovernmental Panel on Climate Change) von 2007 wird die mögliche weitere Erwärmung bis zum Jahr 2100 mit ein bis sechs Grad Celsius angegeben. Das IPCC wurde 1988 vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen – UNEP und der Weltmeteorologischen Organisation – WMO gegründet. Das Gremium wertet sämtliche wissenschaftlichen Einzelbeiträge zum Thema Klimawandel in Fachzeitschriften aus und fasst sie in den etwa alle sechs Jahre erscheinenden Sachstandsberichten zusammen. Die vom IPCC dargestellten Zukunftsprojektionen beruhen auf Szenarien, denen unterschiedliche Annahmen über künftige wirtschaftliche und technologische Entwicklungen und damit Treibhausgasemissionen zugrunde liegen (siehe Abbildung). Klimaschutzmaßnahmen werden dort nicht explizit berücksichtigt. Die so entstehenden Abschätzungen sollten nicht als Vorhersagen missverstanden werden. Es lassen sich daraus aber robuste Befunde ableiten. Ohne wirksame Klimaschutzmaßnahmen haben wir demnach bis zum Ende dieses Jahrhunderts mit einer weiteren Erwärmung zu rechnen, die
weit über die im vergangenen Jahrhundert beobachtete Umweltveränderung hinausgeht. Es ist nicht auszuschließen, dass die Biosphäre und die Ozeane, die derzeit noch einen großen Teil des ausgestoßenen Kohlenstoffs aufnehmen, bei steigenden Temperaturen Kohlenstoff abgeben und so zusätzliches CO2 in die Atmosphäre gelangt. Das könnte die globale Mitteltemperatur in Höhen treiben, die seit Jahrtausenden oder gar Jahrmillionen ohne Beispiel sind. Klimafolgen Der angesichts der Zukunftsprojektionen bislang noch gering anmutende globale Temperaturanstieg von 0,8 Grad Celsius im letzten Jahrhundert hat sich bereits deutlich auf Ökosysteme und auch die Lebensbedingungen für viele Menschen ausgewirkt. Zwar kann nicht jeder Einzelfall eines Extremwetterereignisses oder einer Veränderung der Artenzusammensetzung in einem bestimmten Gebiet auf den Klimawandel zurückgeführt werden. In der Summe macht sich der Klimawandel jedoch bereits eindeutig bemerkbar. Als ein Frühwarnsystem des Klimasystems lassen sich die Gebirgsgletscher bezeichnen, die mit wenigen Ausnahmen weltweit dramatisch zurückgehen. Ihr Abschmelzen trägt nicht nur zum Anstieg des Meeresspiegels bei, sondern könnte in Zukunft auch die Trinkwasserversor-
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Klimaentwicklung der letzten vier Jahrhunderte und mögliche globale Erwärmung bis 2100. Die Temperaturdaten der Vergangenheit beruhen auf drei verschiedenen Temperaturrekonstruktionen (mit Hilfe von Klimaarchiven) und direkten Thermometermessungen. Für die Zukunft sind Temperaturverläufe (als Abweichung vom vorindustriellen Niveau) von drei IPCC-Szenarien (B1, A1B, A2) dargestellt, die unterschiedliche Annahmen über die Entwicklung von Treibhausgas-Emissionen treffen. Außerdem gezeigt ist die Erwärmung (Com), die sich durch Einfrieren der Treibhausgaskonzentrationen auf dem heutigen Niveau (durch die Trägheit der Ozeane erst mit einiger Verzögerung) einstellen würde. Die horizontale Linie markiert das von der EU beschlossene Zwei-Grad-Ziel, das ohne wirksame Klimaschutzmaßnahmen in nur wenigen Jahrzehnten überschritten sein könnte. (Rahmstorf 2008)
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gung in vielen Regionen der Erde gefährden. Rapider Eisschwund wird auch in der Arktis beobachtet. Dessen Geschwindigkeit überrascht heute selbst viele der Spezialisten. Man ging lange davon aus, dass die Arktis frühestens zum Ende dieses Jahrhunderts im Sommer eisfrei sein könnte. Nun könnte sich dieser Zustand schon in einigen Jahrzehnten einstellen, vorausgesetzt der derzeit beobachtete Trend hält an. Das Abschmelzen von Eis, das wie in der Arktis aus dem Meer schwimmt, lässt den Meeresspiegel allerdings nicht ansteigen – ebenso wenig wie schmelzende Eiswürfel ein Wasserglas zum Überlaufen bringen. Da die dunkle Ozeanoberfläche jedoch weniger Sonnenstrahlung reflektiert als weißes Eis, verstärkt der Eisschwund die globale Erwärmung. Zudem werden sich vermutlich auch Meeresströmungen verändern. Die Kontinentaleismassen der Antarktis und Grönlands schwinden ebenfalls. Das Abfließen von Kontinentaleis ins Meer – als Schmelzwasser oder Gletschereis – lässt den Meeresspiegel tatsächlich ansteigen. Der Verlust von Kontinentaleis, das Abschmelzen von Gebirgsgletschern und die wärmebedingte Ausdehnung des erwärmten Ozeanwassers sind die wichtigsten Ursachen für den Anstieg des Meeresspiegels. Der bisher gemessene Meeresspiegelanstieg fällt mit global gemittelten etwa 20 cm seit Ende des 19. Jahrhunderts noch relativ moderat aus. Bei fortschreitender Erwärmung könnte der Meeresspiegel in der Zukunft aber um mehrere Meter steigen. Der Grönlandeisschild allein enthält genug Wasser, um den Meeresspiegel um sieben Meter ansteigen zu lassen. Sein vollständiges Zerrinnen würde sich über mehrere Jahrhunderte erstrecken. Aus der Klimageschichte wissen wir, dass der Meeresspiegel in Warmperioden wie etwa dem Pliozän vor rund drei Millionen Jahren bis zu 35 Meter höher war als heute. In der heutigen Welt, in der 60 Prozent der Bevölkerung in küstennahen Gebieten leben, hätte ein Anstieg um nur einen Bruchteil davon für viele Menschen katastrophale Auswirkungen. Kernfragen der Wissenschaft sind, ob und wann der anthropogene Klimawandel Prozesse auslösen könnte, die solch dramatische Veränderungen mit sich bringen. Im Klimasystem der Erde wurden in den letzten Jahren kritische Punkte ausgemacht, an denen schon kleine Störungen zu großen qualitativen Veränderungen führen können. Zu diesen sog. Kippelementen des Erdsystems zählen das Arktische Meereis und der Grönlandeisschild, der indische und der westafrikanische Monsun und die ausgedehnten Wälder am Amazonas oder in hohen nördlichen Breiten.
Die Temperaturschwellen, bei deren Überschreitung diese Elemente „kippen“, lassen sich bisher nur ungenau angeben. Die Kipppunkte des Eisschwunds in der Arktis und in Grönland könnten jedoch bereits überschritten sein. Einen Lebensraum, der durch den Klimawandel gleich in zweifacher Weise betroffen ist, stellen die Korallenriffe dar. Zusätzlich zu den Auswirkungen der erhöhten Meerestemperaturen werden die Korallen von der Versauerung der Meere beeinträchtigt, denn durch die verstärkte Aufnahme von CO2 sinkt der pH-Wert des Wassers. Weitere Folgen des Klimawandels, die sich heute schon bemerkbar machen, sind ein Auftauen der Permafrostböden, eine Verlängerung der Vegetationsperiode und Veränderungen der Verbreitungsgebiete von Tier- und Pflanzenarten. In Zukunft muss auch mit einer Zunahme von Wetterextremen wie Stürmen, Dürren oder Starkregen gerechnet werden. Neben den negativen Folgen des Klimawandels gibt es auch positive, die sich besonders in den gemäßigten Breiten bemerkbar machen: weniger kältebedingte Todesfälle, höhere Ernteerträge, schnellerer Waldwuchs. Was ihre Wirkung auf die menschliche Gesellschaft und die natürlichen Lebensräume der Erde anbelangt, werden die negativen Folgen des Klimawandels die positiven jedoch bei weitem übertreffen – insbesondere bei ungebremst fortschreitender Erwärmung. Klimaschutz Hauptansatz des Klimaschutzes sind die Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen und der Erhalt von Ökosystemen, die Treibhausgase speichern. Dieser Ansatz wird i. Allg. als Vermeidung (Mitigation) bezeichnet. Weil sich der Klimawandel schon heute bemerkbar macht und die zukünftige globale Erwärmung nicht mehr vollständig gestoppt, sondern höchstens begrenzt werden kann, kommt der Klimaschutz ohne Anpassung (Adaptation) an die Folgen nicht aus. Entsprechende Maßnahmen sind beispielsweise ein verstärkter Küstenschutz als Reaktion auf den Meeresspiegelanstieg, die Anpassung landwirtschaftlicher Praktiken und die Ausrichtung städtebaulicher Maßnahmen an veränderte klimatische Bedingungen (▷Stadtplanung, ▷Landwirtschaft und Agrarpolitik). Auf internationaler Ebene stellt die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen das wichtigste völkerrechtlich verbindliche Regelwerk zum Klimaschutz dar. Sie wurde 1992 in New York verabschiedet und auf dem Erdgipfel von Rio de
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Janeiro im gleichen Jahr von den meisten Staaten unterschrieben. Aus den jährlich stattfindenden Konferenzen der Vertragsstaaten ging 1997 das Kyoto-Protokoll hervor, das den Industrieländern konkrete Ziele zur Verringerung ihrer Treibhausgasemissionen vorgibt. Danach sollen die Emissionen dieser Industrieländer bis 2012 um 5,2 Prozent unter dem Niveau von 1990 liegen. Für die Periode nach 2012 steht eine Einigung über die Fortsetzung des Kyoto-Protokolls noch aus. Die Klimarahmenkonvention benennt als Ziel, eine „gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems“ zu vermeiden. Aufgrund der immer noch großen Unsicherheiten über die möglichen Klimafolgen ist es schwierig, dieses Ziel in eine konkrete Gradzahl zu übersetzen. Normative Kriterien zum Umgang mit Risiko müssen miteinbezogen werden. Die Europäische Union hat sich als Ziel gesteckt, die globale Erwärmung auf zwei Grad Celsius über vorindustriellem Niveau zu begrenzen (siehe Abbildung). In jüngster Zeit mehren sich die wissenschaftlichen Hinweise darauf, dass zwei Grad in etwa der Temperaturschwelle entspricht, unterhalb derer die wichtigsten Kippelemente ihre Stabilität behalten. Auf welchem Niveau die Treibhausgaskonzentrationen langfristig stabilisiert werden müssen, um die Zwei-Grad-Linie nicht zu überschreiten, wird je nach Einschätzung der wissenschaftlichen Unsicherheiten unterschiedlich beantwortet. Einer Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen entsprechend 450 ppm CO2 (man spricht von CO2-Äquivalenten) wird jedoch allgemein eine relativ hohe Wirksamkeit eingeräumt. Übersetzt in Treibhausgasemissionen bedeutet das mindestens eine Halbierung des heutigen globalen Ausstoßes bis 2050. Dabei werden die Industrieländer zu diesen Reduktionsanstrengungen stärker beitragen müssen als Entwicklungs- und Schwellenländer. Das trägt der Tatsache Rechnung, dass die Industrieländer für den Großteil der in der Vergangenheit ausgestoßenen Treibhausgase verantwortlich sind. Für ein Land wie Deutschland bedeutet diese Forderung eine Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2050 um mindestens 80 Prozent im Vergleich zu 1990. Zu den wichtigsten Maßnahmen, um diese ehrgeizigen Reduktionsziele zu erreichen, gehören eine massive Steigerung der Energieeffizienz (▷Energieeffiziente Stadtentwicklung), der weitreichende Ausbau von erneuerbaren Energien und zu einem gewissen Anteil auch die Sequestrierung von CO2 (Abscheidung und Einlagerung von CO2 unter der Erde). Ökonomische Studien haben immer wieder bestätigt, dass die wirtschaftlichen
Einbußen, die mit dem erforderlichen Umbau des Energiesystems einhergehen, weit unter den Kosten liegen, die durch einen ungebremsten Klimawandel auf uns zukommen könnten. Um nur ein Beispiel zu nennen: Im Gebäudebereich könnten nach Schätzungen etwa 30 Prozent der bis 2030 zu erwartenden zusätzlichen Treibhausgas-Emissionen vermieden werden, ohne dabei zusätzliche Kosten zu erzeugen. Wichtigste Maßnahme zur möglichst kosteneffizienten Umsetzung einer Vermeidungsstrategie ist, dem Ausstoß von Treibhausgasen einen Preis zu geben. Das lässt sich sowohl über Steuern als auch über die Einführung eines Emissionshandels bewerkstelligen. Wenn es um die Anpassung an die Folgen des Klimawandels geht, spielt die Frage der Gerechtigkeit eine besonders große Rolle. Während die Industrieländer bisher am meisten zur globalen Erwärmung beigetragen haben, werden die Entwicklungsländer am stärksten unter den Folgen des Klimawandels leiden. Aus diesem Grund wird darüber nachgedacht, die Industrieländer zu Entschädigungszahlungen zu verpflichten, die in Entwicklungsländern für Anpassungsmaßnahmen genutzt werden könnten. Eine Institutionalisierung solcher Überlegungen zur Klimagerechtigkeit steckt bisher noch in den Kinderschuhen. Der im Rahmen des Kyoto-Prozesses eingerichtete Anpassungsfonds ist bisher kläglich ausgestattet. Ein globaler Emissionshandel, der zusammen mit dem Recht auf gleiche Emissionsrechte für jeden Erdenbürger zu einem massiven Finanztransfer von Industrie- in Entwicklungsländer führen könnte, besteht bisher nur als Konzept.
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Huber, Schellnhuber
Literatur GWArt – Global Warming Art (Hrsg.) (2008): Instrumental Temperature Record. Zugriff auf www.globalwarmingart.com/wiki/ Image:Instrumental_Temperature_Record_png am 15.09.2008 IPCC – Intergovernmental Panel on Climate Change (Hrsg.) (2007): Climate Change 2007. Zugriff auf www.ipcc.ch am 12.09.2008 Lenton, T. u. a. (2008): Tipping elements in the Earth’s climate system. In: Proceedings of the National Academy of Science of the United States, 105, 1786-1793 Monbiot G. (2006): Heat – How to Stop the Planet from Burning. Scarborough/Canada Rahmstorf, S. (2008): The 5 most important data sets of climate science. Zugriff auf www.pik-potsdam.de/~stefan/5datasets_rahmstorf.pdf am 15.09.2008 Rahmstorf S.; Schellnhuber, H. J. (2006): Der Klimawandel. München Schellnhuber, H. J. u.a. (Hrsg.) (2006): Avoiding Dangerous Climate Change. Cambridge WBGU – Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (Hrsg.) (2003): Welt im Wandel – Energiewende zur Nachhaltigkeit. Berlin, Heidelberg
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Kommunale Wirtschaftsförderung ist räumliche Strukturpolitik unterhalb der staatlichen Ebene. Im – zumindest teilweisen – Gegensatz zur staatlichen räumlich orientierten Wirtschafts- und Strukturpolitik zielt die kommunale Wirtschaftsförderung nicht auf Ausgleich der wirtschaftlichen Kräfte im Raum. Ihr explizites Ziel ist vielmehr die Profilierung und Stärkung der Wirtschaft des eigenen Territoriums (auch auf Kosten der Nachbarn oder anderer Teile des staatlichen Territoriums). Es soll gezielt die private Wirtschaftstätigkeit auf dem Gemeindegebiet bzw. im Zuständigkeitsgebiet durch öffentliche Maßnahmen beeinflusst und gestärkt werden. Dahinter stehen unterschiedliche Zielsetzungen, die man als betriebsbezogen, bevölkerungsbezogen oder verwaltungsbezogen klassifizieren kann. Bei den betriebsbezogenen Zielen geht es im Kern um die Stärkung der wirtschaftlichen Dynamik der Unternehmen, die Reduzierung der Krisenanfälligkeit, die Erhöhung der Produktivität, die Ausschöpfung von Entwicklungspotenzialen, die Diversifizierung der Unternehmensstrukturen, mithin um die Sicherung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der lokalen Wirtschaft und des Standortes insgesamt. Die bevölkerungsbezogenen Ziele richten sich auf die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen, die Sicherung einer Einkommensbasis für die Bevölkerung, die Schaffung von Ausbildungsplätzen, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowie die Sicherung und Verbesserung der Versorgung der Bevölkerung mit privaten Gütern und Dienstleistungen. Verwaltungsbezogene Ziele sind v. a. die Sicherung und Vergrößerung der Steuerbasis, die Wirtschaftlichkeit des Einsatzes öffentlicher Mittel sowie die Verbesserung der Infrastrukturauslastung. Wirtschaftsförderung gehört in Deutschland zu den freiwilligen Aufgaben kommunaler Selbstverwaltung. Empirische Untersuchungen zeigen, dass in der Vergangenheit Wirtschaftsförderung in Städten und Gemeinden, die durch eine lang anhaltende Prosperität gekennzeichnet waren, häufig nur in einem bescheidenen Umfang, auf wichtige Großbetriebe oder die zentralen Branchen ausgerichtet, betrieben wurde. Dies änderte sich erst mit einer fortschreitenden Dynamik
des wirtschaftlichen Strukturwandels, der nicht nur altindustrialisierte Räume erfasste, sondern auch vor den – in der alten Bundesrepublik bevorzugten – südlichen Bundesländern nicht Halt machte. Insbesondere die Zunahme der Arbeitslosigkeit führte schon vor dem Fall der Mauer in der alten Bundesrepublik zu einer deutlichen Intensivierung der kommunalen Wirtschaftsförderung und v. a. auch zu einer verwaltungsmäßigen Umstrukturierung in vielen Städten, indem bis dahin der Sozialpolitik zugeordnete Bereiche im Sinne einer kommunalen Arbeitsmarkt-, Beschäftigungs- und Wirtschaftspolitik zusammengefasst wurden. V. a. aber mit der deutschen Vereinigung und dem wirtschaftlichen Strukturbruch in den neuen Bundesländern gewann gerade in den dortigen Kommunen die kommunale Wirtschaftsförderung eine herausgehobene Bedeutung, was sich nach wie vor an der im Durchschnitt deutlich größeren Personalausstattung der dortigen Dienststellen der Wirtschaftsförderung im Vergleich zu den alten Bundesländern festmachen lässt. Organisatorisch hat sich die Wirtschaftsförderung zunehmend in Richtung auf eine eigene Dienststelle (Dezernat, Amt, Abteilung, Fachbereich) entwickelt, die Form der früher stärker verbreiteten Stabsstellen beim (Ober-)Bürgermeister ist eher rückläufig. Ein genereller Trend zur privatwirtschaftlichen Organisation in einer ausgegliederten GmbH bspw., wie sie eine Zeit lang propagiert wurde, ist nicht festzustellen, zumal eine solche Organisationsform die Zugänge innerhalb der Verwaltung tendenziell erschwert. Das Aufgabenspektrum der kommunalen Wirtschaftsförderung hat sich in den letzten 20 Jahren deutlich erweitert und ist in vielerlei Hinsicht komplexer geworden und in stärkerem Maße zu einer Querschnittsaufgabe geworden, die für ihre effiziente Umsetzung die Einbindung einer Vielzahl von lokalen und überlokalen ▷Akteuren erfordert (Verwaltung und Rat; Stadtplanung, Umwelt, Baugenehmigung, Verkehrsplanung, Liegenschaften, Kämmerei, Denkmalpflege, Gewerbeaufsicht; Arbeitsverwaltung; Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer, Gewerkschaften, Europäische Union (EU) u. a.). Damit wird auch deutlich, dass ein hoher Koordinationsbedarf besteht, der in erheblichem Maß durch Zielkonflikte und Interessendivergenzen der beteiligten Akteure gekennzeichnet ist. Diese Koordinationsleistung lässt sich i. d. R. nicht durch einen „hoheitlichen Akt“ bewältigen, sondern es sind zunehmend die weichen Instrumente der Initiierung, ▷Kooperation und Moderation (▷Kommunikation und Moderation) angezeigt,
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die nicht auf den Währungen Macht und Geld basieren, sondern auf Vertrauen, Konsens und Kompromiss. Die klassischen Aufgaben der Wirtschaftsförderung Die klassischen Aufgaben der kommunalen Wirtschaftsförderung haben ihre Bedeutung nicht verloren, sind aber durch eine Vielzahl von weiteren Aufgaben und Ansätzen ergänzt worden (siehe unten) und auch ihre Gewichte untereinander haben sich verschoben. Ansiedlung(swerbung) war lange Zeit das zentrale Aktionsfeld der kommunalen Wirtschaftförderung, das jedoch mit dem Rückgang des Verlagerungsvolumens von Betrieben und Unternehmen an Bedeutung verlor. Neuerdings gewinnt im Zusammenhang mit Kompetenzfeldund ▷Clusterstrategien (siehe unten) – eine zumindest selektive – Ansiedlungspolitik im Sinne gezielter Anwerbung von die eigene Wirtschaftsstruktur ergänzenden Betrieben wieder neue Dynamik. Rund zwei Drittel der Kommunen halten Akquise von Betrieben nach einer Umfrage im Jahr 2008 für eine sehr wichtige Aufgabe (rund acht Prozentpunkte weniger als sieben Jahre zuvor (Hollbach-Grömig/Floeting 2008:6). Mit der wachsenden Bedeutung selektiver Prozesse (Wachsen und Schrumpfen an unterschiedlichen Standorten) gewannen Ansätze an Bedeutung, die sich verstärkt der Förderung von Betrieben am Standort zuwandten und die Entwicklungsbedingungen dieser bereits ansässigen Betriebe zu verbessern suchten. Damit rückte die Bestandspflege immer stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit. Bestandspflege gehört heute zu den wichtigsten Aufgaben der kommunalen Wirtschaftsförderer, über 90 Prozent der Kommunen halten sie 2008 für sehr wichtig (Hollbach-Grömig/Floeting 2008:6). Allerdings hat sich auch die Bestandspflege inhaltlich weiter entwickelt und enthält Bestandteile einer betriebliche Entwicklungsprozesse begleitenden und präventiven Wirtschaftsförderung (siehe unten). Die dritte Standardaufgabe der Wirtschaftsförderung zielt auf Schaffung von „Humus“ für die zukünftige Wirtschaftsentwicklung, die Förderung von Unternehmensgründungen. In der Wertigkeit der Beurteilung durch die Wirtschaftsförderer fällt diese Aufgabe allerdings deutlich ab, nur rund ein Drittel der befragten Kommunen hält die Förderung von Existenzgründungen für sehr wichtig (Hollbach-Grömig/Floeting 2008:6). Alle drei Aufgaben gehören zum Standardreper-
toire der kommunalen Wirtschaftsförderung. Allerdings entwickeln sich diese Aufgaben inhaltlich weiter und werden zunehmend eingebettet in komplexere Strategien etwa der Kompetenzfeld- und Clusterentwicklung (Widmaier u. a. 2004, Küpper/ Röllinghoff 2005), in deren Rahmen dann selektive Akquisitionstrategien zur Ergänzung der vorhandenen Branchen oder spezifisch ausgerichtete Existenzgründerwettbewerbe durchgeführt werden. Zu den klassischen Instrumenten der kommunalen Wirtschaftsförderung gehören zudem die Liegenschaftspolitik, also die Entwicklung und Bereitstellung von Gewerbeflächen, Finanzpolitik im Sinne von Finanzhilfen (im Zuge der Beihilfenkontrolle der EU zunehmend eingeschränkt), vor allem aber eine unternehmensfreundliche Steuergestaltung, soweit sie in der Hoheit der Kommunen liegen. Die neueren Aufgaben der Wirtschaftsförderung Im Zuge des wirtschaftlichen Strukturwandels, der teilweise rückläufigen Handlungsmöglichkeiten der Kommunen und der zunehmenden Konkurrenz zwischen Städten und Regionen haben sich auch neue Handlungsfelder der Wirtschaftsförderung herausgebildet. Diese – im Folgenden kurz angerissenen – Handlungsfelder sind nicht immer trennscharf, es gibt Überlappungen, Integrationen in die traditionellen Handlungsfelder der Wirtschaftsförderung aber auch anderer kommunaler Ressorts sowie zeitliche Abfolgen und Moden in der Intensität, mit der diese Handlungsfelder bearbeitet werden. Mit dem High-Tech-Boom in der Wirtschaftsförderung Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre und dem Aufkommen der Innovations- und Technologiepolitik auf Bundes- und Bundesländerebene drang diese Aufgabe auch auf die Ebene der Kommunen vor, dort v. a. mit der Förderung von (High-Tech-)Gründungen, der insbesondere durch die Einrichtung von Innovations- und Gründerzentren Rechnung getragen wurde. Erweitert wurde dieser Ansatz durch allgemeine Formen von Gewerbezentren/Gewerbehöfen und durch deren Ausweitung im Sinne von spezialisierten Gewerbegebieten/Gewerbeparks (Logistikparks, Güterverkehrszentren, Biotechnologieparks, Medizintechnikparks etc.). Auch wenn mit der Fülle der entstandenen Zentren (viele von ihnen haben sich eher zu normalen Gewerbehöfen entwickelt) und Parks der Boom dieser Konzepte vorbei scheint, spielen sie im Rahmen von Clusterstrategien wieder eine Rolle.
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V. a. mit der Zunahme der Arbeitslosigkeit in den 1980er Jahren etablierten sich Arbeitsmarktund Beschäftigungspolitik immer stärker auch als kommunale Aufgaben, auch wenn dies zu Beginn von den kommunalen Spitzenverbänden sehr kritisch gesehen wurde. In den Städten wurden ausgehend von einigen Vorreitern (z. B. Saarbrücken, Offenbach) diese Aufgaben immer häufiger systematisch in die Wirtschaftsförderung integriert und entsprechende Dezernate oder Ämter gebildet. Präventive Wirtschaftsförderung im Sinne der Vorausschau von betrieblichen Krisen und ihrer Abfederung durch kommunale Begleitung hat sich ebenfalls in Teilen der Kommunen etabliert. Zu einer präventiven kommunalen Wirtschaftsförderung gehört auch die Etablierung von Nachfolger-Programmen, v. a. für kleine und mittlere inhabergeführte Unternehmen. Mit dem verschärften Wettbewerb zwischen den Städten und Regionen gewannen Strategien der Vermarktung an Bedeutung. Die Städte versuchten zunehmend, sich nach innen und außen attraktiv zu präsentieren. Standortmarketing, Citymarketing, Stadtmarketing und Regionalmarketing sind hier die einschlägigen Stichworte. In einigen Städten hat dies zur Etablierung eigener Organisationseinheiten für Stadtmarketing geführt, die an der Schnittstelle zwischen Wirtschaftsförderung und ▷Stadtentwicklungsplanung letztere gewissermaßen neu zu erfinden suchten (Grabow/Hollbach-Grömig 1999). Die Finanzknappheit einerseits und die Vorstellung, die Rolle der öffentlichen Hand zurückzudrängen, stärker privatwirtschaftliche Methoden und Akteure zum Zuge kommen zu lassen, und die Deregulierungsvorgaben der EU andererseits haben in vielen Kommunen zu einer Auslagerung von bisher bei der Wirtschaftsförderung angesiedelten Aufgaben geführt. Das Spektrum der Auslagerung ist breit und reicht von der informellen Beteiligung von Unternehmen in konzeptionellen Runden zur strategischen Entwicklung der Kommunen (z.B. Technologierunde Köln) über formale Kooperationen bis hin zur gemeinsamen Gründung von Unternehmen von öffentlicher Hand und Privatwirtschaft (▷Public Private Partnership) und zur faktischen Privatisierung. In den Zusammenhang mit Marketing und neuen Kooperationsformen kann man die ▷Festivalisierung der Stadtpolitik durch große Projekte rücken. Es handelt sich dabei nicht nur um ein Wirtschaftsförderungsthema, aber eben auch, denn es geht bei diesen Projekten darum, Aufmerksamkeit bei Touristen und Investoren durch große Projekte zu erzielen.
Auch wenn mit dem Strukturwandel die Orientierung in der Wirtschaftsförderung auf Großunternehmen zurückgedrängt wurde, so blieben doch bestimmte Segmente der städtischen Wirtschaft lange Zeit eher blinde Flecken der Wirtschaftsförderung. Dazu zählen die lokale Ökonomie, also lediglich auf dem lokalen Markt agierende Unternehmen, und Teile der informellen Ökonomie. Erst in jüngster Zeit beginnen die ethnische Ökonomie bzw. die Migrantenökonomie, also die Teile der lokalen Wirtschaft, die von Personen mit Migrationshintergrund betrieben werden, und ihre Bedeutung für die Städte in die Aufmerksamkeit der Wirtschaftsförderung zu geraten. Die Zielsetzungen des Nachhaltigkeitsrates der deutschen Bundesregierung, die Flächenneuinanspruchnahme bis 2020 auf 30 Hektar täglich zu reduzieren, einerseits und die durch die Umstrukturierung der großen staatlichen Monopole (Bahn, Post) sowie nach dem Ende des Kalten Krieges frei gewordenen und werdenden Konversionsflächen andererseits haben für die Flächenhaushaltspolitik und das ▷Flächenmanagement neue Herausforderungen gebracht. Flächen müssen professioneller verwaltet und vermarktet werden. Damit hat sich eine weitere Querschnittsaufgabe zwischen Wirtschaftsförderung und räumlicher Planung herausgeschält, für die in zahlreichen Städten und Regionen mittlerweile gute Ansatzpunkte bestehen. Als einen in den letzten Jahren besonders aktuellen Ansatz von Innovations- und Technologiepolitik kann man die in vielen Städten betriebene Clusterpolitik ansehen. Im Kern geht es darum, Agglomerationseffekte durch die Ansiedlung und Förderung einer Branche entlang einer Wertschöpfungskette einschließlich der ergänzenden Dienstleister öffentlicher (Planung, Bildungseinrichtungen etc.) und privater Art (▷Consulting, Forschung, Marketing) und die Intensivierung der Vernetzung auszunutzen. Als eine spezielle Form von Clusterförderung können wiederum wissensorientierte Entwicklungsstrategien angesehen werden. Alle Clusterstrategien setzen in hohem Maße auf die Förderung von Vernetzung der (wirtschaftlichen) Akteure in der Kommune, der Region und darüber hinaus, u.a. durch ein entsprechendes Management und den Versuch, die Standortstabilität durch die Einbindung in spezifische Milieus zu stärken, die Standorte „klebrig“ zu machen (Markusen 1996). Als ein weiterer Bestandteil von wirtschaftsfördernden High-Tech-Strategien kann die Informations- und Kommunikationstechnik-Politik auf kommunaler Ebene gesehen werden. Ging es anfangs vor allem um die Ansiedlung und Stärkung
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Aktuelle Themen und wichtigste Themen der kommunalen Wirtschaftsförderung 2008 (Hollbach-Grömig/Floeting 2008:7)
entsprechender Unternehmen oder die Nutzung von kommunalen Netzen für telekommunikative Angebote als eigene Dienstleistung, hat sich die IuK-Politik immer stärker in Richtung auf ▷E-Government-Angebote ausgerichtet, also die Umformung kommunaler Dienstleistungen in (zumindest auch) elektronische Angebote, um so auch Wirtschaftsförderung effizienter und zielgerichteter betreiben zu können. Ab Ende der 1990er Jahre begann die ökologisch orientierte Wirtschaftspolitik auch auf kommunaler Ebene an Bedeutung zu gewinnen. Strategien in dieser Richtung zielen auf die Förderung der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, die Vernetzung lokaler Technologieund Einsparpotenziale sowie die Stärkung lokaler Kreisläufe (Hollbach-Grömig 1999). Ausblick Eine Umfrage des Deutschen Instituts für Urbanistik aus dem Jahr 2008 zeigt die Themenvielfalt der kommunalen Wirtschaftsförderung (siehe Abbildung). Es zeigt sich an dieser Übersicht, dass gegenüber den traditionellen Strängen der Wirtschaftsförderung die Anforderungen an das Aufgabenfeld massiv gestiegen sind, die Komplexität deutlich zugenommen hat. Das bedeutet einerseits, dass die Kooperations- und Koordinationsnotwendigkeiten zugenommen haben und weiter zunehmen werden. Getrieben wird dies zusätzlich dadurch, dass die harten Instrumente Recht und Geld immer weniger zur Verfügung stehen und daher weichere Instrumente (Initiierung, Verhandlung, Koopera-
tion) eine höhere Bedeutung erhalten. Das führt dazu, dass individuelle Lösungen – auch wenn sie in der Wirtschaftsförderung immer eine zentrale Rolle gespielt haben – gegenüber Standardansätzen weiter an Bedeutung gewinnen werden.
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Henckel
Literatur Floeting, H.; Hollbach-Grömig, B. (2005): Neuorientierung der kommunalen Wirtschaftspolitik. In: Deutsche Zeitschrift für Kommunalwissenschaften, 44, 1, 10-39 Grabow, B.; Hollbach-Grömig, B. (1999): Stadtmarketing – eine kritische Zwischenbilanz. Berlin Hollbach-Grömig, B. (1999): Ökologisch orientierte Wirtschaftspolitik – ein neues kommunales Handlungsfeld. Berlin Hollbach-Grömig, B.; Floeting, H. (2008): Kommunale Wirtschaftsförderung 2008: Strukturen, Handlungsfelder, Perspektiven. Berlin Küpper, U.-I.; Röllinghoff, S. (2005): Clustermanagement: Anforderungen an Städte und regionale Netzwerke. In: Deutsche Zeitschrift für Kommunalwissenschaften, 44, 1, 60-93 Markusen, A. (1996): Sticky Places in Slippery Space: A Theory of Industial Districts. In: Economic Geography, 3, 293-313 Widmaier, B. u. a. (2004): Wege zu einer integrierten Wirtschaftsförderung. Baden-Baden
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Kommunikation“ genannt. Der Begriff Kommunikation (lat. communicare für teilen, mitteilen, teilnehmen lassen, gemeinsam machen, vereinigen) ist jedoch im Kontext eines offenen Systems zu begreifen, unter Einbeziehung der relevanten und miteinander verknüpften Bedingungen wie z. B. der äußeren Rahmenbedingungen oder der jeweiligen Situation von Sender und Empfänger. Sinngemäß nach Schulz von Thun besteht Kommunikation nicht nur aus verbalen Eigenschaften (Worte, Schrift, Sprache), sondern auch aus nonverbalen (wie einerseits der Körpersprache, z. B. Mimik, Gestik, Blickkontakt, Körperkontakt und andererseits der Objektsprache, z. B. körpernahen Objekten wie Kleidung, Schmuck, Haare und Bart) und paraverbalen Systemen (wie Tonfall, Sprechpausen, Tonhöhe, Lautstärke). Weder die Kommunikationswissenschaft noch die Psychologie oder Medienwissenschaft haben bisher eine einheitliche Theorie zur Kommunikation entwickelt. Im Wörterbuch Psychologie von Drever und Fröhlich (1998:206) findet sich folgende Definition: „Allgemeine und umfassende Bezeichnung für Prozesse, die einen Sender, einen Empfänger, einen Kommunikationsmodus oder -kanal, eine inhaltlich bestimmte Botschaft oder Nachricht und eine auf Empfang erfolgende Verhaltensänderung oder allgemeinen Effekt, gleich welcher Art, als analytische Einheiten aufweisen“. Nach Paul Watzlawick kann man nicht nicht kommunizieren, da alles Verhalten Kommunikation ist. Folgt man ihm weiter, bedeutet das: Jede Art von Kommunikation, also das gesamte menschliche Verhalten, hat Mitteilungscharakter. Die Signale werden aufgenommen und vom Kommunikationspartner individuell gedeutet. Je nach Deutung wird dieser sich nun wiederum verhalten, was dann wieder Auswirkungen auf den Anderen hat. Nimmt man den Satz: „Wann wird das Gebäude denn fertig sein?“, so kann der Sender je nach Betonung der Wörter und Einsatz von körpersprachlichen Mitteln eine völlig unterschiedliche Wirkung beim Empfänger erzielen. Nach Schulz von Thun hat jede Nachricht vier Seiten, welche die „Anatomie“ einer Nachricht ausmachen: den Sachinhalt, den Appell, die Beziehung und die Selbstoffenbarung. Dies bedeutet: Der Sender sendet die vier Seiten und unabhängig von der Intention des Senders nimmt der Empfänger das Gesendete auf und deutet bzw. interpretiert es individuell. „Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und Beziehungsaspekt, derart, dass letzterer den ersteren bestimmt und daher eine Metakommunikation ist“ (Watzlawick/Beavin/ Jackson 2007:56).
Was bedeutet dies nun für die Zielstellung wirkungsvoller Kommunikation im Geschäftsleben? Ziel ist es, eine zweckmäßige Übermittlung und Interpretation zu schaffen sowie Botschaften zu formulieren, welche die Beziehungsaspekte mit berücksichtigen und so Kommunikation störungsfrei gestalten. Jede positiv angewandte und wirkungsvolle Kommunikation ist daher rational und emotional (Stroebe 1996). Evolutionäre Gegebenheiten, Rollen und Muster Unser Verhalten, unsere Fähigkeiten, unsere Intelligenz und Charaktereigenschaften sind durch Einflüsse wie kulturelle bzw. gesellschaftliche Normen und Werte und durch Lernen steuerbar und modifizierbar – aber nur bis zu einem bestimmten Grad. Das Verhalten jedes Einzelnen ist nicht beliebig veränderbar. In diesem Zusammenhang sind die Wirkungsfaktoren evolutionärer Bedingungen, die u. a. im limbischen System verankert sind und auf unsere Kommunikation Einfluss haben, zu betrachten (Häusel 2003). Über sie werden evolutionäre Grundmuster wie Angriff, Flucht oder Totstellreflex gesteuert. Diese Muster und Verhaltensprogramme haben sich im Laufe der menschlichen Entwicklung nicht grundsätzlich verändert, sondern lediglich unseren gesellschaftlichen und sozialen Lebensformen angepasst. Wenn Gefahr droht, wenn der Mensch Angst hat, unsicher ist, wütend oder zornig, dann werden diese Grundmuster aktiviert und unsere Bereitschaft zum Kampf oder zur Flucht wird angesprochen. Kommunikation ist so zu gestalten, dass auf Angriffe, persönliche Bewertungen des Anderen in den Kategorien falsch oder richtig und auf Verurteilungen verzichtet wird. Kommuniziert man in „Ich-Botschaften“, so beschreibt man die eigene Wahrnehmung: „Ich nehme die Situation als … wahr“, „Ich würde in dieser Situation so vorgehen …“ etc. Wenn nun noch mittels Fragetechnik die unterschiedlichen Interessen der Beteiligten aufgenommen werden in Form von „Wie sehen Sie die Situation?“, „Wie würden Sie vorgehen?“ ist der Boden für eine positive, lösungsorientierte und proaktive Kommunikation bereitet. Moderation Mit Hilfe bestimmter Moderationstechniken kann Kommunikation in Verhandlungen, Besprechungen und Konfliktgesprächen positiv gestaltet wer-
KOMMUNIKATION UND MODERATION
den. Moderation (lat. moderare) bedeutet Mäßigung, mildern, im Englischen meint „to moderate“ das Lenken einer Diskussion oder Veranstaltung. Sinngemäß bedeutet „moderieren“ nach Klebert/ Schrader/Straub (1991) das Bemühen von Menschen, den Meinungs- und Willensbildungsprozess einer Gruppe zu ermöglichen und zu erleichtern, ohne inhaltlich einzugreifen und zu steuern. Moderation steht u. a. für: die Neutralität als Grundhaltung des Moderators, die Arbeit mit professionellen Gesprächsführungsinstrumenten und Fragetechniken, die professionelle Erfassung von Inhalten und der Einbezug aller kommunikativer Aspekte mit Hilfe ausgewählter methodischer Vorgehensweisen und die Arbeit mit bestimmten Visualisierungstechniken. Aufgaben des Moderators Der Moderator versteht sich als Prozessbegleiter zur Lösungsfindung. Aufgrund seiner Neutralität hat ein Moderator nicht die Aufgabe, Entscheidungen im Sinne von „falsch oder richtig“ zu treffen. Er begleitet mit ausgewählten Methoden den Prozess mit dem Ziel einer effektiven und selbstständigen Lösungsfindung oder Konfliktbewältigung. Somit ist er Spezialist der Methode und nicht des Inhalts. Hilfreich ist jedoch, sich inhaltlich einzuarbeiten. Der Moderator sollte in der Lage sein, den Geist der Sache zu erfassen. Der Begriff der Moderation ist im geschäftlichen Besprechungsalltag und für die ▷Immobilienwirtschaft weiter zu fassen, da in den meisten Fällen in Besprechungen keine externen Moderatoren eingesetzt werden. Besprechungen leiten Es moderiert in den meisten Fällen ein beteiligter Verhandlungs- oder Besprechungspartner. Das bedeutet, dass dieser nicht neutral sein kann und höchstwahrscheinlich in den Entscheidungsprozess mit eingebunden ist. Dies erfordert besondere Kompetenzen des Besprechungsleiters bezüglich der Gesprächsführung und -leitung, der Konfliktbewältigung und der Lösungsfindung. Die Aufgabe besteht in einer moderierten Besprechung in der Einbeziehung aller Interessengruppen, um zielgerichtet, effektiv, termingerecht, verständlich, sender- und empfängerorientiert folgerichtig (im Sinne eines Ziels) zu Ergebnissen, Entscheidungen und/oder klaren Absprachen zu kommen. Sender-
und empfängerorientiert bedeutet, Inhalte in klare Botschaften zu übersetzen und im Austausch dafür zu sorgen, dass die Verhandlungspartner die Möglichkeit zum Feedback erhalten. Befinden sich Verhandlungspartner mit unterschiedlichen Interessen in einer Besprechung, so fokussieren diese ihre eigenen Interessen und versuchen oft, diese Interessen durchzusetzen, indem sie versuchen, die andere Partei von der Richtigkeit ihrer eigenen Auffassung durch verbale Argumente zu überzeugen. Anstatt proaktiv und miteinander nach (neuen) Lösungen zu suchen, wird ein kontroverser Verhandlungsstil geprägt, in dem um unterschiedliche Positionen gerungen wird. Positionen sind Forderungen und Erwartungen, die geknüpft sind an Zielstellungen, wie etwas nach eigenen Vorstellungen sein sollte. Interessen sind die Anliegen und Bedürfnisse, welche hinter den Positionen stehen. Meist stehen mehrere Interessen hinter einzelnen Positionen. Der Weg zur Lösung ist das Aufnehmen der Themen und das Eruieren der dahinterstehenden Interessen. Dieses Prinzip wird beim Verhandeln nach dem Harvard-Konzept aufgegriffen.
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Verhandeln nach dem Harvard-Konzept Der Ansatz des Harvard-Konzeptes zielt auf das Verhandeln um Interessen ab und nicht auf das Feilschen um Positionen. „Feilschen um Positionen verfehlt die Grundkriterien einer klugen, effizienten und gütlichen Einigung“ (Fisher/Ury/ Patton 2001:22). Auch im Harvard-Konzept wird die Bedeutung des Beziehungsaspektes deutlich hervorgehoben. Es wird ein Konsens (eine Winwin-Situation) angestrebt, der die Interessen aller Parteien befriedigt. Ist dies nicht zu erreichen, sollte zumindest ein Kompromiss angestrebt werden. Bei diesem muss jede Partei zugunsten einer Lösungsfindung auf bestimmte Interessen verzichten. Damit stellt der Kompromiss eine Winlose-/Win-lose-Situation dar, weil jede Partei etwas bekommt, jedoch auch auf einen Teil ihrer Interessen verzichten muss. Um eine Win-win-Situation zu erreichen, muss das Gerangel um Positionen beendet und stattdessen mit kreativen Methoden nach neuen Lösungen gesucht werden. Picasso sagte: „Ich suche nicht, ich finde. Suchen ist das Ausgehen von alten Beständen und ein Findenwollen von bereits Bekanntem im Neuen. Finden ist das völlig Neue. Das Neue auch in der Bewegung. Alle Wege sind offen, und was gefunden wird, ist unbekannt. Es ist ein Wagnis, ein Abenteuer.“ (nach Pawlofsky 2009)
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KOMMUNIKATION UND MODERATION
Der Besprechungsleiter sollte die Wertesysteme der Parteien mit berücksichtigen und aufgreifen. Es gibt immer unterschiedliche Blickwinkel und Standpunkte. Ansatz ist es, ein Gesprächsklima zu schaffen, in dem sich die Parteien symbolisch auf die andere Seite des Verhandlungstisches begeben können, ohne die eigenen Interessen aufzugeben. Angestrebt wird, dass die Sache zielgerichtet verhandelt und dabei die Beziehungsebene geschont wird. Dem stehen jedoch oftmals heterogene gruppendynamische Prozesse, starre Denk- und Verhaltensmuster und die sehr unterschiedliche individuelle Prägung entgegen. Grundbedingung in der Gesprächsführung ist es, darauf zu achten, dass es zu keinen verbalen Angriffen kommt. Häufig werden Urteile, Vorurteile und Interpretationen in verallgemeinernder Form eingesetzt, was das Klima verschlechtert. Es gilt mit Fragetechniken die Interessen der Parteien zu ermitteln und mit Hilfe einer Struktur, Visualisierungs- und Kreativitätstechnik den Boden für Lösungen zu bereiten. Mögliche Struktur einer Besprechung
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Der Ablauf der zielgerichteten Besprechung gliedert sich in mehrere Abschnitte, die je nach Thematik und Erfordernissen variieren können. Danach werden die einzelnen Besprechungsphasen methodisch geplant. So kann eine Sensibilisierungs- oder Problematisierungsphase an erster Stelle stehen. Hier gilt es, zu erfassen: Wo stehen wir? Worin bestehen die Probleme? Wie sind die unterschiedlichen Erwartungshorizonte? Ein Moderator bzw. Besprechungsleiter sollte in dieser Phase darauf achten, dass einzelne Punkte lediglich gesammelt und nicht diskutiert werden. Eine zu früh begonnene Diskussion endet meist in einem Kampf um Positionen und „Ja aber“-Gegenüberstellungen. In der Zieldefinition, der möglichen zweiten Phase, wird bestimmt: Wo wollen wir hin? Was gilt es, in der heutigen Besprechung zu erreichen? In einer dritten Phase, der Problembearbeitung, können mögliche Ursachen analysiert werden: Was sind die Ursachen? Woran liegt es? Hier werden mögliche Lösungen mit Hilfe ausgewählter Methoden und Kreativitätstechniken erarbeitet. In dieser Phase ist es notwendig, Lösungsvorschläge und mögliche Maßnahmen zu diskutieren und kritisch zu hinterfragen. Für eine effektive Diskussion sind dafür geeignete Methoden unerlässlich. Die letzte Phase kann die Entschlussfassung und der Aktionsplan darstellen. Hier erfolgt ei-
ne Bewertung und Priorisierung der festgelegten Maßnahmen und Ergebnisse. Wie haben wir uns entschieden? Welcher Weg soll eingeschlagen werden? Wie sind die nächsten Schritte? Grundvoraussetzungen für alle Besprechungen sind das Vereinbaren und die Akzeptanz bestimmter kommunikativer Spielregeln. Die Frage der Methodenauswahl gilt den angestrebten Zielen der Besprechung. Was soll mit den ausgewählten Methoden erreicht werden? Um ein formuliertes Ziel zu erreichen, müssen vom Besprechungsleiter verschiedene Wirkungszusammenhänge wahrgenommen und verstanden werden: Wie setzt sich die Besprechungsgruppe zusammen? Warum findet die Besprechung statt? Welche Interessen und Einstellungen der Teilnehmer gibt es bezüglich der Besprechungsinhalte, der Beziehungsaspekte untereinander und gegenüber der Moderations- bzw. Besprechungsleitung? Welche Inhalte können innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens mit welchen Methoden besprochen und bearbeitet werden? Welche äußeren Rahmenbedingungen gibt es und welche Rolle spielen diese? Wie sind die Machtverhältnisse bzw. Hierarchien? Welche Interessen hat der Besprechungsleiter selbst? In der gesamten Immobilienbranche treffen die unterschiedlichsten Interessengruppen zusammen, die an Projekten (▷Projektentwicklung, ▷Projektmanagement) direkt und indirekt beteiligt sind. Kommunikationsprozesse, die mittels moderner und innovativer Methoden positiv gestaltet werden, können dazu beitragen, einen professionellen und vernünftigen Umgang mit Ressourcen wie Zeit, vertrauensvollen Geschäftsbeziehungen, Qualitätsstandards und Geld zu fördern. Riedel-Schönfeld
Literatur Drever, J.; Fröhlich, W. D. (1998): dtv-Wörterbuch Psychologie. München Fisher, R.; Ury, W.; Patton, B. (2001): Das Harvard-Konzept. Frankfurt/M Häusel, H. G. (2003): Think Limbic. Planegg, München Klebert, K.; Schrader, E.; Straub, W. (1991): Moderationsmethode: Gestaltung der Meinungs- und Willensbildung in Gruppen, die miteinander lernen und leben, arbeiten und spielen. Hamburg Knapp, P.; Novak A. (2003): Effizientes Verhandeln. Heidelberg Pawlofsky, P. (2009): Im Leben wie in der Kunst: Wenn ich nicht suche, aber finde. Zugriff auf http://pawlo.wordpress.com/tag/lebensweg/:/ am 30.11.2009 Rosenberg M. B. (2005): Gewaltfreie Kommunikation. Paderborn Sperling, J. B.; Stapelfeld, U.; Wasseveld, J. (2007): Moderation. Planegg, München Stroebe, R. W. (1996): Kommunikation I. Heidelberg Stroebe, R. W. (1998): Kommunikation II. Heidelberg Schulz von Thun, F. (2004): Miteinander reden 1-3. Reinbeck Watzlawick, P.; Beavin, J. H.; Jackson, D. D. (2007): Menschliche Kommunikation. Bern
KONVERSION UND REVITALISIERUNG
KONVERSION UND REVITALISIERUNG Begriffsabgrenzung Seit Anfang der 1990er Jahre erscheint Konversion als Schlüsselbegriff im Aufgabenbereich der Landes-, Regional- und ▷Stadtplanung (▷Raumordnung und Landesplanung) und meint v. a. die Wiedernutzung ehemals militärisch genutzter Liegenschaften. Militärische Konversion ist als Prozess der Umwandlung bisher militärisch gebundener Kräfte, Ressourcen und Strukturen für zivile Zwecke zu kennzeichnen und lässt sich in verschiedene Arten gliedern: Liegenschaftskonversion: Sanierung und/oder zivile Neugestaltung freiwerdender militärischer Liegenschaften und Objekte, Standort- bzw. Raumkonversion: Neugestaltung der von Militär- und Rüstungsstandorten geprägten Wirtschafts-, Sozial- und Infrastruktur einer Region, Rüstungs- bzw. betriebliche Konversion: zivile Umgestaltung der Produktions- sowie der Forschungs- und Entwicklungskapazitäten der ehemaligen Unternehmen der Wehrtechnik, Personale Konversion: Requalifizierung bzw. Umschulung von ehemaligen Militärangehörigen, Zivilbeschäftigten und Beschäftigten der wehrtechnischen Unternehmen, Technische Konversion: Vernichtung, zivile Verwertung und ziviles Recycling von Wehrtechnik, militärischer Ausrüstung und Munition sowie Geistige Konversion: geistige Bewältigung militärischer Konfrontationsschemata. Durch die Aufgabe der militärischen Bodennutzung entsteht eine Brachfläche, unabhängig vom Zustand der baulichen und sonstigen Anlagen. Daneben tritt als zivile Konversion, die Umwandlung von in der Art der bisherigen Bodennutzung dauerhaft aufgegebenen nichtmilitärischen Flächen, bspw. von Bahn, Post, Gewerbe und Industrie, seit geraumer Zeit verstärkt in den Vordergrund raumplanerischer Tätigkeit. So sind im Zuge der Bahnreform bundesweit zahlreiche Verkehrsflächen und nicht mehr nutzbare Bahnhöfe inklusive der zugehörigen Nebenflächen brach gefallen und einer zivilen Nutzung zugeführt worden. Weitere aufgrund ihrer Größenordnung bedeutsame Konversions-
flächen – ebenfalls oftmals in städtebaulich exponierter Lage – stellen ehemalige Hafen- und Werftareale sowie aufgegebene Flächen der Montan- und Stahlindustrie dar. Zur zivilen Konversion gehört auch die raumund gebietsbezogene Bewältigung des generellen Strukturwandels unter wirtschaftlichen, städtebaulichen und sozialen Gesichtspunkten, z. B. in Sanierungs- und Entwicklungsgebieten. Der Begriff der Revitalisierung als bodennutzungsbezogene Wiederbelebung von Flächen bezeichnet sowohl ▷Bestandsentwicklungen in Stadt- und Quartierserneuerungsprozessen (Ausschöpfung von Ausbau-, Umnutzungs- und Wiedernutzungspotenzialen, Nachverdichtung) als auch die nachhaltige Entwicklung innerstädtischer Flächenpotenziale im Zusammenhang mit der militärischen oder zivilen Konversion (▷Innenentwicklung/Außenentwicklung). Fachliche Einordnung Der Brachflächenbestand in der Bundesrepublik Deutschland ist nicht genau quantifizierbar, da flächendeckende Brachflächenkataster bislang fehlen. Das bundesweit baulich nutzbare Brachflächenpotenzial wurde im Jahr 2001 vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) mit insgesamt 128.000 ha angegeben. Die von dort durchgeführte Baulandbefragung 2003 beschreibt das Wiedernutzungspotenzial der Brachflächen mit 49.000 ha (40 Prozent aus Gewerbebrachen, 35 Prozent aus militärischen Konversionsflächen, zehn Prozent aus Bahn- und Postbrachen und 15 Prozent aus Verkehrs- und sonstigen Brachflächen). Als Folge der geopolitischen Veränderungen zu Beginn der 1990er Jahre haben sich in den vergangenen Jahren auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Truppenreduzierungen in einem bisher nicht da gewesenen Ausmaß vollzogen. Veränderungen in einer Vielzahl bestehender räumlicher, verkehrlicher und wirtschaftlicher Strukturen sind dadurch in Gang gekommen. Rückzug und Verminderung der Streitkräfte setzten u. a. zahlreiche militärisch genutzte Flächen für eine zivile Nutzung frei. Sie betraf und betrifft die westlichen und östlichen Teile Deutschlands in unterschiedlichem Maße. Insgesamt hatten mehr als 1.000 deutsche Gemeinden militärische Brachflächen. Bereits Anfang der 1990er Jahre war deutlich erkennbar, dass die Neunutzung von Kasernen, Lagern, Flugplätzen, Truppenübungsarealen und anderen Standorteinrichtungen eine der wesentlichen städtebaulichen Aufgaben der näheren und mittleren
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Zukunft werden würde. Die militärische Flächenbelegung in der Bundesrepublik Deutschland von Streitkräften der NATO und des Warschauer Paktes betrug 1990 ca. 970.000 ha mit starken regionalen Konzentrationen in Brandenburg, SachsenAnhalt, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz. Im Rahmen der Umstrukturierung der Bundeswehr soll die Truppenstärke bis 2010 auf 252.500 Soldaten reduziert werden. Die Zahl der Standorte wird von 621 im Jahr 2001 auf 392 im Jahr 2010 zurückgeführt werden. Weitere Flächenfreigaben erfolgen durch den fortgesetzten Abzug und die Umstrukturierung der NATO-Streitkräfte. Die Umnutzung militärischer Liegenschaften und die mit dem Truppenabbau verbundenen Anpassungsprozesse werden in Abhängigkeit von der Konversionsbetroffenheit der einzelnen Bundesländer als besondere strukturpolitische und städtebauliche Aufgabe begriffen. Der Truppenabbau hat zu einem gravierenden und umfassenden wirtschaftlichen und siedlungspolitischen Wandel geführt und die Ausmaße einer Jahrhundertaufgabe angenommen. Die Bewältigung des Truppenabbaus und die Liegenschaftskonversion sowie die Neuordnung der ehemaligen militärischen Infrastrukturausstattung sind insbesondere für strukturschwache Räume Probleme, die nur mit Hilfe von Land und Bund zu bewältigen sind.
planungsrecht, ▷Bauordnungsrecht)sowie von ▷Zwischennutzungen, „Verfahrensüberlast“ aus anderen städtebaulichen Aufgaben, z. B. der Altstadtsanierung und der daraus resultierenden Scheu vor weiteren Verfahrens- und Verfügungsvorschriften sowie geringe Erfahrung mit der Koordination von Flächenentwicklungsprozessen durch Projektsteuerung oder ▷Projektmanagement. Aufgrund der oft günstigeren Standortbedingungen ziviler Brachflächen sind diese i. Allg. besser zu verwerten als militärische Konversionsflächen. Es lassen sich folgende siedlungsstrukturelle Typen von Konversionsstandorten unterscheiden: 1) Städtebauliche Innenentwicklung – Konversionsprojekte in der Stadterneuerung, Wiedernutzung von Einrichtungen im besiedelten Bereich bzw. in Stadtrandlage mit einem direkten Bezug zum bebauten Bestand – ggf. Zulässigkeit von Nachnutzungen nach § 34 BauGB. 2) Städtebauliche Außenentwicklung – Konversionsprojekte in der Stadterweiterung, Wiedernutzung von Einrichtungen, die nicht in direktem Anschluss an den bebauten Bereich liegen, jedoch Möglichkeiten für eine Stadterweiterung beinhalten – ggf. Notwendigkeit Baurecht nach § 30 BauGB zu schaffen.
Konversionstypische Besonderheiten Die Ausgangssituation von schwierigen Konversionsstandorten lässt sich grundsätzlich wie folgt charakterisieren: Lage im peripheren ▷ländlichen Raum mit zumeist geringer Gemeindegröße, fehlender oder geringer Nutzungsdruck, geringe Verwaltungs- und Eigenfinanzierungskapazitäten, Fördermittel, die nicht immer direkt auf Konversionstatbestände zugeschnitten sind, geringe Erfahrungen bei Erwerbsverhandlungen mit dem Eigentümer, wechselnde Zuständigkeiten auf der Eigentümerseite, Probleme bei der Vorbereitung von Sanierungsund Entwicklungsmaßnahmen durch Abgrenzungsprobleme sowie (in den neuen Ländern) Ermittlungsprobleme der Alteigentümer bzw. der Nutzungsberechtigten, (teilweise) langwierige Prüfverfahren zur Vermögenszuordnung und Teilflächenrestitution (in den neuen Ländern), mangelnde Erfahrungen bei der planungsrechtlichen Beurteilung der Flächen (▷Bau-
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Darüber hinaus sind Überganszonen zwischen Innen- und Außenbereich festzustellen. Diese können mit an den Siedlungsbereich angegliederte oder in diesen eingegliederte Konversionsflächen bezeichnet werden. Sie weisen aufgrund der i. d. R. großen Fläche sowohl Merkmale des Innenbereichs als auch des Außenbereichs auf. Den Ausgangspunkt der militärischen Konversion stellt die formelle Entwidmung einer militärischen Liegenschaft dar. Erst damit wird die ausgesetzte Planungshoheit der Gemeinde wirksam. Mit der für diese Flächen dann möglichen und meist erforderlichen Aufstellung von Bebauungsplänen (▷Bauleitplanung) sowie der tatsächlichen Inbesitznahme der Areale werden erhebliche Wirkungen auf die Stadtentwicklung sowie den Bodenmarkt entfaltet. Anders als im „stadtplanerischen Normalfall“, bei dem für einen vorhandenen, prognostizierten oder gewünschten Bodennutzungsbedarf eine geeignete Fläche zu finden ist, wird bei der Konversion für eine vorhandene Fläche eine Nutzung gesucht. Es steht also nicht die – nachgefragte oder angebotene – Nutzung, sondern die Fläche im Vordergrund – quasi Fläche sucht Nutzung.
KONVERSION UND REVITALISIERUNG
Militärische Konversionsflächen bereiten häufig allein wegen ihrer im Verhältnis zu der Standortgemeinde enormen Größe, die oft die Ausmaße der historischen Innenstädte übertreffen, grundlegende Probleme. Bei der Konversion großer Areale sind Planungsmethodik, Planungsrecht und Planungsverfahren zu spezifizieren. Die dabei relevanten Besonderheiten lassen sich als Handlungsfelder der Liegenschaftskonversion ausdrücken. Dabei ist die Liegenschaftskonversion ein komplexer Planungs- und Umnutzungsprozess mit einer Vielzahl an Beteiligten. Kommunen, Region, Land, Eigentümer und eventuell militärische Dienststellen sind unmittelbar einzubeziehen. Es handelt sich damit auch um eine Managementaufgabe und um eine Gesamtstrategie zur Schaffung zukunftsgerechter Raum- und Nutzungsstrukturen. Im Rahmen dessen lassen sich je nach örtlicher Betroffenheit folgende Handlungsfelder generalisieren: 1) öffentlich-privat zusammenarbeiten (▷Public Private Partnership), 2) Nutzungen finden, 3) rechtlich umsetzen – Baurecht schaffen, 4) Vermarktung vorbereiten, 5) investieren und finanzieren und 6) technisch umsetzen.
Abstimmung mit Verkehrskonzepten, Bodengutachten und Landschaftspflege, Bewertung von Nutzungsalternativen, Vorgaben für die Bauleitplanung und Vertragsgestaltungen mit Investoren und externen Beteiligten für die Flächenmobilisierung. Phase 3: Umsetzung Herbeiführung notwendiger politischer Beschlussfassungen, Herbeiführung von Bürgerbeteiligungen (▷Partizipation) und Öffentlichkeitsarbeit, Schaffung von Baurecht, Fördermitteleinwerbung und -management, Erschließungsmaßnahmen sowie Maßnahmen zur Umweltsicherung und Vorsorge (u. a. Behandlung von Bodenverunreinigungen), Wertermittlung, Vertragsgestaltungen, Erlaubnisse, Genehmigungen und Realisierung der angestrebten Nutzungen.
Phase 2: Planung
Die Konversion stellt an die Beteiligten besondere Anforderungen. Dazu gehören in der Zielfindungsphase das Verfahrensmanagement und die Strategiefindung als Teil der öffentlich-privaten Zusammenarbeit. Bei der Liegenschaftsfreigabe treten vielfach Interessenunterschiede bezüglich der kommunalen Planungshoheit und des fiskalischen Verwertungsinteresses des Bundes auf. Während der Bund nicht selten eine zügige Verwertung der Liegenschaften anstrebt, benötigen die Entscheidungen, wie und wann die freigegebene Fläche zukünftig genutzt werden soll als Teil der kommunalen Planungshoheit längere Zeiträume. Grundsätzlich sind der Bund in das Verfahren als Eigentümer und die zukünftigen Nutzer als Planungsbetroffene zu integrieren. Dabei bietet ein konsensuales Vorgehen die größten Erfolgsaussichten. Als Verwertungsmodelle für die Entwicklung von militärischen Konversionsliegenschaften können vier Alternativen genannt werden: 1) Der Bund als Eigentümer – der Bund bleibt Eigentümer und vermarktet mit der Kommune. 2) Öffentlich-private Modelle/Public-PrivatePartnership – Private erwerben die Fläche und übernehmen Entwicklungsverpflichtungen. 3) Die Kommune als Zwischenerwerber – die Kommune erwirbt die Fläche und vermarktet. 4) Das Beteiligungsmodell des Bundes.
Durchführung eines städtebaulichen Planungsprozesses mit dem Ziel der Rahmenplanung in
Insgesamt bedarf es in der Planungsphase einer Doppelstrategie aus städtebaulichem Rahmen-
Konzeptioneller Bezug Gleichsam über den Handlungsfeldern liegend, kann die Raumplanung der Liegenschaftskonversion zeitlich, inhaltlich und instrumentell in drei Phasen gegliedert werden: Phase 1: Zielfindung Klärung der kommunalen und landesseitigen Entwicklungsziele, Klärung privater/sonstiger Entwicklungsziele, Klärung einer geeigneten Organisationsform (intern bei der Stadt) und extern (ggf. als privat-öffentliche Entwicklungsgesellschaft sowie im interkommunalen Verbund), Klärung des planerischen Vorgehens mit Festlegung von Untersuchungszielen und Zeitpunkten und Klärung von Rechtsverhältnissen im Zusammenwirken mit Investoren.
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konzept als Basis einer qualifizierten kommunalen Bauleitplanung und der zielgerichteten Einbeziehung von Land, Bund und Privaten zur Sicherstellung der wirtschaftlichen Machbarkeit. In der Umsetzungsphase sind erhöhte Anforderungen zunächst hinsichtlich der Schaffung von Baurecht zu erfüllen. Neben den konzeptionellen Vorarbeiten im Rahmen der informellen städtebaulichen Rahmenplanung bedarf es einer abgesicherten planungsrechtlichen Beurteilung der Konversionsflächen. Prinzipiell richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit und damit die Genehmigungsfähigkeit von Vorhaben nach §§ 30, 34 oder 35 BauGB. Dort wo besonderer Entwicklungsdruck eine kommunale Steuerung erforderlich macht, Konfliktsituationen bestehen oder zu erwarten sind, die einer städtebaulichen Ordnung bedürfen, und bei Altlasten, sollte unter Anwendung des allgemeinen Städtebaurechts das Instrumentarium der ▷Bauleitplanung gezielt eingesetzt werden. Im Rahmen der verbindlichen Bauleitplanung empfiehlt es sich vor Beginn des Verfahrens mit dem Eigentümer bzw. dem künftigen Nutzer ▷städtebauliche Verträge zur Regelung wichtiger Fragen (Beschreibung und Ziele des Vorhabens, Verknüpfung mit Kaufverträgen, städtebauliche und genehmigungsrechtliche Rahmenbedingungen, Verpflichtungen der Grundstückserwerber oder -eigentümer etc.) abzuschließen. Das gilt insbesondere im Rahmen von Public-PrivatePartnership-Modellen für verbindliche Vereinbarungen mit privaten Investoren oder dem Bund, wenn dieser als Eigentümer selbst eine wirtschaftliche Verwertung anstrebt. Dort wo in abgegrenzten Gebieten v. a. städtebauliche Mängel und Missstände bzw. Funktionsschwächen unter Erhalt der bestehenden Strukturen beseitigt werden sollen, ist das Instrumentarium der ▷städtebaulichen Sanierungsmaßnahme nach § 136 ff. BauGB zu prüfen. Sanierungsmaßnahmen bieten sich grundsätzlich an, wenn größere, zusammenhängende und zum überwiegenden Teil bebaute Liegenschaften entwickelt werden sollen oder zentral gelegene Flächen in umliegende Siedlungs- und Nutzungsstrukturen eingegliedert werden sollen. Das Sanierungsrecht sieht hierzu Instrumente wie Baugebot, Umlegung und die Erfassung sanierungsbedingter Bodenwertsteigerungen im Bodenordnungsverfahren vor. Ein Vorteil ergibt sich aus der Kombinationsmöglichkeit von städtebaulichen Instrumenten mit entsprechenden Finanzierungs- und Förderinstrumenten. Als Instrument mit den weitestgehenden Ein-
griffsmöglichkeiten aber auch mit den vergleichsweise höchsten Anforderungen für die Kommune bietet sich die ▷städtebauliche Entwicklungsmaßnahme nach § 165ff BauGB dort an, wo reale Wertsteigerungen der ehemaligen Militärliegenschaften durch Beplanung, ▷Erschließung und Verkauf erreicht werden können, und die Kommune für das Allgemeinwohl an den Bodenwertsteigerungen partizipieren soll. Um die notwendigen kommunalen Aufwendungen durch den Entwicklungsgewinn finanzieren zu können, werden die zum entwicklungsunbeeinflussten Anfangswert von der Gemeinde erworbenen Flächen nach der Entwicklung zum Verkehrswert veräußert. Wie bei den Sanierungsmaßnahmen ist vor der förmlichen Festlegung von Entwicklungsbereichen der Nachweis zur Erforderlichkeit des Einsatzes dieser Instrumente zu erbringen. Ein besonderes Augenmerk ist auf die ▷Zwischennutzung von Konversionsflächen zu richten. Zwischennutzungen können sich zur Erhaltung und Sicherung vorhandener Gebäudesubstanz und zur Erzielung von Mieteinnahmen anbieten. Sie sollten jedoch nur erfolgen, wenn eine kurzfristige Entwicklung der Fläche nicht möglich erscheint. Es besteht grundsätzlich die Gefahr einer ungewollten Verzögerung der angestrebten Dauernutzung durch Interventionen zugunsten der Erhaltung der Zwischennutzung und der planungsrechtlich zu beachtenden neuen Prägung der Flächen. Im Hinblick auf Flächenaufbereitung und Altlastensanierung bestehen erhöhte Anforderungen für die Beteiligten, insbesondere für die Kommunen bei der Bauleitplanung und die Bauaufsichtsbehörden bei der Genehmigung von Vorhaben. Ob und welche Nachfolgenutzung angestrebt werden kann, muss oftmals an Art und Umfang der Altlast, den Gefährdungspfaden, den erforderlichen Gefahrenabwehrmaßnahmen bzw. der Höhe der Kosten für die Altlastenbeseitigung ausgerichtet werden. Haftung und die Beseitigung liegen beim Grundstückseigentümer. Im Rahmen der Vermarktung spielt insbesondere die ▷Wertermittlung eine große Rolle. Die Verbilligungsmöglichkeiten der 1990er Jahre sind seitens des Bundes weitgehend aufgehoben. Ausnahmen stellen vor Juni 2000 freigegebene Liegenschaften und Objekte der Bundeswehr mit sozialem Zweck und im Gemeinwohl stehenden Funktionen dar, die noch zu günstigen Konditionen an öffentliche Träger abgegeben werden können. Die Verkehrswertermittlung erfolgt alternativ durch Ausschreibung und Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes oder durch förmliche Wertermittlung entsprechend der Wertermittlungsverordnung.
KOOPERATION
Eine weitere Problematik stellt die Finanzierbarkeit der Umnutzungsaufgabe und die dazu aufzubringenden Mittel aus privater und öffentlicher Hand dar, insbesondere da die Förderlandschaft bestehend aus vielfältigen Fördermöglichkeiten des Landes, des Bundes und der Europäischen Union einer hohen Dynamik unterliegt. Eine Kombination verschiedener Finanzierungsinstrumente – Strukturhilfen und Förderinstrumentarium des Arbeitsmarktes – erscheint sinnvoll. Auch hier bieten sich Public-Private-PartnershipModelle an, um die Mitfinanzierungsanteile für die Kommunen gering zu halten. Die Reintegration von zivilen und militärischen Konversionsflächen in die kommunale Entwicklung wird sich weiterhin als bedeutende Daueraufgabe für den örtlichen Städtebau darstellen. Hierbei muss eine Vielzahl an Flächen zeitgleich bei vielfach ungünstigen Standortbedingungen verwertet werden. Im vorgefunden Zustand sind viele Liegenschaften nicht oder nur schwer entwicklungsfähig. Steinebach
Literatur Internationales Konversionszentrum Bonn GmbH (Hrsg.) (2009): BICC – Bonn International Center for Conversion. Zugriff auf www. bicc.de am 10.08.2009 Ministerium des Innern und für Sport des Landes RheinlandPfalz (Hrsg.) (2002): Arbeitshilfe zu den rechtlichen, planerischen und finanziellen Aspekten der Konversion militärischer Liegenschaften. Mainz Ministerium des Innern und für Sport des Landes RheinlandPfalz; Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau Rheinland-Pf. (Hrsg.) (2009): Konversion im Land Rheinland-Pfalz. Zugriff auf www.konversion.com am 10.08.2009 Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (2009): Konversion im Land Nordrhein-Westfalen. Zugriff auf www.konversionsflaechen.mswks.nrw.de am 10.08.2009 Ministerium für Wirtschaft des Landes Brandenburg; Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr des Landes Brandenburg (Hrsg.) (2003): Konversion in Brandenburg – Ratgeber und Arbeitshilfe. Potsdam Ministerium für Wirtschaft des Landes Brandenburg (Hrsg.) (2009): Konversion im Land Brandenburg. Zugriff auf www.wirtschaft.brandenburg.de am 10.08.2009 Steinebach, G.; Feser, H.-D.; Müller, P. (2005): Stadtentwicklungskonzeption StadtTechnopole Kaiserslautern. Kaiserslautern Steinebach, G.; Jacob, A. (1997): Konversion – Stadtplanung auf Militärflächen. Forschungsvorhaben des Experimentellen Wohnungs- und Städtebaus. Endbericht. Bonn Steinebach, G.; Reinhard, T. (1999): Pilotprojekte zur beschleunigten und verbilligten Bereitstellung bundeseigener Konversionsgrundstücke für den familiengerechten Wohnungsbau. Bonn
KOOPERATION
Kooperation ist eine zentrale Kategorie für das Planen und Bauen. Schließlich handelt es sich oft
um komplexe, langwierige Prozesse und Projekte, an denen unterschiedlichste ▷Akteure beteiligt und verschiedenste Randbedingungen zu berücksichtigen sind. Das vorliegende Handbuch spiegelt diese Bedeutung: Ein großer Teil der hier versammelten Stichworte nutzt oder berührt theoretische und praktische Fragen der Kooperation. Bisher gibt es allerdings keine integrative Kooperationslehre oder -wissenschaft, auf die sich Akteure im Planen und Bauen beziehen können. Vielmehr wird das Phänomen der Kooperation von verschiedenen disziplinären Perspektiven ganz unterschiedlich gedeutet. Wichtige Perspektiven für das Verständnis der Kooperation aus Psychologie, Ökonomie, Verhaltensforschung, Soziologie, Politikwissenschaft und den ▷Planungswissenschaften selbst werden im Folgenden skizziert. Kooperation aus psychologischer Perspektive Die Psychologie identifiziert Kooperationsbereitschaft und Vertrauen als wichtige Dispositionsfaktoren und Voraussetzungen für die Kooperation (Hugo-Becker 2004). Das Ausmaß des gegenseitigen Vertrauens der Kooperationspartner in die Ehrlichkeit und kooperativen Absichten bestimmt dabei den Möglichkeitsraum der Kooperation. In diesem Sinne ist Kooperation eine auch emotionale Vertrauensleistung. Kommt es nicht zu einer vertrauensvollen Beziehung, im Sinne von „sich verstehen“, „miteinander können“, „gegenseitiger Offenheit“, „sich kennen“, „Zuverlässigkeit und Verlässlichkeit“, „Respekt“, „gegenseitiger Anerkennung der Kompetenz“ (Zitate aus empirischen Untersuchungen zu vertrauensvoller Kooperation, vgl. Böhm 2006), dann bekommen die Akteure „keinen guten Draht miteinander“, erleben sich als „missverstanden“, „ausgenutzt“, „verletzt“ und den Partner als „doppelbödig“, egoistisch“, „kompromissunfähig“ und „schwierig“. Für das Verständnis der Kooperation ist es eine wichtige Frage, ob dieses Vertrauen als Voraussetzung für Kooperation erlernbar und durch (vertrauensbildende) Maßnahmen gefördert werden kann, oder ob gegenseitiges Vertrauen kaum steuerbar, sondern durch bestimmte Eigenschaften der Beteiligten gleichsam vorgegeben ist. Die Alltagsweisheit, dass zwischen den Beteiligten „die Chemie stimmen“ muss, wenn eine Kooperation gelingen soll, betont eher die Nichtsteuerbarkeit. Was führt aber dazu, dass die „Chemie“ zwischen zwei Menschen oder zwei Abteilungen stimmt, zwischen anderen aber nicht? Aus sozialpsychologischer Sicht wird Sympathie und Bereitschaft zur
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Kooperation durch unterschiedliche Bedürfnisse, Vorlieben und Attitüden bei Menschen, Gruppen und ▷Milieus erklärt, verschiedene „Sprachspiele“, Reizworte, Schreckbilder und eingefahrene Abgrenzungsbewegungen, die in der ▷Kommunikation dazu führen können, dass Menschen und Gruppen einander als sympathisch erleben, sich akzeptieren und sich vertrauen, oder sich laufend missverstehen und übereinander ärgern. Werden die kooperationshemmenden Voreinstellungen benannt und transparent gemacht, verlieren sie i. d. R. ein wenig von ihrer Wirkung. Transparenz schaffende und vertrauensbildende Prozesse verbessern also die Randbedingungen für Kooperation. Eine solche sozialpsychologische Perspektive eröffnet im Gegensatz zu der fatalistischen Feststellung der passenden „Chemie“ neue Spielräume für die Kooperation. Kooperation aus ökonomischer Perspektive
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Auch die ökonomische Perspektive betont den engen Zusammenhang von Kooperation und Konkurrenz. Im Vergleich zur Psychologie ist für Ökonomen dabei der Begriff der Konkurrenz und des Marktes positiver besetzt. Ökonomen haben schon seit den 1920er Jahren Kooperation als eine Spielart von Markt beschrieben und in ihre von Konkurrenz geprägten Modelle integriert. Menschen kooperieren in den ökonomischen Modellen dann, wenn sie meinen, dass sie gemeinsam gegenüber Dritten mehr erreichen können – die mit der Kooperation verbundenen Vorteile also größer sind als die Nachteile – und die Koordinations-, Informations- und Entscheidungskosten in einem akzeptablen Verhältnis zum Ertrag stehen. Der Spieltheoretiker von Neumann hat über viele Jahrzehnte wirtschaftliches Verhalten und Marktphänomene spieltheoretisch durch eine Dualität aus Kooperation und Wettbewerb beschrieben. Für das Fließgleichgewicht von Kooperation und Konkurrenz im ökonomischen Marktgeschehen haben Nalebuff und Brandenburger 1996 den neuen Begriff der „Coopetition“ eingeführt, um Marktphänome zu beschreiben, in denen miteinander konkurrierende Marktteilnehmer durch Kooperation Vorteile haben, also eine Win-winSituation erleben (Nalebuff/Brandenburger 1996). Sie beschreiben also Bedingungen, in denen sich Kooperation für Konkurrenten lohnt. In den vergangenen Jahren haben die Wirtschaftswissenschaften ihre Perspektive erweitert und in vielen Publikationen zur Kooperation den Vertrauensbegriff eingeführt, ohne dabei ihre grundlegenden Axiome aufzugeben.
Kooperation aus der Perspektive der Verhaltensforschung Ist aber die individuelle Nutzenmaximierung die wichtigste oder gar einzige Triebfeder für das menschliche Handeln? Verhaltensforscher haben viele Jahrzehnte über altruistische Verhaltensmotive diskutiert und zugleich auf die Prädisposition des Menschen für Konkurrenz- und Kooperationsbeziehungen hingewiesen, auf seine Herkunft als Rudeltier und seine Vorliebe für das Leben und Arbeiten in überschaubaren Gruppen mit einem Fließgleichgewicht täglich neu zu definierender Rollen für jedes Rudelmitglied. Aus dieser disziplinären Perspektive erklärt sich die Effizienz kapitalistischer Strukturen aus der Bereitschaft zur Konkurrenz, die allerdings legal und kulturell immer wieder begrenzt werden muss, um einen „Raubtierkapitalismus“ zu verhindern. Die Ethnologin Douglas behauptet die Existenz von vier grundsätzlich unterschiedlichen menschlichen Sozialisationsformen und damit vier verschiedenen Typen erfolgreicher Kooperation: der hierarchistischen, individualistischen, egalistischen und fatalistischen Kooperationsform. Diese vier Formen bzw. Stile unterscheiden sich nicht nur gegenseitig stark, sie lehnen sich, so Douglas, sogar gegenseitig ab bzw. schließen sich aus. Douglas begründet ihr Vierfelderschema mit den beiden Kategorien, die das Verhältnis des Einzelnen zur Gruppe beschreiben, nämlich ▷Integration und Regulation. Sie bezeichnet diejenigen Menschen, die in eine Gruppe hoch integriert und gleichzeitig durch die Gruppe hochreguliert sind, als Hierarchisten (Douglas 1991). Kooperation aus soziologischer Perspektive Auch die Soziologie führt Kooperationsformen und Kooperationserfolge auf den sozialen Rahmen und soziale Regeln zurück. Wenn die Soziologie von Gruppenbeziehungen spricht, nimmt sie zwar Anleihen bei psychologischen, ethnologischen und ethologischen Erklärungen, konzentriert sich aber auf Schichten, Stände, Klassen, ethnische, verwandtschaftliche, religiöse oder politische Gruppen, differenziert nach Bildung, Alter und Geschlecht, oder – nach dem „cultural turn“ in den Sozialwissenschaften – auf Milieus und „feine Unterschiede“, auf Attitüden und soziale Stilisierungen, auf gemeinsame kollektivbiografische, generationale Erfahrungen, Vorlieben und Vorbehalte. Die Soziologie unterscheidet dabei die primäre Kooperation als Grundlage menschlichen Zusammenlebens von der institutionellen Ko-
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operation als organisationale Strategie (etwa für mehr Entscheidungssicherheit). Beide Kooperationsformen und -motive fallen oft auseinander (Grunwald 1981). Kooperation aus raumwissenschaftlicher Perspektive Eine weitere wichtige Perspektive für das Verständnis von Kooperation ist der Blick auf ihre räumliche Dimension. Sie ist von den Sozialwissenschaften lange so sträflich vernachlässigt worden, dass man heute von der „Raumblindheit der Sozialwissenschaften“ spricht. Die räumliche Dimension der Kooperation ist zwar von frühen Soziologen, wie Simmel zu Beginn des 20. Jahrhunderts, bereits erfasst und beschrieben, aber in der Folgezeit kaum analytisch vertieft worden. Kooperation aber ist durch räumliche Kategorien geprägt: Es macht einen Unterschied, auf wessen Gelände (Domäne) sich Kooperationspartner begegnen, ob eine Gruppe räumlich verteilt oder an einem gemeinsamen Standort kooperiert. Die kleine und neutrale Schweiz hat von dieser räumlichen Dimension der Kooperation profitiert und in der Vergangenheit eine Vielzahl internationaler Behörden, wichtiger Konferenzen und Schiedsstellen angezogen. Es wäre eine wichtige Aufgabe der Raum- und ▷Planungswissenschaften, die räumliche Dimension der Kooperation in Kooperationsmodelle zu integrieren und geeignete räumliche Strukturen für das Gelingen von Kooperation zu schaffen. Kooperation aus politikwissenschaftlicher Perspektive So, wie die Ökonomie Kooperation unter dem Paradigma der Konkurrenz betrachtet, analysiert die Politikwissenschaft Kooperationsphänomene unter dem Paradigma der Macht. Die Ansammlung und Verteilung von Macht, das Streben nach Macht, aber auch das komplementäre Streben nach Machtlosigkeit, prägen die Kooperation von Menschen und Institutionen. Institutionen und Organisationen verhalten sich in mancher Hinsicht analog zu Personen: Sie suchen nach mehr Einfluss, nach neuen Zuständigkeiten, können verärgert sein, haben Erzfeinde. Aus dieser Perspektive ist Kooperation die Lehre vom Machtausgleich. Das erste Kapitel seiner berühmten „Kultur der Renaissance in Italien“ hat Burckhardt mit „Der Staat als Kunstwerk“ überschrieben und damit einerseits die ästhetische Dimension von Architek-
turen der Macht angesprochen und andererseits den Genius politischer Staatskunst mit künstlerischer Meisterschaft verglichen und gleichgestellt. Burckhardt beschreibt, wie durch die Berührung unterschiedlicher Regierungsstile, insbesondere in der sarazenischen Staatskunst in Italien, ein hoch reflektiertes Bewusstsein für die Verfahrenskunst staatlicher Politik heranwächst, die sich in vielen Schriften manifestiert, von denen Machiavellis „Der Fürst“ nur das Bekannteste ist. In dieser Perspektive ist Kooperation eine hohe Kunst des „divide et impera“. Ausblick Die genannten unterschiedlichen Perspektiven auf das Phänomen der Kooperation enthalten wichtige Aspekte, die zu einer interdisziplinären Kooperationslehre integriert werden müssen. Bisher ist die Integration der verschiedenen Aspekte und Perspektiven der Kooperation noch ein überwiegend außeruniversitär entwickeltes und betriebenes Kompetenzfeld, eine in der Praxis erworbene Kompetenz, eine Kunst. Zwar gibt es für angewandtes Kooperationsmanagement viele akademisch gebildete Experten aus unterschiedlichen Disziplinen. Schließlich ist der gesellschaftliche, politische und wirtschaftsseitige Bedarf nach guten Kooperationsmanagern gewaltig. Das erforderliche Wissen wird aber v. a. außeruniversitär weitergegeben, als Kunst und scheinbar subtiles Praxiswissen gehütet und in „Meister-Schüler-Kursen“ vermittelt. Kooperationsmanagement ist in diesem Sinne vergleichbar zu der Alternativ- und Komplementärmedizin, die ebenfalls von vielen Experten entwickelt, vertreten und erfolgreich angewendet wird, aber in der universitären Schulmedizin unter Häresieverdacht steht und ausgegrenzt wird. Die integrative Kooperationslehre soll die Konkurrenz nicht verhindern, diskreditieren oder ausschalten, sondern geschickt nutzen, ja sogar anregen, aber auch kanalisieren und eingrenzen. Konkurrenz unter den kooperierenden Akteuren ist eine wichtige Randbedingung für Kooperation, ein Antrieb und Kraftquell für Engagement und Leistung, ein zusätzlicher Reiz im Spiel der Zusammenarbeit, aber andererseits auch ein Auslöser für gegenseitige Bedrohung und Begrenzung bis hin zur Ausschaltung. Konkurrenz ist in ihren Wirkungen oft demotivierend und zerstörend. Kooperation soll Bedingungen für „Coopetition“ schaffen, welche die Konkurrenz der Beteiligten in funktionierende Kooperationsstrukturen einbaut, die auch innerhalb von Organisationen wettbewerbliche Strukturen schafft, aber zugleich Regeln
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und Strukturen anbietet, welche die Beteiligten zur vertrauensvollen Zusammenarbeit, gegenseitigen Akzeptanz und Unterstützung ermuntert. Kooperationsmanagement ist dann die angewandte, multidisziplinäre Wissenschaft der Analyse und Gestaltung von Kommunikations- und Kooperationsprozessen. Kooperationsmanagement begleitet die Kooperationspartner, etwa Verbundpartner in einem Projekt, in ihren Kooperationsprozessen (▷Interdisziplinarität, Transdisziplinarität), untersucht und zeigt Regeln, Routinen, Verhaltensweisen und Konflikte auf, die eine erfolgreiche Zusammenarbeit behindern können, und fördert dadurch die Entwicklung einer belastbaren Kooperationskultur. Dies beinhaltet die Einspeisung passender Verfahren und Werkzeuge für den Prozess der Zusammenarbeit: Verfahren für die Visualisierung, etwa von Zielen und Arbeitsschritten, für regelmäßige Information, für die kreative Entwicklung neuer Ideen, für strategische Entscheidungen, für die Dokumentation und Aufbereitung der Ergebnisse. Es ist eine offene Frage, ob Kooperationsmanagement als eine Teilaufgabe des ▷Projektmanagements verstanden wird und von diesem wahrgenommen werden sollte, oder ob es günstiger ist, Kooperationsmanagement als eine eigenständige, mehr beobachtende und beratende Aufgabe zu verstehen, das Elemente des Coachings und der Supervision enthält. Für beide Positionen gibt es gute Argumente. Professionelles Kooperationsmanagement ist in beiden Formen ein zusätzlicher Aufwand. Die Versuchung ist groß, diesen zusätzlichen Aufwand klein zu halten. Dies geschieht meist nicht ungestraft. Auf der anderen Seite macht sich der Aufwand von Kooperationsmanagement in den meisten Projekten schnell bezahlt. Dienel
Literatur Blanckenburg, C. von u. a. (Hrsg.) (2005): Leitfaden für interdisziplinäre Forschergruppen: Projekte initiieren – Zusammenarbeit gestalten. Stuttgart Böhm, B. (2006): Vertrauensvolle Verständigung – Basis interdisziplinärer Projektarbeit. Stuttgart Burckhardt, J. (2004): Kultur der Renaissance in Italien. Hamburg Dienel, H.-L. (2004a): Konkurrenz im deutschen Bundesverkehrsministerium, Ein Versuch, die Probleme intermodaler Verkehrspolitik historisch zu verstehen. In: Gertz, C.; Stein, A. (Hrsg.): Raum und Verkehr gestalten. Festschrift für Eckart Kutter. Berlin, 137-165 Dienel, H.-L. (2004b): Räumliche Bedingungen heterogener Forschungskooperationen. In: Strübing, J. u. a. (Hrsg.): Kooperation im Niemandsland. Neue Perspektiven auf Zusammenarbeit in Wissenschaft und Technik. Opladen, 210-231 Douglas, M. (1991): Wie Institutionen denken. Frankfurt/M Grunwald, W.; Lilge, H.-G. (Hrsg.) (1981): Kooperation und Konkurrenz in Organisationen. Bern Grüninger, S. (2001): Vertrauensmanagement: Kooperation, Moral und Governance. Marburg
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Hugo-Becker, A.; Becker, H. (2004): Psychologisches Konfliktmanagement, Menschenkenntnis – Konfliktfähigkeit – Kooperation. München Nalebuff, B. J.; Brandenburger, A. M. (1996): Co-opetition: A Revolution Mindset that Combines Competition and Cooperation : The Game Theory Strategy That’s Changing the Game of Business. New York Neumann, J. von; Morgenstern, O. (1944): Theory of games and economic behaviour. Princeton Schophaus, M.; Schön, S.; Dienel, H.-L. (Hrsg.) (2004): Transdisziplinäres Kooperationsmanagement, Neue Wege für die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Gesellschaft. München
KREATIVE STÄDTE Die alte Schlüsselfrage der Stadt- und Regionalentwicklung lautet: Welche Faktoren und Randbedingungen müssen zusammenkommen, damit sich in einer Stadt oder Region Kreativität und damit Prosperität entfalten können? Kreativität ist nicht nur essentiell für Kunst und Kultur. Der Begriff Kreativität ist weiter, umfassender als Fähigkeit zu verstehen, auch im technischen, naturwissenschaftlichen, medizinischen, wirtschaftlichen, sozialen, rechtlichen und politischen Sinne, Neues zu denken, zu entwerfen, zu erfinden, aktiv zu gestalten, zu erproben, zu fertigen, zu regeln, zu organisieren und zu implementieren. Um Einwohnern, Institutionen und Betrieben einer Stadt das Attribut „kreativ“ (in der Technologiedebatte oft synonym mit „innovativ“ verwandt) zu verleihen, bedarf es nicht nur aktuellen, umfassenden Wissens, sondern darüber hinaus auch Fantasie, zukunftsgerichteter gestaltender Impulse, unternehmerischer Initiativen und – nicht zuletzt – ausreichender finanzieller, wirtschaftlicher und politischer Ressourcen, um Veränderungen zu bewirken. Beides gibt es: die Kreativität einzelner und die Kreativität im Team, z. B. in planmäßig organisierter Forschung. Dabei spielen Face-to-faceKontakte und räumliche Nähe, wie sie Städte und Regionen bieten, eine begünstigende Rolle. Der Hirnforscher Pöppel weist nach, dass äußere Umstände die Kreativität beeinflussen, sie stimulieren oder bremsen: Anregungen oder Ablehnungen anderer Menschen, unmittelbare „hands on“-Anschauungen, intuitive Wahrnehmungen, Emotionen und ästhetische Gestaltung, Tageszeiten u. a. m. sind von Bedeutung (Pöppel 2006). Ohne Neugierde, ohne Reibung, ohne Umwelt- und Außenbezug kann sich Kreativität nicht entfalten und die Wahrnehmungspsychologie lehrt, dass der Mensch vorzugsweise die Themen aufgreift,
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die sich ihm in der unmittelbaren physischen Begegnung quasi in den Weg stellen. Sie „besetzen“ sein Gehirn, bestimmen seine Gefühle, prägen sich ein und verdrängen andere als weniger aktuell erlebte Eindrücke. Mit der Distanz schwindet das Bewusstsein. Im 21. Jahrhundert kommt es für erfolgreiche, sich nachhaltig entwickelnde, Stadtregionen v. a. darauf an, zwei Herausforderungen zu meistern (von Einem 2009a): Schnelligkeit bei der Generierung technischen, geisteswissenschaftlichen und künstlerischen Wissens sowie bei der Adoption fremden Wissens, um kreativ regionale Wissens- und Wettbewerbsvorsprünge immer wieder neu zu erringen und Attraktivität für und Bindung von qualifiziert ausgebildeten oder ausbildbaren, talentierten (oft jungen) Menschen. Kreative Potenziale, statistisch messbar über berufliche Tätigkeiten, sind geographisch höchst ungleich verteilt (Fritsch/Stützer 2007). Vorzugsweise konzentrieren sie sich in einigen wenigen Großstädten und hier wiederum in den Zentren (Henckel/Herkommer 2008). Um sich als „Stadt des Wissens, der Talente und der Kreativen“ zu profilieren, sollten Städte von Investitionen in Beton Abschied nehmen und auf solche in Köpfe umsteuern (▷Wissensgesellschaft). Nicht mehr das ob, sondern das Tempo des Ausbaus ihrer Bildungs-, Forschungs- und Kulturlandschaften in ihrer vollen Breite – d. h. vom Kindergarten bis zur Eliteuniversität, von den Bibliotheken bis zu Museen und Theatern, von der Berufsausbildung bis zum Wissenschaftsjournalismus – wird darüber entscheiden, welche Dynamik eine Stadtregion entwickelt, ob sie prosperiert oder stagniert. Der Ausbau der Infrastruktur hat sich im Vergleich der europäischen Großstadtregionen weitgehend angeglichen; dies vorausgesetzt, dürfte das Maß an lokalem Wissen, insbesondere die Fähigkeit zu reflexivem Denken, verortet in Köpfen und in lokalen Netzwerken, den Zugang zur Beantwortung der eingangs gestellten Kausalitätsfrage liefern. Zusammenhänge zu reflektieren, Innovationen kreativ zu generieren und umzusetzen, Entscheidungsalternativen vorzudenken, Neues zu erfinden oder zu übernehmen (Matthiesen 2006), setzt – auf der Ebene der Vorstände und ihrer Stäbe, von Politik und Verwaltung, Kunst, Wissenschaft und sozialen Diensten – individuelle und kollektive Kompetenzen voraus, permanent zu lernen, mit Daten souverän umzugehen, sie selbstverantwortlich zu interpretieren, Zusammenhänge über
Fachgrenzen hinweg herzustellen, ohne die globalen Risiken aus dem Auge zu verlieren. Dieses aufgeklärte kreative Wissen ist – im Sinne Kants – als Kompetenz zu verstehen, mündige verantwortungsbewusste Entscheidungen zu treffen und dies auch angesichts unvollständiger und ungesicherter Daten und Kenntnisstände. Sachverhalte zu beurteilen, Abwägungen zu treffen, Neues mit Altem zu verbinden und auszuprobieren, Unbekanntes zu entdecken und weiterzuentwickeln: ohne diese Kompetenzen können sich Städte und Regionen kaum entwickeln. Erfolgreiche Stadtregionen zeichnet aus, dass sie Hochqualifizierte und Talente anziehen und sie in ihren Gemarkungen verwurzeln. Diese bringen gebündeltes, vernetztes Wissen ein. Nur in einigen Großstadtregionen allerdings erreicht das lokale Wissen die kritische Masse und den erforderlichen Grad an Diversität. Dabei gilt es nicht nur, in eigenen Instituten selbst neues Wissen zu generieren, sondern auch, am internationalen Wissenschaftsdialog teilzunehmen, um andernorts entwickelte Ideen, Kenntnisse und Innovationen schnell aufzunehmen, diese mit lokal vorhandenem Know-how zu verbinden und dann beide in neue Produkte, Dienstleistungen und Unternehmensstrategien umzusetzen. Da nicht jede Stadt oder Region auf allen Forschungsgebieten selbst Spitzenleistungen erbringen kann, ist die schnelle Adoption fremden Wissens ebenso entscheidend, was wiederum ein hohes Maß an lokalem Vorwissen voraussetzt (von Einem 2009b). Trotz weltweiter Digitalisierung der Datenströme verlieren die Fühlungsvorteile von Agglomerationen und damit geographische Nähe keineswegs ihre Rolle. Daten und Informationen sind nicht mit kreativem Wissen gleichzusetzen (Rooney/Schneider 2005). In den westlichen Industriestaaten sind erstere kein Engpass mehr. Engpässe bestehen jedoch weiterhin hinsichtlich des aktuellen Wissens, der Kreativität, handwerklicher Erfahrungen und stillschweigenden impliziten Wissens. Daten und Informationen sind (abgesehen von den Zugangskosten) ubiquitär verfügbar; Wissen, insbesondere „tacit knowledge“, d. h. nicht kodierbares stilles Wissen, ist es nicht. Diese zweite unverzichtbare Komponente des Wissens bleibt – da nicht handelbar – lokal an Personen gebunden (Storper 1997). Vollständiges Wissen lässt sich deshalb – auch im Zeitalter allgemein verfügbarer Informationen und Daten – nur an Orten mit explizitem und zusätzlichem implizitem Wissen erlangen. Top-Wissen ist deshalb „klebrig“, auf wenige Städte konzentriert („sticky places“; Markusen 1996) und zwar solche, die Ta-
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lente anziehen, Talente ausbilden und die Talenten berufliche Perspektiven eröffnen (Florida 2002). Da die Städte zunehmend untereinander um dieses knappe Spitzenwissen konkurrieren und die Kreativen jene Stadtregionen mit den attraktivsten Wohn-, Umwelt-, Kultur- und Arbeitsbedingungen bevorzugen (Florida 2005), haben die erfolgreichen Metropolen Europas begonnen, sich als „coole Städte“ für kreative Köpfe umzugestalten (Der Spiegel 2007) und sich als Magneten für Talente zu profilieren: Stadterneuerung der Innenstädte, Häfen und brach gefallener Industrieareale (▷Bestandsentwicklung und Stadtentwicklung), Stadtgestaltung und Restaurierung denkmalgeschützter Gebäude, attraktiver ▷Wohnungsmarkt mit einem breiten Angebot zu moderaten Preisen, ökologisch saubere Umwelt, bevorzugt in der Nähe von Wasser oder Bergen, Offenheit der sozialen ▷Milieus und städtischen Szenen mit einem pulsierenden Mix aus Kultur, Unterhaltung, Sport und Nachtleben (Lloyd/Clark 2001), Offenheit und Toleranz gegenüber neuen Entwicklungen, zugewanderten Ethnien und unterschiedlichen Lebensstilen sowie breites Angebot an Joboptionen in wettbewerbsfähigen kreativen Unternehmen, wichtig bei häufigen Arbeitsplatzwechseln. Städte, die auf diese Strategie setzen und die zudem ihre Grenzen für Zuwanderer öffnen und ihre Ausbildungseinrichtungen ausbauen, erhöhen laufend ihren Anteil an Hochqualifizierten am lokalen Arbeitsmarkt (Florida 2005, Saxenian 2006). Dies ist eine der Bedingungen, die weltweit tätige Unternehmen heute erwarten, da sie ihre Standortentscheidungen (▷Standortwahl) zunehmend von der Verfügbarkeit gut ausgebildeter Fach- und Spitzenkräfte abhängig machen. Von Seiten der Städte ist folglich einem Bündel an Herausforderungen simultan gerecht zu werden: Förderung einer dynamischen wirtschaftlichen Basis, modernste Infrastruktur, innovative Milieus mit diversifizierten und vorherrschend toleranten Mentalitäten sowie breite Kultur-, Wohnund Freizeitangebote. Die Beispiele Barcelonas, Dublins, Zürichs, Wiens, Münchens, Amsterdams, Kopenhagens, Stockholms und Helsinkis zeigen, wie sich dynamische Städte mit einem Mix an Strategien Schritt für Schritt zu kreativen, lernenden Stadtregionen wandeln, in denen die mobilen Hochqualifizierten verschiedenster Länder gern und bevorzugt
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leben wollen und Arbeit finden. Ihnen gelingt es – Kapital vorausgesetzt – offenbar schnell genug, den unaufhaltsamen Sog der Abwanderung lohnintensiver Industrien mit innovativen Produkten und kreativen Diensten junger, anfänglich kleiner Unternehmen zu kompensieren. von Einem
Literatur Der Spiegel (2007): Europas coole Städte. Titelthema, Heft 34. Hamburg Florida, R. (2002): The Rise of the Creative Class. Christchurch Florida, R. (2005): Cities and the Creative Class. New York, London Fritsch, M.; Stützer, M. (2007): Die Geographie der Kreativen Klasse in Deutschland. In: Raumforschung und Raumordnung, 1, 15-29 Henckel, D.; Herkommer, B. (2008): Creative Class in Berlin. Empirie zum Standortverhalten. Berlin Lloyd, R.; Clark, T. (2001): The City as Entertainment Machine. In: Research in Urban Sociology, 6, 357-378 Markusen, A. (1996): Sticky Places in Slippery Space, A Typology of Industrial Districts. In: Economic Geography, 72, 293-313 Matthiesen, U. (2006): Raum und Wissen – Wissensmilieus und KnowledgeScapes als Inkubatoren für zukunftsfähige stadtregionale Entwicklungsdynamiken? In: Tänzler, D.; Knobloch, H.; Soeffner, H. G. (Hrsg.): Zur Kritik der Wissensgesellschaft. Konstanz, 155-180 Pöppel, E. (2006): Der Rahmen, ein Blick des Gehirns auf unser Ich. München Rooney, D.; Schneider, U. (2005): The Material, Mental, Historical und Social Character of Knowledge. In: Rooney, D.; Hearn, G.; Ninan, A. (Hrsg.): Handbook on the Knowledge Economy. Cheltenham Saxenian, A. (2006): The New Argonauts. Cambridge/Ma. Storper, M. (1997): The Regional World. New York, London von Einem, E. (2009a): Kreativität, Wirkungen im Städtevergleich: Talent – Technologie – Toleranz. In: Raumforschung und Raumordnung, in Vorbereitung von Einem, E. (2009b): Wissensabsorption – die Stadt als Magnet. In: DISP, 177, 46-69
KULTURLANDSCHAFT Begriffsbestimmung In Politik, Planung und Wissenschaft erfahren Kulturlandschaften bzw. der Begriff Kulturlandschaft seit etwa dem Jahr 2000 verstärktes Interesse, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Dies zeigt sich in einer Vielzahl entsprechender Veröffentlichungen, Veranstaltungen und Forschungsprojekten, die sich auf unterschiedlichste Weise mit dem Thema Kulturlandschaft auseinandersetzen. Als bedeutsame planungspolitische Dokumente sind die Europäische Landschaftskonvention (ELC) (Europarat 2000), das Europäische Raumentwicklungskonzept (EUREK) (Europäische Kommission
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1999), sowie die Leitbilder und Handlungsstrategien für die Raumentwicklung in Deutschland (BMVBS 2006) zu nennen (▷Europäische Raumentwicklungspolitik, ▷Bundesraumordnung). Zugleich sind Kulturlandschaften bzw. Kulturlandschaftselemente Gegenstand von Regelungen des Raumordnungs-, Naturschutz- und Denkmalpflegerechts. Aufgrund dieser hier nur grob angedeuteten Verwendung in unterschiedlichsten, auch alltäglichen Kontexten, sind die mit dem Begriff Kulturlandschaft verbundenen Inhalte, Vorstellungen und Wertsetzungen äußerst heterogen, eine einheitliche, allseits akzeptierte Begriffsdefinition existiert nicht. Vor diesem Hintergrund erhebt dieser Beitrag nicht den Anspruch, die historische und aktuelle Entwicklung von Kulturlandschaften (im physischen Sinne) zu umreißen, sämtliche planungspraktischen Fragen zu behandeln oder den Kulturlandschaftsbegriff in all seinen Verästelungen widerzuspiegeln. Der Schwerpunkt liegt auf der Darstellung wesentlicher Zugänge zu Kulturlandschaft sowie der Vielfalt des Begriffs, deren Kenntnis auch für die Planungspraxis wichtig ist. Folgende Gegensatzpaare geben einen ersten Überblick über diese Vielfalt unterschiedlichster Kulturlandschaftsverständnisse. I. d. R. stehen diese Begriffspaare „quer“ zueinander, d. h. sie können in verschiedensten Kombinationen gemeinsam auftreten, was weitere Differenzierungen des Begriffs nach sich zieht: Kulturlandschaft als objektiv beschreibbarer physischer Ausschnitt der Erdoberfläche (physisch-materielle Perspektive) – Kulturlandschaft als sozial konstruiertes Wahrnehmungsphänomen (konstruktivistische Perspektive), Kulturlandschaft als deskriptiver Begriff – Kulturlandschaft als normativer Begriff, Kulturlandschaft als Schutzobjekt – Kulturlandschaft als Gestaltungs- und Nutzungsobjekt, Kulturlandschaft als Synonym des Begriffes Landschaft – Kulturlandschaft als Spezifizierung des Landschaftsbegriffs. Auf die in dieser Aufzählung angesprochenen Kulturlandschaftsverständnisse wird im Folgenden näher eingegangen, wobei die Unterscheidung zwischen physisch-materieller und konstruktivistischer Perspektive als Hauptkriterium herangezogen und anhand der anderen Gegensatzpaare weiter differenziert wird. Dabei stellt sich immer auch die Frage nach der Abgrenzung gegenüber dem Begriff Landschaft, auf die weiter unten eingegangen wird.
Kulturlandschaft als physischer Ausschnitt der Erdoberfläche (physisch-materielle Perspektive) Kulturlandschaft wird häufig als physischer Ausschnitt der Erdoberfläche verstanden, der durch materielle abiotische, biotische und anthropogene Strukturen sowie durch damit in Zusammenhang stehende Prozesse (z. B. Stoff- und Energieströme) und Funktionen (z. B. für ▷Landwirtschaft, Erholung, ▷Naturschutz etc.) geprägt ist. In Anlehnung an Becker kann man vom „Realobjekt“ Kulturlandschaft sprechen (Becker 1998). Dieses Verständnis findet man in naturwissenschaftlich orientierten Disziplinen (Landschaftsökologie, physische Geografie), aber auch in historischer Geografie, Naturschutz, Denkmalschutz, ▷Landschaftsplanung und ▷Raumordnung. Unstrittig ist in diesem Verständnis, dass Kulturlandschaften stets sowohl von naturräumlichen Gegebenheiten als auch von menschlicher Tätigkeit geprägt sind. Unterschiedliche Auffassungen bestehen jedoch hinsichtlich der Frage, ob Kulturlandschaft lediglich ein wertfrei beschreibender Begriff und damit jeder von menschlicher Tätigkeit geprägte Raum eine Kulturlandschaft ist (deskriptive Perspektive), oder ob als Kulturlandschaft nur Räume bezeichnet werden dürfen, die bestimmten Qualitätskriterien genügen, etwa hinsichtlich ihrer Eigenart oder ihrer naturschutzfachlichen und denkmalpflegerischen Bedeutung (normative Sichtweise) (vgl. Heiland 2006: 56, mit weiteren Nennungen).
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Physisch-deskriptives Begriffsverständnis Das hier als physisch-deskriptiv bezeichnete Kulturlandschaftsverständnis umfasst alle anthropogen geprägten Räume. Es beschränkt sich also nicht nur auf ländliche Räume mit (mehr oder weniger) traditioneller land- und forstwirtschaftlicher Nutzung, wie es sowohl in der Literatur als auch im Alltagsgebrauch häufig zu beobachten ist (▷Ländlicher Raum). Vielmehr bezieht es sich beispielsweise auch auf Städte, suburbane Räume oder von (früherer) industrieller Nutzung geprägte Gegenden. Damit werden Kulturlandschaften nicht per se als schützenswert oder als zerstört betrachtet und entsprechende normative Zuweisungen müssen aus Kriterien abgeleitet werden, die „außerhalb“ des Kulturlandschaftsbegriffs liegen. Ein solch umfassendes Begriffsverständnis ist insofern sinnvoll, als es erlaubt, sich allen Räumen aus kulturlandschaftlicher Perspektive zu nähern und damit
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1) aktuelle Tendenzen der Entwicklung des „Realobjekts“ Kulturlandschaft und 2) die Vielfalt kulturlandschaftsbezogener Sichtweisen und Werthaltungen zu erfassen sowie politisch und planerisch zu berücksichtigen. Da der Begriff Kulturlandschaft hier jedoch alle anthropogen geprägten Räume umfasst, droht er seine Unterscheidungskraft zu verlieren. Physisch-normatives Begriffsverständnis
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In einem physisch-normativen Verständnis des Begriffs Kulturlandschaft ist dieser positiv besetzt, was zur Folge hat, dass nicht jeder Raum als Kulturlandschaft bezeichnet werden kann (z. B. Haber 1993, Roweck 1995, Wöbse 1999). Häufig kommt darin ein weitgehend „ästhetisches“ Verständnis von Kulturlandschaft zum Ausdruck, das diese gleichsetzt mit schönen „strukturreichen, ländlichen landwirtschaftlich geprägten Räumen mit naturschutzfachlich bedeutsamen Relikten traditioneller Landnutzungsformen“ (vgl. Heiland 2006:55). Dies ist allerdings keineswegs das einzig mögliche physisch-normative Verständnis von Kulturlandschaft, ihm stehen andere, teilweise konträre Auffassungen gegenüber. So werden etwa intensiv und großflächig agrarisch genutzte Räume in der Landwirtschaft als Kulturlandschaften im positiven Sinne betrachtet, während sie von Seiten des Natur- oder Landschaftsschutzes i. d. R. negativ bewertet werden. Darüber hinaus stehen sich im Rahmen des physisch-normativen Begriffes ein stärker schutzorientiertes und ein stärker entwicklungsorientiertes Kulturlandschaftsverständnis gegenüber (vgl. Gailing/Leibenath 2009). Das erstgenannte findet sich tendenziell eher in Heimatschutz, Naturschutz, Denkmalschutz und historischer Geografie. Besondere Beachtung erfährt es durch die Erstellung sog. Kulturlandschaftskataster, in denen historische Kulturlandschaftselemente und -ausschnitte inventarisiert werden (z. B. Burggraaff 2000, Schmidt u. a. 2004). Ein normativ-schutzorientierter Zugang zu Kulturlandschaft findet sich auch im Bundesraumordnungsgesetz und Bundesnaturschutzgesetz. Allerdings beinhaltet dieser Zugang nicht Kulturlandschaft insgesamt, sondern lediglich „historische“ bzw. „gewachsene“ Kulturlandschaften, die zu erhalten sind. Damit wird das normativ begründete Schutzinteresse auf Kulturlandschaften eines bestimmten Typs eingeschränkt und es bleibt offen, welche Räume darüber hinaus als Kulturlandschaften zu bezeichnen sind. Beide Gesetze beschränken sich jedoch nicht
auf den schutzorientierten Ansatz. Der Auftrag des Bundesnaturschutzgesetzes umfasst ebenso Pflege, Entwicklung und Wiederherstellung von Natur und Landschaft (allerdings fällt hier nicht der Begriff Kulturlandschaft), gemäß Raumordnungsgesetz sind Kulturlandschaften zu erhalten und zu entwickeln. Eine starke Betonung der Notwendigkeit von Gestaltung und Nutzung der Kulturlandschaft als Potenzial regionaler Entwicklung findet sich darüber hinaus in übergeordneten Dokumenten der Raumordnung und Raumentwicklungspolitik (z. B. Europäische Kommission 1999, BMVBS 2006). Kulturlandschaft als sozial konstruiertes Wahrnehmungsphänomen (konstruktivistische Perspektive) Die konstruktivistische Perspektive findet sich v. a. in den Sozialwissenschaften und der Kulturgeografie, zunehmend aber auch in Raumordnung, Regionalentwicklung und Landschaftsplanung. Sie geht im Gegensatz zur physisch orientierten Perspektive davon aus, dass sich das, was als Kulturlandschaft wahrgenommen und bezeichnet wird, nicht aus dem physischen Raum ableiten lässt, und damit nichts per se quasi objektiv Gegebenes ist. Vielmehr ist Kulturlandschaft aus konstruktivistischer Perspektive das Ergebnis eines fortwährenden Prozesses individueller Wahrnehmungen und Bewertungen, die von sozialen Interaktionen und gesellschaftlichen Diskursen wesentlich geprägt werden (vgl. Gailing/Leibenath 2009, Ipsen 2002, Kühne 2006, Matthiesen u. a. 2006, Soyez 2003). Damit wird Kulturlandschaft zu einer sozialen Konstruktion, zu einem „Wahrnehmungsobjekt“ (Becker 1998), das mit dem „Realobjekt Kulturlandschaft“ nur in einer „gelockerten Beziehung“ steht, da dieses Realobjekt keine bestimmte Sichtweise erzwingt, sondern relativ frei interpretiert, bewertet und symbolisch belegt werden kann (vgl. Becker 1998). Aus diesem Grund kann eine identische Erdgegend von verschiedenen Personen aufgrund deren individueller Erfahrungen sowie des jeweiligen kulturellen und sozialen Kontexts gänzlich anders wahrgenommen, bezeichnet und bewertet werden. Der oben bereits vorgenommene Vergleich zwischen naturschützerischen und landwirtschaftlichen Sichtweisen auf intensiv agrarisch genutzte Räume ist ein Beispiel für solch unterschiedliche soziale Konstruktionen von Kulturlandschaft. Auch das physisch-materielle Kulturlandschaftsverständnis ist aus konstruktivistischer Sicht nichts anderes als eine sozi-
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ale Konstruktion. Auch aus konstruktivistischer Perspektive lassen sich ein deskriptives und ein normatives Begriffsverständnis bzw. ein entsprechender Gebrauch des Begriffes unterscheiden. Konstruktivistisch-deskriptives Begriffsverständnis Aus deskriptiver Sicht, die für die Wissenschaften von Bedeutung ist, interessiert dabei insbesondere die Beantwortung der Frage, welche Akteure in welchem gesellschaftlichen Kontext den Begriff Kulturlandschaft zu welchem Zweck verwenden, welche individuellen und sozialen Prozesse also dazu führen, dass der Begriff „Kulturlandschaft“ für bestimmte Räume verwendet und mit bestimmten Inhalten versehen wird (vgl. Gailing/ Leibenath 2009). Während also im physisch-deskriptiven Kulturlandschaftsverständnis materiell-physische Prozesse im Zentrum des Interesses stehen, sind es aus konstruktivistischer Sicht gesellschaftliche Prozesse. Konstruktivistisch-normatives Begriffsverständnis – Kulturlandschaften als Handlungsraum Anknüpfend an das Verständnis von Kulturlandschaft als Wahrnehmungsraum hat sich in den letzten Jahren, v. a. im Kontext der Regionalentwicklung, ein Verständnis von Kulturlandschaften als Handlungsraum herausgebildet (vgl. Fürst u.a. 2008). Der Kulturlandschaftsbegriff wird dabei normativ als Ausgangspunkt einer kooperativen Regionalentwicklung betrachtet. Deren Ziel ist es, regionale Identifikationsprozesse und ökonomische Entwicklungen durch eine „In-Wertsetzung“ von Kulturlandschaften zu erreichen. Im Gegensatz zum physisch-normativen Kulturlandschaftsbegriff beschreibt Kulturlandschaft in diesem Zusammenhang keinen von vornherein (relativ) fest abgegrenzten Raum und auch keinen physisch und räumlich definierten Zielzustand von Kulturlandschaft, sondern überlässt diese Wertsetzungen den jeweiligen Akteuren. Was als Kulturlandschaft bezeichnet und bewertet wird, ist somit nicht bereits vorab durch den Inhalt des Begriffes Kulturlandschaft vorgegeben, sondern stellt sich erst im Nachhinein als Ergebnis gesellschaftlicher Diskurse und Handlungsweisen dar. Durch diese Diskurse und gemeinsamen zielgerichteten Handlungen wird Kulturlandschaft zu einem Handlungsund Kooperationsraum. Der normative Gehalt dieses Kulturlandschaftsbegriffs ist also nicht auf physisch-materielle Zustände gerichtet, sondern in
strategischer Absicht auf den Prozess der Regionalentwicklung, in dem erst über die zu entwickelnde bzw. zu erhaltende physische Erscheinungsform der Kulturlandschaft entschieden wird. Diese inhaltliche Offenheit des Kulturlandschaftsbegriffs ist auch deshalb möglich, weil Wahrnehmungen und Bewertungen von Kulturlandschaften (und Landschaften allgemein) einem Wandel im Laufe der Zeit unterworfen sind. Daher können beispielsweise auf ehemaligen Industriegeländen und in Tagebauregionen große Flächen als (Kultur-)Landschaften unter neuen Begriffen „in Wert gesetzt“ werden – etwa in der IBA Emscher Park, unter dem Siegel der Bundesgartenschau auf ehemaligen Uranbergbauflächen in Ronneburg oder als „Neue Seenlandschaft“ in der Lausitz (▷Internationale Bauausstellung, ▷Konversion und Revitalisierung). Selbst Bemühungen, den suburbanen Raum, der häufig als Inbegriff von „Flächenfraß“ und „Landschaftszerstörung“ galt und gilt, als Kulturlandschaft zu definieren, sind zu beobachten. Ob dies mit dem vorherrschenden, eher traditionell-ländlichen Kulturlandschaftsverständnis kompatibel ist und ob sich die entsprechenden Wahrnehmungsweisen der breiten Bevölkerung derart schnell ändern (lassen), muss als offen betrachtet werden. Dennoch: Kulturlandschaftswahrnehmung und das damit verbundene ästhetische Empfinden sind zeit- und kulturabhängig (vgl. Dinnebier 1998). Diese Veränderbarkeit individueller und gesellschaftlicher Kulturlandschaftsverständnisse birgt Chancen und Gefahren gleichermaßen in sich. Chancen bestehen darin, ein zeitgemäßes Kulturlandschaftsverständnis entwickeln zu können, das sich weniger an historisch-tradierten Elementen als an aktuellen Entwicklungen und Bedürfnissen orientiert (die ihrerseits durchaus auch die Bewahrung historischer Elemente beinhalten können). Die Gefahr ist allerdings, dass Veränderungen von Wahrnehmungsweisen bzw. deren Anpassung an die jeweils „realen Kulturlandschaften“ lediglich eine ästhetische Kompensationsfunktion gegenüber der materiellen Veränderung räumlicher Strukturen und v. a. der Beeinträchtigung wichtiger Funktionen des Naturhaushalts erfüllen, die etwa aus Sicht des Umwelt-, Natur- und Landschaftsschutzes oder einer nachhaltigen Entwicklung negativ zu beurteilen sind.
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Verhältnis der Begriffe Kulturlandschaft und Landschaft Das Verhältnis der Begriffe Landschaft und Kulturlandschaft ist eng verbunden mit dem Begriff
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Naturlandschaft. Als Naturlandschaften gelten (im physisch-deskriptiven Sinne) vom Menschen nicht oder nur gering beeinflusste Landschaften. Landschaft ist in diesem Verständnis Sammelbegriff für Natur- und Kulturlandschaft. Demgegenüber finden sich Auffassungen, die eine Identität der Begriffe Kulturlandschaft und Landschaft postulieren: Im physisch-deskriptiven Begriffsverständnis existieren vom Menschen unberührte Räume (zumindest in Mitteleuropa) nicht mehr, Naturlandschaften sind somit verschwunden, jede Landschaft ist damit de facto eine Kulturlandschaft (vgl. Schenk 2002). Betrachtet man Landschaft ebenso wie Kulturlandschaft als soziales Konstrukt, so ist jede Landschaft automatisch Kulturlandschaft, da sie nicht ohne die kulturell bestimmte menschliche Wahrnehmung und Bewertung denkbar ist. Auch wenn die Identität der Begriffe Kulturlandschaft und Landschaft im alltäglichen Gebrauch und in der planerischen Praxis i. d. R. nicht derart explizit hergeleitet werden, werden beide Begriffe häufig synonym verwendet, Kulturlandschaft tendenziell eher dann, wenn besondere, v. a. historische Merkmale, der jeweiligen Landschaft betont werden sollen. Insofern lassen sich die aufgezeigten Perspektiven auf den Kulturlandschaftsbegriff oftmals in analoger Weise auch auf den Begriff Landschaft beziehen. Die Europäische Landschaftskonvention als Beispiel vielfältiger Begriffsverwendung Am Beispiel der Europäischen Landschaftskonvention (ELC) (Europarat 2000) lässt sich zeigen, dass die skizzierten Begriffsverständnisse in der politischen und planerischen Praxis sowohl relevant als auch relativ frei miteinander kombinierbar sind. Die ELC spricht zwar nicht von Kulturlandschaften, sondern von Landschaften („landscapes“) und bezieht dadurch auch „Naturlandschaften“ ein. Aufgrund ihrer kulturell motivierten Entstehungsgeschichte und der anthropogenen Überprägung Mitteleuropas liegt jedoch der Schwerpunkt auch hier auf Kulturlandschaften; im deutschsprachigen Raum ist die ELC ein zentrales Dokument im Rahmen der Kulturlandschaftsdiskussion. Die ELC definiert Landschaft als „ein vom Menschen als solches wahrgenommenes Gebiet, dessen Charakter das Ergebnis des Wirkens und Zusammenwirkens natürlicher und/oder anthropogener Faktoren ist“ (Art. 1a). Der erste Halbsatz verfolgt die konstruktivistische Perspektive, der zweite die physische und stellt beide in einen Zusammenhang. Die physische Perspektive umfasst „natürliche, ländliche, städtische und stadt-
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nahe Gebiete“, „Landflächen, Binnengewässer und Meeresgebiete“ und „Landschaften, die möglicherweise als außergewöhnlich betrachtet werden, sowie gewöhnliche oder geschädigte Landschaften“ (Art. 2). Damit entspricht sie zunächst dem physisch-deskriptiven Begriffsverständnis. Es ist jedoch u. a. Ziel der ELC „den Schutz, die Pflege und die Gestaltung der Landschaft zu fördern“ (gemeint ist hier Landschaft als „Realobjekt“). Daher nimmt sie zugleich eine normative Position ein, wobei sie – entsprechend der konstruktivistischen Perspektive – deren inhaltliche Ausgestaltung mittels Qualitätskriterien den ratifizierenden Staaten bzw. „den interessierten Parteien und der betroffenen Bevölkerung“ (Art. 6) überlässt. Bedeutung für Raum-, Umwelt- und Landschaftsplanung Für Raum-, Landschafts- und Umweltplaner sind alle dargestellten Perspektiven von Bedeutung. Denn jede Form der Planung hat die Erhaltung oder Entwicklung des „Realobjekts Kulturlandschaft“ zum Ziel. Dies kann allerdings nicht erfolgreich geschehen, ohne sich der unterschiedlichen kulturlandschaftsbezogenen Wahrnehmungen und Werthaltungen der jeweiligen Raumnutzer, betroffenen Akteure und landschaftsrelevanten Politiksektoren (Land-, Forst-, Wasserwirtschaft, Verkehr, Siedlung, Erholung, Tourismus, Naturschutz) bewusst zu sein, die letztlich soziale Konstruktionen darstellen. Nur dann ist es möglich, erfolgreich an verschiedenen Sichtweisen, Werthaltungen und Interessen anzusetzen, zwischen diesen zu vermitteln und dadurch Aussicht auf planerischen Erfolg zu haben. Denn sowohl der Gebrauch als auch die Interpretation des Begriffes bedürfen immer der gegenseitigen Vergewisserung über das im jeweiligen Kontext mit Kulturlandschaft gemeinte. Heiland
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In der ▷Raumordnung und in wissenschaftlichen Raumanalysen sind ländliche Räume häufig all die Gebiete, die nicht städtisch sind bzw. außerhalb von Verdichtungsgebieten liegen. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass dieses einheitliche Bild der ausdifferenzierten Entwicklung der Regionen außerhalb der großen Stadtregionen nicht mehr gerecht wird. Zunächst einmal entspricht diese Negativabgrenzung der historischen Dichotomie von Stadt und Land. Andere Autoren haben schon früh die Frage gestellt, ob sich Stadt und Land im Sinne eines Kontinuums immer mehr angleichen (Dewey 1974) bzw. der ländliche Raum in der postmodernen zunehmend metropolisierten Gesellschaft allmählich auflöst und „das Land“ als eigenständige Lebens- und Wirtschaftsform in Europa allmählich verschwindet (Bätzig 1997, Schuler u. a. 2004:27ff ). Am deutlichsten spiegelt sich diese „Nicht-Definition“ in den neuen ▷Leitbildern der Raumordnung wider (MKRO 2006). Sie gehen davon aus, dass die wichtigen gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklungen von den städtischen Regionen angestoßen werden. Der Begriff „Ländlicher Raum“ taucht gar nicht mehr auf. Stattdessen wird von Räumen mit Stabilisierungsbedarf und wirtschaftlichen Problemräumen gesprochen, die nur in vollständiger Abhängigkeit von den ▷Metropolenräumen im Sinne von großräumigen Verantwortungsgemeinschaften eine Zukunft haben. Andererseits belegen die zunehmende Spreizung der Raumstruktur, die zum Teil emotional geführte Debatte um die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Stadt und Land sowie die Ausrichtung der Förderkulissen auf ländliche Räume die anhaltende Bedeutung des Begriffs. V. a. aber im allgemeinen Sprachgebrauch sind die Kategorien „Land“ und „ländlich“ weiterhin präsent. Hier sind es eher individuelle Bilder von schöner Landschaft, ungestörter Natur, geringer Besiedlung und kleinen Orten sowie stereotype Wahrnehmungen und Bewertungen von Ländlichkeit wie unmodern, rückständig, langsam oder aber verklärt als alternative, ruhige Lebensform und „heile Welt“, die den Begriff prägen und bis in die politische und wissenschaftliche Diskussion zum ländlichen Raum hineinwirken. Eines wird damit deutlich: Am Ende bezieht
sich der kleinste gemeinsame Nenner doch wieder auf Merkmale, die vom traditionellen Stadt-LandGegensatz geprägt sind. Ländliche Räume sind die Räume außerhalb der Stadtregionen mit einer geringeren Siedlungs- und Bevölkerungsdichte als in den Agglomerationen, kleineren Städten und Orten, mehr Natur und (schöner) Landschaft sowie einem höheren Anteil land- und forstwirtschaftlicher Flächennutzung. (vgl. auch Henkel u. a. 2004). Der definitorische Bezug auf die Stadt und die siedlungsstrukturellen Zusammenhänge verdeutlichen aber auch die Relativität des Begriffes. Mit „Ländlicher Raum“ kann sowohl der Raum außerhalb der Großstädte als auch das dörfliche Umland von Kleinstädten gemeint sein. Abgrenzungen ländlicher Räume Statistisch-analytische Definitionen beziehen sich 1.) auf die äußere Abgrenzung ländlicher Räume gegenüber den Stadtregionen und 2.) auf die innere Differenzierung des ländlichen Raumes. Ein pragmatischer Ansatz zur Abgrenzung von Stadt und Land ist die Orientierung an den sichtbaren Phänomenen. Trotz aller Angleichung und Überformung unterscheiden sich, wie eingangs betont, baulicher Zusammenhang, Landschaftsstruktur und Naturfaktoren noch deutlich in ländlichen, suburbanen und städtischen Raumtypen. Die neue Raumtypisierung des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) greift diese Überlegung auf. Sie verknüpft die siedlungsstrukturelle Lage und Erreichbarkeit von Regionen mit einer kleinteiligen lokalen morphologischen Unterscheidung zwischen städtisch und ländlich geprägten Räumen anhand der Indikatoren Siedlungsdichte und Siedlungsstrukturtypen. Diese Raumtypisierung soll helfen, den „Ländlichen Raum“ unabhängig von pauschalen Problemzuweisungen objektiv zu beschreiben sowie Stadt und Land in ihren raumfunktionalen Zusammenhängen auch innerhalb von Stadtregionen zu sehen. Durch die Überlagerung ergeben sich zehn Raumtypen, die auf drei Grundtypen hinauslaufen: zentral gelegene ländliche Räume in Stadtregionen, semizentrale ländliche Räume und sehr periphere ländliche Räume mit städtischen Kernen (Spangenberg 2008). Übliche statistische Kriterien für siedlungsstrukturelle Abgrenzungen von „städtisch“ und „ländlich“ sind v. a. die Zentralität, Dichte und Erreichbarkeit einer Region. Nach der OECD ist
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eine Region überwiegend ländlich, wenn über 50 Prozent der Einwohner in ländlichen, dünn besiedelten Gemeinden mit weniger als 150 Einwohnern je qkm leben. In Deutschland hat die damalige Bundesforschungsanstalt für Landesplanung und Raumforschung (BfLR) in den 1970er Jahren siedlungsstrukturelle Raumtypen auf der Grundlage der laufenden Raumbeobachtung entwickelt. Abgrenzungskriterien sind ebenfalls Zentralität bzw. die Größe und zentralörtliche Funktion der regionalen Kerne, die Bevölkerungsdichte sowie die Lage zu den großen Städten. Ländliche Landkreise haben danach weniger als 150 Einwohner/qkm und werden nach den drei Grundtypen Agglomerationsräume, Verstädterte Räume und Ländliche Räume differenziert. Ländliche Kreise geringer Dichte haben unter 100 Einwohner/qkm. Eine stärker problemorientierte Raumstruktur hat das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) im Raumordnungsbericht 2005 eingeführt (BBR 2005). Die Raumstruktur wird in Bezug auf die Lagegunst zu Oberzentren und metropolitanen europäischen Wachstumsregionen beschrieben, mit der Einwohnerdichte überlagert und in Zentralraum, Zwischenraum und Peripherieraum unterteilt. Der Peripherieraum nimmt 58 Prozent der Fläche der Bundesrepublik ein. In ihm lebt jedoch nur knapp ein Viertel der Bevölkerung. Typisierung ländlicher Räume Für die innere Differenzierung entwickelte die bundesdeutsche Raumordnung in den 1990er Jahren eine Typisierung, die einer pauschalen Gleichsetzung von ländlich und strukturschwach entgegenwirken sollte und auf Funktionen und spezifischen strukturellen Probleme ausgerichtet war. Unterscheidungsmerkmale sind, neben der Bewertung der Wirtschaftsdynamik, agrarische, touristische und naturräumlich-ökologische Potenziale sowie die Nähe zu Verdichtungsräumen als. Es ergeben sich fünf Typen ländlicher Räume: Räume in günstigen Lagen zu Verdichtungsgebieten und Zentren sowie zu überregionalen und großräumigen Verkehrsachsen, attraktive Räume für überregionalen Fremdenverkehr, Räume mit relativ günstigen Produktionsbedingungen für die Landwirtschaft, gering verdichtete Räume mit industriellen Wachstumstendenzen sowie strukturschwache ländliche Räume (MKRO 1995:9ff, Schäfer u. a. 1997:5ff ).
Besonderer Handlungsbedarf wird für die strukturschwachen ländlichen Räume gesehen. Häufig treffen hier geringe Besiedlungsdichte, schlechte Erreichbarkeit größerer Zentren und das Fehlen leistungsfähiger Zentren zusammen und führen zu ökonomischen, sozialen und demografischen Problemen. Größere Problemregionen ohne nennenswerte wirtschaftliche Potenziale oder Nutzungsalternativen liegen nach dieser Klassifizierung im östlichen Mecklenburg-Vorpommern und in Teilen Brandenburgs. Die Typisierung ländlicher Räume im Raumordnungsbericht 2005 knüpft dagegen an das Leitbild der Multifunktionalität an. Es können folgende Funktionen ländlicher Räume zur Befriedigung gesellschaftlicher und ökologischer Anforderungen unterschieden werden: Wohn-, Wirtschaftsund Arbeitsplatz-, Ökotop- und Naturschutz-, Erholungs- und Tourismus sowie Ressourcenbereitstellungsfunktion. Im Ergebnis ergibt sich anhand der Überlagerung von ausgewählten Indikatoren das jeweils regionalspezifische Funktionspotenzial und somit eine Ausdifferenzierung ländlicher Räume (BBR 2005:203ff ). Die ausgeprägten ländlichen Räume mit hohem Funktionspotenzial sind weitgehend deckungsgleich mit den besonders strukturschwachen Regionen. Die französische Gliederung ländlicher Gebiete nutzt u. a. Indikatoren der demografischen Entwicklung und der Daseinsvorsorge. Die Problemgebiete sind ländliche Gebiete mit Überalterung und Entsiedlung, sog. Entsiedlungsgebiete (Schuler u. a.:26f, Perlik o. J.).
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Der periphere ländliche Raum Auch in Deutschland hat sich die Debatte regionaler Differenzierungen vom Stadt-Land-Gegensatz hin zur demografischen Entwicklung, Problemen der Daseinsvorsorge und somit zu Wachstum und Schrumpfung verschoben. Die eigentlichen Problemräume sind Regionen, in denen wirtschaftliche Strukturschwäche und geringe Bevölkerungsdichte zusammentreffen. Sie sind gekennzeichnet durch geringe ökonomische Wettbewerbsfähigkeit, einen kritischen Arbeitsmarkt, geringe Kaufkraft, Entleerung und Überalterung der Bevölkerung. Es sind periphere, meist ländlich geprägte Regionen, die nicht nur räumlich, sondern auch wirtschaftlich und gesellschaftlich am Rand liegen und durch eine hohe Abhängigkeit gekennzeichnet sind. Sie gibt es sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland. Kennzeichnend ist nicht immer nur eine relativ periphere räumliche Lage zu den wirtschaftlichen Zentren. Es sind auch grenz-
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oder küstennahe Regionen, Berggebiete oder Mittelgebirgslagen, monostrukturierte Agrargebiete in Ostdeutschland, alt-touristische Gebiete in Westdeutschland oder „deindustrialisierte“ Gebiete wie die Bergbaugebiete oder altindustriell, altgewerblich geprägte Gebiete (ARL 2008). Obwohl am Grundsatz der gleichwertigen Lebensverhältnisse grundsätzlich festgehalten wird, stellt sich für die Raum-, Struktur- und Infrastrukturpolitik die Frage, ob die Schrumpfungs- und Entleerungsprozesse in den peripheren Räumen mit einem angemessenen Aufwand an Mitteln gestoppt und eine Stabilisierung erreicht werden können. Die begrenzten Wirkungen strukturpolitischer Maßnahmen in der Vergangenheit haben zu einer gewissen Hilflosigkeit geführt bis hin zu der Forderung, diese Regionen auf ein infrastrukturelles Mindestmaß zu reduzieren und sie zu Wildnisregionen werden zu lassen. Andererseits ist die Debatte um Entleerungsgebiete nicht neu. Leitbilder und Entwicklungsstrategien für strukturschwache ländliche Räume gibt es schon seit den 1970er Jahren. Leitbilder und Entwicklungsstrategien für ländliche Räume
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Das zentrale Ziel der Regionalpolitik in den 1960er und 1970er Jahren war die Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen in allen Teilen der Bundesrepublik mit Hilfe einer staatlich gelenkte Ausgleichspolitik. Im Mittelpunkt der regionalpolitischen Strategien standen der Ausbau der Infrastruktur, insbesondere der Straßenbau, und die Schaffung von industriellen Arbeitsplätzen. Trotz verbesserter Lebensbedingungen, einer zeitweise quantitativen Verbesserung der regionalen Arbeitsmärkte und erfolgreicher Beispiele aufholender Regionen wie z. B. das Emsland, zeigten sich mit den ökonomischen Krisen in den 1970er und 1980er Jahren die begrenzten Wirkungen der interventionistischen Industriepolitik für die strukturschwachen Regionen. Eine Schwäche der Problemregionen war die anhaltende Außenabhängigkeit von regionsfernen Unternehmenszentralen und staatlichen Fördergeldern. Daraus entwickelten sich Widerstand, Gegenmodelle und neue Leitbilder einer Regionalentwicklung von unten. Das Konzept der endogenen Regionalentwicklung entstand in den 1980er Jahren in den ländlich-touristisch geprägten Regionen des Alpenraums. Es kommt aus der internationalen Entwicklungspolitik und war als Antwort auf des anhaltende Zentrum-Peripherie-Gefälle und die Abhängigkeit der ländlichen Räume gedacht.
Die sozioökonomische Entwicklung sollte nicht mehr von außen gelenkt, sondern von innen initiiert werden, indem die regionseigenen sozialen, ökonomischen und ökologischen Ressourcen und Fähigkeiten aufgespürt, aktiviert und in Wert gesetzt werden. Der Staat sollte sich auf eine Art „Hilfe zur Selbsthilfe“ beschränkten und eine dezentrale und basisgesteuerte Entwicklung ermöglichen (Hahne 1985). Die endogene Regionalentwicklung brachte wichtige Impulse für die Regionalentwicklung in den peripheren Regionen wie kleinräumige Entwicklungsstrategien, Bottom-up-Strategien und eine stärkere Projektund Umsetzungsorientierung. Das Konzept wurde allerdings auch für realitätsferne Autarkievorstellungen und regionalen Abkopplungsstrategien missbraucht und damit diskreditiert. V. a. Österreich entwickelte das Konzept der endogenen Entwicklung weiter zu einer Politik der Eigenständigen Regionalentwicklung. Die ländlich, strukturschwachen Regionen wurden nicht mehr als defizitäre Nachholräume verstanden, sondern als vollwertige Entwicklungsräume anerkannt und den Regionen mehr Selbstverantwortung zubilligt. Kreative Entwicklungsansätze von unten und regionalspezifische Lösungen werden durch zentrale Förderstellen, regionalen Entwicklungsagenturen, eigene Regionalbeauftragte und kleinräumige Entwicklungskonzepte unterstützt. Besonders Niederösterreich galt lange als das Musterbeispiel einer „Regionalpolitik des mittleren Weges“, die die Vorteile von Bottom-up und Top-down miteinander verbindet (Schwarz 2008). Weitere Impulse in Richtung partnerschaftliche Zusammenarbeit erhielten die nationalen Politiken für die ländlichen Räume durch die EU-Strukturfonds, die ursprüngliche Gemeinschaftsinitiative LEADER und in Deutschland durch das Programm „Regionen aktiv“. Im Mittelpunkt der Kooperativen Regionalentwicklung steht der Gedanke, das gerade strukturschwache Regionen nur gemeinsam, mit Hilfe von Partnerschaften, Kooperationen und Netzwerken eine Chance haben ihre eigenen Möglichkeiten aufzuspüren und nachhaltig zu nutzen. Kooperationen, in Form von Städtenetzen, Unternehmensnetzwerken, zwischen Konsumenten und Produzenten, als kommunale und regionale Agendaprozesse oder als partnerschaftlicher Umgang zwischen unterschiedlichen Hierarchieebenen, gelten als Schlüssel für eine innovative Entwicklung. Als entscheidender Erfolgsfaktor gilt eine gute Eigenorganisation der Region mit Hilfe flexibler institutioneller Strukturen wie Regionalmanager und regionaler Ent-
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wicklungsagenturen (Schmidt/Kaether u. a. 2002). In der Praxis wird v. a. das ungünstige Verhältnis zwischen Kooperationsaufwand und sichtbarem Nutzen sowie an die häufig schlechte Anbindung an die tatsächlichen Macht- und Entscheidungsstrukturen einer Region bemängelt. Grundgedanke des Konzepts der Multifunktionalität der ▷Landwirtschaft ist es, dass diese über die Erzeugnisse von landwirtschaftlichen Gütern und Lebensmitteln hinaus noch weitere Aufgaben für die Gesellschaft übernimmt, von der Pflege von Natur, Landschaft und kulturellem Erbe bis hin zu Beiträgen zur Naherholung und zum Tourismus. Häufig sind es nicht-kommerzielle öffentliche Güter und Dienstleistungen, die die Landwirtschaft zu niedrigen Kosten und gleichsam „nebenbei“ produziert, ohne dafür entlohnt zu werden. Die EU entwickelte im Rahmen der Agenda 2000 daraus ein europäisches Modell für den ländlichen Raum. Die ländliche Entwicklung wurde zum zweiten Pfeiler der gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) erklärt und die Diversifizierung der Landwirtschaft gefördert. Übertragen auf den Raum bedeutet das Konzept der Multifunktionalität, dass ländliche Räume eine Vielzahl von Leistungen übernehmen, die direkt oder indirekt der Gesellschaft nutzen. Die meisten dieser Leistungen und der ländlichen Attraktivitätsfaktoren sind jedoch öffentliche Güter, die nur begrenzt marktfähig sind und zu keiner Wertschöpfung führen. Daraus resultieren Vorschläge, die gesamtgesellschaftlichen Leistungen des ländlichen Raumes über öffentliche Abgaben, Kostenübernahmen, Nutzungsentgelte, Ausgleichszahlungen und finanzielle Anreize aufzuwerten und zu honorieren (vgl. OECD 2006:75). Im Ergebnis hat das Modell der Multifunktionalität dazu geführt, dass die Landwirtschaft weiterhin der Hauptadressat und Nutznießer der Politik für den ländlichen Raum ist, obwohl dies nicht mehr der sozioökonomischen Situation entspricht. Von Seiten der regionalen Wirtschaftsförderung wird schließlich im Sinne einer wachstumsorientierten Regionalentwicklung eine Fokussierung auf strategisch bedeutsame Themenfelder und regionalwirtschaftliche Cluster eingefordert. Politik für ländliche Räume in Deutschland Die Politik für ländliche Räume in Deutschland spiegelte und spiegelt diese Leitbilder nur begrenzt wider. Die tragenden Säulen sind, neben der EU-Strukturförderung und dem ELER-Fonds, die sog. Gemeinschaftsaufgaben (GA). Sie wurden 1969 und 1970 in Art. 91ff des Grundgeset-
zes (GG) verankert, um die Lebensverhältnisse in den Regionen zu verbessern und einen Abbau großräumiger Entwicklungsunterschiede zu erreichen. Neben dem Hochschulbau sind dies die beiden komplementären Gemeinschaftsaufgaben „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) und „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW). Formell ist die GAK das Förderinstrument für die Entwicklung ländlicher Räume. Sie ist traditionell auf die Probleme und Bedürfnisse der Landwirtschaft ausgerichtet. Erst im Verlaufe der letzten 20 Jahre wurden Fördertatbestände integriert, die auch Aspekte einer eigenständigen, kooperativen und multifunktionalen ländlichen Entwicklung berücksichtigen. Zunächst war es zu Beginn der 1980er Jahre die ▷Dorferneuerung. Später kamen integrierte Entwicklung, ▷Naturschutz und Regionalmanagement hinzu. Hauptbegünstigte blieben jedoch die Landwirte. Maßnahmen, die auf eine stärkere Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft zielen, spielen in den Rahmenplänen der GAK nach wie vor eine geringe Rolle. Regionale Wirtschaftsförderung wird in Deutschland in erster Linie mit Hilfe der GRW betrieben. Sie ist überwiegend auf strukturschwache, meist ländliche Regionen ausgerichtet, die nach Kriterien wie Einkommensniveau, Beschäftigung und materieller Infrastruktur definiert werden. Das Konzept der GRW ist darauf ausgerichtet strukturelle Nachteile zu kompensieren. Über diese Gemeinschaftsaufgabe können u. a. wirtschaftsnahe Infrastrukturen, Investitionen der Wirtschaft und Planungs- und Beratungsleistungen finanziert werden. Seit dem Jahr 2000 kann auch Regionalmanagement gefördert werden, seit 2008 ist der Einsatz flexibler Regionalfonds möglich. Die Gemeinschaftsaufgaben stehen seit Ende der 1990er Jahre in der Kritik. Es sind v. a. drei Punkte, die aus Sicht der ländlichen Räume genannt werden: 1.) Beide Säulen stehen nebeneinander und agieren als zwei unabhängige unabgestimmte Politiksysteme. (OECD 2007:127). 2.) Politik für den ländlichen Raum bedeutet in Deutschland traditionell Politik für die Landwirtschaft. 3.) Beides sind klassische Top-Down-Instrumente, die bisher nur wenig regionale Eigenständigkeit zugelassen haben.
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Ausblick, Tendenzen Seit Jahren wird von der Wissenschaft, kommunalen Spitzenverbänden und Kommunalpolitik eine integrierte und regionalisierte Politik für ländli-
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che Räume gefordert, die eine eigenständige und selbstverantwortliche Regionalentwicklung ermöglicht (Schäfer u. a. 1989:19). Auch das „neue Paradigma für den ländlichen Raum“ der OECD fordert eine Ausrichtung der Politik auf Räume statt auf Sektoren, eine Konzentration auf Investitionen statt auf Subventionen sowie eine vertikale und horizontale Kooperationen und Koordination über alle Politikebenen (OECD 2006). Es bleibt abzuwarten, ob dieser Paradigmawechsel mit der neuen EU-Förderperiode ab 2013 tatsächlich umgesetzt wird. Neben den Problemgebieten sollte aber zukünftig auch das Umland von Agglomerationen wieder stärker in den Blick genommen werden. Hier sind es v. a. traditionelle ordnungsrechtliche Aufgaben der Raumordnung, des ▷Flächenmanagements und der Freiraumsicherung um eine weitere städtebauliche Überformung und Zersiedlung des ländlichen Raums zu stoppen.
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Typisch für die insgesamt gesehen recht junge universitäre Disziplin ist die ständige Expansion landschaftsarchitektonischer Aufgabenfelder, was aus deren thematischer Brisanz, Querschnittsorientiertheit, Ganzheitlichkeit und Problemlösungsfähigkeit resultiert. Das hat sie aktuell zum Wachstumssegment innerhalb der Gestaltungsdisziplinen gemacht. Entwicklung der Landschaftsarchitektur Wer die Entwicklung der Landschaftsarchitektur zu ergründen sucht, stellt zweifellos fest, dass deren Anfänge im Dunkeln liegen und Teil der großen Menschheitsgeschichte sind. Ab dem Zeitpunkt, da Menschen als Ackerbauern und Viehzüchter tätig waren und stärker an einen Ort gebunden waren als ihre nomadischen Vorgänger, begannen sie, ihre Umgebung zu verändern und zu formen. Über die längsten Zeiträume hinweg verlief die Entwicklung im Sinne „anonymer Landschaftsarchitektur“ (Rudofsky 1989) eng gekoppelt an vorwiegend ▷landwirtschaftliches Wirken. Unzählbare ▷Kulturlandschaften sind die Ergebnisse dieser Landschaftsgestaltung ohne Landschaftsarchitekten, von denen heute bspw. noch zahllose bewundernswerte Terrassierungen zum Zweck landwirtschaftlicher Produktion zeugen, oder etwa durch Hecken bzw. Trockensteinmauern faszinierend gegliederte Landschaften für Viehweiden. Anwendungsfelder/Typen von Freiräumen Der Garten als ältester eigenständiger FreiraumTypus konnte erst mit der Sesshaftigkeit des Men-
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schen erfunden werden. Ins Spirituelle überhöht ist uns dieser „schützende“ Ort bis heute vertraut als „Garten Eden“, als Paradiesvorstellung. Im Zusammenspiel mit der Architektur- und Stadtentwicklung kamen die Innenhöfe, sogar erste Dachgärten hinzu. Die üblicherweise mit Landschaftsarchitektur assoziierte und immer noch aktuelle Freiraumtypen, wie Parkanlagen und Stadtplätze, Kirchhöfe, Alleen und Promenaden, etc. dagegen wurden erst sehr viel später entwickelt. Eine immer stärkere Ausdifferenzierung von Gebäudetypen und -nutzungen führte im Verlauf des 19. und 20. Jahrhundert zu vielfältigen weiteren landschaftsarchitektonischen Aufgabengebiete, wie der Gestaltung der Außenanlagen öffentlicher Gebäude, von Krankenhäusern, Schulen, Bahnhöfen, Museen, etc. Heute sind es häufig große Administrationen der öffentlichen Hand, von Industrie-, Dienstleistungs- und Medienzentren, Museen und Stiftungen, die als Auftraggeber auf Besonderheit und Imageträchtigkeit der Außenanlagen ihrer Verwaltungssitze Wert legen. Nicht nur die Gebäude, auch die zugehörigen Freiräume und Grünanlagen sollen nun häufig die für das Unternehmen wichtigen Inhalte sichtbar nach außen „transportieren“. Stellt man Vergleiche an zwischen den maßgeblichen Aufgaben der Landschaftsarchitektur, wie sie 1929 im 12. Band der „Gartenschönheit“ mit dem Titel „Die Hausgartentechnik“ (Poethig/Schneider 1929:7) beschrieben werden, so herrschten damals Haus- und Villengärten als Gestaltungsaufgaben vor. Das aktuelle Werk „Landschaft Konstruieren“ (Zimmermann 2009) dagegen macht deutlich, dass sich die Disziplin in den letzten 80 Jahren von alleiniger Hausgartengestaltung emanzipiert hat und in die Landschaft vorgedrungen ist. Nach wie vor aber zählt Landschaftsarchitektur im Wohnbau zu den sehr reizvollen Aufgaben und ist von eminenter Bedeutung, denn Außenräume stellen „den physischen Rahmen, in dem sich Prozesse der individuellen Wahrnehmung, des Erlebens und Verhaltens und des sozialen Lebens vollziehen, bereit“ (Wendorf 2004:10). In diesem Sinne kann Außenraumgestaltung “unterstützende Wirkung für soziale Interaktion (Privatheitsregulation, nachbarschaftliche Treffpunkte), individuelle Regeneration (Ruheraum, Naturerlebnis) sowie Aktivität (Sport, Fitness) leisten“.
qualitativen Sozialforschung ebenso wie in der in Landschaftsarchitektur – Kenntnisse über die atmosphärische Wirkung gebauter Außenräume zu erlangen sucht, wird in beiden Gebieten doch mit grundsätzlich verschiedenartigen Herangehensweisen und Methoden gearbeitet: die qualitative Sozialforschung, indem sie beispielsweise das „Konzept des Atmosphärischen“ heranzieht im Sinne des „Brückenkonzeptes, das Erkenntnisse oder Perspektiven verschiedener Fachrichtungen mit einander verknüpft“, um so die Faktoren der atmosphärischen Wirkung realisierter Werke über spezifische Methoden zu erfassen. Landschaftsarchitektur dagegen muss wesentlich früher ansetzen und lange vor einer Realisierung von Außenräumen Einblicke in deren künftige atmosphärische Wirkung ermöglichen. Entwürfe müssen im noch ungebauten Zustand „kommuniziert“ und beurteilt werden können, überprüfbar sein und die Erörterung der Inhalte und Konsequenzen nicht nur zulassen, sondern sogar fördern. Infolgedessen hat sich eine sehr erfolgreiche, gestufte Entwurfsmethodik entwickelt, die von abstrakten Konzeptskizzen, über Vorentwürfe und Entwürfe bis hin zu raffinierten Modellen auf differenzierten Maßstabsebenen und immer detailreicher werdend, und anderen atmosphärischen Darstellungstechniken reicht. Dementsprechend greifen die methodischen Möglichkeiten spezifische Erkenntnisse zu gewinnen bei der qualitativen Sozialforschung und der Landschaftsarchitektur zeitlich versetzt an: immanent ist das „Vorauseilen“ der schöpferischen Tätigkeitsbereiche. Durch experimentelle Entwürfe auch durch Testentwürfe generiert die Landschaftsarchitektur fortwährend neue Formensprachen, neue Räume, neue Kombinationen von Gestaltungs- und Nutzungselementen, die sich dann beispielsweise in nie dagewesener Atmosphäre manifestieren können. Neue Bilder,
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Gegenstandsverankerte Theoriebildung Obwohl man im „Prozess der gegenstandsverankerten Theoriebildung“ (Wendorf 2004:4) – in der
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einmal in die Welt gesetzt, können in manchen Fällen zu Leitbildern werden, gegebenenfalls frühere Vorbilder ablösen oder gar die affektive Betroffenheit von Bewohnern transformieren. Instrumente zur Verankerung des gestalterischen Fortschritts
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Eigenständig werden beim landschaftsarchitektonischen Entwerfen neben den spezifischen Inhalten die vielfältigen Ideen und Erkenntnisse von Urbanistik (▷Städtebau), ▷Architektur und zeitgenössischer Kunst, ebenso wie die der Soziologie, unterschiedlicher Ingenieursdisziplinen und naturwissenschaftlich-ökologischer Sparten zu unverkennbarer Ganzheit geformt und ortsspezifisch konkretisiert. Den erwünschten ständigen gestalterischen Fortschritt bewirken und garantieren dabei landschaftsarchitektonische Ideen- und Realisierungswettbewerbe, deren Veranstaltung von allergrößter Bedeutung ist, da sie die Bandbreite gestalterischer Lösungsmöglichkeiten oft erst sichtbar machen und damit Vergleichbarkeit bieten. Auftraggeber werden in die Lage versetzt, ihre Wahl treffen zu können. Nach Schwarzkopf ist „der freiraumplanerische Wettbewerb seit mehr als hundert Jahren etabliertes Planungsinstrument mit dem Ziel der Optimierung entwurflicher Prozesse und ihrer Ergebnisse.“ (Schwarzkopf 2008:241) Auch große Leistungsschauen – Weltausstellungen, Olympiaden, Gartenschauen, sowie zunehmend auch Festivals oder beispielsweise ein Kulturhauptstadt-Status – fungieren als „Motoren“ der innovativ-landschaftsarchitektonischen Weiterentwicklung: ihnen allen gemeinsam ist der Ansporn aufsehenerregende Freiräume anbieten zu müssen, um ausreichend Menschen anlocken zu können. Dass viele realisierte landschaftsarchitektonische Großprojekte in den letzten Jahrzehnten unter Beteiligung von Absolventen der Technischen Universität Berlin entstanden sind, macht verständlich, warum manchmal von einer Berliner Schule der Landschaftsarchitektur gesprochen wird. Ziele der Landschaftsarchitektur Im Ringen um Unverwechselbarkeit landschaftsarchitektonisch gestalteter Orte sind Landschaftsarchitekten gefordert, stetig neue Bilder zu entwickeln, damit landschaftliches Substrat, natürliche wie auch künstliche Elemente, in immer neue Beziehungen zu einander treten können und zuvor Unbekanntes entstehen kann. Für darstellen-
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de Landschaftsarchitekten braucht es „Poetische Gegengewichte zur Architektur“ (Baumeister 2006:438). Gespeist wird die landschaftsarchitektonische Form dabei aus zwei wesentlichen Quellen – aus der Reaktion auf den Kontext, den „Topos“ – und aus der Anwendung eigener, autonomer Landschaftsarchitektursprachen (in Analogie zu Valena 1994:12). Das ausdrückliche Einbeziehen von Erkenntnissen der Ökologie, von Boden- und Vegetationswissenschaften, der Klimatologie, aber auch der Materialkunde und anderer Grundlagenwissenschaften soll den querschnittsorientierten Planungen der Landschaftsarchitektur die immer wichtiger werdende Nachhaltigkeit verleihen. Zukunftsfelder Im Prozess der globalen ▷Urbanisierung, hervorgerufen auch durch eine zunehmende Weltbevölkerung in Kombination mit sich ändernden Technologien kommen auf uns einschneidende Veränderungen zu. Bertaux vermutet in diesem Zusammenhang, dass „Gemeinschaft weniger als Ansammlung von Individuen denn als Organisationsform wechselseitiger Erregungen, Informationen, Aktionen und Reaktionen“ zu betrachten wären (Bertaux 1979:180). Größere, dichtere und weiter ausgedehnte Städte werden dementsprechend enormen Einfluss auf unsere Zukunft haben. Dem entspricht ein weltweit zu beobachtendes Streben nach maximaler baulicher Ausnutzung urbaner Grundstücke, wobei der Druck auf die wenigen vorhandenen Freiräume zunimmt (Grimm-Pretner/Rode 2001:5f). Eine Folge davon müsste sein: die Ansprüche an die Qualitäten dieser zunehmend kleineren Freiräume stetig zu steigern. Obendrein werden die Orte und Ausgangssituationen für urbane Landschaftsarchitektur immer häufiger beträchtliche gestalterisch-technologische Herausforderungen darstellen: gelegen über Trassen der Verkehrsinfrastruktur, die Stadtteile „zerstückeln“, Barrieren bilden, isolierte Restparzellen bedingen und Emissionen verursachen, bieten sie zugleich enorme Potenziale für dichter werdende Städte. Dank den Entwicklungen der Kunststofftechnologie seit wenigen Jahrzehnten und der Verfügbarkeit der erforderlichen Produkte zur Gebäudeisolierung weist der Freiraumtyp „Dachlandschaft“ mit ausgeprägten städtebaulichen „Bindemittel“Eigenschaften einen markanten Trendcharakter auf. Als Bild schöpfende Kraft kreiert Landschaftsarchitektur mittels weitläufiger Dachlandschaften neue urbane Identitäten und ermöglicht es sogar,
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heterogene „auseinanderfallende“ Stadtquartiere wieder zu funktionierenden Teilen eines attraktiven Stadtganzen zu verbinden. Interessante Freiräume auf künstlichen Standorten zu entwickeln, sind Aufgabenfelder für Teams. Beste Voraussetzungen, interdisziplinäre Verständigung bereits während des Studiums zu erproben und einzuüben, bieten dabei Ausbildungsstätten mit breit gefächertem Angebot. Berühmte Vorreiter interdisziplinärerer Zusammenarbeit, wie Scharoun, Mattern und Hammerbacher und die von diesen Teams erzielten Ergebnisse sprechen vom hohen Mehrwert frühzeitiger Kooperation (vgl. Jones 1999:179f). In der Interaktion von Architekten, mit Tragwerksplanern, u. a. gestatten die Mittel der Landschaftsarchitektur die Schaffung klimawirksamer grüner „Gebäudehüllen“, die adäquate Freiraumnutzungen – abgehoben vom gewachsenen Boden – erlauben. Beabsichtigte „Künstlichkeit“ ist dabei zugleich ein Indiz für die Loslösung der Landschaftsarchitektur von ihren herkömmlichen gestalterischen Vorbildern, wie sie lange Zeit hindurch in den so beliebten traditionell-pastoralen Kulturlandschaften des 19. Jahrhunderts gefunden wurden. Von „Visionären Environments“ und „Künstliche Landschaften“ sprach Sutherland zu Beginn der 1990er Jahre in dem gleichnamigen Buch, wenn er beispielsweise Halprins „Seattle Freeway Park“ entlang, neben und über einer städtischen Autobahn beschreibt oder den Robson Square in Vancouver (Sutherland 1991:32-37,132-139). „Roofscapes“ entstehen, deren Begrünungen über keinen natürlichen Bodenanschluss verfügen, deren obere Gebäudehülle zugleich Parkanlage, Brücke und begrünter „Deckel“ über städtischer Verkehrsinfrastruktur oder auch riesige Skulptur sein kann, wie etwa der Olympic Sculpture Park in Seattle, USA (Margolis/Robinson 2007:38).
Aktuell begnügt man sich viel zu häufig mit dünnschichtigen Aufbauten: es ist eben leichter, Neubauten mit Extensivbegrünungen zu versehen. Doch nachweislich ist der kleinklimatische Wert oder die Wirkung im Sinn von Wasserrückhalt bei dieser Begrünungsart um vieles geringer als bei Intensivbegrünungen. Letztere können aber v. a. durch intensive Nutzbarkeit zu erwünschten Veränderungen von Lebensgewohnheiten der Bewohner führen, indem der Gebrauch von Dachgärten die Aspekte von Freizeit und Wohnen zusammenrücken lässt und die sonst für derartige Zwecke benötigten Fahrwege reduziert werden. Ein kurzes Surfen in den Luftbildansichten großer Städte macht deutlich, wie viele Quadratkilometer von Flachdächern sich allein in Deutschland nach wie vor unbegrünt in der Sonne räkeln und auf ihre landschaftsarchitektonische Erweckung im Sinn von Nutzbarkeit, Nachhaltigkeit und Ästhetik warten. Hier gilt es von Seiten der Landschaftsarchitektur anspruchsvollere Ziele ambitioniert zu verfolgen. Einer Intensivierung der Dachbegrünung im Gebäudebestand von Städten müssen aber meist legistische Änderungen vorausgehen oder Förderanreize geschaffen werden. Dementsprechend gilt es hier die Wirksamkeit möglicher „normativer Hebel“ zu untersuchen. Wobei zu vermuten ist, dass Städte, die sehr an ihrem traditionellen Stadtbild hängen, wenig Interesse an Dachbegrünungen im Gebäudebestand haben. Ästhetische, wie auch kleinklimatische Gründe, der Schutz von Fassaden vor Schlagregen, der Wunsch nach Beschattung und wohltuend wirkende Begrünungen an Fassaden oder im Luftraum zwischen Gebäuden sprechen zudem für vertikale Begrünungen. Neu entwickelte Industrieprodukte zur Befestigung von Rankelementen in Kombination mit den „idealen“ Eigenschaften mehrjähriger Kletterpflanzen, machen den Einsatz der pflanzlichen „Lichtraum-Eroberer“ im urbanen Um-
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Olympic Sculpture Park in Seattle, USA
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feld attraktiv und unwiderstehlich. Zusammen mit Dachbegrünungen stellen sie demnach richtungweisende Möglichkeiten dar, fehlendes Flächengrün in dicht bebauten Gebieten in der Vertikalen zu kompensieren, v. a. angesichts prekärer Freiraum-Verhältnisse rasch wachsender MegaCities, wo ausgedehnte Tiefgaragen unter hoch aufragenden Gebäudekomplexen liegen, und eine generelle Knappheit an Grund und Boden bedingen, dass Außenanlagen eigentlich nur noch auf künstlichen Standorten zu liegen kommen. In den nächsten Jahren gilt es daher von Seiten der Landschaftsarchitektur die „grünen Gebäudestrategien“ sehr intensiv zu erforschen und diese gemeinsam mit Architekten, Tragwerksplanern, Bauphysikern, Klimatologen u. a. zu erweitern. Landschaftsarchitektonische Integration von Verkehrsinfrastruktur
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„Rezepte“ zur Reparatur urbaner Problemgebiete, die sich beispielsweise für Freiräume unterhalb von auf Pfeilern gelagerten Hochstrassen in Städten und an der urbanen Peripherie – „under the Highway“ – ergeben, gibt es bereits. Ein frühes Beispiel dafür ist der japanische Wakamiya-Boulevard-Park in Nakagu, Nagoya. Unter dem „Deckel“ einer Hochstraße bewirkt dort eine lange Abfolge schmaler Freiräume mit attraktiven Wasserspielen, Spielplätzen und Skulpturen eine für solche Orte unerwartet heitere Atmosphäre (Process Architecture 1990:72-79). Wenige Jahre später bekam das Atelier West 8 die Gelegenheit, den Teleport Park in Amsterdam zu gestalten. Dieser „Shadowpark“ wird mit leuchtenden „Tree Trunks in Twylight Forest“ angereichert (West 8 1999:34-37). Dass derartige Unterräume geradezu ideal auch für lärmintensives Jugendspiel nutzbar sein können, wurde an Spielaktionen des Vereins der Wiener Jugendzentren deutlich (Luger 1999:89). Um in analogen Situationen jedoch von Einzelfall-Lösungen – wie etwa der attraktiven Werrekußbrücke in Bad Oeyenhausen (Tunninelli 2006: 264) – zur generellen Weiterentwicklung zu gelangen, fehlt es derzeit an dezidierten Anforderungsprofilen für den Neubau von Verkehrsinfrastruktur, z. B. was die Untersichten von Brücken und eine für Freiraumnutzungen spezifische Ausstattung betrifft. Im Vergleich dazu weisen die landschaftsarchitektonischen Aufgaben rund um die Anlage von Autobahnen andere Maßstabs- und Größenverhältnisse auf. Unverwechselbar geworden ist, was der französische Landschaftsarchitekt Bernard Lassus an dem Autobahnteilstück der A837 Saintes–Rochefort-sur-Mer geschaffen
Wettbewerb Murinsel, Leoben: Beitrag Arch. Zechner&Zechner & Loidl-Reisch
hat. Phantasievoller Einsatz der Landschaftsarchitektur hat hier einem vordergründig eintönigen Teil der Verkehrsinfrastruktur eine nachdrückliche Identität verliehen: zum Wahrzeichen für den Rastplatz wurden die im Zuge des Autobahnbaus bewusst und im Sinne landschaftsarchitektonischer Inszenierung freigelegte Felsen (Lassus 1998:88-93). Vergleichbar ambitionierte Impulse, wie die des französischen Ministeriums für Bauwesen werden in Deutschland noch vermisst. Schutzbauwerke und ihre landschaftsarchitektonische Integration Projekte mit schützender Funktion werden zunehmend in interdisziplinären Kooperationen (▷Kooperation) entwickelt. Etwa bei flussbaulichen Maßnahmen, die nötig werden, um die zwecks energiewirtschaftlicher Nutzung geänderten Wasserspiegellagen zu integrieren, um erforderliche Retentionsräume zu schaffen oder Hochwassergefahren und Folgen des Klimawandels abzuwehren. Aus der Überarbeitung oft langer Flussstrecken entstehen immer öfter interessante landschaftsarchitektonische Projekte, wie Uferpromenaden, die auch angrenzendes „Hinterland“ einbeziehen und repräsentieren. Komplex ist dabei die integrative Rolle der Landschaftsarchitektur und wichtig für die Findung identitätsstiftender Formen. Möglich machen dies querschnittsorientierte Ansätze, sowie die Fähigkeit, nachhaltige Lösungen für schwierige Situationen zu erarbeiten. Markante Beispiele dafür sind im Hochwasserschutz oder der Lawinenverbauung zu finden, wie etwa beim Reynir Vilhjalmsson/Landslag in Island (Asensio 2005:70-74). Rekultivierungsprojekte Machten erste landschaftsarchitektonische Rekultivierungsprojekte (▷Konversion und Revitalisierung) wie die spektakuläre Umgestaltung eines
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Pariser Abbaugebietes zum Parc des Buttes-Chaumont schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts von sich reden, so hat die Größe derartiger Projekte am Ende des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts deutlich zugenommen. Neugestaltungen immenser Industriebrachen sind die aktuellen Herausforderungen dort, wo der Abbau von Bodenschätzen ganze Landstriche beschädigt zurückgelassen hat, wie etwa in den Abbaugebieten der Lausitz, wo gänzlich neue Landschaftsbilder für ganze Landstriche gesucht werden, nachdem die alten weggebaggert wurden. Um völlig neue Identitäten mit bzw. aus diesen ausgehöhlten Landschaftsresten wieder aufzubauen und Rekultivierungen ein Gesicht zu geben finden großflächige Transformationsprozesse statt (Baumeister 2006:436), wie die Gestaltung von Industriefolgelandschaften des Bergbaus oder städtischer Peripherie und stellen in ihrer Maßstäblichkeit ganz neue Herausforderungen für die Landschaftsarchitektur dar. Zur Erneuerung schrumpfender Agglomerationen (in größeren Zeiträumen betrachtet stellen diese höchstwahrscheinlich episodische Phänomene dar und immer dort auftreten, wo tief greifende wirtschaftliche Umwandlungsprozesse und das Auslaufen veralteter Technologien (Virilio 1986:106) zu gewaltigen Umstrukturierungen führen) lassen sich gerade durch Landschaftsarchitektur praktikable, rasch greifende wie auch langfristig wirkende Lösungsansätze finden. Barrierefreiheit Als Norm gewordener „Stand der Technik“ und zugleich gestalterische Herausforderung verspricht Barrierefreiheit (▷Barrierefreies Bauen) inzwischen neue aufregende landschaftsarchitektonische Erscheinungsbilder. Das intensive Bemühen um markante Integration erforderlicher Rampen führt zur Kreation besonders spannender Inszenierungen von Höhenunterschieden, denkt man etwa an die vom Büro Topotek1 gestaltete Gartenschau Eberswalde (Baumeister 2006:249). Ein eigenwilliger, im kanadischen „Vorreiter Milieu“ entstandener Begriff – „Stramps“ für die Kombination von Treppen und Rampen (stairs and ramps) (Sutherland 1991:132-139) – konnte sich bislang allerdings nicht durchsetzen. Material und Konstruktion Charakteristisch für die äußerst vielseitige Querschnittsmaterie Landschaftsarchitektur ist eine überwältigende Fülle an mit ihr verbundenen Fachrichtungen: sie reichen von der Material-
kunde (z. B. Holz, Stahl, Naturstein, Kunststein, Kunststoffe, Vegetationselemente, Boden, etc.) über die Vermittlung von Witterungseinflüssen (physikalische, chemische, biologische Verwitterung), Boden und Gestein, rechtlich-soziale Bedingungen (Nutzer und deren Bedürfnisse, Nutzungsarten und Funktionen, Vandalismus, rechtlicher Rahmen, etc.) über statisch-dynamischen Anforderungen an die Objekte, an ihre Konstruktion (unterschiedliche Konstruktionstypen, etc.) die Gründungen und Verbindungen der Objekte (z. B. Schweißen, Schrauben, Nieten, Kleben, etc.) bis zu gestalterischen Grundsätzen, der Plandarstellung und zum Modellbau. In Bezug auf Konstruktions- und Materialanwendung ist es das ehrgeizige Ziel, die Grundzüge der gestalterischen Konzeption von der übergeordneten Idee bis auf die Ebene von aussagekräftigen Details, passenden Materialverbindungen, adäquaten Oberflächen, stimmiger Farbgebung herunterzubrechen und erkennbar ins Detail hinein zu tragen. Mehr denn je zuvor bewirkt das „Ende der Sorglosigkeit“, eingeläutet durch die aktuelle Krise, dass Detailentwicklungen nun ernsthafter betrieben werden müssen unter den Gesichtspunkten der Verknüpfung ästhetischer Aspekte mit jenen der Energierelevanz von Material, Sparsamkeit und Langlebigkeit von Konstruktionen, interessanter Einrichtungen des Regenwassermanagements, ihrer Umweltbilanz und auch ihrer Komfort-Tauglichkeit. Last but not least soll Landschaftsarchitektur dem ethischen Imperativ standhalten, den Heinz von Förster formulierte: „Handle stets so, dass weitere Möglichkeiten entstehen“ (Foerster 1985:60).
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LANDSCHAFTSPLANUNG Begriffsklärung, Funktionen der Landschaftsplanung Die Landschaftsplanung in Deutschland ist im Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG (§§ 13-17) als Rahmengesetz und abschließend in den Naturschutzgesetzen der Bundesländer geregelt. Als flächendeckende, den besiedelten und unbesiedelten Raum umfassende Planung dient sie dem Schutz, der Pflege und der Entwicklung von Natur und Landschaft und trägt damit zur Verwirklichung der in den §§ 1 und 2 BNatSchG festgelegten Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege bei. Diese Ziele beziehen sich auf die nachhaltige Leistungs- und Nutzungsfähigkeit des Naturhaushaltes und der Naturgüter, auf wild lebende Tier- und Pflanzenarten und deren Lebensräume, schließlich auf Eigenart, Vielfalt und Schönheit der Landschaft sowie deren Erholungswert für den Menschen (▷Naturschutz).
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Neben ihrer Funktion als räumlich-konzeptionelle Fachplanung des Naturschutzes dient die Landschaftsplanung zugleich als naturschutzfachlicher Beitrag zur räumlichen Gesamtplanung (▷Bauleitplanung, ▷Raumordnung und Landesplanung) sowie zu anderen ▷Fachplanungen, etwa des ▷Verkehrswesens oder der Wasser-, Land- und Forstwirtschaft (▷Landwirtschaft und Agrarpolitik). Diese Planungen haben die Inhalte der Landschaftsplanung zu berücksichtigen, d. h. in die planungsrechtliche Abwägung einzustellen. Dies geschieht meist, indem die Landschaftsplanung als wesentliche Grundlage für erforderliche ▷Umweltprüfungen (Umweltverträglichkeitsprüfung für Projekte, Strategische Umweltprüfung für Pläne und Programme) sowie die Abarbeitung der Eingriffsregelung nach dem Baugesetzbuch – BauGB und BNatSchG dient (▷Eingriff und Ausgleich). Eine aktuelle, flächendeckende Landschaftsplanung kann somit als umweltbezogene Informations- und Bewertungsgrundlage den Erhebungsaufwand anderer raum- und umweltwirksamer Fachplanungen in erheblichem Maße reduzieren. Landschaftsplanung auf verschiedenen räumlich-administrativen Ebenen Die Landschaftsplanung wird je nach landesrechtlichen Vorgaben auf bis zu vier räumlich-administrativen Ebenen erstellt: der Landesebene, der Regionalebene, der Kommunalebene sowie für Teilflächen einer Gemeinde. 1) Landesebene: Der Landschaftsplan auf dieser Ebene wird als Landschaftsprogramm bezeichnet und von der Obersten Naturschutzbehörde aufgestellt. Das Landschaftsprogramm formuliert landesweite, übergeordnete Zielvorgaben, etwa hinsichtlich besonders bedeutsamer und schützenswerter Räume oder des länderübergreifenden Biotopverbunds. Die flächenbezogene Aussagegenauigkeit ist aufgrund des Maßstabes von i. d. R. 1:100.000 bis 1:300.000 gering. 2) Regionale Ebene: Der Bezugsraum der Landschaftsrahmenpläne auf regionaler Ebene umfasst je nach Bundesland die Planungsregionen der Regionalplanung (z. B. Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen), die Regierungsbezirke (z. B. Nordrhein-Westfalen) oder die Landkreise (z. B. Brandenburg). Zuständig sind je nach Landesregelung die für die Regionalplanung zuständigen Behörden oder die Naturschutzbehörden. Der Maßstab der Landschaftsrahmenplanung liegt i. d. R. bei
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1:50.000 bis 1:100.000. In den Stadtstaaten fehlt diese Ebene. 3) Kommunale Ebene: Auf der örtlichen Ebene werden die Ziele und Maßnahmen des Naturschutzschutzes durch den kommunalen Landschaftsplan konkretisiert. Er wird für die gesamte Fläche einer Gemeinde im Maßstab von meist 1:10.000 (Spanne 1:5.000 bis 1:50.000, v. a. bei größeren Städten) erstellt. Planungsträger ist i. d. R. die Kommune (Ausnahmen: Thüringen und Nordrhein-Westfalen; dort ist die Untere Naturschutzbehörde zuständig, außerdem werden die Landschaftspläne dort landkreisweit, allerdings mit Gemeindebezug, erstellt). 4) In mehreren Landesgesetzen ist der im Bundesnaturschutzgesetz nicht vorgesehene Grünordnungsplan verankert, der meist im Zusammenhang mit einem Bebauungsplan für Teilflächen einer Gemeinde erstellt wird. Der Maßstab liegt bei 1:500 bis 1:2.000. Die Pläne der jeweils unteren Ebenen haben die Zielvorgaben der höheren Ebenen zu beachten und für ihren Planungsraum zu konkretisieren. Dadurch soll soweit als möglich eine landesweit abgestimmte Planung erreicht werden. In der Praxis stößt dies an Grenzen, da die übergeordneten Pläne oftmals zeitlich nach jenen der unteren Ebenen erstellt oder aktualisiert werden und eine entsprechende Anpassung der unteren Ebenen oft nur langfristig oder gar nicht erfolgt. Aufgaben und Inhalte der Landschaftsplanung Ein Landschaftsplan besteht aus (digital erstellten, GIS-basierten) Karten und Text. Diese enthalten eine Erfassung, Analyse und Bewertung des derzeitigen und künftig zu erwartenden Zustands von Natur und Landschaft. Den Bewertungsmaßstab bilden die für den jeweiligen Planungsraum zu konkretisierenden Ziele und Grundsätze des Naturschutzes (§§ 1 und 2 BNatSchG; Landesnaturschutzgesetze) sowie die landschaftsplanerischen Vorgaben der jeweils übergeordneten Ebene. Weiterhin haben Landschaftspläne bestehende sowie aufgrund von Planungen anderer Raumnutzungen zu erwartende Konflikte darzustellen und entsprechende Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Eine solche Konfliktanalyse und Abwägung zwischen miteinander konkurrierenden Zielen ist auch für verschiedene Ziele des Naturschutzes selbst durchzuführen, da diese nicht widerspruchsfrei sein müssen (z. B. können Belange des Arten- und
Biotopschutzes solchen der landschaftsgebundenen Erholung entgegen stehen). Schließlich sind aus Zielformulierung und Konfliktanalyse Maßnahmen abzuleiten, die entweder durch den Naturschutz selbst (Naturschutzbehörden, Verbände) oder im Rahmen anderer Landnutzungen (Siedlungswesen, Straßenbau, Land- und Forstwirtschaft, Rohstoffabbau) verwirklicht werden sollen. Solche Anforderungen an andere Landnutzungen werden als „Erfordernisse“ bezeichnet. Thematisch sind sämtliche in den Naturschutzgesetzen benannten Naturgüter zu bearbeiten: Tier- und Pflanzenarten und ihre Lebensräume, Boden, Wasser, Klima, Luft, Landschaft, landschaftsbezogene Erholung, Biologische Vielfalt sowie die Wechselwirkungen zwischen den Naturgütern (Naturhaushalt). Die Naturgüter sind als gleichwertig zu betrachten, keines ist bedeutender als ein anderes, Unterschiede können sich durch Besonderheiten des jeweiligen Planungsraums ergeben. Bezüglich der aktuellen Planungspraxis ist kritisch anzumerken, dass die abiotischen Naturgüter Boden, Wasser und Luft häufig nachrangig behandelt werden, was erstens ihrer Bedeutung als Grundlage des Lebens nicht gerecht wird und zweitens zu einer verkürzten Wahrnehmung der Aufgaben des Naturschutzes und der Landschaftsplanung in Öffentlichkeit und Politik beiträgt. Da Landschaftspläne seit 2004 einer Strategischen Umweltprüfung (SUP) nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVPG) unterliegen, sind darüber hinaus die Schutzgüter Mensch und menschliche Gesundheit sowie Kultur- und sonstige Sachgüter im Rahmen der Landschaftsplanung zu bearbeiten oder aber die Auswirkungen des Landschaftsplans auf diese Schutzgüter in einem gesonderten Umweltbericht darzustellen. Die Wirkung der Landschaftsplanung (siehe unten) hängt nicht zuletzt von der Akzeptanz ihrer Inhalte bei jenen ab, die diese berücksichtigen und umsetzen sollen. Daher darf ein Landschaftsplan nicht als ein von Planer und zuständiger Behörde „im stillen Kämmerlein“ zu erstellendes Werk betrachtet werden, vielmehr ist es, v. a. auf kommunaler Ebene, von erheblicher Bedeutung, betroffene und interessierte Akteure (Grundeigentümer, Landbewirtschafter, Umweltverbände u. a.) intensiv in die Diskussion über Inhalte, Ziele und Maßnahmen des Landschaftsplans einzubinden. Hierfür können auch – jedoch keinesfalls ausschließlich – die Möglichkeiten des Internets genutzt werden (Oppermann 2008). Landschaftsplanung umfasst also auch Kommunikation und Kooperation mit relevanten Akteuren sowie die
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Steuerung der hierfür erforderlichen Prozesse. Die Öffentlichkeitsbeteiligung (▷Partizipation) ist aufgrund der SUP-Pflicht der Landschaftsplanung (siehe unten) seit 2004 zudem rechtlich gefordert. Rechtsverbindlichkeit der Landschaftsplanung und Integration in die räumliche Gesamtplanung
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Die Rechtsverbindlichkeit der Landschaftsplanung ist in den Bundesländern unterschiedlich geregelt und hängt eng mit ihrer Integration in die räumliche Gesamtplanung zusammen (siehe Abbildung). Folgende Formen der Integration werden unterschieden: Primärintegration: Hier nehmen die Pläne der Raumordnung und der Bauleitplanung die Funktion der Landschaftsplanung selbst wahr, d. h. de jure existiert kein eigener Landschaftsplan. Die Primärintegration findet z. B. in Bayern und Rheinland-Pfalz sowie auf Regionalund Landesebene in Sachsen Anwendung. In der Praxis existiert jedoch auch in diesen Bundesländern häufig ein eigenes landschaftsplanerisches Werk mit Gutachtencharakter, das als Grundlage für die landschaftsplanerischen Aussagen des räumlichen Gesamtplans dient. Damit nähert sich dieses Modell zwar nicht rechtlich, aber inhaltlich-methodisch der Sekundärintegration an. Die primär integrier-
te Landschaftsplanung unterliegt nicht der SUP-Pflicht, da sie als eigenständige Planung nicht existiert. SUP-pflichtig sind allerdings die Raumordnungs- bzw. Flächennutzungspläne mit integriertem Landschaftsplan. Sekundärintegration: Im Gegensatz zur Primärintegration wird hier zunächst ein eigenständiger Landschaftsplan erstellt, der in einem zweiten Schritt in die räumliche Gesamtplanung integriert wird und dadurch Rechtsverbindlichkeit erlangt. Auch bei der Sekundärintegration hat die Landschaftsplanung keine eigenständige Rechtsverbindlichkeit, sondern erlangt diese erst durch die Integration in die räumliche Gesamtplanung. Dieses Modell findet in den meisten Bundesländern Anwendung. Eigenständige Rechtsverbindlichkeit: In den Stadtstaaten und auf kommunaler Ebene in Nordrhein-Westfalen ist die Landschaftsplanung ohne Integration in die räumliche Gesamtplanung rechtsverbindlich. Mögliche Zielkonflikte zwischen den Planwerken werden vermieden bzw. gelöst, indem in den Stadtstaaten die Aussagen der Flächennutzungsplanung Vorrang vor jenen der Landschaftsplanung haben. In Nordrhein-Westfalen werden Flächennutzungspläne für den baurechtlichen Innenbereich, Landschaftspläne für den baurechtlichen Außenbereich erstellt, sodass eine räumliche Trennung der jeweiligen Planungen gegeben ist (▷Außenbereich/Innenbereich).
Landschaftsplanung und gesamträumliche Planung auf unterschiedlichen politisch-administrativen Ebenen (Rechtslage vor Föderalismusreform bzw. entsprechender Novellierung des Naturschutz- und Raumordnungsrechts) (eigene Darstellung)
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Wie auch die jeweils entsprechenden räumlichen Gesamtpläne entfalten Landschaftsprogramm, Landschaftsrahmenplan und Landschaftsplan nach ihrer Integration keine rechtliche Bindungswirkung gegenüber Privatpersonen, sondern nur gegenüber Behörden (Behördenverbindlichkeit). Lediglich die Festsetzungen von Bebauungsplan bzw. Grünordnungsplan sind allgemein verbindlich. Private Grundeigentümer können somit nicht zur aktiven Umsetzung der in einem Landschaftsplan bzw. Flächennutzungsplan flächenkonkret vorgesehenen Maßnahmen, beispielsweise zu Pflanzungen, Renaturierungs-, Pflege- oder Erhaltungsmaßnahmen verpflichtet werden. Entsprechende Darstellungen sind vielmehr als Hinweise an Naturschutzbehörden und Gemeinden zu verstehen. Deren Aufgabe ist es, die Eigentümer für entsprechende Maßnahmen zu gewinnen, sie dabei finanziell und organisatorisch zu unterstützen oder im Einzelfall Flächen selbst zu erwerben. Bindungswirkung für Privatpersonen entfalten die Darstellungen eines Flächennutzungsplans allerdings insofern, als Flächen, die nicht als Bebauungsflächen ausgewiesen sind, für eine solche auch nicht in Anspruch genommen werden können. Unterschiede der Landschaftsplanung in den Bundesländern Wenngleich die erforderlichen Inhalte und Arbeitsschritte zur Erstellung eines Landschaftsplans weitgehend einheitlich sind, so hat sich in den Bundesländern doch eine, insbesondere für Laien kaum mehr überschau- und nachvollziehbare, Vielfalt unterschiedlicher rechtlicher Regelungen und Modelle der Landschaftsplanung entwickelt. Wie bereits erwähnt betrifft dies die Zahl der Planungsebenen sowie die Integration in die räumliche Gesamtplanung. Unterschiede bestehen darüber hinaus auch hinsichtlich der Zuständigkeit für die Planerstellung sowie der Bezugsräume und Maßstäbe der Planungen. Es ist nicht auszuschließen, dass diese verwirrende Vielfalt die gesellschaftliche und politische Akzeptanz der Landschaftsplanung beeinträchtigt und eine Vereinheitlichung sinnvoll wäre. Allerdings wäre eine aufgrund der Abweichungsrechte der Länder eine solche Vereinheitlichung auch bei einer Verabschiedung des UGB III (Drittes Buch Umweltgesetzbuch) nicht zu erwarten. Wirksamkeit der Landschaftsplanung Seit der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) in seinem Gutachten von 1987 der Land-
schaftsplanung attestierte „ein gescheitertes Unterfangen“ zu sein, wird über ihre Wirksamkeit diskutiert. Die Einschätzung des SRU stieß auf z. T. heftige Erwiderungen, insbesondere aus der Planungspraxis. Dabei konnte sich keine Seite auf repräsentative empirische Befunde stützen. Solche liegen – in sehr begrenztem Umfang – erst seit Ende der 1990er Jahre vor. Die Kritik des SRU setzte v. a. am sich weiter verschlechternden Zustand von Natur und Landschaft an, dem die Landschaftsplanung nichts entgegen zu setzen habe. Das Kriterium zur Beurteilung der Landschaftsplanung war somit die funktionale Wirksamkeit der in Landschaftsplänen dargestellten Ziele und Maßnahmen, also die Frage, ob ggf. durchgeführte Maßnahmen die intendierte Wirkung erzielten. Neben den Problemen der Erfassung der funktionalen Wirksamkeit landschaftsplanerischer Darstellungen übersieht diese Argumentation, dass Landschaftsprogramm, Landschaftsrahmenplan und z. T. auch kommunaler Landschaftsplan aufgrund ihrer Maßstäbe weder dazu geeignet noch bestimmt sind, unmittelbar „in der Landschaft“ realisiert zu werden. Ziel der Landschaftsplanung auf diesen Ebenen ist vielmehr in erster Linie die naturschutzfachliche Optimierung anderer raum-, umwelt- und landschaftsrelevanter Planungen sowie die Schaffung einer Grundlage für weitergehende naturschutzfachliche Konzepte. Dennoch ist es sinnvoll, auch nach der materiellen Wirksamkeit der Landschaftsplanung zu fragen. Es sind verschiedene Formen der Wirksamkeit der Landschaftsplanung zu unterscheiden (siehe Abbildung; vgl. Büchter 2002, Kiemsted/Mönnecke/Ott 1999, Mönnecke 2000): 1) Prozessuale Wirksamkeit: Wirksamkeit durch informative und bewusstseinsbildende Wirkungen der Landschaftsplanung, die sich z. B. durch Diskussionen und Öffentlichkeitsarbeit einstellen kann. 2) Instrumentelle Wirksamkeit: Wirksamkeit durch Übernahme landschaftsplanerischer Darstellungen in die räumliche Gesamtplanung sowie ihrer Berücksichtigung in Fachplanungen. 3) Materielle Wirksamkeit: Wirksamkeit durch Umsetzung von Maßnahmen „in Realität“ – hierfür sind nur die Darstellungen der Grünordnungsplanung und je nach Einzelfall jene der kommunalen Landschaftsplanung geeignet. 4) Funktionale Wirksamkeit: Wirksamkeit durch Erfüllung der vorgesehenen Funktionen bzw. Erreichung der gesetzten Ziele durch die umgesetzten Maßnahmen.
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Wirksamkeit der Landschaftsplanung – Formen der Wirksamkeit (eigene Darstellung)
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Ob die Landschaftsplanung die genannten Wirkungen tatsächlich erzielt, war Gegenstand einer Reihe von Untersuchungen (u. a. Büchter 2002, Gruehn/Kenneweg 1998, Kiemstedt/Mönnecke/ Ott 1999, Reinke 2002), die jedoch in der Summe kaum repräsentative Aussagen über die Wirksamkeit der Landschaftsplanung auf den verschiedenen Ebenen zulassen. Erkenntnisse über die funktionale Wirksamkeit fehlen völlig. Schwer zu evaluieren ist auch die prozessuale Wirksamkeit, die zudem meist eng mit der instrumentellen Wirksamkeit verbunden ist – etwa dann, wenn die für die räumliche Gesamtplanung verantwortlichen Akteure aufgrund eines durch die Landschaftsplanung gesteigerten „Landschaftsbewusstseins“ darauf verzichten, naturschutzfachlich besonders wertvolle Flächen für eine Bebauung oder andere beeinträchtigende Nutzungen vorzusehen. Solche Erfolge der Landschaftsplanung bleiben oft unsichtbar, da sie erstens nicht zur Veränderung von Flächen, sondern zu deren Erhaltung im bestehenden Zustand führen, zweitens in Dokumenten nicht zwingend nachvollziehbar und daher für Evaluierungen nur unter erheblichem Aufwand zugänglich sind. Es ist daher nicht auszuschließen, dass hier eine nicht zu unterschätzende Dunkelziffer an Erfolgen der Landschaftsplanung existiert. Zudem belegen alle genannten Untersuchungen eine instrumentelle Wirksamkeit der Landschaftsplanung. Die bislang umfassendste Untersuchung zur materiellen Wirksamkeit der Landschaftsplanung wurde 2007/08 gemeinsam von verschiedenen Hochschulen durchgeführt (vgl. Wende/
Marschall 2008), deren Ergebnisse allerdings nicht als repräsentativ betrachtet werden können. Die Grundlage bildeten 28 durch eine Zufallsstichprobe ausgewählte kommunale Landschaftspläne. Insgesamt werden in diesen Plänen über 12.600 Einzelmaßnahmen dargestellt, pro Landschaftsplan also durchschnittlich etwa 450, wobei die Spanne erheblich ist. Davon waren 2.300 Maßnahmen vollständig und etwa 940 teilweise umgesetzt – pro Landschaftsplan durchschnittlich also etwa 115 Einzelmaßnahmen. Dies ist insgesamt eine beträchtliche Zahl und es wäre aufgrund des damit verbundenen Aufwandes unrealistisch zu erwarten, eine Gemeinde könne in wenigen Jahren 450 Maßnahmen umsetzen. Daran zeigt sich, dass die kommunale Landschaftsplanung eine „Angebotsplanung“ ist, die nicht vorhersehen kann, welche Flächen für den Naturschutz verfügbar sind und daher gut daran tut, mit ihren Hinweisen und der Zahl der vorgeschlagenen Maßnahmen „über das Ziel hinaus zu schießen“. Auch wenn man berücksichtigt, dass Maßnahmen zum Schutz bestimmter Flächen oder Landschaftselemente in größerem Umfang umgesetzt wurden als aufwendigere Maßnahmen zur Entwicklung der Landschaft, so sind die ermittelten Zahlen doch ein Beleg dafür, dass der pauschale Vorwurf der Wirkungslosigkeit der Landschaftsplanung nicht zu halten ist. Lediglich in drei Landschaftsplänen waren zum Zeitpunkt der Untersuchung keine Maßnahmen umgesetzt. Allerdings sollten Maßnahmen künftig stärker priorisiert werden, um einer rein zufällig über Flächenverfügbarkeit gesteuerten Umsetzung ein planerisches Korrektiv an die Seite zu stellen.
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Aktuelle Tendenzen und Herausforderungen In diesem Abschnitt werden ohne Anspruch auf Vollständigkeit einige für die Landschaftsplanung bedeutsame aktuelle Entwicklungen skizziert. 1) Die Landschaftsplanung unterliegt der Pflicht zur SUP, bildet zugleich aber eine wesentliche Daten- und Bewertungsgrundlage für die SUP anderer Pläne und Programme. Insofern besteht ein enger Zusammenhang zwischen beiden Instrumenten. Da auch Raumordnungsund Bauleitpläne einer Umweltprüfung zu unterziehen sind (Ausnahmen: Bebauungspläne im baulichen Innenbereich unterhalb einer gewissen Größe nach § 13a BauGB), wird dies in der politischen Diskussion teilweise zum Anlass genommen, Sinn und Zweck der Landschaftsplanung generell infrage zu stellen. Dabei wird übersehen, dass die SUP zwar eine Planung „ökologisch“ qualifizieren kann und in diesem Sinne nicht nur als Prüf-, sondern auch als Planungsinstrument zu verstehen ist. Dennoch: Die SUP prüft nur die Umweltauswirkungen der gesamträumlichen Planungen, ist jedoch selbst nicht in der Lage, eigene Leitbilder und Zielvorstellungen des Naturschutzes zu formulieren. Die Aufgabe der Landschaftsplanung als Fachplanung des Naturschutzes, die aus sich heraus aktiv Ziele formuliert, kann die SUP daher nicht übernehmen. Die Landschaftsplanung behält also neben der SUP weiterhin ihre Berechtigung. 2) Diskutiert wird derzeit, die Landschaftsplanung stärker prozessorientiert und modular auszurichten als bislang, um sie effektiver und effizienter zu gestalten. Eine stärkere Prozessorientierung betont neben den fachlichen Inhalten den Prozess der Planerstellung, der die „Beplanten“ soweit möglich einbezieht, ihre Interessen und Bedürfnisse berücksichtigt und dadurch eine höhere Akzeptanz erlangt. Zudem sollte die Landschaftsplanung künftig stärker im Sinne eines Managementzyklus mit einer Phase der Ergebniskontrolle und einer daraus folgenden Ziel-Reformulierung verstanden werden, was durch die Monitoringpflicht im Rahmen der SUP begünstigt wird. Für eine Modularisierung der Landschaftsplanung liegen verschiedene Vorschläge vor. Dadurch soll es möglich werden, die Landschaftsplanung auf räumliche oder thematische Schwerpunkte zu konzentrieren, für die besonderer Handlungsbedarf im jeweiligen Planungsraum gegeben ist. Demgegenüber könnten andere Flächen oder
Inhalte weniger vertiefend, aber dennoch anhand bestimmter Mindestanforderungen bearbeitet werden. Diese Ansätze zielen im Kern auf eine verbesserte Wirksamkeit der Landschaftsplanung. Wie jede andere politische, räumliche oder umweltbezogene Planung steht allerdings auch die Landschaftsplanung vor der Frage der (begrenzten) Steuerbarkeit ökologischer und gesellschaftlicher Entwicklungen. Damit hat sich die Disziplin bisher weder theoretisch noch praktisch in ausreichender Weise auseinandergesetzt, im Gegensatz etwa zu Ansätzen in der Regional- und Stadtplanung. 3) Eine der zentralen gesellschaftlichen und umweltpolitischen Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte stellt die Bewältigung der direkten und indirekten Auswirkungen des ▷Klimawandels dar. Auch die Landschaftsplanung ist gefordert, auf die massive Veränderung der bislang als weitgehend stabil geltenden klimatischen Rahmenbedingungen und deren Auswirkungen zu reagieren. Inhaltlich muss sie etwa die geänderten Lebensraumbedingungen für Pflanzen- und Tierarten bei der Planung konkreter Maßnahmen berücksichtigen, der Funktion von Böden und Vegetation als Speicher bzw. Senke für Treibhausgase ein höheres Augenmerk schenken oder Fragen des Landschaftswasserhaushaltes stärker thematisieren als bisher. Methodisch ist zu prüfen, wie die Landschaftsplanung erstens mit bestehenden Unsicherheiten und Prognoseunschärfen hinsichtlich klimatischer und ökosystemarer Veränderungen umgehen und zweitens möglichst schnell und sinnvoll auf neue Entwicklungen und Erkenntnisse reagieren kann. 4) Umweltrechtliche Vorgaben der Europäischen Union führen dazu, dass wechselseitige Beiträge der Landschaftsplanung und neuer europarechtlicher Instrumente, wie der Wasserrahmenrichtlinie, der Umgebungslärmrichtlinie oder der Strategischen Umweltprüfung zu bestimmen sind und ein effizientes Ineinandergreifen der verschiedenen Instrumente sicherzustellen ist. Von Deutschland bisher leider nicht ratifiziert ist die Europäische Landschaftskonvention des Europarates, die der Bedeutung der Landschaften als Lebensraum der Menschen besonderes Augenmerk schenkt.
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Insgesamt ist die Landschaftsplanung ein bewährtes Instrument zur Sicherung und Neuschaffung einer hohen Umweltqualität, das gleichwohl einer kritischen Überprüfung sowie Fortentwicklung seiner Inhalte und Methoden bedarf. Rufe
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nach ihrer Abschaffung oder eine generelle Beurteilung der Landschaftsplanung als wirkungslos zeugen von einer verkürzten Sicht auf ihre Möglichkeiten, aber auch auf ihre Grenzen und Rahmenbedingungen. Gerade unter den Vorzeichen einer sich durch den Klimawandel voraussichtlich verschärfenden Umweltsituation kann auf ein flächendeckendes, vorsorgendes Instrument wie die Landschaftsplanung nicht verzichtet werden. Vielmehr sollte die Landschaftsplanung politisch und rechtlich gestärkt werden, um ihre Aufgaben künftig angemessen erfüllen zu können. Heiland
Literatur
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Auhagen, A.; Ermer, K.; Mohrmann, R. (Hrsg.) (2002): Landschaftsplanung in der Praxis. Stuttgart Büchter, C. (2002): Zum Dilemma einer querschnittsorientierten Fachplanung. Kassel BfN – Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.) (2007): Landschaftsplanung, Grundlage vorsorgenden Handelns. Bonn-Bad Godesberg, Leipzig Gruehn, D.; Kenneweg, H. (1998): Berücksichtigung der Belange von Naturschutz und Landschaftspflege in der Flächennutzungsplanung. Angewandte Landschaftsökologie, Heft 17. Bonn-Bad Godesberg Haaren, C. von (Hrsg.) (2004): Landschaftsplanung. Stuttgart Kiemstedt, H.; Mönnecke, M.; Ott, S. (1999): Erfolgskontrolle örtlicher Landschaftsplanung. BfN-Skripte, 4. Bonn-Bad Godesberg Marschall, I. (2008): Der Landschaftsplan: Geschichte und Perspektiven eines Planungsinstruments. Saarbrücken Mönnecke, M. (2000): Evaluationsansätze für die örtliche Landschaftsplanung, Grundlegung, Konzipierung und Anwendung. Hannover Oppermann, B. (2008): Landschaftsplanung interaktiv! In: Naturschutz und Biologische Vielfalt, 58 Reinke, M. (2002): Qualität der kommunalen Landschaftsplanung und ihre Berücksichtigung in der Flächennutzungsplanung im Freistaat Sachsen. Berlin Riedel, W., Lange, H. (Hrsg.) (2002): Landschaftsplanung. Heidelberg, Berlin, New York Runge, K. (1998): Entwicklungstendenzen der Landschaftsplanung: Vom frühen Naturschutz bis zur ökologisch nachhaltigen Flächennutzung. Berlin, Heidelberg Weiland, U.; Wohlleber-Feller, S. (2007): Einführung in die Raumund Umweltplanung. Paderborn Wende, W.; Marschall, I. (2008): Gemeinsames übergreifendes Arbeitsprogramm zur Untersuchung der Rahmenbedingungen einer Umsetzung von kommunalen Landschaftsplänen in der Praxis. Evaluation der Umsetzung von Maßnahmen aus kommunalen Landschaftsplänen. Abschlussbericht, unveröffentlicht.
LANDWIRTSCHAFT UND AGRARPOLITIK Begriffsklärung und -abgrenzung Die Landwirtschaft umfasst die Nutzungsformen des Bodens, die auf die Produktion pflanzlicher oder tierischer Erzeugnisse abzielen. Neben der
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weiterhin dominierenden Produktion von Nahrungsmitteln spielt in zunehmendem Maße der Anbau nachwachsender Rohstoffe für industrielle Zwecke oder zur Erzeugung regenerativer Energie eine wichtige Rolle. Auch der Agrotourismus hat für viele kleinere Familienbetriebe eine wachsende Bedeutung als ergänzende Einkommensquelle. Als Agrarpolitik bezeichnet man den Sektor der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, der darauf abzielt, die Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft zu gestalten. Zu den Instrumenten der Agrarpolitik gehören die Markt- und Preispolitik, Agrarsozialpolitik, Agrarstrukturpolitik und die Agrarumweltpolitik. Im Unterschied zur sektoralen Agrarpolitik zielt die durch die EU für den Zeitraum 2007-2013 erstmals vereinbarte Politik für die Entwicklung des ländlichen Raums darauf ab, die agrarpolitischen Maßnahmen in eine allgemeine Förderpolitik für den ▷ländlichen Raum einzubinden (▷Gleichwertige Lebensverhältnisse). Entwicklung und heutige Bedeutung der Landwirtschaft für den ländlichen Raum Die traditionelle Landwirtschaft hat eine erstaunlich hohe Biodiversität hervorgebracht, die den vormaligen Naturzustand sogar noch übertraf (Haber 1985). Krenzlin (1952) hat in umfangreichen Untersuchungen den engen Zusammenhang zwischen Naturraumausstattung, Anbausystemen und Siedlungsformen deutlich gemacht (▷Dorferneuerung). Seit Mitte des 20.Jahrhunderts gab es eine erhebliche Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion. Als strukturelle Voraussetzung hierzu wurden seit 1957 mit Beginn der Konstituierung eines gemeinsamen Europäischen Agrarmarktes Flurbereinigungsverfahren staatlich gefördert. Hierdurch sind in der Bundesrepublik Deutschland in erheblichem Umfang Kleinstrukturen in der Landschaft, wie Hecken, Kleingewässer und Feldraine zugunsten einer Vergrößerung landwirtschaftliche Schläge beseitigt worden. Eine ähnliche Entwicklung fand in der DDR unter dem Begriff „Komplexmelioration“ statt. Durch einen erhöhten Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden, eine Intensivierung des Maschineneinsatzes und durch veränderte Fruchtfolgen wurde eine erhebliche Produktionssteigerung erreicht (Plachter/Stachow/Werner 2005:17). Ein weiterer Trend ist die zunehmende Mechanisierung in der Landwirtschaft. Nach wie vor hat die Landwirtschaft eine herausragende Bedeutung für die Gestalt der heu-
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tigen ▷Kulturlandschaft. 53 Prozent der Fläche der Bundesrepublik wird heute landwirtschaftlich genutzt. Die Ausprägung der ländlichen Räume ist zum überwiegenden Teil das Kuppelprodukt einer agrarischen Nutzung der Landschaft, die in einem viele Jahrhunderte währenden Prozess die unterschiedlichen Naturräume überprägt hat. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es die Agrarlandschaft nicht gibt, sondern dass die Agrarlandschaften sich hinsichtlich ihres Tierbesatzes pro Flächeneinheit, ihrer Nutzungsmuster und ihrer Stoff- und Energiebilanzen erheblich unterscheiden. Die durchschnittliche Betriebsgröße der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland liegt heute bei 45,7 ha, vor 40 Jahren waren es nur 12 Hektar (Statistisches Bundesamt 2008). Im Haupterwerbsbetrieb hält der Trend zur Konzentration an. Bemerkenswert sind die regionalen Unterschiede: In Süddeutschland verfügt der durchschnittliche Betrieb über 25 Hektar, in Nordostdeutschland liegt die durchschnittliche Betriebsgröße dagegen bei 250 Hektar. Mehr als die Hälfte aller Landwirtschaftsbetriebe werden im Nebenerwerb betrieben. 2,6 Prozent aller Erwerbstätigen sind heute noch in der Landwirtschaft tätig (DLG 2004:99ff ). Die Produktivität in der Landwirtschaft ist im Vergleich zum produzierenden Gewerbe in den Nachkriegsjahrzehnten überproportional gestiegen, um rund 100 Prozent je Arbeitskraft. Heute wendet der Verbraucher nur noch elf Prozent seiner Konsumausgaben für Nahrungsmittel auf, in den 1950er Jahren waren es noch 40 Prozent (DLG 2004:27). Eine Ursache hierfür ist die steigende Technisierung in der Landwirtschaft. Die nächste Generation der Schlepper fährt GPS-gesteuert, ohne menschliche Arbeitskraft. Ein weiterer raumwirksamer Trend in der Landwirtschaft ist das „Precision-Farming“, d. h. die computergesteuerte, auf die Bodenbeschaffenheit exakt abgestimmte Ausbringung von Düngemitteln. Als Reaktion auf die Verknappung fossiler Energieträger und auf den ▷Klimawandel werden durch das im Jahre 2000 in Kraft getretene Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) feste Stromerlöse für die Einspeisung von Strom aus dem Anbau von Biomasse garantiert. Neben der Erzeugung von Nahrungsmitteln hat sich die Produktion von industriellen Rohstoffen und landschaftsgebundener Energie zu einem zweiten wichtigen Standbein für die Landwirtschaft entwickelt. Wegen der mit der erhöhten Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten verbundenen steigenden Preise kommt es tendenziell zu einer Vergrößerung
der Anbaufläche. Die Folge ist ein Rückgang von Brachflächen (▷Flächenmanagement). Allerdings verlaufen die Veränderungsprozesse nicht einheitlich, sondern z. T. gegenläufig. Während die „Gunststandorte“ immer intensiver genutzt werden, werden „Grenzertragsstandorte“ mit geringen Bodenwerten oder in steilen Lagen zunehmend aus der Nutzung genommen (Plachter/Stachow/Werner 2005:17). Hier ist die Landwirtschaft auch in Zukunft auf Subventionen angewiesen, um die an extensive Landwirtschaft gebundene Biodiversität zu sichern und um Landschaftsbilder zu erhalten, die als Standortfaktor für den wachsenden Markt des ländlichen Tourismus von hoher Bedeutung sind. Erhebliche Divergenzen existieren auch bezüglich der Schlagstrukturen als Folge der politischen Teilung bis 1989, z. T. aber auch bedingt durch unterschiedliches Erbrecht. So sind die Schläge in Süddeutschland infolge der Realteilung mit durchschnittlich 2 Hektar traditionell besonders kleinteilig. In Nordostdeutschland sind Ackerflächen von 50-100 Hektar keine Seltenheit, der Durchschnitt liegt hier bei 40 Hektar (van Elsen/Reinest(Ingensand 2003). Vor diesem Hintergrund stellt die schlaginterne Segregation von Kleinstrukturen (wie Sölle oder Feldgehölze) einen Lösungsansatz dar, um Naturschutzziele (▷Naturschutz) unter diesen besonderen Bedingungen zu erreichen. Neben den landwirtschaftlichen Schlägen haben persistente Landschaftselemente, wie Wege, Gräben, Fließgewässer, Baumgruppen und Hecken, eine herausragende Bedeutung für den Charakter der Agrarlandschaft. Die Eigenart einer Agrarlandschaft lässt sich somit auf drei Ebenen beschreiben: 1) als Raumgefüge mit einer landschaftstypischen Nutzungsverteilung (Acker-Grünland-WaldSiedlungsflächen etc.); 2) durch charakteristische Strukturmuster („pattern“), welche sich aus der Verteilung linearer und punktueller Landschaftselemente ergeben. Ein Beispiel ist die geometrisch gegliederte „Knicklandschaft“; 3) durch Gestaltmerkmale der Landschaftselemente (Form, Material, Farbe). Schäfer u. a. (1996) haben am Beispiel des Spreewaldes die Bedeutung dörflicher Siedlungsstrukturen für die Eigenart der Landschaft nachgewiesen.
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Aus gesellschaftspolitischer Perspektive hat die Landwirtschaft heute nicht nur die Funktion der Ernährungssicherung, sondern gemäß dem Leitbild einer multifunktionalen Landwirtschaft
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auch die Funktionen der Landschaftspflege und der Erholungsvorsorge sowie der Naturhaushaltsicherung. Aufgaben der Agrarpolitik zur Gestaltung multifunktionaler Agrarlandschaften
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Die Agrarpreisstützungspolitik war bis in die 1990er Jahre die wichtigste Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union (EU). Im Jahre 2001 flossen aus dem EAGLF (Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft; ▷Regional- und Strukturpolitik) jedem Marktfruchtbetrieb in Deutschland im Durchschnitt 14.000 € zu. Die Subvention macht damit immerhin die Hälfte des Betriebseinkommens aus (DLG 2004:17). Am stärksten wird die Landwirtschaft in der Schweiz (Quote 69 Prozent) und in Norwegen (67 Prozent) subventioniert. Im Rahmen einer umfassenden Agrarreform wurde seit Anfang der 1990er Jahre die „Zweite Säule“ der GAP aufgebaut. Ziel ist es, die Subventionierung der Agrarprodukte zu Gunsten von Flächen- und Tierprämien zu reduzieren (Marktentlastung). Die Prämien sind an Umwelt- und Qualitätsleistungen gekoppelt („cross compliance“ und „decoupled payments“). Hierdurch sollen bestimmte landschaftspflegerische Leistungen honoriert werden (Plachter/Stachow/ Werner 2005:19). Insgesamt werden aber die Direktzahlungen zugunsten von Mitteln für die ländliche Entwicklung entsprechend des Systems der dynamischen Modulation gekürzt und umgeschichtet (DLG 2004:17). Insgesamt ist der Anteil der GAP-Ausgaben am EU-Haushalt von über 70 Prozent in den 1980er Jahren auf heute unter 50 Prozent zurückgegangen. Entgegen dem Bedarf an erhöhten Subventionen für die sog. „strukturschwachen“ Räume belegen Untersuchungen des Forschungsnetzwerks zur Beobachtung der europäischen Raumentwicklung (ESPON; ▷Raum- und Stadtbeobachtung) allerdings, dass v. a. die Erste Säule der GAP kaum dazu beiträgt, die Unterschiede zwischen dynamischen und strukturschwachen Regionen zu verringern (OECD 2006:46ff ). Die Folge ist eine weiter zunehmende räumliche Disparität der landwirtschaftlichen Nutzung. Entsprechend den Forderungen des Brundtlandt-Reports „Unsere Gemeinsame Zukunft“ der Vereinten Nationen (1987) kommt es darauf an, Nachhaltigkeitsziele für die Landwirtschaft zu formulieren und im Rahmen der Agrarpolitik durchzusetzen. Die Erhaltung der Bodenfrucht-
barkeit für nachfolgende Generationen durch eine bodenschonende Bewirtschaftung, die Reduzierung von Stoffausträgen in Wasser und Luft und die Förderung der Biodiversität gehören hierbei zu den wichtigsten Zielen einer nachhaltigen Landwirtschaft (vgl. Vandré/Kaltschmitt 2000:409ff ). In diesem Zusammenhang ist die „Gute fachliche Praxis“ im Hinblick auf die Umsetzung des § 5 BNatSchG zu definieren (Plachter/Stachow/ Werner 2005:16). Notwendig ist laut Plachter, Stachow und Werner (2005:23) eine Präzisierung auf lokaler Ebene, um die „standörtlichen Eigenheiten und Entwicklungspotenziale der jeweiligen Landschaft zu berücksichtigen“. Die Definition der Guten fachlichen Praxis darf dabei aber nicht zur Aufgabe der Landwirtschaft in peripheren Gebieten führen, vielmehr sollte sie als Stimulanz für eine höhere Umweltverträglichkeit der Landwirtschaft wirken (Plachter/Stachow/ Werner 2005:137). Die Einhaltung von Umweltstandards wäre auf zwei Ebenen zu kontrollieren (▷Umweltprüfung): schlagbezogen (z. B. durch Festlegung von Mähzeitpunkten oder Düngemittelhöchstgrenzen) sowie betriebsbezogen (als sog. Hoftorbilanzen: Stoffund Energieflüsse) (Plachter/Stachow/Werner 2005:140). Ausblick Der Erhalt und die Weiterentwicklung charakteristischer Agrarlandschaften ist eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe, die weit über das Fachressort der Landwirtschaft herausragt. In diesem Sinne fordert auch das Europäische Raumentwicklungskonzept (EUREK; ▷Europäische Raumentwicklungspolitik) den „kreativen“, d. h. bewahrenden und entwickelnden, Umgang mit Kulturlandschaften. Die kommunale ▷Landschaftsplanung bietet hierzu eine gute Grundlage, sie wäre aber zu ergänzen um eine Bestandsanalyse der kulturhistorischen Landschaftselemente (Peters/Klinkhammer 2000). Auf der institutionellen Ebene kommt es v. a. darauf an, Gestaltungskonzepte für die Agrarlandschaften von morgen partizipativ mit den Akteuren vor Ort zu entwickeln (▷Partizipation). Die Finanzierung wäre in einer Kombination aus Fördermitteln für die ländliche Entwicklung (ELER) und „klassischen“ Instrumenten des Naturschutzes (Eingriffs-/Ausgleichsregelung nach § 18 Bundesnaturschuatzgesetz – BNatSchG; ▷Eingriff und Ausgleich) möglich. Aufgabe der Agrarpolitik und der Raumordnung (▷Raum-
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ordnung und Landesplanung) ist es gleichermaßen, Rahmenbedingungen zu formulieren, um den Konflikt zwischen Agrarwirtschaft und Naturschutz zu entschärfen. Auch innerhalb der Landwirtschaft müssen klare Regelwerke geschaffen werden, um eine Koexistenz von ökologischer und Intensiv-Landwirtschaft zu ermöglichen. Die Ausweisung gentechnikfreier Zonen als Zielkategorie der Raumordnung könnte ein erster Schritt sein. Peters
Literatur DLG – Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (2004): Perspektiven für die Agrarwirtschaft – Das neue große Europa. Tagungsband der DLG-Wintertagung. Archiv der DLG, Band 98. Frankfurt/M Elsen, T. von; Reinert, M.; Ingensand, T. (2003): Statusbericht zur naturverträglichen Bodennutzung als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen – im Rahmen des Pilotprojektes „Erarbeitung methodischer Hinweise und fachlicher Empfehlungen für die Anerkennung von Maßnahmen einer naturverträglichen Bodennutzung als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen gemäß § 4 Abs. 4 Satz 3 LG NRW“, Studie im Auftrag der LÖBF, Recklinghausen, November 2003. Zugriff auf www.lanuv.nrw.de/natur/pdf/StatusberichtLOEBF_050404.pdf am 07.09.2009 Haber, W. (1985): Anforderungen des Arten- und Biotopschutzes an die Land- und Forstwirtschaft. In: Wildemann, H. (Hrsg.): UmweltWirtschaft-Gesellschaft. Gerlingen, 115-118 Krenzlin, A. (1952): Dorf, Feld und Wirtschaft im Gebiet der großen Täler und Platten östlich der Elbe, Eine siedlungsgeographische Untersuchung. In: Forschungen zur Deutschen Landeskunde, Band 70. Remagen OECD – Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (2006): OECD-Berichte über die Politik für den ländlichen Raum: Das neue Paradigma für den ländlichen Raum. Politik und Governance. Paris Peters, J.; Klinkhammer, B. (2000): Kulturhistorische Landschaftselemente: Systematisieren, kartieren und planen – Untersuchungen in Brandenburg. In: Naturschutz und Landschaftsplanung 32, 5, 147-152 Plachter, H.; Stachow, U.; Werner, A. (2005): Methoden zur naturschutzfachlichen Konkretisierung der „Guten fachlichen Praxis“ in der Landwirtschaft. Naturschutz und Biologische Vielfalt, Schriftenreihe des Bundesamtes für Naturschutz, 7. Bonn Schäfer R. u. a. (1996): Planen und Bauen im Biosphärenreservat Spreewald. Handbuch. Forschungsgruppe Stadt und Dorf im Auftrag des Biosphärenreservates Spreewald. Berlin Statistisches Bundesamt Deutschland (2008a): Daten und Fakten – Flächennutzung (Deutschland). Zugriff auf www.destatis. de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/ Statistiken/Umwelt/UmweltoekonomischeGesamtrechnungen/ Flaechennutzung/Tabellen/Content75/Bodenflaeche,template Id=renderPrint.psml am 11.08.2009 Statistisches Bundesamt Deutschland (2008b): Trend zu größeren Betrieben in der Landwirtschaft setzt sich fort. Pressemitteilung Nr. 29 vom 22.01.2008. Zugriff auf www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pm/2008/01/PD08__ 029__411,templateId=renderPrint.psml am 11.08.2009 Vandré, R.; Kaltschmitt, M. (2000): Sustainability in agriculture – summary and outlook. In: Härtlein u. a. (Hrsg.): Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft – Landwirtschaft im Spannungsfeld zwischen Ökologie, Ökonomie und Sozialwissenschaften. Deutsche Bundesstiftung Umwelt – Initiative zum Umweltschutz, Bd. 15. Berlin Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates vom 20. September 2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER)
LEBENSZYKLUS VON IMMOBILIEN Definition und Abgrenzung Immobilien zeichnen sich im Vergleich zu anderen Wirtschaftsgütern durch eine hohe Langlebigkeit aus. Da sie in dieser Zeitspanne unzählige Aktivitäten erfordern, provozieren oder „erdulden“, spricht man gerne – als wären sie lebendige Organismen – von ihrem Lebenszyklus. Am Ende eines Zyklus steht in der belebten Umwelt ein Neubeginn – z. B. bei den Jahreszyklen der Pflanzen im nördlichen Europa. Betrachtet man eine Immobilie in ihrer gesetzlichen Definition als Einheit von Grundstück und optionaler Bebauung, dann könnte man Abriss und Neubau eines Gebäudes als einen entsprechenden Neubeginn eines Lebenszyklus auffassen. Da jedoch diese Wiederkehr unterschiedlicher Bebauungen den Horizont von Gebäudeplanungen, wirtschaftlichen Überlegungen und Nutzungsprognosen i. d. R. übersteigt, bezieht sich der Ausdruck Lebenszyklus von Immobilien üblicherweise auf den einmaligen Zyklus der Bebauung von ihrer Entstehung über ihre Nutzung bis zu ihrem Rückbau. Aus diesem Grund sprechen einige Wissenschaftler bevorzugt von der Lebensdauer eines Gebäudes. Das ist sachlich gesehen präziser, tut der Beliebtheit des Wortes Lebenszyklus jedoch keinen Abbruch: Vermutlich ist das im Wort Zyklus anklingende Bild des Kreises der Grund für seinen Erfolg. Abzugrenzen ist der Begriff des Lebenszyklus von Immobilien von den an anderer Stelle erörterten Immobilienzyklen (▷Zyklen in der Immobilienwirtschaft). Diese beziehen sich auf die verschiedenen Marktphasen in der Immobilienwirtschaft mit ihrem zyklischen Wechsel zwischen Zu- und Abnahme des Angebotes von bzw. der Nachfrage nach Immobilien. Immobilienzyklen dauern typischerweise zwischen fünf und zehn Jahre und gehören damit zu den Ereignissen, die im Laufe ihres Lebenszyklus auf Immobilien einwirken. Im Lebenszyklus von Immobilien können u. a. einzelne, charakteristische Phasen, deren Endzeitpunkte und die mit dem Zyklus verbundenen Kosten identifiziert werden. Ziel der ganzheitlichen Betrachtung aller Lebenszyklusphasen einer Immobilie ist die phasenübergreifende Optimierung der Immobilie für ihre lange Lebensdauer.
L
303
LEBENSZYKLUS VON IMMOBILIEN
Konzeption Rückbau Planung
Grundstück
Bau
Nutzung
Phasen des Lebenszyklus von Immobilien (Quelle: eigene Darstellung)
Dimensionen des Lebenszyklus von Immobilien
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In einer Zeit, als Bauherr, Erbauer und Nutzer eines Gebäudes in einer einzigen Person oder Institution vereint waren, bestanden keine divergierenden Zielsysteme: Alle Entscheidungen wurden im Sinne der optimalen Nutzbarkeit getroffen. Die heute übliche, stark arbeitsteilige Herstellung von Gebäuden beschäftigt jedoch insbesondere zu Beginn des Lebenszyklus eine Vielzahl von Akteuren. Anhand der jeweils vorherrschenden Akteure lassen sich fünf verschiedene Phasen des Lebenszyklus unterscheiden, an deren Ende jeweils konkrete Ergebnisse und eine Entscheidungszäsur stehen: Konzeption, Planung, Bau, Nutzung und Rückbau (siehe Abbildung). Die Phasen Konzeption, Planung und Bau werden oft als Herstellungsphase bezeichnet. Auf Immobilien bezogen stellt sich die Frage, ob eine Unterscheidung der Konzeption – die u. a.
geprägt ist durch die Ideenfindung, Markt- und Standortanalyse, Finanzierungs- und Grundstückssicherung sowie die Schaffung von Baurecht – von der Phase der Planung sinnvoll ist. In der Praxis laufen beide Phasen häufig parallel zueinander ab und beeinflussen sich dabei gegenseitig. Da jedoch ein ausgereiftes und durch Marktanalysen, Finanzierungszusage etc. gestütztes Nutzungskonzept eine entscheidende Voraussetzung für die erfolgreiche Planung darstellt, erscheint eine Differenzierung der beiden Phasen dennoch sinnvoll, zumal sie auch einen VerantwortungsWechsel vom Bauherrn (als Oberbegriff für Projektentwickler, Investor etc.) zu den Planern darstellt. Die letzte Phase des Lebenszyklus von Immobilien umfasst den Rückbau, d. h. Abriss, Recycling und Entsorgung. Im Unterschied zum noch immer üblichen Abriss mit nur teilweise sortierter Deponierung, der kein dauerhaft tragbares Konzept darstellt, beinhaltet der Begriff des Rückbaus alle Konzepte des hochwertigen Recyclings. Für einen Projektentwickler stehen Rückbaukosten jedoch eher am Anfang eines Projektes (z. B. bei einer Revitalisierung, ▷Bestandsentwicklung und Stadterneuerung) als an dessen Ende. Auch die DIN 276 enthält eine Kostengruppe 212 für „Abbruchmaßnahmen“ unter dem Oberbegriff der Baukosten. Dennoch ist die rückzubauende Substanz das Resultat des vorangegangenen Lebenszyklus und kausal mit ihm verbunden. Da zudem die Entsorgung vieler moderner Baustoffe ein wachsendes Problem darstellt und auch hin und wieder von einer Rücknahmeverpflichtung für Gebäude seitens der Bauindustrie analog zur Rücknahmeverpflichtung der deutschen Autohersteller gesprochen wird, ist es sinnvoll, den Rückbau als Endphase des Lebenszyklus zu betrachten. Sanierungen oder Revitalisierungen einer Immobilie können in einem zyklischen Modell als Unterzyklen der Nutzungsphase betrachtet wer-
Phase
Hauptakteur
Aktivitäten
Konzeption
Bauherr
Projektentwicklung, Grundstückssicherung, Gebäudekonzept Finanzierungskonzept etc.
Planung
Architekt/Fachplaner
Ausführungsreife Planung
Bau
Baufirma
Entwurfs-, Genehmigungs-, Ausführungsplanung, Koordination der Fachplanung, Ausschreibung etc. Baudurchführung, Übergabe, Mängelbeseitigung, Dokumentation etc.
Nutzung
Betreiber/Nutzer
Gebäudebewirtschaftung, Sanierung etc.
Abrissreifes Gebäude
Rückbau
Verwerter
Selektiver Rückbau, Abriss, Recycling, Entsorgung etc.
Freies Grundstück
Wechsel der Hauptakteure nach Phasen des Lebenszyklus (eigene Darstellung)
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Produkt
Bezugsfertiges Gebäude
LEBENSZYKLUS VON IMMOBILIEN
den, die alle genannten Phasen in einem gegenüber dem Hauptzyklus verringerten Ausmaß durchlaufen. Die Tabelle zeigt den Wechsel der Hauptakteure und der Produkte, deren Fertigstellung jeweils die Entscheidungszäsur herbeiführt. Der angesprochene Unterzyklus einer Sanierung hat die Deutsche Gesellschaft für ▷Facility Management (GEFMA) dazu veranlasst, ein polyzyklisches Modell zu entwickeln. Es unterscheidet neun Lebenszyklusphasen und hat den Vorzug, dass nicht nur die Phase der Sanierung, sondern auch die Phasen des Leerstandes sowie des An- und Verkaufs explizit abgebildet werden. So werden in der GEFMA Richtlinie 100-1 die folgenden Lebensphasen definiert: Konzeption, Planung, Errichtung, Vermarktung, Beschaffung, Betrieb und Nutzung, Umbau/Umnutzung bzw. Sanierung/Modernisierung, Leerstand und Verwertung (siehe Abbildung). Ähnlich wie in der durch die GEFMA definierten Lebenszyklusphase 7 (Umbau/Umnutzung bzw. Sanierung/Modernisierung) findet sich in dem internationalen Standard ISO 15686-1 (ISO 2000) eine Phase für Erneuerung und Anpassung (renewal and adaptation). Gemeinsam mit der Phase use and maintenance bildet sie mögliche Unterzyklen ab. Die übrigen Phasen werden dagegen stärker zusammengefasst: Acquisition beinhaltet sämtliche Lebenszyklusphasen, die die Erstkosten bedingen. Nach ISO 15686-1 endet der Lebenszyklus mit disposal. In der Zusammenschau kann festgehalten werden, dass sich alle Phasenmodelle auf ein gemeinsames Grundprinzip zurückführen lassen: Es gibt eine Anfangs-, eine Nutzungs- (diese nimmt den längsten Zeitanteil ein) und eine Endphase. Auch in Bezug auf die Dauer des Lebenszyklus von Immobilien bestehen unterschiedliche Kon-
zepte. Definiert man die Dauer des Lebenszyklus nach dem Prinzip „von der Wiege bis zur Bahre“, so bedeutet das für ein Gebäude eine Lebensdauer entsprechend der physischen Existenz, also von der Herstellung bis zum Rückbau. Das ist die maximale technische Lebensdauer eines Gebäudes. Die technische Lebensdauer wird beeinflusst u. a. durch Nutzungsintensität, baukonstruktive Ausbildung, Ausführungsqualität, Maßnahmen zur Pflege, Wartung und Instandsetzung sowie durch externe Einflüsse wie die Witterungsintensität. Angaben zur Länge der technischen Lebensdauer fanden sich vor der Neufassung von 2006 in Anhang 5 der Wertermittlungsrichtlinien – WertR (▷Wertermittlung). Darin wurden Zeitspannen für die Lebensdauer von Gebäuden nach Nutzungs- und Ausführungsart differenziert: Für Wohn- und Verwaltungsbauten in normaler städtischer Ausführung (massiv oder Fachwerk) werden z. B. 100 Jahre angesetzt, für Hallen- und Industriebauten in einfacher Ausführung (Holz oder gleichwertig) zwischen 50 und 60 Jahre. Die wirtschaftliche Lebensdauer ist kürzer oder gleich der technischen Lebensdauer. Sie wird meist als wirtschaftliche Nutzungsdauer bezeichnet und endet mit dem Zeitpunkt, ab dem eine Fortführung der Nutzung keine positive Rendite mehr erwarten lässt. In dem norwegischen Standard NS 3454 (SN 2000) endet der Lebenszyklus sogar bereits, wenn die ursprüngliche Funktion verändert wird (functional lifetime). Einfluss auf die wirtschaftliche Nutzungsdauer nehmen u. a. die Lage, Ausstattung, Drittverwendungsfähigkeit, Marktentwicklung und die Entwicklung des Mikrostandortes. In Anlage 4 der WertR 2006 zeigt Typ
Ansatz
Wohnhäuser
25 bis 80 Jahre
Geschäfts- und Bürohäuser
30 bis 60 Jahre
Warenhäuser, Einkaufszentren
15 bis 50 Jahre
Hotels und Gaststätten
15 bis 40 Jahre
Landwirtschaftlich genutzte Objekte
15 bis 40 Jahre
Kliniken, Reha-Einrichtungen, Alten- und Pflegeheime
15 bis 40 Jahre
Lagerhallen, Produktionsgebäude
15 bis 40 Jahre
Freizeitimmobilien (z. B. Sportanlagen)
15 bis 30 Jahre
Parkhäuser
15 bis 40 Jahre
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SB- und Fachmärkte, Verbrauchermärkte 10 bis 30 Jahre Tankstellen Lebenszyklusphasen nach GEFMA (Quelle: GEFMA 2004: 6)
10 bis 30 Jahre
Erfahrungssätze für die Nutzungsdauer baulicher Anlagen (BelWertV 2006: Anlage 2 zu § 12 Abs. 2)
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L
die Überschrift einen weiteren Einflussfaktor auf: „Durchschnittliche wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer bei ordnungsgemäßer Instandhaltung (ohne Modernisierung)“. Für Mehrfamilienhäuser zur Miete wird darin mit einer wirtschaftlichen Nutzungsdauer von 60 bis 80 Jahren gerechnet (also mit deutlich weniger als den o. g. 100 Jahren), für Industriegebäude mit 40 bis 60 Jahren. In der Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV 2006) liegen die erwarteten (wirtschaftlichen) Nutzungsdauern noch darunter (siehe Tabelle). Die Summe aller im Laufe des Lebenszyklus anfallenden Kosten bezeichnet man als die Lebenszykluskosten (Life Cycle Costs) der Immobilie. Bezieht man außer den Kosten auch die Erlöse mit ein, dann ergibt die Summe aller Zahlungen (Erlöse minus Kosten) den Lebenszyklus-Erfolg (Life Cycle Economy). Anhand dieser Kostenkennzahlen können Handlungsalternativen ganzheitlich verglichen und dabei eine einseitige Optimierung der Herstellungskosten vermieden werden, die womöglich in der Nutzungsphase zulasten der Folgekosten vorgenommen werden könnte. Mathematisch betrachtet sind die Lebenszykluskosten eine einfache Aufsummierung. Die Schwierigkeit besteht in der sachgerechten Prognose künftiger Kosten. Es bedarf zahlreicher Einzelinformationen, um die kausalen Zusammenhänge zwischen bauphysikalischer und geometrischer Beschaffenheit der Immobilie, technischer Ausstattung, Nutzungs-, Alterungs- bzw. Erneuerungsund Veränderungsprozessen abzubilden. Insbesondere die Daten zur Nutzungsphase sind schwer zu ermitteln – wenn sie nicht aus unternehmenseigenen Immobilien gewonnen werden können. Im Gegensatz zu den breit verfügbaren Baukostenkatalogen sind die öffentlich zugänglichen Kennzahlen zu den Kosten der Nutzungsphase hinsichtlich Detaillierungsgrad, Bezugsgrößen und Normenbezug nicht ohne weiteres verwendbar. Die Prognose muss Annahmen zu Systemgrenzen, Betrachtungszeitraum und zur Dynamik von Veränderungen, z. B. bei Nutzung, Technik, Kosten, Erlösen etc., treffen. Hohen Einfluss auf das Ergebnis der Aufsummierung hat die Integration des Zeitwertes von Geld, der z. B. im Falle einer Kapitalwertermittlung durch den Kalkulationszinssatz ausgedrückt wird. Konzepte für die Optimierung des Lebenszyklus von Immobilien Da Nutzungsmöglichkeiten, Teilbarkeit, Flächeneffizienz, Wartungsaufwand, energetische Qualität,
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€
Einflusspotenzial
Kosten Baufertigstellung
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Möglichkeiten zur Beeinflussung der Lebenszykluskosten im Laufe des Lebenszyklus (eigene Darstellung)
Reinigungsaufwand etc. bereits in der Herstellungsphase einer Immobilie zu wesentlichen Teilen determiniert werden und danach nur noch mit deutlich höherem Aufwand – wenn überhaupt – zu ändern sind, kommt der Konzeptions- und Planungsphase eine besondere Verantwortung für die Optimierung des Lebenszyklus zu. Wie in der Abbildung dargestellt, nimmt das zu Beginn des Lebenszyklus bestehende, maximale Einflusspotenzial während der Bau- und Nutzungsphase exponentiell ab. Nicht dargestellt sind Erneuerungsprozesse (Sanierung, Modernisierung), die mit entsprechenden Nachinvestitionen verbunden sind. Bei wesentlichen Nachinvestitionen kann das Einflusspotenzial einen Niveausprung nach oben machen, wird jedoch nie die Anfangshöhe erreichen, da i. d. R. das Tragwerk nicht grundsätzlich verändert wird. Schon bei Konzeption und Planung sollten also Prinzipien berücksichtigt werden, die zu möglichst niedrigen Lebenszykluskosten bzw. zu einem möglichst hohen und dauerhaften Nutzen oder Lebenszyklus-Erfolg führen können. Beispielsweise ist zu prüfen, wie Flexibilität für künftige Nutzungen erreicht werden kann. Welche Geometrie und welche bauphysikalischen Eigenschaften führen zu einer gesundheitlich zuträglichen und in Bezug auf den Energieverbrauch für Heizung, Kühlung, Lüftung, Beleuchtung etc. vertretbaren Gestaltung der Immobilie? Auch hinsichtlich Umbau oder Rückbau trägt die aus den Phasen Konzeption, Planung und Bau bestehende Herstellungsphase Verantwortung: Konzepte zur Erhöhung der Recyclingquote müssen spätestens in der Planung erarbeitet werden. In der Instandhaltung wird mit optimalen Rhythmen für Wartungs- und Instandsetzungstätigkeiten gearbeitet um die maximale Lebensdauer auszuschöpfen. In technischer Hinsicht lässt sich dieses Prinzip durchaus auf eine gesamte Immobilie übertragen. Wenn alle Oberflächen so instand gehalten werden, dass das Gebäude
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dauerhaft vor dem Eindringen von Feuchtigkeit und Frost geschützt ist, kann die durch die Tragkonstruktion vorgegebene maximale Lebensdauer ausgenutzt werden. So kann der Lebenszyklus eines Fachwerkhauses, in dem weder Stahlbeton noch Kunststoffe konstruktive Verwendung finden, über Jahrhunderte andauern. Aufgrund der Höhe der nötigen Erstinvestition zur Errichtung einer Immobilie ist es prinzipiell Erfolg versprechend, diese Investition so lange als möglich zu nutzen, die technische Lebensdauer also voll auszuschöpfen. Allerdings kann die oben angesprochene wirtschaftliche Nutzungsdauer zu einem anderen Optimum führen. Ohne Würdigung der Marktsituation, der Lage, der Gestaltung hinsichtlich der Nutzbarkeit und bauphysikalischen Qualitäten etc. ist es deshalb nicht möglich, eine optimale Länge des Lebenszyklus von Immobilien zu definieren. Die wirtschaftliche Optimierung des Lebenszyklus von Immobilien kann sich des o. g. Konzeptes der Lebenszykluskosten bzw. des Lebenszyklus-Erfolgs bedienen. Dazu werden verschiedene Handlungsmöglichkeiten auf Basis von Lebenszykluskosten bzw. Lebenszyklus-Erfolg miteinander verglichen: Die niedrigsten zu erwartenden Lebenszykluskosten bzw. der höchste zu erwartende Lebenszyklus-Erfolg zeichnet die optimale Alternative aus. Analog zur optimalen Länge eines Lebenszyklus besteht auch für die wirtschaftliche Optimierung einer Immobilienkonzeption kein Patentrezept. Bekannte Prinzipien wie z. B. hohe Materialqualität oder Energiesparmaßnahmen, die höhere Erstkosten und niedrigere Folgekosten verursachen sollen, müssen für den Einzelfall analysiert werden. Im Einzelfall kann es sogar wirtschaftlich sinnvoll sein, Kosten von der Bau- in die Nutzungsphase zu verschieben, etwa wenn sie in der Nut-
zungsphase besser optimiert werden können oder wenn der Nutzungszyklus kürzer ist als der Lebenszyklus einzelner Bauteile. Die Berechnung der Lebenszykluskosten kann zudem helfen, solche Konzepte zu erkennen, die sowohl höhere Erstinvestitionen als auch hohe Folgekosten bedingen (z. B. überdimensionierte technische Einrichtungen, die in stetiger Unterlast fahrend vergleichsweise hohe Verbräuche verursachen). Auch der in den Lebenszykluskosten-Vergleich einbezogene Zeitwert des Geldes (bzw. die erwartete Verzinsung des eingesetzten Kapitals) kann die Wahl des Optimierungskonzeptes beeinflussen. Ein hoher Zinssatz führt zu einer vergleichsweise hohen Gewichtung von Erstinvestitionen, was ggf. eine Verlagerung von Investitionen in die Nutzungsphase wirtschaftlich sinnvoll erscheinen lässt. Die Abbildung veranschaulicht die relative Vorteilhaftigkeit verschiedener Handlungsalternativen in Abhängigkeit vom Kalkulationszinssatz am Beispiel verschiedener Bodenbelagsarten. Alle in den Vergleich von Lebenszykluskosten bzw. Lebenszyklus-Erfolg einfließenden Daten über zukünftige Ereignisse, Ein- und Auszahlungen sind mit Unsicherheit behaftet. Insbesondere für Energiepreissteigerungen, erreichbare Nutzungsdauern und Mietentwicklungen sollten die Prognose-Unsicherheiten in den wirtschaftlichen Vergleich integriert werden. Beispielsweise kann im Rahmen von Sensitivitätsanalysen oder BestWorst-Case Untersuchungen die Entscheidungsrelevanz der in die Berechnung einfließenden Annahmen geprüft werden. Entscheidungsrelevant sind Annahmen, wenn sich die Vorteilhaftigkeit der Lebenszykluskosten einer Gebäudekonzeption gegenüber den Vergleichsvarianten verändert, z. B. bei Modifikation des Vermietungsgrades oder der angenommenen Energiepreissteigerung. Die wirtschaftliche Optimierung des Lebenszyklus von Immobilien erfordert demnach:
160.000 €
160.000 €
160.000 €
120.000 €
120.000 €
120.000 €
80.000 €
80.000 €
80.000 €
Var A
40.000 €
Var A
40.000 €
Var B
Var C
-€
11
21
31
Statische LZK (0%) Niedrigste LZK:
-€ 1
11
21
31
Jahr
Jahr
C
Var B
Var C
-€ 1
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40.000 €
Var B
Var C
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1
11
21
31
Jahr
dynamische LZK (3,5%) C
dynamische LZK (7%) B
Die Optimierung der Lebenszykluskosten (LZK) hängt von Kalkulationszinssatz ab: Beispiel für drei Varianten der kumulativen Kapitalwertermittlung (eigene Darstellung)
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LEITBILDER
das sorgfältige Zusammentragen aller zahlungsrelevanten Details der Lebenszyklusphasen, die Aufsummierung aller Ein- und Auszahlungen unter Einbeziehung des Zeitwertes von Geld (mittels Kalkulationszinssatz), die Analyse möglicher Handlungsalternativen und das Abschätzen der Auswirkungen von Prognoseunsicherheiten auf die Entscheidungsempfehlung. Schlussfolgerungen
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Auf Basis der Länge des Lebenszyklus von Immobilien und der starken Abhängigkeit der Aufwendungen während der Nutzungsphase von Entscheidungen in der Konzeptions- und Planungsphase kann auf Anforderungen an die Kenntnisse der Akteure geschlossen werden, die in der Herstellungsphase beteiligt werden (Projektentwickler, Planer, Bauunternehmer). Diese sollten die Konsequenzen ihrer Entscheidungen für alle Phasen des Lebenszyklus erkennen und verschiedene Konzepte zur ganzheitlichen Optimierung analysieren können. Dazu ist es hilfreich, alle im Lebenszyklus der Immobilie aktiven Disziplinen in einem fachübergreifenden Lehrkonzept zusammen zu führen. Pelzeter
Literatur Diederichs, C. (2006): Immobilienmanagement im Lebenszyklus. Berlin GEFMA – German Facility Management Association (2004): Richtlinie GEFMA 100-1, Facility Management – Grundlagen. Bonn ISO – International Organization for Standardization (2000): ISO 15686-1:2000, Buildings and constructed assets, Service life planning, Part 1: General principles. Genf Pelzeter, A. (2006): Lebenszykluskosten von Immobilien – Einfluss von Lage, Gestaltung und Umwelt. Köln Rottke, N.; Wernecke, M. (2004): Lebenszyklus von Immobilien. In: Schulte, K.-W. (Hrsg.): Immobilienökonomie Band I – Betriebswirtschaftliche Grundlagen. München. 209-230 SN – Standards Norway (2000): NS 3454:2000, Life cycle costs for building and civil engineering work, Principles and classification. Lysaker Viering, M.; Kochendörfer; B., Liebchen, J. (Hrsg.) (2007): Managementleistungen im Lebenszyklus einer Immobilie. Wiesbaden
LEITBILDER Leitbilder für Städtebau und Stadtentwicklung stellen Projektionen für die städtische Zukunft dar. Im Stadtentwicklungsprozess übernehmen sie zum einen Orientierungsfunktion, zum zweiten
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werden gesellschaftliche Wahrnehmungs-, Denkund Entscheidungsprozesse über sie koordiniert, und sie erzeugen zum dritten Engagement und motivieren zum Handeln – besonders dann, wenn auch kulturelle und emotionale Aspekte angesprochen sind. Leitbilder können unterschiedlichste Gestalt annehmen: als Manifeste und Grundsätze, als Programm- und Leitpläne, als Qualitätsstandards und Verfahren, als gegenständliche oder abstrakte Visualisierungen. Auslöser für die Erarbeitung von Leitbildern sind i. d. R. Krisensymptome, Modernisierungsanforderungen und Zukunftsunsicherheit – z. B. ökologische Krisen, politische Umbrüche, ökonomischer Strukturwandel, demographische, soziale oder kulturelle Veränderungen (▷Demographischer Wandel, ▷Klimawandel). Der Begriff städtebauliches Leitbild, auf dem hier der Schwerpunkt liegt, ist in Deutschland erst nach 1945 kultiviert worden; ein Rückblick zeigt aber, dass ideale Stadtkonzepte als planmäßig strukturierte räumliche Äquivalente für einen spezifischen Gesellschaftsentwurf eine bedeutend längere Tradition haben. Frühe ideale Stadtkonzepte Idealvorstellungen von der Stadt als gesellschaftliches und baulich-räumliches Ordnungssystem sind seit der Antike thematisiert worden. Planund Idealstädte, Stadt- und Sozialutopien wurden als Modelle für eine bessere Zukunft entwickelt; Leitbildcharakter erhielten sie aber nur dann, wenn sie auf Umsetzung angelegt waren. Idealvorstellungen für die Stadt des Mittelalters waren religiös geprägt. Als Idealbild galt das „Himmlische Jerusalem“, wobei weniger die faktische Gestalt der Stadt, vielmehr ihr symbolischer Gehalt die entscheidende Rolle spielte: Jerusalem als biblisch-göttliche Interpretation. Der Umbruch vom Mittelalter zur Renaissance bedeutete den Wandel von der geistlichen zur weltlichen Ordnung und zugleich den vom kosmischen zum perspektivischen Raum. Die Idealstädte der Renaissance materialisierten herrschaftliche Weltwahrnehmung und Geltungsansprüche ihrer Bauherren, beispielsweise das 1462 von Papst Pius II. gegründete Pienza, die erste Idealstadt der Neuzeit, und Sabbioneta, die Idealstadt des Vespasiano Gonzaga, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in der Po-Ebene erbaut wurde. In Deutschland entstanden Freudenstadt (1599), Glückstadt (1616), Friedrichstadt (1619), Saarlouis (1680) und Ludwigsburg (1704). Radikalere sozio-ökonomische Ziele wurden mit den frühsozialistischen Utopien der ersten
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Hälfte des 19. Jahrhunderts verfolgt. Als Reaktionen auf die sich verschärfenden sozialen Gegensätze in den industrialisierten Städten waren sie an dem ehrgeizigen Ziel orientiert, Stadt und Land auf der Basis neugeordneter wirtschaftlicher und sozialer Beziehungen zu reorganisieren. Als Protagonisten agierten erfolgreiche Unternehmer, die eigene finanzielle Mittel zur praktischen Erprobung sozialreformerischer Experimente einsetzen konnten. Der britische Textilfabrikant Owen gründete 1825 die Siedlung „New Harmony“ in Indiana (USA) und der französische Kaufmann Fourier entwickelte 1808 seine Phalanges. In der Umsetzung besonders erfolgreich war der Industrielle Godin mit dem Familistère in Guise (1859). Hatte es sich sowohl bei den Plan- und Idealstädten der Renaissance sowie des Barocks als auch bei den Stadtutopien der Frühsozialisten um Konzeptionen für die Neugründung von Städten gehandelt, so begann mit der Etablierung der Disziplin Städtebau (▷Städtebau/Urban Design) im letzten Quartal des 19. Jahrhunderts die Auseinandersetzung über die Erweiterung und den Umbau bestehender Städte. Im Städtebau ging es jenseits utopischer Entwürfe allerdings erst einmal um die Lösung technischer und hygienischer Herausforderungen, um Gefahrenabwehr und Volksgesundheit, daneben um die künstlerischen Wirkungen des Städtebaus und um Verbesserungen der Lebensbedingungen im Rahmen der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung. Für Innovation und Aufbruchstimmung stehen die Visionen der „Gartenstadt“ (Howard) und der „funktionellen Stadt“ (Le Corbusier). Howards Gartenstadtidee wurde erstmals unter dem Titel „To-morrow: a Peaceful Path to Real Reform“ 1898 veröffentlicht und erschien 1907 unter „Gartenstädte von morgen“ in Deutschland. Realisiert wurden in England die Gartenstädte Letchworth (1903/04) und Welwyn Garden City (1919). In Deutschland entstanden nach Gründung der Deutschen Gartenstadt-Gesellschaft 1902 u. a. die Gartenstädte Hellerau bei Dresden (1907) und Falkenberg bei Berlin (1913). Die „funktionelle Stadt“ von Le Corbusier basierte auf Technikbegeisterung, Dynamik und Fortschrittsgläubigkeit. Beeindruckt von Ideen der italienischen Futuristen und des französischen Architekten Garnier entwarf Le Corbusier streng geometrisch geordnete Städte mit Hochhäusern im Grünen, bei denen Wohnstadt (außen) und Stadt der Arbeit (zentral) räumlich getrennt waren und dem Verkehr Schlüsselfunktionen zugewiesen wurden: die „Ville Contemporaine“ (1922), den „Plan Voisin“ (1925) für Paris und die „Ville Radieuse“ (1930)
für Moskau. Seine Stadtvisionen mündeten später in die Lehrsätze der Charta von Athen (1943), die den europäischen Städtebau weitreichend beeinflusst haben: Der darin angelegte tiefgreifende Bruch mit den historischen Stadtstrukturen begründete den radikalen Neuaufbau von im Krieg nur teilweise zerstörten Städten ebenso wie die Flächensanierung der 1970er Jahre. Städtebauliche Leitbilder nach 1945 Beim Wiederaufbau der kriegszerstörten Städte in Deutschland standen sich Konzepte der historischen Rekonstruktion und der radikalen Neugestaltung nahezu unversöhnlich gegenüber. Der Neuaufbau war geprägt vom Leitbild der „Gegliederten und aufgelockerten Stadt“, das ein zentraler Arbeitsstab unter Leitung von Speer bereits in den frühen vierziger Jahren als Gegenbild und Antithese zum Schreckensbild der gründerzeitlichen Stadt vorbereitet hatte. Die antistädtischen Grundmuster des Nachkriegsstädtebaus waren so schon angelegt: Gliederung in Nachbarschaften, Verringerung der Siedlungsdichte (▷Städtebauliche Dichte), Ausbau der Straßen für den individuellen ▷Verkehr („autogerechte Stadt“). Der Bildwechsel zur „Urbanität durch Dichte“ erfolgte in den 1960er Jahren. Doch die tatsächliche Entwicklung hatte wenig zu tun mit der proklamierten ▷Urbanität. In allen Städten entstanden monostrukturierte auf ▷Wohnen ausgerichtete Großsiedlungen überwiegend mittels industrialisierter Fertigungstechniken. Gleichzeitig begann in den Innenstädten die Flächensanierung. Die Diskussionen der Leitbildfrage waren fachlich bestimmt; zentral ging es um Verständigungsund Selbstvergewisserungsprozesse innerhalb der Architekten- und Planerzunft. In den städtebaulichen Grundauffassungen einer den historischen Stadtgrundriss weitgehend ignorierenden und den Regeln des modernen Städtebaus verpflichteten Neubebauung glichen sich die Leitbilder im Westen und im Osten. Während aber die DDR in den 1950er Jahren auf die von der Sowjetunion inspirierte staatsoffizielle Architekturdoktrin der „Nationalen Bautradition“ setzte, wurde in der Bundesrepublik demonstrativ der Anschluss an die internationale Moderne gesucht, von der sich die DDR strikt abgrenzte. Rigoroser noch als im Westen forcierte die DDR nach der ebenfalls sowjetisch vorgegebenen radikalen Abkehr von der Nationalen Bautradition den massenhaften typisierten und industrialisierten Wohnungs- und Gesellschaftsbau bis in die 1980er Jahre zulasten der innerstädtischen
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Altbauquartiere, die dem Verfall und dem Abriss preisgegeben wurden. Der Wechsel in der westdeutschen Stadterneuerungsphilosophie von der durchgreifenden Flächensanierung zur erhaltenden behutsamen Erneuerung (▷Bestandsentwicklung und Stadterneuerung) in den 1970er Jahren kann als Entscheidung für die europäische Stadtstruktur und gegen die funktionalistische Moderne interpretiert werden. In den 1970er und 1980er Jahren ebbte das Interesse an städtebaulichen Leitbildern ab. Die Städte verzichteten auf große Entwicklungs- und umfassende Planungskonzepte und setzten stattdessen auf kleine Schritte ohne Rahmen gebenden Überbau. Doch nach der politischen Wende (1989) lebte die Leitbilddiskussion wieder auf. Seit Beginn der 1990er-Jahre wurden auf allen Ebenen räumlicher Planung – für den Stadtteil, die Gesamtstadt und die Region – Leitbilder generiert oder neu aufgelegt (▷Informelle Planung). Dieser Bedeutungsgewinn ist als Reflex auf den verstärkten Handlungsdruck zu verstehen, der sich aus ungewohnt komplexen Aufgaben, dem ökonomischen Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft, zunehmender Internationalität, globalen Verflechtungen (▷Globalisierung), Ahnungen von den Grenzen des Wachstums und der Endlichkeit von Ressourcen sowie einem veränderten Verständnis von Planung und Politik ergab. Die Kommunen nutzen seitdem Leitbilder als Instrument zur Klärung grundlegender Entwicklungsperspektiven und zur Positionierung im europäischen Städtesystem. Die Orientierung am übergreifenden Leitbild der „Kompakten und Europäischen Stadt“ spiegelte sich in Westdeutschland bereits ab Mitte der 1970er Jahre in dem Erstarken des Denkmalschutzes sowie den Strategien der erhaltenden Stadterneuerung und setzte sich mit Beginn der 1980er Jahre durch – z. B. in den Programmen der ▷Städtebauförderung sowie den vielerorts erarbeiteten und öffentlich diskutierten Stadtentwicklungskonzepten (▷Strategische Stadtentwicklungskonzepte). Innerhalb des Bezugsrahmens ▷Europäische Stadt werden in vielen Stadtentwicklungs- und Leitkonzepten inhaltliche Positionierungen vorgenommen, z. T. mit Leitzielen auf dem Niveau gesellschaftlicher Grundwerte wie „Ökologische Stadt“ oder „Solidarische Stadt“, teilweise mit Schwerpunktverlagerung auf städtische Funktionen wie „Wissenschafts-“ oder „Gesundheitsstadt“. Die kulturelle Dimension von Leitbildern findet zunehmend Beachtung – nicht nur als „weicher Standortfaktor“ (▷Standortwahl), sondern auch
als Basis für städtische ▷Identität. Bei den meisten Konzepten und Leitlinien werden kulturelle und emotionale Zielkategorien zum Thema gemacht: Dies betrifft Bemühungen um die Wiedergewinnung von stadträumlicher Eigenart, die Identifizierung und Weiterentwicklung vielfältiger städtischer ▷Milieus, die Symbolkraft von Zeichen sowie Prestige, Reputation und Popularität durch Imageaufwertung. Im Unterschied zu den Leitbildern der Aufbauzeit nach dem Zweiten Weltkrieg entfällt seit den 1990er Jahren die Einengung auf die städtebauliche Fachsicht. Außerdem wird der chronologische Ablauf der traditionellen hierarchischen Planungsebenen zugunsten der Gleichzeitigkeit und Wechselwirkung von Konzeptentwicklung, Projektplanung und -umsetzung aufgegeben. Mit dieser strategischen Ausrichtung von Planung ist die Integration aller notwendigen Handlungsfelder und deren Akteure (▷Akteure der Planung) samt ihrer je spezifischen Handlungslogik verbunden, d. h. die Leitbilder richten sich nun an eine breitere städtische Öffentlichkeit (▷Partizipation). In diesem Rahmen haben Moderation (▷Kommunikation und Moderation), Diskurs, ▷Kooperation und Management für Stadtentwicklungsprozesse zentrale Bedeutung erlangt (▷Stadt- und Regionalmanagement). Erfahrungen im Rahmen des Forschungsverbundes „Stadt 2030“ (Laufzeit 2000 bis 2005) bestätigen diesen Trend: Alle für die Weiterbearbeitung ausgewählten und prämierten 21 Projekte des vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung ausgelobten Ideenwettbewerbs, bei dem es um Vorschläge für integrierte Zukunftsvisionen und Leitbilder einer nachhaltigen Stadt- und Regionalentwicklung (▷Nachhaltigkeit) ging, hatten dialogische Verfahren der Zukunftserschließung vorgesehen. Zukunftsbilder und Zukunftsstrategien für den Stadtumbau Seit der Wende ins 21. Jahrhundert und der Konfrontation mit Schrumpfungsprozessen (Leerstand von restaurierten Gebäuden in guter Lage, Brachfallen von großen Arealen und Werteverfall von Immobilien) ist die Eignung des traditionellen europäischen Stadtmodells in Frage gestellt. Vielerorts – vorerst mit Schwerpunkt in den ostdeutschen Städten und Gemeinden – manifestiert sich der Umschlag von Wachstum zur Schrumpfung in beträchtlichen Bevölkerungsverlusten, ein Entwicklungstrend, dem längere Zeit mit Wahrnehmungsbarrieren begegnet wurde. War es Ende
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der 1990er Jahre wohnungs- und stadtpolitisch (▷Stadtpolitik) nahezu unmöglich, offen über Leerstand und Abriss zu reden, so wandelte sich dies deutlich mit dem Bericht der Expertenkommission Wohnungswirtschaftlicher Strukturwandel in den neuen Ländern (2000) und der Auflage des Programms Stadtumbau Ost (2001) (▷Wohnungsmarkt, ▷Stadtumbau). Wachstum und Bevölkerungsabnahme sind in Deutschland ungleich verteilt. Wachsende Städte und Gemeinden liegen v. a. im Westen, doch zeichnen sich auch hier bereits Schrumpfungsregionen ab. Vor diesem Hintergrund wurde 2002 im „Experimentellen Wohnungs- und Städtebau“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen das Forschungsfeld Stadtumbau West gestartet und 2004 in das gleichnamige Programm überführt. Während beim Stadtumbau Ost bisher wohnungswirtschaftliche Korrekturen die städtebaulichen dominieren, werden beim Stadtumbau West auch Effekte des wirtschaftlichen Strukturwandels in den Blick genommen. Besondere Herausforderungen bestehen heute darin, dass sowohl unter Wachstums- als auch unter Schrumpfungsbedingungen Strukturmodelle und Konzepte für den Stadtumbau entwickelt sowie Entwurfs- und Planungsverfahren generiert werden müssen, die einerseits klare Orientierungen für kurz- und mittelfristige (auch temporäre) Lösungen bieten und die andererseits für (noch) diffuse längerfristige Entwicklungsverläufe ausreichend offen bleiben. Als eine der Kernaufgaben kommunaler Planung kristallisiert sich heraus, dafür auf breiter gesellschaftlicher Basis Leitbildprozesse in Gang zu setzen, Strategie- und Konzeptentwicklung (auf gesamtstädtischer wie auch auf teilräumlicher Ebene) sowie deren Fortschreibung zu organisieren und die Realisierung von Schlüsselprojekten zu forcieren. Für den Stadtumbau sind Flächen- und Nutzungsmanagement (▷Flächenmanagement) zu intensivieren sowie Neu-, Um- und ▷Zwischennutzungen zu initiieren. Außerdem geht es darum, mit dem Aufbau von Monitoring- und Evaluierungssystemen (▷Evaluation) die notwendige Wissensbasis zu schaffen sowie die Folgen der (normativen) Leitbildorientierungen abzuschätzen und außerdem durch ein differenziertes sozialräumliches Berichtswesen Transparenz und Öffentlichkeit herzustellen. Leitbilder als Instrument der Stadtentwicklung werden kontrovers beurteilt, was nicht nur mit der Mehrdeutigkeit und Interpretationsbedürftigkeit des Begriffs zu tun hat. Befürworter sehen in der Erarbeitung und Abstimmung von Leitbildern die Chance, sich auf anschauliche und längerfris-
tige Orientierungen für Städtebau und Stadtentwicklung stützen zu können, die durch ihre Veröffentlichung größere Verbindlichkeit erlangen. Gegner argwöhnen das Festhalten an tradierten wachstumsorientierten Handlungsmustern und sind skeptisch gegenüber Steuerungsmöglichkeiten sowie politischer Durchsetzbarkeit von Leitbildern. Ferner kritisieren sie ihre teils konventionellen und teils modischen Inhalte, die häufig die Komplexität der Stadt auf vereinfachende und geschönte Bilder verkürzten. Ein grundsätzliches Dilemma besteht darin, dass Zukunftsvorstellungen durch Fakten und Werturteile der Gegenwart bestimmt sind. Demnach spiegeln sie Sichtweisen und den Wissensstand ihrer Entstehungszeit. Leitbilder müssen deshalb fortgeschrieben und entsprechend veränderten Bedingungen und Wertmaßstäben neu justiert werden (▷Raumvorstellungen). Weil sie hinsichtlich „Richtigkeit“ oder gesellschaftlicher Wahrhaftigkeit nicht absolut beweisbare Positionen darstellen und sich in weiten Bereichen auf Plausibilität, Interpretation, Beobachtung, Prognose und politische Legitimation gründen, brauchen sie als Fundament leistungsfähige Informationssysteme, öffentliche Verständigung, Aufmerksamkeit und mediale Präsentation (▷Zukunftsforschung).
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Funktions- und Bedeutungswandel von Leitbildern Über die Zeitläufte betrachtet lässt sich der Funktions- und Bedeutungswandel von Leitbildern wie folgt charakterisieren: In der Entwicklung von den umsetzungsorientierten Zukunftsentwürfen der Neuzeit über die städtebaulichen Leitbilder der Moderne bis zum heute diskutierten Spektrum an Leitbildern lassen sich Tendenzen der Demokratisierung und der wachsenden Zukunftsoffenheit ausmachen. In den Idealstädten der Renaissance und des Barocks nahm das Welt- und Wunschbild der Mächtigen städtische Gestalt an. Die sozialreformerischen Experimente in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren patriarchalisch geprägt und spiegelten Vorstellungen von einer als besser definierten Zukunft für die Industriegesellschaft. Bei den Kontrastbildern zur bestehenden Stadt des frühen 20. Jahrhunderts dominierte die städtebauliche Fachsicht. Auch die städtebaulichen Leitbilder der ersten Nachkriegsjahrzehnte waren jenseits der mit ihnen verbundenen „Beglückungsabsichten“ autoritär-normativ angelegt. Sie dienten in erster Linie der fachlich-professionel-
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len Vergewisserung. Mit wachsender Politisierung der Planungsprozesse wurden die Verfahren inhaltlich und beteiligungspolitisch geöffnet. Zum Ende des 20. Jahrhunderts gewann zum einen der planungspolitische Diskurs der gesellschaftlichen Akteure an Gewicht, zum anderen wurde die Notwendigkeit integrierter, disziplinenübergreifender Ansätze und Konzepte offensichtlich (▷Interdisziplinarität, Transdisziplinarität). Unbestritten brauchen Städtebau- und Stadtentwicklungsprozesse – auch die zur Steuerung von Schrumpfung – Verständigung über Ziele sowie Strategien und damit über Leitbilder – allerdings nicht im Sinne fertiger Zukunftsentwürfe. Kontinuierlich fortgeschriebene Raumbeobachtungs- und Monitoringsysteme (▷Raum- und Stadtbeobachtung) sind unverzichtbares In-
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strument zur Überprüfung des eingeschlagenen Entwicklungskurses. Die Ungewissheit über die Zukunft erfordert Offenheit beim Nachdenken über Wünschenswertes und Machbares und die Öffnung gegenüber Experimenten. Becker, H.
Literatur Becker, H.; Jessen, J.; Sander , R. (1998) (Hrsg.): Ohne Leitbild? Städtebau in Deutschland und Europa. Stuttgart Becker, H. (1998): Leitbilder. In: Häußermann, H. (Hrsg.): Großstadt. Soziologische Stichworte. Opladen, 123-135 Giseke, U.; Spiegel, E. (2007) (Hrsg.): Stadtlichtungen: Irritationen, Perspektiven, Strategien. Basel, Gütersloh, Berlin Göschel, A. (2007): Zukunft von Stadt und Region, Band V: Strategien und Verfahren für Forschung und Politik. Wiesbaden Jessen, J. (2006): Stadtumbau – Blick zurück nach vorn, Die Bedeutung von Leitbildern bei Neuerungen in der Stadtplanung. In: Deutsche Zeitschrift für Kommunalwissenschaften, 23-43
MACHBARKEITSSTUDIEN IN DER STADT-, STANDORT- UND PROJEKTENTWICKLUNG
MACHBARKEITSSTUDIEN IN DER STADT-, STANDORTUND PROJEKTENTWICKLUNG
Begriffsklärung Der Begriff Machbarkeitsstudie – nach DIN 69905 (DIN 1997) „Projektstudie“ – stammt aus dem ▷Projektmanagement und findet insbesondere in internationalen Normen wie der Norm ProjektManager (PrMr) oder der International Competence Baseline (ICB) Verwendung. Eine Machbarkeitsstudie dient zur Überprüfung der Umsetzbarkeit von Projekten, insbesondere wenn Risiken nicht eingeschätzt werden können, die Risiken minimiert werden sollen (▷Risikomanagement) oder die Erreichbarkeit von Projektzielen fraglich ist. Bedeutung der Machbarkeitsstudie in der Stadt-, Standort- und Projektentwicklung In der Stadt-, Standort- und ▷Projektentwicklung ist die Machbarkeitsstudie ein Instrument des Projektmanagements für die interdisziplinäre und intersystemische Definition der Projektziele (▷Interdisziplinarität, Transdisziplinarität). Die jeweiligen Projektziele der beteiligten Disziplinen und der beteiligten Stakeholder sind in aller Regel nicht identisch. Dadurch entstehen zentrifugale Kräfte, die häufig für den Misserfolg von Projekten ursächlich sind. Die Machbarkeitsstudie hat daher die Aufgabe, die jeweiligen Ziele zu identifizieren und zu dokumentieren, wo Zieldifferenzen bzw. Zielkongruenzen bestehen. Soweit Differenzen bestehen, sind Lösungsansätze zu erarbeiten, wie diese überbrückt oder beseitigt werden können. Die Zielkongruenzen bilden die Plattform der Projektentwicklung. Durch Aufzeigen der Zielkonflikte und Lösungsvorschläge wird die Abwägung zwischen den Belangen der beteiligten Disziplinen und Stakeholder wesentlich erleichtert. Das Verfahren der Projektentwicklung wird so beschleunigt und transparent gestaltet. Eine Machbarkeitsstudie hat im Wesentlichen fünf Funktionen: Analyse, Konzeption, Konsensfindung, Orientierung, Steuerung und Kontrolle.
Zur Analysefunktion einer Machbarkeitsstudie gehört v. a. die Beschreibung des Zustandes, in dem sich das Planungsgebiet vor Entwicklung befindet, sowie der geltenden Rahmenbedingungen. Die Zustandsbeschreibung besteht im Wesentlichen aus der ▷Markt- und Standortanalyse, aus der sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für das Projekt ergeben, der Stakeholderanalyse, mit der die Interessenlage der Stakeholder (Planungshoheit, Grundstückseigentümer, Finanzier und Nutzer) analysiert wird, sowie aus der der Beschreibung der Rahmenbedingungen (städtebaulich, architektonisch, technisch, wirtschaftlich, öffentlich-rechtlich, zivilrechtlich, sozial, ökologisch). Die Konzeption besteht im Wesentlichen aus einer Beschreibung der Ziele in den verschiedenen Bereichen. Um die divergierenden Interessen zwischen den verschiedenen Stakeholdern einerseits und den beteiligten Disziplinen (Stadtplanung, Architektur, Bauingenieurwesen, Ökonomie, öffentliches Recht, Zivilrecht, Stadtsoziologie und Ökologie) zu einem Konsens zu führen, werden die jeweiligen divergierenden Interessen aufgezeigt und Lösungsansätze für einen Konsens formuliert. Im Planungsprozess dient die Machbarkeitsstudie den Stakeholdern und den beteiligten Disziplinen zur ständigen Orientierung auf das Planungsziel. Dabei geht es nicht nur um die eigenen Interessen, sondern auch um die Interessen anderer am Projekt Beteiligter. Die Steuerungs- und Kontrollfunktion besteht darin, dass die Machbarkeitsstudie nicht nur qualitative, sondern auch quantitative Ziele (Kosten, Massen, etc.) vorgibt. Dies ermöglicht einen kybernetischen Planungsprozess, da in jeder Entwicklungsstufe ein SollIst-Vergleich möglich ist, der Gewähr dafür bietet, dass die Planungsziele erreicht werden.
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Die Machbarkeitsstudie in der Projektprogrammstellung In der Projektentwicklung unterscheidet man üblicherweise die vier Phasen Projektprogrammstellung, Projektvorbereitung, Projektdurchführung und Projektnachsorge. Die Machbarkeitsstudie wird in der Phase der Projektprogrammstellung als Steuerungsinstrument für die folgenden Projektphasen erarbeitet. Die Projektprogrammstellung erfolgt für unterschiedliche Bereiche. Die städtebauliche und
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architektonisch-technische Programmstellung definiert die wesentlichen stadtplanerischen, architektonischen und technischen Projektziele. Die wirtschaftliche Programmstellung definiert Kosten- und Ertragsziele (insbesondere Anfangswert, entwicklungsbedingte Kosten und Endwert, wobei der Endwert aus dem Ertragswert der zu entwickelnden Projekte Abgeleitet wird). Die rechtliche Programmstellung definiert die öffentlich-rechtlichen und die privatrechtlichen, ggf. auch die steuerrechtlichen Ziele und formuliert Lösungsansätze und Rahmenbedingungen. Ein Organigramm zeigt die Projektstruktur und die Beziehungen der Projektbeteiligten untereinander. Ein Meilensteinplan definiert, zu welchem Zeitpunkt der Projektentwicklung und mit welchen Beiträgen der Funktionsträger welche Aktivitäten abgeschlossen sein müssen. Die Machbarkeitsstudie bietet keine konkreten Lösungsansätze. Sie ist vielmehr als Beschreibung eines Zielkorridors zu verstehen, der die technischen, architektonischen, städtebaulichen, wirtschaftlichen, öffentlich-rechtlichen, zivilrechtlichen und steuerrechtlichen Rahmenbedingungen definiert, innerhalb derer das Projekt entwickelt werden muss, wenn es zum Erfolg geführt werden soll. Mit der Machbarkeitsstudie werden in der Projektprogrammstellung folgende Ziele verfolgt: Entwicklung einer gemeinsamen Projektvision durch die Identifikation des Projektumfeldes, -zwecks und -ziels, Schaffung von Akzeptanz für die Planung durch Festlegung der Arbeitsinhalte, der Projektorganisation und der Anforderungen an Qualität, Kosten und Termine, Sicherstellung der Arbeitsfähigkeit des Projektteams durch Vereinbarungen über Arbeitsweisen und Kommunikationswege, Ausrichtung des Projektteams auf den Zweck des Projekts und die damit verbundene Vorgehensweise. Die Machbarkeitsstudie soll – bevor eine weitere Konkretisierung des Projektes in Form von Plänen erfolgt – den Projektentwickler und sein interdisziplinäres Team sowie die Stakeholder in die Lage versetzen, die Realisierungsfähigkeit eines Projektes beurteilen zu können, Stärken und Schwächen präziser einschätzen zu können, evtl. das Projekt modifizieren zu können oder sogar vom Projekt Abstand nehmen zu können, wenn es sich als nicht machbar erweist.
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Projektvorbereitung und Projektdurchführung können mit einem Gang durch einen Korridor verglichen werden. Der Korridor bietet die interdisziplinären Leitlinien, die unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Stakeholderinteressen einen laufenden Soll-Ist Vergleich zwischen den Ergebnissen der Teilprojekte und dem Gesamtziel ermöglichen. Die Machbarkeitsstudie stellt für die Projektvorbereitung und -durchführung ein gleiches Zielverständnis der Disziplinen und Stakeholder sicher, erarbeitet anhand von Benchmarks (▷Benchmarking) interdisziplinär ausgewogene Lösungsansätze, legt die Projektorganisation fest und regelt die Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten. Die Machbarkeitsstudie führt die Projektmitarbeiter in einem Dialog zusammen, stellt die Projektressourcen sicher, legt die Projektziele und den Projektinhalt fest, gestaltet und klärt die Randbedingungen, legt und baut die Projektorganisation auf, regelt die Zusammenarbeit, erstellt erste Projektkonzepte und löst den Projektauftrag. Machbarkeitsstudie und Programmstellung als Planung der Planung Untersuchungen haben gezeigt, dass Planungen, die ohne interdisziplinäre Koordination und ohne Konsens der Stakeholder (▷Akteure der Planung) entwickelt werden, ein deutlich höheres Risiko tragen zu scheitern. Findet die Konsensfindung der Disziplinen und der Stakeholder erst im Planungsprozess statt, sind die iterativ erarbeiteten Konsensfindungen regelmäßig von Machtfaktoren bestimmt. Diese Machtfaktoren verändern sich im Planungsprozess, da Politik (Fraktionen), Verwaltung (Fachplanung), Bürger vor Ort (Einfluss auf die Politik), Grundstückseigentümer und Finanziers je nach Entwicklungsstand und Interessenslage unterschiedliche Möglichkeiten haben, ihre Ziele durchzusetzen. Anforderungen an Machbarkeitsstudien Die Machbarkeitsstudie sollte keine theoretischen Abhandlungen ohne Bezug zu konkreten Problemen enthalten. Allerdings sollte die Behandlung konkreter Probleme der jeweiligen Disziplinen erkennen lassen, dass der oder die Entwurfsverfasser über fundierte theoretische Kenntnisse verfügen. Die Machbarkeitsstudie sollte interdisziplinär und systemisch angelegt sein, um einen ausgewogenen Lösungsansatz zu erarbeiten.
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Die Beurteilung einer Machbarkeitsstudie sollte unter zwei Blickwinkeln erfolgen: Beurteilung der fachlichen Beiträge: Jeder Beitrag einer Disziplin muss unter dem jeweiligen fachlichen Blickwinkel beurteilt werden. Dabei werden Relevanz und Umfang der Aussage beurteilt, darüber hinaus aber auch, inwieweit eine Vernetzung mit anderen Disziplinen erfolgte oder ob der Beitrag isoliert für sich steht. Beurteilung des synoptischen Ansatzes: Der ganzheitliche, integrative Ansatz der Machbarkeitsstudie ist zu beurteilen. Als ganzheitlich und integrativ kann ein Ansatz dann bezeichnet werden, wenn erkennbar wird, dass die Interessen der beteiligten Disziplinen und Stakeholder in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen und niemanden ein Primat eingeräumt wurde. Machbarkeitsstudien haben überall dort, wo Projekte bearbeitet werden, als Instrument zur Sicherung des Projekterfolges einen wichtigen Stellenwert. In der Stadt-, Standort- und Projektentwicklung liegt ihre Bedeutung insbesondere in der Harmonisierung der divergierenden Interessen der beteiligten Disziplinen und Stakeholder. Sie dienen dort der Analyse der Rahmenbedingungen, der Definition interdisziplinärer Projektlimits und der Orientierung und Steuerung der Projektbeteiligten in den Phasen der Projektvorbereitung und Projektdurchführung. Die Qualität von Machbarkeitsstudien zeigt sich zum einen in der fachspezifischen Kompetenz der Aussagen, zum anderen in ihrem ganzheitlich-integrativen Ansatz. Kyrein
Literatur Caupin, G. u.a. (Hrsg.) (2006): ICB – IPMA Competence Baseline Version 3.0. Zugriff auf www.projektmagazin.de/glossar/am 25.01.2009 DIN (1997): DIN 69905, Projektabwicklung, Begriffe. Berlin Kyrein, R. (2002): Projektmanagement, Projektentwicklung und -steuerung. Köln Madauss, B. J. (2000): Handbuch Projektmanagement. Stuttgart Schelle, H. (2007): Projekte zum Erfolg führen, Projektmanagement systematisch und kompakt. München
MARKT- UND STANDORTANALYSEN Begriffsbestimmung Der Wert von lokalen Immobilien ist ein genaues Abbild der jeweiligen Sozial- und Wirtschafts-
strukturen – beeinflusst von den geltenden übergeordneten Marktstrukturen (etwa Kapitalmärkten) oder politischen Faktoren (etwa Steuern). Die Veränderung der grundlegenden Strukturen im Zeitverlauf determiniert steigende oder sinkende Mieterträge bzw. Objektwerte (▷Wertermittlung). Diese Wirkmechanismen werden in einer Markt- und Standortanalyse offen gelegt und für die Zukunft abgeschätzt. Der Bauträger, Investor oder Finanzier einer Immobilie bekommt also Hinweise auf Potenziale und Risiken seiner Investition – und im besten Falle auch Hinweise zum Instrumentarium für eine wirtschaftliche Optimierung der Immobilie. Die entscheidenden Qualitätsmerkmale einer Markt- und Standortanalyse sind in diesem Kontext: die Qualität und Verlässlichkeit der Daten, die Fokussierung auf jene Akteure, die der Immobilie dauerhaft einen Wert beimessen und so den Mietertrag garantieren (Zielgruppenfokussierung) sowie die Faktorengewichtung. Gerade der letztgenannte Punkt, also die Kenntnis von jenen Hebeln und Rahmendaten, die für den Interessenten einer Markt- und Standortanalyse – etwa Bauträger, Finanzier, Investor – bedeutend sind, werden in der Praxis oftmals vernachlässigt. Bspw. erweist sich bei Investoren die Größe oder das Transaktionsvolumen eines Marktes als wichtigerer Faktor als das Niveau der ortsüblichen Marktmieten. Dabei wird über letztere in den meisten Analysen relativ umfassend berichtet, über erstere nur dort, wo der Markt relativ transparent ist. Von größter Bedeutung ist darüber hinaus die betrachtete räumliche Ebene. Während Makrostandort-Betrachtungen tendenziell für nachhaltige Investmententscheidungen relevanter sind, ist die Mikrostandort-Betrachtung eher auf Fragen gerichtet, die tendenziell etwas kurzfristiger und einnahmeorientierter sind. Marktzyklen (▷Zyklen in der Immobilienwirtschaft) spielen eine besondere Rolle für den Zeitpunkt von Ankauf und Verkauf von Immobilien. Aufgrund dessen gehören Wirtschaftsstrukturen und -verläufe zu den wesentlichen Faktoren einer Markt- und Standortanalyse. D. h. nicht, dass „Lage, Lage, Lage“ als Kriterium für eine Immobilie an Bedeutung verliert, denn die Lage kann als einziges Investitionsmerkmal nicht nachträglich verändert werden. Aber die Lage ist quasi nur die Konzerthalle; die Musik dagegen spielt die Wirtschaft. Mit dem Slogan „It’s the Economy, Stupid!“ (Die Wirtschaft zählt, Dummchen!) trat die Regierung von Bill Clinton in den frühen 1990er Jahren an,
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um die amerikanische Volkswirtschaft in eine Ära von beispiellosem Wohlstand, haushaltspolitischer Stabilität und internationaler Vormachtstellung zu führen. Aus den Fundamentaldaten sprachen Wachstumspotenziale, die auf Bildung, Technologie und Migration beruhten. Hier begann auch der lange Anstieg der US-amerikanischen Hauspreise, der in den Folgejahren mit unzureichend gesicherten Hypotheken (sog. Subprime-Hypotheken) und deren Verbriefung – also der zumeist intransparenten Weitergabe dieser Schuldpapiere als Anlagepapiere (▷Immobilienfinanzierung) – zu einer Blase auswuchs, von deren Folgen das weltumspannende Finanzsystem sich wohl nicht so schnell wieder erholen kann. Die Immobilien in den betroffenen Volkswirtschaften müssen teils zweistellige Wertverluste über voraussichtlich mehrere Jahre hinnehmen. Aufgrund dessen ging der Konsum in den USA, in Großbritannien, in Spanien und zahlreichen anderen Ländern gleichzeitig so stark zurück, dass eine weltweite Rezession die Volkswirtschaften empfindlich traf. Wie aber ist die Situation für Immobilien – und das entsprechende ▷Risikomanagement – in Deutschland zu bewerten? Was muss in der Basis eines Investments und eines Portfolios gegeben sein, um eine nachhaltige Risikoabsicherung zu erzielen? Eine Markt- und Standortanalyse beweist Ihre Qualität, indem sie drei alles überragende Aspekte anspricht, auf die im Folgenden eingegangen wird: die Position von An- und Verkauf der Immobilie im lokalen Marktzyklus, eine umfassende Analyse regionalwirtschaftlicher Grundzüge und realistische Prognosen auf ökonometrischer bzw. statistischer Basis. Lange Zeitreihen als Positionsbestimmung für Immobilieninvestments Wichtige Bausteine der Marktanalyse sind Indizes, in denen langjährige Reihen die Zyklizität der Märkte widergeben. So können die vier Phasen von beschleunigtem und langsamem Mietanstieg und -rückgang im Städtevergleich dargestellt werden, wie es etwa in der „Immobilienuhr“ von Jones Lang LaSalle der Fall ist (vgl. www.joneslanglasalle.de). Eine weitere Darstellungsmöglichkeit sind Immobilienkonjunkturindizes wie jener von King Sturge (vgl. www.immokonjunktur.de), der unter Umständen als Frühindikator für die Entwicklung von Preisen und Erträgen auf dem deutschen Immobilienmarkt herangezogen werden kann: Die Immobilienkrise, wie sie Ende 2008 wahrgenommen
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Immobilienkonjunktur Januar 2001 bis September 2009 (eigene Darstellung)
wurde, machte sich hier bereits ab Anfang 2007 in einem sinkenden Zyklusverlauf bemerkbar. Zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten belegen einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Gesamtwirtschaft, der Basiszins-Entwicklung und der Entwicklung am Immobilienmarkt. So werden beispielsweise zur Konstruktion des dargestellten quantitativen Frühindikators für den deutschen Immobilienmarkt die Entwicklungen von DAX (Deutscher Aktienindex), DIMAX (Index der börsennotierten deutschen Immobiliengesellschaften) und ifoGeschäftsklimaindex (Index des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung) sowie der Basiszinsen nach Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) und den Zinsen zehnjähriger Bundesanleihen herangezogen. Eine weitere Möglichkeit, die Entwicklung des Immobilienstandortes Deutschland in seiner Gesamtheit – also nicht nur fokussiert auf die Tätigkeit professioneller Immobilienunternehmen – wiederzugeben, besteht darin, die preisliche Entwicklung verschiedener Immobilienarten auszuwerten. So stellt beispielsweise der BulwienGesa Index für einen Querschnitt von neun gängigen Immobilientypen jährlich die Entwicklung von (überwiegend) Neubaupreisen und -mieten dar. Korrekte und detaillierte Marktund Standortanalyse Analyseverfahren, die etwa die Fondsportfolios der Offenen Immobilienfonds auf ihre optimalen Markt- und Standortpositionierungen prüfen, sind die Immobilien-Rating-Verfahren von Unternehmen wie FERI, Scope oder BulwienGesa. Von hoher Relevanz ist hier, dass Risiken und potenzielle Performance von Immobilienportfolios in einem standardisierten Verfahren gemessen werden. Dabei führt der Einbezug von detaillierten und anerkannten Marktdaten sowie (z. B. im Falle des sog. Global Property Portfolio Score- bzw. GPPS-Verfahrens) der Ausblick mit Fünf-Jahres-Prognosen zu aussagekräftigen Ergebnissen.
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Die drei Teilbereiche, aus denen sich beispielsweise das GPPS-Ergebnis zusammensetzt, sind: die aktuelle Position von Standorten und Gebäuden (auf Basis der Mieterträge), das Verhältnis zwischen Rendite und Risiko in einer Fünf-Jahres-Prognose und Aspekte der Fondsstruktur (Risikostreuung, Bewertungspraxis, Strategie). Auf diese Weise lassen sich Markt- und Stanortqualitäten zu einem festen Stichtag quantifiziert miteinander vergleichen und ergeben eine Reihenfolge der einzelnen Immobilienportfolios. Am interessantesten, zugleich aber auch am unsichersten, ist die Beurteilung der Zukunftsperspektive. Mit Hilfe einer DCF-Ermittlung (Discounted Cash Flow, d. h. abgezinste Jahreserträge) wird für diejenigen Portfolios, für die im GPPS-Verfahren detaillierte Mietvertragsdaten zur Verfügung gestellt wurden, der absehbare IRR (Internal Rate of Return, d. h. die Verzinsung vor Steuern zu einem gegebenen Verkaufszeitpunkt) aller Gebäudeflächen modelliert. Gemein ist allen Verfahren dieser Art, dass sie eher qualitative Markt- und Standortanalysen, wie sie in Berichtform etwa für Gremienentscheidungen vorgelegt und benötigt werden, in ein quantitatives Modell überführen. Dadurch wird diese Form von Analysen in Portfolio- und Risikomanagementsystemen einsetzbar, wie sie in Deutschland gesetzlich für Investmentgesellschaften vorgeschrieben sind. Realistische Prognosen für Immobilienmärkte Zentrales Ziel beispielsweise von Prognosen für den Büroimmobilienmarkt ist es, die zukünftige
Marktentwicklung für Büroimmobilien in den wichtigsten Standorten Deutschlands – Berlin, Düsseldorf, Frankfurt/Main, Hamburg, Köln, München und Stuttgart – sowie darüber hinaus in etwas weniger bedeutenden Zentren (sog. B-Städten) entweder über einen Fünf-Jahres- oder einen Zehn-Jahres-Zeitraum zu beschreiben. Dazu ist es zwingend notwendig, aus einer Vielzahl von Faktoren die wesentlichen Einflussgrößen dieser Märkte zu filtern, zu quantifizieren, die Zusammenhänge in ein Modell einzubinden und, basierend auf diesem Annahmengerüst, Aussagen über das zukünftige Verhalten der Marktakteure abzuleiten. Das Ergebnis dieser Vorgehensweise besteht in der Abbildung der Spitzen- und Durchschnittsmieten sowie der Leerstandsquoten auf den innerstädtischen Büroimmobilienmärkten. Großer Wert ist dabei auf die Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse zu legen – Black-Box-Modelle der 1980er Jahre fanden keine Akzeptanz. Insofern werden meist nicht nur Zahlenreihen dargestellt, sondern die Funktionsweise und die Entwicklung der lokalen Märkte durch Begleittexte und Erläuterungen verständlich gemacht. Nur durch eine solche Betrachtungsweise können die Chancen und Risiken eines Marktes objektiv, unabhängig von Eigentümer- und Nutzerinteressen, erfasst werden. Auf der Angebotsseite verfügen alle namhaften Marktteilnehmer mittlerweile über umfangreiche Kenntnisse zu Einzelprojekten, die in den deutschen Großstädten während der nächsten drei Jahre auf den Markt kommen. Der kontinuierlichen Pflege und Verbesserung dieses Datenfundus ist es zu verdanken, dass die Angebotsseite zumindest für den Zeitraum bis 2010 relativ genau eingeschätzt werden kann. Diese Detailanalyse liefert eine der wesentlichen Komponenten
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GPPS Portfolio-Score 2008 Einzel-Scores Objektbasis
Aktuelle Position
5-Jahres-Prognose Rendite Risiko–Verhältnis
Einzel-Score Fondsbasis
Fondsstruktur
Makrostandort
Cash Flow Modellierung
Streuung Mietausläufe
Mikrostandort
Intern. Rate of Return (Basis VW)
Streuung Makrostandorte
Objekt- vs. Marktmiete
Standardabweichung
Streuung Nutzungen
Objekt- vs. Marktleerstand
Monte-Carlo-Simulation mit
Streuung Objektqualität
Objekt- vs. Marktrendite
Miete
Marktfungibilität der Gebäude
Multiplikator
Tendenz Bewertungspraxis Stringenz der Strategie
Multivariate Risikoanalyse von Immobilienportfolien 2008, Untersuchungskomponenten (eigene Darstellung)
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zur Erhöhung der Prognosegüte, da hierbei nicht auf Annahmen oder externe Faktoren zurückgegriffen werden muss. Für die folgenden Jahre der Prognose kann wiederum ein Regressionsmodell Anwendung finden, das auf einer funktionalen Beziehung zwischen den fertig gestellten Flächen und der Miet- bzw. Leerstandssituation basiert. Das Zusammenspiel von Angebot (Neubaufertigstellungen) und Nachfrage (Bürobeschäftigtenveränderung) ergibt den Leerstand. Die Leerstandsquote wiederum ist eine der wichtigsten Variablen zur Bestimmung der Mietveränderung. Dabei sind strukturelle Unterschiede zwischen den einzelnen Märkten unübersehbar und verlangen nach einer individuellen Betrachtungsweise für jeden Standort. Folgende Variablen werden daher explizit prognostiziert: regionales Bürobeschäftigtenwachstum, Neubaufertigstellungen, Büroflächenbestände, Leerstand und Leerstandsrate, Spitzenmiete in der City und Nettoanfangsrendite (in zentraler Lage).
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Mit den drei Komponenten Zyklus, Analyse und Prognose wurden die wichtigsten Bausteine von Markt- und Standortanalysen benannt und deren jeweilige methodische Werkzeuge beschrieben. Die Verbindung zwischen ökonometrischer Forschung und exakten Immobiliendaten innerhalb von Markt- und Standortanalysen ist für das Risikomanagement eine Hauptaufgabe auch für die nächsten – wirtschaftlich eher verhaltenen – Jahre. Schulten
Literatur Beidatsch, K. (2006): Geographic Selection – Auswahl von Zielmärkten im Portfoliomanagement. In: Schriften zur Immobilienökonomie, 37, 5-19 PMA – Property Market Analysis (2008): Präsentationsunterlagen. London, 24.03.2008 Thomas, M. (2005): Quantitatives Immobilien-Portfoliomanagement. In: Schulte, H.-W.; Bone-Winkel, S.; Matthias, T. (Hrsg.): Handbuch Immobilien-Investition. Köln, 531-550 Wernecke, M.; Rottke, N. (Hrsg.) (2006): Praxishandbuch Immobilienzyklen. Köln
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Begriffsbestimmung und Abgrenzung Die ▷Urbanisierung der Erde schreitet voran, die Verstädterung der Weltbevölkerung ist unaufhalt-
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Urbanisierungstrends in regionaler Differenzierung, 1950-2030 (DESA 2004)
sam: UN-HABITAT, das Wohn- und Siedlungsprogramm der Vereinten Nationen, konstatiert für 2007 erstmals ein Übergewicht der städtischen Bevölkerung gegenüber der ländlichen im globalen Maßstab (Tibaijuka 2006) mit akzelerierender Tendenz. Spektakulärste und zugleich am heftigsten diskutierte Schrittmacher dieses Trends sind die Megacities bzw. Megastädte, d. h. städtische Agglomerationen mit mehr als 5 Mio.; seit der Jahrtausendwende mit mehr als 10 Mio. Menschen. Nicht selten identisch mit den World Cities, Global Cities oder Metropoles (▷Metropolen), die gelegentlich durch ihre Einwohnerzahlen, im Regelfall indes mehr durch ihre politischen und/oder wirtschaftlichen Dominanzen im globalen Maßstab herausragen (vgl. dazu Bronger 2004), halten inzwischen neue Terminologien wie z. B. Meta- oder Hypercities (Tibaijuka 2006) Einzug in die internationale Diskussion. Ein Zahlenbeispiel sowie eine Graphik mögen die Dynamik des (Mega-)Urbanisierungsprozesses belegen. Die in beiden Informationen enthaltenen Angaben belegen zugleich den Trend, dass das megastädtische Bevölkerungswachstum sich im Laufe des 20. Jahrhunderts von Europa, Nordamerika und Japan ausgehend immer mehr auf die Länder Lateinamerikas, Afrikas und Asiens verschoben hat. Jährliche Wachstumsprognosen von 6,9 Prozent für die künftige Entwicklung der Städte Asiens (Tibaijuka 2006) sowie die Erwartung von zwei- bis dreihundert neuen Millionenstädten allein in Indien und China (Töpfer 2008:24) lassen die These eines „Urban Millennium“ nicht unrealistisch erscheinen. Wissenschaft, Politik und Wirtschaft stimmen darin überein, dass v. a. in den Ländern der Dritten Welt Megastädte einerseits als immer schwieriger regier- und kontrollierbar gelten und sie andererseits in globalem Maßstab dabei sind, die Rolle von Staaten als Innovations- und Wirtschaftszentren zu verdrängen oder gar abzulösen. Ihre An-
MEGASTÄDTE
1900
1940
1960
1980
2000
2015
London 6.5
Tokyo 12.7
Tokyo 17.9
Tokyo 28.7
Tokyo 33.4
Tokyo 36.2
Tokyo 5.2
New York 11.4
New York 14.1
New York 14.6
Seoul 20.4
Bombay 22.6
New York 4.9
London 8.6
London 8.0
MexicoCity 14.0
Bombay 18.6
Delhi 20.9 MexicoCity 20.6
Paris 4.2
Paris 6.2
Shanghai 7.7
São Paulo 12.4
MexicoCity 17.7
Berlin 2.7
Osaka-Kobe 5.9
Paris 7.6
Osaka-Kobe 11.7
SãoPaulo 17.3
SãoPaulo 20.0
Osaka-Kobe 2.0
Berlin 4.3
Osaka-Kobe 7.4
Seoul 11.7
Jakarta 16.9
NewYork 19.7
Chicago 1.9
Chicago 4.2
BuenosAires 6.7
Bombay 11.1
NewYork 15.9
Dhaka 17.9
Wien 1.7
BuenosAires 4.1
LosAngeles 6.7
Calcutta 10.1
Cairo 14.8
Jakarta 17.5
Calcutta 1.5
Moskau 4.1
Moskau 6.0
BuenosAires 9.8
Manila 14.0
Lagos 17.0
St. Petersburg 1.4
Shanghai 4.0
Calcutta 5.7
LosAngeles 9.4
Calcutta 13.8
Calcutta 16.8
Philadelphia 1.4
Calcutta 3.6
Chicago 5.5
Jakarta 9.1
Delhi 13.8
–
–
Bombay 1.3 St. Petersburg 3.2
MexicoCity 5.5
Paris 8.9
LosAngeles 12.4
–
–
Die größten Städte der Erde 1900 bis 2000 und Entwicklungsprojektion bis 2015 (in Mio. Einwohner) (Zusammenstellung nach Bronger 2004 und UN-Habitat 2004)
Slum-Bevöl- Anteil Slum-Bevöl- Anteil Slum-Bevöl- Anteil Jährliche kerung 1990 Slums kerung 2001 Slums kerung 2005 Slums Wachstumsrate 1990 2001 2005 [in 1.000] [in 1.000] [in 1.000] Welt Gesamt
714.972
31,3 %
912.918
31,2 %
997.767
31,2 %
2,22 %
Entwickelte Regionen
41.750
6,0 %
45.191
10,3 %
46.511
6,0 %
0,72 %
Frühere Sowjetunion Gesamt
18.929
10,3 %
18.714
10,3 %
18.637
10,3 %
-0,10 %
Europäische GUS-Staaten
9.208
6,0 %
8.878
6,0 %
8.761
6,0 %
-0,33 %
Asiatische GUS-Staaten
9.721
30,3 %
9.836
29,4 %
9.879
29,0 %
0,11 %
654.294
46,5 %
849.013
42,7 %
933.376
41,4 %
2,37 %
Entwicklungsregionen
21.719
37,7 %
21.355
28,2 %
21.224
25,4 %
-0,15 %
Sub-Saharisches Afrika
100.973
72,3 %
166.208
71,9 %
199.231
71,8 %
4,53 %
Lateinamerika und Karibik
110.837
35,4 %
127.566
31,9 %
134.257
30,8 %
1,28 %
Ostasien
150.761
41,1 %
193.824
36,4 %
212.368
34,8 %
2,28 %
12.831
25,3 %
15.568
25,4 %
16.702
25,4 %
1,76 %
198.663
63,7 %
253.122
59,0 %
276.432
57,4 %
2,20 %
Südostasien
48.986
36,8 %
56.781
28,0 %
59.913
25,3 %
1,34 %
Westasien
22.006
26,4 %
29.658
25.7 %
33.057
25,5 %
2,71 %
Ozeanien
350
24,5 %
499
24,1 %
568
24,0 %
3,24 %
Nordafrika
Ostasien ohne China Südasien
M
Bevölkerung von Slum-Gebieten jeweils zur Jahresmitte, nach Regionen: 1990, 2001, 2005 und jährliche Wachstumsraten (UN-Habitat 2006:18. Anmerkung: die Prozentangaben Slum messen den Anteil der in Slums lebenden städtischen Bevölkerung. Die Angaben für 2005 sind Vorausschätzungen nach UN-Habitat 2006:8)
teile an der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung liegen vielfach weit über 40 Prozent des gesamtstaatlichen Aufkommens. Sie belaufen sich z. B. in Buenos Aires/Argentinien auf 53, in Santiago de Chile auf 47,4 oder in Lima/Peru auf 43,1 Prozent. Bangkok/Thailand bringt es auf 37,4, die indischen Metropolen insgesamt auf 38,9 Prozent (UN-Habitat 2004). Stadt contra Staat als neue Hierarchie (Ackermann 2006) zeichnet sich somit als Realität dieses Urbanisierungsprozesses ab, wobei die derzeitigen Globalisierungstendenzen der Welt-
wirtschaft Schrittmacher dieser Entwicklung sind (▷Globalisierung). Die städteorientierte Migration einer schnell nachwachsenden Bevölkerung mit dem Horrorszenario eines „Planet of Slums“ (▷Informelle Siedlungen) ist die unausbleiblich scheinende Konsequenz eines solchen Zusammenhangs (siehe Tabelle). Davis verweist allein für Mexico-Stadt auf vier Mio. Slum-Bewohner; die globale Zahl von Slums schätzt er auf über 200.000 (Davis 2006:Kap. 2 und Tab. 6 und 7). Der Weltentwicklungsbericht 2003 der Welt-
319
MEGASTÄDTE Negative Konsequenzen
Positive Konsequenzen
Soziale Dimension
Ungleiche Einkommensverteilung/soziale Disparitäten Räumliche Segregation Slums und marginalisierte Viertel Rechtlosigkeit und Kriminalität Hohe Geburtenraten Verlust an Regierbarkeit
Wirtschaftliche Dimension
Massenarbeitslosigkeit Informelle Wirtschaftsaktivitäten Niedrigstlöhne und Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft Rudimentäre Infrastrukturen Verfall städtischer Bausubstanz Verkehrschaos/Pendlerströme Flächenverbrauch durch Suburbanisierung Luftverschmutzung, Smog Wasserverschmutzung, Abwasserproblematik Müll- und Abfallbeseitigung Probleme toxischer Abfälle Umweltbedingte Gesundheitsprobleme Inanspruchnahme ökologisch labiler Räume (Hänge, Flussbetten, Küsten usw.)
Verbesserte Gesundheitsfürsorge Erhöhte Lebenserwartung Entwicklung und Stärkung zivilrechtlicher Institutionen (▷Zivilgesellschaft) Verstärkte politische Teilnahme Verbesserte Ausbildung Stärkung der Rolle der Frauen Kulturelle Vielfalt und Fortschritt Ausbau der Infrastruktur Gesteigertes Einkommen Wachstum der Produktivität Agglomerationsvorteile Wissenschaftlich-technische Innovationen
Ökologische Dimension
Bessere Ressourcennutzung (pro Kopf und Zeit sowie Raumeinheit) Verringerter Flächenverbrauch (pro Kopf) Effizienz von Raumplanung Schließung von Material- und Energieflusskreisläufen (Recycling etc.)
Das janusköpfige Gesicht der Urbanisierung: nachhaltigkeitsrelevante Aspekte der Megastadt-Entwicklung (eigene Darstellung)
M
bank betont indes in einer Übersicht über Umweltprobleme großstädtischer Ballungsräume das janusköpfige Gesicht der Urbanisierung. Unter Zugrundelegung der von den Vereinten Nationen im Jahre 2000 mit der „United Nations Millennium Declaration“ proklamierten „Millennium Development Goals“, d. h. ihrer sozialen, wirtschaftlichen wie ökologischen Nachhaltigkeitsaspekte (▷Nachhaltige Stadtentwicklung), ergeben sich die in der nachfolgenden Tabelle aufgelisteten Aspekte potenzieller wie realer Vor- und Nachteile der Megastadt-Entwicklung. Aktuelle Megastadtforschung Die hier nur in Auswahl genannten positiven wie negativen Begleiterscheinungen megastädtischer Entwicklungen zeigen die Komplexität entsprechender Forschungsansätze und -bedarfe. Megacity-Forschung ist also ein ungemein breit gefächertes Feld traditioneller Disziplinen. Sie reicht, in Analogie zu den in der vorstehenden Tabelle genannten Themen- und Problemfeldern, von geistes- wie sozialwissenschaftlichen Fragestellungen über naturwissenschaftlich-ökologische Analysen bis hin zu material- und ingenieurwissenschaftlichen Planungsstrategien. Sie betreffen Retrospektiven ebenso wie zukunftsorientierte und problemlösungsrelevante Entwicklungskonzepte und sind damit im besten Sinne eine Herausforderung auch für den Zusammenhang von ▷Raumplanung im internationalen Kontext.
320
Dem komplexen Wesen und Charakter der Megastädte und der in ihnen zusammengeballten Menschenmassen gemäß ist eine auf Problemlösungen ausgerichtete Megastadtforschung heute allerdings trans- bzw. interdisziplinär ausgerichtet. In Megacities prallen mehr als anderswo unterschiedliche Lebensstile, widersprüchliche Wert- und Normvorstellungen, sozioökonomische Differenzierungen und Flächenansprüche konkurrierender Wirtschaftsaktivitäten wie Sozialschichten aufeinander. Konfliktpotenziale sind also vorgezeichnet. Sind sie unvermeidbar? Viel wird davon abhängen, wie für die Urbanisierungsdynamik in Afrika, Asien und Lateinamerika die auf die Städte gemünzten Zielprojektionen der Vereinten Nationen als Teil der „Millennium Development Goals“ (UNHabitat 2006) erfolgreich zu gestalten und zeitlich einzuhalten sind. Dazu zählen u. a.: Extremen Hunger und Armut zu beseitigen; weltweit schulische Grundversorgung zu erreichen; Geschlechtergleichheit und Frauenrechte zu befördern; Kindersterblichkeit zu mildern; Schutz und Gesundheit der Mütter zu verbessern; Krankheiten (HIV/AIDS, u. a.) zu bekämpfen; Ökologische Nachhaltigkeit anzustreben und zu sichern (vgl. UN-Habitat 2006). Tibaijuka (2006:10) prognostiziert: „Wir sitzen auf einer urbanen sozialen Zeitbombe, die bald
MEGASTÄDTE
explodieren wird. Sie besteht aus Ungleichheit, Ausgrenzung, Vorurteilen.“ Und sie betrifft v. a. die sich rasant urbanisierenden Gesellschaften Lateinamerikas, Afrikas und Asiens. Megastädte im Globalen Wandel Als wären die Probleme des v. a. seit dem Zweiten Weltkrieg ablaufenden Prozesses der MegastadtEntwicklung noch nicht gravierend genug: Megacities sind nicht nur Motoren globalen Wandels im sozialen wie wirtschaftlichen Sinne, sondern in zunehmendem Maße auch Verursacher und Betroffene des globalen Klima- und Umweltwandels (▷Klimawandel). Sie fungieren als lokale „hot spots“ (Brennpunkte) mit regionalen wie auch globalen Auswirkungen. Unabhängig von der in vorstehender Tabelle genannten Gegenüberstellung positiver wie negativer Auswirkungen der Megacities auf die sozioökonomische und ökologische Situation der Städte und ihres Umlandes kommen die Effekte des sog. „Global Change“ (durch den Menschen verursachte globale Änderung des Klimas und der Lebensbedingungen) als zusätzliche Bedrohung der großen Bevölkerungsagglomerationen hinzu (siehe Abbildung). Der Temperaturanstieg und die daraus resultierende Zunahme atmosphärischer Aktivitäten und deren Folgen (Stürme, Starkregen, Dürre und Überschwemmungen) stellen ebenso wie der weltweite Anstieg des Meeresspiegels zusätzliche Herausforderungen nicht nur, aber gerade auch an zahlreiche Megastädte. Angesichts der Tatsache, dass etliche Megacities und große Teile der Weltbevölkerung in Küstenbereichen der Weltozeane leben, sind der Tsunami vom 26. Dezember 2004 im Indischen Ozean ebenso wie die nicht abreißende Kette verheerender Hurrikane in den Küstenregionen der Karibik Indikatoren wachsender Bedrohungsszenarien und Herausforderungen an eine nachhaltig-vorausplanende Stadtentwicklungspolitik der Zukunft. Gleiches gilt für urbanisierte Regionen, die durch tektonisch-geologische Verwundbarkeit (Erdbeben und deren Konsequenzen) gefährdet sind (für eine Übersicht mit Fallbeispielen: Heiken/Fakundiny/Sutter 2003). Anders als in ländlichen Räumen oder in klein- bis mittelstädtischen Zentren sind die „crucibles of hazards“ („Schmelztiegel der Gefahren“, Mitchell 1999) – natürliche wie menschengemachte – in den Megacities besonders ausgeprägt wirksam (vgl. auch Pelling 2003, Pelling/Wisner 2008). Klima- und globaler Umweltwandel sind also neben sozioökonomischen Ursachen das zweite,
Natur- und gesellschaftsbedingte Gefahrenpotenziale für Megastadt-Entwicklungen (nach Kraas 2003)
gravierende Gefahren-Szenario, das Megastädte und ihre Bewohner in besonderer Weise betrifft. Umso mehr stellt sich die Frage, ob und wenn ja, welches die Auswirkungen dieser Gefahren auf die megastädtischen Einwohner sind und wie auf solche Bedrohungen zu reagieren ist. Gemäß ihrer Rolle als Brennpunkte globaler Umweltveränderungen liegen die umweltrelevanten Konsequenzen megastädtischer Gefahrenpotenziale v. a. auf lokalen bis regionalen Maßstabsebenen; entscheidender indes sind die potenziellen Auswirkungen auf die vielen hier zusammengeballten Menschen. Die in vorstehender Tabelle genannten Kriterien betreffen v. a. die unteren Schichten einer sozial wie räumlich fragmentierten Stadtbevölkerung. Verwundbarkeit (vulnerability) und Anpassung (adaptation) sind im urbanen Bereich ähnlich ungleich verteilt wie die Potenziale von Gefahrenabwehr unterschiedlicher Ausprägung (coping strategies, mitigation etc.). Verwundbarkeit betrifft v. a. jene Segmente megastädtischer Bevölkerungen, die – nicht nur räumlich – am Rande der Gesellschaft leben: in überschwemmungsgefährdeten Küsten- und Uferbereichen oder in rutschungsgefährdeten Hanglagen an der Peripherie der Agglomerationen. Anpassungsstrategien stehen ihnen, zu einem großen Teil Bewohner von Slums, ebenso wenig zur Verfügung. Fragmentierende Entwicklung in globalem Maßstab (Scholz 2002) findet somit ihre brisante Fokussierung auf engstem Raum in den Megastädten.
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Ausblick Der kurze Überblick über die Megacity-Problematik deutet deren Komplexität an. Trotz ihres schon Jahre zurückliegenden Erscheinungsdatums ist die von Rosenzweig/Solecki (2001) herausgegebene Analyse der Metropolregion New York „Climate Change and a Global City“ wohl immer noch die vorbildlichste Studie zum Zusammenhang von Urbanität und Klima- wie Landschaftswandel. Schon diese Publikation zeigt, dass neben der unabding-
321
METROPOLEN
baren Grundlagenforschung in Zukunft zunehmend eine holistisch-integrative und disziplinübergreifende Zusammenarbeit der Wissenschaften vonnöten ist, wobei der Governance-Thematik (▷Government und Governance) der Agglomerationen entscheidende Bedeutung zukommt. Andererseits sollte nicht verkannt werden, dass sich seit kurzem erkennbar ein Perspektivenwechsel dahingehend andeutet, dass eine „Weltrisikogesellschaft“ (Beck 2007) gerade in Megastädten zur Akzeptanz von Risiken und Gefahren im Rahmen einer neuen „Cityness“ bereit sein muss, um globale Urbanität nicht ad absurdum zu führen. Zu solchen positiven Entwicklungen beizutragen, ist Aufgabe und Ziel großer, der Megastadtforschung gewidmeter Verbundprojekte vor allem deutscher Institutionen der Wissenschaftsförderung. Neben Grundlagenforschung spielen dabei zunehmend problemlösungsorientierte Forschungsansätze eine entscheidende Rolle. Ehlers
Wohlstand im Norden – Naturkatastrophen im Süden. In: Kulke, E.; Popp, H. (Hrsg.): Umgang mit Risiken. Katastrophen – Destabilisierung – Sicherheit. Bayreuth, Berlin, 23-32 UN-Habitat (2006): The State of the World’s Cities 2006/07: The Millennium Development Goals and Urban Sustainability. London UN-Habitat (2004): The State of the World’s Cities 2004/05: Globalization and Urban Culture. London, Sterling VA
METROPOLEN Metropolen sind Referenzorte. Metropolen dienen als Bezugspunkte im Städtesystem unserer Welt, sie haben potenziell Vorbildfunktion. In Metropolen zeigen sich frühzeitig Entwicklungen, die generelle Bedeutung erlangen könnten. Von daher rührt auch die Rede von Metropolen als „Beobachtungsposten“ oder „Laboratorien der Moderne“ (Matejowski 2000). Aufgabe von Metropolenforschung ist es demnach, zu erklären, warum bestimmte Städte zu Metropolen werden bzw. als solche gelten.
Literatur
M
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Ackermann, J. (2006): Stadt contra Staat – eine neue Hierarchie? In: Internationale Politik 61, 11, 30-37 Beck, U. (2007): Weltrisikogesellschaft. Frankfurt/M Bohle, H. G.; Warner, K. (Hrsg.) (2008): Megacities, Resilience and Social Vulnerability. Bonn Bronger, D. (2004): Metropolen, Megastädte, Global Cities. Darmstadt Burdett, R.; Sudjic, D. (Hrsg.) (2008): The Endless City. London Davis, M. (2006): Planet of Slums. London DESA – UN, Department of Economic and Social Affairs (2004): World Urbanization Prospects: the 2003 Revision. Zugriff auf www. un.org/esa/population/publications/wup2003/WUP2003Report.pdf am 29.09.2009 Hall, P. (1988): Cities of Tomorrow, An Intellectual History of Urban Planning and Design in the Twentieth Century. Oxford Hall, P. (1966): The World Cities. London Hall, P.; Pfeiffer, U. (Hrsg.) (2000): Urban Future 21, A Global Agenda for Twenty-First Century Cities. London Heiken, G.; Fakundiny, R.; Sutter, J. (Hrsg.) (2003): Earth Science in the City: A Reader. Washington DC Kraas, F. (2003): Megacities as Global Risk Areas. In: Petermanns Geographische Mitteilungen, 4, 6-15 Kraas F.; Nitzschke, U. (2006): Megastädte als Motoren globalen Wandels. In: Internationale Politik 61, 11, 18-28 Mitchell, J. K. (Hrsg.) (1999): Crucibles of Hazard: Mega-Cities and Disasters in Transition. Tokio Pelling, M. (2003): The Vulnerability of Cities: Natural Disasters and Social Resilience. London Pelling, M.; Wisner, B. (Hrsg.) (2008): Disaster Risk Reduction, Cases from Urban Africa. London, Sterling VA Rosenzweig, C.; Solecki, W.D. (Hrsg.) (2001): Climate Change and a Global City, The Potential consequences of Climate Variability and Change: Metro East Coast. New York Sassen, S. (1996): Metropolen des Weltmarkts: Die neue Rolle der Global Cities. Frankfurt/M Scholz, F. (2002): Die Theorie der „fragmentierenden Entwicklung“. In: Geographische Rundschau 54, 10, 6-11 Suzuki, H. u. a. (2009): Eco2Cities: Ecological Cities as Economic Cities. Washington DC Tibaijuka, A. (2006): Schwierige neue Welt. In: Internationale Politik 61, 11, 9-15 Töpfer, K. (2008): Die ökologische Aggression, Subventionierter
Begriff, Geschichte, Abgrenzung Der Begriff Metropole drückt ein Verhältnis aus, in welchem andere Orte sich auf eine Stadt – die Metropole – beziehen. Im antiken Griechenland bezeichnete Metropole (μητρόπολις) die Ursprungs- oder Mutterstadt für Koloniegründungen. Die Bedeutung von Haupt- und Weltstadt ist auch im Griechischen bereits präsent. Athen, Korinth und Syrakus sind Beispiele für solche Metropolen. In der Spätantike wurde die Bezeichnung Metropolis für römische Provinzhauptstädte im Osten benutzt und gewann alsbald klerikale Bedeutung als Zusammenschluss mehrerer Bistümer unter der Leitung eines Oberbischofs, des Metropoliten. Im Zusammenhang mit dem europäischen Kolonialismus stand Metropole für ein Verhältnis kolonialer Abhängigkeit: Metropole – genauer metropole (England), métropole (Frankreich), metrópole (Portugal) – bezeichnete das europäische Mutterland einer Koloniegründung, wobei die englische Bezeichnung auch auf London als Hauptstadt übertragen wurde. Der Begriff Metropole wird heute oft synonym mit Großstadt, Weltstadt oder Global City gebraucht. Das deutsche Pendant zu Metropole, Mutterstadt, ist ein historischer Fachbegriff und bezieht sich nicht auf Metropolen sondern auf Ansiedlungen von Kaufleuten an Fürstenpfalzen und Kirchenburgen im Hochmittelalter. Hingegen könnte man Städte wie Lübeck oder Magdeburg als Metropolen des Hochmittelalters bezeichnen,
METROPOLEN
denn sie hatten überragende Bedeutung in der städtischen Rechtssetzung. Das Lübische Recht wurde von über 100 Städten im Ostseeraum übernommen, das Magdeburger Recht wurde schlechthin zum Inbegriff von modernem Stadtrecht in Osteuropa. Im 20. Jahrhundert hat der Begriff der Metropole Eingang in öffentliche Planung gefunden, um auf neue Weise Verflechtungsräume zu kennzeichnen. Die US-amerikanischen „metropolitan statistical areas“ bezeichnen nach Einwohnerzahl bestimmte Agglomerationen. Die französischen „metropoles d‘equilibre“ waren als Gegengewichte zur dominanten Hauptstadtregion Paris gedacht; dies entsprach einem Planungskonzept der 1960er Jahre, das heute als gescheitert gilt. Daneben finden sich gewisse Konkurrenzbegriffe zu Metropole: Megalopolis, die griechische Bezeichnung für Großstadt, wird für sehr große städtisch geprägte Agglomerationen verwendet. Musterbeispiel der Megalopolis ist „BosWash“, das über 750 km lange Städteband von Boston über New York, Philadelphia, Baltimore bis Washington, D.C., mit etwa 40 Mio. Einwohnern. Neueren Ursprungs ist der Begriff der ▷Megastädte, der sich auf Städte mit über 5 oder 10 Mio. Menschen bezieht und v. a. im Zusammenhang mit dem Phänomen der schnell wachsenden Riesenstädte in Entwicklungsländern gebraucht wird.
Städte stellen generell Verdichtungskerne dar. ▷Dichte prägt das Bild von Stadt (▷Städtebauliche Dichte). Von daher scheint die Festlegung einer Mindestdichte sinnvoll. Eine Stadt wie das chinesische Chongqing scheidet somit als Metropole aus: Chongqing ist nach eigenem Dafürhalten die größte Stadt der Welt, sie ist zweimal so groß wie die Niederlande und weist in etwa dieselbe Dichte auf. Das Kriterium der Monozentralität schließt wiederum polyzentrische Stadtagglomerationen wie das Ruhrgebiet als Metropole aus. Dies ist in der Forschung nicht unumstritten, denn viele heutige Metropolen sind aus dem Zusammenschluss mehrerer Kerne entstanden. Insofern lässt sich die polyzentrische Struktur auch als Übergangsform verstehen. Brongers stadtgeographische Definition ist den heutigen Bedingungen geschuldet und historisch relativ. Für die Betrachtung heutiger Metropolen ist es aufschlussreich zu verfolgen, wann die Bevölkerungszahl einer Stadt zum ersten Mal die Millionengrenze übertraf. So ist Mumbai bereits seit etwa 1910 Millionenstadt, während in Lagos erst seit den 1960er Jahren diese Zahl erreicht hat. Die Bevölkerungszahl wächst in Lagos jedoch deutlich rascher als in Mumbai. Damit sind auch die Folgeprobleme, etwa für die Infrastruktur, gravierender und hindern eine ▷nachhaltige Stadtentwicklung. Weltstadtforschung
Stadtgeographische Fassung Aus stadtgeographischer Sicht kommt das besondere Verhältnis, in welchem eine Metropole zu anderen Städten steht, durch ihre Zentralität bzw. relative Dominanz zum Ausdruck. Eine Metropole ist ein zentraler Ort mit nationaler Bedeutung. Bronger (2004) hat in diesem Zusammenhang eine Reihe von messbaren Größen eingeführt. Er charakterisiert Metropolen durch deren funktionale Primacy: die Metropole dominiert wesentlich die wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Prozesse eines Landes. Dies ist klassischerweise der Fall für Paris und London. Entsprechend bezeichnet Metropolisierung den Konzentrationsprozess von Funktionen und Bevölkerung in einer einzelnen Stadt(region) eines Landes. Dieser Prozess lässt sich auch in den asiatischen und lateinamerikanischen Megacities wie Seoul/Südkorea, Jakarta/ Indonesien oder Mexiko-Stadt beobachten. Bronger hat drei Messkriterien für Metropolen eingeführt. Demnach definiert sich eine Metropole durch: (1) eine Mindestgröße von 1 Mio. Einwohner, (2) eine Mindestdichte von 2.000 Einwohnern pro qkm und (3) eine monozentrische Struktur.
Metropolen werden häufig mit Global Cities oder Weltstädten gleichgesetzt. Der Weltstadtforschung kommt heute eine besondere Bedeutung zu. Sie verbindet sich mit Namen wie Friedmann, Sassen oder Taylor. Es ist Brongers Verdienst, darauf hingewiesen zu haben, dass in Deutschland die Weltstadtforschung bereits in den 1930er Jahren mit dem Aufschwung Berlins und der Forschung von Olbricht begann. Die wichtigste Prämisse der gegenwärtigen Weltstadtforschung ist die ▷Globalisierung von Wirtschaft und Informationsflüssen. Weltstädte sind die modernen Umschlagshäfen der Globalisierung. Friedmann (1995) fasste dies in fünf Grundsätze der Weltstadtforschung: (1) Weltstädte sind Zentren von Strömen und Strömungen aller Art: Waren, Kapital, Personen, Informationen etc. (2) Im Netzwerk der Weltstädte konzentriert sich die globale Akkumulation von Kapital. (3) Weltstädte definieren sich durch konzentrierte Austauschprozesse und weniger durch Stadtgrenzen oder andere politisch-administrative Festsetzungen. (4) Es gibt eine Hierarchie der Weltstädte, an deren Spitze derzeit New York, Tokio und Lon-
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323
METROPOLEN
don stehen. (5) Die dominante Kultur von Weltstädten ist kosmopolitisch und transnational. Sassen hat dem Begriff der Global City seine heute maßgebliche Prägung (Sassen 1991) als die Kommandozentralen der globalisierten Wirtschaft verliehen. Global Cities richten sich auch stadträumlich und baulich auf die Präsenz von globalisierten Funktionen und die Standortanforderungen von transnationalen Firmen aus. Damit geht eine spezifische soziale Polarisierung einher: Neben den ortsungebundenen „Professionals“ etwa aus dem Finanzsektor gibt es ein Heer schlecht bezahlter kleiner Dienstleister. Taylor und die Globalization and World Cities Group untersuchen den Verknüpfungsgrad – Konnektivität – der Weltstädte und ziehen daraus Rückschlüsse auf die Konzentration von Funktionen (etwa im Finanzsektor) und die hierarchische Stellung der einzelnen Weltstädte. Auch die deutsche Forschung zu ▷Metropolregionen orientiert sich inzwischen sehr stark an den Funktionsdefinitionen der Weltstadtforschung. Theoriekreise der Metropolenforschung
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324
Die Weltstadtforschung, wie sie Friedmann definiert hat, ist ein Ansatz zur Metropolenforschung. Grundsätzlich lasen sich drei Theoriekreise unterscheiden: 1) Endogenes Wachstum: Weltstädte profitieren von historisch bedingten, akkumulierten Standortvorteilen. Von einer gewissen Größe an ermöglichen die Vielzahl und Vielfältigkeit der städtischen Ressourcen einen andauernden relativen Entwicklungsvorsprung. Eine Großzahl der heutigen Metropolen, einschließlich New York, London und Tokio, sind z. B. Hafenstädte. So profitierte London nachhaltig von seiner Funktion als Hafen und Hauptstadt eines wirtschaftlich aktiven Weltreiches. Das Gros der geographischen Weltstadt- bzw. Metropolenforschung beruht auf dem Erklärungsmuster des endogenen Wachstums. 2) Machtpole: Nach einer anderen Lesart ziehen Metropolen ihre Position aus ihrer Macht, genauer: einem gewissen Machtmissbrauch. Hier kommt die Bedeutung von Metropole als koloniales Mutterland wieder ins Spiel. Diese Machtausübung von Metropolen erfolgt über die Nationalstaaten bzw. über das Wirken globaler Konzerne, die ihren Ursprung und Hauptsitz in der betreffenden Metropole haben. Auf dieser konzeptionellen Basis beruht z. B. die Dependenztheorie (z. B. Frank, Prebisch, Bornschier), die in den lateinameri-
kanischen Ländern der 1960er Jahre politischpraktische Relevanz gewann. Einem ähnlichen Erklärungsmuster folgen auch die Regulationstheorie (Lipietz) und – mit Einschränkungen – das Konzept der postmodernen Stadt (Soja). Nach dieser Lesart beruht die Bedeutung der Metropole London nicht zuletzt auf ihrer kolonialen Geschichte: Londons globale Funktion als Finanzzentrum und Luftverkehrsknotenpunkt sind ohne die koloniale Machtakkumulation nicht denkbar. 3) Zivilisationsproduktion: Die moderne – westliche – Kultur und Wirtschaft sind ein Phänomen der Städte. Städtische Kultur und Wirtschaft bieten v. a. Organisations- und Integrationsformen des Zusammenlebens, welche die Verstädterung weiter vorantreiben. Metropolen sind in diesem Sinne hochproduktiv und Vorbild für andere Städte. Städte sind „Wohlstandsmaschinen“, ihnen kommt wesentlich Symbolfunktion zu: Metropolen stehen für immer wieder neue, moderne Formen von menschlichem Zusammenleben. Während sich aus den ersten beiden Theorieansätzen nicht unbedingt ergibt, dass eine Metropole eine Großstadt sein muss, so setzt die Zivilisationsproduktion notwendig Komplexität und Verdichtung von Austauschprozessen voraus: Der Umgang mit Komplexität erfordert immer wieder neue institutionelle Arrangements; durch die Vielzahl nicht geplanter Interaktionen ergibt sich ein kreatives Moment in Metropolen (▷Kreative Städte). In dieser Weise hat Simmel (1903) Großstadt beschrieben. Einem ähnlichen Argumentationsmuster folgt UN-Habitat. Diese drei Theoriekreise der Metropolenforschung definieren Erklärungsansätze, die sich gegenseitig nicht völlig ausschließen. Entscheidend ist der Erklärungskern: Beruht die heutige Bedeutung Londons wesentlich auf einem spezifischen, gewachsenen, nachhaltigen Entwicklungsvorsprung oder auf ihrer kolonialhistorisch bedingten Machtposition? Oder hat es London zur Jahrtausendwende geschafft, sich als Referenzpunkt für Kulturproduktion neu zu erschaffen? Die unterschiedlichen Theorieansätze geben nicht nur unterschiedliche Antworten, sondern führen zu ▷Stadtpolitiken (Governance; ▷Government und Governance) mit unterschiedlichen Schwerpunkten hinsichtlich z. B. ▷kommunaler Wirtschaftsförderung, Stadtentwicklung oder Imagebildung. Metropolen sind Referenzorte. Sie dienen als Bezugspunkte im Städtesystem unserer Welt, sie haben potenziell Vorbildfunktion. In ihnen zeigen
METROPOLREGIONEN
sich frühzeitig Entwicklungen, die generelle Bedeutung erlangen könnten. Von daher rührt auch die Rede von Metropolen als „Beobachtungsposten“ oder „Laboratorien der Moderne“ (Matejowski 2000). Aufgabe von Metropolenforschung ist es demnach, zu erklären, warum bestimmte Städte zu Metropolen werden bzw. als solche gelten. Mieg
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METROPOLREGIONEN Der Begriff Metropolregion ist wie seine beiden Bestandteile nicht eindeutig definiert: ▷Metropole stammt vom griechischen „metropolis“, der Mutterstadt (einer Kolonie). Heute versteht man darunter eine bedeutende Großstadt, i. d. R. eine Weltstadt, wobei die Vorstellungen von einer dafür notwendigen Mindestgröße und Bedeutung stark schwanken. Der Begriff Region von lateinisch „regio“ (Gegend, Bereich, Gebiet) bezeichnet einen zusammenhängenden Teilraum in einem größeren Gesamtraum und wird verwendet, wenn ein Raum – meist außerhalb der administrativen Hierarchie – benannt bzw. abgegrenzt werden soll, der zwischen kommunaler und staatlicher Ebene angesiedelt ist. Der Begriff Metropolregion taucht zuerst als „terminus technicus“ in den USA auf, wo in den 1930er Jahren zu statistischen Zwecken „metropolitan areas/regions“ abgegrenzt wurden, um die wachsenden suburbanen Verflechtungsräume großer Städte zu erfassen. Dieser Verwendungszweck bedingt eine im Zeitverlauf veränderliche, sich meist ausdehnende räumliche Abgrenzung. Solche Gebiete wurden in Deutschland lange Zeit als Verdichtungs-, Agglomerations- oder Ballungsräume bezeichnet. Für die erstgenannte Kategorie gibt es in der Raumordnung von Bund und Ländern (▷Bundesraumordnung, ▷Raumordnung
und Landesplanung) eine durch Kriterien wie Zentrengröße, Bevölkerungs- und Siedlungsdichte definierte „amtliche“ Abgrenzung. Seit 2007 wird vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung auch eine Abgrenzung von (Groß-)Stadtregionen verwendet, die sich auf Einwohnerzahl und Pendlerverflechtungen stützt. Ähnliche Gebietsabgrenzungen zu statistischen und analytischen Zwecken gibt es in vielen europäischen und den meisten Industrieländern. Entstehung des raumordnungspolitischen Konzepts der Metropolregionen Im deutschen und europäischen Raumplanungskontext hatte der Begriff Metropolregion von Anfang an eine strategische, auf Entwicklungs- und Wachstumspolitik verweisende Bedeutung. Er taucht Mitte der 1990er Jahre etwa gleichzeitig im Raumordnungspolitischen Orientierungsund Handlungsrahmen der Bundesraumordnung und in den ersten Überlegungen zu einem Europäischen Raumentwicklungskonzept (EUREK, ▷Europäische Raumentwicklungspolitik) auf. Im Europäischen Raumentwicklungskonzept (Europäische Kommission 1999) ist in den politischen Optionen von der Stärkung eines polyzentrischen Systems von Metropolregionen, Stadtgruppen und Städtenetzen sowie vom Ausbau der strategischen Rolle der Metropolregionen und „Gateway-Städte“ die Rede. Gefordert wird auch eine großräumige Arbeitsteilung zwischen Stadt- bzw. Metropolregionen und ländlichen Regionen (▷Ländliche Räume) im Sinne eines partnerschaftlichen Ansatzes. Der zeitlich im Vorlauf entstandene Raumordnungspolitische Orientierungsrahmen (1993) spricht zwar nicht explizit von Metropolregionen, fordert aber, die wirtschaftsstarken Regionen und Zentren in Zeiten eines zunehmenden internationalen Wettbewerbs und wachsender Standortkonkurrenzen als „räumliche Leistungsträger“ in ihrer Funktionsfähigkeit zu sichern und weiterzuentwickeln. Erstmals werden in der deutschen Raumordnungspolitik aus den etwa 100 durch die Landesplanung festgelegten Oberzentren elf „Agglomerationen mit internationaler bzw. großräumiger Ausstrahlung“ hervorgehoben. Die größeren Stadtregionen des Bundesgebietes, d. h. die größten Verdichtungsräume mit ihren Verflechtungsbereichen, werden im Leitbild „Siedlungsstruktur“ des Orientierungsrahmens als regionale Wachstumsmotoren für die räumliche Entwicklung des Bundesgebietes insgesamt bezeichnet (BMBau 1993). Als eigentliche Geburtsstunde des raumord-
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nungspolitischen Konzepts der Metropolregionen kann der Beschluss der Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) zum Raumordnungspolitischen Handlungsrahmen (1995) verstanden werden. Der Handlungsrahmen sollte den Orientierungsrahmen in einem mittelfristigen Arbeitsund Aktionsprogramm konkretisieren. Als einen von zehn Schwerpunkten hebt das Dokument die Bedeutung europäischer Metropolregionen für die Raumentwicklung in Deutschland und Europa hervor (BMBau 1995:27f). Die MKRO sieht in den europäischen Metropolregionen räumliche und funktionale Standorte, deren herausragende Funktionen im internationalen Maßstab über die nationalen Grenzen hinweg ausstrahlen. Als Motoren der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung sollen sie die Leistungs- und Konkurrenzfähigkeit Deutschlands und Europas erhalten und dazu beitragen, den europäischen Integrationsprozess zu beschleunigen. Die MKRO betont, dass die notwendige Sicherung der ökonomischen Leistungsfähigkeit eine regionale Zuordnung herausgehobener internationaler Raumfunktionen auf Standorte von besonderer europäischer Bedeutung – mithin die Ausweisung von Metropolregionen – erfordert. An Stelle eines ungezügelten Standortwettbewerbs sei eine Raumentwicklung anzustreben, die Entwicklungspotentiale von internationaler Bedeutung auf hierfür besonders geeignete Schwerpunkträume konzentriert. Diese räumliche Schwerpunktsetzung soll gleichzeitig ein Beitrag zur Sicherung eines polyzentrisch organisierten Systems von Stadtregionen auf nationaler und europäischer Ebene sein. Eine besondere raumentwicklungspolitische Bedeutung sollen die europäischen Metropolregionen durch ihre dauerhafte und integrierende Ausstrahlung auf die Entwicklung der sie umgebenden und benachbarten Regionen erlangen. Während der Gedanke der räumlichen Schwerpunktsetzung und der Bündelung von Entwicklungspotentialen die weitere Diskussion über das Konzept der europäischen Metropolregionen dominierte, geriet der damit verbundene Ansatz einer Sicherung und Stärkung des polyzentralen Systems der bedeutenderen Stadtregionen in Deutschland schnell in Vergessenheit, obwohl von den Urhebern gerade dieses Motiv im Sinne eines „dezentral-föderalen Konzepts“ in einer begleitenden Veröffentlichung herausgestellt wurde (Michel 1998). Auch der Anspruch, dass Metropolregionen eine integrierende Ausstrahlung auf ihr weiteres räumliches Umfeld entfalten sollen,
spielte später gegenüber dem Wachstums- und Wettbewerbsziel eine eher untergeordnete Rolle. Der Raumordnungspolitische Handlungsrahmen ist im Folgenden Ausgangspunkt für ▷Modellvorhaben der Raumordnung, mit denen die Handlungsschwerpunkte beispielhaft umgesetzt werden sollen. Im Rahmen des Modellvorhabens „Regionen der Zukunft“ wird ein Netzwerk der Metropolregionen initiiert und als ein Projekt für das Coaching von Modellregionen aufgelegt. Daraus geht der Initiativkreis Europäische Metropolregionen in Deutschland (IKM) hervor, der zunächst als Modellprojekt aus Bundesmitteln unterstützt wird, sich im Laufe der Zeit aber als eigenständige und selbstfinanzierte Interessenvertretung etabliert. Der Initiativkreis entwickelt eine gemeinsame Strategie (IKM 2003) der raumentwicklungspolitischen Positionierung und des Marketings und wirbt dafür auf deutscher und europäischer Ebene. Der Initiativkreis trägt wesentlich dazu bei, dass das Konzept der Metropolregionen weiterentwickelt wird und in das Bewusstsein der Fachöffentlichkeit und der Politik dringt. Gleichzeitig wächst die Attraktivität der „Marke“ „Europäische Metropolregion“. Dies führt mit dazu, dass über die von der MKRO zunächst benannten sieben Agglomerationsräume (Hamburg, Berlin, Rhein-Ruhr, Halle/Leipzig-Sachsendreieck, Rhein-Main, Stuttgart, München) hinaus weitere Stadtregionen (Hannover, Nürnberg, Rhein-Neckar und Bremen) einen Beitritt zum Initiativkreis anstreben und sich in einer Art Wettbewerb um eine Anerkennung durch die MKRO bemühen. Dabei geht es zum einen um die Erfüllung objektiver Kriterien, gleichzeitig aber auch um die Notwendigkeit, innerhalb der Stadtregion einen Prozess der Selbstorganisation mit dem Ziel der Etablierung einer Metropolregion als Plattform bzw. Instrument von Regional Governance (▷Government und Governance) auszulösen. Damit beginnt eine Phase der Überprüfung und Objektivierung des raumordnungspolitischen Konzepts der Metropolregionen. Metropolregionen aus analytischer Sicht Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Rolle und Bedeutung von Städten in ihrem jeweiligen regionalen, nationalen oder internationalen Kontext hat eine lange Tradition (▷Urbanisierung). Es ging und geht dabei meist um die Erklärung bestehender Hierarchien im Zentrensystem und um Rangreihungen nach Kriterien von Größe und Einflussgebiet, wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, Rolle als Knotenpunkt im Verkehrssystem, kultureller und politischer
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Bedeutung. Der europäische Integrationsprozess und die ▷Globalisierung haben dieser eher akademischen Diskussion einen neuen räumlichen Bezugsrahmen und eine aktuelle politische Dimension verliehen. Mit dem Binnenmarktprojekt Anfang der 1990er Jahre und spätestens mit dem Erweiterungsprozess der EU stellte sich für viele Städte und Regionen die Frage nach ihrer künftigen Wettbewerbsfähigkeit in erweiterten Märkten, nach ihrem Platz auf der neuen europäischen Landkarte. Gleichzeitig wurden „global cities“ thematisiert (Sassen 2001), gefolgt von einer Diskussion über die Standortpräferenzen der Wissens- und Informationsgesellschaft bzw. der sogenannten kreativen Klasse (Florida 2002). Diese Erweiterung der Perspektive wurde von einer schrittweisen Ausdehnung der betrachteten räumlichen Objekte und von einer Neuinterpretation ihrer Funktionen begleitet. Anstatt einzelner Städte wurden jetzt vermehrt Stadtregionen Gegenstand von Analysen und Rankings, aber auch von Strategie-, Organisations- und Reformvorschlägen. Nicht nur der anhaltende Suburbanisierungsprozess hatte die Verflechtungsräume der Städte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch einmal erheblich vergrößert. Die Hierarchie der Städte und Regionen hatte sich verändert und in gewisser Weise zugespitzt. Einige Stadtregionen wie z. B. Barcelona, Stuttgart oder Kopenhagen waren dabei, in eine neue europäische oder globale Liga aufzusteigen, wobei die Ausdehnung ihrer wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Funktionen von Metropolen Entscheidungs- und Kontrollfunktion Privatwirtschaft
Staat sonstige Organisationen
Einflussbereiche sowohl Voraussetzung als auch Resultat ihres Aufstiegs war. Es war nur eine Frage der Zeit, bis diese Entwicklung Gegenstand von wissenschaftlichen Analysen und politischen Strategiedebatten wurde. Die Entgrenzung der Kapital-, Waren- und Dienstleitungsmärkte im europäischen und globalen Maßstab hat eine Verschärfung des Standortwettbewerbs, eine verstärkte Arbeitsteilung, aber auch wachsende Verflechtungen zwischen Städten und Regionen zur Folge. Das damit verbundene Wachstum der Verkehrsströme ist unübersehbar. Wachstumschancen werden räumlich neu verteilt. Bildung, Wissen, Technologie und Innovationsfähigkeit sind dabei für Länder mit hohem Lebensstandard und hohen Arbeitskosten die entscheidenden Produktions- und Standortfaktoren. Es findet eine „Metropolisierung“ statt: Entscheidungs- und Kontrollfunktionen der Wirtschaft, Wissensproduktion und Innovation, hochwertige Verkehrsanbindungen und Knotenfunktionen (Gateways), aber auch kulturelle Einrichtungen und Ereignisse konzentrieren sich europaweit in den wichtigsten großstädtischen Ballungsräumen. Diese erweitern gleichzeitig ihre wirtschaftlichen und politischen Einflussbereiche ebenso wie ihre funktionalen Verflechtungen. Diese „Metropolisierung“ des Städtesystems ist nicht Folge einer darauf gerichteten Raumentwicklungsstrategie, sondern das Ergebnis wirtschaftlicher Konzentrationsprozesse mit veränderten Strategien, Standortpräferenzen und Produktionsweisen von Unternehmen.
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Abgeleitete Merkmale Headquarter großer nationaler und transnationaler Unternehmen Finanzwesen: Banken, Börse usw. breites Spektrum hochspezialisierter Dienstleister Regierung supranationale Organisationen (EU, UN), internationale NGOs
Innovations- und Wettbewerbsfunktion Generierung und Verbreitung von Wissen, Einstellungen, Werten, Produkten wirtschaftlich-technische Innovationen Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen, Universitäten, wissensintensive Dienstleister soziale und kulturelle Innovationen kulturelle Einrichtungen (Theater, Museen, Großveranstaltungen usw.) Orte sozialer Kommunikation (Gaststätten, Sport usw.) Gateway-Funktion Zugang zu Menschen Fernverkehrsknoten, insb. Luftverkehr, ICE-Knoten und Autobahnknoten Zugang zu Wissen Medien (Fernsehen, Printmedien usw.), Kongresse, Bibliotheken, Internet-Server Zugang zu Märkten Messen, Ausstellungen Funktionen und Merkmale von Metropolen (Blotevogel 2005:645)
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Dazu tragen verbesserte Erreichbarkeitsverhältnisse und sinkende Transportkosten ebenso bei wie neue Informations- und Kommunikationstechnologien. Nicht zuletzt sind es aber auch die veränderten Lebensstile und Aktionsradien der Menschen, verbunden mit den auf kulturelle Angebote und attraktive, urbane Umgebungen gerichteten Standortpräferenzen der Träger der Wissens- und Informationsgesellschaft, die den Stadtregionen eine neue Bedeutung verleihen und neue Hierarchiemuster erzeugen (Sinz 2006). Für eine Metropole ist die Konzentration von politischen und v. a. wirtschaftlichen Steuerungsfunktionen, eine hohe Dichte spezialisierter Dienstleistungsunternehmen, eine international wahrnehmbare kulturelle Ausstrahlung sowie eine hoch entwickelte Infrastrukturausstattung charakteristisch. V. a. die Lokalisation und die internationale Verflechtung höherwertiger unternehmensorientierter Dienstleister werden als zentrale Indikatoren für die Integration von Metropolen in das globale Städtesystem herangezogen. Metropolregionen sind keine Inseln, sondern sind national, international und global sowohl untereinander als auch mit den nicht metropolitanen Räumen verflochten. Insbesondere stehen sie in einem System funktionaler Arbeitsteilung mit anderen in- und ausländischen Metropolregionen. Die zunehmende externe Verflechtung enthält Risiken und Chancen, denn wegen der Ver-
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Leitbild Wachstum und Innovation (BMVBS 2006:13)
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schärfung des Wettbewerbs um mobile Faktoren (Kapital, qualifizierte Arbeitskräfte, Wissen) gibt es im Entwicklungsverlauf sowohl Gewinner als auch Verlierer. Tendenziell sind mit einer zunehmenden Verflochtenheit jedoch Effizienzvorteile und Wachstumschancen verbunden (Blotevogel 2005:642f). Zur Systematisierung der Funktionen und Merkmale von Metropolen bzw. Kerngebieten von Metropolregionen wird von Blotevogel eine Untergliederung in drei Funktionsbereiche vorgeschlagen (siehe Tabelle). Diese dreigliedrige Systematik wurde in verschiedenen Beiträgen diskutiert und analytisch untermauert (Adam/Göddecke-Stellmann 2002, Kujath 2002) und auch im Raumordnungsbericht 2005 für Deutschland (BBR 2005) verwendet. Verschiedentlich wird inzwischen vorgeschlagen, sie um die Dimension der historisch-politischen, symbolischen und kulturellen Bedeutung von Metropolen bzw. Metropolregionen zu ergänzen. Metropolregionen in den aktuellen Leitbildern zur Raumentwicklung in Deutschland Die MKRO fasste 2005 den Beschluss, den Orientierungs- und Handlungsrahmen fortzuschreiben und neue Leitbilder v. a. zur Stärkung der regionalen Wettbewerbsfähigkeit sowie zur Sicherung der Daseinsvorsorge zu entwickeln.
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Als Leitgedanken in Bezug auf Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Innovation formulierte die MKRO: „Die Raumentwicklungspolitik von Bund und Ländern muss einen Beitrag zur Überwindung der wirtschaftlichen Schwäche und zur Entwicklung der Wissensgesellschaft leisten. Kerne und Netze des ökonomischen Wachstums und der Innovation müssen unterstützt sowie räumlich konzentrierte Entwicklungsstrategien verfolgt werden. Gleichzeitig ist die Herausbildung von polyzentrischen Städtenetzen und die Weiterentwicklung von Verantwortungsgemeinschaften zwischen Zentren, Umland und Peripherie sowie die Verstetigung und der Ausbau einer Zusammenarbeit zwischen den metropolitanen Kernen und weiteren Stadtregionen in Netzwerken anzustreben. Dazu wird das Konzept der europäischen Metropolregionen in Deutschland weiterentwickelt.“ (MKRO 2005). Im Ergebnis entstand ein Leitbild „Wachstum und Innovation“, das für Deutschland elf Metropolregionen mit ihren Kernen sowie ihren engeren und weiteren Verflechtungsräumen als flächendeckendes, polyzentrisches System darstellt. Ausgewiesen und mit planerischen Handlungsansätzen versehen werden auch Wachstumsräume außerhalb der engeren metropolitanen Verflechtungsräume und Teilräume, die auf Grund ihrer wirtschaftlichen Strukturschwäche einer Stabilisierung bedürfen. Wesentliche Elemente der Strategie, wie sie im Leitbild Wachstum und Innovation skizziert wurden, sind: Wachstumsbündnisse und Verantwortungsgemeinschaften als Inhalte von Regional Governance, Bündelung von Kräften und Überwindung kommunaler Grenzen, Schließen von Partnerschaften in Netzen unter Einbeziehung der Peripherie, Marketing und Interessenvertretung auf regionaler Ebene nach innen und außen, Stärkung der Standorte und Netze der Wissensund Informationsgesellschaft, Schaffung einer Atmosphäre von Kreativität, kultureller Offenheit und Toleranz (▷Kreative Städte), im Bereich des Materiellen: hoch qualifizierte Infrastrukturen (Gateways und öffentliche ▷Verkehrssysteme), Leuchtturmprojekte der ▷Wissensgesellschaft und Exzellenzförderung, aber auch Maßnahmen zur ▷Integration und Verbesserung der Lage städtischer Problemquartiere. Daraus geht hervor, dass mit dem Leitbild nicht vordergründig eine neue Förderpolitik im Sin-
ne einer Umschichtung von strukturschwachen („ländlichen“) in strukturstarke Metropolregionen verfolgt werden soll, sondern die politische, organisatorische und investive Kräftigung solcher Funktionen, die sinnvoller Weise nur in Metropolregionen wahrgenommen und ausgebaut werden können, um dann Wachstumsimpulse in die übrigen Räume auszustrahlen. Dabei steht neben der teilweise bereits realisierten Idee von Wachstumsbündnissen zwischen Kernen und Umland in Metropolregionen gleichwertig der Gedanke einer Verantwortungsgemeinschaft von Metropolregionen mit ihren weiteren Verflechtungsräumen bis an die Peripherie unter Einschluss derjenigen Teilräume, die strukturelle Schwächen aufweisen. Schlussbemerkung Das Konzept der Metropolregionen hat sich in einem Wechselspiel von politischer Reaktion auf europäische bzw. globale Veränderungen, analytischer Erfassung des Wandels der Wirklichkeit im Städtesystem und Bildung neuer Formen stadtregionaler Zusammenarbeit im Sinne von Regional Governance entwickelt. Dabei ist bemerkenswert, dass in einer ersten Phase Mitte der 1990er Jahre der Raumordnungspolitische Orientierungs- und Handlungsrahmen seine Strategie zunächst eher intuitiv formuliert und begründet hat, während die theoretische und empirische Aufarbeitung dem nachfolgte – motiviert und begleitet von einem Wettbewerb um die Zugehörigkeit kleinerer Stadtregionen zum Kreis der Metropolregionen. Beide Diskussionsstränge mündeten in die Formulierung neuer Leitbilder und Handlungsstrategien für die Raumentwicklung in Deutschland 2006. Erst zu diesem Zeitpunkt, also gut ein Jahrzehnt nach der Entwicklung des Konzepts, haben die Metropolregionen in der politischen Diskussion besondere Aufmerksamkeit gefunden. Zum einen, weil die MKRO in ihrem Leitbildbeschluss vier kleinere Ballungsgebiete (Bremen, Hannover, Rhein-Neckar und Nürnberg) zusätzlich zu den bereits ausgewiesenen in den Kreis der Metropolregionen aufgenommen hat. Zum anderen deswegen, weil das Konzept der Metropolregionen vielfach als Vorschlag für eine neue Fördergebietskulisse missverstanden wurde. Damit verbunden war die Befürchtung, dass eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Metropolregionen, wie sie die Leitbilder und Handlungsstrategien von 2006 propagieren, zu Lasten der Förderung strukturschwacher ländlicher Räume gehen müsste. In einigen Diskussionsbeiträgen war von einem Paradigmenwechsel der Raumordnungspolitik im
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Sinne einer Abkehr vom Ziel ▷gleichwertiger Lebensverhältnisse und einer Vernachlässigung ländlich-strukturschwacher Gebiete die Rede. Tatsächlich wird der ländliche Raum in den Leitbildern nicht als eigenständige Gebiets- bzw. Problemkategorie behandelt, für die eine spezifische Raumentwicklungsstrategie zu formulieren wäre. Vielmehr sind ländlich geprägte Gebiete ebenso wie Städte und ihr Umland Gegenstand der Zielaussagen der Leitbilder. Darin liegt in der Tat ein Paradigmenwechsel, nämlich die Erkenntnis, dass weder Ballungsräume noch ländlich geprägte Gebiete einheitliche Problemstrukturen und Handlungserfordernisse im Hinblick auf ihre räumliche Entwicklung aufweisen. Den ländlichen Raum gibt es nicht bzw. nicht mehr, sondern in hohem Maße prosperierende neben weiterhin strukturschwachen und gefährdeten ländlichen Räumen, ebenso wie wachsende und reiche Ballungsräume neben schrumpfenden und hoch verschuldeten. Die Leitbilder sprechen hier von Verantwortungsgemeinschaften zwischen Zentren, Umland und Peripherie, die aus der Erkenntnis heraus entwickelt werden sollen, dass in den größer gewordenen Verflechtungsräumen der Metropolen und Stadtregionen alle Teilräume immer stärker aufeinander angewiesen sind, davon ausgehend, dass weder die Städte noch die ländlichen Gebiete der Peripherie in einem wirtschaftlich zunehmend globalisierten und von hoher Mobilität geprägten Umfeld eigenständig überlebensfähig sind. Deshalb sind Vernetzung und Partnerschaft zwischen Stadt und Land in einem regionalen Kontext ein wesentliches Merkmal des Konzepts der Metropolregionen. Hierzu besteht ebenso erheblicher Forschungsbedarf wie zur weiteren analytischen Auseinandersetzung mit dem Konzept der Metropolregionen. Sinz
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Die populärste Verwendung des Begriffes Milieu, wenn auch als „Miljöh“, stammt von Heinrich Zille. Dies Zillesche „Miljöh“, ein traditionelles „sozialstrukturelles Großmilieu“, zeichnet die Kultur einer Klasse, des – Berliner – Proletariats der Industrialisierung, der Berliner Arbeiterschaft der Gründerzeit im steinernen Berlin, in den Elendswohnungen, billigen Kneipen und verkommenen Straßen der Berliner Mietskasernen. Gemeinsam ist diesen Menschen eine nahezu unentrinnbare Klassenzugehörigkeit, die alle Verhaltensformen, ihre Sprache und ihren Lebensstil prägt und alle Klassenangehörigen unter den Fluch von Armut und Not stellt, in der sich aber auch die Lebensstrategien, und sei es die eines grimmig-pampigen Humors der Berliner Schnauze, entwickeln, irgendwie mit dieser Armut fertig zu werden und dem Leben dennoch Erfreuliches abzugewinnen, sich also dennoch „janz köstlich zu amüsian“. In der aktuellen Verwendung soll der Begriff des Milieus dagegen eher soziale Großgruppen bezeichnen, deren Mitglieder zwar ähnliche Lebensstile, Werturteile, Präferenzen, aber nicht unbedingt ein ähnliches Einkommen oder gleiche
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Arbeitsbedingungen, also eine gleiche Klassenlage aufweisen. Damit setzt sich der Milieubegriff sowohl von Klasse als auch von Schicht ab. Beiden Begriffen ist gemeinsam, dass sie objektive Bedingungen der Lebenslage als Strukturprinzipien der Gesellschaft verwenden, also z. B. Einkommen oder beruflichen Status. In den 1980er Jahren setzte sich jedoch der Eindruck durch, dass Lebensweisen und Präferenzen innerhalb derartiger, durch objektive Merkmale definierter, sozialstruktureller Großgruppen erheblichen Variationsbreiten unterliegen, dass diesen objektiven Faktoren von Klasse oder Schichtzugehörigkeit also offensichtlich keine umfassende Definitionsmacht für Lebensstile – mehr – zukommt. Auch bei ähnlichen oder gleichen Einkommen können Lebensstile erheblich variieren, auch bei ungleichen Einkommen doch ähnliche Wertpräferenzen herrschen. Der Begriff des Milieus beschreibt Gruppen Gleichgesinnter, die ähnliche Lebensstile aufweisen, die ähnliche kulturelle Werte und Präferenzen hegen, die also in Alltagsdingen ähnliche Urteile und einen ähnlichen Geschmack entwickeln. Darüber hinaus können sie ähnliche Einstellungen in politischen Fragen, im Wahlverhalten, in der Teilnahme am öffentlichen Leben, im Interesse an politischen, kulturellen oder sozialen Fragen zeigen. Die Angehörigen eines Milieus stehen in erhöhter Binnenkommunikation zueinander: Innerhalb eines Milieus werden die selben Medien genutzt, die selben Zeitungen, Zeitschriften oder Bücher gelesen, annähernd die gleichen Fernsehsendungen und Internetseiten gesehen oder aufgesucht, die gleichen Themen für relevant gehalten und mit Freunden und Bekannten diskutiert. Milieus treten also als kulturelle und als politische Milieus in Erscheinung. Als zweiter entscheidender Unterschied zu Klassenlage oder Schichtung ist von Milieus behauptet worden, dass diese nicht notwendig in einer hierarchischen Beziehungen zueinander stünden, zumindest nicht in allen, vielleicht nicht einmal in den für wesentlich gehaltenen Bereichen des Lebens. Während z. B. der Arbeiterklasse, dem Proletariat, wie es in Heinrich Zilles „Miljöh“ erscheint, immer und in jeder Hinsicht seine niedere Position in der Hierarchie der Klassen bewusst war und nur mühsam durch besondere, klassentypische Merkmale kompensiert werden konnte, z. B. durch körperliche Stärke, handwerkliches Geschick oder eben die berühmte „Schnauze“ als Protest gegen die gepflegte Ausdrucks- und Erscheinungsweise des Bürgertums, wird im Gegensatz dazu bei Milieus davon ausgegangen, dass sie sich zumindest in ihren kulturellen Wertschätzungen und Prä-
ferenzen nicht hierarchisch, also nicht vertikal, sondern horizontal, also zumindest in Gleichwertigkeit oder sogar in Gleichgültigkeit einander zugeordnet sehen. Damit wird in den Milieutheorien ein „Bedeutungsverlust universeller gegenüber partikularen Maßstäben“ behauptet, wie er z. B. in der Unterscheidung von fünf kulturellen Großmilieus, „Niveau-, Harmonie-, Integrations-, Selbstverwirklichungs- und Unterhaltungsmilieu“ (Schulze 1992) zum Ausdruck kommt. Mit dem Milieubegriff beginnt die Debatte um eine „neue Ungleichheit“, nach der horizontale Unterschiedlichkeit zunehmend an die Stelle vertikaler, hierarchischer Ungleichheit tritt. Deren Thesen wird allerdings entgegen gehalten, es handle sich doch weitgehend um alte Ungleichheiten, deren Analysen sich an objektiven Bedingungen der Lebenslage orientieren und mit dem sozialstrukturellen Schicht- oder Klassenbegriff arbeiten, die nur stärker differenziert zu betrachten seien, als es die Bipolarität des traditionellen Klassenschemas oder die Dreigliederung des Schichtungsprinzip nach Ober-, Mittel-, Unterschicht bisher zugelassen hätten. Neuere Milieuanalysen v. a. „politischer Milieus“ zeigen daher wieder eine deutliche Verbindung von dreigliedrigen sozialstrukturellen Schichtungsmerkmalen und politischen bzw. kulturellen Orientierungen, z. B. in den Milieustudien der Friedrich-EbertStiftung, die neun Milieus unterscheiden: Leistungsindividualisten, etablierte Leistungsträger, kritische Bildungseliten, engagiertes Bürgertum, zufriedene Aufsteiger, bedrohte Arbeitnehmermitte, selbstgenügsame Traditionalisten, autoritätsorientierte Geringqualifizierte, abgehängtes Proletariat; und diese nach sieben unterschiedlichen Merkmalen von beruflicher Situation und Orientierung bis zum Wahlverhalten beschreiben (Neugebauer 2007). Auch Milieuanalysen, die die Bedeutung traditioneller sozialstruktureller Faktoren zu relativieren suchen, beziehen bei der Beschreibung von Milieus eine neue, objektive Bedingung ein, das Alter oder besser noch die Generationszugehörigkeit. Dadurch soll sowohl dem Einfluss des Wertewandels auf soziale Differenzierungen Rechnung getragen werden. So stellt die Milieugliederung des Sinus-Instituts Verbindungen von Schichtzugehörigkeit und Generationslagerung und daraus resultierender Position im Wertewandel dar: konservativ-technokratisches, kleinbürgerliches, traditionelles Arbeiter-, traditionsloses Arbeiter-, aufstiegsorientiertes, liberal-intellektuelles, modernes bürgerliches, modernes Arbeiter- und das hedonistische, postmoderne Milieu werden
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sowohl auf einer Schichtungs- als auch auf einer Wertewandelsskala verortet. Mit dem Milieubegriff werden demnach kommunikativ eng verbundene „Kultur- oder Gesinnungsgemeinschaften“ bezeichnet, die ihre kulturellen Wertschätzungen oder Präferenzen aus eigenem Recht, aus eigenen Bedingungen entwickeln. Damit tritt die Ungleichheitserklärung, die mit dem Milieubegriff versucht wird, den Distinktionstheorien entgegen, die kulturellen Habitus aus Unterscheidungs- und Imitationsverhalten sozialer Schichten und Klassen zueinander zu erklären suchen, die verschiedenen Ausprägungen von Habitus also in hierarchischer Beziehung zueinander sehen. Legitime oder innovative kulturelle Standards werden nach diesen Distinktionstheorien jeweils von Eliten kreiert und diffundieren dann – durch Imitation und Distanzierung – durch die soziale Hierarchie „nach unten“ (Bourdieu). Milieutheorien dagegen suchen sich von diesem Modell einer Konkurrenz um materielles, kulturelles und soziales Kapital, vermittelt durch Habitus, zu distanzieren und betonen die nachlassende Bedeutung derartiger Distinktion in Gesellschaften mit wachsendem Wohlstand. Sie sind damit Ausdruck des ständig wachsenden, allgemeinen Wohlstandes, wie er v. a. die 1980er Jahre bestimmte. Mit dem Ende des „Traums vom immerwährenden Wohlstand“, mit der Rückkehr von sozialen Abstiegen sogar aus der Mittelschicht, mit der Ausbreitung von Armut und Exklusion seit den 1990er Jahren sind diese Konzepte des Milieubegriffs allerdings ins Wanken geraten, so dass gegenwärtig die Tendenz besteht, auch den Milieubegriff wieder enger an Ungleichheit und nicht nur an Unterschiedlichkeit anzubinden. Angesichts einer „säkularen Diffusion des Erlebnishorizontes“, einer Unterdetermination von kulturellen Orientierungen durch Schicht- oder Klassenlage in einer „Erlebnisgesellschaft“, angesichts der persönlichkeitsprägenden Wirkung des Konsums in der „Seinsökonomie“ (Schulze 1992), bleibt der Milieubegriff dennoch hilfreich für das Verständnis kultureller, alltagsästhetischer und politischer Einstellungen der Bevölkerung. Besonders in der Marktforschung, aber auch in der Stadt- und Raumplanung (▷Stadtplanung, ▷Raumordnung und Landesplanung) hat sich der Milieubegriff als Analyseinstrument bewährt. Während Marktforschung darauf zielt, alle Waren und Dienstleistungen milieuspezifisch auf die Präferenzen eines bestimmten Milieus auszurichten, treten in der Stadt- und Raumplanung Milieus durch kulturelle Bewertungen von Wohnung, Wohnumfeld (▷Wohnen) und Mobilitätsform in
Erscheinung. Wohnung, Wohnumfeld und Form der Mobilität (Auto, ÖPNV, Fahrrad etc.; ▷Verkehr) gehören neben Kleidung und Urlaub zu den symbolisch aussagestärksten Konsumbereichen. In ihnen dokumentieren sich Habitus und Geschmack ganz direkt, so dass sich in den Großstädten zurzeit eine Segregation der Bevölkerung nach Milieuzugehörigkeiten und eine Entwicklung von räumlichen Kleinmilieus sogar mit einem „Wir-Gefühl“, mit einer ▷„Identität“ vollzieht (Hradil 1992 und 1999), wie es aus Wohngebieten der traditionellen sozialstrukturellen Milieus bekannt war. Sogar die Wahl des Wohnortes, der Stadt, in der man lebt, scheint zunehmend von Milieuzugehörigkeit bestimmt zu werden. Sowohl in ihren Quartiersplanungen als auch in Image- oder Identitätspolitiken versuchen sich die Städte durch Entfaltung einer ästhetischen Symbolik im Geschmackshorizont, im Habitus bestimmter Milieus als stimmig, als passend und erstrebenswert zu platzieren, d. h. sie reagieren mit kulturellen Strategien auf die Differenzierungen einer Gesellschaft in kulturelle Kommunikationsgemeinschaften, in Milieus, seien diese nun als horizontale oder doch eher als vertikale soziale Gliederungsmodelle zu verstehen. Göschel
Literatur Hradil, S. (1999): Soziale Ungleichheit in Deutschland. Opladen Hradil, S. (Hrsg.) (1992): Zwischen Bewusstsein und Sein: Die Milieu-, Subkultur- und Lebensstilforschung der 80er Jahre. Opladen Keim, K.-D. (1979): Milieu in der Stadt. Stuttgart Neugebauer, G. (2007): Politische Milieus in Deutschland. Bonn Schulze, G. (1992): Die Erlebnisgesellschaft, Kultursoziologie der Gegenwart. Frankfurt/M Sinus-Institut (Hrsg.) (1998): Die Sinus Milieus und ihre Anwendung. Heidelberg
MISCHNUTZUNG IN GEBÄUDEN Definition Von Mischnutzung in Gebäuden spricht man, wenn mindestens zwei disparate Nutzungen in einer räumlich-baulichen Hülle vereint sind. Als disparate Nutzungen werden dabei jene Nutzungen bezeichnet, die einerseits in ihrer Inanspruchnahme zeitlich voneinander abgrenzbar sind, andererseits auch ohne die andere Nutzung selbständig existieren könnten. Die Nutzungen dürfen also nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen. So würde bspw. das Kino
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mit integrierter Gastronomie nicht unter die Definition von Mischnutzung fallen. Sehr wohl gehört hierzu aber ein Gebäude, welches in einer räumlich-baulichen Hülle neben Kinos eben auch eigenständige gastronomische Betriebe beherbergt, die sowohl von Besuchern des Kinos wie auch von Nicht-Besuchern desselben genutzt werden könnten. Ebenfalls relevant ist die Eingrenzung auf eine Mindestgröße bei der Definition von Mischnutzung in Gebäuden, insbesondere in Abgrenzung zum profanen Wohn- und Geschäftshaus mit bspw. zwei Gewerbeeinheiten und vier Wohnungen darüber. (Diese sind oft von einem solchen gebäudekonzeptionellen oder gebäudetypologischen Zuschnitt, dass gerade im Bereich der Konstruktion, der Abmessungen und der Materialien keinerlei Differenzierungen vorgenommen werden, um die Nutzungen spezifisch und eigenständig abzubilden.) Dieses Merkmal, welches sich bei größeren Gebäuden quasi von selbst ergibt, um beispielsweise den Anforderungen an große Gewerbeflächen zu genügen, ist jedoch Voraussetzung, um von einer echten eigenständigen Mischnutzung zu sprechen. Von Mischnutzung spricht man darüber hinaus auch nur dann, wenn die Nutzung der einzelnen Funktionen durch unterschiedliche Parteien unabhängig voneinander möglich ist. An einem Beispiel soll diese gedankliche Eingrenzung verdeutlicht werden. Ein Fitnessstudio, welches Bestandteil einer Wohnanlage ist, kann einerseits ausschließlich für die Nutzer dieser Anlage eingerichtet worden sein. Andererseits könnte es aber auch für andere in der Umgebung wohnende Menschen zugänglich gemacht werden. Nur im letzteren Fall sind Gebäude mit solchen Nutzungen als Mischnutzung zu definieren. Dies begründet sich daraus, dass diese Funktionen ansonsten eher den Charakter einer Serviceeinrichtung denn einer unabhängigen gebäudebezogenen Nutzung bekommen. Damit könnte man diese auch als erweitertes Wohnen betrachten, und nicht als ▷Wohnen neben einer anderen Funktion. Eine weitere Eingrenzung, um von Mischnutzung zu sprechen, ist die Ausgewogenheit der Flächenanteile der Nutzungen. Bei Gebäuden mit beispielsweise 10.000 qm Bruttogeschossfläche (BGF) für Büros haben zwei Hausmeisterwohnungen mit nur je 100 qm keine Relevanz. Ebenso wenig wird von Mischnutzung gesprochen bei einem einfachen Wohnhaus, welches in seinem untersten Geschoss Platz für zwei kleine Ladeneinheiten (▷Einzelhandel) vorsieht. Um von Mischnutzung zu sprechen, ist es daher wesentlich, dass jede Nutzung mindestens zehn Prozent
der Gesamtnutzfläche in Anspruch nimmt, damit für diese Nutzung und die daraus resultierenden Planungs- und Bauentscheidungen sinnvolle und auf die Mischnutzung bezogene typische Merkmale identifiziert werden können. Aus der gebäudekundlichen Betrachtung heraus spricht man von Mischnutzung also dann, wenn mindestens zwei disparate, voneinander unabhängige Nutzungen mit relevanten Flächenanteilen in einem räumlich-baulichen Zusammenhang errichtet sind. Abgrenzung zu anderen verwandten, ähnlichen Begriffen Die gewerblichen Investoren und die ▷Immobilienwirtschaft verwenden hingegen den Begriff Mischnutzung mehrheitlich im Zusammenhang mit dem Mix unterschiedlicher Gewerbearten, auch als gemischt genutzte Immobilien bezeichnet. So wird dieser Begriff beispielsweise für Ladenpassagen verwendet, die um eine große Halle oder einen Durchgang herum verschiedene Formen des gewerblichen Handels und Betriebs vereinen. Groß- und Einzelhandel, kombiniert mit Flächen für Servicedienstleistungen, sonstige Büroflächen und Gastronomie werden beispielsweise ebenfalls als gemischt genutzte Objekte bezeichnet. Die Begrifflichkeiten mixed-use-buildings und mixed-use-developments sind inzwischen in Deutschland die geläufigen englischsprachigen Begrifflichkeiten für diese beiden Interpretationen. Allerdings lässt diese englische Definition das Wohnen hier wieder ausdrücklich zu, und ist somit eher das Äquivalent zum Begriff der Mischnutzung. Abweichend von der üblichen Definition des Wohngebäudes wird in zwei Rechtsgebieten bei Mischnutzung in Gebäuden präzise zwischen den Nichtwohngebäuden mit einem Wohnungsanteil bis 50 Prozent und den Wohngebäuden mit einem Wohnungsanteil größer als 50 Prozent gesprochen. Diese Unterscheidung ist primär steuerrechtlich und versicherungsrechtlich relevant. Im Versicherungsrecht werden bei Über- oder Unterschreitung dieser Grenzen andere Risiken bei der Bewertung für Brand- und Folgeschäden aus Miet- und Nutzungsausfall angesetzt. Steuerrechtlich ist es relevant, ob und wie ein Gebäude abgeschrieben werden kann. Für die Definition von Mischnutzung in Gebäuden aus gebäudekundlicher Sicht können diese Aspekte jedoch vernachlässigt werden, da weder Fragen der Finanzierung und Abschreibung dieser Gebäude, noch Fragen der versicherungsrechtlichen Absi-
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cherung Einfluss auf die räumlich-konzeptionelle Gestaltung der Gebäude haben. Mehrzweckbauten und multifunktionale Bauten unterscheiden sich von der Mischnutzung in Gebäuden dahingehend, dass sie die unterschiedlichen Interpretationen einer einzelnen Funktion innerhalb verwandter oder auch nur einer Funktionen zulassen. So kann beispielsweise ein Konzertsaal zur übergeordneten Funktion Versammlungsstätte werden, wenn in dem dafür gebauten Raum auch Vorträge, Kongresse und Theateraufführungen möglich sind, und eben nicht nur Musikveranstaltungen. Die Leitidee hinter multifunktionalen Bauten ist die optimierte Nutzung von Räumen und die sparsame Verwendung von Ressourcen, da nicht für alle separat darstellbaren Nutzungen einzelne Räume geschaffen werden sollten. Auf dieser Ebene ist der multifunktionale Bau mit der Mischnutzung in Gebäuden also vergleichbar. Zur Definitionsproblematik multifunktionaler Bauten hat Zeidler schon vor 1982 ausgeführt, dass es sich eher um eine Idee und ein Konzept als um eine genau definierte Gebäudekategorie handelt. Seiner Definition nach umfassen multifunktionale Gebäude alle Kategorien des menschlichen Lebens, wobei das Faktum der Funktionsvereinigung durch die Bedingung der Integration in die städtische Umgebung erweitert wird. Daher zählt Zeidler dazu „sowohl verhältnismäßig kleine Gebäude, die als Glieder eines städtischen Raumes wirken, als auch große Komplexe, die in sich selbst Stadtviertel sind“ (Zeidler 1983:10). Keinesfalls dürfen die Begriffe multifunktional und Mischnutzung jedoch miteinander verwechselt werden. Aspekte der Multifunktionalität werden bei der Mischnutzung in Gebäuden fallweise aber immer in Wechselwirkung mit der Mischnutzung selbst stehen.
Ladenzone. Im hinteren Bereich wurde als Seitenflügel Raum für eine Werkstatt vorgehalten, der je nach Zunft in den späteren Jahrzehnten bebaut wurde. Im hinteren Hofbereich befindet sich auch, etwas tieferliegend, die Entsorgung des Hauses, in Form einer Latrine. Im ersten Stock befand sich eine Dreiraumwohnung mit einem Vorzimmer als vorgelagerter räumlicher Puffer. Interessant ist an diesem Beispiel die klare Trennung von Wohnen und Arbeiten. Die Wohnräume sind nur über den Hinterhof zu erreichen. Der Hof dient dem Übergang. Es gibt keine Verbindung der Nutzungen untereinander im Haus. Beide Nutzungen befinden sich jedoch in einer Gebäudehülle. Die Wände wurden so bemessen, dass der Raum im Parterre vollständig frei genutzt werden konnte. Dies ließ Flexibilität bei Anordnung von Waren und Verkauf zu. Der Handel in der mittelalterlichen Stadt entwickelte sich langsam und stetig. Für viele Jahrzehnte war „der Tagesablauf des Bürgers auf sein eigenes Haus beschränkt, ausgenommen einige wenige Handlungen, die in der Kirche oder dem Rathaus stattfanden“ (Zeidler 1983:12). Mit dem Wachstum der mittelalterlichen Städte verließen erste wohlhabende Bürger die Stadträume innerhalb der traditionellen Stadtmauer. „Wohnung und Werkstatt, Produktion und Konsum wurden öfter getrennt. Es kam zu einer überproportionalen Stapelung von Wohnungen über den Läden und Werkstätten, die Häuser wurden höher“. Auf die Konzeption der Mischnutzung in den Gebäu-
Entstehung und Entwicklung der Mischnutzung in Gebäuden Die erste Mischnutzung (in Gebäuden) in Deutschland war in ihrer Entwicklung bestimmt von der Integration des Handels und des Handwerks in die Wohnhäuser. Die räumliche Aufteilung des Lebens in Wohnbereiche und Arbeitsbereiche vollzog sich weitestgehend räumlich übereinander (Schönfeld 1982:22). Im Obergeschoss wurde gewohnt, im Erdgeschoss befand sich eine Werkstatt oder das Kontor (Schönfeld 1982:22). In Deutschland ist dies erstmalig Anfang des 14. Jahrhunderts typologisch festzustellen. Die Abbildung zeigt deutlich die Einnahme des gesamten Erdgeschosses als
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Grundrisse eines „Kaufmannshauses“ in Nürnberg aus dem 14. Jahrhundert (Schönfeld 1982:464)
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den hatte sich dies jedoch nicht weiter ausgewirkt, da diese im Grundriss auf den bei Stadtgründung vorgegebenen Parzellen nur insoweit verändert wurden, dass sie eine Erweiterung nach hinten in die Tiefe der Parzelle oder eine Erweiterung nach oben erfuhren. In der Zeit der Renaissance und des Barock gab es in den belebten Straßen also weiterhin einen Bestand an Gebäuden mit Wohnungen über den Werkstätten und Läden - nun jedoch mit dem Unterschied, dass weder der Besitzer noch der in den Gewerberäumen arbeitende Mensch darüber wohnte. „Mieter“ definierten die erste Fremdnutzung gemischt genutzter Gebäude. Im 18. Jahrhundert kam es durch die industrielle Revolution zwangsläufig zu einer Nachverdichtung bestehender bebauter Flächen und Parzellen in der inneren Stadt. „Zu der immer noch bestimmenden Wohnnutzung tritt nun im Erdgeschoss vermehrt die Werkstatt und/oder das Verkaufslokal, was zu (weiteren) Grundriss- und Außendifferenzierungen führt.“ (Zeidler 1983:97) Im späteren 19. Jahrhundert kann beispielhaft am 1871 konzipierten Wohn- und Geschäftshaus Unter den Linden/Ecke Charlottenstraße (Berlin) bereits die Integration von drei unterschiedlichen Nutzungen als Spiegel der Nutzungsvielfalt von Stadtfunktionen die Idee der Mischnutzung nachvollzogen werden. Die Anordnung der Nutzungen übereinander kann aber auch an der äußeren Gestaltung und Ornamentierung der Fassade gestalterisch beobachtet werden. Die Differenzierung respektive Stapelung unterschiedlicher Nutzungen veräußert sich in der „architektonischen Gestaltfassung“ und in „freier Interpretation am Aufbau von Palazzofassaden“ (Schäche 1997). Diese Mischnutzungen am Anfang der industriellen Revolution waren wie „selbstverständlich vorhanden und in das Gewebe der ▷europäischen Städte integriert“ (Zeidler 1983:12). Somit war es die Nachfrage nach Nutzungen, die zur Herausbildung dieser vertikal gestapelten Nutzungsschichtung führte. Das aus der Entwicklung der Arbeitswelt entstandene einfache Wohn- und Geschäftshaus ist also der Vorläufer der konzeptionellen Mischnutzung. Beim Konzept des Wohn- und Geschäftshauses sind wie bei der Umsetzung von Mischnutzungen zusammenfassend folgende Kriterien für die Konzeption ausschlagegebend: 1) Die wirtschaftlichen Überlegungen zu Vermietung, Vermarktung und Nutzung von Flächen (▷Immobilienwirtschaft). 2) Die Befriedigung eines Wohnbedürfnisses in der inneren Stadt, oft für den Eigentümer bzw. Betreiber der ebenfalls im Gebäude liegenden gewerblichen Bereiche.
Wohn- und Geschäftshaus Unter den Linden/Ecke Charlottenstraße 1871 in Berlin (Schäche 1994:91)
3) Eine aus den rechtlichen Anforderungen hergeleitete Entwicklung, da Planungen für die inneren Stadtbereiche schon historisch die Integration von Wohnnutzungen als Auflage enthielten, bspw. bei alten Handelshäusern in von Mauern befestigten Stadtanlagen. Insbesondere in den kleineren Städten (▷Kleinund Mittelstädte) ist heute noch gut erkennbar, dass die Integration von Wohnungen in weiten Teilen der inneren Stadtbebauung selbstverständlich ist. Dies geschah ebenso aus wirtschaftlichen Überlegungen wie auch aus der Zusammenlegung von Arbeiten und Wohnen in einem Haus.
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Fallgruppen der Mischnutzung in Gebäuden aus der gebäudetypologischen Betrachtung Die Frage nach Problemen und Potenzialen in den Schnittstellen bei Mischnutzungen impliziert die Frage nach dem Zusammenspiel der Nutzungen, also der Konflikte und Chancen, die sich durch das Nebeneinander von unterschiedlichen Nutzungen in einem Gebäude ergeben. Betrachtet man heutzutage die damit zusammenhängende Bauform, kommt es zwangsläufig zur Untersuchung der Zuordnung von Nutzungen im dreidimensionalen Raum. Es geht also um die Frage, an welcher Stelle im Raumabbild des geplanten oder gebauten Baukörpers sich die Nutzungen befinden. Dieses Problem ist wiede-
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rum eng mit dem Kriterium der Erreichbarkeit und der ▷Erschließung der Nutzungen verknüpft. Es stellt sich daher als zweckmäßig heraus, genau auf dieser Grundlage die Einteilung spezifischer Bauformen bei der Betrachtung von Mischnutzungen mit Wohnanteilen vorzunehmen, also der Nutzungszuordnung und der Erschließung. Es gibt grundsätzlich drei Möglichkeiten im dreidimensionalen Raum, Räume zueinander anzuordnen, nämlich nebeneinander, übereinander und hintereinander. Davon ausgehend, bietet sich für die Definition von Fallgruppen bei Mischnutzungen eine grundlegende Einteilung in diese Raumzuordnungskonzepte an. Im Hinblick auf Störungsgradkataster in der Diskussion um Hinterhofmischungen wurde eine solche Einteilung erstmals (nach eigener Recherche des Verfassers) bei Graff Anfang der Neunziger Jahre vorgenommen. Graff unterscheidet dabei ausschließlich horizontale und vertikale Zuordnungen. (Graff/Walter 1990:2492) Die vom Verfasser nachfolgend entwickelte Zuordnungsklassifizierung für Mischnutzungen in Einzelbauwerken ist einerseits komplexer (es gibt fünf Fallgruppen), andererseits wurde diese auf Basis analysierter existierender Objekte bestätigt, die nach einer systematischen Suche eine Relevanz bei ihrer Zuordnung fand. Die Untersuchung dessen, wie gemischte disparate Nutzungen in einem Bauwerk integriert werden, führt zur Identifikation von fünf unterschiedlichen Typen möglicher räumlicher Nutzungszuordnungen. Diese entsprechen den hier definierten fünf Fallgruppen und sind nachfolgend mit einer aus der gebäudekundlichen Analyse stammenden dreidimensionalen Skizze visualisiert. Damit wird die Wechselwirkung von Nutzung und Erschließung als Grundkonzept der jeweiligen Fallgruppe verdeutlicht. Die Frage nach der Nutzungszuordnung ist auch deshalb relevant, weil sich die aus diesem Kriterium ergebenden Alternativ-Konzepte als Grundlage einer der ersten Fragestellungen bei Bauwerksplanung stellen: Der grundsätzlichen räumlichen Disposition von Nutzungen: Wo befindet sich was? Wie kommt man dorthin? Auf Grundlage dieser Fragen sind die nachfolgenden Fallgruppen aus den entsprechenden vorgefunden Situationen heraus entwickelt und in vereinfachenden schematischen Diagrammen dargestellt. Alle Grafiken sind dabei unter dem Aspekt der Einfügung eines Gebäudes im Stadtraum im Sinne einer Baulückeneinfügung dargestellt. Diese Form des Stadtbausteines ist fallübergreifend der häufigste und in der Mehrzahl der Fälle besteht ein direkter Verbund mit dem bestehen-
den städtischen Gefüge. Dieses Phänomen spricht im Nachhinein deutlich für die Realisierung von Mischnutzungen als Stadtreparaturbaustein oder Lückenschließer. Fallgruppe I Die Fallgruppe I beschreibt Mischnutzungen, die in horizontaler Schichtung von Ladengewerbe und Wohneinrichtungen übereinander angeordnet sind. Erschlossen werden die Nutzungen meistens durch einen gemeinsamen Eingang, bei größeren Objekten durch getrennte Zugänge. Es handelt sich um ein häufig anzutreffendes Modell der Nutzungszuordnung. In den ersten beiden Geschossen befinden sich dabei im Regelfall Einzelhandel, Büroflächen, in Einzelfällen öffentliche Nutzungen, in den darüber liegenden Geschossen mehrheitlich Wohnnutzungen mit Anteilen bis zu 80 Prozent der Bruttogeschossfläche. Fallgruppe II Die Fallgruppe II beschreibt die horizontale Schichtung von Läden, Gewerbe- und Wohneinrichtungen in drei Schichtungen. Das Modell findet sich häufig bei Objekten, die nach 1990 im Zuge der Diskussion um neue Mischnutzungen in den Innenstädten Deutschlands entstanden sind. Charakteristisch ist die Anordnung von Wohnungen als Penthäuser oder in Staffelgeschossen auf dem Dach. Typologisch entstammten die Gesamtbaukörper den Ideen des Bürobaus, wo die Wohnungen oft einfach oben aufgesattelt werden. Hier sind denn auch die meisten konzeptionellen, konstruktiven und gestalterischen Schwächen bei diesen Typen festzumachen, wie die nachfolgende Diskussion an den Fallbeispielen zeigt (▷Entwerfen und Konstruieren). Bei den Typen der horizontalen Schichtung ergeben sich verschiedene gestalterische Untergruppen: Sockel und darüber liegende Büro- und Wohnungsbereiche sind einheitlich gestaltet. Sockel und darüber liegende Geschosse sind unterschiedlich gestaltet. Dabei ist der Sockel ausdifferenziert, teilweise eingerückt, um die Betrachter von Läden vor Witterung zu schützen, teilweise sind die Ladengeschosse aber nur im Material abgehoben, um den Büronutzungen eine eigene Gestaltidentität zu geben. Fallgruppe III Die Fallgruppe III beschreibt Mischnutzungen, die auf einer gemeinsamen Parzelle horizontal
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nebeneinander angeordnet sind. Dabei werden die den Nutzungen zugeordneten Gebäudeteile entweder als Einzelbauwerke lose mit anderen Gebäudeteilen verbunden oder direkt nebeneinander gestellt. Die unterschiedlichen Nutzungen werden in der Mehrzahl getrennt erschlossen. Die Funktionen sind oftmals so angeordnet, dass eine Realteilung nachträglich durchführbar wäre. Es handelt sich bei diesen Konzepten jedoch immer um Gebäude, die aus einer gestalterischen Hand stammen und durch die gleichzeitige Errichtung der Bauteile gekennzeichnet sind. Dies ist Voraussetzung für die Betrachtung solcher Konzepte als ein Bauwerk, auch wenn in Einzelfällen der Eindruck gerechtfertigt ist, dass durch die defragmentierte Anordnung der Raumvolumen keine einheitliche Mischnutzung entstanden ist, sondern ein Konglomerat von Nutzungen in einem unabhängigen Nebeneinander von Bauwerken.
Horizontale Mischnutzung (eigene Abbildung)
Fallgruppe IV
Horizontale Mischnutzung mit Gewerbe (eigene Abbildung)
Hier werden die vertikal nebeneinander stehenden Nutzungen auf einem gemeinsamen Unterbau errichtet. Aufgrund der möglichen konstruktiven Unabhängigkeit von darüber liegenden Baustrukturen befinden sich im Sockel in Einzelfällen große Läden bis hin zum großflächigen Einzelhandel, ja sogar Passagen oder oberirdische Parkhäuser. Die Komplexität dieser Konzepte ist hoch, da außer den konstruktiven Anforderungen die Probleme im Bereich der Installationsführung und Versorgung an den Schnittstellen zum Unterbau größer werden.
M Vertikale Mischnutzung (eigene Abbildung)
Fallgruppe V Horizontale und vertikale Nutzungszuordnung: Cluster (als einheitliches Ganzes zu betrachtende Menge von – ggf. nur zeitweilig – zusammenhängenden Teilen) auf einem gemeinsamen Sockel: Bei diesen Modellen existiert oftmals kein eindeutiges Konzept für die Verteilung der Nutzungen. Hier werden unterschiedliche Nutzungen sowohl vertikal wie auch horizontal miteinander verbunden oder gegeneinander abgegrenzt. Im Einzelfall wird deutlich, dass sich theoretisch jede Nutzung an jeder Stelle des Bauwerkes befinden könnte. Diese Bauform ist hinsichtlich der zukünftigen Entwicklungen unbestimmter Nutzungsanforderungen die Interessanteste, da sich hier die Schnittstelle und der Übergang zum flexibel gemischt genutzten Gebäude zeigen. Bedenklich sind hingegen Aufwände bei Ausstattung, Medienführung und bei der Vorhaltung konstruktiver Möglichkeiten im Falle der
Horizontale und vertikale Mischnutzung (eigene Abbildung)
Clusterartige Mischnutzung (eigene Abbildung)
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Austauschbarkeit von Nutzungen. Die Konstruktion und Komplexität der zusammentreffenden Parameter bedingt hier in besonders hohem Maß die Bewältigung der optimalen Abstimmung von Einzelanforderungen aus dem gewerblichen Bereich mit den im Wohnungsbau relevanten Normen und Richtlinien. Im Falle einer flexiblen Mischnutzung werden hier Räume erstellt, ohne dass man weiß, an welchen Stellen im Raum sich welche Nutzungen einmal befinden werden. Zusammenfassung und Fazit Die Realisierung von Mischnutzungen ist für die Gestaltung der Stadt relevanter als die auf der Ebene des städtebaulichen Maßstabs umgesetzte Mischnutzung im Stadtteil, weil sie die gebäudebezogene Zusammenfassung städtischer Tätigkeiten und Aktivitäten ermöglichen, ein größeres Miteinander unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen ermöglichen, die urbanen Bezüge und Qualitäten der Stadt in einem privaten Rechtsraum abbilden (▷Urbanität), das verlorengegangene „Städtische“ wiederbeleben und gleichwohl als „Reparaturbauwerke“ die vorsichtige Annäherung an mehr Mischung erzeugen können.
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Flexible Mischnutzungen besitzen darüber erhebliches Potenzial, weil sie demographische Veränderungen schneller auffangen können (▷Demographischer Wandel), Änderungen in der Arbeitsgesellschaft annehmen, sich der Nachfrage nach Flächen für bestimmte Nutzungen schneller anpassen, durch weniger stark ausfallende Umbaumaßnahmen die auf Gebäudelebenszeit bezogenen Kosten niedriger halten (▷Lebenszyklus von Immobilien), im Falle höherer Auslastungen die wirtschaftlichere Investition darstellen und überdies, ökologisch betrachtet, aus vorgenannten Begründungen als ressourcenfreundlich in der Neubau- und Abrissbilanz gelten. Mischnutzungen sind also ein Vehikel, mit dem sich Stadtstruktur und Stadtinhalt vereinend integrieren lassen. Die Umsetzung von Mischnutzungen ist dabei von vielen Faktoren abhängig: von der räumlichen Einfügung von Nutzungen auf der Parzelle,
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von den Überlegungen zur konstruktiven Machbarkeit von Nutzungskombinationen, von der Umsetzbarkeit von differenziertem technischem Ausbau oder von einer ausreichenden medialen Infrastruktur. Allenthalben herrscht heute deshalb ein Konsens darüber, dass Bauwerke nicht nur bei Fertigstellung den unterschiedlichsten Nutzungsanforderungen entsprechen müssen, sondern auch langfristig für z. T. schwer prognostizierbare Nutzungsveränderungen tauglich und anpassbar sein müssen. Dafür ist die Umsetzbarkeit von Mischnutzungen eine gute Voraussetzung. Vogel
Literatur Graff, R.; Walter, M. (1990): Mischung ist mehr. In: Bauwelt, 2492ff Schäche, W. (Hrsg.) (1997): Bauten und Projekte 1970-1975. Berlin Schäche, W. (1994): Zur historischen Entwicklung des Berliner Wohnund Geschäftshauses. In: Burg, A. (Hrsg.): Neue Berlinische Architektur, Eine Debatte. Berlin Schönfeld, J. (1982): Gebäudelehre. Stuttgart Zeidler, E. (1983): Multifunktionale Architektur im städtischen Kontext. Stuttgart
MODELLVORHABEN Modellvorhaben als Forschungsinstrument Modellvorhaben sind ein wichtiges Forschungsinstrument der Raum- und Stadtentwicklungspolitik (▷Stadtpolitik). In Form von Fallstudien werden an konkreten Planungs- und Baumaßnahmen wichtige aktuelle und zukünftige Fragen der Raumordnung, des Wohnungswesens und des Städtebaus geklärt. Modellvorhaben sind idealtypisch quasi reale Feldexperimente, die unter wissenschaftlicher Anleitung ausgewählt, entwickelt, begleitet und ausgewertet werden nach dem Prinzip „aus der Praxis, für die Praxis“. Die Auswahl von Modellvorhaben sollte so erfolgen, dass die Verallgemeinerbarkeit und Übertragbarkeit der erzielten Ergebnisse möglichst gesichert und groß ist, denn es sollen Aussagen über Eignung und Praktikabilität von städtebaulichen oder raumordnerischen Konzepten und Instrumenten, deren Wirkungen, Nebenwirkungen und Akzeptanz sowie Aufwand und Kosten gewonnen werden (▷Evaluation). Modellvorhaben sollen dazu dienen, zu neuen, innovativen, durch die praktische Erprobung und Anwendung abgesi-
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cherten Erkenntnissen für Aufgaben auf dem Gebiet des Wohnungswesens (▷Wohnen) und des ▷Städtebaus sowie der Raumordnung (▷Raumordnung und Landesplanung) zu gelangen. Experimentelle Forschung in Form von Modellvorhaben des Städtebaus sowie der Raumordnung kommt in Betracht, wenn Forschungsfragen nicht auf andere Weise, z. B. durch Auswertung vorhandenen Erfahrungswissens, beantwortet werden können. I. d. R. ist dies der Fall, wenn z. B. für Aufgaben neue Lösungen, neue Wege gefunden werden müssen oder neue städtebauliche oder raumordnerische Instrumente und Maßnahmen in der Praxis erstmals erprobt werden sollen. Im Vergleich zu klassischen produkt-/ergebnisorientierten Forschungsaufträgen, die sich im Wesentlichen auf eine reflektierte Konzipierung sowie systematische Aufbereitung und Auswertung von Erfahrungswissen konzentrieren, fördern Modellvorhaben darüber hinaus die prozessbegleitende Auseinandersetzung mit Forschungsfragen und -zielen, Umsetzungsstrategien und der Realisierung von Maßnahmen. D. h. die Forschungsmethode Modellvorhaben ist nicht ausschließlich produktorientiert, sondern vielmehr prozessorientiert, was auch durch die Organisation des Erfahrungsaustauschs zwischen parallel laufenden Modellvorhaben (z. B. in Form von Projektwerkstätten) und durch eine aktuelle Berichterstattung aus den laufenden Modellvorhaben (Fachseminare, Mitteilungsblätter, Broschüren, Internet) gegenüber der Fachöffentlichkeit zum Ausdruck kommen sollte. Experimentelle Forschung in Form von Modellvorhaben entwickelt sich z. T. auch in Richtung Handlungsforschung. Während traditionelle Forschung weitgehend die strikte Trennung zwischen der Produktion von Wissen als Aufgabe der Wissenschaft einerseits und aktiver Veränderung der Realität als Aufgabe der Politik andererseits postuliert, versucht Handlungsforschung der gesellschaftspolitischen Forderung nach Verbindung von Theorie und Praxis Rechnung zu tragen. Der Forschungsprozess verläuft nicht linear wie in der traditionellen Forschung (Hypothesenbildung, Operationalisierung, Datenerhebung und -auswertung, Interpretation der Ergebnisse im Hinblick auf die anfangs formulierten Vermutungen), sondern die Forschung durchläuft mehrere Zyklen: Informationssammlung, Diskurs, Entwurf von Handlungsorientierungen, praktisches Handeln, erneutes Sammeln von Informationen (etwa über den Erfolg des Handelns), Diskurs, evtl. neue Handlungsorientierungen, praktisches Handeln (effektivere Handlungsstrategien) usw..
Handlungsforschung (▷Aktionsforschung) kommt den Anforderungen experimenteller Forschung entgegen, insofern sie die Durchführung von Modellvorhaben als dynamischen Prozess begreift und über Information und Beratung der Projektträger zur erfolgreichen Durchführung von Modellvorhaben aktiv beiträgt. Handlungsforschung erfordert einen hohen Aufwand zur Bewältigung experimenteller Risiken und zur Gestaltung des Arbeitsprozesses – sie eröffnet jedoch echte Chancen für raumordnerische und städtebauliche Innovationen.
Modellvorhaben-Programme ExWoSt und MORO Mit den beiden Ressortforschungsprogrammen Experimenteller Wohnungs- und Städtebau (ExWoSt) und Modellvorhaben der Raumordnung (MORO) unterstützt in Deutschland der Bund in Form von Modellvorhaben innovative Planungen und Maßnahmen zu wichtigen städtebau- und wohnungspolitischen sowie raumordnerischen Themen. Er verfügt damit über Forschungsinstrumente, mit denen konkrete, innovative Handlungsansätze bzw. Lösungswege auf kommunaler und regionaler Ebene in der Praxis, also zusammen mit den Akteuren vor Ort, entwickelt und erprobt werden können. Experimenteller Wohnungs- und Städtebau
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ExWoSt-Modellvorhaben dienen als „städtebauliche Labore“ für praxisverträgliche Innovationen. Das Bundesinteresse drückt sich dabei in den Forschungsleitfragen zu jedem Forschungsfeld aus. Diese sind Bestandteil der Forschungskonzeption und bilden die Geschäftsgrundlage für die Kooperation zwischen Bund und Kommunen sowie Wissenschaft und Praxis. Die Förderung der Kooperationspartner aus ExWoSt-Mitteln beschränkt sich dabei auf die sog, „forschungsbedingten Mehrkosten“, während die Grundfinanzierung der investiven Kosten städtebaulicher Vorhaben anderweitig gesichert sein muss. Das ExWoSt-Programm gründet sich auf das Interesse des Bundes, die Wirksamkeit seiner Gesetzgebung zu überprüfen und die Praxistauglichkeit seiner vorgegebenen Verfahren und zur Verfügung gestellten Instrumente zu erproben (▷Bauplanungsrecht, ▷Städtebauförderung). Letztlich geht es darum, neue Herausforderungen in der städtebaulichen Praxis rechtzeitig zu erkennen und ggf. das Instrumentarium anzupassen.
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Der Experimentelle Wohnungs- und Städtebau macht so den Weg frei für die Umsetzung einer innovationsorientierten Stadtentwicklungspolitik. Er gibt Anregungen für eine zukunftsfähige Stadtentwicklung und hilft, aus Erfahrungen zu lernen und Fehler zu vermeiden. Aus den Forschungsergebnissen eröffnen sich praxiserprobte Perspektiven, aber auch Einsichten in vorhandene Grenzen. Im ExWoSt-Programm wurden bisher an die 500 Modellvorhaben in weit über 30 Themenfeldern gefördert. Zentral geht es um innovative Beiträge des Städtebaus für eine nachhaltige Entwicklung (▷Nachhaltige Stadtentwicklung). Von den Ergebnissen profitiert zum einen die Politik. Sie wird bei der Gesetzgebung und Förderpolitik zum Wohnungs- und Städtebau beraten, um die bestehenden Regelsysteme neuen Erfordernissen anzupassen. Über Modellvorhaben als Pilotprojekte wurden u. a. aktuelle Programme der Städtebauförderung wie „Soziale Stadt“ und „Stadtumbau“ vorbereitet und auf den Weg gebracht. Zum anderen können Stadtplaner, Architekten, Behörden und alle interessierten gesellschaftlichen Gruppen Informationen über erfolgreiche Projekte, Kooperationsformen, Finanzierungsansätze und Analyseverfahren erhalten. Charakteristisch für ExWoSt ist der Erfahrungsaustausch und die enge Kooperation mit kommunalen Akteuren.
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nen, verfügt das für die Raumordnung zuständige Bundesressort – derzeit das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) – über einen Haushaltstitel „Modellvorhaben der Raumordnung“. MORO ist ein raumordnerisches Aktions- und Forschungsprogramm, mit dem entsprechende Modellvorhaben im nationalen und europäischen Interesse kofinanziert werden können. Nach den Erläuterungen zum Haushaltsplan sollen mit MORO-Mitteln exemplarisch konkrete Projekte und Studien gefördert werden, die neue Handlungsansätze in der Raumordnung und Regionalplanung verfolgen. Modellvorhaben-Programme wie ExWoSt und MORO stärken die Rolle der Forschung als Politikberatung. Sie setzen eine fundierte Festlegung von relevanten Themen, eine begründete, gezielte Auswahl von Modellvorhaben und eine prozessorientierte Forschungsbegleitung und -auswertung solcher Vorhaben in die Praxis voraus. Eine solche Forschungsbetreuung ist unerlässlich für den Erfolg von Modellvorhaben. Sie wird für die beiden Modellvorhabenprogramme ExWoSt und MORO seit 2009 vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) wahrgenommen.
Modellvorhaben der Raumordnung
Ausgewählte Ergebnisse – Impulse durch die ModellvorhabenProgramme ExWoSt und MORO
Die MORO-Projekte werden v. a. als ein wichtiger Beitrag des Bundes für eine erfolgreiche Umsetzung der „Leitbildern und Handlungsstrategien für die Raumentwicklung in Deutschland“ gesehen. Die 2006 von der Ministerkonferenz für Raumordnung (▷Bundesraumordnung) verabschiedeten neuen Leitbilder weisen explizit darauf hin. So sollen Modellvorhaben das Konzept „Verantwortungsgemeinschaften“ konkretisieren und die Organisation von Kooperationsprozessen zwischen Metropolregionen und anderen Räumen befördern. Modellvorhaben sollen die Regionen auch künftig weiter in ihren Bemühungen um Anpassungs- und Entwicklungsstrategien zur Sicherung der Daseinsvorsorge unter den Bedingungen des demographischen Wandels und knapper Finanzen unterstützen. Schließlich sollen durch Modellvorhaben auf regionaler Ebene ein nachhaltiges Siedlungsflächenmanagement (▷Flächenmanagement) weiterentwickelt und raumordnerische Konzepte zur Gestaltung gewachsener Kulturlandschaften erarbeitet werden. Um diesen Aufgaben Rechnung tragen zu kön-
Aktuell stehen die Folgen des demographischen Wandels für die Raum- und Stadtentwicklung und die damit verbundenen infrastrukturellen und städtebaulichen Anpassungserfordernisse im Mittelpunkt der ExWoSt- und MORO-Modellvorhaben (siehe Abbildung). Ein erstes MORO hierzu startete 2001 unter dem Titel „Anpassungsstrategien für ländliche/ periphere Regionen mit starkem Bevölkerungsrückgang in den neuen Ländern“. Der räumliche Fokus lag dabei im ländlich-peripheren Raum Ostdeutschlands (▷Ländliche Räume). In drei Modellvorhaben bzw. Modellregionen konnte gezeigt werden, wie aus einem überdimensionierten Infrastrukturangebot ein bedarfsgerechtes kleineres, aber qualitativ gutes Angebot werden kann, das v. a. bezahlbar bleibt. Standortfragen, d. h. Bündelung von Einrichtungen und Erreichbarkeiten spielen dabei eine zentrale Rolle. In den Jahren 2003/04 starteten im Themenfeld „Infrastruktur und ▷demographischer Wandel“ weitere sechs Modellvorhaben. Neben der Entwicklung von Lösungsansätzen zur Sicherung der
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Herausforderung Demographischer Wandel. MORO- und ExWoSt-Modellvorhaben 2008 (BBR 2008:9)
Tragfähigkeit von Infrastruktureinrichtungen bieten die Modellvorhaben v. a. Antworten für die Herausforderungen, die aus der Alterung der Bevölkerung resultieren. Dabei werden sowohl Wege aufgezeigt, wie Potenziale älterer Menschen für Wirtschaft und Gesellschaft besser genutzt werden können, als auch für die Entwicklung hin zu kinder- und familienfreundlicheren Regionen. Eine wichtige Rolle für die Anpassung der öffentlichen Infrastruktur an die Herausforderungen des demographischen Wandels kommt der Regionalplanung zu. Um 2005/06 haben sich deshalb im Themenfeld „Regionalplanerische Handlungsansätze zur Gewährleistung der öffentlichen ▷Daseinsvorsorge“ drei Planungsregionen als Modellregionen auf den Weg gemacht, innovative und akzeptanzfähige Lösungen für die Anpassung der öffentlichen Infrastrukturen an die Herausforderungen des demographischen Wandels zu erarbeiten. Schwerpunktbereiche sind dabei der Bildungsbereich und die medizinische Versorgung sowie der ÖPNV. Schließlich läuft seit Mitte 2007 das MORO „Demographischer Wandel – Zukunftsgestaltung der Daseinsvorsorge in ländlichen Regionen“ des BMVBS. Es setzt auf die Zukunftschancen, die sich aus dem demographischen Wandel ergeben. Gemeinsam mit den zwei Modellregionen Stettiner Haff und Südharz-Kyffhäuser werden regional entwickelte Projekte umgesetzt. Sie stärken die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und verbessern die Lebensbedingungen der Menschen in den ländlichen Regionen. Die Erfahrungen aus
dem Modellvorhaben sollen in ganz Deutschland in ländlichen Regionen mit vergleichbaren demographischen Bedingungen helfen, den wirtschaftlichen und demographischen Wandel aktiv zu gestalten. Auch im ExWoSt werden die Herausforderungen des demographischen Wandels offensiv aufgegriffen. Ziel des 2004 gestarteten Forschungsfeldes „Stadtquartiere im Umbruch“ war es, aus innovativen Modellvorhaben Hinweise an zukunftssichernde Strategien für solche Stadtteile zu gewinnen, in welchen hohe Bevölkerungsverluste zu Gebäudeleerständen und Brachen führen. Im Blickfeld standen städtebauliche Entwicklungskonzepte und quartiersbezogene Maßnahmen zum Rückbau von nicht mehr bedarfsgerechten Infrastruktureinrichtungen. Fünf Modellvorhaben aus Ost und West sind durchgeführt worden. Ziel eines weiteren, 2006 gestarteten ExWoStForschungsfeldes „Innovationen für familien- und altengerechte Stadtquartiere“ ist es, innerstädtische Quartiere als Wohnstandorte und Erlebnisräume zu gestalten, als Stadtquartiere für jung und alt. Durch Stärkung der Standortqualitäten soll die Attraktivität der Stadtquartiere erhöht werden. Besonderes Anliegen ist es, räumliche Bedingungen dafür zu schaffen, dass Familien in den Städten wohnen bleiben und ältere Menschen die Qualitäten städtischer Quartiere schätzen und wieder entdecken. Es geht letztlich darum, attraktive Lebenswelten im urbanen Kontext für alle Generationen zu sichern und zu stärken. 27 Modellvorhaben in allen Teilen Deutschlands
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werden dazu vom Bund mit ExWoSt-Mitteln gefördert. Kriterien für die Auswahl der Modellvorhaben waren: generationenübergreifender Ansatz, quartiersbezogene Konzepte, fachübergreifende Kooperationen und innovativer Anspruch. Sie erhalten Fördermittel dafür, dass sie in vorbildhafter Weise Programme und Projekte konzipieren und umsetzen sowie Maßnahmen ergreifen, um das Zusammenleben von jung und alt zu fördern. Der in den beiden Modellvorhabenprogrammen MORO und ExWoSt angesammelte umfangreiche Erfahrungsschatz und die Forschungsergebnisse werden über BBR/BMVBS-Publikationen und das Internet zur Verfügung gestellt. Im Rahmen der Dokumentation „Werkstatt Stadt“ werden zusätzlich praxiserprobte gute Beispiele für zahlreiche städtebauliche Aufgaben und Gebietstypen gezielt dargestellt. Sie sind auf der Basis wissenschaftlicher Kriterien geprüft und können zur Nachahmung empfohlen werden, wenngleich es in jedem Einzelfall die konkreten Rahmenbedingungen zu berücksichtigen gilt. Resümee und Ausblick
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Mit ihren Forschungsfeldern und lösungsorientierten Modellvorhaben tragen die beiden Forschungsprogramme der Bundes MORO und ExWoSt in Deutschland wesentlich zur Unterstützung des BMVBS und der Akteure auf Landes-, regionaler und kommunaler Ebene bei. Aus den bisherigen Erfahrungen lassen sich aber einige Ansatzpunkte für eine Weiterentwicklung des Instruments Modellvorhaben ableiten: Modellvorhaben sollten grundsätzlich über öffentliche Ausschreibungen oder Teilnahme-/ Ideenwettbewerbe (▷Wettbewerbe) gesucht und eingeworben werden. Die stringente Anwendung des Wettbewerbsprinzips sichert nach allen Erfahrungen mehr Innovation. Die Funktion von Modellvorhaben sollte sich nicht darin erschöpfen, nur als Beispiel zu dienen für die praktische Realisierbarkeit von einzelnen Vorhaben und Projekten. Der Anspruch muss sein, die Tauglichkeit von Handlungsansätzen für die alltägliche Praxis zu belegen. Zu-
dem sollten die aus Modellvorhaben gewonnenen Erkenntnisse künftig noch stärker zur Weiterentwicklung der ordnungsrechtlichen und finanziellen Instrumente der räumlichen Entwicklungspolitik des Bundes und der Länder genutzt werden, d. h. Eingang in die Regelförderung finden. Nicht zuletzt ist die Organisation eines intensiven, breitenwirksamen Erfahrungsaustauschs als Basis für das Voneinander-Lernen und als Ausgangspunkt für den Transfer von Ergebnissen in die alltägliche Praxis außerordentlich wichtig. Je mehr die in Modellvorhaben entwickelten und erprobten Handlungsansätze in der fachöffentlichen Wahrnehmung stehen, umso mehr werden die regionalen Akteure wie auch alle Beteiligten bemüht sein, Erfolg zu haben und umso größer sind die Chancen für eine breitenwirksame Adaption. Zur Informationsvermittlung werden vom BBSR bisher Veranstaltungen (Werkstätten, Fachtagungen) und Veröffentlichungen (ExWoSt-Informationen, MORO-Informationen, Reihe „Werkstatt: Praxis“, Broschüren usw.) sowie das Internet genutzt. Diese Wege zur Informationsvermittlung gilt es weiter auszubauen mit dem Ziel, eine breitere Mobilisierung von Akteuren zu erreichen, Akzeptanz für neue raum- und stadtentwicklungspolitische Ansätze und Instrumente zu fördern und zur Mitwirkung zu motivieren. Gatzweiler
Literatur BBR – Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (2008): Raumordnungsprognose 2025. BBR-Berichte Kompakt, 2. Bonn BBSR – Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung: Werkstatt-Stadt – innovative Projekte im Städtebau. Zugriff auf www.werkstattstadt.de am 11.08.2009 Fuhrich, M. (2005): Innovationen durch Modellvorhaben – Die Wirkung von guten Vorbildern. In: Informationen zur Raumentwicklung, 9/10, 609-617 Fuhrich, M.; Gatzweiler, H.-P. (1990): Experimentelle Forschung im Wohnungs- und Städtebau als Methode der wissenschaftlichen Politikberatung. In: Informationen zur Raumentwicklung, 10/11, 523-535 Gatzweiler, H.-P. (2006): Leitbilder in der Praxis: Impulse zur Umsetzung durch Modellvorhaben der Raumordnung. In: Informationen zur Raumentwicklung, 11/12, 677-691
NACHHALTIGE STADTENTWICKLUNG
NACHHALTIGE STADTENTWICKLUNG Begriffsbestimmung Städte und Stadtregionen sind ständig im Wandel begriffene komplexe Systeme, die großräumig wirkenden Einflussfaktoren wie der ökonomischen, technologischen, demographischen und ökologischen Entwicklung unterliegen und auf diese wiederum einwirken. Stadtentwicklungsprozesse – der Begriff umfasst in diesem Beitrag auch die Stadtregion – sind durch eine große Variabilität gekennzeichnet. Mit hoher Dynamik wachsenden Agglomerationen stehen wirtschaftsschwache stagnierende Städte gegenüber, wobei Wachstums- und Schrumpfungsprozesse innerhalb der Städte i. d. R. gleichzeitig auftreten (vgl. z. B. Deutscher Bundestag 2004). Die Konzentration von Wirtschaftstätigkeit und ▷Verkehr in Städten bedingt einen hohen Ressourcenverbrauch, führt zu Belastungen der Umwelt und trägt letztlich zum ▷Klimawandel bei. Dabei sind Städte – zumindest theoretisch – die bestmögliche aller Siedlungsformen. Die globale Verstädterung macht eine nachhaltige Stadtentwicklung im globalen Maßstab erforderlich. Im Folgenden werden einige „Meilensteine“ der Entwicklung des ▷Leitbilds „nachhaltige Stadtentwicklung“ skizziert. Nach neueren europäischen Strategien und Programmen sowie der Umsetzung des Leitbilds in Deutschland wird auf Steuerungsfragen einer nachhaltigen Stadtentwicklung eingegangen. Eine „nachhaltige Stadtentwicklung“ wird als integrativer Bestandteil einer „nachhaltigen Entwicklung“ angesehen und ist aus ihr abgeleitet. Nachhaltige (Stadt-)Entwicklung auf UN-Ebene Ursprünglich aus der Forstwirtschaft stammend, wurde das Leitbild der Nachhaltigkeit von den Vereinten Nationen auf die internationale politische Agenda gebracht. Unterschiedliche Nachhaltigkeitsverständnisse bestehen nebeneinander, und zwischen den Polen einer „starken“ und einer „schwachen“ Nachhaltigkeit existieren viele Übergänge (vgl. Atkinson u. a. 1997). Die Komplexität des integrativen Leitbildes und seine Interpretationsbedürftigkeit sind gleichzeitig sein Charakteristikum und sein Problem. Eine nachhaltige Entwicklung wird als eine Entwicklung bezeichnet, die ökonomische, sozi-
ale und ökologische Belange integrativ behandelt und die Lebensbedingungen heutiger Generationen nicht auf Kosten zukünftiger Generationen ausgestaltet (WCED 1987). Nachhaltige Entwicklung ist gleichzeitig ein Ziel politischen Handelns und ein ergebnisoffener Prozess; sie hat keinen absehbaren Endpunkt. Sie ist nur erreichbar, wenn sie Akzeptanz bei relevanten Institutionen und gesellschaftlichen Gruppen findet und von diesen getragen wird. Eine nachhaltige Siedlungsoder Stadtentwicklung ist die Konkretisierung des Nachhaltigkeitsleitbildes für die lokale bzw. stadtregionale Ebene. Startpunkt des nahezu weltweiten Nachhaltigkeitsdiskurses bildeten die Konferenz über Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen (UNCED) 1992 in Rio de Janeiro und die dort verabschiedete „Agenda 21“ (BMU 1992), in der die Lebensbedingungen zukünftiger Generationen als Politik bestimmende Größe benannt werden. Die Kommunen werden als maßgebliche Ebene zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele angesehen. Die Kommunalverwaltungen sollen mit ihren Bürgerinnen und Bürgern, örtlichen Organisationen und der Privatwirtschaft in einen Diskurs treten; Ziele und Maßnahmenprogramme der Stadtentwicklung sollen als „Lokale Agenda 21“ gemeinsam bestimmt werden. Auf die UNCED folgte eine Reihe von internationalen Konferenzen – „Habitat II“, „Johannesburg“, „Urban 21“ u. a. m. – und es wurden mehrere internationale Handlungsprogramme vereinbart, mit denen die allgemeinen Ziele nachhaltiger (Siedlungs-)Entwicklung für unterschiedliche Regionen konkretisiert wurden. Die große öffentliche Aufmerksamkeit, die der Nachhaltigkeitsdiskurs Anfang der 1990er Jahre hatte, nahm in den Folgejahren jedoch wieder ab. Das Leitbild ist allerdings nie von der politischen Agenda verschwunden, v. a. internationale Organisationen arbeiten an seiner Umsetzung, und auch der wissenschaftliche Diskurs ist nie abgerissen (vgl. u. a. Girardet 2007, Grunwald/Kopfmüller 2006).
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Nachhaltige (Stadt-)Entwicklung auf EU-Ebene Nachhaltigkeit ist ein grundlegendes Ziel der Entwicklung von Städten und Stadtregionen in Europa, wie der „Aktionsrahmen der Europäischen Union für eine nachhaltige Stadtentwicklung“ (Europäische Kommission 1998), die „Charta von Aalborg“ (ICLEI 1994), die im Rahmen der „Europäischen Kampagne zukunftsbeständiger Städte und Gemeinden“ erstellt wurde oder die „Göteborgstrate-
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gie“ (Europäische Kommission 2001) deutlich machen. Die Osterweiterung der EU und der globale Wandel haben die EU dazu bewegt, in den letzten Jahren in kurzer Folge Programme und Strategien auf den Weg zu bringen, mit denen man diesen aktuellen Herausforderungen begegnen will; diese sind auch für die Stadtentwicklung relevant. Ihre Umsetzung soll freiwillig erfolgen bzw. wird durch auf die Stadtentwicklung zugeschnittene Strukturfondsmittel untersetzt (Kolivas 2007; ▷Europäische Raumentwicklungspolitik). Dabei wird der Begriff „nachhaltige Stadtentwicklung“ in der EUKommission, den europäischen Mitgliedsstaaten und den „Lokale Agenda 21“-Initiativen durchaus unterschiedlich interpretiert. Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie der EU (CoE 2006) ist, Handlungsmöglichkeiten zu identifizieren und Aktionen zu entwickeln, mit denen die Lebensqualität heutiger und zukünftiger Generationen durch die Schaffung „nachhaltiger Gemeinschaften“ auf allen Ebenen kontinuierlich verbessert werden kann. Mit der Nachhaltigkeitsstrategie werden ökonomischer Wohlstand, Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit und Kohäsion angestrebt. Für sieben Schlüssel-Herausforderungen, u. a. Klimawandel und saubere Energie, nachhaltiger Verkehr, Konsumtion und Produktion sowie Sicherung und Management natürlicher Ressourcen, werden Ziele und Maßnahmen benannt, die sowohl durch die Institutionen der EU als auch durch die Mitgliedstaaten auf allen Ebenen durchgeführt werden sollen. Querschnittspolitiken und Folgenprüfungen von Gesetzesvorhaben und politischen Programmen durch die EU sollen dazu beitragen, dass die genannten Ziele erreicht werden können. Die Nachhaltigkeitsstrategie der EU soll in den Mitgliedstaaten durch Konferenzen und Stakeholder-Versammlungen zu verschiedenen Themen umgesetzt werden; die Bedeutung von „Agenda 21“-Initiativen sowie die „Europäische Kampagne nachhaltiger Städte und Gemeinden“ werden ausdrücklich betont. Für die regelmäßige Berichterstattung der Mitgliedsstaaten gegenüber der EU soll ein Nachhaltigkeits-Indikatorensatz entwickelt werden, der auf dem Eurostat-Indikatorensatz aufbaut; für die Berichte sollen die nationalen Nachhaltigkeitsstrategien genutzt werden. Die Territoriale Agenda der EU (BMVBS 2007a) soll einen Beitrag zu einem nachhaltigen Wirtschaftswachstum sowie zur sozialen und ökologischen Entwicklung in den Regionen der EU einschließlich der Stadtregionen leisten (▷Europäische Raumentwicklungspolitik). Dem Abbau sozialräumlicher Ungleichheit in der EU soll das Konzept der „territorialen Kohäsion“ dienen; an-
gesichts der Osterweiterung wird stärker auf lokale Potenziale gesetzt als in früheren Phasen. Ein intensiver Dialog mit den Mitgliedstaaten, insbesondere den Interessenträgern der Raum- und Stadtentwicklung, soll zur Umsetzung der „Territorialen Agenda“ beitragen. Zur Erfolgskontrolle wird die Verbesserung der Abstimmung von ESPON (European Spatial Planning Observation Network) und „Urban Audit“ empfohlen; beides sind bisher voneinander unabhängig betriebene Programme zur Beobachtung der Prozesse der Raum- bzw. Stadtentwicklung (▷Raum- und Stadtbeobachtung). Die Europäische Nachhaltigkeitsstrategie und die Territoriale Agenda sollen durch integrierte Stadtentwicklungspolitiken in den europäischen Städten umgesetzt werden, zu der sich die für Stadtentwicklung zuständigen Ministerinnen und Minister der EU-Mitgliedstaaten in der „Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt“ (BMVBS 2007b) verpflichtet haben. Eine integrierte Stadtentwicklungspolitik (▷Stadtpolitik) wird als „Aufgabe von europäischer Dimension“ angesehen, in der jedoch die örtlichen Besonderheiten und das Subsidiaritätsprinzip berücksichtigt werden müssen. Die Stadtentwicklungspolitik soll auf lokaler oder stadtregionaler Ebene koordiniert werden und alle Beteiligte, die maßgeblich dazu beitragen können, sollen darin einbezogen werden (▷Regionale Kooperation). Einigen Themen wird besondere Priorität beigemessen, z. B. der Steigerung der Ressourcen- und insbesondere Energieeffizienz im Rahmen des Klimawandels. Integrierte Stadtentwicklungspolitik nach der „Leipzig Charta“ beinhaltet somit die Anregung, die ▷Stadtentwicklungsplanung, die in Deutschland ja eine lange Tradition hat und weit verbreitet ist, v. a. hinsichtlich der Umweltaspekte fortzuentwickeln. Nachhaltige Stadtentwicklung in Deutschland Zur Vorbereitung der nationalen Beiträge zu den UN-Konferenzen der 1990er Jahre wurden von einer Reihe von Staaten, so auch der Bundesrepublik Deutschland, Berichte erstellt, die von der nationalen Fachöffentlichkeit intensiv diskutiert wurden. Die aus damaliger Sicht zentralen Handlungsfelder waren eine haushälterische Bodenpolitik , eine stadtverträgliche Verkehrspolitik und eine städtische Umweltpolitik. Ressourcenschonung, Umweltschutz und die räumlichen Ordnungsprinzipien „Dichte, Mischung und Polyzentralität“ und die „Stadt der kurzen Wege“ hatten im Nachhaltigkeitsdiskurs einen hohen Stellenwert (BfLR 1996);
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sie werden heute differenzierter diskutiert. Der zunächst gewählte „Umwelt-Bias“ wurde allerdings bald wieder aufgegeben zugunsten anderer Themen wie „Soziale Stadt“ oder „Wirtschaftsförderung“; konstant im Diskurs blieb nur das Thema „Flächensparen“ (▷Flächenmanagement). Politisch formulierte Zielvorgaben der Stadtentwicklung und Erfolgskontrollen wurden für eine gezielte Ressourcenallokation für notwendig gehalten (Deutscher Bundestag 2004). Eine nachhaltige Raumentwicklung und eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung sind seit 1998 im deutschen ▷Bau- und Planungsrecht verankert. Eine nachhaltige Raumentwicklung soll nach § 1 Abs. 2 Raumordnungsgesetz (ROG) die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang bringen und zu einer dauerhaften, großräumig ausgewogenen Ordnung führen. Soziale, wirtschaftliche und ökologische Belange sind prinzipiell gleichrangig und umfassen eine „geordnete“ Raum- und Siedlungsentwicklung; dem Postulat der Nachhaltigkeit wird ein Integrationsgebot zugesprochen (Krautzberger/Stemmler 2006:317ff ). Bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen darf keine der drei Zieldimensionen „weggewogen“ werden (Stüer 2005:509); die gleichen Prinzipien sind in der ▷Bauleitplanung anzuwenden. Eine Untersuchung, wie und inwieweit das Nachhaltigkeitsleitbild inzwischen in der Bauleitplanung umgesetzt wird, steht allerdings noch aus. Projekte einer nachhaltigen Stadtentwicklung wurden z. T. durch die nationale Ebene angestoßen, z. T. „in Eigenregie“ der Städte entwickelt. Mit Forschungsprojekten, wie das Forschungsfeld „Städte der Zukunft“ des BMVBS, und Wettbewerben, wie „Zukunftsfähige Kommune“ oder „Regionen der Zukunft“, wurden Konzepte, Verfahren und Instrumente einer nachhaltigen Stadtentwicklung erarbeitet und erprobt. In vielen Städten und Gemeinden wurden „Lokale Agenda 21“-Initativen gegründet, mit denen eine nachhaltige Stadtentwicklung angestrebt wurde. Viele Initiativen hatten bzw. haben allerdings inzwischen mit Motivationsproblemen zu kämpfen. Erfolgsfaktoren von „Lokale Agenda-Prozessen“ sind zwar lange bekannt (Zimmermann/OttoZimmermann 1999), dennoch ist der Schwung der 1990er Jahre scheinbar dahin. Dafür haben inzwischen andere Prozesse Fahrt aufgenommen, wie die Kampagne zu einer nationalen Stadtentwicklungspolitik (Deutscher Bundestag 2008). Seit 2002 wird eine nachhaltige Entwicklung in Deutschland auch mit der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung verfolgt (Bundesregierung
2008). Mithilfe von Zielen und Indikatoren werden soziale, ökonomische und ökologische Entwicklungen in Deutschland beobachtet und überprüft. Die Indikatoren sollen ein umfassendes Bild abgeben, sind jedoch notwendigerweise selektiv; sie wurden seit 2002 z. T. modifiziert und sollen auch in Zukunft fortentwickelt werden (Bundesregierung 2008:45ff ). V. a. die in der Strategie aufgeführten energie-, klima- und flächenbezogenen Ziele und Indikatoren betreffen auch Städte. Wenngleich sich die Ziele und die Ausprägung der Indikatoren auf die nationale Ebene beziehen, so ist doch offensichtlich, dass die Umsetzung der Strategie auf allen Ebenen und insbesondere auf der lokalen Ebene erfolgen muss. V. a. das in der Fachwelt viel diskutierte „30-ha-Ziel“ macht deutlich, dass zwischen einigen Zielen der Nachhaltigkeitsstrategie und Realität eine deutliche Lücke klafft. Es ist zu fragen, ob damit der Erfolg der Nachhaltigkeitsstrategie grundsätzlich infrage zu stellen ist, oder ob dieses Ergebnis „nur“ zu einer Veränderung der Strategie führen sollte; die Bundesregierung hat sich für Letzteres entschieden. Mit der Aktualisierung der Nachhaltigkeitsstrategie 2008 werden die Handlungsfelder Klima und Energie, nachhaltige Rohstoffwirtschaft und ▷demographischer Wandel priorisiert und ein integriertes Klima- und Energieprogramm aufgelegt. Reformbedarf wird insbesondere in Bezug auf die Verbindlichkeit der Strategie gesehen; das Nachhaltigkeitsleitbild kann nur dann in politische und administrative Praxis umgesetzt werden, wenn dies im Rahmen eines Managementsystems erfolgt, und wenn die vertikale und horizontale Integration der Strategie gestärkt werden (Bundesregierung 2008:33ff ). Denn bisher ist die Nachhaltigkeitsstrategie ein Elitendiskurs, dessen Wirkung auf die Praxis kaum erkennbar ist. Und bisher stehen EU-Strategien, die nationale Nachhaltigkeitsstrategie, Nachhaltigkeitsstrategien der Bundesländer, von Regionen und Kommunen noch unverbunden nebeneinander – eine vertikale Integration und eine horizontale Abstimmung, geschweige denn Integration, finden nicht statt. Da außerdem der Klimawandel einen sehr hohen Stellenwert in der europäischen und nationalen Stadtentwicklungspolitik erhalten hat, ist zu erwarten, dass andere Umweltaspekte (außer Klima) oder soziale Aspekte in Zukunft weniger relevant sein werden.
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Steuerung einer nachhaltigen Stadtentwicklung Inzwischen ist erkannt, dass Steuerung in Richtung Nachhaltigkeit eine Modifikation des vor-
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handenen Steuerungsmodells erfordert. „Diskursive Planung“ (Fürst 2005), „relationale Planung“ (Healey 2007), „strategische Planung“ (Albrechts 2004), „Controlling“ (Küpper 2001), die Realisierung eines „Managementzyklus“ (Weiland 2001, Claesson/Talve 2008) und „Monitoring“ (Birkmann 2005) sind Stichworte, mit denen Ähnliches beschrieben wird: Es wird davon ausgegangen, dass eine langfristige, detaillierte Vorausplanung der Stadtentwicklung nicht möglich ist, sondern dass stattdessen ein „lernfähiges“ und „kommunikatives“ Steuerungsmodell ihrer Komplexität angemessener ist. Mit diesem werden die Ergebnisse von Entwicklungen überprüft, und dies kann zu Modifikationen von Zielen, Instrumenten, Maßnahmen etc. führen; ein solches Steuerungsmodell ist zyklisch. Zielfindung, Umsetzung, Monitoring mittels Indikatoren und Evaluation sind – vereinfacht – die Phasen eines solchen Steuerungsmodells. Dieses Steuerungsmodell wird bisher erst in wenigen Städten angewandt, so z. B. in Ludwigsburg und der schwedischen Gemeinde Växjö.
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In dem Projekt „Fläche im Kreis“ wurde das bestehende planerische Instrumentarium daraufhin untersucht, inwieweit es zu einer Steuerung der Flächeninanspruchnahme im Sinne einer Kreislaufwirtschaft geeignet ist, und Empfehlungen ausgesprochen, sowohl veränderte Rahmenbedingungen als auch ergänzende Maßnahmen und neue Instrumente zu schaffen, um das sog. „30-ha-Ziel“ der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung zu erreichen (BMVBS/BBR 2006). Zentrale Elemente eines solchen zyklischen Steuerungsmodells sind neben den Zielen die Indikatoren, mit denen die Erreichung der Ziele einer nachhaltigen Stadtentwicklung überprüft werden soll. Inzwischen gibt es zahlreiche Beispiele für lokale Nachhaltigkeitsindikatorensysteme (s. u. a. Beispiele in IISD 2008, Weiland 2006); diese werden auch für Kommunikationszwecke, Berichterstattung und Vergleiche genutzt – jedoch praktisch nicht für Steuerungszwecke. Fazit Der Diskurs des Leitbildes „nachhaltige Stadtentwicklung“ und dessen Aufnahme in programmatische und rechtliche Grundlagen sind weit fortgeschritten. Die Vielfalt der zu berücksichtigenden Ausgangssituationen und Trends, die Unwägbarkeiten zukünftiger Herausforderungen und die potenzielle Fehlerhaftigkeit von Richtungsent-
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scheidungen legen es nahe, „lernende Systeme“ einzuführen, d. h. Entscheidungssysteme, in denen die einzelnen Schritte reflektiert und Korrekturen vorgenommen werden können. Unterhalb des breiten „Schirmes“ nachhaltiger Stadtentwicklung muss jede Stadt ihre eigenen Ziele und ihren eigenen Weg finden. Dabei ist die Bestimmung von Zielen der Stadtentwicklung i. d. R. ein konflikthafter Prozess: je detaillierter Ziele ausformuliert werden, desto schwieriger die Konsensfindung. Die Steuerung von Stadtentwicklungsprozessen erfolgt durch alle politischen Ebenen und eine Vielzahl von Akteuren – somit ist auch eine nachhaltige Stadtentwicklung ein „Mehrebenen-Governance-Konzept“ (▷Government und Governance). Da die Stadtentwicklung übergeordneten Politiken und Trends unterliegt, stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit des Leitbildes. Abstrahiert man von Programmatik und Pilotprojekten und betrachtet stattdessen die Realität, dann ist eine nachhaltige Stadtentwicklung immer noch v. a. ▷Leitbild. Die kontinuierlichen Aktivitäten der EU zur Propagierung und Förderung einer nachhaltigen Stadtentwicklung und die erkennbaren Ansätze zur vertikalen Vernetzung lassen allerdings erwarten, dass der Diskurs zumindest in Europa fortgeführt wird. Die von verschiedenen Seiten eingeforderte Überprüfung der erreichten Entwicklungsstände und die Fortentwicklung der Steuerungsmodelle ist letztlich die „conditio sine qua non“ nachhaltiger Stadtentwicklung. Weiland
Literatur Albrechts, L. (2004): Strategic (spatial) planning re-examined. In: Environment and Planning B: Planning and Design, 31, 743-758 Atkinson, G. u.a. (1997): Measuring sustainable development. Cheltenham, Northampton BfLR – Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung (Hrsg.) (1996): Städtebaulicher Bericht, Nachhaltige Stadtentwicklung – Herausforderungen an einen ressourcenschonenden und umweltverträglichen Städtebau. Bonn Birkmann, J. (2005): Monitoring. In: ARL – Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.): Handwörterbuch der Raumordnung. Hannover, 668-674 BMU – Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.) (1992): Agenda 21. Bonn BMVBS – Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.) (2007a): Territorial Agenda of the European Union – Towards a More Competitive and Sustainable Europe of Diverse Regions. Zugriff auf www.bmvbs.de/Anlage/original_1005295/ Territorial-Agenda-of-the-European-Union-Agreed-on-25-May2007-accessible.pdf am 9.10.2008 BMVBS – Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.) (2007b): Leipzig Charta zur nachhaltigen Europäischen Stadt. Zugriff auf www.bmvbs.de/Anlage/original_1003796/Leipzig-Charta-zur-nachhaltigen-europaeischen-Stadt-Angenommen-am-24.-Mai-2007-barrierefrei.pdf am 20.9.2008 BMVBS – Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-
NATURSCHUTZ wicklung; BBR – Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.) (2007): Kreislaufwirtschaft in der städtischen/stadtregionalen Flächennutzung. Werkstatt: Praxis, 51. Bonn Bundesregierung (Hrsg.) (2008): Fortschrittsbericht 2008 zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie. Berlin Claesson, A.; Talve, L. (2008): Integrated Management towards local and regional sustainability. Zugriff auf http://intra.mue25. net/am 18.10.2008 CoE – Council of the European Union (Hrsg.) (2006): Review of the EU Sustainable Development Strategy (EU SDS) as adopted by the European Council on 15/16 June 2006; 10917/06, Annex. Zugriff auf http://ec.europa.eu/sustainable/docs/renewed_eu_sds_en.pdf am 18.10.2008 Deutscher Bundestag (Hrsg.) (2008): Unterrichtung durch die Bundesregierung: Initiative zur Nationalen Stadtentwicklungspolitik. BT-Drucksache 16/9234. Berlin Deutscher Bundestag (Hrsg.) (2004): Städtebaulicher Bericht der Bundesregierung 2004: Nachhaltige Stadtentwicklung – ein Gemeinschaftswerk. BT-Drucksache 15/4610. Berlin Europäische Kommission (Hrsg.) (2001): Mitteilung der Kommission vom 15. Mai 2001: Nachhaltige Entwicklung in Europa für eine bessere Welt: Strategie der Europäischen Union für die nachhaltige Entwicklung. Zugriff auf http://europa.eu/scadplus/leg/de/lvb/ l28117.htm. am 11.10.2008 Europäische Kommission (Hrsg.) (1998): Nachhaltige Stadtentwicklung in der Europäischen Union: ein Aktionsrahmen. COM/98/605 F. Brüssel Fürst, D. (2005): Entwicklung und Stand des Steuerungsverständnisses in der Raumplanung. In: DISP, 163, 16-27 Girardet, H. (2007): Creating sustainable cities. Schumacher Briefing No. 2. Bristol Grunwald, A.; Kopfmüller, J. (2006): Nachhaltigkeit. Frankfurt/M Healey, P. (2007): Urban Complexity and Spatial Strategies, Towards a Relational Planning of our Times. New York ICLEI – Internationaler Rat für kommunale Umweltinitiativen (Hrsg.) (1994): Charta der Europäischen Städte und Gemeinden auf dem Weg zur Zukunftsbeständigkeit (Charta von Aalborg). Zugriff auf www.nachhaltigkeit.at/pages/la21/pdf/charta_aalborg. pdf am 10.10.2008 IISD – International Institute for Sustainable Development (2008): Measurement and Assessment. Zugriff auf www.iisd.org/ measure/compendium/searchinitiatives.aspx am 10.08.2008 Kolivas, G. (2007): JESSICA: Developing New European Instruments for Sustainable Urban Development. In: Informationen zur Raumentwicklung, 9, 563-571 Krautzberger M.; Stemmler J. (2006): Zum Rechtsbegriff der nachhaltigen räumlichen Entwicklung, insbesondere § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB und § 1 Abs. 2 Satz 1 ROG. In: Erbguth, W. u. a. (Hrsg.): Planung. München, 317ff Küpper, H.-U. (2001): Controlling, Aufgaben und Instrumente. Stuttgart Stüer, B. (2005): Der Nachhaltigkeitsgedanke als Kompensationselement in der planerischen Ausgleichsentscheidung. In: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, 5, 508-515 WCED – World Commission on Environment and Development (Hrsg.) (1987): Our Common future. New York Weiland, U. (2001): Planungszyklus für eine zukunftsfähige Entwicklung von Stadtregionen. In: Raumforschung und Raumordnung, 4, 392-401 Weiland, U. (2006): Sustainability Indicators and Sustainable Development. In: Wuyi, W.; Krafft, T.; Kraas, F. (Hrsg.): Global Change, Urbanization and Health. Beijing, 241-250 Zimmermann, M.; Otto-Zimmermann, K. (1999): Erfolgsfaktoren Lokaler Agenda-Prozesse. In: Weiland, U. (Hrsg.): Perspektiven der Raum- und Umweltplanung angesichts Globalisierung, Europäischer Integration und Nachhaltiger Entwicklung. Berlin, 237-243
NATURSCHUTZ Begriffsbestimmung Naturschutz ist ein gesellschaftliches Handlungsfeld, auf dem verschiedene Akteure versuchen, Natur in ihren Bestandteilen und Zusammenhängen einschließlich damit verbundener Funktionen zu erhalten, zu entwickeln oder wiederherzustellen. Dies erfolgt auf der Basis gesellschaftlicher Werte, auf die bei der Ableitung von Leitbildern des Naturschutzes bis hin zu konkreten Umsetzungszielen Bezug genommen wird. Naturschutz ist somit anders als die Naturwissenschaft Ökologie eine normative, handlungsorientierte Disziplin. Welche Natur wie und wo konkret zu schützen oder zu entwickeln ist, kann weder direkt aus der Natur abgelesen noch von der Ökologie beantwortet werden. Vielmehr sind solche Aussagen in Kenntnis der notwendigen fachlichen Grundlagen und rechtlichen Regelungen in diskursiven Prozessen zu erarbeiten. Dies ist eine wesentliche Aufgabe der ▷Landschaftsplanung als ▷Fachplanung für den Naturschutz, die solche Prozesse fachlich fundiert, organisiert und zu ▷Leitbildern, Bewertungen und Planungsaussagen führt. Dabei gewinnen partizipative Ansätze zunehmend Bedeutung. Ziele des Naturschutzes sind auch direkt in andere Fachplanungen einzubeziehen, z. B. nach dem Baurecht in die ▷Bauleitplanung. Zur geschichtlichen Entwicklung
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Wesentliche Entwicklungsstränge des Naturschutzes formierten sich im 19. Jahrhundert angesichts der durch die Industrialisierung bewirkten Landschaftsveränderungen. Teilweise reichen die Wurzeln noch weiter zurück. Wichtige Grundmotive sind (vgl. Körner/Nagel/Eisel 2003, Ott 2004, Piechocki u. a. 2004): die Bewahrung besonderer Naturausprägungen, die früh schon zum Schutz von Einzelobjekten geführt haben (z. B. 1668 Schutz der Baumannshöhe im Harz, 1836 Ankauf des Drachenfels im Siebengebirge) und Anfang des 20. Jahrhundert in der Naturdenkmalpflege institutionalisiert wurden, die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen, die angesichts der Knappheit der Ressource Holz schon Anfang des 18. Jahrhundert als Ziel der Forstwirtschaft formuliert wurde, die ästhetische Gestaltung der Landschaft in Verbindung mit deren Nutzung, als Ziel der
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Anfang des 19. Jahrhundert entstandenen Konzeption der Landschaftsverschönerung (▷Landschaftsarchitektur) und der Schutz der traditionellen ▷Kulturlandschaft vor maßloser Ausbeutung und deren maßvolle Nutzung als ein wesentliches Motiv der sich im 19. Jahrhundert formierenden Heimatschutzbewegung. Von konservativer Zivilisationskritik ausgehend waren Naturschutz und Denkmalpflege im Rahmen der Heimatschutzbewegung konzeptionell eng verbunden. Dabei waren Schutz und Gestaltung keine Gegensätze, was Körner durch die Parallelität von „Naturschutz im engeren und im weiteren Sinne“ veranschaulicht (Körner 2005: 26). Ersterer zielte auf bestimmte Naturausprägungen („Naturdenkmäler“) und auch auf die Bewahrung einer bestimmten Arten- und Biotopausstattung in Schutzgebieten. Letzterer entwickelte aus dem schöpferischen Ansatz des Heimatschutzes gestalterische Ziele im Sinne eines „maßvollen“ Umgangs mit der Landschaft, was schließlich zur Landschaftspflege führte. Die Verstrickung des Naturschutzes und vieler Naturschützer mit dem Nationalsozialismus desavouierte das kulturelle Fundament des Naturschutzes und insbesondere den Heimatbegriff. Jüngere Entwicklung: die vier Schutzgüter des Naturschutzes
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In Abkehr von früheren Traditionslinien des Naturschutzes erfolgte nach 1945 eine Schwerpunktverlagerung hin zu einem naturwissenschaftlich, ökologisch fundierten Naturschutz, der insbesondere auf den Arten- und Biotopschutz ausgerichtet war und in der Landschaftsplanung mit der Entwicklung eines planungswissenschaftlichen Instrumentenrepertoires verbunden war. Mit der Verabschiedung des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatschG) von 1976, das das bis dahin geltende Reichsnaturschutzgesetz von 1935 ablöste, wurde das Spektrum der Schutzgüter um den Naturhaushalt erweitert – und damit indirekt um die Umweltmedien Boden, Wasser und Luft. In der Neufassung des Gesetzes im Jahr 2002 wurde der Nachhaltigkeitsaspekt (▷Nachhaltige Stadtentwicklung) auf der Zielebene akzentuiert und der bisher ausschließlich anthropozentrische Ansatz des Gesetzes überwunden. Nun werden in § 1 BNatschG die Ziele von Naturschutz und Landschaftspflege wie folgt bestimmt: „Natur und Landschaft sind auf Grund ihres eigenen Wertes und als Lebensgrundlagen des Men-
schen auch in Verantwortung für die künftigen Generationen im besiedelten und unbesiedelten Bereich so zu schützen, zu pflegen, zu entwickeln und, soweit erforderlich, wiederherzustellen, dass 1) die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts, 2) die Regenerationsfähigkeit und nachhaltige Nutzungsfähigkeit der Naturgüter, 3) die Tier- und Pflanzenwelt einschließlich ihrer Lebensstätten und Lebensräume sowie 4) die Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie der Erholungswert von Natur und Landschaft auf Dauer gesichert sind.“ Die unter 1) bis 4) aufgeführten Zielbereiche (Schutzgüter) veranschaulichen die Breite des Naturschutzauftrags, der weit über den traditionellen Arten- und Biotopschutz hinausgeht. Leistungen des Naturhaushaltes für Menschen sind beispielsweise das Trinkwasserdargebot, bioklimatologische Ausgleichsfunktionen, die Festlegung von Schadstoffen in Böden, der Erosionsschutz durch Vegetation, die Bindung von Stäuben durch Pflanzen oder die Befruchtung von Nutzpflanzen durch Insekten. Solche Funktionen werden auch als „ecosystem services“ quantifiziert und monetarisiert. Naturschutz zielt zwar nicht auf die Erhaltung bestimmter Landnutzungen, jedoch soll mit dem zweiten Ziel grundsätzlich die Nutzungsfähigkeit von Naturgütern bewahrt werden, und zwar nachhaltig. Böden, Wasservorräte, genetische Ressourcen und andere Naturelemente können also genutzt werden, ohne jedoch hierdurch ihre zukünftige Nutzbarkeit irreversibel zu gefährden. Das dritte Ziel betrifft die Tier- und Pflanzenwelt und drückt als eine wichtige Erkenntnis des 20. Jahrhundert aus, dass Arten nicht ohne ihre Lebensräume zu erhalten sind. Hiermit verbunden ist das Ziel der Erhaltung der biologischen Vielfalt, welche die genetische Vielfalt sowie die Vielfalt an Arten, Lebensgemeinschaften und Lebensräumen umfasst. Ziele des Arten- und Biotopschutzes haben durch internationale Regelungen wie die „Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie“ der Europäischen Union oder das 1992 in Rio verabschiedete Übereinkommen über die biologische Vielfalt („Biodiversitätskonvention“) besonderen Nachdruck erhalten. Allerdings zielt die Biodiversitätskonvention nicht nur auf die Erhaltung der biologischen Vielfalt, sondern auch auf deren nachhaltige Nutzung und gerechte Zugänge hierzu. Das vierte Ziel adressiert Natur und Landschaft als ästhetische Kategorie („Vielfalt, Eigenart, Schönheit“) und in ihrer Erholungsfunktion. Zu seiner Operationalisierung sind v. a. historische Landschaftsanalysen sowie Landschaftsbildbe-
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wertungen eingesetzt worden. Auch wenn die mit diesem Ziel angesprochene kulturelle Dimension von Natur in Verbindung zu Zielen des Heimatschutzes steht, so übernimmt das Bundesnaturschutzgesetz jedoch nicht dessen konservativen Fokus auf die tradierte heimatliche Natur. Die vier in § 1 BNatschG genannten Schutzgüter umreißen somit einen breiten Naturschutzauftrag, der „im besiedelten und unbesiedelten Bereich“, also flächendeckend umzusetzen ist. Bemerkenswert ist, dass der gesetzliche Auftrag kategorial verschiedene Zieldimensionen des Naturschutzes bestimmt. Es ist zunächst die Ebene funktionaler Prozesse im Naturhaushalt, die zu bestimmten Leistungen führen und der Auftrag zur Gewährleistung nachhaltiger Landnutzungsoptionen. Im Gegensatz zu diesen beiden eher funktional bestimmten Ebenen sind die beiden anderen Schutzgüter an konkrete Ausprägungen von Natur gebunden: einerseits an Tier- und Pflanzenarten oder andere Naturausprägungen, die aufgrund ihres eigenen Wertes zu erhalten sind; andererseits an die ästhetische Dimension von Natur- und Landschaft, die von Menschen erfahrbar und auch für Zwecke der Erholung zu nutzen ist. Kritik an der Praxis des Naturschutzes In jüngerer Zeit sind wiederholt Zweifel daran geäußert worden, ob die Breite des Naturschutzauftrags angemessen ausgewogen durch die Praxis des Naturschutzes reflektiert wird und dadurch Naturschutz letztlich ausreichend gesellschaftliche Akzeptanz erreicht. Kernpunkte der Kritik (vgl. Körner/Nagel/Eisel 2003, Haber 2006) sind: die Einengung des Naturschutzes auf den Schutz einzelner Biotope oder Arten, der oft kompromisslos angestrebt werde, eine Neigung zur Ausgrenzung von Menschen und ihrer Landnutzungen im Zusammenhang mit Schutzbemühungen, die mangelnde Berücksichtigung von Landschaftsfunktionen bei der Entwicklung von Landnutzungssystemen und die „Kulturvergessenheit“ des Naturschutzes, die sowohl die Abhängigkeit vieler Schutzobjekte von bestimmten Landnutzungen als auch die kulturellen Funktionen von Natur und Landschaft negiere. Auch innerhalb des Arten- und Biotopschutzes sind tradierte Leitbilder und Handlungsansätze infrage gestellt worden. Kritisiert wurde, dass sich der Naturschutz zu sehr auf die „konservierende“ Bewahrung ursprünglicher und kultur-
landschaftlicher Lebensräume mitsamt ihrer Artenausstattung konzentriere und dabei zu wenig Spielräume für natürliche Dynamik innerhalb der Systeme belasse. Dies hat zur Forderung nach „Prozessschutz“ geführt, der v. a. in Wäldern zu mehr Wildnis führen solle (Sturm 1993, Scherzinger 1996). Ein weiterer Kritikpunkt zielt auf die verbreitete Strategie im Naturschutz, Schutzobjekte und darauf zielende Handlungsstrategien ausschließlich rückwärtsgewandt auf Elemente der ursprünglichen Naturlandschaft oder der traditionellen Kulturlandschaft zu beschränken und hierdurch in jüngerer Vergangenheit bereits vollzogene oder zukünftig zu erwartende (und nötige) Anpassungen von Naturelementen an dynamische Umweltbedingungen zu vernachlässigen (Kowarik 2005). Verbindung verschiedener Strategie-Elemente Kritik an der bisherigen Ausrichtung des Naturschutzes muss pointiert sein, um weiterführende Diskussionen anzustoßen. Allerdings gibt es „den“ Naturschutz nicht, denn die Akteure, Ziele und Strategien auf dem gesellschaftlichen Handlungsfeld des Naturschutzes sind ungemein vielgestaltig. Berechtigte Kritik trifft daher unweigerlich immer auch „die Falschen“, kann durch Überpointierung zu Verhärtungen bis hin zu Gegnerschaft führen. Dies war beispielsweise bei Auseinandersetzungen zwischen Vertretern des Prozessschutzes und des Kulturlandschaftsschutzes zu beobachten. Angesichts des breiten Spektrums von Naturschutzbegründungen, aber auch wegen der Unterschiedlichkeit von Herausforderungen, die sich aus absehbaren Veränderungen von Landnutzungssystemen (z. B. „Energielandschaften“) und weitgehend unabsehbaren Folgen des ▷Klimawandels ergeben, wird der Naturschutz weiterhin auf die Verbindung verschiedener Strategie-Elemente und Ansatzpunkte angewiesen sein. Insofern sollte beispielsweise die Kritik an einseitiger Ausrichtung des Naturschutzes auf den Arten- und Biotopschutz nicht als grundlegender Zweifel an der Berechtigung dieses Zieles verstanden werden, sondern vielmehr als Hinweis auf drängende Defizite in anderen Zielbereichen. Eine Debatte hierüber sollte also nicht um ein grundsätzliches „entweder – oder“ in Hinblick auf die Berechtigung einzelner Naturschutzziele oder -strategien gehen, sondern um die Frage, für welche Handlungssituationen welcher StrategienMix mit welchen Schwerpunkten angemessen ist.
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Die konkrete Antwort hierauf ist weder aus „der Natur“ noch aus Gesetzen abzulesen, sondern ist in diskursiven Prozessen zu suchen. Beispiel urbaner Naturschutz
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Naturschutz entwickelte sich im 19. Jahrhundert aus einer stadtfeindlichen Position. Die Tradition des urbanen Naturschutzes ist daher vergleichsweise jung und weniger mit tradierten Schutzbemühungen befangen. Vielleicht könnten einige seiner Ansätze für die weitere, allgemeine Entwicklung des Naturschutzes nutzbar gemacht werden. Kennzeichnend für den urbanen Naturschutz ist die Verbindung „klassischer“ mit neuen Ansätzen, die hier am Beispiel Berlins kurz skizziert werden soll. Das Landschaftsprogramm formuliert flächendeckend Entwicklungsziele für das gesamte Stadtgebiet, die ein breites Spektrum an Naturschutzzielen abbilden, jedoch auf die prägenden Landnutzungen abgestimmt sind. Es geht nicht darum, die Großstadt abzuschaffen, sondern im urbanen Maßstab die Spielräume für Natur und die Wirkung ihrer vielfältigen Funktionen für die Stadtbewohner zu erweitern (▷Urbane Landschaften). So spielen bei den Waldflächen Erholungsund Naturhaushaltsfunktionen im Vergleich zur Produktionsfunktion eine wichtige Rolle. Klassisch ist auch in Berlin der Gebrauch des Instruments „Schutzgebietssysteme“, mit denen überwiegend Relikte der ursprünglichen Naturlandschaft oder der traditionellen Kulturlandschaft erhalten werden, z. B. Moore oder agrarisch geprägte Landschaften am Stadtrand. Zunehmend werden Bestrebungen verstärkt, zu solchen Schutzgebieten öffentlichkeitswirksame Zugänge zu schaffen, z. B. im Rahmen des „Langen Tag der Stadtnatur“. In Berlin sind darüber hinausgehend auch Ausprägungen spezifisch urban-industrieller Ökosysteme auf Brachflächen Gegenstand des Naturschutzes geworden. Im Fall des „Landschaftspark Adlershof “ und des „Natur-Park Südgelände“ wurden Leitbilder hierfür in diskursiven Prozessen abgestimmt, wobei mehrere Ziele konzeptionell miteinander verbunden worden sind: Bewahrung historischer Landschaftsräume, deren Eigenart aus der Verbindung kultureller Elemente der Vornutzung mit neuer Naturdynamik resultiert, Bewahrung spezifischer Stadien der Brachflächenentwicklung mit daran gebundenen Arten und Lebensgemeinschaften, Offenheit für neue Naturprozesse mit unbekanntem Ausgang bei der Entstehung urbaner Ökosysteme und
Förderung des Zugangs für Menschen und von „Naturerleben“. Kennzeichnend für beide Projekte ist, dass hier in starkem Maße gestalterische, auch landschaftsarchitektonische Ansätze zur Geltung kamen, um die Naturschutzziele in ihrer Breite umzusetzen. Eine solche Verbindung wird auch bei der Konzeption für die Entwicklung des Flughafens Tempelhof angestrebt, wobei hier auch Naturhaushaltsfunktionen (klimatische Ausgleichsfunktionen, Wasserhaushalt) eine wichtige Rolle spielen werden. Kowarik
Literatur Haber, W. (2006): Kulturlandschaften und die Paradigmen des Naturschutzes. In: Stadt + Grün, 12, 20-25 Körner, S. (2005): Natur in der urbanisierten Landschaft, Ökologie, Schutz und Gestaltung. Zwischenstadt Band 4. Wuppertal Körner, S.; Nagel, A.; Eisel, U. (2003): Naturschutzbegründungen. BfN-Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz. Münster-Hiltrup Kowarik, I. (2005): Welche Natur wollen wir schützen und welche sind wir bereit zuzulassen? Ein Plädoyer für ein offenes Naturschutzkonzept. In: Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz (Hrsg.): Denkanstöße, 3. Mainz, 46-55 Ott, K. (2004): Geistesgeschichtliche Ursprünge des deutschen Naturschutzes zwischen 1850 und 1914. In: Konold, W.; Böcker, R.; Hampicke, U. (Hrsg.): Handbuch Naturschutz und Landschaftspflege. Landsberg am Lech Piechocki R. u. a. (2004): Vilmer Thesen zum Natur- und Umweltschutz. In: Natur und Landschaft, 79, 529-533 Scherzinger, W. (1996): Naturschutz im Wald: Qualitätsziele einer dynamischen Waldentwicklung. Stuttgart Sturm, K. (1993): Prozeßschutz: Ein Konzept für naturgerechte Waldwirtschaft. In: Zeitschrift für Ökologie und Naturschutz, 2, 181192
NEW TOWNS
Begriffsklärung und -abgrenzung Unter New Towns wird eine Gruppe von Stadtneugründungen seit der Mitte des 20. Jahrhunderts verstanden, die einem bestimmten regionalplanerischen und stadtstrukturellen Konzept folgen. Regionalplanerisch wird damit eine Dekonzentration des Großstadtwachstums durch Gründung neuer Städte an der Peripherie der Stadtregion angestrebt. Stadtstrukturell sind New Towns StadtNeugründungen mit allen städtischen Funktionen, denen eine städtebauliche, infrastrukturelle, finanzielle und administrative Planung für eine angestrebte größere Bevölkerungs- und Arbeitsplatzzahl zugrunde liegt. Die Gruppe der New
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Towns ist nicht eindeutig begrenzt, umfasst aber nur einen Teil der weltweiten Stadtneugründungen seit der Mitte des 20. Jahrhunderts. Im vergangenen Jahrzehnt hat sich eine neue Konjunktur des Begriffes New Towns ergeben. Damit verbunden ist ein Wandel des Begriffes sowohl in der Planungspraxis als auch in der Wissenschaft unter dem Schlagwort New New Towns. Die Zielsetzung der Dekonzentration tritt in den Hintergrund. Entscheidend sind weiterhin die systematische und weitgehend (eigenständige) Stadt-Neugründung, nun aber weiter gefasst im Zusammenhang mit einem regionalplanerischen oder ökonomischen Projekt. Entwicklung des New Towns-Konzeptes Als Reaktion auf die mit der Industrialisierung und ▷Urbanisierung einhergehenden schlechten Wohn- und Lebensverhältnisse wurden Reformkonzepte entwickelt. Auf stadtstruktureller Ebene hat v. a. das Gartenstadt-Konzept, das ab 1898 maßgeblich von E. Howard propagiert wurde, erheblichen Einfluss erreicht (▷Leitbilder). Dieses Konzept beruht v. a. auf der Entwicklung neuer, sowohl städtisch als auch ländlich geprägter Siedlungen mittlerer bis niedriger bauliche Dichte in größerer Entfernung zu und zur Entlastung von Großstädten. Deshalb sollten die Gartenstädte über eine klar definierte Stadtgrenze verfügen und die Einwohnerzahl als Grundlage für kurze Wege zwischen den Funktionen ▷Wohnen, Arbeiten und Versorgung auf ca. 32.000 begrenzt sein. Weitere zentrale Aspekte des Konzeptes sind eine großzügig angelegte Stadtstruktur mit einer lockeren Wohnbebauung und sozialer Infrastruktur, die überschaubare Nachbarschaften („Neighbourhood Units“) bilden, sowie großzügige städtische Freiflächen. Unter maßgeblicher Beteiligung der 1899 gegründeten Garden Cities Association sind zwei neue Städte, Letchworth Garden City ab 1903 und Welwyn Garden City ab 1920, bei London entstanden. Die Konferenzen der International Garden Cities Association avancierten in den 1920er und 1930er Jahren zu einem internationalen Forum für Fragen des ▷Städtebaus und führten zu einer Weiterentwicklung der Gartenstadt-Idee, die sich in der Wandlung des Begriffs Garden City zu Satellite Town oder New Town niederschlägt. Das weiterentwickelte Konzept war auch tragendes Element für die Bestrebungen zur Entlastung und Dezentralisierung (▷Dezentrale Konzentration) im Großraum London. Konkretisiert wurden diese Bestrebungen zunächst 1944 im „Greater London Plan“ (nach dem 1,5 Mio. Ein-
wohner von London in neue und erweiterte Städte umziehen sollten) sowie als nationale Strategie durch zwei Gesetze. Der „New Town Act“ (1946) erlaubte es der Regierung, Gebiete als New Towns auszuweisen und die mit der Entwicklung verbundenen Aufgaben von der Gemeinde an eine Entwicklungsgesellschaft, die finanziell von der Regierung ausgestattet wurde, zu übertragen. Der „Town and Country Planning Act“ (1947) legte parallel dazu fest, dass Baugenehmigungen auf der Grundlage von gemeindlichen Planungen generelle Voraussetzung für die Erschließung von Bauland wurden. Die britischen New Towns sollten den folgenden Anforderungen gerecht werden: rigorose Flächennutzungsplanung bzw. hoher Grad von Funktionstrennung, Nachbarschaftsprinzip für die innere Gliederung, großes Town Centre mit über die Nachbarschaft verstreuten Sekundärzentren, Trennung der Verkehrswege für verschiedene Verkehrsarten (Radburn-Verkehrssystem), hoher Grünflächenanteil, Pluralismus der Bausubstanz und Bevölkerungsstruktur. Den Kern bilden dabei die drei erstgenannten Anforderungen, während die weiteren nicht durchgängig umgesetzt wurden (Merlin 1971). Das New Towns-Konzept ist damit als Projekt der planerischen und städtebaulichen Moderne zu charakterisieren. Die britischen New Towns der 1940er bis 1970er Jahre
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In Großbritannien wurden insgesamt 28 New Towns errichtet. Hierbei ist zwischen drei Phasen bzw. Generationen von New Towns (1946-55, 1961-66, 1967-70) zu unterscheiden. Die Differenzierung bezieht sich v. a. auf die angestrebten und erreichten Stadtgrößen, die Entfernungen zu den zu entlastenden Verdichtungsräumen, weitere verfolgte Ziele (Entwicklungspol, Stadtsanierung in benachbarten Städten), die Stadtgestaltung und -planung. So wurden die britischen New Towns der ersten Generation überwiegend nach dem Nachbarschaftsprinzip gebaut. Die ersten acht, außerhalb des Londoner Grüngürtels gelegenen New Towns dienten primär der Entlastung Londons sowie der Linderung des Wohnungsmangels nach dem 2. Weltkrieg. Die zweite Generation nahm Bezug auf spezifische Aufgaben wie die Bewältigung der
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Wohnraumdefizite in den westlichen Midlands oder der Region Merseyside oder die Entwicklung von Industrieansiedlungen. Die dritte Generation von New Towns war generell auf grössere Einwohnerzahlen ausgelegt und band auch erhebliche bestehende Siedlungen in die Stadtgründung ein. In den 28 New Towns lebten 1991 insgesamt ca. 2,24 Mio. Einwohner, d. h. rund drei Prozent der Gesamtbevölkerung Großbritanniens (Heineberg 2006). Verbreitung des New Town-Konzeptes in den Industrieländern
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Inspiriert von der britischen New Town-Strategie entwickelten sich New Towns ab den 1950er Jahren in Europa zu einer der zentralen regionalplanerischen Strategien, um Agglomerationen zu entlasten, aber zunehmend auch, um neue Wachstumspole zu schaffen. Doch die anfangs in Europa und später weltweit errichteten New Towns folgten in Form von großflächigen Satellitenstädten an der Peripherie der Städte vielmehr den Prämissen suburbaner, statt (eigenständiger) urbaner Entwicklung (▷Großsiedlungen). Neben dem britischen wurden New TownProgramme mit „wohlfahrtsstaatlichem Versorgungsanspruch“ (Gotsch/Peterek 2002:42) auch in Mittel- und Nordeuropa umgesetzt: zuerst in Schweden, später in Finnland, Irland und den Niederlanden Das abgesehen von Großbritannien umfangreichste europäische Programm wurde in Frankreich verfolgt, wo seit Mitte der 1960er Jahre neun „Villes Nouvelles“ zur Entlastung und Dezentralisierung der Agglomerationen Paris, Marseilles, Lyon, Lille, Rouen realisiert wurden. Parallel zu den westeuropäischen Bemühungen wurden auch vereinzelt Projekte – wenn auch deutlich kleiner – in Kanada und den USA umgesetzt. Auch in der UdSSR, Polen und Ungarn wurden New Towns mit einem stärker industriepolitischen Bezug errichtet (Galantay 1975). Weltweite Verbreitung des New Town-Konzeptes In Afrika, Asien und im Mittleren Osten wurden nachfolgend ebenfalls vermehrt New Towns realisiert. Eine Erklärung für diesen „Export“ (▷Architekturexport) ist zum einen in der oftmals kolonialen Prägung (z. B. Elfenbeinküste, Hong Kong, Indien, Pakistan) zu finden. Zum anderen müssen die globalen Wirkungskreise der beteiligten Architekten und Stadtplaner gesehen werden: C. Doxiades plante New Towns in Ghana,
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Sambia, dem Sudan, dem Libanon und Pakistan (Provoost 2006), unter Le Corbusier wurde Chandigarh in Indien realisiert, die Entwurfsgruppe des Massachusetts Institute of Technology plante die Ciudad Guayana in Venezuela; französische, deutsche, US-amerikanische und britische Büros realisierten New Towns im Mittleren Osten (Saudi-Arabien, Iran, Jordanien) und Afrika (Libyen, Ägypten, Algerien, Nigeria). Im Rückblick wird deutlich, wie sehr sie – trotz der ihnen gemeinen modernistischen Struktur – in Größe, regionaler Einbindung und spezifischen Funktionen differieren. Moderne Industriestädte zur Erschließung von Rohstoffvorkommen wurden dabei ebenso realisiert wie eigenständige Verwaltungs- und Regierungsstädte oder großflächige Entlastungsstädte in schnell wachsenden Stadtregionen. Anfang der 1970er Jahre folgte die erste Desillusionierung und öffentliche Kritik. Die Bewohner litten unter der mangelnden verkehrlichen Anbindung, fehlenden Versorgungseinrichtungen und Arbeitsplätzen. Im Zentrum der Kritik standen zudem der gesichtslose Massenwohnungsbau und der Verlust lokaler und sozialer ▷Identität (Der Spiegel 1972). Neben der massiven Kritik und dem z. T. geringen Zuzug führte v. a. der Einbruch des ökonomischen Wachstums in den westlichen Industriestaaten ab Mitte der 1970er Jahre zu einer Abwicklung der staatlichen Programme. Sukzessive wandten sich auch die Planer der Schwellen- und Entwicklungsländer weitgehend von dem Konzept ab. New New Towns Angesichts der negativen Erfahrungen ist es überraschend, dass großflächige Stadterweiterungen aber auch New Towns heute vom Mittleren Osten (Ägypten, Saudi-Arabien, Oman), über Nordafrika (Marokko) und Südostasien (China, Indien, Südkorea, Vietnam, Malaysia, Indonesien) bis Lateinamerika (Mexiko, Brasilien, Argentinien) eine Renaissance erleben. Ein Großteil steht dabei im Kontext der dynamischen Entwicklung von ▷Megastädten, wobei die Funktion der New Town inoder außerhalb von Stadtregionen, die bauliche Form, die Zielgruppen und Finanzierungsmodelle deutlich differieren. Dies liegt an den Motiven der Stadtgründung (vertiefend dazu Trialog 2002): Urbanisierung: New Towns als Dezentralisierungs- und Entlastungsstrategie Während einige Länder wie Ägypten, der Iran und Indien an staatlichen Wohnungsbauprogrammen
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aus den 1970er Jahren zur Umverteilung der Bevölkerung festgehalten haben, sind für eine Reihe von Stadtregionen neue Entlastungsprogramme aufgelegt worden, so in Ost-/Südostasien (z. B. „One City – Nine Towns“, Shanghai, China) oder Nordafrika (Marokko). Globalisierung: New Towns als Standortvorteil in globalen Netzwerken Eine neue Dimension erfährt das New Town-Konzept mit seiner „Aufladung“ als positiver Standortfaktor. Aktuelle Projekte wie New Songdo City, Süd-Korea, oder King Abdullah Economic City, Saudi-Arabien, zielen auf die Positionierung in globalen Märkten. Dies erfordert eine intensive Einbindung in Infrastrukturnetzwerke, z. B. mit global ausgerichteten Flug- oder Seehäfen oder die Ausweisung von Special Economic Zones. Polarisierung: New Towns als Orte des „Lifestyle-Urbanismus“ Zunehmend entstehen New Towns als zielgruppen-spezifische, exklusive Lebenswelten wie New Cairo, Ägypten. Sie bieten Luxus, Exklusivität und – als häufig privatisierte „Gated (New) Towns“ – Sicherheit. Aufgrund der internationalen Klientel sind auch sie auf die Flughafenanbindung sowie die Nähe großer Agglomerationen mit hochrangigen Kultur- und Bildungsmöglichkeiten angewiesen. Typologien wie Apartmenttürme und Villen bedienen sich oftmals Versatzstücken der internationalen Architektur. Klimawandel: New Towns als planerisch-technologische Demonstrationsvorhaben Eine weitere Dimension erlangen New Towns in der Auseinandersetzung mit der Herausforderung durch den Klimawandel. Eine Reihe von Vorhaben dient der Planung und Erprobung von energieeffizienten Technologien auf baulichem und städtischem Maßstab – als meist exklusiver Wohn- und Investitionsstandort mit dem weltweit vermarkteten Label ▷Energieeffiziente Stadtentwicklung. Zu nennen sind v. a. Masdar City, eine „Zero Carbon City“ bei Abu Dhabi, die Tianjin Eco-City bei Shanghai und die geplanten kleinmaßstäblicheren „Eco-Villages“ in Großbritannien. Gemein ist allen Motiven und Projekten eine Abkehr vom Modell der New Town der Moderne: es sind zwar systematisch und großmaßstäblich geplante Städte, aber nur selten staatlich finanziert
und nicht mit einem wohlfahrtsstaatlichen Projekt verbunden: „New New Towns“ entstehen zunehmend auf Initiative und in Federführung der Privatwirtschaft. Zudem divergieren sie stark in ihrer funktionalen Beziehung zur Kernstadt – so überhaupt vorhanden: sie reichen von kleineren Satellitenstädten bis hin zu großen Parallelstädten – ihre planerischen und baulichen Ausprägungen reichen entsprechend von vernakulären, dörflichen Formen bis hin zu gesichtslosen, globalen Architekturen. Gemein ist den meisten der New New Towns auch ihre internationale Bewohnerzielgruppe und die Einbindung in globale ökonomische Kreisläufe und Netzwerke. Ausblick Bei aller berechtigten Kritik an dem Konzept von New Towns ist die Renaissance der letzten Jahre ein Indiz für die weiterhin bestehende Relevanz der Thematik sowohl als Gegenstand planungspraktischer als auch wissenschaftlicher Auseinandersetzung, nicht zuletzt im Hinblick auf die damit verknüpften globalen Herausforderungen wie der Mega-Urbanisierung und des Klimawandels. Die Gründung der European New Towns Platform (2001) und des International New Town Institute in Almere (2008) sowie eine Reihe von internationalen Forschungsprojekten zu New Towns (z. B. „The New Town“, Niederlande, oder „Young Cities – New Towns in Iran/Urban Energy Efficiency“, TU Berlin, 2005-2013) machen dies deutlich. Seelig, Stellmacher
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Literatur Buder, S. (1990): Visionaries And Planners: The Garden City Movement And The Modern Community. New York Der Spiegel (1972): Die neuen Städte: Weder Fisch noch Fleisch. H. 1-2. Hamburg, 76-78 Gotsch, P.; Peterek, M. (2002): Neue Städte im Süden, Urbane Modelle für das 21. Jahrhundert? In: Trialog 75, 42-46 Galantay, E. Y. (1975): New Towns: Antiquity to the Present, Planning & Cities Series. New York Hardy, D. (1991): From Garden Cities to New Towns: Campaigning for Town and Country Planning, 1899-1946. Studies in History, Planning, and the Environment. London Heineberg, H. (2006): Stadtgeographie. Paderborn Hofmeister, B. (1999): Stadtgeographie. Braunschweig Merlin, P. (1971): New towns: Regional planning and development. London Osborn, F. J; Whittick, A. (1963): The New Towns: The Answer to Megalopolis. New York Provoost, M. (2006): New Towns in the cold war frontier. Zugriff auf www.eurozine.com/articles/2006-06-28-provoost-en.html am 13.09.2009 Trialog (2002): Themenheft New Settlements. Heft 75. Darmstadt
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NEW URBANISM Begriffsbestimmung „New Urbanism“ bezeichnet viele Aspekte einer städtebaulichen Entwicklung, die in den 1980er Jahren in den USA ihren Ausgang nahm: New Urbanism ist ein städtebauliches Programm, ein städtebauliches Netzwerk, ein städtebauliches Produkt. New Urbanism ist eine Antwort auf die Entwicklung der US-amerikanischen Stadt und ein Programm zur Einflussnahme auf diese Entwicklung – unter den Bedingungen eines vornehmlich privaten ▷Städtebaus. New Urbanism richtet sich nicht nur an Fachwelt und Politik, sondern auch an die Träger der städtebaulichen Entwicklung, die neuen Mittelschichten und die Immobilienwirtschaft. Die auf dem Markt relativ erfolgreichen, in der akademischen Welt aber umstrittenen städtebaulichen Produkte des New Urbanism werden auch weltweit nachgefragt und exportiert. New Urbanism – ein städtebauliches Programm gegen den Sprawl
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Ausgangspunkt des New Urbanism war die Kritik an der Zersiedlung der US-amerikanischen Metropolregionen, am „Sprawl“. Wichtigstes Ziel war und ist der Kampf gegen den Sprawl. In diesem Kontext zielt der New Urbanism darauf, die Paradigmen städtebaulicher Entwicklung auf der Ebene der Region, der Stadt und des Quartiers zu verändern. Im städtischen Kontext bedeutet dies: möglichst Wiedernutzung und Verdichtung von Siedlungsflächen statt Neubau auf der grünen Wiese (▷Konversion und Revitalisierung). D. h. z. B.: Revitalisierung von Stadtzentren, etwa in Milwaukee und Providence. Es geht aber auch um die neue Nutzung ehemaliger Industrieflächen, sog. Brownfields, etwa bei Atlantic Station in Atlanta (Georgia), sowie aufgegebener Shoppingcenter, sog. Greyfields. Ein Greyfield-Projekt ist etwa The Crossings in Mountain View (California), wo ein aufgegebenes Shoppingcenter durch eine Wohnanlage für unterschiedliche soziale Gruppen ersetzt wurde. Wiedernutzung heißt weiter: Stärkung historischer Suburbs, nicht nur der gehobenen „Railway-Suburbs“ aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, sondern v. a. auch der Suburbs, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind. Viele dieser Suburbs sind zurzeit die Verlierer der
neuen Dynamik der US-amerikanischen Metropolregionen, die durch eine Gleichzeitigkeit von Urban Renaissance im Zentrum und weiterer (Post-)Suburbanisierung geprägt sind. New Urbanism bedeutet aber auch: Bau neuer Suburbs und Ferienorte wie etwa Seaside (Florida), Kentlands (Maryland) und Celebration (Florida) oder Umbau bestehender Suburbs, z. B. die Nachrüstung von Suburbs mit Zentren, etwa mit dem Haile Village Center bei Gainesville (Florida). Der Kampf gegen Sprawl heißt also nicht: Kampf gegen Suburbia überhaupt. Ziel des New Urbanism ist eine andere Form von Suburbs: baulich dichter, stärker nutzungsgemischt, sozial vielfältig, fußgängerorientiert und gut mit anderen Orten der ▷Metropolregionen verbunden. Auffällig ist bei den Projekten des New Urbanism die Dominanz des Städtebaus über die ▷Architektur. Hinsichtlich der architektonischen Stile gibt es keine Festlegung, wenngleich traditionelle Bauformen überwiegen. Wichtiger als der Stil ist die Betonung der Besonderheit des Ortes. Grundlage eines städtebaulichen Projekts ist der „Master Plan“, der den Stadtgrundriss sowie die Verteilung der öffentlichen und privaten Grundstücke und Bauten festlegt. Zusätzlich gibt es einen „Urban Code“, ein städtebauliches Regelwerk, das die Regeln der architektonischen Gestaltung bestimmt (▷Städtebauliches Entwerfen). Erarbeitet werden diese planerischen Grundlagen oft durch ein besonderes Verfahren, Charrette genannt. Dabei kommen die Planer mit dem Bauherren, Vertretern öffentlicher Institutionen und gesellschaftlicher Gruppen zusammen, um im Laufe einiger Tage stufenweise die Planung zu erarbeiten. Master Plan, Urban Code und Charrette bilden das Instrumentarium des New Urbanism. Es erzwingt von vorneherein eine Zusammenschau von städtebaulicher, architektonischer und landschaftsarchitektonischer Planung. (▷Interdisziplinarität, Transdisziplinarität) In sozialer Hinsicht zielt der New Urbanism auf Inklusion und Vielfalt. Gated Communities werden programmatisch abgelehnt, Siedlungen und Stadtteile sollen maximal mit ihrem Umfeld verknüpft werden. Zahlreiche Beispiele kommen diesen Zielen nahe – doch es gibt auch im Felde des New Urbanism städtebauliche Produkte, die den programmatischen Prinzipien des New Urbanism widersprechen: Aqua Project in Miami Beach (Florida) etwa ist eine Gated Community. Es gibt keine Agentur, die das Label „New Urbanism“ zertifiziert. Das ist – wie schon beim Produkt „Gartenstadt“ – eine Schwäche und eine Stärke zugleich: Denn so werden einzelne Merk-
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male des New Urbanism zwar verbreitet, die umfassende Dimension des Programms und damit auch seine potenzielle Reformkraft verblassen aber. Insgesamt beschränkt sich die erwünschte soziale Vielfalt bei den Projekten des New Urbanism i. d. R. auf ein gewisses Spektrum innerhalb der Mittelschichten. Gemessen wird dieses u. a. an der Spanne der Kaufpreise für Wohnungen in einer neuen Anlage. Allerdings war das Netzwerk des New Urbanism auch an den Projekten des bundesstaatlichen (US Department of Housing and Urban Development – HUD) HOPE VI Programms beteiligt, das auf den Abriss isolierter Komplexe des ▷sozialen Wohnungsbaus zugunsten von neuen, sozial durchmischten Stadtteilen mit traditionellen Stadtgrundrissen zielte. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist der Stadtteil The Townhomes on Capitol Hill/Washington DC. Das anspruchsvollste Ziel des New Urbanism ist auf der Ebene der Region verortet. Nur auf regionaler Ebene, so die Einschätzung eines Teils der Bewegung des New Urbanism, können soziale wie räumliche Ziele nachhaltig durchgesetzt werden. Ziel ist eine vernetzte, sozial ausbalancierte „Regional City“ mit flexiblen Wachstumsgrenzen und einem multimodalen Verkehrsnetz, das auch einen flächendeckenden öffentlichen Nahverkehr umfasst. Ein Protagonist dieser Auffassung ist Peter Calthorpe. Er hat zusammen mit William Fulton 2001 ein Manifest zu dieser Thematik veröffentlicht: das Buch „The Regional City. Planning for the End of Sprawl“. Regionalplanerisch tätig waren New Urbanists etwa in der Salt Lake Region, der Region Chicago, der Region Minneapolis-St. Paul, der Region Los Angeles und der Region Portland in Oregon. Die in Deutschland immer noch erlebbare Konfrontation von Vertretern der ▷europäischen Stadt und Vertretern der Zwischenstadt ist mit Blick auf das Programm des New Urbanism unproduktiv: Kommt es doch nicht darauf an, die kompakte Stadt auf Kosten der zersiedelten Stadt zu retten oder umgekehrt. Vielmehr ist eine Perspektive gefragt, die die Qualifizierung der gesamten Stadtregion in den Blick nimmt – die kompakte Stadt und die Zwischenstadt. New Urbanism – eine Bewegung in Netzwerkform New Urbanism ist aber nicht nur ein städtebauliches Reformprogramm, das man unterstützen oder kritisieren kann, sondern auch eine Institution, eine institutionalisierte Bewegung. Er organisiert sich – in bewusster kritischer Anlehnung an die Kongresse für Neues Bauen (CIAM) der
Zwischenkriegszeit – in Form von Kongressen (CNU – Congress for the New Urbanism). 1993 fand in Alexandria (Virginia) der erste Kongress statt, 2008 in Austin, Texas der 16.. Der „Congress for the New Urbanism“ ist keine Kaderorganisation, sondern ein relativ offenes Netzwerk mit über 3.000 Mitgliedern, das durch eine kleine Gruppe gesteuert wird. Zu den Gründungsmitgliedern und jahrelangen Führungsfiguren zählten u. a. Peter Calthorpe, Andrés Duany, Ray Gindroz, Elizabeth Moule, Elizabeth Plater-Zyberk, Stefanos Polyzoides und Daniel Solomon. Mittlerweile hat sich der CNU personell erneuert – im Führungsgremium („Board“) sitzen kaum mehr Vertreter der Gründungsgeneration. Präsident des New Urbanism ist John Norquist, ein Politiker, 1988-2004 Bürgermeister von Milwaukee. Das Netzwerk trifft sich jedes Jahr einmal auf einem Kongress mit inzwischen jeweils über 1.000 Teilnehmende. Dort begegnen sich Personen, die in Europa gar nicht miteinander sprechen würden: Vertreter der behutsamen Stadterneuerung, traditionell oder modern orientierte Architekten, Landschaftsarchitekten, Stadtplaner, Wirtschaftsund Sozialwissenschaftler, Hochschullehrer, Studenten, Politiker, Investorenvertreter, Banker, Juristen, Architekturkritiker, Umweltaktivisten und Vertreter sozialer Stadtteilinitiativen. Vor diesem Hintergrund gibt es Vertreter ganz unterschiedlicher programmatischer Strömungen, die sich gegenseitig mit ihrer Perspektive nerven, aber auch befruchten. Ein solches buntes Spektrum im Rahmen einer groben Zielsetzung spiegelt eine zivilgesellschaftliche Kultur wider, die keiner einzelnen politischen Partei verpflichtet ist. (▷Zivilgesellschaft) Die Teilnehmer an den Kongressen werden automatisch für ein Jahr Mitglieder des CNU, also Mitglieder des Netzwerkes. Als solche erhalten sie eine Mitgliedszeitschrift, die New Urban News, die neue Projekte, Debatten, aber auch Kritiken vorstellt. Die Prinzipien des New Urbanism sind in einer Charta zusammengefasst, die 1996 auf dem IV. Congress for the New Urbanism in Charleston/South Carolina verabschiedet wurde. Auf Deutsch wurde diese Charta in der Zeitschrift Die alte Stadt 4/1998 publiziert. Ende 1999 erschien ein Buch, offiziell herausgegeben vom CNU, das die Charta ausführlich erläutert. Der CNU ist also kein Berufsverband, kein Verband von Architekten und Planern, sondern ein überberuflicher Zusammenschluss, eine programmatische Institution. In dieser Hinsicht ist er auch komplexer als die historischen Kongresse für Neues Bauen (CIAM). New Urbanism ist v. a. ein
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Netzwerk zum Austausch und zur Propagierung einer Reform des Städtebaus. Dieses Netzwerk ist wiederum mit anderen Netzwerken und Organisationen verknüpft, die ähnliche Ziele verfolgen: etwa mit Smart Growth Network, Sierra Club, National Trust for Historic Preservation, National Neighborhood Coalition und vielen mehr. Eine Dachorganisation – sozusagen ein Obernetzwerk – ist Smart Growth America – Better Choices for Our Communities. Kooperiert wird auch mit dem Urban Land Institute, einer einflussreichen Stiftung der ▷Immobilienwirtschaft. Die flexible und offene Organisationsform des New Urbanism ist eine Voraussetzung für erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit. Neue Aktivitäten des New Urbanism
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Während zu Beginn der Bewegung Projekte auf der grünen Wiese im traditionellen Architekturstil wie Seaside und Celebration die Diskussion über New Urbanism prägten, rückten bald andere Projekte, infill-, HOPE VI- und DowntownProjekte, in den Vordergrund. Mit der stärkeren Orientierung auf die regionale Ebene verblasste der anfängliche Architekturstreit. Seit kurzem beherrscht ein neues Thema die Diskussion des New Urbanism: strategische Überlegungen zum Abbau der Abhängigkeit vom Öl in einer Zeit teurer Energie, einer Zeit, die – so die Überzeugung der New Urbanists – unsere Zukunft prägen wird. An der breit gestreuten Propaganda-DVD „The End of Suburbia“ hat ein Enfant terrible des New Urbanism mitgewirkt, der Schriftsteller James Howard Kunstler. Von strategischer Bedeutung ist der Versuch, eine Art Zertifikat für nachhaltigen Städtebau zu entwickeln: LEED-ND, Leadership in Energy and Environmental Design for Neighborhood Developments. LEED ist bislang ein auf Gebäude bezogenes ökologisches Zertifikatssystem, das nunmehr auch auf den Städtebau ausgedehnt wird (▷Nachhaltige Stadtentwicklung, ▷Energieeffiziente Stadtentwicklung). Zu diesem Zweck arbeiten der US Green Building Council, der Natural Resource Defense Council und der CNU zusammen. Der Green Building Council ist ein Zusammenschluss von umweltorientierten Vertretern der Bauindustrie, Natural Resource Defense Council ist eine der einflussreichsten
US-amerikanischen Umweltorganisationen. Ziel der drei Organisationen ist es, eine Art Rating samt Label zu kreieren, das auf bestehende und neue städtebauliche Produkte angewandt werden kann. Kriterien sind bauliche Dichte, Nähe zum öffentlichen Nahverkehr, Mischnutzung, Vielfalt an Gebäudetypen, Fußgängerfreundlichkeit. Das System befindet sich noch in der Prüfungsphase (vgl. CNU 2008a). Auf dem Kongress in Austin (2008) wurde eine Kampagne für den Klimaschutz besprochen, die auf eine Halbierung der gefahrenen Automeilen bis 2030 zielt (vgl. auch CNU 2008b). Ausdruck dieser Entwicklung ist der Aufstieg von Douglas Farr in die Führungsriege (Board; vgl. CNU 2008c) des New Urbanism, der 2008 ein Standardwerk zum nachhaltigen Städtebau veröffentlichte: „Sustainable Urbanism. Urban Design with Nature”. New Urbanism ist nicht nur wegen seiner konkreten Produkte von Interesse, sondern v. a. auch wegen seiner Organisations- und Arbeitsform, seiner programmatischen Dynamik, seiner erfolgreichen Versuche, die Grenzen der Fachdisziplinen zu überschreiten. Die zunehmende Orientierung auf Energiefragen und ▷Klimawandel zeigt, wie der CNU mit zahlreichen anderen Netzwerken zusammenarbeitet und dass gerade diese Vernetzung von Netzwerken eine erfolgreiche Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit ermöglicht. Sie zeigt zugleich, wie er auf neue, für den Städtebau wesentliche Entwicklungen reagiert. Bodenschatz
Literatur Bauwelt Bauverlag (Hrsg.) (2000): Themenheft New Urbanism. Stadtbauwelt, 145 Bodenschatz, H.; Schönig, B. (2004): Smart Growth – New Urbanism – Liveable Communities, Programm und Praxis der AntiSprawl-Bewegung in den USA. Wuppertal Calthorpe, P.; Fulton, W. (2001): The Regional City: Planning for the End of Sprawl. Washington, Covelo, London CNU – Congress for the New Urbanism (Hrsg.) (1999): Charter of the New Urbanism. New York u. a. CNU – Congress for the New Urbanism (Hrsg.) (2008a): LEED for Neighborhood Development (LEED-ND). Zugriff auf www.cnu.org/ node/124 am 01.05.2009 CNU – Congress for the New Urbanism (Hrsg.) (2008b): Climate. Zugriff auf www.cnu.org/climate am 01.12.2008 CNU – Congress for the New Urbanism (Hrsg.) (2008c): CNU Board. Zugriff auf www.cnu.org/board am 01.12.2008 Dutton, J. A. (2000): New American Urbanism, Re-forming the Suburban Metropolis. Milano Farr, D. (2008): Sustainable Urbanism: Urban Design with Nature. Hoboken
PARTIZIPATION – EIN LEITBEGRIFF IM WANDEL
PARTIZIPATION – EIN LEITBEGRIFF IM WANDEL Begriff Partizipation heißt Teilhabe, Beteiligung, Teilnahme, Mitwirkung… Wer über diese Umschreibung hinaus genauer bestimmen will, welche Partizipation gemeint ist, wird fragen müssen wer, an was, wie teil hat, beteiligt ist, mitwirkt etc. Bezogen auf diese Fragen lassen sich ein enger und ein weiter Partizipationsbegriff unterscheiden: Traditionell wird mit Partizipation die Teilhabe der Öffentlichkeit an raumbezogenen Planungsprozessen öffentlicher, z. B. kommunaler Akteure bezeichnet. In der Regel erlauben diese Beteiligungsangebote den Bürgerinnen und Bürgern Anregungen und Einwände zu formulieren und so an der Meinungsbildung mitzuwirken. Eine Mitwirkung an der Entscheidungsfindung ist nur in Ausnahmefällen möglich. Der weitere Begriff bezeichnet eine Vielfalt von Einflussnahmen auf Prozesse der Stadtentwicklung sowie die kommunikative Gestaltung der Bezüge zwischen den unterschiedlichen Akteuren („local governance“). Entwicklungslinien Der heutige Stand der Diskussion um Teilhabe an Stadtentwicklung und ▷Stadtplanung speist sich aus zahlreichen Quellen:
u. a. in mehreren Novellierungen, mit denen z. B. Verletzungen der Beteiligungspflichten geheilt werden können, deutlich, dass er Bürgerbeteiligung auch als potenzielles Verfahrens- und Investitionshemmnis ansah. Dieser Auffassung wurde in Theorie wie Praxis immer widersprochen, zeigte sich doch, dass umfassend vorbereitete und mit allen wichtigen Akteuren abgestimmte Projekte zumeist sehr viel zügiger umgesetzt werden konnte als solche, die beschleunigt geplant, in der Umsetzung dann aber durch Einsprüche und gerichtliche Verfahren behindert wurden. Beteiligung als Förderungsvoraussetzung in der Stadterneuerung Seit Beginn der ▷Städtebauförderung wird Bürgerbeteiligung als wesentliche Voraussetzung für erfolgreiche Stadterneuerung angesehen. Allerdings geht es heute in Programmen wie „Stadtumbau Ost/West“ oder „Soziale Stadt“ nicht mehr nur um Beteiligung an Planungsprozessen, sondern auch um Aktivierung örtlicher Potenziale, Hilfe zur Selbsthilfe, Entwicklung von Bürgerbewusstsein für den Stadtteil, Schaffung selbsttragender Bewohnerorganisationen und stabiler nachbarschaftlicher sozialer Netze. Die Bürger werden hier als eigenständige Akteure der Quartiersentwicklung angesehen, deren Potenziale aktiviert und für die soziale Stabilisierung der Stadtteile genutzt werden sollen.
Gesetzlich geregelte Beteiligungsangebote Stadtplanung berührt Eigentumsrechte. Um die grundgesetzliche Garantie des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) zu gewährleisten, wurden daher den Eigentümern schon früh Informations- und Einspruchsrechte in gesetzlich geregelten Verfahren zugebilligt. Mit dem Bundesbaugesetz von 1960 wurde der Kreis der zu Beteiligenden über die betroffenen Eigentümer hinaus deutlich erweitert. In der ▷Bauleitplanung ist seither die Öffentlichkeit frühzeitig über die Ziele und Zwecke der Planung, ihre Auswirkungen und über etwaige Alternativen zu unterrichten und anzuhören (§ 3 Abs. 1 BauGB). Nach Konkretisierung der Planung besteht in der öffentlichen Auslegung erneut Gelegenheit zur Stellungnahme (§ 3 Abs. 2 BauGB). Die Beteiligungsrechte waren und sind politisch nicht unumstritten: Der Gesetzgeber machte
Teilhabeforderungen in stadtpolitischen Programmen
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Hinter den in Gesetzen und Förderprogrammen festgeschriebenen Beteiligungsangeboten stehen programmatische Forderungen, mit denen Ziele und Reichweite der Partizipation oft sehr weit abgesteckt werden.
Mitwirkung an Planungs- und Entscheidungsprozessen öffentlicher Akteure
Mitwirkung an Planungs- und Entscheidungsprozessen öffentlicher Akteure
an der Meinungsbildung
an Entscheidungsprozessen
an der Bewältigung von Aufgaben
bei der Bewältigung B vvon Aufgaben
beteiligen
beteiligen
mitwirken
k kooperieren
informieren
Was Partizipation heißen kann (eigene Darstellung)
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direkt
PARTIZIPATION – EIN LEITBEGRIFF IM WANDEL
formell
informell
verfasst, gesetzlich, geregelt
keine gesetzlichen Vorgaben, Ausgestaltung offen
Öffentlichkeitsbeteiligung (z. B. gem. § 3 BauGB), Petitionen, Bürgerbegehren, Bürgerentscheide
Selbsthilfe, Bürgerinitiativen, bürgerschaftliches Engagement Offene Beteiligungsangebote wie Bürger-/Einwohnerversammlungen, Intenetforen
direkt
Zielgruppenorientierung
Wahlen, Beiräte
Intermediäre Organisation (Anwaltsplanung, ortsnahe Beratung) Stellvertretende Beteiligung wie Bürgergutachten, Runde Tische, Kooperative Workshops
Formelle und informelle Formen der Partizipation (eigene Darstellung
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Einen Anfang stellte Willy Brandts Versprechen aus der Regierungserklärung vom 28.10.1969 dar: „Wir wollen mehr Demokratie wagen. […] Mitbestimmung, Mitverantwortung in den verschiedenen Bereichen unserer Gesellschaft werden eine bewegende Kraft der kommenden Jahre sein“ (Beyme 1979:251-281). Diese gesellschaftspolitische Zielsetzung fand auch im Aufgabenbereich Stadtplanung und -entwicklung Niederschlag. So hieß es etwa im damaligen Städtebaubericht: „Die Planung der städtebaulichen Entwicklung muss sich stärker auf den Willen des Bürgers stützen. [… ] Diese ‚Demokratisierung des Planungsprozesses‘ ist eine wichtige Voraussetzung, demokratisch-staatsbürgerliches Engagement dort zu ermöglichen, wo der Lebensbereich jedes Einzelnen am unmittelbarsten berührt wird“. 35 Jahre später liest sich das im Städtebaubericht mit bezeichnenden Titel „Nachhaltige Stadtentwicklung – ein Gemeinschaftswerk“ (Deutscher Bundestag 2004) so: „Die Städte werden ihre neuen Aufgaben und Herausforderungen aber nur dann bewältigen, wenn sie die Lebensinteressen aller Beteiligten unmittelbar berücksichtigen, wenn Mitgestaltung und Mitbestimmung zunehmen. Das Engagement der Bürgerinnen und Bürger ist daher unverzichtbare Voraussetzung für den Weg zur Stadt der Zukunft“. Auch hier findet sich wieder die Bedeutungsverschiebung von der Beteiligung an Meinungsbildungsprozessen hin zur aktiven Mitwirkung an Aufgaben der Stadtentwicklung. Informelle Beteiligungsstrategien in der Praxis Die gesetzlich definierten Mindeststandards für die Öffentlichkeitsbeteiligung in der Stadtentwicklung beinhalten in erster Linie Angebote: Informationen werden bereitgestellt, Möglichkeiten zur Erörterung – etwa im Rahmen von Bürger-
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versammlungen – geboten. Es zeigte sich jedoch schon in den 1980er Jahren, dass diese Angebote sozial selektiv wahrgenommen und genutzt werden. Wer auch jene Bürger, für die Mitwirkung an Aufgaben der Quartiers- und Stadtentwicklung interessieren will, die traditionellen Angeboten fern bleiben, muss sich zusätzlicher Beteiligungsformen bedienen. Sie werden, da sie nicht formal (gesetzlich) definiert sind, auch als informell bezeichnet. Ihre Merkmale sind Zielgruppenbezug, Aktivierung und die Einbindung in längerfristige Prozesse der Ideenfindung und gemeinsamen Beratung. In der Praxis ist inzwischen ein umfassendes Repertoire solcher Beteiligungsformen entstanden (vgl. Bischoff u. a. 2005, Rösener/Selle 2005). Dabei hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die einzelnen Teilhabe- und Mitwirkungsformen im Rahmen einer längerfristig angelegten Kommunikationsstrategie ineinander greifen müssen, um eine wirkungsvolle Einbindung der Bevölkerung zu erreichen. Verwaltungsmodernisierung und Bürgerorientierung In den 1990er Jahren wurde ein weiterer partizipationsrelevanter Impuls wirksam: Die öffentlichen, v. a. die kommunalen Verwaltungen begannen sich – im Zuge eines Modernisierungs- und Umstrukturierungsprozesses – aus der hoheitlichen Rolle zu lösen und die Bürger (auch) als Auftraggeber und Kunden zu verstehen, an deren Bedürfnissen das Verwaltungshandeln auszurichten ist. Für diese Ausrichtung der Verwaltungstätigkeit fand anfänglich die Bezeichnung Kundenorientierung Verwendung, die später durch den – für öffentliche Verwaltungen angemesseneren – Begriff Bürgerorientierung ersetzt wurde. Hierbei wurden vielerorts erste Schritte auf dem Weg zur bürgerorientierten Kommune gegangen (vgl. dazu insgesamt Pröhl/Sinning/Nährlich 2002). Obwohl die Verwaltungsmodernisierung teilweise ins Stocken geraten ist, sind sich auch kritische Kommentatoren darüber einig, dass insbesondere in Sachen Bürgerorientierung deutliche Veränderungen zu beobachten sind. In vielen Städten künden z. B. Bürgerbefragungen, Beschwerdemanagement, Bürgerbüros, intensivierte Informationsarbeit und Dialogangebote von diesem neuen Denken. Eigenaktivitäten der Bürger Stadtentwicklung war und ist immer auch Produkt der Aktivitäten von Bürgern. Mit dieser Fest-
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stellung wird zunächst der Tatsache Rechnung getragen, dass sie Wohnungen und Häuser bauen, finanzieren und kaufen, soziale Netze knüpfen und sich in vielen Lebenslagen gemeinschaftlich selbst helfen, unternehmerisch tätig sind oder mit ihren Standortpräferenzen, Konsum- und Freizeitgewohnheiten wesentlich die entsprechenden Angebote prägen. Sie waren und sind darüber hinaus auch in Bereichen tätig, die dem staatlichen oder kommunalen Aufgabenbestand zugerechnet werden: Ob es sich dabei um das Sozialwesen, die Kultur, die Freizeiteinrichtungen oder anderes handelt – es lassen sich in allen diesen Handlungsfeldern in der modernen Stadtgeschichte zahlreiche Beispiele für bürgerschaftliche Aktivitäten benennen. Diese verschiedenen Ausdrucksformen bürgerschaftlichen Engagements oder – weiter gefasst – diese Potenziale der ▷Zivilgesellschaft wurden lange Zeit nicht angemessen beachtet. Heute ist der Pendel zur anderen Seite ausgeschlagen und es richtet sich viel Aufmerksamkeit auf diese gesellschaftlichen Aktivitäten. Dabei ist durchaus noch unklar, welche Potenziale im Handlungsfeld der Stadtentwicklung tatsächlich dauerhaft mobilisierbar sind und welcher Unterstützungs- und Kooperationsformen sie bedürfen. Unstrittig aber ist, dass diese aktive Teilhabe an der Entwicklung von Quartieren und Städten heute immer mitzudenken ist, wenn von Partizipation die Rede ist. Kooperationen Viele Aufgaben in Quartier und Stadt bedürfen zu ihrer Bewältigung eines Zusammenwirkens öffentlicher und privater Akteure. Heute gibt es kaum noch ein Handlungsfeld der Stadtentwicklung, in dem es nicht zu ▷Kooperationen kommt. Selbst in Aufgabenbereichen, die vormals zum Kernbestand öffentlichen Handelns gehörten – wie etwa die Entwicklung öffentlicher Räume – findet man ▷Public-Private-Partnership. So werden z. B. Plätze und Stadträume neu gestaltet, Brachen reaktiviert, soziale Infrastrukturen auf neue Weise bewirtschaftet, Siedlungen gebaut und Wohnungsbestände im Zuge des Rückbaus neu strukturiert. Diese Kooperationen beschränken sich nicht (mehr) nur auf Unternehmen und staatliche Akteure – auch Bürger werden auf vielfältige Weise involviert. Einerseits sind sie selbst aktive Partner der Kommunen z. B. bei Kultur, Freizeit und in sozialen Handlungsfeldern. Andererseits ist ihre
Akzeptanz und Mitwirkungsbereitschaft auch in komplexen Konstellationen, etwa den trilateralen Kooperationen (vgl. Herz u. a. 2005) gefragt; deren besondere Herausforderung besteht darin, das Ungleichgewicht zwischen den verschiedenen Beteiligten auszutarieren, so dass noch von fairen und transparenten Prozessen gesprochen werden kann. Noch übt man vielerorts, wie die neuen Partner zusammenfinden sowie Eigen-Aktivitäten und Kooperationen stimuliert und gefördert werden können, wobei das Spektrum viel versprechender Experimente breit und bunt ist (vgl. zu Beispielen: Pröhl/Sinning/Nährlich 2002, Rösener/Selle 2005). Die Bürger werden zu Partnern in komplexen Aufgabenfeldern der Stadtentwicklung. Damit bildet sich zwischen den bisher genannten Entwicklungslinien eine Schnittmenge heraus – zwischen Staat, Märkten und Gesellschaft. Es handelt nicht mehr jede Seite für sich oder gar gegeneinander. Es wird kooperativ agiert – durchaus nicht immer in Eintracht, aber aus der Einsicht heraus, dass viele Aufgaben von einzelnen Akteuren allein nicht mehr zu bewältigen sind. Stand und Perspektive Der kurze Rückblick auf Entwicklungslinien der Partizipation macht deutlich, dass der Begriff sehr verschiedene Bedeutungen haben kann. Zudem hat sich im Laufe der Zeit ein Perspektivenwechsel ergeben, der zu einer veränderten Wahrnehmung der Rolle von Bürgern führte: Früher war die Sicht auf Stadtentwicklung „bipolar“: Die einen (Staat oder Kommunen) planten, die andere (Bürger) waren beteiligt und/oder betroffen. Dieses Bild beginnt sich grundlegend zu wandeln: Es ist inzwischen deutlich geworden, dass viele Akteure an der Entwicklung von Städten und Regionen mitwirken. An die Stelle einer „etatistischen“ (auf staatliches Handeln fixierten) Betrachtungsweise ist daher die „Governance-Perspektive“ (▷Government und Governance) getreten: Die Kunst der Politik besteht nun darin, das Handeln Vieler aufeinander zu beziehen und soweit möglich auf gemeinsame Ziele und Handlungsfelder auszurichten. Zur Ausgangsfrage nach dem Wer? Was? und Wie? lässt sich vor diesem Hintergrund heute festhalten: Wer? Bürger werden nicht mehr nur als Betroffene und Beteiligte in Planungsverfahren angesehen, sondern in vier verschiedenen Rollen als zu Beteiligende und potenzielle Mitwirkende angesehen (siehe Abbildung). Was? Partizipation kann sowohl die einfache Teilnahme an Meinungsbildungsprozesse wie
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…politische Auftraggeber
…Betroffende Beteiligte bei Planungsverfahren und Projekten
…Akteure eigener Kompetenz potenzielle Partner
…Kunden kommunaler bzw. privater Anbieter
Rollen der Bürger in der Partizipation (eigene Darstellung)
Mitentscheiden als auch tätiges Mitwirken an unterschiedlichsten Aufgaben bezeichnen. Das macht es unerlässlich zu klären, was jeweils gemeint ist, denn ansonsten entstehen in der Fachdiskussion wie im praktischen Umgang mit Bürgerinnen und Bürgern ärgerliche Missverständnisse. Wie? Das Spektrum der formal definierten wie informellen Beteiligungsformen ist vielfaltig und der Schatz, der mit ihrer Anwendung in der Praxis gewonnenen Erfahrungen reichhaltig. Vereinfacht lässt sich sagen: Praktisch jede Kommunikationssituation kann mit dem heute vorhandenen Wissen sinnvoll gestaltet werden. Wenn es denn gewollt ist…
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Die Praxis ist in vielerlei Hinsicht keinesfalls so bürger- und partizipationsorientiert wie es der Stand der Fachdiskussion oder die politische Programmatik nahe legen: Die alte Forderung aus den 1970er Jahren, Stadtentwicklung solle sich nicht über die Köpfe der Bürgerinnen und Bürger hinweg vollziehen, ist weiterhin uneingelöst. Das liegt zum einen daran, dass ein Großteil der für die Entwicklung der Städte zentralen Entscheidungen – von Grundstücksverkäufen bis zu Werksschließungen – nicht in Parlamenten und Stadtverwaltungen, sondern in Büros und Meetings privater Akteure getroffen werden. Zum anderen pflegen auch die kommunalen Entscheider nur selten eine Kultur der Transparenz und Offenheit in aus ihrer Sicht wichtigen Angelegenheiten. Zudem werden viele der vorgeschriebenen Beteiligungsprozesse rein verfahrensbezogen und routiniert abgewickelt und es entsteht der – nicht selten begründete – Eindruck, dass alles Wesentliche ohnehin bereits entschieden wurde.
Auch bei der Förderung bürgerschaftlichen Engagements stehen den flammenden Appellen nicht selten nüchterne Wirklichkeiten gegenüber. Dies führt dazu, dass sich die negativen Vorurteile gegenüber jedweder Partizipation auf allen Seiten vielfach aufs Neue bestätigen. Es gibt dennoch, trotz aller Widrigkeiten, positive Beispiele, interessante Ansätze, bemerkenswerte Teilhabeprozesse mit relevanten Ergebnissen, beeindruckende Eigenaktivitäten und fruchtbare Kooperationen. Aber alles das ist und bleibt zumeist begrenzt – auf einzelne Fälle, wenige Akteure und eng umrissene Zeiträume. Das alte Bild von der Bürgerbeteiligung hat sich also deutlich verändert. D. h. nicht, dass es nicht weiterhin der Informations- und Partizipationsrechte als Schutzmechanismen bedürfte. Aber es eröffnet sich ein weites Spektrum von Anforderungen und Optionen. In dieser Situation müssen viele Beteiligte umdenken und ihre Rollen neu finden. Das wird Zeit benötigen, wohl auch Spannungen und Konflikte erzeugen und einer kritischen Begleitung bedürfen. Aber vielleicht lassen sich in einer Situation wie dieser doch Wege zu einer Stadtentwicklung als Gemeinschaftsaufgabe finden. Selle
Literatur Beyme, K. von (1979): Die großen Regierungserklärungen der deutschen Bundeskanzler von Adenauer bis Schmidt. München, Wien, 251–281 Bischoff, A. u. a. (2005): Informieren, Beteiligen, Kooperieren: Kommunikation im Planungsprozess. Band 1. Dortmund Deutscher Bundestag (Hrsg.) (2004): Städtebaulicher Bericht der Bundesregierung 2004: Nachhaltige Stadtentwicklung – ein Gemeinschaftswerk. BT-Drucksache 15/4610. Berlin Pröhl, M.; Sinning, H.; Nährlich, S. (Hrsg.) (2002): Bürgerorientierte Kommunen in Deutschland; Anforderungen und Qualitätsbausteine. Band 3: Ergebnisse und Perspektiven des Netzwerkes Civitas. Gütersloh Rösener, B.; Selle, K. (Hrsg.) (2005): Kommunikation gestalten, Aus der Praxis für die Praxis, Kommunikation im Planungsprozess. Band 3. Dortmund Roth, R.; Rucht, D. (Hrsg.) (2008): Die sozialen Bewegungen in Deutschland seit 1945, Ein Handbuch. Frankfurt Selle, K. (2005): Planen, Steuern, Entwickeln: Über den Beitrag öffentlicher Akteure zur Entwicklung von Stadt und Land. Dortmund, Kapitel 10-15 Selle, K. (2006): Ende der Bürgerbeteiligung? Geschichten über den Wandel eines alten Bildes. In: Selle, K.; Zalas, L. (Hrsg.): Zur räumlichen Entwicklung beitragen. Planung neu denken. Band 1. Dortmund, 497-514 Sinning, H. u. a. (Hrsg.) (2003): Neue Medien und Bürgerorientierung. Gütersloh
PLACEMAKING
PLACEMAKING Unter „Placemaking“ versteht man üblicherweise Planungsansätze, die unter Mobilisierung von Stakeholdern auf die Gestaltung eines Raumes mit dem Ziel gerichtet sind, die Raum- und Lebensqualität zu verbessern. Allerdings findet man in der Literatur unterschiedliche Begriffsverwendungen. In der Stadtplanung verbindet sich Placemaking mit ▷Städtebau/Urban Design (Aravot 2002): Der gestaltete Raum steht im Vordergrund, und die stadtplanerischen Überlegungen richten sich darauf, wie die Gestalt des Raumes aussehen muss, damit sich Menschen wohl fühlen, gleichzeitig aber auch die Attraktivität der Stadt für Investoren erhöht wird. Die Planungsrichtung des ▷New Urbanism verfolgt eine sehr ähnliche Richtung (▷Urbanität). Die ganz andere Verwendung stammt aus der Kulturgeographie und Umweltpsychologie (Cheng/Kruger/Daniels 2003:89f) und wurde v. a. von Patsy Healey in die Planungsdiskussion eingebracht. Die Grundidee basiert auf der Unterscheidung von „Place“ und „Space“. Space bezieht sich auf den Raum in seinen physischen Funktionen, Place auf den Raum in seinen soziokulturellen und sozioökonomischen Funktionen. Placemaking wird als soziokulturelle Raumgestaltung und Raumaneignung begriffen (Healey/de Magelhaes/ Madaniponr 2002:53). In einer Variante dazu wird Placemaking als kollektive Gestaltung eines gemeinsamen räumlichen Umfeldes verstanden, etwa, wenn Einzelhändler sich zusammenschließen, um kollektiv die Innenstadt oder Stadteile oder Straßenzüge zu verbessern (▷Business Improvement Districts). Einordnung in die Planungsdiskussion und Kritik Der Begriff enthält zunächst keine neue Botschaft, sondern markiert lediglich einen wachsenden Handlungsbedarf in einer „▷Wissensgesellschaft“ mit erheblichen Migrationsfolgen. Migration verlangt Integration der Migranten in die Zielgesellschaft; Wissensgesellschaft lebt von qualifiziertem Personal, und der Wettbewerb um Talente wird als Folge des weltweiten Fachkräftemangels härter (Florida 2005) – im Gegensatz zur Phase der Industrialisierung, wo die Arbeitsplätze bestimmten, wo Menschen wohnen mussten. Raumgestaltung wird dann zu einem wesentlichen Mittel, um im Wettbewerb zwischen Regionen und Kommu-
nen Vorsprünge zu gewinnen. Daraus resultiert auch die wachsende Bedeutung der Kulturlandschaftsgestaltung für Placemaking (Fürst/Lahner/ Pollermann 2008). Aber Raumgestaltung kann auch als Mittel der Integration dienen. Abhängig von den Intentionen verbinden sich mit Placemaking unterschiedliche Herangehensweisen. Während die einen den gestalterischen Aspekt in den Vordergrund schieben und Placemaking als Stadtgestaltung sehen, gehen andere davon aus, dass Placemaking nur dann wirkungsvoll ist, wenn sich damit eine regionale Identität und ein neues Bewusstsein für Gemeinschaftsleben verbindet. Während die erste Richtung Gewicht auf das planerische Entwerfen legt, also auf die inhaltliche Qualität des Entwurfs, geht die andere Richtung von einem kommunitaristischen Verständnis aus, das auf Gemeinschaft und kollektives Handeln ausgerichtet ist, während die inhaltliche Qualität des Placemaking eher nachrangig behandelt wird. Die erste Richtung wird v. a. von amerikanischen Stadtplanern und Planungsbüros vertreten (PPS 2008). Zielrichtung ist, die Städte wieder lebenswert zu machen und die tristen Vororte durch urbane Qualität aufzuwerten. Die zweite Richtung verbindet sich mit einem diskursiven Planungsverständnis, das raumbezogenes Planen als kollektives Handeln von Stakeholdern betrachtet (▷Planungstheorie, ▷Planungswissenschaften, ▷Stadtplanung), wobei der hauptamtliche Planer Führungsfunktion wahrnimmt, d. h. Anreger, Moderator, Manager und „Notar“ dessen ist, was gemeinschaftlich erarbeitet wird. Es grenzt sich deshalb auch schwieriger gegenüber ähnlichen Konzepten ab, die zum Bestandteil zeitgenössischer Planungsdiskussion gehören, wie „Regional/Urban Governance“ (▷ Government und Governance), Regionalmanagement (▷Stadt- und Regionalmanagement) oder Sozialkapital. Immer geht es darum, der marktlichen Koordination eine solche zur Seite zu stellen, die auf Verhandlung, paradigmatische Steuerung und Veränderungen von Handlungsund Interaktionsorientierungen ausgerichtet ist – also auf mehr Gemeinwohl – statt Egoismusorientierung und mehr Kooperation statt Wettbewerb. Auch dafür hat sich in den USA schnell ein größerer Markt entwickelt. Kritik am planerischen Placemaking-Ansatz richtet sich auf dessen ideologischen Gehalt: Eine strenge Bindung zwischen Placemaking und raumgebundener Identitätsentwicklung kann in der Tat zu Einschränkungen individueller Gestaltungsmöglichkeiten führen, weil dem Kollektiv
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PLACEMAKING
und der Bindung an den spezifischen Raum ein zu großes und ideologisch überfrachtetes Gewicht beigemessen wird. Damit können auch konservative Strömungen einhergehen, welche die regionale Tradition zum Maßstab für die Entwicklung der Zukunft machen. Auch befürchten einige, Placemaking könne zu einer Befriedungsstrategie in Teilräumen werden, die zu Verlierern des Strukturwandels zu werden drohen. Jedoch ist Letzteres ambivalent zu sehen. Denn mit Placemaking und der Nutzung zivilgesellschaftlichen Engagements lassen sich durchaus – in gewissen Grenzen – ökonomische Strukturentwertungen soziokulturell wieder in Wert setzen. Praktische Relevanz
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Placemaking ist zunächst lediglich eine Richtungsanzeige für raumplanerisches Denken und Handeln. Damit verbinden sich noch keine neuen methodischen Ansätze. Vielmehr lassen sich die bekannten Verfahren der diskursiven Planung, der Stakeholderbeteiligung, des Regionalmanagements, der ▷Public Private Partnerships und insbesondere der Gemeinwesenarbeit (Gerlich/ Stoik 2008) nutzen. In der intensiveren Variante sollen jedoch diejenigen, die über Immobilieneigentum Shareholder im Planungsgebiet sind, auch investive Beiträge zum Placemaking leisten. Das Konzept des ▷Business Improvement District, der Ansatz der ▷Sozialen Stadt oder der Einsatz von Stadtentwicklungsfonds (▷Stadtpolitik) sind Beispiele dafür. Placemaking bezieht sich primär auf jenen öffentlichen Raum (Straßen, Plätze, Parks), der in der Wahrnehmung der Bürger und in der Art seiner Nutzung den Anforderungen höherwertiger Lebensqualität nicht mehr entspricht: „Placemaking is a process that identifies publicly accessible spaces that have or potenzially have unrealized meaning, value and utility. Placemaking works to help realize these potenzials“ (PPS 2008). Deshalb hat Placemaking einige Besonderheiten. Erstens rekurrieren die Ansätze in hohem Maße auf zivilgesellschaftliches Engagement (▷Zivilgesellschaft) und versuchen, dieses zu fördern. Placemaking ist folglich in die sich wandelnden Auffassungen von Staat und Gesellschaft eingebettet – Stichworte sind: der aktivierende Staat, das wachsende Gewicht des sog. Dritten Sektors (nicht marktlich ausgerichtete Aktivitäten von zivilgesellschaftlichen Vereinigungen und Nichtregierungsorganisationen) und die Aufwertung des Ehrenamtes. Zweitens spielt paradigmatische Steuerung
(=Änderungen von Deutungsmustern und Werthaltungen) eine große Rolle. Es geht nicht nur um technische Veränderungen oder Verbesserungen eines Wohnumfeldes, sondern um neue Einstellungen zum Wohngebiet, zu Nachbarschaften und v. a. zu öffentlichen Räumen: Die sozioemotionale Anmutungsqualität von Räumen, speziell von öffentlichen Räumen, wird gezielt genutzt. Im Visier stehen sowohl veränderte Einstellungen zum Raum und zum eigenen Verhältnis dazu (ideologische Komponente) als auch Prozesse der Gemeinschaftsbildung (kommunikative Komponente). Deshalb arbeitet Placemaking mit kollektiven Lernprozessen, weshalb Gemeinschaft, Kommunikation und kollektives Handeln einen hohen Stellenwert haben. (▷Partizipation) Drittens geht Placemaking über rein partizipatorische Ansätze hinaus. Vielmehr ist die aktive Beteiligung der Bürger und Betriebe an der Entwicklung und Gestaltung des Raumes wesentlich. Dabei sollen Formen der Selbststeuerung (neue Formen der Governance) erprobt und die Bildung von „Sozialkapital“ gefördert und unterstützt werden. Placemaking ist ein werthaltiges Konzept, das nur dort funktioniert, wo die zu Aktivierenden dem Raum sozioemotionale Bedeutung zuordnen: „Empirical research findings generally support the notion that these differences between place-based collaborative processes and traditional policy processes are significant. This difference may, in part, be explained by the fact that place […] is a central organizing principle for many of these emergent collaborative partnerships.” (Cheng/Kruger/ Daniels 2003:88). Darin unterscheiden sich aber die sozialen Gruppen, weil sich immer mehr von einer spezifischen Raumbindung ablösen und ihre Beziehungsnetze raumunabhängig gestalten, andere wiederum den Raum nur konsumtiv nutzen, ohne sich für die Entwicklung des Raumes zu engagieren. Placemaking-Prozesse grenzen gezielt Gruppen gegenüber „den anderen“ ab („in-group/out-groupeffects“), beeinflussen die Stakeholder so, dass sie den Raum in ihrer Wahrnehmung aufwerten und sich aneignen, d. h. den Raum zu dem „ihren“ machen und dafür Verantwortung übernehmen („property rights effects“), und organisieren letztlich kollektive Selbststeuerung („governance effects“). Damit verbinden sich innere Verstärkereffekte, sofern die intensivere Kommunikation Sozialkapital bilden lässt, gemeinsame Visionen ideologische Klammern erzeugen und ein Werte aufgeladener Raumbezug die Bindung an den Raum sowie an die Gemeinschaft intensiviert („milieu effects“). Fürst, D.
PLANSPIEL
Literatur Aravot, I. (2002): Back to phenomenological placemaking. In: Journal of Urban Design, 2, 201-212 Cheng, A.S.; Kruger, L.E.; Daniels, St. E. (2003): „Place“ as an integrating concept in natural resource politics. Propositions for a Social Science Research Agenda. In: Society and Natural Resources, 16, 87-104 Florida, R. (2005): The flight of the creative class, The new global competition for talent. New York Fürst, D.; Lahner, M.; Pollermann, K. (2008): Regional Governance und Place-making in Kulturlandschaften. In: Fürst, D. u. a.. (Hrsg.): Kulturlandschaft als Handlungsraum. Institutionen und Governance im Umgang mit dem regionalen Gemeinschaftsgut Kulturlandschaft. Dortmund, 69-88 Gerlich, W.; Stoik, C. (2008): Lokale lebensweltnahe Interessen und gesamtstädtische Entwicklungsprozesse. In: Hamedinger, A. u. a. (Hrsg.): Strategieorientierte Planung im kooperativen Staat. Wiesbaden, 250-65 Hague, C.; Jenkins, P. (Hrsg.) (2005): Place identity, planning and participation. London, New York Healey, P.; de Magelhaes, C.; Madanipour, A (2002): Assessing institutional capacity for city centre regeneration: Newcastle’s Grainger Town. Aldershot PPS – Project for Public Spaces (Hrsg.) (2008): Building Community, Creating Places, Using Common Sense. Zugriff auf www.pps. org am 25.04.2008
PLANSPIEL
Begriff Der Begriff Planspiel wird in zahlreichen Aufgabenfeldern der ▷Zivilgesellschaft, aber auch der öffentlichen Hand mit durchaus unterschiedlichem Verständnis verwendet. Er geht auf die Zeiten des großen Generalstabs der preußischen Armee zurück und bezeichnete damals eine Methode, um die Strategie und das taktische Vorgehen bei militärischen Manövern vorzubereiten und die Erfolgsaussichten zu überprüfen. Als Methode der Entscheidungsvorbereitung findet das Planspiel heute u. a. im Bereich der Betriebswirtschaft eine weite Verbreitung. Ebenso verbreitet sind „Planspiele“ im Bildungswesen und hier insbesondere im Bereich der Fortbildung als pädagogisches Werkzeug. Schließlich gibt es unterschiedliche Formen von Planspielen auch im Zusammenhang mit den in diesem Handbuch angesprochenen Themen. Hier sind insbesondere zu unterscheiden: Planspiele zur prognostischen Überprüfung der Folgen von Gesetzgebung v. a. im Bereich des Städtebau- und Bodenrechts, Planspiele zur Implementierung neuer Instrumente der Städtebaupolitik, Planspiele zur Entwicklung neuer Strategien der Stadtentwicklung.
Nach den jeweiligen Einsatzbereichen verfolgen Planspiele spezifische Interessen und verwenden hierauf bezogen differenzierte Techniken. Hierzu gehören z. B. Rollenspiele im Bereich der Pädagogik, Simulationsspiele und Simulationen im Bereich der Betriebswirtschaft sowie Praxistests sowohl im Bereich der Betriebswirtschaft als auch in der Rechtswirkungsforschung. Problemlösung oder Entscheidungsfindung können im Planspiel sehr unterschiedlich organisiert sein. Das Spektrum reicht von einer ausschließlich technischen Simulation bis hin zu Rollenspielen, bei denen es um die Erprobung von Verhaltensmustern in bestimmten Rollen und Funktionen geht (Böhret 1986). Gemeinsam ist diesen Methoden, dass ein fiktiver oder realer Sachverhalt auf eine Lösung oder ein Ziel hin durchgespielt wird. Die Basis bildet ein mehr oder weniger vereinfachtes Modell der Realität, in dem aber alle grundlegenden Eigenschaften der realen Situation enthalten sein sollten. Künftige sich aus der Zielsetzung ergebende Entscheidungsnotwendigkeiten werden bezogen auf den Entscheidungsprozess und die voraussichtlich relevanten Entscheidungskriterien durchgespielt. Technische und verwaltungsspezifische Vorgänge und Abläufe sollen wirklichkeitsgetreu nachgeahmt bzw. simuliert werden. Zum Teil synonym verwandt wird der Begriff „Praxistest“. Nach Böhret und Konzendorf dienen Praxistests hauptsächlich der Überprüfung der künftigen Praktikabilität und Vollzugseignung (von Teilen) eines Regelungsentwurfs unter unmittelbarer Einbeziehung von mindestens einer Gruppe realer Normadressaten, anhand realitätsnaher oder früherer Praxis entnommener Fälle zur Ermittlung von Eignung, Defiziten und Effizienz (Böhret/Konzendorf 2001:95) und verfolgen damit eine dem Planspiel entsprechende Zielsetzung und sind dem methodisch weitgehend angelehnt.
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Planspiele als Instrument der Gesetzesfolgenabschätzung Seit den siebziger Jahren wurde die Methode „Planspiel“ – von wenigen Ausnahmen abgesehen – zu allen Novellierungen im Bereich des Städtebauund Bodenrechts (▷Bodenpolitik) zur Gesetzesfolgenabschätzung angewandt (Bunzel 2006:309). Im Vorfeld des formalen Gesetzgebungsaktes soll(te) mit dieser Methode größere Klarheit über die voraussichtlichen Auswirkungen des geplanten Gesetzes geschaffen werden (Bunzel 2006). Planspiele dienen nach der Definition von Böhret und Konzendorf „der risikolosen, praxisori-
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PLANSPIEL
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entierten Erprobung der Funktionsfähigkeit eines Regelungsentwurfs in Quasirealität anhand von praktischen Fällen oder hypothetischen Ereignissen, möglichst simuliert von Rollenträgern mit Erfahrungen im späteren Wirkungsfeld der Rechtsvorschriften“ (Böhret/Konzendorf 2001:95). Mit der Methode „Planspiel“ werden demgemäß der Entwurf einer Rechtsvorschrift insgesamt oder ausgewählte Teile davon im Hinblick auf bestimmte Prüfkriterien in einem wirklichkeitsnahen Testfeld so zur Anwendung gebracht, als ob die geplanten Normen schon in Kraft wären. Es handelt sich also um ein Testverfahren mit experimentellem Charakter. In der Regel sind Planspiele als „begleitende“ Gesetzesfolgenabschätzung angelegt. Gegenstand ist also ein Gesetzentwurf, der bereits von der Bundesregierung verabschiedet ist. Demgemäß stellt sich üblicherweise die Frage, wie die Ergebnisse des Testverfahrens in das bereits laufende parlamentarische Verfahren eingebracht werden. Wiederholt fand zu diesem Zweck eine Präsentation im Rahmen einer Sitzung des federführenden Bundestagsausschusses oder in einer gesonderten Veranstaltung für die Mitglieder der federführenden und beratenden Ausschüsse statt. Im Rahmen dieser Präsentation werden die Ergebnisse des Testverfahrens anhand ausgewählter, dem Testverfahren zugrunde liegender Verwaltungsvorgänge und Sachverhalte erläutert, und zwar durch die Testpersonen. Die Präsentation erreicht auf diese Weise ein hohes Maß an Authentizität. Der Regelungsgegenstand wird durch die Erläuterung der getesteten Beispiele realitätsnah veranschaulicht. Den Abgeordneten wird die Rückfrage direkt in die Praxis hinein ermöglicht. In wenigen Fällen (z. B. bei der Grundsteuerreform) wurden Planspiele auch zur prospektiven Gesetzesvorbereitung genutzt (Lehmbrock/ Coulmas 2001). Die mit dem Planspiel angestrebte Überprüfung von Regelungskonzepten ist hier vielschichtiger, da bestenfalls auf der Grundlage alternativer Regelungsentwürfe gearbeitet werden kann und häufig die Zielsetzung jedenfalls in der „Feinjustierung“ noch zur Disposition steht. Wegen der Komplexität der Aufgabenstellung ergeben sich dann aber spezifische Probleme der Strukturierung des Planspiels und der Ergebnissicherung. Mit dem Planspiel soll im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens typischerweise überprüft werden, ob und inwieweit die vorgesehenen Änderungen und Neuregelungen praktikabel, problemadäquat und wirksam sind. Ein Prüfprogramm zur Strukturierung der Aufgabenstellung und gemeinsame Workshops der am Planspiel Beteilig-
ten ermöglichen das gemeinsame Verständnis der Aufgabenstellung und verbessern die Vergleichbarkeit der Ergebnisse. Die Workshops dienen zudem einer wechselseitigen Rückkoppelung der Prüfergebnisse und auf diese Weise der nochmaligen Überprüfung. Zudem können bereits wichtige Impulse in die laufenden Arbeiten zum Gesetzentwurf gegeben werden. Planspiele können keinen Anspruch auf Repräsentativität ihrer Ergebnisse erheben. Dazu ist die Anzahl der beteiligten i. d. R. öffentlichen Aufgabenträger bzw. Normadressaten zu gering. Ihre Auswahl erfolgt aber typischer Weise unter Berücksichtigung regionaler sowie administrativer und sonstiger Typus bildender Unterschiede (z. B. Größe und Leistungsfähigkeit der Verwaltungseinheiten), so dass ein möglichst breites Spektrum unterschiedlicher Bedingungen abgebildet ist. Schließlich ist bei der Bewertung von Planspielen auch zu berücksichtigen, dass die notwendige Mitwirkungsbereitschaft i. d. R. nur bei überdurchschnittlich engagierten Aufgabenträgern erwartet werden kann. Planspiele zur Implementierung neuer Instrumente im Städtebau Planspiele können auch der Implementierung neuer Instrumente in der Verwaltungspraxis dienen. Dabei werden mit ausgewählten und interessierten Aufgabenträgern die Voraussetzungen und konkreten verwaltungspraktischen Modalitäten in einem moderierten Prozess anhand konkreter möglicher Anwendungsfälle entwickelt. Wichtige Elemente sind dabei das externe Coaching sowie die externe Koordination und wissenschaftliche Begleitung der im Planspiel entwickelten Modellvorhaben. Durch das externe Coaching werden der notwendige fachliche und v. a. juristische Input sowie der Erfahrungsaustausch mit den anderen beteiligten Aufgabenträgern gewährleistet. Das Planspiel ist gewissermaßen ein fachlich unterstützter Experimentierraum, der durch ein gemeinsames voneinander Lernen gekennzeichnet ist. Entwickelt werden also Prototypen für die Anwendung neuer Instrumente, die Modellcharakter haben können. Die wissenschaftliche Begleitung dient v. a. der Ergebnissicherung, Analyse und Aufbereitung zu Handlungsempfehlungen und Arbeitshilfen. Wichtig dabei ist neben dem praktischen und wissenschaftlichen Interesse an der Entwicklung geeigneter Umsetzungsmodalitäten die Impulswirkung, die von einem solchen Planspiel insgesamt ausgeht und Anreize für Nachahmungen setzt. Gute Erfahrungen mit
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Planspielen wurden z. B. im Zusammenhang mit der (Wieder-)Einführung der ▷Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen durch das Wohnungsbauerleichterungsgesetz von 1990 gemacht (Schäfer/Dehne 1993 und 1994). Planspiele zur Entwicklung neuer Strategien der Stadtentwicklung Einen eigenen Typus bilden Planspiele, bei denen es nicht um bestimmte Instrumente, sondern um die Entwicklung komplexer auf ein übergeordnetes Ziel ausgerichtete Strategien geht. Beispiele sind das Planspiel Modell-Stadt-Ökologie (SchmidtEichstaedt u. a. 1994) sowie die im Rahmen des vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung durchgeführten ExWoSt-Forschungsfeldes „Fläche im Kreis“ durchgeführten Planspiele, mit den komplexe Strategieansätze zur Reduzierung des Flächenverbrauchs in fünf Regionen entwickelt und dabei zugleich Reformansätze für eine Flächenkreislaufwirtschaft (▷Flächenmanagement) zur Erreichung der flächenpolitischen Ziele der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes aufgezeigt wurden (BBR 2006; ▷Nachhaltige Stadtentwicklung). An konkreten Sachverhalten und Entscheidungssituationen zur zukünftigen Siedlungsentwicklung und Flächennutzung in den Städten/Stadtregionen wurden Vor- und Nachteile abgewogen. Dabei lieferten die Planspiele den beteiligten Städten/Stadtregionen konkrete Lösungsansätze für die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme durch eine verstärkte Wiedernutzung von Brachflächen und eine Konzentration auf die Innenentwicklung. Um politische Einflussnahmen und Voreingenommenheiten so weit wie möglich auszublenden ist es wichtig, dass der Prozess der Strategieentwicklung in einem „geschützten Raum“ stattfindet. Die Statements und fachlich-inhaltlichen Lösungsvorschläge müssen vertraulich behandelt werden. Die Ergebnisse der Planspiele sollen und können Impulse gegenüber Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Verbänden sowie Öffentlichkeit setzen, die die Aufmerksamkeit für das jeweilige übergreifende Handlungsziel wecken und die Umsetzungsbereitschaft erhöht. Bunzel
Literatur Böhret, C. (Hrsg.) (1986): Simulationsmodelle für die öffentliche Verwaltung. Speyer Böhret, C.; Konzendorf, G. (2001): Handbuch Gesetzesfolgenabschätzung (GFA). Baden-Baden BBR – Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.) (2006): Perspektive Flächenkreislaufwirtschaftm, Theoretische
Grundlagen und Planspielkonzeption. Band 1 der Sonderveröffentlichungsreihe zum ExWoSt-Forschungsfeld „Fläche im Kreis“. Bonn Bunzel, A. (2006): Planspiele und Praxistests als Instrumente der Gesetzesfolgenabschätzung im Städtebaurecht. In: Difu – Deutsches Institut für Urbanistik (Hrsg.): Brennpunkt Stadt: Lebens- und Wirtschaftsraum, Gebaute Umwelt, Politische Einheit. Festschrift für Heinrich Mäding zum 65. Geburtstag. Berlin, 309-326 Lehmbrock, M.; Coulmas, D. (2001): Grundsteuerreform im Praxistest: Verwaltungsvereinfachung, Belastungsänderungen, Baulandmobilisierung. Difu-Beiträge zur Stadtforschung, Band 33. Berlin Niedersächsisches Sozialministerium (Hrsg.) (1994): Planspiel Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme: Zusammenfassung der Ergebnisse, Endbericht, Querschnittsauswertung. Hannover Schäfer, R.; Dehne, P. (1993): Planspiel Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme nach dem BauGB-MaßnG – Bayern, Vorläufiger Endbericht und Fallbeispiele. Berlin Schmidt-Eichstaedt, G. u. a. (1994): Planspiel Modell-Stadt-Ökologie, Verlauf und Ergebnisse des Verwaltungsplanspiels in Schwabach. Difu-Beiträge zur Stadtforschung. Berlin
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Einleitung Planungstheorie – verstanden als explizite theoretisch-methodologische und reflexive Auseinandersetzung mit der Planung als Disziplin – erreicht die erste signifikante Stufe ihrer Entwicklung in westlichen Ländern in der Nachkriegszeit, in Verbindung mit dem Paradigma, das als „rationalcomprehensive planning“ bezeichnet wird. Besonders in den 1950er und 1960er Jahren bemühen sich die eminentesten Planungstheoretiker in liberal-demokratischen Gesellschaftskontexten um ein Selbstverständnis der Planung, das als „System der Entscheidungsfindung“ dafür geeignet angesehen wird, in einer „synoptischen“, allumfassenden und rationalen Prozedur durch die Komplexität öffentlicher Bestimmungen dem „öffentlichen Interesse“ eine legitime Ausdrucksform zu verleihen und zu transparenteren und effizienteren Politikansätzen beizusteuern. Funktional für eine Form des „eingebetteten Liberalismus“, der westliche Wohlfahrtsstaaten in der Nachkriegszeit charakterisierte, und durch Aussichten unbegrenzten Wachstums und progressiver Sozialreform unterstützt, sieht sich indes die „rational-allumfassende“ Planung mit einer wachsenden Anzahl von Problemen konfrontiert, sobald die Widersprüche wohlfahrtstheoretisch fundierter Politikansätze, und damit auch die Diskrepanzen zwischen den Idealen und der Realität von Planungspraktiken, zunehmend zum Vorschein kommen.
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Die anwachsende Kritik an einer instrumentalen Rationalität als Grundlage der Planung stellt insbesondere seit den 1970er Jahren einen Hauptfaktor für die Suche nach neuen vertretbaren theoretischen Grundlagen für die Disziplin dar. Planungstheorie übernimmt von da an eine Selbstverpflichtung, sich sowohl mit einer Kritik dieses Paradigmas als auch mit Alternativen dazu auseinanderzusetzen. Daraus sind wichtige Grundzüge der planungstheoretischen Reflexion entstanden. Die Kritik an „rational-allumfassender“ Planung basierte auf der Wahrnehmung von Diskrepanzen zwischen Anspruch und Realität. Das hat zur Notwendigkeit geführt, einen starren Dualismus zwischen prozeduralen und substantiven Orientierungen der Planung zu revidieren und diese neu zu verbinden. Dies stand zugleich im Zusammenhang mit einem Perspektivenwechsel im Hinblick auf Planungspraktiken: von einer „expertenzentrierten“ Auffassung hin zur Betrachtung der konkreten Bedingungen ihrer gesellschaftlichen und institutionellen Einbettung. Dabei hat sich ein kritisches Verständnis für die unterschiedlichen Rollen des Planers – als Experte, Fachkraft, „Anwalt“ oder Mediator – in konkreten Planungssituationen entwickelt, und damit auch für die pragmatischen und ethischen Dilemmas des beruflichen Alltags (▷Ethik in der Planung). Ein kritisches Selbstbewusstsein der Disziplin entsteht in Zusammenhang mit der Untersuchung von Planungspraktiken – ihrer Effektivität, Gerechtigkeit, Verantwortlichkeit – und der „Wiederentdeckung“ sozialer Akteure, d. h. der Anerkennung des pluralistischen Charakters demokratischer Entscheidungsarenen und der Zentralität sozialer Interaktion in Planungsprozessen. Dies hat signifikante Auswirkungen auf Methoden, Ausführung und Strategien des Planungsberufs. Planer sehen sich mit der Dispersion und dem Pluralismus von sozialen Praktiken konfrontiert, und somit auch mit den Verzerrungen, Machtungleichgewichten, Manipulationsmöglichkeiten und den daraus potenziell entstehenden Konflikten. Das deontologische Verständnis für die Rolle und Expertise des Planers entfernt sich daher schrittweise von den entgegen gesetzten Modellen der „zentralen Steuerung“ oder der „selbstregulierenden Gesellschaft“ und wird zunehmend als konstruktiv-pragmatische Handlungsform neu definiert, die zur Schaffung von Bedingungen für kollektives Handeln beitragen kann. Im Folgenden werden einige Hauptkontributionen skizziert, die zu einem kritisch-pragmatischen planungstheoretischen Verständnis beigetragen haben.
„Bridging the gap“: Revision der Verhältnisse zwischen Planungstheorie und -praxis Die wahrgenommene Kluft zwischen Theorie und Praxis zu schließen, ist ein Hauptthema der Auseinandersetzung mit dem Scheitern der „rationalallumfassenden“ Planung und der kritischen Reflexion über Planungspraktiken. Eine bedeutende Motivation dafür ist Sozialkritik: Die Bloßstellung der Machtverhältnisse, Effekte der Exklusion und Manipulation in Planungsprozessen und die erste Bewertung von Potenzialen und Grenzen des Zugangs zu und der Beteiligung der Bevölkerung in Planungsarenen war ein gewichtiger Faktor der Delegitimation einer „rational-allumfassenden“ Planungsauffassung. Die Kritik am Expertenwissen und an der „Politik der Expertise“ vereint sich auch hier mit Beiträgen aus sozialen und progressiven Bewegungen bei der Suche nach alternativen Formen der demokratischen Partizipation (Davidoff 1965). Vor diesem progressiven Hintergrund, und unterstützt durch eine Sozialkritik des demokratischen Inhaltes von Planungsprozessen, entwickelt sich eine empirische Auseinandersetzung der Planungstheorie mit der Alltagspraxis des Planens, die beeinflusst wird durch sozialwissenschaftliche Ansätze wie der Ethnografie, der Ethnomethodologie und der sozialen Psychologie (Argyris/ Schön 1974, Forester 1989). Aus diesen Analysen entsteht eine Neubewertung der Rolle und der Funktion des Planers, eine konstruktive Mediation zu realisieren zwischen den Eigeninteressen und der machtabhängigen Rationalität der sozialen Akteure einerseits, und andererseits den technisch-prozeduralen, normativen sowie symbolisch-kognitiven Aspekten der sozialen Rationalität, die in kollektiven Handlungsarenen im Spiel sind. Die somit eintretende kritische Epistemologie der Planung erweitert das Verständnis von Politikgestaltung und Planung als pluralistische Praktiken und unterstreicht die Notwendigkeit, generalisierende Annahmen zur Konsensfähigkeit von Planungsentscheidungen mit methodischen, kontextbezogenen Ansätzen zur Konsensfindung zu ersetzen (Innes 1996). Die Frage nach „Effektivität“ in der Planung Bedeutende Einflüsse stammen aus Analysen des Versagen rationalistisch-funktionalistischer Koordinationsansätze (Pressmann/Wildavsky 1973, Barrett/Fudge 1981) und der „Planungsmisserfolge“ (Hall 1980), die seit den 1970er Jahren durch
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„policy analysis“ und „implementation research“ geliefert werden. Die Gestaltung und Ausführung von Politikentscheidungen erscheinen aus diesen Forschungsfeldern als durch die Pluralität der Akteure und der Interaktionsarenen definiert, in denen sich diese in eigennützigem Verhalten und im Verfolgen diverser Interessen und Strategien betätigen. Die Anerkennung dieser komplexen empirischen Realität führt dazu, lineare Konzeptionen der Politikgestaltung anzuzweifeln, die entweder als funktionale Problemlösung oder als reine Machtausübung verstanden werden, und dagegen die Aufmerksamkeit auf die soziale und interaktive Dimension von Planungsprozessen zu richten. Pläne erscheinen nicht mehr als das folgegebundene Ergebnis diskreter Entscheidungen, sondern als die koevolutiven Ergebnisse iterativer Prozesse der Entscheidungsfindung, in deren Rahmen Politikansätze nicht ein für allemal bestimmt sind, sondern eher endlos in einen Prozess gegenseitiger strategischer Anpassung definiert und umdefiniert werden (Lindblom 1965). Die theoretischen Einflüsse dieser Beiträge sind verschiedenartig. Zum Ersten steuern sie zu einer Revision des Verständnisses von Macht bei. Die Verschiebung von strukturellen oder distributiven Machtauffassungen zu einer Konzeption, welche die Aspekte des Verhaltens symbolisch-kognitiver und kultureller Konditionierung mit einschließt, trägt zu einer Auseinandersetzung damit bei, wie Macht in ihrer relationalen und strategischen Dimension in Planungsprozessen sozial konstruiert und reproduziert wird. Damit werden auch Eigenschaften der Politikgestaltung betont, die dessen Funktion als Legitimationsmechanismus und dessen Rolle in der Sinnerzeugung, in der „Institutionalisierung von Bedeutung“, aber auch dessen Abhängigkeit von geltenden Welt- und Werteauffassungen unterstreichen (Forester 1989). Dementsprechend lassen diese Beiträge radikale Zweifel an der Effektivität institutioneller Maßnahmen von oben aufkommen. Die Versorgung mit effektiven Lösungen für politische Probleme wird nicht mehr als lineares Ergebnis aus den vom politischen System definierten Parametern angesehen: Sie entsteht eher durch einen konstruktiven Prozess der Erzeugung und Transformation der Parameter selbst, die das Problem definieren. Diese Position erfordert das Ablegen rationalistischer Koordinationsstrategien, welche auf die Reduktion der Komplexität zielen, und einen bewussten Umgang mit der Komplexität des sozialen Umfeldes (Friend/Hickling 1987). Dabei können aber Koordination, Synergie, Innovation und eventu-
ell auch Wandel statt als Ausdruck eines Vorentwurfs eher als Ergebnisse konkreter interaktiver, koevolutiver und inkrementell beigesteuerter Prozesse konzipiert werden. Das konstituiert ein Bewusstsein dafür, dass ein Politikansatz sowohl ihre Probleme als auch ihre Lösungen mit konstituiert, und dass somit eine öffentliche Bereitschaft zur (Re-)Definition von Problemen, eine notwendige Eigenschaft einer reflexiven Politikgestaltung und Planung ist. Die Bedingungen effektiver Politikentscheidungen und -abläufe verändern sich radikal, wenn sie nicht nur Mittel zur Problemlösung in den Mittelpunkt stellen, sondern auch die Definition des Problems selber miteinbeziehen. Daraus sind neue Orientierungen in der Politikgestaltung entstanden, die die planungstheoretische Debatte nicht unberührt gelassen haben. Unter komplexen pluralistischen Konditionen erfordert das Streben nach Effektivität eine Verlagerung zu konstruktiven Formen der Politik- und Entscheidungsbildung, welche die Möglichkeit von Evolution und Adaption berücksichtigen. Folglich wird eine mögliche Alternative zu „rational-allumfassenden“ und hyper-institutionalisierten Modellen in den Möglichkeiten offener institutioneller Arrangements der Planung identifiziert, welche sowohl den Herausforderungen des sozialen Pluralismus als auch dem Bedürfnis nach proaktiven Lösungsansätzen Rechnung tragen können (Lindblom 1990). Soziale Reflexivität und soziales Lernen in der Planung Eine kritische Bewertung der sozialen Rolle und Expertise des Planers, welche auf der Ermittlung der Dimensionen der alltäglichen Planungspraxis basiert, hat auch zur Kritik an einem linearen Verständnis der Verknüpfung zwischen Wissen und Handlung durch Vermittlung einer zentralen rationalen Entscheidungsinstanz beigetragen und somit zu einer wachsenden Aufmerksamkeit für die sozialen und institutionellen Bedingungen für ein reflexives Planungswissen geführt (Friedmann 1987). Die bedeutendsten Beiträge in dieser Richtung stammen von Analysen der Dynamik sozialen Lernens sowie der kommunikativen und symbolisch-kognitiven Aspekte der Politikgestaltung, die in der Sozialpsychologie und Organisationssoziologie sowie in der Politikfeldanalyse und der Implementationsforschung geleistet wurden. Infolgedessen entwickelte sich ein steigendes Interesse für die reflexive und „lernbefähigende“ Dimension von Planungspraktiken.
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Ein besonderer Einfluss kommt aus einer Tradition des „social learning“, die den sozial-konstruierten Charakter der Bedingungen unterstreicht, die Formen kollektiver Reflexivität und sozialen Lernens entweder verhindern oder befähigen können. Entsprechend dieser Theorien können die kommunikativen und symbolisch-kognitiven Komponenten des Verhaltens, welche die strategische Identität der Akteure in einer Planungssituation definieren, von einer Konfrontation in ein kollektives Einverständnis umgeformt werden, wenn sie ins Zentrum argumentativer Praktiken gerückt werden, die ein reflexives Lernen über die eigene Situation ermöglichen (Schön 1983). In der Planungstheorie haben Theorien des sozialen Lernens besonders in Verbindung mit dem Einfluss innovativer Ansätze zur Konfliktlösung an Bedeutung gewonnen. Insbesondere die Verbreitung von Praktiken der „alternative dispute resolution“ in den 1980er Jahren und ihre Einverleibung in das Repertoire der Planungsmethoden hat die planungstheoretischen Auffassungen sowohl der organisatorischen und institutionellen Konditionen als auch der kommunikativen Mittel und Fähigkeiten, die für einen konstruktiven Umgang mit kontroversen Themen erforderlich sind, ausgeprägt (Susskind/Cruickshank 1987) (▷Kommunikation und Moderation).
von Handlungsabläufen zum Ausdruck bringen. Ähnlicherweise können Politikgestaltung und Planung ggf. interpretiert werden als „Prozesse der rationalen Argumentation“, wobei „Argumentation“ als ein Prozess der kommunikativen Interaktion aufgefasst wird, der in den alltäglichen sozialen Interaktionen der Beteiligten verwurzelt ist. Die kommunikativ-argumentative Form eines Politikgestaltungs- und Planungsprozesses kann somit den Grad mitbestimmen, bis zu dem es möglich ist, konkrete Aktionssituationen zu konstruieren, bei denen Akteure sich an einer Reflexion über ihre Situation beteiligen können und gegenseitig ihre Präferenzen und Handlungsorientierungen anpassen. Diese Möglichkeit hängt von der Annahme ab, dass es immer eine Verbindung zwischen „bargaining“ und „arguing“, also zwischen eigennutzbasierter strategischer Rationalität und kommunikativer Rationalität gibt und dass, unter bestimmten Bedingungen, ein Gleichgewicht zwischen den beiden hergestellt und gemeinsame Lernprozesse realisiert werden können. Die Voraussetzung dafür ist ein kommunikativ-argumentativer Hintergrund, der eine reine Ausübung von Macht einschränkt und ihr entgegenwirkt, wie insbesondere im Rahmen von Theorien vermittelter Verhandlung diskutiert wird.
Planung als argumentative Praktik
Auf dem Weg zu einer kritischpragmatischen Planungsauffassung
Aspekte der kommunikativen Kompetenz des Planers haben in Verbindung mit einer Vielzahl von Kontributionen, die oft als „kommunikative“ oder „argumentative Wende“ in den Sozial- und Politikwissenschaften zusammengefasst werden, seit den 1980er Jahren eine zentrale Bedeutung gewonnen (Fischer/Forester 1993). Sie stellen damit auch eine Verschiebung im Interesse für die alltägliche Dimension der Planungspraxis dar. Die „kommunikativ-argumentative Wende“ in der Planungstheorie ist verwurzelt in einer kritischen Selbstbetrachtung der kommunikativen Praktiken des Planers, impliziert aber auch einen ausschlaggebenden Schritt in Richtung eines ent-subjektivierten Verständnisses von kommunikativ-argumentativen Praktiken als Aspekte der sozial-institutionellen Einbettung von Planungsprozessen. Politikgestaltungs- und Planungsprozesse werden zunehmend als kommunikativ-argumentative Konstrukte betrachtet, die von spezifischen und situativen Bedingungen abhängen. Sie können kritisch analysiert werden als eine Überschneidung von Erzählungslinien, die Sinn und Bedeutung
Der Zusammenschluss der Aufmerksamkeit für die kollektive Bedeutung kommunikativ-argumentativer Praktiken, der zunehmenden Institutionalisierung von Mediations- und Verhandlungspraktiken und der experimentellen Anwendung deliberativer Entscheidungsformen resultiert in den 1980er Jahren in einer neuen Form des kritischen Pragmatismus in der Planungstheorie: eine praxisorientierte Herangehensweise an Prozesse des „framing“, der kollektiven Formulierung von Planungsangelegenheiten, in denen die Bildung eines informierten und strategisch bewussten Konsenses über Planungsfragen im Rahmen kommunikativ-argumentativer Verfahren angestrebt wird (Innes 1996, Healey 1997). Besonders in solchen Ansätzen gewinnt das Interesse für extradisziplinäre, nicht-technische Komponenten der Planung an Bedeutung. Kommunikative und symbolisch-kognitive Aspekte, die in der Interaktion aktiviert werden, werden zunehmend als konstitutive Eigenschaften von Planungsprozessen anerkannt, in denen sie ein kreatives und emanzipatorisches Potenzial ent-
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wickeln und somit eventuell zu kollektiven Lösungsansätzen beitragen können. Dieser Aspekt wird besonders hervorgehoben durch den Fokus auf Kontexte, in denen die Effektivität und Legitimität der Planung durch kognitive Blockaden und Interessenkonflikte gefährdet werden, die durch fehlende Fähigkeit zur Reflexivität und gegenseitigen Adaption seitens der beteiligten Akteure verstärkt werden. Auf der interaktiv-kommunikativen Dimension aufbauend, können sich ein reflexives Verständnis der Situation ergeben und soziale Präferenzen und Identifikationsformen verändern und weiterentwickeln. Dies bietet Raum für verhandelnde Vorgehensweisen in Planungsprozessen, die über Konfliktlösung hinaus einen konstruktiven Rahmen für den Umgang mit kulturellen Differenzen und mit Formen „lokalen Wissens“ bieten. Die verschiedenen Ebenen, welche Politikdiskurse konstituieren, werden als ein zentrales Thema für eine Neuinterpretation strategischer Planung angesehen, die über rationalistische oder technokratische Entscheidungsmodelle hinaus auf Interaktion und ▷Kooperation setzt. Kommunikativ-argumentative Planungsmethoden dienen hier als Beiträge zur Förderung reflexiver Diskurspraktiken. Dabei werden kommunikativ-argumentative Herangehensweisen aber auch zunehmend als proaktive Mittel für kollektive Strategiebildung eingesetzt. Szenarienbildung, „strategic visioning“ und Leitbildformulierung erhalten dadurch eine Bedeutung, die die einer ex-post Rechtfertigung übersteigt und die ihnen eine konstitutive Rolle in der Politikbildung verleiht (Healey 2007). Der Aufbau diskursiver Reflexivität impliziert natürlich bestimmte institutionelle Rahmenbedingungen. Diese müssen aber notwendigerweise als experimentell verstanden werden, um Reflexivität überhaupt zu ermöglichen. Dadurch ergibt sich die Bedeutung vom Informellen in der Planung (▷Informelle Planung), von der Schaffung institutionell unterstützter Arenen und Räume, in denen eine kontrollierte Lösung von vorgegebenen institutionellen Logiken und somit experimentelles Handeln ermöglicht wird. Dabei bietet die Anwendung interaktiver und kommunikativ-argumentativer Methoden eine Garantie für die Einbindung der Öffentlichkeit (▷Partizipation) und für eine kritische und verantwortliche ▷Evaluation. In diesem Sinn kann auch die Beschwörung von innovationsfördernden Planungsformen verstanden werden: als die Notwendigkeit eines Fokus auf die konkreten sozialen Mechanismen, durch die strukturierte Prozesse der Interaktion und des kommunikativ-argumentativen Austauschs zu
integrativen Ergebnissen, zu einem „Planungsmehrwert“, führen können. Dementsprechend kann die neuerliche Entwicklung einer Fülle interaktiver Planungsmethoden – trotz bestehender Gefahren der Routine und der Instrumentalisierung – als der rationalistisch-funktionalistischen Methoden-Euphorie der 1960er Jahre diametral entgegengesetzt angesehen werden: Anstatt eines Anspruchs auf eine empiristisch-modellhafte, expertengesteuerte Darstellung der Realität, sind sie Ausdruck einer Bereitschaft zu pragmatischen sozialen Experimenten, in denen kollektive Prozesse der Meinungsbildung, Sinnerzeugung und Reflexion eine bedeutende Rolle einnehmen. An der Angemessenheit dieses Anspruchs muss sich dann auch Planungspraxis – und Planungstheorie – messen lassen. Gualini
Literatur Argyris C.; Schön, D. A. (1974): Theory in Practice: Increasing Professional Effectiveness. San Francisco Barrett, S.; Fudge, C. (Hrsg.) (1981): Policy and Action: Essays on the Implementation of Public Policy. London Davidoff, P. (1965): Advocacy and Pluralism in Planning. In: Journal of the American Institute of Planners, 4, 331-38 Fischer F.; Forester J. (Hrsg.) (1993): The Argumentative Turn in Policy Analysis and Planning. Durham Forester J. (1989): Planning in the Face of Power. Berkeley Friedmann J. (1987): Planning in the Public Domain: From Knowledge to Action. Princeton Friend K.; Hickling A. (1987): Planning Under Pressure, The Strategic Choice Approach. Oxford Hall, P. A. (1980): Great Planning Disasters. Berkeley Healey, P. (1997): Collaborative Planning. Basingstoke Healey, P. (2007): Urban Complexity and Spatial Strategies Innes, J. E. (1996): Planning through Consensus Building, A New View of the Comprehensive Planning Ideal. In: Journal of the American Planning Association, 62, 4, 460-72 Lindblom, C. E. (1965): The Intelligence of Democracy. New York Lindblom, C. E. (1990): Inquiry and Change: The Troubled Attempt to Understand and Shape Society. New Haven Pressmann J. L.; Wildavsky A. (1973): Implementation. Berkeley Schön, D. A. (1983): The Reflective Practitioner, How Professionals Think in Action. New York Susskind L.; Cruickshank J. (1987): Breaking the Impasse, Consensual Approaches to Resolving Public Disputes. New York
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PLANUNGSWISSENSCHAFT Begriffsklärung und -abgrenzung In dieser Wissenschaftsdisziplin geht es darum, die beim (räumlichen) Planen verwendeten Theorien explizit zu machen, sie zu analysieren, zu vergleichen, zu kommunizieren, zu testen, zu verbessern, zu lehren und sie für die Planungspraxis weiterzuentwickeln.
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Ein zentrales Charakteristikum von Planung ist, dass wir es dabei immer mit Gedankengebäuden zu tun haben. Planung ist die gedankliche Vorwegnahme und/oder Vorbereitung von Handlungen – gedankliches Probehandeln sozusagen. Diese Gedankengebäude werden nachfolgend vereinfachend als Theorien bezeichnet (vgl. Schönwandt 2002:74ff ). Für sie sind aber auch andere Begriffe im Umlauf, wie etwa: Abstraktionen, Ideen, mentale Modelle, Entwürfe und manche mehr. Die Tatsache, dass wir es beim Planen immer mit Gedankengebäuden (Theorien) und nicht mit der realen Welt (der „Außenwelt“) zu tun haben, ist für die Teile von Planungen, die sich auf die Zukunft beziehen, offensichtlich und wenig erklärungsbedürftig. Die in der Planung verwendeten Theorien sind zwar auf zukünftige Situationen orientiert, beschäftigen sich dabei jedoch selbstverständlich auch mit der Gegenwart und der Vergangenheit, indem Informationen über aktuelle Zustände und deren historische Entwicklung als Basis für Planungen dienen. Was diesen Teil der Theorien angeht ist es meist schwieriger zu begreifen, dass wir es ebenfalls nur mit Gedankengebäuden zu tun haben und nicht mit der tatsächlichen „Außenwelt“. Der Grund: Beschreibungen von Zuständen und deren Entwicklungen werden in unserem Denkorgan in Form mentaler Repräsentationen generiert, basierend auf den Eindrücken, die uns die Sinne liefern. Dies sind jedoch bereits Interpretationen (vgl. Bunge 1996), was zur Folge hat, dass die resultierenden Theorien nicht notwendigerweise mit der „realen Außenwelt“ übereinstimmen müssen. Beispielsweise neigt unser Denkorgan dazu „zu sehen“, was es sehen will und ignoriert, was auf den ersten Blick nicht zu unseren Erwartungen passt (▷Raumvorstellungen). Es gibt eine Reihe klassischer Formulierungen, die dieses Grundproblem der Planung (und Wissenschaft) auf verschiedene Art und Weise auf den Punkt bringen (vgl. Schönwandt 2008:47): Wissen ist keine Ansammlung von Fakten, sondern eine Kollektion von Ideen über Fakten. Wir haben keinen direkten Zugang zur Außenwelt. Wir erkennen nie die Dinge „an sich“. Es gibt keine „objektiven“ (hier: betrachterunabhängigen) Beschreibungen. Jede Beschreibung schließt Teile der Denkwelt des sie Beschreibenden ein. Zusammengefasst lautet der wesentliche Punkt also: Zu planen heißt, mit individuell oder kollektiv konstruierten Theorien zu arbeiten.
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Theorien der Planung versus Theorien in der Planung An dieser Stelle ist eine Präzisierung bzw. Differenzierung erforderlich. In der räumlichen Planung ist es hilfreich, zwei Arten von Theorien zu unterscheiden: Theorien der Planung (theories of planning), sowie Theorien in der Planung (theories in planning). Die Theorien der Planung befassen sich mit dem Prozess des Planens an sich. Sie analysieren und explizieren, wie Planung abläuft - hierzu gehört: Welche Themen spielen beim Prozess des Planens eine Rolle? Wie hängen diese strukturell zusammen? Und v. a.: Welche inhaltlichen Wechselwirkungen gibt es zwischen ihnen? Demgegenüber befassen sich die Theorien in der Planung nicht mit dem Planungsprozess an sich, sondern beschreiben die beim Planen zu bearbeitenden fachlichen Inhalte (▷Fachplanungen). Solche fachlichen Inhalte sind z. B. in der Stadtplanung Theorien zu neuen Stadtquartieren, in der Landschaftsplanung zu den Lebensräumen von Pflanzen und Tieren und in der Verkehrsplanung zum Straßen- oder Schienenverkehr. Schwerpunkt des vorliegenden Aufsatzes sind die Theorien der Planung, die Theorien in der Planung werden in anderen Artikeln des vorliegenden Buches ausführlicher behandelt. Gleichwohl gibt es einige fließende Übergänge zwischen beiden Theoriearten. Das Theorie-Paradoxon Was das Thema Theorien der Planung angeht, gibt es, zumindest in Deutschland, ein Paradoxon: Man weiß, dass Planung wichtig ist und dabei passierende Fehler uns oft teuer zu stehen kommen. Schließlich ist die Tätigkeit des Planens keineswegs einfach oder unkompliziert und deshalb entsprechend fehleranfällig. In der Folge erleben wir es nicht selten, dass beim Planen etwas schief läuft und mitunter viele Ressourcen verschwendet werden (vgl. Strohschneider/von der Weth 1993 oder Flyvbjerg u. a. 2003). Angesichts dieser Sachlage könnte man vermuten, dass sich aktuell sehr viele Planungswissenschaftler intensiv darum kümmern, entsprechende Theorien (und in der Folge geeignete Methoden) zu entwickeln und diese den Praktikern zur Verfügung stellen, um so dazu beizutragen, Fehlplanungen künftig so weit als möglich zu vermeiden. Dies ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr spielt das Thema Theorien der Planung in der akademischen Landschaft nicht die Rolle, welche man angesichts der Relevanz dieses Themas für die Planungspraxis erwarten könnte.
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Dieses Paradoxon (in Form eines Theoriedefizits) ist in Anbetracht der zahlreichen Planungsfehler, die sich in der Praxis beobachten lassen, ein durchaus erklärungsbedürftiger und änderungswürdiger Zustand. Die aktuellen Schwachstellen bezogen auf das Thema Theorien der Planung, spiegeln sich auch in der akademischen Lehre (▷Architekten- und Planerausbildung) wider. Nach unserem Wissen findet keineswegs an allen Planerschulen eine Lehre statt, die explizite, also nachles- und damit nachprüfbare und die konzeptuellen Weiterentwicklungen der letzten Jahrzehnte berücksichtigende Planungstheorien zur Grundlage hat. In dieses Bild passt auch die Feststellung von Sieverts (2007:11), dass an den deutschen Planerschulen (für Architektur und Städtebau) das Thema „Planen“, hier v. a. als Entwerfen bezeichnet, nur selten in dem Sinne zum Diskussionsgegenstand gemacht wird, dass von den Lehrenden möglichst umfassend, strukturiert und nachvollziehbar dargelegt wird, was Planen bzw. Entwerfen ihrer Auffassung nach ist und wie es „funktioniert“ (natürlich gibt es Ausnahmen, vgl. z. B. Gänshirt 2007) (▷Städtebauliches Entwerfen, ▷Entwerfen und Konstruieren). Auch die deutschen Akademien (▷Akademien und Netzwerke), in deren Zuständigkeitsbereich dieses Thema gehört, tun sich damit schwer. Dies zeigt sich z. B. daran, dass die in jüngster Vergangenheit unter dem Titel „Theoriebedarf in der Planung“ (auch hier v. a.: Theorien der Planung) ins Leben gerufenen Arbeitsgruppen bislang im Sande verlaufen sind. Das beschriebene Theoriedefizit spiegelt sich auch in der Planungspraxis wider. Aktuellen Planungen liegen nicht selten ▷Planungstheorien der so genannten „Ersten Generation“ (siehe Schönwandt 2002) zugrunde, die bereits seit Ende der 1950er Jahre kritisiert werden und deshalb eigentlich längst ad acta gelegt sein sollten. Diese Modelle teilen den Planungsprozess in einzelne Phasen auf, zum Beispiel (in einer Kurzversion): Bestandsaufnahme, Analyse, Ziele, Maßnahmen. Dabei ist – um nur einen einzigen der Punkte herauszugreifen, die zu hinterfragen wären – praktisch nie die Rede davon, dass solche Bestandsaufnahmen immer vom Denkmuster des Planenden, dem so genannten Planungsansatz, abhängig sind, also seinen Wertvorstellungen, Sichtweisen und seinem Hintergrundwissen (vgl. hierzu z. B. Schönwandt/Voigt 2005; eine der grundlegenden Veröffentlichungen zu diesem Thema stammt von Kuhn (1962/1981)). Der kritische Punkt hierbei ist, dass bei Planungsprozessen fast nie nur ein,
sondern nahezu immer mehrere, unterschiedliche Planungsansätze anwendbar sind, wobei es keinen per se „richtigen“ oder „sachgemäßen“ Planungsansatz gibt. Für eine wirklich durchdachte Planung ist es deshalb notwendig, die Auswahl des geeigneten Planungsansatzes zum Gegenstand einer abwägenden Diskussion zu machen (vgl. z. B. Koppenjan/Klijn 2004). Solche Aspekte, wie etwa das Thema der Planungsansätze, werden in einer Planungspraxis, die sich an den Planungstheorien der „Ersten Generation“ orientiert, nicht berücksichtigt. Zur Illustration dieses Punktes mag ein Beispiel genügen: Seit 2005 ist die so genannte Strategische ▷Umweltprüfung in Form der SUP-Richtlinie der Europäischen Union (Richtlinie 2001/42/EG) in deutsches Recht umgesetzt. Darin wird u. a. gefordert, dass in dem zu erstellenden Umweltbericht die „vernünftigen Alternativen ... ermittelt, beschrieben und bewertet“ werden sollen (vgl. Artikel 5(1); Hervorhebung durch die Verfasser). Was dabei unter „vernünftig“ zu verstehen ist, wird nicht weiter erläutert. Diese Formulierung hört sich so an, ja suggeriert die Vorstellung, dass es so etwas wie per se „vernünftige“ Alternativen gäbe. Sie ignoriert damit, dass Planungen immer unterschiedliche Planungsansätze zu Grunde liegen, in denen sich verschiedene Sichtweisen und Wertvorstellungen widerspiegeln. Unterschätzt wird damit zudem, dass Planung v. a. auch die Aufgabe hat, Kompromisse zwischen sich widersprechenden Wertvorstellungen zu ermöglichen bzw. zustande zu bringen; schließlich sind die Ziele, welche durch Planung erreicht werden sollen, fast nie konfliktfrei. Per se „vernünftige“ Alternativen kann es nicht geben, weil es nicht die eine Vernunft gibt, mit deren Hilfe sich Planungsalternativen bewerten ließen. So haben beispielsweise die Verantwortlichen der Automobilindustrie, der Flughafengesellschaften oder der Deutschen Bahn oft eine völlig andere „Vernunft“ als manche Bürgerinitiativen, die Vertreter des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland oder die Bahn-Fahrgäste. Zusammengefasst: Nicht wenigen Planungen liegt auch heute noch ein planungstheoretisches Konzept zu Grunde, welches, beispielsweise aufgrund des Nichtthematisierens der Planungsansätze, eigentlich als überholt gelten sollte (vgl. Schönwandt 2002). Beim Thema Theorien der Planung gibt es also einen deutlichen Nachholbedarf.
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Implizite versus explizite Planungstheorien Das beschriebene Defizit legt folgende Frage nahe: Wenn man einerseits wie oben festgestellt, nicht
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ohne Theorien planen kann und es andererseits beim Thema ‚Theorien der Planung‘ aktuell einen erheblichen Nachholbedarf gibt, wie „funktionieren“ dann eigentlich (aktuelle) Planungsprozesse? Um diese Frage zu beantworten, muss zwischen impliziten und expliziten Planungstheorien unterschieden werden. Implizite Planungstheorien sind jene Theorien, die unbewusst angewandt werden. Was diese impliziten Theorien angeht, ist festzuhalten, dass Planer nie gänzlich ohne sie planen können. Jeder der plant, strukturiert seinen Planungsprozess „irgendwie“ – und sei es „aus dem Bauch heraus“. Eine solche Strukturierung kann niemand vermeiden, schon allein deshalb nicht, weil er nicht alle Teilaufgaben eines Planungsprozesses auf einmal erledigen kann. Die jeweilige Planungsaufgabe wird vielmehr in zwei oder mehr Teilschritte zerlegt. Und bereits dieses Strukturieren geschieht auf der Grundlage einer impliziten, unbewusst im Denkorgan des Planenden vorhandenen Theorie darüber, welches diese einzelnen Teilaufgaben beim Planen sein sollten und wie man sie jeweils zu erledigen hat. Solche Strukturierungen, also auch die „aus dem Bauch heraus“, setzen somit eine (zumindest implizite) Theorie voraus. Als Folge ist jede Planung mit solch impliziten Theorien durchtränkt. Dies gilt auch und gerade dann, wenn sich der Planer dessen nicht bewusst ist. Ob diese impliziten Theorien geeignet oder ungeeignet, hilfreich oder doch eher schädlich sind, steht dabei auf einem anderen Blatt. Explizite Planungstheorien hingegen sind solche, die nachvollzieh- und nachprüfbar formuliert sowie dokumentiert sind und deshalb bewusst angewandt und gelehrt werden können. Oben wurde dargelegt, dass bezüglich dieser Theorien der Planung, was deren Kenntnis und Verbreitung in Lehre und Praxis angeht, ein Defizit besteht. Manche gehen davon aus, dass sich dieses Defizit in der Lehre dadurch „kompensieren“ ließe, dass man auf „learning by doing“ oder ostentative Lehrkonzepte (Lernen an Beispielen) zurückgreift. Der Nachteil solcher Lehrkonzepte ist, dass das Abstrahieren bzw. Herausfiltern des auf die nächste Planungsaufgabe übertragbaren (Planungs-)Wissens im Wesentlichen den Studierenden – und damit den fachlich Schwächsten – überlassen wird. Außerdem sind diese Lehrformen fast immer zeitintensiver als theoriebasierte Lehrkonzepte. Dies bedeutet nicht, dass eine Lehre, die auf expliziten Planungstheorien basiert, ohne Fallstudienanalysen und Praxisfälle auskäme. Nachdem im vorangegangenen Abschnitt zwischen impliziten und expliziten Planungstheori-
en unterschieden wurde, kann die folgende – oft aufgeworfene – Frage beantwortet werden: Gibt es beim Planen nicht doch irgendwelche Situationen, in denen man auf diese expliziten Theorien verzichten könnte? Schließlich sind Wissenschaftler nicht immer gut beraten, wenn sie Praktikern Vorschläge unterbreiten, wie diese ihre Arbeit machen sollen. Vollmer (2003:340f) gibt eine Antwort auf diese Frage: Auf die Anwendung expliziter Theorien lässt sich guten Gewissens nur dann verzichten, wenn man keine Fehler macht, wenn die Fehler unerheblich sind, wenn kein Interesse daran besteht, fehlerhaftes Verhalten zu vermeiden, oder wenn man bei jeder Planungsaufgabe völlig neu anfangen kann, das heißt, wenn immer genügend Ressourcen zur Verfügung stehen, um sich herantastend einer Planungslösung anzunähern. Wenn also alles wie gewünscht funktioniert, sind explizite Planungstheorien überflüssig. Man kann es an dieser Stelle wohl kurz machen: Die räumliche Planung ist nicht in diesem Sinne fehlerarm, genauso wenig stehen – zumindest i. d. R. – beim Planen immer genügend Ressourcen zur Verfügung, dass man sich eine derartige Theorieabstinenz wirklich leisten könnte. Fazit Es sind v. a. zwei Vorteile des „Explizitmachens“ von Planungstheorien, die es nahelegen, dieses Wissensfeld zu bearbeiten. Erstens: Nur wer explizit formulierte Planungstheorien hat, kann sie analysieren, vergleichen, testen, verbessern, kommunizieren und in relativ kurzer Zeit lehren. Zweitens: Es gibt inzwischen einige Untersuchungen, die empirisch nachgewiesen haben, dass es einen Unterschied macht, ob man beim Planen auch explizite oder nur implizite Theorien verwendet. So konnten z. B. Reither (1979), Hesse (1979), Tisdale (1998), Hemberger u. a. (2008a, 2008b), Saifoulline u. a. (2008), von der Weth u. a. (2008) nachweisen, dass Menschen nicht nur anders, sondern fast immer besser denken und planen, wenn sie sich ihre Denkoperationen in Form expliziter Planungstheorien bewusst machen und verbessern (▷Evaluation). Ein Punkt ist in diesem Zusammenhang allerdings genauso festzuhalten: Nach unserer Auffassung wird es nicht möglich sein, zu wirklich allen Facetten des Planens explizite (und wissenschaftlich begründete) Theorien zu entwickeln. Hierfür ist das verfügbare explizite Wissen zu lückenhaft und der Prozess des Planens zu komplex. Es wird in Planungsprozessen immer einzelne Teilschrit-
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te geben, die intuitiv (sprich: unter Zuhilfenahme impliziter Theorien), bearbeitet werden müssen. Wobei „intuitiv“ hier oft mit „fehleranfällig“ gleichzusetzen ist (vgl. Schönwandt 1986). Auch wird die wissenschaftliche Durchdringung einzelner Teilabschnitte des Planungsprozesses in vielen Fällen nicht vollständig, sondern nur partiell und vorläufig sein. Es kommt also darauf an, mehr Anstrengungen darauf zu verwenden, den Anteil expliziter Theorien beim Planen so weit als möglich zu erhöhen (auch indem implizite Theorien explizit gemacht werden). Nur so kann unser Planungshandeln analysiert, verglichen, getestet, kommuniziert und verbessert werden. Schönwandt, Utz
Literatur Bunge, M. (1996): Finding Philosophy in Social Science. New Haven, London Campbell, S.; Fainstain, S. (1996): Readings in Planning Theory. Oxford EG-Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (sog. SUPRichtlinie); Amtsblatt des Europäischen Gemeinschaft vom 21.7.2001 Flyvbjerg, B.; Burzelius, N.; Rothengatter, W. (2003): Megaprojects and Risk: An Anatomy of Ambition. Cambridge Fürst, D.; Scholles, F. (2008) (Hrsg.): Handbuch Theorien und Methoden der Raum- und Umweltplanung. Dortmund Gänshirt, C. (2007): Werkzeuge für Ideen, Einführung ins architektonische Entwerfen. Basel Heidemann, C. (1992): Regional Planning Methodology, The First & Only Annotated Picture Primer on Regional Planning. Institut für Regionalwissenschaft, Discussion Paper Nr. 16. Karlsruhe Hemberger, C. u. a. (2009a): Messbar bessere Ergebnisse beim Lösen komplexer Planungsprobleme – Empirische Evaluation einer Planungsmethodik. (in Vorbereitung) Hemberger, C. u. a. (2009b): Erfolgs- und Misserfolgsmerkmale ‚guter‘ und ‚schlechter‘ Problemlöser – Eine empirische Untersuchung der Wissenshintergründe und Arbeitsprozesse beim Lösen komplexer Planungsprobleme. (in Vorbereitung) Hesse, F.W. (1979): Trainingsinduzierte Veränderungen in der heuristischen Struktur und ihr Einfluß auf das Problemlösen. Dissertation an der RWTH Aachen Hillier, J.; Healey, P. (2008) (Hrsg.): Critical Essays in Planning Theory. Aldershot, Hampshire Koppenjan, J.; Klijn, E. (2004): Managing Uncertainities in Networks. London Kuhn, Th. S. (1962/1981): Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. Frankfurt/M Reither, F. (1979): Über die Selbstreflexion beim Problemlösen. Dissertation am Fachbereich Psychologie der Universität Gießen Saifoulline, R. u. a. (2009): The influence of a problems solving training on shared mental models of spatial planners (in Vorbereitung) Schönwandt, W. (1986): Denkfallen beim Planen. Braunschweig Schönwandt, W. L. (2002): Planung in der Krise? Theoretische Orientierungen für Architektur, Stadt- und Raumplanung. Stuttgart Schönwandt, W. L.; Voigt, A. (2005): Planungsansätze. In: ARL – Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) (Hrsg.): Handwörterbuch der Raumordnung. Hannover, 769-776 Sieverts, T. (2007): Raumplanung – eine wissenschaftliche Disziplin? oder Entwerfen als Methode der Wissenserzeugung – eine Gedankenskizze. In: Institut für Architektur und Raumplanung der Hochschule Liechtenstein (Hrsg.): Nachhaltige Raument-
wicklung. Fokus dispers besiedelte Regionen am Beispiel Alpenrheintal. Petersberg, 11-17 Strohschneider, S.; von der Weth, R. (1993) (Hrsg.): Ja, mach nur einen Plan, Pannen und Fehlschläge – Ursachen, Beispiele, Lösungen. Bern Tisdale, T. (1998): Selbstreflexion, Bewusstsein und Handlungsregulation. Weinheim Vollmer, G. (2003): Wieso können wir die Welt erkennen? Neue Beiträge zur Wissenschaftstheorie. Stuttgart von der Weth, R. u. a. (2009): Evaluation of a complex problem solving methodology in spatial planning
PROJEKTENTWICKLUNG Begriffsvielfalt und Begriffsabgrenzung Projektentwicklung ist aufgrund der ihr innewohnenden Verbindung der zwei allgemeinen Begriffe „Projekt“ und „Entwicklung“ vom Wesen her branchenneutral und kann sich auf unterschiedliche Bereiche beziehen. Trotz ihres allgemeinen Charakters hat sich Projektentwicklung v. a. im Kontext von Planen und Bauen als eine eigenständige Disziplin etabliert und wird vorwiegend mit der Immobilenbranche in Verbindung gebracht. Doch auch hier wird Projektentwicklung sowohl in der stadt- und immobilienentwicklungsrelevanten Literatur als auch in der Praxis unterschiedlich definiert und verwendet. Während „Entwicklung“ vergleichsweise einhellig einen Veränderungsprozess oder Wandel von Dingen und Erscheinungen als Aufeinanderfolge verschiedener Formen oder Zustände beschreibt, wird „Projekt“ bereits unterschiedlich gefasst. Es wird allgemein als Plan, Entwurf, Vorhaben oder Unternehmen bezeichnet. Im Kontext von Planen und Bauen wird „Projekt“ durch die DIN 69901 (Projektmanagement – Projektmanagementsysteme) als „Vorhaben, das im Wesentlichen durch die Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit gekennzeichnet ist“, konkretisiert. Dazu zählen Aspekte wie Zielvorgabe, zeitliche, finanzielle, personelle und andere Begrenzungen, Abgrenzung gegenüber anderen Vorhaben, projektspezifische Organisation u. ä.. In den unterschiedlichen Definitionen wird häufig zwischen Projektentwicklung im engeren Sinn und Projektentwicklung im weiteren Sinn differenziert. Diese gängigen Definitionen unterscheiden sich in der Abgrenzung zu den normierten Begriffen Projektmanagement und Projektsteuerung und zu weiteren verwandten, jedoch nicht normierten Bereichen wie Asset-, Facility-, Objekt- oder Immobilienmanagement. Dabei wird zumeist eine phasenweise Betrachtung zugrunde gelegt.
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Als Projektentwicklung im engeren Sinn wird im Wesentlichen die konzeptionelle, vorbereitende Phase bis zur Investitionsentscheidung (vgl. Diederichs 2006:5f, Brauer 2003:547f, Falk 2004:681, Schulte/Bone-Winkel 2008:27f) oder bis zur Baurechtschaffung (Kyrein 2002:79) verstanden. Projektentwicklung im weiteren Sinn umfasst zudem die Realisierungsphase und kann darüber hinaus in weitester Auslegung den gesamten ▷Lebenszyklus der Immobilie, also auch die Betriebsphase bis zum Abriss und zur Nachnutzung bzw. Revitalisierung beschreiben (vgl. Diederichs 2006:5f, Schulte/ Bone-Winkel 2008:27f, Brauer 2003:547f). In der weiten Auslegung wird dem ganzheitlichen und prozessualen Verständnis von Projektentwicklung eine stärkere Rolle zugesprochen. Das Verhältnis der Begriffe Projektentwicklung, Projektmanagement und Projektsteuerung wird in der Literatur unterschiedlich abgegrenzt. ▷Projektmanagement wird nach der DIN 69901 als „die Gesamtheit von Führungsaufgaben, -organisationen, -techniken und -mitteln für die Abwicklung eines Projektes“ definiert. Die Projektsteuerung umfasst nach der Berufsordnung des Deutschen Verbandes der Projektmanager in der Bau- und Immobilienwirtschaft (DVP 2007) die „Wahrnehmung von Auftraggeberfunktionen bei der Realisierung von Bau- und Immobilienprojekten in beratender Funktion (Stabsfunktion)“. Nach Falk (2004) begleitet der Projektentwickler das gesamte Immobilienprojekt von der Idee bis zum Ende des Lebenszyklus der Immobilie, während der Projektsteuerer für den Bauherren eine betriebswirtschaftliche Prozess- und Ablaufsteuerung des Bauprojekts erbringt. Nach dieser Auffassung umfasst die Projektentwicklung i. d. R. auch die Projektsteuerung. Kyreins Auffassung (2002) folgend werden alle Phasen dem Projektmanagement unterstellt, das je nach Stadium des Projektes vom Projektentwickler (Projektinitiierung und -konzeption) oder vom Projektsteuerer (Projektkonkretisierung und -realisierung) ausgeführt wird. Kochendörfer, Liebchen und Viering (2007) ordnen den Phasen Entwicklung, Realisierung und Betrieb die Begriffe Projektentwicklung, Projektmanagement und Facility Management zu, wobei unter Projektmanagement die Projektleitung und die Projektsteuerung subsumiert werden (vgl. zu Letzterem auch Brauer 2003:549). Von weiterer Relevanz ist der in Folge der Verbreitung des Lebenszyklus-Ansatzes an Bedeutung erstarkte Bereich des Asset Managements, der nach Schulte und Bone-Winkel (2008:25)
„die Optimierung und Weiterentwicklung des […] Bestandes [umfasst], so dass hier maßgeblich auch Projektentwicklungsaufgaben übernommen werden“. Werden mehre Immobilien zu einem Portfolio zusammengefasst, spricht man in diesem Zusammenhang vom Portfoliomanagement. Ebenso am gesamten Lebenszyklus einer Immobilie orientiert sich ▷Facility Management. Nach Brauer (2003:551) umfasst es „die Gesamtheit aller Leistungen zur optimalen Nutzung von Immobilien auf der Grundlage ganzheitlicher Strategien“. Betrachtet wird der gesamte Lebenszyklus der Immobilie von der Planung und Erstellung, der Nutzung und Umnutzung bis hin zum Abriss oder Revitalisierung. Das Ziel von Facility Management besteht in der Optimierung der Immobiliennutzung mit dem Ziel der Nutzwerterhöhung. Die Unterschiede beider Ansätze bestehen im Wesentlichen in den jeweiligen Zielen und der Ausrichtung auf unterschiedliche Akteure. So wird Asset Management aus Sicht des Eigentümers/Investors betrachtet, während Facility Management stärker die Perspektive des Nutzers einnimmt. Auch hier sind die Übergänge zumeist fließend. Eine klare Abgrenzung ist nicht zuletzt aufgrund der unterschiedlichen Herangehensweisen und Ziele der Akteure nur schwer möglich, so dass es häufig zu Überschneidungen und unterschiedlichen Gewichtungen einzelner Teilaspekte kommt. U. a. aus diesem Grund hat in den letzten Jahren der angelsächsische Begriff des ▷Real Estate Management, der mit dem deutschen Begriff „Immobilienmanagement“ nur unzureichend beschrieben ist, an Verbreitung gewonnen (vgl. Schulte/ Bone-Winkel 2008:5). Damit wird der Versuch unternommen, die unterschiedlichen Teilaspekte der Standort- und Immobilienentwicklung wie Projektentwicklung, Planungs- und Projektsteuerung, Bauprozessmanagement, Asset Management und Facility Management unter einem Dachbegriff zu vereinen, auf die methodischen Grundsätze des Projektmanagements zu verpflichten und in den Lebenszyklus-Ansatz zu integrieren. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass der traditionelle Begriff Projektentwicklung entweder die Konzeptions- und Vorbereitungsphase vor der Realisierung beschreibt oder umfassender und übergreifender die Phasen von der Idee bis zur Fertigstellung umfasst. Neuere Ansätze hingegen sehen ihn während des gesamten Lebenszyklus oder eines Quartiers in unterschiedlichen Intensitäten vertreten und gehen somit von der im klassischen Sinn projektorientierten zu einer stärker prozessorientierten Betrachtungsweise über.
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Akteure Entsprechend den verschiedenen Ausprägungen des Begriffs sind die an einer Projektentwicklung beteiligten Akteure breit gefächert. Die Komplexität zeigt sich insbesondere in deren spezifischen Perspektiven und der Beurteilung von Projektbedingungen. Im Zusammenspiel mit den zahlreichen Immobilienmarktsegmenten ergibt sich eine Fülle unterschiedlicher Professionen und Handlungsfelder sowie – je nach Perspektive – unterschiedliche Interessen und Beurteilungsmaßstäbe. Als Hauptakteursgruppen können neben den Projektentwicklern Grundeigentümer, Investoren, Financiers, Nutzer, Architekten und Ingenieure, Bauunternehmen, Behörden, Träger öffentlicher Belange, Politik, Öffentlichkeit sowie Immobiliendienstleister und -berater bezeichnet werden. Die Akteure können in unterschiedlichen Konstellationen und zu unterschiedlichen Zeitpunkten in den Prozess involviert werden. Auch der Anstoß oder die Initiative zu einer Projektentwicklung kann durch unterschiedliche Akteure erfolgen. Die klassischen Projektentwickler lassen sich nach Schulte und Bone-Winkel (2008) analog zu den Phasen in drei Typen einteilen, beginnend mit der reinen Konzeption und Vorbereitung eines Immobilien- oder Stadtentwicklungsprojektes (Service-Developer) über dessen Realisierung und Verwertung (Trader-Developer) bis hin zum Betrieb bzw. der Nutzungsphase (Investor-Developer). Tritt der erste Typ überwiegend als Dienstleister für Grundeigentümer oder Investoren in Erscheinung, agieren die zwei weiteren selbst als Investoren, allerdings mit unterschiedlichem Zeithorizont. Beim Trader-Developer ist das Ziel die kurzfristige Veräußerung eines fertigen Immobilienproduktes an einen Endinvestor, nachdem dieses von ihm im Rahmen von Projektentwicklung konzipiert, finanziert, umgesetzt und einer Nutzung zugeführt wurde. Der Investor-Developer verfolgt i. d. R. eine langfristige Investmentstrategie und ist in der Lage, das Projekt auch während der Betriebsphase als Asset Manager zu betreuen, um es ggf. nach Ablauf der Nutzungsphase durch eine erneute Projektentwicklungsphase zu revitalisieren oder – im Falle eines mangelhaften Projektergebnisses – vorzeitig zu repositionieren. In beiden Fällen wird auch von Redevelopment gesprochen. Investor-Developer treten oft gemeinsam mit Kapitalinvestoren in unterschiedlich gearteten Partnerschaften auf. Aufgrund dieser verschiedenen Konstellationen kommt der Organisation der Zusammenarbeit der Akteure und der Auswahl geeigneter
Planungsverfahren sowie Kommunikationsstrukturen durch eine umfassende Stakeholderanalyse und ein entsprechendes Stakeholdermanagement besondere Bedeutung zu. Ausgangskonstellationen, Phasen und Instrumente Nach Diederichs (2006) bestehen drei typische Ausgangssituationen für die Initiierung von Projektentwicklungen: 1) Für einen gegebenen Standort werden eine geeignete Nutzung (Idee) und das zur Umsetzung notwendige Kapital gesucht oder 2) für eine konkrete Nutzung werden ein geeigneter Standort und das ebenfalls zur Realisierung notwendige Kapital gesucht oder 3) für das zur Anlage im Immobilienbereich vorgesehene Kapital wird nach einem geeigneten Standort mit der dazu passenden Nutzung gesucht. Diese statische Kategorisierung führen Schulte und Bone-Winkel (2008) durch das Hinzufügen der Zeitkomponente in eine dynamische Dimension der Projektentwicklung über, die damit auch dem ganzheitlichen Ansatz des Real Estate Managements im Lebenszykluskontext Rechnung trägt. Eine Projektentwicklung weist nach Schulte und Bone-Winkel typischerweise fünf Phasen auf: Projektinitiierung, -konzeption, -konkretisierung, -realisierung und parallel zu allen Phasen die Projektvermarktung. Vervollständigt im Sinne eines ganzheitlichen Real Estate Managements schließt sich an die Projektrealisierung die sechste Phase der Nutzung bzw. des Betriebs an. Je nach Quelle oder Blickwinkel umfasst dieser Abschnitt Aufgabenbereiche des Asset-, Facility- bzw. Objektoder Gebäude-Managements. Der Prozess einer Projektentwicklung lässt sich in mehrere Teilleistungen gliedern, die ggf. einzeln oder in Gruppen abrufbar sind. Schulte und Bone-Winkel (2008) orientieren sich hierbei an den Wertschöpfungsstufen der Projektentwicklung und nennen zehn Leistungsbilder, gruppiert in vier Bereiche: Akquisition, Projektmanagement, Marketing/Vermietung und Investment. Eine detaillierte Systematisierung der Projektentwicklung im engeren Sinn findet sich bei der AHO-Fachkommission (2004), die folgende Teilbereiche aufführt: 1) Standortanalyse und -prognose 2) Marktrecherche (Nachfrager, Kunden und Konkurrenzangebote) 3) Grundstücksakquisition und -sicherung 4) Nutzungskonzeption 5) Vorplanungskonzept 6) Vermarktung
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7) Projektfinanzierung 8) Steuern 9) Kostenrahmen für Investition (DIN 276) und Nutzungskosten (DIN 18960) 10) Terminrahmen 11) Ertragsrahmen 12) Rentabilitätsanalyse 13) Risikoanalyse und -prognose mit Stakeholderanalyse 14) Entscheidungsvorbereitung
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Stärker akzentuiert ist Kyreins Ansatz (2002), der das Instrument der Risikoanalyse und -reduktion bei Projektentwicklungen durch den Einsatz der Machbarkeitsstudie in den Vordergrund stellt. Hierbei werden – basierend auf einer Stakeholder-, Standort-, Markt- und Wettbewerbsanalyse – ein im Dialog mit den Akteuren entwickeltes Konzept sowie mittels ▷Benchmarkingprozessen weitere Rahmenbedingungen abgeleitet und daraus „Programmstellungen“ für die Bereiche Technik, Recht, Wirtschaft etc. erarbeitet. Auch Schulte und Bone-Winkel heben die Bedeutung des ▷Risikomanagements hervor: „Projektentwicklung von Immobilien zählt zu den risikoreichsten unternehmerischen Aktivitäten überhaupt, da sie Investitionen relativ hoher Kapitalbeträge in die Schaffung von Produkten erfordert, die in Bezug auf Zeit und Raum sehr fixiert sind“ (Schulte/Bone-Winkel 2008:46). Durch ein konsequentes Risikomanagement sollen in der Konzeptionsphase die Entscheidungsfindung erleichtert und in der Realisierungs- und Betriebsphase die Manövrierfähigkeit gewährleistet werden. Auch soll damit ein Steuerungsinstrument zum Umgang mit den vielen für die Projektentwicklung relevanten Risiken wie Entwicklungsrisiko, Prognose- und Planungsrisiko, Zeitrisiko, Genehmigungsrisiko, Finanzierungsrisiko, Kostenrisiko, Altlastenrisiko etc. etabliert und fortentwickelt werden – ein Bereich, der sowohl in der Immobilienbranche als auch aus Sicht der öffentlichen Planungsträger einen hohen Aktualitätsbezug besitzt, aber auch verstärkten Forschungsund Entwicklungsbedarf aufweist. Aktuelle Tendenzen In den letzen Jahren sind sowohl in der Forschung als auch in der Praxis eine Erweiterung des Projektentwicklungsbegriffs bzw. ein Wandel der Projektentwicklung und deren Rahmenbedingungen zu beobachten. Gründe dafür sind u. a. Veränderungen hin zu einer vielfältigeren, lebensstilorientierten Gesellschaft, die immer kom-
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plexer werdenden Anforderungen in den Bereichen Planen, Bauen, Umwelt, die fortschreitende Professionalisierung der ▷Immobilienwirtschaft und ihrer Akteure, die Globalisierung der Immobilienmärkte und der zunehmende Wettbewerb der Standorte sowie auch eine intensivere Auseinandersetzung von Unternehmen und öffentlichen Immobilieneigentümern mit ihren Immobilienbeständen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Letzteres resultiert u. a. aus einer großen Anzahl von Brachflächen, die es umzustrukturieren bzw. zu verwerten gilt. Obwohl Projektentwicklung im engeren Sinn als klassischer Ansatz nach wie vor eine wesentliche Rolle spielt, hat die zunehmende Bedeutung von Bestandsimmobilien und -liegenschaften mit Repositionierungs- und Umstrukturierungsbedarf zu einer weiter gefassten und stärker zyklischen Betrachtungsweise geführt. Bei größeren Liegenschaften kommt der Konzeptionsphase der Projektentwicklung einschließlich der Klärung baurechtlicher Möglichkeiten besondere Bedeutung zu. In dieser komplexeren Quartiers- und Standortentwicklung mit entsprechend langen Entwicklungszeiträumen sind verstärkt die öffentlichen Akteure als Träger der Planungshoheit und der öffentlichen Belange in den Prozess eingebunden. In den letzten Jahren zeichnet sich hier ein Wandel der Planungskultur ab, der sich auch in der Projektentwicklung widerspiegelt: Trends zu neuen kooperativen Modellen unter frühzeitiger Einbeziehung und Beteiligung der relevanten Akteure, weiterentwickelte Verfahren der Planung und Entscheidungsfindung, die häufig auch eine stärkere Berücksichtigung der Marktsituation auf Seiten der öffentlichen Hand, aber auch eine breitere Auseinandersetzung mit den Fragen einer nachhaltigen Entwicklung von lebenswerten Quartieren und Stadtteilen seitens der privaten Entwickler beinhalten, sind zu beobachten. Dabei kommt neben der normierten ▷Bauleitplanung insbesondere den ▷informellen Planungen einschließlich der Weiter- und Neuentwicklung geeigneter Verfahren sowie der Schaffung von geeigneten Organisations- und Kommunikationsstrukturen zur Fixierung der Rahmenbedingungen (schwerpunktmäßig hinsichtlich Qualität, Lage und Quantität der Nutzungen, öffentlichen Räume, Infrastruktur, ▷Erschließung, Berücksichtigung von Umweltbelangen) sowie der Ausgestaltung von oft längerfristigen Transformationsprozessen einschließlich ▷Zwischennutzungen und ▷Placemaking-Maßnahmen besondere Bedeutung zu. Man kann sich folglich dem Begriff Projektent-
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wicklung von zwei Seiten nähern: aus immobilienwirtschaftlicher Sicht im traditionellen Sinn der Immobilien-Projektentwicklung als einzelwirtschaftliche Unternehmung und aus stadtplanerischer bzw. -politischer Sicht im Sinne von gemeinwohlorientierter Standortentwicklung. Ein modernes interdisziplinäres Verständnis von Projektentwicklung sollte beide Perspektiven vereinen und die kombinierte Sicht einer integrierten Standort- und Immobilienentwicklung propagieren. Ferner ist diese kombinierte Sicht im Sinne des Nachhaltigkeitsprinzips um den Lebenszyklusansatz zu erweitern, der Projektentwicklung von ihrer ursprünglich linearen Bedeutung (Projekt mit einem klar definierten Beginn und Ende) in eine zyklische Dimension überführt, in der kein eindeutiger Zeitpunkt für den Beginn und auch kein definiertes Ende mehr existieren. Folgerichtig handelt es sich bei diesem erweiterten Verständnis nicht mehr um ein „Projekt“, sondern um einen fortdauernden „Prozess“. Projektentwicklung in diesem Kontext wird zu einer umfassenden und sich verstetigenden Managementaufgabe der Standort- und Immobilienentwicklung, die sich am treffendsten mit dem Begriff des ▷Real Estate Management beschreiben lässt. Projektentwicklung (im weitesten Sinn) verstanden als zeitlich unbegrenzter Prozess des Standort- und Immobilienmanagements mit den im Verlauf des Lebenszyklus einer Immobilie oder eines Standorts wiederholt auftretenden Neuoder Repositionierungen (Projektentwicklung im engeren Sinn) umfasst dann tatsächlich alle vertretenen Fachgebiete des Planens und Bauens. Daraus resultiert ein komplexes Anforderungsprofil an Projektentwickler, das neben breitem, querschnittsorientiertem Fachwissen eine umfassende Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Ort erfordert, ein Hineindenken in die Perspektive der unterschiedlichen Akteure sowie der zukünftigen Nutzer beinhaltet und die Fähigkeit voraussetzt, in neuen kommunikativen Prozessen und Verfahren gemeinsam tragfähige Ziele und Lösungen zu erarbeiten und zu erreichen. Die bisher häufig losgelöst voneinander geführten Planungsprozesse (von Seiten Stadt- und Immobilienentwicklung), die an ihrer Schnittstelle zu Verwerfungen geführt haben, sollten unter Zugrundelegung der genannten Anforderungen zunehmend zu einem kooperativen, integrierten Prozess verschmelzen und damit zur wirtschaftlich, ökologisch und soziokulturell nachhaltigen Standort- und Immobilienentwicklung beitragen. Czaja, Hollang
Literatur AHO-Fachkommission Projektsteuerung/Projektmanagement (Hrsg.) (2004): Neue Leistungsbilder zum Projektmanagement in der Bau- und Immobilienwirtschaft. Köln Brauer, K.-U. (Hrsg.) (2003): Grundlagen der Immobilienwirtschaft. Leipzig Diederichs, C. J. (2006): Immobilienmanagement im Lebenszyklus. Berlin, Heidelberg DVP – Deutscher Verband der Projektmanager in der Bau- und Immobilienwirtschaft e. V. (2007): Berufsordnung. München Falk, B. (Hrsg.) (2004): Fachlexikon Immobilienwirtschaft. Köln Kochendörfer, B.; Liebchen, J. H.; Viering, M. G. (2007): Bau-Projekt-Management. Wiesbaden Kyrein, R. (2002): Immobilien-Projektmanagement, Projektentwicklung und -steuerung. Köln Schmoll gen. Eisenwerth, F. (2008): Basiswissen Immobilienwirtschaft. Berlin Schulte, K.-W; Bone-Winkel, S. (2008): Handbuch Immobilienprojektentwicklung. Köln
PROJEKTMANAGEMENT
Definitionen und Abgrenzungen Nach DIN 69901-5 wird Projektmanagement definiert als „… die Gesamtheit von Führungsaufgaben, -organisation, -techniken und -mitteln für die Initiierung, Definition, Planung, Steuerung und den Abschluss von Projekten“. Als Projekt bezeichnet die DIN 69901-5 „… ein Vorhaben, das im Wesentlichen durch die Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit gekennzeichnet ist …“. Damit wird das Projekt mit seiner Einmaligkeit beispielsweise gegen die Hauptaufgaben eines Produktionsbetriebes abgegrenzt, die in der Planung und Überwachung einer laufenden Produktion bestehen. Die projektspezifischen Randbedingungen werden geprägt durch Zielvorgaben, zeitliche, finanzielle, personelle oder andere Begrenzungen, Abgrenzungen gegenüber anderen Vorhaben und projektspezifische Organisationsformen.
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Projekte sind demzufolge einmalige Vorhaben, deren Ziele mit begrenzten Ressourcen zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erreichen sind. Die projektspezifische Organisation hat die vorrangige Aufgabe, die Aufgabenstellungen oder Zielvorgaben mit i. d. R. interdisziplinär zusammengesetzten Teams (▷Interdisziplinarität, Transdisziplinarität) zu realisieren und dafür zu sorgen, dass sowohl die Aufbau- als auch die Ablauforga-
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nisation darauf abgestimmt sind. Zur Wahrnehmung der damit verbundenen Führungsaufgaben wird eine Projektleitung eingesetzt, die für die Planung, Steuerung und Überwachung des Projektes verantwortlich ist. Die Projektleitung ist den Bedürfnissen der Projektphasen anzupassen. (vgl. DIN 69901) Bezogen auf den Bereich des Planens und Bauens – oder im weitesten Sinne auf die Gestaltung von Lebensräumen – stellt zunächst jede Planungs- und Realisierungsaufgabe dann ein Projekt dar, wenn es sich um eine einmalige Aufgabe handelt und sie beispielsweise nicht der laufenden Wartung und Instandhaltung baulicher Anlagen dient. Somit erstreckt sich der mögliche Objektbereich von übergeordneten Aufgaben der Landesplanung bis hin zur konkreten baulichen Anlage (z. B. Strasse, Brücke, Gebäude, Flughafen). Die interdisziplinäre Bandbreite wäre mit der Eingrenzung auf Technik, Wirtschaft und Recht viel zu eng bestimmt, sondern umfasst – je nach Komplexität und Umfang des Projektes – Belange des Umweltschutzes, der Ökologie, der Nachhaltigkeit (▷Nachhaltige Stadtentwicklung), der politischen Willensbildung etc. Weitere Konkretisierungen einzelner Begriffe können der Berufsordnung des Deutschen Verbands der Projektmanager in der Bau- und Immobilienwirtschaft (DVP) entnommen werden (DVP 2007: § 1 Begriffe): „(1) Projektmanagement ist die Wahrnehmung von Auftraggeberfunktionen bei der Realisierung von Bau- und Immobilienprojekten in technischer und wirtschaftlicher, zum Teil auch rechtlicher Hinsicht. Projektmanagement kann sowohl Leistungen der Projektsteuerung wie auch der Projektleitung umfassen; (2) Projektsteuerung betrifft die Wahrnehmung von Auftraggeberfunktionen bei der Realisierung von Bau- und Immobilienprojekten in beratender Funktion (Stabsfunktion); (3) Projektleitung umfasst die Wahrnehmung von Auftraggeberfunktionen bei der Realisierung von Bau- und Im-
Einbindung von Projektleitung, Projektmanagement und Projektsteuerung in die Aufbauorganisation eines Projektes (Kochendörfer/Liebchen/Viering 2007: 10)
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mobilienprojekten im Sinne von Weisungs- und Entscheidungsbefugnissen und i. d. R. Ergebnisverantwortung (Linienfunktion).“ Die beratende „Stabsfunktion“ im Sinne der DVP-Definition (siehe Abbildung) bedeutet, dass die Projektsteuerung beispielsweise Berichte und eventuell darauf aufbauende Vorschläge zu erstellen hat, die dann von der Projektleitung entsprechend der „Linienfunktion“ und nach Maßgabe der Projektorganisation sowie der im Einzelfall übertragenen Vollmachten im Projekt umgesetzt werden. Die Übertragung von Funktionen des Auftraggebers an einen externen Dienstleister mit dem Leistungsbild Projektmanagement, Projektsteuerung oder Projektleitung bedeutet i. d. R. nicht, dass dieser Dienstleister im rechtlichen Sinne (also auch im Sinne des Bestellers nach BGBWerkvertragsrecht) ohne jede Einschränkung an die Stelle des Auftraggebers tritt. Dies gilt insbesondere für den Abschluss oder die Kündigung von Verträgen sowie für die Durchführung von rechtsgeschäftlichen Abnahmen. In Anbetracht der in der Praxis oftmals unterschiedlich bezeichneten Funktionen und der damit verbundenen, teilweise völlig unterschiedlichen Leistungsbilder muss die organisatorische und rechtliche Abgrenzung solcher Führungsund Steuerungsaufgaben jeweils unter Beachtung der projektspezifischen Randbedingungen vorgenommen werden. In jedem Fall wird es sich jedoch um die projektbezogene und zielorientierte Organisation und Leitung meist interdisziplinärer Teams handeln. Methodische Grundlagen Ungeachtet der „genormten“ Begriffe für Projekte, Projektmanagement etc. wird bei genauerer Betrachtung der Planungs- und Realisierungsprozesse baulicher Anlagen deutlich, dass hier i. d. R. eine Vielzahl von Projektbeteiligten mit teilweise unterschiedlichen Zielsetzungen, eine komplexe Lage rechtlicher Vorschriften, technisch unterschiedliche Bauverfahren und -elemente, ökonomische und zeitliche Randbedingungen so miteinander zu verknüpfen sind, dass die wesentlichen Projektziele hinsichtlich Funktionserfüllung, Terminerreichung, Budgeteinhaltung und Qualitätssicherung erreicht werden. Als methodische Grundlage für die Analyse, den Entwurf, die Steuerung und die Kontrolle von solchen komplexen Strukturen steht die Systemtheorie zur Verfügung. Unter einem System wird eine Menge von Elementen verstanden, die Eigenschaf-
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Unterschiede zwischen analytischem und systemischem Ansatz (eigene Darstellung nach Vester 1997)
ten besitzen und darüber hinaus durch Beziehungen beliebiger Art verknüpft sind. Dabei steht das System mit der Umwelt durch den Austausch von Energie, Materie und Information in Verbindung. Im Gegensatz zur analytisch geprägten Vorgehensweise, wie sie beispielsweise bei der Lösung technischer Problemstellungen zum Einsatz kommt, erfordert die zielorientierte Bewältigung der Managementaufgaben einen systemischen Ansatz, d. h. eine methodische Vorgehensweise, die auf die zu bearbeitenden Systeme abgestellt ist (siehe Abbildung). Insbesondere die Berücksichtigung der Ergebnisse von Wechselwirkungen sowie die zielorientierte Handlungsweise verdeutlichen, dass der ganzheitliche, systemische Ansatz die Voraussetzungen dafür bietet, die Systemelemente im Projektmanagement in Ausrichtung auf die Projektziele und mit ihren Verknüpfungen zu modellieren. Ein derartig entwickeltes Modell ermöglicht beispielsweise die Simulation des gesamten Projektes in unterschiedlichen Phasen mit unterschiedlichen Detaillierungsgraden. Die einzelnen Elemente des Systems werden dabei mit ihren spezifischen Eigenschaften abgebildet. Diese können durch quantitative oder qualitative Parameter ausgedrückt werden. So lässt sich der Position eines Leistungsverzeichnisses ein Einheitspreis oder ein Zeitwert zuordnen und einer Tür eine Feuerwiderstandsklasse. Zwischen den Elementen bestehen Beziehungen (Relationen), die auf natürliche oder künstliche Weise eine Ordnung im System herstellen. Als Beispiele können hierfür das Vertragsverhältnis zwischen Auftraggeber und Bauunternehmen
oder die Wände und Decken, die zusammen ein Gebäude aussteifen, verstanden werden. Systeme besitzen eine Struktur, die aus der Menge der Elemente und ihrer Beziehungen gebildet wird. Durch die i. d. R. vorhandene Untergliederung des Systems über mehrere Stufen entsteht eine Systemhierarchie, deren Subsysteme in sich betrachtet wiederum Systeme darstellen – beispielsweise die Struktur eines Projektes mit mehreren Nutzungsbereichen oder mit verschiedenartigen Ausbaustandards. Strukturen können wie folgt generell mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung dargestellt werden: Aufbaustruktur – hierarchische Gliederung zur Darstellung des Systeminhaltes, differenziert nach den sachlichen Zusammenhängen der in einem System enthaltenen Bestandteile, wie es beispielsweise in einem Projektstrukturplan der Fall ist; Gliederungskriterien können sich dabei sowohl auf den Projektgegenstand als auch die Projektbeteiligten beziehen. Ablaufstruktur – prozessorientierte Gliederung zur Darstellung der Systemfunktionen durch zeitliche oder logische Verkettung der im System enthaltenen Elemente zum Zwecke der Zielerreichung. Im Projektmanagement für bauliche Anlagen treten Ablaufstrukturen beispielsweise in Form von Termin- oder Mittelabflussplänen auf.
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Systeme lassen sich anhand verschiedener Kriterien klassifizieren, die eine Einordnung in bestimmte Kategorien ermöglichen. Wesentliche Systemmerkmale mit ihren jeweiligen Ausprägungen sind beispielsweise nach Patzak (1989: 34):
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Typologie von Systemen (Patzak 1989: 36)
Art der Entstehung: natürliche oder künstliche Systeme, Erscheinungsformen: konkrete oder abstrakte Systeme, Beziehungen zur Umwelt: geschlossene oder offene Systeme, Art der Elemente: soziale, technische oder sozio-technische Systeme, Zeitverhalten: statische bzw. dyn. Systeme, Bestimmtheitsgrad des Verhaltens: determinierte oder probalistische Systeme.
Vernetzung wahrzunehmen hat, erfolgt durch das Handlungsträgersystem (Stichwort: Ablauforganisation). Das Produktsystem als Beschreibung des Projektgegenstandes besteht bei baulichen Anlagen im Wesentlichen in Plänen, mit deren Hilfe die Zielvorgaben umgesetzt werden müssen. Hierzu gehört im Regelfall auch eine Baubeschreibung, die in Abhängigkeit vom Bauwerkstypus auch um eine Funktionsbeschreibung (Stichwort: Benutzungsvorgaben) erweitert sein kann. Handlungsbereiche
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Die Umsetzung dieser Systemmerkmale in systembasierte Lösungen für die Führungsaufgaben im Projektmanagement baulicher Anlagen erfordert die grundsätzliche Unterscheidung in vier Systemtypologien, nämlich die des Ziel-, des Handlungs-, des Handlungsträger- und des Produktsystems (siehe Abbildung). Ein Zielsystem kann im konkreten Fall etwa darin bestehen, dass der Nutzer einer baulichen Anlage diejenigen Anforderungen qualitativ und quantitativ beschreibt, die das Bauwerk erfüllen soll (Stichwort: Raum- und Funktionsprogramm). Aus dem Zielsystem ist dann das Handlungssystem abzuleiten, in dem u. a. die Aufbauorganisation, der Terminrahmen und die Eckwerte des Budgets zur Zielumsetzung definiert werden. Die Aufbauorganisation wird dabei wesentlich vom vorgesehenen Vertragsmodell (beispielsweise Einzelgewerke, Generalunternehmer, ▷Public-Private-Partnership-Modell) bestimmt. Die Beschreibung, wer welche Aufgaben in welcher Form und in welcher vertraglichen sowie organisatorischen
Die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) in der Fassung von 2009 enthält – im Gegensatz zur bis dahin gültigen Fassung – keine Regelungen mehr zur Projektsteuerung oder ähnlichen Leistungen. Am Markt wurden in der Vergangenheit sowohl von Nachfragerseite als auch von Anbietern zahlreiche, teilweise nicht vergleichbare Leistungsbilder mit unterschiedlichsten Handlungsbereichen und Begriffen entwickelt. Die Systematisierung von Begriffen und Handlungsbereichen wurde im Wesentlichen durch die Berufsverbände Gesellschaft für Projektmanagement (GPM) und Deutscher Verband der Projektmanager in der Bau- und Immobilienwirtschaft (DVP) vorangetrieben. Insbesondere der DVP hat die von ihm entwickelten Arbeitspakete in die Arbeit der Fachkommission „Projektsteuerung/Projektmanagement“ des Ausschusses der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung (AHO) eingebracht (vgl. AHO 2009).
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Das Leistungsbild des Projektmanagements ist nach dem Vorschlag des AHO in verschiedene Handlungsbereiche gegliedert: A) Organisation, Information, Koordination und Dokumentation, B) Qualitäten und Quantitäten, C) Kosten und Finanzierung, D) Termine, Kapazitäten und Logistik, E) Verträge und Versicherungen. Für diese Handlungsbereiche hat der AHO differenzierte Kataloge für „Grundleistungen“ und „Besondere Leistungen“ definiert, die projektspezifisch ausgestaltet werden können. Neben den Leistungskatalogen enthält der Vorschlag des AHO auch Empfehlungen zur Bemessung und zur Bandbreite möglicher Honorare, die jedoch – mangels rechtlicher Grundlagen – keinen verbindlichen Charakter besitzen. Um dem zunehmenden Bedarf an ergänzenden und zusätzlichen Leistungen gerecht zu werden, die von Marktteilnehmern nachgefragt und ggf. unabhängig von Leistungen zum Projektmanagement beauftragt werden, hat die AHO-Fachkommission „Projektsteuerung/Projektmanagement“ zusätzliche Leistungsbilder veröffentlicht (AHO 2004). Dabei handelt es sich um die nachstehend stichwortartig beschriebenen Teilleistungen: Implementierung und Anwendung von Projektkommunikationssystemen als projektbezogene Kommunikationsplattformen zum Austausch und zur Dokumentation der verschiedenen Unterlagen, wie beispielsweise Projektvorgaben, Schriftverkehr, Protokolle, Verträge, Freigaben, Rechnungen und Pläne. Im Hinblick auf den Datenumfang bei Zeichnungen ist gesondert zu prüfen, welche Anforderungen das Projektkommunikationssystem erfüllen kann oder ob hierfür eine systemverträgliche Verknüpfung mit anderen Softwaretools zu verwenden ist. Projektentwicklung i. e. S. bezogen auf den Zeitraum zwischen Projektanstoß und Beginn der Planung (▷Projektentwicklung). Hierzu kann insbesondere die Erstellung einer ▷Machbarkeitsstudie („Feasibility Study“) zählen, in der die städtebaulichen, rechtlichen, gestalterischen, ökonomischen, ökologischen und organisatorischen Problemstellungen analysiert und entscheidungsreif aufbereitet werden. Risikobewertung von Neubau- oder Bestandsimmobilien – auch als „Real Estate Due Diligence“ bezeichnet – mit der Aufgabenstellung, den Wert einer Immobilie „sorgfältig“ mit einer umfassenden Analyse der rechtlichen, technischen und wirtschaftlichen Randbedingungen
sowie der Chancen und Risiken zu ermitteln und damit insbesondere potenziellen Erwerbern und Finanzierungsinstituten eine qualifizierte Entscheidungshilfe an die Hand zu geben (▷Risikomanagement). Nutzer-Projektmanagement mit der Aufgabenstellung, die Nutzer eines Standortes im Umzugsfall dabei zu unterstützen, unabhängig vom Projektmanagement für Planung und Ausführung ihre nutzerseitige Planung, die Vorbereitung der Inbetriebnahme und des Umzugs und den Umzug selbst sowie die Räumung der Altstandorte professionell zu organisieren, zu kontrollieren und zu steuern. Unabhängiges Projektcontrolling für Investoren, Banken oder Nutzer als vom eigentlichen Projektmanagement institutionell und organisatorisch getrennte Überwachung der Einhaltung von Termin-, Kosten- und Qualitätszielen mit einem entsprechenden Berichtswesen und ggf. auch mit der Aufgabe verbunden, Anpassungsmaßnahmen zur Sicherung der Zielerreichung vorzuschlagen. Projektmanagement und Projektrechtsberatung aus einer Hand als Leistungsangebot mit dem Ziel, für den jeweiligen Auftraggeber ein integriertes Schnittstellenmanagement, oftmals auch zum Aufbau oder zur Abwehr von Forderungskomplexen („Claims“), durchzuführen. Solche Kooperationen können zwar projektbezogen installiert werden, bedürfen aber der strikten Beachtung des seit dem 1. Juli 2008 gültigen Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG). Construction Management – hierzu ▷Bauwirtschaft und Baubetrieb.
Insbesondere aus der Verknüpfung von Projektmanagement-Leistungen für die Planungs- und Realisierungsphasen mit lebenszyklusorientierten Beratungs- und Dienstleistungen wird deutlich, dass sich das mit baulichen Anlagen verbundene Projektmanagement aufgrund des vom Markt geprägten Handlungsbedarfs kontinuierlich im Sinne einer systemischen und ganzheitlichen Betrachtungsweise weiter entwickelt.
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Literatur AHO – Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung e. V. (2009): Untersuchungen zum Leistungsbild, zur Honorierung und zur Beauftragung von Projektmanagementleistungen in der Bau- und Immobilienwirtschaft. AHO-Schriftenreihe, 9. Köln AHO – Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung e. V. (2004): Neue Leistungsbilder zum Projektmanagement in der Bau- und Immobilien-
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PUBLIC PRIVATE PARTNERSHIP BEI BAULICHEN ANLAGEN wirtschaft. AHO-Schriftenreihe, 19. Köln DVP – Deutscher Verband der Projektmanager in der Bau- und Immobilienwirtschaft e. V. (2007): Berufsordnung des DVP. Zugriff auf www.dvpev.de am 13.7.2009 HOAI – Honorarordnung für Architekten und Ingenieure in der Fassung vom 12.6.2009 Kochendörfer, B.; Liebchen, J.; Viering, M. (2007): Bau-ProjektManagement. Wiesbaden Patzak, G. (1989): Systemtheorie und Systemtechnik im Projektmanagement. In: Reschke, H.; Schelle, H.; Schnopp, R. (Hrsg.): Handbuch Projektmanagement. Köln RDG – Rechtsdienstleistungsgesetz in der Fassung vom 12.12.2007, zuletzt geändert am 30.7.2009 Vester, F. (1997): Neuland des Denkens – vom technokratischen zum kybernetischen Zeitalter. München
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Unter PPP (Public Private Partnership) oder ÖPP (Öffentlich-Private Partnerschaft) kann zunächst jegliche Zusammenarbeit zwischen Institutionen der öffentlichen Hand und Firmen oder Institutionen aus dem privatrechtlichen oder privatwirtschaftlichen Bereich subsumiert werden. Somit würden darunter beispielsweise auch der Bezug von Lieferungen oder Leistungen durch die öffentliche Hand bei privaten Partnern oder auch die Zusammenarbeit in sozialen Projekten fallen. PPP im engeren Sinne umfasst die ▷Kooperation zwischen öffentlichem und privatem Sektor, in der die öffentliche Institution dem privaten Partner auf der Grundlage einer Vertragsbeziehung Aufgaben überträgt, die der öffentliche Sektor im Rahmen der staatlichen ▷Daseinsvorsorge bislang in alleiniger Zuständigkeit erfüllt hat. Die Bandbreite reicht hierbei von Kooperationen im Bereich der Stadtentwicklung (z. B. Baulanderschließung, Sanierungsmaßnahmen) über Partnerschaften im Bereich der technischen Infrastruktur (z. B. Abwasserbehandlung, Abfallbeseitigung, Verkehrswege) bis hin zur Zusammenarbeit im Bereich der baulichen Infrastruktur (z. B. Bau und Betrieb von Hochbauten) oder zur Übertragung von Dienstleistungen (z. B. Einsatz privater Sicherheitsdienste). PPP im Sinne dieses Beitrages umfasst vorrangig die Zusammenarbeit von öffentlicher Hand und Wirtschaftsunternehmen bei baulichen Anlagen (bzw. deren Planung, Bau, Betrieb und Finanzierung) und weniger die in der Stadtplanung eingesetzten kooperativen oder konsensualen Ver-
fahren, die von anderen Zielsetzungen und von anderen methodischen Ansätzen geprägt sind. Zielsetzungen und Kooperationsformen Ausgehend von den Erfahrungen, die insbesondere in Großbritannien seit 1992 mit der Private Finance Initiative gemacht wurden, rief die Bundesregierung im Jahr 1999 u. a. mit politischen Aktivitäten und entsprechenden Forschungsaufträgen die deutsche PPP-Initiative ins Leben (vgl. Jacob/Kochendörfer 2000). Die Zielsetzung des Bundes besteht darin, etwa 15 Prozent der gesamten öffentlichen Bauten mit Hilfe von PPPModellen zu realisieren – dies allerdings an die Bedingung geknüpft, dass deren Wirtschaftlichkeit in jedem einzelnen Fall nachgewiesen werden kann. Der öffentliche Sektor verfolgt mit der (Teil-) Privatisierung vorrangig das Ziel, durch den Einsatz von Kapital und Kompetenzen der privaten Vertragspartner eine effizientere Abwicklung der betreffenden Aufgaben zu ermöglichen, ohne dabei die hoheitliche Verantwortung einzuschränken. Die verschiedenen Kooperationsformen unterscheiden sich insbesondere hinsichtlich des Umfangs der übertragenen Aufgaben, der Finanzierung (▷Immobilienfinanzierung) und des Risikotransfers (▷Risikomanagement). Rechtlich sind dabei folgende Formen der vollständigen oder teilweisen Privatisierung zu unterscheiden: die Formelle Privatisierung als Organisationsprivatisierung, mit der eine bislang öffentlichrechtliche Organisation lediglich in eine privatrechtliche Gesellschaftsform überführt wird (z. B. DFS – Deutsche Flugsicherung GmbH), die Materielle Privatisierung als Aufgabenprivatisierung mit der kompletten Übertragung der bislang hoheitlich erfüllten Aufgaben auf den privaten Sektor (z. B. Telekom AG), die Funktionale Privatisierung als teilweise Aufgabenprivatisierung ohne Übertragung der Verantwortung für die Erfüllung der hoheitlich wahrzunehmenden Aufgaben (z. B. Bereitstellung von Schulgebäuden, jedoch nicht Durchführung des Schulbetriebes). Analog zu Großbritannien und anderen Ländern wurde die Diskussion um PPP-Modelle auch in Deutschland aufgrund der teilweise sehr angespannten Haushaltslage forciert. Da die Haushaltsmittel bei Weitem nicht für Neubauten und für (wert-)erhaltende Instandhaltungsarbeiten ausreichen, ist ein beträchtlicher Investitionsund Instandhaltungsstau entstanden. Allein für
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den kommunalen Bereich wird dieser Bedarf bis 2020 mit ca. 704 Mrd. Euro prognostiziert, wobei die jährliche Unterdeckung unter Beibehaltung des Investitionsniveaus von 2005 etwa 75 Mrd. Euro beträgt (Reidenbach u. a. 2008). PPP-Modelle können weder ein Patentrezept zur Lösung haushaltsrechtlicher Probleme sein – denn auch für PPP-Modelle werden Haushaltsmittel benötigt –, noch sind sie dazu geeignet, sämtliche Risiken, die mit baulichen Anlagen verbunden sind, auf einen privaten Vertragspartner zu übertragen. Gleichwohl bieten sie Chancen zur Verbesserung der Effizienz. Diese können schwerpunktmäßig wie folgt beschrieben werden: Die Investitionskosten können unter Einhaltung vorab definierter Qualitätsstandards bei gleichzeitiger Kostensicherheit und Reduktion von Nachtragsrisiken verringert werden. Durch die Verlagerung wesentlicher Terminund Kostenrisiken auf den privaten Vertragspartner können Planungs- und Bauzeiten optimiert werden. Die Einbeziehung der Betriebskosten und die damit verbundene Betrachtung der Lebenszykluskosten (▷Lebenszyklus von Immobilien) kann den privaten Partner in Anbetracht der von ihm zu übernehmenden Risiken und der von ihm sicherzustellenden Funktionsqualitäten strategisch und operativ zu einer nicht kurzfristig kostenreduzierenden, sondern zu einer mittel- bis langfristig kostenoptimierenden Verhaltensweise „zwingen“. Das betreffende Objekt kann eine langfristige Werterhaltung erfahren, indem die öffentlichen Mittel insgesamt wirtschaftlicher verwendet werden als dies beim bisher weitgehend praktizierten „Werteverzehr“ aufgrund unzureichender Instandhaltung der Fall ist. Vertragsmodelle Bezogen auf bauliche Anlagen die im Wesentlichen der infrastrukturellen Daseinsvorsorge dienen, handelt es sich i. d. R. um funktionale Privatisierungen, also um die teilweise Übertragung von bislang öffentlich wahrgenommenen Aufgaben auf Vertragspartner aus der Privatwirtschaft. Hierfür stehen wiederum – bezogen auf den Umfang der Leistungen und der Risikoverteilung – unterschiedliche Vertragsformen zur Verfügung: Erwerbermodell: Die öffentliche Hand bekommt vom privaten Partner eine von ihm errichtete und betriebene Liegenschaft für die Vertragslaufzeit für vertraglich vereinbarte Entgelte überlassen. Die öffentliche Hand erwirbt da-
nach die Liegenschaft zum gesondert festzulegenden „Restwert“. Inhabermodell: Die öffentliche Hand bleibt Eigentümerin der Liegenschaft und überlässt diese dem privaten Partner zur Durchführung vereinbarter Errichtungs-, Sanierungs- und/oder Betreiberleistungen. Diese werden vom privaten Partner vorfinanziert und über vereinbarte Entgelte von der öffentlichen Hand bezahlt. Leasingmodell: Die öffentliche Hand mietet die Liegenschaft vom privaten Partner und hat die Option des Erwerbs bei Vertragsende, jedoch keine Kaufverpflichtung. Mietmodell: Die öffentliche Hand mietet die Liegenschaft vom privaten Partner für die Vertragslaufzeit ohne Kaufoption oder -verpflichtung. Contractingmodell: Die öffentliche Hand überträgt dem privaten Partner allein den Betrieb von Anlagen der technischen Gebäudeausrüstung mit dem Ziel der energiewirtschaftlichen Optimierung. Einspareffekte können zwischen den Vertragspartnern aufgeteilt werden. Gesellschaftsmodell: Die öffentliche Hand und der private Partner gründen zur Durchführung der geplanten Bau-, Sanierungs- und/oder Betreiberleistungen eine gemeinsame privatrechtliche Gesellschaft. Dadurch wird u. a. der Risikotransfer erschwert. Konzessionsmodell: Die öffentliche Hand ist nicht direkter Nutzer der Liegenschaft oder der baulichen Anlage, sondern der private Partner erstellt und/oder betreibt bauliche Anlagen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben und refinanziert sich durch direkte oder indirekte Zahlungen der Nutzer (direkte Maut oder Schattenmaut).
Im November 2003 wurde von der Innenministerkonferenz beschlossen, an Stelle der bislang praktizierten, rein zahlungsorientierten Einnahme- und Ausgaberechnung (Kameralistik) nunmehr bundesweit die an den Grundsätzen der kaufmännischen doppelten Buchführung ausgerichtete Doppik einzuführen. Dies hat zur Folge, dass im Rahmen des dafür maßgebenden Neuen Kommunalen Finanzmanagements (NKF) u. a. betrachtet werden muss, welche bilanziellen Konsequenzen die unterschiedlichen Vertragsmodelle im Hinblick auf die Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums haben. Diese sollen für die wesentlichen Vertragsmodelle nachstehend kurz erläutert werden. Wenn dem PPP-Vertrag das Erwerbermodell oder das Inhabermodell zugrunde liegt, ist das
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wirtschaftliche Eigentum der öffentlichen Hand zuzurechnen. Wenn allerdings (neue) Vermögensgegenstände im Erbbaurecht errichtet werden, dann ist die Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums von der differenzierten Ausgestaltung des Vertrages abhängig. Beim Mietmodell ist das wirtschaftliche Eigentum grundsätzlich dem PPPVertragspartner als Vermieter zuzurechnen. Beim Leasingmodell ist das wirtschaftliche Eigentum dem PPP-Vertragspartner zuzurechnen, wenn der Leasingvertrag auch die Übernahme operativer Aufgaben beinhaltet (Operate-Leasing); im reinen Finanzierungsleasing wird die Zurechnung – abhängig von der Vertragsgestaltung und der Nutzungsdauer – zu einem der beiden Vertragspartner vorgenommen. Beim Gesellschaftsmodell wird das wirtschaftliche Eigentum in Abhängigkeit von der Vertragsgestaltung entweder der öffentlichen Hand oder der Betreibergesellschaft zugerechnet, wobei die öffentliche Beteiligung an der Betreibergesellschaft wiederum nach den allgemeinen NKF-Grundsätzen zu bilanzieren ist. Projektphasen
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Nach den entsprechenden Vorschriften der Haushaltsordnungen für Gebietskörperschaften und andere Organisationen der öffentlichen Hand muss bei Investitionen sowohl die Maßnahmenals auch die Vollzugswirtschaftlichkeit geprüft werden, damit die wirtschaftlichste Beschaffungsvariante bestimmt werden kann. Im Hinblick auf eine möglichst strukturierte – und vergleichbare – Vorgehensweise empfiehlt es sich, bei potenziellen PPP-Projekten mindestens in folgenden Stufen vorzugehen und dafür ggf. auch externen Sachverstand im technischen, wirtschaftlichen und juristischen Bereich einzusetzen: Klärung der grundsätzlichen Bereitschaft auf Seiten der öffentlichen Hand, ein PPP-Modell als Beschaffungsvariante zu untersuchen und ggf. auch umzusetzen, Prüfung des langfristigen Bedarfs an Gebäuden oder Räumen für die vorgesehene Nutzung und ggf. Prüfung, welche anderen Nutzungen für das Gebäude oder Teile davon bei zukünftigen, aber zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht prognostizierbaren Bedarfsänderungen in Frage kommen – entweder durch die öffentliche Hand oder privaten Vertragspartner (z. B. bei Änderung der Schulformen oder Kapazitätsverschiebungen), Durchführung eines Eignungstests zur Prüfung der grundsätzlichen PPP-Eignung unter Einbeziehung projektabhängiger und projektunabhängiger Kriterien, wie z. B. der Bedarf (siehe
oben), das Projektvolumen, die Marktgängigkeit und die Finanzierbarkeit, Durchführung des Wirtschaftlichkeitsvergleichs bei positivem Ergebnis des Eignungstests (siehe unten), Vorbereitung der Ausschreibungsunterlagen nach positivem Votum der einzuschaltenden Gremien und Organisationen unter Einhaltung der vergaberechtlichen Vorschriften, wie z. B. stufenweises Verfahren, EU-weite Ausschreibung, Integration eines Entwurfswettbewerbs (vgl. Abschnitt „PPP und Baukultur“), Durchführung des Teilnahmewettbewerbs zur Information und zur Auswahl geeigneter Bieter mit Kriterien wie Fachkompetenz, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit (bei den bisher durchgeführten Verfahren wurden meistens zwischen drei und sechs Bieter zur Beteiligung am weiteren Verfahren aufgefordert), Durchführung des Verhandlungsverfahrens mit dem Ziel des Vertragsabschlusses, wobei je nach Komplexität des Projektes ein- oder zweistufig vorgegangen und somit der Bieterkreis stufenweise eingegrenzt werden kann.
Diese stufenweise Vorgehensweise schafft zum einen die notwendige Transparenz im ganzen Verfahren, zum anderen können die Gremien stufenweise informiert und zur Beschlussfassung aufgefordert werden. Gleichzeitig haben sie die Möglichkeit des Ausstiegs aus dem Verfahren, da auch die entstehenden Aufwendungen und Ausgaben auf die einzelnen Stufen eingrenzbar sind. Wirtschaftlichkeitsvergleich Der Wirtschaftlichkeitsvergleich zwischen der Eigenrealisierung (konventionelle Beschaffung) und der Abwicklung als PPP-Modell macht es erforderlich, für beide Varianten die Zahlungsströme über den gesamten Lebenszyklus zu ermitteln und zu vergleichen. Da Ausgaben und Einnahmen modellabhängig zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlicher Höhe anfallen, wird dieser Vergleich i. Allg. über den Barwert vorgenommen. Dazu werden mit Hilfe der dynamischen Investitionsrechnung die jeweiligen Beträge – je nach Bezugszeitpunkt – auf- oder abgezinst und schließlich als Barwert summiert. Der Barwert der konventionellen Lösung dient dabei als Vergleichsmaßstab (engl. Public Sector Comparator, PSC). Über den Vergleich der Barwerte wird, wie in der nachstehenden Grobstruktur dargestellt, die wirtschaftlichste Variante ermittelt (siehe Abbildung).
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Die Belastbarkeit der Ergebnisse des Wirtschaftlichkeitsvergleichs wird i. d. R. mit Hilfe von Sensitivitätsanalysen überprüft. Dazu werden (in Abhängigkeit von der Risikoart und der Risikotragweite) ergebnisbestimmende Faktoren entsprechend einer pessimistischen und einer optimistischen Betrachtungsweise so verändert, dass eine Risikobewertung anhand eines Vergleichs zwischen best case und worst case vorgenommen werden kann. Diese Risikobetrachtung ist im Hinblick auf die Tragweite der Investitionsentscheidung, die Laufzeit der Verträge und die Forderung nach nachvollziehbaren Entscheidungsvorlagen unerlässlich. Nach Auswertungen bislang beauftragter und/ oder abgeschlossener Projekte können realisierbare Effizienzvorteile zwischen 4,5 Prozent und 25 Prozent gegenüber der konventionellen Lösung unterstellt werden. Die Durchschnittswerte liegen – je nach Stadium des konkreten Projektes – zwischen zehn und 14 Prozent. PPP und Baukultur Führt der PPP-Ansatz mit seiner Orientierung an den Lebenszykluskosten zwangsläufig zu einer Priorisierung ökonomischer Kriterien gegenüber gestalterischen Qualitäten? Diese Grundsatzfrage wird bei fast jedem PPP-Hochbauprojekt von Neuem diskutiert, da befürchtet wird, dass der öffentliche Auftraggeber seiner baukulturellen Verantwortung nur noch eingeschränkt gerecht werden kann, wenn im Rahmen eines PPP-Modells auch die Planung an den privaten Vertragspartner übertragen wird (▷Baukultur). Diese Befürchtung ist dann berechtigt, wenn den städtebaulichen, funktionalen und gestalterischen Qualitäten im konkreten PPP-Verfahren nicht der dafür notwendige Stellenwert eingeräumt wird. Andererseits bieten gerade PPP-Verfahren der öffentlichen Hand die Chance, im Ausschreibungsverfahren unterschiedlichste Lösungen vorgeschlagen zu bekommen, die dann – nach einem zuvor bekannt zu machenden Kriterienkatalog – analysiert und bewertet werden können. Ein solcher, quasi integrierter Wettbewerb von unterschiedlichen Realisierungsvorschlägen bietet die Gelegenheit, in Verbindung mit einem gesamthaft angelegten und ausgewogen quantifizierten Kriterienkatalog auch städtebauliche, funktionale und gestalterische Qualitäten in den Prozess einzubringen. Der Bieter und potenzielle PPP-Vertragspartner ist dabei gezwungen, den ökonomischen Ansatz mit architektonischen Qualitäten zu ver-
Grobstruktur des Wirtschaftlichkeitsvergleichs bei PPP-Modellen (Jacob/Kochendörfer 2002:12)
binden. Selbstverständlich wird der gewünschte Erfolg nur dann eintreten, wenn die entsprechenden Beratungs- und Entscheidungsgremien mit interdisziplinärer Kompetenz besetzt sind. Die denkbare Alternative, dem PPP-Verfahren einen Realisierungswettbewerb vorzuschalten, löst das Problem aus, dass den Bietern der ausgewählte Entwurf als Grundlage für ihre Angebote vorgegeben werden muss. Damit werden die Bieter in ihren Optimierungsaktivitäten eingeschränkt. Lässt man jedoch Sondervorschläge, d. h. Nebenangebote zu, tritt das Problem der objektiven Vergleichbarkeit der Angebote auf. Die Ziele einer hohen Entwurfsqualität und größtmöglichem Effizienzgewinn schließen sich also nicht gegenseitig aus, wenn das Verfahren zur Realisierung eines PPP-Projektes entsprechend gestaltet wird und die hierfür notwendige fachliche Kompetenz in den jeweiligen Verfahrensschritten einbezogen und berücksichtigt wird.
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Kochendörfer
Literatur Jacob, D.; Kochendörfer, B. (2002): Effizienzgewinne bei privatwirtschaftlicher Realisierung von Infrastrukturvorhaben. Köln Jacob, D.; Kochendörfer, B. (2000): Private Finanzierung öffentlicher Bauinvestitionen – ein EU-Vergleich. Berlin Reidenbach, M. u. a. (2008): Der kommunale Investitionsbedarf 2006 bis 2020. Berlin
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RAUM- UND STADTBEOBACHTUNG Begriff, Aufgabe, Grundlagen
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Raum- und Stadtbeobachtung, verstanden als indikatorengestützte, laufende, systematische und umfassende Berichterstattung über räumliche Entwicklung, hat sich auf allen Planungsebenen durchgesetzt und bewährt. Für den Bereich der Bundesraumordnung und ▷Stadtpolitik auf Bundesebene wird diese Aufgabe in Deutschland vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) wahrgenommen. Raum- und Stadtbeobachtung geht von der Überlegung aus, dass „Koordinierung“ die zentrale Aufgabe der räumlichen Planung ist. Raumordnungspolitik (▷Raumordnung und Landesplanung), aber auch Stadtpolitik, verstanden und betrieben als Koordination durch Information, benötigen laufend frühzeitige Informationen über regionale Disparitäten und deren Entwicklung, über die eingesetzten Maßnahmen und die raumwirksamen Effekte dieser Maßnahmen. Auf der Grundlage solcher Sachinformationen lässt sich darüber diskutieren und entscheiden, ob Ziele erreicht worden sind und wo Handlungsbedarf besteht. Indikatoren sind das wichtigste Instrument der Raum- und Stadtbeobachtung. Sie geben den Maßstab an, mit dem räumliche Entwicklungen gemessen, verglichen und bewertet werden. Raum- und Stadtbeobachtung als Informationsinstrument vereint in sich zugleich Elemente der Erfolgskontrolle (▷Evaluation) und der Prognose (Frühwarnung). Mit ihr verbindet sich der Anspruch, Informationen für die Diskussion von Handlungsbedarfen, die Aufstellung von Programmen, die Auswahl von Maßnahmen sowie deren Vollzug bereitzustellen. Regional- und städtestatistische Daten sind die wichtigste Grundlage der Raum- und Stadtbeobachtung. Sie sollten möglichst vergleichbar sein, flächendeckend vorliegen und eine kurze Periodizität haben. Neben dem Datenangebot der amtlichen Statistik sowie der Städtestatistik werden v. a. in den Bereichen Infrastruktur, Flächennutzung und Umwelt auch andere Datenquellen genutzt, v. a. von den höheren Landesplanungsbehörden, z. T. auch von Institutionen, die im Bereich „GeoMarketing“ tätig sind (▷Markt- und Standortanalyse). Zunehmend handelt es sich dabei um
raumbezogene Daten bzw. Geobasisdaten, d. h. Daten mit direktem Raumbezug in Form von Lagekoordinaten (▷Geographische Informationssysteme). Räumliche Referenzdaten ergänzen die Datenbasis. Sie enthalten eine Zuordnung von Stadtteilen, Gemeinden und/oder Kreisen zu nicht-administrativen Raumbezügen wie z. B. Stadtregionen, Arbeitsmarktregionen, Raumordnungsregionen oder bestimmten Gebietskategorien wie z. B. städtische/▷ländliche Räume, Stadt- und Gemeindetypen usw.. Solche Referenzschlüssel ermöglichen die räumliche Aggregation von Daten nach beliebigen politik- oder planungsrelevanten Raumbezügen. Die wichtigsten Instrumente zur Analyse und Präsentation von Ergebnissen der Raum- und Stadtbeobachtung sind Karten und Diagramme. Unterschiede, Strukturen und Zusammenhänge werden oft erst durch die kartographische und graphische Umsetzung oder durch den visuellen Vergleich von Karten und Diagrammen sichtbar. Deshalb gehören Werkzeuge für die rechnergestützte Anfertigung von Karten und Diagrammen zur Grundausstattung jedes Raum- und Stadtbeobachtungssystems (siehe Abbildung).
3D-Karte Preise für baureifes Land 2005 (Rase 2007:15)
Raum- und Stadtbeobachtungssystem des BBSR Der deutsche Bundesgesetzgeber hat im novellierten Raumordnungsgesetz (ROG) von 1998 die politische Bedeutung der Raum- und Stadtbeobachtung gesetzlich fixiert und klare Anforderungen formuliert. So sieht § 18 Abs. 5 ROG u. a. vor, dass „das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung ein Informationssystem zur räumlichen Entwicklung in der Bundesrepublik führt. Es ermittelt fortlaufend den allgemeinen Stand der räumlichen Entwicklung und seine Veränderungen sowie die Folgen solcher Veränderungen, wertet sie aus und bewertet sie“. Das Raum- und Stadtbeobachtungssystem des BBSR setzt sich aus mehreren miteinander ver-
RAUM- UND STADTBEOBACHTUNG
knüpften Komponenten zusammen. Wichtigste Komponente des Systems ist die „Laufende Raumbeobachtung Deutschland“. Sie leistet eine bundesweit flächendeckende, vergleichende Beobachtung der Lebensbedingungen bis zur Kreisund Gemeindeebene. Sie wird zum einen um eine „Europäische Raum- und Stadtbeobachtung“ auf der Ebene von NUTS-Einheiten (Nomenclature des unités territoriales statistiques; Systematik der Gebietseinheiten für die Statistik der EU) und zum anderen für eine Auswahl von mittlerweile fast 50 größeren Städten durch eine „Laufende Stadtbeobachtung“ auf der Ebene von Stadtteilen ergänzt. Schließlich führt das BBR/BBSR seit 1990 jährlich in West und Ost eine repräsentative Bevölkerungsumfrage durch, um die Lebensbedingungen aus Bürgersicht zu erfassen. Weitere Komponenten des BBSR-Stadt- und Raumbeobachtungssystems sind: „Wohnungsund Immobilienmarktbeobachtung“ sowie der Betrieb eines Erreichbarkeitsmodells, das auf einem feinmaschigen, digitalen Straßennetzmodell und damit verknüpften Netzmodellen des Schienen- und Luftverkehrs basiert. Eine Datei „Raumwirksame Mittel“ (Ist-Ausgaben oder bewilligte zinsgünstige Darlehen) bietet einen sachlich und räumlich differenzierten Überblick über das raumwirksame finanzielle Engagement des Bundes. Die Raumordnungsprognose als Raumbeobachtung ex ante schließlich informiert über
die mittelfristigen Entwicklungsperspektiven der Bevölkerung, der Erwerbspersonen, der privaten Haushalte und der Wohnungsmärkte in tiefer sachlicher und räumlicher Gliederung. Entscheidend bei diesem System der Raumund Stadtbeobachtung ist die bundesweite Perspektive, mit der es entwickelt und genutzt wird. Es geht nicht um den Versuch, ein bis in seine kleinräumigen Verästelungen wirksam werdendes Planungs- oder gar Kontrollinstrumentarium zu organisieren. Vielmehr geht es darum, räumliche Entwicklungstendenzen von bundesweiter Bedeutung nach Entstehung und Entwicklung zu beschreiben, möglichst zu erklären und damit gesichertere informative Grundlagen für politische Entscheidungen zu schaffen. Insofern versteht es sich als Instrument einer aktiven Raumordnungs- und Stadtpolitik, freilich durchaus in einem spannungsreichen Wechselverhältnis: Der Nachweis räumlicher Disparitäten (▷Gleichwertige Lebensverhältnisse) und Fehlentwicklungen (siehe Abbildung) verschafft der Raumordnungs- und Stadtpolitik einerseits politische Legitimation. Andererseits ist dieser Nachweis zugleich Herausforderung gegenüber raumbezogener Politik bzw. gegenüber den räumlichen Folgen politischen, planerischen und wirtschaftlichen Handelns. Dieser Funktion des Raum- und Stadtbeobachtungssystems entspricht es, dass Ergebnisse
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Gleichzeitigkeit von Wachstum und Schrumpfung in Stadt und Land (Deutscher Bundestag 2008:3)
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RAUMORDNUNG UND LANDESPLANUNG
in regelmäßigen Publikationen der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Das geschieht zum einen in Form periodischer Raumordnungsberichte sowie Städtebau- bzw. Stadtentwicklungsberichte des Bundes. Zum anderen veröffentlicht das BBSR in Kooperation mit den Statistischen Ämtern des Bundes und der Bundesländer jährlich Ergebnisse aus der Raum- und Stadtbeobachtung auf der interaktiven CD-ROM „INKAR – Indikatoren und Karten zur Raumentwicklung“. INKAR ermöglicht dem Nutzer die Zusammenstellung von Indikatoren aus verschiedenen Themenbereichen und Raumbezugsebenen in Tabellen sowie deren Visualisierung in Form thematischer Karten oder Graphiken. Mit der Internetpräsenz www.raumbeobachtung.de bietet das BBSR seit 2007 einen Überblick über sein Raumbeobachtungssystem in Form von Indikatoren, Karten, Abbildungen und Tabellen auf unterschiedlichen räumlichen Bezugsebenen zur Raum- und Stadtentwicklung in Deutschland und Europa. Fazit und Ausblick
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Raum- und Stadtbeobachtung sind heute unbestritten in Bund und Bundesländern eine wichtige informative Grundlage für die Lösung zahlreicher Aufgaben der räumlichen Planung und Politik. In Bayern ist die Aufgabe „Raumbeobachtung“ wie beim Bund gesetzlich fixiert (Landesplanungsgesetz, Art. 21). Auch in den neuen Bundesländern hat die Raumbeobachtung im Bereich der Landesplanung Fuß gefasst. In Brandenburg z. B. wird die Raumbeobachtung vom Landesamt für Bauen und Verkehr in einem eigenen Dezernat „Raumbeobachtung“ wahrgenommen. Viele Großstädte betreiben mittlerweile eine laufende Stadtbeobachtung bzw. ein kommunales Monitoring. Mit der Einführung neuer Steuerungssysteme und der rasanten Entwicklung der Informationstechnik gewinnen indikatorengestützte Monitoringsysteme zur Beobachtung und zur Steuerung einer vorausschauenden Stadtentwicklungspolitik an Bedeutung. Ihr Erfolg ist dabei abhängig von einer wirksamen Zusammenführung und Vernetzung aller notwendigen kleinräumigen Daten und Informationen über die zunehmend komplexeren städtischen Problemlagen. Monitoringsysteme auf der Stadtebene haben insoweit eine wichtige strategische Funktion als Beobachtungs-, Steuerungs- und Frühwarninstrument. Festzustellen ist, dass die Raum- und Stadtbeobachtung die Informationsgrundlagen für die
räumliche Planung auf allen Ebenen erheblich verbessert hat. Ihr breites Leistungsspektrum gewährleistet heute eine informative Unterstützung der Aufgabenerfüllung der Raumordnungs- und Stadtentwicklungspolitik. Angesichts weiter bestehender räumlicher Disparitäten und sich abzeichnender „Verteilungskämpfe“ um knapper werdende Ressourcen wird Raum- und Stadtbeobachtung als Informationsinstrument auch künftig gefragt sein bzw. seine Bedeutung könnte noch zunehmen. Gatzweiler
Literatur BBR – Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.) (2007): Innerstädtische Raumbeobachtung: Methoden und Analysen. Berichte, Band 25, Bonn BBR – Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.) (2008): Leben in deutschen Städten. Bonn BBSR – Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung: BBSR Raumbeobachtung. Zugriff auf www.raumbeobachtung. de am 11.08.2009 Deutscher Bundestag (2008): Initiative zur Nationalen Stadtentwicklungspolitik. Unterrichtung durch die Bundesregierung, Drucksache 16/9234. Berlin Informationen zur Raumentwicklung (1978): Themenheft „Laufende Raumbeobachtung“, 8/9 Rase, W.-D. (2007): Volumenerhaltende Interpolation aus polygonbezogenen Daten in einem TIN. Zugriff auf www.bbsr.bund.de/ nn_103116/BBSR/DE/Raumbeobachtung/Werkzeuge/Visualisierung/Veroeffentlichun-gen__Artikel/VolumenInterpolation ,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/VolumenInterpolation.pdf am 09.09.2009 Raumforschung und Raumordnung (1986): Regionalstatistische Informationssysteme heute, 4/5
RAUMORDNUNG UND LANDESPLANUNG Raumordnung Begriffe Eine allgemeingültige Definition des Begriffes „Raumordnung“ existiert nicht. Vielmehr gibt es unterschiedliche Ansätze (eher planungsbezogen oder eher aus der Sicht der staatlichen Trägerschaft) diesen Begriff nach Aufgabe und Inhalt zu fixieren. So wird Raumordnung beispielsweise als ein Gegenstand der Raumplanung, „nämlich die Ordnung, Sicherung und Entwicklung der Raumnutzungen und Raumfunktionen“ verstanden (Beckmann/Fürst/Scholles 2004:37). Vor einem ebenso planungsbezogenen Hintergrund wird Raumordnung auf der Homepage des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR)
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als „eine übergeordnete, überörtliche und zusammenfassende Gesamtplanung mit integrierender Perspektive und einem Belang übergreifenden Abstimmungs- und Abwägungsauftrag“ bezeichnet. Demgegenüber neutraler und inhaltlich offener ist die Definition des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 3:407/425). Es hat in seinem Baurechtsgutachten aus dem Jahr 1954 Raumordnung definiert als zusammenfassende, überörtliche und überfachliche Ordnung des Raums aufgrund von vorgegebenen oder erst zu entwickelnden Leitvorstellungen. Vor diesem heterogenen Hintergrund wird Raumordnung im Handwörterbuch der Raumordnung (vgl. Sinz 2005:863) als die bestehende räumliche Ordnung eines größeren Gebiets, eine leitbildhafte, normative Vorstellung von der Ordnung und Entwicklung eines Raumes oder die Tätigkeit und der Einsatz von Instrumenten zu dessen leitbildgerechter Gestaltung bezeichnet und dabei in erster Linie auf die Bedeutung der Raumordnung abgestellt. Raumordnung ist Teil einer Raumplanung, mittels derer auf der Grundlage der bestehenden Siedlungs- und Freiraumstruktur überörtliche und überfachliche Zielvorstellungen formuliert und insbesondere durch Pläne und Programme sowie sonstige Handlungskonzepte realisiert werden. Sie soll das Zusammenleben in den Ländern und Regionen auf der Basis einer den gesellschaftlichen Bedürfnissen Rechnung tragenden Ordnung gewährleisten. Aufgrund ihres überörtlichen und überfachlichen Charakters ist die Raumordnung von der ▷Bauleitplanung abzugrenzen. Sie ist dieser vorgelagert und hat die Aufgabe, die unterschiedlichen Raumnutzungsansprüche, insbesondere der raumbedeutsamen ▷Fachplanungen zu einem Ausgleich zu bringen. Seit wenigen Jahren wird an Stelle des Begriffs der Raumordnung auch der Begriff der „Raumentwicklung“ verwendet, um zu verdeutlichen, dass das neuzeitliche Verständnis von Raumordnung, diese nicht auf reine Ordnungsvorstellungen beschränkt, sondern vielmehr auch einen Entwicklung- und Umsetzungsauftrag in sich trägt. Rechtsgrundlagen Die rechtliche Grundlage für die Raumordnung wird durch die Raumordnungsgesetze des Bundes und der Länder zur Verfügung gestellt. Vor dem Hintergrund der im Jahr 2006 stattgefundenen Föderalismusreform ist eine Novellierung des Raum-
ordnungsrechts erforderlich geworden, der mittels des von der Bundesregierung am 16.07.2008 den vom BMVBS vorgelegten Entwurfs eines „Gesetzes zur Neufassung des Raumordnungsgesetzes“ Rechnung getragen wurde. Inhaltlich sieht der Gesetzesentwurf insbesondere eine Ausrichtung der räumlichen Planung der Länder und Regionen auf die Herausforderungen des Klimawandels (▷Klimawandel) und auf den Rückgang der Bevölkerung (▷Demographischer Wandel) vor. V. a. folgende wichtige gesetzliche Neuerungen wurden umgesetzt: Anpassung der Grundsätze der Raumordnung an die aktuellen „Leitbilder und Handlungsstrategien für die Raumentwicklung in Deutschland“, Unmittelbare und vollständige Umsetzung der Plan-UP-RL der EU im Raumordnungsrecht (▷Umweltprüfung), Präzisierung des Planungs- und Koordinierungsauftrages des Bundes, Erweiterung der Planerhaltungsvorschriften; Ausgestaltung einer Veränderungssperre in Form einer befristeten Versagung von maximal drei Jahren zur Sicherung von Planaufstellungsverfahren und Erweiterung der Regelungen über die Möglichkeiten des raumordnerischen Zusammenwirkens sowie einer informelle Planung. Diese Föderalismusreform führte dazu, dass die Raumordnung von der Rahmengesetzgebung in die konkurrierende Gesetzgebung mit einem Abweichungsrecht der Länder überführt wurde (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 31 GG i. V. m. Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GG). Aus diesem Grund bedurfte es der Anpassung des Raumordnungsgesetzes des Bundes (ROG) an die neue verfassungsrechtliche Grundlage (▷Verfassungsgrundlagen der Planung). Die Verkündung der Neufassung des Raumordnungsgesetzes war am 30. Dezember 2008 erfolgt. Das nunmehr geltende Raumordnungsrecht regelt die Aufgaben und Leitvorstellungen sowie die Grundsätze der Raumordnung. Es bestimmt weiterhin deren Verbindlichkeit für die Länder. Das ROG enthält vier Abschnitte, die Folgendes regeln: Abschnitt 1 (§§ 1 bis 7 ROG) enthält die allgemeinen Vorschriften wie die Aufgaben, die Leitvorstellungen und die Grundsätze der Raumordnung, einzelne Begriffsbestimmungen sowie Aussagen zur Bindungswirkung der Erfordernisse der Raumordnung. Abschnitt 2 (§§ 8 bis 16 ROG) regelt die Raum-
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ordnung in den Ländern. Dieser Abschnitt regelt die raumordnerische Zusammenarbeit sowie die Aufstellung von Raumordnungsplänen und deren Verfahren. Abschnitt 3 (§§ 17 bis 25 ROG) enthält Vorgaben für die Raumordnung im Bund bzw. die Aufstellung von Raumordnungsplänen des Bundes. Des Weiteren wird hier die Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen geregelt. Abschnitt 4 (§§ 26 bis 29 ROG) enthält Vorgaben über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern sowie Überleitungs- und Anwendungsvorschriften. In den einzelnen Abschnitten des ROG werden unterschiedliche Planungsebenen angesprochen, an welche die jeweiligen Vorschriften adressiert sind: Raumordnung in der EU und in angrenzenden Bereichen (§ 2 Abs. 2 Nr. 8 ROG), Raumordnung des Bundes einschließlich der Raumordnung in der ausschließlichen Wirtschaftszone (Abschnitt 3, § 17 ROG), Raumordnung der Länder (Abschnitt 2 ROG), Raumordnung der Regionen (Teilräume eines Landes oder mehrerer Länder) als Teil der Raumordnung in den Ländern (§§ 8 Abs. 1-4, § 13 ROG).
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Raumordnung findet in der Praxis überwiegend als Raumordnung in den Bundesländern auf der Grundlage der jeweiligen Landesplanungsgesetze statt. Die wichtigsten Planungsinstrumente zur Bewältigung der Raumordnungsaufgabe bestehen in den Raumordnungsplänen für das Gebiet eines Bundeslandes sowie in den Regionalplänen (vgl. unten). Für das gesamte Bundesgebiet können einzelne Grundsätze der Raumordnung in einem Raumordnungsplan konkretisiert werden. In den §§ 1 und 2 ROG sind die Leitvorstellungen und Grundsätze der Raumordnung formuliert. Sie sind sowohl für die Raumordnung des Bundes als auch für die Raumordnung in den Ländern verbindlich. Das bedeutet, dass sich die Länder bei der Aufstellung ihrer Landesentwicklungspläne oder -programme sowie bei der Mitwirkung an den Regionalplänen an den Leitvorstellungen und Grundsätzen ausrichten und diese für den jeweiligen Planungsraum konkretisieren müssen. Für die Erfüllung dieser Verpflichtung bestimmt § 8 ROG wie die Länder ihrer Aufgabe nachkommen sollen (vgl. §§ 4-8 ROG).
Aufgabe Die Aufgabe der Raumordnung kann aus § 1 Abs. 1 Satz 1 ROG entnommen werden. Danach obliegt es der Raumordnung, „den Gesamtraum der Bundesrepublik Deutschland und seine Teilräume durch zusammenfassende, überörtliche und fachübergreifende Raumordnungspläne, durch raumordnerische Zusammenarbeit und durch Abstimmung raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen zu entwickeln, zu ordnen und zu sichern“. Bei der Bewältigung dieses Entwicklungs-, Ordnungs- und Sicherungsauftrages sind nach § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 ROG 1) unterschiedliche Anforderungen an den Raum aufeinander abzustimmen und die auf der jeweiligen Planungsebene auftretenden Konflikte auszugleichen, 2) Vorsorge für einzelne Nutzungen und Funktionen zu treffen. Bezug nehmend auf diese umfassende Aufgabenbeschreibung, ist auf einen wichtigen Aspekt hinzuweisen. Der auf der Grundlage dieser Aufgabenzuweisung an die Raumordnung vergebene Auftrag ist zwar weit gefasst, aber zugleich durch die zur Verfügung gestellten Instrumente deutlich eingeschränkt. Dadurch soll der Raumordnung die ihr zugewiesene Aufgabe verdeutlicht werden, inbesondere im Verhältnis zu anderen ebenfalls einen räumlichen Entwicklungsauftrag wahrnehmenden staatlichen Aufgaben, wie beispielsweise den Fachplanungen oder dem Förderinstrumentarium. Auch diese nehmen am räumlichen Entwicklungsauftrag teil. Leitvorstellungen Leitvorstellung für die Bewältigung der raumordnerischen Aufgabenzuweisung ist eine nachhaltige Raumentwicklung, die die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang bringt und zu einer dauerhaften, großräumig ausgewogenen Ordnung mit ▷gleichwertigen Lebensverhältnissen in den Teilräumen führt (§ 1 Abs. 2 ROG). Dies bedeutet, dass den Ansprüchen an den Raum die ökologischen Funktionen des Raums gegenübergestellt werden. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die Realisierung unterschiedlicher Raumnutzungsansprüche örtlich zu erheblichen Beeinträchtigungen der ökologischen Funktionen führen kann und insoweit nur im Rahmen einer überörtlichen Betrachtungsweise der Einklang mit den ökologischen Raumfunktionen herbeige-
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führt werden kann. Angesprochen sind insoweit alle ökologischen Funktionen. Der Umsetzung der raumordnerischen Leitvorstellung einer nachhaltigen Raumentwicklung dient das Gegenstromprinzip. Nach § 1 Abs. 3 ROG soll sich die Entwicklung, Ordnung und Sicherung der Teilräume in die Gegebenheiten und Erfordernisse des Gesamtraums einfügen; die Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Gesamtraums soll die Gegebenheiten und Erfordernisse seiner Teilräume berücksichtigen. Durch das so ausgestaltete Gegenstromprinzip soll gewährleistet werden, dass die Planungen unterschiedlicher Planungsträger auf den verschiedenen Stufen räumlicher Planung regelmäßig miteinander abgestimmt werden. Aufgrund dieser maßgeblichen Bedeutung des Gegenstromprinzips findet es sich in vielen Bestimmungen des Raumordnungs- und Städtebaurechts verankert. Des Weiteren findet sich in den Leitvorstellungen die Ausweitung der Raumordnung auf die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone (§ 1 Abs. 4 ROG). Leitbilder In Zusammenarbeit mit den Ländern stellt die Erarbeitung von ▷Leitbildern und Handlungskonzepten der räumlichen Entwicklung den inhaltlichen Schwerpunkt der Bundesraumordnung dar. Sie dienen als Grundlage für die Abstimmung raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen des Bundes und der Europäischen Gemeinschaft. Bei ihnen handelt es sich um programmatische Vorgaben (keine Pläne) im Sinne eines wünschenswerten künftigen Zustandes der Raumentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland. Sie stehen neben den gesetzlichen Anforderungen des ROG und stellen einen Orientierungsrahmen für raumwirksames Handeln zur Verfügung. Bislang gab es: Das Bundesraumordnungsprogramm aus dem Jahr 1975, die Programmatischen Schwerpunkte der Raumordnung aus dem Jahr 1985 und den Raumordnungspolitischen Orientierungsrahmen aus dem Jahr 1993 und den raumordnungspolitischen Handlungsrahmen aus dem Jahr 1995. Am 30. Juni 2006 verabschiedeten nunmehr die Raumordnungsminister von Bund und Ländern die neuen „Leitbilder und Handlungsstrategien für die Raumentwicklung in Deutschland“. Zwischen drei Leitbildern ist danach zu differenzieren:
Leitbild 1: „Wachstum und Innovation“: Im Mittelpunkt dieses Leitbildes steht die Förderung des wirtschaftlichen Wachstums, insbesondere durch eine Weiterentwicklung der ▷Wissensgesellschaft. Erreicht werden soll dies durch Stärkung der Stärken der Regionen. Leitbild 2: „Daseinsvorsorge sichern“: Im Mittelpunkt dieses Leitbildes steht die Aufrechterhaltung des Ziels der gleichwertigen Lebensverhältnisse in allen Teilräumen Deutschlands. Erreicht werden soll dieses Ziel durch Strategien und Maßnahmen, die einer Gefährdung der Daseinsvorsorge durch die Folgen des demographischen Wandels sowie knapper werdenden öffentlichen Finanzmitteln entgegenwirken. Leitbild 3: „Ressourcen bewahren, Kulturlandschaften gestalten“: Im Mittelpunkt dieses Leitbildes steht das Integrationsziel der nachhaltigen Raumentwicklung. Modellvorhaben der Raumordnung Seit etwa gut zehn Jahren werden sog. „▷Modellvorhaben der Raumordnung“ (MORO) durchgeführt. Sie sind ein wichtiges Element zur Umsetzung eines zunehmend mehr auf Prozess- und Projektorientierung abstellenden Planungs- und Politikverständnisses. Zuständig ist das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung – BBSR im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung – BBR. Modellvorhaben der Raumordnung dienen der praktischen Erprobung und Umsetzung von innovativen, raumordnerischen Strategien und Handlungsansätzen sowie von geeigneten Instrumenten. Sie werden in den Regionen und in Kooperation zwischen den einschlägigen Fachwissenschaften und der Praxis durchgeführt. Aktuelle Themenfelder sind gegenwärtig beispielsweise in der nachhaltigen Siedlungsentwicklung und in der Infrastrukturversorgung unter Schrumpfungsbedingungen zu sehen. Im Einzelnen sind etwa hervorzuheben: Sicherung und Gewährleistung der öffentlichen Daseinsvorsorge, überregion. Kooperation und Verantwortung, Raumentwicklungsstrategien zum Klimawandel, Transnationale Zusammenarbeit.
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In den vorangegangenen Jahren orientierten sich die Themenschwerpunkte insbesondere am Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung (▷Nachhaltige Stadtentwicklung) sowie an Strategien zur Umsetzung des Europäischen Raumentwicklungskonzeptes.
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Raumordnungsbericht In regelmäßigen Abständen wird ein sog. „Raumordnungsbericht“ erstellt. Erarbeitet wird der Raumordnungsbericht vom BBSR, welches sich dabei im Wesentlichen auf die „Laufende Raumbeobachtung“, ein räumliches Informationssystem (▷Raum- und Stadtbeobachtung), dessen Führung und systematische Auswertung ebenfalls in den Aufgabenbereich des BBSR fällt, stützt. Abgestimmt wird der Raumordnungsbericht mit dem zuständigen Bundesministerium (für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung – BMVBS), und sodann von diesem dem Deutschen Bundestag vorlegt. Der letzte Raumordnungsbericht stammt aus dem Jahr 2005 und besteht aus zwei Teilen: Teil 1 beinhaltet das Themenfeld der „Raumentwicklung“ und Teil 2 enthält Aussagen und Darstellungen über die wichtigsten ergriffenen „Raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen“. Besonders erwähnenswert ist der erstmals in diesem Bericht vorgenommene Versuch, die Raumentwicklung vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Nachhaltigkeit zu bewerten. Landesplanung Begriffe Mit dem Begriff der „Landesplanung“ wird die Raumordnungskompetenz auf der Ebene eines Bundeslandes verbunden. Eigentlich geht die Landesplanung inhaltlich in dem allgemeineren Begriff der „Raumordnung“, der unterschiedslos für den Bund als auch für das Land in Anspruch genommen werden kann, auf (siehe oben). Soweit von „Landesentwicklung“ gesprochen wird, geht damit eine stärkere Betonung des Entwicklungsaspektes einher, ohne dass dadurch dem Ordnungsgesichtspunkt eine Absage erteilt würde.
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Aufgabe Durch das Raumordnungsgesetz (vgl. oben) werden die einzelnen Bundesländer verpflichtet, für ihren Landesbereich eine Landesplanung durchzuführen. Rechtliche Grundlage hierfür stellen gegenwärtig die auf der Ebene des Bundeslandes erlassenen Landesplanungsgesetze dar. Sie konkretisieren die Ziele und Grundsätze der Raumordnung für den jeweiligen Landesbereich. Die wichtigste Aufgabe der Landesplanung besteht daher in der Erstellung von Plänen und Programmen. Mit der Aufstellung solcher landesweiter Planungskonzeptionen verbunden, ist zunächst die Auf-
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gabe, Raumnutzungsentscheidungen zu treffen und damit die raumbedeutsamen Entwicklungsvorstellungen zum Ausdruck zu bringen sowie im Weiteren, die für Landesraumordnung und -entwicklung maßgeblichen Planungen und Vorhaben der unterschiedlichen Fachpolitiken mit den getroffenen Raumnutzungsentscheidungen abzustimmen und zu vernetzen. Als Grundsätze oder als Ziele der Raumordnung werden die letztlich getroffenen Raumnutzungsentscheidungen dann in den Plänen und Programmen auf Landesebene zeichnerisch und textlich festgelegt. Insoweit stellen die für die Ebene des Landes zu erstellenden Pläne und Programme eine zusammenfassende, überörtliche und überfachliche gesamträumliche Planung dar, in die alle Anforderungen an den Raum und seine Entwicklung integriert und zu einem Ausgleich gebracht worden sind. Dabei ist zu beachten, dass diese Festlegungen, soweit es sich um landesplanerische Ziele handelt, anders als bei der Raumordnung auf Bundesebene (vgl. oben) eine Beachtenspflicht für sämtliche öffentliche Stellen und unter bestimmten Voraussetzungen auch für Personen des Privatrechts, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, hervorrufen (vgl. § 5 ROG). Soweit die Bauleitplanung von den landesplanerischen Zielsetzungen angesprochen wird, gilt sogar eine weiter gehende Form dieser Beachtenspflicht im Sinne eines Anpassungsgebots (vgl. § 1 Abs. 4 BauGB). Daraus ergibt sich im Einzelfall eine aktive Planungspflicht für die Gemeinde. Eine weitere wichtige und keinesfalls zu vernachlässigende Aufgabe übernimmt die Landesplanung bei der Überprüfung von raumbedeutsamen Einzelvorhaben im Rahmen der Durchführung eines Raumordnungsverfahrens (siehe unten). Neben diesen beiden im Vordergrund stehenden Aufgaben hat die Landesplanung aber zu vielen Verwaltungsverfahren Stellungnahmen (als Träger öffentlicher Belange) aus landesplanerischer Sicht zu verfassen sowie andere Behörden bei der Durchführung ihrer Verfahren fachbezogen zu unterstützen (z. B. im Vorfeld der Bauleitplanung). Instrumente In instrumenteller Hinsicht sind zwei wesentliche Bereiche der Landesplanung voneinander zu unterscheiden: Das „klassische“ landesplanerische Instrumentarium, das schon seit vielen Jahrzehnten in der Planungspraxis unter Heranziehung eines formellen Verfahrens seine Anwendung fin-
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det. Demgegenüber ist die ▷informelle Planung als der andere Bereich der Landesplanung von einer eher prozesshaften Entstehung geprägt und hat erst in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Mit den klassischen Plänen und Programmen ist oftmals die Kennzeichnung als „hartes“, mit der informellen Planung als „weiches“ Instrumentarium verbunden. Das „klassische“ Instrumentarium § 8 Abs. 1 ROG verpflichtet die Länder, für ihr Gebiet einen übergeordneten und zusammenfassenden Raumordnungsplan aufzustellen. In den Stadtstaaten kann der Flächennutzungsplan die Funktion des Raumordnungsplans für das Landesgebiet übernehmen. Außerdem besteht für die Länder die Möglichkeit, zusätzlich zu den das ganze Land erfassenden Programmen und Plänen räumBundesland
Bezeichnung
Baden-Württemberg Landesentwicklungsplan
liche oder sachliche Teilentwicklungsprogramme oder -pläne zu erlassen. Dies gestattet den Ländern spezifische Problemgebiete und/oder Sachfragen schon vor der Erstellung oder Fortschreibung des Programms oder Plans anzugehen. Die vor diesem Hintergrund geschaffenen Freiheiten für die Landesgesetzgeber haben dazu geführt, in den einzelnen Ländern die landesplanerischen Konzepte nicht nur unterschiedlich zu bezeichnen, sondern diese auch formalrechtlich sehr heterogen auszugestalten (vgl. Übersicht). Bezogen auf die Region, also einen Teilraum eines Bundeslandes, werden die Programme und Pläne eines Landes noch einmal räumlich und fachlich konkretisiert in der Form der sog. „Regionalplanung“. Nach § 8 Abs. 1 ROG sind die Länder verpflichtet, Regionalpläne aufzustellen. Die Länder haben davon auch mit Ausnahme der Stadtstaaten und des Saarlandes Gebrauch gemacht.
Zuständigkeit
Rechtsform
Wirtschaftsministerium
Rechtsverordnung der Landesregierung Bayern Landesentwicklungsprogramm Staatsministerium für Wirt- Rechtsverordnung der schaft, Infrastruktur und Tech- Staatsregierung mit nologie Zustimmung des Landtags Berlin/Brandenburg Gemeinsames Gemeinsame Staatsvertrag Landesentwicklungsprogramm Landesplanungsabteilung Landesentwicklungsplan Rechtsverordnung Hessen Landesentwicklungsplan Ministerium für Arbeit, Bau Rechtsverordnung der und Landesentwicklung Landesregierung MecklenburgLandesraumentwicklungsMinisterium für Arbeit, Bau Rechtsverordnung der Vorpommern programm und Landesentwicklung Landesregierung Niedersachsen Landes-Raumordnungsprogramm: Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, VerTeil 1: Grundsätze und Ziele zur Gesetz braucherschutz und Lanallgemeinen Entwicklung, desentwicklung Teil 2: Weitere Ziele Rechtsverordnung der Landesregierung Nordrhein-Westfalen Landesentwicklungsprogramm: Ministerium für Wirtschaft, Gesetz Ziele und Grundsätze Mittelstand und Energie Landesentwicklungspläne: Weitere Rechtsverordnung der Ziele Landesregierung Rheinland-Pfalz Landesentwicklungsprogramm Ministerium des Innern und Rechtsverordnung der des Sports Landesregierung Saarland Landesentwicklungsplan: Ministerium für Umwelt Rechtsverordnung der Teilabschnitt Siedlung, Landesregierung Teilabschnitt Umwelt Sachsen Landesentwicklungsplan Ministerium des Innern Rechtsverordnung der Staatsregierung Sachsen-Anhalt Landesentwicklungsplan Ministerium für LandesVerordnung durch entwicklung und Verkehr Landesregierung Schleswig-Holstein Landesraumordnungsplan Innenministerium Feststellung der Landesplanungsbehörde im Benehmen mit den fachlich beteiligten Landesministern Thüringen Landesentwicklungsprogramm Ministerium für Bau, LandRechtsverordnung der esentwicklung und Medien Landesregierung
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Raumordnungspläne der Bundesländer (eigene Darstellung)
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RAUMORDNUNG UND LANDESPLANUNG
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Außer in Schleswig-Holstein, wo die Erstellung eine staatliche Aufgabe ist, haben alle anderen Länder für ihre Planungsregionen den kommunalen Gebietskörperschaften in unterschiedlich starkem Umfang die Aufgabe der Regionalplanung übertragen. Nach § 8 Abs. 3 ROG ist weiterhin eine gemeinsame Regionalplanung über Landesgrenzen hinaus erwünscht sowie Zusammenschlüsse zu regionalen Planungsgemeinschaften von mehreren Gemeinden (§ 8 Abs. 4 ROG). Neben der Aufstellung von Plänen und Programmen kommt der Landesplanung noch eine weitere Aufgabe zu, nämlich die Überprüfung von raumbedeutsamen Einzelvorhaben in Bezug auf ihre Raumverträglichkeit. Das dazu verwendete Instrument ist das Raumordnungsverfahren (vgl. die Legaldefinition in § 15 ROG). In der Raumordnungsverordnung (vom 13.12.1990) sind die entsprechenden Planungen und Maßnahmen (z. B. Flughäfen) aufgelistet, für die ein Raumordnungsverfahren durchzuführen ist. Da es sich meistens um Großvorhaben handelt, wird mit einem Raumordnungsverfahren auch das Ziel verfolgt, Investoren eine gewisse Planungssicherheit einzuräumen und gleichzeitig bei der Öffentlichkeit eine möglichst weitreichende Akzeptanz für das Vorhaben zu erzeugen. Ein Anspruch auf Durchführung eines Raumordnungsverfahrens besteht nicht. Die Raumverträglichkeitsprüfung beinhaltet sowohl eine Standort- als auch eine Trassenalternativenprüfung. Die Ergebnisse des Raumordnungsverfahrens sind sonstige Erfordernisse der Raumordnung und sind als solche für die kommunale Planung nicht verbindlich (vgl. § 4 Abs. 1 und 3 ROG). Sie können verwaltungsrechtlich nicht angefochten werden. Nach § 16 ROG ist ein vereinfachtes Raumordnungsverfahren möglich, bei dem bei der Prüfung der Raumverträglichkeit raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen auf die Beteiligung einzelner öffentlicher Stellen verzichtet werden kann. Dies kann nur erfolgen, wenn die raumbedeutsamen Auswirkungen dieser Planungen und Maßnahmen gering sind. Das „informelle“ Instrumentarium Das klassische landesplanerische Instrumentarium geht davon aus, dass seine konzeptionellen Vorgaben auf nachgeordneten Planungsebenen, insbesondere durch die ▷Bauleitplanung und ▷Fachplanung, umgesetzt werden. Geänderte Rahmenbedingungen mit weitreichenden räumlichen Auswirkungen, wie die deutsche Wieder-
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vereinigung oder der Zusammenbruch der Sowjetunion und die damit verbundene Ostöffnung sowie die rasant zunehmende ▷Globalisierung haben nicht zuletzt auch zu einem erstarkenden Regionalbewusstsein geführt, dem allein mit konzeptionellen Ansätzen in der Form von Plänen und Programmen nicht mehr ausreichend Rechnung getragen werden konnte. Die Landesplanung und insbesondere die Regionalplanung hat das Handeln als notwendiges Instrument erkannt, um die zwischen Planung und Verwirklichung bestehende Kluft zu überwinden. Instrumentell erreicht werden soll dies durch den Einsatz von informellen Planungen, bei denen „weiche“, nicht formalisierte Instrumente Verwendung finden. Wichtig hierbei ist allerdings, dass diese weichen Instrumente das klassische Instrumentarium nicht ersetzen können, auch wenn dies in der Planungspraxis manchmal allzu verlockend erscheint, sondern lediglich eine ergänzende Funktion haben. Heute werden im Bereich der weichen Instrumente v. a. Regionale Entwicklungskonzepte, Teilraumgutachten (insbesondere in Bayern) sowie unterschiedliche Formen des Regionalmarketings und des Regionalmanagements (▷Stadt- und Regionalmanagement) zum Einsatz gebracht. Inhalte Ein bundesweit einheitliches Bild zeichnet sich im Hinblick auf die Inhalte der Programme und Pläne auf den Ebenen des Landes sowie der Regionen ab. Als sog. „Kerninhalte“ eines Raumordnungsplans werden die Festlegungen zur Raumstruktur (§ 8 Abs. 5 Satz 1 ROG) sowie die Festlegungen zu Gebieten (§ 8 Abs. 7 ROG) angesehen. Im Einzelnen sieht § 8 Abs. 5 ROG für die Raumordnungspläne Mindestinhalte vor. Sie betreffen Festlegungen zur Raumstruktur, und zwar insbesondere Aussagen zu: der anzustrebenden Siedlungsstruktur; hierzu gehören Raumkategorien, Zentrale Orte, besondere Gemeindefunktionen, wie Entwicklungsschwerpunkte und Entlastungsorte, Siedlungsentwicklungen und Achsen, der anzustrebenden Freiraumstruktur (einschließlich Aussagen zur regionalen Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft); hierzu können gehören großräumig übergreifende Freiräume und Freiraumschutz, Nutzungen im Freiraum wie Standorte für die vorsorgende Sicherung sowie die geordnete Aufsuchung und Gewinnung von standortgebundenen Rohstoffen, Sanierung und Entwick-
RAUMPLANUNG IM INTERNATIONALEN KONTEXT
lung von Raumfunktionen und Freiräume zur Gewährleistung des vorbeugenden Hochwasserschutzes, den zu sichernden Standorten und Trassen für Infrastruktur; dazu können gehören Verkehrsinfrastruktur und Umschlaganlagen von Gütern und Ver- und Entsorgungsinfrastruktur. Neben den Festlegungen zur Siedlungs-, Freiraum- und Infrastruktur werden in den Raumordnungsplänen regelmäßig auch Gebiete festgelegt, in denen bestimmte Nutzungen einen Vorrang genießen. Hierfür werden üblicherweise drei Gebietstypen herangezogen: Vorrang-, Vorbehalts- und Eignungsgebiete. Ihre gesetzliche Normierung erfahren diese Gebietstypen in § 8 Abs. 7 ROG. Demzufolge werden dort Gebiete unterschieden für bestimmte raumbedeutsame Funktionen und Nutzungen (Vorranggebiete, z. B. im Bereich des Freiraumschutzes durch die Ausweisung eines Vorranggebietes für die Grundwassersicherung), in denen bestimmten raumbedeutsamen Funktionen oder Nutzungen besonderes Gewicht beigemessen wird (Vorbehaltsgebiete, z. B. im Bereich des Freiraumschutzes für die Erholungsnutzung), die für bestimmte raumbedeutsame Maßnahmen geeignet sind, die städtebaulich nach § 35 BauGB zu beurteilen sind und an anderer Stelle im Planungsraum ausgeschlossen werden (Eignungsgebiete, z. B. zur Steuerung der Windkraftnutzung im bauplanungsrechtlichen Außenbereich). Zur Vorbereitung oder Verwirklichung von Raumordnungsplänen oder von sonstigen raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen sollen die Träger der Landes- und Regionalplanung mit den hierfür maßgeblichen öffentlichen Stellen und Personen des Privatrechts einschließlich Nichtregierungsorganisationen und der Wirtschaft zusammenarbeiten oder auf die Zusammenarbeit dieser Stellen und Personen hinwirken. Als Formen dieser Zusammenarbeit kommen vertragliche Vereinbarungen, Maßnahmen wie regionale Entwicklungskonzepte bzw. regionale und interkommunale Netzwerke und Kooperationsstrukturen sowie die Durchführung von Raumbeobachtungen und die Bereitstellung der Ergebnisse, sowohl für regionale und kommunale Träger, als auch für Träger der Fachplanung, infrage (vgl. § 13 ROG). Mitschang
Literatur Battis, U. (2006): Öffentliches Baurecht. Stuttgart Beckmann, P.; Fürst, D.; Scholles, F. (2004): Das System der räumlichen Planung in Deutschland. In: Fürst, D.; Scholles, F. (Hrsg.): Handbuch Theorien und Methoden der Raum- und Umweltplanung. Dortmund, 37ff Bielenberg, W.; Runkel, P.; Spannowsky, W.: Raumordnungs- und Landesplanungsrecht des Bundes und der Länder. Berlin, Loseblattsammlung, Stand: Februar 2007 Fürst, D.; Scholles, F. (Hrsg.) (2004): Handbuch Theorien und Methoden der Raum- und Umweltplanung. Dortmund Hoppe, W.; Bönker, C.; Grotefels, S. (2004): Öffentliches Baurecht. München Mitschang, S. (2003): Steuerung der städtebaulichen Entwicklung durch Bauleitplanung. Köln Koch, H.; Hendler, R. (2004): Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht. Stuttgart Sinz, M. (2005): Raumordnung/Raumordnungspolitik. In: ARL – Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.): Handwörterbuch der Raumordnung. Hannover, 863ff Weiland, U.; Wohlleber-Feller, S. (2007): Einführung in die Raumund Umweltplanung. Paderborn
RAUMPLANUNG IM INTERNATIONALEN KONTEXT In der Praxis wird für die hier zu beschreibende Thematik der Begriff „Entwicklungsplanung“ verwandt. Obwohl sich dieser Begriff auf Deutsch – und insbesondere in Deutschland – mehr auf Entwicklung und Planung in Deutschland bezieht, wird er im Folgenden analog zum international gebräuchlichen englischen Begriff Development Planning für Planung in Entwicklungsländern verwendet. Dieser Ausdruck könnte als zu breit gefasst erscheinen, da er auch Wirtschafts- und sogar Sozialplanung beinhalten kann – und es bestehen zweifelsohne derartige Überschneidungen. In seinen Ursprüngen allerdings bedeutete „Entwicklungsplanung“ bzw. „Development Planning“ i. d. R. die Stadt- und Regionalplanung in „Entwicklungsländern“ und damit den Bau von Ortschaften und Städten. Dabei kam der „Umwelt“ von Anbeginn der Stadtplanung als Disziplin – und als Ideologie – zentrale Bedeutung zu: Es ging darum, die Lebensbedingungen von Stadtbewohnern zu verbessern, nachdem die moderne Verstädterung (▷Urbanisierung) im Zuge der frühen Industrialisierung einen desaströsen Anfang genommen hatte. Der Begriff der „Umwelt“ als Attribut der modernen ▷Stadtplanung ist indessen noch recht jung. Bei Betrachtung der thematischen Grenzen könnte kritisch angemerkt werden, dass diese in der Vergangenheit eher zu eng gezogen wurden. Der Begriff Entwicklungsplanung wurde in den
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Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Planungsbewegungen in Europa hervorgebracht. Aufgrund ihrer Ursprünge in der Architektur und – in etwas geringerem Maße – im Ingenieurwesen, war die Stadtplanung zunächst von vornherein darauf ausgerichtet, städtische Gebiete zu errichten. Sie erfuhr daraufhin eine thematische Erweiterung indem u. a. sozioökonomische Dimensionen mit einbezogen wurden, dies geschah zu Beginn aber auf eine sehr technokratische Art und Weise. In Ländern des Südens angewandt, erwiesen sich diese Herangehensweisen aus zahlreichen Gründen als äußerst dysfunktional. Die Hauptgründe hierfür waren zum einen die Unangemessenheit ihrer Organisationsformen angesichts institutioneller Inkohärenzen mit Strukturen in Ländern des Südens und zum anderen ein Mangel an Sensibilität gegenüber lokalen kulturellen Gegebenheiten. Aufgrund dessen ging die Entwicklungsplanung als ein von seinen europäischen Wurzeln stärker entfernter und zunehmend an den tatsächlichen Umständen und Bedingungen der Welt des Südens orientierter Ansatz aus den 1960er Jahren hervor. Projekte und Programme der Entwicklungsplanung folgten ursprünglich den Vorgehensweisen und Inhalten der Stadt- und Regionalplanung im Norden. Die internationalen Organisationen – darunter insbesondere das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) und die Weltbank – finanzierten Planungsaktivitäten, aus denen Generalpläne für Städte hervorgingen. Die institutionellen Schwierigkeiten dieser Vorgehensweise wurden schon zu einem frühen Zeitpunkt offensichtlich. Die Planwerke waren zu komplex, es gab nur wenige Planer um sie zu interpretieren und noch weniger Fachkompetenz auf kommunaler Ebene, um sie in Programme und Projekte zu übersetzen, die systematisch durchführbar gewesen wären und eine gut organisierte Stadtentwicklung hervorbringen hätten können. Ein Name, der schon früh in der Geschichte der Entwicklungsplanung Bedeutung gewinnt, ist Otto Königsberger. Als praktizierender Planer in Britisch-Indien in den 1940er Jahren erkannte Königsberger, dass die übliche britische Planungspraxis nicht ohne beträchtliche Anpassungen effektiv anzuwenden sei. Seine Reaktion war die Entwicklung eines Konzepts das er „Action Planning“ nannte: Es war eine Version herkömmlicher Stadtplanung, die vereinfacht war und flexibel auf die tatsächliche Situation vor Ort reagieren konnte. Königsberger gründete daraufhin den ersten universitären Studiengang, aus dem später die Development Planning Unit des University College in London hervorging.
Königsberger realisierte allerdings nicht als Einziger die Notwendigkeit, auf die tatsächlichen Bedingungen vor Ort, in den bald darauf rasant wachsenden Städten des Südens, zu reagieren. So reagierten die niederländischen Kolonialherren Indonesiens bereits in den 1930er Jahren auf das einsetzende Wachstum „▷informeller Siedlungen“ nicht mit dem Versuch, diese abzureißen und deren Bewohner wegzuschicken, sondern vielmehr damit, vor Ort Verbesserungen herbeizuführen. Es dauerte deutlich länger bis autochthone Regierungen in anderen Ländern des Südens ihre Unfähigkeit, die Ausbreitung informeller Siedlungen zu kontrollieren, akzeptierten. Erst in den 1980er Jahren wurde es weithin – wenn auch zurückhaltend – akzeptiert, dass Menschen nun einmal ihre eigenen Häuser und Stadtteile bauen und dass Regierungen mit Programmen darauf reagieren sollten, die in diesen Siedlungen mittels verbesserter Anbindung, Wasserver- und Entsorgung, Abfallbewirtschaftung etc. eine Aufwertung herbeiführen. Auch die Weltbank fand sich mit dieser zweitbesten Lösung für die in der Praxis dauerhafte Krise des Wohnungsbaus in den Städten des Südens ab. Während der 1980er Jahre begannen Probleme im Bereich der städtischen Umwelt eine zunehmend wichtige Rolle in den Städten des Nordens zu spielen und wurden damit zu einer neuen Dimension der Stadtplanungspraxis. Maßgeblich dafür war die aus der 1992 in Rio de Janeiro abgehaltenen Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (UNCED) entstandene Idee der Lokalen Agenda 21. Zuvor hatte die als Brundtland-Kommission bekannte Weltkommission für Umwelt und Entwicklung das Konzept der „nachhaltigen Entwicklung“ aufgegriffen und drängte darauf, Umweltbelange ernsthafter als Teil des Entwicklungsprozesses zu behandeln (▷Nachhaltige Stadtentwicklung). Lokale Agenda 21-Prozesse gründen auf der während der Konferenz in Rio beschlossenen Agenda 21 und zielen darauf ab, mittels eines auf Beteiligung gestützten Umweltplanungsprozesses eine städtische Umweltagenda für das 21. Jahrhundert hervorzubringen. Prozesse dieser Art wurden in tausenden Gebietskörperschaften des Nordens eingeleitet und, obgleich mit etwas Verzögerung, zunehmend auch im Süden – allerdings häufig unter Verwendung unterschiedlicher Bezeichnungen. Sofern es dabei im Kern um die Aufwertung informeller Siedlungen ging, könnte man sagen, dass es sich lediglich um einen neuen Ansatz im Umgang mit den gleichen Problemen handelte. Auf gesamtstädtischer
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Ebene jedoch wurde im Rahmen der Prozesse ernsthaft versucht, die Nachhaltigkeit der fortlaufenden Stadtentwicklungsprozesse in den Mittelpunkt zu stellen und Maßnahmen vorzuschlagen, mit deren Hilfe die offensichtlich in zunehmendem Maße nicht nachhaltigen Entwicklungsmuster überwunden werden sollten. Der Hauptunterschied zwischen der älteren Strategie der Aufwertung informeller Siedlungen und den neuen Umweltplanungs- und -management-Prozessen war, dass der Öffentlichkeitsbeteiligung bei letzteren eine zentrale Rolle zukam. Das neue Paradigma besagte, dass Pläne nicht einfach von Eliten und Experten im Namen der Bevölkerung erstellt werden sollen. Vielmehr galt es, der Bevölkerung selbst – und damit den Empfängern der Pläne und Ressourcen – eine maßgebliche Rolle bei der Problemdefinition und der Umsetzung von Lösungen einzuräumen. Dabei sollten kommunale Ressourcen mit jenen der Gemeinschaft kombiniert werden, um Entwicklungsprobleme zu lösen. So konnte aus den begrenzten Ressourcen für den Entwicklungsprozess das meiste gemacht und die Problematik überwunden werden, dass früher Ressourcen insofern z. T. vergeudet wurden, als dass die Ergebnisse der Aufwertungsprogramme auf mangelnde Akzeptanz durch ihre Empfänger stießen und unzureichend gepflegt bzw. unterhalten wurden. Am Rande ist anzumerken, dass partizipative Planungsmethoden zunächst nicht in städtischen Gebieten, sondern in Zusammenhang mit Entwicklungsprogrammen im ländlichen Raum konzipiert wurden. Bereits in den 1970er Jahren wurde mit Rapid Rural Appraisal eine Vorgehensweise entwickelt, bei der Entwicklungshelfer im ländlichen Raum viel enger mit Kleinbauern zusammenarbeiteten, um sie bei einer schrittweisen Verbesserung ihrer Lebensgrundlagen zu unterstützen. Angesetzt wurde bei der Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität und der Verbesserung des Zugangs zu sauberem Wasser. Zudem wurde eine gemeinschaftliche Forstwirtschaft etabliert, um die wachsende Krise der Brennholzversorgung zu bewältigen und so die insbesondere zum Kochen benötigte Hauptenergiequelle auf lokaler Ebene zu sichern. Verwandte Ansätze wie etwa die des Participatory Action Research (PAR) und deren Anpassung an städtische Kontexte, beispielsweise durch Community Action Planning (CAP), fanden Eingang in die Praxis. Eine weitere Dimension gewann der Entwicklungsplanungsprozess unlängst durch das Konzept des Local Economic Development (LED). Etwas befremdlich wirkt, dass Entwicklungsplaner
erst nach solch langer Zeit die bedeutende Rolle der schwachen lokalen Ökonomien begriffen, die für das rasche Wachstum informeller Siedlungen und schlechter Umweltbedingungen ursächlich waren. Das International Labour Office hatte bereits in den 1970er Jahren erkannt, dass ein bedeutender Anteil der arbeitenden Bevölkerung in städtischen Gebieten des Südens über keine formellen vertraglichen oder anderen rechtskräftigen Beziehungen mit Arbeitgebern oder kommunalen Instanzen verfügten. Was anfänglich noch als „informeller Sektor“ bezeichnet wurde, galt damals als ein temporäres Phänomen, das mit dem fortschreitenden Entwicklungsprozess und dem wachsenden Wohlstand der Städte und ihrer Bewohner verschwinden würde. Diese Erwartung erfüllte sich jedoch nicht. Anfang der 1990er Jahre wurde offensichtlich, dass das Hauptproblem der Städte des Südens in der Armut vieler ihrer Bewohner lag, die wiederum eng mit dem Mangel an bezahlter Arbeit zusammenhing: Sie ersannen allerlei Tätigkeiten und boten ihre Dienste zu (extrem) niedrigen Preisen an, um den für das Überleben in der Stadt nötigen Unterhalt zu erwirtschaften. Vor diesem Hintergrund entstand ein neuer Schwerpunkt der partizipativen Planung. Wie die vorangegangenen Ansätze folgt auch dieser einer Reihe von Schritten. An deren Anfang steht jeweils die Ermittlung der wichtigsten Stakeholder, welche die Erarbeitung und Umsetzung einer lokalen Entwicklungsstrategie unterstützen könnten, die wiederum auf eine Verbesserung der Funktionsweise der lokalen Ökonomie, die Schaffung von Stellen und die Verbesserung des Einkommens der arbeitenden Bevölkerung abzielt. Daraufhin werden Stakeholderforen gegründet, die eine ganze Bandbreite unterschiedlicher Akteure mit einbeziehen, u. a. Bürgermeister und andere Amtspersonen, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften, Vertreter der unterschiedlichen Bereiche der informellen Ökonomie (wie Straßenverkäufer, Müllverwerter oder kleine Fertigungsbetriebe), Frauen, die Arbeiten für formelle Unternehmen erfüllen (z. B. Herstellung von Bekleidungsartikeln und Kunststoffgegenständen), bedeutende Minderheitsgruppen etc. Experten, beispielsweise von lokalen Universitäten, können die Foren unterstützen, indem sie die lokale Wirtschaft analysieren und dabei Stärken identifizieren, welche die weitere Entwicklung ankurbeln könnten, sowie auch schwache Bereiche, mit deren Unterstützung bedeutend zur Versorgung der Armen mit Gütern und Dienstleistungen, die zur Verbesserung ihrer Lage nötig sind, beigetragen
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werden könnte. Der eigentliche Planungsprozess unterscheidet sich kaum von Vorgehensweisen der lokalen Umweltplanung: Prioritäten identifizieren, Pläne für verbesserte oder neue wirtschaftliche Aktivitäten entwerfen, Schulungsbedarfe identifizieren und entsprechende Programme anstoßen, geeignete Finanzierungswege finden, mit denen Vorhaben ins Leben gerufen werden können, sowie die fortlaufende Unterstützung durch die Beaufsichtigung des Fortschritts einzelner Projekte und des Prozesses als Ganzem. Es kann kaum behauptet werden, die Entwicklungsplanung sei spontan und im Süden entstanden. Wie bereits erwähnt wurden frühe Ansätze immer vonseiten des Nordens unterstützt. Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, wie die „Maschinerie“ der Entwicklungsplanung funktioniert. Als Erstes bedarf es einer kurzen Erörterung dessen, was als „Ideologie der Entwicklung“ bezeichnet werden könnte. Ihr Ursprung geht im Wesentlichen auf den Niedergang des europäischen Kolonialismus und die Selbstbehauptung insbesondere der lateinamerikanischen Länder nach dem Zweiten Weltkrieg zurück. Unter Führung der Vereinigten Staaten hatten die Länder des Nordens während des Krieges globale strategische Grundsätze für die Nachkriegszeit ausgehandelt. Diese beinhalteten die Entscheidung zur Gründung der Vereinten Nationen, aber auch dafür, der wirtschaftlichen Entwicklung eine besondere Stellung einzuräumen, indem sie von mehreren internationalen Finanzinstituten (IFIs), darunter der Internationale Währungsfonds (IMF), die Weltbank und später die Welthandelsorganisation (WTO), gefördert und schließlich auch überwacht werden sollte. Für das Vorhaben, die „unterentwickelten Länder“ bei ihrer Industrialisierung und „Modernisierung“ zu unterstützen, war allerdings auch Geld nötig – dies kam selbstverständlich aus den reichen Ländern des Nordens. Jedes Land richtete mittels sog. bilateraler Entwicklungsträger einen institutionellen Rahmen ein, um Gelder für die Entwicklung des Südens verfügbar zu machen. Im Falle Deutschlands umfasste dies ein Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ), die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) sowie die Mittel, die von der ursprünglich für den Wiederaufbau Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) verwalteten werden. Darüber hinaus wurden mehrere kleinere Organisationen durch das BMZ etabliert und finanziert um spezifische Aufgaben der Entwicklungshilfe zu
übernehmen. Es ist anzumerken, dass sogar das Bestehen der Vereinten Nationen und der IFIs schon immer von der Mittelbereitstellung durch die bilateralen Entwicklungsträger abhängig war. Ab den späten 1970er Jahren wurde der Grundsatz vereinbart (aber selten eingehalten), dass alle OECD-Länder 0,7 Prozent ihres Bruttosozialprodukts für die Entwicklung der Länder des Südens und, ab Ende der 1980er Jahre, der Transformationsländer, zur Verfügung stellen sollten. Der von diesen Organisationen verwendete Entwicklungsbegriff ist deutlich breiter gefasst als der Begriff der Entwicklungsplanung, auf den dieser Beitrag Bezug nimmt. Von Wissenschaftlern und Fachleuten, die im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit mit städtischem Fokus tätig sind, wird bereits seit einiger Zeit darauf hingewiesen, dass die Entwicklungsträger dabei versagen, auf die rasante Urbanisierung in Ländern des Südens und die damit einhergehenden Probleme zu reagieren (▷Megastädte). Obwohl gerade die Marke überschritten wird, ab der über die Hälfte der Weltbevölkerung in verstädterten Gebieten lebt, widmen die Entwicklungsorganisationen weiterhin den größten Teil ihrer Ressourcen den ländlichen und anderen sektoralen Entwicklungsbereichen, die nicht auf städtische Probleme eingehen. In der Zeit, als die große Mehrheit der Bevölkerung südlicher Länder in ländlichen Gebieten lebte, konnte dieser Ansatz gerechtfertigt werden – heute ist er aber äußerst fragwürdig. Unter den mehr als 30 Spezialorganisationen der Vereinten Nationen war das Entwicklungsprogramm (United Nations Development Programme, UNDP) zunächst fast die einzige Stelle, die Stadtentwicklungsprogramme und -projekte hervorbrachte. Diese umfassen allerdings bis heute lediglich einen kleinen Teil des Programm- und Projektportfolios. In den 1970er Jahren wurde UNHABITAT gegründet, um dezidiert auf die Bereiche Wohnungsbau und Stadtentwicklung einzugehen. Obwohl es sich nach wie vor um eine kleine Organisation handelt, konnte sie eine Reihe von Programmen und Projekten entwickeln, die darauf abzielen, Lösungen für die Entwicklungsprobleme von Städten des Südens zu finden. Etwa 18 Prozent des von der Weltbank verliehenen Geldes fließen Stadtentwicklungsprojekten zu, darunter auch solche, wie sie eingangs beschrieben wurden, allerdings mit einer Schwerpunktsetzung auf städtischer Infrastruktur. Einige bilaterale Entwicklungsträger vernachlässigen den Bereich der Stadtentwicklung nach wie vor, während andere – erst USAID aber zu einem gewissen Grade auch die GTZ und die KfW – in den letzten Jahren bedeutende Program-
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me umgesetzt haben, die die oben beschriebene Art von Aktivitäten unterstützen. Länder des Südens haben natürlich auch ihre eigenen Programme zur Verbesserung der Stadtplanung und des Stadtmanagements. Es ist allerdings zu unterstreichen, dass die „internationale Entwicklungsmaschinerie“ bedeutenden Einfluss auf deren Gestaltung hatte und weiterhin hat – und dies nicht immer zum Guten. Die Entwicklungsagenden werden im Allgemeinen zu sehr von oben herab bestimmt und sind damit von Grund auf wenig sensibel gegenüber den lokalen Bedingungen und Bedürfnissen. Der gegenwärtig vorgegebene Rahmen, die Millennium Development Goals (MDGs), sind ein klassisches Beispiel dafür. Sie wurden im Wesentlichen vom Ausschuss für Entwicklungshilfe der OECD bestimmt und resultierten aus Diskussionen zwischen den Mitgliedsländern (bzw. ihren bilateralen Entwicklungsträgern). Die gegenwärtigen Prioritäten der Entwicklungsorganisationen sind stark darauf ausgerichtet, die MDGs zu erreichen – und zwar auf eine Weise, die zwangsläufig bestimmte Projekttypen hervorbringt und andere vernachlässigt, auch wenn diese aufgrund einer sensibleren Auseinandersetzung mit einzelnen Ländern und Orten möglicherweise passender wären. Aus den vorangegangenen Beschreibungen wird ersichtlich, dass sich der Schwerpunkt der Entwicklungsplanungsagenda im Laufe der Zeit verschoben hat und auch künftig Verschiebungen zu erwarten sind. Hintergrund dieser Verschiebung ist u. a. die Stärke der internationalen Umweltbewegung in den 1980er Jahren, die in den frühen 1990er Jahren in der UNCED und der Agenda 21 gipfelte, sowie die darauf folgende Verlagerung des Fokus auf die Armut, die aus dem de facto rasanten Wachstum städtischer Armut im Süden hervorgegangen war. Die Weltbank führte ihrerseits Poverty Reduction Strategy Papers (PRSPs) ein, die als Dokumente auf nationaler Ebene eine detaillierte Führung für Entwicklungsprogramme vorgeben sollen. Tatsächlich ist eine Veränderung weg von der eher proaktiv geprägten Vorstellung von Entwicklung der frühen Jahre hin zu einer zunehmend defensiven Prägung festzustellen. Erstere entstand infolge der Schaffung der „Entwicklungsmaschinerie“ und war unterfüttert von der Annahme, dass alle Länder im Laufe der Zeit einen Prozess der Modernisierung und Entwicklung durchschreiten und wohlhabend daraus hervorgehen würden. Heute heißt „Entwicklung“ v. a., den Zerfall der Lebensbedingungen der Bevölkerungen des Südens einzudämmen, was wiederum
eine zunehmende Urbanisierung der Bevölkerungen zur Folge hat. Dies wird allerdings nicht diskutiert. Obwohl in der Praxis bislang nur (sehr) wenige Länder des Südens eine Art Übergang in die Moderne vollziehen konnten, wird heute auch kaum erörtert, inwiefern die Mehrheit der südlichen Länder die Möglichkeit hat, jemals der Entwicklung und dem Wohlstand des Nordens nahe zu kommen. Es scheint in der Tat ein Wendepunkt erreicht zu sein. Spätestens seit der UNCED-Konferenz (deren geistige Wurzeln auf die Studie zu den „Grenzen des Wachstums“ der frühen 1970er Jahre zurückgehen) bestehen Befürchtungen, dass die „Entwicklung“ nicht endlos weitergehen kann und eines Tages zu Ende gehen wird – möglicherweise in einem katastrophalen Zusammenbruch des ganzen Gebäudes der Moderne. In den letzten Jahren war ein langsamer Anstieg der Energieund Lebensmittelpreise zu beobachten, der zum Zeitpunkt des Schreibens oben auf der Agenda der internationalen Politik steht. Wie viel weiter können diese Preise steigen? Bereits jetzt ist die Zunahme der Anzahl Hunger leidender Menschen im Süden besorgniserregend. Gleichzeitig scheinen Schlüsselindustrien des Nordens – Tourismus, Fluggesellschaften und sogar die Fahrzeugindustrie – aufgrund der gestiegenen Energiepreise eine Krise zu durchlaufen. Ist dies eine vorübergehende Entwicklung oder sollten wir uns mit größerer Ernsthaftigkeit als bisher damit auseinandersetzen, was es bedeutet, einen nicht nachhaltigen Entwicklungspfad zu verfolgen? Was könnte „Zusammenbruch“ genau genommen bedeuten? Wie sollte dieser von Planern eingeschätzt werden – als Abwärtsbewegung von unserem gegenwärtigen Höhepunkt der Entwicklung? Hinzu kommen apokalyptische Meldungen über die „Erderwärmung“ in Zusammenhang mit dem Verbrauch von Energie (bzw. fossilen Brennstoffen), wobei die Erwärmung der Erde zu einem Zusammenbruch von Ökosystemen führen könnte und damit zu einem Zusammenbruch der Lebensmittelproduktion und infolgedessen der Bevölkerung (▷Klimawandel). Wird dies auch nur zu einem Bruchteil ernst genommen, so besteht heute wie nie zuvor eine Notwendigkeit für „Entwicklungsplanung“, um der Abwärtsbewegung mit neuen Konzepten des Lebens und der Entwicklung menschlicher Siedlungen sowie ihres Verhältnisses zu Produktionssystemen und der Landwirtschaft zu begegnen. Der Entwicklungspfad der Vergangenheit scheint kaum Rückschlüsse über die Zukunft zuzulassen und es wird wohl einiger heroischer Vorstellungskraft und Taten
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bedürfen, um in den kommenden Jahren einen Umgang mit den hervortretenden Problemen und ihren Auswirkungen zu finden. Atkinson
Literatur Atkinson, A. (2008): Cities after Oil – 3: Collapse and the Fate of Cities. In: City, 1, 77-104 Atkinson, A.; Allen, A. (1998): The Urban Environment in Development Cooperation. Luxembourg Devas, N.; Rakodi, C. (1993): Managing Fast-growing Cities, New Approaches to Planning and Management in the Developing World. Harlow Hardoy, J.; Mitlin, D.; Satterthwaite, D. (1989): Squatter Citizen, Life in the Urban Third World. London Nel, E.; Rogerson, C. M. (2004): Local Economic Development in the Developing World. Edison
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Die Beschäftigung mit Raumvorstellungen geht an die Wurzel der planenden Disziplinen. Denn bei Lichte besehen wirken Stadt- und Raumplaner nur mittelbar auf den gebauten Raum ein. Viel unmittelbarer zielt das planerische Handeln auf Raumvorstellungen. Planer planen, konzipieren, entwerfen – und bewegen zunächst die Welt in den Köpfen. Erst später wird aus dem, was imaginiert wurde, Realität. Und die ist meistens ganz anders als das, was imaginiert wurde. Kein Wunder – denn dort, wo die Welt im Kopf entsteht, sind Planer beileibe nicht allein. In den vergangenen Jahrzehnten haben Politisierung und Medialisierung der Planung stetig zugenommen. Städte und Regionen befinden sich im Aufmerksamkeitsrennen, gehorchen einer „Ökonomie der Symbole“ (Lash/Urry 1994). Pläne, Konzepte, Entwürfe konkurrieren meist (chancenlos) mit politischen Wunschbildern, medialen Stereotypen und gemachten Images. Es reicht längst nicht mehr, einen Plan zu machen, um einen Raum neu zu erfinden. Stadt- und Regionalentwicklung werden zur Kampagne. Mehr noch: die Planung folgt den Kampagnen. „Wachsende Stadt“, „Lebenswerte Metropole“, „Talentstadt“, „Klimahauptstadt“: das Beispiel der Hamburger Inflation von Titeln, Programmen und ▷Leitbildern zeigt, wie Planung heute funktioniert – als Vehikel einer wort- und bildmächtigen politischen Inszenierung (Petrin 2006). Die planenden Disziplinen können sich in zweierlei Weise zu diesem Trend verhalten. Sie können sich – ganz einem Wissenschaftlichkeits-
und Sachlichkeitsideal verhaftet – auf die Position einer kritisch-distanzierten Praxis zurückziehen. Dies ist aber nur möglich, solange die Planungspraxis unbeirrt von den Bilderströmen in ihren Bahnen manövriert – und das ist heute kaum noch der Fall. Denn die Logik der Städtekonkurrenz zwingt der lokalen Politik bildmächtiges Handeln auf. Und dieser Druck wird an die Planung weitergeleitet. Aber es gibt auch eine andere Möglichkeit: Planer begeben sich mitten in die Bildmaschine hinein (▷Akteure der Planung). Warum die „Welt im Kopf “ den Strategen in den Staatskanzleien, den internationalen Großberatern, Politikern und Marketingagenturen überlassen? Dort wird die Agenda der Stadt- und Regionalentwicklung heute weitgehend geschrieben, nicht in den Planungsämtern oder den Diskursen der Fachwelt. Planer sollten dem Bilderstrom den Weg bereiten, das „Framing“ (Faludi 1996) als Handlungsterritorium wiedergewinnen. Aber das Wissen der Planer um die mediale Konstruktion von Raum ist entweder alt oder unvollständig – zusammengesetzt aus Fragmenten der Soziologie, der Philosophie, der Psychologie und der Neurowissenschaften. Die Fähigkeit, Räume wahrzunehmen, ist eine Frage der individuellen Entwicklung – auch und besonders im Kindesalter (vgl. Piaget/Inhelder 1975). Und eigentlich nehmen Menschen nur Ausschnitte des Raumes wahr – eine neurophysiologische Tatsache, die zugleich Grundvoraussetzung für das menschliche Überleben ist (vgl. Roth 2003), denn das zu viel an Information würde schlicht handlungsunfähig machen. Die Raumvorstellung ist kein Abbild des physischen Raums, wie er objektiv gemessen werden kann, sondern das Produkt eines „Spacings“ (Löw 2001), einer psychosozialen Syntheseleistung, die individuelle Wahrnehmungsschemata (Neisser 1996) wie kulturell verankerte Raumbilder (Ipsen 1997) – also Sinnbilder des Raums – einschließt. Und da die Konstruktion von Sinn ein komplexer Prozess des gegenseitigen Aushandelns ist – eine Art kommunikatives Ping-PongSpiel zwischen Mitgliedern einer Gruppe (vgl. Blumer 1981) – ist die Kommunikation mit ihren technischen, sozialen und individuellen Bedingungen eine entscheidende Voraussetzung für das Entstehen von Raumvorstellungen. Die Liste der Erkenntnisse aus unterschiedlichen Disziplinen kann verlängert werden. Es fehlt aber eine systematische, umfassende Zusammenfassung und Aktualisierung des Wissens um Raumvorstellungen aus originär planerischer Perspektive. Noch immer gilt den meisten Planern Lynch als Referenz für die Frage, wie das „Bild der
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Stadt“ (Lynch 2001) entsteht. Und immer wieder werden dieselben theoretischen Überlegungen genannt, wenn es um die Frage geht, welche „Macht“ Raumvorstellungen haben: allen voran Lefebvres „La production de l‘espace“ (Lefebvre 1991; Erstveröffentlichung 1971). Auch der aktuelle Diskurs um die Konstitution von Raum (Dünne/Günzel 2006), der immer auch das Verhältnis von Raumwahrnehmung und „materiellem Raum“ beinhaltet, bezieht sich auf dieses Konzept, sei es im angelsächsischen oder im deutschsprachigen Raum. Vom Fahrersitz zur Fernbedienung Es ist kein Wunder, dass es ausgerechnet 40 bis 50 Jahre alte Ideen sind, die auch heute noch viel zitiert werden: Hat sich in ihnen doch ein erster „perceptive turn“ widergespiegelt, eine fast schon revolutionäre Änderung der Sicht auf Raum – zusammengefasst: L‘espace – c‘est moi. Dem absoluten „Behälterraum“ der Physik wird der „relationale Ordnungsraum“ (Läpple 1992) gegenübergestellt – bei Lefebvre der „espace vécu“ den „die Imagination abzuwandeln oder sich anzueignen sucht“ (Schmid 2005). Auch Lynch macht, wenn auch aus anderer, praktischer Richtung kommend, die handlungsprägende Kraft der Raumvorstellungen deutlich. Mit seinen in ihrer Tiefe und Breite bis heute unerreichten empirischen Untersuchungen zu
großräumigeren „Mental Maps“ zeigt er, wie stark der wahrgenommene vom physisch messbaren Raum abweicht – dass es also ein gewisses Eigenleben der Raumwahrnehmungen gibt, das für Lynch vor allem von der perzeptiven „Qualität“ des Raums, seiner Lesbarkeit abhängt. Dass bei Lynch Wege durch die Stadt als Wahrnehmungsmuster dominieren, wundert nicht: Die Stadt ist gerade erst automobil geworden. Hier spiegelt sich die beginnende Ära neuer linearer Raumerfahrungen, die Zeit des „Strips“, der Stadt, die sich entlang der Highways neu zu sortieren beginnt – und damit ganz eigene Bilder der Stadt hervorbringt. Doch inzwischen greift längst ein zweiter „perceptive turn“ Raum – eine doppelte Wende hin zur einerseits immer stärker massenmedial geprägten kollektiven und zugleich zunehmend fragmentierten, individuellen Raumerfahrung. Politik, ▷Stadtpolitik und Stadtentwicklung gehorchen immer mehr den Mechanismen des Campaignings. Es erleben alle die gleichen, glattgebürsteten Raumprodukte (vgl. Löw 2006), unterliegen denselben Mechanismen der Stereotypen-Bildung, des „Themings“ (Beeck 2003), denen man sich nur schwer entziehen kann. Aber unter dieses Mainstreaming legt sich eine zweite Schicht: Die tatsächlichen Raumerfahrungen und persönlichen Kommunikationsmuster werden zugleich immer partikularer, immer Mosaik-artiger. War
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Kreislaufmodell der Konstitution von Raumvorstellungen (eigene Darstellung)
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vor fünfzig Jahren der massenhafte Blick aus dem Fahrersitz, das gemeinsame Ein- und Auspendeln der fordistischen Industriegesellschaft der Ausgangspunkt einer neuen, kollektiv vollzogenen, linearen Raumerfahrung, so ist es heute die Fernbedienung, das urbane „Zappen“ der immer stärker fragmentierten Stadtgesellschaft. Wir leben in immer spezielleren ▷Milieus und Communities, Nachbarschaften, verstreuten sozialen Netzwerken – L‘espace – cèst nous. Die Kluft zwischen armer Stadt und reicher Stadt wird tiefer, die räumliche Distanz aber geringer. Die Gesellschaft wird immer mobiler, der Alltag risikoreicher, die Bewegungsradien unvorhersehbarer. Es ist ein Springen von Punkt zu Punkt, von Linie zu Linie, von Maßstab zu Maßstab, von konkretem, physischem Raum zu abstraktem Kommunikationsraum. Und in virtuellen „social networks“ werden zugleich mühelos die größten Distanzen überwunden, mitunter nicht wissend, wo man eigentlich landet. Wir sind Dörfler und Weltreisende zugleich. Das kann nicht ohne Auswirkungen auf die Raumvorstellungen bleiben. Durch Medialisierung und Zersplitterung der Perzeptionsmuster entkoppeln sich im Gegenteil die Raumvorstellungen immer weiter von „dem einen“, absoluten physischen Raum – und führen heute ein noch stärkeres Eigenleben als zu Lynchs Zeiten. Anders gesagt: Der physische Raum ist noch viel stärker als einstmals von medialen Bildern überlagert – die Bilder „machen“ den Raum. Und diese Bilder werden in einem immer komplexeren Wechselspiel aus variabler Gruppenzugehörigkeit, individuellen Handlungsmustern und massenmedialem Konsum konstituiert. Auch wenn man damit die Komplexität der Wechselwirkung von imaginärem und physischem Raum verringert: Auf das Wesentliche reduziert, lässt sich die Konstitution von Raumvorstellungen als sich selbst verstärkender Kreislauf zwischen den zwei wesentlichen „Aggregatzuständen“ von Raum definieren (siehe Abbildung). Dieses Kreislaufmodell macht die Macht der immateriellen Konstrukte – Wissen, Normen, Images, Stereotype – deutlich. Und sie macht deutlich, dass dem physischen Raum als Grundvoraussetzung und Verstärker der Raumerfahrung eine mächtige „Bildmaschine“ gegenüber steht – heute mehr denn je. Früher mag der physische Raum die Raumvorstellung weitgehend „vorgespurt“ haben. Heute sind es die vielen, sich überlagernden Bilder des Raums, die als entscheidende Spurrillen für räumliches Handeln und damit für die Raumerfahrung wirken. Es ist Zeit, die Mechanismen, die
Gestalt und die Wirkungsweisen von Raumvorstellungen systematisch und neu zu erforschen. Die Erkenntnisse liegen weit in der Wissenschaftslandschaft verstreut. Petrin
Literatur Beeck, S. (2003): Parallele Welten – Theming: Analyse einer Methode aus dem Bereich der visuellen Kommunikation zur semantischen Programmierung, bezogen auf den Kontext von Architektur und Städtebau im 21. Jahrhundert. Dissertation an der Fakultät für Architektur der Universität Karlsruhe Blumer, H. (1981): Der methodologische Standort des symbolischen Interaktionismus. In: Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hrsg.): Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit (1+2). Opladen, 80-146 Dünne, J.; Günzel, S. (2006): Raumtheorie, Grundlagentexte aus Philosophie und Kulturwissenschaften. Frankfurt/M Faludi, A. (1996): Framing with images. In: Environment and Planning B: Planning and Design, 23, 93-108 Ipsen, D. (1997): Raumbilder: Kultur und Ökonomie räumlicher Entwicklung. Pfaffenweiler Läpple, D. (1992): Essay über den Raum: Für ein gesellschafts-wissenschaftliches Raumkonzept. In: Läpple, D.; Häußermann, H. u.a.: Stadt und Raum: Soziologische Analysen, 157-207 Lash, S.; Urry, J. (1994): Economies of Sign and Space. London Lefebvre, H. (1991): The Production of Space. Oxford Löw, M. (2006): Immer einzig und immer gleich, Chancen und Risiken moderner Städte, Vortrag im Rahmen der Römerberggespräche Frankfurt. Zugriff auf http://raumsoz.ifs.tu-darmstadt.de/pdf-dokumente/Loew-Roemerberg.pdf am 14.11.2006 Löw, M. (2001): Raumsoziologie. Frankfurt/M Lynch, K. (2001): Das Bild der Stadt. Basel, Boston, Berlin Neisser, U. (1996): Kognition und Wirklichkeit. Stuttgart Petrin, J. (2008): Stimulating the Second Space – Image Power Space: On Legibility and Stimulation of Space. In: Thierstein, A. (Hrsg.): The Image of the Region – Making mega city regions visible, Baden, 155-167 Petrin, J. (2006): Die gemachte Metropole – Hamburgs medialisierte Planungs- und Baukultur schafft sich ihre Realität. In: Hamburgische Architektenkammer (Hrsg.): Architektur in Hamburg. Jahrbuch 2006. Hamburg Piaget, J.; Inhelder, B. (1975): Die Entwicklung des räumlichen Denkens beim Kinde. Stuttgart Roth, G. (2003): Ich – Körper – Raum, Die Konstruktion der Erlebniswelt durch das Gehirn. In: Krämer-Badoni, T.; Kuhm, K. (Hrsg.): Die Gesellschaft und ihr Raum. Raum als Gegenstand der Soziologie. Stadt, Raum und Gesellschaft Band 21. Opladen, 35-52 Schmid, C. (2005): Stadt, Raum und Gesellschaft: Henri Lefebvre und die Theorie der Produktion des Raumes. Stuttgart Soja, E. (1996): Thirdspace: Journeys to Los Angeles and Other Realand-Imagined Places. Malden/MA, Oxford, Carlton
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Begriffsbestimmung Wir befinden uns in Zeiten weitreichender räumlicher Veränderungen, die im Wesentlichen durch den wirtschaftlichen Strukturwandel und den ihm zugrunde liegenden technischen Wandel ausgelöst sind. Mit den räumlichen Folgen des wirt-
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schaftlichen Strukturwandels, der Veränderung der Verteilung wirtschaftlicher Aktivitäten im Raum und den Rückwirkungen der spezifischen Verteilung der wirtschaftlichen Akteure im Raum auf die Funktionsweise der Wirtschaft beschäftigt sich traditionell die Raumforschung in ihren unterschiedlichen Facetten. Historische Analysen zeigen aber auch, dass mit dem technischen Wandel (neben Prozessen kultureller Abgrenzungen) auch weitreichende Veränderungen gesellschaftlicher Zeitstrukturen verbunden sind (Rifkin 1988). Mit solchen zeitstrukturellen Veränderungen und den Folgen für das soziale Zusammenleben im weitesten Sinn beschäftigt sich die Zeitforschung, soweit sie als solche etabliert ist. Bislang viel weniger entwickelt ist die Verbindung von beiden Analysesträngen, also eine Raumzeitforschung, die systematisch die räumlichen Implikationen zeitlicher Veränderungen, die zeitlichen Folgen räumlicher Veränderungen sowie die zeitlichen Verflechtungen von Aktivitäten und ihrer räumlichen Verortung in den Blick nimmt. Etwas hochtrabend könnte man ein solches Forschungsgebiet als „Chrono-Urbanistik“ bezeichnen, zumal es mit der Zeitgeographie, die von Hägerstrand etabliert und insbesondere von Parkes und Thrift weiterentwickelt wurde, durchaus wichtige Vorläufer gibt. Die systematische Verknüpfung räumlicher und zeitlicher Perspektiven erfordert, sich vor Augen zu führen, welche zeitlichen Veränderungen gegenwärtig zu beobachten sind und welche räumlichen Folgen daraus resultieren und gleichermaßen die räumlichen Veränderungen und ihre zeitlichen Folgen kurz zu beschreiben. Zeitliche und räumliche Veränderungen Die zeitlichen Veränderungen, die in wesentlichen Teilen auf technische Entwicklungen und den sozialstrukturellen Wandel zurückgehen, kann man analytisch in vier wesentliche Aspekte – die teilweise voneinander abhängig sind – trennen: Beschleunigung: Beschleunigungsphänomene lassen sich in allen gesellschaftlichen Bereichen beobachten. Für die räumlichen Folgen besonders relevant ist v. a. die Beschleunigung der Verkehrsmittel, weil dadurch die raumzeitlichen Distanzen kleiner werden. Orte rücken zeitlich näher zusammen mit dem Effekt, dass der Raum „schrumpft“, sich gleichzeitig aber Einzugsbereiche (Marktgebiete) ausweiten. Dies erfolgt nicht gleichmäßig, sondern ist von den Verkehrssystemen abhängig (▷Verkehr),
sodass sich nicht nur eine Schrumpfung, sondern auch eine Torsion des Raumes (und der relativen Erreichbarkeiten) ergibt. Die extreme Variante dieser raumzeitlichen Schrumpfung ist die Telekommunikation. Beschleunigung wirkt aber auch auf andere Weise auf den Raum – etwa durch verkürzte Produktlebenszyklen, die sich bis auf die Ebene von verkürzten Standortzyklen durchpausen. Ausdehnung: Wirtschaftliche Aktivitäten dehnen sich zunehmend in Zeiten aus, die bislang davon mehr oder weniger frei gehalten waren (Nacht, Wochenende, Feiertage). In vielen Branchen haben sich die Produktionszeiten verlängert, viele Dienstleistungszeiten sind erweitert worden (die Ladenöff nungszeiten sind nur ein besonders augenfälliges Beispiel ▷Einzelhandel). Diese Ausdehnungstendenzen ändern nicht nur den Rhythmus der Stadt, sondern erfordern auch von den öffentlichen Akteuren Anpassungen etwa in der Bereitstellung von öffentlichen Dienstleistungen und Infrastruktur (Polizei, Kindergärten, ÖPNV etc.) und sie ändern nicht zuletzt die Nutzungsprofile städtischer Räume. Flexibilisierung: Mit der Flexibilisierung von Zeiten lösen sich die starren Rhythmen auf, die das Zeitalter der fordistischen Massenproduktion gekennzeichnet haben. Damit werden u. a. Bewegungen in den Städten weniger durch hohe Amplituden gekennzeichnet, mit dem Vorteil, dass weniger Spitzenkapazitäten vorgehalten werden müssen, dafür werden sie aber auch weniger kalkulierbar und kontinuierlicher. Zeitverdichtung, Simultanisierung: Insbesondere neue IuK-Techniken (Mobiltelefone, Organizer und Laptops) erlauben es (zumindest scheinbar), die Zeit zu verdichten, mehrere Aktivitäten gleichzeitig auszuführen. Dadurch verwischen sich Zeiten; Transitzeiten werden zu Arbeitszeiten, der öffentliche Raum wird von bestimmten Berufsgruppen stärker als Arbeitsort genutzt.
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Diese kurz angedeuteten zeitlichen Veränderungen haben weitreichende Rückwirkungen auf den Raum: sie verändern die Rhythmen der Inanspruchnahme des Raumes, sie verändern die Nachfrage nach Raum und Flächen (je schneller ein Verkehrsmittel ist, desto ausschließlicher ist die Raumnutzung), es entstehen veränderte Standortanforderungen, die die Standortstrukturen verändern und die Geschwindigkeit des räumlichen Wandels kann sich ebenfalls erhöhen (Verkürzung von Flächennutzungszyklen).
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Auf der anderen Seite führen räumliche Veränderungen zu Folgen für die zeitlichen Strukturen. Etwa durch die Konzentration von Funktionen in Großanlagen (Einkaufszentren, Freizeitgroßanlagen, zentralisierte Verkehrsanlagen - Bahnhöfe, Flughäfen), weil sie (zeitliche) Verhaltensanpassungen an die veränderten räumlichen Rahmenbedingungen erfordern.
kommunalen Zeitbüros in Italien. Insofern handelt es sich bei dem Versuch, räumliche und zeitliche Planung zu integrieren um eine – wie ich meine notwendige – Langfristaufgabe, die nicht unbedingt schnelle Erfolge verspricht. In dieser Hinsicht und in vielen anderen weist dieses Politikfeld viele Parallelen zur Umweltpolitik, ihrer Entstehung und Etablierung auf. Henckel
Von der Raumplanung über die Zeitplanung zur Raumzeitplanung
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Diese angedeuteten Zusammenhänge zwischen räumlichen und zeitlichen Strukturen in der Stadt finden bislang sowohl analytisch wie auch planerisch relativ wenig Beachtung, auch wenn in den letzten zehn bis 15 Jahren eine deutliche Zunahme der Aufmerksamkeit für diese Fragestellungen zu beobachten ist. Ein Zusammendenken räumlicher und zeitlicher Aspekte kann nicht nur das Verständnis für das Funktionieren von Stadt wesentlich erhöhen. Eine rein auf die etablierte räumliche Analyse ausgerichtete Betrachtung lässt beispielsweise nicht erkennen, dass eine als Gewerbegebiet ausgewiesene Zone völlig anders „tickt“ je nachdem, ob es sich um eine fordistische Struktur von Unternehmen (Massenbewegungen zur gleichen Zeit) oder um Unternehmen mit flexiblen Qualitätsproduktionen handelt (mit zeitlich sehr dispersen Strukturen). Auch die Bereitstellung öffentlicher Infrastrukturdienstleistungen muss auf diese Unterschiede reagieren, wenn sie effizient sein soll (▷Daseinsvorsorge). Ein Ansatz, die Zusammenhänge zwischen räumlichen und zeitlichen Strukturen besser zu verstehen, sind Raumzeitzonen. Empirisch bislang noch wenig fundiert, geht es darum, beide Aspekte integriert zu analysieren, nicht nur um Stadt besser zu verstehen, sondern auch um die Steuerung, Organisation und Planung von Stadt zu verbessern. Die Voraussetzungen für solche Analysen haben sich in den letzten Jahren teilweise erheblich verbessert, weil v. a. neue kartografische Instrumente zur Verfügung stehen (Raumzeitkarten, „Chronomaps“) und weil teilweise neue Datenbestände (etwa Mobilfunkverkehre) für Analysen verfügbar wurden (▷Geographische Informationssysteme). Zeit in der räumlichen Planung ist und bleibt ein sperriges Thema, weil der Gegenstand wenig greifbar ist, die Konfliktlagen sehr diffus sind und es keinen geborenen Akteur gibt, dem die Aufgabe der Zeitplanung oder der Raumzeitplanung übertragen werden könnte – das zeigen auch die durchaus zwiespältigen Erfahrungen mit den
Literatur ARL-Arbeitskreis (2002): Überlegungen zu einer Raumzeitpolitik. In: Henckel, D.; Eberling, M. (Hrsg.): Raumzeitpolitik. Opladen, 289-323 Eberling, M.; Henckel, D. (1998): Kommunale Zeitpolitik, Veränderungen von Zeitstrukturen – Handlungsoptionen der Kommunen. Berlin Herkommer, B. (2007): Raum.Zeit.Planung – Zur Integration der Zeitperspektive in Konzepte, Instrumente und Vollzüge räumlicher Planung. Berlin Mückenberger, U. (2004): Metronome des Alltags, Betriebliche Zeitpolitiken, lokale Effekte, soziale Regulierung. Berlin Parkes, D. N.; Thrift, N. (1975): Timing space and spacing time. In: Environment and Planning A, 7, 651-670 Rifkin, J. (1988): Uhrwerk Universum. München
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Begriffliche Einführung Für den Begriff Real Estate Management (REM) existiert im deutschen Sprachraum bislang keine einheitliche Definition. Er wird von Marktteilnehmern und in der immobilienwirtschaftlichen Aus- und Weiterbildung unterschiedlichen Aufgabenbereichen und Leistungsspektren zugeordnet. In den Vereinigten Staaten und in Großbritannien ist dieser Begriff wesentlich enger definiert und bezeichnet i. d. R. den wirtschaftlichen Betrieb von Immobilien, insbesondere Mieterverwaltung und Rechnungswesen. Ein Real Estate bzw. Property Manager tritt dort hauptsächlich gegenüber Mietern im Auftrag des Vermieters auf, etwa bei der Abwicklung von Mietzahlungen oder Nebenkostenabrechnungen sowie der Organisation von Instandhaltungsmaßnahmen. Der Tätigkeitsbereich des Property Managers umfassst demnach sowohl das direkte Property Management als auch Aufgaben, die dem Investment Management zuzuordnen sind. Zur letztgenannten Kategorie gehören u. a. der An- und Verkauf von Objekten, Rentabilitätsprüfungen sowie die Erledigung von Steuerangelegenheiten (Friedman/Harris/Lindeman 2000).
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Auch einige Immobilien-Studiengänge, darunter das Weiterbildungsstudium zum Master of Science der Technischen Universität Berlin tragen den Namen REM. Die im Curriculum verankerten Inhalte decken jedoch ein breites, interdisziplinäres Spektrum ab, das weit über die enge Definition des Begriffs hinausgeht. Dem REM werden somit in der erweiterten Definition, die auch diesem Beitrag zugrunde liegt, Aufgaben zugeordnet, die sich in einigen Definitionen unter den Stichwörtern Real Estate Asset Management, Real Estate Investment Management, Portfolio Management und ▷Facility Management wiederfinden. Eine trennscharfe Abgrenzung dieser Bereiche ist aufgrund der sich teilweise überlappenden Aufgaben und Leistungen, die diesen Begriffen zugeordnet sind, nicht möglich. Die in den folgenden Abschnitten beschriebenen Begriffe und Tätigkeitsprofile sollen den Oberbegriff REM in den Kontext der oben genannten anderen Tätigkeitsbereiche setzen.
Bevor die einzelnen Bestandteile des REM beschrieben werden, ist es notwendig, den institutionellen Zusammenhang herzustellen. Die Abbildung illustriert die drei Ebenen für den Kontext der Immobilienwirtschaft. Die konstituierende Ebene stellt die normative Setzung von Regeln und Rahmenbedingungen dar, unter denen die Marktteilnehmer agieren. Während die Akteure der ▷Immobilienwirtschaft auf die konstituierende Ebene nur wenig Einfluss haben, ist dieser auf der organisatorischen Ebene deutlich größer. Der Bereich des REM und seiner Komponenten ist in diesem Schaubild weitgehend dem operativen Bereich zugeordnet, auch wenn in diesem unternehmensinterne strategische und normative Elemente verortet sind. Die zweite Abbildung zeigt eine mögliche hierarchische Gliederung der Teilaufgaben des REM, die mit der Verwendung der Begriffe in der immobilienwirtschaftlichen Praxis weitgehend konsistent ist.
QR Einfluss institutioneller Rahmenbedingungen auf das Real Estate Management (eigene Darstellung)
Beispielhafte Hierarchisierung von Aufgaben des Real Estate Management (eigene Darstellung)
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Corporate, Private und Public Real Estate Management
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Auf der strategischen Ebene können je nach Betriebstyp die drei Kategorien Corporate, Private sowie Public Real Estate Management unterschieden werden. ▷Corporate REM bezeichnet dabei „das aktive, ergebnisorientierte, strategische und operative Management betriebsnotwendiger und nicht betriebsnotwendiger Immobilien“ (Schäfers/Gier 2005). Es bezeichnet also gemäß dieser Definition das Immobilienmanagement von Unternehmen, deren Kerngeschäft in anderen Branchen als der Immobilienwirtschaft liegt. Edwards und Ellison (2004) benennen als Ziel eines erfolgreichen Corporate REM die Koordination aller immobilienbezogenen Komponenten eines Unternehmens zur längerfristigen Sicherung bzw. Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Dieser Prozess ist notwendigerweise iterativ, da Strategie und Portfolio stets an veränderte Marktlagen, Unternehmensziele und weitere Rahmenbedingungen angepasst werden müssen. Analog hierzu ist das Ziel des Public REM, öffentliche Liegenschaften als Ressource der öffentlichen Verwaltung zu identifizieren und zu optimieren. Nach Schulte u. a. (2006) ist Zweck des Public REM, eine Gesamtkonzeption für die Immobilien der öffentlichen Hand auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene zu entwerfen und auf die durch die Politik geleiteten Verwaltungsaufgaben hin abzustimmen und zu optimieren. Die Ähnlichkeit zum Corporate REM liegt damit auf der Hand und einige Studien prüfen die Übertragbarkeit von Methoden und Instrumenten des Corporate REM auf das Public REM (Simons 1993). Anders als beim Corporate REM eröffnet sich jedoch hier zusätzlich die Möglichkeit, durch Immobilienmanagement strategische Ziele im Bereich der öffentlichen Aufgaben zu verfolgen, beispielsweise in der Stadtentwicklung durch prioritäre Investitionen in Stadterneuerungsgebiete (▷Stadtentwicklungsplanung, ▷Bestandsentwicklung und Stadterneuerung). Private REM ist das Management von Immobilien, die sich im Privatvermögen der Haushalte befinden. Hierbei handelt es sich zum größten Teil um Wohnimmobilien und kleinere Portfolien als bei den beiden erstgenannten Kategorien Corporate und Public REM. Real Estate Investment Management Das Real Estate Investment Management teilt mit dem Corporate REM eine Reihe von Merkmalen,
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allerdings liegt beim Real Estate Investment Management der Schwerpunkt auf Optimierung von finanzieller Performance und Rendite durch umfassende Eigentümervertretung unter Kapitalanlagegesichtspunkten. Die Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung (gif) hat einen Arbeitskreis Real Estate Investment Management eingerichtet und eine Reihe von Dokumenten zum Zweck der Standardisierung von Leistungen, Renditedefinitionen und Verhaltenscodices herausgegeben. Gemäß gif-Definition umfasst Real Estate Investment Management sowohl direkte als auch indirekte Immobilieninvestitionen sowie fremdund eigengenutzte Objekte einschließlich nicht der Ertragserzielung dienender Immobilien (gif 2004). Ähnlich wie Corporate REM integriert Real Estate Investment Management mehrere Funktionen, v. a. Portfoliomanagement, Asset Management sowie Property und Facility Management. Diese sind den drei Ebenen Investment, Portfolio und Objekt zugeordnet. Real Estate Portfolio Management Gegenstand des Real Estate Portfolio Managements ist der Aufbau eines Bestandes von Liegenschaften, deren Performance-Kontrolle sowie gegebenfalls Neubalancierung mit dem Zweck der Renditemaximierung bzw. Risikominimierung. Entscheidungen über die Zusammensetzung eines Portfolios erfordern Entscheidungen zwischen Wachstum oder Stabilität, Spezialisierung auf Region/Land und/oder Immobilientyp oder eine möglichst breite Streuung in diesen Kategorien sowie zwischen hohem Eigenkapitaleinsatz oder Maximierung des Leverage-Effektes (▷Immobilienfinanzierung), um nur einige wesentliche strategische Entscheidungen zu nennen. Wichtige Entscheidungshilfen findet der Portfoliomanager hierbei v. a. in der von Markowitz (1952) begründeten Modernen Portfoliotheorie, deren Kerngedanke die Diversifizierung des Anlagevermögens zum Zweck der Risikominimierung bei gleichzeitiger Renditemaximierung ist. Für den Portfoliomanager bedeutet dies bei einer Ankaufentscheidung, dass die zu erwartende Veränderung hinsichtlich Risiko und Rendite des gesamten Portfolios wesentlich wichtiger ist als die Eigenschaften eines individuellen Objekts. Die unter den Gesichtspunkten Risiko (definiert als Volatilität) und Rendite (definiert als erwartete Rendite) optimale Mischung unterschiedlicher Asset-Klassen in einem Portfolio bezeichnet Markowitz als Efficient Frontier Portfolio. Idealerweise ist ein Portfolio also so zusammengesetzt, dass es auf der Efficient Frontier liegt, wobei die Priorisie-
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rung von Rendite oder Anlagesicherheit Aufgabe der strategisch-normativen Setzung der Unternehmensleitung ist. Im Zusammenhang mit Real Estate Portfolio Management ist zwischen Mixed Asset Portfolios und Single Asset Portfolios zu unterscheiden. Während erstere verschiedene Anlageklassen kombiniert, bestehen letztere lediglich aus Immobilien. Im Single Asset Portfolio erfolgt die Diversifizerung durch Streuung nach Nutzungsart, Lage, Region, Objektgröße usw.
zunehmend an spezialisierte Drittunternehmen vergeben, während der Bereich des Property Managements in grösseren Unternehmen zumeist durch interne Ressourcen bedient wird. Die zentrale Rolle, die einem erfolgreichen Real Estate und Property Management im Rahmen einer Immobilieninvestition zukommt, wurde bereits in einigen Publikationen der frühen 1990er Jahre hervorgehoben (vgl. z. B. Downs 1991). Facility Management
Real Estate Asset Management Im Steuerungsprozess von Immobilieninvestments sind Real Estate Portfolio Management und Real Estate Asset Management stark miteinander verbunden. Im Gegensatz zum Portfolio Management steht beim Real Estate Asset Management das finanzielle Management des einzelnen Objekts im Vordergrund. Ziel ist die Identifikation und Ausnutzung von Potenzialen eines Objektes nach den strategischen Vorgaben des Investors oder Eigentümers (Teichmann 2007). Im operativen Bereich umfasst das Real Estate Asset Management eine ganze Palette von Aufgaben, die von Transaktionsmanagement über Projektentwicklung und Projektmanagement bis hin zu Research-, Marketing- und Controlling-Funktionen reichen. Im Mittelpunkt steht dabei stets die Optimierung des Wertschöpfungspotenzials einer Immobilie nach den Vorgaben der Portfolio-Ebene. Schnittstellen existieren ebenfalls zum Property Management, mit dem das Asset Management die treuhänderische Eigentümervertretung gegenüber Mietern und Dritten gemeinsam hat, die i. d. R. in enger Koordination der beiden Bereiche durchgeführt wird. Das Asset Management ist jedoch i. d. R. breiter definiert und umfasst Aufgaben, die über das operative Management hinausgehen und dieses mit den übergeordneten Ebenen verbindet. Property Management Die Begriffe REM und Property Management werden in der englischsprachigen Literatur teilweise synonym verwendet, wobei die Bezeichnung „Real Estate“ für Immobilien tendenziell eher im nordamerikanischen und „Property“ eher im britischen bzw. Commonwealth-Sprachgebrauch anzutreffen ist. Das Property Management ist in vielen Unternehmen in erster Linie mit dem kaufmännischen Objektmanagement betraut. In Abgrenzung hierzu wird das Technikund Infrastrukturmanagement (häufig auch unter dem Begriff Facility Management subsummiert)
Zwischen REM und ▷Facility Management existierten zahlreiche Schnittpunkte. Die International Facility Management Association (IFMA) definiert Facility Management als die Koordination von physischem Arbeitsplatz und Mensch bzw. Unternehmen, wobei Prinzipien aus den Bereichen Betriebswirtschaft, Architektur, Verhaltenssowie Ingenieurswissenschaften angewandt werden (IFMA 2008). Die Definition der German Facility Management Association (GEFMA) präzisiert diese Beschreibung und definiert Facility Management als „Managementdisziplin, welche die notwendigen Unterstützungs- (Sekundär-) Prozesse des Kerngeschäfts eines Unternehmens vereint. Dabei stehen Arbeitsplatzgestaltung, Werteerhalt und Kapitalrentabilität im Fokus des Facility Managers“ (GEFMA 2008). Weiterhin hat die GEFMA die Richtlinie 100-1 erarbeitet, die Prozesse und Inhalte des Facility Managements nach dem neuesten Stand von Wissenschaft und Forschung sowie dem Verständnis der mitwirkenden Marktteilnehmer erläutert. In der Praxis wird Facility Management jedoch häufig in grösseren Objekten und Büroparks eingesetzt, die komplexere technische Regulierungs- und Überwachungssysteme erfordern. Während der Facility Manager ursprünglich fast ausschliesslich mit Betrieb und Instandhaltung der technischen Anlagen eines Gebäudes befasst war, hat sich der Aufgabenbereich in den letzten Jahren deutlich ausgeweitet und erstreckt sich nun auch auf strategische Aufgaben, die auf den oberen Ebenen angesiedelt sind, die in der Abbildung oben dargestellt sind.
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Fazit Unter dem Oberbegriff REM sind eine Reihe immobilienspezifischer Tätigkeitsprofile zusammengefasst, die in Praxis und Wissenschaft nur unscharf voneinander abgegrenzt sind. Trotz entsprechender Initiativen seitens übergeordneter Vereinigungen wie der gif sowie einiger wis-
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senschaftlicher Publikationen, die sich um eine Präzisierung der Definitionen und eine stärkere Strukturierung der Zusammenhänge zwischen diesen Bereichen bemühen, werden diese Begriffe wohl auch weiterhin je nach Kontext, Unternehmen und Akteursgruppe mit unterschiedlichen Inhalten und Prozessen belegt sein. Wichtiger als definitorische Übereinstimmung aller Marktteilnehmer ist jedoch die Forderung, durch diese Bausteine des REM zu einem lebenszyklusorienten Ansatz des Immobilienmanagements zu gelangen (▷Lebenszyklus von Immobilien). Nur wenn der gesamte Wertschöpfungsprozess in Strategie und operativer Ausführung berücksichtigt und konsequent umgesetzt wird, ist eine nachhaltige Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit von Objekten, Immobilienunternehmen und im erweiterten Sinne auch von Quartieren und Städten möglich. Die Bausteine des REM können dazu insofern einen Beitrag liefern, als sie klar definieren, welche Abschnitte des Lebenszyklus von welchen Aufgabenbereichen betreut werden. So integrieren Asset Management und Facility Management alle Phasen des Immobilienlebenszyklus, während beispielsweise der Schwerpunkt des Property Managements auf der Nutzungsphase des Objekts liegt. Durch eine enge Verzahnung dieser einzelnen Bereiche kann sichergestellt werden, dass Lebenszyklusaspekte und langfristige Betrachtung auch im Sinne einer ökonomisch nachhaltigen Entwicklung bei der operativen Detailplanung Berücksichtigung finden. Fürst, F.
Literatur
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Banfield, A. (2005): Stapleton’s Real Estate Management Practice. London Downs, J. (1991): Principles of Real Estate Management. Chicago Edwards, V.; Ellison, L. (2004): Corporate Property Management: Aligning Real Estate with Business Strategy. Oxford Friedman, J. P.; Harris, J.; Lindeman, J. B. (2000): Dictionary of Real Estate Terms. New York GEFMA – German Facility Management Association (2008): Facility Management – Definition. Zugriff auf www.gefma.de/definition.html am 15.09.2008 gif – Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung (2004): Richtlinie: Definition und Leistungskatalog Real Estate Investment Management. Wiesbaden, 3-5 IFMA – International Facility Management Association (2008): Facility Management – Definition. Zugriff auf www.ifma.org/ what_is_fm/index.cfm am 08.08.2008 Kiser, L. L.; Ostrom, E. (1982): The Three Worlds of Action: A Metatheoretical Synthesis of Institutional Approaches. Strategies of Political Inquiry. Beverly Hills Kishk, M.; Pollock, R.; Atta, J. (2005): A structured model for performance assessment in property management. In: Journal of Financial Management of Property and Construction, 3, 159-169 Markowitz, H. M. (1952): Portfolio selection. In: Journal of Finance, 1, 77-91 Schäfers, W.; Gier, S. (2005): Corporate Real Estate Management. In: Schulte, K-W. (Hrsg): Immobilienökonomie. Band I, Betriebs-
wirtschaftliche Grundlagen. München, 843-897 Schulte, K.-W. u. a. (2006): Grundlagen des Immobilienmanagements der öffentlichen Hand. In: Handbuch des Immobilienmanagements der öffentlichen Hand. Köln, 24-27 Simons, R. A. (1993): Public Real Estate Management – Adapting Corporate Practice to the Public Sector: The Experience in Cleveland. In: Journal of Real Estate Research, 4, 639-654 Teichmann, S. (2007): Bestimmung und Abgrenzung der Managementdisziplinen im Kontext des Immobilien- und Facilities Managements. In: Zeitschrift für Immobilienwirtschaftliche Forschung, 2, 5-36
REGIONALE KOOPERATION Begriffsklärung und -abgrenzung Seit den 1980er Jahren finden sich in der Raumordnung bzw. Raumentwicklung (▷Raumordnung und Landesplanung) vermehrt Instrumente wie Regionale Entwicklungskonzepte und Regionalmanagement (▷Stadt- und Regionalmanagement), ▷Modellvorhaben und Förderinitiativen, etwa „Regionen der Zukunft“, ▷Metropolregionen oder „Großräumige Partnerschaften“, die einer informellen regionalen Kooperation eine besondere Bedeutung zuweisen. Parallel dazu hat sich in der Regionalpolitik ein Paradigmenwechsel vollzogen, infolgedessen Ansätze endogener Entwicklung neben klassische Konzepte und Förderansätze der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Regionalen Wirtschaftsstruktur“ getreten sind. Im Bereich der ländlichen Entwicklung hat die Agrarstrukturpolitik gleichzeitig ähnliche Ansätze entwickelt (Europäische Gemeinschaftsinitiative LEADER, deutsche Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“). Darüber hinaus finden sich entsprechende Verfahrensinnovationen etwa im Naturschutz, wo regionale Konzepte beispielsweise für Biosphärenreservate erstellt werden, oder in der Wasserwirtschaft, wo im Rahmen des vorbeugenden Hochwasserschutzes regionale Flussgebietskonzepte erarbeitet werden. Stadt-Umland-Kooperationen reichen bereits bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zurück. Aus den Anfängen einer Zusammenarbeit von Kernstadt und Umland in den Großräumen Berlin und Ruhrgebiet ist eine vielfältige Kooperationslandschaft entstanden, die von formalen bis zu informellen Zusammenschlüssen reicht, sich entsprechend auch international in vielen Stadtregionen findet und in den letzten Jahren durch die Kooperationsebene der Metropolregionen ergänzt worden ist. Regionale Kooperation ist somit zu
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einem weit verbreiteten Vorgehen sowohl in der Raumentwicklungspolitik als auch im Bereich verschiedener Fachpolitiken geworden. Das maßgebliche Abgrenzungsmerkmal regionaler ▷Kooperation ist die räumliche Kategorie der Region. Regionale Kooperation grenzt sich damit von funktionalen Kooperationen ab, die sich etwa auf einzelne Wirtschaftsbereiche oder Branchen beziehen. In Bezug auf den Gegenstand der Zusammenarbeit lassen sich mono- und multifunktionale Kooperationen unterscheiden. Zur Erfüllung von Aufgaben wie Wirtschafts-, Tourismusförderung, Abfall- oder Abwasserbehandlung finden sich monofunktionale Kooperationen, multifunktional sind dagegen Aufgaben wie Regionalentwicklung oder grenzüberschreitende Zusammenarbeit angelegt. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal regionaler Kooperation bezieht sich auf die Beteiligten. Neben Politik und Verwaltung, d. h. dem öffentlichen Sektor, können auch Wirtschaft und Gesellschaft in regionale Kooperationen einbezogen sein, also sowohl räumlich gebundene Akteure wie Kommunen und Landkreise, als auch funktional gebundene Akteure wie Vertreter gesellschaftlicher Interessen oder Fachverwaltungen. Vor dem Hintergrund der drei Akteursgruppen öffentliche Hand, Wirtschaft und Zivilgesellschaft leiten sich verschiedene Formen regionaler Kooperation ab (siehe Abbildung). Diese können Teilformen einer übergreifenden regionalen Kooperation sein oder als einzelne Formen auf regionaler Ebene auftreten: Interkommunale Kooperation: Kooperation von Kommunen untereinander, Bürgerorientierung/Partizipation: Kooperation der öffentlichen Hand mit der Zivilgesellschaft, Bürgerengagement: Kooperation von Akteuren der Zivilgesellschaft untereinander, Public Private Partnership: Kooperation von Akteuren der öffentlichen Hand mit der Wirtschaft (▷Public Private Partnership),
Akteursdreieck regionaler Kooperation (eigene Darstellung)
Corporate Citizenship: Kooperation von Wirtschaft und Zivilgesellschaft, Wirtschaftsallianzen: Kooperation von Akteuren der Wirtschaft untereinander. Darüber hinaus lassen sich die folgenden Merkmale regionaler Kooperation benennen: Horizontale Vernetzung der Akteure, freiwillige Kooperation mit Austrittsoption (wobei im Zuge einer Formalisierung der Kooperation Veränderungen möglich sind), kommunikative Formen der Entscheidungsfindung und Konfliktlösung, Moderation der Kooperation durch (externe) „Spielmacher“. Kooperation kann damit als Instrument wie auch als Handlungsform eingeordnet werden: Instrumentell stellt sich die Frage, welchen Beitrag Kooperation zur Regionalentwicklung leisten kann. Die Frage nach der Handlungsform ordnet Kooperation in das Spektrum kommunikativer Handlungsformen ein und grenzt sie von Information und Beteiligung (▷Partizipation) ab. Gleichzeitig rücken dabei der prozessuale Charakter von Kooperation sowie Aspekte der Organisationsentwicklung in den Vordergrund. Regionale Kooperation steht im Wechselspiel mit benachbarten Begriffen wie Regionalentwicklung, Regionalmanagement (▷Stadt- und Regionalmanagement), Regional Governance (▷Government und Governance) sowie kommunikativer und ▷informeller Planung. Regionalentwicklung und Regionalmanagement beschreiben ein problem- und prozessbezogenes kollektives Handeln in der Region. In diesem Rahmen können kooperative Handlungsformen als Instrument eingesetzt werden, daneben sind aber auch andere Instrumente denkbar. Ebenso ist das Steuerungskonzept der Regional Governance übergreifend angelegt, wobei je nach Verständnis mehr oder weniger Nähe zu regionaler Kooperation besteht. In einem weiten Verständnis umfasst Governance sämtliche Steuerungsformen und -instrumente und erweitert damit den Begriff des Government, im engen Verständnis beschreibt Governance dagegen nur die informellen Formen kollektiver Selbststeuerung. In diesem Fall zählen Formen regionaler Kooperation zum Kern der Regional Governance. Unmittelbare Bezüge bestehen zum Begriff der ▷informellen Planung sowie zu Prozessmanagement und Moderation (▷Kommunikation und Moderation), die sich auf den Prozesscharakter von Planung und Entwicklung auf der Basis von Netzwerken und Verhandlungen beziehen. Regi-
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onale Kooperation ist durch den informellen Charakter ihrer Vorgehensweise und Ergebnisse charakterisiert, d. h. Regionalkonferenzen oder -foren sind nicht gesetzlich geregelt, sondern je nach Problem- oder Aufgabenlage kommt es zu spezifischen Konstellationen. Ergebnis sind oftmals ▷Leitbilder oder Entwicklungskonzepte, die keine Verbindlichkeit erzielen, sondern erst durch die Übernahme ihrer Inhalte in Regionalpläne oder in die kommunale ▷Bauleitplanung (rechts-)verbindlich werden. Entsprechend spielen für regionale Kooperation das Prozessmanagement und die Moderation eine maßgebliche Rolle. Dimensionen und Erklärungen ‚ regionaler Kooperation
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Regionale Kooperation ist eine Thematik, die sich an der Schnittstelle verschiedener Disziplinen bewegt, u. a. Planungs- und Politikwissenschaften, Soziologie, Psychologie, BWL. Entsprechend können zur Analyse und Erklärung der verschiedenen Facetten regionaler Kooperation unterschiedliche Theorieansätze herangezogen werden: Kooperative Steuerung, die den Wandel staatlicher Steuerung von einem hierarchischen zu einem kooperativen Modus behandelt. Damit gewinnen informelle prozessorientierte Handlungsformen und Instrumente an Stellenwert; Regionale Selbstorganisation (Aktivierung endogener Potenziale, nachhaltige Regionalentwicklung, Regional Governance), die sich Prozessen der eigenverantwortlichen Organisation von Regionen und ihrer Akteure widmet; Regionale Vernetzung und Lernprozesse, die Modernisierungsprozesse, Innovation und Konsensbildung und dabei v. a. die Rolle der beteiligten Akteure thematisieren; Strategische Planung und Regionalmanagement, die methodische Aspekte der Regionalentwicklung behandeln und Erfahrungen der Betriebswirtschaft und der Verwaltungsmodernisierung einbeziehen. Daneben stehen Erklärungsansätze, wie Produktions-▷Cluster (Theorie regional-arbeitsteiliger Verflechtung), ▷Milieu-Effekte (Milieu-Theorie) oder ▷Public-Private-Partnership (Theorie der öffentlichen Güter), die ebenfalls zur Analyse, Konzeption und Ausgestaltung von regionaler Kooperation beitragen können. Bei Betrachtung der wissenschaftlichen Diskussion und der Praxis der Raumplanung und Raumentwicklung wird offenkundig, dass regionale Kooperation in den letzten Jahren sowohl
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in Deutschland als auch international wachsende Bedeutung erlangt hat. Dazu haben verschiedene Gründe beigetragen: Maßstabssprung: Der Aktionsraum von Wirtschaft und privaten Haushalten ist zunehmend regional und immer weniger lokal ausgerichtet. Dieser Maßstabssprung zeigt sich z. B. in der Suburbanisierung von Wohnen und Gewerbe oder in vielfältigen Stadt-Umland-Verflechtungen. Internationaler Wettbewerb: Die Konkurrenz der Standorte orientiert sich ebenfalls zunehmend eher regional statt lokal. Dabei stellen sich je nach Raumstruktur unterschiedliche Anforderungen. Während sich ▷Metropolregionen einer internationalen Konkurrenz ausgesetzt sehen, richten sich andere Stadtregionen oder kleinteiligere ▷ländliche Räume vorrangig national aus. In allen Fällen gewinnt aber die Region als „kooperativer Gesamtstandort“ an Bedeutung. Qualität der Infrastruktur: Damit die kommunale Infrastruktur die steigenden Anforderungen des Standes der Technik gewährleisten kann, aber auch aus Gründen der Kostenersparnis, bieten sich regionale Zusammenschlüsse an. Beispiele sind technische Infrastrukturen, wie Anlagen der Abfall- und Abwasserwirtschaft, soziale Infrastruktur, etwa Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, oder kulturelle Infrastruktur, d. h. Schulen, Theater oder Bibliotheken. Finanzrestriktionen: Ressourcenengpässe erfordern darüber hinaus auch in anderen Handlungsfeldern eine regionale Zusammenarbeit bzw. Arbeitsteilung, z. B. bei Fragen der Flächenhaushaltspolitik (▷Flächenmanagement), der Standortwerbung oder der Unterhaltung gemeinsamer Einrichtungen. Die Zusammenarbeit kann vom Erfahrungsaustausch, über gemeinsame Projekte bis zur intraregionalen Arbeitsteilung reichen. Endogene Entwicklung: Der Staat hat sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend aus der ▷regionalen Strukturpolitik zugunsten einer endogenen bzw. eigenständigen Regionalentwicklung zurückgezogen; auch die Europäische Regionalpolitik (▷Europäische Raumentwicklungspolitik) betont die Partnerschaft der regionalen Akteure. Regionale Kooperation kann dazu beitragen, dass die Akteure Entwicklungspotenziale gemeinsam erschließen. Interessenvertretung: Die deutschen „Leitbilder und Handlungsstrategien der Raumentwicklung“ der ▷Bundesraumordnung von 2006 unterstreichen die Eigenverantwortung der
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Regionen für ihre jeweilige Entwicklung. Dies gilt sowohl für die Metropolregionen wie für die übrigen Stadt- oder ländlichen Regionen. Die regionale Kooperation wird damit zukünftig immer mehr auch zu einem Instrument der politischen Interessenvertretung auf der Ebene des Bundes oder der EU. Organisation regionaler Kooperation Die Organisation regionaler Kooperation kann zum einen als ein Entwicklungsprozess beschrieben werden, in dem einzelne Stufen mit jeweils spezifischen Merkmalen aufeinander folgen, zum anderen können die Organisationsformen einzeln betrachtet und anhand ihrer Formalität unterschieden werden. Kooperationen beginnen zumeist mit lockeren Organisationsstrukturen. Die Beteiligten wollen zu diesem Zeitpunkt das Risiko der Bindung möglichst niedrig halten. Je mehr die Kooperation aber kollektives Handeln steuern soll, umso zwingender werden Arbeitsteilungen und deren Koordination. Außerdem kann aus dem Umfeld der Wunsch nach einer Institutionalisierung der Kooperation wachsen: Politik und Verwaltung erwarten Verlässlichkeit und Kontrollierbarkeit der Aufgabenerfüllung, aber auch Legitimierbarkeit des kollektiven Handelns. Der Druck ist seitens der räumlich gebundenen Akteure deutlich größer als seitens der funktional gebundenen, da erstere sich gegenüber einer (politischen) Öffentlichkeit in der jeweiligen Kommune oder Region verantworten müssen. Unter den Organisationsmodellen werden solche bevorzugt, die vertraut und rechtlich normiert sind. Leitmodelle bei ausschließlich kommunaler Beteiligung sind die (informelle) Arbeitsgemeinschaft und der (formalisierte) Zweckverband. Bei drei der vier Basismodelle der Kooperation – regionalen Netzwerken, Regionalkonferenzen und Regionalverbänden – findet sich darüber hinaus der Verein als Organisationsform, vereinzelt kommt die Stiftung zum Einsatz. Das vierte und am meisten formalisierte Modell, eine regionale Gebietskörperschaft (Regionalstadt, Regionalkreis, z. B. Region Hannover), erzeugt die höchsten Transaktionskosten, da mit ihr ein weitreichender Kompetenzverlust bestehender Organisationen einhergeht, und erfordert deshalb besondere Voraussetzungen. Restriktionen regionaler Kooperation Regionale Kooperationen unterliegen besonderen Restriktionen. Dabei handelt es sich z. B. um
Eigeninteressen der Kommunen, die Abwehr von Autonomieverlusten, die Exklusion einzelner Akteure oder Akteursgruppen (z. B. ökologischer oder sozialer Interessen), Schwierigkeiten der Willensbildung bei einer großen Zahl von Akteuren und unterschiedlichen Interessenlagen sowie um mehrstufige Abstimmungsverfahren, wenn Repräsentanten von Organisationen einbezogen sind. Es kann zu Legitimationsdefiziten kommen, wenn die Zusammenarbeit zu Vereinbarungen und Entscheidungen führt, die den Spielraum der politischen Gremien einschränken. Zudem wird der Wert von Kooperation oft unterschätzt, denn der Aufwand fällt unmittelbar an, während der Nutzen erst zu einem späteren Zeitpunkt entsteht. Regionale Kooperationen können zu Verhinderungsallianzen und damit innovationsfeindlich werden, wenn sie sich im Laufe ihrer Alterung verfestigen und dadurch die Fähigkeit von Regionen vermindern, auf neue Herausforderungen zu reagieren. Es können „quasi-oligarchische Strukturen“ entstehen, die neue Akteure, Interessen und Impulse ausschließen. Während der Begriff Kooperation unverfänglich klingt, deutet die kritische Umschreibung als „Machtkartell“ diese Problematik an. Erfolgsfaktoren regionaler Kooperation Die Organisationsform ist nur eine der Variablen, welche die Wirkung der Kooperation bestimmen. Der Einfluss der Organisation hat in der Phase der Planung und Problembearbeitung weniger Bedeutung als in der Phase der Umsetzung, wenn es darum geht, eine Verbindlichkeit der Ergebnisse zu erzielen. Andere Einflüsse sind die Zusammensetzung der Akteure (öffentlich-rechtliche und/oder private, Politik und/oder Wirtschaft, Organisationsrepräsentanten/Verbandsvertreter und/oder Einzelakteure), die Aufgaben (Problemlösungsaufgaben, Verteilungsfragen), die zu berücksichtigenden institutionellen Kontextbedingungen (Rechtsnormen, institutionelle Einbindungen, politische Kultur) sowie situative Einflüsse (z. B. Fördermittel, Zeitgeist). Trotz dieser Komplexität und der Vielfalt an möglichen Kooperationsformen gibt es Gemeinsamkeiten, aus denen sich Anforderungen für eine erfolgreiche Kooperation ableiten lassen: Win-Win-Situation: Kooperation sollte zu Vorteilen für alle Beteiligten beitragen. Wenn für einzelne Akteure kurzfristig keine Vorteile zu erzielen sind, sollte die Dauerhaftigkeit der Kooperation dazu führen, dass sie ihre Vor- und
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Nachteile über einen längeren Zeitraum saldieren können. Kultur der Kooperation: Da Kooperation in einem großen Maße auf Freiwilligkeit gründet, ist für den Erfolg Vertrauen nötig. Dieses hängt eng damit zusammen, wie ausgeprägt die Kooperationskultur ist, und wächst mit der Dauer der Zusammenarbeit. Anreize: Da die Initiierung der Kooperation hohe Transaktionskosten verursacht, sind attraktive Anreize erforderlich. Dies können z. B. finanzielle Anreize, drohende Gefahren bzw. Verluste bei Alleinhandeln oder hohe individuelle Unsicherheit gegenüber veränderten Rahmenbedingungen sein. Inszenierung: Die Anreize können verstärkt werden, indem ein problembezogenes Vorgehen gewählt und der Auftakt und einzelne Schritte der Kooperation bewusst inszeniert werden. Funktionaler Ansatz: Kooperation basiert auf Freiwilligkeit; jedes Mitglied kann die Kooperation jederzeit verlassen („exit option“). Dies bedeutet, dass Kooperation für alle Beteiligten mehr Vorteile als Kosten erzeugen muss. Sie ist deshalb dort leichter herzustellen, wo ein funktionaler Ansatz gewählt wird, d. h. konkrete Probleme zu bearbeiten und nur betroffene Akteure einzubeziehen sind. Kooperation ist schwerer zu organisieren, wenn ein räumlicher Ansatz gewählt wird (z. B. Regionalkonferenzen) und die Mitglieder repräsentativ für die betreffende Region ausgewählt werden müssen. Da in Deutschland regionale Kooperationen primär von Kommunen getragen werden, dominiert dennoch der räumliche Ansatz. Projektorientierung: Förderlich ist, wenn Kooperationsprozesse die Umsetzung konkreter Projekte anstreben, da durch diese für die Akteure der Nutzen greifbar wird. Die Projektorientierung kann von übergeordneter Ebene durch Modell- und Pilotprojekte unterstützt werden. Management: Kooperation, die kollektives Handeln und nicht nur Informations- oder Erfahrungsaustausch erzeugen will, bedarf der Steuerung, der Selbstbindung der Mitglieder und eines effektiven Kooperationsmanagements (längerfristige Motivation, ergebnisorientierte Steuerung, neutrale Moderation etc.).
Ausblick: Raumentwicklungspolitik und regionale Kooperation
die verschiedene Interessen und Kompetenzen einbeziehen und flexibel auf veränderte Umfeldbedingungen reagieren können, weiterhin an Stellenwert gewinnen. Aus Sicht der Raumentwicklung ergeben sich vor diesem Hintergrund eine Reihe von Fragen und Anforderungen: Als informelle Handlungsform steht regionale Kooperation in einem Wechselspiel mit den formellen bzw. regulativen Instrumenten der Raumentwicklung. Bei der Konzeption regionaler Kooperation sollte deshalb von Beginn an berücksichtigt werden, wie die späteren Ergebnisse in Pläne und Programme einfließen und so Verbindlichkeit erlangen können. Einschränkend ist allerdings zu berücksichtigen, dass nicht alle Ergebnisse regionaler Kooperation formal verankert werden müssen, da zahlreiche Ziele und Maßnahmen auch durch Selbstverpflichtung der beteiligten Akteure, bilaterale Partnerschaften etc. umgesetzt werden können, teilweise auch ohne Beteiligung der öffentlichen Hand. Regionale Kooperation kann in ein Spannungsverhältnis zu den demokratisch legitimierten Gremien und zur Innovationsfähigkeit einer Region geraten. Bei der Konzeption sollten die Organisationsformen und Kooperationsprozesse so ausgestaltet werden, dass diese Gefahren vermieden werden. Mit Blick auf die Regionalplanung stellt sich die Aufgabe, wie sich diese als Partner für regionale Kooperationsprozesse weiter profilieren kann. Nur in wenigen Fällen verbinden die regionalen Akteure die Funktion des regionalen „Spielmachers“ oder Moderators mit der Regionalplanung. Aber gerade sie besitzt wichtige Kompetenzen, die sie für das Management von Kooperationsprozessen bzw. Regionalmanagement qualifizieren: Sie bietet eine fachübergreifende und konzeptionelle Orientierung über die Region, hat Erfahrungen mit Zusammenarbeit und ist es gewohnt, Dialoge zu moderieren und in Konfliktfällen zu vermitteln. Regionale Kooperation wird sicher eine der wichtigen Zukunftsaufgaben der Region – ob Metropol-, Stadt- oder ländliche Region – bleiben. Ob sie aber auch zu einem Kompetenzfeld der Raumordnung bzw. der Regionalplanung werden kann, muss die Disziplin sowohl in der Praxis als auch in Forschung und Lehre erst noch beweisen. Knieling
Da Wandel eine Daueraufgabe moderner Gesellschaften ist, werden regionale Steuerungsformen,
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Literatur Benz, A. u. a. (1999): Regionalisierung: Theorie, Praxis, Perspektiven. Opladen Bischoff, A.; Selle, K.; Sinning, H. (2005): Informieren, Beteiligen, Kooperieren: Kommunikation in Planungsprozessen, Eine Übersicht zu Formen, Verfahren, Methoden. Dortmund Diller, C. (2002): Zwischen Netzwerk und Institution, Eine Bilanz regionaler Kooperationen in Deutschland. Opladen Heinz, W. (2000): Stadt und Region, Kooperation oder Koordination: Ein internationaler Vergleich. Stuttgart Knieling, J.; Fürst, D.; Danielzyk, R. (2003): Kooperative Handlungsformen in der Regionalplanung, Zur Praxis der Regionalplanung in Deutschland. Dortmund
REGIONALE STRUKTURPOLITIK Begriffsbestimmung und -abgrenzung „Unter regionaler Strukturpolitik (Regionalpolitik) werden all diejenigen Bestrebungen, Handlungen und Maßnahmen verstanden, die im Hinblick auf eine optimale Faktorallokation die Wirtschaftsstruktur ordnen, beeinflussen oder unmittelbar festlegen.“ (Jürgensen 1972:273) „Regionale Strukturpolitik stellt die Schnittmenge von Wirtschaftspolitik auf der einen und Raumordnungspolitik auf der anderen Seite dar. (…) Synonym zu ihr sind deshalb auch die Begriffe regionale Wirtschaftspolitik und ökonomisch orientierte Regionalpolitik.“ (Eckey 2005:934)
„Regionale Strukturpolitik ist ein Teil der Raumwirtschaftspolitik.“ (Schätzl 1994:119). „Theoretische Grundlagen stellen die ExportBasis-Theorie, Polarisationstheorien sowie zunehmend Innovations- und Clustertheorien und neue Agglomerationstheorien“ (Krugman 1991) dar (▷Stadt- und Regionalökonomie). In der Bundesrepublik Deutschland entwickelten sich in den 1960er Jahren die Konturen einer systematischen Regionalen Strukturpolitik, die gemeinschaftlich zwischen Bund und Ländern betrieben wurde. Seit Beginn der 1980er Jahre hat die europäische Struktur- bzw. Regionalpolitik (▷Europäische Raumentwicklungspolitik) erheblich an Bedeutung gewonnen und prägt mittlerweile auch die nationale Strukturpolitik in Deutschland maßgeblich. Nationale Strukturpolitik: Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe Regionale Wirtschaftsstruktur Die Gemeinschaftsaufgabe (GA) „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ wurde in der Bundesrepublik 1969 eingeführt. Nach Art. 30 GG wird sie in gemeinsamer Verantwortlichkeit des Bundes und der Länder durchgeführt, wobei letztere die Förderentscheidungen aufgrund eines gemeinsamen Rahmenplans treffen. Daneben sind die Kommunen (konkret: die ▷kommunale Wirtschaftsförderung) und Verbände, Industrie- und Handelskammern und Gewerkschaften Akteure der nationalen Strukturpolitik. Fördergegenstand der GA sind die einzelbetriebliche Investitionsförderung (Klein- und Mittelbetriebe, bis zu 50 Prozent der Investitionssumme) und die kommunale wirtschaftsnahe Infrastruktur (bis zu 90 Prozent der Investitionssumme). Die GA-Förderung wird auf strukturschwache Gebiete konzentriert (siehe Abbildung): Diese sind flächendeckend die neuen Bundesländer und zudem wesentliche Teile des ehemaligen Zonenrandgebietes der alten Bundesländer, die Nordseeküste sowie altindustrialisierte Regionen (Ruhrgebiet, Saarland). Das Fördervolumen lag im Zeitraum 1991-2007 in der einzelbetrieblichen Förderung bei (umgerechnet) insgesamt 38,7 Mrd. Euro, in der wirtschaftsnahen Infrastrukturinvestitionsförderung bei 20 Mrd. Euro.
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Regionalpolitik der Europäischen Union Fördergebietskulisse der GA „Regionale Wirtschaftsförderung 2007-2013“ (Abbildung BBSR)
In der Entwicklung der Regionalpolitik der EU lassen sich folgende Phasen unterscheiden:
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Die Beratungs- und Entstehungsphase der EWG-Kernländer (1957-1974), die Beteiligungs- und Abkopplungsphase (1975-1985) gekennzeichnet durch einen Beitritt entwicklungsschwächerer Länder und die erstmalige Einrichtung des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) und die seit 1986 anhaltende Phase einer eigenständigen Regionalpolitik, für die mit dem in Maastricht geschlossenen „Vertrag über die Europäische Union“ (1992) die regionale Verantwortung auf EU-Ebene gestärkt wurde.
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Die Bedeutung der europäischen Regionalpolitik ist in den letzten 30 Jahren stetig und beträchtlich gestiegen. Die Nationalstaaten verlagerten ihre strukturpolitischen Kompetenzen sukzessive an die EU, ohne sie ganz aufzugeben (Hölcker 2004:26ff,59). Machten die EU-Strukturfonds (EFRE, Europäischer Sozialfonds ESF, Finanzinstrument für die Ausrichtung der Fischerei) bei ihrer Einführung 1975 noch 6,4 Prozent des gesamten EU-Haushaltes aus (nur EFRE und ESF), so lag ihr Anteil im Jahr 2000 bereits bei 35,7 Prozent (Hölcker 2004:21). In der Förderperiode 2000-2006 wurden aus den strukturpolitischen Mitteln (überwiegend Strukturfonds, daneben Kohäsionsfonds und Beitrittshilfen) der EU 234,7 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt, die etwa im selben Umfang von den Ländern kofinanziert wurden. Zu zwei Dritteln flossen diese Mittel in sog. Ziel-1-Gebiete (Regionen mit Entwicklungsrückstand), weiterhin in Ziel-2Regionen (Regionen mit Strukturproblemen) und das Ziel-3 (Förderung Humanressourcen). Auch Umweltaspekte fanden verstärkt Eingang in die Förderung (Schepelmann 2005:76ff ). In der aktuellen Förderperiode 2007-2013 (siehe Abbildung) wurde das Fördervolumen des EFRE auf 347 Mrd. Euro erhöht, dazu kommen noch nationale Kofinanzierungsmittel (Verordnung 2006, Europäische Kommission 2007b). Inhaltlich wurde der Fonds auf die Umsetzung der sog. Lissabon-Strategie der EU zur Förderung von Innovation und Wachstum ausgerichtet und es erfolgte eine Konzentration der Zielsetzungen des EFRE auf drei Hauptziele: Konvergenz, regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung und europäische regionale Zusammenarbeit. Fördergegenstände des EFRE sind: direkte Investitionshilfen für Unternehmen (insbesondere kleine und mittlere),
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Regionale Differenzierungen in der europäischen Regionalpolitik 2007-2013 (Europäische Kommission 2007a)
Infrastrukturen, v. a. im Zusammenhang mit Forschung und Innnovation, Telekommunikation, Umwelt, Energie und Transport, Finanzierungsinstrumente (wie z. B. Regionalfonds) und Förderung interkommunaler und regionaler Zusammenarbeit sowie technische Hilfsmaßnahmen. Zudem sind neue Finanzierungsformen (Initiativen JEREMIE und JESSICA) eingeführt worden. Stärkung der regionalen Verantwortung Seit den 1980er Jahren wurden in der EU-Regionalpolitik die Regionen unterhalb der nationalen Ebenen (in Deutschland die Bundesländer) gestärkt. Innerhalb der nationalen Strukturpolitik wurde die Ebene unterhalb der Bundesländer aufgewertet, aus der Politik für die Regionen wurde verstärkt eine Politik der Regionen. Im Rahmen der sog. „Regionalisierten Strukturpolitik“ wurde die Mitwirkung der Regionen bei der Vergabe der Fördermittel intensiviert, in Regionalkonferenzen wurden „Regionale Entwicklungskonzepte“ (REK) abgestimmt, in denen zum Teil Prioritäten für die Projektförderung in den Regionen formuliert wurden. Am konsequentesten ging Nordrhein-Westfalen den Weg der regionalisierten Strukturpolitik, ohne allerdings dauerhaft tragfähige Strukturen zwischen Landes- und kommunaler Ebene etablieren zu können (Benz u. a. 1999). Neben dezentralisierenden und kooperativen Elementen wie REK und operativen Instrumenten wie dem Regionalmanagement (▷Stadt- und Regionalmanagement) haben nunmehr auch verstärkt Wettbewerbselemente
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Eingang in die Regionalpolitik gefunden, wie etwa bei den „Regionalen“ in Nordrhein-Westfalen (Molitor/Schneider 2001:26, MSWKS 2001). Auch für die Regionalfonds der EU wurden in den letzten 15 Jahren nicht nur die Verantwortlichkeiten der Regionen (in Deutschland mit den Bundesländern identisch) gestärkt, sondern zunehmend Elemente der Förderung regionaler Kooperationsstrukturen (▷Regionale Kooperation) aufgenommen, wie z. B. im nationalen Maßstab das Regionalmanagement, im europäischen Maßstab das für die gesamte Förderperiode 2007-2013 mit über 7 Mrd. Euro ausgestattete Programm INTERREG zur Unterstützung grenzüberschreitender, transnationaler und interregionaler Zusammenarbeit. Kernfragen der Struktur-/Regionalpolitik Grundsätzlich agiert regionale Strukturpolitik in ihrer konkreten Ausgestaltung immer in den Spannungsfeldern zwischen Wachstumsziel und Ausgleichsziel, sowie Stabilitätsziel und Nachhaltigkeitsziel, sektoraler und räumlicher Orientierung, einzelbetrieblicher und Infrastrukturförderung. V. a. und immer stellt sich in der Regional-/Strukturpolitik die Frage nach dem Verhältnis von wachstumsorientierter Schwerpunktförderung und ausgleichsorientierter Flächenförderung: Einerseits muss die Strukturpolitik das Wachstum des Gesamtraumes zu optimieren suchen. Dies kann dadurch geschehen, dass die Mittel zunächst auf einen Kernraum konzentriert werden in der Hoffnung, dass dort eine wirtschaftliche Dynamik entsteht, die dann langfristig auch auf andere, nicht direkt geförderte Räume ausstrahlen kann (Spill-Over-Effekte). Andererseits muss die ▷Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse im Gesamtraum gewahrt bleiben, was für eine von vornherein breitere direkte Unterstützung auch oder nur der schwächer entwickelten Räume sprechen kann. In den letzten Jahren ist es im Rahmen des Lissabon-Prozesses innerhalb der EU zu einer Paradigmenverschiebung zwischen dem Wachstums- und dem Ausgleichziel gekommen. Im Globalisierungswettbewerb (▷Globalisierung) kann demnach die EU nur bestehen, wenn sie sich verstärkt auf ihre räumlichen und sektoralen Wachstumskerne konzentriert und dort gezielter Innovationen fördert. Die wissensbasierte Förderung (▷Wissensgesellschaft) von Wettbewerbsfähigkeit
und Dynamik (▷Kreative Städte) ist zum zentralen Pfeiler aller EU-Politiken und damit auch der Regionalpolitik geworden (Geppert u. a. 2005:5). Gleichwohl bleibt – zumal angesichts der letzten EU-Erweiterung 2004/07 – das Ausgleichsziel bedeutsam. Im Ergebnis hat dies bei der Programmierung dazu geführt, dass 80 Prozent der Mittel des EFRE zwischen 2007 und 2013 ausgleichorientiert in sog. „Konvergenz-Regionen“ – im Wesentlichen die osteuropäischen Beitrittsländer sowie andere besonders strukturschwache Räume – fließen. Andererseits sind hierin wiederum 65 Prozent dieser Mittel wachstums- und innovationsorientiert im Sinne der Lissabon-Strategie einzusetzen (Europäische Kommission 2007b). Innerhalb Deutschlands gelten die neuen Bundesländer fast vollständig als Konvergenz-Regionen, die alten Bundesländer fast vollständig als Gebiete „Regionaler Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“, innerhalb derer 85 Prozent der Fördermittel wachstumsorientiert einzusetzen sind. Dies bedeutet, dass nunmehr auch Fördermittel der Strukturfonds in die ohnehin wachstumsstärkeren Metropolregionskerne in definierte innovative ▷Cluster (z. B. Medizintechnik, Biotechnologie, Logistik) fließen können bzw. dort sogar konzentriert werden sollen. Diese teilweise Enträumlichung und Sektoralisierung der Förderpolitik ermöglicht es jetzt, auch Kooperationen zwischen Betrieben aus strukturstärkeren und strukturschwächeren Räumen zu fördern. Raumordnungspolitisch in eine ähnliche Richtung geht der Begriff der „Großräumigen Verantwortungsgemeinschaften“ (Hahne/Glatthaar 2006) zwischen starken ▷Metropolregionen und wachstumsschwächeren, i. d. R. periphereren Räumen. Gleichwohl haben die deutschen Bundesländer einen großen Teil der Fördermittel weiterhin ausschließlich für die strukturschwachen Regionen reserviert. Bewertung und Perspektiven
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Im Zeitraum von 1991 bis 2007 wurden im Rahmen der GA für Investitionen der gewerblichen Wirtschaft in Höhe von über 206 Mrd. Euro rund 38,7 Mrd. Euro GA-Mittel mit dem Ziel bewilligt, über eine Million neue Arbeitsplätze zu schaffen sowie über 1,6 Mio. Arbeitsplätze zu sichern (BMWI 2008a). Detailliertere raumbezogene Analysen kommen zum Ergebnis eines z. T. „beachtlichen Erfolgs“ der Förderung in einigen – beileibe aber nicht allen – strukturschwachen Gebieten (Koller u. a. 2001:235). Die Gesamtbilanz der GA hinsichtlich des „Aufbaus Ost“ wird dagegen als eher ernüchternd eingeschätzt. Trotz
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umfangreicher Transferzahlungen lag die Produktionsleistung je Einwohner in den neuen Bundesländern 2007 bei zwei Dritteln des Niveaus in den alten Bundesländern (Titze 2008:245). Hinsichtlich der Wirksamkeit der EU-Regional- und Strukturpolitik liegen unterschiedliche Einschätzungen vor. Einige Autoren betonen die empirisch nachweisbaren Konvergenzprozesse zwischen den Mitgliedsstaaten: V. a. Regionen in Spanien, Griechenland und Irland haben in der wirtschaftlichen Entwicklung gegenüber den alten Mitgliedsstaaten deutlich aufgeholt (Schindler 2005, Geppert/Gornig 2005:18). Andere Autoren wiederum betonen, dass auch die besonders auf entwicklungsschwächere Regionen fokussierte Regionalpolitik der 1970er bis 1990er Jahre grundsätzlich nichts daran geändert habe, dass es klare Gewinner- und Verliererregionen auch des europäischen Vereinigungsprozesses gibt. Zwar haben sich die Entwicklungsunterschiede zwischen den Ländern verringert, innerhalb der Länder zwischen Regionen jedoch z. T. vergrößert. V. a. Regionen in Strukturbrüchen haben nicht aufgeholt, sondern im Gegenteil verloren. Auch ist nicht zu belegen, inwieweit diese Entwicklungen Resultat der Regionalpolitik sind oder z. B. eher auf den erweiterten gemeinsamen Markt zurückzuführen sind. Als erfüllt kann das Konvergenzziel der EURegionalpolitik daher mit Sicherheit nicht gelten. Und – scheinbar paradoxerweise – näherten sich die europäischen Regionen wirtschaft lich am stärksten in der Zeit an, als es noch gar keine konsistente europäische Strukturpolitik gab, nämlich von den 1950er bis frühen 1970er Jahren (Berthold/Neumann 2005, Hölcker 2004:60f, Geppert/ Gornig 2005:18). Die Europäische Strukturpolitik hat zwar deutlich an Bedeutung gewonnen. Für Deutschland als EU-Netto-Zahler bleibt jedoch die nationale Strukturpolitik im Rahmen der GA durchaus auch quantitativ bedeutsam. Für die aktuelle Förderperiode 2007-2013 sind in der EU-Regionalförderung bemerkenswerte Umorientierungen zu verzeichnen: Großräumig gilt das Ausgleichsprinzip, um die Annäherung der neuen an die alten Mitgliedsstaaten zu beschleunigen. Innerhalb der alten Mitgliedsstaaten hat das Ausgleichsprinzip dagegen erheblich an Bedeutung verloren, während die Konzentration auf Wachstumscluster deutlich bedeutsamer geworden ist. Auch in den strukturschwachen Bundesländern wird nunmehr eine eher auf Wachstumskerne konzentrierte Politik verfolgt: z. B. konzentriert das Bundesland Brandenburg die Fördermittel verstärkt in überwiegend Berlin-nahen sog. „Wachstumskernen“.
Ein gewisses Gegengewicht wird jedoch durch die GA-Förderung geschaffen, die nach wie vor durchweg ausgleichorientiert in strukturschwachen Gebieten eingesetzt wird. Inwieweit das Schwerpunktprinzip zu SpillOver-Effekten führt, die letztlich auch die strukturschwachen Räume erreichen und damit auch sozial ausgerichtet sind, ist empirisch nicht eindeutig belegbar. Angesichts langfristig nur moderater Wachstumsraten dürfte eine Konzentration auf Wachstumskerne in den anderen Räumen – v. a. den dünnbesiedelten und von industriellen Strukturbrüchen gekennzeichneten Räumen in den neuen Bundesländern – eher zu weiteren Prozessen der „passiven Sanierung“ führen, wie sie in anderen europäischen Staaten mit weniger ausgleichorientierter Regionalpolitik bereits in früheren Zeiten zu beobachten waren: die Entleerung der Räume wird also faktisch akzeptiert. Diller
Literatur Berthold, N.; Neumann, M. (2005): Europäische Regionalpolitik – Gift für rückständige Regionen? In: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Berlin: Vierteljahresschrift zur Wirtschaftsforschung, 1, 47-65 BMWI – Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (2008a) (Hrsg.): Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW), Statistischer Überblick zur Regionalförderung. Zugriff auf www.bmwi.de/BMWi/ Navigation/Wirtschaft/Wirtschaftspolitik/Regionalpolitik/ gemeinschaftsaufgabe,did=151116.html am 2.08.2008 BMWI – Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (2008b) (Hrsg.): Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW), Karte des Fördergebiets. Zugriff auf www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Wirtschaft/Wirtschaftspolitik/Regionalpolitik/gemeinschaftsaufgabe.html am 30.07.2008 Eckey, H.-F. (2005): Regionale Strukturpolitik. In: Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.): Handwörterbuch der Raumordnung, Hannover, 933-940 Europäische Kommission (2007a): Regionalpolitik Inforegio, Karten. Zugriff auf http://ec.europa.eu/regional_policy/sources/ graph/cartes_de.htm am 30.07.2008 Europäische Kommission (2007b): Umsetzung der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung durch die Mitgliedstaaten und Regionen im Rahmen der EU-Kohäsionspolitik, 2007-2013. Zugriff auf http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ. do?uri=COM:2007:0798:FIN:DE:PDF am 29.09.2009 Geppert, K.; Gornig, M. (2005): Regionale Konvergenz- und Polarisierungsprozesse in der Europäischen Union. In: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Berlin: Vierteljahresschrift zur Wirtschaftsforschung, 1, 8-25 Geppert, K. u. a. (2005): Europäische Regionalpolitik – auf Kurs? In: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Berlin: Vierteljahresschrift zur Wirtschaftsforschung, 1, 5-8 Hahne, U.; Glatthaar, M. (2006): Die großräumige Verantwortungsgemeinschaft, Eine neue Formel für den regionalen Verteilungskampf? In: RaumPlanung, 124, 5-10 Hölcker, N. (2004): Regionen in Europa – Gewinner oder Verlierer des europäischen Einigungsprozesses? Eine Betrachtung des Bedeutungswandels der Regionen in Europa am Beispiel der europäischen Regional- und Strukturpolitik von 1957 bis heute. Marburg Jürgensen, H. (1972): Regionalpolitik. In: Kompendium der Volks-
RETAIL-IMMOBILIEN wirtschaftslehre. Göttingen, 272-294 Koller, M. u. a. (2001): Zielerreichungsanalyse bei den Fördergebieten der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“. Gutachten im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft und Finanzen des Saarlandes (BeitrAB 243). Nürnberg Krugman, P. R. (1991): Increasing Returns and Economic Geography. In: Journal of Political Economy, 99, 483-479 Molitor, R.; Schneider, R. (2001): Regionale 2006: Spurwechsel zur Nachhaltigkeit durch ein regionales Strukturprogramm. In: Netzwerke in der Regionalentwicklung, Arbeitsergebnisse, Zeitschrift der AG Land- und Regionalentwicklung am FB Stadtplanung/ Landschaftsplanung der Universität Gesamthochschule Kassel, 26-35 MSWKS – Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport Nordrhein-Westfalen (2001) (Hrsg.): Regionale In Nordrhein-Westfalen, Zwischenbilanz. Düsseldorf Schätzl, L. (1994): Wirtschaftsgeographie 3: Politik. Paderborn Schepelmann, P. (2005): Die ökologische Wende der EU-Regionalpolitik, Die regionale Resonanz von umweltpolitischen Indikatoren des Lissabon-Prozesses der Europäischen Union. Hamburg Titze, M. (2008): Beseitigung struktureller Defizite mit der „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“. In: Raumforschung und Raumordnung, 3, 244-259 Verordnung (2006): Verordnung (EG) Nr. 1080/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 über den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1783/1999
RETAIL-IMMOBILIEN
Neben der relativ schwachen Handelskonjunktur ist auch ein Wandel im Verhalten der Verbraucher festzustellen. So nimmt der Anteil der Ausgaben für Konsumgüter am privaten Verbrauch mit wachsendem Einkommen und Wohlstandsniveau ab. Demgegenüber gewinnen Ausgaben für Dienstleistungen (Reisen, Bildung, Freizeit, Unterhaltung, Gesundheitspflege etc.) an Bedeutung. Hatte der Konsumgütereinzelhandel am privaten Verbrauch 1990 noch einen Anteil von rund 45 Prozent, so liegt dieser im Jahr 2008 bereits unter 30 Prozent. Ungeachtet dieser Entwicklung ist die Flächenexpansion im Einzelhandel – und damit das Aufgabenspektrum der Immobilienakteure – ungebrochen. Der Flächenbestand hat bereits 120 Mio. qm überschritten und dürfte im Jahre 2010 bei voraussichtlich 125 Mio. qm liegen. Schon jetzt liegt damit die Flächenausstattung je Einwohner bei rund 1,4 qm und damit deutlich über der Flächenausstattung z. B. Frankreichs und Großbritanniens. Zu erwarten ist als Folge, dass die Flächenproduktivitäten weiter abnehmen werden. Diese Entwicklung führt tendenziell zu weiter sinkenden Mieten und in letzter Konsequenz auch zu einem Ausleseprozess („Shakeout“).
Begriff
Trends und Zukunftsmärkte
„Retail-Immobilien“ – noch vor wenigen Jahren als Handelsimmobilien bezeichnet – sind Gebäude bzw. Gebäudeteile, in denen ausschließlich oder überwiegend Handelsbetriebe Warenhandel im funktionellen Sinne, d. h. i. d. R. ohne wesentliche Be- und Verarbeitung, betreiben. Die Nutzer dieser Retail-Immobilien bilden eine außerordentlich differenzierte Gruppe. Dieses zeigt sich auch in der Vielfalt von Betriebstypen und -formen.
Soziodemografische, ökonomische und technologische Veränderungen wie auch Veränderungen des Konsumentenverhaltens werden zu neuen Retail-Konzepten und damit zu veränderten Anforderungen an Retail-Immobilien führen: So erwartet die aktive, mobile und freizeitorientierte „Silver Generation“ neue Angebote und Konzepte, z. B. im Bereich der Erholung und Gesundheit. Ein weiterer Trend zeigt sich mit dem „Convenience-Shopping“. Hierzu zählen beispielsweise Tankstellenshops, Nachbarschaftsmärkte, kleine Supermärkte, Bahnhofsshops und spezialisierte Convenience-Shops. Hierfür geeignete Retail-Immobilien müssen insbesondere über eine gute Erreichbarkeit und entsprechende Parkierungsflächen verfügen. Bedingt durch die wirtschaftliche Situation, aber auch durch Veränderungen im Verhalten der Konsumenten, verfügt der Preis bei vielen Verbrauchern über einen sehr hohen Stellenwert. Die festzustellende Preissensibilität wird die Discountorientierung weiter verstärken und damit die Bedeutung von Retail-Immobilien für derart preisaggressive Betriebsformen wie Discounter und Fachmärkte erhöhen.
Zur Marktsituation und -entwicklung Qualität und Erfolg der Retail-Immobilien werden im Wesentlichen durch die ▷Einzelhandelskonjunktur beeinflusst. Bedingt durch die immer noch relativ hohe Arbeitslosigkeit und angesichts nur schwach steigender Einkommen sowie einer zunehmenden Abgabenbelastung ist die Stimmung der Konsumenten in Deutschland seit einigen Jahren recht verhalten. Insgesamt gesehen stagniert der nominale Einzelhandelsumsatz bzw. ist als rückläufig zu bezeichnen, allerdings abhängig von Sortiment, Betriebstyp und Standortqualität. Auch auf absehbare Zeit werden sich die Umsatzentwicklungen im Einzelhandel nur in einem sehr engen Wachstumskorridor bewegen.
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Ein weiterer Trend kann mit der Erlebnisorientierung der Verbraucher ermittelt werden. Neben die reine Bedarfsdeckung treten hierbei Aspekte des Wohlfühlens, des Erlebens und des Erfahrens. Retail-Immobilien mit thematisierten Angeboten, Food-Courts, Themengastronomie, Freizeit- und Erlebnisangeboten, werden weiter an Bedeutung gewinnen. Auch das „Smart-Shopping“, also die ausgeprägte Preis-Qualitäts-Orientierung der Verbraucher beim Einkauf, gewinnt immer stärker an Bedeutung. Neben der Discountorientierung schlägt hier die Erlebnisorientierung der Konsumenten beachtlich durch. Deutlich wird dieser Trend beispielsweise in dem Erfolg der Factory-Outlet-Center in Europa. Nach jüngsten Untersuchungen existieren nahezu 200 Einkaufszentren dieses spezialisierten Centertyps (IfG 2008). Standorte für Retail-Immobilien
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Innenstädte als gewachsene Agglomerationen gehören zu den bedeutendsten Standortlagen von Retail-Immobilien. Allerdings stehen die Innenstädte heute vor erheblichen Herausforderungen, um ihre Attraktivität zu erhalten bzw. wieder zu erlangen: So zeigt sich ein zunehmender Ansiedlungsdruck großflächiger Einzelhandelsprojekte, insbesondere Shoppingcenter. Diese verschärfen den Wettbewerb der Standortlagen auch durch Ansiedlungen außerhalb integrierter Standorte. Erhöht wird der Wettbewerbsdruck auf die integrierten Lagen durch großflächige RetailEntwicklungen auf Industriebrachen, aufgelassenen Flächen von Bahn und Post sowie militärischen Konversionsflächen (▷Konversion und Revitalisierung). Zunehmende Leerstände und sinkende Mietpreise in schwächeren (Neben-)Lagen führen zu einem Attraktivitätsverlust der Innenstädte und damit der Retail-Immobilien in diesen Bereichen. In den Haupteinkaufslagen demgegenüber wird der Einzelhandel immer stärker durch Filialisten, regional und überregional agierende Handelsketten und Discounter dominiert. Dadurch verlieren die Innenstädte sowie ihre Retail-Immobilien an Individualität und Profilierung. Neue Konzepte und Aktionen sind erforderlich, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Gefragt ist hierbei u. a. eine Verbesserung der interkommunalen Abstimmung (▷Regionale
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Kooperation), eine Integration von Stadt- und Regionalplanung, die Abstimmung der Stadt- und Handelsentwicklung, die Erhöhung der Planungsund Investitionssicherheit für den Handel und die Immobilienwirtschaft, die Entwicklung ganzheitlicher ▷Leitbilder und Konzepte, die Einführung eines professionellen Stadtmarketings und Stadtmanagements und die Durchsetzung einheitlicher Ladenöffnungszeiten. ▷Business Improvement Districts (BIDs), ▷Public Private PartnershipMaßnahmen, die (mögliche) Einführung einer Citymaut sind weitere Ansätze bzw. Instrumente, Innenstädte bzw. Stadtteile und ihre Retail-Immobilien attraktiver zu gestalten. Anlagekriterien Retail-Immobilien zählen zu den vergleichsweise attraktiven Anlageobjekten, da sie über eine relativ hohe Rendite verfügen. Dies resultiert insbesondere aus dem überdurchschnittlichen Mietniveau, das sich nicht zuletzt aus einer kombinierten Fix-/ Umsatzmiete ergeben kann. Sie verfügen daneben über ein erhebliches Wertsteigerungspotenzial im Rahmen von Mietpreissteigerungen, die beispielsweise durch eine Kopplung an die Einzelhandelsumsätze erzielbar sind. Aktuell dürften RetailImmobilien eine durchschnittliche Rendite von sechs Prozent erzielen. Dies gilt für bevorzugte innerstädtische Standorte, insbesondere für exzellente Innenstadtlagen bedeutender Großstädte, die sogar steigende Mieten verzeichnen können. Zu beachten ist allerdings das höhere Risiko durch Erosionserscheinungen. Nicht selten ist bei Retail-Immobilien bereits nach zehn Jahren mit der Notwendigkeit einer Revitalisierung zu rechnen. Gründe hierfür liegen neben einer baulich bzw. technisch hervorgerufenen Erosion insbesondere in einer wirtschaftlich bedingten Entwicklung. Marktveränderungen, Entstehung attraktiverer Konkurrenzobjekte, Veränderungen in der Verbraucherstruktur und dem Verbraucherverhalten und ein Wandel der Ladenkonzeption und Ladengestaltung begünstigen diese wirtschaftlich bedingten Erosionen. Zu dem zeigt sich eine Verkürzung der ▷Lebenszyklen von Retail-Immobilien. Retail-Immobillien zählen zu den sensiblen Management-Immobilien. Dies trifft insbesondere für Kooperationsgebilde, wie z. B. Shoppingcenter zu, in denen diverse Einzelhandelsbetriebe auch in Kombination mit Freizeit-, Dienstleistungs- und Gastronomiebetrieben im Verbund auftreten. Zahlreiche unterschiedliche Mieter/ Nutzer, die Vermietung im Rahmen eines festge-
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legten Mietermixes und die ständige Ausrichtung auf Marktveränderungen sind Beispiele der vielfältigen Managementaufgaben. Prüf- und Erfolgskriterien Vor der Investition bzw. der Entwicklung in eine Retail-Immobilie steht die Prüfung der relevanten Faktoren und Erfolgskriterien. Der Erfolg der Retail-Immobilie ist abhängig von: der Qualität der Projektidee und der Profilierung dieses Vorhabens, der Qualität des Initiators, d. h. insbesondere seiner Professionalität, Seriosität und Bonität; der Qualität des gewählten Standortes, festzustellen i. d. R. durch eine entsprechende ▷Markt- und Standortanalyse, der Qualität des zu realisierenden Nutzungskonzeptes, das insbesondere die jeweiligen Standortbesonderheiten zu berücksichtigen hat, der Qualität/Bonität künftiger Mieter/Nutzer; den Erträgen aus den abzuschließenden Mietverhältnissen – da sie für die Retail-Immobilie die zentrale Einnahmequelle dieser Investition darstellen, ist die Überprüfung dieser Mietverträge von besonderer Bedeutung, der Analyse der Wirtschaftlichkeit, die von den Kriterien der Wiederverkäuflichkeit sowie der Drittverwendungsfähigkeit abhängen. Falk
Literatur Falk, B. (Hrsg.) (2004): Fachlexikon Immobilienwirtschaft. Köln Falk, B.; Falk, M. (Hrsg.) (2006): Handbuch Gewerbe- und Spezialimmobilien. Köln IfG – Institut für Gewerbezentren (Hrsg.) (2007): Deutscher Shopping-Center-Report 2007. Starnberg IfG – Institut für Gewerbezentren (Hrsg.) (2008): 4. European Factory-Outlet-Center-Report. Starnberg IfH – Institut für Handelsforschung an der Universität zu Köln (2006): Katalog E, Begriffsdefinitionen aus der Handels- und Absatzwirtschaft. Köln
RISIKOMANAGEMENT
▷demographischen Wandels auf die langfristige Vermietbarkeit von Wohnimmobilien (▷Wohnungsmarkt) oder des Einflusses des ▷Klimawandels auf die Gebäudetechnik, hat die Anzahl der Faktoren und damit die Komplexität des Entwicklungsprozesses im Zeitverlauf immer weiter zugenommen. Eine Konsequenz dessen ist, dass sich auch der Einfluss risikobehafteter Faktoren weiter erhöht hat und damit die Entwicklung einer Immobilie einer breiteren, interdisziplinären Auseinandersetzung mit allen entwicklungsrelevanten Faktoren bedarf. Mit dem Risikomanagement wird dem als Projektentwickler agierenden Real Estate Manager eine methodische Basis an die Hand gegeben, mit der komplexe risikobezogene Überlegungen und Handlungen innerhalb einer Entscheidungssituation strukturiert und gesteuert werden können. Für das Verständnis des mehrstufigen Risikomanagement-Prozesses ist vorab eine Abgrenzung des Risikobegriffes notwendig. Das Risiko als Gegenstand des Managementprozesses (▷Projektmanagement) ist nicht präzise definiert. Der Begriff ist im allgemeinen Sprachgebrauch negativ besetzt. Er steht für die Möglichkeit, dass im Rahmen eines Prozesses oder Vorgangs ein Schaden eintritt. In der Betriebswirtschaftslehre beschreibt Risiko die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines negativen Ereignisses multipliziert mit dem finanziellen Schadensausmaß. Weiterentwickelte wissenschaftliche Ansätze des Risikomanagements lösen sich von dieser schadensorientierten Definition und beziehen positive Aspekte des Risikos, d. h. Überlegungen zu erzielbarem Nutzen, Gewinn oder möglicher Rendite, mit in die Betrachtungen ein. Diese Risikodefinition ist auf dem Finanz- bzw. Kreditmarkt inzwischen maßgebend bei der Entscheidungsfindung. Im ▷Real Estate Management überwiegt in der Praxis nach wie vor die aus der Betriebswirtschaftslehre bekannte Definition, die im Weiteren die Grundlage für die Beschreibung des Risikomanagements darstellt. Der Prozess des Risikomanagements beinhaltet die vier Phasen Zielsetzung, Risikoanalyse, Risikobewältigung und Risikokontrolle.
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Zielsetzung Eine ▷Projektentwicklung wird durch eine Vielzahl an externen und internen Faktoren bestimmt, deren Entwicklung und Dynamik im Vorfeld nicht bekannt sind. Diese sog. Risikofaktoren können den Erfolg einer Entwicklungsmaßnahme erheblich beeinflussen. Durch die Berücksichtigung neuer Erkenntnisse und Aspekte in der Immobilienentwicklung, wie z. B. der Wirkung des
Mit der Beschreibung konkreter und messbarer Projektziele wird der Rahmen gesetzt, an dem die Wirkung von Risikofaktoren auf das Projekt hinsichtlich ihrer Tragweite gemessen werden. Die Zielsetzung beinhaltet neben Aussagen zur städtebaulichen und architektonischen Entwicklung der Immobilie Aussagen zur Nutzung und zu fi-
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nanziellen und wirtschaftlichen Anforderungen, wie z. B. der angestrebten Rendite (▷Immobilienfinanzierung). Sie stellt die Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Risikomanagement dar. Risikoanalyse Die Risikoanalyse dient der Erfassung und Beschreibung der mit einer Investition in eine Immobilie verbundenen Risiken. Sie umfasst die Identifikation risikobehafteter Einflussfaktoren, die Bewertung der Wirkung dieser Faktoren und die Typisierung von Risiken. Im ersten Bearbeitungsschritt werden alle Faktoren erfasst, die Einfluss auf die Projektentwicklung haben können. Die Risikoidentifikation erfolgt bewertungsfrei und hat eine möglichst vollständige Zusammenstellung der Projekteinflussfaktoren zum Ziel. Eine Selektion von Faktoren sollte an dieser Stelle generell vermieden werden. Das Vorgehen zur Identifikation immobilientypischer Risikofaktoren ist methodisch weitgehend offen. Grundsätzlich empfiehlt sich ein analytisches Vorgehen, die Zusammenstellung kann aber beispielsweise auch durch die Nutzung von Erfahrungen aus anderen Projekten oder durch Brainstorming erfolgen. Folgende Systematisierung kann als Hilfestellung herangezogen werden (Diederichs 2006:92): Entwicklungs- und Vermarktungsrisiken (Leerstands- und Verkaufsrisiken), Standortrisiken aus der Lagequalität des Grundstücks (regionales und soziales Umfeld), Risiken aus den Nutzungs-, Finanzierungs- und Betreiberkonzeptionen, Rentabilitätsrisiken,
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Risikograph (eigene Darstellung)
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Qualitäts-, Kosten- und Terminrisiken, Organisations- und Genehmigungsrisiken, Baugrundrisiken. Nach der Identifikation werden die Einflussfaktoren hinsichtlich ihres Risikos für die Projektentwicklung bewertet. Als handhabbare und anschauliche Instrumente zur Beschreibung haben sich der Risikograph und die Risikofunktion etabliert. Zur Erstellung eines Risikographen werden die Eintrittswahrscheinlichkeit und das Schadensausmaß der Einzelrisiken qualitativ eingeschätzt, in einem zweidimensionalen Koordinatensystem eingetragen und mit der projektbezogenen Risikopräferenz hinterlegt (siehe Abbildung). Die Lage eines Einzelrisikos im Risikographen lässt Einschätzungen zum weiteren Umgang mit dem Risiko zu. Die Risikofunktion liefert die genaueren Ergebnisse für die Bewertung der Risiken, erfordert aber von vornherein eine präzisere Definition der Risikobereitschaft bzw. des Akzeptanzbereiches. Letzter Schritt der Risikoanalyse ist die Typisierung oder Klassifikation der Risiken. Die Zuordnung der Risiken zu Risikotypen schafft einen Überblick über die grundsätzliche Gefährdungsoder Chancensituation der Immobilie. Ziel ist es, die Risiken hinsichtlich ihrer „Bewältigungsbedürftigkeit“ zu sortieren und das Verhältnis zwischen möglicher Risikotragweite und Bewältigungsaufwand abzuschätzen. Die Zuordnung spiegelt die der Bewertung zu Grunde liegende Risikobereitschaft wider und ist damit rein subjektiv. Man unterscheidet zwischen Risiken, die einen Misserfolg des Projektes erwarten lassen und infolgedessen den Ausstieg aus der Projektentwicklung auslösen,
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belastenden Risiken, die bei ihrem Eintritt zu einer Gefährdung des Projektes führen können und infolgedessen sorgfältig beobachtet werden müssen, zu prüfenden Risiken, deren Konsequenzen zum gegebenen Zeitpunkt noch nicht absehbar sind und nicht zu beachtenden Risiken, die für die aktuelle Projektentwicklung nicht relevant sind. Im Zusammenhang mit der Typisierung sei die Bedeutung der Zielstellung betont. Die präzise Formulierung qualitativer und quantitativer Ziele bildet den Maßstab, anhand dessen eine risikobedingte Abweichung ermittelt, bewertet und typisiert werden kann. Risikobewältigung Sind die Risiken umfassend analysiert, bewertet und typisiert, so werden im Rahmen des Risikomanagements Strategien für eine Bewältigung belastender und zu prüfender Risiken ausgewählt. In der Literatur ist eine Vielzahl unterschiedlicher Strategien zur Risikobewältigung zu finden, die sich auf die vier Kernstrategien Risikovermeidung, Risikoverminderung, Risikoübertragung und Risikoakzeptanz reduzieren lassen. Mittels Risikovermeidung und der Risikoverminderung wird versucht, die Tragweite oder die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Risikos – im Fall der Risikovermeidung bis auf Null – zu reduzieren. Dies kann je nach Ausprägung des Risikos durch Änderungen der Projektstruktur, durch zusätzliche technische Maßnahmen oder durch betriebliche Maßnahmen erfolgen. Aus ökonomischer Sicht können beispielsweise folgende Ansätze zur Verminderung eines Risikos beitragen: Verkürzung der Amortisationsdauer, Erhöhung der Mindestanforderungen an die Eigenkapitalverzinsung, Ansatz geringerer Mieteinnahmen, eines längeren Leerstandes und höherer Fremdkapitalzinsen, Kalkulation mit höheren Baukosten und längeren Bauzeiten, Kalkulation eines unspezifischen Risikozuschlags. Als Entscheidungshilfe zwischen Risikovermeidung oder (nur) Risikoverminderung können die für zusätzliche Maßnahmen entstehenden Kosten herangezogen und den Kosten des Schadenseintritts gegenüber gestellt werden. Eine Risikovermeidung empfiehlt sich nur dann, wenn die Ver-
meidungskosten erheblich unter den Kosten des Schadenseintritts liegen. Verfolgt ein Projektentwickler ein Risikomanagement unter Einbeziehung mehrerer Projekte, so besteht – ähnlich wie am Finanzmarkt üblich – die Möglichkeit, die Einzelrisiken der Projekte innerhalb eines Portfolios zu streuen. Bei der Anwendung dieser Strategie der Risikominderung ist darauf zu achten, dass im Portfolio solche Projekte zusammengestellt werden, die voneinander unabhängig sind und Risiken unterschiedlicher Art mit sich bringen. Eine geeignete Methode zur Abschätzung der aus den Tragweiten und Schadenshäufigkeiten der Einzelrisiken zu erwartenden Schadenssumme ist die MonteCarlo-Simulation. Unter Beachtung der Eintrittswahrscheinlichkeiten der einzelnen Risiken wird über Iterationsrechnungen die zu erwartende Gesamtschadenssumme berechnet. Diese kann in der Projektkalkulation berücksichtigt werden. Lässt sich ein Risiko nicht vermindern, kann durch die Übertragung auf andere Projektbeteiligte der Einfluss des Risikofaktors auf die Projektentwicklung ausgeschlossen werden. Voraussetzung ist, dass die Partner, z. B. der Investor, die Übertragung akzeptieren. Dazu können beispielsweise die vertraglichen Vereinbarungen entsprechende Ausstiegsklauseln oder Sonderzahlungen beim Eintreten bestimmter Ereignisse (etwa einer Fristüberschreitung) vorsehen. Ist das entsprechende Risiko versicherbar, kommt auch die Risikoübertragung auf Versicherungsunternehmen in Betracht. Versicherbar sind insbesondere existenzgefährdende Risiken, die aufgrund statistischen Datenmaterials für Versicherer kalkulierbar sind. Hierzu zählen Naturrisiken oder Ausfallrisiken finanzieller Forderungen. Mögliche Auswirkungen von Risiken geringer Tragweite und sehr geringer Eintrittswahrscheinlichkeit können akzeptiert werden. Diese Option ist denkbar, wenn im Schadensfall die entstehenden Kosten durch finanzielle Reserven bzw. einen unternehmensinternen Sicherheitsfonds aufgefangen werden können. Tritt ein Schaden nicht ein, verursacht diese Strategie keine Kosten. Welche der Risikostrategien für die einzelnen Risikotypen bzw. Einzelrisiken zur Anwendung kommen, liegt in der Entscheidung des Real Estate Managers. Als Methoden zur Entscheidungsvorbereitung können z. B. Entscheidungstabellen, Entscheidungsbaumverfahren oder modifizierte Nutzwertanalysen herangezogen werden. Diese Verfahren dienen der Strukturierung des Entscheidungsprozesses und umfassen teilweise auch die Bewertung möglicher Entscheidungsalternativen.
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Risikokontrolle Der vierte Bestandteil des Risikomanagements ist die Risikokontrolle. Es ist Aufgabe des Projektentwicklers, identifizierte Risiken während des Projektverlaufes hinsichtlich ihrer Bewertung zu überwachen, zu dokumentieren und ggf. neu einzuordnen. In diesem Zusammenhang können Hinweise auf kumulative oder kompensatorische Effekte zwischen Einzelrisiken erfasst und analysiert werden. Diese Kenntnisse über Risiken bieten die Chance, „Risikobenchmarks“ zu entwickeln, die für eine Verbesserung der Risikoidentifikation und darin insbesondere der Risikobewertung herangezogen werden können. Weiterhin kann auf
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Basis der Daten eine Risikoprävention aufgebaut werden, die in anderen Projektentwicklungen das Maß der von Unsicherheit geprägten Entscheidungen verringert. Walther, J.
Literatur Diederichs, C. J. (2006): Immobilienmanagement im Lebenszyklus: Projektentwicklung, Projektmanagement, Facility Management, Immobilienbewertung. Berlin Maier, K. (1999): Risikomanagement im Immobilienwesen, Leitfaden für Theorie und Praxis. Frankfurt/Main Schulte, K.-W.; Bone-Winkel, S.; Thomas, M. (Hrsg.) (1998): Handbuch Immobilien-Investition. Köln Brauer, K.-U. (Hrsg.) (2003): Grundlagen der Immobilienwirtschaft. Wiesbaden
SOZIALE STADT
SOZIALE STADT Einleitung: Die Soziale Stadt wird zum Politikprogramm Die moderne deutsche Stadt der Nachkriegszeit galt lange als sozial. Die Arbeitsmärkte ermöglichten einen Aufstieg, der Sozialstaat griff regulativ ein und die Stadtverwaltungen sicherten durch Umverteilung gleiche Lebenschancen. Noch vor wenigen Jahrzehnten schien die Vision einer sozial gerechten Stadt realisierbar und zukunftsfest, ohne dass es eines eigenen Programms bedurft hätte. Kommunale ▷Daseinsvorsorge und ▷Stadtplanung, ▷sozialer Wohnungsbau und öffentliche Infrastruktur wurden von einträglicheren Bereichen quersubventioniert. Heute hat sich das Bild verändert. Hochverschuldete Gemeinden haben längst ihre Sozialwohnungsbestände abgebaut und manches „Tafelsilber“ an eigenen Immobilien oder kommunaler Infrastruktur veräußert. Die Bedingungen auf den Arbeitsmärkten versperren v. a. Jüngeren, Migranten und Langzeitarbeitslosen den Einstieg. Die Risiken auf dem Arbeitsmarkt, die einmal durch wohlfahrtsstaatliche Arrangements von den Risiken auf den ▷Wohnungsmärkten weitgehend entkoppelt waren, schlagen wieder stärker auf Wohnbiografien durch. Dauerarbeitslosigkeit und prekärere Arbeitsverhältnisse haben sozial und ökonomisch größere Abstände zwischen stabilem und prekärem Erwerbsstatus, bei Einkommen und in den Lebenslagen erzeugt (Bundesregierung 2005 und 2008). Die Umbrüche auf den Wohnungs- und Arbeitsmärkten werden in den Städten spürbar. Bei Konsum, Bildung, Gesundheit und Alterssicherung werden die Abstände auch räumlich erkennbar: zwischen auf- und abgewerteten Stadtquartieren öffnet sich eine Schere. Deshalb wird heute von einer Verräumlichung von Armut und Ausgrenzung in städtischen Teilräumen gesprochen, wo diejenigen sich konzentrieren, die auf der Schattenseite des Wohlstands leben. Unter den Stichworten Polarisierung und Spaltung der Stadt wird europaweit seit etwa zwei Jahrzehnten diskutiert, dass im Mosaik der Stadtteile, Kieze und Nachbarschaften einige den Weg eines sozialen wie wirtschaftlichen Niedergangs gehen. Diese Problemkonstellation ist Gegenstand der sozialen Stadtentwicklungspolitik, die in Deutschland seit Ende 1999 bundesweit in Form des Bund-LänderProgramms Soziale Stadt existiert.
Die Ursachen: Die sozialräumlichen Spaltungen in den Städten Die Einsicht, dass die ▷Integrationsfähigkeit der Stadtgesellschaft heute nicht mehr selbstverständlich und der soziale Zusammenhalt in den Städten gefährdet ist, liegt dem Programm „Soziale Stadt“ zugrunde. Der vollständige Programmtitel „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – die soziale Stadt“ verortet bereits die Problematik kleinräumlich, nämlich v. a. in den Armuts- und Zuwanderungsquartieren, also insbesondere in den innerstädtische Altbauquartieren und den großen Wohnsiedlungen am Stadtrand (▷Großsiedlungen). Die Ursachen für sozialräumliche Spaltungen liegen zunächst im wirtschaftsstrukturellen Wandel und in den Wanderungsbewegungen. Die jahrzehntelang andauernde Arbeitslosigkeit auf hohem Niveau hat aus ehemaligen Arbeitervierteln regelrechte „Arbeitslosenquartiere“ gemacht (der sog. „Fahrstuhleffekt“ nach unten, vgl. Häußermann 2000:17). Jüngere Familien der Mittelschicht mit stabilem Einkommen zogen aus den Quartieren und Städten weg. Ihren Platz nahmen Haushalte mit geringem oder keinem Einkommen ein, die sich anderswo nicht mit Wohnraum versorgen konnten, darunter verstärkt Zugewanderte aus anderen Ländern und Kulturen. Insbesondere die Zuwanderung aus dem Ausland gibt vielen dieser Stadtteile einen eigenen Charakter: Hier existieren sehr unterschiedliche Kulturen und Lebensstile nebeneinander – selten miteinander und manchmal gegeneinander. Die Viertel der Immigranten sind wichtige Brückenköpfe, die den Einstieg in die neue Heimat erleichtern. Sie bergen aber zugleich auch die Gefahr der Abschottung in sich, wenn dieser Einstieg auf den Arbeitsmärkten ohnehin versperrt bleibt (Schader-Stiftung 2005 und 2007; Häußermann/ Siebel 2004). In diesen Vierteln sind Erwerbschancen und Kaufkraft der Bewohner gering; dort vorhandene Standortnachteile werden oftmals durch eine schlechte infrastrukturelle Ausstattung verstärkt. Allein das Aufeinandertreffen solch ungünstiger Faktoren kann eine ökonomische Abwärtsspirale in Gang setzen: Aufgrund der geringen Kaufkraft der lokalen Bewohnerschaft haben Kleingewerbe und ▷Einzelhandel in der Nachbarschaft Existenzprobleme, das Warenangebot wird banal, Läden stehen leer, Kunden von außerhalb bleiben weg. Das wiederum schwächt die Geschäftsgrundlage der noch bestehenden Unternehmen – ein Dominoeffekt. Einmal begonnen, besteht die Gefahr, dass sich
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die Abwärtsspirale in anderen Lebensbereichen fortsetzt. Wenn immer mehr Nachbarn aus den Routinen des Erwerbslebens herausfallen oder mehr Mitschüler vorzeitig die Ausbildung abbrechen, so die Befürchtung, wird dies insbesondere den Kindern bald zur selbstverständlichen Normalität werden. Unter Nachbarn und Bekannten, auf Straßen, Plätzen und in den Mietshäusern werden die sozialen Nahbeziehungen problematisch; auch die üblichen Mechanismen der sozialen Kontrolle greifen kaum noch. Das Konfliktpotenzial steigt, während die Konfliktfähigkeit der Bewohner abnimmt, und soziale Netze werden brüchiger. Weil die gemeinsame Sprache und politische Beteiligungsmöglichkeiten häufig fehlen, schwinden überdies auch die Chancen, in der Lokalpolitik wahrgenommen zu werden und die Interessen des Viertels durchzusetzen. Schließlich wirkt das Erscheinungsbild auf das Quartier zurück. Ist der Stadtteil erst einmal zu einer schlechten Adresse geworden, kann die Benachteiligung zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden. Wenn jede Stellenbewerbung aus diesem Stadtteil von vornherein aussichtslos ist, schleicht sich die Fremdabwertung auch in die Selbstwahrnehmung und das Selbstbewusstsein der Bewohner ein. Die Stigmatisierung von außen wird zur Selbst-Stigmatisierung der dort Wohnenden. Kurz: Die räumlich verfestigten ▷Milieus der Ausgrenzung drohen, ganze Stadtquartiere ins gesellschaftliche Abseits zu ziehen. Wenn nicht eine sozialverantwortliche Stadtentwicklung gegensteuert, würden aus Quartieren der Benachteiligten weiter benachteiligende Quartiere werden: Da setzt der Grundgedanke des Programms Soziale Stadt an, das institutionell im Rahmen der ▷Städtebauförderung finanziert wird. Die Politikreaktion: Das Programm als Teil der Städtebauförderung
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Das zwischen Bund und Ländern vereinbarte Programm „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – die Soziale Stadt“ ist ein Programmabschnitt der Städtebauförderung. 1999 wurde es erstmals in die „Verwaltungsvereinbarung über die Gewährung von Finanzhilfen des Bundes an die Länder nach Artikel 104a Abs. 4 des Grundgesetzes zur Förderung städtebaulicher Maßnahmen“ integriert (VV Städtebau 2008), die jährlich neu abgeschlossen wird. Flankiert wird es seit 2005 durch § 171e BauGB „Soziale Stadt“, in dem es heißt: „Städtebauliche Maßnahmen der Sozialen Stadt sind Maßnahmen zur Stabilisierung
und Aufwertung von durch soziale Missstände benachteiligten Ortsteilen […] wenn ein Gebiet aufgrund der Zusammensetzung und wirtschaftlichen Situation der darin lebenden Menschen erheblich benachteiligt ist.“ Seit Initiierung des Programms wurden bis heute rund 500 Maßnahmen in mehr als 300 Gebieten finanziert, die zur Verbesserung der Lebenssituation in diesen Stadtquartieren beitragen. Dort, wo private Investitionsinteressen ausblieben, sollen nun die Mittel der Städtebauförderung bürgerschaftliche Ressourcen für kleine und kleinste Projekte in allen Bereichen mobilisieren. In der Stadterneuerungspolitik bedeutete dies einen Paradigmenwandel: Während die klassische Städtebauförderung einst Investitionsdruck unterstellte und im besonderen Städtebaurecht Schutzbestimmungen formulierte, um die sozialen Verhältnisse in den Quartieren gegen Investitionsdruck und Verdrängung zu schützen, soll nun Beteiligung als Aktivierung für Projekte gefördert werden, die sonst gar nicht erst entstehen würden. Ein weiterer Unterschied ergibt sich aus dem Ziel, andere Steuerungsformen zu etablieren: Sozialstaatliche Standards sind nun nicht mehr als Schutzrechte oder Leistungen einzufordern, sondern die Bürger sollen ihre Erwartungen an den Staat und ihr Verhalten praktisch ändern. Das Verhältnis von Bürger und Staat soll sich im Sinne eines „aktivierenden Staates“ ändern (▷Zivilgesellschaft). Die Bausteine des Programms bildeten sich allmählich in der Praxis heraus. In den ersten Jahren trugen die verschiedenen Landesprogramme der sozialen Stadtpolitik zunächst noch experimentellen Charakter. Mit den ersten Modell- und Pilotprojekten etablierten sich jedoch bald einige Strukturmerkmale, die die Bewährungsprobe der ersten Zwischenbilanzierungen überstanden und heute als Fundament dieser Politik anzusehen sind. Dazu zählen: der Gebietsbezug (Förderkulisse), ein dezentrales Steuerungsmodell (Quartiersmanagement), der integrierte, verschiedene Handlungsfelder abdeckende und verbindende Ansatz (integrierte Handlungskonzepte; ▷Interdisziplinarität, Transdisziplinarität) sowie die Umsetzung der Programmziele durch konkrete Projekte (vgl. Güntner 2007). Die Kritik: Feigenblatt, falscher Ansatz oder richtiger Weg? Das Programm wurde von Anfang an kritisch begleitet. Die grundsätzliche Kritik warf zunächst
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die Frage auf, ob durch das Programm überhaupt an den Ursachen von Armut – etwa der Erwerbslosigkeit – etwas geändert werden könne: Statt der Armut würden allenfalls ihre Symptome in den Quartieren, nicht aber ihre Ursachen bekämpft. So erschien das Programm als eine nachgeordnete, „zweitbeste Lösung“ (Alisch 2002; Froessler 1994); als „Feigenblatt“ decke es die sozialen Folgen einer neoliberalen, auf ökonomisches Wachstum orientierten ▷Stadtpolitik lediglich notdürftig ab (Mayer 2003; Moulaert 2000). Die anfänglich weit ausgreifenden Zielformulierungen der Vorläuferprogramme auf EU- und Landesebene, und im Jahr 1999 auch bei der Einführung des Programms Soziale Stadt auf Bundesebene, legten diesen weitreichenden Maßstab der Kritik zunächst nahe. Inzwischen wurden die Programmziele jedoch auf ein realistischeres Maß zurückgeführt und konzentrieren sich auf das Machbare – die gravierenden lokalen Auswirkungen von Arbeitslosigkeit sollen beschränkt und deren Verstärkung durch lokal wirkende Faktoren soll entgegen gewirkt werden. Dazu wurde auf die eingangs vorgestellte Erklärungsfigur des Teufelskreises bzw. der selbstverstärkenden Abwärtsspiralen zurückgegriffen – auf die Theorie der Quartiers- oder Kontexteffekte. Die Zwischenevaluation (IfS 2004) beschreibt diese Philosophie des Programms vorsichtig als eine „Kontexttheorie“, die auf die in den Stadtquartieren beobachteten Abwärtsspiralen abziele – d. h. auf zusätzliche, verstärkende Effekte, die durch das Leben in diesem Quartier entstehen („Eine hohe Arbeitslosigkeit wirkt ansteckend“; IfS 2004:36). Demnach ist das Zusammenwirken von strukturellen Bedingungen der Benachteiligung (z. B. durch Arbeitslosigkeit) mit der örtlichen Situation entscheidend: „Wenn die Situation verändert werden soll, muss der Kontext verändert werden: durch eine Veränderung des Erscheinungsbildes eines Quartiers und der sozialen Situation bzw. des ‚Milieus’“ (IfS 2004:36). Quartiersbezogene Ansätze werden damit als Strategien zur sozialen Integration plausibel. Dem „Teufelskreis“ der selbstverstärkenden benachteiligenden Effekte, der sich aus der Konzentration in benachteiligten Quartieren ergibt, könnte dann durchaus mit Mitteln von Stadtplanung und -politik begegnet werden. Damit rückt jedoch die Kritik an den Mitteln in den Vordergrund und die Frage danach, ob die ambivalente Konstruktion eines investiven „Leitprogramms“ des Städtebaus dazu geeignet ist, seine sozialen Ziele mit baulichinvestiven Mitteln zu erreichen (Walther 2002). Diese Kritiklinie bezieht sich auf die Institutio-
nalisierung der Politik und stellt die Frage, ob mit der primär investiven Städtebauförderung ein (zu) wenig zielführender politischer Weg beschritten wurde. Denn deren Instrumentenvorgabe investiver Kosten unterminiere das politikbezogene Ziel eines integrierten Ansatzes strukturell und verhindere systematisch dessen Verbreitung. So hat eine Verzahnung mit anderen Politikbereichen erst in den letzten beiden Jahren begonnen (Bundesregierung 2008:227ff ), nachdem zuvor das Programm Soziale Stadt im Grunde einzig dem Handlungsfeld ▷Wohnen zugeordnet wurde (Bundesregierung 2005). Dangschat (2005:304) kritisiert diese Inkonsistenz der Politik scharf: „Das Programm ‚Soziale Stadt’ bessert an den Orten ihrer negativsten Erscheinungsformen die Probleme aus, aber gleichzeitig wird, unterstützt und gefördert von den gleichen Institutionen der ‚multi level governance’, das Problem von Armut und sozialer Ausgrenzung ausgeweitet.“ Auch dieser Kritik wurde in den letzten Jahren durch nicht-investive Ergänzungsprogramme der Europäischen Union, die für die Soziale Stadt-Programmgebiete zur Verfügung stehen, entschärft. Insbesondere das Programm BIWAQ (Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier) finanziert in den Programmgebieten Projekte zur Förderung von Beschäftigung, Bildung und Qualifizierung (Bundesregierung 2008:228). Eine weiterführende strukturelle Verzahnung mit relevanten Politikfeldern, die inzwischen stärker über Themen und Instrumente der Integrationspolitik versucht wird, steht allerdings nch aus. Dennoch bleibt für den deutschen Weg der sozialen Stadtentwicklung eine doppelte Ambivalenz bestehen: Rechtlich steht das Programm im Spannungsfeld zwischen der Vorstellung einer direkten Beeinflussung der sozialen Verhältnisse in den Quartieren und den begrenzten Möglichkeiten eines städtebaulichen Instrumentariums, das nur indirekte Einflussnahme erlaubt. Politisch bewegt es sich zwischen hoheitlich-hierarchischer Steuerung und kooperativ-egalitärer Handlungskoordination. Die Betonung von Partnerschaft und Partizipation im Programm zeigt, dass sich die Politik ihrer Grenzen durchaus bewusst ist und das enge Korsett der Städtebauförderung nur begrenzte Möglichkeiten der Teilung von Verantwortung bietet. Insgesamt gilt: Das Programm hat ambitionierte Ziele, bleibt aber ambivalent in seinen Mitteln.
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Die Philosophie: Aktivierung als Politikziel Die zwiespältige Konstruktion des Programms lässt sich auch positiv bewerten: Das Programm
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stellt sozial wie räumlich planenden Akteuren (▷Akteure der Planung) – trotz des förderpolitischen Korsetts – einen Rahmen bereit, den sie vielfältig interpretieren und nutzen können. Geschieht dies, aktiviert es, indem es Experimente einer stärkeren politischen Beteiligung und Ermächtigung der Bewohnerschaft ermöglicht (▷Partizipation). Die Chancen, über erfolgreiche Praxis die Politik in ihrer weiteren Entwicklung zu beeinflussen, sind nicht gering. Bspw. wurde in Berlin ein Quartiersfonds eingerichtet – zunächst als ein einmaliges Experiment. Dabei wurde Bürgergruppen die Entscheidungsgewalt über ein Budget zugesprochen. Dieses Modell eines Quartiersfonds findet europaweit Anerkennung und wurde mittlerweile – nicht nur in Berlin – in modifizierter Form verstetigt. Bislang kaum beachtete Themen wie die Sprachfähigkeit im Vorschulalter, die Bildungsferne von Eltern oder die Raumansprüche von Kindern in überbelegten Wohnungen finden so über die quartiersbezogene Politik eine Öffentlichkeit und werden zu Themen der Politik. Der weitere Erfolg ist allerdings davon abhängig, inwiefern es gelingt, Akteure dazu zu bewegen, ihre eigenen Budgets und andere Ressourcen entsprechend einzusetzen. Ein Kernanliegen des Programms ist somit eine „Politik der Anfänge und der Thematisierung“ zu fördern: Es soll Aufbruchstimmung erzeugen, um Visionen zu entwickeln, Akteure zu mobilisieren und Diskurse anzustiften. Fazit: Die „Soziale Stadt“ als entwicklungsfähige „area based urban policy“
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So neu das Programm erscheint, seine Grundkonstruktion besteht bereits seit längerem: Zuschnitt und Elemente, strategische Orientierung und der kleinräumig operative Fokus des Programms Soziale Stadt stehen in der Tradition der bundesdeutschen Städtebauförderung. Bereits die Stadterneuerungsgebiete der 1970er Jahre waren sachlich, rechtlich und zeitlich begrenzte Eingriffe in die Stadtstruktur. Die stadtpolitischen EU-Initiativen und die Erfahrungen der Programme anderer europäischer Länder führten solche gebietsbezogenen Politiken aus einer reinen (städtebaulichen) Fachpolitik heraus, um sie integrierter zu gestalten (Güntner 2007). Seit den 1990er Jahren haben sich so europaweit Standards aufgeklärter Stadtpolitik herausgebildet, die sich auch im deutschen Programm niederschlugen. Sie wurden etwa in England, Frankreich, Holland und Dänemark z. T. seit Jahrzehnten variantenreich ausdifferenziert, modifiziert und reformuliert und inzwischen mit
entsprechenden Schlagworten versehen. Die Elemente dieser „neuen Orthodoxie“ der gebietsbezogenen sozialen Regenerationspolitiken tragen das Präfix „multi“ – sie werden mit den einschlägigen angelsächsische Begrifflichkeiten multi-actored, multi-layered, multi-sectoral, multi-targeted, multi-strategic und zusammenfassend als area based bezeichnet (Walther 2008 und 2009). Für die Weiterentwicklung des deutschen Programms wäre es wünschenswert und essenziell, dass der zentrale Anspruch des Programms, eine integrierte Politik zu fördern, weiter verfolgt wird. Denn noch ist das Programm von Politikintegration weit entfernt (ausführlich dazu Walther/ Güntner 2007a und 2007b). Dazu wäre erstens ein von allen Ressorts geteilter Interpretationsrahmen zwischen räumlicher und sozialer Politik notwendig. Zweitens müsste der „räumliche Tunnelblick“ überwunden werden, der die Maßnahmen der „Sozialen Stadt“ bisher häufig kennzeichnet (Häußermann 2002). Im Unterschied zu einer bloßen Quartierspolitik würde eine solche gesamtstädtische Strategie zur Bekämpfung sozialer Ausgrenzung die Fachpolitiken diesem Ziel verpflichten. Drittens könnte sich das bisherige Quartiersmanagement zu lokalen Partnerschaften formen. Schließlich sollte ein „lernendes Programm“ wie die „Soziale Stadt“ zu einer „lernenden Politik“ werden. Eine Fachpolitik übergreifende Kommission oder Sachverständigengruppe und ein in den Medien geführter öffentlicher Diskurs würden erlauben, auch die nicht quartiersbezogenen Politik- Perspektiven einfließen zu lassen und sie in einen produktiven Dialog mit raumbezogenen Ansätzen zu bringen. Die derzeitige Einbindung der sozialen Stadtpolitik in die Debatten um eine „nationale Stadtentwicklungspolitik“ und um Integration ist sicherlich ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem breiteren öffentlichen Diskurs (vgl. BMVBS 2009), um das Potenzial des Programms wirksamer auszuschöpfen. Walther, U.-J.
Literatur Alisch, M. (2002): Soziale Stadtentwicklung. Opladen BMVBS – Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2009): Nationale Stadtentwicklungspolitik. Zugriff auf www.nationale-stadtentwicklungspolitik.de am 29.09.2009 Bundesregierung (2008): Lebenslagen in Deutschland, 3. Armutsund Reichtumsbericht der Bundesregierung. Berlin Bundesregierung (2005): Lebenslagen in Deutschland, 2. Armutsund Reichtumsbericht der Bundesregierung. Berlin Dangschat, J. (2005): Integration oder Ablenkungsmanöver? In: Greiffenhagen, S. u. a. (Hrsg.): Praxis ohne Theorie. Opladen Döhne, H. J.; Walter, K. (1999): Aufgaben und Chancen einer neuen Stadtentwicklungspolitik. In: Bundesbaublatt 48, 24ff Froessler, R. (1994): Integrierende Politik – Aufgaben, Inhalte und Formen staatlicher Programme zur Erneuerung benachteiligter
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SOZIALER WOHNUNGSBAU Vorgeschichte des sozialen Wohnungsbaus in Deutschland Der soziale Wohnungsbau (▷Wohnen) in Deutschland kann als eine späte politische Reaktion auf das Wohnungselend der explodierenden Städte des 19. und 20. Jahrhunderts (▷Urabanisierung) gesehen werden. Eine erste Antwort wurde mit dem
Reichsgenossenschaftsgesetz von 1889 gegeben. Ohne direkte staatliche Hilfe schufen die nunmehr möglichen und sich gründenden Selbsthilfe-Bewegungen in Form der Wohnungsbaugenossenschaften erste gemeinnützige Wohnformen. Die Weimarer Verfassung definierte die Wohnungsversorgung erstmals als staatliche Aufgabe. Durch die akute Wohnungsnot gedrängt, entwickelte man nach dem Ersten Weltkrieg Schritt für Schritt ein funktionierendes Kreditwesen für eine öffentliche Wohnungsbauförderung. Im Ergebnis wurden bis 1923 500.000 Wohnungen neu errichtet und danach in der „Hauszinssteuer-Ära“ (19241932) weitere zwei Millionen – überwiegend mit öffentlicher Förderung. Unter dem Dach der Wohnungsgemeinnützigkeit entstanden in diesen Jahren zugleich weitere leistungsfähige Wohnungsunternehmen, insbesondere als Kapitalgesellschaften und Genossenschaften. Obgleich sich hieran Kommunen, Länder, Gewerkschaften, die Kirchen und v. a. auch Werks-Wohnungsbaugesellschaften von Industrie- und Wirtschaftsunternehmen beteiligten, wurde der größere Teil der öffentlichen Fördermittel von privaten Bauherren in Anspruch genommen. Die Privilegien und Pflichten, die mit einem gemeinnützigen Verhalten im Wohnungsbereich einhergehen, prägten jedoch den Wohnungssektor in Deutschland nachhaltig. Nach 1933 wurden Bemühungen um eine Rationalisierung der Bauproduktion, z. B. durch den Entwurf von Grundtypen für standardisierte Grundrisse, vorangetrieben. Insgesamt entstanden in den Jahren bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges jedoch nur wenige Wohnungsneubauten. Situation nach dem Zweiten Weltkrieg Die Diskussion einer neuen Politik des Städtebaus und eines neuen Baurechts war unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg stark geprägt von den Notwendigkeiten, die der Wiederaufbau der kriegszerstörten Städte mit sich brachte. Immerhin waren in Berlin 34,8 Prozent des Wohnungsbestandes (544.000 Wohnungen) schwer beschädigt bis total zerstört; in Hamburg sogar 49,1 Prozent, in Bremen 41 Prozent, in Bochum – nicht untypisch für das Ruhrgebiet – gar 67 Prozent. Kriegszerstörungen, Flüchtlingsströme und Wohnungsnot ließen eine Abkehr vom privaten Grundeigentum unabdingbar erscheinen. Nur durch die Vergesellschaftung des Grundeigentums schien auch ein Schadensausgleich zwischen zerstörtem und nicht zerstörtem Grundbesitz erreichbar. Auch sollten dadurch die Voraussetzungen für neue städtebauliche Konzepte (▷Städtebau/Urban
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Design) einer aufgelockerten Bebauung geschaffen werden (▷Leitbilder). Faktisch standen aber die Enttrümmerung, die Herstellung der Standsicherheit der teilzerstörten Gebäude und die Gefahrenbeseitigung im Vordergrund jeder praktischen Bautätigkeit. Besondere Probleme für den Beginn von Neubau und umfassendem Wiederaufbau bereitete zudem der zusammengebrochene Kapitalmarkt und die damit fehlende Voraussetzung jeder Wohnungsbaufinanzierung (▷Immobilienfinanzierung). Da große Teile der Bevölkerung verarmt waren, war nicht damit zu rechnen, über Sparkapital den Mittelbedarf für den Wiederaufbau zu mobilisieren. Auch mit der Währungsreform im Sommer 1948 wurden die Sparer durch die Umstellung von 10 RM auf 1 DM besonders getroffen. Konsumgüter waren zudem nach den Jahren großer Entbehrung gefragter als das langfristige Ansparen für den Wohnungsbau. Besonderheiten der West-Sektoren Berlins
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In den West-Sektoren Berlins war diese Situation besonders dramatisch. Hier wirkten sich neben der deutlich schlechteren Wirtschaftslage, dem Baustoffmangel, der u. a. durch die Blockade der Stadt verursacht war, und der Abwanderung der Wirtschaft in die Westzonen Deutschlands auch politische Vorbehalte im Blick auf die Sicherheit langfristig angelegten Kapitals aus. Im Ergebnis wurden bis Ende 1948 in den WestSektoren Berlins 81 Wohnungen durch Neubau und 38.094 Wohnungen durch Instandsetzung gewonnen. Zwischen 1949 und 1951 kamen nur 1.453 Wohnungen durch Neubau, 3.661 durch Wiederaufbau und 8.481 durch Instandsetzung hinzu. Im Vergleich zum späteren Bundesgebiet wiesen der Wiederaufbau und der Wohnungsneubau damit erhebliche Rückstände auf. Eine Leistungssteigerung wäre nur durch die Beschaffung und Sicherung entsprechender Finanzmittel möglich gewesen. Da sowohl die schnelle Anhebung des Kapitalmarktaufkommens als auch die Ausweitung der Eigenmittel der Bauherren aussichtslos waren, entstand die ca. 60 Jahre anhaltende Situation, dass der Wohnungsbau nur mit hohen öffentlichen Mitteln möglich war. Ohne Bundeshilfe konnte keine angemessene Wohnungsbauleistung erbracht werden. Erst mit dem Gesetz über die Stellung des Landes Berlin im Finanzsystem des Bundes (Drittes Überleitungsgesetz) wurde mit Wirkung vom 1. April 1951 der gesetzliche Rahmen für die Einbeziehung von Berlin (West) in das Rechts-, Wirtschafts- und Finanzsystem des Bundes geschaffen. Berlin (West) wurden nun-
mehr auf der Grundlage vereinbarter Kriterien sechs Prozent der an die Länder zu verteilenden Wohnungsbauförderungsmittel des Bundes garantiert – unabhängig vom direkten Bundeszuschuss an den Haushalt. Das I. Wohnungsbaugesetz (WoBauG) Hinsichtlich der Probleme, Grundstücke für einen neuzeitlichen Städte- und Wohnungsbau bereitzustellen, machte das I. WoBauG Bund, Länder und Gemeinden zur Auflage, geeignete Grundstücke als Bauland zu angemessenen Preisen bereitzustellen oder nötigenfalls zu beschaffen. Das 1953 beschlossene Baulandbeschaffungsgesetz ermöglichte, zugunsten des Wohnungsbaus sowohl unbebaute Flächen als auch Grundstücke mit zerstörten oder beschädigten Gebäuden zu enteignen. Damit war die Grundsatzdiskussion um die Vergesellschaftung von Grund und Boden weithin beendet. Das I. WoBauG sah die Förderung von 1,8 Mio. Wohnungen zwischen 1950 und 1955 vor. Die Notwendigkeit des Einsatzes zinsgünstiger bzw. zinsloser öffentlicher Finanzierungshilfen in Form von Baudarlehen ergab sich zum einen aus dem Mangel an privaten Finanzierungsmitteln. Es war jedoch ebenso der fehlende Ausgleich von Kosten und Ertrag bei neu errichteten bzw. wieder aufgebauten Wohnungen: Die laufenden Aufwendungen eines Bauherrn durch den Bau einer Wohnung überstiegen ihrer Höhe nach bei weitem die Zahlungsfähigkeit eines großen Teils der Wohnungssuchenden. Das II. Wohnungsbaugesetz (WoBauG) Das II. WoBauG trat 1956 in Kraft und galt bis 1. September 2001 und war über viele Jahrzehnte gesetzliche Grundlage für den öffentlich geförderten Wohnungsbau der Bundesrepublik. Es formulierte als Ziel, den Bau von Wohnungen zu fördern, die nach Größe, Ausstattung und Miete für breite Schichten der Bevölkerung bestimmt und geeignet sind. Mit beiden Wohnungsbaugesetzen wurden folgende Kriterien festgelegt: Die öffentliche Wohnungsbauförderung wurde als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern definiert. Alle Bauherren haben Zugang zu den Wohnungsbaufördermitteln. Nach Rückzahlung aller öffentlichen Fördermittel erlischt der Status „Sozialwohnung“. Die Bindungen bezüglich der Vermietung (Miethöhe und Wohnberechtigung) entfallen.
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Einkommensgrenzen definieren den Zugang zu einer öffentlich geförderten Wohnung. Die im Gesetz genannten „breiten Schichten der Bevölkerung“ betrugen in den Wiederaufbaujahren mehr als 80 Prozent aller Haushalte, die also Mieter einer neuen Sozialwohnung werden konnten. Wohnungsbaufördermittel können vorrangig auch für den Bau oder Erwerb selbst genutzten Eigentums in Anspruch genommen werden. Die öffentliche Hand garantiert durch die Übernahme von Landesbürgschaften (50 Prozent Rückbürgschaft des Bundes) die Wohnungsbaufinanzierung durch Geschäftsbanken und Sparkassen. Zum öffentlich geförderten Wohnungsbau in Berlin (West) Im Sommer 1957 konnte bereits die 100.000ste neu errichtete Sozialwohnung seit Ende der Blockade übergeben werden, im Oktober 1961 dann die 200.000ste. In Berlin (West) wurde 1962/63 mit dem Bau von ▷Großsiedlungen am Stadtrand begonnen. Die Gropiusstadt (19.000 Wohnungen), das Märkische Viertel (17.000 Wohnungen) und das Falkenhagener Feld (11.500 Wohnungen) sind bis heute die großen städtebaulichen Zeugen dieser Phase. Dennoch erfolgte der weitaus größte Teil des Wohnungsneubaus in den 1960er und 1970er Jahren in Form zahlloser Einzelbauvorhaben sowie von Wohnsiedlungen kleinerer und mittlerer Dimension. In der Politik der Stadt wurden bauwirtschaftliche Interessen immer besonders berücksichtigt. Ursache hierfür war die Absicht, die politische und wirtschaftliche Lebensfähigkeit der Stadt insbesondere durch eine öffentlich unterstützte Bautätigkeit zu gewährleisten. Es galt, Berlin zum „Schaufenster des Westens“ zu machen. So wurden zwischen 1952 und 2000 fast 610.000 aller neu gebauten Wohnungen mit öffentlicher Förderung errichtet (etwa 450.000 als Sozialwohnungen, ca. 67.000 als Eigentumswohnungen/Eigenheime) und hierfür mehr als 32 Mrd. DM als Gesamtbetrag der öffentlichen Förderung des Wohnungsbaus in West-Berlin aufgewandt. Auch die allein nach der Wende geförderten über 70.000 Wohnungen sind weitgehend in diesen Zahlen enthalten. Durch die auslaufenden Bindungen verringerte sich jedoch die Zahl der Sozialwohnungen von Jahr zu Jahr. Nach Angaben des Wohnungsmarktberichts (IBB 2008:32f) haben zurzeit nur etwa 200.000 Wohnungen den Status einer Sozialwohnung – das entspricht weniger als 12 Prozent al-
ler Mietwohnungen. Bis zum Jahr 2010 – so die Prognosen – wird sich die Zahl der mietpreisgebundenen Wohnungen in Berlin auf rd. 150.000 reduzieren. Finanzierungsformen des sozialen Wohnungsbaus in Berlin Die öffentliche Förderung der Sozialwohnungen lässt sich in fünf große Phasen teilen, die unterschiedlichen Förderperioden entsprechen: 1952-1968: öffentliche Baudarlehen 1969-1971: Annuitätshilfen 1972-1976: Aufwendungsdarlehen 1977-1988: Aufwendungshilfen 1989-2003: Baudarlehen und ergänzende Aufwendungshilfen Bis 1958 erstreckte sich die Förderung des sozialen Wohnungsbaus auf die Gewährung von Darlehen. Erst ab 1959 wurde die gemischte Finanzierung in Form von Darlehen und Zuschüssen eingeführt. Auf die Dauer von fünf Jahren befristete Aufwendungszuschüsse gaben die Möglichkeit, die Mieten unter Zugrundelegung der reinen Kostenmiete auf dem Stand von 1,20 DM/qm monatlich für „Wohnungssuchende mit geringem Einkommen“ zu halten. In Berlin (West) wurden von 1952 bis 1968 303.257 Wohnungen im Ersten Förderweg (sozialer Wohnungsbau) nach diesen Konditionen errichtet. Vom Wohnungsbauprogramm 1969 an wurden öffentliche Baudarlehen für den Bau von Mietund Genossenschaftswohneinheiten nicht mehr gewährt. Die Bauherren mussten deshalb zusätzliche Hypothekendarlehen am Kapitalmarkt aufnehmen. Die Mietverbilligung wurde durch Hilfen für den Schuldendienst (Annuitätshilfen) für diese zusätzlichen Kapitalmarktmittel erreicht. Die Annuitätshilfen wurden als Zuschuss gewährt, soweit sie die Zinsbelastung abgalten. Nur soweit sie zur Tilgung der Hypothekendarlehen beitrugen, und damit vermögenswirksam waren, wurden sie als Darlehen gewährt. Der Anteil von Zuschuss und Darlehen der Annuitätshilfe veränderte sich dabei innerhalb der Förderperiode von 32 Jahren. 1972 bis 1976 ging Berlin bei der Förderung des sozialen Wohnungsbaus zu sog. Aufwendungsdarlehen über. Gefördert wurden also auch hier nicht mehr die direkten Baukosten, sondern die Kreditkosten der Eigentümer. Die Förderung konzentrierte sich auf zinsverbilligte Kredite. Danach erhielten die Eigentümer Aufwendungshilfen in der Höhe ihrer jährlichen Einnahmelücke, berechnet aus der Differenz zwischen
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Kostenmiete und Sozialmiete. Von 1977 bis 1988 wurden zwei Drittel der Aufwendungshilfen als Zuschuss und ein Drittel als Darlehen über einen Zeitraum von 15 Jahren ausgezahlt. Im Zeitraum von 1972 bis 1990 wurden 122.055 Wohnungen auf der Grundlage dieses Fördersystems gebaut. Erst ab 1989 bestand wieder ein Teil der öffentlichen Förderung aus Baudarlehen der Investitionsbank Berlin (IBB), die vom Land im Zins herabgesetzt wurden; Aufwendungshilfen begleiteten zudem die Wohnungsbauprogramme dieser Jahre weiterhin, da der Haushalt Berlins eine Umstellung auf Baudarlehen aus dem Landeshaushalt nicht zuließ. Von 1989 bis 1997 wurden auf diesem Wege rund 12.300 Wohnungen mit Hilfe von Baudarlehen der IBB gefördert. Die hohe Bedeutung der Wohnungswirtschaft wurde auch durch den Anstieg der reinen Baukosten im Berliner Wohnungsbau nicht beeinträchtigt. Er betrug zwischen 1952 und 1968 das Achtfache des Preisanstiegs bei industriellen Erzeugnissen und immerhin noch das Dreifache der Erhöhung der Lebenshaltungskosten. Soweit die Mehrkosten nicht auf Mieter oder Bauherren abgewälzt werden konnten, sah die Wohnungsbaupolitik in Berlin (West) keine Alternative als die öffentliche Förderung entsprechend aufzustocken. Die Grenzen der haushaltsmäßigen Finanzierbarkeit des Wohnungsbaus wurden scheinbar durch die zeitliche Streckung im Wege der schrittweisen Umstellung der Förderung auf das System der Aufwendungshilfen gelöst. Die Umstellung der Wohnungsbauprogramme von der Kapitalsubventionierung (Vergabe öffentlicher Baudarlehen) auf die sog. Ertragssubventionierung durch Aufwendungshilfen ließ jedoch die zukünftigen öffentlichen Zahlungsverpflichtungen ins Uferlose steigen. Mittel- und langfristig führte diese Förderungsmethode durch die Kumulation eingegangener Zahlungsverpflichtungen und die Notwendigkeit von Anschlussfinanzierungen zu einer katastrophalen Belastung des Landeshaushalts. Deshalb – und aufgrund des seit Mitte der 1990er Jahre zunehmend ausgeglichenen Wohnungsmarkts in Berlin – wurde die öffentliche Förderung des Mietwohnungsneubaus 1997 eingestellt. Die Förderung von Eigentumsobjekten endete 2001. Dieses spätere Datum war einerseits der Tatsache geschuldet, dass die Eigentumsförderung einen relativ geringen Anteil an den bis dato insgesamt ausgereichten Fördervolumen hatte. Zudem war erklärtes Ziel des Berliner Senats, den Anteil des selbstgenutzten Wohneigentums im Rahmen der „Eigentumsstrategie Berlin 2000“ in der Mieterstadt Berlin zu erhöhen.
Mieten im sozialen Wohnungsbau Da die Mieten im sozialen Wohnungsbau abhängig von den jeweils geltenden Einstiegsmieten und der Dauer der Mietanpassung sind, sind die Mietpreise extrem unterschiedlich. Nach Angaben der Senatsverwaltung haben sich die durchschnittlichen Nettokaltmieten in den geförderten Wohnungen von 1995 bis 2007 um etwa 1,30 Euro/ qm monatlich auf inzwischen 5,09 Euro/qm monatlich erhöht. Bei den durchschnittlichen Betriebs- und Heizkosten des Jahres 2007 betragen die Gesamtwohnkosten im Sozialen Wohnungsbau für die Mieter inzwischen etwa 7,80 Euro/qm monatlich. Damit ist der soziale Wohnungsbau – errichtet für „breite Schichten der Bevölkerung“ früherer Tage – für die ökonomisch benachteiligten Haushalte von heute, insbesondere Arbeitslosengeld II-Empfänger, nur eingeschränkt zugänglich. Zudem haben sich durch die starren Belegungsbindungen und die sog. Fehlbelegungsabgabe einseitige Sozialstrukturen zum Nachteil der Sozialwohnungen herausgebildet. Diese einseitigen Sozialstrukturen entstanden wesentlich in den 1970er Jahren durch die heftige Kritik an der Belegung von Sozialwohnungen. In der Öffentlichkeit war kaum vermittelbar, dass immer mehr Sozialwohnungsmieter die Einkommensgrenzen für den Bezug einer Wohnung des sozialen Wohnungsbaus überstiegen. Diese Debatte führte zur Einführung der „Fehlbelegungsabgabe“, die jedoch den Wert einer sozialen Durchmischung negierte. Mit den Folgen, insbesondere in den Großsiedlungen des sozialen Wohnungsbaus, hat Berlin heute zu kämpfen – z. B. indem mit Hilfe eines öffentlich finanzierten Quartiersmanagements „überlasteten Nachbarschaften“ beigestanden werden soll (▷Soziale Stadt). Ende der Förderung des sozialen Wohnungsbaus Nach der Wende in den 1990er Jahren wurde die Förderpraxis zu einer „Vereinbarten Förderung“ verändert. Die staatlichen Zuschüsse orientierten sich nun nicht mehr an den tatsächlichen Aufwendungen der Eigentümer, sondern an pauschalierten Grundstückskosten und Baukostenansätzen. Die Mietpreise orientierten sich jedoch auch in diesem Zeitraum noch an einer festgelegten Sozialmiete. Ab 1999 wurde bei der Mietpreisfestlegung die Einkommenssituation der Mieter stärker berücksichtigt („Einkommensorientierte Förderung“). Insgesamt wurden nach der Wende über 70.000 Wohnungen mit öffentlicher
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Förderung errichtet. Der größte Teil dieser Wohnungen unterliegt bis heute den Mietpreis- und Belegungsbindungen, die mit der Bewilligung festgelegt wurden. Weil die Zahl der Wohnungen die der Haushalte überstieg, erschien eine Förderung im bisherigen Umfang nicht mehr notwendig und finanziell möglich. „Deshalb wurden in den letzten Jahren die Mittel für Neuzusagen von Förderungen kontinuierlich reduziert und nahezu alle Förderprogramme des Landes eingestellt. (…) Einschneidendste Maßnahme des Senats von Berlin zur Kürzung von Fördermitteln war die Entscheidung im Februar 2003, eine Anschlussförderung im öffentlich geförderten Wohnraum für ca. 28.000 Mietwohnungen und gut 3.000 selbst genutzte Eigentumswohnungen/ Einfamilienhäuser nicht mehr zu gewähren.“ (IBB 2003:55) Die Einstellung der Anschlussförderung nach den ersten 15 Jahren öffentlicher Hilfen für Neubauobjekte war allein haushaltspolitisch begründet. Diese Entscheidung war politisch und wirtschaftlich höchst umstritten und bedeutete für einige Eigentümer öffentlich geförderten Wohnraums die Insolvenz. Das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 1. September 2006 (Föderalismusreform) dokumentiert schließlich den endgültigen Rückzug des Bundes aus der Wohnraumförderung. Der öffentlich geförderte Wohnungsneubau ging in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder über. Darüber hinaus wurde im Föderalismusreform-Begleitgesetz geregelt, dass den Ländern für die wegfallenden Finanzhilfen für die Jahre 2007 bis 2019 Kompensationsleistungen des Bundes zustehen. Die Bundesregierung stellt den Bundesländern in diesem Zeitraum jährlich rund 518 Mio. Euro zur Verfügung, von denen Berlin rd. 32 Mio. Euro jährlich erhält. Ob sich der Bund danach an der Wohnungsbauförderung weiter beteiligt, wird dann entschieden. Wohnungsbau in der DDR In der DDR begann der Wohnungsbau in der „Nationalen Tradition“ in den 1950er Jahren. Besonders herausragendes Beispiel ist der Bau der Stalinallee, heute Karl-Marx-Allee. Der „Nationalen Tradition“ folgten die Phase der „Internationalen Moderne“ in den 1960er Jahren und danach der massenhafte Plattenbau, insbesondere in Neubaugebieten am Stadtrand. Für alle seit Anfang der 1960er Jahre errichteten Wohngebiete wurde die Konzeption des „komplexen Wohnungsbaus“ realisiert. Hiernach waren Schulen,
Einkaufshallen, Gastronomieeinrichtungen, Kindergärten und Kinderkrippen, Sport- und Spielplätze gleichzeitig mit dem Bau der Wohngebäude zu errichten. Ost-Berlin hatte bei der Zuteilung von bauwirtschaftlichen Kapazitäten eine besondere Priorität als Hauptstadt der DDR. Mitte der 1970er Jahre wurde die „Lösung der Wohnungsfrage“ in der DDR bis 1990 in Aussicht gestellt. Dieses ehrgeizige, aber unrealistische Ziel hätte neben dem Wohnungsneubau auch Sanierungsmaßnahmen im Altbaubereich einbeziehen müssen. Zwischen 1962 und 1990 wurden in Ost-Berlin dennoch rund 304.000 Wohnungen errichtet (in West-Berlin 386.000 im gleichen Zeitraum). Zwei Drittel der Neubauwohnungen wurden im staatlichen „volkseigenen Wohnungsbau“ errichtet, ein weiteres knappes Drittel im genossenschaftlichen Wohnungsbau und nur 1,6 Prozent im privaten Bereich. Alle diese Wohnungen sind jedoch rechtlich nicht Sozialwohnungen, wie sie das I. und II. WoBauG der Bundesrepublik definierte. Kommunale Wohnungsunternehmen In Berlin (West) fiel den gemeinnützigen und insbesondere den kommunalen Wohnungsunternehmen bei der Schaffung von Sozialwohnungen eine besondere Rolle zu. Im Ostteil der Stadt waren – neben den Genossenschaften – die früheren Kommunalen Wohnungsverwaltungen (KWV), die nach der Wende zu städtischen Kapitalgesellschaften umgewandelt wurden, für die Bewirtschaftung von Wohnungen zuständig. Auch wenn diese Wohnungen – ebenso wie viele Wohnungen städtischer Unternehmen der alten Bundesrepublik – rechtlich außerhalb der Regelungen des I. und II. WoBauG liegen, sind sie oftmals faktisch ähnlichen Miet- und Belegungsbindungen unterworfen wie Sozialwohnungen. Dies gilt auch für Wohnungen, die in den alten Bundesländern öffentlich gefördert wurden, jedoch aus den Bindungen früherer Jahre entlassen sind. Mit dem Rückgang des öffentlich geförderten Wohnungsbaus sorgen verstärkt politische Entscheidungen der öffentlichen Gesellschafter dafür, dass Mieter, die auf dem freien Wohnungsmarkt nur schwer eine angemessene Wohnung finden, untergebracht werden. Problematisch wirkt sich jedoch hierbei die erhebliche Privatisierung früherer Bestände des sozialen Wohnungsbaus bzw. des Verkaufs ganzer Wohnungsunternehmen v. a. an Finanzbzw. Kapitalinvestoren mit einem kurzfristigen Renditedenken aus.
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Bilder gibt es von jedem wahrnehmbaren und vorstellbaren Phänomen, auch von Städten mit ihren Räumen und dem Leben in ihnen. Das zusammengesetzte Wort Stadtbild gehört zu denjenigen Begriffen, deren Inhalte auf bewusster und unbewusster individueller Wahrnehmung beruhen. Im konkreten Fall bedarf es der Klärung, was wer vom real gegebenen oder gedanklich gewünschten Phänomen Stadt als Bild vor Augen hat. Die Frage stellt sich für verschiedene Zeiten, an verschiedenen Orten und für verschiedene Kulturen. Sie ist mehr oder weniger immer Gegenstand der öffentlichen und der fachlichen Diskussion, weil sich „lebende“ Städte im Ganzen und in den Teilbereichen immer verändern – langsamer oder schneller, weniger oder mehr. Es ist eine Grundfrage der Bau- und Stadtplanung, sollten die Beteiligten angesichts unterschiedlicher Lebensstile doch verstehen und möglichst kennen, was als wichtig oder unwichtig, als schön oder hässlich erfasst, bewertet und gewünscht wird. Über Bilder verständigen wir uns mit Worten oder nonverbal mit Darstellungen. Worte erzeugen Bilder, Vorstellung im Kopf. Bilder, auch Stadtbilder, enthalten Botschaften. Sie lassen etwas erinnern und erkennen. Bilder sind so wichtig und so wirksam wie Worte. Allein das Wort Stadt (auch Alt-, Satelliten-, Zwischenstadt, ▷Europäische Stadt oder die Namen von Städten) provoziert intuitiv bestimmte, mehr oder weniger tradierte Bild-Vorstellungen. In der
Fachdiskussion wird das Wort Ortsbild synonym benutzt. Etymologisch ist die älteste Bedeutung des Wortes Bild „Vorbild, Muster“ und erst später überwiegt „Abbild“ (Kluge 1999:109). Der Begriff Bild kann demnach mehr normativ (so soll es sein) oder mehr deskriptiv (so ist es) gebraucht werden. Nicht nur bei Spezialisten für ▷Architektur und ▷Stadtplanung ist die ursprüngliche Bedeutung von Bild aktuell. „Ein-Bild-haben“ und „sich-ein-Bild-machen“ sind konstituierend für planende Eingriffe in städtischen Zusammenhängen sowie für die Beurteilung und Wertschätzung realer physisch-technischer Stadt mit ihren vielen Orten. Die real gegebene Wirklichkeit der Dinge, die gebaute Umwelt, und konkrete Abbildungen von dieser Wirklichkeit erzeugen durch Wahrnehmungsprozesse (Perzeption) Vorstellungsbilder (Images) von Stadt. Ein Stadtbild war und ist immer mehr als „der optische Gesamteindruck einer Stadt“, wie das Wort 1932 in Wasmuths Lexikon der Baukunst (Wasmuth 1932:432) – auffallend knapp angesichts der Rolle, die Architektur und ▷Städtebau in den politischen Auseinandersetzungen der Moderne spielten – definiert wurde. Stadtdarstellungen, also festgehaltene, abgebildete Bilder von Siedlungen, gibt es schon in den frühesten Siedlungsepochen. Als älteste gilt eine Wandmalerei in der Türkei, aus dem Grabungsort Catal Höyük, datiert ca. 6.500 v. Chr. Mit der Abbildung des Vulkans Hasan Dag haben Menschen dort zugleich ein Landschaftsbild festgehalten, das möglicherweise auch ein Naturereignis darstellt, einen Vulkanausbruch (Lichter 2007:126f). Warum und wofür das Bild entstand – weshalb es also wichtig war, die Siedlung abzubilden – wissen wir nicht; auch nicht, wie Zeitgenossen das, was sie sahen, bewerteten, was es ihnen „sagte“. Es gibt etymologische Wörter-, aber keine etymologischen Bilderbücher. Eine systematisierte, abbildend erklärende Zusammenstellung der von „Stadt“ existierenden Darstellungen, sei es als Zeichnung, Malerei, Relief oder Foto, würde die von Menschen geschaffene, als Stadt bezeichnete Lebensumwelt, sehr unterschiedlich und aus verschiedenen Blickwinkeln, mit Menschen oder ohne sie, mit oder ohne Hervorhebungen, insgesamt oder im Ausschnitt, vollständig oder angedeutet, zeigen. Auf einen Blick wäre zumindest die Vielfalt und Vielschichtigkeit dessen erfassbar, was in verschiedenen Zeiträumen und Orten, in verschiedene Kulturen und Generationen als Stadt begriffen und erlebt wurde. Einzeln dargestellte Stadtbilder geben nur Teile des Phänomens Stadt wieder. Sie gründen auf den individuellen Vorstel-
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lungsbildern, die diejenigen, die die Abbildungen geschaffen haben, von der jeweiligen Wirklichkeit „Stadt“ hatten oder haben (wie viele und welche Zeitgenossen hatten oder haben sie auch?) bzw. auf dem, was sie den Betrachtern sagen wollen, was ihnen (und anderen?) wichtig war. Komplexe Wechselwirkungen der gesellschaftlichen Entwicklung verändern beides, die reale gebaute (äußere) Umwelt mit ihren Räumen und dem Leben in ihnen und die Wahrnehmung der Menschen, die Stadt jeweils aus ihrer Perspektive sehen und bewerten. Es verändern sich auch die Sichten der Stadt, die Bilder, die Images und die Identitäten, weil sich Voraussetzungen für Lebensqualitäten ändern. Man denke an ▷Großsiedlungen der 1960er Jahre, an die Sanierungen und den ▷Stadtumbau von Gründerzeitvierteln in den 1970er und 1980er Jahren oder an den Bau von Bürohochhäusern ab Ende des 19. Jahrhunderts und die entsprechend veränderten Bilder der Stadtsilhouetten. Alte Fotografien von Stadtquartieren oder Orten, in denen wir leben, können uns ein mehr oder weniger anderes Stadtbild erfahren lassen. Bauten und Einbauten, Fassaden, Straßenmöbel, Oberflächen oder Begrünungen haben sich verändert, anders gekleidete Menschen oder andere Fahrzeuge sind zu sehen. Dennoch sind überkommene Dinge und Strukturen, die uns in der Realität durch eigene Anschauung vertraut wurden, wieder erkennbar. Stadtbilder sind nicht statisch, sie leben. Exakt abgebildete Darstellung von einer geplanten späteren physisch-technischen Stadtwirklichkeit garantieren ebenso wenig, wie Image erzeugende Computersimulationen, dass Stadtbilder gleich gesehen werden. Subjektive Wahrnehmungen, sei es in Ruhe oder Bewegung, erzeugen bei Bewohnern oder Gästen, bei Kindern oder Alten, unterschiedliche Stadtbilder. Lynch hat 1960 mit seiner Studie „The Image of the City“ („Das Bild der Stadt“) insbesondere den Spezialisten für das ▷städtebauliche Entwerfen erstmals die Augen für die Komplexität von Stadtbildern geöffnet und empirisch gezeigt, dass in der existierenden Stadt sehr unterschiedliche Stadtbilder gesehen, erlebt und vorgestellt werden. Wir müssen uns darüber, was wir sehen und nicht sehen, immer wieder verständigen. Die Fähigkeit zu sehen muss gelernt und geübt werden, wie Verständigung über wahrgenommene Qualitäten auch. Die Frage nach den gemeinsamen Stadtbildern berührt alle Lebensbereiche. Der Grad des Gemeinsamen der Bild-Wahrnehmung, damit die jeweilige Bewertung vorhandener und gemeinsam genutzter sowie erst recht gewünschter realer Stadt – als Gesamtheit oder in ihren Teilen – dürfte dem Grad
der sonstigen, wie auch immer entstandenen und gearteten generell-kulturellen und/oder speziellfachlichen, „Stadt“ betreffenden Gemeinsamkeiten entsprechen. Dass Vorstellungsbilder nicht nur durch Aneignung infolge von Nutzung, sondern auch durch Propagieren, Planung und Realisierung bestimmter Stadtbilder beeinflusst werden können und sollen, zeigt jede Stadt mit ihrem Erbe aus verschiedenen Epochen der Bau- und Stadtbaugeschichte. Stadtbildgestaltung ist eine Teilaufgabe für und ein Ergebnis von ▷Stadtpolitik. Die ästhetische Dimension ist eine von vielen. Als Beispiel für den erreichten Wandel von Image und ▷Identität eines Stadtteils sei das Berliner Märkische Viertel angeführt. Viele einzelne baulich-räumliche Veränderungen für die Nutzung und das Aussehen der Gebäude und des öffentlichen Raumes veränderten die Voraussetzungen für Stadtbilder, ohne die von Architekten konzipierten Grundstrukturen der Stadtgestalt anzutasten. Dem herausragend positiven Bild einer neuen Großsiedlung, das die planenden Architekten mit ihrem Anspruch an (Stadt-)▷Architektur und Baukunst Anfang der 1960er Jahre einst propagierten und realisieren konnten, stand ab Ende der 1960er Jahre bei Bewohnern und in der breiten öffentlichen Meinung das katastrophal negative Bild einer nicht lebensgerechten, menschenverachtenden gebauten Umwelt gegenüber. Auf der Basis strategischer wohnungswirtschaftlicher Überlegungen veränderte die mit den Betroffenen im Dialog entwickelte, in Form und Farbe nachbessernde Gestaltung (an Gebäudeeingängen, an Fassaden, im öffentlichen Raum und in den öffentlichen Einrichtungen) sowie intensivere Betreuung der Bewohner – also insgesamt auf Bewohnerwünsche reagierende, abgestimmt erarbeitete materielle und immaterielle Veränderungen – seit den 1980er Jahren das sichtbare und erlebbare Phänomen „Märkisches Viertel“. Mit entscheidend für die veränderten Stadtbilder in den Köpfen waren eine andere Politik, wohnungswirtschaftliche Aktivitäten und soziale Betreuung, die die von den Bewohnern kritisierten Rahmenbedingungen für das Leben verbesserten. Im Jahr 2008 formuliert ein langjähriger Bewohner: „Das Märkische Viertel ist lebenswert, weil das schlechte Image nur ein Image ist und hier viele junge Familien leben“ (zit. in: Anker 2008). Dass die Stadtbildthematik hochkomplex ist, wird in den aktuellen Auseinandersetzungen um Denkmalschutz und Denkmalpflege deutlich. Die Kernfrage lautet: Für wen, für welche Interessen und nach welchen ▷Leitbildern wurde und wird
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geplant? Wer die physische Stadt planend verändert, sei es Gebäude, Straßen oder Grün betreffend, verändert immer auch Stadtbilder. Das gilt für die räumlich kleinen, aber in ihrer Bedeutung oft großen Bilder im Wohnumfeld – weshalb sich häufig Protest erhebt und ▷informelle Planung die ▷Abwägung unterstützen muss – und für die großen, ganzen Bilder, etwa Stadtsilhouetten, wie die Weltkulturerbe-Debatten in Köln und Dresden zeigen. Oft stehen Bilder im Vordergrund, aber selten sind es allein die Bilder, um die öffentlich gerungen wird. Es geht um das, was dahinter steht, um Veränderungen von (Lebens-)Qualitäten. Bilder verdeutlichen die Probleme und können sie anschaulich zum Ausdruck bringen, aber mit ihnen allein lassen sich Probleme nicht lösen. In den Stadtgeschichten zeigen die jeweiligen Bilder für jede Epoche Typisches. Werden Stadtbilder als wichtig angesehen, so wird darüber diskutiert und es werden Normen und Regeln entwickelt. Die Erklärung dafür, warum wer Stadtbilder als wichtig erachtete und warum bestimmte Vorbilder propagiert und beachtet wurden, findet sich in der komplexen Geschichte und Kultur der dynamischen Stadtgesellschaften und ihrer „ordnenden Macht“. Schumacher schrieb vom „künstlerischen Bild der Stadt“, das „in irgendwelchen Zusammenhang zu bringen“ sei, wozu es eine „ordnende Macht“ geben müsse (Schumacher 1935:306). Jede Planungsgeschichte – vom mittelalterlichen Siena, absolutistischen Karlsruhe, klassizistischen Neuruppin, von Stadtneugründungen des 20. Jahrhunderts, Wolfsburg im Dritten Reich oder Eisenhüttenstadt im DDRNachkriegsdeutschland oder von New Yorks Manhattan – offenbart mehr oder weniger deutlich, welche Macht und welche Mächte, aber auch welche Art (Stadt-)Baukunst Städte und damit ihre Bilder schufen und prägten. Stadtbild ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Im Straßen- und Baufluchtengesetz von 1875 – es war die Zeit tief greifender Veränderungen – sollte § 3 regeln, „dass eine Verunstaltung der Straßen und Plätze sowie des Orts- und Landschaftsbildes nicht eintritt“. Das Hamburger Baupflegegesetz von 1929 hatte „den Zweck, unter Wahrung der künstlerischen Interessen das Straßen-, Hof-, Orts- und Landschaftsbild im hamburgischen Staatsgebiet gegen Verunstaltung zu schützen“ (§ 1), womit alle Vorhaben, „die im Straßen-, Ortsoder Landschaftsbild sichtbar sind“, anzeigepflichtig wurden (§ 4). Die Diskussion darüber, was „Verunstaltung“ ist, musste geführt werden. Politische und wirtschaftliche Machtausübung oder richterliche Entscheidung konnte (und kann) sie
allerdings beenden. Im aktuellen deutschen Baugesetzbuch sind bei Erhaltungssatzungen (§ 172) Genehmigungen davon bestimmt, ob „die bauliche Anlage allein oder im Zusammenhang mit anderen baulichen Anlagen das Ortsbild, die Stadtgestalt oder das Landschaftsbild prägt“. Dabei sind Bilder gleichgewichtig mit „städtebauliche(r), insbesondere geschichtliche(r) oder künstlerische(r) Bedeutung“ (§ 172 Abs. 3). In den gültigen Denkmalschutzgesetzen der deutschen Länder sind Bilder ein wesentlicher Regelungsgegenstand. „Kennzeichnende Straßen-, Platz- und Ortsbilder“ von „baulichen Gesamtanlagen“ in „Denkmalzonen“ sind „insbesondere gegeben, wenn das Erscheinungsbild der Anlage für eine bestimmte Epoche oder Entwicklung oder für eine charakteristische Bauweise mit auch unterschiedlichen Stilarten kennzeichnend ist“ (§ 5 Denkmalschutzgesetz Rheinland-Pfalz). Die Frage, wer heute über das Aussehen der Orte und damit über Stadtbilder in welchen Planungsverfahren entscheidet, ist immer noch eine Machtfrage. In demokratisch-pluralistischen Strukturen geht die Frage alle an. Sie betrifft das Verhältnis des Einzelnen zum Ganzen. Es gibt viele unterschiedliche Antworten, auch die der Künstler für die „ungeformte Stadt“ („informal city“) oder die der Bewohner in ihren ▷informellen Siedlungen. Stadt für Viele lebt von und mit vielen Stadtbildern. Auch heutige Stadtbilder sind Ausdruck (politischer) ▷Baukultur und Stadtkultur. Nicht zuletzt sind analytische und konzeptionelle Kompetenzen der unterschiedlichen ▷Akteure der Planung gefragt. Architekten, Städtebauer und Stadtplaner machen auf der Basis ihres in der ▷Architekten- und Planerausbildung (▷Ausbildung zur Planung) gelernten und in der Praxis erarbeiteten Könnens Vorschläge für die nutzbare Form der Dinge, die zu (Stadt-)Bildern führen. Die Qualität der Orte für ein heutiges und zukünftiges Stadtleben verantworten sie aber nie allein. Viele sind beteiligt und mitverantwortlich. Irgendwelche Ortsbilder bieten Städte immer. Ein gemeinsames Verständnis von Qualität erfordert das „Darüber-Reden“ und „Sich-darum-Kümmern“. Stadtbildqualitäten müssen von vielen gewünscht sein, damit sie werden können. Machule
Literatur Anker, J. (2008): Sie wollen hier noch hoch hinaus, Zwischen 90000 Platanen und Wohntürmen. Serie: Das ist Berlin. Das Märkische Viertel. In: Berliner Morgenpost, Ausgabe vom 10.10.2008 Braunfels, W. (1988): Mittelalterliche Stadtbaukunst in der Toskana. Berlin Jacob, B.; Schäche, W. (Hrsg.) (2004): 40 Jahre Märkisches Viertel.
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STÄDTEBAU/URBAN DESIGN Begriffsklärung und Abgrenzung Städtebau ist der deutsche, „Urban Design“ der englische Ausdruck für das hier behandelte Stichwort. Beide beziehen sich in der jeweiligen Fachsprache auf denselben Gegenstand: die baulichräumliche Organisation von Stadt, die gebaute Umwelt, im Unterschied zu ihrer sozialen, ökonomischen und ökologischen Organisation. Beide Begriffe umfassen gleichermaßen Praxis und Theorie, die Untersuchung der jeweils vorhandenen Stadt, die städtebauliche Planung und die Durchführung von Maßnahmen. Im Deutschen wird Urban Design allerdings auch verkürzend auf ▷städtebauliches Entwerfen bezogen. Im Folgenden ist einheitlich von Städtebau die Rede. Städtebau bezieht sich auf das Bauen von Stadt. Stadt ist der Gegenstand, Bauen eine auf die Herstellung, Veränderung oder Beseitigung von Gebäuden, technischen Anlagen und Pflanzungen gerichtete Tätigkeit. Beim Städtebau geht es aber, im Unterschied zur Errichtung einzelner Gebäude, nicht um das Bauen an sich, sondern um die Anordnung von Gebäuden und ihre Beziehung und Verbindung zueinander (Cerdá 1867) und dabei um die Koordination und Steuerung der Bautätigkeit. Das Bauen selbst ist Sache einer Vielzahl von Handelnden, privaten und öffentlichen. Die Koordination und Steuerung betrifft städtische, vorstädtische und ländliche Siedlungsformen und darüber hinaus den räumlichen Zusammenhang zwischen den Siedlungseinheiten innerhalb eines größeren Gebietes (Region). Die baulich-räumliche Organisation von Stadt liefert wichtige Rahmenbedingungen für die soziale Organisation (ebenso, wie diese umgekehrt zu bestimmten Formen räumlicher Organisation
führt): Behausung und Bewegung, Nutzung und Wahrnehmung, Handeln und Verhalten (Stadt als Gesellschaft). Sie ermöglicht und fördert die Produktion und den Austausch von Gütern und Dienstleistungen (Stadt als Markt). Die Herstellung von Stadt und ihr „Betrieb“ sind mit dem Verbrauch von Ressourcen, mit Energie- und Stoffströmen und Eingriffen in den Naturhaushalt verbunden (Stadt als Biotop). Insofern steht Städtebau in engem Wechselverhältnis zu den sozialen, ökonomischen und ökologischen Aufgaben der ▷Stadtplanung und ▷Stadtpolitik. (▷Stadtund Regionalsoziologie, ▷Stadt- und Regionalökonomie, ▷Stadtökologie) Die Aufgabe von Städtebau ist im Kern durch den Umgang mit den materiell-physischen Ressourcen Bodenfläche, Bebauung, Erschließung und Bepflanzung gekennzeichnet. Diese bilden das „Material“ zur Bestimmung und Gestaltung der Außenräume, zumal des öffentlichen Raums und von Orten und Wegenetzen auf den unterschiedlichen Maßstabsebenen (Straße/Platz, Quartier, Stadtteil, Gesamtstadt, Region). Dazu gehört die Ausweisung von Baugebieten und Nicht-Baugebieten, von Bodeneinteilung, Bodennutzung und Standortverteilung, die Ausstattung mit sozialen und technischen Einrichtungen und die Zueinanderordnung von Gebäuden, technischen Anlagen und Pflanzungen zu Außenräumen. Dabei ist eine wechselseitige Verständigung und enge Zusammenarbeit mit den verschiedenen ▷Fachplanungen erforderlich: ▷Verkehrsplanung, Energieund Wasserwirtschaft, Umweltschutz, Grün- und Freiflächenplanung, Wohnungswesen (▷Sozialer Wohnungsbau) usw. Der überwiegende Teil der Aufgabe von Städtebau in den entwickelten Ländern ist heute der Umgang mit der vorhandenen Stadt (▷Bestandsentwicklung und Stadterneuerung), mit den Zeugnissen der Vergangenheit, die sich im Stadtgrundriss und Stadtaufriss, im öffentlichen Raum, aber auch dem jeweils vorhandenen Nutzungs- und Standortgefüge darstellen. Ziele von Städtebau sind die Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität baulich-räumlicher Organisation von Stadt, d. h. die Koordination und Steuerung der Bautätigkeit in der Weise, dass die Anordnung der einzelnen Gebäude sowie der technischen Anlagen und Pflanzungen zu räumlichen Synergien führt, die das Dasein, das Handeln und Verhalten der Einwohner, Gewerbetreibenden und Passanten unterstützen oder gar erst ermöglichen, mindestens nicht behindern (Qualität städtischer Lebensbedingungen). Im Einzelnen bedeutet dies: Erfüllung des Flächenbedarfs und der Standortanforderungen der privaten
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Haushalte, Wirtschaftsunternehmen, öffentlichen Institutionen usw. einerseits nach ihren spezifischen Nutzungsansprüchen, andererseits unter sparsamem Umgang mit der nicht vermehrbaren Ressource Grund und Boden (▷Nachhaltige Stadtentwicklung); Sicherstellung wechselseitiger Zugänglichkeit über ein maßstäblich differenziertes Straßen- und Wegenetz (ggf. Schienennetz), zugleich von wirtschaftlich und ökologisch sinnvollen Verkehrsbedingungen, u.a. durch geeignete Nutzungsmischung und Bebauungsdichte (▷Städtebauliche Dichte); insgesamt bedeutet dies: Zueinanderordnung der Gebäude und sonstigen Anlagen zu einem vielseitig nutzbaren, visuell und körperlich wahrnehmbaren Bebauungs-, Erschließungs- und Außenraumsystem. Städtebauliche Planung muss gleichermaßen technischen, funktionalen wie ästhetischen Ansprüchen genügen; sie ist sowohl den Oberzielen der Grundsicherung örtlichen Daseins und der Nutzbarkeit wie denen der Verständlichkeit und Nachhaltigkeit von Stadt verpflichtet. Eine besondere Rolle und Bedeutung hat dabei der öffentliche Raum. Gebauter öffentlicher Raum (zu unterscheiden vom sozialen öffentlichen Raum) entsteht, wenn die Gebäude, technischen Anlagen und Pflanzungen in bestimmter Weise zueinander geordnet sind (räumliche Synergie). Seine Schlüsselfunktion für den Städtebau liegt darin, dass er als „Raum-Netz“ maßgeblich die Beziehung und Verbindung zwischen den Grundstücken, Gebäuden, Baublöcken, Straßenabschnitten, Plätzen, Quartieren, Stadtteilen usw. sicherstellt, jeden Ort mit jedem anderen Ort verbindet. Der öffentliche Raum macht dadurch einerseits die Stadt praktisch nutzbar. Er ermöglicht andererseits die zusammenhängende visuelle und körperliche Wahrnehmung von Stadt und macht ihre baulich-räumliche Organisation verständlich. Der öffentliche Raum ist das zusammenhängende, die ganze Stadt durchdringende Primärsystem, strukturierende Vorgabe und Hülle für die Bebauung der Stadt. Als freizuhaltender Raum zwischen Insel- oder Blockflächen besitzt er eine erheblich längere „Lebensdauer“ als die ihn begrenzenden Gebäude. Diese mögen in bestimmten Zyklen abgerissen und neu gebaut werden, der öffentliche Raum bleibt, in Verbindung mit der Bodeneinteilung, in gewisser Hinsicht physisch derselbe. Dadurch ist er auch in stärkerem Maße als die Gebäude Träger der Geschichte und Identität einer Stadt. Seine besondere Rolle für die städtebauliche Planung besteht nicht zuletzt darin, dass er sowohl Produkt der ihn begrenzenden Gebäude, technischen Anlagen und Pflanzungen ist als auch Vorgabe für deren räumliche Anord-
nung sein kann. Er ist ganz überwiegend Träger der technischen Infrastruktur. Er war die Infrastruktur der Stadt, längst bevor es technische Infrastruktur im heutigen Sinne gab (die modernen technischen Anlagen kamen später hinzu). Städtebau steht als Disziplin zwischen ▷Stadtplanung und ▷Architektur, also einerseits dem zielbezogenen, vorausschauenden Eingreifen in die Stadtentwicklung (▷Stadtentwicklungsplanung), andererseits den einzelnen Baumaßnahmen, die die Stadt materiell-physisch hervorbringen. Er ist eng verbunden mit der ▷Landschaftsplanung. Städtebau wird hier als Teil von Stadtplanung gesehen und betrifft deren baulich-räumliche Dimension (siehe oben). (In der fachlichen Diskussion gehen beide Begriffe oft ineinander über, was nicht zweckmäßig erscheint.) Maßgebliches Bindeglied zwischen Städtebau und Stadtplanung ist die Bodennutzungs- bzw. Flächennutzungsplanung (▷Bauleitplanung). Der Begriff der Nutzung ist sozialer bzw. ökonomischer Natur; Planung formuliert hier Vorbedingungen für die Bodennutzung bezüglich der Errichtung, des Umbaus oder der Beseitigung von Gebäuden, technischen Anlagen und Pflanzungen, ohne die die entsprechenden sozialen und wirtschaftlichen Aktivitäten nicht stattfinden könnten. Es handelt sich um die Koordination und Steuerung der räumlichen Zueinanderordnung von Aktivitäten, die längerfristig und regelmäßig auf den Grundstücken betrieben werden: wohnen, arbeiten, produzieren, verwalten, kaufen, verkaufen, sich erholen, sich bewegen, Ackerbau treiben usw. Sie bezieht sich auf den laufenden Vorgang der Nutzungsänderung: wie die Teilgebiete und Grundstücke genutzt oder nicht genutzt werden sollen, in welche Richtung sich die räumliche Verteilung der unterschiedlichen Nutzungsarten und ihrer Standorte im Verlauf bestimmter Zeitabschnitte entwickelt und was in den einzelnen Teilgebieten demzufolge gebaut oder nicht gebaut werden soll. Bindeglied und Überschneidungsfeld zwischen Städtebau und Architektur ist die Bebauungsplanung, insbesondere das städtebauliche Entwerfen. Städtebauliches Entwerfen zielt auf die räumlich gestaltende Rahmensetzung für die Anordnung der Gebäude, technischen Anlagen und Pflanzungen, die dann durch entsprechende Einzelentwürfe ihre Verwirklichung erfährt (Rahmenausfüllung). Dabei bedarf es eines Spielraums und der Rückkoppelung zwischen städtebaulichem Entwurf und den einzelnen Gebäudeentwürfen. Das Wechselverhältnis zwischen Rahmensetzung und Rahmenausfüllung hat eine räumliche und eine zeitliche Dimension: räumlich sichert der Spielraum
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den einzelnen Akteuren (Bauherren, Architekten usw.) Gestaltungsfreiheit bei ihrer Standortwahl und bei ihren Baumaßnahmen und ermöglicht für das Plangebiet bauliche Vielfalt, zeitlich ermöglicht er Anpassung und Veränderung während eines längeren Entwicklungsprozesses. Allerdings muss die Rahmensetzung präzise genug sein, um eine funktionstüchtige baulich-räumliche Organisation zu sichern und aus der Vielfalt der Einzelmaßnahmen Stadtstruktur, öffentlichen Raum und ▷Stadtbild entstehen zu lassen. Städtebauliches Entwerfen beinhaltet aber nicht nur die Festlegung von Entscheidungen über die Form eines Projekts und die Zusammenfassung von verfügbarem Wissen, von Ideen und Anregungen zu einem räumlichen Bild, sondern auch eine detaillierte Erkundung der räumlichen Möglichkeiten durch probeweise Anordnungen, mit denen das Potenzial eines Ortes getestet wird. Dies bedeutet zugleich, Wirkungen von Entwurfsalternativen abzuwägen und neue Lösungen hervorzubringen: „research by design“ (Pasveer 1993). Ein besonderes Verhältnis besteht zwischen Städtebau und Landschaftsplanung. Sie durchdringen sich gegenseitig. Städtebau ist zwar traditionell insbesondere auf die Siedlungs- und Verkehrsflächen, also auf die bebauten oder zu bebauenden Teilgebiete gerichtet, Landschaftsplanung oder ▷Landschaftsarchitektur auf die nicht bebauten oder nicht zu bebauenden Flächen (städtische Freiflächen, Parke, Wälder, Gewässer, landwirtschaftliche Flächen usw.). Eine solche Arbeitsteilung zwischen Städtebau und Landschaftsplanung widerspräche aber der Tatsache, dass Gebäude und Freiraum, Siedlung und Landschaft vielfältig und auf allen Maßstabsebenen miteinander verbunden sind. Die Arbeitsteilung erwächst heute vielmehr aus der baulich-räumlichen Kompetenz auf der einen und der biologisch-ökologischen Kompetenz auf der anderen Seite und verlangt im Übrigen eine enge Kooperation. Bedeutung, Handlungsfelder, fachliche und politische Einordnung Die Bedeutung von Städtebau entspricht der Bedeutung, die der baulich-räumlichen Organisation von Stadt für die menschlichen Lebensbedingungen insgesamt zukommt. Städtebau kann als die „gesellschaftliche Produktion von Raum in seiner materiellen und symbolischen Dimension“ gesehen werden (Cuthbert 2006). Alle bekannten Zivilisationen haben sich bis heute der funktionalen und symbolischen Kraft städtischer Siedlungsform bedient und sind in unterschied-
licher Ausprägung mit ihr verbunden. Kennzeichen sind die Akkumulation sozialer, ökonomischer, energetischer und materieller Ressourcen auf begrenztem Raum, die Konzentration vieler Gebäude, technischen Anlagen und Pflanzungen auf relativ kleiner Bodenfläche, die Art ihrer Anordnung, Beziehung und Verbindung zueinander und das daraus entstehende „Stadt-Bild“. Der Umfang der Koordination und Steuerung beim Bauen von Stadt ist dabei sehr unterschiedlich. Er reicht von Beispielen umfassender herrscherlich-diktatorischer Gestaltbestimmung bis zu solchen relativer Planlosigkeit, von der Planung von oben bis zur Selbstorganisation der Einwohner oder Zuwanderer von unten (▷Informelle Siedlungen). Der Einfluss städtebaulicher Planung (ebenso wie von Stadtplanung) auf die Stadtentwicklung ist begrenzt und muss es wohl in einer demokratisch verfassten Gesellschaft auch sein. Die Balance zwischen Gesamtinteresse und Einzelinteressen im Städtebau ist indessen nicht einfach zu finden und hängt von der klugen Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Rahmensetzung und Rahmenausfüllung ab (siehe oben). Dabei entstehen gute und schlechte Ergebnisse, nicht nur wegen fachlich unterschiedlich qualifizierter Pläne, sondern v. a. auch wegen zu kurzfristiger Sichtweise öffentlicher und privater Entscheidungsträger. Diese verkennen oft die langfristigen und integrativen Gewinne der Qualität baulich-räumlicher Organisation und ebenso die Tatsache, dass Städtebau mit langen räumlichen und technischen Investitionszyklen zu tun hat, die über die von Einzelgebäuden und -anlagen deutlich hinausgehen. Die wichtigen Handlungsfelder des Städtebaus sind Stadterweiterung, Stadterneuerung und Stadtumbau. Stadterweiterung ist die Errichtung von neuen Stadtteilen oder Quartieren auf bisher unbebautem Land, i. d. R. am Rande, aber auch außerhalb der bestehenden Stadt (▷ Großsiedlungen, ▷New Towns). Sie war im Zusammenhang mit der Industrialisierung und dem außergewöhnlichen Wachstum mancher Städte im späten 19. und in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert das klassische Handlungsfeld des Städtebaus – die ersten Stadtplanungsämter in Deutschland hießen Stadterweiterungsbüro. Manchmal wird auch von innerer Stadterweiterung gesprochen, wenn größere freie Flächen innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile in Anspruch genommen werden. Stadterweiterungen folgen mehr oder weniger dauerhaften Konzeptionen, zuweilen geschehen sie ungeplant. Wenn sie gut geplant sind, stehen sie als eine Art Muster für den Städtebau ihrer
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Zeit. Unter heutigen Bedingungen muss allerdings der Sinn von umfangreicheren Stadterweiterungen, jedenfalls in den wirtschaftlich entwickelten Ländern, in ökologischer und ökonomischer Hinsicht überhaupt infrage gestellt werden (▷ Innenentwicklung/Außenentwicklung). Stadterneuerung ist die Verbesserung der baulich-räumlichen (aber auch der sozialen, ökonomischen und ökologischen) Organisation innerhalb der vorhandenen Stadt oder ihrer Siedlungsteile. Es handelt sich einerseits um einen Prozess, der sich in unterschiedlicher Intensität und Geschwindigkeit im gesamten bebauten Stadtgebiet durch Maßnahmen privater und öffentlicher Träger laufend vollzieht, andererseits um ein Handlungsfeld des Städtebaus und der Stadtplanung in Teilgebieten der Stadt, in denen dieser Prozess nicht oder nur unzureichend stattfindet und deshalb geplante Eingriffe erfordert. Zu den baulichen und städtebaulichen Aufgaben gehören die Instandsetzung und Modernisierung, auch der Abriss und Neubau von Gebäuden, die Anpassung und Ergänzung der sozialen und technischen Infrastruktur, die „In-Wert-Setzung“ des öffentlichen Raums einschließlich der Grün- und Freiflächen. Mit Stadterneuerung sind oft auch Nutzungsänderungen verbunden. Insgesamt ist ein behutsames Vorgehen gefordert, welches vorhandene baulichräumliche, kulturelle, soziale und wirtschaftliche Strukturen berücksichtigt. ▷Stadtumbau ist eine besondere Form und ein Teil der Stadterneuerung. Er bezieht sich auf Maßnahmen größeren Umfangs innerhalb der vorhandenen Stadt. Damit sind nennenswerte Veränderungen der baulich-räumlichen Organisation verbunden: große Infrastrukturmaßnahmen, Anlage neuer zentraler Einrichtungen, Umbau oder auch „Rückbau“ ganzer Quartiere, Umwertung von Standorten, Umnutzung ehemaliger Hafen-, Eisenbahn-, Industrie- oder militärischer Flächen usw. (▷Konversion und Revitalisierung). Im Zusammenhang mit Zwischen- oder Pioniernutzungen (▷Zwischennutzungen) stellt sich die Frage nach „Städtebau auf Zeit“. Notwendigkeit oder Sinn von Stadtumbau kann sich sowohl aus dem Wachstum, der beschleunigten Entwicklung einer Stadt oder städtischen Agglomeration als auch aus ihrer Stagnation oder Schrumpfung ergeben. Mehr noch als in den Handlungsfeldern der Stadterweiterung und Stadterneuerung (im engeren Sinne), die auf bestimmte Stadtteile oder Quartiere begrenzt sind, spielt dabei das starke Wechselverhältnis zwischen gesamtstädtischen und teilräumlichen Konzeptionen eine Rolle. Bei Stadtumbau kommt es auf eine Gesamtkonzep-
tion an, die die großen Investitionen innerhalb der vorhandenen Stadt nicht nur für sich selbst, sondern für möglichst viele Entwicklungsfelder wirksam werden lässt und zugleich einen behutsamen Umgang mit dem Bestand an Gebäuden und Außenräumen gewährleistet (▷ Gebaute Geschichte). Die fachliche Einordnung von Städtebau, seine Stellung im Spektrum akademischer und praktischer Disziplinen, ist verhältnismäßig komplex. Sie bewegt sich zwischen Sozial-, Ingenieur- und Naturwissenschaften und darüber hinaus zwischen Wissenschaft und Kunst. Die Koordination und Steuerung der Bautätigkeit folgt ökonomischen und sozialen Impulsen. Diese ist Ausdruck wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufstiegs und Niedergangs einer Stadt. Dem steht nicht entgegen, dass die jeweils vorhandene baulichräumliche Organisation als materielle Gegebenheit diese Entwicklungen mitbestimmt, indem sie eine Ressource darstellt, die längerfristiges „Überleben“ auch in schwierigen Zeiten ermöglicht. Eine solche Qualität ist technischen Ursprungs (Hochbau, Tiefbau, Landschaftsbau). Sie leistet zugleich einen Beitrag zur Nachhaltigkeit, die in ihrer ökologischen Dimension an naturwissenschaftlichen Kriterien zu messen ist. Städtebau ist sowohl Wissenschaft als auch Kunst, wie von Cerdá (1867) sowie von Goecke und Sitte (1904) bereits festgestellt. Die Wissenschaft ist die Seite der rationalen Vorbereitung von Planungsentscheidungen, die systematische Beschäftigung mit den Strukturen und Entwicklungsmustern von Stadt und Siedlung, das Nachdenken über mögliche und sinnvolle städtebauliche Konzeptionen und deren Begründung, die laufende Überprüfung eines adäquaten Vorgehens bei der städtebaulichen Planung und die Evaluation ihrer Ergebnisse. Der Kunst im Städtebau ist die sinnliche Wahrnehmung und Erfahrung von Stadt zuzurechnen, die daraus zu gewinnende Intuition für den intelligenten Umgang mit der Form von Bodeneinteilung, Bebauung, Erschließung, Bepflanzung, für die Anlage und Gliederung des öffentlichen Raums und des Straßen- und Wegenetzes, für die Einbeziehung der Siedlungseinheiten in die Landschaft und der Freiräume in die Stadt. Gute Ergebnisse können nur erreicht werden, wenn der jeweils notwendige Anteil der Wissenschaft wie der Kunst in den Städtebau eingeht und wenn im Entstehungsprozess eine intensive und naturgemäß mühsame Rückkoppelung zwischen beiden, zwischen Wissenschaft und Kunst, stattfindet. Jenseits der fachlichen Einordnung ist Städtebau ausnehmend politischer Natur. Die baulich-
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räumliche Organisation innerhalb eines Gebietes betrifft alle, die dort wohnen, arbeiten oder Grundbesitz haben. Planung und Gestaltung sind unter demokratischen Verhältnissen deshalb Sache der örtlichen Gemeinschaft, der öffentlichen Hand, der politischen Gemeinde, wobei in einiger Hinsicht zwischengemeindliche und überregionale Interessen ihr Recht haben (Verkehrsverbindungen, Energie- und Wasserversorgung, Umweltschutz usw.). Dem ist durch die Bau- und Planungsgesetzgebung Rechnung getragen. Die politische Bedeutung von Städtebau steht im Spannungsfeld zwischen der Bevölkerung, den Investoren (private Haushalte, Wirtschaftsunternehmen usw.) und der öffentlichen Hand (▷Akteure der Planung). Diese kann zum Zweck der Koordination und Steuerung der Bautätigkeit institutionelle (rechtliche), materielle und informationelle Instrumente einsetzen. Jene bestimmen als Nachfrager oder Anbieter auf dem Bau- und Bodenmarkt die baulich-räumliche Organisation und das tatsächliche Nutzungs- und Standortgefüge in erheblichem Maße mit. Von der öffentlichen Hand einsetzbare institutionelle Instrumente des Städtebaus sind Vorschriften darüber, was auf den Grundstücken in Bezug auf Nutzungsart und Bebauung erlaubt und erwünscht ist (Optionen) und darüber, was nicht erlaubt ist (Restriktionen). Sie sind nach deutschem Recht im Baugesetzbuch und in anderen Gesetzen und Verordnungen festgelegt. Zu diesen Instrumenten zählen insbesondere der Flächennutzungsplan und der Bebauungsplan. Mit der Aufstellung von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen ist aber nicht zwingend verbunden, dass auch tatsächlich gebaut wird. Dies hängt davon ab, ob sich aufgrund vorhandener Nachfrage und entsprechender Rendite-Erwartungen bauwillige Investoren finden. Wenn gebaut wird, liefert das Verfahren der Baugenehmigung ein wichtiges Instrument der Kontrolle, um die Einhaltung der Vorgaben des Flächennutzungsplans und der Bebauungspläne sowie anderer Vorschriften zu gewährleisten. Weitere institutionelle Instrumente sind die Erhaltungssatzung, die Gestaltungssatzung, die Verfahren der Bodenordnung und Enteignung (▷Bodenpolitik), der ▷städtebauliche Vertrag und andere. Materielle Instrumente bestehen insbesondere in den Infrastruktur-Investitionen der öffentlichen Hand, in der Art und Weise, wie die Netze der Straßen- Schienen- und Wasserwege sowie der technischen Versorgungsleitungen angelegt und verändert werden, an welchen Standorten und in welcher zeitlichen Reihenfolge dies geschieht. Das
gilt entsprechend bei Investitionen in Gebäude für Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser usw.. Ein weiteres Instrument ist die finanzielle Förderung privater Investitionen beim Wohnungsbau (Wohnungsbauförderung) und bei der An- oder Umsiedlung von Gewerbebetrieben (▷Kommunale Wirtschaftsförderung). Die Gemeinde kann im Übrigen als Grundeigentümer im Zuge einer gezielten Bodenpolitik, z. B. über einen Liegenschaftsfonds, durch Verkauf oder zwischenzeitlichen Erwerb und Wiederverkauf von Bauland (unter ganz bestimmten planungsbezogenen Auflagen), maßgeblich zur Verwirklichung ihrer Planungsziele beitragen. Informationelle Instrumente sind öffentliche Verlautbarungen der Gemeinde über Chancen und Möglichkeiten für private Investitionen, die aufgrund der geltenden Pläne, der materiellen Standortbedingungen und der vorhandenen Förderprogramme günstig und sinnvoll getätigt werden können. Solche Verlautbarungen bestehen 1) in informellen Programmen und Plänen, z. B. städtebaulichen Rahmenplänen, Stadtteil- und Quartiersplänen oder sektoralen Entwicklungsplänen für Verkehr, Schulen, Wohnungsversorgung usw. (▷Informelle Planung), 2) in Werbeschriften und Informationsdiensten, durch die die Standortfaktoren und die Standortgunst der Stadt im Ganzen und in Teilgebieten für unterschiedliche Nachfrager (private Haushalte, Wirtschaftsbetriebe, Konsumenten, Touristen) beschrieben und bekannt gemacht werden und 3) im Rahmen der Bürgerbeteiligung in Form von öffentlichen Veranstaltungen, Bürgerforen, runden Tischen usw. (▷Partizipation). Frick, Kohlbrenner
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Die finanzielle Förderung ist ein in der Praxis zentrales Element der städtebaulichen Erneuerung (▷Bestandsentwicklung und Stadternerung). Die Maßnahmen der Stadterneuerung haben in aller Regel gewachsene städtebauliche Strukturen zum Gegenstand. Sie beziehen sich immer zumindest teilweise auf bebaute oder anderweitig genutzte Flächen. Dies ergibt sich aus dem besonderen Anwendungsbereich und der besonderen Aufgabenstellung städtebaulicher Erneuerungsmaßnahmen. Die wesentliche Verbesserung oder Umgestaltung eines Gebiets kann in aller Regel nicht allein mit den Instrumenten der ▷Bauleitplanung, mit den Vorschriften über die Zulässigkeit von Vorhaben und auch nicht allein durch einseitig hoheitliche Durchsetzung (z. B. durch Bodenordnung, Enteignung oder städtebauliche Gebote; ▷Bauplanungsrecht, ▷Bauordnungsrecht) erreicht werden. Die Stadterneuerung steht und fällt vielmehr mit der Mitwirkung (▷Partizipation) der Eigentümer, der Mieter und der sonstigen Nutzungsberechtigten eines Stadterneuerungsgebiets. Für die Durchführung städtebaulicher Erneuerungsmaßnahmen durch die Eigentümer bedarf es aber v. a. hinsichtlich unrentierlicher Kosten häufig einer finanziellen Unterstützung. Die finanzierungs-, abgaben- und steuerrechtlichen Vorschriften des Bundes enthalten hierzu einen Rahmen. Weitere Finanzierungsregelungen beziehen sich auf die Beteiligung der Eigentümer an der Finanzierung der Sanierung (Durchführung von Baumaßnahmen gemäß § 148 Baugesetzbuch – BauGB sowie ggf. von Ordnungsmaßnahmen gemäß § 146 Abs. 3 BauGB, vgl. weiterhin die Ausgleichsbetragsregelung nach § 154 BauGB). Die Bedeutung der finanziellen Förderung für das Städtebauförderungsrecht zeigt sich bereits darin, dass die Verabschiedung sowohl des Städtebauförderungsgesetzes 1971 als auch des Baugesetzbuchs 1986 von der gesetzlichen Regelung der Finanzbestimmungen entscheidend mitbestimmt war. Erst nach einer Grundgesetzänderung (Finanzverfassungsreform) wurde durch den damals neu eingefügten Art. 104a Abs. 4 GG (seit der Föderalismusreform 2006: Art. 104b GG) die Mitbeteiligung des Bundes verfassungsrechtlich gesichert. Die Finanzierungsverantwortung für die Vorbereitung der Sanierung und für die Ord-
nungsmaßnahmen der ▷städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen liegt bei der Gemeinde; die Finanzierungsverantwortung für die Baumaßnahmen liegt bei den (öffentlichen und privaten) Eigentümern; vgl. §§ 146 bis 148 BauGB. Die Deckung der bei der Vorbereitung und bei den Ordnungsmaßnahmen sowie den gemeindlichen Baumaßnahmen entstehenden Kosten ist somit grundsätzlich Angelegenheit der Gemeinde. Dies gilt auch, soweit sie Eigentümer im Rahmen deren eigener Finanzierungsverantwortung (insbesondere zur Deckung unrentierlicher Kosten) unterstützt. Die Gemeinde hat daher auch die „Verluste“ der Sanierung zu tragen. Das BauGB hat daher einen Rahmen bereitgestellt, wonach sich Bund, Länder und Gemeinden an den Kosten der Sanierung beteiligen. Das Förderungsrecht gilt für ▷städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen, aber auch für die ▷Stadtumbaumaßnahmen (§ 171b Abs. 4) und die Maßnahmen der ▷Sozialen Stadt (§ 171e Abs. 6). Die Praxis der Städtebauförderung hat ihre Impulse und Erfolge maßgeblich durch staatliche Finanzhilfen gewonnen. Die praktische Bedeutung der Förderung städtebaulicher Erneuerungsmaßnahmen ist Gegenstand einer Vielzahl von Untersuchungen (vgl. Autzen u. a. 1986). Rechtliche Bedeutung der Bereitstellung von Förderungsmitteln Die besondere bodenrechtliche Bedeutung der Bereitstellung von Förderungsmitteln (und damit auch des Förderungs- und Finanzierungsrechts im Verhältnis zum eigentlichen bauplanerischen Sanierungsrecht) liegt v. a. in folgender Beziehung: Bereits im Stadium der förmlichen Festlegung eines Sanierungsgebiets kommt der Zeitdauer der Sanierung rechtserhebliche Bedeutung zu. Die Aussicht, die Sanierungsmaßnahme innerhalb eines absehbaren Zeitraums durchzuführen, also zum Abschluss zu bringen, hängt insbesondere auch von der Finanzierung der Maßnahme ab. Für die Beurteilung, ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist in aller Regel auch die Finanzierbarkeit der Sanierungsmaßnahme von besonderer Bedeutung. Die Finanzierungsverantwortung liegt grundsätzlich bei der Gemeinde. Ist die Gemeinde nach ihrer Finanzkraft nicht (allein) zur Durchführung der Sanierungsmaßnahme in der Lage, ist darauf abzustellen, ob Förderungsmittel in ausreichender Höhe zu erwarten sind. Zwar ist die verbindliche Zusage der Mittel oder deren Bereitstellung im Haushalt oder in der Finanzplanung
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i. d. R. nicht erforderlich. Vielmehr genügt es, dass die Sanierungsmaßnahme z. B. in ein Landesprogramm der Städtebauförderung aufgenommen wird. Die Gemeinde muss eine Vorstellung über die Größenordnung der voraussichtlich entstehenden Kosten und der Finanzierungsmöglichkeiten entwickeln und schlüssig darlegen können. Die Finanzierbarkeit des kommunalen Eigenanteils darf nicht ausgeschlossen werden. Verwaltungsvereinbarungen gemäß Art. 104 b Grundgesetz Die Förderung städtebaulicher Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen ist nach dem Grundgesetz – GG keine originäre Aufgabe des Bundes, sondern Aufgabe der Länder und der Gemeinden. Das Baugesetzbuch wird auch hinsichtlich der finanzierungsrechtlichen Vorschriften gemäß Art. 83 GG von den Ländern in eigener Verantwortung durchgeführt. „Eigene Angelegenheit“ im Sinne des Art. 33 GG ist auch das, was nach dem BauGB den Gemeinden an Ausführungen obliegt (BVerfG 4.03.1975, 2 BvF 1.72). Die verfassungsrechtliche Grundlage dafür, dass der Bund zur Förderung städtebaulicher Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen Finanzierleistungen übernehmen kann, ist Art. 104 b. Art. 104b GG hat folgenden Wortlaut: „(1) Der Bund kann, soweit dieses Grundgesetz ihm Gesetzgebungsbefugnisse verleiht, den Ländern Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und der Gemeinden (Gemeindeverbände) gewähren, die 1) zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts oder 2) zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet oder 3) zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums erforderlich sind. (2) Das Nähere, insbesondere die Arten der zu fördernden Investitionen, wird durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, oder aufgrund des Bundeshaushaltsgesetzes durch Verwaltungsvereinbarung geregelt. Die Mittel sind befristet zu gewähren und hinsichtlich ihrer Verwendung in regelmäßigen Zeitabständen zu überprüfen. Die Finanzhilfen sind im Zeitablauf mit fallenden Jahresbeträgen zu gestalten. (3) Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat sind auf Verlangen über die Durchführung der Maßnahmen und die erzielten Verbesserungen zu unterrichten.“
Für die Gewährung von Bundesfinanzhilfen ergibt sich aus den vorgenannten Entscheidungen v. a., dass sie nur für besonders bedeutsame Investitionen gewährt werden können. Die Investitionen müssen danach in Ausmaß und Wirkung besonderes Gewicht für eine Verbesserung der gesamtstaatlichen Struktur haben. Das Bundesverfasungsgericht hat diese Voraussetzung für die städtebaulichen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen bejaht. In den seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts abgeschlossenen Verwaltungsvereinbarungen zur Städtebauförderung ist ausnahmslos geregelt, dass die Bundesfinanzhilfen ausschließlich den Ländern gewährt werden. In den Händen der Länder liegt damit die verantwortliche Vergabe der Mittel an die kommunalen Investitionsträger. Die Bundesfinanzhilfen für die Städtebauförderung werden entsprechend Art. 104b Abs. 1 GG für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden gewährt: Die Investitionen im Rahmen der Durchführung städtebaulicher Sanierungsund Entwicklungsmaßnahmen werden entweder von den Gemeinden selbst vorgenommen oder die Gemeinden fördern Investitionen Dritter. Der Bund „stellt“ nach den Verwaltungsvereinbarungen zur Städtebauförderung den Ländern zur Förderung städtebaulicher Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen Finanzhilfen zur Verfügung, während nach Art. 104b Abs. 1 GG der Bund Finanzhilfen gewähren „kann“. Mit der Verwaltungsvereinbarung ist der Bund somit für den Bereich der Städtebauförderung eine Verpflichtung zur Gewährung von Finanzhilfen eingegangen bzw. hat er eine Verpflichtung anerkannt. In diesem Zusammenhang ist auf die – auch für Art. 104b GG heranzuziehende – Auslegung des Art. 104a Abs. 4 GG durch das Bundesverfassungsgericht – BVerfG hinzuweisen, wonach – ungeachtet des Wortlauts dieser Verfassungsbestimmung – die Gewährung von Finanzhilfen für Investitionen der Länder oder Gemeinden nicht im freien Ermessen des Bundes steht (BVerfG 4.03.1975, 2 BvF 1.72). Zwar obliegt es nach Art. 104a Abs. 4 GG der Entscheidung des Bundes, ob Finanzhilfen für Investitionen der Länder und Gemeinden „erforderlich“ sind, indem der Bund im Bundeshaushalt entsprechende Förderungsmittel bereitstellt. Die Entscheidung über die Gewährung von Finanzhilfen ist jedoch nicht in das freie politische Ermessen des Bundes gestellt. Wegen der besonderen Bedeutung der von Art. 104a Abs. 44 GG betroffenen Investitionen für den Gesamtstaat erwachse dem Bund eine Pflicht zur Finanzhilfe.Diese Pflicht besteht jedoch – so das BVerfG – nur nach Maß-
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gabe der Finanzkraft des Bundes. Liegen die Voraussetzungen hierfür vor – also die Notwendigkeit von Investitionen im Bereich des Städtebaus und die vorhandene Finanzkraft des Bundes –, so ergibt sich eine Verpflichtung des Bundes zur Gewährung von Finanzhilfen unmittelbar aus dem Grundgesetz. Die Verwaltungsvereinbarungen zur Städtebauförderung enthalten auch Festlegungen über den Umfang der vom Bund gewährten Finanzhilfen. Die Gewährung der Finanzhilfen steht dabei unter dem Vorbehalt der Bestätigung durch den Haushaltsgesetzgeber. Auch dies entspricht den vorher erwähnten, vom BVerfG entwickelten Grundsätzen. Verteilung der Bundesfinanzhilfen
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Der Bund teilt den Ländern die Finanzhilfen nach Maßgabe des Bundesprogramms für die dort aufgeführten Maßnahmen zu. Die Verwaltungsvereinbarung bestimmt, dass ein Bundesprogramm als Zusammenfassung der Länderprogramme bereit gestellt wird und enthält den Verteilungsschlüssel für die Bundesfinanzhilfen. Die Verwaltungsvereinbarung legt also die Anteile der Länder am Bundesprogramm von vornherein fest. Grundlage des Einsatzes der Finanzhilfen des Bundes sind somit zunächst die Programme der Länder für die städtebaulichen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen. Der Bund kann nicht von sich aus bestimmen, welche Maßnahmen er finanziell fördern will. Voraussetzung für die Einbeziehung einer Maßnahme in das Bundesprogramm ist vielmehr ein entsprechender Vorschlag des Landes. Der Bund hat kein Initiativrecht. Es obliegt den Ländern, in eigenen Programmen Maßnahmen vorzuschlagen, für die Finanzhilfen des Bundes in Betracht kommen. Die Länder können in die Programme nur solche Maßnahmen aufnehmen, die die Voraussetzungen des Art. 104b Abs. 1 GG erfüllen. Die Bewilligung der Mittel für die einzelnen Maßnahmen erfolgt durch die Länder und nicht durch den Bund. Im Bundesstaat sind Partner bei Finanzhilfen des Bundes auch zugunsten von Investitionen der Gemeinden stets nur Bund und Länder, nicht aber Bund und Gemeinden, auch wenn die geförderten Investitionsprojekte wie bei der Städtebauförderung von den Gemeinden durchgeführt werden. Der Bund kann daher bei der Abwicklung eines Finanzhilfeprogramms nach Art. 104b GG (bis 1.09.2006: Art. 104a Abs. 4 GG) Finanzhilfen nur den Ländern, nicht aber unmittelbar den Gemeinden gewähren (BVerfG 19.02.1976, 2 BvG 1/74).
Schwerpunkte für den Einsatz von Bundesfinanzhilfen § 164 b Abs. 2 BauGB benennt Schwerpunkte für den Einsatz von Bundesfinanzhilfen. Innenstädte und Ortsteilzentren § 164b Abs. 2 Nr. 1 benennt als Förderungsschwerpunkt die Stärkung von Innenstädten und Ortsteilzentren in ihrer städtebaulichen Funktion. Die Berücksichtigung des Wohnungsbaus sowie der Belange des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege wird im Gesetz ausdrücklich hervorgehoben. Dieser Förderungsschwerpunkt reflektiert einen Schwerpunkt der gegenwärtigen Aufgaben, aber auch Gefährdungen der Stadtentwicklung, nämlich die Erhaltung und Erneuerung lebendiger Innenstädte, Ortskerne und Stadtteilzentren. Eine begriffliche Abgrenzung von Innenstädten enthält das Gesetz nicht. Dies überlässt der Gesetzgeber den städtebaufachlichen Bewertungen in der Praxis und der konkreten Ausgestaltung durch die Gemeinden. Ein wichtiger Anhaltspunkt dafür sind i. d. R. die im Flächennutzungsplan als Kerngebiete dargestellten Gebiete oder die ihnen gemäß § 34 Abs. 2 BauGB entsprechenden Gebiete, ohne jedoch darauf beschränkt zu sein. Die Städtebauförderung soll die Rahmenbedingungen der Entwicklung von Ortskernen, Innenstädten und städtischen Nebenzentren verbessern und sie insbesondere in ihrer Qualität für multifunktionale Angebote stärken. Innenstädte und Ortsteilzentren sollen insbesondere als Einzelhandelsstandorte gesichert und soweit erforderlich aufgewertet werden. Die Rahmenbedingungen der Förderung sind so auszugestalten, dass einer Schwächung der Innenstädte und ihrer schleichenden Funktionsmischung entgegengewirkt werden kann. Jedoch sind Innenstädte und Ortsteilzentren auch über die Bedeutung als Standort des Handels auch in ihrer Qualität als Wohnstandort, als Standort für kulturelle Einrichtungen und andere zentrale Nutzungen zu stärken. Innerhalb der Stadterneuerung kommt dabei der Aufenthalts- und Gestaltqualität des öffentlichen Raums besondere Bedeutung zu. Dies schließt insbesondere Stadtplätze und Fußgängerzonen ein. Der städtebauliche Denkmalschutz ist gleichfalls einer der zentralen städtebaulichen Aufgaben, der in der Stadterneuerung gestellt ist. Die flächendeckende Entwicklung des Denkmalschutzes als Fachprogramm und als politische Aufgabe, namentlich durch Einführung der Denkmalschutzgesetze, ging
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in den 1970er Jahren des letzten Jahrhunderts einher mit der Entwicklung der Städtebauförderung und damit der Stadtsanierung und Stadterneuerung. In § 136 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 sind die Ziele der Ortsteilerhaltung, der Ortsbildgestaltung (▷Stadtbild) und die Erfordernisse des Denkmalschutzes ausdrücklich hervorgehoben. Der städtebauliche Erhaltungsgedanke kommt namentlich auch in § 172 zum Ausdruck; ▷Erhaltungssatzungen ergänzen z. T. städtebauliche Sanierungsmaßnahmen, um entsprechende Sanierungsziele auch nach Abschluss der Sanierung zu sichern. Die besondere Verantwortung der städtebaulichen Ordnung für die Aufgaben des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege in einem umfassenden Sinne kommt bereits in § 1 Abs. 6 Nr. 5 zum Ausdruck. Der städtebauliche Denkmalschutz und die Denkmalpflege umfassen insbesondere die Erhaltung und Erneuerung der Baudenkmäler. Spezifisch ist hier aber die Aufgabe des Erhalts der denkmalwerten Stadtgrundrisse und Stadtteile, des öffentlichen Raums und der Straßenzüge aufgegeben. Der städtebauliche Denkmalschutz zielt also auf die Erhaltung von Stadtqualitäten, namentlich von historischen Stadtensembles. Der Städtebauförderung ist damit die Aufgabe gestellt, durch die Bewahrung des historischen Erbes die Nutzungsvielfalt der Städte zu wahren, zugleich die Aufenthalts- und Gestaltungsqualität zu fördern und damit auch die Attraktivität der Städte, namentlich der Innenstädte. Ein wichtiger Nebeneffekt dieser Strategie ist, dass die Erhaltung und denkmalgerechte Nutzung des historischen Erbes auch die Chance eröffnet, nicht nur die Lebensqualität der Städte und Gemeinden, sondern auch deren Wirtschaftspotenzial zu stärken. In den neuen Ländern ist seit 1991 der städtebauliche Denkmalschutz ein Förderschwerpunkt, der mit speziellen Bundesfinanzhilfen unterstützt wird. Wiedernutzung von Flächen Der in § 164b Abs. 2 Nr. 2 genannte Schwerpunkt für den Einsatz von Städtebauförderungsmitteln des Bundes bezieht sich gleichfalls auf eine ebenso grundsätzliche wie aktuelle Schwerpunktaufgabe der Stadtentwicklung: Der wirtschaftliche Strukturwandel, die Veränderungen im militärischen Sektor und im Verkehrsbereich, die raschen Nutzungs- und Freisetzungsprozesse in den vielfältigsten Erscheinungsformen der modernen Gesellschaft würde ohne eine konsequente Wiedernutzung von frei werdenden Flächen zur weiteren Expansion der Städte in die Peripherie, zu Zersiedelung und damit zur Gefährdung der für das
Städtesystem elementaren kompakten Strukturen führen. Die Wiedernutzung von Flächen ist daher eine Voraussetzung für eine städtebauliche Innenentwicklung an Stelle einer Außenentwicklung. Beides sind Hauptaufgaben der Städtebaurechtsordnung, wie sie sowohl in den Sanierungszielen des § 136 als auch in jenen des § 1 über die allgemeinen städtebaulichen Aufgaben zum Ausdruck bringen; vgl. namentlich § 1 Abs. 5 Satz 1 über die Sicherstellung einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung als Leitziel des Städtebaus. Das Gesetz hebt in § 164b Abs. 2 Nr. 2 insbesondere die in Innenstädten brachliegenden Industrie-, Konversions- und Eisenbahnflächen hervor (▷Konversion und Revitalisierung). Diese Aufführung trägt – wie erwähnt – dem Umstand Rechnung, dass der seit Jahrzehnten anhaltende strukturelle Wandel und die Modernisierung des Wirtschaftssektors zu einer beachtlichen Freisetzung von Flächen führen. Dies ist besonders auffällig in den altindustrialisierten Gebieten. Gewerbebrachen sind aber aus allen Stadttypen und Landesteilen bekannt. Seit der drastischen Verringerung der Militärstandorte, einsetzend in den 1990er Jahren des letzten Jahrhunderts, wurden nicht nur in den Außenbereichen, sondern auch in der Peripherie der Städte, z. T. auch in den Innenstädten, Kasernen und sonstige militärischen Liegenschaften freigesetzt. Weitere Flächenfreisetzungen sind durch die Strukturreform der früheren Bundesbahn, der Abgabe von nicht betriebsnotwendigen Betriebsflächen oder auch mit aufgegebenen Flächen der früheren Bundespost eingetreten. Zur Problematik von Leerständen im Zusammenhang mit den Aufgaben den ▷Stadtumbaus vgl. gesonderten Artikel. Die Städtebauförderungsmittel sollen nach § 164b Abs. 2 Nr. 2 einen Beitrag dazu leisten, die Flächen städtebaulich zu optimieren, namentlich durch die Errichtung von Wohn- und Arbeitsstätten, durch Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen. Dabei sollen ihre funktional sinnvolle Zuordnung – Nutzungsmischung – und umweltschonende, kosten- und flächensparende Bauweisen erreicht werden. Diese Zielstellung soll sowohl die städtebauliche Einbindung umschreiben als auch den spezifischen örtlichen Bedarf im Bereich von Gewerbe, Handwerk und Handel, die Schaffung neuer Arbeitsplätze an städtebaulich integrierten Standorten, die Entwicklung von Wohngebieten, die Sicherung von urbanen Qualitäten durch Park- und Grünanlagen, Sport- und Freizeiteinrichtungen berücksichtigen.
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Behebung sozialer Missstände § 164b Abs. 2 Nr. 3 bezeichnet als weiteren Schwerpunkt für den Einsatz von Städtebauförderungsmitteln städtebauliche Maßnahmen zur Behebung sozialer Missstände. Das Gesetz konkretisiert damit für die Zwecke der Städtebauförderung städtebauliche Aufgaben, die sich zum Teil in älteren Wohnquartieren, aber auch in Trabantensiedlungen in der Peripherie der Städte stellen. Das neue Programm „Die soziale Stadt“ knüpft an die in Abs. 2 Nr. 3 bezeichnete Aufgabe an (▷Sozialen Stadt). Mit § 171e BauGB ist eine ausdrückliche Regelung zu den Maßnahmen der sozialen Stadt eingefügt worden. Das Stadtumbauprogramm Auch das Stadtumbauprogramm des Bundes und der Länder wird auf der Grundlage des § 164b BauGB durchgeführt; vgl. § 171b Abs. 4 BauGB. Die wesentlichen Anliegen der Maßnahmen des Stadtumbaus, wie sie in § 171a Abs. 3 benannt sind, finden sich in den Aufgabenfeldern des § 164b Abs. 2 wieder. Unbeschadet dessen ist der komplexe städtebauliche Ansatz der §§ 171a-d BauGB durch § 171b Abs. 4 als solcher auch unmittelbar zum Förderungsgegenstand für Bundesfinanzhilfen erklärt worden. Krautzberger
Literatur Autzen, R. u. a. (1986): Erfahrungen mit der Sanierung nach dem Städtebauförderungsgesetz – Perspektiven der Stadterneuerung. Bonn
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Dichte im stadtplanerisch-soziologischen Verständnis (städtische Vielfalt, Lebendigkeit, Erlebnisfülle, als Voraussetzung für ▷Urbanität) ist eine ausschließlich qualitative Kategorie (▷Dichte: Begriff und Erscheinungsformen). Es bedarf der planungsrechtlichen Übersetzung in Quantitäten, um diese Qualität in Bauleitpläne (▷Bauleitplanung) und schließlich Bauvorhaben zu übersetzen. Der positiven Konnotation zur Dichte im ▷Städtebau sind durch die bestehenden Regelungen im Baugesetzbuch und in der ▷Baunutzungsverordnung sowohl bei der Planung als auch im Vollzug normative Grenzen gesetzt. Städtebau-
lich gewünschte Dichten mit all ihren positiven Implikationen sind nicht durchgängig und mitunter nur unter Zuhilfenahme aufwendiger planungsrechtlicher Begründungen durchsetzbar. Sie unterliegen gerichtlicher Kontrolle und damit einhergehend einer gewissen Selbstbeschränkung der Plangeber. Planungsrechtliche Vertiefung Dichte im städtebaurechtlichen Verständnis kann in dreierlei Richtung interpretiert werden. Zum einen: Dichte als qualitative Kategorie, die über die Planungsgrundsätze des § 1 des Baugesetzbuchs (BauGB) Gegenstand der bauleitplanerischen ▷Abwägung wird. Damit ist die Frage nach der adäquaten Dichte jeglicher städtebaulichen Planung als Ziel- und Qualitätskriterium zugrunde zu legen. Dichte lässt sich auf dieser abstrahierenden Ebene der planungsrechtlichen Grundsätze in mehreren Kategorien der Planungsgrundsätze finden. Positiv konnotiert u. a. im Verfolg gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse, der Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung, in den Belangen der ▷Baukultur und des Denkmalschutzes, der Umwelt wie dem sparsamen Umgang mit Grund und Boden und auch der Reduzierung von Versiegelung auf das unvermeidliche Mindestmaß (▷Nachhaltige Stadtentwicklung). Diese Grundsätze weisen alle einen qualitativen Bezug auf. Mit den städtebaulichen Grundsätzen ist der Auftrag für Planerinnen und Planer verbunden zu prüfen, wie dicht ein geplantes Gebiet seinen städtebaulichen Zielen und seiner geplanten Nutzung entsprechend bebaut werden soll bzw. welche Dichte im baulichen Bestand nicht überschritten oder mindestens erreicht werden soll. Negativ konnotiert ist Dichte bei der Beurteilung städtebaulicher Mängel, dem besonderen Erneuerungsbedarf und der Überprüfung, ob der bauliche Bestand gesunden Lebens- und Arbeitsbedingungen entspricht und hinreichend „belichtet und belüftet“ ist. Damit geht auch heute noch die Frage einher, ob es der Entdichtung in Quartieren bedarf, die städtebauliche Mängel im Sinne des § 136 BauGB aufweisen. Auch in diesem Zusammenhang wird eine zu bestimmende Ausprägung von Dichte als Kriterium, Ausgangssituation bzw. qualitatives Ziel für die Aufwertung von Sanierungsgebieten herangezogen (▷Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen). Zum anderen: Dichte als Beurteilungskriterium für Vorhaben im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB; ▷Außenbereich/Innenbereich): Hier wird die Dichte des geplanten Vorhabens – übersetzt in das Maß der geplanten Be-
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bauung – zur Beurteilung seiner Zulässigkeit ggf. im Rahmen der Gebietsstruktur nach der Baunutzungsverordnung (BauNVO) herangezogen. Maßgeblich ist dabei, ob sich das Vorhaben auch nach dem Maß der Bebauung in die Umgebung einfügt. Grenzen der zulässigen Dichte sind überschritten, wenn das Vorhaben den durch die umgebende Bebauung gesetzten Rahmen der städtebaulichen Dichte überschreitet und geeignet ist, „bodenrechtliche beachtliche Spannungen“, also einen Veränderungsdruck in Richtung höherer Dichte, hervorzurufen. Dann bedarf es der Durchführung eines Bebauungsplanverfahrens, selbst wenn diese höhere Dichte städtebaulich durchaus gewollt wäre. Schließlich: Dichte als Maß der baulichen Dichte in verbindlichen Bauleitplänen (Bebauungspläne, §§ 8ff und 12 BauGB). Dichte wird in der Baunutzungsverordnung (BauNVO) durch die Kategorien Grundflächenzahl oder Größe der Grundflächen baulicher Anlagen, Geschossflächenzahl oder der Größe der Geschossfläche, Baumassenzahl oder Baumasse, Zahl der Vollgeschosse und Höhe baulicher Anlagen (§ 16 BauNVO) definiert. Hierbei handelt es sich um verschiedene Maßeinheiten zur Quantifizierung von Dichte: das Verhältnis zwischen überbauter Fläche und Grundstücksfläche (Grundflächenzahl GRZ) oder die absolute Größe der Grundflächen der baulichen Anlagen; das Verhältnis der Geschossfläche eines Vorhabens zur Grundstücksfläche (Geschossflächenzahl GFZ); und optional die Zahl der Vollgeschosse oder die Höhe baulicher Anlagen. Die Feinsteuerung von Dichte in Bauleitplänen findet also über die Definition der stets festzusetzenden Kategorien für das Maß der baulichen Nutzung (Grundflächenzahl oder die Größe der Grundflächen der baulichen Anlagen, die Zahl der Vollgeschosse oder die Höhe baulicher Anlagen, wenn ohne ihre Festsetzung öffentliche Belange, insbesondere das Orts- und Landschaftsbild, beeinträchtigt werden können) statt. Die Baunutzungsverordnung begrenzt Dichte je nach Baugebiet auf Höchstmaße, regelt aber auch Mindestdichten zur optimalen Nutzung von Grund und Boden. Die Zahl der Vollgeschosse und die Höhe baulicher Anlagen können zudem zwingend festgesetzt werden (§ 16 Abs. 4 BauNVO). Dichte kann darüber hinaus weiter differenziert werden: Sie kann für Teile eines Baugebiets, einzelne Grundstücke oder Grundstücksteile und Teile baulicher Anlagen oberhalb und unterhalb der Geländeoberfläche unterschiedlich festgesetzt werden (§ 16 Abs. 5 BauNVO). Schließlich ermöglicht die Baunutzungsverordnung, in Be-
bauungsplänen nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vom festgesetzten Maß der baulichen Nutzung vorzusehen. Diese optionalen Instrumente zur Differenzierung und Feinsteuerung von Dichte erfordern umfängliche Festsetzungen im Bebauungsplan und unterliegen angesichts der Maßgaben der Baunutzungsverordnung, je nach Nutzungsart definierte Obergrenzen für die Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung einzuhalten, einem besonderen Begründungszwang: Mit jeder Nutzungsart bzw. jedem entsprechenden Baugebiet wird eine bestimmte, höchstzulässige Dichte und damit auch ein städtebauliches „Bild“ verbunden (§ 17 Abs. 1 BauNVO). Die so nach Nutzungsarten definierten Obergrenzen können zwar überschritten werden, wenn besondere städtebauliche Gründe dies erfordern und die Überschreitungen „durch Umstände ausgeglichen sind oder durch Maßnahmen ausgeglichen werden, durch die sichergestellt ist, dass die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht beeinträchtigt, nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt vermieden und die Bedürfnisse des Verkehrs befriedigt werden, und sonstige öffentliche Belange nicht entgegenstehen.“ (§ 17 Abs. 2 BauNVO). Auch wenn dies einer der am häufigsten genutzten Ausnahmetatbestände in der verbindlichen Bauleitplanung sein dürfte; die genannten Voraussetzungen ziehen einen vergleichsweise hohen Aufwand nach sich, städtebaulich erforderliche, sinnvolle und gewünschte Überschreitungen der Dichtewerte rechtssicher zu begründen. Dichte in der Planung Dichte in der städtebaulichen Planung (▷Stadtplanung) orientiert sich primär an den städtebaulichen Zielen, an dem städtebaulichen Umfeld und – im Sinne einer „versteckten Agenda“ der Grundstückseigentümer (ob öffentlich oder privat spielt hierbei kaum eine Rolle) – natürlich auch an den Erwartungen an die Bodenwertsteigerung oder Grundrente des beplanten Gebiets (▷Immobilienwirtschaft). Die städtebaulichen Vorgaben der Baunutzungsverordnung, insbesondere die Obergrenzen für die Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung, spielen bei diesen Überlegungen eine deutlich sekundäre Rolle. Ihre Bedeutung nimmt mit einer zunehmenden Vermischung von Nutzungskategorien und Differenzierung von Gebäudetypologien ab. Dennoch bedarf es in verbindlichen Bauleitplänen der – oft formelhaften – Begründung zur Überschreitung der Maß-Obergrenzen. Die insbesondere in In-
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nenstadtlagen mit Kern- und Mischgebieten, aber auch bei der Planung von neuen Gebäudetypologien (reine und allgemeine Wohngebiete mit hochverdichteten Stadthäusern u. ä.) aus städtebaulichen Gründen mitunter unvermeidbare Überschreitung von Obergrenzen – die Rentabilitätsgründe seien hier ausdrücklich nicht erwähnt – wird „hinbegründet“, um den rechtlichen Maßgaben Genüge zu tun. Das eigentliche gesetzgeberische Motiv, die Überschreitung der Obergrenzen zum Sonderfall zu machen – quasi zwischen „städtisch und ländlich“, zwischen „Vorstadt und Innenstadt“ und den unterschiedlichen Nutzungsarten im Sinne einer nutzungsdifferenzierten Gliederung der Stadt zu unterscheiden – erfährt in der städtebaulichen Planung aus guten Gründen kaum noch Berücksichtigung. Dichte im Vollzug
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Dichte in Baugenehmigungsverfahren wird für Vorhaben im unbeplanten Innenbereich nach § 34 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BauGB überprüft. Trotz der umfangreichen Rechtsprechung zu den Kriterien des Einfügens auch in Bezug auf die Dichte von Vorhaben bedeutet dies in der Praxis eine gewisse Flexibilität bei der Beurteilung, ob die Dichtewerte eines Vorhabens im Hinblick auf das Maß der umgebenden Bebauung geeignet sind, „bodenrechtlich beachtliche Spannungen“ zu erzeugen – also negative Folgewirkungen des Vorhabens auf die Struktur der umgebenden Bebauung auszuüben. Im unbeplanten Innenbereich ist demnach eine Überschreitung der Obergrenzen der Bebauungsmaße (bei § 34 Abs. 2 BauGB) durchaus möglich, wenn sie denn in Einklang mit der umgebenden Bebauung steht oder die Struktur der umgebenden Bebauung zumindest nicht nachhaltig beeinträchtigt. Hier tritt allerdings eine bauordnungsrechtliche Kategorie von Dichte hinzu, nämlich die nachbarschützende Wirkung von Dichtekategorien (z. B. überbaute Grundstücksfläche, Höhe baulicher Anlagen) und v. a. die infolge der geplanten Dichte u. U. erforderliche Unterschreitung von Abstandsflächen. Beides wirkt im unbeplanten Innenbereich mitunter als ungewolltes Regulativ, die Dichtewerte der prägenden Umgebung nicht überschreiten zu lassen. Im Vollzug von Bebauungsplänen spielt Dichte in zweierlei Hinsicht eine Rolle: Zum einen können Bebauungspläne infolge des nachbarschützenden Charakters der durch die Baunutzungsverordnung vorgegebenen Obergrenzen gerichtlich überprüft werden, wenn Dichtewerte überschritten werden. Zum anderen aber ergibt sich aufgrund der
eng gesteckten Voraussetzungen für Befreiungen (§ 31 Abs. 2 BauGB) – Gründe des Allgemeinwohls erfordern eine Befreiung oder eine Befreiung ist städtebaulich vertretbar oder die Durchführung des Bebauungsplans würde zu einer offensichtlich unbeabsichtigten Härte führen und die Befreiung liegt auch nach Prüfung der nachbarschaftlichen Interessen im öffentlichen Interesse – wenig Flexibilität, von den Festsetzungen und im Bebauungsplan geregelten Ausnahmen zu Dichtewerten zu befreien. „Gewollten“ Befreiungen sind enge Grenzen gesetzt; der Bauleitplan müsste geändert werden. Fazit Dichte in seinen positiven wie negativen Konnotationen ist im ▷Bauplanungs- und ▷Bauordnungsrecht detailliert geregelt – und begrenzt. Die bestehenden Dichtekategorien sind eng an Nutzungskategorien geknüpft, die die vorherrschenden städtebaulichen Entwicklungsmuster – Nutzungsmischung und Nachverdichtung – nur teilweise oder mit hohem Aufwand an Feinregulierung in Bebauungsplänen abbilden können. Dies widerspricht der allgemeinen Forderung, Bebauungspläne bzw. deren Begründungen „schlank“ zu gestalten und macht sie anfälliger im Falle einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung. Dies wiederum führt dazu, dass wünschenswerte Dichten, die die Obergrenzen überschreiten, mitunter nicht verfolgt werden – ein Umstand, der die Frage nach der Angemessenheit der von der Baunutzungsverordnung definierten nutzungsbezogenen Dichtewerte aufwirft. Hierdurch wird die weiterführende Frage aufgeworfen, ob städtebaulichen Gründen und nicht nur Erfordernissen bei der Überschreitung von überkommenen Obergrenzen nicht ein höheres Gewicht eingeräumt werden sollte. von Lojewski
STÄDTEBAULICHE ENTWICKLUNGSMASSNAHMEN Überblick Für die Entwicklung von neuen Ortsteilen oder anderen Teilen des Gemeindegebiets sowie die Wiedernutzung brachgefallener oder untergenutzter städtebaulicher Bereiche bietet das Baugesetzbuch – BauGB (▷Bauplanungsrecht) den Gemeinden im Kapitel „Besonderes Städtebaurecht“ in den
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§§ 165 bis 171 das rechtliche Instrumentarium der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme an. Nach dem Grundmodell des Gesetzgebers erfolgt die städtebauliche Entwicklung dadurch, dass die Gemeinde die zu entwickelnden Grundstücke ankauft oder enteignet, entwickelt und in neu geordnetem Zustand wieder veräußert. Während die bauliche Entwicklung nach den allgemeinen Vorschriften des Baugesetzbuchs auf der Grundlage eines Bebauungsplans (▷Bauleitplanung) und nach der Durchführung der ▷Erschließungsmaßnahmen dem jeweiligen Grundstückseigentümer obliegt, nimmt die Kommune bei der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme die Entwicklung der Grundstücke vollständig in die eigene Hand. Die Maßnahme wird dadurch finanziert, dass die Gemeinde die Grundstücke zum entwicklungsunbeeinflussten Wert (Anfangswert) ankauft und nach der Aufstellung der erforderlichen Bebauungspläne, der Bodenordnung und der Erschließung zu dem dadurch erhöhten Bodenwert (Endwert) (▷Wertermittlung) wieder veräußert. Unter günstigen wirtschaftlichen Voraussetzungen decken die Veräußerungserlöse die zuvor angefallenen Kosten vollständig. Die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme wird auch als schärfstes Schwert des Städtebaurechts bezeichnet, weil das Entwicklungsrecht der Gemeinde die Möglichkeit einräumt, Grundstücke zum entwicklungsunbeeinflussten Wert anzukaufen oder zu enteignen, wodurch der Grundstückseigentümer von der entwicklungsbedingten Wertsteigerung seines Grundstücks ausgeschlossen wird. Deshalb hat der Gesetzgeber den Einsatz des entwicklungsrechtlichen Instrumentariums an enge Voraussetzungen geknüpft, die gewährleisten sollen, dass das in das Grundstückseigentum eingreifende Instrumentarium nur in besonderen Fällen eingesetzt wird, in denen das Wohl der Allgemeinheit die Durchführung der städtebaulichen Maßnahme erfordert.
resse liegt (vgl. § 165 Abs. 1 BauGB). Erforderlich ist, dass es sich um eine Gesamtmaßnahme handelt, bei der verschiedene Einzelmaßnahmen koordiniert und aufeinander abgestimmt vorbereitet und durchgeführt werden. Die Maßnahme muss einen Ortsteil oder einen anderen Teil des Gemeindegebiets betreffen, der eine besondere Bedeutung für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung der Gemeinde oder für die angestrebte Entwicklung des Landesgebiets oder der Region hat. Ziel kann entweder eine erstmalige Entwicklung eines Gebiets oder eine städtebauliche Neuordnung sein (vgl. § 165 Abs. 2 BauGB). Die Durchführung der Maßnahme muss für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich sein, insbesondere zur Deckung eines erhöhten Bedarfs an Wohn- und Arbeitsstätten, zur Errichtung von Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen oder zur Wiedernutzung brachliegender Flächen (vgl. § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB). Die geplante Maßnahme darf nicht mit dem Instrumentarium des allgemeinen Städtebaurechts oder des Rechts der städtebaulichen Sanierung durchführbar sein. Insbesondere darf das Ziel der Maßnahme nicht durch ▷städtebauliche Verträge oder einvernehmliche Veräußerung der Grundstücke durch die Eigentümer erreichbar sein (vgl. § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB). Die zügige Durchführung der Maßnahme innerhalb eines absehbaren Zeitraums muss gewährleistet sein (vgl. § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BauGB). Je nach Größe und Komplexität der Maßnahme kann sich der absehbare Zeitraum auf 10 bis 15 Jahre erstrecken, in einzelnen Fällen auch erheblich länger andauern. Schließlich muss die förmliche Festlegung Ergebnis einer gerechten ▷Abwägung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander sein (vgl. § 165 Abs. 3 Satz 2 BauGB).
Gesetzliche Voraussetzungen für städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen
Das gesetzliche Instrumentarium
Voraussetzung für die Anwendung des Rechtsinstrumentariums der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme ist, dass die Gemeinde nach Durchführung vorbereitender Untersuchungen den Entwicklungsbereich durch Satzung förmlich festlegt. Die Entwicklungssatzung ist nur zulässig, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen: Es muss sich um eine städtebauliche Maßnahme handeln, deren einheitliche Vorbereitung und zügige Durchführung im öffentlichen Inte-
Im Vordergrund stehen das Recht und die Pflicht der Gemeinde, die Grundstücke im Entwicklungsbereich zu erwerben (vgl. § 166 Abs. 3 BauGB). Die Bestimmung des Zeitpunkts des Erwerbs obliegt allerdings der Gemeinde. Die Erwerbspflicht entfällt dann, wenn die bauliche Nutzung auf dem Grundstück durch die Entwicklungsmaßnahme nicht geändert werden soll oder wenn sich der Eigentümer verpflichtet, das Grundstück selbst entsprechend den Zielen und Zwecken der städ-
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tebaulichen Entwicklungsmaßnahme zu ordnen und zu nutzen. Hierzu kann er sich im Rahmen einer sog. „Abwendungsvereinbarung“ verpflichten. Im Rahmen einer derartigen Vereinbarung, die der Abwendung des Grunderwerbs durch die Gemeinde dient, wird häufig auch die Durchführung von Ordnungsmaßnahmen auf den Eigentümer übertragen und es werden Regelungen zur Ablösung des dann vom Grundstückseigentümer zu zahlenden Ausgleichsbetrages getroffen. Die Gemeinde ist im Entwicklungsbereich zur Aufstellung von Bebauungsplänen und zur Durchführung von Ordnungs- und Erschließungsmaßnahmen verpflichtet und hat für die Bebauung und Nutzung der Grundstücke Sorge zu tragen (vgl. § 166 Abs. 1 und 2 BauGB). Sie hat die entwickelten Grundstücke unter Berücksichtigung weiter Kreise der Bevölkerung und unter Beachtung der Ziele und Zwecke der Entwicklungsmaßnahme an Bauwillige zu veräußern (vgl. § 169 Abs. 6 BauGB). Für das sonstige Instrumentarium verweist das Recht der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme in § 169 BauGB auf die besonderen Vorschriften für die ▷städtebauliche Sanierungsmaßnahme. Danach gelten insbesondere die Regelungen der §§ 144, 145 BauGB entsprechend, wonach alle Bauvorhaben und Rechtsvorgänge im Entwicklungsbereich, wie die Veräußerung von Grundstücken, genehmigungspflichtig sind. Die Genehmigung kann versagt werden, wenn Bauvorhaben oder Rechtsvorgänge die Durchführung der Entwicklung unmöglich machen oder erschweren oder den Zielen der Maßnahme zuwiderlaufen würden. Als Erschwerung der Entwicklung gilt auch die Veräußerung eines Grundstücks über dem entwicklungsunbeeinflussten Anfangswert (vgl. §§ 169 Abs.1 Nr. 6, 153 Abs. 2 BauGB). Erfahrungen der kommunalen Praxis
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Mit Hilfe des gesetzlichen Instrumentariums der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme wurden in den letzten Jahrzehnten zahlreiche städtebauliche Projekte begonnen und erfolgreich abgeschlossen. Lag der Schwerpunkt der ersten Jahre nach Einführung des Instrumentariums 1971 auf der Entwicklung neuer Trabantenstädte (z. B. Bonn-Hardtberg; ▷Großsiedlungen), so standen in den 1990er-Jahren eher die Wiedernutzung brachgefallener oder untergenutzter städtebaulicher Bereiche im Vordergrund (z. B. die Umwandlung eines ehemaligen Kasernengeländes in ein Wohngebiet (Potsdam Bornstedter Feld) oder die Umwandlung eines alten Gewerbestandorts in bester Wasserlage (Berlin Rummelsburger Bucht;
▷Konversion und Revitalisierung; ▷Flächenmanagement). Die städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen verliefen allerdings nicht immer problemlos. Zunächst sahen sich viele Gemeinden mit erheblichem Widerstand der Eigentümer konfrontiert, die zahlreiche Entwicklungssatzungen mit dem Rechtsmittel der Normenkontrolle angriffen. Prominentestes Beispiel einer aufgrund einer Normenkontrollklage gescheiterten Maßnahme ist die Entwicklung eines Gebiets für die Landesgartenschau in Landshut. Überwiegend wurden die Entwicklungsmaßnahmen von der Rechtsprechung jedoch bestätigt. Problematischer erwies sich die kommunalwirtschaftliche (▷Stadt- und Regionalökonomie) Seite der städtebaulichen Entwick lungsmaßnahme, die den Erfolg von den ▷immobilienwirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig macht. Das liegt daran, dass sich die Gemeinde bei der Entwicklungsmaßnahme durch den Ankauf der unentwickelten Flächen und den späteren Verkauf entwickelter Grundstücke wirtschaftlich als „Entwicklungsunternehmer“ betätigt. Die Gemeinde darf mit der Maßnahme zwar keine Entwicklungsgewinne erwirtschaften, sie trägt aber die wirtschaftlichen Verluste einer Entwicklungsmaßnahme in voller Höhe. Das kommunalwirtschaftliche System der Entwicklungsmaßnahme funktioniert sehr gut in Zeiten steigender Bodenpreise, es kann jedoch in Zeiten stagnierender oder gar fallender Bodenpreise zu erheblichen finanziellen Belastungen der kommunalen Haushalte führen (▷Zyklen der Immobilienwirtschaft). Da die Gemeinde zunächst die Grundstücke auf eigene Rechnung aufkaufen und die erforderlichen Planungs- und Erschließungsmaßnahmen durchführen muss, hat sie erhebliche Summen vorzufinanzieren (▷Immobilienfinanzierung). Geschieht das durch Aufnahme von Kapitalmarktmitteln, kommen Vorfinanzierungskosten hinzu. Fällt die Phase der Veräußerung der Grundstücke in einen Zeitraum schwacher immobilienwirtschaftlicher Nachfrage, können die bereits angefallenen Kosten nicht vollständig refinanziert werden und es entstehen erhebliche Verluste, die von den kommunalen Haushalten zu tragen sind, soweit nicht ▷Städtebauförderungsmittel des Bundes und der Länder eingesetzt werden können. Diesen kommunalwirtschaftlichen Gefahren, die seit Mitte der 1990er Jahre in vielen Maßnahmen sichtbar geworden sind, begegnen die Gemeinden zum einen dadurch, dass sie die Entwicklungsbereiche nur abschnittsweise entwickeln und
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die finanziell belastenden Grundstücksankäufe zeitlich verschieben, um die Vorfinanzierungskosten zu senken. Bei der Umstrukturierung bebauter Bereiche kann das Risiko vielfach dadurch reduziert werden, dass mit entwicklungsbereiten Eigentümern Abwendungsvereinbarungen nach § 166 Abs. 3 BauGB geschlossen werden, die die Gemeinden von den Ankaufskosten entlasten. Wird zusätzlich die Ablösung des Ausgleichsbetrages und dessen frühzeitige Fälligkeit vereinbart, werden dadurch die Zwischenfinanzierungskosten der Maßnahme reduziert. Soweit die Rentierlichkeit der Maßnahme auch durch derartige Strategien nicht gesichert werden konnte, sind einige Gemeinden dazu übergegangen, die Durchführung der Maßnahme für Teilbereiche, die für die städtebauliche Entwicklung nicht zwingend sind, aufzugeben oder die Entwicklungsziele so zu reduzieren, dass die Maßnahme zügig und kostengünstig abgeschlossen werden kann. Da die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme schon aufgrund der gesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen einen erheblichen Entwicklungsdruck, also erheblichen Bedarf für Wohnungsund Gewerbeneubauten voraussetzt und dies darüber hinaus auch erforderliche Basis für eine wirtschaftliche Durchführung ist, hat die immobilienwirtschaftliche Abkühlung in Deutschland seit Mitte der 1990er Jahre dazu geführt, dass das Instrumentarium der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme derzeit an Attraktivität verloren hat und der Schwerpunkt auf dem Abschluss begonnener Maßnahmen liegt. Scharmer
geworden (▷Stadtentwicklungsplanung). Unabhängig davon, ob es sich um neue Stadtquartiere auf alten Flächen, neue Büro- und Dienstleistungskomplexe, multifunktionale städtebauliche Vorhaben auf Bahn-, Hafen- und Telekomflächen handelt (▷Konversion und Revitalisierung), immer geht es für die Stadt um tiefgreifende, häufig umstrittene Grundsatzentscheidungen und hohe Investitionsrisiken, die über lange Zeiträume Kommunalpolitik (▷Stadtpolitik) und Verwaltung beherrschen. Derartige Projekte verändern auf lange Sicht auch die Stadtstruktur und führen neben ihrer Bedeutung für neue Arbeitsplätze und Wohnungen auch zu Neupositionierungen im interkommunalen Wettbewerb um Investoren, Kaufkraft und Attraktivität. Sie können bei erfolgreicher Planung und Umsetzung als wichtige Motoren der Stadtentwicklung angesehen werden. Die folgenden Ausführungen beleuchten vorrangig die Sicht der Kommunen, da sie nicht nur wesentliche planungsrelevante Grundlagen schaffen (▷Bauleitplanung), sondern auch mit den Ergebnissen leben müssen. Für städtebauliche Großprojekte gibt es keine festgelegten Definitionen. Als öffentliche und private oder öffentlich-private Projekte (▷Public Private Partnership) können sie etwa so gefasst werden, dass sie aufgrund ihrer flächenhaften Dimension, ihrer (neuen) Nutzungsfunktionen sowie ihrer erwarteten und tatsächlichen Auswirkungen gesamtstädtisch und regional wahrgenommen und (stadt-)strukturverändernd wirken. Beispielhaft können genannt werden: Neue Messestadt Riem in München, Potsdamer Platz Berlin, neue Vorstädte Berlin Karow-Nord, Potsdam Kirchsteigfeld, Westhafen Frankfurt/M, Centro Oberhausen.
Literatur Bunzel, A.; Lunebach, J. (1994): Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen – ein Handbuch. Berlin Schäfer, R. (1997): Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme „Nördliche Wolfgangsiedlung“ der Stadt Landshut. In: Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht, 125-142 Stich, R. (2001): Förmliche städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen. In: Gewerbearchiv, 137-146
STÄDTEBAULICHE GROSSPROJEKTE Thematischer Aufriss und Begriffsklärung Planung und Realisierung städtebaulicher Großprojekte sind in vielen Städten Europas zu einem zentralen Handlungsfeld der Stadtentwicklung
Rahmenbedingungen und Prüfkriterien für Großprojekte Als wesentliche Prüfkriterien für die Planung, Durchführung und Begleitung städtebaulicher Großprojekte sind zu berücksichtigen: Tragfähigkeit von Nutzungskonzepten, Integration der Projekte in bestehende Stadtstrukturen (▷Architektur im Bestand), Einsatz des „richtigen“ Instrumentenmix, Etablierung öffentlich-privater Kooperationsstrukturen, Ermittlung der öffentlichen Kosten sowie Sicherstellung von Transparenz und Beteiligungsverfahren (▷Partizipation).
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Die Tragfähigkeit von Nutzungskonzepten wird aus kommunaler Sicht wesentlich bestimmt durch
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Vorstellungen von gemischten Nutzungsstrukturen, was noch am ehesten planerischen Vorstellungen urbaner Stadtstrukturen entspricht. Im konkreten Fall sind ausgewogene Nutzungsmischungen gegenüber Investoren nur schwer durchzusetzen, da bei Freiflächen keine Renditen zu erzielen sind und Wohnnutzung auf teuren innerstädtischen Flächen kaum kostendeckend realisiert werden kann (▷Immobilienfinanzierung, ▷Immobilienwirtschaft). Kurzfristigen Renditeerwartungen der Investoren stehen die eher langfristig ausgerichteten Ziele der Stadtentwicklung und Qualitätssicherung gegenüber. Die Integration von Großprojekten in die engere und weitere Umgebung ist ein zentrales Kriterium für die Tragfähigkeit und Akzeptanz. Um im Idealfall die richtige Nutzung an der richtigen Stelle zum richtigen Zeitpunkt realisieren zu können, bedarf es im Sinne einer integrierten gesamtstädtischen Entwicklung einer frühzeitigen gemeinsamen Rahmenvereinbarung über die mit der Flächenentwicklung verbundenen Ziele. Schon allein aufgrund der Flächengröße ist dies unabdingbar. Der Einsatz eines geeigneten planungsrechtlichen Instrumentariums ist abhängig von Art, Umfang und Nutzungskonzeption der Großprojekte, aber auch bestimmt von Planungstradition (Erfahrung) und den beteiligten Akteuren (Investoren). Neben der ‚klassischen’ Bebauungsplanung haben sich v. a. der ▷Städtebauliche Vertrag (§ 11 BauGB), der Vorhaben- und Erschließungsplan (§ 12 BauGB) und die ▷Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (§§ 165-171 BauGB) bewährt. Schließlich können hier im Einzelfall auch Projekte im Rahmen der ▷Stadtumbauprogramme einbezogen werden, für die die §§ 171a-171d infrage kommen. Das städtebaurechtliche Instrumentarium erscheint ausreichend flexibel, um Planungsziele, Finanzierung und Umsetzungsverfahren derartiger Großprojekte an veränderte Gegebenheiten anzupassen. Von Investoren werden i. d. R. Städtebauliche Verträge als flexibler gegenüber Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen bevorzugt. Vielfach läuft die Realisierung auf einen Instrumentenmix hinaus. Die Notwendigkeit von ▷Kooperationen zwischen öffentlichen und privaten Akteuren im Rahmen der Realisierung von großen Projekten ist unstrittig, gestaltet sich im konkreten Fall aber schwierig (▷Akteure der Planung). V. a. auf kommunaler Seite sind häufig die erforderlichen betriebs- und finanzwirtschaftlichen Qualifikationen nicht vorhanden, um von gleich zu gleich verhandeln und entscheiden zu können. Betriebswirtschaftliche Strukturen innerhalb der Verwal-
tung und ein geeignetes Vertragsmanagement sind daher Voraussetzungen für das Gelingen derartiger Projekte. Die Projektsteuerung (▷Projektmanagement) städtebaulicher Großprojekte im Kontext der Gesamtstadtentwicklung stellt besondere Anforderungen an die kommunale Führungsebene. Während in der Vergangenheit – vereinfacht dargestellt – die Kommune es bei dem klassischen Bauherrn mit einem Partner zu tun hatte, ist dieser Kreis aktuell mit Wirtschaftsprüfern, Analysten, Beratern, Fondsgesellschaften und Banken, Projektentwicklern und Bauträgern sowie Investoren und Betreibern erheblich angewachsen (▷Projektentwicklung). Die Verfahrenssteuerung gestaltet sich daher schwieriger. Deutlich wird, dass es keine Patentrezepte gibt und dass – vor dem Hintergrund jeweiliger Erfahrungen, Projekttraditionen und Verwaltungsmentalitäten – projektspezifische Steuerungsstrukturen geschaffen werden müssen, aber auch ein „muddling-through“ erfolgt, das nicht unbedingt strategisch-systematischen Rationalitäten folgt. Regeln der Projektsteuerung müssen zu Beginn der ▷Kooperation zwischen den Beteiligten formuliert werden. Angesichts langer Realisierungszeiträume, die mehrere Jahre umfassen können, bleiben Konflikte nicht aus. Schwankungen des Marktes, die eine Anpassung der Nutzungskonzepte erforderlich machen (▷Zyklen in der Immobilienwirtschaft), politische Veränderungen, verbunden mit einem Wandel der öffentlichen Zustimmung oder Zeitverzögerungen bei der Realisierung sind immer wiederkehrende Konfliktlinien. Eine Realisierung von Großprojekten in deutlich abgrenzbaren Teilschritten wird daher als unverzichtbar angesehen, wobei Leuchtturm- oder Ankerprojekte eine positive Entwicklungsdynamik auslösen können. Für die Kosten gilt, dass auch bei einer positiven Wirtschaftsentwicklung und vergleichsweise sehr hohen Bodenpreisen wie etwa in der Stadt München dennoch viele Investitionen und Betriebskosten bei der öffentlichen Hand verbleiben. Hierzu zählen neben Planungskosten v. a. Kosten für die ▷Erschließung, Infrastruktureinrichtungen oder für kostenträchtige Leistungen (z. B. Abriss- und Sanierungsarbeiten). Im Einzelfall können mit dem Investor besondere Vereinbahrungen getroffen werden, bei denen dieser bestimmte Leistungen (z. B. den Bau von Infrastruktureinrichtungen) übernimmt (in München z. B. die Vereinbarung einer „Sozialgerechten Bodenordnung“). Schließlich müssen hierzu auch solche Kosten gerechnet werden, die im Falle des Scheiterns von Projekten auf die öffentliche Hand
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zukommen können. In den seltensten Fällen dürfte es gelingen, solche Projekte zu realisieren, die sich aus Sicht der öffentlichen Hand selbst rechnen oder die ohne den Einsatz öffentlicher Mittel realisiert werden können. Transparenz und Beteiligungsverfahren werden angesichts der stadtpolitischen Bedeutung der Projekte immer wieder eingefordert bzw. sind gesetzlich geregelt (Bürgerbeteiligung), stoßen aber an deutliche Grenzen. Transparenz der Verfahren ist nur begrenzt möglich, da nicht alles, was zwischen Stadt und Investor verhandelt wird, sich für eine öffentliche Diskussion eignet. Eine breite Beteiligung der Öffentlichkeit ist zwingend und in der Vergangenheit auch erweitert, gleichzeitig aber häufig von den Betroffenen kaum genutzt. Risiken und Risikomanagement Städtebauliche Großprojekte bergen in aller Regel Risiken unterschiedlichster Art in sich, deren Beherrschung und Minimierung eine permanente Aufgabe aller beteiligten Akteure darstellt. Als wesentliche Risiken gelten solche des Marktes (Unsicherheit über mittel- und langfristige Trends), der öffentlichen und privaten Kosten (Planung, Realisierung, Vermietung, Verkauf), der Laufzeiten (Fertigstellung und Vermarktung), der Qualität (städtebaulich und stadtstrukturell; Marktfähigkeit) und der Politik (Verlässlichkeit). Diese Risiken müssen offengelegt, bewertet, zugeordnet und schließlich über vertragliche Regelungen verantwortet werden. Dies erfordert einerseits klare und verbindliche Abmachungen zwischen allen Akteuren, andererseits aber auch flexible und anpassungsfähige Vertragsstrukturen, da die einmal getroffenen Entwicklungsannahmen kaum über längere Zeiträume stabil bleiben. Bei einem Engagement der öffentlichen Hand in städtebaulichen Großprojekten und der Einlassung auf Public Private Partnerships besteht die Gefahr, dass sich die öffentliche Hand zu stark in die Rolle eines Marktteilnehmers begibt. Die Städte übernehmen unternehmerische Verantwortung und müssen am Markt auch marktorientiert agieren. Folgende Risiken und entsprechende Vermeidungsstrategien für die Kommune lassen sich darstellen (▷Risikomanagement). Investitionsrisiko der Kommune: Wenn eine Kommune im Rahmen einer Public Private Partnership direkt am Investitionsrisiko betei-
ligt ist, kann es passieren, dass das beteiligte Unternehmen durch einen Konkurs aussteigt. Da die Kommune ihrerseits nicht über diese Möglichkeit verfügt, sollten am besten keine solchen gemischten Gesellschaften eingegangen werden. Generell sollten die Kommunen sich nicht am Investitionsrisiko beteiligen, auch wenn es z. B. im Einzelfall bei städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen notwendig sein sollte. Kosten für Erschließungsmaßnahmen: Die Kommune haftet für die Erschließung, wenn der private Partner z. B. während der Bauzeit verloren geht. Neben einer sorgfältigen Auswahl der privaten Partner (zentrale Risikoabsicherung und höchste Sicherheit ist hier eine Bürgschaft der Hausbank des Unternehmens) ist es notwendig, die Erschließungsmaßnahmen selber mit Bürgschaften zu sichern. Bebauungsplanung: Das Überprüfen der ökonomischen Risiken eines Investitionsvorhabens ist für die kommunale Seite häufig nur schwer möglich. Daher sollte eine Risikominderung durch die Aufteilung von Großprojekten (Gesamtplanung bei schrittweiser Realisierung) erfolgen. Dies erfordert auch eine Aufteilung im Bebauungsplan. Ein nicht unerhebliches Risiko besteht in der mangelhaften Erfüllung der vereinbarten (kommunalen) Ziele. Vertragliche Vereinbarungen können durch Konkurs hinfällig werden, da z. B. ein ▷städtebaulicher Vertrag im Falle eines Konkurses nicht für den Nachfolger gilt. Grundsätzlich sollten daher alle langfristigen harten städtebaulichen Ziele (z. B. Nutzungen) in den Bebauungsplan aufgenommen werden. Qualitätssicherung: Generell können zwar Investitionen und Nutzungen festgeschrieben werden, das dahinterstehende Konzept aber nicht. Die Nutzungskonzeptionen sind Moden unterworfen, die sich angesichts langer Realisierungszeiträume auch wandeln können. Neben den finanziellen Risiken gilt es daher, auch solche qualitativer Art der ▷Architektur oder Gestaltung (▷Baukultur) eines Projekts zu prüfen.
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Bei allen Risikomanagementstrategien sind auch Regeln für den Fall des Scheiterns zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang können Instrumente des Strategiemanagements wie Folgeabschätzungen, Marktanalysen und Controlling hilfreich sein (▷Markt- und Standortanalysen). Die Konfliktregelung sollte hier v. a. auf vertraglicher Basis erfolgen. Sander
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STÄDTEBAULICHE KALKULATION
Literatur Bunzel, A. (2008): Umsetzung und Beendigung städtebaulicher Entwicklungsmaßnahmen. In: Grundstücksmarkt und Grundstückswert, 139-146 Bunzel, A.; Sander, R. (Hrsg.) (1999): Städtebauliche Großvorhaben in der Umsetzung. Difu-Materialien, 6. Berlin Scharmer, E. (1999): Flexibilität des städtebaurechtlichen Instrumentariums. In: Bunzel, A.; Sander, R.(Hrsg.) (1999): Städtebauliche Großvorhaben in der Umsetzung. Difu-Materialien, 6. Berlin, 25-30 Wékel, J. (1999): Bedeutung städtebaulicher Großvorhaben für die Stadtentwicklung. In: Bunzel, A.; Sander, R. (Hrsg.): Städtebauliche Großvorhaben in der Umsetzung. Difu-Materialien, 6. Berlin, 7-12
STÄDTEBAULICHE KALKULATION Begriff und Notwendigkeit
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Der Begriff der städtebaulichen Kalkulation steht für die Berechnung der Vorteilhaftigkeit einer städtebaulichen Maßnahme, somit einer Maßnahme, die über den Maßstab des Einzelobjektes hinausgeht. Die Notwendigkeit zu einer städtebaulichen Kalkulation ergibt sich aus der Tatsache, dass sowohl die öffentliche Hand als auch Private als Investoren nachweisen müssen, dass die geplanten städtebaulichen Investitionsvorhaben wirtschaftlich sind. Bei der städtebaulichen Kalkulation geht es jedoch in Abgrenzung zu anderen Verfahren zur Beurteilung der Vorteilhaftigkeit von Investitionen, wie bspw. Nutzen-Kosten-Untersuchungen, um die Berechnung quantifizierbarer Zahlungsströme. Die kommunalen Entscheidungsträger wollen vor Beginn einer solchen Maßnahme über die wirtschaftlichen Erfolgsaussichten und Folgen der städtebaulichen Planungen (▷Städtebau/ Urban Design, ▷Stadtplanung) informiert sein. Der Gesetzgeber hat diese Nachweispflicht zur Finanzierbarkeit und Wirtschaftlichkeit städtebaulicher Maßnahmen bspw. mit dem Instrument der Kosten- und Finanzierungsübersicht im Sinne des § 171 Abs. 2 BauGB (Baugesetzbuch) mit den Voruntersuchungen ▷städtebaulicher Entwicklungsmaßnahmen verknüpft. Mit Hilfe der aufzustellenden Kosten- und Finanzierungsübersichten sind die Kommunen verpflichtet, die finanziellen Belastungen und Konsequenzen von derartigen Gebietsentwicklungen offenzulegen. Dabei wird der gesamte Zeitraum der Entwicklung vom Ankauf über Planung, Erschließung bis hin zum Verkauf mit seinen Einflüssen auf Kosten und
Finanzierungsquellen erfasst. Hierbei ist jedoch wichtig zu erkennen, dass der im BauGB verwendete Kosten- und Ausgabenbegriff kameralistisch geprägt ist und nicht der üblichen wirtschaftswissenschaftlichen Definition entspricht. Es gibt somit keine kalkulatorischen Kosten, sondern nur solche, bei denen Zahlungsvorgänge auftreten. Als Kosten werden hierbei meist die Planungskosten, Kosten des Grunderwerbs, Erschließungs-, Bauund Finanzierungskosten angesehen. Es wird jedoch bewusst keine alleinige Zuordnung des Begriffs zum Instrumentarium der öffentlichen Hand vorgenommen, da städtebauliche Kalkulationen auch und zunehmend von Privaten betrieben werden. Die privatwirtschaftlichen Akteure der städtebaulichen Maßnahmen erkennen in den letzten Jahren in der städtebaulichen Projektentwicklung ganzer Quartiere ein wachsendes Marktsegment (▷Akteure der Planung, ▷Städtebauliche Großprojekte). Hierbei ergibt sich für die Immobilienunternehmen die Chance, für ein gesamtes Quartier Größenvorteile (Economies of Scale) in der Entwicklung und dem Bau zu generieren, Lageeigenschaften mit zu beeinflussen und somit Wertschöpfungspotenziale zu erschließen. Auch die Privaten wenden somit Methoden der städtebaulichen Kalkulation an, die im Folgenden kurz systematisiert werden. Methodische Ansätze Grundsätzlich lässt sich eine solche Kalkulation vor der Projektdurchführung (ex ante) zur Entscheidungsvorbereitung oder auch danach (ex post) z. B. zur Abrechnung bzw. zum Controlling von Maßnahmen vornehmen. Bei der Ex-anteBerechnung der Vorteilhaftigkeit (bzw. Unvorteilhaftigkeit) einer städtebaulichen Maßnahme geht es um die Verrechnung der mit dem Projekt anfallenden Investitionskosten mit den zu erwartenden Erträgen des Projektes (▷Immobilienwirtschaft, ▷Immobilienfinanzierung). Zur Berechnung der Vorteil- oder auch Unvorteilhaftigkeit einer solchen Maßnahme können verschiedene Methoden Anwendung finden. Da es sich bei der städtebaulichen Kalkulation grundsätzlich um eine Gewinn- bzw. Überschussrechnung handelt, kann diese auf verschiedenste Arten und Weisen variiert werden: Sie können zunächst anhand der Berücksichtigung des Zeitfaktors in statische und dynamische Methoden unterteilt werden. Hierbei verkürzen die statischen Berechnungsmethoden den zeitlichen Betrachtungsraum dergestalt, dass sie die laufenden Kosten und Erträge durch die nur eines (meist des ersten) Jahres
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repräsentiert sehen. Bei den dynamischen Methoden hingegen werden die für jedes Jahr anfallenden Salden aus Erträgen und Kosten in ihrem zeitlichen Anfall berücksichtigt (Zinseszinsrechnung). Um die zeitlich unterschiedlich anfallenden Kosten und Erträge und somit Überschüsse bzw. Unterdeckungen vergleichbar zu machen, müssen diese gleichnamig gemacht werden. Dies geschieht in der sog. Kapitalwert- oder Barwertmethode und in der Discounted Cash Flow Methode (DCF-Methode) mit Hilfe einer Abdiskontierung der Salden aus Erträgen und Kosten auf einen einheitlichen Betrachtungs- bzw. Entscheidungszeitpunkt, meist den gegenwärtigen. Eine weitere dynamische Methode stellt die aus der Unternehmenskalkulation stammende Berechnung mit Vollständigen Finanzplänen dar (VOFI-Methode, engl.: Visualization of Financial Implications). Aus einem VOFI lassen sich alle anderen Kennziffern der dynamischen Methoden der Investitionsrechnung ableiten. Im Gegensatz zu den klassischen statischen und dynamischen Methoden werden mit dem VOFI Zinsen und Steuern genau berechnet, was für die Investitionsrechnung besonders wichtig ist, da sie auf Einund Auszahlungen basiert. Das bedeutet, dass z. B. mit unterschiedlichen Zinssätzen für die Soll- und Habenseite eines städtebaulichen Projektes gearbeitet werden kann. Die VOFI-Methode findet zunehmend auch ihre Anhänger in der immobilienwirtschaftlichen ▷Projektentwicklung, da sie präziser arbeitet als die klassischen Methoden. Da es sich bei der städtebaulichen Kalkulation um eine Gewinnrechnung unter Annahmen handelt, kann eine weitere Unterscheidung der Methoden in der Variation der Zielvariablen gesehen werden. Manche Berechnungen, ob statisch oder dynamisch, zielen auf die Errechnung der Renditezahl als Prozentwert ab, um diese z. B. mit alternativen Investitionen vergleichen zu können (z. B. Rentabilitätsberechnung, interne Zinsfußmethode). Es lässt sich aber auch ein absoluter Gewinn- oder Überschussbetrag als Zielvariable einstellen, der dann wiederum verglichen werden kann. So arbeitet die oben bereits beschriebene Kapitalbarwertmethode als dynamische Methode mit der Errechnung des Barwerts aller Gewinnüberschüsse, abgezinst auf den Betrachtungszeitpunkt, und kann somit im Vergleich mit den Barwerten anderer Projekte Aufschluss über die Vorteilhaftigkeit der Maßnahmen geben. In die gleiche Richtung zielt die Methode des residualen Bodenwerts, die aus der anglo-amerikanischen Praxis stammt und dem Betrachter als Restwert (Residuum) der Rechnung den Überschuss zeigt,
den der Investor für den Bodenerwerb der städtebaulichen Maßnahme (maximal) ausgeben kann. Insbesondere für Neubauvorhaben stellt dieser Berechnungsweg eine interessante Alternative dar. Allerdings ist es hierfür notwendig, bei der Berechnung der Kostenseite die Kosten für den Bodenerwerb nicht zu berücksichtigen, da diese ja erst mit Hilfe des Residuums verglichen werden sollen. Für beide genannten Rechnungswege ist ebenfalls im Vorfeld eine Annahme bezüglich der angenommenen oder zu erzielenden Rendite bzw. Verzinsung des eingesetzten Kapitals zu treffen. Probleme und Ausblick Aufgrund einerseits des Primats der Wirtschaftlichkeit auch für die kommunale Seite und andererseits der wachsenden Bedeutung privater Partner im Rahmen der städtebaulichen Projekte (▷Public Private Partnership, Vorhaben- und Entwicklungspläne, ▷städtebauliche Verträge etc.) ergibt sich zunehmend die Notwendigkeit zur Gewinnung einer gemeinsamen „Sprache“ über die Vorteilhaftigkeit und Machbarkeit von städtebaulichen Projekten. Es ist sinnvoll, dass die kommunalen Akteure sich einer privatwirtschaftlichen Kalkulation von Maßnahmen und Machbarkeiten öffnen und mit dem gleichen Handwerkszeug die kalkulatorischen Besonderheiten der Planungen nachvollziehen und kritisch reflektieren können. Hierbei sollte jedoch auch nicht vergessen werden, dass eine betriebswirtschaftliche Vorteilhaftigkeit für eine städtebauliche Maßnahme ein bereits recht enger Begriff von Wirtschaftlichkeit ist. Aufgrund der großen räumlichen Dimension derartiger Projekte, die zum Teil bereits Quartiersumfang haben, ergeben sich auch aus volkswirtschaftlicher Perspektive Vor- und Nachteile derartiger Maßnahmen, die mit einer betriebswirtschaftlichen Kalkulation nicht erfasst werden können. Dennoch sind diese Effekte und Wirkungen für eine Entscheidung aus kommunaler Sicht relevant. Hierbei ist an positive externe Effekte auf angrenzende Quartiere oder die Gesamtstadt (Verbesserung Standortimage, Übernahme von Funktionen für andere Viertel, soziale und technische Infrastruktur) zu denken, aber auch fiskalische Aspekte wie Einnahmeerhöhungen durch die Projektauswirkungen oder die Inwertsetzung (auch angrenzender) städtischer Grundstücke können eine Rolle spielen. Die umfassende Abschätzung von Vorteilen (und auch Nachteilen) städtebaulicher Maßnahmen aus kommunaler Sicht sollte Grundlage der Planungsentscheidung einer jeden Gemeinde
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sein. Die städtebauliche Kalkulation stellt jedoch nur einen Teilaspekt dieser umfassenden Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen dar und ist daher um weitere (methodisch anspruchsvollere) Wirkungsanalysen zu ergänzen. Auch die rein einzelwirtschaftlich von privaten Akteuren betriebene städtebauliche Kalkulation beinhaltet aufgrund der eigenen, spezifischen Perspektive auf die städtebauliche Maßnahme als Immobilienprodukt eine gewisse (betriebswirtschaftliche) Verkürzung bei der Betrachtung von Kosten und Erträgen. So können bei der Kalkulation der Privaten sowohl die steuerlichen Aspekte der Investitionsvorhaben eine besondere Rolle spielen (was in dieser Form bei den kommunalen Akteuren nicht der Fall ist) und die Annahmen zu Renditeabsichten stark von denen der öffentlichen Hand abweichen. Eine weitere Problematik der Kalkulationen liegt in ihrer Zukunftsbezogenheit und damit Ungewissheit der Entwicklung wesentlicher ökonomischer Parameter. Städtebauliche Vorhaben sind langfristige Immobilienprodukte, die Einschätzung der Entwicklung ihrer Erträge, Werte und (Folge-)Kosten über mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte stellt ein großes Problem dar. Demzufolge ist es sinnvoll, neben einer reinen Wirtschaftlichkeitsberechnung eine Risikoanalyse, z. B. in Form einer Sensitivitätsanalyse durchzuführen, um die Reagibilität der Ergebnisse auf Veränderungen der angenommenen ökonomischen Parameter zu testen und somit Wahrscheinlichkeiten besser einschätzen zu können. Letztlich stellt sich somit die städtebauliche Kalkulation als Sammlung unterschiedlicher Methoden zur Messung der Vorteilhaftigkeit von städtebaulichen Investitionsvorhaben heraus, deren Handhabung und Interpretation von jeweils unterschiedlichen Perspektiven und Interessenlagen abhängen kann. Sie können und sollen den Entscheidungs- und Verhandlungsprozess der Beteiligten in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit transparenter und offener gestalten und somit bereits frühzeitig für alle Akteure eine solide Grundlage für ihre Entscheidungen schaffen. Spars
Literatur Barby, J. (1974): Städtebauliche Infrastruktur und Kommunalwirtschaft, Methoden zur Ermittlung des Investitionsaufwandes und der Folgekosten unter Einbeziehung einer Grundausstattung. Bonn BBR – Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.) (2006): Siedlungsentwicklung und Infrastrukturfolgekosten – Bilanzierung und Strategieentwicklung. Endbericht. Zugriff auf www.bbr.bund.de/cln_005/nn_340582/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/BBSROnline/2002__2006/DL__ON032006.html?__ nnn=true am 10.12.2008 Dransfeld, E. (2003): Wirtschaftliche Baulandbereitstellung – Städ-
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tebauliche Kalkulation. Bonn Grob, H. L. (2006): Einführung in die Investitionsrechnung, Eine Fallstudiengeschichte. München Kofner, S. (2005): Investitionsrechnung für Immobilien. Hamburg
STÄDTEBAULICHE SANIERUNGSMASSNAHMEN Überblick Das Sanierungsrecht ist in den §§ 136 bis 164b Baugesetzbuch – BauGB geregelt. Als Sanierungsmaßnahmen kommen städtebauliche Maßnahmen (▷Städtebau/Urban Design) in Betracht, deren einheitliche Vorbereitung und zügige Durchführung im öffentlichen Interesse liegt (§ 136 Abs. 1 BauGB). Sanierungsmaßnahmen dienen der wesentlichen Verbesserung oder Umgestaltung eines Gebietes zur Behebung städtebaulicher Missstände. Sie sind durch den Gebietsbezug gekennzeichnet: Es handelt sich nicht um einzelne, punktuelle Erneuerungsvorhaben, sondern um die Verbesserung eines Gebiets insgesamt. Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen sind städtebauliche Gesamtmaßnahmen. Gegenüber sonstigen städtebaulichen Maßnahmen (z. B. einzelnen ▷Bauleitplanungen, Vorhaben) haben sie die Aufgabe, komplexe städtebauliche Probleme zu lösen, wenn in einem Gebiet ein qualifizierter städtebaulicher Handlungsbedarf besteht, der aus Gründen des öffentlichen Interesses ein planmäßiges und aufeinander abgestimmtes Vorgehen erfordert. Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen sind durch ein Bündel von Problemen und Lösungsansätzen gekennzeichnet, die einer einheitlichen Vorbereitung und Durchführung bedürfen. Sanierungsbegriff, Vorbereitung der Sanierung In § 136 BauGB (Paragraphenangaben ohne Nennung des Gesetzes beziehen sich auf das BauGB) sind der Begriff der Sanierung, der Anwendungsbereich und die Grundsätze des Sanierungsrechts geregelt. Sanierungsmaßnahmen haben zur Aufgabe, Gebiete zur Behebung städtebaulicher Missstände wesentlich zu verbessern oder umzugestalten. § 137 regelt die Beteiligung und Mitwirkung von Eigentümern, Mietern, Pächtern und sonstigen Betroffenen (▷Partizipation, ▷Akteure der Planung). § 138 enthält eine Bestimmung über die Auskunftspflicht von Eigentümern, Mietern, Päch-
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tern und sonstigen zum Besitz oder zur Nutzung eines Grundstücks Berechtigten. Die Vorschrift regelt sowohl die Auskunftspflicht als auch umfassende datenschutzrechtliche Sicherungen über den Umgang der erhobenen personenbezogenen Daten. Die Sanierung erfordert eine ▷Kooperation zwischen allen öffentlichen Aufgabenträgern; § 139 regelt das Zusammenwirken dieser bei der Vorbereitung und Durchführung der Sanierung. Die Vorbereitung und Durchführung der Sanierung sind in §§ 140 bis 149 zusammengefasst: § 140 regelt die Vorbereitung der Sanierung. Die Sanierung umfasst im Einzelnen die vorbereitenden Untersuchungen (§ 141), die förmliche Festlegung des Sanierungsgebiets (§§ 142, 143), die Bestimmung der Ziele und Zwecke der Sanierung, die erforderliche städtebauliche Sanierungsplanung (z. B. Bauleitplanung und städtebauliche Rahmenplanung), die Erörterung der beabsichtigten Sanierung (§§ 137, 139), die Erarbeitung und Fortschreibung des Sozialplans (§ 180) sowie einzelne Ordnungs- und Baumaßnahmen, die vor einer förmlichen Festlegung des Sanierungsgebiets durchgeführt werden. Vor der förmlichen Festlegung des Sanierungsgebiets hat die Gemeinde vorbereitende Untersuchungen durchzuführen, um Beurteilungsunterlagen zu gewinnen über die Notwendigkeit der Sanierung, die sozialen, strukturellen und städtebaulichen Verhältnisse und Zusammenhänge sowie die anzustrebenden allgemeinen Ziele und die Durchführbarkeit der Sanierung i. Allg.; § 141. Die vorbereitenden Untersuchungen sollen sich auch auf mögliche nachteilige Auswirkungen erstrecken. Die Gemeinde leitet die Vorbereitung der Sanierung durch den Beschluss über den Beginn der vorbereitenden Untersuchungen ein. Der Beschluss ist ortsüblich bekannt zu machen. Ab diesem Zeitpunkt können Baugesuche entsprechend § 15 zurückgestellt werden. Festlegung des Sanierungsgebiets Die Gebiete, in denen städtebauliche Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden sollen, werden durch Beschluss der Gemeinde als Sanierungsgebiete förmlich festgelegt. Erforderlichenfalls können auch Ersatz- und Ergänzungsgebiete festgelegt werden. Die förmliche Festlegung des Gebiets erfolgt durch die Sanierungssatzung, in der das Sanierungsgebiet genau zu bezeichnen ist (§ 142). Gleichzeitig mit der Satzung soll die Gemeinde mit einem Beschluss die vorgesehene Dauer der Sanierung bestimmen. Die Frist soll höchstens 15 Jahre betragen, kann aber ggf. verlängert werden.
Die Sanierungssatzung wird mit der ortsüblichen Bekanntmachung rechtsverbindlich, § 143 Abs. 1. Aufgrund einer Mitteilung der Gemeinde an die grundbuchführende Stelle wird in die Grundbücher der von der Sanierungssatzung betroffenen Grundstücke ein Sanierungsvermerk eingetragen (§ 143 Abs. 2), soweit in der Sanierungssatzung nicht die Anwendung des § 142 Abs. 2 ausgeschlossen ist. Besondere Rechtswirkungen der Sanierungssatzung Nach § 144 bedürfen im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet der schriftlichen Genehmigung der Gemeinde Vorhaben, die die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben, erhebliche oder wesentlich wertsteigernde Veränderungen von Grundstücken, schuldrechtliche Vertragsverhältnisse über den Gebrauch oder die Nutzung eines Grundstücks; die rechtsgeschäftliche Veräußerung eines Grundstücks und die Bestellung und Veräußerung eines Erbbaurechts, die Bestellung eines das Grundstück belastenden Rechts (▷Dingliche Sicherung), schuldrechtliche Verträge, durch die Verpflichtungen zur Veräußerung oder Grundstücksbelastung eingegangen werden, die Begründung, Änderung oder Aufhebung einer Baulast, die Teilung eines Grundstücks. Ist eine baurechtliche Genehmigung oder Zustimmung nötig, wird die Genehmigung durch die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde im bauaufsichtlichen Verfahren erteilt. Nach § 145 darf die sanierungsrechtliche Genehmigung nur versagt werden, wenn Grund zur Annahme besteht, dass das Vorhaben, die Teilung eines Grundstücks, der Rechtsvorgang oder die damit erkennbar bezweckte Nutzung die Durchführung der Sanierung unmöglich machen oder wesentlich erschweren oder den Zielen und Zwecken der Sanierung zuwiderlaufen würde. Die Genehmigung kann nach § 145 Abs. 4 Satz 2 auch vom Abschluss eines städtebaulichen Vertrags abhängig gemacht werden, wenn dadurch Versagungsgründe ausgeräumt werden. Im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet steht der Gemeinde ein gesetzliches Vorkaufsrecht zu; § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3.
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Besondere sanierungsrechtliche Vorschriften, vereinfachtes verfahren
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Das BauGB enthält darüber hinaus besondere sanierungsrechtliche Vorschriften, die v. a. einer Erschwerung der Sanierung durch sanierungsbedingte Bodenwertsteigerungen (▷Immobilienwirtschaft) entgegenwirken und zugleich zur Finanzierung der Sanierungsmaßnahmen beitragen sollen. Diese Vorschriften sind in den §§ 152 bis 156 zusammengefasst. Sie sind im „klassischen Sanierungsverfahren“ anzuwenden. Die Gemeinde hat die Anwendung dieser Vorschriften allerdings in der Sanierungssatzung auszuschließen, wenn sie für die Durchführung der Sanierung nicht erforderlich sind und die Durchführung der Sanierung hierdurch voraussichtlich nicht erschwert wird („vereinfachtes Sanierungsverfahren“; § 142 Abs. 4). §§ 152 bis 156 enthalten v. a. folgende Besonderheiten des Sanierungsrechts: Nach § 153 Abs. 1 werden bei Bemessung von Ausgleichs- und Entschädigungsleistungen solche Werterhöhungen nicht berücksichtigt, die lediglich durch die Aussicht auf die Sanierung, durch ihre Vorbereitung oder ihre Durchführung eingetreten sind. Nach Abschluss der Sanierung hat der Eigentümer an die Gemeinde einen Ausgleichsbetrag in Höhe der durch die Sanierung bedingten Erhöhung des Bodenwerts zu entrichten (§§ 154, 155). Erschließungsbeiträge entfallen dagegen ebenso wie Kostenerstattungsbeträge nach § 135 a Abs. 3 für von der Gemeinde durchgeführte Ausgleichsmaßnahmen. Abweichend davon kann die Gemeinde durch Satzung bestimmen, der Ausgleichsbeitrag ausgehend vom Aufwand für die Erweiterung oder Verbesserung von Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 zu berechnen ist. Die Genehmigung einer rechtsgeschäftlichen Grundstücksveräußerung oder die Bestellung oder Veräußerung eines Erbbaurechts ist zu versagen, wenn der vereinbarte Wert für das Grundstück oder das Recht über dem Wert liegt, der sich in Anwendung des § 153 Abs. 1 ergibt (§ 153 Abs. 3). Ein Überschuss der bei der Sanierung erzielten Einnahmen ist auf die Eigentümer zu verteilen, § 156a. Führt die Gemeinde die Sanierung im vereinfachten Sanierungsverfahren durch, so kann sie weiterhin die Genehmigungspflicht nach § 144 insgesamt, oder § 144 Abs. 1 oder § 144 Abs. 2 ausschließen.
Durchführung der Sanierung Die §§ 146 bis 148 regeln die Durchführung der Sanierung. Danach obliegt die Durchführung der Ordnungsmaßnahmen (§ 147) der Gemeinde; hierzu gehören Maßnahmen, die notwendig sind, damit die Baumaßnahmen durchgeführt werden können, insbesondere die Neuordnung der Grundstücksverhältnisse und der Erwerb von Grundstücken, der Umzug von Bewohnern und Betrieben, die Freilegung von Grundstücken und die Herstellung und Änderung von Erschließungsanlagen (▷Erschließung). Die Durchführung von Baumaßnahmen (§ 148) bleibt grundsätzlich den Eigentümern überlassen. Die Gemeinde ist nach § 149 zur Aufstellung, Abstimmung und Fortschreibung einer Kostenund Finanzierungsübersicht über die Durchführung der Sanierung verpflichtet. Im Vierten Abschnitt (§§ 157 bis 161) sind die Bestimmungen über Sanierungsträger und andere Beauftragte geregelt. Diese Bestimmungen tragen dem Umstand Rechnung, dass die Planung und Durchführung städtebaulicher Sanierungsmaßnahmen eine besonders schwierige gemeindliche Verwaltungsaufgabe sind, die nur mit erfahrenem Personal erfüllt werden kann. Zur Entlastung des eigenen Personals und um sich die Fachkenntnisse und Erfahrungen anderer zu bedienen, ist die weitgehende Beauftragung privatrechtlich tätiger natürlicher oder juristischer Personen mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben von besonderer Bedeutung. Auf Sanierungsträger können alle Aufgaben, die bei der Vorbereitung oder Durchführung der Sanierung anfallen, übertragen werden. Die Übertragung findet jedoch dort eine Grenze, wo es sich um hoheitliche Befugnisse der Gemeinde handelt. Abschluss der Sanierung, Förderung Im Fünften Abschnitt (§§ 162 bis 164) ist der Abschluss der Sanierung geregelt. Dort ist u. a. bestimmt, dass die Sanierungssatzung nach Abschluss der Sanierung aufzuheben ist. Eigentümer von Grundstücken, auf denen die Sanierung abgeschlossen ist, können die vorzeitige Entlassung aus der Sanierung beantragen. Schließlich sind im Sechsten Abschnitt (§§ 164a bis 164b) Bestimmungen über die ▷Städtebauförderung enthalten. Krautzberger
STÄDTEBAULICHER VERTRAG
STÄDTEBAULICHER VERTRAG Begriff Als städtebaulicher Vertrag werden vertragliche Vereinbarungen bezeichnet, mit denen ein oder mehrere Vorhabenträger, ein Grundstückseigentümer oder auf andere Weise zur Verfügung über das Grundstück Berechtigte sich gegenüber der Gemeinde verpflichten, Leistungen finanzieller, baulicher oder sonstiger Art zu erbringen, die der Schaffung der städtebaulichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Realisierung des geplanten Vorhabens zu dienen bestimmt sind. Städtebauliche Verträge dienen der Erfüllung städtebaulicher Aufgaben (▷Städtebau/Urban Design). Sie ergänzen das hoheitliche Instrumentarium des Städtebaurechts (Ernst u. a. 2009:Rn. 106). So können z. B. zur Sicherung der Ziele eines Bebauungsplans im Hinblick auf eine sozial gerechte Wohnraumversorgung Bindungen vereinbart werden, die dazu dienen, den Wohnraumbedarf von bestimmten Bevölkerungsgruppen zu decken, obwohl entsprechende Festsetzungen im Bebauungsplan nicht zulässig sind. Häufig geht es auch darum, die Durchführung städtebaulicher Vorhaben und privater Investitionsvorhaben zu beschleunigen. Aus Sicht der Gemeinde dient der Vertrag in vielen Fällen dazu, Hindernisse, die sich aus der Begrenztheit der finanziellen und personellen Ressourcen sowie der satzungsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten ergeben, aus dem Weg zu räumen, indem sich ein Vorhabenträger oder Grundstückseigentümer zur Durchführung von Maßnahmen auf seine Kosten verpflichtet oder die der Gemeinde entstehenden Kosten übernimmt oder andere für die Realisierung des Vorhabens grundlegende Bindungen eingeht. Abzugrenzen sind städtebauliche Verträge von solchen Verträgen, mit denen die Gemeinde einen Dritten mit der Erbringung von bestimmten Dienstleistungen oder zur Erstellung bestimmter Werkleistungen gegen Vergütung beauftragt. Bei solchen Verträgen handelt es sich um Dienstleistungsverträge im Sinne von §§ 611ff Bürgerliches Gesetzbuch – BGB oder Werkverträge im Sinne von §§ 631ff BGB. Zudem ist der Begriff von solchen Formen der ▷Kooperation abzugrenzen, bei denen sich die Kommunen oder andere Träger öffentlicher Aufgaben zu einem gemeinsamen gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen zusammenschließen, um
ein städtebauliches Vorhaben zu realisieren. Hierbei gehen die Beteiligten ein komplexes Geflecht wechselseitiger Verpflichtungen ein, das wesentlich auch durch handels- und gesellschaftsrechtliche Bestimmungen geprägt wird. Die Kommunen sind hier nicht lediglich Vertragspartner des an der Umsetzung interessierten Vorhabenträgers, sondern übernehmen als Beteiligte an der gemeinschaftlichen Unternehmung selbst die Aufgabe und das wirtschaftliche Risiko der Entwicklung des Vorhabens. Rechtliche Grundlagen In der Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, dass der Abschluss städtebaulicher Verträge durch die Gemeinde auch ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zulässig ist. Die in § 11 Baugesetzbuch – BauGB getroffene Regelung zu städtebaulichen Verträgen hat lediglich klarstellende Funktion. Städtebauliche Verträge können sowohl öffentlich-rechtlicher als auch privatrechtlicher Natur sein. Die Abgrenzung zwischen privat- und öffentlich-rechtlichen Verträgen hat zum einen Auswirkungen darauf, ob der Rechtsweg zu den Zivilgerichten oder zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist. Zum anderen ist die Einordnung maßgeblich dafür, ob ergänzend zum BauGB die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder die der Verwaltungsgesetze des Bundes und der Länder zu berücksichtigen sind. Entscheidend ist, ob die Vereinbarung nach ihrem primären Gegenstand und Zweck einen vom öffentlichen Recht geordneten Sachbereich betrifft. Einen Anspruch auf Aufstellung von Bauleitplänen (▷Bauleitplanung) und städtebaulichen Satzungen kann durch Vertrag nicht begründet werden (§ 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB). Die von der Gemeinde politisch zu verantwortende Entscheidung über einen Bauleitplan muss frei von Vorwegbindungen bleiben. Ausnahmsweise sind Vorwegabsprache allerdings nach der Rechtssprechung zulässig, soweit die folgenden Voraussetzungen vorliegen (BVerwG 5.07.1974, IV C 50. 72): „Erstens muss die Vorwegnahme der Entscheidung – auch unter dem Gesichtswinkel des dadurch belasteten Abwägungsverfahrens – sachlich gerechtfertigt sein. Zweitens muss bei der Vorwegnahme die planungsrechtliche Zuständigkeitsordnung gewahrt bleiben, d. h. es muss, soweit die Planung dem Gemeinderat obliegt, dessen Mitwirkung an der Vorentscheidung in einer Weise gesichert sein, die es gestattet, die Vorentscheidung (auch) dem Rat zuzurechnen. Drittens darf die vorgezogene Entscheidung – und auch
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dies unter Beachtung gerade ihrer planerischen Auswirkungen – nicht inhaltlich zu beanstanden sein.“ Die Städte und Gemeinden sind beim Abschluss städtebaulicher Verträge nicht frei von rechtlichen Bindungen. Der Vorrang des Gesetzes gilt wegen der Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht uneingeschränkt auch für privatrechtliche städtebauliche Verträge. Verstößt ein städtebaulicher Vertrag gegen höherrangiges Recht, ist er rechtswidrig. Hervorzuheben sind v. a. die Bindungen, die sich aus dem sog. Koppelungsverbot und aus dem Verhältnismäßigkeitsgebot ergeben. Hoheitliche Leistungen (wie die Aufstellung eines Bebauungsplans) dürfen nach dem Koppelungsverbot grundsätzlich nicht von zusätzlichen – d. h. im Gesetz nicht vorgesehenen – wirtschaftlichen Gegenleistungen abhängig gemacht werden. Aus diesem Grund ist die Vereinbarung einer vom Vertragspartner zu erbringenden Leistung bei einem städtebaulichen Vertrag unzulässig, wenn der Vertragspartner auch ohne sie einen Anspruch auf die Gegenleistung hätte (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BauGB). Besteht ein Anspruch auf die Erteilung der Baugenehmigung (▷bauaufsichtliches Verfahren) oder des gemeindlichen Einvernehmens, dürfen diese nicht vom Abschluss eines städtebaulichen Vertrags abhängig gemacht werden. Entscheidungsspielraum für den Abschluss städtebaulicher Verträge besteht deshalb grundsätzlich nur dort, wo die Gemeinde planerisches Ermessen oder Einzelfallermessen ausüben kann und muss. Die vereinbarten Leistungen müssen als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgebots den gesamten Umständen nach angemessen sein (§ 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB). Maßstab dabei ist eine wirtschaftliche Betrachtung des Gesamtvorgangs. Auch sonst dürfen keine Anhaltspunkte dafür gegeben sein, dass die vertragliche Übernahme von Kosten eine unzumutbare Belastung für den Vertragspartner oder z. B. den späteren Erwerber des Grundstücks bedeutet. Grundsätzlich können neben dieser öffentlich-rechtlichen Bindung unabhängig von der privat- oder öffentlich-rechtlichen Rechtsnatur auch bei städtebaulichen Verträgen die Regelungen des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Anwendung kommen. Danach sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen dem Grundsatz von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Im Ergebnis ergeben sich wegen der nur geringen Wertungsunterschiede zum im öffentlichen Recht geltenden Verbot unangemessener Vereinbarungen jedoch lediglich dann strengere Anforderun-
gen, wenn sich die Unangemessenheit gerade in Bezug auf einzelne Vertragsklauseln ergibt, da solche aus einzelnen Klauseln resultierende Belastungen nach dem AGB-Recht grundsätzlich nicht im Rahmen einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung aller vertraglichen Leistungen kompensiert werden können. Schließlich sind die vergaberechtlichen Anforderungen zu beachten. Handelt es sich um einen entgeltlichen Auftrag über die Erbringung von Bauleistungen oder eine Baukonzession, haben die Städte und Gemeinden bei Überschreitung der einschlägigen Schwellenwerte (derzeit bei 5,15 Mio. Euro für Bauleistungen) diese Leistungen entsprechend den europarechtlichen Anforderungen europaweit auszuschreiben. Die Rechtsentwicklung ist hier angesichts divergierender Gerichtsentscheidungen noch nicht abgeschlossen. Insbesondere in Fällen, bei denen die kommunalen Bediensteten und/oder Mandatsträger unter Missachtung der sich aus dem Koppelungsverbot ergebenden Anforderungen Leistungspflichten zugunsten der Gemeinde oder Dritten vereinbaren, kann der Straftatbestand der Vorteilsnahme zugunsten Dritter begründet sein. Anwendungsfelder städtebaulicher Verträge Städtebauliche Verträge im Sinne von § 11 BauGB dienen der Erfüllung städtebaulicher Aufgaben. Sie ergänzen das hoheitliche Instrumentarium des Städtebaurechts. Das Gesetz unterscheidet in § 11 Abs. 1 Satz 2 BauGB im Folgenden unter 3.1 bis 3.4 näher dargestellten Vertragsgegenstände; die Regelung umreißt den möglichen Gegenstand städtebaulicher Verträge aber nicht abschließend. Die Zulässigkeit anderer städtebaulicher Verträge bleibt unberührt bleibt (§ 11 Abs. 4 BauGB). So enthält das BauGB an verschiedenen Stellen Regelungen, die die vertragliche Vereinbarung zu einem bestimmten Regelungsgegenstand betreffen (vgl. ausführlich zu den Vertragstypen Ernst u. a. 2009:Rn. 6-19). Zu erwähnen sind insbesondere der Erschließungsvertrag, mit dem die Gemeinde die ▷Erschließung durch Vertrag auf einen Dritten übertragen kann (§ 124 BauGB), der Durchführungsvertrag zum Vorhaben- und Erschließungsplan (§ 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB), die schriftliche Anerkennung der Festsetzungen des „planreifen“ Bebauungsplans durch den Antragsteller bei Genehmigungen nach § 33 BauGB (Abs. 1 Nr. 3), die Verpflichtung zur Abwendung des Vorkaufsrechts (§ 27 Abs. 1 Satz 2 BauGB), die vertragliche Übernahme von
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Ordnungsmaßnahmen im Rahmen von förmlich festgelegten Sanierungsgebieten (▷städtebauliche Sanierungsmaßnahmen) (§ 146 Abs. 3 BauGB), die Ablösung des Erschließungsbeitrages (§ 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB) oder des Ausgleichsbetrags bei Sanierungs- und städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen (§ 154 Abs. 3 Satz 2 BauGB ), die Vereinbarung zur Abwendung des Grunderwerbs im Rahmen ▷städtebaulicher Entwicklungsmaßnahmen (§ 166 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 BauGB), der Stadtumbauvertrag (▷Stadtumbau) (§ 171c BauGB), der Vertrag zur Förderung von Zielen bei städtebaulichen Maßnahmen der Sozialen Stadt (§ 171e Abs. 5 Satz 4 BauGB). Auch bei diesen Verträgen handelt es sich um städtebauliche Verträge. Die allgemein in § 11 BauGB geregelten Grundsätze und Anforderungen sind auf diese Verträge anwendbar, soweit die jeweiligen Regelungen keine hiervon abweichenden Grundsätze und Anforderungen enthalten. Unterschiedliche Vertragstypen können miteinander kombiniert werden. So kann z. B. einen Kaufvertrag über ein Grundstück mit einer Bindung zur Sicherung der Ziele der Bauleitpläne im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB verbunden werden. Auch können Erschließungsverträge nach § 124 BauGB mit weiteren Regelungsgegenständen im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 2 BauGB verbunden werden. Verträge über die Vorbereitung und Durchführung städtebaulicher Maßnahmen einschließlich der Ausarbeitung der städtebaulichen Planung Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauGB kann vereinbart werden, dass der Vertragspartner der Gemeinde städtebauliche Maßnahmen auf eigene Kosten vorbereitet oder durchführt. Ausdrückliche Erwähnung findet die Neuordnung der Grundstücksverhältnisse. Auch sind gesonderte Regelungen über einen finanziellen Vorteilsausgleich nach § 58 Absatz 1 Satz 3 BauGB möglich. Vereinbart werden kann eine über den gesetzlich beschränkten Flächenanteil hinausgehende Mehrflächenabtretung, wenn auf diese Weise ein Beitrag zur Finanzierung der der Gemeinde aus der Entwicklung entstehenden Kosten geleistet wird. Beispiele für die vertragliche Regelung über die Neuordnung der Grundstückverhältnisse finden sich u. a. bei Bunzel/Coulmas/Schmidt-Eichstaedt 2007:74ff. Ausdrücklich in § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauGB erwähnt werden auch die Bodensanierung und sonstige vorbereitenden Maßnahmen (Bunzel/
Coulmas/Schmidt-Eichstaedt 2007:89). Gegenstand einer solchen Vereinbarung können die Erkundung und Beseitigung von Bodenverunreinigung, aber auch Maßnahmen zur Sicherung vor von diesen Bodenverunreinigungen ausgehenden Gefahren sein. Auch nach § 13 Abs. 4 Bundesbodenschutzgesetz (BodSchG) besteht die Möglichkeit, im Rahmen eines sog. „Sanierungsvertrags“ entsprechende Maßnahmen zu vereinbaren. Zu den sonstigen vorbereitenden Maßnahmen gehören insbesondere die Freilegung von Grundstücken und andere Ordnungsmaßnahmen. Schließlich kann nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauGB auch die Verpflichtung zur Ausarbeitung städtebaulicher Planungen Gegenstand eines städtebaulichen Vertrags sein. Verträge über die Förderung und Sicherung der mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele Gegenstand städtebaulicher Verträge können auch die Förderung und Sicherung der mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele sein. § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB enthält einige der in diesem Kontext relevanten Planungsziele. Die Aufzählung der Vertragsgegenstände solcher Planverwirklichungsverträge ist aber nicht abschließend sondern beispielhaft. Vertragliche Vereinbarungen sind auch und gerade dann zulässig, wenn der Bebauungsplan ohne flankierende Regelung das Ziel der Planung nicht erreichen würde. Städtebauliche Verträge haben insoweit ergänzende Funktion. Wichtiges Element eines Planverwirklichungsvertrags ist häufig die gegenüber der Gemeinde eingegangene Verpflichtung, das Grundstück entsprechend der planerischen Zielsetzung innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums baulich oder in sonstiger Weise zu nutzen. Neben einer Bauverpflichtung können dies auch z. B. die Nutzung als Fläche für Ausgleichsmaßnahmen, die Einräumung von Geh-, Fahr- und Leitungsrechten, Nutzungsmodalitäten wie Betriebszeiten und Betriebsabläufe bei Gewerbebetrieben in Gemengelagen oder insbesondere im Rahmen des Stadtumbaus auch der Rückbau von Gebäuden sein. Auch der nach § 1a Abs. 3 BauGB in der Planung zu berücksichtigende Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft (▷Eingriff und Ausgleich) kann in einem städtebaulichen Vertrag geregelt werden. Städtebauliche Verträge können in Ergänzung der Festsetzungsmöglichkeiten auch dazu genutzt werden, Ziele der sozialen Wohnraumförderung zu sichern. Gegenstand eines städtebaulichen Vertrags
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kann es demnach sein, einen bestimmten Anteil der in einem Wohngebiet zu errichtenden Wohnungen mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung zu errichten (▷Sozialer Wohnungsbau). Eine solche Vereinbarung kann verbunden werden mit Belegungsbindungen, Besetzungsrechten, Regelung zur Miethöhe und zum Vorkaufsrecht (Bunzel/Coulmas/Schmidt-Eichstaedt 2007:114ff ). V. a. im süddeutschen Raum sind städtebauliche Verträge zur Sicherung des Wohnbedarfs der ortsansässigen Bevölkerung eingeführt (Einheimischen Modelle). Die Veräußerungsbeschränkung auf ortsansässige Bewerber ist grundsätzlich ein legitimes kommunales Ziel, kann allerdings dann unzulässig sein, wenn sie darauf angelegt ist, „Nichteinheimische“ vom Gemeindegebiet generell fernzuhalten (Beispiele bei Bunzel/Coulmas/ Schmidt-Eichstaedt 2007:126ff ).
die Erschließungsmaßnahmen in vollem Umfang uneingeschränkt von einem Vorhabenträger auf der Grundlage von § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB übernommen werden können, ist umstritten (Bunzel/Coulmas/Schmidt-Eichstaedt 2007:197ff ).
Folgekostenverträge
Grenzen der städtebaulichen Steuerung durch Vertrag
Gegenstand eines städtebaulichen Vertrags kann auch die Übernahme von Kosten oder sonstigen Aufwendungen sein, die der Gemeinde für städtebauliche Maßnahmen entstehen oder entstanden sind und die Voraussetzungen oder Folge des geplanten Vorhabens sind. Dazu gehört auch die Bereitstellung von Grundstücken. Gegenstand sind aber immer nur die Kosten oder Aufwendungen der Gemeinde. Hierzu zählen auch die verwaltungsinternen Personal- und Sachkosten, die der städtebaulichen Planung einer Gemeinde zurechenbar sind, soweit die Gemeinde die Aufgabe auch durch Dritte hätte erledigen lassen können (BVerwG 25.11.2005, 4 C 15.04). Maßnahmen, die Voraussetzung für die Durchführung des Vorhabens sind, sind insbesondere die erforderlichen Planungen, also insbesondere die Aufstellung von Bebauungsplänen sowie die damit in Verbindung stehenden vorbereitenden Gutachten, die Ordnungsmaßnahmen. Als Folgekosten kommen v. a. Aufwendungen für die Soziale Infrastruktur (Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen etc.) in Betracht, die nicht zwingend im Baugebiet selbst durchgeführt werden müssen. Ausgeschlossen ist allerdings die Finanzierung solcher Aufwendungen, die lediglich der Deckung eines allgemeinen Bedarfs dienen und nicht ihre Veranlassung gerade in dem konkreten geplanten Vorhaben haben. Schließlich ist auch die Übernahme der Kosten für die von der Gemeinde durchgeführten Maßnahmen zum Ausgleich einschließlich der Flächenbereitstellungskosten zulässiger Gegenstand eines städtebaulichen Vertrags nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB. Ob die Kosten für
Verträge über die Nutzung von Netzen und Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung für die Wärme- und Elektrizitätsversorgung Angesichts der klima- und energiepolitischen Herausforderungen werden Vereinbarungen zur sparsamen Verwendung von Energie z. B. durch Nutzung von Netzen und Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung für die Wärme- und Elektrizitätsversorgung an Bedeutung gewinnen (§ 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BauGB; ▷Energieeffiziente Stadtentwicklung, ▷Nachhaltige Stadtentwicklung).
Die Aufnahme der Regelung des städtebaulichen Vertrags an exponierter Stelle im BauGB im Kontext der Vorschriften zur Bauleitplanung bezweckte auch, das Augenmerk „der Anwendungspraxis“ auf die Möglichkeiten der Kooperation bei der Vorbereitung und Durchführung städtebaulicher Vorhaben zu lenken und damit dem Leitbild des „kooperativen Staates“ auch im Städtebaurecht Nachdruck zu verleihen. Dabei ist Kopperation im Städtebau nichts Neues. Die „städtebauliche Wirklichkeit“ wird vielmehr maßgeblich durch die Investitions- und Nutzungsinteressen einzelner Grundstückseigentümer, Vorhabenträger oder Bevölkerungsgruppen bestimmt, ihre Steuerung ist deshalb auf eine Einbindung dieser Investitionsinteressen in die städtebaulichen Entwicklungsabsichten angewiesen. Die Mitwirkungsbereitschaft der betroffenen Eigentümer und Nutzungsberechtigten muss gewonnen werden. Dies gilt sowohl im Rahmen einer vorsorgenden Baulandpolitik (BMVBW 2001:12) als auch im Stadtumbau. Kooperation unter Wahrung der Interessen der Allgemeinheit gelingt, dies zeigt auch die Praxis des städtebaulichen Vertrags, nur im Schatten der hierarchischen Steuerungsoptionen des Staates bzw. der Gemeinden. Kooperation setzt zudem ein ausreichendes Interesse beider Vertragsparteien voraus. Soweit eine Stadt/Gemeinde Anreize setzen muss, damit überhaupt Interesse an der Realisierung von Investitionsvorhaben entsteht, spielen städtebauliche Verträge eine weniger tragende Rolle als in prosperierenden Kommunen. Hierarchische Steuerung und Kooperation durch
STÄDTEBAULICHES ENT WERFEN
Verträge bilden gemeinsam die Eckpfeiler einer zukunftsfähigen städtebaulichen Entwicklung. Keiner dieser Eckpfeiler ist verzichtbar, auch wenn die Feinjustierung dieser unterschiedlichen Steuerungsansätze nach den Erfordernissen des Einzelfalls variiert. Trotz Kooperation mit Vorhabenträgern und Grundstückseigentümern darf die Gemeinde nicht auf die Wahrnehmung ihres verfassungsrechtlichen Auftrags als Sachwalter der Belange des Allgemeinwohls verzichten (Daseinsvorsorge). Hierzu ist sowohl die Kontrolle über die Abwicklung der Planungsverfahren als auch die Entscheidungsverantwortung des gewählten Organs der Gemeinde und dessen Bindungsfreiheit von grundlegender Bedeutung. Bunzel
Literatur Birk, H. J. (2002): Städtebauliche Verträge. Stuttgart BMVBW – Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.) (2001): Baulandbereitstellung: Bodenpolitische Grundsatzbeschlüsse, Fallstudien, Dokumentation, Anwendungshinweise. Bonn Bunzel, A.; Coulmas, D.; Schmidt-Eichstaedt, G. (2007): Städtebauliche Verträge – ein Handbuch. Berlin Burmeister, Th. (2004): Praxishandbuch Städtebauliche Verträge. Bonn Grziwotz, H. (2009): Baulanderschließung. München Ernst, W.; u. a. (Hrsg.) (2009): Baugesetzbuch, Kommentar. München
STÄDTEBAULICHES ENT WERFEN Städtebauliches Entwerfen ist längst nicht mehr, was es mal war oder zumindest sein wollte. Seine Bedeutung bestimmt sich nach seinem Verhältnis zur tatsächlichen Stadtentwicklung und nach seinen Möglichkeiten, darauf Einfluss zu nehmen. Dabei schwankt es zwischen omnipotenten Gestaltungsmachtfantasien und demütiger oder devoter Unterwerfung unter die Zwänge des Marktes. Im planerischen Alltag geht es weniger um die Anwendung eines raumfunktionalen Formenkanons als um das Rahmensetzen für städtische Entwicklungsmöglichkeiten: Das Postulieren eines zu Ende gedachten ▷Stadtbildes ist dem Veranschaulichen und gestalterischen Begleiten von urbanen Transformationsprozessen gewichen. Dabei wird städtebauliches Entwerfen in den letzten Jahren ergänzt um das regionale und das raumplanerische Entwerfen. Damit wird einmal mehr ein erweitertes Entwurfsverständnis ange-
deutet, das auch wieder den Anspruch erhebt, unter bestimmten Voraussetzungen Forschung sein zu können. Das folgende Glossar umreißt die aktuellen (Be-)Deutungs- und Handlungsfelder städtebaulichen Entwerfens. Bedeutungen Für die Begriffe ▷Städtebau und Entwerfen (▷Entwerken und Konstruieren) haben sich – gemäß Wikipedia – jenseits bzw. unter Einschluss wissenschaftlicher oder disziplinärer Definitionsversuche die folgenden Verständnisse eingebürgert: Städtebau: „Der Städtebau befasst sich, anders als die ▷Architektur, nicht mit dem Entwurf oder der Gestaltung einzelner Gebäude, sondern mit Gebäudegruppen, Siedlungen, Stadtteilen und insbesondere mit öffentlichen Räumen. Städtebau kann als Bezeichnung für die sichtbaren und gestalterischen Aspekte der ▷Stadtplanung verstanden werden.“ Entwerfen: „Das Entwerfen ist eine zielgerichtete geistige und schöpferische Leistung, als Vorbereitung eines später daraus zu entwickelnden Gegenstandes. Entwerfen gilt als Schlüsseltätigkeit in einigen Bereichen der Bildenden Künste, spielt aber in vielen Aspekten des menschlichen Denkens und Handels eine Rolle, bei denen Kreativität und Planung eng miteinander verknüpft sind. Der Entwurf, als das Ergebnis eines Entwurfsprozesses, kann eine rein gedankliche Idee bleiben. In der Regel wird unter dem Begriff Entwurf jedoch eine Darstellung und Präsentation in Form von Texten, Zeichnungen, Grafiken und Modellen verstanden. Diese Darstellungen sind Mittel der Veranschaulichung und Kommunikation mit anderen Menschen. Anhand ihrer können Qualität, Funktionsweise und Funktionstüchtigkeit aber auch eventuelle Fehler eines Entwurfs überprüft, diskutiert und gegebenenfalls verbessert werden. (…). Der Aspekt der Vorläufigkeit und Prozessartigkeit, der heute beim Begriff des Entwerfens mitschwingt, kam erst später hinzu: durch den Einfluss des französischen ‚projeter’, ‚planen’, wörtlich ‚vor-werfen’.“.
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Mythen Entwerfen bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Intuition und Ratio und speist sich bei der Suche nach seinem Wesen und seiner Bedeutung aus den Mythen von Romantik und Aufklärung. Eine umfassende Lesart muss beide Seiten der Medaille zu reflektieren versuchen.
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Entwerfen ist Kunst Die Wurzeln dieser Auffassung sind sicherlich in der Romantik zu suchen, die den Künstlermythos bis heute nährt. Architekten und Städtebauer werden gesehen als genialische (Bau-)Künstler, die ihre Ideen durch Inspiration erhalten und ob ihrer Begnadung, Expertenwissens und fachlichen Repertoires wenig Rechenschaft über ihre Werke schuldig sind. So antiquiert der Künstlermythos auf den ersten Blick anmutet, wirft er doch eine wesentliche methodische Frage auf: Wie kommt man über Bekanntes hinaus und schafft Neues, wie entsteht Kreativität und was sind die Bedingungen ihrer Möglichkeit? Entwerfen ist Wissenschaft
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In der abendländischen Aufklärung ebenso verankert ist der Wunsch nach rationaler Durchdringung der zum Entwurf führenden Entscheidungen. Zum einen geht es dabei um Transparenz und Ableitbarkeit des Entwurfsgedankens, also das bewusste Offenlegen von Einflussfaktoren und Verfahrensweisen, um einen Entwurf argumentierbar zu machen und der Sphäre des Arbiträren zu entziehen. Zum anderen ist, der Tradition der Moderne folgend, ein solches Vorgehen beseelt vom Ideal technisch-funktionaler Perfektionierung. Ein primäres Ziel wissenschaftlicher Arbeit, allgemeingültige Regeln und Gesetzmäßigkeiten pauschal anwendbar zu machen, bleibt dabei ebenso verführerisch wie zweifelhaft. Es lässt sich, so Banse und Müller, für das Entwurfshandeln keine allein schematisch oder algorithmisch abarbeitbare, evtl. noch vorgegebene Schrittfolge angeben, die mittels gegebener Information mit Sicherheit zum beabsichtigten Ziel führt (Banse/ Müller 2001). Aktuelle Versuche computerbasierten Entwerfens (▷Architekturdarstellung und CAD) bemühen sich um die vollständige Ausschaltung subjektiver Einflussnahme; der Autor zieht sich aus dem Entwurf zurück. Dieser wird durch den parametrisch gespeisten Rechner generiert, seine Genese erfolgt komplementär zur tradierten Auffassung vom künstlerischen Geniemythos. Doch zeigen sich schnell die Grenzen totaler Objektivierbarkeit. Eine rein pragmatisch-funktionalistisch argumentierte Herangehensweise ignoriert zwangsläufig die Vielfalt und Komplexität weiterer, teils schwer greifbarer Einflussfaktoren und erscheint in ihrer monokausalen Auslegung der Entwurfsgrundlagen oft verkürzend und eindimensional. Das Drehen an den Stellschrauben des Entwurfs,
z. B. die Auswahl und Gewichtung von Daten und Werkzeugen, bleibt bis zu einem gewissen Grad erstens subjektiv und zweitens unvermeidlich. Gleichwohl kann und muss sich dieser Vorgang bzw. das Ergebnis intersubjektiv reflektieren lassen, wenn der Entwurf den Anspruch eines gemeinsamen Erkenntnisgewinns haben möchte. Entwerfen ist „Er-Finden“ Die beschriebenen Extreme des Zutritts – radikal subjektivierter künstlerischer Zutritt und objektivierter wissenschaftlicher Determinismus – umreißen von zwei Richtungen kommend das methodische Spektrum entwurflichen Schaffens, wobei sich die in ihrer Ausschließlichkeit befindliche jeweilige Schwäche schon andeutet. Letztlich muss der Entwerfende eine eigene Bewertung vornehmen, wie „Kreativität“ und „wissenschaftliche“ Methodik im spezifischen Falle evozierbar bzw. einsetzbar sind. Von Seggern und Werner beschreiben Entwerfen als „eine evolutionäre menschliche Handlungsweise, die grundsätzlich auf Entwicklung zielt. (…) Zentrales Moment jedes Entwurfs ist eine Idee, die gleichzeitig Fokus, Ziel und Struktur eines Entwurfsprozesses ist. Entwerfen heißt immer die Suche nach Ideen, nach Neuem, Entwerfen ist eng verwoben mit Erfinden.“ (von Seggern/Werner 2008:34). Es geht es also um „Er-Finden“, das Begreifen und Überschreiten von Bekanntem. Doch auch das Neue beginnt nicht bei Null, sondern knüpft in einem heuristischen, bewusst methodischen und iterativen Findungsprozess auf unterschiedlichen Ebenen immer an etwas Vorhandenes bzw. Erfahrenes an. In einem morphologischen Sinne bspw. nannte Snozzi sein städtebauliches Konzept für den Umbau des Zentrums des Tessiner Ortes Monte Carasso schon 1978 eine sich aus dem Wiederfinden und Erfinden speisende Strategie zur „Wiedererfindung des Ortes“ (Snozzi 1995). Orientierungen Rückblicke Am Umbruch zur Moderne wandte sich Sitte mit seinem Werk „Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen“ gegen die Banalität und Eintönigkeit eines technokratischen Fluchtlinienstädtebaus (Sitte 1889). Er betrieb eine systematische Analyse alter Stadtbaukunst mit dem Ziel, die neuzeitlichen urbanen Auswüchse mittels Rückgriff auf historische Vorbilder zu kurieren. Rund 30 Jahre später beurteilt Le Corbusier
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die „alte Stadt“ insgesamt als untauglich für die hereinbrechende Moderne mit ihren technologischen, sozialen und ökonomischen wie kulturellen Umwälzungen. Seine „Stadt der Gegenwart“ entspringt einem euphorischen, heroischen Aufbruchswillen und einer neuen rationalistischen Logik: Statt den „Wegen des Esels“ sollten Nutzungsansprüche und Notwendigkeiten neuer Technologie und Infrastruktur die Gestalt der Stadt bestimmen. Seitdem wurden die Halbwertszeiten von Anschauungen und ▷Leitbildern nicht gerade länger. Die „klassische“ Moderne formuliert in der Charta von Athen die Grundlagen der neuen Stadt, stets jedoch existiert auch die ideologische Gegenthese: konservative Strömungen propagieren die Anknüpfung an Tradition und Struktur der historischen Stadt. Die Nachkriegsmoderne versuchte sich in Spielarten wie der Gartenstadt oder dem Konzept der „Urbanität durch Dichte“ (▷Dichte, ▷Städtebauliche Dichte), begleitet von den utopistischen Megastructures einer akademischen Avantgarde. Ab den späten 1970er Jahren bricht sich eine aufgestaute Moderneverdrossenheit und -skepsis Bahn und postuliert die Rückbesinnung auf die Muster der traditionellen Stadt: Postmoderne Stilzitate und „kritische Rekonstruktion der ▷europäischen Stadt“ suggerieren verlässliche Stadtbau-Konventionen. Heute scheint zu gelten: Alles geht! „Supermodernism“ und „▷New Urbanism“, ultrapragmatischer Ingenieursstädtebau neben nostalgisch-eskapistischer Retro-Stadt und regionale „Spezialitäten“ Seite an Seite mit der globalen Hyperkultur (▷Globalisierung). Fakt ist jedenfalls, es gibt keine generellen Leitbilder mehr für die heutige Stadt, keine Eindeutigkeiten und keine verabredeten, allgemein gültigen Konventionen. Vorbilder Für den Entwurfsprozess ist die Beschäftigung mit der städtischen Geschichte, der Theorie und den schon gebauten Resultaten unabdingbar. Dabei muss das Betrachtungsobjekt aber in seinen zeitlichen Entstehungskontext gestellt und die gesellschaftlichen und technischen Rahmenbedingungen ins Bewusstsein gerufen werden. Der Blick zurück will geübt sein und erfordert Abstraktionsbzw. Interpretationsvermögen, soll er nicht zur geschichtsklitternden Nostalgiefalle werden. Keine Stadtstruktur taugt per se als Kopiervorlage und vorgeprägte Klischees gilt es zu vermeiden. Nicht ein striktes (formales) Korsett oder eine städtebauliche Ideologie sollten Grundlage des Ent-
werfens sein, sondern ein „sich-Einlassen“ auf verschiedene urbane Zustände. Städtebauliches Entwerfen ist Maßarbeit. Anstatt der Indoktrinierung und Ideologisierung einer „reinen Lehre“ oder vermeintlichen Wahrheit muss eine von Empathie geleitete konkrete und produktive Auseinandersetzung mit dem Vorgefundenen erfolgen. Spielregeln und Abläufe sind dabei immer wieder spezifisch aus Ort, Zeit und Kontext heraus zu entwickeln. Entwerfer müssen sehen lernen, sich sensibilisieren für den Kontext und räumlich wie sozio-kulturell ihre Wahrnehmung schärfen, um adäquate und kreative Antworten zu finden. Experimentieren ist dabei notwendig. „trial and error“, lernen durch Entwerfen, als eine Form des Generierens von Wissen, notabene Forschung also. Für ein derart erweitertes Entwurfsverständnis, das auf eine Veränderung städtischer Umwelt und auf ihre Gestaltung im erweiterten (z. B. Beuysschen) Sinne abzielt, kann es keine Rezepte geben. Aber eine Schulung in der Befähigung, sich auf den jeweiligen urbanen Einzelfall einzulassen. Das „Prinzip Improvisation“ (Dell 2002) zu erlernen, könnte hier ein ganzes Stück weiter helfen. Ausblicke Die Komplexität der heutigen Stadt und der städtischen Gesellschaft erfordern Differenz, Pluralität und auch Prozessualität beim städtebaulichen Entwerfen. Das Postulat von der „Collage City“ (Rowe/Coetter 1990) kann als Beschreibung städtischer Realitäten und gestalterischer Impetus zugleich verstanden werden. Heute kann das Collagieren städtischer Phänomene und städtebaulicher Elemente nicht mehr allein als raumkünstlerischer Akt verstanden werden. Es ist v. a. auch eine soziale Performance, in welche sich alle Gestaltungswilligen produktiv einbringen. Gegenstände Stadtlandschaft
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Die unseren Städten und Landschaften ursprünglich zugrunde liegenden Organisationsstrukturen sind das Ergebnis von sozioökonomischen Systemen und funktionellen Zonierungen wie auch kulturellen Traditionen (▷Urbane Landschaften). Die explosiven Entwicklungen des 19. und 20. Jahrhunderts haben diese Prozesse abrupt abgebrochen und abbrechen müssen. Neue Strukturen schrieben sich in das Territorium ein und überschrieben die älteren. Die Stadtlandschaft muss heute
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als Palimpsest gelesen (Corboz 2001) und kann nur so verstanden und verantwortungsvoll geändert werden. Die räumliche Abgeschlossenheit in der Dichotomie Stadt/Landschaft ging weitgehend verloren und damit auch deren Begreifbarkeit mit Hilfe und im Sinne eines verbindlichen, eindeutigen Bildes. Diese neue – real existierende – Stadt appelliert nicht an eine allgemeine Wahrnehmung, die tradierten Codes ihrer Interpretation versagen zunehmend. Wesensmerkmal der heutigen postfordistischen Stadt ist die Parallelität von unterschiedlichen Zuständen, Epochen und Strukturen. Von alter Stadt und Zwischenstadt, Siedlung und City, pragmatischer Infrastrukturnotwendigkeiten und gelebter Heimat. Sie transformiert sich durch die beschleunigte Gleichzeitigkeit von Wachstum und Schrumpfung, Verdichtung und Entdichtung sowie Dynamik und Stillstand. Wirtschaftliche Umbrüche, regionale Rahmenbedingungen, differenzierte soziologische ▷Milieus und Lebensstile bilden sich in unterschiedlichen Stadtfragmenten ab. Die „alte Stadt“, das historische Zentrum, wird dabei zu einem Teil unter vielen, gleichsam untergerührt wie in Prices bekannter Metapher von der modernen Stadt als Rührei. Edge cities, Zwischenstadt, carpet metropolis, urban sprawl und generic city: die Vielfalt von Begriffen belegt die Schwierigkeit, diese neue Stadt zu erfassen. Auch ist „das Städtische“ nicht mehr gekoppelt an bestimmte städtebauliche Figuren. ▷Urbanität ist jenseits formaler Lesbarkeit und Zuordnung zu bestimmten städtebaulichen Konfigurationen in erster Linie ein soziales Phänomen und als solches heute kaum noch an spezifische Orte gebunden. „Zwischen Raum“
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Im Fokus städtebaulicher Reflexionen steht der viel beschworene Begriff der Urbanität und damit die Auseinandersetzung mit dem Thema öffentlicher Raum. Unsere Kultur und Öffentlichkeit haben sich multipliziert, diversifiziert und enthierarchisiert. Seit den 1990er Jahren haben sich neue Öffentlichkeiten herausgebildet, die traditionelle soziologische und politische Bewertungen unterlaufen und stattdessen über Moden, Szenen und Interessen konstituiert werden. Die alten, bürgerlichen Formen von Öffentlichkeit, die man mit dem öffentlichen Raum der ▷Europäischen Stadt verbindet, sind deswegen nicht verschwunden, haben jedoch ihre Dominanz zugunsten einer Koexistenz mit anderen Öffentlichkeiten eingebüßt (▷Zivilgesellschaft). Oftmals werden die
Folgen gesellschaftlicher Fragmentierung und der Bedeutungswandel von Öffentlichkeit als „Verfall und Ende“ empfunden und man sucht (vergeblich) nach Spuren von Kohärenz (Sennet 1996). Umgekehrt kann der Relevanzverlust tradierter Deutungs- und Manipulationsinstanzen aber auch als Zugewinn einer multiplen dezentralisierten Öffentlichkeit gelesen werden. Sloterdijk spricht von der Gesellschaft als „ko-isolierte vernetzte Inseln“. Er beschreibt die Auseinanderlegung sozialer Konglomerate in individuierte komplexe Einheiten und deren Rekombination in kooperativen Ensembles, die sich im städtischen Raum als Anhäufungen von unterschiedlichen, zusammenhanglosen Situationen, als Teil-Öffentlichkeiten konstituieren (Sloterdijk 2004). Im Städtebau ist das Organisieren und Konzipieren des „Dazwischen“ eine primäre Entwurfsaufgabe, die diesen Tatsachen Rechnung tragen und die gestalterischen Eindeutigkeiten und funktionalen Determinierungen modernistischer Planung zugunsten einer vieldeutigen, unterbestimmten Interpretation von öffentlichem Raum erweitern muss. Möglichkeiten Erkunden Die Interdependenzen verschiedenster stadtbestimmender Faktoren sowie die resultierende städtische Komplexität erzwingen eine erweiterte Definition des städtebaulichen Tätigkeitsfeldes. „Städte bauen“, obwohl sich Stadt und Landschaft längst als Hybride entwickelt haben und beständig weiter verändern? Der Entwurf von Teilen urbanisierter Territorien bedeutet heute „weiterbauen“, „ab-bauen“, „an-bauen“ und „um-bauen“ (▷Stadtumbau) – oder anders gesagt: das vielfältige adaptieren bestehender Strukturen an neue Rahmenbedingungen schließt zunehmend auch nicht-räumliche, nicht-bauliche Strategien mit ein. Auch der Maßstab der Aufgaben kann nicht mehr eng umrissen bleiben, sich nicht auf eine Siedlung, ein Quartier beschränken. Im Bereich der regionalen Planung (▷Raumordnung und Landesplanung) werden die ubiquitären und gleichartig wirkenden Realräume zunehmend als unbefriedigend empfunden. Die zumeist rein technokratisch und fast ausschließlich mit Flächenwidmungen operierenden Versuche von Regelung und Steuerung regionaler Veränderungen greifen zu kurz. Neuerdings besinnt sich „Raum-Planung“ auf das Formulieren konkreter räumlicher, bildmäch-
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tiger Aussagen und begibt sich auf die Suche nach den Besonderheiten in den Alltagswelten globalisierter Stadtregionen. „Stadt-Teil“, „Stadt-Region“ und „Stadt-Landschaft“ sind die kaum separiert betrachtbaren Aufgabengebiete städtebaulichen Entwerfens, das seinerseits zur Grundlage, zur „Voraussetzung“ wird von nachfolgender Architektur. Somit muss der „urban designer“ in der Lage sein, das städtisch-landschaftliche Gefüge auf allen Maßstabsebenen zu erfassen und zu denken, um einen konzeptionellen Beitrag leisten zu können. Städtebau ist weniger die Schnittstelle als vielmehr die große Schnittmenge der im Stadtraum entwurflich Engagierten. Im städtebaulichen Entwerfen begegnen sich alle für die räumliche Entwicklung wesentlichen Disziplinen und hier muss deren Integration gestaltrelevant gelingen. Es braucht Planungskompetenz für den Umgang mit Datenmaterial und sozioökonomische Kenntnisse, Wissen über Akteure (▷Akteure der Planung) und Verfahren, und Entwurfskompetenz, also kulturelles Wissen und räumlich-formale wie ästhetische Fähigkeiten. Transformieren Die schlichte lineare Abfolge von Planen – Bauen – Nutzen basierte auf einem bis in die 1990er Jahre gültigen Wachstumsszenario. Die Wirtschaft wuchs und die Stadt wuchs mit. Stadtplanung war gleichbedeutend mit dem Kanalisieren von Stadtwachstum, Städtebau gab ihm seine dreidimensionale Gestalt. Mit dem Übergang in eine postfordistische/postmoderne Gesellschaft werden andere Bedürfnisse an Stadt und Landschaft gestellt. Eine neue Dynamik, eine neue Gleichzeitigkeit bestimmt das urbane Gefüge. Stadt wächst, schrumpft und baut (sich) um: Sie befindet sich in permanenter Transformation. Wegen der Unwägbarkeit von wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und technischen Entwicklungen muss städtische Entwicklung in vergleichsweise langen Zyklen gedacht werden. Niemand kann exakt voraussagen, was, wie und wann benutzt, angeeignet und gedeutet wird, welche Zwecke und welche Ästhetik von Dauer sind oder nicht. Das spricht nicht gegen das Entwerfen von Stadtteilen, aber gegen geplante Endzustände. Und es spricht dafür, Ungewissem und Zufällen ebenso wie den Notwendigkeiten Spielräume zu geben. Den heutigen Entwerfer vergleicht Koolhaas mit einem Surfer, der die Wellen zwar nicht kontrolliert, aber doch gut kennt. Nicht alles ist prognostizierbar, längst nicht alles nach Wunsch steuerbar. Daher ist, so Christiaanse, für den Städtebauer „die
Analyse von beherrschbaren und nicht beherrschbaren Faktoren essentiell“ (Christiaanse 2004). Rahmen setzen Der Entwurf städtebaulicher Konzepte muss Architektur ermöglichen, also weiteres architektonisches Entwerfen innerhalb eines Interpretationsspielraumes zulassen. Er muss sich fragen lassen, wie viel „laisser faire“ erlaubt wird und wie viel Spielraum den nachfolgend planenden Investoren und Architekten gegeben wird. Oder andersherum: welches Maß an Kontrolle nötig (oder möglich) ist, um eine ablesbare, erfahrbare, ebenso funktionale wie sinnstiftende Qualität zu sichern. Das Loslassen von einer allumfassenden Planung folgt einer einfachen Einsicht: Künftige Entwicklungen und entwurfsbeeinflussende Parameter sind nur bedingt antizipierbar, wohingegen die Langfristigkeit von Entwicklungszeiträumen zunimmt – Instabilität ist heute Normalität. Überdeterminierten Planungen sind damit die historischen Voraussetzungen abhandengekommen und eine klassische Masterplanung ist oftmals fehl am Platze. Stadt und Architektur sollten offen und komplex gedacht werden. Definieren Die veränderten Rahmenbedingungen werden vielfach als Einschränkung entwerferischer Macht und persönlicher Entfaltungsmöglichkeit empfunden. Gleichwohl muss städtebauliches Entwerfen mit ihnen rechnen, will es nicht schöngeistige Belanglosigkeiten produzieren. Das erfordert eine Verschiebung im Selbstverständnis des Entwerfenden: ehemals Teil einer künstlerisch-intellektuellen Avantgarde, hat er seinen Status als uneingeschränkter Experte und seine Autorität als gesellschaftliche Leitfigur eingebüßt. Er muss heute weniger gesellschaftsformend als „gesellschaftsermöglichend“ denken, den Entwurf nicht als Mittel gesellschaftlicher Domestizierung begreifen, eher als Offerte an Nutzer- und Bewohnerschaft. Entwerfen heißt somit, in einen dialogischen Prozess einzutreten und Diskussionsangebote zu machen. Das setzt eine gewisse Wertschätzung libertärer Denkmodelle voraus: der Nutzer und die Nutzerin sind selbstbestimmte Akteure, nicht Objekte paternalistischer Planung. Und auch alle anderen relevanten Kräfte sind – manchmal listig – mit zu bedenken und auf geeignete Art und Weise einzubeziehen. Die aktuellen Aufforderungen den öffentlichen
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Raum nicht den Marketingstrategen zu überlassen, sondern ihn selbst zu prägen (Böttger/Borries 2008) verweisen auf die Ansätze der Situationisten um Debord in den 1960er Jahren. So verstanden wird Entwerfen zum Kuratieren von „Situationen“. Koch, Bormann, O.
Literatur Banse, G.; Müller, H.-P. (2001): Johann Beckmann und die Folgen: Erfindungen, Versuch der historischen, theoretischen und empirischen Annäherung an einen vielschichtigen Begriff. Münster Böttger, C.; v. Borries, F. (2008): Sonderpublikation zum Deutschen Pavillon. Gütersloh Christiaanse, K. (2004): Entwurf und Strategie im urbanen Raum: Die Programmlose Stadt. Textsammlung zur Vorlesungsreihe 2003/2004 an der Professur für Architektur und Städtebau, ETH Zürich. Zürich Corboz, A. (2001): Das Territorium als Palimpsest. In: Corboz, A.: Die Kunst, Stadt und Landschaft zum Sprechen zu bringen. Basel, Berlin, Boston Dell, C. (2002): Prinzip Improvisation. Köln Rowe C.; Coetter, F. (1990): Collage City. Cambridge/MA, London Sennet, R. (1996): Verfall und Ende des öffentlichen Lebens, Die Tyrannei der Intimität. Frankfurt/M Sloterdijk; P. (2004): Zelle und Weltblase. In: Archplus, 169/170, 26-31 Snozzi, L. (1995): Monte Carasso, die Wiedererfindung des Ortes. Basel Seggern, H. von; Werner, J. (2008): Entwerfen als integrierender Erkenntnisprozess. In: Seggern, H. von.; Werner, J.: Creating knowledge. Berlin, 34-67 Sitte, C. (1889): Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen. Wien
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Die Einführung des Begriffs Entwicklungsplanung wird üblicherweise auf den Beginn der 1960er Jahre datiert. Albers (2005:1067) ordnet ihn Lenort zu, der in seinem Buch „Strukturforschung und Gemeindeentwicklung“ die kommunale Entwicklungsplanung definiert als „die Gesamtheit der Tätigkeiten, mit denen die Schaffung, nachhaltige Sicherung und ständige Verbesserung der materiellen und immateriellen Voraussetzungen für das Wohl der Gemeindemitglieder und für die Funktionsfähigkeit des Gemeindeorganismus unter Berücksichtigung der Dynamik des sozialen Lebens angestrebt wird“ (Lenort 1960:31). An anderer Stelle spricht er von der „bewussten Steuerung des Auf- und Ausbaus der dynamischen Gemeinde“ (Lenort 1960:32). Schon in dieser Formulierung wird die neue Sicht auf den kommu-
nalpolitischen Auftrag der (räumlichen) Planung deutlich (▷Stadtpolitik). Die Phase des deutschen Wiederaufbaus und des gleichzeitigen wirtschaftlichen Aufschwungs war mit ihren nahezu allseits positiv gesehenen Wirkungen auf die Stadtentwicklung zum Abschluss gekommen. Nun ging es angesichts notwendiger struktureller Veränderungen nicht nur darum, rahmensetzend den ▷Städtebau im Sinne einer Auffang- oder Angebotsplanung lenkend zu begleiten. Vielmehr war auf vielen Handlungsfeldern – so auch auf dem Gebiet der ▷Stadtplanung – die Entwicklung aktiv zu gestalten. Lenort (1960:50) formuliert hierzu, wie Albers (2005:1068) zitiert, die bis heute in der Praxis anerkannten Stufen der Aufstellung einer neuartigen Entwicklungsplanung: Konzeption des Leitbildes, Feststellung der Entwicklungsmöglichkeiten, Formulierung des Programms, Durchführung. In der Folge setzte sich allerdings die Erkenntnis durch, dass die Ergebnisse prozessbezogener Entwicklungsplanung selbst einem kontinuierlichen Konzeptions-, Evaluations- und reflexivem Weiterentwicklungsprozess zu unterwerfen seien. Damit werden die Stufen der ersten Planaufstellung in der Folge zu parallel wahrzunehmenden Planungsfunktionen. Die Phase der klassischen Stadtentwicklungsplanung Erste Stadtentwicklungspläne führten dieses neue planungstheoretische Konzept in den Jahren ab 1960 in die Praxis ein. Sie verknüpften die traditionellen Zielvorstellungen räumlicher Entwicklung (▷Leitbilder) nun mit der für die Realisierung der vorgeschlagenen Maßnahmen bedeutsamen kommunalen Haushalts- und (mittelfristigen) Finanzplanung. Damit trafen sie auch Aussagen zur zeitlichen Dimension des angestrebten Entwicklungsprozesses. Auf eine kurze Formel gebracht, konnte man also den erweiterten Anspruch als die planerische Verbindung von Raum, Zeit und Geld bezeichnen. Die neuen Herausforderungen und Aufgaben für die Entwicklung des städtischen Gemeinwesens wurden also mit einer komplexeren und integrierenden Herangehensweise angenommen. Diese konnte sich wiederum auch auf erweiterte Möglichkeiten der Erfassung und Dokumentation bedeutsamer Fakten und Sachverhalte zur Analyse des Status quo und ebenso zur Erlangung prog-
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nostischer Aussagen abstützen, indem sie die rapiden Fortschritte alltagstauglicher Daten- und Informationstechnologie nutzte. Man sprach von der Verwissenschaftlichung der Planung, was sich allerdings nicht nur auf diesen eher technischen Aspekt bezog. Bestimmender hierfür war die gleichzeitig verstärkte Berücksichtigung v. a. sozial- und wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse in der fachlich zunehmend auf interdisziplinäres Zusammenwirken ausgerichteten Planung (▷Interdisziplinarität, Transdisziplinarität). In der Konsequenz wurden die Stadtentwicklungspläne allerdings auch inhaltlich immer anspruchsvoller, zudem schlicht immer umfänglicher, und waren damit in der stadtpolitischen Entscheidungsvorbereitung schwieriger zu handhaben. Mit ihrer stringenten, wissenschaftlich fundierten Ableitung komplexer Programme aus übergeordneten Leitzielen unterstellten sie darüber hinaus eine Logik und eine Rationalität des politischen Alltagshandelns in der Kommune, die den häufig auf Ressortegoismen oder persönlichkeitsgebundenen Konstellationen beruhenden Entscheidungshintergründen nicht entsprach. Die allgemeine Planungs- und Machbarkeitseuphorie Ende der 1960er Jahre unterstützte und förderte allerdings vorerst die entsprechenden Planwerke. Der fachliche Querschnittsbezug, der ja bereits ein Wesensmerkmal der auf den Flächen- und Raumbezug ausgerichteten klassischen Stadtplanung war (vgl. den umfassenden bauleitplanerischen ▷Abwägungsauftrag; ▷Bauleitplanung), bestimmte nun verstärkt sowohl Konzeption als auch Strategien der Umsetzung. Koordination und ▷Kooperation waren und sind Schlüsselbegriffe ihrer integrierten Herangehensweise. Dies führte auch zu organisationsstrukturellen Veränderungen. So bildeten sich verschiedene Modelle der Zuordnung von Stadtentwicklungsplanung in der kommunalen Verwaltung. Sie erklärten sich aus der stadtspezifisch unterschiedlichen Gewichtung jeweiliger Vor- und Nachteile. Am weitesten verbreitet war die Zuordnung als eigenes Amt zur städtischen Verwaltungsspitze – also je nach Gemeindeverfassung zum Oberbürgermeister oder Oberstadtdirektor (z. B. Hannover). Sie bot einerseits die selbstverständlichsten Möglichkeiten zu Koordinierung des Verwaltungshandelns und – mit entsprechender politischer Rückendeckung – die weitestreichende Direktionskompetenz. Allerdings konnte diese Zuordnung auch am ehesten in Konkurrenz zur parallel im Bauressort betriebenen städtebaulichen Planung treten – insbesondere zur bereits erwähnten Bauleitplanung. Hieraus, wie aus an-
deren Vorteilen, beispielsweise der dort vorfindlichen Qualifikation für Planungstätigkeiten, entschied sich eine größere Anzahl von Städten allerdings auch für das Verbleiben der Stadtentwicklungsplanung im Planungs- bzw. Bauressort (z. B. Hamburg), dann allerdings meist als neues Amt oder zusätzliche Abteilung. Vereinzelt wurde auch eine neue Zuordnung zum Wirtschaftsdezernat (z. B. Köln) für sinnvoll gehalten. Auch die beiden letztgenannten Lösungen waren jeweils mit eigenen Chancen und Risiken verbunden. Im Fall der Einbindung in das Bauressort kehrten sich die Vorzeichen gegenüber der Angliederung an die Verwaltungsspitze um, sie hatten weniger Durchschlags- und Koordinierungskraft, aber dafür bestand eine enge konsensuale Abstimmung mit der städtebaulichen Planung. Bei der Zuordnung zu einem anderen Fachressort, bspw. dem Wirtschaftsdezernat, bestand mit der unterstellten besonderen Förderung der dortigen Belange in den übergreifenden Konzepten auch das Risiko, den Respekt und die Akzeptanz in der übrigen Verwaltung und der Politik zu verlieren, auf die eine dem Anspruch nach querschnittsorientiert neutrale planende Instanz in besonderem Maße angewiesen ist. Zeitlich parallel zur instrumentellen wie organisatorischen Etablierung der Stadtentwicklungsplanung, aber durchaus auch als Folge ihres Wirkens, verlagerten sich die thematischen wie räumlichen Schwerpunkte der städtischen Entwicklung. Zunehmend traten auf Erneuerung und Umstrukturierung bestehender Stadtbereiche gerichtete Projekte (▷Bestandsentwicklung und Stadterneuerung) an die Stelle der vormals v. a. auf Stadterweiterung abzielenden städtebaulichen Planungen. Mit den direkten Auswirkungen dieses neuen Wandels im Bestand auf Teile der Bürgerschaft wurden Forderungen nach intensiverer Beteiligung (▷Partizipation) an den Planungsprozessen hervorgerufen, die in den an längerfristigen und gesamtstädtischen Perspektiven orientierten Verfahren der Stadtentwicklungsplanung vorerst nur schwer aufzunehmen waren. Außerdem sprengte die Bearbeitung der fachübergreifenden Planwerke häufiger den zeitlichen Rahmen, innerhalb dessen entsprechende Aussagen benötigt wurden; mitunter waren sogar die zugrunde liegenden Daten bei Fertigstellung der Planungen bereits veraltet. Dies alles führte dazu, dass man sich schließlich eingestehen musste, die Stadtentwicklungspläne hätten in dieser Form und ihrem umfassenden Anspruch die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. Einige ihrer Merkmale wie Vielfalt und
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Umfang der Sachinformationen sowie der sprachliche Ausdruck in den gesellschaftswissenschaftlich fundierten Themen wurden nun sehr kritisch gesehen. Mit nachlassendem Planungsvertrauen sprach man von „Datenfriedhöfen“ und „fachchinesischen Abhandlungen“. Der Tenor dieser Kritik resultierte allerdings nicht nur aus der Enttäuschung über die Grenzen der Wirkung kommunaler Entwicklungsplanung, sondern war einer allgemeinen Ernüchterung über die bereits angedeuteten Grenzen rationaler Planbarkeit komplexer gesellschaftlicher Entwicklung geschuldet. Teilräumliche und thematische Stadtentwicklungspläne als modifizierter Planungsansatz
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Die gesamtstädtischen, auf alle wesentlichen Aspekte der Zukunft des Gemeinwesens gerichteten Stadtentwicklungspläne wurden zwar nun nicht durchweg aufgegeben (einige Städte, bspw. München, verfügen über eine vierzigjährige, ungebrochene Tradition entsprechender Planwerke), aber vielerorts wurden sie doch in ihrem Anspruch und ihrem Themenspektrum vorerst reduziert oder in verschiedene, weniger komplexe Planwerke aufgeteilt. Teilräumliche sowie auf die Behandlung von Einzelthemen gerichtete, sektorale Entwicklungsplanungen traten hierbei in den Vordergrund oder vertieften die Gesamtkonzeption. So entwickelte Hamburg „Programmpläne“ auf der Ebene von Orts- und Stadtteilen, in Berlin wurde das Instrument der „Bereichsentwicklungsplanung“ eingeführt und Städte wie Frankfurt am Main benannten eine neue Planart, die v. a. der Vermittlung von lokalen städtebaulichen Entwicklungszielen dienen sollten, direkt „Stadtteilentwicklungspläne“. Abgesehen von der Reduktion auf die überschaubareren räumlichen Dimensionen, die gleichzeitig allgemein mehr Bürgernähe erbrachten, waren diese Entwicklungspläne weiterhin methodisch und in ihrem Aufbau den vorherigen gesamtstädtisch integrierten Planwerken in vielem vergleichbar. Sie enthielten Bestandsaufnahmen und Analysen weit über den stadträumlichstädtebaulichen Bereich hinaus und behandelten auch die zeitliche Dimension angestrebter Entwicklungen, wenn auch auf nähere Zeithorizonte begrenzt (▷Raumzeitstrukturen). Ebenso beinhalteten sie weitergehend konkretisierte Maßnahmenkonzepte in Abstimmung mit entsprechenden, meist sektoralen Investitionsplanungen. Als weiterhin informelle Pläne bildeten sie eine sinnvolle, konzeptionelle Ergänzung zur Bau-
leitplanung und überbrückten darüber hinaus in sehr großen Städten den für die Entwicklung der Bebauungspläne aus dem Flächennutzungsplan oft problematischen Maßstabssprung zwischen diesen beiden gesetzlich normierten Planwerken (▷Informelle Planung). Die stadtteilbezogene Entwicklungsplanung ressortierte nun allerdings i. d. R wieder in der klassischen Planungs- bzw. Bauverwaltung. Daneben standen die auf engere, stadtentwicklungsbedeutsame thematische Zusammenhänge konzentrierten sog. sektoralen Entwicklungspläne, bspw. zu ▷Einzelhandel und Zentrenstruktur. Sie wurden i. d. R. weiterhin in koordinierenden Stadtentwicklungsreferaten bearbeitet und waren, soweit für das behandelte Thema bedeutsam, ebenso auf ressortübergreifende Integration der unterschiedlichen fachpolitischen Interessen gerichtet. Zumindest ergänzte der räumliche Bezug die klassische ▷Fachplanung. Auch Planungsziele wie die kleinteilige Sicherung von Standorten für öffentliche Einrichtungen, über die Darstellungsschwelle des Flächennutzungsplanes hinaus, im Vorfeld verbindlicher Bauleitplanung und zur Orientierung der städtischen Liegenschaftsposition, waren häufiger Gegenstand dieser informellen Planart – z. B. in Berlin. So wurden in der sektoralen wie in der teilräumlichen Entwicklungsplanung der informelle Charakter und die mit diesem verknüpfte begrenzte Bindungswirkung auf die Verwaltung bzw. die an den Abstimmungen beteiligten Stellen genutzt, um frühzeitig und mit der Möglichkeit unaufwendiger Weiterentwicklung, Planungskonzepte zur Diskussion zu stellen. Für die Bauleitplanung waren Entwicklungspläne nach ihrer erstmaligen Erwähnung in der Novellierung des Bundesbaugesetzes von 1974 nur dann bedeutsam, wenn sie formell von der Gemeinde beschlossen waren; und auch dann wurde ihnen nur das rechtliche Gewicht eines einzelnen „Belangs“, also die Pflicht zur Berücksichtigung im Rahmen bauleitplanerischer Abwägung beigemessen. Teilräumliche und sektorale Entwicklungspläne sind schnell zu erfolgreichen Instrumenten geworden und etablierten sich bis heute in vielen Gemeinden. Stadtentwicklung durch Projekte und Perspektivischer Inkrementalismus Eine andere, für die folgenden Jahre bestimmende politische und fachliche Konsequenz der Enttäuschung über die Grenzen durchgängiger Planbarkeit städtischer Entwicklung war, nunmehr der städtebaulichen ▷Projektentwicklung den Vorzug
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vor übergreifender Planung zu geben. Man versuchte Schlüsselprojekte, denen unterstellt wurde, dass sie schon in kürzerer Frist positive Wirkungen auf einzelne Probleme, Defizite oder Bedarfe der Stadtentwicklung haben würden, entsprechend zu fördern; „Projekte statt Planung“ hieß die Losung, die allerdings nach gewisser Zeit, etwa Mitte der 1980er Jahre, ebenfalls eher kritisch ausgesprochen wurde. Es hatte sich nämlich inzwischen gezeigt, dass die mit dem Modernisierungsbedarf städtischer Räume und Funktionen verbundenen strukturellen Entwicklungsfragen nur unzureichend bei weitgehender Beschränkung auf reine Projektentwicklung zu beantworten waren. Dass also der sog. Inkrementalismus, wie er im angloamerikanischen Raum mit seiner wesentlich stärker auf die Privatinitiative ausgerichteten Planungsphilosophie durchaus theoretisch fundiert und erfolgreich praktiziert wurde, auf deutsche Verhältnisse nicht sinnvoll übertragbar war. Außerdem fehlten, zumindest zu diesem Zeitpunkt, das Interesse und das Engagement der Privatwirtschaft und der Bürgerschaft (▷Zivilgesellschaft) für weiterreichende Entwicklungsfragen und entsprechend strategische Projektorientierungen. Vor diesem Hintergrund setzte sich ebenfalls in den 1980er Jahren ein neuer Planungsansatz als wieder aufgegriffener Anspruch auf eine ganzheitliche Sicht durch. Er wurde als Bezugnahme auf allgemeingültige übergeordnete gesellschaftliche Entwicklungsziele und verbindlich vereinbarte Qualitätsstandards verstanden, aus dem ein Planungsrahmen definiert wurde, innerhalb dessen entsprechende Projekte als Trittsteine der gewünschten Entwicklung initiiert und gefördert werden sollten. Dieses Planungsverständnis diente wesentlich als methodische Grundlage für die Strategie der ▷Internationalen Bauausstellung (IBA) Emscher Park, die sich die Unterstützung des umfassenden gesellschaftlichen Strukturwandels im Ruhrgebiet mit städtebaulichen Mitteln zur Aufgabe gemacht hatte. Ganser, Geschäftsführer und konzeptioneller Kopf der IBA, prägte hierfür den Begriff des Perspektivischen Inkrementalismus, der bis heute – wohl auch aufgrund sehr unterschiedlicher Möglichkeiten der Interpretation und konkreten Ausprägung – als vorherrschendes Planungsverständnis bezeichnet werden kann (Albers/Wékel 2008:44). Strategische Entwicklungsziele werden nicht aus den Augen verloren, gleichzeitig wird die Umsetzung mit ihrer auf die realen Möglichkeiten bezogenen Projektorientierung flexibler, als die dem Anspruch nach umfassend programmatisch festlegende Stadtentwicklungsplanung der
1960er und 1970er Jahre. Nicht mehr der themenund flächendeckende Umgriff der Ziele und der weitgesteckte Zeithorizont, sondern strategische Schwerpunktsetzungen sowie eher überschaubare, auf Zeiträume der konkreten Projektrealisierung bezogene, Entwicklungskonzepte stehen nun im Mittelpunkt. Verbindend zur klassischen Stadtentwicklungsplanung ist die Prozessbezogenheit und der informelle Planungscharakter. Die aktive, initiierende und gleichzeitig kontinuierliche Prozessgestaltung, gesichert ggf. auch durch eine entsprechende Entwicklungsagentur, tritt in besonderer Weise in den Vordergrund. Daneben werden auch in den 1980er Jahren vielerorts weiterhin enger mit den früheren, klassischen Stadtentwicklungsplänen verwandte Konzepte aufgestellt. Sie beanspruchen allerdings i. d. R. nicht mehr die Funktion einer zentralen Steuerungsinstanz. Eher werden sie mit dem Ziel erarbeitet, um handlungsrelevantes „Stadtwissen“ über Zustand und Perspektiven in der städtischen Politik und Verwaltung zu vertiefen und zu verbreiten, sowie hieraus plausibel abgeleitete prioritäre Handlungsbereiche für die Entwicklung der Stadt vorzuschlagen. Sie sollen also eher argumentative Orientierungen und informelle Rahmensetzungen für Richtungsentscheidungen und die mittlerweile mit einer Vielfalt von Instrumenten ausgerichteten Umsetzungsstrategien anbieten. Das Merkmal der aktiven Entwicklungsgestaltung wird damit zugleich auf eine eher von den Zielsetzungen abgesetzte, operationale Ebene städtebaulichen ▷Projektmanagements verschoben. Dies ist seit Mitte der 1980er Jahre, zuerst mit neuen Formen einer Partnerschaft zwischen öffentlichen und privatwirtschaftlichen Entwicklungsträgern und im letzten Jahrzehnt auch zunehmend durch Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Akteure ständig methodisch wie instrumentell qualifiziert worden und hat damit an Bedeutung für strategische Vorhaben der Stadtentwicklung gewonnen (Schader-Stiftung 2008:14f). Renaissance der Stadtentwicklungsplanung
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Seit den 1990er Jahren sieht die Stadtentwicklung sich erneut veränderten, teilweise dramatischen Herausforderungen ausgesetzt: Das sich verstärkende Bewusstsein von der Beanspruchung der natürlichen Lebensgrundlagen durch menschliches Tun, der globalisierungsbedingte wirtschaftliche Strukturwandel (▷Globalisierung), die auf Schrumpfung der Bevölkerungszahlen und Alterung gerichtete demographische Perspektive
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(▷Demographischer Wandel), die zunehmende Konkurrenz von Städten und Regionen um Einwohner und qualifizierte Zuwanderung, aktuell die Fragen von ▷Klimawandel und Energiewende sind die wohl wesentlichsten Themen. Die hiermit verbundene Suche nach eigenständigen Entwicklungsperspektiven und Profilen erzeugt erneut dringenden Bedarf an einer explizit strategisch orientierten Auseinandersetzung mit Potenzialen der eigenen Stadt (Meyer zum Alten Borgloh 2005). Verschiedene, im Ursprung eher politisch als planerisch ausgerichtete, teilweise schon früher angelegte Ansätze haben die entsprechenden Fragestellungen aufgegriffen. Zu nennen sind Lokale Agenda-Prozesse mit dem Ausgangspunkt in umweltbezogenen Themenstellungen, die aber durchaus umfassender auf die Analyse und Neugestaltung städtischer Entwicklungszusammenhänge ausgerichtet sind (▷Nachhaltige Stadtentwicklung). Ebenso werden mehr wirtschaftspolitisch motivierte Ansätze wie das Stadtmarketing praktiziert, das zwar primär auf die Außendarstellung von harten und weichen Standortqualitäten als Anreize für Ansiedlungen neuer Unternehmen (▷Standortwahl) oder für die Zuwanderung von qualifizierten Neubürgern gerichtet ist, aber mit der Einbeziehung von komplexen Aussagen zur Lebensqualität Handlungsbezüge weit über den traditionellen Rahmen ▷kommunaler Wirtschaftsförderung ausgreift. Aus dem Stadtmarketing entwickelt sich zum Thema Profilbildung auch eine neue Bedeutung von Leitbildern für die Stadtpolitik. Als „Leitkonzepte“ bilden sie den Ausgangspunkt für die Konkretisierung strategisch orientierter Handlungsfelder, die wiederum der Integration im Rahmen einer übergreifenden Stadtentwicklungsplanung bedürfen. Schließlich werden verstärkt Fragen der Umsetzung von Zielen der Agenda, des Stadtmarketings und der Leitbildkonzepte durch neue Formen eines Stadtmanagements vielerorts diskutiert und dabei Ansätze zu entsprechenden Handlungsweisen für die öffentliche Verwaltung und Politik aus Analogien zu Unternehmensstrategien gewonnen (Sinning 2007:7ff ). Diese je nach Situation, Problemlage und Perspektive der einzelnen Stadt in unterschiedlicher Form und Gewichtung eingesetzten Strategien und Instrumente unterliegen jedoch, solange sie nicht im Zusammenhang gesehen und integrierend verknüpft werden, spezifischen Grenzen und Beschränkungen: Die oben beschriebenen teilräumlichen und sektoralen Entwicklungspläne können eindeutig nur im Verbund wirklich strategische Dimensionen erringen. Die umwelt- und
wirtschaftspolitisch motivierten Ansätze kranken demgegenüber i. d. R. daran, die sozialen, ökologischen, ökonomischen und kulturellen Dimensionen nicht in Balance zur eigenen Perspektive mit zu sehen. Und bei der ebenfalls angesprochenen Projektentwicklung liegt trotz des strategischen Anspruchs häufig bei genauerer Betrachtung „der Schwerpunkt … nicht selten auf einer primär an wirtschaftlichen Zielen orientierten Immobilienentwicklung“ (Deutscher Städtetag 2003:4) – also eher vorrangig auf dem Feld kommunaler Finanzpolitik. Allerdings wurden diese Beschränkungen auch mit zunehmender Brisanz der Zukunftsgestaltung deutlich, und sogar Städte, die aus wirtschaftsstruktureller Privilegierung (wie z. B. Stuttgart) auf eine konsistente Stadtentwicklungsplanung über Jahrzehnte verzichtet hatten, sahen nun Bedarf an einer systematisch integrativen, von Leitbildkonzepten bis Maßnahmenkatalogen durchgängig argumentierenden Stadtentwicklungsstrategie. V. a. betraf der gesteigerte strategisch integrative Planungsbedarf die wirtschaftsstrukturell schwachen, von drastischer Bevölkerungsabnahme, Leerständen und weiteren Belastungen betroffenen Städte, vorerst vornehmlich in den östlichen Bundesländern (vgl. GdW 2001). Hier wurde durch die im Rahmen des Programms Stadtumbau Ost als Fördervoraussetzung von den jeweiligen Ländern geforderten Integrierten Stadtentwicklungskonzepte (INSEK) ein weiterer Anstoß zu einer Renaissance systematischer Stadtentwicklungsplanung gegeben. Die INSEK waren primär auf die bilaterale Berücksichtigung, das Integrieren wohnungswirtschaftlicher und stadtentwicklungsbezogener Interessen und Ziele ausgerichtet. Die ministeriellen Vorgaben zu Struktur und Inhalt verlangten den Kommunen allerdings eine sehr konkrete, datenund faktengestützte Auseinandersetzung mit ihrem Status und den Nachweis der Tragfähigkeit ihrer Prognosen zur Gemeindeentwicklung ab. Ebenso wurden eine konkrete Ableitung der vorgesehenen Maßnahmen im Rahmen des ▷Stadtumbauprozesses und entsprechende Nachweise zur Finanzierung erwartet. Die INSEK mussten deshalb auf einer ressortübergreifenden konzeptionellen Zusammenarbeit aufbauen und auch in den Umsetzungsvorschlägen verschiedene kommunale Handlungsfelder sachgerecht einbeziehen. Der oben bereits zitierte Deutsche Städtetag schließlich erarbeitete vor dem Hintergrund der verbreiteten Überzeugung, dass „statt reaktivem Handeln und kurzfristigen Einzelmaßnahmen strategisches, integriertes Denken und proakti-
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ves Handeln … – in Kooperation mit Bürgerinnen und Bürgern, mit der örtlichen Wirtschaft und anderen Kräften der Stadtgesellschaft [gefordert sei]“, durch eine Arbeitsgruppe seiner Fachkommission Stadtentwicklung ein „Positionspapier: Zukunftsentwicklung durch integrierte Stadtentwicklungsplanung und Stadtmanagement“ (Deutscher Städtetag 2003:1; ▷Stadt- und Regionalmanagement). Im Weiteren werden Ansprüche an diesen Planungsansatz formuliert, die die altbekannten Merkmale aufgreifen, gleichzeitig Erfahrungen wie aktuelle Anforderungen aufnehmen: multisektorale und Querschnittsorientierung als „Management von Interdependenzen“ auf strategischer Ebene, Integration, nicht nur der „Fachressorts und ihrer … Arbeitsfelder, sondern aller stadtentwicklungspolitischen relevanten Akteure“ (▷Akteure der Planung), Berücksichtigung räumlicher Verflechtungen und Zeitstrukturen: so müssten stets „gesamtstädtische Konzepte im stadtregionalen Kontext gesehen werden“, Prozess- und Umsetzungsorientierung: denn „Zeit ist nicht die Erstellung eines schnell überhöhten Planwerks mit konkreten einzelnen Maßnahmen, sondern die Formulierung von Entwicklungsstrategien, mit denen flexibel auf nicht absehbare Veränderungen reagiert werden kann“ und Anregung von Netzwerken, um externe wie interne Akteure in „geeignete Kooperationsformen einzubinden“. Auch die Kernaufgaben einer „Integrierten Stadtentwicklungsplanung“ beschreibt das Positionspapier: Erarbeitung und Publikation von Planungsgrundlagen, Erarbeitung und Fortschreibung von langfristigen Leitbildern, Erarbeitung von sektoralen oder teilräumlichen Konzepten und Handlungsprogrammen, Netzwerkeinitiierung und Moderation, Projektmanagement, interkommunale und internationale Kooperation und strategisches Controlling. Zusammenfassend wird v. a. der im letzten Jahrzehnt stark in den Vordergrund getretene Gesichtspunkt „… Potenziale und Akteure der Stadtgesellschaft angesichts künftiger Herausforderungen erfolgreich zu aktivieren und zu bündeln“ betont. Insoweit hat sich die Stadtentwicklungsplanung,
von ihrem „klassischen Steuerungsansatz“ ausgehend, nun in Richtung auf ein aktives „Anstoßen und Ermöglichen von Entwicklungen“ nochmals erweitert (Deutscher Städtetag 2003:6). Perspektiven Mit der Umbenennung des für die Angelegenheiten räumlicher Planung und Entwicklung zuständigen Bundesministeriums in Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und dessen Initiative einer Nationalen Stadtentwicklungspolitik soll Stadtentwicklung in Deutschland als auf allen Ebenen wahrzunehmendes Politikfeld etabliert werden. „Stadtentwicklungsplanung“ ist innerhalb desselben ein schwer abgrenzbarer Begriff, denn schon die oben dargestellten Positionen des Deutschen Städtetags weisen weit über Planung hinaus in politische Handlungszusammenhänge, beziehen die Maßnahmenebene bis zur konkreten Projektentwicklung ein. Schließlich zeigt die Kombination „integrierte Stadtentwicklungspolitik“ als Schlüsselbegriff der während der deutschen EU-Präsidentschaft im Jahr 2007 verabschiedeten „Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt“ (▷Europäische Raumentwicklungspolitik), dass auch im übernationalen Rahmen der strategische, aus der klassischen Entwicklungsplanung entwickelte Ansatz, nach seiner Weiterführung und der dargestellten unterschiedlichen Gewichtung in den letzten drei Jahrzehnten, zukünftig zu einer zentralen strukturpolitischen Handlungsmaxime erhoben werden dürfte (Albers/Wékel 2008:174f). Wékel
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STADT- UND REGIONALMANAGEMENT Begriffe und Entstehungsgeschichten
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„…Stadtmanagement (ist) ein auf Nachhaltigkeit hin orientiertes, ressortübergreifendes Management von städtischen Ressourcen unter Zuhilfenahme moderner Methoden und kommunikativer Verfahrensweisen.“ (Sinning 2006; ▷Nachhaltige Stadtentwicklung) „Der Begriff Regionalmanagement bezeichnet ein auf der regionalen Ebene ansetzendes, informelles Handlungskonzept prozeduraler Diskurssteuerung, um Hemmnisse der Regionalentwicklung abzubauen und Entwicklungsoptionen durch kollektiv getragene Planungs- und Umsetzungsbemühungen zu eröffnen.“ (Löb 2005:942; ▷Informelle Planung) Zwischen Stadtmanagement auf der einen und Regionalmanagement auf der anderen Seite gibt es eine Fülle von strukturellen Gemeinsamkeiten. Unterschiedlich ist jedoch die Entstehungsgeschichte der beiden Ansätze, die erst in jüngerer Zeit zumindest in einem lockeren gemeinsamen Kontext diskutiert werden (Sinning 2007, Danielzyk 2007, Köhler/Rosentreter 2007, Nagler/ Schwartze 2007). Stadtmanagement ist als Begriff weniger etabliert als Regionalmanagement: Zu Regionalmanagement lassen sich bei einer Online-Suche knapp 700.000 Seiten finden, zu Stadtmanagement sind es ca. 12.000 deutschsprachige Seiten (Stand August 2009). Stadtmanagement hat jedoch ältere Vorläufer als das Regionalmanagement: Die integrierte ▷Stadtentwicklungsplanung, die in ihrer klassischen Form in Deutschland v. a. in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren v. a. in Großstädten praktiziert wurde, wies mit ihrem über reine ordnungspolitische Flächennutzungsfragen hinausgehenden und sektorübergreifend angelegten Steuerungsansatz bereits einige Merkmale des Stadtmanagements auf. Mehr noch war – zumindest in seiner umfassenden Variante (Grabow/Hollbach-Grömig 2007) – das in den 1990er Jahren vielfach eingeführte Stadtmarketing durch Merkmale gekennzeichnet, die auch Stadtmanagement ausmachen. Gegenüber der klassischen Stadtentwicklungsplanung kamen hierbei Elemente wie die öffentlich-private Zusammenarbeit (▷Public Private Partnership) sowie die
Image- und Eventorientierung (▷Festivalisierung) hinzu, die auch kennzeichnend für das heutige Stadtmanagement sind. Gegenüber dem Stadtmarketing-Ansatz erscheint im Stadtmanagement v. a. das Thema der Verwaltungsmodernisierung und der Neudefinition des Verständnisses hinsichtlich der städtischen Kernaufgaben (Gewährleistungsverwaltung) deutlich stärker akzentuiert. Eng verbunden mit dem gesamtstädtischen Stadtmanagement sind teilstädtische (City-, Quartiers-) und sektorale (Verkehrsmanagement) Management-Ansätze. Die Geschichte des Begriffs Regionalmanagement ist älter als der des Stadtmanagements: Regionalmanagement existiert unter diesem Namen in Österreich und der Schweiz bereits seit den 1970er Jahren. Die Entstehungsgeschichte des Regionalmanagements in Deutschland ist eng damit verbunden, dass Regionen als Handlungsebene in den letzten 25 Jahren an Bedeutung gewonnen haben (Fürst 2003). Mit dem Begriff der endogenen Regionalentwicklung wurde in Deutschland in den 1980er Jahren die Region als Ebene der Selbststeuerung neu akzentuiert (Hahne 1985). In den 1990er Jahren wurde dann die Rolle der Regionen für die Positionierung im Globalisierungswettbewerb (▷Globalisierung) weiter gestärkt und in vielen Ländern die Region als Ebene zur Dezentralisierung staatlicher Steuerung aufgefasst (Regionalisierung der Strukturpolitik, ▷Regionale Strukturpolitik, vgl. Benz u. a. 1999). In einzelnen deutschen Bundesländern wurden systematische Anreizmechanismen zur regionalen Kooperation und Selbststeuerung implementiert. Zu nennen sind hier v. a. die Regionalkonferenzen in Nordrhein-Westfalen, das Regionalmarketing (BStLU 2003) und die Teilraumgutachten in Bayern sowie Regionalisierungsansätze in Niedersachsen (Maier/Obermaier 2000). Hessen und Bayern (Troeger-Weiß 1998) waren dann Anfang der 1990er Jahre die ersten Bundesländer die das Instrument Regionalmanagement systematisch einführten. Weiterführende Impulse gingen in den 1990er Jahren von der Europäischen Strukturpolitik (▷Europäische Raumentwicklungspolitik), die das Ziel der Stärkung regionaler Einheiten verfolgte, aus. Mittlerweile ist Regionalmanagement Fördergegenstand in der Strukturpolitik und der „Dritten Säule“ der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU und wird in Deutschland praktisch flächendeckend – und überlappend – in Regionen unterschiedlicher Zuschnitte – auch in grenzüberschreitenden Regionen eingesetzt (Knippschild/ Liebe 2004). Gleichzeitig fehlen aber noch immer
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weitgehend umsetzungsstarke regionale Institutionen; insofern fungiert Regionalmanagement als Substitut festerer Institutionen (Löb 2006:57f). Gemeinsame Strukturmerkmale von Stadt- und Regionalmanagement Trotz der unterschiedlichen Entstehungsgeschichten weisen Stadtmanagement auf der einen und Regionalmanagement auf der anderen Seite eine Reihe von gemeinsamen Merkmalen auf, womit sie beide als Prototypen eines modernen Raumplanungsverständnisses stehen können: Strategischer und nachhaltiger Ansatz (siehe Abbildung): Management bezeichnet einen Prozess der Steuerung, der mehr umfasst als die reine Planung, nämlich auch die Umsetzung und das strategische Controlling. Von der Ordnungs- zur Entwicklungsorientierung: Mit dem Begriff Managen sind zunächst Tätigkeiten wie leiten, zustande bringen, organisieren konnotiert. Darin enthalten ist der Gegengedanke zur ordnungspolitischen Planung, die häufig dem Verdacht der Verhinderungsplanung ausgesetzt ist. Es geht nicht um ordnen bzw. bestenfalls ermöglichen, sondern um aktives Entwickeln. Für das Stadtmanagement ist dieser Gedanke nicht neu, lag er doch bereits der Stadtentwicklungsplanung der 1970er Jahre zugrunde. Für das Regionalmanagement bildet er den zentralen Unterscheidungspunkt zur ordnungspolitisch ausgelegten Regionalplanung. Integrativer Ansatz: Stadt- und Regionalmanagement verbindet eine breite Themenpalette. Themen des Stadtmanagements sind: Siedlungsentwicklung, ▷Wohnen, ▷Verkehr, Freiraum und Grün (▷Urbane Landschaften), Gewerbe, Wirtschaftsförderung (▷kommunale Wirtschaftsförderung), Soziales, ▷Integration, Kultur und Freizeit, Verwaltungsmodernisierung (Sinning 2007:15). Grundsätzlich ist dies auch die Themenpalette des Regionalmanagements. Faktisch stehen hier allerdings eher die
Der Kreislauf von Stadt- und Regionalmanagement (nach Sinning 2007:14)
„weichen“ Themen im Vordergrund der regionalen Zusammenarbeit, weil in konflikthaften Bereichen (z. B. Siedlungsentwicklung) kommunale Kompetenzen ungern aufgegeben werden. Neues Staatsverständnis: vom Government zur Governance (Fürst u. a. 2002): Sowohl in Local als auch Regional Governance (▷Government und Governance) ist der Staat nicht mehr der hauptverantwortliche Akteur sondern setzt als „kooperativer Staat“ (Voigt 1995) zunehmend nur noch die Rahmenbedingungen für Aushandlungsprozesse mit und zwischen sog. Stakeholdern – insbesondere Akteuren aus Wirtschaft und ▷Zivilgesellschaft (▷Akteure der Planung). Es geht darum, regionale und lokale Selbsthilfe- und Selbststeuerungspotenziale zu aktivieren (Fürst 1993). Tendenziell kann – muss aber nicht – damit auch eine Ökonomisierung der Planungsprozesse einhergehen (Sinning 2007:9). Der „Communicative Turn“ (Healey 1992) ist eines der wichtigsten Merkmale des seit den 1980er Jahren in den Vordergrund tretenden Planungsverständnisses. An die Stelle unflexibler formeller staatlicher Regelungen tritt eine erhebliche Intensivierung der Kommunikation (▷Kommunikation und Moderation) zwischen allen Akteuren. Regeln werden nicht starr gesetzt, sondern immer wieder ausgehandelt. Dies bedingt einen offensiveren Einsatz kommunikativer Methoden. Organisation, Instrumente, Methoden und Qualifikationen Hinsichtlich der Organisation des Stadtmanagements gibt es eine Reihe von Modellen. In der Diskussion hierzu wurden Ansätze wie sie bereits für die Stadtentwicklungsplanung der 1970er Jahre entworfen worden waren (z. B. Stabsstellenmodelle) aufgegriffen. Auch beim Regionalmanagement gibt es verschiedene Organisationsmodelle. Typisch sind dabei folgende Elemente: mittelharte Institutionalisierung (▷Regionale Kooperation): Es gibt empirische Belege für einen Zusammenhang zwischen der Qualität einer regionalen Kooperation und einem Mindestmaß an Institutionalisierung (Diller 2002). Eine typische Institutionalisierungsform des Regionalmanagements sind z. B. Vereine; ein zentrales strategisches politisches Beschlussgremium (z. B. Lenkungsgruppe); ggf. ein auf breitere Einbindung von Politik und
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Gesellschaft ausgerichtetes Gremium (z. B. Regionalkonferenz); eine zentrale operative Einheit: Dies ist zumindest ein Regionalmanger, der in einer der beteiligten Institutionen angesiedelt ist, häufig aber eine eigene Geschäftsstelle oder gar Entwicklungsagentur. Dies sichert professionale Umsetzung und eine gewisse Konstanz; Facharbeitsgruppen, die v. a. mit Vertretern der Verwaltung aber auch anderen jeweils relevanten Akteuren besetzt sind.
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Typische instrumentelle und methodische Elemente des Stadt- und Regionalmanagements sind: Integrierte Stadtentwicklungskonzepte (ISEK) bzw. Regionale Entwicklungskonzepte (REK) als programmatische Grundlage: Dies sind rechtlich nicht verbindliche, aber i. d. R. politisch beschlossene Konzepte. REK sind mittlerweile i. d. R. Voraussetzung für die Förderung von Regionalmanagement. ISEK haben nicht nur in Großstädten Konjunktur, sondern werden mittlerweile auch von vielen Bundesländern zur Voraussetzung für den Zugang zu Fördermitteln der Stadtentwicklung und Stadterneuerung in kleineren Städten gemacht. Diese Konzepte enthalten v. a. SWOT-Analysen (eng.; Analyse von Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken), Leitbilder und einen Katalog von Projekten. ▷Leitbilder sind ein zentrales, lokale oder regionale Orientierung gebendes Koordinationsinstrument. Häufig sind sie plakativ formuliert. Im günstigen Fall greifen Leitbilder auf städtischer und regionaler Ebene ineinander, z. B. Hamburg: „Leitbild Wachsende Stadt – Wachsende Metropolregion“ (Knieling 2000, 2007). Projekte und Events sind ein zentrales Merkmal des Stadt- und Regionalmanagements, denn erst in ihnen wird Entwicklung sichtbar (Krüger 2007). Großprojekte werden in gesamtstädtische Kontexte gestellt und auf städtischer (z. B. Gartenschauen) wie auf regionaler Ebene (EXPO 2000 Hannover, IBA Emscher Park und IBA Fürst-Pückler-Land Lausitz, ▷Internationale Bauausstellung) haben Events an Bedeutung gewonnen (▷Städtebauliche Großprojekte). Wichtige Komponente ist ein laufendes Stadtund Regionalmarketing zur Stärkung der inneren Identität und der Bekanntheit bzw. Attraktivität der Stadt und Region nach außen. Controlling, Monitoring und Evaluierung (▷Evaluation) wurden auf kommunaler Ebene als zentrale Elemente des neuen Steuerungsmodells der Verwaltung diskutiert und z. T. ein-
Planungsmethoden: Einsatzgrad und Bekanntheit aus Studium (Angaben in Prozent, Befragte: 1.408); Quelle: eigene Erhebung, Mai 2008
geführt. Auf regionaler Ebene ist ein systematisches Controlling bzw. Monitoring oder gar eine Evaluierung kooperativer Ansätze noch eher die Ausnahme (Kistenmacher/Dickertmann 1999, Diller 2004). In den letzten Jahren wurden allerdings Evaluierungsstandards entwickelt (Wiechmann u. a. 2004) und werden Evaluierungen zunehmend zur Bedingung der Fördermittelvergabe gemacht. Der umfassende Methoden-Katalog des Stadtund Regionalmanagements führt auch zu neuen Qualifikationsanforderungen an Stadt- und Regionalmanager (▷Architekten- und Planerausbildung, ▷Ausbildung zur Planung). Die Abbildung zeigt die Ergebnisse einer aktuellen Befragung unter gut 1.400 Akteuren aus der planenden Verwaltung auf kommunaler wie überörtlicher Ebene und aus Planungsbüros zur Nutzung von Planungsmethoden. Abgefragt wurde zum einen der praktische Anwendungsgrad einer breiten Palette von Planungsmethoden, zum andern inwieweit die Befragten die Methoden im Studium vermittelt bekamen. Deutlich wird v. a., dass die besonders häufig eingesetzten Methoden Moderation (▷Kommunikation und Moderation), verbal-argumentative Bewertungsverfahren, ▷Projektmanagement, SWOT-Analysen und Controlling im Studium eher selten vermittelt wurden; v. a. hier sind also Defizite in der Ausbildung deutlich. An die Stadt- und Regionalmanager werden Qualifikationsanforderungen – auch hinsichtlich von sog. Soft Skills – gestellt, die im klassischen Profil von raumbezogenen Studiengängen wie Raumplanung und Geographie noch immer relativ schwach verankert sind. Einige Hochschulen und andere Ausbildungseinrichtungen haben allerdings mittlerweile darauf reagiert:
STADT- UND REGIONALMANAGEMENT
Einrichtungen für Stadt- und Regionalmanagement finden sich an schweizerischen und österreichischen Hochschulen wie Basel, in Deutschland z. B. an der Universität Göttingen sowie der FH Braunschweig/Wolfenbüttel. Stadtmanagement spiegelt sich bereits in ersten Ausbildungsangeboten an Universitäten wider (Universität Leipzig, BTU Cottbus, TU Berlin, HCU Hamburg; Sinning 2007:19). Auch zum Regionalmanagement existieren mittlerweile spezifische Angebote (z. B. EIPOS Dresden, FH Eberswalde, Universität Hannover), die sich an eine breitere Klientel als die klassischen raumbezogenen Studiengänge wenden.
neten Ebenen, v. a. den Bundesländern und der EU. Wichtig sind hier v. a. die Wirtschafts- und Landwirtschaftsressorts und z. T. die Landesund Regionalplanungsinstitutionen. Regionalmanagement ist mittlerweile grundsätzlich fast flächendeckend förderfähig, woraus nicht selten ein Koordinierungsproblem zwischen den Ressorts, die den Regionen unterschiedliche Anreize geben, resultiert. Analoges findet sich auf der Ebene des Stadtmanagements nicht. Einzelne Elemente des Stadtmanagements sind förderfähig (z. B. Stadtentwicklungskonzepte, ▷Strategische Stadtentwicklungskonzepte), nicht jedoch Stadtmanagement als Ganzes.
Unterschiede zwischen Stadt- und Regionalmanagement
Perspektiven: Stadt- und Regionalmanagement = Raummanagement
Die Gemeinsamkeiten zwischen Stadt- auf der einen und Regionalmanagement auf der andern Seite überwiegen bei weitem. Die Unterschiede zwischen beiden Ansätzen liegen (neben den Entstehungsgeschichten) nicht in den Kernmerkmalen selbst, sondern eher in den Gewichten, in denen bestimmte Themen behandelt werden: Interne Verwaltungsmodernisierung: Im Stadtmanagement geht es v. a. auch um die Verzahnung von Stadtentwicklungsplanung und Verwaltungsmodernisierung (Sinning 2007:15, Röber 2007, Thrun 2007). Die Verwaltungsmodernisierungs-Debatte hat zentralen Eingang in die Stadtmanagement-Debatte gefunden, es stellen sich Fragen der Verschiebung der Aufgabenverantwortung innerhalb und aus der Verwaltung heraus. Dieser Aspekt hat sich in der Regionalmanagement-Debatte bislang weniger niedergeschlagen, da es hier weniger um die Frage der effizienteren Aufgabenerfüllung innerhalb bestehender Einheiten geht, sondern eher um die Definition völlig neuer Handlungsfelder neu entstehender regionaler Formationen. Umgekehrt haben in der Debatte um das Regionalmanagement steuerungstheoretische Aspekte wie etwa die Frage nach der Leistungsfähigkeit der Netzwerksteuerung als Alternative zu Institutionen ein höheres Gewicht als in der Diskussion um das Stadtmanagement. Dies liegt auch daran, dass auf der regionalen Ebene feste regionale Institutionen analog zur Kommune meist fehlen. Vertikale Anreize und Koordinationsdefizite: Regionalmanagement ist zwar als Ansatz dezentraler Selbststeuerung konzipiert, die Anstöße und finanziellen Anreize für Regionalmanagement kommen jedoch i. d. R. von übergeord-
Stadtmanagement ist in den letzten Jahren zu einem immer wichtigeren Handlungsfeld geworden. Und auch Regionalmanagement ist als lernender Ansatz konzipiert und hat sich kontinuierlich weiterentwickelt (Fürst 1995). Es ist sogar zu einem festen Instrument der Förderung regionaler Entwicklung geworden. Die Gemeinsamkeiten der beiden Ansätze rechtfertigen es – analog zur Stadt- und Regionalplanung bzw. Raumplanung – von einem übergreifenden Begriff Raummanagement zu sprechen. Stadtmanagement hat dabei naturgemäß aufgrund der größeren Zahl der Städte und des umfassenderen Aufgabenkatalogs der Städte die größere Relevanz. Regionalmanagement wird alleine schon aufgrund des Bedeutungsgewinns der Region als Handlungsebene weiterhin an Bedeutung gewinnen. Die aktuellen Herausforderungen liegen insbesondere.: im Stadtmanagement in der noch klareren Herausarbeitung der Bezüge von Stadtplanung und Verwaltungsmodernisierung und im Regionalmanagement in der besseren Abstimmung der Förderpolitiken der einzelnen Ressorts.
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In beiden genannten Ansätzen bestehen die Herausforderungen v. a.: in der systematischeren Einführung von Inhalten des Regionalmanagements in die Curricula der raumbezogenen Studiengänge (v. a. Raumplanung und Geographie sowie in der weiteren Systematisierung und Verfeinerung von Qualitätsstandards, v. a. von Controlling- und Evaluierungsansätzen. Diller
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STADTÖKOLOGIE
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STADTÖKOLOGIE Einleitung Unter Ökologie wird die „Wissenschaft von den Beziehungen des Organismus zur umgebenden Außenwelt“ (Haeckel 1866) verstanden. Neben dieser Definition gibt es andere, für die Ökologie die Wissenschaft von Ökosystemen ist, die als Einheit von Lebensgemeinschaften und ihrer Umwelt (Biozönose und Biotop) verstanden werden. Objekt der ökologischen Forschung können einzelne Populationen und Lebensgemeinschaften sowie Ökosysteme und Landschaften sein. Die Ökologie ist ein Teil der Biologie. Zum Verständnis der Wechselbeziehungen der Organismen untereinander und mit ihrer Umwelt sind Kenntnisse auch aus anderen Wissenschaften (z. B. Geologie, Chemie und Physik) notwendig. Als Stadtökologie wird innerhalb der Wissenschaft die auf urbane Gebiete bezogene Ökologie als Teil der Biologie verstanden. Auf der Ebene von Politik und Planung dagegen wird der Begriff Stadtökologie im Zusammenhang mit Stadtgestaltungsprogrammen, d. h. in einem normativen Sinn gebraucht. Der „ökologische“ Umgang mit der Umwelt wird hier als gesellschaftliche Forderung verstanden. In diesem Sinne bedeutet Stadtökologie i. d. R. v. a. einen sparsamen, verantwortungsbewussten Umgang mit den natürlichen Ressourcen auch und gerade in der Stadt (▷Nachhaltige Stadtentwicklung). Die Stadtökologie als wertende Disziplin greift weiter aus: Sie stellt den Großstadtmenschen in seine globale Verantwortung für das Fortbestehen der Arten, für reines Wasser, für unbelasteten Boden, für die Luft zum Atmen. Es ist daher
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verständlich, dass diese Art von Ökologie zu einem politischen Begriff geworden ist; es gibt eine ökologische Bewegung, Parteien haben sich der Ökologie als Wertesystem verschrieben. Wer ökologisch planen und gestalten will, braucht dazu notwendigerweise die Erkenntnisse der naturwissenschaftlichen Stadtökologie. Doch dies ist natürlich nicht ausreichend. Vielmehr muss eine solche planungs- und gestaltungsorientierte Disziplin prinzipiell auch alle für eine praktische Problemlösung relevanten Wissenschaften einbeziehen (▷Interdisziplinarität, Transdisziplinarität). In den letzten Jahren umfassten stadtökologische Untersuchungen komplexe Interaktionen zwischen natur- und sozialwissenschaftlichen Systemen auf verschieden Maßstabsebenen (z. B. Marzluff u. a. 2008). Städte gelten als ein eigener Typ von ökologischen Systemen mit einem neuen Niveau von Komplexität und Organisation und sollen als integrierte Systeme, wiederum eingefügt in sozio-ökologische Systeme höherer Ordnung, letztlich in das globale sozio-ökologische System, studiert werden. Sie sind durch nicht-lineare Entwicklung, unvorhergesehene Veränderungen und neue emergente Eigenschaften charakterisiert. Ihr Verhalten kann nicht exakt vorhergesehen werden. Stadtökologische Untersuchungen sollen Veränderungen und Evolution einbeziehen. Wandel und Veränderung sind Merkmale aller ▷Kulturlandschaften in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Stadtökologie – in jeder dieser Bedeutungen – ist eine junge Fachrichtung. Lange Zeit hielt man in der Ökologie (als Naturwissenschaft) Städte nicht für mögliche oder lohnende Gegenstände ökologischer Forschung. Sie galten als lebensfeindlich; man glaubte, die Zahl der Arten, die hier existieren können, sei gering. Man meinte, die Artenkombinationen verdanken sich weitgehend dem Zufall, so dass eine Suche nach Regelmäßigkeiten und deren Ursachen als aussichtslos galt. Erst seit ca. 40 Jahren werden Städte intensiver ökologisch untersucht, wobei jene Annahmen sich bald als falsch herausstellten. Ökologisch besonders gut erforschte Städte sind London, Paris, Warschau, Posen, Baltimore und Berlin. Im Folgenden befassen wir uns mit Stadtökologie als Teil der naturwissenschaftlichen Ökologie und versuchen, wesentliche Ergebnisse im Hinblick auf abiotische und biotische Komponenten urbaner Ökosysteme zusammenzufassen. Abschließend gehen wir noch kurz auf deren Bedeutung im Rahmen von Stadtökologie als planendes und gestaltendes Fach ein.
Abiotische Umweltbedingungen Städtische Ökosysteme unterscheiden sich durch eine Reihe von Eigenschaften von nichtstädtischen. Zwar findet man die in Städten wirkenden einzelnen Umweltfaktoren – oft auch in vergleichbarer Stärke – prinzipiell auch außerhalb der Städte. Ihre Kombination aber führt zu sehr spezifischen Faktorenkomplexen in Städten und damit zu spezifischen ökologischen Systemen mit charakteristischen Artenkombinationen. Städte weisen besondere klimatische Verhältnisse auf. Die für den Wärmehaushalt ursächlichen Randbedingungen werden durch die Modifizierung der Bodenoberflächen bzw. Bodensubstrate, durch zusätzliche Wärmequellen (u. a. Gebäudeheizung) sowie durch die Anreicherung der Atmosphäre mit Spurenstoffen weitreichend verändert (▷Klimawandel). Strahlungshaushalt, Wärmetransport in Boden und Atmosphäre sowie die Verdunstung unterscheiden sich erheblich vom Umland. Die Dunsthaube bewirkt eine durch Absorption des eingestrahlten Lichtes verminderte Erwärmung des Stadtgebietes, was jedoch infolge der geringeren langwelligen Ausstrahlung mehr als ausgeglichen wird. Dieser Treibhauseffekt führt zusammen mit der erhöhten Wärmekapazität der Bauwerke und Böden zu einer Erhöhung der mittleren bodennahen Lufttemperatur um 0,5 bis 1,5 K (Wärmeinseleffekt). Noch weit stärker als die klimatischen weichen die edaphischen Faktoren vom Umland ab. Da die Zufuhr von Materialien jahrhunderte- bis jahrtausendlang den Bodenabtrag übertraf, hat sich das Bodenniveau der Städte – z. T. erheblich – erhöht. Dadurch sank relativ dazu der Grundwasserspiegel. Absolut sank er durch Versiegelung der Oberfläche und die damit einhergehende Verringerung des Versickerns von Niederschlägen sowie durch Grundwasserentnahme. Dadurch bedingt sind die städtischen Böden gegenüber dem Ausgangszustand oft erheblich trockener. Dies gilt allerdings nicht durchwegs; die Böden der Grünflächen beispielsweise sind wegen der beträchtlichen zusätzlichen Wassergaben oft weniger trocken. Auch sind die Böden meist stark eutrophiert und häufig verdichtet. Die Böden der Deponien, Rieselfelder und Straßenrandbereiche sind so gut wie immer und die der Industriegebiete zum großen Teil erheblich durch Schadstoffe belastet. Besondere ökologische Faktorenkomplexe werden durch Bauwerke erzeugt. Auf den Außenseiten, noch mehr aber im Inneren sind sehr spezifische Habitate entstanden. Die äußere Oberflächenstruktur der Bauwerke ist aus der Perspek-
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tive vieler Arten natürlichen Felsen vergleichbar. Ökologisch wichtig ist das Mikroklima zwischen dichter stehenden Bauwerken. Außenwände vermögen expositionsabhängig hohe Temperaturen zu erreichen und zu bewahren. Die Windverhältnisse wirken sehr unterschiedlich: Abschirmung einerseits, Windexposition hoher Gebäudeteile und Düsenwirkung andererseits. Wichtig für die Tierbesiedlung der Innenräume sind spezielle Nahrungsquellen, Feuchtigkeitsbedingungen und Temperaturregime. So sind manche Räume nie, andere diskontinuierlich, wiederum andere dauernd beheizt; Temperaturschwankungen können z. B. in Dachböden im Sommer zwischen 12 und 42 K betragen, während sie in Kellern und in der Kanalisation sehr gering bis nahezu fehlend sind. Die Stadt ist alles andere als ein homogener Standort im biologischen Sinne. Vielmehr gibt es, der kleinräumigen Verteilung der Flächennutzungen entsprechend, eine Vielzahl mosaikartig angeordneter Biotope. Sie sind gegeneinander meist scharf abgegrenzt und in sich relativ homogen. Die Flächennutzung ist gegenüber den naturräumlichen Faktoren, die von ihr überlagert und modifiziert werden, von weit größerer Bedeutung. Daher dient sie oft als Ausgangspunkt für ökologische Kartierungen. Das mosaikartige Muster der Biotope wird von einer zentrischen Gliederung in Zonen überlagert: vom Zentrum zur Peripherie findet man geschlossene und aufgelockerte Bebauung, innere und äußere Randzone. Städtische Standorte unterscheiden sich von denen der meisten nicht-städtischen Gebiete auch und v. a. durch die hohe zeitliche Variabilität der Umweltfaktoren. Durch die ständigen Eingriffe verschiedenster Art ist die allgemeine Dynamik groß. Die Veränderungen sind weniger rhythmisch als bei nicht-urbanen Standorten, oder bei ebenfalls hochdynamischen natürlichen Ökosystemen, z. B. flussnahen Überschwemmungsgebieten. Biotische Komponenten urbaner Ökosysteme
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Flora Die Artenzahl der Farn- und Blütenpflanzen pro Flächeneinheit ist in Städten größer als im Umland. ▷Klein- und Mittelstädte haben in Mitteleuropa ca. 530-560 Arten, Großstädte mit 100.000 bis 200.000 Einwohnern etwa 650-730, Großstädte mit 250.000 bis 400.000 Einwohnern 900-1000 und Millionenstädte mehr als 1300 Arten. Diese Zahlen beziehen sich auf Städte in ihren administrativen Grenzen, nicht auf städtische Standorte
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im ökologischen Sinn. In Mitteleuropa ist die Artenzahl enger mit der Einwohnerzahl bzw. -dichte korreliert als mit der Flächengröße. Zur spontan wachsenden Flora kommen hinzu die angepflanzten Bäume, Ziersträucher und Zierpflanzen in Gärten, Parks und Friedhöfen. Dem wärmeren Stadtklima entsprechend hat ein großer Teil der Pflanzen seinen Verbreitungsschwerpunkt in südlichen Gebieten; dem entsprechen im Stadtzentrum zu den höheren Werten hin verschobenen Zeigerwerte für Temperatur. Auch Zeigerwerte der Pflanzen für Licht, Kontinentalität, Bodenreaktion und Stickstoff sind im Stadtzentrum zu höheren Werten hin verschoben, bei Feuchtigkeit dagegen zu niedrigeren. Fauna (Beispiel Vögel und Wirbellose) Wie bei den Farn- und Blütenpflanzen sind auch bei Tieren, zumindest bei vielen Arthropoden(Gliederfüsser)gruppen, bei Vögeln und Säugern die Artenzahlen in den Städten höher als im Umland. Besonders hoch sind sie im Stadtrandbereich; im Zentrum sowie in Neubaugebieten erreichen sie dagegen nur niedrige Werte. Selbst auch in den Innenstädten kommt noch eine beträchtliche Anzahl von Arten vor; so wurden z. B. in 20 Haustaubennestern insgesamt 63 Arthropodenarten gefunden. Die Tiere sind in unterschiedlichem Maße synanthrop, in ihrem Vorkommen an den Menschen und seine Tätigkeiten gebunden. Von manchen Arten sind überhaupt keine Freilandpopulationen bekannt. Andere zeigen zumindest eine solche Konzentration auf städtische Biotope, dass sie als typische Stadtarten bezeichnet werden können (z. B. Haustaube, Dohle). Als Reaktion auf urbane Besonderheiten treten z. T. genetisch fixierte anatomisch-morphologische Merkmalsänderungen (z. B. Industriemelanismus) oder Verhaltensänderungen (z. B. veränderter Brutbeginn) auf. Während manche Habitate und mit ihnen die auf sie angewiesenen Tiere verschwinden – z. B. Habitate nährstoffarmer Böden – entstehen andere neu als Ersatz für bestimmte natürliche Habitate. Darum treten in Städten besonders Arten des Epilithion der Gebirge (Hauswände als Kunstfelsen) und Arten der Höhlen (Keller u. a. Innenräume) hervor. Die Tierarten verschiedener Gruppen können zu Gemeinschaften, die an bestimmte Siedlungsstrukturen gebunden sind, zusammengefasst werden. Haussperling, Türken- und Straßentaube sind echte Bewohner der City, die hier auch ihre Nahrung erwerben. Andere Arten sind mehr oder weniger nur Brutgäste.
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Stoff- und Energiebilanzen Hinsichtlich ihres Stoff- und Energiehaushaltes unterscheiden sich urbane Ökosysteme grundlegend von denen des Umlandes. Der Umsatz an Sekundärenergie erreicht einen Umfang, der i. Allg. bei 25 bis 50 Prozent der eingestrahlten Sonnnenenergie liegt und in extrem verstädterten Gebieten das Vierfache davon betragen kann. Die Strahlungsenergie wird zudem kaum genutzt, denn die Biomasse der Primärproduzenten ist niedrig. Es sind nicht die grünen Pflanzen, die die energetische Basis dieser Ökosysteme bilden. Zur Versorgung der Konsumenten, v. a. der stark hervortretenden großen (wenige Wildtierarten in großer Individuenzahl, Haustiere), ist die Zufuhr stofflich gebundener Energie aus der Umgebung nötig. Gering im Vergleich zu den meisten nicht-städtischen Ökosystemen ist die Rolle der Destruenten. Stoffflüsse schließen sich kaum zu Kreisläufen, so dass sowohl die urbanen Ökosysteme selbst als auch jene der Umgebung in hohem Maße mit Abfallstoffen verschiedener Art angereichert werden. Lebensgemeinschaften und Ökosysteme Lebensgemeinschaften der Städte können in zwei Gruppen unterteilt werden: (1) Relikte der vor der Verstädterung bereits vorhandenen Lebensgemeinschaften oder absichtlich ländlich gestaltete (encapsulated countryside); (2) mehr oder weniger ausschließlich in Städten vorkommende Lebensgemeinschaften als Resultate der nur hier vorhandenen Kombinationen von Umweltfaktoren und der spezifisch städtischen Einwanderungsverhältnisse. Auf der Ebene von Ökosystemkomplexen kann man spezifisch städtische, regelmäßig wiederkehrende Kombinationen von Lebensgemeinschaften erkennen, die sich bestimmten Nutzungstypen zuordnen lassen, z. B. die Mäusegerste-Gesellschaft für Städte in Mitteleuropa allgemein. Den Biotopen entsprechend sind auch die Biozönosen mosaikartig verteilt. Das ist eine der Ursachen, warum Interaktionen der Arten schwach entwickelt sind. Eine andere liegt in der zeitlichen Variabilität der Ökosysteme, die verhindert, dass sich Wechselbeziehungen zwischen den Organismen, insbesondere mutualistische, in größerem Umfange herausbilden können: Ein Großteil der Arten lebt erst seit kurzer Zeit im gleichen ökosystemaren Zusammenhang. Der Anteil der Arten, der an ständig wechselnde Umweltbedingungen – und damit auch wechselnde biotische Nachbarschaften – angepasst ist, ist hoch. So sind die Ökosysteme nur schwach integriert. Sie sind eher
als temporäre Gruppierungen von Elementen, die auch in anderen Kombinationen auftreten können, aufzufassen denn als Gemeinschaften, in denen die Glieder einander ein- oder wechselseitig bedingen. Dennoch findet man, bedingt v. a. durch die Standortauslese, regelmäßig wiederkehrende Artenkombinationen und regelhafte Sukzessionsverläufe. Der nur schwach ausgebildeten Integration entspricht die geringe Bedeutung von Selbstregulation und von stabilen Gleichgewichtszuständen. Denn von einer entsprechenden Dauerhaftigkeit der Umweltbedingungen kann, allenfalls mit einigen Ausnahmen wie manchen Teilen von Parken und Friedhöfen, nicht ausgegangen werden. Die Lebensgemeinschaften befinden sich gewissermaßen ständig in mehr oder weniger rascher Sukzession, die immer wieder durch Außeneinwirkungen unterbrochen und in andere Richtung gelenkt wird, oder es handelt sich um Dauergesellschaften, die durch extreme Standortbedingungen fixiert sind. Die Ökosysteme sind hochgradig „außengesteuert“, v. a. als Folge mechanischer Störungen sowie hoher und ständig wechselnder Stoff- und Energiezufuhr. Aus den genannten Eigenschaften folgt eine vergleichsweise große Bedeutung der Geschichte der Ökosysteme. Das heißt u. a.: Entwicklungen sind irreversibel und nicht prognostizierbar, da die Randbedingungen ständig unvorhersehbar wechseln. Des Weiteren sind die historischen Ausgangsbedingungen von Sukzessionen, insbesondere die ursprünglichen Artenzusammensetzungen, nicht zu vernachlässigen. Denn man kann kaum davon ausgehen, dass Entwicklungen von Lebensgemeinschaften, die mit verschiedenen Ausgangszuständen beginnen, auf weitgehend einheitliche Endzustände (Klimax) zustreben, so dass anfängliche Unterschiede eliminiert wären. Die Bedeutung der äußeren Umstände macht bei Vorhersagen und Erklärungen das Eingehen auf andere Systeme (ökonomische, soziale u. a.), die die Ökosysteme beeinflussen, in noch höherem Maße erforderlich als dies in naturnäheren Gebieten bereits der Fall ist. So ist z. B. der größte Teil des städtischen Baumbestandes, Habitat und Nahrungsquelle der Zoozönosen, gepflanzt. Die Regeln, nach denen verschiedene Baumartengruppen im Laufe der Geschichte aufeinanderfolgen, sind durch kulturgeschichtliche Untersuchungen zu entdecken. Die Relevanz dieser Geschichte zeigt sich darin, dass die aktuelle Artenzusammensetzung der urbanen Ökosysteme eher als Resultat von Einschleppung, Einwanderung und Aussterben denn als wechselseitige Anpassung zwischen
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Organismen sowie zwischen Organismen und Standort erklärbar ist. Einen besonders starken Rückgang zeigen in Großstädten und Industriegebieten die einheimische und alteingebürgerte Flora und Fauna. V. a. stenöke Arten sind stark betroffen, d. h. Arten mit begrenzten Standortsansprüchen, die daher nur an einem ganz spezifischen Habitat (Standort) vorkommen. Andererseits sind urbane Gebiete Ausgangspunkt der Verbreitung und Häufigkeitszentren von Neophyten und Neozoen, also Arten, die etwa seit dem 16. Jahrhundert durch direkte oder indirekte menschliche Hilfe in das Gebiet gelangten. Die Siedlungsgröße wirkt in zweierlei Weise auf den Neophytenanteil ein: (1) Durch ▷Verkehr und insbesondere Gütertransport erhöht sich die Wahrscheinlichkeit der Einwanderung von Arten; besonders Bahnhöfe und Häfen spielen als Einwanderungs- und Ausbreitungszentren eine große Rolle. (2) Die Standortbedingungen verändern sich mit zunehmender Siedlungsgröße in einer für Neophyten und Neozoen günstigen Weise. Das Stadtklima und das Zurückdrängen der Konkurrenz einheimischer Arten – durch Störungen entstehen offene Standorte – ermöglichen großräumige Arealerweiterungen besonders nach Norden und in kontinentale Gebiete. Als Wärmeinseln haben Städte einen großen Anteil an der Ausweitung des Verbreitungsgebietes von Arten südlicher und kontinentaler Herkunft. Tiere und Pflanzen können zur Bioindikation von Umweltbelastungen benutzt werden. Besonders häufig sind die Verbreitungsmuster von Flechten in Stadtgebieten untersucht worden, weil die einzelnen Arten gegenüber Luftverunreinigungen unterschiedlich, z. T. hochgradig empfindlich sind. Zur Peripherie der Stadt hin bessert sich der Flechtenbewuchs deutlich. Der zentrale weitgehend epiphytenfreie Bereich wird als Flechtenwüste bezeichnet. Ihr schließt sich nach außen hin die Kampfzone an. Dort, wo Artenzahl und -kombination sowie Entwicklungszustand der Flechten dem Zustand des Umlandes entsprechen, beginnt die Normalzone. Epilithische (gesteinsbewohnende) Flechten kommen allerdings auch in der epiphytenarmen Flechtenwüste noch in zahlreichen Arten vor. Auch Moose zeigen im Stadtzentrum eine deutliche Artenverarmung. Sie halten sich hier in Mörtelfugen, Pflasterritzen und in Rasenflächen. Für die Armut an epiphytischen Flechten und Moosen ist neben den Luftverunreinigungen das Stadtklima mit geringerer Luftfeuchtigkeit als im Umland verantwortlich. Nach Rückgang der SO2Belastung haben sie seit den 1980er Jahren des 20. Jahrhunderts weite Gebiete rasch wiederbesiedelt,
so dass Flechtenwüsten in den Städten des westlichen Mitteleuropas nicht mehr vorhanden sind. Soziale Funktion urban-industrieller Ökosysteme Die Ansprüche an urban-industrielle Biozönosen und Ökosysteme unterscheiden sich erheblich von denen, die im ▷ländlichen Raum gestellt werden. Da die Bedeutung von Land- und Forstwirtschaft (▷Landwirtschaft und Agrarpolitik) in der Stadt nicht groß ist, besteht nur ein relativ geringes gesellschaftliches Interesse an der Produktivität der städtischen Ökosysteme. Dagegen sind die sog. protektiven Funktionen für die Stadtbewohner wichtig, z. B. Klimaverbesserung und Filterung von Luftschadstoffen. V. a. aber hat die „Stadtnatur“ eine Vielzahl sozialer Funktionen, die außerhalb der Städte kaum eine Rolle spielen, und sie ist von vielfältiger kultureller Bedeutung. Offensichtlich hat die Vegetation große Bedeutung im Rahmen ästhetischer Stadtgestaltung (▷Städtebau/Urban Design, ▷Landschaftsarchitektur), für Image- und Identitätspflege sowie für Bildung und Erziehung. Das hat Konsequenzen für die Methodik der ökologischen Forschung, denn je nach Art des sozialen Interesses an den Forschungsgegenständen sind andere Arten von Daten, andere Formen ihrer Verknüpfung und andere Darstellungsweisen sinnvoll. So treten trophisch-dynamische, d. h. primär auf die Ökosystemproduktivität bezogene Ansätze vergleichsweise zurück. Demgegenüber gewinnen jene an Bedeutung, die sich vorwiegend mit der Artenzusammensetzung der Lebensgemeinschaften, ihren Veränderungen und deren Ursachen befassen, die v. a. in Nutzungsänderungen liegen. Dennoch sind auch die stofflich-energetischen Aspekte urbaner Ökosysteme wichtig, jedoch im Hinblick auf protektive Funktionen. Denn die Offenheit der urbanen Ökosysteme und die geringe Bedeutung von Selbstregulierung und Gleichgewichtszuständen führen zu starken Belastungen der Funktionen sowohl der städtischen Ökosysteme selbst als auch besonders der Ökosysteme des Umlandes. Von der Erforschung städtischer Ökosysteme zu unterscheiden ist die human-autökologische Forschung, d. h. die Untersuchung der Umwelt der in der Stadt lebenden Menschen, die dabei als Angehörige einer biologische Spezies betrachtet werden. Zu dieser Umwelt gehören auch Faktoren wie Lärm, die für die urbanen Ökosysteme und die biologischen Lebensgemeinschaften in ihrer Umwelt relativ oder völlig unwichtig sind.
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Die Umwelt der Menschen als soziale Wesen zu untersuchen, übersteigt die Möglichkeiten der Ökologie. Sukopp, Trepl
Literatur Haeckel, E. (1866): Generelle Morphologie der Organismen. Berlin Marzluff, J. M. u. a. (2008): Urban Ecology, An international Perspective on the Interaction Between Humans and Nature. New York Sukopp, H. (Hrsg.) (1990): Stadtökologie: Das Beispiel Berlin. Berlin Sukopp, H.; Trepl, L. (1995): Stadtökologie. In: Kutter, W. (Hrsg.): Handbuch zur Ökologie. Berlin, 391-396 Sukopp, H., Wittig, R. (Hrsg.) (1998): Stadtökologie. Stuttgart Wittig, R. (2002): Siedlungsvegetation. Stuttgart
STADT- UND REGIONALÖKONOMIE Vorüberlegungen Von der Stadt- und Regionalökonomie werden Antworten auf sehr unterschiedliche Fragen erwartet: Warum werden bestimmte ökonomische Funktionen nur an manchen Orten der Stadt angeboten? Nach welchen Kriterien entscheidet sich, welche wirtschaftlichen Aufgaben in der räumlichen Arbeitsteilung welche Regionen übernehmen? Warum werden manche Regionen immer reicher, während andere wirtschaftlich schrumpfen? Es gibt nun nicht die eine Stadt- und Regionalökonomie, die Antworten auf all diese Fragen hat. Vielmehr haben sich im Laufe der Zeit eine ganze Reihe unterschiedlicher Theoriestränge mit abweichender Zielstellung, aber auch mit widersprüchlichen Aussagen entwickelt. Im Zentrum des Erkenntnisinteresses der sog. Standorttheorien steht die Erklärung der Landnutzung. Es geht dementsprechend v. a. um die Frage, warum wo welche Fläche wie genutzt wird. Die Grundlagen für nahezu alle Standorttheorien hat bereits Mitte des 19. Jahrhunderts von Thünen mit seinem Modell des „Isolierten Staates“ gelegt. Selbst die Anfang der 1970er Jahre von Richardson u. a. entwickelte „Neue Stadtökonomie“ ist noch wesentlich von der historischen Modellwelt von Thünens geprägt. Im Vordergrund der meisten anderen Ansätze in der Stadt- und Regionalökonomie steht allerdings das Verstehen von räumlichen Veränderungsprozessen. Warum konzentriert sich wirtschaftliche Aktivität an bestimmten Orten und wächst dann dort immer weiter? Warum kann
dieser Prozess zum stoppen kommen und sogar in Schrumpfungsspiralen enden? Solche Fragen werden insbesondere von den als regionale Wachstumstheorien bezeichneten Forschungsansätzen aufgegriffen. Sie werden aber auch unter dem Begriff ökonomische Geographie behandelt. Dort geht es im Kern darum, die Raumstruktur bzw. Städtehierarchie als Ergebnis von Wachstumsund Schrumpfungsprozessen zu erklären und die Stabilität der jeweiligen Strukturen zu bewerten. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die Darstellung der Theoriestränge innerhalb der ökonomischen Geographie und der Wachstumsmodelle. Sie orientieren sich jeweils an theoriegeschichtlichen Abläufen. Ökonomische Geographie Traditionelle ökonomische Geographie Eine breite Aufmerksamkeit in der Regionalwissenschaft erlangten aufgrund ihrer Praktikabilität die auf die Erklärung der Regionalstruktur bzw. Städtehierarchie ausgerichteten Ansätze der ökonomischen Geographie. Unter dem Begriff der ökonomischen Geographie werden dabei v. a. die Ansätze von Christaller zum System der zentralen Orte bzw. von Lösch zur räumlichen Ordnung der Wirtschaft diskutiert. Bis heute finden diese in den 1930er Jahren entwickelten Ansätze nicht nur in Deutschland konkrete Anwendung in der Raumordnung (▷Raumordnung und Landesplanung) und der Regionalplanung (Blotevogel 1995). Die eher empirisch angelegte Arbeit von Christaller und die stark theoretisch orientierten Überlegungen von Lösch basieren auf sehr ähnlichen Annahmen und kommen auch zu vergleichbaren Ergebnissen. Ausgangspunkt ist eine ökonomisch homogene Fläche. D. h., die Produktionsbedingungen sind an allen Orten prinzipiell identisch, die ▷Verkehrserschließung unterscheidet sich regional nicht und die Nachfrage ist im Raum gleich verteilt. Soll also mehr Produktion abgesetzt werden, kann dies nur geschehen, wenn das Marktgebiet ausgeweitet wird. Mit der Ausweitung des Marktgebietes steigen aber auch die Transportkosten. Gleichzeitig wird davon ausgegangen, dass bei der Produktion selbst Skalenerträge (sinkende Stückkosten bei wachsender Produktionsmenge) wirksam werden. Für jedes Gut und jede Dienstleistung lässt sich eine optimale Marktgröße bestimmen, bei der die Summe aus Produktionsund Transportkosten am geringsten ist. Betrachtet man unterschiedliche Güter und Dienstleistungen mit jeweils unterschiedlicher
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Bedeutung von Skalenerträgen und spezifischen Transportkosten, lässt sich ein System unterschiedlicher Marktgrößen und Knotenpunkte bestimmen. Christaller leitet daraus ein hierarchisches System zentraler Orte mit unterschiedlicher Rangigkeit ab; Lösch entwickelt ein komplexes System von Marktnetzen als Idealbild der Wirtschaftslandschaft. Die nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelten raumwirtschaftlichen Gravitations- und Potenzialmodelle basieren auf dem der newtonschen Physik entnommenen Gravitationsgesetz. In der regionalwissenschaftlichen Interpretation bildet die Intensität der räumlichen Interaktionen die Gravitationskraft. Sie wird zum einen durch das Verhältnis der Massen der Regionen gemessen (Bevölkerungszahl oder Wirtschaftsleistung) und zum anderen durch Entfernungen (ausgedrückt in Kilometern oder Raumüberwindungszeiten) erklärt (▷Raumzeitstrukturen). Den Gravitations- bzw. Potenzialmodellen mangelt es allerdings weitgehend an einer eigenständigen ökonomischen Fundierung. Insbesondere fehlen unmittelbare Bezüge zur mikroökonomischen Standorttheorie, die andere wirtschaftsgeographischen Ansätze, wie v. a. das System der Marktnetze, auszeichnet. Dennoch besitzen gerade einfache robuste Gravitationsmodelle eine breite Anwendung in der Regionalplanung, z. B. in der Ermittlung regionaler Kaufkraftpotenziale (Genosko 1995). Neue Ökonomische Geographie
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Eine der Schwächen der traditionellen ökonomischen Geographie ist ihr partialanalytischer Ansatz. Im Vordergrund stehen einseitig die Produktions- und Transportkosten. Zusammenhänge insbesondere zur räumlichen Nachfragestruktur bleiben durch die Annahmen zur räumlichen Gleichverteilung ausgeklammert. Die ökonomische Geographie von Christaller und Lösch beschreibt daher einen statischen Idealzustand, den es so in der Realität nicht geben kann. Entsprechend gab es immer wieder Versuche, die traditionellen Ansätze weiterzuentwickeln. So variierte Isard die Bevölkerungsverteilung oder von Böventer versuchte, Agglomerationseffekte zu integrieren. Ein durchgreifender Fortschritt wurde allerdings erst Anfang der 1990er erzielt, als Krugman erste Ansätze einer Dynamisierung der traditionellen Wirtschaftsgeographie vorstellte, die auf einer simultanen Erklärung von regionalen Produktionsstrukturen, Faktorwanderungen und räumlichen Nachfrageveränderungen basieren.
Triebkräfte der räumlichen Konzentration der Produktion im einfachen Modell der neuen ökonomischen Geographie sind dabei wie bei Lösch insbesondere Skalenerträge der Industrieproduktion. Diese Kräfte beginnen zu wirken, wenn durch sinkende Transportkosten ein regionaler Austausch von Waren und Arbeitskräften möglich wird. Durch die Konzentration der Produktion wird dann aber nicht nur eine Konzentration der Produktion, sondern endogen auch eine Veränderung der räumlichen Nachfragestruktur ausgelöst. Sie konzentriert sich ebenfalls dort, wo die Industriegüter produziert werden, da hier die reale Entlohnung höher ist. Unter den Bedingungen unvollständigen Wettbewerbs wird im Grundmodell eine bipolare räumliche Entwicklung abgeleitet. Sind die Transportkosten sehr hoch, findet kein regionaler Austausch statt. Die Produktion ist symmetrisch verteilt. Sinken die Transportkosten über ein bestimmtes Maß hinaus, kommt es zu einer vollständigen Konzentration der Produktion in einer Region und dem Export dieser Güter auch in die andere Region. Mittlerweile liegt eine Vielzahl von Weiterentwicklungen vor. Die ausdifferenzierten Modelle der neuen ökonomischen Geographie sind dabei deutlich robuster und realitätsnäher. Anwendung finden sie bspw. bei Fragen nach den Wirkungen von Grenzeffekten bei der ökonomischen Bewertung der EU-Integration oder der EU-Erweiterung. Aus den Modellen wird zumeist die Erwartung einer zunehmenden räumlichen Konzentration und eines höheren gesamträumlichen Wachstums abgeleitet. Die Ansätze der neuen ökonomischen Geographiemodelle liefern zudem auch eine theoretische Basis für die Erklärung von Veränderungen der Städtehierarchie, wie sie eher intuitiv von Friedman und Sassen im Zusammenhang mit der Entstehung von World oder Global Cities (▷Metropolen) beschrieben wurden. Triebkraft der räumlichen Konzentration sind dabei Betriebsgrößenvorteile bzw. Skalenerträge der Produktion von Steuerungsfunktionen wie Finanz- und Beratungsdienstleistungen. Die Verbesserungen der institutionellen Handelsbedingungen und die Möglichkeiten neuer Kommunikationstechniken bewirken gleichzeitig eine Reduktion der Raumüberwindungskosten. In der Folge konzentrieren sich die Steuerungsfunktionen der globalen Wirtschaft in wenigen Großstädten. Regionale Wachstumstheorie Noch stärker als die neue ökonomische Geographie orientieren sich die verschiedenen Entwick-
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lungsmodelle auf die Erklärung der jeweiligen aktuellen Veränderungen der regionalen Wirtschaftsstrukturen. Die ohne Zweifel größte Veränderung der Regionalstrukturen stellen die mit der Industrialisierung einsetzenden Verstädterungsprozesse dar. Nach dem Zweiten Weltkrieg bestimmte dann die Auseinandersetzung um mögliche weitere räumliche Polarisierungstendenzen bzw. einsetzende regionale Konvergenz zwischen Zentren und ländlich peripheren Gebieten die wissenschaftliche Diskussion. Im Mittelpunkt des aktuellen Erklärungsinteresses stehen die zunehmenden Differenzierungsprozesse zwischen Regionen mit ähnlichen Entwicklungsbedingungen. Urbanisierung Mit der Industrialisierung seit Mitte des 18. Jahrhunderts wurden viele neue Städte gegründet und traditionelle Zentren wuchsen immer schneller. Die Erklärung für die Konzentration der Industrie auf Städte ließ sich dabei – wie von Weber in seiner Standorttheorie beschrieben – vielfach auf die internen pekuniären Kostenvorteile der räumlichen Ballung der Produktion zurückführen. Die Städte bzw. ihr Wachstum waren in diesem Fall also Folge der wirtschaftlichen Überlegenheit industrieller Großbetriebe. Auch die Standorte der Städte schienen häufig einfach erklärbar. Insbesondere Transportkostenvorteile durch die Nähe zu Rohstofflagerstätten oder natürliche Verkehrswege sprachen für ganz bestimmte Standorte (▷Standortwahl). Marshall war einer der ersten, der Anfang des 19. Jahrhunderts bei der Beobachtung des rasanten Wachstums vieler mittelenglischer Städte darauf hinwies, dass häufig weder die Industriebetriebe besonders groß noch der Standort direkt durch natürliche Gegebenheiten vorbestimmt waren. Als Erklärung wies er in seinem Konzept der „industrial districts“ darauf hin, dass die kleinen Betriebe externe, nicht pekuniäre Kostenvorteile nutzten. Sie profitierten vom spezifischen Produktionswissen und von den vergleichbar ausgebildeten Arbeitskräften in der Region (Lokalisationsvorteile). Zudem teilten sie sich die regionalen Kosten für allgemeine Infrastruktureinrichtungen (Urbanisationsvorteile). Daraus entstand ein sich selbst verstärkender räumlicher Agglomerationsprozess gleichartiger und verschiedener Produktionen. Die ▷Urbanisierung wird aber nicht nur von der Industrie getragen. Auch die Dienstleitungen konzentrieren sich mehr und mehr auf die Städte. Eine Erklärung liegt darin, dass bestimmte Dienstleistungen ebenfalls industriellen Produktionsge-
setzen unterliegen – sie also Großbetriebsvorteile aufweisen, externe Wissensspillovers nutzen und ihre Leistungen überregional vermarkten. Beispiele für solche Dienstleistungen sind der Fernhandel oder das Finanzgewerbe. Einen alternativen Erklärungsansatz, der auch für einfache personen- und haushaltbezogene Dienstleistungen wie das Handwerk und den Einzelhandel gilt, lieferte Anfang des 20. Jahrhunderts W. Sombart. Er unterscheidet zwischen Städtebildnern und Städtefüllern. Ausgangspunkt der Stadtgründung bzw. des Stadtwachstums sind die Industrie bzw. ihr ökonomisch gleichgestellte Funktionen. Diese Städtebildner entwickeln eine regionale Nachfrage nach bestimmten Dienstleistungen. Diese Dienstleistungen werden dann vor Ort von den Städtefüllern erbracht. Unter Anwendung von Modellkomponenten aus der nachfrageorientierten (keynesianischen) Makroökonomie wurden die Überlegungen von Sombart in den 1950er Jahren weiterentwickelt. Das Konzept der Exportbasis führt das Wachstum einer Region auf die Entwicklung der exportorientierten Wirtschaft der Region zurück. Nur diese Exportbasis kann zusätzliches Einkommen in die Region bringen. Der Nichtbasissektor hingegen tauscht ohne externen Impuls lediglich stets die immer gleich große Menge von Nachfrage und Produktion untereinander aus. Steigt jedoch das Exporteinkommen, führt dies über Multiplikatoreffekte auch zu einer Erhöhung der Einkommen in der auf die lokale Nachfrage ausgerichteten Wirtschaft. Dieser Einkommensmultiplikator heizt bis heute den Wettbewerb zwischen Bürgermeistern und Ministerpräsidenten um die Ansiedlung exportorientierter Industrieund Dienstleistungsfirmen an. Auch in der Regionalpolitik des Bundes hat das Exportkriterium als Hebel für eine effiziente Förderpolitik seither seinen festen Platz. Die eigentlichen Ursachen des Wachstums klärt das Konzept der Exportbasis nicht, weil nicht erklärt wird, wie Regionen in die Lage kommen, Exportgüter zu produzieren, oder wie globales Wachstum entsteht, bei dem es definitionsgemäß keinen Export geben kann.
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Polarisierung vs. Konvergenz In der Wachstumsperiode und Hochzeit der Massenproduktion nach dem Zweiten Weltkrieg stellte sich verstärkt die Frage, wie sich die durch die Urbanisierung entstandenen regionalen Disparitäten weiterentwickeln würden. Dabei ging es v. a. darum, ob die ökonomischen Marktkräfte zu einer immer weitergehenden Auseinanderentwicklung der
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reichen Stadtregionen auf der einen und den armen ländlich-peripheren Regionen (▷Ländlicher Raum) auf der anderen Seite führen würde. Myrdal legte Ende der 1950er Jahre ein Erklärungskonzept des regionalen Wachstums vor, das eindeutig für eine polarisierende Regionalentwicklung sprach. Die reichen Regionen ziehen aufgrund der höheren Löhne und Renditen der Industrieproduktion immer mehr mobile Ressourcen aus den armen Regionen ab. Über die hohen Einkommen lassen sich zudem überlegene Infrastrukturen aufbauen. Das Wachstumspotenzial steigt weiter. In den benachteiligten Regionen dagegen nimmt durch die Abwanderung das Markt- und Entwicklungspotenzial immer weiter ab (backwash effects). Zwar gehen von den reichen Regionen z. B. über den Wissenstransfer positive Wirkungen aus (spread effects). Angesicht des niedrigen Qualifikationsniveaus bleiben sie aber gering. Nur über aktive staatliche Ausgleichspolitik könnte eine weitere Polarisierung der Regionaleinkommen verhindert werden. Ende der 1960er Jahre integrierte Kaldor die Polarisationsthesen in ein formales postkeynesianisches Wachstumsmodell. Dieses Polarisationsmodell illustriert, wie ausgelöst durch eine Verschiebung der Güternachfrage bei steigenden Skalenerträgen und regional gleichen Nominallöhnen die regionale Wettbewerbsfähigkeit auseinanderdriftet. In der einen Region mit dem positiven Impuls nehmen Produktion und Produktivität immer weiter zu (Wachstumsspirale). In der anderen Region mit dem negativen Impuls gehen die Einkommen und die Nachfrage immer weiter zurück (Schrumpfungsspirale). Zu einer entgegengesetzten Einschätzung kommen regionalwirtschaftliche Interpretationen der neoklassischen Wachstumstheorie. Ausgehend von einem Solow-Produktionsmodell wird eine Angleichung der regionalen gleichgewichtigen Wachstumsrate abgeleitet. Treibende Kraft der Konvergenz ist dabei die Annahme abnehmender partieller Grenzproduktivitäten der Produktionsfaktoren. Diese bewirkt, dass die Entlohnung der Produktionsfaktoren jeweils in der Region höher ist, in denen der betreffende Faktor knapper ist. Dies führt bei völliger Mobilität der Produktionsfaktoren dazu, dass in Regionen mit Kapitalknappheit Kapital strömt und in Regionen mit hoher Ausstattung mit Arbeit die Menschen abwandern. Dieser Prozess kommt langfristig erst bei vollständiger Konvergenz der Einkommen zum Erliegen. Dauerhafte regionale Unterschiede kann es im Grundmodell daher nicht geben. Der Wettstreit zwischen Polarisierungs- und
Konvergenzthese ist empirisch bis heute nicht entschieden (Geppert/Gornig 2005). So überwiegen auf der einen Seite innerhalb Deutschlands und Europas im Durchschnitt Konvergenzprozesse. Insbesondere manche rückständige Regionen wie Ostbayern oder Irland konnten in den letzten Jahrzehnten im Einkommensniveau stark aufholen. Auf der anderen Seite sind manche reiche Regionen wie München oder London immer reicher geworden und viele ländliche Regionen leiden bis heute unter starker Abwanderung. Ob diese Prozesse wegen oder trotz der aktiven Regionalpolitik in Europa und Deutschland stattfanden, ist ebenfalls kaum eindeutig empirisch zu beantworten. Auf Seiten der Theorie sind zudem Konzepte entwickelt worden, die innerhalb eines Modellrahmens sowohl Polarisierungs- als auch Konvergenzprozesse zulassen (Bröcker 2002). Ausgangspunkt hierfür ist auf makroökonomischer Ebene die Entwicklung der sog. neuen oder endogenen Wachstumstheorie. Ihre produktionstheoretische Basis folgt weitgehend neoklassischen Annahmen. Entsprechend wirken im regionalen Kontext über die abnehmenden Grenzproduktivitäten Konvergenzmechanismen. Die Endogenisierung der Wachstumsprozesse hingegen gelingt über die Berücksichtigung von Akkumulationsprozessen beim Sach- bzw. Humankapital. Im regionalen Vergleich lassen diese Akkumulationsprozesse auch Agglomeration und Polarisierung zu. Ein ausschlaggebender Faktor für Agglomeration oder Konvergenz können externe Effekte der Wissensproduktion sein. Breitet sich neues Wissen relativ schnell im Raum aus, überwiegt Konvergenz. Besteht dagegen eine hohe regionale Bindung von Wissensvorsprüngen, kommt es zur Agglomeration bzw. räumlichen Polarisierung der wirtschaftlichen Aktivitäten. Eine empirische Validierung und praktische Nutzung solcher komplexer Modelle mit sehr abstrakten Variablen wie der räumlichen Diffusionsgeschwindigkeit von Wissen scheint allerdings kaum möglich. Differenzierungsprozesse Ein Blick auf die Empirie der gegenwärtigen Entwicklungstendenzen weist darüber hinaus eher darauf hin, dass die Zeit genereller Erklärungsansätze vorbei ist. Überall in Europa finden wir Regionen mit ähnlichem Verdichtungsgrad, mit vergleichbarer Zentralität und Infrastrukturausstattung, mit ähnlichen Qualifikationsstrukturen, die dennoch sehr unterschiedliche Entwicklungstendenzen aufweisen. Dies gilt nicht nur für ländliche Räume, sondern gerade auch für Stadt-
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regionen. Toulouse, Birmingham, Hamburg oder Rhein-Main stehen auf der einen Seite mit an der Spitze der jeweiligen nationalen Wachstumshierarchie. Auf der anderen Seite kämpfen Marseille, Liverpool, Berlin und Rhein-Ruhr verzweifelt gegen die Schrumpfung von Wirtschaft und Bevölkerung an. Diese Entwicklungsdifferenzen lassen sich nicht aus generellen Unterschieden in den Transportkosten, den Agglomerationsgraden oder der räumlichen Diffusionsgeschwindigkeit von Wissen erklären, die in der neuen ökonomischen Geographie oder der neuen Wachstumstheorie verwendet werden. Gesucht sind also alternative oder zumindest zusätzliche Erklärungsansätze. Eine mögliche Antwort liegt in der Spezialisierung der Regionen auf unterschiedliche sektorale Produktionscluster. (▷Cluster) Bereits in den 1940er Jahren hat Perroux bei der Entwicklung seines Konzepts der „poles de croissance“ auf die unterschiedlichen Innovations- und Wachstumspotenziale von sektoralen Produktionsclustern hingewiesen. Im Zentrum steht bei ihm die dominierende Firma, die technologisch überlegende Güter produziert und überregional absetzt. Zusammen mit in der Wertschöpfungskette vor- und nachgelagerten Unternehmen und Infrastruktureinrichtungen bildet die dominierende Firma das sektorale Produktionscluster. Eine erste Anwendung fand das Konzept der Wachstumspole bei der Regionalisierung der „Planifikation“, der staatlichen Investitionslenkung in Frankreich, nach dem Zweiten Weltkrieg. Ende der 1980er Jahre hat Porter das Konzept der sektoralen Produktionscluster aufgegriffen und weiterentwickelt. Dabei beschreibt er insbesondere Bedingungen für den Erfolg sektoraler Produktionscluster. Entscheidend für ihn sind die Interaktion der lokalen Akteure, insbesondere im Innovationsprozess, sowie die regionale Verfügbarkeit von geeigneten Produktionsfaktoren (Humankapital), von Firmen für mögliche ▷Kooperationen und von Erstkonsumenten der neuen Produkte. Anders als bei Perroux, bei dem das regionale Wachstumspotenzial exogen durch die dominierende Firma bestimmt ist, sind es bei Porter endogene regionale Faktoren, die den Erfolg der sektoralen Produktionscluster und damit das Wachstumspotenzial der Region festlegen. In ähnliche Richtung gehen auch die – an die Diskussion um sog. new industrial districts anknüpfenden – Überlegungen von Storper. Die Bindung der sektoralen Innovations- und Produktionscluster an eine Region ergibt sich dabei v. a. über die Bedeutung nicht kommerzieller Beziehungen zwischen Firmen und Institutionen. Solche
Beziehungen basieren auf Vertrauen und verlangen häufige Neujustierungen. Beides ist im regionalen Kontext mit ähnlichem kulturellem Erfahrungswissen am ehesten gegeben. Allerdings hängt der wirtschaftliche Erfolg eines solchen institutionellen Geflechts nicht nur von der Intensität der Interaktionen, sondern auch von seiner Zielsetzung ab. „Wachstumskoalitionen“ sind genauso möglich wie „Verhinderungsallianzen“ (Grabher 1993). Die Wirkung der Region auf ihre Ökonomie muss aber nicht auf spezielle Interaktionen mit sektoralen Innovations- und Produktionscluster beschränkt bleiben. Die Region als die Gesamtheit ökonomischer, sozialer, administrativer, politischer und institutioneller Faktoren bildet das regionale ▷Milieu, in dem wirtschaftlicher Erfolg aber auch Misserfolg entsteht (Läpple 2000). Das gesamte Geistesleben einer Region – wie G. Simmel es für Berlin Anfang des 20. Jahrhunderts beschreibt – nimmt Einfluss auf die Kreativität seiner Bewohner. Diese Kreativität bestimmt dann auch die Innovationsfähigkeit ihrer Unternehmen und damit den wirtschaftlichen Erfolg. Auf diesem Zusammenhang beruhen auch aktuelle Thesen bspw. von Florida zur Bedeutung von gesellschaftlicher Toleranz, die kreative Talente anzieht und damit ökonomischen Erfolg mit neuen Technologien verspricht (▷Kreative Städte). In nahezu keinem wirtschaftspolitischen Konzept einer Region fehlen heute Hinweise auf die Förderung von Offenheit und Toleranz, von Kreativität und Talent, von Innovation und Technologie. Auch weisen die meisten regionalen Wirtschaftskonzepte sektorale Produktionscluster aus, auf denen die Maßnahmen zur Förderung von Offenheit, Kreativität und Innovation ausgerichtet sind. Besonders beliebt in deutschen Regionen sind dabei Industriecluster zur Biotechnologie und zur Solartechnik sowie bei den Dienstleitungen Medien- und Tourismuscluster. Inwieweit allerdings solche Strategien erfolgreich sind, ist empirisch bislang nicht belegt. Zwar kann statistisch für die USA und viele EU-Länder der Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Erfolg der Regionen und der Spezialisierung auf erfolgreiche exportorientierte sektorale Produktionscluster nachgewiesen werden. Ebenso ist der Einfluss eines Wechsels der sektoralen Leitsektoren auf die Renaissance von Regionen gut belegt (Gornig 2000). Empirisch sehr viel schwieriger ist es jedoch, die Bedingungen des Erfolgs nachzuweisen. Welche Rolle die Veränderung exogener Nachfrageverschiebungen spielt, welche Faktoren die Innovationskraft eines Produktionsclusters wirklich ausmachen, unter welchen Bedingun-
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gen die Einführung neuer Produktionscluster gelingt, ist weitgehend unbeantwortet. Auch für den plausiblen Zusammenhang von gesellschaftlicher Offenheit, Kreativität und ökonomischem Erfolg findet sich mehr anekdotische Evidenz als statistische Signifikanz. Fazit Die Ergebnisse der theoretischen und empirischen Forschung mögen auf den ersten Blick unbefriedigend sein. Auf eine Frage hat die Regionalökonomie i. d. R. mindestens zwei Antworten. Die wahre umfassende Theorie der Stadt- und Regionalökonomie wird man vergebens suchen. Darin liegt aber auch ein besonderer Reiz des Fachs: Die immer währende Suche nach dem adäquaten Erklärungszusammenhang für den jeweils spezifischen Fall. Ob sich dabei die Ansätze der neuen Wirtschaftsgeographie nach Krugman oder der sektoralen Produktionscluster wie bei Porter oder Storper als überlegen erweisen, bleibt eine immer wieder neu zu beantwortende Frage. Gornig
Literatur Blotevogel, H. (1995): Zentrale Orte. In: ARL – Akademie für Landeskunde und Raumordnung (Hrsg.): Handwörterbuch der Raumordnung. Hannover, 1117-1124 Bröcker, J. (2002): Schlussfolgerungen aus der Theorie endogenen Wachstums für eine ausgleichende Regionalpolitik. In: Raumforschung und Raumordnung, 3-4, 185-194 Genosko, J. (1995): Gravitations- und Potenzialmodelle. In: ARL – Akademie für Landeskunde und Raumordnung (Hrsg.): Handwörterbuch der Raumordnung. Hannover, 429-432 Geppert, K.; M. Gornig (2005): Regionale Konvergenz- und Polarisierungsprozesse in der Europäischen Union. In: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, 1, 8-25 Gornig, M. (2000): Gesamtwirtschaftliche Leitsektoren und regionaler Strukturwandel. Berlin Grabher, G. (1993): Wachstums-Allianzen und Verhinderungskoalitionen, Die Rolle regionaler Netzwerke. In: Informationen zur Raumentwicklung, 3/4, 111-121 Läpple, D. (2000): Ökonomie der Stadt. In: Häußermann, H: (Hrsg.): Großstadt – Soziologische Stichworte. Opladen, 193-207
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Begriffsabgrenzung
Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und Ähnliches, war ursprünglich rein anlagen- und verhaltensbezogen ausgestaltet. Durch den mit Planung bezeichneten § 50 ist im Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) jedoch seit 1974 auch ein explizit raumbezogener Ansatz verankert, der im Laufe der Jahre durch weitere Regelungen zur raumbezogenen Überwachung und Verbesserung der Luftqualität, der Lärmbelastung und der Störfallrisiken ergänzt und verdichtet wurde. Dieser Ansatz, der fachlich im Wesentlichen auf einer geeigneten räumlichen Zuordnung und raumverträglichen Kontingentierung von Nutzungen beruht, korrespondiert mit den Vorgaben des Baugesetzbuchs zur Gewährleistung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse. Da die praktischen Handlungsfelder fast ausschließlich auf der örtlichen Ebene liegen, sind auch die Hauptinstrumente des raumbezogenen Immissionsschutzes, nämlich die ▷Bauleitplanung mit den Stufen der Flächennutzungs- und Bebauungsplanung, die Luftreinhalte- und die Lärmminderungsplanung, im Wesentlichen kommunal dominiert. Insofern kann neben dem anlagen- und verhaltensbezogenen Immissionsschutz durchaus von der Etablierung des (stadt-)planerischen Immissionsschutzes als eigenständige Säule gesprochen werden. Fachliche Einordnung Der stadtplanerische Immissionsschutz ist – anders als der anlagenbezogene Ansatz, der auf einzelne Emissionsquellen orientiert ist – auf eine holistische, die Gesamtqualität des Wohn-, Erholungsund Arbeitsumfelds berücksichtigende Herangehensweise ausgerichtet. Er bezieht sich somit nicht auf die punktuelle Bewältigung von Einzelkonflikten, sondern ist Ausdruck des Vorsorge- und ▷Kooperationsprinzips (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG). Der Begriff des stadtplanerischen Immissionsschutzes ist eng mit dem Begriff des Akzeptors im Raum verknüpft, der das wesentliche Schutzobjekt darstellt. Schädliche Umwelteinwirkungen, also Beeinträchtigungen, die nach dem Gesetzeswortlaut nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebBereich
Immissionskenngröße
Straßenverkehr
Kraftfahrzeuge/Anlage und Tag
Schienenverkehr Züge/Anlage und Tag
Der Immissionsschutz, also der Schutz des Menschen – aber auch der übrigen umweltbezogenen Schutzgüter – vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche,
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Luftverkehr
Flüge/Anlage und Tag
Gewerbe/Freizeit Schallleistung und Stoffemission/Fläche Immissionskenngrößen nach Bereichen (eigene Darstellung)
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liche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen, werden im Hinblick auf dieses Schutzobjekt betrachtet und Schutzmaßnahmen unter dem Gesichtspunkt der (möglichen) Auswirkungen auf dieses Schutzobjekt ausgewählt. Planerische Rahmenbedingungen Beim stadtplanerischen Immissionsschutz geht es im Regelungsbezug nicht nur, aber auch um die Begrenzung von Emissionen. Im wirkungsbezogenen Fokus sind dabei Immissionen als Auswirkungen bestimmter anthropogener, i. d. R. durch Planungs- und Genehmigungsverfahren legitimierter Bodennutzungen auf andere Flächen und Bodennutzungen zu betrachten. Sie sind insoweit Gegenstand räumlicher Planungen, als mit einer als zulässig geplanten emittierenden Bodennutzung Auswirkungen auf das Umfeld im Sinne der Beeinträchtigung dort bestehender oder ebenfalls geplanter Bodennutzungen entstehen können. Damit kann aus der Nutzungskonkurrenz das Nutzungspotenzial benachbarter Flächen eingeschränkt werden. Die planerische Konfliktbewältigung erfordert es zunächst, die mit einer Bodennutzung verbundene Emission zu erfassen und diese anhand der am Einwirkungsort relevanten Immissionen zu regulieren. Für Straßen-, Schienen- und Luftverkehrswege (▷Verkehr) sowie Gewerbe- und Freizeitstandorte – hier als Anlagen bezeichnet – sind charakteristische Funktionen erkennbar, die die Emissionsintensität bestimmen. Unabhängig davon, ob und wie sich dies in späteren anlagenbezogenen Genehmigungen oder Widmungen niederschlägt oder niederschlagen kann, wird dem Grunde nach bei allen raumbezogenen Konzepten mit möglichen Immissionsproblemen eine Kontingentierung der Emissionsintensität der Bodennutzung nach diesen charakteristischen Funktionen vorgenommen. Dabei erfolgt entweder eine Bewegungsbegrenzung der Anlage oder eine Verteilung der Nutzungsintensität des Bodens im Raum. Im Straßen- und Schienenverkehr, ebenso im Wasserverkehr, basiert die planerische Kontingentierung auf Prognosen der Verkehrsmenge, die zwar nicht verbindlich sind, aber mittel- und langfristig die von der Anlage tatsächlich zu erwartenden Emissionen durch Geräusche und Luftverunreinigungen wiedergeben sollen und die Basis für die Bemessung von Abständen und die Bestimmung von Schutzmaßnahmen sind, um am relevanten Einwirkungsort die zulässige Immission nicht zu überschreiten. Im Luftverkehr sind
mit gleicher Zielsetzung Bewegungskontingentierungen auf der Basis der luftverkehrsrechtlichen Genehmigungen möglich. Bei Gewerbegebieten können Kontingentierungen für Geräusche und Luftverunreinigungen im Bebauungsplan verbindlich festgesetzt werden. Nicht vorhergesehene deutliche Überschreitungen weisen auf Prognose- oder Planungsfehler bzw. nicht absehbare Entwicklungen hin. Häufig sind dies die Auslöser von Sanierungserfordernissen. Das ist u. a. ein Grund dafür gewesen, für die Auswirkungen der Bauleitplanung in § 4c BauGB eine Überwachung zu regeln. Konzeptioneller Bezug Die räumliche Gesamtplanung ist durch ein inhaltlich und räumlich differenziertes System unterschiedlicher Planungsebenen gekennzeichnet. Die geplante Nutzung und die dabei differenzierte räumliche Struktur eines Planungsgebiets ergibt sich planungstheoretisch aus einer – auch zeitlichen – Abfolge von Planungsprozessen: europäische Raumordnung (▷Europäische Raumentwicklungspolitik), ▷Bundesraumordnung, Landesplanung (▷Raumordnung und Landesplanung), Regionalplanung, Flächennutzungsplanung/▷Stadtentwicklungsplanung, Bebauungsplanung, in denen jeweils Teilfragen gelöst und an die nächstfolgende Planungsebene als Vorgabe (z. T. mit förmlicher Anpassungspflicht) abgegeben werden. Im sog. Gegenstromprinzip werden die Ergebnisse rückgekoppelt. Insofern kommt den obersten Stufen der Raumordnung insbesondere die Funktion zu, abstrakte und allgemeingültige Grundsatzentscheidungen zu treffen, die dann im Wege der Abschichtung den folgenden Planungsebenen, insbesondere der regionalen Raumordnungsplanung, der kommunalen Bauleitplanung und der ▷Fachplanung, zur räumlichen Konkretisierung und Umsetzung überlassen werden. Diese deduktive Arbeitsweise vom Allgemeinen zum Besonderen und vom Großen zum Kleinen ist geübte methodische Praxis der räumlichen Planung und wird durch das eher induktive Gegenstromprinzip ergänzt. Dadurch gilt im Grundsatz: Je kleinräumiger die Planungsebene ist, desto geringer ist der Anteil an Variablen und desto stärker orientiert sich die Planung an konkreten baulichen und sonstigen Gegebenheiten. Beispielsweise werden auf der Ebene der Bebauungsplanung und der Fachplanungen grundlegende Fragen der Funktions- und Flächenzuweisungen sowie bestimmte Bedarfsfragen planungssystematisch i. d. R. von der übergeordneten Planungsebene übernommen
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und auf der örtlichen bzw. vorhabenspezifischen Stufe verfeinert. Zumindest in dicht besiedelten Bereichen sind die an einem Ort auftretenden Belastungen u. a. durch Geräusche, Erschütterungen, Luftverunreinigungen oder Unfallrisiken i. d. R. nicht auf eine einzelne Anlage zurückzuführen, sondern stellen die Gesamtheit der Immissionen mehrerer unterschiedlicher Verursacher dar. Für den davon Betroffenen ist die Zusammensetzung letztlich gleichgültig. Für ihn entscheidend ist nur das Ergebnis, nämlich Umfang, Dauer, Charakteristik, Wirkung und Empfindung der Beeinträchtigung, und dabei vordringlich die Frage, ob er belästigt oder gar gefährdet wird. Daher liegt es nahe, die Beurteilung der Immissionen unabhängig von den Emittenten vorzunehmen. Als Ziel von Minderungsmaßnahmen könnte demgemäß formuliert werden, dass eine höchstmögliche Entlastung der größten Anzahl von Menschen durch Herabsetzung der Einwirkung in der Kombination aller einwirkenden Verursacher mit dem jeweils geringsten technischen und Kostenaufwand erreicht werden soll. Für den stadtplanerischen Immissionsschutz sind drei (in gewissen Grenzen kombinierbare) Handlungsoptionen erkennbar, die grundsätzlich für alle genannten Formen von Immissionen gelten: Emissionsreduktion durch mindernde oder steuernde Eingriffe in die Anlage bzw. ihren Betrieb, Immissionsreduktion durch räumliche Abstände, Funktionengliederung oder Maßnahmen im Transmissionsweg und Reduktion der Empfindlichkeit betroffener Immissionsorte.
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Die konkreten konzeptionellen Handlungsmöglichkeiten unterscheiden sich zwischen den Hauptimmissionen Lärm und Luftverunreinigung wegen deren verschiedenen Entstehungs-, Ausbreitungs- und Additionsmechanismen allerdings deutlich. Während bei der Luftverunreinigung großräumige Wirkungszusammenhänge und z. T. indifferente Ursache-Wirkung-Beziehungen dominieren, sind beim Lärm kleinräumige, i. d. R. physikalisch klar auf bestimmte Verursacher rückführbare Belastungen maßgeblich. Durch diesen starken Raumbezug der Lärmimmission liegt hier der Hauptanwendungsbereich des stadtplanerischen Immissionsschutzes, der sich – anders als bei den Luftreinhalteplänen – auch in der kommunalen Trägerschaft der Lärmminderungsplanung niederschlägt.
Wegen der langfristigen, durch hohe Vermögenswerte, Lebensdauern, integrale Strukturfunktionen im Siedlungsgefüge und große Bauvolumina geprägte Beharrungskraft von Siedlungs- und Infrastrukturen im Raum besteht praktisch nie die Möglichkeit, frei über die jeweils fachlich am besten geeignete Kombination von Maßnahmen des Immissionsschutzes zu entscheiden. Vielmehr sind die Handlungsmöglichkeiten immer eingeschränkt. Bestimmte Maßnahmen sind auch nur in kurzen Zeitfenstern, z. B. im Rahmen der Planung von Siedlungen oder Infrastrukturen, möglich. Betrachtet man die für die räumliche Planung maßgeblichen (informellen und formellen) Verfahren (▷Informelle Planung), lassen sich drei Konstellationen für strategische Handlungsmöglichkeiten ableiten: bei Erweiterung emittierender Nutzungen: Veränderung von Linienfindung (Straßenverkehr, Schienenverkehr), Standortfindung (Luftverkehr, Gewerbe, Freizeit) und von Erschließungssystemen, bei Umbau emittierender und empfindlicher Nutzungen: z. B. Lärmminderungsplanung, Aktionsplanung (EU-Umgebungslärmrichtlinie, ▷Stadtumbau), bei Erneuerung von Nutzungsgefügen: z. B. ▷städtebaulichen Sanierungmaßnahmen. Insgesamt besteht die „Kunst“ darin, die fachlichen und strategischen Handlungsmöglichkeiten zu einem Optimum des stadtplanerischen Immissionsschutzes zu kombinieren und in die ▷Abwägung einzubringen. Das dazu geeignete Instrumentarium stellt die kommunale Bauleitplanung dar. Steinebach
Literatur Kloepfer, M. u. a. (Hrsg.) (2006): Leben mit Lärm? Risikobeurteilung und Regulation des Umgebungslärms im Verkehrsbereich. Berlin, Heidelberg, New York Rumberg, M. (2007): Modellierung und Management kombinierter Umgebungslärmimmissionen – Ansätze für die risiko- und qualitätsorientierte Lärmminderung in der Stadtplanung. Kaiserslautern Steinebach, G. (2001): Stadtplanung – Bauleitplanung und Lärmkontingentierung – Lärmminderungspotenziale der städtebaulichen Nutzungsmischung. In: Zeitschrift für Lärmbekämpfung, 2, 63-68 Steinebach, G.; Rumberg, M. (2005): Die Umgebungslärmrichtlinie der Europäischen Union und ihre Umsetzung in deutsches Recht. In: Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht, 4, 344-348 Steinebach, G.; Rumberg, M. (2003): Raumplanerische Fragestellungen an die Gesamtgeräuschbetrachtung. In: Zeitschrift für Lärmbekämpfung, 3, 82ff
STADTPLANUNG
STADTPLANUNG Begriffsbestimmung Stadtplanung umfasst alle Tätigkeiten zur vorausschauenden Ordnung und Lenkung räumlicher Entwicklung nicht nur für Städte als gesamte Einheit, wie der Begriff vermeintlich vorgibt, sondern für mehrere räumliche Einheiten. Diese umfassen sowohl die Region, wenn die Stadt sich als Teil eines stadtregionalen Zusammenhangs begreift, als auch Teile innerhalb der Stadt von Stadt- und Ortsteilen bis hin zu Quartieren. Eine einheitliche, rechtlich fixierte Definition dieses Begriffs gibt es nicht. Im Stichwortverzeichnis des Baugesetzbuchs und der einschlägigen Kommentare fehlt das Wort Stadtplanung vollständig. In der Praxis werden die Begriffe Stadtplanung und ▷Städtebau häufig in gleichen Kontexten, sogar synonym verwandt, obwohl in der Konnotation der beiden Begriffe unterschiedliche Maßstäbe vorherrschen. Albers hat seiner 1988 erschienen praxisorientierten Einführung in dieses Thema den Titel „Stadtplanung“ gegeben (Albers 1996); auf seine darin formulierte Definition gehen spätere Veröffentlichungen und Ansätze zur Definition meist zurück. Albers erläutert auch im Handwörterbuch der Raumordnung (Albers 2005) den Begriff Stadtplanung. Im Rahmen der Verständigung über die verwendeten Begriffe im europäischen Kontext sind weitere Definitionsansätze entstanden (ARL 2003, Sander 2008, Pahl-Weber/Henckel 2008). Mit der politischen Prioritätensetzung auf die Entwicklung von Städten, sowohl international in Zusammenhang mit der schnell voranschreitenden Verstädterung der Welt (▷Urbanisierung) als auch im Europäischen Rahmen mit der Vereinbarung zur ▷Nachhaltigen Stadtentwicklung, der Leipzig Charta von 2007, und im nationalen Rahmen mit der Initiierung der Nationalen Stadtentwicklungspolitik (▷Stadtpolitik) hat nicht nur der Begriff Stadt sondern auch die Planung dieses Raumes eine neue, auch politisch gesetzte Priorität erhalten – wenn auch der Begriff Stadtplanung selbst in diesem Kontext kaum Verwendung findet. Das ist umso erstaunlicher, da Stadtplanung als ein Handlungsfeld zur Steuerung räumlicher Entwicklung angesehen werden kann und wegen des in ihr enthaltenen Umfangs an Handlungsmöglichkeiten auch angesehen werden muss. Mit diesem Beitrag soll von einem Verständnis
von Stadtplanung als Vorgang, der auf sehr unterschiedlichen maßstäblichen Ebenen die Inhalte der Stadtentwicklung bezogen auf die räumliche Komponente umsetzt, ausgegangen werden; als disziplinärer Teil von ▷Stadtentwicklungsplanung. Dabei werden standardisierte und rechtlich fixierte Methoden angewandt (so z. B. in der ▷Bauleitplanung nach Baugesetzbuch) und neue Methoden für die Bearbeitung der konkreten Stadtplanungsaufgabe entwickelt. Zudem wird mit Methoden der Sozialwissenschaften, Methoden der Wirtschaftswissenschaften, künstlerischen Methoden und noch weiteren gearbeitet, die in ihrer Zusammenfügung eine eigene methodische Vorgehensweise der Stadtplanung bilden und in ihrer Ausprägung immer dann, wenn sie über die Anwendung von Standardverfahren hinausgehen, einen grundlegenden Forschungsanteil (in methodischer Hinsicht und dabei auch unabhängig vom konkreten Ort) enthalten. Dabei sind sie zugleich auf einen konkreten Ort oder eine konkrete Fragestellung, etwa nach Instrumenten, bezogen anwendungsorientiert. Wenn der Begriff in seine zwei Bestandteile zerlegt wird, Stadt und Planung, so kommen diese in diesem Buch als Einzelbegriffe nicht vor, ein Bezug ist deshalb nicht gegeben. Überdies hätte vermutlich allein die Beschreibung von „Stadt“ das ganze Buch gefüllt. Zu „Planung“ finden wir aber den Begriff ▷Planungstheorie, der den aktuellen wissenschaftlichen Diskurs zur Planung zusammenfasst. Im vorliegenden Beitrag soll es darum gehen, Stadtplanung als Handlungsfeld zu beschreiben und sich dabei auf die drei folgenden Komponenten zu konzentrieren: Stadtplanung als Disziplin, Anwendungsfeld und Arbeitsweise von Stadtplanung und Akteure der Stadtplanung. Stadtplanung als Disziplin Da es keine allgemeingültige und rechtlich verbindliche Definition gibt, wird in diesem Abschnitt auf die Grundlagen der definitorischen Arbeit von Albers zurückgegriffen. Sein Buch „Stadtplanung“ hat in allen Dimensionen dieses Begriffs bis heute Gültigkeit, das wird nicht zuletzt in der aktuellen Ausgabe (Albers/Wékel 2008) deutlich, die mit gleichem Aufbau und großen identischen Textteilen v. a. die hilfreiche Visualisierung der Arbeit von Albers leistet und damit die Verknüpfung zwischen der Analyse mit Beschreibung und den realen Beispielen herstellt. Albers Definition im Handwörterbuch für Raumordnung ergänzt diese
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Arbeit und vertieft die Genese des Begriffs und seine Anwendungsfelder (Albers 2005). Stadt entwickelt sich nicht von allein, ihre Ausprägung hat immer Planung, eine Ordnung zur Grundlage. „Stadt, soweit wir ihre Entwicklung geschichtlich zurückverfolgen können, … war … immer auf die Einwirkung von Ordnungsvorstellungen angewiesen und … blieb … niemals allein den individuellen Entscheidungen der Stadtbewohner überlassen.“ (Albers 1996:2) Was Stadt heute ist, hängt sehr stark von den unterschiedlichen kulturellen, historischen und rechtlichen Kontexten ab. Global gesehen gibt es die einheitliche Stadt als Ausprägungsform nicht, es gibt sie in ihrer physischen Form als Ort des Lebens für eine große Zahl von Menschen, als Ort von Produktion, Handel und Austausch, sicherlich auch als Ort intensiver Kommunikation. Es gibt sie nicht als Ort der einheitlichen Ausprägung in der physischen Gestalt und der sozialen Organisation, nicht zuletzt unterscheiden wir hier die ▷Europäische Stadt von der Amerikanischen, der Islamischen, der Asiatischen. Benevolo unterscheidet in seinem Standardwerk über die Geschichte der Stadt zwischen der regulären und der irregulären Stadt (Benevolo 2000:1057), wobei er unter der irregulären v. a. die Teile von Städten bezeichnet, in denen ohne Planung und ohne Infrastruktur Menschen ihre Behausungen errichten (▷Informelle Siedlungen). Diese sind nicht nur auf die armen Länder des Südens beschränkt, sondern finden sich auch in Europa. Dennoch stimmt die These von Albers, denn das Zustandekommen der irregulären Stadt bzw. der entsprechenden Teile von Stadt ist auch Folge der Planung in den regulären Teilen. „Offenbar geht es um eine fachliche Leistung – um den Entwurf von künftigen Veränderungen der Umwelt –, die sich auf ein umfassendes Verständnis der Zusammenhänge innerhalb dieser Umwelt stützen muss und die zugleich zu ihrer Verwirklichung auf politische Entscheidungen einerseits, auf Rechts- und Verwaltungsverfahren andererseits, angewiesen ist.“ (Albers 1996:5) Auch in der Auseinandersetzung um den Begriff ▷Städtebau gibt es wenige definitorische Ansätze. Albers greift zurück auf Adams: „Stadtplanung ist eine Wissenschaft, eine Kunst und eine politische Bestrebung, die sich auf die Formulierung und Lenkung des physischen Wachstums und der Ordnung von Städten im Einklang mit ihren sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnissen richtet. Wir betreiben sie als Wissenschaft, um Kenntnisse der Stadtstruktur, ihrer Dienstleistungen sowie der Beziehung ihrer Bestandteile und der Verkehrsbewegungen zu gewinnen; als Kunst mit dem Ziel
der Bestimmung der Bodenordnung, der Anordnung von Flächennutzungen und Verkehrswegen und des Gebäudeentwurfs nach Grundsätzen, die Ordnung, Gesundheit und Wirtschaftlichkeit sichern; und als politische Bestrebung, um unseren Grundsätzen Wirksamkeit zu verleihen.“(Adams nach Albers 1996:5) Der hier enthaltene Hinweis auf die Nutzung von Boden für Stadtplanung ist konstitutiv: Es gibt keine Stadt und keine Stadtplanung, die nicht eine andere Nutzung des Bodens vorsieht, als sie von der Natur vorgegeben ist. Dies gilt für die Nutzung von Boden für auf bisher unbebauten Flächen geplante und gebaute Stadt oder deren Teile wie auch für die Wiedernutzung des Bodens auf Flächen, auf denen die bisherige Nutzung brach gefallen ist (▷Konversion und Revitalisierung). Bodennutzung und Stadtplanung sind deshalb ein unauflösbares Begriffspaar. Dem trägt auch das Planungsrecht (▷Bauplanungsrecht, ▷Bauordnungsrecht) insoweit Rechnung als „Flächennutzung“ dort ein zentrales Handlungsfeld darstellt und in den Grundsätzen des Baugesetzbuchs die Ziele für die Flächennutzung festgelegt sind. Stadtplanung wird häufig synonym zu anderen Begriffen verwendet, nicht nur zu Städtebau sondern auch zu Stadtentwicklung. Auch der Begriff Städtebau wird häufig für die vorausschauende Ordnung des baulichen Geschehens in einer Stadt verwendet. Das Baugesetzbuch definiert als Zweck der Bauleitplanung die städtebauliche Entwicklung in Stadt und Land. In der begrifflichen Einengung wird Städtebau häufig als Gestaltungsaufgabe verwendet, ist dann eher auf einer kleinräumlicheren Ebene verortet und ist in diesem Verständnis ein Unterbegriff der Stadtplanung. Stadtentwicklung hingegen lässt sich als Sammelbegriff verstehen, der alle Veränderungen der Stadtstruktur umfasst, die sich auf die Stadt oder ihre einzelnen Teilräume beziehen (Friedrichs 2005:1059). Dabei muss Stadtentwicklung einerseits als Vielfalt der Eigenentwicklungen im Sinne von „sich entwickeln“ und andererseits als zielgerichtetes Einwirken verschiedener Akteure im Sinne von „entwickelt werden“ verstanden werden (Selle 2005:98; ▷Stadtentwicklungsplanung). Stadtplanung ist in erster Linie eine praxisorientierte Disziplin. Eine umfassende Theorie der Stadt ist aufgrund der Komplexität des Gegenstandes nicht vorhanden. Vielmehr beziehen sich Theorien und wissenschaftliche Erkenntnisse auf Teilaspekte der Stadt. Nichtsdestotrotz können wissenschaftliche Erkenntnisse über die städtischen Wirkungszusammenhänge für die Praxis der Stadtplanung gewonnen werden. Dazu kön-
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nen verschiedene Denkrichtungen herangezogen werden: Planungstheorie als ein auf methodisches Handeln ausgerichteter Theorieansatz, Politikwissenschaften hinsichtlich der Frage der Machtund Steuerungsfrage in der Planung, Soziologie (▷Stadt- und Regionalsoziologie) hinsichtlich der Frage der sozialen Auswirkungen von Planung sowie der sich räumlich manifestierenden sozialen Ungleichheiten, Wirtschaftswissenschaften (▷Stadt- und Regionalökonomie) hinsichtlich der Kosten der Planung und der Steuerung von wirtschaftlicher Entwicklung, Umweltwissenschaften (▷Stadtökologie) im Hinblick auf die Wechselbeziehungen zwischen den einzelnen die Umwelt konsitutuierenden Einheiten. Innerhalb dieses angesichts der Komplexität des Gegenstands notwendigerweise weit gefassten Begriffs ist Stadtplanung dann die methodische Bewältigung der Umsetzung der vielfältigen Erkenntnisebenen in ein konsistentes Bild, das zugleich Handlungsrahmen ist. Das Wort Bild wird hier bewusst benutzt: Stadtplanung ist bezogen auf den Ort immer die visuelle Umsetzung von Erkenntnissen, Problemlagen, Zielen und Handlungserfordernissen in Umsetzungsmaßnahmen. Die Maßnahmen bilden dabei häufig die Schnittstelle zum Städtebau, der dann nicht unbedingt in anderer Maßstäblichkeit aber im Hinblick auf die Umsetzung in einer größeren Genauigkeit arbeitet. Insoweit ist Stadtplanung nicht nur eine anwendungsorienterte Wissenschaft, sie ist zugleich eine Schnittstellenwissenschaft, deren Gehalt sich aus den Naturwissenschaften und den Gesellschaftswissenschaften speist und deren eigener Auftrag darin besteht, geeignete Methoden für die Anwendung auf einen sich dynamisch verändernden Gegenstand zu entwickeln (▷Planungswissenschaft). Stadtplanung ist also nicht nur die Analyse bestehender Zustände, sondern v. a. der Prozesse. Sie ist keine absolute Diagnose, keine eindeutige Therapie und sie hat nicht das Erreichen eines definitiven Endzustands zum Ziel. Stadtplanung muss sich der Tatsache stellen, dass der Gegenstand, die Stadt, sich dynamisch verändert, zahlreichen Einflüssen unterlegen ist und häufig genug ein definitiver Endzustand gar nicht beschrieben werden kann, weil dieser nicht zu bestimmen ist. Sie muss also mit Wirkungsanalysen, Wenn-Dann-Optionen und der Herstellung von Flexibilität ohne Beliebigkeit arbeiten. „Ohne Beliebigkeit“, das bedeutet, dass erstrebte Qualitäten auch ohne eindeutige räumliche Festlegung beschreibbar und damit überprüfbar sind. Hier steht die Disziplin noch am Anfang eines Verständigungsprozesses. Stadtplanung ist eine junge Disziplin, auch wenn
Städte und deren Planung eine weit in der Entwicklung der Menschheit zurückliegende Siedlungsgeschichte haben. Stadtplanung als eine anerkannter Wissenschaft zu etablieren ist eine zentrale Aufgabe im Zeitalter der Verstädterung. Anwendungsfeld und Arbeitsweise von Stadtplanung Das Anwendungsfeld von Stadtplanung ist nach den begrifflichen Eingrenzungen im ersten Abschnitt sowohl räumlich als auch methodisch zu beschreiben. Ausgehend von einem engeren Begriffsverständnis lässt sich Stadtplanung als das Bemühen um eine den menschlichen Bedürfnissen entsprechende Ordnung des räumlichen Zusammenlebens auf der Ebene der Stadt definieren (Albers/ Wékel 2008:11). Aufgabe der der Stadtplanung ist insofern die Planung der Bodenordnung und -aufteilung, der Flächennutzung und Standortverteilung, der Bebauung, Erschließung und Freihaltung von Flächen sowie die zielgerechte Koordination der unterschiedlichen privaten und öffentlichen Nutzungsansprüche. Dabei zielt Stadtplanung auf die Sicherung und Entwicklung der Qualität der örtlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen in ihren baulich-räumlichen, sozialen, ökonomischen, kulturellen und ökologischen Dimensionen (Sander 2008). Der Fokus der Stadtplanung liegt auf der baulich-räumlichen Dimension, auf die unmittelbar Einfluss genommen wird. Durch die somit geschaffenen räumlichen Voraussetzungen entstehen auch mittelbare Auswirkungen auf die ökonomischen, sozialen, kulturellen und ökologischen Strukturen in der Stadt. Diese Vorgehensweise erfordert das Verständnis der Wechselwirkungen zwischen baulich-räumlichen und strukturellen Entwicklungen in der Stadt. Stadtplanung verfolgt insofern einen stark interdisziplinären Ansatz und agiert in äußerst komplexen Zusammenhängen (▷Interdisziplinarität, Transdisziplinarität). Stadtplanung ist insoweit sowohl hoheitliches Handeln als auch Ausdruck eines auf unterschiedliche Akteure bezogenen Aushandlungsprozesses. Zugleich ist der räumliche Anwendungsbereich nicht auf die Städte als gesamte Einheit beschränkt. Er umfasst auch Städte als Teile von stadtregionalen Zusammenhängen und Teile von Städten sowie Orte, die qua Definition keine Städte sind, Siedlungseinheiten und Dörfer. In den Städten ist Stadtplanung als hoheitliches Handeln i. d. R. in Stadtplanungsämtern verortet. In Groß- und Mittelstädten sind die Stadtplanungsämter meist Bestandteil der Baudezernate,
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mitunter finden sie sich auch in Stadtentwicklungsdezernaten. Obwohl oftmals die Bereiche ▷Verkehr, Freiraumplanung (▷Landschaftsarchitektur) und Stadtplanung in einheitlichen Dezernaten zusammengefasst sind, ist die fachübergreifende und integrierende Arbeit nicht zuletzt wegen der sich aufbauenden hohen Komplexitäten mitunter kaum herzustellen; wenn die Disziplinen in unterschiedlichen Ressorts angesetzt sind, stellt sich ressortübergreifendes Handeln nicht so sehr im Anspruch und proklamierten Willen, sondern eher im Alltagsvollzug als Problem dar. Im Zeitalter zunehmender Verstädterung ist erstaunlich, dass es im Sinne eines ressourceneffinzienten und qualitätsorientierten Vorgehens nicht gelingen konnte, ressortübergreifende Planung zum Standard zu machen. Dabei gibt es gute Ansätze, wie etwa das Förderprogramm ▷Soziale Stadt zeigt. In Europa, v. a. in Deutschland, aber auch in anderen Teilen der Welt, etwa in Japan, ist zudem der ▷demographische Wandel vermutlich mit einer Verschiebung der Bevölkerung auf städtische Konzentrationen (nicht unbedingt die Verwaltungsgrenzen von Städten) verbunden. ▷Nachhaltige Stadtentwicklung, wie sie in Europa politisch proklamiert wird, wird nur im Zusammenspiel der Kräfte und unterschiedlichen Handlungsfelder möglich sein. Nachhaltige Stadtentwicklung schließt die Entwicklung nachhaltiger Stadtplanung in Methode und Anwendungsfeld ein – nachhaltige Stadtentwicklung fordert nachhaltige Stadtplanung. Dabei ist der Zusammenhang zwischen den räumlichen Ebenen von entscheidender Bedeutung. Stadtplanung für Teile der Stadt muss eingebettet sein in Stadtplanung für die gesamte Stadt und stadtregionale Zusammenhänge. Das Planungsrecht hat hier einen deutlichen Auftrag formuliert mit der Aufstellung von Flächennutzungsplänen für die gesamte Stadt, aus dem die Bebauungspläne für Teilräume zu entwickeln sind. In der Geschichte der Entwicklung von Stadtplanung hat sich an vielen Orten in den vergangenen Jahrzehnten die Ebene dazwischen, Ortsteile, Bereiche oder andere Gebietseinheiten, als notwendige Ebene zur Verknüpfung von gesamtstädtischer Stadtplanung und teilräumlicher Stadtplanung etabliert und auch wieder zurückgezogen. Insbesondere im Städtebaurecht ist mit der Aufnahme des ▷Stadtumbaus das Prinzip der Bezugnahme von Teilräumen auf gesamtstädtische Stadtplanung neu eingeführt worden. Im Zuge von ▷Bestandsentwicklung und Stadterneuerung wäre dies auch für andere Teile des besonderen Städtebaurechts die Vorgehensweise,
die der Komplexität von Stadtplanung Rechnung trägt. Insgesamt lässt sich im Anwendungsfeld beobachten, dass der Begriff der Stadtplanung Teil der Sprech- und Schreibgewohnheiten geworden ist, aber selten reflektiert und definiert wird. Schon im engeren, hier betrachteten Begriffsverständnis finden sich Aufgaben wie Moderation (▷Kommunikation und Moderation), Steuerung, Management, und Öffentlichkeitsarbeit, die Teil des beschriebenen Planungsprozesses sind, aber im eigentlichen Wortsinn nicht als Planung bezeichnet werden. Sie führen insofern zu Ungenauigkeiten bei der Verwendung des Begriffs der Stadtplanung (vgl. dazu Selle 2005:75-105). Hier ist Stadtplanung als Aushandlungsprozess angesprochen. Aufgrund der Komplexität städtischer Strukturen und Wechselwirkungen kommt gerade den Verfahren der Planung eine wichtige Bedeutung zu. Sie lassen sich als Abfolge verschiedener Planungsphasen verstehen, die allerdings keinen linearen, klar aufeinander aufbauenden Vorgang bezeichnen, sondern durch vielfältige Rückkopplungen geprägt sind. Wegen der hohen Komplexität der unterschiedlichen Interessen zahlreicher Akteure (siehe unten) muss dieser Prozess auch als Aushandlungsprozess begriffen und gestaltet werden. Da Stadtplanung auf die Erreichung eines angestrebten Zustands ausgerichtet ist, kommt der Definition der Planungsziele eine wichtige Bedeutung zu. Diese können nicht als rational gesetzt angenommen werden. Sie sind vielmehr Ausdruck gesellschaftlicher Wertvorstellungen, die einem Wandlungsprozess unterliegen. Sie müssen den jeweiligen lokalen Situationen angepasst und dort im Diskurs verhandelt werden. Die Bestandsaufnahme und -analyse kann entsprechend der definierten Ziele problemorientiert vorgenommen werden. Daraus können Handlungskonzepte und Maßnahmen zur Erreichung der definierten Ziele ermittelt werden. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Planen in Alternativen. Auch die ▷Evaluation sowohl des Planungsprozesses als auch des Planungsergebnisses muss als Teil der Planung verstanden werden, da auf diese Weise Korrekturen des Planungsverfahrens aber auch Lerneffekte für zukünftige Verfahren möglich sind. Uneinigkeit besteht, inwieweit auch die Umsetzung der Pläne als Teil von Stadtplanung zu bezeichnen sind (vgl. Selle 2008:94, Albers/Wékel 2008:43). Ergebnisse der Stadtplanung sind der konkrete Plan sowie Vereinbarungen über zukünftige Verfahrensweisen zur Umsetzung. Entscheidend ist aber auch die Bewusstseinsbildung der Beteiligten eben im Sinne eines Verständigungsprozesses.
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Auf allen Ebenen der räumlichen Planung kommt dabei der Visualisierung von räumlichen Konzeptionen ein besonderer Stellenwert zu. Entscheidend ist die Einsicht, dass verbal formulierte Ziele immer mehrere räumliche Konstellationen erlauben und Zielkonflikte häufig erst in der räumlichen Visualisierung bewusst werden. Das Erarbeiten von Alternativen ist unverzichtbar und auch im Planungsrecht vorgesehen. Unter Beachtung der eingangs formulierten Annahme, dass so gut wie nie ein „Endzustand“ definiert werden kann, weil die Annahmen, die dafür getroffen werden, eine Bandbreite haben und die statistisch bewährten Methoden dann häufig doch nicht ausreichen, um wirklich in die Zukunft zu projizieren (▷Zukunftsforschung), ist das Arbeiten mit Szenarien in der Stadtplanung ein Bestandteil nachhaltiger Stadtplanung für das Erreichen nachhaltiger Stadtentwicklung. Szenarien als räumliche Darstellung von Annahmen können Wenn-DannOptionen deutlich machen. Sie erlauben zudem, Pläne zu erarbeiten, die einen Korridor für die Entwicklung offen lassen und so flexibel auf nicht vorhergesehene Ereignisse reagieren können, ohne dabei ihre Gültigkeit zu verlieren. Akteure der Stadtplanung Wenn von „der Stadtplanung“ die Rede ist, muss geklärt werden, wer eigentlich die angesprochene planende Instanz ist. In der deutschen Diskussion wird Stadtplanung als zentrale Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung verstanden. Insofern sind die Aufgabenträger der Stadtplanung die Stadtverwaltungen in Rückkopplung mit der Stadtpolitik. Diese agieren in einem komplexen System aus Akteurs- und Interessensnetzwerken, die Ansprüche auf die Nutzung des Bodens ausüben und Einfluss auf die städtische Entwicklung nehmen. Stadtplanung wird deshalb als Aushandlungsprozess zwischen einer Vielzahl unterschiedlicher öffentlicher und privater Akteure (▷Akteure der Planung) verstanden, in dem die öffentliche Hand aufgrund ihres rechtlichen und finanziellen Steuerungsinstrumentariums eine hervorgehobene Rolle einnimmt. Sie hat dabei die Aufgabe, die unterschiedlichen Ansprüche an den Stadtraum zu koordinieren und weitestgehend auf der Grundlage der ▷Abwägung auszugleichen. Für die Bauleitplanung ist der Aushandlungsprozess im Abwägungsverfahren rechtlich fixiert. Für alle anderen Stadtplanungsverfahren gilt dies nicht, aber der Aushandlungsprozess findet dennoch auf allen Ebenen und in allen Phasen der Planung statt.
Die Interessensvielfalt ist entsprechend der Unterschiedlichkeit der Akteurskonstellationen gegeben: Auftrag der öffentlichen Hand ist, das Gemeinwohl zu wahren, daraus leitet sich das Recht zum Eingriff in privates Eigentum ab. Die Interessen eines Investors sind auf Stabilität und Rentabilität der Investition gerichtet (▷Immobilienfinanzierung). Die Interessen von Bürgern sind je nach Lage verschieden: als Nachbarn können sie Ablehner oder Befürworter einer Entwicklung sein, als Bewohner einer Stadt oder eines Quartiers übergeordnete Interessen mitbringen, die sie konkret an bestimmten Orten umgesetzt wissen wollen. Häufig sind es aber auch Partialinteressen, deren Zusammenpassen mit dem Allgemeinwohl nicht immer selbstredend ist. Zudem treten Akteure direkt oder indirekt als Stellvertreter für Interessen auf, dabei können sie sich in bestimmten Bereichen auf gesellschaftliche anerkannte Vereinbarungen berufen, etwa für die Ziele der gendergerechten Stadt (▷Gender Mainstreaming) oder der kindergerechten Stadt. Wenn Stadtplanung als Aushandlungsprozess und Handlungsanleitung begriffen wird, muss sie die Interessen der Akteure transparent machen und einbeziehen (▷Partizipation). Dies ist bei der organisierten Interessenvertetung, etwa den Verbänden, weitgehend Standard geworden, im Bereich des Einbeziehens von Einzelpersonen oder -gruppen (etwa die Gruppe der privaten Wohnungseigentümer) als Akteure, nicht nur als zu Informierende von Stadtplanung, gibt es in den letzten Jahren Ansätze, die deutlich machen, wie groß die Aufgabe ist und zugleich wie lohnend für das Ergebnis von Stadtplanung: lebenswerte Städte. Pahl-Weber
Literatur Albers, G. (2005): Stadtplanung. In: ARL – Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.) (2005): Handwörterbuch der Raumordnung. Hannover, 1085-1092 Albers, G. (1996): Stadtplanung. Darmstadt Albers, G.; Wékel, J. (2008): Stadtplanung, Eine illustrierte Einführung. Darmstadt ARL – Akademie für Raumforschung und Landesplanung (2003): Planungsbegriffe in Europa, Deutsch-Niederländisches Handbuch für Planungsbegriffe. Hannover Battis, U.; Krautzberger, M.; Löhr, R.-P. (2005): Baugesetzbuch, Kommentar. München Benevolo, L. (2000): Die Geschichte der Stadt. Rom, Bari Friedrichs, J. (2005): Stadtentwicklung. In: ARL – Akademie für Raumforschung unnd Landesplanung (Hrsg.): Handwörterbuch der Raumordnung. Hannover, 1059-1066 Krautzberger, M.; Söfker, W. (2007): Baugesetzbuch mit ergänzenden vorschriften. Textausgabe mit Einführung. Heidelberg Pahl-Weber, E.; Henckel, D. (Hrsg.) (2008): The Planning System and Planning Terms in Germany, A Glossary. Hannover Sander, R. (2008): Stadtplanung. Zugriff auf www. muleta.org. am 8.11.2008 Selle, K. (2005): Planen, Steuern, Entwickeln: Über den Beitrag öffentlicher Akteure zur Entwicklung von Stadt und Land. Dortmund
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Das 21. Jahrhundert ist sowohl im internationalen als auch im nationalen Kontext das Jahrhundert der Städte: Mittlerweile leben mehr als 50 Prozent der Menschen weltweit in Städten (▷Urbanisierung). Nach den jüngsten Zahlen für Deutschland leben in Großstädten 31 Prozent, in Mittelstädten 28 Prozent und in Kleinstädten 12 Prozent der Bevölkerung (▷Klein- und Mittelstädte). In diesen Städten werden mehr als drei Viertel unserer Wirtschaftsleistung erbracht. Angesichts der großen Bedeutung städtischer Fragen und deren Relevanz für die wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklung hat Deutschland im Rahmen seiner EU-Ratspräsidentschaft im Jahr 2007 das Thema Europäische Stadt auf die Agenda gesetzt. Was macht die ▷Europäische Stadt heute aus? Nach Häußermann/Läpple/Siebel (2008) und Kiepe (2008:179f) lassen sich fünf konstitutive Elemente benennen: Die Europäische Stadt ist Ort der Emanzipationsgeschichte der Stadtbürger – diese Geschichte ist noch heute im Stadtbild ablesbar. Die Europäische Stadt ist Differenz und Vielfalt: klimatisch, geographisch und geschichtlich. Sie ist geprägt durch ein enges Mit- und Nebeneinander von Arbeiten, ▷Wohnen, Handel, Freizeit, ▷Verkehr, von Arm und Reich, Alt und Jung, Eingesessenen und Fremden. Die Europäische Stadt ist als kompakte, gemischte Stadt Ort der urbanen Lebensweise (▷Urbanität), gekennzeichnet durch Öffentlichkeit und marktförmige soziale Beziehungen. Die Europäische Stadt ist Produkt bewusster Planung; sie plant und kontrolliert als politisches Subjekt ihre räumliche Struktur (▷Stadtplanung). Die Europäische Stadt ist ein selbstverwaltetes Gemeinwesen, das für seine Bürger die Leistungen der kommunalen ▷Daseinsvorsorge organisiert bzw. erbringt und sich hierzu auch wirtschaftlich betätigt; ihre technische, soziale und kulturelle Infrastruktur ist für alle öffentlich zugänglich. Zur Weiterentwicklung der europäischen Stadtpolitik (▷Europäische Raumentwicklungspolitik) konnte während der deutschen EU-Präsidentschaft durch die Verabschiedung wichtiger Dokumente ein bedeutender Schritt getan werden. Dies ist v. a. deshalb relevant, weil Stadtgesellschaft und städtebauliche Gestalt Ergebnisse gesellschaftli-
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cher und ökonomischer Machtbalance sind. Die Europäische Stadt und ihre auf demokratischem Grundkonsens bauende stadträumliche Vielfalt sowie ihre lebendige Nutzungsmischung zu erhalten und weiter auszubauen, ist eine der wichtigen, auch in Zukunft unumstrittenen Übereinkünfte in allen Staaten der europäischen Gemeinschaft. Die europäischen Städte sind jedoch auch von gesellschaftlichen Widersprüchen, vom Gegensatz zwischen Arm und Reich, zwischen Macht und Benachteiligung geprägt. Die europäische Stadt weiterzuentwickeln, fordert deshalb immer neue Bemühungen um Interessenausgleich, offenen Diskurs und Konsens. In der EU leben mehr als 60 Prozent der Bevölkerung in Städten mit über 50.000 Einwohnern, auch der wesentliche Teil der Arbeitsplätze befindet sich hier. Ein Blick auf die Positiv-Bilanz der Städte zeigt ein eindrucksvolles Bild: Jede europäische Stadt hat ihre eigene Geschichte, ihre sozialen und wirtschaftlichen Besonderheiten, ihr eigenes Stadtbild und ihre eigene Kultur. Diese Individualität verleiht jeder europäischen Stadt ihre Unverwechselbarkeit in einem sich weltweit ausbreitenden „Meer“ zunehmender Uniformität städtischer Siedlungen, v. a. in Asien und Amerika. Städte sind Zentren der Wirtschaft und Knotenpunkte im Wissensnetzwerk Europas (▷Wissensgesellschaft). Sie sind Standorte großer Unternehmen, zentraler Verbände und Vereinigungen, großer Universitäten und Forschungsinstitute. Sie alle sind auf das urbane Umfeld der europäischen Städte angewiesen. Europäische Städte sind Zentren unternehmerischer Entscheidungen. Europas 500 größte börsennotierte Unternehmen mit mehr als 25 Mio. Mitarbeitern und einem Umsatz von fast sieben Bio. Euro werden aus 215 europäischen Städten gesteuert. Europas Städte sind attraktive Messestandorte. Fast zwei Drittel der weltweit größten Messen finden in Städten der Europäischen Union statt. In mehr als 2.500 höheren Bildungseinrichtungen wie z. B. Universitäten, Technischen Hochschulen, Hochschulen für Kunst und Musik wird in europäischen Städten geforscht und gelehrt. Europas Städte bieten kulturelle Vielfalt und sind Orte der ständigen Entwicklung privater ebenso wie öffentlicher kultureller Initiativen. Europas Städte sind attraktiv und viele unter ihnen wachsen. Gerade die kleinen und mitt-
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leren Städte zeigen eine hohe Wachstumsdynamik mit einem Zuwachs von sechs Prozent zwischen 1990 und 2006. Städte in Europa bieten Raum für urbane Lebensstile. Sie sind attraktiv für alle sozialen Gruppen, insbesondere für junge Menschen, zunehmend auch für ältere Menschen und Familien in neuen Lebensformen. Sie sind Orte des zivilgesellschaftlichen Engagements (▷Zivilgesellschaft), gelebter Chancengleichheit sowie sozialer und gesellschaftlicher Innovation. Aber auch die zuvor erwähnten problematischen Entwicklungsbedingungen sind in vielen Städten der Europäischen Union nicht zu übersehen: Europäische Städte unterliegen heute in vielerlei Hinsicht einem Wandel. Dies betrifft die demographische Entwicklung (▷Demographischer Wanel) und (oft international induzierte) wirtschaftliche Strukturveränderungen mit der Folge einer Gleichzeitigkeit von Schrumpfung und Wachstum, aber auch einer neuen ökonomischen und sozialen Fragmentierung. Diese zunehmende Fragmentierung der Städte ist strukturell auffällig. Soziale und ethnische Segregation werden in vielen Städten eher stärker als schwächer. Städtische Standorte zerfallen zusehends in ein Patchwork von bevorzugten und benachteiligten Quartieren mit entsprechender Stigmatisierung von Bewohnern. Arbeitslosigkeit aufgrund von Strukturbrüchen prägt viele europäische Städte. Im Jahr 2006 lag die durchschnittliche Arbeitslosenquote für Jugendliche unter 25 Jahren bei 18,6 Prozent. Allerdings schwankt dieser Wert sowohl zwischen den Städten als auch innerhalb von Städten in einzelnen Stadtquartieren teils erheblich, so dass z. T. deutlich höhere Arbeitslosenquoten zu verzeichnen sind. Der wirtschaftliche Strukturwandel erfasst nicht nur die Industrie, sondern auch den Dienstleistungsbereich. Neben Industriebrachen gibt es zunehmenden Leerstand innerstädtischer Gebäude. In den europäischen Städten werden Flächen in einer Größenordnung von insgesamt mehr als 20.000 qkm nicht genutzt und liegen brach, was der gesamten Fläche SachsenAnhalts entspricht. Viele Stadtbewohner Europas sind einer Luftverschmutzung ausgesetzt, die die Grenzwerte und damit die Qualitätsziele der EU für Partikel überschreitet. Auch andere Schadstoffe und der nahezu allgegenwärtige Verkehrslärm belasten die Stadtbewohner zusätzlich.
Angesichts der kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Leistungen, aber auch der unübersehbaren Probleme und Widersprüche denen die Städte in der europäischen Staatengemeinschaft ausgesetzt sind, gilt es, alle Anstrengungen auf eine europäische Stadtentwicklungspolitik auszurichten, die friedlich, zukunftsorientiert und zugleich den Werten von Demokratie und gemeinschaftlicher Verantwortung verpflichtet ist. Insbesondere die beschleunigte Transformation der Städte braucht gute Planung, konstruktive ▷Kooperation, Sicherheit und Anpassungsfähigkeit sowie offene Beteiligungsverfahren (▷Partizipation). ▷Stadtentwicklungsplanung muss in den europäischen Städten – den jeweiligen nationalen und kulturellen Gegebenheiten entsprechend – die Koordinierung von Einzelaktivitäten zahlreicher Akteure (▷Akteure der Planung) im Blick auf eine gesellschaftliche und räumliche Ordnung mit hoher Qualität und notwendigem Ausgleich entwickeln. Diese Leitgedanken bildeten im Frühjahr 2007 die Basis für die Einigung aller für Stadtentwicklung zuständigen Minister der europäischen Mitgliedstaaten auf gemeinsame Grundsätze und Strategien für die Entwicklung der Städte, die in der Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt (BMVBS 2007a) niedergelegt sind (▷Nachhaltige Stadtentwicklung). Die Charta beruht auf dem gemeinsam erklärten Willen, eine politische Initiative zu starten, um die Grundsätze und Strategien der integrierten Stadtentwicklungsplanung in die jeweilige nationale, regionale und lokale Entwicklungspolitik zu integrieren, das Instrument der integrierten Stadtentwicklung voranzubringen und dabei der Entwicklung benachteiligter Stadtquartiere besondere Aufmerksamkeit zu widmen, politische Steuerungs- und Regelungsstrukturen für die Umsetzung der Ziele zu entwickeln sowie die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen und eine ausgeglichene räumliche Entwicklung auf der Basis eines europäischen polyzentrischen Städtesystems zu befördern.
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Eine Hauptaussage der Leipzig Charta besteht darin, die Ansätze einer integrierten Stadtentwicklungspolitik stärker zu nutzen und die Erarbeitung integrierter gesamtstädtischer Stadtentwicklungsprogramme zu befördern. Bezogen auf Deutschland bedeutet „integriert“ dabei, die Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen zu intensivieren und zugleich stadtrelevante Aktivitäten der verschiedenen Ressorts
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auf allen Ebenen abzustimmen und zu bündeln. Im Sinne einer integrierten Stadtentwicklung sollten folgende fünf Benchmarks (▷Benchmarking) eingehalten werden: 1) Die Stärken und Schwächen der Stadt und der Stadtteile sind auf Grundlage einer Bestandsanalyse zu beschreiben. 2) Für das Stadtgebiet sind konsistente Entwicklungsziele zu formulieren und es ist eine Vision für die gesamte Stadt zu entwickeln. 3) Die unterschiedlichen teilräumlichen, sektoralen und technischen Pläne und politischen Maßnahmen sind aufeinander abzustimmen und es ist sicherzustellen, dass alle auf dieser Grundlage geplanten Investitionen eine ausgeglichene Entwicklung des städtischen Raums fördern. 4) Der Finanzmitteleinsatz öffentlicher und privater Akteure ist räumlich zu bündeln und zu koordinieren. 5) Eine Koordination auf lokaler und stadtregionaler Ebene ist zu gewährleisten und die Einbeziehung der Bürger und all jener Beteiligten, die maßgeblich zur Gestaltung der zukünftigen wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und ökologischen Qualität der Gebiete beitragen können, ist sicherzustellen.
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Die Leipzig Charta richtet sich in erster Linie an die Mitgliedstaaten und fordert diese auf, die benannten Ziele auf nationaler Ebene umzusetzen. Dabei wird deutlich, dass der integrierte Ansatz in der Stadtentwicklung überall an Raum und Bedeutung gewinnt. Einige Länder verankern die Prinzipien der Leipzig Charta in ihren Förderprogrammen, viele führen Kampagnen zur Bewusstseinsbildung durch, andere wiederum haben auf der Grundlage der Leipzig Charta Leitlinien für integrierte Stadtentwicklungskonzepte erarbeitet, die nun von den Städten umgesetzt werden. Die Leipzig Charta und die Fokussierung auf das Leitbild einer integrierten Stadtentwicklung wird in Deutschland mit der Nationalen Stadtentwicklungspolitik umgesetzt. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hat 2007 die Initiative für eine eigenständige Nationale Stadtentwicklungspolitik direkt im Anschluss an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft und gemeinsam mit den Ländern und Kommunen ins Leben gerufen (BMVBS 2007b). Mit dieser Initiative verfolgt die Bundesregierung das Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und seiner Städte und Regionen zu stärken und zu sichern. Städte und Gemeinden sollen sich im Sinne der Nachhaltigkeit entwickeln, d. h. sie sollen den sozialen Ausgleich ermöglichen,
die natürlichen Lebensgrundlagen schonen und wirtschaftlich erfolgreich sein. Unter diesen Zielsetzungen hat die Bundesregierung bereits verschiedene Handlungs- und Förderungsprogramme erarbeitet (Förderprogramme des Bundes: Allgemeine Städtebauförderung, ▷Soziale Stadt und BIWAQ, Stadtumbau Ost und West, Städtebaulicher Denkmalschutz Ost und West, Experimenteller Wohnungs- und Städtebau, KfW-Förderprogramme z. B. Investitionspakt zur Sanierung sozialer Infrastruktur), die spezifische Problemlagen in den Städten und Gemeinden in den Blick nehmen und mit einer Vielzahl von Angeboten die Kommunen bei der Bewältigung ihrer Herausforderungen unterstützen. Bei der Weiterentwicklung dieser „Guten Praxis“ wird im Sinne einer integrierten Stadtentwicklung die ressortübergreifende Kooperation, die im Programm Soziale Stadt erfolgreich praktiziert wird, auf alle Programme der Stadtentwicklung übertragen. Auf diese Weise wird die Zusammenarbeit von Behörden und Ministerien auf unterschiedlichen Ebenen verbessert. Ein zweiter Strang der Nationalen Stadtentwicklungspolitik befasst sich unter der Projektreihe für Stadt und Urbanität mit innovativen, beispielgebenden und partnerschaftlichen Ansätzen der Stadtentwicklung. Im Rahmen des Auftaktkongresses im Juli 2007 wurden nicht nur die Zielsetzungen der Leipzig Charta vorgestellt, sondern mit dem ersten Projektaufruf zugleich die Projektreihe für Stadt und Urbanität gestartet. Die Nachfrage hat die Erwartungen übertroffen, der Bedarf an einer abgestimmten, integrierten Stadtentwicklungspolitik wurde von vielfältigen Akteuren der Stadtentwicklung geäußert. Erste Pilotprojekte konnten bereits beim Zweiten Nationalen Stadtentwicklungskongresses im April 2008 vorgestellt werden. Da Stadtentwicklung durch ständigen Wandel und veränderte Herausforderungen geprägt ist, muss die partnerschaftlich organisierte Nationale Stadtentwicklungspolitik als lernender Prozess begriffen werden. Vor diesem Hintergrund ist es eine zentrale Aufgabe der Nationalen Stadtentwicklungspolitik, den kontinuierlichen Erfahrungsaustausch einer großen Zahl von Akteuren zu ermöglichen. Eine weitere wichtige Aufgabe besteht darin, Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass neue Entwicklungsimpulse erschlossen werden können und die Suche nach adäquaten Problemlösungen als dauerhafter kreativer Prozess angelegt wird. Um die städtischen Themen einer möglichst breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen und auch zum Mitmachen zu animieren,
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wurden im Rahmen der umfassenden Diskussion mit den Partnern der Nationalen Stadtentwicklungspolitik, d. h. mit den Ländern und den Kommunen, aber auch mit Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, sechs thematische Schwerpunkte für die 2008 gestartete Programmphase festgelegt. Die Verantwortlichen aus Politik, Verwaltung, planenden Berufen, Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft sowie alle Interessierten sollen sich im Rahmen dieser sechs Schwerpunkte in die Nationale Stadtentwicklungspolitik einbringen können: Zivilgesellschaft – Bürger für ihre Stadt aktivieren, Soziale Stadt – Chancen schaffen und Zusammenhalt bewahren, Die innovative Stadt – Motor der wirtschaftlichen Entwicklung, Klimaschutz und globale Verantwortung – Die Stadt von morgen bauen, ▷Baukultur – Städte besser gestalten, Regionalisierung – Die Zukunft der Stadt ist die Region. Nationale Stadtentwicklungspolitik baut somit auf neue Ideen, auf das Engagement und auf den offenen Diskurs einer Vielzahl von Beteiligten. Dieses kooperative Konzept begründet sich nicht nur aus der Notwendigkeit des partnerschaftlichen Zusammenwirkens von Kommunen, Ländern und Bund als einer wichtigen Säule. Eine zweite Säule ist der Beitrag, den zahlreiche private Initiativen in sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen oder ökologischen Stadtprojekten zur aktuellen Stadtentwicklung leisten. Um den Wissensaustausch zu befördern, wurde im Frühjahr 2008 auch die Internetplattform www.nationale-stadtentwicklungspolitik.de in Betrieb genommen. Ihre Aufgabe ist es, über Ziele, Programme, Projekte und Veranstaltungen im Rahmen der Nationalen Stadtentwicklungspolitik zu informieren, zugleich aber auch den Erfahrungsaustausch über bereits durchgeführte oder noch laufende und geplante Projekte zu ermöglichen. Angesichts der stetig wachsenden und sich wandelnden Herausforderungen der Städte ist es auch in Zukunft gemeinsame Absicht von Bund, Ländern und Gemeinden, den begonnenen Prozess der Nationalen Stadtentwicklungspolitik konsequent weiterzuführen. Um die Voraussetzungen für eine ständige Verbesserung bereits erfolgreich erprobter sowie die Entwicklung neuer Verfahren zu ermöglichen, bedarf es einer breiten gesellschaftlichen Debatte und einer umfassenden Beteiligung aller Akteure. Denn: Polis und Civitas – das
Gemeinwesen und die Bürgergemeinschaft – gelten auch künftig als die Grundelemente der Stadt und damit auch als das wichtigste Fundament für eine erfolgreiche Stadtentwicklungspolitik. Lütke Daldrup
Literatur BMVBS – Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.) (2009): Nationale Stadtentwicklungspolitik. Positionen. Berlin BMVBS – Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.) (2007a): Leipzig Charter on Sustainable European Cities. Berlin BMVBS – Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.) (2007b): Auf dem Weg zu einer Nationalen Stadtentwicklungspolitik. Berlin Deutscher Bundestag (2009): Stadtentwicklungsbericht. BT-Drucksache 16/13130. Berlin Deutscher Bundestag (2008): Unterrichtung durch die Bundesregierung, Initiative zur Nationalen Stadtentwicklungspolitik. BTDrucksache 16/9234. Berlin Häußermann, H.; Läpple, D.; Siebel, W. (2008): Stadtpolitik. Frankfurt/M Kiepe, F. (2008): Die Europäische Stadt – Auslaufmodell oder Kernelement der Europäischen Union? In: Battis, U.; Söfker, W.; Stüer, B. (Hrsg.): Nachhaltige Stadt- und Raumentwicklung. München Lütke Daldrup, E. (2008): Die Leipzig Charta 2007 – neue Rahmenbedingungen für die zukünftige Stadtentwicklung. In: Battis, U.; Söfker, W.; Stüer, B. (Hrsg.): Nachhaltige Stadt- und Raumentwicklung. München
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Einleitung Die Soziologie entstand im 19. Jahrhundert in der Auseinandersetzung mit der modernen Gesellschaft, die Industrialisierung, ▷Urbanisierung und Verstädterung hervorbrachte. Die Orte dieser weit reichenden Transformationen waren die großen Städte. So beschäftigten sich die Gründer der Soziologie gerade auch mit diesem Phänomen. Die Stadtsoziologie als eine spezielle Soziologie entstand Anfang des 20. Jahrhunderts in einer der größten nordamerikanischen Städte. Die Chicago School of Urban Sociology entdeckte die Stadt als ein Labor der Forschung. Ihr Augenmerk galt der sozialen und funktionalen Gliederung der Stadt, ihrer Dynamik und ihren räumlichen Entwicklungsmustern. Bei dieser Ausrichtung blieb es später auch in Europa; der in den Anfängen v. a. qualitativ-ethnografisch fokussierte Methodenansatz wurde um quantitative, auch multivariate Methoden ergänzt. Während die Forschungen der Chicago School noch stark unter dem Eindruck
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von Wachstum und Zuwanderung standen, traten nach dem Zweiten Weltkrieg andere Interessen und Themen hinzu – etwa die neuen Planungsaufgaben des Wiederaufbaus und Umbaus in den Städten. Im Nachkriegsdeutschland waren z. B. die großen Neubaugebiete und städtebauliche Sanierungen (▷Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen) typische Aufgabenfelder, die folgerichtig auch in Berufs- wie Ausbildungsprofile einflossen. Die neuen Anforderungen aus dem politischadministrativen Raum verbreiterten das thematische Spektrum der Disziplin und gaben ihr neue Impulse: Aus Stadtsoziologie wurde soziologische Stadt- und Regionalforschung. Entsprechend breit greifen die Themen der Disziplin inzwischen aus. In den knapp 100 Jahren ihres Bestehens hat sie ihre Themen und Forschungsmethoden im Spannungsfeld zwischen Mutterwissenschaft und spezialisiertem Ableger, zwischen Theorie und Empirie, zwischen Anforderungen der Praxis und der Wissenschaft entwickelt. Stadtbildung und Soziologie
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Zentrale Begriffe, die die Vorstellungen von Stadt bis heute bestimmen, sind: Stadt und Umland, Arbeitsteilung, Segregation und Zentralität. Darauf verweisen bereits die frühesten historischen Zeugnisse der Stadtbildung: So ist das erste Symbol für Städte – das assyrische Bas-Relief aus Mesopotamien – mehrere Tausend Jahre alt (Benevolo 1975) und trägt alle Merkmale, die seitdem Stadtgesellschaften kennzeichnen. Es zeigt einen Kreis und ein Kreuz darin: Eine kreisrunde Mauer grenzt ein geschütztes Inneres der Stadt vom Außenbereich ab (Stadt und Umland); ein Wegekreuz innerhalb des Kreises trennt die verschiedenen Gewerbe (Arbeitsteilung), die voneinander funktional als verschiedene Gewerbe, sozialräumlich als unterscheidbare Quartiere geschieden sind (Segregation); die beiden Wege, welche die Viertel trennen, bilden ein Koordinatenkreuz (Zentralität). Die folgenden Epochen setzten im westlichen Kulturkreis jeweils eigene Akzente: In den Stadtstaaten der griechischen Antike die Zentralität des öffentlichen Raumes, der Agora, im antiken Rom die Allgegenwart einer politischen und wirtschaftlichen Steuerungszentrale, die sich Mitteleuropa und das Mittelmeer unterwarf. Zwischen 1200 und 1400 erlebten die mittelalterlichen Städte eine ungeahnte Blüte – sie vereinten mit Klerus, Adel und Stadtbürgertum alle stadtbildenden Kräfte und damit die Potenz aller bis dahin bekannten Formen von Zentralität. Die Stadt wurde nicht nur zum Ort des Marktes, sondern auch Ort der
handwerklichen Produktion, der Kirchen und ihrer Einrichtungen – und schließlich der Ort der Assoziation der Stadtbürger. Die räumliche Einheit von Markt, Macht und Religion kennzeichnet Städte weltweit. Der Soziologe Weber (1976) stellte in seinen Studien zur Herrschaftssoziologie im Idealtypus der Mittelalterlichen Europäischen Stadt die politische Besonderheit der Städte des Okzidents im Gegensatz zum Orient heraus. Für ihn entstand in Europa eine moderne, rationale Herrschaftsform aus dem sich selbst regulierenden Verband gleicher Stadtbürger. Webers Unterscheidung ist bis heute aktuell. Manche der aktuellen Debatten von ▷Stadtpolitik und ▷Stadtplanung kreisen um die Frage, ob die historisch gewachsenen Merkmale der ▷Europäischen Stadt auch in Zukunft maßgeblich sein können und sollten: Ist es ihre räumlich nach außen geschlossene Gestalt, ihre ökonomische Bedeutung als Markt, ist es politisch ihre selbstregulierende Potenz als „Kollektivsubjekt“ (Le Galès 2002), bzw. als Verband der Stadtbürger (Siebel 2004) – oder ebnet die weltweite Tendenz der Verstädterung gerade diese Besonderheiten vielmehr ein? Die kapitalistische Industrialisierung veränderte die Städte vollständig. Sie waren nicht mehr allein Ergebnis des wirtschaftlichen Mehrprodukts, sondern wurden nun Voraussetzung und Gegenstand wirtschaftlichen Handelns. Die Landflucht der freigesetzten Landbevölkerung machte die Städte zu Orten der Zuwanderung. Deren Folgen beschrieb Engels (1845) anhand der Elendsquartiere der englischen Städte in der „Lage der Arbeitenden Klasse“. Marx und Engels sahen die Stadt vor diesem Hintergrund als Kulisse von sich zuspitzenden gesellschaftlichen Konflikten zweier gesellschaftlicher Klassen, die sich feindlich gegenüber standen. Die Stadt als Inbegriff der modernen Gesellschaft interessierte auch die Soziologen Tönnies (1887) und Simmel (1903). Tönnies sah in den wachsenden Großstädten das „Zeitalter der Gemeinschaft“ zu Ende gehen. In ihnen ersetzten Anonymität, Rationalität und gewählte Kontakte die Tradition und Unentrinnbarkeit personaler Kontakte. Für Simmel waren die Städte Zentren der Geldwirtschaft; die räumliche Nähe vieler Fremder erzwang versachlichte städtische Verkehrsformen im Sinne einer neuen, urbanen Lebensweise des distanzierten, zivilisierten Umgangs (▷Urbanität); der Preis der städtischen Freiheit war jedoch eine Haltung „resignierter Humanität“ (Bahrdt 1974) ihrer Bewohner. Mit der Chicago School entstand nach dem ersten Weltkrieg die soziologische Teildisziplin der Stadtsoziologie. Ihre Vertreter (Park/Bur-
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gess/McKenzie 1925) begründeten erstmals die Stadt als einen eigenständigen, wissenschaftlich abgrenzbaren Gegenstand, dem sie mit Anleihen bei ökologischen Theorien eine quasi-natürliche Ordnung („natural areas“) zuschrieben. Chicago, dessen ethnische Viertel die Einwanderung spiegelten, war willkommenes Laboratorium ihrer Forschungen. Es ging ebenso darum, die „Gesellschaft an der Straßenecke“ zu verstehen wie die Gesetzmäßigkeiten der Stadtentwicklung insgesamt zu erklären. Die funktionalen, sozialen und ethnischen Differenzierungen innerhalb der Städte gehören bis heute zu den zentralen Themen der Stadtsoziologie – sowohl mikrosoziologisch beim ▷Wohnen, als auch auf der Mesoebene des Quartiers bzw. der Makroebene Stadtregion. Stadtsoziologie ist seitdem bis hin zur aktuellen Diskussion um Global Cities und Megacities v. a. Großstadtsoziologie. Dennoch gibt es auch eine reiche Tradition der Gemeindestudien, meist von Klein- und Mittelstädten, und ein breites Spektrum von Fragen zur lokalen Verteilung politischer Macht, zu den örtlichen Folgen von Wirtschaftskrisen, Lebensweisen usw. Seit dem Zweiten Weltkrieg hat die Stadtsoziologie mehrere Phasen durchlaufen. Im Deutschland der 1950er Jahre traten nach den Monographien von Städten im Sinne der Gemeindesoziologie (z. B. für Darmstadt, Dortmund, Euskirchen, Wolfsburg) bald die Informationsbedarfe der planenden Verwaltungen und Professionen für einzelne, fachlich definierte Aufgaben in den Vordergrund. Für Architektur und Gestaltung neuer Stadtteile, für Wohnsiedlungen und später für die städtebauliche Sanierung alter Stadtkerne wurden von der Soziologie umsetzbare Empfehlungen erwartet. Für diese Erwartung an eine „Hilfswissenschaft“ der Verwaltung wurde sie wiederum von einigen als „Stadtplanungssoziologie“ kritisiert. Umgekehrt gab es aber auch starke theoretisch bzw. konzeptionell angeleitete Versuche, die Stadtsoziologie politisch-ökonomisch neu zu begründen. Die letzten Versuche, eine große geschlossenen Theorie des Städtischen als ureigenes Terrain der Stadtsoziologie zu rekonstruieren wurden in den 1970er Jahren von Castells (1972) unternommen, während andere die Städte in der Gesellschaft verschwinden bzw. in einer Soziologie der Konsumtion aufgehen sahen (vgl. z. B. Saunders 1987). Wohnen ▷Wohnen meint mehr als das schützende Dach über dem Kopf. Bereits das mittelhochdeutsche Wort wonen bedeutet „Behagen empfinden“, „zu-
frieden sein“ und „bleiben“. Dem Wohnen werden bestimmte Funktionen zugeordnet: Schutz vor der natürlichen und Abgrenzung von der sozialen Umwelt, die „Einhausung“ von Vitalfunktionen und schließlich die Darstellung eines Status bzw. Lebensstils der Bewohner (Gleichmann 1998:270ff ). Wohnbedürfnisse und -wünsche sind also funktionale, emotionale und ökonomische Anforderungen an das Wohnen und in diesem Rahmen sozialkulturelle und damit hochgradig variable Aspekte. Neben der Wohnung als Gehäuse ist für die Soziologie das Wohnen als eine Tätigkeit, die nicht an der Wohnungstür endet, bedeutsam. Wenn die Wohnweise bzw. Wohnsituation und Gesellschaftsstruktur als aufs Engste miteinander verbunden angesehen werden, wird das Wohnen zu einem Phänomen soziologischer Analyse: Die Analyse des Wohnens im Rahmen sozialwissenschaftlicher Stadt- und Regionalforschung interessiert sich für die soziale Praxis und Wirklichkeit des Wohnens sowie für ihre gesellschaftliche Einbettung (vgl. Häußermann/Siebel 1996). Forschungen dazu gliedern sich dementsprechend grob in die Bereiche Wohnwünsche und -bedürfnisse, Wohnungspolitik und Wohnungsversorgung. Historisch lautet die zentrale Frage in stadtsoziologischer Perspektive vereinfacht: Wann wird wo von wem wie gewohnt? Seit dem Beginn der Industrialisierung und der einsetzenden Verstädterung setzt sich ihre Bedeutung nach Engels’ Beschreibung des Wohnungselends der Arbeiterklasse bis in die Moderne fort; bürgerliche Wohnreformer und Sozialutopisten suchten die Verbesserung der Wohnverhältnisse mit der „Erziehung durch Wohnen“ zu verbinden. Schließlich wurde das Wohnen im 20. Jahrhundert im Rahmen des funktionalen ▷Städtebaus rationalisiert, standardisiert und normiert – kurz: millionenfach als Massenwohnungsbau gebaut – und kritisiert (vgl. Jessen 1998; Hannemann 1998). Häußermann und Siebel (1996) entwerfen in diesem Sinne eine Typologie zum Verständnis des modernen Wohnens, die seine Veränderungen anhand von vier Dimensionen verdeutlicht. Sie zeigen eine zunehmende Ausdifferenzierung bis zur Entstehung des modernen Konsumentenhaushalts: a) funktional als Trennung von Wohnen und Arbeiten, b) sozial im Sinne einer Ausgrenzung von Personen aus dem Haushalt, c) sozialpsychologisch mit dem Auseinandertreten von öffentlicher und privater Sphäre und d) ökonomisch durch die Entstehung des ▷Wohnungsmarktes.
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Im breit angelegten Feld sozialwissenschaftlicher Wohnforschung stellen sich aktuell und zukünftig insbesondere Fragen im Hinblick auf vier Themenbereiche: 1) Wohnungsversorgung: Obdachlosigkeit, Aufund Abwertungsprozesse auf dem Wohnungsmarkt, Abriss/Neubau, 2) Wohnbedürfnisse: Barrierearmut (▷Barrierefreies Bauen), familien- und altengerechtes Wohnen, neue Formen der Verbindung von Wohnen und Arbeiten, 3) Leitbilder in ▷Städtebau und Stadtentwicklung: ▷Partizipation, Reurbanisierung, Förderkulissen, Flächenversiegelung/Suburbanisierung, ökologisches Wohnen, 4) sozioökonomische Rahmenbedingungen: ▷demographischer Wandel und ökonomischer Strukturwandel. Wohnquartier und Segregation
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Umgangssprachlich wird die Stadt in Stadtteile, Kieze oder Viertel aufgeteilt. Die Chicagoer Schule betonte die funktionalen und sozialen Kriterien der Aufteilung eines „städtischen Mosaiks“ von Stadtteilen: Kern ihrer Stadtentwicklungstheorie war stets die Segregation, verstanden als die disproportionale Verteilung von Elementararten über Teileinheiten einer räumlichen Einheit. Segregation ist dabei sowohl Ergebnis als auch Prozess der Verteilung von Menschen und Nutzungen über den Stadtraum. So gesehen ist sie die Landkarte städtischer Ungleichheit, die mit Hilfe entsprechender Methoden erstellt und analysiert werden kann. Das grundlegende Thema Segregation ist bis heute aktuell, auch wenn zunehmend ihre – von der Chicagoer Schule eher ausgeblendeten – normativen und politischen Aspekte in den Blick genommen werden. Gegenwärtig lassen sich vier Schwerpunkte der Forschung zur Segregation ausmachen: 1) Ursachen: Aus Sicht der Chicagoer Schule bilden und überlagern sich ethnische und sozioökonomische Segregation naturwüchsig. In der residentiellen Segregation, also bei der räumlichen Verteilung des Wohnens in der Stadt, entstehen so relativ homogene Wohnquartiere verschiedener Zuwanderergruppen mit unterschiedlichem sozio-ökonomischen Status. Die heutige Forschung thematisiert verschiedenste Ursachen der Segregation: Wohnungsangebot (z. B. Art, Lage, Anzahl, Eigentumsquote, Diskriminierung), Wohnungsnachfrage (z. B. Lebensstil, Haushaltstypen, Einkommen, Zugang zu Informationen) sowie im deutlichen
Gegensatz zur Chicagoer Schule auch politischadministrativ gesteuerte, planerische Eingriffe auf die Wohnraumverteilung (z. B. Bebauungspläne, ▷sozialer Wohnungsbau, Wohngeld). 2) Ausmaß: Neben den klassischen Indizes ist hier die ethnographisch orientierte Erforschung segregierter Quartiere zu nennen (Lindner 2004; Wacquant 2008). Im Rahmen städtischer Monitoringsysteme kommen mittlerweile auch multivariate Verfahren statistischer Analyse zur Anwendung. Die Beschreibung von Segregationsprozessen unter Schrumpfungsbedingungen ist ein aktuelles Beispiel. 3) Folgen: Schon Engels vermutete gesundheitlich und moralisch negative Auswirkungen der Segregation auf die Arbeiterschaft. Vor dem Hintergrund der Integrationsdebatte werden die möglichen Folgen der ethnischen Segregation aktuell intensiv diskutiert und thematisiert. Während die Chicagoer Schule eher die Chancen der ethnischen Segregation sah (Zuwanderungsviertel als „Brückenkopf “ und „Wartesaal“ der Integration), wurden später die Gefahren der ethnischen Segregation (Zuwanderungsviertel als „Ghetto“, „sozialer Brennpunkt“) hervorgehoben. Seit den 1990er Jahren setzt sich jedoch ein differenziertes Verständnis der Folgen von Segregation durch, das sowohl Ressourcen als auch Restriktionen des segregierten Quartiers als Wohnort berücksichtigt und auf die häufige Überlagerung von ethnischer und sozialer Segregation hinweist (vgl. u.a. Dubet/Lapeyronnie 1994; Häußermann/Siebel 2004; Wilson 1987). 4) Gebietsbezogene Stadtpolitiken : Die Erforschung von Ausmaß und Folgen der Segregation erfährt in Europa, nicht zuletzt aufgrund der Stadtpolitik der EU (z. B. im Rahmen der URBAN-Initiative) eine Renaissance. Die Hinwendung der Politik zu gebietsbezogenen Handlungsprogrammen, wie sie sich in Deutschland etwa im Programm ▷Soziale Stadt manifestiert, erfordert ein besseres Verständnis der Wirkung von Segregation auf die Quartiersbewohner. Dabei tritt immer mehr die Frage in den Vordergrund, welche Rolle das Quartier für verschiedene Bevölkerungsgruppen spielt – für einkommensstarke, hochmobile Gruppen und für diejenigen, die sich in Armut jenseits des Arbeitsmarktes einrichten müssen (Walther/Mensch 2004). Stadt und Region In der Stadt- und Regionalsoziologie scheint die Region selten und eher als Umland der Stadt oder
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als ▷ländlicher Raum im Bereich der Land- und Agrarsoziologie wahrgenommen zu werden. Dabei spielt die Frage nach der Abgrenzbarkeit der Region politisch-administrativ, forschungspraktisch und im Hinblick auf Aspekte der identifikatorischen Zuordnung (Regionalbewusstsein) eine wichtige Rolle. Vor diesem Hintergrund erweist sich eine auf die Kernstadt beschränkte Perspektive als problematisch. Die extensive Verstädterung und Suburbanisierung der Nachkriegsjahrzehnte (vgl. Brake/Dangschat/Herfert 2001) hat die klassischen Betrachtungs- und Erklärungsebenen „Stadt vs. Land“ bzw. „Stadt vs. Umland“ längst in Frage gestellt (vgl. Ipsen 1991). An die Stelle solcher polarer Gegensätze sind eher Vorstellungen eines Kontinuums von mehr oder weniger städtischen Verhältnissen getreten, deren Teilräume sozial und funktional miteinander verflochten sind (Pahl 1966). Veränderte Begrifflichkeiten wie Stadtregion, Agglomeration, ▷Metropolregion und Dekonzentration beschreiben schon länger die faktische räumliche Maßstabsvergrößerung der Siedlungs- und Funktionsräume: Die Stadt kann nicht mehr ohne ihre wechselseitige Beziehung zur Region analysiert werden. Die Region gewinnt seit den 1980er und 1990er Jahren als Stadtregion bzw. Verflechtungsraum wieder an Aufmerksamkeit – zeitgleich mit den Diskussionen um das „Verschwinden“ der Städte, um den Urban Sprawl, Edge Cities und der sog. Zwischenstadt. Im Rahmen der Stadt- und Regionalentwicklung prägte dagegen die politische Vorgabe des Leitbilds der kompakten Europäischen Stadt im Sinne der Konzentration auf Innen- statt Außenentwicklung(▷Innenentwicklung/Außenentwicklung) die Diskussionen. Grob lassen sich v. a. vier thematische Bereiche der stadtsoziologischen Regionalforschung benennen: 1) Veränderte Siedlungsstruktur und soziodemographische Zusammensetzung: inter- und intraregionale Dekonzentrations-, Sub- und Reurbanisierungsprozesse. 2) Urbane Lebensweise: Der Kontrast von ländlicher und städtischer Lebensweise, der lange die Stadtsoziologie beschäftigt hat, scheint heute obsolet und die urbane Lebensweise eher allgegenwärtig; die Analyse verschiebt sich damit zu Fragen der räumlichen Zuordnung (Regionalbewusstsein, Regionalidentität) und der „Wiederkehr des Regionalen“ (Lindner 1994). 3) Lokale Folgen ökonomischer Umstrukturierungen und politischer Transformation: Vor dem Hintergrund des Leitbildes ▷ Gleichwertiger Lebens-
verhältnisse interessieren sowohl der regionale ökonomische Wandel (alte Industrieregionen im Westen, Schrumpfung v. a. in ländlichen und peripheren Räume im Osten seit 1989), als auch neue Steuerungsformen (Regional Governance; ▷Government und Governance), Regionalverbände, ▷Metropolregionen) und ökonomische Standbeine (z. B. Wissen und Innovation im regionalen Kontext). 4) Ökologische Bedeutung der Region: Hier nimmt die Region sowohl die Rolle eines zunehmend wichtigen Akteurs als auch eines Ausgleichsund Attraktivitätsraumes ein (Nachhaltigkeit, Naherholung, Tourismus, Lebensqualität als Standortfaktor; ▷Standortwahl). Zwei Aspekte erscheinen dabei für die aktuelle und zukünftige Auseinandersetzung besonders bedeutsam: die Frage nach dem kommunalpolitischen Bewusstsein um die Verflechtungszusammenhänge von Stadt und Region sowie die Umsetzung in kommunal- und regionalpolitische Praxisfelder („vernetzte Stadtregion“, Petrowsky 2004). In diesem Sinne verweist eine akteurs- und netzwerkorientierte Steuerungsperspektive auf ureigene stadtsoziologische Themenbereiche. Globalisierung und Stadt ▷Globalisierung als Wandel der weltweiten ökonomischen und sozialen Verflechtungen zählt zu den Megatrends der letzten 30 Jahre. Die veränderten Produktions-, Waren-, Informations- und Wanderungsflüsse verändern die Städte nachhaltig. In der Stadtsoziologie werden verschiedene Formen und Folgen dieses Wandels angesprochen: 1) Bedeutungsverlust des Lokalen: Vermutet wird, dass lokale Eigenheiten und Traditionen verloren gehen – von Verhaltensstilen bis hin zur Architektur. Ein Beispiel sind internationale Flughäfen, die sich nicht nur in ihrer Architektur immer stärker ähneln und somit zu „globalen Orten“ bzw. “Nicht-Orten“ werden. 2) Glokalisierung/Wachsende Bedeutung regionaler Bezugssysteme: Im Gegensatz zum Bedeutungsverlust des Lokalen und Regionalen wird gleichzeitig – sowohl ökonomisch wie auch kulturell (etwa in Form regionaler ▷Identitäten) – ein Bedeutungsgewinn festgestellt, der das Lokale modifiziert. Dieses Ineinandergreifen von Lokalisierung und Globalisierung wird häufig als „Glokalisierung“ bezeichnet. (Robertson 1998) 3) Schwindende politische Steuerungsfähigkeit von Nationalstaaten und Kommunen angesichts global zirkulierenden Kapitals: Global ope-
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rierende Konzerne wählen ihre Produktionsstandorte auf einem globalen Markt. 4) Wandel stadtbezogener geographischer Mobilität: Neben dem steigenden Ausmaß der Migration, durch welches die ethnische Heterogenität der Stadtbevölkerung steigt, entwickeln sich auch neue Formen der Migration (so beispielsweise Transmigration im Sinne dauerhafter Pendelwanderungen zwischen verschiedenen Lebensorten). 5) Global Cities/neue Stadttypen und Städtehierarchien: Sog. Global Cities werden als Zentren der neuen, den Globus umspannenden Ökonomie beschrieben, in denen sich die Kontrollund Kommandofunktionen der Weltwirtschaft konzentrieren. Sie werden dabei stets als in ein umfassendes, hierarchisch gegliedertes Städtesystem integriert gedacht, das durch Verkehrsund Informationsinfrastruktur verknüpft ist. (Krätke 1995, Sassen 2001) 6) Interne Polarisierung/Spaltungen: Verbreitet, aber umstritten ist die These der sozialen Polarisierung in Global Cities, wie sie v. a. von Sassen entwickelt wurde. Demnach nimmt einerseits der Anteil hoch qualifizierter Beschäftigter zu – diese wachsende Gruppe pflegt einen konsumorientierten Lebensstil, der im Bild der Stadt sichtbare Spuren hinterlässt. Andererseits wächst der Anteil der niedrig qualifizierten Arbeitnehmer, die sich in gering entlohnten Dienstleistungsberufen etwa als Putzhilfen oder Sicherheitspersonal verdingen. 7) Peripherisierung: Die Globalisierung produziert nicht nur neue, in den Weltmarkt integrierte Orte der Produktion unternehmensbezogener Dienstleistungen: An den Orten auf der Landkarte der Weltwirtschaft, die von ihr nicht erfasst werden, entstehen neue „weiße Flecken“. Solche vom globalen „Space of Flows“ abgekoppelten Städte und Regionen der Welt sind ebenso Ausdruck und Manifestation der Globalisierung und somit Forschungsgegenstand.
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Es liegt am Prozesscharakter der Globalisierung, dass ihre Folgen für die Städte uneinheitlich und nicht endgültig verstanden sind. So bleibt die Erforschung der Zusammenhänge von Globalisierung und Stadt ein zentrales Feld der Stadtsoziologie. Fazit Die Stadtsoziologie in Deutschland hat nicht nur eine Richtung oder eine einzige Denkschule ausgebildet. Einige ihrer Exponenten versuchten
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früh, auf der Basis eines naturwissenschaftlichen Verständnisses Regelmäßigkeiten der räumlichen Entwicklung zu ermitteln und zu vergleichen (Atteslander, Dangschat, Friedrichs, Hamm). Andere orientieren sich eher an geisteswissenschaftlichen und ethnographischen Standards und Verstehensbegriffen (Lindner), z. T. in einem größeren Bezugsrahmen einer „Raumsoziologie“ (Löw). Oder sie verfolgen die Erkenntnisinteressen und Fragen der Chicagoer Schule mit politisch-ökonomischen Erklärungen (z. B. Autoren wie Häußermann, Krämer-Badoni, Läpple, Ipsen, Rodenstein, Siebel), um sie an aktuelle Fragen der Stadtpolitik und -planung zu knüpfen. In den Strömungen der Stadtsoziologie manifestieren sich unterschiedliche Herangehensweisen und methodische Zugänge zu der Frage nach dem Verhältnis zwischen binnenwissenschaftlichen Kriterien und gesellschaftlicher Nachfrage nach praxisdienlichen Hinweisen. Diese Frage beschäftigt auch die Mutterdisziplin seit ihren Anfängen. Ihre Geburtsstunde lag in den politischen Umwälzungen der bürgerlichen Gesellschaft. Soziologie wollte erklären, was die neue Gesellschaft zusammenhält, wie sie sich verändert – und wie sie verändert werden kann. Soziologie war so nicht nur Zeitdiagnose, also Beschreibung und Analyse, sondern zumeist auch Kritik der Verhältnisse. Ihre Maßstäbe der Beschreibung und der Kritik bezog sie aus binnenwissenschaftlichen Kriterien (ihren Theorien), ihre Gegenstände und Themen aus der jeweiligen historischen Epoche (der gesellschaftlichen Wirklichkeit). Ähnliches gilt für ihre Teildisziplin Stadtsoziologie. Die Stadtsoziologie mag als spezialisierte „Bindestrich-Soziologie“ besonders dazu neigen, sich mehr an der gesellschaftlichen Nachfrage nach nützlichen Hinweisen zu orientieren als an den großen theoretischen Vorgaben und Reinheitsgeboten der „Allgemeinen Soziologie“. Diese Praxisorientierung engt die Fragestellungen der Stadtsoziologie nicht selten auf das ein, was jeweils politisch und planerisch machbar ist. Damit droht sie ihre aufklärerische, kritische Funktion zu vernachlässigen. Schließlich ist sie als Sozialwissenschaft im Verhältnis zu den Naturwissenschaften in einer eher misslichen Lage. Wo die Naturwissenschaften Fakten präsentieren, deuten die Sozialwissenschaften v. a. soziale Phänomene. Ihre Potenz zieht also auch die Soziologie weniger aus Wissen als vielmehr aus der Verwendung und orientierenden Kraft ihrer Begriffe und Deutungen. Das macht manche Missverständnisse unausweichlich, denn die Sozialwissenschaften müssen über einen sich wandelnden Gegenstand angemes-
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sene Deutungsangebote plausibel machen – und sie konkurrieren dabei mit gegenläufigen Deutungen innerhalb und außerhalb der Disziplin. Als Wissenschaft in kritischer Absicht muss sie stets auch konkurrierende Deutungen hinterfragen. Die Stärke genuin sozialwissenschaftlicher Deutungen gründet dabei auf ihrem theoretischmethodischen Fundament. In der Breite der Themen der Stadt- und Regionalsoziologie und in ihrem Engagement bei konkreten Planungs- und Steuerungsaufgaben liegen also Dilemmata, die sie ständig aufs Neue überwinden muss – und aus der sie ihre praktische wie kritische Kraft ziehen kann.
of Advanced Marginality. Cambridge Walther, U.-J.; Mensch K. (Hrsg.) (2004): Armut und Ausgrenzung in der Sozialen Stadt. Darmstadt Weber, M. (1976): Die nicht-legitime Herrschaft (Typologie der Städte). In: Weber, M. (1976): Wirtschaft und Gesellschaft. Tübingen, 727-814 Wilson, W. J. (1987): The Truly Disadvantaged: The Inner City, the Underclass, and Public Policy. Chicago
STADTUMBAU Begriffsbestimmung
Walther U.-J., Ritterhoff, Sievers
Literatur Bahrdt, H. P. (1974): Die Grundformen städtischer Vergesellschaftung. In: Bahrdt, H. P. (1998): Die moderne Großstadt. Opladen Benevolo, L. (1975): Die Geschichte der Stadt. Frankfurt/M, New York Brake, K.; Dangschat, J.; Herfert, G. (Hrsg.) (2001): Suburbanisierung in Deutschland. Opladen Castells, M. (1972): La Question Urbaine. Paris Dubet, F.; Lapeyronnie, D. (1994): Im Aus der Vorstädte, Der Zerfall der demokratischen Gesellschaft. Stuttgart Engels, F. (1845): Die Lage der arbeitenden Klasse in England. In: Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hrsg.) (1969): Marx-Engels-Werke. Band 2. Berlin, 237-305 Gleichmann, P. (1998): Wohnen. In: Häußermann, H. (Hrsg.): Großstadt. Soziologische Stichworte. Opladen, 270-278 Hannemann, C. (1998): Großsiedlungen – Ost. In: Häußermann, H. (Hrsg.): Großstadt. Soziologische Stichworte. Opladen, 91-103 Häußermann, H.; Siebel, W. (2004): Stadtsoziologie, Eine Einführung. Frankfurt/M Häußermann, H.; Siebel, W. (1996): Soziologie des Wohnens. Weinheim Ipsen, D. (1991): Stadt und Land – Metamorphosen einer Beziehung. In: Häußermann, H. u. a. (Hrsg.): Stadt und Raum. Soziologische Analysen. Pfaffenweiler, 117-156 Jessen, J. (1998): Großsiedlungen – West. In: Häußermann, H. (Hrsg.): Großstadt. Soziologische Stichworte. Opladen, 104-114 Krätke, S. (1995): Stadt, Raum, Ökonomie. Basel, Boston, Berlin Le Galès, P. (2002): European Cities. Oxford Lindner, R. (2004): Walks on the Wild Side. Frankfurt/M Lindner, R. (Hrsg.) (1994): Die Wiederkehr des Regionalen, Über neue Formen kultureller Identität. Frankfurt/M, New York Pahl, R. (1966): The Urban-Rural Continuum. In: Pahl, R. (Hrsg.) (1968): Readings in Urban Sociology. Oxford, New York, 263305 Park, R.; Burgess, E. W.; McKenzie, R. D. (1925): The City. Suggestions for Investigation of Human Behavior in the Urban Environment. Chicago Petrowsky, W. (2004): Editorial. In: Jahrbuch StadtRegion 2003. Schwerpunkt: Urbane Regionen. Opladen, 9-14 Robertson, R. (1998): Glokalisierung: Homogenität und Heterogenität in Raum und Zeit. In: Beck, U. (Hrsg.): Perspektiven der Weltgesellschaft. Frankfurt/M 192-220 Sassen, S. (2001): The Global City. Princeton Saunders, P. (1987): Soziologie der Stadt. Frankfurt/M, New York Siebel, W. (Hrsg.) (2004): Die europäische Stadt. Frankfurt/M Simmel, G. (1903): Die Großstädte und das Geistesleben. In: Lichtblau, K. (Hrsg.) (1998): Georg Simmel. Soziologische Ästhetik. Darmstadt, 119-133 Tönnies, F. (1887): Gemeinschaft und Gesellschaft: Ergebnis und Ausblick. In: Schmals, K. M. (Hrsg.) (1983): Stadt und Gesellschaft. München, 227-236 Wacquant, L. W. (2008): Urban Outcasts: A Comparative Sociology
Der Begriff Stadtumbau bezeichnet ein stadtplanerisches Handlungsfeld, das dem Bereich der ▷Bestandsentwicklung zuzuordnen ist. Im Gegensatz zur seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert in Deutschland gängigen Praxis der „Behutsamen Stadterneuerung“ befasst sich Stadtumbau allerdings mit einer Qualifizierung städtebaulicher Bestände, die stärkere Strukturveränderungen mit sich bringt. Der Begriff Stadtumbau wird in der Planungsdiskussion zwar bereits seit einigen Jahrzehnten gelegentlich ohne genauere Definition verwendet, erfreut sich aber v. a. seit den 1990er Jahren größerer Beliebtheit. Erst seit der Auflegung der Bund-Länder-Programme „Stadtumbau Ost“ (2001) und „Stadtumbau West“ (2004) im Rahmen der ▷Städtebauförderung hat die Bundesregierung zu einer deutlichen Präzisierung des Begriffs beigetragen. Demnach bezeichnet Stadtumbau v. a. die Anpassung städtebaulicher Bestände an die stadtregionalen Folgen gesamtgesellschaftlich bedingter demographischer (▷Demographischer Wandel) oder wirtschaftlicher Strukturveränderungen. Nach § 171a BauGB umfasst Stadtumbau „Maßnahmen, durch die in von erheblichen städtebaulichen Funktionsverlusten betroffenen Gebieten Anpassungen zur Herstellung nachhaltiger städtebaulicher Strukturen vorgenommen werden. Erhebliche städtebauliche Funktionsverluste liegen insbesondere vor, wenn ein dauerhaftes Überangebot an baulichen Anlagen für bestimmte Nutzungen, namentlich für Wohnzwecke, besteht oder zu erwarten ist“ (§ 171a, Abs. 1 und 2 BauGB). Mit der Aufnahme des Stadtumbaus in die Städtebauförderung und ergänzt durch die in diesem Zusammenhang vorgenommenen Regelungen im Baugesetzbuch (▷Bauplanungsrecht) haben Bundestag und Bundesregierung anerkannt, dass es sich bei dem Stadtumbau um eine öffentliche Aufgabe handelt, die unter bestimmten Umständen in erheblichem
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Umfang öffentlicher Unterstützung bedarf. Diese Auffassung stellt eine wesentliche Weiterentwicklung früherer Stadtumbaupraktiken dar, die planerisch auf der kommunalen Ebene verankert sind und bisweilen eine Nachverdichtung oder Revitalisierung untergenutzter oder brach gefallener innerstädtischer Standorte insbesondere für multifunktionale Dienstleistungszentren bezeichnet haben (▷Konversion und Revitalisierung). Als Vorform eines heutigen Verständnisses von Stadtumbau kann im Rahmen der Städtebauförderung hierbei lediglich teilweise das Instrument der ▷Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme angesehen werden, sofern sie sich mit der Weiterentwicklung städtebaulicher Bestände befasst. Stadtumbau in Wohnquartieren
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In Wohnquartieren kann die Notwendigkeit zum Stadtumbau gegeben sein, wenn Bestände mittel- bis langfristig keine hinreichende Nachfrage mehr finden oder den Wohnwünschen so schlecht entsprechen, dass aus wohnungspolitischer Sicht Anpassungen angezeigt sind. Im Gegensatz zu Stadtentwicklungsphasen, die von stark zunehmenden verfügbaren Einkommen gekennzeichnet sind und in denen die ▷Wohnungsmärkte stark angespannt sind, entstehen solche Situationen in Zeiten von Stagnation oder wirtschaftlichem Niedergang. Schnelle und anhaltende Bevölkerungsverluste von Stadtregionen, die nicht durch zunehmenden Wohnflächenkonsum pro Einwohner ausgeglichen werden können, ziehen Wohnungsleerstand nach sich. Veränderte Wohnwünsche bei insgesamt entspannten regionalen Wohnungsmärkten führen zu stabilem kleinräumigen Leerstand. Eine Änderung der Bevölkerungszusammensetzung, insbesondere durch Alterung der Wohnbevölkerung, bringt einen Anpassungsbedarf in Quartieren hervor. In leerstandsbetroffenen Quartieren werden Stadtumbaubemühungen in Betracht gezogen, wenn der Leerstand aufgrund eines strukturellen Angebotsüberhangs in einem Wohnungsteilmarkt zu einem so starken Mietpreisverfall zu führen droht, dass die Wirtschaftlichkeit der Wohnungsvermietung nicht mehr gegeben ist, aber eine Marktbereinigung aus politischen Gründen nicht in Kauf genommen werden soll, etwa weil die Insolvenz von öffentlichen Wohnungsunternehmen gesamtwirtschaftliche Verwerfungen auslösen oder ein erheblicher Leerstand zu einer negativen Stigmatisierung ganzer Stadtquartiere führen würde. Ersteres ist eine wichtige Ausgangsposition für das Bund-Länder-Programm „Stadtumbau Ost“,
Letzteres trifft beispielsweise für Wohnungsbestände aus der frühen Nachkriegszeit im Programm „Stadtumbau West“ zu, für die neue Nutzerschichten erschlossen werden müssen. Stadtumbau auf Gewerbeund Industrieflächen Der Niedergang ganzer Wirtschaftsbereiche, die über Jahrzehnte die ökonomische Basis einer Stadt bildeten, bringt die Aufgabe von Gewerbeimmobilien mit sich, für deren Nachnutzung sich mangels wirtschaftlicher Dynamik keine Perspektive zu bieten scheint. Die entstehenden Brachen oder stark untergenutzten Bereiche drohen, das Image in ihrer unmittelbaren Umgebung oder gar der gesamten Stadtregion negativ zu beeinflussen. Eine einfache Vermarktung der zur Verfügung stehenden Immobilien oder eine Herrichtung leer stehender Gebäude scheitert nicht allein an deren geringer Eignung für eine Nachfolgenutzung, sondern wird zusätzlich durch die sehr geringe Gesamtnachfrage nach Gewerbeimmobilien erschwert. Erst die stärkeren Eingriffe in die städtebauliche Struktur sollen die Voraussetzungen für eine Wiederbelebung der betroffenen Stadtquartiere ermöglichen. Eine Abgrenzung des Stadtumbaus vom Handlungsfeld der (Gewerbeflächen-)Konversion und Revitalisierung ist schwierig, doch beschränkt sich Konversion v. a. auf bestimmte Flächen begrenzter Dimension, die i. d. R. projektorientiert aufbereitet werden (▷Konversion und Revitalisierung), während Stadtumbau die Wiederherstellung der stark erodierten wirtschaftlichen Basis einer Stadt im Blick hat. Dementsprechend werden nicht selten Städte Gegenstand von Stadtumbaustrategien, die in der Industriezeit eine starke Spezialisierung auf eine oder wenige wirtschaftliche Branchen ausgebildet haben, dann aber im Zuge des ökonomischen Strukturwandels in einem besonders starken Maße von Rationalisierung, Konzentrationsprozessen und Standortverlagerungen betroffen sind. Stadtumbau in Zentren Neben Gewerbe- und Industriegebieten sind v. a. städtische Haupt- und Nebenzentren von den erwähnten wirtschaftsstrukturellen Veränderungen flächenhaft betroffen. Der Niedergang des innerstädtischen Warenhauses, Konzentrationsprozesse in der Einzelhandelsbranche und übermäßiges Verkaufsflächenwachstum haben zu massiven Leerständen in älteren Einzelhan-
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delsschwerpunkten geführt (▷Einzelhandel). Um mittelfristig die Attraktivität der Innenstädte und Nebenzentren zu sichern, werden Stadtumbaumaßnahmen umfassend konzipiert, mit denen eine Anreicherung des Nutzungsspektrums, Qualitätsverbesserungen im öffentlichen Raum und eine maßvolle Zurückdrängung des PkwVerkehrs sowie städtebauliche Reparaturmaßnahmen einhergehen können. Inhalte und Handlungsansätze von Stadtumbaustrategien Größere Eingriffe in die Stadtstruktur, gerade wenn sie mit Abrissen ganzer Straßenzüge und dem Neubau mit deutlich veränderten Typologien und Nutzungen verbunden sind wie etwa im Fall des Rückbaus von Neubauquartieren im „Stadtumbau Ost“, erfordern eine sorgfältige Abstimmung ihrer gesamtstädtischen Voraussetzungen und Folgen. Daher werden Stadtumbaustrategien i. d. R. von integrierten Stadtentwicklungskonzepten (abgekürzt: INSEK, ISEK oder SEKO) begleitet und auf gesamtstädtischer Ebene abgeglichen, die eine hinreichende Flexibilität für mögliche Anpassungen im Lauf der Umsetzung aufweisen (▷Stadtentwicklungsplanung, ▷Strategische Stadtentwicklungskonzepte). Stadtentwicklungskonzepte sollen insbesondere sicherstellen, dass mit dem Stadtumbau funktionsfähige Stadtstrukturen erhalten und entwickelt werden. Hierzu formulieren sie aufbauend auf Wohnungsmarktanalysen und Prognosen über die demographische und wirtschaftliche Entwicklung Leitbilder der räumlichen Entwicklung mit Handlungsschwerpunkten für Rückbau-, Umnutzungs- und Aufwertungsmaßnahmen. Sie werden im Lauf der Umsetzung fortlaufend angepasst und dienen als Grundlage von Monitoring und Evaluierung (▷Evaluation) des Stadtumbaus. Integrierte Stadtentwicklungskonzepte knüpfen an die ▷Stadtentwicklungsplanung an, die v. a. ab Mitte der 1960er Jahre und bis in die 1980er Jahre hinein eine große Verbreitung hatten. Von ihnen unterscheiden sie sich allerdings in einigen wesentlichen Punkten. Auf die Zusammenstellung umfassender kleinräumiger Bestandsanalysedaten zu unterschiedlichsten sektoralen Aspekten der Stadtentwicklung wird zugunsten von szenarienhaften Aussagen verzichtet. Demographische und ökonomische Hintergründe erfahren eine besondere Berücksichtigung. Stadtentwicklungskonzepte beleuchten v. a. räumliche Schwerpunkte des Stadtumbaus vertiefend. Auf Monitoring wird besonderer Wert gelegt.
Rückbaustrategien V. a. im Programm „Stadtumbau Ost“, aber auch in anderen Stadtumbaukonstellationen ist die Festlegung von Rückbauschwerpunkten in leerstandsbetroffenen Quartieren wesentlicher Gegenstand. Da mit dem Rückbau die Vernichtung volkswirtschaftlicher Werte verbunden ist und er starke Belastungen sowohl für die verbliebenen Bewohner als auch die Eigentümer bedeutet, müssen zur Ermittlung der Rückbaukulisse sorgfältig Kriterien wie zukünftige Attraktivität und Marktfähigkeit von Beständen, Fördermittelbindungen, städtebauliche Bedeutung und Struktur, Möglichkeit der Beseitigung von Freiflächendefiziten sowie Kooperationsfähigkeit der Betroffenen berücksichtigt werden. Eine Umsetzung ist i. d. R. nur mit Anreizen für die Eigentümer möglich und findet in größerem Umfang v. a. in Ostdeutschland statt. Dort werden etwa im Programm „Stadtumbau Ost“ unter gewissen Voraussetzungen im Rahmen der Städtebauförderung Entschuldungen für Eigentümer angeboten. Wahrgenommen werden sie v. a. für den Abriss und die Auflockerung peripherer Wohnungsbestände in Plattenbauquartieren, während geförderte Abrisse in durch stärker zersplittertes Eigentum charakterisierten Altbauquartieren meist nur punktuell stattfinden. Auch in gewerblich genutzten Quartieren werden Rückbaustrategien verfolgt. Sie richten sich v. a. auf innenstadtnahe Industriebrachen, für die aufgrund veränderter Strukturen der lokalen Ökonomie keine Nachfrage mehr zu bestehen scheint. Der Stadtumbau knüpft hier mit dem Abriss weniger wertvoller sowie Umbau und Umnutzung architektonisch-städtebaulich markanter Bestände an die Erfahrungen der Industrieflächenkonversion an und wird von unterschiedlichen öffentlichen und privaten Akteuren betrieben. Aufwertungsstrategien Mit Abrissmaßnahmen geht häufig die Entstehung größerer Freiflächen einher, für die keine Wiederbebauung abzusehen ist. Daher wird versucht, sie so anzuordnen, dass die verbleibende Substanz lebensfähige Quartiere bildet. Die entstandenen Freiflächen können dann in dicht bebauten innerstädtischen Lagen zu einer Verbesserung der Angebote für Freizeit und Erholung sowie für die stadtökologische Situation beitragen (▷Urbane Landschaften). V. a. am Stadtrand wirft der Umfang der nach Abriss verfügbaren Freiflächen allerdings die Frage auf, wie aufwendig deren Bewirtschaftung sein kann, um die öffentlichen
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Haushalte nicht über Gebühr zu belasten. Neben einer Renaturierung werden hier insbesondere Zwischennutzungsansätze erprobt. Auch in den Gebäuden selbst werden Aufwertungsstrategien angewandt. Hier sind wiederum ▷Zwischennutzungen und die Mobilisierung bürgerschaftlichen Engagements zu nennen. Mithilfe von Kunstprojekten sowie neuen Wohn- und Arbeitsformen wird versucht, ansonsten dem Verfall ausgesetzte leer stehende Gebäude zu erhalten und wenigstens teilweise zu bewirtschaften. Anpassung der technischen und sozialen Infrastruktur Abriss und Verringerung der Nutzungsintensität führen quartiersbezogen zur Unterauslastung der Infrastruktur, die v. a. bei Wasserver- und Abwasserentsorgung sowie bei Schulen und Kindergärten einen Anpassungsbedarf auslöst. Eine zu starke Unternutzung der leitungsgebundenen Infrastruktur bringt Probleme im Betrieb mit sich, sodass im Rahmen von Rückbaumaßnahmen eine Stilllegung ganzer Netzteile angestrebt wird. Einem Leerstand in Gemeinbedarfseinrichtungen kann teilweise durch Umwidmung begegnet werden, doch scheinen vielerorts auch Abrisse von Schulen und Kindergärten unausweichlich und werden bereits in erheblichem Umfang durchgeführt. Das Spannungsfeld von Rückbauund Aufwertungsstrategien
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Insgesamt ist Aufwertungsstrategien durch die nicht passfähigen Angebots- und Nachfragestrukturen häufig eine Grenze gesetzt. Flächen sind bisweilen im Überfluss vorhanden, wo keine Nutzer sie nachfragen. Auch engagierte Aufwertungsmaßnahmen können nur in sehr begrenztem Umfang die Folgen ökonomisch bedingter städtischer Anpassungsprozesse abfedern. Vielfach finden sie nicht in unmittelbarer Nähe peripher gelegener Rückbauschwerpunkte statt, sondern in innerstädtischen Altbauquartieren, für die die Erfahrungen der klassischen Sanierung (▷Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen) und der sozialen Stadterneuerung (▷Soziale Stadt) herangezogen werden können. Ein räumliches Auseinanderfallen von Abriss- und Aufwertungsschwerpunkten kann die Akzeptanz von Stadtumbaukonzepten verringern. Intensiviert durch den Einsatz der jeweiligen Bewohner entstehen so bisweilen konfliktreiche Auseinandersetzungen um die richtige Strategie der Bewältigung von Wohnungsleerständen und nachfolgender Aufwertungsmaßnahmen
und deren sinnvolle Verortung in Plattenbauquartieren, Siedlungen aus der Zwischenkriegszeit und innerstädtischen Altbauquartieren. Sie können dadurch verschärft werden, wenn Aufwertungsmaßnahmen aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit von Fördermitteln für Abrissmaßnahmen ganz unterbleiben. Internationale Perspektiven Stadtumbau im hier beschriebenen Sinne ist ein international verbreitetes Handlungsfeld, das insbesondere in reifen Stadtgesellschaften ohne großes Bevölkerungswachstum an Bedeutung gewinnt. Insbesondere ▷Großwohnsiedlungen an der Peripherie werden zunehmend zum Gegenstand von Stadtumbaustrategien, die teilweise stark in die Substanz eingreifen, um stigmatisierte Quartiere mittelfristig attraktiv zu halten. Im Gegensatz zur behutsamen Stadterneuerung wird nicht mehr davon ausgegangen, dass die Quartiere mit vertretbarem Aufwand erhaltend erneuert werden können. Häufig wird in den Siedlungen nach Abriss mehrerer größerer Gebäude oder ganzer Straßenzüge versucht, durch Formen des „nachmodernen“ Städtebaus mit geschlossener mehrgeschossiger Bebauung an traditionellen Korridorstraßen und Plätzen, nach Möglichkeit mit einem hohen Grad an Nutzungsmischung, eine höhere Attraktivität auch für wohlhabendere Schichten zu erreichen. Auf diese Weise sollen hohe Konzentrationen sozial benachteiligter Gruppen vermieden oder aufgebrochen werden. Diesbezügliche Erfahrungen sind in Europa insbesondere in den Niederlanden (Abriss und veränderter Neubau beispielsweise in den Amsterdamer Großsiedlungen Bijlmermeer und Westelijke Tuinsteden) sowie in Großbritannien (beinahe kompletter Abriss und teilweiser Neubau von Großsiedlungen in Manchester-Hulme und Glasgow-Gorbals) gesammelt worden. Daneben wird Stadtumbau in zentrumsnahen Quartieren betrieben, wenn für diese keine erhaltende Erneuerungsperspektive gesehen wird. Dies gilt v. a. für niedergegangene Industriestädte in den USA und Großbritannien, in denen die Innenstädte nach Abriss mit gemischt genutzten Großprojekten aus Büroflächen, hochpreisigem Wohnen sowie Einzelhandel, Kultur und Veranstaltungen revitalisieren wollen. Altrock
Literatur Altrock, U. u. a. (Hrsg.) (2008): Jahrbuch Stadterneuerung 2008: Schwerpunkt Aufwertung im Stadtumbau. Berlin BMVBS – Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-
STANDORTWAHL wicklung; BBR – Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.) (2008): Perspektiven für die Innenstadt, Dritter Statusbericht der Bundestransferstelle Stadtumbau Ost. Berlin BMVBS – Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung; BBR – Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.) (2007): 5 Jahre Stadtumbau Ost – eine Zwischenbilanz, Zweiter Statusbericht der Bundestransferstelle Stadtumbau Ost. Berlin BMVBS – Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung; BBR – Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.) (2006): Stadtumbau Ost – Stand und Perspektiven, Erster Statusbericht der Bundestransferstelle Stadtumbau Ost. Berlin Bodenschatz, H.; Laible, U. (Hrsg.) (2008): Großstädte von morgen: Internationale Strategien des Stadtumbaus. Berlin Hoffmann-Axthelm, D. (1996): Anleitung zum Stadtumbau. Frankfurt/M
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Begriffsbestimmung und Abgrenzung Die Standortwahl von Einwohnern und Unternehmen ist nicht nur ein zentrales Feld der Analyse in der räumlich orientierten Forschung, sondern auch ein Thema der räumlichen Planung, wenn es darum geht, eben diese Standortwahlentscheidungen zu beeinflussen. In der Analyse und Theoriebildung wird versucht zu erklären, wie Akteure Standortentscheidungen treffen, welche Folgen die Entscheidungen für sie selbst haben und wie die individuellen Entscheidungen den Raum strukturieren. Für die räumliche Planung geht es darum, aus der Analyse Erkenntnisse für Handlungsansätze zu gewinnen, um Standortwahlentscheidungen im Sinne raumplanerischer Ziele zu beeinflussen. Letzteres spielt insbesondere im Wettbewerb der Gemeinden und Regionen um Einwohner, Unternehmen sowie private und öffentliche Einrichtungen eine zentrale Rolle. Auch wenn alle genannten Dimensionen (Einwohner, Unternehmen und Einrichtungen) für die Standortstrukturen von großer Bedeutung sind, soll hier der Schwerpunkt auf die Frage der Standortwahl von Unternehmen gelegt werden. Dabei geht es u.a. im Kern um eine Erweiterung der klassischen Vorstellung der Wirtschaftswissenschaften, denen üblicherweise ein Raumbezug fehlt, um die Frage nach dem Zusammenhang zwischen der Verteilung wirtschaftlicher Aktivitäten im Raum und der wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft. Das Schaubild (siehe Abbildung) verdeutlicht, dass mit bestimmten wirtschaftlichen Aktivitäten auch spezifische Anforderungen an den Raum verbunden sind. Die Unternehmen haben je nach
betrieblicher Funktion, Produktionstyp, Beschäftigtenstruktur u.ä. spezifische Anforderungen an ihr Umfeld. Entsprechend der danach strukturierten Standortentscheidungen von Unternehmen bilden sich spezifische Standortstrukturen heraus. Entgegen den klassischen Annahmen der Ökonomie ist der Raum nicht neutral, also ohne Wirkung auf die wirtschaftliche Aktivität, sondern bildet sehr verschiedene Konstellationen von Standortgunst aus. Räumliche Nähe führt zu positiven externen Effekten zwischen Unternehmen, weshalb es zu Standortagglomerationen von Unternehmen gleicher oder komplementärer Branchen kommt (Lokalisationseffekte, Urbanisationseffekte). Diese Agglomerationen, die heute vielfach als Cluster bezeichnet werden, führen im Zusammenspiel mit politischen Institutionen, Bildungseinrichtungen und dem Angebot von Kapital zur Herausbildung von innovativen Milieus und Wissenskulturen, die für bestimmte Räume zu besonderer Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft führen. Dadurch beeinflussen sie den wirtschaftlichen Strukturwandel in einer Volkswirtschaft insgesamt und treiben ihn weiter voran. Mit dem (neuerlichen) Strukturwandel verändern sich die Zusammensetzung der Unternehmen und damit die Anforderungen an den Raum abermals. Beschrieben wird also ein dynamischer Prozess der ständigen Veränderung wirtschaftlicher Entwicklung und räumlicher Strukturen und ihrer wechselseitigen Abhängigkeit. Standortentscheidungen Die Analyse von Standortwahlentscheidungen und Standortstrukturen ist ein zentrales Thema der räumlich orientierten Ökonomie bzw. der Stadt- und Regionalökonomie (und Regionalwissenschaften). Für die Analyse von Standortstrukturen wurde eine Reihe von deduktiven Modellen entwickelt, die einerseits Strukturmodelle der Verteilung ökonomischer Aktivitäten im Raum im Sinne von Raumnutzungsmustern sind (so Thünen, Christaller) oder explizit auf die Standortwahl des einzelnen Unternehmens zielen (so Weber). Im Gegensatz dazu wurden auch induktive Erklärungsansätze (behavioristische und
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Rückkopplung zwischen wirtschaftlichem Strukturwandel, Standortwahl und räumlicher Struktur (nach Healey/Ilbery 1990)
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strukturelle Ansätze) entwickelt (Maier/Tödtling 1995). Für die eher anwendungsorientierten Analysen haben sich Untersuchungen von Standortfaktoren etabliert, bei denen es darum geht, ein Set von Faktoren zu bestimmen, das für die Standortwahl von Betrieben – dabei geht es nicht nur um Standortwechsel, sondern auch um den Verzicht auf eine Veränderung – von Bedeutung ist (Wichtigkeit von Standortfaktoren). Damit können Anhaltspunkte für die Anforderungen der Unternehmen an Standorte gewonnen werden. In den Debatten der letzten 15 Jahre wird üblicherweise in harte Standortfaktoren (z. B. Verkehrsanbindung, Arbeitsmarkt, Flächenverfügbarkeit) und weiche Standortfaktoren (z. B. Wirtschaftsklima, Wohnwert, Freizeitwert) differenziert (Grabow/Henckel/Hollbach-Grömig 1995), die sich in der Messbarkeit bzw. dem Anteil subjektiver Bewertung einerseits und der direkten bzw. indirekten Wirkung auf das Betriebsergebnis andererseits unterscheiden. In der öffentlichen Debatte wird häufig von einer generellen Zunahme der Bedeutung weicher Faktoren ausgegangen. Empirische Untersuchungen belegen jedoch die nach wie vor zentrale Bedeutung der harten Faktoren (wie Verkehrsanbindung und Verfügbarkeit von Arbeitskräften). Weiche Standortfaktoren gewinnen allerdings in dem Maße an Bedeutung, wie die Ausprägung der harten Faktoren sich zwischen den Standorten zunehmend weniger unterscheidet. Im Zuge des wirtschaftlichen Strukturwandels hin zu wissensintensiven Tätigkeiten (▷Wissensgesellschaft), die mit einem durchschnittlich höheren Qualifikationsniveau verbunden sind (Zunahme der Humankapitalintensität), gewinnen die Interessen der Beschäftigten an Einfluss auf die betrieblichen Standortentscheidungen: Weiche Standortfaktoren – wie die Lebensqualität – nehmen an Bedeutung zu. Einige Autoren – wie etwa Florida – gehen sogar davon aus, dass die Beschäftigten nicht mehr den Betrieben folgen, sondern Betriebe (bestimmter Branchen) sich in ihrer Standortwahl an den Wohnortwünschen der (hoch qualifizierten, kreativen) Beschäftigen orientieren (▷Kreative Städte). Die Standortanforderungen unterscheiden sich (u. a. nach Branche, betrieblicher Funktion – Hauptsitz, Produktionsstandort, Forschungs- und Entwicklungsstandort, etc. –, Größe, Stellung im betrieblichen Lebenszyklus, Qualifikation der Beschäftigten, Wissensintensität der Produktion, Rohstofforientierung) und sie verändern sich im Zeitablauf durch strukturellen Wandel der Betriebe. Daraus lassen sich standortspezifische Spezialisierungen erklären.
Für die konkrete Standortentscheidung ist allerdings auch die Ausprägung der Standortfaktoren, d.h. ihre Bewertung durch die Unternehmen, von Bedeutung (Zufriedenheit mit Standortfaktoren). Unterschiede in der Ausprägung von Standortfaktoren bestimmen die unterschiedliche Attraktivität von Standorten. Praktische Handlungshinweise etwa für die Wirtschaftsförderung (kommunale Wirtschaftsförderung) zur weiteren Entwicklung von Standortfaktoren können sinnvoll nur gewonnen werden, wenn sowohl zugemessene Bedeutung als auch Zufriedenheit erhoben werden, weil aus der Differenz die vordringlichen Handlungsbereiche sichtbar werden. Standortwahlentscheidungen sind, da es sich um unsichere, kostenträchtige und i. d. R. langfristige Entscheidungen handelt, eher seltene Ereignisse im Lebenszyklus eines Unternehmens, dies gilt insbesondere für Verlagerungsentscheidungen, bei denen das gesamte Unternehmen bzw. der gesamte Betrieb verlagert werden. Über die Jahrzehnte haben die Raten der Verlagerungshäufigkeit abgenommen. Das deutet auch an, dass die Thesen von einem Standortnomadentum, also sehr raschen Standortwechseln, nur für kreative Branchen und für Produktionsbetriebe mit ausgereiften Produktionen und damit nur für sehr enge Segmente formuliert werden und nur sehr wenige empirische Belege für Standortnomadentum zu finden sind. Sehr viel entscheidender für die Veränderung der Standortstrukturen (durch Standortwahlentscheidungen) sind selektive Prozesse wie Ausbau oder Rückbau von Standorten, Errichtung oder Schließung von Zweigstandorten, Neugründungen oder Schließungen. Diese selektiven Typen stehen nach einer umfassenden empirischen Untersuchung aus dem Jahr 1995 (eine vergleichbar umfassende aktuellere empirische Basis ist für Deutschland nicht verfügbar) für rund 70 Prozent aller Standortveränderungsprozesse (Grabow/Henckel/HollbachGrömig 1995). Empirische Untersuchungen zeigen, dass ein Großteil der Unternehmen bei Standortwahlentscheidungen systematisch vorgeht und gezielt unterschiedlich differenzierte Methoden der Identifizierung und Bewertung anwendet (Grabow/ Henckel/Hollbach-Grämig 1995, Herkommer/ Henckel 2008), dass sich aber auch durch gleichgerichtetes Verhalten spezifische Standortstrukturen und Branchencluster herausbilden. Ausblick Gerade in neueren Debatten werden die Thesen über die zunehmende Standortwahlfreiheit von
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Unternehmen – Stichworte sind der „Tod der Distanz“ (Cairncross) oder „Die Welt ist flach“ (Friedman) – als Folge der besseren Verkehrsund Kommunikationserschließung wieder in Frage gestellt: Für wissensintensive und kreative Tätigkeiten spielen der Raum und die raumzeitliche Nähe, um persönliche Kontakte („face to face“) zu ermöglichen, wieder eine wachsende Rolle – eine Neuauflage der Agglomerationsvorteile auf höherem Niveau. Damit wird auf absehbare Zeit eine stärkere Polarisierung von Standorten sowohl großräumig wie kleinräumig erfolgen („The world is spiky“ – Florida 2008). Als ein – schon durchaus älteres – Indiz dafür kann die hohe groß- und kleinräumige Konzentration der Finanzdienstleistungen angesehen werden, obwohl diese Branche theoretisch (Durchdringung mit Informationsund Kommunikationstechnik, Internationalisierung, Deregulierung) alle Voraussetzungen für eine räumliche Dispersion böte. Henckel
Literatur Florida, R. (2008): Who’s Your City? How the creative economy is making where to live the most important decision of your life. New York Grabow, B.; Henckel, D.; Hollbach-Grömig, B. (1995): Weiche Standortfaktoren. Stuttgart Healey, M. J.; Ilbery, B. W. (1990): Location and Change: Perspectives on Economic Geography. Oxford Herkommer, B.; Henckel, D. (2008): Creative Class in Berlin. Berlin Maier, G.; Tödtling, F. (1995): Regional- und Stadtökonomik, Standorttheorie und Raumstruktur. Wien, New York
STRATEGISCHE STADTENTWICKLUNGSKONZEPTE Begriffliche Einordnung „Strategische Stadtentwicklungskonzepte“ sind eher heuristische neue Praktiken, um die Entwicklung von Städten/Stadtregionen zu steuern, als eindeutig definiert. Sie werden als lernendes System wahrgenommen, das offen ist für thematische, prozessuale und akteursbezogene Anforderungen, die sich in ihrem Verlauf verändern. Sie haben zugleich einen verabredeten orientierenden Rahmen bezüglich Zielvorstellungen, Pfaden und Akteuren, sind langfristig angelegt, überschreiten kommunale Grenzen und beziehen sich nicht nur auf räumliche Strukturen. Damit unterscheiden sich diese Praktiken von anderen Planungsformen etwa von einer Fokussierung auf große Pläne, von
der Entwicklungsplanung als geschlossenes System, vom Inkrementalismus als eher richtungslosem Vorgehen, von staatlichen Veranstaltungen top down oder situationsbedingten Strukturen bottom up. Ein derart verstandener Ansatz von Stadtentwicklung als eine Verbindung von Steuerung, Beweglichkeit und Orientierung ist nicht ein Theorieprodukt, sondern eine Reaktion der Praxis auf neue Herausforderungen. Ausgangspunkt der Entwicklung ist der Strukturwandel. Kommunale Gebietskörperschaften sind – als Gemeinwesen ebenso wie als Standorte – durch den Strukturwandel in ihren Entwicklungsbedingungen hochgradig betroffen und reagieren verunsichert. Er wirkt – im Kontext von Steuerung – in dreierlei Weise auf Stadtentwicklung: Neue Kommunikations-Technologien bewirken einen ▷ Globalisierungsschub, indem sie es ermöglichen, auch weithin zerstreute arbeitsteilige Wertschöpfungsprozesse systemisch zu steuern und mit neuer Raum-Zeit-Überwindung rund um den Globus in time zu agieren. Damit korrespondiert eine Zerlegung und variable neue Zuordnung von Aktivitäten, die bislang raum-zeitlich konzentriert organisiert wurden (▷Raumzeitstrukturen). Flexibilisierung und Deregulierungen forcieren eine rapide erhöhte Mobilität der Faktoren von Arbeits-/Wirtschaftsprozessen sowie eine deutlich erhöhte Wahrnehmung komparativer Standortvorteile und ihrer Nutzung. Aktionsbedingungen werden flüchtiger und entgrenzter; für Wirtschaftstätigkeiten wie auch im Alltagsleben machen sich verringerte (Orts-)Bindungen bemerkbar. Im Ergebnis können sich kommunale Gebietskörperschaften noch weniger auf angestammte Entwicklungsbedingungen verlassen, was Ressourcen wie auch Prozesse betrifft. Daraus ergeben sich neue Herausforderungen: Kommunale Gebietskörperschaften stehen unter dem Diktat eines ungewohnten und scharfen Wettbewerbs um Entwicklungspotenziale und unter dem Druck struktureller Unübersichtlichkeit von Entwicklungsverläufen. Antworten darauf liegen in einer nachhaltigen Qualifizierung jeweils eigener Potenziale, einer prägnanten Profilierung als Arena und Adresse und einer wirksamen Ertüchtigung aller Akteure und Strukturen als Elementen neuartiger Handlungsfähigkeit vor Ort. Dafür kann die neue Bedeutung von Städten und Stadtregionen im Zusammenhang mit wissensbasierter Ökonomie (Reurbanisierung) und mit Bedarfen vieler Menschen an Verankerung, Organisierbarkeit bzw. Identifizierung angesichts deregulierter und globalisiert determinierter Aktionsund Lebensbedingungen („Rückbettung“) genutzt
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werden (▷Wissensgesellschaft). Der Ansatz, diese Herausforderungen aktiv aufzunehmen, besteht für kommunale Gebietskörperschaften in der Profilierung und Ertüchtigung, d. h. darin, sich individuell und gemeinschaftlich ihrer selbst zu vergewissern (Begabungen), neue Sinnstiftung zu schaffen, zielführende Aktivitäten und Bündnisse zu generieren und für entsprechende Initiativen zu motivieren. Kommunale Gebietskörperschaften bedürfen – im Sinne einer veränderten Agenda – eines handlungsorientierten Diskurses als gemeinschaftlichem Vorhaben und öffentlicher Kampagne darüber, „wohin die Reise gehen soll“, d. h. es geht um Positionierungen bezüglich der Besonderheiten (Stärken) und der Hemmnisse ihrer Entfaltung (Schwächen). Verständigungen bezüglich der Ziele, der zu erreichenden Qualitäten und Kompetenzen (Chancen/Risiken), der vergleichenden Orientierung an anderen Städten/Stadtregionen (▷Benchmarking), der Mobilisierung und Qualifizierung von Ressourcen, und der Pfade zur Erreichung optimaler Wirkungen und Synergien. Verabredungen bezüglich staatlicher bzw. privater Verantwortung bei der Umsetzung im Sinne bürgerschaftlichen Engagements und partizipativer Politik (▷Partizipation). In diesen drei Elementen ist das Strategische der Entwicklung handlungsfähiger Städte/Stadtregionen als etwas Neuartiges angelegt: In der Verknüpfung von Selbstvergewisserung, ▷Leitbild, Wegen und Motivierung erscheint die notwendige Ertüchtigung realisierbar zu sein.
Was sind Strategische Stadtentwicklungskonzepte?
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Die Komplexität des Strukturwandels erfordert kommunale Handlungsfähigkeit für einen ineinandergreifenden ökonomischen, sozialen, kulturellen, politischen und auch räumlichen Prozess in unübersichtlichem Gelände. Notwendig ist eine interdependente Entwicklung der Stadt in ihren wesentlichen Feldern als Kontextsteuerung und jeweils auf Zeit, d. h. leitbildorientiert mit Zielerreichungskontrollen und Anpassungsoptionen. Das veranlasst seit einiger Zeit zahlreiche Großstädte, v. a. in Europa, Strategische Stadtentwicklungskonzepte zur Grundlage und zum Rahmen ihrer Politik zu machen (Brake 2000); sie fallen durch einige Gemeinsamkeiten auf: Sie lassen sich offensiv auf Leitbildvorstellun-
gen ein – nicht unbedingt mit einem einzigen und umfassenden Leitbild von oben, oft mit Eckpunkten für eine laufende Verständigung (▷Leitbilder). Thematisiert wird im Grunde die Gesamtheit aller Politikfelder bzw. Entwicklungsbereiche einer Stadt. Explizit wird die Frage der Umsetzung der einzelnen thematischen Empfehlungen behandelt, aus denen diese Konzepte im Kern bestehen; über Leitideen hinaus werden gezielt Handlungsvorschläge erarbeitet, die mit konkreten Hinweisen darauf versehen werden, wie die Umsetzung dieser Vorschläge in Gang gesetzt werden könnte (strategische Projekte, Aktionspläne etc.). Bedeutsam sind die Akteure der Zielfindung und Umsetzung eines solchen Entwicklungsvorhabens. Eine intensive Kooperation öffentlicher wie auch privater Akteure ist elementar (▷Akteure der Planung). Dennoch liegt die Trägerschaft meist im öffentlichen oder intermediären Bereich. Die Konzepte beziehen sich – in unterschiedlichem Ausmaß – übergreifend auf die jeweilige Stadtregion und nehmen Themen oder Kampagnen (z. B. Agenda 21-Vorhaben) auf, ohne sie oder die räumliche Planung und andere Fachpolitiken zu ersetzen. Bemerkenswert ist die Art von Komplexität, die realisiert wird, um die Wirkungszusammenhänge einzelner Ansätze, Felder und Bereiche politischen Gestaltens und Handelns im Sinne von Synergien handhabbar zu machen. Alle Konzepte signalisieren für ihre Stadt(region) die Situation eines Aufbruchs und beziehen sich auf eine für sie neue Epoche; sie führen die Notwendigkeit einer Positionierung an, wenn auch aus konkret jeweils unterschiedlicher Lage heraus. Zentrales Element ist die Motivierung des Gemeinwesens für ihre Zukunftsgestaltung.
Derartige Konzepte sind – zusammengefasst – eingespannt zwischen einer expliziten Zielorientierung und dem unbedingten Interesse an Implementierung. Als Erhöhung der Steuerungskompetenz städtischer oder stadtregionaler Entwicklung ist „ein strategisches Stadtentwicklungskonzept zunächst ein Prozess, indem er eine Initiativ- und Belebungsfunktion hat, indem er einen gemeinsamen Dialog und eine gemeinsame Sprache aller Akteure herausbildet und indem er als Ergebnis eine bessere Integration der Stadt(region) ermöglicht. Des Weiteren muss es die Umsetzung von
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konkreten Projekten und Initiativen ermöglichen, um die gemeinsamen Ziele zu erreichen – und ist insofern kein Traumbuch. Schließlich ist ein strategisches Stadtentwicklungskonzept kein Stadtentwicklungsplan, sondern ein Mittel, um Ambitionen für die Stadt zu kreieren als Katalysatoren von gemeinschaftlichen Entwicklungsenergien; ein Mittel, um die ▷Identität der Stadt deutlich zu machen; und ein Mittel für das querschnittsorientierte Integrieren der öffentlichen Aktivitäten.“ (Chodkiewizc in: Brake 2000) Praxis Jenseits aller verständlichen Erwartungen an Strategische Entwicklungskonzepte werden sie im Einzelnen – auch in der Gewichtung der Elemente – höchst unterschiedlich praktiziert; idealiter sind sie folgendermaßen strukturiert: Schritte Zunächst werden die Qualitäten geklärt, über die eine Stadt oder Region in x Jahren verfügen will und die sich in Marken verdichten lassen (wie etwa Wissensstadt/Integrationsstadt etc.); sodann der Weg zu diesen Qualitäten, die Etappen und die Zeitmargen. Dies sind die Gegenstände konkreter Verabredungen darüber, welche Maßnahmen oder Projekte unter wessen Verantwortung und mit welchem Aufwand jeweils und in welcher Priorität auf die Agenda kommen. Prinzipiell muss das nicht auf zuständige, üblicherweise staatliche Akteure hinauslaufen; alle intermediären und bürgerschaftlichen Initiativen kommen dafür in Frage. Deren erfolgsversprechende Leistungsqualitäten können über Zielvereinbarungen verhandelbar werden. Rahmen Wesentlich ist eine begleitende Evaluierung, und zwar nicht nur konkreter einzelner Zielvereinbarungen, sondern auch des ganzen Zusammenspiels von Stadtqualitäten, Korridoren, Maßnahmen und Zeitschritten im Sinne eines lernenden Systems der Anpassungsfähigkeit entwickelter Strategien angesichts modifizierter Ausprägungen von Rahmenbedingungen (▷Evaluation). Bedeutsam ist die Trägerschaft solcher Verständigungsund Umsetzungsprozesse. Der Diskurs, wohin die Reise gehen soll, bedarf eines Forums zwischen ▷Zivilgesellschaft und Politik als eine moderierte Arena der Stadtnutzenden: dort wohnenden, wirtschaftenden, investierenden, verwaltenden, sie besuchenden Akteure.
Beispiele Strategische Stadtentwicklungskonzepte als Grundlage und Rahmen einer lokalen/regionalen Politik kommen unterschiedlich zur Anwendung. Als Vorreiter für ein schrittweises endogenes Vorgehen auf hohem konzeptionellem, motivierendem, identitätsstiftendem und erfolgreichem Niveau gilt Barcelona (nach der Modernisierung anlässlich der Olympiade). Die Stadt dient zugleich als Vorbild für viele andere Städte ähnlicher Größe in Europa, die sich dafür auch vernetzt haben (Brake 2000). Mit vorweg erstellten – und von der EU unterstützten – Studien haben sich insbesondere London, Wien und Berlin mit diesem Ansatz vertraut gemacht. Die Implementierung ist für London – auch wegen der Stadtgröße – nicht so flächendeckend nachvollziehbar, in Berlin – auch wegen Beratungsresistenz – höchstens unterschwellig relevant und in Wien – infolge einer gut angelegten öffentlich-privaten Vorbereitung – wirksamer. Vergleichsweise unvermittelter hat z. B. Hamburg seine Entwicklungsvorstellung mit der Losung „wachsende Stadt“ platziert und kommuniziert, die ökonomische, partizipative wie auch räumliche Assoziationen gleichermaßen auslösen kann und schrittweise mit Handlungsfeldern unterfüttert wird. Eindeutig regionale Profilierungsprozesse sind Gegenstand von Kampagnen, die – was Themen, Gebietskörperschaften und Akteure anbelangt – ebenso komplex, integrativ und motivierend sind, wie z. B. für die dänischschwedische Oeresund-Region oder für deutsche ▷Metropolregionen. Mehr im Sinne eines integrierten Ansatzes stellen sich viele Städte einigen der Kriterien Strategischer Entwicklungskonzepte, indem diese inzwischen zunehmend zum Anforderungskatalog nationaler bzw. EUProgramme gehören (Leipzig Charta, Stadtumbau etc.) (Kühn 2008). Im Sinne eigener Profilierungsstrategien kommen einige Kriterien Strategischer Stadtentwicklungskonzepte auch in diversen neuen ▷Wettbewerben und Kampagnen zum Tragen, in denen sich Städte/Stadtregionen z. B. darum bemühen, als „Stadt der Wissenschaft“, „Stadt 2030“ oder „Kulturhauptstadt“ ausgezeichnet oder – als „Regionalen“ (NRW) oder „▷Internationale Bauausstellungen“ (IBA) – gefördert zu werden. Unabhängig vom formalen Erfolg kann allein schon die gemeinsame Erfahrung der Positionierung zu einer – zumal mentalen – strategischen Entwicklungsressource vor Ort werden.
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Die unbedingte Einheit von Orientierung und Umsetzung als Handlungsfähigkeit macht das Strategische dieser neuen Konzepte aus. In ihrer perspektivischen Ausrichtung, synergetischen Optimierung und strukturellen Ertüchtigung liegt das Neue Strategischer Stadtentwicklungskonzepte. Nicht von ungefähr lassen sie sich v. a. offensiv auf Leitbildvorstellungen ein. Im historischen Vergleich heißt das zum einen, dass das frühere Kaprizieren auf ▷Leitbilder (wie etwa in Stadtentwicklungsplänen mit ihrer – wenn auch umfassend gemeinten – räumlichen oder gar nur stadtplanerischen Dimension) nun darum ergänzt wird, wie die darin skizzierte zukünftige Realität denn auch herbeigeführt werden kann; zum anderen, dass der zwischenzeitlich favorisierte und losgelöste Inkrementalismus durch die Einbettung von Handlungsansätzen in orientierende Ziele und deren synergetische Verflechtungszusammenhänge überwunden wird. Die Funktion solcher Leitbildvorstellungen ist zweierlei: Es geht um Sinnstiftung sowohl nach innen als Identifikationsangebot und Motivierung, um Begeisterung zu erzeugen, Ambitionen zu kreieren, Energien freizusetzen und Teilnahme zu befördern, als auch nach außen als Images. Zugleich sollen sie Orientierung für konkretes Handeln leisten. Mit dieser Bodenhaftung kann auch ruhig von Visionen gesprochen werden. Insofern sind diese neuartigen Strategiekonzepte auch als ein aktiver Reflex auf die vom aktuellen Strukturwandel ausgelöste „neue Unübersichtlichkeit“ zu interpretieren – um für einen angemessenen Umgang damit zu qualifizieren. Orientierung ist hier nur eine Dimension von strategischer Kompetenz. Mit diesem Ertüchtigungsansatz gehen Strategische Stadtentwicklungskonzepte auch über Strategische Planung als Methode hinaus; sie unterscheiden sich zudem von integrierter ▷Stadtentwicklungsplanung als bloßer Querschnittsaufgabe; während Stadtentwicklungsmanagement eher zu den Instrumenten innerhalb dieser Konzepte zu zählen ist. Mit der erklärten Stärkung zivilgesellschaftlicher Potenziale und partizipativer Politikformen als Kooperation öffentlicher und privater Akteure realisieren Strategische Stadtentwicklungskonzepte Ansprüche neuer Governance-Modelle (▷Government und Governance). Die Frage der Trägerschaft entsprechender Prozesse ist zentral. Ein staatliches oder ein Top-down-Modell gelten als eher kontraproduktiv, eine rein private Trägerschaft als tendenziell fremd bestimmbar, eine in-
termediäre Zweckorganisation dagegen – auch als Moderation – als vielversprechend. Eine gemeinsame öffentliche/private Einbindung ist erst recht für analytische/konzeptionelle Studien/Expertisen im Prozess Strategischer Stadtentwicklungskonzepte wichtig (▷Public Private Partnership). Sind die wesentlichen Umsetzer – ob staatlich oder privat – dabei nicht gleichermaßen im Boot, werden Einsicht in und Begeisterung für die anschließende Implementierung bereits mental erschwert. Die Wirksamkeit einer derart strategischen Entwicklungspolitik sollte nicht auf die rechtliche Verbindlichkeit von Maßnahmen oder Grundsätzen und deren Durchsetzung in den zuständigen Organen verlagert werden. Viel erfolgreicher für die tatsächliche Handlungsfähigkeit einer Stadt/ Region ist die gemeinschaftliche Sinnstiftung der Qualitätsziele; sie umzusetzen, gegebenenfalls einzufordern, dafür gibt es dann genügend – nämlich interessierte, weil involvierte – Akteure. Strategische Entwicklungspolitik kann erfolgreich wirksam werden, wenn motivierte städtische Akteure – im besten Sinne als interessengeleitet für die Stadt oder Region anzusehen – zwischen den Qualitätszielen der Stadt oder Region und ihrer eigenen Situation eine aktive und verantwortliche Verbindung herstellen können. Brake
Literatur Brake, K. (2000): Strategische Entwicklungskonzepte für Großstädte – mehr als eine Renaissance der „Stadtentwicklungspläne“? In: Archiv für Kommunalwissenschaften, 2, 269-288 Hamendinger, A. u. a. (Hrsg.) (2008): Strategieorientierte Planung im kooperativen Staat. Wiesbaden Knieling, J. (2006): Leitbilder und strategische Raumentwicklung. In: Raumforschung und Raumordnung, 6, 473-485 Kühn, M. (2008): Strategische Stadt- und Regionalplanung. In: Raumforschung und Raumordnung, 3, 230-243 Salet, W.; Faludi, A. (Hrsg.) (2000): The Revival of Strategic Spatial Planning. Amsterdam
SUBSIDIARITÄT Grundgehalt und Anliegen des Subsidiaritätsprinzips Subsidiarität ist ein grundlegendes Strukturprinzip für die Erledigung von Aufgaben in gesellschaftlichen und politischen Bereichen. Was der Bürger allein, in der Familie und im freiwilligen Zusammenwirken mit anderen ebenso gut leisten kann, soll ihm vorbehalten bleiben. Dieses Vorrangverhältnis gilt auch im Verhältnis
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kleinerer und größerer Gemeinschaften in der Gesellschaft sowie zwischen freien Verbänden und Selbsthilfeinitiativen einerseits und staatlichen oder kommunalen Einrichtungen andererseits. Auch die Tarifautonomie kann als Ausprägung der Subsidiarität verstanden werden. Subsidiarität kann schließlich auch die Beziehungen zwischen den verschiedenen öffentlichen Ebenen strukturieren, indem es die Verhältnisse etwa zwischen kommunaler Selbstverwaltung und den staatlichen Ebenen oder zwischen Bund und Ländern (Föderalismus) oder auch zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten nach einem bestimmten Grundverständnis ordnet. Danach soll grundsätzlich zunächst einmal die jeweils kleinere Einheit die anstehenden Aufgaben eigenständig lösen. Andererseits muss die jeweils größere Einheit unterstützend tätig werden, wenn die Leistungskraft der jeweils kleineren Einheit überfordert ist. Das Subsidiaritätsprinzip hat also zwei Dimensionen, zum einen den Handlungsvorrang der leistungsfähigen kleineren Einheit und zum anderen die Unterstützungspflicht der größeren Einheit bei einer Überforderung der kleineren Einheit. Dieses Subsidiaritätsverständnis kann für die Bestimmung der Verhältnisse zwischen dem Einzelnen und der Gesellschaft, zwischen unterschiedlichen Einheiten in der Gesellschaft, zwischen gesellschaftlichen Organisationen und den staatlichen Ebenen und schließlich auch für die Arbeitsteilung zwischen den verschiedenen staatlichen Ebenen nutzbar gemacht werden. Herkunft des Subsidiaritätsprinzips Ideengeschichtlich ist das Subsidiaritätsdenken seit dem 19. Jahrhundert v. a. im Liberalismus und in der katholischen Soziallehre festzumachen. Das liberale Subsidiaritätsprinzip geht davon aus, dass zunächst einmal das einzelne Individuum selbst die eigene Existenz sichert und gestaltet. Nur soweit dies nicht möglich ist, ist die Verantwortlichkeit des Staates gefordert. Auch bei der Lösung sozialer Probleme soll die Tätigkeit privater Organisationen Vorrang vor staatlichen Aktivitäten haben. Im Bereich der katholischen Soziallehre geht es im 19. Jahrhundert zunächst um die Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeiter durch Selbsthilfe und Selbstorganisation sowie um die Notwendigkeit staatlichen Schutzes als Voraussetzung dieser Selbsthilfe. 1891 wurde der Subsidiaritätsgedanke im päpstlichen Rundschreiben „Rerum novarum“
zu sozialen Fragen präzisiert. Darin sprach sich Papst Leo der XIII. für die Vereinigungsfreiheit der Arbeiter und ihr Recht zur Selbsthilfe aus, betonte die Wichtigkeit staatlichen Arbeitsschutzes und wies aber auch auf die Schranken staatlicher Sozialgestaltung hin. In der Folgezeit wirkte sich der Subsidiaritätsgedanke v. a. im gesamten sozialen Bereich aus; staatliche Sozialpolitik sollte nur subsidiär tätig werden, Vorrang sollten nicht staatliche Organisationen, sondern insbesondere die freien Wohlfahrtsverbände haben. Die klassische Formulierung dieses Subsidiaritätsverständnisses findet sich in der Sozialenzyklika „Quadragesimo anno“ von Papst Pius XI aus dem Jahre 1931: „Wie dasjenige, was der einzelne Mensch aus eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann, ihm nicht entzogen und der Gesellschaftstätigkeit zugewiesen werden darf, so verstößt es gegen die Gerechtigkeit, das, was die kleineren und untergeordneten Gemeinwesen leisten und zum guten Ende führen können, für die weitere und übergeordnete Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen; zugleich ist es überaus nachteilig und verwirrt die ganze Gesellschaftsordnung. Jedwede Gesellschaftstätigkeit ist ja ihrem Wesen und Begriff nach subsidiär; sie soll die Glieder des Sozialkörpers unterstützen, darf sie aber niemals zerschlagen oder aufsaugen.“ Subsidiarität im sozialen Bereich Praktische Konsequenzen hatte dieses Subsidiaritätsverständnis v. a. für das Verhältnis zwischen Staat und Kommunen einerseits und den freien Wohlfahrtsverbänden andererseits, indem den freien Trägern eine gewisse Vorrangstellung bei der Wahrnehmung sozialer Aufgaben eingeräumt wurde. Später wurden auch örtliche Selbsthilfegruppen und -initiativen in dieses Subsidiaritätsverständnis einbezogen. Die neuen Vereine, Initiativen und Projekte aus der „Selbsthilfebewegung“ werden heute z. B. im Jugend- und Sozialbereich als weitere Trägersäule neben den etablierten öffentlichen und verbandlichen Trägern betrachtet, wie insbesondere das 1990 verabschiedete Kinder- und Jugendhilfegesetz zeigt, das auf eine pluralistische Trägerlandschaft abzielt. Soweit geeignete Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen von anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe betrieben werden oder rechtzeitig geschaffen werden können, soll die öffentliche Jugendhilfe von eigenen Maßnahmen absehen (§ 4 KJHG). Die öffentliche Jugendhilfe soll die freie Jugendhilfe fördern und dabei
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die verschiedenen Formen der Selbsthilfe stärken. „Bei sonst gleich geeigneten Maßnahmen soll solchen der Vorzug gegeben werden, die stärker an den Interessen der Betroffenen orientiert sind und ihre Einflussnahme auf die Ausgestaltung der Maßnahme gewährleisten“ (§ 74 Abs. 4 KJHG). Das Subsidiaritätsprinzip wird auch in der ersten Enzyklika von Papst Benedikt dem XVI. „Deus caritas est“ im Jahre 2005 erwähnt. Staatliches Handeln soll gesellschaftliche Eigeninitiativen anerkennen, unterstützen und insbesondere bedürftigen Menschen Spontaneität, Nähe und persönliche Zuwendung vermitteln. Wörtlich heißt es: „Nicht den alles regelnden und beherrschenden Staat brauchen wir, sondern den Staat, der entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip großzügig die Initiativen anerkennt und unterstützt, die aus den verschiedenen gesellschaftlichen Kräften aufsteigen und Spontaneität mit Nähe zu den hilfsbedürftigen Menschen verbinden.“ Subsidiarität und Grundwerte
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Das Subsidiaritätsprinzip spielt zudem generell eine wichtige Rolle bei der Auseinandersetzung um die normativen Vorgaben der Politik, insbesondere bei der Bestimmung des Verhältnisses der drei Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität zueinander. So wird personale Solidarität, also die persönliche Zuwendung, durch das Subsidiaritätsprinzip abgesichert; es soll nicht alles der kollektiven Solidarität, also den sozialen Sicherungssystemen und der staatlichen Sozialpolitik überantwortet werden. Subsidiarität ermöglicht und fördert zudem auch Gemeinsinn und bürgerschaftliches Engagement, ohne die die vielfach angestrebte „Bürgergesellschaft“ nicht entstehen und existieren kann. In diesem Zusammenhang ist zwischen der Aufgabenverantwortung und der Aufgabendurchführung zu unterscheiden. Die Verantwortung für die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben bleibt bei der jeweiligen öffentlichen Hand. Dies bedeutet aber nicht, dass diese auch in jedem Falle die Aufgabe selbst durchführen muss. Die Aufgabendurchführung kann vielmehr auch privaten und gesellschaftlichen Institutionen und Initiativen übertragen werden, die sich dann allerdings an bestimmte Regeln halten müssen, die eine zielgerechte Aufgabenerfüllung sicherstellen. Subsidiarität ermöglicht somit verantwortete Freiheit durch Engagement in privaten und gesellschaftlichen Gruppen sowie eine gewisse Wahlfreiheit für diejenigen, die auf Unterstützung angewiesen sind. Über das Subsidiaritätsprinzip
wird v. a. auch eine gewisse Machtverteilung erreicht, die wiederum für die Sicherung der Freiheit unabdingbar ist. Subsidiarität im staatlichen Bereich Eine besondere Bedeutung kommt dem Subsidiaritätsprinzip heute auch für die Strukturierung der Aufgabenverantwortung und der Aufgabenwahrnehmung zwischen den verschiedenen staatlichen Ebenen zu. Hier ist zunächst die durch Art. 28 GG geschützte kommunale Selbstverwaltung zu nennen. Für die Stadt- und Raumentwicklung ist hier insbesondere die kommunale Planungshoheit von Bedeutung. Hierdurch wird eine gewisse Freiheit der untersten öffentlichen Ebene bei der Planung und Gestaltung ihrer eigenen Angelegenheiten abgesichert. Das Einbinden in eine überörtliche Gesamtordnung wird durch einen entsprechenden Rechtsrahmen (u. a. durch Ziele und Grundsätze der Raumordnung; ▷Raumordnung und Landesplanung) sichergestellt. Dem Subsidiaritätsgedanken entspricht auch die Übertragung hoheitlicher Befugnisse auf andere Selbstverwaltungskörperschaften, wie z. B. auf die verschiedenen Kammern. Eine weitere Ausprägung des Subsidiaritätsprinzips kann auch im Föderalismus, also im Verhältnis zwischen Bund und Ländern gesehen werden. Von zunehmender Bedeutung ist die Verwirklichung des Subsidiaritätsgedankens v. a. auf der Ebene der Europäischen Union im Verhältnis der Mitgliedstaaten zu dieser Union. Das Grundgesetz erlaubt der Bundesrepublik Deutschland in Art. 23 GG zur Verwirklichung eines vereinten Europas bei der Entwicklung der Europäischen Union nur dann mitzuwirken, wenn diese demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist. Dieser für die Aufteilung zwischen der EU und den Nationalstaaten maßgebliche Subsidiaritätsgrundsatz soll sicherstellen, dass die EU nur Aufgaben übernimmt, die die Mitgliedstaaten auf ihren verschiedenen Entscheidungsebenen allein nicht mehr zufriedenstellend wahrnehmen können. Es ist also jeweils zu prüfen, ob ein Vorgehen auf gemeinschaftlicher EU-Ebene angesichts der nationalen, regionalen und lokalen Handlungsmöglichkeiten wirklich notwendig und damit gerechtfertigt ist. Außerdem muss das Gemeinschaftshandeln gemessen an den verfolgten Zielen auch verhältnismäßig sein. Probleme, die vor Ort, in den Regionen oder in den
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Mitgliedstaaten gelöst werden können, sollen dort von den jeweiligen Verantwortlichen ohne Einmischung der EU gelöst werden. Der Subsidiaritätsgrundsatz stellt dadurch sicher, dass die nationale ▷Identität sowie die Kompetenzen der Länder/Regionen und letztendlich auch der Kommunen gewahrt werden und dass die EU sich nicht zu einem zentralistischen Gebilde entwickeln kann. Die Organe der EU müssen jeweils die Notwendigkeit ihres Handelns rechtfertigen. Nur die Angelegenheiten, die für alle gleich geregelt sein müssen, um die Ziele der europäischen Verträge zu erfüllen, dürfen und müssen weitgehend zentral geregelt werden, weil es sonst z. B. zu Wettbewerbsverzerrungen oder zu ungerechtfertigten Vor- und Nachteilen für einzelne Mitgliedsstaaten oder Regionen kommen würde. In dem Maastrichter Vertrag zur EU von 1993 wurde der Subsidiaritätsgrundsatz sowohl in der Präambel als auch in Art. 2 des EU-Vertrages festgeschrieben. In diesem Art. 2 werden zunächst die Ziele aufgezählt, die sich die Union gesetzt hat. Sodann wird ausgeführt, dass diese Ziele „unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips“ verwirklicht werden. Über Art. 5 des EU-Vertrages werden die Organe der EU, also das Europäische Parlament, der Rat, die Kommission, der Gerichtshof und der Rechnungshof u. a. auch auf dieses Prinzip verpflichtet. Die Details regelt das „Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit“.
Für die Stadt- und Raumentwicklung bedeutet dies, dass den verschiedenen kleineren Einheiten des öffentlichen Sektors, also den Kommunen, den Ländern und den Mitgliedsstaaten zunächst jeweils ein Planungs- und Handlungsvorrang eingeräumt ist. Planungen und Maßnahmen der jeweils größeren Einheit müssen stets notwendig und verhältnismäßig sein. Neben diesem Planungs- und Handlungsvorrang der jeweiligen kleineren Einheiten gilt aber auch die Pflicht der größeren Einheiten, die jeweils kleineren Einheiten zu unterstützen, soweit diese nicht in der Lage sind, die sich aus den gemeinsamen Zielen ergebenden Aufgaben zu erfüllen. Janning
Literatur Backhaus-Maul, H.; Olk, T. (1995): Von Subsidiarität zu „outcontracting“, Zum Wandel der Beziehungen zwischen Staat und Wohlfahrtserbänden in der Sozialpolitik. Berlin Blickle, P.; Hüglin, T.; Wyduckel, D. (Hrsg.) (2002): Subsidiarität als rechtliches und politisches Ordnungsprinzip in Kirche, Staat und Gesellschaft. Berlin Calliess, C. (1999): Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der Europäischen Union. Baden-Baden Isensee, J. (2001): Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, Eine Studie über das Regulativ des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft. Berlin Lübbe, H. (2005): Subsidiarität: Zur europarechtlichen Positivierung eines Begriffs. In: Zeitschrift für Politik, 2, 157ff von Nell-Breuning, O. (1968): Baugesetze der Gesellschaft, Solidarität und Subsidiarität. Freiburg von Nell-Breuning, O. (1990): Das Subsidiaritätsprinzip. In: Münder, J.; Kreft, D. (Hrsg.): Subsidiarität heute. Münster, 173-184 Nörr, K.; Oppermann, K. (Hrsg.) (1997): Subsidiarität: Idee und Wirklichkeit, Zur Reichweite eines Prinzips in Deutschland und Europa. Tübingen
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Das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) wurde erstmals 1990 in Umsetzung der UVP-Richtlinie 85/337/EWG vom 27.06.1985 erlassen. Die UVP-Richtlinie regelt ein Verfahren zur frühzeitigen Abschätzung und Berücksichtigung erheblicher Umweltauswirkungen von Projekten. Ziele dieser Richtlinie sind die Harmonisierung von Rechtsvorschriften in den EU-Mitgliedsstaaten zur Sicherstellung von gleichen Wettbewerbsbedingungen bei der Zulassung potenziell Umwelt belastender Projekte, die Einführung eines Verfahrens zur Ermittlung und Bewertung von unmittelbaren und mittelbaren Umweltauswirkungen eines Vorhabens einschließlich ihrer Wechselwirkungen auf Menschen, Tiere, Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima, Landschaft, Kultur- und Sachgüter sowie die Verbesserung der Umwelt bezogenen Kenntnisse der Beteiligten und Betroffenen des Zulassungsverfahrens. Diese UVP-Richtlinie wurde zunächst durch die UVPÄnderungs-Richtlinie 97/11/EG vom 03.03.1997 und dann durch die Richtlinie 2003/35/EG vom 26.05.2003 geändert. Die Änderungen dienen der Vereinheitlichung der Vorschriften über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), die von den EU-Mitgliedsstaaten in unterschiedlicher Art und Weise in nationales Recht umgesetzt worden waren, und der Verschärfung der Kriterien über die Notwendigkeit der UVP. Die UVP-ÄnderungsRichtlinie wurde im Jahr 2001 durch das Gesetz zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz vom 27.07.2001 in nationales Recht umgesetzt. Mit dieser Rechtsänderung wird für eine Reihe weiterer Vorhaben die Pflicht zur Durchführung einer UVP begründet. Hierzu gehört auch die Pflicht, für bestimmte Bebauungspläne eine UVP durchzuführen (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 UVPG 2001 i. V. m. der Anlage 1 Nr. 18 zum UVPG). Die Richtlinie 2001/42/EG über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme vom 27.06.2001 – sog. Plan-UP-Richtlinie – trat am 21.07.2001 in Kraft und war bis zum 21.07.2004 in nationales Recht umzusetzen. Für den Bereich des Städtebaurechts erfolgte die Umsetzung im Jahre 2004 durch das Gesetz zur Anpassung des Baugesetzbuchs an EU-Richtlinien (Europarechtsanpassungsgesetz Bau – EAG Bau) vom 24.06.2004 in das BauGB, das ROG und das UVPG.
Dagegen wurde die Plan-UP-Richtlinie für den Bereich der ▷Fachplanung in das Fachplanungsrecht und das UVPG mit Ausnahme der Bauleitplanung erst im Jahre 2005 durch das Gesetz zur Einführung einer strategischen Umweltprüfung (SUP) und zur Umsetzung der Richtlinie 2001/42/EG vom 25.06.2005 – sog. SUP-Gesetz – umgesetzt. Mit dem Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung (▷Innenentwicklung/Außenentwicklung) der Städte vom 21.12.2006, das am 01.01.2007 in Kraft trat, wurde das beschleunigte Verfahren für Bebauungspläne der Innenentwicklung (§ 13a BauGB) eingeführt, das eine Ausnahme von der grundsätzlichen Pflicht zur Durchführung einer Umweltprüfung bei der Bauleitplanung beinhaltet. Umweltprüfung in der Bauleitplanung Bei der Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von Bauleitplänen ist als integraler Bestandteil des Verfahrens eine Umwltprüfung durchzuführen. Von der Pflicht zur Durchführung der Umweltprüfung ausgenommen sind lediglich das vereinfachte Verfahren nach § 13 BauGB und damit auch die Zulässigkeit während der Planaufstellung nach § 33 Abs. 3 BauGB, die Innenbereichssatzungen nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und 3 BauGB und die Außenbereichssatzung nach § 35 Abs. 6 BauGB (▷Außenbereich/Innenbereich) sowie das beschleunigte Verfahren nach § 13a BauGB (▷Bauleitplanung). Für die Durchführung der Umweltprüfung bei der Bauleitplanung gelten die Vorschriften des BauGB abschließend. Dies ergibt sich aus § 17 Abs. 2 UVPG, wonach eine UP einschließlich der Überwachung nach den Vorschriften des BauGB durchgeführt wird, wenn für die Aufstellung, Änderung oder Ergänzung eines Bauleitplans nach dem UVPG eine Verpflichtung zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung besteht. Etwas anderes gilt nur dann, wenn in den Vorschriften des BauGB (z. B. § 4a Abs. 5 Satz 2 BauGB) ausdrücklich auf das UVPG verwiesen wird (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr: § 2 Rn. 7). Gegenstand der Umweltprüfung sind die durch die Bauleitplanung betroffenen Belange des Umweltschutzes nach § 1 Abs. 6 Nr. 7 und § 1a BauGB. In der Umweltprüfung sind die voraussichtlichen erheblichen Umweltauswirkungen zu ermitteln und in einem Umweltbericht zu beschreiben und zu bewerten (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 1 BauGB). Die Umweltprüfung ist als eine rein verfahrensrechtliche Vorgabe ausgestaltet. Gleichwohl sind bei der Prüfung der einzelnen Umweltbe-
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lange die Vorgaben des maßgeblichen Fachrechts zu berücksichtigen. Die Umweltprüfung dient als Trägerverfahren für weitere umweltbezogene Prüfungsverfahren wie die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, die Verträglichkeitsprüfung nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) und die Projekt-UVP. Sie hat sich auf das zu beziehen, was nach gegenwärtigem Wissensstand und allgemein anerkannten Prüfmethoden sowie nach Inhalt und Detaillierungsgrad des Bauleitplans angemessenerweise verlangt werden kann (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 3 BauGB). Mit der Bezugnahme auf die Angemessenheit sollen überzogene Anforderungen an die Durchführung der Umweltprüfung vermieden werden. Der Aufwand der Ermittlung der Umweltauswirkungen kann auch dadurch begrenzt werden, dass die Bestandsaufnahmen und Bewertungen vorliegender – aktueller und hinreichend konkreter – Landschaftspläne oder sonstige Pläne nach § 1 Abs. 6 Nr. 7 g BauGB in der Umweltprüfung herangezogen werden (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 6 BauGB). Des Weiteren können mit der in § 2 Abs. 4 Satz 5 BauGB getroffenen Abschichtungsregelung verzichtbare Doppelprüfungen der Umweltauswirkungen vermieden werden. Wenn eine Umweltprüfung für das Plangebiet oder für Teile davon in einem Raumordnungs-, Flächennutzungs- oder Bebauungsplanverfahren durchgeführt wird, kann die Umweltprüfung in einem zeitlich nachfolgend oder gleichzeitig durchgeführten Bauleitplanverfahren auf zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen beschränkt werden. Ablauf der Umweltprüfung in der Bauleitplanung Die Umweltprüfung in der Bauleitplanung läuft praktisch folgendermaßen ab: Die Öffentlichkeit sowie die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange (TöB) werden im Rahmen der frühzeitigen Beteiligung nach § 3 Abs. 1 BauGB und § 4 Abs. 1 BauGB durch die Gemeinde über die allgemeinen Ziele und Zwecke des Bauleitplans unterrichtet. Zusätzlich werden die berührten Behörden und sonstigen TöB zur Äußerung im Hinblick auf den erforderlichen Umfang und Detaillierungsgrad der Umweltprüfung aufgefordert (▷Partizipation). Auf der Grundlage dieser Äußerungen legt die Gemeinde nach § 2 Abs. 4 Satz 2 BauGB für diesen Bauleitplan fest, in welchem Umfang und Detaillierungsgrad die Ermittlung der Belange für die ▷Abwägung erforderlich ist. Dieser Vorgang wird als „Scoping“ bezeichnet. Die Äußerungen der berührten Behörden und TöB bilden die fachliche Grundlage für den Entwurf des Um-
weltberichts. Der Aufbau und Inhalt des Umweltberichts werden durch die Anlage 1 (zu § 2 Abs. 4; §§ 2a und 4c BauGB) bestimmt (siehe unten). Die Entwürfe der Bauleitpläne sind mit dem Entwurf des Umweltberichts als gesonderter Teil des Entwurfs der Begründung und den nach Einschätzung der Gemeinde wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen Gegenstand der Beteiligung der Öffentlichkeit nach § 3 Abs. 2 BauGB, der Beteiligung der Behörden und sonstigen TöB nach § 4 Abs. 2 BauGB und – soweit erforderlich – der grenzüberschreitenden Beteiligung nach § 4a Abs. 5 BauGB. Im Falle der öffentlichen Auslegung sind bei der ortsüblichen Bekanntmachung von Ort und Dauer der Auslegung auch Angaben zu machen, welche Arten von umweltbezogenen Informationen verfügbar sind (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB). Soweit sich aus diesen Beteiligungsschritten die Notwendigkeit zur Änderung oder Ergänzung des Umweltberichts ergibt, ist der Umweltbericht entsprechend fortzuschreiben. Die alleinige Änderung oder Ergänzung des Umweltberichts erzeugt kein zusätzliches Verfahrenserfordernis. Wird allerdings auch der Entwurf des Bauleitplans nach der Durchführung der Beteiligungen nach § 3 Abs. 2 BauGB und § 4 Abs. 2 BauGB geändert oder ergänzt, ist nach § 4a Abs. 3 BauGB eine erneute Auslegung des Bauleitplans mit Begründung und Umweltbericht erforderlich. Nach Abschluss der Beteiligungsschritte ist das im Umweltbericht dokumentierte Ergebnis der Umweltprüfung in der Abwägung zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 4 Satz 4 BauGB). Die abschließende Abwägungsentscheidung wird demzufolge durch den Rat der Gemeinde getroffen. Nach der Beschlussfassung ist für den Flächennutzungsplan nach § 6 Abs. 5 Satz 3 BauGB bzw. den Bebauungsplan nach § 10 Abs. 4 BauGB eine zusammenfassende Erklärung zu erstellen, die folgende Angaben zu enthalten hat: Art und Weise, wie die Umweltbelange und die Ergebnisse der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung in dem Bauleitplan berücksichtigt wurden, und aus welchen Gründen der Plan nach Abwägung mit den geprüften, in Betracht kommenden anderweitigen Planungsmöglichkeiten gewählt wurde. Nach § 6 Abs. 5 Satz 4 BauGB und § 10 Abs. 3 Satz 2 BauGB sind der Flächennutzungsplan und der Bebauungsplan mit der Begründung und der zusammenfassenden Erklärung zu jedermanns Einsicht bereitzuhalten. Soweit im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung fristgemäß Stellungnahmen abgegeben wurden, ist den Betroffenen das Ergebnis der Prüfung mitzuteilen (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 4 BauGB). Soweit mehr als fünfzig Personen im Wesentlichen gleichlautende Stellungnahme
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abgegeben haben, kann an Stelle der individuellen Mitteilung eine Einsichtnahme in das Ergebnis der Prüfung gewährt werden (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 5 BauGB). Durch § 4c Satz 1 BauGB werden die Gemeinden verpflichtet, erhebliche Umweltauswirkungen, die aufgrund der Durchführung der Bauleitpläne eintreten, zu überwachen. Diese Aufgabe wird auch als Monitoring bezeichnet. Die Gemeinden sollen hierdurch in die Lage versetzt werden, insbesondere unvorhergesehene nachteilige Auswirkungen zu ermitteln und geeignete Maßnahmen zur Abhilfe zu ergreifen. Bei der Durchführung der Überwachungsmaßnahmen sollen sie auf die im Umweltbericht nach Nummer 3 Buchstabe b der Anlage 1 zum BauGB angegebenen Überwachungsmaßnahmen und die Informationen der Behörden nach § 4 Abs. 3 BauGB zurückgreifen (vgl. § 4c Satz 2 BauGB). Aufbau und Inhalt des Umweltberichts
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Der Umweltbericht ist das zentrale Dokument der Umweltprüfung. Er bildet einen gesonderten Teil der Begründung des Bauleitplans (vgl. § 2a Satz 3 BauGB). Die Vorgehensweise der Gemeinde bei der Erstellung des Umweltberichts wird durch die Anlage 1 (zu § 2 Abs. 4, §§ 2a und 4c) BauGB vorgegeben. Die Anlage 1 liefert ein Muster für die Gliederung und den Inhalt des Umweltberichts. Der Umweltbericht nach § 2 Abs. 4 und § 2a Satz 2 Nr. 2 hat demnach aus drei Teilen zu bestehen: der Einleitung, dem Hauptteil und den sonstigen Angaben. In der Einleitung sind folgende Angaben zu treffen: a) Kurzdarstellung des Inhalts und der wichtigsten Ziele des Bauleitplans, einschließlich der Beschreibung der Festsetzungen des Plans mit Angaben über Standorte, Art und Umfang sowie Bedarf an Grund und Boden der geplanten Vorhaben, und b) Darstellung der in einschlägigen Fachgesetzen und Fachplänen festgelegten Ziele des Umweltschutzes, die für den Bauleitplan von Bedeutung sind, und der Art, wie diese Ziele und die Umweltbelange bei der Aufstellung berücksichtigt wurden. Im Hauptteil hat eine Beschreibung und Bewertung der Umweltauswirkungen, die in der Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 Satz 1 ermittelt wurden, zu erfolgen. Dabei sind folgende Angaben zu machen: a) Bestandsaufnahme der einschlägigen Aspekte des derzeitigen Umweltzustands, einschließlich der Umweltmerkmale der Gebiete, die voraussichtlich erheblich beeinflusst werden, b) Prognose über die Entwicklung des Umweltzustands bei Durchführung der Planung und bei Nichtdurchführung der Planung, c) geplante Maß-
nahmen zur Vermeidung, Verringerung und zum Ausgleich der nachteiligen Auswirkungen und d) in Betracht kommende anderweitige Planungsmöglichkeiten, wobei die Ziele und der räumliche Geltungsbereich des Bauleitplans zu berücksichtigen sind. Im dritten Teil sind folgende zusätzliche Angaben zu treffen: a) Beschreibung der wichtigsten Merkmale der verwendeten technischen Verfahren bei der Umweltprüfung sowie Hinweise auf Schwierigkeiten, die bei der Zusammenstellung der Angaben aufgetreten sind, zum Beispiel technische Lücken oder fehlende Kenntnisse, b) Beschreibung der geplanten Maßnahmen zur Überwachung der erheblichen Auswirkungen der Durchführung des Bauleitplans auf die Umwelt und c) allgemein verständliche Zusammenfassung der erforderlichen Angaben nach dieser Anlage. Mit der Festlegung des Gegenstands der Umweltprüfung auf die Belange nach § 1 Abs. 6 Nr. 7 sowie § 1a BauGB wird der Gemeinde eine „Checkliste“ der umweltrelevanten Belange vorgegeben, die im Rahmen der Umweltprüfung abzuarbeiten und im Umweltbericht zu dokumentieren ist. Absehen von der Umweltprüfung bei der Bauleitplanung Von der Pflicht zur Umweltprüfung sind lediglich das vereinfachte Verfahren nach § 13 BauGB und damit auch die Zulässigkeit während der Planaufstellung nach § 33 Abs. 3 BauGB, die Innenbereichssatzungen nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und 3 BauGB und die Außenbereichssatzung nach § 35 Abs. 6 BauGB sowie das beschleunigte Verfahren nach § 13a BauGB ausgenommen. Das vereinfachte Verfahren nach § 13 BauGB kann durchgeführt werden, wenn durch die Änderung oder Ergänzung eines Bauleitplans die Grundzüge der Planung nicht berührt oder durch die Aufstellung eines Bebauungsplans in einem Gebiet nach § 34 BauGB der sich aus der vorhandenen Eigenart der näheren Umgebung ergebende Zulässigkeitsmaßstab nicht wesentlich verändert wird oder der Bebauungsplan lediglich Festsetzungen nach § 9 Abs. 2a BauGB enthält und die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer UVP nach Anlage 1 zum UVPG oder nach Landesrecht unterliegen, nicht vorbereitet oder begründet wird und keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchstabe b BauGB genannten Schutzgüter bestehen (vgl. § 13 Abs. 1 BauGB). Liegen diese Voraussetzungen vor, kann im vereinfachten Verfahren gemäß § 13 Abs. 2 BauGB (1.) von der frühzeitigen Unterrichtung und Erörterung
UMWELTPRÜFUNG
nach § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 abgesehen werden, (2.) der betroffenen Öffentlichkeit Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb angemessener Frist gegeben oder wahlweise die Auslegung nach § 3 Abs. 2 durchgeführt werden, (3.) den berührten Behörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb angemessener Frist gegeben oder wahlweise die Beteiligung nach § 4 Abs. 2 durchgeführt werden. Im vereinfachten Verfahren besteht keine Pflicht zur Durchführung der Umweltprüfung, der Umweltbericht und die zusammenfassende Erklärung müssen nicht erstellt werden, bei der Bekanntmachung der Beteiligung der Öffentlichkeit muss nicht angegeben werden, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind und das Monitoring findet nicht statt (vgl. § 13 Abs. 4 Satz 1 BauGB). Bei der Beteiligung der Öffentlichkeit nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 BauGB ist darauf hinzuweisen, dass von der Umweltprüfung abgesehen wird (vgl. § 13 Abs. 4 Satz 2 BauGB). Das beschleunigte Verfahren nach § 13a BauGB kann durchgeführt werden, wenn der Bebauungsplan der Wiedernutzbarmachung von Flächen, der Nachverdichtung oder anderen Maßnahmen der Innentwicklung dient und die festgesetzte oder tatsächliche Grundfläche nach § 19 Abs. 2 BauNVO weniger als 20.000 qm oder 20.000 bis weniger als 70.000 qm beträgt und voraussichtlich keine erheblichen Umweltauswirkungen nach Vorprüfung des Einzelfalls zu erwarten sind und das durch den Bebauungsplan ermöglichte Vorhaben nicht der UVP unterliegt und keine Beeinträchtigung von FFH- oder Vogelschutzgebieten zu erwarten ist. Liegen die Voraussetzungen vor, ergeben sich folgende Verfahrensschritte bzw. verfahrensrechtlichen Konsequenzen (vgl. § 13a Abs. 2 BauGB): Das vereinfachte Verfahren nach § 13 Abs. 2 und 3 Satz 1 BauGB wird entsprechend angewendet, der Flächennutzungsplan ist im Wege der Berichtigung anzupassen, dem Bedarf an Investitionen zur Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen, zur Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum oder zur Verwirklichung von Infrastrukturvorhaben soll in Abwägung in angemessener Weise Rechnung getragen werden, die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung findet keine Anwendung in den Fällen des § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, d. h. in den Fällen, in denen die Grundfläche weniger als 20.000 qm beträgt. Umweltverträglichkeitsprüfung für bestimmte Bebauungspläne Wie bereits dargestellt, wurde mit der Änderung
des BauGB im Jahre 2001 die Pflicht zur Durchführung einer UVP für bestimmte Vorhaben (z. B. Bau eines Feriendorfes, eines Freizeitparks, eines Einkaufszentrums, eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs, einer Industriezone oder eines Städtebauprojekts) eingeführt, für die im bisherigen Außenbereich (▷Außenbereich/Innenbereich) i. S. d. § 35 BauGB ein Bebauungsplan aufgestellt wird und die einen bestimmten Größenwert (vgl. dazu § 3b Abs. 1 Satz 2 UVPG) erreichen oder überschreiten (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 UVPG i. V. m. Anlage 1 Nr. 18.1 bis 18.7). Bei den Vorhaben, bei denen der jeweilige Prüfwert (vgl. dazu § 3c Abs. 1 UVPG) in der Anlage 1 Nr.18.1 bis 18.7 erreicht oder überschritten ist, ist dann eine UVP durchzuführen, wenn die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Kriterien der Anlage 2 zum UVPG ergibt, dass das Vorhaben erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann. Anlage 1 Nr. 18.8 sieht die Durchführung einer allgemeinen Vorprüfung für die Fälle vor, in denen für den Bau eines Vorhabens der in den Nummern 18.1 bis 18.7 genannten Art, soweit der jeweilige Prüfwert für die Vorprüfung erreicht oder überschritten wird und für die in sonstigen Gebieten ein Bebauungsplan aufgestellt, geändert oder ergänzt wird. Anlage 1 Nr. 18.9 erfasst Vorhaben, die einer landesrechtlichen Verpflichtung zur Durchführung einer UVP unterliegen, sofern die Zulässigkeit durch einen Bebauungsplan begründet wird oder ein Bebauungsplan einen Planfeststellungsbeschluss ersetzt. § 17 UVPG 2001 sah für die in Anlage 1 Nr. 18 geregelten Bebauungspläne eine Verpflichtung zur Durchführung einer UVP oder einer Vorprüfung des Einzelfalls vor. Mit der Einführung des EAG Bau ist diese Regelung des § 17 UVPG 2001 entfallen. § 17 Abs. 1 Satz 1 UVPG bestimmt nunmehr, dass die UVP einschließlich der Vorprüfung des Einzelfalls nach § 2 Abs. 1 Satz 1 bis 3 UVPG sowie den §§ 3 bis 3f UVPG im Aufstellungsverfahren als Umweltprüfung nach den Vorschriften des BauGB durchgeführt wird, wenn Bebauungspläne i. S. d. § 2 Abs. 3 Nr. 3 UVPG, insbesondere bei Vorhaben nach den Nummern 18.1 bis 18.9 der Anlage 1, aufgestellt, geändert oder ergänzt werden. Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 UVPG entfällt auch die nach dem UVPG vorgeschriebene Vorprüfung des Einzelfalls, wenn für den aufzustellenden Bebauungsplan eine Umweltprüfung nach den Vorschriften des BauGB, die zugleich den Anforderungen einer UVP entspricht, durchgeführt wird. Trotz dieser Rechtsänderungen sind die Vorschriften des UVPG über die Umweltverträglichkeitsprüfung für Bebauungspläne aus ver-
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schiedenen Gründen nicht obsolet geworden (vgl. Ernst u. a.:§ 2 Rn. 302). Das UVPG regelt nach wie vor die Voraussetzungen für die UVPPflicht von Bebauungsplänen sowie den Ersatz der vorgeschriebenen UVP durch die Umweltprüfung. Darüber hinaus sind diese Regelungen auch von Bedeutung für die Prüfung des Tatbestandsmerkmals, ob in den Fällen des § 13, 13a, 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 oder 3 und § 35 Abs. 6 BauGB die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer UVP nach Anlage 1 zum UVPG oder nach Landesrecht unterliegen, nicht vorbereitet oder begründet wird. Besteht nämlich eine UVP-Pflicht, dürfen diese Instrumente nicht angewendet werden. Des Weiteren besteht eine Verknüpfung zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 des UmweltRechtsbehelfsgesetzes vom 07.12.2006, zuletzt geändert durch Art. 15 des Gesetzes vom 31.07.2009, wonach dieses Gesetz auf Entscheidungen i. S. d. § 2 Abs. 3 UVPG Anwendung findet, für die nach dem UVPG eine Pflicht zur Durchführung der UVP bestehen kann (vgl. Ernst u. a.:§ 2 Rn. 302f). Auf Grundlage des § 2 Abs. 1 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz können anerkannte Umweltvereinigungen unter bestimmten Voraussetzungen Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen oder deren Unterlassen einlegen, ohne die Verletzung eigener Rechte geltend machen zu müssen. § 17 Abs. 3 UVPG enthält eine Abschichtungsregelung für die UVP. Danach soll die UVP im nachfolgenden Zulassungsverfahren auf zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen des Vorhabens beschränkt werden, sofern die UVP in einem Aufstellungsverfahren für einen Bebauungsplan und in einem nachfolgenden Zulassungsverfahren durchgeführt wird.
Gebäude in der Bilanz. Gleichzeitig erfahren Unternehmer, dass sich Brachen nicht gut verkaufen lassen. Bis heute gibt es jedoch nur wenige Entwickler, Assetmanager und Investoren, die diesen Markt für sich entdeckt und genutzt haben. Gleichzeitig ist es unstrittig, dass der Markt für gemischt genutzte Gewerbeimmobilien wesentlich größer ist als der gesamte sog. institutionelle Investmentmarkt, der sich auf reine Büro- oder Retail-Investments beschränkt. (▷Retail-Immobilien) Firmen trennen sich von ihren Immobilien z. B. aus Gründen der Dynamik ihrer Kernmärkte (produktionsseitig), ihrer Absatzmärkte und der Dynamik von Änderungen der allgemeinen Standortanforderungen. Im Zuge der ▷ Globalisierung sowie der steigenden Anforderungen an die Reaktionsgeschwindigkeit auf solche Entwicklungen werden die Unternehmen zu mehr räumlicher Flexibilität gezwungen. Gleichzeitig steigt der Anspruch an die Gebäude und damit verbunden die Investitionsintensität nebst dem erforderlichen Know-how sowie die notwendige Bindung von personellen Ressourcen für Planung, Durchführung und späteres Management dieser Immobilie (▷Immobilienwirtschaft). Um Unternehmensimmobilien als neue Assetklasse zu analysieren, werden im Folgenden zunächst die Sicht des Unternehmens beschrieben und die Gründe erläutert, warum es für Unternehmen sinnvoll sein kann, sich von ihren Immobilien zu trennen. Danach wird die Sicht des Investors herausgearbeitet. Motivationen der Verkäufer von Unternehmensimmobilien
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Kategorien von Unternehmensimmobilien Literatur Battis, U.; Krautzberger, M.; Löhr, P. (2009): Baugesetzbuch, Kommentar. München Ernst, W.; Zinkahn, W.; Bielenberg, W.; Krautzberger, M. (o. J.): Baugesetzbuch, Kommentar. Loseblattsammlung. München
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Einleitung Deutsche Unternehmen haben im internationalen Vergleich zu viele eigengenutzte Grundstücke und
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Die Unternehmensimmobilie bietet den Raum für das Wirtschaften der Betriebe, für die betrieblichen Funktionen und Prozesse (▷Immobilienfinanzierung). Dazu gehören neben der Verwaltungstätigkeit in Büros auch Forschen, Produzieren, Lagern, Reparieren, Verteilen, Handeln und Ausstellen. Unternehmer achten sehr darauf, dass sich die Immobilien flexibel auf die betrieblichen Erfordernisse anpassen lassen. Während reine Bürohäuser kaum für andere Zwecke geeignet sind, wurden die meisten Unternehmensimmobilien so geplant, dass sie umnutzbar, umrüstbar und reversibel sind. Wo heute produziert wird, kann morgen verwaltet und/oder geforscht werden. Gewachsene Unternehmensareale weisen eine echte Drittverwendungsfähigkeit auf, während
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Bereitschaft zum Kauf/Verkauf von Immobilien in Abhängigkeit zu ihrer Betriebsnotwendigkeit (eigene Darstellung)
dieser Terminus bei Büroobjekten meist nur die Fähigkeit einschließt, zukünftig auch einen anderen Büronutzer als Mieter zu finden. Unabhängig von der Art der Nutzung lassen sich Unternehmensimmobilien in drei Kategorien einteilen: Betriebsnotwendige Immobilien, nicht-betriebsnotwendige Immobilien und teilweise betriebsnotwendige Immobilien (Mischform der ersten beiden Kategorien). Abhängig von der Kategorie, in welche die Unternehmensimmobilien eingeordnet werden, unterscheidet sich die grundsätzliche Bereitschaft von Unternehmen, sich von ihren Immobilien zu trennen (siehe Abbildung). Bilanzielle Aspekte Eine Motivation von Unternehmen, Immobilien zu verkaufen, ist, sie aus der Bilanz zu bekommen (Off-Balance-Sheet). Dies bringt sowohl einmalige (Zufluss von Liquidität, die im Kerngeschäft renditestärker eingesetzt werden kann) als auch langfristige Vorteile (Bilanzkürzung – Verbesserung der Bilanzkennwerte) mit sich. Bei Immobilien, die sich bereits lange im Unternehmen befinden und durch Abschreibungen einen geringen Buchwert aufweisen, lassen sich zusätzlich stille Reserven heben, wenn der Verkaufspreis über dem Buchwert liegt. Konzentration auf das Kerngeschäft In vielen Unternehmen müssen die Immobilien nebenher mit gemanagt werden. Werden die Im-
mobilien veräußert, geht auch die Instandhaltung der Immobilie, die Vermietung der Drittflächen usw. neben den damit verbundenen Kosten- und Haftungsrisiken an den Käufer über, so dass sich die Organisation des verkaufenden Unternehmens wieder vollständig der Wertschöpfung in ihrem Kerngeschäft widmen kann. Verlagerung der Immobilienkompetenz Auf Immobilien spezialisierte Unternehmen können meist die Nebenkosten erheblich senken: zum einen durch ▷Benchmarking mit verschiedenen Anbietern, Ausnutzung von Skaleneffekten (Economies of Scale), wesentlich aber auch durch die Anpassung der Leistungen auf das im Markt übliche Maß. Während Nebenkosten von dem verkaufenden Unternehmen als „lästige“ Blackbox angesehen werden, können sie nach einem Verkauf aktiv gemanagt werden. Auch mit neuen Anforderungen an Immobilien können auf Immobilien spezialisierte Investoren ganz anders umgehen als das verkaufende Unternehmen. Hierzu gehören z. B. amtliche Auflagen (z. B. bei Laboren oder Verordnungen – etwa zu erneuerbaren Energien (EnEV – Energieeinsparverordnung für Gebäude) oder technischen Anforderungen). Perspektive des Investors
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Investoren schätzen einfache Kategorisierungen von Immobilien. Für die Sektoren Büro, ▷Einzelhandel und seit kurzem auch für Logistik existieren solche Schubladen bei den Immobilienanlegern – zumindest im Kopf. Unternehmensimmobilien sind hingegen nur in den Portfolios von wenigen
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Investoren vertreten, obwohl sie sich sehr gut zur Diversifikation ihrer Risiken eignen und gute Renditen zeigen. Das erfordert zwar eine intensivere Auseinandersetzung; empirisch wird deutlich, dass sich die Unternehmensimmobilien in den letzten 15 Jahren besser entwickelt haben (höhere Rendite, geringere Volatilität) als Büro und Handel. Insbesondere institutionelle Immobilieninvestoren beschäftigen sich nach wie vor mit prestigeträchtigen Neubauimmobilien, die in Anlegerprospekten ein gutes Bild abgeben und wegen ihres Aussehens meist nur wenig Erklärungs- bzw. Beratungsbedarf suggerieren. Auch der Managementaufwand erscheint niedriger, da man den Katalog der Anforderungen an das Management fälschlicherweise „nur“ in der Vermietung der Flächen vermutet. Doch erweist sich diese gefühlte Sicherheit häufig als trügerisch, denn statt spekulativ für einen unbekannten Nutzer zu bauen, kann die Unternehmensbestandsimmobilie maßgeschneidert für den konkreten Bedarf der Unternehmen ausgebaut, ja revitalisiert werden. Gerade in einer Zeit der Unsicherheit auf den Immobilienmärkten erweisen sich Unternehmensimmobilien nicht nur als Wachstumsmarkt, sondern auch als außerordentlich robust. Sie richten sich an eine besonders breite Zielgruppe: Statt nur konjunkturanfällige Büronutzer wie Berater, Wirtschaftsprüfer oder Anwälte anzusprechen, kommt für Unternehmensimmobilien der gesamte Mietermarkt in Frage. Bei Unternehmensbestandsimmobilien spielt die richtige Bewertung potenzieller Instandhaltungsrückstaus und Altlasten, von behördlichen Genehmigungen bei anstehenden Nutzungsänderungen/-erweiterungen, nachbarschaftsrechtlichen Zustimmungspflichten, Denkmalschutz, Lagenachteilen durch meist wenig imageträchtige, altindustrielle oder bestenfalls gemischt genutzte städtischen Gebiete, eine Rolle. Hinzu kommen Vermarktungsrisiken, da Nachfrager nach solchen Flächen ausfallrisikobehaftet sein können. Wettbewerbsvorteil gegenüber Neubauimmobilien
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Trotz guter Substanz werden Bestandsimmobilien je nach Alter zu einem Preis unterhalb der Wiederherstellungskosten verkauft und bieten somit einen klaren Kosten- bzw. Wettbewerbsvorteil gegenüber Neubauimmobilien. Um eine Weitervermietung zu erreichen und die Immobilie für einen neuen Mieter bezugsfertig zu gestalten, sind häufig lediglich ein neuer Bodenbelag und ein Wandanstrich nötig, was die Gesamtinvestitionskosten niedrig hält und es dem Vermieter ermöglicht,
eine geringe Miete anzubieten. Neubauten sind i. d. R. gemäß eines festgelegten Vermietungskonzeptes geplant und haben sowohl im Rohbau als auch im Ausbau wesentlich höhere Investitionskosten, die sich dementsprechend in höheren Mieten niederschlagen müssen – bei ungesicherter inhaltlicher Akzeptanz durch den Markt wie auch zeitlich ungesicherten Vermarktungszeiträumen (▷Immobilienfinanzierung). Hinzu kommt, dass bei Bestandsimmobilien durch geringe absolute Mieterhöhung – die durch Mieter leichter akzeptiert werden, da sie realisieren, dass sie eine geringe Miete zahlen – starke prozentuale Renditesteigerungen erreichbar sind. Flexibilität multifunktionaler Flächen Eine weitere Mietsteigerung lässt sich durch die Veränderung von Flächenkategorien erzielen. Für den Investor ergibt sich eine Nutzungsflexibilität in verschiedenen Nutzungsausprägungen: Wandelt man eine Lagerfläche in eine Bürofläche um, so lässt sich die Miete bei geringen Investitionskosten leicht verdoppeln. Umgekehrt kann die Umwandlung einer ehemaligen Büronutzung zu einer Lager-, Produktions- oder einer Labornutzung sinnvoll sein, wenn der Markt es erfordert oder wenn die verschiedenen Nutzungen auf einem Gelände voneinander zu separieren sind und so ein störungsfreier Ablauf für die Mieter zu gewährleisten ist. Ein Vorteil multifunktionaler Flächen ist die Möglichkeit, einen breiten Nutzermarkt anzusprechen, da man sowohl die Bedürfnisse von Büromietern als auch von Lager-, Produktions- oder sonstigen Nachfragern befriedigen kann. Einer der wichtigsten Konkurrenzvorteile ist die Geschwindigkeit, mit der eine Fläche für einen konkreten Nutzer hergerichtet und am Markt platziert werden kann, denn die Erfahrung zeigt, dass Mietinteressenten ihren Flächenbedarf analysieren und danach diese Flächen kurzfristig nachfragen. Der Umbau einer Fläche, selbst mit massiven Nutzungsänderungen und Eingriffen in die Substanz, kann innerhalb von drei bis maximal sechs Monaten realisiert werden, eine Geschwindigkeit, die bei keinem Neubauprojekt erreicht werden kann. Zum einen ist die Preisreagibilität des Unternehmensimmobilienproduktes um ein vielfaches größer als die der vergleichbaren Neubauimmobilie. Darüber hinaus ist auch die Konzeptreagibilität der Unternehmensimmobilie um ein Vielfaches höher, da sich das Produkt gleichzeitig an eine Vielzahl von
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Nachfragesegmenten ausrichtet; während sich die Neubauimmobilie alleine wegen der zu erzielenden Mindestmieten nur auf eine limitierte Anzahl von Nutzern ausrichten kann. Schwierigkeiten von Bestandsimmobilien und abgeleitete Anforderungen an den Investor Durch die Revitalisierung von Unternehmensimmobilien können aus städtebaulicher Sicht (▷Städte bau/Urban Design) innerstädtische Brachen vermieden und neuen zukunftsweisenden Nutzungen zugeführt werden, die nicht mehr nur an der Entwicklung eines Unternehmens hängen. Unternehmensimmobilien befinden sich nicht auf der grünen Wiese, sondern aus historischen Gründen in gewachsenen, innerstädtischen Strukturen. Gelingt es, das Unternehmen am Standort zu halten, indem auf die Anforderungen des Unternehmens eingegangen und die Immobilie angepasst wird, sowie Flächen, die nicht mehr von dem Unternehmen benötigt werden, neuen Nutzungen zuzuführen, so ist dies ein Gewinn aus Investoren-, Unternehmens- und besonders auch aus städtebaulicher Sicht. Gerade die städtebauliche Chance führt häufig dazu, dass Städte dem Wechsel hin zu einem professionellen Assetmanagement bei Unternehmensimmobilien positiv gegenüberstehen und entsprechend Nutzungsänderungen unterstützend begleiten. Ein häufiges Problem bei Unternehmensimmobilien ist das immanente Altlastenrisiko (▷Risikomanagement). Viele, gerade ausländische Investoren, wenden sich schnell von einer Immobilienakquisition ab, wenn das Thema Altlasten aufkommt. Unternehmensimmobilien stehen
allerdings durch ihre historische Nutzung i. d. R. in irgendeinem Altlastenkontext. Nicht allein die Kenntnis über die vorhandenen Altlasten ist wichtig, sondern auch der Umgang mit denselben. Sale-and-Lease-Back-Geschäfte, bei denen ein Unternehmen seine Immobilie(n) verkauft und ganz oder teilweise rückmietet, führen zu weiteren Anforderungen für den Immobilieninvestor. Zum einen an die Vertragsgestaltung, da hier der Rückmietvertrag und der Kaufvertrag aneinander geknüpft sind und Kaufpreis und Miete als voneinander abhängige Variablen betrachtet und verhandelt werden müssen. Gleichzeitig ist eine intensive Unternehmensprüfung notwendig, da der Mietvertrag nur bei einer guten Bonität des Mieters etwas wert ist. Das ist zwar kein grundsätzlicher Unterschied zu anderen Mietern, trotzdem sollte bei Geschäften besonderes Augenmerk hierauf gelegt werden, da die Miete einen großen oder gar den ganzen Teil des Mietcashflows ausmacht und außerdem der Verkauf einer Unternehmensimmobilie eine Reaktion auf eine eingetretene Notlage des Unternehmens sein kann. Weiterhin notwendig ist die Fähigkeit des Investors, mit Altsubstanz umzugehen. Er muss entscheiden können, welche Investitionen notwendig sind und auf welche verzichtet werden kann. Aber auch Konzepte, wie man mit alten Flächenbeständen, z. B. mit Übertiefen umgeht, können nur von Investoren entwickelt werden, die bereits Erfahrung mit Bestandsimmobilien haben. Unternehmensimmobilie vs. Top-Büroimmobilie Durch die Mischnutzung und die Risikoverteilung
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Volatilität und Mieter-Mobilität in den verschiedenen Assetklassen (eigene Darstellung)
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auf verschiedene Mieter wird die Unternehmensimmobilie nicht automatisch zur Managementoder Betreiberimmobilie. Im Gegenteil: Das reine Büroobjekt in Bestlage hat nur wenige Nutzer und nur eine beschränkte Zahl an Mietinteressenten. In der Unternehmensimmobilie kombinieren sich immer eine Vielzahl von Mietern, Nutzern und Branchen, die auch mal über Zeit an Dominanz wechseln können. Die Abbildung verdeutlicht das prozyklische Verhalten von Preis und Multiplikator (invers zur cap-rate, welche die Verzinsung einer Immobilie angibt), wonach ein High-End-Büroprodukt als Einproduktimmobilie erheblich höheren Mietermarkt- und damit Wertschwankungen ausgesetzt ist. Die Unternehmensimmobilie hingegen kann Mietermarktschwankungen besser kompensieren, da sie mehrere Mieter, mehrere Nutzer und mehrere Branchen adressiert. Entsprechend ist die Unternehmensimmobilie auch deutlich geringeren Volatilitäten ausgesetzt, da eine Büroimmobilie für den Nutzer sehr austauschbar ist. Ein Büronutzer ist immer daran interessiert, in der neuesten Büroimmobilie ansässig zu sein, weswegen es wahrscheinlicher ist, dass er nach Ende seines Mietvertrages in ein neues Gebäude zieht. Wie die Grafik weiterhin vermittelt, sind die Preisreagibilitäten dort höher, wo die Nutzungsanforderungen selbst variieren; Zeichen einer höheren Flexibilität und besseren Kundenorientierung. Die Unternehmensimmobilie bietet zunächst nur „Fläche“ an, die erst durch die Identifikation von Mieter, Nutzer und Branche ihre Spezifikation erhält. Dies kann von „low-cost“ bis „high-end“ alles umfassen.
Fazit: Unternehmensimmobilie als Assetklasse der Zukunft Die Unternehmensimmobilie als eigenständige Assetklasse wird sich aus Immobiliensicht durchsetzen: die multifunktionalen Gebäudekörper vereinen den Vorteil, dass Flächen zunächst abstrakt als Einheitsgröße angeboten werden können und – wie bei einem Autokauf – die „Sonderausstattungsliste“ mit dem Mietinteressenten auf seine Bedürfnisse und sein Portemonnaie präzise zugeschnitten werden können. Das Verfahren ist für alle Beteiligten transparent und zugleich für den Investor auch finanzierungsfreundlich, da etwaige Investitionen für die Stabilisierung der Immobilie im Sinne ergänzender Vermietungen durchgeführt werden. Die Investoren können mit den Unternehmensimmobilien meist mit größerer Leistungsund Preisreagibilität antreten, da sie sich präzise auf die Bedürfnisse des Nutzers einstellen können und weder ein Investitionskonzept noch ein Nutzerkonzept investiv vorhalten müssen. Schließlich führt die Unternehmensimmobilie auch in der Psychologie der im Umfeld ansässigen Stakeholder zu einer durchweg positiven Grundhaltung, denn der Investor kommt mit nachhaltigem Investitionsinteresse an die Standorte, um diesen eine zeitgemäße und somit neue Dynamik zu verleihen. Die positive Motivation lässt sich an diesem äußerst flexiblen wie marktreagiblen Produkt bestens belegen, denn grundsätzlich gilt: es existiert, steht da, und muss nicht erst konzipiert und geschaffen werden.
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Unternehmensimmobilien im Vergleich zu 1 A Büroimmobilien (eigene Darstellung)
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Holz, Winkelmann
URBANE LANDSCHAFTEN
URBANE LANDSCHAFTEN In aktuellen Veröffentlichungen zum Thema Stadt und Freiraum stößt man auf eine Vielzahl von Begriffen: Stadtlandschaft, Zwischenlandschaft, Patchworklandschaften, Urbane Kulturlandschaften, Urbane Landschaften. Sie alle stellen den Versuch dar, das räumliche Zusammenwirken von bebauten und unbebauten Flächen in einem sich wandelnden Stadtgefüge zu fassen, das sich – anders als in der kompakten Stadt – mit den vertrauten Kategorien von Platz oder Park nicht mehr treffend beschreiben lässt. Die Stadt von heute bringt neue Freiraumstrukturen hervor: Dabei zeigt sich gleichsam ein Paradox: Mit der Ausdehnung der Stadt in die Region rückt die Landschaft näher, mit der Transformation der bestehenden Städte dringt sie bisweilen sogar tief in ihr Inneres vor. Die Vielfalt der Begriffs-Komposita ist Ausdruck unterschiedlicher Annäherungen an dieses Phänomen. Doch obwohl der Flächenanteil dieser Räume real wächst, waren sie bislang bei der Wahrnehmung von Stadtentwicklungsprozessen als unurbane Räume marginalisiert. Mehr und mehr werden diese Räume nun gegenwärtig als nutzungsstrukturelle, gestalterische, bauund soziokulturelle Aufgabe explizit thematisiert. Der Blick in den internationalen Kontext zeigt, dass hier mit Ansätzen wie Landscape-Urbanism, ökologischer urbaner Infrastruktur oder urbaner Landwirtschaft intensive konzeptionelle Auseinandersetzungen um neue Landschaften im städtischen Kontext geführt werden. Vom Begriffswirrwarr zur Begriffsklärung Stadtlandschaft, Kulturlandschaft, Urbane Landschaft – Warum überhaupt nach einem neuen Begriff suchen? Kennzeichnet nicht der städtebaugeschichtlich und freiraumplanerisch etablierte Begriff der „Stadtlandschaft“ derartige Stadträume auch sehr prägnant? So überzeugend einfach er auf den ersten Blick ist, so besetzt ist er in der Städtebaugeschichte (▷Gebaute Geschichte, ▷Städtebau/Urban Design). Seine Bedeutung wandelte sich seit den 1920er Jahren von einer großräumigen geografischen Beschreibung einer StädteLandschaft zu einem städtebaulichen ▷Leitbild für die „Neue Stadt“ in Abkehr von überkommenen Stadtstrukturen und war Orientierung gebend auch für den deutschen Nachkriegsstädtebau. Hierfür ist v. a. Reichows Konzept der Or-
ganischen Stadtbaukunst maßgebend, in dem die Stadtlandschaft als städtebauliches Gestaltungsprinzip und die Abkehr von der kompakten hin zu der in der Landschaft gebauten Stadt, als naturräumlich bestimmte Stadtlandschaft, formuliert wurde. Der Begriff steht damit für ein spezifisches Stadt- und Landschaftsverständnis, für eine in die naturräumlich geprägte Landschaft eingebettete und zugleich aufgelöste, funktionsgegliederte und großräumig städtebaulich komponierte Stadt. Diese Leitvorstellungen treffen auf die nachmoderne Stadt bzw. Stadtregion nicht zu. Die schlichte Übertragung dieses Begriffes auf die heutige Situation würde die erfolgte Rückbesinnung auf die Qualitäten der traditionellen ▷Europäischen Stadt ebenso ausblenden wie den Zustand, dass räumlich und funktional die heutige Stadtstruktur wesentlich heterogener ist. Es gelingt nur noch bedingt, die städtebaulich intendierten kohärenten Stadträume tatsächlich auszubilden. Mit der Folge, dass eine stärkere räumliche Durchdringung von landschaftlichen und baulichen Nutzungselementen auf verschiedenen Maßstabsebenen vom Quartier bis zur Region entsteht, und zwar weitgehend unabhängig von Prozessen des Wachsens oder Schrumpfens. Mit dieser Entwicklung geht bisweilen eine Erosion der gewohnten städtischen Bilder einher. Reagiert wurde auf diese Verlustwahrnehmung bezogen auf den Freiraum u. a. mit der räumlich wie konzeptionellen Ausdehnung des Parkbegriffes auf die Stadtregion in den Regionalparkkonzepten seit den 1980er Jahren, aber auch mit der Stabilisierung traditioneller Kategorien öffentlicher Räume die Re-Inszenierung in den kompakten inneren Städten. Konzepte und Herangehensweisen, die sich spezifisch mit Besonderheiten inkohärenter Räume auseinandersetzten, gab es zunächst nur vereinzelt. In den 1990er Jahren führt der Architekt und Urbanist Kees Christiaanse hierfür den Begriff der ▷Kulturlandschaft in Ablösung des Begriffes Stadtlandschaft ein, um das zeitgenössische Verständnis zu verdeutlichen: „Die ,Stadtlandschaft’, eine populäre contradictio in terminis für den verschwimmenden Unterschied zwischen Stadt und Land, die wir lieber ,Kulturlandschaft’ nennen, besteht aus einer komplexen Ansammlung von Systemen. Ein dynamisches Feld mit einem wechselnden Maß an Konzentration und Differenzierung, das sich dauernd unter dem Einfluss vieler Faktoren ändert.“ Zwei Dinge sind an dieser Beschreibung hervorzuheben: Erstens: der Begriff Kulturlandschaft wird explizit auf die städtisch-landschaftlichen Gemengeräume bezogen. Doch der „verschwim-
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URBANE LANDSCHAFTEN
mende Unterschied von Stadt und Land“ führt weder zu einer vollkommenen Vereinnahmung der Landschaft durch die Stadt noch stehen diese Landschaften im Städtischen für die Stadtauflösung. Beschrieben wird vielmehr ein Kontinuum urbanisierter Räume unterschiedlicher Ausprägungen. Zweitens: Kulturlandschaft bekommt eine andere Konnotation als in den gewachsenen ruralen Kulturlandschaften: Nicht die Kontinuität des Genierungsprozesses steht im Vordergrund, nicht die Wahrnehmung eines Raumes, dessen Formung durch einen langen Prozess weitgehend abgeschlossen ist. Sie wird vielmehr verstanden als eine komplexe Ansammlung von dynamisch sich verändernden Systemen. Nicht das Statische, sondern die Veränderbarkeiten und die Wechselbeziehungen zwischen den Teilsystemen bestimmen somit das Verständnis und den methodischen Zugang zu den Räumen. Es deutet sich ein genereller Perspektivenwechsel im Landschaftsverständnis an, der auch durch Vertreter der amerikanischen Landschaftsforschung unterfüttert wird. Der ins Spiel gebrachte Kulturlandschaftsbegriff wird sich jedoch nicht durchsetzen können, vielmehr bahnt sich begrifflich der Siegeszug der Urbanen Landschaft gegenüber den historisch bereits belegten Begriffen an, nicht zuletzt sichtbar an ersten Formen der Institutionalisierung wie dem an der Leibniz-Universität Hannover gegründeten Studio Urbane Landschaften. Urbane Landschaften konkret
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Jenseits dieser sich in den Fachkreisen immer weiter verfeinernden Sicht auf den Landschaftsbegriff, steht Landschaft in der allgemeinen Wahrnehmung noch immer für eine mehr oder weniger diffuse Naturhaftigkeit von Räumen im Gegensatz zur gebauten Umwelt und bezeichnet damit nach wie vor etwas Gegensätzliches zur Stadt. Eindeutiger als der allgemeine Landschaftsbegriff wird die Kulturlandschaft mit dem ländlichen Lebensraum (▷Ländliche Räume) und damit einer Gegenwelt zur Stadt in Verbindung gebracht, wenngleich ebenso unstrittig ist, dass eine Kulturlandschaft eine durch den Menschen angeeignete Natur ist. Bezogen auf die traditionellen Kulturlandschaften existieren klare Nutzungsvorstellungen und Bilder in den Köpfen. Wie aber sehen Landschaften aus, die in einem zeitgenössischen Verständnis nicht ein Bild hervorbringen, sondern ein Feld komplexer, mehrschichtiger räumlicher Systeme zu sind? Und wie, wenn das Städtische eine Dimension dieses mehrschichtigen Systems ist?
Drei Beispiele mit unterschiedlichen räumlichen Ausprägungen und inhaltlichen wie methodischen Schwerpunktsetzungen können dies verdeutlichen: Urbane Landschaft 1: Landschaftszug + 400 qm Dessau Die strategische Antwort der Stadt Dessau-Roßlau auf die sich abbildende Leerstandsproblematik im Innern der Stadt lautet, Urbane Kerne und landschaftliche Zonen auszubilden. Zwischen zu erhaltenen Stadtkernen soll innerstädtisch ein ca. 90 ha großer Landschaftszug neu entstehen. Ergänzt und belebt wird diese großräumige Umbaustrategie für eine Urbane Landschaft seit 2004 durch einen weiteren Konzeptbaustein: 400 qm Dessau. Dieser Ansatz zielt darauf ab, an Bewohner, Träger kultureller Institutionen, Initiativen oder Vereine, Flächen, sog. Claims, zur eigenen Nutzung und Gestaltung abzutreten. Die Claims werden in den Landschaftszug, der in seiner Gestaltung mit Wiesen und Baumgruppen an das Dessau-Wörlitzer Gartenreich erinnert, gleichsam eingestempelt und in ein übergeordnetes Wegesystem eingebunden. Die Stadt generiert so einen völlig neuen Freiraumtypus aus einer großräumigen Landschaftsstruktur, belebt durch Mikroprojekte, der nicht über Nutzungen und Funktionen vorprogrammiert ist, sondern seinen Charakter durch den allmählichen Prozess der In-Kulturnahme durch die Akteure erhält. Urbane Landschaft 2: Multifunktionale Gewerbelandschaft Leipzig Nord In dieser urbanen Landschaft war es Ziel, großflächige gewerbliche Ansiedlungen in dem verkehrstechnisch optimal angebundenen Norden Leipzigs mit einer regionalen Landschaftsgestaltung zu koppeln. Mit der Ansiedlung des BMW-Werks in einem der geplanten Gewerbecluster erfolgte innerhalb eines kurzen Zeitraums die komplette Umstrukturierung eines Teilraumes. Das Konzept basiert auf einer großräumlichen Gliederung der weitläufigen Agrarlandschaft durch Waldkeile, die neue Binnenräume schaffen, aber auch bei einem schnellen Durchqueren des Raumes als Strukturprinzip wahrnehmbar sind. Zur landschaftsgestalterischen Qualifizierung des Umfeldes des Autowerks trug bei, dass auch die in die Landschaft eingebettete Infrastruktur – Bahngleise, Regenrückhaltebecken und Pumpstationen – als ein Gestaltungsthema aufgefasst wurden und mit ihren Dämmen, Einschnitten und Böschungen ei-
URBANE LANDSCHAFTEN
ne „bewegte urbane Landschaft“ bilden, die durch das gezielte gestalterische Zusammenwirken verschiedener Ressorts geniert wird. Die Multifunktionalität ist durch die Integration von Rad- und Spazierwegen erhöht. Durch Beweidung werden heute weite Teile der Landschaft gepflegt. Urbane Landschaft 3: Das Essener Strahlenkonzept Unter dem Motto „Freiraum schafft Stadtraum“ entwickelt und erprobt die Stadt Essen ein gesamtstädtisches Konzept, um Freiflächen in stadträumlich wirksamer Weise zu entwickeln und zu vernetzen. Die innerstädtischen Fließgewässer bilden die ideellen Leitlinien, entlang derer sich die neuen Freiraumstrukturen im Sinne von „Strahlen“ herausbilden. Der nicht flächenscharf formulierte Leitansatz zielt darauf ab, das freiräumliche Potenzial besonderer Bereiche des Stadtgebietes herauszukristallisieren und Flächen zu aktivieren, die gegenwärtig zum Teil brachliegen oder eine Art „Hinterhofdasein“ führen. Freiflächen werden als grüne Infrastruktur gedacht, um den Stadtentwicklungsprozess gezielt zu aktivieren. Das Strahlenmodell soll in drei Kernschritten realisiert werden, die mit „Belichten“, „Inszenieren“ und „Projektieren“ bezeichnet werden. Das breite Sondieren und erste Erfahrbarmachen von Potenzialen geht dabei der Entscheidung über konkrete bauliche Projekte voraus. Das Konzept des Anstoßens zielt auf mehrere Ebenen und spricht unterschiedliche Akteure an. Es intendiert sowohl im klassischen immobilienwirtschaftlichen Sinne die Aufwertung von Standorten, als wie es auch darauf ausgerichtet ist, Freiraum- und Kulturpolitik stärker zu verknüpfen und ein neues Bewohnerinteresse an „ihrer“ Stadt zu motivieren. Urbane Landschaften – In-Kultur-Nehmen und Gestalten von Räumen Wie die drei Beispiele verdeutlichen, heißt Urbane Landschaften zu entwickeln nicht schlicht Planen und Bauen. Die Produktion dieser Landschaften ist ein vielschichtiger, aktivierender Prozess, der andere Anforderungen mit sich bringt als die Freiraumproduktion des 20. Jahrhundert mit ihren in eindeutiger Ressortzuständigkeit befindlichen, monofunktionalen Freiräumen wie Parks, Sportplätzen oder Stadtwäldern. Überlegungen zu geeigneten Entwicklungsund Gestaltungsansätzen, Verfahren und den entsprechenden Methoden werfen eine Reihe von Fragen auf: Wie sind Urbane Landschaften nut-
zungsstrukturell zu charakterisieren? Was sind die Praktiken – planerische, kulturellere, gestalterisch, soziale -, die ihre Teilsysteme genieren? Wer sind die jeweiligen Akteure? Welche Gestaltbilder verbinden sich mit diesen Räumen? Viele Antworten zu diesen Fragen stehen noch aus. Drei wesentliche Merkmale können jedoch herausgestellt werden. Urbane Landschaften als Multifunktionsraum Urbane Landschaften sind – als eine Ansammlung komplexer Systeme – Räume mit einer heterogenen Nutzungsstruktur. Sie sind das Produkt unterschiedlicher im Raum sich vollziehender Prozesse, sie unterliegen dadurch parallel unterschiedlichen Veränderungsdynamiken und Zeitzyklen, sie haben verschiedene Raumbilder und Raumbildner sowie eine Vielzahl im Raum tätiger Akteure. Sie setzen sich aus unterschiedlichen Nutzungselementen zusammen und umfassen dabei, anders als Parks, auch produktive Nutzungselemente. Neben Erholungsflächen treten häufig Forst- oder Landwirtschaft hinzu, Nutzungsformen, die man nicht primär dem urbanen Raum zuordnet. Daher ist der Prozess der Einbindung dieser Flächen in urbane Freiräume auch wenig eingeübt. Doch Wald kann aufgrund des Rechts seiner öffentlichen Begehbarkeit durchaus auch als eine andere Form öffentlichen Raumes verstanden werden. Doch ist Wald nicht gleich Wald. In Urbanen Landschaften reichen seine Erscheinungsformen von Relikten alter Wälder, über Aufforstungsflächen im ▷Stadtumbau bis hin zu Sukzessionswäldern auf ehemaligen Industriearealen und neuen Waldclustern als gestalterischen Setzungen. Die zweite produktive Nutzungskategorie Urbaner Landschaften, die Landwirtschaft, tritt gegenwärtig entweder als Relikt stadtnaher ländlicher Zonen wie z. B. in den Regionalpark- und Grüngürtelkonzepten von Stuttgart, Frankfurt am Main oder Leipzig auf oder sie wird zur Schaffung von Offenlandschaften durch Beweidung neu etabliert. In einer wachsenden Zahl von Projekten im In- wie im Ausland wird urbane Landwirtschaft als Beitrag zu einer städtischen Nahrungsmittelversorgung thematisiert. Energieproduktion und (Hoch-)Wassermanagement zeichnen sich als weitere Nutzungselemente und Entwicklungsmotoren produktiver Urbaner Landschaften ab. Aufgabe der Entwicklungskonzeptionen Urbaner Landschaften wird es zukünftig sein, die Formen der Produktivität dieser Räume für die Stadt und mögliche Synergien zwischen der Stadt und den landschaftlichen Nutzungselementen deutlicher zu bestimmen.
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Urbane Landschaften als Multiakteursraum Der Nutzungsmix bedingt ein breites Akteursspektrum. Durch dessen Zusammenwirken vollziehen sich die Raumproduktion und das In-Kulturnehmen der Landschaften. Urbane Landschaften sind das Produkt vieler im Raum Tätiger (▷Akteure der Planung). Je nach den konkreten Ausgangsbedingungen variieren die Akteurskonstellationen, verschiedene Verwaltungsressorts, Eigentümer, aber auch verschiedene Akteure der Stadtgesellschaft können in ihrer Entwicklung beteiligt sein. Stadtplanungs- und Umweltämter, Land- und Forstwirte, Straßen- und Wasserbauer, Wohnungsgesellschaften, Bewohnergruppen, Vereine, Künstler, Abfallwirtschaftler, Schulen, Golfclubbetreiber, Architekten, Gastronomen, Kultureinrichtungen, Naturschützer, Industrieunternehmen: Sie alle können zu Mit-Produzenten Urbaner Landschaften werden. Das Gestaltungs- und Aneignungspotenzial Urbaner Landschaften wird auch von Bewohnern und Akteuren der Stadtgesellschaft zunehmend wahrgenommen. In Urbanen Landschaften entstehen auf Initiativbasis vielfältige kulturelle und soziale Projekte. Es bilden sich Nutzernetzwerke heraus, nicht zuletzt organisiert über das Internet. Zwar sind diese Initiativen – gemessen am Ausmaß Urbaner Landschaften – nur Mikroprojekte, sie bilden aber ein außerordentlich wichtiges Moment der Belebung und aktiven In-Kulturnahme dieser Räume. Urbane Landschaften in diesem kooperierenden und aktivierenden Sinne zu gestalten, erfordert dynamische Konzepte und offene Prozesse. Eine Herausforderung für die Gestaltung urbaner Landschaften ist es daher, Verfahren zu entwickeln, um die unterschiedlichen Akteure mit ihren unterschiedlichen Handlungslogiken in einen gemeinsamen Raumproduktionsprozess zu integrieren und diesen auch zu verstetigen. Dabei geht es nicht primär um Beteiligungsprozesse klassischer Art, sondern um neue Formen der Organisation gemeinsamer Raumproduktionsprozesse, was die Reflexion der Rollen aller Beteiligten erfordert (▷Partizipation).
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Urbane Landschaften als Multigestalträume Urbane Landschaften sind also ein inter- und transdiziplinäres Produkt. Als Konsequenz dieser Rahmenbedingungen sind Urbane Landschaften Multigestalträume. Wie kann dennoch ein Raum mit gestalterischen Qualitäten, mit Markanz und Eigenarten entstehen?
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Die Untersuchung von Projekten dieser Art zeigt, dass es neben dem Schaffen von Möglichkeitsräumen für die aktive In-Kulturnahme v. a. einer übergeordneten konzeptionellen Orientierung bedarf, einer Landschaftsvision, als Rahmen eines langfristig zu entwickelnden Raumgefüges. Sie bildet den roten Faden für die oft langwierigen und komplexen Entwicklungsprozesse und die Basis für die notwendige Unterstützung, nicht zuletzt aus dem politischen Raum. Die gemeinsame Raumproduktion braucht zudem konzentrierte Aktivitätsschübe und prägnante Setzungen – hochbaulich, landschaftsarchitektonisch, künstlerisch – an wichtigen Punkten, z. B. bei der Integration von Transformationsflächen (▷Landschaftsarchitektur). Die herausragende Gestaltung von Schlüsselorten wirkt als Impulsgeber, Sinnbild für Innovation und Identitätsstifter. Parallel ist aber auch zu fragen, welche Teilsysteme – z. B. Landwirtschaft, Hochwasserschutz, Freizeitmobilität – durch welche Akteure welche räumlich-gestalterischen Ausprägungen erzeugen und wo Spielräume ihrer gestalterischen Qualifizierung liegen. Anders als z. B. im Barock, wird das raumgestalterische Potenzial von Wald gegenwärtig bei Weitem nicht ausgeschöpft. Auch ist zu fragen, worin raumqualifizierende Momente von tendenziell raumblinden Mechanismen wie EULandwirtschaftsförderungen (▷Landwirtschaft und Agrarpolitik) liegen und wie sie gestalterisch transformiert werden können. Urbane Landschaften brauchen daher komplexe Entwurfsstrategien, Verfahren und Instrumente, um die mehrschichtigen Ansatzpunkte für ihre Entwicklung zu „schönen Landschaften“ zu identifizieren und zu aktivieren. Ausblick Konzepte Urbaner Landschaften sind Antworten auf die veränderten Rahmenbedingungen der Stadtentwicklung und der städtischen Freiraumproduktion. Stadtregionales Wachstum und die Umstrukturierung der bestehenden Stadt bringen Freiräume in der Stadt hervor, die mit den altvertrauten Kategorien von Platz, Park oder Grünzug weder beschrieben noch konzeptionell bewältigt werden können. Sie sind keine klar gefassten Räume, sondern amorphe Gefüge. Sie bilden sich dort heraus, wo die Stadt in ihrem Bestreben, kohärente gebaute Stadträume auszubilden, scheitert und sich Stadt und Landschaft auf neue Weise zueinander ins Verhältnis setzen. Doch sie sind nicht nur Notlösungen, Räume zweiter Klasse. „Urbane Landschaft“ ist eine Ziel- und Kon-
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zeptaussage, die sich auf die Qualifizierung von Stadträumen mit einer anderen Dichte richtet, in denen neue Praktiken urbaner Freiraumproduktion, neue Formen der Freiraumkultur und zunehmend auch neue produktive Freiraumnutzungen, die der Nahrungsmittel- und Energieproduktion dienen, ihren Ausdruck finden. Auch wenn sich die Beispiele für realisierte Projekte mehren: Urbane Landschaften sind nach wie vor ein Experimentierfeld zeitgenössischer Freiraum- und ▷Baukultur. Sie sind komplexer als die eindeutigen funktionsgebundenen Freiräume, die uns das vergangene Jahrhundert bescherte, und haben daher noch etwas Unvertrautes. Urbane Landschaften gestalten, heißt einen Prozess der gemeinsamen Gestaltung und des In-Kultur-Nehmens zu initiieren. Die erfolgreiche Entwicklung Urbaner Landschaften verläuft somit in vielen Punkten quer zu bestehenden Verfahrensabläufen und Verwaltungsstrukturen. Sowohl auf der konzeptionellen Ebene als auch in den verfahrensbezogenen und rechtlichen Fragen wird von den Beteiligten noch immer Neuland betreten. Mit Blick auf die Lebensqualität in den Städten stellen sie eine große Herausforderung für die nachindustrielle Freiraumplanung und -kultur dar. Giseke
Literatur Christiaanse; K. (2004): Entwurfsstrategien und -instrumente im urbanen Raum. Zugriff auf www.isb.ethz.ch/1_d_entwurf.htm am 16.02.2004 Giseke, U.; Spiegel, E. (Hrsg.) (2007): Stadtlichtungen, Irritationen, Perspektiven, Strategien. Basel Reichow, H.-B. (1948): Organische Stadtbaukunst, Von der Großstadt zur Stadtlandschaft. Braunschweig Seggern, H. v.; Werner, J.; Grosse Bächle, L. (Hrsg.) (2008): Creating Knowledge, Innovationsstrategien im Entwerfen urbaner Landschaften. Berlin Viljoen, A. (Hrsg.) (2005): CPULs: Continous productive urban landscapes. Oxford Waldheim, C. (Hrsg.) (2005): The landscape Urbanism Reader. New York
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Begriffsklärung und -abgrenzung In zahlreichen Quellen, insbesondere den Publikationen der „Population Division of the Department of Economic and Social Affairs“ der Vereinten Nationen (UN 2008a und b) wird unter Urbanisierung (1) die weitgehend durch Migration von Bevölkerung und Konzentration von
Funktionen verursachte Zunahme von Bevölkerung und Funktionen in Städten, Agglomerationen oder urbanen Regionen bezeichnet. In dieser Sichtweise stellt Urbanisierung einen Prozess dar, der über Jahrhunderte in allen Regionen der Welt zwar ungleich und in unterschiedlicher Intensität, jedoch in jüngster Zeit v. a. in weniger entwickelten Volkswirtschaften mit hoher Geschwindigkeit und großen sozioökonomischen Anpassungsproblemen abläuft. Strukturell (2) ergeben sich hierdurch zwei Effekte, nämlich erstens ein Wachstum der Größe und der Anzahl der Städte (Verdichtung des Städtenetztes), die sich aus ehemals ländlichen Knotenpunkten durch Gewerbe-, Versorgungs-, und Handelsfunktionen entwickeln. Der zweite Effekt bezieht sich darauf, dass sich die aus Migration resultierenden lokalen Dichten (▷Städtebauliche Dichte) und die Konzentration von Funktionen grundsätzlich von denen nicht urbanisierter Räume unterscheiden, wiewohl auch im weiteren Verlauf von Urbanisierung Konvergenzprozesse entstehen können. Diese Konvergenzprozesse scheinen innerhalb von weiter entwickelten Volkswirtschaften – allerdings verbunden mit einem Funktionswandel zwischen Kernstadt und deren Peripherie sowie zwischen den Städten – erfolgreich abzulaufen, während selbst bei positiven Entwicklungsansätzen den Urbanisierungspotenzialen in den wenig entwickelten Volkswirtschaften aufgrund funktionaler Abhängigkeiten von den weiter entwickelten Volkswirtschaften enge Grenzen gesetzt werden („Malthusian Trap“). Schließlich wird unter Urbanisierung (3) die Ausbreitung und Übernahme urbaner Wirtschafts- und Verhaltensweisen in den nichtstädtischen Raum verstanden. Die Übernahme urbaner Lebensstile (▷Urbanität) wirkt u. a. auf die Art und Organisation von Beruf, Familie und Haushaltsbildung, auf Möglichkeiten und Wahrnehmung von Kontaktbildung und Ausgestaltung von Aktivitätsräumen, auf Arten von Abhängigkeiten, Bindungen und Netzwerken. Aus diesen Prozessen resultieren drei Effekte: Städte werden als Standorträume zunehmend zu Handelnden in der globalen Ökonomie (agglomeration economies, economies of scale and scope, economies of proximity, zahlreiche ökonomische und soziale Externalitäten). Armut wird zunehmend zu einem Bestandteil der Urbanisierung (Zunahme der Kosten für ▷Wohnen und soziale Dienste, Probleme mit der Kompensation von Größe, Dichte und Heterogenität). Aufgrund des raschen Wachstums urbaner
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Regionen beurteilen die meisten Regierungen die gegenwärtige räumliche Verteilung von Bevölkerung als kritisch („Urban Implosions“, Probleme nachhaltiger Entwicklung durch den funktionalen Zusammenhang der „Three Big E’s“: Economy, Social Equity, Environment). Urbanisierung auf globaler Ebene
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Auf den unterschiedlichen Maßstabsebenen schlägt sich der Prozess der Urbanisierung mit sehr unterschiedlichen Wirkungen nieder. Während in entwickelten Volkswirtschaften der Schnittpunkt zwischen zunehmender urbaner und abnehmender ländlicher Bevölkerungsanzahl (▷Ländliche Räume) bereits Ende der 1940er Jahre erreicht war und heute drei Viertel der Bevölkerung als urban ausweist (1920 etwa 30 Prozent, 1950 etwa 52 Prozent), wurde dieser Schnittpunkt global 2008 erreicht. Für die weniger entwickelte Volkswirtschaften, die dann ca. 84 Prozent der Weltbevölkerung auf sich konzentrieren, wird diese Situation für 2019 prognostiziert (UN 2008b; auch für alle nachfolgend zitierten Daten). Gleichzeitig erreicht aber auch die ländliche Weltbevölkerung absolut gesehen ihr Maximum; dies signalisiert einen zusätzlich entstehenden Druck auf die urbanen Zentren. Während noch in den 1970er Jahren von einer Konvergenz des Urbanisierungsgrades bei etwa 80 Prozent ausgegangen wurde, die einem Entwicklungspfad in Form einer Summenkurve gleicht und dem alle Volkswirtschaften in unterschiedlicher Geschwindigkeit folgen (z. B. Northan 1979), wird dieser angenommenen Obergrenze (carrying capacity) aufgrund zahlreicher Innovationen u. a. in Versorgung, Ressourcen, Transport, Netzwerken heute nicht mehr gefolgt. Diese Prozesse sind nicht nur von horizontalen Bevölkerungsbewegungen getragen, sondern werden durch vertikale Bewegungen erheblich verstärkt. Während die globale Bevölkerung bis 2050 um 2,5 Mrd. Einwohner (UN 2008a) zunimmt, erhöht sich die urbane Bevölkerung um 3,1 Mrd.; dies entspricht dann einem Anteil von 69 Prozent urbaner Bevölkerung (86 Prozent in stärker und 67 Prozent in weniger stark entwickelten Volkswirtschaften). Die UN erwarten, dass bis 2025 die urbane Wachstumsrate auf 1,8 und danach bis 2050 auf 1,3 Prozent sinkt (entspricht Verdoppelungsraten von 38 bzw. 52 Jahren). In den weniger entwickelten Volkswirtschaften gibt es jedoch erhebliche Unterschiede im Grad und Verlauf der Urbanisierung. Länder Lateinamerikas haben bereits einen höheren Urbanisierungsgrad als Europa, während Afrika und Asien bei lediglich 38 bzw.
41 Prozent liegen. Auf diesen beiden Kontinenten wird jedoch die höchste Urbanisierungsdynamik erwartet. Bis 2050 wird der Weltanteil urbaner Bevölkerung in Asien 54 und Afrika 19 Prozent betragen, während Europa und Nordamerika 9 bzw. 6 Prozent halten werden. 2007 lebten drei Viertel der urbanen Bevölkerung in nur 25 Ländern. Ein Drittel des Weltanstiegs urbaner Bevölkerung bis 2025 wird allein von Indien und China getragen. Die gegenwärtig 3,3 Mrd. urbanen Bewohner verteilen sich der Urbanisierungsdynamik entsprechend nicht gleichmäßig über die Größenklassen von Städten. 2007 lebten 52 Prozent der urbanen Bevölkerung in Städten mit weniger als 0,5 Mio. Einwohnern; die Anteile zwischen entwickelten und weniger entwickelten Volkswirtschaften unterschieden sich nicht wesentlich. In der weiteren Entwicklung bis 2025 wird erwartet, dass nahezu die Hälfte (51 Prozent) des urbanen Zuwachses sich in dieser Kategorie urbaner Zentren abspielt. Die Größenklasse von 0,5 bis 1 Mio. Einwohner wird in ihrer Anzahl einen Zuwachs von fast 20 Prozent erfahren, jedoch nur etwa 8,5 Prozent der urbanen Einwohner auf sich konzentrieren. Die Größenklasse von 1 bis 5 Mio. Einwohnern wird sich in der Anzahl um 37 Prozent auf 524 Städte steigern und 23 Prozent der urbanen Bevölkerung auf sich ziehen. ▷Megastädte von 5 bis 10 Mio. und solche mit mehr als 10 Mio. Einwohnern nehmen in ihrer Anzahl um 60 bzw. 42 Prozent zu und vereinen zusammen 17 Prozent der urbanen Bevölkerung auf sich. 2007 entsprach dies für die 19 Agglomerationen mit über 10 Mio. Einwohnern 4 Prozent der Gesamtweltbevölkerung. Einwohnermäßig die größten Sprünge werden bis 2025 Städte wie Dhaka, Karachi, Delhi, Mumbai oder Kolkata mit jährlichen Wachstumsraten von über 1,8 Prozent machen, die allerdings gegenüber dem Zeitraum 1975-2007 (deutlich über 3 Prozent) stark rückläufig sind. Dieses starke Wachstum und die Konzentration auf wenige Megastädte werden von vielen Staaten als erhebliches Problem wahrgenommen. Je höher der Primatcharakter in den einzelnen Ländern ist, desto größer werden die Entwicklungsprobleme eingeschätzt. Konzepte beziehen sich v. a. auf das Unterbinden der Migrationsströme in die Megastädte und eine Beeinflussung der Fertilitätsrate. Tiefergehende Maßnahmen setzen auf eine Verbesserung von Bildungskonzepten und einen Ausbau wirtschaftsnaher Infrastrukturen. In weiter entwickelten Volkswirtschaften ist Urbanisierung eher durch Flächen- denn durch Bevölkerungsexpansion der ▷Metropolen gekennzeichnet. Regionale Abwanderungen und
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internationale Zuwanderungen (UN 2005) tragen v. a. zu deren gravierenden sozialstrukturellen Veränderungen bei (ethnic diversity, Polarisierung). Urbanisierung auf nationaler Ebene Auf dieser Ebene sind v. a. Prozesse des Aufbaus und der Verdichtung des Städtenetzes angesprochen. Klassische Modelle wie die „Rank-SizeVerteilung“ beschreiben anschaulich, wie sich von Primatstädten ausgehend durch inter- und intraregionale Wirtschaftskreisläufe schrittweise ein Netzwerk von hierarchisch gestuften Städten entwickelt hat, das im Idealfall in ein sog. integriertes System im Sinne der Theorie der zentralen Orte übergeht (▷Standortwahl). Die Rahmenbedingungen für das Entstehen solcher idealisierter „integrierter Netze“ sind unter heutigen Wirtschaftsbedingungen kaum reproduzierbar und bedürften erheblicher planerischer Eingriffe. Sie sind v. a. in den hochentwickelten Volkswirtschaften nicht mehr im gleichem Maße wie in Entwicklungsländern erforderlich, da Erreichbarkeiten, Logistik und individuelle Mobilität einen Intensitätsgrad erreicht haben, der nicht nur zu einer Verflachung der hierarchischen Organisation der Städte durch Überurbanisierung im Sinne dieses Modells beigetragen haben, sondern weitgehend die oben angesprochene Konvergenz und in zahlreichen, v. a. sozialen und ökologischen, Kontexten sogar eine Umkehrung der Hierarchie bewirkt haben. Aufgrund der nahezu ubiquitären Verfügbarkeit von personenorientierten und der Bedeutung von unternehmensnahen Dienstleistungen hat sich dem klassischen System von zentralen Orten ein weiteres System von urbaner Organisation (Rolle von urbanen Standorten im Rahmen von Wertschöpfungsketten, Produktionsketten) aufgelagert, das zunehmend die Struktur zwischen und innerhalb von Städten bestimmt. In weniger entwickelten Volkswirtschaften führt diese Entwicklung dazu, dass sich ein integriertes System, das dezentrale Versorgungsstrukturen garantieren und damit einen Großteil von Migration verhindern könnte, nicht ausbilden kann. Zahlreiche urbane Standorte bilden innerhalb von Wertschöpfungsketten lediglich die Funktion billiger Glieder (Nutzung humaner und natürlicher Ressourcen) aus, die eher dazu beitragen, dass diese Standorte überproportional wachsen, ohne entsprechend intra- und interregional Infrastruktur aufbauen zu können. Global initiierte Produktionsmärkte führen über Einkommensentwicklung nur schrittweise zur Bildung von Nachfragemärkten.
Urbanisierung auf lokaler Ebene Urbanisierung auf lokaler Ebene umfasst die durch Migration und demographisches Wachstum induzierte strukturelle Ausdifferenzierung von urbanem Raum. Jede Art von Konzentration führt bei weiterem Wachstumsdruck zu Spezialisierung und Differenzierung, im urbanen Kontext v. a. von Nutzungen und Funktionen. Städte entwickeln sich durch zyklisches Kontrahieren (Verdichtung) und Ausdehnen (Diffusion) in der Art, dass vom Kern zur Peripherie hin Stufen unterschiedlicher Ver- und Entdichtung entstehen, die sich in Art von Wachstumsringen baulich, demographisch und funktional ergeben. Mit diesen Wachstumszyklen verändert sich die innere Struktur dieser Städte hinsichtlich Nutzungen und Funktionen. Ändert sich diese nicht durch Anpassung an dieses Wachstum, vergeben sich die Kerne die Möglichkeiten für die Adaption weiterer Innovationen zur Erhaltung ihrer selbst (Braun 1989: theory of complex transition, ratched effect). Bei weiter anhaltendem Wachstum führt dieser Anpassungsvorgang zu räumlich segregierten Spezialisierungen und Differenzierungen, die schließlich in eine Suburbanisierung von Bevölkerung und Arbeitsplätzen sowie eine Subzentralisierung münden. Bei weiterem Wachstum, das sowohl traditionell in den Kern erfolgen kann, aber zunehmend direkt in die Subzentren hineinführt, bilden sich mehrere suburbane Ringe (Sprawl) und dabei löst sich schrittweise die funktionale Bindung an den Kern mit Ausnahme hoch- und höchstrangiger Funktionen, die Zentren verselbständigen sich, desurbanisieren, und bilden unter Umständen v. a. in großräumigen Entwicklungsachsen „Zwischenstädte“ aus. Gelingt der Kernstadt eine kontinuierliche Restrukturierung durch Diffusion von rangniedrigeren Funktionen und Nutzungen, wird sie bei entsprechenden Innovationen in der Lage sein, einen neuen Zyklus zu initiieren (Gaebe 2004). Effekte der Globalisierung (u. a. Flexibilisierung, Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung) im Zusammenspiel mit ▷demographischem Wandel bewirken in strukturell dynamischen urbanen Regionen eine Art Re-Urbanisierung mit jedoch anderen wirtschaftlichen und sozialen Strukturen und Bedingungen ihrer Weiterentwicklung als zu Beginn des Zyklus. Während in diesem ersten Zyklus seit der Industrialisierung über den Fordismus sozial betrachtet eine eher kontinuierliche Nutzungsstruktur entstanden ist, ist heute in globalisierten urbanen Regionen eine Tendenz zu polarisierten Mustern, fragmentiert und mit geringer innerer Kohäsion festzustellen. Ob es sich bei die-
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ser Ausprägung um ein Übergangsstadium handelt (aufgrund einer „Über-Vermittelstandung“ während des Fordismus) oder um einen neuen Entwicklungsstand (Post-Fordismus), ist noch nicht zu entschieden. Es entwickelt sich jedoch eine Struktur, die zukünftig eher duale Stadtstrukturen vermuten lässt, nämlich das Nebeneinander und nur teilweise Überlappen der Fordistischen und Postfordistischen Stadt. Städte dieser Strukturen sind damit durch Suburbanisierung und zyklische Entwicklung mehrkernig. Ihre jeweilige Anpassung wird durch bauliche Verstetigung erheblich behindert. In weniger entwickelten Volkswirtschaften, in denen durch geringe individuelle wie öffentliche Verkehrserschließung eine Anpassung an das Wachstum durch Expansion, Spezialisierung und Differenzierung nicht im notwendigen Umfang möglich ist, wird über Abriss von überkommener Bausubstanz und Infrastruktur räumliche Verdichtung angestrebt, innerhalb derer einzelne Gebäudekomplexe z. B. bevölkerungsmäßig die Größe von Kleinzentren einnehmen (z. B. Hong Kongs New Territories). Arten von Urbanisierung
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Eine Vielzahl von Arten von Urbanisierung kann unterschieden werden, wenngleich enge Zusammenhänge zwischen diesen bestehen (vgl. Bähr 2001). (1) Politisch definierte Urbanisierung steht mit am Anfang der Urbanisierung, denn Städte boten bzw. bieten durch Rechtsverordnungen oder Macht- und Kontrollpositionen Sicherheit, Schutz und Freiheiten. Urbane Gesellschaften entwickelten sich. Mobilität kehrt zeitweise diese Dominanz gegenüber der Peripherie um (Fishman 2000: „urban periphery rules“). (2) Klassische Urbanisierung ist überwiegend eine demographische, die Urbanisierung an sich und den Zyklus von Sub-, De- und Re-Urbanisierung definiert. Mit dieser Art verbunden sind die zyklischen Effekte von Wachstum und Schrumpfung genauso wie spezifische Fertilitäten, Mortalitäten, Migrationsdynamiken oder Lebenserwartungen. (3) „Urbanism“ ist Ausdruck sozialer Urbanisierung. Sie bedeutet Ausbildung und Verbreitung von Lebensstilen, Normen und Werten in die Peripherie, erklärt Segregation, Diversifikation und Migration („line up“). (4) Ökonomische Urbanisierung umfasst die Vorgänge und Organisation der räumlichen und strukturellen Konzentration, Differenzierung und Spezialisierung von Funktionen und Nutzungen. Die gegenwärtige urbane Restrukturierung ist u. a. Gegenstand der „New Eco-
nomic Geography“. (5) Die formale Urbanisierung beschreibt Zustand und Wandel in Grund- und Aufriss urbaner Gestalt in baulicher, architektonischer aber auch sozialer und wirtschaftlicher Form, sie umfasst auch Schwellenwerte von Wachstum, Größe, Dichte und Heterogenität sowie die daraus resultierende Polyzentralisierung. (6) Die funktionale Urbanisierung erfasst den Grad der Konnektivität zwischen Zentren sowie zwischen Zentren und Peripherien, erklärt Arten von Netzwerken aufgrund zunehmender Fragmentierung unterschiedlichster Aktivitäten und deren baulich-infrastrukturelle Realisierung, erklärt weiter Umfang, Intensität und hierarchische Ordnung von Zentralität, Netzwerken und Märkten und räumlich und inhaltlich-strukturell deren Wandel, daraus resultierende Vernetzungen von Systemen sowie das Zusammenspiel der Urbanisierungsarten. Probleme der Urbanisierung, Überurbanisierung Urbanisierung „geht mit Chancen und Risiken einher“ (Bernd/Heinrichs 2007). Sie verbessert und verschlechtert Lebensbedingungen, führt zu Wachstum und Schrumpfung, erlaubt eine höhere Produktivität und ökonomischere Nutzung von Ressourcen genauso wie sie Ressourcen durch Flächenverbrauch oder durch Emissionen vernichtet. Urbane Räume konzentrieren humanes und ökonomisches Kapital, aber auch Elend und Verfall. Sie bieten Chancen einer effektiven und effizienten Bereitstellung und Nutzung von Gütern und Diensten inklusive Verkehrsinfrastruktur und erhöhen gleichzeitig die Risiken für eine nachhaltige Entwicklung (▷Nachhaltige Stadtentwicklung). Mit dem flächenhaften Wachstum der Städte – auch bei stagnierender oder schrumpfender Bevölkerungszahl – werden landwirtschaftlich produktives Land umgenutzt, Eingriffe in den Wasserhaushalt, die Geomorphologie und Biodiversität vorgenommen. V. a. sozial schwächere Bevölkerungsgruppen – nicht nur im Süden – werden auf ökologisch gefährdetes Land (▷Informelle Siedlungen) abgedrängt. Der hohe Wasserbedarf in diesen Zentren übernutzt die Grundwasservorkommen und führt teilweise zum Eindringen von Salzwasser in das Wassersystem (Bernd/Heinrichs 2007). Mangelhafte und fehlende Infrastruktur v. a. der Wasseraufbereitung führt zu teilweise irreversiblen Auswirkungen in den Ökosystemen. Weisman beschreibt diese Szenarien treffend in seinem Buch „The World Without Us“ damit, dass insbesondere Abfallstoffe die langfristigsten Zeitzeugen menschlicher Aktivitäten darstellen.
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Urbanisierung, und v. a. Überurbanisierung, stellt einen zunehmend „riskanten Lebensraum“ (Bernd/Heinrichs) dar (Kindersterblichkeit, Armut, Abwasserversorgung, Abfallentsorgung, Wasser-, Luftverschmutzung). Diese Risiken können nur verringert oder verhindert werden, wenn eine globale wie lokale Entscheidung zur nachhaltigen Entwicklung in Abstimmung aller drei „E’s“ unter „full cost accounting“-Aspekten angestrebt und umgesetzt wird (Braun 1999). Hierzu sind gerade die Potenziale urbanisierter Räume prädestiniert, stellen sie doch die potenzielle Voraussetzung für den Einsatz entsprechender Infrastrukturen (materiell, institutionell und personell), Kapital und Innovation durch räumliche Konzentration und Diffusion dar. Wie rasch Urbanisierung auch heute voranschreitet, zeigen die zehn wahrscheinlichsten Prophezeiungen von Fishman (2000) auf die Frage, wie sich urbane Räume in den nächsten Jahrzehnten entwickeln werden. Alle diese Prophezeiungen sind bereits heute eingetreten. Die hier genannten Probleme sind jedoch nicht Probleme der Stadt sondern in der Stadt. Braun
Literatur Bähr, J. (2001): Einführung in die Urbanisierung. Kiel. Zugriff auf www.berlin-institut.org/fileadmin/user_upload/handbuch_texte/pdf_Baehr_Einfuehrung_Urbanisierung.pdf am 18.10.2009 Bernd H.; Heinrichs, D. (2007): Mega-Urbanisierung: Chancen und Risiken, Nachhaltige Entwicklung in Megastädten. Zugriff auf www1.bpb.de/themen/OTB0ZA,0,MegaUrbanisierung:_Chancen_und_Risiken.html am 18.10.2009 Braun, G. O. (1999): The Compatibility of “Sustainability” with Urban Development. In: Aguilar, A.G.; Escamilla, I. (Hrsg.): Problems of Megacities: Social Inequalities, Environmental Risk and Urban Governance. Mexico City, 191-204 Braun, G. O. (1989): Theoretical Aspects of Complex Transition in Urban Systems. In: Bourne, L.S. u. a.: The Changing Geography of Urban Systems. Pamplona, 103-117 Brunn, St. D.; Williams, J. F.; Zeigler, D. J. (2003): Cities of the World: World Regional Urban Development. New York Fishman, R. (2000): The American Metropolis at Century`s End: Past and Future Influences. In: Housing Policy Debate, 11, 1, 199-213 Gaebe, W. (2004): Urbane Räume. Stuttgart Northan, R. (1979): Urban Geography. New York Pacione, M. (2001): Urban Geography, A Global Perspective. Harlow UN – United Nations (2008a): World Population Policies 2007. United Nations Department of Economic and Social Affairs/Population Division UN – United Nations (2008b): World Urbanization Prospects: The 2007 Revision. United Nations Department of Economic and Social Affairs/Population Division. New York UN – United Nations (2005): Trends in Total Migrant Stock: The 2005 Revision. United Nations Department of Economic and Social Affairs/Population Division. New York Weisman, A. (2007): The World Without Us. New York
URBANITÄT Urbanität – der lateinische Wortstamm steht für „städtisch“ – bezeichnet die besondere Qualität von Stadt gegenüber dem Land. Bis ins 20. Jahrhundert konnte Urbanität in Abgrenzung zum Land bestimmt werden. Die moderne Großstadt ist ein Ort, an dem Fremde leben. Auf dem Dorf gibt es keine Fremden. Der Fremde ist der prototypische Städter. Im öffentlichen Raum der Stadt begegnet jeder, auch der Alteingesessene, dem anderen als ein Fremder. Urbanität beinhaltet Regeln zivilisierten Umgangs unter Fremden. Georg Simmel hat sie beschrieben: Gleichgültigkeit, Distanziertheit, Intellektualität und Blasiertheit (Simmel 1993). Diese Eigenschaften bestimmen ein Verhalten, das die Konfliktmöglichkeiten, die in der unvermeidbaren Begegnung mit Fremden angelegt sind, entschärft, indem es den anderen möglichst wenig zur Kenntnis nimmt. Urbanität dient der Vermeidung von Konflikten: „Urbanität ist nichts als die überlegene Unfähigkeit, sich über die schlechten Manieren andrer zu ärgern“ (Stendhal 1947:433f). Simmel erklärt diese großstadttypische Mentalität als Reflex der in den Städten durchgesetzten Geldwirtschaft und als „Selbstpanzerung“ gegen die Überwältigung durch die Fülle der Reize, die in der modernen Großstadt auf den Einzelnen einstürmen. Simmels urbane Mentalität ist ein Phänomen der industriellen ▷Urbanisierung des 19. Jahrhunderts. Simmel beschreibt Urbanität mit dem Blick auf das Verhalten nur im öffentlichen Raum der Stadt. Hans Paul Bahrdt hat diese eingeschränkte Sicht auf das qualitativ ganz andere Verhalten in der Privatsphäre erweitert (Bahrdt 1961). Auch er sieht in der besonderen Lebensweise des Städters das entscheidende Kennzeichen von Urbanität, aber für ihn ist diese Lebensweise gekennzeichnet durch eine Polarisierung des alltäglichen Verhaltens zwischen Distanziertheit und Gleichgültigkeit in der öffentlichen sowie Intimität und Emotionalität in der privaten Sphäre. Die Kategorien Privatheit und Öffentlichkeit benennen zwei soziale und zugleich räumliche Sphären, deren Polarität und Wechselbeziehung das Charakteristikum der städtischen Lebensweise gegenüber dem Land darstellt. Dass eine solche Polarisierung möglich wurde, hängt wiederum mit gesellschaftlichen Veränderungen im Zuge der industriellen Urbanisierung des 19. Jahrhunderts zusammen (Häußermann/Siebel 2001): Arbeit wurde aus anderen Lebensvollzügen herausgelöst und zeit-
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lich und räumlich von der Wohnung getrennt im Betrieb organisiert. Gleichzeitig ging die Selbstversorgung zurück zugunsten einer Versorgung über Markt und Staat: es entstand der moderne Vergabe- oder Konsumentenhaushalt, der fast seinen gesamten Bedarf durch den Kauf von Gütern und Dienstleistungen auf Märkten oder durch die Inanspruchnahme der öffentlichen Infrastruktur deckt. Der private Haushalt wird damit von Arbeit und Verpflichtungen entlastet, aber auch unentrinnbar in eine Stadtmaschine eingebunden, die ihn mit allem versorgt und die er wiederum mit seiner Arbeits- und Kaufkraft in Gang hält und deren Leistungen oft nur über Geldzahlungen zugänglich sind, was wiederum die Einbindung des Städters in die Systeme der beruflichen Arbeit und des Sozialstaats voraussetzt. Die von beruflicher Arbeit und Selbstversorgungstätigkeiten gereinigte Wohnung kann nun kultiviert werden zum Ort einer emotional aufgeladenen Sphäre von Intimität, Emotionalität und Körperlichkeit als Gegenüber des öffentlichen Raums als Ort eines distanzierten, gleichgültigen Verhaltens. Damit entsteht die Polarität einer privaten und öffentlichen Sphäre, die Bahrdt in den Mittelpunkt seiner Definition von Stadt stellt. Die Trennung von Arbeiten und ▷Wohnen, das Gegenüber von Privatheit und Öffentlichkeit, die Kernfamilie als die soziale Einheit des Wohnens und der Konsumentenhaushalt finden sich heute in Stadt wie Land. Auch Bauern kaufen ihre Lebensmittel im Supermarkt, und was Simmel als großstadttypisches Verhalten beschrieben hat, kennzeichnet den Sozialcharakter moderner Gesellschaften. Urbanität als großstadttypische Lebensweise und Mentalität ist heute nicht mehr an die große Stadt gebunden. Das gilt auch für die anderen Kriterien, mit denen Urbanität als besondere Qualität von Stadt als dem Gegenüber des Landes definiert wird. Die Definition von Urbanität aus dem Gegensatz zum Land hat historische Gründe. Städtebildung wird erst möglich, wenn die in der Landwirtschaft tätige Bevölkerung mehr produziert als sie selber verbraucht. Der erste Städter war der, der nicht mehr tagtäglich mit einer unbeherrschbaren Natur um sein Überleben kämpfen musste. Städtisches Leben beginnt als ein Schritt der Emanzipation aus Naturzwängen. Daher ist Stadt von Anfang an verknüpft mit der Hoffnung, als Städter ein besseres Leben führen zu können. In der europäischen Antike war das eine stadtsässige Aristokratie, die durch Frauen und Sklaven von allen notwendigen Arbeiten befreit war zu einem besseren Leben im Dienst der öffentlichen Ange-
legenheiten und der eigenen geistigen und körperlichen Vervollkommnung. Edgar Salin bezieht sich mit seiner Definition von Urbanität auf dieses antike Ideal: „Urbanität ist Bildung, ist Wohlgebildetheit an Leib und Seele und Geist, aber sie ist […] auch fruchtbare Mitwirkung des Menschen als Polis-Wesen, als politisches Wesen in seinem ihm und nur ihm eigenen politischen Raum“ (Salin 1960:13f). Das politische Merkmal europäischer Urbanität, die demokratische Selbstverwaltung der Stadtgesellschaft, ist im Mittelalter zum einen der beiden wesentlichen Dimensionen des Stadt-LandGegensatzes geworden: die Stadt des europäischen Mittelalters war eine Insel bürgerlicher Demokratie im Meer des Feudalismus. Die zweite Dimension dieses Gegensatzes betraf die Organisation der Ökonomie. Stadtökonomie (▷Stadt- und Regionalökonomie) ist Marktökonomie (Weber 1964) im Gegensatz zur Selbstversorgungswirtschaft des „ganzen Hauses“ auf dem Land. Heute, wo nur noch 2,4 Prozent aller Erwerbstätigen in der Landwirtschaft (▷Landwirtschaft und Agrarpolitik) beschäftigt sind, macht es wenig Sinn, Stadt als Ort derer zu bestimmen, die von landwirtschaftlicher Arbeit freigestellt sind. Nach diesem Kriterium wären fast 98 Prozent aller Deutschen Städter. Ebenso sind Markt und Demokratie nicht mehr die Kennzeichen einer besonderen städtischen Wirtschaftsordnung und einer besonderen Organisation städtischer Politik (▷Stadtpolitik). Berufstätigkeit außerhalb der Landwirtschaft, marktförmige Organisation der Ökonomie; demokratische Verfassung der Politik und die urbane Lebensweise, all das, was historisch die Stadt als das ganz Andere, als räumliche Gestalt einer anderen Gesellschaft gegenüber dem Land gekennzeichnet hat, hat sich von der Stadt gelöst. Die Gesellschaft insgesamt ist heute urbanisiert. Stadt und Land sind keine gesellschaftlichen Gegensätze mehr sondern nur noch ein Mehr oder Weniger vom Gleichen. Darin liegt der entscheidende Grund, weshalb auch dass vierte Merkmal der ▷europäischen Stadt, ihre besondere physische Gestalt, im Meer der Agglomeration verschwindet. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts lebte Urbanität aus dem Spannungsverhältnis der Stadt zum Land. Dieses Spannungsverhältnis war nirgends so ausgeprägt wie in Europa. Der Zugang zur Definition von Urbanität aus dem Gegensatz zwischen Stadt und Land ist deshalb auch gebunden an die europäische Stadt. Wenn hier von Urbanität die Rede ist, so ist folglich eine besondere Qualität der europäischen Stadt gemeint, die auf Städte anderer Kulturkreise nicht
URBANITÄT
übertragbar ist. Aber heute ist der europäischen Stadt ihr gesellschaftliches Gegenüber, das Land, abhanden gekommen. Wenn heute noch von Urbanität als besondere Qualität von Stadt die Rede sein kann, dann erwächst sie nicht mehr aus dem spannungsvollen Verhältnis zum Land. Urbanität als ein Spannungsverhältnis entsteht heute innerhalb von Städten. Simmel hat Urbanität als Spannung zwischen physischer Nähe und sozialer Distanz, zwischen räumlicher Dichte und kultureller Fremdheit beschrieben. Stadt als Ort einer urbanen Kultur lebt vom spannungsvollen Aufeinandertreffen von Fremden, von Heterogenem, von Differenz. Solche Spannungen entstehen v. a. in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche und die Städte sind immer Brennpunkte solcher Veränderungen. Das war im 19. Jahrhundert der Fall, als die industrielle Urbanisierung die Strukturen der alten Residenz- und Bürgerstädte aufbrach und umwälzte, und es ist heute der Fall dort, wo die Dienstleistungsgesellschaft sich die Hinterlassenschaften von 150 Jahren industrieller Urbanisierung aneignet. An solchen Orten wird die spannungsreiche Veränderung der Gesellschaft greifbar. Alte Industriegelände sind nicht nur aus ökonomischen Gründen für kulturelle Initiativen interessant. Ihre Attraktivität gerade für postindustrielle Nutzer beruht auch auf der Spannung zwischen schwerer körperlicher Arbeit und Industriefeudalismus, die diese Gebäude geprägt haben, und der Realität der neuen Nutzer, die dem nicht mehr unterworfen sind. Die postindustriellen Nutzer können deshalb diese überdimensionierten Räume einer vergangenen Epoche, die von der Macht der Industriebarone, von Ausbeutung, aber auch vom Selbstbewusstsein der Arbeiter erzählen, zu ihren Spiel- und Möglichkeitsräumen verfremden. Im Umbruch von der Industrie- zur Dienstleistungs- und ▷Wissensgesellschaft liegt
auch die Chance für eine neue Dimension von Urbanität, in der die wichtigste Epoche der europäischen Stadtgeschichte seit der Gründungsphase der europäischen Stadt, nämlich die 150 Jahre industrieller Urbanisierung, kritisch angeeignet ist, sei es musealisiert, ironisch verfremdet, künstlerisch verarbeitet oder einfach nur umgebaut für neue Nutzungen. Urbane Orte sind Orte der Spannung zwischen Geschichte und Gegenwart, physischer Nähe und sozialer Distanz, Ästhetik und Funktionalität, dem Gehäuse einer überholten gesellschaftlichen Formation und einer neuen Gesellschaft. Solche Spannungen konzentrieren sich auf Orte und Zeiten des gesellschaftlichen Umbruchs. Urbanität ist heute ein lokal begrenztes und zeitlich durchaus flüchtiges Ereignis, nicht mehr die dauerhafte Qualität von Stadt als Ganzer. Heute sind der Prenzlauer Berg in Ostberlin, eine umgenutzte Industrieanlage im Ruhrgebiet oder ein Einwanderungsquartier in Frankfurt am Main Kristallisationspunkte einer neuen Urbanität, morgen vielleicht die Plattenbausiedlungen der ehemaligen DDR. Siebel
Literatur Bahrdt, H.-P. (1961): Die moderne Großstadt. Opladen Häußermann, H.; Siebel, W. (2004): Stadtsoziologie. Frankfurt/M, New York Salin, E. (1960): Urbanität. In: Deutscher Städtetag (Hrsg.): Erneuerung unserer Städte. Vorträge, Aussprachen und Ergebnisse der 11. Hauptversammlung des Deutschen Städtetages. Stuttgart, Köln, 9-34 Siebel, W. (2004): Einleitung. In: Siebel, W. (Hrsg.): Die europäische Stadt. Frankfurt/M, 11-50 Simmel, G. (1993): Die Großstädte und das Geistesleben. In: Simmel, G. (Hrsg.): Das Individuum und die Freiheit. Frankfurt/M, 192-204 Stendahl (1947): Rot und Schwarz, Zeitbild von 1830. Leipzig Weber, M. (1964): Die nichtlegitime Herrschaft (Typologie der Städte). In: Weber, M. (Hrsg.): Wirtschaft und Gesellschaft. Studienausgabe. 2. Halbband. Köln, Berlin, 923-1033
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VERFASSUNGSGRUNDLAGEN DER PLANUNG
VERFASSUNGSGRUNDLAGEN DER PLANUNG Planungen werden traditionell nach formellen und ▷informellen Planungen und die formellen Planungen ihrerseits nach Raumplanungen (▷Raumordnung und Landesplanung und ▷Bauleitplanung) und ▷Fachplanungen (Umweltplanungen und Infrastrukturplanungen) unterschieden. Die Frage nach den Verfassungsgrundlagen der Planung stellt sich primär bei den formellen Planungen, weil nur sie für Bürger und Verwaltungen verbindliche Festlegungen treffen. Von verfassungsrechtlicher Bedeutung sind dabei – bezogen auf die jeweilige Planungsart – die Fragen nach der Gesetzgebungskompetenz und ihrer Reichweite, nach der Verwaltungskompetenz und die bei der Planung zu beachtenden verfassungsrechtlichen Gebote und Schranken. Die Gesetzgebungskompetenzen für die einzelnen Planungen Im Gegensatz zu informellen Planungen bedürfen formelle Planungen einer gesetzlichen Grundlage, zumal wenn sie Eigentümerbefugnisse an Grund und Boden regeln, da nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Inhalt und Schranken des Eigentums durch die Gesetze bestimmt werden. In den Gesetzen zur formellen Planung werden zumeist die Zuständigkeiten, Auftrag und Inhalt, das Verfahren und die materiellen Maßstäbe der Planung geregelt. So regelt z. B. das Baugesetzbuch die Bauleitplanung und das Raumordnungsgesetz in Verbindung mit dem jeweiligen Landesplanungsgesetz die Raumordnungsplanung. Für den Erlass dieser Gesetze bedarf es jeweils der grundgesetzlichen Ermächtigung, die für den Bund im Abschnitt VII. des Grundgesetzes (GG) mit der Überschrift „Gesetzgebung des Bundes“ geregelt ist. Die Gesetzgebungskompetenz für die Raumordnung
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Die kompetenzrechtlichen Grundlagen für die Raumordnungsplanung (▷Raumordnung und Landesplanung) sind 2006 im Rahmen der Föderalismusreform I verändert worden. Hatte der Bund bis dahin die Kompetenz zur Rahmengesetzgebung nach Art. 75 GG a. F. und durfte Rahmenvorschriften für die Gesetzgebung der Länder erlassen, die die Länder in ihren Landesplanungsgesetzen umzusetzen hatten, hat er seitdem die
Kompetenz zur konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 31 GG im Sinne unmittelbarer Rechtswirkungen gegenüber den Trägern der Raumordnungsplanung. Noch nicht geklärt ist die Frage, ob es sich dabei weiterhin nur um die Raumordnung in den Ländern handelt, neben der eine ungeschriebene Zuständigkeit des Bundes aus der Natur der Sache für eine Raumordnung für das Bundesgebiet als Ganzes besteht (▷Bundesraumordnung), oder ob dieser Begriff nun umfassend im Sinne der Raumordnung in den Ländern und im Bund zu verstehen ist. Bei seiner Gesetzgebung ist der Bund nicht an das verfassungsrechtliche Erforderlichkeitsgebot nach Art. 72 Abs. 2 GG gebunden, das Gesetz bedarf auch nicht der Zustimmung durch den Bundesrat, dafür dürfen die Länder vom Bundesrecht abweichende Regelungen treffen (Art. 72 Abs. 3 GG). Das Grundgesetz benennt für den Kompetenztitel Raumordnung keinen abweichungsresistenten Bereich. Dennoch ist umstritten, ob sich ein solcher nicht aus der „Natur der Sache“ ergibt. Weicht ein Land vom Bundesrecht ab, gilt dies jeweils nur für das Land und das Landesrecht. Anstelle des Grundsatzes von Art. 31 GG – Bundesrecht bricht Landesrecht – gilt, dass im Verhältnis von Bundes- und Landesrecht das jeweils spätere Gesetz vorgeht (Art. 72 Abs. 3 Satz 3 GG). Offen ist die Frage, ob es sich bei landesrechtlichen Vorschriften, die das Bundesrecht zum besseren Verständnis des übrigen Landesrechts lediglich wiederholen, um Bundesoder Landesrecht handelt, was im Hinblick auf eine einheitliche Auslegung durch das Bundesverwaltungsgericht von Bedeutung ist. Auf dieser Grundlage hat der Bund das Raumordnungsgesetz vom 22.12.2008 erlassen, das im Zusammenwirken mit dem jeweiligen Landesplanungsgesetz (ergänzendes und abweichendes Landesrecht) die Raumordnungsplanung in den Ländern regelt. Die Gesetzgebungskompetenz für die Bauleitplanung Die ▷Bauleitplanung ist im Baugesetzbuch geregelt, das sich im Wesentlichen auf die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes für das Bodenrecht und den städtebaulichen Grundstücksverkehr nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG stützt. Seit dem Baurechtsgutachten des Bundesverfassungsgerichts von 1954 (BVerfGE 3:407) gehören zur Materie des Bodenrechts solche Vorschriften, die den Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand rechtlicher Ordnung haben, also
VERFASSUNGSGRUNDLAGEN DER PLANUNG
die rechtlichen Beziehungen des Menschen zum Grund und Boden regeln. Soweit die städtebauliche Planung verbindliche Kraft für den einzelnen Grundstückseigentümer hat, bestimmen diese Pläne, in welcher Weise der Eigentümer seinen Grund nutzen darf, insbesondere, ob er überhaupt bauen darf und in welcher Weise (Art der Nutzung). Die städtebauliche Planung bestimmt also die rechtliche Qualität des Bodens. Das Recht, das diese Planung vorsieht und ordnet, gehört darum zum Bodenrecht im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG. Entsprechendes gilt für die eine verbindliche Bebauungsplanung vorbereitende Flächennutzungsplanung. Regelungen, die sich auf den Kompetenztitel des Bodenrechts gründen, unterliegen nach Art. 72 Abs. 2 GG nicht der verfassungsrechtlichen Erforderlichkeitsprüfung. Da das Baugesetzbuch u. a. auch das Verfahren der ▷Bauleitplanung regelt, bedürfen künftige Änderungen des BauGB nach Art. 84 Abs. 1 GG der Zustimmung des Bundesrates, sofern der Bund wegen eines besonderen Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung das Verwaltungsverfahren ohne Abweichungsmöglichkeit für die Länder regeln will. Jede Ermächtigung zur Gesetzgebung enthält zugleich auch eine inhaltliche Beschränkung. So beschränkt die Voraussetzung, dass es sich um eine Regelung der Beziehungen des Menschen zum Grund und Boden handelt, zugleich die Regelungskompetenzen des Bundes aus dem Gesichtspunkt des Bodenrechts. Dies wird z. B. aktuell diskutiert hinsichtlich möglicher Festsetzungen in einem Bebauungsplan zur Durchsetzung energiepolitischer Ziele (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 23b BauGB). Die Regelungskompetenz für die rechtlichen Beziehungen des Menschen zu Grund und Boden beschränken sich jedoch nicht auf Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft i. S. d. Art. 28 Abs. 2 GG, sondern können auch nationalen, europäischen oder globalen Klimaschutzzielen dienen (▷Klimawandel). Auf der anderen Seite ist es grundsätzlich nicht ausgeschlossen, ein Gesetz, das eine Materie im Sachzusammenhang regeln soll, auf unterschiedliche Kompetenztitel zu stützen, wie z. B. das Bundesbodenschutzgesetz. Die Gesetzgebungskompetenzen für die Fachplanungen Für die ▷Fachplanungen gelten vergleichbare Regeln. So sind die Luftreinhaltepläne in §§ 44ff BImSchG, die Lärmminderungspläne in §§ 47aff BImschG geregelt, die beide kompetenzrechtlich auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG gestützt sind. Soweit
die Fachplanungen in Form von Planfeststellungen ergehen, gilt entsprechendes. So regeln §§ 17ff FStrG die Planfeststellung von Bundesfernstraßen, gestützt auf die Kompetenznorm des Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG. Die Verwaltungskompetenz zur Durchführung der Planverfahren Unter Verwaltungskompetenz in Verbindung mit formellen Planungen versteht man die Festlegung der Verwaltungsorganisation, die das Planverfahren durchführt und die Planung nach außen verbindlich macht. Das kann, muss aber nicht die gleiche Stelle sein. Sie fällt z. B. bei der Bauleitplanung zusammen. Für die Aufstellung des Plans und für seine Beschlussfassung sind die Gemeinden zuständig, wobei die Hauptsatzung der jeweiligen Gemeinde die notwendigen Aufgabenverteilungen zwischen Verwaltung und Gemeinderat festlegt. Bei Planfeststellungen fallen dagegen die den Plan aufstellende Stelle und die den Plan genehmigende Stelle regelmäßig auseinander. Zur Verteilung der Verwaltungskompetenzen zwischen Bund und Ländern bestimmt die Grundnorm des Art. 83 GG, dass die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit ausführen, soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zulässt. Die Bestimmung des jeweiligen Trägers einer Planung obliegt danach den einzelnen Ländern. Eine Ausnahme bildet z. B. die bundeseigene Verwaltung (Art. 87 GG) mit ihren Fachplanungen wie der Planfeststellung für Bundeswasserstraßen. Für die sog. Bundesauftragsverwaltung (Art. 85 GG), wie die Planung von Bundesfernstraßen, gelten gleichfalls gesonderte Regeln. Im Bereich der Raumordnung beansprucht auch der Bund aus der Natur der Sache eine (eingeschränkte) Verwaltungskompetenz im Sinne einer Planungskompetenz u. a. für die ausschließliche deutsche Wirtschaftszone (§ 17 Abs. 3 ROG), weil dieser Raum auf der Nord- und Ostsee nicht zum Gebiet der deutschen Küstenländer gehört. Für die Bauleitplanung stellt sich die Frage, ob sie zum Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung i. S. d. Art. 28 Abs. 2 GG gehört und daher der jeweiligen Gemeinden entgegen § 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB – „Die Bauleitpläne sind von der Gemeinde in eigener Verantwortung aufzustellen“ – nicht von einem Land zumindest teilweise entzogen und einem anderen Träger, wie einem Gemeindeverband, zugewiesen werden kann. Diese Frage ist bisher noch nicht durch Bundesgerichte entschieden worden, jedoch im Sinne des § 204 BauGB (gemeinsamer Flächen-
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nutzungsplan, Bauleitplanung bei Bildung von Planungsverbänden und bei Gebiets- und Bestandsänderung) zu beantworten. Eine verfassungsrechtlich begründete Sonderstellung verfahrensrechtlicher und materiell-rechtlicher Art haben die Verfassungsorgane des Bundes bei der Bauleitplanung Berlins als Hauptstadt Deutschlands. Kommt es in einem Gemeinsamen Ausschuss zwischen Bund und Berlin zu keiner Übereinstimmung, können die Verfassungsorgane des Bundes ihre Erfordernisse eigenständig feststellen (§ 247 BauGB). Unter Beachtung des gegenseitigen Rücksichtnahmegebots sind die Bauleitpläne und sonstigen städtebaulichen Satzungen in Berlin so anzupassen, dass den festgestellten Erfordernissen der Verfassungsorgane des Bundes in geeigneter Weise Rechnung getragen wird. Materielle Maßstäbe für Planungen mit Verfassungsrang Die Planungen unterliegen vielfältigen materiellen Anforderungen, die ihren Grund in der Verfassung haben. Dabei geht es in erster Linie um den Schutz der Grundrechte, insbesondere der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Baufreiheit und Bauleitplanung
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Zum Inhalt des durch Art. 14 GG geschützten Eigentums an Grund und Boden gehört auch das Recht der baulichen Nutzung im Rahmen der Gesetze (BVerfGE 35:263), die sog. Baufreiheit als das Recht zu Bauen im Rahmen der Gesetze. Die Baufreiheit im Sinne der baulichen Nutzbarkeit eines Grundstücks beruht nicht auf einer öffentlich-rechtlichen Verleihung durch einen Bebauungsplan oder eine Planfeststellung, sondern ist Bestandteil des Eigentumsrechts. Inhalt und Schranken der eigentumsrechtlichen Baufreiheit werden gem. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG durch die Planungsgesetze bestimmt. Der Ausgestaltung und den Schranken der (potenziellen Baufreiheit) durch die Planungsgesetze kommt daher einer Art eigentumsverteilender Wirkung zu. Dabei ist auf die Situationsgebundenheit des Eigentums abzustellen. Die konkrete Lage und die Eingebundenheit in vorgegebene, natürliche Situationen sind für die Inhaltsbestimmung des Grundeigentums besonders kennzeichnend. Hieraus können sich situationsbedingte Belastungen und noch im Rahmen der Sozialbindung bleibende Einschränkungen ergeben, die aber dennoch z. T. mit Entschädigungsregelungen zu versehen sind, wie die Vorschriften über die Entschädigung nach §§ 39ff
BauGB bei Umplanungen. Der Eigentümer hat indes keinen Anspruch auf die wirtschaftlich beste Nutzung seines Grundstücks. Besondere Regeln gelten für Enteignungen nach Art. 14 Abs. 3 GG, wie sie z. B. §§ 85ff BauGB enthalten, aber auch für städtebauliche Satzungen mit enteignungsrechtlichen Vorwirkungen wie ▷städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen nach § 165 BauGB. Das Gebot gerechter Abwägung und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Die materiellen Maßstäbe für die Raumplanungen und Fachplanungen finden sich umfassend in den jeweiligen Gesetzen. Ein unmittelbarer Rückgriff auf materielle Grundsätze mit Verfassungsrang ist daher regelmäßig nicht erforderlich. Dennoch ist das Bewusstsein wichtig, dass hinter einzelnen fachgesetzlichen Regeln verfassungsrechtliche Prinzipien stehen, die immer dann gelten, wenn eine entsprechende fachgesetzliche Regelung anzuwenden ist oder gar fehlt. Dies gilt z. B. für die ▷Abwägung als materielles (und verfahrensrechtliches) Kernelement jeder Planung. Das Gebot gerechter Abwägung ergibt sich nach der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Wesen der rechtsstaatlichen Planung (Rechtsstaatsprinzip) und gilt dementsprechend allgemein, auch wenn es im Einzelfall nicht normiert ist (BVerwGE 34:301). Bei der planerischen Entscheidung ergibt sich aus der Verschränkung von Baufreiheit und Planungsvorbehalt das Gebot der Berücksichtigung des Eigentumsschutzes als abwägungserheblicher privater Belang. Die Auswirkungen der Planungen auf das Grundeigentum bedürfen daher stets der Rechtfertigung durch entsprechend gewichtige Allgemeinwohlbelange. Vergleichbares gilt für den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Teil des Abwägungsgebots. Danach ist ein dem Einzelfall gerecht werdender Interessenausgleich unter maßgeblicher Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen zu erreichen. Einschränkungen der Eigentumsbefugnisse dürfen nicht weiter reichen als der Schutzzweck, dem die Regelung dient. Die Regelung der baulichen und sonstigen Nutzung des Grundeigentums, die den Anforderungen des Abwägungsgebots entspricht, ist daher grundsätzlich eine zulässige Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird ferner das Gebot der Rücksichtnahme abgeleitet, das sich aus der Situationsgebundenheit des Grundstücks im Rahmen der Sozialpflichtigkeit nach Art. 14 Abs. 2 GG herleitet.
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Diese – und andere – materiellen Maßstäbe mit Verfassungsrang sind bei der Auslegung der einfachgesetzlichen Regelungen der Planungsgesetze heranzuziehen. Sie können zugleich helfen, bei der Aufstellung von Plänen einfache von gravierenden Fehlern zu unterscheiden. So kann der Gesetzgeber Fehler bei der Befolgung von Normen, die Grundsätze des Verfassungsrechts konkretisieren – wie das Abwägungsgebot - nicht generell für unbeachtlich erklären, wohl aber hinsichtlich einzelner Teilaspekte. Verfahrensrechtliche Vorschriften mit Verfassungsrang? „Grundrechtsschutz durch Verfahren“ ist im deutschen Recht – im Gegensatz etwa zum Europarecht - ein zartes Pflänzchen geblieben (vgl. BVerfGE 53:30) und würde sich nur auf die Betroffenenbeteiligung und nicht auf die weitere Bürgerbeteiligung oder Beteiligung der Öffentlichkeit beziehen (▷Partizipation). Die Beteiligungsverfahren dienen den Planungsträgern zur Informationsbeschaffung. Der Öffentlichkeit ermöglicht sie kontrollierende Einflussnahme im Sinne der Wahrnehmung unmittelbarer demokratischer Funktionen. Schließlich verbessert sie den Rechtsschutz der Betroffenen, weil sie sich frühzeitig in die Planungsprozesse einbringen können. Die Rechtsprechung reagiert auf eine unterlassene Beteiligungen von Trägern eigener Rechte zumeist dadurch, dass sie belastende Rechtswirkungen nicht eintreten lässt (so wenn eine Gemeinde bei der Aufstellung eines Ziels der Raumordnung nicht beteiligt worden ist – BVerwG, NVwZ 2002:869) oder für das Genehmigungsverfahren eine nachvollziehende Abwägung anordnet (wenn ein betroffener Grundstückseigentümer im Planaufstellungsverfahren nicht beteiligt worden ist – vgl. BVerwG, BVerwGE 115:17). Runkel
VERKEHR
Begriffsklärung und -abgrenzung „Verkehr ist die Ortsveränderung von Personen, Gütern oder Nachrichten“ (Pirath 1949:3) und in einer erweiterten Version auch „die Ortsveränderung von Energie“. Es handelt sich somit um einen physikalischen Vorgang in Raum und Zeit. Der
mit „Verkehr“ in enger Verbindung stehende Begriff „Mobilität“ impliziert Optionen bzw. Möglichkeiten zu Orts- und Positionsveränderungen. Er weist damit im allgemeinen Sprachgebrauch positive Konnotationen der Wahlfreiheit und der Selbstbestimmtheit, der Zeit- und Ortsunabhängigkeit auf. Dabei sind in einer weiten Begriffsdeutung von Mobilität auch impliziert: körperliche (und geistige) Beweglichkeit, soziale Positionswechsel hinsichtlich Status und sozialen Rollen, Arbeits-, Ausbildungsplatz- oder Haupttätigkeitsstandortwechsel sowie insbesondere Wohnstandortwechsel („Wohnortmobilität“) wie aber auch alltägliche Standortwechsel zwischen Wohnung, Arbeitsplatz/Arbeitsplätzen, Ausbildungsplätzen, Freizeit- und Erholungsstandorten (Beckmann 2001a:87ff ). Alltagsmobilität ist Ausdruck von Teilnahme und Teilhabe an sozialen, gesellschaft lichen, wirtschaftlichen und kulturellen Austauschprozessen bzw. von entsprechenden Teilnahmemöglichkeiten. Die Ausschöpfung der Alltagsmobilität als Teilnahmemöglichkeiten impliziert „physische“ Ortsveränderungen im Sinne von Verkehr – unter Einsatz verschiedener Verkehrsmittel: Fußverkehr, Fahrradverkehr, motorisierter Individualverkehr, öffentlicher Nahverkehr, öffentlicher Fernverkehr auf Straßen oder Schienen, Schiffsverkehr, Luftverkehr. Die Ausschöpfung von Teilnahmemöglichkeiten hängt zum einen von den individuellen Verkehrskompetenzen – wie körperliche, kognitive und rechtliche Fähigkeiten zum Gehen, Rad- und Autofahren oder zur Nutzung des öffentlichen Verkehrs – und zum anderen von den Verkehrsangeboten (Netzqualitäten, Tarife, Zulassungsregelungen) sowie den individuellen Verkehrsmittelverfügbarkeiten (z. B. PKW-Ausstattung) ab. Verkehr ist also realisierte Mobilität. Teilhabe- und Teilnahmemöglichkeiten bestimmen sich neben den Möglichkeiten zur Raumüberwindung v. a. auch durch die Verteilung der Nutzungsgelegenheiten im Raum. Die individuellen Teilnahmemöglichkeiten sind somit Ausdruck der Erreichbarkeit von Gelegenheiten. Verkehr ist i. d. R. Mittel zum Zweck, also zur Erreichung von Gelegenheiten. Zum Teil erfolgen Ortsveränderungen aber auch als Selbstzweck, wenn es um Wahrnehmungs- und Erlebnismöglichkeiten auf dem Weg geht (Spaziergang, Spazierfahrt). Ortsveränderungen von Personen, Gütern, Nachrichten und Energie sind Vorausset-
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zungen für die Funktionstüchtigkeit von arbeitsund funktionsteiligen Raumstrukturen, damit auch für Städte. Messgrößen von Verkehr sind Wegeanzahl, Wegehäufigkeiten, Wegeentfernungen, Verkehrsmitteleinsatz für Wege, Zeitpunkte und Dauer von Ortsveränderungen, Wegzwecke bzw. Tätigkeiten am Zielort, Fahr-/Reisegeschwindigkeiten. Messgrößen für Erreichbarkeit sind unter Zeit- oder Entfernungsrestriktionen erreichbare Aktivitätsgelegenheiten. Verkehr als physikalisches Phänomen ist mit Ressourcenbeanspruchungen und (physikalischen) Auswirkungen verbunden: Flächenbeanspruchung, Flächenzerschneidung, Energieeinsatz, Lärmemissionen, Schadstoffemissionen, Emissionen klimarelevanter Gase, Unfallgefährdungen usw. Es bleibt zusammenfassend festzuhalten, dass Verkehr Ausdruck des alltäglichen Raum-ZeitVerhaltens von Personen, Haushalten oder Gruppen ist, das durch die weitgehend fehlenden Möglichkeiten zur Gleichzeitigkeit und insbesondere Gleichörtlichkeit verschiedener Tätigkeiten/Aktivitäten verursacht ist, Veränderungen von Verkehr durch soziale Mobilität und/oder Standortmobilität hinsichtlich Haupttätigkeitsstandorten verursacht sein können oder durch diese ersetzt werden können (z. B. Umzug statt Fernpendeln), Verkehr sowohl Mittel zum Zweck als auch Selbstzweck sein kann, Verkehr von Personen zum Teil durch physische Mobilität von Waren oder Leistungen substituiert werden kann (z. B. Tele-Shopping mit Lieferservice statt Einkaufswege von Personen), Physische Mobilität (Verkehr) zum Teil in substituierender, aber auch induzierender Wechselwirkung zur virtuellen Mobilität mit/in Informations- und Kommunikationstechnologien stehen kann.
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Individuelle Mobilität weist aufgrund zeitlich regelmäßiger Bedürfnisentstehung und -befriedigung häufig zeitliche Rhythmen auf (▷Raumzeitstrukturen): z. B. alltäglicher Arbeits- und Schulweg, wöchentlicher Großeinkauf, regelmäßige Besuche von Sport-, Kultur- oder Freizeiteinrichtungen, jährlicher Sommer- und Skiurlaub. Die Rhythmik ist abhängig von individuellen Merkmalen (u. a. Alter, Geschlecht, Beteiligung am Arbeitsprozess), von räumlichen Gelegenheitsangeboten (Lage und Erreichbarkeit der Nutzungsgelegenheiten, Verkehrsangebote) sowie von angebotsseitigen Zeitordnungen (Arbeitszeiten,
Öffnungszeiten usw.). Die Analyse von Rhythmen und deren Habitualisierung zu Routinen gewinnt in der Mobilitätsforschung eine zunehmende Bedeutung. Die Rhythmen prägen sich in aggregierter Form als Tages-, Wochen-, Monatsoder Jahresganglinien von Verkehrsaufkommen, Verkehrsleistungen, Verkehrsbelastungen (Verkehrsstärke, Verkehrsdichte usw.) aus. Sie finden sich in Wegehäufigkeiten und -regelmäßigkeiten von Einzelpersonen oder Haushalten. Verkehr und Stadt, Verkehr und Raumentwicklung – ein unauflösbares Wechselverhältnis! Verkehrsanlagen – auch natürlicher Art wie Furten, Gebirgspässe, natürliche Häfen – und bedeutsame Verkehrsknoten von Fernverkehrswegen konstituieren auch heute noch besondere Erreichbarkeitsbedingungen und -qualitäten. Diese waren historisch Voraussetzungen für temporäre Nutzungen – z. B. Märkte, Messen, Feste –, aber auch für die Entstehung von Machtzentren und v. a. für Stadtgründungen als Handelsplätze. Heute gilt dies in besonderem Maße für internationale Flughäfen, Bahnhöfe des Hochgeschwindigkeitsschienenverkehrs, Autobahnknoten und -abfahrten. Verkehrliche Anbindung und äußere verkehrliche Erschließung von Teilräumen, Standorten oder Baugebieten dienen – im Zusammenspiel mit planungsrechtlichen Regelungen von Nutzungsoptionen (Baurecht) sowie den weiteren Elementen der ▷Erschließung wie netzgebundenen Verund Entsorgungssystemen (Wasser, Abwasser, Energie usw.) – der Produktion von Standorten, d. h. sie sind Voraussetzungen für die Nutzbarkeit von Standorten. Verkehrsanlagen – insbesondere Straßen und Wege – sowie Verkehrsangebote und Verkehrsmittelverfügbarkeiten sind somit wesentliche Voraussetzungen für Stadtentstehung und Stadtentwicklung; diese erzeugen aber ihrerseits durch die funktions- und arbeitsteilige Siedlungsund Nutzungsstruktur Ortsveränderungen/Verkehr, die Verkehrsanlagen, Verkehrsmittel und Verkehrsangebote voraussetzen. Straßen und Wege, partiell auch Bahnhöfe, Haltepunkte, Flughäfen und öffentliche Verkehrsmittel, sind öffentliche Räume, in denen sich als Pendant zu privaten Räumen (z. B. Wohnung, Arbeitsplatz) öffentliches Verhalten ausbilden kann. Öffentliche Räume eröffnen Möglichkeiten zu distanzierten und partiell verhaltensbeliebigen Kontakten. Im Wechselspiel von Privatheit und Öffentlichkeit konstituiert sich ▷Urbanität. So sind Stadtstraßen, Stadtwege und Stadtplätze nicht nur Zuwegungen
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zu Grundstücken, Gebäuden oder Infrastruktureinrichtungen, sondern gleichzeitig Räume für Tausch/Handel, Kommunikation, Selbstdarstellung, Präsentation und Repräsentation, aber auch für politische Auseinandersetzung und Diskussion. Bis auf wenige Ausnahmen – z. B. Stadtautobahnen, Bahntrassen/Bahngleise, Rollfelder u. ä. – haben städtische Verkehrsanlagen daher multifunktionalen Charakter des Aufenthalts, des Austauschs, der Grundstücks- und Gebäudeerschließung, aber auch des Passierens (Durchgangsverkehr). Die technischen Möglichkeiten der Verkehrsmittel haben Stadtausdehnung (Fläche) und Stadtwachstum (Einwohnerzahl) beeinflusst. Dominierten bis Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts die Fußgänger- und Kutschenstadt, eröffneten die Eisenbahnen im Zuge der Industrialisierung strahlenförmige Ausdehnungen der Städte entlang der Eisenbahnachsen. Pferdebahnen, S-Bahnen, U-Bahnen, Straßenbahnen waren Voraussetzung für das enorme Stadtwachstum in der Gründerzeit Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts mit raumstrukturierenden Wirkungen der Schienenstrecken (▷Urbanisierung). Erst mit dem Aufkommen der individuellen Motorisierung entstanden in den 1920er und 1930er Jahren flächenhafte periphere Villengebiete. Die Massenmotorisierung der Nachkriegszeit erschloss den Stadtrand und den suburbanen Raum für Geschosswohnungsbau wie auch v. a. für den flächenbeanspruchenden Einfamilienhausbau. Im Grundsatz hat sich das Wechselverhältnis von verkehrlicher Erreichbarkeit von Standorten und Teilräumen in der Stadt, Dichtestrukturen der Bebauung und Nutzung in Stadt und Region, Flächenbeanspruchungen durch Verkehrsanlagen, Lärm- und Schadstoffemissionen und -immissionen durch Verkehr, Grundstückspreisen nicht gewandelt. Stadt- und Siedlungsentwicklung stehen in einem unauflösbaren Wechselverhältnis mit der Gestaltung des Stadt- und Regionalverkehrs. Einflussgrößen von Mobilität und Verkehr Eine wirksame Gestaltung von Verkehr im Zusammenhang einer ▷nachhaltigen Stadtentwicklung setzen ein Verstehen von Mobilität und Verkehr voraus. Für den Güter- und Wirtschaftsverkehr – einschließlich des Personenwirtschaftsverkehrs, d. h. des Verkehrs von Personen, die im Rahmen
Bedingungszusammenhang individueller Tätigkeiten (Heidemann 1985:52)
ihrer Fahrten Leistungen erbringen (z. B. Handwerker, Vertreter, Kräfte der häuslichen Pflege) – sind die Produktions- und Leistungsketten und damit die Arbeitsteilung und Spezialisierung in Produktion und Leistungserbringung die zentralen Determinanten. Im Personenverkehr sind es die individuellen Tätigkeiten, die an verschiedenen Standorten ausgeübt werden. Die Teilnahme von Individuen oder Haushalten an den wirtschaftlichen, sozialen, gesellschaftlichen oder kulturellen Vermittlungs- und Austauschprozessen – damit auch die Strukturen von Ortsveränderungen und Verkehr – werden hinsichtlich Art, Intensitäten, Häufigkeiten, Zeitpunkten und Orten durch Sozialverhältnisse, Zeitordnungen und Raum-/Standortkonfigurationen beeinflusst (siehe Abbildung). Sozialverhältnisse bestimmen Handlungsanforderungen, Handlungsziele, Handlungspräferenzen, aber auch Handlungsmittel und Handlungsmöglichkeiten der Individuen und Haushalte. Sie bestimmen also, an welchen Austauschprozessen Individuen oder Haushalte wie, wann, wo und unter welchem Mitteleinsatz teilnehmen. Zeitordnungen bestimmen die Zeitpunkte, die Zeitdauer, die Häufigkeiten und damit häufig auch die Orte der Teilnahme an Austauschprozessen. Zeitordnungen drücken sich u. a. in Öffnungszeiten, Betriebszeiten, Arbeitszeiten, aber auch in Jahreszeiten, Wochentagen usw. aus. Die Sach-/Raumkonfigurationen bestimmen die möglichen Standorte für Austauschprozesse, deren Erreichbarkeiten und die dazu notwendigen Aufwände (Kosten, Zeit etc.). Sozialverhältnisse, Zeitordnungen und Raumkonfigurationen sind somit Rahmenbedingungen der Mobilität unterschiedlicher Zeitebenen, v. a. aber der – die alltäglichen Raum-Zeit-Verhaltens-
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weisen und resultierenden Verkehrsvorgänge prägenden – Tätigkeitsrepertoires (Tätigkeitsmöglichkeiten), Tätigkeitsprogramme (Art und zeitliche Abfolge der Aktivitäten), Tätigkeitsmuster (zeitliche und räumliche Regelmäßigkeiten, Organisation der Tätigkeiten). Die zugrunde liegenden Austausch- und Vermittlungsprozesse setzen voraus, dass die Standorte nutzbar gemacht (produziert) werden, Erreichbarkeiten der Standorte gewährleistet werden, Nutzungsbedingungen und Betriebsformen der Standorte geregelt werden, der Betrieb von Standorten und Verkehrsanlagen/-mitteln, von Informations- und Kommunikationsnetzen/-diensten organisiert und gesichert wird, Betriebsauswirkungen (z. B. Unfallgefährdungen, Umweltbelastungen) kontrolliert werden. Die Einflussgrößen realisierter alltäglicher Mobilität sind: Individuelle Faktoren (Motive, Bedürfnisse, Lebensstile, Einstellungen, …), Individuelle Möglichkeiten/Mittelausstattungen (Zeit, Finanzmittel, Führerscheinbesitz, Pkw-Verfügbarkeit, …), Infrastrukturangebote der Kommunikationsnetze (Straßennetz, ÖPNV-Angebote, Kommunikationsnetze, …), Siedlungs- und Standortmuster (Gelegenheitsstandorte).
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In der Gestaltung von Verkehrssystemen standen bisher Veränderungen der Infrastrukturangebote der Verkehrsnetze – einschließlich Anlagen, Verknüpfungspunkten, eingesetzten Fahrzeugen, Betriebsorganisation, Betriebsregeln, Kostenstrukturen und Kostenanlastungen – im Vordergrund der Handlungsansätze. Zunehmend ist aber das Bewusstsein für das Erfordernis einer Beeinflussung der Siedlungs- und Standortmuster wie auch der individuellen Tätigkeitsmuster und -programme durch finanzielle Anreize, Information und/ oder Beratung gewachsen. Neben den skizzierten soziodemographischen Erklärungsansätzen der Ortsveränderungen, nach denen sich Tätigkeitsrepertoires, Tätigkeitsprogramme und Tätigkeitsmuster v. a. nach den sozialen Rollen (Alter, Geschlecht, Familienstand,
Erwerbsfähigkeit, Haushaltsstruktur usw.) und den Verkehrsmittelverfügbarkeiten ausprägen, gewinnen zunehmend psychologische Erklärungselemente wie Lebensstile, individuelle Einstellungen, subjektive Normen und Vorstellungen zur Normenkontrolle (vgl. Ayzen 1991) an Erklärungsbedeutung. Die Verkehrsmittelwahl wird nicht nur durch Verfügbarkeiten, Zeitaufwände und Kosten beeinflusst, sondern auch durch symbolisch-emotionale Merkmale der Verkehrsmittel wie Status, Privatheit und Erleben (Hunecke/ Beckmann/Langweg 2007). Strategische Planung der Verkehrsentwicklung Die engen Wechselwirkungen von Stadt- und Verkehrsentwicklung machen es erforderlich, dass die strategische Planung der Verkehrsentwicklung eine enge Abstimmung mit der ▷Stadtentwicklungsplanung und der vorbereitenden ▷Bauleitplanung erfährt. Mit den durch EU-Richtlinien (Umgebungslärm, Luftreinhaltplanung) gegebenen Erfordernissen zu sektoralen Plänen der Umweltverbesserung, in denen der Verkehr einen zentralen Handlungsbereich darstellt, ergibt sich ein verstärktes Abstimmungserfordernis der Verkehrsentwicklungspläne mit diesen sektoralen Maßnahmenplänen (Gertz 2007). Ein entsprechendes Koordinationserfordernis ergibt sich auch mit den Nahverkehrsplänen als sektoralen Fachplänen des öffentlichen Personennahverkehrs nach den Nahverkehrsgesetzen der Länder. Die in einer Vielzahl von Städten vermehrt erarbeiteten Klimaschutz- bzw. CO2-Minderungskonzepte müssen mit den lokalen bzw. regionalen Verkehrsentwicklungsplänen abgestimmt werden. Außerdem werden Verkehrsentwicklungspläne zunehmend einer strategischen ▷Umweltprüfung unterzogen. Im Rahmen der strategischen Verkehrsentwicklungsplanung sind aufbauend auf begründeten Annahmen (Prognosen oder Szenarien) zur demographischen, wirtschaftlichen und siedlungsstrukturellen Entwicklung der Städte bzw. Regionen und unter Beachtung von zu vereinbarenden Zielen der strategischen Verkehrsentwicklung Handlungskonzepte der Verkehrssystemgestaltung zu entwickeln und – im Regelfall durch quantitative Simulationsmodelle gestützt – auf verkehrliche, ökonomische, umweltbezogene, räumlich/siedlungsstrukturelle wie auch soziale Wirkungen zu untersuchen. Zentrales Leitbild der kommunalen Verkehrsentwicklung ist die Nachhaltigkeit – sowohl der Verkehrsentwicklung als auch der Stadtent-
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wicklung – mit ihren sozialen, ökonomischen, ökologischen und kulturellen Aspekten, insbesondere unter Beachtung der physischen und psychisch-emotionalen Befindlichkeiten der Menschen und v. a. der Belange und Anforderungen der Folgegenerationen (▷Nachhaltige Stadtentwicklung). Dies impliziert Anforderungen an Beiträge des Verkehrs bezüglich sozialer Stabilität, sozialer Gerechtigkeit und Chancengleichheit, d. h. Teilhabe- und Teilnahmemöglichkeiten, wirtschaftlicher Entwicklung und zukunftsbeständiger Wirtschaftsweisen, ökologischer Tragfähigkeit, Sicherung und Entwicklung der kulturellen Qualitäten und des kulturellen Erbes, Förderung physischer und psychisch-emotionaler Befindlichkeiten der Menschen. Damit steht die angestrebte Verkehrsentwicklung unter dem Gesamtziel der Erhaltung und Verbesserung der Lebensqualität in den Städten mit den Teilzielen Sicherung der Teilnahmechancen und der Mobilität aller Bürger, Gewährleistung notwendiger Transportvorgänge für wirtschaftliche Austauschprozesse und Verbesserung der Verträglichkeit von Verkehrsentwicklung und -abwicklung mit den Schutzbelangen der städtischen Nutzungen. Dies impliziert eine Verringerung der Ressourcenbeanspruchungen durch Verkehr, eine Verringerung der Umweltbelastungen durch Verkehr, eine Erhöhung der Effizienz der Verkehrsabwicklung und v. a., eine Entkoppelung der (motorisierten) Verkehrsentwicklung von der Wirtschaftsentwicklung und von den Teilnahmemöglichkeiten der Menschen. Zur Erfüllung dieser Ziele werden v. a. folgende Strategien verfolgt: Vermeidung von Verkehr, Verringerung von Verkehrsaufwänden, Verlagerung auf stadtverträgliche(re) Verkehrsmittel, („Umweltverbund“ aus öffentlichem Personennahverkehr, Fuß- und Fahrradverkehr). Zur Verkehrsvermeidung müssen insbesondere stadtplanerische und siedlungsstrukturelle Handlungskonzepte beitragen, die aber auch Beiträge zur Verkehrsaufwandsminderung und zur moda-
len Verkehrsverlagerung auf den Umweltverbund leisten. Es sind dies stadtplanerische Handlungsprinzipien wie (Beckmann 2001b:44ff ) Förderung kompakter Siedlungen, Sicherung einer verträglichen Dichte der Bebauung und Nutzung, Förderung von Ausstattungsqualitäten und Umweltqualitäten im Nahraum der Wohnungen (Infrastruktur, Freiräume, Gestaltungsqualitäten, Lärm, Schadgase), Siedlungsentwicklung an (Haltepunkten der) leistungsstarken Achsen des öffentlichen Personennahverkehrs, Förderung polyzentrischer Siedlungs- und Versorgungssysteme (z. B. Stadtteilzentren), Sicherung einer Durchgrünung und Freiraumbereitstellung – auch unter Aspekten der Bewältigung von Folgen potenzieller Klimaveränderungen (Kaltluftentstehungsgebiete, Durchlüftung, Rückhaltung von Starkregenniederschlägen usw.). Es sollen v. a. Beiträge geleistet werden zur Förderung von Intermodalität, d. h. Kopplung von verschiedenen Verkehrsmitteln in Abhängigkeit von deren zweckmäßigen Einsatzbereichen (z. B. Fußweg zur Bushaltestelle, Umstieg von Bus in S-Bahn, Fußweg von S-Bahnhof zu Arbeitsplatz). Multimodalität, d. h. situationsspezifische Nutzung aller Verkehrsmittel für unterschiedliche Wege und unterschiedliche Bedingungen der Ortsveränderungen (Wegeentfernung, Wegeketten, Gespräch, Begleiter usw.). Verkehrsentwicklungsplanung setzt als Prozess der strategischen Gestaltung des kommunalen Gesamtverkehrssystems intensive Kommunikations- und Beteiligungsprozesse (▷Partizipation) voraus, in die Stadtpolitik, Verkehrsträger, aber auch Wirtschaft und ▷Zivilgesellschaft einzubinden sind. Dies gilt ebenfalls für sektorale ▷Fachplanungen sowie benachbarte Gebietskörperschaften. Auf diesem Weg können Barrieren für eine wirksame und erfolgreiche Umsetzung abgebaut oder weitgehend vermieden werden. So gewinnen öffentliche Diskussionsforen, begleitende Arbeitskreise, Runde Tische etc. eine zunehmende Bedeutung in der Prozessgestaltung. Maßnahmenansätze der Verkehrssystemgestaltung
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Aus der ingenieurtechnischen Fundierung der Verkehrsplanung erwachsend standen lange Zeit
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bauliche und betriebliche Maßnahmen der sektoralen Verkehrsteilsysteme im Vordergrund der Handlungsansätze zur Verkehrssystemgestaltung. Dies betraf insbesondere Neubau und Ausbau von Verkehrswegen, Umbau von Verkehrsanlagen/Verkehrswegen, Erneuerung und funktionale Ertüchtigung von Verkehrsanlagen, Ausstattung von Verkehrsanlagen, Bau von Abstellanlagen, Ausgestaltung von Verkehrsregeln zur Abwicklung, Zulassung und Bevorrechtigung von Verkehrsmitteln, Festlegung von Betriebsformen im ÖPNV (Systemwahl: Taxi, Kleinbus, Bürgerbus, Linienbus, Straßenbahn, Stadtbahn, U-Bahn, S-Bahn, Regionalbahn; Bedienungstakt; Tarife/Entgelte; Bedienungszeiten). Mit der wachsenden Erkenntnis, dass bauliche Erweiterungen aus Kostengründen, wegen mangelnder Flächenverfügbarkeit oder wegen der Eingriffsintensität in Stadt- und Bebauungsstrukturen wie auch aus Gründen der Umweltbelastungen nur noch in einzelnen Fällen möglich, vertretbar und durchsetzbar sind, haben zunehmend Maßnahmen des Verkehrsmanagements zur verträglichen und effizienten Abwicklung des Verkehrs der verschiedenen Verkehrsträger; Maßnahmen des Mobilitätsmanagements zur Beeinflussung der Verkehrsnachfrage und der Verkehrsmittelwahl durch Organisation, Bereitstellung von Diensten, Information und Beratung wie auch finanzielle Anreize an Bedeutung gewonnen. Maßnahmen des Verkehrsmanagements bestehen weitgehend aus kollektiven und individuellen Leit- und Lenkungsstrategien, die auf Informationen über Verkehrszustände, deren Auswertung und Verdichtung zu Steuerungsstrategien basieren. Die Lenkungsvorgaben werden entweder anlagenseitig durch Schilder, Wechselwegweiser, Signalanlagen oder durch kollektive Informationskanäle (Verkehrsrundfunk) an die Verkehrsteilnehmer vermittelt. Individuelle Lenkungsstrategien setzen Kommunikation mit dem Fahrzeug/Fahrzeuglenker voraus, indem unter Berücksichtigung der individuellen Wegziele und Handlungsmöglichkeiten Routen-, Verkehrsmittelwahlempfehlungen usw. gegeben werden.
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Rahmenbedingungen für die Verkehrssystemgestaltung der Zukunft Städtische und regionale Verkehrssysteme müssen schon heute, v. a. aber in Zukunft unter Beachtung
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veränderter Rahmenbedingungen ausgestaltet werden. Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen: Demographische Veränderungen mit einer Alterung und Internationalisierung der Bevölkerung in allen Teilräumen, mit Abnahmen der Gesamtbevölkerung in den meisten Städten und Regionen – mit Ausnahme einiger prosperierender Städte und Ballungsräume (▷Demographischer Wandel), Anforderungen an Klimaschutz mit Erhöhung von Energieeffizienz und Verringerung von CO2-Emissionen (▷Klimawandel), die gleichermaßen durch fahrzeugtechnische, betriebliche, kostenanlastende und siedlungsstrukturelle Maßnahmen bewirkt werden können, mögliche Folgewirkungen der Finanzmarkt- und Weltwirtschaftskrise im Hinblick auf kostenreduzierende Verringerung der Motorisierung von Haushalten oder im Hinblick auf Umgestaltung von Produktions- und Leistungsketten, wobei regionale Produktionscluster oder ein Übergang von der Miniaturisierung zu Komponentenherstellung verstärkt werden können. V. a. wird es darum gehen, durch kommunale und insbesondere regionale Siedlungs- und Standortkonzepte sowie durch ein verstärktes Nutzungsmanagement in Siedlungen, Stadtteilen, Städten und Regionen (Beckmann 2001b und 2004), Stadtqualitäten zu verbessern und gleichzeitig Verkehrsvermeidung, modale Verkehrsverlagerung und verträgliche und energieeffiziente sowie CO2-arme Verkehrsabwicklung zu forcieren. V. a. die Siedlungs- und Standortmuster sind unter Prinzipien wie Kompaktheit, verträgliche Dichte, Mischung, Nahraumausstattung mit Infrastrukturen, Nahraumqualitäten, polyzentrale Versorgungs- und Siedlungsmuster weiter zu entwickeln. Dabei kommt den Handlungsansätzen entgegen, dass sich in der Bevölkerung eine stärkere Affinität zu städtischen Wohnstandorten zeigt. Ursachen liegen u. a. in veränderten Lebensstilen, Haushaltsstrukturen sowie altersbezogenen Wohnstandortwahlen. Dies wird noch verstärkt durch eine wachsende Stadtaffinität des ▷Einzelhandels („Renaissance der Innenstädte“ als Standort für Einkaufszentren) und v. a. zukunftsbezogener Wirtschaftsbereiche (Forschung, Entwicklung, Kunst, Kultur, Beratung; „Kreativwirtschaft“). Zur Sicherung der Standortqualitäten für Städte bzw. in Städten wird v. a. eine verstärkte Aufmerksamkeit auf die Gestaltung öffentlicher Räume und insbesondere der Straßen gelegt werden müssen. Stadtstraßen müssen wieder zu attrakti-
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ven, lebens- und aufenthaltswerten Stadträumen werden, da sie wesentlich die Nahraumqualitäten (Umweltqualitäten, Aufenthaltsmöglichkeiten, Begrünung) und die (nicht motorisierte) Nahraumerreichbarkeiten bestimmen. Beckmann
Literatur Ayzen, I. (1991): The Theory of Planned Behavior. In: Organizational Behavior and Human Decision Processes, 50, 179-211 Beckmann, K. J. (2004): Nutzungsmanagement als Zukunft des Verkehrs. In: Gertz, C.; Stein, A. (Hrsg.): Raum und Verkehr gestalten. Berlin, 219-238 Beckmann, K. J. (2001a): Mobilität. In: Köhler, U. (Hrsg.): Ingenieurbau – Verkehr. Berlin, 87-106 Beckmann, K. J. (2001b): Stadtentwicklung und Verkehr. In: Köhler, U. (Hrsg.): Ingenieurbau – Verkehr. Berlin. 34-57 Beckmann, K. J. (2001c): Verfahrensschritte der Verkehrsplanung – Ziele der Verkehrsplanung. In: Köhler, U. (Hrsg.): Ingenieurbau – Verkehr. Berlin. 138-153 Gertz, C. (2007): Zukunft der Verkehrsentwicklungsplanung, Viele Pläne – (k)eine Strategie. In: PLANERIN, 1, 51-53 Heidemann, C. (1985): Zukunftswissen und Zukunftsgestaltung – Planung als verständiger Umgang mit Mutmaßungen und Gerüchten. In: Daimler-Benz AG (Hrsg.): Report 5. Langfristprognosen – Zahlenspielerei oder Hilfsmittel für die Planung? Düsseldorf, 47-62 Hunecke, H.; Beckmann, K. J.; Langweg, A. (2007): Symbolischemotionales Marketing für den ÖPNV. Düsseldorf Pirath, C. (1949): Die Grundlagen der Verkehrswirtschaft. Berlin, Göttingen, Heidelberg
VERTRAGSMANAGEMENT Begriff An einer anerkannten Definition für den Begriff Vertragsmanagement fehlt es. Die Zweifel am Vorhandensein eines einvernehmlichen Verständnisses sind mindestens so groß wie die Häufigkeit der Verwendung dieses Begriffs. Dies hängt vielleicht auch mit der Zusammensetzung aus den scheinbar vertrauten Begriffen „Vertrag“ und „Management“ zusammen. Vom Wortsinn her stammt „Management“ von manus agere ab, was übersetzt „handhaben“ bedeutet. Damit wird klar, was der Begriff Vertragsmanagement ausdrückt: Zur Handhabung der Verträge gehören der Umgang mit selbigen. Verträge müssen vorbereitet, geschlossen, angewendet und abgewickelt werden. Das Vertragsmanagement muss einen Überblick über die beteiligten Personen, die geregelten Pflichten, den Ort und den Zeitpunkt der Leistungserbringung und die sonstigen Modalitäten der Vertragsabwicklung haben. Dies gilt sowohl im Hinblick auf das Management des einzelnen Vertrags als auch
für das Abstimmen mehrerer Verträge bei komplexen Projekten mit mehreren Beteiligten auf unterschiedlichen Vertragsebenen. Das Vertragsmanagement umfasst damit den Gestaltungs- und Steuerungsprozess für den Umgang mit Verträgen auf allen Ebenen, in allen zeitlichen Phasen und bei allen relevanten Prozessen der unmittelbar oder mittelbar Beteiligten sowie bezüglich aller zur Ausgestaltung des Vertragswerkes zu berücksichtigenden Inhalte. Kategorien Vertragsmanagement ist Sache des Auftraggebers. Je nachdem, welche fachliche Qualifikation und personelle Ausstattung ein gewerblicher Auftraggeber hat, kann das Vertragsmanagement entweder selbst von einer eigenen Vertragsmanagementabteilung oder dem Controlling ausgeübt oder aber an einen externen Projektsteuerer ausgelagert werden. Je kleiner ein Bauvorhaben ist und je übersichtlicher die abgeschlossenen Verträge sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Auftraggeber das Vertragsmanagement selbst übernimmt. Das Vertragsmanagement lässt sich nach Perspektive und Anforderung in drei Kategorien unterteilen. Es gibt das unternehmensbezogene, das projektbezogene und das einzelvertragsbezogene Vertragsmanagement. Da sie in enger Verbindung zueinander stehen, können zwischen den Kategorien Spannungsfelder entstehen. 1) Unternehmensbezogenes Vertragsmanagement: Eine Betrachtungsweise zur Handhabung von Verträgen ist die Perspektive des an Verträgen zu beteiligenden bzw. beteiligten Unternehmens/Unternehmers. Ein unternehmensbezogenes Controlling ist dafür verantwortlich, Kriterien für die Risikobeurteilung (▷Risikomanagement) von Verträgen aufzustellen, wie sie für das betroffene Unternehmen zu gelten haben. Dies ist sodann die Grundlage für die weitere Behandlung aller für das Unternehmen abzuschließenden Verträge. Hieraus lassen sich Standards ableiten, um ein Vertragsmanagement im Einklang mit dem Unternehmenszweck und den Zielen des Unternehmens zu entwickeln. 2) Projektbezogenes Vertragsmanagement: Die zweite Kategorie ist das projektbezogene Management. Bei Bauprojektentwicklungen (▷Projektentwicklung) ergeben sich beispielsweise durch die Mehrzahl der Projektbeteiligten aufgrund der arbeitsteiligen Projektabwicklung horizontal und bei Nachunternehmerbeauftra-
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gung ggf. auch vertikal gegliederte Vertragsverhältnisse nach denen die Verantwortungskreise der einzelnen Projektbeteiligten gegliedert sind. Aufgabe des Vertragsmanagements ist es dabei, die Verträge so aufeinander abzustimmen, dass die Abarbeitung der Inhalte aus der Gesamtheit der Verträge zur Herbeiführung des mit dem Projekt verfolgten Zieles und Zweckes, dem Projekterfolg, führt. In diesem Zusammenhang ergibt sich das erste Spannungsfeld für die Abstimmung der Vertragsinhalte, denn die Zielstellungen des projektbezogenen und des unternehmensbezogenen Vertragsmanagements sind aufeinander abzustimmen. 3) Einzelvertragsbezogenes Vertragsmanagement: Das einzelvertragsbezogene Management bezieht sich auf den Vertrag mit einem einzelnen Vertragspartner. Es ist die kleinste Steuerungseinheit unter dem projekt- und unternehmensbezogenen Vertragsmanagement. Hier treffen jedoch die unternehmensbezogene Ebene, die projektbezogene Ebene und beim jeweiligen Vertragspartner eine weitere unternehmensbezogene Managementebene aufeinander.
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Im Hinblick auf die vorgegebenen Standards im Zusammenhang mit dem Unternehmen, dem jeweiligen Projekt und den Vertragspartnern eröffnet sich hier ein ausgesprochen weites Spannungsfeld. Dies liegt auf der Hand, wenn die Standards auf den Ebenen der beteiligten Vertragspartner voneinander abweichen. Im Hinblick auf Bauvorhaben als Gegenstand von Immobilienprojektentwicklungen wird es etwa bei der Gegenüberstellung der Investoreninteressen mit den Interessen der bei der Bauausführung beteiligten Einzelunternehmer deutlich. Der Investor möchte seine Verträge dahingehend gestalten, dass ein Maximum an Qualität, ein Höchstmaß an Budgetsicherheit und größtmögliche Terminsicherheit erreicht wird. Dem beteiligten Einzelunternehmer wird an der Erzielung des besten Ergebnisses gelegen sein, also an der größtmöglich zu erreichenden Gegenleistung für die von ihm zu erbringenden Leistungen, an terminlicher Flexibilität zur Erzielung maximaler Effizienz bei der Einsetzung seiner Arbeitsmittel und v. a. an der Abwälzung sämtlicher wirtschaftlicher Risiken in den Bereich seines Auftraggebers. Unter Gegenüberstellung der Interessen der Vertragsparteien entstehen klare Konfliktpotenziale. Die Auflösung dieser Konflikte ist Aufgabe des (projektbezogenen aber auch des unternehmensbezogenes) Vertragsmanagements, wobei den Beteiligten unterschiedliche Stellschrauben
zur Justierung der Risiken und zum Ausgleich jeweils übernommener Risiken zustehen. Inhaltliche Strukturen Das Vertragsmanagement lässt sich inhaltlich nach den üblichen Abschnitten eines Vertrages gliedern. Jeder Vertrag enthält strukturell gleichartige Festlegungen zu den Beteiligten, den geschuldeten Pflichten, den zu beachtenden Terminen, dem Ort, an dem die zu erbringenden Pflichten geschuldet sind und zu sonstigen Abwicklungsregeln. Die meisten Verträge beginnen demzufolge mit der Beschreibung der Ausgangslage und Interessen zwischen den Parteien und mit dem Vertrag verfolgten Zweck. Darauf aufbauend erfolgt die Festlegung des Leistungsverhältnisses, d. h. die von dem einen Vertragspartner auf Grundlage der Ausgangslage und dem Vertragszweck zu erbringenden Leistungen und die von dem anderen Vertragspartner dafür zu erbringende Gegenleistung. Anschließend wird die Leistungszeit durch Vereinbarung von Terminplänen mit Enddaten und erforderlichenfalls Zwischenterminen bestimmt. Außerdem erfolgt eine Festlegung, an welchem Ort die Leistungen zu erbringen sind. Zu den sonstigen Abwicklungsregelungen gehören schließlich insbesondere Festlegungen zu Mitwirkungspflichten der jeweils anderen Vertragspartei, Vereinbarungen von Sanktionen bei Abweichungen von den vereinbarten Inhalten sowie insbesondere Regeln für die Haftung hinsichtlich der übernommenen Pflichten nach vollständiger Erbringung aller Leistungen. Projektstruktur Das Vertragsmanagement steht in unmittelbarem Zusammenhang zum Entwicklungsprozess des jeweiligen Projektes. Jedes Immobilienprojekt lässt sich in ein mehrdimensionales Raster teilen. Auf der Zeitebene bietet sich eine Gliederung nach Vorbereitung, Planung, Durchführung, Fertigstellung und Nutzungsphase an (▷Lebenszyklus von Immobilien). In den einzelnen Projektphasen gibt es abgrenzbare sachliche Prozesse, bei denen Aufgaben zur Projektentwicklung, Objektplanung, Objekterrichtung, Vertrieb, Finanzierung und Bewirtschaftung zu berücksichtigen sind. Teilweise überlagern die einzelnen Prozesse mehrere Projektphasen. Jeder dieser einzelnen Prozesse lässt sich noch in einzelne Unterprozesse aufgliedern. Dies wird etwa bei der Aufteilung der Planungsleistung in die Leistungsbereiche der beteiligten
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Fachplaner oder auch während des Bauens in einzelnen Gewerken deutlich. Am Ende der Projektphasen und der Abarbeitung aller notwendigen Prozesse steht das Projekt als von allen Beteiligten (gemeinsam) herbeigeführter Erfolg. Dieser Gesamterfolg lässt sich in zeitlicher Hinsicht nach den einzelnen Phasen teilen, in tatsächlicher Hinsicht nach den einzelnen Arbeitsprozessen (horizontale Arbeitsteilung) und den einzelnen Unterprozessen (vertikale Arbeitsteilung). Ziel des Vertragsmanagements muss es sein, die einzelnen Bausteine des Projektes so aufeinander abzustimmen, dass sie sich am Ende zu dem Gesamterfolg fügen. Das Vertragsmanagement hat dabei insbesondere die Aufgabe zu lösen, ein Projekt bereits im Vorfeld zu durchdenken, dessen Gesamterfolg zu diesem Zeitpunkt weder qualitativ, noch vom Zeitrahmen oder auch vom Budget her feststehen muss. Oft ist eine oder mehrere oder auch jede dieser Determinanten offen. Dies liegt zunächst daran, dass die Planung ihrerseits ein eigenständiger Prozess ist. Bei Beginn dieses Prozesses ist vielfach nicht in letzter Konsequenz absehbar, zu welchen Ergebnissen die Planung am Ende führen wird. Weiterhin steht der wirtschaftliche Rahmen zur Realisierung des Objektes bei Beginn des Planungsprozesses oftmals nicht fest. Schließlich hängt auch der für die Durchführung des Projektes notwendige zeitliche Rahmen unmittelbar vom Ergebnis des Planungsprozesses ab, denn je nach den technischen Anforderungen ergeben sich zeitliche Vorgaben für den Ablauf des Bauprozesses. Das Vertragsmanagement steht bei Beginn eines Projektes vor der Aufgabe, die Vorgaben für die Beteiligten vom allgemeinen Rahmen bis zum konkreten Leistungssoll mit qualitativen, terminlichen und wirtschaftlichen Vorgaben einerseits, aber auch Vorgaben für Schnittstellenverantwortlichkeit gegenüber den weiteren Beteiligten zu organisieren. Stellschrauben des Vertragsmanagements und Steuerungsinstrumente Die wesentlichen Stellschrauben beim Vertragsmanagement sind Klauseln, die einerseits Anpassungen in qualitativer, terminlicher und wirtschaftlicher Hinsicht ermöglichen, andererseits aber die Wechselwirkungen bei Anpassung in einer Projektphase auf die weiteren Phasen berücksichtigen und die v. a. auch Modifikationen im Verantwortungsbereich des einen Beteiligten zum Verantwortungsbereich anderer zulassen. Dies ist notwendig, da in keiner Projektentwick-
lung die einzelnen Projektphasen und die einzelnen Arbeitsprozesse konsequent nacheinander abgearbeitet werden. Vielmehr greifen die einzelnen Phasen und Prozesse ineinander und überschneiden sich oder laufen sogar parallel. Dies wird insbesondere bei der Planung deutlich. Bei komplexen Bauvorhaben ist sie zum Zeitpunkt des Baubeginns regelmäßig noch nicht abgeschlossen. Da sich der Bedarf für Modifikationen der Planung oft erst während der Bauerrichtung herausstellt, ist es erforderlich, die Planung bis zur Fertigstellung kontinuierlich anzupassen. Dem Vertragsmanagement stehen zur Steuerung mehrere Werkzeuge zur Verfügung. Grundlagen definieren Die wichtigste Klammer für alle Phasen und Prozesse ist die Geschäftsgrundlage, auf der die Beteiligten den Vertrag überhaupt abgeschlossen haben. Diese Geschäftsgrundlage wird durch alle Umstände gebildet, welche die Ausgangspunkte darstellen, auf welchen die Beteiligten den Vertrag aufbauen und welche gleichsam die Voraussetzungen für die Existenz des Vertrags darstellen. Dabei wird in subjektiver und objektiver Hinsicht unterschieden. Nach subjektiver Hinsicht bilden die Geschäftsgrundlage alle bei Abschluss des Vertrages zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen bzw. die dem einen Teil erkennbar gewordenen und von ihm bei Vertragsschluss nicht beanstandeten Vorstellungen der jeweils anderen Parteien über das Vorhandensein oder den künftigen Eintritt bestimmter Umstände auf denen der Wille der Vertragsparteien zum Abschluss des Vertrages aufbaut (vgl. Palandt 2009, BGB § 313 Rn. 3 m.w.N.). Daneben gibt es eine objektive Geschäftsgrundlage, die durch die Gesamtheit aller Umstände und allgemeinen Verhältnisse bestimmt wird, deren Vorhandensein oder Fortdauer objektiv erforderlich ist, damit der Vertrag im Sinne der Intentionen beider Vertragsparteien als sinnvolle Regelung bestehen kann (vgl. Palandt 2009, BGB § 313 Rn. 4). Für die vertragliche Festlegung der Geschäftsgrundlage ist insbesondere die Zusammenstellung der subjektiven Umstände erforderlich. Die objektiven sind heranzuziehen, wenn die Parteien dies ausdrücklich festlegen. Auf die Immobilienprojektentwicklung übertragen heißt dies, sämtliche Umstände in qualitativer, terminlicher, wirtschaftlicher Hinsicht, aber auch weitere Kriterien für die Abwicklung des jeweiligen Vertrages beim Vertragsmanagement aufzunehmen. Diese Klarstellung ist dann Basis für die Interpretation eines jeden Vertrages. Hieraus ergeben sich auto-
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matisch wechselseitige Anpassungsrechte, etwa wenn eine der von den Vertragsparteien vorausgesetzten Grundlagen nachträglich wegfällt oder wesentlich geändert wird. Die Rechte der Vertragsparteien reichen dann von einem Anspruch auf Anpassung des Vertrages an die geänderte bis zur Auflösung des Vertrages (bzgl. Einzelheiten vgl. Palandt 2009, BGB § 313, Rn. 40ff ). Einzelne Steuerungsklauseln Die Geschäftsgrundlage stellt über das Vertragsmanagement gewissermaßen ein Auffangnetz dar. Um gestaltend einzuwirken, können dazu – wie oben bereits angedeutet – Klauseln in den Vertrag aufgenommen werden und den Parteien dadurch Einwirkungen auf die Qualität bzw. Quantität der Leistungen, terminliche Vorgaben, wirtschaftliche Grundlagen und die übrige Abwicklung des Vertrages ermöglicht werden. Durch das Vertragsmanagement soll sichergestellt werden, dass die Modifikation des einen Vertrages in alle anderen Vertragsverhältnisse und dort in allen betroffenen Projektphasen und Prozessen in der Weise übernommen wird, dass der am Ende der Projektentwicklung stehende Erfolg erreicht werden kann. Die Modifikation des Vertragssolls in dem einen Vertrag, z. B. Anordnungen für Planungsänderungen, zieht nämlich regelmäßig Anpassungsbedarf in den anderen Verträgen während der Errichtungsphase und im Prozess der Bauerrichtung nach sich, da sich die geänderte Planung auf die Erbringung der Bauleistungen auswirkt. Dementsprechend muss ein Mechanismus installiert werden, der Planungsänderungen gleichzeitig in Änderungen des Bausolls in den Bauverträgen umsetzt. Das Gleiche gilt für terminliche Vorgaben, die sich unter Umständen durch Einwirkungen von außen (z. B. Verzögerung des Baugenehmigungsverfahrens während der Planung), aber auch durch den Wegfall bereits gebundener Projektbeteiligter (z. B. Insolvenz eines Nachunternehmers) sowie möglicherweise durch allgemeine Verzögerungen bei Projektentwicklung und Projektplanung ergeben. Hier ist ein Mechanismus erforderlich, der die zeitlichen Veränderungen innerhalb eines Prozesses in einer Phase in die aufbauenden Phasen und dort abzuarbeitenden Prozesse durchstellt. Ausgangspunkte des Vertragsmanagements
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Vor jeder Projektentwicklung gibt es (subjektive) Ausgangspunkte, die den weiteren Beteiligten mitgeteilt werden bzw. aus denen Kernelemente für die nachfolgenden Verträge entwickelt wer-
den können. Im Regelfall liegt vor Beginn der Projektentwicklung eine ▷Machbarkeitsstudie vor, aus der sich Mindestrahmenvorgaben für das zu entwickelnde Projekt ableiten lassen. Diese Rahmenvorgaben in qualitativer, zeitlicher und wirtschaftlicher Hinsicht können Basis für die ersten Verträge (z. B. die Vereinbarung über die Projektentwicklung zwischen Entwickler/Bauträger/Investor/Finanzierer sein, woraus sich wiederum die Anforderungen für die nachfolgenden Verträge für die Planung und Errichtung des Projektes herleiten lassen. Die Belastbarkeit der Erkenntnisse aus der Machbarkeitsstudie bildet dann die Grundlage des nachfolgenden Vertragsmanagements und alle (nachfolgenden) Beteiligten können auf die Erreichung dieser Ziele verpflichtet werden. Auf dieser Grundlage entsteht eine entsprechend präzisierte Planung, die in Abhängigkeit der in der Machbarkeitsstudie aufgestellten Projektziele schon bei Auftragserteilung Kenngrößen für die Bauausführung enthält. Damit sind Aussagen und Annahmen für das Budget der Bauerrichtung möglich, woraus sich wiederum Aussagen und Annahmen bzw. Berechnungsmechanismen für Budgetanpassungen in Abhängigkeit von qualitativen und zeitlichen Änderungen entwickeln lassen, die über den Inhalt der Machbarkeitsstudie hinausgehen. Herauszustellen ist, dass es für alle Beteiligten eine allgemeine Kooperationspflicht gibt. Auch ohne ausdrückliche Vorgaben sind die Parteien zur wechselseitigen ▷Kooperation und Berücksichtigung der Interessenlage der jeweils anderen Vertragspartei verpflichtet, wenn sie arbeitsteilig an einem gemeinsamen Vorhaben wirken. Für Bauverträge hat der Bundesgerichtshof dies mit seiner sog. Kooperationsrechtsprechung ausdrücklich klargestellt (vgl. BGH, Urt. v. 28.10.1999 – VII ZR 393/98). Bereits hieraus ergeben sich wechselseitige Ansprüche und Pflichten, im Rahmen des wirtschaftlich vertretbaren und vernünftigen Aufwandes auf Modifikationen zu reagieren und sich v. a. gegenüber dem jeweiligen Vertragspartner nicht zu verweigern. Schnittstellen Eine zentrale Schnittstelle ergibt sich zwischen Vertragsmanagement und Projektsteuerung, denn die differenzierteste rechtliche Vertragsgestaltung nützt nichts, wenn sie nicht in der Praxis durch die technische Projektsteuerung umgesetzt wird und kein Austausch zwischen der rechtlichen und technischen „Vertragshandhabung“ stattfindet. Hier mag ein Missstand vorliegen, denn der Umgang mit Steuerungsmodellen und das Nachhalten
WEITERBILDUNG IN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT
von Prozessen spielt in der juristischen Ausbildung keine nennenswerte Rolle. Für die Ingenieurausbildung gilt ähnliches für den Umgang mit rechtlichen Steuerungsinstrumenten; dieser Themenkreis ist selbst in der Rechtswissenschaft noch nicht abschließend erforscht. Erfreulicherweise gibt es zahlreiche Ansätze in der Baupraxis, die technische Seite und den Prozess der rechtlichen Steuerung zu verbinden. Das gilt v. a. für Modelle, die auf der Integration der technischen und juristischen Steuerung beruhen, um Konflikte bei Fehlsteuerungen aufzulösen. (vgl. z. B. Schlapka 2002:694ff ). Chancen von Vertragsmanagement Die Baupraxis der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass die Anforderungen an Neubauten sowie an die Sanierung von Bestandsbauten beständig steigen. Maßgeschneiderte Lösungen, flexible Nutzungskonzepte, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit müssen schon in der Planungsphase berücksichtigt und parallel zur Projektrealisierung optimiert werden. Diese zunehmenden Anforderungen gehen einher mit einer immer höheren Spezialisierung einer zugleich beständig größer werdenden Zahl beteiligter Unternehmen. Für eine möglichst konfliktfreie und wirtschaftliche Projektrealisierung ist daher ein vorausschauendes und aufmerksames Vertragsmanagement von besonderer Wichtigkeit. Bei konsequenter Umsetzung eines einheitlichen Vertragsmanagements ergeben sich für Auftraggeber hieraus oftmals signifikante Einsparpotenziale. Kehrberg
Literatur BGH 1999, Urt. v. 28.10.1999 – VII ZR 393/98. In: NJW Heft 11/2000, 807-808 Palandt, Otto (2009): Bürgerliches Gesetzbuch: Kommentar. Kommentierung der §§ 311 b bis 432 BGB durch Christian Grüneberg. München Schlapka, Franz-Josef (2002): Schlichtungsmodell – Ein Weg aus der Krise laufender Bauvorhaben. In: Baurecht, 5, 694-703
WEITERBILDUNG IN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT Begriffsklärung Weiterbildung ist die Fortsetzung jeder Art des Lernens nach Abschluss der Bildungsphase in
der Jugend. Meist wird dabei unterschieden zwischen: allgemeiner Weiterbildung, die nicht direkt berufsbezogen ist, beruflicher Weiterbildung zur Ergänzung beruflicher Kenntnisse und wissenschaftlicher Weiterbildung an den Hochschulen. In der Praxis haben diese Bereiche fließende Übergänge. In der Entwicklungszusammenarbeit spielt die Weiterbildung von ausländischen Fach- und Führungskräften eine wichtige Rolle: Das Konzept des „Lebenslangen Lernens“ ist ein wichtiger Pfeiler für die Teilnahme an der globalen ▷Wissensgesellschaft und ist vielerorts eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Teilnahme an Arbeitsmärkten, die immer neue Anforderungen stellen. Weiterbildung in der Entwicklungszusammenarbeit hat die umfassende Förderung von Handlungskompetenz zur Lösung globaler Strukturprobleme zum Ziel, wobei es dabei nicht nur um fachliche, sondern auch um methodische und soziale Kompetenzen geht. Sie umfasst neben der Qualifizierung von Fachkräften aus Ländern des Südens auch die Fortbildung von an der Entwicklungszusammenarbeit interessierten Fachleuten aus Deutschland oder aus anderen Industrieländern. Berufliche Weiterbildung in der Entwicklungszusammenarbeit Berufliche Weiterbildung hat im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit v. a. das Ziel Führungspersonal – z. B. in den Bereichen Industrie und Handwerk, öffentliche und private Dienstleistungen, öffentliche Verwaltung etc. – in Entwicklungs- und Transformationsländern fachlich zu qualifizieren und seine Managementfähigkeiten zu verbessern. Programme der beruflichen Weiterbildung sind i. d. R. praxisorientiert und werden als Seminare oder bis zu einem Jahr dauernde Trainingskurse im In- oder Ausland durchgeführt. Im Rahmen dieser Kurse wird Fachwissen vermittelt und es findet ein internationaler, interkultureller Erfahrungsaustausch und Dialog statt. Querschnittsthemen wie Konfliktprävention, Ressourcen- und Umweltschutz sollten in allen Programmen einen breiten Raum einnehmen. Träger der beruflichen Weiterbildung in der Entwicklungszusammenarbeit ist in Deutschland v. a. Internationale Weiterbildung und Entwicklung gGmbH – InWEnt: Ihr Hauptauftraggeber ist das Bundesministerium für wirtschaftliche
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WEITERBILDUNG IN DER ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT
Zusammenarbeit und Entwicklung – BMZ, thematisch orientieren sich die Weiterbildungsangebote an den mit den Partnerländern vereinbarten Schwerpunktbereichen. Auch manche Projekte der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit – GTZ bieten ihren ausländischen Counterparts Weiterbildungs-Kurzkurse an, die jeweils auf den fachspezifischen Qualifizierungsbedarf „maßgeschneidert“ sind. Die durchführenden Institutionen sind dabei meist private Consulting-Unternehmen oder Hochschulen. Diese Vorgehensweise, die im Übrigen auch für die Stiftungen der politischen Parteien gilt, soll eine weitgehend bedarfsgerechte, eng mit der Praxis der deutschen Entwicklungszusammenarbeit verbundene Weiterbildungsplanung garantieren. Wissenschaftliche Weiterbildung in der Entwicklungszusammenarbeit
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Wissenschaftliche Weiterbildung zielt im Zusammenhang mit der Entwicklungszusammenarbeit v. a. auf die Verbindung von Wissenschaftlern aus Entwicklungs-, Transformations- und Industrieländern durch gemeinsame globale Wissensnetze: Gerade in hochqualifizierten Berufsfeldern, etwa in den Ingenieur- und Naturwissenschaften, wird die Halbwertszeit unseres Wissens immer kürzer und damit werden die Anforderungen an die Wissenschaftler, Anschluss an den „Status quo des Wissens“ zu behalten immer größer. Der Wissens- und Erfahrungsaustausch zur angestrebten Lösung von Entwicklungsproblemen ist auf akademischer Ebene sowohl in Nord-Südals auch in Süd-Süd-Partnerschaften notwendig. Auf universitärer Ebene gibt es ein weites Spektrum von möglichen Veranstaltungsformen der wissenschaftlichen Weiterbildung: Dieses reicht von Einzelveranstaltungen wie Tagungen oder Kongressen bis zu mehrsemestrigen Aufbaustudiengängen mit entwicklungspolitischer Relevanz und gemeinsamen Forschungsprojekten. Gefördert wird die wissenschaftliche Weiterbildung im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit v. a. in Form von Stipendien an Studenten und Wissenschaftler aus den Ländern des Südens. Wichtigste Institutionen sind dabei in Deutschland der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD), die „Georg Forster-Forschungsstipendien“ der Alexander von Humboldt-Stiftung und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). Alleine der DAAD fördert im Rahmen seines Programms „Aufbaustudiengänge mit entwicklungsländerbezogener Thematik“ ausländische Stipendiaten in mehr als 40 postgradualen Masterprogrammen.
Eine wichtige Komponente zur Nachhaltigkeit sowohl von beruflichen als auch von wissenschaftlichen Weiterbildungsprogrammen, die einen Beitrag für die Entwicklungszusammenarbeit leisten sollen, ist die Pflege des Nachkontaktes mit den ehemaligen Teilnehmern. Diese werden sehr oft zu Multiplikatoren in der Wissensvermittlung in ihren Heimatländern. Instrumente des Nachkontaktes sind v. a. Internetplattformen (etwa die Website „Global Campus 21“ von InWEnt, die ein AlumniPortal, Lernprogramme und Möglichkeiten zum Erfahrungsaustausch beinhaltet), Sommerschulen oder Seminare in Deutschland oder im Ausland, die Versendung von Zeitschriften etc. Weiterbildung und Entwicklungszusammenarbeit im Bereich „Planen Bauen Umwelt“ Planen, Bauen und Umweltschutz in Entwicklungsländern (▷Raumplanung im internationalen Kontext) erfordern das Lernen, Vergleichen und Anwenden angepasster, nicht unbedingt „konventioneller“ Instrumente. So schreitet etwa die Dynamik der ▷Urbanisierung in vielen Ländern des Südens nach ganz anderen Mustern voran als in Industrieländern: Städte „im Süden“ sind vielfach geprägt durch hohes Bevölkerungswachstum, große städtische Armut, eine große Bedeutung des informellen Sektors, eine fehlende Anbindung eines großen Teils der Bevölkerung an städtische Infrastruktur wie der Wasser- und Abwasserversorgung, öffentlich organisierter Abfallentsorgung, öffentlichem Verkehr etc. Gleichzeitig ist der Zustand der Umweltmedien – der Luft, des Wassers, des Bodens etc. – teilweise katastrophal, da Umweltschutz gegenüber der angestrebten wirtschaftlichen Entwicklung oft nur geringe Priorität hat und manche in Industrieländern entwickelte Umwelttechnologien schwer anwendbar oder finanzierbar sind. Weiterbildung muss daher immer in Hinblick auf die Heimatländer der Teilnehmer geschehen und darf die konkreten Planungs- und Finanzierungsbedingungen, aber auch den kulturellen und sozialen Rahmen in den jeweiligen Ländern nie aus den Augen verlieren. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang, dass die Teilnehmer von Weiterbildungsveranstaltungen per definitionem bereits über Arbeitserfahrung im heimischen Kontext verfügen und diese auch in die Kurse einbringen können. Sinnvoll ist Weiterbildung im Bereich „Planen Bauen Umwelt“ u. a. für Mitarbeiter der Verwaltung (z. B. Stadt- und Umweltverwaltung), nationaler und internationaler Organisationen
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der Entwicklungspolitik, von Nichtregierungsorganisationen, von privaten Unternehmen und der Forschung. In Deutschland bieten sich im Bereich der Stadt-, Raum- und Umweltplanung zunehmend die Universitäten als Weiterbildungsorte an. Eines der ersten Aufbaustudienprogramme, das sich Mitte der 1980er Jahre in den Planungswissenschaften auf Fragen der Entwicklungszusammenarbeit spezialisiert hatte, ist das SPRING-Programm („Spatial Planning for Regions in Growing Economies“) an der Universität Dortmund. Seitdem wurden an deutschen Hochschulen in den zurückliegenden Jahren einige weiterbildende Studiengänge etabliert, die sich in erster Linie an Studenten aus Entwicklungsländern bzw. an deutsche Studenten wenden, die im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit tätig werden wollen. Ein Beispiel für ein Weiterbildungszentrum, das sowohl beruflich orientierte Qualifizierung in Form von Kurzkursen als auch wissenschaftliche Weiterbildung in Form eines internationalen postgradualen Masterstudiums anbietet, ist das „Urban Management Programm“ der Technischen Universität Berlin.
aber auch die Unterrichtssprache werden gemeinsam mit den Auftraggebern bzw. den Teilnehmenden abgesprochen und entsprechend angepasst. Parallel zu den Kurzkursen wird der weiterbildende internationale Masterstudiengang „Urban Management“ angeboten. Die bisherigen Teilnehmer kommen zu 80 Prozent aus Asien, Afrika oder Lateinamerika – aus insgesamt 33 Ländern aller Kontinente. Alle Studenten verfügen bei Studienbeginn bereits über teils vieljährige Arbeitserfahrung im Bereich Architektur, Stadtplanung, Umweltplanung o. ä.. Dies erleichtert einerseits die praxisorientierte Betrachtung und Beurteilung von akademischen Lehrinhalten, andererseits lernen die Teilnehmer durch ihre vielfältige Erfahrung viel voneinander: In der Diskussion zwischen Architekten aus Indonesien, Stadtverwaltungsmitarbeitern aus Äthiopien und Umwelttechnologen aus Brasilien können Wege, die zu einer guten zukünftigen Entwicklung dieser Länder beitragen können, entwickelt und verglichen werden. Gleichzeitig werden dauerhafte globale Wissensnetzwerke geknüpft und die Teilnehmer bleiben in der internationalen Diskussion „am Ball“.
Beispiel: Das „Urban Management Programm“ an der Fakultät VI der TU Berlin
Literatur
An der Fakultät VI der TU Berlin werden seit den späten 1980er Jahren Weiterbildungskurse für Planungs- und Umweltexperten aus Asien, Afrika und Lateinamerika durchgeführt. Die folgenden Themen spielen in diesem Kontext eine wichtige Rolle: Umweltmanagement und Umwelttechnologie (u.a. Abwasserbehandlung, Abfallwirtschaft, Luftreinhaltung, nachhaltige Energiewirtschaft), Stadtplanung, Wohnungs- und Siedlungswesen, Stadterneuerung, Planung und Betrieb von technischer und sozialer Infrastruktur, betrieblicher Umweltschutz etc. Im Rahmen des „Urban Management Programms“ wurden bisher mehr als 50 Weiterbildungs-Kurzkurse (Dauer: 1 Woche bis 4 Monate) durchgeführt. Die Auftraggeber dieser Kurse waren in erster Linie InWEnt, die GTZ und deutsche Stiftungen, aber auch ausländische Partner direkt – so etwa chinesische Stadtverwaltungen. Die „Philosophie“ des Programms sieht nicht das Anbieten von mehr oder weniger standardisierten Kursen vor, die Einzelpersonen „buchen“ können. Stattdessen werden Kurse nur auf Nachfrage für ganze Gruppen (ca. 8-25 Teilnehmer) je nach ihrem konkreten Weiterbildungsbedarf „maßgeschneidert“. Die fachlichen Inhalte, Methoden,
Hamann
BMZ – Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Referat „Entwicklungspolitische Informations- und Bildungsarbeit“ (Hrsg.) (2005): Berufliche Bildung und Arbeitsmarkt in der Entwicklungszusammenarbeit. Bonn DAAD – Deutscher Akademischer Austauschdienst (Hrsg.) (2007): Postgraduate Courses for Professionals with Relevance to Developing Countries, Scholarships in Germany. Bonn Golda-Pongratz, K., Teschner, K. (Hrsg.) (2005): Trialog 86, Schwerpunktthema Lehre und Forschung. Darmstadt
WEITERBILDUNG ZWISCHEN HOCHSCHULE UND WIRTSCHAFT Vorbemerkung Die mittlerweile schon alten Forderungen nach einem reduzierten und effizienteren Ressourceneinsatz – in jüngster Zeit noch einmal vom International Panel Sustainable Resources Management der Vereinten Nationen nachdrücklich formuliert – bedeuten für Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft eine immense Herausforderung. Denn der erforderliche Wandel, durch die Wachstumsschwäche eher erschwert, betrifft nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Bil-
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dung und die Weiterbildung. Die Konzeption und Durchsetzung von neuen Lehr- und Lernprozessen steht auf der Tagesordnung, um Leistungsträger zu binden und den Nachwuchs auf die neuen Anforderungen auszubilden (▷Architekten- und Planerausbildung, ▷Ausbildung zur Planung). Seit Jahren ist bekannt, dass in Deutschland zu wenig für Aus- und Weiterbildung und Forschung ausgegeben wird. Der Bildungsgipfel in Dresden erneuerte den Anspruch, dass drei Prozent des Bruttosozialproduktes für Forschung und zehn Prozent für Aus- und Weiterbildung einzuplanen seien (Deutscher Bundestag 2009). Mit der UNO-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung 2005-2014 werden koordinierte Bemühungen gestartet. Die Lebenswelten der Menschen sollen verändert werden, indem durch Anpassung der Rahmenbedingungen Anreize für nachhaltiges Handeln geschaffen werden. Sie sind nur durch weitreichende Reformen des Bildungssystems zu realisieren, die Kindergärten, Schulen und Hochschulen einbezieht. Markt für Weiterbildungsprogramme in der Real Estate Industry Definitionen Als Ausbildung gilt die Vorbereitung auf einen Basisberuf, bei der Fortbildung sollen Erkenntnisse im Basisberuf aktualisiert und auf den neuesten Stand gebracht werden (Rosenstiel 2000). Weiterbildung bezeichnet die Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach Abschluss einer ersten Bildungsphase und nach Aufnahme der Berufstätigkeit (Deutscher Bildungsrat 1970). Die Weiterbildung soll dazu beitragen, nicht nur den beschleunigten technischen und wirtschaftlichen Wandel zu bewältigen, sondern ebenso die gesellschaftlichen Veränderungen, die insbesondere aufgrund der demographischen Entwicklung eintreten. Die Gesamtaufwendungen für die beruflichen Weiterbildungen liegen schätzungsweise bei 35 Mrd. Euro. Ca. 50 Prozent finanzieren die Unternehmen, die öffentliche Hand ist mit ca. zwölf Prozent beteiligt, der Rest wird von den Nachfragern für ihre eigene Weiterbildung aufgebracht. Zu den „Renditen“ der Weiterbildungsinvestitionen liegen zurzeit noch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vor.
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Weiterbildung Der obigen Definition folgend ist Weiterbildung bei dieser Betrachtung weitgehend auf die Weiter-
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bildung des Managements und des Führungsnachwuchses ausgerichtet, d. h. von Personen, die eine Hochschulausbildung erfolgreich abgeschlossen haben und sich nach beruflicher Praxis in Weiterbildungsprogrammen einbringen, die sie insbesondere qualifizieren, ihre Aufgaben im Sinne der nachhaltigen Stadt-, Quartiers-, Standort-, Immobilien- und Gebäudeentwicklung (▷Nachhaltige Stadtentwicklung) zu organisieren. Es ist festzustellen, dass in den letzten fünf bis zehn Jahren aufgrund der veränderten Marktbedingungen von unterschiedlicher Seite initiierte Weiterbildungsstudiengänge entstanden sind. Die Verbände der Bau- und Immobilienwirtschaft (▷Bauwirtschaft und Baubetrieb, ▷Immobilienwirtschaft), der Hausverwalter, der Immobilienmakler, der Projektsteuerer (▷Projektmanagement), des ▷Facility Managements, der Sachverständigen, der Baufinanzierungsinstitute und sonstiger Institutionen haben – einer Schätzung zufolge sind über hundert Verbände aktiv geworden – für ihre Mitglieder in Eigeninitiative oder in Zusammenarbeit mit Hochschulen Weiterbildungsprogramme etabliert. Die Absolventenzahlen zum Immobilienökonom an verschiedenen Hochschulen (z. B. EBS – European Business School oder IREBS – International Real Estate Business School an der Universität Regensburg sowie am EBZ – Europäisches Bildungszentrum) gehen mittlerweile in die Tausende. Die Notwendigkeit der Weiterbildung, die die vielfältigen Aktivitäten der Verbände hervorgerufen hat, hat zu einer so großen Zahl von Abschlüssen auf dem Markt geführt, dass bereits für Insider die Transparenz verloren gegangen ist. Zudem sind die Abschlüsse kaum vergleichbar, was auch bei den Nachfragern von Weiterbildungsmaßnahmen zu einer Irritation führen kann. War schon in der Vergangenheit das Image der Bau- und Immobilienwirtschaft nicht attraktiv, so hat diese Vielfalt dazu beigetragen, dass das Berufsbild für interessierte junge Menschen immer weniger durchschaubar wird. Der gemeinnützige Verein agenda4 hat sich zum Ziel gesetzt, durch eine breit angelegte Untersuchung zur Aus- und Weiterbildung nicht nur die Transparenz zu erhöhen, sondern auch Orientierungshilfen zu geben, wie die Ausbildung und die Weiterbildung in Deutschland für die Real Estate Industry gestaltet werden kann. Dabei geht es darum, einerseits junge Menschen für ein Studium der relevanten Disziplinen zu interessieren und sowohl Studium als auch Weiterbildung so zu gestalten, dass vergleichbare Studienabschlüsse auf Bachelor- und Masterebene zu erreichen sind. Dabei sollte man sich stärker an den Krite-
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rien der Wirtschaft orientieren, ohne Forschung und Lehre in den klassischen Disziplinen (▷Architektur, Bauingenieurwesen, ▷Stadtplanung, Betriebswirtschaftslehre, Geographie, Informatik, Jura, Soziologie und Wirtschaftsingenieurwesen) zu vernachlässigen. Von zentraler Bedeutung ist dabei, alle diese Aus- und Weiterbildungsinitiativen am Paradigma der nachhaltigen Entwicklung sowie an einer ausgeprägten ▷Interdisziplinarität zu orientieren. Die Entwicklung der letzten zehn Jahre war an den Hochschulen durch die Umsetzung des Bologna-Prozesses geprägt. Zudem waren die Hochschulen intensiv mit der Exzellenzinitiative beschäftigt. Eine Orientierung an den Anforderungen der Wirtschaft kam dabei zu kurz. Hinzu kam, dass Weiterbildung von den deutschen Hochschulen nicht als Markt gesehen wurde. Einige Hochschulen, im Schwerpunkt Akademien, orientierten sich in dieser Umbruchphase u. a. an der RICS-Akkreditierung (Royal Institution of Chartered Surveyors) bzw. an Weiterbildungskriterien des renommierten Urban Land Institute aus den USA. Nachdem nun einige Hochschulen die Wachstumsmöglichkeiten, die sich aus der Weiterbildung ableiten lassen, entdeckt haben, ist mit einer Zunahme von akkreditierten Curricula auch an den traditionellen Hochschulen zu rechnen. Diese Entwicklung von Weiterbildungsstudiengängen wird auf die grundständigen Studiengänge zurückwirken. Die Wirtschaft legt den Schwerpunkt bei der Weiterbildung für das Management auf die strategische Unternehmensführung in Verbindung mit sozialer Kompetenz. Fachliche Qualifikationen stehen nach einer Marktstudie der Immobilienzeitung im Hintergrund. Die Unternehmen fördert in unterschiedlicher Weise Weiterbildungsmaßnahmen. 18 Prozent der befragten Unternehmen fördern die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter komplett, d. h. sie übernehmen im Schwerpunkt die finanzielle Unterstützung, 65 Prozent der Unternehmen übernehmen die Kosten teilweise, der Rest beteiligt sich nicht. Weiterbildung ist, wie alle Befragungen deutlich machen, weitgehend eine Angelegenheit zwischen Weiterbildungseinrichtungen und der Wirtschaft. Es bieten sich verschiedene Kooperationsformen an – u. a. im Ausbau der Lehrkapazitäten durch gemeinsame Berufungen, Stiftungsprofessuren, individuelle Kooperationsvereinbarungen, durch Unterstützung der Lehre durch Stipendien, Praktika u. ä. Auch Kooperationen in der wissenschaftlichen Fundierung durch öffentlich geförderte Forschungsprogramme, Auftragsforschungen,
wissenschaftliche Kongresse und gemeinsame Publikationen sind denkbar. Bereits 53 Prozent der Unternehmen unterstützen Diplom- und Forschungsarbeiten, der Rest beteiligt sich nicht an derartigen Maßnahmen. Wie in einer Untersuchung des Stifterverbandes der Deutschen Wirtschaft bestätigt wird: Innovation auch in der Weiterbildung setzt den Dialog zwischen Wirtschaft und Wissenschaft voraus, wobei insbesondere das persönliche Vertrauen zwischen Vertretern der Hochschule und der Wirtschaft eine ausschlaggebende Rolle spielt. Dieser Dialog sollte auch in der konkreten Ausbildung – etwa in Form von Studienprojekten – seinen Niederschlag finden. Fazit Hochschule und Wirtschaft sind gefordert, sich im Dialog den zukünftigen Herausforderungen in der Immobilienentwicklung zu stellen, die sich nicht nur im Neubau, sondern gerade auch im Bestand in den Nachhaltigkeitsforderungen niederschlagen, und entsprechende Weiterbildungsangebote zu etablieren. Wirtschaft, Wissenschaft und Politik sind eingeladen, nicht nur in Technologien für den Bedarf in Europa und immer stärker auch für die wachsenden ▷Megastädte der Welt zu investieren, sondern auch die Voraussetzungen der Umsetzung in Aus- und Weiterbildung zu schaffen. Eine Weiterbildung, bei der die nachhaltige Stadt-, Quartiers-, Standort-, Immobilien- und Gebäudeentwicklung im Mittelpunkt steht, stellt für die Hochschulen wie auch die Wirtschaft einen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit dar. Heuer
Literatur Deutscher Bundestag (Hrsg.) (2009): Finanzrelevante Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern beim Bildungsgipfel in Dresden. Drucksache 16/11549 vom 05.01.2009. Berlin Deutscher Bildungsrat (Hrsg.) (1970): Strukturplan für das Bildungswesen. Stuttgart Rosenstiel, L. v. (2003): Grundlagen der Organisationspsychologie: Basiswissen und Anwendungshinweise. Stuttgart
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Mit der Ermittlung des Werts eines Gegenstands wird der Vorgang als auch das Ergebnis der Er-
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WERTERMITTLUNG
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mittlung eines bestimmten und vorher zu definierenden Werts beschrieben. Im Unterschied zur „Bewertung“ als der „Wertgebung“ mit konstituierender Wirkung (Ruf 1955, anders Wöhe 1991:347 – „Bewerten ist eine Tätigkeit, die das Ziel hat, den Wert einer Sache … festzustellen“) geht es bei der Wertermittlung um die Erfassung des unter der Herrschaft eines vorgegebenen Wertsystems definierten Werts. Der Wert eines Wirtschaftsgutes ist nämlich keine dem Gut innewohnende Eigenschaft, die objektiv existiert und die von der bewertenden Person unabhängig ist. Bereits JeanBaptiste Poquel (Molière) führte aus: „Die Dinge haben insoweit nur den Wert, den man ihnen verleiht“. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird unter dem „Wert“ eines Grundstücks deshalb das verstanden, was der Mensch ihm i. d. R. monetär nach seiner Anschauung zuordnet. Deswegen ist das „Werten“ teleologisch und bedarf eines Wertsystems. Die zahlreichen Wertbegriffe sind inhaltlich stets erst vor dem Hindergrund ihrer Genesis und Zielsetzungen zu verstehen (Heyde 1926, Kraft 1951, Spiller 1962, Ehrenfels 1897, Reininger 1947, Ruf 1955, Münsterberg 1921, Pausenberger 1962). Von zentraler Bedeutung für das gesamte Wirtschafts- und Rechtsleben und auch der ▷Immobilienwirtschaft ist der Verkehrswert (Marktwert) eines Grundstücks und es ist kein Zufall, dass dieser Wert im Städtebaurecht definiert ist. Der Gesetzgeber hat in diesem Zusammenhang auf der Grundlage des Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 des Grundgesetzes (Bodenrecht) durch normative Vorgaben einen Wert definieren müssen, der im Vollzug hoheitlicher Maßnahmen bodenrechtlicher Art Grundlage von Ausgleichs- und Entschädigungsleistungen sein soll, so z. B. zur Bemessung der Entschädigung für hoheitliche Eingriffe in das Grundeigentum oder zum Ausgleich bei bodenordnerischen Maßnahmen. Art. 14 Abs. 3 GG fordert dabei eine Entschädigung zu einem Wert, der „unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen“ ist. Mit § 194 BauGB hat sich der Gesetzgeber für einen Wert entschieden, der im Falle einer Enteignung den zu entschädigenden Eigentümer „bildhaft“ in die Lage versetzt, sich für die Entschädigung gleichwertigen Ersatz zu verschaffen (BGH 16.11.1953, GST 5/53; BGH 22.01.1959, III ZR 186/57; BGH 8.11.1962, III ZR 86/61; BGH 8.04.1965, VII ZR 246/93). Diese Ausgleichsfunktion erfüllt ein als Marktwert definierter Verkehrswert. Der im Städtebaurecht definierte Verkehrswert hat deshalb in der Wirtschafts- und Rechtsordnung breite Anerkennung gefunden. Die Definition des Marktwerts
in § 194 BauGB ist im Übrigen materiell identisch mit der Definition des steuerrechtlich maßgeblichen gemeinen Werts im Sinne des § 9 des Bewertungsgesetztes (BewG), dem mit § 16 Abs. 2 Satz 4 Pfandbriefgesetz (PfandBG) definierten Marktwert und dem im Handelsrecht und in der internationalen Rechnungslegung maßgeblichen beizulegenden Zeitwert (fair value, International Accounting Standards, IAS 16 § 6). Mit dem Begriff der „Wertermittlung eines Grundstücks“ werden oftmals unerfüllbare Erwartungen geweckt, was die Genauigkeit der Wertermittlung angeht. Da Grundstückswerte ihrer Natur nach nicht mathematisch exakt ermittelbar oder bestimmbar sind, muss dem vielfach auch gebrauchten Begriff der Wertschätzung bzw. Schätzung von Grundstückswerten eine größere Realitätsnähe als dem Begriff der „Wertermittlung“ beigemessen werden. Im bürgerlichen Recht hat der Begriff der Schätzung wohlbedacht seinen Platz gefunden (§ 1048 Abs. 2, §§ 501 und 2312 Abs. 1 Satz 2 BGB). So ist nach § 738 Abs. 2 BGB der Wert des Gesellschaftsvermögens „im Wege der Schätzung zu ermitteln“. Auch das Zivilprozessrecht und das Steuerrecht greifen den Begriff der Schätzung in den §§ 287 und 587 der Zivilprozessordnung sowie in § 217 der Abgabenordnung auf. Im internationalen Vergleich nimmt die deutsche Wertermittlungspraxis sowohl hinsichtlich der Bewertungsstandards als auch der Bewertungsverfahren eine Spitzenposition ein. Nach dem Bericht des ICS/IPD hat Deutschland im internationalen Vergleich von allen untersuchten Ländern am Besten abgeschnitten, was Zuverlässigkeit und Genauigkeit der Verkehrswertermittlung anbelangt (GuG 2007:173; vgl. auch schon GuG 2000:292). Die Bundesrepublik Deutschland weist auch idealtypische Rahmenbedingungen für eine fundierte Marktwertermittlung auf: Deutschland dürfte weltweit das einzige Land sein, in dem auf einer gesetzlichen Grundlage (§§ 192 bis 199 des BauGB); hier die Regelung des § 195 BauGB über die Kaufpreissammlung) sämtliche Grundstückstransaktionen in Kaufpreissammlungen registriert und ausgewertet werden.) Gutachterausschüsse für Grundstückswerte Um eine möglichst große Transparenz des Grundstücksmarktes und die Bereitstellung der für die Wertermittlung erforderlichen Daten zu gewährleisten sind mit den §§ 192ff Baugesetzbuch – BauGB flächendeckend Gutachterausschüsse für Grundstückswerte für den Geltungsbereich von Gemeinden oder Landkreisen eingerichtet wor-
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Erläuterung MK 4 000,durchschnittlicher Bodenwert in der Lage in Euro/qm
Misch- und Kerngebiet
g geschlossene Bebauung
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200 m2
viergeschossig
Grundstücksgröße
Lagetypische Bodenrichtwerte (Auszug aus der Bodenrichtwertkarte der Bundesstadt Bonn 2006)
den. Gutachterausschüsse für Grundstückswerte sind selbständige und unabhängige Kollegialorgane, bestehend aus einem Vorsitzenden und ehrenamtlichen weiteren Gutachtern. Sie bedienen sich einer Geschäftsstelle. Ihrer Rechtsstellung nach sind die Gutachterausschüsse als Behörden anzusehen. Die Gutachter sollen in der Ermittlung von Grundstückswerten und sonstigen Wertermittlung sachkundig und erfahren (§ 192 Abs. 3 BauGB) und nicht hauptamtlich mit der Verwaltung von Grundstücken der Gebietskörperschaft befasst sein, für deren Bereich der Gutachterausschuss gebildet ist. Die Aufgaben der Gutachterausschüsse bestimmen sich in erster Linie nach den Vorschriften des BauGB. Die Gutachterausschüsse für Grundstückswerte erhalten abschriftlich sämtliche Grundstückstransaktionsvorgänge einschließlich des vereinbarten Kaufpreises und werten die Grundstückstransaktionsvorgänge mittels elektronischer Datenverarbeitung aus (Kaufpreissammlung). Zur Führung der Kaufpreissammlung ist jeder Vertrag, durch den sich jemand verpflichtet, Eigentum an einem Grundstück gegen Entgelt, auch im Wege des Tausches, zu übertragen oder ein Erbbaurecht zu begründen, von der beurkundenden Stelle in Abschrift dem Gutachterausschuss zu übersenden. Die Vorschrift ist lex specialis zu § 18 der Bundesnotarordnung, der die Notare zur Verschwiegenheit über die bei ihrer Berufsausübung bekanntgewordenen Angelegenheiten gegenüber jedermann verpflichtet. Daraus ergeben sich in Deutschland optimale Voraussetzungen für eine marktkonforme Immobilienbewertung. Bei berechtigtem Interesse hat jedermann Anspruch auf Auskunft aus der Kaufpreissammlung und kann damit besser als in anderen Ländern z. B. bei Anwendung des Vergleichswertverfahrens seine Bewertung auf Vergleichspreise stützen. Neben der Erstattung von Gutachten ist es darüber hinaus Aufgabe der Gutachterausschüsse, aus der Kaufpreissammlung Daten abzuleiten,
die eine marktkonforme Immobilienbewertung gewährleisten. Dies sind u. a. Bodenrichtwerte, Bodenpreisindexreihen, Bewirtschaftungsdaten, Marktanpassungsfaktoren, Umrechnungskoeffizienten, Vergleichsfaktoren für bebaute Grundstücke (Multiplikatoren) und Liegenschaftszinssätze (sog. erforderliche Daten der Wertermittlung). Auch diese Daten werden zumeist in Grundstücksmarktberichten alljährlich veröffentlicht, so dass der freischaffende Sachverständige unter Heranziehung dieser Daten seine Bewertung auf fundierte und v. a. marktkonforme Grundlagen stützen kann. Diese Methode ist schon von ihrem Aufbau her solchen Verfahren überlegen, bei denen die Bewertung auf bloße Annahmen gestützt werden muss. Von besonderem Rang ist die dem Gutachterausschuss für Grundstückswerte obliegende Ableitung und Veröffentlichung von Bodenrichtwerten. Bodenrichtwerte sind durchschnittliche Lagewerte für den Grund und Boden; sie werden in periodischen Abständen – zumeist alljährlich – ermittelt und i. d. R. in Bodenrichtwertkarten veröffentlicht (siehe Abbildung). Bodenrichtwerte stehen heute weitgehend auf CD-Rom sowie im Internet zur Verfügung. Für Zwecke der steuerlichen Einheits- und Grundbesitzbewertung sind Bodenrichtwerte auch bezogen auf den jeweiligen Hauptfeststellungszeitpunkt zu ermitteln; darüber hinaus sind sie auch für Zwecke der steuerlichen Wertfortschreibung bezogen auf die Wertverhältnisse zum Zeitpunkt des letzten Hauptfeststellungszeitpunkts zu ermitteln, wenn sich in einem Gebiet die Qualität des Bodens durch einen Bebauungsplan oder andere Maßnahmen geändert hat. Mit der Ableitung von Bodenrichtwerten, der Sammlung und Auswertung aller Grundstückstransaktionen in einer Kaufpreissammlung, dem Recht auf Auskunft aus der Kaufpreissammlung sowie der Bereitstellung der sog. erforderlichen Daten der Wertermittlung ist eine hohe Transparenz des Bodenmarktes und eine optimale Vor-
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aussetzungen für eine fundierte Immobilienbewertung geschaffen worden. Die Gutachten des Gutachterausschusses haben, wie im Übrigen auch die Gutachten von freischaffenden Sachverständigen, keine bindende Wirkung, soweit nichts anderes bestimmt oder vereinbart ist (§ 193 Abs. 4 BauGB). Sie sind auch keine anfechtbaren Verwaltungsakte (BVerwG, BauR 1973:39); den Betroffenen verbleibt aber die Möglichkeit der Inzidenzprüfung, wenn ein Gutachten des Gutachterausschusses Grundlage hoheitlichen Handelns geworden ist. Die Gutachten der Gutachterausschüsse sind wie die Gutachten freischaffender Sachverständige lediglich als Werturteil anzusehen, die i. d. R. auch einem Anspruch auf Widerruf nicht zugänglich sind (vgl. BGH, NJW 1978:751 bzw. MDR 1978:395). Immobilienwertermittlungsverordnung und Wertermittlungsrichtlinien
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Immobilien sind Unikate und die Verkehrswertermittlung eines jeden Grundstücks erfordert i. d. R. die Berücksichtigung besonderer Grundstücksmerkmale. Die Verkehrswertermittlung (Marktwertermittlung) lässt sich von daher nicht umfassend gesetzlich regeln. Nur wenige Länder haben deshalb gesetzliche Regelungen über die Verkehrswertermittlung erlassen. Hierzu gehört die Bundesrepublik Deutschland. Die auf der Grundlage der Ermächtigung des § 199 Abs. 1 BauGB erlassene Verordnung über Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken (Wertermittlungsverordnung – WertV) vom 6.12.1988, zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 18.8.1997, enthält mithin ohne Anspruch auf Vollständigkeit insbesondere bezüglich der Anwendung geeigneter Verfahren – wie sich schon aus der vollständigen Bezeichnung der Verordnung ergibt – allgemeine Grundsätze der Verkehrswertermittlung. Die WertV stand bei Redaktionsschluss zur Novellierung unter der neuen Bezeichnung „Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) an. Da sich die WertV bewährt hat, sind keine wesentlichen materiellen Änderungen vorgesehen. Die Wertermittlungsverordnung wurde erlassen, um eine größere Transparenz des Grundstücksmarktes herstellen, die es insbesondere dem einzelnen Bürger ermöglichen, Angebote am Grundstücksmarkt auf ihre Preiswürdigkeit hin zu prüfen oder prüfen zu lassen (Bundesrat 1961). Daneben wurden mit der Verordnung gleiche Grundlagen und Materialien für die Wertermittlung durch amtliche und private Stellen geschaffen (Kleiber 1989:33, Kleiber 1988:611), um der
Unterschiedlichkeit der Ermittlungsmethoden, die vielfach zu stark voneinander abweichenden Ergebnissen bei der Wertermittlung geführt hat, entgegenzuwirken. V. a. werden mit der WertV/ ImmoWertV dem Sachverständigen die erforderlichen Begriffsbestimmungen an die Hand gegeben, da die Verwendung gleicher Begriffe, wenn sie verschieden verstanden werden, häufig Ursache von unterschiedlichen Ermittlungsergebnissen ist. Die WertV wurde bereits 1988 konsequent auf eine marktorientierte Verkehrswertermittlung (Marktwertermittlung) ausgerichtet (Kleiber/Simon 2007). In der Rechtsprechung ist aber anerkannt, dass sich deren Verfahrensregeln bewährt haben und ihre Anwendbarkeit nicht auf die Gutachterausschüsse beschränkt ist (BGH 12.1.2001, V ZR 420/99). Deshalb hat die WertV im allgemeinen Rechts- und Wirtschaftsleben eine weit darüber hinausragende Bedeutung erlangt. Das Gleiche gilt für die ergänzend von verschiedenen Bundesressorts erlassenen Wertermittlungsrichtlinien (WERTR), Bearbeitungshinweise zur Ermittlung des Verkehrswerts von Grundstücken mit Ziergehölzen, Waldwertermittlungsrichtlinien (WaldR) sowie für die Entschädigungsrichtlinien Landwirtschaft (LandR), die für die Belange des Bundes erlassen wurden. Wertermittlungsverfahren Die WertV enthält in ihrem Dritten Abschnitt allgemeine Grundsätze des Vergleichswertverfahrens (comparison method), Ertragswertverfahrens (income approach) und Sachwertverfahrens (cost approach). Die genannten Verfahren können im Einzelnen unterschiedlich ausgestaltet sein und weisen eine große Variationsbreite auf. Das im Einzelfall anzuwendende Verfahren ist nach der Art des Gegenstands der Wertermittlung unter Berücksichtigung der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten und den sonstigen Umständen des Einzelfalls zu wählen. Die Wertermittlungsverfahren werden lediglich in ihren Grundzügen ohne Anspruch auf Vollständigkeit geregelt. Damit ist die Anwendung anderer in der WertV nicht ausdrücklich geregelter Methoden nicht ausgeschlossen. Dies bedeutet aber andererseits nicht, dass damit jedes andere Verfahren zur Anwendung kommen kann; vielmehr muss es sich um geeignete Verfahren handeln, die zu einem sachgerechten Ergebnis
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im Sinne der Verkehrswertdefinition führen und das Wertbild nicht verzerren. Vergleichswertverfahren Beim Vergleichswertverfahren wird der Verkehrswert des Grundstücks aus Kaufpreisen bzw. Bodenrichtwerten vergleichbarer Grundstücke ermittelt. Es ist nicht nur die „einfachste“, sondern auch die „überzeugendste“ Methode, wenn eine ausreichende Zahl von Vergleichspreisen zur Verfügung steht. Voraussetzung für seine Anwendung ist, dass die zum Vergleich herangezogenen Grundstücke hinsichtlich der ihren Wert beeinflussenden Merkmale mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmen und „genügend“ Vergleichspreise in dem betroffenen Gebiet oder aus „vergleichbaren Gebieten“ herangezogen werden können. Ertragswertverfahren Bei Anwendung des Ertragswertverfahrens wird der Verkehrswert aus Renditeberechnungen abgeleitet. Dabei ist der „Wert der baulichen Anlagen“ getrennt vom Bodenwert auf der Grundlage des Ertrags zu ermitteln. Der Bodenwert ist i. d. R. im Wege des Preisvergleichs zu ermitteln. Bei der Ermittlung des Werts der baulichen Anlage ist von dem marktüblich erzielbaren jährlichen Reinertrag auszugehen. Der Reinertrag ergibt sich aus dem Rohertrag abzüglich der Bewirtschaftungskosten. Der Rohertrag umfasst alle bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung und zulässiger Nutzung marktüblich erzielbaren Einnahmen aus dem Grundstück, insbesondere Mieten und Pachten. Die Bewirtschaftungskosten sind die Abschreibung, die bei gewöhnlicher Bewirtschaftung üblicherweise entstehenden Verwaltungskosten, Betriebskosten, Instandhaltungskosten und das Mietausfallwagnis; durch Umlagen gedeckte Betriebskosten bleiben dabei allerdings unberücksichtigt. Die Abschreibung ist nach den Grundsätzen der WertV nicht besonders anzusetzen, da sie durch Einrechnung in den vorgegebenen Vervielfältiger bereits berücksichtigt wird. Der um den Verzinsungsbetrag des Bodenwerts verminderte Reinertrag ist mit Hilfe dieses Vervielfältigers und der Restnutzungsdauer der baulichen Anlage zu kapitalisieren und ergibt zusammen mit dem Bodenwert des Grundstücks den Ertragswert. Sachwertverfahren Bei Anwendung des Sachwertverfahrens wird der Verkehrswert aus dem Wert der baulichen Anla-
gen, dem Wert der sonstigen Anlagen und dem Bodenwert abgeleitet. Zur Ermittlung des Herstellungswerts von Gebäuden sind die auf eine bestimmte Raum- oder Flächeneinheit bezogenen gewöhnlichen Herstellungskosten (Normalherstellungskosten) mit der Anzahl der entsprechenden Raum-, Flächen- oder sonstigen Bezugseinheit der Gebäude zu vervielfachen. Die Normalherstellungskosten sind nach Erfahrungssätzen anzusetzen und erforderlichenfalls mit Hilfe geeigneter Baupreisindexreihen auf die Preisverhältnisse am Wertermittlungsstichtag umzurechnen. Eine besondere Erfassung des Wertanteils von Außenanlagen und sonstigen Anlagen entfällt, soweit diese bereits mit dem Bodenwert erfasst werden. Bei der Ermittlung des Herstellungswerts von Gebäuden sind Alter des Gebäudes, Baumängel, Bauschäden sowie sonstige wertbeeinflussende Umstände zu berücksichtigen. Die Alterswertminderung bestimmt sich nach dem Verhältnis der Restnutzungsdauer zur Gesamtnutzungsdauer der baulichen Anlagen. Während nach der gegenwärtigen Rechtslage jede (sachlich vertretbare) Altersabschreibungsmethode zugelassen ist, soll künftig die lineare Abschreibung zur Anwendung kommen. Weitere Verfahren Die WertV regelt die zur Verfügung stehenden Verfahren insofern umfassend, als es bislang auch gar nicht mehr Verfahren gibt. Alle anderen weltweit angewandten Verfahren zur Ermittlung dieses Marktwerts lassen sich letztlich auf die drei klassischen und seit biblischen Zeiten bekannten Wertermittlungsverfahren zurückführen: das Vergleichs-, Sach- und Ertragswertverfahren. Dies gilt beispielsweise auch für das mitunter als neues Verfahren herausgestellte Discounted Cashflow Verfahren, das nichts anderes als ein Ertragswertwertverfahren auf der Grundlage einer prognostizierten Ertragsentwicklung ist und seit jeher als Standardverfahren der Unternehmensbewertung und der Ermittlung von Investitionswerten (investment value) zur Anwendung kommt. Die genannten drei klassischen Wertermittlungsverfahren können mithin als die eigentlichen internationalen Bewertungsverfahren gelten und auch die rudimentären Verfahrenshinweise der IFRS stellen auf eben diese Verfahren ab (Kleiber 2004:193). Aufbauend auf den anerkannten Grundsätzen der in der WertV geregelten Wertermittlungsverfahren (Vergleichs-, Ertrags- und Sachwertverfahren) haben sich die Wertermittlungs-
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verfahren in der Praxis fortentwickelt und es gibt zahlreiche Varianten dieser Verfahren. Das BVerwG hat in seinem Beschluss vom 16.1.1996 (BVerwG 16.1.1996, 4 B 69/95) hierzu festgestellt, dass zumindest in den Fällen, in denen eine der in der WertV vorgesehenen Methoden nicht angewendet werden kann, auch andere geeignete Methoden zur Anwendung kommen und entwickelt werden können. Auch lassen sich die geregelten Verfahren modifizieren: In der Wertermittlungspraxis werden bei Anwendung des in der WertV geregelten Ertragswertverfahrens die Möglichkeiten der Vereinfachungen, die dieses Verfahren insbesondere bei Objekten, deren Bebauung eine lange Restnutzungsdauer bietet, oftmals nicht erkannt. Im Hinblick auf die bestehenden Möglichkeiten, bei Anwendung des Ertragswertverfahrens auf die Ermittlung des Bodenwerts zu verzichten, spricht man auch vom Vereinfachten Ertragswertverfahren. Des Weiteren treten in der Wertermittlungspraxis auch Fälle auf, bei denen es zweckmäßig sein kann, den Verkehrswert eines Objekts aufgrund der Komplexität der zu berücksichtigenden wertbeeinflussenden Umstände im Wege der allgemeinen Barwertmethode zu ermitteln. Es handelt sich hierbei gewissermaßen um die „Urform“ des Ertragswertverfahrens, aus der das in der WertV geregelte umfassende Ertragswertverfahren unter Zugrundelegung einiger vereinfachender Annahmen entwickelt worden ist und das auch als „Discounted Cashflow-Verfahren“ bezeichnet wird. Grundsätzlich ist jedes Ertragswertverfahren letztlich ein Discounted-Cashflow-Verfahren und umgekehrt; denn bei jedem Ertragswertverfahren setzt sich der Barwert aus der Summe der über die künftige Nutzung erzielten und auf den Wertermittlungsstichtag diskontierten Reinerträge zusammen. Begrifflich ist die Bezeichnung „Discounted-Cashflow“ für ein Verfahren zur Ermittlung von Unternehmenswerten auf der Grundlage prognostizierter Erträge verbraucht. Finanzmathematisch ist aber auch das in der WertV geregelte Ertragswertverfahren ein Discounted-Cashflow-Verfahren. Schließlich kommt z. B. in der Praxis hilfsweise auch das Extraktionsverfahren (Residualwertverfahren) insbesondere dann zur Anwendung, wenn es um die Verkehrswertermittlung umnutzungsbefangener Immobilien mit Entwicklungspotenzial geht. Bei Anwendung dieses Verfahrens wird – vereinfacht ausgedrückt – der Verkehrswert eines Grund-
stücks aus dem z. B. im Wege des Vergleichsoder Ertragswertverfahrens ermittelten Verkehrswert, der sich fiktiv nach Durchführung einer beabsichtigten Entwicklung ergibt, unter Berücksichtigung der Entwicklungs- und ggf. Herstellungskosten abgeleitet. Auch der Verkehrswert von warteständigem Bauland wird ähnlich abgeleitet, wenn dafür keine geeigneten Vergleichspreise zur Verfügung stehen. Dabei wird vom Verkehrswert für baureifes Land ausgegangen, der um die Kosten der Baulandentwicklung vermindert wird. Der Differenzbetrag stellt in solchen Fällen das Residuum dar, das dann Grundlage der Wertermittlung sein soll. Die Extraktion (Residualwertverfahren) ist allerdings nur dann geeignet, wenn die miteinander in Beziehung gesetzten Größen sich selbst am Verkehrswert orientieren (vgl. Kleiber/Simon 2007:Rn. 246ff ). Kleiber
Literatur Bundesrat (1961): BR-Drucksache 281/61. Bonn Ehrenfels, C. F. v. (1897): System der Werttheorie, Band 1. Leipzig Heyde, J. E. (1926): Wert, eine philosophische Grundlegung. Erfurt Kleiber, W.; Simon, J. (2007): Verkehrswertermittlung von Grundstücken. Köln Kleiber, W. (2004): Was sind eigentlich internationale Bewertungsverfahren. In: Grundstücksmarkt und Grundstückswert, 4, 195ff Kleiber, W. (1989): Neues Recht für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken – Wertermittlungsverordnung 1988. In: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, 1, 33ff Kleiber, W. (1988): Neufassung der Verordnung über Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken. In: Bundesbaublatt, 611ff Kraft, V. (1951): Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre. Wien Münsterberg, H. (1921): Philosophie der Werte. Leipzig Pausenberger, E. (1962): Wert und Bewerten. In: Seischab, H. (Hrsg.) Betriebswirtschaftliche Studienbücher. Stuttgart Reininger, R. (1947): Wertphilosophie und Ethik. Wien, Leipzig Ruf, W. (1955): Die Grundlagen eines betriebswirtschaftlichen Wertbegriffes. Bern Spiller, K. (1962): Der betriebswirtschaftliche Wert und seine Arten in der Bilanz. Dissertation. Hamburg Wöhe, G (1991): Bilanzierung und Bilanzpolitik. München
WETTBEWERBE Konkurrenzen, Preisausschreiben und Wettbewerbe werden seit Jahrhunderten eingesetzt, um für architektonische (▷Architektur) und städtebauliche (▷Städtebau/Urban Design) Aufgaben die jeweils besten Ideen und Lösungen zu finden. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts handelte es sich um Vorformen des Wettbewerbsverfahrens. Das formalisierte Wettbewerbswesen begann 1868, nach-
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dem die ersten „Grundsätze für das Verfahren bei öffentlichen Konkurrenzen“ von der Versammlung deutscher Architekten und Ingenieure in Hamburg beschlossen worden waren. Der jeweilige Diskussionsstand der Fachwelt zum Konkurrenzwesen fand in mehrfachen Verbesserungen und Ergänzungen dieser ersten „Grundsätze“ seinen Niederschlag. Zur Lösung komplexerer städtebaulicher Aufgaben und im Hinblick auf den wachsenden Anspruch auf Offenheit, Flexibilität und Dialogorientierung der Instrumente gewannen neben den formalisierten Wettbewerben zum einen kooperative Verfahren an Bedeutung (z. B. Entwurfs- und Planungswerkstätten, vergleichende Gutachten) und zum anderen diskursive Verfahren zur Organisation von größerer Planungsöffentlichkeit (z. B. Stadt- und Stadtteilforen, Runde Tische, Charette).
geländes (1927) sowie den Wettbewerben für die Karlsruher Dammerstock-Siedlung und für die Berliner Versuchssiedlung der Reichsforschungsgesellschaft Spandau-Haselhorst (beide 1928) wurden dem „Neuen Bauen“ Wege geebnet und einem konsequenten Zeilenbau Vorrang vor der bis dahin üblichen Blockbebauung eingeräumt. 1927 wurde der Städtebau im Titel der „Grundsätze“ expressis verbis als gleichberechtigter Bereich neben der Baukunst verankert. Mit Anbruch des Dritten Reiches endete die Tradition der selbstbestimmten Verfahrensregulierung. Die neuen Grundsätze wurden 1934 von der Reichskammer der bildenden Künste angeordnet. Die Machthaber des Nationalsozialismus nutzten Wettbewerbe in erster Linie als Rekrutierungsverfahren für taugliche Architekten mit passender Baugesinnung.
Das Wettbewerbswesen bis zum Zweiten Weltkrieg
Weiterentwicklung des Wettbewerbswesens nach 1945
Besonders intensiv entfaltete sich das Konkurrenzwesen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als im Gefolge des gesellschaftlichen und industriellen Umbruchs für eine Fülle neuer Bauaufgaben nach angemessenen gestalterischen und konstruktiven Lösungen gesucht wurde. Im Vordergrund der Wettbewerbsauslobungen dieser Zeit standen staatliche und kommunale Verwaltungs-, Kulturund Infrastrukturbauten – v. a. Rathäuser, Kirchen und Synagogen, Theater, Opern und Museen, Bahnhöfe, Brücken – und Geschäftshäuser. Städtebauliche Wettbewerbe gewannen im Zuge der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ebenfalls an Bedeutung. Maßgeblich für die praktische Weiterentwicklung der neuen Disziplin Städtebau waren die großen Bebauungsplan-Wettbewerbe für München (1891) und Wien (1892) sowie der „Ideenwettbewerb für den Verstädterungsraum Groß-Berlin“ (1908). Wohnungsbauwettbewerbe spielten in den ersten Phasen des formalisierten Wettbewerbswesens eine eher untergeordnete Rolle; die Verfahren aber, bei denen typologische Aussagen zu Wohnhaus und Wohnquartier gefordert waren, wirkten impulsgebend für Entwicklungen im Wohnungsbau. So ging es bei den 1910 ausgelobten Konkurrenzen zur Bebauung des Tempelhofer Feldes und des Schöneberger Südgeländes (damals selbständige Gemeinden bei Berlin) um Fragen der wirtschaftlichen Bodenverwertung und der zweckmäßigen Aufteilung städtischer Baublöcke. Mit den Hamburgischen Kleinwohnungswettbewerben zur Jarrestadt (1926) und zur Bebauung des Dulsberg-
Um die Bevölkerung nach dem Krieg für den Aufbau zu interessieren, schrieben viele Städte städtebauliche Ideenwettbewerbe zur Neugestaltung ihrer Innenstädte aus. Teilweise waren hier auch Nichtfachleute aufgefordert, Vorschläge einzureichen oder die professionellen Entwürfe (▷Städtebauliches Entwerfen) mit zu beurteilen. Die städtebaulichen Wettbewerbe der späten 1940er Jahre dienten als Plattform der Richtungskämpfe zwischen radikaler Neugestaltung und traditionsgebundenem Wiederaufbau. In Fachkreisen erlangten die städtebaulichen Wettbewerbe für Kiel (1947) und Hannover (1948) wegen ihrer Orientierung am Städtebau der Moderne besondere Beachtung. Nach der deutschen Teilung verfestigten sich Ost-West-Differenzen auch im Planungswesen. Zwar wurden bis Mitte der 1950er Jahre Wettbewerbe noch zur gesamtdeutschen Teilnahme ausgeschrieben, doch nutzten beide Seiten im Zeichen des Kalten Krieges Architektur und Städtebau als Bedeutungsträger der politischen Programmatik. Als Reaktion auf die große (auch internationale) Resonanz zum Ostberliner Wettbewerb für die Stalinallee (1951) bemühte sich die Westseite um Aufmerksamkeit für die Neugestaltung des Hansaviertels (1953). Beide Seiten engagierten sich für den Aufbau Berlins mit dem „westlichen“ Wettbewerb „Hauptstadt Berlin“ (1957) und dem „östlichen“ „Ideenwettbewerb zur sozialistischen Umgestaltung der Hauptstadt der DDR Berlin“ (1958). Mit dem gesellschaftspolitischen Umbruch in der Bundesrepublik Ende der 1960er Jahre wuchs
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die Kritik an einer weithin hinter verschlossenen Türen betriebenen Bau- und ▷Stadtplanung. Verbesserungen im Wettbewerbswesen erhoffte man sich vom Einsatz quantifizierender Bewertungsmethoden (▷Evaluation), basisdemokratischen Verfahrensansätzen und gezielter Öffentlichkeitsarbeit (▷Partizipation). Nutzwertanalysen zur systematischen Entscheidungsvorbereitung gewannen im Rahmen von Wettbewerben an Bedeutung. Besondere fachliche Aufmerksamkeit galt zwei modellhaften Wettbewerben: dem „Dietzenbacher Modell“ (1976), einem Verfahren, bei dem die engagierte kommunalpolitische Entscheidungsvorbereitung im Vordergrund stand, und den „Strategien für Kreuzberg“ in Berlin (1977), einer Art programmatischer Wettbewerb mit dem Ziel, die Bürgerschaft zur Beteiligung an Planungs- und Entscheidungsprozessen zu aktivieren. Anfang der 1980er Jahre führten die komplexeren städtebaulichen Aufgaben und ein gewandeltes Planungsverständnis zu einer Differenzierung der konkurrierenden Verfahren – z. B. zum verstärkten Einsatz informeller Strategien wie Entwurfsseminaren und Planungswerkstätten (▷Informelle Planung). Gleichzeitig erfuhr das Wettbewerbswesen eine Belebung im Bereich des Wohnungsbaus (▷Wohnen). Besonders die ▷Internationalen Bauausstellungen Berlin 1984/87 und Emscher Park in den 1990er Jahren haben zusätzliche Impulse für Wohnungsbauwettbewerbe gegeben und zum Experimentieren mit kooperativen Werkstatt- und Seminarverfahren angeregt. Das Wettbewerbsregularium
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Verglichen mit dem Wettbewerbswesen bis 1945 hat nach dem Zweiten Weltkrieg die Akzeptanz des Verfahrensreglements in der Bundesrepublik erheblich an Stabilität gewonnen. Während in den acht Jahrzehnten seit Inkrafttreten der ersten Wettbewerbsordnung von 1868 in Zeitabschnitten von vier bis maximal 14 Jahren das jeweils gültige Regelwerk veränderten Bedingungen angepasst wurde, hatten die „Grundsätze und Richtlinien für Wettbewerbe auf dem Gebiet des Bauwesens und des Städtebaus“ (GRW) 1952/54 als erste Nachkriegswettbewerbsordnung immerhin 25 Jahre Bestand, bis sie mit Erlass der GRW 1977 novelliert wurden. Die DDR berief sich erstmals 1957 auf eine eigene Wettbewerbsordnung mit Nachfolgeregelungen in den Jahren 1965, 1970 und 1983. Nach 1990 wurden die neuen Bundesländer in das westdeutsche Wettbewerbswesen auf Basis der GRW
1977 eingebunden. Die erste gemeinsame Wettbewerbsordnung GRW 1995 ist Reaktion auf den Europäischen Binnenmarkt, der die Anpassung nationaler Bestimmungen an europäisches Recht erfordert hat. In den meisten Ländern bilden sie bis heute die Grundlage für die Verfahren. Vor dem Hintergrund, dass Wettbewerbe zunehmend auch von Privaten eingesetzt werden, engagierten sich aber die Architektenkammern einiger Bundesländer 2001 für eine vereinfachte Fassung der Grundsätze mit geringerer Regelungstiefe. In Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt werden die Verfahren nach den „Regeln für die Auslobung von Wettbewerben“ (RAW 2004) durchgeführt. Nutzen von Wettbewerben und Streitpunkte zum Prozedere Trotz Konflikten und Streit zu Wettbewerben gelten sie bis heute als bewährte Verfahren zur Qualitätssicherung in Sachen Architektur und Städtebau. Zu den Vorteilen zählen der Zwang zu präziser Aufgabenformulierung und zur Klärung von Rahmenbedingungen im Vorfeld der Verfahren, frühzeitige Verabredungen über anzulegende Bewertungskriterien, systematische Vorprüfung der eingereichten Entwürfe (oder bei mehrstufigen Verfahren der Entwurfsideen), anschauliche Vergleichsmöglichkeiten und damit Unterstützung der Urteilsfindung. Darüber hinaus gewinnen die Projekte durch Wettbewerbe häufig an Publizität. Im positiven Fall ergibt sich daraus ein Doppeleffekt: einerseits Werbung für und Aufklärung über Architektur- und Städtebaufragen, andererseits Imagegewinn und Reputation für die Entwurfsverfasser. Wettbewerbe eignen sich aber nicht zur Klärung von Grundsatzfragen. Sie sind überfordert, wenn ihnen die gestalterische Bewältigung ungelöster gesellschaftlicher Probleme aufgebürdet wird. Derartige Probleme verdichten sich v. a. in zwei Handlungsfeldern: zum einen bei der baulichräumlichen Repräsentation von Stadtöffentlichkeit, Nationalität und Demokratie, z. B. beim Streit um die Gestaltung des „Hauses der Bürgerschaft“ in Bremen (1959/61), um den Berliner Reichstag (1993), über die deutschen Pavillons für die Weltausstellungen in Sevilla (1992) und Hannover (2000), zum anderen im Umgang mit dem kulturellen Erbe und Orten, die für die kollektive Erinnerung und das kollektive Bewusstsein besonders bedeutsam sind (z. B. Streit über Rekonstruktionen von nicht mehr vorhandenen Gebäuden sowie über Orte des Gedenkens und Mahnens).
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Die Kritik an Wettbewerben ist so alt wie das Verfahren selbst. Sie macht sich aber nicht am Instrument an sich fest, sondern an dessen Handhabung. Die zentralen Konfliktpunkte betreffen seit eh und je Mängel der Wettbewerbsvorbereitung und des Programms, voreilige Ausschreibungen wegen ungeklärter Rahmenbedingungen, einseitige Zusammensetzung von Preisgerichten, Entscheidungsschwächen von Jurys und unzulängliche Urteilsbegründungen, unbefriedigende Auswahlverfahren bei beschränkter Teilnehmerschaft, Missverhältnis zwischen Arbeitsaufwand und Ertrag, Unterlaufen von Regeln und Umsetzungsdefizite. Manche Skepsis, die den Folgen der Europäisierung des Verfahrens schon früh entgegengebracht wurde, hat sich bestätigt: der Trend zu marktförmiger Vereinnahmung von Planungsleistungen als Managementaufgaben sowie die Vermischung von kulturellem Qualitäts- und ökonomischen Preiswettbewerb (▷Baukultur). Als Kernproblem werden Zugangskonditionen und Auswahlverfahren bei Wettbewerben mit beschränkter Teilnehmerschaft diskutiert, weil z. B. bei vorgeschalteten Bewerberverfahren und Einladungswettbewerben junge und kleine Büros wegen der angewandten Auswahlkriterien benachteiligt sind. Trotz berechtigten Ärgers über fehlgelaufene Wettbewerbe und nachvollziehbarem Verdruss der Teilnehmer über einen hohen Arbeits- und Kostenaufwand bei geringen Gewinn- und Realisierungschancen ist die Kulturleistung der Verfahren nicht hoch genug einzuschätzen. In vielen Fällen werden durch Wettbewerbe innovative Impulse für Architektur und Städtebau gesetzt. Die Berichterstattung über Wettbewerbe macht Bauund Planungsaufgaben publik. Dabei bezieht sich die öffentliche Rezeption nicht nur auf die preisgekrönten Entwürfe, sondern auch auf ungebaute und verworfene Projekte. Und auch gescheiterte Verfahren tragen zur Klärung sowie zur inhaltlichen Positionierung bei – allerdings zu Lasten und auf Kosten der Wettbewerbsteilnehmer. Becker, H.
Literatur Bächer, M. (2000/01): Klagelieder eines Preisrichters, Serie in zehn Teilen. In: Deutsches Architektenblatt, 8/2000-5/2001 Becker, H. (1992): Geschichte der Architektur- und Städtebauwettbewerbe. Stuttgart, Berlin, Köln Becker, H. (2002): Stadtbaukultur – Modelle, Workshops, Wettbewerbe. Stuttgart, Berlin, Köln Scheuwens, R. u. a. (1997): Städtebauliche Wettbewerbe in Nordrhein-Westfalen, Förderung der Planungs- und Baukultur. Düsseldorf Stimpel, R. (2008): Die neuen Leiden des alten W. In: Deutsches Architektenblatt, 5, 28-29
WISSENSCHAFTSKOOPERATION Begriffsklärung und Abgrenzung In der Wissenschaftstheorie wird Forschen als systematisches Suchen nach Erkenntnis und Vermeiden von Irrtümern dargestellt. Dieses Suchen ist auf den einzelnen Forscher fokussiert, der den Forschungsprozess in eigener Verantwortung organisiert. Zwar ist unstrittig, dass aufgrund fortschreitender Spezialisierung und Ausdifferenzierung arbeitsteilige Forschung zur Regel wird, jedoch wird das Gesamtergebnis häufig noch als Summe der einzelnen Forschungsvorhaben verstanden. Dieser Forschungstypus wird zunehmend von kooperativen Modellen des wissenschaftlichen Arbeitens abgelöst. Institutionentheoretisch wird ▷Kooperation als eine Organisationsform unter den Aspekten der Transaktionskosten und Verfügungsformen diskutiert (Williamson 1990). Sie gilt als Hybridform zwischen dem auf Wettbewerb basierenden Markt und der hierarchisch gesteuerten Organisation und beinhaltet eine zeitweilige oder längere arbeitsteilige Zusammenarbeit unabhängiger Akteure mit dem Ziel, ihre Einzelaktivitäten zur Erstellung eines gemeinsamen Produktes zu bündeln. Wissenschaftskooperation zielt primär darauf, unterschiedliches Wissen zusammenzuführen und auf diese Weise gemeinschaftlich zu neuen, innovativen Erkenntnissen zu gelangen, die im Wettbewerb oder innerhalb einer hierarchischen Organisation nicht erreichbar wären. Auf zwei Ebenen haben sich Formen der Wissenschaftskooperation entwickelt: In dem Maße, wie unternehmerische Aktivitäten wissensintensiv werden und die Wirtschaft auf permanente Zufuhr von neuem Wissen angewiesen ist, entwickelt sich über Kooperationsbeziehungen zwischen der Wirtschaft und dem Wissenschaftssystem ein wechselseitiger Wissenstransfer (▷Wissensgesellschaft). V. a. natur- und ingenieurwissenschaftliche Bereiche sind eng mit der Wirtschaft vernetzt. Kooperationsverbünde entstehen zwischen verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen. Dieser Typ Kooperation verfolgt den Zweck, kritische Massen an Wissensressourcen zusammenzuführen und komplementäre Wissensressourcen für die Durchführung komplexer großer Forschungsprojekte zu kombinieren. Beispiele sind die Exzellenzcluster, die im Rahmen der
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Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder für die Universitäten und im Rahmen des Paktes für Forschung und Innovation für die außeruniversitären Forschungsinstitute mit öffentlichen Mitteln angeregt werden. Auch die Forschungsförderung der EU zielt darauf, die in Europa zersplitterten Wissenschaftspotenziale zusammenzuführen, dadurch Doppelungen in der Forschung zu vermeiden und einen fruchtbaren Ideenaustausch grenzübergreifend anzuregen. Kooperation als zielgerichtete Zusammenführung unterschiedlichen Wissens
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Kooperation i. Allg. und Wissenschaftskooperation im Besonderen basieren wie keine der beiden anderen Organisationsformen auf selbstorganisierter Koordination von Arbeitsschritten und einem intensiven Gedankenaustausch zwischen den beteiligten Akteuren. Kooperation wird durch Kommunikation zusammengehalten (▷Kommunikation und Moderation). Die sich in Kooperationsverbünden entwickelnden Kommunikationsnetze bilden v. a. für die Verbreitung und Verarbeitung von personengebundenem Wissen, dessen Interpretation und Bewertung sowie für die anschließende Kodifizierung (Veröffentlichungen usw.) ein unerlässliches Austauschmedium. Dies impliziert die Bereitschaft aller Kooperationspartner, den anderen Beteiligten einen freien Zugang zu ihrem Wissen zu gewähren („open access“), d. h. das eigene Wissen mit den anderen Wissenschaftlern zu teilen (vgl. Helmstädter 2000:13f). Je besser die Prozesse der Wissensteilung organisiert sind und je mehr bisher isoliertes Wissen im Kooperationsverbund verfügbar gemacht wird, desto mehr Lern- und Erkenntnisfortschritte werden angeregt. Durch die kommunikative Zusammenführung unterschiedlichen Wissens werden nicht nur Transaktionskosten gesenkt und kritische Massen an Wissensressourcen gebildet, sondern v. a. auch Win-win-Situationen für alle Beteiligten durch einen beschleunigten Lern- und Erkenntnisprozess geschaffen. Wissenschaftskooperation stößt auf verschiedene Widerstände. Häufig wird eine Zusammenarbeit durch kognitive Barrieren zwischen den verschiedenen beteiligten Akteuren erschwert. Wissen muss in eine für den Empfänger verständliche Information verwandelt werden, damit möglichst viel vom Wissen des Senders (seinen Ideen und Vorstellungen) beim Empfänger ankommt und in dessen kognitive Modelle eingebaut werden kann. Je mehr sich die Denkmuster
und Sichtweisen sowie die Fachsprache mit denen des Gegenübers decken, d. h. die Partner in ihren Realitätsinterpretationen übereinstimmen, desto leichter fällt die Wissensteilung und desto eher wird eine gemeinsame Wissensbasis entstehen. In den Netzwerken der Wissenschaftskooperation sind i. d. R. jedoch unterschiedliche Disziplinen vertreten oder es kooperieren Wissenschaftler mit Anwendern wissenschaftlichen Wissens, so dass die kognitive Distanz anfangs meist groß ist. Die für Kooperationsverbünde konstitutive Kommunikationsstruktur erweist sich für die Überwindung derartiger kognitiver Distanz ebenfalls als besonders leistungsfähiges Medium. Nach Denzau und North lassen sich kognitive Distanzen in den Routinen der Zusammenarbeit und den dabei stattfindenden Kommunikationsprozessen abbauen; es lässt sich so schrittweise eine Annäherung der Realitätsinterpretationen und damit eine effiziente Teilung von Wissen über Disziplingrenzen hinweg erreichen. (Denzau/North 1994; ▷Interdisziplinarität, Transdisziplinarität) Kooperationsvorhaben, in denen Sozial- und Naturwissenschaften zusammenarbeiten, in denen sich Wissenschaft und Wirtschaft austauschen oder transnationale Projektgruppen der europaweiten kooperativen Forschung sind Spiegelbilder der Probleme von kognitiver Distanz, aber auch der integrierenden Wirkungen der Kommunikation innerhalb organisierter Kooperationsverbünde. Paradox des kooperativen Forschens und Kooperationsregeln Erfolgreiche Wissenschaftskooperation bedeutet, dass das auch unter Wissenschaftlern verbreitete egoistische, kompetitive Verhalten überwunden wird. Die Spieltheorie weist nach, dass egoistisches Verhalten in Situationen, in denen Akteure in ihrem Verhalten aufeinander bezogen sind, die von einem Akteur erzielbaren Vorteile mit Nachteilen auf der anderen Seite erkauft (Nullsummenspiel). Sie weist auch nach, dass Akteure unter individuell rationalen Erwägungen dahin tendieren, Nichtkooperation der Kooperation vorzuziehen (Axelrod 1984). Um eine derartige Kooperationsblockade zu durchbrechen, bedarf es spezifischer Vorgehensweisen, von allen Beteiligten akzeptierter Verhaltensnormen und -regeln sowie der Entwicklung von Vertrauen. Kooperation bedarf der Motivation zur Kooperation. Eine solche kann entstehen, wenn die Zukunft auf die Gegenwart einen „ausreichend großen Schatten“ wirft, d. h. gemeinsame Ziele und Visionen erkennbar und ausformuliert werden,
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die jeder einzelne Forscher und jede einzelne Forschungseinrichtung isoliert nicht erreichen kann. Das Ziel lässt sich nur als Gruppe erreichen und man erreicht es selbst nur, indem man sich unter bestimmten Bedingungen in die arbeitsteiligen kooperativen Zusammenhänge einfügt. Die Einigung auf ein solches Ziel schafft die Motivation für eine kooperative Zusammenarbeit. Für den Kooperationserfolg sind darüber hinaus klare Regeln des Verhaltens erforderlich, die der Kooperationssituation entsprechen. Für Kooperationsverbünde haben sich Regelungsformen als tragfähig erweisen, die sich als mehr oder weniger offene relationale Verträge umschreiben lassen. Sie enthalten inhaltliche und zeitliche Begrenzungen der Zusammenarbeit, prozessuale Regelungen, definieren Möglichkeiten des Ausstiegs, Sanktionen gegen Trittbrettfahrer, legen spezifische Steuerungs- und Kontrollmechanismen sowie Verwertungsrechte der Forschungsergebnisse fest. Ein wesentliches Element, das die Kooperation festigt, entwickelt sich in den Kommunikationsroutinen des Kooperationsnetzwerkes. In der Netzwerkforschung wird dieses als Sozialkapital beschrieben (Jansen 2000:22). Sozialkapital entsteht, wenn die Regeln der Zusammenarbeit mit Leben erfüllt werden, zwischen den Partnern Vertrauen geschaffen wird, Missverständnisse minimiert, Anreize zu opportunistischem Verhalten gezügelt werden, das Prinzip der Fairness gilt und der gemeinsame Fundus von normativen und kognitiven Regeln stabilisiert wird. Kommunikation fördert nicht nur kognitive Nähe, sondern auch soziale Bindungen und damit den inneren Zusammenhalt des Kooperationsnetzwerkes. Kujath, H. J.
Literatur Axelrod, R. (1984): The Evolution of Cooperation. New York Denzau, A. T.; North, D. C. (1994): Shared Mental Models: Ideologies and Institutions. In: Kyklos – International Review for Social Sciences, 1, 3-31 Helmstädter, E. (2000): Wissensteilung, Thünen-Vorlesung bei der Jahrestagung 2000 des Vereins für Socialpolitik. Berlin Jansen, D. (2000): Netzwerke und soziales Kapital. In: Weyer, J. (Hrsg.): Soziale Netzwerke. Konzepte und Methoden der sozialwissenschaftlichen Netzwerkforschung. Wien, 35-85 Williamson, O. E. (1990): Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus. Tübingen
WISSENSGESELLSCHAFT Wissen war immer eine wichtige Ressource und ein Motor für die Entwicklung der Gesellschaft
und ihrer Räume. Der Übergang in die Wissensgesellschaft zeichnet sich im Vergleich zu den vorhergehenden historischen Epochen jedoch durch einen qualitativen Sprung in der Art und Weise der Wissensproduktion, -teilung und -verwendung aus. Bereits Ende der 1960er Jahre erwähnt Drucker in seinen Analysen die Wissensgesellschaft als eine neu entstehende wirtschaftliche und gesellschaftliche Ordnung, in der Wissen an Stelle von Arbeit, Rohstoffen oder Kapital zur zentralen Quelle von Produktivität, wirtschaftlichem Wachstum und sozialen Veränderungen wird (Drucker 1969). Die von Drucker erkannten tiefgreifenden Änderungen haben eine technische, eine wirtschaftliche und eine soziale Seite und sie dürften ihren Niederschlag auch auf der räumlichen Ebene finden. Heute gebräuchliche Raumbilder wie „Technopole“, „Medienstadt“, „▷kreative Stadt“, „Wissensregion“, „Innovationsregion“ oder „lernende Region“ als Gegensatz zum Bild der „altindustrialisierten Regionen“ deuten auf die räumlichen Implikationen des wissensgesellschaftlichen Wandels. Dimensionen der Wissensgesellschaft Das Verständnis des Begriffes Wissensgesellschaft hat sich im historischen Verlauf gewandelt. Zunächst überwogen wegen ihres engen Zusammenhangs mit dem technischen Fortschritt v. a. im Bereich der Kommunikationsmedien eher eindimensionale, technische Ansätze, die auch mit den Begriffen Informationsrevolution und Informationsgesellschaft umschrieben wurden (Nora/Minc 1979). Später kamen die ökonomischen Veränderungen und die Auswirkungen auf das gesellschaftliche Umfeld hinzu. Die Entwicklung der Wissensgesellschaft und ihre räumlichen Wirkungen lassen sich an diesen drei Dimensionen nachvollziehen. Technische Dimension Die technische Dimension ist ein tragender Pfeiler der Wissensgesellschaft: Sie bezeichnet die bahnbrechenden Umwälzungen in den Informations- und Kommunikationstechnologien. Erst diese technischen Neuerungen haben es möglich gemacht, dass Haushalte und Unternehmen in einem bisher nicht denkbaren Umfang auf weltweit verfügbare Wissens- und Informationsbestände zugreifen können und sich der Transfer von Daten und leicht kodifizierbaren Informationen zwischen den Akteuren dramatisch erleichtert hat. War in der Industriegesellschaft die Revolu-
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tionierung des Verkehrs durch Bahn und Kraftfahrzeug wichtige Triebkraft der gesellschaftlichen Entwicklung, ist es jetzt die digitale Revolution in Verbindung mit dem Internet. Zur conditio sine qua non der Wissensgesellschaft gehört damit die Bereitstellung von Telekommunikationsinfrastruktur sowie die Erschließung des gesamten Raumes mit einer derartigen Infrastruktur. Erst sie ermöglicht eine Teilhabe an den globalen Informationsströmen der Wissensgesellschaft und belegt damit gleichzeitig, dass die Wissensgesellschaft kein lokales oder nationales Phänomen, sondern Ausdruck der ▷ Globalisierung ist, die alle historisch gewachsenen Strukturen unserer Gesellschaft erfasst und ohne Ausbreitung der neuen Technologien nicht denkbar wäre. Mit der digitalen Revolution verändert sich auch die Rolle der „traditionellen“ Raumüberwindungstechniken, die eine flankierende Rolle übernehmen. Das gilt besonders für jene Verkehrssysteme, die den Fernverkehr im neuen, größeren räumlichen Kontext gewährleisten und so ein Zusammentreffen von Wissensträgern in sich globalisierenden Wissensnetzwerken erleichtern. Aus raumwissenschaftlicher Sicht werden dadurch die Transaktionen zwischen den Akteuren erheblich erleichtert und Transaktions- sowie Transportkosten minimiert Viele Autoren sehen darin bereits die Voraussetzungen für einen „Tod der Distanz“ gekommen. Ökonomische Dimension
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Der Umbruch zu wissensbasierten Systemen wird zwar von technischen Innovationen forciert, er zeigt sich v. a. aber in den ökonomischen und sozialen Veränderungen, die ihrerseits auf den technischen Wandel zurückwirken. Merkmale dieses Wandels sind radikale Verschiebungen von materiellen Inputs hin zu „symbolischen“ oder wissensbasierten Inputs in den Produktionsprozessen (Stehr 1992:113). Herkömmliche Produktionsfaktoren wie Boden, Kapital, Arbeit werden immer stärker überlagert durch Wissen: Wissenschaftliche Innovationen, die Kompetenzen der Wissensarbeiter, die Fähigkeit, diese Kompetenzen systematisch in immaterielle und materielle Güter und Dienstleistungen zu transferieren, sowie der organisatorische Umbau der Wirtschaft zu stark vernetzten enthierarchisierten Systemen der Wissensteilung machen das Neue der wissensbasierten Wirtschaft aus. Systematisches (analytisches) Wissen rückt dabei – in Abgrenzung zum Erfahrungswissen (z. B. handwerklichem Geschick) – als strukturbestimmender Wissenstyp in den
Mittelpunkt. Es stützt sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse, die sich über mehrere Konkretisierungsschritte in den Produkten, in der Organisation der Produktionsprozesse sowie in Blaupausen und Patenten wiederfinden. Das Neue am wirtschaftlichen Umgang mit Wissen besteht außerdem darin, dass es auch auf sich selbst angewandt wird, d. h. reflexiv ist und dadurch seine eigene Leistungsfähigkeit bzw. Produktivkraft steigert. Wissen als Produktivkraft durchdringt inzwischen nahezu alle wirtschaftlichen Prozesse und alle Wirtschaftssektoren. Es verändert die Struktur unserer Volkswirtschaft und führt zur Herausbildung von neuen Teilsystemen der Wirtschaft, die wir unter dem Begriff „Wissensökonomie“ zusammenfassen (Kujath/Schmidt 2007). Soziale Dimension Die Reflexivität des Wissens wird zu einem Charakteristikum der Wissensgesellschaft nicht nur im ökonomischen Handeln, sondern in der Gesellschaft insgesamt. Kennzeichen dieser „sozialen Dimension“ ist, dass „Erfahrungen nicht mehr passiv ‚gemacht’ und verarbeitet werden, sondern prospektiv durch ‚forschendes’ Verhalten gesucht und in Gestalt systematischer Variationen gewählt und reflektiert werden“ (Weingart 2001:17). Strategisches Handeln in der Wissensgesellschaft geschieht, indem die Zukunft durch hypothetische Entwürfe, Simulationen und Modelle vorweggenommen wird (▷Zukunftsforschung). Die Ursachen für Abweichungen tatsächlicher Ereignisse werden systematisch erforscht und in die unterschiedlichen Handlungsfelder zurückgespeist. Wissen wandelt sich damit von einem Faktor der Stabilisierung sozialer Praktiken zu einem Faktor (unsicherer) Gestaltung dieser Beziehungen. Wissen wird damit selbst zum Problem, weil es kontinuierlich revidiert wird, als permanent verbesserungsfähig gilt und als erneuerte Ressource für die gesellschaftlichen Akteure bereitgestellt wird. In der Folge werden immer weniger gesellschaftliche Aktivitäten unhinterfragt als gegeben und als in tradierte „alte“ Ordnungen eingebettet angenommen (Willke 2001:290). Die Gesellschaft steht vielmehr vor der Herausforderung, Normen und Regeln beständig infrage zu stellen und gleichzeitig neu zu erfinden. War die Industriegesellschaft noch geprägt durch Kontinuität von Erfahrung (Vergangenheit) und Erwartung (Zukunft), durch eine lineare Vorstellung von Fortschritt, durch fordistische Modelle der gesellschaftlichen Organisation sowie eine taylorisierte Organisation unternehmerischer Prozesse (Ar-
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beitsteilung), sind wir heute mit dem umgekehrten Problem konfrontiert, wie die unüberschaubare Fülle hochspezialisierten und fragmentierten Wissens selektiert, gefiltert und zusammengeführt werden kann (Wissensteilung). Nähe und Distanz in der Wissensgesellschaft In der Industriegesellschaft beherrschte der physisch-geographische Raum mit seinen Spezialisierungen das Handeln der Akteure. Er war ein Aktionsraum, dessen „Überwindung“ Zeit und Energie kostete. Räumliche Beziehungen konnten auf zwei zentrale den Raum prägende Faktoren zurückgeführt werden – die Transportkosten sowie die Produktivität steigernden Skalenerträge räumlicher Ballung und großindustrieller Produktion mit allen damit verknüpften Folgen für die Funktion und Gestalt von Städten. Diese Faktoren sind nicht ohne weiteres auf die Wissensgesellschaft übertragbar. Sie organisiert sich weniger um die materielle Güterproduktion als vielmehr um die Wissensproduktion, für die der physische Raum eine andere Bedeutung besitzt und die zu ihrer Entfaltung Wissensräume benötigt und eine Position zwischen kognitiver Nähe und Distanz sucht. Kognitive Nähe und Distanz Obwohl die Wissensgenerierung als psycho-physischer Denkprozess zunächst ein individueller Prozess ist, beruht er doch wesentlich auf einer erfolgreichen Wissensteilung zwischen verschiedenen miteinander vernetzten Akteuren. Kognitive Nähe gilt dabei als eine Voraussetzung für gelingende Kommunikation und Wissensteilung und darüber hinaus für das Anstoßen von Lern- und Innovationsprozessen, für die Gewinnung neuer Einsichten. Die neuen Informations- und Kommmunikationstechniken sind hierbei hilfreich, aber in der Wissensgesellschaft ist die Frage, wie kognitive Distanz überwunden bzw. kognitive Nähe hergestellt werden kann, wichtiger als jene, wie standardisierte Daten und kodifizierte Informationen über große physische Distanzen transportiert werden können. Wissensteilung gelingt umso leichter, je näher die Akteure mit ihren kognitiven Interpretationsmodellen und ihrer Sprache zueinander stehen. Der Sender muss fähig sein, sich verständlich zu artikulieren, d. h. sein Wissen in eine Information zu verwandeln bzw. in einer allgemeingültigen Sprache auszudrücken. Dies dürfte ihm vergleichsweise leicht fallen, wenn es sich um Faktenwissen oder kausale Logiken d. h.
systematisiertes Fachwissen handelt (Know-what und Know-why). Implizites, Erfahrungswissen, z. B. prozedurales Wissen (Know-how) lässt sich dagegen nicht oder nur schwer artikulieren. Es sperrt sich gegen eine Kodifizierung und damit gegen eine rasche allgemeine Verbreitung. Aber selbst im Falle einer gelungen Kodifizierung kann der Impuls des Senders verpuffen, wenn die gewählte Sprache nur von sehr wenigen verstanden wird oder wenn der Kommunikationskanal für die übermittelte Information nicht angemessen ist. Auf Seiten des Empfängers entscheidet seine „absorptive capacity“ darüber, ob und wenn ja, wie viel vom Wissen des Senders (seinen Ideen und Vorstellungen) beim Empfänger ankommt und seinen Wissensbestand anreichert. Die Aufnahmekapazität dürfte umso größer sein, je mehr sich die eigenen mentalen Modelle, Wertmuster, Sichtweisen und Regeln sowie die Sprache der interagierenden Akteure decken, d. h. die Partner in ihren Denkmustern ähnlich sind. Die Akteure der Wissensgesellschaft bewegen sich damit in einem Dilemma: Im Falle großer kognitiver Nähe dürften neue Erkenntnisse kaum entstehen können. Was problemlos geteilt wird, ist allen bekannt und kann bestenfalls für inkrementelle Lernschritte nützlich sein. Radikale Lernprozesse dürften folglich v. a. dann angeregt werden, wenn unterschiedliches Wissen aufeinander trifft und miteinander kombiniert wird, also eine gewisse kognitive Distanz besteht. Je größer die kognitive Distanz zwischen den kommunizierenden Partnern ist, desto mehr Lern- und Innovationsimpulse sind zu erwarten, desto schwerer dürfte es den Akteuren aber auch fallen, sich dem anderen mitzuteilen, d. h. die kognitive Lücke zu überbrücken. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass ein Trade-off zwischen kognitiver Distanz, die Neuigkeiten vermittelt, und kognitiver Nähe, die eine effiziente Absorption der Informationen durch den Angesprochenen erlaubt, gefunden werden muss (Nooteboom 2000). Räumliche Nähe und Distanz Ob die Wissensgesellschaft ihre Wissensräume vorwiegend global oder in physisch-räumlicher Nähe organisiert, ist nicht eindeutig zu bestimmen und wissenschaftlich umstritten. In der theoretischen Debatte konzentriert sich ein erster Erklärungsstrang im Wesentlichen auf die neue Bedeutung der Agglomerationen als Wissenskontexte und Orte des Lernens, während die Gegenposition eine wachsende Bedeutung der Agglomerationen aus ihrer Einbindung in globale
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Wissensnetzwerke und aus ihrer Rolle als Ressourcenpools ableitet. Physisch-räumliche Nähe bewirkt auf jeden Fall nicht per se eine Diffusion von Wissen zwischen verschiedenen Wissensträgern. Sie scheint aber aus dem Blickwinkel des ersten wissensgesellschaftlichen Erklärungsstrangs unverzichtbar für die Wissensteilung und die Herstellung von kognitiver Nähe zu sein. Sie erleichtert das persönliche Gespräch, das zu den intensivsten Kommunikationsformen gehört, und kann helfen, kognitive Distanzen leichter zu überwinden als z. B. ein Schriftverkehr oder eine E-Mail. Agglomerationen gelten dabei als so etwas wie „sticky places“ der Wissensgesellschaft. Die Akteure können hier mit vergleichsweise geringen Suchkosten persönliche Kontakte zu anderen Akteuren herstellen. Diese Räume bieten darüber hinaus eine große Optionsvielfalt an Kommunikationspartnern und Wissensquellen, die für vielfältige Wissensverbindungen genutzt werden können. Agglomerationen sind danach Räume, in denen Personen und organisierte Akteure (Firmen, Wissenschafts-, Bildungseinrichtungen usw.) in räumlicher Nähe ein enges Netzwerk von Kontakten aufbauen und dieses für die Generierung neuer Ideen nutzen können. Von Hippel weist auf die starke räumliche Bindung des persönlichen, impliziten Wissens hin und beschreibt die lokale Bindung von Wissensteilung als „locational stickiness“ (Hippel 1994). Aber auch der Austausch expliziten, kodifizierten Wissens ist häufig an räumliche Nähe gebunden, nämlich dann, wenn es sich um schwierige, komplexe Sachverhalte handelt, die erklärungsbedürftig sind und für die Partner gemeinsame mentale Modelle suchen müssen. Dichte lokale und regionale Kommunikationsnetzwerke gelten zugleich als Nährboden für das Entstehen von räumlich begrenzten, lokalen Wissenskontexten, die die Bindekraft eines Ortes weiter steigern. Diese entstehen als Nebenprodukt der Wissensteilung und sind gleichzeitig eine Bedingung für das Gelingen des Wissenstransfers zwischen Personen. Wie Überlegungen zur Bildung von Systemen zeigen, kann z. B. durch wiederholte Kommunikation eine Annäherung der mentalen Modelle zwischen den Akteuren erreicht werden und Vertrauen zwischen ihnen hergestellt werden (soziale Nähe). Durch wiederholte Kommunikation können auch geteilte Werte, Normen, Regeln (institutionelle Nähe) entstehen, die ebenfalls die kognitive Absorptionsfähigkeit der Partner erhöhen (Willke 2001). Zwar lässt sich ein gemeinsamer Wissenskontext auch über große Distanzen aufbauen, es wird aber vermutet, dass Kontextwis-
sen besonders distanzsensibel ist. Insgesamt ergibt sich daraus, dass Wissen zunächst lokal verankertes Wissen ist und auch die Wissensgesellschaft sich orts- und kontextgebunden darstellt. In einer sich globalisierenden Welt kann die lokale Bindung jedoch nicht räumliche Abschottung bedeuten. Aus dem zweiten Betrachtungswinkel werden Agglomerationen deshalb auch nicht primär als Orte der Wissensgenerierung, sondern als Knoten globaler Wissensnetzwerke und Ressourcenpools für diese Netzwerke angesehen. Im Gegensatz zur lokalen Natur von Wissen wird angenommen, dass in der Wissensgesellschaft die großen Agglomerationsräume Knotenpunkte der global organisierten Wissensteilung sind. Folglich könnten auch die Lern- und Innovationsprozesse nicht mehr allein lokaler Natur sein. Die Wissensgesellschaft sei – im Gegensatz zur vorindustriellen Gesellschaft und auch der Industriegesellschaft – nicht mehr lokal verankert, sondern in einen viel größeren Raum der Wissensteilung eingebettet. Amin und Cohendet betonen, dass für die Teilung von Wissen neben der kognitiven Nähe institutionelle und organisatorische Nähe wichtiger seien als die räumliche Nähe (Amin/ Cohendet 1999). In dem Maße, wie sich Wissen über die regionalen und nationalen Grenzen hinweg ausbreitet, würden sich lokale, regionale und auch nationale Kontexte auflösen und sich neue Gemeinschaften mit ähnlichen Zielen und Regeln im globalen Kontext entwickeln. Organisatorische und soziale Bindungen würden in diesem Fall die räumlichen Bindungen ersetzen. Als Beispiele für globale Gemeinschaften werden die Finanzwirtschaft, der Tourismus, der ▷Einzelhandel, die Kulturindustrie, transnationale Forschungsverbünde und die großen multinationalen produzierenden Unternehmen genannt. Agglomerationen sind in dieser Argumentation attraktiv aufgrund ihrer großen Ressourcenpotenziale, des Pools an Arbeitskräften, Wissenschafts- und Bildungsangeboten und aufgrund ihrer Ausstattung mit Kommunikations- und Transportinfrastrukturen, die sie zu privilegierten Scharnieren und Knoten innerhalb globaler Wissensnetze aufsteigen lassen. Sie wandeln sich danach zu strategischen Orten, an denen global verteiltes Wissen zusammengeführt, verarbeitet und auch wieder verteilt wird. Wenn sich die Akteure der Wissensgesellschaft im globalen Raum bewegen, können sie zumindest zeitweilig diese strategischen Orte als Treffpunkte für den Wissensaustausch und für die Durchführung gemeinsamer Projekte nutzen. Damit sind diese Agglomerationen und die räumliche Nähe, die sich an
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diesen Orten herstellen lässt, weniger Ausdruck von locational stickiness als vielmehr des Wandels ausgewählter Orte der Wissensgesellschaft zu Treffpunkten und Schaltstellen in den weltweiten Netzwerken der Wissensgesellschaft (▷Wissenschaftskooperation). Fazit Insgesamt sind die Einschätzungen, in welche Richtung sich die Wissensgesellschaft und ihre räumlichen Strukturen entwickeln, noch fragmentarisch und wenig detailliert. Ein Grund besteht in der Unsichtbarkeit von Wissen und Wissensflüssen. Ging es im Industriezeitalter um die sichtbare räumliche, systematische Ordnung des Nutzungsgefüges, die Organisation des ▷Verkehrs und Transports materieller Güter zwischen den räumlich separierten Nutzungsarten, den Ausgleich der Interessen zwischen den großen sozialen Gruppen (Arbeiter, Angestellte und Kapital), wirken die treibenden Kräfte der Wissensgesellschaft eher im Verborgenen. Gleichwohl lassen sich einige Besonderheiten und ihre räumlichen Effekte erkennen: Anders als in der Industriegesellschaft ist in der Wissensgesellschaft die Etablierung von Kontakt- und Kommunikationsnetzwerken ein konstitutives Element. Aus den Besonderheiten des Wissens und seines Transfers ergibt sich, dass die Akteure Nähe und Distanz nicht allein nach physisch-räumlichen, sondern v. a. nach kognitiven Gesichtspunkten beurteilen. In der vorindustriellen Gesellschaft und auch in der Industriegesellschaft begrenzte der physische Raum das Handeln der Akteure. In der Wissensgesellschaft rücken dagegen die Wissensräume, die sich zwischen den Wissensträgern aufspannen, und das Verhältnis von kognitiver Nähe und Distanz in den Mittelpunkt. In weiteren vertiefenden wissenschaftlichen Untersuchungen wird zu klären sein, in welchen physisch-räumlichen Konfigurationen die Wissensgesellschaft ihre Netzwerbeziehungen am besten entfalten kann. Kujath, H. J.
Literatur Amin, A.; Cohendet, P. (1999): Learning and Adapting in Decentralised Business Networks. In: Environment and Planning D: Society and Space, 17, 93-116 Drucker, P. F. (1969): The Age of Discontinuity: Guidelines to Our Changing Society. New York Hippel, E. v. (1994): Sticky Information and the Locus of Problem Solving: Implications for Innovation. In: Management Science, 40, 429-439 Kujath, H. J.; Schmidt, S. (2007): Wissensökonomie und die Entwicklung von Städtesystemen. In: SoFid – Sozialwissenschaftlicher Fachinformationsdienst. Stadt- und Regionalforschung, 2, 9-29
Nooteboom, B. (2000): Learning and Innovation in Organizations and Economics. Oxford Nora, S.; Minc, A. (1979): Die Informatisierung der Gesellschaft. Frankfurt/M, New York Stehr, N. (1992): Experts, Counsellors and Advisors. In: Stehr, N.; Ericson, R. V. (Hrsg.): The Culture of Power and Knowledge. Berlin, New York, 107-155 Weingart, P. (2001): Die Stunde der Wahrheit? Zum Verhältnis der Wissenschaft zu Politik, Wirtschaft und Medien in der Wissensgesellschaft. Weilerswist Willke, H. (2001): Systemisches Wissensmanagement. Stuttgart
WOHNEN Die Wohnung ist ein sehr besonderes Gut. Sie ist eine Ware, die nur in Ausnahmefällen transportierbar ist, also sind ▷Wohnungsmärkte überwiegend lokal organisierte Märkte. Wenn in Görlitz Wohnungen leer stehen, so hilft das den Wohnungssuchenden in München wenig. Und die Wohnung ist ein Gut mit einem hochkomplexen Gebrauchswert. Sie dient der Erholung, ist aber auch Ort und Gegenstand von Arbeit, nicht nur der klassischen Hausarbeit, v. a. auf dem Land ist sie auch Ziel umfänglicher Eigenarbeiten beim Bau, Umbau und Erhalt des eigenen Hauses, und sie ist Ort vielfältiger berufsbezogener Arbeiten. Die Wohnung ist ein symbolisch hochaufgeladener Ort, an sie sind wichtige Erinnerungen gebunden, sie ist ein Stück Heimat und der Kern der Privatsphäre, ein geschützter Ort von Intimität, Körperlichkeit und Emotionalität. Die Deutschen verbringen durchschnittlich mehr als die Hälfte ihrer wachen Zeit in der Wohnung und der näheren Wohnumgebung. Kein Wunder, dass die Wohnungsfrage seit dem 19. Jahrhundert eine zentrale Frage der Gesellschaftspolitik ist. Die Wohnungsfrage beinhaltete von Anfang an zwei Probleme: Einmal das ökonomische Problem der Wohnungsversorgung, also die Frage, wie eine ausreichende Zahl von Wohnungen zu bezahlbaren Preisen bereitgestellt und gerecht verteilt werden kann; zum anderen das kulturelle Problem der Definition von Wohnung, wohinter stets die normative Frage steht, was als eine menschenwürdige Wohnung anerkannt werden soll. Auf beide Fragen schien in den 1920er Jahren die Antwort gefunden: der ▷Soziale Wohnungsbau als Antwort auf die Frage nach der gerechten Wohnungsversorgung und die Wohnung für die Kleinfamilie als Antwort auf die Frage nach der menschenwürdigen Wohnung. Heute stehen beide Antworten selber infrage. Dramatisierend wird von einer „neuen Woh-
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nungsnot“ gesprochen. Sie ist so neu nicht. Das Grundproblem ist zunächst einmal das alte, dass nämlich der Wohnungsmarkt eine jeweils für angemessen gehaltene Wohnung nur zu Preisen zur Verfügung stellt, die die Zahlungsfähigkeit beträchtlicher Teile der Bevölkerung übersteigt. Neu ist allerdings, dass es sich um „Not“ auf einem hohen Niveau handelt. Aber in einer reichen Gesellschaft wie der bundesrepublikanischen macht es wenig Sinn, Not absolut zu definieren als Hunger oder Obdachlosigkeit. Als Not gilt, was hinter einem durchschnittlichen Lebensstandard systematisch zurückbleibt. Das gilt für die Definition von Armut ebenso wie für die Definition von „Wohnungsnot“. Heute wird als Unterversorgung gezählt, wenn nicht für jedes Haushaltsmitglied ein Zimmer verfügbar ist. Das wäre um 1900 für die Masse der Städter unvorstellbarer Luxus gewesen. Damals begann die statistisch registrierte Wohnungsnot, wenn sechs Personen pro heizbarem Zimmer gezählt wurden. Was jeweils als Wohnungsnot angesehen wird, hängt davon ab, was in einer Gesellschaft jeweils als angemessene Wohnung definiert ist. Die Wohnungsversorgung ist Teil einer moralischen Ökonomie, in der nach kulturellen Normen und politisch gesetzten Standards darüber entschieden wird, was als angemessene Versorgung akzeptiert wird. Und diese Standards steigen mit dem Wohlstand einer Gesellschaft. Deshalb wird es immer Versorgungsprobleme auf dem Wohnungsmarkt geben, die zum Anlass von politischen Interventionen werden. Wohnungspolitik ist unabschaffbar. Neu sind zweitens die Ursachen der Versorgungsprobleme: die Spreizung der Einkommensverteilung, die mittelfristig auf die Wohnungsmärkte durchschlagen wird. Dies wird auch deshalb geschehen, weil politisch gewollt das marktferne Segment der sozial gebundenen Wohnungen von fünf Mio. Wohneinheiten Anfang der 1970er Jahre auf ca. eine Mio. im Jahre 2010 geschrumpft sein wird. Anstelle der Objektförderung ist zwar die Subjektförderung auf nunmehr 16 Mrd. Euro ausgeweitet worden. Damit sind die Optionen auch einkommensschwächerer Haushalte auf den Wohnungsmärkten gestärkt worden. Aber eben dies ist auch einer der Gründe für die Internationalisierung auf deutschen Wohnungsmärkten, die wiederum Versorgungsprobleme erwarten lässt. Die Bereitschaft von Eigentümern ehemals gemeinnütziger Bestände, diese zu verkaufen, und die teilweise Garantie der Mietzuflüsse durch Subventionierung (Wohngeld) oder Übernahme der Mietzahlungen (Hartz IV) durch die öffentlichen Hände haben Voraussetzungen
für den Einstieg global agierender Investoren geschaffen, gerade in das Segment ehemals gemeinnütziger Bestände. Angesichts der Finanzierungsstrategien dieser Investoren und der Volatilität auf den Kreditmärkten sind pessimistische Prognosen hinsichtlich der Zukunft dieser Bestände nicht von der Hand zu weisen. Neu sind drittens die möglichen stadtentwicklungspolitischen Folgen einer Kumulation von Armut und sozialen Belastungen in bestimmten Wohnquartieren. Solche Häufungen von Problemlagen können zu Abwärtsspiralen in städtischen Quartieren führen. Wenn sich das Image eines Wohngebiets verschlechtert, wandern deutsche Mittelschichtshaushalte ab, die Kaufkraft sinkt, das örtliche Angebot an Gütern und Dienstleistungen wird eingeschränkt, Banken vergeben nur noch sehr zurückhaltend Kredite in diese Quartiere, die Eigentümer unterlassen Investitionen, das Gebiet verkommt auch äußerlich, und wenn dann noch der Anteil der Kinder aus bildungsfernen Haushalten in den örtlichen Schulen steigt, so ist das Anlass für weitere Fortzüge deutscher Mittelschichtler und bildungsorientierter Migrantenfamilien. Zurück bleiben die Haushalte, die keine Alternativen auf dem Wohnungsmarkt haben, i. d. R. die ökonomisch und sozial schwachen. In einer Art passiver Segregation ist ein sozialer Brennpunkt entstanden (▷Soziale Stadt). Solche Teufelskreiseffekte verlaufen unter Bedingungen entspannter Wohnungsmärkte außerordentlich schnell und sie sind kaum steuerbar, weil sie auf den freiwilligen Standortentscheidungen privater Haushalte beruhen. Die Frage der Wohnungsversorgung ist also auch heute und gerade auch unter Bedingungen teilweise entspannter Wohnungsmärkte keinesfalls endgültig beantwortet. Das Gleiche gilt für die qualitative Seite der Wohnungsfrage, was denn eine menschenwürdige Wohnung ausmache. Hier hatte sich in den 1920er Jahren eine Antwort durchgesetzt, die bis in die 1960er Jahre Gültigkeit behielt, und zwar im Westen wie im Osten Deutschlands: die Wohnung für die Kleinfamilie. Ihre Besonderheit erschließt sich aufgrund von vier Fragen (Häußermann/Siebel 1996:15): 1) Wer bewohnt die Wohnung: die Frage nach der sozialen Einheit des Wohnens. Das ist der Familienhaushalt, die durch rechtliche und religiöse Bindungen (Ehe) gestiftete Einheit von Mann, Frau und ihren Kindern. Sozial ist die Wohnung Ort der Familie. 2) Was tut man, wenn man wohnt: die Frage nach der funktionalen Bedeutung des Wohnens. Wohnen dient der Reproduktion der Arbeits-
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kraft, es umfasst ein von beruflicher Arbeit räumlich und zeitlich getrenntes Leben der Erholung, des Konsums, der Kommunikation und der Erziehung des Nachwuchses. Funktional ist die Wohnung das Gegenüber zur betrieblich organisierten Erwerbsarbeit. 3) Wie wird Wohnen wahrgenommen: die Frage nach der sozialpsychologischen Bedeutung des Wohnens. Wohnen beinhaltet alle Tätigkeiten, die, weil sie mit Scham- und Peinlichkeitsempfindungen verknüpft sind, vor den Augen des Herrn Jedermann verborgen bleiben sollen. In der schützenden Abgeschlossenheit der Wohnung können Intimität, Emotionalität und Körperlichkeit ausgelebt werden. Sozialpsychologisch ist die Wohnung Kern der Privatsphäre, das Gegenüber zum öffentlichen Raum der Stadt. 4) Wie kommt man zur Wohnung: die Frage nach der Verteilung von und der Verfügung über die Wohnung. Es gibt viele Wege, zu seiner Wohnung zu kommen: durch Geburt, Erbe, Heirat, über das Wohnungsamt, aber in unserer Gesellschaft ist der übliche Weg durch Kauf oder Miete auf Märkten. Die Wohnung ist eine Ware. Die Wohnung als Ware, als Raum des Familienlebens, als Gegenüber des öffentlichen Raums und der beruflichen Arbeitswelt ist eine idealtypische Definition des modernen Wohnens, aber dieser Idealtypus ist im Verlauf des 20. Jahrhunderts zum praktisch relevanten Leitbild der Wohnungspolitik und in Gestalt des Einfamilienhauses zum Inbegriff eines gelungenen Wohnens geworden. Er wurde institutionalisiert in den Richtlinien des sozialen Wohnungsbaus, in Förderbestimmungen, Gesetzen, DIN-Normen und den Kategorien der amtlichen Statistik. Und er prägte die Wohnwünsche einer überwältigenden Mehrheit der Deutschen. Historisch gesehen ist er jedoch relativ jung. Der Idealtypus des vormodernen Wohnens, das „ganze Haus“ (Brunner 1965), war eine Selbstversorgungseinheit, die unter ihrem Dach Produktion, Verteilung und Reproduktion, Familienangehörige und Gesinde vereinte. Erst im Zuge der industriellen ▷Urbanisierung wurde für die Masse der Bevölkerung die Erwerbsarbeit aus dem Wohnzusammenhang herausgelöst und am besonderen Ort, dem Betrieb, und zu gesonderten Zeiten, der Arbeitszeit, organisiert. Mit der Auslagerung der Erwerbsarbeit verschwinden zuerst die nicht verwandten Arbeitskräfte, später auch die entfernteren Verwandten aus der Wohnung, bis zuletzt nur noch die Kleinfamilie der Eltern mit ihren Kindern zurückbleibt. Zugleich werden
in einem Prozess der „Verhäuslichung der Vitalfunktionen“ (Gleichmann 1976) Körperlichkeit und Emotionalität aus dem öffentlichen Bereich zurückgenommen hinter die schützenden Mauern der Privatsphäre. Daher ist die Rede vom Funktionsverlust der Wohnung im Zuge der Urbanisierung missverständlich, genauer wäre, wie in der Familiensoziologie üblich, vom Funktionswandel zu sprechen. Seit den 1970er Jahren haben die Menschen begonnen, aus diesem Modell wieder auszuwandern in sehr differenzierte Wohnweisen. Das betrifft einmal die Wohnungsstandorte. Die Kernstädte gewinnen wieder an Attraktivität. Das hängt einmal damit zusammen, dass die Kräfte, die die Suburbanisierung getragen haben, schwächer werden (▷Innenentwicklung/Außenentwicklung), zum anderen mit dem Wandel der Rolle der Frau. Heute führen immer mehr Frauen ein berufszentriertes Leben wie früher nur die Männer. Wenn sich aber immer mehr Menschen auf ihren Beruf konzentrieren, zugleich jedoch die sozialen Voraussetzungen, um das tun zu können, verschwinden, nämlich die klassischen Hausfrauen, die ihren berufstätigen Männern den Rücken frei hielten von allen außerberuflichen Verpflichtungen, so gibt es nur zwei Auswege: die radikale Reduktion aller außerberuflichen Verpflichtungen, insbesondere durch den Verzicht auf Kinder, und das Leben in einer modernen Dienstleistungsstadt, die jedem, sofern er nur über genügend Geld verfügt, all das zur Verfügung stellt, wofür man früher einen privaten Haushalt benötigte. Der Wandel betrifft zweitens die soziale Einheit des Wohnens. Seit längerem ist eine Entstandardisierung von Lebensläufen zu beobachten. Die klassische Biografie von Herkunftsfamilie, relativ kurzer Zeit der beruflichen Orientierung, Familiengründung und längere Familienphase, gefolgt von einer wiederum relativ kurzen Phase des „leeren Nests“, tritt in den Hintergrund. Die Phase der Postadoleszenz nach dem Auszug aus dem elterlichen Haushalt und dem Eintritt in den Beruf und die Familiengründung hat sich ausgedehnt. Aufgrund der längeren Lebenszeit hat sich auch die Phase des Alters verlängert. Die familiale Phase bleibt demgegenüber relativ kurz. Diese Differenzierungen des Lebenslaufs gehen einher mit den sog. Neuen Haushaltstypen, also Wohngemeinschaften, Singles, unverheiratet zusammenlebenden Paaren etc. und entsprechend differenzierten Anforderungen an das Wohnen. Drittens werden berufsbezogene Arbeiten wieder in die Wohnung zurückverlagert, aufgrund längerer Zeiten der Aus-, Fort- und Weiterbildung
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und weil in der Dienstleistungs- und ▷Wissensgesellschaft die Orte und Zeiten der Arbeit flexibilisiert, individualisiert und entgrenzt werden. Viertens gewinnen aufgrund der demographischen Entwicklung (▷demographischer Wandel) Wohnung und Wohnumgebung außerordentliche an Bedeutung. Das sozial definierte Alter, d. h. die Lebenszeit nach dem Ende der Berufstätigkeit hat sich auf 20 bis 30 Jahre verlängert. Und diese Zeit wird zu drei Vierteln der wachen Zeit in der Wohnung und der näheren Wohnumgebung verbracht. Dominant ist dabei der Wunsch, in der eigenen Wohnung, mit den vertrauten Nachbarn und in der gewohnten Umgebung alt zu werden. Der Bedeutungsgewinn des Wohnquartiers im Alter zwingt dazu, Wohnqualität sehr viel weiter zu definieren: räumlich über die Wohnung hinaus in das Wohnumfeld, inhaltlich über architektonisch/ technische Bedingungen (Barrierefreiheit) hinaus in einen weiten Bereich personen- und haushaltsbezogener Dienstleistungen. Allerdings gibt es dafür auch Grenzen. Das wichtigste Bedürfnis alter Menschen, das nach Vertrauen, Achtung und Liebe, ist nicht über Markt und Staat organisierbar. Es ist an die informellen Systeme von Nachbarschaft, Freundschaft und Verwandtschaft gebunden. Das tragfähigste dieser drei, das Verwandtschaftssystem aber wird aufgrund der demographischen Entwicklung und den Änderungen der Lebensweise immer schwächer. Darin liegt das bedrückendste Problem des demographischen Wandels, weil es dafür keine gesellschaftspolitischen Lösungen gibt. Siebel
Literatur Brunner, O. (1965): Das „ganze Haus“ und die alteuropäische Ökonomik. In: Brunner, O. (Hrsg.): Neue Wege der Verfassungs- und Sozialgeschichte. Göttingen Gleichmann, P. R. (1976): Wandel der Wohnverhältnisse, Verhäuslichung der Vitalfunktionen, Verstädterung und siedlungsräumliche Gestaltungsmacht. In: Zeitschrift für Soziologie, 5, 319-329 Häußermann, H.; Siebel, W. (1996): Soziologie des Wohnens. Weinheim
Nachfrage aufeinander – in deren Zusammenspiel ergibt sich der Preis (Kaufpreis oder Mietpreis) für Wohnungen. Wie der Immobilienmarkt insgesamt kann auch der Wohnungsmarkt in sektorale, räumliche und institutionelle Teilmärkte differenziert werden. Der deutsche Wohnungsmarkt in Schlagworten Land der Geschosswohnungen und Mieterhaushalte Deutschland ist im EU-weiten Vergleich das Land der Wohnungen in Mehrfamilienhäusern und der Mieterhaushalte (▷Wohnen). Insgesamt gab es Ende 2007 deutschlandweit 39.918.193 Wohnungen, davon 39.132.223 Wohnungen in reinen Wohnungsbeständen und 785.970 Wohnungen im Nichtwohnungsbau (z. B. Wohnungen in Bürogebäuden). Vom Wohnungsbestand in reinen Wohnungsbeständen entfallen 53 Prozent auf Geschosswohnungen (Wohnungen in Mehrfamilienhäusern mit drei und mehr Wohnungen), 18 Prozent der Wohnungen liegen in Zweifamilienhäuser und 29 Prozent der Wohnungen sind Einfamilienhäuser. Zum Vergleich: In England liegt der Anteil an Geschosswohnungen bei lediglich 17 Prozent. Damit geht eine vergleichsweise niedrige Quote an selbstgenutztem Wohneigentum einher, die unter allen EU-Ländern am geringsten ausfällt (vgl. Eurostat 2007). Die Quote liegt in Deutschland bei 44 im Vergleich zu 63 Prozent im EUweiten Durchschnitt (siehe Abbildung). Dies ist das Ergebnis einer bewussten planerischen Entscheidung, wie sie in Kontinentaleu-
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Der Wohnungsmarkt ist ein sektoraler Teilmarkt des Immobilienmarktes (▷Immobilienwirtschaft), auf dem die Nutzungs- und Eigentumsrechte für Wohnimmobilien gehandelt werden. Auf dem Wohnungsmarkt treffen Angebot und
Wohneigentumsquoten im europäischen Vergleich 2005 (eigene Darstellung auf Grundlage eigener Berechnungen nach Eurostat 2007:234)
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ropa üblich war und in Deutschland besonders lange durchgehalten wurde. Den Märkten wurden die Bauformen durch Planung weitgehend vorgegeben. Die planerischen Restriktionen machten Bauland teuer. Zusammen mit strengen Regulierungen des Bauens ergaben sich hohe Baukosten. Die Knappheit an Einfamilienhäusern war insbesondere in Großstädten ausgeprägt. Diese schon vor dem Ersten Weltkrieg bestehenden Tendenzen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg durch die staatlichen Subventionsprogramme im sozialen Mietwohnungsbau verstärkt. Wohnhochhäuser wurden in den 1960er und 1970er Jahren fast ausschließlich im Rahmen des ▷sozialen Wohnungsbaus errichtet. Auch die steuerliche Förderung war bis zum Ende der 1990er Jahre für private Kapitalanleger, die in den Kauf von Mietwohnungen investierten, relativ günstig.
Entwicklung der Wohnfläche pro Kopf (eigene Darstellung auf Grundlage eigener Berechnungen nach Statistisches Bundesamt 2008b)
Mehr Markt als in Europa insgesamt Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde trotz der großen Zerstörungen die Mietpreisbindung in Westdeutschland, wie sie praktisch überall in Europa bestand, schon in den 1960er Jahren aufgehoben, zuletzt 1975 in Hamburg und München. Wohnungen konnten wieder frei vermietet werden. Von Anfang an gab es einen nicht regulierten freien Wohnungsbau mit marktwirtschaftlicher Preisbildung. Der Staat subventionierte in den alten Bundesländern über ein großzügiges Steuerrecht und über die soziale Wohnraumförderung den Wohnungsbau. Das Ergebnis waren sehr hohe Produktionsziffern. Der Nachkriegsbauboom reichte bis etwa Mitte der 1970er Jahre (siehe Abbildung Wohnungsfertigstellungen). Gut die Hälfte des heutigen Wohnungsbestandes in den alten Bundesländern stammt aus der Zeit von 1949 bis 1978. Aufgrund der hohen steuerlichen Förderung des Mietwohnungsneubaus, von denen insbesondere Haushalte mit höherem Einkommen profitieren, sind die Privateigentümer anders als in den meisten sonstigen westeuropäischen Ländern, aber ähnlich wie in den USA, statistisch die größten Anbieter von Mietwohnungen. Allerdings ist hier zwischen den alten und neuen Bundesländern zu unterscheiden. Zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung gehörten gut 80 Prozent des Wohnungsbestandes in den alten Bundesländern privaten Eigentümern, in den neuen Bundesländern lag der entsprechende Anteil bei rd. 40 Prozent. In der sozialistischen Planwirtschaft der DDR erfolgte der Wohnungsneubau fast ausschließlich im Mietwohnungsmarkt und überwiegend durch kommunale Wohnungsverwaltungen
Zusammenhang von Wohnflächenausstattung und verfügbarem Einkommen (eigene Darstellung auf Grundlage eigener Berechnungen nach Statistisches Bundesamt 2008b und Arbeitskreis VGR d L 2008)
und Arbeiterwohnungsgenossenschaften. Im Jahr 1989 besaßen diese beiden Gruppen einen Anteil von rd. 60 Prozent am Gesamtwohnungsbestand (vgl. Kühne-Bühning/Heuer 1994:77). Marktbedingungen – Entwicklung zentraler Kennziffern Die Wohnfläche pro Einwohner ist eine zentrale Kennziffer des Versorgungsstandards und -niveaus. In den letzten 20 Jahren ist der Wohnflächenbestand pro Einwohner in Deutschland um mehr als 7 qm bzw. um über 20 Prozent von gut 34 qm auf rd. 42 qm angestiegen. Die im Jahr 1990 noch bestehende Lücke im Versorgungsniveau zwischen den alten und neuen Bundesländern hat sich fast geschlossen. Im Jahr der Wiedervereinigung verfügte jeder Einwohner in den neuen Bundesländern nur über 75 Prozent des Versorgungsniveaus Westdeutschlands. Die Differenz ist mittlerweile auf unter 10 Prozent gesunken (siehe Abbildung). Selbst unter Berücksichtigung nur der bewohnten Wohnfläche (in den neuen Bundesländern ist die Leerstandsquote deutlich höher als in den alten Bundesländern) betrug der Unterschied im Jahr 2006 nur noch 12 Prozent (vgl. Statistisches Bundesamt 2008a:291).
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Wohnungsferstigstellungen und -genehmigungen seit 1950 (eigene Darstellung auf Grundlage eigener Berechnungen nach Statistisches Bundesamt 2008c)
Entwicklung der Kaufpreise für Wohnimmobilien seit 1989 – Deutscher Eigentums-Immobilien-Index (DEIX) (eigene Darstellung auf Grundlage eigener Berechnungen nach Gewos 2008)
Mietpreisindex kreisfreier Städte in Deutschland 2006 bis 2008 (eigene Darstellung auf Grundlage eigener Berechnungen nach Empirica 2009)
VW Entwicklung des Wohnungsleerstandes (eigene Darstellung auf Grundlage eigener Berechnungen nach Techem-EmpiricaLeerstandsindex 2007)
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Der Anstieg der Wohnfläche wird häufig mit steigendem Einkommen der Haushalte begründet. Tatsächlich steigt die Wohnflächeninanspruchnahme signifikant mit dem Haushaltseinkommen. Haushalte mit einem hohen Einkommen belegen mehr Wohnfläche als Haushalte mit einem geringeren Einkommen. Der Einkommenselastizität der Nachfrage nach Wohnflächen liegt zwischen null und eins, d. h. die Nachfrage nach Wohnfläche steigt unterproportional im Vergleich zum Einkommensanstieg. Tatsächlich hängt der jüngste Zuwachs in der Wohnflächenversorgung aber viel weniger mit steigenden Einkommen zusammen als mit dem sog. Remanenzeffekt, d. h. Haushalte bleiben auch nach Auszug der Kinder in den großen Familienwohnungen, wodurch auch die Wohnfläche pro Kopf ansteigt. Die Entwicklung des real verfügbaren Einkommens je Einwohner bleibt dagegen deutlich hinter dem Anstieg des Wohnflächenkonsums zurück (siehe Abbildung). Insbesondere aufgrund des Remanenzeffektes wird der Wohnflächenverbrauch je Einwohner in Zukunft weiter deutlich ansteigen, nach Berechnungen von empirica in den alten Bundesländern um gut 20 Prozent und in den neuen Bundesländern um fast 45 Prozent bis zum Jahr 2030 (vgl. Empirica 2005:10). Die Wohnungsfertigstellungen beschreiben die Dynamik auf dem Wohnungsmarkt. Der Wohnungsmarkt hat sich in den letzten zehn bis 15 Jahren nach einem Bauboom infolge der Wiedervereinigung zu Beginn der 1990er Jahre sehr ruhig entwickelt (siehe Abbildung). Gegenüber dem Hochpunkt im Jahr 1994 sanken die Wohnungsfertigstellungen in den alten Bundesländern um fast 64 Prozent. In den neuen Bundesländern fiel der Rückgang mit fast 85 Prozent gegenüber dem Jahr 1997 noch dramatischer aus. Mit der Abnahme der Zahl an fertiggestellten Wohnungen insgesamt nahm der Anteil der Einfamilienhäuser an den Gesamtfertigstellungen zu. Als Folge der hohen Überproduktion Mitte der 1990er Jahre und der vergleichsweise schwachen wirtschaftlichen Entwicklung sind die Kaufpreise für Wohnungen in Deutschland anders als in den meisten westlichen Ländern kaum gestiegen (siehe Abbildung). Preisentwicklung und Preisniveau variieren jedoch stark zwischen den Wohnungsmarktregionen. Während beispielsweise das Mietpreisniveau für Geschosswohnungen in der kreisfreien Stadt Bayreuth seit Anfang 2006 um fast 20 Prozent angestiegen ist, ging es in Hoyerswerda/Sachsen um rd. 15 Prozent zurück (siehe Abbildung Mietpreisindex kreisfreier Städte). In München übersteigt das Preisniveau für Eigen-
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tumswohnungen das Niveau in Görlitz um mehr als das Fünffache. Die Entwicklung des Wohnungsleerstandes ist neben der Preisentwicklung einer der zentralen Indikatoren zur Beurteilung der regionalen Wohnungsmarktsituation bzw. -entwicklung (Nachfrager- oder Anbietermarkt). Allerdings war diesbezüglich die Datenlage lange Zeit relativ unbefriedigend. Daten zum Wohnungsleerstand wurden bisher v. a. im Rahmen des Mikrozensus erhoben, allerdings nur alle vier bis fünf Jahre (zuletzt in den Jahren 2002 und 2006). Diese Informationen unterliegen erheblichen Restriktionen. So wird im Mikrozensus eine Wohnung für „leer stehend“ erklärt, wenn nach mehrmaligem Aufsuchen der Wohnung nicht geöffnet wurde und die Wohnung nach äußerem Anschein nicht bewohnt wird. Außerdem wird nicht unterschieden, ob eine Wohnung nur leer steht, aber noch vermietet ist, oder ob dafür auch keine Miete entrichtet wird. Insbesondere wird nicht geprüft, ob die betreffende Wohnung überhaupt noch aktiv am Markt angeboten wird oder ob der Eigentümer sie bereits vom Markt zurückgezogen hat. Dagegen erfasst die marktaktive Leerstandsquote von Techemempirica nur solche Wohnungen als „leer“, für die derzeit keine Miete bezahlt wird. Grundgesamtheit sind die professionell bewirtschafteten Geschosswohnungen mit Zentralheizung und/oder zentraler Warmwasserversorgung (inkl. Fernwärme). Wohnungen in Ein-/Zweifamilienhäusern bleiben außen vor. Ebenso Wohnungen mit Substandard (ohne Zentralheizung/Warmwasserversorgung). Deswegen liegt die bundesweite Quote der marktaktiven Leerstände im Techem-empirica-Leerstandsindex 2006 mit 3,8 Prozent (vgl. Techem-empirica-Leerstandsindex 2007) weit unterhalb der Mikrozensus-Leerstandsquote des Jahres 2006 von 8,1 Prozent. Wohnungsmarktzyklen Trends der Vergangenheit Wie die Abbildung „Wohnungsferstigstellungen und -genehmigungen“ zeigt, kam es nach dem Kriege zu einem raschen, lang anhaltenden Bauboom, der sich in relativ mäßigen Zyklen (▷Zyklen in der Immobilienwirtschaft) entwickelte. Zu einer ersten großen Überproduktion kam es 1972/73 als Folge einer Zentralbankpolitik, die mit Blick auf die Gesamtwirtschaft zu niedrigen Zinsen und bei steigender Inflation sogar zu negativen Realzinsen führte. Gleichzeitig konnten die Bauträger ein großzügiges Steuerrecht nutzen.
Zeitweise wurden bei konstanter Bevölkerung mehr als zehn Wohnungen auf 1.000 Einwohner fertiggestellt. Es kam zu Bauträgerpleiten und auch zu Insolvenzen von Banken, die auf die Zwischenfinanzierung spezialisiert waren. Eine zweite Welle der Überproduktion entstand im Übergang zu den 1990er Jahren bis Mitte der 1990er Jahre wiederum als Folge hoher Inflationserwartungen, niedriger Realzinsen und günstiger (steuerlicher) Förderungen. Seither sind solche Zyklen weitgehend ausgeblieben. Insgesamt ist der Wohnungsmarkt – gemessen an den Schwankungen der Renditen – in Deutschland im Vergleich zu den internationalen Märkten relativ stabil. Gründe für die Stabilität Die hohen Bau- und Bodenpreise haben dazu geführt, dass die Käufer i. d. R. sechs bis acht Jahreseinkommen für den Kauf aufbringen müssen. Das erfordert hohes Eigenkapital – i. d. R. 25 bis 40 Prozent. Eigentümer haben deshalb oft jahrelang bei den Bausparkassen Eigenkapital angespart. Ihre Bonität ist über Jahre getestet. Dementsprechend sind Leistungsstörungen selten. Die Kreditinstitute fordern i. d. R. mindestens 20 Prozent Eigenkapital. Bei der Beleihung werden nicht die konjunkturell schwankenden Marktwerte zugrunde gelegt. Die Banken ermitteln einen nachhaltig erzielbaren Wert als Grundlage für die Beleihung. Vereinfacht versuchen sie, langfristige Trends der Wertentwicklung zu ermitteln und die Zyklen möglichst auszublenden. Dies erklärt zu erheblichen Teilen die hohe Stabilität der Marktentwicklung in Deutschland. In der Finanzierung (▷Immobilienfinanzierung) dominieren Festzinshypotheken mit fünfoder zehnjährigen Zinsfestschreibungen. Damit sind Käufer in den schwierigen ersten Jahren nach der Finanzierung vor Überraschungen geschützt. Leistungsstörungen kommen v. a. nach Scheidungen oder auch durch individuelle wirtschaftliche Krisen zustande. Sie sind selten. Zwangsversteigerungen sind noch seltener. Im Mietwohnungssektor gelten im Prinzip die gleichen Regeln. Seit Jahren dominieren nach dem Auslaufen großer Sozialwohnungsprogramme (▷Sozialer Wohnungsbau) die privaten Haushalte als Kapitalanleger. Sie erwerben i. d. R. Eigentumswohnungen zur Vermietung. Dabei werden sie durch ein großzügiges Steuerrecht unterstützt. Zwar wurden hohe Abschreibungen (vier bzw. fünf Prozent in den ersten Jahren) auf zwei Prozent gekürzt, jedoch können private Kapitalanleger Verluste aus der Vermietung mit anderen Einkunftsar-
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ten verrechnen und sie können Wertsteigerungen steuerfrei realisieren, sofern sie nicht eine zu große Zahl von Wohnungen veräußern. Dieses großzügige Steuerrecht wurde inzwischen eingeschränkt. In den letzten Jahren seit 2004 wurden v. a. von internationalen, insbesondere amerikanischen Kapitalanlegern insgesamt rd. 1,3 Mio. Mietwohnungen in erster Linie von kommunalen Wohnungsgesellschaften erworben (vgl. BBR 2008:2). Die dabei bezahlten Preise waren sehr hoch und ließen sich aus laufenden Erträgen schwer rechtfertigen. Dieser Markt ist inzwischen wieder zusammengebrochen, weil sich die Gewinnerwartungen nur z. T. erfüllt haben, die Zinsen zwischenzeitlich angestiegen sind und das Angebot geschrumpft ist. Die langfristigen künftigen Trends Noch steigende Zahl der Haushalte Trotz eher schrumpfender Bevölkerung (▷Demographischer Wandel) steigt die Zahl der wohnungsnachfragenden Haushalte noch lange Zeit weiter (siehe Abbildung Deutschland schrumpft). Dabei nimmt v. a. das Nachfragepotenzial nach Ein- und Zweifamilienhäusern bzw. der selbstnutzenden Haushalte zu. Die langfristige Nachfrage nach Mietwohnungen bleibt dagegen schwach. Regional fällt die Veränderung der Nachfrage sehr unterschiedlich aus. Neben schrumpfenden Wohnungsmärkten überwiegend in wirtschaftlich schwächeren Regionen steigt die Wohnungsnachfrage in dynamischen Wirtschaftsregionen z. T. noch stark an. Trotzdem werden mit hoher Wahrscheinlichkeit zukünftig mehr Wohnungen gebaut, als für die nachfragenden Haushalte erforderlich ist, weil der gegenwärtige Bestand v. a. des Geschosswohnungsbaus nicht der künftigen Nachfragestruktur entspricht. Nachgefragt werden v. a. große Wohnungen in kleinen Gebäuden, insbesondere Eigenheime. Im historischen Bestand dominieren dagegen kleine Mietwohnungen. Durch den Neubau kommt es zu einer wachsenden Zahl an leer stehenden Wohnungen, insbesondere in den schrumpfenden Wohnungsmarktregionen, und infolgedessen zu Wohnungsabrissen. Gefährdet sind v. a. die Wohnungen aus den Sozialwohnungsprogrammen der 1960er und 1970er Jahre. Stadtumbau
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Schon jetzt wird in den neuen Bundesländern eine große Zahl an Wohnungen abgerissen. Durch die hohen steuerlichen Subventionen in den 1990er Jahren kam es zu einer extremen Überproduktion.
Deutschland schrumpft – Zahl der Haushalte steigt trotz geringem Bevölkerungszuwachs (eigene Darstellung auf Grundlage eigener Berechnungen nach Statistisches Bundesamt 2003, empirica-Haushaltsprognose)
Obwohl bereits zahlreiche Wohnungen leer stehen, werden gegenwärtig weiterhin Wohnungen, v. a Eigenheime, neu gebaut. Gleichzeitig verfügen die Städte über riesige Brachflächen als Folge des Zusammenbruchs alter Industrien. ▷Stadtumbau wurde zur wichtigsten Aufgabe. In Westdeutschland kommt ein solcher Prozess erst ganz allmählich und v. a. in Stadtregionen mit rückläufiger Zahl an Haushalten in Gang. Auch hier stehen in den einzelnen Städten schon Wohnungen zum Abriss an. Der Versuch, Leerstände durch subventionierte Modernisierung wieder rückgängig zu machen, muss jedoch in vielen Fällen scheitern, weil dann lediglich Mieter aus anderen Beständen umziehen. Eine subventionierte Modernisierung bei absolutem Überangebot führt im Ergebnis nur dazu, dass Leerstände im Raum umverteilt werden. Als wichtigstes Ergebnis der Deindustrialisierung und des langfristigen Überangebots an Wohnungen kann der innerstädtische Wohnungsbau ausgeweitet werden. Das erhöhte Angebot an innerstädtischen Wohnungen wird die Suburbanisierung bremsen und die Baudichte in den Großstädten wird zunehmen (▷Innenentwicklung/ Außenentwicklung). Eine solche Entwicklung ist aus ökologischen Gründen erwünscht. Sie führt zu kompakteren Städten und auch zu einer größeren Mischung der Wohnqualität und Wohnformen in den Kernstädten. Pfeiffer, Baba
Literatur Arbeitskreis VGR d L – Arbeitskreis „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder“ (Hrsg.) (2008): Entstehung, Verteilung und Verwendung des Bruttoinlandsprodukts in den Ländern und Ost-West-Großraumregionen Deutschlands 1991-2008. Stuttgart BBR – Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (2008): Transaktionen großer Wohnungsportfolios in Deutschland. BBRBerichte KOMPAKT, 1. Bonn Empirica Forschung und Beratung (2009): Miet- und Kaufpreisranking. Zugriff auf www.empirica-institut.de/cgi/litsrch2007. pl?searchstring=Ranking&sdaba=1 am 26.05.2009
WOHNUNGSMARKT Empirica Forschung und Beratung (2005): Wohnflächennachfrage in Deutschland. Studie im Auftrag der LBS Bundesgeschäftsstelle Berlin. Berlin Eurostat (2007): Europa in Zahlen. Eurostat Jahrbuch 2008. Luxemburg Gewos (2008): Preisentwicklung für Wohneigentum in Deutschland, Eine Untersuchung für das ifs Institut für Städtebau, Wohnungswirtschaft und Bausparwesen. Hamburg Kühne-Bühning, L.; Heuer, J. H. B. (Hrsg.) (1994): Grundlagen der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft. Frankfurt/M Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2008a): Statistisches Jahrbuch 2008 für die Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden
Statistisches Bundesamt (2008b): Gebäude und Wohnungen – Bestand an Wohnungen und Wohngebäuden, Abgang an Wohnungen und Wohngebäuden. Lange Reihen ab 1969. Wiesbaden Statistisches Bundesamt (2008c): Baugenehmigungen/Baufertigstellungen. Lange Reihen z. T. ab 1949 (endgültige Daten). Wiesbaden Statistisches Bundesamt (2003): Bevölkerung Deutschlands von 2002 bis 2050. 10. koordinierte Bevölkerungsvorausrechnung. Wiesbaden Techem-empirica-Leerstandsindex (2007): Weitere Ost-WestAnnäherung und Stadt-Land-Drift im Westen. Zugriff auf www. empirica-institut.de/empi2007/news.html am 26.05.2009
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ZIVILGESELLSCHAFT Zur Geschichte Die Zivilgesellschaft und die Diskussion um ihre denkbare Rolle und Funktion haben erst in den letzten Jahren spürbaren Einzug in die planerischen Disziplinen gehalten. Dabei ist die Betrachtung und kritische Reflexion über das Thema Zivilgesellschaft nicht neu. Vielmehr beruht sie auf einer beeindruckenden – z. T. auch verwirrenden – und seit Jahrhunderten immer wieder auflebenden Diskussion. Bereits in der Antike findet der Begriff „koinonina politike“, von dem der mittelalterlich-lateinische Terminus „societa civile“ abgeleitet ist, Verwendung. Wesentlich ist bei der antiken Begriffsauffassung, dass Aristoteles damit sowohl das natürliche Sozialverhalten des Menschen, als auch das politische Gemeinwesen meint (vgl. Fischer 2005:22). Eine Trennung von Staat und Gesellschaft, die heutzutage selbstverständlich scheint, kommt im antiken politischen Denken noch nicht vor (vgl. Adloff 2005:18). Sie entsteht erst im Zuge der Aufklärung und impliziert zunächst auch die kapitalistischen Märkte. Die Zivilgesellschaft wird damit noch nicht – wie es heute der Fall ist – als eigenständige Säule neben Markt und Staat aufgefasst (vgl. Brieskorn 2005:6f). Zudem ruft der Begriff – geprägt u.a. durch Karl Marx – in dieser Zeit eher negative Assoziationen hervor. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird das Gedankengut über die Zivilgesellschaft zunächst von Antonio Gramsci aufgegriffen und geprägt. Die Diskussion in Deutschland erhält durch die friedlichen Demonstrationen in der Deutschen Demokratischen Republik, die einen wesentlichen Beitrag zur politischen Wende im Jahr 1989 leisten, erneuten Anstoß. Daraufhin wird in den 1990er Jahren die Rolle der Zivilgesellschaft beispielsweise von Politologen, Soziologen und Philosophen zunehmend diskutiert. In den Planungsdisziplinen ist der Begriff spätestens mit dem Memorandum zur Nationalen Stadtentwicklungspolitik des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung im Jahr 2007 angekommen. Begriffsabgrenzungen
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Allgemein ist der Begriff Zivilgesellschaft heute im internationalen Kontext positiv belegt. Allerdings besteht eine Reihe von Uneinigkeiten und Definitionsschwierigkeiten u. a. hinsichtlich der
Abgrenzungen der Zivilgesellschaft (z. B. gegenüber Kirche, Gewerkschaften, Parteien, Familie oder Corporate Social Responsibility), ihrer Entstehung (von oben oder von unten, als Gegenpol, komplementär oder kooperativ zum Staat) oder ihrer tatsächlichen Rolle (z. B. Zivilgesellschaft als Governance-Akteur oder als legitimierende Instanz; ▷ Government und Governance). Auch wenn keine einheitliche, disziplinübergreifende Definition existiert, herrscht Einigkeit darüber, dass aktuell spürbare Tendenzen wie Politikverdrossenheit oder der Austritt aus Vereinen oder religiösen Gemeinschaften keineswegs auf weniger Engagement verweisen. So konstatiert der Freiwilligensurvey 2004, dass sich in Deutschland rund 36 Prozent aller Bürger ab dem Alter von 14 Jahren freiwillig engagieren und weitere 32 Prozent bereit wären, sich zu engagieren – dies ein Anstieg um zwei respektive sechs Prozentpunkte seit dem Jahr 1999 (BMFSFJ 2005:5). Allerdings bewirkt eine Veränderung der Motive für das Engagement hin zu Selbstverwirklichung, Selbstbestimmtheit und Spontaneität eine sinkende Bereitschaft, sich in Gremien oder formalen Strukturen zu binden (vgl. Enquete-Kommission 2002:109ff ). In diesem Beitrag werden solche Personen, Initiativen und Institutionen als zivilgesellschaftliche Akteure bezeichnet, die auf freiwilliger Basis Ideen, Engagement und Kapital zur Verfügung stellen, so Einfluss auf die gesellschaftliche Entwicklung nehmen und damit folgende Kriterien erfüllen (vgl. z. B. Adloff 2005:8f, Maecenata Institut 2006:2f): Selbstermächtigung, Freiwilligkeit, Selbstorganisation, Unabhängigkeit, Verfolgung subjektiv bestimmter Gemeinwohlanliegen, Verzicht auf Teilhabe an möglichen wirtschaftlichen Erfolgen. Somit werden beispielsweise Stiftungen, Verbände, Vereine, Bürgerinitiativen oder Einzelpersonen mit höchst unterschiedlicher Intention, und Motivation, Professionalisierungsgrad oder Größe mit dem Begriff Zivilgesellschaft überschrieben. Um den Begriff der Zivilgesellschaft ordnen sich einige weitere an. Die meisten von ihnen sind jedoch vergleichsweise einfach greif- und definierbar. So wird der Dritte (oder auch NonProfit-)Sektor generell als institutionalisierter Teil der Zivilgesellschaft verstanden und ist damit deutlich abgrenzbar. Hierzu zählen u. a. national oder international agierende Nichtregierungsor-
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ganisationen (NGOs) oder Verbände. Der Begriff Bürgerschaftliches Engagement beschreibt hingegen, dass Bürger Zeit und/oder Geld in das Gemeinwohl investieren und damit ehrenamtlich und zivilgesellschaftlich aktiv werden. Zivilgesellschaft und Stadtentwicklung Was haben Aspekte wie Selbstermächtigung, subjektives Gemeinwohlanliegen oder der Verzicht auf Teilhabe an wirtschaftlichem Erfolg mit planerischen Disziplinen zu tun? Vermutlich mehr, als es auf den ersten Blick erscheint. So verfügt gerade die Stadtentwicklung über einen Erfahrungsschatz mit der Aktivierung von Bürgern und bürgerschaftlichem Engagement (▷Partizipation). Dies mag vielen Handelnden gar nicht bewusst sein und wird auch von anderen Disziplinen nur zögerlich und in Teilen kritisch wahrgenommen. So wird Stadtentwicklung oft mit ▷Stadtplanung gleichgesetzt, die wiederum mit einer hoheitlichen Konnotation belegt und mit einer von oben initiierten Beteiligung in Verbindung gebracht wird. Entsprechend sind die bisherigen Erfahrungen zu reflektieren und weiterzuentwickeln, um einen disziplinübergreifenden Dialog zu ermöglichen, Zivilgesellschaft in der gegebenen Komplexität zu verstehen und damit einen ehrlichen Umgang mit dem Begriff zu ermöglichen. Um die Rolle der Zivilgesellschaft bzw. des Dritten Sektors in der Stadtplanung und -entwicklung zu fassen, ist es zunächst hilfreich, sie in ein Verhältnis zu den Bereichen Staat/öffentliche Hand sowie Markt/Wirtschaft zu setzen (vgl. Becker 2008:120). Das Schaubild ordnet beispielhaft aktuelle stadtoder raumentwicklungsrelevante Themen in diese Dreierkonstellation ein und zeigt, in welchen Bereichen das Engagement der Bürgerschaft neben dem der Wirtschaft und der öffentlichen Hand in den letzten Jahren eine Rolle gespielt hat. Zunächst wird das Augenmerk auf die Bürgerbeteiligung in der Schnittmenge zwischen Zivilgesellschaft/Drittem Sektor und Staat/öffentlicher Hand gelegt: Die Bürger, die sich in einem auf Beteiligung ausgerichteten Projekt einbringen, tun dies freiwillig, versprechen sich davon keine Teilhabe an einem wirtschaftlichen Erfolg und bringen ihre subjektiv geprägten Anliegen zur Verbesserung des Gemeinwohls ein. Bürgerbeteiligung ist aber nur eingeschränkt selbst organisiert, abhängig vom öffentlichen Sektor und nicht selbst ermächtigt, sondern von der öffentlichen Hand angestoßen. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Programm ▷Soziale Stadt mit seinen auf Beteiligung ausgerichteten Projekten.
Schnittmengen (eigene Darstellung)
Die Enquete-Kommission für Bürgerschaftliches Engagement (2002:504ff ) fordert eine Abkehr vom aktivierenden hin zu einem ermöglichenden Staat. Der integrierte Ansatz, der auch im Programm Soziale Stadt Anwendung findet, setzt auf Mitwirkungsstrukturen, die Bürger animieren sollen, sich für ihre Interessen und das Gemeinwohl einzusetzen. Dies geschieht in unterschiedlicher Ausprägung, z. B. in Stadtteilgremien, einzelnen Projekten, oder durch die Teilnahme an Foren und Veranstaltungen. Je nach Beteiligungsansatz kann hier durchaus von einer Ermöglichungskultur die Rede sein, die zu zivilgesellschaftlichem Engagement der Akteure vor Ort führt. Zwar handelt es sich dabei in Teilen nach wie vor um Mitwirkungsangebote von oben – also um aktivierende Formen –, doch ist zu beachten, dass es Kulissen und Probleme gibt, bei denen eine bürgerschaftliche Bewegung von unten zur Mitsprache bei stadtentwicklungsrelevanten Fragestellungen nicht oder nur schwerlich entstehen würde. Die sich in solchen aktivierenden Strukturen beteiligenden Akteure bilden damit eine Teilgruppe der Zivilgesellschaft, die es nach Auffassung von Zivilgesellschaftsforschern beispielsweise aus der Soziologie oder Politologie so gar nicht gibt oder die sie nicht als zivilgesellschaftlich verstehen (wollen). Schließlich erfüllen sie die Kriterien der Selbstermächtigung und -organisation sowie der Unabhängigkeit nur in geringem Maße – oder gar nicht. Es ist auffallend, dass sich die aktuellen Diskussionen um die Zivilgesellschaft in der Stadtentwicklung stark an den – sicherlich zahlreichen und wichtigen – Erfahrungen aus dem Programm Soziale Stadt orientieren. Dabei entsteht jedoch der Eindruck, dass Bürgerbeteiligung mit Zivilgesellschaft gleichgesetzt wird, was einer deutlichen Verkürzung des Begriffs entspricht. So bleibt die Frage, ob es nicht auch Initiativen gibt, die mehr oder gar alle der eingangs genannten Kriterien er-
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füllen und tatsächlich von unten entstehen. Als Beispiele hierfür sind Bürgerstiftungen, Heimatvereine oder Bürgerinitiativen zu nennen. Solche Initiativen entstehen allerdings eher nicht in Förderkulissen oder Problemgebieten. Bei den Akteuren findet sich ein Klientel, das in der klassischen Wahrnehmung, wenn auch nicht ausschließlich, die Zivilgesellschaft bildet: Die Mittel- und Oberschicht bzw. das Bildungsbürgertum. Diese Akteure haben ein anderes Selbstverständnis, andere Interessen, eine andere Handlungslogik und letztlich eine andere Macht und damit andere Einflussmöglichkeiten als jene in Fördergebieten – z. T. verfügen sie sogar über ein eigenes Budget. Zwar wird der Ruf nach mehr Zivilgesellschaft – auch durch die Politik – lauter, damit verbundene Konsequenzen werden jedoch kaum thematisiert oder kritisch hinterfragt. So sind die Akteure in von unten angestoßenen Prozessen keineswegs demokratisch legitimiert. Ebenso wenig sind sie zwangsläufig in der Lage, Probleme besser zu lösen als die öffentliche Hand. Es ist auch fraglich, welcher Teil ihres Engagement Altruismus ist und welcher der Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit und der Selbstverwirklichung dient. Was genau wird also von der Zivilgesellschaft erwartet – insbesondere von dem Teil, der tatsächlich selbstermächtigt und selbstorganisiert und damit auch nur schwer steuer- und beeinflussbar ist? Wie unterscheiden sich die zivilgesellschaftlich handelnden Akteure, ihre Interessen und möglichen Beiträge zur Stadtentwicklung? Eine Qualität der Zivilgesellschaft ist, dass sie flexibler ist als die öffentliche Hand, nicht von Legislaturperioden abhängt und es sich eher leisten kann, innovativ zu sein – oder auch Fehler zu machen. Die öffentliche Hand steht vor der Aufgabe, mit dieser relativ neuen Akteursrolle und ihrer Handlungslogik umzugehen. Damit stellt sich die Frage, ob zivilgesellschaftlich Engagierte Lückenbüßer oder ernst zu nehmende Akteure sind. Wie viel Macht sind die öffentlichen Handlungsträger bereit abzugeben und was kann die Zivilgesellschaft personell und finanziell überhaupt leisten? Kann die Zivilgesellschaft die Erwartungen erfüllen, die in sie gesetzt werden – und will sie dies überhaupt? Und wie unterscheiden sich dabei die von oben und von unten entstehenden Konstellationen? Die Frage, ob und in welcher Form sich zivilgesellschaftlich aktive Bürger überhaupt mit ihrer Rolle neben Staat und Markt auseinandersetzen, wird selten gestellt. Die Komplexität der Thematik und die Vielzahl der Fragen verweisen auf einen großen Forschungsbedarf und einen zu differenzierenden Blick.
Differenzierungsbedarf Die vorangegangenen Ausführungen unterlegen die Vielschichtigkeit und damit auch die Unsicherheiten im Umgang mit der Zivilgesellschaft. Womöglich liegt darin gleichzeitig einer der Gründe dafür, dass der Begriff heute so gerne genutzt wird: Er ist unbestimmt und dabei positiv belegt – wer ihn ausspricht ist damit kaum angreifbar. Ein zielgenauer Umgang mit dem Begriff erfordert sowohl Differenzierung hinsichtlich der stadtentwicklungsrelevanten Situation bzw. Herausforderung, in der die Zivilgesellschaft eine Rolle spielen soll, als auch hinsichtlich der Zivilgesellschaft mit ihren zahlreichen Facetten und Formen, die darauf in unterschiedlicher Weise reagiert. Beispielhaft werden im Folgenden einige Differenzierungs- sowie Strukturierungsansätze vorgestellt. Bezüglich der Herausforderungen kann u. a. nach folgenden raumentwicklungsrelevanten Kriterien differenziert werden: Räumliche Komponente: Von grundlegender Bedeutung ist, auf welcher räumlichen Ebene und in welchem sozialräumlichen Gefüge die Zivilgesellschaft eine Rolle spielen soll. Bürgerinitiativen entstehen beispielsweise von unten in einem Kiez, einem Quartier, womöglich einer Stadt – aber nicht in jedem Stadtteil und Sozialgefüge gleichermaßen. Inhaltliche Komponente: Die potenzielle Rolle der Zivilgesellschaft hängt auch von inhaltlichen Aspekten, also der Thematik, Problematik und Phase eines Projektes oder Prozesses ab. Eine Problemdefinition bedarf anderer Strukturen als beispielsweise die Schaffung von Transparenz, die Verstetigung oder die Legitimierung eines Prozesses. Auch die Komplexität und der Grad der Betroffenheit spielen eine Rolle für die Bereitschaft zu und Möglichkeiten von zivilgesellschaftlichen Aktivitäten. Finanzielle Komponente: Kritisch ist der Ruf nach mehr Zivilgesellschaft im Kontext leerer Kassen der öffentlichen Hand. Zivilgesellschaft darf und kann die öffentliche Hand nicht ersetzen. Gleichwohl kann sie aber Projekte initiieren, die dem Gemeinwohl dienen und auf diese Weise – gewollt oder ungewollt – die öffentliche Hand entlasten. Dabei wird das finanzielle Potenzial der Zivilgesellschaft schnell überschätzt: Im Vergleich zu Mitteln der öffentlichen Hand ist ihr Anteil an der Förderung von Projekten marginal. So liegt der Anteil von Stiftungen, die gemeinhin als finanzstarke Institutionen des Dritten Sektors wahrgenommen werden, bei 0,3 Prozent des Finanzvolu-
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mens des Dritten Sektors – ihre Rolle bei der Gesamtfinanzierung des Gemeinwohls gilt als nicht mehr messbar (vgl. Enquete-Kommission 2002:246). Demgegenüber werden 64 Prozent der Einnahmen (und damit auch ein Großteil der Ausgaben) des Dritten Sektors von der öffentlichen Hand finanziert (vgl. Salamon/Anheier 1999:24). Zivilgesellschaftliche Akteure können zudem zwar flexibler, innovativer und unbürokratischer mit ihren Geldern umgehen – agieren aber vielleicht auch unvorhersehbarer, stärker von persönlichen Interessen geleitet und unreflektierter. Hinsichtlich der Unterschiede innerhalb der Zivilgesellschaft kann u. a. nach folgenden Kriterien differenziert werden: Motive und Hintergrund der Akteure: Nach Akteuren ist insofern zu differenzieren, als dass sich ihre jeweilige Motivation auf die Raumrelevanz ihrer Aktivitäten auswirken kann. Selbstverständlich gibt es zivilgesellschaftliche Zusammenschlüsse, die keinen Bezug zu stadtentwicklungsrelevanten Fragestellungen haben. Entsprechend ist zu bedenken: Zu welchem Zweck und Anlass hat sich eine Gruppe formiert, wie breit und langfristig ist ihr Handlungshorizont und welche Qualifikationen und Sozialstruktur hat sie? Geht es eher um Mitsprache oder um Selbstverwirklichung, wird die Arbeit ehrenamtlich geleistet oder entlohnt und welcher Teil der Gesellschaft – oder gesellschaftlicher Interessen – wird eigentlich vertreten? Strukturelle Merkmale: Die Entstehungsgeschichte, die organisatorische Konstellation und der Grad an Professionalisierung zivilgesellschaftlicher Gruppen können sehr unterschiedlich sein. So hat eine auf rein ehrenamtlicher Basis agierende Initiative klare Leistungs- und Kompetenzgrenzen. Struktur und Größe lassen beispielsweise auch Rückschlüsse auf die Leistungsfähigkeit und Nachhaltigkeit einer Initiative zu: Während eine Bürgerinitiative ehrenamtlich arbeitet und sich eher wieder auflöst ist eine Stiftung auf Dauerhaftigkeit angelegt; ein Wohlfahrtsverband beschäftigt feste Mitarbeiter und bietet damit einen eigenen Grad an Professionalität. Ziel und Anlass des Engagements: Wichtig ist, mit welchem inhaltlichen Ziel und zu welchem Anlass Akteure sich zusammenschließen. Manche Ziele erfordern einen formellen Zusammenschluss, andere eine professionell arbeitende Infrastruktur im Hintergrund. Es kann
um ein ganz persönliches Interesse gehen oder um das Bedürfnis, sich „irgendwie“ zu engagieren. Die Mitwirkung in einem Projekt kann punktuell sein oder eine langfristige Bindung erfordern. Bei raumrelevanten Fragestellungen ist also abzuwägen, welche Rolle die Zivilgesellschaft spielen soll und durch welche zivilgesellschaftliche Struktur diese ausgefüllt werden kann. Resümee Eine Einordnung der Zivilgesellschaft in raumrelevante Fragestellungen ist nicht einfach, aber vor dem Hintergrund, dass sie zusehends gemeinsam thematisiert werden, wichtig. Andernfalls besteht die Gefahr der einseitigen Betrachtung und der Instrumentalisierung. Ein nicht unerheblicher Anteil der Bevölkerung engagiert sich – in unterschiedlichem Umfang und mit unterschiedlicher Motivation – ehrenamtlich. Dies geschieht oftmals aus eigenem Antrieb, aber auch angestoßen durch Beteiligungsprojekte. Es gilt Wege zu finden, dieses Potenzial zu verstehen, zu generieren und nutzbar zu machen – ohne es zu missbrauchen. Dabei ist nicht nur weiterhin Raum für Beteiligung zu schaffen, denn dies impliziert, dass bereits vor der Beteiligung von oben aus entschieden wird, ob überhaupt und in welchen Zusammenhängen eine Beteiligung stattfinden soll. Vielmehr gilt es, zukünftig auch die Initiativen, die tatsächlich von unten entstehen, verstärkt als Potenzial zu begreifen. Dies erfordert einen Lernprozess bei allen Akteuren, da völlig unterschiedliche Handlungsmuster und -logiken aufeinanderstoßen, was die Kommunikation auf Augenhöhe erschwert. Für ein konstruktives Miteinander zwischen Stadtentwicklung und Zivilgesellschaft gilt es daher, den Blick zu weiten, die Herausforderungen sowie die zivilgesellschaftlichen Handlungsmöglichkeiten zu differenzieren, den Dialog – auch interdisziplinär – fortzusetzen sowie Umsetzungsmöglichkeiten und die Bereitschaft der öffentlichen Hand zur Abgabe von Verantwortung zu klären. Becker, E.
Literatur Adloff, F. (2005): Zivilgesellschaft: Theorie und politische Praxis. Frankfurt/Main Becker, E. (2008): Alle reden über Zivilgesellschaft: Differenzierung eines gesellschaftlichen Phänomens in der Stadtentwicklung. In: Raumplanung, 138/139, 119-123 Brieskorn, N. (2005): Zivilgesellschaft: Chancen und Grenzen eines sozialwissenschaftlichen Konzepts. In: Inthorn, J. u. a. (Hrsg.): Die Zivilgesellschaft auf dem Prüfstand. Argumente – Modelle – An-
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ZUKUNFTSFORSCHUNG wendungsfelder. Stuttgart, 2-19 BMFSFJ – Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (2005): Freiwilliges Engagement in Deutschland 1999-2004. München Enquete-Kommission Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements (2002): Bürgerschaftliches Engagement: Auf dem Weg in eine zukunftsfähige Bürgergesellschaft. Opladen Fischer, K. (2005): Zivilgesellschaft als Problemindikator: Semantik und Perspektiven einer Begriffskarriere. In: Inthorn, J. u. a. (Hrsg.): Die Zivilgesellschaft auf dem Prüfstand. Argumente – Modelle – Anwendungsfelder. Stuttgart, 20-32 Maecenata Institut (2006): Bürgerengagement und Zivilgesellschaft in Deutschland, Stand und Perspektive. Berlin Salamon, L. M.; Anheier, H. K. (1999): Der Dritte Sektor, Aktuelle internationale Trends. The Johns Hopkins Comparative Nonprofit Sector Project, Phase II. Gütersloh
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Einleitung Planen und Bauen befassen sich mit Gegenständen, die i. Allg. eine lange Lebensdauer aufweisen. Planen und Bauen tragen damit markante Züge strategischen Entscheidens: Hoher Ressourceneinsatz, starke und lange Bindungswirkungen. Wie sieht die Welt von morgen aus, für die wir planen und bauen? Welche privaten und staatlichen Anforderungen an Stadt und Raum, an Gebäude und Infrastruktur gibt es in der Zukunft? Wer werden die Nutzer sein, welches ihre Zwecke und Mittel? Welche Nebenfolgen wird es geben und wie werden diese in der Zukunft beurteilt werden? Welcher gesellschaftliche, politische, ökologische, technologische und wirtschaftliche Rahmen wird all diese Dimensionen prägen? Solcher Art sind die Fragen, die sich stellen, wenn Planungs- und Bauprozesse nicht nur in ihren Erzeugnissen zukunftsorientiert sein sollen, sondern auch in ihren informatorischen Eingangsgrößen. So bietet es sich an, einen Blick auf die Zukunftsforschung, ihre Entwicklung und Erfahrungen zu werfen. Sie befasst sich seit Langem ausdrücklich und mehr oder weniger systematisch mit der Zukunft, gerade auch zur Unterstützung gegenwärtigen Entscheidens. Was ist Zukunftsforschung? Zukunftsforschung im Überblick
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„A futurist is someone who says that he or she is a futurist, and/or someone who is seen as such.“ Mit diesem Diktum verweist der amerikanische Zukunftsforscher Marien (1989:322) auf die un-
scharfen disziplinären Grenzen der Zukunftsforschung wie auch der Qualifikation ihrer Vertreter. Ein ähnlich unbestimmtes Bild zeigt sich, wenn man heute nach Zielen, Gegenständen, Methodik, Literaturbasis und Institutionen der Zukunftsforschung fragt. Will man dieses weite Feld definitorisch fassen, dann bieten sich für eine Näherung noch immer die Überlegungen Ossip K. Flechtheims an, selbst wenn man ihm programmatisch nicht immer folgen muss. Der Nestor der deutschen Zukunftsforschung (1909-1998) entwirft die von ihm erstmals 1943 so bezeichnete „Futurologie“, die sich insbesondere mit gesellschaftlich relevanten zukünftigen Sachverhalten befasse. Im Gegensatz zu der von ihm sog. „Establishment-Futurologie“, die sich auf eine vermeintlich neutrale – und damit affirmative –, technikfokussierte Vorausschau konzentriere, strebe die „Kritische Futurologie“, gesellschaftspolitisch motiviert, auch die Verbesserung der menschlichen Verhältnisse an. Solche Futurologie bemühe sich um eine „Gesamtschau möglicher, wahrscheinlicher, insbesondere aber auch wünschenswerter Zukünfte“ (Flechtheim 1990:40). Wichtig sind auch Flechtheims Hinweise auf den politisch-normativen Gehalt jeglicher Zukunftsbeschreibung und auf deren thematische Selektivität, die ebenfalls stets normativ mitgeprägt ist. Sein Hinweis auf die Veränderlichkeit auch nichttechnischer (gesellschaftlicher) Gegebenheiten und das Postulat der Gestaltbarkeit der Zukunft haben nichts an Gültigkeit verloren. In einem jüngeren Systematisierungsansatz, der die Vielfalt der Zukunftsforschung der Gegenwart besonders gut erkennen lässt, strukturiert Marien (2002) das Feld des „futures thinking“ im Hinblick auf die jeweils verfolgte Zielrichtung. Seinem Ansatz folgend lassen sich die Aktivitäten und Ansätze im dispersen Feld der heutigen Zukunftsforschung sechs Ziel-Kategorien (purposive categories) zuordnen, wobei die wenigsten Akteure der Zukunftsforschung in allen Feldern tätig seien: 1) Probable Futures: die Beschreibung wahrscheinlicher Zukünfte. In diese Kategorie fallen alle Bemühungen der Vorhersage und Prognostik. 2) Possible Futures: das Ausloten möglicher Zukünfte von hoher Relevanz, auch ohne jede Angabe von Wahrscheinlichkeiten. Hierunter fällt auch die Erstellung von Zukunfts-Szenarien. 3) Preferable Futures: die explizit normative Beschreibung der Zukunft. Kennzeichnend ist eine kritische, auf Veränderung bestehender und aktive Gestaltung zukünftiger Sachverhalte zielende Beschäftigung mit der Zukunft.
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4) Present Changes: die Untersuchung und Beschreibung von jeweils aktuellen, die Zukunft vermutlich prägenden Entwicklungen. Hierzu zählen Gegenwartsdiagnostik und Trendforschung. 5) Panoramic Views: das Bemühen um ganzheitliche, Zusammenhänge herstellende (interdisziplinäre; ▷Interdisziplinarität, Transdisziplinarität) Beschreibungen von Zukünften und zukunftsrelevanter Gegenwart. 6) Questioning: die Meta-Betrachtung der Zukunftsforschung, die sich um die Selbstreflexion der Zukunftsforschung bemüht. Tatsächlich bestehen bis heute Konflikte zwischen diesen Richtungen der Zukunftsforschung. Insbesondere entlang den Unterscheidungen zwischen wahrscheinlichen, möglichen und wünschenswerten Zukünften, die schon bei Flechtheim zu finden sind, verlaufen bis heute definitorische, normative und methodologische Auseinandersetzungen darüber, was Zukunftsforschung leistet, leisten kann und leisten soll. In diesen Disputen treffen unterschiedliche Auffassungen zur Vorherwissbarkeit der Zukunft, zur Beeinflussbarkeit der Zukunft, zur Werthaltigkeit von Zukunftsbildern sowie zur Verwendung und Wirkung von Zukunftsbildern aufeinander. Summarisch sei Zukunftsforschung hier verstanden als die Befassung mit explizit zukünftigen Sachverhalten, die auf die Formulierung von deskriptiven wie auch präskriptiven Aussagen über diese zukünftigen Sachverhalte abzielt, also auf die Erzeugung von Zukunftsbildern. Eine kurze Geschichte der Zukunftsforschung Sieht man ab von ihren noch älteren Wurzeln in Humanismus und Aufklärung einerseits und im uralten Gewerbe der Seherei andererseits, dann lässt sich die Entwicklung der europäisch-amerikanischen Zukunftsforschung grob in drei Phasen gliedern: Frühformen der Zukunftsforschung, 1880-1930: Die erste Phase reicht in ihren Anfängen zurück bis zu den Romanen Jules Vernes im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts und erstreckt sich bis in die 1930er Jahre. Vorherrschend sind hier zunächst populäre literarisch-fiktionale Zukunftsbeschreibungen, die aktuelle vorwiegend technische, aber auch gesellschaftliche Entwicklungen aufgreifen und in kühnen Extrapolationen und Kombinationen auf einen Zukunftshorizont von typischerweise 50 bis 100 Jahren projizieren.
Aus diesen Frühformen der Zukunftsbeschreibung erwächst einerseits das noch heute lebendige Genre der Science-Fiction, die zwar oft indirekte Bezüge zur jeweils gegenwärtigen Realität aufweist, jedoch keinen ausdrücklichen Vorhersageanspruch erhebt. Andererseits setzt ein breiter Strom von vorwiegend populärwissenschaftlichen, sachbuchartigen Zukunftsbeschreibungen im Modus des Vorherwissens ein. Kennzeichnend für diese frühe Zukunftsforschung ist eine eher schlichte, oft extrapolative und technikfokussierte Vorgehensweise. Die Methodik bleibt insgesamt undurchsichtig. Bezüglich der Qualität und Genauigkeit der Vorhersagen, die diese Zukunftsforschung zu liefern verspricht, zeigt sich bereits ein charakteristisches Muster, das die Zukunftsforschung bis in die Gegenwart begleiten wird: Einzelne Aussagen, die durch die spätere Realität in erstaunlicher Weise bestätigt werden, stehen bei demselben Autor, in derselben Quelle neben anderen Vorhersagen, die sich später als vollkommen falsch erweisen. H. G. Wells etwa, der sich nicht nur als Zukunfts-Romancier, sondern auch als Zukunftsforscher betätigte, sah 1901 die Automobilisierung und die resultierende Zersiedelung der Städte richtig voraus. Zugleich aber nahm er an, dass Französisch im 20. Jahrhundert die wichtigste Weltsprache werden würde und weltweit die Industrien vom Staat gelenkt werden würden (Sherden 1998:205ff ). Klassische Zukunftsforschung: Die sechziger und siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts: Nachdem das öffentliche Interesse an der Zukunftsforschung seit Anfang der 1930er Jahre für mehr als ein Vierteljahrhundert weitgehend verschwunden war, setzt Ende der fünfziger Jahre die zweite große Welle der Zukunftsforschung des 20. Jahrhunderts ein. Die Faszination des näher rückenden Jahres 2000 und die „Romantik der Raumfahrt“ (Bell 1968:416) mögen zur Popularität der Zukunftsforschung beitragen. Der entscheidende Faktor aber ist ihre Affinität mit den zeitgenössischen Vorstellungen einer rationalen Durchdringbarkeit, Planbarkeit und Gestaltbarkeit aller Lebensbereiche. Methodik und breite Resonanz in diesen Jahren gestatten es, aus heutiger Sicht von klassischer Zukunftsforschung zu sprechen. Binnen weniger Jahre setzt eine Flut von Schriften über die Zukunft ein. In den USA und Westeuropa werden Forschungsinstitutionen gegründet und große Forschungsprojekte und Kommissionen ins Leben gerufen, wie 1966 die „Kommission für das Jahr 2000“. Die 1965 gegründete World Future Society versammelt 50.000 Mitglieder. Als ihre wohl
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bekanntesten Repräsentanten verkörpern Herman Kahn und Dennis Meadows, bei allen Gegensätzen, diese Zeit der Hochkonjunktur der Zukunftsforschung. Kahn markiert 1960 den Beginn dieser Periode mit einem populären Buch über den thermonuklearen Krieg der Zukunft. 1967 veröffentlicht er zusammen mit Anthony Wiener den Bestseller „The Year 2000“. Meadows findet weltweite Aufmerksamkeit mit der Untersuchung der „Limits to Growth“, die 1972 kurz vor dem Ende des Zukunfts-Booms erscheint. Wie kaum ein anderer steht Kahn für den technologischen und wirtschaftlichen Zukunftsoptimismus der sechziger Jahre, während Meadows der aufkommenden Fortschritts- und Zukunftsskepsis seiner Zeit Ausdruck und Grundlage liefert. Gemeinsam ist beiden die globale Perspektive sowie der Glaube an die rationale Erfassbarkeit der Faktoren und Einflussbeziehungen, welche die Zukunft treiben. Gemeinsam ist ihnen ebenfalls, dass sie keine expliziten Vorhersagen, sondern bedingte Zukunftsaussagen im Modus des Wenn-Dann formulieren und daher als Pioniere des Szenarien-Ansatzes gelten können. Doch beruhen sowohl der Ruhm der beiden als auch die spätere Kritik an ihnen auf der öffentlichen Fehlwahrnehmung, dass hier die Zukunft unbedingt vorhergesagt werde.
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Übergang und Ausdifferenzierung: Zukunftsforschung an der Wende zum 21. Jahrhundert: Die klassische Zukunftsforschung der 1960er und 1970er Jahre zeigte sich noch weitgehend homogen und einig im Versprechen einer wissenschaftlich-rationalen Durchdringbarkeit der Welt und ihrer zukünftigen Entwicklung. In den letzten beiden Jahrzehnten des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts jedoch bietet sie ein komplexeres, ja diffuseres Erscheinungsbild. An mancher Stelle versucht man weiterhin, einem Vorhersageanspruch im Geiste der klassischen Zukunftsforschung doch noch gerecht zu werden, teils mit elaborierter Methodik, teils in trivialer, dafür umso populärerer Weise. Andererseits entstehen und verstärken sich andere Orientierungen und Entwicklungen. Auch in der Zukunftsforschung, mit ihrem Gegenstand ganz besonderer Art, der für die Empirie letztlich unzugänglich bleibt, finden die Positionen einer post-positivistischen, zweit-modernen Kritik seit den 1980er Jahren ihren Niederschlag. Die Folge ist eine zunehmende Ausdifferenzierung der Zukunftsforschung: Neben die fortgesetzten Bemühungen, die Zukunft in klassisch-positivistischer Weise vorherzusagen und die ersehnten Prognosen zu liefern, treten andere Strömungen und „Schulen“, welche die Mög-
lichkeiten einer vorherwissenden Zukunftsschau mehr oder weniger ausdrücklich bestreiten. Zu nennen sind hier insbesondere: 1) Die Szenarien-Schulen, die sich auf Bilder nur möglicher Zukünfte konzentrieren und die Beschreibungen allein der wahrscheinlichen Zukunft, also Vorhersagen, mehr oder weniger konsequent ablehnen; 2) die Bestrebungen einer „kritischen Zukunftsforschung“, explizit normative Zukunftsbilder zu entwerfen, die wünschens- oder vermeidenswerte Zukünfte beschreiben, und an deren Erreichung bzw. Verhinderung mitzuwirken; 3) die Konzentration auf die Untersuchung und Beschreibung aktueller Entwicklungen, denen aufgrund ihrer vermuteten Wirkungsmacht und Kontinuität eine besondere Zukunftsrelevanz zugeschrieben wird. Begleitet werden diese Ausdifferenzierungen der Zukunftsforschung von einem wechselhaften öffentlichen Interesse, das in einem Zirkel von Erwartung und Enttäuschung oszilliert. Es fällt insgesamt verhaltener aus als in den 1960er und 1970er Jahren und schwillt erst mit dem Nahen der Jahrtausendwende wieder an, nur um danach erneut abzufallen. In der Folge wendet sich die Zukunftsforschung des späten 20. und frühen 21. Jahrhundert meist an direkt beauftragende Institutionen und Organisationen, vorwiegend der Wirtschaft. Vorwiegend privatwirtschaftlich organisiert, steht sie unter besonderem Druck, jene (fiktionalen) Vorhersagen zu liefern, die am ehesten verlangt und bezahlt werden. Die fehlende institutionelle und disziplinäre Etablierung und die schwierige Abgrenzung gegenüber anderen Disziplinen verhindern zudem die Herausbildung eines weniger diffusen und anerkannten Berufsbildes. Dies wiederum führt dazu, dass der Nachwuchs begrenzt bleibt und „Nebenberufs-Zukunftsforscher“ das Bild prägen. Man kann sagen, dass der prekäre Status der jüngeren Zukunftsforschung, ihr Mangel an Akzeptanz und Institutionalisierung, nicht zuletzt daher rührt, dass sie von der destabilisierenden Wirkung der spätmodernen Auflösung von Gewissheiten ereilt wurde, bevor ihr eine robuste disziplinäre Institutionalisierung gelungen ist. Was kann Zukunftsforschung? Die Grenzen des Vorherwissens Die Ausdifferenzierung der modernen Zukunftsforschung ging mit einer Einschränkung des Vorher-
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sageversprechens einher. Was sich nicht änderte,
waren die beschränkten prognostischen Fähigkeiten selbst. Die Vertreter der jüngeren, bescheideneren Zukunftsforschung wissen nicht wesentlich weniger von der Zukunft als ihre klassischen, ehrgeizigeren Vorgänger oder die Pioniere zu Beginn des letzten Jahrhunderts. Das stabile Erfahrungs-Muster der begrenzten Vorhersagefähigkeiten der Zukunftsforschung lässt sich in acht Thesen umreißen: 1) Zukunftsforschung reduziert, in zunehmendem Maße, ihren Anspruch, die Zukunft vorherzuwissen und vorherwissen zu können. 2) Trotz dieser Zurücknahme des Vorhersageanspruchs und der Vielfalt der Aussagen von Zukunftsforschung werden diese in der Rezeption vielfach als Vorhersagen verstanden. 3) Nicht wenige Vorhersagen sind in sachlicher Hinsicht so allgemein gehalten, dass ihr Eintreffen oder Nicht-Eintreffen nur mit einem hohen Aufwand an Hilfsannahmen, Definitionen und Mess-Vorgaben bestimmt werden kann. Ihre „Wahrheit“ hängt dann mehr von der ex-postInterpretation ab als von der Vorhersage selbst. 4) Je spezifischer in sachlicher und zeitlicher Hinsicht die Vorhersagen getroffen wurden, desto seltener stimmen sie mit der späteren Entwicklung überein. Unter den Vorhersagen, die später als vermeintlich zutreffend erscheinen, dominieren jene, die besonders allgemein abgefasst waren. Man könnte von einem NostradamusEffekt sprechen. 5) Für viele Zukunftsforscher und Aussagenkomplexe von Zukunftsforschung lassen sich im Nachhinein „Treffer“ benennen. Es gilt aber auch: Für jeden Zukunftsforscher oder Aussagenkomplex von Zukunftsforschung finden sich Fehlprognosen, die durch die spätere Entwicklung widerlegt wurden. Nirgendwo jedoch finden sich durchgängig „richtige“ Vorhersagen. 6) Für jeden Aussagenkomplex von Zukunftsforschung lassen sich spätere wichtige Ereignisse benennen, die überhaupt nicht thematisiert wurden. Die betreffenden Aspekte wurden entweder als konstant betrachtet oder lagen, als irrelevant verworfen, als „Blinde Flecken“ außerhalb der stets selektiven Weltsicht. 7) Zukunftsbeschreibungen von Zukunftsforschung sind oft deutlich durch ihre jeweilige Gegenwart geprägt (Situational Bias). Dies wird insbesondere dort in der Rückschau sichtbar, wo Vorhersage scheitert. Als Fazit bleibt, dass eine verlässliche Zukunftsschau nicht zur Verfügung steht. Vereinzelte Vor-
hersage-Erfolge sind stets verbunden mit Fehlprognosen zu anderen Themen. Das Grundproblem bleibt, dass im Vorhinein höchst ungewiss ist, welche – und wessen – Vorhersagen zutreffend sein werden. Zukunftsforschung kann vielen Zwecken dienen und viele Funktionen erfüllen, die letztlich auch besseres Entscheiden ermöglichen. Was Zukunftsforschung nicht leisten kann, ist die Bereitstellung „wahrer“ Zukunftsbilder, die sicher beschreiben, wie es sein wird. Dies unfreiwillig gezeigt zu haben, ist kein geringes Verdienst der Zukunftsforschung. Nutzen und Beiträge von Zukunftsforschung im Planen und Bauen Doch auch ohne sicheren Blick in die Zukunft sind die möglichen Beiträge von Zukunftsforschung im strategischen Entscheiden erheblich. Das gilt auch und gerade für das Planen und Bauen als spezifische Formen strategischer Prozesse. Betrachtet man die systematische Untersuchung der Zukunft der Planungs- oder Bau-Objekte im Sinne einer „aufgeklärten Zukunftsforschung“, dann lassen sich grob fünf Nutzenfelder umreißen. 1) Explikation von Zukunftsbildern: Zukunftsforschung sucht systematisch nach den Faktoren und Rahmenbedingungen, welche die Situation und Entwicklung des interessierenden Gegenstandes in der Zukunft voraussichtlich beeinflussen. Für die so identifizierten Faktoren versucht Zukunftsforschung dann abzuschätzen, ob und wie sie sich in der Zukunft verändern oder konstant bleiben werden. Je nach Aufgabe und Lage entstehen dabei singuläre Zukunftsbilder (Prognosen) oder multiple Zukunftsbilder (Szenarien). Der erste Vorzug solcher Zukunftsforschung liegt darin, dass sie die allfälligen Zukunftsannahmen, die mit jedem strategischen Vorhaben, mit jeder Planung und mit jedem Bauvorhaben unweigerlich verbunden sind, aus dem Schattenreich der impliziten Prämissen an das Licht der expliziten Kommunikation hebt. Wie schwierig und anfällig die Beschreibung der Zukunft auch ist: Zukunftsbilder, die einer breiteren intersubjektiven Diskussion, Reflexion und Validierung unterzogen wurden, versprechen eine höherer Belastbarkeit, gewähren eine höhere Anschlussfähigkeit im Handeln der beteiligten Akteure und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass auf unerwartete Entwicklungen schneller reagiert wird. Zukunftsbilder (▷Leitbilder) sichtbar zu machen und für Kritik zu öffnen, ist bereits ein nicht geringer Beitrag in Planungs- und Bauprozessen.
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2) Ausdehnung des Zukunftshorizontes: Zahlreich sind die Anreize, im strategischen Entscheiden nur die nahe Zukunft zu betrachten. Doch verschwinden damit nicht die faktisch langfristigen Folgen strategischen Entscheidens und Nicht-Entscheidens. Was einmal auf den Weg gebracht wurde, wirkt lange nach in materiellen wie immateriellen Haupt- und Nebenfolgen, wobei sich diese Gewichtung auch noch ändern mag. Was unterlassen wird, kann oft nur mühsam, unter Mehrkosten und eben nur später nachgeholt werden. All dies gilt auch und gerade für das Planen und Bauen. Aufgeklärte Zukunftsforschung weiß um die Rigiditäten und Eigenzeiten, die den Wandel, aber auch die Beharrung in der Zeit prägen. Obwohl nahezu nichts unveränderlich ist, kann doch Vieles in natürlichen oder sozialen Systemen nicht von heute auf morgen geändert oder revidiert werden. Zukunftsforschung arbeitet daher üblicherweise explizit mit ferneren Zukunftshorizonten, als es in Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit, aber auch im privaten Leben meist der Fall ist. Zukunftsforschung kann daher helfen, den Zukunftshorizont im Planen und Bauen in die fernere Zukunft zu verschieben und ihn damit der voraussichtlichen Lebensdauer der Objekte anzunähern. 3) Erweiterung des Themenkreises: Aufgeklärte Zukunftsforschung weiß um die Veränderlichkeit aktueller Trends und Einflusskonstellationen, sie weiß, wie Nebenbedingungen zu Hauptrestriktionen, Nebenfolgen zu Hauptfolgen werden können. Sie weiß daher, dass der Radius der betrachteten Themen und Aspekte in der strategischen Zukunftsbetrachtung nicht allzu eng sein darf. Es reicht nicht, nur den Markt in die Zukunft zu projizieren. Es muss verstanden werden, welches Umfeld den Markt heute prägt und welches Umfeld voraussichtlich den Markt von morgen prägen wird. Zukunftsforschung weiß, dass nahezu alle grundstürzenden Veränderungen im oft ausgeblendeten Umfeld entspringen – und gerade deshalb erst spät, manchmal zu spät, wahrgenommen wurden. Zukunftsforschung wird darauf drängen, in den strategischen Zukunftsbildern auch das weitere Umfeld des Planungs- und Bau-Gegenstandes zu thematisieren. 4) Reflexion der Offenheit der Zukunft: Aufgeklärte Zukunftsforschung kennt ihre eigene Geschichte und die Erfahrungen mit den Versuchen des Vorherwissens, sie weiß, dass sich die Zukunft nicht mit Gewissheit kennen lässt. Zum Grundstock ihrer Erkenntnis-Prämissen gehört ein
opakes Zukunftskonzept (Neuhaus 2006:289ff ). Strategisches Entscheiden, Planen und Bauen ragen unweigerlich in eine Zukunft, die, realistisch betrachtet, nur ungewiss sein kann. In allen anderen Situationen jedoch, insbesondere, wenn es um strategische Robustheit und Nachhaltigkeit in ihren verschiedenen Dimensionen geht (▷Nachhaltige Stadtentwicklung), hat Zukunftsforschung nicht nur den Hinweis auf die Offenheit der Zukunft parat, sondern auch das Handwerkszeug, mit dieser Offenheit sinnvoll umzugehen. Verwendet man erst einmal explizite Zukunftsbilder mit einem erweiterten zeitlichen und thematischen Horizont, dann ist es nur noch ein überschaubarer Schritt, statt eines Zukunftsbildes zwei oder mehr Zukunftsbilder, eben Szenarien anzufertigen. ZukunftsSzenarien sind heute das verbreiteteste und, bei richtiger Handhabung, universellste Werkzeug der Zukunftsforschung. 5) Ausnahmsweise: Vernichtung von Ungewissheit: Meistens liegt der wichtigere Beitrag aufgeklärter Zukunftsforschung darin, in kontrollierter Weise Ungewissheit wieder einzuführen. Und doch gibt es Situationen, in denen das alte Produkt der Zukunftsschau, die klassische Vorhersage, noch benötigt wird. Wenn nicht einmal eine vage Idee von der Zukunft vorliegt, wenn Alles möglich und Nichts ausgeschlossen scheint, wenn der aktuelle Handlungsdruck aufgrund unkontrollierbarer Einflüsse den Zukunftshorizont auf die Gegenwart zusammenzieht, dann drohen Stillstand und die Lähmung des strategischen Prozesses. In solchen Situationen kann es erforderlich sein, die Ungewissheit im strategischen Prozess erst einmal zu beseitigen, damit Entscheiden und Handeln wieder in Bewegung kommen. Die Aufgabe lautet dann, die in dieser Lage nützliche Fiktion einer bekannten Zukunft aufzubauen, von der alle Beteiligten bis auf weiteres ausgehen können. Auch die aufgeklärte Zukunftsforschung verfügt noch über die Instrumente der Prognose und der unbedingten Extrapolation von Zuständen und Trends. Doch geht sie normalerweise nur zurückhaltend mit diesen Werkzeugen um. Denn die (Illusion der) Zukunfts-Gewissheit gibt es nicht kostenlos. Sie wird erkauft mit den Risiken der strategischen Blindheit und der unzureichenden Reaktionsfähigkeit. Trotzdem lohnt es manchmal, diesen Preis zu zahlen – zumal die übermäßige Gewissheit später, nach der Krise, wieder eingedämmt werden kann. Dies könnte letztlich der wichtigste Beitrag einer aufgeklärten Zukunftsforschung im Planen und
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Bauen sein: Die aktuellen Zukunftsbilder und das aktuelle Maß an Zukunfts-Gewissheit im Planungs- und Bauprozess zu bestimmen und zu bewerten, die Vorzüge und Nachteile übermäßiger Gewissheit wie auch übermäßiger Ungewissheit gegeneinander abzuwägen – und so zu einem insgesamt intelligenteren Umgang mit der Zukunft beizutragen, als es die klassische Planungsrationalität erlaubt. Neuhaus
Literatur Bell, D. (1968): Zukunftsforschung gestern und heute. In: Kahn, H.; Wiener A. J. (1968): Ihr werdet es erleben. Voraussagen der Wissenschaft bis zum Jahr 2000. Wien, 411-419 Flechtheim, O. K. (1990): Ist die Zukunft noch zu retten? München Kahn, H.; Wiener, A. J. (1968): Ihr werdet es erleben, Voraussagen der Wissenschaft bis zum Jahr 2000. Wien Marien, M. (2002): Future Studies in the 21st Century: A Reality Based View. In: Future, 5, 261-281 Marien, M. (1989): Some comments from an atypical generalist. In: Coates, J.; Jarrat, J. (Hrsg.): What Futurists Believe. Bethesda, 321-323 Meadows, D. u. a. (1972): The Limits to Growth, A Report to the Club of Rome’s Project on the Predicament of Mankind. New York Neuhaus, C. (2006): Zukunft im Management, Orientierungen für das Management von Ungewissheit in strategischen Prozessen. Heidelberg Sherden, W. (1998): The Fortune Sellers, The Big Business of Buying and Selling Predictions. New York
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Die Dynamik globaler wirtschaftsstruktureller und demografischer Veränderungen sowie kürzere Nutzungszyklen spezialisierter Gebäude schlagen sich auch räumlich nieder und haben in den letzten Jahrzehnten zu vielfältigen Programmen und Strategien zum Umgang mit Leerständen in Gebäuden und mit Brachflächen in der Stadtentwicklung geführt (▷Konversion und Revitalisierung). Zukünftige Nutzungsmöglichkeiten stellen insbesondere in schrumpfenden Städten Arten
und Regionen eine Herausforderung dar, sodass temporäre oder Zwischennutzungen in den letzten Jahren zu einem aktuellen stadtplanerischen Thema wurden. Merkmale und aktuelle Erkenntnisse Temporäre Nutzungen sind dadurch gekennzeichnet, dass nach der Aufgabe der ursprünglichen Nutzung eines Gebäudes oder einer Fläche und vor der gewünschten bzw. geplanten Neunutzung zeitlich befristete Nutzungen ermöglicht werden sollen. Mit dieser Flexibilität von Nutzern und Nutzungen, die aufgrund ihrer Befristung nur mit geringen Investitionen verbunden sind, wird nicht nur ein preiswertes Raum- und Flächenangebot erhöht, sondern auch ein Beitrag zur Stabilisierung und Imagebildung von Standorten angestrebt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass i. d. R. weder ein Eigentümerwechsel noch eine Änderung des bestehenden Planungsrechts erfolgt (Baumgart/Schlegelmilch 2007). Die wissenschaftliche Auseinandersetzung orientiert sich bislang überwiegend auf die Analyse ausgewählter Zwischennutzungsprojekte – vorwiegend aus den neuen Bundesländern, aber auch aus dem europäischen Ausland. Bei diesen wurden die Erfahrungen über deren Entstehung und Umsetzung sowie deren Auswirkungen auf die Standort- und Quartiersentwicklung zusammengetragen und systematisch aufbereitet. So beziehen sich aktuelle Forschungsergebnisse über Zwischennutzungen bislang im Wesentlichen auf eine Typisierung von Arten sowie Standorten und deren Eignung für temporäre Nutzungen, die Identifizierung der beteiligten Akteure sowie deren Interessenlagen (BMVBS/BBR 2008). Die Standorte für Zwischennutzungen lassen sich hinsichtlich ihrer Flächen- bzw. Objektgröße, siedlungsstrukturellen Lage sowie v. a. ihrer aufgegebenen oder geplanten Hauptnutzungen differenzieren: Kasernengelände, Industrie- und Infrastrukturbrachen, Rückbaugrundstücke und Baulücken,
Projekte
Gewerbe
Ladenprojekte, Lagerplätze, Märkte, Start-Up-Unternehmen
Kunst/Kultur
Ausstellungen, Installationen, Theater, Veranstaltungen
Freizeit/Sport
Spielplätze, Übungsräume, Minigolf, Hochseilgärten, Beachvolleyball, Halfpipes, Dirt Bike
Grün-/Freiflächen
Stadtteilparks, Pflanzenlabyrinthe, Naturerlebnisräume, internationale Gärten, Grabeland
Wohnen
Zeltplätze, Studentenwohnungen, soziale Wohnprojekte
Soziale Einrichtungen
Kinder-, Jugend- oder Seniorentreffs, soziale Initiativen
Gastronomie
Biergärten, Beach Clubs, Diskotheken
Arten von Zwischennutzungen und Projekte
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Reserve- und Stadtentwicklungsflächen, Wohngebäude oder Ladenlokale. Unterschiedliche Arten von Zwischennutzungen an diesen Standorten verweisen auf ein breites Spektrum von Projekten und Maßnahmen (BMVBS/BBR 2008). Dementsprechend vielfältig sind die Zwischennutzer, von Einzelpersonen über Vereine und Nachbarschaften bis zu Kleinunternehmen. Sie suchen günstige und kurzfristig zur Verfügung stehende Flächen, die mit geringem bürokratischem und finanziellem Aufwand unter Einbeziehung von erforderlichen Eigenleistungen nutzbar sind. Die Eigentümer der Gebäude und Flächen – städtische Liegenschaften, private Entwicklungs- oder Immobiliengesellschaften, Erbengemeinschaften oder auch Banken – möchten ebenfalls nur geringen Aufwand mit der Immobilienverwaltung betreiben. Sie erkennen inzwischen, dass mit temporären Nutzungen nicht nur Vandalismus und Verwahrlosung verhindert werden können, sondern Betriebs- und Gebäudesicherungskosten einzusparen sowie Pacht- und Mieteinnahmen zu erzielen sind. Aktuelle Expertisen und Praxiserfahrungen verweisen auf eine ausreichende Flexibilität durch Befreiungs- und Ausnahmetatbestände im Bauordnungs- und Planungsrecht (▷Bauordnungsrecht, ▷Bauplanungsrecht). Mit der öffentlich-rechtlichen Gestattungsvereinbarung und privat-rechtlichen Nutzungsvereinbarungen liegen vertragsrechtliche Systemlösungen vor, die Kündigungsfristen, Räumungserklärungen oder Regelungen zu Ersatzflächen und Schadenersatz bei frühzeitiger Kündigung enthalten. Weitgehend geklärt sind auch Fragen der Verkehrssicherungspflicht, Haftung und Betriebskosten sowie Versicherungsschutz. Interessant ist, dass der Dynamisierung von Flächennutzungen zwar planungsrechtlich mit der Novellierung des Baugesetzbuches 2004 durch die Einführung des „Baurechts auf Zeit“ (§ 9 Abs. 2 BauGB) Rechnung getragen werden soll, dies in der Praxis bisher jedoch wenig Relevanz zeigt. Aus ökonomischer Perspektive betrachtet bieten sich Chancen im Umgang mit einer unsicheren Zukunft von Standorten und es wird das Erproben neuer (Nischen-)Nutzungen ermöglicht, die Innovation und Potenzial für einen neuen Nukleus auf den Flächen in sich tragen können. Grenzen setzen zu hohe Renditeerwartungen der Flächeneigentümer, die oftmals die zunächst nichtmonetären Vorteile – wie die Imagebildung, das Branding eines Standorts – kaum als werthaltig schätzen. Bei öffentlich geförderten Zwischennutzungen entstehen Probleme aufgrund
zu langer Bindungszeiträume sowie der Förderfähigkeit von nichtinvestiven Maßnahmen wie Vermittlungstätigkeiten. In Anbetracht der Rolle von Zwischennutzungen für die Entwicklung und Stabilisierung von Stadtquartieren, wurden kreative Lösungsansätze entwickelt. Für die Umsetzung von Zwischennutzungen notwendig sind jedoch Beratungs- und Vermittlungstätigkeiten, die sich inzwischen in unterschiedlichen öffentlichen und privaten Organisationsformen etabliert und professionalisiert haben. Und nicht zuletzt geht es bei den zahlreichen von unten entwickelten und mit hohem bürgerschaftlichen Engagement umgesetzten Projektideen auch um Erfahrungen mit lokaler Planungskultur, ein Aspekt, der v. a. im Kontext des ▷Stadtumbaus nicht zu unterschätzen ist. Perspektiven Handelte es sich zunächst um spontane, ungeplante und informelle Aktivitäten der Raumaneignung kreativer Bevölkerungsgruppen, wird dieses Potenzial inzwischen zunehmend von Stadt- und Freiraumplanern, aber auch Grundeigentümern und Investoren erkannt und erschlossen. Feuerstein und Fitz resümieren, dass Zwischennutzungen Ausdruck urbanistischer und künstlerischer Interventionen bei der Aneignung von städtischem Raum sind, bei denen sich Fragen stellen nach Zielgruppen und der „Produktion von Öffentlichkeit bzw. Teilöffentlichkeiten, zu Vermittlungsansätzen zwischen Bildungsidee, Mitbestimmung und Freizeitunterhaltung, zu Verwertungslogiken zwischen offenen Identitätsangeboten und dienstleistungsorientierten Marketingprofilen, zum Spagat zwischen Flüchtigkeit und Nachhaltigkeit und damit zusammenhängend zu sozialen und politischen Wirksamkeiten“ (Feuerstein/Fitz 2009:7). Unbestritten ist die Rolle von temporären Nutzungen im Bereich von Kultur und Kulturwirtschaft (HMWVL/HMWK/Schader Stiftung 2008). In Berlin wurden Zwischennutzungen einbezogen in einer Raumtypisierung zur Stärkung der Zentrumsfunktionen. Diese verfolgte die Zielsetzung der Weiterentwicklung touristisch relevanter Angebote der Kulturwirtschaft, des transparenten Überblicks über Angebot an preisgünstigen Gewerbe- und Wohnflächen und deren Mobilisierung als Teil der laufenden Raumbeobachtung (▷Raum- und Stadtbeobachtung). Das Konzept basierte zum einen auf der Erhebung der Struktur der Kulturwirtschaft und Branchenvernetzung mit Indikatoren für Aneignungsmöglichkeiten wie Unternehmensgröße, Bebauungsstruktur und Nutzungsart. Zum anderen wurden mit Blick auf
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die Entwicklungschancen eines Gebiets der örtliche Immobilienmarkt, das lokale Preisniveau von Gewerbeflächen, das Quartiersimage und kulturwirtschaftliche Ankernutzer einbezogen und mit Strategien zur Erweiterung und ggf. Aufwertung von Gewerbeflächen bei entsprechender Nachfrage der Kulturwirtschaft verbunden. Dabei wurde Zwischennutzungen eine besondere Sensibilität, aber auch eine Katalysatorfunktion zugewiesen (Ebert/Kunzmann 2007). Weitere aktuelle Forschungsansätze zielen auf eine Verknüpfung von Zwischennutzungen mit einer systematischen Flächenkreislaufwirtschaft innerhalb der stadtregionalen Siedlungsentwicklung, um zur Reduzierung von Bauflächenausweisungen auf Vorrat beizutragen. Auf der Grundlage vorliegender und erprobter vertraglicher Musterlösungen könnte eine strategische Einbindung von Zwischennutzungen in informelle Planverfahren (▷Informelle Planung) wie Masterpläne für Brachflächenreaktivierung auf stadtregionaler Ebene erfolgen. Der Einsatz von Freiflächen bietet ein temporäres, ggf. auch dauerhaftes Potenzial für die Entwicklung von Wald auf Zeit im Rahmen von Industrielandschaften, für Spiel-Räume und Naturerfahrungen als nahräumliche Freiraumangebote für junge und ältere Menschen, aber auch ein wirtschaftliches Potenzial durch nachwachsende Rohstoffe oder in Form temporärer Ausgleichsflächen als Baustein eines kreativen ▷Flächenmanagements (vgl. auch Gstach 2006; ▷Urbane Landschaften). Diese Formen flexibler Flächennutzungen nehmen bei der Entwicklung von Anpassungsstrategien an den ▷Klimawandel an Relevanz zu. Zusammenfassend sind Zwischennutzungen in der Lage, nachfolgende Dauernutzungen vorzubereiten, als Durchlauferhitzer für Quartiere, Städte und auch Regionen zu fungieren, aber auch als Experimentierfeld für neue oder veränderte Flächenansprüche zu dienen (Krauzick 2007). Sie sind geeignet, eine strategische Grundlage für eine ▷nachhaltige Stadtentwicklung zu entfalten, indem sie Flächenkreisläufe und spezifische Handlungsfelder in einem disziplinen- und sektorenübergreifenden Integrationsansatz adressieren. Erforderlich sind Kenntnisse über mögliche Wirkungen der raumrelevanten, temporären Inanspruchnahme von Flächen und das Aufzeigen möglicher Handlungsoptionen als Grundlage für ein systematisches Monitoring und Controlling, um auf die in ihrer Dynamik zunehmenden Prozesse der Stadtentwicklung frühzeitig reagieren zu können. Baumgart
Literatur Baumgart, S.; Schlegelmilch, F. (2007): Nutzung „auf Probe“. In: Landschaftsarchitekten, 4, 6-8 BBR – Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.) (2004): Zwischennutzung und neue Freiflächen – Städtische Lebensräume der Zukunft. Bonn BMVBS – Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung; BBR – Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.) (2008): Zwischennutzungen und Nischen im Städtebau als Beitrag für eine nachhaltige Stadtentwicklung. Werkstatt: Praxis Heft Nr. 57. Bonn Ebert, R.; Kunzmann, K. (2007): Kulturwirtschaft, kreative Räume und Stadtentwicklung in Berlin. In: DISP, 171, 64-79 Feuerstein, C.; Fitz, A. (2009): Wann begann temporär? Frühe Stadtinterventionen und sanfte Stadterneuerung in Wien. Wien Forum Baulandmanagement NRW (Hrsg.) (2008): Temporäre Nutzungen als Bestandteil des modernen Baulandmanagements. Dortmund Gstach, D. (2006): Freiräume auf Zeit, Zwischennutzung von urbanen Brachen als Gegenstand der kommunalen Freiraumentwicklung. Kassel Haydn, F.; Temel, R. (Hrsg.) (2006): Temporäre Räume: Konzepte zur Stadtnutzung. Basel HMWVL – Hessisches Ministerium für Wirtschaft Verkehr und Landesentwicklung; HMWK – Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst; Schader Stiftung (Hrsg.) (2008): Kulturwirtschaft fördern – Stadt entwickeln. Wiesbaden, Darmstadt Krauzick, M. (2007): Zwischennutzung als Initiator einer neuen Berliner Identität? Duett oder Dissonanz – das Beispiel Berlin. Berlin
ZYKLEN IN DER IMMOBILIENWIRTSCHAFT Begriff und Definition Der Begriff Zyklus beschreibt in den Wirtschaftswissenschaften die systematische Fluktuation wesentlicher Indikatoren, die die Wirtschaftsleistung einer räumlichen Wirtschaftseinheit bzw. einzelner Märkte beschreiben. Zur Darstellung und Messung dieser Zyklizität werden meist OutputIndikatoren wie z. B. das Volkseinkommen (BIP) verwendet. Hierbei stellt sich als eine Besonderheit heraus, dass die Immobilien aufgrund ihrer Eigenschaft als Produktionsfaktoren und Teil des volkswirtschaftlichen Kapitalstocks in der gesamtwirtschaftlichen Aufschwungphase zum Engpassfaktor werden können, ebenso wie sie in der Abschwungphase im Übermaß vorhanden sind. Es gibt also Verknüpfungen und Wechselwirkungen zwischen Immobilienmarktzyklen und Konjunkturzyklen, so dass oftmals eine Immobilienmarktkrise eine Krise in anderen Bereichen der Volkswirtschaft, vielfach im Bankensektor, nach sich zieht, wie man es an der Finanzkrise seit 2007 deutlich beobachten kann, und umgekehrt eine allgemein schwache konjunkturelle Lage i. d. R. eine verringerte Nachfrage auf dem Immobilien-
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markt bedingt (hierfür sind auch die Krisen von 1991 und 1992 in den USA, in Großbritannien und in Japan ein Beispiel). Nicht nur diese jüngeren Krisen sind der Auslöser dafür, dass die Fachwelt bei Befragungen in „Immobilienzyklen und ihre Vorhersagbarkeit“ eines der wichtigsten Forschungsfelder sieht, obwohl dieses Forschungsfeld über eine Tradition verfügt. Die neue Bedeutung rührt daher, dass sich die Verfügbarkeit immobilienmarktspezifischer Statistiken und Daten erst in jüngerer Zeit stark verbessert hat (Schulte/Holzmann 2006). Komponenten und Indikatoren bei Büromarktzyklen
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Betrachtet man den bedeutendsten Immobilienteilmarkt, den Büromarkt, so wird deutlich, dass gerade dieser Markt sehr ausgeprägten Schwankungen bei Mieten, Leerstandsquoten, Investitionsverhalten und Bauaktivitäten unterliegt. (▷Bauwirtschaft und Baubetrieb) Dieses zeitlich und räumlich differenziert auftretende Phänomen manifestiert sich auf diesem Markt deutlicher, als dies beispielsweise auf dem Wohnungsmarkt der Fall ist. Unabhängig von den Gründen für diese unterschiedlichen Marktreaktionen, lässt sich dadurch eine erhöhte Anfälligkeit des Büromarktes für kurz- bis mittelfristige Marktungleichgewichte konstatieren (Torto Wheaton Research 2002, Wheaton 1999). Neben dem zeitlichen Verlauf von Büromarktzyklen ist auch die räumliche Differenzierung signifikant. Je nach Marktbedingungen können sich Städte in ganz unterschiedlichen Phasen eines Immobilienzyklus befinden. In diesem Zusammenhang gilt es zu untersuchen, ob es die übergeordneten makroökonomischen Trends oder die regionalspezifischen Einflussfaktoren sind, die entweder zu einer Angleichung der Marktentwicklung oder zu einer disparaten Entwicklung in verschiedenen Städten führt. Neben dem interregionalen Vergleich existieren auch innerhalb von Städten räumliche Teilmärkte mit unterschiedlicher Dynamik. Allerdings sind nicht alle Schwankungen des Immobilienmarktes zyklisch bedingt. Bei der empirischen Analyse mit Hilfe von Zeitreihendaten gilt es daher, folgende Komponenten zu unterscheiden: Irreguläre und kurzfristige Schwankungen: auf unvorhergesehenen Ereignissen und Informationen basierende Angebots- oder Nachfrageschocks. Aufgrund relativ langfristiger Mietvertragsbindungen und verzögerter Reaktion
des Angebots sind diese jedoch für den Immobilienmarkt von eher untergeordneter Bedeutung (▷Immobilienwirtschaft). Säkulare Trends: langfristige Entwicklungen, die i. d. R. nur durch eine Betrachtung längerer geglätteter Zeitreihen deutlich werden (z. B. Verkürzung der Nutzungsdauer von Bürogebäuden, räumliche Dispersion der Standorte). Saisonale Schwankungen (z. B. Baufertigstellungen). Zyklische Schwankungen: regelmäßig auftretende Marktungleichgewichte, die prinzipiell kausal begründbar und daher prognostizierbar sind. Diese vier Komponenten wirken i. d. R. simultan auf den Markt ein. Sie überlagern sich dabei gegenseitig jeweils verstärkend oder abschwächend. Eine trennscharfe Zerlegung in die einzelnen Komponenten wird jedoch bei empirischen Büromarktanalysen aufgrund unvollständiger Marktinformationen, v. a. hinsichtlich der Quantifizierung von Wirkungszusammenhang und -stärke, erschwert. Dennoch lassen sich zyklische Schwankungen allein aufgrund des zeitlichen Verlaufs von Mieten und Leerstandsraten nachweisen. In der Immobilienforschung sind die lange Dauer und relative Inflexibilität von Planungs- und Bauprozessen sowie die niedrige Markttransparenz als Hauptgründe für die ausgeprägten zyklischen Bewegungen von Immobilienmärkten in zahlreichen Veröffentlichungen benannt worden (Kuznets 1930, Hoyt 1933, Clapp 1980, Barras 1994, Wheaton/DiPasquale 1996). Mithilfe dieser zyklenabbildenden Indikatoren lassen sich die Ursachen für das Missverhältnis von Angebot und Nachfrage im zeitlichen Verlauf analysieren. Die verstärkte Einbindung von Immobilien in Kapital- und Anlagemärkte durch Immobilienfonds und Verbriefung ist in mehreren Studien als ein wesentlicher Faktor für die Gefahr einer Überproduktion von Flächen benannt worden (Leitner 1994, Torto Wheaton Research 2002). Die Entwicklung des Immobiliensektors selbst hängt dabei wesentlich von der Höhe relevanter Zinssätze und der Verfügbarkeit von Krediten zur Realisierung von Immobilienprojekten ab. Kling und McCue wiesen anhand eines ökonometrischen Modells zur Messung des Beitrags einzelner Variablen zur Bauaktivität im Büroimmobiliensektor nach, dass die Höhe der Zinssätze durchgehend das wichtigste Kriterium für das Ausmaß der Bauaktivität darstellt (McCue/ Kling 1987). Da die antizipierte bzw. tatsächliche Nachfrageentwicklung eine nachgeordnete Rolle
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spielt, ist hier bereits ein exogener Auslöser für Marktungleichgewichte identifiziert. Phasen und Gründe des Zyklus Im zeitlichen Verlauf des Immobilienzyklus unterscheidet man vier Phasen: Erholung, Expansion, Boom und Rezession. Der stilisierte Verlauf dieser Phasen ist in der Abbildung dargestellt. Für die Erholungsphase sind eine geringe Marktaktivität und eine starke Risikoaversion charakteristisch. Da sich der Markt jedoch in dieser Phase auf niedrigem Niveau über längere Zeit relativ stabil entwickelt und das Entwicklungstempo kontrollierbar scheint, können Kreditgeber allmählich wieder für die Unterstützung neuer Projekte gewonnen werden. Dabei wird der Immobiliensektor oft von anderen Sektoren, v. a. dem Kapitalmarkt „gezogen“, der die Voraussetzungen für eine erleichterte Kreditvergabe am Ende der Stagnationsphase schafft. In Zeiten dynamischer Anlegermärkte treten somit Spill-over-Effekte anderer Anlageformen, etwa des Aktienmarktes auf, da eine Diversifikation des Anlagenportfolios angestrebt wird (▷Immobilienfinanzierung). In der Expansionsphase nimmt das Entwicklungstempo beträchtlich zu. Da jedoch immer mehr Anbieter auf den Markt drängen, werden die „Gelegenheitsfenster“ durch die starke Konkurrenz um Projekte und Kredite immer kleiner. Gleichzeitig wächst der Grad an Unsicherheit an, der seinen Höhepunkt schließlich in der Boomphase erreicht. Bei den Developern herrscht zu
diesem Zeitpunkt Unsicherheit, da sie aufgrund der hohen Marktdynamik nicht mehr in der Lage sind, die genaue Entwicklung der Immobilienwerte und ihrer Liquidität durch Projekte mit i. d. R. sehr hohem Investitionsvolumen vorauszusagen. Der in dieser Phase noch intakte Flächenmarkt stützt jedoch die Bereitschaft zur Finanzierung und Durchführung neuer Projekte. Die Kreditzinsen befinden sich i. d. R. auf einem hohen Niveau, was die Preissteigerung neuer Immobilienobjekte zusätzlich anheizt. Die Diskrepanz zwischen Marktwert und Ertragswert erreicht ihren Höhepunkt. Wird die Diskrepanz zwischen diesen Werten so groß, dass sie jenseits von zu rechtfertigenden Gewinnerwartungen liegt, reichen bereits erste Anzeichen einer Rezession aus, um einen abrupten Einbruch der Mieten und Gebäudewerte zu verursachen (Rezessionsphase). Mangelnde Bereitschaft der Nachfrager – die ihrerseits mit den Folgen einer allgemeinen Rezession zu kämpfen haben –, in exklusiven Lagen Mieten und Preise zu zahlen, die einer wirtschaftlich vertretbaren Kalkulation widersprechen, trägt zu einem Einbrechen der Preise bei (Schumpeter 1927). Erst jetzt kommt es zu einer breiten Verfügbarkeit von Immobilien, die aufgrund der hohen Preise während der Hochphase nur für einen exklusiven Kreis von Nachfragern erhältlich waren. Der Nachfrageüberhang der vorhergehenden Phasen geht rasch in einen Angebotsüberhang über, was stark sinkende Preise zur Folge hat. Die durchschnittlichen Realeinkommen und die Kaufkraft der Bevölkerung steigen dadurch wieder an, aller-
Schematisierte Darstellung der Phasen eines Immobilienzyklus (eigene Darstellung nach Mueller 1999)
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dings werden diese positiven Effekte der Rezession durch sinkende Kapital- und Vermögenswerte und die stark negativen Bilanzen von Unternehmen im Aggregat neutralisiert. In dieser Phase macht sich eine Besonderheit des Immobilienmarktes gegenüber anderen Märkten besonders negativ bemerkbar. Anders als die meisten Produkte können Immobilien nur mit einer relativ großen zeitlichen Verzögerung hergestellt werden, d. h. einer etwaigen Änderung der Nachfrage kann nicht mit ausreichender Flexibilität begegnet werden. Die Produktion kann vorübergehend kaum gedrosselt werden, um ein Überangebot zu verhindern. Diese Rigidität des Marktes hat zur Folge, dass Immobilienmärkte i. d. R. größeren Schwankungen unterworfen sind, als dies bei anderen Produkten der Fall ist. Der Bau von Büroflächen wird aufgrund der zeitlichen Verschiebung auch dann noch fortgesetzt, wenn die Nachfrage bereits stark abnimmt, was zu einer weiteren Zuspitzung der Marktlage und dem Aufbau von Haldenbeständen führt. Ein weiterer häufig zitierter Grund für die Entstehung von Zyklen ist nichtrationales Verhalten von Marktteilnehmern. Dieses Argument besagt, dass Entscheidungsträger ihre Beurteilung der zukünftigen Entwicklung aus Kenntnissen der Vergangenheit, also Trendextrapolation, ableiten. Beim Übergang des Immobilienzyklus in eine andere Phase wird dies von den Entscheidungsträgern nicht rechtzeitig erkannt, da sie davon ausgehen, dass sich der Trend fortsetzt. Whitehead (1996) sieht in dieser Tatsache die Ursache dafür, dass Unternehmer sich erst zu wesentlichen Strategieänderungen entscheiden, wenn ernsthafte finanzielle Schäden bereits aufgetreten sind und ein Festhalten an der bisherigen Strategie ganz offensichtlich als Option nicht mehr in Frage kommt.
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Resümierend bleibt somit festzuhalten, dass Zyklen unabhängig von der Debatte über rationales oder nichtrationales Verhalten von Markteilnehmern hauptsächlich durch einige spezifische Eigenschaften des Immobilienmarktes, insbesondere lange Zeiten für Planung und Bau von Immobilien, eingeschränkte Verfügbarkeit von Marktinformationen sowie geringe Fungibilität und Liquidität von Objekten hervorgerufen werden. Fürst, Spars
Literatur Barras, R. (1994): Property and the Economic Cycle, Building Cycles Revisited. In: Journal of Property Research, 4, 455-485 Clapp, J. M. (1980): The Intrametropolitan Location of Office Activities. In: Journal of Regional Science, 20, 387-399 Feagin, J. R. (1990): Building American Cities: The Urban Real Estate Game. Englewood Cliffs/NJ Hoyt, H. (1933): One Hundred Years of Land Values in Chicago. Chicago Kuznets, S (1930): Secular Movements in Production and Prices: Their Nature and bearing upon Cyclical Fluctuations. Boston/Ma. Leitner, H. (1994): Capital Markets, the Development Industry and Urban Office Market Dynamics: Rethinking Building Cycles. In: Environment and Planning A, 26, 779-802 Mueller, G. R. (1999): Real Estate Rental Growth Rates at Different Points in the Market Cycle. In: Journal of Real Estate Research, 1, 131-150 McCue T. E.; Kling J. L. (1987): Office Building Investment and the Macroeconomy: Empirical Evidence 1973-1985. In: Journal of the American Real Estate and Urban Economics Association, 3, 234-255 Schulte, K.-W.; Holzmann, C. (2006): Zyklen in der Immobilienökonomie. In: Wernecke, M.; Rottke, N. (Hrsg.): Praxishandbuch Immobilienzyklen. Köln, 17-30 Schumpeter, J. (1927): The Explanation of the Business Cycle. In: Economica, 7, 286-311 Torto Wheaton Research (Hrsg.) (2002): Real Estate Cycles and Outlook. Boston Wheaton, W. (1999): Real Estate “Cycles”: Some Fundamentals. In: Real Estate Economics, 27, 209-230 Wheaton, W.; DiPasquale, D. (1996): Urban Economics and Real Estate Markets. Englewood Cliffs/NJ Whitehead, J. C. (1996): The Midas Syndrome: An Investigation into Property Booms and Blasts. Vancouver
ANHÄNGE
AUTORENVERZEICHNIS Altrock, Uwe, Prof. Dr.-Ing., Universität Kassel, Fachbereich Architektur Stadtplanung Landschaftsplanung, Fachgebiet Stadterneuerung und Stadtumbau Aring, Jürgen, Prof. Dr., Universität Kassel, Fachbereich Architektur Stadtplanung Landschaftsplanung, Fachgebiet Stadt- und Regionalplanung, Inhaber des Büros für Angewandte Geographie (BFAG) Meckenheim Atkinson, Adrian, Prof. Dr., Technische Universität Berlin, Institut für Stadt- und Regionalplanung, von 2003 bis 2008 Professor für Raumplanung im internationalen Kontext, Tätigkeit in der Entwicklungsplanung mit internationalen und bilateralen Entwicklungsträgern Baba, Ludger, Dipl.-Volkswirt, Geschäftsführer der kometempirica GmbH Leipzig Battis, Ulrich, Prof. Dr. Dr. h. c., Humboldt-Universität zu Berlin, Juristische Fakultät, Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Verwaltungswissenschaften, Direktor des Instituts für Deutsches und Internationales Baurecht e.V. Bauer, Uta, Dipl.-Geogr., Inhaberin des Büros für integrierte Planung BiP Berlin Baumgart, Sabine, Prof. Dr.-Ing., Architektin und Städtebauassessorin, Technische Universität Dortmund, Fakultät Raumplanung, Fachgebiet Stadt- und Regionalplanung, Mitinhaberin des Büros BPW baumgart+partner Bremen Becker, Elke, Dipl.-Ing., Technische Universität Berlin, Institut für Stadt- und Regionalplanung, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Planungstheorie Becker, Heidede, Dr.-Ing., Architektin und Stadtplanerin, langjährige Projektleiterin am Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) Berlin, freiberuflich tätig in den Bereichen Stadtforschung und Städtebau Beckmann, Klaus J., Prof. Dr.-Ing., Wissenschaftlicher Direktor und Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) GmbH Berlin, Vorsitzender des Beirates für Raumordnung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) Berten, Peter, Prof. a. D., Architekt, Technische Universität Berlin, Institut für Architektur, Fachgebiet Entwerfen und Gebäudekunde Bienhaus, Axel, Dipl.-Ing., Architekt, AS&P – Albert Speer und Partner GmbH Frankfurt/M, Mitglied der Geschäftsleitung, Partner und Gesellschafter Bodenschatz, Harald, Prof. Dr., Technische Universität Berlin, Institut für Soziologie, Fachgebiet Planungs- und Architektursoziologie Bormann, Daniel, Dipl.-Ing., M. Sc. Real Estate Management, M.A., Architekt, Geschäftsführender Gesellschafter der REALACE GmbH Berlin Bormann, Oliver, Dipl.-Ing., Architekt, Teilhaber von yellow z urbanism architecture Zürich/Berlin Brand, Gerhard, Dipl.-Ing., Architekt, AS&P – Albert Speer und Partner GmbH Frankfurt/M, Geschäftsführender Gesellschafter Brake, Klaus, Prof. Dr., Technische Universität Berlin, Institut für Geschichte und Kunstgeschichte, Gastprofessor am Center for Metropolitan Studies Braun, Gerhard O., Prof. Dr., Freie Universität Berlin, Institut für Geographische Wissenschaften, Arbeitsbereich Stadtforschung, Präsident der IGU Commission on Monitoring Cities of Tomorrow der International Geographical Union (IGU) Bunzel, Arno, PD Dr.-Ing., Deutsches Institut für Urbanistik (Difu) GmbH Berlin, Stellvertretender Institutsleiter und Leiter des Arbeitsbereiches Stadtentwicklung, Recht und Soziales Cramer, Johannes, Prof. Dr.-Ing., Architekt, Technische Universität Berlin, Institut für Architektur, Fachgebiet Bau- und Stadtbaugeschichte Czaja, Martin, Dipl.-Ing., M. Sc. Real Estate Management, Projektmanager bei der BEOS GmbH Berlin Dehne, Peter, Prof. Dr., Hochschule Neubrandenburg, Fachbereich Landschaftsarchitektur, Geoinformatik, Geodäsie, Bauingenieurwesen, Fachgebiet Baurecht/Planungsrecht, Mitgesellschafter der Planungsgruppe Stadt + Dorf GbR Berlin/ Neubrandenburg
Dienel, Hans-Liudger, Dr., Technische Universität Berlin, Wissenschaftlicher Geschäftsführer des Zentrum Technik und Gesellschaft (ZTG) Diller, Christian, Prof. Dr.-Ing., Justus-Liebig-Universität Gießen, Institut für Geographie, Bereich Kommunale und Regionale Planung Duvigneau, Hans-Jörg, Dipl.-Ing., ehemaliger technischer Geschäftsführer der GSW Berlin, von 2000 bis 2005 Kurator der Schader-Stiftung Ehlers, Eckart, Prof. em. Dr., Rheinische Friedrich-WilhelmsUniversität Bonn, Institut für Wirtschaftsgeografie Eichstädt-Bohlig, Franziska, Dipl.-Ing., Architektin und Stadtplanerin, stadtentwicklungspolitische Sprecherin und ehemalige Fraktionsvorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin Einem, Eberhard von, Prof. Dr., Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Fachgebiet Stadt- und Regionalökonomie Falk, Bernd, Prof. Dr. HonRICS, Ludwig-Maximilians-Universität München, Fakultät für Geowissenschaften, Fachgebiet Immobilienmanagement, Inhaber des Instituts für Gewerbezentren (IfG) Starnberg Frick, Dieter, Prof. em. Dr.-Ing., Technische Universität Berlin, Institut für Stadt- und Regionalplanung, Fachgebiet Städtebau und Siedlungswesen Fürst, Dietrich, Prof. em. Dr., Leibniz Universität Hannover, Institut für Umweltplanung, Abteilung Landesplanung und Raumforschung Fürst, Franz, Dr. rer. oec., University of Reading (GB), Henley Business School, Lecturer/Assistant Professor im Bereich Real Estate Finance and Economics Gatzweiler, Hans-Peter, Dr., Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) Bonn/Berlin, Leiter der Abteilung Raumordnung und Städtebau Geurts, Tom G., Prof. Dr., New York University (USA), Schack Institute of Real Estate Giseke, Undine, Prof., Technische Universität Berlin, Institut für Landschaftsarchitektur und Umweltplanung, Fachgebiet Landschaftsarchitektur/Freiraumplanung, Mitinhaberin des Büros bgmr Landschaftsarchitekten Berlin/Leipzig Gornig, Martin, Prof. Dr., Technische Universität Berlin, Institut für Stadt- und Regionalplanung, Honorarprofessor für Stadtund Regionalökonomie, Stellvertretender Abteilungsleiter der Abteilung Innovation, Industrie, Dienstleistung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) e. V. Berlin Göschel, Albrecht, Dr. rer. pol., langjähriger Projektleiter am Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) Berlin, Lehrbeauftragter an der Humboldt-Universität zu Berlin Grube, Hans Achim, Dr.-Ing., Geschäftsführer der Grube & Weissenborn Beteiligungs GmbH Berlin, von 1996 bis 2008 Leiter Corporate Real Estate Bewag AG/Vattenfall Europe AG Gualini, Enrico, Prof. Dr., Technische Universität Berlin, Institut für Stadt- und Regionalplanung, Fachgebiet Planungstheorie Hamann, Bettina, Dr., Technische Universität Berlin, Fakultät Planen Bauen Umwelt, Koordinatorin des Urban Management Studies Program Hatzfeld, Ulrich, Dr., Leiter der Unterabteilung Stadtentwicklung im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) Häußermann, Hartmut, Prof. em. Dr., Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Sozialwissenschaften, Lehrbereich Stadt- und Regionalsoziologie Heiland, Stefan, Prof. Dr., Technische Universität Berlin, Institut für Landschaftsarchitektur und Umweltplanung, Fachgebiet Landschaftsplanung und Landschaftsentwicklung Henckel, Dietrich, Prof. Dr. rer. soc., Technische Universität Berlin, Institut für Stadt- und Regionalplanung, Fachgebiet Stadtund Regionalökonomie Herrle, Peter, Prof. Dr., Technische Universität Berlin, Institut für Architektur, Fachgebiet Entwerfen und internationale Urbanistik (Habitat Unit), Beratungsprofessor an der Tongji-Universität Shanghai
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AUTORENVERZEICHNIS Heuer, Bernd, Dipl. Betriebswirt, selbständiger Unternehmensund Personalberater für die Real Estate Industry, Mitgründer von Immobilienscout 24, Vorstand Stadtkunstprojekte e.V. Berlin, Initiator und Sprecher des Beirates der Initiative agenda4eCommunity e. V. Hirche, Mathias P., apl. Prof. Dr.-Ing., Technische Universität Berlin, Institut für Architektur, Abteilung Technische Architekturdarstellung Hofmann, Susanne, AA Dipl., Technische Universität Berlin, Institut für Architektur, Wissenschaftliche Assistentin, Gründerin und Leiterin des Studienreformprojektes „Die Baupiloten“ Hollang, Ralf, Dipl.-Ing., M. Sc. Real Estate Management, Geschäftsführender Gesellschafter der Planungsgruppe Stadt + Dorf GbR Berlin/Neubrandenburg Holz, Ingo-Hans, Dr., Dozent für Immobilienwirtschaft an der Technischen Universität Berlin, an der Bergischen Universität Wuppertal und an der New York University (NYU), Geschäftsführender Gesellschafter der BEOS GmbH Berlin Hopp, Sabine, Dipl.-Ing., Architektin und Stadtplanerin, Technische Universität Darmstadt, Leitung „Projekt Handicap“, Lehrbeauftragte für barrierefreies Bauen an der Fachhochschule Koblenz Huber, Veronika, M.Sc. Ökologie, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Wissenschaftliche Referentin des Direktors Janning, Heinz, Dr. jur., Rechtsanwalt, Beigeordneter a. D. der Stadt Rheine Kehrberg, Jan, Dr. jur., Partner in der Rechtsanwaltskanzlei GSK Stockmann + Kollegen, Lehrbeauftragter an der Technischen Universität Berlin Kilper, Heiderose, Prof. Dr. phil., Brandenburgische Technische Universität Cottbus, Fakultät für Architektur, Bauingenieurwesen und Stadtplanung, Lehrstuhl für Stadt- und Regionalentwicklung, Leiterin des Leibniz-Instituts für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) Erkner Kleiber, Wolfgang, Prof., Ministerialrat a. D. im Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung (BMVBS), Senior Partner der VALEURO Kleiber und Partner Grundstückssachverständigengesellschaft, Lehrbeauftragter an verschiedenen Hochschulen Kleinschmit, Birgit, Prof. Dr., Architekt, Technische Universität Berlin, Institut für Landschaftsarchitektur und Umweltplanung, Fachgebiet für Geoinformationsverarbeitung in der Landschafts- und Umweltplanung Klingebiel, Dirk, Dipl.-Ing., Leiter der Immobilienbewertung bei der Eurohypo AG Berlin Knieling, Jörg, Prof. Dr.-Ing. M. A. (pol. soz.), HafenCity Universität Hamburg, Arbeitsgebiet Stadtplanung und Regionalentwicklung und Vizepräsident für Forschung, Gesellschafter der KoRiS – Kommunikative Stadt- und Regionalentwicklung GbR Hannover Koch, Michael, Prof. Dr. sc. techn., Architekt und Stadtplaner, HafenCity Universität Hamburg, Arbeitsgebiet Städtebau und Quartierplanung Kochendörfer, Bernd, Prof. Dr., Technische Universität Berlin, Institut für Bauingenieurwesen, Fachgebiet Bauwirtschaft und Baubetrieb, freiberufliche Tätigkeit in den Bereichen Objektüberwachung, Projektmanagement und technisch-wirtschaftliche Beratung Kohlbrenner, Urs, Prof., Stadtplaner und Architekt, Technische Universität Berlin, Institut für Stadt- und Regionalplanung, Gastprofessor für Städtebau und Siedlungswesen, Inhaber der Planergemeinschaft Hannes Dubach, Urs Kohlbrenner Berlin Köppel, Johann, Prof. Dr., Technische Universität Berlin, zweiter Vizepräsident und Institut für Landschaftsarchitektur und Umweltplanung, Fachgebiet Umweltprüfung und Umweltplanung Kowarik, Ingo, Prof. Dr., Technische Universität Berlin, Institut für Ökologie, Fachgebiet Ökosystemkunde/Pflanzenökologie, Landesbeauftragter für Naturschutz und Landschaftsplanung des Landes Berlin Krautzberger, Michael, Prof. Dr. jur., Ministerialdirektor a. D. im Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung (BMVBS), Humboldt-Universität zu Berlin, Honorarprofessor an der Juristischen Fakultät, Technische Universität Dortmund, Honorarprofessor an der Fakultät Raumplanung, Präsident der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung (DASL)
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Krüger, Thomas, Prof. Dr.-Ing., Bauassessor, HafenCity Universität Hamburg, Arbeitsgebiet Projektentwicklung und Projektmanagement Kuczkowski, Kester von, Dipl.-Ing., Projektkoordinator des Präsidenten der Technischen Universität Berlin Kujath, Hans Joachim, Prof. Dr., Technische Universität Berlin, Institut für Stadt- und Regionalplanung, Honorarprofessor für Stadt- und Regionalökonomie, ehemaliger stellvertretender Direktor des Leibniz-Instituts für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) Erkner Kujath, Rudolf, Dipl. Politologe, M. A., Geschäftsführer der SOPHIA Berlin GmbH Kulke, Elmar, Prof. Dr., Humboldt-Universität zu Berlin, Geographisches Institut, Lehrstuhl für Wirtschaftsgeographie, ehemaliger Vizepräsident der Humboldt-Universität zu Berlin Kunzmann, Klaus R., Prof. a. D. Dr., Technische Universität Dortmund, Institut für Raumplanung, bis 2006 Jean Monnet Professur für Europäische Raumplanung, Gastprofessuren an verschiedenen Hochschulen Kyrein, Rolf, Prof., Technische Universität Berlin, Fakultät Planen Bauen Umwelt, Honorarprofessor für das Fachgebiet Standort- und Projektentwicklung, Gründungsmitglied der Initiative agenda4-eCommunity e. V. Läpple, Dieter, Prof. em. Dr., HafenCity Universität Hamburg, Arbeitsgebiet Stadt- und Regionalökonomie Lau, Petra, Dipl.-jur. Ass. jur., Brandenburgische Technische Universität Cottbus, Fakultät Architektur, Bauingenieurwesen und Stadtplanung, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Bau- und Planungsrecht, dort Gastprofessur von 2006 bis 2009, Lehrbeauftragte an der Technischen Universität Berlin und der Hochschule Anhalt Lendi, Martin, Prof. em. Dr. iur. Dr. h. c., Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH), Departement Geistes-, Sozialund Staatswissenschaften, Professur für Rechtswissenschaften Loidl-Reisch, Cordula, Prof., Technische Universität Berlin, Institut für Landschaftsarchitektur und Umweltplanung, Fachgebiet Landschaftsbau/Objektbau Lojewski, Hilmar von, Dipl.-Ing., Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), Direktor des Syrisch-Deutschen Programms für Stadtentwicklung, ehemals Leiter der Abteilung Städtebau der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin Lütke Daldrup, Engelbert, Prof. Dr.-Ing., Staatssekretär a. D. im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), Technische Universität Berlin, Honorarprofessor am Institut für Stadt- und Regionalplanung, Universität Leipzig, Honorarprofessor am Institut für Stadtentwicklung und Bauwirtschaft Machule, Dittmar, Prof. em. Dr.-Ing., HafenCity Universität Hamburg, Arbeitsgebiet Städtebau, Stadtbaugeschichte und Stadtbildpflege Mäding, Heinrich, Prof. Dr., von 1992 bis 2006 Leiter des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) Berlin, Vizepräsident der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) Meuser, Natascha, Dipl.-Ing. Architektin, Dipl.-Ing. Innenarchitektin (FH), Mitinhaberin des Büros Meuser Architekten GmbH Berlin Meyer, Thomas, Dipl.-Ing., Referatsleiter der Obersten Bauaufsicht in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin Mieg, Harald A., Prof. Dr., Humboldt-Universität zu Berlin, Geographisches Institut, Hans-Sauer-Professor für Metropolen- und Innovationsforschung Mitschang, Stephan, Prof. Dr.-Ing., Technische Universität Berlin, Institut für Stadt- und Regionalplanung, Fachgebiet Orts-, Regional- und Landesplanung Neuhaus, Christian, Dr., Fachgebietsleiter in der Society and Technology Research Group der Daimler AG Nytsch-Geusen, Christoph, Prof. Dr.-Ing., Universität der Künste Berlin, Institut für Architektur und Städtebau, Lehrstuhl Versorgungsplanung und Versorgungstechnik Pahl-Weber, Elke, Prof., Leiterin des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) Bonn/Berlin, Technische Universität Berlin, Institut für Stadt- und Regionalplanung, Professorin für Bestandsentwicklung und Erneuerung von Siedlungseinheiten
AUTORENVERZEICHNIS Pelzeter, Andrea, Prof. Dr., Architektin und Immobilienökonomin (ebs), Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre insbesondere Facility Management Peters, Jürgen, Prof. Dr., Fachhochschule Eberswalde, Fachbereich Landschaftsnutzung und Naturschutz, Fachgebiet Landschaftsplanung und Regionalentwicklung Petrin, Julian, Dipl.-Ing., Gründungsgesellschafter urbanista Stadtentwicklung & Kommunikation, HafenCity Universität Hamburg, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsgebiet Stadtplanung und Regionalentwicklung Pfeiffer, Ulrich, Ministerialdirektor a. D., Geschäftsführer der empirica GmbH Bonn, Aufsichtsratsvorsitzender der empirica AG Berlin Preuß, Thomas, Dipl.-Ing. agr., Deutsches Institut für Urbanistik (Difu) GmbH Berlin, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich Umwelt Priebs, Axel, Prof. Dr., Erster Regionsrat und Leiter des Dezernates für Umwelt, Planung und Bauen der Region Hannover, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Geographisches Institut, Honorarprofessor am Lehrstuhl für Anthropogeographie Riedel-Schönfeld, Sabine, Kommunikationswirtin, Psychotherapeutin nach HPG, Gründerin und Leiterin des Instituts Schönfeld-Kommunikation Berlin Riediger, Nicole, Dipl.-Ing., Technische Universität Berlin, Institut für Wirtschaftsinformatik und Quantitative Methoden, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet für Angewandte Elektronische Datenverarbeitung Ritterhoff, Frank, Dipl. Sozialwiss., Technische Universität Berlin, Institut für Soziologie, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Stadt- und Regionalsoziologie Rüdiger, Andrea, Dr.-Ing., Technische Universität Dortmund, Fakultät Raumplanung, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Stadt- und Regionalplanung Runkel, Peter, Dr. jur., Ministerialdirigent a. D. im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) Sack, Dorothée, Prof. Dr.-Ing., Technische Universität Berlin, Institut für Architektur, Fachgebiet Historische Bauforschung Sander, Robert, Dipl.-Soz., bis 2007 Leiter des Arbeitsbereichs Fortbildung am Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) Berlin Scharmer, Eckart, Dr. jur., Scharmer Rechtsanwälte Berlin Schäfer, Rudolf, Prof. Dr. rer.-pol., Technische Universität Berlin, Institut für Architektur, Fachgebiet Baurecht und Bauverwaltungslehre, Dekan der Fakultät Planen Bauen Umwelt Schellnhuber, Hans Joachim, Prof. Dr., Universität Potsdam, Institut für Physik und Astronomie, Professur für Theoretische Physik und Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung Schlaich, Mike, Prof. Dr. sc. techn., Technische Universität Berlin, Institut für Bauingenieurwesen, Fachgebiet Entwerfen und Konstruieren - Massivbau, Geschäftsführer der Schlaich Bergermann und Partner (SBP) GmbH Stuttgart/Berlin Schmidt-Eichstaedt, Gerd, Prof. i. R. Dr., Technische Universität Berlin, Institut für Stadt- und Regionalplanung, Fachgebiet Bauund Planungsrecht, Geschäftsführer der Plan und Recht GmbH Berlin Scholich, Dietmar, Prof. Dr.-Ing., Generalsekretär der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) Hannover Schönwandt, Walter L., Prof. Dr.-Ing., Universität Stuttgart, Direktor des Instituts für Grundlagen der Planung Schulten, Andreas, Dipl.-Geogr., Vorstand der BulwienGesa AG Berlin, Dozent in den immobilienökonomischen Studiengängen der Technischen Universität Berlin, der Universität Regensburg und der European Business School Wiesbaden Seelig, Sebastian, Dipl.-Ing., Technische Universität Berlin, Institut für Stadt- und Regionalplanung, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Bestandsentwicklung und Erneuerung von Siedlungseinheiten Selle, Klaus, Prof. Dr.-Ing., Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Fakultät Architektur, Lehrstuhl Planungstheorie und Stadtentwicklung Siebel, Walter, Prof. em. Dr., Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Institut für Sozialwissenschaften, Arbeitsgruppe Stadtforschung
Siedentop, Stefan, Prof. Dr.-Ing., Universität Stuttgart, Leiter des Instituts für Raumordnung und Entwicklungsplanung, Lehrstuhl für Raumentwicklungs- und Umweltplanung Siegfried, Christine, Dipl.-Pol., Projektleiterin E-Government bei Vitako, Bundesarbeitsgemeinschaft der Kommunalen ITDienstleister e. V. Berlin Sievers, Karen, Dipl. Sozialwiss., Technische Universität Berlin, Institut für Soziologie, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Stadt- und Regionalsoziologie Sinz, Manfred, Dipl.-Ing., Ministerialdirigent im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) Söfker, Wilhelm, Prof. Dr., Ministerialdirigent a. D. im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), Universität Bonn, Institut für Geodäsie und Geoinformation, Honorarprofessor für Städtebau und Bodenordnung Spars, Guido, Prof. Dr., Bergische Universität Wuppertal, Fachbereich Architektur, Fachgebiet Ökonomie des Planens und Bauens Spiegel, Erika, Prof. em. Dr., (Stadt-)Soziologin, Heidelberg Steinebach, Gerhard, Prof. Dr.-Ing., Technische Universität Kaiserslautern, Fachbereich Architektur/Raum- und Umweltplanung/Bauingenieurwesen, Lehrstuhl Stadtplanung Stellmacher, Florian, Dipl.-Ing., Technische Universität Berlin, Institut für Architektur, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Baurecht und Bauverwaltungslehre Stricker, Hans-Joachim, Dipl.-Ing., Referent im Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung des Landes Brandenburg in Potsdam, Referat Stadterneuerung und Wohnen – integrierte Innenstadtentwicklung Sukopp, Herbert, Prof. em. Dr. Dr. h. c., Technische Universität Berlin, Institut für Ökologie, Fachgebiet Ökosystemkunde und Pflanzenökologie Trepl, Ludwig, Prof. Dr., Technische Universität München, Wissenschaftszentrum Weihenstephan für Ernährung, Landnutzung und Umwelt, Lehrstuhl für Landschaftsökologie Utz, Jürgen, Dipl.-Ing., Universität Stuttgart, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Grundlagen der Planung Vogel, Markus, Dr.-Ing., Public Real Estate Consulting, Deloitte & Touche GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Berlin Walther, Jörg, Dipl.-Wirtschaftsing., Brandenburgische Technische Universität Cottbus, Fakultät Architektur, Bauingenieurwesen und Stadtplanung, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Stadttechnik Walther, Uwe-Jens, Prof. Dr., Technische Universität Berlin, Institut für Soziologie, Fachgebiet Stadt- und Regionalsoziologie Weiland, Ulrike, Prof. Dr., Universität Leipzig, Institut für Geographie, Leiterin des Departments Stadtökologie, Umweltplanung und Verkehr am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) Leipzig Wékel, Julian, Prof., Technische Universität Darmstadt, Fachbereich Architektur, Fachgebiet Entwerfen und Regionalentwicklung Wende, Wolfgang, Dr.-Ing., Technische Universität Berlin, Institut für Landschaftsarchitektur und Umweltplanung, Fachgebiet Umweltprüfung und Umweltplanung Wiezorek, Elena, Dipl.-Ing., Doktorandin der Dresden Leibniz Graduate School am Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) Dresden Winkelmann, Fenja, Dipl.-Kffr., M. Sc. (Real Estate), Leiterin der Bereiche Investor Relations und Financial Engineering bei der BEOS GmbH Berlin Wollmann, Hellmut, Prof. em. Dr. jur., Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Sozialwissenschaften, Professor für Verwaltungslehre, Mitgesellschafter des IfS Instituts für Stadtforschung und Strukturpolitik GmbH Berlin
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STICHWORTVERZEICHNIS
3D-Modelle | 34 188 4D-Modelle | 188 Abstandsflächen | 64 444 Abstimmungsgebot | 55 Abwägung | 12 55 516 536 Abwägungsdefizit | 12 Abwägungsgebot | 12 Abwendungsvereinbarung | 446 Achsenkonzept | 109 Agenda 21 | 343 Agglomeration | 94 322 413 481 529 Agrarpolitik | 116 300 Akademien | 15 Akteure | 18 96 227 313 357 361 461 489 520 533 558 Aktionsforschung | 21 Allgemeinwohl | 101 Analyse | 188 313 315 Änderungsgenehmigung | 48 Anlagevermögen | 220 Annuitätshilfen | 427 Anpassungsgebot | 388 Anpassungsstrategie | 503 Anschlussförderung | 427 Ansiedlungswerbung | 262 Arbeitsmarkt | 240 262 Archäologie | 212 Architektur | 26 31 34 46 160 212 461 558 Architekturdarstellung | 34 Architekturexport | 36 Architekturtheorie | 26 558 Armut | 232 318 529 Art der baulichen Nutzung | 55 60 Ästhetik | 26 190 234 288 Aufwendungshilfe | 427 Aufwertung | 395 503 585 Ausbildung | 23 37 133 160 365 369 472 549 551 Ausgleich | 55 83 109 123 197 240 294 413 446 Ausschließliche Wirtschaftszone | 86 Außenbereich | 40 66 139 235 516 Außenbereich im Innenbereich | 40 Außenentwicklung | 177 235 Autogerechte Stadt | 308 Barrierefreies Bauen | 46 Bauaufnahme | 212 Bauaufsichtliche Verfahren | 48 64 Bauausstellung | 174 209 247 558 Baubetrieb | 71 Bauen im Bestand | 177 212
Bauen im internationalen Kontext | 36 Bauforschung | 212 Baugebietstypen | 60 Baugenehmigung | 48 64 Baugeschichte | 182 212 Bauingenieurwesen | 133 Baukultur | 52 116 133 308 558 Baukunst | 26 432 Bauland | 83 235 Bauleistungen | 71 Bauleitplanung | 12 55 64 66 78 112 123 227 249 294 357 388 516 536 Baunutzungsverordnung | 55 60 Bauordnungsrecht | 55 64 78 444 Bauplanungsrecht | 64 66 112 249 585 Bauprozess | 71 Bauqualität | 52 112 Baurecht auf Zeit | 585 Baureifmachung | 48 457 Bautechnischer Nachweis | 48 Bauunternehmen | 249 Bauvoranfrage | 48 Bauvorlageberechtigung | 48 Bauwirtschaft | 71 75 Bebauungsplan | 55 60 66 137 139 190 435 444 516 Bebauungsstruktur | 112 Begleitforschung | 157 Begünstigte Vorhaben | 40 Behindertengleichstellungsgesetz | 46 Behörden | 18 48 Behutsame Stadterneuerung | 308 Benachteiligte Quartier | 423 Benchmarking | 75 Bestandsentwicklung | 31 66 78 137 209 262 308 520 585 Bestandsimmobilien | 520 585 Beteiligung | 21 23 160 188 227 240 249 294 357 365 395 408 449 466 558 576 BIM – Building Information Modeling | 34 BHKW – Blockheizkraftwerke | 131 Bodennutzung | 83 435 444 489 Bodenpolitik | 66 83 435 444 489 553 Bodenrichtwert | 446 553 Brachfläche | 78 177 269 585 Bruttowertschöpfung | 220 Bundesnaturschutzgesetz | 123 300 Bundesraumordnung | 86 109 388 Business Improvement Districts | 90 CAD – Computer Aided Design | 34
597
STICHWORTVERZEICHNIS
CAFM – Computer Aided Facility Management | 170 Charta von Aalborg | 343 Charta von Athen | 26 308 461 Cluster | 94 262 413 481 Common Law-Modell | 249 Communicative Turn | 365 472 Consulting | 96 CREM – Corporate Real Estate Management | 98 404 Darstellungsmethoden | 34 188 212 Daseinsvorsorge | 101 284 338 536 Datenbanken | 188 Demographischer Wandel | 105 284 338 494 529 567 Denkmalpflege | 31 46 52 78 116 137 182 212 432 Desurbanisierung | 235 529 Dezentrale Konzentration | 109 308 Dezentralisierung | 109 350 413 472 529 Dichte | 112 308 444 529 533 Dienstleistung | 121 249 Dingliche Sicherung | 114 Disparitäten | 86 147 197 216 240 386 533 Dorferneuerung | 78 116 284 E-Government | 121 EEG – Erneuerbare Energiegesetz | 131 EFRE – Europäischer Fonds für regionale Entwicklung | 147 Eigentümerstandortgemeinschaften | 90 Eignungsgebiet | 388 Eingriff | 55 83 109 123 197 240 294 413 446 Einzelhandel | 71 125 417 Emissionsreduktion | 486 Empirische Sozialforschung | 157 Energieeffiziente Stadtentwicklung | 131 Energieeffizientes Bauen | 31 131 257 303 Energieeinsparverordnung – EnEV | 131 Ensembleschutz | 52 78 137 182 Entscheidungsprozesse | 188 558 Entwerfen | 26 34 48 133 182 234 288 369 461 558 Entwicklungsbereich | 446 Entwicklungsgebot | 55 Entwicklungssatzung | 40 190 Entwicklungszusammenarbeit | 395 549 Erfahrungswissen | 338 Ergänzungssatzung | 40 190 Erhaltungssatzung | 66 78 137 Ersatzmaßnahme | 123
598
Erschließung | 66 139 435 ESPON – European Spatial Planning Observation Network| 147 Ethik in der Planung | 143 365 EUREK – Europäisches Raumentwicklungskonzept | 147 Europäische Raumplanung | 78 147 278 300 413 494 512 558 Europäische Stadt | 153 308 533 Evaluation | 157 209 308 386 472 516 Exklusion | 240 Experimentelle Ausbildung | 160 Experimentelle Forschung | 338 Experimentelle Planung | 247 ExWoSt – Experimenteller Wohnungs- und Städtebau | 209 338 Fachplanungen | 164 294 536 539 Facility Management | 170 404 Fauna | 476 Fehlbelegungsabgabe | 427 Festivalisierung | 174 247 Finanzausgleich | 197 Flächenmanagement | 83 123 177 185 220 235 269 343 417 585 587 Flächennutzungsplan | 55 60 66 516 Flächensanierung | 78 209 308 Flexibilisierung | 121 402 Flora | 476 Formelle Planung | 227 Freiraum | 235 288 388 525 Funktionstrennung | 308 350 Gartenstadt | 109 308 350 Gated Communities | 354 Gebaute Geschichte | 182 Gegenstromprinzip | 388 486 Gender Mainstreaming | 185 Genehmigungsfreie Vorhaben | 48 164 Genehmigungsvorbehalt | 137 Genossenschaften | 427 Gesamtplanung | 466 486 Gesetzgebungskompetenzen | 64 536 Gestaltung | 52 190 288 461 Gestaltungssatzung | 64 78 190 Gewährleistung | 101 192 Gewerbe | 262 481 520 GIS – Geographische Informationssysteme | 34 170 188 212 516 Gleichwertige Lebensverhältnisse | 197 284 413 536 Global City | 199 318 322 481 497 Globalisierung | 36 199 322 497 529
STICHWORTVERZEICHNIS
Governance | 203 408 472 576 Government | 121 203 227 Grenzüberschreitende Öffentlichkeitsbeteiligung | 249 Großprojekte | 174 209 449 Großsiedlungen | 209 350 Großstadt | 318 322 533 Gutachterausschüsse | 553 Gutachterverfahren | 227 Haftung | 192 Handwerk | 249 Historische Bauforschung | 212 Hochbau | 133 382 Housing Improvement Districts | 90 Hypothek | 218 IBA – Internationale Bauausstellung | 174 209 247 558 Identität | 182 216 472 Immissionsschutz | 486 Immobilienbewertung | 98 553 Immobilienentwicklung | 419 545 Immobilienmanagement | 98 220 303 404 520 Immobilienmarkt | 218 220 417 520 570 587 Immobilienwirtschaft | 75 78 94 98 114 218 220 303 315 373 404 419 520 553 570 587 Immobilienzyklen | 98 170 220 404 570 587 Implementationsforschung | 365 Indikatoren | 284 386 Industrialisiertes Bauen | 209 Informationsgesellschaft | 121 563 Informelle Planung | 174 227 308 388 472 Informelle Siedlungen | 153 232 318 395 Infrastruktur | 131 197 235 338 388 435 Innenarchitektur | 234 Innenbereich | 40 66 112 139 212 235 516 Innenbereichssatzung | 40 516 Innenentwicklung | 78 177 235 269 Innovation | 90 338 413 INSPIRE – Infrastructure for Spatial Information in Europe | 188 386 Integration | 46 240 423 Integriertes Stadtentwicklungskonzept | 227 343 423 472 503 Interdisziplinarität | 21 243 288 Internationales Baurecht | 249 Interoperabilität | 188 INTERREG | 147 413 Investitionen | 114 220
Kartographie | 188 386 Kaufpreissammlung | 553 Klarstellungssatzung | 40 Kleine und mittlere Unternehmen | 413 Klein- und Mittelstädte | 254 Klimawandel | 257 288 294 300 318 Kodifikationsmodell | 249 Kommunale Planungshoheit | 489 536 Kommunale Wohnungsunternehmen | 101 427 Kommunalfinanzen | 254 Kommunikation | 52 121 143 227 243 265 308 313 337 365 408 486 561 Komplexer Wohnungsbau | 209 Konkurrierende Gesetzgebung | 86 Konstruieren | 133 Konvergenz | 199 413 481 Konversion | 78 220 269 585 Konzentration | 48 109 529 Kooperation | 227 273 382 408 457 472 551 558 561 Kreative Städte | 276 Kreativität | 133 276 461 585 Kreislaufwirtschaft | 343 Kultur des Bauens | 26 36 52 Kulturlandschaft | 116 278 300 KWK – Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung | 131 Landesplanung | 86 203 254 388 Ländliche Räume | 116 284 300 Landschaftsarchitektur | 288 525 Landschaftsplanung | 123 212 235 278 288 294 300 347 525 Landwirtschaft | 116 123 284 300 525 Lebensstile | 112 125 330 529 Lebenszyklus von Immobilien | 303 Leitbilder | 86 109 125 209 227 308 432 472 509 Lissabon-Strategie | 147 413 Maastrichter Vertrag | 512 Machbarkeitsstudien | 313 Management | 98 170 177 343 377 404 419 545 Mangel | 192 Marktanalysen | 315 Maß der baulichen Nutzung | 55 60 Materielles Bauordnungsrecht | 64 Megastädte | 36 318 322 529 Mehrebenensystem | 86 203 512 Methoden | 365 369 Metropolen | 36 322 325 408 Metropolregionen | 325 Migration | 105 199 318 529
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STICHWORTVERZEICHNIS
Milieu | 137 330 Mischnutzung | 332 Modellvorhaben | 86 338 Moderation | 265 Moderne | 209 308 322 350 558 Monitoring | 386 472 516 MORO – Modellvorhaben der Raumordnung | 338 Musterbauordnung | 64 Nachbesserung | 209 Nachhaltige Stadtentwicklung | 36 343 Nachhaltigkeit | 23 36 83 86 131 143 177 235 300 318 343 347 413 472 529 Naturschutz | 249 257 294 300 347 395 476 516 Netzwerke | 15 18 199 240 558 New Towns | 109 209 308 350 New Urbanism | 354 361 Nichtprivilegierte Vorhaben | 40 Nutzung | 48 170 220 332 343 435 444 Öffentliche Belange | 12 Öffentlicher Raum | 432 435 Ökologie | 23 257 278 288 300 347 395 476 516 Partizipation | 21 23 160 188 227 240 249 294 357 365 395 408 449 466 558 576 Passivhaus | 131 Placemaking | 361 Planfeststellung | 164 Planspiel | 363 Planungsfehler | 369 Planungsrecht | 40 55 60 64 66 137 139 190 269 449 516 Planungsschadensrecht | 66 Planungstheorie | 21 26 247 365 369 Polarisierung | 147 199 413 481 429 Privatisierung | 96 382 Privilegierte Vorhaben | 40 Projektentwicklung | 75 87 98 160 174 313 373 377 419 545 Projektmanagement | 71 377 382 449 PPP – Public Private Partnership | 71 90 269 382 357 457 466 Quartier | 78 90 423 497 Raumaneignung | 525 Raumbeobachtung | 147 188 278 284 386 400 Raumentwicklung | 86 143 147 386 512 Raumordnung | 86 147 249 254 388 486 536 Raumplanung im internationalen Kontext | 395 Raumvorstellungen | 400
600
Raumzeitstrukturen | 402 539 Rechtsethik | 143 Rechtstatsachenforschung | 363 Regionalentwicklung | 203 254 284 408 413 472 Regionalplanung | 86 203 227 284 408 409 472 497 Regionalpolitik | 147 284 408 413 472 REM – Real Estate Management | 98 188 303 404 419 Ressortforschung | 338 Ressourcenschonendes Bauen | 31 Reurbanisierung | 235 529 533 Revitalisierung | 269 585 Risikomanagement | 98 218 315 373 377 419 449 452 Sale-and-Lease-Back | 520 Sanierung | 66 78 209 440 454 Schrumpfung | 105 481 Scoping | 516 Segregation | 318 497 529 567 Sektorale Planung | 466 Siedlungsstruktur | 254 343 Slum | 153 232 318 395 Soziale Stadt | 66 78 209 423 440 Sozialer Wohnungsbau | 153 220 427 567 570 Soziales Kapital | 153 361 561 Stadtbaugeschichte | 182 212 432 539 558 Stadtbild | 31 153 182 400 432 444 Städtebau | 36 46 308 354 361 432 435 440 444 461 558 Städtebauförderung | 66 78 209 308 423 440 Städtebauliche Dichte | 112 308 444 529 Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen | 66 83 209 227 269 395 440 446 452 585 Städtebauliche Kalkulation | 452 Städtebaulicher Vertrag | 83 269 457 Städtenetze | 109 254 322 529 Stadtentwicklung | 75 78 131 212 235 308 313 386 466 494 497 503 509 529 585 Stadtentwicklungsplanung | 350 466 472 489 539 Stadterneuerung | 78 209 247 558 Stadt- und Regionalforschung | 21 157 212 322 338 365 369 561 563 580 Stadtlandschaft | 408 525 533 Stadt- und Regionalmanagement | 254 284 408 472 Stadt- und Regionalökonomie | 220 284 413 481 Stadtpolitik | 23 78 147 227 254 343 466 472 494 509 539 549 Stadt- und Regionalsoziologie | 112 197 240 278 318 330 423 497 529 567
STICHWORTVERZEICHNIS
Stadtumbau | 66 78 209 247 308 440 454 503 558 570 Standortanalysen | 315 Standortmanagement | 90 94 125 313 315 338 481 507 Standortwahl | 94 125 481 507 Straßenausbaubeiträge | 139 Strategische Planung | 227 466 509 580 Strukturpolitik | 116 147 254 300 413 472 Strukturwandel | 199 247 269 563 Subsidiarität | 147 512 Suburbanisierung | 105 185 354 529 Szenarien | 489 580 Teilräumliche Planung | 466 Telekommunikation | 121 Territoriale Agenda | 147 249 343 Transdisziplinarität | 243 Überbaubare Grundstücksfläche | 55 60 Umlegung | 66 Umwelt | 278 347 516 Umweltprüfung | 55 294 300 516 Urbane Landschaften | 525 Urbanisationseffekt | 507 Urbanisierung | 36 105 153 185 308 318 350 354 461 507 529 533 Urbanität | 533 Vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren | 48 Verfahrensfreie Vorhaben | 48 Verfassungsgrundlagen der Planung | 536 Verkehr | 257 481 539 Verkehrswert | 553
Vertragsmanagement | 457 545 Verursacherprinzip | 123 Verwaltung | 96 121 440 472 536 Vorbereitende Untersuchungen | 446 Vorhabenbezogener Bebauungsplan | 55 Vorsorgeprinzip | 486 Wachstum | 197 322 350 413 481 529 Wahrnehmung | 400 Weiterbildung | 549 551 Werkstoffe | 133 Wertermittlung | 66 83 553 Wettbewerbe | 52 227 558 Wirtschaftlichkeit | 382 Wirtschaftsförderung | 94 262 284 481 Wissensgesellschaft | 75 276 549 561 563 Wohlfahrtsstaat | 153 240 Wohneigentum | 185 570 Wohnen | 185 209 427 497 558 567 570 579 Wohnraumförderung | 78 Wohnumfeld | 209 Wohnungsbau | 427 558 570 Wohnungsleerstand | 503 570 Wohnungsmarkt | 570 Zentrale Orte | 322 Zentren | 78 125 529 Zersiedlung | 109 354 Zieldifferenzen und Zielkongruenzen | 313 Ziele der Raumordnung | 55 308 Zivilgesellschaft | 494 576 Zukunftsforschung | 580 Zwischennutzungen | 78 269 585
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