Horst Schroeder Lehmbau
Horst Schroeder
Lehmbau Mit Lehm ökologisch planen und bauen Mit 230 Abbildungen und 55 Tabe...
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Horst Schroeder Lehmbau
Horst Schroeder
Lehmbau Mit Lehm ökologisch planen und bauen Mit 230 Abbildungen und 55 Tabellen PRAXIS
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Vieweg +Teubner | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2010 Lektorat: Karina Danulat | Sabine Koch Vieweg+Teubner ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.viewegteubner.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Satz/Layout: Katharina Triebe, Leipzig Titelfoto: Julian Reisenberger, Weimar Druck und buchbinderische Verarbeitung: MercedesDruck, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. Printed in Germany ISBN 978-3-8348-0214-9
Vorwort
Vorwort Lehm ist Bestandteil der obersten Verwitterungsschicht der Erdkruste und Àndet sich deshalb in nahezu allen Regionen der Welt. Lehm ist zugleich auch einer der ältesten Baustoffe. Die Jahrtausende alten Baukulturen in Ägypten, im Vorderen Orient, in Indien und China, in Zentralasien und Lateinamerika waren eng mit dem Baustoff Lehm verbunden. Auch in Mitteleuropa ist die Verwendung von Lehm als Baustoff über mehrere Jahrtausende archäologisch belegt. Die über viele Generationen weitergegebenen Erfahrungen und daraus abgeleiteten Bauregeln führten in der jeweiligen Region zu bauklimatisch optimal angepassten Baukonstruktionen. Etwa ein Drittel der Menschheit oder zwei Milliarden Menschen leben heute in Häusern aus Lehmbaustoffen. Mit der Industrialisierung des Bauwesens ab Ende des 19. Jahrhunderts wurde Lehm in Europa mehr und mehr durch industriell gefertigte Baustoffe verdrängt, verbunden mit einem Verlust an Wissen über die Aufbereitung und Verarbeitung von Lehm zu Baustoffen und Baukonstruktionen. Nur in Notzeiten erfolgte mangels anderer Möglichkeiten wieder ein Rückgriff auf den Lehm, wodurch ihm lange Zeit das Image des Provisoriums, des Ärmlichen anhaftete. In vielen Entwicklungsländern gehört Lehm als Baustoff vor allem in den ländlichen Regionen nach wie vor zum alltäglichen Bauen. Das Leitbild des »modernen« Bauens ist geprägt durch die Baustoffe Stahl, Beton, Stahlbeton, Glas, Plaste. Bei der Bewertung von Baukonstruktionen stehen heute noch statischkonstruktive, stofÁich-technologische und bauwirtschaftliche Aspekte im Vordergrund. Bauen bedeutet immer einen mehr oder weniger tiefen Eingriff in die natürliche Umwelt. Im Interesse einer nachhaltigen, zukunftsverträglichen Entwicklung werden deshalb beim
Bauen zunehmend auch ökologische Kriterien berücksichtigt, nicht zuletzt durch Forderungen des Gesetzgebers. Im Bauprozess muss künftig der Verursachergedanke stärker zur Geltung gebracht werden: der Architekt oder Planer hat für sein Produkt Bauwerk auch nach Ablauf von dessen Lebensdauer Verantwortung zu übernehmen und dies bereits bei der Planung zu berücksichtigen. Bauwerke müssen recyclinggerecht konstruiert werden. Wichtige Aspekte des »nachhaltigen« Bauens sind energiesparendes, ressourcen- und umweltschonendes Bauen sowie die Verwendung gut verfügbarer, schadstofffreier und recyclingfähiger Baustoffe, um Sondermüllberge zu vermeiden. Vor allem sind es aber die positiven bauphysikalischen Auswirkungen auf das Innenraumklima, die dem Lehm aus der Sicht des gesundheitsgerechten Bauens derzeit eine wachsende Aufmerksamkeit bescheren. In diesen Zusammenhang gestellt, erscheint der Baustoff Lehm heute in einem neuen Licht. Nicht nur private Bauherren, auch öffentliche Auftraggeber entscheiden sich deshalb zunehmend für Lehm als Baustoff. In Deutschland hat sich der Lehmbau in den zurückliegenden 20 Jahren zu einer kleinen, aber stabilen, eigenständigen Branche des Bauwesens entwickelt. Die Anwendung von Lehmbaustoffen ist heute nicht mehr die große Ausnahme, sie beginnt zur täglichen Baupraxis zu werden. Lehm ist wieder auf dem Wege zu einem »normalen« Baustoff. Waren es zunächst Sanierungsaufgaben, so wird Lehm heute auch zunehmend im Neubaubereich, vor allem in Kombination mit Holz eingesetzt. Dies gilt insbesondere für den Wohnungsbau, aber auch für öffentliche Bauten, z. B. Kindereinrichtungen und Schulen. Einige von ihnen wurden mit staatlichen
V
Vorwort
sowie international renommierten Architekturpreisen ausgezeichnet. Die Produkthersteller offerieren inzwischen eine breite Palette an Lehmbaustoffen als Alternative zu den am Markt etablierten mineralischen Baumaterialien. Herstellung und Verarbeitung von Lehmbaustoffen sind dem heutigen technologischen Standard angepasst. Für das Bauen mit Lehm wurden in Deutschland Vorschriften auf dem aktuellen Stand der Technik entwickelt und bauaufsichtlich eingeführt. Auch in einer Reihe anderer Länder gibt es inzwischen nationale Vorschriften zum Bauen mit Lehm. Wissen aufzunehmen, zu verarbeiten und zu verbreiten ist eine der wichtigsten Aufgaben im Zeitalter der Globalisierung. Diese Entwicklung geht auch am Lehmbau nicht vorbei. Austausch von Wissen auf nationalen und internationalen Fachtagungen, in über das Internet vernetzten Arbeitsgruppen, mehrsprachige Kommunikation – all dies gehört heute selbstverständlich auch zum Bauen mit Lehm. Mit diesem Buch soll das Planen und Bauen mit Lehm aus heutiger Sicht dargestellt werden: einerseits die Bewahrung von Traditionen bei der Erhaltung und Sanierung historischer Bausubstanz, andererseits das Aufzeigen aktueller Tendenzen des modernen Lehmbaus im privat, zunehmend aber auch im öffentlich Ànanzierten Bauen. Der Lehmbau wird als ein Teilgebiet des Nachhaltigen Bauens dargestellt. Durch das Buch zieht sich der Gedanke des Stoffkreislaufs des Lehms als »roter Faden«: Behandelt werden alle Verarbeitungsstufen des Lehms von der Erkundung im Gelände, über die Gewinnung, Aufbereitung, Verarbeitung zu Baustoffen und Bauteilen / Konstruktionen, dem Gebrauchszustand mit den Möglichkeiten der Bauwerkserhaltung bis hin zum Abriss und Recycling. Hier schließt sich der Kreis. In dieses Buch Áießen ein Erkenntnisse VI
und Erfahrungen aus einer langjährigen Beschäftigung mit dem Baustoff Lehm bei praktischer Arbeit auf der Baustelle, im Rahmen von Forschung und Lehre an der BauhausUniversität Weimar, als Gutachter bzw. Berater für verschiedene Organisationen, darunter Deutsche Bundesstiftung Umwelt DBU , Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GTZ , Deutsches IDNDR- Komitee, ICOMOS , Abu Dhabi Authority for Culture and Heritage ADACH . Dieses Buch hätte nicht geschrieben werden können ohne die während der Tätigkeit für den Dachverband Lehm e.V. gesammelten Erfahrungen und den fachlichen Austausch mit den Verbandsmitgliedern. Der Dachverband Lehm e.V. ist der Bundesverband zur Förderung des Lehmbaus in Deutschland, dessen Mitbegründer und Vorsitzender der Autor seit 1992 ist. In dieser Zeit sind durch den Verband für die Entwicklung des Lehmbaus wichtige Projekte geplant und umgesetzt worden, so z. B. die bauaufsichtlich eingeführten Lehmbau Regeln oder der handwerksrechtlich eingeführte Weiterbildungskurs »Fachkraft Lehmbau«. Die engagierte Öffentlichkeitsarbeit des Verbandes hat dazu beigetragen, dass Bauen mit Lehm heute wieder »alltäglich« geworden ist. Der Baustoff Lehm ist in die Standardwerke und Tabellenbücher des Bauwesens zurückgekehrt. Dessen ungeachtet bleibt noch viel zu tun. So ist eine adäquate Forschung über Jahrzehnte nur in Ansätzen betrieben worden und steht noch ganz am Anfang.
Inhalt
Inhaltsverzeichnis
1
Entwicklung des Lehmbaus
1
1.1
Historische Wurzeln des Bauens mit Lehm
2
1.2
Lehmbau als kulturelles Erbe
9
1.3
Historische Entwicklung des Lehmbaus in Deutschland
10
1.4
Lehmbau heute – ökologische und wirtschaftliche Aspekte
19
1.4.1
Nachhaltiges Bauen
19
1.4.2
Lebenszyklus und Stoffkreislauf eines Gebäudes
20
1.4.3
Quantitative Ökobilanz
23
1.4.3.1
Energieverbrauch
24
1.4.3.2
Umfassende quantitative Bewertung
25
1.4.4
Wirtschaftliche Aspekte
27
1.5
Einordnung des Lehmbaus als Wissenschaftsgebiet
28
2
Erkundung, Gewinnung und Klassifizierung von Baulehm
31
2.1
Naturlehm
32
2.1.1
Bildung von Naturlehmen
32
2.1.1.1
Bodenprofil
32
2.1.1.2
Bodenbestandteile
33
2.1.1.3
Einflussfaktoren der Bodenbildung
33
2.1.2
Bezeichnungen von Naturlehm
36
2.1.2.1
Löss und Lösslehm
38
2.1.2.2
Geschiebemergel und Geschiebelehm
38
2.1.2.3
Verwitterungslehm
42
2.1.2.4
Aue- und Gehängelehm
42
VII
Inhalt
2.1.2.5
Tone
42
2.1.2.6
Tropische Verwitterungsböden
44
2.2
Baulehm
45
2.2.1
Bezeichnungen von Baulehm
45
2.2.1.1
Grubenlehm
45
2.2.1.2
Trockenlehm und Tonmehl
45
2.2.1.3
Recyclinglehm
47
2.2.1.4
Presslehm
47
2.2.2
Erkundung von Baulehm
48
2.2.2.1
Erkundungsverfahren
48
2.2.2.2
Probenahme
49
2.2.3
Klassifizierung von Baulehm
52
2.2.3.1
Körnungskenngrößen
53
2.2.3.2
Verarbeitungskenngrößen
63
2.2.3.3
Formänderungskenngrößen
72
2.2.3.4
Chemisch-mineralogische Kenngrößen
74
2.2.4
Gewinnung und Transport von Baulehm
85
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
87
3.1
Aufbereitung von Baulehm
88
3.1.1
Natürliche Aufbereitung
88
3.1.1.1
Auswintern und Aussommern
88
3.1.1.2
Sumpfen
89
3.1.1.3
Mauken
89
3.1.2
Mechanisierte Aufbereitung
89
3.1.2.1
Brechen, Schneiden und Kneten
89
3.1.2.2
Sieben
91
3.1.2.3
Mahlen und Granulieren
93
VIII
Inhalt
3.1.2.4
Dosieren, Vereinigen und Mischen
93
3.1.2.5
Aufschlämmen
97
3.2
Formgebung
98
3.2.1
Konsistenz der Arbeitsmasse
98
3.2.2
Formatgestaltung der Arbeitsmasse
98
3.2.2.1
Elementierte Formgebung
99
3.2.2.2
Bauteilbildende Formgebung
104
3.3
Trocknung von Lehmbaustoffen und Lehmbauteilen
110
3.3.1
Trocknungsverlauf
110
3.3.2
Geschwindigkeit der Austrocknung
110
3.3.3
Art der Trocknung
112
3.4
Bezeichnungen von Lehmbaustoffen
113
3.5
Verwendung von Lehmbaustoffen
115
3.5.1
Stampflehm
115
3.5.2
Wellerlehm
116
3.5.3
Stroh- und Faserlehm
117
3.5.4
Leichtlehm
118
3.5.5
Lehmschüttungen
119
3.5.6
Lehmmörtel
120
3.5.6.1
Lehm-Mauermörtel
121
3.5.6.2
Lehm-Putzmörtel
122
3.5.6.3
Lehm-Spritzmörtel
124
3.5.7
Lehmsteine
125
3.5.8
Lehmplatten
127
3.5.9
Sonstige Lehmbaustoffe
128
3.6
Kenngrößen und Prüfungen für Lehmbaustoffe
128
3.6.1
Masse- und Gefügekenngrößen
129
3.6.1.1
Porosität und Porenzahl
129
3.6.1.2
Rohdichte ѩ / Rohdichte bei Wassersättigung ѩsr
131
IX
Inhalt
3.6.1.3
Trockenrohdichte ѩd
133
3.6.1.4
PROCTOR-Dichte ѩPr
134
3.6.1.5
Reindichte ѩs
138
3.6.2
Baumechanische Kenngrößen
138
3.6.2.1
Formänderungskenngrößen
139
3.6.2.2
Festigkeitskenngrößen
146
3.6.3
Bauphysikalische Kenngrößen
166
3.6.3.1
Feuchte
166
3.6.3.2
Thermische Kenngrößen
168
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
171
4.1
Baugewerbliche Grundlagen
172
4.1.1
Regelwerke
172
4.1.1.1
VOB und BGB
172
4.1.1.2
DIN-Vorschriften
172
4.1.1.3
Lehmbau Regeln
174
4.1.1.4
Ausländische Regelungen zum Lehmbau
178
4.1.2
Ausschreibung und Vergabe von Bauleistungen
183
4.1.2.1
Ausschreibung
183
4.1.2.2
Kalkulation
184
4.1.2.3
Vergabe
186
4.1.3
Ausführung von Bauleistungen
186
4.1.3.1
Bauleitung
186
4.1.3.2
Bauausführung
187
4.1.3.3
Abschluss von Bauleistungen
188
4.2
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
189
4.2.1
Fundamente, Kellerwände und Sockel
190
X
Inhalt
4.2.2
Fußböden
191
4.2.3
Wandkonstruktionen
192
4.2.3.1
Tragende Wände aus Lehmbaustoffen
194
4.2.3.2
Planung und Ausführung nichttragender Wände und Ausfachungen
213
4.2.4
Decken
225
4.2.4.1
Stakendecken
226
4.2.4.2
Einschubdecken
230
4.2.4.3
Decken aus Lehmplatten
231
4.2.4.4
Ausfachung von Dachschrägen
231
4.2.5
Flachdächer
231
4.2.6
Gewölbe
234
4.2.7
Putz
237
4.2.7.1
Anwendung und Beanspruchungen
237
4.2.7.2
Putzgrund
238
4.2.7.3
Putzauftrag und Austrocknung
243
4.2.7.4
Oberflächengestaltung und -behandlung
245
4.2.7.5
Putz auf Außenwandoberflächen
247
4.2.7.6
Anforderungen an Lehmputz
247
4.2.8
Technischer Ausbau
252
4.2.8.1
Leitungsführung
252
4.2.8.2
Befestigungen
252
4.2.8.3
Wandheizungen
252
4.2.8.4
Lehmöfen
254
XI
Inhalt
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
257
Verhalten von Bauteilen und Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
258
5.1.1
Wärmetechnische Kenngrößen
259
5.1.1.1
Mechanismen der Wärmeübertragung
259
5.1.1.2
Raumklima
261
5.1.1.3
Temperaturverteilung in Lehmbauteilen
263
5.1.2
Hygrische Kenngrößen
269
5.1.2.1
Mechanismen des Feuchtetransports
269
5.1.2.2
Wasserdampfdiffusions-Widerstandsfaktor ѥ
270
5.1.2.3
Kondenswasser
272
5.1.2.4
Gleichgewichtsfeuchte
272
5.1.2.5
Luftfeuchtesorption
273
5.1.2.6
Erosionsbeständigkeit
275
5.1.3
Brandschutztechnische Kenngrößen
277
5.1.3.1
Brandverhalten von Lehmbaustoffen
277
5.1.3.2
Feuerwiderstand von Lehmbauteilen
278
5.1.4
Schallschutztechnische Kenngrößen
278
5.1.4.1
Luftschalldämmung von Wänden
280
5.1.4.2
Schallschutz von Holzbalkendecken
281
5.1.5
Winddichtigkeit
282
5.1.6
Strahlenbelastung
283
5.1.6.1
Radioaktive Strahlung
283
5.1.6.2
Abschirmung hochfrequenter Strahlung
285
5.2
Bauschäden durch äußere Einwirkungen auf Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
287
5.2.1
Mechanische Einwirkungen
288
5.2.1.1
Mechanische Beanspruchung
288
5.2.1.2
Feuchtigkeit
288
5.1
XII
Inhalt
5.2.2
Chemische Einwirkungen
299
5.2.3
Biologische Einwirkungen
299
5.2.4
Naturkatastrophen
302
5.2.4.1
Hochwasser
302
5.2.4.2
Erdbeben
302
5.2.5
Bauschäden an Konstruktionen aus Lehmbaustoffen durch Planungsfehler
310
5.3
Erhaltung von Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
313
5.3.1
Rechtliche Grundlagen
314
5.3.2
Planung von Maßnahmen der Erhaltung
315
5.3.2.1
Methoden
315
5.3.2.2
Planungsstufen
318
5.3.3
Durchführung von Instandsetzungs- und Sanierungsarbeiten
321
5.3.3.1
Fundamente
321
5.3.3.2
Wandkonstruktionen
323
5.3.3.3
Flachdächer
340
5.3.3.4
Lehmputz
342
5.3.3.5
Archäologische Ruinenkomplexe
343
6
Gebäudeabbruch, Recycling und Entsorgung von Lehmbaustoffen
347
6.1.
Gebäudeabbruch
348
6.1.1
Rechtliche Grundlagen
348
6.1.2
Demontagestufen
348
6.1.3
Abbruchverfahren
349
6.1.3.1
Mechanisches Schlagen und Hämmern
349
6.1.3.2
Mechanisches Abbrechen
350
6.1.3.3
Mechanisches Sägen und Bohren
351
XIII
Inhalt
6.2
Wiederverwendung von Lehmbaustoffen
351
6.2.1
Planungsgrundlagen
352
6.2.2
Recycling
353
6.2.2.1
Voraussetzungen für den Einsatz von Recycling-Lehmbaustoffen
353
6.2.2.2
Einsatzmöglichkeiten des Recyclinglehms
359
6.3
Entsorgung von Lehmbaustoffen
360
6.3.1
Bauabfall
361
6.3.2
Schadstoffbelastung
362
7
Perspektiven für den Lehmbau
367
7.1
Bildung
369
7.2
Vernetzung
373
7.3
Forschung und Normung
375
7.4
Wirtschaftliche Entwicklung
376
Bibliografie
379
Abbildungsnachweis
401
Sachwortverzeichnis
405
XIV
1
Rohstoffgewinnung
Verabeitung und Einbau
Recycling
Entsorgung
Entwicklung des Lehmbaus
Baustoffherstellung
Gebrauchszustand
Gebäudeabriss
1
Entwicklung des Lehmbaus
1.1
Historische Wurzeln des Bauens mit Lehm
Um 10.000 v. d. Z. setzte in der Geschichte der Menschheit ein entscheidender Wandel ein: die bis dahin vorherrschende Form der Nahrungsbeschaffung durch Jagen und Sammeln wurde allmählich ersetzt durch Ackerbau und Viehzucht. Diese neue Lebensweise war begleitet von der Notwendigkeit, feste Behausungen für die Menschen und ggf. die Tiere sowie Bauten für eine Vorratswirtschaft zu errichten. Zu den dafür verwendeten Baustoffen gehörte neben Naturstein und Holz vor allem der Lehm. Je nach vorherrschendem Klima und Vegetation sowie den jeweiligen geologischen Gegebenheiten haben sich im Verlauf der Menschheitsgeschichte verschiedenartige Bauweisen und Konstruktionsformen herausgebildet: In trocken-heißen Klimaten ohne bedeutende Holzvorkommen dominieren massive Konstruktionen, d. h. der Lehm in der Wand hat lastabtragende Funktion. Hinzu kommt die Aufgabe eines »Hitzepuffers« gegen die intensive Sonneneinstrahlung. In Übergangsklimaten oder Bergregionen mit reichen Holzvorkommen sind Skelettkonstruktionen vorherrschend: Die Lastabtragung im Gebäude übernimmt ein gesondertes Skelett aus Holz. Der Lehm, oft in Kombination mit Stein, dient zur Ausfachung und hat raumumschließende Funktion. Hier gibt es auch Übergangsformen aus beiden Systemen. Beide Bauweisen lassen sich in den verschiedenen Regionen der Welt Jahrtausende weit in die Geschichte zurückverfolgen. In SW-Asien, das die Gebiete der heutigen Türkei, des Irans, Iraks, Libanons, Syriens, Jordaniens und Israels umfasst, setzte nach heutigen Erkenntnissen der Übergang zur Sesshaftwerdung des Menschen zuerst ein. Dementsprechend lassen sich die ersten festen Hauskonstruktionen aus der Zeit um 10. 000 v. d. Z. 2
auch in dieser Region archäologisch nachweisen. Zu den ältesten, festen Hauskonstruktionen aus Lehmbaustoffen gehören jene im Gebiet des heutigen Anatolien in der Türkei und in Palästina (Bilder 1-1, 1-2 und 1-3). Die ca. 8.000 Jahre alten Hauskonstruktionen von Çatal Höyük, Anatolien wiesen schon einen erstaunlich hohen Standard auf. Die tragenden Außenwände bestanden aus Lehmsteinen mit innen liegenden Holzstützen zur Aufnahme der Dachkonstruktion. Diese war als Flachdach aus Knüppelholz mit Gräsern bzw. Schilf und einem Lehmschlag als Abdichtung gegen Regenwasser ausgebildet. Der Zugang in die Häuser erfolgte über das Dach. Die einzelnen Häuser selbst waren wie Bienenwaben aneinanderstoßend angeordnet [ 1. 1 ]. China ist in weiten Gebieten seines Territoriums mit Lehm, vor allem Lösslehm, bedeckt. Tragende Konstruktionen aus Lehm wie auch Skelettkonstruktionen mit Lehmbaustoffen sind hier über einen Zeitraum von mehreren tausend Jahren nachweisbar. Bild 1- 4 gibt eine historische Darstellung der Stampflehm-Bauweise wieder, die mit folgender Geschichte verbunden ist: Fu Yueh, Minister eines Herrschers der Shang-Dynastie (um 1.320 v. d. Z.), soll der ErÀnder dieser Technologie und der erste »StampÁehm-Baumeister« sein. Nach der Legende kam Fu Yueh auf merkwürdige Weise in sein Amt: Der Kaiser träumte eines Tages so lebhaft von einem weisen und tüchtigen Manne, dass er darüber erwachte und ein Bild von der Traumgestalt anfertigen ließ. Er schickte Boten mit dem Bild des Mannes durch das Land und ließ nach ihm suchen. Die Boten trafen auf Fu Yueh, der der Figur auf dem Bilde glich und gerade mit dem Errichten eines StampÁehmHauses beschäftigt war. Diese Szene ist auf
1.1
Historische Wurzeln des Bauens mit Lehm
Bild 1-1 Modellskizze eines Lehmsteinhauses aus Çatal Höyük, Anatolien/ Türkei, ca. 6.000 v.d.Z. [1.1]
Bild 1-2 Archäologische Grabungsstätte Çatal Höyük, Anatolien / Türkei
Bild 1-3 Konstruktionen aus Lehmsteinen: Jericho, Palästina / Israel, ca. 6.000 v. d. Z.
3
1
Entwicklung des Lehmbaus
Bild 1- 4 Stampflehmbau im Alten China, Shang-Dynastie ca. 1.320 v. d. Z. [1.2]
Bild 1-5 Herstellung von Lehmsteinen im Alten China zur Zeit der Ming-Dynastie [1.33]
dem Bild dargestellt. Er wurde an den Hof berufen und zum Minister ernannt [1.2]. Aber auch die Herstellung und die Verarbeitung von Lehmsteinen ist in China seit Jahrtausenden bekannt. Bild 1-5 zeigt die Herstellung von Lehmsteinen zur Zeit der Ming-Dynastie [1.33]. 4
Das größte und bekannteste Bauwerk Chinas ist die Große Chinesische Mauer. Es ist zugleich auch das größte Bauwerk, das je von Menschen errichtet wurde, mit einer heute bekannten Gesamtlänge von etwa 50. 000 km. An der Mauer wurde ca. 2. 000 Jahre gebaut und je nach örtlicher Verfügbarkeit Holz,
1.1
Historische Wurzeln des Bauens mit Lehm
Bild 1-6 Die Große Chinesische Mauer, Ausschnitt Provinz Gansu, ca. 220 v.d. Z. [1.3]
Bild 1-7 Herstellung von Lehmsteinen im Alten Ägypten, ca. 1.500 v. d. Z. [1.4]; Darstellung im Grabmal des Großwesirs Rechmire, Theben-West
Bild 1-8 Königin Hatschepsut bei der Lehmsteinherstellung aus Nilschlamm, ca. 1.500 v. d. Z. [1.5]
5
1
Entwicklung des Lehmbaus
Bild 1-9 Lehmsteingewölbe nahe Luxor / Ägypten, ca. 1.300 v. d. Z. [1.6]
Stein und Lehm, auch als gebrannte Ziegel, sowie vegetabiles Material zur Bewehrung verarbeitet. In Bild 1- 6 ist ein Abschnitt der Mauer aus der Quin-Dynastie dargestellt, der vor 2. 200 Jahren aus StampÁehm errichtet wurde [1.3]. Ein klassisches Lehmbauland mit einer ebenfalls Jahrtausende alten Bautradition ist Ägypten. Die jährlichen Hochwasser des Nil brachten fruchtbaren Schlamm aus dem äthiopischen Hochland, der in der Sonne trocknete und dadurch Festigkeit erhielt, bei erneuter Befeuchtung aber wieder plastisch wurde. Diese grundlegende Erkenntnis bildete die Basis für die Herstellung luftgetrockneter Schlammziegel, deren Haltbarkeit und Festigkeit durch die Zugabe von Sand oder pÁanzlichen Fasern erhöht oder durch Brennen sogar noch weiter verbessert werden konnte. Im Alten Testament wird die Verwendung von Strohhäcksel für die Herstellung von Lehmsteinen beschrieben [Exodus 5,7f.; 16.18f]. Bild 1-7 zeigt in einer Darstellung aus der Zeit um 1.500 v. u. Z. die einzelnen technologischen Teilschritte für die Herstellung von Lehmsteinen von der Aufbereitung des Lehms bis zur Verarbeitung [1. 4]. Die symbolische Darstellung der zu dieser Zeit herrschenden Königin Hatschepsut als Baumeisterin bei der Herstellung von Lehmsteinen unterstreicht die Bedeutung dieser Tätigkeit, Bild 1-8 [1.5]. 6
In Ägypten kann man auch den Ursprung des Gewölbebaus mit an der Luft getrockneten Lehmsteinen nachweisen. Bild 1-9 zeigt ein Lehmsteingewölbe für einen Lagerraum der Grabanlage Ramses II. aus der Zeit um 1. 300 v. d. Z. [1.6]. Im Gebiet des holzarmen, aber lehmreichen Zweistromlandes zwischen Euphrat und Tigris, in Afghanistan und Iran belegen archäologische Funde ebenfalls eine Jahrtausende zurückreichende Lehmbautradition. In Bild 1-10 sind luftgetrocknete Lehmsteine aus verschiedenen Teilen dieser Region dargestellt [1.7]. Sie machen die bereits weit entwickelte Technik der Vorfertigung von Bauelementen deutlich. In dieser Region wurden auch große religiöse Bauten mit Lehmsteinen errichtet. Sie hatten die Form von Pyramiden und waren in ihren Ausmaßen mit jenen in Ägypten vergleichbar. Bild 1-11 vermittelt einen Eindruck vom Zustand der Pyramide (Zikkurat) von Chogha Zanbil nach der Restaurierung. Sie wurde errichtet von elamitischen Herrschern um 1500 v. d. Z. im heutigen Iran [1.8]. Auch der Turmbau zu Babel [Altes Testament, Genesis 11,3f.] gehört zu dieser Gebäudekategorie. Er wurde aus gebrannten Ziegeln und luftgetrockneten Lehmsteinen errichtet. Aus dieser Region sind auch die ältesten, bisher bekannten schriftlichen Regeln zum
1.1
Bauen mit Lehm aus der Zeit des babylonischen Herrschers Hammurabi auf gebrannten Tontafeln überliefert. Dieser lebte um 1.800 v. d. Z. [1.9]. Die nach Norden anschließenden zentralasiatischen Steppen- und Wüstengebiete Turkmeniens, Usbekistans und Kasachstans stellen ebenfalls eine Jahrtausende alte Kulturregion dar, in der Lehm als Baustoff verwendet wurde. Bild 1-12 zeigt Ruinen der antiken Stadt Afrasiab, der Vorgängerin des heutigen Samarkand in Usbekistan, die im 13. Jhdt. während des Mongolenansturms durch Dshingis-Khan
Bild 1-10
Historische Wurzeln des Bauens mit Lehm
vollständig zerstört wurde. Die heutigen Städte Samarkand, Buchara, Chiwa haben eine mehr als 2.500-jährige Geschichte und Lehmbautradition. Auch in der sogenanten Neuen Welt, im präkolumbianischen Peru, waren verschiedene Lehmbautechniken bekannt. Für die Sonnenpyramide von Moche (ca. 200 – 500 u. Z.) mit einem Grundriss von 120 x 120 m wurden nach Schätzungen 130 Millionen luftgetrocknete Lehmsteine verbaut. Die größte Stadt des präkolumbianischen Amerikas Chan Chan hatte im 14. / 15. Jahrhundert ca. 60. 000 Ein-
Historische Lehmsteine aus Iran / Afghanistan aus dem Zeitraum 600 v.d. Z. – 4. Jhtsd. v.d.Z. [1.7 ]
Bild 1-11 Zikkurat Chogha Zanbil, Iran, ca. 1.250 v. d. Z. [1.8]
7
1
Entwicklung des Lehmbaus
Bild 1-12 Lehmsteinmauern der Stadt Afrasiab, des heutigen Samarkand, Usbekistan
Bild 1-13 Ruinen eines Palastes aus Stampflehm, errichtet im 13. Jhdt. u. Z. in Chan Chan im heutigen Peru [1.8]
Bild 1-14 Grubenhaus der PuebloIndianer in Nordamerika [1.32]
8
1.2
wohner. Die heute noch 25 km ² große Stadt ist von großen Lehmstein-Trümmerbergen bedeckt. Die rechtwinklig angelegten Stadtviertel waren von hohen Mauern aus Lehmsteinen umgeben. Auch die StampÁehmtechnologie war bekannt. Bild 1-13 zeigt eine in StampÁehm ausgeführte Wand eines Palastes in Chan Chan, deren OberÁäche mit Friesen verziert ist (13. Jhdt. u. Z.) [1.8]. Auch in Nordamerika reicht die Tradition des Hausbaus weit in die Vergangenheit zurück. Bild 1-14 zeigt ein traditionelles Grubenhaus der Pueblo-Indianer (Arizona, New Mexico) mit einer Stützenkonstruktion aus
1.2
Lehmbau als kulturelles Erbe
Holzständern für das Flachdach und einem Lehmschlag als Abdeckung (ca. 2. Jhdt. u. Z.) [1.32]. Ursprünglich war dieses »Haus« offensichtlich ebenerdig und diente von der Funktion her als Fallgrube bei der Jagd. Durch Herausheben des Daches konnte man aufrecht darin stehen und es für Wohnzwecke nutzen. Erhalten hat sich aus dieser Zeit der Hauszugang über eine Leiter in einer Dachöffnung. Diese Hauskonstruktion besitzt eine verblüffende Ähnlichkeit mit den neolithischen Lehmsteinhäusern von Çatal Höyük, Anatolien (Bild 1-1), die ebenfalls über das Dach »betreten« wurden.
Lehmbau als kulturelles Erbe
Im Laufe der Jahrhunderte ist in vielen Teilen der Welt das Wissen um historische Lehmbautechniken verloren gegangen. »Moderne« Baustoffe wie Beton und Zement beginnen den Lehm auch in den ärmsten Entwicklungsländern zu verdrängen oder haben es bereits getan. Lehmbau wird hier oft mit Armut gleichgesetzt. Wer es sich leisten kann, baut besonders in städtischen Gebieten mit Beton oder gebrannten Ziegeln. Dennoch hat Lehm als Baustoff in der täglichen Baupraxis vor allem der ländlichen Regionen der Entwicklungsländer bis heute überdauert. Es ist insbesondere der internationalen Aktivität der Organisationen ICOMOS und CRAT erre auf dem Gebiet der Erhaltung traditioneller Lehmarchitektur zu verdanken, dass in vielen Ländern der Dritten Welt das Bauen mit Lehm heute wieder als Teil der eigenen kulturellen Identität verstanden wird. Auf die Erhaltung von historischen Baukonstruktionen bezogen ist die Arbeit von ICOMOS in einer Reihe von spezialisierten Arbeitsgruppen konzentriert, darunter auch das International Committee for Earthen Architectural Heri-
tage ISCEAH für den Bereich des Lehmbaus (http://isceah.icomos.org). Die Aufnahme von historischen Lehmbauten in die Liste der Baudenkmale des Weltkulturerbes der UNESCO [1.10] hat in den betreffenden Ländern Anstoß für einen Sinneswandel gegeben: aus vermeintlicher Ärmlichkeit wird allmählich Stolz auf eigene historische bautechnische Leistungen. Von den im Jahr 2004 in die Liste des Weltkulturerbes eingetragenen 563 Baudenkmalen sind 96 oder 17% teilweise oder vollständig aus Lehm, darunter die Große Chinesische Mauer, die Lehm-»Hochhäuser« in Shibam, Jemen oder die berühmte Alhambra in Granada, Spanien. Mit dem Status eines Baudenkmals verbunden ist die VerpÁichtung zur Einhaltung von Grundsätzen zur Erhaltung und Restaurierung der historischen Bausubstanz entsprechend der Charta von Venedig, auf die sich die Teilnehmer des II. Internationalen Kongresses der Architekten und Techniker der DenkmalpÁege 1964 verständigt hatten. Im Umfeld sanierter Lehmbau-Denkmale entsteht heute in Entwicklungsländern »sanf9
1
Entwicklung des Lehmbaus
ter« Tourismus, der zu dringend benötigten Deviseneinnahmen führt. Als Beispiel für diese Entwicklung zeigt Bild 1-15 a Häuser aus StampÁehm in Aït Benhaddou, Südmarokko, die zur Welterbeliste der UNESCO gehören. Diese Gebäude belegen eindrucksvoll die bautechnischen Fähigkeiten und Fertigkeiten ihrer Erbauer. Obwohl diese Bauweise heute noch vor allem in der ländlichen Bevölkerung von älteren Menschen beherrscht wird, gerät sie in Gefahr, vergessen zu werden. Die Ursachen sind in tiefgreifenden Veränderungen des Bauprozesses an sich zu sehen: Während das Bauen früher vor allem Angelegenheit der Dorfgemeinschaft oder Großfamilie war, übernehmen diese Aufgabe heute auch kleine Handwerksbetriebe und Unternehmer gegen Bezahlung. Um spezielle Lehmbautechniken vor dem Vergessen zu bewahren, ist der Weg zu musealen Einrichtungen, ähnlich unseren Freilichtmuseen, vorgezeichnet. In diesem Zusammenhang ist die Dokumentation gefährdeter historischer Lehmbausubstanz, aber auch traditioneller Techniken als Teil der kulturellen Identität von großer Bedeutung. Als Form könnte ein »Lehmbau-Atlas für traditionelle Lehmbaukonstruktionen« gewählt werden, der typische Lehmbauweisen einer geograÀschen Region erfasst. In verschiedenen Ländern und
1.3
Historische Entwicklung des Lehmbaus in Deutschland
Vor etwa acht Jahrtausenden drangen Ackerbau und Viehzucht nur zögernd von Südosten über Handelswege nach Mitteleuropa und in das Gebiet des heutigen Deutschland vor. Holz und Lehm zum Hausbau standen fast überall zur Verfügung. Die Hausplanung musste hier jedoch im Vergleich zu den Häusern des östlichen Mittelmeerraums grundlegend verändert werden. Denn hier war es 10
Regionen sind solche »Inventarisierungen« bereits durchgeführt worden, z. B. in Frankreich [1.11], in Portugal [1.12], [1.13], in Tschechien [1.14] und Italien [1.15]. In diesem Zusammenhang wird nicht zuletzt auch die Bedeutung von Bildung und Ausbildung im Lehmbau deutlich. Der Bewahrung besonders bedrohter Baudenkmale vor weiterem Zerfall oder Zerstörung widmet sich seit mehr als 40 Jahren die Tätigkeit der privaten Organisation World Monuments Fund WMF (www.wmf.org). Besonders bedroht sind Baudenkmale vor allem an isolierten, schwer zugänglichen Orten und in Kriegsgebieten. Die Organisation WMF gibt alle zwei Jahre eine Liste der 100 am meisten gefährdeten Baudenkmale heraus, zuletzt 2008. Damit soll auf die bedrohliche Situation der Baudenkmale aufmerksam gemacht werden, und es sollen weltweit Sponsoren für dringend notwendige Sicherungsarbeiten gefunden werden. In der WMF-Liste 2008 wird als besonders kritisch die Situation der archäologischen Grabungsstätten im Irak aus der Uruk- und Sumer-Periode (ca. 3.500 v. d. Z.) bezeichnet, die mitten im ehemaligen Kriegsgebiet liegen. Die Wandkonstruktionen dieser städtischen Siedlungen bestehen aus Lehmbaustoffen (Bild 1-15b).
nicht die Sommerhitze, sondern es waren Niederschläge und die Kälte im Winter, vor denen die Häuser ihre Bewohner und deren Vieh und Vorräte schützen mussten. Anhand von Pfostenlöchern, die sich als kreisrunde dunkle Verfärbungen vom umgebenden Baugrund abheben, lassen sich heute die Hausstrukturen aus dieser Zeit rekonstruieren. Das Bauprinzip dieser Häuser waren
1.3
Bild 1-15
Historische Entwicklung des Lehmbaus in Deutschland
Kulturelles Erbe aus Lehmbaustoffen:
a) UNESCO-Weltkulturerbe: traditionelle Häuser aus Stampflehm in Aït Benhaddou, Südmarokko
b) »World Monuments in Danger 2008 (WMF)«: städtische Siedlungen aus der Sumer-Periode (ca. 3.500 v. d. Z.) aus Lehmbaustoffen im ehemaligen Kriegsgebiet des Irak (www.wmf.org)
11
1
Entwicklung des Lehmbaus
Bild 1-16 Langhaus der mitteleuropäischen Waldbauern ca. 4.000 v.d. Z. [1.1]
Bild 1-17 Modell eines jungsteinzeitlichen Langhauses in Pfostenbauweise mit Lehmbewurf, Thüringisches Landesamt für Archäologie und Denkmalpflege, Weimar [1.16]
Bundbalken
oberes
Ankerbalken
Stockwerks-rähm unteres Schnitt
frühes Pfostenhaus
Mittelsäulenhaus mit Ankerbalken
Seitenansicht
Fachwerksaufbau mit Stockwerksrähm
Bild 1-18 Entwicklung der Tragstrukturen vom Pfostenhaus zur Fachwerkkonstruktion [1.19]
12
1.3
Pfostenkonstruktionen mit einem GeÁecht aus Zweigen als Tragskelett für einen Bewurf aus Strohlehm (Bild 1-16) [1.1]. Rekonstruktionen dieser frühen Holzständerbauten kann man heute in verschiedenen Freilichtmuseen besichtigen, in Thüringen z.B. in Oberdorla oder im Thüringischen Landesamt für Archäologie und DenkmalpÁege in Weimar (Bild 1-17) [1.16]. Im Zuge des Neubaus der BAB 71 wurde bei Erfurt-Gispersleben erst kürzlich eine der bisher größten jungsteinzeitlichen Siedlungen in Mitteleuropa aus der Zeit ca. 4.500 v. d. Z. archäologisch nachgewiesen. Hausstrukturen aus etwa der gleichen Zeit entdeckte man beim Aushub der Baugrube für das Tiefenmagazin der Herzogin Anna Amalia Bibliothek im Stadtzentrum von Weimar. Eine Studienarbeit an der Bauhaus-Universität Weimar in Kooperation mit dem Thüringischen Landesamt für Archäologische DenkmalpÁege beschäftigte sich mit historischen Aspekten des Lehmbaus aus dieser Zeit [1.16]. Das älteste schriftliche Zeugnis über das Bauen mit Lehm in Deutschland Àndet sich in dem Bericht »Germania« des römischen Schriftstellers Tacitus aus der Zeit um etwa 100 u. Z. Nach dieser Beschreibung waren die Häuser den ca. 4.000 Jahre älteren Häusern der frühen Waldbauern noch recht ähnlich. Ihre Wände bestanden aus Holzpfosten, die in den Baugrund eingerammt oder eingegraben wurden. Die Öffnungen zwischen den Pfosten wurden mit einem Flechtwerk aus Weidenruten ausgefüllt und mit einem breiig aufbereiteten Strohlehm-Gemisch raumumschließend überzogen. Aus diesen Pfostenhäusern mit Flechtwerkwänden und Lehmbewurf hat sich später vermutlich eine tragende Lehmbauweise entwickelt, die heute in Mitteldeutschland als Wellerlehm-Bauweise bekannt ist. Der Lehmbewurf umhüllte, wahrscheinlich als Folge ständiger Reparaturen über die Nutzungsdauer des Gebäudes, aber auch aus Gründen des
Historische Entwicklung des Lehmbaus in Deutschland
Brandschutzes, die tragenden Pfosten mit dem Flechtwerk schließlich mehrere Dezimeter stark, so dass irgendwann die Funktion der Tragstruktur auf den Lehmbaustoff überging und man auf Pfosten und Flechtwerk ganz verzichtete. Diesen allmählichen Übergang hat BEHMBLANCKE [1.17] für die Region um Weimar auf die Zeit nach dem 9. Jhdt. u. Z. datiert. So wurden Reste einer massiven Lehmwand vermutlich in Wellerlehm-Bauweise aus dem 10./ 11. Jhdt. an einem frühmittelalterlichen Gehöft im Stadtgebiet von Weimar nachgewiesen [1.18]. Ab dieser Zeit ist die Verwendung von Kalksteinplatten für Wandsockel belegt. In den Sockelplatten konnten keine Vertiefungen für die Aufnahme von Holzständern nachgewiesen werden, dafür aber »abgestürzter« Lehm, der die Platten umgab, so dass von »tragenden« Lehmwänden ausgegangen wird. In der archäologischen Literatur wird in diesem Zusammenhang von »Stampfwänden« gesprochen. Wahrscheinlicher sind jedoch Wellerwände. Der schalungsgebundene StampÁehmbau setzte sich in Deutschland erst um die Wende des 18./19. Jhdts. durch. Das bislang älteste bekannt gewordene Beispiel für eine tragende Lehmstein-Bauweise nördlich der Alpen ist die Heuneburg an der Donau südwestlich von Ulm aus der Zeit um 500 v. d. Z. Sie entstand vermutlich unter keltischem EinÁuss, also noch lange vor der römischen Besetzung. Denkbar sind aber auch Verbindungen über die Donau zur griechischen Baukultur, denn hier war die Verarbeitung von Lehmsteinen zu tragenden Wandkonstruktionen bereits seit langem bekannt. Eine zweite Entwicklungsrichtung der neolithischen Flechtwerkwände mit Lehmbewurf führt zu den Fachwerkkonstruktionen. Die Fachwerk-Bauweise mit regional unterschiedlichen stilistischen Ausprägungen charakterisierte über Jahrhunderte bis in die Gegenwart das architektonische Erscheinungsbild städti13
1
Entwicklung des Lehmbaus
Riegel 21 19 15 14
4sK 4sP (Kalkputz)
4nK 4nP 4nFb
17 20 35/75
30/55
27/55
Senkrechter Schnitt
Ansicht Riegel
Bundseite
4nFA 4nK 4nP 4sK 4sP (Kalkputz)
Bild 1-19
Waagerechter Schnitt
Gotisches Haus Limburg / Lahn (1289), Flechtwerk und Strohlehm aufträge [1.20]
Bild 1-20 Darstellung des Kleibers Hans Pühler (gest. 1608 in Nürnberg) aus dem Stadtarchiv Nürnberg [1.21]
14
1.3
scher Siedlungen und ländlicher Räume in Deutschland und anderen europäischen, aber auch asiatischen Ländern. Bild 1-18 verdeutlicht die Entwicklung des tragenden Holzskelettes vom frühen Pfostenhaus mit Firstsäule, Flechtwerk und Lehmbewurf über das Mittelsäulenhaus mit Ankerbalken bis zum Fachwerksaufbau mit Stockwerksrähm [1.19]. Die in den Baugrund eingesetzten, frei stehenden Holzpfosten wurden wegen der Fäulnisgefahr aus dem Boden herausgehoben und schließlich auf ein Fundament aus Steinplatten gesetzt. Aus dem Pfostenhaus wurde ein Ständerhaus. Durch den Wegfall der Einspannwirkung des Baugrundes wurden nun die einzelnen Bauteile Längswand, Querwand, Decke und Dach als scheibenartige, selbsttragende Systeme aus miteinander verzapften senkrechten Ständern, horizontalen Schwellen und Riegeln und schräg gestellten Streben ausgebildet. Die Öffnungen zwischen den vertikalen, horizontalen und schräg gestellten Hölzern, die Gefache, wurden wie bei den frühen Pfostenbauten mit einem Flechtwerk aus Staken und biegsamen Zweigen ausgefüllt und mit Strohlehm verschlossen. Eine ganze Reihe verschiedener Ausfachungstechniken ist heute noch belegbar. Bild 1-19 zeigt von VOLHARD [1.20] durchgeführte Gefachanalysen in einem Fachwerkhaus aus dem Jahr 1289, dem Gotischen Haus in Limburg a. d. Lahn. Deutlich ist die Art des Antrags der Strohlehm-Mischung zu erkennen. Das Aufstreben der Städte in Mitteleuropa etwa ab dem 12./13. Jhdt. führte zu Mangel an Bauplätzen und damit zur Notwendigkeit der Ausbildung eines zweiten Geschosses. Bevölkerungswachstum und damit verbundene Stadtbrände, aber auch Kriegszerstörungen bewirkten die Verknappung von Holz als bevorzugtem Baustoff, so dass Lehm als »feuerfestes«, fast überall verfügbares Material an Bedeutung gewann. Diese Tatsache fand ihren Ausdruck auch in der Bildung eigener Zünfte, die
Historische Entwicklung des Lehmbaus in Deutschland
in etwa heutigen Handwerkskammern entsprechen. Bild 1-20 zeigt den »Claiber« Hans Pühler, gest. 1608 in Nürnberg, auf einer Darstellung aus dem Stadtarchiv Nürnberg [1.21]. Erhalten geblieben ist aus dieser Zeit der Familienname »Kleiber« als alte Bezeichnung für den Beruf des Lehmbauers. Die zunehmende Holzknappheit wurde zu einer maßgeblichen Triebkraft für die Entwicklung des Lehmbaus in Mitteleuropa, was auch durch schriftlich Àxierte Bauregelungen nachzuvollziehen ist. Um den Verbrauch von Bauholz einzuschränken, forderte die sächsische »Forst- und Holzordnung« von 1560 ein Erdgeschoss aus Stein oder Lehm. Nach der 1575 erlassenen »Generalbestallung für die Forstbedienten« sollte nur dann Bauholz freigegeben werden, wenn das Erdgeschoss »nicht von Steinen oder Lehmwellerwänden« gebaut werden konnte. Die Ernestinische Landesordnung von 1556 verbot in Thüringen die reine Holzbauweise und erlaubte nur noch Neubauten aus Fachwerk, Wellerlehm, Ziegeln oder Steinen [1.18]. In Bild 1-21 ist ein Erlass des sächsischen Kurfürsten Friedrich August aus dem Jahre 1786 zu sehen, den Bau von Wellerwänden betreffend [1.22]. Ähnliche Vorschriften zum Lehmbau sind bekannt aus Preußen (1764) oder aus Österreich (1753), hier zur Verwendung ungebrannter (»ägyptischer«) Ziegel [4.16]. Der französische Baumeister und Architekt François Cointereaux veröffentlichte Ende des 18. Jhdts. eine Reihe von Schriften, die die in Frankreich vorhandenen Erfahrungen zum StampÁehm (frz. Pisé) zusammenfassten und damit die Entwicklung des Stampflehmbaus auch in Deutschland maßgeblich beeinÁussten [1.23]. Ausführlich werden Baustoff, Technologie und Konstruktion dargestellt und als eine Einheit behandelt. Hinweise zur Aufbereitung und Verarbeitung der Lehmbaustoffe sowie eine detaillierte Beschreibung der dazu erforderlichen Geräte und Arbeitsmittel 15
1
Entwicklung des Lehmbaus
Bild 1-21 Verordnung des sächsischen Kurfürsten Friedrich August aus dem Jahre 1786, den Bau von Wellerwänden betreffend [1.22]
Bild 1-22 David Gilly, preußischer Landbaumeister und Förderer des Lehmbaus, nach einer Darstellung v. L. W. Chodowiecki, 1790 [1.22]
Bild 1-23 Sechsgeschossiges Wohnhaus aus Stampflehm in Weilburg a. d. Lahn, errichtet um 1830 durch W. J. Wimpf
16
1.3
machen diese Schriften zum ersten modernen »Fachbuch« des Lehmbaus. In Berlin war es vor allem der KöniglichPreußische Oberbaurat David Gilly, der zur Verbreitung dieser Bauweise in Preußen und Schlesien beitrug. Bild 1-22 zeigt Gilly auf einem zeitgenössischen Stich von Ludwig Wilhelm Chodowiecki aus dem Jahre 1790 [1.22]. Unter dem EinÁuss dieser Schriften führte in Hessen Baurat Wimpf mehrgeschossige Wohnhäuser in StampÁehmbauweise aus. Ein sechsgeschossiges, um 1830 in Weilburg / Lahn errichtetes Wohngebäude ist heute noch voll funktionstüchtig (Bild 1-23). Grundlegende technische Neuerungen bei Feuerungsanlagen und im Maschinenbau im 19. Jhdt. hatten auch tiefgreifende Veränderungen in der Bauindustrie zur Folge: Die massenhafte Förderung von Stein- und Braunkohle für moderne Brennöfen und die spätere Umstellung auf Gas- und Ölfeuerung führte zur Industrialisierung der Ziegelherstellung. Die Entwicklung der Zementindustrie und damit auch die der Baustoffe Beton und Stahlbeton wäre ohne den Übergang von der Holz- zur Kohlefeuerung (später Öl und Gas) nicht möglich gewesen. Das Ziel war die Erhöhung der Festigkeiten der Baustoffe und damit die Verringerung der erforderlichen Dimensionen der Bauteile für denselben Zweck. Dies gelang vor allem mit der Kombination der Baustoffe Stahl und Beton. Es gelang aber nicht, auch Lehmbaustoffe mit ihren begrenzten Festigkeiten, außerdem noch mit dem Mangel der WasserempÀndlichkeit behaftet, dieser Entwicklung anzupassen. Lehm als Baustoff wurde deshalb mehr und mehr zurückgedrängt und verlor schließlich ganz an Bedeutung. Jeweils während und nach beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts erlangte Lehm als Baustoff nochmals Bedeutung, vor allem aber deshalb, weil Industrieanlagen zur Herstellung von Baustoffen weitgehend zerstört waren und
Historische Entwicklung des Lehmbaus in Deutschland
Transportmöglichkeiten nicht zur Verfügung standen. Der »Nachkriegs«- Lehmbau hatte für das Gebiet der ehemaligen DDR besondere Bedeutung: zu den Millionen obdachlos gewordener Menschen kamen weitere Millionen Flüchtlinge aus den als Kriegsfolge verlorenen Ostgebieten hinzu. Binnen kurzer Zeit musste mit den vorhandenen Baustoffen, dazu gehörte auch der Lehm, Wohnraum geschaffen werden. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang der Befehl Nr. 209 der Sowjetischen Militärverwaltung, nach dem 200.000 Neubauernhäuser errichtet werden sollten, davon mindestens 40 Prozent aus natürlichen und örtlich verfügbaren Baustoffen. Wieder wurde der Baustoff Lehm Gegenstand staatlicher Verordnungen, aber auch Hochschulen befassten sich nun mit diesem Material. Aus dieser Zeit sind in Ostdeutschland vor allem Projekte für Neubauernhöfe und -siedlungen in verschiedenen Lehmbauweisen bekannt, die an der Hochschule für Baukunst und bildende Künste Weimar, einer Vorgängerin der heutigen Bauhaus-Universität, ausgearbeitet wurden [1.24]. Die Bilder 1-24 und 1-25 zeigen zwei verschiedene Typen als realisierte Beispiele: Fachwerkbauweise mit Lehmstein-Ausfachung und massive Lehmsteinbauweise [1.25]. Aus der gleichen Hochschule stammen die Entwürfe für zweigeschossige Wohnhäuser in StampÁehmbauweise, darunter ein 1951 in Gotha ausgeführtes 18-Familien-Haus [1.26]. Bild 1-26 zeigt ein saniertes Mehrfamilienhaus aus StampÁehm aus den 1950er Jahren in Mücheln im Geiseltal bei Merseburg mit einem Wandfries, in dem die Lehmbauweise der Erbauungszeit dargestellt wird. Die Geschichte des Lehmbaus in der ehemaligen Sowjetischen Besatzungszone und der späteren DDR wurde von RATH [1.27] aufgearbeitet.
17
1
Entwicklung des Lehmbaus
Bild 1-24 Neubauernhof in Fachwerkbauweise mit LehmsteinAusfachung, 1947 [1.25]
Bild 1-25 Neubauernhof in LehmsteinBauweise, tragend, 1946 [1.25]
Bild 1-26
18
Mehrfamilienhaus in StampÁ ehmbauweise in Mücheln im Geiseltal bei Merseburg, Bauzeit 1950er Jahre mit Wandfries
1.4
1.4
Lehmbau heute – ökologische und wirtschaftliche Aspekte
Lehmbau heute – ökologische und wirtschaftliche Aspekte
Nach dem Bericht »Grenzen des Wachstums« an den Club of Rome (Meadows, 1972), nach den Erfahrungen mit der ersten globalen Ölkrise von 1973 setzte sich die Erkenntnis durch, dass der Energieverbrauch nicht ungebremst und parallel zum Wirtschaftswachstum verlaufen kann. Diese Erkenntnis wird heute auf den Ressourcenverbrauch als Ganzes übertragen. Im Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change 2007 (IPCC, www.awi.de) wird festgestellt, dass der CO2-Gehalt der Luft seit Beginn der industriellen Revolution um 1750 bis zum Jahr 2005 um 35 Prozent zugenommen hat. Dabei ist die Zuwachsrate der letzten zehn Jahre die größte seit 50 Jahren. Der heutige Wert ist der größte in den letzten 650.000 Jahren. 78 Prozent der Erhöhung ge-
1.4.1
hen auf die Nutzung fossiler Brennstoffe zurück, 22 Prozent auf Änderungen in der Landnutzung, z. B. Rodung des tropischen Regenwaldes. Im gleichen Zeitraum hat sich die Methan-Konzentration in der Luft um 148 Prozent erhöht. Obwohl beide Gase in der Luft nur in Spuren vertreten sind, gilt die Zunahme ihrer Konzentration als anthropogen und als eine der Ursachen für den »Treibhauseffekt« in der Atmosphäre mit einer globalen Erwärmung als Folgeerscheinung. Die bisher sichtbaren Auswirkungen sind im IPCC -Report im einzelnen aufgelistet. So hat die globale OberÁächentemperatur um 0,74°C zugenommen. Der Meeresspiegel ist seit 1993 um ca. 3 mm pro Jahr gestiegen, im 20. Jhdt. um insgesamt 17 cm.
Nachhaltiges Bauen
Im Bericht »Our common future« der Brundtland-Kommission (1987) an die UN-Kommission für Umwelt und Entwicklung wurde der Begriff »Nachhaltigkeit« erstmals im Sinne einer zukunftsverträglichen Entwicklung der Menschheit angewendet. Eine »nachhaltige Entwicklung« gewährleistet, »dass die Bedürfnisse der heutigen Generation befriedigt werden, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zur Realisierung ihrer eigenen Bedürfnisse zu beeinträchtigen«. Bauen erzeugt immer einen mehr oder weniger tiefen Eingriff in natürliche Ressourcen und Kreisläufe. Den Begriff »Nachhaltigkeit« auf das Bauen zu übertragen bedeutet, dass in allen Lebensphasen eines Gebäudes der Verbrauch vorhandener Ressourcen unter Berücksichtigung der Forderungen der Nutzer minimiert werden soll. Während im Bauprozess
nach traditionellem Verständnis vor allem gestalterisch-funktionale, statisch-konstruktive, stofÁiche und bauwirtschaftliche Aspekte bewertet wurden, ist Bauen heute zunehmend eine Optimierungsaufgabe, bei der Anforderungen der Nutzer zusätzlich mit Forderungen des Schutzes der Umwelt in Übereinstimmung zu bringen sind. Dazu ist es erforderlich, Schutzziele einer nachhaltigen Entwicklung zu formulieren. Ein solches Ziel ist der Schutz der natürlichen Ressourcen, z. B. die Vermeidung des exzessiven Verbrauchs nicht nachwachsender Rohstoffe, verbunden mit einer Reduzierung der Belastung der Umwelt mit schädlichen Emissionen. Ein zweites Beispiel ist der Schutz der Gesundheit der Nutzer der Gebäude vor unzureichenden raumklimatischen Bedingungen (gesundheitsgerechtes Bauen). 19
1
Entwicklung des Lehmbaus
Aus den formulierten Schutzzielen müssen auf der Grundlage der Kenntnis der UrsacheWirkungsbeziehungen Handlungsstrategien abgeleitet werden. Die Wirkungen müssen durch Indikatoren und die Festlegung von Bewertungsmaßstäben beschrieben werden. Eine Handlungsstrategie für das Schutzziel »Vermeidung des exzessiven Verbrauchs nicht nachwachsender Rohstoffe« ist z. B. die DeÀ-
1.4.2
Lebenszyklus und Stoffkreislauf eines Gebäudes
Die Übertragung dieses Ansatzes auf alle Lebensphasen eines Gebäudes führt zu einem zentralen Grundsatz des nachhaltigen Bauens: zur Analyse des Lebenszyklus oder des Stoffkreislaufes der im Bauwerk verarbeiteten Baustoffe. Dabei wird der gesamte Lebenszyklus von der Rohstofferkundung über deren Gewinnung, die Aufbereitung zu Baustoffen, deren Verarbeitung zu Bauteilen und -konstruktionen, die Bauwerksnutzung einschließlich Instandhaltung bis hin zum Gebäudeabriss und Recycling mit den jeweils dazwischen liegenden Transportwegen in Bezug auf die erzeugten Stoff- und Energieströme betrachtet. Beim Durchlaufen dieses Zyklus muss der Baustoff in jeder Stufe bestimmte Anforderungen erfüllen. Diese werden durch relevante Kenngrößen beschrieben, die durch standardisierte Prüfverfahren zu ermitteln sind. Ein Baustoff muss z. B. eine bestimmte Druckfestigkeit erreichen, um zu einer tragenden Konstruktion verarbeitet werden zu können. Die Erfüllung der Prüfkriterien sichert, dass nach Abschluss einer Verarbeitungsstufe die für diesen Abschnitt geforderten Eigenschaften erreicht werden. Der Baustoff oder das Bauteil ist gebrauchstauglich. Die Anforderungen an die Gebrauchstaug20
nition eines gewünschten maximalen Jahresenergiebedarfs für ein Gebäude, der durch eine Wärmedämmung der Außenwand erreicht werden kann. Die angestrebte Wirkung, z. B. die Einhaltung des deÀnierten Zielwertes für den Energiebedarf, ist durch ein geeignetes Nachweisverfahren zu überprüfen und zu bewerten. Dafür sind entsprechende Kennwerte oder Indikatoren notwendig.
lichkeit von Baustoffen und Bauteilen sind in Deutschland in der Musterbauordnung (MBO) sowie im Bauproduktengesetz (BauPG), auf europäischer Ebene in der Bauproduktenrichtlinie in allgemeiner Form beschrieben (Kap. 4. 1. 1. 3). Neben den im traditionellen Verständnis des Bauprozesses verankerten gestalterisch-funktionalen, statisch-konstruktiven, bauphysikalischen, stofÁichen und bauwirtschaftlichen Anforderungen gehören dazu auch die Gesundheit und Hygiene sowie der Umweltschutz. Diese Aspekte sind Gegenstand einer ökologischen Bilanzierung, bei der alle prozessbegleitenden Stoff- und Energieströme in Form einer Inventarisierung beschrieben und hinsichtlich ihrer ökologischen Auswirkungen bewertet werden. Sie sind bisher jedoch nur wenig in die allgemeine Bauplanung einbezogen worden. Ihre Berücksichtigung »rechnet« sich letztendlich aber auch ökonomisch. Bild 1-27 zeigt das Modell eines Stoffkreislaufes für den Baustoff Lehm. Nach Durchlaufen einer Verarbeitungsstufe erlangt der Lehm eine neue Qualität: Rohlehm wird zu Baulehm, Baulehm wird zum Lehmbaustoff usw. Mit der Wiederverwendung von Recyclinglehm schließt sich der Stoffkreislauf. Den einzelnen Zyklus- oder Verarbeitungsstufen
1.4
Lehmbau heute – ökologische und wirtschaftliche Aspekte
des Lehms sind die entsprechenden Lebensphasen des Gebäudes zugeordnet. In Tab. 1-1 werden die »traditionellen« Anforderungen mit den wesentlichen ökologischen Kriterien in Form von Kennwertgruppen und Parametern bezogen auf die Verarbeitungsstufen »Baulehm«, »Lehmbaustoff« und »Lehmbaukonstruktion« verknüpft und in einer Matrix dargestellt. Die für die Beschreibung der Gebrauchstauglichkeit relevanten Kennwerte mit entsprechenden Prüf kriterien für einen bestimmten Lehmbaustoff oder eine Lehmbaukonstruktion können aus dieser Matrix abgeleitet und müssen in eigenen Bau- oder Produktnormen deÀniert werden. In dieser Beziehung steht der Lehmbau erst am Anfang (Kap. 4.1.1.3).
Die derzeit angewendeten Prüfprozeduren sind überwiegend anderen Baustoffbereichen (z. B. Beton, Mauerwerk) entlehnt und für Lehmbaustoffe mehr oder weniger angepasst worden. Ihre Eignung bzgl. einer Anwendung im Lehmbau muss überprüft, ModiÀkationen und Prüfintervalle müssen ggf. festgelegt werden. Grundsätzlich müssen auch Lehmbaustoffe die allgemeinen Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit für ihren geplanten Einsatzzweck erfüllen. Es gibt keinen »Ökobonus«. Zukunftsfähig sind sie nur dann, wenn sie im Wettbewerb mit anderen Baustoffen bestehen können.
Aufbereitung, Formgebung, Trocknung Erkundung, Gewinnung, KlassiÀ zierung
L EH M B A U ST
BAULEHM
OF RS
F Verarbeitung und Fertigung
TE
LL
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GL
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Entsorgung
S
L EH M B
D ÄU
AUW
BAUTEIL
RECYC
E B ÄU
NU T ZU NG DE
B GE
L EH M
SG
Recycling
ES
K ER
Nutzung und Instandhaltung
Gebäudeabbruch
Bild 1-27
Stoffkreislauf des Baustoffes Lehm [1.28], [7.19]
21
1
Entwicklung des Lehmbaus
KenngrößenGruppe
Relevanter Bereich
1.
Masse-KG
physikalische KG
Gefüge-KG Körnungs-KG
2. chem.mineralog. KG
Säure-BaseReaktion Tonmineraltyp (Klasse) Beimengungen
3. Verarbeitungs-KG
Plastizität
4.
baumechanische KG
Formänderungs-KG elastisch/plastisch, lastunabhängig ~; lastabhängig Festigkeits-KG
5. bauphysikalische KG
feuchtetechnische KG
wärmetechnische KG
schallschutztechnische KG brandschutztechnische KG strahlenschutztechnische KG 6. bautenschutztechnische KG
22
Baustoffkenngröße
Verarbeitungs- Bau- Lehm- Lehmbau- Kap. Nr. lehm bauteil /~konstufe stoff struktion
Rohdichte Trockenrohdichte Reindichte Standarddichte Porosität Korngröße/Korngrößenverteilung
• • ••
•• •• ••
ph-Wert Aktivität Kationenaustauschkapazität Kalk Organische Beimengungen wasserlösliche Salze Wassergehalt Fließ- u. Ausrollgrenze Konsistenz Ausbreitmaß Bindekraft/Normsteife Feuchtedehnungen; Schwinden (-)/ Quellen (+) Elastizitätsmodul / Querdehnzahl Trockendruckfestigkeit Biegezugfestigkeit Haftzugfestigkeit Scherfestigkeit Verschleißfestigkeit Wasseraufnahme Gleichgewichtsfeuchte WasserdampfDiffusionswiderstandszahl Wasserdampfsorption Wärmeleitwert speziÀ sche Wärmekapazität WärmedurchgangskoefÀzient Wärmeeindringwert Schalldämmmaß Brennbarkeit (Klasse) Feuerwiderstand (Klasse) Abschirmung HF-Strahlung
Erosionsbeständigleit Winddichtigkeit biologische Beständigkeit Alterungsbeständigkeit Frostbeständigkeit
•• •• • •• • • •
• • •
3.6.1.2 3.6.1.2 3.6.1.5 3.6.1.4 3.6.1.1 2.2.3.1.
2.1.1.3 2.2.3.2 2.2.3.4 2.2.3.4 2.2.3.4 2.2.3.4
• • • •• • • •• •
2.2.3.2 2.2.3.2 2.2.3.2 3.6.2.1 2.2.3.2
• • • •• • •• • • •• •• •• •• •• •
3.6.2.1 2.2.3.3 3.6.2.1 3.6.2.2 3.6.2.2 3.6.2.2 3.6.2.2 3.6.2.2 3.6.3.1 5.1.2.4 5.1.2.2 5.1.2.5 3.6.3.2 3.6.3.2 5.1.1.3 5.1.4 5.1.3.1 5.1.3.2 5.1.6
5.1.2.6 5.1.5 5.2.3 5.2.2 5.2.1
1.4
7.
bauökologische KG
energetische KG Umweltwirkungs-KG
Lehmbau heute – ökologische und wirtschaftliche Aspekte
Energieverbrauch PEI, KEA Treibhauspotenzial, CO 2 -Äquivalent ozonabbauendes Potenzial ODP Versauerungspotenzial, Ozonvorläufer-Äquivalent Überdüngungspotenzial / Eutrophierung, PO 4 3- -Äquivalent photochem. Oxidanzienbildungspotenzial POCP, C2 H4 -Äquivalent troposphärisches Ozon vorläufer-Äquivalent, TOPP-Äquivalent
8. physiologische KG
SchadstoffGrenzwerte
Metalle/ Metalloide; TVOC; PAK; AOX; Phenolindex
9. bauästhetische KG
OberÁächenwirkung Rissbildung Farbwirkung
Qualtitätsstufen Q (Putz) Rissweitenbeschränkung
10. abfalltechnische KG
Sortenreinheit Wiederverwendung / Recycling
Schadstoffgehalte / Zuordnungswerte LAGA
11. bauwirtschaftliche KG
Mengen- u. Massen-KG
Masse- u. Gefüge KG Einheitspreis Richtzeitwerte
•• • • • • •
• • • •
Tab. 1-1
1.4.3
•• • • • • •
•• • • • • •
•
• •• • •• • ••
• ••
1.4.3.1 1.4.3.2 1.4.3.2 1.4.3.2 1.4.3.2
1.4.3.2
1.4.3.2
6.2.2.1
4.2.7.6 4.2.7.6 4.2.7.6 6.1.2 6.3.2
4.1.2.2, 3.6.1 4.1.2.2 4.1.2.2
Prüfverfahren / Prozedur bekannt kein Prüfverfahren bekannt
Relevante Kenngrößen in den Verarbeitungsstufen des Lehms
Quantitative Ökobilanz
Indikatoren und Berechnungsverfahren für eine quantitative Bewertung von Gebäuden in Form einer ökologischen Bilanzierung sind auf europäischer Ebene in einer Normenreihe DIN ISO 14 040-43 »Life cycle assessment« entwickelt und zusammengefasst. In diesem sehr komplexen Verfahren werden zunächst
Material- oder Konstruktionsalternativen verglichen und hinsichtlich ihrer Umweltauswirkungen quantiÀziert. Ergänzend dazu werden ökologische Wirkungen qualitativ abgeschätzt und bzgl. ihrer Bedeutung gewichtet. Für die gewählten Material- und Konstruktionsvarianten wird dann eine Kostenschätzung vorge23
1
Entwicklung des Lehmbaus
nommen, und schließlich werden soziokulturelle Kriterien (z. B. Ortsbilderhaltung, regionale Wirtschaftsstärkung) in die Bewertung einbezogen. In der DIN ISO 14 042 »Impact assessment« werden die wichtigsten Umweltauswirkungen bzw. Indikatoren für eine quan-
titative Ökobilanz deÀniert. Gut bekannt und eingeführt ist das Energiebilanzverfahren in Bezug auf den Energiebedarf für die Herstellung von Gebäuden bzw. von deren Baustoffen (Primär- oder Graue Energie) und den Betrieb von Gebäuden für eine deÀnierte Lebensdauer.
1.4.3.1 Energieverbrauch Der Energieaufwand zur Herstellung von Baustoffen einschließlich Herstellung und Transport der Ausgangsstoffe wird als Primärenergieinhalt (PEI ) oder -bedarf bzw. -verbrauch bezeichnet. Bei der Auswahl »ökologischer« Baustoffe gilt er als ein wichtiger Indikator. Für die Deckung des Energiebedarfs unterscheidet man weiter in erneuerbare (z. B. Biomasse), unerschöpÁiche (z. B. Sonne) und nicht erneuerbare Energieträger. Die nicht erneuerbaren Energieträger stehen nur noch in begrenztem Umfang zu Verfügung und sollen deshalb schonend genutzt werden. Auf den traditionellen Lehmbau übertragen ist bzw. war die manuelle Verarbeitung von geeignetem Baugrubenaushub zu Lehmbaustoffen und -konstruktionen vor Ort unter
PEI
Transportmittel [kWh / tkm]
0,43 1,43 0,72 1,00 1,45 3,10 0,04 0,27
Schiene PKW Westeuropa LKW 40 t LKW 28 t LKW 16 t Lieferwagen < 3,5 t Frachter Übersee Frachter Binnengewässer
Tab. 1-2 Energieverbrauch für übliche Transportmittel
Dennoch sind Lehmbaustoffe im Vergleich zu üblichen Hauptbaustoffen unter dem Aspekt des PEI auch heute konkurrenzlos günstig, selbst bei Nutzung von in der Herstellung 24
dem Aspekt des PEI ein Idealfall. Weil auch keine Transportwege für den Lehmbaustoff entstanden, war der PEI in diesem Falle Null. Der moderne Lehmbau ist jedoch weitgehend mechanisiert und gekennzeichnet durch die räumliche Trennung der Baustoffherstellung von der Verarbeitung auf der Baustelle, wodurch zwangsläuÀg Transportwege entstehen. Hersteller von Lehmbaustoffen in verschiedenen europäischen Ländern exportieren heute ihre Produkte bereits in das jeweilige Ausland. In einer ökologischen Baustoff-Bilanzierung schlagen lange Transportwege negativ zu Buche. Tab. 1-2 zeigt die PEI für übliche Transportarten nach [1.29]:
energieintensiven Zuschlägen oder Zusätzen. Ein Auswahl ist in Tab. 1-3 zusammengestellt [1.30]:
1.4
PEI [kWh /m³]
Baustoff
0-30 5 300 800-1.500 500-900 1.700 450-500 350 15.000 63.000 195.000 7.600-13.100 13.000
Lehm Strohplatten Holz, inländisch Holzwerkstoffe Ziegel/Klinker Zement Normalbeton Kalksandstein Flachglas Stahl Aluminium Polyäthylen PE PVC
Lehmbau heute – ökologische und wirtschaftliche Aspekte
Tab. 1-3 Primärenergiebedarf PEI für ausgewählte Baustoffe
Nicht selten wird der PEI eines Baustoffes oder einer Bauweise allein bei einer vergleichenden Bewertung zugrunde gelegt. Eine realitätsnahe Bewertung muss jedoch alle Lebensphasen eines Bauwerks berücksichtigen, denn die Baustoff- und Gebäudeherstellung umfasst nur einen vergleichsweise kurzen Zeitabschnitt. Der Bonus »niedriger PEI« kann so unter Umständen zu Lasten der Dauerhaftigkeit gehen und höheren Aufwand für Instandhaltung bedeuten. Dämmstoffe mit höherem PEI können durch Reduzierung der notwendigen Heizenergie sowie der damit verbun-
denen geringeren Emissionen während der gesamten Nutzungsdauer des Gebäudes diesen »Nachteil« ausgleichen oder gar in einen Vorteil wenden, der sich dann neben positiven Umweltwirkungen nicht zuletzt für den Bauherrn in Geldwerten ausdrücken lässt. Eine Ökobilanzierung kann dazu bei Planungen Hilfestellung leisten. Der kumulierte Energieaufwand (KEA) umfasst den Energiebedarf eines Gebäudes über den gesamten Lebenszyklus. Er wird nach VDI 4600 über bestimmte Annahmen und Szenarien abgeschätzt.
1.4.3.2 Umfassende quantitative Bewertung Bei einer umfassenden quantitativen Bewertung wird der gesamte Energieverbrauch mit den mit der Energieproduktion verbundenen Umweltwirkungen in die Betrachtung einbezogen. Dazu werden in der DIN ISO 14 042 neben dem PEI weitere Indikatoren benannt (Tab. 1-4). Die umfassende quantitative Ökobilanz analysiert auf der Grundlage der DIN ISO 14 040 alle für ein Bauprodukt notwendigen Gewinnungs- und Herstellungs- sowie Nutzungs- und Entsorgungsprozesse in allen Ein-
zelschritten. Zu vergleichende Produkteinheiten müssen dabei in ihren Funktionen genau übereinstimmen. Im Ergebnis der Analyse werden die ermittelten Einzelwerte zu den genannten Wirkungskategorien zusammengefasst. Die während der Nutzungsdauer notwendigen Instandsetzungszyklen der Bauteile oder Bauteilschichten werden dabei als Faktor berücksichtigt. Für die Berechnungen stehen geeignete Computerprogramme zur Verfügung.
25
1
Entwicklung des Lehmbaus
Nr.
Indikator
Abkürzung
Dimension
Bedeutung
1
Treibhauspotenzial
COՀ-Äquivalent, Global Warming Potential GWP
kg
gibt an, wie viel eine festgelegte Menge eines »Treibhausgases« zum Treibhauseffekt beiträgt. Vergleichsgröße ist COՀ mit dem Potenzial 1 bezogen auf 100 Jahre Verweildauer in der Atmosphäre. COՀ ist selbst ein wesentlicher Verursacher des Treibhauseffekts und somit der Erderwärmung.10 kg COՀAusstoß entsprechen in etwa der Aufbereitung und Verbrennung von 3 l Heizöl
2
ozonabbauendes Potenzial
CClՁF-Äquivalent, FCKW 11, Ozone Depletion Potential ODP
kg
das Ozonzerstörungspotenzial fasst die Wirkung verschiedener ozonzerstörender Gase zusammen, Bezugsgröße ist das FCKW. Die Ozon-Schicht in der Stratosphäre schützt vor aggressiver UV-Strahlung
3
Versauerungspotenzial
SO2-Äquivalent, AcidiÀ cation Potential AP
kg
Vergleichsgröße für das Versauerungspotenzial einer Emission in die Luft. Die Folge ist »saurer« Regen, Böden, Gewässer etc. Sekundäre Folgen an Gebäuden sind Korrosion von Stahl, Zersetzung von Naturstein, Beton und Lehm
4
Überdüngungspotenzial
Eutrophierung oder POՂ³ - Äquivalent
5
Photochemisches Oxidanzienbildungspotenzial
CՀHՂ-Äquivalent POCP
kg
wird auf die Wirkung von Ethen (CՀHՂ) bezogen. Durch intensive Sonneneinstrahlung entstehen in der bodennahen Luftschicht aggressive Reaktionsprodukte, darunter Ozon, die zu sog. Smog führen. Höhere Konzentrationen von Ozon sind humantoxisch
6
Troposphärisches OzonvorläuferÄquivalent
TOPP-Äquivalent, Tropospheric Ozone Precursor Potential TOPP
kg
ist der quantitative Ausdruck des bodennahen Ozonbildungspotenzials und wird aus der relativen Ozonbildungsrate der Luftschadstoffe CO, NMVOC (Áüchtige Nichtmethan-Kohlenwasserstoffe), NOx und CHՂ gebildet. Je größer das TOPP, desto höher ist die Gefahr von Sommersmog
7
Dauerhaftigkeit
a
ist der Zeitraum, in dem ein Baustoff in der zugeordneten Nutzung seine geplante Funktion aufrechterhalten kann
8
Heizwert
MJ
Energiemenge, die beim thermischen Recycling (Verbrennen) eines Stoffes frei wird. 1m³ Holz hat etwa einen Heizwert von 8. 000-13. 000 MJ (= 225-365 l Heizöl)
9
Recyclingpotenzial
Tab. 1-4
26
fasst Substanzen im Vergleich zur POՂ³ -Wirkung zusammen. Eine Überdüngung kann zur Anreicherung humantoxischer Stoffe im Grund- und Trinkwasser führen
stellt dar, wie viele Umweltlasten durch die »Kreislaufführung» eines Stoffes im Verhältnis zur Neuerzeugung vermieden werden können (Kap. 6.2.2). Die Werte für die Herstellung eines Stoffes müssten um das noch bestehende Recyclingpotenzial verringert werden
Indikatoren für eine umfassende quantitative Ökobilanz
1.4
Lehmbau heute – ökologische und wirtschaftliche Aspekte
Die abschließende Bewertung der ermittelten Kennzahlen ist je nach Situation in verschiedene Richtungen möglich: • Variantenvergleich der vorgeschlagenen Konstruktionen (Vorzugsvariante), • ökologische Folgenabschätzung (Gefährdungen), • Wirkung im Verhältnis zu einer bereits bestehenden Umweltbelastung. Eine ökologischen Bilanzierung in Form einer umfassenden quantitativen Analyse erfordert einen nicht unerheblichen Planungsaufwand sowie die Bereitschaft, traditionelle, gewohnte Planungsabläufe um Ansätze des Nachhaltigen Bauens zu erweitern. Dabei steht man nicht selten vor dem Problem einer mangelnden Datengrundlage. Trotz der Möglichkeit, mit den genannten Indikatoren ökologische Wirkungskategorien sehr detailliert beschreiben zu können, gibt es weiterhin prinzipiell bekannte, schädliche Umweltauswirkungen, die bisher noch nicht quantitativ erfasst werden können. Grundsätzlich besteht auch für die bereits deÀnierten Indikatoren die Frage nach der Abbildgenauigkeit von Zusammenhängen. Dadurch ist jedes Ergebnis der Analyse in seiner Aussage mehr oder weniger begrenzt. Option
KEA [kWh]
CSEB (manuell) CSEB (maschinell)
215 655 1.347
gebrannte Ziegel
Tab. 1-5
1.4.4
CO 2 -Äquiv. [kg] 94 189 508
Andererseits erscheinen ökologische Bilanzierungen schon heute als geeignetes Instrument, um plausibel erscheinende, ökologisch begründete Argumente auf ihre Wirklichkeitsnähe zu überprüfen. Dazu müssen die notwendigen Grundlagen und Instrumente jedoch noch weiter verbessert werden. Ein bewährtes Hilfsmittel ist das Computerprogramm GEMIS, das zur vergleichenden Analyse von Umwelteffekten der Energiebereitstellung und -nutzung in Form von Sachbilanzen und Wirkungsabschätzungen vom Öko-Institut e. V. Freiburg und der Gesamthochschule Kassel – Universität entwickelt wurde. Es ist seit der Version 3.0 (1996) als public domain-Software kostenlos erhältlich und darf auch unbeschränkt kopiert und weitergegeben werden (www.gemis.de). Unter Nutzung dieses Programms hat FREUDENBERG [1.31] verschiedene Parameter einer ökologischen Bilanzierung für gepresste, stabilisierte Lehmsteine (CSEB) ermittelt. Diese werden auszugsweise für manuell und maschinell hergestellte und mit jeweils 5% Zement stabilisierte Lehmsteine sowie gebrannte Ziegel für jeweils 1 t des Endprodukts in Tab. 1-5 gegenübergestellt:
SO 2 -Äquiv. [kg] 0,37 0,49 1,68
TOPP-Äquiv. [kg] 0,59 0,70 3,03
Rohstoffverbrauch [t] 2,53 3,05 1,55
Ausgewählte ökologische Parameter für stabilisierte Lehmsteine [1.31]
Wirtschaftliche Aspekte
HäuÀg wird von Bauherren die Frage gestellt, ob und um wie viel »teurer« das Bauen mit Lehm ist. Eine Einordnung von Lehmbauanteilen in die gesamte Kostenstruktur eines
Gebäudes kann regional sehr unterschiedlich sein. Bei einem üblichen Wohnungsbau in Holzständerbauweise mit einer Ausfachung aus Lehmbaustoffen kann man z.B. einen 27
1
Entwicklung des Lehmbaus
Preiswert von unter 10% der gesamten Baukosten annehmen, je nach Umfang und Art der verwendeten Lehmbaustoffe [1.28]. BreitÁächigere Angebote von Lehmbaustoffen könnten deren gegenwärtige Preisgestaltung noch »kundengünstiger« beeinÁussen. Bei der Entscheidung für einen »ganz bestimmten« Lehmbaustoff muss der Bauherr auch mit zusätzlichen Transportkosten rechnen, die darüber hinaus bei einer Bewertung des Gebäudes nach ökologischen Kriterien negativ zu Buche schlagen würden. Traditionelle Kostenschätzungen, -berechnungen und -feststellungen erfolgen nach DIN 276 auf der Grundlage aller bis zur Fertigstellung bzw. Übergabe des Gebäudes erbrachten Leistungen. Dabei werden wichtige Vorteile des Baustoffes Lehm, die der Gesellschaft im allgemeinen und dem Bauherrn im besonderen mittel- und langfristig »Nutzen« bringen, derzeit noch nicht kostenwirksam berücksichtigt. Dazu gehören die unbestritten günstige Primärenergiebilanz (Kap. 1.4.3.1)
1.5
Einordnung des Lehmbaus als Wissenschaftsgebiet
Für die Hauptbaustoffe Beton, Stahl, Stahlbeton und Ziegel haben sich vor allem in den letzten 50 Jahren spezialisierte Wissenschaftsgebiete innerhalb des Bauingenieurwesens entwickelt, an den Universitäten jeweils mit intensiver Lehr- und Forschungstätigkeit verbunden. Mit Zeitverzug trifft dies auch für den Holzbau zu. Auf den Baustoff Lehm bezogen verlief die Entwicklung, wie oben beschrieben, anders. Ein eigenes Wissenschaftsgebiet »Lehmbau« ist derzeit erst in Ansätzen zu erkennen. Es wird in dem Maße an Bedeutung und Eigenständigkeit gewinnen, wie aus der Baupraxis standardisierte Lösungen für Lehmbaustoffe und deren Verarbeitung zu gebrauchstauglichen 28
und die Recyclingfähigkeit (Kap. 6.2.2), die Dauerhaftigkeit bei fachgerechter Verarbeitung, bauästhetische und vor allem die positiven gesundheitlichen Aspekte der Lehmbaustoffe, insbesondere im Zusammenhang mit dem Innenraumklima (Kap. 5.1.1.2). Die Abschätzung der Betriebskosten mit den zu erwartenden Unterhaltungskosten über die gesamte Nutzungsdauer ist bisher nur im Ansatz möglich. Aspekte der Nachhaltigkeit im Sinne einer quantitativen Ökobilanz können derzeit nicht erfasst werden. So ist es z.B. nicht möglich, eine Prognose über Deponiekosten für Bauabfälle in 100 Jahren zu stellen, zu dem Zeitpunkt, wenn die Nutzungsdauer heute errichteter Gebäude abgelaufen ist. Gerade diese Frage wäre aber für die Preisbildung von Lehmbaustoffen und -arbeiten von Interesse. Ein realistischer Vergleich mit anderen Baustoffen würde zu dem Ergebnis führen, dass Bauen mit Lehm heute schon als kostengünstig eingeschätzt werden kann.
Bauteilen und Konstruktionen gefordert werden, wie sich Lehmbau zu einer Ingenieurbauweise entwickelt. Im Vergleich zu den genannten Hauptbaustoffen ist systematische Forschung zum Lehmbau wegen fehlender Anwendung jahrzehntelang unterblieben. Dieser »Forschungsstau« kann nur allmählich abgebaut werden. Im Rahmen eines Forschungsprojektes an der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung BAM mit einer Laufzeit von drei Jahren (Abschluss März 2011) werden erstmals ausgewählte baustofÁiche und bauteilspeziÀsche Aspekte des Lehmbaus in einem größeren Umfang systematisch untersucht. Andererseits wird Bauen mit Lehm zu
1.5
einem Teil immer auch eine Nicht-Ingenieurbauweise bleiben, denn Lehm ist im Gegensatz zu Beton und Stahl kein künstlich erzeugter, sondern ein von der Natur »hergestellter«, nicht standardisierter Baustoff. Der weitaus überwiegende Teil des Lehmbaus Àndet heute in Entwicklungsländern statt, und zwar nach traditionellen Verfahren im Selbstbau. Unter Lehmbau versteht man allgemein die Verarbeitung von Lehmbaustoffen zu Bauteilen und Konstruktionen des Hochbaus mit tragenden oder nicht tragenden statischen Eigenschaften. Die Abgrenzung zu den Bereichen Grund-, Verkehrs- und Wasserbau, in denen Lehm ebenfalls zu baulichen Anlagen verarbeitet wird, besteht darin, dass Konstruktionen des Lehmbaus im Gebrauchszustand grundsätzlich trocken sind. Die VerÁechtung verschiedener Wissenschaftsgebiete ist auch für den Lehmbau typisch. In den einzelnen Fachbereichen hat der »Rohstoff« Lehm deshalb auch sehr unterBAUSTOFF
Ästhetik – Baukörper / Umwelt – OberÁäche / Struktur – Farbe
Bodenmechanik – Erkundung u. Beurteilung v. bind. Lockergesteinen
Bodenkunde / Medizin – Eigenschaften der Tonminerale (Kationenbelegung) – Gesteinsverwitterung Mineralogie / Chemie – Tonminerale – Salze Grobkeramik – Aufbereitung
schiedliche Funktionen: z.B. als Rohstoff zur Herstellung keramischer Erzeugnisse in der Grobkeramik, als Baugrund zur Gründung von Fundamenten in der Bodenmechanik, als Boden für den Anbau von Feldfrüchten oder gar als Heilmittel in der Medizin. Jede Disziplin hat für die konkrete Anwendung des »Rohstoffes« Lehm eigene Kenngrößen oder Begriffsbestimmungen entwickelt, die Voraussetzung für eine Verständigung sind. Kenngrößen besitzen immer einen Inhalt, ausgedrückt durch eine Maßeinheit, und einen Umfang als qualitative Aussage über eine bestimmte Eigenschaft im Betrag oder Kennwert. Bild 1-28 zeigt ein VerÁechtungsmodell relevanter Wissenschaftsgebiete, die für den Lehmbau von Bedeutung sind. Dabei sind die baustoffbezogenen Fachgebiete den Grundlagenwissenschaften zugeordnet, die auf Lehmbauteile und -konstruktionen bezogenen den konstruktiv-planerischen und bauästhetischen Disziplinen. BAUTEIL / KONSTRUKTION
Baustoffkunde – Baustoffauswahl
Geologie – Entstehung von Böden – Gewinnung
Einordnung des Lehmbaus als Wissenschaftsgebiet
Konstruktion – Bauausführung – Nutzung / Sanierung – Abriss / Recycling LEHMBAU
Geschichte – Archäologie – Hausforschung Planung – Normen – Kosten – Bauökologie Bemessung – Statik – Bauphysik
Bild 1-28 Einordnung des Lehmbaus als Wissenschaftsgebiet
29
2 Erkundung, Gewinnung und Klassifizierung von Baulehm
Rohstoffgewinnung
Baustoffherstellung
Verabeitung und Einbau
Recycling
Gebrauchszustand
Entsorgung
Gebäudeabriss
Naturstoffe umfassen die in natürlichen Lagerstätten bzw. Beständen in der Natur vorrätigen Stoffe. Lehm kann man im natürlich gewachsenen Zustand deshalb auch als Naturlehm bezeichnen. Durch entsprechende Prüfverfahren kann festgestellt werden, ob ein Naturlehm generell für Zwecke des Lehmbaus geeignet ist. Mit ihrer Entnahme aus der natürlichen Lagerstätte und der Zuführung zu einem technischen Prozess werden Naturstoffe zu Rohstoffen. Sie erhalten einen Gebrauchswert. Naturlehm wird zu Roh- oder Baulehm.
2
Erkundung, Gewinnung und KlassiÀzierung von Baulehm
2.1
Naturlehm
2.1.1
Bildung von Naturlehmen
Lehme sind Teil des unter dem EinÁuss von Witterung, Flora und Fauna umgebildeten obersten Bereiches der festen Erdkruste und deshalb nahezu überall verfügbar. Dieser Be-
reich der Erdkruste wird in der Bodenkunde auch als Boden, in der Ingenieurgeologie als Lockergestein bezeichnet.
2.1.1.1 Bodenprofil Bei der Bodenbildung werden die Abbauprodukte der anorganischen und organischen Ausgangssubstanzen zu neuen, für den Boden charakteristischen Bestandteilen um- und aufgebaut (Ton und Humus). Sie können schließlich durch Niederschlagswasser, durch im Boden vorhandenes Grundwasser oder durch Bodenbearbeitung sowie Bodentiere abgeschwemmt, umgelagert oder durchmischt werden. Das Ergebnis ist die Differenzierung des ursprünglichen Gesteins in ein BodenproÀl mit einer Schicht ausgelaugten, humusreichen
Bild 2-1
32
Oberbodens (A-Horizont) und einem darunter liegenden Unterboden, in dem bestimmte Stoffe, z. B. Kalk, ausgefällt werden (B-Horizont). Das unverwitterte Ursprungsgestein wird als C-Horizont bezeichnet (Bild 2-1)[2.1]. Während der humusreiche A-Horizont die Grundlage für Vegetation und Landwirtschaft bildet, kann aus dem heller gefärbten, humusfreien B-Horizont geeigneter Baulehm entnommen werden. Die Horizonte A und B können auch vollständig fehlen, z. B. auf unbedeckten FelsÁächen.
A-Horizont
Humus / Auslaugung
B-Horizont
Ausfällung
C-Horizont
Ursprungsgestein
Vereinfachtes bodenkundliches NormalproÀl [2.1]
2.1
Naturlehm
2.1.1.2 Bodenbestandteile Man unterscheidet im Boden feste, Áüssige und gasförmige Bestandteile und verwendet deshalb auch den Begriff Dreistoffsystem. Ihre räumliche Anordnung und Verteilung bestimmt über die Nutzbarkeit für (bau)technische Zwecke (Kap. 3.6.1). Feste Bestandteile Zu den festen Bodenbestandteilen gehören die anorganischen und organischen Anteile. Die anorganischen Bestandteile werden gebildet aus Resten der Ausgangsgesteine und -minerale, z. B. Quarz (Silikate), Feldspat, Glimmer, Kalk, Gips, wasserlösliche Salze, Tonmineralien, Al- und Fe-Oxide. Bei den anorganischen oder mineralischen Böden kann man zum einen nach der vorherrschenden Korngröße d in vier Haupterdarten unterteilen (Tab. 2-2): Grobkorn: Kies, Sand, Schluff Feinstkorn: Ton (d < 0,002 mm). Diese Haupterdarten treten im Boden meist gemischt auf. Lehme sind typische Beispiele für gemischtkörnige Böden. Zum anderen differenziert man nach dem Tonanteil in bindige (hoch) und nicht bindige (gering oder fehlend) Erdarten. Im Tonanteil sind bindekräftige (Tonmineralien) und nicht bindekräftige Bestandteile (z. B. Quarz, Glim-
mer) enthalten. Die bindekräftigen Tonmineralien übernehmen die Funktion eines Bindemittels zwischen den groben Körnungen Schluff, Sand und Kies, die das »Skelett« bilden. Lehme sind bindige Böden. Je nach dem Anteil an organischen Bestandteilen unterscheidet man weiterhin in anorganische (kein Anteil), organisch durchsetzte (mit geringem Anteil) und organische Lockergesteine (mit hohem Anteil). Anorganische und organische Bestandteile treten im Boden meist zusammen auf. Eine KlassiÀzierung der Böden in bautechnischem Sinne erfolgt immer nach den festen Bodenbestandteilen (Kap. 2.2.3). Flüssige Bestandteile Die Áüssigen Bodenbestandteile werden durch das Bodenwasser gebildet. Man unterscheidet in den Bodenporen frei bewegliches Grundwasser, das durch Sickerwasser gebildet wird, sowie in gebundenes Kapillar- und Sorptionswasser (Bild 2-30). Gasförmige Bestandteile Zu den gasförmigen Bestandteilen gehört neben der Luft auch der Wasserdampf in den Porenräumen.
2.1.1.3 Einflussfaktoren der Bodenbildung Der Prozess der Bodenbildung vollzieht sich unter dem EinÁuss verschiedener Faktoren [2.2]: Klima Zeit Vegetation Gestein Relief menschliche Tätigkeit.
Diese Kräfte wirken ständig durch das Auslösen und den Ablauf physikalischer, chemischer und biologischer Prozesse auf den Boden ein. Sie bilden einen dynamischen Gleichgewichtszustand, der bei vergleichbaren Kräfteverhältnissen zu analoger ProÀlausbildung führt.
33
Erkundung, Gewinnung und KlassiÀzierung von Baulehm
Ionen: Ca 2+, Mg2+, Na+, K+ Kolloide: SiO2, Al2O3, Fe2O3
Tonbildung
Silikate Feldspate Augite Hornblenden Olivin
Verwitterung
Klima und Vegetation Je nach Höhe und Schwankungen der Lufttemperatur und Niederschläge wird das Festgestein mehr oder weniger stark mechanisch gelockert. Das mit verschiedenen Stoffen beladene Niederschlags- oder Schmelzwasser kann so in die Risse und Spalten eindringen und dort die kompliziert zusammengesetzten Minerale (Silikate, Quarz, Kalk) in chemisch einfachere Verbindungen (Alkali- und Erdalkaliionen sowie Kieselsäure) umwandeln (Verwitterung). Aus diesen einfacheren Verbindun-
gen werden Tonminerale neu gebildet. Diese und die wasserlöslichen Salze werden mit dem versickernden Regenwasser in größere Tiefen verfrachtet (Auswaschung). Dagegen verbleiben Fe- und Al-Ionen wegen ihrer geringeren Löslichkeit weitgehend am Ort und reichern sich hier an. Bild 2-2 [nach 2.2] zeigt das Schema der Zersetzung und Umwandlung der Ausgangsmineralien sowie der Tonneubildung.
ausreichend Ca 2+, Mg+, Fe3+ gehemmte Auswaschung
Montmorillonit [Al2(OH)2](Si2O5)2
ausreichend K+ gehemmte Auswaschung
Illit [Al2(OH)2](Si2O5)2
niedriger ph-Wert starke Auswaschung
Kaolinit [Al2(OH)4](Si2O5)
schnelle Verwitterung extreme Auswaschung
Freie Oxide [Al2(OH)6]
anorganisch Ausgangsmaterial
Zwischenprodukte
Tonminerale Huminstoffe
organisch
Bild 2-2
Abbau-, Umwandlungs- und Aufbauprozesse der anorganischen Bodenbestandteile, nach [2.2]
Beispielsweise lautet die entsprechende chemische Gleichung für das Mineral Orthoklas:
2K(Al Si3O8) + 2H+ + H2O Æ 2K+ + 4Si O2 + Al2 Si2O5(OH)4 Orthoklas
34
Tonmineral Kaolinit.
Tonmineralabbau, Wegfuhr (Auswaschung) von SiO2 und Kationen
2
2.1
Die neu gebildeten Tonminerale sind Silikate mit einem Schichtgitteraufbau, die infolge ihrer geringen Teilchengröße (d < 0,002 mm) und großen speziÀschen OberÁäche die Sorption von Wasser und damit entsprechende bautechnische Eigenschaften wie Schwinden und Quellen verursachen. Die wichtigsten Tonmineralien sind Kaolinit, Illit und Montmorillonit. Ihre Ausbildung ist abhängig von der Intensität der Gesteinsverwitterung und Auswaschung durch Sickerwasser: das extrem quellfähige Tonmineral Montmorillonit entsteht bei gehemmter, das wenig quellfähige Kaolinit bei starker Auswaschung (Kap. 2.2.3.4). Im feucht-heißen Klima der Tropen erfolgt die Gesteinsverwitterung am tiefgründigsten und schnellsten: beständig hohe Lufttemperaturen und Niederschläge, aber auch die üppige Vegetation wirken wie Katalysatoren. Parallel zu diesem Verwitterungsprozess verläuft ein Abbauprozess der in die Spalten eingedrungenen und später abgestorbenen Organismen zu einfachen Produkten (Mineralisation / Humus). Die starke Auswaschung durch große Mengen von Sickerwasser führt zur Bildung von wenig quellfähigen Tonmineralien. Das Ausgangsgestein wird chemisch verändert. Im trocken-heißen Klima wird das Ausgangsgestein infolge extremer Lufttemperaturschwankungen im Tagesverlauf sowie fehlender oder nur geringer Niederschläge und Vegetation vor allem mechanisch zerkleinert. Der Mineralbestand ändert sich dabei nur wenig. In Wüstengebieten sind wegen der fehlenden Niederschläge kalk- und gipshaltige Böden verbreitet. In semiariden Gebieten mit ausgeprägten Trocken- und Regenzeiten werden infolge gehemmter Auswaschung extrem quellfähige Tonmineralien neu gebildet. In kalten Klimaten fehlen die für eine Gesteinsverwitterung notwendigen Bedingungen. Das Gestein und eine ggf. vorhandene dünne Bodendecke sind permanent tiefgründig gefroren (Permafrostböden) und tauen nur wäh-
Naturlehm
rend der Sommerzeit für wenige Wochen auf. Vorherrschend ist eine physikalische Gesteinszersetzung infolge von Frost-Tau-Wechseln mit Schuttzonen aus losem, eckigem und scharfkantigem Material. Im gemäßigten Klima wirken die gleichen Faktoren der Gesteinsverwitterung wie im feucht-heißen Klima, jedoch mit deutlich verringerter Intensität und entsprechend geringerer Mächtigkeit der Verwitterungsschicht. Der neu gebildete Ton kann deshalb sowohl stark als auch weniger stark quellfähige Tonmineralien aufweisen. Zeit Die meisten Lehme in Europa sind während der jüngsten geologischen Periode, dem Quartär, entstanden (»gewachsen«). In der geologischen Einteilung der Gesteine werden sie der Gruppe der unverfestigten, klastischen Sedimente zugeordnet. Sie wurden z. B. durch eiszeitliche (holozäne) Ablagerungen gebildet oder stellen sich dar als Sedimente in Flussauen. Der Entstehungsprozess umspannt einen Zeitraum, der vor etwa 1, 5 Mio. Jahren begonnen hat und bis in die Gegenwart andauert. Über diesen Zeitraum betrachtet können Lehme entweder am Ort ihrer Entstehung verblieben (residual) oder durch verschiedene Transportmechanismen umgelagert worden sein. Entsprechend der Art ihres Transportes durch die Klimaelemente Eis (glazial), Wasser (alluvial) oder Wind (äolisch) und der anschließenden Ablagerung (Sedimentation) sind im BodenproÀl Unterschiede im Aufbau zu erkennen. Man unterscheidet den ungeschichteten Aufbau aus einem mehr oder weniger gleichen bzw. den geschichteten Aufbau aus mehreren verschiedenen Lockergesteinen. Geschichtete Lockergesteine in horizontaler Anordnung sind ungestört gelagert, während man alle Abweichungen davon als gestörte Lagerung bezeichnet. Auf Lehme bezogen können dies z. B. Einlagerungen von Faulschlamm, 35
2
Erkundung, Gewinnung und KlassiÀzierung von Baulehm
Bändertonen oder Kieslinsen sein. In dieser Zeit können sich am Entstehungsort auch die Klimaverhältnisse verändert haben: Kaltzeiten wurden durch Warmzeiten abgelöst und umgekehrt, mit entsprechenden Folgen für die Verwitterungsbedingungen des Gesteins und die Eigenschaften der jeweils entstandenen Böden. Zu einem früheren Zeitpunkt entstandene Bodenbildungen bezeichnet man als fossil, sich heute bildende Böden als rezent. Gestein und Relief Die Bodenbildung wird weiterhin bestimmt durch die Art des Ausgangsgesteins, jedoch immer im Zusammenhang mit den jeweils vorherrschenden Klimabedingungen. Im wechselfeuchten tropischen Klima entstehen z. B. auf reinem Kalkstein häuÀg rote, auf Mergel schwarze Böden. Die chemische Zusammensetzung und das Mineralgefüge bestimmen die Verwitterungsresistenz des Gesteins und damit auch die Zeitspanne für die Bodenbildung. Die Festgesteine werden nach ihrer Entstehung in drei Hauptgruppen unterteilt: Magmatite oder Erstarrungsgesteine (nach
2.1.2
Menschliche Tätigkeit Nicht zuletzt führt die Aktivität des Menschen durch Landwirtschaft, Viehzucht und Bautätigkeit zur Veränderung von Bodenbildungsprozessen. So hat sich durch die großräumige Abholzung tropischer Regenwälder sowie durch extensive Weidewirtschaft südlich des Sahel die Qualität der Böden in den betroffenen Gebieten nachhaltig verändert.
Bezeichnungen von Naturlehm
Lehme auf der natürlichen Lagerstätte werden nach ihrer Entstehung oder Genese klassiÀziert. In geologischen Karten werden sie als zusammenhängende Flächen von Böden mit gleicher Entstehungsgeschichte dargestellt und mit entsprechenden petrograÀschen oder lithogenetischen Bezeichnungen versehen. Eine Übersichtskarte zeigt als Beispiel die Vorkommen von in Bezug auf ihre Entstehung unterschiedlichen Lehmarten auf dem Gebiet der ehemaligen DDR (Bild 2-3 [2.3]). Die petrograÀschen Bezeichnungen vermitteln weiterhin qualitative Vorstellungen über 36
Anteil an SiO2: basisch (wenig und dunkel) und sauer [viel und hell]), Sedimente oder Ablagerungsgesteine, Metamorphite oder Umwandlungsgesteine. Darüber hinaus gibt es noch Gesteinsnebengruppen, die Merkmale von Gesteinen verschiedener Hauptgruppen aufweisen und deshalb nicht eindeutig einer Hauptgruppe zugeordnet werden können. Dazu gehören die Laterite (Kap. 2.1.2.6). Aber auch OberÁächenformen – Gebirge, Ebene, Tal, Mulde – mit den entsprechenden AbÁussbedingungen haben EinÁuss auf die Bildung der Böden. In Tälern und Becken mit mangelndem AbÁuss und hochstehendem Grundwasser können sich z. B. salzhaltige Böden ausbilden.
bestimmte Gruppeneigenschaften der Lockergesteine, z. B. Bandbreiten der Kornzusammensetzung und, auf Lehme bezogen, die Quantität und Qualität der Tonmineralien als »natürliches« Bindemittel. Die petrograÀschen Bezeichnungen sind deshalb als »Beispiele« durch die Zuordnung von Gruppensymbolen in das System der geotechnischen KlassiÀkation der Bodenarten nach DIN 18196 (Kap. 2.2.3.1) eingebunden. Lehme können auf sehr unterschiedliche Weise entstanden sein und deshalb in ihren Eigenschaften erheblich variieren. Mit der
2.1
Naturlehm
Eiszeitl. Ablagerungen (Geschiebelehme, Schluffe, Sande) Ablagerungen der Flußtäler (Lehme, Sande, Schotter) Verwitterungslehme(-gruse) der Felsgesteine Löss und Lösslehme Org. Ablagerungen (Torf, Faulschlamm)
Bild 2-3
Übersichtskarte zur Entstehung der Lehmvorkommen auf dem Gebiet der ehem. DDR [2.3]
37
2
Erkundung, Gewinnung und KlassiÀzierung von Baulehm
petrograÀschen Bezeichnung eines Lehms kann man deshalb schon auf der Lagerstätte allgemeine Aussagen über seine Eignung für
vorgesehene Einsatzzwecke und Verarbeitungsformen oder ggf. erforderliche ModiÀkationen treffen.
2.1.2.1 Löss und Lösslehm Löss ist eiszeitlicher, vom Wind verfrachteter, kalkreicher Flugstaub. Bei der Verwitterung wird der Kalk durch Niederschlagswasser gelöst, ausgewaschen und in tieferen Lagen in feinen Wurzelkanälen abgesetzt. Der »entkalkte« Lösslehm erhält dadurch eine im Vergleich zum Löss höhere Bindekraft. Die Endsilbe -lehm weist darüber hinaus auf einen fortgeschrittenen Verwitterungsgrad der Mineralsubstanz hin, bei dem der Tonmineralgehalt höher ist als im Ausgangsmaterial. Typisch für Lösslehm ist sein steil verlaufendes, schmales Körnungsband im Mittel- bis Grobschluffbereich (> 75%) mit geringem Tonkornanteil (< 10%) (Bild 2-4, nach [2.1]). Daraus ergeben sich eine geringe bis mittlere Plastizität sowie eine Erosionsgefährdung bei Wasserzutritt, was für den Lehmbau besonders unerwünscht ist. Im Falle von Kalkanteilen können durch »Verkittungseffekte« nach
Aufbereitung und Formgebung vergleichsweise hohe Trockendruckfestigkeiten erreicht werden. Hauptvorkommen in Deutschland: nördliches Mittelgebirgsvorland. Lösslehme sind weit verbreitet in Südosteuropa und Asien. Bekannt sind die bis zu mehrere hundert Meter mächtigen Lössvorkommen in China. Hauptminerale: Quarz 40 – 80 %, Feldspat 10 – 20 %, Kalkspat 0 – 50 %, Tonminerale (Lösslehm) Farbe: meist gelbocker, bei zunehmendem Kalkanteil gegen grau Lehmbautechnische Anwendung: Löss: ohne Zuschläge Verarbeitung schwierig, weil zu mager; mit Tonmehl- oder Sandzusatz für Putze und Leichtlehm, Lösslehm: Lehmsteine, Leichtlehm Kurzzeichen: Gruppensymbol nach DIN 18196: UL bzw. TM (Kap. 2.2.3.1).
2.1.2.2 Geschiebemergel und Geschiebelehm Geschiebemergel ist ein durch eiszeitlichen Transport als Grundmoräne ungeschichtet abgelagertes, kalkreiches Material mit typischem breitem Körnungsband vom Ton- über den Schluff-, Sand- und Kieskornbereich bis in den Bereich der Steine (Bild 2-5, nach [2.1]). Ähnlich wie bei Lösslehm sind in den oberÁächennahen Schichten die löslichen Kalkanteile meist ausgewaschen (Geschiebelehm). Auffällig an der Struktur sind die sogenannten Geschiebe. Das sind abgeschliffene und gerundete Gesteinsbruchstücke aus magmatischen oder metamorphen Gesteinen des skan38
dinavischen Gebirges, die in eine mehr oder weniger feinkörnige Grundmasse eingebettet sind. Verbreitet sind Einschlüsse von Ton-, Sand- und Kieslinsen sowie Partien, die völlig geschiebefrei sind. Hauptvorkommen in Deutschland: Grundund Endmoränenzüge der norddeutschen Tiefebene Hauptminerale: Quarz 40 – 50 %, Feldspat 5 – 30%, Tonmineralien 5 – 25%, Kalk 5 – 30% Farbe: je nach Kalkanteil und Verwitterungsgrad von grau nach gelbbraun lehmbautechnische Anwendung: StampÁehm
FEIN-
Bild 2-4
0,02
Ip=0,07 – 0,18
0,006 0,01
SCHLUFFKORN MITTELGROB-
0,06
0,1
FEIN-
Körnungsband Lösslehm, nach [2.1]
wL=0,25 – 0,35
0,002
TON
0 0,001
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
0,2
0,6
SANDKORN MITTEL-
1,0
GROB-
2,0
FEIN-
6,0
GROB-
STEIN
10 20 60 100 KORNDURCHMESSER d [mm]
KIESKORN MITTEL-
2.1 Naturlehm
Kurzzeichen: Gruppensymbol nach DIN 18196: TL bzw. ST*.
SIEBDURCHGANG IN GEWICHTSPROZENTEN [%]
39
40
SIEBDURCHGANG IN GEWICHTSPROZENTEN [%]
FEIN-
Bild 2-5
Ip=0,10 – 0,25
0,006 0,01
0,02
SCHLUFFKORN MITTELGROB-
0,06
0,1
FEIN-
Körnungsband Geschiebelehm, nach [2.1]
wL=0,23 – 0,40
0,002
TON
0 0,001
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
0,2
0,6
SANDKORN MITTEL-
1,0
GROB-
2,0
FEIN-
6,0
GROB-
STEIN
10 20 60 100 KORNDURCHMESSER d [mm]
KIESKORN MITTEL-
2 Erkundung, Gewinnung und KlassiÀzierung von Baulehm
FEIN-
Bild 2-6
0,02
Ip=0,02 – 0,30
0,006 0,01
SCHLUFFKORN MITTELGROB-
0,06
0,1
FEIN-
0,6
SANDKORN MITTEL-
0,2
Körnungsband Verwitterungslehm, nach [2.1]
wL=0,20 – 0,40
0,002
TON
0 0,001
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
1,0
GROB-
2,0
FEIN-
6,0
GROB-
STEIN
10 20 60 100 KORNDURCHMESSER d [mm]
KIESKORN MITTEL-
2.1 Naturlehm
SIEBDURCHGANG IN GEWICHTSPROZENTEN [%]
41
2
Erkundung, Gewinnung und KlassiÀzierung von Baulehm
2.1.2.3 Verwitterungslehm Verwitterungslehm ist nach der Kornverteilung mit Geschiebelehm vergleichbar, jedoch mit dem Unterschied, dass er sich noch auf der primären Lagerstätte beÀndet, also nicht umgelagert wurde. Deshalb sind Sand- und Kieskörner noch eckig und kantig. Im ProÀl ist ein kontinuierlicher Übergang von Verwitterungslehm über -grus und -schutt bis in das Ausgangsgestein zu erkennen (Bild 2-6, nach [2.1]). Hauptvorkommen in Deutschland: Mittel-
gebirge, Alpenvorland Hauptminerale: Quarz, Feldspat, Glimmer entsprechend der Zusammensetzung des Ausgangsgesteins, Tonminerale Farbe: abhängig vom Ausgangsgestein, oft braun Lehmbautechnische Anwendung: Stampflehm Kurzzeichen: Gruppensymbol nach DIN 18196: GT.
2.1.2.4 Aue- und Gehängelehm Aue- und Gehängelehme sind mittel bis stark bindige Sedimente der Hochwässer im Bereich der Flussauen (Auelehme). Nachbrechende Hänge bilden den Gehängelehm am Hangfuß. Je nach Fließgeschwindigkeit ist die Größe der gerundeten Körnungen von Ton über Schluff bis in den Sandbereich sortiert. HäuÀg sind organische Einlagerungen. Gehängelehme sind meist gröber gekörnt und unsortiert (Bild 2-7, nach [2.1]).
Hauptvorkommen in Deutschland: Flussauen, Talhänge Hauptbestandteile: wie bei Verwitterungslehm Farbe: gelb bis braun Lehmbautechnische Anwendung: Leichtlehme mit organischen Faserstoffen und mineralischen Leichtzuschlägen, Lehmsteine Kurzzeichen: Gruppensymbol nach DIN 18196: SU* bzw. GU*.
2.1.2.5 Tone Natürlich vorkommende Tone sind Gemenge von feinsten, mechanisch zerkleinerten, nicht plastischen mineralischen Bestandteilen, wie Quarzabrieb, Feldspatreste oder Glimmer, sowie Tonmineralien mit plastischen Eigenschaften als Neubildungen am Ende des Gesteinsverwitterungsprozesses. Vor allem im Tertiär sind die Tone durch chemische Verwitterung saurer (Granite, Syenite, Porphyre) und basischer Magmatite (Basalte) gebildet, abgelagert und später umgelagert worden. Die Korngrößen der Tone liegen mit > 40 % dominant im Bereich des Ton»-korns« d < 2 ƫm, der Anteil d > 0,06 mm (Sand) ist mit 42
< 10 % gering. Der Rest entfällt mit ca. 40% auf die Schluffkornfraktion, das Gruppensymbol nach DIN 18196 ist T. Die Farbpalette ist breit: sie reicht von weiß über grau bis schwarz. Vorkommen in Deutschland gibt es z. B. in Mecklenburg, im Thüringer Becken, in Nordsachsen und der Lausitz, im Gebiet um Meißen. In Bezug auf die Kornzusammensetzung wird damit der Unterschied zu den Lehmen deutlich: Im Vergleich zum Lehm fehlen dem Ton die groben Kornfraktionen Sand und Kies. Beide Erdarten enthalten jedoch Tonminerale als nicht hydraulische Bindemittel. Diese er-
FEIN-
Bild 2-7
Ip=0,10 – 0,25
0,006 0,01
0,02
SCHLUFFKORN MITTELGROB-
0,06
0,1
FEIN-
0,2
0,6
SANDKORN MITTEL-
Körnungsband Aue- und Gehängelehm, nach [2.1]
wL=0,20 – 0,75
0,002
TON
0 0,001
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
1,0
GROB-
2,0
FEIN-
6,0
GROB-
STEIN
Gehängelehm
Auelehm
10 20 60 100 KORNDURCHMESSER d [mm]
KIESKORN MITTEL-
2.1 Naturlehm
SIEBDURCHGANG IN GEWICHTSPROZENTEN [%]
43
2
Erkundung, Gewinnung und KlassiÀzierung von Baulehm
härten nur an der Luft. Sie umhüllen die gröberen Körnungen als feinste Überzüge. Bei der Herstellung von Lehmbaustoffen verleihen sie der Arbeitsmasse plastische Eigenschaften und Zusammenhalt sowie nach Austrocknung Stabilität und Festigkeit und erneut Plastizität bei Wiederbefeuchtung. Dieser Mechanismus ist beliebig oft wiederholbar. Dadurch erhält der Baustoff Lehm, aber auch der Ton, eine besondere ökologische Quali-
tät. Auf Grund dieses für Lehm und Ton in gleicher Weise wirksamen Mechanismus kann man aus der Sicht des Lehmbaus den Ton auch als »Sonderfall« des Lehms betrachten. Tone werden vor allem als Rohstoff in der keramischen Industrie verwendet. Industriell zu Tonmehl aufbereitet, werden sie auch in verschiedenen Bereichen des Bauwesens und des Lehmbaus eingesetzt.
2.1.2.6 Tropische Verwitterungsböden Das Klima der Tropen und Subtropen hat einen entscheidenden EinÁuss auf die Bildungsbedingungen der Böden, die in diesen Regionen zum Bauen verwendet werden. Das feuchtheiße oder humide Klima ist gekennzeichnet durch beständig hohe Lufttemperaturen und Niederschläge, während im trocken-heißen oder ariden Klima die Tagesamplitude der Lufttemperatur groß ist und nur geringe Niederschläge fallen (Kap. 2.1.1.3). Als Folge haben sich Böden herausgebildet, die in ihren bautechnischen Eigenschaften deutlich von denen der gemäßigten Klimagebiete abweichen [2.4]. Typische Beispiele tropischer Verwitterungsböden, die auch für den Lehmbau Bedeutung haben, sind Laterite und sog. Black cotton soils. Laterite Laterite sind die typischen Böden des humiden und semi-humiden Klimas. Sie bedecken z. B. rund ein Drittel der Fläche Afrikas. Auffällig ist ihre ziegelrote bis zimtbraune Farbe, von der sich auch der Name ableitet (later: lat. für Ziegel). Durch das humide Klima werden die oberen Gesteinsschichten in ihrer Mineralzusammensetzung chemisch so verändert, dass sie mit dem Ausgangsgestein kaum noch Ähnlichkeit aufweisen. Diese Neubildungen bezeichnet man auch als Rückstands- oder Residualbö44
den. Das ständig vorhandene Sickerwasser schwemmt die löslichen Minerale aus dem Gestein heraus und verfrachtet sie in tiefere Schichten. Zurück bleiben unlösliche Bestandteile wie Quarz, Fe- und Al-Oxide. Diese metallischen Oxide verkitten die Restmaterialien des Ausgangsgesteins zu neuen Bodenaggregaten. Sie geben dem Laterit auch die typisch rote Färbung. Außerdem wird Ton neu gebildet (Bild 2-2). Das dominierende Tonmineral ist das wenig quellfähige Kaolinit (Kap. 2.2.3.4). Im Spektrum der Korngrößen können alle Kornfraktionen vertreten sein. Bei der Erhärtung an der Luft bilden Laterite zwei Festigkeitsmatrizen aus: die aus dem Lehmbau der gemäßigten Breiten bekannte wasserlösliche, auf der Grundlage der Bindekraft der Tonmineralien beruhende und eine zweite, wasserunlösliche und durch metallische Oxide entstandene. Die letztere kann mit der Wirkung von Zement verglichen werden, wodurch sich vor allem die Witterungsstabilität der Baustoffe verbessert. In diesem Zustand bilden Laterite eine Übergangsform zwischen Locker- und Festgestein (Bild 3-18). Black cotton soils Die Bezeichnung »Black cotton soil« rührt her vom Baumwollanbau, der auf diesen Böden in großem Umfang vor allem in Indien betrie-
2.2
ben wurde. Typisch für diese Bodengruppe ist die schwarze bis dunkelgraue Farbe. »Black cotton soils« entstehen vor allem in Ebenen und Senken ohne ausreichenden AbÁuss auf Ca- und Mg-reichen basischen Magmatiten. Ihre Bildung ist gebunden an wechselfeuchtes, warmes Klima bei sehr unterschiedlichen Niederschlagsmengen zwischen 200 und 2000 mm / a und einem ausgeprägten Wechsel zwischen Durchfeuchtung und Austrocknung. In der Trockenzeit sind die Böden sehr fest, aber tiefgründig gerissen. Diese Risse wirken in der Regenzeit wie »Schlucklöcher« und weichen die Böden entsprechend auf. Der Hauptanteil der Körnungen dieser Böden liegt in der Ton- und Schlufffraktion. Infolge der gehemmten Auswaschung und bei ausreichend hoher Ca- und Mg-Konzentration bilden sich extrem quellfähige Tonmineralien der Montmorillonit-Gruppe aus (Kap. 2.2.3.4) (Bild 2-2). Diese Eigenschaft Àndet ihren Ausdruck in entsprechend hohen Plastizitätszahlen (Kap. 2.2.3.2).
2.2
Baulehm
Für Zwecke des Lehmbaus müssen diese Böden deshalb stark mit Sand gemagert werden. Bild 2-8 zeigt ein Körnungsband eines Black cotton soil aus dem Sudan [2.5]. Wüsten- und Halbwüstenböden In Regionen des trocken-heißen Klimas fehlt die schützende Vegetationsdecke (A-Horizont). Deshalb sind Staubbildung und -transport vorherrschend. Verbreitet sind episodisch oder periodisch auftretende Wasserläufe, die aus umliegenden Gebirgen mittransportiertes Material in Trockentälern (arab.: Wadis) ablagern. Wegen der fehlenden Niederschläge können wasserlösliche Bestandteile aus den Böden auch nicht ausgewaschen werden. Kalk und Salze reichern sich an. Bei stärkerer Durchfeuchtung infolge eines höheren Grundwasserspiegels (abÁusslose Becken, Meeresnähe) transportiert aufsteigendes und verdunstendes Grundwasser gelöste Salze an die ErdoberÁäche, die hier Kalk- oder Gipskrusten ausbilden (Na2SO4, MgSO4, NaCl).
Baulehm
Baulehm ist für die Herstellung von Lehmbaustoffen geeigneter Lehm [2.6].
2.2.1
Bezeichnungen von Baulehm
2.2.1.1 Grubenlehm Grubenlehm ist der natürlichen Lagerstätte frei von Humus und Wurzeln erdfeucht entnommener Baulehm. Unter dieser Produktbe-
zeichnung wird er von Firmen vor allem für den Selbstbau zur Aufbereitung und Weiterverarbeitung zu Lehmbaustoffen angeboten.
2.2.1.2 Trockenlehm und Tonmehl Trockenlehm und Tonmehl werden wie Grubenlehm der natürlichen Lagerstätte entnom-
men, getrocknet, gemahlen (Kap. 3.1.2.3) und in Pulverform / granuliert vor allem für den 45
46
SIEBDURCHGANG IN GEWICHTSPROZENTEN [%]
Bild 2-8
Körnungsband Ton
Ip=0,31 – 0,57
0,02
GROB-
ѫ s=190 – 1100 kN/m2
0,006 0,01
SCHLUFFKORN MITTEL-
wL=0,57 – 0,89
FEIN-
Ia=0,88 – 2,85
0,002
TON
0 0,001
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
0,06
0,1
FEIN-
0,2
0,6
SANDKORN MITTEL-
1,0
GROB-
2,0
FEIN-
6,0
GROB-
STEIN
10 20 60 100 KORNDURCHMESSER d [mm]
KIESKORN MITTEL-
2 Erkundung, Gewinnung und KlassiÀzierung von Baulehm
2.2
Selbstbau zur Weiterverarbeitung zu Lehmbaustoffen in Papiersäcken / big bags angeboten (Bild 3-6). Trockenlehm ist abgebauter, künstlich getrockneter und i. d. R. gemahlener Lehm ohne Kies- und Steinanteil. Trockenlehm kann zur Herstellung von Putzmischungen oder für spezielle Arbeiten, z. B. im Ofenbau, verwendet werden. Auch eine direkte Nutzung oder Wei-
Baulehm
terverarbeitung als / zu Anstrichen / Grundierungen von Holzteilen oder Putzuntergründen ist möglich. Tonmehl hat Körnungen überwiegend im Ton- und Schluffbereich. Es wird zur Erhöhung der Plastizität / Bindekraft gering plastischer / magerer Baulehme eingesetzt. Mit Sand und pÁanzlichen Faserstoffen gemagert wird Tonmehl auch zu Lehmplatten verarbeitet.
2.2.1.3 Recyclinglehm Recyclinglehm wird aus Abbruchbauteilen gewonnen, ggf. trocken zerkleinert und in den Baustoffkreislauf zurückgeführt (Kap. 6.2.2). Er gehört inzwischen zum Angebotskatalog von Unternehmen, die im historischen Baustoffrecycling tätig sind. In das Material dürfen keine Verunreinigungen gelangen, insbesondere Pilz- und Hausschwammsporen. In Lehmbauteile während
des Gebrauchszustandes durch Kapillarwasser transportierte und abgelagerte Salze können wie künstliche chemische Zusätze die Bindekraft des Recyclinglehms reduzieren und damit den Anwendungsbereich für eine erneute Nutzung einschränken. Ähnliche Einschränkungen sind aus hygienischer Sicht möglich, z. B. bei der Bindung von Gerüchen in abgebrochenen Stallbauten.
2.2.1.4 Presslehm Presslehm ist ein in Kiesgruben bei der Kieswäsche anfallendes Abfallprodukt, das als Kies-Wasch-Schlamm zunächst in Silos oder Becken aufgefangen wird. Er enthält im wesentlichen die in der Betonindustrie als Zuschläge nicht nutzbaren Feinstkörnungen Ton und Schluff. Der nach Entwässerung des Kies-WaschSchlamms in den Silos zurückbleibende Filterkuchen besitzt noch einen hohen Wassergehalt, der durch Pressen mit einer Siebbandpresse reduziert werden kann. Dadurch wird die Masse des Presslehms erheblich verringert. Für dieses Material, das jährlich in Deutschland schätzungsweise im Umfang von mehreren Mio. Tonnen anfällt (allein in Sachsen mehrere 100. 000 t / a [2.7]), gibt es derzeit noch keine sinnvolle Verwertung. Es wird u. a. zur
Verfüllung von Tagebaurestlöchern verwendet, schließt durch seine Instabilität aber eine spätere bauliche Nutzung des Geländes weitestgehend aus. Eine Anwendung im Lehmbau hatte bisher nur experimentellen Umfang, ist jedoch gut vorstellbar, weil das Material in der Kieswäsche bereits einer intensiven Aufbereitung, der Dispergierung (Kap. 3.1.2.5), unterzogen wurde. Zur Beschleunigung des Waschvorgangs im Kieswerk können dem Wasser auch Flockungshilfsmittel zugesetzt werden. Eine ökologische Bewertung der Art der Belastung durch dieses Material und damit eine mögliche Nutzung als Baulehm steht noch aus.
47
2
Erkundung, Gewinnung und KlassiÀzierung von Baulehm
2.2.2
Erkundung von Baulehm
Bei der Erkundung von Baulehm geht es um das AufÀnden von entsprechenden Lagerstätten, verbunden mit der Probenahme für Hand- oder Laborprüfungen. Die Erkundung gibt Aufschluss über den Schichtenverlauf und die räumliche Ausdehnung der Lehmvorkommen und ggf. vorhandene geologische Störungen und Grundwasserhorizonte. Die räumliche Ausdehnung auf einer Lagerstätte kann mit geeigneten Verfahren der geotechnischen Erkundung ermittelt werden. In der Vergangenheit wurden für den Abbau von Rohlehm meist örtliche Aufschlüsse (Lehmgruben) genutzt, in denen der Lehm in der Regel kostenlos für den Selbstbau zur Ver-
fügung stand. Oft deuten heute noch alte Flurbezeichnungen oder Straßennamen auf solche Lagerstätten hin. Weitere Informationsquellen sind geologische Karten. Alte Ziegeleistandorte sind ebenfalls Quellen für geeignete Rohlehme. FREYBURG [2.8] gibt eine Übersicht über 42 Standorte in der ehemaligen DDR mit einer Bewertung für eine Eignung als Baulehm. Da Lehmbaustoffe heute überwiegend werksmäßig hergestellt werden, benötigt man entsprechende Baulehme gleichbleibender Qualität in immer größerem Umfang. Dies kann nur durch eine ständige Kontrolle der wichtigsten Eigenschaften des verwendeten Baulehms gesichert werden.
2.2.2.1 Erkundungsverfahren Die Versorgung der Hersteller von Lehmbaustoffen mit Baulehm erfolgt heute zunehmend durch TiefbauÀrmen, die dadurch ihrerseits für den anfallenden Erdaushub Deponiekosten sparen. Muss Baulehm neu erschlossen werden, kann man sich bezüglich der Aufschlussverfahren an der geotechnischen Erkundungspraxis orientieren. Für die Erkundung von Baulehmen können in Abhängigkeit vom vorgesehenen Abbauumfang verschiedene Verfahren angewendet werden. Schurf Der Schurf ist eine begehbare Aufgrabung oberhalb von Grundwasserhorizonten bis maximal 3 m Tiefe (Bild 2-9 [2.11]). Bei standfestem Material kann man bis ca. 1,3 m auf einen Ausbau verzichten, bis in Tiefen von ca. 1,8 m müssen Saumbohlen zur Abstützung der Seitenränder des Schurfes gesetzt, bei größeren Tiefen muss ein voller Ausbau vorgesehen werden. Der Schurf bietet den Vorteil einer visuellen Begutachtung des Schichtenverlaufes bis 48
zur aufgegrabenen Tiefe sowie der direkten Probenahme für eine KlassiÀzierung als Baulehm. Nachteilig ist der erhebliche Aufwand beim Aushub, der entweder manuell oder maschinell betrieben wird. Sondierungen Bei Sondierungen werden Stahlstäbe mit einer eingefrästen Nut am unteren Ende bis zu einer Tiefe von maximal 2 m in den Boden eingerammt. Nach dem Ziehen der Sonde kann eine näherungsweise Beurteilung der durchfahrenen Bodenschicht vorgenommen werden.Veränderte Eindringwiderstände weisen auf Schichtwechsel im Untergrund hin. Eine direkte Probenahme ist nicht möglich. Der Vorteil der Sondierung besteht in ihrer sehr einfachen Einsatzmöglichkeit, der Nachteil in der nur näherungsweise möglichen Begutachtung der Erdstoffqualität. Ihr Einsatz ist deshalb nur in Verbindung mit Schurfen und Bohrungen sinnvoll. Zweckmäßig ist die Áächenhafte Erkundung
2.2
Baulehm
Kanalspindel oder Rundholzsteifen mit Hartholzkeilen Saumbohle Überstand 5 cm 80 cm
Entnahmezylinder
Bild 2-9 G. W. Sp. 80
40
des vorgesehenen Aufschlussgebietes in Form eines Rasternetzes von Sondierungen und ggf. Schurfen mit Abständen entsprechend der Größe des Erkundungsraumes. Heute können durch geophysikalische Voruntersuchungen mit geoelektrischen Sondierungen und refraktionsseismischen Untersuchungen mögliche Lagerstätten von Baulehmen näher eingegrenzt werden. Bohrungen Bohrungen bieten die Möglichkeit der Lagerstättenerkundung bis in größere Tiefen. Der Aufwand wächst dabei mit zunehmender Tiefe. Bei der Erkundung von Baulehmen sind Bohrungen nur sinnvoll, wenn es sich um große AbbauÁächen handelt, sowie als Ergänzung zu Schurfen und Sondierungen. Zur Bohrausrüstung gehört das Bohrgestänge mit Verlängerungs- und Aufsatzstücken
Erkundungsverfahren, Schurf
sowie der Antrieb (manuell oder Motor). Die Auswahl von Aufsatzstücken für die Entnahme von Lehmproben ist abhängig von der Konsistenz des Erdstoffes (Bild 2-10 [2.9]): bei Erdstoffen in halbfester bis fester Konsistenz sind Spiralbohrer zweckmäßig. Als Material zur Begutachtung wird der Erdstoff in den Spiralengängen herangezogen, oder der Spiralbohrer dient der AuÁockerung des Untergrundes für den Einsatz anderer Bohrwerkzeuge. Handelt es sich um Erdstoffe in weicher oder breiiger Konsistenz, werden zur Probennahme Schappen eingesetzt. Das sind Stahlzylinder, die einen Vertikalschlitz über die gesamte Höhe besitzen und am unteren Ende angespitzt sind. Die der Drehrichtung der Schappe entgegengerichtete Seite des Schlitzes ist nach innen gezogen, so dass sich während der Drehung der Zylinder mit Erdstoff vollsetzt.
2.2.2.2 Probenahme Gewinnung von Proben Bei der Entnahme von Bodenproben unterscheidet man hinsichtlich der unverändert gewinnbaren Parameter in 5 Güteklassen (DIN 4021).
Für Baulehmprüfungen kommt die Güteklasse 4 in Frage, nach der die Entnahme der Proben mit unveränderter Kornzusammensetzung (Kap. 2.2.3.1) erfolgt. Daraus ableitbare 49
2
Erkundung, Gewinnung und KlassiÀzierung von Baulehm
Werkzeug
Ventilbohrer (Schlammbüchse)
Schappe
Spiralbohrer
Meißel
Kraftübertragung
stoßend
drehend
drehend
stoßend
Erdart / Konsistenz – Lockergestein LG
bind. LG / breiig, organ. LG / breiig, trockene u. nasse nicht bind. LG
bind. LG / weich – steif, feuchte, nicht bind. LG
bind. LG / halbfest – fest
Schotter, Geschiebe
Skizze
Bild 2-10
Erkundungsverfahren, Bohrungen, nach [2.9]
Bodenparameter sind die Verarbeitungskenngrößen (Kap. 2.2.3.2) sowie der Gehalt an natürlichen Beimengungen (Kap. 2.2.3.4). Für eine Prüfung ist eine Lehmprobe von ca. 10 l pro Entnahmestelle (ca. ein Wassereimer) ausreichend. Die Proben werden mit dem Spaten erdfeucht aus dem humusfreien B-Horizont entnommen, der meist an seiner Hellfärbung im Vergleich zur Humusdeckschicht (AHorizont) zu erkennen ist (Kap. 2.1.1.1). Bei einem großÁächigen Abbau von Baulehm wird diese ohnehin abgetragen und zwischengelagert. Die Mindestentnahmetiefe beträgt 0,5 m. Bei erkennbar geschichtetem Aufbau des ProÀls oder gestörter Lagerung der Lehmschichten (Kap. 2.1.1.3) sind pro Entnahmestelle an mehreren Punkten etwa gleiche Mengen zu entnehmen und daraus eine Mischprobe herzustellen. Die Güteklassen 3 und 2 bezeichnen die Probenentnahme zur Bestimmung weiterer Kennwerte in ungestörter Form, die für die Prüfung von Lehmbaustoffen von Bedeutung sein können: GK 3 Wassergehalt (Kap. 2.2.3.2) und GK 2 Feuchtrohdichte (Kap. 3.6.1.2) des Lehm50
baustoffes bzw. -bauteils, wenn z. B. die erreichte Verdichtung und der Austrocknungsprozess in einem ausgeführten StampÁehmBauteil überprüft werden sollen. Handprüfverfahren Handprüfverfahren dienen zur überschlägigen Beurteilung der Eigenschaften des Rohlehms an der Lagerstätte für eine Verwendung als Baulehm vor Ort. Die Anwendung dieser Verfahren hat zum Ziel, vor allem die vorgefundene Kornzusammensetzung und Plastizität, aber auch die natürliche Erdstofffeuchte durch Handkontakt und einfach auszuführende Tests zu bewerten. Sie sind deÀniert in der DIN 4102-1. Handprüfverfahren können weiterhin angewendet werden zur qualitativen Beurteilung von Konsistenzformen und Zusammensetzung von Mischungen bei der Aufbereitung des Baulehms und der Verarbeitung der Lehmbaustoffe. Die Interpretation der Ergebnisse von Handprüfverfahren erfordert einige Erfahrung und sollte Fachleuten überlassen werden. Die Tests können unter dem Aspekt der werksmäßigen Herstellung von Lehmbaustoffen
2.2
Kornfraktion
Vergleichsgröße
Kieskornbereich Grobkies Mittelkies Feinkies
kleiner als Hühnereier und größer als Streichholzköpfe kleiner als Hühnereier und größer als Haselnüsse kleiner als Haselnüsse und größer als Erbsen kleiner als Erbsen und größer als Streichholzköpfe
Sandkornbereich
kleiner als Streichholzköpfe bis zur Grenze des noch mit dem bloßen Auge erkennbaren Kornes kleiner als Streichholzköpfe und größer als Gries gleich Gries kleiner als Gries, aber das Einzelkorn ist noch mit bloßem Auge erkennbar
Grobsand Mittelsand Feinsand
Tab. 2-1
Baulehm
Vergleich der Kornfraktionen Kies u. Sand mit Dingen des täglichen Bedarfs
notwendige standardisierte Laborprüfungen nicht ersetzen. Visuelle Prüfung der Kornzusammensetzung Bei der visuellen Beurteilung der Kornzusammensetzung des Rohlehms auf der Lagerstätte werden Vergleiche der Korngrößengruppen Kies und Sand mit Dingen des täglichen Bedarfs als Hilfsmittel herangezogen (Tab. 2-1). Die Korngrößen Schluff und Ton sind als Einzelkörner nicht mehr mit bloßem Auge erkennbar. Ihr Anteil kann mit Handtests zur Prüfung der Plastizität bzw. Bindekraft grob abgeschätzt werden. Gröbere Bestandteile als Grobkies werden als Steine, ab Kopfgröße als Blöcke bezeichnet. Zu beachten ist weiterhin die chemische bzw. mechanische Stabilität der Grobkörnungen, denn Verwitterungsböden auf Kalkstein liegen auch in den Kornfraktionen Sand und Kies vor. Handprüfungen auf der Entnahmestelle Sedimentationstest Er dient der überschlägigen Abschätzung der Kornzusammensetzung einer Baulehmprobe. Etwa 100 g des zu prüfenden Baulehms wer-
den in ein hohes Glas gegeben. Das Glas wird mit Wasser aufgefüllt und der Inhalt einige Minuten geschüttelt, bis sich alle Klumpen aufgelöst haben. Die schweren Kies- und Sandanteile setzen sich zuerst am Boden ab. Die Feinstbestandteile im Tonkorn halten sich am längsten in der Schwebe und trüben das Wasser. Proben, bei denen die Schlämme schon nach wenigen Stunden klar ist, enthalten nur wenige Feinstanteile. Bei Tonen ist die Schlämme noch nach mehreren Tagen trüb. Kugelformprobe Sie dient der Einschätzung der Bindekraft von Rohlehmen. Erdfeuchter Lehm wird mit den Händen zu Kugeln von ca. 5 cm Ø geformt. Bewertung: – Fetter Lehm klebt beim Formen an den Händen (wie Schmierseife), – magerer bis fast fetter Lehm klebt beim Formen nicht an den Händen, Probe bleibt nach Trocknen formstabil, – zu magerer (ungeeigneter) Lehm lässt sich kaum formen und fällt nach dem Trocknen leicht auseinander.
51
2
Erkundung, Gewinnung und KlassiÀzierung von Baulehm
Schneideprobe Eine erdfeuchte Probe wird mit einem Messer durchgeschnitten. Bewertung: – Fetter Lehm: SchnittÁäche glänzt auf Grund des hohen Tonkornanteils, – magerer Lehm: SchnittÁäche stumpf, Schluffund Sandkorn dominant, knirscht beim Schneiden. Prüfung der Trockendruckfestigkeit Eine trockene Probe wird zerbröckelt, der dabei spürbare Widerstand gibt Aufschluss über den Feinkornanteil. Bewertung: – Fetter Lehm: Probe lässt sich durch Fingerdruck nicht zerbrechen, – magerer bis fast fetter Lehm: Probe zerfällt nach mäßigem bis erheblichem Fingerdruck in einzelne Bruchstücke, – zu magerer Lehm: Probe zerfällt nach dem Trocknen ohne bzw. unter Anwendung von leichtem Fingerdruck. Reibeprobe Eine erdfeuchte Lehmprobe wird zwischen Daumen und ZeigeÀnger zerrieben. Bewertung: – Fetter Lehm: fühlt sich wie Schmierseife an und bleibt an den Fingern auch nach dem Trocknen kleben,
2.2.3
Riechprobe Ziel: Ausschließen von Lehm mit deutlichem Humusanteil, am typischen Humusgeruch der erdfeuchten Probe erkennbar. Geringe Humusanteile sind unschädlich und können die natürliche Aufbereitung des Baulehms durch Mauken (Kap. 3.1.1.3) positiv beeinÁussen. Farbe Die Färbung des erdfeuchten Lehms weist auf die chemische Zusammensetzung des Feinstkornanteils hin. Nach der Trocknung erfolgt ein Farbumschlag von dunkel nach hell. Die Farbtönungen von Lehmen reichen von schwarz, grau, beige, ocker, gelb-, rot-, zimtbraun bis rot und weisen auf folgende Anteile hin: hell-weiß Ca- und Mg-haltig dunkelbraun Mn grün Cl rötlich-gelb-braun Fe grau-schwarz Humus, organische Bestandteile (Geruchsprobe)
Klassifizierung von Baulehm
Bei der KlassiÀzierung von Baulehm geht es um den Nachweis der generellen Eignung des Lehms als Baustoff. Wesentliche Prüfkriterien sind Körnungs-, Verarbeitungs- und Formänderungskenngrößen (Tab. 1-1). Erst durch Ermittlung von Kenngrößen nach standardisierten Prüfverfahren kann eine verbindliche Aussage darüber getroffen werden, ob ein Lehm für eine bestimmte Anwendung geeignet ist oder 52
– magerer Lehm: feinkörnige Struktur fühlbar; nach dem Trocknen zerbricht der Lehm in Plättchen und fällt von den Fingern ab, – zu magerer Lehm: grobkörnige Struktur fühlbar; fällt nach dem Trocknen von den Fingern als Einzelkorn ab.
in welcher Weise er ggf. modiÀziert werden muss. Baulehme können nach DIN 18196 aus dem Bereich des Erd- und Grundbaus klassiÀziert werden. Seit 2007 gilt parallel die DIN EN ISO 14688-1. Baustoffkenngrößen sind Begriffsbestimmungen, gewissermaßen »Vokabeln« zur Verständigung und dienen der Beschreibung von Baustoffeigenschaften und Anforderungen an
2.2
Baukonstruktionen. Wie bei anderen mineralischen Baustoffen werden auch für werksmäßig hergestellte Lehmbaustoffe standardisierte Laborprüfungen zukünftig zur Grundlage des Nachweises
Baulehm
der Gebrauchstauglichkeit gehören. Welche Prüfungen dabei erforderlich sind, ist in den Lehmbau Regeln [2.6] festgelegt oder aus der jeweiligen Aufgabenstellung abzuleiten.
2.2.3.1 Körnungskenngrößen Körnungskenngrößen bezeichnen die Größe, Verteilung und Form der mineralischen Partikel im Baulehm. Korngrößen und Korngrößenverteilung Begriffe Eine KlassiÀzierung aller mineralischen Lockergesteine wie auch jener mit organischen Beimengungen erfolgt nach der Größe ihrer Mineralkörner in die Kornfraktionen Ton, Schluff, Sand, Kies und Steine durch Gruppensymbole (Kurzzeichen als Großbuchstaben). Für geotechnische Aufgaben sind die Korngrößenbereiche der Fraktionen in entsprechenden Vorschriften festgelegt. Deutsche (europäische) und amerikanische Vorschriften (UniÀed Soil ClassiÀcation System USCS, aber auch in Ländern mit [ursprünglich] englischen Maßsystemen) weichen dabei voneinander ab. Dies ist bei der KlassiÀzierung von Baulehmen zu beachten (Tab. 2-2). Lehme sind gemischtkörnige Erdstoffe, d. h. sie besitzen i. d. R. Anteile aus allen Korngrößenbereichen und können deshalb auch nicht einer einzigen Kornfraktion zugeordnet werden. Bei bestimmten Lehmarten können beispielsweise grobe Körnungen fehlen (Lösslehm). Immer aber sind Anteile von Ton im Kornspektrum vertreten. Die Kornfraktion »Ton« mit einer Teilchengröße d < 0,002 mm wird gebildet von den plastischen Tonmineralien und nicht-plastischen Anteilen aus Quarzabrieb, Glimmerplättchen etc. Im Bereich Feinschluff mit Korngrößen d > 0,002 mm können auch noch plastische
Tonmineralien enthalten sein (Kap. 2.1.2.5). In verschiedenen Quellen, z. B. in der russischen bodenmechanischen Literatur [2.23], wird deshalb die Grenze der Kornklassen Ton / Schluff mit d < 0,005 mm angegeben. Testprozeduren Die Kornfraktionen d 0,063 mm (Sand, Kies) werden durch eine Siebanalyse und die Teilchengrößen < 0,063 mm (Schluff, Ton) durch eine Schlämmanalyse bestimmt (DIN 18123). Für gemischtkörnige Erdstoffe (Lehme) wird eine kombinierte Sieb- und Schlämmanalyse vorgenommen. Dementsprechend werden die Kornfraktionen Ton und Schluff auch als Schlämmkorn, die Kornfraktionen Sand und Kies als Siebkorn bezeichnet. Siebanalyse Für eine Siebanalyse ist ein Siebsatz mit genormten Maschenweiten erforderlich, welcher die Hauptkörnungen der zu untersuchenden Probe repräsentiert. Der Siebsatz wird mit dem Sieb der größten Maschenweite oben und den jeweils kleineren Maschenweiten darunter auf einem Rütteltisch aufgebaut. Ein Auffangboden für die Körnungen < 0,063 mm und ein Deckel schließen den Siebsatz unten bzw. oben ab (Bild 2-11 [2.10]). Das bei +105°C getrocknete Probenmaterial wird auf das oberste Sieb gegeben und nach Vorschrift gesiebt. Die Siebrückstände werden einzeln gewogen und in einem Schema als Einzelpunkte dargestellt. Das Schema wird durch ein rechtwinkliges Achsensystem gebildet. Die Anteile der 53
2
Erkundung, Gewinnung und KlassiÀzierung von Baulehm
Gesamttrockenmasse in Prozent werden als Ordinate, die zugehörigen Siebmaschenweiten als Abszisse von links nach rechts steigend im logarithmischen Maßstab aufgetragen.
Durch Verbindung der Einzelpunkte erhält man die Kornverteilungskurve, auch Körnungslinie oder Korngrößenverteilung als Summenlinie der Massenanteile (Bild 2-12 [2.10]).
Bild 2-11 Siebsatz zur mechanischen Analyse der Korngrößen Sand und Kies nach DIN 18123 [2.10]
Schlämmanalyse Die Schlämmanalyse, auch Aräometerverfahren, beruht auf der Erfassung der zeitlichen Veränderung einer Suspensionsdichte, wobei die Korn»durchmesser« nach dem STOOKESschen Gesetz als äquivalente Größen bestimmt werden. Dazu werden ca. 50 g des feuchten Erdstoffes mit destilliertem Wasser unter Zusatz eines das Zusammenballen der Teilchen (Koagulation) verhindernden Chemikals, z. B. Natriumpyrophosphat, in einem Standzylinder (1000 ml) aufgeschlämmt. Ablesungen und Auswertung erfolgen nach einem festgelegten zeitlichen Regime (Bild 2-13 [2.10]). Die Schlämmanalyse kann für Teilchengrößen < 0,001 mm nicht mehr angewendet werden. 54
Kombinierte Sieb- und Schlämmanalyse Für die kombinierte Sieb- und Schlämmanalyse werden durch Einweichen der Probe in Wasser zunächst die durch die Tonminerale verursachten »Verkittungsstrukturen« aufgelöst. Bei der nachfolgenden Nasssiebung wird die Probe in ihre Kornfraktionen zerlegt, danach werden die getrockneten Siebrückstände gewogen. Die Auffangschale ist dazu mit einem AbÁuss für das Spülwasser ausgerüstet, aus dem die Feinerde < 0,063 mm aufgefangen wird. Nach Rücktrocknung und Auswiegen der Feinerde wird die Verteilung der Teilchengrößen durch eine Schlämmanalyse ermittelt und an die Sieblinie graÀsch angeglichen (Bild 2-12).
Bild 2-12
Schema für die Darstellung einer Kornverteilungslinie nach DIN 18123 [2.10]
2.2 Baulehm
55
2
Erkundung, Gewinnung und KlassiÀzierung von Baulehm
Bild 2-13 Schlämmanalyse mittels Aräometer zur Bestimmung der Teilchengrößen Schluff und Ton nach DIN 18123 [2.10]
KlassiÀkation nach Korngrößenbereichen / Kurzzeichen Nach Tab. 2-2 werden folgende Korngrößenbereiche unterschieden:
Nr.
1 2 3 4 5 6
Erdart
Steine Kies Sand Schluff Ton Organogene Lockergesteine
DIN 4022-1, 18123 bzw. 18196
USCS
Kurzzeichen ()* Korngrößen d [mm]
Kurzzeichen
Korngrößen d [mm]
X (Bo/Co) G (Gr) S (Sa) U (Si) T (Cl) O
B G S M C
76,2 4,75 d < 76,2 0,075 d < 4,75 0,002 d < 0,075 < 0,002
63 2,0 d < 63 0,063 d < 2,0 0,002 d < 0,063 < 0,002
O
()* Kurzzeichen nach DIN EN ISO 14688-1
Tab. 2-2
56
Korngrößenbereiche der Haupterdarten für geotechnische Aufgaben
2.2
In DIN 4022-1, 18123 bzw. 18196 bedeutet der Großbuchstabe, dass die betreffende Kornfraktion in der Probe den Hauptanteil bildet bzw. die bestimmenden Eigenschaften des Bodens prägt, und zwar – bei grobkörnigen Böden mit einem Feinkornanteil (Schluff und/oder Ton) < 5%, – bei gemischtkörnigen Böden mit einem Feinkornanteil von 5 – 40%, – bei feinkörnigen Böden mit einem Feinkornanteil > 40%. Nebenanteile von Kornfraktionen in einer Probe stellen keine bestimmenden Eigenschaften dar. Sie werden mit entsprechenden Kleinbuchstaben bezeichnet und dem Hauptanteil in der Reihenfolge ihrer Bedeutung nachgestellt. Nebenanteile, die in besonders starkem bzw. geringem Umfang vertreten sind, werden mit Horizontalstrich über dem Kurzzeichen / hochgestelltem Stern bzw. mit hochgestelltem Vertikalstrich bezeichnet. Beispiel: G, s*, u, t’– Kies, stark sandig, schlufÀg, schwach tonig. Zur SpeziÀzierung weiterer Eigenschaften kann an die Gruppensymbole ein zweiter Großbuchstabe angehängt werden: – Ungleichförmigkeit grobkörniger Böden: E (eng), W (weit) und I (intermittierend gestuft), – Plastizität bindiger Böden: L (leicht), M (mittel), A (ausgeprägt plastisch) (Kap. 2.2.3.2), – Unterteilung gemischtkörniger Böden nach Masseanteil des Feinkorns 0,063 mm: U oder T gering 5–15% bzw. U* oder T* hoch > 15–40%. Innerhalb der Kornfraktionen Schluff, Sand und Kies wird zusätzlich jeweils in die Untergruppen fein, mittel und grob unterschieden. Die Untergruppen werden mit Kleinbuchstaben f, m, g bezeichnet und »reinen Bodenarten«, die nur aus einer Kornfraktion bestehen, vorangestellt. Beispiel: gU – Grobschluff (0,02 > d < 0,06 mm).
Baulehm
Mit steigendem Tonmineralgehalt, also plastischem Anteil, tritt die Eigenschaft »Kornzusammensetzung« zurück gegenüber der Frage, welche Verarbeitungseigenschaften der Lehm aufweist. nach der Körnungslinie Aus der Körnungslinie lassen sich Hinweise auf wichtige verarbeitungs- und bautechnische Eigenschaften (Verdichtbarkeit, Druckfestigkeit, Erosionsstabilität, Formänderungen etc.) ableiten. Von Bedeutung ist dabei die Frage, ob der Baulehm nur aus wenigen unterschiedlichen Korngrößen besteht, d.h. gleichförmig ist, oder aber ob er aus vielen verschiedenen Korngrößen ungleichförmig zusammengesetzt ist. Dementsprechend verlaufen die Anstiege der Kornverteilungslinien steil oder Áach. Flache Abschnitte innerhalb einer stetig verlaufenden Körnungslinie bedeuten das Fehlen, steile Abschnitte oder Sprünge das Vorherrschen einer Korngruppe. Für Zwecke des Straßen- und Dammbaus wurden aus der Körnungslinie Maßzahlen abgeleitet, mit deren Hilfe die Verdichtbarkeit nicht und schwach bindiger Erdarten beurteilt werden kann. Grundsätzlich lassen sich bei gleichem Ausgangs-Porenvolumen ungleichförmige Lockergesteine besser verdichten als gleichförmige. Dabei werden bei ungleichförmigen Lockergesteinen die von den gröberen Körnern gebildeten Hohlräume durch die kleineren ausgefüllt und dadurch der Porenraum minimiert. Die Ungleichförmigkeitszahl Cu beschreibt die mittlere Neigung der Kornverteilungslinie: Je steiler der Anstieg, desto gleichkörniger der Erdstoff. Cu = d 60 /d10 d60 Korndurchmesser, welcher der Ordinate 60 % der Kornverteilungslinie entspricht, d30 dsgl. bei 30%, d10 dsgl. bei 10%. Lockergesteine mit entsprechenden Größen Cu werden wie folgt bezeichnet: 57
2
Erkundung, Gewinnung und KlassiÀzierung von Baulehm
Cu < 5 Cu = 5 bis 15
gleichkörnig (z. B. Strandsand) gleichförmig (z. B. Sand, Lösslehm) ungleichförmig (z. B. GeschieCu > 15 belehm, Verwitterungslehm) Die Krümmungszahl oder Kornabstufung Cc (auch Abstufung) beschreibt den Verlauf der Körnungslinie zwischen d10 und d60: Kleine Werte Cc deuten an, dass d30 nahe d10, große Werte, dass d30 nahe d60 liegt. Cc = (d30)2/d60 · d10 eng abgestuft Cc < 1 Cc = 1 normal abgestuft Cc > 1 ausgeprägt abgestuft Cc = 1 bis 3 gut abgestuft, z. B. Kiessand, Geschiebemergel Je gleichförmiger das Lockergestein, desto kleiner ist Cc. Durch einen an die Gruppensymbole der Kornfraktionen Kies G und Sand S angefügten zweiten Buchstaben erhält man Aufschluss über den durchschnittlichen Anstieg oder die Abstufung der Kornverteilungslinie: Benennung
Kurz- Cu zeichen
enggestuft E weitgestuft W intermitt. gestuft I
Cc
< 6 beliebig 6 1 bis 3 6 < 1 oder > 3
Diese Maßzahlen gelten für grobkörnige Böden (nicht bindige Kiese und Sande) mit einem Anteil 5% der Fraktionen Schluff und Ton, also für Lehmbauzwecke i. d. R. ungeeignete Lockergesteine. Das Modell der »dichtesten Kugelpackung« lässt sich im Prinzip auch auf Baulehme übertragen. Nach diesem Modell sind z. B. ungleichförmige Baulehme (Geschiebelehm) für die Verarbeitung zu StampÁehm besser geeignet als gleichförmige (Lösslehm). Mit ungleichförmigen Lehmen lassen sich größere Dichten und daraus folgend größere Druck58
festigkeiten im Vergleich zu gleichförmig gekörnten Lehmen erzielen, gleichen Mineralbestand vorausgesetzt. Jedoch wirken die Tonminerale durch ihre Klebekraft oder Kohäsion einer Verdichtung entgegen. Ein für Verdichtungszwecke ideal abgestuftes Lockergestein liegt vor, wenn dessen Kornzusammensetzung der FULLER -Kurve folgt (Bild 2-14) [2.11]): x = 100 (dx / d100)n dx Maschenweite des Siebes x Durchmesser des Größtkorns d100 n Abstufungsgrad Der Abstufungsgrad n = 0,5 gilt für eine »dichteste Kugelpackung«, die jedoch bei natürlichen Böden keine Entsprechung Àndet, da die Kornform i. d. R. von der Kugelgestalt abweicht. HOUBEN/GUILLAUD [2.12] empfehlen deshalb n = 0,35 für Sande und Kiese und n = 0,25 für Lehme. Mit Erdstoffen dieser Art kann bei entsprechender Verdichtung und optimalem Wassergehalt der geringst mögliche Hohlraumgehalt, d. h. eine größte Dichte erreicht werden. Zu jedem gröbsten Korn in einem Kornhaufwerk kann eine FULLER -Kurve ermittelt werden, die den dieser Korngröße adäquaten dichtesten Kornaufbau nach entsprechender Verdichtung liefert. Auf diese Weise künstlich zusammengesetzt sind Erdstoffe für Dichtungskerne von Erddämmen. Denn nur die Kontinuität der Kornverteilungskurve bietet die Gewähr für deren Erosionsbeständigkeit und Abdichtungswirkung. Diese Erdstoffe werden auch als Erdoder Tonbeton bezeichnet. Für Untersuchungen an verdichteten Schluffen verwendete PLEHM [2.13] einen Tonbeton, der aus einem kiesigen Sand als Grundmaterial (100 Gewichtsteile GT), Caminauer Schluff (10 GT) und Guttauer Tonmehl (15 GT) zusammengesetzt wurde. Auch bei Verdichtungsaufgaben im Lehmbau, z. B. bei der Herstellung von Wandkon-
grob
grob
0 % 10
80
20
70
30
rv
e1
60 50
Ku
Siebdurchgang
Kies mittel
fein
40
Ku
e rv
40
2
Fu
lle
u rk
rv
50
e Ku
r
3 ve
60
30
70
20
80
10
90
0 0,06
0,2
Cc 0,97 2 1,6 2,3
0,6
2,0 6 Korndurchmesser d
20
Baulehm
Siebrückstand
100 % 90
Sand mittel
fein
Steine
2.2
100 60 mm
Kornabstufung schlecht gut gut ideal
Kurve 1 2 3 FULLER
Cu 9,6 50 18,2 35,8
Bild 2-14
Kornabstufung für verschiedene Kornverteilungen einschl. FULLER -Kurve [2.11] dmax = 60 mm
struktionen aus StampÁehm, kann man Baulehme nach diesem Schema auswählen oder aber mit geeigneten Zuschlägen künstlich zusammensetzen. In dem in [3.22] beschriebenen Beispiel stand ein Lösslehm als Baulehm für die Herstellung einer StampÁehmkonstruktion zur Verfügung. Er wurde nach dem Modell der FULLER -Kurve mit Grobzuschlägen modiÀziert (Bild 2-15) und erreichte dadurch die vorgesehenen Festigkeitskennwerte. Eine generell für Lehmbauzwecke optimal zusammengesetzte Kornverteilungslinie gibt
es jedoch nicht, denn je nach Einsatzgebiet des Lehmbaustoffes müsste diese »ideale« Körnungslinie durch Vorgaben variiert werden. StampÁehm erfordert beispielsweise einen Kiesanteil, Putze verlangen einen hohen Sandanteil. Bei luftgetrockneten Lehmsteinen ist ein höherer Tonanteil erforderlich.
59
Bild 2-15
60
Kornverteilung eines mit Grobzuschlägen modiÀzierten Lösslehms für Verwendung als StampÁehm [3.22]
Lösslehm Kleinfahner; Baulehm
modiÀzierter Lösslehm
errechnete »Idealkurve«
2 Erkundung, Gewinnung und KlassiÀzierung von Baulehm
2.2
0
100 %
10
90
20
80
nd
30
Sa
Baulehm
70
40
60 Ton
50
n To
50
P1 sandiger Ton 70
60
schlufÀ ger Ton 30
sandiger, toniger Lehm
80
schlufÀ ger, toniger Lehm
toniger Lehm
P2 sandiger Lehm
90 % 100 0
40
Lehm
20
schlufÀ ger Lehm
10
Sand 10
Bild 2-16
20
30
40
50 Schluff
60
70
80
90 %
0 100
Darstellung verschiedener Lehmarten nach ihrer Kornzusammensetzung im Dreiecksnetz [2.11] Kornform
rund
Kornrauigkeit
plattig
scharfkantig
gedrungen
stäbchenförmig
kantig
prismatisch
plättchenförmig
rundkantig
Bild 2-17
gerundet
glatt
Kornformen und Kornrauigkeit, nach [2.14]
61
2
Erkundung, Gewinnung und KlassiÀzierung von Baulehm
nach den plastischen Anteilen Allein aus der Kornzusammensetzung eines Lehms kann keine umfassende Bewertung seiner Eignung als Baulehm abgeleitet werden, weil damit die Qualität der Tonmineralien nicht erfasst wird. Die Tonmineralien charakterisieren die verarbeitungstechnischen Eigenschaften des Baulehms (Tab. 1-1). Ältere, auf amerikanische Forschungen aus dem Straßenbau zurückgehende Darstellungen verschiedener Lehmarten im Dreiecksnetz Ton Schluff - Sand (Bild 2-16 [2.11]), in das eine Einzelprobe als Ergebnis der Analyse ihrer Kornzusammensetzung eingeordnet und klassiÀziert werden kann, berücksichtigen diese Tatsache nicht. In die geotechnische BodenklassiÀzierung von Lehmen nach DIN 18196 gehen deshalb neben Körnungs- immer auch Verarbeitungskenngrößen ein (Kap. 2.2.3.2). Kornform und Kornrauigkeit Neben der Kornzusammensetzung eines Lehms ist auch die Form und die OberÁächenrauigkeit der Einzelkörner von Bedeutung. Man unterscheidet z. B. kugelig, prismatisch, stäbchen- und plättchenartig geformte Einzelkörner, deren OberÁäche kantig, gerundet oder glatt sein kann (Bild 2-17 [2.14]). Bei grobkörnigen Lehmen sind Kornform und -rauigkeit von der Art des Ausgangsgesteins und der Entstehungsgeschichte abhängig. Die Körnungen umgelagerter Lehme (z. B. Geschiebelehm) sind i. d. R. gerundet bis glatt, die nicht umgelagerter Lehme (z. B. Verwitterungslehm) dagegen scharfkantig bis kantig. Letztere weisen eine entsprechend höhere Scherfestigkeit auf. Bei feinkörnigen Lehmen ist die Kornform von der Mineralart abhängig: Quarz und Kalk sind gedrungen bis prismatisch, Tonminerale i. d. R. plättchenförmig. Kornform und -rauigkeit spielen eine Rolle bei der künstlichen Zusammensetzung einer Körnung nach der FULLER -Kurve. 62
KornoberÁäche Das Verhalten gegenüber Wasser ist eine kennzeichnende Eigenschaft des Lehms (Kap. 3.6.3.1). Wie viel Wasser ein Lehm adsorptiv binden kann, ist abhängig von seiner speziÀschen KornoberÁäche As, der OberÁäche der Körner A von 1g Trockenmasse md. Sie nimmt mit abnehmender Korngröße zu, da das Volumen mit der dritten, die OberÁäche aber mit der zweiten Potenz der Korngröße anwachsen. Sie ist darüber hinaus von der Kornform abhängig. Die speziÀsche KornoberÁäche As wird ermittelt (Bild 2-18 [2.14]): As = A/md = Ơ / d · Ưs [cm2/g], d Teilchengröße Ưs Reindichte Ơ Formfaktor. Die Formfaktoren Ơ ergeben sich – für würfel- und kugelförmige Körner (Quarz) zu Ơ = 6, – für Plättchen der Dicke 0,1d (Kaolinit, Illit) zu Ơ = 24, – für Plättchen der Dicke 0,01d (Montmorillonit) zu Ơ = 204. Die an den KornoberÁächen adsorptiv gebundene Wassermenge ist der KornoberÁäche proportional und wächst mit der Kornfeinheit. Das Bild zeigt weiterhin den Wassergehalt w für eine adsorptiv gebundene Wasserschicht von 1·10 – 6 mm = 10 Å Dicke. Die molekularen Anziehungskräfte der Körner üben auf das adsorptiv gebundene Wasser einen extrem hohen Druck aus, wodurch dieses eine erhöhte Dichte und Zähigkeit erhält (Kap. 2.2.3.4).
2.2
Baulehm
w 0,01
0,1
1
10
100 %
10 mm
1 mm Quarz
d
0,1 mm
10 m Montmorillonit 1 m Kaolin Illit
0,1 m 0,001
0,01
0,1
1
10
100
1000 m2/g
As
Bild 2-18
Korngröße und speziÀsche OberÁäche verschiedener Tonmineralien [2.14]
2.2.3.2 Verarbeitungskenngrößen Verarbeitungskenngrößen charakterisieren den Widerstand des PrüÁehms gegenüber (plastischer) Formgebung und Verdichtung in Abhängigkeit von Zeit und Verarbeitungsart. Dieser Widerstand, auch Kohäsion, wird von den OberÁächenkräften der feinkörnigen mineralischen Bestandteile des Baulehms gebildet, deren Größe von Korndurchmesser, Struktur der Tonmineralien und Wassergehalt abhängig ist. Wassergehalt Begriffe Der Wassergehalt w einer Lehmprobe ist das Verhältnis der Masse des Porenwassers mw
zur Trockenmasse der Lehmprobe md w = mw / md [-]. Die Sättigungszahl Sr ist das Verhältnis des mit Wasser gefüllten Porenanteils zum Gesamtporenanteil (Kap. 3.6.1.2). Testprozedur Zur Bestimmung des Wassergehaltes w nach DIN 18121-1 ermittelt man die Masse des Porenwassers mw als Massendifferenz vor und nach der Trocknung der Baulehmprobe bei +105°C. Die kapillare Wasseraufnahme von Baulehmen kann nach DIN 18132 mit dem Versuchsgerät nach ENSLIN-NEFF (Bild 2-19 [2.9] 63
2
Erkundung, Gewinnung und KlassiÀzierung von Baulehm
[2.15]) bestimmt werden. Danach wird die Wasseraufnahme mwg von 1g getrocknetem Lehm md mit d 2 mm unter deÀnierten Bedingungen zeitabhängig ermittelt und der maximale, nach 4 Minuten erreichbare Wert als Wasseraufnahmevermögen wa bezeichnet: wa = mwg/md [-]. Labor- und Rechenwerte Die Zustandsform einer Baulehmprobe in Bezug auf den Füllungsgrad der Poren mit Wasser kann man mit der Sättigungszahl Sr wie folgt beschreiben: Sr [-] Zustandsform 0 trocken > 0– 0,25 feucht 0,25– 0,50 sehr feucht 0,50– 0,75 nass 0,75–1,0 sehr nass > 1,0 wassergesättigt. Bezüglich des Wasseraufnahmevermögens wa lässt sich folgende Tendenz feststellen: Magere Baulehme (wa 0,3) nehmen sehr schnell vergleichsweise wenig Wasser auf, fette Lehme bzw. Tone (wa = 0,6 – 1,5) dagegen sehr viel Wasser, allerdings über einen langen Zeitraum [2.15]. Eine andere Möglichkeit der Abschätzung der Wasserbeständigkeit besteht über den im Erd- und Dammbau verwendeten KoefÀzienten der Wasserdurchlässigkeit k. Bei k 1x10-5 mm / s ist der Lehm gut wasserbeständig. Plastizitätsindex Ip; Konsistenzindex Ic Begriffe Der Plastizitätsindex IP (Plastizitäts- oder Bildsamkeitsbereich) ist das grundlegende geotechnische KlassiÀkationsmerkmal für den Grad der Plastizität eines Lehmes. Er wird bestimmt aus der Differenz zweier standardisierter, von der natürlichen Erdstofffeuchte unabhängiger Wassergehalte: dem Wassergehalt an der Fließgrenze wL und dem an der Plastizitäts- oder Ausrollgrenze wP (ATTERBERG ) 64
IP = wL – wP [-]. Für den PrüÁehm kennzeichnet dabei der Wassergehalt wL den Übergang von der breiigen zur Áüssigen, der Wassergehalt wP den Übergang von der steifen zur halbfesten, nicht mehr bildsamen Konsistenz. Innerhalb der Grenzen des Plastizitätsbereiches ist der Lehm »bildsam« und kann geformt werden. Der Wassergehalt an der Schrumpfgrenze wS kennzeichnet den Übergang der Konsistenz einer Lehmprobe von halbfest nach fest. Der Lehm ist mit üblicher Verdichtung nicht mehr formbar. Die Konsistenz oder Zustandsform eines PrüÁehms, ausgedrückt durch den Konsistenzindex IC (auch Konsistenzzahl), vergleicht den aktuellen Wassergehalt w der Probe mit den für den gleichen Baulehm nach DIN 18122 ermittelten stoffspeziÀschen Wassergehalten wL und wP: IC = (wL – w) / IP [-]. In der geotechnischen Terminologie werden Lockergesteine mit Tonmineralanteilen als bindige / plastische (Lehme, Tone), solche ohne Tonmineralanteile (Sande, Kiese) als nicht bindige / nicht plastische Erdstoffe bezeichnet. Die empirisch ermittelte A-Linie im Plastizitätsdiagramm Ip = 0,73 (wL – 20) [-] trennt die Tone von den Schluffen (Bild 2-20). Die Plastizität wird dabei in die drei Bereiche leicht, mittel und ausgeprägt plastisch unterteilt. Diese Bereiche werden für die KlassiÀkation der Bodenarten nach DIN 18196 in das Kurzzeichen als zweiter Buchstabe L, M bzw. A nach dem Gruppensymbol übernommen (Kap. 2.2.3.1): Beispiel: UL, leicht plastischer Schluff (z.B. Löss). Testprozeduren Fließgrenze wL Die Bestimmung des Wassergehaltes an der Fließgrenze wL wird nach dem Verfahren von CASAGRANDE vorgenommen (DIN 18122-1).
2.2
Baulehm
Trichter Probe Filterplatte
Meßpipette Verbindungsrohr
0,6 c
Wasseraufnahme w
0,5 0,4
wb
0,3
wb
a – schwach bindig b – mittelbindig c – hoch bindig
b a 0,2 0,1
w b = f(t)
1
2
3
4
5
6 Zeit t
Bild 2-20
7
Bild 2-19 8
9
min
11
Bestimmung der Wasseraufnahme nach ENSLIN-NEFF [2.15], [2.9]
KlassiÀzierung von Baulehmen nach ihrer Plastizität gem. DIN 18123
65
2
Erkundung, Gewinnung und KlassiÀzierung von Baulehm
Zum standardisierten Versuchsgerät gehört eine Messingschale, die mit dem aufbereiteten PrüÁehm ausgestrichen und dann in ein Gerät mit einer Nockenwelle eingehängt wird (Bild 2-21 [2.10]). Mit dem Furchenspatel zieht man eine glatte Furche senkrecht zur Nockenwelle. Durch Umdrehung der Nockenwelle wird die Schale auf 10 mm angehoben. Das mehrmalige Aufschlagen der Schale auf die Hartgummiunterlage bewirkt ein ZusammenÁießen der Furche. Die Fließgrenze wL ist erreicht, wenn sich die Furche nach 25 Schlägen auf 10 mm Breite schließt. Plastizitätsgrenze wP Den Wassergehalt an der Plastizitäts- oder Ausrollgrenze wP ermittelt man durch Ausrollen einer aufbereiteten Probe auf einer wasseraufsaugenden Unterlage. Die Plastizitätsgrenze wP ist bestimmt, wenn die 3 mm dick ausgerollte Probe rissig wird und in 10 – 15 mm lange Röllchen zerbröckelt (Bild 2-22 [2.10]). Schrumpfgrenze wS Die Schrumpfgrenze ws ist erreicht, wenn die Volumenverringerung der Lehmprobe durch Austrocknung des physikalisch gebundenen Porenwassers abgeschlossen ist (DIN 181222). Dazu wird der PrüÁehm in eine Ringform eingestrichen und bis zur Massenkonstanz getrocknet. In diesem Zustand hat er die Schrumpfgrenze erreicht. Ein äußeres Kennzeichen ist ein Farbumschlag der Probe von dunkel nach hell. Labor- und Rechenwerte Fließgrenze wL Die Fließgrenze wL als Funktion der Kornfeinheit und des Mineralbestandes ist Maßstab für die Wasserbindekraft oder Hydratation der Tonminerale des Erdstoffs: je höher wL, desto höher die Plastizität oder Bindekraft des Lehms. Der Gehalt an aktiven Ton66
mineralien erhöht die Fließgrenze. Beispiele für wL [2.9]: Lösslehm: 0,25–0,35, Auelehm: 0,30–0,75, Verwitterungslehm: 0,20–0,45, Black cotton soils [2.4]: 0,66 (Mittelwert mit n = 627; s = 16,96; Ƭ = 25,7%). Plastizitätsindex Ip Lehme mit kleinem Index Ip reagieren bei Zugabe der gleichen Wassermenge viel schneller und sind deshalb leichter zu verarbeiten als solche mit einem großen Ip Beispiele für Ip [2.9]: Lösslehm: 0,07–0,18, Auelehm: 0,12–0,45, Verwitterungslehm: 0,02–0,30, Black cotton soils [2.4]: 0,36 (Mittelwert mit n = 627; s = 12,95; Ƭ = 35,7%). Die Parameter Ip und wL korrelieren mit vielen geotechnischen Eigenschaften. So lassen sich bei bekanntem Ip und wL eines Lehms auch qualitative Aussagen zum Tonkornanteil und zum Charakter der Tonmineralien treffen, ohne diese aufwändig bestimmen zu müssen. Schrumpfgrenze ws Nach MUHS [2.11] beträgt die Schrumpfgrenze ws bei schwach bindigen Böden ca. 5 – 15%, bei stark bindigen Böden etwa 15 – 40%. Sie ist abhängig vom Anfangswassergehalt. Für ws werden weiterhin angegeben (KRABBE [2.16]): ws ~ wL – 1,25 Ip Mit der Schrumpfgrenze ws kann über den SchrumpÀndex Is das Quellvermögen eines Baulehms (Kap. 2.2.3.3) abgeschätzt werden [2.17]: Is = wL – ws [-]. Quellvermögen Is [%] gering 0 – 20 mittel 20 – 30 groß 30 – 60 sehr groß > 60
2.2
Baulehm
Bild 2-21 Bestimmung der Fließgrenze wL nach CASAGRANDE [2.10]
Bild 2-22 Bestimmung der Ausrollgrenze wP [2.10]
Anstelle des in der Bodenmechanik üblichen Begriffes »Schrumpfen« wird im Folgenden der Begriff »Schwinden« verwendet (Kap. 2.2.3.3). Aktivitätszahl IA Mit der Aktivitätszahl IA nach SKEMPTON kann man eine qualitative Beurteilung der Fähigkeit zur Wasseraufnahme vornehmen und auf die Dominanz bestimmter Tonmine-
ralien schließen: IA = IP / (mdT/md) [-] mdT – Trockenmasse der Ton-Fraktion d < 2ƫm md – Trockenmasse der Gesamtprobe. Bewertung: IA < 0, 75 inaktiv (z. B. Kaolinit) 0,75 < IA < 1,25 normal aktiv (z. B. Montmorillonit) IA > 1,25 Tab. 2-3 gibt Mittelwerte IA für einige Tonmineralien an [2.14], [2.9]. 67
2
Erkundung, Gewinnung und KlassiÀzierung von Baulehm
Mineralart
wL [%]
IA [-]
wa [%]
Kaolinit Illit Ca-Montmorillonit Na-Montmorillonit dazu im Vergleich: Quarzmehl
60 100 500 700
0,40 0,90 1,50 7,00
80 300 700
0
0
30
Die Hydratation der Tonminerale kann weiterhin durch intensive Aufbereitung sowie entsprechende Zusätze (Kap. 3.1.2.4) vergrößert werden. Auf diese Weise behandelte Lehmproben zeigen größere Werte für wL als unbehandelte Proben des gleichen Erdstoffes. Umgekehrt kann man durch Zugabe künstlicher Bindemittel (Kalk, Zement) die Hydratation der Tonminerale entsprechend verringern. Konsistenzindex IC Lehmbaustoffe werden je nach Anwendung in unterschiedlichen Konsistenzformen verarbeitet. Von Bedeutung für die Lehmbaupraxis ist deshalb die Entwicklung eines Verständnisses für die verschiedenen Konsistenzformen, das durch praktische Erfahrungen erworben werden kann (Tab. 2-4). Lehmbaustoffe sind in den Konsistenzformen breiig, weich und steif (0 Ic 1) formbar oder bildsam. Normsteife und Bindekraft Begriffe Als Eignungskriterium für Baulehme verwendete die zurückgezogene DIN 18952-2 die Bindekraftprüfung nach NIEMEYER [2.18]: Tonmineralzusammensetzung und Körnung werden dabei nicht im einzelnen bestimmt, sondern der nach »außen« wirksame Effekt beider Parameter in Form eines als Bindekraft (= Kohäsion in geotechnischem Sinne) im Zugversuch beim »Abreißen« der norm68
Tab. 2-3 Mittelwerte der Aktivitätszahl IA für ausgewählte Tonmineralien
steifen Probe gemessenen Widerstandes. Dabei beschreibt die Normsteife die für die Bestimmung der Bindekraft deÀnierte Prüfkonsistenz der Lehmprobe. Testprozeduren Die Normsteife wird empirisch auf folgende Weise bestimmt: 200 g einer gleichmäßig aufbereiteten Lehmprobe werden durch mehrmaliges Aufschlagen auf eine harte, nicht saugfähige Platte verdichtet und unmittelbar danach zu einer Kugel geformt. Die Kugel wird aus 2 m Höhe auf eine glatte, harte, nicht saugfähige und festliegende Platte fallen gelassen. Hat die Kugel eine Abplattung von 50 mm, dann ist die Lehmprobe normsteif. Zur Bestimmung der Bindekraft wird in einer Holzform aus normsteif aufbereitetem Lehm ein Probekörper (»Achterling«) hergestellt und in zwei Metallklauen eingesetzt. Die obere Klaue hängt an einem »Galgen«. An die untere wird die Belastungsvorrichtung angebracht, die aus einem Behälter besteht, in den Sand oder Wasser mit einer Geschwindigkeit von max. 750g/min bis zum Abreißen der Probe eingefüllt wird. Die Belastung wird auf die schmalste Stelle des Achterlings (5 cm 2) bezogen und in eine »Bindekraft« (Zug) je cm2 umgerechnet (Bild 2-23 [2.10]). Labor- und Rechenwerte Entsprechend der ermittelten Bindekraft wird eine Einteilung der Baulehme in die Kate-
2.2
Konsistenzzahl I C [ - ]
Benennung der Konsistenz [Kurzform]
Konsistenz von Lehmbaustoffen bei Verarbeitung, Beispiele
Merkmal
0
Áüssig [Á]
Lehmschlämme für LL
Spülgemisch
0 – 0,50
breiig [br]
Lehm-Mauermörtel
quillt in der geballten Faust durch die Finger hindurch
LBM 1*)
0,50 – 0,75
weich [we]
Strohlehm
leicht knetbar
LBM 1
0,75 –1,00
steif [st]
StampÁehm
knetbar
LBM 2
1,00 –1,25
halbfest [hf]
StampÁehm für Trockenpressen
ausrollbar, bröckelt und reißt, jedoch nicht zu Klumpen formbar
LBM 2
> 1,25
fest [fe]
Lehmstein
trocken und hell, lässt sich nur zerbrechen, nochmaliges Zusammenballen der Einzelteile unmöglich
LBM 3
Tab. 2-4
Konsistenzformen von Lehmbaustoffen, Merkmale bei der Verarbeitung
Bindekraft [g/cm2] bzw. (N/mm2)
KlassiÀkation des Baulehms
Lineares Schwindmaß ў f,l [%]
50 – 80 (0,005 – 0,008) 81–110 (0,0081– 0,011) 111–200 (0,0111– 0,02) 201–280 (0,0201– 0,028) 281– 360 (0,0281– 0,036) > 360 (0,036)
sehr mager mager fast fett fett sehr fett Ton
0,9 –2,3 0,9 –2,3 1,8– 3,2 2,7– 4,5 3,6 – 9,1 > 9,1
Tab. 2-5
Baulehm
Konsistenzklassen nach DIN 18319
*) LBM – bindige Lockergesteine, Korngröße d 63 mm, mineralisch
Wassergehalt bei Normsteife wN [%] 9,5 –12 11–15 12 –20 15 – 23
KlassiÀkation der Baulehme nach der Bindekraft nach NIEMEYER
gorien »mager« bis »sehr fett« vorgenommen (Tab 2-5 [2.18]). Lehme mit einer Bindekraft < 50 g/cm2 (0,005 N/mm2) werden nach DIN 18952-2 als für den Lehmbau unbrauchbar bezeichnet, obwohl auch sie noch für verschiedene An-
wendungen eingesetzt werden können, z. B. für Deckenfüllungen. Für diese extrem mageren Lehme lässt sich die Bindekraftprüfung nicht zuverlässig durchführen.
69
2
Erkundung, Gewinnung und KlassiÀzierung von Baulehm
Schablone zur Herstellung des Prüfkörpers
eingespannter Prüfkörper im »Abreiß«-Versuch
Bild 2-23
Die in den 1940er Jahren entwickelte KlassiÀzierung der Baulehme nach ihrer Bindekraft als Verarbeitungskenngröße ist auf den deutschsprachigen Raum beschränkt geblieben. International üblich ist eine KlassiÀzierung nach den geotechnischen Parametern IP und wL. Angesichts der auch international wachsenden Bedeutung des Lehms als Baustoff erhebt sich deshalb die Frage nach der Möglichkeit einer »Übersetzung« beider Systeme. 70
Bindekraftprüfung nach NIEMEYER [2.10]
Untersuchungen an der Bauhaus-Universität Weimar sollten dieser Frage nachgehen. Als »Einstieg« in das Problem wurden 16 einheimische Lehme geprüft, die die Klassen »leicht«, »mittel« und »ausgeprägt plastisch« für die Plastizität bzw. »mager« bis »sehr fett« für die Bindekraft repräsentieren (Tab 2-6 [2.19]).
2.2
Baulehm
Nr. Bezeichnung der Probe
Wasserwopt nach gehalt Proctor bei Norm- [%] steife wN [%]
lineares BindeSchwind- kraft B maß ў f,l [g/cm2] [mm/ 20 cm]
Ausrollgrenze wP [%]
Fließgrenze wL [%]
Plastizitätsindex I p [%]
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16.
19,86 27,59 17,52 17,57 20,18 17,52 18,45 21,04 21,45 21,91 29,54 24,90 18,00 21,64 20,36 29,27
8,0 15,0 7,0 7,0 7,7 10,3 8,7 10,7 9,6 10,3 19,5 12,7 8,7 8,0 6,0 6,0
19,27 27,11 17,18 18,97 21,77 20,62 20,47 16,14 20,23 21,16 25,30 22,94 18,27 21,86 21,93 26,31
35,86 67,20 41,45 31,30 39,16 35,70 33,79 46,00 46,91 53,90 64,30 50,50 33,75 45,50 40,75 70,25
16,53 40,09 24,27 12,33 17,05 15,08 13,32 29,85 26,68 32,74 39,00 27,56 15,48 23,64 18,82 43,94
Kromsdorf Weimar-Umgehgstr. Leuben Hochstedt 1/1 Hochstedt 2/1 Hochstedt 3/1 Hochstedt 4/1 Hochstedt 5/1 Weimar-Klinik 1/1 Weimar-Klinik 2/1 Weimar-Klinik 3/1 Nohra 1/1 Mörsdorf 1/1 Weimar-Klinik 1/1a Nordhausen 1 Erdmannsdorf 1/1
Tab. 2-6
16,22 26,25 16,46 18,40 20,50 20,91 19,00 20,30 21,74 21,91 27,21 19,69 20,40 17,29
Kennwerte von untersuchten Baulehmen
Die vermutete Tendenz, dass mit zunehmender Bindekraft auch die Plastizität der Lehme wächst, konnte generell bestätigt werden. Während vor allem die die Prüfkonsistenz beschreibenden Wassergehalte des lehmbautechnischen und geotechnischen KlassiÀkationssystems
wL wP wopt IP
60,6 493,2 169,0 94,9 134,3 137,3 110,3 259,6 155,7 164,5 350,5 513,4 91,3 130,3 127,5 366,9
deutlich miteinander korrelieren, waren die entsprechenden Zusammenhänge zwischen Bindekraft und der Fließgrenze wL bzw. für den Plastizitätsindex Ip für den untersuchten Probenumfang weniger scharf (Tab. 2-7 [2.19]).
Wassergehalt wN bei Normsteife
Bindekraft B
wN=0,32wL + 7,21; r xy=+0,94 wN=1,19wP - 3,37; r xy=+0,79 wN=1,10wopt -1,84; r xy=+0,79
B=7,88wL - 155,94; r xy=+0,72
B=9,06IP -17,01; r xy=+0,70
Bezeichnungen: Plastizität leicht plastisch mittel plastisch ausgeprägt plastisch
Tab. 2-7
Bindekraft mager fast fett – fett sehr fett, Ton
Korrelative Bezüge zwischen geotechnischen und lehmbautechnischen Kenngrößen
71
2
Erkundung, Gewinnung und KlassiÀzierung von Baulehm
EinÁussgrößen Im Vergleich zu mageren Lehmen muss die Aufbereitung sehr fetter Lehme oder Tone viel intensiver betrieben werden, um die Prüfkonsistenz »Normsteife« zu erreichen, denn das Wasser verteilt sich in Tonen sehr viel langsamer. Die Normsteife deÀniert den gleichen Grad der Aufgeschlossenheit der Tonminerale, wofür magere Lehme wenig, sehr
fette Lehme und Tone sehr viel mehr Wasser benötigen. Dementsprechend sind die Wassergehalte wN bei Normsteife bei sehr fetten Lehmen und Tonen auch viel höher als bei mageren Lehmen. Tab. 2-6 zeigt diese Tendenz an ausgewählten Lehmproben für die Kennwerte Plastizität Ip, Bindekraft B und Wassergehalt wN bei Normsteife.
2.2.3.3 Formänderungskenngrößen Formänderungen von Baulehmen durch die Aufnahme bzw. Abgabe von Wasser werden als Quellen bzw. Schwinden bezeichnet. Sie können im Vergleich zu anderen mineralischen Baustoffen erhebliche Größenordnungen erreichen. Mit der Abschätzung der Qualität dieser Formänderungen bei Baulehmen kann auf die Notwendigkeit von Maßnahmen der Stabilisierung bei der Herstellung von Lehmbaustoffen geschlossen werden. Dies ist insbesondere der Fall, wenn Lehme oder Tone, die durch ihre Entstehungsgeschichte als quellfähig gelten (z.B. »Black cotton soils«, Kap. 2.1.2.6), zu Lehmbaustoffen verarbeitet werden sollen. Die Formänderungen von Lehmbaustoffen werden nach der Übersicht in Kap. 3.6.2.1 systematisiert. Schwinden Begriff Baulehme verringern ihr Volumen durch Austrocknung infolge Verdunstung des Porenwassers. Die dabei entstehenden Formänderungen sind dreidimensional und werden als Schwinden bezeichnet. Sie vollziehen sich belastungsunabhängig und sind reversibel. Für die Eignung als Baulehm wird i. d. R. nur die Formänderung in einer Richtung geprüft, also das Verhältnis der Längenänderung 72
eines Prüfkörpers zu dessen Ausgangslänge, auch lineares Schwindmaß Ƥf,l = Ƌl / l [%]. Testprozedur Die Schwindprüfung an Baulehmen kann ausgeführt werden nach DIN 18952-2 durch Ermittlung der Längenverkürzung eines genormten Prüfkörpers mit den Abmessungen 220 x 40 x 25 mm (Bild 2-24 [2.10]). Der normsteife Lehm (Kap. 2.2.3.2) wird in die Form eingebaut, danach entschalt und bis zur Längenkonstanz an der Luft getrocknet. In diesem Zustand besitzt die Probe einen Feuchtegehalt, der dem Wassergehalt an der Schrumpfgrenze ws (Kap. 2.2.3.2) entspricht. Gemessen wird die Längenverkürzung des Prüfkörpers zwischen zwei in den noch feuchten Lehm eingeritzten Messmarken im Abstand von 200 mm als lineares Schwindmaß Ƥf,l. Es soll 2% nicht übersteigen. Maßgeblich ist der Mittelwert aus drei Prüfungen. Labor- und Rechenwerte Bei Verwendung der genannten Prüfkörperabmessungen bestehen nach NIEMEYER [2.18] zwischen Bindekraft und linearem Schwindmaß die in Tab 2-5 dargestellten Zusammenhänge. Aus der Bindekraft des Baulehms kann auf die Größenordnung des linearen Schwindmaßes Ƥf,l und auf ggf. notwendige Maßnahmen
2.2
Bild 2-24
Baulehm
Prüfung des linearen Schwindmaßes nach DIN 18952-2 [2.10]
zu dessen Reduzierung geschlossen werden. Die Lehmbau Regeln [2.6] sehen deshalb auch keine Schwindmaßprüfung des Baulehms vor. Diese Prüfung wird erst am verarbeitungsfähigen Lehmbaustoff aus Baulehm, Zuschlägen und Wasser zum Erreichen der notwendigen Verarbeitungskonsistenz durchgeführt. Denn nur die tatsächliche Zusammensetzung des Gemenges ergibt eine reale Größe der zu erwartenden Schwindverformungen. Die Abmessungen der Prüfkörper sind entsprechend der verwendeten Zuschläge für die verschiedenen Lehmbaustoffe unterschiedlich (Kap. 3.6.2.1). EinÁussgrößen Das Schwinden einer Baulehmprobe wird beeinÁusst vom Anteil und der Struktur der Tonmineralien, bezogen auf die Gesamtmasse: bei gleichem Anteil lässt die Dominanz von Dreischicht-Mineralien (z. B. Montmorillonit) große, die von Zweischicht-Mineralien (z. B. Kaolinit) geringere Formänderungen erwarten (Kap. 2.2.3.4). Große Formänderungen treten i. d. R. als Rissbildungen in Erscheinung. Die Gefahr der Rissbildung ist umso ge-
ringer, je niedriger der Anfangswassergehalt einer Baulehmprobe und je besser die Kornverteilungslinie abgestuft ist (Kap. 2.2.3.1). Quellen Begriff In Umkehrung zum Schwinden beim Austrocknen vergrößern Baulehme ihr Volumen durch Aufnahme von Wasser. Diese Formänderungen sind ebenfalls dreidimensional und werden als Quellen bezeichnet. Auch sie vollziehen sich belastungsunabhängig und sind reversibel. In der älteren deutschsprachigen bodenmechanischen Literatur wird anstelle des Begriffes »Quellen» auch der Begriff »Schwellen« verwendet [2.16]. Im Folgenden wird der Begriff »Schwellen« nur im Sinne von elastischen Formänderungen verwendet, die kurzzeitig nach der Lastaufbringung als Zusammendrückung der Probe entstehen und bei Entlastung sofort wieder zurückgehen (Kap. 3.6.2.1).
73
2
Erkundung, Gewinnung und KlassiÀzierung von Baulehm
Testprozedur Mit dem Freischwell-Wert Fs (»free swell test« [2.17]) kann das Formänderungspotenzial eines zu prüfenden Baulehms in einem Schnelltest überschlägig ermittelt werden. Dazu werden 10 cm3 eines PrüÁehms durch ein 0,4 mm-Sieb gegeben und mit 100 cm3 destilliertem Wasser in einem Messzylinder aufgeschlämmt und der Absetzvorgang abgewartet. Aus der Differenz zwischen End- und Anfangsvolumen bezogen auf das Anfangsvolumen in Prozent wird der Freischwell-Wert Fs ermittelt. Eine genaueres Verfahren zur Ermittlung des Quellpotenzials von Baulehmen ist die Bestimmung der bezogenen Hebung h’ in einem in der Bodenmechanik üblichen Oedometer (Kap. 3.6.2.2). Dabei wird die Volumenzunahme der wassergesättigten Probe bei behinderter seitlicher Ausdehnung und einer gerätebedingten AuÁastspannung von 1,6 kN / m2 (0,0016 N/mm2) beobachtet. Die gemessene Zunahme der Probenhöhe Ƌh bezogen auf die Ausgangshöhe ho ist die bezogene Hebung h’ = Ƌh / ho [%].
Labor- und Rechenwerte Freischwell-Wert Fs [%] und Quellpotenzial nach [2.17]: < 50 gering 50 – 100 mittel > 100 erheblich Bentonit-Tone erreichen Freischwell-Werte in der Größenordnung Fs = 1.200 – 2.000 %. EinÁussgrößen Das aufgenommene Wasser wird in die Struktur der Tonmineralien integriert: Dreischicht-Mineralien (z. B. Montmorillonit) können viel, Zweischicht-Mineralien (z. B. Kaolinit) vergleichsweise wenig Wasser aufnehmen (Kap. 2.2.3.4). Mit zunehmender Plastizität Ip, steigendem Tonanteil und Wasseraufnahmevermögen wa wächst die bezogene Hebung h’ infolge Quellen bzw. der Freischwell-Wert Fs.
2.2.3.4 Chemisch-mineralogische Kenngrößen Entscheidend für die verarbeitungstechnischen Eigenschaften sowie die Formänderungskenngrößen von Baulehmen ist deren chemischmineralogische Zusammensetzung, vor allem die Menge der Tonminerale und deren Struktur. In Ergänzung zu den entsprechenden geotechnischen Verarbeitungskenngrößen lassen sich mit den Ergebnissen geeigneter Prüfungen qualitative Aussagen über das verarbeitungstechnische Verhalten von Baulehmen treffen. Bei großen Abbaumengen und industrieller Fertigung von Lehmbauprodukten ist eine ständige Qualitätsüberprüfung der verwendeten Baulehme notwendig, vor allem wenn Aufschlüsse gewechselt werden. Dazu gehören neben den Prüfungen der physikalisch-me74
chanischen Parameter auch chemisch-mineralogische Analysen. Tonmineralien Begriffe Tonminerale sind chemisch gesehen Aluminiumsilikate, d. h. sie enthalten vorwiegend die Elemente Si, Al, Sauerstoff und Wasserstoff. Hinzu kommen noch Fe sowie verschiedene Elemente der Alkali- und Erdalkaligruppe, vor allem Mg, Ca und K. Eine Einteilung der Tonminerale wird auf der Grundlage ihres inneren Aufbaus vorgenommen. Die strukturellen Grundbausteine aller Tonminerale bestehen aus einem aus Si und Sauerstoff gebildeten SiO-Tetraeder und
2.2
aus einem aus Al, Sauerstoff und Wasserstoff zusammengesetzten AlOH-Oktaeder (Bild 2-25 [2.9]). Beide Bausteine besitzen einen negativen Ladungsüberschuss, da auf ein positiv geladenes Zentralion mehrere negativ geladene Begleitionen entfallen. Der Tetraeder SiO4 besitzt bei einem vierwertig positiv geladenen Si-Atom einen vierwertig negativen Ladungsüberschuss, der sich durch die acht negativen Ladungen der vier Sauerstoff-Ionen ergibt. Beim Oktaeder Al(OH)6 stehen einem dreiwertig positiv geladenen Al-Atom sechs negative Ladungen der sechs OH-Ionen gegenüber, die einen dreiwertig negativen Ladungsüberschuss erzeugen. Diese überzähligen Ladungen werden durch Vernetzungen mit anderen Tetraedern und Oktaedern ausgeglichen. Tetraeder wie Oktaeder bilden zunächst stabile Sechserring-KonÀgurationen (Bild 2-26 [2.9]), die durch weitere Anlagerung von Sechserringen netzartige Flächen entwickeln. Durch spezielle, von bestimmten Sauerstoff-Ionen gebildete Brückenbindungen erfolgt auch eine Vernetzung zwischen Tetraedern und Oktaedern. Diese Aufeinanderfolge der Ionenschichten bezeichnet man auch als Schichtpaket, die mehrerer Schichtpakete als Schichtpaketstöße. Mehrere
Baulehm
Schichtpaketstöße bilden ein TonmineralKristallblättchen, das als Einzelstruktur unter einem Rasterelektronen-Mikroskop sichtbar gemacht werden kann (Bild 2-29). Die Vernetzung zwischen Tetraeder- und Oktaederschichten kann nun auch so ablaufen, dass sich nicht nur je eine Tetraeder- mit einer Oktaederschicht verbindet, sondern dass eine Oktaederschicht auf beiden Seiten von je einer Tetraederschicht belegt wird. In Bild 2-26 [2.9] sind Sechserring-Ausschnitte jeweils eines Zwei- und Dreischichtpaketes dargestellt. Je nachdem, ob sich die Kristallstruktur aus zwei- oder dreischichtigen Schichtpaketen zusammensetzt, spricht man von Zweibzw. Dreischichtmineralien. Kaolinit als am häuÀgsten vorkommendes Zweischichtmineral bildet sich bevorzugt aus sauren Magmatiten bei intensiver (tropischer) Verwitterung (Kap. 2.1.2.6). Das Dreischichtmineral Illit bildet sich vor allem aus Glimmern unter gemäßigt-humiden Klimabedingungen. Es ist in fast allen bindigen Lockergesteinen mit unterschiedlichen Anteilen vertreten. Das Dreischichtmineral Montmorillonit entsteht bevorzugt aus der Verwitterung basischer Gesteine unter semiariden Klimabedingungen (Kap. 2.1.2.6).
Al OH O Si
SiO 4-Tetraeder
Al(OH)6 -Oktaeder
SiO44–
Al(OH)63–
Si4+
4O2–
Al 3+ 6OH –
Bild 2-25 Strukturelle Grundbausteine der Tonmineralien [2.9]
75
2
Erkundung, Gewinnung und KlassiÀzierung von Baulehm
Schichtpaketabstand
Schichtpaket
Zweischichtmineral
Schichtpaketabstand
Schichtpaket
Dreischichtmineral
Bild 2-26
76
2- und 3-Schichtstruktur der Tonmineralien [2.9]
Bild 2-27
Röntgendiffraktometrische Analyse eines Lösslehms
2.2 Baulehm
77
2
Erkundung, Gewinnung und KlassiÀzierung von Baulehm
Testprozeduren Analysen zum Mineralbestand liefern Aussagen über das verarbeitungstechnische Verhalten der Baulehme. Untersucht wird der Gesamtanteil und die Art der Tonmineralien. Im Ergebnis sind Aussagen zur Plastizität / Bindekraft und zum Austrocknungsverhalten (Schwinden) möglich. Nicht plastische Minerale (Quarz, Feldspat, Calcit, Dolomit u. a.) wirken als »Magerungsmittel«. Die chemische Analyse (Al2O3 / Fe2O3) ergänzt Aussagen über das Wasserbindevermögen. Nasschemische Analysen werden einerseits wegen des hohen Aufwandes, andererseits wegen der begrenzten Aussagekraft selten durchgeführt. Sie erlauben eine quantitative Aussage über die chemische Zusammensetzung des Erdstoffes. Von den thermischen Analyseverfahren hat sich die Differentialthermoanalyse (DTA) zur Untersuchung von Lehmen bewährt. Die bei der Erwärmung der Probe auftretenden endo-
Strukturtyp
Mineralgruppe / Mineralname
Entstehung durch Verwitterung von
Vorkommen in
Zweischichtminerale O T Grundformel Al2Si2O5(OH)4
Kaolinminerale Kaolinit Halloysit Metahalloysit
feldspatführenden sauren Gesteinen
Kaolin (verunreinigte Kaoline), keramischen Tonen
Dreischichtminerale
Montmorinminerale vulkanischen Aschen, Montmorillonit basischen Gesteinen Beidellit (Basalt, Gabbro) Nontronit
Bentonit (hochplastischer Ton)
Glimmerartige Tonminerale Illit Vermiculit
bindigen Lockergesteinen (Lehmen)
T O T Grundformel Al2Si4O10(OH)12
Bild 2-28
78
thermen und exothermen Effekte lassen sichere Rückschlüsse auf die Art der Tonminerale sowie deren Konzentrationen zu. Dabei spielen sich die relevanten Vorgänge im Temperaturbereich zwischen 100 und 750°C ab. Von den auf der Anwendung von Röntgenstrahlen beruhenden Untersuchungsmethoden liefert die röntgendiffraktometrische Methode für Lehme aussagefähige Werte. Durch Ermitteln von Intensitätswerten, Glanzwinkeln sowie der Schichtdicken der Kristallgitter (dWerte) lassen sich gesicherte Aussagen über die mineralogische Zusammensetzung treffen. Der in Bild 2-27 [2.10] dargestellte Thüringer Lösslehm weist relativ große Anteile der nicht plastischen Minerale Quarzit und Calcit auf. Darüber hinaus lassen sich neben qualitativen Aussagen auch quantitative Bestimmungen vornehmen, die im wesentlichen Angaben über die chemische und mineralogische Zusammensetzung des Lehmes liefern.
Glimmer
Strukturschema und wichtige Vertreter der Tonmineralien [2.9]
O – Oktaederschicht T – Tetraederschicht
2.2
EinÁussgrößen Struktur Die Stabilität der beschriebenen Mineralstrukturen hat maßgeblichen EinÁuss auf charakteristische Eigenschaften der Lehme und Tone wie Plastizität, Schwinden oder Quellen. Hier gibt es deutliche Unterschiede zwischen Zweiund Dreischichtmineralien: Bei Zweischichtmineralien ist das Kristallgitter starr und durch vollständige Belegung aller Ladungen nach außen elektrisch neutral. Dadurch ist das Vermögen, Wasser oder im Porenwasser gelöste Ionen anzulagern sowie die Neigung zum Schwinden und Quellen vergleichsweise gering. Lediglich zwischen den Schichtpaketstößen und den einzelnen Kristallblättchen, also an den Randzonen der Schichtpakete, stehen durch Brüche der Sechserringe freie elektrische Ladungen zu Verfügung. Deshalb können nur hier Wassermoleküle eingelagert und Schwind- bzw. Quellvorgänge realisiert werden. Bei Dreischichtmineralien ist das Kristallgitter instabil. Neben der beschriebenen Form kann das vierwertige Si-Zentralion durch ein dreiwertiges Al-Ion ersetzt sein. Darüber hinaus kann in den Oktaedern an Stelle des dreiwertigen Al das dreiwertige Fe, das zweiwertige Mg oder gar das einwertige Li treten, oder aber das Zentralatom fehlt völlig. Wenn jedoch die positiv geladenen höherwertigen Zentralatome bei unveränderter Zahl der negativen Ladungen der Begleitionen durch niedrigerwertige ersetzt werden, ergibt sich ein negativer Ladungsüberschuss des Gesamtgitters. Dieser Überschuss muss mit positiv geladenen Kationen des Porenwassers oder mit Wassermolekülen abgesättigt werden. Eine weitere Folge des instabilen Kristallgitters der Dreischichtminerale ist, dass die Abstände zwischen den Schichtpaketen nicht feststehend, sondern aufweitbar sind. Dadurch können auch zwischen die Schichtpakete zusätzliche Wassermoleküle eingelagert werden,
Baulehm
wodurch sich wiederum die Plastizität und die Neigung zum Schwinden und Quellen erhöht. Diese im Lehmbau oft unerwünschte Eigenschaft kann durch chemische Zusätze, i. d. R. durch die Bindemittel Kalk und Zement, beeinÁusst werden. HäuÀg sind auch Mineralien, die sich nicht in das beschriebene Schema der Zwei- und Dreischichtmineralien einfügen. Dies sind sog. Übergangsminerale und Minerale mit Wechsellagerungsstruktur, die nicht aus einer Aufeinanderfolge gleicher, sondern verschiedener Schichtpakete in regelmäßiger oder unregelmäßiger Wechsellagerung zusammengesetzt sind. Eine Übersicht über die wichtigsten Vertreter beider Mineralgruppen sowie ein entsprechendes Strukturschema zeigt Bild 2-28 [2.9]. Bild 2-29 vermittelt eine Vorstellung vom tatsächlichen Größenverhältnis der Tonmineral-Kristallblättchen im Vergleich zu den nicht plastischen Quarz-Bruchstücken in der »Tonkorn«-Fraktion d < 2 ƫm. Die Größenunterschiede verdeutlichen die Rolle der Tonminerale als Bindemittel zwischen den gröberen Körnungen [2.11]. Kationen-Austauschkapazität Die Art der Kationenbelegung hat einen wesentlichen EinÁuss auf die Plastizität der Lehme und Tone, da diese wiederum durch weitere überschüssige Ladungen zusätzlich Wasser binden können. Bei qualitativer Veränderung der sorbierten Kationen in Richtung H+ ´ Al3+ ´ Ba2+ ´ Ca2+ ´ Mg2+ ´ K+ ´ Na+ nimmt das Wasserbindevermögen, die Hydratation, zu, wodurch sich die Plastizität des Lehms erhöht (vgl. Bild 2-29, Na- und CaBentonit). Nach dieser Reihenfolge (»Hofmeisterreihe«) sind die jeweils links stehenden Ionen leichter durch im Vergleich weiter rechts stehende auszutauschen und umgekehrt. Die Eigenschaft, solche Ionen auszutauschen, wird Kationen-Austauschkapazität genannt und in Milliäquivalenten je g oder je 100 g Boden 79
2
Erkundung, Gewinnung und KlassiÀzierung von Baulehm
0,1
Montmorillonit (Bentonit) Dicke 1 m; Länge 100...300 m Kristallgitter: ziehharmonikaartig ausweitbar bis zur Aufteilung in einzelne Elementarschichten 1 m Dicke Na-Bentonit Wasseraufnahme rd. 600...700%
Dreischichtmineral Ca-Bentonit Wasseraufnahme rd. 200...300% 0,1
Kaolinit Dicke 20 m; Länge 100...250 m Kristallgitter: starr
Zweischichtmineral
Wasseraufnahme rd. 100% Quarzteilchen rd. 1 Durchmesser
1 0
0,2
0,4
0,6
0,8
1
Quarzkörner
Die in bindigen Böden vorliegenden Quarzkörner sind noch 100mal größer als diese Quarzteilchen von 1 Größe.
Wasseraufnahme rd. 30%
Darstellung Quarzkorn und Tonmineral im REM [wikipedia]
Bild 2-29
80
Größenverhältnisse Tonmineralien und Quarzteilchen mit Dicke der Wasserhüllen [2.11]
2.2
Baulehm
a)
b)
a) Darstellung der Wasserbindung b) Ausrichtung von Wasserdipolen an der KornoberÁäche c) Größe der Anziehungskräfte in Abhängigkeit von der Entfernung zwischen Mineralteilchen und Wasser
Spannung
b)
c)
Sorptionswasser (fest gebunden) Salvatationswasser (lockerer gebunden) freies Wasser < 0,0005 mm
Entfernung
(mequ) angegeben. Kaolinite besitzen eine vergleichsweise niedrige, Montmorillonite eine hohe Kationen-Austauschkapazität (vgl. Aktivitätszahl nach SKEMPTON , Kap. 2.2.3.2). OberÁächenkräfte und gebundenes Wasser Die bei den extrem kleinen Partikelgrößen der Tonmineral-Kristallblättchen wirkenden OberÁächenkräfte mit den Wechselwirkungsmechanismen zwischen fester und Áüssiger Phase des Wassers sind die Ursache für den Zusammenhalt dieser Teilchen und damit für die »bindigen« Eigenschaften aller Lockergesteine, die Tonminerale enthalten. Die OberÁächenkräfte sind elektrischer Natur
Bild 2-30 Prinzip der Wechselwirkung zwischen Tonmineral und Wassermolekül [2.3], [2.23]
und führen zur Ausbildung eines Kraftfeldes um jedes Teilchen, das die Sorption von Wassermolekülen (Dipolen) und im Bodenwasser gelöster Ionen bewirkt. Die Wassermoleküle ordnen sich in Form zusammenhängender WasserÀlme um die Festteilchen. Diese WasserÀlme haben entsprechend ihres Abstandes vom festen Mineralkern unterschiedliche Eigenschaften (Bild 2-30 [2.3]): direkt an der OberÁäche der Festsubstanz verhält sich das angelagerte Wasser infolge der extrem hohen OberÁächenspannungen wie ein fester Körper (Sorptionswasser). Mit zunehmendem Abstand werden die Eigenschaften des Wassers einem viskosen Asphalt ähnlich (Solvationswasser), 81
2
Erkundung, Gewinnung und KlassiÀzierung von Baulehm
1) Sand, Schluff 2) Ton
1
2
Bild 2-31 Prinzip der Lastübertragung im Lehmbauteil durch »Korn-zu-Korn«-Druck [2.20],
Detail: Mineralkorn
Mineralkorn
Mineralkorn
um erst in einem Abstand von > 0,5ƫm wieder »Áüssig« zu werden. Neben diesem »Áüssigen« Wasser existiert in den feinen Porenräumen auch noch Wasserdampf, der sich unter Einwirkung molekularer Kräfte unab82
Austrocknung
feinste Teilchen schwimmen frei im Porenwasser
feinste Teilchen werden durch Austrocknung in den Porenzwickeln zusammengedrückt, Korn-zu-Korn-Druck vergrößert sich
hängig von der Schwerkraft bewegt. Die OberÁächenkräfte sowie die Dicke der Wasserhüllen werden beeinÁusst von der speziÀschen OberÁäche (Teilchengröße) und der Art der mineralischen Substanz, dem Ange-
2.2
bot an freien Kationen sowie der Temperatur: Je kleiner die Teilchen, desto stärker die Bindekraft. Je instabiler die Kristallstruktur der Partikel, desto dicker die Wasserhüllen, wenn genügend Wasser verfügbar ist. Mit zunehmender Dicke der Wasserhüllen lassen andererseits die Anziehungskräfte zwischen den einzelnen Teilchen nach, das Kornskelett wird instabiler, wodurch aber die Fähigkeit der Teilchen, aneinander vorbei zu gleiten (Verarbeitbarkeit), begünstigt wird. Die kleinen Teilchen haften an den OberÁächen der gröberen Körner durch Wasserstoffbindungen. Die Festigkeit dieser Bindungen ist umso größer, je dünner die Filmwasserschicht wird. Die Kationenhülle der auf diese Weise anhaftenden Tonplättchen bindet weitere Teilchen ab. Bei weiterer Austrocknung des Korngemisches werden die im Porenwasser schwebenden Tonmineralplättchen auf einen immer kleineren Raum in die von den groben Körnern gebildeten Porenzwickel zusammengedrängt (Bild 2-31 [2.20]). Schließlich bildet sich zwischen den Grobkörnern eine stabile Brücke aus, wodurch das Kornskelett Haftfestigkeit erlangt. Diese Erscheinung wird in der Bodenmechanik auch als Kohäsion bezeichnet (Kap. 2.2.3.2). Mit fortschreitender Austrocknung wachsen die Anziehungskräfte in den Porenzwickeln, wodurch sich im gesamten Korngefüge eine stabile Festigkeitsmatrix, vergleichbar dem Beton, ausbildet. Erst dadurch wird eine Lastübertragung durch »Korn-zu-Korn«-Druck und damit auch »tragender« Lehmbau möglich. Die Festigkeit des beschriebenen Haftverbundes zwischen den Tonmineralien als »Bindemittel« und den groben Körnungen ist jedoch immer kleiner als die Festigkeit des einzelnen Grobkorns. Bei »Lastüberschreitung« erfolgt ein Bruch deshalb immer entlang der OberÁächen der Grobkörner bzw. der Poren. Im Gegensatz zu Beton ist dieser Haftverbund durch Wasser wieder auÁösbar.
Baulehm
Farbe Baulehme weisen ein breites Spektrum unterschiedlicher Farben auf, die auf das Vorherrschen bestimmter chemischer Elemente in der Tonmineralstruktur hinweisen (Kap. 2.2.2.2). Natürliche Beimengungen Neben den mineralischen Bodenbestandteilen, auf deren Grundlage die bautechnische KlassiÀzierung erfolgt (Kap. 2.1.1.2), können Baulehme auch natürliche Beimengungen enthalten. Dabei handelt es sich um wasserlösliche Salze und organische Rückstände. Die natürlichen Beimengungen können wichtige bautechnische Eigenschaften der Baulehme beeinÁussen, z. B. die Plastizität und die Festigkeit. Kalkgehalt Begriff Kalkbestandteile sind die häuÀgsten natürlichen Beimengungen im Baulehm. Sie treten infolge von Verwitterung und Auswaschung löslicher Gesteine und Produkte aus der Deckschicht in Erscheinung. Testprozedur Zur qualitativen Beurteilung des Kalkgehaltes im Baulehm vor Ort eignet sich ein Test mit Salzsäure. Dabei wird auf eine Baulehmprobe verdünnte Salzsäure aufgegeben und die Qualität des Aufbrausens beurteilt: je intensiver die Reaktion, desto höher der Kalkgehalt (DIN 4022-1) (Tab. 2-8). Eine quantitative Analyse ist die Glühverlustmethode nach DIN 18129. Danach werden ca. 20 g des getrockneten Baulehms in einen Porzellantiegel eingewogen und 2 Stunden bei ca. 900°C geglüht. Nach Abkühlen der Probe im Exsikkator ermittelt man den Gewichtsverlust durch Wägung und bewertet den Kalkgehalt Vca. Ein weitere Möglichkeit für quantitative Prüfverfahren sind röntgendiffraktometrische Analysen (Kap. 2.2.3.4). 83
2
Erkundung, Gewinnung und KlassiÀzierung von Baulehm
Labor- und Rechenwerte Kalkgehalt Vca [%]
Reaktion der Probe nach HCl-Zugabe
Bewertung
<1 1 bis 5 >5
kein Aufbrausen schwaches bis deutliches, kurzes Aufbrausen starkes, lang andauerndes Aufbrausen
kalkfrei kalkhaltig stark kalkhaltig
Vca = mca / md mca Masseanteil an Gesamtkarbonaten, bezogen auf m d md Trockenmasse der Probe
Tab.2-8
Qualitative Beurteilung des Kalkgehaltes von Böden nach DIN 4022-1
EinÁussgrößen Das Vorhandensein von Kalkanteilen im Lehm bewirkt die Herabsetzung der Aktivität der Tonminerale und damit der Wasseraufnahmefähigkeit und Plastizität des Baulehms. Bei entsprechendem Kalkanteil kommt es nach Austrocknung zur Ausbildung einer stabilen Kalkmatrix zwischen den gröberen Körnungen, wodurch die Festigkeitseigenschaften in Baukonstruktionen verbessert werden können. Durch die Zugabe von Kalk können Eigenschaften vorhandener Baulehme für bestimmte Anwendungen gezielt verändert werden (Kap 3.1.2.4). In Wüsten- und Halbwüstenböden (Kap. 2.1.2.6) können Kalkanteile als natürliche Beimengung erhebliche Größenordnungen erreichen. Für Baulehme aus dem Wadi Hadramaut / Jemen hat BAZARA [2.21] Anteile über 20% nachgewiesen. Diese erreichen bei vergleichsweise niedrigen Trockenrohdichten (Schluffkorn dominant) hohe Werte für die Trockendruckfestigkeiten von z.T. über 8N/ mm2 (Shibam) bei Prüfwürfeln mit 8 cm Kantenlänge [2.22]. Bekannt ist auch die Verwendung kalkhaltiger Böden für Lehmbauzwecke im Süden Englands [5.47].
84
Neben Kalk können auch andere Salze als natürliche Beimengungen in Erscheinung treten, z. B. Sulfate (Gips), Chloride oder Nitrate. Diese meist wasserlöslichen Salze bilden bei Zutritt von Feuchtigkeit Kristalle mit »Ausblühungen« an den BauteiloberÁächen und reduzieren durch GefügeauÁockerung die Stabilität und Tragfähigkeit der Konstruktionen. Nach [3.30] soll ihr Anteil 2% nicht übersteigen. Organische Beimengungen Begriff Organische Bestandteile im Boden umfassen neben lebenden Bodenorganismen auch abgestorbene PÁanzen- und Tierreste sowie bodenspeziÀsche Umwandlungsprodukte (Huminstoffe) (Kap. 2.1.1.2). Diese Abbau- und Zwischenprodukte werden meist unter dem Begriff »Humus« zusammengefasst. Testprozedur Der Anteil der organischen Beimengungen im Lehm wird mit Hilfe der Glühverlust-Methode nach DIN 18128 bestimmt (vgl. Glühverlust Kalkgehalt Kap. 2.2.3.4) und bewertet (Tab. 2-9):
2.2
Baulehm
Labor- und Rechenwerte Glühverlust Vgl [%]
Benennung
<5 5 bis 30 30
anorganische Böden organogene Böden bzw. Böden mit organischen Beimengungen organische Böden (z.B. Torf)
Vgl = уmgl / md md Trockenmasse der Probe vor dem Glühen уmgl auf md bezogener Masseverlust beim Glühen
EinÁussgrößen Organische Beimengungen vergrößern die Wasseraufnahmefähigkeit von Baulehmen und damit die Plastizität erheblich. Durch sie wird die Trockendruckfestigkeit von Lehmbaustoffen reduziert. Organogene bzw. organische Böden in Form von abgestochenen Grassoden wurden im tra-
2.2.4
Tab.2-9
KlassiÀzierung von Böden nach dem Anteil oragnischer Beimengungen (Glühverlust)
ditionellen Hausbau in Skandinavien, Großbritannien und vor allem in Irland [2.24] verwendet. Die Grassoden wurden mit der Wurzelseite nach oben wie Mauerwerk zu eingeschossigen tragenden Wandkonstruktionen (sod houses) aufgeschichtet, die mit voranschreitender Austrocknung an Festigkeit gewannen (Kap. 4.2.3.1).
Gewinnung und Transport von Baulehm
Vor der Gewinnung des Baulehms ist die organische Deckschicht abzutragen und getrennt vom abzubauenden Lehm zu deponieren. Ebenso dürfen organische Einschlüsse, Baumwurzeln, Kieslinsen etc. nicht mit dem zur Weiterverarbeitung bestimmten Baulehm vermischt, sondern müssen ausgesondert werden. Der Abbau erfolgt heute mit Abbaugeräten wie Planierraupen mit Aufreißern, Lade- und Schürfkübelraupen. Aus dem gewachsenen Erdstoff gelöste dünne Schalen oder Schichten lassen sich besser aufbereiten als dicke Erdschollen, so dass durch einen Abbau in entsprechender Qualität der nachfolgende Prozess der Aufbereitung positiv beeinÁusst und verkürzt werden kann. Der Abbau von Baulehmen umfasst die Teilprozesse Lösen, Laden und Fördern. Die Einstufung der Arbeiten in Klassen erfolgt entspr. DIN 18300 nach ihrem Zustand beim Lösen. Geeignete Baulehme sind vor allem in die Klassen 3 (leicht lösbare Bodenarten)
und 4 (mittelschwer lösbare Bodenarten) eingestuft. Die Klassen 2 (Áießende Bodenarten) und 5 (schwer lösbare Bodenarten) sind nur sehr bedingt als Baulehm geeignet. Die für die Transportprozesse von Baulehm notwendigen Massenermittlungen können auf der Grundlage der in E DIN 1055-2 angegebenen Erfahrungswerte für Rohwichten Ƣ vorgenommen werden (Tab. 3-5). Grundsätzlich sollen Transportwege zwischen den einzelnen technologischen Teilprozessen so kurz wie möglich gehalten werden. Im traditionellen Lehmbau wurde im Idealfall der anfallende Baugrubenaushub zu Lehmbaustoffen verarbeitet, so dass keinerlei Transportaufwendungen entstanden. Der moderne Lehmbau ist nur wirtschaftlich bei zentralisierter Fertigung mit entsprechenden Produktionsumfängen, so dass eine adäquate Vorratshaltung gewährleistet werden muss. Aus dieser Forderung ergeben sich zwangsläuÀg größere Transportwege (Tab. 1-2). 85
3 H erstellung von Lehmbaustoffen
Rohstoffgewinnung
Baustoffherstellung
Verabeitung und Einbau
Recycling
Gebrauchszustand
Entsorgung
Gebäudeabriss
An die Gewinnung des Baulehms aus der natürlichen Lagerstätte schließt sich die Herstellung der Lehmbaustoffe an. Dieser Prozess umfasst die verschiedenen Verfahren der Aufbereitung, Formgebung und Trocknung. Nach deren Abschluss wird aus dem Baulehm ein Lehmbaustoff. Lehmbaustoffe sind ungeformte oder geformte Baustoffe aus ungebranntem Baulehm mit oder ohne Zuschlägen und Zusätzen. Ihre Eignung für einen bestimmten Zweck muss durch entsprechende Prüfungen nachgewiesen werden.
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
3.1
Aufbereitung von Baulehm
Das Ziel der Aufbereitung des Baulehms ist die Herstellung einer homogenen, für die Formgebung verarbeitungsfähigen Masse aus dem abgebauten Baulehm und ggf. eigenschaftsverbessernden Zuschlägen und Zusätzen. Dem Baulehm wird dabei i. d. R. Wasser zugesetzt, und zwar in dem für das Erreichen der entsprechend notwendigen Konsistenz erforderlichen Umfang. Bei der Aufbereitung müssen die abbaubedingten und geologisch gewachsenen Strukturen des Lehms mit ihren Schichtungen und lokalen Störungen aufgebrochen und gut vermischt werden. Durch die Aufbereitung sollen die im Feinstkorn in Form von Agglomeraten enthaltenen Tonmineralien zusätzlich Wassermoleküle anlagern können, wodurch sich der Haftverbund mit den gröberen Körnungen lockert und die weitere Verarbeitung erleichtert wird. Die Qualität der Aufbereitung des Baulehms ist entscheidend für die erreichbaren Eigenschaften der produzierten Lehmbaustoffe. Diese allgemeine Zielstellung für die Aufbereitung tonmineralhaltiger Rohstoffe ist in
3.1.1
gleicher Weise gültig für den Bereich der Ziegelherstellung. Viele Verfahren der Aufbereitung, Formgebung und Trocknung sind deshalb ähnlich. Im Vergleich zu Lehmbaustoffen steht hier am Ende der technologischen Kette jedoch ein gebrannter Ziegel, der neben speziellen Anforderungen an den Rohstoff auch einen höheren Energieaufwand für das Brennen erfordert. Die Entwicklung industrieller Fertigungsverfahren bei der Ziegelherstellung in der 2. Hälfte des 19. Jhdts. umfasste auch entsprechende Verfahren der Aufbereitung. Denn nur diese boten die Gewähr für ein qualitativ hochwertiges Endprodukt. Von dieser Entwicklung proÀtierte der Lehmbau jedoch nicht. Man kann zwischen Verfahren der natürlichen und mechanisierten Aufbereitung unterscheiden. Während die natürliche Aufbereitung i. d. R. eine Nassaufbereitung darstellt, unterscheidet man bei der mechanisierten Aufbereitung sowohl Nass- als auch Trockenaufbereitung.
Natürliche Aufbereitung
Bei der natürlichen Aufbereitung wird der Baulehm den vorherrschenden WitterungseinÁüssen ausgesetzt. Bei diesem Verfahren »arbeitet« der Faktor Zeit, wobei durch physikalische und chemische Prozesse infolge Sonnen- und Frosteinwirkung sowie durch Faulung und Gärung eingeschlossener organischer Bestandteile der Baulehm in seiner
Struktur verändert (»aufgeschlossen«) wird. Der Prozess der natürlichen Aufbereitung des Baulehms gehörte in den Kulturkreisen Zentralasiens, Chinas und Japans zu den verantwortungsvollsten Tätigkeiten des Bauens. Die Aufbereitung erforderte viel Zeit und große Sorgfalt und konnte über mehrere Jahre dauern [3.1].
3.1.1.1 Auswintern und Aussommern Beim Auswintern wird durch die Volumenvergrößerung des gefrierenden Porenwas88
sers die natürlich gewachsene Struktur des Baulehms aufgeschlossen. Der Baulehm wird
3.1 Aufbereitung von Baulehm
im Herbst zu Wällen von ca. 1 m Höhe aufgeschüttet. Eine nachfolgende mechanische Bearbeitung ist meist nicht notwendig. Voraussetzungen für diese Art der Aufbereitung sind das Vorhandensein ausreichender und geeigneter LagerÁächen sowie der Zeitraum von mindestens einer Winterperiode in der Bauablaufplanung.
In gleicher Weise wird beim Aussommern der aufgeschüttete Baulehm Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen ausgesetzt, die mit entsprechenden Quell- und Schwindverformungen verbunden sind. Auch dadurch erfolgt eine Lockerung der an den gröberen mineralischen Körnungen klebenden Tonteilchen.
3.1.1.2 Sumpfen Beim Sumpfen wird der Baulehm für eine gewisse Zeit mit Wasser versetzt, wodurch Quellvorgänge ausgelöst werden, die eine Lockerung der durch Tonmineralien verkitteten Strukturen bewirken und die anschließende Verarbeitung erleichtern. In der keramischen Industrie wird der Grubenlehm in Sumpfbe-
cken oder -häuser aus Stahlbeton eingefüllt, mit Wasser übergossen und mechanisch bearbeitet. Auf diese Weise können auch verschiedene zu mischende Lehme, Tone oder Sande eingebracht und nach dem Sumpfen senkrecht zur weiteren Verarbeitung abgestochen werden.
3.1.1.3 Mauken Im Gegensatz zum Sumpfen handelt es sich beim Mauken um einen biologisch wirkenden Fäulnisprozess, bei dem eine Gärung stattÀndet. In der Lehm- oder Tonmasse entwickeln sich Algen oder Bakterien, die eine Erhöhung
3.1.2
der Plastizität bewirken. Dieser Prozess kann durch entsprechende Zusätze (Kap. 3.1.2.4) verstärkt werden. Vorhandene Humusanteile erzeugen den gleichen Effekt.
Mechanisierte Aufbereitung
Bei der mechanischen Zerkleinerung des Baulehms mittels einfacher Geräte wurde früher vor allem menschliche und tierische Muskelkraft genutzt. Heute steht eine ganze Reihe von Maschinensystemen auch aus artfremden Bereichen (Gartenbau und Landwirtschaft,
Fleischverarbeitung und Nahrungsmittelindustrie) zur Verfügung, die den Baulehm nach verschiedenen mechanischen Wirkprinzipien in erforderliche Agglomeratgrößen sowohl nass als auch trocken zerkleinern.
3.1.2.1 Brechen, Schneiden und Kneten Durch eine Grobzerkleinerung werden abbaubedingte Schollenstrukturen des Baulehms
zerschlagen oder zerquetscht. Historische Formen der Grobzerkleinerung sind das Durch89
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
treten mit Füßen (Mensch und Tier) unter Wasserzugabe oder tiergetriebene Lehmmühlen (Bild 3-1 [3.2]). Zum Einsatz kamen auch einfache, handbetriebene Tonraspler (Bild 3-2 [3.3]). Ab 1850 setzten sich in den Ziegeleien maschinelle Aufbereitungssysteme durch, die in vereinfachter Form auch bei der Aufbereitung von Baulehm eingeführt wurden und werden. Beispiele für übliche Systeme sind (Bild 3-3) [3.4]:
Bild 3-1
– Kollergang / Backenbrecher: Lehmklumpen werden mittels sich gegenläuÀg drehender bzw. feststehender und drehender Walzen zerquetscht, – Schlaghammer: horizontal gelagerte, mit aufgeschraubten Stahlwinkeln besetzte Scheibe rotiert mit hoher Geschwindigkeit um Vertikalachse und zerschlägt dabei Lehmklumpen sowie verfestigtes Lockergestein.
Traditionelle Aufbereitung von Baulehm: kneten und brechen in der Lehmmühle [3.2]
Bild 3-2 Traditionelle Aufbereitung von Baulehm: schneiden im Tonraspler [3.3]
90
3.1 Aufbereitung von Baulehm
Backenbrecher
Fahrbarer Kollergang
Kollergang
Schlaghammer
Schlaghammer
Gurtbandförderer mit Walzenmühle
Bild 3-3
Mechanismen der Aufbereitung von Baulehm: grob zerkleinern, brechen, kneten [3.4]
3.1.2.2 Sieben Beim Sieben wird grob zerkleinerter Baulehm nach Korn- bzw. Agglomeratgrößen klassiert. Dabei werden unbrauchbare Steine und Grobkörnungen sowie organische Bestandteile, z. B. Baumwurzeln, aussortiert. Auf dem Sieb zurückbleibende Lehmklumpen können einzeln mechanisch zerkleinert und dem Siebvorgang erneut zugeführt werden. Die Siebvorrichtung muss dabei in der Lage sein, das Grobgut zu tragen und das Feingut durch seine Öffnungen passieren zu lassen. Anwendung Ànden je nach Zielgröße Siebe
mit Maschenweiten zwischen etwa 2 und 7 mm. Für kleinere, manuell bewegte Mengen werden feststehende Siebe und Roste eingesetzt, z. B. ein schräg gestellter Durchwurf oder ein Handsieb (Bild 3-4 [3.8]). Bei zu feuchten und zu fetten Lehmen besteht die Gefahr des Verklebens der Siebmaschen. Für größere Mengen erfolgt die Siebklassierung durch maschinell betriebene Siebvorrichtungen, z. B. Rotations- oder Vibrationssiebe (Bild 3-5 [3.4]).
91
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
Bild 3-4 Aufbereitung von Baulehm: Klassierung durch manuelles Sieben [3.8]
Rotationssieb
Vibrationssieb [3.4]
Bild 3-5 Aufbereitung von Baulehm: Klassierung durch maschinelles Sieben
granuliertes Tonmehl
Tonmehl, »Sackware«
Bild 3-6 Tonmehl, Lieferformen [3.50]
92
3.1 Aufbereitung von Baulehm
Kugelmühle: Prinzipskizze
Bild 3-7 Aufbereitung von Baulehm: feinmahlen in Kugelmühle
3.1.2.3 Mahlen und Granulieren Bei der Feinzerkleinerung werden aus feinkörnigen nassen oder künstlich getrockneten Baulehmen pulverförmig aufbereitete Lehmbaustoffe hergestellt. Übliche Handelsbezeichnungen sind »Tonmehl« oder »Trockenlehm« (Kap.2.2.1.2) mit Körnungen d < 0,063 mm, die als »Sackware« angeboten werden (Bild 3-6). Zur Mahlaufbereitung des Rohlehms werden in der keramischen Industrie verschiedene Mühlentypen eingesetzt, z. B.: Trommel- oder Kugelmühlen (Bild 3-7 [3.5-2]): In einem rotierenden Stahlzylinder (Trommel) beÀnden sich Mahlkugeln aus Flintsteinen (Feuersteinknollen aus Flussläufen). Der Mahleffekt entsteht dadurch, dass bei Drehung der Trommel die mitgenommenen oberen Kugeln den Böschungswinkel des Haufwerks
herunter rollen. Dabei treffen die Kugeln aufeinander, und das Mahlgut, das sich zufällig zwischen den Kugeln beÀndet, wird zerschlagen. Eine weitere Mahlwirkung wird durch Verschiebungen im Inneren des Kugelhaufens erzielt. Walzenmühlen: Zwei Walzen gleichen Durchmessers drehen sich auf parallelen Wellen rasch gegenläuÀg und ziehen das aufgegebene Mahlgut in den zwischen ihnen vorhandenen Walzenspalt mit einer Weite von < 1mm ein. Die Aufbereitung des Rohmehls kann mit dem Granulieren als letzter Stufe abgeschlossen werden. In einem Halbnassverfahren wird das erhitzte Rohmehl unter Zusatz von verdüstem Wasser zu einer Pelletgröße von ca. 1– 30 mm agglomeriert (Bild 3-6 [3.50]).
3.1.2.4 Dosieren, Vereinigen und Mischen HäuÀg besitzen Baulehme nicht die für die vorgesehene Anwendung erforderlichen Eigenschaften. Durch eine Vielzahl von Zu-
schlägen und Zusätzen in optimierten Rezepturen können diese zielorientiert verbessert werden. 93
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
Dosieren Beim Dosieren werden der Baulehm und ggf. die Zuschläge und Zusätze entweder durch volumetrisch oder gravimetrisch arbeitende Geräte aufgenommen und einem nachgeschalteten Stetigförderer zugeführt. Beim volumetrischen Dosieren wird dem Lager ein vorgegebenes Volumen des Feststoffes pro Zeiteinheit entnommen und abgeführt. Beim gravimetrischen Dosieren wird der abzugebende Feststoff durch eine Wiegevorrichtung gemessen und danach die Geschwindigkeit oder die AbnahmeÁäche des Dosierens geregelt. Dosierungen können auch manuell mittels einfacher volumetrischer Messhilfen (Eimer, tragbare Kästen) vorgenommen werden. Zuschlagstoffe (Bild 3-8.1 [3.6]) verändern vor allem die physikalischen Eigenschaften der Lehmbaustoffe. Sie verringern das Schwinden beim Austrocknen und erhöhen die Zugfestigkeit sowie die Stabilität gegenüber Erosion. Leichtzuschläge verbessern die Wärme-
dämmung der aus diesen Lehmbaustoffen gefertigten Bauteile. Man unterscheidet mineralische und organische Zuschlagstoffe. Beispiele für mineralische Zuschläge sind Sand, Kies und als Leichtzuschläge thermisch behandelte Produkte wie Blähton, Blähglas oder Blähschiefer. Thermisch geblähte Produkte erfordern jedoch einen hohen Energieaufwand bei der Herstellung. Als organische Zuschläge verwendet man vor allem natürliche pÁanzliche Faserstoffe wie Strohhäcksel, Holzhackschnitzel, Hanfschäben u. a., aber auch Tierhaar, z. B. Kälberhaar und Schweineborsten. Zusätze (Bild 3-8.2 [3.6]), die man ebenfalls in mineralische und organische unterteilt, verändern die chemische Struktur der Tonminerale des Lehms und können damit ungünstige Eigenschaften, z. B. das Schwinden und Quellen, vermindern. Sie erhöhen darüber hinaus die Druck- und Abriebfestigkeit sowie die Witterungsstabilität der Lehmbauteile.
Zuschläge mineralisch natürlich Zuschläge
Leichtzuschläge
– Sand – Kies – Splitt 1 – Gesteinsmehl 1 – Schamotte 1 – Asbestfasem 1
1 2 3
synthetisch – Glasfasern – Gesteinsfasern – Hüttenbims 3 – Blähglas 3 – Eisenspäne 3
– Lava – Bims – Sinterbims – Perlite 2 – Blähton 2 – Blähschiefer 2 – Blähglimmer 2
natürlich
synthetisch
Faserstoffe
Kurzfasrige Stoffe
– Stroh 3 – Heu – Krautartige Faserstoffe – Seegras – Hanf 3 – Jute – Chinaschilf
pÁ anzlich – Baumnadeln – Flachsschäben 3 – Flachsfasern 3 – Hanfwolle 2 – Strohhäcksel 1 – Strohmehl 1 – Spreu 3 – Reisspelzen 3 – Kokosfasern – Sisalfasern – Bambusfasern
mechanisch aufbereitet thermisch aufbereitet Neben- oder Abfallprodukt
Bild 3-8.1
94
organisch
Lehmbaustoffe: Übersicht Zuschläge [3.6]
Holzige Stoffe
– Späne 3 – Hackschnitzel 3 – Haare – Schwachholz – Borsten – Staken – Bambus – Papier 3 – Zellulose 3 – Schilf – Kork
tierisch
– Kunstfasern – Styroporkugeln
3.1 Aufbereitung von Baulehm
Zusätze mineralisch natürlich – Ton – Kalk 1 2 – Gips 2 – Salz – Trass 1 – Naturaspahlt
1 2 3
organisch synthetisch
natürlich
3
– Gips tierisch pÁ anzlich – Salz – Zement – Algen und Seetang – Fäkalstoffe – Wasserglas – Gluten – Urin – Soda – Stärkehaltige Stoffe – Kasein – SulÀ tablauge 3 3 – Melasse – Molke – Aschen 3 2 – Öle und ölhaltige Substanzen – Blut – gebrannter Ton 3 2 – tierische Klebstoffe – Harze – Eisenoxid – Glykogen – Wachse 2 – Termitenbauten – Gerbsäure – PÁ anzensäfte 3 – Lignin
synthetisch – Erdölprodukte – Kunstharze 2 – Wachse, Stearine, ParafÀ ne 2 – Kautschuk – Latex – Seife – Flockungsmittel – Quartäre Aminderivate – Säuren – Alkohol – »Margine« 3 – Kunststoffe
mechanisch aufbereitet thermisch aufbereitet Neben- oder Abfallprodukt
Bild 3-8.2
Lehmbaustoffe: Übersicht Zusätze [3.6]
Beispiele für organische Zusätze sind PÁanzensäfte, tierische Exkremente u. a. Synthetische organische Zusätze sind problematisch bzgl. ihrer Abbaubarkeit im Naturkreislauf. Nicht geklärt sind mögliche gesundheitliche Beeinträchtigungen bei der Verwendung von Bitumen. Bei den mineralischen Zusätzen handelt es sich vor allem um die große Gruppe der Bindemittel, insbesondere um Kalk und Zement. Die chemische Stabilisierung von Baulehmen mit entsprechenden Zusätzen schränkt eine wichtige und zu erhaltende besondere ökologische Qualität des Baustoffes Lehm ein: er lässt sich im trockenen Zustand ohne nennenswerten Energieeinsatz durch Wasserzugabe wieder plastisch aufbereiten (replastiÀzieren) und weiter verarbeiten (Kap. 6.2.2.2) oder problemlos in den Naturkreislauf zurückführen. Gelegentlich trifft man auch auf Angebote für »wetterfeste« Lehmbaustoffe. Die Eigenschaft »wetterfest« kann jedoch nur durch Zusatz von künstlichen Bindemitteln erreicht werden, was die Möglichkeit der ReplastiÀ-
zierung des Lehms einschränkt oder unmöglich macht. Solange der Verbraucher über diesen Zusammenhang aufgeklärt wird, ist dies kein Problem. Große Sorgfalt bei der EntscheidungsÀndung ist überall dort anzuraten, wo Zusätze auf der Basis synthetischer Kohlenwasserstoffe eingesetzt werden, die während des Gebrauchszustandes die Raumluft belasten können oder nach einem Gebäudeabbruch im Boden nicht oder nur schwer abgebaut werden. Vor allem in tropischen Entwicklungsländern, in Australien und den USA gehört die chemische Stabilisierung von Lehmbaustoffen, insbesondere der Zusatz der Bindemittel Kalk und Zement zu StampÁehm, aber auch zu Lehmsteinen, zur täglichen Praxis. Darüber hinaus werden vor allem in Entwicklungsländern dem Baulehm verschiedene lokale Ersatzstoffe für den teuren Zement zugesetzt, z. B. Aschen pÁanzlicher Rückstände (Reisschalen), die die chemische Struktur der Tonmineralien ebenfalls verändern. 95
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
Vereinigen Beim Vereinigen werden die unterschiedlichen Stoffströme – Baulehm, Zuschläge und Zusätze, ggf. Wasser – nach einer vorgegebenen Rezeptur zu einem Massenstrom zusammengeführt. Unterschiedliche Stoffströme können auch durch eine lagenweise Haldenschüttung homogenisiert und anschließend oder zeitversetzt abgebaut und weiterverarbeitet werden. Mischen Beim Mischen erfolgt mittels Walk- und Scherarbeit eine Durchdringung des Baulehms und der Zuschläge und Zusätze ggf. unter Zusatz
von Wasser, bis aus dem Gemenge eine homogene, bildsame Masse mit einer über längere Zeit konstanten Zusammensetzung entstanden ist. Bildsamkeit bedeutet in diesem Zusammenhang das Vermögen der Masse, auf äußere Kräfte durch Formänderung zu reagieren, ohne dass dadurch der Zusammenhalt der einzelnen Komponenten verloren geht. Diese Fähigkeit wird der Masse durch die Klebkraft der Tonmineralien verliehen. Bild 3-9 zeigt aktuelle und historische Formen des Mischens von Baulehm mit Zuschlägen [3.7] [1.24].
Mischen im Zwangsmischer [3.7]
Mischen mit Rührquirl [3.7]
Bild 3-9
96
traditionelle Form des Mischens [1.24]
Aufbereitung von Baulehm: verschiedene Formen des Mischens mit Zuschlägen
3.1 Aufbereitung von Baulehm
3.1.2.5 Aufschlämmen Unter Aufschlämmen oder Dispergieren versteht man das Überführen des Baulehms in Áüssige Konsistenz durch Nassaufbereitung, z. B. mit elektrisch betriebenen Rührquirlen. Dabei werden die Kapillarkraftbindungen zwischen den verschiedenen Körnungen des Baulehms aufgelöst und die an den Grobkörnungen anhaftenden Überzüge tonmineralhaltiger Agglomerate abgetrennt. Auf diese Weise können auch schädliche Beimengungen wie Kalkknollen oder Gips aufgelöst bzw. ausgelesen werden. Mit der Lehmschlämme übergossene oder in diese eingetauchte Leichtzuschläge werden mit einem tonmineralhaltigen Überzug versehen, der nach Austrocknung als Bindemittel wirkt und die Formstabilität des geformten Baustoffes oder Bauteiles gewährleistet (Bild 3-10 [3.7]). Das Prinzip der Nassabtrennung tonmineralhaltiger Überzüge vom Grobkorn wird in Kieswerken in Verbindung mit einer Siebklassierung unter Zuhilfenahme von Dispergierungsmitteln (Tenside) angewendet. Das tonmineralhaltige Abfallprodukt, der Presslehm, kann auch zur Herstellung von Lehmbaustof-
fen eingesetzt werden (Kap. 2.2.1.4). Das Aufschlämmen als Verfahren zum Auflösen der Kapillarkraftbindungen zwischen den verschiedenen Körnungen des Baulehms hat jedoch einen Nachteil: den großen Verbrauch an Wasser, i. d. R. in Trinkwasserqualität. Eine wassersparende Form der Aufbereitung von Baulehm ist der Einsatz von heißem Wasserdampf. Durch diesen Heißaufschluss mit Dampf wird die Masse mit vergleichsweise wenig Zusatzwasser auf ca. 90°C erwärmt, dadurch ihre Plastizität vergrößert und damit eine bessere Formbarkeit erreicht. Dementsprechend gering sind auch die Schwindverformungen beim Austrocknen der geformten Produkte. Einen ähnlichen Effekt erreicht man durch die Verwendung von heißem Zusatzwasser, das die Masse auf ca. 30°C erwärmt. Der Aufschluss der Ton- bzw. Lehmmasse mit heißem Wasser bzw. Dampf ist aus der keramischen Industrie bekannt und wird auch bei der Herstellung von geformten Lehmbaustoffen (Lehmsteine, Lehmplatten) angewendet. Diese Verfahren erfordern jedoch einen höheren Energieeinsatz.
Bild 3-10 Übergießen des ausgebreiteten Strohs mit Lehmschlämme [3.7]
97
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
3.2
Formgebung
Das Ziel der Formgebung ist die Herstellung eines geformten Lehmbaustoffs oder Lehmbauteils mit deÀniertem Zusammenhalt aus der aufbereiteten, formlosen Arbeitsmasse im plastischen Zustand. Das Formgebungsverfahren muss sichern, dass ein im stofÁichen Aufbau und im Gefügebau gleichmäßiger Formling entsteht, der nach Austrocknung als Baustoff oder Bauteil gebrauchstauglich ist. Bei der Herstellung des Formlings wird durch Anwendung verschiedener Verdichtungsverfahren aus der formlosen, bildsamen Lehmmasse die Luft bzw. das in den Hohlräumen festgehaltene Porenwasser weitgehend ausgepresst. Dadurch erlangt das Element oder Bauteil nach Austrocknung die notwendige Festigkeit. Bei der Verdichtung ist zusätzlich
3.2.1
Konsistenz der Arbeitsmasse
In der keramischen Industrie unterscheidet man nach der Konsistenz bzw. dem Wassergehalt der verwendeten Arbeitsmasse [3.5-2]: – Pressformgebung: die Arbeitsmasse bildet einen relativ trocken erscheinenden formlosen Stoff in körnigem, pulvrigem Zustand ohne nennenswerten Zusammenhalt bei Wassergehalten < 15 Masse-%, – bildsame Formgebung: die Arbeitsmasse ist
3.2.2
bildsam verformbar und durch einen deutlichen Zusammenhalt des Baulehms und der Zuschläge gekennzeichnet. DerWassergehalt liegt im Bereich von etwa 15–25 Masse-%, – Formgebung durch Gießen: die Arbeitsmasse wird als dickÁüssige, gießfähige Suspension aufbereitet und besitzt einen Wassergehalt von etwa 30–40 Masse-%.
Formatgestaltung der Arbeitsmasse
Im Lehmbau differenziert man die Verfahren der Formgebung der verwendeten Arbeitsmasse aus Baulehm und ggf. Zuschlägen und Zusätzen vor allem nach der Formatgestaltung der Formlinge. Aus diesen Verfahren haben sich eigenständige, traditionelle Bauweisen entwickelt:
98
zum Reibungswiderstand der nicht bindigen Sande und Kiese die Bindekraft der an den Grobkörnungen anhaftenden Tonminerale zu überwinden. Dabei gleiten die Partikel aneinander vorbei und füllen die Hohlräume des lockeren Kornhaufwerks mit kleinen und kleinsten mineralischen Teilchen aus. Das ist nur möglich, wenn der Lehm ausreichend feucht bzw. die eingetragene Verdichtungsarbeit entsprechend groß ist. Die Verfahren der Formgebung von Lehmbaustoffen können nach zwei Aspekten unterschieden werden: – nach der Konsistenz bzw. dem Wassergehalt der Arbeitsmasse, – nach der Formatgestaltung der Formlinge als elementierter Baustoff oder als ganzes Bauteil.
– elementierte Formgebung mit Bezug zur Ziegelherstellung (z. B. Lehmsteinbauweise) und – direkte bauteilbildende Formgebung mit Bezug zum monolithischen Betonbau (z. B. StampÁehmbauweise).
3.2
Formgebung
3.2.2.1 Elementierte Formgebung Bei der elementierten Formgebung geht es um die Produktion von stein-, block-, plattenoder batzenförmigen Elementen aus einem ungeformten, i. d. R. bildsamen Lehmbaustoff. Erst durch das Zusammenfügen mehrerer / vieler Elemente im feuchten oder trockenen Zustand entsteht nach den Regeln des Mauerwerksbaus das fertige Lehmbauteil. Pressen Das Formgebungsverfahren »Pressen« wird bei der Herstellung von Lehmsteinen und -platten angewendet. Die einfachste Form sind Stempelpressen als manuell betriebene Hand- oder Kniehebelpressen mit einer Pressenkammer für die Formgebung für einen oder zwei Lehmsteine. Dabei wird steif bis halbfest aufbereiteter, formloser Lehmbaustoff in eine stabile Formkammer eingefüllt. Durch Eintragen einer Presskraft erhält er seine endgültige Form. Während dieses statischen Verdichtungsvorganges richten sich die plättchenförmigen Mineralteilchen in Richtung der durch die Verdichtung eingetragenen Zugkräfte aus, also
Bild 3-11
normal zur eingetragenen Druckkraft. Der Baustoff »merkt« sich diesen Vorgang, so dass eine Belastung des trockenen Lehmbaustoffs im Gebrauchszustand auch nur wieder in Richtung der eingetragenen Presskraft erfolgen darf. In Entwicklungsländern sehr verbreitet ist die in den 1950er Jahren in Kolumbien entwickelte CINVA -Presse (Bild 3-11 [3.8]). Die Vorteile dieser Kniehebelpresse liegen in der einfachen Handhabbarkeit, der problemlosen Transportmöglichkeit auch in unwegsame Gebiete, in ihrer Unabhängigkeit von Energienetzen sowie in den vergleichsweise geringen Anschaffungskosten. Mit dieser Art der Formgebung werden für einen optimalen Produktionsablauf ca. 3 – 5 Personen benötigt, die eine Leistung von 300 Steinen pro Tag und mehr erreichen können. Lehmsteine werden auch in Strangpressen geformt: Die aufbereitete Lehmmasse wird durch ein Mundstück gepresst, dabei zu einem Endlosstrang geformt und auf das vorgegebene Format zugeschnitten.
Formgebung von Lehmsteinen: Kniehebelpresse [3.8]
99
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
Mundstück
Bild 3-12
Formgebung von Lehmsteinen: Strangpresse [3.9]
Das Strangpressverfahren ist das typische Formgebungsverfahren der Ziegelindustrie. Die Arbeitsmasse besteht hier jedoch aus Tonen. Nach Abschluss der Formgebung werden die »Grünlinge« gebrannt und dadurch wasserfest. Beim Formgebungsprozess in der Strangpresse bilden sich vor allem bei Tonen zwischen festeren Bereichen der Arbeitmasse GleitÁächen mit erhöhtem Wassergehalt aus (Bild 3-12 [3.9]). Diese führen im Stein zur Ausbildung einer schalenförmigen Struktur entlang von plastischen Fließebenen, die im Falle von Ziegeln jedoch durch den Brand verschmelzen. Ungebrannte »Ton«-Steine oder Grünlinge bilden beim Austrocknen entlang der Fließebenen Schwindrisse, welche bei erneutem Wasserzutritt, z. B. von Niederschlägen im Außenwandbereich, zu ebensolchen Ausbrüchen führten. Entsprechende Schadensfälle nach dem 2. Weltkrieg sind in [3.10] dokumentiert (Bild 5-20). Für das Formgebungsverfahren »Pressen« steht heute eine große Vielfalt an automatisch betriebenen Pressen zur Verfügung. Entsprechend ihrer Produktionskapazität unterscheidet man: 100
plastische Fließebenen
– Motorpressen als Stempel- oder Strangpressen (bis 2. 000 Lehmsteine pro Tag), – Mobile Produktionseinheiten (Strangpressen, bis max. 15. 000 Lehmsteine pro Tag), komplexe Mechanisierung der Aufbereitung und Formgebung sowie der Transportprozesse, Vorteil des mobilen Einsatzes, dadurch Verkürzung der Transportwege möglich, – Stationäre Produktionseinheiten / Ziegeleien (Strangpressen bis 50. 000 Lehmsteine proTag), maximale Produktionskapazität; durch feste Stationierung wachsen mit der Produktion die Entfernungen zu geeigneten Lehm-Lagerstätten und damit der Transportaufwand. Entsprechend der Ausbildung der Formkammer kann man Lehmsteine sehr unterschiedlicher Gestalt herstellen: massive quaderförmige Elemente, Lehmsteine mit Aussparungen und Verzahnungen für das Bauen in Erdbebengebieten, Lehmsteine in Sonderformaten, z. B. für das Mauern von Kuppeln oder Gewölben [3.11]. Prinzipiell möglich ist auch das »Trockenpressen« von Lehmsteinen und -platten, wobei die aufbereitete Lehmmasse nicht mehr plastisch formbar ist, sondern lufttrocken mit < 10% Feuchte in stabile Formrahmen bei
3.2
hohem Druck zu Lehmsteinen oder -platten gepresst wird [3.12]. Die Vorteile dieser Art der Formgebung liegen in der hohen mechanischen Stabilität der Lehmbaustoffe, den vernachlässigbar niedrigen Schwindverformungen sowie der Einsparung der Kosten für die Trocknung. Eine Verarbeitung ist sofort möglich.Wegen ihrer relativ hohen Grubenfeuchten müssten einheimische Lehme erst auf das für das Trockenpressen erforderliche Feuchteniveau zurückgetrocknet werden. Patzen Lehmbaustoff wird in weiche Konsistenz aufbereitet, mit Schwung in eine Formkammer oder einen Formrahmen geworfen (»gepatzt«) und an der OberÁäche mit einem Brett abgestrichen (»Handstrichstein«, Bild 3-13 [3.13]). Durch die Impulsverdichtung richten sich die Tonmineralplättchen normal zur Richtung des Impulseintrags aus. Das Entfor-
Bild 3-13
Formgebung
men kann i. d. R. sofort erfolgen. Die Lehmsteine werden, sobald dies die Stabilität der noch feuchten Masse zulässt, hochkant zum Trocknen an der Luft aufgestellt. Stampfen Halbfest bis steif aufbereiteter Lehmbaustoff wird manuell bzw. mittels spezieller Schüttvorrichtung in Formkästen oder Formrahmen in Lagen eingefüllt und jeweils anschließend manuell oder maschinell verdichtet (Bild 3-14 [1.24]). Die noch feuchten Lehmsteine werden nach Entschalung an der Luft getrocknet. Eine spezielle Anwendung sind im Werk vorgefertigte, bis raumhohe Wandelemente aus StampÁehm (d ~ 500 mm), die mit entsprechender Montagetechnik zu tragenden oder nichttragenden Wandkonstruktionen verarbeitet werden (Bild 3-15), (Kap. 3.5.8). Die Schalungsund Verdichtungstechnik entspricht jener bei der Herstellung von StampÁehmwänden.
Formgebung von Lehmsteinen: patzen [3.13]
101
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
Bild 3-14
Formgebung von Lehmsteinen: stampfen [1.24]
Bild 3-15 Vorgefertigte Wandelemente aus StampÁehm
Gießen Vergleichbar mit der Gleitfertigung von Betonfahrbahnen im Straßenbau wird dickÁüssig aufbereiteter Lehmbaustoff in einen auf einer festen Unterlage auÁiegenden batterieförmigen Schalungskasten eingefüllt, abgeglichen und durch Vibration verdichtet. Danach erfolgt die Entschalung. Diese Art der Formgebung mit sog. »egg laydown machines« wird seit den 1930er Jahren im SW der USA ange102
wendet (Bild 3-16 [3.14]). Durch die ariden Klimabedingungen in dieser Region wird die schnelle Trocknung der Lehmsteine begünstigt. Anstelle eines batterieförmigen Schalkastens kann auch eine einfache, seitenbegrenzende Schalung verwendet werden. Die auf der festen Unterlage auÁiegende »Lehmplatte« wird noch im plastischen Zustand durch eine scheibenförmige Schneidvorrichtung in Blockformate zerschnitten. Die Steine trock-
3.2
nen bis zum Erreichen der Transportstabilität am Ort und werden anschließend auf Stapel gesetzt. Mit dem Formgebungsverfahren »Gießen« können auch dünne Lehmplatten hergestellt werden. Zur Entwässerung des dickÁüssigen Lehmbaustoffes werden bei der Formgebung Bandpressen eingesetzt. Zur Erhöhung der Biegefestigkeit und Transportsicherheit können Bewehrungen in die Platten eingearbeitet werden. Lehmbatzen Neben stein-, block- oder plattenförmigen Elementen wurden und werden im traditionellen Lehmbau manuell geformte (Bild 3-17
Formgebung
[3.2]) oder mit dem Spaten abgestochene Lehmbatzen in unregelmäßiger Form ohne deÀnierte Abmessungen hergestellt. Einen Grenzfall zum Lehmbau bilden Laterite (Kap. 2.1.2.6). Bei entsprechendem Tonmineralgehalt sind sie im erdfeuchten Zustand manuell lösbar, erhärten jedoch an der Luft irreversibel. In diesem Zustand werden sie wie leicht lösbares Festgestein mit der Hacke oder maschinell in gewünschten Formatgrößen abgebaut (Bild 3-18). Die Lehmbatzen werden zu tragenden Wandkonstruktionen oder Ausfachungen feucht oder trocken (mit Mauermörtel) verarbeitet. Schalungssysteme sind dabei nicht erforderlich.
Bild 3-16 Formgebung durch »gießen«: »egg laydown« - Fertiger [3.14]
Bild 3-17 Dünner LehmbroteVerfahren: Herstellung der Lehmbrote [3.2]
103
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
Bild 3-18 Abstechen von an der Luft erhärteten Lateritblöcken [wikipedia]
3.2.2.2 Bauteilbildende Formgebung Bei der bauteilbildenden Formgebung geht es um die Herstellung eines kompletten Bauteils aus einem ungeformten, bildsamen Lehmbaustoff. Die Gestalt des Bauteils wird durch eine Schalung erzeugt, deren Innenmaß dessen endgültigen Abmessungen entspricht. Die Verdichtung des ungeformten Lehmbaustoffs in der Schalung ist deshalb identisch mit der Formgebung des Bauteils. Verdichtung Für die Verdichtung des Lehmbaustoffes stehen verschiedene Maschinensysteme zur Auswahl, die sich hinsichtlich ihrer Verdichtungswirkung unterscheiden. Die technische Vielfalt der Verdichtungsgeräte ist groß (Bild 3-19 [3.15]):
104
Statische oder Druckverdichtung Bei der statischen oder Druckverdichtung wird der Lehmbaustoff beim Überrollen durch statische Walzen in der Schalung schwellend belastet und verdichtet. Glattwalzen erzeugen durch ihre AuÁast im wirksamen Tiefenbereich eine Verdichtung, aber auch eine horizontale Scherbeanspruchung, die zu wellenartigen Verformungen der Schüttlage und zu Querrissen in Bewegungsrichtung der Walze führen kann. Gitterrad- und Schaffußwalzen kombinieren die statische Belastung aus der Masse des Walzenkörpers mit einer Knetwirkung, die vor allem bei bindekräftigen Lehmbaustoffen zu einer wirksamen Verdichtung führt. Die Knetwirkung wird durch die spezielle Ausbildung der OberÁäche des Walzenkörpers erreicht.
3.2
Verdichtungswirkung
Verdichtungsgerät
Statische oder Druckverdichtung
Glattwalze
Impuls- oder Stampfverdichtung
Druckluft- bzw. Motorstampfer, Handstampfer
Vibrationsverdichtung
Vibrationsplatte
Vibrationsverdichtung in Kombination mit statischer Verdichtung durch AuÁast
Vibrations-Schaffuß- und Gitterradwalzen
Bild 3-19
Formgebung
Systemskizze
Verdichtungsgeräte und Verdichtungswirkung im StampÁehmbau, nach [3.15]
Bei Gitterradwalzen ist der Walzenkörper mit einem aus einem Stahlgitter bestehenden Mantel besetzt. Durch den gitterartig aufgelösten Walzkörper treten die bei Glattwalzen üblichen Scherkräfte nicht auf. Schaffußwalzen werden auch als Stacheloder Igelwalzen bezeichnet. Der Walzenkörper ist mit quader- oder kegelstumpfartig verdickten Füßen bestückt, die ovale oder eckige Sohlen aufweisen. Die Verdichtungswirkung wird durch Auspressen der luft- und wassergefüllten Grobporen aus der unverdichteten Lehmschüttlage durch punktartiges Drücken und waagerechtes Kneten erzeugt. Die durch die Schaffüße eingedrückten (und ggf. einvibrierten) Löcher vergrößern die OberÁäche der Schüttlagen erheblich. Damit kann vor Aufbringen der nächsten Lage deutlich mehr Wasser verdunsten. Schafußwalzen verdichten von unten nach oben, d. h. mit zunehmender Zahl der Übergänge vermindert sich die Eindringtiefe der Füße. Sie »stelzen« sich auf.
Die genannten Walzenarten können auch als Vibrationswalzen ausgebildet sein. Dadurch wird die beschriebene statische Verdichtung mittels Erregersystemen mit einer dynamischen Komponente überlagert. Bei der Realisierung verschiedener Stampflehmprojekte sind in den letzten Jahren auch Gitterrad- bzw. Schaffuß-Vibrationswalzen erfolgreich eingesetzt worden. Impuls- oder Stampfverdichtung Bei der Impuls- oder Stampfverdichtung bewegt sich ein Druckluftstampfer in den Phasen »Sprung« und »Schlag«. Zwischen dem Absprung und dem Aufsetzen kommt es zu einer kombinierten Stampf- und Vibrationswirkung, die zu einer Verdichtung des Lehmbaustoffes in der Schalung führt. Bei der Verarbeitung von StampÁehm werden heute Druckluftstampfer eingesetzt, deren Eigenmasse wegen des Verdichtungsdruckes auf die Schalung begrenzt ist und bei max. 105
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
15 kg liegt. Ihre Frequenz beträgt bis zu 700 / min (Bild 3-20). Sie sind auch mit Elektround Benzin- bzw. Dieselmotor verfügbar. Im Gegensatz zu Druckluftstampfern wird bei ihrem Einsatz auf der Baustelle kein Kompressor benötigt. Die Stampffüße bestehen aus Stahl oder Hartgummi und können eine runde
oder eckige AufstandsÁäche aufweisen. Bei der traditionellen Verarbeitung wurde und wird StampÁehm mittels Handstampfer mit ca. 5 – 8 kg Eigenmasse bei einer AufstandsÁäche von 100 – 200 cm2 lagenweise in Schalungen eingebaut und verdichtet.
Bild 3-20 Verdichtung von StampÁehm mittels Elektrostampfer
Vibrationsverdichtung Der bei der Vibrationsverdichtung erzielte Verdichtungseffekt wird bestimmt durch eine Reihe von technischen Parametern des Verdichtungsgerätes sowie die Eigenschaften des zu verdichtenden StampÁehms. Durch die in den StampÁehm eingetragenen, schnell aufeinander folgenden Impulse (>1. 200 / min) können sich vor allem Anhaftungen im Grobkornbereich kurzzeitig lösen, wodurch Grobporen von kleineren Körnern ausgefüllt werden. Im Feinstkornbereich kann ein Porenwasserüberdruck bzw. ein erhöhter Luftdruck entstehen, 106
der die molekularen Bindekräfte teilweise aufhebt und dadurch Porenwasser an die OberÁäche zieht. Bei ausreichender AuÁast und Amplitude kann dadurch eine dichtere Gefügelagerung erzielt werden. Der Verdichtungsdruck auf die Schalung muss beachtet werden. Neben Vibrationswalzen erzielen noch die Vibrations- oder Rüttelplatten die beschriebene Verdichtungswirkung. Sie bestehen aus einer verschleißfesten Grundplatte mit stabilem Rand, auf die Antriebsmotor und Vibrator fest montiert sind. Da ihre Erregerkraft größer als die Eigenmasse ist, heben sie sich von
3.2
der OberÁäche ab. Dabei kann es jedoch zu den bei Glattwalzen beschriebenen wellenartigen Verformungen der Schüttlage und zu Querrissen in Bewegungsrichtung der Rüttelplatte kommen. Verdichtung durch Anspritzen Die erforderliche Verdichtung des Lehmbaustoffes kann auch durch den mechanischen Aufprall der Mischung auf die bauteilbildende Schalung erzeugt werden. Wie bei der von der Verarbeitung von Putzmörteln bekannten Spritztechnik wird eine pumpfähig aufbereitete Mischung aus Baulehm, geeigneten Zuschlägen und ggf. Zusätzen und Wasser unter hohem Druck ein- oder mehrschichtig auf eine bauteilbildende Schalung gespritzt (Bild 4-18 [4.40]). Die Bindekraft der Tonminerale gewährleistet die Formstabilität während der Austrocknung. Anspritzdruck und Zusammensetzung und Konsistenz der Mischung können reguliert werden [3.21], [3.23] (Kap. 4.2.3.1). Schalungssysteme StampÁehmbau Der StampÁehmbau hat Bezüge zum monolithischen Betonbau. Er ist schalungsgebunden und erfordert ein ausreichend steifes Schalungssystem, bestehend aus seitlichen Schaltafeln aus Holz oder Holzwerkstoffen als Wander- oder Kletterschalung. Die Schaltafeln im traditionellen StampÁehmbau werden mit senkrecht stehenden Jochen versteift, an deren Kopfenden quer zur Wand verlaufende Steifen oder Spannanker aus Holz oder Stahl befestigt sind. Die Joche halten die Schaltafeln zusammen und nehmen den Verdichtungserddruck auf, während die Steifen als Abstandshalter die vorgesehene Wanddicke gewährleisten. Am Fußende der Joche sitzen die Spannanker mit den Schaltafeln auf der gestampften Wand auf. Sie müssen nach Fertigstellung des Stampfabschnittes wieder herausgezogen werden (Bild 3-21).
Formgebung
Bei der Anwendung der Schalungssysteme sind folgende Aspekte zu beachten: – Die Schaltafeln dürfen sich beim Verdichten nicht nach außen durchbiegen, – die Schalung muss leicht justierbar sein, – die Einzelteile der Schalung müssen sich bequem transportieren lassen. Im modernen StampÁehmbau kommen Schalungssysteme zum Einsatz, wie sie auch im Betonbau üblich sind. Sie sind für einen Schaldruck von ca. 60 kN / m2 ausgelegt. Die inneren OberÁächen der Schalung werden vor dem Einbringen des StampÁehms mit Leinöl behandelt, das sich als Trennmittel bewährt hat. Mit dem Abbau der Schalung ist die Formgebung des StampÁehm-Bauteils abgeschlossen. Bild 3-20 zeigt eine Schalung für einen Wandabschnitt aus StampÁehm aus doppelt gestellten Holzfaserplatten mit gekrümmter Linienführung. Mit der zweiten, außen stehenden Lage können Stöße der innen liegenden Schaltafeln problemlos überdeckt werden. Wellerlehmbau Mit der traditionellen Wellerlehmbauweise wurde ebenfalls eine bauteilbildende Formgebung erreicht, jedoch meist nicht durch eine Schalung, sondern durch Áucht- und lotrechtes Abstechen der OberÁächen der aufgesetzten, noch plastischen Lehmwände mit einem angespitzten Spaten. Die usbekische Variante des Wellerlehms »pakhsa« ist in Bild 3-22 dargestellt. Stroh- und Leichtlehmbau Obwohl die Verdichtungsarbeit bei der Verarbeitung von Stroh- und Leichtlehm geringer ist als bei StampÁehm, müssen die Schalungen in gleicher Weise formstabil sein. Dies wird durch entsprechende Abstände der senkrechten Ständer des Tragskeletts sowie des nicht tragenden Füllskeletts erreicht (Kap. 4.2.3.2). Temporäre Schalungen werden für Leicht107
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
traditionelle Formgebung, Marokko, Aït Benhaddou
Bild 3-21
prinzipielle Anordnung des Schalungssystems [1.28]
Traditionelle Formgebung im StampÁehmbau mittels Schaltafeln
usbekische Variante »Pakhsa«
Bild 3-22
108
Traditionelle Formgebung für Wände aus Wellerlehm durch Abstechen [3.13]
3.2
lehm mit organischen Faserzuschlägen verwendet, die ein Entschalen schon unmittelbar nach dem Einbau zulassen. Die Schalungen können auf einfache Weise (z. B. mit Schraubzwingen) am Ständerwerk befestigt werden (Bild 3-23). »Verlorene« Schalungen kommen für »leichte« Leichtlehme in Betracht, die bei sofortigem Entschalen noch nicht ausreichend standfest sind. Als Schalungen eignen sich
Formgebung
Schilfrohrmatten (70 Stängel / m), die entsprechend des Einbaufortschritts der LeichtlehmMasse abgerollt und am Fachwerk befestigt werden (Bild 3-24), sowie kalkgebundene Leichtbauplatten mit organischen Faserstoffen. Bei äußerem Sichtfachwerk ist auch eine Kombination aus äußerer temporärer und innerer »verlorener« Schalung denkbar. Leichtbauplatten sollen diffusionsoffen sein und die Austrocknung nicht wesentlich behindern.
Bild 3-23 Formgebung bei der Verarbeitung von Strohleichtlehm: Schaltafeln als temporäre Schalung
Bild 3-24 Formgebung für Wände aus Holz-Leichtlehm mittels »verlorener« Schalung [3.7]
109
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
3.3
Trocknung von Lehmbaustoffen und Lehmbauteilen
Lehmbaustoffe bzw. Lehmbauteile sind unmittelbar nach der Formgebung noch nicht formstabil und weisen eine nur geringe Festigkeit auf. Erst im trockenen Zustand erreichen sie ihre vorgesehenen statisch-konstruktiven und bauphysikalischen Eigenschaften.
3.3.1
Trocknungsverlauf
Den Trocknungsverlauf eines Lehmbaustoffes oder Lehmbauteiles kann man allgemein in drei Abschnitte unterteilen (Bild 3-25 [3.5-3]): Abschnitt 1: Das Porenwasser strömt an die BauteiloberÁäche, und die Austrocknung beginnt durch Übergang von der Áüssigen in die gasförmige Phase und Abführung durch Konvektion in der umgebenden Luft. Abschnitt 2: Durch Abreißen der Kapillarmenisken wandert die VerdunstungsÁäche in das Innere des Bauteils. Die kapillare Feuchtewanderung reicht vom inneren Kern bis an den »Verdunstungsspiegel« (Punkt A). Der dort gebildete Wasserdampf diffundiert durch die dicker werdende, trockene und hellere Schicht an die BauteiloberÁäche und wird dort von der angrenzenden Luft aufgenommen und konvektiv fortgeführt. Der Verdunstungsspiegel wandert schließlich bis in den Kern des Bauteils. Mit dem 2. Trocknungsabschnitt setzt ein
3.3.2
Masseverlust ein, der durch Schwindverformungen (Kap. 2.2.3.3) und die Gefahr von Rissbildungen »nach außen« sichtbar wird. In der Bodenmechanik wird dieser Zustand mit dem Erreichen des Wassergehaltes an der »Schrumpfgrenze« ws (Kap. 2.2.3.2) beschrieben. Abschnitt 3: Mit dem max. erreichbaren hygroskopischen Feuchtegehalt whygr (absolut trockener Lehm) verschwindet der Trocknungsspiegel (Punkt B). Mit dieser Feuchtigkeit wird die vom kapillarporösen Baustoff bzw. Bauteil direkt aus der Luft aufgenommene Feuchte bezeichnet. Sie pegelt sich entsprechend der herrschenden Luftfeuchte und Temperatur ein. Für den Gebrauchszustand von Baukonstruktionen bezeichnet der praktische Feuchtegehalt (auch Dauerfeuchtigkeitsgehalt) den Feuchtigkeitsanteil, der sich allmählich als Durchschnittswert im Bauteil einstellt (Kap. 5.1.2.4).
Geschwindigkeit der Austrocknung
Die Trocknungsgeschwindigkeit des feuchten Lehmbauteiles ist abhängig von einer Reihe von Faktoren: dem Anfangswassergehalt, der Bauteildicke, der vorherrschenden Witterung und den lokalen Bedingungen für die natürliche 110
Dazu muss das für die Verarbeitung zu Lehmbaustoffen und zur Formgebung notwendige Anmachwasser wieder austrocknen. Mit der Formgebung und der anschließenden Trocknung ist der Herstellungsprozess der Lehmbaustoffe abgeschlossen.
Austrocknung sowie der Art der Wasserbindung an die mineralische Substanz des Lehmbaustoffes mit ihrer jeweiligen Tonmineralstruktur. Durchschnittswerte für Trocknungszeiten von Lehmbaustoffen und Lehmbauteilen kann
3.3 Trocknung von Lehmbaustoffen und Lehmbauteilen
man deshalb auch nur in relativ grob geschätzten Zeiträumen angegeben [2.6, 1. u. 2. AuÁ.]. Der Austrocknungsprozess verläuft ideal, wenn die Geschwindigkeiten der Verdunstung des Porenwassers am Verdunstungsspiegel bzw. des Wasserdampfes an der BauteiloberÁäche und des Feuchtetransports aus dem Innern des Bauteils gleich sind. Dementsprechend verhalten sich die Schwindverformungen: die Volumenabnahme eines sich allseitig und gleichmäßig zusammenziehenden Prüfkörpers entspricht dem Volumen der verdunsteten Wassermenge. Bei starker Sonneneinstrahlung an Sommertagen übersteigt die Verdunstungsgeschwindigkeit an der BauteiloberÁäche i. d. R. die Geschwindigkeit des Wassertransports aus dem Innern des Bauteils. Durch verschiedene Bedingungen (z. B. Bauteilgeometrie, äußere Verschattung) wird ein gleichmäßiger Strahlungseinfall meist verhindert. Aber auch Inhomogenität des Lehmbaustoffes kann zu ungleichmäßigen Austrocknungsbedingungen führen. Die sichtbare Folge sind Rissbildungen
an der BauteiloberÁäche, unter ungünstigen Bedingungen bis zu mehreren cm Öffnungsweite und durchgehend (z. B. sehr fette Lehme mit hoher Einbaufeuchte, Bild 4-8). Sehr wichtig ist deshalb der Schutz frisch entschalter BauteiloberÁächen vor direkter Sonneneinstrahlung, z.B. durch Abdecken mit Bauplanen. Bei hoher Luftfeuchte und geringer Luftbewegung kann der umgekehrte Fall eintreten: Die Konvektion besonders an den inneren BauteiloberÁächen reicht nicht aus, damit durch Verdunstung ein Wassertransport aus dem Innern des Lehmbauteils an die OberÁäche in Gang gesetzt werden kann. Vor allem bei Lehmbaustoffen mit organischen Faserzuschlägen kann es dann zu Schimmelpilzbildungen kommen. Ähnliche Situationen können entstehen, wenn die Austrocknung nur in einer Richtung erfolgen kann (Beispiel: Vorsatzschale aus LL > 30 cm an Altbau) oder bei sehr groß bemessener Bauteildicke. Von großer Bedeutung ist deshalb eine gute Belüftung vor allem der innen liegenden Lehmbauteile.
Masseverlust
w
w= f(t)
A
3. TA
2. TA
Trocknungsgeschwindigkeit g
2. TA
1. TA
1. TA A = ws g = f(w)
B = whygr t
t
w
w - Wassergehalt t - Trocknungsdauer TA - Trocknungsabschnitt
Bild 3-25
Trocknungsverlauf in Lehmbaustoffen und Lehmbauteilen (nach [3.5])
111
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
Trocknungsdauer und Trocknungsverlauf wurden an einem Wandabschnitt aus StampÁehm an der Bauhaus-Universität Weimar untersucht (Bild 3-26 [3.16]). Dabei entsprach der
April 2004
Mai 2004
> 13%
Wassergehalt im Kern einer 50 cm starken StampÁehmwand noch nach sechsmonatiger natürlicher Trocknung dem Einbauwassergehalt.
Juni 2004
Juli 2004
August 2004
Wassergehalt
11 – 13% 9 – 11%
Bild 3-26
7 – 9%
FeuchtigkeitsproÀl in der StampÁehmTestwand während der Austrocknung [3.16]
< 7%
3.3.3
Art der Trocknung
Vom Standpunkt der Energieökonomie ist die natürliche Trocknung nass verarbeiteter Lehmbaustoffe, d. h. die Trocknung an der Luft ohne künstliche Wärmezufuhr, die energiesparendste, zugleich aber auch die zeitintensivste Form (Bild 3-27). Für Hersteller von Lehmbaustoffen ist die Lufttrocknung deshalb mit folgendem Problem verbunden: lange, klimaabhängige Trockenzeiten erfordern das Vorhalten großer LagerÁächen, wenn die Maschinen kontinuierlich ausgelastet sein sollen. Eine künstliche Trocknung von Lehmbaustoffen, z. B. in Kanal- oder Kammertrocknern, erweist sich vor allem bei großen, kontinuierlichen Produktionsumfängen durch Verkürzung der Trockenzeiten i. d. R. als kostenspa112
render, weil damit Maschinen besser ausgelastet und die erforderlichen TrockenÁächen reduziert werden können. Allerdings fällt dadurch die Energiebilanz für die Herstellung der Lehmbaustoffe ungünstiger aus. Einen möglichen Vorteil haben hier Ziegeleien, die i. d. R. über geeignete Trocknungssysteme verfügen. Bei der praktischen Bauausführung mit nass zu verarbeitenden Lehmbaustoffen (Putz, Wände, Fußböden) wird heute meist eine künstliche Trocknung mit entsprechender Entlüftung angewendet, und zwar unabhängig von der Jahreszeit. Im Winter ist dies wegen der Frostgefahr ohnehin erforderlich, wegen der meist sehr trockenen Außenluft aber auch be-
3.4
sonders effektiv. Im Sommer gibt es häuÀg Wetterlagen mit hoher Luftfeuchte, bei denen eine ausreichende natürliche Trocknung zur Vermeidung von Schimmelbildung im Innenbereich nicht möglich ist. Die Art der Trocknung hat weiterhin Bedeutung im Prüfwesen: Die DIN 18952-2 empfahl für die Herstellung der Prüfkörper zur Bestimmung der Trockendruckfestigkeit nach
Bild 3-27
3.4
Bezeichnungen von Lehmbaustoffen
einer Lagerung von 5 Tagen bei Normklima die künstliche Trocknung bei 80°C bis zur Restfeuchte. Nach [3.17] wird durch die künstliche Trocknung jedoch die Druckfestigkeit um bis zu 30% reduziert. Ob sich die Art der Trocknung künstlich bzw. natürlich getrockneter Lehmsteine auch auf die Festigkeitseigenschaften auswirkt, muss noch überprüft werden.
Natürliche Trocknung von Lehmsteinen
Bezeichnungen von Lehmbaustoffen
Die vom Dachverband Lehm e.V. herausgegebenen, bauaufsichtlich eingeführten Lehmbau Regeln [2.6] legen für Deutschland die in Tab. 3-1 dargestellten Bezeichnungen für Lehmbaustoffe mit Kurzbezeichnungen fest. Die Baustoffbezeichnungen sind Bestandteil der Kennzeichnung von Lehmbaustoffen im Sinne der Deklaration eines Bauproduktes (Kap. 4.1.1.3). Die Kennzeichnung umfasst als weitere Angaben die Trockenrohdichte in kg /m3 (auf 100 kg / m3 gerundet, Abweichungen von ± 10% zulässig) sowie ggf. die Trockendruck-
festigkeit in N / mm2 (abgerundet auf eine Kommastelle, keine Unterschreitung des Wertes zulässig) und das lineare Schwindmaß in % (aufgerundet auf eine Kommastelle, keine Überschreitung des Wertes zulässig). Weiterhin kann man Lehmbaustoffe nach den in Tab. 3-2 dargestellten verarbeitungstechnischen und funktionalen Aspekten sowie physikalisch-mechsnischen Eigenschaften unterscheiden. Diese können ebenfalls zum Bestandteil der Baustoffbezeichnung werden.
113
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
Nr.
Lehmbaustoff
Kurzzeichen
1 2 3 4 4.1 4.2 4.3 4.4 5 6 7 8 8.1 8.2 8.3
StampÁehm Wellerlehm Strohlehm, Faserlehm Leichtlehm - Holzleichtlehm - Strohleichtlehm - Faserleichtlehm - Mineralischer Leichtlehm Lehmschüttungen Lehmsteine Lehmplatten Lehmmörtel - Lehm-Mauermörtel - Lehm-Putzmörtel - Lehm-Spritzmörtel
STL WL SL, FL LL HLL SLL FLL MLL LT LS LP LM LMM LPM LSM
Lehmbaustoffe nach Lehmbau Regeln [2.6]
Nr
Aspekt
Eigenschaft
1
Grad der Vorfertigung
2
Einbaufeuchte (-konsistenz)
3 4 5
Zuschläge Ort der Aufbereitung Trockenrohdichten
6 7
Formgebung statische Funktion
ungeformt (Lehmmörtel, Fertigmischungen) und geformt (Lehmsteine und –platten) nass (halbfest, steif, weich, breiig, Áüssig) und trocken (fest) mineralisch und organisch vor Ort und Werksmischung leicht (ѩd < 1.200 kg / m3) mittel (1.200 ѩd 1.700 kg / m3) schwer (ѩd > 1.700 kg / m3) stampfen, pressen, patzen, spritzen tragend (Aufnahme von Lasten aus Bauteilen, z.B. Decke, Dach, Verkehrslasten) und nicht tragend (z.B. Ausfachungen in Skelettkonstruktionen)
Tab. 3-2
Lehmbaustoffe nach verarbeitungstechnischen und funktionalen Aspekten
Die in den Lehmbau Regeln [2.6] deÀnierten Lehmbaustoffe sind dadurch charakterisiert, dass Formstabilität und Festigkeit allein auf der Wirkung der Tonmineralien (Kap. 2.2.3.4) beruhen. Tonmineralien sind nicht hydraulische Bindemittel, d. h. sie erhärten ausschließlich physikalisch durch Austrocknung an der Luft (»Luftmörtel«) und behalten dabei ihre plastischen Eigenschaften. Durch nachfolgende Wasseraufnahme ist deshalb eine »Replasti114
Tab. 3-1
Àzierung« möglich. Die Lehmbaustoffe können dadurch erneut einer Formgebung zugeführt und ohne zusätzlichen Energieaufwand in einem Stoffkreislauf gehalten werden. Das Kreislaufprinzip ist ein wesentliches Element des Ökologischen und Nachhaltigen Bauens. Zu den nicht hydraulischen Bindemitteln gehören auch Baukalke (Luftkalk Ca(OH)2), Gips (CaSO4 · 2H2O), Anhydrid (CaSO4) und Magnesitbinder. Im Gegensatz zu Tonmineralien sind diese Bindemittel jedoch nicht
3.5
replastiÀzierbar. Zu den hydraulischen Bindemitteln gehören i. w. Zement und Wasserkalk CaCO3. Sie erhärten sowohl gänzlich an der Luft als auch (nach einer gewissen Anfangserhärtung an der Luft) unter Wasser. Sie sind deshalb nicht replastiÀzierbar. Mit künstlichen Bindemitteln oder Zusätzen chemisch veränderte oder stabilisierte Lehmbaustoffe können deshalb auch nicht oder nur eingeschränkt replastiÀziert werden. Chemisch stabilisierte Lehmbaustoffe und lehmhaltige Produkte mit künstlichen Bindemitteln und Zusätzen sind nicht Gegenstand der Lehmbau
3.5
Regeln, was nicht bedeutet, dass ihre Verwendung ausgeschlossen wird. In anderen Ländern gehören chemisch stabilisierte Lehmbaustoffe (Kap. 3.1.2.4) zur täglichen Baupraxis und sind Gegenstand von Baubestimmungen. Um Unsicherheiten bei Verbrauchern auszuschließen, wird den Herstellern von Lehmbaustoffen empfohlen, verwendete Zuschläge und ggf. Zusätze vollständig zu deklarieren. Eine Orientierung bieten ZertiÀkate von auf dem Gebiet des umweltgerechten und gesundheitsverträglichen Bauens anerkannten Organisationen und Verbänden.
Verwendung von Lehmbaustoffen
Voraussetzung für die Verwendbarkeit von Baustoffen ist, dass sie die allgemeinen Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit erfüllen (Kap. 4.1.1.3). Die in den Lehmbau Regeln [2.6] deÀnierten Lehmbaustoffe werden nachfolgend in der Reihenfolge beschrieben:
3.5.1
Verwendung von Lehmbaustoffen
– Begriff, – Baulehm (Kap. 2.2), – Aufbereitung, Zuschläge und Zusätze (Kap. 3.1), – Verwendungszweck und – Prüfungen (Kap. 3.6).
Stampflehm
Begriff StampÁehm (SL) ist ein formloses Gemenge aus Baulehm und ggf. Zuschlägen (und Zusätzen) sowie Wasser. Die Trockenrohdichten Ưd von SL liegen je nach verwendetem Baulehm und Zuschlägen zwischen 1.700 – 2.200 (bis 2.400) kg/m3. Seit einigen Jahren werden auch thermisch expandierte mineralische Leichtzuschläge verarbeitet, mit denen Trockenrohdichten < 1.700 kg / m3 erreicht werden können.
Baulehme mit Grobkornanteil (Verwitterungsoder Geschiebelehm (Kap. 2.1.2.2 und 2.1.2.3), die nach der Bindekraft / Plastizität als mager bis fett bzw. schwach bis mittel bindig klassiÀziert sind. HOUBEN / GUILLAUD [2.12] benennen einen großen Schwankungsbereich der Plastizitätswerte (IP = 0,03 – 0,30 und wL = 0,24 – 0,46) und weisen darauf hin, dass eine Eingrenzung dieses Bereiches sehr schwierig ist.
Baulehm Für tragende Wandkonstruktionen aus SL ist eine weit gestufte (Áach und stetig verlaufende) Körnungslinie von großer Bedeutung. Es eignen sich deshalb besonders gemischtkörnige
Aufbereitung, Zuschläge und Zusätze MANIATIDIS / WALKER [3.18] empfehlen folgende Ober- bzw. Untergrenzen für die einzelnen Kornfraktionen (Tab. 3-3):
115
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
Nr.
Kornfraktion
Minimum [%]
Maximum [%]
1 2
Ton + Schluff Sand + Kies
20 – 25 50 – 55
30 – 35 70 – 75
Tab. 3-3
Empfohlene Kornzusammensetzung für StampÁehm [3.18]
Ähnliche Empfehlungen werden auch in [2.12] in Form von Körnungsbändern der einzelnen Kornfraktionen für die Zusammensetzung von SL angegeben. Die möglichen »DeÀzite« eines verfügbaren Baulehms bzgl. der Körnung (Schwindmaß, Erosionsgefährdung) können durch Zugabe fehlender Korngrößen (Grobsand, Kies oder Splittkorn, aber auch thermisch expandierte Leichtzuschläge) ausgeglichen werden. Als Orientierung kann dabei das Modell der FULLER -Kurve gelten (Kap. 2.2.3.1). In geringen Anteilen werden oft auch organische Zuschläge (Stroh oder andere geeignete PÁanzenfasern) zugesetzt. Zu beachten ist jedoch immer, dass Körnungskenngrößen (Kap. 2.2.3.1) nicht losgelöst von Verarbeitungskenngrößen (Kap. 2.2.3.2) betrachtet werden dürfen. Der Zusatz der Bindemittel Kalk und Zement zum StampÁehm gehört zur üblichen Lehmbaupraxis in den meisten Entwicklungsländern, aber auch in den USA und in Australien (Kap. 3.1.2.4). Die Aufbereitung der Ausgangsstoffe zu
3.5.2
Verwendungszweck SL kann schalungsgebunden für tragende und nicht tragende Bauteile verwendet werden. Er wird auch genutzt zur Herstellung gestampfter oder gepresster Lehmsteine, die nach Trocknung wie Mauerwerk zu tragenden oder nicht tragenden Konstruktionen weiter verarbeitet werden. Auch die Vorfertigung großformatiger bis raumhoher Wandelemente ist möglich. SL wird auch zur Herstellung von Fußböden eingesetzt. Prüfungen – Trockenrohdichte nach Kap. 3.6.1.3, – Trockendruckfestigkeit nach Kap. 3.6.2.2, – lineares Schwindmaß nach Kap. 3.6.2.1.
Wellerlehm
Begriff Wellerlehm ist ein formloses Gemenge aus Baulehm und Stroh oder anderen geeigneten Faserstoffen sowie Wasser. Je nach Faseranteil besitzt Wellerlehm eine Trockenrohdichte Ưd von 1.400 – 1.700kg / m3. 116
SL erfolgt heute i. d. R. in Zwangsmischern, ist aber auch manuell möglich. Sie ist abgeschlossen, wenn die Mischung eine homogene, feinkrümelig-rieselfähige Struktur mit einer gleichmäßig verteilten Feuchte erreicht hat. Die empfohlene Verarbeitungskonsistenz ist steif bis halbfest.
Baulehm Als Baulehm eignet sich ein nach Bindekraft / Plastizität magerer bis fetter bzw. schwach bis mittel bindiger feinkörniger Lehm (Lösslehm). Sehr fette oder hoch bindige Lehme (Tone) lassen sich schwer aufbereiten und können
3.5
wegen ihres großen Schwindmaßes Probleme mit Rissbildungen trotz der Armierungswirkung der Strohfasern bereiten. Steinige Baulehme erschweren den Aufbereitungsprozess, wurden regional aber auch für die Herstellung ähnlicher Baustoffe verwendet, wenn feinkörnige Lehme nicht zur Verfügung standen. Aufbereitung, Zuschläge und Zusätze Ausgebreitetes Stroh oder andere verfügbare und geeignete PÁanzenfasern von etwa 30 – 50 cm Faserlänge werden in 7– 8 Lagen von ca. 10 cm Höhe im Wechsel mit breiig-Áüssig aufbereitetem Baulehm aufgeschichtet. NIEMEYER [2.18] empÀehlt 25 kg Stroh je m3 Lehmmasse. Nach einem Tag Ruhezeit hat sich das Anmachwasser gleichmäßig verteilt, und die zusammengeführten Ausgangsstoffe können ggf. unter wenig Wasserzusatz gemischt werden.
3.5.3
Verwendung von Lehmbaustoffen
Ziel ist das Erreichen einer homogenen, bildsamen Masse mit gleichen Verarbeitungseigenschaften. Die Faserstoffe müssen gleichmäßig mit Lehm umhüllt sein. Die empfohlene Verarbeitungskonsistenz des Lehmanteils ist steif. Verwendungszweck Wellerlehm wird zur Reparatur bestehender Konstruktionen verwendet. Prinzipiell ist auch die Herstellung tragender und nicht tragender Wände möglich, sie wird heute wegen des großen manuellen Aufwandes aber nur selten praktiziert. Im Gegensatz zum StampÁehmbau wurden Wände aus Wellerlehm schalungsfrei errichtet. Möglich ist auch die Herstellung von Lehmsteinen. Prüfungen – Trockenrohdichte nach Kap. 3.6.1.3, – Trockendruckfestigkeit nach Kap. 3.6.2.2, – Schwindmaß an Bauteilprobe.
Stroh- und Faserlehm
Begriff Stroh- bzw. Faserlehm ist ein formloses Gemenge aus Baulehm, ggf. Sand und organischen Faserstoffen sowie Wasser. Die Trockenrohdichte Ưd liegt je nach Faseranteil zwischen 1.200 und 1.700 kg / m3. Baulehm Als Baulehm wird ein magerer bis fast fetter bzw. schwach bindiger, schluffkörniger Lehm empfohlen (z.B. Lösslehm, Kap. 2.1.2.1). Aufbereitung, Zuschläge und Zusätze Als organische Zuschläge eignen sich weiches Stroh, Heu oder andere weiche pÁanzliche Fasern bis zu ca. 25 cm Länge. Die Lehmbau Regeln [2.6] empfehlen 40 – 60 kg Fasern / Stroh je m3 Lehmmasse. Die Aufbereitung erfolgt analog zum Wellerlehm. Möglich ist
auch die Aufbereitung von altem Gefachelehm, der ggf. mit Sand und / oder Stroh gemagert wird. Die empfohlene Verarbeitungskonsistenz des Lehmanteils ist steif bis weich und richtet sich nach der Verwendung. Verwendungszweck Stroh- bzw. Faserlehm Àndet als Baustoff vielfältige Anwendung: zur Ausfachung von Fachwerk- und Holzständerkonstruktionen, von Balkendecken, für putzähnliche Aufträge oder zur Herstellung von Lehmsteinen und -platten i. d. R. für nicht tragende Anwendungen. Prüfungen – Trockenrohdichte nach Kap. 3.6.1.3, – Trockendruckfestigkeit an Bauteilprobe, – Schwindmaß an Bauteilprobe.
117
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
3.5.4
Leichtlehm
Begriff Leichtlehm ist ein formloses Gemenge aus Baulehm, organischen und / oder mineralischen Leichtzuschlägen sowie Wasser. Die Trockenrohdichte Ưd liegt im Bereich von 300 – 1.200 kg /m3. Man unterscheidet Leichtlehm nach Rohdichteklassen in: – leichte Mischungen: Ưd = 300 – 800 kg/m3, – schwere Mischungen: Ưd = 800 – 1.200 kg/m3. Der dominierende Zuschlagstoff kann Bestandteil der Baustoffbezeichnung sein, z. B.: Strohleichtlehm (SLL): Strohfasern als organischer Zuschlag (Bild 3-23), Holzleichtlehm (HLL): Holzhackschnitzel als organischer Zuschlag (Bild 3-24), Mineralischer Leichtlehm (MLL): z. B. Blähton als mineralischer Leichtzuschlag (Bild 3-28) [3.52]. Baulehm Mit wachsendem Anteil der Zuschlagstoffe muss auch die Bindekraft des verwendeten Baulehms zunehmen, d. h. für schwere Mischungen eignen sich magere oder schwach bindige (Lösslehm), für leichte Mischungen fette bis sehr fette bzw. mittel- bis hochbindige feinkörnige Baulehme (Auelehm, wenig Tonmehl als Zuschlag). Aufbereitung, Zuschläge und Zusätze Als Zuschlagstoffe werden organische Faserstoffe (alle Arten von Stroh, Holzhackschnitzel) und / oder mineralische Leichtzuschläge (thermisch geblähte Materialien, Bims, Perlite) verwendet. Auch Mischungen beider Zuschlagsarten sind zulässig. Organische Faserstoffe sollen nicht länger sein als die kürzeste Abmessung des fertigen Bauteils oder Baustoffes. Die Lehmbau Regeln [2.6] empfehlen für die Leichtzuschläge folgende Dosierungen als Zuschlag je m3 Bauteil: – Ballenstroh: ca. 60 – 90 kg / m3, 118
– Holzhackschnitzel: ca. 300 kg / m3, – mineralische Leichtzuschläge: ca. 300 – 600 kg / m3. Die Aufbereitung der schweren Mischungen erfolgt manuell analog zum Wellerlehm oder mechanisiert (Kap. 3.1.2.4). Bei leichten Mischungen müssen die Tonmineralien jeden Zuschlagstoff mit einer feinsten Schicht umhüllen. Dazu wird der Baulehm manuell oder in geeigneten Mischern zu Áüssiger Konsistenz aufbereitet. Die Zuschlagstoffe können dann in einem Zwangsmischer zusammengeführt und gemischt werden (Bild 3-9). Langfaserige organische Zuschläge (Stroh) werden mit Lehmschlämme entweder übergossen (Bild 3-10) oder in diese getaucht (Kap. 3.1.2.5). Das Stroh-Lehm-Gemisch lässt man für einige Zeit, am besten über Nacht, auf einer ebenen Unterlage ruhen. Dabei kann sich das Wasser im gesamten Gemisch gleichmäßig verteilen. In diesem Zustand haben die Lehmanteile eine etwa steife Konsistenz. Verwendungszweck Leichtlehm wird für nicht tragende Bauteile verwendet. Er Àndet als Baustoff vielfältige Anwendung: zur Ausfachung von Fachwerkund Holzständerkonstruktionen bevorzugt für Außenwände und dort auch als Vorsatzschale, zur Ausfachung von Balkendecken, für putzähnliche Aufträge oder als geformte Lehmsteine und -platten. Prüfungen – Trockenrohdichte nach Kap. 3.6.1.3, – Trockendruckfestigkeit und lineares Schwindmaß können an einer Bauteilprobe überprüft werden, – Ausbreitmaß nach Kap. 3.6.2.1.
3.5
Bild 3-28
3.5.5
Verwendung von Lehmbaustoffen
Leichtlehm, Blähton als mineralischer Leichtzuschlag für Ausfachung [3.52]
Lehmschüttungen
Begriff Lehmschüttungen sind rieselfähig aufbereitete Lehmbaustoffe aus Baulehm mit / ohne Zuschläge(n) zur Verfüllung waagerechter Bauteile (z. B. als DeckenauÁagen) und ggf. Wasser. Entsprechend der Trockenrohdichte unterscheidet man: – Lehmschüttungen: Ưd > 1.200 kg / m3, – Leichtlehmschüttungen: Ưd = 300–1.200kg/m3. Die Bezeichnungen können zusätzlich nach dem dominanten Zuschlag gebildet werden, z. B.: Holz-Leichtlehmschüttung; Strohlehmschüttung; Baulehmschüttung (ohne Zuschlag). Baulehm Hinsichtlich der Bindekraft / Plastizität und Körnung werden keine besonderen Anforderungen an die Baulehme gestellt. Als Baulehm können auch bevorzugt Recyclinglehme unter Beachtung der in Kap. 2.2.1.3 gegebenen Hinweise verwendet werden.
Aufbereitung, Zuschläge und Zusätze Der Baulehm, ggf. die Zuschläge und das Wasser werden manuell oder maschinell zu einer rieselfähigen Masse vermischt. Mit dem Wasserzusatz soll vor allem eine Staubentwicklung beim Einbau unterbunden werden. Als Zuschläge kommen leichte mineralische und organische Faserstoffe zur Anwendung. Verwendungszweck Lehmschüttungen werden zur Massefüllung von Geschossdecken und zur Verfüllung von Hohlräumen eingesetzt. Für diesen Zweck eignen sich besonders mehlförmig aufbereitete und anschließend granulierte Lehme und Tone (Bild 3-6). Prüfungen Zur Überprüfung von Lastannahmen kann die (Schütt)rohdichte des verwendeten Baustoffes analog zu Kap. 3.6.1.2 überprüft werden.
119
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
3.5.6
Lehmmörtel
Begriff Lehmmörtel sind Mischungen aus geeigneten Baulehmen und mineralischen und / oder organischen Zuschlagstoffen sowie Wasser. Lehmmörtel mit einer Trockenrohdichte Ưd < 1.200 kg / m3 werden als Leichtlehmmörtel bezeichnet. Baulehm Als Baulehm sind feinkörnige schlufÀge– sandige, magere – fast fette bzw. schwach bindige Lehme (z. B. Lösslehm) geeignet. Aufbereitung, Zuschläge und Zusätze Die Eigenschaften von Lehmmörteln können durch Zugabe mineralischer und / oder organischer Zuschläge und Zusätze entsprechend ihrer vorgesehenen Verwendung gezielt beeinÁusst werden. Als mineralische Zuschläge kommen vor allem Sand, als organische geeignete pÁanzliche Faserstoffe, aber auch Tierhaare zur Anwendung (Kap. 3.1.2.4). Darüber hinaus gibt es eine breite Palette chemisch wirkender natürlicher Zusätze, die regional bestimmt sind und heute noch im traditionellen Lehmbau Verwendung Ànden oder in der Bausanierung wieder Bedeutung erlangen. Die DIN EN 998 unterscheidet allgemeine Begriffe für Mörtel nach dem Ort und der Art der Aufbereitung. Diese Begriffe werden in den Lehmbau Regeln [2.6] sowie in dem ebenfalls vom Dachverband Lehm e.V. herausgegebenen Technischen Merkblatt »Lehmputze« [3.19] sinngemäß auf Lehmmörtel angewendet: Lehmmörtel kann man aus den verschiedenen Ausgangsstoffen als Baustellenmörtel vor Ort herstellen. Aus Grubenlehm hergestellter Lehmmörtel muss zunächst nach Kap. 3.1 aufbereitet sowie alle Körnungen > 5 mm ausgesiebt werden. Rezepturen sind durch örtliche Erfahrungen bestimmt. Bei werkmäßig hergestellten Mörteln wer120
den die vom Hersteller gelieferten bindekräftigen Ausgangsstoffe (z. B. Trockenlehm, Kap. 2.2.1.2) nach vorgegebener Rezeptur mit weiteren Zuschlägen (z. B. Sand) vor Ort gemischt und durch Zugabe von Wasser in die für die Verarbeitung erforderliche Konsistenz überführt. Üblich ist die trockene Lieferform in Papiersäcken (Bild 3-6). Werkmörtel sind aus Baulehm und Zuschlägen bereits fertig zusammengesetzt. Sie werden trocken (in Papiersäcken) oder erdfeucht (in sog. big bags, Bild 3-27) an die Baustelle geliefert und können nach Wasserzugabe entsprechend Herstellerangaben sofort verarbeitet werden. Wiederverwendeter Mörtel (Recyclinglehm Kap. 2.2.1.3) ist aus Abbruchbauteilen gewonnener Lehm-Mauermörtel oder Lehm-Putzmörtel, der mit Wasser wieder in eine verarbeitungsfähige Konsistenz überführt wird. Er darf keine chemischen und biologischen Verunreinigungen enthalten und ist ggf. mit Sand und / oder Stroh zu magern. Prüfungen Für Baustellenmörtel kann der Eignungsnachweis anhand von BemusterungsÁächen bzw. Bauteilproben durchgeführt werden. Für Werkmörtel und werkmäßig hergestellte Mörtel sind die für den Verwendungszweck relevanten Eigenschaften für die Erstprüfung sowie im Rahmen der werkseigenen Produktionskontrolle nachzuweisen und zu deklarieren. Dies sind – Rohdichte des Festmörtels (Kap. 3.6.1.3) – Druck- und Biegezugfestigkeit des Festmörtels (Kap. 3.6.2.2) – lineares Schwindmaß (Kap. 3.6.2.1). Zum Erreichen geforderter Gebrauchseigenschaften kann man bei der Verarbeitung von Lehmmörteln die entsprechende Konsistenz nachprüfen. Dazu wird das Ausbreitmaß a
3.5
des zu prüfenden Lehmmörtels nach DIN EN 1015-3 ermittelt.
Erforderlich für die Prüfung sind ein Ausbreittisch und ein kegelstumpfförmiger Setztrichter mit deÀnierten Abmessungen. Der Trichter wird genau auf die Mitte des Ausbreittisches gesetzt, mit 1, 5 l des zu prüfenden Lehmmörtels gefüllt und langsam nach oben abgezogen. Der Tisch wird nun 15 Mal bis zum Anschlag (4 cm) einmal pro Minute hochgezogen und fallen gelassen. Der Mörtel darf sich dabei nicht entmischen oder zerbröckeln (Bild 3-29 [7.15]). Danach wird der Durchmesser des ausgebreiteten Mörtels mittels Messschieber in zwei rechtwinklig zueinander stehenden Achsen a1 und a2 gemessen und daraus das arithmetische Mittel a bestimmt. Da die Konsistenz zeitabhängig ist, gibt man die Zeit nach der Aufbereitung des Mörtels (Wasserzugabe) als Index an, z.B. a15 = Ausbreitmaß nach 15 Minuten.
Verwendung von Lehmbaustoffen
Die genannten Mörtel müssen den deklarierten Eigenschaften entsprechen. Die Probenahme ist gemäß DIN EN 1015-2 durchzuführen. Für die Wärmeleitzahlen (Kap. 3.6.3.2), für das Brandverhalten (Kap. 5.1.3.1) sowie für die Wasserdampf-Diffusionswiderstandszahl (Kap. 5.1.2.2) können entsprechende Tabellenwerte verwendet werden. Verwendungszweck Lehmmörtel unterscheidet man entsprechend ihrer Verwendung in – Lehm-Mauermörtel, – Lehm-Putzmörtel, – Lehm-Spritzmörtel. Der jeweilige Verwendungszweck wird als Baustoffbezeichnung angegeben. Die für einen bestimmten Zweck deklarierten Mörtel sind nur für dieses Anwendungsfeld vorgesehen. So ist z. B. Lehm-Mauermörtel für eine Verwendung als Lehmputz ungeeignet.
b G c
T F
Bild 3-29
T T Trichter G Handgriff F Fußeisen
a
a Ausbreittisch, 70 x 70 cm b Anschlag für 4 cm Hubhöhe Hubh c Fußleiste
Bestimmung des Ausbreitmaßes von Lehmmörteln, nach [7.15]
3.5.6.1 Lehm-Mauermörtel Baulehm Für Lehm-Mauermörtel kommen magere bis fast fette bzw. schwach bindige Baulehme zum Einsatz.
Zuschläge und Zusätze Der Baulehm wird mit Mittel- bis Grobsand (d < 2 mm) abgemagert. Für Leichtlehm-Mauerwerk werden dem Lehm-Mauermörtel geeig121
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
nete organische oder mineralische Zuschläge zugesetzt.
zu verarbeitenden Baustoffe ausgleichen sowie Fugen im Mauerwerk winddicht verschließen.
Verwendung Lehm-Mauermörtel dienen als Verbindungsmittel zwischen Lehmsteinen und Lehmplatten, aber auch für gebrannte Ziegel und Natursteine, die in Verbänden nach den Regeln des Mauerwerksbaus verlegt werden. Lehm-Mauermörtel müssen Druck- und Scherspannungen im Bauteil übertragen, Maßabweichungen der
Prüfungen Sie werden wie für Werkmörtel und werkmäßig hergestellte Mörtel vorgenommen. Übliche Lehm-Mauermörtel haben eine Trockenrohdichte von ca. 1.800 kg / m3. Die Trockendruckfestigkeit des Lehm-Mauermörtels soll nicht größer sein als die der verarbeiteten Lehmsteine.
3.5.6.2 Lehm-Putzmörtel Man unterscheidet Lehm-Putzmörtel als Baustoff und Lehmputz als Bauteil (Kap. 4.2.7). Baulehm Geeignet sind schlufÀg-sandige Baulehme (Lösslehm) mit einem ausreichenden Kornanteil im Grobschluff- bis Mittelsandbereich zur Schwindmaßbeschränkung. Andererseits müssen die Bindekräfte der im Baulehm enthaltenen Tonmineralien noch ausreichen, um die Schluff- und Sandkörnungen im trockenen Zustand stabil in der PutzoberÁäche zu halten. Bei sehr mageren Baulehmen kann dies durch den Zusatz geringer Mengen von Tonmehl erreicht werden. Aufbereitung, Zuschläge und Zusätze In den verfügbaren Baulehmen sind oft Sandanteile nicht ausreichend. Diese werden dann als Magerungsmittel zugemischt. Scharfkantige Sande besitzen einen größeren Verzahnungswiderstand im Kornskelett und sollen deshalb als Zuschlag gerundeten gegenüber bevorzugt werden. Faserstoffe im Putz wirken als Bewehrung gegen Rissbildung beim Austrocknen. Sie erhöhen die mechanische Stabilität des Lehmputzes im Gebrauchszustand gegenüber Abrieb und Stoßbeanspruchung und verbessern 122
die Wärmedämmung. Übliche Faserstoffe sind alle PÁanzenfasern in unterschiedlichen Feinheitsgraden, Sägemehl, aber auch feine Tierhaare. Der Feinheitsgrad der Fasern muss der Verwendung des Putzes angepasst sein. Im traditionellen Lehmbau Zentralasiens, Nordafrikas und Arabiens sind Lehmputze mit verschiedenen chemisch verändernd wirkenden Zusätzen und Zuschlägen verbreitet. Sie dienen im Innenraum vor allem dekorativen Zwecken und sind dort Bestandteil der Baukultur. Auch in Japan ist die Ausführung von Lehmputzen eine sehr alte Tradition, die eine große Kunstfertigkeit erfordert. Im traditionellen ländlichen Lehmbau in unseren Regionen wurden aus Sparsamkeitsgründen auch auf AußenwandoberÁächen Lehmputze eingesetzt. Zur Verbesserung der Witterungsstabilität wurden den Lehmputzen neben Kalk auch im Umfeld verfügbare Abfallstoffe als Zuschläge und Zusätze beigemischt, z. B. frischer Kuhdung, Molke und Tierblut (Bild 3-8), die chemisch verändernd auf die Tonmineralstruktur wirken. Diese traditionellen Mischungen haben ihre Gebrauchstauglichkeit bewiesen und können auch heute wieder eine Rolle spielen, vor allem in der Bausanierung und BaudenkmalpÁege. Für eine differenzierte ökologische Bewer-
3.5
tung chemisch verändernd wirkender Zusätze in Lehmputzen, aber auch in Lehmbaustoffen allgemein, fehlen derzeit entsprechende Kriterien. Entscheidend sind dabei mögliche negative gesundheitliche Auswirkungen für die Nutzer sowie die Abbaubarkeit der Zusätze nach Rückführung in den Naturkreislauf. Die Organisation natureplus e.V. hat eine Richtlinie »Lehmputze« zur Vergabe ihres Qualitätszeichens erarbeitet [3.20]. Sie gilt für Putzstärken d > 5 mm und legt unter dem Abschnitt »Zusammensetzung, Stoffverbote, Stoffbeschränkungen« folgendes fest: Das Produkt »Lehmputz« muss zu 100% aus mineralischen und nachwachsenden Rohstoffen bestehen. Als Bindemittel sind ausschließlich Tonmineralien zulässig, künstliche Bindemittel und chemisch wirkende Zusätze werden ausgeschlossen. Lehm-Putzmörtel dürfen insbesondere folgende Stoffe nicht enthalten: – Biozide – halogenorganische Stoffe – synthetische Zusatzstoffe und Fasern (z. B. Acrylate, Polyvinylacetate) – Kalk und Zement als Bindemittel – Zellulose- und Stärkederivate. Der Gehalt an Áüchtigen organischen Substanzen (VOC) im trockenen Lehm-Putzmörtel ist auf maximal 100 ppm begrenzt. Grenzwerte für adsorbierbare organische Halogenverbindungen (AOX), ph-Wert, Metalle / Metalloide sowie Radioaktivität werden mit den entsprechenden Prüfverfahren angegeben. Beim Einsatz von Recyclinglehm (Kap. 2.2.1.3 und 6.2.2.1) müssen die Produkte auf mögliche adsorbierbare Inhaltsstoffe mit potenziellem Gesundheitsrisiko überprüft werden, insbesondere auf Asbestfasern, Schwermetalle und aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK). Für Lehm-Putzmörtel, die dieser Zusammensetzung bzw. den Stoffverboten und -beschränkungen nicht entsprechen, plant die Organisation natureplus e.V. die Herausgabe einer Richtlinie »Stabilisierte Lehmputze«.
Verwendung von Lehmbaustoffen
Verwendung Lehm-Putzmörtel werden zur Áächigen Beschichtung von innen oder witterungsgeschützten, außen liegenden BauteiloberÁächen verwendet. Der Bereich der Lehm-Putzmörtel hat sich in den letzten Jahren in verschiedene, sehr spezielle Anwendungsfelder differenziert, für die entsprechende Putze mit besonderen Eigenschaften entwickelt wurden: Lehm-Unterputzmörtel werden vor allem für den Grundputz, für Auffütterungen unebener Untergründe und das Anbringen von Dämmplatten eingesetzt. Sie bilden i. d. R. noch nicht die endgültige PutzoberÁäche. Wegen der Auftragsstärken bis zu mehreren Zentimetern (i. d. R. 10 – 20 mm) sind Lehm-Unterputze häuÀg »fetter« eingestellt. Dadurch können sich Risse bilden, die aber durch eine anschließende Weiterbehandlung, z. B. durch Auftragen eines Feinputzes, überdeckt werden. Sie enthalten vergleichsweise grobe Zuschläge: z. B. Faserzuschläge mit Längen bis zu 30 mm, Feinkies bis 4 mm Korndurchmesser. Lehm-Oberputzmörtel können auch einlagig bis ca. 10 mm Stärke verarbeitet werden. Im Gegensatz zu Lehm-Unterputzmörteln bilden sie die endgültige PutzoberÁäche. Faserzuschläge und Korngrößen sind feiner gewählt (d 2 mm). Für mineralische Werk-Trockenmörtel zur Herstellung von Oberputzen wird nach DIN V 19550 bzw. DIN EN 998-1 auch der Begriff »Edelputzmörtel« bzw. die Abkürzung »CR« (Coloured Rendering Mortar) verwendet. Lehm-Ober- und -Unterputzmörtel sind ähnlich zusammengesetzt und erzeugen eine vergleichsweise raue OberÁächentextur. Eine Reihe von Herstellern differenzieren deshalb nicht in Unter- und Oberputzmörtel, sondern bieten für beide Anwendungen ein Produkt an. 123
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
Lehm-Dünnlagenbeschichtungen und -Farben Die Produktgruppe der Lehm-Dünnlagenbeschichtungen und -Farben bildet den Übergang von Putzen geringer Schichtstärke zu Farbanstrichen. Ihre Auftragsstärke beträgt generell 5 mm. Zu dieser Gruppe gehören die nachfolgenden Produkte [3.7]: Lehm-Feinputzmörtel bilden den OberÁächenabschluss in einem mehrlagigen Putzaufbau. Sie werden in dünnen Schichten bis max. 5 mm aufgetragen. Entsprechend fein sind die mineralischen und / oder faserförmigen Zuschläge. Mit diesen Putzmörteln wird eine sehr feine und dichte OberÁächentextur erzielt. Farbige Lehm-Feinputzmörtel enthalten Farbpigmente, mit denen ein farblich neutraler Lehm eingefärbt wird. Die Farbgebung kann auch durch die Zugabe ausgesuchter farbiger Tone als Bindemittel erreicht werden. In beiden Fällen können mit einem farbigen OberÁächenabschluss gewünschte gestalterische Effekte im Innenraum erzielt werden. Inzwischen ist eine Vielzahl von farbigen Lehm-Feinputzmörteln unterschiedlicher Hersteller im Angebot (Bild 4-56). Lehm-Spachtelputze sind farbige Lehm-Feinputze mit einer besonders feinen Körnung. Sie erfordern deshalb sehr glatte Untergründe und werden sehr dünn mit dem Spachtel aufgetragen.
Lehm-Streichputze sind »gekörnte Farben« mit strukturbildender Körnung. Sie werden wie Farben aufgetragen und sind in der erreichbaren OberÁächenstruktur mit Lehm-Feinputzen vergleichbar. Als Bindemittel wird neben Tonmehl jedoch zusätzlich Zellulose oder Stärke eingesetzt. Lehm-Farben sind ebenfalls Anstrichstoffe mit einer Bindemittel-Kombination aus Tonmehl und Zellulose / Stärke, jedoch ohne sichtbare Körnungen. Eine Sonderform im Bereich der Lehm-Putzmörtel stellen Lehm-Trockenputzplatten als Alternative zum feuchten Putzmörtelauftrag dar. Sie bestehen aus einer mit Schilfrohr bewehrten dünnen Lehmplatte in einer derzeit angebotenen Stärke von 16 mm und einer Plattengröße von 62,5 x 62,5 cm2. Die OberÁäche wird mit einem grobmaschigen Jutegewebe abgedeckt. Lehm-Trockenputzplatten werden wie Fliesen auf einen ebenen und trockenen Untergrund geklebt und abschließend mit einem dünnen Feinputz beschichtet. Prüfungen Sie erfolgen wie für Werkmörtel und werkmäßig hergestellte Mörtel. Das Technische Merkblatt »Anforderungen an Lehmputze« [3.19] sieht darüber hinaus weitere Prüfungen für Bauteileigenschaften der Lehmputz-OberÁächen vor, wenn »begründete Zweifel an deren Gebrauchstauglichkeit« bestehen: – Haftfestigkeit (Kap. 3.6.2.2) – Abriebfestigkeit (Kap. 3.6.2.2).
3.5.6.3 Lehm-Spritzmörtel Baulehm Als Baulehme eignen sich fast fette bis fette bzw. schwach bis mittel bindige Lehme.
124
Zuschläge und Zusätze Für Lehm-Spritzmörtel ist vor allem die Maschinengängigkeit der Mischung, insbesondere der Zuschläge wichtig. Mineralische
3.5
Zuschläge sind Sand, organische z. B. Sägemehl und fein gehäckselte Strohfasern [3.21]. Verwendung Lehm-Spritzmörtel dienen zur Ausfachung von Skelettkonstruktionen (i. d. R. aus Holz), zur Herstellung von Vorsatzschalen, aber auch
3.5.7
als Deckenfüllung. Sie sind nicht zu verwechseln mit gespritzten Lehm-Putzmörteln. Prüfungen – Trockenrohdichte nach Kap. 3.6.1.3, – Schwindmaß der fertigen Mischung (ggf. Bauteilprobe) nach Kap. 3.6.2.1.
Lehmsteine
Begriff und Format Lehmsteine sind i. d. R. quaderförmig geformte Lehmbaustoffe mit deÀnierten Abmessungen und Eigenschaften. Lehmsteine mit einer Trockenrohdichte < 1.200 kg / m3 bezeichnet man als Leichtlehmsteine. Im Lehmbau wird noch zwischen Lehmsteinen und Grünlingen unterschieden. Grünlinge sind zum Brennen bestimmte »grüne« Steine aus der Ziegelproduktion, die ungebrannt verwendet werden.
L
Die Abmessungen der Lehmsteine werden nach DIN V 105- 1, Tab. 5 angegeben, entweder in der Reihenfolge Länge x Breite x Höhe in mm oder als Format-Kurzzeichen. Übliche Lehmsteinformate sind das Normalformat NF 240 x 115 x 71 mm oder das Dünnformat DF 240 x 115 x 52 mm oder davon abgeleitete Mehrfache (bis 12 DF ) (Bild 3-30). Es gelten die in DIN V 105-1, Tab. 2 angegebenen zulässigen Kleinst- und Höchstmaße und Maßspannen.
B 1
DF
2
NF
3
2DF
4
3DF 4DF
Verwendung von Lehmbaustoffen
5
H
6
Lehmsteinformate entspr. DIN V 105-1 L x B x H 24 x 11,5 x 5,2 24 x 11,5 x 7,1 24 x 11,5 x 11,3 24 x 17,5 x 11,3 24 x 24,0 x 11,3
[cm] DF NF 2DF 3DF 4DF
Lehmplattenformate, nicht standardisiert 1 150 x 62,5 x 2,5 2 100 x 24,5 x 6,0 3 85 x 29,5 x 9,5 4 67 x 67,0 x 14,0 5 50 x 25,0 x 12,0 (10,0) 6 NF zum Vergleich
Bild 3-30 Übliche Formate von Lehmsteinen und -platten, nach [3.7]
125
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
Baulehm Lehmsteine werden aus ungeformten Lehmbaustoffen nach Kap. 3.5.1, 3.5.3 und 3.5.4 hergestellt. Der zur Herstellung von Lehmsteinen verwendete Baulehm muss den Anforderungen an die Qualität der ungeformten Lehmbaustoffe entsprechen, insbesondere in Bezug auf Bindekraft bzw. Plastizität und Kornverteilung. Für nicht stabilisierte Lehmsteine empfehlen HOUBEN / GUILLAUD [2.12] folgenden Bereich der Plastizitätswerte des Baulehms: IP = 0,17 – 0,33 und wL = 0,32 – 0,50. Sie weisen darauf hin, dass eine weitere Eingrenzung dieses Bereiches schwierig ist. Aufbereitung und Formgebung entsprechend den in Kap. 3.1 und 3.2 beschriebenen Verfahren der Aufbereitung und Formgebung. Dabei bestehen Analogien zur keramischen Industrie, mit Ausnahme des abschließenden Brennprozesses. Zuschläge und Zusätze Lehmsteine enthalten die Zuschläge und ggf. Zusätze der ungeformten Lehmbaustoffe (Bild 3-8), aus denen sie durch einen Formgebungsprozess hergestellt wurden. Eine z. Zt. in Bearbeitung beÀndliche Richtlinie »Lehmsteine« für die Vergabe des Qualitätszeichens »natureplus« [3.20] enthält Festlegungen zu Stoffzusammensetzungen, Stoffverboten und Stoffbeschränkungen für die zur Herstellung von Lehmsteinen verwendeten Baulehme, Zuschläge und ggf. Zusätze. Der Dachverband Lehm e.V. plant für 2010 die Herausgabe eines Technischen Merkblattes »Lehmsteine«. In vielen Entwicklungsländern, aber auch in den USA und Australien ist der Zusatz künstlicher Bindemittel, vor allem von Zement, aber auch Bitumen, übliche Baupraxis und dort auch in Baubestimmungen geregelt.
126
Verwendungszweck Lehmsteine werden nach den Lehmbau Regeln [2.6] entsprechend ihres Verwendungszwecks und ihrer Beanspruchung in drei Anwendungsklassen eingeteilt: Klasse I: verputztes, der Witterung ausgesetztes Außenmauerwerk Lehmsteine der Klasse I können bei ausreichender Trockendruckfestigkeit für tragendes Mauerwerk eingesetzt werden. Es sind nur Vollsteine, ggf. mit GrifÁöchern, zugelassen. Die Lehmsteine müssen eine homogene Struktur, eine ausreichende Frost- und Wasserbeständigkeit sowie ein geringes Quellverhalten aufweisen. Grünlinge erfüllen diese Anforderungen i. d. R. nicht und dürfen deshalb in Klasse I nicht eingesetzt werden. Klasse II: verkleidetes, witterungsgeschütztes Außenmauerwerk, Innenmauerwerk Lehmsteine der Klasse II können bei ausreichender Trockendruckfestigkeit für tragendes Mauerwerk eingesetzt werden. Ein ggf. herstellungsbedingter Lochanteil ist auf 15% begrenzt. Die Lehmsteine sollen eine homogene Struktur aufweisen und dürfen bei der Verarbeitung nicht zu sehr quellen. Die Eignung von Grünlingen ist vom Anwender zu prüfen. Klasse III: Trockenbau (z. B. DeckenauÁagen, Stapelwände) Lehmsteine der Klasse III sollen nicht für tragendes Mauerwerk eingesetzt werden. Sie müssen eine für die vorgesehene Verwendung ausreichende Festigkeit aufweisen. Sie dürfen beliebig gelocht sein. Lehmsteine, die nach den Formgebungsverfahren »patzen«, »pressen in Formen«, »stampfen« (Kap. 3.2.2.1) hergestellt werden, erfüllen i. a. die Voraussetzungen für eine Einstufung in die Anwendungsklassen I und II. Bei stranggepressten Lehmsteinen ist insbesondere auf die Eigenschaften Festigkeit und Homogenität sowie Wasserresistenz und Quellverhalten zu achten.
3.5
Prüfungen Bei tragender Anwendung müssen die Lehmsteine folgende Anforderungen erfüllen:
3.5.8
Verwendung von Lehmbaustoffen
– Trockenrohdichte nach Kap. 3.6.1.3, – Trockendruckfestigkeit nach Kap. 3.6.2.2.
Lehmplatten
Begriff und Format Allgemein sind Lehmplatten plane, plattenförmige Baustoffe, d.h. die Plattenstärke d ist klein gegenüber den Abmessungen der Fläche. In Bezug auf die Abmessungen ist eine deÀnierte Abgrenzung nicht bekannt, es gibt einen Áießenden Übergang zwischen »Lehmsteinen« und »Lehmplatten«. Die Abmessungen der Lehmplatten sind sehr unterschiedlich und nicht geregelt (Bild 3-30). Die Plattenstärke richtet sich nach der Verwendung. Man kann unterscheiden: – dünne Platten (d = 16 – 50 mm), – dicke Platten (d = > 50 – 100 mm), – starke Platten (d > 100 mm). Die dünnen Lehmbauplatten liegen in der Größenordnung der Abmessungen üblicher Trockenbauplatten. Sie erfordern i. d. R. eine Unterkonstruktion. Bei den dicken Lehmbauplatten handelt es sich um blockartige Formate mit Übergang zu Steinformaten. Sie sind wie die starken Platten selbsttragend. Leichtlehmplatten weisen eine Trockenrohdichte Ưd < 1.200 kg / m3 auf. Baulehm Lehmplatten werden aus aufbereiteten, ungeformten Lehmbaustoffen nach Kap. 3.5.1, 3.5.3 und 3.5.4 hergestellt. Der zur Herstellung verwendete Baulehm muss den Anforderungen an die Qualität der ungeformten Lehmbaustoffe entsprechen, insbesondere in Bezug auf Bindekraft bzw. Plastizität und Kornverteilung. Für »dünne« Lehmbauplatten kommen mit Sand gemagerte Tonmehle oder Trockenlehme mit entsprechend hoher Bindekraft zum Einsatz.
Aufbereitung und Formgebung Lehmplatten werden unter Anwendung spezieller Technologien der Formgebung hergestellt. So werden z. B. bei »dünnen« Lehmplatten spezielle Bandpressen eingesetzt. »Dicke« Lehmplatten können im üblichen Strangpressverfahren oder nach weiteren Verfahren der elementierten Formgebung (Kap. 3.2.2.1.) hergestellt werden. Auch eine manuelle Formgebung vor Ort ist möglich. Vorgefertigte großformatige »starke« Wandplatten aus Stampflehm für tragende Wandkonstruktionen erfordern ein geeignetes Schalungssystem (Kap. 3.2.2.2). Die Plattenränder sind entweder stumpf, (umlaufend) als Nut und Feder oder als Nut mit Einschubfalz ausgebildet. Zuschläge und Zusätze Trockener Lehm kann nur in geringem Umfang Zug- und Biegezugkräfte aufnehmen. Die ungeformten Lehmbaustoffe, aus denen Lehmplatten hergestellt werden, müssen deshalb einen entsprechend hohen Faserstoffanteil aufweisen. Es gibt darüber hinaus auch Beispiele für sandwichartige Platten mit integrierten Bewehrungsmatten oder -geweben aus pÁanzlichen Fasern. Für dieVergabe des Qualitätszeichens »natureplus« wird eine Richtlinie RL 1003 »Lehmplatten« erarbeitet, die unter bauökologischen Aspekten Festlegungen zu Stoffzusammensetzungen, Stoffverboten und Stoffbeschränkungen enthält [3.20].
127
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
Verwendungszweck Lehmplatten können wie Mauerwerk verarbeitet, stumpf gestoßen, trocken eingebaut, mit üblichen Verbindungsmitteln befestigt oder auch geklebt werden. Sie Ànden vielfältige Verwendung, wodurch Abmessungen und Zusammensetzung entsprechend beeinÁusst werden, und zwar: – dünne Platten zur Ver- oder Bekleidung von Bauteilen im Innenbereich oder für nicht tragende Trennwände mit Unterkonstruktion (Bild 4-53), auch als »verlorene« Schalung oder Innenschalen in mehrschichtigen Wandkonstruktionen, auch als »Putzersatz« mittels Lehm-Trockenputzplatten und als Trockenestrichplatte im Fußbodenaufbau anzuwenden, auch zur Bekleidung von Dachschrägen, – dicke Platten für nicht tragende Trennwände
3.5.9
stellt und angeboten werden. Als Beispiel wird die Herstellung von Strohlehm-Wickeln für die Ausfachung von Fachwerk-Wänden oder als Deckeneinschub (Kap. 4.2.4.1) genannt.
Kenngrößen und Prüfungen für Lehmbaustoffe
Auf Grund der fehlenden technischen Entwicklung im Lehmbau in den 1950er bis 1980er Jahren (Kap. 1.3) ist wissenschaftliche Forschung auf diesem Gebiet im Vergleich zu den mineralischen Massenbaustoffen Beton und Ziegel bisher nur in Ansätzen betrieben worden. Vor allem bei der Entwicklung lehmspeziÀscher Prüfverfahren und der systematischen Bestimmung von Baustoff- und Bauteilkenngrößen besteht noch erheblicher Nachholbedarf. 128
Prüfungen – Trockenrohdichte nach Kap. 3.6.1.3. Bei großformatigen Wandplatten aus Stampflehm für tragende Wandkonstruktionen Prüfungen entspr. Kap. 3.5.1.
Sonstige Lehmbaustoffe
Neben den in den Kap. 3.5.1 – 3.5.8 genannten Lehmbaustoffen können für besondere Bauaufgaben, z. B. in der Bausanierung und BaudenkmalpÁege, weitere Lehmbaustoffe nach entsprechenden Vorgaben von Firmen herge-
3.6
ohne Unterkonstruktion, auch als Ausfachung von Dachschrägen oder als DeckenauÁage bzw. -einschub. Eine besondere Form der Verwendung bilden Lehmplatten mit integrierten Heizschlangen oder Hypokausten-Elemente für Wandheizungen als Hohlkammerplatten (Bild 4-58), – starke Platten als Deckeneinschubplatten (Bild 4-44). Vorgefertigte großformatige Wandplatten aus StampÁehm für tragende Wandkonstruktionen erfordern eine entsprechende Montagetechnik.
Für Baustoffprüfungen im Lehmbau werden derzeit überwiegend geeignet erscheinende Testprozeduren aus anderen Fachbereichen angewendet oder für Lehmbaustoffe angepasst. Ob damit auch für jeden Anwendungsfall eines Lehmbaustoffes die nachzuweisende Qualität »gebrauchstauglich« dargestellt werden kann, müssen praktische Erfahrungen erst noch zeigen. So sind Prüfverfahren und Kriterien für den Nachweis der Gebrauchstauglichkeit von Lehmputzen und Lehmsteinen gegenwärtig noch
3.6
Gegenstand von Diskussionen. Auch bauökologisch relevante Sachverhalte des Lehmbaus werfen komplexe Fragestellungen auf, für die Prüfkriterien erst noch entwickelt werden müssen. In einem Überblick werden die wichtigsten Kenngrößen und Prüfungen für Lehmbau-
3.6.1
Kenngrößen und Prüfungen für Lehmbaustoffe
stoffe nach folgenden Hauptgruppen zusammengefasst (Tab. 1-1): – Masse- und Gefügekenngrößen, – Formänderungskenngrößen, – Festigkeitskenngrößen, – bauphysikalische Kenngrößen.
Masse- und Gefügekenngrößen
Jeder Lehmbaustoff besteht aus der mineralischen Festmasse und den Hohlräumen oder Poren, die von den Mineralkörnern und ggf. Zuschlägen gebildet werden (Bild 3-31). Die Poren sind entweder mit Luft bzw. teilweise oder völlig mit Wasser gefüllt (Kap. 2.1.1.2). Die Verteilung und räumliche Anordnung die-
ser drei Bestandteile, der Gefügeelemente oder Phasen, hat einen entscheidenden EinÁuss auf die Verarbeitungs- und Formänderungseigenschaften von feuchten Lehmbaustoffen sowie auf die Festigkeit und die bauphysikalischen Eigenschaften im Gebrauchszustand.
3.6.1.1 Porosität und Porenzahl Zur Beschreibung des Hohlraumgehaltes einer Lehmprobe werden zwei Kennwerte in einem Modell einer idealisierten Verteilung von Festsubstanz, Wasser und Luft im Gesamtvolumen V verwendet. Porosität n: der Hohlraumgehalt VP wird auf das Volumen der Gesamtprobe V bezogen. Porenzahl e: der Hohlraumgehalt VP wird auf das Volumen der Festmasse VS bezogen. Beide Kennwerte werden dimensionslos angegeben, der Porenanteil n oft auch in Prozenten. Jeder der beiden Kennwerte lässt sich durch den anderen ausdrücken: Porenzahl e = Vp / Vs = n / (1-n) Porenanteil n = Vp / V = e / (1+e). Am Modell der idealisierten Verteilung der drei Phasen fest – Áüssig – gasförmig lassen sich praktisch bedeutsame Fälle für die Verarbeitung von Lehmbaustoffen zu Lehmbauteilen und -konstruktionen darstellen (Bild 3-31) (Tab. 3-4).
129
130 VW
VS
mW
mS
VP = V - VS V
VS
VP
Porosität n n = e / (1 + e)
Bild 3-31
Sr = 0 ѩ d = mS / V
A trocken
Sr ~ 60% ѩ = mm / V
VS
Vw
VL
Sr ~ 30%
Verteilung von Festmasse und Hohlräumen im Lehmbaustoff, nach [2.15]
VS
VL
B feucht
Praktische Anwendungsfälle im Lehmbau für unterschiedliche Sättigungsgrade Sr
natürliche und idealisierte Verteilung von Festsubstanz mS, Wasser mw und Luft mL im Gesamtvolumen V VP – Volumen der Poren, VS – Volumen der Festmasse mS– Masse der Festsubstanz, mm – Feuchtmasse
VL
mL
VS
Vw
VL
1-n
n
1
Sr = 100% ѩsr = (1-n) ѩS + n • ѩw
C wassergesättigt
Porenzahl e e = (V – VS) / VS
VS
VL
1
e
3 Herstellung von Lehmbaustoffen
3.6
Kenngrößen und Prüfungen für Lehmbaustoffe
Fall
Füllung Porenraum
Verarbeitungsform Lehmbaustoff (Beispiel)
Konsistenzform Lehmbaustoff
Rohdichte Lehmbaustoff
B
Luft bzw. Wasserdampf und Wasser
»nasse« Verarbeitung zu bzw. Formgebung von Lehmbaustoffen (Stampflehm), bei Entschalung beginnt Austrocknung
halbfest, steif, weich und breiig
ѩ = mm / V
C
Wasser, vollständig
Lehmmörtel (Lehmputz)
breiig-Áüssig
ѩsr = (1-n) · ѩs + n · ѩw Sr = 1
A
Luft bzw. Wasserdampf, vollständig
»trockene« Verarbeitung, (Lehmsteine)
fest
ѩ d = mS / V Sr = 0
Tab. 3-4
Füllzustände des Porenraums von Lehmbaustoffen für praktische Anwendungsfälle
Entsprechend diesen Fällen der Phasenverteilung im Gesamtvolumen des Lehmbaustoffes unterscheidet man verschiedene Dichtearten.
3.6.1.2 Rohdichte ѩ / Rohdichte bei Wassersättigung ѩsr Begriff Die Rohdichte Ư einer feuchten Lehmbaustoffprobe (auch Feuchtrohdichte) wird allgemein als Verhältniswert ihrer Feuchtmasse mm zu ihrem Volumen V angegeben (Fall B): Ư = mm /V [g/cm3]. Das Verhältnis des von Wasser eingenommenen Porenraums zum Gesamtporenraum der Probe wird als Sättigungsgrad Sr (auch Sättigungszahl) bezeichnet. Die Rohdichte bei Wassersättigung Ưsr ist jene Dichte, bei der alle Poren mit Wasser gefüllt sind (Fall C): Ưsr = Ưd + n ƯW [g/cm3] mit ƯW = 1,0 g/cm3 (= Dichte des Wassers). Die Sättigungszahl Sr einer Probe ist in diesem Fall 1.
Sr = Vw/Vp [-]. Die Rohwichte Ƣ einer feuchten Lehmbaustoffprobe wird allgemein als Verhältniswert ihrer Eigenlast G unter Berücksichtigung der Erdbeschleunigung g als ständige Einwirkung zu ihrem Volumen V angegeben: Ƣ = G / V = Ư · g [kN/m3]. Dabei wird die Erdbeschleunigung näherungsweise mit g = 10 m/s2 angesetzt. Auf diese Weise kann man aus den Dichten (Massekenngrößen) die entsprechenden Wichten (Kraftkenngrößen bzw. Lastannahmen für statische Berechnungen, 1kg ~ 10N) ableiten. Testprozedur Für die Prüfung der Rohdichte Ư wird die Feuchtmasse mm der Lehmbaustoffprobe durch 131
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
Wägung, das Volumen V durch Ausmessen (Tauchverfahren) oder bekanntes Volumen, z. B. bei Entnahmestutzen, ermittelt. Grundlage ist die DIN 18125-1 . Labor- und Rechenwerte Die Größenordnung der Rohdichte Ư der Lehm-
Nr.
Bodenart mit Kurzzeichen nach DIN 18196
Konsistenz
ќ [kN/m3]
1
leicht plastische Schluffe UL (wL < 0,35)
weich steif halbfest
17,5 18,5 19,5
2
mittelplastische Schluffe UM (wL = 0,35 – 0,5)
weich steif halbfest
16,5 18,0 19,5
3
leicht plastische Tone TL (wL < 0,35)
weich steif halbfest
19,0 20,0 21,0
4
mittelplastische Tone TM (wL = 0,35 – 0,5)
weich steif halbfest
18,5 19,5 20,5
5
ausgeprägt plastische Tone TA (wL > 0,5)
weich steif halbfest
17,5 18,5 19,5
Die Werte gelten für die charakteristischen Wichten natürlich gewachsener bindiger Böden. Sie dürfen auch für geschüttete, verdichtete bindige Böden angewendet werden, sofern ein Verdichtungsgrad von Dpr 0,97 nachgewiesen wurde. Bei Böden mit besonders großer Ungleichförmigkeitszahl Cu (Geschiebemergel, Lehm, gemischtkörnige Böden der Bodengruppen GU, GT, SU, ST bzw. GU*, GT*, SU*, ST*) sind die Wichten um 1,0 kN / m3zu erhöhen.
132
baustoffprobe ist abhängig von der Reindichte Ưs der mineralischen Festsubstanz (des Baulehms), der Menge des Anmachwassers sowie dem Fortschritt der Austrocknung. In E DIN 1055-2 werden Erfahrungswerte für Rohwichten Ƣ von Baulehmen im erdfeuchten Zustand angegeben (Tab. 3-5):
Tab. 3-5 Feuchtrohwichten von Baulehmen für Lastannahmen
3.6
Kenngrößen und Prüfungen für Lehmbaustoffe
3.6.1.3 Trockenrohdichte ѩd Begriff Die Trockenrohdichte Ưd wird nach DIN 18125-1 bestimmt aus dem Verhältniswert der Trockenmasse md einer Lehmbaustoffprobe zu deren Volumen V (Fall A: Austrocknung abgeschlossen). Testprozedur Prinzipiell ist es möglich, die Trockenrohdichte Ưd einer Lehmprobe experimentell zu bestimmen. Dazu wird die Masse einer feuchten Probe durch Wägung, das entsprechende Volumen durch Tauchwägung (z. B. ParafÀnumhüllung des Prüfkörpers) ermittelt. Danach wird der feuchten Probe das im Porenraum beÀndliche Wasser durch Trocknung bei +105 °C entzogen. In der Probe verbleibt dabei das in den kapillaren Wasserhüllen gebundene Wasser, welches die Tonmineralien umgibt. Praktisch wird die Trockenrohdichte Ưd jedoch über die bekannte Feuchtrohdichte Ư und den dazugehörigen Wassergehalt w rechnerisch ermittelt. Dazu werden dem feuchten Probekörper drei Teilproben (2 vom Rand wr1 und wr2, eine aus der Mitte wm) entnommen. Die Teilproben werden gewogen und die zugehörigen Wassergehalte w durch Trocknung bei +105°C bestimmt. w = (wr1 + 2wm + wr2)/4. Ưd = ms/V = mm/V(1+w) = Ư/(1+w). Nach den Lehmbau Regeln [2.6] dienen für alle ungeformten Lehmbaustoffe Würfel mit einer Kantenlänge von 200 mm als Prüfkörper zur Bestimmung der Trockenrohdichte Ưd, die »wie auf der Baustelle« herzustellen sind. Für die Bestimmung der Trockenrohdichte von Lehmmörteln sind Probewürfel mit 100 mm Kantenlänge wie bei der Verarbeitung herzustellen. Maßgebend ist der Mittelwert aus mindestens drei Einzelprüfungen, die nicht mehr als 10% davon abweichen dürfen. Alternativ können als Prüfkörper Prismen für
die Ermittlung der Biegezugfestigkeit bzw. Druckfestigkeit (Kap. 3.6.2.2) verwendet werden. Für die Prüfung geformter Lehmbaustoffe können diese selbst oder auf geeignete Größe geschnittene Teile verwendet werden. Diese Prüfkörper liegen bereits trocken vor ( = Trockenmasse md ). Bei StampÁehm ist es praktisch kaum möglich, Prüfkörper »wie auf der Baustelle« herzustellen. Für eine Überprüfung der erreichten Verdichtung wird deshalb alternativ empfohlen, Prüfkörper mittels Entnahmestutzen baubegleitend aus der obersten, gerade verdichteten und noch feuchten Lage zu gewinnen. Die Probenahme soll dabei möglichst »ungestört«, d. h. hinsichtlich Kornaufbau, Lagerungsdichte und Wassergehalt unverändert erfolgen. Der Wassergehalt der entnommenen Probe darf sich bis zum Prüfbeginn nicht verändern (GK 2, Kap. 2.2.2.2). Labor- und Rechenwerte In den Lehmbau Regeln [2.6] sind Trockenrohdichten Ưd von Lehmbaustoffen als Rechenwerte für den Gebrauchszustand angegeben (Tab. 3-6). Trockene Lehmbaustoffe sind hygroskopisch, d. h. sie können Wassermoleküle aus der Luft an den OberÁächen der Tonminerale anlagern. Im Gebrauchszustand (normale Luftfeuchte, +20 °C) stellt sich deshalb ein »Gleichgewichtsfeuchte« genannter Wassergehalt ein (Kap. 5.1.2.4). Die entsprechende »Trocken«rohdichte weicht zahlenmäßig von der im Labor bei +105°C bestimmten ab und wird bei der labortechnischen Ermittlung der Wärmeleitfähigkeit ƪ durch entsprechende Umrechnungsfaktoren berücksichtigt.
133
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
Nr.
Lehmbaustoffe
Trockenrohdichte ѩ d [g / cm3]
1 2 3 4 5 6 7 8
StampÁehm Wellerlehm Strohlehm, Faser~ Leichtlehm Lehmschüttungen Lehmmörtel Lehmsteine Lehmplatten
1.700 – 2.400 1.400 – 1.700 1.200 – 1.700 300 – 1.200 300 – 2.200 600 – 1.800 600 – 2.200 300 – 1.800
Tab. 3-6 Trockenrohdichten von Lehmbaustoffen
3.6.1.4 PROCTOR -Dichte ѩPr Begriff Für jeden Lehmbaustoff ist die durch Verdichtung erreichbare Trockenrohdichte abhängig von der Verdichtungsarbeit und dem Wassergehalt. Bei einem optimalen Wassergehalt wpr und deÀnierter Verdichtungsarbeit wird für jeden Lehm eine größte Trockenrohdichte, die Standard- oder PROCTOR -Dichte Ưpr, erzielt.
Stampfers verdichtet (Bild 3-32). Stampfmasse, Fallhöhe, Probenabmessungen und Drehung der Probe sind bei maschineller Verdichtung deÀniert. Aus diesen Festlegungen ergibt sich eine Verdichtungsarbeit von 60 Ncm / cm3. Die Verdichtung kann auch manuell mittels Handstampfer ausgeführt werden, ist dann jedoch nicht exakt auf den vorgegebenen Wert einzustellen.
Testprozedur Die experimentelle Ermittlung der PROCTOR -Dichte ist in DIN 18127 geregelt. Es sind mindestens vier Einzelversuche mit verschiedenen Wassergehalten erforderlich. Die aufbereitete Lehmprobe wird in drei gleich starken Lagen in einen Stahlzylinder eingebaut und durch gleichmäßig auf der OberÁäche verteilte Schläge eines frei fallenden Nr.
Baulehm
ѩpr [g / cm3]
1 2 3 4 5
Lehmiger Kiessand Löss, Lösslehm Geschiebelehm, ~mergel Verwitterungslehm Gehänge- u. Auelehm, sandiger Ton Ton
1,80 – 2,00 1,70 – 1,85 1,80 – 2,00 1,75 – 1,95 1,60 – 1,80
6
134
< 1,50
Labor- und Rechenwerte Die Einzeldaten ergeben in einem rechtwinkligen Koordinatensystem (w; Ưd) eine charakteristische parabelförmige Verdichtungskurve mit der maximal erreichbaren Trockenrohdichte Ưpr bei wpr als Scheitelpunkt. Erfahrungswerte für Ưpr für verschiedene Baulehme gibt Tab. 3-7 [3.15] an.
Tab. 3-7 PROCTOR-Dichten von verschiedenen Baulehmen
3.6
Kenngrößen und Prüfungen für Lehmbaustoffe
fortschreitende Versatzrichtung des Stampfers
Je Schicht 25 Schläge
[ g/cm 3]
t ti ng
Trockenrohdichte ѩ d
gu sli
1,70
nie
Fallgewicht 2,5 kg
1,80
Sä
freie Fallhöhe 300
ѩ ds = 100%
1,60
wopt
120
1,50
1,40 0
0,05
100
Bild 3-32
0,10 0,15 0,20 Wassergehalt w
0,25
0,30
Bestimmung der PROCTOR-Dichte [3.15]
Für praktische Verdichtungsaufgaben werden die erreichten Lagerungsdichten als Trockenrohdichten Ưd in Prozenten der PROCTOR Dichte Ưpr (= 100%) als Qualitätsforderung angegeben: Dpr = Ưd / Ưpr [-]. Im Rahmen der baubegleitenden Überwachung für das Projekt »Himmelsleiter« Nordhausen [3.22] wurden für den verarbeiteten StampÁehm folgende Werte ermittelt: Ưpr = 1,81 g/cm3 bei wpr = 12,66 %. Die erreichten Lagerungsdichten des verdichteten StampÁehms lagen im Bereich von Dpr = 0,95 – 0,98. EinÁussgrößen Der PROCTOR -Test wurde zur Kontrolle der erreichten Qualität bei Verdichtungsaufgaben
im Straßenbau entwickelt. Vom Prinzip her ist eine Übertragung auf vergleichbare Anwendungen mit Impuls- bzw. Stampfverdichtung (Kap. 3.2.2.2) im Lehmbau vorstellbar, z. B. für Bauteile aus StampÁehm. Insbesondere für tragende Lehmbauteile ist es von Bedeutung, dass durch entsprechende Verdichtung der Lehmbaustoffe eine möglichst dichte Lagerung der Mineralkörner und damit eine Minimierung des Porenraums erreicht wird. Während dies bei nicht bindigen Kiesen und Sanden wegen der vergleichsweise groben Poren relativ unkompliziert ist, lässt sich die Luft bei Lehmen nur aus den größeren Hohlräumen herausdrücken. Aus den feinen Poren, die z. T. von Wasser umschlossen sind, ist infolge der geringen Durchlässigkeit Luft kaum oder überhaupt nicht zu entfernen. 135
Herstellung von Lehmbaustoffen
GL VL LL HL AL
Trockenrohdichte ѩ d [ g/cm 3]
3
2,0
1,9
Geschiebelehm Verwitterungslehm Lösslehm Gehängelehm Auelehm
1,8
1,7
1,6
1,5
0,05
0,10
0,15
0,20
0,25 0,30 Wassergehalt w
1,1 1,0 0,9 0,8
Porenzahl e
0,7 0,6
Bild 3-33
0,5
PROCTOR-Kurven für unterschiedliche Baulehme [3.15]
0,4
Der Einbauwassergehalt wirkt in folgender Weise auf die Verdichtung: Nähert man sich von der »trockenen« Seite der Verdichtungskurve dem Scheitelpunkt, behindert die Kapillarfestigkeit der Lehmprobe die Verdichtung: die eingetragene Verdichtungsarbeit reicht nicht aus, um die Krümelstruktur des Lehms völlig aufzubrechen. Auf der »nassen« Seite begrenzen das Porenwasser bzw. die Kapillarspannungen die Verdichtung: das Verdichtungsgerät »federt«. Die Verdichtungskurve verläuft etwa parallel zur Sättigungslinie, die die Rohdichte des Lehms bei Wassersättigung Ưsr angibt (Bild 3-32). Mit anwachsender Fließgrenze wL bzw. Plas136
tizität IP nimmt die mineralchemisch begründete Wasserbindefähigkeit der Lehme und damit auch der optimale Wassergehalt wpr zu, die maximalen Trockenrohdichten Ưpr dagegen nehmen ab (Bild 3-33). Außerdem erkennt man, dass mit abnehmender maximaler Trockenrohdichte Ưpr und zunehmendem optimalem Wassergehalt wpr eine Áachere Krümmung der Verdichtungskurve entsteht [3.15]. Bild 3-34 zeigt einen für den Straßen- und Dammbau nachgewiesenen, prinzipiell auch auf den Lehmbau übertragbaren Zusammenhang zwischen Verdichtungsarbeit, erreichbarer Trockenrohdichte und Einbauwassergehalt auf der Grundlage des PROCTOR -Versuches
3.6
2,3
21
2,2
Zusammenhang zwischen Verdichtungsarbeit, Trockenrohdichte und Wassergehalt für verschiedene Baulehme im Vergleich zu Sand 1 – gut abgestufter Kiessand 2 – mittelbindiger Gehängelehm 3 – hochbindiger Ton
1
12 6
2,0 1,9 1,8 1,7
A= 27 kp A= cm 12 /c m A= 3 6
Trockenrohdichte ѩ d [ g/cm 3]
2,1
Kenngrößen und Prüfungen für Lehmbaustoffe
1 kp = 0,01 kN
2
1,6 1,5 3
1,4 A=
1,3 1,2
27
k
m pc
/c m
12 A= A=
0
0,10
3
6
0,20
0,30
0,40
0,50
Wassergehalt w
Bild 3-34
EinÁuss der Verdichtungsarbeit A auf die PROCTOR -Dichte [3.15]
[3.15]: Erhöht man die Verdichtungsarbeit bei gleichem Wassergehalt, nehmen die maximalen Trockenrohdichten Ưpr in etwa logarithmisch zu. Durch Erhöhung der Verdichtungsarbeit wird auch die Verarbeitung (fast) trockener ungeformter Lehmbaustoffe möglich, wodurch das Problem der Schwindverformungen nahezu gelöst werden kann. Praktische Anwendungsfälle sind das »Trockenpressen« von Lehmsteinen und -platten [3.12] (Kap. 3.2.2.1) sowie das »Aufspritzen« nahezu trockener Leichtlehmmischungen in Gefache unter sehr hohem Druck [3.23]. Andererseits fehlt eine Vergleichsmöglichkeit zwischen der üblicherweise im Straßenbau eingetragenen und im StampÁehmbau aufgewendeten speziÀschen Verdichtungsarbeit. Sie ist im Straßenbau offenbar größer, denn
hier werden die maximalen Trockenrohdichten bei im Vergleich zum StampÁehmbau niedrigeren Einbauwassergehalten erreicht. Möglicherweise ist dies eine Erklärung dafür, dass die maximale Trockenrohdichte von Stampflehmproben bei Wassergehalten w > wpr erreicht wird [3.16]. Erkennbar ist auch, dass Tone im Vergleich zu in ihrer Körnung weitgestuften Baulehmen (hier Gehängelehm) bei gleicher Verdichtungsarbeit deutlich geringere Trockenrohdichten aufweisen. Dies ist verständlich, denn um Luft aus den wasserumschlossenen Ton-Mikroporen herausdrücken zu können und damit höhere Trockenrohdichten zu erreichen, müssten deutlich höhere Pressdrücke als bei Lehmen aufgewendet werden.
137
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
3.6.1.5 Reindichte ѩs Begriff Unter der Reindichte Ưs versteht man die mittlere Dichte der Minerale des in der porenfreien Festsubstanz ms enthaltenen Korngemisches (Bild 3-31). Ưs = ms / Vs [g/cm3]. Testprozedur Die Prüfung der Reindichte Ưs ist in DIN 18124 als Pyknometer-Verfahren beschrieben. In ein zu ca. 2/3 mit destilliertem Wasser gefülltes Pyknometer (Glaskolben mit Stopfenverschluss) wird eine aufbereitete, getrocknete Lehmprobe eingefüllt und bei +20°C gewogen. Aus dem Wasser wurde durch vorheriges Aufkochen die Luft entfernt. Das Ge-
3.6.2
Labor- und Rechenwerte Die Größenordnungen der Reindichte Ưs liegen zwischen Ưs = 2,65 und 2,80 g/cm3 und können für Berechnungen als Tabellenwerte angenommen werden. EinÁussgrößen Bei Lehmen mit hohen Al- oder Fe-Beimengungen in der Tonmineralsubstanz (z.B. lateritische Lehme) liegen die Einzelwerte deutlich über, mit organischen Beimengungen unter den genannten Zahlengrößen.
Baumechanische Kenngrößen
Baumechanische Kenngrößen beschreiben das Verhalten eines Lehmbaustoffes / Lehmbauteils unter Belastung als Folge von äußeren Einwirkungen. Die Kenntnis der baumechanischen Parameter ist für den Nachweis der Standsicherheit tragender Lehmbauteile unerlässlich. Man unterscheidet – Formänderungskenngrößen und – Festigkeitskenngrößen. Allgemein wird mit Festigkeitskenngrößen (ơ) der Widerstand beschrieben, den ein Baustoff seiner Verformung durch äußere Kräfte (Belastung) entgegensetzt. Die Grenzen der Belastung müssen bekannt sein, denn bei Überschreiten tritt ein Bruch ein. Die Belastung, die ein Baustoff dauernd ertragen kann, ist die Dauerstandfestigkeit. Dagegen beschreiben Formänderungskenngrößen den Weg bis zum Eintritt des Bruchzustandes als Zusammenhang zwischen Belastung (Ʊ, Ʋ) und Verformung (Ƥ: Stauchung / Dehnung bzw. s: Verschiebungen). In der Bo138
misch wird anschließend eingedampft und die Masse der Lehmprobe bestimmt.
denmechanik wird dieser Zusammenhang mit dem HOOKE schen Gesetz bzw. dem Schergesetz nach MOHR – COULOMB beschrieben. Der Gebrauchszustand »trocken« ist der Regelfall für tragende Bauteile aus Lehmbaustoffen und die Grundlage für die Bemessung. Sie weisen in diesem Zustand lediglich die Gleichgewichtsfeuchte auf (Kap. 5.1.2.4). Die Lastabtragung im Bauteil erfolgt in voller Größe der eingetragenen Belastung über den Mechanismus »Korn-zu-Korn-Druck« (Bild 2-31). Praktische Bedeutung im Lehmbau haben aber auch der Bauzustand bis zur Austrocknung oder mögliche Havariezustände während des Nutzungszeitraums. Die tragenden Bauteile aus Lehmbaustoffen sind (noch) feucht und eine Lastabtragung ist bei größeren Formänderungen nur eingeschränkt möglich.
3.6
Kenngrößen und Prüfungen für Lehmbaustoffe
3.6.2.1 Formänderungskenngrößen Formänderungen Ƥ von Stoffen sind allgemein deÀniert als Verhältnis der Volumenänderung ƋV zum Ausgangsvolumen V als Folge der Einwirkung verschiedener äußerer Beanspruchungen Ƥ = ƋV / V. Dabei ist das Vorzeichen zu beachten:
Dehnungen werden mit positivem (+), Stauchungen mit negativem (-) Vorzeichen versehen. Stauchungen in vertikaler Richtung bezeichnet man auch als Setzungen. Formänderungskenngrößen lassen sich nach Tab. 3-8 systematisieren:
Formänderungen
lastabhängig sofort auftretend zeitabhängig
umkehrbar (reversibel)
elastisch ўel
verzögert elastisch ўv, el
Temperaturdehnung ўT Feuchtedehnung ўf
nicht umkehrbar (bleibend)
ўbl Setzen
Fließen viskos, plastisch ўv
chemische Dehnung ўc Rissbildung
Tab. 3-8
lastunabhägig
Formänderungen von Baustoffen, Übersicht
Lastunabhängige Formänderungen Begriffe Lastunabhängige Verformungen von Lehmbaustoffen entstehen durch Volumenänderung infolge verschiedener Einwirkungen bzw. Mechanismen: – Temperaturdehnungen ƤT infolge einer Temperaturänderung ƋT der mineralischen Festsubstanz. – Feuchtedehnungen Ƥf infolge der Abgabe oder Aufnahme des physikalisch gebundenen Porenwassers werden als Schwinden (-) bzw. Quellen (+) bezeichnet (Kap. 2.2.3.3). Sie sind reversibel. Eine besondere Form sind Dehnungen infolge gefrierenden Porenwassers (+). – Chemisch bedingte Dehnungen Ƥc. Bei chemisch stabilisierten Lehmbaustoffen (Kalk, Zement) kann auch das Schrumpfen (-) Bedeutung haben. Im Gegensatz zum Schwinden erfolgt beim Schrumpfen (auch »chemisches Schwinden«) eine bleibende Volumenverringerung durch chemische Wasserbindung.
Dabei ist das Volumen der Neubildung immer kleiner als die Summe der Volumina des Bindemittels und des Wassers. Bei der Erhärtung von Gips ist dagegen das Volumen der Neubildung größer als die Summe der Volumina von Ausgangsstoff und Wasser. Diese Formänderungen werden als Treiben (+) bezeichnet. Zu beachten ist, dass in der Bodenmechanik der oben beschriebene Vorgang des Schwindens als »Schrumpfen« bezeichnet wird (vgl. Wassergehalt an der Schrumpfgrenze, Kap. 2.2.3.2). Bei der Verwendung beider Begriffe ist deshalb die jeweilige Ursache der Volumenverringerung durch Austrocknung oder chemische Reaktion zu unterscheiden. In der keramischen Industrie verwendet man darüber hinaus noch die Begriffe »Trockenschwindung« und »Brennschwindung«. Unter Trockenschwindung ist die Verringerung des Volumens der Rohlinge durch Verdunsten des physikalisch gebundenen Wassers vor dem 139
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
Brennen zu verstehen (vgl. Kap. 3.5.7 »Grünlinge«). Bei der Brennschwindung vollzieht sich eine weitere, irreversible Volumenreduzierung durch Verlust des chemisch gebundenen Wassers im Ton während des Sinterprozesses beim Brennen [3.5-3]. Können sich Bauteile bei lastunabhängigen Verformungen nicht völlig frei bewegen, treten Spannungen auf, die bei Überschreiten der Festigkeit des Baustoffes Risse erzeugen. Durch diese Risse wird die Standsicherheit der Bauteile i. d. R. nicht beeinträchtigt, jedoch deren Gebrauchstauglichkeit eingeschränkt. Bei der Behinderung der Bewegungen unterscheidet man zwischen äußerer und innerer Behinderung. Äußere Behinderungen
Testprozedur Lineares Schwindmaß Das lineare Schwindmaß von Lehmbaustoffen wird in Analogie zur Prüfung für Baulehme (Kap. 2.2.3.3) ermittelt, jedoch mit unterschiedlichen Abmessungen des prismenförmigen Prüfkörpers für den jeweiligen Lehmbaustoff (Tab. 3-9) [2.6]:
Lehmbaustoff
Abmessung (l x b x h) [mm]
Abstand der Messmarken [mm]
Baulehm StampÁehm Lehmmörtel
220 x 40 x 25 600 x 100 x 50 160 x 40 x 40
200 500 nicht festgelegt, Empfehlung: 140mm
Die entschalten Prüfkörper werden auf einer Folie gelagert und bis zum Endschwindmaß im Normklima getrocknet. Die volumetrischen Schwindverformungen eines Lehmbauteils können für alle Lehmbaustoffe an einer Bauteilprobe geprüft werden. Labor- und Rechenwerte Lineares Schwindmaß von Baulehmen s. Kap. 2.2.3.3. EinÁussgrößen Die Größe der Schwindverformungen wird beeinÁusst von der durch Wasserzugabe erreichten jeweiligen Verarbeitungskonsistenz des Lehmbaustoffs, der Struktur und dem Anteil der Tonmineralien im Baulehm (Bindekraft), der Porenstruktur des Lehmbaustoffes mit ggf. 140
entstehen z. B. durch Einspannung von Bauteilen. Innere Behinderungen haben ihre Ursache in Temperatur- und Feuchtigkeitsunterschieden im Bauteilquerschnitt (z.B. unterschiedliche Austrocknung einer StampÁehmwand). Die Neigung zur Rissbildung ist eine sehr komplexe Eigenschaft.
Tab. 3-9 Prüfkörperabmessungen zur Ermittlung des linearen Schwindmaßes, Übersicht
Zuschlägen sowie den Austrocknungsbedingungen. Die Schwindverformungen vergrößern sich i. d. R. mit zunehmender Einbaufeuchte, zunehmender Bindekraft, dichtem Porengefüge und schneller, ungleichmäßiger Austrocknung. Lastabhängige Formänderungen Begriffe Lastabhängige Verformungen entstehen durch Eigenlasten, andere ständige Lasten und Verkehrslasten. Die Formänderungen werden in Abhängigkeit von der Dauer der Lasteinwirkung in sofort oder langzeitig auftretende Verformungen mit elastischen und plastischen bzw. plastischen und verzögert elastischen Anteilen unterschieden (Tab. 3-8). Elastisch bedeutet, dass die durch die äußeren Kräfte verursachten Verformungen kurz-
3.6
zeitig nach der Lasteintragung entstehen und bei Entlastung sofort wieder zurückgehen (Schwellen). Der Begriff »Schwellen« wird in der älteren deutschsprachigen bodenmechanischen Literatur auch im Sinne einer Volumenänderung durch Feuchtedehnung (Quellen) verwendet [2.17] (Kap. 2.2.3.3). Plastische Formänderungen sind nach Entlastung bleibend. Nach Erreichen einer bestimmten Grenzspannung tritt das »Fließen« ein, d. h. die Verformung nimmt zeitabhängig zu, ohne dass die Spannung weiter erhöht wird. Dieser Zustand wird als viskoses Verhalten bezeichnet. Flüssigkeiten setzen ebenso wie Feststoffe der Verformung einen Widerstand entgegen. Ihre Moleküle sind durch die Van der Waalsάschen Kräfte gebunden. Beim Fließen werden diese Kräfte jedoch ständig überwunden und die Bindungen neu entwickelt. Von praktischer Bedeutung ist diese Eigenschaft z. B. bei der Einstellung einer geforderten Verarbeitungskonsistenz für Lehmmörtel (Bild 3-29). Im ersten Fall, dem linear-elastischen Stoffverhalten, entspricht der Zusammenhang zwischen den Normalspannungen Ʊ und Stauchungen Ƥ einer Geraden. Die Steigung dieser Geraden zwischen zwei Normalspannungen Ʊ1 und Ʊ2 ist der einaxiale Druck-Elastizitätsmodul E (auch: Elastizitätsmodul E, E-Modul) nach dem HOOKEschen Gesetz (Bild 3-35) E = ƋƱz / ƋƤz,el [N / mm2], vorhƱ = E · Ƥel. Für den räumlichen Spannungszustand ergibt sich für einen elastischen Körper: Ƥx = 1/E [Ʊx-Ƭ (Ʊy + Ʊz)], analog Ƥy, Ƥz. Dabei ist Ƭ (auch ƫ) die Querdehn- oder Poissonzahl. Sie stellt im elastischen Bereich das Verhältnis von Querdehnung Ƥx zur Längsstauchung Ƥz dar Ƭ = Ƥx / Ƥz [-] und weist als dimensionslose Materialkonstante Werte zwischen 0 und 0,5 auf, häuÀg zwischen 0,1 und 0,4. Für Lehm wird der Bereich der Querdehnzahl mit Ƭ = 0,30 – 0,45
Kenngrößen und Prüfungen für Lehmbaustoffe
angegeben [3.24]. Das linear-elastische Verhalten einer Probe infolge Querkraft Q oder Schubspannung Ʋ wird mit dem Schubmodul G beschrieben. Bei isotropem Material steht er mit dem Elastizitätsmodul E in folgendem Zusammenhang: G = E / 2(1+ Ƭ) [N / mm2], [MN / m2]. Ein »linear-elastisches« Verhalten ist ein Idealzustand. Real sind Übergangsformen, bei denen sich elastische Verformungen und plastisches bzw. viskoses Verhalten bei Be- und Entlastung überlagern. Bei Stoffen mit elasto-plastischen Formänderungsverhalten wie Beton und auch Lehm ist die Ʊ-Ƥ-Linie gekrümmt. Um auch bei diesen Stoffen das HOOKE sche Gesetz anwenden zu können, wird der E-Modul als Sekantenbzw. Tangentenmodul festgelegt (Bild 3-35). Entsprechend dem veränderlichen Anstieg der Ʊ-Ƥ-Linie ist auch der E-Modul veränderlich und muss für das entsprechende Belastungsintervall Ʊ2 – Ʊ1 angegeben werden. Bei Entlastung geht die Formänderung sofort um den elastischen Anteil Ƥel zurück, bei fortdauernder Entlastung noch um die verzögert elastische Dehnung Ƥv, el. Die bleibende Dehnung Ƥbl besteht nun aus den Anteilen Setzen Ƥs und Fließen ƤÁ. Der Schnittpunkt der Entlastungskurve mit der Abszisse entspricht der bleibenden Dehnung. Bei zeitverzögerter Wiederbelastung verringert sich die Dehnung weiter um den verzögert elastischen Anteil Ƥv,el. Be- und Entlastungskurve bilden die Hystereseschleife. Bei einer Belastung Ʊ0 stellt sich eine elastische Dehnung Ƥel sofort ein, bei weiter andauernder Belastung Ʊ0 erfolgt eine zunehmende Verformung, das Kriechen (Bild 3-36). Die Gesamtdehnung wächst im Lauf der Zeit und strebt einem Endzustand Ƥk zu, der sich aus verzögert elastischen und verzögert bleibenden Anteilen zusammensetzt. Das Kriechen ist bei Beton und Mauerwerk nach 3 – 5 Jahren nahezu abgeschlossen, konstante Belastung, 141
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
Spannung ѫ ѫ2 Sekantenmodul E E = (ѫ 2 – ѫ1) / (ў2 – ў1)
ѫ1
ў1 Spannung ѫ
ў2
Dehnung ў
Erstbelastung Zweitbelastung Zweitbelastung im zeitlichen Abstand zur Erstbelastung Hystereseschleife Entlastung ў v,el
Dehnung ў
ўbl + ўÁ
Bild 3-35
Verformungen elasto-plastischer Stoffe: Spannungs-Dehnungs-Diagramme und Ermittlung des Sekantenmoduls E, nach [3.25]
ѫ ѫ1
ѫ0 ѫ0 t0
t
ў ў ў (t) ўel ўv,el ў0
ўbl t0
Bild 3-36
142
t
Verformungen visko-elastischer Stoffe: Kriechen, nach [3.25]
3.6
Temperatur und Luftfeuchte vorausgesetzt. Bei konstanter Dehnung Ƥ0 baut sich die verursachende Spannung Ʊ0 mit der Zeit ab. Die Anfangsspannung Ʊ0 wird unter Dauerlast durch viskose Strukturänderungen so weit abgebaut, bis die Restspannung nicht mehr zum weiteren Fließen ausreicht. Der Spannungsabfall (Ʊ0 – Ʊt) wird auf die Anfangsspannung bezogen und als Relaxation ƶ bezeichnet: Ʊt = Ʊ0(1– ƶt). Wegen der Proportionalität zwischen Kriechspannungen Ʊk und Kriechdehnungen Ƥk wird als Kenngröße zur Beschreibung der Eigenschaft eine spannungsunabhängige Kriechzahl ƴ bzw. Endkriechzahl ƴ eingeführt. ƴ = Ƥk / Ƥel bzw. ƴ = Ƥk/Ƥel = Ƥk·E / Ʊk. Testprozeduren Standardisierte Testprozeduren speziell für die Bestimmung des Verformungsverhaltens von Lehmbaustoffen sind bisher nicht entwickelt worden. E-Modul Für die Prüfung des Formänderungsverhaltens von Lehmbaustoffen ist eine Anlehnung an die in der Bodenmechanik übliche Ermittlung des Elastizitäts-Moduls E vorstellbar. Dabei werden zylindrische Prüfkörper mit dem Verhältnis Prüfkörper: Höhe wie 1:1,5 verwendet [2.9]. Die drei in Tab. 3-10 dargestellten Prüfverfahren [nach 3.24] bilden entsprechend der Anwendungen in der Bodenmechanik unterschiedliche Möglichkeiten der Seitendehnung der belasteten Probe ab. Übertragen auf den Verformungszustand einer senkrecht belasteten, tragenden Wand aus Lehmbaustoffen sind die Möglichkeiten der Formänderungen normal zur Ebene der Lasteintragung in den Achsen unterschiedlich: Die Seitendehnungen in der Längsachse der Wand sind stärker behindert als in der Querachse. Der Steifemodul Es nach dem Ödometer-Versuch würde der Situation der »verhinderten«
Kenngrößen und Prüfungen für Lehmbaustoffe
Dehnungen in der Längsachse entsprechen, der einaxiale oder E-Modul nach dem Zylinderdruck-Versuch eher die Möglichkeit der »unbehinderten« Seitendehnung beschreiben. Eine entsprechende Situation könnte im Triaxialversuch nach DIN 18137-2 modelliert werden. Der Gebrauchszustand »feucht« in der Bodenmechanik würde dem Havariezustand bzw. dem Bauzustand im Lehmbau entsprechen. Für den Gebrauchszustand »trocken« im Lehmbau müssten Prüfkörper in fester Konsistenz getestet werden. Derartige Versuche sind bisher nicht bekannt. Eine Bestimmung des E-Moduls in Anlehnung an DIN 1048-1 (Beton) wurde von DIERKS / ZIEGERT [3.17] an trockenen, prismenförmigen StampÁehm-Prüfkörpern mit den Abmessungen 150 x 150 x 300 mm und unbehinderter Seitendehnung ausgeführt. Ein spezielles Problem ist das Verformungsverhalten von Lehmbaustoffen unter dynamischer Belastung, das von besonderer Bedeutung für Baukonstruktionen aus Lehmbaustoffen in erdbebengefährdeten Gebieten ist (Kap. 5.2.4.2). An drei verschiedenen Erdstoffproben, davon eine zementstabilisiert, ermittelten deshalb OLIVIER / VELKOV [3.51] den dynamischen E-Modul. Dabei wird nach Erreichen der einzelnen Stufen des vorgesehenen Belastungspfades eine dynamische Belastung in Form einer harmonischen Schwingung (0,5; 1,0 u. 2,0 Hz) in die Prüfkörper eingetragen. Die Laststufen lagen jeweils im elastischen, nicht linear plastischen und im Bereich nahe der Bruchlast. Der Vergleich der parallel ermittelten statischen E-Moduln mit den dynamischen führte zu folgendem Ergebnis: Während der dynamischen Belastung fand in allen Prüfkörpern offenbar eine deutliche Verfestigung statt. Der dynamische E-Modul in der höchsten Laststufe (nahe Bruchlast) war bei allen Prüfkörpern um den Faktor 1,75 – 1,80 größer als die entsprechenden statischen E-Moduln. 143
144
Tab. 3-10
уd/2
ѫz d
уd/2
уh/2
уd/2
d
уd/2
ѫz уh/2
ѫx = ѫy = ѫ3 ѫz
ѫz
h
уh/2
d
уh/2
уh/2
Steifemodul Es = уѫ z / уўz
Einaxialer Formänderungszustand
ўx = ўy = 0; ўz ʒ 0; ѫ z ʒ 0 ѫ z = F / A; ўz = уh / h; ѫ x = ѫ y Radialspannungen
verhindert
18135
Einaxialer Kompressionsversuch (Ödometer)
h
ѫ z = ѫ1 + уѫ1
E = уѫ z / уўz (nach HOOKE, auch YOUNGs modulus)
Rotationssymmetrischer Spannungs-Verformungs-Zustand
1. hydrostatische Phase ѫ x = ѫ y = ѫ z = ѫ; ўx = ўy = ўz = ў; ўz = уh / h 2. Scherphase уѫ z = уѫ1 > 0; ўz = уh / h; ўx = ўy = уd / d
behindert
18137
Triaxialversuch
Lastabhängige Verformungskenngrößen von Lehmbaustoffen, experimentelle Bestimmung, Übersicht
h
уh/2
E = уѫ z / уўz (nach HOOKE, auch YOUNGs modulus)
E-Modul [MN/m2]
ѫz
Einaxialer Spannungszustand (Vorzeichen) – Längsstauchung ўz = уh / h (-) – Querdehnung ўx = ўy = уd / d (+)
Zustand
Skizze
unbehindert
ѫ x = ѫ y = 0; ѫ z ʒ 0 ѫz = F / A A – Probenquerschnitt F – aufgebrachte Pressenkraft d – Probendurchmesser h – Probenhöhe
Spannungen / Verformungen
18136
DIN
Seitendehnung
Zylinderdruckversuch
Versuch
3 Herstellung von Lehmbaustoffen
3.6
Schubmodul Im sog. Einfachscherversuch kann der Schubmodul G dargestellt werden als Quotient der Schubspannung Ʋzx und der Schubverzerrung Ƣzx (Bild 3-37) G = Ʋzx / Ƣzx. Im Scherverschiebungsdiagramm werden die eingetragenen Verschiebungswege s den gemessenen Schubspannungen Ʋ gegenübergeF
Kenngrößen und Prüfungen für Lehmbaustoffe
stellt. Bei mindestens steifen Lehmen oder Tonen und konstanten Normalspannungen Ʊ wird der Bruchzustand ƲBr (= Scherfestigkeit ơs) bereits nach geringen Verschiebungen erreicht und fällt unter AuÁockerung des Prüfkörpers auf eine geringere Restscher- oder Gleitfestigkeit ab. Bei weichen Tonen wird der Bruchzustand erst nach größeren Verschiebungswegen erreicht.
ќ zx ¨x
Ѭzx
Prüfkörper Prüf um ќ zx verzerrt verz Ѭ xz
DrehD punkte
ќ zx
Scherkraft S
Einfachscherversuch
Bild 3-37
Schema
Verformungsverhalten von Lehmbaustoffen: Seitendehnung und Schubverzerrung, nach [2.14]
Labor- und Rechenwerte – Für das elastische Stoffverhalten werden in Tab. 3-11 [3.25] E-Module einiger wichtiger Baustoffe angegeben. Für StampÁehm geben DIERKS / ZIEGERT [3.17] eine zeitabhängige Kriechfunktion zur Beschreibung des elasto-plastischen Stoffverhaltens in folgender Form an: Ƥk(t) = 0,0654 ln (t) + 0,62 für t > 0,25d d = Anzahl der Tage nach Lasteinleitung. Danach würde sich unter einer Dauerlast von 0,4 N/ mm2 im Gebrauchszustand nach 200 Tagen eine Kriechverformung Ƥk < 0,1% ergeben. Damit liegt der für den Test verwendete StampÁehm wegen seiner optimierten Kornzusammensetzung und geringen Schwindver-
formung (< 0,1%) in der Größenordnung von Beton. – Ausbreitmaß a = 140 mm für die Herstellung von Mörtelprismen zur Bestimmung der Festigkeitseigenschaften (Kap. 3.5.6, Bild 3-29).
145
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
Nr. Baustoff
E-Modul [N / mm2]
1 2 3 4 5
50.000 – 85.000 500 – 15.000 15.000 – 60.000 200.000 – 210.000 7.000 – 18.000 300 – 1.500 550 – 960
6
Glas Mauerwerk Normalbeton Stahl Holz, längs z. Faser Holz, quer zur Faser StampÁehm
700 –
Tab. 3-11
7.000
Bemerkung
[3.17] [3.26]; nach 10maligem Lastzyklus bis zu 1/3 der Bruchlast [2.12]; Angabe ohne Lastbereich
E-Module einiger wichtiger Baustoffe
3.6.2.2 Festigkeitskenngrößen Je nach Art der Belastung unterscheidet man in Druck-, Zug-, Biege-, Knick-, Scher- sowie Torsionsfestigkeit. In einer realen Beanspruchungssituation am Bauteil sind meist verschiedene Belastungsarten überlagert. Im Lehmbau ist die Ermittlung von Festigkeitskenngrößen bisher i. w. auf die Druckfestigkeit begrenzt. Ihre Kenntnis allein genügt meist, denn die Festigkeitseigenschaften quer zur Achse der Lasteintragung werden im angewendeten Prüfverfahren »mitgemessen«. Für die Prüfung der Druckfestigkeit von Lehmbaustoffen wurden die entsprechenden Testverfahren des Beton- bzw. Mauerwerksbaus angewendet bzw. modiÀziert. Mit wachsender Vielfalt der Anwendungen von Lehmbaustoffen nimmt aber auch der Prüf- und Regelungsbedarf für andere Beanspruchungsarten im Lehmbau zu. Dazu müssen standardisierte Testprozeduren neu entwickelt bzw. entsprechende Verfahren des Beton- oder Mauerwerksbaus in geeigneter Weise modiÀziert werden. Die Kenngrößen der statischen Festigkeit werden i. d. R. in Kurzzeitprüfungen ermittelt, d. h. die Zeit bis zum Erreichen der Höchstlast liegt bei etwa einer Minute. 146
Bei dynamischen Einwirkungen (Wind, Erdbeben) muss neben der statischen Festigkeit noch ein dynamischer Anteil berücksichtigt werden. Weitere EinÁussgrößen auf die Festigkeit sind der Feuchtegehalt, die Abmessungen der Prüfkörper sowie die Temperatur. Trockendruckfestigkeit Die Druckfestigkeit ơD eines Lehmbaustoffes wird allgemein als die Spannung angegeben, die durch eine senkrecht zum belasteten Querschnitt A wirkende AuÁast F zu dessen Bruch führt ơD = max. F / A [N/mm2]. Ihre Größe muss für die Bemessung tragender Lehmbauteile entspr. den Lehmbau Regeln [2.6] nachgewiesen werden. Stampf- und Wellerlehm Sicherheitskonzept Bei der Herstellung der Prüfkörper aus Stampflehm im Labor ergeben sich im Vergleich zum realen Bauteil höhere Trockenrohdichten und entsprechend höhere Druckfestigkeiten auf Grund unterschiedlicher Verdichtungsbedingungen. Weiterhin wird durch eine schnelle
3.6
Lasteintragung bis zur Bruchlast die betragsmäßig größere Kurzzeitfestigkeit im Vergleich zur Dauerstandfestigkeit des realen Bauteils bestimmt. Für den rechnerischen Nachweis der Druckspannungen in der tragenden Wandkonstruktion wird deshalb nur ein Bruchteil der im Labor bestimmten Druckfestigkeit in Ansatz gebracht (Kap. 4.2.3.1). In den Lehmbau Regeln [2.6] beträgt dieser »Sicherheitsabstand« zwiDruckfestigkeitsklasse ћD (FK) [N / mm2]
2
zul. Wanddruckspannung ѫ Dzul [N/mm2]
0,3
3
Kenngrößen und Prüfungen für Lehmbaustoffe
schen der Baustoff bezogenen, im Labor zu ermittelnden Trockendruckfestigkeit ơD und der im Lehmbauteil rechnerisch nachzuweisenden zulässigen Druckspannung Ʊzul (auch »charakteristische« Druckspannung) etwa das Siebenfache von Ʊzul. Die für eine Druckfestigkeitsprüfung ermittelten Einzelwerte werden einer Festigkeitsklasse (FK) zugeordnet, aus der die zulässige Wanddruckspannung als Rechengröße abgeleitet wird:
4
Tab. 3-12 0,4
0,5
Von den je Prüfung zu ermittelnden drei Einzelwerten darf der kleinste den Wert ơD = 2,0 N / mm2 (bei Wellerlehm 1,0 N / mm2) nicht unterschreiten. Dementsprechend wird für die rechnerische Wanddruckspannung der Mindestwert ƱDzul = 0,3 N / mm2 angesetzt. Andererseits ist der Maximalwert auf die FK 4 mit einer entsprechenden Wanddruckspannung von ƱDzul = 0,5 N / mm2 begrenzt. Bei pfeilerartigen Wänden sind die zulässigen Spannungen bis zum 1,5fachen des Mindestwandquerschnittes mit dem Faktor 0,8 abzumindern. Testprozedur Die Trockendruckfestigkeit ơD für Stampf- und Wellerlehm wird gemäß Lehmbau Regeln [2.6] an mindestens 3 Probekörpern je Prüfung ermittelt. Die Prüfkörper werden im Labor in Würfelformen aus Stahl mit 20 cm Kantenlänge hergestellt. Die Richtung der PrüÁast muss mit der Richtung der bei der Herstellung der Prüfkörper eingetragenen Verdichtungsarbeit identisch sein. Die LagerÁächen der Prüfkörper werden beim Einbau in die Prüfvorrichtung mit einer max. 5 mm starken Ze-
Druckfestigkeitsklassen und zul. Wanddruckspannungen für Stampf- und Wellerlehm
mentmörtelschicht abgeglichen. Der trockene Prüfkörper wird in einer Presse bis zum Erreichen des Bruchzustandes belastet (Bild 3-38). Nach Erreichen der Bruchlast zeigt der Prüfkörper das bei unbehinderter Seitendehnung typische Versagensbild: anstelle einer Stauchung ein Abschieben des Lehms unter 45° zur Längsachse, also ein Schubspannungsbruch mit dem im Bild gezeigten Restkörper. Diese BruchÀgur ist typisch für spröde Werkstoffe, deren Scherfestigkeit deutlich geringer ist als ihre Druckfestigkeit. Für die Ermittlung der Trockendruckfestigkeit im Labor muss der Prüfkörper die im Gebrauchszustand im Bauteil vorherrschende Ausgleichsfeuchte erreicht haben. Die Trocknung erfolgt bis zur Massekonstanz im Normklima (+20°C, 65% relative Luftfeuchte) und darf nicht künstlich beschleunigt werden. Dadurch müssen Trockenzeiten von mindestens sechs Wochen eingeplant werden. Bei feuchten Prüfkörpern, die im realen Lehmbauteil einen Havariezustand abbilden, geht der Sprödbruch mit zunehmendem Wassergehalt über in einen plastischen Bruch und schließlich in plastisches Fließen. 147
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
BruchÀ guren an zylindrischen Prüfkörpern уh
уh
уh
ho
Probe vor Versuch
Bild 3-38
spröder Bruch (уh klein)
plastischer Bruch
plastisches Fließen (уh groß)
Prüfung der Trockendruckfestigkeit von StampÁehm [2.10]
4,5 4 3,5 3 2,5 2 1,5 1 0,5 0 7
14
28
45
Lösslehm LL mit w = wpr
StampÁehm mit Strohfasern SLF und w = wpr
Lösslehm LL mit w > wpr
StampÁehm mit Strohfasern SLF und w > wpr
StampÁehm SL und w = wpr
StampÁehm ohne Strohfasern SL und w < wpr
StampÁehm SL und w > wpr
Bild 3-39
148
90
Druckfestigkeit von StampÁehmproben als Funktion der Trockenzeit und des Einbauwassergehaltes [3.16], [2.10]
3.6
Im internationalen Maßstab fehlen einheitliche Festlegungen zu Prüfprozeduren für die Bestimmung der Trockendruckfestigkeit von StampÁehm. Labor- und Rechenwerte An der Bauhaus-Universität Weimar wurden Untersuchungen zur Festigkeitsentwicklung von StampÁehm während der Austrocknung durchgeführt [2.10], [3.16]. Insgesamt wurden 105 Probewürfel mit 20 cm Kantenlänge durch manuelle Verdichtung hergestellt und geprüft. Verglichen wurden die erreichten Würfeldruckfestigkeiten an drei unterschiedlichen Mischungen (StampÁehm SL, StampÁehm mit Strohfasern SLF, Lösslehm LL als Baulehm für die Mischungen SL und SLF) bei unterschiedlichen Einbauwassergehalten w (w < wpr , wpr , w > wpr) und Trocknungszeiten t (t = 7, 14, 28, 45, 90 d) (Bild 3-39). Insgesamt wurden Werte für ơD = 0,90 – 3,89 N / mm2 erreicht. Die Trockendruckfestigkeit ơD wurde als durchgängiger Prüfkomplex zusammen mit der Trockenrohdichte Ưd (Kap. 3.6.1.3) bestimmt. DIERKS / ZIEGERT [3.17] ermittelten Würfeldruckfestigkeiten ơD = 2,4 – 3,5 N / mm2 bei 20 cm Kantenlänge und Ưd = 2,24 g / cm3. Den Höchstwert erzielten dabei Proben, denen Flachsfasern als Zuschlag beigegeben wurden. Nicht direkt vergleichbar sind die von FISCHER u.a. [3.32] ermittelten Würfeldruckfestigkeiten an StampÁehmproben mit Kantenlängen von 10 cm (5,6 N / mm2) und 15 cm (2,9 N / mm2). In diesem Fall wiesen die Proben mit w ~ wpr (Kap. 3.6.1.4) die höchsten Festigkeitswerte auf. Die von MINKE [3.33] mitgeteilten Festigkeiten ơD = 2,6 – 4,2 N / mm2 beziehen sich auf zylindrische Prüfkörper mit D = 7,6 cm und H = 10 cm und sind deshalb auch nicht direkt vergleichbar. Ähnliche Werte erzielten MANIATIDIS / WALKER [3.48] mit ơD = 2,46 N / mm2 als Mittelwert für zylindrische
Kenngrößen und Prüfungen für Lehmbaustoffe
Prüfkörper mit D = 10 cm und H = 20 cm. Die Prüfkörper wurden mit w = wpr hergestellt und anschließend ca. 4 Wochen im Normklima bis zur Massekonstanz getrocknet. ZIEGERT [3.34] führte einaxiale Druckfestigkeitsprüfungen an Würfelkörpern aus Wellerlehm mit Kantenlängen von 15, 20 und 30 cm durch. Die Prüfkörper wurden aus drei verschiedenen, bestehenden Wandkonstruktionen herausgesägt und planparallel abgeglichen. Die Größenordnungen der mittleren Würfeldruckfestigkeiten lagen im Bereich von ơD = 0,63 – 1,12 N / mm2. Die bei Stampflehm beobachtete Tendenz, dass die einaxiale Druckfestigkeit mit zunehmender Prüfkörpergröße abnimmt, konnte für die untersuchten Wellerlehm-Proben nicht bestätigt werden. Offenbar waren lokale Unstetigkeiten im Gefüge oder mechanische EinÁüsse während der Herstellung der Probekörper dominant. Bezüglich der Festlegung der zul. Wanddruckspannung ƱDzul in ausländischen Vorschriften zum Lehmbau gibt es nur vereinzelte Hinweise (Tab. 3-13). EinÁussfaktoren Bestimmende EinÁussgrößen auf die Trockendruckfestigkeit von Lehmbaustoffen sind: Kornverteilung und -qualität, Quantität und Qualität der Tonminerale (Bindemittel) und der sich daraus ergebenden Bindekraft, Trocknungsbedingungen, Qualität der Aufbereitung des Baulehms, Menge des Anmachwassers, Verdichtungsarbeit, aber auch Zuschläge und Zusatzstoffe. In den an der Bauhaus-Universität Weimar durchgeführten Untersuchungen [2.10], [3.16] (Bild 3-39) zeigte sich der EinÁuss des Einbauwassergehaltes w auf die erreichte Würfeldruckfestigkeit in folgender Weise: alle Mischungen mit w > wpr erreichten nach 90 Tagen Trocknung im Normklima höhere Festigkeiten als jene mit w = bzw. < wpr. Der Höchstwert wurde mit 3,89 N / mm 2 bei Ưd = 1,92 g / cm 3 149
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
in der Serie LL, w > wpr, der niedrigste mit 0,90 N / mm2 bei Ưd = 1,53 g / cm3 in der Serie SLF, w < wpr erzielt. Ein festigkeitserhöhender EinÁuss durch die Strohfasern konnte nicht eindeutig nachgewiesen werden. Daraus lässt sich schließen, dass der PROCTOR -Versuch (Kap. 3.6.1.4) als Kriterium für die Herstellung von Konstruktionen aus StampÁehm offenbar nur bedingt geeignet ist. Eine Verarbeitung auf der »nassen« Seite der PROCTOR -Kurve würde nach den durchgeführten Untersuchungen zwar zu höheren Festigkeiten führen, hätte andererseits aber auch höhere Schwindverformungen zur Folge. Darüber hinaus würden sich die Trockenzei-
ten bis zum Erreichen der Gleichgewichtsfeuchte deutlich verlängern. In der Baupraxis werden deshalb eher »trockene« Mischungen mit w < wpr verarbeitet. Um dennoch eine ausreichende Festigkeit im Bauteil zu erreichen, muss die im PROCTOR -Test aufgewendete statische Verdichtungsarbeit für den Einbau von StampÁehm modiÀziert werden (Kap. 3.2.2.2). Die in der Literatur und ausländischen Standards verwendeten Prüfkörperabmessungen für die Bestimmung der Trockendruckfestigkeit (Tab. 3-13) sind sehr unterschiedlich. Verwendet werden zylindrische, prismen- und würfelförmige Prüfkörper. Umrechnungsfaktoren für verschiedene Prüfkörpergrößen zur
Land
Quelle
ѫ Dzul [N / mm2]
Abmessungen Prüfkörper [mm]
Bemerkung
Australien
[3.27]
0,7
Zylinder / Prisma d=150; h=110 / h=150; l=150; b=1,3h;
unstabilisiert (zementstabilisiert 5,2), Sicherheitsabstand über VariationskoefÀzient;
[3.28]
1,0
Formfaktoren
Prüfalter 28d, unstabilisiert (zementstabilisiert 2,5)
Neuseeland
[3.29]
0,5
h/d = 0,4 – 5 mit Formfaktoren
Prüfalter 28d lufttrocken, unstabilisiert, kleinster Einzelwert aus Serie von mindestens 5 Einzeltests muss ћD > 1,3 N / mm2 sein bei h / d = 1
USA
[3.30]
2,07*)
Würfel h=l=b=102
5 Proben je Prüfung, davon darf eine Probe den Wert ћD = 2,07 N / mm2 unterschreiten, muss jedoch mindestens 1,725 N / mm2 erreichen
Schweiz
[3.31]
0,3 – 0,5
Würfel h=l=b=200
unstabilisiert; ћD = 2 – 4 N / mm2 (0,5 N / mm2 für LL)
Indien
[3.47]
1,4
Zylinder d=100; h=200
zementstabilisiert (feucht 0,7)
*) unklar, ob ѫ zul oder ћD
Tab. 3-13
150
Zul. Wanddruckspannung von StampÁehm, Festlegungen in ausländischen Vorschriften
3.6
Ermittlung der einaxialen Druckfestigkeit für StampÁehm oder andere Lehmbaustoffe fehlen (mit Ausnahme von [3.28] und [3.29]). Bei gleicher Verdichtungsarbeit und gleichen Formen zur Prüfkörperherstellung, unveränderten Materialeigenschaften und kleiner werdenden Prüfkörperabmessungen nimmt die Trockendruckfestigkeit zu (Beispiel: In [3.48] erreichen zylindrische Prüfkörper mit H = 60 cm und D = 30 cm einen um 23% geringeren Wert für die Trockendruckfestigkeit [ơD= 1,9 N/mm2] als mit D = 10 cm. Für prismenförmige Prüfkörper mit gleicher Höhe und QuerschnittsÁächen A = 30 cm2 bzw. 10 cm2 wird ein um ca. 50% höherer Wert ơD für den kleineren Prüfkörper erreicht).
6
[N/mm2 ]
Kenngrößen und Prüfungen für Lehmbaustoffe
Die gleiche Tendenz ist zu erkennen bei gedrungenen (z. B. würfelförmigen) im Vergleich zu prismatischen und zylindrischen Prüfkörpern. Breiten Raum in Forschungsarbeiten nehmen Zusätze und Zuschläge zur Erhöhung der Trockendruckfestigkeit und Witterungsstabilität von StampÁehm ein. In entsprechenden Arbeiten an der HAB Weimar [3.35] wurde u. a. die Wirkung der Bindemittel Kalk und Zement unter diesem Aspekt getestet und die Druckfestigkeit an je vier Probewürfeln mit 200 mm Kantenlänge ermittelt. Die Ergebnisse bestätigten i. w. die aus der Literatur bereits bekannten Zusammenhänge (Bild 3-40):
V
10
I II III
5 4 3
III I
2
V II IV
1
[M – %] 0
2
4 6 Kalkgehalt
8
Würfeldruckfestigkeit
9 8 7
IV
6 5 4 3 2 1 0
[M – %] 2
4 6 8 Zementgehalt
10
I Lehm Gotha II Lehm Lützensömmern III Friedländer Tonmehl (25 M-%) + Freyburger Sand IV Bentonit / Bulg. (25 M-%) + Freyburger Sand V Kaolin / Oka (20 M-%) + Freyburger Sand
Bild 3-40
Druckfestigkeit von stabilisierten StampÁehmproben [3.35]
151
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
Der Zusatz von Kalk eignet sich vor allem für sehr fette bzw. hoch bindige Lehme. Der dabei an der OberÁäche der Tonkolloide eintretende Kationenaustausch bewirkt als Sofortreaktion eine weitgehende Veränderung der WasserafÀnität. Der Lehm erhält eine krümelige, aufgelockerte Struktur mit einer Verringerung des natürlichen Wassergehaltes von 1–2 % entsprechend der Höhe der Kalkzugabe. Durch diese Veränderung wird der fette Lehm wirkungsvoll verdichtbar. Darüber hinaus tritt wegen der sehr langsam ablaufenden hydraulischen Reaktion zwischen Kalk und Tonmineralien ein Langzeiteffekt in Form eines Festigkeitszuwachses ein. Voraussetzung ist jedoch eine optimale Verdichtung. Geeignete Kalke sind Kalkhydrat und Branntkalk. Der Zusatz von Zement eignet sich für magere Lehme mit geringem bzw. wenig quellfähigem Tonmineralanteil. Der Zement bildet im Lehm ein wasserunlösliches, starres Zementgel, das die Mineralkörner umhüllt, sie zusammenbindet und zu einer starren, stetigen Matrix erhärtet. Eine zweite, wasserlösliche Festigkeitsmatrix wird durch die im Lehm vorhandenen Tonminerale erzeugt. Entscheidend für die Festigkeit des Lehm-ZementGemisches ist, ob sich beide Festigkeitsmatrizen ungehindert ausbilden können oder ob es zu gegenseitigen Störungen kommt, z. B. durch zu hohen Tonmineralanteil. Die von der Tonfraktion ausgehende Schwindreaktion des stabilisierten Lehms wird durch die starre Zementmatrix reduziert. Bei höheren Zementzugaben dominiert die Zementmatrix, es entsteht ein »Erdbeton«. Bei schweren Lehmbaustoffen (StampÁehm mit Kies als Grobzuschlag, Ưd = 2,0 – 2,4 g / cm3) steigt auch die Trockendruckfestigkeit. Sie kann mit ơD = 3,0 – 5,0 N / mm2 die Größenordnung von gebrannten Ziegeln niedriger Festigkeitsklassen erreichen, was z. B. für den Bereich des ein- bis zweigeschossigen 152
Wohnungsbaus völlig ausreichend ist. Der Zusatz von gemahlenen Töpferscherben (im afrikanischen traditionellen Lehmbau) oder Ziegelsplitt bewirkt einen Festigkeitszuwachs der aus StampÁehm hergestellten Bauteile durch die Ausbildung puzzolanischer Effekte. Geringe Faserstoffzugaben erhöhen die Querzugfestigkeit und damit auch die Trockendruckfestigkeit des StampÁehms. Mit steigendem Faserstoffanteil fällt sie wieder, und die Bestimmung des Bruchpunktes wird immer weniger eindeutig: die Hohlräume zwischen den Fasern bilden »Knautschzonen«. Die Fasern selbst wirken wie Zugbewehrungen. EinÁuss auf die Höhe der Trockendruckfestigkeit des StampÁehms haben auch länger andauernde Veränderungen der relativen Luftfeuchte während des Gebrauchszustandes. UTZ [3.36] zeigt an Bohrproben von archäologischen Befunden aus gestampftem Lösslehm, dass bei einer Erhöhung der relativen Luftfeuchte von 30 auf 98% der praktische Feuchtegehalt (Kap.5.1.2.4) von 2 auf 6% wächst, verbunden mit einem Abfall der Trockendruckfestigkeit um ca. 30%. Unter gleichen Prüfbedingungen beträgt der Abfall der Biegezugfestigkeit sogar ca. 70%. Über ähnliche Größenordnungen der Reduzierung der Trockendruckfestigkeit unter vergleichbaren Prüfbedingungen berichten DIERKS / ZIEGERT [3.17]: Bei Erhöhung der relativen Dauerluftfeuchte von 65 auf 88% nimmt der praktische Feuchtegehalt von 0,7 auf 1,3% zu, begleitet von einem Abfall der Trockendruckfestigkeit um 35%. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die genannten Ergebnisse unter künstlichen Prüfbedingungen erreicht wurden und eine direkte Übertragung auf reale Verhältnisse kaum möglich ist. Die aufgezeigten Tendenzen sollten jedoch Anlass sein, alle denkbaren Einwirkungsarten vor allem auf tragende Konstruktionen aus Lehmbaustoffen bereits
3.6
während der Bauplanung sorgfältig zu erfassen. Lehmmörtel Testprozedur Die Bestimmung der Trockendruckfestigkeit ơD von Lehmmörteln gemäß Lehmbau Regeln [2.6] orientiert sich an der DIN EN 101511 bzw. DIN EN 998-1,2. Danach können Trockendruck- und Biegezugfestigkeit als durchgängiger Prüfkomplex bestimmt werden. Dazu werden prismenförmige Prüfkörper mit den Abmessungen 160 x 40 x 40 mm in der jeweils geforderten Verarbeitungskonsistenz des Lehmmörtels hergestellt und bis zur Massekonstanz im Normklima getrocknet. Die Konsistenz wird mit dem Ausbreitversuch nach DIN EN 1015-3 anhand des Durchmessers einer Frischmörtelprobe überprüft (Kap. 3.5.6). Für die Ermittlung der Trockendruckfestigkeit können auch die zuvor in der Biegezugfestigkeitsprüfung mittig zerbrochenen Mörtelprismen verwendet werden (Kap. 3.6.2.2). Im Abstand von 16 mm vom Rand der ausgeschalten stirnseitigen EndÁäche wird die Lasteintragungsplatte 16 x 16 mm aufgesetzt und mit deÀnierter Geschwindigkeit bis zum Bruch belastet. Maßgebend ist der kleinste Wert aus mindestens drei Einzelprüfungen. Labor- und Rechenwerte MINKE [3.37] gibt für 14 untersuchte han-
delsübliche Lehm-Putzmörtel Trockendruckfestigkeiten im Bereich von ơD = 1,00 – 3,04 N / mm2 an. Die gleichzeitig ermittelten Biegezugfestigkeiten liegen in der Größenordnung ơbz = 0,18 – 0,69 N / mm2 und betragen etwa 1/10 der Trockendruckfestigkeit. DETTMERING / KOLLMANN [3.38] geben eine Übersicht über die Größenordnungen der Druckfestigkeiten für in der Bausanierung und DenkmalpÁege übliche Putzmörtel. Für Kalkputze liegt der Festigkeitsbereich bei ơD =
Kenngrößen und Prüfungen für Lehmbaustoffe
1 – 1,5 N / mm2 und wird als »niedrig« klassiÀziert. »Starre« Zementputze liegen in der Größenordnung von ơD = 10 – 30 N / mm2. Angaben zu Lehmputzen fehlen. Durch den Dachverband Lehm e. V. (DVL) wurden deshalb Prüfungen der Trockendruckfestigkeit an fünf verschiedenen handelsüblichen Lehm-Putzmörteln zusammen mit der Haftfestigkeit (Kap. 3.6.2.2) veranlasst. Sie liegen in der Größenordnung ơD = 0,7 – 1,8 N / mm2 [3.39]. Entsprechende Anforderungen an Lehmputze werden in [2.6] und [3.19] formuliert (Kap. 4.2.7.6). Die Neigung zur Rissbildung von Putzmörteln wird allgemein auch über den Quotienten aus Druck- und Biegezugfestigkeit beurteilt [3.38]: Beträgt die Biegezugfestigkeit etwa 1/3 der Druckfestigkeit, erweist sich dies i. d. R. als günstig. Für eine Übertragung auf Lehm-Putzmörtel gibt es bisher zu wenig zuverlässiges Datenmaterial. Die Trockendruckfestigkeit von LehmMauermörtel orientiert sich an der Festigkeit der verwendeten Steine gem. Kap. 3.6.2.2. Lehmsteine Sicherheitskonzept Die Einzelwerte der Druckfestigkeit der Lehmsteine werden wie bei StampÁehm einer Festigkeitsklasse (FK) zugeordnet (im Mauerwerksbau auch »Nennfestigkeit«). Die Nennfestigkeit entspricht in etwa dem kleinsten zulässigen Einzelwert und ist bei Lehmsteinen 25% niedriger als der Mittelwert aller Einzelprüfungen. Der kleinste Einzelwert der Prüfserie darf den Wert der FK nicht unterschreiten. Tragend beanspruchte Lehmsteine müssen mindestens die FK 2 erreichen. Dazu muss der kleinste Einzelwert der Druckfestigkeit mindestens 2 N / mm2 aufweisen, der Mittelwert der Prüfserie muss > 2,5 N / mm2 sein. Für Mauersteine (gebrannte Ziegel) gibt es FK von 2 bis 60. 153
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
Tragend mit Mörtelgruppe NM II verwendete Lehmsteine werden in den Lehmbau Regeln [2.6] den FK 2, 3 und 4 zugeordnet. Für diese FK sind zulässige Wanddruckspannungen Steinfestigkeitsklasse FK [N / mm2]
2
3
ƱD in der Wand mit einem etwa 8,5fachen Sicherheitsabstand bezogen auf den Mittelwert der Prüfserie deÀniert:
4
Tab. 3-14 zul. Wanddruckspannung ѫ Dzul [N/mm2]
0,3
0,4
0,5
Bei Verwendung von NM I und Lehm-Mauermörtel wird der Einsatz der Lehmsteine auf die FK 2 begrenzt. Eine Zuordnung zu den FK 3 und 4 mit den entsprechenden zulässigen Wanddruckspannungen ist dann möglich, wenn die Mörteldruckfestigkeit in der Höhe der jeweiligen Steinfestigkeit nachgewiesen wird. Bei pfeilerartigen Wänden sind die zulässigen Spannungen bis zum 1,5fachen des Mindestwandquerschnittes mit dem Faktor 0,8 abzumindern. Testprozedur Die Bestimmung der Trockendruckfestigkeit ơD für Lehmsteine ist entspr. den Lehmbau Regeln [2.6] analog zur DIN V 105-1 durchzuführen. Dazu werden normal- und dünnformatige Lehmsteine halbiert und die Hälften mit einer max. 5 mm dicken Schicht aus Zementmörtel übereinander verlegt. Die LagerÁächen der auf diese Weise entstandenen Prüfkörper werden beim Einbau in die Prüfvorrichtung mit einer max. 5 mm starken Zementmörtelschicht abgeglichen. Festigkeitsprüfungen an Vollsteinen größerer Formate (h 113 mm oder > 2DF) sind am ganzen Stein vorzunehmen. Das gilt auch für alle Lochsteine. Für eine Prüfung muss eine Serie aus mindestens sechs Prüfkörpern getestet werden. Die Richtung der PrüÁast muss der Richtung der vorgesehenen Belastung der Lehm154
Steinfestigkeitsklassen und zul. Wanddruckspannungen für Lehmsteine
steine im Bauteil entsprechen, i. d. R. senkrecht zu den LagerÁächen. Die Belastung wird im Kurzzeitversuch bis zur Bruchlast gesteigert, aus der man die Druckfestigkeit bezogen auf die LagerÁäche des Prüfkörpers einschließlich Lochungen ermittelt. Im internationalen Maßstab fehlen einheitliche Festlegungen zu Prüfprozeduren für die Bestimmung der Trockendruckfestigkeit von Lehmsteinen. Zugfestigkeit Die Zugfestigkeit ơZ eines Baustoffes kann man allgemein als die Spannung angeben, die im Zugversuch aus dem Quotienten der max. erreichten Zugkraft und dem ursprünglichen Querschnitt ermittelt wird ơZ = max. F / A [N / mm2]. Lehmbaustoffe weisen auf Grund ihrer Bindekraft bzw. Kohäsion auch eine Zugfestigkeit auf, die im Vergleich zur Druckfestigkeit jedoch gering ist und deshalb für tragende Bauteile nicht in Ansatz gebracht wird. Entsprechend der Verwendung der Lehmbaustoffe kann man die Zugfestigkeit für typische Lastfälle darstellen: – Zentrische Zugfestigkeit in Form der Bindekraft nach NIEMEYER (Kap. 2.2.3.2), – Spaltzugfestigkeit – Haftzugfestigkeit – Biegezugfestigkeit.
3.6
Zentrische Zugfestigkeit Begriff Die Bindekraft nach NIEMEYER (Kap. 2.2.3.2) ist vergleichbar mit der zentrischen Zugfestigkeit eines feuchten Baulehms (Lehmbaustoffs) als Verarbeitungskennwert für eine deÀnierte Prüfkonsistenz »normsteif« (Bild 2-23). Die »trockene« Zugfestigkeit wurde an der Bauhaus-Universität Weimar unter Verwendung der gleichen Apparatur zur Bestimmung der Bindekraft ermittelt [3.40]. Der Lastfall ist vergleichbar mit der Haftfestigkeit (Kap. 3.6.2.2), Bruchbild »Kohäsionsbruch im Mörtel« Bild 3-43. Testprozedur In einer Apparatur zur Bestimmung der Bindekraft nach NIEMEYER (Kap. 2.2.3.2) wurden trockene »Achterlinge« von 13 verschiedenen Baulehmen bis zum Eintritt des Sprödbruchs belastet. Labor- und Rechenwerte – »feuchte« Zugfestigkeit (NIEMEYER) : ơZN = 50 – 360 g / cm2 bzw. 0,005 – 0,036 N / mm2, für Tone noch darüber (Tab. 2-5). Der zugehörige Einbauwassergehalt wN (Prüfkonsistenz) liegt nahe der Ausrollgrenze wp nach Kap. 2.2.3.2 (wN = 1,19 wp–3,37 mit rxy= +0,79; Tab. 2-7 [2.19]). – »trockene« Zugfestigkeit [3.40]: Die beim Eintritt des Sprödbruchs gemessene Zugkraft wuchs auf das 21 – 67fache der Werte der normsteifen Proben. Die absoluten Werte waren bei den fetten und sehr fetten Lehmen am größten: magere Lehme < 0,4 N / mm2 fast fette Lehme 0,4 – 0,6 N / mm2 fette Lehme 0,6 – 0,9 N / mm2 sehr fette Lehme > 0,9 N / mm2. Die relativen Werte der Zugfestigkeit trocken / feucht für magere und fast fette Baulehme waren deutlich höher als bei fetten und
Kenngrößen und Prüfungen für Lehmbaustoffe
sehr fetten Lehmen. EinÁussgrößen Die praktische Bedeutung der »feuchten« Zugfestigkeit zeigt sich bei der Aufbereitung von Lehmbaustoffen: Erst durch sie wird das Gemenge aus Baulehm, Wasser und ggf. eigenschaftsverbessernden Zuschlägen und Zusätzen zu einer für die Formgebung verarbeitungsfähigen, homogenen Masse. Ihre Größe gibt Auskunft darüber, wie gut oder schlecht sich Baulehme verarbeiten lassen. Die Verarbeitung bedeutet Formänderung des Gemenges mit viskosem Verhalten (Kap. 3.6.2.1). Hohe Bindekraft, gute Kornabstufung, eckige Kornform und raue KornoberÁäche der Mineralteile erweisen sich als festigkeitserhöhend. Die Zugfestigkeit wächst mit der Austrocknung des Lehmbaustoffes. Spaltzugfestigkeit Begriff An spröde brechenden Materialien wie Festgesteinen, festen Tonen, Mergeln, aber auch Lehmen kann die Zugfestigkeit auch indirekt über den Kantendruck- oder Spaltzugversuch (auch Brazilian test) an zylindrischen Prüfkörpern ermittelt werden. Als praktische Anwendung der Spaltzugfestigkeit im Sinne einer Feldprüfung kann die Stoßfestigkeit von Lehmsteinen (earth brick drop test) gelten. Nach neuseeländischen und australischen Lehmbaunormen bzw. Empfehlungen [3.28] [3.29] ist dieser Test als baubegleitende Qualitätsprüfung durchzuführen. Testprozedur Für den Spaltzugversuch wird ein Prüfkörper mit h / d ~ 1 in einem steifen Prüfrahmen zwischen starren Platten auf zwei gegenüberliegenden parallelen Linien seiner OberÁäche mit Geschwindigkeiten wie im einaxialen Druckversuch bis zur Spaltung belastet (Bild 3-41). Für die Ermittlung der Stoßfestigkeit von 155
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
Lehmsteinen wird der zu prüfende, trockene Lehmstein aus 900 mm Höhe auf eine feste, ebene Unterlage fallen gelassen und das nach dem Aufprall entstandene Bruchbild bewertet. Dabei wird der Lehmstein vor dem Fall so gedreht, dass die Diagonale der LagerÁäche senkrecht und mit der tiefsten Kante 900 mm über der AufprallÁäche steht [3.28]. Die für die Stoßfestigkeit der Lehmsteine zulässigen bzw. unzulässigen Bruchbilder nach dem Aufprall sind in Bild 3-42 beschrieben. Jeweils für 2.500 Lehmsteine muss eine Prüfung mit je 5 Lehmsteinen ausgeführt werden. Labor- und Rechenwerte Die Spaltzugfestigkeit wird für zylindrische Proben ermittelt nach der Beziehung
ơSZ = 2 · maxF / · d · h d = Durchmesser h = Höhe maxF = Belastung entlang der Mantellinie, Bruchlast Haftfestigkeit Begriff Die Haftfestigkeit ơHF gibt an, welche senkrecht zur HaftÁäche wirkende Zugbelastung notwendig ist, um den Verbund zwischen Mörtel und Putzgrund zu zerstören. Die Prüfung zeigt, ob die Haftung des Oberputzes auf dem Unterputz bzw. des gesamten Putzsystems auf dem Putzgrund ausreichend ist. Bei Mauerwerk kann darüber hinaus ein Versagen durch Überschreiten der Haftfestig-
F Prüfkörper d
Bild 3-41 Spaltzugfestigkeit: Versuchsanordnung, nach [2.14]
Diagonale muss senkrecht stehen
Bedingung: B L 2B, wenn L > 2B Lehmstein teilen
B
L
Fallhöhe 900
Bruchbild nach Test: 1. der Lehmstein soll nicht in zwei nahezu gleich große Teile zerbrechen 2. der Lehmstein soll nicht in mehr als 10 Teile zerbrechen 3. bei einer abgeschlagenen Ecke soll deren Diagonale nicht länger sein als 1/5 der Diagonale des ganzen Steins
Bild 3-42 Stoßfestigkeit von Lehmsteinen [3.28] [3.29]
156
3.6
Kenngrößen und Prüfungen für Lehmbaustoffe
mögliche Bruchbilder nach DIN 18555-6 (Schema)
Prüfplatte Klebschicht Lehmputz Putzgrund
Bild 3-43
a) Bruch in der HaftÁäche Untergrund / Mörtel (Adhäsionsbruch)
b) Bruch im Mörtel (Kohäsionsbruch)
c) Bruch im Untergrund (Kohäsionsbruch)
d) Bruch in der Klebschicht
Prüfung der Haftfestigkeit von Lehmputzen, Adhäsionsbruch (a) nach Prüfung [3.41]
157
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
keit zwischen Lehmstein und Mauermörtel der Lagerfuge eintreten. Bei hoher Haftfestigkeit des Lagerfugenmörtels und geringer Zugfestigkeit der Lehmsteine in Richtung der Steinhöhe kann auch die Steinzugfestigkeit für ein Versagen maßgeblich sein. Testprozedur Die Haftfestigkeit ơHF von Lehmputzen wird nach DIN EN 1015-12 geprüft (Bild 3-43 [3.41]). Nach dem Auftrag des Lehmputzes in Prüfkonsistenz auf den gewählten Putzgrund können die Proben nach zwei verschiedenen Verfahren gewonnen werden: 1. Eindrücken eines Stahlrings (d = 50 mm) in den noch plastischen Lehmputz bis zum Putzgrund, 2. nach 28 Tagen Trocknung im Normklima Ausführung einer Kernbohrung (d = 50 mm) durch den Lehmputz bis ca. 3 mm in den Putzgrund. Nachdem die KontaktÁächen abgebürstet und mittels Druckluft von losen Bestandteilen und Staub befreit sind, werden auf den trockenen Lehmputzen die Prüfstempel mit einem geeigneten Kleber Àxiert. Nach Aushärtung des Klebers werden die Zugfestigkeiten der Lehmputzproben mittels geeigneter Geräte (z. B. Dynatest oder HP 850) bestimmt. Die Prüfdauer soll 60s nicht übersteigen. Bei der Prüfung können sich vier unterschiedliche Bruchbilder ergeben (Bild 3-43 [DIN 18555-6] ): – Adhäsionsbruch in der BerührungsÁäche Mörtel / Untergrund – Kohäsionsbruch im Mörtel – Kohäsionsbruch im Putzgrund – Bruch in der Klebschicht. Labor- und Rechenwerte MINKE (Boenkendorf) [3.33] nennt als Kriterium ơHF 0,05 N / mm2 als allgemeine Anforderung von »Putzmörteln auf Lehmuntergrund«. RIECHERS / HILDEBRAND [3.42] 158
schätzen für Putze allgemein einen Wert ơHF = 0,08 N / mm2 als »für übliche Anwendungsfälle ausreichend« ein. DETTMERING / KOLLMANN [3.38] geben für übliche Putze in der Bauwerkssanierung und DenkmalpÁege Zahlenwerte für die Haftfestigkeit ơHF in der Größenordnung von 0,1– 0,5 N/mm2 an, für Gips- und Zementputze 0,4 – 0,9 bzw. 1,0 – 2,0 N/mm2. Entsprechende Werte für Lehmputze fehlen. Durch den DVL wurden deshalb Prüfungen der Haftfestigkeit an fünf verschiedenen handelsüblichen Lehmputzen veranlasst [3.39]. Die Ergebnisse weisen Zahlenwerte im Bereich von ơHF = 0,03–0,12 N/mm2 auf. Als Untergrund wurde (für den Erwartungswert ungünstiger) glatter Beton verwendet. Die Probengewinnung der einlagigen, in üblicher Verarbeitungskonsistenz aufgetragenen Lehmputze erfolgte durch »Kernbohrung« und »Ausstechring« gem. DIN EN 1015-12 . Hinsichtlich der Bruchbilder ergaben sich die Typen »Kohäsionsbruch« und »Adhäsionsbruch« mit Übergangsformen (Bild 3-43). Mit diesen systematisch angelegten Versuchen konnte die Anwendbarkeit des in DIN EN 1015-12 beschriebenen Prüfverfahrens erstmals auch für Lehmputze nachgewiesen werden. EinÁussgrößen Auf die Haftfestigkeit von Lehmputzen haben insbesondere EinÁuss: Bindekraft und Zusammensetzung des Putzmörtels, Verarbeitungskonsistenz, Eigenschaften der PutzoberÁäche und des Putzgrundes. Bei einer Angabe zur Haftfestigkeit im Sinne eines Deklarationswertes für Werkmörtel müssen vom Hersteller entsprechende Hinweise zu den Testbedingungen (Putzgrund, Mörtelkonsistenz, Gewinnungsverfahren nach DIN 1015-12 ) angegeben werden. Im vom DVL herausgegebenen Technischen Merkblatt »Anforderungen an Lehmputze«
3.6
[3.19] werden in Abhängigkeit von der Funktion des Bauteils zulässige Größen für die Haftfestigkeit deÀniert (Kap. 4.2.7.6). Biegezugfestigkeit Begriff Eine Biegezugfestigkeit ơBZ wird in Lehmbauteilen dann aktiviert, wenn Lasten normal zur Ebene eingetragen werden und das Bauteil damit als Platte wirkt. Sie gibt an, bei welcher Last ein Baustoff bei Durchbiegung bricht. Typische Belastungssituationen für das Auftreten von Biegezug stellen Lehmputze dar, aber auch eine dynamische Beanspruchung von Lehmbauteilen, z. B. bei Erdbeben, sowie von nicht tragenden Bauteilen bzw. solchen ohne wesentliche AuÁast (Ausfachungen, Vorsatzschalen, frei stehende Wände). Testprozeduren Für die Bestimmung der Biegezugfestigkeit an Lehmmörteln wird der Prüfkörper nach Kap. 3.6.2.2 auf zwei im Abstand von 100 mm angeordneten Stahlrollen mit d = 10 mm aufgelagert und durch eine dritte mittig bis zum Bruch belastet (Bild 3-44 [DIN EN 1015-11]). DIERKS / ZIEGERT [3.26] bestimmten die Biegezugfestigkeit an quaderförmigen
Kenngrößen und Prüfungen für Lehmbaustoffe
StampÁehmproben mit den Abmessungen 600x150x150 mm in Anlehnung an die DIN 1048-1 . Um eine »Scheibenwirkung« zu erzielen, wurden die Prüfkörper »auf die Seite gelegt« (90° um die Längsachse gedreht), so dass die Stampffugen senkrecht und damit parallel zur Belastungsrichtung standen. Nach NZS 4298 [3.29] wird die Biegezugfestigkeit von Lehmsteinen entsprechend der in Bild 3-45 dargestellten Prozedur als Feldprüfung ermittelt. Der zu prüfende Lehmstein wird als »Balken« an den Rändern der Breitseiten linienförmig aufgelagert. Die Lasteintragung erfolgt durch Aufstapeln von (Lehm-) Steinen bis zum Erreichen der Bruchlast. Die Stapellast wird linienförmig mittig und über eine Breitseite in den zu prüfenden Lehmstein eingetragen. Für jeweils 5.000 Lehmsteine ist eine Prüfung mit je 5 Lehmsteinen als baubegleitende Qualitätskontrolle durchzuführen, wenn der »brick drop test« (Bild 3-42) nicht erfüllt wurde. JAGADISH u. a. [3.43] bestimmen die Biegezugfestigkeit an Mauwerk aus stabilisierten Lehmsteinen mittels des in Bild 3-46 dargestellten Versuchsaufbaus. Verwendet wurden Kalk-Zement- bzw. zementstabilisierte LehmMauermörtel. Gezeigt werden zwei Möglich-
F
AuÁagerrollen aus Stahl d = 10 ± 0,5
Abmessungen Prüfkörper 160 x 40 x 40
40
30
100 ± 0,5
30
160
Bild 3-44
Prüfung der Biegezugfestigkeit von Lehmputz nach DIN EN 1015-11
159
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
keiten der Eintragung der Horizontalkraft: über ein Zugseil (a) und über eine Druckpresse (b) mit bereits gerissenem Prüfkörper. Labor- und Rechenwerte Die Mittelwerte der Biegezugfestigkeit der StampÁehmproben nach [3.26] lagen in der Größenordnung ơBZ = 0,36 – 0,63 N/mm2. Dabei waren die Werte für die Proben mit Faserzugabe erwartungsgemäß deutlich höher. Für die Biegezugfestigkeit werden im NZS 4297,-8 [3.29] folgende Werte gefordert: ơBZ > 0,25 N/mm2 als Mindestwert aus fünf Einzelprüfungen gem. Bild 3-45, ơBZ,R = 0,1 N/mm2 als Rechenwert für die Bemessung. Die Größenordnung der Biegezugfestigkeit bei stabilisiertem Lehmsteinmauerwerk (Bild 3-46 [3.43]) lag in der Größenordnung ơBZ = 0,031– 0,414 N / mm2. DETTMERING / KOLLMANN [3.38] geben für übliche Putze in der Bauwerkssanierung und DenkmalpÁege Zahlenwerte für die Biegezugfestigkeit ơBZ in der Größenordnung von 0,2 – 1,0 N/mm2 an, für Gipsund Zementputze 1,0 – 2,0 bzw. 2,0 – 7,0 N/ mm2. Entsprechende Werte für Lehmputze fehlen. In [3.20] wird für Lehmputz-Festmörtel eine Biegezugfestigkeit ơBZ 0,4 N/mm2 nach einer Erhärtungszeit von 28 Tagen gefordert. Scherfestigkeit und Reibungsbeiwert Begriff Die Aktivierung der Scher- oder Schubfestigkeit ơS in einem Lehmbauteil entspricht seiner Beanspruchung bei der Ableitung von Horizontallasten. Das Versagen tritt dabei ein entlang horizontaler Flächen, die i. d. R. durch die Verarbeitung vorgegeben sind. Die Scherfestigkeit ơs eines Lehmbaustoffes wird allgemein als die Spannung angegeben, die durch eine im belasteten Querschnitt A wirkende Schubbelastung F zu dessen 160
Bruch führt ßs = max. F / A [N/mm2]. Der Spannungsansatz wird in der Bodenmechanik auf der Grundlage der allgemeinen Bruchbedingung nach MOHR / COULOMB formuliert: Ʋ = ßHS + ƫ · ƱD. EinÁussparameter sind die Größe der normal wirkenden Druckspannung ƱD, die Rauigkeit der Flächen in der Gleitebene, ausgedrückt durch einen materialabhängigen Reibungsbeiwert ƫ sowie die Haftscherfestigkeit ßHS, die sich aus dem Haftverbund (= Kohäsion c) mit dessen maßgebenden Bedingungen (OberÁächenrauigkeit, Porenstruktur, Feuchtegehalt) und der Festigkeit des Lehmbaustoffes ergeben. Testprozedur Die Scherfestigkeit von Lehmen und Tonen wird in der Bodenmechanik mittels des in Bild 3-37 dargestellten Einfachscherversuches sowie des Triaxialversuches (Tab. 3-10) bestimmt. Bei Baukonstruktionen aus Stampf- bzw. Wellerlehm sind Einzelblöcke erkennbar, die durch die technologisch bedingten horizontalen Stampffugen der aufeinander gesetzten Stampf- bzw. Wellersätze und deren senkrechte Ränder begrenzt werden. Die senkrechten »Stoßfugen« (bei Wellerlehm leicht entgegen der Richtung des Arbeitsfortschritts geneigt) sind wie bei Mauerwerk versetzt. Die Ränder der Einzelblöcke stoßen ohne »Fugenmörtel« stumpf aneinander und bilden in realen Konstruktionen potenzielle Schwächezonen. Die Scherfestigkeit von StampÁehm wurde von DIERKS / ZIEGERT [3.26] an einem parallel zu den Stampffugen belasteten Prüfkörper mit den Abmessungen 150x150x300 mm ermittelt. Die BruchÀguren zeigten zunächst bei etwa 60% der Bruchlast geneigte Risse normal zu den Hauptspannungen, bevor dann plötzlich ein senkrechter Schubbruch eintrat.
3.6
Kenngrößen und Prüfungen für Lehmbaustoffe
L
AuÁast, Stapel aus Lehmsteinen
20
AuÁager aus Holzlatten 20 x 20 in Sandbett Teststein AuÁagerblock (Ziegel) L x
Bild 3-45
feste Unterlage (Beton)
L/2 Prüfung der Biegezugfestigkeit von Lehmsteinen nach NZS 4298 [3.29]
Dieses Bruchbild deutete offenbar darauf hin, dass durch die Verdichtung eine »Verzahnung« der einzelnen StampÁagen erzeugt wurde, die mit Blick auf die Scherfestigkeit eine weitgehende Isotropie des Materials erreichte. Bei Mauerwerk aus Lehmsteinen bilden die Lagerfugen potentielle Gleitebenen. Für Mauerwerk aus zementstabilisierten Lehmsteinen untersuchten VENKATARAMA REDDY / UDAY VYAS [3.49] den EinÁuss der (Haft-) Scherfestigkeit auf die Größe der normal wirkenden Druckspannung. Dem Prinzip des in Bild 3-37 dargestellten Einfachscherversuchs folgend wurden zwei Lehmsteine (5 und 14% Zementzusatz) mit Kalk-Zementmörtel aufeinander gemauert. Der untere Stein war in einem Stahlkasten unverschieblich auf einer Unterlage befestigt. In den oberen Stein wurde über einen umfassenden Stahlrahmen die Scherkraft eingetragen. Die LagerÁächen der aufeinander gemauerten Lehmsteine stellten
die potenziellen Gleitebenen dar. Sie waren unterschiedlich rau ausgebildet. In Bezug auf die Bruchzonen ergaben sich die in Bild 3-47 dargestellten drei Bruchbilder, ein viertes war ein partieller Bruch entlang der Mörtelfuge und im Lehmstein. Die Bruchbilder besitzen Ähnlichkeit mit jenen bei der Prüfung der Haftfestigkeit von Lehmputzen in Bild 3-43. Labor- und Rechenwerte Mit dem in [3.26] beschriebenen Versuchsaufbau wurden Scherfestigkeitswerte im Bereich von ßS = 0,55 – 0,89 N/mm2 ermittelt. Darüber hinaus wurde eine Ähnlichkeit im Materialverhalten von Beton und Stampflehm nachgewiesen: Das Verhältnis von Scher- zu Druckfestigkeit ßD und von Scherzu Biegezugfestigkeit ßBZ beträgt bei Beton bzw. den in [3.26] untersuchten StampÁehmen jeweils 161
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
Befestigungsrahmen für Zugvorrichtung Prüfkörper aus Lehmsteinmauerwerk Befestigungsrahmen
a) Eintragung der Horizontalkraft über Zugseil Zugseil Belastung
Betonsockel
Mauerwerkssockel
b) Eintragung der Horizontalkraft über Druckpresse, Prüfkörper bereits gerissen
Bild 3-46
Prüfung der Biegezugfestigkeit an Mauerwerk aus Lehmsteinen, nach [3.43]
Bruch in der HaftÁäche Lehmstein / Mörtel
Bild 3-47
162
Bruch im Lehmstein
Bruch in der Mörtelfuge
Lehmsteinmauerwerk unter Scherbeanspruchung: mögliche Bruchbilder [3.49]
3.6
Kenngrößen und Prüfungen für Lehmbaustoffe
EMauerwerk / EMörtel > 1
EMauerwerk / EMörtel < 1
Mörtelfuge Mörtelfuge Lehmstein
Lehmstein
Bild 3-48
Lehmsteinmauerwerk unter Druckbeanspruchung: Spannungszustand im Lehmstein / Mörtelfuge [3.49]
Beton:
ßS ~ 0,23 ßD ßS ~ 1,6 ßBZ StampÁehm: ßS ~ 0,27– 0,33 ßD ßS ~ 1,41–1,52 ßBZ Für die Scherfestigkeit werden im NZS 4297,-8 [3.29] folgende Rechenwerte in Ansatz gebracht: ßS,R = 0,09 N/mm2.
EinÁussgrößen Für die Festigkeitseigenschaften von Mauerwerk aus Lehmsteinen ist das Verhältnis der E-Moduln der Lehmsteine ES und des Mauermörtels EM von Bedeutung (Bild 3-48 [3.49]). Bei einem Verhältnis ES / EM > 1 will sich der weniger steife Mörtel in der Lagerfuge stärker als der Stein »querverformen«. Durch den Verbund mit dem Stein wird er jedoch daran gehindert, wodurch im Stein zusätzliche Zugspannungen durch behinderte Querverformungen im Mörtel entstehen. Je größer dieser Spannungsunterschied zwischen Stein und Mörtel ist, desto mehr verringert sich die
Druckfestigkeit des Mauerwerks. Bei sandreichen (Lehm)-Mörteln mit dichtem Gefüge kann der EinÁuss des Mörtels auf die Druckfestigkeit des Mauerwerks ausreichend genau durch die Mörteldruckfestigkeit wiedergegeben werden. Lehm-Mauermörtel mit Leichtzuschlägen können jedoch eine größere Querverformbarkeit besitzen und damit die Druckfestigkeit im Mauerwerk weiter reduzieren. Nach [3.49] hat die Haftfestigkeit zwischen Stein und Mörtel in der Lagerfuge nur dann einen deutlichen EinÁuss auf die Druckfestigkeit des Mauerwerks, wenn der Mauermörtel steifer ist als der Lehmstein (ES/EM < 1). Für diesen Fall wurde für das Verhältnis von Scher- (Ʋ) und Druckfestigkeit (Ʊ) folgende Beziehung ermittelt: Ʊ = 1,457 + 5,01Ʋ (rxy = 0,89). Der Bruchmechanismus steifer Mörtel – weicher Stein ist abhängig von der Haftfestigkeit in der Fuge Mörtel – Stein. Hohe Festigkeiten bedeuten, dass im Mauerwerk die 163
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
horizontalen Druckkräfte anwachsen, solange die Scherfestigkeit in der Lagerfuge widersteht. Im Falle eines Zugversagens entlang der OberÁäche Fugenmörtel – Stein verschwinden die durch die Scherkräfte eingetragenen horizontalen Druckkräfte, und vertikale Spaltrisse treten als typisches Bruchbild in Erscheinung. Reibungsbeiwerte ƫ sind im tragenden Lehmbau auch dort von Bedeutung, wo Horizontallasten in Lehmbauteile senkrecht abgeleitet werden und dabei Fugen aus unterschiedlichen Materialien zu überwinden haben, z. B. die Ableitung von Windlasten über Dachkonstruktionen in Mauerkronen. Reibungsbeiwerte für entsprechende Materialkombinationen werden in [3.26] angegeben: Holz (rau) / Lehmmörtel ƫG = 0,30 – 0,54 Holz (gehobelt) / Lehmmörtel ƫG = 0,26 – 0,53 Ziegel / Lehmmörtel ƫG = 0,37 – 0,56 Beton / StampÁehm ƫG = 0,41 – 0,64. Verschleißfestigkeit OberÁächen aus Lehmbaustoffen unterliegen im Gebrauchszustand mechanischer Abnutzung aus Beanspruchungen verschiedenster Art: – Áächiges Abschleifen (Putze, WandoberÁächen, Fußböden) – Kratzen / Ritzen (Putze, WandoberÁächen, Fußböden) – Stoßen (Ecken von Wandöffnungen, WandoberÁächen) – Rollen (Fußböden). Diese Beanspruchungsarten wirken meist zusammen und sind dadurch komplexer Natur. Es ist deshalb von Bedeutung, im Prüfverfahren den tatsächlichen Belastungsfall so real wie möglich nachzubilden. Die Entwicklung abbildgenauer, standardisierter Testverfahren zur Bestimmung der Verschleißfestig164
keit steht erst am Anfang. Dementsprechend gering ist auch die Menge bisher durchgeführter Prüfungen mit aussagekräftigen Ergebnissen. Unabhängig von diesen Überlegungen sollte der Einsatz von Lehmbaustoffen, vor allem von Lehmputzen, in Gebäudebereichen mit zu erwartender starker mechanischer Abnutzung, z. B. durch Publikumsverkehr, bereits bei der Planung grundsätzlich kritisch geprüft werden. Abriebfestigkeit Begriff An einer BauteiloberÁäche aus Lehmbaustoffen wird eine Abriebmenge (in g) als Maßstab für ihre mechanische gegenüber Áächigem Abschleifen mittels einer deÀnierten Testprozedur bestimmt. Testprozedur Für die Ermittlung einer Abriebfestigkeit hat MINKE [3.37] ein Testverfahren entwickelt, das auf die in DIN 52108 standardisierte Böhmsche Schleifscheibe zurückgeht. Bei diesem Verfahren wird die LehmoberÁäche im letzten Arbeitsgang mit einem Kunststoffoder Holzreibebrett verdichtend abgerieben. Eine harte, rotierende Bürste mit einem Durchmesser von 7 cm wird nun über ein Gewicht mit einem Pressdruck von 2 kg gegen die LehmoberÁäche gedrückt und der entstehende Abrieb nach 20 Umdrehungen gewogen. Verfügbar ist auch ein manuell zu betreibendes Prüfgerät. Labor- und Rechenwerte Nach dem beschriebenen Verfahren wurden in [3.37] die Abriebmengen für 15 handelsübliche Lehmputze mit verschiedenen Zuschlägen und Zusätzen als Vergleichsmaßstab für eine Festigkeit gegen Abrieb angegeben. Die Mörtel wurden mit einer Verarbeitungskonsistenz entspr. 140 mm Ausbreitmaß gem. DIN EN 1015-3 auf den Untergrund appliziert. Die
3.6
Abriebmengen lagen in der Größenordnung von 0,1 – 7,0 g. Nach dem gleichen Verfahren wurden vom DVL Prüfungen der Abriebfestigkeit an fünf weiteren handelsüblichen Lehmputzen in Auftrag gegeben und dabei Abriebmengen von 0,3 – 6,7g ermittelt [3.39]. Die untersuchten Lehmputze schwanken in Bezug auf diese Eigenschaft um mehr als eine Zehnerpotenz. Im vom DVL herausgegebenen Technischen Merkblatt »Anforderungen an Lehmputze«[3.19] werden in Abhängigkeit von der Bauteileigenschaft erstmals zulässige Abriebmengen festgelegt (Kap. 4.2.7.6). EinÁussgrößen Mit dem Ziel der Minimierung von Schwindrissen werden Lehmputze oft so mager hergestellt, dass die noch vorhandene Bindekraft nicht ausreicht, um Sandkörner stabil in der PutzoberÁäche zu halten. Die Folge ist ein lästiges »Absanden« des Putzes selbst bei nur leichter, streifender Berührung. Die Stabilität einer LehmbauteiloberÁäche gegenüber Áächigem Abschleifen wird bestimmt von der Größe der Schleifkraft, der Festigkeit und Glätte der OberÁäche sowie den Eigenschaften des Baulehms (Bindekraft, Kornverteilung, Kornform und -rauigkeit) und dessen Zuschlägen. Der Nachweis der Abriebfestigkeit wird auch zur Erlangung des Qualitätszeichens der Organisation natureplus e.V. [3.20] gefordert. Kantenfestigkeit Begriff Die Kantenfestigkeit ist ein Maß für die Stabilität vorstehender Kanten an Tür- oder Wandöffnungen von Bauteilen aus Lehmbaustoffen bei mechanischer Beanspruchung im Gebrauchszustand.
Kenngrößen und Prüfungen für Lehmbaustoffe
Testprozedur Von MINKE [3.37] wurde ein Prüfverfahren für die Ermittlung einer Kantenfestigkeit von Lehm-Putzmörteln, Lehmplatten und Lehmsteinen entwickelt. Bei dem Test fällt ein Gewicht aus festgelegter Höhe (für Lehmmörtel 125 mm) auf die Kante eines unter 60° eingespannten Prüfkörpers. Das untere Ende des Fallgewichtes besteht aus einer Stahlkugel, die 10 mm entfernt von der Kante des Prüfkörpers auftrifft. Ermittelt wird das Fallgewicht, bei dem ein Versagen des Prüfkörpers durch Abplatzen eintritt. In diesem Zusammenhang wird auf die Möglichkeit des häuÀg praktizierten Schutzes stoßgefährdeter Kanten und Ecken durch PutzproÀle oder Eckschutzschienen verwiesen. Schlagfestigkeit Begriff Bei der Ermittlung der Schlagfestigkeit wird der Widerstand eines Baustoffes / Bauteiles gegen Schlag- und Stoßbeanspruchung gemessen. Je mehr Energie er bei diesem Test aufnimmt, umso zäher ist er. Testprozedur In Anlehnung an die Prüfung von Festbeton nach DIN 1048-2 wurden von DIERKS / ZIEGERT [3.26] Pendelschlaghammer-Prüfungen zur Ermittlung der Druckfestigkeit an Stampflehmwänden ausgeführt. Diese Prüfung erfasst nur die Festigkeit an der BauteiloberÁäche. Für die Bewertung der Festigkeitseigenschaften eines Bauteils ist jedoch der Zustand des Gesamtquerschnitts von Bedeutung. Ritzfestigkeit Begriff An einer BauteiloberÁäche aus Lehmbaustoffen wird die ritzende Wirkung spitzer oder scharfkantiger Gegenstände als Maßstab für ihre mechanische Stabilität gegenüber einer 165
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
entsprechenden Beanspruchung mittels einer deÀnierten Testprozedur bestimmt. Testprozedur Die Frage der mechanischen Festigkeit von OberÁächen aus Lehmbaustoffen kann entsprechend der Funktion des Bauteils und den jeweiligen Anforderungen an den Gebrauchszustand auch viel feinere Differenzierungen der Festigkeitskriterien erforderlich machen, als es mit den vorgestellten Prüfverfahren möglich ist. Dies ist z. B. der Fall bei Resten baulicher Anlagen aus Lehmbaustoffen im Zuge archäologischer Ausgrabungen. Ein wesentliches Ziel ist hier die Stabilisierung der sehr empÀndlichen OberÁächen aus
3.6.3
Lehmbaustoffen i. d. R. mittels chemischer Festigung. In diesem Zusammenhang wurde von UTZ [3.36] ein qualitativer Test für die Bestimmung einer Ritzfestigkeit an archäologischen Lehmbauteilen entwickelt. Dazu wurden ca. 5 cm lange zylindrische Bohrproben aus dem zu festigenden Bauteil gewonnen. Ein mit einem deÀnierten Gewicht belasteter und in eine Zugvorrichtung eingespannter Ritznagel aus Stahl wurde nun mit einer Geschwindigkeit von 0,025 m/s über den Prüfkörper gezogen. Verglichen wurden die qualitativen Unterschiede der Ritzbilder bei unbehandelten und stabilisierten Proben sowie für unterschiedliche Grade der relativen Luftfeuchte.
Bauphysikalische Kenngrößen
3.6.3.1 Feuchte Wasseraufnahme Begriff Allgemein erfolgt die experimentelle Bestimmung der kapillaren Wasseraufnahme (Saugfähigkeit) von Stoffen nach DIN 52617 : mw = A · ȼt Dabei ist A, der WasseraufnahmekoefÀzient, ein Stoffkennwert, der vom Baustoffgefüge, der Porosität, Rohdichte, Temperatur und Ausgangsfeuchte abhängt. Er wird dargestellt in Abhängigkeit von der pro Flächeneinheit aufgesaugten Wassermenge mw [kg/ m2] und der Zeit (ȼ t). Testprozedur Nach DIN 52617 muss der Prüfkörper ca. 3 mm in ein Wasserbad eingetaucht und nach einer bestimmten Zeit der Wasseraufnahme (nach [3.38] sind 24 h bei atmosphärischem Druck üblich) die aufgesaugte Wassermenge durch Wägung ermittelt werden. Die Wasseraufnahme darf nur über die deÀnierte Saug166
Áäche erfolgen. Die SeitenÁächen müssen deshalb versiegelt werden. Bei Lehmbaustoffen besteht gegenüber anderen Baustoffen die Schwierigkeit, dass Lehm beim Eintauchen in das Wasserbad aufquillt, der Prüfkörper seine Festigkeit verliert und Teile davon abfallen. Eine zuverlässige Bestimmung des KoefÀzienten der kapillaren Wasseraufnahme für Lehmbaustoffe nach DIN 52617 erscheint deshalb nicht möglich. Das in der Testprozedur vorgesehene Wasserbad entspricht in der realen Situation einem Havariezustand, der jedoch auszuschließen ist (Kap. 4.2). Die Anwendung dieser Testprozedur auf zementstabilisierte Lehmbaustoffe ist dagegen möglich [4.5]. MINKE [3.33] empÀehlt eine modiÀzierte Versuchsanordnung, mit der das speziÀsche Problem des Festigkeitsverlustes von Lehmproben im Wasserbad als gelöst angesehen wird.
3.6
Eine qualitative Bewertung der Beständigkeit von Lehmbaustoffen gegenüber Wasser (»Aufschlämmbarkeit«) anstelle der Wasseraufnahme kann man nach DIN 18952-2 auf folgende Weise vornehmen (Bild 3-49): Ein Prüfkörper mit den Abmessungen 220x40x 25 mm wird mit seinem unteren Ende 50 mm tief in ein Gefäß mit Wasser gehängt und sein Aussehen nach 45 und 60 min visuell beurteilt. Ist der untere Teil des Prüfkörpers nach 45 min bereits vollständig abgetrennt, handelt es sich um wenig dauerbeständigen Lehm. Nach mehr als 60 min ist er entsprechend schwer aufschlämmbar, gut wasserbeständig und damit als Lehmbaustoff geeignet. Labor- und Rechenwerte LUSTIG-RÖSSLER [3.44] untersuchte die »Aufschlämmbarkeit« nach DIN 18952-2 an drei Lehmproben (magerer Lehm, Ton, Lehmmörtel). Alle Prüfkörper waren im eingetauchten Bereich nach 2 h (magerer Lehm, Ton) bzw. 2,5 h (Ton) vollständig abgetrennt und damit als Lehmbaustoff als geeignet bewertet worden.
Kenngrößen und Prüfungen für Lehmbaustoffe
MINKE gibt für Leichtlehme verschiedener
Rohdichten und mit verschiedenen Zuschlägen und Zusätzen, für Lehme und tonige Lehme Werte der kapillaren Wasseraufnahme als Funktion der Saugzeit an, die mit der in [3.33] beschriebenen modiÀzierten Versuchsanordnung ermittelt wurden. EinÁussgrößen Die Eigenschaft, Wasser in einer bestimmten Zeit aufzunehmen, ist bei den verschiedenen Lehmen sehr unterschiedlich ausgeprägt: magere Lehme können nur vergleichsweise wenig Wasser aufnehmen und benötigen dazu kurze Zeit. Fette Lehme oder Tone besitzen dagegen auf Grund ihres hohen Anteils an Tonmineralien ein großes Wasseraufnahmevermögen, das aber wegen des größeren Quellpotenzials mit einer viel größeren Zeitdauer verbunden ist (DIN 18132, Kap. 2.2.3.3, Bild 2-19). Die Intensität der Quellvorgänge wird durch die Qualität der Tonminerale (Kap. 2.2.3.4) bestimmt und kann darüber hinaus die Wasseraufnahme behindern.
Prüfkörper 5 cm in Wasser getaucht
Behälter mit Wasser
Bild 3-49 Prüfung der Aufschlämmbarkeit nach DIN 18952-2
167
3
Herstellung von Lehmbaustoffen
Übertragen auf den Mechanismus des Feuchtetransports in Baustoffen und Bauteilen aus Lehm (Kap. 5.1.2.1) bedeutet dies: In fetten Lehmen und Tonen reicht der Kapillartransport der Feuchte wegen der kleineren Poren im Vergleich zu mageren Lehmen weiter. Wegen der stärkeren Quellverformungen der fetten Lehme und Tone ist er jedoch im
Vergleichszeitraum effektiv kürzer, denn die quellenden Tonmineralien behindern ein weiteres Vordringen der Feuchte ([3.45], Kap. 5.2.1.2). EinÁuss auf diesen Mechanismus haben die Rohdichte mit entsprechender Porenstruktur sowie ggf. Zuschläge und Zusätze der verwendeten Lehmbaustoffe.
3.6.3.2 Thermische Kenngrößen Wärmeleitfähigkeit Begriff Die Wärmeleitfähigkeit ƪ, auch Wärmeleitzahl, ist deÀniert als die Wärmemenge, die in einer Sekunde durch 1 m2 einer 1m dicken Schicht eines Stoffes hindurchgeleitet wird, wenn der Temperaturunterschied der beiden OberÁächen konstant 1K beträgt. Die Maßeinheit ist W/mK. Testprozedur Die Prüfung der Wärmeleitfähigkeit ƪ erfolgt nach DIN 52612. Entscheidend ist dabei der Feuchtegehalt des Baustoffes, der sich im Gebrauchszustand durchschnittlich einstellt. Labor- und Rechenwerte In den Lehmbau Regeln [2.6] werden Rechenwerte der Wärmeleitzahl ƪ für Lehmbaustoffe angegeben (Tab. 3-15). Sie gehen zurück auf eine von VOLHARD [3.46] vorgenommene Zusammenstellung von ungünstigsten Werten aus früheren Normen, Literaturangaben und einzelnen Messergebnissen, die inzwischen auch Eingang in die DIN 4108-4 gefunden haben. Zum Vergleich: Die Wärmeleitfähigkeit von üblichen Baustoffen liegt zwischen 0,02 (Polyurethan) und 200 W/mK (Aluminium).
168
EinÁussgrößen Die Wärmeleitfähigkeit ƪ ist einer der wichtigsten Ausgangswerte für wärmetechnische Berechnungen (Kap. 5.1.1.3). Baupraktisch bestimmen im wesentlichen die Trockenrohdichte Ưd, der Feuchtegehalt w und die Temperatur die Wärmeleitfähigkeit des Lehmbaustoffes. ƪ sinkt mit steigendem Porenanteil, also abnehmender Trockenrohdichte, und steigt mit zunehmender Feuchte des Baustoffes. Wasser leitet Wärme wesentlich besser als Luft. Metalle sind gute, viele mineralische Baustoffe, darunter Lehm, schlechte Wärmeleiter. Als Wärmedämmstoffe werden Stoffe mit ƪ < 0,15 W/ mK bezeichnet. SpeziÀsche Wärme Begriff Die speziÀsche Wärmekapazität c ist deÀniert als Wärmemenge in Ws, die erforderlich ist, um die Temperatur eines kg des betreffenden Stoffes um 1 K zu ändern. Die Maßeinheit ist Ws/kgK bzw. kJ/kgK. Als volumenbezogener Stoffwert wird auch die Wärmespeicherzahl S = c · Ư [Ws / m3K] angegeben. Labor- und Rechenwerte In den Lehmbau Regeln [2.6] werden Rechenwerte der speziÀschen Wärme c für Lehmbaustoffe aufgeführt (Tab. 3-16).
3.6
Zum Vergleich: Die speziÀsche Wärmekapazität c beträgt für anorganische Baustoffe und Luft ca. 1,0 kJ/kgK, für Holz 2,1 kJ/kgK, für Wasser 4,2 kJ/kgK.
EinÁussgrößen Für Leichtlehme mit organischen Faserstoffen wächst der Zahlenwert c mit steigendem Zuschlaganteil entsprechend.
Trockenrohdichte ѩd [kg/m3]
Wärmeleitzahl Ѥ [W/mK]
Lehmbaustoffe (nach Tab. 3-1 u. 3-6)
2.200 2.000 1.800 1.600 1.400 1.200 1.000 900 800 700 600 500 400 300
1,40 1,10 0,91 0,73 0,59 0,47 0,35 0,30 0,25 0,21 0,17 0,14 0,12 0,10
STL, LT STL, LT STL, LT, LM, LP WL, SL, FL, LT, LM, LS, LP WL, SL, FL, LT, LM, LS, LP LL, LT, LM, LS, LP LL, LT, LM, LS, LP LL, LT, LM, LS, LP LL, LT, LM, LS, LP LL, LT, LM, LS, LP LL, LT, LM, LS, LP LL, LT, LP LL, LT, LP LL, LT, LP
Nr.
1 2 3 4 5 6 7
Kenngrößen und Prüfungen für Lehmbaustoffe
Trockenrohdichte ѩd [kg/m3]
1.600 1.400 1.200 1.000 800 600 400
Tab. 3-16
Tab. 3-15 Wärmeleitzahlen Ѥ für Lehmbaustoffe
Zuschläge, mine- Zuschläge, organisch ralisch [kJ/kgK] [kJ/kgK] Sand, Kies, Leichtzuschläge
Stroh
Feinfasern
Holzhackschnitzel
1,0 1,0 1,0 1,0 1,0 1,0 -
1,0 1,0 1,0 1,1 1,1 1,1 1,2
1,0 1,1 1,1 1,1 1,2 1,3 1,4
1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 -
SpeziÀsche Wärme c für Lehmbaustoffe
169
4 Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
Rohstoffgewinnung
Baustoffherstellung
Verabeitung und Einbau
Recycling
Gebrauchszustand
Entsorgung
Gebäudeabriss
Mit dem Nachweis ihrer Gebrauchstauglichkeit können Lehmbaustoffe zu Bauteilen und Konstruktionen verarbeitet werden.
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
4.1
Baugewerbliche Grundlagen
Die Planung und Ausführung von Lehmbauarbeiten erfolgt in Deutschland nach den
4.1.1
üblichen Regelwerken und baugewerblichen Grundlagen.
Regelwerke
4.1.1.1 VOB und BGB Die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen VOB regelt die vertraglichen Rechtsbeziehungen zwischen dem Auftraggeber (Bauherrn) und dem Auftragnehmer (Baubetrieb). Wird die Gültigkeit der VOB nicht ausdrücklich vereinbart, gilt automatisch das Bürgerliche Gesetzbuch BGB für die Vertragsgestaltung. Die VOB ist in drei Teile gegliedert: – Teil A: Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen – Teil B: Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausschreibung von Bauleistungen – Teil C: Allgemeine technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen. Der Teil C enthält die »Allgemeinen technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen ATV« als AuÁistung der entsprechenden DINVorschriften für die wichtigsten Gewerke. Im BGB wird festgelegt, dass die Mangelfreiheit eines Objektes ggf. unter Zugrunde-
legung der allgemein anerkannten Regeln der Technik festzustellen ist. Nach VOB hat der Auftragnehmer seine Leistung in eigener Verantwortung vertragsgerecht auszuführen. Dabei hat er die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten. Diese werden an drei Tatbeständen gemessen: – in der Wissenschaft als theoretisch richtig nachgewiesen, – in der Technik von den dafür Befähigten anerkannt, – in der Praxis durch ausreichende Erfahrung bestätigt. Der Auftragnehmer ist dafür verantwortlich, sich den für sein Fachgebiet erforderlichen aktuellen Wissenstand anzueignen. Fehler in einem Leistungsvertrag befreien nicht von der PÁicht, ein Werk herzustellen, das in allen Teilen den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht.
4.1.1.2 DIN-Vorschriften Auf der Grundlage der DIN-Vorschriften werden Leistungsbeschreibungen bezogen auf die jeweiligen Gewerke verfasst, der Geltungsbereich geklärt, Regelungen zur Bauausführung festgelegt sowie der Unterschied von Nebenleistungen und Besonderen Leistungen erläutert, was für die Preisbildung von Bedeutung ist. Nebenleistungen werden über Einheitspreise abgegolten, Besondere Leistungen werden entsprechend der konkreten Situation 172
»besonders« vergütet. In Deutschland wurde erstmals im Jahre 1944 eine technische Baubestimmung zum Lehmbau aufgestellt und als »Lehmbauordnung« bekannt. Wegen des Krieges wurde sie erst im Jahre 1951 als DIN 18951 mit den Blättern 1 »Vorschriften für die Ausführung« und 2 »Erläuterungen« bauaufsichtlich eingeführt. Zuvor war die Lehmbauordnung mit geringfügigen Anpassungen in die Landes-
4.1
bauordnungen verschiedener Bundesländer eingeführt worden, z. B. in Schleswig-Holstein. Weitere DIN-Vorschriften zum Lehmbau kamen über das Stadium von Vornormen nicht hinaus, und zwar: DIN 18952: Baulehm Bl. 1: Begriffe, Arten (5/56) Bl. 2: Prüfung von Baulehm (10/56) DIN 18953: Baulehm, Lehmbauteile Bl. 1: Verwendung von Baulehm (5/56) Bl. 2: Gemauerte Lehmwände (5/56) Bl. 3: Gestampfte Lehmwände (5/56) Bl. 4: Gewellerte Lehmwände (5/56) Bl. 5: Leichtlehmwände in Gerippebauten (5/56) Bl. 6: Lehmfußböden (5/56) DIN 18954: Ausführung von Lehmbauten, Richtlinien (5/56) DIN 18955: Baulehm, Lehmbauteile, Feuchtigkeitsschutz (8/56) DIN 18956: Putz auf Lehmbauteilen (8/56) DIN 18957: Lehmschindeldach (5/56). Weiterhin regelte eine frühere DIN-Vorschrift die Verarbeitung von Lehmmörteln für Mauerwerk und Putz, jedoch in Bauteilen aus anderen Baustoffen als Lehm: DIN 1169: Lehmmörtel für Mauerwerk und Putz (06/47). Diese DIN-Vorschriften wurden 1971 als »veraltet und wirtschaftlich ohne Bedeutung« ersatzlos zurückgezogen. Sie galten jedoch auch weiterhin bauaufsichtlich als »allgemein anerkannter Stand der Technik«, so dass die in diesen Vorschriften deÀnierten Bauweisen bei Bedarf im Einzelfall nicht nachgewiesen werden mussten. Parallel zu dieser Entwicklung wurden auf dem Gebiet der DDR eigene Vorschriften zum Lehmbau entwickelt, weil »die Verordnung
Baugewerbliche Grundlagen
über Lehmbauten vom 4. Oktober 1944 der Entwicklung der Lehmbautechnik in der DDR nicht mehr gerecht wurde« (Lehmbauordnung der DDR LBO). Zu diesen Vorschriften gehörten: – Anordnung über die Anwendung der Lehmbauweise (23.02.1953) – Begriff, Anwendung und Verarbeitung des Baustoffes Lehm (Lehmbauordnung der DDR) (23.12.1953) – Anordnung über die Anwendung der Lehmbauweise und die Ausbildung Lehmbautechnischer Kader (24.11.1955). Interessant ist der Begriff »Lehmbautechnische Kader« im Zusammenhang mit einer entsprechenden beruÁichen QualiÀzierung. Gemäß den Aufgabenbereichen Bauausführung, Entwurf und Baustoffprüfung werden die QualiÀkationsstufen »Lehmbaufachmann«, »Entwurfsbearbeiter für Lehmbau« und »Lehmbausachverständiger« unterschieden. Die »Lehmbauordnung der DDR« umfasste gegenüber den o.g. DIN-Vorschriften präzisierte Festlegungen zur Bemessung von tragenden Lehmbauteilen (Wände, Pfeiler). Darüber hinaus existierte ein Entwurf für »Bautechnische Bestimmungen für die Ausführung von Lehmbauten« (April 1962), herausgegeben von der Staatlichen Bauaufsicht Potsdam, Spezialprüfgruppe Landwirtschaftsbau. Die Bestimmungen bauen auf der o.g. »Lehmbauordnung« auf und treffen weitere Festlegungen zur Bemessung tragender Lehmbauteile. Ob diese Bestimmungen über das Entwurfsstadium hinausgekommen sind, konnte nicht geklärt werden. Über die Gültigkeitsdauer dieser Vorschriften könnte sicher nur ein sorgfältiges Archivstudium Aufschluss bringen. Für ein Projekt in Herbsleben / Thür. in den Jahren 1987 / 88 [3.32] wurde auf der Grundlage der »Lehmbauordnung der DDR« von 1953 eine Baugenehmigung durch die damalige Staatliche Bauaufsicht des Bezirkes Erfurt erteilt. 173
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
4.1.1.3 Lehmbau Regeln Verfahren Die Entwicklung von Vorschriften auf dem Gebiet des Bauwesens obliegt in Deutschland der Fachkommission »Baunormung« der Arbeitsgemeinschaft der für das Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesen zuständigen Minister der 16 Bundesländer (ARGEBAU) als zuständiger Behörde. Sie beschloss im Jahre 1995, die vom DIN zurückgezogenen Normen des Lehmbaus zu sichten und auf deren Grundlage eine aktuelle technische Baubestimmung für Lehmbauarbeiten zu entwickeln. Anlass für diese Entscheidung war eine deutlich zunehmende Zahl von Aktivitäten auf dem Gebiet des Lehmbaus, sowohl in der Sanierung als auch im Neubau. Der Dachverband Lehm e.V. (DVL) wurde eingeladen, als Fachorganisation in der aus den Vertretern der ARGEBAU und dem Deutschen Institut für Bautechnik Berlin (DIBt) gebildeten Projektgruppe mitzuwirken. Im weiteren Verlauf bildete der DVL eine eigene Projektgruppe aus kompetenten Fachleuten. Die Arbeit der Projektgruppe des DVL wurde von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördert. Die Fachkommission »Baunormung« der ARGEBAU beschloss, die Lehmbau Regeln [2.6] in die beim DIBt geführte Musterliste der Technischen Baubestimmungen aufzunehmen und sie damit zur Einführung als Technische Baubestimmung in die Landesbauordnungen zu empfehlen. Um die Qualität einer bauaufsichtlich eingeführten Technischen Baubestimmung zu erlangen, hatte der vom DVL vorgelegte Entwurf folgende Verfahrensschritte durchlaufen: 1. Feststellung des Bedarfs für eine aktuelle Baubestimmung zum Lehmbau durch die Fachkommission »Baunormung« der ARGEBAU auf Grund von verstärkten Nachfragen aus der Baupraxis. Berufung einer Projekt174
gruppe aus Spezialisten durch den DVL , die ein Arbeitsprogramm aufstellte sowie eine Organisationsstruktur festlegte. 2. Erarbeitung eines Vorschriftenentwurfes auf der Grundlage ggf. vorhandener nationaler oder ausländischer Normen und Standards sowie eigener Erfahrungen entsprechend der festgelegten Struktur in drei Ebenen: Ebene 1: Verfasser (Volhard / Röhlen + Mitwirkung Ziegert in 3. AuÁ. 2008), Ebene 2: Verfasser + weitere vom DVL ausgewählte Fachleute, Ebene 3: Redaktionsbeirat: Ebene 2 + erweiterter Kreis von Lehmbau-Fachleuten auch von außerhalb des DVL . Zwischen diesen Ebenen musste in einer vorgegebenen Frist ein Konsens hergestellt werden. 3. Präsentation des abgestimmten Entwurfes vor einer breiten Fachöffentlichkeit, Aufnahme von Anregungen und Hinweisen etc., abschließende Diskussion, 4. Vorlage des überarbeiteten Entwurfs zur RatiÀzierung / Empfehlung durch die ARGEBAU als nationale Technische Baubestimmung, 5. ZertiÀzierung durch die entsprechende Fachabteilung bei der EU, 6. Veröffentlichung im Staatsanzeiger oder ähnlichen ofÀziellen Mitteilungsblättern und damit Inkraftsetzung. Dieses Verfahren wurde auch bei der Überarbeitung der Lehmbau Regeln 2006 / 07 angewendet. Das Projekt wurde erneut von der DBU gefördert. Bauaufsichtliche Einordnung Baustoffe werden in den heute gültigen Vorschriften zu den Bauprodukten gezählt. Nach §2 Abs. 9 der Musterbauordnung für die Länder der Bundesrepublik Deutschland (MBO) sind Bauprodukte Baustoffe, Bauteile und An-
4.1
lagen, die hergestellt werden, um dauerhaft in bauliche Anlagen eingebaut zu werden. »Bauprodukte dürfen nur verwendet werden, wenn bei ihrer Verwendung die baulichen Anlagen bei ordnungsgemäßer Instandhaltung während einer dem Zweck angemessenen Zeitdauer die Anforderungen dieses Gesetzes oder aufgrund dieses Gesetzes erfüllen und gebrauchstauglich sind« (§3, Abs. 2 MBO ). In §5 des Bauproduktengesetzes (BauPG) sind das Inverkehrbringen und die Brauchbarkeit der Produkte geregelt. Das BauPG von 1992 stellt die Umsetzung der Bauproduktenrichtlinie (BPR ) der Europäischen Gemeinschaft von 1988 in nationales Recht dar. Die MBO und das BauPG beziehen sich auf solche Baustoffe und Bauteile, die für die Erfüllung der an die Bauwerke gestellten wesentlichen Anforderungen für die Gebrauchstauglichkeit Bedeutung haben: – mechanische Festigkeit und Standsicherheit – Brandschutz – Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz – Nutzungssicherheit – Schallschutz – Energieeinsparung und Wärmeschutz.
geregelte Bauprodukte
Bauprodukte, die den o. a. Bauwerksanforderungen genügen sollen, müssen hinsichtlich ihrer Verwendbarkeit geprüft und überwacht werden. Die Nachweise, die für die verschiedenen Baustoffe zu diesem Zweck erbracht werden müssen, sind in §20 der MBO geregelt. Danach richten sich die erforderlichen Verwendbarkeits- und Übereinstimmungsnachweise von Bauprodukten nach Bauregellisten: Bauregelliste A, Teil 1 u. 2 und Liste C. Diese Listen werden vom DIBt geführt (Bild 4-1). Die Landesbauordnungen (LBO) regeln die Verwendung der Bauprodukte. Sie unterscheiden zwischen geregelten, nicht geregelten und sonstigen Bauprodukten. Für geregelte Bauprodukte existieren technische Regeln i.w. in Form von DIN- Normen, DIN-EN-Normen oder DIN-ISO-Normen, die in der Bauregelliste A, Teil 1 veröffentlicht sind. Nicht geregelte Bauprodukte, für die i. d. R. nur bauaufsichtliche Prüfzeugnisse existieren, sind in der Bauregelliste A, Teil 2 aufgeführt. Geregelte und nicht geregelte Bauprodukte tragen ein Übereinstimmungszeichen (»Ü-Zeichen« auf nationaler, »CE-Zeichen« auf euro-
nicht geregelte Bauprodukte
sonstige Bauprodukte
Nachweis der Verwendbarkeit
nationale Norm
Liste A Teil 1
Bild 4-1
harmon. europ. Norm
europ. techn. Zulassung
Baugewerbliche Grundlagen
allg. bauaufsichtl. Zulassung
untergeordnete Bedeutung
allg. bauaufsichtl. Prüfzeugnis
Liste B
Liste A Teil 2
Zustimmung im Einzelfall
Liste C
Struktur der bauaufsichtlichen Einordnung von Bauprodukten in Deutschland [www.dibt.de]
175
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
päischer Ebene), entweder auf dem Produkt selbst oder auf der Verpackung bzw. dem Lieferschein. Das Ü-Zeichen enthält folgende Angaben: – Name des Herstellers, – Grundlage des Übereinstimmungsnachweises, z. B. technische Regel, Nr. der bauaufsichtlichen Zulassung oder entspr. Prüfzeugnis oder die Bezeichnung »Zustimmung im Einzelfall« der zuständigen Behörde, – Bildzeichen oder Bezeichnung der ZertiÀzierungsstelle, sofern erforderlich. Sonstige Bauprodukte sind Produkte von untergeordneter Bedeutung, für die es zwar allgemein anerkannte technische Regeln gibt und die im Bauwesen auch verwendet werden, die aber in den Bauregellisten A, Teil 1 u. 2 nicht geführt sind. Bei der bauaufsichtlichen Einordnung der Lehmbau Regeln [2.6] hatte die Fachkommission »Baunormung« der ARGEBAU eine Besonderheit zu beachten: Lehmbaustoffe kann man sowohl vor Ort herstellen, wobei ihre Verwendbarkeit allenfalls durch Handprüfungen nachgewiesen wird, als auch werksmäßig produzieren. Industriell hergestellte Lehmbaustoffe müssen jedoch auf der Grundlage entsprechender Produktnormen bzgl. ihrer Verwendbarkeit nachgewiesen werden. Die Lehmbau Regeln sind keine Produktnormen. Als Kompromiss wurde deshalb ein alle Lehmbaustoffe umfassendes Verfahren gewählt: Aufnahme in die Liste C als »nicht geregelte Bauart« und Einstufung der Lehmbaustoffe in die Kategorie »sonstige Bauprodukte« mit Befreiung von der NachweispÁicht. Darüber hinaus wurde die Anwendung der Lehmbau Regeln auf den Bereich der Wohngebäude bis zu zwei Vollgeschossen und nicht mehr als zwei Wohnungen begrenzt. Für weitergehende Anwendungen bleibt es bei den bauordnungsrechtlichgefordertenVerwendbarkeitsnachweisen. Bei Nachweisen des Brand-, Schall- und Wärmeschutzes sind die entspre176
chenden Normen in der jeweils gültigen Fassung zu beachten. Für den Wärmeschutz sind die Wärmeleitzahlen von Lehmbaustoffen in DIN 4108-4 inzwischen den Lehmbau Regeln entsprechend aktualisiert worden. Diese Einstufung wurde auch für die dritte, überarbeitete Fassung der Lehmbau Regeln 2008 beibehalten [3.41]. Bei der zukünftigen Entwicklung der Lehmbau Regeln müssen für werksmäßig hergestellte Lehmbaustoffe die nach MBO §20 geforderten Nachweise erbracht und dazu detaillierte Produktnormen entwickelt werden. Die derzeitige bauaufsichtliche Einordnung der werksmäßig hergestellten Lehmbaustoffe als »sonstige Bauprodukte« erweist sich für die Produzenten zunehmend als Wettbewerbsnachteil gegenüber zertiÀzierten Baustoffen. Die Lehmbau Regeln sind inzwischen mit Ausnahme von Hamburg und Niedersachsen in alle Landesbauordnungen übernommen worden (Stand Juni 2008). In den genannten Bundesländern gilt der Lehmbau als »nicht geregelte Bauart«, für die im Einzelfall eine Zustimmung eingeholt werden muss, wobei auf die Musterliste des DIBt und die Einführung der Lehmbau Regeln in den anderen Bundesländern verwiesen werden kann. Mit der Herausgabe der Lehmbau Regeln im Jahre 1999 wurde die fast 30 Jahre bestehende Lücke in der bauaufsichtlichen Beurteilung von Konstruktionen aus Lehmbaustoffen geschlossen. Damit verbunden war eine deutliche Verbesserung der Rechtssicherheit auf dem Gebiet des Lehmbaus. Für die Beantragung einer Baugenehmigung für einen »Lehmbau« innerhalb des Geltungsbereiches der Regeln ist nunmehr ein normales Antragsverfahren möglich, während bis zur Einführung der Regeln das aufwändige Verfahren »Zustimmung im Einzelfall« unter Einschaltung der nächsthöheren Genehmigungsbehörde gewählt werden musste. Diese Veränderung war eine entscheidende Voraussetzung
4.1
dafür, dass sich der Lehmbau seit Mitte der 1990er Jahre zu einer kleinen, eigenständigen Branche innerhalb des Bauwesens in Deutschland entwickeln konnte. Inhalt Anknüpfend an die 1971 zurückgezogenen DIN-Vorschriften gehen die Lehmbau Regeln aus vom aktuellen Stand der Technik und den vielfältigen Neuentwicklungen im Bereich der Lehmbaustoffe. Die Lehmbau Regeln bestehen aus den drei Teilen Baulehm (Kap. 2), Lehmbaustoffe (Kap. 3) und Lehmbauteile (Kap. 4) (Bild 4-2). Baulehm deÀniert den zur Herstellung von
Baugewerbliche Grundlagen
Lehmbaustoffen geeigneten Lehm anhand von Prüfkriterien. Die einzelnen Lehmbaustoffe werden hinsichtlich ihrer Zusammensetzung, Verarbeitung, Eigenschaften und Prüfungen beschrieben. Bei den Lehmbauteilen wird in tragende Wände und nichttragende Bauteile (Wände undAusfachungen, Decken, Putz, Trockenbau) unterschieden. Im Kap. 5 sind Baustoff- und Bauteilwerte zusammengefasst. In Kap. 6 werden die wichtigsten Lehm-Bauleistungen den entsprechenden Gewerken bzw. Normen der VOB zugeordnet (Tab. 4-1). Diese Zuordnung ermöglicht die Abgrenzung der Nebenleistungen und Besonderen Leistungen bei der Abrechnung.
Baustoff- u. Bauteilwerte Ѥ, ѩd, ѫ, Brand- u. Schallschutz
Baulehm
Prüfung Lehmbaustoff
Lehmbauteil
tragend
Zusammensetzung
Wände
nicht tragend
Wände u. Ausfachungen
Verarbeitung
Decken
Prüfung
Putz Trockenbau
Bild 4-2
Inhaltliche Struktur der Lehmbau Regeln
177
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
Nr.
Kap. LR
Lehm Bauleistung
Gewerk VOB
entspr. DIN
1 2
4.1.3 4.1.4
Wände aus Lehmsteinen Wände aus StampÁehm
18330 18331
3 4 5 6
4.1.5 4.2 4.3.1 4.3.2
7
4.3.3
8
4.3.4
9 10 11
4.3.5 4.3.6 4.3.7
Wellerwände Gewölbe Ausfachung von Fachwerk-Wänden nichttragende Wände aus StampÁehm nichttragendes Mauerwerk aus Lehmsteinen Wände aus Leichtlehm, feucht eingebaut Wände aus Lehmplatten gestapelte Lehmwände Gespitzte Lehmwände
Maurerarbeiten Beton- u. Stahlbetonarbeiten Maurerarbeiten Maurerarbeiten Maurerarbeiten Beton- u. Stahlbetonarbeiten Maurerarbeiten
12 13 14 15
4.4 4.5 4.6 4.7
Balkendecken Lehmputz StampÁehmfußböden Trockenbau
Tab. 4-1
Beton- u. Stahlbetonarbeiten Maurerarbeiten Maurerarbeiten Beton- u. Stahlbetonarbeiten Maurerarbeiten Putz- u. Stuckarbeiten Estricharbeiten Trockenbauarbeiten
18330 18330 18330 18331 18330 18331 18330 18330 18331 18330 18350 18353 18340
Lehm-Bauleistungen entsprechend den Gewerken der VOB bzw. Normen
4.1.1.4 Ausländische Regelungen zum Lehmbau Die Traditionen in der Herstellung und Verarbeitung von Lehmbaustoffen zu Baukonstruktionen sind von Land zu Land unterschiedlich. Nur in wenigen Fällen sind sie Gegenstand von nationalen Regelungen. Während für das Bauen mit Lehm in Deutschland neben massiven Bauweisen vor allem die Kombination Lehm mit Holz im Fachwerkbau / Holzständerbau typisch ist, werden in ausländischen Lehmbau-Vorschriften überwiegend Baustoffe für »tragende« Bauweisen (Mauerwerk aus Lehmsteinen, StampÁehmbau, Wellerbau) behandelt. In verschiedenen Ländern existieren darüber hinaus auch Regelungen nur für einzelne, besonders typische Lehmbauweisen, z. B. Lehm178
steine. Weiterhin werden besondere natürliche Einwirkungen berücksichtigt, z. B. Erdbeben. Aber auch der Zusatz künstlicher Bindemittel (Kalk, Zement) und Abfallstoffe ist Gegenstand von Vorschriften. Ansätze für eine internationale Harmonisierung nationaler Vorschriften zum Bauen mit Lehm sind bisher kaum zu erkennen, denn dazu ist ihre Zahl noch viel zu gering. Gerade dies ist aber eine Voraussetzung dafür, den Lehmbau mit seinen vielfältigen baustofÁichen, technologischen, konstruktiven und gestalterischen Möglichkeiten auch international von der noch vorherrschenden KlassiÀzierung als traditionelles, an Eigenleistung und Selbsthilfe orientiertes Bauverfahren zu befreien. Eine in
4.1
die Zukunft gerichtete Entwicklung des Lehmbaus kann nur auf der Grundlage einer in Normen geregelten »Ingenieurbauweise« erfolgen, wie z.B. im Mauerwerks- und Betonbau. Der weltweite Informationsaustausch über elektronische Medien hat auch im Lehmbau dazu geführt, dass die Frage nationaler Regelungen zum Bauen mit Lehm auf internationalen Fachtagungen diskutiert, über Erfolge und noch bestehende Probleme berichtet wird. Dabei zeichnen sich unterschiedliche Bewertungen des Lehmbaus zwischen Industrie- und Entwicklungsländern ab: In den Industrieländern wird Lehm als Baustoff vor allem wegen seiner ökologischen und gestalterischen Qualität wieder zunehmend im alltäglichen Bauen eingesetzt. Vorhandene und durch die Industrialisierung im Bauwesen oft über Jahrzehnte verschüttete Lehmbautraditionen werden wieder aufgegriffen und nach heute gültigen technischen Maßstäben weiter entwickelt. In vielen Entwicklungsländern hat es im Gegensatz zu den Industrieländern keine Unterbrechung in der Anwendung von Lehm als Baustoff gegeben. Hier gehört der Lehmbau nach wie vor zur täglichen Baupraxis, die sich jedoch überwiegend im Bereich traditioneller Bauverfahren, Selbstbau und Nachbarschaftshilfe vollzieht. Deshalb wird Lehm hier häuÀg mit Rückständigkeit gleichgesetzt, die man überwinden muss. Lehm ist aber preiswert und fast überall verfügbar. Dagegen gelten Beton und Stahlbeton als »moderne« Baustoffe und Maßstab für Entwicklung. Sie sind für die Masse der Bevölkerung jedoch unerschwinglich. In vielen Entwicklungsländern, besonders in Gebieten mit Gefahren durch Naturkatastrophen wie Erdbeben, wird zunehmend die Notwendigkeit von Regelungen zum Bauen mit Lehm erkannt. Denn ohne Lehm als Baustoff wird man auf absehbare Zeit nicht auskommen.
Baugewerbliche Grundlagen
Harmonisierung im Rahmen der EU Im Zusammenhang mit der Entwicklung des europäischen Binnenmarktes gewinnt die europäische Normung eine immer größere Bedeutung. Die gemeinsame europäische Normeninstitution ist das Europäische Komitee für Normung (CEN), in dem die nationalen Normungsinstitute aller EU-Länder einschl. der Schweiz, Island und Norwegen Mitglieder sind, aus Deutschland das DIN. Diese Normungsinstitute sind gleichzeitig auch Mitglieder in der Internationalen Organisation für Normung (ISO). Europäische Normen (EN) sollen mit den entsprechenden internationalen Normen (ISO) übereinstimmen. In Deutschland erscheinen Europäische Normen als DINEN-Normen, internationale Normen als DINISO-Normen. Die entsprechenden nationalen Normen sind dann zurückzuziehen. Dieser Prozess dauert zur Zeit an. Im Bauwesen existieren neben den EN und EN V (Vornormen) noch Eurocodes (EC), die einheitliche Regeln für den Entwurf, die Bemessung und die Ausführung von Gebäuden und Ingenieurbauwerken im Europäischen Raum deÀnieren: EC 0 Grundlagen der Tragwerksplanung EC 1 Einwirkungen auf Tragwerke EC 2 Bemessung u. Konstruktion von Stahlbeton- u. Spannbetonbauten EC 3 Bemessung u. Konstruktion von Stahlbauten EC 4 Bemessung u. Konstruktion von Verbundtragwerken aus Stahl und Beton EC 5 Bemessung u. Konstruktion von Holzbauten EC 6 Bemessung u. Konstruktion von Mauerwerksbauten EC 7 Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik EC 8 Auslegung von Bauwerken gegen Erdbeben EC 9 Bemessung u. Konstruktion von Aluminiumtragwerken 179
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
Die in den EC allgemein formulierten Anforderungen an Bauwerke werden durch die einzelnen EN präzisiert. Die Bauproduktenrichtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften von 1988 (BPR) formuliert einheitliche Anforderungen an Bauprodukte für das Gebiet der Europäischen Union. Die BPR gilt für alle Bauprodukte, soweit sie dauerhaft in Bauwerke des Hoch- und Tiefbaus eingebaut werden oder für die Erfüllung der in Kap. 4.1.1.3 genannten Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit von Bedeutung sind. Die Verwendung von Bauprodukten, für die es bereits harmonisierte europäische SpeziÀkationen gibt, ist im deutschen BauPG (1992) geregelt. Für diese Bauprodukte ist ein Verwendbarkeits- und Übereinstimmungsnachweis zu erbringen. Sie werden in der Bauregelliste B geführt, die ebenfalls vom DIBt ve röffentlicht wird. Harmonisierte europäische SpeziÀkationen sind (Bild 4-1): – harmonisierte europäische Normen – europäische technische Zulassungen – europäische anerkannte nationale SpeziÀkationen. Sie werden im Auftrag der EU-Kommission vom Europäischen Komitee für Normung (CEN) nach einem bestimmten Verfahren erarbeitet, an dem die Normungsinstitute der europäischen Mitgliedsstaaten beteiligt sind. Die Lehmbau Regeln in Deutschland sind bisher die einzige umfassende nationale Baubestimmung zum Bauen mit Lehm innerhalb der Europäischen Union. In Italien wird derzeit an einer nationalen Regel zum Bauen mit Lehmsteinen gearbeitet [4.2]. In Frankreich wurde eine Vorschrift zum Bauen mit Lehmsteinen bauaufsichtlich eingeführt [4.44]. In Spanien gibt es eine normative Regel zur Errichtung von Konstruktionen aus StampÁehm [4.45], [4.46]. In verschiedenen Ländern wurden die deutschen Lehmbau 180
Regeln in Landessprachen übersetzt und publiziert (Ungarn 2005), oder dies ist nach Erscheinen der überarbeiteten 3. AuÁage 2008 geplant.Vorgesehen ist die Herausgabe einer englischen Übersetzung der Lehmbau Regeln. Eine Weiterentwicklung der deutschen Lehmbau Regeln wird sich langfristig im Rahmen einer europäischen Harmonisierung vollziehen müssen. Für die Gruppe der werksmäßig hergestellten Lehmbaustoffe muss der derzeitige Status der bauaufsichtlichen Einordnung (Liste C) in Richtung einer Einstufung in die Bauregellisten A bzw. B verändert werden. Nach Bild 4-1 werden dazu derzeit drei Möglichkeiten gesehen [3.41]: 1. eine einheitliche nationale Regelung als eigenständige DIN »Lehmbau« mit Einordnung in Bauregelliste A, Teil 1, bzw. Liste B. Diese Norm wird in inhaltlich sinnvoll zu trennende Teile untergliedert. Dabei könnten die vor Ort herzustellenden Lehmbaustoffe in einem eigenständigen Teil geregelt werden. Dies würde mittelfristig die Ablösung der Lehmbau Regeln in der bisherigen Form bedeuten. 2. eine duale nationale Regelung mit zwei bauaufsichtlich unterschiedlich klassiÀzierten Baubestimmungen: Beibehaltung der Lehmbau Regeln mit ihrer bisherigen Einstufung (Liste C). Aus den Regeln werden die werksmäßig hergestellten Lehmbaustoffe herausgelöst und dafür eigenständige DIN-Vorschriften entwickelt (Liste A, Teil 1 bzw. B). 3. eine produktbezogene Regelung der HerstellerÀrmen über eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung anstelle von DIN-Vorschriften. Anzustrebendes Ergebnis: Einordnung in Bauregelliste A, Teil 2, als »nicht geregelte Bauprodukte« bzw. Liste B über den Weg der Europäischen Technischen Zulassung. Der Status der Lehmbau Regeln würde unverändert beibehalten. Die Diskussion über den »richtigen Weg« steht noch ganz am Anfang. Vor dem Hinter-
4.1
grund eines zukünftigen gemeinsamen europäischen Rechtsraumes wird aus der Sicht des DVL eine einheitliche nationale Regelung (Lösungsweg 1, ggf. 2) mit der Option einer europäischen Harmonisierung bevorzugt. Außerhalb der EU Schweiz 1994 gab der Schweizer Ingenieur- und Architektenverein SIA »Regeln zum Bauen mit Lehm« (D 0111) [3.31] heraus. Sie werden ergänzt durch einen »Lehmbauatlas« mit ausgeführten Beispielen und Regeldetails (D 0112). Vorausgegangen war eine zusammenfassende Darstellung zum Bauen mit Lehm mit Bezug zur Schweiz (D 077). Die Schweizer »Regeln zum Bauen mit Lehm« haben den Status einer Empfehlung. Die Regeln wurden im Rahmen eines zweijährigen Forschungsauftrages des Schweizer Bundesamtes für Energiewirtschaft von einer Arbeitsgruppe an der ETH Zürich erarbeitet. Wie in Deutschland, ist auch in der Schweiz die Materialkombination Lehm und Holz typisch, so dass in der Bauregel neben massiven Lehmbauweisen auch Ausfachungen mit Lehmbaustoffen behandelt werden. Die Schweizer Lehmbauregeln gaben einen Anstoß für die Erarbeitung der entsprechenden Regeln in Deutschland drei Jahre später. Zwischen beiden Arbeitsgruppen bestand ein reger Informationsaustausch. Neuseeland Der für die Baunormung in Neuseeland zuständige Standard Council gab im Jahre 1998 drei Normen heraus, die das Bauen mit Lehm auf nationaler Ebene regeln [3.29]: – NZS 4297: 1998 Engineering Design of Earth Buildings – NZS 4298: 1998 Materials and Workmanship For Earth Buildings – NZS 4299: 1998 Earth Buildings Not Requiring SpeciÀc Design
Baugewerbliche Grundlagen
Im NZS 4297 werden Grundsätze für den Entwurf und die Bemessung von Baukonstruktionen aus Lehm deÀniert. Der NZS 4298 regelt die Anforderungen an Baustoffe und deren Verarbeitung zu StampÁehm-, Schüttlehm- und Lehmstein-Konstruktionen. Bei den Lehmstein-Konstruktionen wird unterschieden in solche aus Handstrich-Steinen (adobe) und gepressten Lehmsteinen sowie mit oder ohne Bindemittelzusatz. Im NZS 4299 werden Konstruktionen aus Lehmbaustoffen deÀniert, die keine besondere Bemessung erfordern. Sie sind hinsichtlich Bauwerkshöhe und -grundriss beschränkt, ebenso in Bezug auf Verkehrslasten und weitere Entwurfsparameter. Zur Erarbeitung der Norm wurde vom Standard Council eine technische Arbeitsgruppe berufen, die aus Vertretern neuseeländischer Universitäten, Architekten- und Ingenieurverbände sowie des neuseeländischen Lehmbauverbandes Earth Building Association of New Zealand EBANZ bestand. Gegründet wurde diese AG 1994 ursprünglich als australisch-neuseeländisches Projekt mit dem Ziel der Herausgabe eines gemeinsamen Lehmbau-Standards. Ein Konsens kam jedoch nicht zustande, so dass beide Länder in Bezug auf die Lehmbau-Normung getrennte Wege gingen. Australien In Australien erschien erstmals 1952 eine nationale Bauvorschrift für den Lehmbau. Sie regelte die Bauausführung von Konstruktionen aus StampÁehm, gepressten Lehmsteinen und Handstrich-Steinen (adobe). Die vierte überarbeitete AuÁage wurde 1987 von der damals zuständigen Normungsbehörde CSIRO Australia, Division of Building, Construction and Engineering herausgegeben [3.27]. Im Jahre 2004 veröffentlichte der australische nationale Lehmbauverband Earth Building Association of Australia EBAA eine nor181
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
mative Regel zum Bauen mit Lehm in Australien, die den aktuellen Stand der Baupraxis berücksichtigt [3.28]. Diese Regel war das Ergebnis der Arbeit einer Gruppe australischer Lehmbau-Praktiker unter Federführung des EBAA . Die Regel besitzt den Status einer Empfehlung, da sie von der derzeit zuständigen Normungsbehörde Building Code of Australia BCA offenbar (noch) nicht als nationale Norm bestätigt wurde. Die Organisation Standards Australia gab darüber hinaus im Jahre 2002 ein Handbuch mit dem Titel »The Australian Earth Building Handbook« heraus, das ebenfalls den aktuellen Stand des Bauens mit Lehm in Australien zusammenfasst. Dieses Handbuch hat nicht das in Kap. 4.1.1.3 beschriebene Verfahren mit Beteiligung der Fachöffentlichkeit durchlaufen, weshalb ihr Status als normatives Dokument fraglich ist. Peru In Peru erschien im Jahre 2000 ein Nationaler Lehmbau-Standard, auch als englische Übersetzung [4.3]. Die Norm beschreibt den Entwurf und die Ausführung von Baukonstruktionen aus Lehmsteinen (adobe) unter Berücksichtigung der seismischen Bedingungen in Peru. Sie wurde von einer AG aus Vertretern von Architekten- und Ingenieurverbänden, Universitäten sowie aus der Bauindustrie verfasst und durch die zuständige Normungsbehörde als nationaler Baustandard bestätigt. Indien Das Bureau of Indian Standards veröffentlichte 1993 eine nationale Vorschrift, die die seismische Ertüchtigung von Baukonstruktionen aus Lehmbaustoffen behandelt [4.4]. Als Bautechniken werden erfasst die LehmbatzenBauweise, die Lehmstein- und die Stampflehm-Bauweise. Die Vorschrift gilt für Lehmbaustoffe ohne künstliche Zusätze (Kalk, 182
Zement etc.). Der Anlass für die Erarbeitung dieser Vorschrift war die Feststellung, dass ca. 50 % aller Hauskonstruktionen in Indien aus Lehmwänden bestehen und Einwirkungen aus Erdbeben nur ungenügend widerstehen. Die Vorschrift wurde erarbeitet von einer Gruppe von Fachleuten aus den Bereichen Bauwesen und Architektur, Wirtschaft, Geophysik und Erdbebeningenieurwesen und durch die zuständige Standardisierungsbehörde als nationaler Baustandard bestätigt. Weiterhin existiert in Indien eine nationale Vorschrift zur Errichtung von Baukonstruktionen aus StampÁehm [3.47]. VENKATARAMA REDDY [4.5] hat einen Entwurf für eine indische Baubestimmung zur Herstellung, Verarbeitung und Prüfung von gepressten, stabilisierten Lehmsteinen vorgelegt, der zur Zeit vom Bureau of Indian Standards geprüft wird. Sri Lanka Nach der Tsunami-Katastrophe im Jahre 2006 wurde in Sri Lanka ein Entwurf für einen Baustandard für Konstruktionen aus stabilisierten Lehmsteinen erarbeitet, der 2009 bauaufsichtlich eingeführt werden soll [4.6]. USA Die ersten Lehmbau-Standards wurden in den 1940er Jahren vom National Bureau of Standards veröffentlicht. In den 1970er Jahren wurden diese Vorschriften für die Bundesstaaten Texas, New Mexico, Utah, Arizona, California und Colorado modiÀziert und als Uniform Building Codes (UBC) herausgegeben. Die vorherrschende Bautechnik in allen Vorschriften ist die Lehmstein-Bauweise unter Berücksichtigung von Erdbebeneinwirkungen. Derzeit werden Anstrengungen unternommen, die bestehenden Vorschriften zu aktualisieren. In den Bundesstaaten New Mexico [3.30] und California ist dies bereits geschehen.
4.1
Afrika Afrika ist der Kontinent, in dem Lehmbaustoffe heute noch am umfassendsten im täglichen Gebrauch sind. Technische Regeln zur Qualität von Lehmbaustoffen und deren Verarbeitung sind in verschiedenen Ländern noch aus der Kolonialzeit vorhanden, z. B. in Form von »Technical Notes«. Die DeÀnition von aktuellen Qualitätsstandards zum Lehmbau und ihre Verankerung in gesetzlichen Grundlagen ist deshalb dringend geboten. Mit dem Zusammenwachsen des afrikanischen Kontinents zur »Afrikanischen Union« gewinnt auch die Erarbeitung nationaler und harmonisierter afrikanischer Baustandards immer mehr an Bedeutung. In diese Richtung zielt ein Projekt der Organisation CRAT erre, die in Zusammenarbeit mit der African Regional Organization for Standardization ARSO mit Unterstützung weiterer europäischer Fördergeber im Rahmen der AKP -Entwicklungszusammenarbeit eine Reihe von Standards für die Herstellung, Ver-
4.1.2
Baugewerbliche Grundlagen
arbeitung und Prüfung von gepressten Lehmsteinen erarbeitete. Diese Standards sind im Jahre 1996 durch die ARSO als African Regional Standards ARS bestätigt und genehmigt worden [4.7]. Textentwürfe wurden vorher von einer internationalen Arbeitsgruppe von Fachleuten aus acht Ländern erarbeitet und auf einem AKP-EU -Seminar beraten und beschlossen. Die Umsetzung in nationale Baugesetze dauert an. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang der Zimbabwe Standard Code of Practice for Rammed Earth Structures (SAZS 724:2001) für Konstruktionen aus StampÁehm. Im Jahre 2006 trat in Nigeria ein neues nationales Baugesetz – der National Building Code NBC – in Kraft. Der NBC besteht aus 4 Teilen und enthält im Teil 2 einen Abschnitt 10.23 mit Regelungen zum Lehmbau. Dabei werden Baukonstruktionen aus luftgetrockneten Lehmsteinen (Adobes), StampÁehm und zementstabilisierten Lehmsteinen berücksichtigt [4.32].
Ausschreibung und Vergabe von Bauleistungen
4.1.2.1 Ausschreibung Die VOB unterscheidet die Öffentliche Ausschreibung, die Beschränkte Ausschreibung und die Freihändige Vergabe. Bei der Öffentlichen Ausschreibung wird in einem vorgeschriebenen Verfahren durch eine öffentliche Aufforderung eine unbeschränkte Zahl von Unternehmen um Abgabe eines Angebotes gebeten. Ein analoges Verfahren gilt bei einer Beschränkten Ausschreibung für eine begrenzte Anzahl von Bietern. Bei Freihändiger Vergabe werden Bauleistungen ohne förmliches Verfahren vergeben. Dies ist i. d. R. der Fall bei privaten Bauherren.
Ausschreibungsunterlagen und Leistungsverzeichnisse werden i. d. R. von Architekten oder Bauingenieuren erarbeitet. Die einzelnen Bauleistungen kann grundsätzlich auch jeder Bauherr selbständig ausschreiben. Sparsamkeit an dieser Stelle führt jedoch nicht selten zu Missverständnissen und u. U. zu höheren Kosten. Ein erfahrener Lehmbau-Fachbetrieb wird in diesem Fall jedoch auf Fehler oder Missverständnisse in der Ausschreibung hinweisen und ggf. ein alternatives Angebot abgeben.
183
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
Es ist auch möglich, die Ausschreibungsunterlagen vom voraussichtlich ausführenden Baubetrieb erarbeiten zu lassen. Bei Erteilung des Auftrages kann dieser nicht unerhebliche Planungsaufwand z. B. durch nachträgliche Verrechnung des Stundenaufwandes ausgeglichen werden. Bei der Ausschreibung von Bauleistungen werden alle Bauarbeiten in einem Leistungsverzeichnis aufgelistet, die der Auftraggeber durch ein kompetentes, zuverlässiges und leistungsfähiges Bauunternehmen zu einem genau kalkulierten, marktüblichen Preis ausführen lassen will. Dies ist nur möglich, wenn die erwarteten Bauleistungen sowie ihre erwartete Qualität möglichst exakt beschrieben werden. Bei der Formulierung der einzelnen Positionen muss das gesamte Bauvorhaben in seinem technologischen Ablauf durchdacht und in Teilschritten erfasst werden. Aussagefähige, aktuelle Ausschreibungstexte für Lehmbauarbeiten sind derzeit noch eher selten. Zu empfehlen sind deshalb Texte von Leistungsverzeichnissen, die sich bereits bewährt haben. Solche Texte Ànden sich in verschiedenen Standardwerken, z.B. [4.8], [4.9],
[4.10]. In Anlehnung an die Gewerkestruktur des Standardleistungsbuches werden Ausschreibungstexte in [4.8] in eigenen »Lehmbau-Gewerken« zusammengefasst: 912 Maurerarbeiten Lehm 913 Lehm-Nasstechniken 923 Putzarbeiten 925 Estricharbeiten 934 Malerarbeiten 939 Trockenbauarbeiten. Die Ziffern an der zweiten und dritten Stelle entsprechen dabei den bekannten allgemeinen Gewerkenummern, z. B. 013 Betonarbeiten. Die angegebenen Preise sind Durchschnitts-Nettopreise ohne Mehrwertsteuer. Aber auch HerstellerÀrmen von Lehmbaustoffen bieten entsprechende Texte an. Diese sind dann jedoch i. d. R. auf das oder die Produkte des jeweiligen Herstellers bezogen. In der Ausschreibung sollte weiterhin klar deÀniert werden, welche Qualität der Lehmbauarbeiten erwartet wird. HäuÀge Streitfälle sind z. B. Risse in Lehmputzen, Farb- und Strukturabweichungen von LehmoberÁächen oder Abwitterungen von StampÁehmoberÁächen.
4.1.2.2 Kalkulation Für die verschiedenen Positionen des Leistungsverzeichnisses werden die entsprechenden Mengen bestimmt, für die der Baubetrieb jeweils einen Einheitspreis festlegt. In den Einheitspreis gehen ein: die Lohnkosten, die Materialkosten und die Kosten für Umlagen. Zu den Materialkosten gehören die Kosten für Baustoffe (mit / ohne Transportkosten), Kosten für spezielle Werkzeuge und Geräte, Dienstleistungen und spezielle Versicherungen, Wasser und elektrischen Strom. Auf die Einheitspreise oder Stundensätze müssen die Kosten des gesamten Betriebes, z. B. für Maschinen, Werkzeuge und Kleinteile, Ausrüstung, Fahrzeuge, Mietkosten, Buchhaltung, Steuerbera184
tung, Versicherungen, Wagnis und Gewinn des Unternehmers umgelegt werden. Zu den Lohnkosten gehören neben den direkten Stundenlöhnen z. B. auch die Kosten für Auslösungen, Übernachtungen und sonstige Nebenkosten. Die Lohnkosten je Einheit auszuführender Tätigkeit lassen sich mit Richtzeitwerten für Lehmbauarbeiten kalkulieren. Jeder Bauunternehmer wird dazu seine eigenen Planzahlen entwickeln. Der Dachverband Lehm e.V. hat entsprechende Richtzeitwerte für die Bauteile Wand, Decke und Putz als Orientierung für die Kalkulation von Lehmbauarbeiten angegeben [3.7] (Tab. 4-2):
4.1
Baugewerbliche Grundlagen
Nr.
Bauteil
Arbeitszeit [Min. / m, m2, m3]
1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 1.9 1.10 1.11
Wand StampÁehm Mauerwerk Grünlinge 2DF/11,5 Mauerwerk Grünlinge 3DF/17,5 Mauerwerk, 10 cm, großformatige Elemente Zulage: Holzständer ausmauern Zulage: Sichtmauerwerk einseitig Zulage: Öffnungen überdecken, ca. 1m Neuausfachung Mauerwerk Zulage: Sichtfachwerk Innenschale LL-Mauerwerk, d = 11,5cm Innenschale LL-Mauerwerk, d = 10cm; großformatige Elemente + Hinterfüllung ca. 3cm LL-Wand, 30cm Innenschale HLL, 15cm Innenschale Schilfrohrplatte, 5cm Innenschale Holzweichfaserplatte, 6cm Innenschale HWL-Platte, 5cm Neuausfachung historische Technik Gefachreparatur, SL Áächig Gefachreparatur, kleine Ausbesserungen Stapeltechnik, Grünlinge DF Trockenbau-Unterkonstruktion, Wand (Holzlatten) Beplankung Lehmbauplatte Lehm-Trockenputzplatte geklebt, Wand Putz Sumpfkalk-Außenputz, zweilagig Zulage: Sichtfachwerk außen Grundierungen Schlämmen Lehm-Unterputz, Wand Lehm-Oberputz, Wand Lehm-Oberputz, Wand, einlagig Lehm-Feinputz, Wand Lehm-Farbputze Lehm-Streichputze Ausgleichsschichten Wand Rohrgewebe auf Wandbalken Rohrgewebe Wand, Áächig Schlämme als Vorbereitung Vorspritzen Armierung Áächig, Jute Armierung Áächig, Glasgewebe Putzeckleisten Kanten ausarbeiten Flächen als Sichtfachwerk OberÁächen besondere Ausführung Decke Stakendecke + 6 cm SL Wickelstakendecke + 6 cm SL
8 –12 h / m3 48 – 92 53 – 110 35 – 55 10 30 20 – 25 55 – 90 18 55 – 70 40 – 55 + 16
1.12 1.13 1.14 1.15 1.16 1.17 1.18 1.19 1.20 1.21 1.22 1.23 2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 2.9 2.10 2.11 2.12 2.13 2.14 2.15 2.16 2.17 2.18 2.19 2.20 2.21 3 3.1 3.2
100 –160 65 – 85 30 – 38 27 – 35 27 – 35 120 –135 35 – 80 15 – 22 25 – 30 35 35 28 – 36 40 25 6–8 6 –12 13 – 17 14 –19 20 – 25 12 –17 19 – 25 6 –10 12 –16 6 11–16 6 –12 6 8 –10 3–7 7 15 (–30) 5–7 5 –7
Tab. 4-2
95 145
Kalkulation von Lehmbauarbeiten, Richtzeitwerte
185
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
4.1.2.3 Vergabe Um einen Wettbewerb zu sichern, wird empfohlen, Angebote mehrerer Bauunternehmen einzuholen. Die Bauleistungen sollen an kompetente, leistungsfähige und zuverlässige Baubetriebe zu marktüblichen Preisen vergeben werden. Dabei gilt der Grundsatz, dass das überzeugendste technische Angebot den Zuschlag erhält, wenn es im Durchschnitt der Angebote der übrigen Bewerber liegt. »Dumping«-Angebote erscheinen auf den ersten Blick verlockend. Sie bergen aber die Gefahr von Unwägbarkeiten in sich und sollten deshalb sorgfältig geprüft werden, z. B. durch zusätzliche Bietergespräche. Gegenüber einem Bieter sollte nicht erwähnt werden, welche anderen Bewerber Angebote gemacht haben. Das könnte Preiseinschätzungen der Mitbewerber oder Preisabsprachen fördern. Von ausschreibenden Stellen wird häuÀg die Frage nach der Fachkompetenz von Bauunternehmen im Lehmbau gestellt. Ein Baubetrieb, der sich um die Vergabe von Bauleistungen im Lehmbau bewirbt, sollte auch sicher sein, diese Leistungen in der geforderten Qualität erbringen und dies durch entsprechende Referenzen belegen zu können. In diesem Zusammenhang ist eine gezielte fachliche QualiÀzierung der Mitarbeiter von entscheidender Bedeutung und ein Wettbewerbsvorteil. Der DVL vermittelt entsprechende Fach-
4.1.3
kenntnisse auf der Grundlage der von ihm herausgegebenen Lehmbau Regeln in einem Kursangebot »Fachkraft für Lehmbau« zur beruflichen Weiterbildung [3.7]. Die Absolventen dieses Kurses erhalten ein Zeugnis der Handwerkskammer und damit die Möglichkeit, einen Gewerbeeintrag bei der zuständigen HWK auf der Grundlage der Handwerksordnung §8 zu beantragen. Das Bauunternehmen des Absolventen erhält weiterhin das Recht, ein »Rundsiegel« des DVL »Fachbetrieb Lehmbau« zu führen. Eine Liste dieser Fachbetriebe steht auf der Internetseite www. dachverband-lehm.de zur Verfügung und kann ausschreibenden Stellen zur Orientierung dienen. Nach Erteilung des Zuschlages haben die Vertragspartner die Möglichkeit, einen Werkvertrag nach BGB oder einen Bauvertrag nach VOB zu vereinbaren. Der VOB -Vertrag hat eine Gewährleistungsfrist von 4 Jahren und ist den besonderen Bedingungen des Bauens besser angepasst. Der BGB -Vertrag umfasst eine Gewährleistungsfrist von 5 Jahren und gilt automatisch, wenn die VOB nicht ausdrücklich vereinbart wurde. Es besteht auch die Möglichkeit, einen Bauvertrag nach VOB mit einer Zusatzklausel über eine fünfjährige Gewährleistungsfrist nach BGB zu vereinbaren. Die wichtigsten rechtlichen Grundlagen sind in der VOB Teil B, §§ 1-18 deÀniert.
Ausführung von Bauleistungen
4.1.3.1 Bauleitung Das Tätigkeitsfeld eines Bauleiters ist in den Landesbauordnungen eindeutig beschrieben. Danach steht der Bauleiter gegenüber der Bauaufsichtsbehörde in der Verantwortung in folgenden Bereichen: 186
– Einhaltung der relevanten Vorschriften, insbesondere des Gesundheits-, Arbeits- und Brandschutzes durch alle am Bauvorhaben beteiligten Unternehmen, – Einholen der für den reibungslosen Bauab -
4.1
lauf notwendigen Genehmigungen, – Ausführung der Bauleistungen gemäß Planunterlagen und erteilter Baugenehmigung. Die Bauleitung durch einen Architekten oder Bauingenieur wird oft der »Bauüberwachung« nach Leistungsphase 8 entspr. Honorarordnung für Architekten und Ingenieure HOAI gleichgesetzt. Die Bauüberwachung beinhaltet aber nicht notwendigerweise die Verantwortung gegenüber der Bauaufsichtsbehörde. Vielmehr muss bzw. kann eine Tätigkeit als Bauleiter im Sinne der LBO als »Besondere Leistung« vereinbart werden. Die Lehmbau Regeln [2.6] schreiben vor, dass Baustoffaufbereitung und Bauausführung von einer im Lehmbau erfahrenen Person angeleitet werden müssen. Dies gilt in besonderem Maße für tragende Lehmbauteile, vor allem Gewölbekonstruktionen, und für das Einbringen von Eigenleistungsanteilen. Dazu gehört auch die Veranlassung der Herstellung vorgeschriebener Prüfkörper. Als »erfahren« gelten dabei solche Personen, die sich ausreichende theoretische Kenntnisse im Lehmbau angeeignet und darüber hinaus entsprechende praktische Erfahrungen bei der Ausführung von Lehmbauten erworben haben. Ein Architekt oder Bauingenieur, der noch keine Erfahrungen im Lehmbau besitzt, aber einen Auftrag zur Bauüberwachung oder Bauleitung einer Lehmbaustelle übernehmen will, muss sich vor Aufnahme seiner Tätigkeit mit den speziÀschen Materialeigenschaften des
Baugewerbliche Grundlagen
Baustoffes Lehm und den besonderen Anforderungen an Konstruktionen aus Lehmbaustoffen vertraut machen. Dies betrifft insbesondere Fragen der Bauwerkstrocknung und des Schutzes anderer Bauteile vor Durchfeuchtung, vor allem aber Maßnahmen für einen permanenten Wetterschutz während der Bauausführung und der Trockenzeiten sowie nach Fertigstellung der Bauleistungen. Der ausführende Fachbetrieb hat die Funktion der Bauleitung in seinem eigenen Verantwortungsbereich inne, d. h. er ist nur für die von seinem Unternehmen zu erbringenden Teilleistungen verantwortlich. Dazu gehört insbesondere die Gewährleistung der Sicherheit für alle am Bauprozess Beteiligten sowie die Vermeidung von Umweltschäden. Er muss sich ggf. mit den übrigen am Bau beteiligten Gewerken abstimmen. Alle Forderungen seitens der Bauherrschaft, die über den eigenen Verantwortungsbereich deutlich hinausgehen, müssen gesondert vertraglich geregelt und vergütet werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass der Bauherr die Leitung des eigenen Bauvorhabens übernimmt. Hier gelten die Hinweise der Lehmbau Regeln zur Bauleitung in besonderem Maße, vor allem wenn der Bauherr keine Erfahrungen in der Bauausführung mit Lehmbaustoffen hat. Ausführende Baubetriebe sollten alle Absprachen mit dem Bauherren schriftlich festhalten und gegenzeichnen lassen.
4.1.3.2 Bauausführung Bei der Bauausführung müssen die entsprechenden Hinweise der Lehmbau Regeln [2.6] und die Angaben der Baustoffhersteller beachtet werden. Bei Widersprüchen mit anderen Regelwerken gilt der »Stand der Technik«. Gegebenenfalls ist der Rat der betreffenden Hersteller einzuholen. Bei erheblichen Zwei-
feln können nach VOB, Teil B §4 »Bedenken« angemeldet werden. Nicht selten wird von Bauherren die Frage nach der Möglichkeit des Einbringens von Eigenleistungsanteilen bei der Aufbereitung und Verarbeitung von Lehmbaustoffen gestellt. Dieser Wunsch wird oft noch bestärkt 187
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
durch Wochenendkurse privater Anbieter, in denen auch Laien »alles« über den Lehmbau erfahren können. Der Gedanke des »Selbstbaus« besitzt im Lehmbau eine lange Tradition. Der Lehmbau in Entwicklungsländern wird als »Nicht-Ingenieur-Bauweise« klassiÀziert und nahezu vollständig in Eigenleistung oder Nachbarschaftshilfe, d. h. ohne eine BauÀrma ausgeführt. Auch in Deutschland war es früher vor allem in ländlichen Regionen üblich, Häuser aus Lehm »selbst« zu bauen. Neben Ackerbau und Viehzucht beherrschte ein Landwirt auch lokale Techniken des Haus- und Lehmbaus. So konnten »technologische Pausen« im Ackerbau mit Bautätigkeit ausgefüllt werden. Stadthäuser aus Lehm wurden in früheren Jahrhunderten von »Kleibern« ausgeführt (Bild 1-20). Diese standen innerhalb der Bauzünfte im Ansehen auf einer niedrigen Stufe. Dieses geringe Ansehen wurde auch auf den Baustoff selbst übertragen. In der Literatur zur Baugeschichte Ànden sich vor allem Konstruktionen aus Stein und Ziegeln, Holz und Fachwerk. Auf Lehmhäuser wird man nur selten stoßen, sie erschienen zu alltäglich und lohnten nicht der Beschreibung. Stadthäuser aus gebrannten Ziegeln waren kein Gegenstand des »Selbstbaus«. Sie wurden von Baumeistern geplant und auch unter ihrer Aufsicht ausgeführt. Niemand würde deshalb heute in Deutschland auf die Idee kommen, für Laien Wochenendkurse zum
Mauerwerksbau mit Ziegeln anzubieten. Der Selbstbau mit Lehm spielte auch eine große Rolle nach beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts. Aus dieser Zeit haftete dem Lehmbau noch über Jahrzehnte ein »Nachkriegsimage« an. Diese Gedanken spielten auch eine Rolle in Diskussionen von Lehmbau-Interessierten Anfang der 1990er Jahre, als der Lehm als Baustoff unter ökologischen Aspekten »wiederentdeckt« und über seine Zukunftschancen gestritten wurde. Nicht wenige Lehmbauer wollten sich Freiheiten in der Bauausführung bewahren und befürchteten, durch Vorschriften wie im Mauerwerks- oder Betonbau das Bauen mit Lehm »tot zu regeln«. Die weitere Entwicklung zeigte aber, dass Lehm als Baustoff nur dann gesellschaftliche Akzeptanz Àndet, wenn er wie ein »normaler« Baustoff angesehen wird, was das Vorhandensein und die Anwendung aktueller Bauvorschriften einschließt. All dies muss ein Bauherr bedenken, wenn er sich entschließt, Lehmbaustoffe selbst verarbeiten zu wollen. Grundsätzlich sollte er sich vom Hersteller in die Lehmbauarbeiten gründlich einweisen lassen und diese nur unter Anleitung ausführen. Gegenüber dem bauausführenden Betrieb müssen die in Eigenleistung erbrachten Arbeiten klar abgegrenzt werden, damit im Falle von Baumängeln die Frage der Gewährleistung geklärt werden kann.
4.1.3.3 Abschluss von Bauleistungen Die Abnahme von Bauleistungen sollte immer in einem Protokoll schriftlich festgehalten werden, z. B. nach VOB , Teil B §4. Sie kann auch »stillschweigend« erfolgen, z. B. durch den Einzug in ein fertiggestelltes Haus. Mit dem Termin der Abnahme beginnt die Gewährleistungsfrist. Innerhalb dieser Frist hat der 188
Bauunternehmer für die von ihm erbrachte Leistung eine mängelfreie Funktion zu gewährleisten. Treten Mängel auf und werden sie angezeigt, hat er diese auf eigene Kosten zu beseitigen. Die Gewährleistungsfristen sind abhängig von der Art des Bauvertrages (Kap. 4.1.2.3).
4.2
Die Erfahrungen vieler Anbieter von Lehmbauleistungen zeigen, dass von ihnen besonders lange Gewährleistungsfristen erwartet werden [3.7]. In diesen Fällen sind Bauherren nicht selten der Ansicht, die Verarbeitung von Lehmbaustoffen besäße noch »experimentellen Charakter« und ihnen würden dadurch unzumutbar hohe Risiken aufgebürdet. Ein erfahrener Lehmbau-Fachbetrieb kann hier die gute Qualität seiner Arbeit dagegen setzen, denn der moderne Lehmbau ist seinen »Kinderschuhen« längst entwachsen. Und dies nicht zuletzt durch in Vorschriften verankerte Qualitätsstandards, auf die sich eine BauÀrma berufen kann und die den Lehmbau heute nicht mehr von anderen Bauleistungen unterscheiden. Eine weitere Erfahrung der Anbieter von Lehmbauleistungen ist, dass Situationen vermieden werden sollten, in denen nur noch
4.2
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
der Lehmbau-Unternehmer in der Gewährleistung steht, diese für die anderen am Bau beteiligten Unternehmen aber bereits abgelaufen ist. In diesen Fällen könnte bei auftretenden Baumängeln versucht werden, sich am juristisch noch »greifbaren« Unternehmen schadlos zu halten, unabhängig vom Verursacher der Mängel. Bei innerhalb der Gewährleistungsfrist aufgetretenen Mängeln sollten diese durch den Bauunternehmer unverzüglich beseitigt werden. Eine Beseitigung von Mängeln, die nach Ablauf der Gewährleistungsfrist auftreten, sollte grundsätzlich abgelehnt werden. Eine Kulanz könnte in diesem Fall als »Eingeständnis von Schuld« gewertet werden. Die Abnahme des Bauzustands nach Beseitigung der Mängel sollte ebenfalls in einem schriftlichen Protokoll festgehalten werden.
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
Bei der Planung von Konstruktionen aus Lehmbaustoffen sind die allgemeinen Forderungen der Gebrauchstauglichkeit nach §3, Abs. 2 MBO einzuhalten (Kap. 4.1.1.3). Weiterhin sind einige allgemeine baustoffspeziÀsche Grundsätze zu beachten: 1. Bei feuchter Verarbeitung von Lehmbaustoffen, insbesondere solchen mit hohem organischem Faseranteil, ist eine möglichst schnelle Austrocknung zu gewährleisten, z. B. durch Querlüftung oder ggf. durch künstliche Trocknung (Kap. 3.3.3). Andernfalls können Schimmelbildung und Verrottung die Folge sein. 2. Die Aufbringung von Lasten auf tragende Lehmbauteile darf erst nach deren ausreichender Trocknung erfolgen, wenn Verformungen aus Setzungen und Schwinden weitgehend abgeschlossen sind.
3. Während der Bauausführung ist ein angepasster Wetterschutz sicherzustellen. Alle auf der Baustelle gelagerten Lehmbaustoffe sowie in Ausführung beÀndlichen oder bereits fertiggestellten Lehmbauteile (insbesondere aus Hohlkammersteinen) müssen durch geeignete Abdeckungen vor Niederschlägen geschützt werden. Vor allem ist Stauwasser auf wasserundurchlässigen Decken und Fußböden zu vermeiden. 4. Generell ist auf einen üblichen konstruktiven Feuchteschutz zu achten. Für Lehmbauteile muss in besonderer Weise gewährleistet sein: – Ausschluss des Kontaktes mit aufsteigender und seitlicher Bodenfeuchte sowie Spritzwasser durch entsprechende Anordnung von Sperrschichten, – Ausschluss des Kontaktes mit stehendem 189
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
Wasser während des gesamten Bau- und Nutzungszustandes, z. B. in Havariesituationen. 5. Um eine qualitätsgerechte Verarbeitung der Lehmbaustoffe zu Lehmbauteilen zu gewährleisten, müssen die in den Lehmbau Regeln [2.6] festgelegten Prüfungen in den entsprechenden Umfängen durchgeführt und die Einhaltung der Kriterien ggf. im Rahmen einer baubegleitenden Überwachung nachgewiesen werden. Die Erfüllung dieser Forderungen sichert einen uneingeschränkten Gebrauch
des Gebäudes während der vorgesehenen Nutzungsdauer. Wegen der Besonderheiten des Materials sollten Bauwerksplaner auch über allgemeine Kenntnisse zurVerarbeitung von Lehmbaustoffen zu Bauteilen verfügen. Produktbezogene Verarbeitungshinweise werden i. d.ÛR. durch die einzelnen Hersteller gegeben. Tab. 4-3 zeigt vereinfacht, welche Lehmbaustoffe zu bzw. in welchen Bauteilen verarbeitet werden können [1.28].
ungeformt Baustoff Stampf- Weller- Strohlehm lehm lehm
Bauteil
Fußboden
•
Wand, tragend
•
•
Wand, nicht tragend
•
•
Decken und Dach
Leichtlehm
geformt LehmLehmschüttung mörtel
Lehmsteine
Lehmplatten
•
•
•
•
•
•
• •
• •
• •
•
•
•
•
•
•
Trockenbau Putz
Tab. 4-3
4.2.1
Verwendung von Lehmbaustoffen in den verschiedenen Lehmbauteilen – Übersicht
Fundamente, Kellerwände und Sockel
Erdberührte Bauteile wie Fundamente und Kellerwände sollen grundsätzlich nicht aus Lehmbaustoffen, sondern aus wasserunempÀndlichen Materialien (Beton, gebrannte Ziegel, Naturstein) ausgeführt werden. Auf den Fundamenten bzw. Kellerwänden wird bis mindestens 50 cm über GOK ein Spritzwasser190
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sockel aus wasserunempÀndlichen Baustoffen aufgeführt, der ggf. auf der Außenseite zusätzlich mit einem wasserabweisenden Putz bzw. Anstrich zu versehen ist. Die Fuge Sockel – aufgehende Lehmwand ist mit einer Horizontalsperre gegen aufsteigende Feuchte abzudichten. Vorspringende
4.2
Sockel sind zu vermeiden, da sich sonst das ablaufende Niederschlagswasser am Fußpunkt der aufgehenden Lehmwände staut und diesen Bereich durchfeuchtet. Auf wasserundurchlässigen Fundament- und
4.2.2
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
Deckenplatten aufgehende Lehmwände sind auf einer mindestens 5 cm starken, horizontal gesperrten Schicht aus wasserunempÀndlichem Material anzulegen.
Fußböden
Fußböden aus gestampftem Lehm waren auch in Deutschland im Bereich des traditionellen Bauens weit verbreitet. Sie bildeten den unteren Raumabschluss in der »guten Stube«, aber auch in den Wirtschaftsbereichen des Hauses, z. B. als Tennen. Kellerfußböden aus StampÁehm erwiesen sich vor allem zur Lagerung von Obst und Gemüse als vorteilhaft. Bei traditioneller Herstellung eines Stampflehmfußbodens wurde zunächst auf ein ebenes Planum eine ca. 10 cm starke Sperrschicht aus fettem Lehm aufgebracht und verdichtet. Darauf folgte eine kapillarbrechende Schicht aus Grob- bis Feinkies in einer Stärke von 20 – 25 cm. Der anschließende Einbau des Stampflehms erfolgte in Lagen zu ca. 6 – 7 cm bis zu einer Gesamtstärke von ca. 20 cm mit einer Einbaukonsistenz halbfest – steif. Jede Lage wurde intensiv verdichtet und musste austrocknen. Entstandene Risse wurden von den nachfolgenden Schichten überdeckt. Die letzte Schicht (Estrich) wurde nach dem Abgleichen und Verdichten zusätzlich mit einem Áachen Brett »dicht bei dicht« geschlagen, bis Porenwasser austrat und die OberÁäche »speckig« glänzte. Dadurch erhöhte sich die mechanische Stabilität der OberÁäche des Fußbodens. Für diesen Zweck wurden in die oberste Schicht auch häuÀg Ziegel- oder Kieselsteine in besonderen Mustern eingelegt. Bei der Ausführung moderner Baukonstruktionen aus StampÁehm werden heute auch wieder Fußböden aus StampÁehm hergestellt (Bild 4-3), so z. B. bei den Projekten »Kapelle der Versöhnung Berlin« [4.14] oder »An-
dacht Zentralklinikum Suhl« [4.11] (Bild 4-4). In beiden Projekten wurde die OberÁäche des Fußbodens mit eingelassenem Hartwachs stabilisiert. Damit wurde z. B. der Forderung nach der Einsatzmöglichkeit von Kehrmaschinen oder des Betretens mit nassem Schuhwerk entsprochen. Bei der Herstellung von StampÁehmfußböden muss eine Bewegungsfuge Fundament (ggf. Kellermauerwerk) – Lehmfußboden ausgebildet werden. In Gebieten mit hoch stehendem Grundwasserspiegel sollte auf StampÁehmfußböden generell verzichtet werden. Darüber hinaus gelten alle üblichen Forderungen in Bezug auf Spritzwassersockel ( 50 cm über OKG ), Feuchtigkeitssperren im Mauerwerk und Bauwerksdrainage. In den Lehmbau Regeln [2.6] werden keine Anforderungen an die Festigkeitseigenschaften von StampÁehmfußböden formuliert. Obwohl als »nicht tragend« klassiÀziert, sind Fußböden aus StampÁehm vor allem im öffentlichen Raum einem erheblichen Verschleiß ausgesetzt. Empfohlen wird deshalb, bzgl. Druckfestigkeit und Schwindmaß die Mindestanforderungen wie bei tragenden Wänden aus StampÁehm anzusetzen (Kap. 3.6.2.2).
191
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
1 2 1 Kapillarbrechende Kiessand-Schicht ca. 15 – 20 cm 2 StampÁehm lagenweise (6 – 7 cm) ca. 15 – 20 cm
Bild 4-3
StampÁehm-Fußboden, Prinzipieller Aufbau [1.28]
Bild 4-4
StampÁehm-Fußboden; Andacht Zentralklinikum Suhl
4.2.3
Wandkonstruktionen
Der Begriff »Wand« im Sinne eines Bauteils hat seinen Ursprung im Althochdeutschen / Indogermanischen und bedeutet in etwa ein senkrecht stehendes »GeÁecht, das mit Lehm bestrichen ist« (wikipedia). Wände können nach verschiedenen Kriterien unterschieden werden, z. B. nach dem Material, der Bauweise und der Funktion. In Bezug auf die Funktion kann die Wand Teil eines Gebäudes sein oder aber ein Grundstück oder eine Fläche umfrieden. Grund192
stücksmauern, aber auch Stadtbefestigungen aus Lehmbaustoffen sind noch heute in ländlichen Regionen oder historischen Stadtzentren anzutreffen (Bild 4-5). Auch die Große Chinesische Mauer ist in weitestem Sinne eine Wandkonstruktion (Bild 1-6). Auf ein Gebäude bezogen unterscheidet man Innen- und Außenwände. Für die Bemessung von Konstruktionen ist die statische Funktion von Bedeutung, also eine Unterscheidung in tragende und nicht tragende Wände.
4.2
Im traditionellen Lehmbau Mitteleuropas wurden die Baustoffe StampÁehm, Wellerlehm und Lehmsteine (Lehmbatzen) vor allem zu tragenden Wänden in eigenständigen Bauweisen verarbeitet. Weiter verbreitet waren darüber hinaus Kombinationen aus einem tragenden Holzskelett und Lehm als nicht tragendem Ausfachungsmaterial im Fachwerkbau. Im Vordergrund des modernen Lehmbaus steht dagegen die Kombinationsfähigkeit von Lehmbaustoffen mit anderen Baumaterialien (Tragskelett, Dämmstoffe) und ihr bauteilbezogen differenzierter Einsatz im nicht tragenden Bereich. Anwendungen im tragenden Bereich gibt es bisher erst wieder vereinzelt. Tab. 4-4 zeigt eine Übersicht der VerwenStampf- Wellerlehm lehm Wand, tragend
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Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
dung von Lehmbaustoffen für Wandkonstruktionen entspr. ihrer Funktion. In Entwicklungsländern der ariden und semiariden Klimaregion, aber auch in Australien und im Südwesten der USA wird mit Lehmbau nach wie vor die Vorstellung von tragenden Wänden verbunden und Lehm überwiegend in dieser Form verarbeitet [3.27], [3.30]. Neben ihrer statischen Funktion bestimmen die Wände die Form und Raumstruktur eines Gebäudes und erfüllen bauphysikalische und raumklimatische Aufgaben. An WandoberÁächen werden heute darüber hinaus besondere Anforderungen in Bezug auf Ästhetik und Gestaltung gestellt.
Lehmsteine
Strohlehm
Leichtlehm
Lehmplatten
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Lehmmörtel
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Wand, nicht tragend – Trennwände, innen – historische Gefache – Innenschalen – Neubau Holzständer, Ausfachung
Tab. 4-4
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Verwendung von Lehmbaustoffen in Wandkonstruktionen – Übersicht
Bild 4-5 Einfriedungsmauer aus StampÁehm, Region Grenoble / Frankreich
193
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
4.2.3.1 Tragende Wände aus Lehmbaustoffen Wände und Wandabschnitte gelten als tragend, wenn sie vertikale und / oder horizontale Lasten aufnehmen und / oder als Knickaussteifung für tragende Wände dienen. Mangels systematischer Forschung sind die Kenntnisse über die Festigkeitseigenschaften und das Tragverhalten von Lehmbaustoffen bisher nur begrenzt. Die daraus resultierende Unsicherheit Àndet ihren Ausdruck in hohen Sicherheitszuschlägen im Vergleich zu Konstruktionen aus Beton und Ziegelmauerwerk. Die Möglichkeit einer wirtschaftlicheren Bemessung könnte den Umfang der Anwendungen im tragenden Bereich sicher vergrößern. Eine Umstellung des Bemessungsverfahrens auf Teilsicherheitsbeiwerte gemäß DIN1055100 steht noch aus. Ob dies jedoch zu einer wirtschaftlicheren Bemessung führen würde, kann derzeit nicht beurteilt werden. Bemessung tragender Wände aus Lehmbaustoffen Überblick Bemessungskonzepte Ein Bemessungskonzept umfasst allgemein ein Berechnungsverfahren mit einem Sicherheitskonzept. Berechnungsverfahren Man unterscheidet das vereinfachte und das genauere Berechnungsverfahren. Beim vereinfachten Verfahren sind die Rechenannahmen (z. B. linearer Spannungsverlauf) und die Bemessung selbst einfacher als bei dem genaueren Verfahren. In den Berechnungsgleichungen wird der Sicherheitsabstand nicht explizit ausgedrückt, sondern ist bereits in die zulässigen Spannungen ein gearbeitet. Zusätzlich können den Nachweis komplizierende Beanspruchungen vernachlässigt werden. Auch sie sind bereits durch den Sicherheitsabstand, die Reduzierung der zulässigen Spannungen oder konstruktive Vor194
gaben und Regeln erfasst. Die Anwendung des vereinfachten Verfahrens bedingt jedoch die Einhaltung bestimmter Grenzen, z. B. Anzahl der Geschosse, Querwandabstände, Wandhöhen etc. Damit wird gewährleistet, dass das Bemessungsergebnis in jedem Fall auf der sicheren Seite liegt, aber gleichzeitig nicht zu unwirtschaftlich und folglich nicht zu weit vom Ergebnis einer genaueren Bemessung entfernt ist. Das genauere Verfahren kommt überall da zum Einsatz, wo die Anwendungsgrenzen des vereinfachten Verfahrens nicht eingehalten werden oder wo die Standsicherheit eines ganzen Bauwerkes bzw. einzelner Geschosse oder Bauteile nachgewiesen werden soll. Das genauere Verfahren erfasst z. B. die Rahmenwirkung zwischen Wand und Decke sowie den KnickeinÁuss wirklichkeitsgetreuer, woraus für die einzelnen Nachweise i. d. R. ein größerer rechnerischer Aufwand resultiert. Mit dem genaueren Verfahren können die Regeln des vereinfachten Verfahrens abgeleitet werden. Damit wird gewährleistet, dass die Sicherheit der vereinfacht nachgewiesenen Bauteile nicht unter denen liegt, die eine genaue Berechnung ergeben würde. Sicherheitskonzept In Bezug auf das Sicherheitskonzept unterscheidet man drei Methoden für den Nachweis der Standsicherheit: – Nachweis der zulässigen Spannungen nach dem vereinfachten Verfahren – Nachweis der Traglast nach dem genaueren Berechnungsverfahren – Teilsicherheitsverfahren in den Eurocodes. Der Nachweis der Standsicherheit mittels der zulässigen Spannungen wird mit dem vereinfachten Verfahren und der Bedingung vorh. Ʊ zul. Ʊ geführt. Die vorhandenen Spannungen sind
4.2
für den Gebrauchszustand als Nachweisebene zu ermitteln und mit den zulässigen Spannungen zu vergleichen. Die in Normen deÀnierten zulässigen Spannungen und konstruktiven Grenzen enthalten bereits den erforderlichen Sicherheitsabstand gegenüber dem Tragwiderstand. Die zulässigen Spannungen beruhen auf einem festgelegten und bewährten globalen Sicherheitsabstand zwischen dem Rechenwert und dem Mittelwert der im Labor im Kurzzeitversuch ermittelten Druckfestigkeit unter Zugrundelegung einer Schlankheit der Wandkonstruktion h / d = 10. Beim Traglastverfahren ist im genaueren Berechnungsverfahren mit der Bedingung Ƣ · S Rk (fk) nachzuweisen, dass die Ƣ-fachen Gebrauchslasten S im Bruchzustand als Nachweisebene von den Rechenwerten der Festigkeiten R aufgenommen werden können. Bei der zukünftigen Normengeneration der Eurocodes wird der Nachweis über das Teilsicherheitsverfahren geführt. Dabei werden Teilsicherheitsbeiwerte auf der Last- und Tragwiderstandsseite eingeführt, um die Gegebenheiten genauer erfassen und damit die Bemessung wirtschaftlicher gestalten zu können. Mit der nachzuweisenden Bedingung Sd (Ƣf · S) Rd (fk / ƢM) werden die einwirkenden Gebrauchslasten S durch Teilsicherheitsbeiwerte auf einen Bemessungswert Sd der Einwirkungen erhöht und der Tragwiderstand durch den Teilsicherheitsbeiwert ƢM für die Baustoffeigenschaft auf den Bemessungswert Rd des Materialwiderstands reduziert. Die Nachweisebene liegt somit zwischen der Last- und der Tragwiderstandsseite. Bemessungskonzept Lehmbau Regeln Die Bemessung tragender Wände aus Lehmbaustoffen in den Lehmbau Regeln [2.6] erfolgt nach dem vereinfachten Verfahren. Die vorhandenen Spannungen sind für den
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
Gebrauchszustand als Nachweisebene zu ermitteln und mit den zulässigen Spannungen zu vergleichen. Die in den Lehmbau Regeln deÀnierten zulässigen Druckspannungen (Kap. 3.6.2.2) enthalten bereits einen »globalen« Sicherheitsabstand gegenüber dem Tragwiderstand: Sie werden auf etwa 1/7 des Wertes der im Labor im Kurzzeitversuch ermittelten Druckfestigkeit ơD abgemindert. Für die Ermittlung der Druckfestigkeit ơD gelten folgende Bedingungen: – Stampf- und Wellerlehm nach Kap. 3.6.2.2 – Lehmsteine nach Kap. 3.6.2.2. Die Lehmbau Regeln gehen aus von einer zentrischen Lasteintragung. Indirekt wird dieses Prinzip jedoch gebrochen durch konstruktive Vorgaben zu Geschosshöhen, Querwandabständen, AuÁagerlängen etc. Denn diese Vorgaben schließen außermittige Lasteinleitungen ein. Hinzu kommen noch Windlasten senkrecht zur WandÁäche. Eine Exzentrizität ist somit unvermeidlich und wird auf e b/6 des Kernquerschnitts begrenzt. Die erlaubte Spannungsverteilung der belasteten Fläche ist bei außermittiger Lasteinleitung damit trapezförmig, bei Erreichen der Bruchlast am gezogenen Rand maximal dreiecksförmig. Modelle des Tragverhaltens Tragende Wände aus Lehmbaustoffen werden durch Belastungen in ihrer Ebene als Scheibe (z. B. Eigengewicht), normal dazu als Platte (z. B. Windlasten) beansprucht. Sie müssen deshalb Druck-, Schub-, Zug-, Biegezugspannungen und Kombinationen daraus aufnehmen können. Bei Lehmbaustoffen ist die Möglichkeit der Zug- und Biegezugbeanspruchung nur gering. Tragend werden sie deshalb vorwiegend in druckbeanspruchten Bauteilen eingesetzt. Formänderungen vollziehen sich in Lehmbaustoffen nicht linear (elasto-plastisch), die Ʊ – Ƥ – Linie ist gekrümmt. Die Verformungsmodule werden deshalb als Sekanten- bzw. 195
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
Tangentenmodule bestimmt und sind keine Baustoffkonstanten in eigentlichem Sinne. Sie können nur für deÀnierte Spannungsbereiche ƋƱ ermittelt und ausgewiesen werden. Für diese Bereiche wird dann linear-elastisches Stoffverhalten und die Gültigkeit des HOOKE schen Gesetzes angenommen, das von einer Proportionalität zwischen Spannungen und Dehnungen ausgeht (Kap. 3.6.2.1). Der Spannungszustand in tragenden Lehmwänden bei Erreichen des Grenzzustandes kann in der einfachsten Form (linear-elastisch) mit der Bruchbedingung von MOHR / COULOMB
Ʋ = ƫƱ+ c beschrieben werden (Kap. 3.6.2.2). Die Spannungen werden dem geotechnischen Gebrauchszustand entsprechend i. d. R. an feuchten Böden bestimmt. Konstruktionen aus, Lehmbaustoffen sind im Gebrauchszustand jedoch trocken . Demzufolge müsste eine Haftscherfestigkeit (c) am trockenen Baustoff ermittelt werden. Die Bruchbedingung beschreibt das Versagen des Materials. Sie kann differenziert auf die zu tragenden Wänden verarbeiteten Lehmbaustoffe angewendet werden (Kap. 3.6.2.2). StampÁehm Das von DIERKS / STEIN [4.12] vorgestellte Modell des Tragverhaltens von StampÁehm geht aus von einer Analogie zum Ortbeton. Dafür sprechen folgende Argumente: – StampÁehm ist ein aus Mineralkörnern unterschiedlicher Größe zusammengesetztes Gemisch mit unterschiedlichem Anteil an Tonmineralien als Bindemittel = »tongebundenes Konglomerat«. – Die BruchÀguren von Prüfkörpern aus Beton und StampÁehm sind ähnlich. Unter einachsigem Druck im Kurzzeitversuch versagen sie in gleicher Weise durch Überschreiten der Querzugfestigkeit. Gegen ein Analogiemodell zum Beton sprechen: 196
– der Charakter der Bindemittel Zement bzw. Tonmineralien: Zement bildet im Beton ein starres, wasserunlösliches Gel aus, wodurch das Konglomerat irreversibel erhärtet. Dagegen beruhen die Bindungskräfte im StampÁehm auf elektrochemischen Anziehungskräften der Tonminerale (Kohäsion) und der Reibung zwischen den gröberen Mineralkörnern. Sie bilden einen plastischen, wasserlöslichen Verbund innerhalb des Konglomerats, der auch zu Unterschieden im Langzeitverhalten führt: Das Potential der Wechselwirkung zwischen Mineralkörnern und WasserÀlmen sowie der Umlagerung von Wasser ist wegen der erhalten gebliebenen Aktivität der Tonmineralien im Lehm viel höher als bei Beton oder gebrannten Ziegeln. Mit dieser Eigenschaft kann man z. B. auch die Langzeitfestigkeit der »Lehmhochhäuser« im Jemen oder in Südmarokko erklären, die trotz rechnerischer Überschreitung der Materialfestigkeit an der Mauersohle Jahrhunderte überdauert haben. – Unterschiede bei der Verarbeitung: Wände aus Ortbeton werden heute bei der Herstellung raumhoch eingeschalt, und der Frischbeton wird kontinuierlich eingebracht. Stampflehm wird wie Ortbeton monolithisch verarbeitet. Jedoch ergeben sich technologisch bedingte Arbeitsfugen entlang der Schalungsabschnitte bzw. Tagewerke, die zu Rissen und Spannungsumlagerungen führen können. Lehmsteine Lehmsteine werden wie gebrannte Ziegel nach Verbandsregeln des Mauerwerksbaus zu Lehmstein-Mauerwerk verarbeitet. Der Verband erhöht die Tragfähigkeit bei Druck- und Schubbeanspruchung, wodurch auch Horizontalkräfte durch Haftung und / oder Reibung zwischen Lehmstein und Fugenmörtel übertragen werden können. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Lehmsteine vollfugig verarbeitet werden.
4.2
Die Zug- und Biegezugfestigkeit von Lehmstein-Mauerwerk beträgt nur etwa 10 – 20% der Druckfestigkeit. Dabei bewirkt i. w. der Mauermörtel in der Lagerfuge die Kraftübertragung von Stein zu Stein. Durch unvollständig vermörtelte Lagerfugen entstehen Spannungsspitzen im Stein. Bei auf Druck senkrecht zu den Lagerfugen beanspruchtem Mauerwerk entstehen Querzugspannungen im Stein. Der Bruchzustand im Stein tritt ein durch Überschreiten der Steinquerzugfestigkeit ơz,st. Der Mörtel in den Lagerfugen vergrößert durch seine i. a. höhere Querdehnung die Querzugspannungen im Stein, da dieser den Mörtel an der Ausdehnung hindert (Kap. 3.6.2.2). Konstruktion von tragenden Lehmbauteilen Bei der Anwendung des vereinfachten Berechnungsverfahrens für den Nachweis der Stand-
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
sicherheit von tragenden Wänden aus Lehmbaustoffen mittels Vergleich der vorhandenen und zulässigen Spannungen sind die nachfolgenden konstruktiven Vorgaben entspr. Lehmbau Regeln einzuhalten [2.6]. Ist dies gewährleistet, kann man auf einen Nachweis der räumlichen SteiÀgkeit verzichten. Bei größeren Geschosshöhen und Querwandabständen muss der Nachweis der räumlichen SteiÀgkeit in Analogie zu DIN 1053-1 unter Berücksichtigung der Schlankheit bzw. des EinÁusses der seitlichen Halterung geführt werden. Wandhöhe und Mindestwandstärke In den Lehmbau Regeln werden nach Tab. 4-5 folgende Mindeststärken für tragende Wände entsprechend den verarbeiteten Lehmbaustoffen festgelegt:
Nr. Lehmbaustoff
Wandstärke, außen [cm]
Wandstärke, Mindestquerschnitt für innen [cm] pfeilerartige Wände [cm2]
1 2 3
36,5 32,5 40,0
24,0 24,0 40,0
Lehmsteine StampÁehm Wellerlehm
Tab. 4-5
1.300 1.600 3.200
Tragende Wände aus Lehmbaustoffen, Mindestwandstärken
Die Werte gelten für Geschosshöhen 3,25 m. Für eingeschossige Gebäude, die nicht zum dauernden Aufenthalt von Menschen dienen und deren Geschosshöhe 2,5 m beträgt, kann die Mindestdicke von Außenwänden auf 24 cm reduziert werden. Die zulässigen Druckspannungen sowie die räumliche Stabilität sind in diesem Fall nachzuweisen. Für die Innenwände müssen folgende Bedingungen erfüllt sein: – Geschosshöhe 2,75 m, – Verkehrslast einschließl. Trennwandzuschlag
0,275 N / mm2, – nur zulässig als ZwischenauÁager durchlaufender Decken mit Stützweiten 4,50 m bzw. bei Anordnung einer Zentrierleiste auf einem Ringbalken bis 6,0 m. Bei Abweichung von diesen Bedingungen müssen die Innenwände in den gleichen Stärken wie die Außenwände ausgeführt werden. Aussteifende Bauteile Wie bei Konstruktionen aus anderen Materialien sind auch bei tragenden Wänden aus 197
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
Lehmbaustoffen aussteifende Bauteile (starre Scheiben: Querwände, Decken) zur Aufnahme und Ableitung von Horizontalkräften (Windkräfte, Erdbeben) vorzusehen. Es gelten folgende Wanddicken und -abstände (Tab. 4-6). Aussteifende Querwände müssen ohne größere Schwächung oder Vorsprünge vom Sockel bzw. den Kellermauern mit den tragenden Außenwänden gleichzeitig aufgeführt werden. Sind aussteifende Querwände in einer anderen
Nr.
Dicke der auszustei- Geschoss- Mindestdicke der max. Mittenfenden, belasteten höhe [m] aussteifenden abstand [m] Wand [cm] Querwände [cm]
1 2 3
24,0 – 36,5 > 36,5 – 49,0 > 49,0 – 61,5
Tab. 4-6
3,25 3,25 3,50
11,5 17,5 24,0
4,5 6,0 7,0
Tragende Wände aus Lehmbaustoffen, Querwandabstände
Decken- und WandauÁager Stürze über Türen und Fenstern müssen ein mindestens 24 cm langes AuÁager erhalten. Bei rechnerisch notwendigen größeren AuÁagertiefen ist die Durchbiegung der Stürze auf l / 500 zu begrenzen. AuÁager von Deckenbalken sind so anzuordnen, dass die Deckenlast symmetrisch und gleichmäßig auf den ganzen Wandquerschnitt übertragen wird. Reicht die erforderliche Trockendruckfestigkeit des Lehmbaustoffes im Bereich des DeckenauÁagers nicht aus, können Ringbalken aus druckfesteren Materialien angeordnet werden. Als Materialien haben sich Stahlbeton (Fertigteil, Ortbeton), Stahl (T-Träger) und Holz (Bohlen) oder Mauerwerk aus druckfesteren Steinen (Bild 4-7 [4.13]) bewährt. Dies gilt auch für zugbeanspruchte Tragglieder. Bei der Verwendung von Beton und Stahl sind durch außen liegende Dämmschichten Kältebrücken zu vermeiden. 198
Bautechnik oder erst später vorgesehen, ist ein geeigneter konstruktiver Verbund der Querwände mit den tragenden Außenwänden zu gewährleisten. Bei Mauerwerk aus Lehmsteinen kann man zur Einbindung von Querwänden stehende Verzahnungen ausbilden, wenn für diese die gleichen Lehmbaustoffe verwendet werden. StampÁehmwände untereinander oder mit Wänden aus Mauerwerk sind mit einer ca. 5 cm tiefen Nut in der auszusteifenden Wand zu verbinden (Bild 4-6 [4.13]).
Zuganker Decken und Querwände sollen mit den tragenden Umfassungswänden zugfest verankert werden. Bei einseitig ausgesteiften Lehmwänden sind in Deckenhöhe und den Drittelpunkten der Wandhöhe Zuganker einzubringen, die mindestens 1,5 m in die Querwände eingreifen. In Bild 4-6 ist ein Drahtanker dargestellt, der eine Lehmstein-Querwand im oberen Drittel mit der StampÁehm-Außenwand verbindet. Der Draht ist an einem senkrecht stehenden Stab in der StampÁehmwand befestigt. Zur zugfesten Verankerung werden heute maschenartige Gewebe aus bewehrter Plaste eingesetzt, wie sie im Grundbau z. B. zur Stabilisierung von Böschungen verwendet werden (sog. Geogrids). In gleicher Weise ist in den Mauerecken zu verfahren. Bild 4-8 zeigt, wie im traditionellen Bauen das Problem der Aufnahme von Zugspannungen zur Vermeidung von Schwind-
4.2
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
Bild 4-6 Einbindung Querwand aus Lehmsteinen in tragende Außenwand aus StampÁehm [4.13]
Bild 4-7
Ringbalken aus Ziegeln für Stahlbeton-Balkendecke auf StampÁehm-Außenwand bzw. Lehmstein-Querwand [4.13]
Bewehrung mit Zweigen nach [1.24]
Bild 4-8
durchgehender Riss in Ecke aus StampÁehm [4.13]
Rissbildung in Wandecken aus Stampf- bzw. Wellerlehm
199
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
rissen in den Ecken von Stampf- oder Wellerlehmwänden durch Einlegen von Zweigen gelöst wurde [1.24]. Die Wandecke daneben ist aus StampÁehm und durchgehend gerissen. Der Baustoff war zu fett und zu feucht eingebaut [4.13]. Die zugfeste Verankerung der Decken und Querwände mit den tragenden Umfassungswänden ist von besonderer Bedeutung für Baukonstruktionen aus Lehmbaustoffen in erdbebengefährdeten Gebieten (Kap. 5.2.5.2). Sie verhindern ein »Umklappen« der Wände bei horizontaler Beanspruchung. Man kann häuÀg beobachten, dass gerade diese Forderung zumeist aus Unkenntnis oder Kostengründen vernachlässigt wird, nicht selten mit tragischen Folgen im Falle eines Erdbebens. Zuganker werden auch erfolgreich bei der Risssanierung von tragenden Lehmwänden eingesetzt (Kap. 5.2.6, 5.3.3.2). Rahmen von Fenster- und Türöffnungen können mit üblichen Dübeln in den Wänden befestigt werden (Bild 4-9 [4.13]).
Mischbauweisen Bei feucht verarbeiteten Lehmbaustoffen darf innerhalb einzelner Schichten keine Vermischung mit anderen Baustoffen erfolgen, z. B. gebrannte Ziegel, Betonelemente, Naturstein. Dies betrifft insbesondere Tür- und Fensterleibungen, die aus gestalterischen Gründen mit anderen Materialien verkleidet werden sollen. Die mit der Austrocknung der feuchten Lehmbaustoffe einher gehenden unterschiedlichen Setzungen können sonst zu Rissbildungen führen. Zulässig sind jedoch waagerecht umlaufende Schichten aus anderen Baustoffen. Schlitze, Aussparungen Schlitze und Aussparungen in tragenden Wänden aus Lehmbaustoffen für den technischen Ausbau (Kap. 4.2.8) sind ohne weiteren Nachweis zulässig, wenn deren Anordnung und Abmessungen den Grenzwerten nach DIN 10531 , Tab. 10 entsprechen. Bei Überschreitung ist eine Berücksichtigung im Standsicherheitsnachweis erforderlich.
Bild 4-9 Holzdübel in Lehmsteinwand zur Befestigung von Türrahmen [4.13]
200
4.2
Ausführung tragender Wände aus Lehmbaustoffen Die Lehmbau Regeln [2.6] fordern, dass die Bauausführung von tragenden Wänden aus Lehmbaustoffen nur von entsprechend qualiÀziertem Personal oder unter dessen Anleitung vorgenommen wird. Tragende Wände aus StampÁehm Anwendung Lange Trocknungszeiten, der relativ hohe manuelle Fertigungsaufwand, die Gefahr der Rissbildung bei nicht qualitätsgerechtem Einbau des StampÁehms und der notwendige Witterungsschutz im Bauzustand waren Gründe dafür, dass der StampÁehmbau in Deutschland kaum noch Anwendung fand. Erst in den letzten Jahren wurde wieder eine Reihe neuer Projekte realisiert, die zeigen, dass Stampflehm außerordentlich interessante Gestaltungsmöglichkeiten bietet und mit moderner Einbautechnologie auch im tragenden Bereich eine Alternative zu Beton darstellen kann [4.14], [4.15], [4.39] (Bild 4-10). Eine Besonderheit im modernen Stampflehmbau ist die Vorfertigung von Wandelementen, die auf der Baustelle mittels Kran zu Wandkonstruktionen montiert werden (Bild 4-11) [4.14]. Dadurch sind kürzere Bau- undTrockenzeiten möglich. In Entwicklungsländern mit trocken-heißem Klima, aber auch im SW der USA und in Australien Àndet die StampÁehmbauweise nach wie vor Anwendung für tragende Wände, oft mit Zusatz von Zement als künstlichem Bindemittel (Bild 4-12). Verarbeitung Die Verarbeitung des StampÁehms erfolgt monolithisch. Der aufbereitete StampÁehm wird lagenweise in eine bauteilbildende Schalung (Kap. 3.2.2 Bild 3-20) als Schüttung eingebracht und verdichtet. Die Höhe der Schüttlagen soll 15 cm nicht überschreiten. Als Emp-
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
fehlung für eine ausreichende Verdichtung gilt die Reduzierung der Schütthöhe der Lage um ca. ein Drittel im verdichteten Zustand. Daraus lässt sich ableiten, dass 1 m3 StampÁehmMischung ca. 0,67 m3 verdichtete StampÁehmwand ergibt. Hilfreich sind entsprechende Markierungen auf der Innenseite der Schalung. Mit dem Verdichten wird entlang der Wandachsen auf beiden Außenseiten begonnen. Einbaufähiger StampÁehm besitzt eine feinkrümelig-rieselfähige Struktur mit in der Mischung gleichmäßig verteilter Feuchte. Er kann deshalb auch in Betonkübeln angehoben und in die Schalung geschüttet und dann verteilt werden. Der optimale Einbauwassergehalt des StampÁehms ist abhängig vom jeweiligen Tonmineralanteil / -zusammensetzung und der Körnung. In eine Handprüfung umgesetzt bedeutet dies: eine Lehmprobe soll sich in der Hand gerade noch zusammenballen lassen, ohne dass sie beim Öffnen der Hand zerfällt. Ist der Lehm zu trocken, besteht die Gefahr, dass die Krümelstruktur durch die eingetragene Verdichtungsarbeit nicht aufgebrochen wird und im unteren Schichtbereich ungenügend verdichtete Zonen entstehen, die sich nach Austrocknung aus der Wand herauslösen lassen (Bild 4-13). Wird der StampÁehm zu nass eingebaut, wirkt das Porenwasser bei der Verdichtung wie ein Polster: Das Verdichtungsgerät »federt« in der Schalung. Beim Handtest »schmiert« der Lehm an der HandoberÁäche [3.32]. Für größere Bauvorhaben ist die Herstellung eines Probewandabschnittes auf der Baustelle im Maßstab 1:1 mit der zum Einbau vorgesehenen StampÁehm-Mischung zweckmäßig (Bild 4-14). An diesem Abschnitt kann die erreichte Verdichtungsqualität in Abhängigkeit von der Zahl der Verdichtungsübergänge oder die Wirkung farbiger Lehme kontrolliert werden. Die Herstellung der vorgesehenen StampÁehm-Mischung ist dann nach vorgege201
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
Kapelle der Versöhnung Berlin
Bild 4-10 Tragende Wandkonstruktion aus StampÁehm
Druckerei Gugler, Pielach / Österreich [4.14] Elemente Bild 3-15
Bild 4-11 Tragende Wandkonstruktion aus vorgefertigten StampÁehm-Elementen
202
4.2
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
Wohnhaus aus Wänden mit zementstabilisiertem StampÁehm, Region Sydney / Australien
Bild 4-12
Tragende Wände aus zementstabilisiertem StampÁehm
Bild 4-13 StampÁehm, Einbau mit ungenügender Verdichtung [4.13]
203
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
benen, geprüften Rezepturen in einem Mischwerk möglich. Die vom Werk gelieferte einbaufertige Mischung ist bis zur Verarbeitung auf der Baustelle vor WitterungseinÁüssen, die den Einbauwassergehalt verändern können, zu schützen. Konstruktion Konstruktiv besonders zu beachtende Details bei tragenden Wandkonstruktionen aus Lehmbaustoffen sind in Kap. 4.2.3.1 dargestellt. Im StampÁehmbau sind dies insbesondere: – Gründung bzw. Fußpunktausbildung (vgl. Kap. 4.2.1), – Ausbildung von Decken- und WandauÁagern bzw. Ringbalken, – zugfeste Verankerung von Decken und Querwänden in den tragenden Umfassungswänden, ebenso von Gebäudeecken, insbesondere in Gebieten mit der Gefahr von Erdbeben – Verankerungen, Aussparungen für technischen Ausbau (Kap. 4.2.8.1) – Mischbauweisen. Durch waagerechte Bewehrungseinlagen aus zugfesten Materialien (z.B. Geogrids aus Kunststoffen, im traditionellen Lehmbau aber auch zugfeste lokale Baustoffe, Ɖild 4-8) kann die Trockendruckfestigkeit erhöht und die Neigung zur Schwindrissbildung verringert werden. Vor der Aufbringung von Lasten (Decken, Dach) auf die StampÁehmwand müssen diese ausreichend trocken und die Setzungen abgeklungen sein. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Unterstützung der natürlichen Austrocknung z.B. durch Querlüftung (Kap. 3.3.3). Heute wird meist künstlich getrocknet. Dadurch wird jedoch die Energiebilanz bei der Herstellung des Gebäudes negativ beeinÁusst (Kap. 1.4.3.1). Frisch entschalte WandoberÁächen müssen vor Schlagregen, Spritzwasser und direkter Sonneneinstrahlung geschützt werden. 204
WandoberÁächen aus StampÁehm sind schlechte Putzuntergründe. Zur Verbesserung der Putzhaftung werden z.B. Ziegel- oder Betonleisten mit in die einzelnen Schichten eingestampft (Bild 4-14). Auf AußenwandoberÁächen wirken diese Maßnahmen darüber hinaus erosionshemmend gegenüber ablaufenden Niederschlägen. Bei den in den letzten Jahren in Europa ausgeführten Stampflehmprojekten hat man jedoch generell auf einen Verputz der OberÁächen verzichtet, um die grobkörnige Struktur des Lehms als gestalterisches Mittel zur Geltung zu bringen. Nachweise / Baubegleitende Überwachung Im Rahmen einer baubegleitenden Überwachung für tragende Konstruktionen aus Stampflehm werden in den Lehmbau Regeln [2.6] folgende Prüfungen mit entsprechenden Umfängen festgelegt: – Trockenrohdichte nach Kap. 3.6.1.3: Üblich ist die Bestimmung der Trockenrohdichte parallel zur Trockendruckfestigkeit als durchgängiger Prüfkomplex. – Trockendruckfestigkeit nach Kap. 3.6.2.2: Die Prüfungen müssen rechtzeitig vor Baubeginn und baubegleitend für je angefangene 10 m3 Lehmbaustoff bei Baustellenmischungen und je 50 m3 bei Werksmischungen durchgeführt werden. – lineares Schwindmaß nach Kap. 3.6.2.1: Prüfungen für je angefangene 10 m3 Lehmbaustoff bei Baustellenmischungen und je 50 m3 bei Werksmischungen. Bei der Realisierung der StampÁehm-Projekte in Suhl und Nordhausen [4.11] wurden wegen der Verwendung unterschiedlicher und farbiger Lehme zusätzlich folgende Prüfungen ausgeführt: – Kornverteilung nach Kap. 2.2.3.1: eine Prüfung je angefangene 50 m3 Lehmbaustoff – Trockenrohdichte mit Einbauwassergehalt nach Kap. 3.6.1.3 (Probeentnahme mit Me-
4.2
tallstutzen aus der obersten verdichteten Lage): eine Prüfung je 10 m3 Lehmbaustoff – Kalkgehalt und organische Beimengungen nach Kap. 2.2.3.4: eine Prüfung je verwendetem StampÁehm für das ganze Bauvorhaben. Zusätzliche Prüfungen werden erforderlich, wenn Qualität und / oder Mischungsverhältnis der Ausgangsstoffe (Baulehm, Zuschläge) verändert werden. Für die Prüfung der Festigkeit von bestehenden tragenden Wänden aus StampÁehm existieren derzeit keine verbindlichen Prüfverfahren. Tragende Wände aus Wellerlehm Anwendung Der Begriff »wellern« wird in älteren Quellen in doppelter Weise verwendet: das Ausfachen von Fachwerkwänden oder -decken mit strohlehmumwickelten Staken und das Aufschichten einer Strohlehm-Masse in Sätzen von ca. 80 cm ohne Schalung zu tragenden Wänden. Der heute für den Lehmwellerbau übliche Begriffsinhalt folgt i. w. der zweiten Anwendung [1.24]. Eine detaillierte begrifÁiche Analyse des historischen »Wellerbaus« sowie Unterscheidungsmerkmale zum StampÁehmbau hat ZIEGERT [3.34] vorgenommen. Auf Grund des hohen manuellen Arbeitsaufwandes und der langen Trocknungszeiten wird der tragende Lehmwellerbau in Deutschland für den Neubau derzeit nicht angewendet. Da aber eine große Zahl von Gebäuden in dieser Bautechnik vor allem in den neuen Bundesländern erhalten geblieben ist, besteht gerade hier ein erheblicher Informationsbedarf über geeignete Sanierungstechniken. Verarbeitung Wellerwände sind herstellungsbedingt an der Basis etwa 60 cm stark und verjüngen sich nach oben. Das aufbereitete Wellerlehm-Gemisch wird mittels Gabel zu etwa 80 cm hohen Schich-
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
ten ohne Schalung aufgesetzt und mit einem Schlagholz verdichtet. Die Formgebung der OberÁäche erfolgt durch seitliches Abstechen des angetrockneten Wellerlehms mit Hilfe eines angespitzten Spatens (Bild 4-15 [1.24]). Nach Abtrocknung der ersten Wellerschicht nach ca. einer Woche wird die nächste Schicht aufgesetzt und so fort bis zum Erreichen der vorgesehenen Wandhöhe. Erst nach Austrocknung der letzten Schicht können Lasten aufgebracht werden. Es existieren eine Reihe lokaler, schalungsloser Bauweisen, die dem Wellerlehm vergleichbare Lehmbaustoffe verwenden: In Österreich wird der Wellerbau auch als »g’satzter Bau« bezeichnet [4.16]. Eine englische Variante des Lehmwellerbaus ist der »cob«. Er war als historische Bauweise vor allem im SW Englands verbreitet. Entsprechend der geologischen Situation wurden dabei auch steinige Lehme verarbeitet (Bild 4-16)[4.17], [4.18]). In gewisser Weise kann man auch die »sodhouses« in Großbritannien, Irland [2.24] und Skandinavien als lokale Bauweise dem Wellerbau zuordnen. Grassoden werden mit dem Spaten abgestochen und noch feucht mit der Wurzelseite nach oben zu tragenden Wandkonstruktionen aufgeschichtet. Die »massoni« in Mittelitalien [4.19] werden im Unterschied zur Wellerbauweise nicht als lose Masse mit der Forke aufgesetzt, sondern man stellt zunächst Strohlehmwickel (massoni) her und führt diese dann manuell zu Wandkonstruktionen auf (Bild 4-17). Danach werden die WandoberÁächen wie bei der Wellerbauweise mit angespitzten Spaten glatt abgestochen. Konstruktion Konstruktive Details entspr. Kap. 4.2.3.1.
205
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
waagerechte erosionshemmende Ziegel- und Mörtelleisten
Bild 4-14 StampÁehm, Probewand zur Festlegung von Einbaukriterien
Bild 4-15
Wellerlehm, Ausführung von Wandkonstruktionen [1.24]
Bild 4-16 Wellerlehm, »cob« als lokale Variante in England [4.18]
206
4.2
Nachweise / baubegleitende Überwachung Im Rahmen einer baubegleitenden Überwachung für tragende Konstruktionen aus Wellerlehm werden in den Lehmbau Regeln [2.6] folgende Prüfungen mit entsprechenden Umfängen festgelegt: – Trockenrohdichte mit Einbauwassergehalt nach Kap. 3.6.1.3: Üblich ist die Bestimmung der Trockenrohdichte parallel zur Trockendruckfestigkeit als durchgängiger Prüfkomplex. – Trockendruckfestigkeit nach Kap. 3.6.2.2: Vor Baubeginn ist die erste Charge zu prüfen, danach bei Baustellenmischungen je angefangene 10 m3, bei Werksmischungen je angefangene 50 m3 Lehmbaustoff. Für die Prüfung der Festigkeit von bestehenden tragenden Wänden aus Wellerlehm existieren derzeit keine verbindlichen Prüfverfahren. – Volumetrische Schwindung nach Kap. 3.6.2.1: kann ausgeführt werden, ist nur an Bauteilprobe sinnvoll. Tragende Wände aus gespritztem Lehm Anwendung Auf der Suche nach effektiveren, kostengünstigeren Verfahren für den tragenden, monolithischen Lehmbau wurde in den USA Ende der 1980er Jahre von EASTON [4.40] eine Spritzbeton-Technologie adaptiert und für die Errichtung von tragenden Lehmwänden von bis zu zweigeschossigen Wohngebäuden angewendet. Verarbeitung Die »PISE« -Technologie (pneumatically impacted stabilized earth) verwendet ein trockenes Lehm-Zement-Gemisch, das durch einen Áexiblen Gummischlauch pneumatisch direkt an den Einbauort transportiert wird. Erst beim Austritt aus dem Schlauch wird durch eine Mischdüse das zum Erreichen der erforderlichen Konsistenz notwendige Anmachwasser
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
zugefügt. Die erforderliche Verdichtung der Mischung wird durch den Anspritzdruck erzeugt (Bild 4-18). Konstruktion Zur bauteilbildenden Formgebung werden einseitig raumhohe, ausreichend steife Schaltafeln aus Holz eingesetzt, auf die der Lehmbaustoff in voller Wandstärke angespritzt wird. Die Wandkonstruktionen sind stahlbewehrt (Erdbeben). Nach dem Spritzauftrag wird die »offene« Seite der Schalung mit einem Brett abgezogen (Bild 4-18). In einer Tagesschicht lassen sich mit fünf Arbeitern ca. 25 – 30 m3 Wandkonstruktion (d ca. 45 cm) ausführen. Tragende Wände aus Lehmbatzen Anwendung Wände aus Lehmbatzen sind in Deutschland als eigenständige historische Bauweise in der Region Ostwestfalen und auch im Ruhrgebiet als »Dünner Lehmbrote-Bauweise« verbreitet. Sie wurde Anfang der 1920er Jahre von Pastor Gustav von Bodelschwingh, der als Missionar in Ostafrika tätig war, auf der Grundlage afrikanischer traditioneller Lehmbauweisen entwickelt und praktisch angewendet [3.2]. Heute existieren noch einige hundert Gebäude in dieser Bautechnik. Auf Grund der hohen Arbeitsintensität und langen Trocknungszeit ist diese Bautechnik in Deutschland heute nur noch unter dem Aspekt ggf. notwendiger Sanierungen der noch bestehenden Bausubstanz von Interesse (Bild 4-19). Verarbeitung Aus Strohlehm in weicher Konsistenz geformte brotlaibartige Elemente werden noch feucht und ohne Mörtel im Mauerwerksverband zu Wandkonstruktionen aufgesetzt. In die Schichten, vor allem in den Ecken und im Bereich der Wandanschlüsse werden dünne Zweige als Zugkraftbewehrung eingelegt. Nach Wand207
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
208
Bild 4-17
Wellerlehm, »massoni« als lokale Variante in Italien [4.19]
Bild 4-18
Tragende Wände aus gespritztem Lehm mit Stahlbewehrung [4.40]
4.2
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
Wohnhaus in Schweicheln / Dünne vor der Sanierung des Außenputzes, 1996
Traditionelle Bauausführung nach [3.2]
Bild 4-19 Wandkonstruktion in »Dünner Lehmbrote«Bauweise
schichten von ca. 1 m Höhe muss jeweils eine Trockenpause von etwa einer Woche eingelegt werden. Das Aufbringen von Lasten ist erst nach Austrocknung der Wände möglich. Eine tschechische Variante der LehmbroteBauweise ist das »opus spicatum«. Dabei werden die »Lehmbrote« ebenfalls feucht und ohne Mörtel verarbeitet, und zwar in der Lage um 45% geneigt. In der folgenden Schicht sind die Lagerfugen entgegengesetzt gerichtet, so dass in der Ansicht je 3 Lagen »Brote« eine »Ähre« bilden (Bild 4-20) [4.20]. Ähnliche Bautechniken werden heute in ländlichen Regionen Afrikas und Zentralasi-
ens für die Errichtung von Gebäuden noch in der täglichen Baupraxis angewendet: »Töpfertechnik«: StampÁehm / Strohlehm in weicher Konsistenz wird zu Lehmbatzen geformt und anschließend zu Wandkonstruktionen aufgesetzt (Afrika). Die Fugen zwischen den Batzen werden nach Aufsetzen mit der Hand verstrichen, wodurch eine glatte WandoberÁäche erreicht wird (Bild 4-21)[4.21]. Bei entsprechenden Bauweisen auf der arabischen Halbinsel und in Zentralasien werden Batzen aus weich aufbereitetem Lehmbaustoff mit Schwung auf eine feste Unterlage geworfen. Durch diese Impulsverdichtung erzeugen 209
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
Bild 4-20
Tragende Wandkonstruktion in tschechischer Lehmbauweise »opus spicatum« [4.20]
Manuelles Formen von Lehmbatzen, ringförmiges Aufschichten und Verstreichen der Fugen
Bild 4-21
Tragende Wandkonstruktionen in »Töpfertechnik« [4.21]
Bild 4-22
Tragende Wandkonstruktionen in »pakhsa« –Technik [3.13]
210
4.2
Bild 4-23
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
Tragende Wandkonstruktionen in »guvalja«-Technik
die Batzen untereinander einen guten Haftverbund: »Zabour«-Technik: traditionelle Lehmbauweise im Jemen. Lehmbatzen werden manuell aus ca. 1,8 m Höhe lagenweise auf den Wandunterbau (Fundament) bzw. die Wandkronen geworfen [3.33]. »Pakhsa« in Zentralasien: steif aufbereiteter StampÁehm wird mit Spaten abgestochen und manuell zu Wandkonstruktionen aufgesetzt bzw. wie bei der Zabour-Technik geworfen und an der OberÁäche mit dem Spaten glatt abgestochen (Bilder 3-22 u. 4-22) [3.13]. Eine ähnliche Bautechnik im Iran trägt dort die Bezeichnung »tschineh«. »Guvalja« in Zentralasien: trockene Lehmbatzen werden in Lehmmörtel verlegt oder plastisch ohne Mörtel (Bild 4-23). Konstruktion / Nachweise Konstruktive Details können wie bei Stampfund Wellerlehm ausgebildet werden (Kap. 4.2.3.1). Spezielle Prüfverfahren sind nicht bekannt.
Tragende Wände aus Lehmsteinen Anwendung Tragende Wände aus Lehmsteinen werden in Deutschland derzeit nur selten als Neubau ausgeführt. Vor allem in den neuen Bundesländern sind historische Konstruktionen noch zahlreich vertreten, so dass diese Bauweise hier vor allem für den Sanierungsbereich von Interesse ist (Bild 5-19, Kap. 5.3.3.2). Diese Bauweise ist nach wie vor für tragende Konstruktionen von Bedeutung in trocken-heißen Klimagebieten Zentralasiens (Bild 4-24), Afrikas, Lateinamerikas, Indiens, aber auch im SW der USA und in Australien. Üblich ist hier die Zugabe von Zement als künstliches Bindemittel. Verarbeitung Trockene und rissefreie Lehmsteine werden nach den Regeln des Mauerwerksbaus zu Wandkonstruktionen verarbeitet. Gestampfte bzw. gepresste Lehmsteine sind so zu verarbeiten, dass Bauwerks- und Verkehrslasten in der Stampf- bzw. Pressrichtung eingetragen werden. 211
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
Wohnhaus-Rohbau Taschkent, Usbekistan
Bild 4-24
Tragende Wandkonstruktion aus Lehmsteinen [3.7]
Die Steine sind vollfugig und im Verband zu verlegen (Bild 4-24). Zu beachten ist, dass Lehm-Mauermörtel mehr Zeit zum Erhärten benötigt als Kalk- oder Zementmörtel. Damit der noch plastische Mörtel nicht aus den untersten Lagerfugen herausquillt, sollen 2m Mauerwerkshöhe, max. jedoch eine Geschosshöhe pro Tag nicht überschritten werden. Empfohlen werden max. 1cm Stärke für Stoß- und Lagerfugen. Zur besseren Putzhaftung empÀehlt es sich weiterhin, die Fugen im noch feuchten Zustand ca. 1cm tief auszukratzen. Nach den Lehmbau Regeln [2.6] dürfen Grünlinge für tragendes, der Witterung ausgesetztes Außenmauerwerk (Klasse I) nicht verarbeitet werden (Klasse III geeignet, Klasse II nach Prüfung durch Hersteller, Kap. 3.5.7). Konstruktion Konstruktive Details sind wie in Kap. 4.2.3.1 auszubilden. Die Konstruktion von Ringankern, die schubfeste Verankerung von Decken und Querwänden in den Außenwänden ist in 212
erdbebengefährdeten Gebieten von entscheidender Bedeutung. Nachweise / Baubegleitende Überwachung – Steinfestigkeitsklasse entspr. Kap. 3.6.2.2. Die Eignung der Lehmsteine für tragendes Mauerwerk (i. d. R. Anwendungsklassen I und II gem. Kap. 3.5.7) sowie die erforderlichen Druckfestigkeiten müssen vom Hersteller nachgewiesen werden. Bei werksmäßig hergestellten Lehmsteinen müssen Wiederholungsprüfungen der Trockendruckfestigkeit je 50 m3 Mauerwerk, bei handgeformten Lehmsteinen je 10 m3 durchgeführt werden.
4.2
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
4.2.3.2 Planung und Ausführung nichttragender Wände und Ausfachungen Nichttragende Wände und Ausfachungen aus Lehmbaustoffen haben von der statischen Funktion her lediglich ihre Eigenlast sowie ggf. Windlasten aufzunehmen und wirken i. d. R. nicht aussteifend. Sie werden mit einem Tragskelett aus druck- und / oder zugfesterem Material kombiniert. Von der Funktion her erfüllen sie die Aufgabe der Raumumschließung bzw. -trennung sowie entsprechende bauphysikalische Anforderungen. Dabei werden unterschieden: – historische Ausfachungen im Fachwerkbau, – Innenschalen zur Verbesserung der Wärmedämmung im Altbau, – Ausfachungen von Holzskelettkonstruktionen im Neubau, – nicht tragende Trennwände. Innenschalen zur Verbesserung der Wärmedämmung im Altbau werden als Maßnahme der Bauwerkserhaltung in Kap. 5.3.3.2 behandelt. 1 Rähmbalken 2 Eckpfosten, Eckstiel, Eckständer 3 Grundschwelle, Wandschwelle, Saumschwelle 4 Pfosten, Stiel, Ständer 5 Riegel, Fachriegel 6 Sturzriegel
7 8 9 10 11 12 13
Historische Ausfachungen Traditionelle Fachwerkkonstruktionen bestehen aus einem Tragskelett aus Holz und Ausfachungen aus verschiedenen Baustoffen, häuÀg aus Lehmbaustoffen. Unter Ausfachung versteht man das vollständige Ausfüllen eines Gefaches mit Baustoffen zu einem raumumschließenden Bauteil. Ein Gefach ist der Raum im Tragskelett, der durch senkrecht stehende Pfosten / Stiele und horizontale Riegel / Schwellen / Rähme und / oder schräg stehende Streben zur Eckaussteifung gebildet wird (Bild 4-25 [1.19]). Zur Ausfachung werden Strohlehm SL, Leichtlehm LL, Lehmsteine, Lehmmauer- und Lehmputzmörtel verwendet. Die Kenntnis der regional sehr unterschiedlichen historischen Techniken hat heute vor allem Bedeutung für die denkmalgerechte Sanierung von Fachwerkkonstruktionen (Kap. 5.3.3.2). Brustriegel Strebe, Büge Gegenstrebe Kopf- (Fuß-) Band Kopf- (Fuß-) Winkelholz Andreaskreuz Gefach
Bild 4-25 Fachwerkbau, Tragglieder und Ausfachung [1.19]
213
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
Die Gefache werden bis etwa 2 cm unter die Bundkante mit Lehmbaustoffen ausgefüllt und abgeglichen, wenn diese verputzt und als Sichtfachwerk ausgebildet werden sollen. Strohfasern von SL bzw. Strohleichtlehm SLL können ggf. durch geeignete Geräte (Kämme, Harken) aus der noch feuchten OberÁäche ausgekämmt werden und bilden einen guten Putzuntergrund. Eine andere Möglichkeit des Aufrauens des Putzuntergrundes ist das Anbringen von Loch- oder Kratzmustern. Bei Sichtfachwerk werden die Balken des Tragskeletts nicht überputzt. Der Putz schließt mit der Bundkante ab. Die Hölzer werden mit einem Schwamm abgewaschen, damit die Kante zwischen dem Gefach und
dem Holz sauber getrennt ist. Diese öffnet sich durch Austrocknen und Schwinden des Lehmputzes zu einem Spalt mit einer Weite im Millimeterbereich. Auf bewitterten AußenwandÁächen wird anstelle von Lehmputz i. d. R. ein Kalkputz als Gefachabschluss aufgetragen. Auf Wetterseiten werden Gefache aus Lehmbaustoffen darüber hinaus durch Bekleidungen aus wasserunempÀndlichen Baustoffen (z. B. Holzschindeln, Schieferplatten) vor Schlagregen geschützt. Weit verbreitete Ausfachungstechniken sind Stakung und GeÁecht sowie Mauerwerk aus Lehmsteinen.
a) weit gestellte Staken, mit Ruten durchÁochten
b) dicht gestellte Staken, mit Strohlehmmasse beidseitig beschichtet [4.22]
214
c) Strohlehm-umwickelte Staken (»Weller«) [4.22]
4.2
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
d) dicht gestellte Staken, mit Strohlehm-»Zöpfen« umÁochten [4.23]
Bild 4-26
Fachwerkbau, historische Ausfachungen, Stakungen
Stakung und GeÁecht Stakung und GeÁecht bilden im Gefach eine ebene, rostartige Tragstruktur für die Aufnahme der Lehmbaustoffe (Bild 4-26 [4.22]). Die Staken können dicht oder weit gestellt sein. Die Tragstruktur wird gebildet durch an den Enden angespitzte Staken aus abgelagertem, hartem Holz (Eiche), die senkrecht zwischen zwei Riegel in dichtem Abstand bis ca. 6 cm eingeklemmt werden. Die Riegel tragen mittig eingestemmte Nuten oder Kerben. SL oder SLL in weicher Konsistenz wird nun beidseitig auf die Stakung aufgetragen und durch die Spalten zwischen den einzelnen Staken gedrückt (Bild 4-26b). Weitere Möglichkeiten sind das EinÁechten von Bündeln (»Zöpfen«) aus SL / SLL zwischen die Staken (Bild 4-26d) [4.23] oder das Herstellen von mit SL /SLL umwickelten Staken (auch »Wel-
ler«, Bild 4-26c), die noch feucht in die Nuten der Riegel dicht stehend oder auch waagerecht eingeklemmt werden. Die gleiche Technik wurde auch für die Ausfachung von Deckenfeldern angewendet (Kap. 4.2.4.1). Der bei dieser Technik ebenfalls verwendete Begriff »Weller« ist nicht zu verwechseln mit dem Lehmwellerbau nach Kap. 4.2.3.1. Bei Mangel an geeigneten Stakhölzern werden diese in einem weiteren Abstand von ca. 10 bis 15 cm in ungerader Anzahl zwischen die Gefachriegel eingesetzt. Zwischen die Staken werden biegsame Ruten (Hasel, Weide) waagerecht und dicht eingeÁochten (Bild 4-26a). Die Länge der Ruten entspricht etwa der Breite der Gefache. Kürzere, dickere Ruten müssen über mindestens drei Staken gezogen werden (»Sprickelwerk«). Das Ge215
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
Áecht als Ganzes muss vor Auftrag des Lehmbaustoffes fest im Gefach sitzen. Anstelle von Ruten können auch Seile oder Stricke aus Naturfasern zum AusÁechten verwendet werden. Lehmsteine Wohngebäude wurden als Sichtfachwerk und überputztes Fachwerk ausgeführt. Bei landwirtschaftlichen Zweckbauten blieben die Ausfachungen i. d. R. unverputzt. Ausfachungen mit Lehmsteinen werden wie Mauerwerk mit Lehmmörtel verarbeitet (Bild 4-27 [3.7]). Innen erhalten die Ausfachungen eine Bekleidung mit Lehm-, im bewitterten Außenbereich mit Kalkputz. Zur Verbesserung der Putzhaftung auf dem Un-
tergrund wird der Fugenmörtel ca. 1 cm tief ausgekratzt. Anstelle von Lehmsteinen kamen auch andere lokal verfügbare Baustoffe zum Einsatz (in Nordthüringen z. B. Kalktuff [4.24], Feldlesesteine), die mit Lehm-Mauermörtel verarbeitet wurden. Im traditionellen Bauen Zentralasiens wurden historische Fachwerkkonstruktionen mit Lehmsteinen und Lehmbatzen (»guvalja«) ausgefacht. Beide Baustoffe werden aber nach wie vor auch im Neubau zur Ausfachung verwendet (Bild 4-28). Ausfachungen von Holzskelettkonstruktionen im Neubau Aus der traditionellen Fachwerk-Bauweise
Bild 4-27 Fachwerkbau, Ausfachung mit Lehmsteinen [3.7]
Bild 4-28 Fachwerkbau: traditionelle Ausfachung mit Lehmbatzen in Usbekistan
216
4.2
sind moderne Holzskelett-Bausysteme hervorgegangen. Sie lassen einen hohen Vorfertigungsgrad zu, wodurch sich die Bauzeiten erheblich verkürzen können. Dazu gehören die Holzständer-, Holzrahmen- und Holztafel-Bauweise. Sie unterscheiden sich durch die statischen Systeme des tragenden Holzskeletts. Wie im traditionellen Fachwerkbau werden bei den modernen Holzskelett-Bauweisen die durch die skelettbildenden Hölzer erzeugten Zwischenräume mit Lehmbaustoffen raumumschließend ausgefüllt. Die Ausfachungen sind nicht tragend und werden als »nicht aussteifend« berücksichtigt. Um den Anforderungen des Nachhaltigen Bauens zu entsprechen, müssen diese Konstruktionen die Festlegungen gemäß Energieeinsparverordnung EnEV erfüllen [4.25] (Kap. 5.1.1.2). Danach ist für den Bereich der Außenwände ein U-Wert 0,35W/m2K einzuhalten. Diese Forderung ist mit den zur Zeit verfügbaren Lehmbaustoffen bei noch vertretbaren Wanddicken von maximal 40 cm nicht zuverlässig realisierbar. Ein mehrschaliger Wandaufbau mit einer i. d. R. außen liegenden separaten Dämmschicht wird deshalb notwendig. Die Lehmbaustoffe werden in ein- oder mehrschaligen Wandkonstruktionen eingesetzt. Dabei können unterschiedliche bauphysikalische Anforderungen realisiert werden:
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
in Außenwänden als LL zur Wärmedämmung, in Innenwänden und Zwischendecken als wärmespeichernde Massen aus Grünlingen. Einschalige Holzständer-Wände mit Leichtlehm-Ausfüllung Anwendung Ein Vorläufer dieser Bauweise wurde als »Lehmständerbau« nach dem 2. Weltkrieg vor allem in Ostdeutschland als »Sparbauweise« für einfache Wohn- und Landwirtschaftsbauten angewendet [4.26]. Für das tragende Skelett wurden dabei geschälte Rund- oder Halbhölzer genutzt. Seit Mitte der 1980er Jahre wird diese Bauweise vor allem im Wohnungsneubau (Bild 4-29), inzwischen aber auch bei öffentlichen Bauten angewendet. Die einschalige Bauweise erfüllt die heute gültigen Anforderungen bzgl. des Wärmeschutzes für Außenwände gem. EnEV [4.25] jedoch nicht mehr zuverlässig. Auch mit einer Zusatzdämmung wird diese Forderung mit den im Zahlenbeispiel in Tab. 4-7 gewählten Baustoffen rechnerisch nicht erfüllt (Bezugsebene Feldmitte). Ggf. besteht noch die Möglichkeit des »rechnerischen Ausgleichs« mit anderen Bauteilen. Die Schilfrohrplatte gilt als nicht kapillar leitfähig und behindert damit die Austrocknung des feucht eingebauten HLL. Wohnungsneubau Saarbrücken-Bous, 1990
Bild 4-29 Holzständerbauweise mit LL-Ausfachung, einschalig, Tragskelett
217
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
Nr.
Lehmbaustoff
ѩd [kg/m3]
Ѥ [W/mK]*
s [m]
s/Ѥ
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
Holzleichtlehm HLL Lehm-Innenputz Kalk-Außenputz s ges 1/њ i+a R = 1/ъ U = 1/R Va. Zusatzdämmung Holzleichtlehm HLL Schilfrohrplatte Lehm-Innenputz Kalk-Außenputz s ges 1/њ i+a R = 1/ъ U = 1/R
700 1.500 1.500
0,21 0,65 0,65
0,35 0,02 0,02 0,39
1,667 0,031 0,031
U [W/m2K]
0,170 1,729 0,578 700 225 1.500 1.500
0,21 0,056 0,65 0,65
0,35 0,05 0,02 0,02 0,44
1,667 0,893 0,031 0,031 0,170 2,792 0,358 > Uerf = 0,35
*) Ѥ-Werte nach Lehmbau Regeln [2.6]
Tab. 4-7
Holzständerbauweise mit HLL-Ausfachung, Berechnungsbeispiel U-Wert
Trag- und Füllskelett [4.27], [3.7]
Bild 4-30 Holzständerbauweise mit LL-Ausfachung, einschalig, Wohnungsneubau
218
4.2
Konstruktion und Verarbeitung LL-Baustoffe werden als feuchte, formlose Mischungen oder trockene Steine und Platten verarbeitet. Eine feuchte Verarbeitung ist mit verschiedenen Nachteilen verbunden: erhöhter Feuchteeintrag in die tragende Holzkonstruktion, längere Trockenzeiten mit entsprechenden Setzungen und größere Massen beim Einbau, nicht selten verbunden mit unerwünschter Schimmelbildung auf Innenwänden. Tragstruktur Der statisch erforderliche Querschnitt der Tragstruktur wird aufgelöst in tragende Stützen aus Kanthölzern oder Bohlen sowie ein technologisch notwendiges, nicht tragendes Füllskelett aus Latten (Bild 4-30 [4.27]). Das Tragskelett muss für Windlasten sowie ggf. vorgehängte Außenfassaden oder Dämmplatten ausgelegt sein. Die Eigenlasten der LL-Wände müssen in jedem Geschoss von der Tragstruktur aufgenommen werden, mindestens jedoch nach 4 m Höhe [2.6]. Der Abstand der Stützen des Tragskeletts wird auf 1m begrenzt, wodurch eine Sicherheit gegen Absturz der LL-Ausfüllungen gegeben ist. Stürze /Riegel für Wandöffnungen werden mit Kanthölzern oder Bohlen in die Tragstruktur eingebunden, ebenso ggf. waagerechte Hölzer zur Befestigung von Hängeschränken. Das Füllskelett gewährleistet die Maßhaltigkeit der vorgesehenen Wandkonstruktion beim Einbau der feuchten LL-Masse durch zug- und schubfeste Verbindung der senkrecht stehenden Latten mit den tragenden Stützen von max. 1,2 m Abstand sowie mit Fußboden und Decke. Es dient als Gleitebene für temporäre oder als Unterlage zur Befestigung »verlorener« Schalungen (Kap. 3.2.2.2). Je nach Lehmbaustoff und verwendeter Schalung haben die senkrecht stehenden Latten des nicht tragenden Füllskeletts einen Abstand
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
von ca. 35 – 40 cm. Innenwandecken erfordern jeweils ein stabiles EndauÁager für die aus beiden Richtungen kommende Verschalung. Die Anschlüsse Fundament / FußbodenWand, Wand-Decke und Wand-Dach müssen besonders sorgfältig geplant werden. Die Außenhaut durchstoßende Deckenbalken, Pfetten und Zangen können sich als konstruktive Schwachpunkte in Form von Kältebrücken erweisen und sollten deshalb vermieden werden. Ihre nachträgliche Beseitigung durch Ausstopfen mit LL-Masse oder Abkleben ist schwierig. Weiterhin gelten die allgemeinen Hinweise in Kap. 4.2 zum Wetter- und konstruktiven Feuchteschutz. Das Dach muss vor Beginn der Lehmbauarbeiten zumindest provisorisch abgedeckt werden, und alle Arbeiten am Tragskelett sollten abgeschlossen sein. Einbau Bei manuellem Einbau der feuchten LLMasse mittels temporärer Schalung werden die Schalungselemente als Gleitschalung auf beiden Seiten des Trag- und Füllskeletts angeschraubt bzw. mit Schraubzwingen befestigt. Der Lehmbaustoff wird lagenweise eingebracht und leicht verdichtet (Bild 3-23). Bei Verwendung »verlorener« Schalungen wird zunächst eine Seite der Tragstruktur raumhoch eingeschalt (vorzugsweise Außenseite), wobei die Schalung gleichzeitig als Putzträger dienen kann. Danach werden an der gegenüberliegenden Seite Schilfrohrmatten vom Fußboden beginnend mit waagerecht liegenden Halmen entsprechend des Einbaufortschritts der LL-Masse am Füllskelett abgerollt und befestigt (Bild 4-31). Sie dürfen bei der Verdichtung der feuchten LL-Masse nicht auseinander gedrückt werden. Die Schilfrohrmatten dienen ebenfalls als Putzträger (Kap. 4.2.7.2). Die Schilfrohrmatten müssen bei der Befesti219
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
gung an beiden Rändern auf den senkrecht stehenden Latten des Füllskeletts auÁiegen und an den Stößen ca. 10 cm überlappen. Der verzinkte Bindedraht darf dabei nicht auf der Unterkonstruktion auÁiegen, sondern muss einen über den Halmen stehenden Mattenrand bilden, an dem er am Füllskelett im Abstand von ca. 5 cm »festgetackert« wird. Die Klammern müssen mindestens 25 mm lang und ebenfalls verzinkt sein. Je l fd. Meter Bindedraht werden mindestens 15 Befestigungspunkte gesetzt. Waagerechte Teile des Trag- bzw. Füllskeletts, Ecken, Zwickel und obere Gefachabschlüsse müssen vollständig mit LL-Masse umhüllt bzw. ausgefüllt sein. Bei Setzungen
nach Abschluss des Einbaus und nach Austrocknung muss ggf. LL-Masse von vorn oder von der Seite nachgestopft werden. Fehlstellen und Undichtigkeiten in der Gebäudeaußenhülle verschlechtern die Wärmedämmung und damit den Wohnkomfort. Sie können durch Kondenswasserausfall zu erheblichen Bauschäden führen. Wandausfachungen aus LL können auch im Spritzverfahren hergestellt werden (Kap. 5.3.3.2). Bei der »trockenen« Ausfachung von Holzständerkonstruktionen mit LL-Steinen ist ein zusätzliches Füllskelett i. d. R. nicht erforderlich. Die tragenden Holzständer werden allseitig von den Lehmsteinen in der erforder-
Befestigung von Schilfrohrmatten als »verlorene Schalung«
Bild 4-31
Einbau von Strohleichtlehm
Holzständerbauweise mit SLL-Ausfachung, einschalig [3.7] 1 2 3 4
1
Holzständer Innenputz, Lehm LL-Steine Außenputz, Kalk
3
2
4
Bild 4-32 Holzständerbauweise mit SLL-Ausfachung, einschalig, Mauerwerk aus LL-Steinen
220
4.2
lichen Wanddicke umhüllt. Die Verarbeitung der Lehmsteine erfolgt entsprechend den Regeln des Mauerwerksbaus. Die LL-Steine bilden auf der Wandinnenseite einen guten Untergrund für einen Lehm-Innenputz, auf der Außenseite soll besonders an regenexponierten Seiten Kalkputz vorgesehen werden (Bild 4-32). Austrocknung Bei feuchtem Einbau von LL mit organischen Fasern besteht die Gefahr der Verrottung im Wandkern oder Schimmelpilzbildung auf den inneren WandoberÁächen, wenn eine zur Austrocknung der Wände erforderliche Luftbewegung nicht oder nur in eingeschränktem Maße möglich ist. Eine rasche Austrocknung ist deshalb zu gewährleisten (Kap. 3.3). Andernfalls ist eine künstliche Bautrocknung unumgänglich. Aus diesem Grund darf die Wandstärke bei feucht eingebautem LL und beidseitig unbehinderter Trocknung 30 cm nicht übersteigen. Besteht die Möglichkeit der Austrocknung nur nach einer Seite (unmittelbar angrenzende Wand, aber auch kapillar nicht oder eingeschränkt leitfähige Schalungen aus HWLPlatten und Schilfrohr), dürfen Wände aus feucht eingebautem LL 15 cm, bei kapillar gut Feuchte leitfähigen Wänden (Lehm, Ziegel) max. 20 cm stark ausgeführt werden [2.6]. Besonders im letzten Fall ist jedoch für gute Durchlüftung während der Trockenphase zu sorgen. Bei einem geplanten Verputz sind entsprechende Trockenzeiten des verwendeten LL zu beachten. Lehmbauteile mit einer Feuchte w 10% sind dafür ausreichend trocken. Zur Überprüfung genügt i. d. R. der Augenschein [2.6]. Einschalige Holzrahmenwände mit LL Anwendung Diese Bauweise wurde bisher nur durch einen
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
Anbieter in Norddeutschland im Bereich des Wohnungsbaus ausgeführt [4.28]. Die erreichte Trockenrohdichte der Lehmbaustoffe wurde vom Hersteller mit 250 kg/m3 angegeben. Konstruktion und Verarbeitung Mit speziellen Pressen wird lehmgebundenes Stroh zu Platten in einen umlaufenden Holzrahmen gepresst, an Holzständern befestigt und auf diese Weise zu einer tragenden Wandkonstruktion zusammengefügt (Bild 433). Die Wände werden außen mit einem Kalk-, innen mit einem Lehmputz versehen. Die Bauweise hat nur noch einen geringen Lehmanteil und besitzt Ähnlichkeit mit der Strohballen-Bauweise, die vor allem in Skandinavien verbreitet ist, inzwischen aber auch in Deutschland wachsendes Interesse erfährt [4.29]. Mehrschalige Außenwände aus Holzskeletten mit integrierten Lehmbaustoffen Schilfrohrplatten mit d 10 cm. Dazu müssen die Holzständer der Tragstruktur bündig mit der AußenwandoberÁäche abschließen, um dort als Unterlage für die Befestigung der Schilfrohrplatten zu dienen. Die Lehmbaustoffe werden von innen gegen die Schilfrohrplatte eingebaut und die Holzständer dabei von drei Seiten vollständig umhüllt. Da Schilfrohrplatten die Austrocknung feuchter Lehmbaustoffe behindern, sollten anstelle feuchter Leichtlehmmischungen trockene Lehmsteine verarbeitet werden. Zellulosefaserdämmung als Ausfachung einer Holzständerkonstruktion mit Innenschale aus LL-Steinen (Bild 4-34a [4.30]). Die seitliche Begrenzung der Gefache wird auf der Außenseite durch eine Verschalung mit Holzweichfaserplatten, innen durch eine bündig an die Holzständer mit Lehmmörtel gemauerte Lehmsteinschale gebildet. Die innen liegende Lehmsteinschicht wird in Abständen von ca. 50 cm am Holzständer verankert. Sie bil221
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
LeichtlehmElement gepresst
Ständer
Wandkonstruktion aus Grundelementen
Bild 4-33
Grundelement mit umlaufendem Holzrahmen 1000 x 115 x 62,5
Holzrahmen
Holzrahmenbauweise mit SLL-Ausfachung, einschalig [4.28] Variante a: innen verputzt 1
2
Variante b: innen Sichtmauerwerk [4.42]
1 2 3 4 5 6
3
4
Holzständer Lehmputz, innen Mauerwerk aus LL-Steinen Zellulosefaser-Dämmung Holzfaser-Dämmplatte hinterlüftete Holzschalung
Bild 4-34 Holzständerkonstruktion Außenwand mehrschalig
222
5
6
4.2
det einen guten Untergrund für den Lehm-Innenputz. Sie kann auch als Sichtmauerwerk ausgebildet werden (Bild 4-34b [4.42]). Der so entstandene Hohlraum wird mit Zellulosefasern unter Druckluft verfüllt, indem die HWF-Platten von außen am oberen Rand des Gefaches aufgebohrt und nach Verfüllung wieder verschlossen werden. Die au-
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
ßen liegende Dämmschicht ist durch eine am Holzständer befestigte, hinterlüftete Holzverschalung als Fassadenabschluss besonders geschützt. Mit dem dargestellten Wandaufbau werden die wärmetechnischen Anforderungen gem. EnEV [4.25] wie auch der NEH -Standard erfüllt (Bezugsebene Feldmitte, Tab. 4-8).
Nr.
Lehmbaustoff
ѩd [kg/m3]
Ѥ [W/mK]*
s [m]
s/Ѥ
1 2 3 4 5 6 7
Holzschalung Lüftungsebene Holzfaserdämmplatte Zellulosefaserdämmung HLL-Mauerwerk Lehm-Innenputz s ges
600
0,130
200 60 1.000 1.500
0,048 0,040 0,35 0,65
8 9 10
1/њi+a R = 1/ъ U = 1/R = ȴs/Ѥ
0,02 1,538 0,04 0,02 0,417 0,14 3,500 0,115 0,329 0,02 0,031 0,355 (0,315) 0,170 5,985
U [W/m2K]
0,167
*) Ѥ-Werte nach Lehmbau Regeln [2.6]
Tab. 4-8
Holzständerbauweise mit Lehmstein und Dämmung, Berechnungsbeispiel U-Wert
Als reine Trockenbauvariante wäre auch der Ersatz der innen liegenden Lehmsteinschicht durch Lehmplatten vorstellbar. Dünne Lehmplatten (d ~ 3 cm) werden am Holzständer mit üblichen Verbindungsmitteln befestigt, dicke Lehmplatten (d ~ 8 cm) verklebt oder trocken versetzt (Nut und Feder) und in Abständen am Holzständer verankert. Anstelle einer Zellulosedämmung sind auch andere ökologische Dämmstoffe mit ähnlichem ƪ-Wert (~ 0,04 W / mK) einsetzbar. Mehrschalige Holztafel-Bauweise mit integrierter Lehmstein-Schale. Verschiedene Anbieter von Holz-Fertighaussystemen haben Wandaufbauten entwickelt, in denen Lehmsteine (bevorzugt Grünlinge) als innen lie-
gende, wärmespeichernde Schalen in die Außenwände integriert werden. Als statische Systeme kommen dabei vor allem Holztafelkonstruktionen zum Einsatz, die werksseitig komplett vorgefertigt und auf der Baustelle aufgestellt werden. Die Wandelemente können auch »innen offen« angeliefert, montiert und vom Bauherrn in Eigenleistung mit Grünlingen unter Anleitung komplettiert werden. Die Grünlinge werden mit der LagerÁäche l x h im Verband mörtellos eingestapelt und jeweils im Abstand von ca. 50 cm aufgehend von einer waagerechten Klemmlatte, die an den Ständern befestigt wird, in ihrer Lage gesichert. Bei einer Putzbekleidung werden die Lehm223
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
steine mit »leeren Stoßfugen« von ca. 5 mm Stärke verlegt, damit sich der Putz in die offenen Fugen setzen und damit einen stabilen Verbund der Schale gewährleisten kann. Der Putz ist zweilagig aufzubringen. In die erste, noch feuchte Putzlage wird ein Bewehrungsgewebe eingebettet. Die Lehmsteine werden aneinander stoßend
Bild 4-35
verlegt, wenn eine Bekleidung mit einer Trockenbauplatte (z.B. dünne LL-Platte) vorgesehen ist (Bild 4-35 [1.28]). Die Dicke der Klemmlatten soll dabei geringfügig schwächer sein als die Höhe der eingestapelten Lehmsteine, um ein festes Anliegen der Platte an die Lehmsteine zu sichern.
Holztafelkonstruktion mit integrierter Lehmstein-Schale [1.28]
1
2
3
4 1 2 3
Dämmung mit Schafwolle
Bild 4-36
224
Nicht tragende Trennwände, »dünne« Lehmplatten auf Holzständerkonstruktion, gedämmt [1.28]
4
Tragskelett Lehmputz »dünne« Lehmplatte Dämmung
4.2
Nicht tragende Trennwände Nicht tragende Trennwände aus Lehmbaustoffen können ein- oder mehrschalig ausgeführt werden. Sie müssen als Wandscheiben ausreichend steif und standsicher ausgebildet und mit den umgebenden tragenden Bauteilen zug- und schubfest verbunden werden. Mauerwerk aus Lehmsteinen. Die Lehmsteine werden mit Lehm-Mauermörtel im Mauerwerksverband verlegt (entspr. Bild 4-24). Die Fugen sollten ca. 1 cm tief ausgekratzt werden, wenn ein Verputz vorgesehen ist. Aus gestalterischen Gründen wird aber auch häuÀg eine Ausführung als Sichtmauerwerk gewünscht. Trennwände aus Lehmplatten. »Dünne« Lehmplatten werden beidseitig auf einer Trägerkonstruktion aus Holzlatten mit versetzten Stößen und üblichen Verbindungsmitteln be-
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
festigt. Der Zwischenraum wird gedämmt (Bild 4-36) [1.28]. In den Fugenbereichen wer den Streifen aus Armierungsgewebe aufgelegt und mit Lehm-Feinputzmörtel eingestrichen und nach Abtrocknen vollÁächig verputzt (Bild 4-53). »Dicke« Lehmplatten sind selbsttragend und umlaufend mit Nut und Feder ausgebildet. Sie werden auf einer Lagerbohle im Verband aufgesetzt (Bild 4-37) [4.31]. Die Verarbeitung kann ohne Mörtel erfolgen. Die Fugen werden vor Verarbeitung angefeuchtet, um die Klebkraft der Tonminerale zu aktivieren. Eine andere Möglichkeit ist der Einsatz von Klebern oder Mörtel im Dünnbettverfahren. Der Anschluss an andere (tragende) Wände ist mit üblichen Befestigungsmitteln (Nägel, Schrauben) möglich.
Bild 4-37 Nicht tragende Trennwände, »dicke« Lehmplatten, selbst tragend [4.31]
4.2.4
Decken
Decken wirken in der Gesamtkonstruktion i. d. R. als aussteifende Scheiben. Sie bilden den oberen Raumabschluss. Zusätzlich zur Eigenlast haben sie die Verkehrs- und Nutzlasten aus darüber liegenden Räumen auf die Wände zu übertragen, die diese in die Fundamente ableiten. Neben der statischen Funkti-
on haben sie bauphysikalische Anforderungen zu erfüllen. Lehmbaustoffe wurden traditionell in Holzbalkendecken verarbeitet, und zwar entweder in Stakenfeldern zwischen den Deckenbalken oder als AuÁagen auf Áächig durchgehenden, zwischen die Deckenbalken eingeschobenen 225
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
oder auf die Balken aufgelegten Verschalungen. Die Decken tragen an ihrer Unterseite eine sichtbare Verschalung oder einen Verputz, auf ihrer Oberseite den Fußboden, die Dielung. Bei untergeordneten Bauwerken kann diese auch fehlen. Holzbalkendecken mit Lehmbaustoffen kamen in Verbindung mit tragenden Wandkonstruktionen aus Lehm, Ziegel oder Naturstein zur Anwendung, vor allem aber in Fachwerkkonstruktionen. Durch die Ausführung moderner Holzskelett-Bausysteme gewinnen auch Holzbalkendecken mit ihren traditionellen Konstruktionsprinzipien wieder an Bedeutung. Dabei werden die heute verfügbaren Lehmbaustoffe eingesetzt, wobei die in Kap. 4.2 aufgeführten allgemeinen Grundsätze für die Planung und Ausführung von Lehmbauteilen zu beachten sind. Bei Holzbalkendecken unterscheidet man:
– Stakendecken – Einschubdecken – aufgelegte Decken. Je nach Position der Stakenfelder oder Áächigen Verschalungen bezogen auf die Höhe der Deckenbalken unterscheidet man außerdem »halbe« und »ganze« Staken- oder Einschub-Decken (Bild 4-38). Bei halben Decken liegt die Ebene des Tragskeletts zur Aufnahme der Lehmbaustoffe in etwa im unteren Drittel bis zur Mitte der Deckenbalkenhöhe. Unterseiten und ein Teil der Flanken der Deckenbalken bleiben sichtbar oder werden durch eine Verschalung völlig verdeckt. Bei ganzen Decken sind nur die Unterseiten der Deckenbalken sichtbar, oder sie werden verputzt oder verschalt. Bei aufgelegten Decken liegen die Staken oder Áächigen Verschalungen zur Aufnahme der Lehmbaustoffe auf den Deckenbalken auf.
Position der Tragskelette zur Aufnahme der Lehmbaustoffe aufgelegt
Tragskelette: Staken - Lehmwickel - Spaliere Einschübe
Deckenbalken
»halbe« Decke
»ganze« Decke
Bild 4-38 Lehmbaustoffe in Holzbalkendecken
4.2.4.1 Stakendecken Staken (Rundhölzer 4 – 12cm Durchmesser, auch gespalten, aus Nadel- oder Laubhölzern) und Latten (3 x 5 bis 4 x 6 cm) bilden wie in den Gefachen der Wandkonstruktionen ein Tragskelett zur Aufnahme der Lehmbaustoffe. Sie werden von der Seite in eingestemmte Bal226
kennuten eingeschoben, auf Trägerlatten aufgelegt, die an den Flanken der Deckenbalken befestigt werden, oder auf die Oberseite der Deckenbalken aufgenagelt. Als Lehmbaustoff kommt SL oder SLL, für Auffüllungen beliebiger schüttfähiger Bau-
4.2
lehm zur Anwendung. Stakendecken dürfen während der Trocknungszeit nicht betreten werden. Stakendecken unterteilt man weiter in Wickel- und Spalierdecken. Wickeldecken Lehm-Wickeldecken waren in Deutschland über Jahrhunderte die übliche Bauweise für Deckenkonstruktionen. Kenntnisse über ihren Aufbau und die Herstellung sind heute vor allem für den Sanierungsbereich von Bedeutung Bei Wickeldecken (auch Windelböden) werden Staken von 4 – 6 cm Stärke mit Langstroh umwickelt und mit breiig aufbereitetem Lehm glatt überstrichen. Vorher wurde das Stroh zu einem »Zopf« gedreht und in Áüssig-breiig aufbereiteten Lehm getaucht (Bild 4-39). Das Stroh kann auch Áächig ausgebreitet, der
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
Lehm darauf verteilt und beides als »Rolle« um die Staken gewickelt werden. Das verwendete Langstroh muss vor der Verarbeitung gewässert werden. Geeignet sind weiche Stroharten (Roggen, Hafer, Gerste). Die noch feuchten Wickel (auch »Weller«) werden in seitlich in die Deckenbalken eingestemmte Nuten dicht aneinander geschoben. Anstelle der Nuten kann man auch Latten seitlich an den Deckenbalken befestigen, auf die die Wickel aufgelegt werden. Je nach Lage der Wickel wird der Zwischenraum bis OK Deckenbalken mit schüttfähigen Baulehmen ohne besondere Anforderungen oder anderen Materialien aufgefüllt. Die Staken werden vor der Herstellung der Wickel auf die entsprechende Länge der Deckenfeldweite zugeschnitten. Ein geringes Übermaß ist dabei von Vorteil. Denn die feucht eingebauten, aneinander geschobenen
Herstellung der Lehmwickel und Einschieben in das Deckenfeld
Bild 4-39
Lehmwickel-Decke
227
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
Wickel müssen »stramm« im Deckenfeld sitzen, da Holz und Lehm nach dem Trocknen schwinden. Andererseits dürfen zu lange Staken die Position der Deckenbalken nicht verändern. Zur Abtragung üblicher Lasten sind ca. 8 Wickel je lfd. Meter ausreichend [2.6]. Je nach Lage der Lehmwickel im Deckenaufbau unterscheidet man ganze, halbe oder aufgelegte Wickeldecken / Windelböden (Bild 4-38). Bei ganzen Wickeldecken werden die Wickel etwa im unteren Drittel der Deckenbalken eingeschoben oder aufgelegt und schließen mit der Balkenunterkante ab. Der abschließende Verputz (aus Lehm) oder eine Verschalung verdeckt die Unterseite der Deckenbalken. Der Zwischenraum bis zur Balkenoberkante wird mit schüttfähigen Baulehmen oder anderen Materialien aufgefüllt. Der Abstand der Deckenbalken beträgt ca. 1m. Bei halben Wickeldecken werden die Wickel etwa im oberen Drittel der Deckenbalken eingeschoben oder aufgelegt und schließen in etwa mit der Balkenoberkante ab. Sie sind dadurch leichter als die ganzen Wickeldecken. Der untere Teil der Deckenbalken bleibt sichtbar. Die Deckenfelder werden entweder mit einer Verschalung oder einem Verputz (aus Lehm) abgeschlossen. Der Abstand der Deckenbalken beträgt ca. 1m. Bei aufgelegten oder gestreckten Wickeldecken werden Stakhölzer von 8 –12 cm Stärke mit SL-Zöpfen umwickelt, auf die OberÁächen der Deckenbalken aufgelegt und mit Nägeln befestigt. Der Abstand der Deckenbalken beträgt ca. 1 m. Die Deckenuntersicht wird i. d. R. verkleidet. Im traditionellen Bauen wurden diese Decken auch als eine Art Sparbauweise für untergeordnete landwirtschaftliche Bauwerke angewendet, bei denen der Abstand der Deckenbalken bis ca. 1,7 m beträgt. Der Fußboden wurde aus einem Lehmestrich gebildet, die Deckenbalken blieben von unten sichtbar. 228
Die Deckenfelder wurden mit Lehm verputzt. Als besondere Form der Wickeldecke wurde die Kreuzstakendecke bei hochbelasteten Decken und bei Spannweiten ab etwa 5 m eingesetzt (Bild 4-40 [4.33]). Einsatzbereiche waren z. B. Rathäuser, Gaststätten, repräsentative Wohnbauten, oft mit dekorativer Gestaltung der Deckenbalken und -felder. Die Kreuzstaken wurden mit Strohlehm umwickelt und mit wechselnder Neigung (»kreuzweise«) versetzt, entweder im Abstand bis zu 2m oder dicht aneinander, in Nuten der Deckenbalken eingeschoben oder eingenagelt. Im Fall der dichten Anordnung wurde die von den Kreuzstaken gebildete Mulde mit einem Lehmverstrich versehen und mit gedarrtem Sand oder schüttfähigem Lehm bis zur OK Deckenbalken aufgefüllt. Die Deckenuntersicht wurde i. d. R. verkleidet. Mit den kreuzweise versetzten Staken erreichte man in den Deckenfeldern eine bessere Scheibenwirkung und damit eine gute Querverteilung der Deckenlasten. Diese wurde durch im Abstand von ca. 2 m eingesetzte Rundstahlanker noch erhöht bzw. erhalten, wenn die feucht eingebauten Staken beim Austrocknen durch Schwinden ihre Länge verkürzten. Der Abstand der Deckenbalken ist < 1m. Spalierdecken Ein Tragskelett aus dünnen Staken, Latten oder Halbhölzern wird im Abstand von 2 bis 6 cm (Spalier) entweder auf die OberÁächen der Deckenbalken genagelt, zwischen die Deckenfelder in Nuten eingeklemmt oder auf seitlichen Trägerlatten eingeschoben oder an den Unterseiten der Deckenbalken befestigt (Bild 4-41 [1.28]). Dementsprechend unterscheidet man wie bei den Stakendecken auch »halbe«, »ganze« und »aufgelegte / gestreckte« Spalierdecken (Bild 4-38). Im Unterschied zu den Wickelstaken wird langfaseriger SL oder SLL von oben auf das
4.2
Lehmverstrich Sandauffüllung
Kreuzstaken Zuganker
325
Dielung
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
700
Bild 4-40
Kreuzstakendecke [4.33]
Bild 4-41
Spalierdecke »halb« [1.28]
Bild 4-42
Einschubdecken »halb« [1.28]
rostartige Spalier aufgebracht und durch die Spalten zwischen den Hölzern durchgedrückt. Die herabhängenden Zungen werden von unten gegen das Spalier gepresst und verstrichen. Die Deckenuntersicht oder die Deckenfelder werden nach Austrocknen mit Lehmputz beschichtet. Das Spalier kann auf der Unterseite auch mit einem Putzträger versehen und der Zwischenraum bis zur OK Deckenbalken mit
Sturzboden, bemalt
SL oder SLL aufgefüllt und leicht verdichtet (»gestopft«) werden. Man kann die Spalierdecke auch auf einer temporären Schalung herstellen. Diese Technik ist besonders dann anzuwenden, wenn keine geeigneten Faserstoffe zur Verfügung stehen oder die Bindekraft des Lehms für ein Verstreichen der herabhängenden SL-Zungen nicht ausreicht. Nach Trocknung der Lehmmasse wird die Unterseite verputzt. 229
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
4.2.4.2 Einschubdecken Im 19. Jahrhundert waren in Deutschland Einschubdecken weit verbreitet. Eine vollÁächige Schalung aus Schwarten, Brettern oder Bohlen wurde zwischen die Deckenbalken in eingestemmte Nuten »eingeschoben« oder auf seitlich an den Deckenbalken befestigte Trägerlatten aufgelegt (Bild 4-42 [1.28]). Wie bei den Lehm-Wickeldecken konnten entsprechend der Position des Einschubs »ganze« oder »halbe« Einschubdecken ausgebildet werden. Dabei waren Deckenschalung und Deckenbalken häuÀg dekorativ gestaltet. »Gestülpte« Schalungen waren Gestaltungselement und Sparbauweise zugleich: ca. 10 cm breite besäumte Bretter als untere Lage und unbesäumte Schwarten als obere Lage wurden jeweils mit Abstand nebeneinander oder »auf Stülp« verlegt. Der Einschub (auch Fehlboden oder Steifboden) wurde mit der Füllmasse belegt, die aus trockenen oder feuchten Lehmschüttungen oder aus anderen Materialien bestand. Bei Verwendung trockener, rieselfähiger Füllmassen wurde die Schalung zunächst mit einem feuchten Lehmverstrich als »Rieselschutz« versehen und darauf die Füllmasse aufgebracht. Bei Verwendung feuchter Schüttmassen wurde zuvor eine Lage trockenes Stroh auf dem Einschub verteilt.
Im modernen Lehmbau Àndet das Konstruktionsprinzip der mit Lehmbaustoffen belegten Einschub- oder aufgelegten Decken erneut Anwendung (Bild 4-43 [1.28]). Zum Einsatz kommen trockene, aber auch feuchte Lehmbaustoffe. Letztere haben immer den Nachteil des erhöhten Feuchteeintrags in die tragende Holzkonstruktion mit längeren Trockenzeiten und größerer Massen in den Deckenfeldern beim Einbau. Sie müssen ggf. verdichtet werden. Anstelle von feuchten Lehmbaustoffen können auch trockene Baulehmschüttungen, Grünlinge (Bild 4-42), Lehmsteine oder unbewehrte Lehmplatten verarbeitet werden. Bei geformten Lehmbaustoffen ist aus Gründen des Schallschutzes eine möglichst dichte Verfüllung der Fugen mit Mörtel oder Sand erforderlich. Vor dem Aufbringen der trockenen Lehmbaustoffe werden die Deckenfelder vollÁächig mit einem stabilen Rieselschutzpapier ausgelegt. Ein der Belastbarkeit der Lehmbaustoffe angepasster sowie den Anforderungen an den Schall- und Wärmeschutz entsprechender Fußbodenaufbau bildet den oberen Abschluss der Decke. Die Verschalungen als Träger der Lehmbaustoffe werden entsprechend den statischen Erfordernissen bemessen.
Bild 4-43 »Aufgelegte« Decke mit Lehmsteinen als AuÁage [1.28]
230
4.2
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
4.2.4.3 Decken aus Lehmplatten Die Felder zwischen den Deckenbalken werden mit SL- oder SLL-Platten ausgefacht. Bewehrte Lehmplatten können tragend eingesetzt werden, unbewehrte nur selbsttragend. Die Bewehrungsstäbe (Latten) tragender Lehmplatten liegen auf den BalkenoberÁächen auf oder werden auf seitlich an den Deckenbalken befestigten Trägerlatten (Bild 4-44) oder in eingestemmte Nuten eingeschoben.
Die Lehmplatten müssen trocken verlegt werden. Fehlstellen können durch Lehmmörtel oder LL-Mischung ausgeglichen werden. Ein unterseitiger Verputz der Platten wird empfohlen. Von einigen Herstellern werden inzwischen auch Deckeneinschubplatten (d = 125 mm) angeboten.
Bild 4-44 Vorgefertigte Deckenelemente aus LL-Platten
4.2.4.4 Ausfachung von Dachschrägen Ausfachungen von Dachschrägen können wie bei Deckenkonstruktionen ausgeführt werden: – Lehmwickel – Einbau auf Gleitschalung (Staken) – Einbau auf verlorener Schalung (Einschub) – Einbau auf Spalier.
4.2.5
Für den Ausbau von Dachgeschossräumen werden inzwischen von einigen Herstellern vorgefertigte SLL-Platten als Dachsparreneinschub angeboten.
Flachdächer
Flachdächer aus Lehmbaustoffen wirken wie Decken in der Gesamtkonstruktion i. d. R. als aussteifende Scheiben. Sie erfüllen eine doppelte Funktion als Bauteil: – Als Dach bilden sie den oberen Gebäudeabschluss. Neben der Erfüllung statischer und bauphysikalischer Anforderungen müs-
sen sie vor allem der Witterung widerstehen, – Als Decke stellen sie den oberen Raumabschluss der unmittelbar überspannten Räume dar. Flachdächer aus Lehmbaustoffen sind heute vor allem im traditionellen Bauen der trockenheißen Klimagebiete Nordafrikas, Arabiens 231
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
sowie Vorder- und Zentralasiens, aber auch in Indien verbreitet. Als Dach sind sie i. d. R. begehbar ausgebildet. Als Decken waren und sind sie darüber hinaus immer Gegenstand künstlerischer Gestaltung. Die Tragstruktur von Flachdächern aus Lehmbaustoffen ist vergleichbar mit der von Deckenkonstruktionen (Kap. 4.2.4). Das Tragskelett wird gebildet aus den Deckenträgern aus Rundoder Kanthölzern oder Bohlen (Bild 4-45 [4.21]). Falls die Spannweiten es erfordern, können die Deckenträger auf lastverteilende 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12-16
Entwässerungsrohr aus lokal verfügbarem Material, Durchmesser ca. 75 mm, L = 400 – 500 mm mit ausreichendem Wandüberstand tragende Wand aus Lehmbaustoffen, D = 250 – 300 mm Attika aus Lehmbaustoffen H = 300 mm, D = 200 mm, verputzt und mit Kalkanstrich versehen BalkenauÁage mit Bitumenpappe Deckenträger Querträger Deckenschalung Doppellage Bitumenpappe / bitumengetränkte Jutematten Kies-Lehm-Mischung 50 mm Sand-Lehm-Mischung bis 200 mm stabilisierter Lehmestrich 50 mm, mit Gefälle zur Entwässerung Variante in Rundholz
Bild 4-45
232
Unterzüge mit zusätzlichen Tragstützen aufgelegt werden. Auf die Deckenbalken werden Áächige Brettoder Knüppelschalungen (auch Bambus oder Schilf) aufgelegt (Bild 4-46), auf die zunächst grobkörnige Lehmmasse aufgebracht und verdichtet wird. Um eine bessere abdichtende Wirkung zu erreichen, soll der Feinkorngehalt des Lehms nach oben zunehmen. Abschließend wird als »Dachhaut« ein stabilisierter Lehm-Feinestrich (frischer Kuhdung, Bitumen etc.) aufgebracht und geglättet. Neuere
Traditionelle Flachdächer aus Lehmbaustoffen, Tragstruktur und prinzipieller Aufbau [4.21]
4.2
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
Áächige Schalung aus Bambus zur Aufnahme des Lehmschlags
Bild 4-46 Traditionelle Flachdächer aus Lehmbaustoffen, Deckenuntersicht
Bild 4-47 Traditionelle Flachdächer aus Lehmbaustoffen, Entwässerung
Dachkonstruktionen sind zwischen Schalung und Lehmschlag mit einer Feuchtesperre (Plastikfolie) ausgerüstet. Als Randbegrenzung des Flachdaches wird auf den Außenwänden eine Art Attika ausgebildet, die auf der Ebene der OK des Estrichs von Abläufen für das Regenwasser durchstoßen wird (Bild 4-47). Der Estrich ist zu den Abläufen hin entsprechend geneigt. Obwohl es selten regnet, müssen Estrich und Abläufe ständig gewartet werden. Undichtigkeiten in Flachdächern sind häuÀg Gegenstand von Reparaturen (Kap. 5.3.3.3). Unter den Bedingungen des trocken-heißen Klimas wirken die traditionellen Lehm-Flach-
dächer bauklimatisch perfekt: Die große Masse des Daches speichert die Tageshitze und gibt sie zeitversetzt in den kühlen Morgenstunden an den Innenraum ab. In erdbebengefährdeten Gebieten stellen diese schweren Dachkonstruktionen wegen der großen, hoch liegenden Masse aus Lehm jedoch ein potentielle Gefahr für die Bewohner dar. Wie bei den Decken liegen auch bei den Flachdächern die Tragelemente i. d. R. ohne Verankerung und lastverteilenden Ringbalken direkt auf den Mauerkronen (Bild 5-36). Zur Verringerung der Masse können in das Flachdach aus Lehm auch nach dem Prinzip der »falschen Kuppel« (Kap. 4.2.6) errichte233
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
te Konstruktionen aus Holzknüppeln entspr. dem Konstruktionsprinzip in Bild 4-46 eingebunden werden: Ausgehend von einem in etwa quadratischen Raumgrundriss werden die Knüppel von den Ecken beginnend als Hypotenuse zu den rechtwinklig stehenden Raumseiten verlegt. Jede darüber liegende Schicht wird jeweils um 90° gedreht und um
4.2.6
Gewölbe
Ähnlich wie bei Flachdächern erfüllen Gewölbekonstruktionen aus Lehmsteinen oft die Funktionen »Dach« und »Decke«, nicht selten aber auch noch die Funktion einer »Wand«, in einem einzigen Bauteil. Sie können auch als Zwischendecke ausgebildet werden. Gewölbe sind statisch gesehen gekrümmte Flächentragwerke, die im Gegensatz zu Schalen (fast) ausschließlich Druckkräfte übertragen. Einachsig gekrümmte Konstruktionen bezeichnet man als Tonnen (mit geringer Höhe als Kappen), zweiachsig gekrümmte als Kuppeln. Im Lehmbau haben vor allem als Mauerwerk mit Lehmsteinen ausgeführte Konstruktionen Bedeutung. Hinsichtlich der räumlichen Anordnung der Lehmsteine in Kuppeln unterscheidet man in »echte« und »falsche«. Bei echten Kuppeln bilden die innen liegenden SichtÁächen der Lehmsteine die GewölbeoberÁäche, die Lagerfugen sind zum Schwerpunkt geneigt angeordnet. Bei falschen Kuppeln werden die Lehmsteine nach innen auskragend verlegt, die Lagerfugen verlaufen horizontal (Bild 4-48) [4.34], [4.35], [4.36], [4.1]. Die Techniken zur Herstellung ein- oder zweiachsig gewölbter Konstruktionen aus luftgetrockneten Lehmsteinen sind bereits vor mehr als 4. 000 Jahren im heutigen Ägypten und Sudan nachweisbar (Bild 1-9 [1.6],[1.5]). Sie werden deshalb auch als »Nubische Gewölbe« bezeichnet. Gewölbekonstruktionen aus Lehmsteinen 234
ein Stück zum Mittelpunkt des Grundrisses versetzt, bis die GrundrissÁäche überdeckt ist. Die Stabilität der Knüppelkonstruktion wird durch den Lehmschlag gesichert. Bei fensterlosen Innenräumen wird der »Schlussstein« der Kuppel auch oft als Glasfenster zur Belichtung ausgebildet.
sind heute vor allem in ariden Klimagebieten Asiens und Afrikas als traditionelle Bauform verbreitet. Sie bieten unter ariden Klimabedingungen gegenüber kubisch gestalteten Baukörpern raumklimatische Vorteile: – Durch das Gewölbe ergibt sich in der Mitte des Gebäudes eine vergleichsweise größere Raumhöhe, in der sich die erwärmte, auf steigende Luft sammelt und durch Öffnungen nach außen abgeführt werden kann. – Verglichen mit ebenen DachÁächen ist der maximale Strahlungseinfall der Sonne bei einachsig gekrümmten Gewölben (Tonnen) linienförmig, bei zweiachsig gekrümmten Gewölben (Kuppeln) nur punktförmig. Dadurch reduziert sich die in die Dachkonstruktion eingetragene Wärmelast gegenüber ebenen DachÁächen erheblich. Hinzu kommt, dass die Konstruktionen bei entsprechenden handwerklichen Fertigkeiten ohne Schalungen aus Holz ausgeführt werden können. Wegen des in ariden Klimagebieten verbreiteten Holzmangels war und ist dies ein besonderer Vorzug. In Deutschland und Mitteleuropa spielen Gewölbekonstruktionen aus Mauerwerk für die heutige tägliche Baupraxis keine Rolle. Dennoch sind in den letzten Jahren auch hier einige attraktive Projekte als »Lehmstein-Kuppeln« ausgeführt worden (MINKE [3.33]). Lehmsteine können nur in geringem Maße Zugkräfte aufnehmen. Gewölbekonstruktio-
4.2
nen aus Lehmsteinen müssen deshalb so ausgebildet sein, dass ausschließlich Druckkräfte entstehen. Bei einem Tonnengewölbe, das nur durch sein Eigengewicht belastet ist, ist dies der Fall, wenn der Querschnitt die Form der »umgekehrten Kettenlinie« aufweist (Bild 4-49). Ein Kette bildet unter dem EinÁuss ihres Eigengewichtes die ideale Hängeform, bei der lediglich Zugkräfte entstehen. Klappt man diese Linie um 180°, so dass eine »stehende« Kurve entsteht, erhält man die »Stützlinie«, die ideale Querschnittsform für ein Tonnengewölbe, in dem unter dem EinÁuss des Eigengewichtes nur Druckkräfte entstehen. Die Zerlegung der aus Druck- und Schubkräften zusammengesetzten Resultierenden R im Durchstoßpunkt der Fundamentsohlfuge zeigt: Je steiler die Resultierende in das Fundament geleitet wird, desto kleiner ist der horizontal gerichtete Schubanteil, und desto einfacher ist die Fundamentausbildung. Die Resultierende aus Gewölbeschub und Wandlast muss im Bereich der KernÁäche des Fundamentes (1/6 L bzw. 1/6 B vom Mittelpunkt gemessen) liegen. Stoßen zwei gleiche Tonnen in einem Streifenfundament zusammen, heben sich die durch das Eigengewicht der
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
Konstruktion entstehenden Horizontalkomponenten des Gewölbeschubs gegenseitig auf. Bei der »Nubischen Tonnenbauweise« werden Áache Lehmsteine in geneigten Bögen vermauert, ohne dass ein Stützgerüst oder eine Schalung während des Errichtens der Bögen notwendig ist. Die schräg gemauerten Schichten benötigen eine oder mehrere feststehende »Anlehnwände« oder »-bögen« zur Aufnahme der horizontalen Schubkräfte. Die Neigung der gemauerten Bögen gegenüber der Lotrechten beträgt ca. 20°. Die Formate der Lehmsteine sollten eine relativ geringe Höhe (5 – 6 cm) gegenüber einer vergleichsweise großen AuÁagerÁäche (15 x 25 cm) haben, um ein Abrutschen oder Abkippen der Steine im oberen Bereich der Schichten zu verhindern. Die Bogenform wird vor Arbeitsbeginn auf die Anlehnwand übertragen. Die Neigung der durchgehenden Schichten wird durch auf dem Boden beginnende, geneigte Zwickelansätze erzeugt (Bild 4-50) [4.41]. Gewölbe aus Lehmsteinen können auch schwere Erdbeben überstehen. Bild 5-31 zeigt Schadensstrukturen an Tonnengewölben der Zitadelle von Bam nach dem Erdbeben im Dezember 2003.
»falsches« Gewölbe: Traditionelle »Bienenkorb«Häuser aus Lehmsteinen in Syrien [4.34]
Bild 4-48 Gewölbekonstruktionen aus Lehmsteinen
235
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
»stehend« Zug
Durchstoßpunkt der Resultierenden in Sohlfuge des Fundaments
R
»hängend« Zug
e B/6
B
H
Kräftezerlegung am AuÁager
H
R
R V
V
Sohldruckverteilung SDV e = B/6 Dreieck e < B/6 Trapez e > B/6 »Zugzone» unzulässig
stehender Bogen
236
Bild 4-49
Gewölbekonstruktionen aus Lehmsteinen, KräfteÁuss in »Tonne«
Bild 4-50
Schalungsfreie Ausführung eines Tonnengewölbes aus Lehmsteinen [4.41]
4.2
4.2.7
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
Putz
4.2.7.1 Anwendung und Beanspruchungen Putze sind ebene, auf BauteiloberÁächen dünn und Áächig aufgetragene Beschichtungen aus Putzmörteln gem. Kap. 3.5.6.2. Sie schützen die beschichteten Bauteile vor Beanspruchungen, die für Innen- und AußenoberÁächen unterschiedlich sind. Ihre endgültigen Eigenschaften erhalten sie nach Erhärtung am Bauteil. Die allgemeinen Anforderungen an Putzmörtel sind in DIN EN 998-1 in Verbindung mit DIN V 18550 deÀniert. In Bezug auf Putzanwendungen im Lehmbau unterscheidet man nach [2.6]: – Lehmputz auf Lehm- und anderen Untergründen, – Putze mit anderen Bindemitteln auf Lehmuntergründen, die jeweils als Innen- oder Außenputz mit den entsprechenden Beanspruchungen eingesetzt werden können, und zwar: Innenputz als Träger von Anstrichen und Tapeten, sowie ggf. mechanischer Beanspruchungen im öffentlichen Bereich. Zunehmend werden auch Anforderungen an Innenputze hinsichtlich ihrer optisch-ästhetischen und bauphysikalischen Wirkung gestellt, hier vor allem zur schnellen Aufnahme von überhöhter Raumluftfeuchte. Darüber hinaus kann der Innenputz den Brand- und Schallschutz von Bauteilen verbessern. Außenputz wird durch mechanische Einwirkungen und die Witterung beansprucht, auf den der Hauptwindrichtung zugewandten Wetterseiten in besonderer Weise. Er soll einen plötzlichen Wasserdurchtritt bei Schlagregen auf Außenseiten verhindern. Das Wasser wird allmählich absorbiert und bei entsprechender Belüftung wieder abgegeben. Darüber hinaus kann Außenputz einen Beitrag zur Verbesserung der Wärmedämmung
sowie der optischen Gestaltung der Außenfassade leisten. In Ballungsgebieten wird Außenputz zusätzlich durch Schadstoffe aus der Luft belastet. Lehmputz ist wie andere Lehmbaustoffe nicht witterungsstabil und deshalb vor allem als Innenputz oder für nicht durch Schlagregen betroffene Bereiche geeignet. Im Innenbereich muss weiterhin seine eingeschränkte mechanische Stabilität beachtet werden. Lehmputz weist im Vergleich mit anderen mineralischen Putzbeschichtungen auf Grund der erhalten gebliebenen OberÁächenaktivität der Tonmineralien eine deutlich höhere Absorptionsfähigkeit von Wasserdampf auf. Dadurch wird ein Innenraumklima mit einer ausgeglichenen Luftfeuchtigkeit geschaffen, was sich gesundheitsfördernd auf die Nutzer auswirken kann. Kalkputze bzw. stabilisierte Lehmputze eignen sich wegen ihrer verbesserten Witterungsstabilität prinzipiell auch für bewitterte BauteiloberÁächen. Durch diffusionsoffene Anstriche kann man die Witterungsstabilität weiter verbessern. Darüber hinaus gestattet Lehmputz bzw. stabilisierter Lehmputz eine Vielzahl interessanter Möglichkeiten der Gestaltung ebener, organisch geformter, strukturierter, aber auch farbiger OberÁächen, Wanddekorationen und -malereien. Andere Kulturkreise können noch heute eine sehr reiche Tradition auf diesem Gebiet vorweisen (Bild 4-51).
237
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
Bild 4-51 Lehmputz, Wanddekorationen in Sirigu, Ghana
4.2.7.2 Putzgrund Der Putzgrund bildet die Ebene, auf welcher der Putz im Gebrauchszustand ausreichend fest haften muss. Prüfung des Putzgrundes Der Putzgrund muss ausreichend fest, sauber, staubfrei und trocken sein. Lose Bestandteile sind zu entfernen oder zu stabilisieren. Er soll eben sein, so dass der Putzmörtel in gleichmäßigen Lagen aufgetragen werden kann. Er darf weiterhin keine schichtbildenden Anstriche aufweisen. Der Untergrund muss weiterhin frei sein von Ölen sowie Salzen, die sich vor allem oberhalb durchfeuchteter Sockelbereiche in der Wandkonstruktion ablagern können. Die Bauteiltemperatur soll bei Auftrag des Putzmörtels mindestens +5°C betragen. Der Ausführungsbetrieb muss den Untergrund vor Beginn der Putzarbeiten auf die genannten Eigenschaften prüfen. Die Ergebnisse sollen dokumentiert werden. Entsprechende Prüfmethoden für Untergrund und Umgebung sind in DIN V 18550 benannt: – Augenschein auf anhaftende Fremdstoffe, lockere und mürbe Teile, Kalkausblühungen 238
– Wischprobe mit der Áachen Hand (Staub, Schmutz) – Kratzprobe mit hartem Gegenstand (Abplatzen, Abblättern, Absanden) – Benetzungsprobe (Saugfähigkeit, Reste von Schalungstrennmitteln) – Temperaturmessung (Putzgrund, Umgebungstemperatur). Vorbereitung des Putzgrundes Nach der Prüfung des Putzgrundes müssen zunächst Staub und ggf. lose Teile und anhaftende Fremdstoffe entfernt, sowie Unebenheiten ausgeglichen werden. Je nach Kapillarität des Untergrundmaterials ist eine entsprechende Vorbehandlung erforderlich. Generell müssen stark saugfähige Untergründe vor dem Putzantrag angenässt werden. Glatte Untergründe soll man aufrauen, mit Lehmschlämme vorspritzen oder einstreichen. Im historischen Lehmbau wurden zur besseren Putzhaftung Kratz- oder Stippmuster in den noch feuchten Untergrund eingeritzt oder eingedrückt (Bild 4-52).
4.2
Bild 4-52
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
Lehmputz, Aufrauen des Putzgrundes durch Kratz- und Stippmuster [3.7]
Wechselnde Untergrundmaterialien, vor allem Holzteile, sowie Vor- oder Rücksprünge müssen mit üblichen Putzträgern überspannt bzw. angeglichen werden. Fugenbereiche Holz-Gefach in Fachwerkkonstruktionen sind mit ca. 10 cm Überlappung mit Putzträgern zu überspannen. Im Gegensatz zu Kalk- oder Zementputz bindet Lehmputz nicht chemisch ab. Er haftet nach dem Austrocknen an der Luft nur mechanisch am Putzgrund. Die Qualität des Putzgrundes beeinÁusst auch die Entscheidung, ob Lehmputz ein- oder mehrlagig aufgetragen werden muss. Untergründe für Lehmputz Bei entsprechender Vorbehandlung können Lehmputze auf die meisten üblichen Untergründe aus mineralischen Baustoffen aufgetragen werden (Überblick Tab. 4-9). Bauteile aus mineralischen Baustoffen Übliches Mauerwerk aus gebrannten Ziegeln, Naturstein, Kalksandsteinen, Lehmsteinen (Bild 4-24): Je nach Rauigkeit des Mauerwerks muss der Untergrund entsprechend vorbehandelt werden. Glatte OberÁächen aus Klinkern erfordern einen Vorspritzbewurf bzw. ein
Vorstreichen mit Lehmschlämme. Bei porosierten Ziegeln und Vollziegeln, aber auch bei Kalksandsteinen kann der Auftrag von Lehmputz i. d. R. problemlos und (ggf. nach Annässen) unmittelbar erfolgen. Durch Auskratzen der Fugen bis ca. 1 cm Tiefe verbessert man die mechanische Haftung des Lehmputzes nach dem Austrocknen. Lehmsteine und Leichtlehmsteine mit organischen Fasern, aber auch »dicke« Lehmplatten stellen i. d. R. ebenfalls einen guten Putzgrund dar. Durch Aufrauen kann man Faserenden aus dem Untergrund herauslösen, wodurch die mechanische Haftung des Putzes auf dem Untergrund weiter verbessert wird. Stranggepresste Grünlinge weisen glatte OberÁächen auf und sind besonders gegen Feuchte empÀndlich. Darauf ist beim Vornässen zu achten. I. d. R. können auch Grünlinge mit Lehmputz beschichtet werden, ggf. nach einem Vorspritzbewurf. Grünlinge mit sehr glatten OberÁächen werden heute oft aus gestalterischen Gründen als Sichtmauerwerk ausgeführt. Beton ist generell ein schwieriger Putzuntergrund. Glatte BetonoberÁächen werden mit einem Spritzbewurf aus Zementschlämme und Grobsand-Feinkies (2 – 4 mm) oder einem handelsüblichen Kontaktgrund vorbehandelt. 239
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
Untergrund
Einlagig
Mauerwerk Lehmsteine Grünlinge
•
Ziegel/HLZ Klinker Kalksandstein KS Beton/Naturstein glatt Porenbeton Naturstein
•
Platten Lehmtrockenbau~
Grundieren
Vorspritzen
•
•• • • ••
Lehm StampÁ ehm Leichtlehm/Fachwerk Putz Lehmputz, alt Kalk-, Gipsputz, alt
Zweilagig
• •• • •
•
• •
Gipskarton~
••
•
• • •
•
• • •
• •
Armieren
Bemerkung
Fugen 1cm tief anschneiden geringe Wasserstabilität beachten, Fugen 1cm tief anschneiden
schwieriger Putzgrund, auf Reste von Schalungsöl achten
• •
•
•
Holzweichfaser~
•
•
HWL-, Schilfrohr~
Annässen
schwieriger Putzgrund
••
*) Holzteile, Schilfrohrgewebe nicht annässen
Áächig überarbeiten
• • • •
nicht annässen aufrauen, nicht annässen schlechter Putzgrund, nicht annässen ungeeigneter Putzgrund
harte Holzwerkstoff~
• muss, • Empfehlung, • kann Tab. 4-9
Lehmputz, Übersicht Putzgründe
Wichtig ist eine vorherige Kontrolle auf Reste von Schalungsöl und deren Beseitigung. Porenbeton ist extrem saugfähig und muss deshalb entsprechend vorgenässt oder mit Kontaktgrund vorbehandelt werden. StampÁehm / Leichtlehm: Bei neu errichteten Bauteilen aus StampÁehm bzw. LL ist eine Beschichtung mit Lehm-Putzmörtel erst nach vollständiger Austrocknung und dem Abklingen der damit verbundenen Setzungen 240
bzw. Schwindverformungen sinnvoll. Zur Verbesserung der mechanischen Haftung des Lehmputzes auf dem Untergrund aus Stampflehm können bei der Herstellung des Bauteils waagerechte Leisten aus Dachsteinen oder Ziegelbruch eingearbeitet werden (Bild 4-14). Die in den letzten Jahren neu errichteten StampÁehm-Konstruktionen wurden jedoch nicht verputzt, da mit der außergewöhnlichen Struktur der WandoberÁächen ein besonderer
4.2
gestalterischer Effekt erreicht werden sollte. Auf Untergründen aus LL haftet Lehmputz durch die (faserförmigen) Zuschläge i. d. R. besser, vor allem nach zusätzlichem Aufrauen. Wird der LL in eine verlorene Schalung eingebracht, haftet der Lehmputz auf dieser (z.B. eine Schilfrohrmatte) und nicht auf dem LL. Vorhandene Kalk-, Zement-, Gips- oder Lehmputze: Putzgründe aus vorhandenen, noch stabilen Kalk-, Gips- oder Zementputzen können mit Lehmputzen überarbeitet werden. Vorhandene Fehlstellen müssen zunächst ausgebessert werden. Dadurch entsteht häuÀg ein unterschiedliches Saugverhalten des Untergrundes in der Fläche. Eine Behandlung der OberÁäche mit einer Grundierung vor weiterer Beschichtung ist deshalb zu empfehlen. Auch alte, noch stabile Lehmputze kann man mit neuen Lehmputzen, z. B. farbigen LehmFeinputzen, überarbeiten. Fehlstellen und lose Partien müssen ausgebessert werden. HäuÀg sind alte Ausbesserungen mit Gips oder z. T.
dünne Lehmbauplatten auf Unterkonstruktion
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
mehrlagige Farbanstriche, in Küchenbereichen oft wasserdampfundurchlässige Ölfarben. Diese müssen entfernt werden. Nicht selten beÀndet sich zwischen den einzelnen Ölfarbanstrichen Schimmelpilz. Die »Klebkraft« der Tonmineralien im vorhandenen Lehmputz wird durch Annässen und kräftiges Bearbeiten mit einer groben Waschbürste aktiviert. Danach wir der neue Lehmputz aufgetragen. Trockenbauplatten Dünne Lehmbauplatten: Die Plattenstöße werden mit Gewebe-Streifen aus grobmaschiger Jute oder Glasfasern überdeckt, indem sie Áächig aufgelegt und mit Lehmschlämme oder Lehm-Feinputz Àxiert werden (Bild 4-53). Gipshaltige Trockenbauplatten: Sie sind generell schwierige und schadenanfällige Putzgründe. Die Plattenstöße müssen nach Herstellerangaben mit Spachtelmasse beschichtet und geschliffen werden sowie mit einem Fugenarmierungsgewebe überdeckt sein. Bes-
Plattenstoß, Überdeckung mit Bewehrungsgewebe
Bild 4-53 Untergründe für Lehmputz, Bearbeitung von Plattenstößen [3.7]
241
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
ser ist eine vollÁächige Armierung. In jedem Fall ist eine Grundierung erforderlich, die die Platte vor Durchfeuchtung des nass aufgetragenen Lehm-Feinputzes schützt. Erst nach Austrocknen der Grundierung erfolgt der Auftrag des Putzmörtels. Holzfaserhaltige Trockenbauplatten Holzwerkstoff- oder Spanplatten (OSB) sind für einen direkten Verputz nicht vorgesehen und stellen deshalb schwierige Putzgründe dar. Eine Beschichtung mit Lehmputz sollte deshalb auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben und erfordert in jedem Fall fachliche Beratung. Holzweichfaserplatten werden i. d. R. zweilagig verputzt. Durch Aufrauen des Putzuntergrundes werden Enden von Holzfasern aufgerichtet, die einen verbesserten Haftverbund mit dem Unterputz herstellen. Der Putzuntergrund wird nicht angenässt. In den Unterputz sollte Armierungsgewebe vollÁächig eingebettet werden. Danach wird der Feinputz aufgetragen. Zement- oder kalkgebundene HolzwolleLeichtbauplatten (HWL) stellen einen guten Putzgrund dar. Die Plattenstöße müssen mit
üblichen Putzträgern bewehrt werden. Alternativ kann man bei zweilagigem Verputz Armierungsgewebe vollÁächig in den Unterputz einbetten. Der Putzuntergrund wird nicht angenässt. Putzträger / Armierungsgewebe Schilfrohr ist im Lehmbau der am häuÀgsten verwendete Putzträger. Es darf vor dem Verputz nicht angenässt werden. Der Putzauftrag soll zweilagig erfolgen. Es wird empfohlen, in den Unterputz ein Armierungsgewebe vollÁächig einzubetten. Mit Schilfrohrmatten können Bauteile aus Holz oder Holzwerkstoffen überdeckt oder bauteilbildende, »verlorene« Verschalungen (Kap. 3.2.2.3) hergestellt werden. Die einzelnen Halme sind an beiden Enden mit dünnen Drähten auf einem ca. 1 mm starken Bindedraht verrödelt. Die Halme werden dadurch in Position gehalten und können als Matte aufgerollt werden. Schilfrohrplatten dienen im Lehmbau sowohl als Putzträger als auch als Wärmedämmung. Übliche Plattenstärken sind 20 und 50 mm bei Plattengrößen 2 x 1m. Die Platten
Bild 4-54 Lehmputz, Eindrücken von Armierungsgewebe in noch feuchten Unterputz [3.7]
242
4.2
erhalten ca. alle 20 cm eine Drahtbindung quer zum Halm sowie eine Absteppung alle 5 cm. Andere Putzträger wie Ziegeldrahtgewebe oder Metallputzträger können ebenfalls zur Verbesserung des Untergrundes für die Haftung des Lehmputzes eingesetzt werden.
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
Armierungsgewebe (z. B. Glasfasergewebe) sind i. d. R. feinmaschiger. Bei mehrschichtigem Putzaufbau dienen sie zur Bewehrung des dünnen Feinputzes. Sie werden meist vollÁächig in den noch feuchten Unterputz eingedrückt (Bild 4-54).
4.2.7.3 Putzauftrag und Austrocknung Aufbereitung Werksmäßig hergestellte Lehmputzmörtel oder Lehm-Werkputzmörtel entspr. Kap. 3.5.6 werden auf der Baustelle nach den Herstellerangaben aufbereitet. Die Aufbereitung kann manuell, mit elektrisch betriebenem Rührquirl oder mit einem üblichen Betonmischer (Freifallmischer) erfolgen. Die Konsistenz des zu verarbeitenden Putzmörtels darf nicht zu steif, aber auch nicht zu Áüssig eingestellt sein. Putzmörtelhersteller geben i. d. R. Informationen über das optimale Mischungsverhältnis. Im Zweifelsfall kann man vor dem Auftrag eine ProbeÁäche herstellen. Weiterhin ist zu beachten, dass farbige Lehm-Feinputze nach dem Aufbereiten mit Wasser erst eine gewisse Zeit ruhen müssen, damit die Aktivität der Bindemittel sich voll entfalten kann. Vor dem Auftrag müssen sie dann nochmals durchgearbeitet werden. ProbeÁächen Aus Baulehm (z. B. Baugrubenaushub) vor Ort hergestellte Lehm-Putzmörtel sollen hinsichtlich ihrer ausreichenden Haftung, Magerung und optimalen Verarbeitungskonsistenz vor dem Auftrag generell an ProbeÁächen geprüft werden. Dazu wird eine mindestens 1 m2 große Fläche mit gleichen Putzgrundeigenschaften mit dem zu prüfenden Lehmputz in der vorgesehenen Dicke und Konsistenz beschichtet. Nach einer Trocknungsdauer von 2 bis 3 Tagen wird die Bauteilprobe auf folgende Erscheinungen untersucht:
– Es zeigen sich Risse im Putz bereits am nächsten oder übernächsten Tag, und nach außen gewölbte Bruchschollen lösen sich vom Untergrund: die Mischung ist zu fett, der Sandanteil muss erhöht werden; – es zeigen sich Risse im Putz, es besteht aber eine gute Haftung mit dem Untergrund: die Mischung ist als Unterputz geeignet; Sandzugabe bei Verwendung als Feinputz erforderlich; – die Putzprobe bleibt auch nach drei Tagen Trockenzeit frei von Rissen: die Mischung ist auch als Feinputz brauchbar; – der Lehmputz fällt schon beim Antrag ab, oder er löst sich, obwohl nicht gerissen, in kleinen Teilen bei Stoßbeanspruchung vom Untergrund ab: die Mischung ist zu mager, der Lehmanteil muss erhöht werden; – der abschließende Feinputz sandet stark ab: die Mischung ist zu mager, Lehm- bzw. Faserstoffanteil erhöhen. Schichtaufbau Lehmputz kann je nach gewünschter Dicke, aber auch aus gestalterischen Gründen einoder mehrlagig aufgebracht werden. Ein einlagiger Putzauftrag ist i. d. R. kostengünstiger. Eine Putzlage wird dabei mit dem gleichen Mörtel in einem oder mehreren Arbeitsgängen »nass in nass« auf den Untergrund aufgetragen. Bei Putzen von mehr als 1cm Dicke soll ein Aufbau gewählt werden, der einen dickeren, faserstoffhaltigen Unterputz vorsieht, auf den 243
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
ein dünner Feinputzmörtel aufgetragen wird (Kap. 3.5.6.2). Vor dem Auftrag des Feinputzes können zur besseren Verankerung in den noch feuchten Unterputz waagerechte oder diagonale Rillen oder auch Armierungsgewebe eingedrückt werden. Der Feinputz wird auf den trockenen Unterputz aufgetragen, der jedoch vorher leicht angenässt wird. Putzauftrag Allgemein werden Lehmputze wie Kalkputze verarbeitet: anwerfen, aufziehen, abreiben. Die erforderliche Konsistenz ist die gleiche wie bei Kalkputzen. Es werden auch die gleichen Werkzeuge verwendet, ebenso für die OberÁächenbearbeitung. Lehmputze können von Hand, aber auch mit normalen Putzmaschinen aufgetragen werden, wenn dies die enthaltenen Faserstoffe zulassen. Putzbewehrungen zur Aufnahme von Zugkräften bei der Austrocknung müssen in die oberen Hälfte der Putzlage straff und faltenfrei mit einer Überlappung von mindestens 10cm eingebettet werden. Besondere Aufmerksamkeit erfordert die Kantenausbildung von Leibungen bei Türen oder Fenstern. Sie können entweder ausgerundet werden, was bei Fenstern den Lichteinfall verbessert (Bild 4-55). Oder es besteht die Möglichkeit, in den Lehmputz Eckschutzschienen oder AbschlussproÀle einzusetzen. Vorteilhaft bei Lehmputzen ist, dass bei längeren Arbeitspausen die Gefahr der Verstopfung der Schläuche der Putzmaschinen durch abgebundene Putzmischung nicht besteht. Bauausführende schätzen bei der Verarbeitung von Lehmputz insbesondere, dass es im Vergleich zu Kalk- oder Zementputzen zu keinen Hautreizungen kommt. Austrocknung Wie bei anderen Lehmbauteilen wird die volle Gebrauchsfähigkeit des Lehmputzes erst mit 244
vollständiger Austrocknung erreicht. Die Dauer der Austrocknung ist abhängig vom Putzuntergrund, vor allem aber von den Trocknungsbedingungen in den Räumen. Wird die aus dem verdunsteten Anmachwasser in den Innenraum abgegebene Feuchte durch Querlüftung schnell abgeführt, verringert sich die Dauer der Austrocknung. Ein 1cm starker Lehmputz ist dann i. d. R. nach ca. 7 Tagen vollständig durchgetrocknet. In diesem Zusammenhang wurde schon mehrfach die Neigung zur Schwindrissbildung erwähnt. Sie ist unschädlich bei mehrschichtigem Auftrag im Unterputz, wenn die Bruchschollen fest am Untergrund haften. Schwindrisse im abschließenden Oberputz sind i. d. R. nicht erwünscht. Sie lassen sich jedoch im Gegensatz zu Kalk- und Zementmörteln auf Grund der Wasserlöslichkeit der Lehm-Putzmörtel leicht reparieren. Allerdings können bei farbigen Lehm-Feinputzen dadurch Helligkeitsunterschiede entstehen, die nur durch ganzÁächiges Überarbeiten zu beseitigen sind. Schimmelbildung Schimmel kann sich im Gebrauchszustand in entsprechender Umgebung (hohe Luftfeuchte mit Kondenswasserausfall auf kühleren Flächen) auf BauteiloberÁächen bilden und ist kein speziÀsches Problem des Lehmputzes. Allerdings können die in Lehmputzen oft enthaltenen organischen Faserstoffe die Schimmelbildung fördern. Wegen der Offenporigkeit und Kapillarität des Lehmputzes wird ggf. ausgefallenes Kondenswasser sofort verteilt. Trockene Bauteile vorausgesetzt, fehlen dadurch die Bedingungen für die Ausbildung von Schimmel. Dies ist ein entscheidender Aspekt des gesundheitsgerechten Bauens und für die Wahl von Lehmputzen. Frisch aufgetragene Lehmputze müssen rasch austrocknen können. Kann dies nicht gewährleistet werden, ist eine künstliche
4.2
Bautrocknung erforderlich (Kap. 3.3.3). Der Trocknungsprozess sollte überwacht und dokumentiert werden. Das Technische Merkblatt »Anforderungen an Lehmputze« [3.19] empÀehlt ein entsprechendes Trocknungsprotokoll. Wird die Austrocknung verzögert, kann
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
es auch zu Schimmelbildung auf den noch feuchten PutzoberÁächen kommen. Nach vollständiger Austrocknung des Lehmputzes verschwindet Schimmel von betroffenen Flächen.
Bild 4-55 Lehmputz, Ausrunden von Fensterleibungen [3.7]
4.2.7.4 Oberflächengestaltung und -behandlung Lehmputze können je nach Zeitpunkt der Bearbeitung und Putzart mit verschiedenen Werkzeugen – Kelle, Spachtel, Reibebrett, Filz, Schwamm – geglättet, gerieben oder bearbeitet werden. Im Gegensatz zu Kalkund Zementputzen kann man die Bearbeitungszeit von Lehmputz durch Nasshalten der OberÁäche verlängern. Die Gestaltung der OberÁäche – perfekt geglättet und eben oder organisch geformt und manuell bearbeitet, farbig oder in der ursprünglichen Lehmfarbe – wird bestimmt durch den individuellen Geschmack des Bauherrn (Bild 4-56). Anstriche Anstriche auf LehmputzoberÁächen im Innenraum sollen die beschriebenen positiven Auswirkungen auf das Raumklima nach Möglichkeit nicht einschränken. Deshalb sind lasie-
rende, diffusionsoffene Anstriche besser geeignet als dicke, schichtbildende. Geeignete Anstriche für OberÁächen aus Lehmputz sind Lehmstreichputze und Lehmfarben (Kap. 3.5.6.2), aber auch Farben z. B. auf der Basis von Kalk, Kreide, Kasein, Gesteinsmehl. Im traditionellen Lehmbau wurden und werden Lehmputze auch für AußenwandoberÁächen eingesetzt. Fachgerecht ausgeführte Anstriche können dabei die Lebensdauer von Lehmputzen erhöhen, wenn sie regelmäßig gepÁegt werden. Bei Kalkanstrichen, wie sie in unseren Regionen auf Lehm- und Kalkputzen ausgeführt werden, sind einige Aspekte zu beachten: – Als Anstrichmaterial eignet sich am besten Sumpfkalk (Kalkhydrat Ca(OH)2), je länger gesumpft, desto besser. Bei der Verarbeitung besteht die Gefahr der Hautverätzung. 245
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
– Der Kalkbrei wird mit den entsprechenden Zusätzen (Kasein, Leim) zu einer dünnen, milchartigen Flüssigkeit aufbereitet. Dem Anstrich können auch Farbpigmente (bevorzugt Mineralfarben) zugesetzt werden. – Bei einem Erstanstrich wird die erste Schicht auf den noch feuchten Putz dünn und lasierend aufgetragen. Dieser Vorgang wird in Abständen von ca. einem Tag mehrmals wiederholt. – Außenanstriche sollen bei kühlem, feuchtem, aber frostfreiem Wetter ausgeführt werden. Je nach Witterungsexposition müssen Außenanstriche aus Kalk regelmäßig erneuert werden. Während man sich in unseren Regionen im wesentlichen auf Kalkanstriche im Außenbereich beschränkt, die von der Funktion her die Witterungsstabilität der Putze erhöhen sollen, ist in anderen Kulturkreisen, z. B. in Afrika und Indien, die künstlerische Gestaltung von der Bedeutung her mindestens gleichrangig. In zeichnerischen und plastischen Darstellungen wird vor allem in der ländlichen Region die jeweilige traditionelle Symbolik gestaltet. Bild 4-51 zeigt ein Beispiel aus Ghana [4.43]. Mit veränderten Lebensweisen droht diese Kunst jedoch verloren zu gehen. In Japan sind sog. Glanzputze seit Jahrhunderten Gegenstand des traditionellen Bauens, ihre Ausführung erfordert eine lange Ausbildung und große Meisterschaft in der Beherrschung des Materials. Kratz- und Stippputz Eine besondere Form der plastischen Gestaltung von PutzoberÁächen an Außenwänden vor allem im historischen Fachwerkbau sind Kratz- und Stippputze. Dabei werden in die noch feuchte PutzoberÁächen Verzierungen eingedrückt (»gestippt«) oder eingeschnitten bzw. -gekratzt. Dazu wurden Reisigbesen, Nagelbretter oder besonders geschnitzte Hölzer verwendet, aber auch die Finger benutzt. 246
Verbreitet war diese Technik vor allem im 18. und 19. Jahrhundert in Baden-Württemberg, Hessen, Franken, Thüringen und Sachsen. Neben Wellenlinien waren vor allem Áorale Motive und Tierdarstellungen beliebt [4.37]. Kratz- und Stippputze wurden sowohl in Kalk- als auch in Lehmputzen ausgeführt, hier jedoch an unbewitterten AußenwandoberÁächen oder in Innenräumen. Weitere Beschichtungen Grundsätzlich kann auf Lehmputz im Innenbereich auch tapeziert werden. Allerdings gehen dadurch für Lehmputze typische gestalterische Elemente wie OberÁächenstruktur und Farbe verloren. Darüber hinaus wird die Diffusionsoffenheit der BauteiloberÁäche als wichtiges Element des gesundheitsgerechten Bauens eingeschränkt oder bei Verwendung von Plastiktapeten völlig unterbunden. Bei Renovierungen in Altbauten mit Lehmputzen müssen vorhandene Tapeten sehr vorsichtig durch Einweichen von der WandoberÁäche abgelöst werden. Vor Neutapezierungen sind Fehlstellen in den OberÁächen ggf. mit Spachtelmasse auszubessern. Die OberÁächen werden anschließend mit einem Grundierungsmittel behandelt, damit sich bei künftigen Renovierungen die Tapeten besser ablösen lassen. Faserbewehrte Lehmputze können auch in Küchen und Bädern verwendet werden, jedoch nicht in durch Spritzwasser belasteten Bereichen. Hier werden i. d. R. Fliesen eingesetzt, die als Untergrund übliche, wasserunempÀndliche Baustoffe erfordern. Lehmputze sind für eine Beschichtung mit Fliesen nicht geeignet.
4.2
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
4.2.7.5 Putz auf Außenwandoberflächen Sollen Lehmputze auch im Außenbereich eingesetzt werden, müssen folgende Aspekte beachtet werden: – Lehmputze sind nicht witterungsbeständig. Auf Wetterseiten aufgebracht waschen sie mit der Zeit aus (Bild 5-18). Hier sind Kalkputze vorzuziehen, oder Verschalungen aus geeignetem Material (Holz, Schiefer etc.) werden vorgesehen. – Ein ausreichend hoher Spritzwassersockel von mindestens 50 cm ist erforderlich. Ebenso wichtig ist ein ausreichender Dachüberstand mit funktionstüchtiger Dachentwässerung. – Die Witterungsstabilität von Lehm-Außenputzen kann durch organische Zusätze (frischer Kuhdung, Kalk-Kaseinleim) erhöht werden. Ein zusätzlicher Schutz ist durch einen mehrlagig aufgetragenen Kalk-Kasein-Anstrich möglich, wobei die erste Schicht auf den noch feuchten Feinputz aufgetragen werden muss und die folgenden jeweils nach Austrocknung des vorigen Anstrichs (Kap. 4.2.7.4). Wenn im Außenbereich auf Wetterseiten ein Kalkputz auf einen Untergrund aus Lehmbaustoffen aufgebracht werden soll, muss man folgendes beachten: Der Kalkputz selbst erhärtet zwar durch einen chemischen Prozess, er verbindet sich
jedoch nicht mit dem Lehm, d. h. er haftet nur mechanisch auf dem Lehmuntergrund. Der Haftgrund für den Kalkputz muss deshalb aufgeraut werden, z. B. durch in den noch feuchten Untergrund gedrückte diagonale Rillen oder schräg nach unten (hinten) verlaufende Löcher, in denen sich der Kalkputz festkrallen kann. Wie bei Kalkanstrichen ist Sumpfkalk Ca(OH)2 gut geeignet, und zwar als gebrannter, gelöschter und über einen Zeitraum von Jahren eingesumpfter Kalk, der als Kalkteig verarbeitet wird. Er ist aus Gründen des Arbeitsschutzes heute kaum noch erhältlich, hat jedoch eine bessere Qualität als das handelsübliche, pulverförmige Kalkhydrat, das vor Gebrauch mindestens eine Nacht eingesumpft werden muss. Trasskalke sind hydraulische Kalke, die wie Zement auch unter Wasser, d. h. ohne Anwesenheit von CO2 erhärten. Sie sind härter als nicht hydraulische Kalke und sollen vom Lehmuntergrund durch einen geeigneten Putzträger getrennt werden. Möglich sind auch Zusätze aus Lehm zum Kalk, wodurch sich die Verarbeitungseigenschaften verbessern. Früher wurden solche Sparkalke häuÀg aus ökonomischen Gründen angewendet. Kalkputz mit Zementzusatz ist zu starr und soll auf Lehmuntergründen nicht verwendet werden.
4.2.7.6 Anforderungen an Lehmputz Lehmputze sind derzeit bauaufsichtlich noch als »sonstige Bauprodukte« (Liste C) eingestuft und deshalb in DIN-Vorschriften nicht berücksichtigt. In den vom Dachverband Lehm e. V. herausgegebenen Lehmbau Regeln [2.6] sowie dem ergänzenden Technischen Merkblatt [3.19] werden erstmals konkrete Anforderungen an
die Gebrauchstauglichkeit von Lehmputz formuliert. Mechanische Stabilität Grundsätzlich muss Lehmputz gleichmäßig und ausreichend am Untergrund oder Putzträger haften. Dies gilt bei mehrlagigem Putz auch für die Haftung zwischen den einzel247
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
nen Putzschichten. GeringÁächige Hohlstellen bedeuten keine Einschränkung der Gebrauchstauglichkeit, wenn der Putz als Bauteil eine ausreichende Gesamtstabilität aufweist. Die ausreichende mechanische Stabilität von Lehmputz kann nur erreicht werden, wenn die Festigkeitseigenschaften zwischen Putz und Putzgrund aufeinander abgestimmt sind. Nach [2.6] bzw. [3.19] wird der Nachweis folgender Kenngrößen gefordert: Trockendruckfestigkeit nach Kap. 3.6.2.2. Nr.
Einsatzzweck des LPM
Trockendruckfestigkeit [N/mm2]
1 2
Untergeordnete Räume nachträgliche OberÁächenverfestigung in normal genutzten Räumen, z.B. Wohn- und Arbeitsräume in Ein- und Mehrfamilienhäusern Träger von Feinputzen, Anstrichen und Tapeten sichtbar belassene, unverfestigte OberÁäche in normal genutzten Räumen, z.B. Wohn- u. Arbeitsräume in Ein- u. Mehrfamilienhäusern sichtbar belassene OberÁäche in höher beanspruchten Bereichen, z.B. öffentliche Einrichtungen (MusterÁächen vor Ausführungsbeginn anlegen)
0,5 1,0
3 4 5
Tab. 4-10
1,5 1,5 1,5
Lehmputzmörtel LPM, Trockendruckfestigkeit in Abhängigkeit vom Einsatzzweck
Haftfestigkeit nach Kap. 3.6.2.2. Der Richtwert für die im Laborversuch gem. DIN EN 1015-12 zu erzielende Haftfestigkeit von Lehmputzmörteln LPM auf BauteiloberÁächen beträgt 0,05 N/mm2. In [3.19] werden in Abhängigkeit von der Funktion des Bauteils weitere zulässige Größen für die Haftfestigkeit deÀniert (Tab. 4-11). Die angegebenen Zahlenwerte beziehen sich auf die Festigkeit zum Untergrund wie auch zwischen den einzelnen Putzlagen bei mehrlagigem Auftrag. Abriebfestigkeit nach Kap. 3.6.2.2. Die Abriebfestigkeit fand Eingang als ergänzendes Prüfverfahren in [3.19]. Dazu wurden erstmals zulässige Abriebmengen für Lehmputze in Abhängigkeit von der Bauteileigen248
Lehm-Putzmörtel als Träger von Feinputzen, Anstrichen und Tapeten muss eine Trockendruckfestigkeit von ơD 1,5 N/mm2 aufweisen. Dies entspricht der Klasse CSII (ơD = 1,5 – 5,0 N/mm2) nach DIN EN 998-1. In [3.20] wird allgemein eine Druckfestigkeit ơD 1,0 N/mm2 nach einer Erhärtungszeit von 28 Tagen gefordert. Für weitere Anwendungsfälle werden in [3.19] folgende Mindestwerte vorgegeben (Tab. 4-10):
schaft festgelegt. Die in Tab. 4-12 angegebenen Abriebmengen können mit den Angaben zur Haftfestigkeit in Tab. 4-11 ergänzt werden. Optisches Erscheinungsbild Die Vorstellungen von der endgültigen Beschaffenheit einer LehmputzoberÁäche sind beim Bauherrn nicht selten unklar ausgeprägt. Deshalb wird eine schriftliche Fixierung der entsprechenden Wünsche in Bezug auf das optische Erscheinungsbild der endgültigen LehmputzoberÁächen schon im Planungsstadium dringend empfohlen. Nützlich sind dabei geeignete MusterÁächen, die möglichst am Objekt herzustellen sind. Das optische Erscheinungsbild einer PutzoberÁäche wird bestimmt durch:
4.2
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
Nr.
Bauteileigenschaft
Haftfestigkeit [N/mm2]
Händische Beurteilung
1
Untergeordnete Räume
–
bei leichtem, mehrmaligem Druck auf die PutzoberÁäche ist kein Ablösen und Einbrechen von Schollen zu erkennen
2
nach OberÁächenverfestigung als Träger von Feinputzen, Anstrichen und Tapeten
0,03
bei mittlerem und mehrmaligem Druck auf die PutzoberÁäche ist kein Ablösen und Einbrechen von Schollen zu erkennen
3
nach OberÁächenverfestigung als sichtbar belassene OberÁäche in normal genutzten Räumen, z.B. Wohn- u. Arbeitsräume in Einu. Mehrfamilienhäusern
0,03
bei mittlerem und mehrmaligem Druck auf die PutzoberÁäche ist kein Ablösen und Einbrechen von Schollen zu erkennen
4
nach OberÁächenverfestigung 0,03 als sichtbar belassene OberÁäche in höher beanspruchten Bereichen, z.B. öffentliche Einrichtungen
bei mittlerem und mehrmaligem Druck auf die PutzoberÁäche ist kein Ablösen und Einbrechen von Schollen zu erkennen
Tab. 4-11
LehmputzoberÁächen, Haftfestigkeit in Abhängigkeit vom Einsatzzweck
Nr.
Anwendung als Lehmputz
Abriebmenge [g]
Zulässige Bauteileigenschaft
1
Träger von Feinputzen, Anstrichen und Tapeten nach entsprechender OberÁächenverfestigung
3
Abfärben und mittleres Absanden
2
sichtbar belassene OberÁäche in normal genutzten Räumen (z.B. Wohn- u. Arbeitsräume in Ein- u. Mehrfamilienhäusern)
1
Abfärben, nur Ablösung einzelner Sandkörner zulässig
3
sichtbar belassene OberÁäche in höher beanspruchten Bereichen (z.B. öffentliche Einrichtungen)
0,5
geringes Abfärben, Absanden nahezu ausgeschlossen
Tab. 4-12
Lehmputz, zulässige Abriebmengen
– Putzweise – Unebenheiten – Rissbildungen – Farbigkeit. Putzweise Mit der Putzweise wird die Art der Ausführung und der OberÁächenbearbeitung mit der
dadurch entstehenden Struktur festgelegt (vgl. DIN EN 998-1 und DIN V 18550). Für Lehmputz übliche Arten der OberÁächenbehandlung sind (Bild 4-56 [3.7]) – geglätteter Putz: Bearbeitung der OberÁäche mit Glättkelle aus Kunststoff, – geÀlzter Putz: Bearbeitung mit Filz-, Schwamm- oder Holzscheibe. 249
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
Glätten mit Kunststoffkelle
Schwammbrett
Glattreiben und Polieren einer Lehmfeinputz-OberÁäche mit Seifensteinen
Gestaltung mit farbigen Lehmputzen
Bild 4-56
Gestaltung von Lehmputz-OberÁächen, Bearbeitung und Farbigkeit [3.7], [4.47]
Unebenheiten Für die Festlegung der optischen Anforderungen an PutzoberÁächen, die eine Weiterbehandlung in Form von Lasuren, Anstrichen, Dünnlagenbeschichtungen oder Tapeten erfahren sollen, hat der Deutsche Stuckgewerbeverband Qualitätsstufen deÀniert [4.38]. Diese haben sich auch bei Lehmputzen bewährt und wurden deshalb in das Technische Merkblatt »Anforderungen an Lehmputze« [3.19] übernommen. Danach müssen bei Standardausführungen Unregelmäßigkeiten in bestimmten Grenzen hingenommen werden. Weitgehend »makel250
lose« PutzoberÁächen lassen sich nur mit unvertretbar großem Aufwand herstellen. Es werden vier Qualitätsstufen Q1– Q4 mit von Q1 nach Q4 wachsenden Anforderungen deÀniert. Unterschieden wird nach den Putzweisen »abgezogen«, »geglättet« und »geÀlzt«. Diese müssen für die Qualitätsstufen Q2 – Q4 jeweils angegeben werden. Die Festlegungen betreffen Maßtoleranzen bzgl. Standard- oder erhöhter Anforderungen an die Ebenheit. Danach sind im StreiÁicht noch sichtbare Maßtoleranzen auch bei der höchsten Qualitätsstufe Q4 nicht auszuschließen. Haarrisse sind bei Q2 zulässig, da sie durch füllende Anstriche
4.2
oder Tapeten verdeckt bzw. geschlossen werden. Q2 ist deshalb für Untergründe vorzugeben, die mit Lehmfeinputzen versehen werden sollen, Q3 bei einer Weiterbehandlung mit Lehmfarben (Kap. 3.5.6.2). Rissbildungen Die abschließende PutzoberÁäche soll möglichst frei von Rissen sein. Völlig rissfreie PutzoberÁächen sind jedoch nicht oder nur sehr aufwändig herstellbar. Risse in Lehmputzen lassen sich in Eck- und Anschlussbereichen bei Holzkonstruktionen sowie bei leichten Trennwänden auf Grund unterschiedlicher Materialeigenschaften i. d. R. nicht vermeiden. Nach DIN V 18550 sind Haarrisse in Putzen in begrenztem Umfang nicht zu bemängeln. Als Haarrisse werden Risse mit Öffnungsweiten 0,2 mm bezeichnet. Zu erwartende Rissbildungen für Lehmputze können über die Bestimmung des linearen Schwindmaßes nach Kap. 3.6.2.1 abgeschätzt werden. Sie dürfen die Gebrauchstauglichkeit und den optischen Eindruck des Putzes nicht wesentlich einschränken. Dicke Putzschichten neigen wegen der Unterschiede in der Austrocknung stärker zur Rissbildung als dünne. In Unterputzen können Schwindrisse in geringem Umfang toleriert werden, wenn sie durch den abschließenden Feinputz sicher verschlossen werden können.
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
Luftfeuchte-Sorptionsvermögen Rasche Schwankungen der Luftfeuchte können von den raumumschließenden Flächen entsprechend ihres Sorptionsvermögens mehr oder weniger gut ausgeglichen werden (Kap. 5.1.2.1 und 5.1.2.5). Unbehandelte Lehmputze verfügen über ein hohes Sorptionsvermögen. Zur Ermittlung der Luftfeuchtesorption von werksmäßig hergestellten Lehmputzen wird in [3.19] ein von MINKE entwickeltes Verfahren empfohlen [3.37]. Danach werden 15 mm dicke Putzproben, A 250 cm2, fünfseitig versiegelt, so dass die Sorption nur über eine der beiden großen Flächen erfolgen kann. Die Prüfkörper werden bei +21°C und 50% rel. Luftfeuchte bis zum Erreichen der Gleichgewichtsfeuchte gelagert. Danach wird die rel. Luftfeuchte rasch auf 80% erhöht und die Gewichtszunahme nach 1; 3; 6; 12 und optional 24 und 48 h ermittelt. Die gemessenen Adsorptionsmengen werden in g/m2 angegeben. Der Mittelwert aus drei (besser fünf) Einzelprüfungen wird bestimmt, wobei kein Wert mehr als 20% vom Mittelwert abweichen darf. Lehmputze mit einer Adsorptionsmenge von 70 g nach 12 h werden als besonders aktiv in Bezug auf das Adsorptionsvermögen bezeichnet. Dünnlagig verwendete Lehmputze werden zum Erreichen der Prüfdicke von 15 mm auf einen dickenergänzenden Unterputz aufgetragen.
Farbigkeit Die Reparatur von Rissen kann vor allem bei farbigen Lehmputzen zu Unterschieden in der Farbigkeit führen und eine vollÁächige Überarbeitung erforderlich machen. Vor Verwendung eines farbigen Lehmfeinputzes soll eine MusterÁäche zusammen mit dem zur Anwendung kommenden Unterputz angelegt werden, um im Zusammenwirken beider Putze eine Vorstellung vom endgültigen Farbeindruck zu erhalten.
251
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
4.2.8
Technischer Ausbau
Dem Rohbau des Hauses folgt der technische Ausbau. Er umfasst alle baulichen Anlagen zur Versorgung mit Energieträgern, Heizung und Wasser sowie für Abwasser und ggf. Lüftung. Besondere Aufmerksamkeit ist im Zusammenhang mit wasserempÀndlichen Lehmbaustoffen überall dort geboten, wo durch Havariesituationen an Rohrleitungen Wasser zur Quelle von Bauschäden werden kann. Jeder Kontakt der Lehmbauteile mit stehendem und Áießendem Wasser ist während des Ge-
brauchszustandes des Gebäudes auszuschließen (Kap. 4.2). Aussparungen für Installationen und Dübel für Befestigungsmittel lassen sich z.B. herstellen durch – nachträgliches Ausfräsen des noch feuchten Lehmbaustoffes, – Einlegen von U-ProÀlen oder Kanthölzern bzw. Leerrohren, – Einlegen von Dübelverankerungen zur Befestigung größerer Lasten.
4.2.8.1 Leitungsführung Leitungen für Wasser und Abwasser sollen so geführt werden, dass sie im Havariefall leicht zugänglich sind. Sie müssen in üblicher Weise gedämmt werden. Elektroleitungen können in Schlitzen geführt oder in Führungsrohre »eingefädelt«
werden. Schlitze kann man schon bei der Herstellung der Lehmbauteile ausbilden (Kap. 4.2.3.1). Dabei sind zulässige Stärken zu beachten. Darüber hinaus ist es möglich, Elektroleitungen bei ausreichenden Dicken im Putz zu verlegen.
4.2.8.2 Befestigungen Entsprechend der Festigkeit des Lehmbaustoffes sind zur Befestigung leichterer Gegenstände alle üblichen Befestigungsmittel anwendbar, z. B. alle Arten von Dübeln, Holzlatten, Nägel, Schrauben, Zuganker (Kap. 4.2.3.1). Nachträglich anzubringende Kantenschutzele-
mente (Aluminium-Eckschienen, Holzleisten) an Tür- oder Fensterleibungen können auch auf Lehmputz geklebt werden. Die mit Kleber beschichteten Bereiche sind zuvor zu grundieren.
4.2.8.3 Wandheizungen Bei Wandheizungen wird das Bauteil durch ein System von in den Wandaufbau Áächig integrierten Heizelementen erwärmt. Sie erzeugen eine über die BauteiloberÁäche gleichmäßig wirkende Strahlungswärme mit einer im Vergleich zur konventionellen Zentralheizung wärmephysiologisch günstigeren 252
Lufttemperaturschichtung im Raum. Die Strahlungswärme wird darüber hinaus angenehmer empfunden als Konvektionswärme von konventionellen Zentralheizungen (Kap. 5.1.1.1), bei denen die Luft erwärmt und im Raum umgewälzt wird. Dadurch kann bei gleichem physiologischen EmpÀnden die
4.2
Vorlauftemperatur des Wassers um bis zu 2K abgesenkt werden [1.28]. Damit eine effektive Abstrahlung der Wärme erfolgen kann, dürfen die »Heiz«-Wände nicht mit Möbeln verstellt werden. Sinnvoll sind Wandheizungen auf Innenwänden. Außenwände erfordern eine zusätzliche Wärmedämmung, damit die erzeugte Heizwärme nicht über den Mechanismus der Wärmeleitung nach außen abgeführt wird und verloren geht. Im Zusammenhang mit Lehmbaustoffen werden derzeit zwei unterschiedliche Heizungssysteme angeboten [1.28]: – Wandheizungen mit wassergefüllten Heizschlangen, – Wandheizungen als Warmluft-System (Hypokausten). Warmwasser-Heizungssysteme Heizschlangen aus geeigneten Rohrmaterialien werden Áächig über die WandoberÁäche verteilt in den Lehmunterputz eingebettet und mit einer zweiten Putzlage überdeckt. Im Ge-
Bild 4-57
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
brauchszustand wird Wasser als Trägermedium für die Wärme durch die Rohrschlangen transportiert. Dabei wird die Wärme an den Lehmputz abgegeben, der sie in den Innenraum abstrahlt (Bild 4-57). Verschiedene Hersteller bieten inzwischen Lehm-Formplatten mit integrierten Rohrschlagen an. Wassergefüllte Rohrschlangen bergen im Verbund mit Lehmbaustoffen immer die Gefahr von Lecks mit entsprechenden Schadensbildern. Die sichere Anbringung von Befestigungsmitteln in der Wand erfordert im gesamten Nutzungszeitraum den Einsatz eines Metallsuchgerätes. Hypokausten-Heizung Bei der Hypokausten-Heizung wird als Transportmedium für die Wärme Luft anstelle von Wasser verwendet. Dadurch sind mögliche Risiken durch Wasserschäden weitgehend ausgeschlossen. Die Wandheizung besteht aus Lehm-Hohlkammerelementen, die als Vorsatzschale vor
Technischer Ausbau, Wandheizung mit wassergefüllten Heizschlangen [1.28]
253
4
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen – Planung und Bauausführung
die »Heizwand« gesetzt und oben mit einer U-Schale abgedeckt werden. Eine konventionelle, in die Vorsatzschale eingebundene »Fußleisten«-Heizung erwärmt die Luft, die in den Hohlkammern zirkuliert und dabei die Wand erwärmt (Bild 4-58). Die erwärmte Wand strahlt die Wärme Áächig an den Innenraum ab.
Das Prinzip der Hypokausten-Heizung wurde auch für ein Druckerei-Betriebsgebäude in Österreich angewendet [4.14]. Die tragenden Wände bestehen aus vorgefertigten Stampflehm-Elementen (Kap. 4.2.3.1), in die Aussparungen für eine Hypokausten-Heizung integriert wurden.
Bild 4-58 Technischer Ausbau, Wandheizungen als Warmluft-System (Hypokausten) [1.28]
4.2.8.4 Lehmöfen Zunehmender Beliebtheit erfreuen sich Lehmöfen. Dazu werden meist Grundöfen für eine Holzheizung in Form von handelsüblichen Baumarktsätzen verwendet. Diese werden mit einem Mantel aus Schwerlehm als massive Speichermasse umgeben. Dabei können Lehmsteine als Recyclingprodukte verarbeitet werden. Die Gestaltung der Speichermasse kann nach individueller Vorstellung erfolgen, z.B. durch Integration verschiedener Funktionen 254
(Ofenbank, Beistellherd, Ofenröhre, Beheizung mehrerer Zimmer). Ein Lehmofen erzeugt im Betrieb eine angenehme Strahlungswärme und hält diese auf Grund der großen Speichermasse über viele Stunden (Bild 4-59). Die Planung und Ausführung eines Lehmofens gehört in die Hände eines erfahrenen Ofenbauers.
4.2
Planung und Ausführung von Lehmbauteilen
Bild 4-59 Technischer Ausbau, Lehmofen als Grundofen für Holzheizung mit Schwerlehmummantelung
255
5 Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
Rohstoffgewinnung
Baustoffherstellung
Verabeitung und Einbau
Recycling
Gebrauchszustand
Entsorgung
Gebäudeabriss
Das Bauwerk unterliegt im Gebrauchszustand einer Vielzahl von äußeren Einwirkungen, einer natürlichen Alterung der verarbeiteten Baustoffe sowie Beanspruchungen, die sich aus der Gebäudenutzung ergeben (Bild 5-1). Während der gesamten Nutzungsdauer des Bauwerks müssen unabhängig von den verarbeiteten Baustoffen alle allgemeinen Anforderungen an die Konstruktion erfüllt sein, die einen uneingeschränkten Gebrauch des Gebäudes gestatten.
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
Niederschlag
Sonne
Wind
Lärm Innenraumklima
Erdbeben
biolog. Einwirkg.
Bild 5-1
Bodenfeuchte
5.1
Verhalten von Bauteilen und Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
Im System der Eurocodes (Kap. 4.1.1.4) werden die »Einwirkungen auf Tragwerke« während des Gebrauchszustandes durch den EC 1 erfasst. Dies sind insbesondere Einwirkungen aus – dem vorherrschendem Klima: Temperatur, Niederschlag, Frost-Tau-Wechsel, Sonneneinstrahlung, Wind; – Baugrund: Verformungen, Feuchte (mit Salzbelastung); – Standort / Verkehr: Lärm, Erschütterungen, Luftverschmutzung; – der Aktivität der Nutzer: mechanische und dynamische Beanspruchungen, Wasserdampf und Tabakrauch im Innenraum, Havarien. Außergewöhnliche natürliche Einwirkungen wie Erdbeben (EC 8), Wirbelsturm und ÜberÁutung erfordern gesonderte konstruktive Maßnahmen. 258
Einwirkungen auf die Gebäudehülle im Gebrauchszustand
Diese Einwirkungen werden zu Teilkonzepten für den Wärme-, Feuchte-, Brand- und Schallschutz zusammengefasst und daraus entsprechende Forderungen in Bezug auf die Gebrauchstauglichkeit der Konstruktion abgeleitet (Kap. 4.1.1.3). Ihre Erfüllung muss zusammen mit einer statischen Bemessung nachgewiesen werden. Diese Nachweise bilden in der Bauwerksplanung die komplexe Bemessung oder den Entwurf einer Baukonstruktion. Die Reaktion des Bauwerks auf diese Einwirkungen wird durch entsprechende Kennwerte erfasst, die durch standardisierte Prüfverfahren zu ermitteln sind (Tab. 1-1). Baukonstruktionen aus Lehmbaustoffen weisen dabei im Vergleich zu solchen aus anderen mineralischen Baustoffen Besonderheiten auf.
5.1
5.1.1
Verhalten von Bauteilen und Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
Wärmetechnische Kenngrößen
Physikalisch gesehen ist Wärme eine Energieform wie mechanische, elektrische oder magnetische Energie. Sie stellt die Bewegungs-
energie der elementaren Bestandteile der Materie dar und beschreibt ihre Intensität durch die Temperatur (Tab. 5-1).
5.1.1.1 Mechanismen der Wärmeübertragung Wärme kann von einem Körper auf den anderen durch Strahlung oder Leitung übertragen werden. In Flüssigkeiten und Gasen erfolgt die Wärmeübertragung zusätzlich durch Konvektion oder Wärmemitführung. Alle drei Mechanismen treten stets mehr oder weniger gemeinsam auf. Wärmestrahlung Unter dem Wärmeaustausch durch Strahlung versteht man den Übergang von einer wärmeren (+) zu einer kälteren (-) OberÁäche bei gegenseitiger Berührung (Bild 5-2). Dieser Vorgang vollzieht sich in Form von elektromagnetischen Wellen überwiegend im Infrarotbereich, und ein Ü bertragungsmedium, z.B. Luft, ist nicht erforderlich. Die wärmere OberÁäche emittiert thermische Energie in Form von Strahlungswärme
immer in Richtung der kälteren OberÁäche. Die emittierte Wärmemenge ist eine Funktion der Temperaturdifferenz der OberÁächen und der Materialeigenschaften der wärmeren OberÁäche (Emissionsgrad). Mit zunehmender Temperatur wächst die Intensität der Wärmestrahlung stark an. Die emittierte Wärmemenge wird von der kälteren OberÁäche teils reÁektiert (r), teils absorbiert (a), was wiederum von den Materialeigenschaften der kälteren OberÁäche abhängt: Glatte und helle OberÁächen sind gute ReÁektoren. Dunkle und raue OberÁächen absorbieren gut, wodurch sich bei einer Energiebilanz für ein Gebäude Wärmegewinne erzielen lassen. Absorption a und ReÁexion r sind in der Summe immer gleich der eingestrahlten Wärmemenge.
s
–
+
s
sa
a
r a+r=s=1
Bild 5-2
Wärmestrahlung s, Adsorption a und ReÁexion r
259
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
Die mit der Gesamtstrahlung Es je Flächeneinheit F abgegebene Leistung wird nach dem Gesetz von STEFAN-BOLTZMANN ermittelt. Sie ist proportional zur vierten Potenz der absoluten Temperatur T des Strahlungskörpers: Es= Ʊ’ · ƋT4 [W/m2] mit Ʊ’ = 5,67 · 10 – 8 [W/m2K4] (STEFANBOLTZMANN - Konstante). Der Anteil der einzelnen Wellenlängen an der Gesamtstrahlung ist unterschiedlich. Von Interesse ist die Wellenlänge ƪmax, für die der Anteil der abgegebenen Strahlung am größten ist. Dieser Anteil ist nach dem WIEN schen Verschiebungsgesetz der absoluten Temperatur des Strahlers umgekehrt proportional: ƪmax = c’/T mit c’ = 2898 [ƫmK] (dritte Strahlungskonstante). Ändert sich die Temperatur, so ändert sich die Strahlung nicht nur in ihrer Stärke, sondern auch in ihrer spektralen Zusammensetzung. Das Maximum der Strahlung verschiebt sich bei steigender Temperatur zu kürzeren Wellenlängen. Das Gesetz von STEFAN-BOLTZMANNgilt mit den angegebenen Konstanten streng genommen nur für einen »Schwarzen Körper«. Das ist ein idealer Körper, der alle auffallende Strahlung absorbiert und der im Vergleich zu allen anderen Körpern bei der selben Temperatur am meisten strahlt. Reale Körper reÁektieren dagegen einen Teil der auffallenden Wärmestrahlung. Die Wärmestrahlung »nicht schwarzer« Körper (Bauteile aus einem betrachteten Baustoff) ermittelt man: Es = Ƥ’ · ƋT4 · 10 – 8 [W/m2] mit Ƥ’ = C/Cs, Emissionszahl, Emissionsgrad, Cs = 4,96 kcal / hm2 K4 = 5,78 W/m2 K4, Strahlungszahl für einen »Schwarzen Körper«, C Strahlungszahl für einen »nicht schwarzen« Körper. Die Strahlungszahlen C »nicht schwarzer« 260
Körper (Bauteile) sind entsprechend kleiner. REINCKE [5.1] bestimmte mittels Bandstrahlpyrometer (Infrarot-Kamera) den Emissionsgrad von LehmoberÁächen mit Ƥ’ ~ 0,93. Der Baustoff Lehm besitzt damit einen ähnlich hohen Emissionsgrad wie alle anderen üblichen nichtmetallischen Baustoffe. Das Ergebnis steht damit in guter Übereinstimmung mit der o.g. Theorie der elektromagnetischen Wellen, nach der für Nichtleiter hohe Emissionsgrade zu erwarten sind. Für hell polierte metallische Baustoffe hat C eine Größenordnung von < 1 kcal / hm2K4. Sie strahlen besonders wenig, reÁektieren aber besonders gut. Konvektion Wärmeübertragung durch Konvektion oder Wärmemitführung in Áüssigen und gasförmigen Medien ist immer an einen Materialtransport gebunden. Durch die mit der Temperaturerhöhung verbundene Volumenzunahme entsteht ein Auftrieb, der z.B. in der Atmosphäre durch aufsteigende Warmluft zu beobachten ist. Wärmeleitung Die Wärmeleitung erfolgt bei direktem Kontakt zwischen einem kalten und einem warmen Körper bzw. innerhalb eines Körpers über das Angleichen der Bewegungsintensität der Materieteilchen, ist also ein Energietransport von der Seite der höheren zur niedrigeren Temperatur. Die durch einen deÀnierten Querschnitt des leitenden Körpers pro Zeiteinheit gelangende Wärmemenge ist der Wärmestrom. Dieser Vorgang ist vom molekularen Aufbau einer Substanz, deren Struktur und Luftporengehalt abhängig und damit eine speziÀsche Stoffeigenschaft, die mit der Wärmeleitzahl ƪ (Kap. 3.6.3.2, Tab. 3-15) beschrieben wird. Zur Berechnung der Wärmeübertragung durch Baustoffe und Bauteile werden i. a. die
5.1
Verhalten von Bauteilen und Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
drei Wärmeübertragungsmechanismen Wärmeleitung, Wärmestrahlung und Konvektion zu einem Gesamt-Energiestrom zusammenge-
fasst und daraus die bauteilspeziÀsche Wärmeleitfähigkeit ermittelt.
5.1.1.2 Raumklima Komfortdiagramme Im von der Gebäudehülle umgebenen Innenraum müssen während der gesamten Nutzung für den Menschen zuträgliche physiologische Bedingungen gewährleistet sein. Physiologisch optimal, d. h. behaglich, ist ein Klima, bei dem sich der menschliche Körper im thermischen Gleichgewicht mit seiner Umgebung beÀndet. Das KlimaempÀnden des Menschen ist je nach Alter, Konstitution, Geschlecht, Nahrungsaufnahme, Klimaanpassungsfähigkeit unterschiedlich ausgeprägt. Das Raumklima wird bestimmt durch die Faktoren – Lufttemperatur / Strahlung umgebender OberÁächen – relative Luftfeuchtigkeit – Luftbewegung. Die Beziehungen dieser Faktoren zueinander können in bioklimatischen Karten, sog. Komfortdiagrammen zusammengefasst werden. Dazu werden Lufttemperatur und relative Luftfeuchtigkeit in einem Diagramm als für das menschliche WohlbeÀnden optimaler Bereich dargestellt. Als relative Luftfeuchte gilt das Verhältnis von vorhandenem zum max. möglichen Wassergehalt der Luft bzw. entsprechenden Wasserdampfdruck ƴL. Der Sättigungswassergehalt der Luft entspricht dem Sättigungsdampfdruck (ƴL =100%). Im mitteleuropäischen Klima gelten als allgemein »behaglich« Raumtemperaturen zwischen 20 und 26°C bei einer relativen Luftfeuchte zwischen 40 und 70%. Die Differenz zwischen Raumlufttemperatur und umgebenden OberÁächen soll dabei nicht größer sein als 2K, die mittlere Luftgeschwindigkeit
kleiner als 0,25 m/s. In tropischen Klimaten liegt das als »allgemein behaglich« empfundene Temperaturniveau um etwa 2 – 3K höher (LIPPSMEIER [5.2], Bild 5-3). Der Gebäudeentwurf muss immer die für das menschliche EmpÀnden unerträglichste Art der äußeren Einwirkung berücksichtigen. Im mitteleuropäischen Klima ist dies die Kälte im Winter. Deshalb werden Gebäude hier im Winter i. d. R. beheizt. Die äußere Gebäudehülle muss so gestaltet werden, dass sie vor allem gegen Kälte schützt und die Raumtemperatur im Winter nicht unter das noch als angenehm empfundene Maß absinkt. Darüber hinaus muss die Gebäudehülle im mitteleuropäischen Klima auch sommerlichen Wärmeschutz bieten. Dies wird vor allem durch Verschattungseinrichtungen, aber auch durch ein entsprechendes Verhältnis der FensterÁächen zur gesamten AußenwandoberÁäche oder aber durch geeignete Klimatechnik erreicht. Bezüglich der Baustoffauswahl sind deshalb solche Materialien gefragt, die Temperaturextreme der Außenluft im Innenraum dämpfen, also eine Kombination von Wärmedämmung und -speicherung ermöglichen. Mit Lehmbaustoffen kann man dieses Ziel z. B. durch Verarbeitung von dämmendem Leichtlehm in der Außenwand und wärmespeicherndem Schwerlehm in Innenwänden und Zwischendecken erreichen. Hygiene und Gesundheit Die in der Bauproduktenrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft genannten allgemeinen Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit 261
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
°C 45
10
20
30
Grenze für mittlere Arbeit unmögliche Verhältnisse (Hitzeschlag) 40
50
60
80
90
100 %
5 40
4 zu warm
35 3 30 25
2 1 g/kg zu trocken
20 15 10 10
zu feucht 3,5 3 2,5 2 1,5 1 0,5 m/sec zu kalt 12,5 kcal/h 25 37,5 50 62,5 50 60 70 80 90 100 % relative Luftfeuchtigkeit
20
30
40
von Baustoffen und Bauteilen (Kap 4.1.1.3) sind in ergänzenden Grundlagendokumenten näher erläutert. Das Dokument Nr. 3 »Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz« behandelt u. a. den Aspekt »Umwelt im Innern von Gebäuden«. Danach gehört zur Gebrauchstauglichkeit des Gebäudes auch, dass sich aus der Konstruktion keine die Hygiene und die Gesundheit der Bewohner beeinträchtigenden Wirkungen ergeben. Solche Einwirkungen sind insbesondere folgende: – Freisetzung giftiger Gase bzw. gefährlicher Teilchen in die Raumluft, – Emission gefährlicher Strahlen, – Feuchtigkeitsansammlung in Bauteilen und auf OberÁächen von Bauteilen in Innenräumen (Schimmelbildung). Als Schadstoffe werden in diesem Zusammenhang genannt: – Stoffwechselprodukte (überschüssiger Wasserdampf, Körpergeruch, CO2) (Kap. 5.2.3), 262
70
5,5
Wärme
Zusatz von Feuchtgkeit g / kg Luft
Komfortzone bei nicht bewegter Luft
Windgeschwindigkeit
5
Bild 5-3 Behaglichkeitsdiagramm nach [5.2]
– Verbrennungsprodukte (überschüssiger Wasserdampf, CO, NOx, CO2, CmHn etc.) und Tabakrauch, – Áüchtige organische Verbindungen (Formaldehyd, Lösemittel etc.) (Kap. 6.2.2.1), – anorganische Teilchen (atembare und nicht atembare Schwebstoffe und Fasern), – organische Teilchen und Mikroorganismen (Pilze, Bakterien, Viren, aber auch kleine Insekten, z. B. Wanzen) (Kap. 5.2.3), – Emissionen elektrischer / elektronischer Geräte (Ozon) bzw. Radon / radioaktiver Stoffe (Ƣ-Strahlung) (Kap. 5.1.6). Ungesunde Innenraumluft kann vor allem durch Baustoffe entstehen, die Schadstoffe in die Innenraumluft emittieren. Dazu gehören Werkstoffe für Bodenbeläge und deren Beschichtungen, Raumteiler / Möbel, Wände / Wandbekleidungen, Dämmstoffe, Farben / Lacke / Kitte / Kleber, Dampfsperren, Holzschutzmittel, Installationen, Mauerwerk mit ent-
5.1
Verhalten von Bauteilen und Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
sprechenden Zuschlägen / Zusätzen. Natürlich gewachsene Baulehme gelten als schadstofffrei und deshalb als »baubiologisch empfehlenswert« (Kap. 6.2.2.1). Über Zuschläge und Zusätze können jedoch Inhaltsstoffen in Lehmbaustoffe eingetragen werden, die bei Überschreiten einer bestimmten Konzentration und Einwirkungsdauer wie Schadstoffe wirken. Vorstellbar sind solche Wirkungen z. B. bei Konstruktionen aus bitumenstabilisierten Lehmsteinen (Kap. 3.1.2.4), entsprechende Untersuchungen sind bisher jedoch nicht bekannt. Empfehlungen für quantitative Grenzwerte von schädigend wirkenden Inhaltsstoffen wurden bisher nur für Lehmputze formuliert (Kap. 6.2.2.1). Subjektive EmpÀndungen Neben der Berücksichtigung allgemeiner statisch-konstruktiver, gestalterischer und bau-
wirtschaftlicher Grundsätze wird gerade der Aspekt der subjektiven EmpÀndung des Klimas im Innenraum beim Gebäudeentwurf nicht selten vernachlässigt. Erst seit wenigen Jahren stehen Bewertungsverfahren zur Verfügung, mit deren Hilfe die Behaglichkeit in Innenräumen und ihre subjektiv empfundene Wirkung auf die Nutzer beschrieben und optimiert werden können. Dazu werden die individuellen EmpÀndungen der Nutzer über einen sog. PMV- Index (predicted mean vote) statistisch erfasst, bewertet und in Planungen umgesetzt (DIN EN ISO 7730). In einer Umfrage im Rahmen eines Forschungsprojektes an der ETH Zürich [5.3] empfanden die Bewohner von 22 alten bzw. neu errichteten Gebäuden mit Lehmbaustoffen in der Schweiz und in Süddeutschland ihre Häuser übereinstimmend als »behaglich«.
5.1.1.3 Temperaturverteilung in Lehmbauteilen Randbedingungen Allgemein ist die rechnerische Erfassung der Temperaturverteilung in Bauteilen ein zeitund geometrieabhängiges dreidimensionales Problem. Für die wärmetechnische Bewertung eines Bauteiles wird die Reduzierung auf ein eindimensionales, stationäres Problem meist als ausreichend angesehen (Bild 5-4 [5.4]): zu beiden Seiten des Bauteiles werden über die Zeit konstante Temperaturen und nur in Richtung der Bauteildicke ein veränderlicher Temperaturdurchgang angenommen. Dadurch stellt sich im Bauteil ein linearer Temperaturverlauf ein, der bei mehrschichtigen Wandaufbauten mit jeweils unterschiedlichen Wärmeleitfähigkeiten einen geknickten Verlauf aufweist. Es gibt jedoch eine Reihe von thermischen Situationen, die sich mit stationären, also zeitun-
abhängigen Verhältnissen nicht mehr beschreiben lassen. Beispielsweise führen schnelle und deutliche Temperaturwechsel an BauteiloberÁächen zu Änderungen von Wärmeströmen im Bauteil. Dabei spielt das Wärmespeichervermögen der Baustoffe und Bauteile als Funktion der Zeit eine entscheidende Rolle. Diese Situation wird als instationäres Problem bezeichnet. Wärmeströme in Bauteilen aus porösen Baustoffen, einschl. Lehmbaustoffen, sind darüber hinaus immer verbunden mit Bewegungen der Feuchtigkeit (Kap. 5.1.2.1). Kennwerte Die entsprechenden Kennwerte für wärmetechnische Berechnungen der Temperaturverteilung in Lehmbauteilen sind in Tab. 5-1 zusammengestellt. 263
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
Nr. Kennwert
Symbol
Einheit
01
Temperatur
T, ѡ
K, °C 1K = 1°C
Stofftemperatur in °C, Temperaturdifferenz in K
02
Wärme, Wärmemenge
Q
J, Ws 1J = 1Ws
Energieform, Wärmemenge / Zeiteinheit = Wärmestrom
03
Wärmeleitfähigkeit, Wärmeleitzahl
Ѥ
W/mK
Wärmemenge Q, die in einer Sekunde durch 1m² einer 1m dicken Schicht eines Stoffes hindurchgeleitet wird, wenn der Temperaturunterschied der beiden OberÁächen konstant 1K beträgt. (Kap. 3.6.3.2, Tab. 3-15)
04
Wärmedurchlasskoъ efÀzient, Wärmedurchlasszahl
W/m²K
ъ= Ѥ / s
05
Wärmedurchlasswider- R stand
m²K/W
R = s / Ѥ = Verhältnis von Schichtdicke s des 1/ъ Bauteils und Wärmeleitfähigkeit Ѥ, also der Kehrwert des WärmedurchlasskoefÀzienten ъ. Er bezeichnet den Widerstand, der einem Wärmestrom in W beim DurchÁuss durch 1m² einer Bauteilschicht der Dicke s in m entgegengesetzt wird, wenn der Temperaturunterschied zwischen den beiden OberÁächen konstant 1K beträgt.
06
WärmeübergangskoefÀzient
1/Rsi 1/Rse
W/m²K
Wärmestrom, der unter Berücksichtigung der Windverhältnisse (OberÁächenfarbe und -struktur) über eine 1m² große BauteilÁäche und der Luft ausgetauscht wird, wenn der Temperaturunterschied zwischen Luft und OberÁäche 1K beträgt
07
Wärmeübergangswiderstand
Rsi, Rse
m²K/W
der für die Ermittlung des Wärmeverlustes erforderliche Kehrwert des WärmeübergangskoefÀzienten
08
Wärmedurchgangswiderstand
RT
m²K/W
264
Formel
RT = 1/U
Bedeutung
Verhältnis von Wärmeleitfähigkeit Ѥ und Schichtdicke s des Bauteils; bezeichnet den Wärmestrom in W, der durch 1m² einer Schicht der Dicke s in m hindurchgelassen wird, wenn der Temperaturunterschied zwischen den beiden OberÁächen konstant 1K beträgt.
Gesamt-Widerstand, bestehend aus den Wärmedurchlasswiderständen der einzelnen Bauteilschichten und den Wärmeübergangswiderständen der Luftschichten, den das
5.1
Verhalten von Bauteilen und Konstruktionen aus Lehmbaustoffen gesamte Bauteil dem Wärmestrom entgegensetzt
09
WärmedurchgangskoefÀzient
U
W/m²K
10
SpeziÀsche Wärmekapazität
c
Ws/kgK
11
Wärmespeichervermögen
Qs
Ws/m2K
Q s = c·ѩ·s
Die in 1m² eines plattenförmigen Bauteils der Dicke s in m aus einem Stoff mit der Rohdichte ѩ in kg/m3 gespeicherte Wärmemenge Q bei 1K Übertemperatur
12
Auskühlverhalten
tA
h
Qs/ъ = Ѥ·ѩ·c/ъ= Ѥ·ѩ·c2/Ѥ
Verhältnis der in 1m² Wand bei 1K Übertemperatur gespeicherten Wärmemenge Q s zum WärmedurchlasskoefÀzienten ъ
13
WärmeeindringkoefÀzient
b
Ws/s 0,5m2K b = (Ѥ·ѩ·c)0,5
Maßzahl für die Geschwindigkeit der Wärmeaufnahme bzw. -abgabe des Stoffes, der die raumumschließenden Flächen bildet. Je kleiner b, desto schneller Erwärmung der OberÁächen (»berührungswarm«)
14
Temperaturamplitude
уT
K
Differenz der max. Temperaturen auf der Bauteilinnen- und -außenoberÁäche binnen 24h
15
Temperaturamplituden-Dämpfung TAD
уTa /уTi
–
Verhältnis der Temperaturamplituden auf der Bauteilaußenund -innenoberÁäche (Bild 5-5)
16
Temperaturamplituden-Verhältnis TAV
уTi/ уTa
–
Kehrwert (Bild 5-5)
17
Phasenverschiebung
Ѯ
Tab. 5-1
h
U = 1/RT Kehrwert des Wärmedurchgangswi= 1/(Rsi + derstandes, der den Wärmestrom in ёs/Ѥ + Rse) W angibt, der pro m² und 1K Temperaturdifferenz ein Bauteil durchquert. Wärmemenge in Ws, die erforderlich ist, um die Temperatur eines kg des betreffenden Stoffes um 1K zu ändern. (Kap. 3.6.3.2, Tab. 3-16)
уT=Ti – Ta
Zeitdifferenz zwischen dem Erreichen des Temperaturmaximums auf der BauteilaußenoberÁäche und dem auf der BauteilinnenoberÁäche (Bild 5-5)
Thermische Kennwerte zur Berechnung der Temperaturverteilung in Lehmbauteilen
265
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
stationär außen
16 00
55
innen
instationär außen innen
50 45
Wand
14 00 18 00
40
Wand 35 30 25
12 00
20 15
10 00 20 00
10
08 00 05 22 00 06 00 24 00 04
0
00
-05 °C
WärmedurchlasskoefÀzient und Wärmedurchlasswiderstand (4 u. 5): Da Bauteile in der Regel mehrschichtig aufgebaut sind, muss der Wärmeverlust über die Summe der Widerstände bestimmt werden, die jede Bauteilschicht dem Wärmestrom entgegen bringt. Für mehrschichtige Konstruktionen wird der Gesamt-Wärmedurchlasswiderstand aus der Summe der Teilwiderstände ermittelt. Baupraktisch ist der Wärmedurchlasswiderstand R das Maß für die Wärmedämmung eines Bauteiles: Je höher der Wärmedurchlasswiderstand, desto weniger Wärme Áießt von der warmen zur kalten Seite und um so besser ist die Wärmedämmung. WärmeübergangskoefÀzient und Wärmeübergangswiderstand (6 u. 7): Nicht nur Bauteilschichten, sondern auch Luftschichten tragen zur Wärmedämmung bei. Durch »Abbremsen« der Luftbewe266
Bild 5-4 Temperaturverteilung in Lehmbauteilen, nach [5.4]
gung infolge von Reibung an beiden Seiten eines Bauteils entstehen »Wärmeübergangsschichten«. Bei der Erfassung des Wärmeausgleichsvorgangs spielen neben OberÁächenfarbe und -struktur vor allem die Windverhältnisse eine Rolle. Dabei wird unterschieden in die Wärmeübergangswiderstände Rsi und Rsa jeweils auf den Innen- bzw. AußenoberÁächen der Bauteile. Für wärmetechnische Berechnungen deÀniert die DIN 4108-2 einheitliche Rand- und Übergangsbedingungen. WärmedurchgangskoefÀzient und Wärmedurchgangswiderstand (8 u. 9): Baupraktisch gibt der »U-Wert« den Wärmeverlust eines Bauteils bzw. einer GebäudeumfassungsÁäche an. Er ist damit die entscheidende Bauteilgröße für den baulichen Wärmeschutz. Je niedriger der U-Wert, desto geringer ist der Wärmeverlust des Bauteils / Bauwerks bzw. desto besser ist die Wärmedämmung des Bauteils / Bauwerks.
5.1
Verhalten von Bauteilen und Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
Heizwärmeverluste im Winter sollen so gering wie möglich gehalten werden, und der Heizwärmebedarf bei Neubauten sollte möglichst niedrig sein. Eine entsprechende Reduzierung bei Altbauten durch Maßnahmen zur Verbesserung des Wärmeschutzes soll dazu beitragen, Schadstoffemissionen zu verringern. Die Mindestanforderungen an den Wärmeschutz der Gebäudehülle und den damit verbundenen klimabedingten Feuchteschutz sind in DIN 4108 festgelegt. Für die entsprechende Nachweisführung gelten seit 2002 bzw. 2007 die Regelungen der Energieeinsparverordnung EnEV [4.25] mit deutlich höheren Anforderungen. Mit dem »Referenzgebäude-Verfahren« wird die EnEV als EnEV 2009 für Wohngebäude (künftig DINV 18599) fortgeschrieben. Dabei wird die maximal zulässige Höhe des Jahres-Primärenergiebedarfs über einen Vergleich mit einem dem zu planenden Gebäude identischen Referenzgebäude mit normierten Bauteilen und vorgeschriebener Anlagentechnik bestimmt. Nicht erfasst werden können mit dem UWert jedoch lokale topograÀsche Bedingungen
oder unterschiedliche Hausformen und Bebauungsdichten. Weiterhin kann in Gebäuden aus massiven Baustoffen durch deren Speicherfähigkeit ein Wärmegewinn bei der Berechnung des Wärmeenergiebedarfs erzielt werden, der wie auch ein entsprechender Anteil aus solarer Einstrahlung ebenfalls nicht durch den U-Wert erfasst wird. In den Nachweisverfahren zur Energiebilanz von Gebäuden nach DIN 4108-6 können die vorgenannten und weitere Effekte durch Korrekturfaktoren erfasst werden. Mit zunehmender Dicke des Bauteils bzw. der Dämmschicht sind nur noch geringe Verbesserungen der Dämmwirkung zu erzielen. Das Verhältnis Dämmkosten zu erzielten Energiespareffekten wird immer ungünstiger. Wärmespeichervermögen und Auskühlverhalten (10 – 12): Wärmespeichernde Bauteile sollen in Übergangszeiten mit raschen Außentemperaturschwankungen ein zu schnelles Auskühlen bzw. Erwärmen im Innenraum verhindern. Die Wirksamkeit eines Bauteiles bzgl. dieser Eigenschaft ist umso größer, je größer sein Wärmespeichervermögen Qs und je klei-
Temperatur
Phasenverschiebung Ѯ
уTA уTA
уTI
уTI
Temperaturamplitude auf der AußenwandoberÁäche Temperaturamplitude auf der InnenwandoberÁäche
уTA /уTI TemperaturamplitudenDämpfung TAD уTI/уTA TemperaturamplitudenVerhältnis TAV
Bild 5-5
Temperaturamplituden-Dämpfung und Phasenverschiebung
267
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
ner die Wärmedurchlasszahl ƒ ist. Der Quotient aus beiden Größen wird als Wärmeträgheit oder Auskühlverhalten des Bauteils bezeichnet. Je größer der Wert Qs/ƒ, desto langsamer kühlt das Bauteil aus. WärmeeindringkoefÀzient (13): Ein Stoff entzieht bei Berührung mit der Hand oder dem Fuß dem menschlichen Körper umso mehr Wärme und fühlt sich damit umso kühler an, je größer sein WärmeeindringkoefÀzient b ist. Bauteile mit OberÁächenschichten aus Stoffen mit großen WärmeeindringkoefÀzienten bleiben in Räumen mit hohen Lufttemperaturen länger »kühl«. Schwere Baustoffe wie Naturstein, Beton und StampÁehm besitzen hohe Werte für b, leichte Baustoffe wie Holz, Kork oder Schaumstoffe dagegen entsprechend niedrige. Lehmputze mit einem hohen Zuschlaganteil an organischen Faserstoffen werden dementsprechend »berührungswärmer« empfunden. Temperaturamplituden-Dämpfung und Phasenverschiebung (14 – 17): Die an der AußenoberÁäche des Bauteils entstehenden Temperaturamplituden setzen sich als Schwingungen im Bauteil fort und erreichen durch Wärmeleitung die innere BauteiloberÁäche, wobei sie während des Durchgangs abgeschwächt (gedämpft) werden (Bild 5-5 [nach 5.17]). Für ein angenehmes Raumklima müssen große Temperaturschwankungen der Außenluft auf ein noch behagliches Maß im Gebäudeinnern reduziert werden. Dabei wird von der Annahme ausgegangen, dass die Temperatur der Raumluft im gleichen Maße schwankt wie die Temperatur an der InnenoberÁäche des Bauteiles, d.h. das thermische Verhalten des angrenzenden Innenraumes (z. B. Speicherwand) bleibt unberücksichtigt. Eine Dämpfung der Temperaturamplituden an der inneren BauteiloberÁäche kann durch 268
das Auskühlverhalten Qs/ƒ des Bauteils beschrieben und durch die Wahl eines Baustoffes mit entsprechend großem Wärmespeichervermögen oder durch Wärmedämmung erreicht werden. Schwere Lehmbaustoffe, z. B. StampÁehm, können mehr Wärme speichern als Leichtlehme, leiten diese aber besser, d.h. sie dämmen schlechter. Ihr Einsatz ist deshalb im Innenbereich sinnvoll, während Leichtlehme in Außenwänden besser dämmen. Je nach Klimatyp gibt es in Bezug auf die Temperaturamplitudendämpfung unterschiedliche Zielfunktionen: – In Klimaten mit großen Jahres-Temperaturamplituden (Polargebiete, gemäßigte Klimate) ist die Wärmedämmung der Bauteile relevant. In gemäßigten Klimaten ist zusätzlich ein sommerlicher Wärmeschutz zu beachten. – In trocken-heißen Klimaten mit großen Tages-Temperaturamplituden ist eine Amplitudendämpfung durch den Einsatz schwerer Baustoffe und großer Bauteildicken sinnvoll: Durch die zeitliche Verzögerung oder Phasenverschiebung erreicht die nächtliche Kühle auf den äußeren BauteiloberÁächen in der folgenden Mittagshitze die InnenraumoberÁäche. Umgekehrt wird die gespeicherte Mittagshitze des Vortages in den kühlen Morgenstunden durch »Speicherentladung« an den Innenraum abgegeben (Bild 5-5). – In feucht-warmen Klimaten mit geringen Jahres- und Tages-Temperaturamplituden sollten nur Baustoffe mit geringem Wärmespeichervermögen verwendet werden. Die Phasenverschiebung ist eine Funktion der Bauteildicke sowie der thermischen Eigenschaften der verwendeten Baumaterialien (Wärmeleitfähigkeit, speziÀsche Wärme, Wärmespeicherfähigkeit). Sie soll sich erst nach ca. 8 –10 Stunden an der InnenoberÁäche bemerkbar machen. Je kleiner das Temperaturamplituden-Verhältnis, desto größer ist i. d. R. die Phasenverschiebung.
5.1
5.1.2
Verhalten von Bauteilen und Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
Hygrische Kenngrößen
Lehmbaustoffe reagieren empÀndlicher als alle anderen mineralischen Baustoffe auf Einwirkungen durch Feuchtigkeit. Ein entsprechender Schutz der Baukonstruktionen wäh-
rend der gesamten Nutzungsphase sowie die Sanierung bereits feuchtegeschädigter Gebäude gehören deshalb zu den wichtigsten Aufgaben im Lehmbau.
5.1.2.1 Mechanismen des Feuchtetransports Feuchte kann auf Grund der hygroskopischen Eigenschaften und des offenen Porengefüges der Lehmbaustoffe aus zusammenhängenden Kapillaren in Áüssiger und gasförmiger Phase in das Lehmbauteil gelangen. Entsprechend den Feuchte-, Temperatur- und Dampfdruckdifferenzen zwischen Bauteil und dem angrenzenden Medium kann die Feuchte durch das Lehmbauteil transportiert, in ihm gespei-
chert und wieder abgegeben werden. Die Transportprozesse werden durch die stoffliche Zusammensetzung und Porenstruktur der Lehmbaustoffe beeinÁusst. Aufnahme und Transport von Feuchte als Flüssigkeit oder Gas (Wasserdampf) erfolgen in Porenklassen mit entsprechenden Größenbereichen nach verschiedenen Mechanismen (Tab. 5-2, nach [3.25]):
Nr.
Porenklasse
Größenbereich
Transportmechanismus
1
Mikroporen
< 0,1ѥm
hygroskopische Wasseraufnahme (Adsorption), Kapillarkondensation, Dampfdiffusion
2
Kapillarporen
0,1ѥm – 1mm
Kapillarleitung als Áüssiges Wasser entgegen dem EinÁuss der Schwerkraft, Dampfdiffusion, Kapillarkondensation
3
Makroporen
> 1mm
gesättigte oder ungesättigte Strömung entspr. Füllungsgrad unter EinÁuss der Schwerkraft. Wegen des abnehmenden Kapillardrucks dringt kein Wasser mehr kapillar in die Poren ein.
Tab. 5-2
Transportmechanismen der Feuchtigkeit und Porengrößen
Witterung und Bodenwasser wirken als Áüssiges Wasser von außen auf das Lehmbauteil ein, werden kapillar aufgenommen und verteilt (Kap. 3.6.3.1). Bei entsprechend langer Einwirkungszeit werden auch die Makroporen mit Wasser gefüllt, was zum Verlust der strukturellen Festigkeit des Lehmbauteils füh-
ren kann. Dies ist der Fall bei Havariesituationen oder Naturkatastrophen mit stehendem und Áießendem Wasser (Kap. 5.2.4.1). Ein ähnlicher Effekt kann eintreten, wenn Áüssiges Wasser in den Porenräumen zu Eis gefriert und nach dem Frostende wieder taut.
269
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
Im Innenraum wird Wasserdampf aus der Luft in gasförmiger Phase hygroskopisch von den raumumschließenden Bauteilen aufgenommen und verteilt. Beim Ausgleich des Wasserdampfdruckes inner- und außerhalb des Bauteils unterscheidet man folgende Prozesse [3.25]: Sorption: Ausgleich zwischen Luft- und Stofffeuchte, Absorption: Wasseraufnahme bei Zunahme der relativen Luftfeuchte, Adsorption: Wasseranlagerung an die OberÁäche (der Kapillaren) bei Zunahme der relativen Luftfeuchte, Porendurchmesser 0,1ƫm sind dafür entscheidend. Desorption: Wasserabgabe bei Abnahme der relativen Luftfeuchte. In den Mikroporen Àndet auf Grund der van der Waalsάschen Molekularkräfte eine adsorptive Bindung zwischen den Wassermolekülen und den Porenwänden des Lehmbaustoffes statt. Darüber hinaus verringert sich über den Menisken der WasseroberÁächen der Dampfdruck, so dass es bereits vor Erreichen des Sättigungsdampfdrucks zur Wasserabscheidung aus der Luft (Kapillarkondensation)
kommt. Der Wassertransport erfolgt vorzugsweise durch Dampfdiffusion. Flüssiges Wasser wird nicht mehr transportiert. Diese Poren enthalten deshalb auch noch in relativ trockener Umgebung Wasser, das den wesentlichen Anteil der Ausgleichs- oder Gleichgewichtsfeuchte (Kap. 5.1.2.4) bildet. Bei der Feuchtewanderung in Lehmbauteilen als Folge von Temperaturunterschieden zwischen Außen- und Innenraumluft treten verschiedene Transportmechanismen parallel auf (Tab. 5-2), die auch entgegengesetzt gerichtet sein können. Im Winter stellt sich eine Wasserdampfdiffusion i. d. R. von der warmen (innen) zur kalten Seite (außen) ein. Bei ausreichend hoher adsorptiver Feuchte auf der Außenseite (> 50% relative Luftfeuchte) bildet sich ein kapillarer Wassertransport unabhängig von der Temperatur von feucht (außen) nach trocken (innen) aus, ist also entgegengesetzt gerichtet. In den Wandaufbau integrierte, dampfdichte Wärmedämmstoffe oder Dampfbremsfolien, aber auch Imprägnierungen (Hydrophobierungen) be- oder verhindern die beschriebenen Transportprozesse.
5.1.2.2 Wasserdampfdiffusions-Widerstandsfaktor ѥ Wasser besitzt in Abhängigkeit von der Temperatur einen bestimmten Dampfdruck, der die Sättigung der Luft mit Wasser bewirkt (Wasserdampfpartialdruck). Bei einer Druckdifferenz zwischen Raumluft und den Poren der umgebenden BauteilÁächen strömt Wasserdampf in Richtung des Druckgefälles bis zum Erreichen eines Gleichgewichtszustandes. Dabei diffundiert der Wasserdampf durch den porösen Baustoff. Diese Eigenschaft wird beschrieben mit dem WasserdampfdiffusionsWiderstandsfaktor ƫ. Die Zahl ƫ ist ein dimensionsloser Verhältniswert, der die Diffusionsdichte des Wasserdampfstroms in einem Bau270
stoff mit jener in einer Luftschicht äquivalenter Dicke sd vergleicht. Ruhende Luft hat den ƫ -Wert 1. Der sd-Wert gibt an, wie dick die Luftschicht sein müsste, um den gleichen Diffusionswiderstand zu besitzen wie der angegebene Baustoff mit der Schichtdicke d. Damit werden Bauteilschichten unterschiedlicher Dicke d vergleichbar: sd = ƫ · d. Porenstruktur, Stoffrohdichte und Temperatur beeinÁussen die Wasserdampf-Diffusion. Mit zunehmender Rohdichte und damit abnehmendem Porenraum wird der ƫ-Wert größer,
5.1
Verhalten von Bauteilen und Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
der Baustoff wird dampfdichter. Bei BauteiloberÁächen abschließenden Putzen soll die Wasserdampfdurchlässigkeit möglichst hoch sein [3.38]. Lehmputze haben vergleichsweise niedrige ƫ-Werte und damit eine hohe Diffusionsfähigkeit, d.h. die jeweilige Gleichgewichtsfeuchte stellt sich schnell wieder ein. Die Möglichkeit der Aufnahme bzw. Abgabe von überschüssigem Wasserdampf der Nr. 01
02
03 04
05
06
07
Baustoff
Raumluft durch die raumumschließenden Flächen während der Gebäudenutzung trägt zu einem ausgeglichenen, behaglichen Raumklima (Kap. 5.1.1.2) bei. Bei rasch wechselnden Dampfdrücken sind deshalb entsprechend niedrige ƫ-Werte anzustreben. Der ƫ-Wert eines Baustoffes wird nach DIN EN 1015-19 bestimmt. Tab 5-3 zeigt ƫWerte verschiedener Baustoffe im Vergleich.
Bereich von ѥ
Quelle
Mauerwerk aus – Ziegeln – Klinker – Kalksandstein – Leichtbetonstein – Tuffstein
5 – 10 50 – 100 5 – 25 5 – 15 20 – 50
DIN 4108 DIN 4108 DIN 4108 DIN 4108 [3.38]
Lehmbaustoffe – Leichtlehm
5 – 10 2– 5
[2.6] [3.46]
70 – 150
DIN 4108
Putze – Zementputze – Kalk-Zement-Putze – Kalkputze – Wärmedämmputze
10 – 35 50 – 100 10 – 20 9 – 15
DIN 4108 [3.38] [3.38] [3.38] [3.38]
Holz – nass – trocken – Holzwerkstoffe, entspr. Rohdichte
5 –10 20 – 80 100 – 500 1 – 400
DIN 4108 DIN 4108 DIN 4108
Dämmstoffe – mineralisch u. pÁanzlich – Kunststoffe – Schaumglas
1–10 1– 300 praktisch dampfdicht
DIN 4108 DIN 4108 DIN 4108
Dampfsperren – Bitumenpappe, unbesandet – Dachpappe, Kunststofffolie – Alufolie 125g/m2
2.000 – 20.000 10.000 – 100.000 praktisch dampfdicht
DIN 4108 DIN 4108 DIN 4108
Normalbeton
Tab. 5-3
Wasserdampfdiffusionswiderstand verschiedener Baustoffe im Vergleich
271
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
5.1.2.3 Kondenswasser Zur Kondensation von Wasserdampf an inneren BauteiloberÁächen kommt es, wenn der Taupunkt der Raumluft unterschritten wird. Der Taupunkt ist die Lufttemperatur bei 100% Sättigung mit Wasserdampf. Entsprechend DIN 4108-3 soll die rechnerisch anfallende Tauwassermenge im Innern eines Bauteils den Wert von 0,5 kg/m2 in einer Frostperiode generell nicht überschreiten. Vor dem Hintergrund hoch gedämmter und winddichter Außenbauteile gewinnt dieses Problem zunehmend an Bedeutung. In diesem Zusammenhang wird häuÀg über Schimmelpilzbefall und »richtiges Lüften« diskutiert. Praktische Erfahrungen bei Wohngebäuden mit üblicher Nutzung zeigen, dass unter der Voraussetzung der Einhaltung des Mindestwärmeschutzes nach DIN 4108 die Kapillarität der trockenen Lehmbaustoffe ausreicht, um an BauteiloberÁächen anfallendes Tauwasser kapillar zu verteilen, und dass eine Durchfeuchtung dann nicht mehr zu befürchten ist. Schimmelpilze Ànden damit keine ausreichen-
de Lebensgrundlage. Unter ungünstigen Verhältnissen (meist im Winter) kann es auch im Innern des Lehmbauteiles zum Erreichen des Wasserdampfsättigungsdruckes kommen, so dass der Dampf in die Áüssige Phase übergeht. Auch hier zeigen praktische Erfahrungen im Lehmbau, dass rechnerisch ermitteltes Tauwasser (z. B. nach dem Glaser-Verfahren) ohne Schaden für das Lehmbauteil kapillar verteilt wird. Zur Vermeidung von Tauwasseranfall im Innern des Bauteiles gilt allgemein für den Aufbau der Bauteilschichten von innen nach außen: zunehmende Wärmedurchlasswiderstände R und abnehmende Wasserdampfdiffusions-Widerstandsfaktoren ƫ (Beispiel: Leichtlehmschicht außen, massive Lehmstein-Vorsatzschale innen). Im Zusammenhang mit der Planung von Maßnahmen zur bauphysikalischen Ertüchtigung historischer Gebäude aus Lehmbaustoffen mittels Dämmschichten werden in letzter Zeit auch Argumente für Innendämmungen angeführt (Kap. 5.3.3.2).
5.1.2.4 Gleichgewichtsfeuchte Die Gleichgewichtsfeuchte (auch Dauerfeuchtigkeitsgehalt, Ausgleichsfeuchte oder praktischer Feuchtegehalt) bezeichnet den Feuchtigkeitsanteil im Bauteil, der sich allmählich als Durchschnittwert im Gebrauchszustand einstellt. Nach der Fertigstellung des Bauteils wird er erstmals nach Abschluss der Trocknung erreicht (Kap. 3.3.3) und unter normalen baupraktischen Bedingungen in Innenräumen (mit 40 –70% rel. Luftfeuchte, +20°C) selten über- bzw. unterschritten. Er beeinträchtigt die Funktionsleistung des Bauteils nicht und ist bei der Festlegung der Wärmeleitzahlen und Lastannahmen berücksichtigt. Schwankungen der Luftfeuchte im Innenraum kön272
nen nur innerhalb der Schwankungsgrenzen der Gleichgewichtsfeuchte ausgeglichen werden. In der Literatur werden für Lehmbaustoffe Größenordnungen zwischen 2 – 3 Masse-% angegeben, nach NIEMEYER [2.18] mit 2,5 – 4,5 % »in Abhängigkeit von Art, Lage und Alter« des Bauteils. Die Größe der Gleichgewichtsfeuchte ist darüber hinaus abhängig von der Tonmineralstruktur des Lehmbaustoffs. Tonmineralien des 3-Schicht-Typs (Montmorillonit) verfügen im Vergleich zu 2-Schicht-Tonmineralien (Kaolinit) wegen ihrer größeren speziÀschen OberÁäche und einem entsprechend höheren Anteil im Kapillar- und Mikropo-
5.1
Verhalten von Bauteilen und Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
renbereich auch über ein größeres Potenzial für die Anlagerung von Wassermolekülen aus der Luft (Kap. 2.2.3.4). Die Gleichgewichtsfeuchte kann in diesen Fällen deshalb deutlich über 3% liegen. Praktische Bedeutung für den Lehmbau hat der Ausgleich der Gleichgewichtsfeuchte unterschiedlicher Baustoffe z. B. im Fachwerkbau und bei Holzständerkonstruktionen. Hier werden Lehm und Holz als Verbundbaustoff eingesetzt. Trockenes Holz besitzt eine höhere Gleichgewichtsfeuchte als trockener Lehm:
ca. 10% zu etwa 3%. Unter der Voraussetzung der ständigen Trockenhaltung des Lehmes im Bauteil sowie eines permanenten diffusionswirksamen Verbundes beider Baustoffe stellt sich ein Diffusionsgefälle der Gleichgewichtsfeuchte des Holzes zum Lehm ein: der Lehm hält das Holz in der Konstruktion trocken und wirkt dadurch konservierend. Pilze und Holzschädlinge Ànden auf Dauer kein ausreichend feuchtes Lebensmilieu. Das Holz kann in der Konstruktion im Verbund mit dem Lehm über Jahrhunderte seine Funktion erfüllen (Bild 1-19).
5.1.2.5 Luftfeuchtesorption Die Gleichgewichtsfeuchte kann als Funktion der relativen Luftfeuchte und der Porengrößen des Baustoffs in Form einer Sorptionsisotherme graÀsch dargestellt werden. Bei porösen mineralischen Baustoffen, darunter Lehmbaustoffen, ist die PorenoberÁäche sehr groß. Die Wasseraufnahme erfolgt bei einer relativen Luftfeuchte < 50% überwiegend adsorptiv, darüber zunehmend durch Kapillarkondensation (Kap. 5.1.2.1) [3.25]. Aus dem Verlauf der Sorptionsisotherme kann abgeleitet werden, unter welchen Randbedingungen wie viel Feuchte vom Baustoff aufgenommen bzw. wieder abgegeben wird. Neben der »Feuchtespeicherfähigkeit« des Bauteils ist dieser Effekt abhängig von den Temperaturschwankungen im Innenraum. Diese sind bei zentralbeheizten, gut gedämmten Wohnungen gering. Für den Ausgleich von rasch wechselnden Dampfdrücken in der Raumluft sind i. w. nur die ersten 1 – 2 cm der inneren BauteiloberÁächen raumklimatisch wirksam. Mit zunehmender Einwirkungsdauer reicht die Feuchteaufnahme bzw. -abgabe auch in größere Bauteiltiefen, und im Bauteil stellen sich die in Kap. 5.1.2.1 beschriebenen Transportmechanismen ein.
Umfangreiche Messungen zum Sorptionsverhalten von Lehmbaustoffen im Vergleich mit anderen Baustoffen wurden von MINKE ausgeführt (Kap. 4.2.7.6 [3.33]). Diese, wie auch die Messungen der Wasserdampfsorption von HOLL / ZIEGERT nach EN ISO 12571 [5.5] an verschiedenen Lehmputzen, zeigen, dass Lehmbaustoffe im Vergleich mit herkömmlichen kalk-, gips- und zementgebundenen Baustoffen im Bereich der üblichen Raumluftfeuchte von 40 – 70% relativer Luftfeuchte deutlich »leistungsfähiger« sind (Bild 5-6). Damit wurde bestätigt, dass die Tonmineralstruktur der verwendeten Baulehme die Sorptionsmenge beeinÁusst: sie ist bei 3-Schicht-Mineralien höher als bei Baulehmen mit 2-Schicht-Mineralien (Kap. 2.2.3.4). Bei einem Vergleich der Sorptionsisothermen verschiedener Stoffe fällt auf, dass die Gleichgewichtsfeuchte von Textilien, Papier und Holz im Vergleich zu mineralischen Baustoffen, darunter Lehm, deutlich höher ist (Bild 5-7) [3.25]. Zum Gebrauchszustand von Baukonstruktionen aus Lehmbaustoffen gehört auch, dass Innenräume mit Einrichtungsgegenständen aus den genannten Materialien ausgestattet sind. Hinzu kommt der hygienisch bedingte Luftwechsel durch Fenster273
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
Material-Feuchte [Masse-%]
1,2 1,0 0,8 0,6
herkömmliche Putze (BM Gips, Kalk, Zement) Lehmputze
0,4 0,2 0,0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
relative Luftfeuchte [%]
Bild 5-6
Wasserdampfsorption von untersuchten Lehmputzen im Vergleich zu herkömmlichen Putzen [5.5]
32 GleichgewichtsFeuchte [Masse-%]
28 24 20 16
1 Ziegel p = 1.600 kg/m3 2 Gips p = 1.310 kg/m3 3 Kalkzementputz p = 1.600 kg/m3 4 Leinen 5 Papier 6 Holz 7 Naturseide 8 Wollstoff
8 7 6 5 4
12 8 3
4
2 0
20
40
relative Luftfeuchte [%]
Bild 5-7
274
Sorptionsisothermen verschiedener Stoffe bei Raumtemperatur [3.25]
60
80
100
1
5.1
Verhalten von Bauteilen und Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
lüftung, mechanische Lüftungsanlagen oder InÀltrationsluftwechsel über Undichtheiten der Gebäudeaußenbauteile (Kap. 5.1.5). Vor diesem Hintergrund stellt sich die grundsätzliche Frage nach dem wirksamen Anteil der
»puffernden« Wirkung von raumumschließenden Lehmbauteilen bei einem in üblicher Weise mit Einrichtungsgegenständen ausgestatteten Innenraum mit entsprechenden Lüftungszyklen.
5.1.2.6 Erosionsbeständigkeit Unter der Voraussetzung von funktionstüchtigen Dächern und Fundamenten stellt die Erosion von Baukonstruktionen aus Lehmbaustoffen bei Beanspruchung durch Schlagregen im mitteleuropäischen Klima i. d. R. kein Tragfähigkeitsproblem dar (Kap. 5.2.1.2). Bekannt geworden ist der Satz, dass ein Lehmhaus »trockene Füße und einen breiten Hut« – einen weiten Dachüberstand und ein sicheres Fundament mit einem Spritzwassersockel – haben muss. Der Verlust an Baustoff durch natürliche Erosion im Gebrauchszustand, der bei massiven traditionellen Baukonstruktionen durch große Wanddicken bereits »eingerechnet« ist, bildet eher ein ästhetisches Problem (Bild 5-21). Bei Windstille fällt Regen der Schwerkraft folgend senkrecht zu Boden. Bei Wind trifft er geneigt auf die WandobeÁäche auf: je stärker der Wind, desto steiler der Neigungswinkel. Es entsteht Schlagregen. Die Schlagregengefährdung ist regional unterschiedlich und wird in DIN 4108-3 in Beanspruchungsgruppen entsprechend der Jahresniederschlagssummen eingeteilt. Oft ist jedoch der EinÁuss der lokalen Geländesituation bestimmender für eine Gefährdung durch Schlagregen, z. B. ob das Gebäude windgeschützt liegt oder in der freien Landschaft auf einem Hügel steht. Auch die Schlagregengefährdung der einzelnen Bereiche der Außenwände ist unterschiedlich: Gebäudeecken sind wegen der höheren Windgeschwindigkeit und des Staudrucks am stärksten beansprucht. Dem Wind
zugewandte OberÁächen (in Mitteleuropa die SW- bis Westseite) sind stärker gefährdet, ebenso höher liegende Bereiche. In Klimaten mit hohen jährlichen Niederschlagsmengen und -intensitäten werden heute aus Furcht vor Erosionserscheinungen mit vermuteten Tragfähigkeitsverlusten von Lehmbauteilen meist künstliche Stabilisierungsmittel (i. d. R. Zement) eingesetzt. Bei funktionstüchtigen Dächern und Fundamenten bzw. Sockeln sowie ausreichenden Wanddicken (Stampf- bzw. Wellerlehm, ca. 50 cm) wird bezweifelt, ob diese Furcht berechtigt ist. Bild 5-8 zeigt etwa 200 Jahre alte Wohngebäude aus (nicht stabilisiertem) Wellerlehm in der Region Bangalore, Indien, die die enorme Niederschlagsintensität des jährlichen Monsuns (ca. 1.000 mm in etwa 4 Monaten) bei regelmäßiger Unterhaltung ohne Schäden überdauert haben. EDWARDS [5.6] berichtet vom Zyklon Winifred mit Windgeschwindigkeiten über 200 km/h und enormen Niederschlagsintensitäten, der im Februar 1986 die Nordküste Queenslands (Australien) und die Stadt Cairns verwüstete. An gerade ausgeführten, aber auch an älteren StampÁehmbauten waren jedoch nicht die geringsten Schäden festzustellen. Die Darstellung der Beanspruchung von BauteiloberÁächen aus Lehmbaustoffen durch Schlagregen in einem Modellmaßstab als Testprozedur ist Gegenstand in der australischen und neuseeländischen Lehmbau-Norm [3.27], [3.29]. Danach wird die zu prüfende BauteiloberÁäche (Baustoff) mit einem Wasserstrahl 275
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
Bild 5-8 Erosionsstabilität von Wellerbauten im Monsunklima (Indien)
Bild 5-9 Prüfung der Schlagregenwirkung auf Lehmbaustoffe nach [3.27]
50 kPa 150 mm
Probe Dichtung Abschirmung 470 mm
276
5.1
Verhalten von Bauteilen und Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
aus einer Düse mit gelochter Scheibe unter einem Druck von 70 kN/m2 besprüht (Bild 5-9). Die Einwirkungsdauer tE des Wasserstrahls wird bei bekannter Jahresniederschlagsmenge und Windstärke des konkreten Standorts nach folgender Vorschrift festgelegt: tE [min] = jährl. Niederschlag [mm] / 10 x Windfaktor Windfaktoren: 0,5 bei einer mittl. Windstärke u. bei Regen = 4 m/s 1,0 bei einer mittl. Windstärke bei Regen = 7 m/s 2,0 bei einer mittl. Windstärke bei Regen = 10m/s.
5.1.3
Nach der entsprechenden Einwirkung wird die Erosionstiefe gemessen und daraus der mittlere Wert abgeleitet, der unter realen Bedingungen zu erwarten ist. Dazu wurde ein empirisch ermittelter Vergleichswert festgelegt, der unter natürlichen Bedingungen einer mittleren Windgeschwindigkeit bei Regen um 7 m/s entspricht und von einer Nutzungsdauer des Gebäudes von 50 Jahren ausgeht. Der Messwert wird weiterhin mit einem Sicherheitsfaktor 2 multipliziert. Es wird davon ausgegangen, dass lokale Flächen 50% stärker als die mittlere Erosionstiefe durchfeuchtet sein können. Die Erosionstiefe dieser Flächen wird deshalb nochmals um 50% erhöht.
Brandschutztechnische Kenngrößen
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen dem Brandverhalten eines Baustoffes und dem Feuerwiderstand eines Bauteiles. Beide Aussagen sind im Brandfall von Bedeutung und werden deshalb in entsprechenden Bauvorschriften in Kombination angewendet.
Während das Verhalten des Baustoffes in der Phase der Brandentstehung von Bedeutung ist, charakterisiert der Feuerwiderstand das Verhalten eines Bauteiles bei voll entwickeltem Brand.
5.1.3.1 Brandverhalten von Lehmbaustoffen Baustoffe werden nach ihrem Brandverhalten entspr. DIN 4102 (bzw. EN V 13501, EN 1634 -1 ab 2010) als nicht brennbare (Baustoffklasse A) und brennbare (Baustoffklasse B) Baustoffe klassiÀziert. Das Brandverhalten von Baustoffen wird nicht nur von der Art des Stoffes beeinÁusst, sondern auch von dessen Gestalt, speziÀscher OberÁäche und Masse, aber auch dem Verbund mit anderen Stoffen, den Verbindungsmitteln sowie der Verarbeitung. Lehm und mineralische Zuschläge (Sand, Kies etc.) werden nach DIN 4102-4 als nicht brennbar (A1) bewertet. Im Lehmbau stellt sich die Frage des Brandverhaltens von Lehmbaustoffen bzw. des
Feuerwiderstandes von Lehmbauteilen deshalb vor allem dort, wo Verbundkonstruktionen Lehm-Holz (Fachwerk, Holzständerbau) und natürliche / künstliche organische Zuschläge zur Herstellung von Leichtlehmen verwendet werden. Übliche organische Zuschläge, die das Brandverhalten von Lehmbaustoffen beeinÁussen können, sind vor allem Strohhäcksel, Holzhackschnitzel, Sägespäne und Sägemehl, aber auch Korkschrot. Von einigen Herstellern werden auch Lehmbaustoffe mit Schaumpolystyrol-Kugeln als Leichtzuschlag angeboten. Hier ist vor allem die mögliche toxische Wirkung der Verbrennungsprodukte zu 277
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
beachten. Eine Einstufung in die Baustoffklasse A ist deshalb nicht möglich. Die Übersicht Tab 5-4 zeigt die Bewertung erforderliche Rohdichte [kg/m3] Zuschlag Strohhäcksel Sägemehl Sägespäne Holzhackschnitzel Hanf, Flachsschäben
des Brandverhaltens von Lehmbaustoffen mit organischen Leichtzuschlägen in Abhängigkeit von der Trockenrohdichte nach [2.6], [5.7].
Baustoffklasse A1 Baustoffklasse B1 (nicht brennbar) (schwer entÁammbar) > 1.200 > 2.000 > 1.600 > 1.400
> 600
> 800 > 600
Tab. 5-4 Bewertung des Brandverhaltens von Lehmbaustoffen mit organischen Faserstoffen
5.1.3.2 Feuerwiderstand von Lehmbauteilen Der Feuerwiderstand eines Bauteiles ist die Zeit, während der das Bauteil bei einer Prüfung auf Feuerwiderstand die in DIN 4102-2 aufgeführten Anforderungen erfüllt. Diese Anforderungen beinhalten die im Brandfall bedeutenden Kriterien wie »Flammdurchgang«, »Erhöhung der OberÁächentemperatur auf der brandabgewandten Seite« sowie die »Gewährleistung der Standsicherheit«. Zur Bezeichnung des Feuerwiderstandes von Bauteilen werden in DIN 4102-2 Feuerwiderstandsklassen (FWK) deÀniert: F 30, F 60, F 90, F 120, F 180. Die Zahlen geben die Zeitdauer in Minuten an, die das Bauteil dem Brand widersteht. F steht für die Bauteilkategorie, in diesem Fall Wände, Decken, Stützen und Unterzüge, Treppen. Bei der Festlegung der Anforderungen an ein Bauteil werden noch folgende Begriffe als
5.1.4
Schallschutztechnische Kenngrößen
Während Brand- und Wärmeschutz Funktionen einer Konstruktion sind, die nicht unmittelbar quantitativ überprüft werden können, verhält sich dies beim Schall anders: Der Nutzer 278
Kombination von FWK und Baustoffklasse verwendet: feuerhemmend: F 30 – B (FWK 30, aus brennbaren Baustoffen hergestellt), feuerbeständig: F 90 – A (FWK 90, aus nicht brennbaren Baustoffen hergestellt). Die Lehmbau Regeln [2.6] geben eine Übersicht über den Feuerwiderstand von Bauteilen, in denen Lehmbaustoffe verarbeitet wurden (Tab. 5-5). Die Angaben entsprechen traditionellen Baukonstruktionen und sind aus älteren, z.T. zurückgezogenen Vorschriften zusammengestellt. Für heute übliche Baukonstruktionen mit Lehmbaustoffen fehlen entsprechende Angaben, die in systematisch geplanten Brandversuchen in dafür zugelassenen Prüfeinrichtungen ermittelt werden müssen.
eines Bauwerks nimmt Umgebungsgeräusche von außen oder auch innerhalb der Konstruktion jederzeit wahr. Das WohlbeÀnden wird beeinträchtigt, wenn im Bauwerk wahrzuneh-
5.1
Verhalten von Bauteilen und Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
Nr.
Bauteil
Beschreibung
KlassiÀ zierung
Quelle
01
Wände
massive gemauerte oder gestampfte Lehmwände einer Dicke von 24 cm
F 90 A
DIN V 18954
Fachwerkwände mit ausgefüllten Gefachen: Holzquerschnitte mind. 100 x 100 mm bei einseitiger, mind. 120 x 120 mm bei beidseitiger Brandbeanspruchung, Ausfüllung mit SL, mind. einseitige Putzbekleidung
F 30 B
DIN 4102-4:1994
mit vollständig freiliegenden, dreiseitig dem Feuer ausgesetzten Holzbalken: DeckenauÁage z.B. aus Lehmbaustoffen beliebiger Dicke, je nach Balkenabstand u. -querschnitt, Schalung, Fußbodenaufbau
F 30 B bis F 60 B
DIN 4102-4:1994
04
mit verdeckten Balken: Einschub oder Stakung mit Lehmauffüllung 60 mm je nach Balkenabstand, oberer Schalung u. unterseitiger Bekleidung
F 30 B bis F 60 B
DIN 4102-4:1994
05
Deckenbeläge: nur für Feuerbeanspruchung von der Oberseite, Auffüllung aus Lehm 50 mm
F 30
DIN 4102-4:1970
02
03
Holzbalkendecken
Tab. 5-5
Feuerwiderstand von Bauteilen mit Lehmbaustoffen
mende Geräusche ein bestimmtes Maß überschreiten und als störend empfunden werden. Für die schalltechnische Bewertung einer Konstruktion werden keine baustoffspeziÀschen Kenngrößen analysiert, sondern die Áächenbezogene Masse des Bauteils (auf 1m2 Bauteil bezogene Masse der Werkstoffe in g), die BiegesteiÀgkeit und die Dichtheit betrachtet. Weiterhin haben Áankierende Bauteile (Wände, aber auch Kabelkanäle und Rohrleitungen) EinÁuss auf die Schallübertragung. Zahlenwerte für schalltechnische Kenngrößen von Bauteilen können auf der Grundlage der DIN 4109 versuchstechnisch bestimmt
oder auf deren Grundlage für weitere Aufbauten durch Extrapolation auch rechnerisch ermittelt werden (DIN 4109 , Beiblatt 1; [5.8]). Entsprechend der Form der Schallübertragung unterscheidet man zwischen – Luftschall: in Luft sich ausbreitender Schall, z.B. durch Sprechen, – Körperschall: in festen Stoffen sich ausbreitender Schall, z. B. Trittschall. Der Schallschutz spielte im Lehmbau nach dem 2. Weltkrieg keine Rolle. Die Aufmerksamkeit galt in dieser Zeit vor allem der Auswahl geeigneter Baulehme sowie der Bestimmung der Festigkeitseigenschaften für tragende Kon279
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
struktionen. Dementsprechend Ànden sich auch keine versuchstechnisch ermittelten schallschutztechnischen Kenngrößen in den DINVorschriften zum Lehmbau der 1950er Jahre. Auch heute fehlen systematisch geplante und durchgeführte Prüfungen zur Ermittlung schallschutztechnischer Kenngrößen im Lehmbau. Erst mit der Entwicklung und Ver-
wendung von Lehmbaustoffen im Trockenbau (etwa ab 1997) stellte sich die Frage nach deren schallschutztechnischen Eigenschaften vordringlich. Die versuchstechnische Ermittlung dieser Kennwerte wurde deshalb produktbezogen von einzelnen deutschen Lehmbaustoff-Herstellern veranlasst [5.9].
5.1.4.1 Luftschalldämmung von Wänden Begriffe Als Luftschallanregung wird der Vorgang bezeichnet, bei dem ein trennendes Bauteil zwischen zwei Räumen durch Luftschall im Senderaum zur Schwingung angeregt und dadurch im Empfangsraum wiederum Luftschall erzeugt wird. Der Widerstand, den das Bauteil der Schallübertragung entgegensetzt, wird als Luftschalldämmung bezeichnet [5.8]. Das Schalldämmmaß R beschreibt die Luftschalldämmung von Bauteilen. Es wird errechnet aus der Schallpegeldifferenz zwischen zwei Räumen, i. a. dem Sende- und Empfangsraum. Die wichtigste Bezugsgröße zur Bewertung der Luftschalldämmung ist das bewertete Schalldämmmaß Rw (dB) als Einzelangabe zur einfachen Bauteilkennzeichnung. Bei Berücksichtigung der Schallübertragung über Áankierende Bauteile wird das bewertete Schalldämmmaß R´w angegeben. Bei geringen Schalldämmmaßen R´w < 48 dB spielt die Flankenübertragung keine Rolle, da R´w = Rw. Bei höheren Dämmmaßen ist der EinÁuss jedoch zu berücksichtigen. Anforderungen an Wandkonstruktionen In DIN 4109 werden folgende Anforderungen an das erforderliche Schalldämmmaß R´w [dB] von Außenbauteilen von Wohngebäuden sowie gegen Schallübertragung aus einem fremden Wohn- oder Arbeitsbereich in Abhängigkeit vom Außenlärmpegel festgelegt (Tab. 5-6). 280
erf. R´w [dB] für Innenbauteile: Wohnungstrennwände mit Wohnungen und Arbeitsräumen: 53, Treppenraum- oder Flurwand: 52, Haustrennwände von Einfamilien-, Doppelund Reihenhäusern: 57. Versuchstechnisch und rechnerisch ermittelte Werte Die von einem deutschen Lehmbaustoff-Hersteller veranlassten schallschutztechnischen Prüfungen [5.9] für die von ihm hergestellte Lehmbauplatte zeigten folgende Ergebnisse: Im Vergleich der traditionellen Wandkonstruktionen aus StampÁehm, Leichtlehmsteinen, Lehmsteinen, Grünlingen und Holzleichtlehm erreichen die Baustoffe mit der größten Trockenrohdichte (Grünlinge) die höchsten Schalldämmmaße. Die gemessenen Werte für Trennwände, bestehend aus einem Holz-Tragskelett, beidseitig mit Lehmplatten und Lehmfeinputz bekleidet, sowie mit oder ohne Ausfüllung des Hohlraums, liegen nur wenig unter den errechneten Schalldämmmaßen R´n,w für die traditionell ausgeführten Wandkonstruktionen. Der für die Trennwände gewählte Aufbau erwies sich damit als schallschutztechnisch außerordentlich günstig. Dagegen ist der schallschutztechnische Effekt von Innenschalen aus verschiedenen Lehmbaustoffen in Kombination mit verschiedenen traditionellen Wandkonstruktionen
5.1
Verhalten von Bauteilen und Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
Nr.
Außenlärmpegel [dB]
erf. Rw´ für Wohnungen, Übernachtungs- u. Unterrichtsräume [dB]
01
bis 55
30
02
56 – 60
30
30
03
61– 65
35
30
04
66 – 70
40
35
05
71– 75
45
40
06
76 – 80
50
45
07
> 80
*)
erf. Rw´ für Büroräume [dB] -
50
Tab. 5-6 Erforderliche Schalldämmmaße für Außenbauteile
*) entspr. örtlicher Gegebenheiten
(Fachwerk mit Ausfachung Strohlehm / Ziegel / Bruchstein und Ziegelwand) im Vergleich zur Verbesserung des Wärmeschutzes, der wichtigsten Funktion von Innenschalen aus Lehmbaustoffen, nicht so hoch einzuschätzen. In den meisten Fällen wird der für Wohnungstrennwände erforderliche Wert Rw = 53
nicht erreicht. In der Tendenz ist der Effekt bei den Wandbaustoffen mit den niedrigsten Trockenrohdichten, die ohnehin die schlechtesten Schallschutzdämmwerte aufweisen, am größten, jedoch noch nicht so groß, dass der erforderliche Wert für Rw erreicht wird.
5.1.4.2 Schallschutz von Holzbalkendecken Begriffe Trittschall ist durch Begehen oder ähnliche Anregung von Böden, Decken, Treppen usw. erzeugter Körperschall, der teilweise direkt als Luftschall in den darunter- / dahinterliegenden Raum abgestrahlt wird oder sich in Form von Körperschallwellen fortpÁanzt. Der Trittschallpegel LT´ ist der Schallpegel, der in einem Empfangsraum entsteht, wenn das zu prüfende Bauteil, i. d. R. eine Decke oder Treppe, mit einem Norm-Hammerwerk angeregt wird. Im Gegensatz zum Luftschall, bei dem die Dämmwirkung mit dem Luftschall-Dämm-
maß beschrieben wird, wird die Dämmwirkung einer Decke gegenüber Trittschall als Trittschallpegel im Empfangsraum deÀniert. Daher bedeuten hohe Trittschallpegel einen geringen Schallschutz. Der bewertete NormTrittschallpegel L´n,w wird analog zum Schalldämmmaß ermittelt. Anforderungen an Deckenkonstruktionen Nach DIN 4109-1 wird für Wohnungstrenndecken in Geschosshäusern mit Wohnungen und Arbeitsräumen ein Wert für L´n,w = 53 dB gefordert.
281
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
Rechnerisch ermittelte Werte In [5.9] werden für traditionelle Holzbalkendecken mit verschiedenen Lehmbaustoffen die bewerteten Trittschallpegel L´n,w [dB] erNr.
Deckenkonstruktion
Schalldämmmaß Trittschallpegel Ln,w [dB] Rw [dB]
01
Stakendecke mit SL ca. 8 cm
ca. 45
ca. 72
02
Einschubdecke mit LehmSchüttung > 200 kg/m2
> 54
< 60
03
Decke mit AuÁage aus Grünlingen mit ca. 2 mm Abstandsfuge ausgelegt
> 51
< 53
5.1.5
Tab. 5-7 Berechnete Schalldämmmaße und Trittschallpegel für Holzbalkendecken
Winddichtigkeit
Die Winddichtigkeit der Außenhülle von Baukonstruktionen ist allgemein eine Forderung zur Einsparung von Heizenergie. Nicht winddichte Gebäude sind darüber hinaus physiologisch unbehaglich: es »zieht«. Wie »winddicht« ein Gebäude ist, wird durch die Luftwechselzahl n beschrieben. Sie gibt an, wie oft das vorhandene Nettoraumvolumen in einer Stunde mit der Außenluft ausgetauscht wird. Der hygienisch bedingte Mindestluftwechsel in Wohnräumen zum CO2Ausgleich und zur Wasserdampf-Abfuhr soll ca. 0,5 h-1 betragen. Die DIN 1946 legt für Wohnräume einen personenbezogenen Mindestluftwechsel von 30 m3/(pers · h) fest. Der Luftwechsel wird durch Fensterlüftung und mechanische Lüftungsanlagen sichergestellt. Ein weiterer unkontrollierter Anteil ergibt sich als InÀltrationsluftwechsel über Undichtheiten in der Gebäudehülle, Bauteilfugen etc. Er liegt zwischen 0,1 h-1 bei sehr dichten und 0,3 h-1 bei weniger dichten Gebäuden. Nur zu einem sehr geringen Teil wird über282
mittelt (Tab. 5-7). Weitere Berechnungsbeispiele sind in [5.10] angegeben.
schüssiger Wasserdampf über die Diffusion durch die raumumschließenden Bauteile nach außen abgeleitet (Kap. 5.1.2.1). Die ausreichende Luftdichtheit eines Gebäudes wird in DIN 4108-7 deÀniert. Danach müssen Häuser mit mechanischen Lüftungsanlagen dichter sein als solche mit Fensterlüftung. Die Überprüfung der ausreichenden Luftdichtheit des Gebäudes erfolgt mit dem sog. Blower-Door-Test. Dabei wird über einen Ventilator ein Über- bzw. Unterdruck von 50 Pa zwischen dem Innern des Gebäudes und der Außenluft erzeugt. Der sich aus den resultierenden Volumenströmen über Fehlstellen und Fugen in der Gebäudehülle ergebende n50Wert soll 3,0 h-1 bei fenstergelüfteten und 1,5 h-1 bei mit Lüftungsanlagen ausgestatteten Gebäuden nicht überschreiten. Bezogen auf Bauwerke aus Lehmbaustoffen stellt sich das Problem der Winddichtigkeit vor allem bei Fachwerkkonstruktionen und nicht für Lehmbaustoffe im besonderen. Fachwerk ist unabhängig vom Gefachbaustoff nur
5.1
Verhalten von Bauteilen und Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
begrenzt winddicht. Die Fuge zwischen Holzskelett und Gefachfüllung ist eine Bewegungsfuge zum Ausgleich der Verformungen beim Schwinden und Quellen. Diese Fuge ist bauphysikalisch betrachtet der konstruktive Schwachpunkt der Fachwerk-Bauweise. Fachwerkaußenwände geheizter Räume in alten Gebäuden wurden mit einer Innenschale aus Leichtlehm in einer Stärke von 5 – 10 cm
5.1.6
versehen. Diese Schale bot i. d. R. eine ausreichende Winddichtigkeit. Nach den Lehmbau Regeln [2.6] gelten Lehmbaustoffe in der Fläche ab einer Dichte von 900 kg/m3 als winddicht. Bei Dichten darunter muss er überputzt werden. Als ausreichend winddicht gilt ein mindestens einseitiger Putz.
Strahlenbelastung
Medienberichte über »strahlende Baustoffe« tragen nicht selten zur Verunsicherung der Verbraucher bei. Diese Unsicherheit ist meist begründet in der Unkenntnis über die Ursa-
chen von Radioaktivität und hochfrequenter Strahlung und darüber, welche Gefahr davon für die menschliche Gesundheit ausgeht.
5.1.6.1 Radioaktive Strahlung Alle Lebewesen auf der Erde, auch der Mensch, sind einer natürlichen Exposition durch energiereiche (ionisierende) Strahlen ausgesetzt. Bei der natürlichen Strahlenbelastung wird unterschieden in die unveränderte natürliche Belastung und die künstliche oder zivilisatorische Strahlenexposition. Die unveränderte natürliche Belastung setzt sich zusammen aus der kosmischen, der terrestrischen und der inkorporierten (mit der Nahrung aufgenommenen) Strahlung sowie aus der vom Menschen veränderten natürlichen Strahlenexposition in Form von Baustoffen und der Inhalation von Radon und in Gebäuden. Die zivilisatorische Belastung umfasst die künstliche Strahlenexposition im Bereich der medizinischen Diagnostik und Therapie sowie die Folgen der Tschernobyl-Katastrophe [5.11]. Kennwerte Im Zusammenhang mit radioaktiver Strahlung von Baustoffen und Baukonstruktionen sind die Begriffe in Tab. 5-8 [5.11] von Bedeutung.
Grundsätzlich stellen auch die Herstellung und Verarbeitung von Baustoffen eine Form der veränderten natürlichen Strahlenexposition dar. Fast alle heute verwendeten Hauptbaustoffe enthalten radioaktive Stoffe und führen damit zu einer Erhöhung der natürlichen Strahlenbelastung in Gebäuden. Dazu zählen alle aus natürlichen Steinen und Erden hergestellten Baustoffe sowie bestimmte, als Bau- oder Zuschlagstoffe verwendete Industrieanfallstoffe. Damit erhebt sich die Frage, ob auch Lehmbaustoffe als mögliche »Strahlungsquellen« angesehen werden können. Die für die Erhöhung der terrestrischen Umgebungsstrahlung (Ƣ-Strahlung) entscheidenden Radionuklide sind Kalium-40, Radium-226 und Thorium-232. Zusätzlich entsteht als Zerfallsprodukt des Elements Radium das radioaktive Edelgas Radon-222, das als Gas in die Atemluft austreten kann. Chemisch gesehen ist dieses Gas für den Menschen ungefährlich. Aus der Radioaktivität dieses Gases und seiner Zerfallsprodukte, die sich beim Einatmen in den 283
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
Nr.
Kennwert
Maßeinheit
Beschreibung
01
Aktivität A
Bequerel Bq; 1Bq = 1 Zerfallsakt / Sekunde
Anzahl der Zerfälle einer radioaktiven Substanz / Zeiteinheit
02
SpeziÀsche Aktivität a
Bq/kg
die auf die Masseeinheit einer radioaktiven Substanz bezogene Aktivität
03
Äquivalentdosis H
Sievert Sv; 1Sv = 1J/kg
beurteilt das Strahlenrisiko für ein biologisches Gewebe; wird als Energiedosis D über einen dimensionslosen Bewertungsfaktor q berechnet H = q · D
04
Energiedosis D
Gray Gy; 1Gy = 1J/kg
auf eine Materie bestimmter Masse durch energiereiche Strahlung übertragene Energie
05
Äquivalentdosisleistung h
Sv/a bzw. mSv/a
ein Maß für die biologische Wirkung radioaktiver Strahlung beim Menschen, wenn eine Äquivalentdosis H von 1Sv während eines Jahres einwirkt
Tab. 5-8
Kennwerte für radioaktive Strahlung von Baustoffen
Bronchien ablagern, kann jedoch bei entsprechender Dosis eine Gesundheitsgefahr (Lungenkrebsrisiko) für den Menschen erwachsen. Die mittlere Radon-Exhalation (Ausgasung) aus dem freien Erdboden liegt bei 20 – 80Bq/ m2 h. Sie ist besonders hoch in Gebieten mit Gesteinen vulkanischen Ursprungs (Granit, Porphyrit etc.) und daraus entstandenen Verwitterungsprodukten und Sedimenten. Die Ausgasung von Radon erhöht sich weiterhin mit steigender Gasdurchlässigkeit (Porosität) des Bodens. Die Radon-Exhalation von Baustoffen und Bauteilen ist abhängig von den gleichen Ursachen, und zwar vom Radiumgehalt der verwendeten mineralischen Ausgangsstoffe und der Porosität und dem Feuchtegehalt des Baustoffes. Auf Baukonstruktionen übertragen ist die Radonkonzentration in Innenräumen umso größer, je höher die Eintrittsmöglichkeiten von Radon über Risse und Fugen der Bauteile im erdberührten Bereich sind. Kleine Räume 284
und eine große Exhalationsrate der raumumschließenden Baustoffe vergrößern ebenfalls die Radonkonzentration im Innenraum. Sie kann durch höhere Lüftungsraten deutlich verringert werden. Anforderungen an Baustoffe Nach einer Empfehlung der Strahlenschutz kommission der BRD soll die Radonkonzentration der Raumluft einen oberen Richtwert (kein Grenzwert) von 250 Bq/m3 nicht überschreiten. In den westlichen Bundesländern liegt der Mittelwert der Radonkonzentration bei 50 Bq/m3, nur ca. 1% der Wohnungen überschreitet den oberen Richtwert von 250 Bq/m3. In Mittelgebirgslagen mit radiumreichen Gesteinsformationen als Baugrund können auch deutlich höhere Radonkonzentrationen der Raumluft auftreten. Untersuchungen zeigen [5.11], dass der Gehalt an den für eine terrestrische Umgebungsstrahlung entscheidenden Radionukli-
5.1
Verhalten von Bauteilen und Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
den zwischen den verschiedenen Baustoffen, aber auch in den einzelnen Baustoffen selbst breit streut. Während die meisten untersuchten Baustoffe hinsichtlich einer Strahlenbelastung kein nennenswertes Risiko darstellen, liegen für Chemiegips und dessen Zwischenprodukte, Bauxit, SteinkohlenÁugasche und Rotschlamm die Ergebnisse über dem als unbedenklich eingeschätzten Orientierungswert. Zur Abschätzung der Ƣ-Strahlendosis aus Baustoffen wurden verschiedene Bewertungsformeln zum Vergleich von Baustoffen entwickelt. Die bekannteste ist die sog. Leningrader Summenformel ck / 4810 + cRa / 370 + cTh / 260 1 [Bq/kg], ck, cRa, cTh sind die speziÀschen Aktivitäten der Radionuklide Kalium-40 (K), Radium226 (Ra) und Thorium-232 (Th) für den untersuchten Baustoff. Ist der Orientierungswert 1, stellt die Strahlenbelastung des untersuchten Baustoffes kein nennenswertes Risiko dar. Der Orientierungswert trifft keine explizite Aussage über eine mögliche Gesundheitsgefährdung, sondern er
kann nur als Maßstab zum Vergleich verschiedener Baustoffe herangezogen werden. Für Lehme und Tone liegt der auf der Grundlage der sog. Leningrader Formel ermittelte Orientierungswert im unbedenklichen Bereich, auffällig ist jedoch eine erhebliche Spannweite des Wertes. Sie kann erklärt werden mit den unterschiedlichen Gehalten an Radionukliden im Ausgangsgestein, aus dem sich durch Verwitterung des Gesteins und ggf. Umlagerung Lehme und Tone gebildet haben. In Deutschland sind radiumreiche Gesteinsformationen anzutreffen im Hunsrück, in der Eifel, im Bayerischen Wald, im Fichtel- und im Erzgebirge. Lehme und Tone aus diesen Regionen können deshalb höhere Gehalte an den o.g. Radionukliden aufweisen, ohne dass bei deren Verarbeitung zu Lehmbaustoffen und Lehmbauteilen ein erhöhtes Strahlungsrisiko in Innenräumen befürchtet werden muss. Ein solches Risiko ist in den genannte Regionen eher aus der Radon-Exhalation aus dem Baugrund und dem Eindringen des Gases durch erdberührte Bauteile in Gebäude zu erwarten.
5.1.6.2 Abschirmung hochfrequenter Strahlung Bis vor wenigen Jahren boten die nach traditionellen Konstruktionsregeln geplanten und ausgeführten Gebäude den Nutzern ausreichend Schutz vor den verschiedenen äußeren Einwirkungen. Der Wunsch nach nahezu unbegrenzter Kommunikation hat im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts zur Entwicklung eines neuen technischen Mediums geführt, der schnurlosen Datenübertragung oder auch Mobilfunk. Dazu werden hochfrequente elektromagnetische Wellen im Bereich von 10 – 100 kHz über den gesamten MHz-Bereich bis zu 150 – 300 GHz genutzt, zu deren Übertragung inzwischen ein Áächendeckendes System von Sendeanlagen installiert worden ist. In Deutschland gab es 2007 mehr als 91 Mio. Mobil-
funknutzer und ca. 40.000 Sendeanlagen [wikipedia]. Damit übersteigt die Zahl der Mobilfunknutzer die Einwohnerzahl unseres Landes inzwischen deutlich. Damit ist auch eine neue Einwirkungsart auf Baukonstruktionen hinzu gekommen: die hochfrequente elektromagnetische Strahlung, für die häuÀgsten Funktionen Mobilfunk und GPS im Frequenzbereich von 890 bis 2.170 MHz. HF-Strahlen haben ähnliche Eigenschaften wie Lichtwellen: beim Auftreffen auf einen Gegenstand, z. B. eine Baukonstruktion, können sie reÁektiert oder durch diese hindurch dringen (Kap. 5.1.1.1) und dabei adsorbiert werden. Beides ist abhängig von Art und 285
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
Struktur des Baustoffes und den Eigenschaften der elektromagnetischen Welle. Während früher Rundfunk- und Fernsehsender mit fast ausschließlich kontinuierlicher Abstrahlung analog amplituden- oder frequenzmodulierter Wellen eingesetzt waren, arbeitet der Mobilfunk mit gepulsten Frequenzen. Dabei werden im Millisekundenbereich liegende Wechsel zwischen Sendung und Funkpause erzeugt. Beim Mobilfunk wird z. B. das Gespräch
217mal pro Sekunde zwischen Handy und Sendemast neu aufgebaut. Dadurch können mehrere Geräte auf einer Frequenz gleichzeitig bedient werden. In Bezug auf die physiologischen Auswirkungen der HF-Strahlung auf den menschlichen Körper unterscheidet man zwei verschiedene Wirkweisen: thermische und nichtthermische Wirkungen. Thermische Wirkungen entstehen beim Eindringen der elektromag-
Dämpfung [dB] bzw. [%]
Bauteildicke gleich d = 24cm 1 Lehmstein, Lochanteil 15% p d = 1.600kg/m 3 2 Hochlochziegel, beidseitig verputzt p d = 1.200kg/m 3 3 Kalksandstein p d = 1.800kg/m 3 4 Hochlochziegel, d = 36cm p d = 800kg/m 3
60dB 99,999%
50dB 99,999%
40dB 99,99%
Frequenzbereich für häuÀ ge Funktionen Mobilfunk D-Netz, UMTS, Satelliten, navigation GPS
30dB 99,9%
20dB 99%
10dB 90%
1
Bild 5-10
286
2
3
4
HF-Transmissionsdämpfung durch Bauteile aus verschiedenen Lehmbaustoffen, nach [5.13]
Frequenz [GHz]
5.2
Bauschäden durch äußere Einwirkungen auf Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
netischen Wellen in den menschlichen Körper. Dadurch erhöht sich die kinetische Energie der Moleküle, verbunden mit einer lokalen Temperaturerhöhung. Nichtthermische Wirkungen deuten in einzelnen Forschungsergebnissen auf Verhaltensänderungen, neurologische Effekte, Erhöhung des Krebsrisikos, Schlafstörungen, EinÁuss auf den Hormonhaushalt und den Stoffwechsel, Stressreaktionen, Effekte auf das Erbgut (DNA) [5.12]. Die Ergebnisse zeigen bisher jedoch noch kein eindeutiges Bild. Von Interesse ist deshalb die Frage nach einer HF-Strahlen abschirmenden Wirkung von Baustoffen und Bauteilen. In einer entsprechenden Studie der Universität der Bundeswehr München [5.13] wurden Bauteile aus unterschiedlichen Baustoffen in verschiedenen Stärken auf ihre Abschirmwirkung untersucht. Sie
5.2
wächst unabhängig vom Baustoff mit zunehmender Stärke des Bauteils. Bild 5-10 zeigt eine Auswahl von Bauteilen gleicher Stärke d = 24 cm aus verschiedenen Baustoffen in Bezug auf ihre Dämpfungswirkung im Frequenzbereich von 890 bis 2.170 MHz für die häuÀgsten Funktionen Mobilfunk und GPS. Im Vergleich zu anderen mineralischen Baustoffen schneiden Lehmbaustoffe bei entsprechender Bauteilstärke sehr günstig ab: Mauerwerk aus Lehmsteinen (Ưd = 1.600 kg/m3) ergibt dabei einen deutlichen Vorsprung in der Abschirmwirkung gegenüber Hochlochziegeln (Ưd = 1.200 kg/m3) und Kalksandstein (Ưd = 1.800 kg/m3) gleicher Stärke. Selbst Mauerwerk aus Hochlochziegeln mit d = 36 cm (jedoch Ưd = 800kg/m3) ist in Bezug auf die Dämpfung ungünstiger.
Bauschäden durch äußere Einwirkungen auf Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
Entsprechend den in Kap. 5.1 dargestellten äußeren Einwirkungen erleiden Baukonstruktionen aus Lehmbaustoffen während der gesamten Nutzung einen je nach Intensität der Beanspruchungen unterschiedlich hohen Verschleiß [5.19], [5.14]. Als Verschleiß wird dabei der Prozess oder Zustand der materiellen Abnutzung der baulichen Anlage oder von Teilen davon infolge seiner Nutzung und / oder durch UmwelteinÁüsse bezeichnet. Ein Bauschaden liegt dann vor, wenn ein Gebäude oder Bauwerksteil seine Gebrauchstauglichkeit verliert. Verschleiß durch materielle Abnutzung kann eine Ursache für den Eintritt von Bauschäden sein. Ihre Beseitigung erfordert geeignete Maßnahmen der Sanierung mit dem Ziel der Wiederherstellung der vollen Nutzung (Kap. 5.3). Schwerwiegende Schäden können zum Gebäudeabriss führen.
Durch regelmäßige PÁege und Instandsetzung kann Verschleiß aufgehalten, Bauschäden vorgebeugt und damit die Lebensdauer der Gebäude verlängert werden. Aber auch durch Beachtung allgemeiner Grundsätze bereits in der Phase des Gebäudeentwurfs können negative Folgen der Einwirkungen auf die Bauwerkshülle abgemindert oder unterbunden werden. Die in Kap 5.1 dargestellten äußeren Einwirkungen kann man hinsichtlich ihres Charakters in mechanische, chemische und biologische Prozesse gliedern, wobei häuÀg Kombinationen aus verschiedenen Mechanismen in Erscheinung treten. Naturkatastrophen und Planungsfehler werden als gesonderte Einwirkungsarten aufgeführt.
287
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
5.2.1
Mechanische Einwirkungen
5.2.1.1 Mechanische Beanspruchung Lehmbaustoffe besitzen im Vergleich zu anderen mineralischen Baustoffen eine geringere Festigkeit. Auf die Nutzung bezogen bedeutet dies, dass Funktionsbereiche mit erhöhter mechanischer Beanspruchung einen stärkeren
Verschleiß erleiden, z. B. WandoberÁächen von Treppenhäusern mit starkem Publikumsverkehr oder Kanten von Tür- und Fensteröffnungen. Gleiches gilt für landwirtschaftliche Bauten im Bereich der Tierhaltung.
5.2.1.2 Feuchtigkeit Feuchteschäden an Baukonstruktionen aus Lehmbaustoffen führen zu Reduzierung oder Verlust der Festigkeit im Lehmanteil. Sie entwickeln sich meist aus kapillaren Durchfeuchtungen von stehendem und / oder Erosionswirkungen von Áießendem Wasser. Schon nach kurzer Zeit zeigen sich schwere Schäden, während schädigende Auswirkungen kapillarer Durchfeuchtungen erst mittelfristig durch graue oder dunkle Verfärbungen der BauteiloberÁächen oder durch abblätternde Farbe sichtbar werden. Verschärft werden die Auswirkungen von Durchfeuchtungen in Lehmbauteilen nach
4
1
5 6 7
2
Frost-Tau-Wechseln. Das Wasser in den gefüllten Poren dehnt sich beim Gefrieren um ca. 10% aus und bewirkt nach mehrfachen Zyklen GefügeauÁockerungen und damit Tragfähigkeitsverluste. Besonders kritisch sind Feuchteschäden als Folge von Havarien während der Gebäudenutzung. Bild 5-11 [nach 5.15] zeigt ein allgemeines Schema für Möglichkeiten der Einwirkung von Feuchtigkeit auf Baukonstruktionen. Je nach Art der Wasseraufnahme kann man bauteilbezogen typische Schadensbilder unterscheiden, die nach dem Prinzip »Ursache – Wirkung« gegenübergestellt werden.
Flüssig: 1 Erosion durch Regenwasser 2 Sickerwasser Boden 3 aufsteigende Feuchte 4 Eindringen von Sickerwasser durch geschädigte Dachhaut Wasserdampf: 5 Kapillarkondensation 6 hygroskopisch 7 Kondensation
Bild 5-11 Einwirkung von Feuchtigkeit auf Baukonstruktionen aus Lehmbaustoffen 3
288
5.2
Bauschäden durch äußere Einwirkungen auf Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
Gründung und Sockel Funktionsuntüchtige und durchfeuchtete Bauwerksgründungen und Sockel bilden einen Schwerpunkt im Katalog der Gebäudeschäden. Die Konzentration von Feuchtigkeit im Gründungs- und Sockelbereich kann vielfältige Ursachen haben. Sie überlagern sich zumeist und erzeugen dadurch ein komplexes Schadensbild. Baugrund Ursachen: In grobporigen Böden (Kiese, Sande) bewegt sich das Grundwasser frei. An seiner oberen GrenzÁäche ist der Wasserdruck gleich dem atmosphärischen Druck. In feinund feinstporigen Böden (Lehme, Tone) erfolgt der Wassertransport kapillar (Kap. 5.1.2.1). »Gespanntes« Grundwasser entsteht, wenn eine Lehm- oder Tonschicht von einer grundwasserführenden Kies- oder Sandschicht unterlagert wird. Es steht dann unter Druck. Die obere BegrenzungsÁäche des druckausgleichenden Wasserspiegels, der »Kapillarsaum«, kann bis zu mehrere Meter über die Geländeoberkante hinausreichen. Liegt ein Bauwerk ohne oder mit defekten Horizontalabdichtungen gegen Grundwasser
Höhe
50 cm 20 cm 0 cm
Bild 5-12
GraÀsche Darstellung
im erdberührten Bereich, werden mit der kapillar aufsteigenden Feuchte im Boden oder im Baustoff gelöste Salze in die aufgehenden Lehmwände transportiert. An den WandoberÁächen verdunstet das Porenwasser. Die Salze bleiben zurück und reichern sich in den Poren an. Dabei wandern die leicht löslichen Salze weiter nach oben als die schwer löslichen. Bild 5-12 [3.38] zeigt eine Übersicht über Art und Verteilung der bauschädigenden Salze im Sockelbereich. Sulfate stammen i. d. R. aus dem Boden oder den Baustoffen selbst. Chloride haben ihren Ursprung meist aus früher verwendetem Streusalz. Nitrate treten dort in Erscheinung, wo sich Stickstoffquellen in der Nähe beÀnden, im ländlichen Raum z. B. Stallungen, Klär- oder Dunggruben. Die Nitrate als Salpeter-Ausblühungen an den OberÁächen der Lehmwände (Natriumnitrat bzw. Natronsalpeter NaNO3) erlangten im 17. und 18. Jahrhundert als Bestandteil des Schießpulvers sogar militärische Bedeutung [1.21]. Wirkungen: Bei der Kristallisation der Salze, oft verbunden mit einer Anlagerung von Wassermolekülen (Hydratation), erfolgt eine Volumenvergrößerung, die zusammen mit Frost-Tau-Wechseln die strukturelle Fes-
Bezeichnung
Chemische Formel
Löslichkeit pro 100ml Wasser
Kalksalpeter Natronsalpeter Calciumchlorid Steinsalz Sylvin
Ca(NO3)2 NaNO3 CaCl2 NaCl KCl
226 92 75 39 24
Glaubersalz Bittersalz Kalisalpeter
Na 2SO4 · 10 H2O MgSO4 · 7 H2O KNO3
92 71 13
Gips
CaSO4 · 2 H2O
0,3
Art u. Verteilung bauschädigender Salze im Gründungs- u. Sockelbereich [3.38]
289
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
tigkeit der Lehmbaustoffe in dieser Zone zerstört. Die im Vergleich zu Ziegel und Beton ohnehin geringere Festigkeit der Lehmbaustoffe hat eine entsprechend höhere Geschwindigkeit des Materialzerfalls zur Folge. Durch schalenartige Ausbrüche der aufgelockerten Zonen vollzieht sich eine Schwächung der statisch wirksamen Querschnitte der tragenden Außenwände (Bild
5-13). Das salzbefrachtete Material ist äußerlich nahezu vollständig pulverisiert. Durch chemische Veränderung der Tonmineralien sind die plastischen Eigenschaften, aber auch die Festigkeit des Lehms weitgehend verloren gegangen, so dass eine Wiederverwendung als Recyclinglehm nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich ist.
Bild 5-13 Querschnittsschwächung einer tragenden Lehmwand durch Versalzung im Fundament- u. Sockelbereich
Mangelnde / fehlende Entwässerung Ursachen: Durch schadhafte bzw. fehlende Dachrinnen oder Fallrohre kommt es im Sockelbereich zu Beanspruchungen durch Áießendes oder Spritzwasser (Bild 5-14 [5.16]). Oft sind Drainagen im Gründungsbereich nicht mehr funktionstüchtig oder fehlen völlig. Undichte Abwasserleitungen sowie Klär(Gülle-) gruben in Fundamentnähe sind besonders in ländlichen Räumen häuÀg anzutreffen. Sie erhöhen die Salzfracht der aufsteigenden Feuchte in die aufgehenden Wände. Wirkungen: wie bei »Baugrund«. Sind Wandbaustoffe aus Lehm diesen Einwirkungen ausgesetzt, werden sie bereits nach kurzer Zeit durchfeuchtet und abgeschlämmt. Das »Überangebot« an Feuchtigkeit fördert darüber hinaus biologische Einwirkungen (Kap. 5.2.3). 290
Fehlender bzw. schadhafter Fundamentund Sockelbereich Ursachen: Bei alten Baukonstruktionen fehlen häuÀg Sockel oder Fundamente aus wasserundurchlässigem Material oder sind durch spätere straßenseitige Auffüllungen verdeckt. Aus den sichtbar gebliebenen Resten ist der Fugenmörtel meist ausgewaschen (Bild 5-15 [5.16]). Eine häuÀg beobachtete zusätzliche Feuchtigkeitsquelle ist gestautes Wasser durch Ablagerung von Bauschutt oder Baustoffen im Sockelbereich über die Sockelhöhe hinaus gegen die Lehmwand. Im ländlichen Bereich waren und sind an dieser Stelle auch Dunghaufen verbreitet (Bild 5-16). Wirkungen: Die Sockel haben ihre ursprüngliche Funktion als Spritzwasserschutz verloren. Die im Bereich des Kapillarsaums
5.2
Bauschäden durch äußere Einwirkungen auf Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
liegenden Wandbereiche sind durch auskristallisierte Salze als graue bis weiße Beläge bzw. abgeblätterte Farbe erkennbar (Bild 5-17 [5.16]). Durchfeuchtete Lehm-Außenwände erleiden darüber hinaus eine Reduzierung ih-
rer Wärmedämmwirkung und bieten Voraussetzungen für die Entwicklung von Schimmel im Innenbereich. Weitere Wirkungen wie bei »Baugrund«.
Bild 5-14 Bauschaden durch schadhaftes Fallrohr und durchfeuchtete Fachwerkwand mit Lehm-Ausfachung [5.16]
Bild 5-15
Bild 5-16
Bauschaden im Sockelbereich durch Anhebung des Straßen- bzw. Gehsteigniveaus [5.16]
Bauschaden im Sockelbereich durch Versalzung, verstärkt durch Dunghaufen
291
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
Bild 5-17 Bauschaden im Sockelbereich: auskristallisierte Salze als grau-weiße Beläge im Bereich des Kapillarsaums erkennbar [5.16]
AußenwandoberÁächen Neben den genannten äußeren Einwirkungen bestimmen die Eigenschaften der Wandbaustoffe selbst, ihre Verarbeitung, aber auch die Fassadengestaltung, wie intensiv AußenwandoberÁächen von Regen durchfeuchtet werden bzw. erodieren können. Dichte, gering saugfähige Baustoffe nehmen weniger Wasser auf als solche mit groben Poren. An glatten, festen OberÁächen kann das Wasser vollständiger und schneller ablaufen als an unebenen, dabei aber auch erodierende Wirkungen entfalten. Raue OberÁächen und Kanten, die den Wasserablauf hemmen oder auf denen Schnee liegen bleibt, begünstigen die Durchfeuchtung der WandoberÁächen. Auf AußenwandÁächen aus Lehmbaustoffen bezogen hat deshalb in diesem Zusammenhang auch die Bauweise Bedeutung: an strukturierten WandoberÁächen aus Sichtfachwerk läuft Niederschlagswasser weniger schnell und vollständig ab als an ebenen, verputzten WandoberÁächen aus Stampf- oder Wellerlehm. Dementsprechend kann man auch typische Unterschiede in den Schadensbildern erkennen. 292
Außenwandoberflächen aus Lehm-Fachwerk Ursachen: Untersuchungen des ZHD Fulda zeigen [3.45], dass die Feuchteaufnahme bei Regenbeanspruchung von Lehm-Fachwerkwänden vorwiegend über die Schwindfugen Ausfachung – Holzskelett erfolgt. Das Wasser dringt schnell in die Ränder der Lehm-Ausfachungen ein und trocknet nach Ende der Regenbeanspruchung, unterstützt von Luftbewegungen, aber ebenso schnell wieder aus. Sanierungsmaßnahmen mit wasserdichten Fugenmassen oder wasserundurchlässigen Anstrichen der Holzkonstruktion verzögern und behindern diesen Mechanismus und führen zur längeren Durchfeuchtung der Gefachränder. Das kann bei verputzten Gefachen im ungünstigsten Fall Abplatzungen des Putzes im Fugenbereich nach Frost-Tau-Wechseln zur Folge haben. Auf diese Weise kann auch die tragende Holzkonstruktion in Mitleidenschaft gezogen werden. Aus dem gleichen Grund sind wasserabweisende oder wasserdichte Anstriche / Putze auf den Ausfachungen bzw. auf dem Holzskelett als problematisch anzusehen, denn durch mög-
5.2
Bauschäden durch äußere Einwirkungen auf Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
liche Risse im Anstrich / Putz würde Regenwasser hinter die »wasserdichte« Schale eindringen und nicht oder nur sehr langsam wieder austrocknen können. Die kapillare Feuchteaufnahme über die Lehmgefache stellt sich im Vergleich zu jener über die Fugen als vergleichsweise gering dar. Dabei spielt auch die Art der Ausfachung eine Rolle. In den erwähnten Untersuchungen [3.45] war die Feuchteaufnahme eines Gefaches mit in Kalkmörtel verlegten Lehmsteinen deutlich größer als bei der Verarbeitung von Lehmmörtel, was mit der höheren Saugfähigkeit des Kalkmörtels begründet wird. Die Ausfachung mit SLL und SL auf Stakung wies die niedrigste Feuchteaufnahme auf. Die Tiefe der Durchfeuchtung betrug nur wenige Millimeter. Als Ursache wird die Quellfähigkeit der Tonminerale im Lehm angesehen, die durch »Abdichtung« ein tieferes Eindringen des Wassers in die Wandkonstruktion verhindert. Wirkungen: Als Langzeitwirkung kapillarer Durchfeuchtung und anschließender Austrocknung von Fachwerk-AußenwandoberÁächen sind Abwitterungen der Lehmausfachun-
Bild 5-18
gen zu beobachten. Entsprechend der Art der Ausfachung treten dabei typische Schadensbilder in Erscheinung. Durch Abschwemmen der Lehmbestandteile sind die organischen Faserstoffe sichtbar. Bei Ausfachungen mit SL auf Stakung bzw. GeÁecht werden die Ausstakungen freigelegt (Bild 5-18). Bei Ausfachungen mit Lehmsteinen werden die Mörtelfugen ausgespült. Fachgerecht aufgebrachte Putze / Anstriche verzögern diesen Prozess. Erodierende Wirkungen als Folge defekter Dachrinnen und Regenfallrohre führen nicht nur zur Ausspülung der Lehmbaustoffe aus den Gefachen, sondern auch zur Schädigung des tragenden Holzskeletts. Dadurch kann es im geschädigten Bereich zum vollständigen Verlust der Tragfähigkeit der Konstruktion kommen. Dicht wucherndes Gebüsch verzögert ein schnelles Austrocknen durchfeuchteter WandoberÁächen und bietet zusätzlich Lebensraum für Kleintiere, die durch mechanische und chemische Einwirkungen zur Festigkeitsreduzierung der Lehmwände beitragen können (Kap. 5.2.3).
WandoberÁäche Lehm-Fachwerk: freigelegte Ausstakung durch Erosion des Lehmbaustoffs [5.16]
293
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
AußenwandoberÁächen aus Lehmsteinen Ursachen: Bei kapillarer Durchfeuchtung infolge von Schlagregen im gemäßigten Klima dringt das Wasser nur wenige Millimeter tief in die Lehmsteine ein, weil durch Quellen der Tonminerale ein Weitertransport verhindert wird. Lehm-Mauermörtel saugen durch ihren höheren Sandanteil schnell viel Wasser auf und sind dadurch weniger erosionsstabil. Entsprechend tief reichen die Auswaschungen der Fugen. Ist der Erosionshorizont des LehmMauermörtels weit genug vorangeschritten, brechen die vorstehenden Lehmsteine bis auf diese Ebene aus (Bild 5-19 a). Kalk-Mauermörtel sind zwar witterungsstabiler, aber noch saugfähiger als Lehm-Mauermörtel. Dadurch kann die Feuchte über die Lager- und Stoßfugen tiefer in die Lehmsteine eindringen. Bei Frost-Tau-Wechseln ist eine dementsprechend tiefer reichende AuÁockerung der Struktur der Lehmsteine möglich, verbunden mit einem Festigkeitsverlust. Im humiden tropischen Klima sind erodierende Wirkungen von Schlagregen auf WandoberÁächen aus Lehmsteinen wegen der höheren Niederschlagsmengen deutlich schneller und tiefgründiger (Bild 5-19 b). Deshalb werden Lehmsteine hier häuÀg mit Zement stabilisiert. Wirkungen: Ähnlich wie bei Fachwerk. Überaus wichtig sind intakte Dachrinnen und Regenfallrohre. Konzentriert auf WandoberÁächen aus Lehmsteinen abÁießendes Regenwasser führt bereits nach kurzer Zeit zu tiefen Erosionsrinnen und zur Schwächung bzw. zum vollständigen Verlust der Tragfähigkeit des Mauerwerks im durchfeuchteten Bereich. Durch fachgerecht ausgeführte Putze mit geeigneten Anstrichen können AußenwandoberÁächen aus Lehmsteinen zusätzlich geschützt werden. Auf durch Schlagregen beanspruchten Wetterseiten bieten Kalkputze zunächst einen größeren mechanischen Schutz gegen das aufprallende Regenwasser. Kalkputze sind 294
aber auch saugfähiger als Lehmputze und haben eine geringere Neigung zum Schwinden und Quellen als die zu schützenden Lehmsteine. Durch diese Unterschiede im Verformungsverhalten können sich zu starre Kalkputze recht bald vom Untergrund lösen. Typische Schadensbilder bei aufgehenden Wandkonstruktionen aus stranggepressten, zum Brennen bestimmten Lehmsteinen oder Grünlingen ergaben sich in den 1940er und 50er Jahren, wenn diese im bewitterten Außenbereich verarbeitet wurden. Bei Zutritt von Wasser wurden herstellungsbedingte Fließebenen im Lehmstein reaktiviert (Kap. 3.2.2.1). Entlang dieser Fließebenen brach das Material schalenartig vom Stein ab (Bild 5-20 [4.26]). Gut zu erkennen ist hier der stabilere Mauermörtel, offenbar ein Kalkmörtel. AußenwandoberÁächen aus Stampfund Wellerlehm Ursachen: Fachgerecht ausgeführte Wände aus Stampf- oder Wellerlehm haben ebene OberÁächen, auf denen Niederschlagswasser schneller ablaufen, dadurch aber auch leichter erodierende Wirkungen entfalten kann. Gleichmäßig ablaufendes Niederschlagswasser führt auch zu gleichmäßigen Abwitterungen des Stroh- bzw. Wellerlehms (Bild 5-21 [5.16]). Im mitteleuropäischen Klima betragen sie je nach örtlicher Situation im Verlauf von Jahrzehnten nicht mehr als wenige Zentimeter und sind bzgl. der Tragfähigkeit der Konstruktion i. d. R. unschädlich. Wirkungen: Bild 5-22 [5.18] zeigt die Erosionswirkung des ablaufenden Regenwassers: Durch fehlende Dachrinnen und zu geringen Dachüberstand haben sich unter den Wellentälern der auf der Lehmwellerwand auÁiegenden Dachplatten bereits tiefe Erosionsrinnen in die WandoberÁäche eingegraben. Im Gegensatz zu WandoberÁächen aus Lehmsteinen mit Fugenstrukturen Ànden Putze auf Untergründen aus StampÁehm nur wenig me-
5.2
Bauschäden durch äußere Einwirkungen auf Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
chanischen Halt. Ähnlich wie bei Lehmsteinen verlieren starre Kalk- oder Zementputze bei durchfeuchtetem Untergrund schnell die Haf-
tung und heben sich in Schalen ab (Bild 5-23 [5.16]).
a) ausgewaschener, sandiger Lehm-Mauermörtel und Abbruch der vorstehenden Lehmsteine im gemäßigten Klima b) vorangeschrittene Erosion durch Einwirkung von Schlagregen im tropischen Monsunklima (Indien)
Bild 5-19 WandoberÁäche Lehmsteine; Erosion
Bild 5-20 Bauschaden an bewitterten AußenwandoberÁächen aus Grünlingen [4.26]
295
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
Bild 5-21
WandoberÁächen aus Wellerlehm: »normale« Erosion durch Abwitterung [5.16]
Bild 5-22 WandoberÁächen aus Wellerlehm: Erosionsrinnen durch konzentriert ablaufendes Niederschlagswasser [5.18]
Bild 5-23 WandoberÁächen aus Wellerlehm: starrer Zementputz hebt sich vom Untergrund ab [5.16]
296
5.2
Bauschäden durch äußere Einwirkungen auf Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
Traufbereich Ursachen: Typische Ursachen für Durchfeuchtungen von Lehmwänden im Traufbereich sind Fehlstellen in der Dachhaut oder defekte / verstopfte Dachrinnen, aber auch zu geringe Dachüberstände. Das eindringende Niederschlagswasser weicht die Mauerkronen auf und läuft an den WandoberÁächen ab. Traufbereiche werden von Vögeln zur Errichtung von Nistplätzen aufgesucht. Der Vogelkot kann eine ästhetische Beeinträchtigung der WandoberÁächen zur Folge haben. Durch chemische Einwirkung des Vogelkots auf die Mauerkronen wird deren Festigkeit reduziert, was in AuÁagerbereichen von Dach- oder De-
ckenträgern zum Problem werden kann. Wirkungen: Bild 5-24 [5.18] zeigt eine tiefe Erosionsrinne in der AußenwandoberÁäche der Lehmwellerwand als Folge einer undichten Stelle in der Dachhaut. Im ungünstigsten Fall können AuÁager für Deckenbalken oder Dachsparren abgeschwemmt werden, was zu Beeinträchtigungen an der Tragstruktur der Dachkonstruktion führt (Bild 5-25 [5.16]). Eine zu dichte Nachbarbebauung kann darüber hinaus durch Spritzwasser in Traufhöhe zu Erosionserscheinungen auf den WandoberÁächen der Nachbargebäude führen (Bild 5-26 [5.18]).
tiefe Erosionsrinne durch Fehlstelle in der Dachhaut [5.18]
Bild 5-24
Schäden im Traufbereich
Strukturzusammenbruch durch Fehlstelle in der Dachhaut gemäßigtes Klima [5.16] Monsunklima, Indien
Bild 5-25 Schäden im Traufbereich
297
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
Erosion der Nachbarbebauung durch zu geringen Abstand [5.18]
Bild 5-26
aufgeweichte Lehmdecke und darunterliegende Fachwerkwand mit Lehm-Ausfachung nach Wasserrohrbruch
Schäden im Traufbereich
Bild 5-27
Havariesituationen mit Áießendem Wasser Ursachen: Während der gesamten Nutzungsphase von Gebäuden aus Lehmbaustoffen bilden alle Funktionsbereiche mit Áießendem Wasser ein mögliches Schadenspotential für tragende und nicht tragende Lehmbauteile. Dabei handelt es sich in Küchen- und Sanitärbereichen vor allem um verstopfte WasserabÁüsse, in während der Winterperiode ungeheizten Räumen auch um Rohrbrüche an 298
Schaden nach Havarie
eingefrorenen Wasserleitungen. Eine »sekundäre« Havariesituation kann durch Löschwasser im Brandfall entstehen. Wirkungen: Die Folgen dieser Havariesituationen sind die Durchfeuchtung der angrenzenden Bauteile durch auf Fußböden oder Geschossdecken gestautes bzw. unkontrolliert abÁießendes Wasser. Bild 5-27 zeigt einen Schadensfall, bei dem eine Lehmdecke und die darunter liegende Fachwerkwand
5.2
Bauschäden durch äußere Einwirkungen auf Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
mit Lehmstein-Ausfachungen nach einem Wasserrohrbruch vollständig durchfeuchtet und der Lehmputz abgeschwemmt wurde. Ein vergleichbares Schadenspotential stellen Schäden an Rohrschlangen von in Lehmputz oder in Lehmdecken verlegten Wandbzw. Fußbodenheizungen dar, wenn auslau-
5.2.2
Chemische Einwirkungen
Kapillar transportierte Feuchtigkeit erzeugt in Bauteilen neben einem mechanischen Festigkeitsverlust auch chemische Wirkungen (Kap. 5.2.1.2). Zusammen mit dem in Kap. 5.1.2.1 beschriebenen EinÁuss von Schlagregen auf die AußenwandoberÁächen von Baukonstruktionen aus Lehm führen die Klimaelemente Lufttemperatur und -feuchtigkeit sowie Strahlungsintensität zusammen mit Schadstoffen in der Luft (Kap. 1.4.3.2) über die Nutzungsdauer des Gebäudes zum chemischen Zerfall (Alterung) der Mineralsubstanz des Lehms [5.19]. Die überwiegend silikatischen Ausgangsmineralien werden aufgespaltet in Ionen der Alkali- und Erdalkaligruppe, in Fe- und Aloxide sowie SiO2-Reste (Kap. 2.1.1.3). Je nach den vorherrschenden Klimabedingungen wer-
5.2.3
fendes Wasser längere Zeit unbemerkt bleibt. Vorstellbar sind hier Fehlstellen im Material der Rohrschlangen, aber auch Beschädigungen, z. B. beim Anbringen von Befestigungsmitteln in Wänden, in denen die Rohre verlegt wurden.
den auch die Tonmineralien zersetzt, und zwar von komplizierter zusammengesetzten 3-Schicht-Mineralien (Montmorillonit) in einfacher strukturierte 2-Schicht-Mineralien (Kaolinit). In feucht-heißen Klimaten verläuft dieser Prozess viel schneller und intensiver (Kap. 2.1.2.6) als in gemäßigtem Klima. Die Folge sind GefügeauÁockerungen und Festigkeitsverlust im Bereich der AußenoberÁächen der Lehmbaukonstruktionen. In trocken-heißen Klimaten haben in Sandstürmen mittransportierte Salze ähnliche Wirkungen wie Schlagregen: Sand- und Salzkörner bewirken beim Aufprall eine mechanische Lockerung der BauteiloberÁächen. Die verbliebenen Salze erzeugen beim Vorhandensein von Feuchtigkeit Kristallwachstum und damit zusätzliche GefügeauÁockerung.
Biologische Einwirkungen
Ursachen: Im Sockelbereich wucherndes Gebüsch (z.B. Holunder, Bild 5-28) oder Bäume durchdringen mit ihren Wurzeln Risse und Fugen von Fundamenten, Sockelbereichen oder selbst die Lehmwände. Bäume können die lokale Grundwassersituation beeinÁussen. Darüber hinaus behindern Bäume und Gebüsch durch Verschattung eine rasche Austrocknung des Sockelbereiches nach Regen oder Schneeschmelze. Dadurch können auch
Moose, Algen, Bakterien und Pilze gute Lebensbedingungen Ànden. Der Hausschwamm ist der gefährlichste Schädling an verbautem Holz, bevorzugt Nadelholz. Der Echte Hausschwamm greift auch auf trockenes Holz über und leitet das zum Wachstum notwendige Wasser, z.B. aus durchfeuchteten Kellerwänden, über ein verzweigtes Strangmyzel bis zu mehreren Metern. Damit sind auch Fachwerkkonstruktionen mit 299
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
Lehmausfachungen nicht sicher vor diesem Schädling. Oft dringen über bereits vorgeschädigte Sockelbereiche zusätzlich Kleintiere (Ratten, Mäuse, Parasiten) in die Wandkonstruktionen aus Lehmbaustoffen ein. Der Kot nistender Vögel kann betroffene Bereiche zusätzlich schädigen. Aber auch Insekten (Hummeln, in trocken-heißen Klimagebieten Termiten) Ànden in Wandkonstruktionen aus Lehmbaustoffen eine gute Lebensgrundlage. Wirkungen: In die geschädigten Wandkonstruktionen kann Wasser eindringen und sich kapillar verteilen. Der Hausschwamm zerstört das tragende Holzskelett in Fachwerkkonstruktionen durch Herauslösen der Zellulose. In befallenen Bauteilen können sich Pilzsporen bei günstigen Lebensbedingungen über Jahre halten. Altlehm aus befallenen Bauteilen darf deshalb nicht wiederverwendet werden (Kap. 6.2.2.1). Kleintiere und Insekten lockern das Gefüge auf und verringern damit die Tragfähigkeit der Lehmwände. Durch Kot oder Urin von Kleintieren wird die Festigkeit der bereits vorgeschädigten Lehmwände weiter reduziert. Bild 5-29 zeigt eine mit Termitengängen durchsetzte Wandkonstruktion in der durch ein Erdbeben 2003 zerstörten Zitadelle von Bam / Iran. Ein besonderes gesundheitliches Problem besteht für die Bewohner von Lehmhäusern in der Region Süd- und Mittelamerika im Zusammenhang mit unverputzten bzw. mit Rissen versehenen Lehmbauteilen. Eine bestimmte Wanzenart, die als Überträger der Chagas-Krankheit (einer Art Schlafkrankheit) wirkt, Àndet hier offenbar besonders günstige Lebensbedingungen vor. Nach Schätzungen der WHO gibt es derzeit mehr als 10 Mio. InÀzierte. Als bauliche Maßnahmen zur Abwehr der gesundheitlichen Gefahr wurden Strategien zur Rissbeseitigung in den BauteiloberÁächen (Fußboden, Wände, Decken) 300
entwickelt, z.B. durch den Einbau dichter, maschenbewehrter Estriche und Putze aus Kalk- bzw. Zementmörteln. Eine besondere Form der biologischen Einwirkung auf Baukonstruktionen aus Lehmbaustoffen ist die Tierhaltung in Stallbauten, bei der intensive Gerüche und pathogene Keime zusammen mit Wasserdampf und Staub freigesetzt und an die Raumluft abgegeben werden. Diese Gerüche und Keime werden in Form von Áüchtigen chemischen Verbindungen geruchsneutral in die Tonmineralstruktur der Lehmbaustoffe eingebunden. Dadurch wird das Mikroklima im Stall kontinuierlich regeneriert. Die Fähigkeit, die sich ständig in Richtung Pathogenität verändernden Innenraumbedingungen an die physiologischen Verhältnisse im Freien anzupassen und damit für die Haustiere zu stabilisieren, wird von BIELENBERG [5.20], [5.21] als »Regenerationsleistung des Baustoffes» bezeichnet. Je nach Feuchtigkeitsanfall im Stall ist sie zeitlich auf ca. 15 – 30 Jahre begrenzt. Bauteile aus Strohlehm erweisen sich als besonders aufnahmefähig, vererden aber dabei. Ausgebaute Lehmbauteile (Putz, Decken) können deshalb aus hygienischen Gründen (Kap. 6.2.2.1) nicht wiederverwendet werden.
5.2
Bauschäden durch äußere Einwirkungen auf Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
wuchernde Holunderbüsche im Fundamentbereich [5.16]
Bild 5-28
Biologische Einwirkungen
Termitengänge in Lehmwand, Zitadelle Bam / Iran
Bild 5-29
Biologische Einwirkungen
301
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
5.2.4
Naturkatastrophen
Im 20. Jahrhundert sind Naturkatastrophen weltweit ca. 4 Millionen Menschen zum Opfer gefallen, zum überwiegenden Teil in der geograÀschen Region Asien / PaziÀk, davon aber auch 7% in Europa [5.22]. Etwa die Hälfte der Katastrophen waren Erdbeben, knapp ein Drittel ÜberÁutungen. In den bevölkerungsreichsten Ländern der Erde China und Indien besteht die vorhandene Bausubstanz in den ländlichen Regionen überwiegend aus Lehm. Er ist hier, aber auch in den meisten Entwicklungsländern der ariden Kli-
maregion der gegenwärtig und auf nicht absehbare Zeit einzig verfügbare Baustoff für die große Masse der Bevölkerung. Deshalb muss hier die Katastrophenprävention schon bei der Bauwerksplanung beginnen. Für die Industrieländer wird im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit mit diesen Ländern deshalb die Katastrophenvorsorge an Bedeutung gewinnen. Darüber aufzuklären, wie man Gebäude sicher konstruiert, kann Menschenleben retten.
5.2.4.1 Hochwasser Baukonstruktionen aus Lehm dürfen nicht in potentiellen ÜberÁutungsgebieten errichtet werden. Vor allem in ariden Klimagebieten können Flussläufe über lange Zeiträume trocken fallen. Durch fehlende oder mangelnd kontrollierte Bauvorschriften kommt es immer wieder zur Bebauung gefährdeter Flächen mit katastrophalen Folgen im Falle einer ÜberÁutung. Durch Klimaschwankungen können aber auch bislang als sicher geltende Gebiete von ÜberÁutungen betroffen werden. In den traditionellen Lehmbaugebieten des subsaharischen Afrika führten im August/September 2007 außergewöhnlich hohe Niederschläge zu weit reichenden Überschwemmun-
gen mit großen Zerstörungen an der vorhandenen Lehmbausubstanz [5.23]. Im Oktober 2008 waren die berühmten Lehmhochhäuser des Wadi Hadramaut im Jemen von einer Hochwasserkatastrophe betroffen. Durch die in den letzten Jahren auch in Mitteleuropa zunehmende Zahl von weit reichenden ÜberÁutungen können auch hier Gebäude aus Lehmbaustoffen in Mitleidenschaft gezogen werden, die in sicher geglaubten Gebieten errichtet wurden. So haben die Elbe-Hochwässer in den Jahren 2002 und 2006 in Sachsen und Tschechien auch zahlreiche Gebäude aus Lehm zerstört [5.24].
5.2.4.2 Erdbeben Ursachen: Erdbeben werden überwiegend durch tektonische Bewegungen in der Erdkruste hervorgerufen. Der feste Gesteinsmantel der Erde ist nicht homogen und von gleicher Stärke, sondern in große Platten zerbrochen, die auf dem Áüssigen Kern aus Magma »schwimmen«. Die Plattenränder gleiten an302
einander vorbei, schieben sich übereinander oder pressen sich gegenseitig auf. Dabei werden in den Bruchzonen Spannungen als Reibungsenergie aufgebaut, die nach Überschreiten der Gesteinsfestigkeit als gegenläuÀge Bewegung der Plattenränder freigesetzt wird. Diese Bewegungen vollziehen sich in sehr
5.2
Bauschäden durch äußere Einwirkungen auf Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
kurzen Zeiträumen und in der Größenordnung von Sekunden und treten ohne Vorwarnung auf. Nach dem Erdbeben kann sich entlang der Bruchzone erneut ein Spannungspotential aufbauen, das sich nach einer entsprechenden Zeit wieder als Bewegung entlädt und an der ErdoberÁäche als »Beben« zu spüren ist. Die Plattenbewegungen pÁanzen sich als Beben vom Bebenherd, dem Zentrum der Bewegung, nach allen Richtungen als Raum- oder OberÁächenwellen durch bzw. über den gesamten Erdball fort. Das Modell des Würfelgitters in Bild 5-30 [5.25] zeigt den Charakter der Erdbebenwellen: Das Gestein bzw. der Baugrund wird beim Durchlaufen der Welle in sehr kurz aufeinanderfolgenden Zeitabständen nacheinander gedehnt und gestaucht. In unterschiedliche Richtung verlaufende Wellen, aber auch Wellen mit unterschiedlichen Perioden und Amplituden können sich bei einem Beben überlagern und dadurch einen komplizierten Spannungszustand im Gestein bzw. im Baugrund und den darauf errichteten Gebäuden aufbauen. Wirkungen auf Konstruktionen aus Lehmbaustoffen: Die mit Seismographen gemessene Magnitude oder Stärke wird nach einer nach oben offenen Intensitätsskala (RICHTER) bestimmt und ist eine Maßzahl für die freigesetzte Energiemenge. Große Erdbeben besitzen eine Magnitude zwischen 7,0 und 7,9, die meisten Erdbeben liegen unter 3,5. Beispielsweise entspricht ein Erdbeben mit einer Magnitude 7,0 der Energiemenge von zehn Hiroshima-Bomben. Die Intensität eines Erdbebens gibt dessen Auswirkungen an der ErdoberÁäche an, z. B. auf Gebäude. Vor allem nach eingetretenen erdbebenbedingten Schäden an Baukonstruktionen aus Lehmbaustoffen wird immer wieder die Frage gestellt, wie »erdbebensicher« diese Bauwerke sind. Dabei werden in den Medien häuÀg Schuldzuweisungen gegenüber dem Baustoff
Lehm vorgenommen, besonders wenn großÁächige Zerstörungen zu verzeichnen oder gar Menschenleben zu beklagen sind, was nicht selten Einschränkungen oderAnwendungsverbote für den Lehmbau vonseiten der Baubehörden zur Folge hat. Schadensbilder an Baukonstruktionen belegen, dass eingetretene Schäden nicht primär auf den verwendeten Baustoff zurückzuführen sind. Bild 5-31 zeigt intakte Gewölbestrukturen aus Lehmsteinen in der Zitadelle von Bam, Iran nach dem verheerenden Erdbeben von 2003. Dagegen waren wenig entfernt Gebäude aus Stahlbeton völlig zerstört, bei denen allgemeine, vom Baustoff unabhängige Grundsätze des erdbebengerechten Bauens [5.26], [5.27] schon bei der Gebäudeplanung nicht berücksichtigt oder bei späteren Umbauten vernachlässigt wurden. Planungs- und vor allem Ausführungsfehler überlagerten sich dann mit natürlichen seismischen Einwirkungen. Ein geeignetes Mittel zur Bewertung der seismischen Widerstandsfähigkeit vorhandener Bausubstanz sowie zur Ableitung notwendiger Maßnahmen für ihre seismische Ertüchtigung sind Makroseismische Skalen (z. B. [5.28]). Dabei ist in der in [5.29] dargestellten Reihenfolge vorzugehen: – Zunächst ist die seismische Gefährdung der Planungsregion unabhängig von der Konstruktion einzuschätzen. Sie beschreibt die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Erdbebens einer bestimmten Stärke an einem bestimmten Ort innerhalb eines bestimmten Zeitraums und ist in entsprechenden Normen der einzelnen Länder deÀniert. – Danach ist die Schadenserwartung zu bewerten. Dazu werden Baukonstruktionen entsprechend ihrer Bauweise in Bezug auf ihre Verletzbarkeit oder Vulnerabilität gegenüber Erdbeben einer bestimmten Stärke beurteilt. Entsprechend der Europäischen Makroseismischen Skala EMS 98 [5.28] kann man alle Baukonstruktionen einer bestimmten Bau303
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
Die Netzlinien bilden vor der Verformung ein Würfelgitter.
1
2
3
4
1 – FortpÁanzungsrichtung 2 – Verdichtungswelle (P) 3 – Scherungswelle mit vertikaler Schwingungsrichtung (S) 4 – Scherungswelle mit horizontaler Schwingungsrichtung (S) 5 – Raleigh -Welle (R) 6 – Querschwingung (Love-Welle L)
Bild 5-30 5
6
Verformung des Bodens beim Durchgang von Erdbebenwellen [5.25]
intakte Gewölbestrukturen aus Lehmsteinen Bam, Iran 2003
Bild 5-31
304
Schadensstrukturen nach Einwirkungen durch Erdbeben
5.2
Bild 5-32 a
Bauschäden durch äußere Einwirkungen auf Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
DeÀnition der Verletzbarkeitsklassen VK
Nr. Bauweise
Verletzbarkeitsklasse A B C
1
Mauerwerk Bruchstein, Feldsteine Lehmsteine Ziegelmauerwerk ZM, leicht Ziegelmauerwerk ZM, schwer ZM unbewehrt, mit bewehrten Decken ZM bewehrt
2
Stahlbeton Rahmen ohne erdbebengerechte Ausbildung EA Rahmen mit mäßiger EA Rahmen mit hohem Grad an EA Wände ohne EA Wände mit mäßiger EA Wände mit hohem Grad an EA
3
Stahlkonstruktionen
4
Konstruktionen aus Holz
D
E
F
wahrscheinlichste Verletzbarkeitsklasse mögliche Verletzbarkeitsklasse, Verletzbarkeitsklasse in Einzelfällen wahrscheinlich
Bild 5-32 b Grad
Skizze
DeÀnition der Schadensgrade SG Beschreibung
1
Schäden vernachlässigbar bis gering: keine strukturellen Schäden, leichte nicht-strukturelle Schäden (Haarrisse in sehr wenigen Wänden, kleine Putzschäden, in Einzelfällen sind gelockerte Steine herabgefallen)
2
Mäßige Schäden: leichte strukturelle Schäden, mäßige nichtstrukturelle Schäden (Risse in vielen Wänden, größere Putzschäden, Schäden an Schornsteinköpfen)
3
Substantielle bis schwere Schäden: mäßige strukturelle Schäden, schwere nicht-strukturelle Schäden (strukturschädigende Risse in den meisten Wänden, Dachsteine fallen herab, Schornsteine stürzen auf das Dach, Zusammenbruch nicht tragender Bauteile, z.B. Trennwände, Giebeldreiecke)
4
Sehr schwere Schäden: schwere strukturelle Schäden, sehr schwere nicht-strukturelle Schäden (ernsthafte Schäden an den Wandkonstruktionen, teilweiser Zusammenbruch der Dach- und Deckenkonstruktionen)
5
Zerstörung: sehr schwere strukturelle Schäden (vollständiger bis fast vollständiger Zusammenbruch der Konstruktion)
305
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
Bild 5-32 c
Verteilung der Schadensgrade (Schadensgradindex)
Lehmstein-Mauerwerk
Ziegelmauerwerk
Fachwerk mit Lehmausfachung VIII IX Intensität
Bild 5-32
Verletzbarkeitsklassen (a), Schadensgrade (b) nach EMS [5.29] sowie Schadensgradindex (c) für verschiedene Wandbauweisen nach zwei Erdbeben (Intensitäten XIII und IX) in Gasli, Usbekistan 1975 und 1976
weise einer Verletzbarkeitsklasse A – F gegenüber Erdbeben zuordnen, wobei A die Klasse der Bauwerke mit dem geringsten Erdbebenwiderstand darstellt (Bild 5-32a). Konstruktionen aus Lehmbaustoffen in traditionellen Bauweisen (Lehmsteine) werden in die Verletzbarkeitsklassen A – B eingestuft. Durch seismische Ertüchtigung können Bauwerke in eine »bessere« Verletzbarkeitsklasse »aufsteigen«. – Das zu erwartende Schadensbild einer Baukonstruktion wird maßgeblich bestimmt von der Bebensintensität und seiner Bauweise. Den in den Verletzbarkeitsklassen beschriebenen Baukonstruktionen einer bestimmten Bauweise wird deshalb ein von der Bebensintensität abhängiger Schadensgrad zugeordnet. In Bild 5-32b sind die Schadensgrade nach [5.29] als Zahlenwerte 1 – 5 verbal beschrieben: von 1 – vernachlässigbare Schäden bis 5 – völlige Zerstörung. – In der EMS 98 [5.28] werden nun die Verletzbarkeitsklassen und Schadensgrade mit den Bebensintensitäten verknüpft: 306
Beispiel für die Intensitäten VIII und IX: Intensität VIII: viele Gebäude der Verletzbarkeitsklasse A und einige der Klasse B erleiden Schadensgrade 4; einige Gebäude der Klasse A erleiden Schadensgrade 5. Intensität IX: viele Gebäude der Verletzbarkeitsklasse B und einige der Klasse C erleiden Schadensgrade 4; viele Gebäude der Klasse B erleiden Schadensgrade 5. Festlegung der Schadensmengen: einige: 0 – 15 % von allen Gebäuden viele: 15 – 55 % von allen Gebäuden die meisten: 55 – 100% von allen Gebäuden. – Auf der Grundlage von Datenerhebungen in Feldstudien, bei denen nach Erdbeben eingetretene Zerstörungen entsprechend ihrer Bauweise nach Schadensgraden klassiÀziert werden, kann die bauweisenbezogene Verteilung der Schäden, oder der Schadensgradindex, in Abhängigkeit von der bekannten Intensität des Erdbebens ermittelt werden. Bild 5-32c zeigt den Schadensgradindex nach zwei Erdbeben der Intensität VIII und IX in Gasli, Usbekistan 1975 bzw. 1976
5.2
Bauschäden durch äußere Einwirkungen auf Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
Modellversuche mit dynamischen Belastungen im Maßstab 1:1 (»shaking table«, University of Technology Sydney, 2005)
Bild 5-33
Schadensstrukturen an Lehmsteinwänden
für Bauwerke der Konstruktionstypen Lehmsteinmauerwerk, Ziegelmauerwerk und Fachwerk mit Lehmausfachung. Auf Grund der ermittelten Daten erlitten die Gebäude aus Lehmsteinmauerwerk im Vergleich mit den anderen Bauweisen die größten Schäden mit einem Schadensgradindex 3,2 bei Intensität VIII bzw. 4,3 bei Intensität IX. Auf diese Weise lassen sich für eine bestimmte Region die mittleren Schadensgrade für bestimmte typische Bauweisen angeben (z. B. Usbekistan in [5.29]). Gebiete mit
einem Gebäudebestand mit einem mittleren Schadensgradindex > 3 sind im Falle eines Erdbebens besonders gefährdet. Maßnahmen der seismischen Ertüchtigung sollten dringend geplant und praktisch umgesetzt werden. In speziellen Prüfeinrichtungen (»shaking table«) können Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Maßstab 1:1 dynamischen Einwirkungen ausgesetzt, dabei die Qualität der aufgetretenen Schäden untersucht und geeignete Maßnahmen der seismischen Ertüchtigung abgeleitet werden (Bild 5-33). 307
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
Zerstörtes Wohngebäude aus Wellerlehm (Pachsa) nach Erdbeben (Usbekistan, 2001)
Bild 5-34
Schadensstrukturen nach Einwirkungen durch Erdbeben
Fallbeispiele Beispiel 1: zerstörtes Wohngebäude aus Wellerlehm (Pachsah) in der Siedlung Oinakul, Kamaschinsker Gebiet, Usbekistan 2000 (Bild 5-34). Im traditionellen, ländlichen Bauen des gesamten zentralasiatischen Raumes sind schwere Flachdächer mit Lehmschlag verbreitet (Kap. 4.2.5). Für die Tragstruktur des Daches werden Stämme aus leichtem Pappelholz verwendet. Die Dächer sind im trocken-heißen Klima wegen ihrer großen Masse als »Hitzepuffer« optimal, unter Erdbebeneinwirkungen jedoch statisch sehr ungünstig. Ein häuÀg beobachteter, verhängnisvoller konstruktiver Mangel besteht darin, dass die Tragbalken aus Holz ohne lastverteilende Ringbalken direkt und ohne Verankerung auf den Mauerkronen auÁiegen. Bei der in Bild 5-34 dargestellten Konstruktion sind die unverankerten Deckenbalken verrutscht und mit der großen Masse des Lehmschlags in die Innenräume gestürzt. Die massiven Lehmwände sind z. T. gerissen, aber stehengeblieben. 308
Beispiel 2: Zerstörungen an der Zitadelle sowie der Neustadt von Bam, SO-Iran am 26.12. 2003 nach einem Beben der Stärke 6,1; traditionelle Baukonstruktionen aus Lehmstein- und Wellerbau-Bauweisen (tschineh) (Bild 5-35). Die Zahl der Todesopfer als Folge des Erdbebens wurde mit ca. 27.000 angegeben. Eine Analyse der Schadensbilder zeigte zwei verbreitete, sich überlagernde Planungsfehler als Ursachen für die verheerenden Zerstörungen: Wie im Beispiel 1 stellen die schweren Flachdächer eine der Hauptursachen für die eingetretenen Schäden dar. In vielen Häusern wurden Stahlträger für die Tragkonstruktion der Flachdächer verwendet, die jedoch viel schwerer sind als die ursprünglich verwendeten Holzträger. Sie wurden mit dem Flansch direkt auf die Mauerkronen der Lehmsteinwände aufgelegt, und zwar ebenfalls ohne lastverteilende Ringbalken oder Verankerungen in den tragenden Wänden (Bild 5-36) [5.30]. Dadurch kam es während des Bebens im AuÁagerbereich der Stahlträger zu Festigkeitsüberschreitun-
5.2
Bauschäden durch äußere Einwirkungen auf Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
gen des Lehmsteinmauerwerks. Die Schadensauswirkungen wurden noch durch einen weiteren Faktor bei der Bauwerksplanung vergrößert: den Bauwerksgrundriss. Die typische Grundrissform der tragenden Umfassungswände aus Lehmsteinen besteht aus einem »U«: den beiden langen Gebäudeseitenwänden, die unmittelbar an der Grundstücksgrenze stehen und dort mit den entsprechenden Hauswänden der jeweiligen Nach-
bargebäude zusammenstoßen, sowie einer kurzen Hauswand mit einer Eingangstür zur Straßenseite. Zur Gartenseite sind die Häuser meist offen und nur durch ein raumhohes Tor verschlossen. Der Gebäudegrundriss verliert damit an dieser Stelle die aussteifende Wirkung der Querwand. Durch die Wirkung des Erdbebens stürzten die Längswände um und zerstörten wie in einem Dominoeffekt ganze Straßenzüge. zerstörte traditionelle Baukonstruktionen aus Lehmsteinen und Wellerlehm (tschineh) Bam, Iran, 2003
Bild 5-35 Schadensstrukturen nach Einwirkungen durch Erdbeben
Deckenträger aus Stahl ohne Lastverteilung und Verankerung auf Mauerkrone aus Lehmsteinen aufgelegt [5.30] Bam, Iran 2003
Bild 5-36 Schadensstrukturen nach Einwirkungen durch Erdbeben
309
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
5.2.5
Bauschäden an Konstruktionen aus Lehmbaustoffen durch Planungsfehler
Eine weitere Quelle für Bauschäden an Gebäuden aus Lehmbaustoffen sind Konstruktionsmängel, die entweder schon bei der Planung durch ungenügende Dimensionierung von tragenden Bauteilen, bei der Bauausführung oder erst durch nachträgliche Umbauten (Entfernen von Tragwerksteilen, Erhöhung von Nutzlasten etc.) verursacht wurden. Eine Schadenssanierung macht erst Sinn, wenn die oft komplexen Ursachen für die Rissbildung erkannt und nach Möglichkeit abgestellt sind. Vertikale, über den Wandquerschnitt durchgehende Risse sind typische Schadensbilder für Weller- und StampÁehmwände. Sie sind besonders häuÀg an Scheunen zu beobachten, die im Gegensatz zu Wohnbauten i. d. R. nicht über die erforderliche räumliche SteiÀgkeit verfügen. Oft ist auch die Schlankheit der tragenden Außenwände zu groß. Die
Gründe dafür liegen zum einen in der Funktion der Scheunen (große, hohe und unverstellte LagerÁächen), aber auch in der Sparsamkeit der Bauherren (Material). Nicht zuletzt führen auch Fehler bei der Gebäudesanierung zu Bauschäden und damit zu einer notwendigen Sanierung der »Sanierung«. HäuÀg überlagern sich dabei mangelnde Kenntnis baustatischer und bauphysikalischer Zusammenhänge mit fehlenden oder mangelnden Kenntnissen über die Besonderheiten von Lehmbaustoffen. Fallbeispiele Beispiel 1: Scheune Baumersroda bei Leipzig, Außenwände tragender WL (Bild 5-37). Die Krone der etwa 2 m hohen Wand aus Mauerwerk oder Verblendung d 24 cm bildet die AuÁagerebene für Deckenbalken und Vertikalriss in Wellerwand durch Sprung in der Wandhöhe
Bild 5-37 Bauschäden durch Ausführungsmängel
310
5.2
Bauschäden durch äußere Einwirkungen auf Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
zugleich die Basis für die aufgehende Wellerwand. Zum vorderen Gebäudeteil steigt das Gelände an, so dass hier der Spritzwassersockel aus Naturstein die Basis der Wellerwand bildet. Dadurch ergibt sich in der Höhe der durchgehend aufgesetzten Wellerwand ein Sprung von ca. 1,8 m. Die Folge ist ein über die gesamte Wandhöhe durchgehender Vertikalriss. Beispiel 2: Scheune Saubach, Sachsen-Anhalt, Außenwände tragender WL (Bild 5-38 [5.18]). In der Ebene der Mauerkronen der Längswände bestehen erhebliche Unterschiede in der Art der Belastung: Giebelwand: konzentrierte, außermittig eingetragene Normallasten aus dem Giebeldreieck tragende Längswand: Horizontalkräfte aus Dachlast infolge fehlender bzw. schadhafter Deckenträger (Zugbandwirkung) mit nachträglich erhöhten Lasten durch Betondachsteindeckung. Die in der Gebäudeecke entstandenen Zug-
spannungen konnten vom Wellerlehm nicht aufgenommen werden. Die Giebelwand löste sich durch einen Riss, beginnend in Traufhöhe, von der tragenden Längswand ab und kippt nach außen. Die Dachlast drückt die Längswand ebenfalls nach außen und von der Giebelwand weg. Bei der von Anfang an als Scheune geplanten und genutzten Konstruktion muss die Gebäudestatik insgesamt überprüft werden. Die Schlankheit der tragenden Außenwände einschließlich Giebel ist zu groß. Fehlende Querwände, Deckenscheiben und Ringanker führen zu einer unzureichenden räumlichen SteiÀgkeit des Gebäudes und machen es dadurch besonders verletzlich gegenüber äußeren Einwirkungen. Als Sicherungsmaßnahme gegen das Abkippen der Giebelwand wurde ein Stützpfeiler gegen die gefährdete Ecke gesetzt. Bewehrungseinlagen in den Ecken in Abständen von ca. 0,5 m hätten diesen Schaden u. U. verhindern können.
Ablösung der höher belasteten Giebelwand von Längswand aus Wellerlehm [5.18]
Bild 5-38 Bauschäden durch Planungsmängel
311
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
Beispiel 3: Scheune Ostramondra, Thüringen, Außenwände tragender WL (Bild 5-39 [5.16]). Vermutlich haben sich durch nachträgliche Umbauten mehrere Schadensursachen überlagert. Zu der in Beispiel 2 beschriebenen Schadensursache ist eine Veränderung der Baugrundsituation durch die vorgenommene Dachsanierung mit schweren Betondachsteinen hinzugekommen: Während auf der Hofseite eine Dachentwässerung vorgesehen wurde, fehlt diese auf der Gartenseite. Durch das kon-
zentriert einsickernde Niederschlagswasser entsteht hier ein deutlich höherer Wassergehalt im Baugrund als auf der gepÁasterten Hofseite mit der Folge unterschiedlicher Gebäudesetzungen und von Rissen im Fundament. Diese setzen sich über den Sockel bis in die Wellerwand fort und treffen oberhalb des zweiten Wellersatzes mit dem in Traufhöhe beginnenden Riss (vgl. Beispiel 2) zusammen. Der Wellerlehm in diesem Bereich ist entfestigt und bereits ausgebrochen.
Rissbildung in der Wellerwand durch ungleichmäßige Baugrundsetzungen infolge nur einseitiger Dachentwässerung [5.16]
Bild 5-39
Bauschäden durch Planungsmängel
Beispiel 4: Wohnhaus Wermelskirchen, Rheinland-Pfalz, Sichtfachwerk mit SL auf Stakung (Bild 5-40 [5.31]). Die ursprüngliche Konstruktion aus Sichtfachwerk mit traditioneller Ausfachung SL auf Starkung wurde durch eine Wandverstärkung 312
mit HLL bauphysikalisch ertüchtigt. Dazu wurde innen ein zweites Ständerwerk 10/10 mit Befestigungsbrett für die innere Ebene der HWL-Platten aufgedoppelt. Auf den Außenseiten der Gefache wurden HWL-Platten an umlaufend an den Gefachrändern angebrach-
5.3
ten Leisten mit einem Rücksprung in Putzstärke zur Bundkante befestigt und verputzt. Damit sollten die Platten zwei Funktionen erfüllen: als »verlorene Schalung« für die feucht eingebaute HLL-Mischung und als Putzträger für den Außen- bzw. Innenputz. Bereits kurze Zeit nach der Sanierung 1992 ergab sich folgendes Schadensbild: Die HWLPlatten mit anhaftendem HLL Àelen heraus. Die Befestigungsleisten für die Platten waren verfault, die Befestigungsmittel (z.T. nicht ver-
Erhaltung von Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
zinkte Nägel) verrostet. Auf der Wandinnenseite war Putz abgefallen, Befestigungsbretter und inneres Ständerwerk waren durchfeuchtet und z. T. schon verfault. Als Schadensursache erwiesen sich die Fugen Außenputz – Fachwerk: Die geringe Öffnungsweite der Fuge war ausreichend dafür, dass eindringendes Regenwasser an den Ständern und HWL-Platten ablief, sich auf den Riegeln bzw. der Schwelle staute und dort die oben beschriebenen Wirkungen entfaltete.
fehlerhafte Fachwerk-Sanierung durch ungeeignete Wärmedämmung [5.31] Bestand vor der Sanierung
nach der Sanierung
1 Außenputz 2 Strohlehm auf Stakung 3 Innenputz
1 Außenputz 2 HWL-Platte 3 Holzleichtlehm 4 Zusatzständerwerk 10/10 5 Befestigungsbrett 6 HWL-Platte 7 Innenputz
3
1
Bild 5-40
5.3
2 3
12
4
7 56
Bauschäden durch Planungsmängel
Erhaltung von Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
Über den vorhandenen Bestand an Konstruktionen aus Lehmbaustoffen in Deutschland und deren Erhaltungszustand gibt es nur sehr grobe Schätzungen. In verschiedenen Quellen, z. B. in [5.32], wird die Zahl der »Lehmhäu-
ser« mit mehr als 2 Millionen angegeben. Was aber ist ein »Lehmhaus«? Gehören Fachwerkhäuser dazu, oder sind Lehmhäuser nur die Konstruktionen, deren Wände aus massiven Lehmbaustoffen errichtet wurden? Auch 313
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
in historischen Ziegel- und Steinbauten wurden Lehmbaustoffe z. B. als Mörtel und Putze verarbeitet. Sicher ist, dass die Zahl der Baukonstruktionen in Deutschland, in denen Lehmbaustoffe in verschiedener Form verarbeitet wurden, mehrere Millionen beträgt. Sicher ist auch, dass sie sich in einem überwiegend
5.3.1
Rechtliche Grundlagen
Bei der Planung und Durchführung von Maßnahmen der Bauwerkserhaltung müssen die in den jeweiligen Landesbauordnungen (LBO) festgelegten bauaufsichtlichen Regelungen beachtet werden. Darüber hinaus gilt der Grundsatz, dass ein Auftragnehmer die Leistungen vertragsgerecht in eigener Verantwortung und unter Beachtung der allgemein anerkannten Regeln der Technik auszuführen hat (vgl. Kap. 4.1.1.1). Altbauten, einschließlich solcher, in denen Lehmbaustoffe verarbeitet wurden, genießen Bestandsschutz, da sie auf Grund früher geltender Baubestimmungen und Genehmigungen errichtet wurden. Dies gilt nicht bei der Änderung von Nutzungen, dem Entfernen oder Verändern tragender Bauteile, Einsturzgefahr von Bauteilen oder ganzen Gebäuden sowie Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes des Gebäudes. In diesen Fällen wird der Altbau wie ein Neubau behandelt, und alle neu eingebauten sowie alle verbleibenden Bauteile müssen den aktuell geltenden Bauvorschriften entsprechen. Deren Anwendung auf Altbauten ist jedoch nicht immer sinnvoll, so dass mit dem zuständigen Bauordnungsamt zu klären ist, inwieweit ggf. auf dem Wege einer Einzelfallprüfung vom Neubaustandard abgewichen werden kann. Dies trifft insbesondere auf Vorschriften des baulichen Wärmeschutzes zu. Mit den vorgeschlagenen Lösungen müssen jedoch die 314
schlechten Bauzustand beÀnden. Dies betrifft besonders landwirtschaftliche Bauten, die ihre ursprüngliche Funktion verloren haben. Deshalb stellt sich für diese Gebäude die Frage nach ihrer Perspektive: Abriss oder Erhaltung. Im Zusammenhang mit historischer Lehmbausubstanz hat deshalb die Bauwerkserhaltung eine zentrale Bedeutung.
bauaufsichtlichen Mindestanforderungen erfüllt werden. Eigentümer von denkmalgeschützten Gebäuden unterliegen einer ErhaltungspÁicht. Sie müssen alle baulichen Veränderungen mit den zuständigen Denkmalämtern abstimmen. Baudenkmale dürfen nur dann verändert werden, wenn vorgesehene bauliche Maßnahmen zum Erhalt des Ganzen notwendig sind. Nach den in der »Charta von Venedig« formulierten Grundsätzen zur Erhaltung und Restaurierung von Baudenkmalen (Kap. 1.2) wird deren Erhaltung »immer durch Widmung einer der Gesellschaft nützlichen Funktion begünstigt. Eine derartige Widmung ist daher wünschenswert, aber sie kann nicht zur Veränderung der Disposition oder Dekoration von Bauwerken führen. Innerhalb dieser Grenzen müssen Adaptierungen geplant und bewilligt werden, die durch die Weiterentwicklung von Nutzung und Gebrauch nötig werden« (Charta von Venedig, 1965, Artikel 5). Darüber hinaus können Sanierungs- und Gestaltungssatzungen von Gemeinden auch Gebäude betreffen, die keinen Status als Einzeldenkmal besitzen. Die Ziele des Denkmalschutzes sind ebenfalls in den entsprechenden Landesgesetzen festgeschrieben. Eigentümer von Baudenkmalen sollen entsprechende Fragen grundsätzlich vor Aufnahme der Planung von Erhaltungsmaßnahmen mit den zuständigen Behörden klären.
5.3
5.3.2
Erhaltung von Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
Planung von Maßnahmen der Erhaltung
Die große Masse der heute noch vorhandenen Altbauten aus Lehmbaustoffen in Deutschland sind Zeugnisse des »alltäglichen« Bauens ohne den Status eines Baudenkmals, der aus der Sicht der Bauaufsichtsbehörden besondere Anforderungen an die Erhaltung dieser Gebäude stellen würde. Diese Gebäude
genießen zwar grundsätzlich Bestandsschutz. Ihr Schutzwert wird aber als vergleichsweise niedrig eingeschätzt. So mussten in der Region um Leipzig in den letzten Jahrzehnten Hunderte historische Lehmwellerbauten dem Braunkohletagebau weichen.
5.3.2.1 Methoden Die KlassiÀzierung in die Kategorien »Baudenkmal« oder »alltäglich« bestimmt deshalb auch weitgehend die zulässigen bzw. anzuwendenden Methoden in der Bauwerkserhaltung. Man unterscheidet allgemein folgende Methoden der Erhaltung von Altbauten bzw. Baudenkmalen [5.33], [5.34], [5.35], [5.14]: Instandhaltung Unter Instandhaltung oder Wartung versteht man alle ständig laufenden Arbeiten zur Erhaltung der Gebrauchsfähigkeit von Gebäuden durch vorbeugende Maßnahmen zur Beseitigung oder Verzögerung von Mängeln aus Abnutzung, Alterung und Funktionsuntüchtigkeit. Auch selbstverständlich erscheinende Dinge gehören dazu, z.B. das regelmäßige Säubern und Reparieren von Dachrinnen oder das Ersetzen fehlender Dachziegel – beides »überlebenswichtige« Maßnahmen für Gebäude aus Lehmbaustoffen. Instandsetzung Bei der Instandsetzung oder Reparatur von Baukonstruktionen wird der physische Verschleiß einzelner Bauteile beseitigt und dadurch die volle Gebrauchsfähigkeit der baulichen Anlage wieder hergestellt. Bei Baudenkmalen wird der schadhafte Bestand im gleichen Material handwerklich ausgebessert. Die Reparatur ist auf das wirk-
lich Notwendige zu beschränken und hat Vorrang vor der Erneuerung. Die Restaurierung stellt den ursprünglichen Zustand wieder her, jedoch unter weitgehender Verwendung entsprechender, nicht originaler Baustoffe. Sie bewahrt darüber hinaus die technischen, historischen und ästhetischen Werte des Baudenkmals. Beispielsweise sollen noch intakte Gefachausfüllungen wieder mit Lehmbaustoffen repariert und nicht »entkernt« und dann neu mit Dämmstoffen versehen werden. Eine Restaurierung soll in der ursprünglich angewendeten historischen Bautechnik vorgenommen werden, z. B. Stakung mit GeÁecht und Beschichtung mit Strohlehm. Alle Maßnahmen im Zusammenhang mit einer Instandsetzung sollen darüber hinaus wieder rückgängig zu machen sein. Zur Instandsetzung von Baudenkmalen gehören auch spezielle Maßnahmen der Konservierung und Sicherung wie Festigungen, Härtungen, Imprägnierungen und Injektionen oder Vernadelungen. Dabei sind Eingriffe in die originale Substanz unter Verwendung moderner, im Bauwerk bisher nicht verwendeter Baustoffe und Bautechniken im Interesse der Erhaltung des Baudenkmals nicht zu vermeiden. Es entsteht ein neuer »Verbundbaustoff«. Als Beispiele werden die Sanierung von durchgehenden Rissen in StampÁehm- und Wellerlehm-Wänden sowie die statische Sicherung 315
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
von Gründungen und Tragkonstruktionen genannt. Weitere Beispiele sind die Festigung von Farben, Malschichten oder Lehmputzen auf dem Untergrund oder die Festigung bzw. Härtung der OberÁächen archäologischer Ruinenkomplexe aus Lehmbaustoffen. Sanierung Der Begriff »Sanierung« wird heute zum Teil sehr unterschiedlich interpretiert. Er bedeutet wörtlich übersetzt »Gesundung«. Die Sanierung umfasst alle Sicherungsmaßnahmen im Interesse der Erhaltung von Altbauten, die umfassende Eingriffe in die originale Substanz bedeuten, oft mit Baustoffen und Bautechniken, die bisher im Bauwerk nicht verwendet wurden. Dazu gehören insbesondere alle Maßnahmen im Zuge von Umnutzungs- und Revitalisierungsüberlegungen. Sie sind vor allem auf eine Verbesserung der technischen Ausstattung mit dem Ziel einer langen Lebensdauer gerichtet. Darunter sind viel umfassendere und tiefgreifendere Maßnahmen zu verstehen, als dies Instandsetzungsarbeiten und handwerklich ausgeführte Reparaturen darstellen. Dabei handelt es sich i. d. R. um Modernisierungsmaßnahmen, beispielsweise um den Einbau neuer Heizungssysteme oder Sanitärinstallationen. Dazu gehören vor allem auch Maßnahmen der nachträglichen Wärmedämmung von Außenwänden. Auf Baudenkmale bezogen gilt dabei der Grundsatz, die Eingriffe in die originale Substanz so gering wie möglich zu halten und dabei dennoch eine weitere sinnvolle Nutzung zu gewährleisten. Translozierung Bei der Translozierung wird denkmalwerte Substanz in Ausnahmefällen von ihrem ursprünglichen an einen neuen Standort durch Ab- und Wiederaufbau oder durch Verschiebung bzw. Transport als ganze Konstruktion 316
versetzt. Die Gründe für eine Translozierung können sehr unterschiedlich sein, z.B. die Führung von neuen Verkehrswegen. Ein typisches Beispiel für die Translozierung von Baukonstruktionen, in denen Lehmbaustoffe verarbeitet wurden, ist die Umsetzung von Fachwerkkonstruktionen mit Lehmgefachen in Freilichtmuseen (Bild 5-41). Im Thüringer Freilichtmuseum Hohenfelden wurde 1994 erstmals ein Gebäude aus Wellerlehm von seinem ursprünglichen Standort Utzberg bei Weimar als ganze Konstruktion in das Museumsgelände umgesetzt (Bild 5-42 [5.36]). Bei dem Gebäude handelt es sich um ein Wohnstallhaus aus dem Jahre 1683. Über das Für und Wider dieser Methode zur Erhaltung denkmalwerter Bausubstanz gibt es kontroverse Auffassungen. Rekonstruktion Bei zerstörten Baudenkmalen mit herausragender bau- und kulturgeschichtlicher Bedeutung kann eine Nachbildung oder eine Kopie des ursprünglichen Zustandes auf der Grundlage vorhandener Baudokumentationen eine Möglichkeit sein, den identitätsstiftenden Charakter eines Ortes für nachfolgende Generationen zu erhalten. Die Kopie eines zerstörten Baudenkmals kann auf der Grundlage vorhandener exakter Baudokumentationen ggf. unter Verwendung originaler Substanz erstellt werden. Bei einer Nachbildung eines Baudenkmals handelt es sich um eine Wiederherstellung ohne entsprechende Unterlagen. Als Beispiel wird die Rekonstruktion römischer StampÁehmbauten im Archäologischen Park Xanten / Niederrhein in den Jahren 2007 – 09 genannt [5.55]. Am Beispiel der durch ein verheerendes Erdbeben im Jahre 2003 zerstörten, über 2.000 Jahre alten Zitadelle von Bam / Iran, eines der weltweit größten Denkmalkomplexe aus Lehmbaustoffen, wird jedoch die Begrenztheit dieser Unterscheidung deutlich, die einem
5.3
Erhaltung von Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
Fachwerkkonstruktionen mit Lehmgefachen, Freilichtmuseum Bokrijk, Belgien
Bild 5-41 Translozierung von Baudenkmalen
b
a
c
komplette Umsetzung einer Wellerlehm-Konstruktion, Thüringer Freilichtmuseum Hohenfelden 1994 [5.36] a) Abheben b) Transport c) neuer Standort
Bild 5-42 Translozierung von Baudenkmalen
317
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
europäischen Verständnis von DenkmalpÁege entspringt (Bild 5-35). In außereuropäischen Kulturkreisen konnten sich Jahrtausende alte Kulturlandschaften mit ihren baulichen Anlagen vor allem aus Lehm nur deshalb bis in die heutige Zeit erhalten, weil durch Beibehal-
tung traditioneller handwerklicher Techniken vorhandenes Baumaterial ständig wiederverwendet (Kap. 6.2) und auf diese Weise die Authentizität des »Baudenkmals« bewahrt wurde [5.33].
5.3.2.2 Planungsstufen Die Planung von Maßnahmen der Bauwerkserhaltung umfasst allgemein drei Stufen: – die Erfassung des Istzustandes oder Anamnese – die Bewertung des Istzustandes oder Diagnose und – die Planung von Erhaltungsarbeiten oder Therapie. Erfassung des Istzustandes Dazu gehören die Auswertung vorhandener Baupläne, bildlicher Darstellungen, historischer Umbauten, Sanierungen und Funktionsänderungen. Wegen ihrer WasserempÀndlichkeit sind bei Baukonstruktionen aus Lehmbaustoffen spätere straßenseitige Auffüllungen, Änderungen der Führung von Wegen, Straßen und Entwässerungen sowie der Zustand vorhandener Gründungen besonders zu beachten. Der statisch-konstruktive und bauphysikalische Zustand der vorhandenen Bausubstanz wird erfasst, ermittelte Bauschäden werden dokumentiert. Bei denkmalgeschützten Gebäuden werden besondere Anforderungen an die Bestandsdokumentation einschließlich der Schadensdarstellung gestellt. Diese sind ebenfalls in Landesgesetzen deÀniert. Hinsichtlich der Genauigkeit der zu erstellenden Bestandspläne werden i. a. vier Genauigkeitsstufen unterschieden: – Stufe 1: schematisches Aufmaß (M 1:100) – Stufe 2: annähernd wirklichkeitsgetreuesAufmaß (M 1:50) 318
– Stufe 3: verformungsgetreues Aufmaß (z.B. komplizierte, schiefwinklige Gebäude, M 1: 50) – Stufe 4: verformungsgetreues Aufmaß mit detaillierter Darstellung (wie Stufe 3, M 1: 25). Welche Genauigkeitsstufe für den konkreten Fall erforderlich ist, muss mit der zuständigen Denkmalbehörde abgestimmt werden. Je größer der Denkmalwert, desto höher ist i. d. R. die geforderte Dokumentationsstufe und entsprechend höher sind auch Aufwand und Kosten für den Bauherrn und die beteiligten Fachplaner. Die Hauptschädigungen werden im Bestandsplan in Form von geeigneten Darstellungen kartiert und durch eine fotograÀsche / zeichnerische Dokumentation ergänzt. Zweckmäßig ist die Erfassung und Kartierung der Schäden in Form eines Raumbuches, bei dem die Schäden einzeln aufgelistet und nach ihren Ursachen klassiÀziert werden. Bewertung des Istzustandes Der Istzustand kann über Bauzustandsstufen BZS als KlassiÀkationsmerkmal für den eingetretenen Verschleiß beschrieben werden ([5.14], Tab. 5-9). Ab Bauzustandsstufe 3– 4 ist eine gefahrlose Nutzung des Gebäudes bedenklich. Bei der Bewertung des Istzustandes ist die Bestandsdauer oder das Alter der baulichen Anlage eine wichtige Größe. Sie wird nach [5.14] aus Ànanztechnischen Erwägungen auf
5.3
Erhaltung von Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
Nr.
Bauzustandsstufe BZS
Durchschnittl. Verschleiß [%]
Bewertung
1 2 3 4 5
1 2
0 – 10 11 – 25 26 – 50 51 – 80 81 – 100
sehr gut gut befriedigend mangelhaft ungenügend
3–4 4
90 Jahre begrenzt. Wird ein Gebäude regelmäßig instand gehalten, kann sich seine Nutzungsfähigkeit um Jahrzehnte verlängern oder bei Vernachlässigung entsprechend verkürzen. Baukonstruktionen aus Lehmbaustoffen weisen i. d. R. eine ungünstige Altersstruktur auf. Viele dieser Gebäude, besonders in ländlichen Gebieten der ehemaligen DDR, sind älter als 100 Jahre und beÀnden sich in einem schlechten baulichen Zustand. Zur Bewertung des Istzustandes gehört weiterhin die Klärung der Ursachen für die erfassten, während der Nutzungsphase eingetretenen Bauschäden (Kap. 5.2). Danach sind Einschätzungen zur Resttragfähigkeit von geschädigten Bauteilen auf der Grundlage von baustofÁichen Analysen vorzunehmen. Typische Beispiele im Lehmbau sind Querschnittsschwächungen im Sockelbereich von bzw. durchgehende, senkrecht verlaufende Risse in tragenden Lehmwänden (Kap. 5.2.5). Entscheidungen sind zu treffen über die Tiefe der Abtragung des geschädigten (salzbelasteten) Lehmbaustoffes oder ggf. den Abriss. Die Notwendigkeit weitergehender Maßnahmen sowie ihre Verträglichkeit mit der vorhandenen Altbausubstanz ist durch entsprechende Voruntersuchungen, ggf. unter Einbeziehung von Fachleuten relevanter Spezialgebiete nachzuweisen. Für landwirtschaftlich genutzte Bauten wurden aus funktionellen Gründen nicht selten zu große Schlankheiten für die tragenden Außenwände aus Lehm gewählt (Kap. 5.2.5). Die
Tab. 5-9 Bauzustandsstufen für die Bewertung des Istzustandes
Bewertung der vorhandenen Tragfähigkeit des Lehmbaustoffes auf der Grundlage der Lehmbau Regeln [2.6] kann ggf. Auswirkungen auf die Raumstruktur und die anzuwendenden Sanierungsstrategien in Umnutzungskonzepten haben. Lösungsstrategien Erst auf der Grundlage der Erfassung und Bewertung des Istzustandes können Lösungsstrategien für Erhaltungsarbeiten entwickelt werden. Diese umfassen insbesondere: – Nutzungskonzepte – Auswahl der Methoden der Erhaltungsarbeiten – Auswahl der (Lehm)baustoffe und der entsprechenden Technologien – Entwurfsplanungen mit statischer Berechnung – Kosten. Nutzungskonzepte Bei der Formulierung von Konzepten mit zeitgemäßen Nutzeransprüchen an alte Baukonstruktionen muss sich der Bauherr immer des historischen Charakters des Bauwerks bewusst sein. Er sollte angesichts vieler zu beachtender Vorschriften sein Eigentum nicht als »Last« empÀnden, sondern den einzigartigen Möglichkeiten, die ein historisches Gebäude auch heute in der Nutzung bietet, mit »Lust« nachspüren. Über Jahrhunderte blieben die Nutzeransprüche an Wohnbauten nahezu unverändert. Im 319
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
Winter wurde nur sparsam geheizt, meist im Küchenherd oder Kachelofen, welche die Wärme lange speicherten. Die Fenster konnten zur Nacht zusätzlich mit Fensterläden von außen verschlossen werden, um den Heizwärmeverlust zu verringern. Die kältesten Stellen im Haus waren die Fensterscheiben. Hier schlug sich überschüssiger Wasserdampf aus der Luft als Kondenswasser nieder. Dachböden blieben unbeheizt und wurden allenfalls als Speicher genutzt. Im Sommer waren die Häuser wegen der relativ kleinen Fenster angenehm kühl. In den letzten 50 Jahren haben sich die Nutzeranforderungen an Wohnbauten grundlegend verändert. Mit wachsendem Wohlstand erhöhten sich auch die Wohnansprüche. Die Dachböden werden oft bis unter den First ausgebaut und in die ständige Nutzung einbezogen. Im Winter heizt man nun täglich jeden Raum des Hauses. Durch diese veränderten Anforderungen wuchsen im Wohnbau der Heizenergiebedarf und damit der Schadstoffausstoß in die Luft erheblich. Auf diese Entwicklung reagierte der Gesetzgeber mit der Festlegung von Grenzwerten für den Heizenergiebedarf und Dämmstandards für Neubauten (DIN 41082, EnEV [5.37]). Für Altbauten kann nach den §§16 und 17 EnEV davon abgewichen werden. Auswahl der Methoden der Erhaltungsarbeiten Der Schwerpunkt der Methoden der durchzuführenden Erhaltungsarbeiten an Baukonstruktionen aus Lehmbaustoffen liegt bei Instandsetzungs- und Sanierungsarbeiten, begleitet von einem Konzept der regelmäßigen Instandhaltung. Translozierungen und Rekonstruktionen von Gebäuden aus Lehmbaustoffen sind Sonderfälle und erfordern eine entsprechend detaillierte Planung.
320
Auswahl der Lehmbaustoffe / -Technologie Die Entscheidung für einen bestimmten Lehmbaustoff mit entsprechender Verarbeitungstechnik wird durch verschiedene Kriterien beeinÁusst. Neben statisch-konstruktiven, baustofÁichen und bauwirtschaftlichen Aspekten sind es heute zusätzlich bauphysikalische (gesundheitsgerechtes Bauen), ökologische und gestalterisch-ästhetische Parameter, die der Bauherr in der Planung berücksichtigt sehen will. DenkmalpÁegerische AuÁagen können weitere Gründe für die Auswahl bestimmter Lehmbaustoffe und Verarbeitungsformen sein. Entwurfsplanungen Für Entwurfsplanungen und ggf. statische Berechnungen von Baukonstruktionen aus Lehmbaustoffen im Rahmen von Sanierungsmaßnahmen stehen in Deutschland die Lehmbau Regeln [2.6] (Kap. 4.1.1.3) als aktuelles, bauaufsichtlich eingeführtes Regelwerk zur Verfügung. Ergänzend dazu sind jeweils die geltenden Bauvorschriften anzuwenden, z. B. zum Brand- und Schallschutz. Die Planung von Erhaltungsarbeiten an Altbauten, in denen Lehmbaustoffe verarbeitet wurden, umfasst heute neben baustofÁichen und statisch-konstruktiven Aufgaben auch immer Maßnahmen der bauphysikalischen Ertüchtigung der Gebäude in Form von zusätzlicher Wärmedämmung. Je nach Bauweise lässt sich der Heizenergieverbrauch durch entsprechende Dämmmaßnahmen deutlich senken. Nach [5.10] sind die Bauteile eines unsanierten Altbaus in unterschiedlichem Maße an den Wärmeverlusten beteiligt: – Außenwände ca. 30 – 40% – Dach ca. 20% – Dachgeschoss ca. 10 –20% – Fenster ca. 10 –15%. Die Planung und Ausführung der Sanierungsarbeiten muss mit der dazu erforderlichen Sachkunde betrieben werden. Zu beach-
5.3
ten sind der vorgefundene Zustand des Gebäudes und der jeweilige Standort. Vor allem aber sind die speziÀschen Besonderheiten der historischen und ggf. modernen Lehmbaustoffe sowie der entsprechenden Bauweisen bei der Anwendung der EnEV [5.37] vor dem Hintergrund der komplexen bauphysikalischen Vorgänge zu berücksichtigen. Den konstruktiven und hygienischen Anforderungen entsprechend soll wenigstens der Mindestwärmeschutz nach DIN 4108 in allen Bereichen eingehalten werden.
5.3.3
Erhaltung von Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
Kosten Auch für Sanierungsarbeiten mit Lehmbaustoffen gibt es inzwischen Ausschreibungstexte mit Arbeitszeitwerten und Mittelpreisen, die sich in der Praxis bewährt haben (Kap. 4.1.2.1, [4.8], [4.9], [4.10]). Werden spezielle lokale Ausführungstechniken verlangt (z. B. als denkmalpÁegerische AuÁagen), müssen diese in der Ausschreibung detailliert beschrieben werden, um dem Ausführungsbetrieb die Formulierung eines entsprechenden Angebotes zu ermöglichen.
Durchführung von Instandsetzungsund Sanierungsarbeiten
5.3.3.1 Fundamente Instandsetzungs- und Sanierungsarbeiten mit Lehmbaustoffen in aufgehenden Wänden können erst begonnen werden, wenn alle notwendigen Reparaturen im Fundament- und Sockelbereich fachgerecht ausgeführt und abgeschlossen sind. Veränderung an Gründungen Die Bewertung des Istzustandes (Kap. 5.3.2.2) führt nicht selten zu dem Ergebnis, dass das vorhandene Fundament unabhängig von der Bauweise weder die Anforderungen der aktuellen, noch der geplanten Nutzung erfüllt. Eine Lösung des Problems bieten konstruktive Veränderungen der vorhandenen Gründung. Da alle damit verbundenen Arbeiten mit einem hohen Risiko für die beteiligten Arbeitskräfte und das betroffene Gebäude sowie ggf. der Nachbarbebauung verbunden sind, müssen geeignete Sicherungsmaßnahmen sorgfältig geplant und ausgeführt werden. Die Erfassung des Istzustandes bildet dabei die Grundlage für die Bewertung des Verhaltens des sanierten Gebäudes während
und nach der Ausführung der Gründungsarbeiten sowie ggf. des Auftretens von Schäden. Nicht zuletzt können damit etwaige Schadenersatzforderungen Dritter beurteilt werden. Die Arbeiten zur Veränderung an Gründungen gliedern sich i. d. R. in vier Arbeitsschritte [5.38]: – Aussteifung und Abstützung (Sicherung) des zu sanierenden Bauwerks – Freilegung und abschnittsweise Entlastung (Abfangung) der bestehenden Gründung, z. B. durch Querträger mit seitlichen Unterstützungen (Bild 5-43) – Durchführung der Gründungsmaßnahme (Verbreiterung, Vertiefung, Unterfangung mit Pfählen / Pfeilern, Baugrundverfestigung) – kraftschlüssige Übertragung der Bauwerkslast auf die veränderte Gründung. Bei der Verbreiterung der Fundamente werden die vorhandenen Sohlpressungen auf eine größere Fläche verteilt und ggf. vorhandene Überschreitungen an den Rändern abgebaut. Die kraftschlüssige Verbindung der hinzugefügten und zunächst spannungslosen Teile 321
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
Fundamentunterfangung einer Lehmsteinwand [5.56]
Bild 5-43 Sanierung im Gründungsbereich
mit dem Fundament wird durch eine geeignete Bewehrungsführung sichergestellt und tritt erst ein im Falle von Setzungen. Alte Fundamente bestehen häuÀg aus Bruchsteinen ohne Fugenmörtel. Sie sind meist Áach und nicht frostfrei gegründet. Die Reparatur bzw. Ergänzung der alten Bruchsteinfundamente erfolgt i. d. R. mittels Betonfundamenten, deren Sohle durch Vertiefung der Gründung bis in den frostfreien und tragfähigen Bereich geführt wird. Dazu ist eine abschnittsweise Unterfangung des bestehenden Fundamentes erforderlich. Steht oberÁächennah kein tragfähiger Baugrund zur Verfügung, können Unterfangungen mit Bohrpfählen in Erwägung gezogen werden. Eine andere Möglichkeit ist die Verfestigung des nicht ausreichend tragfähigen Baugrundes durch Injektionen mit Zementmilch. Außenabdichtungen gegen Feuchtigkeit Unterkellerte Altbauten wurden gegen hydrostatischen Wasserdruck häuÀg mit Tonabdichtungen versehen, wenn in der Nähe geeignete 322
Erdstoffe verfügbar waren [4.33]. Diese Abdichtungen wurden von außen ringförmig um das Fundament eingebaut. Die Quelleigenschaften des ständig feuchten Tones schützten Fundamente, Sockel und aufgehende Wände vor dem Grundwasser und aufsteigender Feuchtigkeit. Die Funktion dieser Abdichtung blieb so lange erhalten, wie der Ring um das Fundament entlang des gesamten Bauwerksgrundrisses geschlossen war. Im Zuge von späteren Umbauten wurden jedoch i. d. R. neue Versorgungsanschlüsse installiert, die unterirdisch in das Haus geführt wurden, dabei die Tonabdichtung durchstießen und diese damit unwirksam machten. Mangels fehlender oder defekter Horizontalabdichtung in den aufgehenden Wänden wurden diese nun feucht, nachdem sie über Jahrzehnte trocken waren [5.39]. Die Funktion dieser Tonabdichtungen war über die Jahrzehnte der Gebäudenutzung in Vergessenheit geraten. Heute sind bituminöse Außenabdichtungen in Verbindung mit Horizontalsperren sowie Ringdrainagen »Stand der Technik« bei Grundwasserabdichtungen.
5.3
Erhaltung von Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
5.3.3.2 Wandkonstruktionen Bei der Instandsetzung von Wandkonstruktionen aus Lehmbaustoffen bilden in Deutschland Fachwerkbauten den Schwerpunkt. In diesem Zusammenhang sind auch Konstruktionen aus Stampf- und Wellerlehm sowie aus Lehmsteinen von Bedeutung. Eine Gebäudekategorie, die sehr spezielle Strategien der Instandsetzung erfordert, sind archäologische Ruinenkomplexe aus Lehmbaustoffen (Kap. 1.1, 1.2 und 5.3.3.5). Fachwerkkonstruktionen mit Lehmbaustoffen Planungsgrundlagen Fachwerkkonstruktionen sind in der Bautradition unseres Landes über viele Jahrhunderte fest verwurzelt. Sie prägen auch heute noch das Bild vieler Städte und ländlicher Regionen und sind Teil unserer kulturellen Identität. Man schätzt ihre Zahl auf derzeit noch ca. 2 Mio. Gebäude [5.31]. Im Vergleich zu Konstruktionen in anderen Lehmbautechniken sind sie damit die weitaus größte Bauwerksgruppe. Der Fachwerkbau ist zugleich auch die älteste Verbundbauweise: Holz als Tragstruktur in Verbindung mit Lehm für die Raumumschließung (Kap. 1.1 und 4.2.3.2). Für Bauherren, Architekten und Planer, aber auch Baubehörden besteht deshalb die besondere VerpÁichtung, dieses kulturelle Erbe für nachfolgende Generationen zu erhalten. Für die Planung von Instandsetzungs- und Sanierungsarbeiten an Fachwerkbauten haben Fachverbände und Institutionen den aktuellen Stand der Technik in Bauvorschriften, Merkblättern und Ratgebern niedergelegt, z.B.: – Dachverband Lehm e.V. (DVL) [2.6], [3.7], [1.28] – Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und DenkmalpÁege e.V. (WTA) [5.40] – Informationsdienst Holz [5.10]
– Deutsches Zentrum für Handwerk u. DenkmalpÁege (ZHD) [5.41] – Interessengemeinschaft Bauernhaus e. V. (IGB) [4.22] – Ministerium für Bauen u. Wohnen des Landes Nordrhein-Westfalen [5.42]. Während die Lehmbau Regeln des DVL [2.6] eine bauaufsichtlich eingeführte Vorschrift darstellen (Kap. 4.1.1.3), handelt es sich bei den Technischen Merkblättern und Hinweisen der anderen Organisationen um Empfehlungen, die auch voneinander abweichen können. Bei der Planung von Instandsetzungs- und Sanierungsarbeiten an Fachwerkbauten sind zwei von der Funktion her verschiedene Konstruktionsteile zu unterscheiden, die für den Ablauf der Arbeiten maßgeblich sind: – das tragende Holzskelett und – die nicht tragenden Ausfachungen entspr. Kap. 4.2.3.2, die die raumumschließenden und bauphysikalischen Anforderungen erfüllen müssen. In der Reihenfolge der Arbeiten wird grundsätzlich mit dem Tragskelett begonnen. Erst wenn die Instandsetzung des Tragskeletts sowie davor ggf. der Gründung und der Dachkonstruktion abgeschlossen sind, können die nicht tragenden Ausfachungen repariert bzw. erneuert werden. Für die Ausfachung kamen neben Lehmbaustoffen auch andere, regional verfügbare Materialien zum Einsatz, z. B. Ziegel, Kalktuff- [5.43] und Feldlesesteine, die in Lehmmörtel verlegt wurden. Wärmeschutz WärmedurchgangskoefÀzient U Historische Fachwerkkonstruktionen mit Lehmausfachungen liegen mit ihrem Dämmvermögen weit unter den geforderten Mindestwerten. Für den WärmedurchgangskoefÀzienten U betragen die entsprechenden Werte: 323
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
– nach DIN 4108-2: U = 0,73 W / m2K nur für das Gefach, U = 0,85 W / m2K für das gesamte Bauteil als Mittel, – nach EnEV [5.37]: U = 0,45 W / m2K. Ein Schwerpunkt bei Instandsetzungs- und Sanierungsarbeiten von Fachwerkkonstruktionen mit Lehmausfachungen bildet deshalb ihre bauphysikalische Ertüchtigung (Kap.
5.3.2.2) in Form von zusätzlicher Wärmedämmung bei Wohngebäuden oder bei Gebäuden, die für Wohnzwecke umgebaut werden sollen. Eine traditionelle Ausfachung mit Lehmsteinen s = 12 cm mit je 2 cm Innen- und Außenputz erreicht bei folgenden Annahmen einen WärmedurchgangskoefÀzienten U = 2,315 W / m2K (Tab. 5-10):
Nr.
Wandbaustoff
Trockenrohdichte ѩ d [kg/m3]
Wärme leitzahl Ѥ [W/mK]*
Schichtdicke s [m]
s/Ѥ [m2K/W]
1
Lehminnenputz
1.500
0,65
0,02
0,031
2
Lehmsteine
1.400
0,60
0,12
0,200
1.500
0,65
0,02
0,031
3
Kalk-Außenputz
4
s ges
0,16
5
1/њ i+a
0,170
6
R = 1/ъ = ёs/Ѥ
0,432
7
U=1/R
Tab. 5-10
2,315 Bauphysikalische Ertüchtigung von historischem Fachwerk; Berechnungsbeispiel U-Wert
Durch eine Vorsatzschale aus LL-Steinen mit Ausgleichsschüttung aus HLL kann eine deutliche Verbesserung der Wärmedämmung im Vergleich zur Ausgangssituation erreicht werden (Tab. 5-11, Bild 5-44). In [5.10] wird bei einer inneren Dämmschicht ein Mindestwert für den Wärmedurchlasswiderstand R 0,8 m2K/W (U 1,0 m2K/W) empfohlen. Für die gesamte Wand soll im Durchschnitt ein Wert R 1,0 m2K/W (U 0,85 m2K/W) bei einer diffusionsäquivalenten Luftschichtdicke von 0,5 < sd < 2,0 m erreicht werden. Lage der Dämmschicht Bei der Planung von Maßnahmen der Wärmedämmung an Außenwänden von Fachwerkkonstruktionen ist die Frage von Bedeutung, 324
WärmedurchgangskoefÀ zient U [W/m2K]
*) Ѥ-Werte nach Lehmbau Regeln [2.6]
ob die Dämmunschicht innen oder außen angebracht werden soll. Unter bauphysikalischen Aspekten ist eine Außendämmung i. d. R. sinnvoller, denn die Dämpfung der Temperaturamplitude ist auf der AußenoberÁäche des Bauteils am effektivsten (Kap. 5.1.1.3). Außerdem lassen sich Wärmebrücken leichter vermeiden, da die Dämmschicht lückenlos um die Gebäudehülle geführt werden kann. Die außen liegende Dämmschicht wird vor WitterungseinÁüssen durch einen Verputz oder durch eine hinterlüftete Fassade aus wetterfestem Material geschützt. Bei Putzbeschichtungen muss ein diffusionsoffener, auf den Putzuntergrund aus Lehmbaustoffen abgestimmter Putz eingesetzt werden. Bei Sichtfachwerk stehen Außendämmungen jedoch häuÀg denkmalpÁegerische AuÁa-
5.3
a
Erhaltung von Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
b
Vorsatzschale aus LL-Mischung bei feuchtem Einbau a) temporäre Schalung [4.23], b) »verlorene« Schalung, Schilfrohrmatte [3.7]
Bild 5-44
Wärmedämmung von Fachwerkkonstruktionen
Nr.
Wandbaustoff
Trockenrohdichte ѩd [kg/m3]
Wärme leitzahl Ѥ [W/mK]*
Schichtdicke s [m]
s/Ѥ [m2K/W]
1
Lehm-Innenputz
1.500
0,65
0,020
0,031
2
LL-Steine 2DF
800
0,25
0,115
0,460
3
HLL-Schüttung
800
0,25
0,060
0,240
4
Lehmsteine
1.400
0,60
0,120
0,200
5
Kalk-Außenputz
1.500
0,65
0,020
0,031
6
s ges
7
1/њ i+a
0,170
8
R = 1/ъ = ёs/Ѥ
1,132
9
U
WärmedurchgangskoefÀ zient U [W/m2K]
0,335
0,883 *) Ѥ-Werte nach Lehmbau Regeln [2.6]
Tab. 5-11
Bauphysikalische Ertüchtigung von historischem Fachwerk mit Vorsatzschale, Berechnungsbeispiel U-Wert
325
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
gen entgegen, so dass nur eine Innendämmung in Frage kommt. In diesem Falle kühlt die Außenwand im Winter bis zur innen liegenden Dämmschicht aus. Es kommt zu einem Anstieg der kapillaren Feuchte in den Lehmbaustoffen und ggf. zur Unterschreitung der Taupunkttemperatur an den Schichtgrenzen Gefach - Innendämmung - Holz. In dieser Situation kann Tauwasserbildung zu Problemen am Holztragwerk führen (Kap. 5.1.2.3). An sonnigen, geschützten Standorten können sich bei entsprechender Sonneneinstrahlung AußenwandoberÁächen auch im Frühjahr oder Herbst erheblich aufheizen. In diesen Fällen sind bei ungedämmten Wänden ggf. Wärmegewinne im Innenraum möglich. Diesen Effekt würde jedoch eine Wärmedämmung (vor allem außen) verhindern. Bei einem nachweislichen Anstieg der durchschnittlichen Lufttemperaturen auch in Mitteleuropa in den nächsten Jahrzehnten könnte deshalb die Frage »Wärmedämmung« grundsätzlich in einem neuen Licht gesehen werden. Baustoffe In der traditionellen Fachwerkbauweise wurde der wasserempÀndliche Lehm in witterungsexponierten Außenwänden in besonderer Weise geschützt, z.B. durch Bekleidung mit lokal verfügbaren, witterungsunempÀndlichen Materialien wie Schiefer und Holzschindeln oder mit witterungsstabilen Putzen in Verbindung mit wasserabweisenden, dampfdurchlässigen Anstrichen, z.B. Kalk. Zur Verbesserung der Wärmedämmung ersetzte man in den vergangenen Jahrzehnten häuÀg noch intakte Lehmausfachungen in den Außenwänden durch Dämmstoffe oder Baustoffe mit besseren Dämmeigenschaften. Das Holztragwerk eines historischen Fachwerks »arbeitet«, d. h. es führt entsprechend den jeweiligen Klimabedingungen ständig geringe Bewegungen aus. Der Lehm in den Gefachen konnte sich diesen Verformungen gut anpas326
sen. Mauerwerk oder Fertigmörtel mit besseren Dämmeigenschaften waren dagegen oft zu starr und hinderten das Holztragwerk an dessen »natürlichen« Bewegungen. Baustoffe mit einer geschlossenen Porenstruktur trockneten nach Durchfeuchtung langsamer aus und führten vor allem an den Gefacherändern zu Schädigungen des Holztragwerks. Abdichtende Fugenmassen beschleunigten diesen Prozess. Viele auf diese Weise sanierte Fachwerkhäuser wurden nach wenigen Jahren erneut zu Sanierungsfällen. Heute werden auf BauteiloberÁächen vollÁächig Wärmedämmplatten aus Schilfrohr oder Holzfasern (z. B. Weichfaser, HWL) angebracht [2.6]. Als Innendämmung können sie mit ausreichend bindekräftigem Lehmmörtel versetzt werden. Außen werden übliche Befestigungsmittel verwendet und ein Kalkputz als Witterungsschutz aufgetragen. Darüber hinaus werden Leichtlehm-Baustoffe vollÁächig als Vorsatzschalen gegen bestehende Außenwände gesetzt, entweder als Mauerwerk mit Lehmmörtel oder als feucht eingebaute Mischung mit einem geeigneten Schalungssystem. Instandsetzung von Ausfachungen Durchfeuchtete Fundament- und Sockelbereiche von Fachwerkhäusern führen häuÀg zu schwerwiegenden Schäden an der Grundschwelle des Tragskeletts. Sie kann erst nach Beseitigung der Ursachen für die Durchfeuchtung erneuert werden (Kap. 5.2.1.1). Erst danach werden die Lehm-Ausfachungen instand gesetzt. Dabei unterscheidet man die Reparatur und den vollständigen Ersatz durch neue Lehmbaustoffe. Beide Formen sind heute i. d. R. verbunden mit Maßnahmen zusätzlicher Wärmedämmung in Form von Vorsatzschalen aus Leichtlehm oder angemörtelten Dämmplatten.
5.3
Erneuerung der Grundschwelle Die Grundschwelle liegt auf einem mindestens 40 cm hohen Sockel aus Mauerwerk oder Naturstein, der mit einer im Mauerwerk verlegten Horizontalsperre gegen aufsteigende Feuchte versehen ist. Die Grundschwelle wird auf dem Sockel in einem Mörtelbett aus Kalk- bzw. Kalk-Lehm-Mörtel verlegt und steht wenige Millimeter über den Rand des Sockels, damit ablaufendes Niederschlagswasser abtropfen kann. Die Markstrahlen der Grundschwelle sollen nach unten weisen. Zapfenlöcher für die Ständer müssen mit einer senkrechten Bohrung versehen sein, damit gestautes Niederschlagswasser ablaufen kann. Reparatur der Gefache Bei der Reparatur von Ausfachungen mit Strohlehm auf Stakung werden noch intakte Bereiche mit einer SL-Mischung ausgebessert, die in ihrer Zusammensetzung möglichst dem »Altlehm« entspricht. Es ist auch möglich, abgemagerten »Altlehm« als Recyclinglehm (Kap. 2.2.1.3) wiederzuverwenden. Lehmbaustoffe aus salzbelasteten Wandbereichen dürfen nicht verarbeitet werden. Zunächst werden alle losen, hohl klingenden Teile abgeschlagen bzw. abgefegt. Auch ältere, nicht materialgerechte Ausbesserungen, z. B. aus Ziegelsteinen oder Zementmörtel, werden entfernt. Die dabei freigelegten Hölzer des Tragskelettes sowie der Stakung werden auf ihre Funktionstüchtigkeit geprüft und ggf. ausgebessert bzw. ergänzt. Noch intakte, aber wackelnde Ausfachungen werden mit Keilen aus abgelagertem Holz und / oder Holzschrauben stabilisiert. Danach muss die Bindekraft der Tonminerale im noch vorhandenen Material als »Haftbrücke« zum neu aufzutragenden »Reparatur-Lehm« aktiviert werden. Dazu wird der »Altlehm« am Abend vor Beginn der Reparatur und nochmals unmittelbar vor Arbeitsbeginn gut angenässt, vor allem in den Ecken
Erhaltung von Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
und an den Rändern der Gefache. Hier wird auch mit dem Auftrag des Reparaturlehms mit der Kelle oder von Hand begonnen. Der feuchte Lehm wird dann mit dem Reibebrett fest angedrückt und vor dem Abtrocknen der OberÁäche aufgeraut, um einen guten Haftgrund für nachfolgende Auftragsschichten oder Putz zu erhalten. Die OberÁäche des zu reparierenden Gefaches soll immer ganzÁächig überarbeitet werden, wobei die Auftragsstärke je Schicht auf max. 3 cm zu beschränken ist. Die Reparatur von Sichtfachwerk wird auf bewitterten Außenwänden i. d. R. mit einem ein- oder zweilagigen Kalkputz von max. 1,5 cm Stärke bündig mit der Außenkante des Fachwerks abgeschlossen. Der Rücksprung von der Bundkante zur sanierten SLOberÁäche muss deshalb der Auftragsstärke des Kalkputzes entsprechen. Wichtig ist eine gleichbleibende Putzstärke über die gesamte OberÁäche des Gefachs. Ggf. muss zu den Gefachrändern hin geringfügig Material abgenommen werden. Bei wenig oder unbewitterten Außenwänden kann auch mit einem Lehmputz abgeschlossen werden. Zur Verbesserung der Witterungsstabilität wurden Außenputze i. d. R. mit einem Kalkanstrich versehen (Kap. 4.2.7.4). Bei der Reparatur von Ausfachungen mit Lehmsteinen wird analog verfahren. Lehmsteine und Lehm-Mauermörtel sollen dabei in ihrer Zusammensetzung möglichst den ursprünglich verwendeten Baustoffen entsprechen. Vollständiger Ersatz der Gefache HäuÀg sind Ausfachungen so weit geschädigt, dass Teile fehlen oder eine Reparatur nicht mehr möglich ist und ein vollständiger Ersatz durch neue Lehmbaustoffe notwendig wird. Auch wenn tragende Holzteile erneuert werden müssen, kann der Fall eintreten, dass Gefache neu auszufüllen sind. Darüber hinaus 327
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
können denkmalpÁegerische AuÁagen bei der Sanierung von Fachwerkgebäuden eine Ausfachung in der ursprünglich angewendeten historischen Bautechnik verlangen (Kap. 4.2.3.2). Als »neue« Lehmbaustoffe für die Ausfachungen kommen feuchte SL- bzw. SLL-Mischungen oder Lehm- bzw. LL-Steine oder -platten zur Anwendung. Der feuchte LL mit organischen oder mineralischen Leichtzuschlägen wird in temporäre oder »verlorene« Schalungen lagenweise eingefüllt und verdichtet (Kap. 4.2.3.2). Möglich sind auch Ausfachungen mit LL im Spritzverfahren [3.21]. Als Baustoffe werden pumpfähige Lehm- oder LL-Mörtel verwendet. Erforderlich sind eine als »verlorene« Schalung dienende haftfähige TrägerÁäche (z. B. Leichtbauplatten) und ein Trag- bzw. Füllskelett als seitliche Begrenzung und Führungsebene zum ebenÁächigen Abziehen. Der Baustoff wird in erforderlicher Konsistenz mehrlagig mit Putzmaschinen in Schichtdicken von max. 5 cm aufgetragen. Die einzelnen Schichten müssen vor dem nächsten Auftrag ausgetrocknet sein, was bei der Bauzeitplanung zu berücksichtigen ist. Nach Glättung der OberÁäche und Austrocknung können gespritzte Ausfachungen verputzt, gestrichen oder verkleidet werden. Neue Einblastechniken verwenden fast trockene Mischungen, die mit sehr hohem Druck auch einlagig bis zur Gefachstärke aufgetragen werden können, wobei die Schwindverformungen minimal sind [3.23]. Bei Ausfachungen mit Lehmsteinen und -platten aus SL und SLL werden die Ausmauerungen mit Lehmmörtel vollfugig im Verband hergestellt (Bild 4-27). Eine Absturzsicherung der Gefache kann durch mittig an den Ständern und Riegeln befestigte Dreiecks- oder Trapezleisten und / oder durch alle 25 cm in die Ständer eingeschlagene nichtrostende Nägel gewährleistet werden. Von einigen Anbietern werden SL- oder LL-Steine mit 328
umlaufenden Nuten versehen, in die zur besseren Aussteifung der Gefache in die Lagerfugen zusätzlich Leisten eingelegt werden können. Zur besseren Putzhaftung empÀehlt es sich, die Fugen im Mauerwerk im noch feuchten Zustand ca. 1 cm tief auszukratzen. Vorsatzschalen aus Leichtlehm Die Herstellung von Vorsatzschalen und der Ersatz nicht mehr zu reparierender Gefache können kombiniert und mit dem gleichen Lehmbaustoff ausgeführt werden. Für die Ausführung von Vorsatzschalen müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: – Intaktes Holztragwerk, das die Zusatzlasten aus der Vorsatzschale aufnehmen und in jedem Geschoss statisch ableiten kann. – Bestehende Gefache in den Außenwänden müssen überprüft und ggf. repariert sein, wasserdampfundurchlässige Anstriche auf den WandoberÁächen müssen entfernt werden. – Die vorhandenen bzw. durch Umnutzung veränderten Raumgrößen müssen eine entsprechende Verkleinerung zulassen. – Nach den Lehmbau Regeln [2.6] sind Raumhöhen für Vorsatzschalen als nicht tragende LL-Wände auf 4 m begrenzt. – Die Einwirkung von Spritzwasser und stehendem Wasser z. B. in Havariesituationen ist gem. Kap. 4.2.1 auszuschließen. Die Vorsatzschale wird von innen vor die bestehenden Außenwände »gesetzt«. Für den manuellen Einbau der feuchten LL-Masse und den festen Verbund der Vorsatzschale mit der bestehenden Außenwand ist ein Füllskelett erforderlich, das am bestehenden Tragskelett befestigt wird und als Schalungsebene dient (Kap. 4.2.3.2) (Bild 5-44). Innen liegende Vorsatzschalen aus LL können auch im Spritzverfahren hergestellt werden. Bei bestehenden Außenwänden darf die Stärke der Vorsatzschale aus feucht eingebautem LL 15 cm nicht überschreiten. Sind die be-
5.3
stehenden Außenwände aus diffusionsoffenen, kapillar gut leitfähigen Baustoffen konstruiert (Lehmbaustoffe, Ziegel), können Innenschalen aus LL bis max. 20 cm ausgeführt werden. Bei der Verarbeitung sind die in Kap. 3.3 gegebenen Hinweise für die Trocknung zu beachten. Bei der Herstellung der Vorsatzschale aus LL-Steinen können diese vollfugig gegen die Außenwand versetzt werden. Bis zu einer Schlankheit h /d = 15 ist ein separates Füllskelett nicht erforderlich. Die innere Vorsatzschale kann auch in zwei Schichten aufgelöst werden (Bild 5-45): Im vorgesehenen Abstand von der Außenwand wird eine Schicht aus LL-Steinen als »verlorene« Schalung aufgemauert und mit dieser verankert. Der entstandene Hohlraum wird mit einer feuchten LL-Mischung oder einem Dämmstoff ausgefüllt. Das Aufmauern der
Erhaltung von Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
LL-Steine und der Einbau der feuchten LLMasse bzw. des Dämmstoffes erfolgen schrittweise. Die Dicke der gemauerten Vorsatzschale mit vollÁächig hinterfülltem LL muss mindestens 11,5 cm betragen. Das Mauerwerk kann zum Innenraum als Sichtmauerwerk belassen oder mit einem (zweilagigen) Lehmputz beschichtet werden. Weller- und StampÁehmkonstruktionen Planungsgrundlagen Über den Umfang der in Deutschland noch existierenden Altbauten aus Weller- und StampÁehm gibt es ebenfalls nur sehr grobe Schätzungen. GÜNTZEL [1.21] gibt ihre Zahl mit ca. 2. 500 an. Nach Bestandsanalysen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen [3.34], [5.18], [5.16] kann man ihre Zahl mit mindestens dem Zehnfachen annehmen. Das ist nur etwa ein Hundertstel der
Vorsatzschale aus LL-Steinen mit Ausgleichsschüttung aus HLL [1.28], [3.7]
Bild 5-45
Wärmedämmung von Fachwerkkonstruktionen
329
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
Menge der Fachwerkbauten. Dementsprechend gering ist auch die Zahl aktueller normativer Dokumente, auf die man sich bei der Planung von Instandsetzungs- und Sanierungsarbeiten stützen könnte. Neben den Lehmbau Regeln [2.6] enthalten z. B. die Quellen [5.45], [5.46], [5.47] und [3.34] nützliche Informationen zu Sanierungsstrategien. Historische Weller- und StampÁehmbauten werden häuÀg miteinander verwechselt. Die Anordnung der technologisch bedingten Arbeitsfugen ist bei der Weller- und StampÁehmbauweise sehr ähnlich: waagerechte Lagerfugen, die durch die umlaufenden, ca. 0,8 – 1 m hohen Stampf- bzw. Wellerlehmsätze gebildet werden, sowie senkrechte (StampÁehm) bzw. leicht schräg stehende (Wellerlehm) »Stoßfugen« entsprechend der Länge der Stampflehmschalung bzw. der Länge des Wellerabschnittes. Diese Fugen sind vorgeprägte Schwächezonen und nicht selten Ausgangspunkt für die spätere Entwicklung von Schäden. Ein relativ sicherer Hinweis auf Stampflehmbauten sind in die StampÁehmlagen waagerecht eingearbeitete »Leisten« aus Ziegelbruch zur Verbesserung der Erosionsstabilität oder der Putzhaftung. Von Lehm umhüllte Strohfasern an Bruchstellen oder Rissen in den Wänden deuten dagegen auf Konstruktionen aus Wellerlehm hin. Für die Beschreibung von Sanierungsstrategien werden deshalb beide Verfahren an dieser Stelle zusammengefasst. Vor allem muss auf Unterschiede in den Festigkeitseigenschaften der Baustoffe geachtet werden. Wärmeschutz Wandkonstruktionen in Weller- und Stampflehmbautechnik weisen im Vergleich zu Fachwerkwänden einen erheblichen Unterschied bzgl. der Wandstärken auf: Sie liegen mit 50 bis > 60 cm deutlich über denen von Fachwerk mit max. 15 cm. Hinzu kommt, dass die bzgl. 330
des Wärme- und Feuchteschutzes schwer zu beherrschenden Fugen Holzskelett–Ausfachung mit Lehmbaustoffen entfallen. Ob bei Instandsetzungs- und Sanierungsarbeiten von Weller- und StampÁehmwänden deshalb auch zusätzliche Maßnahmen des Wärmeschutzes vorzusehen sind, muss im Einzelfall entschieden werden. Eine Vergrößerung der Außenwandstärken durch zusätzliche Dämmschichten könnte die Lichtverhältnisse in den Innenräumen beeinträchtigen. Da Fundamente, Sockel, aufgehende Wände und Mauerkronen von Weller- und Stampflehmkonstruktionen häuÀg durchfeuchtet sind, können durch Beseitigung der Schadensursachen diese Bereiche austrocknen und schon dadurch der Wärmeschutz verbessert werden. Instandsetzung von Weller- und StampÁehmwänden Gründungs- und Sockelbereich Im Falle von durchfeuchteten Gründungsund Sockelbereichen als häuÀgster Schadensursache beginnen die Sanierungsarbeiten mit der IdentiÀzierung der Feuchtequellen und deren Beseitigung. Diese Aufgabe ist außerordentlich komplex, da sich meist mehrere Ursachen überlagern (Kap. 5.2.1.1). Zunächst ist zu entscheiden, ob und mit welchen Maßnahmen der vertikal gerichtete Feuchtetransport im Wandquerschnitt unterbunden werden kann. Dazu stehen die aus dem Mauerwerksbau bekannten Verfahren der nachträglichen Horizontalabdichtung gegen aufsteigende Feuchte zur Auswahl ([5.15], [5.48], [5.47], [5.46]). Die Anwendbarkeit und der mögliche Nutzen jeder Maßnahme muss im Einzelfall sorgfältig geprüft werden. Bei Sanierungsarbeiten am Mauerfuß ist der Wandquerschnitt geschwächt. Diese Arbeiten bergen Risiken und müssen immer von geeigneten Sicherungsmaßnahmen für das beteiligte Personal und das zu sanierende Gebäude sowie ggf. die Nachbarbebauung begleitet wer-
5.3
den. Dabei geht es um entsprechende Abstützungen, die die Stabilität der geschädigten Wand während der gesamten Dauer der Sanierungsarbeiten gewährleisten müssen (Bild 5-43). Bei den mechanischen Verfahren der Horizontalabdichtung wird die Wand im Sockelbereich durch Sägen, Aufstemmen und / oder durch einen abschnittsweisen Austausch des geschädigten Wandbaustoffes geöffnet, um nun die kapillarbrechende Schicht (z.B. kunststoff- oder bitumenbeschichtete Folien) einzubauen. Die Längen der auszutauschenden Wandabschnitte sind abhängig von der konkreten Situation, sollen jedoch nicht größer als 1 m sein (Bild 5-49). Die mechanischen Verfahren erfordern einen hohen Aufwand an handwerklicher Arbeit und sind entsprechend teuer. Sie kommen in Betracht, wenn bereits eine deutliche Querschnittsreduzierung der Wand eingetreten ist. Anstelle der »Öffnung« des Wandquerschnittes können in der Fuge Sockel / Fundament – aufgehende Lehmwand auch Edelstahlbleche eingerammt werden. Dieses Verfahren ist kostengünstiger, birgt aber die Gefahr von Standsicherheitsproblemen und zusätzlichen Rissbildungen durch Erschütterungen in sich, die beim Eintreiben der Bleche verursacht werden können. Weiterhin können sich die Bleche beim Eintreiben verbeulen. Es ist auch zu prüfen, ob das Metall von den in der Lehmwand im konkreten Fall auftretenden Salzen angegriffen werden kann. Bei den chemischen Verfahren werden über im Sockelbereich in geeigneten Abständen angeordnete Bohrungen abdichtend wirkende Flüssigsubstanzen unter Druck oder drucklos in den Wandquerschnitt injiziert. Früher schützte man sich gegen aufsteigende Bodenfeuchte in aufgehenden Wände durch waagerechte »Isolierschichten« aus unterschiedlichen Werkstoffen, z. B. Blei- oder Schieferplatten, Klinkerschichten in Asphaltoder Zementmörtel, Asphalt-Sand-Gemische,
Erhaltung von Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
Birkenrinde, Schilf und Bambus. Horizontalabdichtungen aus bituminierter Dachpappe gehörten erst nach 1900 zum »Stand der Technik« [4.33]. Vor der Instandsetzung des entfestigten Mauerfußes ist zu prüfen, wie weit die Salzbzw. Schadstoffbelastung des Lehmbaustoffes bereits vorangeschritten ist. Dazu werden Feuchtigkeits- und SalzproÀle in den geschädigten Wandbereichen unter Anwendung chemischer Analyseverfahren ermittelt (Bild 5-12 [3.38]). Sind SchadstoffproÀle bestimmt worden, muss zusammen mit den entsprechenden Fachleuten (ggf. Statiker und Chemiker) festgelegt werden, wie weit der salzbelastete Bereich auszutauschen ist (Bild 5-13). Alternativ wird der geschädigte Wandabschnitt bis ca. 10 cm in den noch funktionstüchtigen, nicht sichtbar aufgelockerten »gesunden« Bereich abgetragen. Das salzbelastete Material ist für Lehmbauzwecke nicht mehr geeignet und muss entsorgt werden. Es wird durch Lehmbaustoffe ersetzt, die in ihren Eigenschaften dem ursprünglichen Baustoff ähnlich sind. Für die Reparatur kommen in Betracht aufbereitete Mischungen, die wie StampÁehm eingebaut werden, oder Lehmsteine, die wie Mauerwerk zu verarbeiten sind. Bei der Verarbeitung kommt es darauf an, zwischen der querschnittsgeschwächten Wand und dem Ersatzbaustoff aus Lehm einen kraftschlüssigen Verbund herzustellen. Dazu wird zunächst der obere Rand der Schwächungszone als etwa rechtwinkliger Keil in den »gesunden« Wandbereich ausgearbeitet (Bild 5-46 [5.47]). Danach wird vor den freigelegten, geschwächten Mauerfuß eine senkrecht stehende Schalung errichtet, und zwar im Abstand von etwa dem 2,5 – 3fachen der Querschnittsschwächung, mindestens jedoch 20 cm. Mit diesem »Vorsatz« kann die Verdichtungsarbeit effektiv und weitgehend ohne Behinderung in den Ersatzbaustoff eingetragen werden. 331
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
Reparatur Mauerfuß mit StampÁehm-Mischung [5.47]
»Vorsatz« aus StampÁehm
»Keil«
Ausarbeitung des salzbelasteten Materials bis auf den »gesunden« Bereich
Die aufbereitete StampÁehmmischung wird in etwa halbfester Konsistenz in Schüttlagen von max. 10 cm eingebaut und in 4 – 5 Übergängen manuell auf ca. 6 – 7 cm verdichtet. In eine Handprüfung umgesetzt bedeutet dies, dass sich der Lehm in der Hand gerade noch zu einem Klumpen formen lässt, dabei aber bereits zu bröckeln beginnt. Auf diese Weise können Setzungen des Ersatzbaustoffes nach Austrocknung auf ein Minimum reduziert werden. Besonders sorgfältig muss der »Keil« am oberen Rand der Schwächungszone verdichtet werden. Hier wird die Mischung von der Seite eingebaut. Der »Keil« erzeugt bei Belastung der Wand einen kraftschlüssigen Verbund mit dem Ersatzbaustoff, so dass zur Lastübertragung auf das Fundament wieder der volle Wandquerschnitt wirksam wird. Nach Abschluss der StampÁehmarbeiten wird der »Vorsatz« bis zur WandÁucht schichtweise senkrecht mit einem scharfen Spaten abgestochen. Die OberÁächen können geglättet und Übergänge zum Altmaterial angeglichen werden. Auf diese Weise sanierte Wandbereiche bleiben in der Bautechnik der vorhandenen Wand und lassen sich von dieser bzgl. der 332
Schalung mit Absteifung
Bild 5-46 Sanierung von StampÁehmund Wellerlehmwänden
OberÁächentextur kaum mehr unterscheiden. Ebenso ist eine Sanierung mit Lehmsteinen möglich, bei unverputzten Wänden aus Weller- und StampÁehm jedoch mit dem Nachteil, dass die instand gesetzten Bereiche auch als solche erkennbar bleiben und u.U. den ästhetischen Eindruck stören. Aufgehende Wand / Mauerkrone Vertikale, über den Wandquerschnitt durchgehende Risse sind typische Schadensbilder für Weller- und StampÁehmwände (Bilder 5-37 – 5-39), aber auch im Lehmsteinbau (Bild 5-19). Bei der Sanierung der Risse geht es um zwei Aspekte: den eigentlichen Verschluss der Risse mit zugfesten Elementen und füllenden Lehmbaustoffen sowie um die Ertüchtigung des Tragsystems. Als zugfeste Elemente zum Verschließen der Risse kamen und kommen in Betracht: Verankerungen, Bänder, Klammern und »Nadeln« aus traditionellen Baustoffen [5.50], [5.46], [5.47], [5.51]. Inzwischen werden aber auch moderne Verankerungs-, Vernadelungs- und Injektionstechniken aus dem Mauerwerksbau erfolgreich in der Sanierung von historischen Lehmbauten angewendet. Bild 5-47 [5.47] zeigt die Stabilisierung
5.3
eines senkrecht verlaufenden Risses in einer Hausecke aus StampÁehm mittels Bändern in Form von waagerecht um die Ecke geführten Winkeln aus Bandstahl. Diese werden mit versetzt angeordneten Bolzen an der AußenwandoberÁäche befestigt. Die Bolzen werden in vorgebohrte Öffnungen jeweils senkrecht zur Wandachse eingeführt und auf den InnenwandoberÁächen mit einem senkrecht angeordneten Bandstahl verankert. Klammern aus StampÁehm können in senkrecht bzw. waagerecht ausgearbeitete Schlitzen in die geschädigte Wandkonstruktion bündig mit der WandoberÁäche eingesetzt werden (Bild 5-48 [5.47]). Die waagerecht verlaufenden, etwa 1 m langen »Klammern« werden je nach Situation über die gerissene Wandhöhe im Abstand von ca. 1 m wechselweise auf der Innen- und Außenseite mit Stampflehm, Strohlehmsteinen als Mauerwerk (etwa vier Schichten, ggf. mit Geogitter bewehrt) oder mit Strohlehmwickel-Staken ausgebildet [5.50], [5.51]. Dabei soll der Riss etwa in der Mitte der »Klammer« überbrückt werden. An
Erhaltung von Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
beiden Enden nach innen hakenförmig abgewinkelte »Klammern« mit einer Bewehrung aus nicht rostendem Stahl oder Geogitter erhöhen die Verstärkung der gerissenen Bereiches. Bei senkrecht über die Mauerhöhe verlaufenden Rissen wird von der Wandaußenseite, die meist schwerer geschädigt ist, ein Schlitz senkrecht und schwalbenschwanzartig bis zur Mitte des Wandquerschnittes über die gesamte Risshöhe ausgearbeitet. Der Schlitz soll dabei den Riss über die gesamte Höhe etwa mittig überdecken. Die senkrecht stehenden Ränder des Schlitzes werden gut angenässt und lagenweise mit Wellerlehm in Schichten von ca. 10 cm verfüllt und verdichtet. Nach Abschluss der Setzungen wird das Verfahren auf der Wandinnenseite wiederholt. Bei der Sanierung von Mauerkronen ist analog zu den entsprechenden Arbeiten am Mauerfuß zu verfahren. Zuvor sind die Schadensursachen (meist Fehlstellen in der Dachhaut) zu beseitigen. In welcher Weise Ringbalken, Ringanker oder Stützelemente als verstärkende Trag-
Stabilisierung einer senkrecht gerissenen Mauerecke mit Stahlbändern [5.47]
Befestigung mit Bolzen an Deckenbalken / Deckenträger
abgewinkelte Bandstähle, mit versetzt angeordneten Bolzen an innen senkrecht anliegendem Bandstahl (oder Platte) befestigt
senkrechter Riss, nach Stabilisierung mit Lehmbaustoff / Kalk-Sand-»Milch« verfüllt
Bild 5-47
Sanierung von StampÁehm- und Wellerlehmwänden
333
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
nach »Verklammerung« Riss einschalen und mit KalkSand-»Milch« ausgießen Alle »Klammern« an den Enden abwinkeln
bewehrte »Klammern«
»Klammern« versetzt auf gegenüberliegenden Seiten der Wand anordnen »Klammern« zweilagig mit Bewehrung manuell einbauen
Ansicht von außen
innen
durchgehender Vertikalriss schwalbenschwanzförmige Ausarbeitung bis zur Wandmitte Reparatur-Lehmmasse R L h iin L Lagen zu 10 cm einbringen und verdichten OberÁäche und Ränder durch Bearbeitung angleichen
nach ausreichender Erhärtung Vorgang von der Innenseite wiederholen
Risssanierung mit »Klammern« aus kalkstabilisiertem StampÁehm und Kalk-Sand-»Milch« [5.47]
Bild 5-48
334
Sanierung von StampÁehm- und Wellerlehmwänden
Vertikalschnitt
5.3
glieder in das geschädigte Bauwerk eingefügt werden können oder müssen, ist abhängig vom konkreten Schadensbild, den vorgefundenen konstruktiven Bedingungen sowie der geplanten Umnutzung, die i. d. R. mit einer Änderung der Gebrauchslasten verbunden ist. Ringanker und -balken werden heute bei Sanierungsarbeiten meist in Stahlbetonbauweise ausgeführt. Entscheidend für das Zustandekommen der Tragwirkung ist eine ausreichend schub- bzw. zugfeste Verankerung der Tragglieder in der vorhandenen Konstruktion. OberÁächenerosion und Putzschäden Historische Stampf- und Wellerlehmbauten haben mit durchschnittlichen Wandstärken von 60 cm den »Lastfall« OberÁächenerosion bereits »eingerechnet«. Untersuchungen an Wellerlehmbauten in Thüringen zeigten, dass nach einer Lebensdauer von ca. 100 Jahren an den AußenwandoberÁächen nur wenige Zentimeter des Wandbaustoffes abgewittert waren. Erosionserscheinungen an WandoberÁächen »alltäglicher« Baukonstruktionen sind, soweit sie nicht in Verbindung mit den oben beschriebenen Schadensbildern zusammen auftreten, für diese i. d. R. unschädlich (Bild 5-21 [5.16]). Verputzt wurden früher meist nur die Wohngebäude, die deshalb heute als Weller- oder StampÁehmbauten schwer zu erkennen sind. Scheunen und andere landwirtschaftliche Nutzbauten blieben dagegen i. d. R. unverputzt oder wurden regelmäßig gekalkt. Die Frage, ob für historische Stampf- und Wellerlehmbauten Außenwandputze heute zum Gegenstand von Sanierungsstrategien werden sollten, wird deshalb unterschiedlich bewertet; die Entscheidung muss letztlich der Eigentümer treffen. Unverputzte historische Weller- und StampÁehmbauten geben der Landschaft einen unverwechselbaren Reiz. Neu verputzte Weller- und StampÁehmbauten dagegen wirken perfekt, steril, beliebig und aus-
Erhaltung von Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
tauschbar. Putzschäden an ursprünglich verputzten Weller- und StampÁehmbauten müssen fachgerecht saniert werden. Fehlstellen im Lehmputz werden angenässt und können mit Lehmmörtel repariert werden. Meist ist es sinnvoll, die Putze vollÁächig zu überarbeiten (Kap. 4.2.7). Konstruktionen aus Lehmsteinen Planungsgrundlagen Zahlenmäßige Angaben über bis heute erhaltene, tragende Konstruktionen in Lehmsteinbauweise in Deutschland sind nicht bekannt, ihr Umfang wird auf einige Zehntausend geschätzt. In deutschsprachigen normativen Dokumenten Ànden sich deshalb auch nur wenige spezielle Hinweise für die Planung von Instandsetzungs- und Sanierungsarbeiten an tragenden Lehmsteinwänden [2.6]. In ausländischen normativen Regelungen ist das Problem der seismischen Ertüchtigung von tragenden Lehmsteinwänden ein besonderes Thema (Kap. 4.1.1.4). Wärmeschutz Tragende Lehmsteinwände wurden wegen ihrer statischen Funktion mit Mindestwandstärken von 24 cm, in Außenwänden i. d. R. in Stärken von 36 cm ausgeführt. Das ist deutlich mehr als bei Fachwerkbauten mit Ausfachungen aus Lehmsteinen. Ob und in welchem Umfang im Rahmen von Sanierungsaufgaben deshalb auch zusätzliche Maßnahmen des Wärmeschutzes notwendig sind, muss im Einzelfall entschieden und ggf. rechnerisch nachgewiesen werden. Durchfeuchtete Fundamente, Sockel, aufgehende Wände bzw. Mauerkronen können nach Beseitigung der Schadensursachen austrocknen, wodurch der Wärmeschutz verbessert werden kann. Wie bei Fachwerkbauten mit Ausfachungen aus Lehmbaustoffen können Vorsatzschalen aus Leichtlehm (Kap. 5.3.3.2) eine mögliche 335
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
Maßnahme zur Verbesserung des Wärmeschutzes von tragenden Lehmstein-Außenwänden sein. Instandsetzung von Lehmsteinwänden Die Instandsetzung von Lehmsteinwänden konzentriert sich auf die gleichen Schwerpunkte wie bei Weller- und StampÁehmwänden. Auch die zur Anwendung kommenden Maßnahmen der Instandsetzung sind vergleichbar. Gründungs- und Sockelbereich Für die Herstellung einer horizontalen Abdichtung gegen aufsteigende Feuchte wird das geschädigte, aufgelockerte und salzbelastete Material entlang der Fugen in Form von Schlitzen bis ca. 10 cm in den »gesunden Bereich«, maximal bis zur Wandmitte, abgetragen, und die noch intakten Lehmsteinschichten werden durch Steifen abgestützt. Mit neuen Lehmsteinen, die in der Zusammensetzung des Lehms und den Formaten dem vorhandenen Mauerwerk entsprechen sollen, wird der entstandene Hohlraum schichtweise vollfugig ausgemauert, wobei durch entsprechende Verkürzung der Steifen immer eine Abstützung der noch intakten Lehmsteinschichten gewährleistet sein muss (Bild 5-49 [5.49]). Entscheidend für die Qualität der Sanierung ist das Erreichen eines kraftschlüssigen Verbundes zwischen dem Ersatzbaustoff und dem noch vorhandenen, ungeschädigten Wandabschnitt. Die Lagerfuge zum anschließenden aufgehenden, ungeschädigten Wandabschnitt muss besonders sorgfältig, ggf. unter Verwendung einer Fugenkelle, mit Mörtel verpresst werden. Lager- und Stoßfugen werden nicht stärker als 10 mm ausgebildet. Erstreckt sich der Sanierungsabschnitt im Sockelbereich über die gesamte Wandlänge, kann der Einsatz von kalk- oder zementstabilisierten Lehmsteinen und Kalk-Mauermörtel in Erwägung gezogen werden. Dabei sind 336
über dem Fundament im aufgehenden Mauerwerk nur volle Schichten mit stabilisierten Lehmsteinen zu ersetzen. In darüber hinausgehenden, nicht über die gesamte Wandlänge reichenden Bereichen sind Lehmsteine möglichst in der ursprünglichen Qualität zu verarbeiten. Die verwendeten Mauermörtel sollen ebenfalls den ursprünglich verwendeten entsprechen, damit keine starren »Scheiben« mit im Vergleich zum noch vorhandenen Bestand höheren Festigkeiten entstehen. Bei der Restaurierung von Baudenkmalen aus Lehmsteinen sollen die Baulehme der Ersatzbaustoffe der Herkunft und Zusammensetzung der ursprünglich verwendeten entsprechen. Das gilt auch für das Herstellungsverfahren der Lehmsteine. Aufgehende Wand / Mauerkrone Für die Sanierung von vertikalen, durchgehenden Rissen in tragenden Lehmsteinwänden gelten die Hinweise für Konstruktionen aus Weller- und StampÁehm entsprechend. An einem Fallbeispiel wird die Anwendung moderner, aus dem Mauerwerksbau bekannter Techniken der Risssanierung auf tragendes Lehmsteinmauerwerk dargestellt [5.52]: Am Gebäudestandort Kasbah Ait el Caid, Asslim / Agdz, Marokko wechselt der Baugrund von Fels im Norden nach Flusssedimenten des Draa-Tales im Süden. Im Südwestturm der Kasbah (Wohn-»Burg«) hatte sich nach einem Erdbeben ein an der Krone der Außenwand beginnender, durchgehender, senkrecht verlaufender Riss ausgebildet. Die Öffnungsweite des Risses an der Krone des Turms betrug etwa 15 cm, die Tiefe ca. 6 m. Ein neben den Nordostturm in die Ostwand asymmetrisch eingebundener Treppenturm hatte sich von der durchlaufenden Wandkonstruktion abgelöst. Der Hauptriss öffnete sich an der Mauerkrone ca. 15 cm weit und verlief, durch eine Fensteröffnung verlängert, etwa
5.3
Erhaltung von Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
Sockel und Mauerfuß
a
b
c
a) Reparatur Sockel / Mauerfuß mit Natur- bzw. Lehmsteinen b) Abtragen des verwitterten LehmsteinMauerwerks bis auf den tragfähigen Bereich, Abstützung des Hohlraums
Bild 5-49
d
c) schichtenweises, vollfugiges Ausmauern, Fugenmörtel ausreichend erhärten lassen d) Herstellen eines kraftschlüssigen Verbundes, Mörtel mit Fugenkelle einpressen
Sanierung von Lehmsteinwänden [5.49], [5.56]
10 m fast senkrecht über die Wand. Die gerissenen Wandabschnitte beulten bereits nach außen aus und drohten abzustürzen. Im Rahmen einer Risssanierung wurden zwei unterschiedliche Sanierungstechniken angewendet, wie sie heute im Mauerwerksbau üblich sind: Verankerung und »Vernadelung«. Die Verankerung wurde bei der Sanierung des gerissenen Südwestturmes angewendet (Bild 5-50). Dazu wurden jeweils in den Drittelpunkten der Ebene der Aussichtsplattform des
Turmes zwei parallel laufende, schlaffe Stahlseile (d = 12 mm) in ausgearbeitete Rinnen eingesetzt. Die Seilenden wurden durch Bohrungen in den Außenwänden geführt und in die Ösen der außen liegenden Ankerplatten »eingefädelt«. Über Spannschlösser erhielten die Zugseile eine leichte Vorspannung, wodurch der Riss stabilisiert wurde. Der Riss war zuvor gesäubert, außen mit Lehmsteinen ausgemauert und innen mit StampÁehm ausgefüllt worden. Abschließend wurden die Rin337
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
a
b
d
c
e
f
Risssanierung: Verankerung [5.52] a) vor der Sanierung: Riss von außen b) vor der Sanierung: Riss von innen c) Einfädeln der Spannseile in die Ösen der Ankerplatten
Bild 5-50
338
d) Verlegen des Spannseiles in der Decke e) Spannschloss f) nach der Sanierung: Riss mit Zement»Milch« geschlossen
Sanierung von Lehmsteinwänden
5.3
a
c
Erhaltung von Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
b
d
Risssanierung: Vernadelung [5.52]
e
Bild 5-51
Sanierung von Lehmsteinwänden
a) Errichtung eines Stahlbetonrahmens als Notsicherung vor der Risssanierung b) Ausmauerung des gesäuberten Risses mit Lehmsteinen c) Stahlnadeln und Plastikschlauch im Mullschlauch d) Stahlnadel in Bohrloch eingesetzt e) Nach der Risssanierung
339
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
nen in der Deckenebene mit StampÁehm geschlossen und der Riss beidseitig verputzt. Bei der Vernadelung wurden zur Fixierung des Risses ca. 80 cm lange Rundstähle (d = 40 mm) verwendet (Bild 5-51). An der Mauerkrone beginnend wurden über eine Länge von ca. 3,5 m vier »Nadelpaare« jeweils im Abstand von ca. 60 cm verteilt. Die »Nadeln« wurden zuvor mit einem Mullschlauch überzogen, in den ein mit einer Mörtelpumpe verbundener Plastikschlauch eingeführt war. Sie wurden nun in die vorbereiteten Bohrungen so eingesetzt, dass sie den Riss etwa mittig überdeckten, und anschließend mit Zementmilch verpresst. Vor dem Verpressvorgang war der Riss geöffnet, gesäubert und mit Lehmsteinen ausgemauert worden. Vor der »Vernadelung« war als Notsicherung zur Stabilisierung des stark ausbeulenden Wandabschnittes ein Stahlbetonrahmen errichtet worden. Durch die Vernadelung werden keine zusätzlichen Vorspannkräfte in die geschädigte
Wand eingetragen, sondern es wird lediglich der bestehende Zustand statisch Àxiert. Durch die »Nadeln« können weitere Zugspannungen aufgefangen und damit weitere Bewegungen unterbunden werden. Verankerung und »Vernadelung« wurden jeweils im März 2004 bzw. 2005 ausgeführt. Die instand gesetzten Bereiche erwiesen sich bei einer Besichtigung im März 2007 als stabil. OberÁächenerosion und Putzschäden Bei vollÁächigen OberÁächenerosionen von Lehmsteinmauerwerk bis zu 10 cm Tiefe wurde nach Abbürsten der lockeren Bestandteile ein Kalkputz aufgetragen, in den im noch feuchten Zustand dicht bei dicht Áache Bruchstücke von Ziegelsteinen eingedrückt wurden (Bild 5-52) [5.51]). Nach Erhärten wurde auf diese Schicht ein zweilagiger Kalkputz aufgetragen (Unterputz grobsandig, Oberputz feinsandig) und mit einem Kalkmilch-Anstrich versehen.
5.3.3.3 Flachdächer Wie bei den anderen Bauteilen muss einer Reparatur von Schäden an Flachdächern (Kap. 4.2.5) eine Analyse der Schadensursachen vorausgehen. Diese sind meist begründet in: – der Wirkung der Klimaelemente (Niederschläge, große Tagesamplituden der Lufttemperatur, Materialzerfall durch extreme Strahlungsbelastung) – der mechanischen Abnutzung infolge Beanspruchung durch die Nutzer – der Schädigung der Tragstruktur aus Holz als Folge verschiedener Einwirkungen (Durchfeuchtung, Erdbeben, Termiten etc.). Wird die ständige Unterhaltung der Flachdächer vernachlässigt, vor allem nach Regenfällen, zeigen sich sehr schnell schwerwiegende Schäden. Die Unterhaltung muss sich 340
vor allem auf folgende Maßnahmen konzentrieren [5.50], [5.53]: – Abdichtung und Risssanierung der begehbar genutzten DachÁächen, – Funktion der AbÁussrohre für das Niederschlagswasser, die die Attika durchdringen (Bild 4-47), – Stabilität der Abdeckungen der Mauerkronen (Attika), – Tragstruktur. Bild 5-53 zeigt die Wiederherstellung einer Tragstruktur eines Flachdaches aus geschälten Rundhölzern in Aït Benhaddou, Marokko. In den Dachaufbau wird eine Plastikfolie integriert. Bei nicht fachgerechter Ausführung wird dadurch das Dach jedoch bald wieder zum Sanierungsfall (Bild 5-54).
5.3
Erhaltung von Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
Reparatur OberÁächenerosion [5.51] Erosionstiefe < 10 cm
5
4
3
2
1 1 Lehmsteinmauerwerk, »gesunder« Bereich 2 Kalk-Unterputz mit eingedrücktem Ziegelbruch 3 Kalk-Unterputz, grobsandig 4 Kalk-Feinputz, feinsandig 5 Kalkmilch-Anstrich
Schnitt
Bild 5-52
Ansicht
Sanierung von Lehmsteinwänden
Sanierung der Tragstruktur
Bild 5-53
Traditionelle Flachdächer aus Lehmbaustoffen [5.53]
341
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
Reparatur der Abdichtung (Plastikfolie)
Bild 5-54
Traditionelle Flachdächer aus Lehmbaustoffen
5.3.3.4 Lehmputz Bei der Erhaltung und Sanierung von Lehmputz kann man entsprechend der ursprünglichen Funktion zwei Strategien unterscheiden: – Putz als ebene, dünn und Áächig aufgetragene Beschichtung zum Schutz von BauteiloberÁächen (Kap. 4.2.7), – Putz als Träger von künstlerisch gestalteten Dekorationen, Reliefs und Malereien im Bereich der BaudenkmalpÁege. Vorhandene alte, noch stabile Lehmputze können entspr. Kap. 4.2.7 partiell ausgebessert oder ganzÁächig überarbeitet werden. Ein sehr komplexes Aufgabengebiet für Restauratoren und Archäologen ist die Erhaltung und Sanierung von historischen Lehmoder Kalkputzen als Träger von Dekorationen und Wandmalereien. Durch verschiedene Einwirkungen sind die Putze brüchig geworden, haben sich vom Untergrund gelöst, beulen aus oder sind bereits abgefallen. 342
Mit Hilfe von Festigungsmitteln, die auf den Putz aufgetragen werden und in diesen eindringen, werden brüchige oder bereits pulverisierte Bereiche stabilisiert. Abgelöste Putzbereiche werden durch Injektionen aus geeigneten Chemikalien bzw. Leimen erneut am Untergrund »befestigt« (Bild 5-55 [5.54]). Die Putze sind darüber hinaus häuÀg verunreinigt, von Salzen durchdrungen und mit Schimmel befallen, so dass auch Maßnahmen zur chemischen Neutralisierung und Reinigung in die Planung einbezogen werden müssen. Fehlstellen müssen durch neuen Putz ersetzt werden. Die Ursachen für diese Schäden sind oft in Durchfeuchtungen der Fundamente und Sockel zu Ànden, die vor einer Sanierung abgestellt sein müssen.
5.3
Erhaltung von Konstruktionen aus Lehmbaustoffen
Festigung durch Injektion von Bindemitteln [5.54]
Historischer Kalkputz Hist. Lehmsteinmauerwerk
Injiziertes Festigungsmittel
Situation vor der Sanierung
nach der Sanierung
Bild 5-55 Sanierung von historischen Putzen auf LehmsteinUntergründen
5.3.3.5 Archäologische Ruinenkomplexe In archäologischen Ruinenkomplexen aus Lehmbaustoffen haben sich oft nur Reste von Wandkonstruktionen erhalten. Die ursprünglichen Gebäudefunktionen sind schon lange verloren gegangen. Ihr Alter reicht von den archäologisch belegten Ursprüngen vor mehr als 10.000 Jahren (Kap. 1.1) bis in die Neuzeit. Archäologische Ruinenkomplexe aus Lehmbaustoffen stellen für die Lehmbauer der Gegenwart das »Schlüsselloch« in die Vergangenheit dar. Sie offenbaren den technologischen »Fingerabdruck« üblicher Lehmbauweisen zum Zeitpunkt der Errichtung des Bauwerks vor Hunderten oder Tausenden von Jahren (Bild 1-19 [1.20], Aufträge aus Strohlehm, 1289). Bild 5-56 zeigt die Fingerabdrücke der rechten Hand, die ein Bauarbeiter in einem Lehmbatzen hinterlassen hat, als er diesen mit Schwung auf die Krone der entstehenden Mauer beförderte. Diese Mauer gehörte zur im Kern mehr als 2000 Jahre alten Zitadelle von Bam, Iran, und der Fingerabdruck kam auf tragische Weise wieder an
das Tageslicht: durch das verheerende Erdbeben am 26. Dezember 2003 (Bilder 5-31 und 5-35). Ablesbar geblieben ist die Technologie »tschineh«, eine lokale Variante unserer Wellerlehmbauweise, die noch heute im Iran, in Zentralasien und im Westen Chinas unter verschiedenen regionalen Bezeichnungen verbreitet ist (Bild 4-22). Bei der Erhaltung archäologischer Ruinenkomplexe aus Lehmbaustoffen geht es um die Konservierung und Sicherung der vorgefundenen Reste mit geeigneten Maßnahmen. Für die Planung dieser Maßnahmen gelten die in Kap. 5.3.2.2 genannten Stufen entsprechend. HäuÀg bilden lichtdurchlässige Dachkonstruktionen und Umzäunungen einen ersten Schutz vor den Witterungselementen wie auch vor unbefugtem Zutritt (Bild 1-2). Auch die Aufbringung von »Opferschichten« aus stabilisiertem Lehm auf Mauerkronen (Bild 1-13) sowie Vormauerungen zum Schutz des Sockelbereiches bilden konstruktive Maßnahmen, die den weiteren Verfall aufhalten, jedoch nicht von Dauer sind. 343
5
Konstruktionen aus Lehmbaustoffen im Gebrauchszustand
Neben den bereits beschriebenen Möglichkeiten der Instandsetzung werden auch Techniken der Festigung und Imprägnierung der Baukörper angewendet. Durch chemisch wirkende, organische natürliche oder künstliche Stoffe (Bild 3-8.2) wird die kapillare Wasseraufnahme im Lehmbaustoff reduziert. Das Festigungs- oder Imprägnierungsmittel muss gut eindringen, darf auf der OberÁäche keine klebrigen Überzüge hinterlassen und soll die Kapillaren nicht verschließen. Die Mittel müssen alkali- und witterungsbeständig sein. Festigungen und Imprägnierungen sind irreversibel.
Schließlich gibt es auch die Möglichkeit der kontrollierten Wiederverfüllung archäologischer Strukturen, denn besonders gestaltete OberÁächen erfahren nach der Ausgrabung und nachfolgender Bewitterung einen rapiden Verfall. Die genannten Maßnahmen zeigen zufriedenstellende Ergebnisse bestenfalls mittelfristig. Dauerhaft wirkende Konservierungsmethoden fehlen jedoch nach wie vor [1.8]. Umso dringender zu verwirklichen ist die enge, interdisziplinäre Zusammenarbeit aller mit dem Gegenstand »Lehm« befasster Fachleute (Bild 1-28).
Bild 5-56 Historischer technologischer »Fingerabdruck« der »tschineh«-Bauweise, Zitadelle Bam, Iran, nach Erdbeben 2003
344
6 Gebäudeabbruch, Recycling und Entsorgung von Lehmbaustoffen
Rohstoffgewinnung
Baustoffherstellung
Verabeitung und Einbau
Recycling
Gebrauchszustand
Entsorgung
Gebäudeabriss
Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz von 1996 (KrW-/AbfG) [6.1] beschreibt den grundsätzlich einzuhaltenden Weg für den Abriss von Gebäuden sowie für das Recycling und ggf. die Entsorgung von Abbruchbaustoffen. Dabei erhält die Abfallvermeidung generell den Vorrang. Die Einhaltung dieses Grundsatzes entscheidet mit darüber, ob kommenden Generationen noch unverbrauchte Lebensräume verfügbar sein werden. Die Qualität heute erstellter Baukonstruktionen muss sich deshalb neben der Erfüllung gestalterischer, statischkonstruktiver, stofÁich-technologischer und bauwirtschaftlicher Kriterien auch an der Durchsetzung der folgenden Forderung messen lassen: Gebäude müssen recyclinggerecht konstruiert werden.
6
Gebäudeabbruch, Recycling und Entsorgung von Lehmbaustoffen
6.1
Gebäudeabbruch
Am Ende des Gebrauchszustandes eines Bauwerkes steht der Gebäudeabbruch. Der entsprechende Zeitpunkt wird durch verschiedene Aspekte beeinÁusst: – Durch altersbedingten Verschleiß bzw. mangelnde Instandhaltung sind schwere Bauwerksschäden eingetreten, bei denen die Reparaturkosten den zu erwartenden Nutzen übersteigen,
6.1.1
Rechtliche Grundlagen
Auf der Grundlage der VOB, Teil C (Kap. 4.1.1.1) wurden durch den Deutschen Abbruchverband e.V. Technische Vorschriften für Abbrucharbeiten und -verfahren herausgegeben [6.2] und durch eine »Handlungshilfe« ergänzt [6.3], welche die Anforderungen der Verdingungsunterlagen bei Abbruchmaßnahmen präzisiert. Danach trägt der Bauherr die Verantwortung für die Planung und Überwachung der Abbrucharbeiten sowie für die Entsorgung der Abbruchmaterialien. Diese Verantwortung umfasst – die Aufstellung einer Leistungsbeschreibung (durch einen Fachplaner) unter Aufnahme der »Besonderen Leistungen (Schutz- und Sicherungsmaßnahmen, Sicherheits- und Gesundheitsschutz,Überwachung, Entsorgung)«, – die Einholung einer Abbruchgenehmigung (Information Bauaufsicht, Genehmigungen der Behörden Straßenverkehr, Gewerbe, Umwelt),
6.1.2
– die Vergabe der Abbruchleistungen (beschränkte Ausschreibung) und Übergabe der eingeholten Genehmigungen an das Abbruchunternehmen zur Einhaltung ergangener Forderungen. In der Leistungsbeschreibung sind die abzubrechenden Gebäude hinsichtlich der Massen (Material), der Ausdehnung (umbauter Raum) und der konstruktiven Merkmale (z. B. Wandstärken) zu erfassen. Diese Angaben bilden die Grundlage für die Preiskalkulation und die Sortentrennung. Von besonderer Bedeutung sind dabei Angaben zu ggf. vorhandenen nutzungs- (bzw. produktions-) speziÀschen und baustofÀmmanenten Schadstoffen. Im Hinblick auf den Sicherheits- und Gesundheitsschutz sind weiterhin Angaben zu Bauteilen mit Asbest und künstlichen Mineralfasern (KMF) zu machen und die Durchführung der Arbeiten bei den zuständigen Aufsichtsbehörden anzumelden.
Demontagestufen
Allgemein versteht man unter dem Begriff Abbruch die Beseitigung von Bauwerken oder Bauwerksteilen durch Demontage oder Zertrümmerung. Der Abbruch von Gebäuden 348
– schwerwiegende Schädigungen des Gebäudes durch Havarien oder außergewöhnliche Naturereignisse, – neue Nutzeranforderungen können durch die bestehende Gebäudestruktur nicht mehr erfüllt werden, – durch städte- oder raumplanerische Entscheidungen.
oder Bauteilen kann teilweise oder vollständig erfolgen. Im Sinne des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG) [6.1] hat ein kontrol-
6.1
lierter Rückbau mit der Möglichkeit der gezielten Gewinnung sortenreinen Abbruchmaterials Vorrang vor einem »unkontrollierten« Totalabbruch. Heute wird ein kontrollierter Rückbau von Gebäuden ermöglicht durch eine entsprechende technische Ausstattung und fachspeziÀsche QualiÀkation der AbbruchÀrmen, begleitet von einem generell erhöhten Umwelt- und Sicherheitsbewusstsein aller Beteiligten. Ein kontrollierter Rückbau von Gebäuden führt zu einer Abfolge entsprechender Demontagestufen: Stufe 1: zerstörungsfreier Ausbau direkt verwertbarer Bestandteile (technische Geräte, Türen, Fenster, Armaturen etc.), Stufe 2: Ausbau zugänglicher, verwertbarer Be-
6.1.3
Gebäudeabbruch
standteile (Wandverkleidungen, Fensterglas, Rohre, Beläge etc.), Stufe 3: Ausbau verwertbarer gebäudeverbundener Bestandteile (Stahlkonstruktionen, Kunststoffe, Rohrleitungen etc.), Stufe 4: Ausbau nicht verwertbarer Materialien (Dämmplatten, Füllschäume, Teerpappen, verklebte Dichtungsfolien etc.), Stufe 5: Rückbau der Gebäudesubstanz (Lehm, Holz und andere Baustoffe), Stufe 6: Beseitigung der Tiefbauten. Aus Zeitgründen wird häuÀg ein »unkontrollierter« Totalabbruch mit anschließender Sortierung der angefallenen Abbruchmassen vor Ort oder in einer Sortieranlage durchgeführt.
Abbruchverfahren
Für den Abbruch von Baukonstruktionen aus Lehmbaustoffen kommen mechanische Verfahren [6.4] zum Einsatz. Die Wahl des Abbruchverfahrens mit der Möglichkeit der gezielten Gewinnung sortenreinen Abbruchmaterials für ein anschließendes Recycling ist abhängig von den Platzverhältnissen am Abbruchort, der technischen Ausstattung und fachlichen QualiÀkation der AbbruchÀrma, den zeitlichen Vorgaben und nicht zuletzt von den Annahmebedingungen und Gebühren der Recyclinganlagen und ggf. Abfalldeponien. Gerade über das Instrument »Gebühren« können Firmen und Bauherren zu stär-
kerem Recycling und Vermeidung von Deponieabfall veranlasst werden. Abbrucharbeiten von Baukonstruktionen aus Lehmbaustoffen sind generell mit einer hohen Staubentwicklung verbunden, die für das Personal eine gesundheitliche Belastung darstellt. Zur Bindung des Staubs können die abzubrechenden Bauteile mit Wasser besprüht werden. Dabei muss jedoch die Wasserlöslichkeit der Lehmbaustoffe und ggf. die Gefahr der Vermischung mit anderen Abbruchbaustoffen beachtet werden.
6.1.3.1 Mechanisches Schlagen und Hämmern Mit Hilfe handgeführter Werkzeuge (Meißel, Hämmer, Brechstangen, Kreuzhacken) und Abbruchhämmer (pneumatisch, elektrisch, hydraulisch) werden Bauteile von einem sicheren Standplatz aus abgetragen.
Dieses Verfahren kommt vorwiegend bei Aufgaben kleinteiligeren Umfangs zum Einsatz, z.B. Abbruch, Rück- oder Umbau von ein- bis zweigeschossigen Wohngebäuden (Demontagestufen 1 – 4), bei Fachwerk- und Lehm349
6
Gebäudeabbruch, Recycling und Entsorgung von Lehmbaustoffen
steinbauweise auch für Demontagestufe 5. Das Verfahren kann auch vorbereitend für andere Abbrucharbeiten angewendet werden, z.B. Abschlagen von Lehmputz und anschließende Bergung. Der Abbruch der Tragstruktur erfolgt danach mit anderen Verfahren. Eine Anwendung des Verfahrens bei Konstruktionen aus Weller- bzw. StampÁehm ist wegen der großen Bauteildicke nicht oder nur sehr eingeschränkt zu empfehlen, sinnvoll ist es jedoch bei der Nachzerkleinerung. Die Vorteile dieses Verfahrens bestehen in der vergleichsweise geringen Gefährdung für angrenzende Bauwerke oder Verkehrswege. Möglich ist auch ein hoher Grad der
sortenreinen Trennung des Abbruchmaterials als Voraussetzung für ein späteres Recycling. Nachteile ergeben sich aus der hohen physischen Belastung und einem überdurchschnittlich hohen Gefährdungspotenzial für das Personal. Darüber hinaus ist die Abbruchleistung vergleichsweise gering. Zur Erleichterung der körperlichen Arbeit können auch Abbruchhämmer an Trägergeräten (z.B. Hydraulikbagger, kleine mobile Geräte) eingesetzt werden. Voraussetzung dafür sind ausreichender Arbeitsraum für das Trägergerät und eine entsprechende Tragfähigkeit des Untergrundes.
6.1.3.2 Mechanisches Abbrechen Beim Einschlagen werden Bauteile unter Zuhilfenahme von stählernen Fallbirnen zerstört. Die Fallbirnen hängen am Ausleger eines Trägergerätes, vorwiegend ein Seilbagger. Je nach Situation beträgt das Gewicht der Fallbirne zwischen 500 (Mauerwerk) bis zu 5.000 kg (Stahlbeton). Lärm- und Staubbelastung bedeuten eine hohe physische und psychische Belastung für den Geräteführer, der darüber hinaus auch über entsprechende Erfahrungen verfügen muss. Dieses Verfahren kommt bei Demontagestufe 5 zum Einsatz. Vorstellbar ist eine Anwendung bei Weller- und StampÁehmkonstruktionen, praktische Erfahrungen sind bislang jedoch nicht bekannt oder gar dokumentiert. Beim Eindrücken und Einziehen werden Bauteile mit Hilfe von hydraulischen Geräten (z. B. Flachbagger oder Lader) zum Einsturz gebracht. Voraussetzung ist, dass das Abbruchgerät den höchsten Punkt des Gebäudes erreichen kann. Dieses Verfahren eignet sich für den Abbruch von Konstruktionen aus Lehmsteinen und Fachwerk (Demontagestufe 5). 350
Beim Einreißen werden durch Seilzug mehr oder weniger große Bauwerksteile umgezogen. Für das Einreißen muss genügend Platz für einen ausreichenden Abstand des Zuggerätes vom Bauwerk vorhanden (etwa das Dreifache der Geschosshöhe) und der Untergrund genügend standfest sein. Die einzureißenden Bauteile müssen die Seilzugkraft sicher aufnehmen können. Geeignet ist dieses Verfahren für Lehmstein- und Fachwerkkonstruktionen (Demontagestufe 5). Beim Abgreifen werden Bauwerksteile mittels Greifervorrichtungen (Bagger mit Greiferausrüstung) mechanisch von oben her abgetragen. Auch bei diesem Verfahren sind ausreichende Platzverhältnisse Voraussetzung. Das Bauwerk muss darüber hinaus von mehreren Seiten zugänglich sein. Labile Bauteile müssen vorab entfernt werden. Geeignet ist dieses Verfahren für den Abbruch von Konstruktionen aus Lehmsteinen (Demontagestufe 5).
6.2
Wiederverwendung von Lehmbaustoffen
6.1.3.3 Mechanisches Sägen und Bohren Mit Hilfe von diamantbesetzten Sägeblättern oder Diamantseilsägen können in die vorhandene Bausubstanz relativ erschütterungsfrei saubere Schnitte eingebracht werden. Dieses Verfahren kommt vor allem bei Umnutzungen von Altbauten zur Anwendung, insbesondere wenn tragende Bauteile entfernt werden müssen. Es eignet sich auch für die Ausführung von Instandsetzungsarbeiten im Sockelbereich von Weller- und StampÁehmkonstruktionen (Kap. 5.3.3.2) oder zur Vorbereitung anderer Abbruchverfahren.
6.2
Vorstellbar ist ein Einsatz bei Weller- und StampÁehmbauten zur Vorbereitung der Demontagestufe 5. Dazu gibt es bisher jedoch kaum dokumentierte praktische Erfahrungen. Die Ausführung von Kernbohrungen oder Schlitzen ist ein weiteres Einsatzgebiet für die Herstellung von Öffnungen im Zuge des technischen Ausbaus bei Umnutzungen und Instandsetzungsarbeiten an historischen Wellerund StampÁehmkonstruktionen (Kap. 4.2.8).
Wiederverwendung von Lehmbaustoffen
Jahrhunderte lang waren für das Bauen wenige, in der Region verfügbare Baustoffe ausreichend, aus denen über Generationen voll funktionsfähige Konstruktionen hergestellt wurden. Dabei waren für unsere Vorfahren Zweit-, teilweise sogar Mehrfachverwendungen von Baustoffen selbstverständlich. Burgund Klosterruinen des Mittelalters wurden von der Bevölkerung der Umgebung in der Regel als willkommene Baustoffquellen genutzt. Das wohl bekannteste Beispiel für eine Zweitnutzung von Massenbaustoffen in der jüngsten Vergangenheit war die Arbeit der Trümmerfrauen nach dem Zweiten Weltkrieg in den zerstörten deutschen Großstädten. Auch im Lehmbau ist die Wiederverwendung von Lehmbaustoffen seit Jahrtausenden übliche Praxis. Archäologisch nachgewiesen sind Wiederverwendungen von Lehmbaustoffen als Auffüllmaterial oder für die Herstellung von Lehmsteinen bereits vor 8.000 Jahren in Çatal Höyük an den ältesten, bisher bekannten Hauskonstruktionen aus Lehm (Kap. 1.1). Afrasiab, die antike Vorgängerin der heutigen Stadt Samarkand, wuchs bis zu ihrer Zerstörung durch Dschingis Khan Mitte des
13. Jahrhunderts bis über 40 m in die Höhe (Bild 1-12). Dies wurde erreicht durch den Abriss nicht mehr benötigter, verfallener oder zerstörter Gebäude und Verwendung des Abbruchmaterials als Füllstoff oder zur Herstellung von Lehmsteinen. Dieses uralte Prinzip des Recyclings wurde auch in der 2003 durch ein Erdbeben fast vollständig zerstörten Stadt Bam im Iran beobachtet (Bild 5-35): Die Besitzer der zerstörten Häuser verwendeten den Bauschutt zur Herstellung von neuen Lehmsteinen, mit denen sie ihre Häuser reparierten oder wieder neu aufbauten. In krassem Gegensatz dazu steht unsere heutige »Wegwerfgesellschaft«: Das gesamte Rückstandsaufkommen in Deutschland liegt gegenwärtig bei ca. 400 Mio. t/a. Davon entfallen etwa ¾, also 300 Mio. t/a auf Baureststoffe, von denen ca. 60%, das sind etwa 180 Mio. t/a, auf Deponien abgelagert werden [6.5], [6.6]. Zu den Baureststoffen gehört auch Lehm, der in allen Bereichen des Tiefbaus als nicht kontaminierter, natürlich gewachsener »Erdaushub« anfällt. Deponieraum wird zukünftig immer knapper und damit teurer. Die Notwendigkeit, neue 351
6
Gebäudeabbruch, Recycling und Entsorgung von Lehmbaustoffen
Deponien erschließen zu müssen, wird von der Bevölkerung im Umkreis potenzieller Standorte immer weniger akzeptiert: berechtigte Angst vor zusätzlichen Belastungen und Belästigungen und, damit verbunden, sinkender Immobilienwert sind verständliche Gründe. Deshalb sind Maßnahmen zur generellen Verringerung des Rückstandsaufkommens dringend geboten. Durch eine Reduzierung der jährlichen Menge an Baureststoffen als weitaus größtem Anteil am Gesamtaufkommen an Rückständen könnte ein deutlicher Beitrag zur Verringerung des Bedarfs an Deponieraum geleistet werden, vor allem durch Erschließung alternativer Einsatzmöglichkeiten in der Reststoffgruppe »Erdaushub«. Hier bieten sich Chancen für den modernen Lehmbau: Durch eine werksmäßige Aufbereitung geeigneten »Erdaushubs« zu Lehmbaustoffen mit im Vergleich zu konventionellen Baumaterialien adäquaten Eigenschaften könnte vor allem eine Reduzierung des Bedarfs an Deponieraum erreicht werden. Dies
6.2.1
Planungsgrundlagen
Die beschriebene Situation hat ihren Niederschlag auch in gesetzlichen Vorschriften gefunden. Während das Abfallbeseitigungsgesetz von 1972 noch eine schadlose Beseitigung der Abfälle zum Ziel hatte, sah die Gesetzesnovelle von 1986 vor, Abfälle möglichst zu vermeiden bzw. diese wiederzuverwenden. Der Natur entnommene Rohstoffe sind nach Möglichkeit in einem Stoffkreislauf zu halten. Auf das Bauen bezogen bedeutet dies, dass schon während der Bauwerksplanung über die Recyclingfähigkeit oder Wiederverwendung der Baustoffe am »Lebensende« eines Gebäudes nachgedacht werden muss. Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) [6.1] fordert eine ressourcenschonende, abfallarme Kreislaufwirtschaft 352
wird bereits durch eine Reihe von Herstellern von Lehmbaustoffen in Deutschland erfolgreich praktiziert. Darüber hinaus ist eine Rückführung von unbelasteten Lehmbaustoffen in geogene und biogene Kreisläufe durch Auffüllungen im Straßen- und Landschaftsbau problemlos möglich. Nicht zuletzt führte die beschriebene Situation der überfüllten Deponien zu einem Prozess des Umdenkens in der jüngsten Vergangenheit: zum Baustoffrecycling. Beginnend mit Fenstern, Türen, Öfen, Dielen, Fachwerkgebälk über Mauer- und Dachziegeln bis hin zu Lehmsteinen und -putzen hat sich diese Entwicklung heute im Prinzip auf alle rückbaufähigen Baustoffe ausgedehnt und als »historisches Baustoffrecycling« in Deutschland eine eigenständige Branche hervorgebracht, die durch den Unternehmensverband Historische Baustoffe e.V. repräsentiert wird.
und die Sicherstellung der umweltverträglichen Beseitigung nicht zu vermeidender Abfälle. Dabei erhält die Vermeidung von Abfällen Vorrang gegenüber stofÁicher und energetischer Verwertung. Auf diese Weise wird das Verursacherprinzip durch Festschreibung der Produktverantwortung des Produzenten umgesetzt. Auf der Grundlage dieses Gesetzes fordert die VOB (Kap. 4.1.1.1) eine Gleichstellung von Recyclingprodukten mit Primärbaustoffen, sofern sie die Qualitätsanforderungen an den jeweiligen Einsatzfall erfüllen.
6.2
6.2.2
Wiederverwendung von Lehmbaustoffen
Recycling
Heute ist Recycling von Baustoffen ein Teilaspekt des Nachhaltigen Bauens. Im Stoffkreislauf eines Bauwerks bildet das Baustoffrecycling das letzte Glied (Kap. 1.4.2): Verbrauchte Stoffe und Produktionsabfälle werden als Rohstoff für neue Produkte wiederaufbereitet und dadurch in den Stoffkreislauf zurückgeführt. Während beim echten Recycling das Recyclingprodukt wieder an gleicher Stelle wie
das Primärprodukt eingesetzt und damit ein Stoffkreislauf geschlossen wird, erfolgt beim Downcycling eine Weiterverwendung auf niedrigerem Qualitätsniveau. Der Weg zum Abfall ist vorgezeichnet. Je nach Baustoff können die dazu erforderlichen Verfahren von einfachen Behandlungen bis zu energieaufwändigen Prozessen reichen.
6.2.2.1 Voraussetzungen für den Einsatz von Recycling-Lehmbaustoffen Allgemeine Voraussetzungen für den Einsatz von Recyclingbaustoffen sind: – technische Eignung, – Umweltverträglichkeit, – wirtschaftliche Einsatzmöglichkeit, – Nutzerakzeptanz. Bei Erfüllung dieser Voraussetzungen wird aus dem durch Gebäudeabbruch gewonnenen Altlehm ein wiederverwendbarer Baustoff, der Recyclinglehm (Kap. 2.2.1.3). Der Stoffkreislauf schließt sich (Bild 1-27). Technische Eignung Die technische Eignung von Recycling-Lehmbaustoffen ist vor allem abhängig von der Sortenreinheit bei der Gewinnung aus dem Gebäudeabbruch. HäuÀg sind Materialverbindungen von Lehm mit Gips, Kalk, Anstrichen etc. als Folge von baulichen Veränderungen, Sanierungs- oder Instandhaltungsmaßnahmen im Gebrauchszustand zu verzeichnen. Diese Materialverbindungen sind i. d. R. nicht auflösbar und müssen deponiert werden. Der Sortieraufwand bedeutet nicht zuletzt Einschränkungen in der Wirtschaftlichkeit der Verwendung von Recyclinglehm.
Zu Bauteilen verarbeitete Lehmbaustoffe besitzen auf Grund ihrer Tonmineralstruktur die Eigenschaft der ReplastiÀzierung, d. h. sie werden bei Zutritt von Wasser wieder plastisch (Kap. 2.2.3.2). Aus diesem Grund sind Lehmbaustoffe im bewitterten Außenbereich i. d. R. nur begrenzt oder »stabilisiert« einsetzbar. Aus baukonstruktiver Sicht ist diese Eigenschaft, verglichen mit anderen mineralischen Baustoffen (Ziegel, Beton), ein Nachteil. Aus dem Blickwinkel der Bauökologie bietet die ReplastiÀzierung jedoch eine nahezu unbegrenzte Möglichkeit des Recyclings, und zwar ohne zusätzlichen Energieaufwand. Lehmbaustoffe erfüllen damit eine der wichtigsten Forderungen des Nachhaltigen Bauens. Die Möglichkeit der ReplastiÀzierung von Lehmbaustoffen wird durch die Zugabe von Stabilisatoren in Form von Zuschlägen und Zusätzen bei der Herstellung eingeschränkt (Kap. 3.1.2.4). Bei Zugabe künstlicher Bindemittel Àndet diese Einschränkung ihren Ausdruck in einer Verringerung der Plastizität bei nasser Aufbereitung. Im Falle der am häuÀgsten verwendeten mineralischen Bindemittel Kalk und Zement können diese »stabilisier353
6
Gebäudeabbruch, Recycling und Entsorgung von Lehmbaustoffen
ten« Lehmbaustoffe einem Recycling auf niedrigerer Qualitätsstufe bedenkenlos zugeführt werden. Für Recyclinglehm sind technische Anforderungen im Sinne einer Gebrauchstauglichkeit mit quantiÀzierten Kriterien bisher nicht formuliert worden. Umweltverträglichkeit Im Gebrauchszustand können über verschiedene Einwirkungen Stoffe in die Lehmbauteile gelangen, die ebenfalls eine Wiederverwendbarkeit der Lehmbaustoffe einschränken, ausschließen oder sogar Probleme bei der umweltverträglichen Entsorgung bereiten können. Dazu gehören: – Salze (Kap. 5.2.2), – Schadstoffbelastungen aus der Luft (Kap. 5.2.2), – Pilz- und Hausschwammsporen (Kap. 5.2.3), – hygienische Bedenken, z.B. bei der Bindung von Gerüchen und Keimen in abgebrochenen Stallbauten (Kap. 5.2.3). Salze Bei den im Bodenwasser gelösten chemischen Verbindungen, die im Gebrauchszustand durch kapillaren Transport in Bauteile verfrachtet wurden und dort auskristallisiert sind, handelt es sich um leicht lösliche Salze (Sulfate, Chloride, Nitrate) mit Ionen der Alkali- und Erdalkaligruppe. Sie sind je nach Konzentration über eine entsprechende Zeitspanne im Boden abbaubar. Sie stellen i. d. R. keine direkte gesundheitliche Gefährdung dar und sind in diesem Sinne auch keine Schadstoffe. Inwieweit salzbelastete Lehmbaustoffe noch weiter verwendet werden können, ist abhängig vom speziellen Anwendungsfall. Quantitative Kriterien sind bisher nicht formuliert worden.
354
Schadstoffe Die Diskussion um Schadstoffgehalte in Baustoffen hat zu der Frage geführt, ob auch Lehmbaustoffe Schadstoffe mit gesundheitlichem Gefährdungspotenzial enthalten können. Jede Bewertung einer (chemischen) Substanz im Hinblick auf Gefährlichkeit oder Risiko für den Menschen umfasst zwei voneinander unabhängige Aspekte: die Exposition und die Toxizität. Ein Aspekt isoliert betrachtet erlaubt keine hinreichende Beurteilung der gesundheitsschädigenden Wirksamkeit einer Substanz. Stark vereinfacht ausgedrückt ist die »giftigste« Substanz bei einer Exposition »Null« völlig ungefährlich, eine »wenig giftige« bei sehr hoher Exposition dagegen mit einem entsprechenden Risiko behaftet. Oder frei nach Paracelsus: auf die Dosis kommt es an. Kenntnisse über die Dosis einer (chemischen) Substanz sind deshalb die Voraussetzung zur Beurteilung von möglicherweise tatsächlich eintretenden Wirkungen. Für diese wiederum ist eine durch Übereinkunft erfolgende Festlegung von Grenzwerten erforderlich, bei deren Überschreitung schädigende Wirkungen für den Menschen erwartet werden, also von wo an ein Inhaltsstoff zu einem Schadstoff wird. Diese Festlegung ist deshalb von großer Bedeutung, weil sich heute potenzielle »Schadstoffe« in Baustoffen mit Hilfe moderner Messverfahren selbst im Nanomaßstab nachweisen lassen. Während die Toxizität einer Substanz eine »stofÀnnewohnende« Eigenschaft ist, beruht die Exposition nur teilweise auf Stoffeigenschaften. Entscheidend für die Beurteilung eines Sachverhaltes sind aber auch das Ausmaß und die Art, in der die Substanz von der Umwelt, in Baukonstruktionen von der Raumluft, aufgenommen und verteilt werden kann. Denn der Mensch hält sich den überwiegenden Teil seines Lebens in geschlossenen Räumen auf. Hinzu kommen die Wirkungsdauer der Substanz und mögliche Kombinationen
6.2
mit anderen Stoffen, die im Zusammenwirken eine toxische Wirkung ggf. erhöhen. Die Baubiologie als Teilbereich der Bauökologie untersucht die gesundheitlichen EinÁüsse von Baustoffen und Gebäuden auf den Menschen. Unbelastete, nicht künstlich veränderte Ausgangsstoffe vorausgesetzt, gelten Lehmbaustoffe a priori als »baubiologisch empfehlenswert«, weil entsprechende Eigenschaften wie Ökobilanz, Hygroskopizität, Diffusion, Wärmespeicherung, Toxizität, Recycling im Vergleich zu anderen Baustoffen positiv bewertet werden. Eine Baustoffbewertung »baubiologisch empfehlenswert« ist heute ein wichtiges Entscheidungskriterium für Bauherren bei der Auswahl von Baustoffen. Nach Auskunft des Institutes für Baubiologie und Öko-
Wiederverwendung von Lehmbaustoffen
logie Neubeuern (2003) sind positive baubiologische Bewertungen in Frage stellende Grenzwerte für Schadstoffe in Lehmbaustoffen bisher nicht bekannt bzw. durch Übereinkunft festgelegt worden. Baubiologisch problematisch könnten jedoch Radioaktivität (Kap. 5.1.6.1) und Schimmelbefall (Kap. 4.2.7.3) sein. Erstmals wurden im Jahr 2004 von der Organisation natureplus für die Herstellung von Lehm-Putzmörteln Grenzwerte für Inhaltsstoffe mit potenziellem Schadstoffcharakter deÀniert [3.20]. Danach werden zulässige Grenzwerte für Schwermetalle und deren Verbindungen sowie für organische Schadstoffanteile formuliert und ein Kriterium für die Prüfung der Radioaktivität angegeben (Tab. 6-1):
Nr. Prüfparameter/Inhaltsstoffe Grenzwert
Prüfmethode
1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 1.9 1.10 1.11
Aufschluss Salpeter-/ Flusssäure EN ISO 11885 oder DIN 38406-E29 dgl. dgl. dgl. dgl. EN 1483 EN ISO 11885 oder DIN 38406-E29 dgl. dgl. dgl. dgl.
Metalle u. Metalloide As Arsen Cd Cadmium Co Kobalt Cr Chrom Cu Kupfer Hg Quecksilber Ni Nickel Pb Blei Sb Antimon Sn Zinn Zn Zink
2
Organische Schadstoffanteile 2.1 TVOC
[mg/kg] 5 1 20 20 35 0,5 20 15 5 5 150 [mg/kg]
100, Gehalt im trockeHeadspace GC/MS (120°C) nen Lehmputzmörtel 2.2 VOC eingestuft in: K1, K2; M1, nicht bestimmbar; Bestim- analog E DIN 55649 M2; R1, R2 bei MAK III.1 u. mungsgrenze 1mg/kg MAK III.2 2.3 AOX 1 Nach natureplus – Ausführungsbestimmung »AOX/EOX«
Tab. 6-1
Schadstoffgehalte in Lehmputzen, Grenzwerte nach natureplus
355
6
Gebäudeabbruch, Recycling und Entsorgung von Lehmbaustoffen
Darüber hinaus werden ein ph-Wert 8 (ISO 10390) sowie eine Prüfung auf möglichen Inhalt an Asbestfasern gefordert. Für die Bestimmung der natürlichen Radioaktivität werden folgende Angaben gemacht: Die Bestimmung erfolgt entspr. ÖNORM S 5200 als Summenwert der Teilaktivitäten der radioaktiven Nuklide K-40 und Cs-137 sowie der Th-Reihe, der UReihe und der Ac-Reihe mittels Gamma-Spektroskopie (Kap. 5.1.6.1). Als Bestimmungsgrenze wird der Wert 0,5 Bq/kg, als einzuhaltender Grenzwert 0,75 Bq/kg angegeben. In Tab. 6-1 bezeichnen Metalle und Metalloide: Schwermetalle und ihre Verbindungen. Sie sind im Boden nicht abbaubar und können sich über verschiedene Wege in der Nahrungskette anreichern und in entsprechender Konzentration toxisch wirken. Total Volatile Organic Compounds (TVOC) : Summe aller Áüchtigen organischen Verbindungen. Die Bezeichnung fasst chemisch ganz unterschiedliche organische Verbindungen mit Siedebereichen zwischen 50 und 100°C als unterer und 240 – 260°C als oberer Grenze zusammen. Typische VOC -Quellen in Wohn- und Büroräumen sind: – Reinigungs-, Putz- und PÁegemittel, – Farben, Lacke, Verdünner, – Kleber, Klebstoffe, – Duftstoffe, Duftöle, – Massivholzmöbel aus Kiefern- und Fichtenholz. Polycyclische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK): Sammelbezeichnung für eine Gruppe chemischer Substanzen, deren Molekülgerüst sich vom Benzol ableitet. Sie entweichen aus Teerprodukten, entstehen aber auch bei der unvollständigen Verbrennung von organischen Materialien (Steinkohleteeröl, Dieselabgase, Tabakrauch, Grillprodukte etc.). Ein großer Teil der Substanzen aus der PAK Gruppe ist stark kanzerogen. Adsorbable Organic Halogen Compounds (AOX) : Summenparameter für adsorbierbare 356
organische Halogenverbindungen bei der Bewertung der Qualität von Abwasser. »X« steht dabei für die Halogene Fluor, Chlor, Brom und Jod. Zu den Produkten dieser Gruppe gehören z.B. giftige PÁanzenschutzmittel. Phenolindex: Summenparameter für eine Gruppe chemischer Substanzen, deren Molekülgerüst sich vom Phenol (Hydroxylderivat der Kohlenwasserstoffe) ableitet. Typische phenolhaltige Produkte sind Desinfektionsund Konservierungsmittel, Zwischenprodukte von Farbstoffen, Kunstharzen, Kunststoffen, PÁanzenschutzmitteln, Weichmachern, Waschmitteln etc. Insbesondere Chlorphenole sind stark geruchs- und geschmacksintensiv und toxisch. Max. Arbeitsplatz-Konzentration (MAK) : höchstzulässige Konzentration eines Arbeitsstoffes als Gas, Dampf oder Schwebstoff in der Luft am Arbeitsplatz bei ständiger Exposition, welcher i. a. die Gesundheit der Beschäftigten nicht beeinträchtigt oder belästigt. MAK sind jedoch nicht anwendbar für die Beurteilung der Luftqualität in Innenräumen, wo Personen Chemikalien aus Baustoffen oder Materialien der Innenausstattung ausgesetzt sind. Für diesen Bereich gibt es in Deutschland keine in Einzelheiten festgeschriebene Vorgehensweise. Gebräuchliche Orientierungswerte für Luftschadstoffe können verschiedenen Verordnungen und Vorschriften zum Bundesimmissionsschutzgesetz entnommen werden (vgl. [6.8]). Alle in Tab. 6-1 aufgeführten organischen Schadstoffanteile können bei entsprechender Konzentration in der Raumluft mehr oder weniger starke gesundheitliche Beeinträchtigungen hervorrufen. Die genannten Schadstoffe sind im Boden nicht oder nur schwer abbaubar. In Bezug auf das Recycling von Lehmbaustoffen stellt sich die Frage nach möglichen Kontaminationswegen für Schadstoffe. Diese können je nach Einwirkungsarten während des Gebrauchszustandes sehr unterschiedlich
6.2
sein. So sind Lehmputze von Gebäuden, die über Jahrzehnte Abgasbelastungen aus intensivem Autoverkehr ausgesetzt waren, für ein Recycling ungeeignet. Detaillierte Festlegungen gibt es dazu bis jetzt jedoch nicht. Schadstoffe im Sinne der Tab. 6-1 können aber auch schon bei der Herstellung der Lehmbaustoffe als Zusatz in die Bauteile gelangt sein. So sehen verschiedene ausländische Lehmbaustandards die Möglichkeit des Einsatzes von Bitumen als Zusatzstoff zur Verbesserung der Witterungsstabilität vor (Kap. 4.1.1.4). Mögliche Schadstoffbelastungen der Raumluft im Gebrauchszustand oder die Frage eines möglichen Recyclings sind dabei jedoch kein Thema und bisher nicht geprüft worden. Gerade in Entwicklungsländern werden aus Kostengründen häuÀg lokal verfügbare Abfallstoffe anstelle von teurem Zement als alternative Bindemittel zur Stabilisierung von Lehmsteinen eingesetzt (Kap. 3.1.2.4). Nicht selten sind auch Industrieabfallstoffe mit Schwermetallanteilen darunter. Auch Zemente können gemahlene Industrieschlacken mit Schwermetallanteilen als Zumahlstoffe enthalten. Bei einem »unkontrollierten« Totalabbruch von Gebäuden (Kap. 6.1.2) kann es darüber hinaus zur Vermischung von Lehmbaureststoffen mit Asbestfasern kommen. Dieses Reststoffgemisch darf bei einer entsprechenden Konzentration nicht recycelt, sondern muss deponiert werden. Asbest ist ein natürlich gewachsenes Gestein, dessen Verwitterungsprodukte auch als faserhaltige Lehme in Erscheinung treten können und im traditionellen Bauen seit langer Zeit verwendet werden. In [6.9] wird über die gesundheitlichen Folgen der Verarbeitung asbesthaltiger Lehme und der Gebäudenutzung im traditionellen Bauen in der Türkei berichtet. Lösungsmöglichkeiten für eine Sanierung oder Entsorgung der kontaminierten Gebäude sind nicht in Sicht.
Wiederverwendung von Lehmbaustoffen
Mit den in Tab. 6-1 genannten Grenzwerten gibt es erstmals die Möglichkeit, die Frage nach zulässigen Schadstoffbelastungen in Recycling-Lehmbaustoffen durch standardisierte Prüfverfahren zu klären. Diese Grenzwerte beziehen sich auf Lehmputze. Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich diese Grenzwerte in der Baupraxis bewähren und ob eine Übertragung auf andere Lehmbaustoffe möglich ist. Pilzsporen Mit Hausschwammsporen versetzter Altlehm bedeutet auch nach dem Gebäudeabbruch eine Gefahr für Baukonstruktionen (Kap. 5.2.3). Er darf deshalb nicht für den erneuten Einsatz im Lehmbau recycelt werden. Schimmelpilzsporen im Altlehm stellen bei fachgerechter Verarbeitung keine Gefährdung für die Bewohner (Raumluft) oder die Baukonstruktionen dar. Schimmelpilze benötigen zum Überleben ein bestimmtes Feuchteniveau, das den im Gebrauchszustand trockenen Bauteilen fehlt. Gerüche Gerüche sind Áüchtige chemische Verbindungen in der Raumluft, die im Gebrauchszustand (auch) auf Bauteile einwirken und von diesen adsorbiert werden können. Offenporige BauteiloberÁächen aus Lehmbaustoffen haben eine hohe Adsorptionsfähigkeit. Lehmbaustoffe können diese Verbindungen in die Struktur der Tonmineralien integrieren und damit neutralisieren. Gerüche sind in diesem Zustand nicht wahrnehmbar. Die Aufnahmefähigkeit ist jedoch nicht unbegrenzt, z. B. bei landwirtschaftlichen Nutzbauten (Kap. 5.2.3, [5.20], [5.21]). Bei nasser Aufbereitung als Recyclinglehm werden die »Gerüche« jedoch wieder frei gesetzt (z. B. Zigarettenrauch). Sie verÁüchtigen sich aber nach kurzer Zeit, und eine frisch mit Recycling-Lehmputz beschichtete WandoberÁäche ist nach Trocknung geruchsneutral. 357
6
Gebäudeabbruch, Recycling und Entsorgung von Lehmbaustoffen
Die freigesetzten Gerüche bedeuten keine gesundheitliche Gefahr, Grenzwerte sind nicht bekannt. Sie können jedoch eine psychologische Barriere bei der Verwendung von Recyclinglehm darstellen. Recyclinglehm aus landwirtschaftlichen Nutzbauten soll aus hygienischen Gründen grundsätzlich nicht für Wohnbauten eingesetzt werden. Wirtschaftlichkeit Nach Auskunft des Unternehmensverbandes Historische Baustoffe e.V. (2006) gibt es derzeit keine Angaben zum Umfang der gewerblichen Nutzung von Recycling-Lehmbaustoffen. Eine Aussage zur Wirtschaftlichkeit von Recyclinglehm in betriebswirtschaftlichem Sinne ist deshalb auch nicht möglich. Der Einsatz von Recyclinglehm bei Instandsetzungs- und Sanierungsarbeiten im Rahmen von Eigenleistungen ist dagegen weit verbreitet. Hier werden oft nur Kleinmengen benötigt. Die »Wirtschaftlichkeit« bei Eigenleistungen kann jedoch nicht oder nur sehr begrenzt nach betriebswirtschaftlichen Kriterien bemessen werden. Für den »Eigenleister« hat Recyclinglehm den Vorteil, dass dieser i. d. R. über eine Zusammensetzung verfügt, die sich schon bei der Erstverwendung als geeignet erwiesen hat. Bei gleicher Verwendung bleiben damit Fehlversuche auf der Suche nach der »richtigen Mischung« auf ein Minimum begrenzt. Auch dies ist eine Form von Wirtschaftlichkeit für den Bauherrn. Nutzerakzeptanz Nach Angaben des Bundesverbandes der Deutschen Recycling-Baustoff-Industrie e.V. [6.10] wurden 1997 in Deutschland 52 Mio. t Recycling-Baustoffe produziert, das sind nur 7,4% der Gesamtproduktion an Gesteinsbaustoffen. Davon werden etwa 80% im Erd- und Straßenbau eingesetzt, der Rest für Fräsasphalt, Betonzuschlag und Sonstige. Der Bereich »Son358
stige« enthält offenbar auch den »Hochbau«, in den Recycling-Lehmbaustoffe eingeordnet werden können. Ein verstärkter Einsatz gerade in diesem Sektor wird gefordert. Im Ausblick wird die Erhöhung des Einsatzes von Recycling-Baustoffen auf 90 Mio. t bis zum Jahr 2012 für möglich gehalten. Entsprechende Angaben zu Recycling-Lehmbaustoffen konnten nicht ermittelt werden. Diese Zahlen zeigen, dass trotz vorhandener gesetzlicher Rahmenbedingungen und aller Diskussionen um die Notwendigkeit und den Sinn des Baustoffrecyclings die Akzeptanz dieser Baustoffe im Hochbau, Recyclinglehm eingeschlossen, derzeit offenbar noch sehr gering ist. Vermutet wird eine generelle Skepsis seitens der Bauherren und Verarbeiter gegenüber den tatsächlich vorhandenen Eigenschaften der Recycling-Baustoffe im Vergleich zu »neuen, modernen« Baustoffen. Eine Ausnahme macht hier der Bereich BaudenkmalpÁege. Mangelnde Verfügbarkeit in einer entsprechenden Sortenvielfalt, gegensätzliche Preisvorstellungen, aber auch Unsicherheiten bei möglichen Gewährleistungsansprüchen sowie psychologische Barrieren können weitere Gründe für die bisherige Zurückhaltung beim Einsatz von Recyclingbaustoffen, darunter Recyclinglehm, im Hochbau sein. Nicht zuletzt wird eine mangelnde Akzeptanz gegenüber Recyclingbaustoffen, einschließlich Recyclinglehm, vor allem in einem DeÀzit an objektiver Information bei allen am Bau Beteiligten gesehen.
6.2
Wiederverwendung von Lehmbaustoffen
6.2.2.2 Einsatzmöglichkeiten des Recyclinglehms Stoffkreislauf gehalten werden. Dazu werden folgende Möglichkeiten gesehen (Tab. 6-2) ( ):
Recyclinglehme (Kap. 2.2.1.3) können unter den oben genannten Voraussetzungen sowohl als echtes Recyclingprodukt als auch über das Downcycling nach dem Gebäudeabbruch im Nr.
Lehmbaustoff
1 2 3 4 5 6 7 8
StampÁ ehm Wellerlehm Strohlehm Leichtlehm Lehmschüttungen Lehmsteine / Grünlinge Lehmplatten Lehm-Mörtel
Tab. 6-2
•
Echtes R., Wieder- Echtes R., Aufberei- Downtung + Formgebg. cycling verwendung
••
•• • • •
•• •• •• •
Bemerkung
gekollerter Baulehm Zuschlag, gekollert Zuschlag, gekollert Zuschlag, ggf. gekollert Beschichtungen beachten Beschichtungen beachten, Zuschlag oder gekollert
Einsatzmöglichkeiten von Recyclinglehm
Echtes Recycling Die Wiederverwendung von Lehmsteinen für die Errichtung von Lehmsteinmauerwerk, also für den gleichen Zweck, bedeutet die höchste Form des Recyclings und ist am erstrebenswertesten. Denn die in den Lehmbaustoff eingetragene vergegenständlichte Arbeit (Entropie) bleibt als »geformter Baustoff« erhalten (Bild 6-1 [6.11]). Die Aufbereitung von Alt-Lehmputzmörtel, ggf. unter Zusatz von Sand oder als Zuschlag zu einer »neuen« Lehmputzmischung nach den in Kap. 3.1.2 beschriebenen Verfahren ist vor allem im Bereich des Um- und Ausbaus von Altbauten in Eigenleistung übliche Praxis (Bild 6-2 [6.11]). Downcycling Der Wertinhalt eines Lehmbaustoffes besteht darin, dass er bereits als optimale Mischung aus Baulehm und Zuschlagstoffen vorliegt. Der Begriff »downcycling« lässt sich auf Lehmbaustoffe deshalb nur begrenzt anwenden.
Vorstellbar ist jedoch eine mechanische Aufbereitung nicht mehr verwendbarer oder zerbrochener Lehmsteine, aber auch abgebrochener, fein gekollerter Weller- oder Stampflehmbauteile zu Baulehmen oder Lehmschüttungen im Hochbau. Ebenso möglich ist eine Verwendung von Recyclinglehm (auch salzbelastet) als Füllstoff im Tiefbau. Dies ist auch vorstellbar bei mit Hausschwammsporen belastetem oder aus landwirtschaftlichen Nutzbauten stammendem Altlehm. Einsatzkriterien sind dazu bislang nicht formuliert worden, jedoch sind die Grenzwerte für umweltbeeinträchtigende Inhaltsstoffe der LAGA -Richtlinie zu beachten (Kap. 6.3.2). »Abfälle«, die im Sinne des Kreislauf- und Abfallgesetzes als Rückstände weder stofÁich noch energetisch verwertet werden können und deshalb zu deponieren sind, entstehen beim Recycling von Lehmbaustoffen nicht, mit Ausnahme nicht auÁösbarer Materialverbünde bzw. mit schadstoffhaltigen Bau359
6
Gebäudeabbruch, Recycling und Entsorgung von Lehmbaustoffen
Bild 6-1 »Echtes Recycling«: Ergänzen der vorhandenen Lehmsteinschale mit geborgenen, alten Lehmsteinen [6.11]
Bild 6-2 Wiederverwendung von Altlehm: Einsumpfen und Zugabe von Sand [6.11]
stoffen. »Reste«, z. B. Lehmsteinbruch, können nass aufbereitet und ggf. einer erneuten
6.3
Entsorgung von Lehmbaustoffen
Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz von 1996 (KrW-/AbfG) [6.1] fordert den Vorrang von Abfallvermeidung gegenüber dem Recycling. Selbst bei Intensivierung aller Maßnahmen, die eine Wiederverwertung zum Ziel 360
Formgebung zugeführt werden (Kap. 3.1.2 u. 3.2).
haben, ist eine Rückführung von Baureststoffen in den Stoffkreislauf nicht immer möglich. Eine Deponierung als »Bauabfall« ist dann nicht zu vermeiden.
6.3
6.3.1
Entsorgung von Lehmbaustoffen
Bauabfall
Der Begriff »Bauabfall« wird von der Landesarbeitsgemeinschaft »Abfall« (LAGA) in vier Stoffgruppen unterteilt [6.12]: Bodenaushub, Straßenaufbruch, Bauschutt und Baustellenabfälle. Für diese Stoffgruppen werden in Tab. 6-3 Herkunft und Bestandteile beschrieben sowie das Gesamtaufkommen für das
Jahr 2000 [1.29] dargestellt. Die jeweiligen Gesamtmengen werden weiterhin unterteilt in die Teilmengen Verfüllung / direkte Verwertung, Recycling und Rest (Abfall). Die Eigenschaft »Abfall« wird erfüllt, wenn die nicht mehr benötigten (schadstoffbelasteten) Baureststoffe aus dem Stoffkreislauf aus-
Nr. Stoffgruppe LAGA
Herkunft
Bestandteile
Gesamtaufkommen [Mio. t]
Verfüllung, direkte Verwertung
Recycling
Rest (Abfall)
1
Bodenaushub
feste, mineralische Abfälle aus der Errichtung von Gebäuden, Tief- und Straßenbaumaßnahmen
nicht kontaminiertes, natürlich gewachsenes oder bereits verwendetes Bodenoder Felsmaterial (Mutterboden, Kies, Sand, Lehm, Ton, Steine und Fels)
163,6
126,5
11,2
25,9 (15,8%)
2
Straßenaufbruch
feste, mineralische Abfälle aus dem Abbruch, Umbau und Ausbau von Verkehrswegen und VerkehrsÁächen
hydraulisch gebundene Baustoffe, PÁaster- und Randsteine, Gehwegplatten, Sand, Kies, Schotter, Splitt usw.
54,5
40,6
8,6
5,3 (9,7%)
3
Bauschutt
feste, mineralische Abfälle überwiegend aus dem Abbruch von Gebäuden aller Art, ebenso bei Sanierungen und Umbauten
Beton und/oder Mauerwerk aus Ziegel, Lehm, Kalksandstein, Naturstein, Betonu. Leichtbetonstein, Porenbeton, Mörtel, Putz, Fliesen, Steinwolle usw.
22,3
2,0
19,1
1,2 (5,4%)
4
Baustellen- gemischte mineabfälle ralische und organische Abfälle aus Neubau, Umbau und Abbruch von Hochbauten
Beton, Mauerwerk, Mörtel, (Lehm)-Putz, Holz, Kunststoffe, Glas, Keramik, Metalle, Pappe, Papier usw., aber auch Metalle, Kabel, Farben, Lacke, Kleber, Dichtungsmassen
11,8
-
1,7
10,1 (85,6%)
Tab. 6-3
Bauabfall: Stoffgruppen nach LAGA-Richtlinie und Aufkommen im Jahr 2000 [1.29]
361
6
Gebäudeabbruch, Recycling und Entsorgung von Lehmbaustoffen
gesondert und umweltverträglich auf Deponien eingelagert werden. Die einer direkten Verwertung, Verfüllung oder einem Recycling zugeführten Baureststoffe erhalten durch eine entsprechende Aufbereitung und Qualitätskontrolle erneut deÀnierte Eigenschaften als Bauprodukt und sind
6.3.2
Schadstoffbelastung
Für die Bewertung der Schadstoffbelastung von Bauabfällen können die technischen Regeln über die »Anforderungen an die stofÁiche Verwertung von mineralischen Reststoffen / Abfällen« (LAGA -Liste) [6.13] herangezogen werden. Die Richtlinie legt Grenzen für umweltbeeinträchtigende Inhaltsstoffe der mineralischen Reststoffe, darunter auch Böden, fest. Dabei werden Einbauklassen für die Verwendung von Böden im Erd-, Straßen-, Landschafts- und Deponiebau sowie für die Verfüllung von Baugruben und Rekultivierungsmaßnahmen unterschieden (Tab. 6-4). Für diese Einbauklassen werden Zuordnungswerte Z für Obergrenzen von Schadstoffgehalten festgelegt, und zwar für den Gesamtgehalt der Inhaltsstoffe (Tab. 6-5) und den vorhandenen mobilen Anteil der Schadstoffe (Eluatanalyse) (Tab. 6-6) in der Originalsubstanz. Neben den durch die LAGA herausgegebenen nationalen Richtlinien zur Behandlung von Reststoffen und Abfällen muss zusätzlich die »Entscheidung des EU-Rates von 19. 12. 2002 zur Festlegung von Kriterien und Verfahren für die Annahme von Abfällen auf Abfalldeponien gem. Art. 16 und Anhang II der Richtlinie 1999/31/EG« beachtet werden [6.14]. Diese Entscheidung ist am 16. 07. 2004 in Kraft getreten, mit der Möglichkeit für die Mitgliedsstaaten, diese binnen eines Jahres in nationales Recht zu überführen.
362
somit Primärbaustoffen gleichgestellt. Der Kreislauf ist geschlossen. Mit Ausnahme der Stoffgruppe »Straßenaufbruch« fällt Lehm als Baureststoff in allen übrigen Kategorien in unterschiedlicher Qualität an. Quantitative Angaben liegen jedoch nicht vor.
Die deutsche Strategie besteht darin, dass Abfälle, deren Lagerung unumgänglich ist, in eine ablagerungsfähige, nicht mehr reaktionsfähige Form gebracht werden müssen, die i. d. R. nur durch eine thermische Vorbehandlung erreicht werden kann.
6.3
Entsorgung von Lehmbaustoffen
Nr.
Zuordnungswert Z
Beschreibung
1
Z0
Die Gehalte der Inhaltsstoffe bis zum Zuordnungswert Z 0 kennzeichnen natürliche Böden. Bei der Unterschreitung der Zuordnungswerte Z 0 ist ein uneingeschränkter Einbau möglich. Eine Auskofferung des Bodens bei Unterschreitung dieser Werte ist nicht erforderlich. Der Boden ist für sensible Nutzung wie Kinderspiel- und Bolzplätze, Schulhöfe, Haus- und Kleingärten geeignet.
2
Z1
Die Zuordnungswerte Z 1 stellen die Obergrenze für den offenen Einbau unter Berücksichtigung bestimmter Nutzungseinschränkungen dar. Maßgebend für die Festlegung der Werte sind entsprechende Vorschriften zur Erhaltung der Grundwasserqualität. Bei Überschreitung der Zuordnungswerte ist ein offener Einbau auf unempÀndlichen Flächen, wie Industrie-, Gewerbe- und LagerÁächen, möglich. Ausgenommen sind die o.a. sensiblen Flächen und Nutzungen.
3
Z 1.1
Bei Einhaltung dieser Werte sind selbst unter ungünstigen hydrologischen Voraussetzungen keine nachteiligen Veränderungen der Qualität des Trinkwassers zu erwarten
4
Z 1.2
Bei Überschreitung dieser Werte bis zur Obergrenze Z 1.2 ist für den offenen Einbau ein Erosionsschutz, z.B. eine geschlossene Vegetationsdecke, erforderlich.
5
Z2
Die Zuordnungswerte Z 2 stellen die Obergrenze für den Einbau von Böden mit deÀnierten technischen Sicherungsmaßnahmen dar. Ein Einbau von Böden dieser Klasse ist nur möglich als Tragschicht unter wasserundurchlässigen Deckschichten oder in Deponien als Ausgleichsschicht zwischen Abfallkörper und OberÁächenabdichtung. Ein Transport von schädlichen Inhaltsstoffen in das Grundwasser ist auszuschließen. Ebenso dürfen diese Böden nicht auf Flächen mit sensibler Nutzung eingebaut werden.
Tab. 6-4
Einbauklassen für Böden und mineralische Reststoffe nach umweltbeeinträchtigenden Inhaltsstoffen (Zuordnungswerte)
Parameter [mg/kg TS]
Z0
Z 1.1
Z 1.2
Z2
Kohlenwasserstoffe PCB EOX PAK ges. nach EPA LHKW ges. BTEX-Aromaten Cyanid ges. Cadmium Nickel Blei Arsen Chrom ges. Kupfer Zink Quecksilber Thallium
100 0,02 1 1 <1 <1 1 0,6 40 100 20 50 40 120 0,3 0,5
300 0,1 3 5 1 1 10 1 100 200 30 100 100 300 1 1
500 0,5 10 15 3 3 30 3 200 300 50 200 200 500 3 3
1.000 1 15 20 5 5 100 10 600 1.000 150 600 600 1.500 10 10
Tab. 6-5 Zulässige Inhaltsstoffe in der Festsubstanz für die Zuordnungsgruppen nach LAGA-Richtlinie
363
6
Gebäudeabbruch, Recycling und Entsorgung von Lehmbaustoffen
Parameter [mg/l]
Z0
ph-Wert Leitfähigkeit [ѥS/cm] Phenolindex Cyanid ges. Cadmium Nickel Blei Arsen Chrom ges. Kupfer Zink Quecksilber Thallium Chlorit Sulfat
6,5 – 9,0 6,5 – 9 500 500 <0,01 0,01 <0,01 0,01 0,002 0,002 0,040 0,050 0,020 0,040 0,010 0,01 0,015 0,03 0,050 0,05 0,100 0,10 0,0002 0,0002 <0,001 0,001 10 10 50 50
Tab. 6-6
364
Z 1.1
Z 1.2
Z2
6 –12 1.000 0,05 0,05 0,005 0,150 0,100 0,040 0,075 0,150 0,300 0,001 0,003 20 100
5,5 –12 1.500 0,10 0,10 0,01 0,20 0,20 0,06 0,15 0,20 0,60 0,002 0,005 30 150
Zulässige Werte für den vorhandenen mobilen Schadstoffanteil in der Eluatanalyse für die Zuordnungsgruppen nach LAGA-Richtlinie
7 Perspektiven für den Lehmbau
Rohstoffgewinnung
Baustoffherstellung
Verabeitung und Einbau
Recycling
Gebrauchszustand
Entsorgung
Gebäudeabriss
Abschließend soll die Frage nach den Perspektiven für den Lehmbau gestellt werden.
7
Perspektiven für den Lehmbau
Sind die in den vorangegangenen Kapiteln beschriebenen Ansätze ausreichend dafür, dass sich Lehm als Baustoff auf dem Markt behaupten oder gar noch weiterentwickeln kann? Ist die »Übermacht« der Branchengiganten im Baustoffbereich für den Lehm nicht allzu erdrückend? Sind der neue Flughafen von Shanghai-Pudong, das Burj al Arab-Hotel in Dubai oder das Taipeh-101-Hochhaus in Taiwans Hauptstadt nicht die zukunftsweisenden baulich-architektonischen Zielmarken? Wozu braucht man dann noch Lehm? Bei Kontakten in die neuen »Boom«-Regionen fällt eines auf: viele Menschen in den supermodernen Hochhäusern und auf den geschäftigen, in Rekordzeit errichteten Flughäfen befällt eine merkwürdige Sehnsucht nach den eigenen Wurzeln. Die plötzlich gewachsene Wirtschaftskraft hat oft den Blick auf die eigene kulturelle Identität verstellt. Diese beginnt man nun zu suchen und »neu« zu entdecken. Dabei stößt man immer wieder auf den Baustoff Lehm. Das ist eine große Chance für den Lehmbau. Am untersten Ende der sozialen Stufenleiter gibt es nach wie vor in den Entwicklungsländern viele Millionen Menschen, für die Lehm der einzig verfügbare Baustoff ist. Lehmbau ist hier alltäglich. Das feste Haus aus Beton oder Ziegelsteinen ist das Ziel und bleibt für die meisten ein unerfüllbarer Traum. Heute Àndet Lehmbau vor allem hier statt, und zwar mehr schlecht als recht. Lehm wird in diesen Ländern häuÀg mit Armut gleichgesetzt, ähnlich wie in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg. Besonders in erdbebengefährdeten Gebieten verfügen die Menschen i. d. R. über keine ausreichenden Kenntnisse, wie man sichere Häuser aus Lehm baut. Zahlreiche Opfer beim nächsten Erdbeben sind deshalb vorprogrammiert. Das Problem besteht hier in mangelnder Information und fehlender Bildung. Das zu ändern ist eine große Aufgabe. 368
Die Menschen in den Industrieländern leben in einer Mediengesellschaft, in der Informationen über Börsenkurse und Energiepreise eine zentrale Bedeutung erlangt haben. Politiker präsentieren sich medienwirksam vor abschmelzenden Gletschern, um auf diese Weise die Notwendigkeit von weiteren Maßnahmen zur Energieeinsparung zu begründen. Die sind immer verbunden mit neuen Erschwernissen im Erwerb und in der Nutzung der liebsten Gebrauchsgüter: das Auto und das Eigenheim. Wellness, Fitness und Gesundheit sind in der Bedeutung mindestens gleichrangig. Wenn man die gleichen Medien nutzte und vermittelte, dass Lehmbaustoffe im Innenraum die Gesundheit fördern und im Gegensatz zu Zement bei der Herstellung fast keine Energie benötigen, ein Recycling i. d. R. problemlos ist und sich dies, wenn viele Menschen zu dieser Einsicht gelangen, irgendwann auch entspannend auf den Ölpreis auswirkt, wäre ein wichtiger Schritt für die Zukunft des Lehmbaus erreicht. Bauen ist in der Europäischen Union darüber hinaus ein Prozess, der durch eine fast unüberschaubar große Zahl von Vorschriften geregelt ist. In diesem Prozess ist Lehm ein »nicht geregelter« Baustoff und mit dieser bauaufsichtlichen KlassiÀzierung, obwohl bauökologisch und baubiologisch mit besten Bewertungen versehen, auf Dauer nicht konkurrenzfähig. Voraussetzung für eine KlassiÀzierung als »geregeltes« Bauprodukt sind entsprechende Produktnormen, für die umfangreiche Forschungen zum Stoffverhalten durchgeführt werden müssen. Weil in Deutschland über Jahrzehnte niemand mehr mit Lehm gebaut hat, ist hier systematische Forschung zum Lehmbau unterblieben. Auch das muss geändert werden. Demnach gibt es vier Bereiche, die entscheidend sind für Zukunftsperspektiven im Lehmbau:
7.1
– Bildung – Vernetzung
7.1
– Forschung und Normung – wirtschaftlich Entwicklung.
Bildung
Stark vereinfacht lässt sich die Struktur des deutschen Bildungswesens in Bezug auf mögliche Zielgruppen für Bildungsangebote zum
Lehmbau in folgender Matrix darstellen (Tab. 7-1):
beruÁich
akademisch
Erstausbildung
Lehrlinge Bauberufe
fortgeschritten, Weiterbildung
Handwerker Bauberufe
Studenten FR Architektur / Bauingenieurwesen Architekten / Bauingenieure / Planer
Tab. 7-1
Bildung
Zielgruppen für Bildungsangebote im Lehmbau
Die Situation von Bildungsangeboten zum Lehmbau bezogen auf die genannten Zielgruppen stellt sich sehr unterschiedlich dar: Fortgeschritten / Handwerker Bauberufe Die Zielgruppe »Handwerker« steht unmittelbar im Bauprozess. Sie muss Informationslücken zum Lehmbau am dringendsten ausfüllen, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben will. Deshalb sind in dieser Gruppe Aktivitäten im Bildungsbereich am vordringlichsten. Der DVL hat in Zusammenarbeit mit dem Umweltzentrum des Handwerks Rudolstadt, Handwerkskammer Ostthüringen in Gera, in einer vom Thüringer Ministerium für Wirtschaft und Infrastruktur geförderten Pilotphase 1999 – 2001 einen Weiterbildungskurs »Fachkraft für Lehmbau« entwickelt [7.1], [7.2], [7.3], [7.4]. Zielgruppe sind insbesondere Handwerker mit abgeschlossenen Bauberufen. Für die inhaltliche Begleitung der Kursteilnehmer wurde ein Kurslehrbuch erarbeitet [3.7].
Seit 2005 ist dieser Kurs erfolgreich und wirtschaftlich selbsttragend. Er ist in eine bundesweite Weiterbildungsstruktur des Handwerks überführt worden und die erste handwerksrechtlich anerkannte und eingeführte Weiterbildung zum Lehmbau in Deutschland ([7.5], [7.6]). Die juristische Grundlage bildet eine »Besondere Rechtsvorschrift«, die jede beteiligte Handwerkskammer (HWK) für ihren Kammerbezirk erlässt. Die Kursabsolventen erhalten ein Zeugnis der jeweiligen HWK , auf dessen Grundlage ein Gewerbeeintrag für das Vollhandwerk »Maurer- und Betonbauer« in die Handwerksrolle A mit der Einschränkung auf das Spezialgebiet »Lehmbau« erfolgt, da der Lehmbau derzeit kein eigenständiges Handwerk darstellt. Die Rechtsgrundlage für den Gewerbeeintrag bildet das Gesetz zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung), §8 »Ausnahmebewilligung«. Zusätzlich zum erworbenen Prüfungszeugnis »Fachkraft im Lehmbau« der HWK erhält 369
7
Perspektiven für den Lehmbau
der Betrieb des Kursabsolventen die Möglichkeit zur Führung eines beim DVL registrierten Zeichens »Lehmbau Fachbetrieb DVL «. Dieses Zeichen weist den Betrieb des Inhabers als kompetenten Fachbetrieb auf dem Gebiet des Lehmbaus aus. Das Zeichen kann für werbliche Zwecke verwendet werden und dient Bauherren, Architekten oder Planern, die auf der Suche nach Fachkompetenz im Lehmbau sind, zur Orientierung. Durch den Verein FAL e.V. Ganzlin, MVP , wurde im Rahmen eines LEONARDO -Projektes der EU im Zeitraum 2002 – 2005 ein Pilotkurs »Lehmputze und Gestaltung« in Kooperation mit der HWK Schwerin erarbeitet. Auch dieser Kurs ist handwerksrechtlich anerkannt und eingeführt. Das Kursmaterial ist auf einer CD verfügbar [7.7]. BeruÁiche Erstausbildung / Bauberufe In Deutschland, Österreich und der Schweiz Àndet die beruÁiche Erstausbildung im Handwerk parallel in einem Ausbildungsbetrieb für den praktischen und in einer Berufsschule für den theoretischen Teil statt (= duale Ausbildung). In Deutschland gibt es noch eine dritte Säule der Ausbildung für spezialisierte Ausbildungsberufe in Überbetrieblichen Ausbildungszentren (= triales System). In Deutschland erfolgt die Berufsausbildung auf der Grundlage des Berufsbildungsgesetzes [7.8] in bundeseinheitlich anerkannten Ausbildungsberufen, für die entsprechende Ausbildungsordnungen erlassen werden. Für die betriebliche Ausbildung sind Ausbilder oder Meister zuständig, die ihre Eignung in einer Ausbildereignungsprüfung nachgewiesen haben müssen. In der Berufsschule wird fachtheoretischer, fachpraktischer und allgemeinbildender Unterricht erteilt. Aufgabe der Berufsausbildung ist es, die »in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruÁichen Fertigkeiten, Fähigkeiten und Kenntnisse in einem geordneten 370
Ausbildungsgang zu vermitteln« [7.8, §1,3]. In [7.8, §6] ist die Vorgehensweise für die Erprobung neuer Ausbildungsberufe geregelt. Für den Lehmbau existiert derzeit kein eigenständiger Ausbildungsberuf. Der Lehmbau ist durch den Kurs »Fachkraft für Lehmbau« handwerksrechtlich als »Spezialgebiet« eingeführt. Dies ist ein großer Fortschritt in der Akzeptanz des Lehmbaus im Handwerk im Vergleich zur Situation vor Einführung des Kurses. Um für den Bereich des Lehmbaus einen Status als »Vollhandwerk« zu erlangen, muss zuvor ein adäquater Ausbildungsberuf gem. [7.8, §§ 4 u. 6] entwickelt, erprobt und eingeführt werden. In der Struktur der beruÁichen Erstausbildung sind dabei stark vereinfacht folgende Verfahrensstufen zu durchlaufen: 1. interner »Probelauf« eines Moduls »Lehmbau« (ca. 40 h) an einer (mehreren) Berufsschule(n), 2. bei positivem Verlauf Beantragung eines »ofÀziellen Schulversuches« beim zuständigen Kultusministerium und Entwicklung eines (Wahl)-PÁichtmoduls (QualiÀkationsbaustein) »Lehmbau« im 2. bzw. 3. Ausbildungsjahr der beruÁichen Erstausbildung, 3. Fernziel: Schaffung eines eigenen Ausbildungsberufes und Beantragung der bundesweiten Zulassung beim Bundesinstitut für Berufsbildung BIBB . Mehrere beruÁiche Bildungseinrichtungen in Deutschland haben bereits Lehmbau-Module in ihren Stundenplänen angeboten (Stufe 1). Es mangelt bis jetzt jedoch an gegenseitiger Information und zielgerichteter Koordination. Der DVL begleitete in einem Projekt 2008 die Entwicklung eines Bundeseinheitlichen QualiÀzierungsbausteins »Herstellen von Baukörpern in Lehmbauweise« an der beruÁichen Bildungseinrichtung Knobelsdorff-Schule Berlin gem. §§ 68ff. BBiG. Dieser QualiÀzierungsbaustein wurde 2009 durch die HWK Berlin nach den bundeseinheitlichen Kriterien
7.1
der Zentralstelle für Weiterbildung im Handwerk ZDH geprüft und bestätigt. Damit ist dieser Baustein grundsätzlich auch bundesweit im Ausbildungsberuf Maurer durchführbar. Derzeit gibt es erste Anstrengungen, berufliche Bildung im Rahmen der Europäischen Union »mobiler« und gegenseitig transparenter zu machen. Das Ziel ist die Förderung der Mobilität und die gegenseitige Anerkennung von im Ausland erzielten Lernergebnissen im jeweiligen Heimatland des Lehrlings. Dazu wird ein Leistungspunkte-System für die beruÁiche Erstausbildung entwickelt, das European Credit System for Vocational Education and Training ECVET . Das ECVET -System orientiert sich an dem ECT -System für den Hochschulbereich, steht aber noch ganz am Anfang. Mit Blick auf die europäische Harmonisierung der technischen (Bau-)Normen (Kap. 4.1.1.4) erscheinen entsprechende Bemühungen auch in Richtung eines »harmonisierten« europäischen Bildungsraumes als Fernziel durchaus sinnvoll. Das Hauptproblem bilden dabei die vorhandenen großen Unterschiede und damit die fehlende Vergleichbarkeit der verschiedenen nationalen beruÁichen Bildungssysteme. Auf den Lehmbau bezogen gibt es in Deutschland derzeit noch keine grenzüberschreitend vergleichbaren Bildungsangebote im Bereich der beruÁichen Erstausbildung. Nach bisherigem Erkenntnisstand gilt dies auch für die anderen europäischen Länder. Akademische Erstausbildung / Architekten, Bauingenieure, Planer In Thüringen gab es nach dem 2. Weltkrieg den Versuch, praktische Ausbildung zum Lehmbau mit akademischer Ausbildung von Studenten an der 1946 wiederbegründeten Hochschule für Baukunst und Bildende Künste Weimar (heute Bauhaus-Universität) zu verbinden. Am 01. 12. 1947 wurde in Weimar die Lehmbauschule des Landes Thüringen
Bildung
als eigenständige Struktureinheit der Hochschule eröffnet. Die Kursteilnehmer (Studenten der Hochschule) konnten die in der Theorie vermittelten typischen Lehmbauweisen (Lehmsteine, StampÁehm) auf landwirtschaftlichen Versuchshöfen (Musterprojekte) praktisch anwenden (Bild 7-1). Mit dem Niedergang des Lehmbaus verschwand auch diese Bildungseinrichtung bereits nach wenigen Jahren. Permanente Bildungsangebote zum Lehmbau in den Lehrplänen deutscher Universitäten und Fachhochschulen sind heute eher die Ausnahme. Vorreiter und »Pionier« ist bzw. war dabei die Universität Kassel (Prof. Minke). Seit 1993 wird »Lehmbau« auch wieder an der Bauhaus-Universität Weimar an den Fakultäten Architektur und Bauingenieurwesen als WahlpÁichtfach im Hauptstudium (zukünftig Masterstudium) angeboten. Hier gibt es darüber hinaus eine interessante Verknüpfung zur beruÁichen Bildung durch den Studiengang »Lehramt Bauwesen«: eine Reihe von Lehramts-Studenten haben als WahlpÁichtfach »Lehmbau« belegt und können nun als potenzielle Erfahrungsträger für den Bereich der beruÁichen Erstausbildung im Lehmbau an Berufsschulen gelten. Bei Lehrangeboten in der akademischen Erstausbildung kann man ähnliche Stufen wie in der beruÁichen Ausbildung unterscheiden: 1. Lehm(bau) als Teilkapitel innerhalb eines inhaltlich fachübergreifenden Lehrangebotes, z. B. Baustoffkunde, Bauwerkssanierung oder ökologisches Bauen; Entwürfe an Architektur- und Planungslehrstühlen, meist mit Bezug zu außereuropäischer traditioneller LehmArchitektur, 2. Lehm(bau) als im Stundenplan eigenständig ausgewiesenes (Wahl)-PÁichtfach mit Prüfung, i. d. R. über ein Semester, 3. Lehmbau als eigenständiger Master-Studiengang mit entsprechendem Abschluss (z. B. Master of Arts M.A., ~ Science MSc, ~ 371
7
Perspektiven für den Lehmbau
Engineering M.Eng.) jeweils ohne fachlichen Zusatz, i. d. R. über vier Semester. Die wenigen universitären Lehrangebote zum Lehmbau in Deutschland entsprechen den Stufen 1 und 2 in Bachelor- oder MasterStudiengängen. Sie sind eingebettet in konsekutive Studiengänge, d. h. zwischen dem Bachelor- und dem Masterstudium besteht ein fachlicher Zusammenhang. Ihre Implementierung in Lehrpläne liegt im Entscheidungsbereich der jeweiligen Hochschulen bzw. Fakultäten. Ein Bildungsangebot der Stufe 3 bedarf der Zustimmung des zuständigen Bildungsministeriums. Diese Zustimmung setzt voraus ein positiv durchlaufenes, aufwändiges Evaluierungsverfahren mit einer Fachkommission aus externen Fachleuten. Bisher gibt es nur ein einziges Lehrangebot der Stufe 3 zum Lehmbau an der Universität Grenoble (ENSAG) , Frankreich [7.9]. Für den europäischen Hochschulraum wurde im Rahmen des sog. Bologna-Prozesses ein System von vergleichbaren und (grenzüberschreitend) gegenseitig anrechenbaren Leistungspunkten entwickelt, das European Credit Transfer and Accumulation System ECTS . Das Ziel ist vor allem die Förderung der Mobilität der Studenten in der EU . Mit der Umstellung der akademischen Ausbildung in der EU von den bisherigen Diplomauf vergleichbare Bachelor- und Master-Studiengänge wird das ECT -System erst seine volle Wirkung entfalten können. Erste Erfahrungen mit diesem System aus der Perspektive der Bauhaus-Universität Weimar zeigen ein reges Interesse an dem WahlpÁichtfach »Lehmbau« bei ausländischen Studenten, und zwar nicht nur aus der EU , sondern vor allem auch aus asiatischen und lateinamerikanischen Ländern. Die Studenten wählen heute weltweit gezielt die sie interessierenden Fachgebiete in den Internetseiten der Universitäten und treffen danach ihre Entscheidungen. Zur Unterstützung dieses 372
Prozesses hat der DVL eine eigene Internetseite www.uni-terra.org entwickelt. Auf dieser Seite können sich Universitäten mit Bildungsangeboten zum Lehm weltweit präsentieren [7.10]. Weiterbildung Architekten / Bauingenieure / Planer Um den Anforderungen der »sich wandelnden Arbeitswelt« gewachsen zu sein, müssen auch Architekten, Bauingenieure und Planer ihre beruÁichen Fähigkeiten und Kenntnisse ständig erweitern und aktuell halten. Gegenüber den zuständigen Berufsverbänden, den Kammern, muss deshalb die regelmäßige Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen nachgewiesen werden. Für Architekten, Bauingenieure und Planer bestehen derzeit verschiedene Möglichkeiten, über Weiterbildungsangebote Wissenslücken in Bezug auf den Lehmbau zu schließen. Als Träger von entsprechenden Aktivitäten können die Architekten- oder Ingenieurkammern als Landesverbände oder Universitäten bzw. Fachhochschulen auftreten. Weiterbildungsveranstaltungen der Kammern zum Lehmbau umfassen i. d. R. Einoder Mehrtagesseminare in Kooperation mit spezialisierten Erfahrungsträgern (Vereine, Firmen, Einzelpersonen etc.). An Universitäten und Fachhochschulen gewinnt neben der originären akademischen Erstausbildung die Weiterbildung von Architekten, Bauingenieuren und Planern zunehmend an Bedeutung. Die Bildungsangebote orientieren sich an dem im Bologna-Prozess deÀnierten Master-Abschluss, und zwar als nicht-konsekutiver oder weiterbildender, i. d. R. viersemestriger Masterstudiengang. Der Lehmbau ist dabei wie in der akademischen Erstausbildung in Form von Teilkapiteln in eine übergreifende Thematik eingebunden, z. B. Bauwerkssanierung, ökologisches Bauen etc.
7.2
Darüber hinaus gibt es universitäre Weiterbildungsangebote unterhalb der »Master-Ebene« mit analoger Einbindung des Lehmbaus als ein- oder zweisemestrige Lehrveranstaltungen mit einem entsprechenden AbschlusszertiÀkat.
Bild 7-1
7.2
Vernetzung
Weiterhin besteht die Möglichkeit, Bildungsangebote zum Lehmbau im Direktstudium als Gasthörer zu besuchen. Gasthörer erhalten eine Teilnahmebescheinigung, dürfen jedoch i. d. R. nicht an Prüfungen teilnehmen.
Praktische Ausbildung an der Landeslehmbauschule Weimar, 1948
Vernetzung
Allgemein versteht man unter Vernetzung ein System aus einzelnen Teilen, die durch Ursache-Wirkungs-Beziehungen und allgemeine bzw. besondere Systemeigenschaften vielfältig miteinander verknüpft sind. Ein gut vernetztes System ist in der Lage, durch ein dichtes GeÁecht von Beziehungen schnell an wichtige Informationen zu gelangen. Durch Verknüpfung von Einzelinformationen können notwendige Handlungsstrategien entwickelt werden, z. B. für die Vermeidung von Krisensituationen oder die Verbesserung der eigenen öffentlichen Wahrnehmung.
Voraussetzung für die Verbesserung der öffentlichen Wahrnehmung des »Systems Lehmbau« als Bereich des Ökologischen oder Nachhaltigen Bauens ist die IdentiÀzierung relevanter gesellschaftlicher Bereiche (z. B. Handwerk, Bauwirtschaft, Bildung, Normung, Forschung, Finanzen, Recht). Die Strukturen dieser Bereiche müssen analysiert und geeignete Handlungsstrategien abgeleitet werden. Je besser die einzelnen Bereiche miteinander »vernetzt« sind, umso größer ist der Erfolg für das »System Lehmbau«, z. B. in der öffentlichen Wahrnehmung. 373
7
Perspektiven für den Lehmbau
Eine solche Arbeit kann nicht durch einen Einzelnen geleistet werden. In Deutschland hat der Dachverband Lehm e.V. als Bundesverband zur Förderung des Lehmbaus die Aufgabe übernommen, regionale Aktivitäten in den Bereichen Bauausführung, Bauplanung, Baustoffhandel, Information mit bundesweiten Aktivitäten auf den Gebieten Bildung, Normung, Forschung und internationale Kooperation zu vernetzen. Dies geschieht durch eigene Projekte oder als Partner in größeren Vorhaben. Ein entscheidendes Mittel ist dabei eine beharrliche, zielgerichtete und fachlich fundierte Medienarbeit. Neben Printmedien ist heute das Internet die übliche und effektivste Form des Informationsaustausches. Seit 1999 stellt der DVL Informationen zum Lehmbau auf der Internetseite www.dachverbandlehm.de zur Verfügung. Ein »Forum« bietet eine Plattform für den allgemeinen Wissensund Erfahrungsaustausch zum Lehmbau. Die Internetseite www.uni-terra.org ist eine Informationsplattform für den globalen Austausch von Informationen zum Lehmbau im akademischen Bereich (Kap. 7.1). Die Möglichkeit des direkten Erfahrungsaustausches zu allen Bereichen des Lehmbaus bieten die Internationalen Fachtagungen und Fachmessen, die der DVL alle 4 Jahre in verschiedenen »Lehmbau-Regionen« Deutschlands ausrichtet. Die LEHM 2008 in Koblenz ist die mittlerweile fünfte Tagung in dieser Reihe. Alle Vorträge wurden in Tagungsbänden veröffentlicht [7.11], [7.12], [7.13]. In Deutschland hat sich die Rolle eines nationalen Lehmbau-Verbandes als »Dachorganisation« bewährt. In einer ganzen Reihe von Ländern sind Lehmbau-Akteure einen ähnlichen Weg gegangen, so z. B. in der Schweiz, in Australien oder Neuseeland. Mehr oder weniger inspiriert durch den DVL in Deutschland haben Lehmbauer in jüngster Zeit weitere nationale Lehmbau-Verbände gebildet, 374
in Europa z. B. in der Tschechischen Republik, in Frankreich, Portugal oder Großbritannien. Die Bildung eines europäischen oder internationalen Lehmbau-Netzwerkes liegt auf der Hand, denn große Aufgaben wie eine europäische Normung zum Lehmbau können nur gemeinsam in Angriff genommen werden. Ein weltweit agierendes Netzwerk auf dem Gebiet der Erhaltung historischer Baukonstruktionen aus Lehmbaustoffen hat sich unter dem Schirm von UNESCO-ICOMOS entwickelt. Seit 1972 Ànden unter dem Patronat von ICOMOS im Abstand von ca. 4 Jahren Internationale Fachtagungen zur Erhaltung von Baudenkmalen aus Lehm in verschiedenen Regionen der Welt statt. Diese Tagungen tragen seit 1993 die Bezeichnung »terra«. Die »terra 2008« war die 10. Tagung in dieser Reihe und wurde in Mali abgehalten. Die Vorträge sind in Tagungsbänden veröffentlicht. Für die Koordinierung der fachlichen Arbeit wurde die Struktur von Internationalen Fachkomitees nach den Regeln der UNESCOICOMOS geschaffen. Das entsprechende Komitee für den Bereich der Erhaltung von Baudenkmalen aus Lehm ist das International ScientiÀc Committee on Earthen Architectural Heritage ISCEAH (http://isceah.icomos. org).
7.3
7.3
Forschung und Normung
Forschung und Normung
Neben der Bildung ist die Normung ein für die generelle Akzeptanz des Baustoffes Lehm entscheidender Bereich. Nur mit einer entsprechenden Verankerung im System der technischen Bauregeln und Normen kann der Baustoff Lehm auch in Zukunft national wie international am Markt bestehen. In Deutschland ist der Baustoff Lehm seit 1999 in Form einer Technischen Regel bauaufsichtlich eingeführt (Kap. 4.1.1.3). Diese Regel wurde 2007 in einem Projekt des DVL mit Unterstützung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt aktualisiert und 2008 in der 3., überarbeiteten AuÁage herausgegeben [2.6]. Damit ist die Verwendung von Lehm als Baustoff in Deutschland mittelfristig geregelt. Auf lange Sicht stoßen die Lehmbau Regeln jedoch an Grenzen: – Der Lehmbaustoff-Markt hat sich in Deutschland in den zurückliegenden 10 Jahren sehr positiv entwickelt, insbesondere der Bereich der werksmäßig hergestellten Lehmbaustoffe [6.7]. Die Lehmbau Regeln treffen auch in der Version 2008 keine im Sinne des Bauproduktengesetzes (Kap. 4.1.1.3) hinreichende Unterscheidung zwischen vor Ort und werksmäßig hergestellten Lehmbaustoffen. Letztere müssen bzgl. ihrer Verwendbarkeit nachgewiesen werden. Bisher und auch mit der Version 2008 sind werksmäßig hergestellte Lehmbaustoffe von dieser PÁicht befreit, langfristig werden sie sich der NachweispÁicht unterwerfen müssen [7.14]. – Als Kompromiss für den Verzicht auf die NachweispÁicht für werksmäßig hergestellte Lehmbaustoffe werden diese zusammen mit den vor Ort produzierten Lehmbaustoffen von untergeordneter Bedeutung als »sonstige Bauprodukte« in die Liste C eingeordnet (Bild 4-1). Damit ist die Einordnung in die Bauregelliste B und damit der Zugang zum europäischen Markt vom Prinzip her versperrt.
Die notwendige Handlungsstrategie besteht darin, eigenständige Produktnormen im Sinne des Bauproduktengesetzes für werksmäßig hergestellte Lehmbaustoffe zu entwickeln und damit über die Bauregelliste B auch den Zugang zum europäischen Markt zu erlangen. Dies kann nur geschehen auf der Grundlage statistisch abgesicherter Parameter zum Stoffverhalten, die durch eine entsprechende Grundlagenforschung ermittelt werden müssen. Eine Orientierung bei der Planung von Parameterstudien bietet die Kennwertmatrix Tab 1-1. In dieser Matrix sind relevante Kennwertgruppen und Parameter bezogen auf die Verarbeitungsstufen »Baulehm«, »Lehmbaustoff« und »Lehmbaukonstruktion« dargestellt (Kap. 1.4.2). Zunächst ist jedoch die Eignung der derzeit angewendeten Prüfprozeduren für den Lehmbau zu untersuchen, und es müssen ggf. ModiÀkationen sowie PrüÀntervalle festgelegt werden. Die Testverfahren sind überwiegend anderen Baustoffbereichen entlehnt und für Lehmbaustoffe mehr oder weniger angepasst worden. Die relevanten Kennwerte für einen bestimmten Lehmbaustoff in einer geplanten Anwendung können aus dieser Matrix abgeleitet und deÀniert werden. Das ist aber noch »ein weites Feld«. Unabhängig von den vielen noch ungelösten Fragen ist schon jetzt zu beobachten, dass der Lehm wieder in Standardwerke der Baustoffkunde, des Bauentwurfs und der Baukonstruktion [7.15], [7.16], [7.17], [7.18], [7.19], [7.20] zurückkehrt.
375
7
Perspektiven für den Lehmbau
7.4
Wirtschaftliche Entwicklung
Mit Blick auf die dargestellten Perspektiven muss abschließend jedoch die alles entscheidende Frage nach den Chancen für eine wirtschaftliche Entwicklung gestellt werden. Ist die zweifellos vorhandene und sogar steigende Nachfrage nach Lehmbaustoffen so stabil, dass sich der Lehmbau als eine (kleine?) eigenständige Branche innerhalb des Bauwesens auch langfristig behaupten kann? Da das jährliche Bauvolumen in Deutschland kaum wächst, kann ein Umsatzzuwachs nur über die Umverteilung von Marktanteilen erfolgen. Verfolgt man die Entwicklung der Steineund Erden-Industrie, zu der auch die Produktion von Lehmbaustoffen gehört, dann wurde im Jahr 2001 in Deutschland in 6.500 Betrieben mit ca. 156.000 Beschäftigten ein Umsatz von ca. 23,5 Mrd. € erzielt [6.10]. Im Jahr 2008 registrierte der BV Steine und Erden e.V. einen Umsatz von ca. 28 Mrd. €, der in ca. 6.000 Betrieben mit ca. 140.000 Beschäftigten erwirtschaftet wurde [www.bvbaustoffe.de]. Die gesamten Bauinvestitionen hatten 2008 einen Umfang von 251,3 Mrd. € (Wohnungsbau 140,8 Mrd. €). In welchem Verhältnis steht der Lehmbau / die Produktion von Lehmbaustoffen zu diesen Zahlen? In einer Studie an der Bauhaus-Universität Weimar [6.7] wurde die Produktion von Lehmbaustoffen in Deutschland für den Zeitraum 1995 – 2000 analysiert. Dazu wurden bei den Produktherstellern über Fragebögen Daten zu – innerbetrieblichen Strukturen – Produktionsumfängen / Produktgruppen / Umsätzen – Markfeldern / Absatz – Bedarf an QualiÀkation erhoben. Selbst wenn die Daten heute nicht mehr aktuell sind, bilden sie dennoch eine entscheidende Halbdekade in der Marktent376
wicklung des Lehmbaus in Deutschland ab: gewissermaßen von der Stunde Null zu einer kleinen, aber durch stetig steigende Nachfrage stabilen Marktposition. In dieser Periode waren folgende Entwicklungstendenzen erkennbar: Viele Herstellerbetriebe waren als »Allrounder« gestartet, d. h. sie vereinten Baustoffproduktion, Vermarktung und Verarbeitung in einem Betrieb. Im Laufe der Zeit war ein Konzentrationsprozess auf einzelne Geschäftsfelder zu erkennen. Dieser Konzentrationsprozess betraf auch die Anzahl der Betriebe, die Fluktuation war anfangs hoch. Die absolute Zahl der Betriebe stieg zum Ende des Untersuchungszeitraums deutlich langsamer als der erzielte Umsatz pro Betrieb. Die Produktion wurde damit wirtschaftlicher und stabiler. Aus dieser Zeit sind noch einige Firmen am Markt aktiv, die heute eine sehr stabile und positive Geschäftsentwicklung aufweisen können. In der erwähnten Studie [6.7] wurden die produzierten Lehmbaustoffe in vier Produktgruppen Fertigmischungen / Schüttungen, Fertigmörtel / Putze, Lehmsteine und Lehmplatten zusammengefasst und die Entwicklung der Produktionsumfänge in den einzelnen Produktsegmenten im untersuchten Zeitraum verfolgt. Fazit: Die Entwicklung in den genannten Segmenten erfolgte sehr unterschiedlich: Während im Jahr 1995 die Produktgruppen »Lehmsteine« und »Lehmmörtel« mit ca. 64% bzw. 29% den Lehmbaustoffmarkt deutlich dominierten, wuchs das Segment »Lehmplatten« praktisch von 0 auf ca. 40% des Gesamtumsatzes im Jahre 1999. Die Lehmsteine und -mörtel kamen nach den vorliegenden Daten in diesem Jahr nur noch auf zusammen 55%. Das Bild änderte sich ab dem Jahr 2000, als die ersten großen Fertigmörtelhersteller
7.4
den Lehm für sich »entdeckten« und ihre Produktpalette um entsprechende Lehmbaustoffe erweiterten. Für die Zeit nach 2000 liegen keine belastbaren Daten mehr vor. Die »gefühlte« Entwicklung des Lehmbaustoffmarktes sieht heute die Produktgruppe »Lehmmörtel« (und hier die Lehmputze) in der Spitzenposition. Erwähnt werden muss noch, dass die Auskunftsbereitschaft der Betriebe sehr unterschiedlich war. Deshalb sind die Angaben zu den Umsätzen auch nur als grobe Schätzungen zu verstehen. Nach den ermittelten Daten betrug der erzielte Jahresumsatz 1995 ca. 3,4 Mio. € (umgerechnet) und verdreifachte sich fast auf 9,3 Mio. € im Jahr 1999. Das sind durchschnittliche jährliche Umsatzsteigerungen von 30%, wobei die Jahre 1998 und 1999 deutlich über diesem Wert lagen. Bei dem Versuch einer Projektion dieser Zahlen auf das Jahr 2009 kann man auf Grund der »gefühlten« Entwicklung von einem stetigen jährlichen Zuwachs im niedrigen zweistelligen Bereich ausgehen. Bei einer zurückhaltenden Schätzung mit einer jährlichen Zuwachsrate von 10% kommt man auf einen Jahresumsatz 2009 von ca. 23,6 Mio. €. Damit liegt das Verhältnis der Produktion von Lehmbaustoffen zu der des gesamten Baustoffmarktes in der Größenordnung von 0,1%. Im Jahr 2001 lag dieses Verhältnis immerhin noch bei nur 0,01%. Trotz dieser beachtlichen Entwicklung des Lehmbaus in der zurückliegenden Dekade sind die erreichten Umsatzzahlen im Vergleich zur gesamten Baustoffproduktion (noch) vernachlässigbar gering. Andererseits bedeutet eine langsam ansteigende, aber stetige Entwicklung entgegen dem generellen Trend auch Stabilität. Eine Spekulation über eine »entscheidende Wende« oder den »großen Durchbruch« ist deshalb auch nicht sinnvoll. Zu beobachten ist eine »gefühlte« große Aufgeschlossenheit auf der Seite der Verbrau-
Wirtschaftliche Entwicklungw
cher bei Fragen, die den Umweltschutz und das ökologische Bauen im besonderen betreffen. Bei der konkreten Umsetzung, z. B. der Verwendung von Lehmbaustoffen, sind jedoch noch Vorbehalte verbreitet. Wenn es gelingt, diese Vorbehalte weiter abzubauen, wird der Lehmbau sich weiter positiv entwickeln. In den Kapiteln 7.1 – 7.3 wurden dazu Strategien entwickelt. Auf der Seite der Hersteller setzen vor allem mangelnde Ànanzielle Ressourcen Investitionen in moderne Produktionsanlagen und in die Entwicklung neuer Produkte Grenzen. Verbreitet sind aber auch noch Festhalten am Traditionellen, Scheu vor Risiken und Zweifel an der Notwendigkeit eines gut entwickelten Marketings. Blickt man auf die zurückliegenden 15 Jahre zurück, kann dem Lehmbau eine sehr erfreuliche Entwicklung bescheinigt werden. Aus einzelnen, von vielen belächelten Aktionen hat sich eine ernst zu nehmende kleine, stabile und eigenständige Branche des Bauwesens entwickelt. Bauen mit Lehm beginnt wieder alltäglich zu werden.
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BibliograÀe
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4.28 NORDISCHE NATURBAU GMBH: Lehmoment Strohlehm-Elemente. Havetoftloit o.J. – Firmenprospekt 4.29 MINKE, G.; MAHLKE, F.: Der Strohballenbau – ein Konstruktionshandbuch. Staufen: Ökobuch-Verlag 2002 4.30 SCHROEDER, H.: Ökologischer Wohnhausneubau mit Lehmbaustoffen in Weimar-Taubach. In: Zdravé domy 2006 – Pʼnírodní materiály ve stavbách, Tagungsband S. 33 – 40, Brno, ÿR, Technische Universität, 2006 4.31 KARPHOSIT: Karphosit Lehmbauplatten. Peißen o.J. – Firmenprospekt 4.32 SHITTU, T.A.: Lehmbau Normen und Regeln – ein Überblick über die nigerianischen Baugesetze. In: LEHM 2008 Koblenz, Beiträge zur 5. Int. Fachtagung für Lehmbau, S. 40 – 47, Weimar: Dachverband Lehm e.V., 2008
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5.16 KÖHLER, T.: Analyse von Bauschäden und Maßnahmen der Instandsetzung an Konstruktionen aus Lehmbaustoffen. Weimar, Bauhaus-Universität, Fak. Bauingenieurwesen, Diplomarbeit unveröff., 2003 5.17 GUT, P.; ACKERKNECHT, D.: Climate responsive building – Appropriate building construction in tropical and subtropical regions. BASIN / SKAT, St. Gallen: 1993
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Möglichkeiten und Grenzen der Abschirmwirkung von Gebäuden gegen elektromagnetische Wellen. In: Ganzheitliche Bauwerkssanierung und Bauwerkserhaltung nach WTA, WTA-Schriftenreihe H. 28, S. 101 – 116, München: WTA- Publications, 2006 5.13 PAULI, P.; MOLDAN, D.: Reduzierung hochfrequenter Strahlung im Bauwesen – Baustoffe und Abschirmmaterialien. München, Univ. d. Bundeswehr, 2000
5.18 MAIWALD,Y.; HEIN, B.: Lehmwellerbauten in Thüringen und Sachsen-Anhalt. Weimar, Bauhaus-Universität, Studienarbeit unveröff., Weimar 1998 5.19 HUGHES, R.: Material and structural behaviour of soil constructed walls. In: Monumentum, 26 (1983) 3, pp. 175 –188 5.20 BIELENBERG, H.: Der EinÁuss des Stalles auf die Schweinemast. Braunschweig, Technische Hochschule, Fak. f. Bauwesen, Diss., 1963
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5.21 BURGER, H.: Sanfter Baustoff Lehm in der Landwirtschaft – Auswirkungen auf das Stallklima. Kassel / Witzenhausen, Univ.-GH, FB Landwirtschaft / Agrartechnik, Diplomarbeit unveröff., 1995
5.28 GRÜNTHAL, G.; MUSSON, R. M. W.;
5.22 PACIFIC SCIENCE ASSOCIATION, Information Bulletin (Honolulu), Vol. 42 (1990) No. 1
5.29 SCHROEDER, H.; SCHWARZ, J.;
5.23 MANU, F. W.; AMOAH-MENSAH, P. D.; BAI-DEN-AMISSAH, NANA K. NSIAH-ACHAMPONG:
Die Überschwemmung von Sandema (Ghana) im September 2007 – Auswirkungen auf Lehmbauten. In: LEHM 2008 Koblenz, Beiträge zur 5. Int. Fachtagung für Lehmbau, S. 80 – 89, Weimar: Dachverband Lehm e.V., 2008 5.24 RAUCH, P.: Hochwasserschäden an Lehmbauten. www.ib-rauch.de, 2003 5.25 ARNOLD, W.: Eroberung der Tiefe. Leipzig: VEB Verlag f. Grundstoffindustrie, 1974 5.26 COBURN, A.; HUGHES, R.; POMONIS, A.; SPENCE, R.:
Technical principles of building for safety. London: Intermediate Technology Publications, 1995 5.27 MINKE, G.: Construction manual for earthquake-resistant houses build of earth. Eschborn: GATE-BASIN / GTZ, 2001
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BibliograÀe
5.33 PETZET, M.: Grundsätze der DenkmalpÁege. In: Sana’a – die Restaurierung der Samsarat al-Mansurah, S. 92 – 98, München: ICOMOS, Hefte des Deutschen Nationalkomitees XV, 1995 5.34 WIRTH, H.: DenkmalpÁege in erdbebengefährdeten Regionen. Beiträge zur Tagung »Erdbebengerechtes Bauen mit lokal verfügbaren Materialien in Zentralasien« Fergana, Usbekistan 1996, In: Thesis, Wiss. Zeitschr. d. Bauhaus-Universität Weimar 45 (1999) 6, S. 54 – 57 5.35 HÄHNEL, E.: Fachwerk-Instandsetzung – ein Praxishandbuch. Berlin / Stuttgart: Verlag Bauwesen / Fraunhofer IRB Verlag, 2003 5.36 HAPPE, M.: Gebäudetranslozierungen des Thüringer Freilichtmuseums Hohenfelden – Projekte und Technologien unter den Bedingungen der DDR und der Zeit nach 1990. Fachtagung »Vorfahrt mit Blaulicht für Museumshäuser«, Tagungsband S. 43 – 50, Bad Waldsee: AG der regionalen ländlichen Freilichtmuseen in Baden-Württemberg, 2005 5.37 Verordnung über einen energiesparenden Wärmeschutz und energiesparende Anlagentechnik bei Gebäuden (Energieeinsparverordnung – EnEV), Juli 2007, Bundesgesetzblatt I, S. 2684, Berlin: 2005 5.38 KINZE, W.; FRANKE, D.: Grundbau. Berlin: VEB Verlag f. Bauwesen, 1981
5.39 SCHROEDER, H.: Gutachterliche Stellungnahme zu einem Gründungsschaden in Kornwestheim, unveröff., Weimar: 2000 5.40 WISSENSCHAFTLICH-TECHNISCHE ARBEITSGEMEINSCHAFT FÜR BAUWERKSERHALTUNG UND DENKMALPFLEGE E.V. WTA:
Merkblätter zur Fachwerkinstandsetzung 1996 – 2005 1: Bauphysikalische Anforderungen an Fachwerkgebäude (2003) 2: Checkliste zur Instandsetzungsplanung und -durchführung (1996) 3: Ausfachungen von Sichtfachwerk (1999) (Kap. 5.4 Lehmausfachungen) 4: Außenbekleidungen (2000) 5: Innendämmsysteme (2000) 6: Beschichtungen auf Fachwerkwänden – Ausfachungen / Putze (1999) 7: Beschichtungen auf Fachwerkwänden – Holz (1998) 8: Tragverhalten von Fachwerkbauten (2000) 9: Gebrauchsanweisung für Fachwerkhäuser (2000) 10: EnEV: Möglichkeiten und Grenzen (2002) 11: Schallschutz bei Fachwerkgebäuden (E 2004) 12: Brandschutz bei Fachwerkgebäuden (E 2005) 5.41 DEUTSCHES ZENTRUM FÜR HANDWERK U. DENKMALPFLEGE FULDA ZHD (Hrsg.):
Arbeitsblätter AB Fachwerksanierung AB Wärmedämmung bei bestehendem Fachwerk Fulda: ZHD, 1990
395
BibliograÀe
5.42 MINISTERIUM FÜR BAUEN U. WOHNEN DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN (Hrsg.):
Fachwerkgebäude erhalten und instandsetzen. MBW-Ratgeber Nr. 4, Düsseldorf: 1991 5.43 SCHÜLER, G.; SCHROEDER, H.: Naturbelassene Baustoffe – Beispiel Kalktuff Magdala. In: Wiss. Z. Hochsch. Archit. Bauwes. – A/B – Weimar 39 (1993) 4, S. 337 – 341 5.44 Lehmbaupraktikum 2006 Lindig, Thüringen. Weimar, Bauhaus-Universität, Fak. Architektur, Praktikumsbericht unveröff., 2006 5.45 DEVON HISTORIC BUILDING TRUST: The Cob Buildings of Devon 1 – History, Building Methods and Conservation; MORRIS, W. 2 – Repair and Maintenance; KEEFE, L. Exeter, UK: 1993 5.46 KEEFE, L.: Earth building – Methods and materials, repair and conservation. London: Taylor & Francis, 2005 5.47 PEARSON, G. T.: Conservation of Clay & Chalk Buildings. Shaftesbury, Dorset, UK: Donhead Publ. Ltd., 1997
396
5.48 HENES-KLAIBER, U.: Ursachen und Behandlungsmethoden von Feuchteschäden an historischen Bauwerken. In: Klimatisierung und bauphysikalische Konzepte – Wege zur Nachhaltigkeit bei der PÁege des Weltkulturerbes, S. 129 –138, München / Berlin: ICOMOS, Hefte des Deutschen Nationalkomitees XLII, und Deutscher Kunstverlag, 2005 5.49 CORNERSTONES COMMUNITY PARTNERSHIPS (Ed.): Adobe conservation – a preservation handbook. Santa Fe, Calif., USA: Sunstone Press, 2006 5.50 CERKAS; CRATERRE-EAG: Manuel de conservation du patrimoine architectural en terre des vallées présahariennes du Maroc. Ouarzazate, Maroc: CERKAS Centre du Patrimoine Mondial de l’UNESCO, 2005 5.51 FODDE, E.: Architetture di terra in Sardegna – Archeometria e conservazione; Cagliari, Italia: Aipsa edizione, 2004 5.52 FAHNERT, M.; SCHROEDER, H.: Sanierung traditioneller StampÁehmbauten in Südmarokko. In: LEHM 2008 Koblenz, Beiträge zur 5. Int. Fachtagung für Lehmbau, S. 250 – 251, Weimar: Dachverband Lehm e.V., 2008
BibliograÀe
5.53 KLESSING, J. M.: Planung und Ausführung der Restaurierung. In: Sana’a – die Restaurierung der Sam-sarat al-Mansurah, S. 49 – 91, München: ICOMOS, Hefte des Deutschen Nationalkomitees XV, 1995 5.54 CROSBY, A.: Conservation of painted lime plaster on mud brick walls at Tumacacori National Monument, U.S.A. In: 3rd international symposium on mud brick (adobe) preservation, Proc. S. 59 – 78, Ankara: ICOMOS, 1980 5.55 KIENZLE, P.; ZIEGERT, C.: Die Rekonstruktion römischer Stampflehmbauten im Archäologischen Park Xanten. In: LEHM 2008 Koblenz, Beiträge zur 5. Int. Fachtagung für Lehmbau, S. 148 –161, Weimar: Dachverband Lehm e.V., 2008 5.56 TORREALVA, D.; ESQUIVEL, Y.: Structural Intervention in Adobe Monuments in Cusco, Peru. Lima: Catholic University Peru CUP, 2008
Kapitel 6 Recycling 6.1 Gesetz zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen. Artikel 1 »Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und zur Sicherung der umweltverträglichen, Beseitigung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsund Abfallgesetz – KrW- / AbfG)«, Bundesgesetzblatt Teil I, 06.10.1994, S. 2705 – 2732 6.2 DEUTSCHER ABBRUCHVERBAND E.V. (Hrsg.): Technische Vorschriften für Abbrucharbeiten. Düsseldorf: 1997, 3. AuÁ. 6.3 DEUTSCHER ABBRUCHVERBAND E.V. (Hrsg.): Anforderungen an Verdingungsunterlagen bei Abbrucharbeiten und Rückbauprojekten – Handlungshilfe. Düsseldorf: 2004 6.4 RÖBENACK, K.-D.; MÜLLER, A.: Baustoffrecycling – Einführung Abbruchverfahren. Weimar, Bauhaus-Universität, Fak. Bauingenieurwesen, Lehrunterlagen Vertiefung »Bauwerkserhaltung und Baustoffrecycling«, 1996 6.5 LÖFFLAD, H.: Das globalrecyclingfähige Haus – Fallstudie über die Möglichkeiten der Wiedereingliederung von Baurückständen in den Naturkreislauf am Beispiel eines globalrecyclingfähigen Hauses mit KlassiÀzierung von Baustoffen und Planerkatalog sowie Öko- und Energiebilanz. Eindhoven, NL, Technische Universität, Diss., 2002 397
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6.6 KATALYSE GMBH / LÖFFLAD, H.; JUSTEN, M.; EBERT, L.:
Das recyclingfähige Haus. Studie über die Notwendigkeit und die Möglichkeiten der Wiedereingliederung von Rückständen in den Naturkreislauf, am Beispiel des globalrecyclingfähigen Hauses. Köln: 1993 6.7 SCHROEDER, H.: Die Produktion von Lehmbaustoffen in Deutschland – aktuelle Situation und Tendenzen. Weimar, Bauhaus-Universität, Studie unveröff., 2001 6.8 ZWIENER, G.: Ökologisches Baustoff-Lexikon – Daten, Sachzusammenhänge, Regelwerke. Heidelberg: C. F. Müller-Verlag, 1994 6.9 VURAL, S. M.: Health effects of earthen building products. In: »Living in Earthen Cities – kerpic ’05«, Proc. 1st International Conference, Istanbul Technical University 2005, S. 204 – 211; Istanbul Technical University ITU, Istanbul 2005 6.10 RESE, F.; STRAUSS, H. (Hrsg.): Die Steine- und Erden-Industrie – Baustoffe 2000 (2001/2, 2003). Baden-Baden: Stein-Verlag GmbH, 2000 (2002, 2003) 6.11 KURZ, J.; STEINBICHL, S.: Dokumentation Lehmbauarbeiten Haus Kurzbichl, Weimar. Weimar, Bauhaus-Universität, Fak. Architektur, Studienarbeit unveröff., 2005
398
6.12 LANDESARBEITSGEMEINSCHAFT ABFALL LAGA (Hrsg.): Abfallarten. In: Abfallwirtschaft in Forschung u. Praxis, Berlin, Bd. 41, 1992 6.13 LANDESARBEITSGEMEINSCHAFT ABFALL LAGA (Hrsg.): Anforderungen an die stofÁiche Verwertung von mineralischen Reststoffen / Abfällen. Berlin: LAGA Mitteilung, H. 20, 2004, 5. AuÁ. 6.14 Entscheidung des Rates vom 19. 12. 2002 zur Festlegung von Kriterien und Verfahren für die Annahme von Abfällen auf Abfalldeponien gem. Art. 16 u. Anhang II der Richtlinie 1999 / 31 / EG
BibliograÀe
Kapitel 7 Perspektiven 7.1 HOHLE, F.: QualiÀzierung für den Lehmbau. In: LEHM 2000 Berlin, Beiträge zur 3. Int. Fachtagung des Dachverbandes Lehm e.V., S. 85 – 89, Berlin: Overall Verlag, 2000 7.2 PITZING, U.-D.: Fachkraft im Lehmbau – Die erste handwerksrechtlich anerkannte deutsche Lehmbauausbildung. In: Zukunft Lehmbau 2002 – Fachtagung 10 Jahre Dachverband Lehm e.V., Beiträge S. 123 – 132, Weimar: Dachverband Lehm e.V. / Bauhaus-Universität Weimar, 2002 7.3 BEUCHEL, E.; RÖHLEN, U.: Modellhafte QualiÀzierung zur »Fachkraft im Lehmbau«. In: Zukunft Lehmbau 2002 – Fachtagung 10 Jahre Dachverband Lehm e.V., Beiträge S. 111–122, Weimar: Dachverband Lehm e.V. / Bauhaus-Universität Weimar, 2002
7.6 SCHROEDER, H.; RÖHLEN, U.; JÖRCHEL, S.:
Professional Training and Academic Teaching in Earth Architecture: The Activities and Experiences of the Dachverband Lehm e.V., Germany. In: Mediterra 2009; 1st Mediterranean Conference on Earth Architecture, Proc. S. 657 – 663, Monfalcone, Italia: Edicom Edizioni, 2009 7.7 FAL E. V.: Lehmputze und Gestaltung / Clay Plaster. Ganzlin, MVP: CD, 2005 7.8 BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG UND FORSCHUNG:
Berufsbildungsgesetz (BBiG) v. 23. 03. 2005 BGBl. I, S. 931 7.9 ÉCOLE NATIONALE SUPERIEURE D’ARCHITECTURE DE GRENOBLE:
Diplôme de spécialisation et d’approfondissement en architecture DSA – Architecture de Terre. Grenoble, France: Laboratoire CRATerre – ENSAG, 2005
7.4 BEUCHEL, E.: Weiterbildung zur Fachkraft für Lehmbau – Inhalte und bisherige Erfahrungen. In: Moderner Lehmbau 2003, S. 101 – 104, Stuttgart: Fraunhofer IRB Verlag, 2003
7.10 SCHRECKENBACH, H.: Vernetzen im Lehmbau. In: LEHM 2008 Koblenz, Beiträge zur 5. Int. Fachtagung für Lehmbau., S. 74 – 77, Weimar: Dachverband Lehm e.V., 2008
7.5 RÖHLEN, U: Überführung der QualiÀkation »Fachkraft Lehmbau« in eine bundesweit anwendbare Struktur. In: Moderner Lehmbau 2005, S. 99 – 102, Berlin: Umbra Umwelt- u. Unternehmensberatung GmbH (Hrsg.), 2005
7.11 KIRCHBAUHOF gGmbH (Hrsg. im Auftrag des DVL): LEHM 2000 Berlin – Beiträge zur 3. Int. Fachtagung Lehmbau des Dachverbandes Lehm e.V., Berlin: Overall Verlag, 2000
399
BibliograÀe
7.12 DACHVERBAND LEHM E. V. (Hrsg.): LEHM 2004 Leipzig – Tagungsbeiträge der 4. Int. Fachtagung für Lehmbau. Weimar: Eigenverlag Dachverband Lehm e.V., 2004 7.13 DACHVERBAND LEHM E. V. (Hrsg.): LEHM 2008 Koblenz – Tagungsbeiträge der 5. Int. Fachtagung für Lehmbau. Weimar: Eigenverlag Dachverband Lehm e.V., 2008
7.18 ACHTZIGER, J.; PFEIFER, G.; RAMCKE, R.; ZILCH, K.:
Mauerwerk Atlas. Basel / München: Birkhäuser-Verlag f. Architektur / Edition Detail, 2001 Boston – Berlin / Edition Detail, München 2001 7.19 SCHROEDER, H.: Konstruktion und Ausführung von Mauerwerk aus Lehmsteinen. In: Mauerwerkkalender 2009, S. 271 – 290, Berlin: W. Ernst & Sohn, 2009
7.14 SCHROEDER, H.; VOLHARD, F.; RÖHLEN, U.:
Die Lehmbau Regeln 2008 – 10 Jahre Erfahrungen mit der praktischen Anwendung. In: LEHM 2008 Koblenz, Beiträge zur 5. Int. Fachtagung für Lehmbau, S. 12–21, Weimar: Dachverband Lehm e.V., 2008 7.15 BACKE, H.; HIESE, W.: Baustoffkunde für Berufs- und Technikerschulen und zum Selbstunterricht. Düsseldorf: Werner Verlag, 1997, 8. AuÁ. 7.16 DIERKS, K.; WORMUTH, R. (Beitrag Ziegert): Baukonstruktion. Düsseldorf: Werner Verlag, 2007, 6. AuÁ. 7.17 HEGGER, M.; AUCH-SCHWELK, V.; FUCHS, M.; ROSENKRANZ, T.:
Baustoff Atlas. Basel / München: Birkhäuser-Verlag f. Architektur / Edition Detail, 2005
400
7.20 MINKE, G.; SCHROEDER, H.; ZIEGERT, C.:
Das Technische Merkblatt »Anforderungen an Lehmputze« des Dachverbandes Lehm e.V. In: Europäischer Sanierungskalender 2009, S. 105 – 111, Berlin: Beuth Verlag GmbH, 2009
Abbildungsnachweis
Abbildungsnachweis Allen, die durch Überlassung ihrer Bildvorlagen, durch Erteilung von Reproduktionserlaubnis und durch Auskünfte am Zustandekommen des Buches mitgewirkt haben, sagen Autor und Verlag aufrichtigen Dank. Trotz in-
tensiven Bemühens konnten nicht alle Urheber von Abbildungen ermittelt werden, ihre Urheberrechte sind jedoch gewahrt. In diesen Fällen wird um entsprechende Nachricht gebeten. Fotos / Abbildungen, die hier nicht aufgeführt sind, stammen vom Autor.
Kapitel 1 Entwicklung des Lehmbaus Bild Nr. 1-1, 1-16 1-3 1-4 1-5 1-6 1-7 1-8 1-9 1-10 1-11, 1-13 1-14 1-15b 1-17 1-18, 4-25 1-19 1-20 1-21, 1-22 1-24, 1-25
Lit. Nr. 1.1
Urheber Susanne Schroeder, Weimar
1.2 1.33 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 1.32 1.16 1.19 1.20 1.21 1.22 1.25
Dr. Stefan Simon, Berlin www.wmf.org Bianca Isensee, Weimar Franz Volhard, Darmstadt
Kapitel 2 Baulehm Bild Nr. 2-1, 2-4, 2-5, 2-6 2-7 2-2 2-3, 2-30 2-8 2-9 2-10, 2-19 o, 2-25,
Lit. Nr. nach 2.1
Urheber
nach 2.2 2.3 nach 2.5 2.8 2.9 401
Abbildungsnachweis
2-26, 2-28 2-11, 2-12, 2-13, 2-21, 2-22, 2-23, 2-24, 2-27, 3-38 2-14, 2-16, 2-29 2-17, 2-18 2-19, 3-41 2-31
2.9 2.10
Thomas Schnellert, Weimar
2.11 2.14 2.15 2.20
Kapitel 3 Lehmbaustoffe Bild Nr. 3-1, 4-19 3-2, 3-17 3-3, 3-5 3-6 3-7, 3-25 3-8 3-9 3-10, 3-24, 3-30, 4-24 (JR), 4-27, 4-31, 4-52, 4-53, 4-54, 4-55, 4-56, 5-44 (JR), 5-45 (JR/claytec) 3-12 3-13, 3-22, 4-22, 4-24, 4-28 3-14 3-16 3-18 3-19, 3-32, 3-33, 3-34 3-26, 3-39 3-28 3-29 3-31 3-35, 3-36, 5-7 3-37 3-40 3-42, 3-45 3-43 402
Lit. Nr. 3.2 3.3 3.4 3.50 3.5 3.6 3.7, 1.24 3.7
3.9 3.13 1.24 3.14
Urheber
Dachverband Lehm e.V. (DVL) (JR – Julian Reisenberger, Weimar) (claytec – CLAYTEC e.K., Viersen)
Bachrom A. Tulaganov, Weimar
Quentin Wilson, El Rito, NM, USA wikipedia
nach 3.15 nach 3.16 3.52 7.15 nach 2.16 3.25 3.24 3.35 3.28, 3.29 3.42
Tom Hiersemann, Weimar
Abbildungsnachweis
3-46 3-47, 3-48
3.43 3.49
Kapitel 4 Konstruktionen aus Lehmbaustoffen Bild Nr. 4-1 4-3, 4-24, 4-35, 4-36, 4-41, 4-42, 4-43, 4-57, 4-58 4-4 4-5, 4-29 4-8, 4-15 4-11 4-16 4-17 4-18 4-20 4-21, 4-45 4-26 4-30 4-32 4-33 4-34 4-37 4-39 4-40 4-42, Foto 4-48 4-50 4-51
Lit. Nr. 1.28
4.11 1.24 4.14 4.18 4.19 4.40 4.20 4.21 4.22, 4.23 4.27 4.28 4.30, 4.42
Urheber www.dibt.de DVL / Julian Reisenberger, Weimar bzw. claytec, Viersen
Julian Reisenberger, Weimar Hannah Schreckenbach, Magdeburg
David Easton, Napa, CA, USA Ivana ŽabiĀková, Brno, ÿR Hannah Schreckenbach, Magdeburg Anke Richter, Weimar claytec (a) Horst Schroeder, Weimar, (b) Tom Morton, Auchtermuchty, UK, (c) claytec
4.31 André Sudmann, Weimar 4.33 4.34 4.41 4.43
Anna Migliaccio, Weimar Richard Orgel, Weimar Hannah Schreckenbach, Magdeburg
Kapitel 5 Gebrauchszustand Bild Nr. 5-3 5-4 5-5 5-6
Lit. Nr. 5.2 5.4 nach 5.17 5.5
Urheber
403
Abbildungsnachweis
5-7 5-9 5-10 5-11 5-12 5-14, 5-15, 5-17, 5-18, 5-19, 5-21, 5-23, 5-25, 5-28, 5-39 5-20 5-22, 5-24, 5-26, 5-38 5-27 5-30 5-32 5-34 5-36 5-40 5-42 5-43, 5-49 5-44 5-46, 5-47, 5-48 5-49 5-50, 5-51 5-52 5-55
3.25 3.27 nach 5.13 nach 5.15 3.38 5.16
Tino Köhler, Weimar
4.26 5.18
Yvonne Maiwald; Bettina Hein, Weimar Schader, Weimar
5.25 5.29 Shamil A. Chakimov, Taschkent, Usbek. 5.30 5.31 5.36 5.56 4.23 5.47 5.49 5.52 5.51 5.54
Daniel Torrealva, Lima, Peru
Manfred Fahnert, Flammersfeld, D
Kapitel 6 Recycling Bild Nr. 6-1, 6-2
Lit. Nr. 6.11
Urheber Jürgen Kurz, Weimar
Lit. Nr.
Urheber Archiv Stadtmuseum Weimar
Kapitel 7 Perspektiven Bild Nr. 7-1
404
Sachwortverzeichnis
Sachwortverzeichnis
A Abbruch von Gebäuden 21, 347f., 357f. – Abbruchverfahren 349f. – Demontagestufen 348f. Amplitudendämpfung 268 Arbeitsmasse 44, 98f. Archäologie, archäologisch 12f., 343f. Armierungsgewebe 225, 241f. Auelehm 42f., 66, 118, 134f. Ausblühungen 84, 238 Ausrollgrenze 22, 64f., 71, 155
Bildung im Lehmbau 369f. Bindekraft 22, 68f., 83, 106f., 118f., 149, 154f. Black cotton soil 44f., 66, 72 Blähton 94, 118f. Bodenbestandteile 33f. 83 Bodenbildung 32f. BodenproÀl 32, 35 Brandschutz 22, 175, 277 D Dachschrägen 128, 231 Decken 117f., 125f., 177f., 189f, 197f., 225f., 278f., 298, 305, 337f. – Einschubdecken 229f. – Stakendecken 226f. – – Spalierdecken 227f. – – Wickeldecken 227f. – Lehmplatten 128, 190, 231
B E Bauabfall 28, 360f. Baudenkmal 9f., 314f., 336, 342, 358, 374 Baulehm 20f., 31f., 45, 47f., 57f.,78, 83f., 107, 115f., 132f., 140, 149f., 173, 177, 273, 359, 375 – Aufbereitung 20f, 87f., 114f., 352f. – – natürlich 88 – – mechanisiert 88f., 359 – Erkundung, -verfahren 21, 29f., 48f. – KlassiÀzierung, Prüfung 52f. 68f., 115f., 138f., 146f., 153f., 176f., 204f., 278f., 355f. – – Lagerstätte 36f., 48f. – – Laborverfahren 53f. Bauleistungen 172, 177f., 183f., 186f. – Abschluss 188 – Ausführung 189f. – Ausschreibung 183f. – Bauleitung 186f. – Kalkulation 184f – Vergabe 183f. Bauregelliste 175f., 375 Bauschäden 287f., 310f., 318f.
Einwirkungen auf Baukonstruktionen 146, 257f. , 299, 301f. – biologisch 299f. – chemisch 299 – mechanisch 288f. – Naturkatastrophen 258, 302f. – – Erdbeben 178, 182, 258, 302f., 336 – – Hochwasser 302 Erhaltung 9, 313f., 374 Erosionsbeständigkeit 58, 275f. F Fachwerkkonstruktion 12f., 213f., 239, 282, 299f., 316f., 323f., 350 Fetter Lehm 51f., 71f. Feuchteschutz, konstruktiv 189, 219, 330 Feuchtigkeit 89f., 110f., 190f., 261f., 269f., 288f., 297f., 322, 331 – Porengrößen 269, 273 – Transportmechanismen 269f. 405
Sachwortverzeichnis
– – hygroskopisch, Adsorption 110, 251, 269f., 288 – – Kapillarkondensation 269f., 288 – – Kapillarleitung 269 – – Wasserdampfdiffusion 270f. Flachdach 2, 231f., 308f., 340f. Fließgrenze 64f., 136 Forschung 28f., 369, 373f. Fundamente 190f., 235, 290, 321f. Fußboden 116, 178, 189f., 298f.
Holzhackschnitzel 94, 118, 169, 277f. Holzständer-Wand, Holzständerkonstruktion 9, 13, 117f., 185, 193, 217f. , 277
– bauästhetische 23, 28f. – baumechanische 22, 138f. – – Festigkeits- 22, 146f., 204f. , 207, 212 – – Formänderungs- 22, 139f. – bauökologische 23f. – – energetische 23f. – – Umweltwirkungs- 23, 26 – bauphysikalische 22, 166, 277f. – – brandschutztechnische 22, 277f. – – feuchtetechnische, hygrische 22, 269f. – – schallschutztechnische 22, 278f. – – strahlenschutztechnische 22, 283f. – – wärmetechnische, thermische 22, 168f., 259f. – bautenschutztechnische 22, – bauwirtschaftliche 23, 172f., 184f. – – Einheitspreis 22, 184f. – – Richtzeitwerte 22, 185f. – chemisch-mineralogische 22, 74f., 83f. – physikalische 22, 52f., 62f., 129f. – – Körnungs- 22, 53f. – Masse- und Gefüge- 22, 129f. – physiologische 23, 355f. – Verarbeitungs- 22, 63f. Kondenswasser 244, 272, 320 Konsistenz 22, 49f., 64f., 71f., 97f., 114f., 158, 207f., 215, 243f., 328f. – Konsistenzformen 69 – Konsistenzindex 64, 68 Konvektion 110f, 252, 260f. Korngröße 22, 33, 39f., 51, 53f., 116
I
L
Instandsetzung, Sanierung 29, 287, 310f., 318f.
Laterit 44, 103f. Lebenszyklus eines Gebäudes 20, 25 Lehmbatzen 103, 207f., 216, 343f. Lehmbau 1f., 9f., 29, 174f. , 367f. – baurechtlich, 176f., 186, 314, 348, 369f. – wirtschaftliche Entwicklung 376f. Lehmbau Regeln 113f.147, 153f., 168f., 174f., 186f., 195f., 201f., 247f., 278f., 330f Lehmbaustoff 21, 113f. – Einbaufeuchte, -wassergehalt 149, 201
G Gebrauchstauglichkeit 21, 124, 128, 171f., 247f., 257f., 354 Gehängelehm 42f., 136f. Geschiebelehm, Geschiebemergel 37f., 115, 132f. Gewölbe 6, 234f., 303f. – Kuppel 233f. – Tonne 234f. Gleichgewichtsfeuchte 22, 133, 138, 272f. Grubenlehm 45 Grünling 100, 125f., 140, 217, 223, 230, 239f., 280f., 294f. H
K Kalk-Außenputz 185, 324f. Kellerwand 190, 299 Kenngrößen 20, 22f., 52f. 63f., 72f., 128f., 166f., 248, 259f., 269f., 277f. – abfalltechnische 23, 363f. 406
Sachwortverzeichnis
– Entsorgung 21, 360f. – Formgebung 21, 98f., 107f., 114, 126f., 205f. – – temporäre Schalung 107f., 325 – – »verlorene« Schalung 107f., 220, 241, 325 – Kennzeichnung 113 – stabilisiert 27, 94f., 115f., 123f., 150f., 237, 275, 294, 334f., 342f., 353 – Trockenrohdichte 22, 113f., 133f., 146f., 168f., 204f., 324f. – Vorfertigung 114, 201f., 217 – Wiederverwendung 20, 23, 351f. – Zusätze 79, 95, 115f., 151f., 167f., 246f., 263, 353 – – Kalk 95, 151f. – – Zement 95, 151f. – Zuschlag 94 – – Holzhackschnitzel 94 – – mineralisch leicht 94 – – Stroh 94, 116f. Lehmbauteil 21f., 98f., 110f., 173, 177, 189f., 263f. Lehmbauwerk 21 Lehmmörtel 114, 120f., 134, 140, 153, 159, 173, 190, 193, 376f. – Baustellenmörtel 120 – Prüfung, Prüfverfahren 23 – – Biegezugfestigkeit 22, 120, 159f., 197 – – lineares Schwindmaß 69f., 72f., 140 – – Rohdichte Festmörtel 120 – – Trockendruckfestigkeit 122 – Verwendungszweck 121 – – Lehm-Mauermörtel 121, 154, 159, 163, 212, 216, 294 – – Lehm-Putzmörtel 114, 120f., 153, 156f., 164f., 243f., 355 – – Lehm-Spritzmörtel 114, 124f. – Werkmörtel 120 – werksmäßig hergestellter Mörtel 120 – wiederverwendeter Mörtel 120 Lehmplatten 125f. – Format 125f. – Fugen 225, 241
– Verwendungszweck 128 Lehmputz 214, 221f., 237f., 253, 271f., 296, 335, 342f., 359 – Anforderungen 237, 245, 247f. – AußenwandoberÁächen 247, 292 – farbig 124, 237, 249f. – Lehm-Innenputz 237 – OberÁächenbehandlung, -gestaltung 245 – Putzauftrag 242f. – Putzgrund 156f., 238f. Lehmschlämme 97, 118, 238f. Lehmschüttung 114, 119, 134, 190, 230, 359 Lehmsteine 2f., 27, 99f., 114f., 122, 125f., 153f., 190, 196f., 211f., 220f., 229f., 234f., 239f., 293f., 304f., 323f., 335f., 350f., 359f. – Format 99f., 125 – Prüfung 127, 153f. – – Trockendruckfestigkeit, Festigkeitsklasse 154 – Herstellung, Formgebung 99f. – – gießen 102f. – – patzen 101 – – pressen 99f. – – stampfen 101f. – Verarbeitung 196 – Verwendung 126 – – Anwendungsklasse 126, 212 Lehmstein-Mauerwerk 196f., 306f., 335f. – tragend 197f., 211f., 335f. – – Steinfestigkeitsklasse 153f. – – Konstruktion 204, 212 – – Überwachung, baubegleitend 212 – nicht tragend 216f. – – Ausfachungen 216f. – Trennwände 224f. – Vorsatzschalen 328 Leichtlehm 107f., 118f., 169 Leichtlehm-Stein 125, 329 Lösslehm, Löss 37f. Luftfeuchte 110f., 237, 244, 251, 261f., 270f. – Adsorption 251, 270 – relative 261f. 407
Sachwortverzeichnis
M Magerer Lehm 69 Musterbauordnung 20, 174f. N Nachhaltigkeit, Nachhaltiges Bauen 19f., 114, 353 Naturlehm 31f. Normsteife 68f. Normung 174f., 375
Siebenanalyse 53 Sieblinie 54 Sockel 190f., 289f., 299f., 311f., 321f., 330f., 336 StampÁehm 2f., 114f., 134, 146f., 190f., 196, 201, 330f., 359 – tragend 190, 201f. – nicht tragend 190 – Prüfung 146f., 204f. – – Trockendruckfestigkeit 146f., 204 Stoffkreislauf 20f., 47, 114, 352f., 359f. Strohlehm, Faserlehm 114, 117, 327, 359 Strohlehmwickel 227
O T Ökobilanz 23f. P Plastizität, Plastizitätsindex 22, 64f., 70f. Presslehm 47 Probenahme 49 R Raumklima 261f. Recyclinglehm 20f., 47, 119f., 353f. Rissbildung 23, 73, 110f., 140, 153, 199f., 243, 251, 310f., 336f. Rohdichte 22, 114f., 131f. – PROCTOR-Dichte 134f. – Reindichte 22, 138 – Trocken- 22, 133f.
Taupunkt 272, 326 Technischer Ausbau 252f. – Befestigungen 252 – Lehmöfen 254f. – Leitungsführung 252 – Wandheizungen 252 Ton 32f., 42f., 56f., 61f., 69f., 74f., 100, 116 Tonmehl 45 Trennwand 128, 193, 224f., 280f., 305 Trockenlehm 47 Trocknung 21, 110f., 189, 221 – natürlich 112f. – künstlich 112f., 221 – Verlauf 110 U U-Wert 217f., 265f., 324f.
S V Salze 22, 45, 84, 289f., 299, 319, 331f., 354 Schallschutz 22, 278f. Schalung 101f., 107f., 201f., 219f., 325f. Schimmelpilz 111, 221, 241, 272, 357 Schlagregen 237, 275f., 294f. Schlämmanalyse 54f. Schwinden und Quellen 72f., 79, 94, 283, 294 408
Verdichtung 58, 98f., 104f., 134f., 201f., 331 Verwendbarkeitsnachweis 176 Verwitterungslehm 41f. Vorsatzschale 118, 125, 253f., 272, 324f.
Sachwortverzeichnis
W Wand 2f, 192f., 278f., 310f., 323f. – Mindestwandstärke 197 – Mischbauweise 200 – nicht tragend 213f. – – Ausfachungen 213f. – Querwand 198 – Schlitze, Aussparungen 200 – tragend 201f. – Wandabstand 198 – WandauÁage 198 – Wandhöhe 197f. – Zuganker 198 Wärmeleitung 260f. – Wärmeleitzahl 168, 264 Wärmeschutz, Wärmedämmung 266f., 323f. Wärmespeicherung 22, 168f., 265f., – Auskühlzeit 265f. – speziÀsche Wärme 168f. Wärmestrahlung 259f. Wasserdampfdiffusions-Widerstandsfaktor 270f. Wellerlehm 116f., 146f., 190f., 205f., 294f., 310f., 330f. Wetterschutz 187f. Winddichtigkeit 22, 282f. Z Zellulosefaserdämmung 221f. Zusätze 95f. Zuschläge 94f.
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