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PARKER reizt die „Klapperschlange“ Edmund Diedrichs Josuah Parker verbeugte sich vor der älteren Dame. »Mylady mögen verzeihen, aber die Entfernung diverser Speisen scheint dringend geboten«, teilte er mit. »Der Telefonanruf soeben kam von Mister Fisher, der vor dem Verzehr bei ihm eingekaufter Lebensmittel warnte.« »Ich glaube, mein Kreislauf bricht zusammen«, murmelte Agatha Simpson und faßte sich an den üppigen Busen, wo sie ihr Herz vermutete. »Das mit ansehen zu müssen, ist zuviel für eine reife Frau. Meine dringend benötigte Diät, Mister Parker, entführen Sie!« Sie seufzte und ließ sich in ihren Sessel sinken. Der Butler hielt bereits eine Kristallkaraffe in der Hand und füllte einen Cognac-Schwenker. »Man bittet noch mal um Verzeihung, Mylady«, bemerkte er. »Die Sorge um Myladys Wohlergehen veranlaßten meine bescheidene Wenigkeit zu diesem außergewöhnlichen Schritt. Mister Fisher ist nämlich der Ansicht, daß die heute bei ihm erstandenen Lebensmittel möglicherweise vergiftet sind.« Die Hauptpersonen: Samuel Fisher beliefert Mylady mit Delikatessen, die nicht ihr Ziel erreichen. Gus Myers und Peter Shelley reklamieren angeblich verdorbene Waren und werden dabei von Mylady »bedient«. Gordon Reynolds betreibt eine Spedition und wird vom eigenen Schwiegersohn unter Druck gesetzt. Paul Wilson setzt sich ins gemachte Bett und lanciert dunkle Geschäfte. Ray Henderson führt eine zwielichtige Kneipe und freut sich über Parkers Besuch. Lady Agatha besucht eine Sportveranstaltung und lehrt einem Boxer das Fürchten. »Man will mich vergiften, Mister Parker?« Die passionierte Detektivin war von dieser Vorstellung keinesfalls schockiert. Sie lehnte sich zurück und sah sich bereits in einem neuen, erregenden Kriminalfall verwickelt. 2
»Möglicherweise«, wiegelte Parker ab. »Es dürfte berechtigter Anlaß bestehen, daß ein Teil von Mister Fishers Vorräten einzig zu dem Zweck vergiftet wurde, um ihn erpressen zu können.« »Kaufen Sie öfter dort ein?« wollte Lady Agatha wissen. »Dem ist in der Tat so, Mylady.« »Na also!« Für die Dame des Hauses war der Sachverhalt wieder mal völlig klar. »Es ist also kein Geheimnis, daß ich von da einen Teil meiner Vorräte beziehe«, überlegte sie. »Das hat sich ein Gangster zunutze gemacht, dem ich auf die Füße getreten bin. Ich bin nicht gerade beliebt in der Unterwelt, Mister Parker, das wissen Sie doch.« »Eine These, die keinesfalls von der Hand zu weisen ist«, räumte Parker ein. »Man wird Ermittlungen auch in dieser Richtung betreiben müssen.« »Nur in dieser Richtung, Mister Parker«, korrigierte sie ihn und nickte nachdrücklich. »Gleich morgen früh werde ich diesen Tisher aufsuchen und ihm einige unangenehme Fragen stellen. Wahrscheinlich steckt er mit den Gangstern unter einer Decke.« »Es handelt sich um einen Mister Fisher«, berichtigte Parker den Namen des Händlers. »Er gilt übrigens als außerordentlich seriös und über alle Zweifel erhaben.« »Tarnung, Mister Parker, nichts als Tarnung.« Die resolute Dame sah ihren Butler an und hob mahnend den Zeigefinger. »Sie dürfen sich nicht vom äußeren Augenschein täuschen lassen, Mister Parker. Man muß hinter die Fassade sehen.« »Ein ungemein wertvoller Hinweis, Mylady«, bedankte sich der Butler. »Man wird sich bemühen, diesen in Zukunft stets zu berücksichtigen.« * »Es tut mir aufrichtig leid, Mister Parker«, beteuerte Samuel Fisher und breitete die Arme in hilfloser Geste aus. »Wann erfuhren Sie von der Vergiftung Ihrer Waren, Sir?« erkundigte sich der Butler gemessen, die Entschuldigung überhörend. »Kurz, bevor ich Sie anrief. Ich erhielt selbst einen Anruf, in dem man mir mitteilte, daß ein Teil meiner Ware vergiftet wäre. Man sagte mir, um welche Artikel es sich handelte und daß ich 3
demnächst mitgeteilt bekäme, wieviel ich zur Vermeidung weiterer Vergiftungen zu zahlen hätte und wie die Geldübergabe stattfinden sollte. Dann legte der Anrufer wieder auf, und ich alarmierte alle Stammkunden, um sie zu warnen.« »Sie haben alle Käufer erreichen können, die möglicherweise vergiftete Ware erstanden haben, Sir?« wollte Parker wissen. »Mit Sicherheit, Sir. Sehen Sie, das hier ist keine Laufgegend, und mein Warenangebot ist nicht für jedermann bestimmt. Ich habe nur langjährige Stammkundschaft. Sie selbst kommen ja auch schon einige Jahre.« »Das ist allerdings richtig, Mister Fisher. Man war bisher mit Ihrem Warenangebot außerordentlich zufrieden.« »Mit Ausnahme von heute natürlich, als Sie mich vergiften wollten«, mischte sich die ältere Dame ein. »Sie vergiften, Mylady? Aber ich bitte Sie!« Samuel Fisher sah die Detektivin entsetzt an und schüttelte den Kopf. »Man hat es ausschließlich auf mich abgesehen, mein Bester«, informierte sie ihn. »Das ganze Theater mit der Erpressung und so weiter ist nichts als Tarnung, um den wahren und einzigen Zweck dieser Aktion zu vertuschen. Man will mich beseitigen, weiter gar nichts!« »Aber… aber warum denn das, Mylady?« wunderte sich der Delikatessenhändler. »Warum sollte man eine geschätzte Dame der Gesellschaft umbringen wollen?« »Haben Sie eine Ahnung!« Lady Agatha lachte leise. »Man fürchtet mich in der Unterwelt, das hätten Sie nicht gedacht, oder?« »Wirklich?« Der Delikatessenhändler verstand immer weniger und sah Josuah Parker hilfesuchend an. »Mylady beschäftigt sich in der Freizeit mit der Aufklärung schwieriger Kriminalfälle«, erläuterte Parker gemessen. »Myladys Erfolgsquote ist sensationell, so daß sie in der Tat von der kriminellen Szene gefürchtet wird.« »Ungelöste Fälle gibt es bei mir nicht.« »Dann sind Sie ja besser als Scotland Yard, Mylady«, bemerkte Samuel Fisher respektvoll. Agatha Simpson zierte sich. »Schon gut, ich weiß, daß ich eine Kriminalistin bin, sogar eine begabte.« Sie blickte auf eine Warenprobe, die auf einem Tisch an der Wand stand. 4
»Was enthalten die Behälter?« erkundigte sie sich. »Langusten, Mylady«, informierte der Delikatessenhändler. »Eine Firma, die mit mir ins Geschäft kommen will, hat mir einige zur Probe geschickt. Ich bin allerdings noch nicht dazu gekommen, mich darum zu kümmern. Die Behälter sind kurz vor Ihrem Besuch eingetroffen.« »Hoffentlich sind die nicht vergiftet«, bemerkte die Detektivin und runzelte nachdenklich die Stirn. »Auf gar keinen Fall, Mylady. Der Erpresser hat mir alle Waren genannt, die vergiftet wurden, ich habe mir eine Liste angefertigt. Er wollte vermeiden, daß jemand zu Schaden kommt, sagte er, mir aber gleichzeitig demonstrieren, wie leicht es ist, die Ware zu präparieren.« »Außerordentlich human«, stellte Agatha Simpson fest und konnte ihren Blick nicht von den Schaumstoff-Behältern lösen. »Ich bin übrigens eine Expertin, was Langusten angeht. Mister Parker wird Ihnen das bestätigen.« »Tatsächlich?« staunte der Delikatessenhändler. »So ist es, Sir«, stimmte Parker seiner Herrin zu, ohne mit der Wimper zu zucken. »Das ist ja wunderbar«, freute sich Fisher und verbeugte sich vor der Lady. »Wenn ich Sie vielleicht um einen Gefallen bitten dürfte, Mylady?« »Nur zu, mein Bester, wenn ich helfen kann, werde ich das gerne tun.« Sie nickte huldvoll und lächelte. »Wenn ich Ihnen eine Languste zubereiten dürfte?« bat er. »Ihr Urteil würde mich sehr interessieren.« »Allerdings«, überlegte sie, »gehört dazu auch der richtige Wein. Haben Sie das bedacht?« »Ich bitte Sie, Mylady, ich bin doch kein Barbar!« Samuel Fisher sah die ältere Dame beleidigt an. »Kredenzen Sie mir aber nicht einen billigen Tropfen, Mister Tisher«, mahnte sie. »Fisher ist mein Name, Mylady. Und was den Wein betrifft… ich habe da einen Rothschild Laffitte, der Ihnen zusagen dürfte. Sie werden begeistert sein.« »Hoffentlich stimmt auch der Jahrgang, mein Lieber?« »1923, Mylady, der beste Jahrgang überhaupt. Ich weiß doch, was man einer Dame anbieten darf.« »Sie sind ein Mann nach meinem Geschmack«, lobte Agatha 5
Simpson und lächelte versonnen. »Ich hoffe, Sie lassen mich nicht zu lange auf meine Kostprobe warten.« Josuah Parker betrat den Verkaufsraum und erkannte die Ursache des Lärms. Es handelte sich um zwei etwa dreißigjährige Männer, die keinesfalls so aussahen, als gehörten sie zur Stammkundschaft. Sie trugen ausgewaschene Jeans, ausgefranste TShirts mit dem Aufdruck einer amerikanischen Universität und an den Füßen sogenannte Western-Boots mit schiefgelaufenen Absätzen. Sie standen vor einem Tresen, hinter dem sich eine ältere Angestellte aufhielt und die beiden verängstigt musterte. Zwischen den Männern und der Frau stand ein Karton auf dem Tresen, der wohl der Gegenstand der hitzigen Erläuterungen zu sein schien. Parker machte sich durch dezentes Hüsteln bemerkbar und schritt gemessen und würdevoll auf die beiden Hitzköpfe zu, die dem Butler entgeistert entgegenstarrten. Parker nickte knapp der Angestellten zu. »Meine Wenigkeit sagt vielen Dank. Bemühen Sie sich nicht weiter, Madam.« Hinter dem Butler schnappte der Delikatessenhändler hörbar nach Luft. Er wollte sich an Parker vorbeidrängeln, um die Dinge in die Hand zu nehmen, aber der Butler hielt ihn zurück. Die ältere Frau sah verwirrt zu ihrem Brötchengeber hinüber und entfernte sich eilig, als dieser ihr zunickte. Parker blieb vor den beiden Männern stehen, die ihm grinsend entgegensahen. Sie musterten ihn herausfordernd von oben bis unten und sparten nicht mit anzüglichen Bemerkungen. »Donnerwetter, hat sich der Opa schick gemacht«, fand einer von ihnen und kicherte laut. »Der ist bestimmt aus’ m Museum«, vermutete sein Partner. »Daß es so was noch gibt«, überlegte der erste wieder. »Dachte, die Typen wären längst ausgestorben.« »Man wünscht den Herren einen außerordentlichen schönen und erfolgreichen Tag«, ließ sich Parker vernehmen und lüftete seine schwarze Melone. »Na, wenn das kein vornehmer Laden ist«, staunte der eine der beiden, ein untersetzter, stiernackiger Mann, dem bereits die Haare auszufallen begannen. »Sie sind wohl hier der Obermimer, wie?« wollte sein Kollege wissen, der im Gegensatz zu seinem Begleiter über reichlich Haa6
re verfügte, die in fettigen Strähnen auf seine Schultern fielen. »Meine bescheidene Wenigkeit hat die Ehre, diesem Unternehmen als Geschäftsführer vorstehen zu dürfen«, behauptete Parker ungeniert. »Darf man nach dem Grund Ihrer Erregung fragen, meine Herren?« »Dürfen Sie, alter Knabe, dürfen Sie!« Der Mann mit den Strähnen langte in die Kiste und holte einen Hummer hervor. »Den haben wir gestern bei Ihnen gekauft«, erklärte er. »Wir wollten uns mal was Gutes leisten.« »Ein Entschluß, zu dem man Sie nur beglückwünschen kann«, fand Josuah Parker. »Das Vieh ist aber nicht, in Ordnung«, fuhr der Beschwerdeführer fort und deutete anklagend auf dunkle Flecken an der Unterseite und an den Scheren des Hummers. »Da, sehen Sie selbst… Sie haben uns verdorbene Ware angedreht!« »Außerordentlich bedauerlich«, fand Parker und lüftete erneut die Melone. »Möglicherweise ist das Tier sogar vergiftet.« »Sie geben es also auch noch zu?« staunte der Untersetzte und sah seinen Partner stirnrunzelnd an. »Die Symptome deuten daraufhin.« Parker blieb ruhig und gelassen. »Darf man fragen, welches Mittel die Herren verwendet haben?« Die beiden Männer stutzten und wußten nicht, was sie auf diese direkte Frage, mit der sie auf keinen Fall gerechnet hatten, antworten sollten. Der Mann mit den Strähnen überwand seine Überraschung zuerst. »Was wolln’se denn damit sagen, he?« erkundigte er sich und schob sich auf den Butler zu. * »Was ist hier los?« Aus dem Hintergrund grollte Lady Agathas baritonal gefärbtes Organ und ließ die beiden Beschwerdeführer erschrocken zusammenfahren. »Wer ist’n das?« erkundigte sich der Untersetzte und musterte die ältere Dame, die langsam näher kam, mit scheuem Respekt. »Mylady ist eine Freundin des Hauses«, erläuterte Parker. »Sie nimmt an den Belangen der Firma regen Anteil und ist häufige 7
und gerngesehene Besucherin.« »Wer sind die Lümmel?« wollte die passionierte Detektivin wissen und faßte die beiden Männer ins Auge. Sie benutzte zu diesem Zweck eine Lorgnette, durch die sie die Männer wie zwei besonders seltene Exemplare im Zoo betrachtete. »Das geht Sie nichts an, gute Frau, wir haben hier ‘ne Reklamation, die wir klären müssen«, raunzte der Mann mit den Strähnen. »Für Reklamationen bin ich zuständig«, freute sich die ältere Dame. »Vertrauen Sie sich mir ruhig an, bei mir sind Sie an der richtigen Stelle.« »He, was ist hier eigentlich los?« Der Untersetzte hatte seine Scheu vor der walkürenhaften Erscheinung verloren und starrte die ältere Dame mit hochgezogenen Brauen an. »Was meinen Sie denn, junger Mann?« Lady Agatha steckte ihre Sehhilfe weg und lächelte. »Wohl alle unter einer Decke, was«, argwöhnte der Mann. »Ihr wollt euch über uns lustig machen?« »Etwas komisch wirken Sie schon«, gab Lady Agatha zu. »Zur Sache.« Der Mann mit den fettigen Haaren räusperte sich energisch und griff nach dem Hummer. Er trat auf Parker zu und hielt ihm das Meerestier unter die Nase. »Das Vieh war verdorben, als Sie es uns verkauft haben, kapiert?« knurrte er. »Und das lassen wir uns nicht bieten.« »Man wird Ihnen selbstverständlich Ersatz zukommen lassen, Sir«, gab Parker ungerührt zurück. »Meine bescheidene Wenigkeit wird sofort alles Nötige veranlassen.« »Mit Ersatz ist es nicht getan«, warf der Untersetzte ein. »Wir hatten uns so darauf gefreut, und dann so was!« »Man wird Ihnen zwei Hummer einpacken, meine Herren«, versprach Parker würdevoll. »Auch das reicht noch nicht.« Der Mann mit dem Fetthaar schüttelte betrübt den Kopf. »Stellen Sie sich mal vor, so was spricht sich herum.« »Sie haben bestimmte Vorstellungen, was die Art der Wiedergutmachung angeht?« erkundigte sich Parker höflich. »Na also, Alterchen, allmählich verstehen wir uns.« Der Untersetzte grinste. »Unser… äh… Chef, für den wir eigentlich eingekauft haben, hat Sie ja schon angerufen. Wir sind nur noch mal vorbeigekommen, um seinen Standpunkt zu verdeutlichen.« »Sie denken möglicherweise an eine monatliche Zahlung?« 8
wollte Parker wissen. »Stellen Sie sich mal vor, wir hätten was von dem verdorbenen Zeug gegessen und wären daran eingegangen«, gab der Untersetzte zu bedenken. »Wir sind gerade noch mit dem Schrecken davongekommen, aber der Schock, Sie verstehen? Wir werden den Rest unseres Lebens auf Hummer verzichten müssen, wir würden nie wieder so was über die Lippen bringen.« Er seufzte abgrundtief. »Als Feinschmecker wissen Sie natürlich, welch ein herber Verlust an Lebensqualität das ist.« »Wie könnte man einen Ausgleich dieses Verlustes bewerkstelligen?« erkundigte sich Parken. »Nun, im Prinzip überhaupt nicht.« Der Mann mit den strähnigen Haaren wiegte nachdenklich den Kopf. »Aber ich denke, tausend Pfund monatlich wären schon eine Linderung.« »Eine Alternative sehen die Herren nicht?« »Doch, Opa, weitere Vergiftungen.« Der Untersetzte lachte höhnisch. »Wenn erstmal jemand einen ernsthaften gesundheitlichen Schaden erlitten hat… zum Glück haben wir noch rechtzeitig bemerkt, daß mit der Ware etwas nicht stimmt, und Sie gewarnt, aber das war ein Glücksfall. Beim nächstenmal geht’s nicht so glimpflich ab, befürchte ich.« »Diese Lümmel haben auch meinen Einkauf vergiftet«, fiel Lady Agatha ein. Die ältere Dame drängte energisch nach vorn und blieb direkt vor den beiden Männern stehen. Ihr voluminöser Busen berührte den Untersetzten und veranlaßte ihn zu hastigem Rückzug. Sein Kollege mit dem Fetthaar glaubte, Hilfe leisten zu müssen. Er griff in die Innentasche seines Jacketts und brachte ein tückisch aussehendes Messer zum Vorschein. Er drängte sich vor seinen Kollegen und streckte Agatha Simpson das Messer entgegen, die es ohne jegliches Anzeichen von Furcht musterte. »Sie bedrohen mich also, Sie Lümmel?« vergewisserte sie sich und lächelte. »Jetzt werden wir Fraktur reden, sonst kommen wir ja nie zu Rande«, knurrte der Messerheld und schwenkte seine Waffe vor Myladys Gesicht. »Geht man so mit einer Dame um?« beklagte sie sich und trat ihm kräftig gegen das Schienbein. Der Mann mit dem Fetthaar schrie überrascht auf, ließ das Messer fallen und griff nach dem malträtierten Bein. Dabei mußte er sich zwangsläufig bücken, und 9
die ältere Dame konnte dieser Einladung nicht widerstehen. Sie verpaßte ihm eine schallende Ohrfeige. >Fetthaar< heulte auf und taumelte zurück. Er ruderte mit den Armen durch die Luft und suchte verzweifelt nach einem Halt. Diesen fand er in einem Bassin, das seine suchenden Hände ertasteten. Er wollte sich daran festhalten, rutschte ab und… geriet mit der rechten Hand ins Wasser. Dort hielten sich einige Hummer und Langusten auf, die ihrem vorbestimmten Schicksal entgegensahen. Sie fühlten sich durch den Eindringling gestört und setzten sich umgehend zur Wehr. Ein besonders angriffslustiger Hummer schloß seine Zangen liebevoll um die Hand des fetthaarigen Mannes und kniff sie zusammen. Der Besitzer der Hand brüllte entsetzt auf und zog sie zurück. Die hastige Bewegung wiederum verunsicherte den angreifenden Hummer und versetzte diesen in eine gewisse Panik. Er preßte die Scheren noch fester zusammen und vermittelte dem solcherart attackierten Mann das unangenehme Gefühl, eine Amputation ohne Betäubung zu erleben. Er schlenkerte seine Hand wild durch die Luft, stierte aus hervorquellenden Augen auf den Meeresbewohner an seiner Hand und hatte im übrigen bereits mit der Welt abgeschlossen. Der rundliche Delikatessenhändler schüttelte den Kopf und trat vor, um die Situation zu bereinigen. Mit geübtem Griff nahm er das Tier, löste es von der Hand des Fetthaarigen und setzte es ins Bassin zurück. »Ich bitte Sie, Mister, wie kann man denn mit der Hand in ein Bassin mit lebenden Hummern langen«, rügte er und warf dem geschockten Mann einen vorwurfsvollen Blick zu. »Hoffentlich ist dem Tier nichts passiert«, sorgte sich Agatha Simpson. »Immerhin mußte es sich dank dieses Lümmels eine ganze Weile außerhalb des gewohnten Elements aufhalten.« »Hummer sind sehr zähe Tiere«, beruhigte der Delikatessenhändler sie. »Nicht, daß sich der Schock auf den Geschmack des Hummers auswirkt«, bedachte Mylady den kulinarischen Aspekt der kleinen Szene. Der Untersetzte hatte das Unglück seines Kollegen aus ungläubigen Augen mitverfolgt. Er lehnte am Tresen des Empfangspultes und konnte nicht begreifen, was da geschah. Dann aber löste sich die Erstarrung, und er wollte das Gesetz 10
des Handelns an sich reißen. Seine Hand fuhr unter’s Jackett und tastete nach der Pistole, die er dort trug, wie Parker längst mit sachverständigem Blick festgestellt hatte. Dem Butler unterlief ein kleines Mißgeschick. Er rutschte auf dem glatten Boden aus, als er sich seiner Herrin zuwenden wollte, und suchte nach einem Halt. Er fand ein Faß, das neben ihm stand, und hielt sich daran fest. Als er sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte und seine Hand löste, lag seltsamerweise ein großer Aal darin, der im Faß auf einen Käufer gewartet hatte. Die geräucherte Delikatesse zischte durch die Luft, legte sich auf das Handgelenk des Pistolenhelden und verursachte dort neben einem klatschenden Geräusch auch einen gewissen Schmerz. Der Untersetzte löste die Finger vom Kolben seiner Waffe und zog sie betroffen zurück. Parker vertraute den zweckentfremdeten Fisch wieder seinem Behältnis an und entschuldigte sich höflich. »Ein bedauerliches Mißgeschick, Sir«, ließ er den Mann wissen und hielt bereits eine kleine Bürste in der Hand. Er fuhr damit über die Brust des Untersetzten, um sie von Spuren zu säubern, die der Aal eventuell hinterlassen hatte. Dabei rutschte die Pistole des Mannes aus der Innentasche seines Jacketts und verschwand wie durch Zauberei unter Parkers Covercoat. »Hören Sie doch endlich auf, an mir rumzufummeln«, beschwerte sich der Untersetzte und wischte Parkers Hände ärgerlich beiseite. * »Alles in allem habe ich mich recht gut amüsiert«, freute sich die ältere Dame. Sie saß im kleinen Salon ihres altehrwürdigen Hauses beim Tee und hatte gerade Kathy Porter und Mike Rander von ihren Erlebnissen in dem Delikatessengeschäft berichtet. »Ihr Besuch scheint auch sonst sehr erfreulich für Sie verlaufen zu sein, Mylady«, bemerkte Mike Rander spöttisch. Der stets ein wenig lässig wirkende Anwalt, der an einen bekannten James Bond Darsteller erinnerte, war der Vermögensverwalter der 11
Hausherrin. Er betrieb außerdem in der nahen Curzon Street eine Anwaltskanzlei, in der ihm Kathy Porter, die offiziell als Myladys Gesellschafterin und Sekretärin fungierte, assistierte. Es war Lady Agathas innigster Wunsch, die beiden Kinder, wie sie sie nannte, miteinander zu verheiraten. Sie scheute keine Mühe, dieses Ziel zu erreichen. »Wie kommen Sie darauf, mein Junge?« Die Hausherrin nippte an einem Sherry, von dem ihr der Delikatessenhändler einige Flaschen zur Begutachtung überlassen hatte. Lady Agatha hatte ihn darauf hingewiesen, daß sie, was Sherry betraf, als renommierte Expertin galt. »Ich sah Mister Parker einige Kisten, Behälter und Taschen ausladen«, gab Mike Rander lächelnd zurück. »Ich nehme an, man hat Ihnen großzügig Schadenersatz geleistet für die vergifteten Waren.« »Das ist ja wohl auch das mindeste, was man verlangen kann«, fand die Hausherrin. Sie sah sich auf dem reich gedeckten Tisch um und entschied sich für eine Scheibe Toast, die sie mit würziger Landbutter aus Schottland bestrich und dann mit BelugaKaviar versah. »Normalerweise halte ich Diät und esse so was natürlich nicht«, machte sie deutlich. »Aber dieser nette Händler bat mich inständig, seinen Kaviar zu kosten und ein Urteil darüber abzugeben.« »Sie konnten natürlich nicht ablehnen, Mylady«, stimmte Kathy Porter ihr zu. Die ältere Dame seufzte und schüttelte den Kopf. »Ich bin einfach zu gutmütig, Kindchen, das ist es.« »Was war denn in den anderen Behältnissen?« wollte Rander von Parker wissen, der stocksteif und hochaufgerichtet hinter dem Sessel seiner Herrin stand. »Einige Hummer und Langusten, etwas Lachs und Räucheraal, ein wenig Schinken sowie diverse Sorten Wurst, die Mister Fisher aus Deutschland importiert hat«, zählte Parker auf. »Außerdem ein Eimerchen mit russischem Kaviar, einige Flaschen Krimsekt sowie ein Karton mit Sherry und ein solcher mit schottischem Malt-Whisky. Mister Fisher war sehr bemüht, Myladys Verärgerung wegen der vergifteten Lebensmittel aus der Welt zu schaffen, Sir.« »Zudem nahmen Sie sein Hilfeersuchen an und willigten ein, für ihn einige Stichproben auf Qualität durchzuführen, nicht wahr?« 12
erkundigte sich Kathy Porter lächelnd. »Was ich natürlich in Rechnung stellen werde«, verkündete die Hausherrin umgehend und nickte energisch. »Geschulte Koster mit sensibler Zunge sind gesuchte Leute und entsprechend teuer. Erinnern Sie mich daran, eine Rechnung zu schreiben, Mister Parker.« »Sie würden gegebenenfalls auch mit Entlohnung in Naturalien einverstanden sein?« warf Mike Rander ein. »Nun ja, wenn das dem guten Mann lieber sein sollte… Wie dem auch sei, ich werde mich dieser Herausforderung stellen und meine Tests gewissenhaft und mit äußerster Sorgfalt durchführen.« »Leidet darunter nicht Ihre Diät?« gab Kathy Porter zu bedenken. »Daran habe ich noch gar nicht gedacht, Kindchen, aber Sie haben natürlich recht.« Lady Agatha sah ihre Gesellschafterin besorgt an. »Ich werde meine Diät für die Zeit meiner Tests zurückstellen müssen, wenngleich mir das sehr schwerfallen wird. Sie wissen, wenn ich etwas anfange, ziehe ich es auch konsequent durch. Das gilt erst recht für meine Diät. Mister Parker, setzen Sie außerdem eine Erschwerniszulage auf die Rechnung, schließlich gefährde ich ja durch die Unterbrechung der Diät meine Gesundheit.« »Möglicherweise sollten Mylady Mister Fisher die Proben zurückgeben und ihm mitteilen, daß Mylady aus schwerwiegenden Gründen leider die versprochenen Tests nicht durchführen kann«, schlug Josuah Parker vor. »Wenn Mylady es wünschen, wird sich meine bescheidene Wenigkeit diesbezüglich mit Mister Fisher ins Benehmen setzen.« »Papperlapapp, Mister Parker!« Agatha Simpson maß ihren Butler mit entrüstetem Blick. »Disziplin, Mister Parker, das ist es, worauf es ankommt! Ich habe die Aufgabe übernommen, also führe ich sie auch zu Ende. Was soll der Mann denn sonst von mir denken?« »Mylady stehen über den Dingen«, bemerkte Parker höflich. »Das haben Sie schön gesagt, Mister Parker.« Lady Agatha erhob sich und nickte den Anwesenden zu. »Ich werde an meinem Kriminalroman weiterarbeiten, ich denke, ich werde auch etwas mit vergifteten Lebensmitteln einbauen«, verkündete sie und suchte ihre Privaträume im Obergeschoß auf. »Was wurde aus den beiden Ganoven?« erkundigte sich Mike 13
Rander, nachdem die Hausherrin gegangen war. »Einer von ihnen verhedderte sich bedauerlicherweise in einem Fischernetz«, berichtete Parker. »Es kostete einige Mühe, ihn wieder daraus zu befreien.« »Ein Fischernetz? Das müssen Sie mir näher erklären, Mister Parker«, forderte Kathy Porter und beugte sich gespannt vor. »Besagtes Netz hing als Dekorationsstück von der Decke und wurde von Mylady versehentlich heruntergezogen«, erinnerte sich Parker. »Was für ein Pech!« spottete Mike Rander. »Was geschah mit dem anderen Beschwerdeführer? Stieß dem auch ein kleines Unglück zu?« wollte Kathy Porter weiter wissen. »In der Tat, Miß Porter. Der junge Mann verwechselte beim beabsichtigten Verlassen der Firma die Türen und geriet versehentlich in den Kühlraum. Zum Glück wurde er bereits wenige Minuten später von meiner bescheidenen Wenigkeit entdeckt und befreit.« »Mein Gott, hatten die beiden Kerle aber auch ein Pech.« Mike Rander schüttelte mitfühlend den Kopf. »Ich nehme an, daß Ihnen versehentlich auch die Brieftaschen der Pechvögel in die Hände fielen, wie?« »Ein erstaunlicher Zufall, Sir«, gab Parker zu. »In der Tat verloren die Herren ihre Brieftaschen, die von mir gefunden wurden. Man wird sie auf dem üblichen Postweg zurückgehen lassen. Bedauerlicherweise waren die rechtmäßigen Eigentümer schon gegangen, als man auf ihren Verlust aufmerksam wurde.« »Und was sagten Ihnen die Fundstücke, Mister Parker?« erkundigte sich Kathy Porter. »Die Herren hören auf die Namen Gus Myers und Peter Shelley«, entgegnete Parker höflich. »Sie trugen Firmenausweise bei sich, die sie als Mitarbeiter einer Spedition bezeichnen.« »Eine bekannte Firma, Parker?« wollte Mike Rander wissen. »Mister Pickett recherchiert in dieser Angelegenheit«, unterrichtete der Butler ihn. »Er dürfte in Kürze mit ersten Informationen dienen können.« »Ach ja, der gute Pickett?« grinste Mike Rander, der den ehemaligen Eigentumsumverteiler sehr schätzte. »Hat Mylady übrigens schon einen Termin für den Tee angesetzt, zu dem sie ihn seit langem einladen möchte?« »Ein Zeitpunkt steht noch nicht fest, Sir«, informierte Parker ihn. »Mylady konnte sich diesbezüglich noch nicht entscheiden.« 14
»Hoffentlich passiert Ihrem Händler nichts, Parker«, fiel Mike Rander ein. »Wenn die Gangster Ihren Besuch mit der Erpressung in Verbindung bringen, könnten sie sich an diesem Mister Fisher rächen wollen.« »Man hat überzeugend zu vermitteln gewußt, daß dieser Besuch lediglich einer Reklamation diente«, beruhigte Parker ihn. »Myladys diesbezügliche schauspielerischen Fähigkeiten sind über jeden Zweifel erhaben.« »Das stimmt allerdings.« Kathy Porter lächelte wissend. Sie hatte ihre Chefin oft genug beobachtet und kannte ihr darstellerisches Talent. »Dennoch werden die Gangster darauf kommen, mit wem sie sich da angelegt haben, wenn auch rein zufällig«, sorgte sich der Anwalt. »Man wird Mylady und Sie möglicherweise aus dem Weg räumen wollen, Parker. Gift ist sehr tückisch, weil man es meistens gar nicht entdeckt.« »Man wird sich einer gewissen Aufmerksamkeit befleißigen, Sir«, gab Parker gemessen zurück. * Butler Parker und Mike Rander waren am späten Nachmittag unterwegs. Sie hatten die Absicht, sich die Spedition anzusehen, die im Londoner Osten ansässig war, wie Parker anhand des Branchenbuches ermittelt hatte. »Das sieht doch recht ordentlich aus, Parker«, fand der Anwalt. Mike Rander saß neben dem Butler im hochbeinigen Monstrum, wie Parkers Privatwagen von Eingeweihten genannt wurde. Bei diesem Fahrzeug handelte es sich um ein ehemaliges Londoner Taxi, das sich aufgrund des äußeren Scheins nach dem Schrottplatz sehnte. In Wirklichkeit war das Auto aber eine Trickkiste auf Rädern, die nach den sehr speziellen Wünschen des Butlers umgebaut, worden war. Unter der eckigen Haube arbeitete ein Rennmotor, wie er in manchem Tourenwagen nicht eingebaut war. »In der Tat, Sir, ein zumindest nach außen hin respektabel erscheinendes Unternehmen«, stimmte der Butler seinem Beifahrer zu. Das ehemalige Londoner Taxi rollte durch eine schmale Straße, die links und rechts von Gewerbebetrieben gesäumt war. 15
Die internationale Spedition Gordon Reynolds lag am Ende der Straße und schien der größte Betrieb in dieser Gegend zu sein. Ein großes, weitgeöffnetes Tor führte auf einen riesigen Hof, wo diverse Lastzüge parkten oder an einer Rampe beladen wurden. »Hat sich eigentlich schon der gute Pickett gemeldet, um Näheres zu dieser Spedition mitzuteilen?« wollte Mike Rander wissen. »Man wird sich mit Mister Pickett im Laufe des Abends treffen, Sir«, informierte Parker ihn. »Hoffentlich kriegt das Mylady nicht mit«, schmunzelte der Anwalt. »Sie wissen, sie mag es nicht, wenn sie von den laufenden Ermittlungen ausgeschlossen wird.« »Meine Wenigkeit hat einige sehr unterhaltsame, neue Videofilme ausgeliehen«, bemerkte Parker gemessen. »Es steht zu erwarten, daß Mylady diese sehr ausgiebig studieren wird.« »Na, dann!« Mike Rander lachte leise. Er kannte die Vorliebe der älteren Dame für spannende Videofilme. Parker stellte seinen Privatwagen am Ende der Rampe ab und näherte sich einem der Lkw-Fahrer, die die Beladung ihrer Fahrzeuge überwachten. »Wo könnte man die Verwaltung finden, Sir?« erkundigte er sich höflich, während er die Melone andeutungsweise hob. »Da hinten, die verglaste Tür am Anfang der Rampe«, teilte der Fahrer ihm freundlich mit und musterte grinsend die Kleidung des Butlers. »Als Fahrer wollen Sie sich wohl nicht bewerben, wie?« »Nicht unbedingt, Sir«, antwortete Parker gemessen. »Wäre eine solche Position denn vakant?« »Mann, Sie können sich vielleicht ausdrücken!« Der LKW-Fahrer in der hüftlangen, abgeschabten Lederjacke nickte anerkennend. »Wir suchen noch Kollegen, wir haben jede Menge Aufträge, aber nicht genug Personal«, teilte er bereitwillig mit. »Dabei zahlt die Firma echt gut, aber wer will schon wochenlang von zu Hause weg sein?« »Sie fahren demnach überwiegend auf Auslandsrouten, Sir?« »Stimmt, Vorderer Orient, Türkei, Nordafrika und so weiter. Aber wie gesagt, das Geld stimmt bei uns, da ist die Firma wirklich großzügig. Entschuldigen Sie mich jetzt, mein Wagen ist fertig.« Der mitteilungsbedürftige Mann wandte sich ab und kletterte auf die Ladefläche seines Sattelschleppers. »Schon etwas herausgefunden?« erkundigte sich Mike Rander, der über den Hof geschlendert war und sich umgesehen hatte. 16
»Man scheint vorzugsweise im Vorderen Orient und Nordafrika tätig zu sein«, berichtete Parker. »Außerdem sucht man dringend weiteres Personal, das diese Position anfährt.« »Klingt alles sehr ordentlich, Parker.« Mike Rander schüttelte den Kopf. »Scheint sich um ein aufstrebendes Unternehmen zu handeln. Warum sollten die sich auf krumme Touren einlassen? Ist vielleicht doch nur ein Zufall, daß die beiden Ganoven hier arbeiten. Schließlich kann die Firma nichts dafür, wenn sich die beiden in ihrer Freizeit zusätzliches Geld verdienen und für irgendeinen Gangster Leute einschüchtern.« »Durchaus richtig, Sir.« Parker nickte. »Man wird allerdings Mister Picketts Bericht abwarten müssen, um sich ein endgültiges Urteil bilden zu können. Die angefahrenen Ziele dieser Firma wären allerdings für manche kriminelle Organisation von besonderem Interesse.« »Das stimmt natürlich, Parker. Vorderer Orient, Türkei… da drängen sich unwillkürlich gewisse Assoziationen auf.« »Es wäre allerdings voreilig, Sir, diese als Tatsachen zu übernehmen«, bemerkte der Butler gemessen. »Warum sind wir eigentlich hier hergefahren, bevor Sie Mister Picketts Bericht gehört haben, Parker?« wollte Mike Rander wissen. »Man wollte sich Vorab einen persönlichen Eindruck von der Firma verschaffen«, gab Parker höflich zurück. »Sollte das Unternehmen tatsächlich in kriminelle Machenschaften verwickelt sein, geht es meiner bescheidenen Wenigkeit zudem um eine gewisse Verunsicherung.« »Sie wollen wieder mal provozieren, stimmt’s?« Rander lachte leise. »Aber denken Sie daran, daß so was auch mal ins Auge gehen kann, Parker.« Sie hatten eine schmale Treppe erreicht, die zu der gläsernen Tür führte, die der Fahrer Parker gewiesen hatte. Der Butler hielt Mike Rander die Tür auf und ließ ihm höflich den Vortritt. »Man wünscht einen außerordentlich angenehmen Tag«, grüßte Parker und lüftete seine Melone. Die in dem kleinen Vorraum Anwesenden wandten sich um und blickten verblüfft auf den Butler. Eine Erscheinung wie die Parkers kannten sie mit Sicherheit noch nicht in der Wirklichkeit, sondern bestenfalls aus einschlägigen alten Filmen. 17
»Was… eh… können wir für Sie tun, Sir?« Eine junge, sehr attraktive Blondine näherte sich der Barriere, die kurz hinter der Tür den Raum abtrennte, und sah den Butler unsicher lächelnd an. »Man würde gern mit dem Firmenchef einige Worte wechseln«, ließ sich Parker höflich vernehmen. Er griff in seine Tasche und reichte der Dame, die ihn immer noch ehrfurchtsvoll anstarrte, seine Karte. »In welcher Angelegenheit, Sir?« »Lady Agatha Simpson, der als Butler zu dienen meine Wenigkeit die Ehre und das unbestreitbare Vergnügen hat, gedenkt, mit Ihrer Firma möglicherweise einige größere Abschlüsse zu tätigen. Mylady beauftragte Mister Rander und meine Wenigkeit, den diesbezüglichen Kontakt herzustellen.« »Wenn Sie sich bitte einen Augenblick gedulden wollen, Sir?« hauchte die junge Angestellte und verschwand mit Parkers Karte hinter einer gepolsterten Tür. »Mein Gott, der Kleinen haben Sie aber mächtig imponiert, Parker«, witzelte der Anwalt. »Was meiner bescheidenen Wenigkeit außerordentlich peinlich ist, Sir«, gab Parker gemessen zurück. »Wenn ich bitten darf, meine Herren?« Die Blondine kam erstaunlich schnell zurück und öffnete eine Klappe in der Barriere, die als Durchgang diente. * »Zwei Erpresser, die bei uns angestellt sein sollen?« Gordon Reynolds, der Firmeninhaber, schüttelte den Kopf. »Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, Gentlemen. Bei der Auswahl unseres Personals gehen wir außerordentlich sorgfältig vor. Wissen Sie, wir transportieren hochwertige Güter, da können wir es uns nicht leisten, in Personalfragen fahrlässig zu sein.« »Sie suchen zur Zeit wieder Fahrer, Sir?« erkundigte sich Josuah Parker gemessen. »So ist es.« Reynolds nickte eifrig. Er war gut und gern siebzig mit dem Aussehen und dem Gehabe eines Patriarchen. Er war hochgewachsen und schlank, hielt sich trotz seines Alters aufrecht und hatte noch volles, silberfarbenes Haar. Seine Augen sahen die Besucher hellwach durch eine sogenannte Halbbrille an. 18
»Wir nehmen nicht jeden, wie ich schon sagte«, fuhr er fort. »Bewerbungen gibt es weiß Gott genug, aber was sich da so vorstellt heutzutage… Allerdings ist mein Schwiegersohn in diesem Punkt anderer Meinung als ich. Er meint, ich sei zu pingelig.« »Ihr Schwiegersohn ist auch in der Firma tätig, Sir?« wollte Mike Rander wissen. »Ja, er ist Geschäftsführer. Ich lasse mich täglich nur noch zwei oder drei Stunden blicken, das Alter, wissen Sie… Paul jedenfalls meint, ich solle nicht so kleinlich sein, sonst fänden wir nie genug Personal. Ich bin aber nicht dieser Ansicht.« Der alte Herr zuckte die Achseln und breitete die Hände in resignierender Gebärde aus. »Ein Generationen-Konflikt, vermutlich. Sagten Sie in der Anmeldung nicht, Lady Simpson wolle eine geschäftliche Verbindung prüfen? Worum geht es dabei?« »Mylady ist geschäftlich in vielerlei Hinsicht engagiert«, gab Parker ausweichend zurück. »Unter anderem ist Mylady auch an einigen Im- und Exportfirmen beteiligt. In diesem Zusammenhang fiel der Name Ihres Unternehmens, Sir.« »Ich kenne Ihre Chefin natürlich, wenn auch nur dem Namen nach«, bemerkte der Silberhaarige. »Ich würde mich freuen, wenn die Firma Reynolds mit Ihnen zusammenarbeiten dürfte.« »Mylady wird Sie demnächst persönlich aufsuchen und Ihnen ihre Vorstellungen vortragen«, fuhr der Butler gemessen fort. »Die Aufgabe Mister Randers und meiner Wenigkeit war nur, durch persönliche Kontakte festzustellen, in welchem Umfang Ihre Firma überhaupt Kapazitäten frei hat.« »Ein etwas ungewöhnliches Vorgehen, finden Sie nicht auch?« Gordon Reynolds lachte leise. »Möglicherweise will Lady Simpson unsere Dienste ja wirklich in Anspruch nehmen, aber sie ist ja auch noch in anderer Hinsicht tätig, nicht wahr?« »Wie darf meine Wenigkeit das verstehen, Sir?« erkundigte sich Parker höflich. »Ich bitte Sie, Mister Parker, jedermann weiß doch, daß sich Ihre Chefin als Amateurkriminalistin betätigt! Ich nehme an, Sie sind in erster Linie wegen dieser beiden Ganoven hier, die angeblich in meinen Diensten stehen.« »Sie beschämen meine bescheidene Wenigkeit, Sir«, murmelte Parker und deutete eine Verbeugung an. »Ich möchte Lady zu gern mal kennenlernen, ich wette, sie hat eine Menge interessanter Geschichten auf Lager.« Der alte Herr lächelte versonnen. »Nun gut, ich lasse meinen Schwiegersohn 19
rufen, er ist auch Personalchef.« Gordon Reynolds drückte eine Taste der Sprechanlage und sprach kurz. Ein großer, bulliger Mann betrat wenig später das Zimmer und sah den Firmenchef fragend an. Trotz seines eleganten und mit Sicherheit sehr teuren Nadelstreifenanzugs wirkte er eher wie ein Lagerarbeiter, nicht wie der Geschäftsführer einer internationalen Spedition. »Das ist Paul Wilson, mein Schwiegersohn und Geschäftsführer«, stellte Gordon Reynolds vor. »Paul, die beiden Herren sind Mister Rander und Mister Parker, die für Lady Agatha Simpson tätig sind. Sie haben einige Fragen wegen zweier Leute von uns.« Wilson wandte sich zu den Besuchern um und runzelte die Stirn. »Um was geht es?« wollte er wissen, während er sich in einem Sessel niederließ. »Es handelt sich um die Herren Gus Myers und Peter Shelley, Sir«, erläuterte Parker gemessen. »Könnten Sie sich vorstellen, daß sie möglicherweise in kriminelle Handlungen verstrickt sind?« »Ich habe doch richtig verstanden, Sie beide sind für eine Lady Sowieso tätig, stimmt’s?« vergewisserte sich der SpeditionsGeschäftsführer. »So ist es in der Tat, Sir«, gab der Butler ungerührt zurück. »Dann verstehe ich Ihre Frage nicht so ganz, um ehrlich zu sein. Die hat nämlich so geklungen, als kämen Sie von der Polizei.« »Zu dieser Institution pflegt Lady Simpson hervorragende Kontakte, Sir«, versicherte Parker. »Mylady beschäftigt sich in ihrer Freizeit mit bemerkenswertem Erfolg mit der Aufklärung von Kriminalfällen. Heute vormittag machte sie die Bekanntschaft der Herren Myers und Shelley, die ganz offensichtlich den Inhaber einer Feinkosthandlung zu erpressen versuchten.« »Und Sie oder Ihre Lady waren dabei?« wollte Paul Wilson wissen. »Ein Zufall, Sir. Mylady und meine bescheidene Wenigkeit hielten sich in bewußter Feinkosthandlung auf, um einige Einkäufe zu tätigen. Mylady konnte nicht umhin, regulierend einzugreifen.« »Was heißt das?« Wilson musterte den Butler und Mike Rander aus zusammengekniffenen Augen und schien für die beiden Männer nicht allzuviel Sympathie zu empfinden. »Mylady rief die beiden Herren zur Ordnung und veranlaßte sie, 20
den Laden umgehend zu verlassen«, erläuterte Parker. Dabei verloren sie ihre Brieftaschen, die man bei dieser Gelegenheit zurückgeben möchten Parker griff in seinen Covercoat und brachte die Brieftaschen zum Vorschein. Er deponierte sie auf dem niedrigen Tisch vor dem Speditions-Geschäftsführer und trat dann wieder zurück. »Wenn Sie den Herren ihr Eigentum zukommen ließen, Sir?« bat er höflich. »Das wird leider nicht gehen.« Paul Wilson schüttelte gelangweilt den Kopf. »Ich habe die beiden vor ein paar Tagen hinausgeworfen. Sie haben mir zuviel getrunken und immer wieder Streit mit den anderen Fahrern angefangen. Offensichtlich hat meine Sekretärin vergessen, ihnen die Firmenausweise abzunehmen.« Er zuckte die Achseln und hielt Parker die Brieftaschen hin. »Die können Sie sicher bei der Polizei oder auf dem Fundbüro abgeben. Wir können Ihnen da nicht helfen. Die Kerle haben bereits ihre Papiere und ihren Restlohn erhalten und werden hier nicht wieder auftauchen.« »Wenn man noch mal auf die anfangs gestellte Frage zurückkommen dürfte, Sir«, bat Parker höflich. »Könnten Sie sich vorstellen, daß Ihre ehemaligen Mitarbeiter in kriminelle Machenschaften verstrickt sind?« »Woher soll ich das wissen?« Paul Wilson winkte müde ab. »Man kann nicht in die Leute reinschauen, nicht wahr? Tja, ich denke, das war’s wohl, oder? Ich habe viel zu tun, wenn Sie mich bitte entschuldigen würden.« Wilson stand auf und nickte seinem Schwiegervater und den beiden Besuchern zu, dann verließ er den Raum. »Sie müssen Paul das nachsehen, sonst ist er nicht so kurz angebunden«, entschuldigte Gordon Reynolds seinen Schwiegersohn. »Er hat viel um die Ohren. Wir haben Aufträge wie nie zuvor, aber leider nicht genügend Fahrer, um sie alle termingerecht ausführen zu können, Paul ist ständig unterwegs, um nach Leuten zu suchen, und von Zeit zu Zeit fährt er sogar selbst noch.« »Mister Wilson war früher in Ihrer Firma als Fahrer tätig, Sir?« erkundigte sich Parker. »Stimmt, und bei dieser Gelegenheit lernte er meine Tochter kennen.« Gordon Reynolds lächelte etwas wehmütig. »Wie das eben so geht im Leben. Voriges Jahr ist er mein Schwiegersohn 21
geworden.« »Und fungiert seitdem auch als Ihr Geschäftsführer, wenn man fragen darf?« »Ja, genau. Und ehrlich gesagt, bin ich froh darüber. In meinem Alter muß man etwas kürzer treten.« Der alte Herr streckte seinen Besuchern die Hand entgegen und führte Rander und Parker zur Tür. »Denken Sie daran, daß ich gern Ihre Lady kennenlernen möchte«, bat er. »Eine Begegnung mit ihr dürfte sicher hochinteressant sein, denke ich.« »Davon sollte man auf jeden Fall ausgehen, Sir«, gab Parker ein wenig zweideutig zurück. »Viel hat der Besuch nicht gerade gebracht, Parker«, fand Mike Rander. »Abgesehen von der Erkenntnis, daß uns der Geschäftsführer und Schwiegersohn nicht mag.« »Auch diese Erkenntnis könnte sich als wertvoll erweisen, Sir«, erwiderte Parker gemessen. »Es erhebt sich die Frage, warum sich Mister Wilson so abweisend verhalten hat.« »Ihm gefiel eben einfach nicht, daß wir hinter seinem Personal herschnüffeln«, vermutete Rander. »Irgendwie kann ich ihm das sogar nachfühlen.« »Möglicherweise hörte Mister Wilson aber auch bereits von den Herren Myers und Shelley Myladys Namen und den meiner bescheidenen Wenigkeit«, gab Parker zu bedenken. »Auch dies könnte eine Ursache für seine ablehnende Haltung gewesen sein.« »Möglich, Parker, aber das sind im Augenblick hur Spekulationen. Warten wir ab, was Mister Pickett Ihnen heute abend zu berichten hat.« Der Anwalt lehnte sich bequem im Sitz zurück und sah gedankenverloren auf die Straße. Plötzlich fuhr er hoch und klammerte sich an den Haltegriff am Armaturenbrett. »Vorsicht, Parker, das kommt mir verdammt komisch vor.« Mike Rander musterte aus zusammengekniffenen Augen einen riesigen Sattelschlepper, der am Ende der Straße auftauchte. Das Fahrzeug fuhr ziemlich genau in der Mitte der Straße und ließ links und rechts lediglich einen schmalen Streifen frei, durch den nicht mal ein Motorrad gekommen wäre. »Merkwürdiger Zufall«, meinte Mike Rander, während er den unaufhaltsam näherkommenden Sattelschlepper beobachtete. »In der Tat, Sir. Man sollte hinter dem Auftauchen sowohl die22
ses als auch des Lastzuges hinter uns eine Absicht vermuten.« »Hinter uns?« Mike Rander fuhr herum wie von der Tarantel gestochen. Hinter dem ehemaligen Londoner Taxi war ebenfalls ein Lastwagen aufgetaucht. Er bog gerade vom Hof der Spedition auf die schmale Straße und nahm Fahrt auf. Auch dieses Fahrzeug schien die ganze Straßenseite für sich in Anspruch zu nehmen. »Die wollen uns zerquetschen«, vermutete der Anwalt. »Also scheint die Spedition doch irgendwie in der Geschichte drin zu hängen. Allerdings hätte ich nicht gedacht, daß sie uns gleich hier, sozusagen vor der eigenen Haustür, umbringen wollen. Und der alte Knabe machte auf mich eigentlich einen ganz passablen Eindruck.« »Mister Reynolds dürfte auf keinen Fall in kriminelle Machenschaften verstrickt sein, wenn man hierzu eine Meinung äußern darf«, gab Parker gemessen zurück. »Wie dem auch sei, Parker, wir haben jetzt andere Sorgen.« Mike Rander blickte abwechselnd durch die Front- und die Heckscheibe. Was er sah, war nicht dazu angetan, seine Nerven zu beruhigen. Die schweren Transporter waren jeweils nur noch rund fünfzig Meter vom Heck beziehungsweise Kühler des ehemaligen Taxis entfernt. »Unternehmen Sie was, Parker«, bat Rander. »Ich fürchte, die werden uns wirklich plattwalzen.« »Eine Absicht, die man vereiteln sollte, Sir«, stimmte der Butler ihm gemessen zu, ohne auch nur ein Quentchen seiner gewohnten Ruhe zu verlieren. Ein hochherrschaftlicher englischer Butler pflegte grundsätzlich und in jeder Situation Haltung zu bewahren. Josuah Parker ließ seine behandschuhte Linke über das reichhaltige ausgestattete Armaturenbrett gleiten und drückte auf einen Knopf. Einen Augenblick später quoll aus dem Auspuff des hochbeinigen Monstrums dicker, schwarzer Qualm, der die Straße hinter Parkers Privatwagen einnebelte und den nachfolgenden Lastwagen in eine schwarze Wand fahren ließ. Der ölige Qualm traf auf die Windschutzscheibe des Lasters und ging eine innige Verbindung mit ihr ein. Die Scheibe war urplötzlich von einem schmierigen Film bedeckt und raubte dem Fahrer jede Sicht. Ein zweiter Druck auf eine der zahllosen Tasten des Armaturen23
bretts öffnete den Verschluß eines eckigen Kastens unter der hochbeinigen Karosse. Sogenannte Krähenfüße ergossen sich auf die Straße und warteten darauf, ihre Stahlspitzen in Gummireifen bohren zu können. * »Verdammt, was ist denn das?« Der Fahrer des LKWs starrte ungläubig auf seine Windschutzscheibe, die von einem Augenblick zum anderen undurchsichtig geworden war. Der Beifahrer kurbelte das Fenster an seiner Seite herunter und beugte sich nach draußen. Er langte um die Ecke des Führerhauses und begann, mit einem schmutzigen Taschentuch auf der Windschutzscheibe zu wischen. »Das Zeug geht nicht ab«, sagte er, während er seine Anstrengungen verdoppelte. »Wo kommt denn das her?« Der Fahrer trat auf die Bremse und kurbelte gleichzeitig die Scheibe herunter. Er streckte den Kopf hinaus und versuchte, den schwarzen Qualm mit den Augen zu durchdringen. Neben sich sah er einen noch dunkleren Schatten auftauchen. Entsetzt riß er das Steuer herum und lenkte in die entgegengesetzte Richtung. Gleichzeitig zog er den Kopf in die schützende Fahrerkabine zurück. Das war sein Glück. Die rechte Seite des schweren LKWs schrammte an einer Mauer entlang und verursachte ein kreischendes Geräusch. Ein Funkenregen sprühte und durchdrang den schwarzen Qualm. Der Fahrer legte sein ganzes Gewicht aufs Lenkrad. Er stemmte sich förmlich dagegen und schaffte es endlich, etwas Abstand zwischen der Außenhaut seines Fahrzeuges und der Mauer zu schaffen. Der schwere LKW schwenkte auf die Straße zurück, schob mit blockierten Rädern weiter und… rutschte in die Krähenfüße, die ihn bereits ungeduldig erwarteten. Die Stahldornen bohrten sich hingebungsvoll in die Pneus und entlüfteten sie umgehend. Das Verunsicherte. Das schwere Fahrzeug geriet wieder außer Kurs, schoß quer über die Straße und nahm mit dem Kühler Kontakt zu der dort in die Höhe wachsenden Mauer auf. Die erwies sich aber als stärker und gebot dem Laster Einhalt. 24
Der Kühler verwandelte sich in eine Ziehharmonika. Leise zischend entwich Dampf. Der Beifahrer im Führerhaus legte die Stirn gegen die Frontscheibe und beschloß, eine kurze Ruhepause einzulegen. Er rutschte vom Sitz und machte es sich auf dem ungemütlichen Boden bequem. Der Fahrer prüfte mit der Stirn die Stabilität des Fensterrahmens und eiferte seinem Kollegen nach. Er ließ sich entspannt zurücksinken und schloß müde die Augen. Dann rutschte er auf die Seite und legte sich auf den Sitz. Einen Augenblick später schnarchte er laut vor sich hin. * Lady Agatha saß im kleinen Salon ihres altehrwürdigen Hauses in Shepherd’s Market und hatte sich von Parker Bericht erstatten lassen. »Wie sind Sie denn dieser LKW-Falle entkommen?« erkundigte sich Kathy Porter. Sie wandte sich mit der Frage zwar an den Butler, ihr besorgter Blick hing jedoch an Mike Rander, der ihr beruhigend zulächelte. »Ein Wunder, daß Sie ohne meine Hilfe diesen Anschlag überstanden haben«, stellte die Hausherrin nüchtern fest. »Das wird für die Zukunft eine Lehre sein, hoffe ich.« »In der Tat, Mylady. Man wird sich künftig vor allen ins Auge gefaßten Aktionen mit Mylady wieder abstimmen.« »Das genügt nicht, Mister Parker.« Die ältere Dame sah den Butler kopfschüttelnd an und hob mahnend den Zeigefinger. »Nur wenn ich dabei bin, sind Sie sicher. Daran sollten Sie stets denken.« »Meine bescheidene Wenigkeit wird sich bemühen, Mylady«, versprach Parker, ohne daß sich ein Muskel in seinem glatten, unbewegten Gesicht rührte. »Mister Parker, bitte«, flehte Kathy Porter. »Pardon, Miß Porter, man wird den Hergang sofort schildern.« Der Butler deutete eine Verbeugung in Richtung der jungen Frau an. »Parker hat wieder mal in die Trickkiste gegriffen«, freute sich der Anwalt. 25
»Nun ja, er hat einiges von mir gelernt, obwohl er natürlich noch längst nicht perfekt ist«, warf die Hausherrin ein und nickte gewichtig. »Man schaltete zunächst den verfolgenden LKW aus, indem man sich des in meinem bescheidenen Privatwagen eingebauten Raucherzeugers bediente«, erläuterte der Butler gemessen. »Ich erinnere mich gut, wie ich seinerzeit zum Einbau geraten habe«, behauptete Agatha Simpson ungeniert und lächelte versonnen. »Zuerst wollten Sie nicht auf mich hören, Mister Parker, aber zum Glück haben Sie sich dann doch überzeugen lassen.« »Wofür man Mylady noch heute dankbar ist«, reagierte Parker ebenso ungeniert. Kathy Porter und Mike Rander sahen sich lächelnd an. Sie wußten nur zu gut, daß der Privatwagen des Butlers nach dessen ureigensten Plänen umgerüstet worden war und seinerzeit die Detektivin sich über manches Detail mokiert hatte. »Dank des Raucherzeugers gerieten die Verfolger aus dem Kurs und verloren die Übersicht«, fuhr Parker fort. »Der LKW geriet aus unerfindlichen Gründen in sogenannte Krähenfüße und verlor die Luft aus den Reifen. Eine solide Mauer stand im Weg und erwies sich für die Verfolger als unüberwindlich.« »Ja, die Krähenfüße«, sinnierte die Lady. »Das war eine nette Idee von mir, das verwirrt Verfolger.« »In der Tat, Mylady«, stimmte der Butler ungerührt zu. »Und was war nun mit dem Sattelschlepper, der von vorn auf Sie zukam?« wollte Kathy Porter gespannt wissen. »Man bediente sich einer sogenannten Blendhandgranate«, erläuterte Parker. »Diese nahm den Herren im Führerhaus des besagten Sattelschleppers die Sicht und auch die Lust, sich weiter mit Mister Rander und meiner bescheidenen Wenigkeit zu beschäftigen. Man stoppte und gab sich einem gewissen Weltschmerz hin.« »Und dann, Mister Parker, wie ging es weiter?« Kathy Porter konnte es nicht erwarten, den Rest der Geschichte zu hören. »Parker setzte im Affentempo zurück und lenkte den Wagen in eine Toreinfahrt«, erzählte Mike Rander an Parkers Stelle. »Dabei ging leider das Tor zu Bruch, aber wir haben selbstverständlich als Entschädigung einen Scheck hinterlassen.« »Hoffentlich nicht von meinem Haushaltskonto«, schreckte die ältere Dame auf. »Keinesfalls und mitnichten, Mylady«, beruhigte Parker sie. 26
»Man bediente sich dabei des Privatkontos meiner bescheidenen Wenigkeit.« »Gott sei Dank.« Lady Agatha maß ihren Butler mit strengem Blick. »Daß Sie mich immer so erschrecken müssen«, beklagte sie. »Sie wissen doch, wie leicht mein Kreislauf zusammenbricht.« »Man wird dem umgehend entgegenwirken, Mylady«, versprach Parker, der bereits den Cognac in der Hand hielt. Er versorgte seine Herrin mit der gewünschten Medizin und verneigte sich andeutungsweise. »Wir gingen daraufhin zurück zur Spedition und sprachen mit Paul Wilson«, fuhr Mike Rander fort. »Aber der Mann konnte sich den Anschlag natürlich nicht erklären, obwohl der Sattelschlepper seiner Firma gehört.« »Wilson?« schaltete sich die ältere Dame ein, die sich erstaunlich schnell erholt hatte. »Irgendwie sagt mir der Name etwas, Mister Parker.« »Mister Wilson ist der Schwiegersohn und Geschäftsführer Mister Gordon Reynolds’, Mylady«, erläuterte der Butler höflich. »Keine Verwirrspiele, Mister Parker«, forderte sie umgehend. »Wer ist dieser Rammonds?« »Mister Reynolds«, korrigierte Parker den Namen diskret, »ist der Inhaber und Seniorchef der Speditionsfirma, deren Angestellte Mylady beim Delikatessenhändler belästigt haben.« »Ach, die beiden Lümmel, die nichts vertrugen«, erinnerte sie sich. »Sie haben leider nur wenig Widerstand geleistet, muß ich sagen.« Agatha Simpson schüttelte den Kopf und blickte zur Decke. »Aber zur Sache, Mister Parker. Was hatte dieser geschäftsführende Schwiegersohn zu dem Attentat zu sagen?« »Nichts, Mylady«, antwortete der Anwalt an Parkers Stelle. »Der Sattelschlepper war angeblich wenige Minuten vorher vom Firmenhof entführt worden, die Insassen sind leider flüchtig.« »Mir wären sie nicht entkommen, das nur nebenbei«, stellte die ältere Dame spitz fest. »Glauben Sie diesem Lümmel?« »Nicht unbedingt, Mylady. Das Gegenteil dürfte jedoch nur schwer zu beweisen sein«, erklärte Parker gemessen. »Und der Senior? Was sagt der dazu?« wollte Kathy Porter wissen. »Der alte Herr war sichtlich schockiert«, erinnerte sich Mike Rander. »Im Grund war er sogar außer sich. Er hat sich tausend27
mal bei uns entschuldigt und seinem Eidam bittere Vorwürfe gemacht, daß ein Wagen einfach vom Hof verschwinden konnte.« »Alles nur Tarnung.« wußte die Hausherrin und winkte noncholant ab. »Aber man kann ja alles erzählen, und Sie nehmen es für bare Münze.« Die ältere Dame schüttelte den Kopf angesichts soviel vermeintlicher Naivität. »Man wird sich bemühen, auch in dieser Hinsicht von Mylady stets zu lernen«, versprach Parker. »Der zweite Wagen stammte übrigens nicht aus dem Fuhrpark der Firma Reynolds.« »Sehr interessant, Mister Parker«, fand die Hausherrin. »Und woher kam er? Irgend jemand muß die Besatzungen doch von Ihrer Abfahrt verständigt haben, damit man Sie in die Zange nehmen kann. Haben Sie daran schon gedacht?« »In der Tat, Mylady. Die Gangster dürften Komplicen in der Spedition haben, es sei denn, es handelt sich hierbei um ein – wie der Volksmund so schön sagt – raffiniertes Täuschungsmanöver.« »Es ist dieser Senior.« Lady Agatha hatte sich bereits eine Meinung gebildet. »Was Sie woraus schließen?« konnte sich Mike Rander nicht verkneifen zu fragen. Er zwinkerte Kathy Porter zu und freute sich auf die Antwort der Lady. »Instinkt, mein lieber Junge, aber das werden Sie natürlich nicht begreifen.« Die ältere Dame nickte überzeugt und lächelte huldvoll. »Das kann man nicht lernen, man hat’s, oder man hat’s nicht«, schloß sie und lehnte sich zufrieden zurück. »Mit Verlaub – der Schwiegersohn könnte es nicht sein, Mylady?« erkundigte sich Josuah Parker. »Er machte keinen sehr vertrauenswürdigen Eindruck, wenn Mylady diesen Hinweis gestatten.« »Schwiegersöhne sind grundsätzlich verdächtig«, belehrte die Detektivin ihn umgehend. »Demnach könnte man Mister Reynolds senior von Myladys Liste der Verdächtigen streichen und an seiner Stelle Mister Wilson aufnehmen?« vergewisserte sich Parker. »Muß ich denn alles allein machen?« Lady Agatha richtete sich auf und sah mißmutig von einem zum anderen. »Ich habe bereits die Generalrichtung abgesteckt«, fuhr sie fort. »Jetzt ist es Ihre Sache, Mister Parker, sich um unwichtige Details zu kümmern. Mister Rander kann Ihnen dabei helfen, es wird Zeit, daß er etwas 28
dazu lernt.« Sie stemmte sich aus ihrem Sessel und ging in Richtung Freitreppe, die ins obere Stockwerk zu ihren Privatgemächern führte. »Mir ist gerade eine Idee gekommen, die ich unbedingt zu Papier bringen muß«, erklärte sie. »Wir sehen uns zum Dinner.« »Was ist das für eine Idee, Mylady?« erkundigte sich Kathy Porter neugierig. Die Hausherrin wehrte erschrocken ab und hob die Hände. »Es bringt Unglück, wenn ein künstlerischer Mensch seine Ideen preisgibt, bevor er sie in irgendeiner Form fixiert hat.« »Na, dann…« Kathy Porter, die ebenso wie Mike Rander und Parker wußte, daß Mylady der Ruhe frönen wollte, resignierte lächelnd. »Was habe ich nach dem Dinner eigentlich vor, Mister Parker?« wollte sie noch wissen, während sie vom Treppenabsatz auf ihren Butler herabschaute. »Möglicherweise wollen sich Mylady einem neuen Kapitel widmen«, vermutete Parker. Agatha Simpson runzelte mürrisch die Stirn. »Nicht heute abend, Mister Parker. Wahrscheinlich wollen Sie hinter meinem Rücken wieder das Haus verlassen.« »Keinesfalls und mitnichten, Mylady. Allerdings müßte man in den späten Abendstunden einen kleinen Spaziergang unternehmen, um sich mit Mister Pickett auszutauschen.« »Papperlapapp, daraus wird nichts, Mister Parker, keine Eigenmächtigkeiten mehr. Ich werde Sie begleiten und auf Sie aufpassen. Ich hoffe, Sie wissen das zu schätzen.« »Myladys Fürsorge ist beschämend«, behauptete Parker, ohne mit der Wimper zu zucken. Hinter ihm kicherten Kathy Porter und Mike Rander ungeniert vor sich hin. »Ich hoffe, Sie haben etwas Abwechslung zu bieten«, fügte die Hausherrin hinzu. »Sie wissen, ich langweile mich nicht gern.« »Möglicherweise ist ein Anschlag auf Myladys Haus geplant«, gab der Butler zu bedenken. »In diesem Fall wäre es gut, wenn Mylady zu Hause wäre, um solch ungehörigem Tun Einhalt zu gebieten.« »Nun ja, dann müssen die Gangster eben warten, bis ich wieder zurück bin«, entschied sie. »Ich kann mich schließlich nicht teilen, Mister Parker.«
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* »Ein Boxkampf, Mister Pickett?« wunderte sich die ältere Dame. Sie saß im Fond des hochbeinigen Monstrums und befand sich auf dem Weg zu dem vereinbarten Treffen mit Horace Pickett, dem ehemaligen Eigentumsumverteiler. »So ist es, Mylady«, bestätigte der Butler vom Volant her. »Man ging davon aus, daß ein solches Treffen in der zu erwartenden Menschenmenge untergeht und mit Sicherheit nicht beachtet wird.« »Schon möglich, Mister Parker«, bestätigte sie und nickte. »Sie wissen, ich begebe mich zu Studienzwecken gerne unters Volk.« »Meine Wenigkeit könnte Mylady auch zu einem in der Nähe gelegenen Restaurant von beachtlichem Ruf fahren und nach dem Treffen dort wieder abholen«, schlug Parker gemessen vor. »Da kann ich anschließend hingehen«, überlegte sie. »Auf dieser Veranstaltung werden doch sicher auch gewisse Kleinigkeiten angeboten?« »Mylady können mit einer bescheidenen Verköstigung rechnen. Vom kulinarischen Standpunkt aus betrachtet, dürfte das Angebot allerdings unbefriedigend sein.« »Man muß sich begnügen können, Mister Parker«, seufzte die ältere Dame. »Sie wissen, ich stelle keine großen Ansprüche.« »Wie Mylady zu meinen geruhen«, stimmte Parker höflich zu. »Ich möchte natürlich vorn am Ring sitzen, Mister Parker«, bemerkte sie, nachdem der Butler das ehemalige Taxi auf dem Parkplatz abgeschlossen hatte. »Man wird sich bemühen, entsprechende Karten zu erstehen«, versprach er gemessen. »Was gibt es dort drüben?« wollte sie plötzlich wissen und deutete auf einen dicht umlagerten Stand. »Man bietet dort anscheinend begehrte Kleinigkeiten zu essen an«, vermutete Parker. »Besorgen Sie mir etwas davon.« »Wie Mylady wünschen.« Parker lüftete die Melone und entfernte sich. Während seine Herrin vor einer Plakatwand die angeschlagenen Ankündigungen studierte. »Sogenannte Bratwürstchen, Mylady«, meldete Parker kurze Zeit später, als er zurück war. Er reichte Lady Simpson einen 30
Pappteller und eine Papierserviette und wünschte ihr guten Appetit. »Da bin ich gespannt, Mister Parker«, bemerkte sie und musterte neugierig das duftende Gebilde auf dem Pappteller. »Eine kontinentale Spezialität, Mylady«, verriet Parker. »Ein deutschstämmiger Mitbürger bietet sie auf Sportveranstaltungen vom Grill an.« »Nicht schlecht«, fand die ältere Dame, nachdem sie herzhaft abgebissen hatte. Sie hatte schnell das erste Würstchen vertilgt und beschäftigte sich bereits hingebungsvoll mit dem zweiten. »Direkt am Ring ist bedauerlicherweise nichts mehr frei«, teilte Parker seiner Herrin kurze Zeit später mit. »Das kann doch wohl nicht sein, Mister Parker«, empörte sie sich und sah sich suchend um. »Vielleicht möchte jemand tauschen?« »Wie Mylady zu wünschen geruhen.« Parker lüftete die Melone und ging gemessenen Schrittes auf einige Männer mittleren Alters zu, die neben dem Eingang standen und in heftige Diskussion verwickelt waren. »Pardon, die Herren, wenn man möglicherweise stören dürfte?« entschuldigte sich Parker, während er zu der kleinen Gruppe trat. »Die Herren verfügen eventuell über Karten für die erste Reihe?« erkundigte sich der Butler höflich. »Und wenn, Mann?« reagierte einer der Männer, ein robust aussehender Mittvierziger, grob. »Würde man gerne einen Tausch vorschlagen«, antwortete Parker gemessen. »Ach nee?« »In der Tat, Sir«, bestätigte der Butler ruhig. »Lady Simpson, der zu dienen ich den Vorzug habe, legt aus gewissen Gründen Wert darauf, das Geschehen aus der ersten Reihe zu verfolgen. Meine Wenigkeit wäre bereit, für einen entsprechenden Wertausgleich zu sorgen. Zwanzig Pfund dürften ein faires Angebot sein.« »Ich hätte ‘n besseren Vorschlag«, grinste ein Mann in Lederjacke. »Wir behalten unsere Karten und du deine, und zusätzlich rückst du hundert Pfund raus, okay?« »Ihr Vorschlag entbehrt nicht einer gewissen Unausgewogenheit, Sir«, bemängelte Parker. »Genug diskutiert«, fand der Mann, der plötzlich ein Messer in der Hand hielt. »Her mit dem Geld, oder ich werde ungemütlich!« 31
»Sie haben die Absicht, von der Waffe Gebrauch zu machen, Sir?« erkundigte sich Parker, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen. »Ich werd’ dich damit gleich ‘n bißchen kitzeln, wenn du nicht sofort die Scheinchen rausrückst«, drohte der Mann und hob den Arm, um auf Parker einzudringen. »Ihr Benehmen läßt zu wünschen übrig, Sir«, fand Parker, lüftete zur Verblüffung des Angreifers die Melone und… ließ sie vor seine Hemdbrust fallen. Der Messerheld konnte seinen Schwung nicht mehr bremsen und machte eine schmerzhafte Erfahrung. Die Messerspitze traf auf die Wölbung von Parkers Kopfbedeckung und rutschte dank der Stahlblechfütterung daran ab. Das Handgelenk des Angreifers wurde ein wenig gestaucht und vermittelte seinem Besitzer ein recht unangenehmes Schmerzempfinden. Der Mann in der Lederjacke ließ die Waffe fallen und heulte vor Wut. Er umfaßte die malträtierte Körperstelle mit der anderen Hand und blickte den Butler anklagend an, der inzwischen das Messer in den unergründlichen Tiefen seines Covercoats hatte verschwinden lassen. »Wo bleiben Sie denn, Mister Parker?« erkundigte sich Lady Agatha ungeduldig. Sie trat näher und war offensichtlich etwas ungehalten über die Zeit, die der Butler zum Umtausch der Karten benötigte. »Meine Wenigkeit, Mylady, hatte eine kleine Meinungsverschiedenheit«, entschuldigte sich Parker höflich. »Die Herren erlaubten sich, meine bescheidene Person mit dem Messer zu attackieren.« »Und damit letzten Endes mich, Mister Parker«, freute sie sich und musterte die vor ihr stehenden Leute kriegerisch. »Wie kommen Sie dazu, meinen Butler anzugreifen?« herrschte die ältere Dame den ihr zunächst Stehenden an und runzelte unwillig die Stirn. Dieser untersetzte und stiernackige Mann war mit Sicherheit nicht mehr ganz nüchtern. Er rollte seine Schultern unter dem schnuddeligen T-Shirt und wandte sich feixend an seine Umgebung. »Habt ihr das gehört, Jungs?« erkundigte er sich mit dröhnender Stimme. »Die alte Fregatte will was von mir. Wie findet ihr das?« Er hatte keine Gelegenheit mehr, den Beifall seiner Komplicen zu genießen. Lady Agatha hatte Maß genommen und rief ihn mit32
tels einer energischen Ohrfeige zur Ordnung. Der Schmuddelige wurde von den Beinen gerissen, segelte einige Meter rückwärts durch die Luft und landete unsanft an einem Hydranten. Die beiden übrigen Männer sahen sich betreten an. Sie überlegten einen Augenblick, nickten sich zu und wandten sich mit unsicherer Stimme an den Butler. »Wie war doch gleich Ihr Angebot, Sir?« wollten sie wissen. »Klang im Prinzip nicht schlecht.« »Man stellt Ihnen zwei Karten der dritten Reihe sowie das Geld für zwei weitere zur Verfügung, außerdem erhalten die Herren zwanzig Pfund als Wertausgleich«, erläuterte Parker gemessen und trat mit den beiden Männern etwas abseits, um das Tauschgeschäft abzuwickeln. »Sie haben sich sicher übervorteilen lassen, Mister Parker«, monierte Lady Agatha, während sie durch die Menge der Besucher pflügte und in die große Halle strebte. »Keinesfalls und mitnichten, Mylady«, versicherte Parker gemessen. »Man kann hier auch Wetten abschließen?« erkundigte sie sich und musterte erfreut einen Mann in weißem Kittel, der durch die Reihen ging und die Besucher lautstark animierte. »In der Tat, Mylady«, gab Parker gemessen zurück. »Allerdings soll es dabei nicht immer korrekt zugehen, wie man hört.« »Eine Lady Simpson betrügt man nicht«, stellte die resolute Dame selbstbewußt fest und winkte dem Wettenanbieter. * »Man wünscht einen angenehmen und unterhaltsamen Abend, Mister Pickett«, begrüßte Josuah Parker den ehemaligen Eigentumsumverteiler. Horace Pickett war ein schlanker, sich aufrecht haltender Mann um die sechzig, der an einen pensionierten Kolonialoffizier erinnerte. In früheren Jahren hatte Pickett betuchte Bürger, die sich durchaus einen Verlust leisten konnten, um ihre Brieftaschen erleichtert, bis er an einen Mafia-Boß geriet, der sich als ausgesprochen nachtragend erwies. Ein gewisser Josuah Parker befreite Pickett aus seiner Notlage und führte ihn auf den vielzitierten Pfad der Tugend zurück. Seit33
dem war Pickett oft und gern für Lady Agatha und den Butler tätig und rechnete es sich zur Ehre an, bei der Aufklärung diverser Kriminalfälle behilflich zu sein. »Lady Agatha scheint sich durchaus zu amüsieren«, stellte Pickett fest, nachdem er den Butler begrüßt hatte. Die beiden Männer standen in einer Nische über den Rängen und blickten auf das Menschengewimmel unter sich. Etliche Reihen unter ihnen war Lady Agatha dabei, temperamentvoll mit dem Wettenverkäufer zu verhandeln. »Mylady hat beschlossen, meine bescheidene Wenigkeit zu begleiten und Milieustudien zu betreiben«, erklärte Parker würdevoll. »Man darf davon ausgehen, daß Mylady einige Zeit von dem Geschehen in Anspruch genommen sein wird. Konnten Sie Näheres über die Spedition Reynolds erfahren, wenn man auf den Zweck dieser Zusammenkunft kommen darf?« »Selbstverständlich, Mister Parker. Tja, das ist schon irgendwie merkwürdig, muß ich sagen.« Pickett nippte an seinem Whiskyglas und sah den Butler nachdenklich an. »Bis vor einem Jahr war Reynolds eine hochrenommierte Spedition, der man bedenkenlos die Kronjuwelen hätte anvertrauen können.« »Vor mehr oder weniger genau einem Jahr trat der nunmehrige Schwiegersohn Mister Reynolds’ in die Firma ein«, erinnerte sich Parker. »So ist es, Mister Parker, ich sehe, Sie waren zwischenzeitlich auch nicht untätig.« »Meine Wenigkeit besuchte die Firma Reynolds«, berichtete Parker. »Dabei lernte man auch Mister Wilson, den Schwiegersohn und Geschäftsführer, kennen.« »Seitdem der Mann in der Firma ist, hat es eine Reihe von merkwürdigen Verlusten gegeben«, berichtete Pikkett. »Plötzlich verschwanden Lastzüge der Firma und wurden später wieder leer gefunden. Einige verschwanden ganz und tauchten nie wieder auf, oder sie verunglückten, und die Fracht wurde dabei vernichtet.« »Es dürfte sich also nicht empfehlen, die Firma Reynolds zur Zeit mit dem Transport höherwertiger Güter zu beauftragen«, erkundigte sich Parker gemessen. »Auf keinen Fall, Mister Parker«, wehrte Horace Pickett ab. »Das wäre der sicherste Weg, sein Eigentum loszuwerden.« 34
»Es wurde berichtet, daß die Firma Schwierigkeiten hat, trotz einer gewissen Expansion geeignetes Personal, insbesondere Fahrer zu finden«, merkte Parker an. »Kein Wunder.« Horace Pickett lachte leise. »Wer möchte sich schon gern in der Türkei oder sonstwo im Vorderen Orient verhaften lassen und ins Gefängnis wandern? Genau das ist nämlich einigen Fahrern von Reynolds passiert. Ihre LKWs wurden kontrolliert, und bei dieser Gelegenheit wurden beträchtliche Mengen von Drogen gefunden, von deren Existenz die Fahrer angeblich keine Ahnung hatten – was ich ihnen übrigens sogar abnehmen würde. Aber die Gefängnisse in diesen Regionen sind nunmal alles andere als komfortabel, und die Methoden, derer sich die Behörden dort bedienen, entsprechen nicht unbedingt unseren Vorstellungen.« »Was die Überlegungen meiner bescheidenen Person betrifft, Mister Pickett, so geht man davon aus, daß man durch entsprechende Zahlungen genauere Überprüfungen seitens der dortigen Behörden vermeidet«, gab Josuah Parker zu bedenken. »Mit Sicherheit hat man das auch getan, Mister Parker«, erwiderte Horace Pickett achselzuckend. »In der Branche geht das Gerücht, daß ein Konkurrent den Behörden dort noch höhere Summen gezahlt hat, damit die Fahrzeuge der Firma Reynolds genauer unter die Lupe genommen werden.« »Das würde manches erklären«, überlegte Parker. »Wie sehen Sie nun die Situation des Mister Reynolds senior?« »Der alte Herr hat nichts mehr zu sagen, Mister Parker, der wird nur noch als Aushängeschild gebraucht«, wußte Horace Pickett zu berichten. »Sein Schwiegersohn hat ihn voll und ganz in der Hand.« »Und das Faustpfand dürfte die Tochter Mister Reynolds’ sein?« vermutete Parker. »So ist es, Mister Parker. Reynolds ist sozusagen Gefangener in seiner eigenen Firma.« »Ähnliches hat man bereits vermutet, Mister Pickett. Ihre Informationen sind wie immer außerordentlich interessant und aufschlußreich.« »Sie schmeicheln mir, Mister Parker. Lady Agatha scheint übrigens ein wenig unzufrieden zu sein, um es gelinde auszudrücken.« Diesen Eindruck hatte auch Parker. Selbstverständlich hatte er 35
als perfekter Butler seine Herrschaft keine Sekunde aus den Augen gelassen, um sofort zur Stelle zu sein, wenn er gebraucht wurde. Agatha Simpson sah angestrengt zum Ring hinüber und schien mit dem Geschehen überhaupt nicht einverstanden zu sein. Sie war aufgesprungen, gestikulierte mit den Armen in der Luft herum und schien einen der Kämpfer anzufeuern. »Sie wird doch nicht etwa auf den falschen Mann gewettet haben?« vermutete Horace Pickett und lächelte. »Mylady pflegt sich grundsätzlich nicht zu irren«, gab Parker zurück. »Allerdings sollte man bedenken, daß bei solchen Veranstaltungen gern regulierend eingegriffen wird.« »Das haben Sie sehr hübsch formuliert, Mister Parker«, freute sich der ehemalige Eigentumsumverteiler. »Womit Sie sehr richtig feststellen wollten, daß geschoben wird, um es mal vulgär auszudrücken.« »Sie treffen den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf, Mister Pickett«, sagte Josuah Parker würdevoll. »Wenn Sie gestatten, wird sich meine bescheidene Wenigkeit zurückbegeben, um besänftigend auf Mylady einzuwirken.« »Eine wirklich nicht ganz leichte Aufgabe«, wußte Pickett und nickte dem Butler aufmunternd zu. »Dennoch, viel Glück, Mister Parker!« »Man dankt, Mister Pickett.« Josuah Parker begab sich zu seiner Herrin. Agatha Simpson hatte inzwischen ihren Platz verlassen und stand direkt am Ring. Sie hatte ihre Hände auf die Stelle gelegt und gab ihrem Favoriten in beschwörendem Ton Tips. »Mylady beschäftigen sich damit, einen der Faustkämpfer zu coachen?« erkundigte sich Parker diskret, als er seine Herrin erreicht hatte. »Wenn er doch nur auf mich hören würde!« klagte sie und schüttelte heftig den Kopf. »Der Mann hat ja keine Ahnung vom Boxen. Wieso haben Sie mir nur geraten, ausgerechnet auf diesen Versager zu wetten?« »Möglicherweise dürfte ein Mißverständnis im Spiel sein, Mylady«, vermutete Parker. »Wie dem auch sei, aus dem Mann wird nie etwas«, stellte sie fest und schaute wieder in den Ring. Ihr Favorit wurde gerade von einem Schwinger seines Gegners getroffen und in die Seile katapultiert. 36
»Stellen Sie sich nicht so an, junger Mann«, raunzte die ältere Dame. Der Boxer hatte das Pech, ausgerechnet auf Myladys Seite in die Seile zu fliegen und so ihrer ungeteilten Aufmerksamkeit zuteil zu werden. »Was’n los?« murmelte der junge Mann und drehte sich auf die Seite, um sich auszuruhen. »Das ist ja wohl die Höhe!« Agatha Simpson griff durch die Seile und rüttelte den Boxer resolut an der Schulter. »Schämen Sie sich nicht?« wollte sie wissen. »Und auf so einen Waschlappen habe ich zehn Pfund gesetzt. Wollen Sie mich denn ruinieren?« »Lassen Sie den Mann in Ruhe!« Der Ringrichter war an die Seile getreten und wies Lady Agatha energisch zurück. »Man wird doch wohl noch seinen Favoriten anfeuern dürfen«, bemerkte sie spitz. »Alles hat seine Grenzen, Lady«, entgegnete der Ringrichter. »Außerdem Ihre Anfeuerung kommt zu spät, der ist hinüber.« »Sie wollen doch nicht sagen, daß er gegen dieses Leichtgewicht verloren hat?« Lady Agatha richtete sich empört auf und wies mit der ausgestreckten Hand auf den Gegner ihres Favoriten. Der Champion stand lässig in seiner Ecke und harrte der Dinge, die da kommen sollten. Er wußte um seine Überlegenheit und stellte sie demonstrativ zur Schau. Lady Agatha sah das anders. »Den kann man doch umpusten«, verkündete sie zur Gaudi der in der Nähe sitzenden Besucher. »Wie kann man sich denn von diesem Menschen auspunkten lassen?« »Na, Oma, du hast wohl auf den Falschen gesetzt?« Der siegreiche Boxer war endlich auf die ältere Dame aufmerksam geworden und kam langsam näher. »Bilden Sie sich nur nichts darauf ein, junger Mann«, wies sie ihn zurecht. »Den hätte ich auch geschafft.« Die Zuschauer links und rechts johlten. Lady Agatha fühlte sich dadurch angefeuert und faßte den Athleten im Ring genauer ins Auge. »Und Sie lege ich auch aufs Kreuz«, verkündete sie und hatte damit die Lacher auf ihrer Seite. Der Boxer war sichtlich perplex. »Wie bitte?« erkundigte er sich und legte die Handflächen hinter seine Ohrmuscheln. 37
»Als Dame kann ich natürlich nicht gegen Sie antreten«, fuhr die Detektivin animiert fort. »Könnte ich das, hätten Sie schlechte Karten, Sie Lümmel.« Der >Lümmel< schluckte und sah sich hilflos um. Dann brannte bei ihm die Sicherung durch und er bog die Seile auseinander, um sein Gesicht ganz dicht vor das der älteren Dame zu halten. »Warum eigentlich nicht?« zischte er wütend. »Sie trauen sich also?« fragte die Detektivin erfreut. * »Mylady sollten sich auf keinen Fall provozieren lassen«, empfahl Josuah Parker. »Es gibt für alles Grenzen, Mister Parker«, gab die ältere Dame zurück. Während sie sich erhob und eine Hand auf eines der Ringseile legte. »Ich lasse mir nicht nachsagen, ich hätte gekniffen.« Lady Agatha war nicht mehr zu halten. Der siegreiche Boxer starrte aus hervorquellenden Augen auf die ältere Dame, die ihm plötzlich gegenüberstand. Auch der Ringrichter wußte nicht so recht, wie er reagieren sollte. Er entschloß sich schließlich, seinen Amtsbonus geltend zu machen. »So geht das nicht«, schrie er und schob sich an dem abwartend stehenden Boxer vorbei. »Nicht so stürmisch, junger Mann, einer nach dem anderen.« Lady Agatha legte eine Hand auf die Hemdbrust des Schiedsrichters und drückte ihn mühelos zur Seite. »Aber keine Angst«, fuhr sie fort und lächelte freundlich. »Wenn ich mit diesem Lümmel hier fertig bin, dürfen Sie gern gegen mich antreten.« Der Schiedsrichter, ein gestandener Mann um die fünfzig und alter Hase im Boxsport, schluckte trocken und wischte sich verstohlen den Schweiß von der Stirn. Lady Agathas baritonal gefärbtes Organ trug mühelos weit in den Saal, so daß sie von den meisten Besuchern gut verstanden wurde. Ganz allgemein erwartete man eine kleine Sensation. Die Mitarbeiter einiger Lokalblätter hatten sich um den Ring postiert und schossen die ersten Fotos. Lady Agatha stülpte sich ihre wie eine Kreuzung von Napfku38
chen und Südwester anmutende Hutschöpfung, die sie abgenommen hatte, wieder auf den Kopf und hängte sich den perlenbestickten Handbeutel über den rechten Unterarm. Sie nickte dem immer noch wie die sprichwörtliche Salzsäule stehenden Boxer aufmunternd zu und wartete auf die Eröffnung des Kampfes. »Was ist nun, junger Mann?« wollte sie wissen. »Fangen wir an?« Der >junge Mann< war sichtlich konsterniert. Er stand mit hängenden Armen da und konnte sich zu keiner Reaktion aufraffen. »Das ist gegen die Regeln«, meldete sich dafür der Schiedsrichter zu Wort, der inzwischen seine Erstarrung überwunden hatte. »Unsinn! Wie kommen Sie denn darauf?« wies ihn die ältere Dame unwirsch ab. »Ein solcher Kampf ist in den Regeln nicht vorgesehen«, machte er geltend. »Dann ist er auch nicht verboten«, gab sie resolut zurück und schwang die Fäuste probeweise. Die Stimmung im Saal begann zu kochen und nahm südländische Ausmaße an. »Außerdem tragen Sie nicht die vorgeschriebene Bekleidung«, reklamierte der Schiedsrichter halbherzig. »Sie haben ja nicht mal Boxhandschuhe.« »Genau«, mischte sich ihr >Gegner< ein und nickte eifrig. »Also machen Sie schon, daß Sie aus dem Ring kommen, die Show ist aus, Oma.« »War das eine Beleidigung, Mister Parker?« Sie drehte den Kopf und sah den Butler unten am Ring fragend an. »Mitnichten, Mylady.« Parker lüftete die Melone. »Die Bemerkung dürfte aus einer gewissen nervlichen Streßsituation heraus gefallen sein. Mylady sollten sich möglicherweise großzügig zeigen und dem jungen Mann verzeihen.« »Stimmt, war doch nicht so gemeint, altes Haus«, zeigte sich der Boxer erleichtert und vergriff sich erneut im Ton. »Schluß jetzt, Sie Lümmel! Wollen Sie nun kämpfen oder sich drücken?« Agatha Simpson wurde allmählich ungeduldig und wollte aktiv werden. Auch das Publikum wollte endlich etwas sehen für sein Geld. Man forderte lautstark den Beginn der Auseinandersetzung. Die Wettverkäufer paßten sich der neuen Situation flexibel an und boten umgehend Wetten für den ungewöhnlichen Kampf. Dabei zeigte es sich, daß die ältere Dame beim Publikum nicht in 39
schlechtem Ansehen stand. »Jetzt reicht’s, Schluß aus, Ende!« Der Schiedsrichter warf sich in einer Aufwallung von Verzweiflung und Heldenmut zwischen die beiden Kontrahenten. Das war sein Pech. Lady Agatha hatte bereits ausgeholt, traf ihn am Kinn und wischte ihn ein wenig zur Seite. Aus dieser Richtung kam unglücklicherweise die Faust des Boxers und streifte seine Nase oberflächlich. Der Ringrichter ging in die Knie, blieb einen Moment wie in Andacht versunken hocken und legte sich dann lang. Das Publikum raste vor Begeisterung. Man johlte und geriet außer Rand und Band. Einige jüngere Männer aus den hinteren Reihen fingen lautstark an, den zu Boden gegangenen Schiedsrichter auszuzählen. Lady Agatha strahlte übers ganze Gesicht und grüßte mit erhobenen Fäusten ins Publikum. Ihr Widerpart stand neben ihr und blickte betreten vor sich hin. »Ausgezeichnetes Publikum, Mister Parker«, stellte sie fest, während sie sich an den Butler wandte und dankend eine Flasche Mineralwasser entgegennahm. »Außerordentlich sachverständig und fair.« »Man scheint Mylady gegenüber bemerkenswerte Sympathien aufzubringen«, stimmte der Butler zu. »Man liebt mich, Mister Parker«, stellte die ältere Dame klar und nahm einen Kreislaufbeschleuniger in Form eines alten, französischen Cognacs zu sich, den Parker ihr im Becher seiner Taschenflasche reichte. »Mir reicht’s, ich verschwinde«, verkündete der junge Boxer und schickte sich an, den Ring zu verlassen. Er sah sich um seine Show gebracht und hatte keine Lust, sich noch länger an dem Spektakel zu beteiligen. Das gefiel dem Publikum keineswegs. Lautstark wurde er aufgefordert, im Ring zu bleiben und sich zu stellen. Der Modellathlet war jedoch nicht damit einverstanden und zeigte dies den Besuchern deutlich. Er tippte mit dem Zeigefinger gegen die Stirn und streckte außerdem die Zunge heraus. Lady Agatha erstarrte. Sie reichte Parker den Becher zurück und schüttelte mißbilligend den Kopf. Der Bursche wagte es, sie öffentlich zu beleidigen. Er hatte ihr den Vogel gezeigt und außerdem die Zunge herausgestreckt. Energisch schritt Agatha Simpson zur Vergeltung. Sie stampfte 40
mit der Zartheit einer entfesselten Dampfwalze auf den entsetzt blickenden Athleten zu, dem dämmerte, daß er gleich Opfer eines Mißverständnisses werden würde. Mit der düsteren Voraussicht lag er richtig. Lady Agathas Rechte legte sich klatschend auf seine Wange und hinterließ dort einen roten Fleck. Der Gemaßregelte hob die behandschuhte Faust und wollte nach der getroffenen Stelle greifen. Mylady sah darin einen tätlichen Angriff und wehrte ihn souverän ab. Ihr rechter Fuß zuckte vor und tippte gegen das Schienbein des entnervten Boxers. Der junge Mann schrie auf und begann eine kleine Tanzeinlage. Dabei geriet er erneut in Myladys Reichweite und wurde von ihrem Handbeutel gestreift, der in Schwung geraten war und an den langen Schnüren in die Höhe flog. Im Pompadour befand sich der sogenannte Glücksbringer. Er enthielt ein stämmiges Hufeisen, das einem soliden Brauereipferd als >Fußbekleidung< gedient hatte. Aus humanitären Gründen war dieses Hufeisen allerdings mit einer Lage dünnen Schaumstoffes oberflächlich umwickelt. Der Glücksbringer traf das Brustbein des Boxers und ließ ihn auf die Zehenspitzen steigen. Er stierte anklagend auf die ältere Dame, schüttelte hilflos den Kopf und setzte sich dann auf den staubigen Ringboden, um sich von der Attacke zu erholen. Einen Moment später kippte er zur Seite und beschloß, die Augen für ein paar Minuten zu schließen, um diesem Alptraum zu entkommen. Das Publikum war nicht mehr zu halten und jubelte der älteren Dame frenetisch zu. Nur Josuah Parker, der nach wie vor am Ring stand, blieb ungerührt. Auch Horace Pickett war von Myladys Leistung entzückt. Zwar stand er nicht auf einer Bank, um Lady Agatha zuzujubeln, aber er schob sich neben den Butler und knuffte diesen in die Seite, um ihm seine Begeisterung mitzuteilen. »Pardon, Mister Parker, da ist offensichtlich mein Temperament mit mir durchgegangen«, entschuldigte er sich umgehend. Josuah Parker kam nicht zur Antwort. Er half seiner Herrin aus dem Ring und reichte ihr ein Handtuch, das er aufgetrieben hatte. »Wo wird denn hier die Börse ausbezahlt?« wollte sie wissen und sah sich suchend um. »Ich finde, die habe ich mir reichlich verdient, Mister Parker.«
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* »Da scheinen wir ja eine echte Sensation verpaßt zu haben«, wandte sich Mike Rander grinsend an Kathy Porter, die neben ihm saß. Man befand sich im kleinen Salon des altehrwürdigen Fachwerkhauses beim gemeinsamen Frühstück. Parker hatte in Myladys Auftrag hierzu eingeladen, weil sie danach dürstete, ihre neuesten Erlebnisse weiterzugeben. »Ich habe diesen Möchtegern-Sportlern mal gezeigt, wo es lang geht«, äußerte die Hausherrin voller Zufriedenheit. Sie lächelte versonnen und deutete einen Schwinger an, der den Anwalt veranlaßte, den Kopf zurückzunehmen. »Ist ein solcher Kampf denn überhaupt erlaubt?« wunderte sich Kathy Porter. »Ich habe noch nie gehört, daß sich im Ring ein Mann und eine Frau gegenüberstehen.« »Danach habe ich natürlich gar nicht erst gefragt«, gab die passionierte Detektivin zurück. »Dieser Lümmel hat mich herausgefordert, also habe ich sein Angebot angenommen und bin gegen ihn angetreten.« »Wie war das noch mal mit der Börse?« erkundigte sich Mike Rander. »Man händigte Mylady zweihundert Pfund aus«, erläuterte Parker gemessen. »Dies ist der Satz, den man bei solchen Veranstaltungen üblicherweise bezahlt, wie zu hören war.« »Nun ja, ich mußte allerdings erst energisch werden«, erinnerte sich die ältere Dame lächelnd. »Ich habe den Hallenmanager nachdrücklich darauf hingewiesen, daß mir diese Gage zusteht.« »Er hat diesen Hinweis doch einigermaßen überstanden?« bemerkte Rander sarkastisch. »Er erlitt eine an sich unbedeutende Gleichgewichtsstörung«, gab Parker Auskunft. »Danach zeigte er sich Myladys Anliegen gegenüber außerordentlich aufgeschlossen.« »Er ist gestolpert, Mister Parker, weiter nichts«, machte die Hausherrin deutlich. »Ich habe ihn jedenfalls kaum berührt.« »Als Tatbestand würde man sagen: oberflächlich«, stimmte der Butler zu. »Der junge Mann warf sich förmlich in Myladys ausrutschende Hand.« »Genauso war es«, freute sich die resolute Dame. »Aber danach 42
war er sehr vernünftig.« »Die Zuschauer müssen begeistert gewesen sein«, vermutete Kathy Porter. »Sie haben mich auf den Schultern aus der Halle getragen und förmlich darum gebeten, bald wieder einen Kampf zu geben«, erwiderte die Hausherrin nur zu gern. »Tatsächlich?« äußerte sich Mike Rander in zweifelndem Ton. »Dem war in der Tat so, Sir«, bestätigte Parker gemessen. »Man bemächtigte sich Myladys Person und trug sie im Triumphzug aus der Halle. Ein zufällig anwesender Boxpromotor bot Mylady eine beträchtliche Summe, wenn sie bei ihm einen Vertrag unterschreibt.« »Woran ich übrigens ernsthaft denke«, überlegte Agatha Simpson. »Das war ja ein ausgesprochener Glücksfall«, gratulierte Mike Rander spöttisch. »So ist es, mein Junge, und ich gedenke diesen Glücksfall auch zu nutzen«, stimmte sie prompt zu. Lady Agatha blickte konsterniert zum Telefon, das sich gerade bemerkbar machte. »Was sind das bloß für Manieren?« klagte sie. »Um diese Zeit sitzt das ganze Königreich beim Frühstück.« »Ein bedauerlicher Verfall der Sitten«, stimmte der Butler ihr zu und begab sich gemessen zum Telefon, um abzuheben. Er hörte einen Moment schweigend zu, dann bedankte er sich für den Anruf und wandte sich an die Hausherrin. »Sir Arthur Billings, Mylady«, sagte er. »Sir Arthur bittet wegen des frühen Anrufes um Entschuldigung, aber er wollte Mylady eine außerordentlich wichtige Information zukommen lassen.« »Billings von British Food?« erkundigte sich Mike Rander aufhorchend. »In der Tat, Sir«, bestätigte Parker gemessen. »Sie kennen den Mann?« wunderte sich die ältere Dame und ließ die Gabel sinken. »Sie auch, Mylady«, lächelte Mike Rander. »Sir Arthur Billings ist der Vorstandsvorsitzende der British Food, die in ganz England Supermärkte betreibt.« »Ach die«, winkte die Hausherrin ab und schüttelte den Kopf. »Das ist doch diese Supermarktkette mit den unverschämten Preisen, nicht wahr, Mister Parker? Ich erinnere mich, daß ich Sie 43
mal in einen Laden dieser Firma begleitet habe. Ich bin damals fast zu Tode erschrocken über die Preise, die man den Leuten abnehmen will.« »Es handelt sich um ein Unternehmen, das nur Ware allerbester Qualität anbietet«, sagte Parker höflich. »Und Qualität hat bekanntlich ihren Preis, wie der Volksmund zu sagen pflegt.« »Papperlapapp, Mister Parker, mir streut man keinen Sand in die Augen.« Lady Agatha ließ sich nicht beirren. »Das mit der Qualität ist nur ein Vorwand, um die Preise hochzutreiben.« Die Detektivin nickte heftig und fuhr geringschätzig mit der Hand durch die Luft. »Nur Leute, die nicht Bescheid wissen, kaufen bei dieser Firma, Mister Parker.« »Die Liste der Food-Gesellschafter liest sich wie ein Almanach der besten britischen Gesellschaft, Mylady«, mischte sich Mike Rander ins Gespräch. »Wissen Sie übrigens, wer der Hauptgesellschafter ist?« Lady Agatha winkte erst ab, bezwang dann aber doch nicht ihre Neugier. »Also gut, wenn Sie diese Information unbedingt loswerden wollen… Wer ist es schon?« »Sie, Mylady!« Mike Rander lächelte entwaffnend. Die ältere Dame musterte ihn stirnrunzelnd und räusperte sich. »Nun ja«, bemerkte sie und widmete sich ihrer Teetasse. »Wie Mister Parker schon sehr richtig sagte, Qualität hat eben ihren Preis.« Sie räusperte sich erneut und wandte sich an den Butler. »Was wollte Sir Anthony um diese unmögliche Zeit von mir? Er hat doch sicher nicht angerufen, um mich über günstige Angebote zu unterrichten.« »Von einem Angebot sprach Sir Anthony in der Tat«, gab Parker gemessen zurück. »Es kam von jemandem, der sich mit dem animalischen Pseudonym >Klapperschlange< bezeichnet und von Sir Arthur beziehungsweise der British Food die Zahlung von einer Million Pfund verlangt. Ansonsten würde besagte >Klapperschlange< eine Reihe nicht näher bezeichneter Lebensmittel in den Märkten der Firma vergiften.« »Das darf doch wohl nicht wahr sein.« Lady Agatha zeigte flammende Empörung. »Man versucht, eine Firma zu erpressen, an der ich beteiligt bin? Habe ich es richtig verstanden, Mister Parker?« »So ist es, Mylady.« Der Butler nickte ungerührt. 44
»Das geht zu weit.« Die ältere Dame schüttelte entschieden den Kopf. »Ich werde diese Klapperschlange zur Strecke bringen.« Agatha Simpson schnaufte empört und griff nach ihrem Kreislaufbeschleuniger, den der Butler vorsichtshalber servierte. »Mylady haben bereits bestimmte Vorstellungen?« erkundigte sich Parker höflich. »Ich kümmere mich nur um die große Linie, Mister Parker.« ließ sie sich vernehmen. »Deshalb dürfen Sie die Schlangengrube ausheben, ich treibe die Giftnudel dann hinein.« »Wie Mylady wünschen«, gab der Butler zurück und verneigte sich andeutungsweise. * Josuah Parker hatte die Klappe eines Wandschränkchens im verglasten Vorflur geöffnet und blickte auf einen Monitor, der sich eben belebte. Auf der Mattscheibe wurden zwei Männer mittleren Alters sichtbar, die vor der massiven Eingangstür des altehrwürdigen Fachwerkhauses standen. Die Männer trugen Aktenkoffer und hatten mit Sicherheit keine Ahnung, daß man sie beobachtete. Sie sahen erwartungsvoll zur Tür und warteten darauf, Einlaß zu finden. »Bei Lady Simpson«, machte sich der Butler über die Gegensprechanlage bemerkbar. »Wen darf man melden?« Die beiden Männer sahen sich bedeutungsvoll an und nickten sich zu. Obwohl sie nicht wußten, daß sie beobachtet wurden, rückten sie unwillkürlich ihre Krawatten zurecht. »Miller und Smith vom Königlichempirischen Institut«, gab der Mann mit der Glatze zurück. »Wir führen im Auftrag der Stadt eine Umfrage durch und würden in dieser Angelegenheit gern den Haushaltsvorstand sprechen.« »Man wird Mylady Ihr Anliegen vortragen«, versprach Parker via Sprechanlage und schaltete sie scheinbar ab. Die Männer hörten es im Lautsprecher neben der Tür knacken und grinsten. Sie gingen davon aus, daß sie nicht mehr gehört werden konnten und gaben sich völlig ungeniert. »Das haut hin, Junge, der Job ist so gut wie erledigt«, freute sich der Mann mit der Glatze, der Parker geantwortet hatte. Sein Partner war gut einen Kopf größer und erinnerte an eine 45
Vogelscheuche. Er hatte ein ausgemergeltes, düster wirkendes Gesicht und starrte finster vor sich hin. Sein Anzug schien ihm zu groß zu sein und schlotterte. »Die Prämie haben wir so gut wie im Sack«, stimmte er dem Glatzköpfigen zu. »Verstehe überhaupt nicht, warum der Boß so’n Theater um die alte Tante macht.« »Da müssen eben Profis wie wir ran«, bemerkte der Mann mit der Glatze. »Gegen uns haben Amateure wie die hier keine Chance.« Die Kerle griffen wie auf ein geheimes Kommando gleichzeitig in ihre Jacketts und nestelten daran herum. Parker, der den Bildschirm aufmerksam beobachtete, bemerkte erwartungsgemäß, daß die angeblichen Befrager der Stadt offensichtlich bewaffnet waren. Der Butler ließ es erneut im Lautsprecher knacken und vermittelte den Besuchern die Illusion, die Sprechanlage wieder eingeschaltet zu haben. Die beiden Männer strafften sich unwillkürlich und nahmen so etwas wie Haltung an. Ihr kleines Gespräch wurde abgebrochen. Statt dessen starrten sie schweigend auf die Tür und warteten darauf, daß man ihnen endlich öffnete. Parker löste per Knopfdruck die elektrische Sperre des Türschlosses und forderte die Männer höflich zum Eintreten auf. Der Glatzköpfige und die Vogelscheuche ließen sich nicht lange bitten und stürmten förmlich in den Eingang. Im Laufen zogen sie die Pistolen und richteten sie auf den Butler, der hinter der verglasten Tür stand und ihnen ungerührt entgegen sah. Der Glatzköpfige drückte die Klinke nieder, woraufhin sich nichts tat. Verblüfft rüttelte er und schüttelte ratlos den Kopf, als sich die Tür nicht öffnen wollte. Sein an eine Vogelscheuche erinnernder Partner schien nicht viel von der Fähigkeit seines Kollegen zu halten. Er schob ihn beiseite und rüttelte seinerseits energisch an der Klinke. Aber auch ihm gelang es nicht, die Tür zu öffnen. »Sie sollten sich nicht allzu sehr echauffieren, meine Herren«, riet Josuah Parker. »Die Tür ist nur auf elektronischem Weg von innen zu öffnen.« »Was Sie nicht sagen!« Der Glatzköpfige starrte den Butler wütend an. Dann preßte er die Mündung seiner Waffe gegen die Scheibe und grinste tückisch. »Na, Opa, wissen Sie zufällig, was das hier ist?« erkundigte er sich höhnisch. 46
»Eine Automatic des Fabrikats FN, Kaliber 7,65, hergestellt in Belgien, wenn sich meine bescheidene Person nicht täuscht«, gab Parker gemessen zurück. Der Kerl vor der Tür stierte ihn ungläubig an und schüttelte den Kopf. Dann sah er auf seine Pistole und musterte sie prüfend. Anscheinend hatte er selbst nicht gewußt, was für eine Waffe er benutzte. »Stimmt, Opa, und wenn Sie schon so schlau sind, wissen Sie ja auch, was für Löcher so’n Ding verursacht«, knurrte er. »Also machen Sie auf, bevor ich abdrücke.« »Dürfte man Sie auf ein kleines Problem aufmerksam machen, das dabei auftreten könnte?« sagte Parker höflich. »Die Scheibe besteht aus Panzerglas und dürfte Ihren Bemühungen mit Sicherheit standhalten.« »Das ist doch Bluff.« Der Glatzköpfige schüttelte den Kopf und hob die Pistole. Er schien einen Versuch wagen zu wollen. Der Mann, der einer Vogelscheuche glich, legte die Hand auf den Lauf und drückte die Waffe herunter. »Warte mal, was ist, wenn er die Wahrheit sagt?« »Weshalb sollten sich Amateure ‘ne schußsichere Glastür zugelegt haben?« fauchte der Mann mit der Glatze wütend. »Ich sage dir, der Schwarzkittel, will uns reinlegen, weiter nichts.« »Ich hab’ keine Lust, mir selbst ‘n Loch in’n Pelz zu brennen«, machte die Vogelscheuche klar. »So toll ist die Prämie nun auch wieder nicht.« »Na schön, wenn du meinst.« Der Glatzköpfige steckte seine Pistole ein und wandte sich ab. »Hauen wir eben wieder ab, das ist Pech, da kann man nichts machen.« Er zuckte die Achseln und griff nach der Klinke der Eingangstür, die sich aber störrisch zeigte. »Möglicherweise möchte Mylady einige Worte mit Ihnen wechseln«, gab Parker zu bedenken. »Aus diesem Grund sollten Sie noch einen Augenblick verweilen, bis meine bescheidene Wenigkeit sich bei Mylady befragt hat.« Die beiden Männer verzichteten auf eine Antwort. Sie sahen ihre Felle davonschwimmen und hatten nur noch den Wunsch, schleunigst zu verschwinden. Auch jetzt erwies sich die Vogelscheuche wieder als der aktivere Teil. Während der Glatzköpfige ratlos auf die massive Tür starrte, trat sein Komplice einige Schritte zurück und nahm Anlauf. Die schwere Tür nahm seinen Anprall kaum zur Kenntnis. Dafür tau47
melte der dürre Mann schreiend zurück und rieb sich die schmerzende Schulter. »Blinder Eifer schadet nur, wie der Volksmund so treffend zu sagen weiß«, kommentierte der Butler seine Bemühungen. »Man hofft, daß Sie sich nicht ernsthaft verletzt haben, Sir.« »Weg da, laß mich mal!« Der Glatzköpfige verlor die Beherrschung und richtete die Pistole auf das Türschloß. Bevor Parker ihn warnen konnte, hatte er bereits abgedrückt. Die Kugel prallte aber zurück und sirrte als Querschläger durch den Raum. Die Kerle warfen sich zu Boden und legten schützend die Hände über die Köpfe. »Die Eingangstür hat einen Rahmen aus Edelstahl«, klärte Parker auf, nachdem das Projektil mehrmals hin- und her geflogen, und schließlich kraftlos zu Boden gefallen war. »Auch das Schloß ist entsprechend geschützt. Dies zur Information der Herren.« »Lassen Sie uns raus hier«, wimmerte der Glatzköpfige und stemmte sich mühsam hoch. »Wenn Sie uns gehen lassen, vergessen wir die ganze Angelegenheit, und Sie werden uns nie wiedersehen.« »Andernfalls werden Sie nichts zu lachen haben.« Auch die Vogelscheuche hatte sich inzwischen wieder aufgerafft und soweit von ihrem Schrecken erholt, daß sie schon wieder Drohungen ausstoßen konnte. »Sie vergessen, daß Mylady möglicherweise mit Ihnen zu sprechen wünscht«, erinnerte Parker gemessen. Der Glatzköpfige fuchtelte wütend mit dem Kolben seiner Pistole. Der Mann, der aussah wie eine Vogelscheuche, holte ein Feuerzeug aus der Tasche und hielt die Flamme an die Täfelung der Eingangstür. »Sie dürften beide eine kleine Erfrischung brauchen«, fand Parker und drückte auf einen Knopf auf der Schalttafel neben dem Monitor im Wandschrank. Die beiden Männer im Vorraum zuckten erschrocken zusammen und sahen ungläubig nach oben. Dort hatten sich anscheinend einige Schleusen geöffnet. Eine wahre Sintflut stürzte herab. Die angeblichen Befrager ließen ihre Pistolen fallen und rissen sich die Jacketts vom Leib. Sie schlangen sie um die Köpfe und versuchten sich so klein wie möglich zu machen. »Man hofft, daß den Herren die Temperatur zusagt«, erkundigte sich Parker höflich. 48
»Das ist ja eiskalt«, jammerte der Glatzköpfige und fing an zu zittern. »Eine Wechseldusche ist der Gesundheit ungemein zuträglich, wie die Medizin zu berichten weiß.«, bemerkte Parker und drehte am Temperaturwähler. Einen Augenblick später verhüllten dichte Schwaden den Vorraum und ließen die Männer darin verschwinden. »Wollen Sie uns kochen?« brüllte einer der beiden aus dem Nebel und hämmerte mit den Fäusten gegen die Glastür. »Keinesfalls und mitnichten, Sir«, versicherte Parker ihm und drosselte die Temperatur. »Was ist los, Mister Parker?« erkundigte sich in diesem Augenblick die Hausherrin. Sie hatte in der Halle ein Geräusch gehört und kam, um nach der Ursache zu forschen. »Mylady erhielten zwischenzeitlich Besuch«, meldete Parker. »Die Herren säubern sich gerade, bevor sie sich Mylady zu einem klärenden Gespräch zur Verfügung stellen.« »Lassen Sie mich mal.« Die Detektivin griff nach dem Temperaturregler. »Sie verwöhnen die Leute, Mister Parker!« Entschlossen stellte Mylady auf >kalt<. Die Männer schrien erneut und winselten um Gnade. * »Das ist Freiheitsberaubung«, beschwerte sich der Glatzköpfige am nächsten Morgen, als Parker das Frühstück servierte. »Die Herren sind Gäste des Hauses«, korrigierte der Butler höflich. »Mylady ist für Ihre Gastfreundschaft bekannt, wenn man dies hinzufügen darf.« Die beiden Männer befanden sich in einem kleinen, aber sehr ansprechend, eingerichteten Appartement. Die Unterkunft lag noch eine Etage unter dem Souterrain und war nur wenigen Eingeweihten bekannt. »Hören Sie, Mann, lassen Sie uns gehen, und wir vergessen die ganze Sache«, schlug der hagere Mann vor, der an eine Vogelscheuche erinnerte. »Das ist doch nur’n Irrtum, weiter nichts, Sie machen sich nur unglücklich, wenn Sie uns hier festhalten.« »Die Herren denken an gewisse Konsequenzen?« erkundigte 49
sich der Butler gemessen. »Und ob, Mann.« Der Glatzköpfige nahm am Tisch Platz und musterte das reichhaltige Angebot. »Unser Boß wird nicht eben entzückt sein, wenn er hört, was uns hier passiert ist. Er ist verdammt nachtragend, wissen Sie?« »Möglicherweise ist er auch nicht erbaut von Mitarbeitern, die versagen«, machte Parker deutlich, während er den Tee einschenkte. »Dem Vernehmen nach bekommen sogenannte Pechvögel in Ihren Kreisen keine Chance.« »Was wollen Sie damit sagen?« Die Vogelscheuche sah den Butler stirnrunzelnd an und setzte sich zögernd an den Tisch. »Sie dürfen Ihre Aufgabe nicht eben zur Zufriedenheit Ihres Auftraggebers gelöst haben«, vermutete Parker. »Dafür werden Sie mit Sicherheit kein Lob erwarten dürfen. Möglicherweise wird man sogar danach trachten, Sie unauffällig in der vielzitierten Versenkung verschwinden zu lassen.« »Blödsinn!« Der Glatzköpfige winkte ab und versuchte, locker und sorglos zu wirken. Parker erkannte jedoch die Betroffenheit in seiner Miene und wußte, daß er ins Schwarze getroffen hatte. »Möglicherweise geht Ihr Auftraggeber auch davon aus, daß die Herren gesungen haben, wie es in Ihren Kreisen heißen dürfte.« »Halten Sie uns etwa für Gangster?« brauste der Glatzköpfige auf. »Eine solche Bezeichnung könnte der Wahrheit entsprechen«, gab Parker ungerührt zurück. »Wir würden niemals singen, damit das mal klar ist«, ließ sich die Vogelscheuche vernehmen. »Wir sind in der Branche für Diskretion bekannt.« »Alles hat irgendwann mal seinen Anfang«, philosophierte Parker. »Die Herren dürften da keine Ausnahme sein.« Der Glatzköpfige winkte erneut ab und widmete sich seinem Frühstück. »Sobald ich hier fertig bin, gehe ich«, verkündete er. »Und davon hält mich niemand ab, auch Sie nicht, Mann, damit das klar ist.« »Dem steht nichts entgegen, Sir«, erwiderte Parker zur Überraschung des Mannes. »Sie lassen uns also gehen?« staunte die Vogelscheuche und sah den Butler überrascht an. »So ist es.« versicherte Parker höflich, »nachdem Sie Mylady einige Fragen beantwortet haben. Mylady gedenkt dabei einige 50
neue Rezepte zur Anwendung zu bringen, die erst kürzlich in einem alten Buch über Druiden entdeckt wurden.« »Über was?« staunte die Vogelscheuche. »Druiden sind Hohepriester und Zauberkundige aus grauer Vorzeit. Mylady hat sich dem Studium der Druiden und ihrer Kunst gewidmet. Diese Priesterkaste war zu ihrer Zeit sehr gefürchtet und verfügte über großen Einfluß. Man sagt, sie wären mit den Göttern im Bund und in der Lage gewesen, andere Menschen durch geheimnisvolle Sprüche, Riten und Zeichen zu verzaubern.« »Unsinn«, knurrte der Glatzköpfige. »Es ist doch wohl nicht zu fassen, daß sich ‘n aufgeklärter Mensch mit solchem Humbug beschäftigt.« Er winkte lässig ab. »Was interessiert uns im übrigen, ob sich Ihre Lady mit diesem Märchenkram befaßt oder nicht? Das hat mit uns nichts zu tun.« »Möglicherweise doch, Sir, wenn man die Herren darauf verweisen darf«, korrigierte Parker ihn höflich. »Mylady dürfte die angekündigten Versuche in Bälde unternehmen.« * »Aber Mylady, da gruselt’s einen ja, wenn man das hört.« Kathy Porter, die mit Mike Rander aus der nahegelegenen Kanzlei herübergekommen war, schüttelte sich. Die Hausherrin hatte soeben ihr Verhör geschildert und die Details in der ihr eigenen Art sehr farbig und anschaulich dargestellt. »Die Burschen waren bestimmt mit den Nerven total fertig«, vermutete Mike Rander lächelnd. »Und ob, mein lieber Junge.« Agatha Simpson nickte energisch und lehnte sich zufrieden zurück. »Ich denke, ich war sehr überzeugend, nicht wahr, Mister Parker?« wandte sie sich an ihren Butler. »In der Tat, Mylady.« Parker stand stocksteif, als habe er einen Ladestock verschluckt, hinter dem Sessel seiner Herrin und hatte ihrer Erzählung mit unbewegter Miene zugehört. »Mylady waren in ihrer Rolle als… pardon… Kräuterhexe außerordentlich überzeugend. Die Herren konnten es nicht erwarten, Mylady ihre allerdings relativ unbedeutenden Kenntnisse anzuvertrauen.« »Die haben sich förmlich überschlagen«, freute sich die ältere 51
Dame. »Besonders die Sache mit der Schlange hat sie sehr beeindruckt, glaube ich.« »Eine Schlange, Mylady?« Kathy Porter beugte sich gespannt vor. »Sagen Sie nur nicht, Sie hätten eine echte Schlange zur Verfügung gehabt.« »Leider nicht, Kindchen.« Die Hausherrin seufzte und warf Josuah Parker einen vorwurfsvollen Blick zu. »Obwohl ich Mister Parker gebeten hatte, mir eine zu besorgen.« »Was in Anbetracht der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit leider nicht möglich war, Mylady«, bedauerte Parker, ohne eine Miene zu verziehen. »In der Zoohandlung waren Reptilien jeglicher Art zur Zeit leider nicht vorrätig.« »Ausreden, Mister Parker«, winkte sie ab. »Aber gut, es hat ja auch so geklappt. Zum Glück fiel mir eine Alternative ein.« »Eine außerordentliche überzeugende, wenn man dies bemerken darf«, stimmte Parker ihr zu, von dem die Idee in Wirklichkeit stammte. Selbstverständlich hatte die ältere Dame auch keinesfalls auf echten Reptilien bestanden, dieses Detail gab ihrer Darstellung jedoch mehr Farbe und Gewicht. »Was war das für eine Alternative, Parker?« wollte Mike Rander wissen. Er wandte sich an Kathy Porter und zwinkerte ihr vergnügt zu. Er wußte, daß er gleich Amüsantes zu hören bekam und freute sich. »Mylady rührte zunächst in Gegenwart der Herren eine stark riechende Flüssigkeit, die sich in einem großen Kessel befand, der auf einem Dreibein über einer Feuerstelle hing«, begann Parker. »Guter Gott, Parker, ein offenes Feuer im Haus?« entrüstete sich der Anwalt und schüttelte den Kopf. »Das darf doch wohl nicht wahr sein.« »Es handelte sich in Wirklichkeit um eine ganz gewöhnliche elektrische Kochplatte, die auf einem kleinen Podest stand, Sir«, erläuterte Parker. »Dorthin projizierte man mittels eines Filmvorführgerätes ein eindrucksvolles Feuer mit entsprechender akustischer Untermalung durch ein Tonbandgerät. Mylady postierte sich neben dem Kessel, so daß die Besucher auf ein heftig loderndes Feuer blicken konnten. Diese Illusion war in der Tat sehr überzeugend.« »Und Mylady rührte dann mit einem großen Holzlöffel in so einer Art Giftsuppe?« Kathy Porter und Mike Rander sahen sich an 52
und mußten sich beherrschen, um nicht laut zu lachen. »Ich hatte mich natürlich dementsprechend kostümiert«, erinnerte sich Lady Agatha und lächelte versonnen. »Ich trug ein altes schwarzes Kleid mit geheimnisvollen, mystischen Zeichen darauf, ein buntes Kopftuch und auf meiner Schulter einen Raben.« »Wie bitte?« Mike Rander sah die Hausherrin verblüfft an. »Einen Raben, mein Junge, das ist ein schwarzer Vogel«, erklärte Mylady genüßlich und freute sich über die Verwirrung auf Mike Randers Gesicht. »Es handelte sich um ein Plüschtier, das jedoch sehr echt wirkte«, bemerkte Parker gemessen. »Die Laute, die das Tier von Zeit zu Zeit von sich gab, stammten gleichfalls vom Tonband.« »Meine Güte, anscheinend haben Sie da unten die reinste Horrorshow inszeniert«, schüttelte Mike Rander den Kopf. »Und was war nun mit dieser Schlange?« »Ein solches Tier angelte Mylady aus ihrer Suppe und prüfte es auf ihren Geschmack«, berichtete Parker. »Das Reptil war natürlich aus Gummi.« »Sie hat es probiert?« Kathy Porter sah die Hausherrin verwirrt an. »Nun, ich habe hineingebissen und so getan, als wolle ich das Tier abschmecken«, freute sich die ältere Dame. »Daraufhin fielen die Lümmel beinahe in Ohnmacht.« »Auch die Spinne, die Mylady anschließend auf ihrem Löffel aus der Suppe angelte, wirkte sehr anregend«, fuhr Parker fort. »Daraufhin überboten sich die Herren förmlich an Informationen.« »Guter Gott, Parker, ich möchte weiß Gott nicht in der Haut dieser armen Teufel gesteckt haben«, grinste Mike Rander. »Eine Brühe, aus der Schlangen und Spinnen geholt werden, auch wenn sie aus Gummi sind, Mylady in ihrer Verkleidung und mit ihrem schauspielerischen Talent und dazwischen Sie, der sich wahrscheinlich wieder mal angeblich darum bemühte, Mylady von ihrem Plan abzubringen, oder?« »Als Mylady laut darüber nachdachte, die Herren am besten gleich in den Suppentopf zu werfen, legte meine bescheidene Wenigkeit in der Tat Protest ein«, gab der Butler zu. »Allerdings zeigte sich Mylady zunächst unerbittlich und bestand auf ihrem Vorschlag.« 53
»Die beiden Strolche haben gezittert wie Espenlaub«, erinnerte sich Agatha Simpson. »So schnell nehmen die keinen Auftrag mehr an, darauf gehe ich jede Wette ein.« »Mylady hat sich aber zum Schluß doch besänftigen und von ihrem finsteren Plan abbringen lassen, nicht wahr, Mister Parker?« ahnte Kathy Porter. »Dies entspricht durchaus der Wahrheit, Miß Porter, Myladys schauspielerische Leistung war außerordentlich bemerkenswert. Mylady könnte an jeder Bühne – mit Verlaub -Furore machen, wenn Sie diese Bemerkung gestatten, Mylady.« »Das haben Sie schön gesagt, Mister Parker«, zierte sich die ältere Dame. Lob hörte sie jederzeit gern. »Und was kam bei diesem Verhör heraus?« wollte Mike Rander schließlich wissen. »Erfuhren Sie etwas Neues?« »Nicht unbedingt, Sir, wenn man davon absieht, daß man hörte, unter weichern Namen der Auftraggeber der Herren aufzutreten pflegt.« »Und der wäre?« erkundigte sich Kathy Porter. »Allerdings ahne ich es schon. Es ist diese >Klapperschlange<, die auch den Drohbrief an die Supermarktkette geschickt hat.« »So ist es in der Tat, Miß Porter. Die beiden Herren behaupteten, ihren Auftrag telefonisch in ihrem Stammlokal erhalten zu haben.« »Ist das glaubwürdig, Parker?« erkundigte sich Mike Rander. »Neu wäre so was ja nicht, es gibt ja Kneipen, die anscheinend nur zu dem Zweck eingerichtet wurden, daß sich dort die Angehörigen der Unterwelt treffen und auf Aufträge und Angebote warten.« »Um eine solche Lokalität handelt es sich auch hier, Mister Rander«, stimmte der Butler zu. »Der >Goldene Anker< ist nicht eben das, was man dem Normalbürger empfehlen könnte.« »Sie kennen den Laden also?« Mike Rander sah den Butler grinsend an. »Hätte mich auch sehr gewundert, wenn es anders gewesen wäre.« »Man verfügt in der Tat über gewisse Informationen«, räumte Parker ein. »Diese bedürfen allerdings einer gewissen Aktualisierung, um es mal so zu formulieren.« »Mit anderen Worten, Sie werden diese Pinte mit Ihrem Besuch beehren«, übersetzte der Anwalt. »Da lasse ich Sie natürlich auf keinen Fall allein hingehen, ich werde Sie begleiten.« 54
»Ihre Gesellschaft wird meiner bescheidenen Wenigkeit ein Vergnügen sein, Sir«, bedankte sich Parker höflich. »Ich weiß nicht, ob das das Richtige für Sie ist, mein lieber Junge«, meldete sich die ältere Dame besorgt zu Wort. »Lokale dieser Art sind wahre Brutstätten des Lasters. Wie leicht könnte da ein junger Mensch irreparablen Schaden an seiner Seele nehmen.« »Ich würde das Risiko eingehen können, denke ich«, gab Mike Rander lächelnd zurück. »Was meinst du, Kathy?« »Ich nehme an, Mylady ist sowieso dabei und wird auf dich aufpassen«, reagierte Kathy süffisant. »Ich denke, du kannst es wagen.« »An und für sich setze ich keinen Fuß in solche Spelunken«, machte die ältere Dame deutlich. »Aber wenn es den Ermittlungen dient, werde ich mich natürlich opfern.« »Wir gehen auch allein«, bot Mike Rander an, der natürlich genau wußte, wie gern die Detektivin Kneipen dieser Art besuchte, wobei allerdings eher von >heimsuchen< zu sprechen war. »Nein, mein lieber Junge, solche Ermittlungen führe ich lieber selbst«, wehrte sie ab. »Dafür braucht man Einfühlungsvermögen und das gewisse Händchen, und das habe ich nun mal.« Sie lächelte versonnen und blickte auf die Wanduhr im kleinen Salon. »Ich ziehe mich jetzt zurück, um an meinem neuen Kriminalroman zu arbeiten«, kündigte sie an und erhob sich. »Mir sind da einige interessante Ideen gekommen.« Sie ging zur großen Freitreppe hinüber, die zu den Privatgemächern im Obergeschoß führte, und hob mahnend den Zeigefinger. »Mister Parker, ich möchte bei diesem Besuch auf jeden Fall dabei sein, denken Sie daran!« »Mylady können sich wie stets auf meine bescheidene Wenigkeit verlassen«, versprach der Butler und deutete eine Verbeugung an. »Falls ich sehr intensiv nachdenken sollte, dürfen Sie mich stören und an den Besuch erinnern«, teilte sie mit und schritt nach oben. »Das heißt, daß sie sich schlafen legt und geweckt werden muß, Parker. Wir werden also nicht allein gehen können und uns hinterher damit entschuldigen, daß sie nicht gestört werden sollte«, murmelte Rander und blickte Parker und Kathy an. »Dem >Goldenen Anker< steht ein ereignisreicher Abend bevor, 55
Sir«, vermutete Parker, während er seiner Herrin nachsah. * »Das gefällt mir aber gar nicht, Kindchen«, bemerkte die ältere Dame. Sie sah Kathy Porter, die neben Parkers hochbeinigem Monstrum wartete, stirnrunzelnd an und schüttelte den Kopf. »Ich möchte auch mal Milieustudien betreiben, Mylady«, lächelte Kathy. »Außerdem, was soll mir schon passieren, wenn Sie dabei sind?« »Trotzdem, Kindchen!« Die Detektivin kletterte in den Fond und kuschelte sich bequem zurecht. »Ich habe so eine Ahnung«, fuhr sie fort. »Ich glaube, ich werde in dieser Kneipe alle Hände voll zu tun haben.« »Das denke ich auch«, ließ sich Mike Rander vom Beifahrersitz vernehmen. Er hatte sich umgedreht und zwinkerte Kathy Porter zu. »Nun gut, Mister Parker, starten Sie«, seufzte die ältere Dame. »Ich werde auf das Kind eben ein Auge haben müssen.« »Vielen Dank, Mylady, ich weiß das zu schätzen«, gab Kathy Porter, das >Kind<, zurück und lächelte freundlich. »Auch Mister Pickett wird sich im >Goldenen Anker< einfinden.« Mylady informierte der Butler seine Herrin, während er das ehemalige Londoner Taxi in Richtung City lenkte. »Das wird ja das reinste Familientreffen«, spottete Mike Rander. »Haben Sie übrigens schon einen Termin für Mister Picketts Einladung zum Tee festgelegt, Mylady?« »Man soll nichts überstürzen, mein Junge«, wehrte sie umgehend ab. »Gut Ding braucht Weile, pflege ich immer zu sagen.« »Es wird schon irgendwann klappen«, gab der Anwalt feixend zurück. »Was weiß man über den >Goldenen Anker< Parker?« Der Butler saß stocksteif, als habe er den sprichwörtlichen Ladestock verschluckt, am Steuer des ehemaligen Taxis. »Das Lokal dient als eine Art Nachrichtenbörse für kriminelle Umtriebe, Sir«, berichtete Parker gemessen. »Auch Aufträge jeder Art werden hier gehandelt. Man spricht davon, dass sich der Wirt hin und wieder auch als Hehler betätigt.« »Und trotzdem befindet sich dieses Objekt noch in Freiheit?« empörte sich die ältere Dame. »Das ist unerhört, da sieht man 56
wieder mal, was man von den Behörden zu halten hat.« »Mylady ahnen natürlich, daß dies einen besonderen Grund hat«, ließ sich Parker vernehmen. »Das ist sonnenklar«, kam umgehend ihre Antwort. Mylady nickte zu diesen Worten bedeutungsschwer und wartete ungeduldig, daß der Butler erklären würde, was ihrer Meinung nach sonnenklar war. »Eben«, ließ sich auch Mike Rander zu diesem Thema hören und nickte energisch. »Genau«, bemerkte Kathy Porter und unterdrückte mit Mühe einen aufsteigenden Lachkrampf. Die ältere Dame wunderte sich und sah konsterniert von einem zum anderen. »Fassen Sie doch noch mal zusammen, Mister Parker«, forderte sie. »Ich bin gespannt, ob Sie die Dinge richtig interpretieren.« »Man wird sich Mühe geben, Mylady«, versprach der Butler gemessen. Kathy Porter und Mike Rander verbargen nur mühsam ihren Heiterkeitsausbruch. »Mister Henderson versorgt die zuständigen Behörden von Zeit zu Zeit mit Hinweisen«, erläuterte Parker. »Aus diesem Grund räumt man ihm gewisse Freiheiten ein. Hin und wieder ist er selbst auch aus Gründen der Tarnung Ziel polizeilicher Aktivitäten, die sein Ansehen in bestimmten Kreisen erhöhen.« »Wohin man auch sieht, erblickt man einen wahren Abgrund an moralischem Verfall und Auswucherungen des Verbrechens«, kommentierte Lady Agatha. »Zum Glück gibt es Sie, Mylady«, konnte sich der Anwalt nicht verkneifen zu sagen. »Sie werden diesen Sumpf trockenlegen, die Polizei schafft das ja doch nicht allein.« »So ist es, mein Junge«, stimmte sie ihm zu und nickte lebhaft. »Wie sähe es nur aus, wenn man sich ausschließlich auf die Behörden verlassen würde?« »Es ginge zu wie in Sodom und Gomorrha«, meinte Kathy Porter. »Eben, Kindchen, eben.« Die Detektivin seufzte und blickte ungeduldig aus dem Seitenfenster. Man befand sich bereits in Hafennähe. Die Umgebung sah alles andere als gepflegt aus. Ausgeschlachtete Autowracks wechr selten sich mit Schutt- und Müllhalden ab und gaben der Szene einen abstoßenden Anstrich. 57
»Man dürfte den >Goldenen Anker< in wenigen Minuten erreicht haben«, versprach der Butler, der das Lokal von früheren Besuchen her kannte, auch wenn diese schon einige Zeit zurücklagen. »Darf man Mylady und Miß Porter noch mal darauf hinweisen, daß es dort mit Sicherheit recht unkonventionell zugehen wird? Man sollte die Umgangsformen und dort anzutreffende Gäste nicht mit der Elle bürgerlicher Maßstäbe messen.« »Das klingt, als würden Sie sich in der Kneipe auskennen, Parker«, bemerkte Mike Rander beiläufig. »Der Wirt ist nicht zufällig ein alter Bekannter von Ihnen, der Ihnen einen kleinen Gefallen schuldet, oder?« Der Anwalt spielte damit auf Parkers großen Bekanntenkreis an und auf die Tatsache, daß viele dieser Bekannten dem Butler wegen gewisser Hilfeleistungen, die er ihnen irgendwann hatte zukommen lassen, verpflichtet waren. Der Anwalt staunte immer wieder, wie viele solcher Leute Parker von früher her kannte. »So ist es in der Tat, Sir«, gab Parker ungerührt zu. »Mister Henderson konnte dank der bescheidenen Hilfe, die man ihm zu gewähren in der Lage war, von einem häßlichen Verdacht befreit werden.« »Mit anderen Worten, Sie haben ihm aus der Patsche geholfen, als er eine Mordanklage oder etwas ähnliches am Hals hatte«, kommentierte der Anwalt trocken. »Es gelang meiner bescheidenen Wenigkeit, den tatsächlichen Mörder unter Mister Hendersons damaligen Begleiterin zu entlarven«, erklärte Parker würdevoll. »In welchen Kreisen haben Sie nur verkehrt, bevor ich sie engagierte, Mister Parker«, wunderte sich die ältere Dame und schüttelte den Kopf. »Mister Parker fühlt sich eben seit jeher zu dunklen Elementen hingezogen«, scherzte Kathy Porter und kicherte. »Man kann eine gewisse Faszination, die von besagten dunklen Elementen ausgeht, nicht verhehlen, Miß Porter«, antwortete der Butler gemessen. »Ein Glück, daß Sie in meine Dienste aufgenommen wurden«, überlegte Lady Agatha. »Auf diese Weise kann ich immer meine schützende Hand über Sie halten.« »Dafür ist man Mylady außerordentlich dankbar«, bemerkte Parker höflich, ohne eine Miene zu verziehen. »Ich hoffe, man wird mir eine anständige Abwechslung in dieser 58
Kaschemme bieten, Mister Parker«, sorgte sich die Detektivin. »Mylady werden darauf bauen können«, beruhigte der Butler sie. »Allerdings könnte es auch sein, daß Myladys sittliches Empfinden verletzt wird.« »Wirklich?« Sie setzte sich kerzengerade auf. »Wird dort etwa gestrippt Mister Parker?« »Nicht ganz, Mylady. Aber von Zeit zu Zeit finden auf einer improvisierten Bühne Schauringkämpfe statt. Mister Henderson hat sich einige Jahre in Japan aufgehalten und sich von den sogenannten Sumo-Ringern inspirieren lassen.« »Das sind diese halbnackten Fleischberge, nicht wahr?« war die ältere Dame sofort im Bild. »Und so was kann man in diesem Lokal sehen?« Lady Agathas Augen begannen bei dieser Vorstellung förmlich zu leuchten. Sie liebte die Abwechslung und ließ sich nur zu gern mit Neuem konfrontieren. »Man liebt dort derbe Spaße, vor allem mit neuen Gästen«, warnte der Butler. »Mylady sollten damit rechnen, angepöbelt zu werden.« »Wie schön«, stellte sie fest. »Ich hoffe, daß Sie mir nicht zuviel versprechen, Mister Parker.« »Mylady werden in dieser Hinsicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht enttäuscht werden«, gab Parker gemessen zurück. »Selbstverständlich wird sich meine bescheidene Wenigkeit bemühen, Unbill von Mylady fernzuhalten.« »Auf gar keinen Fall, Mister Parker«, wehrte sie umgehend ab. »Wie Mylady zu meinen geruhen.« Parker ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er wußte, daß seine Herrin Widrigkeiten liebend gern in Kauf nahm. Der Butler ahnte, daß wieder mal ein turbulenter Abend bevorstand und bedauerte im stillen die Gäste des >Goldenen Ankers<, die noch unwissend waren. * »Sehr hübsch, Mister Parker.« Lady Agatha blickte wohlgefällig auf die Fassade, die alles andere als einladend aussah. Der Putz bröckelte an zahlreichen Stellen ab und gab den Blick frei auf die darunter liegenden Ziegelsteine und Balken. Große Flecken kündeten davon, daß so mancher Angetrunkene 59
eine Flasche mit alkoholischem Inhalt zweckentfremdet hatte. Über dem Eingang schaukelte ein Anker im Wind. Grelle Leuchten strahlten die Fassade an und offenbarten die ganze Schäbigkeit. Aus den geöffneten Fenstern drang infernalischer Lärm auf die Straße. Rauchschwaden wehten heraus und vermittelten den Eindruck, im Lokal brenne es. »Puh, ist das ein Mief«, beschwerte sich Kathy Porter, als sie an einem Fenster vorbeikam. »Da drin braucht man wahrscheinlich eine Gasmaske«, bemerkte Mike Rander sarkastisch, während er stehenblieb und auf Lady Agatha wartete, die langsam die Stufen zum Eingang heraufstieg. »Eine richtige Spelunke«, freute sie sich und lächelte erwartungsvoll. »Wo führen Sie mich nur hin, Mister Parker?« »Falls Mylady doch noch auf den Besuch verzichten wollen…« warf der Butler höflich ein. »Papperlapapp, Mister Parker, jetzt bin ich da und werde die Räuberhöhle auch aufsuchen, auch wenn ich dabei unter Umständen ersticke«, winkte sie ab. »Wie Mylady zu wünschen belieben«, gab Parker höflich zurück und öffnete die Tür. Sofort schoß ein Schwall aus abgestandener Luft, Tabakqualm, Essensdunst und dem Geruch menschlicher Körper heraus und raubte ihnen fast den Atem. Parker trat zur Seite und lüftete grüßend die Melone, als seine Herrin an ihm vorbeistampfte. Das Stimmengewirr brach abrupt ab. Die Köpfe der Anwesenden wandten sich neugierig dem Eingang zu. Entgeistert starrten die zur kriminellen Szene gehörenden Gäste den Neuankömmlingen entgegen. Gläser wurden andächtig auf Tische und Tresen gestellt, da die Gefahr bestand, daß man sie sonst fallen ließ. Einigen fielen die Zigaretten aus den Mündern und brannten sich in gewisse Körperteile und den ramponierten Fußboden. Fluchend sprangen die Betroffenen auf und löschten die Brände, um sich gleich darauf wieder den neuen Gästen zuzuwenden. »Man wollte nicht glauben, was man sah. Neben dem Eingang stand ein leibhafter Butler, wie man ihn sonst nur noch in einschlägigen Filmen sah.« Der Butler hatte die Melone gelüftet und verbeugte sich andeutungsweise vor einer älteren Frau, die bemerkenswert gekleidet 60
war und dem Butler hoheitsvoll zunickte. Sie trug ein langes, großzügig geschnittenes Kleid, das ihren Körper mit der Eleganz einer Zeltleinwand bedeckte. Vom Schnitt her erinnerte dieses Kleidungsstück an einen Kartoffelsack, auch die Farbe war einem solchen nicht unähnlich. Das Bemerkenswerte an der Kleidung der Besucherin war jedoch die Kopfbedeckung, die offensichtlich einen Hut darstellen sollte, obwohl die übrigen Gäste da gewisse Zweifel hegten. Im Prinzip erinnerte dieser Hut an einen Napfkuchen, den man mit einem Südwester gekreuzt hatte. Auch gewisse Stilelemente einer Salatschüssel waren durchaus erkennbar. Geschmückt war die interessante Kreation mit allerlei Grünzeug, das aus einem Kräutergarten stammen konnte. Eine große, bunte Feder wallte hinten herab und gab dem Hut etwas Neckisches. Einige Gäste am Tresen überwanden ihre Verblüffung und brachen in Gelächter aus. Sie schreckten nicht davor zurück, mit ausgestreckten Fingern auf Myladys Kopfbedeckung zu zeigen. Agatha Simpson blieb diese Entgleisung nicht verborgen. Sie faßte die Unvorsichtigen ins Auge und merkte sie sich für einen strengen Verweis. Dann stampfte sie mit der Energie und Grazie eines Elefanten zur Theke und lächelte einen der leichtsinnigen Gäste freundlich an. »Sie scheinen sich gut zu amüsieren, junger Mann«, sagte sie. Der Angesprochene, der die fünfzig lange hinter sich hatte, war selbst im Sitzen sehr groß und schien einiges im Leben mitgemacht zu haben. Der Wirt, der mit verschränkten Armen am anderen Ende des Tresens gelehnt hatte, witterte Verdruß und kam näher. Er wollte die Lady ebenso höflich wie eindringlich darauf aufmerksam machen, daß sie sich mit Sicherheit im Lokal geirrt hatte. Dann erkannte er hinter ihr den Butler und begann erfreut zu grinsen. Mit ausgebreiteten Armen eilte er auf Josuah Parker zu, der ihm mit unbewegter Miene entgegensah. »Mein Gott, Mister Parker, Sie haben sich ja eine Ewigkeit nicht mehr hier blicken lassen«, strahlte er und hieb ihm auf die Schulter. Josuah Parker nahm die herzhafte Begrüßung hin, ohne mit der Wimper zu zucken. Manch einer, den der Wirt auf ähnliche Weise begrüßt hatte, war dabei in die Knie gegangen, denn Ray Henderson war ein Koloß von Mann. Er hatte früher als Schwergewichtsringer seinen 61
Lebensunterhalt verdient und dabei nicht eine einzige Niederlage einstecken müssen. Dafür hatte eine Reihe seiner Gegner nach einem Kampf mit ihm den Beruf gewechselt. »Die Dame gehört zu Ihnen, Mister Parker?« erkundigte sich Henderson bei Parker und nickte in Richtung Lady Agatha, die gerade den Frechling vor sich mit den Augen abschätzte und über die Art der geplanten Zurechtweisung nachdachte. »Lady Agatha Simpson«, bemerkte Parker. »Meine bescheidene Wenigkeit hat die Ehre und das unbestreitbare Vergnügen, als Butler in Myladys Diensten zu stehen.« »Na, jetzt weiß ich ja Bescheid.« Ray Henderson grinste vergnügt. »Hab’ von der alten Dame schon ‘ne Menge gehört, sie soll ja recht schlagkräftig sein und auch sonst allerhand auf dem Kasten haben, wie?« »Mylady weiß sich durchaus ihrer Haut zu wehren, wie man zu sagen pflegt, Mister Henderson.« »Dann brauche ich wohl nicht einzugreifen?« Der Wirt zwinkerte dem Butler verschwörerisch zu. »Ehrlich gesagt, ich wollte Ihre Lady gerade an die frische Luft setzen, natürlich in ihrem eigenen Interesse.« »Eine mit Sicherheit überflüssige Maßnahme, Mister Henderson«, versicherte Parker ihm. »Zudem würden Sie Mylady um ihr Vergnügen bringen.« »Ich verstehe. Na ja, ich bin ja gut versichert.« Henderson sah sich verstohlen nach allen Seiten um und beugte sich etwas näher zu Parkers Ohr. »Ich verziehe mich dann besser, denke ich«, bemerkte er. »Werde natürlich aufpassen und gegebenenfalls eingreifen, wenn es nötig sein sollte.« »Sehr freundlich von Ihnen, Sir«, bemerkte Parker gemessen. »Man sollte allerdings davon ausgehen, daß diese Hilfe nicht nötig sein wird. Planen Sie übrigens für heute abend einen Schaukampf?« Henderson zog überrascht die Brauen hoch. »Ach, davon wissen Sie also auch? Dabei habe ich das doch erst vor kurzem eingeführt. Kommt übrigens großartig an. Na ja, mal sehen, wenn sich ‘n akzeptabler Gegner nach hier verirren sollte.« »Mylady würde einem solchen Ereignis sehr gern beiwohnen«, stellte der Butler beiläufig fest. »Sie dachte dabei insbesondere an einen Kampf im japanischen Sumo-Stil.« »Ihre Chefin wird mir immer sympathischer«, freute sich der 62
Wirt. »Wie gesagt, ich werde zusehen, was sich machen läßt. In Ordnung so?« »Man bedankt sich im voraus für Ihre Mühe, Sir.« Parker wandte sich ab und lenkte seine Aufmerksamkeit auf die kleine Episode, die der Belehrung des leichtsinnigen Lachers diente. * »Sie sehen zum Brüllen aus, Lady«, witzelte der Verlebte. »So was wie Sie sollte man im Museum für Altertumskunde ausstellen und gegen Geld besichtigen.« »Das war kein Kompliment, oder?« vergewisserte sie sich und wandte sich dann an den Butler. »Sie haben es gehört, Mister Parker, dieses Subjekt hat mich beleidigt.« »Es ließ sich – mit Verlaub – keinesfalls überhören«, bestätigte der Butler. »Obwohl es der Gentleman möglicherweise nicht so gemeint hat. Hier pflegt man rauh, aber herzlich zu sein, wie es so schön im Volksmund heißt.« »Und Sie stammen aus dem gleichen Museum wie die alte Tante hier, wie?« fuhr der leichtsinnige Mann fort und nahm einen tiefen Schluck aus seinem Glas. »Ihr beide müßt doch eigentlich schon seit hundert Jahren ausgestorben sein.« »Sie geizen keinesfalls mit negativen Komplimenten«, stellte Josuah Parker gemessen fest. »Sie sind ein Lümmel«, machte die Lady ihm klar und sah ihn scharf an. »Sie scheinen nicht zu wissen, wie man mit einer Dame zu reden hat.« »Richtige Damen verirren sich nicht in diese Kaschemme, Lady«, grinste der Mann. »Und da Sie hereingekommen sind, können Sie auch keine Dame sein.« »Sehen Sie das hier?« Agatha Simpson streckte ihre Hände vor und hielt sie ihm vor’s Gesicht. Der Mann mit den verlebt wirkenden Zügen sah achselzuckend auf die Hände. »Und? Was soll das?« erkundigte er sich. Die ältere Dame zeigte es ihm. Sie breitete die Arme aus, lächelte freundlich und schloß sie wieder. Bedauerlicherweise befand sich der Kopf des Vorwitzigen zwischen den sich schließen63
den Händen. Das Geräusch, das entstand, als Myladys Handflächen auf den Wangen des Mannes landeten, klang wie ein Pistolenschuß. Die Gäste am Tresen fuhren herum und forschten nach der Ursache. Einige ließen ihre Hände unter ihre Jacketts gleiten und schlossen sie um die Waffen, die sie mit sich führten. Andere rutschten von ihren Hockern und drängelten durch die übrigen Besucher zur Rückseite der Kneipe, wo es einen Notausgang gab. Dann jedoch erkannte man die wahre Ursache und beruhigte sich. Die Gespräche wurden wieder aufgenommen, und das Treiben im Lokal normalisierte sich. Einige Gäste in der Nähe kamen näher und starrten neugierig auf den Gemaßregelten. Sie grinsten und brachen in lautes Gelächter aus. »Das hätt’ste dir nicht träumen lassen, daß du hier drin von ‘ner alten Tante ‘ne Ohrfeige beziehst, was, Bob?« erkundigte sich einer von ihnen schadenfroh bei dem Mann mit dem verlebten Gesicht. »Halt die Klappe, du Idiot!« brüllte der zurück und hörte auf, sich die getroffenen Partien zu reiben. »Das werden Sie mir büßen, Lady«, knurrte er wütend und sprang vom Hocker. Er ergriff eine Flasche, die auf der Theke stand, und hatte unlautere Absichten. »Pardon, Sir!« Josuah Parker gebot mit höflicher Stimme Einhalt. Gleichzeitig hob er seinen Universal-Regenschirm und legte den Bambusgriff um die Wurfhand des Erbosten. Parker zog an dem Schirm und holte damit auch die Hand mit der Flasche zu sich heran. Er entwand ihr das Wurfgeschoß und stellte es zurück auf den Tresen. »Sie sollten Ihre Erregung zügeln, Sir«, tadelte er. »Wie leicht begeht man in einem solchen Zustand eine Handlung, die man später jahrzehntelang bedauert.« »Ich bedauere gar nichts, Mann.« Der Verlebte wirbelte herum und baute sich vor dem Butler auf. »Ich stoß’ dich aus’m Anzug«, sagte er und funkelte ihn tückisch an. »Aus dir mach ich Kleinholz.« »Sie vergessen sich, Sir«, wies Parker ihn zurecht und schüttelte andeutungsweise den Kopf. Der wütende Mann griff in die Innentasche seiner abgeschabten Lederjacke. »Sie wollen meine bescheidene Wenigkeit mit diesem Schneid64
werkzeug angreifen?« vergewisserte sich der Butler höflich. »Ich schneid’ dich in Streifen«, kündigte Parkers Kontrahent an und hob die Messerhand. »Sie dürften sich möglicherweise übernehmen«, vermutete der Butler und lüftete seine Melone. Die Gäste am Tresen, die der Szene gespannt folgten, sahen sich verdutzt an. Einen Augenblick später rieben sie sich verwundert die Augen. Der Messerheld stand nämlich ohne Messer da, das plötzlich auf dem Boden lag, und rieb sich leise fluchend das Handgelenk, während der Butler die Melone wieder aufsetzte. Parker hatte einen Moment zuvor die Melone vor die Brust gehalten, genau in dem Augenblick, als der Verlebte mit dem Messer zustieß. Die Spitze war auf die Wölbung gestoßen und von dort abgeprallt. Die Stahlblecheinlage erwies sich als außerordentlich widerstandsfähig. Der Mann fühlte, wie seine Hand nachhaltig geprellt wurde und ließ die Waffe fallen. »Man wird das Messer verwahren, wie leicht kann man sich damit verletzen«, sagte Parker und steckte das Messer ein. Der Verlebte sah ihn wütend an, traute sich aber nicht, etwas zu sagen. Lady Agatha tippte ihm auf die Schulter und machte sich auf diese Weise bemerkbar. »Wir haben unser Gespräch noch nicht beendet«, erinnerte sie ihn. »Ich wollte Ihnen gerade klar machen, daß Ihre Manieren zu wünschen übrig lassen.« Der Mann wich indes zurück und hob abwehrend die Hände. »Sorry, Lady, ich muß jetzt wirklich gehen«, bedauerte er, während er in seine Tasche griff und einen Geldschein auf den Tresen warf. »Tut mir leid, wenn Sie etwas in die falsche Kehle gekriegt haben. War nicht so gemeint, klar?« Lady Agatha sah ihn mißmutig an. »Sie wollen einfach so gehen?« »Wie gesagt, ‘ne dringende Verabredung, hätt’ ich fast vergessen«, wiederholte er und drängelte sich durch die anderen Gäste rücksichtslos zur Tür. »Manieren sind das«, beklagte sich Agatha Simpson und sah den Butler kopfschüttelnd an. »Dabei hatte ich dem Lümmel noch soviel zu sagen.« Sie blickte entsagungsvoll zur Decke und räusperte sich. »Wir 65
sind doch hier in einem Lokal, Mister Parker?« fuhr sie fort. »In der Tat, Mylady«, stimmte Parker ihr zu, ohne eine Miene zu verziehen. Er ahnte, was kommen würde, und gab Henderson, der gerade herübersah, unauffällig ein Zeichen. »Wie wäre es mit einem anständigen Malt, Mylady?« erkundigte sich der Wirt. Er schob ihr ein Kristallglas über den Tresen, das fast bis zum Rand gefüllt war. »Garantiert fünfzehn Jahre alt. Sie werden begeistert sein.« »Übertreiben Sie nicht gleich, junger Mann«, winkte sie ab und ergriff das Glas. »Ich werde Ihnen sofort sagen, was ich davon halte.« Die ältere Dame setzte das Glas an die Lippen und leerte es. »Tatsächlich nicht schlecht«, fand sie und nickte Henderson zu. Ray Henderson war sichtlich beeindruckt. Er hielt bereits die Flasche in der Hand und schenkte nach. »Sie sind sicher dieser Ex-Ringer, der gestohlene Ware ankauft, junger Mann«, grollte sie und zwinkerte ihm zu. »Hätten Sie nicht ein günstiges Angebot für mich?« »Ah, also… wie meinen?« Der Wirt sah erst die Lady, dann den Butler verwirrt an und schluckte. Er schien seinen Ohren nicht so ganz zu trauen und schüttelte verwundert den Kopf. »Ich weiß Bescheid, junger Mann, mir macht man nichts vor«, fuhr die Detektivin fort und drohte scherzhaft mit dem Zeigefinger. »Nur keine Angst, ich verrate Sie nicht, das muß die Polizei schon selbst herausfinden.« »Sehr anständig von Ihnen, Mylady, wirklich«, versicherte Henderson und drehte sich um, um zu gehen. Die direkte Art seiner Besucherin war ihm doch etwas auf den Magen geschlagen. »Man muß den Leuten nur gut zureden, Mister Parker«, dozierte sie, »dann werden sie auch zugänglich. Finden Sie nicht auch?« »Myladys psychologisches Geschick ist unübertrefflich«, erwiderte Parker und lüftete andeutungsweise die Melone. »Wie schön Sie das gesagt haben«, freute sie sich und nickte ihm zu. »Übrigens hoffe ich, daß ich hier noch etwas Abwechslung geboten bekomme, Mister Parker. Ich beginne mich bereits wieder zu langweilen.« »Ein Zustand, der sich umgehend ändern dürfte«, prophezeite der Butler und sah drei ausgesprochen kompakt wirkende Männer, die sich nach vorn drängten und auf sie zukamen.
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* »So was mögen wir nicht«, begann der vordere der drei Männer und gab den Gästen links und rechts zu verstehen, sich andere Plätze zu suchen. »Bob is’ nämlich unser Kumpel«, ließ sich der zweite vernehmen und plumpste auf einen Hocker neben Lady Agatha. »Und zwar’n verdammt guter«, fügte der dritte Mann hinzu und zeigte grinsend sein Gebiß, das dringend einer Generalüberholung bedurfte. »Wenn man Mylady nachschenken darf?« Parker verneigte sich vor seiner Herrin und ergriff die Malt-Flasche. »Sehr gern, Mister Parker, ich brauche etwas Kräftiges, die Herren neben mir duften etwas streng«, gab die Detektivin munter zurück und schnüffelte in der Luft herum. »He, meint die alte Tante etwa uns?« regte sich der erste Mann auf und schob sich dicht neben die Lady. »Sprechen Sie mit mir?« Die ältere Dame lächelte den Grobschlächtigen wohlwollend an und prostete ihm zu. »Hältst dich wohl für was Besseres, wie?« knurrte er und ergriff Myladys Hand. Er entwand ihr das Whisky-Glas, drehte es um und ließ den herrlichen alten Malt auf die blankpolierte Platte des Tresens fließen. »Sehr interessant.« Lady Agatha nickte, beugte sich vor und angelte nach einem Bierglas, das darauf wartete, serviert zu werden. Sie nahm das Glas, hob es und entleerte es über dem Kopf des verdutzten Mannes. »Das dunkle Guiness rann in breiten Bächen aus seiner ungepflegten Frisur über das Gesicht und tropfte in den Kragen. Der Schaum blieb in den Haaren haften und vermittelte den Eindruck einer Kopfwäsche mit Shampoo. Die Gäste rings herum stellten ihre Gläser ab und starrten auf den getauften Mann. Einige konnten sich nicht beherrschen und brachen in Gelächter aus. Der begossene Pudel hob langsam die Hand und betastete sein feuchtes Gesicht. Er wollte nicht glauben, was ihm widerfahren war. Die Reaktion der Gäste, die das kleine Schauspiel beobachten konnten, zeigte eine Mischung aus Ungläubigkeit und Schadenfreude. Der solcherart lächerlich Gemachte war ein gefürchte67
ter Raufbold, der schon so manchen im »Goldenen Anker« mit seinen Freundlichkeiten beglückt hatte. Man gönnte ihm diesen Streich und war versucht, der älteren Dame zu applaudieren. »Das… das kann ich nicht glauben«, fand der Raufbold die Sprache wieder und sah die Detektivin verwirrt an. »Dies war kein Versehen, junger Mann«, stellte Lady Agatha klar. »Ihre Manieren sind besserungsbedürftig.« »Aber… das könn’se doch nicht machen, doch nicht mit mir«, wunderte sich der Mann, der von der Statur her das war, was man gemeinhin als einen Riesen bezeichnete. »Sie müssen noch viel lernen, Sie Lümmel«, fuhr die Lady fort. »Ich bringe es Ihnen gerne bei.« Der Riese wandte sich an seine Kollegen und sah sie hilflos an. »Was sagt ihr denn dazu, he? Was soll ich mit der Alten machen?« »Frikassieren«, schlug einer seiner Begleiter vor. Es handelte sich um einen kleinwüchsigen, sehnigen Mann, dessen Gesicht ausgesprochen verschlagene Züge trug und der die Detektivin tückisch musterte. »Krrks«, machte der andere und fuhr sich mit nicht mißzuverstehender Geste mit der Handkante über die Kehle. »Sehr eindrucksvoll, Sir«, kommentierte Parker, der hinter diesem Mann stand. »Sie schlagen mit dieser Pantomime den Einsatz eines Schneidwerkzeuges vor, wie man vermuten darf?« Der Angesprochene drehte sich langsam um und grinste. »So isses, Mann.« Er fuhr mit der rechten Hand in seine Tasche und brachte eine Rolle dünnen Drahtes zum Vorschein. »Hab’ da allerdings mein Spezialwerkzeug.« »Eine sogenannte Garotte, nicht wahr?« zeigte Parker fachmännisches Interesse. »He, du kennst dich echt aus.« Der Mann mit dem Spezialwerkzeug nickte anerkennend und warf Parker ein Stück des abgerollten Drahtes um den Hals. An den Enden befanden sich zwei stabile Kunststoffgriffe, mit denen er den Draht geschickt zusammendrehte. »So hat man sich die Anwendung dieser Waffe in der Tat vorgestellt«, bemerkte Parker. Der >Würger< starrte ihn verblüfft an und vermehrte seine Anstrengung. Er lief blau im Gesicht an und begann keuchend zu atmen. Die Anstrengung war ihm deutlich anzusehen. 68
»Sie sollten sich nicht unnötig echauffieren, wenn man diesen Hinweis geben darf«, rief der Butler. »Ihre Bemühungen werden auf keinen Fall von dem erwarteten Erfolg gekrönt sein.« »Aber wieso denn?« wunderte sich der Mann und zerrte an seinen Griffen. Parker hatte nicht die Absicht, ihm zu erklären, warum er an ihm scheitern mußte. Sein Kragen trüg eine solide Einlage aus hauchdünn gewalztem Stahlblech und hielt mühelos dieser Belastungsprobe stand. »Wenn Sie gestatten, Sir?« Parker hatte ein Spezialinstrument aus einer der zahlreichen Innentaschen seines Covercoats genommen, das im Prinzip aussah wie eine Nagelschere. Diese hatte allerdings mit Diamantsplittern versehene Schneideflächen, die in der Lage waren, auch zähestes Material zu überwinden. Josuah Parker setzte dieses Gerät an und knipste mühelos den dünnen Draht durch. Der federte sirrend zurück, rollte sich zusammen und legte sich um die Handgelenke des verblüfften Benutzers. »Wenn man dem Herrn dieses gefährliche Spielzeug abnehmen dürfte?« schlug Parker vor und hielt bereits die Garotte in der Hand. Einen Moment später verirrte sich seine zweite unter das Jackett des wie erstarrt vor ihm stehenden Mannes und stellte ein Stilett sicher, das in einem schmalen Lederfutteral steckte. »Sie verfügen über eine Mülltonne, Sir?« wandte sich Parker an den Wirt, der inzwischen hinter der Theke herangekommen war und fassungslos zugesehen hatte. »Aber natürlich.« Ray Henderson konnte ein Grinsen nicht unterdrücken und deutete hinter sich. Parker lüftete grüßend die Melone, umrundete die Theke und ließ Draht und Stilett in den Behälter fallen. »Man geht davon aus, Sir, daß Sie gerade gehen wollten«, vermutete Parker und wandte sich wieder dem Garottenbesitzer zu. »Eh… eigentlich… naja, wenn Sie meinen.« Der schmächtige Mann mit der Vorliebe für tückische Waffen schluckte, sah ein, daß der Butler recht hatte, und hatte es plötzlich eilig, zur Tür zu kommen. Der dritte Mann glaubte seine Stunde gekommen und hielt plötzlich ein wippendes Stahlfederstück in der Hand. Er ließ es auf den Tresen krachen und dabei ein großes Stück Holz absplittern, das sich ein Stück weiter in das Bierglas eines verdutzten Gastes fallen ließ. 69
»Sie wollen meiner bescheidenen Wenigkeit körperliche Pein antun?« erkundigte sich Parker höflich. Der Mann mit der Stahlfeder hielt nichts von vielen Worten. Er stieß sich ab, stürmte vor und… stolperte über einen Barhocker, der gerade seinen Weg kreuzte. Parker hatte ihn unauffällig mit dem Fuß in Bewegung gesetzt und damit den Schwung des Angreifers gebremst. Der Mann ließ die Feder fallen und ruderte haltsuchend mit den Armen in der Luft. Parker beugte sich vor, um ihm zu helfen. Dabei unterlief ihm ein kleines Mißgeschick. Der UniversalRegenschirm, der neben ihm am Tresen gelehnt hatte, fiel um und legte sich mit dem bleigefütterten Bambusgriff auf den etwas schütter behaarten Schädel des Angreifers. Der Mann stöhnte, hörte auf mit den Armen zu rudern und machte es sich auf dem Boden bequem. Parker beugte sich zu ihm nieder, zog ihn erstaunlich mühelos hoch und begleitete ihn höflich zur Tür. Er öffnete sie für ihn, brachte ihn hinaus und kehrte dann zurück. Der Riese, der sich zunächst mit Mylady angelegt hatte, glaubte, seinen unglücklichen Kollegen zur Hilfe eilen zu müssen. Er beschloß, sich der älteren Dame zu einem späteren Zeitpunkt zu widmen und erst mal den schwarz gekleideten Mann auszuschalten. Er nahm einen Barhocker und wollte ihn Parker auf den Hinterkopf schmettern. »Moment mal, junger Mann.« Lady Agatha griff zu ihrer eigenwilligen Hutschöpfung und zog eine Nadel hervor, mit der die Kopfbedeckung an ihrer Frisur befestigt war. Die Nadel erinnerte, was ihre Größe und den Durchmesser betraf, an einen Bratspieß mit scharfer Spitze. Der Riese hatte den Hocker noch nicht ganz gehoben, als sich diese Spitze zielstrebig in sein fleischiges Hinterteil bohrte. Er schrie entsetzt auf und ließ den Hocker fallen. Seine Hände fuhren nach hinten und tasteten nach der Einstichstelle. Agatha Simpson betrachtete spontan die Hutnadel und schwenkte sie vor dem Gesicht des Riesen, der einen Moment schweigend in die Gegend starrte. Dann senkte er den Kopf, glitt vom Hocker, kapitulierte und sah ein, daß heute nicht sein Tag war. Kopfschüttelnd und leise vor sich hinschluchzend trottete er zur Tür und schlurfte hinaus. 70
»Mein Gott, Mister Parker, das hätte ich nicht für möglich gehalten.« Ray Henderson strahlte die ältere Dame an und griff über die Theke. »Ich muß Ihnen die Hand drücken, Mylady, Sie sind wirklich großartig«, gratulierte er und schwenkte ihre Hand wie einen Pumpenschwengel. »Sie können sich durchaus revanchieren«, vertraute Mylady ihm an. »Sie könnten mir einen Gefallen tun, junger Mann.« »Jeden, Mylady, jeden.« Ray Henderson war bereit, alles für die ältere Dame zu tun. Einen Augenblick später klappte ihm der Unterkiefer herunter, und er starrte fassungslos auf Agatha Simpson. »Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst, Mylady?« keuchte er. »Das können Sie nicht von mir verlangen.« »Sagten Sie nicht, Sie tun mir jeden Gefallen?« Lady Agatha konnte ihre Enttäuschung nicht verhehlen. »Sie wollen also kneifen und nicht zu Ihrer Zusage stehen?« »Aber ich bitte Sie, das geht doch nicht!« Der Wirt wischte sich über die schweißnasse Stirn und wandte sich hilfeflehend an den Butler. »Mister Parker, sagen Sie doch auch was dazu! Sagen Sie Ihrer Lady, daß das nicht geht.« »Möglicherweise sollten Mylady tatsächlich von dem Vorhaben absehen, zumal Mister Henderson gegen Mylady chancenlos wäre«, bemerkte Parker höflich. »Mister Henderson würde das Gesicht im eigenen Lokal verlieren und die zur Führung eines solchen Etablissements nötige Autorität einbüßen.« »Nun ja, Mister Parker, daran habe ich auch schon gedacht.« Die Detektivin nickte nachdenklich und nahm einen Schluck aus ihrem Glas. »Vielleicht sollte ich ihm diesen Kampf ersparen.« Ray Henderson atmete auf und drehte sich um. Er faltete seine klobigen Hände und sandte ein Dankgebet zum Himmel. Lady Agatha hatte ihn herausgefordert und ihm damit den Angstschweiß auf die Stirn getrieben. »Allerdings hätte ich gern mal im Ring gestanden«, sinnierte die Detektivin und blickte entsagungsvoll drein. Parker wandte sich an den Wirt und besprach sich leise mit ihm. »Was gibt es da zu flüstern?« Die ältere Dame drängte sich dichter heran, um besser zu hören. »Man könnte Mylady doch noch zu einem Auftritt im Ring ver71
helfen«, erläuterte Parker würdevoll. »Mister Henderson teilte meiner bescheidenen Wenigkeit gerade mit, wie schwer es doch immer wieder wäre, einen qualifizierten und furchtlosen Schiedsrichter zu finden.« »Tatsächlich?« Lady Agatha hatte sofort verstanden. »Nun ja, dann werde ich mich für dieses schwere Amt zur Verfügung stellen, wenn ich Ihnen damit einen Gefallen tun kann, junger Mann«, bot sie an und strahlte. »Unbedingt, Mylady«, versicherte der Wirt und lächelte etwas verkrampft. »Ich mache mich sofort auf die Suche nach einem ordentlichen Gegner.« Er nickte Parker zu und entfernte sich eilig. * »Sie kommen zufällig vorbei, Sir?« erkundigte sich Josuah Parker bei dem frühen Besucher. »Mehr oder weniger, Mister Parker.« Chief-Superintendent McWarden, um den es sich handelte, schob sich an dem Butler vorbei in die Halle und blieb abwartend stehen. »Ist Mylady schon auf oder erholt sie sich noch von ihren nächtlichen Unternehmungen?« erkundigte er sich anzüglich. »Mylady nimmt ihr Frühstück ein, Sir«, informierte Parker den Gast, der ein häufiger und gern gesehener Besucher des Hauses war. Der fünfundfünfzigjährige, wegen leicht vorstehender Basedowaugen stets ein wenig gereizt wirkende Chief-Superintendent galt als außerordentlich fähiger Kriminalist und leitete im Yard ein Sonderdezernat zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens. Er unterstand direkt dem Innenminister und genoß dessen uneingeschränktes Vertrauen. McWarden schätzte die unkonventionelle Art Lady Agathas und vor allem Parkers Trickreichtum bei der Aufklärung von Verbrechen. Er erschien häufig und gern in Shepherd’s Market, um sich Rat und Hilfe zu holen. Dafür nahm er Myladys Sticheleien in Kauf, mit denen sie ihn jedesmal bedachte. »Der Tag fing schön an, Mister Parker«, sagte die Hausherrin, als der Butler den Yard-Beamten herein führte. »Hoffentlich bleibt es auch so in Mister McWardens Gegenwart.« »Mylady dürfen durchaus mit meiner guten Stimmung rechnen«, erwiderte der Besucher. 72
Sie seufzte und blickte entsagungsvoll über den Tisch. »Natürlich kommen Sie wieder genau zur Frühstückszeit«, fügte sie hinzu. »Oder haben Sie etwa schon gefrühstückt?« »Allerdings, aber das ist schon wieder zwei Stunden her. Als Staatsdiener beginnt man seinen Tag etwas früher als Sie, Mylady.« »Nun ja, dann brauchen Sie ja jetzt nichts mehr.« Agatha Simpson nickte zufrieden und ließ sich von Parker bedienen. »Eine Kleinigkeit könnte ich schon noch vertragen«, korrigierte McWarden sie und grinste schadenfroh. Er kannte den ausgeprägten Hang der Hausherrin zur Sparsamkeit und freute sich, diesen herausfordern zu können. »Seien Sie nicht immer so voreilig, Mister Parker«, rügte sie den Butler, der bereits McWarden ein Gedeck vorlegte und ihm kontinental zubereiteten, starken Kaffee einschenkte. »Man ging davon aus, daß Mylady ihre sprichwörtliche Gastfreundschaft zeigen und Mister McWarden zum Frühstück einladen würden«, entschuldigte sich Parker. »Nun ja, man hat mich mal wieder überführt.«, klagte sie und machte gute Miene zum bösen Spiel. »Ist der Lachs dort frisch, Mylady?« erkundigte sich McWarden und deutete mit der Messerspitze auf eine silberne Platte, wo geräucherte Köstlichkeiten aus Schottland ruhten. »Nicht mehr ganz«, behauptete sie bissig und hob warnend ihre Gabel. »Ehrlich gesagt, ich fürchte fast, er ist schon etwas angegammelt. Ich rate davon ab, mein lieber McWarden.« »Nun, ich denke, ich werde es riskieren«, überlegte der Mann vom Yard schmunzelnd und angelte nach einer dicken Scheibe Lachs. »Wie kann man nur so leichtsinnig sein!« Lady Agatha schüttelte den Kopf und bediente sich selbst. »Sie sollten die Platte jetzt besser abräumen, Mister Parker«, schlug sie vor. »Nicht, daß sich unser lieber Gast noch den Magen verdirbt.« »Ein Scheibchen können Sie mir allerdings noch dalassen, Mister Parker«, bat McWarden freundlich. Lady Agatha zuckte peinlich berührt zusammen und sah zu, wie Parker dem Chief-Superintendent noch eine ansehnliche Portion Lachs auf den Teller legte. »Es geht doch nichts über ein anständiges Frühstück, besonders wenn man eine anstrengende Nacht hinter sich hat. Finden Sie 73
nicht auch, Mylady?« ließ sich McWarden vernehmen und lächelte die Hausherrin strahlend an. Agatha Simpson musterte ihn mißtrauisch. »Wie meinen Sie das? Soll das eine Anspielung sein?« grollte sie. »Ein Kollege hat sich gestern abend mal wieder im Milieu herumgetrieben und ist dabei in einer übel beleumundeten Kneipe namens >Goldener Anker< gelandet. Sie kennen ihn nicht zufällig, Mylady?« »Der Name sagt mir gar nichts, mein lieber McWarden.« Lady Agatha schüttelte den Kopf. »Namen sind wie Schall und Rauch. Wozu also soll man sie sich merken? Warum erzählen Sie mir das? Vermutlich, um mich zu ärgern. Ihr Kollege hat sich gewiß auf Kosten des Steuerzahlers amüsiert. Mit anderen Worten, ich habe seinen Kneipenbummel mitbezahlt.« »Wenn Sie es unbedingt so sehen wollen, Mylady.« McWarden war nicht aus der Ruhe zu bringen. Dankend nahm der den Sherry an, den Parker servierte. Lady Agatha verzichtete ausnahmsweise darauf, ihre Mißbilligung zu zeigen und wartete darauf, daß der Chief-Superintendent mit seiner Geschichte fortfuhr. »Er erlebte dort einen außerordentlich unterhaltsamen Abend, wie er berichtete«, erzählte McWarden weiter. »Und er erkannte in der Kneipe einige Leute, die er dort nie vermutet hätte.« »Hat er Sie dort etwa getroffen?« erkundigte sich die ältere Dame spitz. »Zutrauen würde ich es Ihnen ja, mein lieber McWarden.« »Leider war ich es nicht«, bedauerte McWarden süffisant. »Es soll an diesem Abend im >Goldenen Anker< hoch hergegangen sein, hörte man.« »Kommen Sie doch endlich zur Sache«, forderte die Hausherrin energisch. »Gern, Mylady. Stellen Sie sich vor, er sah dort eine ältere Dame, die sich mit einigen stadtbekannten Schlägern anlegte. Sie war übrigens in Begleitung eines Mannes, den mein Mitarbeiter als typischen Butler beschrieb.« »Was Sie nicht sagen!« Mylady sah ihn kopfschüttelnd an. »Was haben solche Leute in einer übelbeleumundeten Kneipe zu suchen?« »Eine durchaus interessante Frage!« McWarden nickte. »Nun, jedenfalls erteilte diese Dame zum Erstaunen und Vergnügen der Gäste stadtbekannten Schlägern eine Lektion und veranlaßte sie 74
zum Gehen.« »Sehr ordentlich«, lobte Agatha Simpson und lächelte. »Nicht wahr?« McWarden reagierte ebenso freundlich. »Dann sah mein Mitarbeiter noch eine sehr attraktive junge Dame, die von einigen Gästen belästigt wurde. Sie wußte sich allerdings ihrer Haut zu wehren und bekam dabei Hilfe von einem Mann, der als eine Art James-Bond-Verschnitt beschrieben wurde. Die ältere Dame eilte der jungen übrigens auch noch zu Hilfe und schwang dabei einen Handbeutel, den sie einigen der Anwesenden zu kosten gab.« »Mister Parker, lassen Sie sich die Adresse dieser Kneipe geben«, forderte Lady Agatha. »Es scheint dort einiges geboten zu werden.« »Auch ein stadtbekannter, ehemaliger sogenannter Eigentumsumverteiler wurde gesichtet«, fuhr McWarden genüßlich fort. »Kurz und gut, mein V-Mann sah eine Reihe guter, alter Bekannter.« »Wozu erzählen Sie mir das eigentlich, mein Lieber?« erkundigte sich die Hausherrin gelangweilt. »Der Höhepunkt kommt noch«, ließ sich McWarden nicht beirren. »Spät am Abend fand der obligatorische Ringkampf statt. Die bewußte ältere Dame fungierte als Schiedsrichterin und übte dieses Amt sehr eigenwillig aus.« »Ach, und wie denn?« Lady Agathas Augen funkelten vergnügt. Sie beugte sich gespannt vor und hing förmlich an McWardens Lippen. »Nun, von Zeit zu Zeit, wenn ihr der Kampf zu langweilig wurde, griff sie selbst ein«, berichtete der Chief-Superintendent. »So zum Beispiel einmal, als sich die beiden Männer im Clinch befanden und keiner dem anderen einen Vorteil abgewinnen konnte, nahm sie die beiden Burschen bei den Ohren und zog sie hoch.« »Das kann doch wohl nicht wahr sein?« Lady Agatha sah den Chief-Superintendent kopfschüttelnd an. »Genauso wurde es mir geschildert«, fuhr McWarden fort. »Im Lokal kam es zu wahren Begeisterungsstürmen und zu einer Massenkeilerei. Irgend jemand alarmierte schließlich die Polizei, und drei Streifenwagenbesatzungen hatten alle Hände voll zu tun, um Ruhe und Ordnung im Lokal wieder herzustellen. Ein Beamter berichtete übrigens, die ältere Dame hätte sich wie eine Furie benommen.« 75
»Reine Notwehr, Mister McWarden«, grollte Lady Agatha und funkelte den Mann vom Yard an. »Dieser junge, unreife Mensch griff nach meinem Handbeutel und wollte ihn mir entreißen. Dabei muß er ihn versehentlich getroffen haben.« »Reden wir nicht mehr davon«, winkte McWarden generös ab. »Obwohl dieser übereifrige junge Mann eigentlich Anzeige erstatten wollte, Mylady.« »Er scheint ja eingesehen zu haben, daß ich im Recht war«, bemerkte sie spitz. »Ich habe ihm versichert, daß Sie als begeisterte Sportlerin seiner Polizeimannschaft einen Satz Trikots spendieren«, erläuterte McWarden. »Das hat ihn überzeugt.« »Sie werden einen entsprechenden Scheck mitnehmen können, Sir«, versprach Parker gemessen. »Zehn Pfund, Mister Parker«, warnte die Hausherrin. »Ich sprach von einem Satz Trikots, nicht von einem einzigen«, mischte sich McWarden schadenfroh ein. »Aber ich bin sicher, daß wir die Angelegenheit vernünftig regeln werden, Mylady. Nun noch etwas anderes. Sie arbeiten nicht zufällig an einem neuen Fall?« »Mister Parker, was sage ich dazu?« erkundigte sie sich bei ihrem Butler, der hinter ihrem Sessel stand. »Möglicherweise beschäftigt sich Mylady mit rätselhaften Lebensmittelvergiftungen«, vermutete Parker. McWarden staunte und grinste. »Genau darauf wollte ich Sie nämlich ansprechen. Es gibt da einen Gangster namens Klapperschlange, der uns große Sorgen macht.« »Nicht mehr lange, ich ziehe dem Reptil die Giftzähne«, versprach die Detektivin und winkte geringschätzig ab. »Genaugenommen ist die Schlange schon so gut wie erledigt.« »Ihre Ermittlungen sind also bereits weiter fortgeschritten?« freute sich McWarden. »Wir haben von dieser Sache leider erst vor kurzem gehört. Eine Supermarktkette, die mit der Vergiftung ihres Warenangebots bedroht wird.« Er räusperte sich und blickte Parker an. »Und wie sind Sie an den Fall gekommen?« »Man wurde vor dem Verzehr gewisser Waren gewarnt, die bei einem bestimmten Händler erstanden wurden«, berichtete Parker gemessen. »Dann meldete sich das Management einer Lebensmittelkette, an der Mylady beteiligt ist.« »Eine ausgemachte Unverschämtheit«, ergänzte die Hausherrin. 76
»Da legt man seine mühsam ersparten Pfunde in so einer Firma an, und prompt wird die erpreßt. Das kann ich nicht durchgehen lassen, mein lieber McWarden, ich werde Ihnen dieses widerliche Reptil auf einem Silbertablett servieren.« »Können Sie mir nicht mit Informationen dienen?« wollte McWarden wissen. »Ehrlich gesagt, ich habe ein gewisses Interesse daran. Verwandte des Ministers sind an dieser Supermarktkette beteiligt. Mehr muß ich wohl nicht sagen.« »Man hatte es bislang mit unbedeutenden Randfiguren zu tun, Sir«, bedauerte Parker. »Allerdings geht Mylady davon aus, diesen Fall in Kürze abgeschlossen zu haben.« Agatha Simpson räusperte sich explosionsartig und nickte heftig. »Das ist allerdings richtig, mein lieber McWarden, in ein paar Tagen ist dieser Fall geklärt.« »Kann ich mich darauf verlassen, Mylady?« McWarden sah die Hausherrin forschend an, obwohl er sich in Wirklichkeit an Parker wandte. »Schön, wenn dem so wäre. Der Minister wäre sehr erleichtert.« »Meine Wenigkeit wird sich bemühen, Mister McWarden«, versicherte der Butler nachdrücklich. »Mylady steht kurz vor der Aufklärung des Falles, wie man versichern darf.« * Horace Pickett stand an der mit Parker vereinbarten Stelle der in Richtung Süden führenden Ausfallstraße. Er trug einen Trenchcoat und seinen sogenannten Travellerhut, den er beim Herannahen des ehemaligen Londoner Taxis grüßend lüftete und leicht durch die Luft schwenkte. Für einen zufälligen Beobachter sah es so aus, als winke ein älterer Herr, dessen straffe, aufrechte Haltung an einen pensionierten Offizier erinnerte, einem Taxi. »Sie haben hoffentlich nicht zu lange warten müssen, Mister Pickett«, bemerkte Josuah Parker, nachdem der ehemalige Eigentumsumverteiler Lady Agatha und ihn begrüßt und auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte. »Keinesfalls, Mister Parker«, gab Pickett höflich zurück. »Das Timing ist wie immer hervorragend, wenn man mit Ihnen zusammen arbeitet.« 77
Aus dem Fond war ein warnendes Räuspern zu vernehmen. »Vor allem natürlich, wenn Sie die Planung hatten, Mylady«, beeilte sich Pickett hinzuzufügen. »Die richtige Vorbereitung ist der halbe Erfolg, mein Lieber«, bemerkte die ältere Dame und nickte Pickett im Rückspiegel hoheitsvoll zu. Josuah Parker ließ das hochbeinige Monstrum, wie sein Privatwagen von Freund und Feind genannt wurde, wieder anrollen und vergewisserte sich durch einen raschen Blick in den Spiegel, daß auch der Mini-Cooper, der ihnen beharrlich seit Shepherd’s Market folgte, wieder Fahrt aufnahm. Was übrigens kein Wunder war, denn am Steuer saß Kathy Porter und neben ihr Mike Rander. Trotz Myladys Bedenken waren die beiden nicht zu bewegen gewesen, auf das Finale zu verzichten. »Man befindet sich nach wie vor in besagtem Lagerhaus in Highcombe?« erkundigte sich Josuah Parker bei seinem Beifahrer. »Richtig, Mister Parker. Einige meiner Freunde sind direkt am Lagerhaus postiert, andere befinden sich in einer Fernfahrerkneipe, die in unmittelbarer Nähe liegt. Von da aus kann man das Lagerhaus wunderbar unter Kontrolle halten.« »Dabei dürften gewisse Unkosten aufkommen?« wollte Parker wissen. Diese Anfrage ließ Lady Agatha aufhorchen. Sie beugte sich vor und hatte einen besorgten Ton in der Stimme, als sie nachhakte. »Ihre Freunde nutzen es doch hoffentlich nicht aus, daß ich die Spesen trage?« vergewisserte sie sich. »Sie wissen, meine Mittel sind beschränkt, mein lieber Pickett, ich muß sehr haushalten.« »Dem wird stets Rechnung getragen, Mylady«, beruhigte der ehemalige Eigentumsumverteiler sie umgehend und lächelte. Er kannte Myladys Einkommensverhältnisse und ausgeprägten Hang zur Sparsamkeit, der manchen Schotten vor Neid hätte erblassen lassen. »Man wird sich arrangieren«, ließ sich Josuah Parker zu diesem Thema abschließend vernehmen. »Probleme dürfte es dabei mit Sicherheit nicht geben.« »Ist nicht eine Belohnung auf die Ergreifung dieser Klapperschlange ausgesetzt?« erkundigte sich die Detektivin. »Fragen Sie Mister McWarden danach, Mister Parker. Wenn dem so ist, könnten Mister Picketts Freunde ja einen Teil davon erhalten«, fuhr sie fort. »Ich dachte so an zehn Prozent.« 78
»Außerordentlich großzügig«, anerkannte Pickett im voraus. »Meine Freunde werden es Ihnen zu danken wissen, Mylady.« »Kommen wir zur Sache zurück«, forderte die Detektivin und räusperte sich energisch. »Warum fahre ich mitten in der Nacht zu diesem Lagerhaus in Highcombe, Mister Parker?« »Mylady regten zu Beginn des Falles an, Mister Paul Wilson zu überwachen«, erinnerte der Butler höflich. »Ich weiß, Mister Parker, ich habe alles genau im Kopf«, behauptete sie und runzelte nachdenklich die Stirn. »Wissen auch Sie noch, was es mit diesem Hilton auf sich hat?« »Mister Paul Wilson ist der Geschäftsführer einer Spedition, die Mylady erst kürzlich aufsuchten«, rekapitulierte Parker. »Anlaß war der Auftritt zweier junger Männer in einer Delikatessenhandlung. Die beiden Herren trugen Papiere bei sich, die sie als Fahrer jener Spedition auswiesen.« »Richtig, ich erinnere mich genau.« Die ältere Dame lehnte sich entspannt zurück. »Dabei fällt mir ein, Mister Parker, wenn dieser Fall abgeschlossen ist, sollte ich diese Delikatessenhandlung noch einmal aufsuchen und mir einige Konserven geben lassen. Bei einigen Proben bin ich mir nämlich noch nicht ganz schlüssig wie meine Expertise ausfallen wird. Da muß ich eine zweite Testreihe starten, schließlich müssen die Dinge mit größter Sorgfalt erledigt werden.« »Man wird Mylady rechtzeitig daran erinnern«, versprach der Butler und lenkte seinen Privatwagen von der Ausfallstraße auf eine Abzweigung, an der ein großes, hell erleuchtetes Schild auf das 24 Stunden täglich geöffnete Fernfahrerlokal hinwies. »Dort bekommt man sicher auch um diese Zeit einen Imbiß, nicht wahr, Mister Parker?« vergewisserte sich Lady Agatha, der das Hinweisschild natürlich nicht entgangen war. »Mit Sicherheit, Mylady«, gab Parker gemessen zurück, ohne eine Miene zu verziehen. Er wußte, daß Mylady diesen Ort auf keinen Fall verlassen würde, ohne auch die Küche des Fernfahrerrasthauses gründlich getestet zu haben. »Arbeit macht immer hungrig«, philosophierte sie. »Und vor mir liegt harte Arbeit, ich spüre es ganz deutlich.« Sie lächelte versonnen und dachte dabei an einige Gangster, mit denen sie >arbeiten< wollte.
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* »Was hat das zu bedeuten?« wunderte sich die ältere Dame und sah verblüfft zu, wie sich Mike Rander und Horace Pickett weiße Kittel überzogen. Parker hatte sie dem Handschuhfach entnommen und den Männern gereicht, deren Erscheinung sich dadurch völlig veränderte. Auch Kathy Porter hatte sich einen Kittel übergezogen und sah darin reizend aus. Sie steckte gerade ihr Haar zu einer strengen Frisur hoch und setzte sich anschließend eine Brille mit Fensterglas auf. Auch Mike Rander trug eine solche Brille. Sie machte im Verbund mit dem Kittel aus dem sonst so locker und leger wirkenden Anwalt einen langweiligen-seriösen Wissenschaftler. Horace Pickett erinnerte keinesfalls mehr an einen pensionierten Offizier, im Gegenteil. Seine Haltung war ausgesprochen schlecht. Im grassen Gegensatz zu der sonstigen Untadeligkeit zeigte sein Kittel diverse Flecken, die von Chemikalien, Tabak, aber auch Essensresten herrühren mochten. Er räusperte sich und wandte sich an Mike Rander. »Sind wir soweit, Doktor?« näselte er. »Klar doch, Herr Kollege.« Mike Rander nickte dem >Kollegen< knapp zu und wandte sich an Kathy Porter. »Alles in Ordnung, Fräulein Doktor?« »Was soll der Unsinn?« Lady Agatha verstand kein Wort und verlangte dringend nach einer Erklärung. »Man erwartet einige Chemiker, wie einem von Mister Wilson geführten Telefonat zu entnehmen war«, erläuterte Parker gemessen, »Mister Pikkett war so frei, Mister Wilsons Leitung abzuhören.« »Ist das nicht verboten, Mister Parker?« erkundigte sich die ältere Dame. »Ich hätte nie geglaubt, daß Mister Pickett zu illegalen Mitteln greift.« »Eine Maßnahme, die nicht zu umgehen war«, bedauerte Parker. »Dafür hat sie entsprechende Ergebnisse erbracht. Die angeforderten Chemiker jedenfalls sind verhindert, sie gerieten auf dem Weg hierher in einen Unfall. Mister Picketts Freunde dürften längst entsprechende Erste Hilfe geleistet haben.« »Ich verstehe, Mister Parker«, gab die Detektivin lächelnd zurück. »Wo ist mein Kittel?« 80
»Wenn man Mylady helfen darf?« Parker hatte diese Entwicklung vorausgesehen und ein entsprechendes Kleidungsstück besorgt. Höflich half er seiner Herrin hinein. »Sehr hübsch«, fand sie und griff nach der Tasche, die ihr Parker anschließend reichte. Diese erinnerte an einen Arztkoffer und diente gleichfalls der reinen Tarnung. Parker drückte auch einen Knopf auf dem reichhaltig ausgestatteten Armaturenbrett und ließ das Taxischild aus dem Wagendach schnellen. Sein Privatwagen sah jetzt einem regulären Taxi zum Verwechseln ähnlich. »Wenn ich bitten darf?« Josuah Parker wies einladend auf die geöffneten Türen und startete den Motor. Wenige Augenblicke später rollte der Wagen auf den Lagerschuppen zu, der in einigen hundert Metern Entfernung hellerleuchtet vor ihnen lag. * »Das wird aber verdammt Zeit, der Boß ist schon reichlich sauer«, brummte der junge Mann, der offensichtlich vor dem Lagerhaus Wache schob. Er hielt eine Schrotflinte in der Hand und richtete sie wie unabsichtlich auf die Neuankömmlinge. »Der Wagen sprang nicht an«, nuschelte Horace Pickett, der als erster ausgestiegen war. »Und bis man in der City ein Taxi findet… na ja, jetzt sind wir ja hier.« »Hätten Sie das Taxi nicht ‘n Stück weg oder drüben beim Rasthaus halten lassen können?« erkundigte sich der junge Mann sauer. »Auffälliger geht’s wohl nicht mehr. Was soll der Taxifahrer denken, was ‘n paar Typen wie ihr hier mitten in der Nacht zu suchen habt?« »Bei diesem Sauwetter geh’ ich keinen Schritt zu Fuß, wenn ich es vermeiden kann«, mischte sich Mike Rander mit arroganter Stimme ein. Tatsächlich hatte es inzwischen zu regnen begonnen. Kathy Porter zog ihren Kittel über den Kopf und drängte sich an dem Wächter vorbei zum Eingangstor. »He, Moment mal, Lady, ich muß Sie erst auf Waffen durchsuchen.« Der Wächter grinste lüstern, wie im Schein der über dem Tor angebrachten Neonröhre deutlich zu sehen war. »Das könnte Ihnen so passen.« Kathy Porter ließ ihre Hände durch die Luft wirbeln und legte den jungen Mann mit einer genau 81
plazierten Handkante schlafen. Mike Rander fing den Burschen auf, während sich Horace Pickett des Schrotgewehres annahm. »Nicht unbegabt, Kindchen«, lobte die ältere Dame, die sich inzwischen aus dem Taxi geschoben hatte. »Das nächstemal überlassen Sie aber mir diese Arbeit, das ist nichts für ein junges Mädchen.« »Was ist denn hier los, wo ist mein Kollege?« wollte ein zweiter Wächter wissen, der um die Ecke des Lagerhauses kam. Er hielt einen Rottweiler an der Leine, der die angeblichen Chemiker aus tückisch glitzernden Augen musterte. »Mister Peter Shelley, wenn man sich recht erinnert«, grüßte Parker, der gleichfalls ausgestiegen war. Er hatte in dem Hundeführer einen der jungen Männer erkannt, die sich in der Delikatessenhandlung schlecht benommen hatten und von Mylady zur Rechenschaft gezogen worden waren. »Wilson hat anscheinend die Kündigung rückgängig gemacht, wie?« erkundigte sich Mike Rander mit spöttischer Stimme, der sich an das Gespräch mit dem Speditionsgeschäftsführer erinnerte. »Verdammt!« Peter Shelley ließ die Leine los und gab dem Hund einen Befehl. Aber der Vierbeiner kam nicht mehr dazu, ihn auszuführen. Josuah Parker hielt bereits eine kleine Sprühdose in der Hand und versorgte das an sich unschuldige Tier mit einem feinen Nebel, der aus einer selbstkomponierten Chemikalie bestand. Der Rottweiler seufzte müde, gähnte, wobei er ein beeindruckendes Gebiß zeigte, und legte sich zur Ruhe. »Moment, jetzt bin ich aber auch mal dran.« Lady Agatha drängte sich energisch vor und stellte sich vor den jungen Mann. »So sieht man sich also wieder«, freute sie sich und griff nach den Ohren, um herzhaft daran zu zupfen. »Hatten Sie mir nicht beim letztenmal versprochen, in Zukunft brav zu sein?« »Äh, ja… verdammt, Lady, Sie reißen mir ja die Ohren ab!« Der Wächter zappelte unter Myladys Griff und verzog angsterfüllt das Gesicht. »Kommen Sie mit, junger Mann, wir werden uns etwas abseits unterhalten!« forderte die ältere Dame und führte ihn an seinen Ohren ab in den Schatten. Einen Augenblick später waren klatschende Geräusche zu hören, dann kam die Detektivin zurück. »Er ist in Ohnmacht gefallen«, bedauerte sie, »dabei habe ich ihn 82
so gut wie gar nicht berührt. Ich denke, Sie können ihn jetzt verpacken, Mister Parker.« * »Na, endlich!« Der große, bullige Mann wirbelte herum, als er Schritte hinter sich auf dem rauhen Beton des Hallenbodens hörte. »In spätestens einer Stunde müssen wir hier weg…« Er runzelte die Stirn und kniff die Augen zusammen. Dann griff er in seine Innentasche und zog sich langsam in Richtung des schweren Sattelschleppers zurück, der hinter ihm stand. »Sie… Sie sind doch nicht die Chemiker, die ich bestellt habe!« Er schüttelte den Kopf und brachte eine großkalibrige Pistole zum Vorschein, die er auf die kleine Gruppe richtete. »Sie sind nicht die, die ich das letztemal schon hatte.« »Wir sind die Vertretung«, erklärte Horace Pickett, der an der Spitze der kleinen, weißgekleideten Prozession die Halle betreten hatte. »Die Kollegen sind wegen einer dringenden Sache unabkömmlich, aber keine Angst, wir wissen genau, was wir zu tun haben.« »Das gefällt mir aber gar nicht«, knurrte Paul Wilson, um den es sich handelte. Er wandte den Kopf und stieß einen Pfiff durch die Zähne aus. Einen Augenblick später stürmten drei mit Revolvern bewaffnete kompakt wirkende Männer hinter dem LKW hervor und sahen ihren Chef abwartend an. »Paßt auf sie auf«, befahl Wilson ihnen knapp. »Ich muß mal eben telefonieren.« Er drehte sich um und verschwand in einem Glasverschlag, der offensichtlich als Büro diente. »He, was ist denn mit Jack los?« Einer der drei Aufpasser starrte entsetzt auf den Mann, der sich hinter der weißbekleideten Gruppe aufgebaut hatte. Aus dem Oberschenkel des Mannes ragte ein buntgefiederter Pfeil, der bedrohlich und unheimlich aussah. »Ein Indianerüberfall vermutlich«, ließ sich Mike Rander spöttisch vernehmen. »Das Ding ist mit Sicherheit vergiftet.« »Ich sterbe«, brüllte der getroffene Mann und ließ die Waffe fallen. »So helft mir doch!« 83
Die beiden Männer ließen sich ablenken und mußten einen Moment später einsehen, daß dies ein unverzeihlicher Fehler war. Myladys Pompadour segelte durch die Luft und fällte einen von ihnen. Der andere sah sich plötzlich Mike Rander gegenüber, der ihm die Handkante zielsicher in die Halsbeuge setzte und ihn so zum Aufgeben überredete. * »Man wünscht Ihnen eine außerordentliche unterhaltsame Nacht«, grüßte Josuah Parker höflich, der den Glasverschlag betrat und Paul Wilson freundlich zunickte. »Sie?« Wilson ließ den Hörer fallen und griff nach seiner Pistole, die er vor sich auf dem Schreibtisch liegen hatte. »Pardon, Sir«, entschuldigte sich der Butler und schickte seine Melone auf die Reise. Die stahlblechgefütterte Krempe der Kopfbedeckung traf die Hand des Mannes und prellte sie nachhaltig. Wilson schrie auf und zog sie hastig zurück. Vor sich hinwimmernd massierte er sie mit der anderen Hand und sah den Butler vorwurfsvoll an. »Sie haben mir die Hand gebrochen«, beklagte er sich und schielte an Parker vorbei in die Halle. »Mit Ihren Mitarbeitern sollten Sie nicht mehr rechnen, Sir«, teilte Parker ihm höflich mit. »Die Herren dürften mittlerweile der Ruhe pflegen und nicht mehr einsatzfähig sein.« »Wie sind Sie auf mich gekommen?« erkundigte sich Reynolds’ Schwiegersohn, der begriffen hatte, daß sein Spiel zu Ende war. »Durch reine Routine, Mister Wilson«, erklärte Parker. »Man erlaubte sich, Ihre Vergangenheit zu durchleuchten und entdeckte dabei auch Ihre frühere Zugehörigkeit zu der Firma eines Herrn, der in eingeweihten Kreisen der Mafia zugerechnet wird. Sie dürften mit gewissen Absichten in die Spedition Reynolds eingetreten sein, vermutlich auf Anweisung des besagten Herrn?« »Dazu sage ich kein Wort, Parker. Ich bin doch nicht lebensmüde.« Paul Wilson schüttelte müde den Kopf. »Die Fakten waren schnell herausgefunden, Mister Wilson«, fuhr der Butler fort. »Sie sorgten durch entsprechende attraktive Angebote dafür, daß Sie die Aufträge für die Transporte einiger Lebensmittelhersteller bekamen. Wo Ihre Angebote nicht faßten, 84
wurden die zuständigen Mitarbeiter unter Druck gesetzt. Hier in dieser Halle wurden die Lebensmittel dann von Ihren Chemikern präpariert. Entsprechende Aussagen der Herren dürften der Polizei vorliegen.« »Wie schon gesagt, aus mir kriegen Sie kein Wort heraus, Parker«, winkte Wilson ab. »Ich denke nicht daran, mir mein eigenes Grab zu schaufeln. Wenn Sie so gut Bescheid wissen, wissen Sie auch, wie lang der Arm der Firma ist, die Sie vorhin genannt haben.« »Man dürfte Sie unter Umständen sogar noch im Gefängnis bedrohen können, das ist meiner bescheidenen Wenigkeit durchaus bekannt, Mister Wilson. Alles in allem sind Sie eine recht klägliche Klapperschlange, wenn man dies so unverblümt sagen darf.« »Na, wenn schon!« Paul Wilson zuckte die Achseln und griff scheinbar wie abwesend nach der Schreibtischschublade. Josuah Parker kam ihm zuvor. Er griff in die Schublade und nahm eine Einwegspritze heraus, die mit einer dunklen Flüssigkeit gefüllt war. »Dieser Abgang würde durchaus zu einer Schlange passen, Sir, aber Sie sollten sich nicht – mit Verlaub – der irdischen Gerechtigkeit entziehen«, fand er und steckte die Spritze ein. * »Wo ist die Lady?« wollte Chief-Superintendent McWarden wissen, der von Parker telefonisch verständigt worden war. Seine Mitarbeiter hatten die Gangster bereits verladen und warteten nur noch auf ihren Chef und Paul Wilson. »Mylady überwacht persönlich eine strenge Lebensmittelkontrolle«, teilte Parker dem Mann vom Yard mit. »Die Sendung, die vergiftet werden sollte, war nämlich für ein Unternehmen bestimmt, an dem Mylady maßgeblich beteiligt ist. Schon aus diesem Grund wollte sie Gewißheit haben, daß die Ware in Ordnung ist.« »Das würde ich mir gern mal ansehen.« McWarden sah sich suchend um. »Außerdem vermisse ich diesen Paul Wilson«, fuhr er fort. »Wo ist der denn geblieben?« »Mister Wilson ist Mylady bei besagter Kontrolle behilflich«, informierte Parker ihn und hielt ihm die Tür zu einem kleinen Ne85
benraum auf. Der Raum war spärlich möbliert. An den Wänden zogen sich lange Regale hin, die aber leer waren. Ansonsten enthielt er nur einen langen Tisch und einige einfache Stühle. Auf diesem Tisch türmten sich Marmeladegläser, die teilweise geöffnet waren. Es handelte sich um einen Teil der betreffenden Ware. Wilson saß am Kopfende des Tisches und hielt einen Löffel in der Hand. Gequält starrte er Lady Agatha an, die neben ihm saß und aufmunternd zunickte. »Nur zu, mein Lieber«, verlangte sie. »Wir haben noch viel Arbeit vor uns. Also, einen Löffel für Lady Agatha, ja, so ist’s recht, einen für die Polizei, ja prima… na, alles in Ordnung mit dem Glas?« »Aber ich habe Ihnen doch gesagt, daß wir noch gar nicht mit dem äh-… Präparieren angefangen haben, Mylady«, stöhnte der ungetreue Geschäftsführer und sah aus, als wenn er sich jeden Augenblick übergeben müßte. »Sicher ist sicher, mein Lieber.« Mylady lächelte und stellte das Glas zur Seite. »Das nächste bitte…« »Das kann doch nicht wahr sein«, stöhnte der ChiefSuperintendent und schüttelte ungläubig den Kopf. »Im Dienste für die Allgemeinheit scheut Mylady keine Mühe«, gab Parker gemessen zurück. »Man sieht’s.« McWarden sah fasziniert zu, wie Paul Wilson mit gequälter Miene einen neuen Löffel voll Marmelade in den Mund schob. »Falls Sie Mylady helfen und gleichfalls kosten möchten, Sir…« begann Parker und sah McWarden an. »Ich habe zu tun, Mister Parker. Bis später!« McWarden drehte sich auf dem Absatz um und verschwand fluchtartig, was der Butler nur zu gut verstehen konnte.
ENDE Nächste Woche erscheint BUTLER PARKER Band 388 Günter Dönges
PARKER klärt die »Selbstmord-Serie« 86
Es sind führende Wissenschaftler, die sich brieflich und telefonisch abmelden und dann plötzlich wie vom Erdboden verschwinden. Sie teilen ihren Firmen und Instituten schlicht und einfach mit, sie hätten die Nase voll und würden aussteigen. Das besorgen sie dann derart gründlich, daß jedes weitere Lebenszeichen ausbleibt. Selbst engste Familienangehörige stehen vor Rätseln und wenden sich besorgt an das Paar aus Shepherd’s Market. Lady Agatha wittert ein Thema für ihren geplanten Bestseller und begibt sich sofort auf den Kriegspfad. Butler Parker hat prompt wieder mal alle Hände voll zu tun, um Schaden von seiner temperamentvollen Herrin abzuwenden. Er entdeckt schon bald, daß diese Aussteiger keineswegs freiwillig alternativ leben wollen und kommt einer Organisation auf die Schliche, die sich das große Geld erhofft. Seine Gegner aktivieren Spezialisten für Mord und wollen auch den Butler dazu bringen, sein gewohntes Leben für immer aufzugeben. Günter Dönges legt einen neuen PARKER-Krimi vor, in dem es turbulent zugeht. Hochspannung und Witz bereiten unterhaltsame Stunden. Gönnen Sie sich jede Woche BUTLER PARKER!
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