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PARKER bremst die „Kaffeemühle“ Günter Dönges »Aufdringlich wie eine Schmeißfliege«, grollte Agatha Simpson und verrenkte sich fast den Hals, als sie dem kleinen Hubschrau ber nachblickte, der gerade wieder im Tiefflug über sie hinweg taumelte und dann hinter einer kleinen Anhöhe verschwand. »Möglicherweise hat der Pilot gewisse Schwierigkeiten mit sei ner momentanen Position«, gab Butler Parker zurück. »Das Wet ter ist nicht gerade als ideal zu bezeichnen.« Es regnete, und von der nahen Küste trieben zusätzlich noch Nebelschleier über das Land. Mylady hatte sich einen fußlangen Wettermantel übergezogen und wurde außerdem von Parkers aufgespanntem Universal-Regenschirm beschützt. Mylady und der Butler befanden sich auf einem schmalen Feldweg, der von hohen Büschen und Sträuchern gesäumt wurde. Sie waren auf dem Weg zurück zu Parkers hochbeinigem Monstrum, das an der nahen Landstraße abgestellt worden war. »Da ist diese Schmeißfliege wieder«, räsonierte die ältere Dame und blieb stehen. »So schwer kann es doch gar nicht sein, eine passende Wiese zu finden, Mister Parker.« Die Hauptpersonen: John und Mary Hellwick betreiben einen Gasthof in Küsten nähe und dürfen nicht nur schmuggeln. Buddy Capson ist schnell wie eine Giftschlange mit seinen Waffen, sofern er sie besitzt. Judy Malone ist mit Partnern hinter einem goldschweren Päck chen her. Ray Sandhurst veranstaltet nicht nur Rundflüge mit seinem Hubschrauber. Harry Craine besitzt ebenfalls eine »Kaffeemühle« und gerät in Verdacht. Lady Agatha Simpson wird mit etruskischem Goldschmuck beworfen und fliegt souverän einen Hubschrauber. Butler Parker bastelt effektive Feuerwerkskörper.
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»Möglicherweise sucht der Pilot eine ganz bestimmte Wiese o der ein ländliches Anwesen, Mylady.« Mylady antwortete, doch ihre Worte gingen im Lärm der Roto ren unter. Der Hubschrauber kurvte ein und ging in einen gerade zu halsbrecherischen Tiefflug über. Seine Landekufen streiften fast die Kronen der Büsche, und Lady Agatha zog unwillkürlich den Kopf ein. Wenig später zog der Hubschrauber wieder hoch und verschwand hinter den Schornsteinen des kleinen Gasthofes, dem die passionierte Detektivin und ihr Butler eben erst den Rü cken gekehrt hatten, ohne dort eingelassen worden zu sein. »Falls der Pilot landet, kann er mit einigen Ohrfeigen rechnen«, kündigte die ältere Dame an, die das sechzigste Lebensjahr mit Sicherheit bereits überschritten hatte. Sie war groß, füllig und von majestätischer Erscheinung. Agatha Simpson war eine Dame von hohem Rang, mit dem Blut- und Geldadel der Insel eng ver schwistert und verschwägert. Immens reich, ging sie ihrem Hob by nach und betätigte sich als Privatdetektivin. Ihre Energie dabei war kaum weniger groß als ihre Unvorsichtigkeit. Sie sprühte stets vor Energie und ließ grundsätzlich keine Gelegenheit aus, in irgendein Fettnäpfchen zu treten. Erneut geriet sie in Zorn, als der kleine Hubschrauber mit dem Gitterrumpf heranflatterte und nun direkt auf sie zuhielt. Die älte re Dame schob den Regenschirm, den Parker hielt, zur Seite und drohte nach oben. Dabei verrutschte ihr Hut, der eine skurrile Mischung aus einem Südwester und einem Napfkuchen darstellte. Der Pilot des Hubschraubers schien diese Geste der Drohung mißverstanden zu haben – oder aber er wollte sich revanchieren. Parker sah deutlich, daß der Mann im verglasten Cockpit plötzlich einen dunklen Gegenstand nach unten warf, dann sein Fluggerät wieder hochzog und erneut hinter dem Gasthof verschwand. Der Gegenstand gehorchte inzwischen den Gesetzen der Schwerkraft und fiel in leichtem Bogen nach unten. Die Luftwirbel der Rotoren mußten den dunklen Gegenstand leicht abgelenkt haben. Hinzu kam wohl auch noch der Wind, der die Nebelschwa den über das Land trieb. Dicht neben Lady Agatha klatschte ein Päckchen in einen Strauch. Zweige brachen und wurden abgerissen. Dann kollerte das Gastgeschenk aus der Luft vor die nicht gerade kleinen Füße der älteren Dame, die unwillkürlich einen Hüpfer zur Seite tat. »Haben Sie das gerade gesehen, Mr. Parker?« fragte sie dann 3
und schnaubte vor Empörung, »der Lümmel da oben wollte mich treffen.« »Ein Eindruck, Mylady, dem meine Wenigkeit nicht unbedingt widersprechen möchte«, gab Josuah Parker zurück und bückte sich nach dem Päckchen, das kaum größer war als eine Packung für Waschmittel. Es war sehr gut verklebt und verschnürt. »Was sage ich denn dazu?« fragte Lady Agatha neugierig. »Mylady dürften überrascht sein«, gab Josuah Parker zurück, »das Päckchen macht einen durchaus wasserdichten Eindruck.« »Vielleicht eine Bombe«, hoffte die Detektivin, die sich auf jedes Abenteuer freute. »Falls Mylady wünschen, könnte man das Päckchen öffnen.« »Selbstverständlich will ich sehen, was man mir da auf den Kopf werfen wollte«, entgegnete die ältere Dame, während Parker das Päckchen hochnahm und sein rechtes Ohr daran legte. »Ein deutliches Ticken, nicht wahr?« Ihre grauen Augen funkel ten vor Erwartung. »Nicht unbedingt, Mylady«, dämpfte Parker die freudige Hoff nung seiner Herrin, »aber vielleicht hat man es mit einem soge nannten Säurezünder zu tun.« »Hauptsache, Mr. Parker, es ist eine Bombe«, meinte sie, »man stellte mir also wieder mal nach und will mich umbringen.« »Man könnte das Päckchen vielleicht im Wagen öffnen«, schlug Josuah Parker in seiner höflichen Art vor. Er war längst davon überzeugt, daß man es auf keinen Fall mit einer Bombe zu tun hatte. Und er glaubte bereits zu wissen, daß man Mylady und ihn wohl verwechselt hatte. Der Regen und der immer dichter wer dende Nebel mußten dem Piloten des Hubschraubers die genaue Sicht genommen haben. Parker hielt längst wieder seinen Schirm über das Haupt der La dy und geleitete sie zu der nahen Landstraße. Er war ein etwas über mittelgroßer, fast schlanker Mann und schon rein äußerlich das Urbild eines hochherrschaftlichen englischen Butlers. Josuah Parker trug zur schwarzen Melone einen ebenfalls schwarzen Covercoat, einen weißen Eckkragen und einen schwar zen Binder. Seine Hände wurden umschlossen von schwarzen Lederhandschuhen. »Ich bleibe dabei, daß man mich umbringen wollte«, behaupte te Lady Agatha und… runzelte verärgert die Stirn, als plötzlich zwei Schüsse fielen. 4
* »Das haben Sie absichtlich getan«, grollte die ältere Dame eini ge Minuten später und verschmähte Parkers hilfreiche Hand. Der Butler hatte seine Herrin kurzerhand zur Seite gestoßen und in einen der mannshohen Sträucher befördert. Sie wischte einige nasse Blätter aus dem Gesicht und maß Parker mit drohendem Blick. »Es ging um Myladys Leben«, erwiderte der Butler, »Mylady dürften kaum entgangen sein, daß geschossen wurde.« »Tatsächlich?« Sie entspannte sich und sah ihren Butler bereits bedeutend freundlicher an. »Es handelte sich um zwei Schüsse, Mylady«, sagte Josuah Par ker, »meiner bescheidenen Ansicht nach kamen sie aus der Rich tung jenes Gasthofes, dessen Türen sich als verschlossen erwie sen.« »Dann hat man also absichtlich nicht geöffnet, nicht wahr?« »Dieser Schluß, Mylady, drängt sich in der Tat auf.« »Dann werde ich noch mal zurückgehen«, entschied sie, »Schüsse aus dem Hinterhalt kann ich nicht ausstehen.« Josuah Parker folgte selbstverständlich. Ihm war längst klar, daß man sich keineswegs allein in dieser engeren Region befand. Der Regen war inzwischen noch stärker geworden, der Nebel noch dichter. Als ein starker Windstoß einige Nebelvorhänge zur Seite blies, war der Gasthof wieder zu sehen. Die Fensterläden waren nach wie vor geschlossen, das anderthalbstöckige Haus aus Fachwerk und Bruchsteinen machte einen abweisenden, unbewohnten Ein druck. Lady Agatha, die die Tür erreicht hatte, klopfte mit der Faust gegen das Türblatt. Das Dröhnen mußte im Haus gehört werden, falls es Bewohner gab. »Nichts«, sagte die ältere Dame leicht gereizt, »man will mich natürlich an der Nase herumführen, Mr. Parker.« »Möglicherweise ist die Tür nur angelehnt«, erwiderte Josuah Parker und holte sein kleines Spezialbesteck aus einer seiner vie len Westentaschen. Er führte eine Art Pfeifenreiniger in das Türschloß und brauchte nur wenige Augenblicke, bis es nachgab. Als er die Tür jedoch aufdrücken wollte, zeigte es sich, daß von 5
innen ein Riegel vorgeschoben worden war. »Man dürfte den Gasthof auf einem anderen Weg verlassen ha ben, Mylady«, sagte Parker, »wenn es genehm ist, sollte man nach einer Hintertür suchen.« »Und ob es genehm ist, Mr. Parker! Ich weiß, daß dieser Mord schütze im Haus sein muß.« Sie stampfte wieder los und schritt um die Hausecke, dicht gefolgt von Josuah Parker, der wieder mal seine schützende Hand über sie hielt. Er kannte ihr ungestümes Temperament nur zu gut. Es gab eine zweigeteilte Hintertür. Sie war halb geöffnet und wurde von den Windböen leicht be wegt. Parker überholte seine Herrin und stieß mit der Spitze sei nes Universal-Regenschirms die Tür vollends auf. Dabei horchte er in sich hinein. Seine innere Alarmanlage aber meldete sich nicht. Im Gasthof schienen demnach keine weiteren Überra schungen auf Mylady und ihn zu warten. »Es kann sich nur um eine Falle handeln, Mr. Parker«, stellte die ältere Dame freudig fest, »aber dieser Schütze wird sich wun dern.« Nein, Angst war ihr völlig unbekannt. Sie wollte zum Sturm ansetzen und ohne jede Deckung das Haus betreten. Josuah Parker hingegen rechnete mit mehr als peinlichen Überraschungen. Er drängte die ältere Dame scheinbar ungewollt ab und warf gleichzeitig einen seiner PatentKugelschreiber durch die Tür ins Innere des Gasthofes. »Falls Mylady geneigt sind, einen Vorschlag meiner Wenigkeit anzunehmen, sollten Mylady vielleicht diesen Schwaden aus dem Weg gehen«, ließ Josuah Parker sich vernehmen, »mit einer ge wissen Reizung der Atemwege und Tränendrüsen ist fest zu rech nen.« Worauf Lady Agatha, die bereits eingeatmet hatte, bellend hus tete. * Josuah Parker begab sich zurück zur Frontseite des Gasthofes. Er rechnete damit, daß sich dort etwas tun würde. Falls sich im Gasthof der Schütze befand, würde er sicher versuchen, durch die Haupttür zu fliehen. Als der Butler die Hausecke erreicht hatte, 6
hörte er bereits das Zuschlagen der Eingangstür. Er beschleunigte seine Schritte und nahm nur noch vage wahr, daß eine Gestalt sich durch das dichte Strauchwerk seitlich vom Haus zwängte. Der Butler wartete noch einen Moment auf eine mögliche zweite Gestalt, doch sie blieb aus. Also betrat er den Gasthof durch den Haupteingang und bewegte sich vorsichtig in die Tiefe des Hau ses. Doch schon bald darauf mußte er umkehren. Die starke Luft bewegung zwischen Haupteingang und Hintertür trieb die Nebel schwaden durch das Haus. Lady Agatha kam ihm hustend an der Hausecke entgegen. Sie wischte sich die Tränen aus den Augen und dann den Regen von den Wangen. »Sie haben mich schon wieder attackiert«, grollte sie, »Sie ha ben mich absichtlich nicht gewarnt, Mr. Parker.« »In verständlicher Sorge um Myladys Wohl«, entschuldigte sich der Butler, »im Haus wartete, wie sich eben herausstellte, bereits der Mörder auf sein Opfer.« »Sie übertreiben«, meinte sie,»haben Sie diesen Schützen we nigstens gesehen und erkannt?« »Meine Wenigkeit konnte nur vage Umrisse ausmachen, Myla dy.« »Ich, Mr. Parker, hätte mit Sicherheit mehr gesehen«, mokierte sie sich, »aber gut, ich werde das nicht weiter vertiefen. Ich frage mich nur, seit wann man mich beschattet hat?« »Mylady spielen auf den Hubschrauber und den Schützen an?« »Natürlich, Mr. Parker. Dieser doppelte Anschlag galt allein mei ner Person, darüber bin ich mir jetzt völlig im klaren.« »Etwaige Verfolger können Mylady nur per Zufall erkannt ha ben«, sagte Josuah Parker, »Mylady unternahmen den Abstecher nach Port Talbot rein zufällig, wenn meine Wenigkeit höflich daran erinnern darf.« »Stimmt das wirklich?« zweifelte Agatha Simpson prompt. »Ich hatte in Cardiff zu tun, das ist richtig. Es war übrigens eine sehr langweilige Aufsichtsratssitzung, Mr. Parker, wie Sie wissen. Ich hätte erst gar nicht kommen sollen.« »Mylady waren und sind dankenswerterweise an der Erhaltung alter Waliser Schlösser und Burgen interessiert«, meinte Parker, »ohne Myladys Großzügigkeit würde manch wertvolles Baudenk mal der Zerstörung anheimfallen.« »Man wollte nicht mich sehen, sondern mein Geld«, räsonierte 7
sie, »aber wie auch immer, habe ich mit irgend jemand über mei nen Ausflug nach Port Talbot geredet?« »Nicht in meiner bescheidenen Gegenwart, Mylady.« »Ich werde über diesen Punkt nachdenken«, erklärte sie, »und mich an die Einzelheiten sehr genau erinnern, für mein Gedächt nis bin ich schließlich bekannt, oder?« »Myladys Erinnerungsvermögen kann man in der Tat nur als ausgesprochen frappant bezeichnen«, entgegnete Parker und verzog keine Miene. Genau das Gegenteil war nämlich der Fall. Sie behielt so gut wie nichts, schon gar keine Namen. »Hier wird also der Zufall mitgespielt haben«, überlegte sie, »ir gendein Gangster hat mich in Cardiff erkannt und sofort seine Killer auf mich angesetzt. Man kennt das ja.« »Vielleicht wollen Mylady sich den Inhalt des Päckchens aus der Nähe ansehen«, schlug Parker vor, um das Thema zu wechseln. »Selbstverständlich«, meinte sie, »genau das wollte ich gerade vorschlagen.« »Schräg neben dem Gasthof befindet sich eine Holzlaube, Myla dy, die Trockenheit verspricht.« Lady Agatha hatte bereits wieder vergessen, daß sich ihrer An sicht nach eine Bombe im Päckchen befand. Sie blieb neben Par ker stehen, als er die Klebestreifen von der wasserdichten Folie abzog und dann den starken Karton hervorschälte. »Wahrscheinlich Rauschgift«, meinte sie nun, »Sie wissen, Mr. Parker, daß ich mich auf meinen Instinkt verlassen kann.« »Wie Mylady zu meinen belieben.« Parker mußte weitere Klebe streifen entfernen, bis er den Deckel des Kartons endlich vorsich tig lüften konnte. »Nun, Mr. Parker?« Sie beugte sich neugierig vor. »Es dürfte sich um Blech handeln, Mylady«, sagte Parker nach einem kurzen Blick in das Päckchen, »dann um Gürtelschnallen, Brustplatten und Lorbeerblätter.« »Wollen Sie mich unbedingt reizen, Mr. Parker?« Sie sah ihren Butler scharf an. »Haben Sie gerade von Blech gesprochen?« »Von Goldblech, Mylady, um genau zu sein«, redete Josuah Parker in seiner höflichen Art weiter, »dem Gewicht nach dürfte der reine Materialwert nicht gerade erheblich zu nennen sein.« * 8
Der Butler hob den Deckel vollends an und legte ihn zur Seite. Dann trat er notgedrungen einen halben Schritt zurück, denn La dy Agatha schob ihre Fülle nachdrücklich vor. Sie beugte sich ü ber das Päckchen und zog dann die Luft scharf ein. »Ich ahnte es«, sagte sie schließlich, »irgendwie habe ich das gespürt, Mr. Parker.« »Mylady sind beeindruckt?« erkundigte sich Parker. »Beeindruckt und empört«, erwiderte sie, »das sind doch Kunstschätze, nicht wahr, Mr. Parker?« »Eindeutig, Mylady«, bestätigte Josuah Parker, »diese Gegens tände aus Goldblech dürften meiner bescheidenen Ansicht nach aus einem Museum stammen.« »Sehen Sie sich das an, Mr. Parker!« Die ältere Dame nahm ei nen der Gegenstände aus dem Päckchen und hielt ihn hoch. Es handelte sich um den Teil eines Brustschmuckes, dessen GoldGranulation beeindruckend war. Winzig kleine Perlen aus Gold waren auf dem Untergrund aus dünnem Goldblech aufgeklebt oder aufgelötet. Über dem durchlaufenden Brandmuster war eine Reihe mythologischer Figuren zu erkennen, die bis in das winzigs te Detail durchgearbeitet waren. »Falls es gestattet ist, Mylady, möchte meine Wenigkeit in Be wunderung verharren«, sagte Josuah Parker. »Natürlich gestatte ich es«, gab Agatha Simpson zurück, »es handelt sich eindeutig um einen Schmuck aus der Inka-Zeit.« »Nicht unmittelbar, Mylady«, korrigierte Josuah Parker in seiner höflichen Art, »es dürfte sich um einen etruskischen Brust schmuck handeln.« »Das sehen Sie völlig falsch, Mr. Parker«, widersprach die De tektivin. »Natürlich handelt es sich um Schmuck aus der InkaZeit, aber das können Sie schließlich nicht wissen.« »Wie Mylady zu meinen belieben.« Parker, der sich seiner Sache völlig sicher war, verlor nichts von seiner Gemessenheit und Höf lichkeit. Lady Simpson vermochte einfach nicht, ihn zu erschüt tern. »Ein Lorbeerkranz«, sagte sie inzwischen und zog einen HaarReif aus dem Päckchen. Die Blätter waren auch hier bis ins letzte Detail nachgebildet worden. »Und dazu noch zwei Armreifen mit granulierten Goldperlen«, zählte der Butler weiter auf, »und dies hier dürfte die Nachbildung 9
einer Leber sein, wenn meine Wenigkeit nicht sehr irrt.« »Machen Sie sich doch nicht lächerlich, Mr. Parker.« Sie nahm den Gegenstand, den Parker hochhielt, in die eigene Hand und wog ihn. »Massives Gold, Mr. Parker. Wie kommen Sie darauf, daß dies eine Leber sein soll?« »Meine Wenigkeit sah solch ein Modell in Bronze in einer Aus stellung in London«, antwortete der Butler. »Unsinn, Mr. Parker, das ist ein Wetzstein«, behauptete die äl tere Dame unwirsch, »ich kenne mich in solchen Dingen aus. A ber wie auch immer, ich denke, ich habe hier einen recht kostba ren Fund gemacht, wie?« »Mylady wurden mit diesem Fund förmlich bombardiert«, ent gegnete der Butler, »darf man auch noch auf die übrigen Schmuckstücke aus Goldblech verweisen?« Er hob nacheinander weitere Gegenstände aus dem Päckchen, nämlich eine Kette mit einem kleinen Brustschild, dann weitere Armreifen, Schnallen und Armspangen. »Wieviel mag das alles wert sein?« wollte Agatha Simpson wis sen, als Parker sich daran machte, die Schmuckgegenstände in das Päckchen zurückzulegen. »Der Wert ist kaum abzuschätzen, Mylady«, beantwortete Par ker die Frage, »es dürfte sich um viele Millionen Pfund handeln.« »Dann wird der Finderlohn entsprechend sein«, freute sich die ältere Dame. Weil sie mehr als nur vermögend war, besaß sie einen sehr ausgeprägten Sinn für Geld. Sie konnte sparsam sein, bis zum Geiz, sie konnte ihr Geld aber auch mit vollen Händen ausgeben, wenn es ihrer Ansicht nach angebracht war. Für ihr Hobby als Kriminalistin scheute sie keine Ausgabe. »Ohne mich wäre dieses Goldblech unwiederbringlich verloren«, redete sie weiter, »ich werde meinen Finderlohn entsprechend hoch ansetzen.« »Dazu werden Mylady sich mit dem Besitzer des Goldschmucks in Verbindung setzen müssen«, antwortete der Butler. »Das werde ich Ihnen überlassen, Mr. Parker«, gab sie zurück, »diese unwichtigen Details interessieren mich nicht.« »Wären Mylady damit einverstanden, einen Blick in das Haus zu werfen?« »Was soll ich denn dort?« fragte sie ungeduldig. »Möglicherweise ergibt sich eine Begegnung mit den Hausbe 10
wohnern, Mylady.« »Nun gut.« Sie nickte flüchtig. »Ich werde Ihnen diesen Gefal len tun, Mr. Parker, obwohl ich bereits schon jetzt weiß, daß das reine Zeitverschwendung sein wird.« * Es war natürlich keine Zeitverschwendung. Der Durchzug hatte die Nebelschwaden aus dem PatentKugelschreiber längst vertrieben, und Josuah Parker nahm eine Besichtigung des Gasthofes vor. In einem der kleinen, niedrigen Kellerräume entdeckte er dann eine Frau und einen Mann, die man gefesselt und geknebelt hatte. Nachdem der Butler die bei den Personen befreit hatte, führte er sie in den Schankraum, wo Lady Agatha ihren Kreislauf mit einem Sherry stärkte, den sie in der Bar gefunden hatte. Sie runzelte die Stirn, als sie die beiden Betreiber der Gastwirtschaft sah. »Ich will alles wissen«, schickte sie voraus, »und wagen Sie es nicht, mich belügen zu wollen.« Der Mann, der etwa fünfzig Jahre zählte, machte einen völlig ir ritierten Eindruck. Seine Frau, die schätzungsweise fünf Jahre jünger war, erholte sich erstaunlich schnell. »Dieser Kerl zog plötzlich einen Revolver«, sagte sie ohne jede Einleitung, »und dann mußten wir runter in den Keller. Und da hat er meinen Mann einfach niedergeschlagen. Danach hat er uns gefesselt und uns die Heftpflaster auf den Mund geklebt.« »Mylady wünschen zu erfahren, wann dies alles geschah«, ließ Josuah Parker sich vernehmen. »Vor einer Stunde etwa«, lautete die Antwort des Mannes, der wesentlich kleiner und schmaler war als seine Frau, »und diesen Mann hatten wir vorher noch nie gesehen.« »Ich schon«, widersprach die mittelgroße, korpulente Frau e nergisch, »dieser Kerl war schon zweimal hier bei uns im Gast hof.« »Könnten Sie sich eventuell an einen genauen Zeitpunkt erin nern?« wollte der Butler wissen. »Das war gestern und vorgestern«, beantwortete die Frau die Frage des Butlers, »er war aber immer nur kurz hier. Jetzt weiß ich natürlich, warum er sich hier umgesehen hat.« 11
»Nämlich?« schaltete Agatha Simpson sich nun ein. Sie sah die korpulente Frau scharf an. »Er wollte herausfinden, ob wir allein sind oder nicht«, meinte die Frau, »aber an unser Erspartes ist er nicht herangekommen, das hat er bestimmt nicht gefunden.« »Wieso sind Sie sich dessen so sicher?« fragte Josuah Parker. »Weil das Geld genau in dem Keller ist, in den er uns einge schlossen hat«, sagte die Gastwirtin triumphierend, »das Geld hat er übersehen.« »Sie würden diesen Mann unter Umständen wiedererkennen?« wollte Agatha Simpson wissen. »Natürlich«, sagte die korpulente Frau und nickte nachdrück lich, »er hat ein richtiges Galgenvogelgesicht.« »Was kann und darf man sich darunter vorstellen?« erkundigte sich der Butler. »Ich habe mir den Kerl sehr genau angesehen«, schickte die Gastwirtin voraus, »er hat zusammengewachsene Augenbrauen, eine scharfe Nase und einen schiefen Mund mit schlechten Schneidezähnen.« »Ihre Beschreibung ist erfreulicherweise sehr präzise«, stellte der Butler fest, »die Polizei wird ungemein zufrieden sein.« »Und die Versicherung«, fügte die korpulente Gastwirtin hinzu, »mein Mann und ich werden gleich erst mal feststellen, was die ser Strolch alles mitgenommen hat. Ich meine so an Getränken und Vorräten. Ohne Grund hat er uns ja bestimmt nicht überfal len.« »Mylady sind sicher, daß sie nicht übertreiben werden«, antwor tete Parker höflich. Die Gastwirtin schluckte, verstand dann und errötete leicht. »Aber untertreiben Sie auch nicht, meine Beste«, warf Lady A gatha sachkundig ein, »ich kenne diese Versicherungen. Man zahlt und zahlt, aber wenn man dann etwas von ihnen haben will, drücken sie sich.« »Ich werde schon nicht untertreiben«, versprach die Gastwirtin. »Kann man Sie Ihrem momentanen Schicksal überlassen?« wollte Parker wissen, der Fragen der Versicherungsbranche nicht weiter zu vertiefen gedachte. »Ob man was kann?« fragte die Gastwirtin irritiert. »Kann ich gehen, oder brauchen Sie mich noch, meine Liebe?« übersetzte Agatha Simpson. 12
»Nein, nein, wir kommen schon zurecht«, versprach die Gast wirtin, »und wir werden gleich die Polizei anrufen, aber vorher wollen wir erst noch feststellen, was man uns gestohlen hat.« »Dann wünscht man noch einen ausgeglichenen Abend«, grüßte der Butler und lüftete die schwarze Melone. Er griff nach dem Päckchen und ging zur Tür. »Moment noch«, rief der Gastwirt, »wer sind Sie eigentlich? Ich meine, die Polizei wird doch wissen wollen, wer Sie…« »Sie erreichen Mylady unter dieser Adresse«, sagte Josuah Par ker und reichte dem Gastwirt eine seiner Visitenkarten. »Bis ge gen Mittag des morgigen Tages werden Sie Mylady im >Schwar zen Schwan< in Port Talbot erreichen.« »Tatsächlich?« fragte die Detektivin, die davon noch gar nichts wußte. * Es war inzwischen dunkel. Der Regen war stärker geworden, der Nebel intensiver. Parker stoppte sein hochbeiniges Monstrum vor einem Supermarkt und lieferte gleich eine Erklärung dazu. »Mylady hätten sicher noch angeregt, ein zweites Päckchen vor zubereiten«, sagte er in seiner höflichen Art. »Natürlich«, gab sie zurück, »aber warum, Mr: Parker? Ich ver lange eine Erklärung.« »Man dürfte versuchen, Mylady den Goldschmuck wieder abzu jagen«, erwiderte Josuah Parker, »Mylady wissen ja längst, daß man Mylady mit dem tatsächlichen Empfänger verwechselt hat.« »Und ob ich das weiß, Mr. Parker!« Sie nickte wissend. »Dieses Subjekt, das auf mich geschossen hat, wird mir erfreulicherweise auf den Fersen bleiben. Das möchte ich mir wenigstens ausgebe ten haben.« »Mylady können fest damit rechnen«, versprach Josuah Parker, »möglicherweise wird man bereits intensiv beschattet.« »Ich werde den Gangstern ein zweites Päckchen anbieten«, meinte sie, »ich erwarte dazu Ihre Vorschläge, Mr. Parker.« »Wenn Mylady meine Wenigkeit einen Moment entschuldigen wollen«, bat der Butler, lüftete die schwarze Melone und verließ seinen Privatwagen. Es handelte sich dabei um ein ehemaliges 13
Londoner Taxi alter Bauart, das rein äußerlich bereits einen mu seumsreifen Eindruck machte. Tatsächlich aber war dieser hoch beinige, eckige Wagen eine Trickkiste auf Rädern, wie Eingeweih te wußten. »Ich werde mich den Gangstern inzwischen als Lockvogel anbie ten«, erklärte Lady Agatha unternehmungslustig, als Parker die Wagentür schloß, »wo haben Sie das Päckchen?« »Unter meinem Covercoat, Mylady«, erwiderte der Butler und ließ seinen Universal-Regenschirm aufspringen. Er stemmte sich gegen den Regen und tarnte so die Ausbeulung seines schwarzen Mantels. Mit wenigen Schritten erreichte er den Eingang zum Su permarkt und sorgte dann dafür, daß er schnell hinter querste henden Regalen verschwand. Er brauchte nicht lange zu suchen, bis er das gefunden hatte, was er brauchte. Aus einem Regal zog er ein Paket mit Waschpul ver und legte es in den Einkaufswagen. Dann schob er seinen Einkauf wie selbstverständlich durch eine weit geöffnete Lagertür im Supermarkt und näherte sich gemessen einem jungen Mann, der einen weißen Kittel trug. »Bestehen rechtliche Bedenken, daß meine Wenigkeit in Ihrer Gegenwart ein Päckchen umpackt?« fragte er. »Was wünschen Sie, Sir?« fragte der Verkäufer. »Es geht um das Umhüllen und Verschnüren eines Päckchens«, erläuterte Josuah Parker und deutete mit der Schirmspitze auf das Paket mit Waschpulver. »Natürlich können Sie das einpacken«, erwiderte der junge Mann, der leicht irritiert war. Einen wirklichen Butler kannte er wahrscheinlich nur von der Filmleinwand oder vom Bildschirm her, »kann ich Ihnen helfen?« »Sie würden einem alten, müden und relativ verbrauchten Mann einen großen Dienst erweisen«, meinte Parker, »wenn Sie erlau ben, möchte man sich bereits im vorhinein für Ihre Freundlichkeit erkenntlich zeigen.« Diskret überreichte er dem jungen Mann eine Banknote und bat ihn anschließend, sich um Lady Simpson zu bemühen, die vorn im Supermarkt zu finden wäre. »Inzwischen wird man die Päckchen neu verpacken«, sagte er dazu. Der junge Mann war zuerst ein wenig unentschlossen, löste sich dann jedoch vom Arbeitstisch und ging nach vorn zur durch sichtigen Luftschleuse aus starkem Kunststoffmaterial. 14
Parker hatte freie Bahn und machte sich an die Arbeit. Er änder te nichts am Originalpäckchen und befaßte sich ausschließlich mit dem Paket, in dem sich das Waschmittel befand. Er schlug es in Packpapier ein, das von einer großen Rolle stammte, verklebte es und war mit seiner kleinen Manipulation bereits fertig, als der junge Mann an den Tisch zurückkehrte. »Sie werden mit Sicherheit neugierig sein«, vermutete Josuah Parker. »Ehrlich gesagt ja«, lautete die Antwort. »Das kann meine Wenigkeit voll und ganz verstehen«, meinte der Butler, lüftete die schwarze Melone und begab sich gemessen zum hochbeinigen Monstrum zurück. * »Ich werde bereits beobachtet«, behauptete die ältere Dame, als Parker am Steuer seines Wagens Platz nahm. »Könnten Mylady meine Wenigkeit ins Bild setzen?« fragte der Butler und blickte einer jungen Frau nach, die einen dunklen Re genmantel trug und gerade den Supermarkt betrat. Sie war ihm bereits beim Verlassen des Geschäftes aufgefallen. Sie hatte vor einem Aushang gestanden und private Verkaufsanzeigen studiert. Dabei schien sie den starken Regen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen zu haben. »Sehen Sie sich den Morris dort drüben an, Mr. Parker«, redete die ältere Dame inzwischen weiter, »das Subjekt am Steuer fixiert mich ununterbrochen. Ich hätte große Lust, mir diesen Lümmel mal zu kaufen.« »Er dürfte Mylady mit Sicherheit folgen«, antwortete Parker, »Mylady haben gewiß vor, ihn in eine Falle zu locken.« »Das ist richtig«, behauptete sie umgehend, »sind Sie zurecht gekommen?« »Der geplante Austausch konnte durchgeführt werden«, schwindelte Josuah Parker, »Nachfragen etwaiger Verfolger wer den das erhärten.« »Man muß eben Phantasie haben, Mr. Parker«, sagte sie wohl wollend, »aber so etwas kann man natürlich nicht lernen.« Parker verzichtete auf eine Antwort und ließ sein hochbeiniges Monstrum anrollen. Die junge Frau im dunklen Regenmantel er 15
schien bereits wieder vorn an der Tür des Supermarktes und ü berquerte die Straße. Im Rückspiegel stellte Parker fest, daß sie sich keineswegs in den Morris setzte, sondern in einen grünen Ford, der im Regen und in den Nebelschleiern kaum zu erkennen war. »Nun, Mr. Parker?« fragte Agatha Simpson wohlwollend, »der Morris folgt mir natürlich, wie?« »In etwa, um es mal so auszudrücken, Mylady«, lautete Parkers Antwort, »momentan dürfte es sich um einen dunkelgrünen Ford handeln.« »Was macht das für einen Unterschied?« fragte sie streng zu rück, »kleben Sie nicht an unwichtigen Kleinigkeiten. Hauptsache dürfte doch wohl sein, daß man mich beschattet. Und wie soll es jetzt weitergehen? Ich hoffe doch sehr, daß Sie sich darüber be reits Ihre Gedanken gemacht haben.« »Mylady haben sicher die feste Absicht, in dieser Region zu bleiben.« »Selbstverständlich«, erklärte sie, »ich werde diesen Fall an Ort und Stelle lösen.« »Mylady wären damit einverstanden, im bereits erwähnten > Schwarzen Schwan< abzusteigen?« »Diese Details interessieren mich nicht, Mr. Parker, ich erwarte allerdings, daß die Hotelküche gut ist.« »Davon könnte man ausgehen, Mylady. Der >Schwarze Schwan< in Port Talbot ist ein Haus der ersten Kategorie.« »Und Sie erwarten, daß die Gangster sich dort einfinden wer den, Mr. Parker?« »Man wird alles daransetzen, Mylady den antiken Goldschmuck wieder abzujagen.« »Das klingt durchaus erfreulich.« Sie nickte wohlwollend und ließ sich in. die Wagenpolster zurücksinken. »Ist der Morris noch immer hinter uns?« »Der grüne Ford folgt in einer Art und Weise, Mylady, die man nur als ausgesprochen hartnäckig bezeichnen kann«, lautete Par kers Antwort, »vielleicht wird es bereits während der Fahrt nach Port Talbot zu einer Begegnung mit den Gangstern kommen.« Josuah Parker hatte seinen Satz gerade beendet, als der grüne Ford erheblich schneller wurde. Die beiden Wagen befanden sich auf einer langgezogenen Straße, auf der kaum Verkehr herrschte. Die Insassen des grünen Ford witterten wohl hier eine Möglich 16
keit, Parkers altersschwach aussehenden Wagen zu stellen. Der Ford überholte. Und bei dieser Gelegenheit fand Josuah Parker heraus, daß zusätzlich zu der jungen Frau im dunklen Re genmantel noch zwei Männer im Wagen saßen, von denen einer steuerte. Blitzschnell jagte der Wagen an Parkers hochbeinigem Monstrum vorüber und wurde kurz danach fast brutal gebremst. Der Ford schlitterte ein Stück über den nassen Asphalt, stellte sich dann durch geschicktes Gegenlenken quer und versperrte Parker den Weg. Die beiden männlichen Insassen des Ford sprangen aus dem Wagen und zeigten Maschinenpistolen, deren Läufe sie auf Par kers Wagen richteten. Die ältere Dame schnaufte verärgert und übersah wieder mal die drohende Gefahr. »Eine ausgemachte Unverschämtheit«, grollte sie nach vorn in Richtung Parker, »so etwas läßt eine Lady Simpson sich natürlich nicht bieten.« »Falls doch, Mylady, dann sicher nur im Zusammenhang mit ei ner gewissen Taktik.« »So ist es, Mr. Parker.« Sie ignorierte die beiden Maschinenpis tolen und dachte ganz sicher nicht an die schußsichere Karosserie des Wagens. Für Agatha Simpson war es einfach undenkbar, daß man sie je treffen könnte. »Man sollte den beiden Männern das bewußte Päckchen anbie ten, Mylady«, schlug Parker vor, als die beiden Gangster sich nä her an das hochbeinige Monstrum heranschoben. »Ich verstehe.« Sie lächelte boshaft. Josuah Parker kurbelte eins wenig die Wagenscheibe herunter und erkundigte sich mit wohlgesetzten Worten nach den Wün schen der beiden Männer. »Nun rück’ schon das Päckchen raus«, antwortete einer von ih nen, »und komm’ uns bloß nicht mit Tricks.« »Keineswegs und mitnichten«, gab Josuah Parker zurück und langte nach dem Originalpäckchen, das neben ihm auf dem Bei fahrersitz lag. Als er es hob und an die Wagenscheibe brachte, schaltete der zweite Mann sich ein. »Das würd’ dir so passen«, meinte er wissend und lachte kurz, »reich mal das zweite Päckchen rüber. Und macht schnell, bevor wir sauer werden.« »Das zweite Päckchen?« fragte Parker. »Das andere Päckchen, Mann«, folgte die Wiederholung, »und 17
dann vergiß, daß es uns gibt, sonst wirst du Ärger bekommen.« »Wie Sie zu wünschen belieben.« Parker reichte das zweite Päckchen nach draußen. Der erste Gangster griff danach und nickte dann seinem Partner zu. Die beiden Männer wandten sich ab, liefen zurück zum dunkelgrünen Ford, warfen sich förmlich in den Wagen und preschten davon. »Die junge Dame im Regenmantel dürfte sich im Supermarkt nach den Aktivitäten meiner bescheidenen Wenigkeit erkundigt haben«, sagte Josuah Parker, »daher auch die Fixierung der bei den Männer auf das Waschmittelpaket, in dem man den Gold schmuck vermutet.« »Und was bringt das, Mr. Parker?« wollte die ältere Dame wis sen. »Warum dieses Täuschungsmanöver?« »Mylady hatten es bisher mit dem sogenannten Fußvolk zu tun, wie zu vermuten ist«, schickte Parker voraus, »nach diesem Täu schungsmanöver wird man kompetentere Personen schicken, die wahrscheinlich mehr wissen dürften als die beiden Wegelagerer.« »So sehe ich das natürlich ebenfalls«, behauptete Lady Agatha, »wird man Augen machen, wenn das Waschpulver durch den Wa gen wirbelt.« * Selbstverständlich hatte man im >Schwarzen Schwan< in Port Talbot eine nochherrschaftliche Suite für Agatha Simpson. Nach dem sie die beiden Räume und das Bad begutachtet hatte, wid mete sie sich der Speisekarte und ging die einzelnen Positionen durch. »Ich denke, daß ich hier bleiben werde«, entschied sie schließ lich, »aber ich brauche selbstverständlich noch einige Kleinigkei ten für die Nacht, Mr. Parker.« »Man könnte sofort einen Gang durch die Innenstadt antreten und die einschlägigen Geschäfte besuchen«, schlug Josuah Parker vor. »Man könnte«, sagte sie, »aber ich glaube, daß mein Kreislauf etwas gelitten hat, Mr. Parker. Erledigen Sie das für mich. Zudem werde ich jetzt erst mal die Küche testen.« »Mylady sollten und werden davon ausgehen, daß man Mylady einen Besuch abstatten könnte.« 18
»Machen Sie sich nur keine Gedanken.« Sie winkte ab. »Ich weiß mich schon meiner Haut zu wehren, Mr. Parker.« Josuah Parker verabschiedete sich, warf einen kurzen Blick in sein Hotelzimmer und machte sich dann auf den Weg, um ein paar Kleinigkeiten für seine Herrin einzukaufen. Er dachte in die sem Zusammenhang an ein Nachthemd, Zahnbürste und andere Artikel der Körperpflege. Das Päckchen mit dem Goldschmuck hatte er unter dem Rücksitz seines hochbeinigen Monstrums ver steckt, und zwar nicht ohne Grund. Dieses Sitzpolster bot für den Unkundigen nämlich einige neckische Überraschungen. Parker war gespannt darauf, ob man Mylady und ihn hier besu chen würde. Diese Adresse kannte nur das Ehepaar draußen an der Küste, dem er auch seine Visitenkarte übergeben hatte. Tauchten hier im Hotel also Gangster auf, dann mußten John und Mary Hellwick ihr Wissen preisgegeben haben, oder man hatte davon auszugehen, daß die Gangster sie nach wie vor überwach ten. Die zentrale Lage des Hotels in der kleinen Industriestadt er möglichte es Parker, die wenigen Einkäufe innerhalb einer halben Stunde zu tätigen. Während des Einkaufs blieb er auf der Hut und forschte immer wieder nach eventuellen Verfolgern. Mylady und er waren durch Zufall in den Besitz einer millionenschweren Beute gekommen. Natürlich würden die Diebe alles daran setzen, den Goldschmuck wieder in ihre Hand zu bekommen. Und besonders rücksichtsvoll würden sie ganz sicher nicht sein, nachdem sie ge rade erst düpiert waren. Parker passierte auf dem Rückweg eine Kaufpassage und blieb plötzlich stehen. Er sah einen Lorbeerkranz aus ziseliertem Gold blech, dann darunter einen Armreif und eine Brustplatte. Die Ge genstände kamen ihm sehr bekannt vor. Sie befanden sich auf einem Plakat und waren die Prachtstücke einer etruskischen Aus stellung in Bristol. Laut Zeitangabe auf diesem Plakat war die Ausstellung noch sechs Tage geöffnet. Parkers Interesse war verständlicherweise mehr als nur ge weckt. Er erinnerte sich, eben erst die Anzeigen-Annahme einer Zeitung gesehen zu haben, wandte sich um und suchte sie auf. Und hier wurde Parker sofort fündig. Er kaufte sich eine Abendausgabe der Zeitung und wurde von der Schlagzeile förmlich angesprungen. In großen Lettern war hier zu lesen, daß unbekannte Täter die wertvollsten Exponate 19
dieser Ausstellung gestohlen hatten. Dieser Diebstahl hatte sich am späten Mittag ereignet. Parkers Schätzung erwies sich übri gens als völlig richtig. Der Wert der Ausstellungsstücke war kaum schätzbar, ging aber in die Millionen, wie zu lesen war. Josuah Parker wußte damit Bescheid. Die Täter hatten die wertvollen Ausstellungsstücke von Bristol über den weiten Mündungstrichter des Flusses Severn geschafft und dann in Küstennähe abgeworfen. Hier mußten zwei Personen auf das bewußte Päckchen aus der Luft gewartet haben. Wahr scheinlich hatten sie den Auftrag gehabt, danach dieses Päckchen außer Landes zu schmuggeln. Auf dem Seeweg konnte dies kaum ein Problem sein. Die Küste hier im Südwesten Englands besaß viele kleine Häfen und Urlaubsorte. Ein in See stechendes Boot fiel da kaum auf. Der bisher betriebene Aufwand zeigte deutlich an, daß man es wohl mit einer Bande zu tun hatte, die professionell geführt wur de. Die Panne mit dem Abwurf des Päckchens war nur dem schlechten Wetter zuzuschreiben. Die Gangster mochten jede Eventualität einkalkuliert haben, doch am Wetter waren sie ge scheitert. Als Parker die Anzeigenannahme verließ, schob sich dicht hinter ihm ein anderer Besucher nach draußen, der plötzlich drückte die Tasche seines Regenmantels gegen Parkers Rücken. »Machen Sie keinen Blödsinn«, warnte den Butler dann eine kühle Stimme, »meine Kanone hat einen Schalldämpfer.« »Meine Wenigkeit ist sicher, durchaus verstanden zu haben«, erklärte Josuah Parker höflich und gemessen, »verfügen Sie über meine Person.« * Sie blieben vor einem Schaufenster der Passage stehen. In der Scheibe, die als Spiegel wirkte, konnte Parker seinen Hin termann mustern. Sofort fielen ihm der schiefe Mund, die zu sammengewachsenen Augenbrauen und die schmale Nase auf. Das Ehepaar John und Mary Hellwick vom Gasthof hatten so und nicht anders jenen Mann beschrieben, der sie überfallen und gefesselt hatte. Eine Verwechslung konnte kaum vorliegen. »Machen wir’s kurz«, sagte der Mann, »ich will das Päckchen 20
haben.« »Dieses Päckchen scheint sich einiger Beliebtheit zu erfreuen«, gab der Butler höflich zurück, »zu Ihrem Leidwesen muß ich Ih nen erklären, daß es den Besitzer gewechselt hat.« »Was soll das heißen?« »Man zwang Lady Simpson und meine Wenigkeit, das bewußte Päckchen aus der Hand zu geben.« »Wer hat gezwungen?« wollte der Mann wissen. Mit dieser Fra ge legte er ungewollt klar, daß er mit den Personen aus dem dunkelgrünen Ford wohl kaum etwas zu tun hatte. »Müßten Sie diese Personen nicht besser kennen als meine We nigkeit?« »Machen Sie keine Zicken, Mann«, kam prompt die Antwort, »ich hab’ doch mitbekommen, daß Sie in diesem Supermarkt wa ren. Und da haben Sie sich’n zweites Päckchen besorgt.« »Woher, wenn man fragen darf, nehmen Sie diese Sicherheit des Wissens?« »Weil ich den Burschen im Supermarkt gefragt habe«, entgeg nete der Mann und grinste schief. Dabei zeigte er seine in der Tat sehr schlechten Schneidezähne. Auch sie entsprachen der Schil derung des Ehepaares Hellwick. »Meine Wenigkeit möchte Ihnen noch mal versichern, daß das Päckchen den Besitzer wechselte«, sagte Parker. Er hütete sich, eine falsche Bewegung zu machen und rechnete fest mit einer mit Schalldämpfer versehenen Waffe. Falls der Mann hinter ihm ab drückte, war wohl kaum mehr als ein dumpfes Schnalzen zu ver nehmen. »Sie haben den Idioten natürlich das falsche Päckchen in die Hand gedrückt«, hörte Parker hinter sich, wobei der Druck der Waffe gegen seinen Rücken sich noch verstärkte. »Los, gehen Sie jetzt weiter! Ich weiß genau, in welchem Hotel Sie mit der alten Vogelscheuche abgestiegen sind.« »Ihrem Wunsch kann man sich kaum entziehen«, sagte Josuah Parker, »darf man übrigens fragen, ob Sie das sind, was man gemeinhin ein Einzelgänger zu nennen pflegt?« »Mann, Sie können vielleicht quasseln«, stöhnte der Angespro chene hinter ihm, »woher haben Sie das?« »Es dürfte sich um eine Art Berufssprache handeln«, erwiderte Josuah Parker, »Ihnen wird kaum entgangen sein, daß Sie es mit einem Butler zu tun haben.« 21
»Der da ‘n Geschäft auf eigene Rechnung machen will? Oder ist die alte Vogelscheuche daran etwa beteiligt?« »Sie haben Gründe für Ihre Annahme?« »Und ob ich Gründe habe, Mann. Warum hätten Sie sonst’n zweites Päckchen aufs Tapet gebracht? War übrigens ein prima Gag. Sie sind ‘ne echte Naturbegabung.« »Meine Wenigkeit faßt Ihre Worte als eine Art Schmeichelei auf.« »Aber Profi ist eben Profi«, redete der Mann munter weiter, »daß Sie mit Ihrem Leben spielen, is’ Ihnen wohl kaum aufge gangen, wie?« »Darf man daraus schlußfolgern, daß Sie am Gasthof geschos sen haben?« »Sie dürfen« bestätigte der Mann und lachte, »und ich wollt’ Sie un’ die Vogelscheuche treffen. Ihr Glück, daß da der verdammte Nebel war.« »Hegen Sie auch weiterhin ähnliche Pläne?« »Ich laß Sie laufen, Mann, Sie sin’ nicht wichtig genug«, erklärte der Gangster, »aber hängen Sie bloß nichts an die große Glocke, sonst sind Sie doch noch reif. Ich bin verdammt nachtragend.« »Sie stehen in Konkurrenz zu jenen drei Personen, die sich ei nes dunkelgrünen Fords bedienen?« »Hören Sie mal, Mann, wollen Sie mich ausnehmen?« erkundig te sich der Gangster. Seine Stimme klang plötzlich gereizt. »Sie überschätzen meine bescheidenen Fähigkeiten«, schickte der Butler voraus, »aber die eben gestellte Frage drängt sich logi scherweise geradezu auf.« »Welche Frage?« »Ob Sie mit den drei Personen zusammenarbeiten, die nach dem Päckchen verlangten.« »Das fehlte noch«, lautete die Antwort, die in heiseres Lachen überging, »aber jetzt keine weiteren Fragen, sonst werde ich sauer. Also, wo steckt das verdammte Päckchen? Ist es im Ho tel?« »In meinem Privatwagen, um der Wahrheit die Ehre zu geben.« »Bestens«, meinte der Gangster, »dann geht das ja glatt über die Bühne. Und wo steckt die Kiste?« »Auf dem Parkhof des Hotels«, erwiderte der Butler, »ich möch te Ihnen bereits an dieser Stelle versichern, daß meine Wenigkeit sich den Notwendigkeiten beugen wird.« 22
»Ich versteh’ zwar kein Wort, Mann, aber bestimmt haben Sie recht.« Der Gangster lachte erneut. * Später lachte er nicht mehr, doch dazu bedurfte es noch einiger Zeit. Der Gangster blieb wachsam und räumte Parker nicht die Spur einer Chance ein, den Spieß umzudrehen. Gemeinsam erreichte man das Hotel, ging über die Einfahrt zum Parkplatz und blieb dann vor Parkers Wagen stehen. »Mann, was für eine Kiste«, mokierte sich der Mann, »warum verschrotten Sie die nicht?« »Aus einer gewissen Anhänglichkeit heraus«, antwortete der Butler, »vergessen Sie bitte nicht, daß Sie es mit einem alten, müden und relativ verbrauchten Mann zu tun haben, der nicht mehr umlernen möchte.« »Ihr Bier, Mann.« Der Gangster baute sich neben Parker auf. »Rücken Sie jetzt das richtige Päckchen raus.« »Es befindet sich unter dem Rücksitz«, schickte Parker voraus, »dazu wird man die Wagentür öffnen müssen.« »Mann, dann machen Sie’s endlich!« Die Stimme des Gangsters wurde scharf. Er wähnte sich bereits am Ziel. Parker sperrte umständlich die rechte hintere Wagentür auf und deutete auf das Sitzpolster. »Man müßte jetzt das Polster anheben.« »Rücken Sie mal durch«, erwiderte der Gangster, der mißtrau isch geworden war, »weiß der Henker, was Sie da unter dem Sitz haben. Ich traue Ihnen nicht über den Weg.« Parker rückte bis zur gegenüberliegenden Tür durch, bückte sich dann und befaßte sich mit dem Zugverschluß des Sitzpols ters. Er ließ sich Zeit und sorgte dafür, daß die spannungsvolle Neugier des Gangsters wuchs. Der Mann bedrohte den Butler mit der offen gezeigten Waffe, schob sich dann aber nahe an das Polster heran, um ebenfalls einen Blick unter den Sitz werfen zu können. Als der Gangster schließlich die Position eingenommen hatte, die Parker für richtig hielt, schob der Butler seinen Oberkörper ein wenig zurück und hakte den Zugverschluß aus. 23
Damit löste er eine Kettenreaktion aus. Das durchgehende Sitzpolster stand unter starker Federspan nung, die schlagartig entlastet wurde. Der Sitz explodierte förm lich, schoß blitzschnell und kraftvoll nach oben und traf mit seiner vorderen Kante zuerst mal die Brust des Gangsters. Dann jagte der Sitz weiter nach oben, versetzte dem Mann einen leichten Kinnhaken und brachte ihn so dazu, sich mit dem Rücken über die Lehne des Fahrersitzes zu hängen. Bevor der Gangster seine Waffe neu auf Parker richten konnte, schlug Josuah Parker mit der schwarzen Melone zu, die er nicht aus Gründen der Höflich keit gelüftet hatte. Die Außenwölbung seiner Kopfbedeckung, die innen mit Stahl blech gefüttert war, traf genau das Handgelenk des Mannes, der die Waffe losließ. Dazu stieß der Gangster ein ersticktes Brüllen aus, in dem Wut und Überraschung mitschwangen. Er warf sich wieder nach vorn und stieß dabei mit dem Kopf gegen das Wa gendach, das ihn zurückstauchte. Der Mann wurde um einen hal ben Kopf kleiner, verlor das Gleichgewicht und fiel rücklings aus dem Wagen. Auf dem nassen Asphalt absolvierte er eine Rolle rückwärts und setzte sich danach mitten in eine nicht gerade fla che Wasserlache, die beleidigt hochspritzte. Er war schneller auf den Beinen, als Parker angenommen hatte. Das Spritzwasser schien seine leichte Benommenheit abgekürzt zu haben. Der Mann schnellte hoch und rannte humpelnd davon. In wenigen Sekunden war er hinter anderen parkenden Wagen bereits verschwunden. Nebel und Regen taten ihr übriges, um den Gangster entkommen zu lassen. Josuah Parker nahm das Originalpäckchen an sich, verließ den Wagen, nachdem er den Sitz wieder in Ordnung gebracht hatte, und begab sich dann hinüber ins Hotel. Als er in der Halle er schien, war ihm noch nicht mal andeutungsweise anzusehen, daß er gerade ein gefährliches Abenteuer überstanden hatte. Mit dem Fahrstuhl fuhr er hinauf zur Suite seiner Herrin. Nach dem er in bestimmtem Rhythmus angeklopft hatte, öffnete sie ihm schwungvoll und strahlte ihn an. »Sie wissen noch nicht, was ich weiß«, schickte sie tempera mentvoll voraus und deutete auf das Fernsehgerät im Wohnraum, »die Polizei hat eine Großfahndung ausgeschrieben. Der gesamte Südwesten Englands wird durchkämmt. Man hat etruskischen Schmuck gestohlen und zwar aus einer Ausstellung in Bristol.« 24
»Diesen Schmuck, Mylady«, antwortete der Butler und zeigte das Päckchen, »es erhebt sich die Frage, ob man die zuständigen Behörden nicht verständigen soll und muß.« »Schnickschnack, Mr. Parker«, gab sie ungnädig zurück, »falls dieser Schmuck zurückgegeben wird, werden die Diebe sich nicht, mehr blicken lassen. Und ich will diese Gangster haben! Schließ lich wirft man einer Lady Simpson nicht ungestraft Päckchen an den Kopf.« * »Mylady werden mit Genugtuung vernehmen, daß es zu einigen Zwischenfällen kam«, meinte Parker und berichtete erstaunlich knapp von seinen Erlebnissen. Agatha Simpson hörte erfreut zu und blickte dann auf das Originalpäckchen, das Parker in die Suite mitgenommen hatte. »Sehen Sie jetzt ein, wie gut es doch wahr, das Päckchen aus tauschbar zu machen?« fragte sie. »Myladys Anregung hinsichtlich eines zweiten Päckchens kann in der Tat nicht hoch genug angesetzt werden«, meinte Parker, ohne auch nur eine Miene zu verziehen. Er kannte die Rechthabe rei seiner Herrin zu gut, um sich darüber auch nur andeutungs weise ärgern zu können. »Dieses Subjekt, das Sie mit dem Sitz ausgeknockt haben, Mr. Parker, wird zurückkommen«, meinte sie anschließend, »treffen Sie alle erforderlichen Vorbereitungen dazu. Ich werde den Lüm mel dann später verhören.« »Mylady dürften es mit zwei Interessengruppen zu tun haben«, schickte der Butler voraus, »auf der einen Seite sind da jene Per sonen, die vom Hubschrauber aus mit dem Päckchen bedient werden sollten, auf der anderen Seite hat man es mit jenem Mann zu tun, der das Opfer meines Wagens wurde.« »Und wo waren diese drei Subjekte draußen vor dem Gasthof?« erkundigte sich Lady Agatha. »Eine mehr als berechtigte Frage, Mylady, die noch der Klärung bedarf«, antwortete Josuah Parker, »man könnte natürlich un terstellen, daß das Ehepaar Hellwick beauftragt worden war, die ses Päckchen in Empfang zu nehmen.« »Wer ist das Ehepaar Hellwick?« wollte die ältere Dame prompt 25
wissen. Nein, Namen konnte sie sich wirklich nicht merken. »John und Mary Hellwick, das Gastwirt-Ehepaar an der Küste, das von Mylady aus dem Keller des Gasthofes befreit wurde.« »Ich weiß, ich weiß«, sagte sie ungnädig, »ohne mich wären die guten Leute früher oder später glatt erstickt.« »So könnte man durchaus sagen«, meinte Parker. »Und Sie halten dieses Ehepaar für verdächtig?« Sie sah Parker spöttisch an. »Jetzt übertreiben Sie wieder mal, Mr. Parker. Diese Leute waren und sind völlig ahnungslos.« »Meine bescheidene Wenigkeit redete nur von einer Möglichkeit, Mylady.« »Wie auch immer, Mr. Parker.« Sie winkte ab. »Wo lasse ich jetzt das Originalpäckchen? Habe ich mir dazu schon meine Ge danken gemacht?« »Mylady sind nach wie vor dagegen, die Polizei zu verständi gen?« »Das kommt überhaupt nicht in Betracht«, entschied sie und ließ die Augen blitzen. »Sie, wird dann melden, dieser altgriechi sche Schmuck sei wieder herbeigeschafft worden. Und dann wer den die Gangster wie vom Erdboden verschwinden.« »Vielleicht könnten Mylady sich dazu durchringen, Mr. McWar den zu informieren.« »Den Chief-Superintendent?« Sie produzierte einen verächtli chen Gesichtsausdruck. »Der gute McWarden hat doch eine be sonders glückliche Hand, alles zu komplizieren, Mr. Parker. Nein, ich allein werde diesen Fall durchziehen und natürlich auch lö sen.« »Wenn es gestattet ist, sollte man den Schmuck erst dann mal sicher unterbringen, Mylady.« »Hier in meiner Suite?« fragte sie. »Nicht unbedingt«, redete der Butler weiter, »aber er könnte durchaus im Hotel bleiben.« »Nun gut, Mr. Parker, ich setze mein Vertrauen in Sie«, gab die ältere Dame zurück, »schaffen Sie diesen Inka-Schmuck in ein sicheres Versteck.« »Den etruskischen Schmuck, Mylady«, korrigierte Parker höf lich. »Was macht das schon für einen Unterschied?« entgegnete sie wegwerfend, »Hauptsache dürfte doch sein, daß er alt ist, oder? Begleiten Sie mich in einer halben Stunde zum Dinner, ja? Ich 26
brauche unbedingt eine kleine Stärkung.« Parker warf einen kurzen, aber intensiven Blick auf einen Ser viertisch, der im Vorraum der Suite stand. Auf diesem Tisch sah man eine nicht gerade kleine Warmhalteplatte, benutztes Porzel langeschirr und leere Schalen und kleinere Schüsseln. Mylady schien bereits während seiner Abwesenheit eine große Kleinigkeit zu sich genommen zu haben. Parker ging auf diese Beobachtung jedoch nicht näher ein und empfahl sich, um den Schmuck in ein sicheres Versteck zu schaf fen. Er hatte in dieser Hinsicht bereits bestimmte Vorstellungen. Parker hatte die Tür noch nicht geöffnet, als das Telefon sich meldete. Lady Agatha hob ab und nannte ihren Namen. »Wer will mich sprechen?« fragte sie, »ein Mr. Hellwick? Kenne ich nicht. Oder doch, Mr. Parker?« »Der Gastwirt, Mylady«, erinnerte Parker und ging zurück in den großen Wohnraum. Lady Agatha reichte ihm desinteressiert den Hörer, und Parker übernahm. »Hier John Hellwick«, sagte der Gastwirt leise und eindringlich, »Sie wissen, ich bin der Gastwirt und…« »Man ist orientiert«, erwiderte Parker, »Sie haben eine Nach richt von Wichtigkeit, Mr. Hellwick?« »Hier treiben sich ein paar komische Leute herum«, antwortete der Gastwirt, »und da ist auch wieder der Hubschrauber gewesen und kurvte durch die Gegend. Was soll ich machen? Meine Frau und ich haben uns eingeschlossen, aber wir haben Angst, verste hen Sie?« »Vermeiden Sie jedes Risiko«, riet Josuah Parker. »Mylady und meine Wenigkeit werden Sie und Ihre Frau umgehend aufsuchen, doch diese Tatsache sollten Sie tunlichst verschweigen, falls man Sie in irgendeiner Form fragen sollte.« Parker legte auf und blickte seine Herrin höflich-abwartend an. Sie erhob sich. »Eine Lady Simpson kann Opfer bringen«, sagte sie mit tragi schem Ton in der Stimme, »kommen Sie, Mr. Parker, die Pflicht ruft mich wieder mal. Ich werde mich ihr nicht entziehen.« * »Selbstverständlich muß man mit einer Falle rechnen, Mylady«, 27
sagte Josuah Parker, als sie im Wagen saßen und den Parkplatz verließen, »Myladys entsprechender Hinweis kann man nur voll und ganz unterstreichen, wenn es erlaubt ist.« »Es ist erlaubt, Mr. Parker.« Sie nickte wohlwollend. »Und wer erwartet mich dort im Gasthaus an der Küste?« »Wahrscheinlich eine der beiden miteinander konkurrierenden Parteien«, sagte Josuah Parker, »Mylady wollen sich verständli cherweise nicht festlegen.« »Diese drei Subjekte aus dem Ford sind bestimmt zum Gasthof zurückgefahren, wie?« »Mit solch einer Möglichkeit ist durchaus zu rechnen, Mylady. Die drei Personen könnten das Ehepaar Hellwick unter Druck ge setzt haben, falls dieses Ehepaar nicht selbst zu den Gangstern gehört.« »Wie kommen Sie denn darauf, Mr. Parker?« wunderte sich La dy Agatha. »Das ist ja ein völlig neuer Aspekt.« »Darf man noch mal an jene Szene erinnern, Mylady, als das bewußte Päckchen aus dem Hubschrauber geworfen wurde?« »Um ein Haar wäre ich getroffen worden«, stellte sie fest. »Die Sichtverhältnisse für den Piloten dieses Hubschraubers wa ren erklärtermaßen mehr als beschränkt«, redete Josuah Parker weiter, »er sah unter sich eine Frau und einen Mann, deren Ge sichter von einem Regenschirm verdeckt wurden.« »Ich verstehe, Mr. Parker, ich verstehe.« Sie ließ sich zurück sinken und nickte versonnen. »Der Pilot dieses Hubschraubers könnte mich und Sie mit dem Ehepaar aus der Gastwirtschaft verwechselt haben, nicht wahr?« »Eine Vermutung, Mylady, die man nur als naheliegend be zeichnen kann.« »Daran habe auch ich schon gedacht, wie Sie sich ja wohl vor stellen können, Mr. Parker. Und was ist nun mit den Personen aus dem Ford?« »Sie könnten erschienen sein, um das Päckchen von dem Gast wirt-Ehepaar zu übernehmen. Aus Gründen jedoch, die man noch nicht kennt, kam es dann zu dem Durcheinander, das Mylady nutzen konnte.« »Wo haben Sie das Päckchen eigentlich versteckt?« wollte sie wissen. Am eigentlichen Thema war sie nicht mehr interessiert. Sie wollte sich nicht unnötig belasten. »Der Goldschmuck befindet sich auf dem Kabinendach des 28
Fahrstuhls«, erwiderte Parker, »er könnte dort selbst kaum per Zufall entdeckt werden.« »Nun gut«, meinte sie, »ich kann nur hoffen, daß Sie damit richtig liegen, Mr. Parker. Sie wissen hoffentlich, daß Sie dazu neigen, Ihre Gegner zu unterschätzen.« »Meine Wenigkeit wird sich bemühen, diesen Fehler im Lauf der Zeit zu eliminieren«, gab Parker höflich wie stets zurück. Selbst die abenteuerlichsten Behauptungen seiner Herrin vermochten es nicht, ihn auch nur andeutungsweise aus der Fassung zu bringen. »Wie sieht es hinter mir auf der Straße aus?« wollte die ältere Dame neugierig wissen. »Mylady hoffen auf eine Verfolgung?« »Natürlich«, gab sie zurück, »da ist doch dieses Subjekt, von dem Sie überrascht wurden.« »Im Augenblick, Mylady, ist von einem Verfolger nichts zu ent decken«, antwortete der Butler, »die Dinge dürften sich momen tan im Schwebezustand befinden, wenn man so sagen darf.« »Natürlich werde ich schon wieder verfolgt«, gab sie grollend zurück, »es ist nur so, daß Sie nichts bemerken, Mr. Parker.« »Wie Mylady zu meinen belieben.« Parkers Stimme klang höf lich. * »Natürlich haben Sie sich verfahren, Mr. Parker«, behauptete Agatha Simpson eine halbe Stunde später, »wir hätten selbstver ständlich nach rechts abbiegen müssen.« Sie blickte mißmutig gereizt aus dem Wagen und sah nichts weiter als Regen- und Nebelschleier, die die Dunkelheit noch un durchdringlicher machten. Josuah Parker hatte die Landstraße, die zum Gasthof führte, längst verlassen. Er wollte sich diesem einsamen Haus ungesehen nähern und hatte sich anhand einer Autokarte entsprechend informiert. »Meiner bescheidenen Ansicht nach müßte man sich bald einer weiteren Abzweigung nähern«, meinte Josuah Parker, »dort könnte man dann den Wagen verlassen und den Rest des Weges zu Fuß zurücklegen.« »Wie war das? Zu Fuß, Mr. Parker?« Empörung war in ihrer Stimme. 29
»Auf diese Art haben Mylady die Möglichkeit, eventuell warten de Gangster zu überraschen.« »Und wie lange wird dieser Fußmarsch dauern?« erkundigte sie sich mißtrauisch, »Sie wissen, daß ich auf mein Dinner verzichten mußte. Ich fühle mich etwas geschwächt.« »Mylady können selbstverständlich auch im Wagen der Dinge harren, die mit Sicherheit geschehen werden.« »Ausgeschlossen, Mr. Parker. Das kann ich Ihnen nicht antun. Ohne meine Erfahrung wären Sie doch glatt verloren. Ich sagte ja bereits, daß ich jedes Opfer bringen werde, um diesen Fall zu lösen.« »Die nächste Abzweigung, Mylady.« Parker schaltete die Nebel scheinwerfer aus und steuerte sein hochbeiniges Monstrum unter einen Baum. Hier löschte er die Wagenlichter und öffnete danach die hintere Wagentür. Er hatte bereits seinen UniversalRegenschirm geöffnet und nahm seine Herrin in Empfang, als sie ein wenig schnaufend aus dem Wagen stieg. »Es handelt sich nur noch um etwa zehn Minuten, vorsichtig ge schätzt«, sagte Parker. »Sie hätten auf mich hören sollen, Mr. Parker«, räsonierte sie, »ich hätte eine andere Taktik eingeschlagen, nämlich bis dicht vor den Gasthof zu fahren und dann zu stürmen.« »Darauf könnten die Gangster nur gewartet haben, Mylady.« »Ich wäre eben schneller gewesen«, behauptete sie, »aber nein, Sie mußten ihren Kopf natürlich wieder mal durchsetzen. Ich möchte nur wissen, warum ich mir das alles bieten lasse.« Parker schwieg und dirigierte die passionierte Detektivin über einen fast überschwemmten, schmalen Fußweg durch die Dunkel heit. Schon nach wenigen Minuten roch er deutlich Kaminrauch, der vom Regen auf den Boden gedrückt wurde. Weit bis zum Gasthof konnte es seiner Ansicht nach nicht mehr sein. Lady Agatha stampfte mit der Grazie eines leicht gereizten Nas horns durch die Pfützen und ließ das Wasser aufspritzen. Sie hat te sich mit den Gegebenheiten inzwischen abgefunden und freute sich darauf, schon bald ihre Aggressionen loswerden zu können. Der perlenbestickte Pompadour am linken Handgelenk hatte sich mit Wasser vollgesogen und wirkte noch massiver als sonst. In diesem fast zierlich zu nennenden Handbeutel, wie ihn die Damen um die Jahrhundertwende zu tragen pflegten, befanden sich der sogenannte Glücksbringer der Agatha Simpson, nämlich ein ech 30
tes Pferdehufeisen. Wenn Lady Agatha damit zuschlug, hatten die Getroffenen bisher stets den festen Eindruck, von einem unsicht baren Pferd getreten worden zu sein. »Der Gasthof, Mylady«, sagte Parker leise und deutete auf die schwarzen Umrisse des Hauses, dem man sich von der Rückseite genähert hatte. Licht war nicht auszumachen. »Von wegen Falle, Mr. Parker«, räsonierte Agatha Simpson, »das Haus ist verlassen worden. Man wollte wohl nur, daß ich mir einen Schnupfen hole.« »Man dürfte auf der Vorderseite auf Mylady warten«, antwortete der Butler, »falls es gestattet ist, wird meine Wenigkeit einen Blick auf den Vorplatz werfen.« »Und wir kommen gleich mit«, war in diesem Moment eine iro nische Stimme zu vernehmen. Taschenlampen flammten auf und strahlten Mylady und den Butler an. Die ältere Dame kniff unwill kürlich die Augen zu und rührte sich nicht. Auch Parker war geblendet. Er mußte zugeben, daß er auf die falsche Karte gesetzt hatte. Man hatte mit seiner Taktik gerech net und ihn und Mylady genau dort erwartet, wo er sich halbwegs sicher geglaubt hatte. »Los, Mann, nehmen Sie schon die Flossen hoch«, redete die Stimme weiter, »Sie brauchen verdammt viel Glück, wenn Sie überleben wollen.« »Sie erlauben, daß man Ihnen ein Kompliment macht?« erkun digte sich der Butler gemessen und höflich. »Man wird selbstver ständlich die Waffen strecken und sie Ihnen ausliefern.« »Ach nee, wie großzügig«, höhnte die Stimme hinter einer der Taschenlampen, »uns kommen die Tränen.« Parker war klar, daß man von den drei Insassen des dunkelgrü nen Ford überrascht worden war. Im Augenblick standen die Zei chen schlecht, was Mylady und ihn anbetraf. * Die junge Frau, die auch jetzt einen dunklen Regenmantel trug, hatte ein scharf geschnittenes Gesicht mit tiefen Hungerfalten, die sich von den Nasenflügeln bis zu den Mundwinkeln zogen. Sie schien das Wort zu haben, was ihre beiden Begleiter betraf. Sie waren identisch mit jenen, die aus dem Ford stammten und ver 31
sucht hatten, Mylady und Parker auf der regennassen Landstraße zu stellen. Auch jetzt trugen sie Maschinenpistolen. Lady Agatha hatte sich in einer tragisch-erschöpften Geste auf einem Küchenstuhl niedergelassen und musterte die drei Gangs ter. Die beiden Männer – sie waren vielleicht dreißig und damit ein paar Jahre älter als die junge Frau – hielten den Butler und die Detektivin in Schach. »Verlieren wir keine Zeit«, sagte die junge Frau in Richtung Parker, »Sie wissen genau, was wir zurückhaben wollen. Wo ist das Päckchen?« »Erlauben Sie möglicherweise eine Frage?« erkundigte sich der Butler. »Aber machen Sie schnell.« Sie nickte. »Darf man sich nach dem Allgemeinbefinden des Ehepaares Hellwick erkundigen?« »Was geht Sie das an?« gab sie ärgerlich zurück. »Mylady würden nur zu gern in Erfahrung bringen, ob man ein wenig leichtsinnig in eine wohl vorbereitete Falle lief.« »Denken Sie doch, was Sie wollen«, fauchte die junge Frau un geduldig, »wo ist das Päckchen mit dem Goldschmuck?« »Keineswegs im Hotel«, sagte Josuah Parker. »Sondern? Wenn Sie nicht ganz schnell antworten, lasse ich Sie zusammenschlagen, ist das klar?« »Sie sind von einer bemerkenswerten Rohheit, was diese An kündigung allein angeht. Aber man wird sich dem Zwang beugen, wie ich versichern darf. Sie finden das Päckchen im Kofferraum meines Wagens.« »Das ist doch ein Trick.« Sie schüttelte den Kopf. »Dies werden Sie erst beweisen müssen, wenn ich so sagen darf.« »Und wo steht der Wagen?« »Auf dem Feldweg, den Sie einkalkulierten, was Myladys Kom men betraf.« »Okay, wir werden ja sehen. Aber gnade Ihnen Gott, wenn Sie mich belogen haben sollten…« Sie wandte sich an die beiden Be gleiter und nickte einem von ihnen zu. »Darf man an die Wagenschlüssel erinnern?« machte der Butler sich bemerkbar. »Geben Sie ihn schon endlich, aber keine falsche Bewegung. Ich 32
traue Ihnen nicht über den Weg.« »Sie scheinen meiner Wenigkeit gram zu sein.« »Sie haben uns den ganzen Wagen mit Ihrem verdammten Waschpulver ruiniert«, beschwerte sie sich, »aber noch mal fallen wir auf Ihre Tricks nicht herein.« »Falls Sie erlauben, wird man Ihnen jetzt die diversen Wagen schlüssel geben.« Als sie nickte, langte Parker vorsichtig in die linke Tasche seines schwarzen Covercoats und holte die Wagen schlüssel hervor. Dann deutete er auf einen kleinen Schlüssel. »Für den Kofferraum«, erklärte er, »das Schloß klemmt ein we nig, wenn man darauf verweisen darf.« »Nun mach’ schon und beeil’ dich«, fuhr die junge Frau ihren Begleiter an. Er nahm vorsichtig den Schlüssel in Empfang und war wenige Augenblicke später nach draußen verschwunden. Parker hatte keine Bedenken, auf sein hochbeiniges Monstrum zu verweisen. Nicht umsonst hatte er eine Vielzahl von raffinier ten und peinlichen Überraschungen für Nichteingeweihte einbau en lassen. »Sie haben die Absicht, den etruskischen Schmuck außer Lan des zu schaffen?« stellte er seine Frage. »Treffer«, erwiderte die junge Frau ironisch, »genau das haben wir vor.« »Meine Wenigkeit möchte keineswegs unnötig kritisieren«, schickte Josuah Parker voraus, »aber wählten Sie dazu nicht ein recht umständliches Verfahren, wenn man so sagen darf?« »Umständliches Verfahren?« Die junge Frau sah den Butler er staunt an und runzelte die Stirn. »Der etruskische Schmuck wurde in Bristol gestohlen«, faßte der Butler zusammen, »danach wurde er in einem Hubschrauber hierher an die Küste geschafft, abgeworfen und für eine Seereise vorbereitet. Konnte der Hubschrauber-Pilot das bewußte Päck chen nicht gleich zum Boot schaffen?« »Sie machen sich viele Gedanken«, stellte die junge Frau fest. »Zumal es wenigstens eine Person gibt, die ebenfalls an einer Inbesitznahme des Schmucks interessiert ist«, entgegnete Josuah Parker, »eine Person, die in allerjüngster Vergangenheit recht aktiv war.« »Zerbrechen Sie sich nicht meinen Kopf«, sagte die junge Frau, »Sie haben eine Menge Fragen gestellt. Jetzt bin aber ich mal an der Reihe. Wer ist die Lady? Und warum haben Sie und die Lady 33
diesen Schmuck nicht gleich der Polizei übergeben? Gelegenheit dazu hatten Sie doch, oder?« »Sie müssen noch viel lernen, Kindchen«, schaltete Lady Agatha sich nun ein, »der Finderlohn wird von Tag zu Tag steigen. Und eine fast mittellose Frau wie ich braucht jeden Penny. Das Leben ist nicht gerade billig.« »Mal unter uns«, sagte die junge Frau spöttisch, »sind Sie wirk lich eine Lady? Und ist das tatsächlich ein Butler? Ich traue Ihnen nicht über den Weg.« »Halten Sie mich etwa für eine Gaunerin?« fragte Lady Agatha amüsiert. »Wieso und warum haben Sie sich ausgerechnet zu der Zeit hier herumgetrieben, als der Hubschrauber ankam?« »Es handelte sich um einen klassischen Zufall«, warf Josuah Parker ein. »Ihr könnt mir viel erzählen«, entgegnete die junge Frau, »so was kann kein Zufall gewesen sein, aber darüber werden wir uns noch unterhalten. Ich glaube nämlich, daß Capson euch geschickt hat.« Bevor Parker auf diesen Namen eingehen konnte, wurde die Tür aufgedrückt. Der Mann, der den Schmuck hatte holen sollen, taumelte in den Raum, starrte die Anwesenden aus großen Augen an und… rutschte dann haltlos in sich zusammen. Parker wußte sofort, daß seine Wagensicherung funktioniert hatte, doch er ließ sich natürlich nichts anmerken. Die junge Frau lief auf ihren Partner zu, der sie wie ein verwundetes Tier anstarr te. Der Mann wollte etwas sagen, doch er schaffte es nicht mehr. Seine Lippen bewegten sich zwar noch, doch sie waren außersta de, auch nur ein einziges Wort zu formen. »Meine Wenigkeit möchten sich keineswegs einschalten«, schickte Josuah Parker voraus, »aber wenn Sie erlauben, möchte ich meine Fähigkeiten in Sachen Erster Hilfe anbieten.« »Was hat er?« Die junge Frau wandte sich an Parker. Sie mach te einen ratlosen Eindruck. »Möglicherweise eine Herzattacke«, antwortete der Butler. »Sie sollten keineswegs den Streß übersehen, in dem Sie sich alle be finden.« »Eine Herzattacke?« fragte der andere Mann ungläubig. »Sitzt doch nicht drin. Der ist doch stark wie ein Bulle.« »Der äußere Anschein kann trügen«, meinte Josuah Parker, ü 34
bersah souverän die Maschinenpistole und schritt hinüber zu dem Mann, der neben dem Stuhl auf dem Boden saß, »erfreulicherwei se verfügt meine Wenigkeit über ein Herzmittel auf der Basis des Nitroglyzerins. Mit einer umgehenden Änderung der allgemeinen Situation ist fest zu rechnen.« Während Parker diese Ankündigung machte, hatte er bereits aus einer Westentasche eine kleine Spraydose geholt. * Josuah Parker hatte nicht zuviel versprochen. Die allgemeine Situation änderte sich schlagartig. Er beugte sich über den völlig abgeschlafften Mann und wartete, bis der Kopf der jungen Frau neben ihm erschien. Natürlicherweise wollte sie wis sen, was Parker beabsichtigte. Und der Butler sprühte… Dabei richtete er die feine Düse kaum merkbar auf das Gesicht der Frau, drückte auf den Sprühknopf und verabreichte ihr eine gehörige Dosis. Die Getroffene zuckte zurück, wollte etwas sagen und öffnete den Mund, brachte jedoch kein Wort mehr hervor. »Ich brauche Ihre Hilfe!« meinte Parker zu dem Mann, der die Maschinenpistole trug und Mylady unter Sichtkontrolle hielt, »schnell, wenn man bitten darf, sonst tritt eine längere Atempau se ein.« Der Mann ließ sich düpieren. Er wandte sich von Mylady ab und kam auf Parker zu, doch er war mißtrauisch. Er sah schließlich, daß nun auch seine Begleite rin haltlos in sich zusammenrutschte und gegen Parker fiel. Der Träger der Maschinenwaffe wollte etwas sagen, wie deutlich zu erkennen war, doch Mylady ließ ihm dazu keine Gelegenheit. Sie langte gekonnt und ungemein herzhaft mit ihrem perlenbe stickten Pompadour zu. Der sogenannte Glücksbringer darin legte sich auf den Hinterkopf des Mißtrauischen, der daraufhin eine Rolle vorwärts absolvierte und sich anschließend unter dem Tisch ausbreitete. Seine Maschinenpistole legte er dabei aus den Hän den. »Man darf eine Lady Simpson nicht ungestraft bedrohen«, sagte die Detektivin und nickte nachdrücklich und zufrieden, »ich den ke, Mr. Parker, ich werde sicherheitshalber noch mal zuschlagen.« 35
»Eine Maßnahme, Mylady, die sich mit Sicherheit erübrigt«, meinte der Butler, »für die kommende halbe Stunde dürfte der Kriminelle nicht mehr ansprechbar sein.« »Nun gut«, sagte sie, »es wird mir nicht zu unrecht nachgesagt, daß ich ein gutmütiger Mensch bin.« Parker ging auf dieses Thema nicht näher ein, zog den Mann unter dem Tisch hervor und legte ihn neben der jungen Frau ab, die bereits fest eingeschlafen war. Sie produzierte leichte Schnarchtöne wie der Gangster, der zu Parkers Wagen gegangen war. »Ich denke, ich brauche jetzt eine kleine Erfrischung, um mei nen Kreislauf zu stabilisieren«, sagte die resolute Dame und lang te nach der Maschinenpistole, was Josuah Parker mit einigem Unbehagen zur Kenntnis nahm. Er kannte ihre einmalige Ge schicklichkeit in Sachen Technik. Mit einer Geschoßgarbe war frü her oder später fest zu rechnen. Parker griff in eine der Innentaschen seines schwarzen Cover coats und holte eine lederumhüllte Taschenflasche hervor, deren ovaler Verschluß er als Becher benutzte. Dann füllte er Mylady einen mehr als doppelten Kognak ab, reichte ihr den Silberbecher und wartete, bis sie sich erfrischt hatte. »Wie war das mit diesem Lümmel dort?« fragte Lady Agatha und deutete auf den Gangster, der so leichtsinnig war, sich mit Parkers Wagen anzulegen. »Beim Einstecken des Schlüssels zum Kofferraum, Mylady, hat er es natürlich versäumt, die Sicherung zu entsperren«, erwiderte Josuah Parker, »als er dann den Kofferraum öffnete, wurde er intensiv besprüht und außer Gefecht gesetzt.« »Eine hübsche Spielerei«, erwiderte die ältere Dame und nickte wohlwollend, »aber sie bringen mich im Moment nicht weiter. Wie soll ich die drei Subjekte jetzt verhören?« »In etwa zehn Minuten dürften die beiden vom Spray getroffe nen Personen wieder Rede und Antwort stehen können.« »Bis dahin werde ich nach dem Ehepaar suchen«, entschied La dy Agatha munter, »mein Kreislauf ist wieder in Ordnung, Mr. Parker, ich brauche höchstens noch einen kleinen Kognak, aber nehmen Sie die Mengenangabe nicht zu wörtlich.« Sie ließ sich einen zweiten doppelten Kognak reichen, nahm dann die Maschinenpistole in den Hüftanschlag und machte sich auf den Weg, das Haus gründlich zu durchsuchen. Parker blieb 36
mit einem unguten Gefühl in der Magengegend zurück. Er kannte das ungestüme Temperament seiner Herrin nur zu genau. * Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis das ungestüme Tempe rament sich meldete. Dies geschah in Form eines Feuerstoßes, der aus der Tiefe des Gasthofes kam. Lady Agatha schien angegriffen worden zu sein und wehrte sich mit der Maschinenpistole. Josuah Parker sah sich veranlaßt, den Gastraum zu verlassen, um Mylady beizustehen. Er betrat einen Korridor hinter dem Gastraum und hörte unmit telbar darauf einen zweiten Feuerstoß aus der Maschinenwaffe. Kurz danach waren Myladys Schritte zu vernehmen. Die ältere Dame stürmte ihm entgegen und riß die Waffe hoch, als sie den Butler ausmachte. »Sie sollten vielleicht nicht unbedingt schießen«, bat Josuah Parker, »wurde Mylady angegriffen?« »Das kann man wohl sagen«, gab sie schnaufend zurück, »im mer dann, Mr. Parker, wenn man Sie braucht, sind Sie natürlich nicht da.« »Sie sehen meine Wenigkeit untröstlich«, behauptete Parker. »Ich sah eine Gestalt auf der Rückseite des Hauses«, redete sie weiter, »sie stand neben dem kleinen Pavillon im Garten und wollte auf mich schießen.« »Konnten Mylady diese Gestalt identifizieren?« »Wie denn? Ich habe schließlich keine Röntgenaugen«, gab sie unwirsch zurück, »aber ich habe sie vertrieben.« Der Butler wußte wirklich nicht, was er von Myladys Aussage halten sollte. Hatte sie tatsächlich etwas gesehen? Oder aber hat te Agatha Simpson wieder mal ihre einmaligen technischen Fä higkeiten unter Beweis gestellt und an der Maschinenwaffe nur herumgespielt? Beides war möglich. »Mylady wurden daran gehindert, nach dem Ehepaar John und Mary Hellwick zu suchen?« Parker wechselte das Thema. »Auch eine Lady Simpson kann nicht überall sein«, gab sie zu rück, »aber ich werde sofort weitersuchen. Was machen die Sub jekte, die ich zurückgelassen habe?« »Meine Wenigkeit wird sich sofort wieder um sie kümmern«, 37
gab Josuah Parker zurück, »ob man vielleicht einen Blick in den Pavillon werfen sollte, Mylady?« »Das werde ich übernehmen«, entgegnete sie energisch, »viel leicht finde ich dort zwei Leichen. Man muß mit allem rechnen.« Parker deutete eine knappe Verbeugung an und ging zurück in den Gastraum. Die junge Frau mit dem scharfen Gesicht rührte sich, als Parker neben ihr erschien, die beiden Männer hingegen zeigten noch keine Reaktion. Die junge Frau, die nicht bemerkte, daß Parker neben ihr stand, fuhr sich mit der linken Hand übers Gesicht, hüstelte leicht und… griff dann mit fahriger, unkontrol lierter Geste nach ihrer Bluse. Parker war ungemein höflich und spielte mit dem Gedanken, den Blick abzuwenden, als sie sich die Bluse aufknöpfte und nach ihrem Büstenhalter griff. Aus Gründen der Vorsicht aber verzich tete der Butler auf diese ehrliche Geste der Diskretion und wurde dafür belohnt. Die junge Frau holte einen winzig wirkenden Brow ning hervor, den sie entsichern wollte. »Wenn Sie erlauben, Madam«, ließ Parker sich vernehmen und nahm ihr die Schußwaffe höflich aus der Hand. »Sie ahnen wahrscheinlich nicht mal, wie lebensbedrohend selbst diese kleinen Waffen sein können.« Sie fauchte wütend und wollte aufspringen, schaffte es jedoch nicht. Sie ließ sich wieder zurücksinken und atmete tief durch. »Sie… haben… mich ‘reingelegt«, sagte sie schließlich mit Gra besstimme. »Sie sollten dies nicht sonderlich tragisch nehmen«, antwortete Josuah Parker. »Dafür mach’ ich Sie noch fertig«, drohte sie, um dann wieder erneut zu hüsteln. »Wie sie zu belieben meinen, Madam«, gab Parker zurück, »Sie glauben demnach noch an eine Zukunft, was Ihre Person be trifft?« »An eine Zukunft? Wie meinen Sie das?« Sie sah ihn erstaunt an. »Das Gericht, vor dem Sie stehen werden, wird Sie nicht gerade wohlwollend behandeln«, meinte der Butler, »meiner bescheide nen Ansicht nach sind Sie der Kopf dieser kleinen Bande von Kri minellen, die die etruskischen Kunstgegenstände gestohlen ha ben.« »Sie wollen mich der Polizei ausliefern? Wollen Sie das wirk 38
lich?« Sie bemühte sich intensiv darum, ihn kokett anzusehen. »In der Tat«, erwiderte Josuah Parker. »Dann werden Sie die Kunstgegenstände nie wiederse…« Sie unterbrach sich und biß sich auf die Lippen. Ihr war wohl gerade eingefallen, daß sie diese Kunstgegenstände nicht mehr besaß. »Man könnte sich aber auch vielleicht arrangieren«, redete Par ker gemessen weiter, »ein Butler meiner Provenienz ist mit Glücksgütern dieser Erde nicht gerade gesegnet, um es mal so auszudrücken.« »Worauf wollen Sie hinaus?« Ihr Blick wurde scharf und nach denklich zugleich. »Sie haben offensichtlich einen Auftraggeber, für den Sie diese etruskischen Kunstgegenstände stahlen«, schickte Parker voraus, »falls Sie sich dazu durchringen könnten, meine Wenigkeit mit diesem Interessenten zusammenzubringen, könnte und sollte man über wechselseitige Gewinnbeteiligung sprechen.« »Sie wollen mich doch nur ‘reinlegen. Ich traue Ihnen nicht über den Weg. Sie haben ganz schöne Tricks auf Lager.« »Meine Wenigkeit wird Sie entkommen lassen, zumal Lady Simpson momentan noch beschäftigt ist.« »Mich und meine Freunde?« wollte sie wissen. »Sie und Ihre Freunde«, bestätigte Parker. »Das nehme ich Ihnen nicht ab.« Sie schüttelte den Kopf. »Sie sollten es wenigstens auf einen Versuch ankommen las sen.« »Wieviel Prozent springen für mich und meine Freunde dabei ‘raus?« »Man könnte sich auf dreißig Prozent einigen.« »Fünfzig«, verlangte sie, »fünfzig, oder es läuft gar nichts.« »Meine Wenigkeit ist einverstanden.« Parker nickte andeu tungsweise und reichte ihr den Browning zurück. Sie griff zögernd nach der Waffe und biß sich nachdenklich auf die Lippen. Dann richtete sie den Lauf auf Parker. »Meine Wenigkeit kann sich kaum vorstellen, daß Sie wirklich schießen werden«, sagte Parker höflich. »Wenn ich Sie ausgeschaltet habe, kann ich mit dieser komi schen Lady umspringen, wie ich will.« »Sie sollten Mylady auf keinen Fall unterschätzen«, warnte Jo suah Parker. »Ich werde nicht schießen.« Sie ließ den Browning sinken. 39
»Wahrscheinlich haben Sie längst das Magazin entfernt.« Während sie noch redete, vergewisserte sie sich, lächelte dünn und nickte. »Eine verständliche Vorsichtsmaßnahme, die Sie freundlicher weise entschuldigen sollten«, meinte Josuah Parker, »aber jetzt sollten Sie wirklich daran denken, zusammen mit Ihren beiden Freunden das sogenannte Weite zu suchen, Mylady kann bald zurückkommen.« Sie blickte auf die beiden Männer, die sich bereits rührten und unartikulierte Laute von sich gaben. »Sie erreichen meine Wenigkeit im >Schwarzen Schwan< in Port Talbot«, redete Parker weiter, »sollte ein anderes Hotel auf gesucht werden, wird eine entsprechende Nachricht sie aufmerk sam machen. Darf man noch eine Frage stellen?« »Sie sind der Boß«, gab sie schief lächelnd zurück. »Wer, bitte, ist Mr. Capson, den zu erwähnen Sie die Freund lichkeit hatten? Ist es Ihr Konkurrent? Ein Mann mit schmaler Nase und schlechtem Gebiß?« »Buddy Capson«, bestätigte sie und nickte, »eine Klapper schlange ist harmlos gegen ihn.« »Er weiß, daß Sie den etruskischen Schmuck gestohlen haben?« »Ich denke schon«, sagte sie, »früher waren wir mal zusam men, aber dann wollte er uns austricksen. Wir sind längst ge schiedene Leute.« Bevor Parker eine weitere Frage stellen konnte, meldete sich Agatha Simpson. Sie besorgte das auf sehr nachdrückliche Art. Sie feuerte nämlich eine Geschoßgarbe ab und ließ einige Fens terscheiben splittern. * »Mylady geruhten zu schießen?« fragte Parker, als er seine Her rin im Obergeschoß des Hauses entdeckte. »Da war wieder diese Gestalt«, antwortete sie, »ich sah sie durch das Fenster hier.« Sie deutete auf das Fenster eines Schlafraumes, das völlig zer trümmert war. Parker begab sich hinüber und warf einen Blick nach draußen. Er schaute in den Garten und konnte die Umrisse des Pavillons ausmachen, die von einer Außenlampe dem Dunkeln 40
entzogen wurden. »Ich sah dieses Subjekt drüben am Pavillon«, meinte die Detek tivin, »ihn scheint dort etwas magisch anzuziehen.« »Ein Eindruck, Mylady, dem man sich nicht verschließen sollte«, erwiderte Josuah Parker in seiner höflichen Art, »vielleicht sollte man doch einen prüfenden Blick in den Pavillon werfen, zumal das Ehepaar Hellwick bisher nicht zu finden war.« »Das sage ich doch die ganze Zeit«, erklärte Agatha Simpson, »natürlich hat man dieses Ehepaar dort versteckt, nachdem man es umgebracht hat. Für mich liegt das klar auf der Hand.« Sie setzte sich bereits in Bewegung und schritt energisch zur Zimmertür. Parker, der folgte, blieb plötzlich stehen. »Was haben Sie denn?« fragte sie. »Falls meine Wenigkeit nicht das Opfer einer Sinnestäuschung wurde, Mylady, war gerade eine Art Stöhnen und Stampfen zu vernehmen.« »Unsinn, Mr. Parker, Sie bilden sich wieder mal etwas ein.« »Vielleicht sollte man der Ursache der seltsamen Geräusche auf den Grund gehen, Mylady.« »Und woher kamen die Geräusche, die Sie gehört haben wol len?« Sie blickte den Butler zweifelnd-ironisch an. Parker übersah den Blick und hielt auf eine schmale Tür zu, die neben der hinte ren Hälfte des Doppelbettes zu sehen war. Er öffnete die schmale Tür und… nahm dann höflich die schwarze Melone ab. »Man wünscht einen erträglichen Abend«, grüßte Parker in den kleinen Raum, der als Schrank diente, »Mylady war so freundlich, Ihre Lebensäußerungen zur Kenntnis zu nehmen.« »Was ist denn da los?« wollte die ältere Dame von der Tür her wissen. »Das Ehepaar Hellwick«, erläuterte der Butler und schaltete das Licht in dem kleinen Schrankraum ein, »man hat es erneut gefes selt und geknebelt.« »Keine Leichen?« wunderte sich Lady Agatha leicht gereizt. »Diese Frage kann erfreulicherweise verneint werden, Mylady.« Josuah Parker machte sich daran, John und Mary Hellwick zu be freien. Er nahm sich dabei viel Zeit, um den drei Kriminellen un ten im Gastraum auf diese Weise Gelegenheit zu geben, das Haus zu verlassen. »Langsam dreh’ ich durch«, schnaufte John Hellwick, als er end lich wieder frei war. Er reckte und dehnte seine Gliedmaßen, 41
»dieser Kerl war schon wieder da.« »Sie sprechen von einer bestimmten Person?« fragte der Butler, als er Mary Hellwick losband. »Dieser Kerl«, bestätigte der Gastwirt, »dieses Miststück mit dem schiefen Mund und der schmalen Nase.« »Wann wurden Sie überrascht?« schaltete Lady Agatha sich ein. »Nachdem ich Sie angerufen hatte«, erwiderte John Hellwick, »meine Frau und ich hatten…« »Das werde ich erzählen, John«, sagte Mary Hellwick und maß ihren Mann mit eisigem Blick, »wie ein Held hast du dich nicht gerade benommen. Also, das war so, Lady: John und ich hatten draußen vor dem Haus ein paar Gestalten ausgemacht. Dann rief John Sie an, aber das wissen Sie ja, nicht wahr? Gut, als wir wie der Ruhe hatten, erschien plötzlich dieser Mr. Schiefmaul und bedrohte uns mit der Waffe.« »Was hätte ich denn dagegen machen sollen?« verteidigte sich John Hellwick. »Nach Lage der Dinge dürften Sie sich völlig richtig verhalten haben«, beantwortete Parker die an ihn gestellte Frage, »Schuß waffen sind Argumente, die leider immer wieder völlig überzeu gen.« »Ich möchte bloß mal wissen, was man von uns will«, sagte Ma ry Hellwick nachdenklich, »reich sind wir doch wirklich nicht. Hier draußen kommt man als Gastwirt gerade über die Runden.« »Sie schmuggeln nicht von Zeit zu Zeit?« erkundigte sich der Butler. »Schmu… Schmuggeln?« fragte Mary Hellwick stotternd und schluckte. »Man könnte es sich vorstellen«, redete Parker weiter, »es gibt hier schließlich eine Vielzahl kleiner, verschwiegener Buchten, die relativ leicht anzulaufen sind.« »Wir schmuggeln nicht«, erwiderte Mary Hellwick mehr als nachdrücklich. »Aber Ihr Pavillon im Garten dürfte für gewisse Leute von Inte resse sein, wie Mylady bereits mehrfach bemerkten.« »Pavillon im Garten?« Jetzt schluckte John Hellwick. »Wie kommen Sie denn auf den?« »Er scheint das Ziel einiger nächtlicher Gestalten zu sein. Haben Sie dort etwas versteckt, um gezielt zu fragen?« »Nicht die Bohne«, sagte John Hellwick und wich Parkers Blick 42
aus, »was sollten wir denn dort versteckt haben?« »Man könnte ja mal nachsehen«, schlug Agatha Simpson ani miert vor. »Da werden Sie nichts finden, rein gar nichts«, behauptete Mary Hellwick hastig, »diesen Weg können Sie sich sparen.« »Ich werde mir ein wenig die Füße vertreten, meine Liebe«, er klärte die Lady mit Genuß, »und Sie werden mich dabei beglei ten.« »Ich denke nicht daran«, erwiderte Mary Hellwick mit schriller Stimme. »Sie haben also etwas zu verbergen, wie?« Die Detektivin ge noß die aggressive Verlegenheit der Gastwirtin. »Überhaupt nicht, damit das mal klar ist. Hätten wir Sie doch nie gerufen! Das hat man nun davon, es wird einem noch nicht mal geglaubt.« »Sie werden gleich Farbe bekennen müssen, meine Liebe«, freute sich Lady Agatha im vorhinein. »Also schön«, meinte John Hellwick plötzlich wütend, »im Pavil lon sind ein paar Kisten Whisky, die wir geschmuggelt haben. Ist das ein Verbrechen? Wir wollen doch schließlich auch leben. Sind Sie jetzt zufrieden, Lady?« »Erst dann, wenn ich diese Kisten gesehen habe, junger Mann«, lautete Myladys Antwort, »kommen Sie, Mr. Parker, ich wußte ja gleich, daß der Pavillon ein Geheimnis birgt. Für so etwas habe ich eine feine Witterung.« * »Wo sind denn die drei Subjekte geblieben?« fragte Lady Agat ha, als sie bereits den Gastraum passiert hatte. Erst hier an der Tür schien ihr aufgefallen zu sein, daß der Raum leer war. »Man scheint sich abgesetzt zu haben, Mylady«, antwortete Parker in seiner höflichen Art. »Das sieht Ihnen wieder mal’ ähnlich«, räsonierte sie, »Ihr Leichtsinn, Mr. Parker, steigert sich von Fall zu Fall.« »Eine Entwicklung, Mylady, die man beachten sollte.« »Ich hatte bereits die Täter, Mr. Parker, aber Sie lassen sie ein fach entkommen.« Sie sah ihn streng an. »Mylady drückten bei anderer Gelegenheit Zweifel aus, was die 43
Täterschaft der drei Personen betrifft.« »Tatsächlich?« wunderte sie sich prompt. »Mylady neigen zu der Auffassung, daß die junge Dame und ih re beiden Begleiter nur unwesentliche Randfiguren sind.« »Und solche Zweifel drängen sich mir nicht ohne Grund auf«, gab sie zurück, »aber vielleicht haben Sie mich auch nur falsch verstanden.« »Solch eine Möglichkeit sollte man in Betracht ziehen, Mylady. Da man sich aber im Besitz gewisser Fundstücke befindet, werden die drei Personen früher oder später wieder erscheinen, wie man als sicher unterstellen kann.« »Eben, Mr. Parker, ich habe alle Trumpfkarten in der Hand«, er innerte sie sich plötzlich, »was kann mir da schon passieren? Jetzt werde ich erst mal einen Blick auf die geschmuggelten Whiskykisten werfen. Eine Frage am Rand: Warum schmuggelt man Whisky?« »Aus Gründen des Preisgefälles, Mylady«, erläuterte der Butler, »diese Spirituose ist im Ausland wesentlich billiger als im König reich England. Der Schmuggel lohnt sich durchaus und wirft sogar beträchtlichen Gewinn ab.« »Sie scheinen die Preise nicht zu kennen«, warf John Hellwick ein, »auf dem Kontinent ist der Whisky fast um die Hälfte billiger als hier im Inland. Gott, da kann man schon mal schwach wer den.« »Mylady wird Ihnen zu einem späteren Zeitpunkt mitteilen, ob Mylady Ihre Handlungsweise zu billigen gedenkt«, sagte Josuah Parker zu dem Gastwirt-Ehepaar, »Sie haben übrigens wohl nicht die Absicht, sich im Schutz der Dunkelheit, des Regens und des Nebels von Mylady und von meiner Wenigkeit zu trennen?« »Ob wir abhauen wollen?« fragte John Hellwick, nachdem er Parkers Satz durchdacht und für sich übersetzt hatte. »Sie kämen nicht weit«, warnte die ältere Dame und brachte ih ren perlenbestickten Pompadour in leichte, erwartungsfrohe Schwingung. »Warum sollen wir abhauen?« fragte John Hellwick zurück, »Sie wissen ja jetzt, was anliegt. Und Sie kennen uns inzwischen.« »Gibt es Waren, die Sie möglicherweise auch außer Landes schaffen?« fragte Parker fast beiläufig. »Außer Landes?« wiederholte Mary Hellwick. »In der Tat«, meinte Parker, während Agatha Simpson bereits 44
deutliche Zeichen von Ungeduld erkennen ließ, »Freunde, die den erwähnten Whisky einschmuggeln, sind ja durchaus in der Lage, gewisse Waren auf den Kontinent oder nach Irland zu schaffen.« »An welche Waren denken Sie denn da?« fragte John Hellwick. »Im speziellen Fall meint Mylady einen gewissen Goldschmuck.« »Wie sollen wir denn an Goldschmuck kommen?« lautete die deutlich erkennbare und erleichterte Antwort. John Hellwick schien eine Frage nach Waren anderer Art erwartet zu haben. »Mylady denkt an gewisse Kunstgegenstände, die auf der briti schen Insel aus bestimmten Gründen nicht absetzbar sind«, rede te Parker weiter, »Mylady denkt auch an einen Personentransport ganz gewisser Art.« »Tatsächlich?« fragte Lady Agatha irritiert, räusperte sich dann aber nachdrücklich und schoß einen scharfen Blick auf das Ehe paar ab. »Na ja, hin und wieder bringen wir ‘nen Typ ‘runter von der In sel«, räumte John Hellwick jetzt zögernd ein und erntete von sei ner Frau Mary einen mehr als derben Rippenstoß. »Du Idiot«, fuhr sie ihn an, »kannst du nicht den Mund halten? Mußt du alles ausquasseln?« »Sie besitzen kein eigenes Boot?« wollt Josuah Parker wissen. »‘nen kleinen Fischkutter«, sagte John Hellwick. »Mit dem Sie wohl kaum den eigentlichen Seetransport durch führen, Mr. Hellwick.« »Wir machen nur den Fährdienst«, erwiderte der Mann, »den Transport bis zu den Küstenfrachtern.« »Genug der Fragerei«, schaltete die ältere Dame sich ungedul dig ein, »ich will endlich die Whiskykartons sehen. Kognak haben Sie nicht zufällig eingeschmuggelt, junger Mann?« »Kognak auch, Lady«, erwiderte John Hellwick. »Ich werde das kontrollieren«, meinte Agatha Simpson munter, »hoffentlich ist kein Schund darunter.« »Erlauben. Mylady noch eine abschließende Frage?« Parker deu tete in Richtung seiner Herrin eine knappe Verbeugung an. »Nur noch eine«, bewilligte sie leicht gereizt. »Seit wann kennen sie Buddy Capson?« erkundigte sich der Butler bei dem Ehepaar. John und Mary Hellwick bemühten sich um Gleichgültigkeit, was ihnen jedoch nicht gelang. Anschließend erklärten sie, diesen Namen vorher noch nie gehört zu haben.
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»Darf man sich erlauben, Mylady Hilfe anzubieten?« erkundigte sich der Butler eine halbe Stunde später, als sie Parkers hochbei niges Monstrum aufsuchten. Der Regen hatte endlich aufgehört, dafür aber war der Nebel dichter geworden. »Hilfe, Mr. Parker?« fragte Lady Agatha. »Die drei Flaschen könnten Mylady möglicherweise behindern.« »Drei Flaschen, Mr. Parker?« Sie räusperte sich explosionsartig. »Wollen Sie damit etwa andeuten, ich hätte diese Kognakflaschen heimlich aus dem Pavillon mitgenommen?« »Meine Wenigkeit würde sich zu solch einer Behauptung nie hin reißen lassen, Mylady.« »Ich habe die Flaschen nur zur genauen Untersuchung mitge nommen«, erklärte sie nachdrücklich, »ich glaube nämlich, daß man Minderwertiges ins Land schmuggelt, Mr. Parker.« »Das Ehepaar John und Mary Hellwick dürfte in gewissen Krei sen eine gute Adresse sein, Mylady.« »Worauf wollen Sie hinaus, Mr. Parker?« »Auf die Tatsache, Mylady, daß dieses Ehepaar kriminelle Ele mente außer Landes schafft, Elemente, die von der Polizei drin gend gesucht werden.« »Sollten die beiden Subjekte auch den Goldschmuck auf ein Schiff irgendwo vor der Küste schaffen?« »Eine Annahme, Mylady, die eine überaus hohe Wahrscheinlich keit aufweist.« »Dann hat man mich und Sie mit dem Ehepaar verwechselt, nicht wahr?« »Mylady treffen damit wohl den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf.« »Und welche Rolle spielen dann die drei anderen Subjekte, die Sie haben entkommen lassen?« »Sie dürften zu der Bande der Kunstdiebe gehören, Mylady und hatten wohl die Aufgabe, den Transport zu überwachen.« »Sagte ich das nicht bereits an anderer Stelle, Mr. Parker?« »Mylady drückten sich in der Tat so ähnlich aus«, meinte Parker in seiner großzügig-höflichen Art. »Dann wäre da noch dieser Lümmel mit den schmalen Lippen, Mr. Parker. Was sagte ich zu dieser Person? Ich bin mir sicher, 46
daß ich ihn bereits in den Fall einbaute.« »Er heißt angeblich Buddy Capson, Mylady, wie die junge Dame im Gastraum erklärte und soll einst ein Mitglied dieser Bande ge wesen sein.« »Glaube ich das, Mr. Parker?« »Man sollte solch eine Möglichkeit durchaus einkalkulieren, My lady. Bliebe dann noch die geheimnisvolle Person am Pavillon, die sich erdreistete, auf Mylady zu schießen.« »Ich habe sie genau gesehen, Mr. Parker.« »Daran würde meine Wenigkeit nie zu zweifeln wagen«, erwi derte der Butler, »vielleicht handelt es sich um eine Randfigur, die mit dem eigentlichen Fall überhaupt nichts zu tun hat.« »Aha. Und wie soll ich das verstehen?« »Diese von Mylady gesichtete Person könnte sich einzig und al lein um den geschmuggelten Whisky gekümmert haben.« »Das dachte ich mir bereits«, pflichtete die Detektivin ihrem Butler umgehend bei, »was werde ich jetzt unternehmen? Ich fürchte, ich werde mir erst mal einen Schnupfen holen.« »Vielleicht könnten und sollten Mylady vorbeugend handeln.« »Ein guter Rat, Mr. Parker. Sobald ich im Wagen bin, werde ich den Kognak testen.« Sie beschleunigte unwillkürlich ihre Schritte und konnte nicht schnell genug zum Wagen kommen. Nachdem sie im Fond des hochbeinigen Monstrums Platz genommen hatte, betätigte sie sich umgehend als Testerin und probierte den Kognak, der aus einem der Kartons aus dem Pavillon stammte. Nach einem ersten ausgiebigen und prüfenden Schluck nickte sie fast anerkennend. »Mylady sind zufrieden?« fragte Parker. »Fast«, gab sie zurück, »prüfte noch mal und setzte dann die Flasche ab, die sie ungeniert und wenig damenhaft an die Lippen gedrückt hatte, dieser Kognak ist durchaus trinkbar. Aber darauf kommt es mir ja überhaupt nicht an, Mr. Parker. Ich betrachte dieses Getränk als reine Medizin.« Parker verzichtete ob dieser Behauptung auf eine Antwort. * Mylady befand sich in leicht ausgelassener Stimmung, als man den >Schwarzen Schwan< in Port Talbot erreichte. Sie hatte aus 47
giebig von der Medizin gekostet und dachte nicht mehr an einen möglichen Schnupfen. Sie hakte sich fest und energisch bei Par ker unter, als sie den Wagen verließ. Und der Butler hatte einige Mühe, die junonische Fülle der älteren Dame in die Halle zu bug sieren. Hier angekommen, bekam sie einen Schluckauf, blieb jäh ste hen und musterte ein elegantes Paar, das ihr entgegenkam. Dann kniff Agatha Simpson fest die Augen zusammen, öffnete sie wie der versuchsweise und konzentrierte sich auf die junge Dame an der Seite des Mannes, der ein wenig älter wirkte als seine Beglei terin. »Sehen Sie das, was ich sehe, Mr. Parker?« fragte sie dann bei ihrem Butler an. »Miß Porter und Mr. Rander«, antwortete Josuah Parker mit ei ner leichten Verbeugung. »Hallo, Mylady«, grüßte Mike Rander, »Kathy und ich sind nach Parkers Anruf sofort gekommen.« »Wie geht es Ihnen, Mylady?« erkundigte sich Kathy Porter. Sie war etwa dreißig, groß, schlank und hatte kastanienbraunes Haar mit einem feinen Rotstich. Sie war eine bemerkenswert attraktive Erscheinung und paßte zu ihrem Begleiter, der um die Vierzig schien. Mike Rander war Anwalt, hatte vor Jahren zusammen mit Josuah Parker einige Jahre in den USA verbracht und sich dann ganz auf seine Arbeit als Anwalt konzentriert. Damals war Josuah Parker nach England zurückgegangen und hatte seine Arbeit bei Agatha Simpson aufgenommen. Mike Rander und die Lady kannten sich seit vielen Jahren. Die ältere Dame hatte ihn sofort vereinnahmt, als Mike Rander wieder auf die Insel zurückgekommen war. Obwohl er sich nie wieder mit Kriminalistik befassen wollte, war er gegen seinen Willen wieder damit befaßt worden. Als Anwalt und Vermögensverwalter der Agatha Simpson schlitterte er nun wieder von einem Fall in den anderen. »Sie haben die lieben Kinder verständigt, Mr. Parker?« fragte Lady Agatha und blickte Parker an. Daß sie dabei wegen der ge nossenen Medizin ein wenig schielte, fiel nur ihr nicht weiter auf. »Die Herrschaften mußten von Myladys Verbleiben hier am Ort verständigt werden«, beantwortete der Butler die Frage der älte ren Dame, »man kann nur hoffen, daß dieser Anruf in Myladys Sinn war.« 48
»Natürlich«, sagte sie wohlwollend und musterte Kathy Porter und Mike Rander durch ihre Stielbrille, die sie, auseinanderge klappt hatte, »ich denke, wir werden einen kleinen Begrüßungs trunk zu uns nehmen.« »Vielleicht oben in Myladys Suite« schlug Kathy Porter vor, die als Sekretärin und Gesellschafterin der Agatha Simpson fungierte und von ihr wie eine leibliche Tochter gehalten wurde. »Eine gute Idee, Kindchen«, meinte die Detektivin. »Sie haben schon Zimmer gebucht?« »Alles in bester Ordnung, Mylady«, erwiderte Kathy Porter und hakte sich bei ihr ein. Sie zwinkerte Mike Rander und Butler Par ker zu, bugsierte die ältere Dame hinüber zum Fahrstuhl und war bald darauf mit ihr verschwunden. »Mylady ist natürlich wieder mal in einen Fall gestolpert, wie?« erkundigte sich Mike Rander, als er mit Parker in die Hotelbar ging. »Es handelte sich um einen reinen Zufall, Sir«, berichtete der Butler, um dann in Einzelheiten zu gehen. Er setzte Mike Rander völlig ins Bild. »Von diesem Kunstdiebstahl berichten alle Medien fast stünd lich«, sagte der Anwalt, als der Butler seinen Bericht beendet hat te, »dieser Fall schlägt verdammt hohe Wellen. Und Sie haben diesen etruskischen Schmuck, Parker?« »Er befindet sich an einem Ort, den man nach Lage der Dinge als fast sicher bezeichnen kann«, bestätigte der Butler, »diverse Personen bemühen sich inzwischen, den Schmuck wieder an sich zu bringen.« »Diese Frau und ihre beiden Begleiter, nicht wahr?« »In der Tat, Sir. Dazu zählt aber auch ein gewisser Buddy Capson, der mal Mitglied dieser Bande war.« »Der Knabe mit dem schiefen Mund.« Rander, der sich Parkers Bericht genau angehört hatte, nickte. »Und was ist nun mit dem Ehepaar Hellwick? Wie bringen Sie diese beiden Leute in Ihr Puzz le, Parker?« »John und Mary Hellwig gehören meiner bescheidenen Ansicht nach zu der Dreiergruppe, Sir. Aber alle diese Personen, Sir, sind nur Randerscheinungen, wenn man das mal so ausdrücken darf.« »Sie dürfen, Parker, Sie wollen die Hauptfigur haben, nicht wahr? Und Sie wollen über diese Dreiergruppe an den Drahtzieher herankommen, oder?« 49
»Und über den Besitzer eines Hubschraubers, Sir.« »Richtig, da haben wir ja noch diese Kaffeemühle«, meinte der Anwalt und lächelte, »wahrscheinlich finden wir sie hier in dieser engeren Region.« »In der Tat, Sir, in der Linie Bristol, Cardiff und Port Talbot. In Bristol wurde der etruskische Schmuck gestohlen. Man könnte ihn per Kaffeemühle, wie Sie sich auszudrücken beliebten, an die Küste geschafft haben.« »Mit einer Zwischenlandung in Cardiff oder der näheren Umge bung«, redete der Anwalt weiter, »vergessen Sie nicht, daß dieser Hubschrauber erst am späten Nachmittag über Mylady und Ihnen schwebte.« »Wegen der ausgesprochen schlechten Sichtverhältnisse, Sir, war es meiner Wenigkeit unmöglich, das Kennzeichen des Hub schraubers festzustellen«, warf der Butler ein. »Das macht fast gar nichts, Parker«, entgegnete der Anwalt, »jeder Hubschrauber ist registriert. Ich werde da mal meine Be ziehungen spielen lassen und einen guten Bekannten bei der na tionalen Luftaufsicht anrufen. Er braucht mir nur eine Liste der Maschinen durchzugeben, die hier in der Region beheimatet sind.« »Ein Verfahren, Sir, das man nur als hilfreich bezeichnen kann.« Die beiden Männer hatten sich je einen Drink vorn am Tresen der Hotelbar gekauft und gingen zu einem kleinen Tisch. Als sie sich setzen wollten, drehte der Barkeeper das Radio laut auf. Ein sachlicher und ein wenig nasal formulierender Nachrichtenspre cher gab gerade durch, die Diebe des etruskischen Schmucks hätten sich bei der Ausstellungsleitung in Bristol gemeldet und die Rückgabe für den Fall angeboten, daß man ihnen eine Million Pfund zahle. »Donnerwetter, das ist ein stolzer Preis«, äußerte Rander. »Und dazu ein Bluff, der seinesgleichen sucht, Sir«, fügte Josu ah Parker hinzu, »ich darf daran erinnern, daß die Diebe längst nicht mehr im Besitz des Schmuckes sind.« »Also wird man sich schon verdammt bald mit Ihnen in Verbin dung setzen, Parker«, vermutete der Anwalt, »und an Ihrer Stelle wäre ich mehr als nur vorsichtig. Die Gegner dürften ab sofort mit harten Bandagen kämpfen.« »Das Leben, Sir, ist ein einziges unkalkulierbares Risiko«, ant wortete der Butler gemessen, »und man wird dem selbstver 50
ständlich Rechnung tragen, wenn ich dies so umschreiben darf.« * Natürlich rechnete Josuah Parker mit nächtlichem Besuch. Er konnte es sich einfach nicht vorstellen, daß die Diebe des etruski schen Schmucks kostbare Zeit verstreichen lassen würden. Auf sein Angebot, sich mit dem Kopf der Bande treffen zu wollen, würden die Gangster wohl nur im Notfall eingehen. Selbstverständlich traf Josuah Parker gewisse Vorkehrungen für den Rest der Nacht. Seiner Schätzung nach würde man versuchen, sich mit ihm in Verbindung zu setzen. Für die Gangster war er die Person, die über den momentanen Verbleib der Kostbarkeiten Bescheid wuß te. Sein Zimmer also mußte das erklärte Ziel nächtlicher Besucher sein. Um rechtzeitig geweckt zu werden, hatte der Butler sich einen mehr als einfachen Trick ausgedacht. Auf dem Drehknauf der Zimmertür lag jetzt erwartungsvoll der Kern einer Olive, die aus der Hotelbar stammte. Wurde der Knauf bewegt, fiel dieser Oli venkern nach unten in Richtung Boden, mußte dort aber in einer flachen Kristallvase landen, die bisher als Zimmerschmuck ge dient hatte. Auf den Boden dieser Kristallvase hatte Josuah Parker ein Kleenex-Tuch gelegt, das aus dem Badezimmer stammte. Das Geräusch des aufschlagenden Kerns war laut genug, ihn zu we cken, jedoch noch immer schwach genug, um die Gangster vor der Tür nicht unnötig zu verjagen. Natürlich würden auch sie wohl das entstehende Geräusch mitbekommen, doch es mit Sicherheit nicht richtig deuten. Um kein unnötiges Risiko einzugehen, hatte Parker es sich in einem der Sessel seines Zimmers bequem gemacht. Er hatte sich entspannt und schlief, doch er war sofort wieder hellwach, als ein feines Geräusch seine Trommelfelle aktivierte. Mit seiner Minia tur-Taschenlampe, die sich in einem völlig normal aussehenden Kugelschreiber befand, leuchtete er hinüber zur Tür und wußte einen Moment später, daß der Olivenkern vom Drehknauf ge rutscht war. Er lag auf dem weichen Kleenex-Tuch in der Kristall schale. Josuah Parker griff nach dem Universal-Regenschirm und stand 51
auf. Er baute sich an der Ecke des kleinen Korridors auf und brauchte nicht lange zu warten, bis er feines Scharren wahrnahm. Draußen vor der Tür versuchte ein Besucher, das Schloß mit ei nem Nachschlüssel zu überlisten. Dieser Besucher war nicht ge rade ungeschickt. Er brauchte nur wenige Sekunden, bis er das Schloß geknackt hatte. Danach schob er die Tür zentimeterweise und sehr vorsichtig auf. Bald darauf schon zwängte sich der Besucher in den kleinen Vorflur, schloß die Tür hinter sich und lauschte. Dann näherte er sich auf leisen Sohlen dem Bad, das man von dem kleinen Korri dor aus erreichte und öffnete die Tür. Parker verzichtete auf eine formelle Begrüßung. Mit dem Bambusgriff seines Schirmes, der mit Blei ausgegossen war, klopfte er bei dem Besucher an, der mit ersticktem Ächzen und Röcheln umgehend antwortete. Dann rutschte er in sich zu sammen und blieb auf dem Spannteppich liegen. Parker wartete ab. Möglicherweise stand noch eine weitere Person vor der Tür. Nach wenigen Sekunden jedoch, als sich nichts tat, legte Parker erst mal die Sicherheitskette vor und schaltete dann das Licht ein. Der nächtliche und ungebetene Besucher hatte einen schiefen Mund, eine schmale Nase, zusammengewachsene Augenbrauen und zeigte schlechte Schneidezähne. Sein Mund war halb geöff net, und die Oberlippe hatte sich hochgeschoben. »Sie müssen es versäumt haben, meine Wenigkeit anzurufen, um Ihr Kommen anzukündigen«, sagte Parker nach einigen Minu ten, als der Besucher stöhnte und an seinen Hinterkopf griff. »Was is’ denn?« murmelte der Besucher, der noch einen leicht verwirrten Eindruck machte. »Sie dürften sich den Kopf gestoßen haben«, erklärte Josuah Parker, »wäre Ihnen mit einer kleinen Erfrischung gedient?« »Verdammt«, stieß der Mann hervor und richtete sich auf. Da bei langte er möglichst unauffällig nach der Schulterhalfter, die er trug, wie Parker inzwischen wußte. »Sie sollten keine Hoffnungen nähren, die sich mit Sicherheit nicht erfüllen werden«, sagte Josuah Parker in seiner höflichen Art, »begreiflicherweise brachte meine Wenigkeit sich in den Be sitz Ihrer Schußwaffe, Mr. Capson.« »Sie… Sie kennen mich?« schien der Besucher überrascht und fingerte ein wenig verlegen an seinem mit Sicherheit schmerzen 52
den Hinterkopf herum. »Ihre ehemaligen Partner oder auch Freunde waren so frei, mir Ihren Namen zu nennen, Mr. Buddy Capson.« »Okay, Parker, verzichten wir auf allen Schmus«, schlug Buddy Capson vor und rang sich ein Grinsen ab, das natürlich wegen seiner Lippenstellung nur schief ausfallen konnte, »ich hab’ Ihnen ein tolles Geschäft vorzuschlagen.« »Sie versetzen meine Wenigkeit in eine spannungsvolle Erwar tung.« »Vergessen Sie, daß Sie mich auf dem Parkplatz hereingelegt haben. Ich werd’s auch so halten.« »Sie scheinen ein durchaus großzügiger Mensch zu sein, Mr. Capson.« »Ich bin vor allen Dingen nicht nachtragend«, redete Buddy Capson weiter und gab sich treuherzig, »hören Sie nicht auf das, was Judy Malone Ihnen über mich gesagt hat.« »Judy Malone?« Parker ließ seine linke Augenbraue fragend an steigen. »Judy Malone«, wiederholte Buddy Capson, »das ist die Frau, die mit Hank und Clive hinter Ihnen her ist.« »Die beiden männlichen Begleiter der jungen Dame.« Parker nickte andeutungsweise. Capson meinte das Trio aus dem Gast hof an der Küste. »Zwei Idioten, wie sie im Buch stehen. Und auch mit Judy kön nen Sie kein Geschäft machen, Parker. Halten Sie sich an mich, dann werden Sie steinreich, das kann ich Ihnen schwören.« »Sie denken hoffentlich nicht an einen Meineid, Mr. Capson«, gab Josuah Parker zurück, »könnten Sie möglicherweise zur Sa che kommen?« Unmittelbar darauf kam Buddy Capson zur Sache. Er hielt plötz lich ein Messer in der Hand, das nicht gerade schartig oder stumpf aussaht. * Buddy Capson war schnell und fintenreich. Nicht ohne Grund hatte die junge Frau diesen Mann mit einer gefährlichen Schlange verglichen und ihn sogar noch höher einge stuft als solch ein Reptil. Buddy Capson wußte mit einem Messer 53
umzugehen. Er fingierte, sprang vor und wieder zurück, legte sein Gewicht auf den linken Fuß, bog sich weit zurück und lud den Butler dazu ein, leichtsinnig zu werden. Dann schnellte der Geg ner wieder vor und stach von unten nach oben zu. Er glich in die sem Augenblick tatsächlich einer zustoßenden Schlange. Josuah Parker ließ sich keineswegs verblüffen. Er führte kaum eine Bewegung aus, verhielt sich abwartend und pendelte besonders bösartige Ausfälle geschickt aus. Buddy Capson hingegen strengte sich ungemein an, bis er endlich merk te, daß er mit seiner Taktik keinen Erfolg hätte. Plötzlich blieb er stehen und… warf sich dann energisch nach vorn. Parker bremste ihn mit der Spitze seines UniversalRegenschirms. Diese Spitze setzte sich auf seine untere Magen partie und sorgte dafür, daß Capson plötzlich ohne Luft war. Er blieb wie angewurzelt stehen und riß weit den Mund auf. Er wollte nach Luft schnappen, doch er schaffte es einfach nicht. Parker erlöste Capson aus dieser Starre. Mit der Wölbung seiner Melone tippte er bei ihm an. Worauf der Mann weich in den Knien wurde, das Messer wegwarf und sich rücklings auf dem Boden ausbreitete. Mit der Spitze seines linken Schuhs kickte der Butler die Schneidware zur Seite. »Genug der Gymnastik, Mr. Capson«, meinte Parker dann höf lich, »Sie werden übrigens längst bemerkt haben, daß Sie wenig überzeugend waren.« »Sie… Sie haben mich… schon wieder reingelegt«, beschwerte sich Capson hechelnd und rieb sich die schmerzende Magenpartie. »Sie werden das mit Sicherheit verschmerzen, Mr. Capson«, prophezeite der Butler, »Sie wollten meiner Wenigkeit ein Ge schäft vorschlagen?« »Sie sind genau der richtige Partner für mich«, schmeichelte der Gangster und setzte sich auf. Anschließend zog er sich mit beiden Händen an der Wand des kleinen Korridors hoch. »Sie sollten konkret werden«, schlug Parker gemessen vor. »Ich weiß, wer der Boß der Gang ist«, sagte Buddy Capson. »Von welcher Gang sprechen Sie jetzt?« »Die Gang, die den Schmuck geklaut hat«, redete Buddy Capson weiter, »ich kenn’ den Mann sogar verdammt genau, schließlich hab’ ich früher mal für ihn gearbeitet.« »Für die Preisgabe Ihres Wissens möchten Sie natürlich bezahlt werden, nicht wahr?« Parker deutete mit der Spitze seines Uni 54
versal-Regenschirms in das Zimmer und dann speziell auf einen Sessel. Buddy Capson folgte dieser Einladung, ging aber ge krümmt, weil er immer noch eindeutig Ärger mit seiner Magen partie hatte. Vorsichtig nahm er in einem Sessel Platz. »Sie haben bestimmt die Nachrichten gehört«, meinte Capson dann, »die Gang verlangt eine Million Pfund für die Rückgabe des Schmucks.« »Eine Forderung, der man erst mal nachkommen müßte, um in den Genuß einer solch horrenden Summe zu gelangen.« »Sie haben den Schmuck, nicht die Gang«, redete Buddy Capson weiter, »lassen wir die Gang erst mal hochgehen, Parker, dann sind wir allein im Geschäft, dann kann uns nichts mehr pas sieren.« »Einen Vorschlag dieser Art hatte meine Wenigkeit erwartet«, gab Josuah Parker zurück, »sobald die erwähnte Gang ausge schaltet ist, könnte man die Forderung übernehmen und später die Summe teilen.« »Sie haben’s sofort kapiert.« Capson grinste schief und nickte. »Miß Judy Malone und ihre beiden Begleiter Hank und Clive werden, wenn sie erst mal festgenommen sind, der Polizei wert volle Hinweise auf Ihre und meine Person geben.« »Vom Boß mal ganz zu schweigen.« Buddy Capson nickte. »Und wie soll dieses Problem aus Ihrer Sicht gelöst werden, Mr. Capson?« »Es gibt zwei Möglichkeiten«, schickte der Gangster voraus, »entweder wir bringen die Gang um, Mr. Parker, oder aber wir setzen sie fest, bis wir kassiert haben.« »Der von Ihnen mehrfach erwähnte Boß der Gang wäre schnell zu erreichen, Mr. Capson?« »Der wohnt hier in der Gegend«, lautete die Antwort, »aber mit seinem Namen rück’ ich erst raus, wenn wir uns einig sind.« »Eine entsprechende Versicherung meinerseits wird Ihnen mit Sicherheit nicht reichen.« »Nee, bestimmt nicht, Mann, ich bin ein mißtrauischer Hund. Ich brauch’ von Ihnen ‘ne Anzahlung von, sagen wir mal, fünfzig tausend Pfund. Ihre Lady ist stinkreich, wie ich inzwischen weiß. Die wird das Geld schon rausrücken, denke ich. Und wenn nicht, Parker, dann schaffen Sie’s eben an die Seite. Sobald wir kassiert haben, werden Sie ja wohl kaum noch als Butler rumlaufen wol len.« 55
»Eine Vorstellung, die unter Umständen verlockend klingen kann.« »Warum wollen Sie sich die Hacken für fremde Leute ablaufen, Parker? Sie können stinkreich werden.« »Sie sprachen vor wenigen Augenblicken von Ihrem Mißtrauen, Mr. Capson«, schickte Josuah Parker voraus, »das Mißtrauen meiner Wenigkeit dürfte kaum geringer sein.« »Sie wollen ‘ne Sicherheit von mir, wie?« »Sie treffen den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf, Mr. Capson.« »Okay, Parker, ich werde Ihnen einen Tip geben, der goldrichtig ist. Ich sage Ihnen, wo Sie Judy Malone und ihre beiden Handlan ger finden können.« »Ein Angebot, daß man nur als akzeptabel bezeichnen kann.« »Judy und ihre beiden Typen stecken auf der Halbinsel Gower und hausen in ‘ner Strand-Pension bei Mumbles.« »Ob man dort wohl noch wohnt?« zweifelte Parker. »Darauf können Sie Gift nehmen, Parker«, antwortete Capson, »die haben nämlich keine Ahnung, daß ich das weiß.« * »Ihr Leichtsinn kennt keine Grenzen, Mr. Parker«, stellte Lady Agatha am anderen Morgen mißbilligend fest, »wie konnten Sie dieses Subjekt nur laufen lassen?« »Aus taktischen Gründen, Mylady, wenn man so sagen darf«, erwiderte der Butler. Er saß zusammen mit seiner Herrin in einer Nische im Frühstücksraum des Hotels. Die ältere Dame bestand darauf, daß Parker an ihrem Tisch Platz nahm, wenn sie unter wegs waren. Für sie war Parker mehr als nur ein Butler. Insge heim spürte sie sehr wohl, daß sie ohne ihn so gut wie verloren war, wenn sie wieder mal an einem Fall arbeitete. »Und wie wird dieser Lümmel nun reagieren?« fragte sie und nickte wohlwollend, als ein Kellner das Frühstück auftrug. Da sie strenge Diät hielt, hatte sie sich nur etwas Lachs, einige Rost bratwürstchen, gebackene Nieren und Eier mit Schinken bestellt. Dazu natürlich diverse Brotsorten, eine kleine Käseplatte und etli che Marmeladen. »Man sollte diesem Mr. Buddy Capson natürlich nicht trauen, 56
Mylady, noch nicht mal andeutungsweise«, schickte Parker vor aus, »inzwischen dürfte dieser Mann sehr genau wissen, wer My lady sind. Er dürfte sich auch kaum vorstellen können, daß meine Wenigkeit sich illoyal verhalten wird.« »Er wartet also darauf, daß ich dieses Trio aushebe, wie?« Sie langte herzhaft zu. »Dies käme seinen wirklichen Absichten mit Sicherheit entge gen, Mylady«, lautete Parkers Antwort, »man sollte allerdings auch damit rechnen, daß er Mylady nur eine Falle stellen will.« »Ich soll umgehend in diese Strandpension fahren, wo er auf mich wartet, nicht wahr?« »In der Tat, Mylady.« »Nun gut, ich werde etwas unternehmen«, entschied sie nach drücklich, »die Details dazu, Mr. Parker, überlasse ich Ihnen. Sie sollten sich auf keinen Fall überflüssig vorkommen.« »Mylady sind zu gütig.« Parker deutete eine knappe Verbeu gung an. »Mylady dürften momentan zwei Eisen im Feuer ha ben.« »Aha.« Sie stutze ein wenig und nickte dann wohlwollend. »Das haben Sie also erkannt, Mr. Parker?« Sie wußte nicht so recht, was Parker mit den beiden Eisen meinte, die im Feuer lagen. So setzte sie darauf, daß Parker es ihr erklärte. Und sie sollte sich nicht getäuscht haben: »Auf der einen Seite will die junge Frau namens Judy Malone Mylady und meine Wenigkeit mit dem Drahtzieher des Kunstdieb stahls in Verbindung bringen«, zählte Josuah Parker auf, »auf der anderen Seite macht auch Mr. Buddy Capson ein verlockendes Angebot.« »Mike und Kathy kümmern sich um die Hubschrauber, die hier in der Region beheimatet sind, Mr. Parker?« »Sehr wohl, Mylady. Die Herrschaften haben das Hotel bereits verlassen und ermitteln.« »Die guten Kinder«, gab sie gerührt zurück, »irgendwann werde ich mal sehr deutlich werden müssen.« »Mylady hegen bestimmte Absichten?« Parker kannte das Lieb lingsthema seiner Herrin. Sie. wollte Mike Rander und Kathy Por ter miteinander verheiraten. »Fühlen Sie doch mal diskret vor«, meinte sie, »ich würde nur zu gern endlich die Hochzeit ausrichten.« »Mit einer Legalisierung des momentan bestehenden Zustandes 57
dürfte früher oder später fest zu rechnen sein, Mylady.« »Man müßte die Kinder gemeinsam in einen längeren Urlaub schicken«, dachte sie halblaut nach, »so etwas könnte eine Hoch zeit fördern. Aber vorher muß ich diesen Fall noch abschließen, Mr. Parker. Diese alten Kunstgegenstände dürfen nicht verloren gehen.« »Wäre es in Myladys Sinn, wenn wir nach dem Frühstück der Halbinsel Gower einen Besuch abstatten würden?« »Genau das wollte ich gerade anregen«, schwindelte sie, »ha ben Sie übrigens schon nachgeschaut, ob der alte Maya-Schmuck noch vorhanden ist?« »Der etruskische Schmuck befindet sich nach wie vor auf sei nem Platz. Mylady«, sagte Parker, »meine Wenigkeit vergewisser te sich dementsprechend erst vor einer halben Stunde.« »Sagte ich eben nicht etruskischer Schmuck, Mr. Parker?« Sie schaute Parker leicht gereizt an, »Sie brauchen mich nicht immer zu verbessern. Natürlich kenne ich die alten Etrusker. So etwas gehört selbstverständlich zur Allgemeinbildung.« »Meine Wenigkeit nahm zu keinem Zeitpunkt an, Mylady ent sprechende Hinweise geben zu müssen.« »Ich weiß also, wer diese Leute sind oder auch waren, Mr. Par ker. Aber wissen auch Sie es?« »Nach neuesten Forschungen, Mylady, sollen die erwähnten Et rusker auf dem Seeweg nach Italien gekommen sein«, faßte Jo suah Parker zusammen. Ihm war klar, daß die ältere Dame einige Erklärungen brauchte. »Man nimmt an, daß dieses immer noch ein wenig rätselhafte Volk im 9. Jahrhundert von Kleinasien kam und sich dann an Ita liens Westküste niederließ, und zwar in einem Raum, der sich von der Po-Ebene bis weit über Rom hinaus erstreckte. Durchaus ge sichert dürfte sein, daß die Etrusker eine Reihe von Stadtstaaten gründeten, die sich in einem mächtigen Bund zusammenschlos sen. Es gelang bisher nicht, die Schrift dieses Volkes zu entzif fern.« »Ich weiß, mein lieber Mr. Parker«, säuselte die Lady förmlich und nickte wohlwollend, »das alles ist mir längst bekannt. Erfreu lich, daß auch Sie sich kundig gemacht haben.« Sie war froh, gleich darauf abgelenkt zu werden. Kathy Porter und Mike Rander erschienen im Frühstückssaal. »Wir bringen gute Nachrichten«, sagte der Anwalt. 58
»Wir haben einen Unternehmer ausfindig gemacht, der Rundflü ge per Hubschrauber anbietet«, redete Kathy Porter weiter, »sei ne Firma befindet sich auf der Halbinsel Gower.« »Ich breche sofort auf«, entschied die Detektivin und erhob sich. Sie blickte auf die von ihr abgeräumten Teller und dann auf Parker. »Sorgen Sie für einen hübschen Picknickkorb, Mr. Parker«, sag te sie dann besorgt, »es ist sehr gut möglich, daß ich unterwegs vielleicht noch eine Kleinigkeit zu mir nehme.« * Es war eine reizvolle Gegend. Große Hügel wechselten ab mit Ebenen, die mit Heidekraut be wachsen waren, kleine Waldstücke sorgten für eine parkähnliche Landschaft. Es gab flache Buchten mit weißen Sandstränden, schroffe Steilabfälle, Marschen und bizarr aussehende Landzun gen, die weit in die See hinausführten. Die Sonne schien und hat te den Nebel vertrieben. Das Land gab die Feuchtigkeit der Nacht in weich fließenden Dunstschleiern wieder ab. »Wie heißt noch dieser Hubschrauber-Unternehmer?« erkundig te sich die ältere Dame bei Mike Rander, der mit Parker vorn im hochbeinigen Monstrum des Butlers saß. »Ray Sandhurst«, erwiderte der Anwalt, »er hat drei Hub schrauber, scheint also keine kleine Firma zu betreiben.« »Dieser Mensch kommt mir sehr verdächtig vor«, entschied La dy Agatha, »natürlich ist von einer dieser drei Maschinen der Goldschmuck auf mich abgeworfen worden.« »Durchaus eine Möglichkeit, Mylady«, gab der Anwalt vorsichtig zurück. »Beabsichtigen Mylady, zuerst diesen Mr. Ray Sandhurst aufzu suchen?« fragte der Butler, »in wenigen Minuten teilt sich die Straße.« »Warum sagen Sie mir das? Wollen Sie mich unter Druck set zen?« Agatha Simpsons Stimme klang aggressiv. »Um zur Strand-Pension zu gelangen, müßten Mylady nach links zur Küste abbiegen.« »Immer diese Entscheidungen«, raunzte sie, »alles bleibt an mir hängen. Was wollte ich denn noch in dieser Strand-Pension, Mr. 59
Parker?« »Dort sind laut Auskunft des Mr. Buddy Capson Miß Judy Malone und ihr Begleiter abgestiegen.« »Diese Subjekte können warten«, erklärte die Detektivin, »ich werde mir sofort den Haupttäter kaufen, Mr. Parker. Ich hasse Umwege und unnötige Arbeit. Zuerst zu diesem HubschrauberUnternehmer. Ich werde ihm auf den Kopf zusagen, was ich von ihm halte und dann…« »Ein Hubschrauber«, meldete Kathy Porter in diesem Moment, »steigt gerade hinter einem Hügel hoch… Er sieht aus wie eine Libelle.« »Wie eine Mord-Libelle«, stellte die ältere Dame umgehend fest, »natürlich will man mich attackieren und abfangen.« »Dann müßte man unsere Abfahrt vom Hotel gemeldet haben«, warf Mike Rander ein. Er beugte sich vor, um den Hubschrauber besser beobachten zu können. Es handelte sich um ein kleines Fluggerät mit einem Gitterrumpf. Die Sonne spiegelte sich in der völlig verglasten Pilotenkanzel und machte aus ihr ein übergroßes Auge. »Das sieht aber wirklich unheimlich aus«, sagte Kathy Porter. »Man nimmt direkt Kurs auf Mylady«, stellte Parker fest. »Auf wen wohl sonst, Mr. Parker?« Sie lächelte wissend. »Man will mich hier draußen in der Heide erledigen.« »Vorerst dürfte man uns noch beobachten«, warf Mike Rander ein. »Und beginnt jetzt mit dem eigentlichen Anflug«, sagte Josuah Parker, der stocksteif am Steuer saß. Seine Stimme klang völlig normal. Sicherheitshalber aber minderte er das Tempo seines Wagens und schaltete einen niedrigeren Gang ein. »Haben Sie nicht eine hübsche kleine Rakete im Kofferraum?« fragte die ältere Dame bei ihrem Butler an. »Zu spät!« Kathy Porter duckte sich unwillkürlich, als dient ne ben dem hochbeinigen Monstrum kleine Erdfontänen aufstiegen. Gleichzeitig war das schrille Pfeifen einiger Querschläger zu ver nehmen, die von einer niedrigen Mauer aus Bruchsteinen abprall ten. *
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Parker rechnete mit einer Feinkorrektur bei der nächsten Ge schoßgarbe. Er minderte die Fahrt des hochbeinigen Monstrums und beobachtete den Hubschrauber, der sie längst überholt hatte und gerade in starker Schräglage einkurvte, um die nächste Atta cke zu beginnen. »Diese Kaffeemühle wird lästig«, sagte Mike Rander in seiner lässigen Art, »haben Sie nicht etwas Passendes, Parker, damit ich den Kerlen da oben einheizen kann?« »Hinter dem Handschuhfach befindet sich eine Schußwaffe, Sir«, antwortete der Butler. Rander beugte sich vor, löste dabei den Anschnallgurt und öffnete das Handschuhfach. Er kannte ge wisse Geheimnisse des hochbeinigen Monstrums und drückte ge gen eine kaum sichtbare Leiste oberhalb der Fachöffnung. Sofort danach klappte die Rückwand des Fachs auf und gab den Blick frei auf eine schwere Feuerwaffe, die in starken Federklammern hing und darauf wartete, abgepflückt zu werden. Rander nahm die Waffe in die Hand, entsicherte sie und drehte dann das Wa genfenster nach unten. »Ist das dieses Gerät, aus dem man mich beworfen hat?« fragte Agatha Simpson. »Ein Kennzeichen, Mylady, ist auch hier nicht auszumachen«, gab der Butler zurück, »man sollte vielleicht unterstellen, daß es sich um das gleiche Fluggerät handelt.« »Achtung, gleich geht’s los«, rief der Anwalt und visierte den als Kaffeemühle bezeichneten kleinen Hubschrauber an, »Parker, bleiben Sie auf Kurs, gleich habe ich die Kaffeemühle genau im Visier.« Er hatte seinen Satz noch nicht ganz beendet, als er bereits die ersten Schüsse auf den tief fliegenden Hubschrauber abfeuerte. Der Pilot reagierte erstaunlich nervös und schwenkte seitlich zu rück. Er schien von der Gegenwehr aus dem hochbeinigen Wagen völlig überrascht zu sein. »Haben Sie auch für mich eine Waffe, Mr. Parker?« wollte die ältere Dame unternehmungslustig wissen. »Sofort, Mylady«, gab Parker zurück und… trat das Gaspedal durch. Der leistungsstarke Rennmotor unter der eckigen Haube röhrte förmlich auf und veranlaßte den Wagen, einen wilden Satz nach vorn zu machen. Der Schütze im Hubschrauber, der gerade den Lauf seiner Ma schinenpistole auf sein Ziel gerichtet hatte, war nicht mehr in der 61
Lage, eine Korrektur anzubringen. Dort, wo der Wagen sich eben noch befunden hatte, war nichts mehr. Die Geschosse jagten in den Straßenbelag und dann in die Mauer aus aufgeschichteten Steinen. Parkers linke, schwarz behandschuhte Hand langte nach einem der vielen Kipphebel auf dem damit reichlich ausgestatteten Ar maturenbrett und bewegte ihn nach unten. Unmittelbar darauf zischten aus Düsen, die rund um den Wagenboden angebracht waren, dichte Nebelwolken und schufen eine schier undurchdring liche weißgraue Wand, in der nichts mehr auszumachen war. Parker bremste jäh sein hochbeiniges Monstrum und legte den Rückwärtsgang ein. Dann gab er erneut Gas und stieß mit dem Heck des Wagens in die Nebelwand, die sich von Sekunde zu Se kunde immer stärker ausbreitete. Mike Rander wartete, bis Parker hielt. Dann schwang er sich aus dem Wagen und rannte in das heideähnliche Gelände rechts von der Straße. Er blieb neben einem Strauch stehen und wartete auf die Rückkehr des Hubschraubers, dessen Rotoren noch laut und deutlich zu hören waren. Nach wenigen Augenblicken aber merkte der Anwalt, daß dieses Geräusch immer schwächer wurde. »Man scheint sich vom Ort des Geschehens entfernen zu wol len«, sagte Josuah Parker, der neben Mike Rander aufgetaucht war. »Nichts gegen einzuwenden«, antwortete der Anwalt, »ich habe was dagegen, mich wie auf einem Präsentierteller anzubieten. Wer hat uns nun in die Pfanne gehauen, Parker?« »Eine Frage, Sir, die meine Wenigkeit momentan nicht zu be antworten wagt«, lautete Parkers Antwort, »Mr. Buddy Capson konnte durchaus davon ausgehen, daß man hier auf der Halbinsel Gower erscheinen wird. Von ihm selbst stammte immerhin der Hinweis auf die mehrfach erwähnte Strand-Pension.« »Und dann hätten wir da noch dieses Trio«, meinte der Anwalt, »das könnte uns heimlich beschattet haben, wie?« »In der Tat, Sir.« Parker deutete mit der Schirmspitze zurück in den dichten Nebel, in dem irgendwo sein Wagen stand. Man hörte die grollende, baritonal gefärbte Stimme der älteren Dame, die sich verirrt zu haben schien. Sie verlangte energisch nach Parker. »Sie dürften gleich einen Kreislaufkollaps behandeln müssen«, sagte Mike Rander ironisch, »schrauben Sie sicherheitshalber schon mal Ihre Taschenflasche auf.« 62
* »Sie sind das also«, äußerte die Detektivin eine halbe Stunde später. Sie hatte ihre Lorgnette aufgeklappt und betrachtete Ray Sandhurst durch die Gläser ihrer Stielbrille. Vor sich hatte sie ei nen etwa vierzigjährigen Mann, der untersetzt und drahtig aus sah. Der Rundflug-Unternehmer trug eine abgewetzte Lederjacke, verwaschene Jeans und einen ölverschmierten Traveller-Hut. »Ist was, Mylady?« erkundigte er sich und strich nervös über das schmale Oberlippenbärtchen. Der Mann fühlte sich eindeutig unbehaglich unter dem kritischen Blick der älteren Dame. »Ich glaube, ich erkenne Sie wieder«, sagte Lady Agatha und nahm die Stielbrille ab, »haben Sie nicht eben erst auf mich ge schossen?« »Geschossen, Mylady? Auf Sie?« Ray Sandhurst blickte Kathy Porter, Mike Rander und dann Josuah Parker entgeistert an. »Ich soll auf Sie geschossen haben?« »Leugnen Sie nicht, junger Mann«, raunzte die energische Da me den immer noch irritierten Mann an, »Sie waren doch mit Ih rem Hubschrauber unterwegs, oder? Wollen Sie das etwa abstrei ten?« »Ich bin seit einer Stunde nicht mehr in der Luft gewesen«, er widerte Ray Sandhurst da gereizt, »was sollen diese Anschuldi gungen? Warum sollte ich auf Sie geschossen haben? Wollen Sie nun einen Rundflug buchen oder nicht?« »Mylady beliebte ein wenig zu scherzen«, schaltete Josuah Par ker sich in seiner bekannt höflichen Art ein, »auf der anderen Seite sollte nicht verschwiegen werden, daß Mylady in der Tat von einem Hubschrauber intensiv attackiert wurde.« »Aber doch nicht von mir«, erklärte der HubschrauberUnternehmer kopfschüttelnd. »Vielleicht von einem Ihrer Piloten?« fragte der Anwalt. »Sie besitzen ja immerhin drei Flugapparate«, fügte Kathy Por ter hinzu. »Und zwei sind drüben im Hangar und werden gewartet«, ent gegnete Ray Sandhurst, »wenn Sie darauf bestehen, können Sie sich ja die beiden Maschinen ansehen.« »Und ob ich sie mir ansehen werde, junger Mann!« Die ältere 63
Dame setzte sich sofort in Marsch. »Ich glaube nur das, was ich sehe.« »Gibt es hier in der engeren Region möglicherweise noch ande re Fluggeräte?« fragte Parker den Unternehmer, als sie Mylady folgten. »Natürlich gibt es die«, lautete die Antwort, »hier draußen auf der Halbinsel wohnen ein paar reiche Leute, die sich ihre eigenen Kaffeemühlen leisten können.« »Eine hübsche Umschreibung für einen Hubschrauber«, ließ Parker sich vernehmen. »Es ist eben so üblich«, meinte Ray Sandhurst, »sagen Sie, sind Sie wirklich beschossen worden?« »Daran kann kein Zweifel bestehen«, erwiderte Josuah Parker und nahm zur Kenntnis, daß Kathy Porter und Mike Rander die Gruppe verließen und zu einer langgestreckten Steinbaracke gin gen, in dem die Büros des Hubschrauber-Unternehmers unterge bracht waren. »Wie sah diese Kaffeemühle denn aus?« wollte Ray Sandhurst wissen. »Das Fluggerät war recht klein, verfügte über einen Gitterrumpf und wies keine Kennzeichen auf.« »Dann dürfte man die absichtlich überpinselt haben«, vermute te der Rundflug-Unternehmer, »um es aber gleich zu sagen, einer meiner Hubschrauber hat auch einen Gitterrumpf.« »Sollte die Maschine in der Luft gewesen sein, Mr. Sandhurst, dürfte der Motor noch mehr als nur warm sein«, gab Josuah Par ker zurück, »wenn Sie erlauben, wird dies beiläufig überprüft.« »Von mir aus.« Sandhurst hob die Schultern. »Ich habe nichts zu verbergen. Warum könnte man Sie denn beschossen haben? Sollte man das nicht sofort der Polizei melden?« »Ein Hinweis, dem man wohl nachkommen wird«, entgegnete Parker. Sie hatten inzwischen den Hangar erreicht, und Lady A gatha eilte in die halbdunkle Tiefe der Halle. Sie steuerte umge hend einen kleinen Hubschrauber an, der einen Gitterrumpf hatte. »Das ist diese Kaffeemühle«, erklärte sie mit Nachdruck, »ich erkenne sie auf den ersten Blick.« »Dieses Fluggerät verfügt über ein Kennzeichen«, sagte Parker. »Man hat es eben erst freigelegt«, redete die Detektivin weiter, »vorher hat man es bestimmt mit Dreck und Öl unkenntlich ge macht. Einer Lady Simpson kann man nichts vormachen.« 64
»Moment mal.« Rander ging näher an den Hubschrauber heran und vergewisserte sich, ob der Motor noch warm war. Dazu brauchte er nur eine Arbeitsbühne zu besteigen, von der aus man sehr nahe herankam. »Eiskalt und teilweise ausgebaut«, rief er Lady Agatha und Par ker zu, »dieser Hubschrauber hier geht in Ordnung.« »Das sage ich doch die ganze Zeit«, rief Ray Sandhurst wütend, »ich habe mit der Schießerei nichts zu tun. Wollen Sie mir denn was anhängen? Das sitzt bei mir nicht drin.« »Dann haben Sie eben noch eine vierte Kaffeemühle«, erklärte die ältere Dame eigensinnig. * »Wie hübsch«, konstatierte Lady Agatha eine halbe Stunde spä ter. Sie deutete auf einen Leuchtturm, der am zerklüfteten Ende einer schmalen Landzunge stand und in den Farben Weiß und Rot gestrichen war. Eine gepflasterte Straße führte zu diesem Turm, der einen unbewohnten Eindruck machte. »Wären Mylady mit dem Servieren des Picknicks einverstan den?« erkundigte sich der Butler. »Und ob, Mr. Parker.« Sie nickte wohlwollend. »Ich brauche ei ne kleine Stärkung.« Parker fuhr bis dicht an den Fuß des Leuchtturmes heran, hielt und brauchte nur wenige Minuten, bis er einen fast festlich ge deckten Tisch anbieten konnte. Aus dem Kofferraum seines hoch beinigen Monstrums hatte er einen Klapptisch geholt und aufge baut. Für Mylady gab es einen besonders konstruierten Faltstuhl, in dem sie Platz nahm. Josuah Parker servierte kaltes Huhn, Stangenweißbrot, Butter aus einer Kühltasche und diverse andere Köstlichkeiten. Dazu reichte er selbstverständlich Tee, den Mylady sich ganz nach Be lieben mit Rum oder Kognak aufbereiten konnte. »Dieses Subjekt hat natürlich einen vierten Hubschrauber«, wiederholte Lady Agatha noch mal, als sie sich mit dem Huhn befaßte, »mir kann der Bursche nichts vormachen, Mr. Parker.« »Solch ein Versuch, Mylady, wäre bereits im Ansatz sinnlos«, antwortete der Butler. »Ich brauche nur noch einige Beweise, um ihn überführen zu 65
können«, redete sie munter weiter, »kümmern Sie sich darum, Mr. Parker. Diese reinen Routinedinge sind nichts für mich.« »Meine Wenigkeit wird sich entsprechend bemühen, Mylady.« »Warum wollte man denn versuchen, mich aus dem Weg zu räumen?« sinnierte sie mehr als halblaut und lehnte sich zufrie den zurück, »meine Gegner wissen, daß ich auf der richtigen Spur bin.« »Mylady sind für kriminelle Elemente stets eine Gefahr«, be hauptete der Butler in seiner höflichen Art. »Weil ich logisch denken und auch kombinieren kann«, lobte sie sich nachdrücklich, »nach dem Picknick werde ich mich mit die sem Trio befassen, Mr. Parker.« »Und mit Mr. Buddy Capson«, erinnerte Josuah Parker, »gegen eine Zahlung von fünfzigtausend Pfund will er den Hintermann der Kunstdiebe verraten.« »Er wird keinen einzigen Penny von mir bekommen«, erklärte sie, »ich bin schließlich keine reiche Frau. Wo stecken eigentlich die Kinder?« »Miß Porter und Mr. Rander ziehen gewisse Erkundigungen ein«, erläuterte der Butler, »es soll herausgefunden werden, ob Hubschrauberflüge von Fall zu Fall angemeldet werden müssen.« »Das merkt doch kein Mensch, wenn solch ein Subjekt die Küste verläßt und hinaus auf See fliegt.« »Es gibt eine sehr intensive Küsten- und Luftüberwachung, My lady.« »Das möchte ich mir auch ausgebeten haben«, entgegnete sie, »wozu zahle ich schließlich horrende Steuern. Und wie überwacht man nun die Küste? Radar, nicht wahr?« »In der Tat, Mylady«, gab der Butler zurück, »zudem wird jedes ein- und auslaufende Schiff genau registriert und noch zusätzlich vom Zoll erfaßt.« »Und das alles sollte wirklich lückenlos sein?« fragte die ältere Dame skeptisch. »Theoretisch, Mylady«, schränkte der Butler ein, »Hubschrauber sind durchaus in der Lage, Radarwellen zu unterfliegen. Und klei nere Boote, Fischkutter oder Motoryachten können durchaus an jedem beliebigen Punkt der Küste ein Landungsmanöver durch führen.« »Das sage ich doch die ganze Zeit«, meinte die Detektivin, »und von dieser Küste aus wollte man diesen Inka-Schmuck au 66
ßer Landes schaffen.« »Den Schmuck der Etrusker«, korrigierte Parker höflich. »Wie auch immer.« Sie winkte ab. »Klammern Sie sich nicht an unwichtige Kleinigkeiten, Mr. Parker. Haben Sie übrigens an eine Süßigkeit zum Nachtisch gedacht?« »Mylady könnten sich an einem Früchtekuchen delektieren, den man mit Rum tränken konnte.« »Das hört sich gut… Was ist das?!« »Es dürfte sich um einen Hubschrauber handeln, Mylady«, deu tete der Butler das Geräusch das vorerst noch schwach zu ver nehmen war. »Aha. Man will also wieder mal Jagd auf mich machen, wie?« »Man sollte solch eine Absicht keineswegs ausschließen.« Das Schlagen der Rotorblätter wurde immer lauter. Kurz darauf stieg ein kleiner Hubschrauber hinter einem Steilfelsen auf und bewegte sich senkrecht hoch in die Luft. »Ich werde diese Kaffeemühle abschießen«, kündigte die ältere Dame kriegerisch an, »ich lasse mir die Belästigungen nicht län ger gefallen, Mr. Parker. Reichen Sie mir eine Rakete oder so et was. Ich hoffe doch sehr, daß Sie an solch eine Waffe gedacht haben.« Der Hubschrauber, der sich auf der Stelle im Kreis gedreht hat te, schoß gerade wie eine zustoßende Libelle auf den Leuchtturm zu. * »Miß Porter und Mr. Rander«, sagte Josuah Parker wenige Au genblicke später. Er hielt ein Fernglas vor Augen und reichte es an seine Herrin weiter. »Tatsächlich«, meinte sie bedauernd, als sie sich vergewissert hatte, »oder sollten die Kinder vielleicht entführt worden sein?« »Das fröhliche Winken, Mylady, läßt solch einen Schluß nur un ter Vorbehalt zu«, meinte der Butler. »Und was tun die Kinder in der Luft?« »Möglicherweise lassen Miß Porter und Mr. Rander sich die Hub schrauber-Landeplätze der Insel zeigen.« »Das wird natürlich gar nichts bringen«, mäkelte die Detektivin, doch dann lächelte sie plötzlich versonnen, »auf der anderen Sei 67
te sind die Kinder wieder mal unter sich. So etwas sollte man um jeden Preis fördern.« Natürlich dachte Lady Agatha wieder an eine gewisse Hochzeit, die sie möglichst bald ausrichten wollte. Sie winkte hinauf zum Hubschrauber und wischte sich einige Tränen der Rührung aus den Augenwinkeln. »Ich brauche jetzt einen Kreislaufbeschleuniger«, sagte sie an schließend und räusperte sich explosionsartig, »zurück zur Ta gesordnung, Mr. Parker, wir wollen doch keine Schwachheiten aufkommen lassen.« »Wie Mylady zu meinen belieben.« Parker hatte die lederum spannte Taschenflasche bereits hervorgeholt und reichte seiner Herrin den gefüllten Becher. Sie kippte den Kognak ruckartig hin unter, schüttelte sich ein wenig und blickte dann noch einen Mo ment dem Hubschrauber nach, der hinter der Nase eines Steilfel sens verschwand. »Was steht jetzt auf meinem Programm?« fragte sie. »Mylady planen möglicherweise noch den Besuch einer gewis sen. Strand-Pension«, erwiderte der Butler. Er packte bereits ein und geleitete die ältere Dame später hinüber zum hochbeinigen Monstrum. »Mir ist da gerade ein Gedanke gekommen«, sagte sie und blieb plötzlich stehen. »Mylady entwickelten eine neue Theorie?« erkundigte sich Par ker höflich. »Könnten dieser Lümmel und das Trio nicht unter einer Decke stecken?« redete sie munter weiter. »Mylady sprechen von Mr. Buddy Capson und Miß Judy Malone und ihren beiden Begleitern?« »Was sind schon Namen?« blaffte sie. »Aber genau diese Sub jekte meine ich natürlich. Was halten Sie von meiner Theorie?« »Man kann und muß sie nur als ausgesprochen bemerkenswert bezeichnen, Mylady«, gab der Butler zurück. Er war einfach durch nichts zu erschüttern. »Man muß eben Phantasie haben, Mr. Parker«, belehrte sie ih ren Butler, »man muß ein Gefühl für Zusammenhänge besitzen.« »Mylady Werden darin stets Vorbild meiner Wenigkeit sein und bleiben.« Sie wollte einsteigen, als sie ihren Fuß, den sie bereits in den 68
hochbeinigen Wagen gesetzt hatte, wieder zurückzog. »Hören auch Sie das, was ich höre?« fragte sie. »Eindeutig Schüsse aus einer Maschinenpistole, Mylady, die das Geräusch von Hubschrauber-Rotoren überdecken.« »Ein Luftkampf, Mr. Parker!« Sie schirmte mit der linken flachen Hand ihre Augen ab und beobachtete das umliegende Gelände. Kurz danach tat sie einen leicht gereizten Schnaufer. »Sehen Sie sich das an«, redete sie nun weiter und ließ am Klang ihrer Stimme deutlich erkennen, daß sie sich sorgte, »die Kinder werden da doch angegriffen. Oder sehe ich das falsch.« »Mylady deuten die Situation leider völlig richtig«, antwortete der Butler, »man gibt sich in der Tat alle erdenkliche Mühe, jenen Hubschrauber abzuschießen, in dem Miß Porter und Mr. Rander sich befinden.« »Ich hoffe, Sie unternehmen dagegen etwas«, verlangte die De tektivin energisch. »Was immer in den Kräften meiner schwachen Wenigkeit steht, Mylady«, versicherte der Butler und öffnete noch mal den Koffer raum seines hochbeinigen Wagens. Er holte eine schwarze, große Ledertasche hervor, deren Bügel er öffnete. Dann traf er schnell eine Auswahl. Er war bereit, in den Luftkampf einzugreifen, der sich von Sekunde zu Sekunde immer näher an den Leuchtturm heranschob. * Es handelte sich um einige reguläre Feuerwerkskörper, die Par ker aus der Reisetasche geholt hatte. Die eigentlichen Raketen befanden sich an langen Holzstöcken, die man in die Erde steck te, bevor die nicht ungefährlichen Raketen gezündet wurden. Die beiden Hubschrauber waren genau voneinander zu unter scheiden. Das Fluggerät, in dem sich Kathy Porter und Mike Rander befanden, besaß einen verschalten und geschlossenen Rumpf, der angreifende Hubschrauber hingegen verfügte über einen git terähnlichen, offenen Rumpf. Dieser angreifende Hubschrauber war eindeutig wendiger und schneller. Er umkreiste sein Opfer in engen Kurven. Der Pilot war gerade damit beschäftigt, den Schüt zen in die richtige Position zu bringen. Der angegriffene Hubschrauber hatte einige Male versucht, auf 69
die Halbinsel zurückzukommen, war jedoch immer wieder abge drängt worden. Jetzt hielt der Pilot genau auf den Leuchtturm zu und schien hier Hilfe zu erwarten. »Sehr schön«, lobte Agatha Simpson. »Der Pilot dürfte einen genauen Hinweis auf Myladys Position bekommen haben«, vermutete der Butler und machte sich bereit, die erste Rakete abzufeuern. Die Lunte war sehr kurz. In der rechten Hand hielt Parker ein altertümlich aussehendes Sturm feuerzug, das jedoch einen soliden Eindruck machte. Damit zündete er die Lunte. Gleichzeitig richtete der Butler den Feuerwerkskörper mit dem Holzstiel auf den angreifenden Hub schrauber. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis die Rakete ge zündet wurde. Da Parker die Bewegung des Fluggerätes verfolgt hatte, zischte der Feuerwerkskörper haargenau auf den schnellen, wendigen Hubschrauber zu und hinterließ dabei einen Feuer schweif. Etwas links vom Ziel platzte die Rakete auseinander und teilte sich in eine Vielzahl von kleinen, bunten Feuerkugeln. Der Pilot des Hubschraubers wurde völlig überrascht. Er mußte den Feuer schweif zwar gesehen haben, doch er war nicht fähig gewesen, eine Ausweichbewegung zu vollführen. Erst als die Rakete sich teilte, vollführte der Hubschrauber einen wilden Hüpfer nach oben und nach rechts. Dabei kam das Flugge rät in gefährliche Schräglage, sackte nach unten durch und wurde dann in einer Schaukelbewegung wieder abgefangen. Parker hielt bereits den zweiten Feuerwerkskörper in der linken Hand. Der Hubschrauber, in dem Kathy Porter und Mike Rander saßen, kurvte inzwischen dicht um den Leuchtturm herum und bleib dann hinter ihm stehen. »Kommen Sie, Mr. Parker, lassen Sie mich«, verlangte die älte re Dame kriegerisch und riß dem Butler förmlich den Feuerwerks körper aus der Hand. Sie konzentrierte sich auf den zweiten Hub schrauber, der wieder anschwebte, jedoch einen unentschlosse nen Eindruck machte. »Zünden Sie doch endlich, Mr. Parker«, forderte die Lady, und Josuah Parker kam diesem Verlangen umgehend nach. Doch dann brachte er sich sicherheitshalber neben seinem Wagen in De ckung. Er kannte das technische Geschick seiner Herrin schließ lich nur zu gut. Sie visierte inzwischen den verfolgenden Hubschrauber an, wo 70
bei sie allerdings beide Augen schloß. Einen Moment später zisch te auch der zweite Feuerwerkskörper los und schrammte hinauf zum Leuchtturm. Oben am Rundgang prallte er vom Eisengelän der ab und flog als leuchtender Querschläger weiter in Richtung See. Es war wirklich der reine Zufall, daß der zweite Hubschrauber gerade in diesem Augenblick eine Kurskorrektur vornahm. Die Plexikanzel schoß in den bunten Feuerreigen und war für einen Moment nicht mehr zu sehen. »Was sagen Sie jetzt?« fragte Agatha Simpson triumphierend und wandte sich zu Parker um. Da sie inzwischen wieder die Au gen geöffnet hatte, sah sie, wie gut sie getroffen hatte. »Myladys Rock belieben ein wenig zu brennen«, beantwortete Parker die an ihn gestellte Frage. »Wie war das?« Sie sah Parker irritiert an. »Myladys Rock dürfte Feuer gefangen haben«, wiederholte der Butler, »falls Mylady gestatten, wird meine Wenigkeit mit der Be kämpfung des Brandes beginnen.« Erst jetzt stieß Lady Agatha einen mehr als spitzen Schrei aus und schaute an sich hinunter. Ihr Rock hatte tatsächlich Feuer gefangen. Der feurige Schweif der abfliegenden Rakete hatte das kräftige Tweedgewebe in Brand gesetzt. Parker wußte sich selbstverständlich auch in einer heiklen Situa tion zu helfen. Er ging die wenigen Schritte bis zum sanft anlau fenden Wasser, schöpfte mit seiner schwarzen Melone eine gehö rige Portion Meerwasser und löschte anschließend zielsicher und mit Energie den Schwelbrand. »Das werde ich Ihnen nie vergessen«, grollte Lady Agatha nach dem Löschvorgang. Sie blieb steif stehen und schaute erneut an sich hinab. Aus ihrem Rock tropfte das Löschwasser und lief in die Schuhe. »Mylady sollten eine Selbstverständlichkeit nicht erwähnen«, bat Josuah Parker. »Das werde ich Ihnen bestimmt nie vergessen«, wiederholte Agatha Simpson, »das haben Sie nämlich absichtlich getan. Mr. Parker. Ich weiß es genau!« *
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»Das war knapp«, sagte Mike Rander, als er aus dem Hub schrauber stieg. Er half Kathy Porter aus dem Cockpit und winkte dann dem Piloten zu, der sich als Ray Sandhurst entpuppte. »Ohne mein Eingreifen wären Sie abgeschossen worden, mein Junge«, lobte die ältere Dame sich nachhaltig, »aber Sie brau chen sich nicht zu bedanken, ich habe es natürlich gern getan.« »Sind Sie ins Wasser gefallen?« fragte Mike Rander und blickte auf den triefend nassen Rock der Lady. »Das geht auf Mr. Parkers Konto«, beschwerte sie sich umge hend, »er hat wieder mal maßlos übertrieben, aber das kenne ich ja nicht anders.« »Mylady beliebten Feuer zu fangen«, warf der Butler höflich ein. »Weil Sie mich beim Abschuß der Rakete behinderten«, schwin delte Agatha Simpson, »sagen Sie, mein Junge, ist das nicht die ses verdächtige Subjekt vom Hubschrauber-Flugplatz?« »Ray Sandhurst«, bestätigte Kathy Porter, die sich nur mit Mü he das Lachen verbeißen konnte, »er wollte uns die privaten Hub schrauber-Landeplätze hier auf der Halbinsel zeigen.« »Und plötzlich wurden wir angegriffen«, schaltete der RundflugUnternehmer sich ein. Er war aus dem Cockpit gestiegen und nahm die Sonnenbrille ab, »irgendwie scheint man uns aufgelau ert zu haben. Die andere Kaffeemühle stieg vor der Steilküste hoch und griff uns sofort an. Ohne Ihr Feuerwerk wären wir be stimmt nicht entwischt.« »Kam Ihnen diese Kaffeemühle, wie Sie es bezeichnen, mögli cherweise bekannt vor?« fragte Josuah Parker. »Ja und nein.« Ray Sandhurst hob die Schultern. »Das Kennzei chen war überpinselt. Und den Piloten konnte ich nicht ausma chen, der hatte die Sonnenblende seines Helmes ‘runtergeklappt. Und wer der Schütze ist? Keine Ahnung, ich habe das Gesicht nie gesehen.« »Gewisse Personen dürften über einen ausgezeichnet organi sierten Nachrichtendienst hier auf der Halbinsel verfügen«, stellte Josuah Parker fest. »Könnten Sie diesen Hubschrauber in etwa einordnen?« fragte Kathy Porter den Piloten. »Ich kenne hier zwei Hubschrauber mit Gitterrumpf«, entgegne te Ray Sandhurst, »aber das will eigentlich nichts besagen.« »Man könnte doch wohl davon ausgehen, daß Sie den Typ die ses Fluggerätes sehr genau einzuordnen wissen«, meinte Parker. 72
»Das schon. Es handelt sich da um eine ziemlich neue Konstruk tion der Avia-Corporation, das Ding ist erst seit knapp einem Jahr auf dem Markt und ist einmalig, was Wendigkeit und Schnelligkeit betrifft.« »Und wer auf der Halbinsel, Sir, besitzt solch einen Hubschrau ber?« »Warten Sie, lassen Sie mich nachdenken.« Ray Sandhurst run zelte die Stirn und bemühte seine grauen Zellen. Dann nickte er. »Eine dieser Kaffeemühlen hat Harry Crain, die andere gehört einem gewissen William Barters, den ich aber nicht näher kenne. Er hat sich hier an der Küste vor knapp einem Jahr eingekauft und soll sein Geld mit Immobilien gemacht haben. Wie gesagt, ich kenne den Burschen nicht. Er gibt sich sehr zurückhaltend.« »Und wer, Mr. Sandhurst, ist Mr. Harry Crain?« fragte der Butler gemessen weiter. »Ein prima Typ, obwohl er mein Konkurrent ist.« Sandhurst lä chelte. »Hubschrauber sollen nicht gerade billig sein«, tippte Mike Rander an. »Sie wollen wissen, womit er sein Geld gemacht hat?« Sand hurst nickte. »Harry war Pilot bei einer großen Firma, die in der Nordsee Öl raufholt. Dann gab’s wohl Krach mit der Gesellschaft. Er ließ sich auszahlen und macht jetzt hier auf Transport- und Rundflüge, genau wie ich.« »Sie sind ein bemerkenswert junger Unternehmer, wenn meine Wenigkeit diese Feststellung treffen darf.« Parker blickte den Mann höflich-erwartungsvoll an. »Ach so, jetzt begreife ich. Das ist so etwas wie ein. Verhör, wie?« »Keineswegs und mitnichten, Sir«, erklärte der Butler, »Mylady ist nur daran interessiert, sich, ein allgemeines Bild der momen tanen Lage zu verschaffen.« »Okay, ich habe nichts zu verbergen.« Ray Sandhurst lächelte bereits wieder. »Ich war Pilot bei einer Fluggesellschaft, erbte dann eine Menge Geld und habe mich selbständig gemacht, aber ‘ne goldene Nase hab ich mir hier nicht gerade verdienen.« »Mylady benötigen jetzt nur noch die Adressen der Herren Crain und Barters«, schloß der Butler seine Befragung, »ich möchte mich darüber hinaus im Namen Myladys für Ihre Kooperationsbe reitschaft bedanken.« 73
Fast widerwillig nannte Sandhurst die gewünschten Adressen, wandte sich dann um und ging zu seinem Hubschrauber zurück. Nach wenigen Minuten hob er ab und flog zur Küste zurück. »Ein sehr verdächtiges Subjekt«, stellte die ältere Dame fest, »ich frage mich bereits, ob dieser Luftkampf nicht bestellt war, Mr. Parker.« »Ein Hinweis, Mylady, den man nur verblüfft zur Kenntnis neh men kann«, lautete Parkers Antwort. * »Selbstverständlich kann ich einen Hubschrauber fliegen«, stell te Lady Simpson nachdrücklich klar, »für mich ist das eine Klei nigkeit. Ist es nicht so, Mr. Parker?« Der Butler, der hinter den beiden Pilotensesseln Platz genom men hatte, enthielt sich jeder Antwort. Sicherheitshalber aber vergewisserte er sich, daß die Anschnallgurte fest saßen. Zudem suchte er für seine rechte Hand noch einen zusätzlichen Halt. Und er überlegte, ob dieses Fluggerät zumindest über einen Fallschirm verfügte. »Überlassen Sie mir jetzt mal den Steuerknüppel, junger Mann«, verlangte die ältere Dame über die Bordsprechanlage, an der auch Parker angeschlossen war, »ich werde Ihnen beweisen, wie man zu meiner Zeit flog.« »Man sollte vielleicht schnell und direkt die bewußte StrandPension anfliegen«, schlug Josuah Parker vor. Er kannte schließ lich den Ehrgeiz seiner Herrin, die davon überzeugt war, jede Technik zu beherrschen. »Ich übergebe«, sagte Ray Sandhurst, der ahnungslos war, »ich…« Weiter kam er nicht. Sein geplanter Satz ging in einem spitzen Schrei unter. Energisch, wie es ihre Art eben entsprach, hatte sich die ältere Dame des Steuerknüppels bemächtigt und schien ihn mit einem Rührlöffel zu verwechseln. Sie drehte ihn nach al len verfügbaren Seiten, zog ihn an sich, drückte wieder steil nach unten, bewegte den Handgriff und ließ aus dem Hubschrauber, der sich eben noch in einer stabilen Fluglage befunden hatte, ein fallendes, welkes Blatt werden, das zur Erde taumelte und sich dabei überschlagen wollte… 74
Parker sicherte seine schwarze Melone mit dem Griff des Uni versal-Regenschirms und horchte dabei in sich hinein. Sein Magen zeigte die eindeutige Neigung, zum Hals hochzusteigen. Wenige Augenblicke später hingegen wollte dieser Magen sich in den Wa den einnisten. Parker sah rings um sich herum nichts als Horizon te und schnappte diskret nach Luft. »Was schreien Sie denn so?« fuhr Lady Agatha den Piloten an, der wegen der auftretenden Fliehkräfte nicht in der Lage war, nach dem Steuerknüppel zu greifen. »Nein, nein…« brüllte Sandhurst mit versagender Stimme. »Nur keine Sorge«, teilte Agatha Simpson ihm über die Sprech anlage mit, »ich werde diese Kaffeemühle jetzt erst mal richtig trimmen.« »Hiiilfe«, keuchte Sandhurst. »Haben Sie sich gefälligst nicht so, junger Mann«, gab Lady A gatha entspannt und heiter zurück, »wo, zum Teufel, ist der Hori zont?« »Möglicherweise rechts von Mylady«, beantwortete Parker die allgemein gestellte Frage. Sein Magen, der gerade wieder die normale Lage eingenommen hatte, preßte sich plötzlich gegen die rechte Rippenpartie. Bevor der Butler sich auf die neue Lage ein stellen konnte, hatte Ray Sandhurst es geschafft. Er riß den Steuerknüppel an sich und hatte alle Hände voll zu tun, um den Hubschrauber wieder auszurichten. Als er es endlich geschafft hatte, befand man sich nur noch wenige Meter über der Wasseroberfläche. »Sie haben sich ziemlich albern benommen«, tadelte die Lady den Piloten, auf dessen Stirn sich Schweißtropfen der Todesangst gebildet hatten. »Sie… Sie hätten uns beinahe umgebracht«, brüllte Sandhurst. »Ich verbitte mir diesen Ton«, fauchte die ältere Dame, »ich habe Ihnen erst mal gezeigt, wie man richtig fliegt, junger Mann! Sie haben sich den Flugschein wahrscheinlich durch den Versand handel zuschicken lassen.« Parker hatte einige Mühe, seine verkrampfte Hand von einem Haltegriff zu lösen. Er entspannte sich und fragte sich, ob ein nachträgliches Stoßgebet vielleicht angebracht sei. »Wie habe ich Ihnen gefallen, Mr. Parker?« erkundigte sich A gatha Simpson bei ihm. »Mylady pflegen stets neue Maßstäbe zu setzen«, lautete Par 75
kers Antwort. »Ich weiß, ich weiß«, gab sie wohlwollend zurück, »manchmal verfügen Sie über ein bemerkenswert gutes Urteilsvermögen, Mr. Parker.« * »Und die Vögel waren natürlich ausgeflogen, wie?« fragte Mike Rander eine Stunde später. Er und Kathy Porter waren mit Par kers hochbeinigem Monstrum ins Hotel zurückgefahren, wo man sich gerade getroffen hatte. »Miß Malone und ihre beiden Begleiter waren tatsächlich in der Pension«, antwortete der Butler, »aber vor Myladys Eintreffen in der Strand-Pension wurden die Zimmer geräumt.« »Und was hat die Suche nach den beiden Hubschraubern erge ben?« wollte Kathy Porter wissen. »Beide Kaffeemühlen sind unterwegs«, gab Agatha Simpson Auskunft und blickte dem Fluggerät nach, das sie gerade in Ho telnähe abgesetzt hatte. Ray Sandhurst hatte auf einen Drink verzichtet und war nach der Landung sofort wieder gestartet. Und dieser Start hatte eindeutig einer wilden Flucht geglichen. »Demnach sind wir erst mal keinen Schritt weitergekommen«, stellte der Anwalt fest und blickte Parker prüfend an, »haben Sie’s mit der Leber?« »Wie darf meine Wenigkeit diese sicher besorgte Frage interpre tieren?« gab Josuah Parker zurück. »Sie sehen ein wenig gelb aus«, sagte Kathy Porter. »Die Nachwirkungen des Fluges, Miß Porter«, entgegnete Par ker. »Ein wunderbarer Flug«, schaltete Agatha Simpson sich ein, »ich hatte für einige Minuten den Steuerknüppel übernommen und dem Piloten eine Lektion erteilt.« »Dann ist mir alles klar.« Rander tauschte einen bezeichnenden Blick mit Kathy Porter, die sich daraufhin Mühe geben mußte, ein Lachen zu unterdrücken. »Wie wär’s mit einem Drink, Parker?« fragte Rander. »Man war bereits so frei, Sir, sich zu laben«, erwiderte Josuah Parker, »meine irritierten Magennerven beruhigen sich eindeu tig.« 76
»Ich möchte doch nicht hoffen, Mr. Parker, daß Sie ausfallen«, sagte die Lady und blickte ihren Butler streng an, »das da eben im Hubschrauber war doch rein gar nichts. Sie sollten mich erst mal in einer kunstflugtauglichen Maschine erleben, Falls Sie es wünschen, werde ich Sie gern mal mitnehmen.« »Mylady sind zu gütigst«, behauptete der Butler, ohne aber auf das Angebot einzugehen. Er war ausgesprochen froh, als ein Ho telangestellter ihnen entgegenkam und einen Brief schwenkte. Vor dem Quartett aus London blieb der Mann stehen, orientierte sich kurz und reichte Parker dann den Umschlag. »Für Sie, Sir«, sagte er, »Sie wurden mir genau beschrieben.« »Und von wem stammt dieser Brief?« erkundigte sich der But ler. »Möglicherweise von einer Person, deren schiefer Mund und schlechte Schneidezähne nicht zu übersehen sind?« »Genau das war der Mann«, bestätigte der Hotelangestellte, »er nannte auch seinen Namen. Ich glaube, er heißt Buddy Capton oder Capson.« »Erinnern Sie mich später daran, daß ich Ihnen vielleicht ein Trinkgeld geben werde«, meinte die ältere Dame hoheitsvoll zu dem Angestellten, der hoffnungsfroh stehen geblieben war, »län geres Warten ist jetzt sinnlos.« Der Angestellte hüstelte und empfahl sich. Parker, der den Um schlag bereits geöffnet hatte, überlas die wenigen Zeilen, die Buddy Capsons Unterschrift trugen. »Vielleicht erfahre ich endlich etwas«, drängte die ältere Dame grollend. »Mr. Buddy Capson teilt Mylady mit, wo das bewußte Trio sich augenblicklich befindet«, sagte der Butler, »diesen Zeilen zufolge ist das neue Quartier der drei Personen der bereits bekannte Gasthof an der Küste.« »Worauf warte ich noch?« wollte Agatha Simpson unterneh mungslustig wissen. »Diese Schiefnase hat uns schon mal in eine Falle gelockt«, ließ Mike Rander sich warnend vernehmen. »Wieso denn, mein Junge?« fragte Lady Agatha. »Als wir zu dieser Strand-Pension fahren wollten, wurden wir von einem Hubschrauber angegriffen und beschossen«, erinnerte Kathy Porter. »Richtig, und dann später diese Geschichte am Leuchtturm, Kindchen.« Die ältere Dame nickte, »noch mal wird man mich 77
nicht hereinlegen. Ich denke, ich werde jetzt erst mal meditie ren.« »Eine gute Idee, Mylady«, sagte der Anwalt, »es kann ja durch aus sein, daß das Trio sich meldet. Hatte man Ihnen nicht ein Geschäft vorgeschlagen, Parker?« »In der Tat, Sir. Man wollte ein Treffen zwischen dem Drahtzie her und meiner Wenigkeit vermitteln.« »Je weniger wir uns rühren, desto schneller wird man auf uns zukommen«, schlug der Anwalt vor, »so habe ich Sie doch ver standen, Mylady, nicht wahr?« »Davon habe ich zwar überhaupt nichts gesagt, mein Junge«, erwiderte sie spöttisch, »aber so denke ich durchaus. Ich werde mich opfern und wieder mal den Köder spielen. Es ist eben mein Schicksal, gefährlich zu leben.« * »Endlich«, sagte Judy Malone erleichtert, »wo haben Sie denn die ganze Zeit über gesteckt? Sind Sie an unserem Geschäft nicht mehr interessiert, Parker?« Sie hatte gerade angerufen, und der Butler befand sich in sei nem Hotelzimmer und hatte den Hörer abgenommen. »Mylady und meine Wenigkeit waren unterwegs«, gab der But ler zurück, »Sie rufen von dem bewußten Gasthof an der Küste aus an, Miß Malone?« »Wie kommen Sie denn darauf?« lautete die spöttische Antwort. »Ach so, ich verstehe. Capson mischt mit, wie?« »Ihr ehemaliges Bandenmitglied, Miß Malone.« »Wollen Sie nun mit unserem Hintermann reden oder nicht?« »Sie können dieses Treffen arrangieren?« »Und zwar schnell«, bestätigte sie, »hören Sie jetzt genau zu: Setzen Sie sich in Ihren komischen Wagen und kommen Sie raus zu dem Gasthof, den Sie da eben angesprochen haben!« »Wird das ehrenwerte Ehepaar Hellwick nicht stören?« erkun digte sich der Butler gemessen. »Das lassen Sie mal meine Sorge sein, Mr. Parker. Ich erwarte Sie in einer Stunde, ist das klar? Die Strecke können Sie in dieser Zeit leicht schaffen. Und kommen Sie allein, keine Tricks! Inzwischen wissen wir ja, wie clever Sie sind, aber auch wir sind nicht gerade auf den Kopf gefallen.« 78
»Sie hatten die Absicht, Mylady, Miß Porter, Mr. Rander und meine Wenigkeit von einem Hubschrauber aus in das sprichwört liche Jenseits zu schicken, wenn die Frage erlaubt ist?« »Sind Sie verrückt? Wie kommen Sie denn darauf? Was ist pas siert?« »Ein Hubschrauber jener Bauart, der bereits schon mal in be sagter Nacht ein Päckchen abwarf, trat erneut in Erscheinung.« »Damit haben wir nichts zu tun«, erklärte Judy Malone mit Nachdruck, »was hätten wir davon, wenn Sie tot sind?« »Eine Frage, die ihre Berechtigung hat«, antwortete der Butler. »Hinter diesem Angriff kann nur Capson stecken«, redete die Frau weiter. »Er will das Geschäft allein machen. Der Mann ist unberechenbar und gefährlich.« »So ähnlich drückte man sich bereits an anderer Stelle aus«, sagte der Butler, »Sie und Ihre Freunde hingegen zeichnen sich durch zivilisierte Manieren aus.« »Kommen Sie mir bloß nicht mit Ironie, Parker«, warnte Judy Malone, »wenn Sie uns reinlegen wollen, haben Sie bereits verlo ren.« »In einer Stunde also am Gasthof an der Küste.« »Falls Sie sich eine goldene Nase verdienen wollen, Parker.« Sie legte auf, und Josuah Parker folgte ihrem Beispiel. Er war skepti scher denn je. Inzwischen mußte das Trio sehr genau wissen, wer er war. Die Kunstdiebe hatten sich mit Sicherheit entsprechend informiert. Sie mußten also wissen, daß er nicht käuflich war. Natürlich wollte man ihn in eine Falle locken, um ihn dann unter massiven Druck setzen zu können. Das Trio wollte endlich wieder in den Besitz der Kunstgegenstände kommen. Ob Capson für die Luft-Attacken verantwortlich war, mußte noch geklärt werden. Vieles sprach für diese Annahme, doch auch ein Buddy Capson konnte an einem Massenmord nicht interessiert sein. Ein toter Josuah Parker konnte ihm in Sachen Goldschmuck nicht weiterhelfen. Parker informierte Mike Rander und Kathy Porter. »Natürlich will man Ihnen eine Falle stellen, Parker«, sagte der Anwalt. »Mr. Rander und ich könnten schon jetzt vorausfahren«, schlug Myladys Sekretärin und Gesellschafterin vor, »wir könnten die Lage sondieren und Ihnen zu Hilfe kommen, falls etwas passieren sollte.« 79
»Dann würde Mylady allein hier im Hotel zurückbleiben, Miß Porter«, gab der Butler zu bedenken. »Sie würde die Gelegenheit nutzen und einen Alleingang unter nehmen.« Mike Rander nickte und lächelte wissend. »Damit wür den wir ein Chaos riskieren.« »Eine Bemerkung, Sir, zu der meine Wenigkeit sich auf keinen Fall äußern möchte und wird«, ließ Josuah Parker sich verneh men. »Okay, ich werde im Hotel bleiben«, meinte Kathy Porter, »si cher ist sicher.« »Eine Lösung, Miß Porter, die man nur als akzeptabel bezeich nen kann«, sagte Parker, »Sie nehmen meiner Wenigkeit mit die ser Entscheidung einen sprichwörtlichen Stein vom Herzen.« »Was ist mit den beiden Hubschrauber-Besitzern?« wollte Kathy Porter wissen. »Kümmern wir uns nicht weiter um sie?« »Sie sprechen von den Herren Crain und Barters, nicht wahr?« »Von den beiden Personen, die Hubschrauber mit Gitterrümpfen besitzen.« Kathy Porter nickte. »Theoretisch könnte einer dieser beiden Knaben der gesuchte Drahtzieher und Hintermann sein«, warf Mike Rander ein. »Vielleicht sollte man warten, bis man vom Gasthaus an der Küste wieder zurückgekehrt ist«, schlug Josuah Parker vor, »nach diesem Ausflug könnte man denn entsprechende Besuche abstat ten.« »Hoffentlich meditiert Mylady lange genug«, sagte Kathy Porter, »Sie wissen ja, Mr. Parker, wenn Mylady sich erst mal etwas in den Kopf gesetzt hat, ist sie nicht mehr zu stoppen.« Parker verzichtete höflicherweise auf einen Kommentar. * Parker war pünktlich an Ort und Stelle. Er saß am Steuer seines hochbeinigen Monstrums und näherte sich dem Gasthaus an der Küste. Er benutzte die reguläre Zufahrt und war gespannt, auf welche Art man ihn erwarten würde. Er ging davon aus, daß der Drahtzieher des Kunstdiebstahls sich nicht zeigen würde. Man würde versuchen, ihn, Josuah Parker, abzufangen und unter Druck zu setzen. Die Gegenseite wußte ja schließlich sehr genau, daß er das Versteck des etruskischen 80
Schmucks kannte. Als das Gasthaus in Sicht kam, minderte Parker die Fahrt seines Wagens und hielt dann etwa fünfzig Meter vor dem Haus. Jetzt war es an der Gegenseite, die Initiative zu ergreifen. Wenige Augenblicke später zeigte sich Judy Malone. Sie kam aus dem Gasthaus und winkte. Parker antwortete mit den Scheinwerfern seines Wagens. Judy Malone trat näher, wink te erneut und blieb dann neben dem Wagen auf Parkers Seite stehen. »Man erlaubt sich, einen wunderschönen Tag zu wünschen, Miß Malone«, sagte der Butler durch den schmalen Spalt der geöffne ten Seitenscheibe, »darf man davon ausgehen, daß Ihr Hinter mann anwesend ist?« »Er wird gleich per Hubschrauber kommen«, erwiderte sie, »wollen Sie nicht aussteigen?« »Das würde gewisse Gewichte einseitig verlagern, Miß Malone«, erwiderte Josuah Parker, »es steht Ihnen jedoch frei, auf dem Beifahrersitz des Wagens Platz zu nehmen.« »Einverstanden.« Sie lächelte, ging um die Motorhaube herum und öffnete die Wagentür. Danach schlüpfte sie in das hochbeini ge Monstrum und nahm auf dem Beifahrersitz Platz. »Sie sind wirklich aus der Luft angegriffen worden?« fragte sie und blickte betont auf ihre Armbanduhr. »In zwei oder drei Minu ten müßte der Hubschrauber kommen.« »Man schien geradezu versessen darauf gewesen zu sein, Myla dy und ihre Begleiter auszuschalten«, machte Parker noch mal deutlich. »Das geht aber nicht auf unser Konto«, betonte die junge Frau nachdrücklich, »dahinter kann nur Capson stecken.« »Der wie Sie, Miß Malone, den Schmuck an sich bringen will. Doch dazu braucht er genaue Angaben, was das Versteck des etruskischen Schmucks betrifft.« »Angaben, die Sie machen können, Parker.« »In der Tat, außer meiner bescheidenen Wenigkeit weiß nie mand, wo der Schmuck sich momentan befindet.« »Und darum wollen wir jetzt auch zur Sache kommen.« Wäh rend sie noch sprach, schob sie den Rocksaum hoch und griff an ihren linken Oberschenkel. In einer Art Halfter befand sich ein Browning, den sie blitzschnell herauszog und dann auf Parker richtete. 81
»Sie haben es mir ziemlich leicht gemacht, Parker«, sagte sie da spöttisch, »bevor Sie sich zusammenschießen lassen, werden Sie wohl sagen, wo ich den Schmuck finde…« Wie auf ein Stichwort hin erschienen Judy Malones Begleiter. Hank und Clive schoben sich aus einem nahen Gesträuch und richteten die Läufe ihrer Maschinenpistolen auf den Wagen des Butlers. »Ihnen wird nichts passieren, Parker«, kündigte sie an, »sobald wir den Schmuck haben, lasse ich Sie frei. So einfach ist das al les.« »Sie fürchten nicht, daß Mr. Buddy Capson Ihnen einen Strich durch die Rechnung macht?« Parker ignorierte die Waffe in der Hand der jungen Frau. Seine rechte Schuhspitze schwebte über eine kaum merkbare Ausbeu lung der Bodenmatte. »Capson hat gegen uns keine Chance«, meinte sie wegwerfend, »steigen Sie jetzt aus, Parker! Wir wollen uns in aller Ruhe unter halten…« »Umgehend und sofort, Miß Malone«, entgegnete Josuah Parker in seiner höflichen Art, »aber begehen Sie nicht den Fehler, Mr. Capson zu unterschätzen?« »Wie kommen Sie denn darauf?« Sie ließ sich ablenken, und Parker drückte in diesem Augenblick mit der Schuhspitze auf die Ausbeulung der Bodenmatte. Daraufhin zuckte Judy Malone deut lich zusammen und runzelte unwillkürlich die Stirn. Sie hatte das Gefühl, von einer feinen Nadel belästigt worden zu sein, die ihre rechte Gesäßhälfte getroffen hatte. Dieser Eindruck stimmte übrigens. Parkers Schuhspitze hatte einen Mechanismus ausgelöst, der eine feine Hohlnadel aus dem Sitzpolster des Beifahrersitzes hochgetrieben hatte. Judy Malone hatte eine Injektion bekom men, von der sie allerdings noch nicht einmal etwas ahnte. Der Einstich war kurz und fast schmerzlos gewesen. Sie rutschte ein wenig unruhig auf dem Beifahrersitz herum und sorgte so ungewollt dafür, daß der Inhalt der Hohlnadel sich blitz schnell im Gewebe ausbreitete. »Sie sollten sich mal einen neuen Wagen anschaffen«, sagte sie dann anzüglich, »die Polsterfedern drücken sich durch.« »Ein Mann in meiner bescheidenen Stellung muß mit dem Geld haushalten«, erklärte der Butler, »darf man sich noch mal zu Mr. 82
Capson äußern, Miß Malone?« »Dieser Typ ist uninteressant«, sagte sie abfällig. »Er war immerhin in der betreffenden Nacht zur Stelle, als das Päckchen abgeworfen wurde«, redete der Butler weiter, »dies konnte unmöglich ein Zufall gewesen sein. Mr. Capson wußte also sehr gut, wo der Goldschmuck umgeschlagen werden sollte. Er kannte das Ehepaar Hellwick und Wußte auch von der Absicht, diesen Schmuck per Boot auf ein vor der Küste stehendes Schiff zu verbringen.« »Ich sagte Ihnen ja schon, daß er früher mal zu uns gehörte«, erwiderte Judy Malone. Ihre Stimme klang leise, die einzelnen Worte dehnten sich. »Normalerweise hätte dieser Hubschrauber den etruskischen Schmuck zum Schiff gebracht«, redete Parker höflich weiter, »nur das ausgesprochen schlechte Wetter hinderte den Piloten daran.« »Das alles ist doch Schnee von gestern«, gab Judy Malone lang sam zurück. Inzwischen hatte sie einige Mühe, um die Worte zu formen. Die Waffe lag längst relativ ungefährlich auf ihrem Schoß. Die Hand umspannte nur noch sehr oberflächlich die Griff schalen. »Könnte man vielleicht unterstellen, daß erwähnter Mr. Capson der eigentliche Hintermann ist, der von seinen Mitarbeitern aus gespielt wurde?« Sie nahm ruckartig den Kopf herum und starrte den Butler aus sehr großen Augen an. Sie wollte die Waffe hochnehmen, doch dazu reichten ihre Kräfte nicht mehr aus. Der Impfstoff aus der Hohlnadel tat seine Wirkung. »Meine Wenigkeit dürfte dem tatsächlichen Zusammenhang mehr als nahe gekommen sein«, vermutete Josuah Parker. »Wenn schon«, sagte sie müde und gähnte, »Capson ist nicht mehr im Spiel. Wir haben ihn ausgeschaltet. Er hat uns lange genug herumkommandiert und hat…« Sie wollte noch etwas hinzufügen, doch sie erlitt einen Gähn krampf und kuschelte sich dabei auf dem Beifahrersitz zurecht. Sie schloß die Augen und merkte nicht, daß Parker den Browning an sich nahm. Parkers schwarz behandschuhte Rechte legte einen der vielen Kipphebel herum, worauf sein hochbeiniges Monstrum direkt aus zuatmen schien. Unter dem Wagenboden stieg feiner Dunst her vor, der die beiden Maschinenpistolen-Träger schnell erreichte. 83
Als sie diesen Dunst einatmeten, waren sie an ihren Waffen nicht mehr weiter interessiert. Sie warfen sie weg, husteten sich förmlich die Seele aus dem Leib und sahen sich außerstande, der Rückfahrt des hochbeinigen Monstrums etwas entgegenzusetzen. * Josuah Parker hielt oben auf der Küstenstraße und wartete auf das Erscheinen Mike Randers, der knapp eine Stunde vor ihm zum Gasthaus gefahren war. Seiner Schätzung nach mußte der Anwalt nun jeden Augenblick auftauchen, um zusammen mit ihm die Rückfahrt anzutreten. Nun, die Minuten verstrichen, doch Mike Rander ließ sich nicht blicken. Der Butler brauchte gar nicht mehr in sich hineinzuhor chen. Sein Gefühl sagte ihm längst, daß etwas passiert sein muß te… War der Anwalt von dem Trio abgefangen und überwältigt wor den? Oder hatte Buddy Capson sich eingeschaltet? In beiden Fäl len mußte er, Josuah Parker, schleunigst etwas unternehmen. Aber da war Judy Malone, die neben ihm auf dem Beifahrersitz lag und fest schlief. Konnte und durfte er sie allein im Wagen zu rücklassen? Bestand akute Gefahr für den Anwalt? Parker konnte diese wichtige Frage aus guten Gründen verneinen. Nur ein le bender Mike Rander war für die Gangster von Nutzen. Sie konn ten ihn dann als Druckmittel benutzen, um wieder an den Schmuck zu kommen. Butler Parker wartete noch einige Minuten, ließ sein hochbeini ges Monstrum dann anrollen und fuhr zurück in Richtung Port Talbot. Während der Fahrt rechnete er mit dem Auftauchen eines Hubschraubers, doch er blieb unbehelligt. Auch von einem Verfol ger war weit und breit nichts zu sehen. Im Moment schien die Lage auch für die Gegenseite unübersichtlich. Wahrscheinlich hat ten sie damit gerechnet, daß er sofort zum Gasthaus zurückkeh ren würde. Doch diesen Gefallen tat Parker ihnen natürlich nicht. Er ließ sich das Gesetz des Handelns nur selten aus der Hand nehmen. Von einer Telefonzelle aus rief er dann den >Schwarzen Schwan< an und ließ sich Kathy Porter geben. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis durchgestellt wurde. 84
»Darf man sich nach Neuigkeiten erkundigen, Miß Porter?« be gehrte er zu wissen, nachdem er seinen Namen genannt hatte. »Neuigkeiten, Mr. Parker? Und ob!« Sie atmete scharf durch. »Eben kam ein Anruf. Mike, ich meine Mr. Rander, soll sich in der Hand der Gangster befinden.« »Dies ist meiner Wenigkeit inzwischen leider bekannt«, erwider te der Butler, »man schlägt sicher vor, Mr. Rander gegen den etruskischen Schmuck auszutauschen, nicht wahr?« »Genau das ist die Absicht, Mr. Parker. Und man läßt uns nicht viel Zeit.« »Könnte meine Wenigkeit mehr zu diesem Thema hören, Miß Porter?« »Bis gegen Abend soll der Austausch stattgefunden haben«, be richtete Myladys Sekretärin, »ich bin darauf erst mal eingegan gen.« »Weiß Mylady bereits von dieser neuen Entwicklung?« »Natürlich, Mr. Parker. Und Mylady wartet auf Ihre Rückkehr. Ich habe sie mit Mühe und Not davon abhalten können, sofort loszufahren. Sie wollte zu dem Gasthaus an der Küste.« »Man könnte sich vielleicht treffen«, schlug der Butler vor, »meine Wenigkeit verfügt inzwischen ebenfalls über ein Faust pfand.« »Sitzt ein Mitfahrer in Ihrem Wagen?« Sie hatte sofort verstan den. »Miß Judy Malone«, entgegnete der Butler, »die junge Dame schläft zur Zeit und ist vor kaum einer Stunde ansprechbar.« »Wir werden sofort losfahren, Mr. Parker. Und wo wollen wir uns treffen?« »Der Leuchtturm dürfte der geeignete Ort sein«, schlug Josuah Parker vor, »dort könnte man dann auch Miß Malone sicher un terbringen.« »Wir brauchen uns wegen Mike, ich meine, wegen Mr. Rander keine Sorgen zu machen, nein?« »Auf keinen Fall, Miß Porter«, versicherte der Butler, »der be wußte Goldschmuck dürfte eine Lebensversicherung sein, wie man sie sich besser kaum vorstellen kann.« Parker legte auf und ging zurück zu seinem hochbeinigen Monstrum. Er nahm am Lenkrad Platz und steuerte dann den Leuchtturm auf der Landzunge an, wo sie sich treffen wollten. Bis dorthin mußte er noch eine gehörige Strecke zurücklegen, doch 85
er setzte auf den starken Motor seines Wagens. Hier draußen auf dem Land brauchte er nicht mit Verkehrskontrollen zu rechnen. Er konnte also sein Geschick als Fahrer voll ausschöpfen. * Plötzlich war der Hubschrauber wieder da. Er schien hinter einem kleinen Waldstück auf das hochbeinige Monstrum gewartet zu haben. Die wendige Libelle hielt genau auf den Wagen zu, flog ein Stück parallel und überholte ihn dann. Etwa hundert Meter vor dem Wagen setzte der Hubschrauber eine Art Kapsel ab, die auf der Straße landete, einige Male hochhüpfte und schließlich im Straßengraben liegen blieb. Nach dem Abwurf dieser Kapsel drehte der Hubschrauber ab und verschwand wieder in Richtung Waldstück. Der Pilot wollte auf diese Art deutlich machen, daß er, Parker, die Kapsel unge stört bergen konnte. Parker kam dieser Aufforderung nach, hielt am Straßenrand und stieg aus. Er konnte die Kapsel genau sehen. Es handelte sich um eine kleine Milchkanne mit Deckel. Durch den Aufschlag war sie erheblich zerbeult worden. Was sie enthielt, war natürlich nicht auszumachen. Hatte man ihm da eine Zeitbombe serviert? Wollte man ihn jetzt auf diese Art aus dem Weg räumen? Eigentlich war ein Mordver such unlogisch, wenn man nicht davon ausging, daß der Schmuck sich im Kofferraum seines Wagens befand. Glaubte man das? Ü berschätzte er die Gangster? Parker schritt gemessen und würdevoll auf die zerbeulte Milch kanne zu und berührte sie vorsichtig mit der Spitze seines Uni versal-Regenschirms. Diese Berührung reichte bereits, um den Deckel von der Kanne wegspringen zu lassen. Dieser Deckel kol lerte über das Erdreich. Parker überstürzte nichts. Er beschrieb einen Bogen um die verdächtige Kanne, bis er in ihr Inneres blicken konnte. Danach war er doch erheblich erleichtert. In der Kanne befand sich ein deutig nur ein Zettel, den der Butler an sich nahm. Er faltete ihn auseinander und überflog die wenigen Zeilen. Buddy Capson teilte mit Anwalt Mike Rander befände sich in seiner Gewalt. Er wäre bereit, ihn gegen den Schmuck auszutau 86
schen. Parker wurde aufgefordert, diesen Schmuck bereitzuhal ten. Dann kehrte der Hubschrauber wieder zurück. Parker, der zum Wagen zurückgegangen war, hielt sich in De ckung. Er hatte keine Lust, sich von der mörderischen Libelle aus unter Beschuß nehmen zu lassen. Der Co-Pilot beugte sich weit aus dem Hubschrauber und winkte nach unten. Parker erkannte Buddy Capson, lüftete die schwarze Melone und grüßte gravitä tisch zurück. Kurz danach senkte sich der Hubschrauber und setzte auf. Bud dy Capson stieg aus und kam langsam auf Parker zu, der sich inzwischen von seinem hochbeinigen Monstrum gelöst hatte. »Ist das nicht die kleine Malone in Ihrem Wagen?« fragte Capson neugierig. »Miß Malone vertraut sich in der Tat meinen bescheidenen Fahrkünsten an«, beantwortete Parker die Frage, »Miß Malone bestätigte einen vagen Verdacht meinerseits.« »Und um welchen Verdacht handelt es sich?« wollte Capson wissen. Er gab sich sehr gelassen und überlegen. Dennoch blieb der Butler auf der Hut. Er hatte den Universal-Regenschirm geho ben und die Spitze auf den Gangster gerichtet. Falls Capson nach einer Waffe griff, wollte der Butler ihn mit einem seiner Pfeile be denken. »Miß Malone bestätigte, daß Sie der Kopf der Diebesbande wa ren«, erklärte Josuah Parker, »man darf wohl davon ausgehen, daß sie sich an die Wahrheit hielt, Mr. Capson.« »Das ist die Wahrheit, Parker«, gab der Mann zurück. Sein an sich schon schiefer Mund verzog sich verächtlich, »diese Idioten haben angenommen, mich austricksen zu können. Lächerlich!« »Miß Malones Partner besitzen immerhin ein wertvolles Faust pfand«, erinnerte der Butler. »Ihren Anwalt Rander, wie?« Der Mann mit dem schiefen Mund lachte geradezu höhnisch auf. »Den hatten die mal. Inzwischen ist Rander bei mir.« »Sie sehen meine bescheidene Wenigkeit mehr als überrascht«, räumte Josuah Parker ein. »Ich bin eben schneller«, redete Buddy Capson weiter, »ich war draußen an der Küste, Sie wissen, am Gasthaus. Okay, Rander wurde von Judy Malone abgefangen, aber lange hatte sie ihn nicht.« 87
»Sie schalteten sich ein, wie zu vermuten ist.« »Nachdem Sie abgefahren waren, Parker.« Capson nickte und grinste wie ein Filmschurke. »Sie haben die Malone ja prächtig reingelegt. Ich hab’ mir das alles aus nächster Nähe angesehen.« »Sie schalteten sich nicht ein?« wunderte sich Butler Parker. »Immer eins nach dem anderen«, meinte der Mann und zeigte noch mal seine mehr als schadhaften Schneidezähne, »ich bin für einen klaren Kurs. Hank und Clive, die beiden Trottel waren keine Gegner für mich, als Judy erst mal aus dem Spiel war.« »Sie sind wahrscheinlich das, was man gemeinhin einen guten Taktiker zu nennen pflegt.« »Kommen Sie mir bloß nicht mit Schmus«, wehrte der Gangster ab, »so was zieht bei mir nicht, Parker. Also, Ihr Mr. Rander ist in meiner Gewalt. Sie bekommen ihn mit heiler Haut zurück, sobald ich den Goldschmuck habe. Das dürfte ein verdammt faires An gebot sein.« »Sie fürchten nicht, Mr. Capson, daß meine Wenigkeit sich Ihrer Person versichert?« »Überhaupt nicht.« Capson wandte sich halb zu dem Hub schrauber um, »mein Partner da drüben würde sofort abhauen und sich mit Ihrem Rander befassen.« »Dieser Pilot ist in Ihre Pläne eingeweiht?« »Und stammt nicht hier von der Halbinsel«, meinte Capson a müsiert, »Sie und Ihre Lady haben in der falschen Gegend nach ihm gesucht. Die Kaffeemühle da stammt aus Cardiff, aber das ist ja nicht besonders wichtig. Der Pilot ist nur ‘ne unwichtige Rand figur.« »Die Sie früher oder später über das sprichwörtliche Ohr zu hauen gedenken, Mr. Capson?« »Darauf können Sie sich verlassen«, bestätigte der Gangster, »früher oder später würden Sie oder die Polizei doch auf ihn sto ßen. Sobald er seine Arbeit getan hat, wird er wohl irgendwo über der See abstürzen. So ist das Schicksal.« »Wann und wo soll der geplante Austausch stattfinden?« wollte Josuah Parker jetzt wissen. »Sie sind auf dem Weg zum Leuchtturm, denke ich. Die allge meine Richtung dürfte stimmen. Wollen Sie die Kleine da aus Ih rem Wagen unterbringen?« »Ihnen kann man kaum etwas verbergen. Mr. Capson. Darf ich fragen, wer den erwähnten Goldschmuck bekommen soll, falls die 88
Versicherung ihn nicht zurückkaufen sollte?« »Dann werde ich das Zeug einschmelzen und zum Tagespreis verscheuern«, antwortete Buddy Capson, »aber ich weiß bereits jetzt, daß man zurückkaufen wird.« »Wie konnte ein Mann Ihres Formats nur so leicht von seinen eigenen Mitarbeitern übertölpelt werden?« wunderte sich der But ler. »Es war Judy«, lautete die verkniffene Antwort, »ich habe die sem Miststück zu sehr getraut, aber so etwas passiert mir nicht noch mal. Da wir gerade von der kleinen Malone sprechen, Par ker, die will ich auch noch haben.« »Sie wollen Rache üben, Mr. Capson?« »Sie soll zusammen mit dem Piloten der Kaffeemühle ins Meer rauschen«, erklärte der Gangster. Plötzlich war Haß in seiner Stimme. »Wann und wo soll der geplante Austausch stattfinden?« fragte der Butler noch mal. »Um achtzehn Uhr, draußen am Leuchtturm«, verlangte der Gangster, »dann ist Sunset für die normale Fliegerei. Und kein Aas kann sich dann an uns ranmachen.« »Wer garantiert meiner Wenigkeit einen fairen Austausch?« wollte der Butler wissen. »Wer garantiert mir, daß Sie nicht wieder mit Raketen um sich ballern?« fragte der Gangster zurück und lächelte schief. »Falls Sie eine Versicherung meinerseits benötigen, kann sie Ihnen gern gegeben werden.« »Ich pfeife auf so was«, entgegnete Capson und winkte ab, »sobald ich den Goldschmuck in der Kabine habe, rücke ich Ihren Rander heraus. Und ich will dann auch noch die Malone haben, das dürfte ja klar sein.« »Die Herren Hank und Clive interessieren Sie nicht weiter?« »Die sind bereits abgeschrieben«, sagte der Gangster, der sich umwandte und zum Hubschrauber zurückging. * »Ich sagte ja gleich, daß es dieses Subjekt mit dem schiefen Mund ist«, behauptete Lady Agatha eine Stunde später. Man hat te sich am Fuß des Leuchtturms getroffen. Die ältere Dame 89
schnaufte vor Erregung, denn es ging schließlich um ihren Mike Rander. »Diese Offenheit von Buddy Capson läßt einige Schlüsse zu«, meinte Kathy Porter und blickte den Butler an. »Selbstverständlich plant der Gangster, reinen Tisch zu ma chen«, schickte Josuah Parker voraus, »er will keine Mitwisser haben, also plant er eine Art Massenmord.« »Wie bekomme ich den Jungen aus dem Hubschrauber?« sorgte sich die Detektivin. »Das ist in der Tat das Problem, das einer Lösung harrt, Myla dy«, bestätigte der Butler. »Und was wollen Sie Capson als Schmuck anbieten?« fragte Ka thy Porter weiter. »Den könnte man in Port Talbot erstehen«, lautete Parkers Antwort. »Sie wollen Ersatzschmuck kaufen?« reagierte die ältere Dame kritisch, »das kann aber teuer werden. Nun gut, für Mike könnte man schon mal eine gewisse Summe freistellen, denke ich. Es muß sich ja nicht gerade um ein Vermögen handeln.« »Es geht ferner darum, einen Mord zu verhindern«, meinte Par ker, »Mr. Capson beabsichtigt, wie bereits erwähnt, Miß Malone umzubringen. Bei dieser Gelegenheit soll auch der Pilot des Hub schraubers aus dem Weg geräumt werden.« »Ich hoffe, Mr. Parker, daß Sie diese Kaffeemühle bremsen werden«, verlangte die ältere Dame, »aber die Details überlasse ich Ihnen.« »Zu gütigst, Mylady«, erwiderte der Butler, »falls Mylady ein verstanden sein sollten, könnte man jetzt nach Port Talbot fahren und einen Ersatzschmuck beschaffen.« »Während der Fahrt werde ich überlegen, wie man Mike aus dieser Kaffeemühle herausbekommt«, sagte sie. Agatha Simpson schien sich in das Wort >Kaffeemühle< geradezu verliebt zu ha ben. Da man Judy Malone bereits im Leuchtturm untergebracht hat te, stand einer Rückfahrt nichts mehr im Weg. Die junge Frau, die bisher sehr aktiv mitgemischt hatte, schlief immer noch und be fand sich in einem kleinen, fensterlosen Stauraum hoch oben im Signalturm. Parker hatte sie sicherheitshalber gefesselt und dazu einige Meter Klebeband benutzt. Ohne intensive Hilfe konnte sie den Leuchtturm auf keinen Fall verlassen. 90
Es handelte sich übrigens um einen Turm, der längst nicht mehr benutzt wurde. Es gab inzwischen Küstenbefeuerungen moderne rer Bauart. Das Schloß der Stahltür unten am Fuß des Leucht turms hatte der Butler mit einem Einsteckschloß gesichert, das aus seiner schwarzen Reisetasche stammte. So konnte er sicher sein, daß kein neugieriger Wanderer sich Zugang verschaffte. In Port Talbot angekommen, suchte Josuah Parker einige An denkenläden auf und kaufte ein. Er versorgte sich mit Wand schmuck aus Messingblech, mit Vasen und diversen Aschenbe chern aus diesem Metall. Um das zu schnürende Päckchen gold schwer machen zu können, erstand er schließlich noch in einem Fachgeschäft für Heimhandwerker einige Bleistreifen. In der Hotelsuite schnürte der Butler dann das Päckchen für den Gangster und wog es anschließend in der Hand. Vom Gewicht her war es überzeugend. Anschließend holte der Butler das echte Päckchen vom Fahrstuhldach und trug es in Myladys Zimmer. Hier nahm er eine erneute Prüfung vor. Er wog beide Päckchen in seinen Händen. »Dies müßte meiner bescheidenen Ansicht nach genügen«, sag te er abschließend, »es erhebt sich nun die Frage, ob Mr. Capson versuchen wird, Mylady während der Fahrt zurück zum Leucht turm aus der Luft anzugreifen. Mit dieser Möglichkeit sollte man durchaus rechnen.« »Wie bekomme ich Mike aus dem Hubschrauber?« fragte die äl tere Dame nachdenklich und blickte dann ihren Butler an. »Ich hoffe, Mr. Parker, Ihnen ist inzwischen etwas Brauchbares einge fallen.« * Es war dämmrig geworden. Man befand sich wieder draußen auf der Landzunge und wartete auf das Erscheinen des Hubschraubers. Bis zum vereinbarten Zeitpunkt fehlten noch knapp fünfzehn Minuten. Lady Agatha und Kathy Porter standen auf dem Rundgang des Turmes und suchten das Gelände nach der Kaffeemühle ab, wie Mylady es ausdrückte. Josuah Parker unterhielt sich mit Judy Ma lone, die inzwischen wieder wach und damit ansprechbar gewor den war. 91
»Natürlich will er mich umbringen«, erklärte sie, »er haßt mich jetzt wie die Pest.« »Sie jagten ihm zusammen mit Ihren beiden Partnern Hank und Clive den Schmuck ab, nicht wahr?« »Das hat ihn tief getroffen.« Sie lachte unvermittelt und fast triumphierend, »damit hatte er nicht gerechnet.« »Sie haben zusammen mit ihm den etruskischen Schmuck ge stohlen?« »Ohne ihn«, korrigierte sie den Butler, »wir mußten wieder mal die Drecksarbeit erledigen. Der feine Herr wartete in unserem Versteck auf die Rückkehr, doch wir husteten ihm was.« »War dieser Diebstahl sehr kompliziert?« erkundigte sich der Butler. »Überhaupt nicht«, versicherte Judy Malone dem Butler. »Capson hatte die Sache ausbaldowert. Wir brauchten nur von einem Nachbarhaus durch eine Mauer ZU steigen. Und diese Mau er war dünn wie Papier.« »Sie kennen den Piloten, der das Päckchen abwerfen sollte?« »Ein Freund von Capson«, sagte sie, »ein Bursche, der kaum durchblickt, ein völlig unwichtiger Mann aus Cardiff. Er fliegt dort für eine Reederei und hat sich kaufen lassen. Dieser Idiot war es ja auch, der Ihnen das Päckchen praktisch auf den Kopf warf.« »In der Tat«, bestätigte der Butler, »die Überraschung Myladys und meiner Wenigkeit war recht groß, wie man ohne weiteres einräumen sollte. Welche Rolle spielte das Ehepaar Hellwick!« »John und Mary haben schon in der Vergangenheit immer wie der für Capson und mich gearbeitet«, räumte Judy Malone ein, »normalerweise ging es immer um Alkoholschmuggel. Und manchmal brachten die auch Leute raus auf ein Schiff.« »Wieso traten Sie in der betreffenden Nacht nicht rechtzeitig in Erscheinung, als das Päckchen abgeworfen wurde?« »Capson war hinter uns her, als wir den Bruch über die Bühne gebracht hatten. Das heißt, zu diesem Zeitpunkt wußte er ja noch nicht, daß wir ihn reinlegen wollten. Wir stritten uns in dem Gast haus herum, als Sie plötzlich auftauchten. Und dann ging alles sehr schnell, wir konnten nicht mehr reagieren. Aber Capson merkte bei dieser Gelegenheit, daß wir uns selbständig machen wollten. Möchten Sie wirklich alle Einzelheiten wissen?« »Sie sollten sie für einen späteren Zeitpunkt aufbewahren«, schlug Josuah Parker in seiner höflichen Art vor. »Die zuständige 92
Behörde wird sich für die Details ungemein interessieren, Miß Ma lone.« Parker holte seine unförmig aussehende Zwiebeluhr aus einer der Westentaschen und befragte die Zeit. Dann nickte er. »Wenn Sie erlauben, wird man sich jetzt entfernen«, sagte er, »Mr. Capson dürfte bald erscheinen.« »Passen Sie auf, daß er Sie nicht reinlegt«, warnte sie ihn, »er hat mehr Tricks auf Lager als Sie…« »Dies, Miß Malone, wird abzuwarten sein«, gab der Butler zu rück und verließ den kleinen, fensterlosen Raum, den er sorgfältig hinter sich verschloß. Anschließend stieg er über die Wendeltrep pe hinauf und betrat den äußeren Umgang. »Er müßte jeden Moment kom…« Kathy Porter brachte ihren Satz nicht zu Ende, sondern deutete auf die nahe Steilküste, über die gerade ein Hubschrauber hüpfte, um dann tief über das Was ser in Richtung Leuchtturm zu fliegen. Das harte Schlagen der Rotoren in der Luft war deutlich zu vernehmen. »Das ist unser Hubschrauber«, rief Kathy Porter, »da sehen Sie doch, Mr. Parker, der Gitterrumpf!« Parker drehte sich um und blickte prüfend auf die diversen Ge genstände, die in einer kleinen Nische des Umgangs standen. Es handelte sich um Feuerwerkskörper, wie er sie bereits schon mal verwendet hatte. Von einigen dieser kleinen Raketen führten dünne Signalleinen hinüber zum Geländer. Sie waren dort festge knotet worden und warteten darauf, durch das Losfliegen ge strafft zu werden. »Mike«, stieß Kathy Porter hervor. Sie blickte durch ein Fernglas hinüber auf den Hubschrauber, »er steht an der Tür, Mr. Parker!« »Und dürfte mit Sicherheit von einer Pistole bedroht werden«, erwiderte der Butler, »man sollte die weitere Entwicklung abwar ten, Miß Porter.« Der wendige Hubschrauber stieg inzwischen am Leuchtturm hoch. Und jetzt erschien neben Mike Rander Capson, der winkte. Kurz danach wurde über eine Art Außengalgen ein Seil nach un ten gelassen, andern ein kleines Fangnetz hing. Die Absicht war unverkennbar. Parker sollte das Päckchen mit dem Schmuck in dieses Netz le gen, das dann von Capson wieder hochgezogen würde. Parker zeigte dem Gangster das falsche Päckchen und warf es in das Netz. 93
»Das bringt doch nichts, Mr. Parker«, räsonierte die ältere Da me, »wie soll Mike denn da aus dem Hubschrauber kommen?« »Nach einer kleinen Detonation, Mylady«, antwortete der But ler, der dieses Päckchen vor der Fahrt zum Leuchtturm noch et was präpariert hatte. »Sie haben eine Sprengladung eingebaut?« Sie lächelte wohl wollend. »Zur allgemeinen Ablenkung, Mylady«, antwortete der Butler, »man kann nur hoffen, daß Mr. Rander seine Chance nutzen wird.« »Und wie funktioniert das?« wollte Kathy wissen. Sie verfolgte das kleine Netz, das bereits hochgehievt wurde. »Sobald Mr. Capson den Schmuck aus dem Päckchen nimmt, wird eine intensive Rauch- und Rußwolke das Innere des Cockpits ausfüllen«, erklärte der Butler und winkte nach oben, »die kleine Sprengladung ist selbstverständlich harmlos.« »Das klappt niemals«, prophezeite die Lady. »Warum habe nicht ich mir etwas einfallen lassen…!« Das Netz wurde von Capson ins Cockpit geholt. Der Hubschrauber drehte steil nach unten weg und blieb dicht über dem Wasser stehen. Und dann passierte es plötzlich… Man hörte deutlich die Detonation einer Sprengladung, worauf der Hubschrauber einen Satz zur Seite ausführte und steil nach oben wegzog. Im gleichen Moment war deutlich zu sehen, daß eine Gestalt aus dem Hubschrauber sprang und ins Wasser rauschte. »Sehr schön«, rief die ältere Dame, »das kann nur Mike gewe sen sein.« »Achtung, Mylady, Angriff«, war im gleichen Moment Parkers Stimme zu vernehmen. Der Hubschrauber drehte auf den Leuchtturm ein und sprühte Feuer. Einige Geschosse klatschten gegen die Verglasung und sorgten für einen Regen, der aus Glasscherben bestand. Josuah Parker hatte seine diversen Feuerwerkskörper bereits gezündet. Die Raketen zischten vom Umgang aus auf den Hub sehräuber und rissen damit gleichzeitig die dünnen Fangleinen mit. Parker hatte über das Fluggerät hinweg die Raketen abge feuert. Ihm ging es darum, daß die Fangleinen sich innigst mit den Rotorblättern des Hubschraubers vermischten. Was sie auch prompt besorgten. Zwei, drei Fangleinen spannten sich über die Rotorblätter, ver 94
hedderten sich prompt darin und wickelten sich um die Rotoran sätze. Die Blätter, fein ausbalanciert, reagierten auf ihre Weise. Sie schlugen plötzlich unregelmäßig, kamen förmlich aus dem Takt und ließen den Hubschrauber taumeln. Alles Weitere dauerte dann nur noch wenige Augenblicke. Das Fluggerät kippte seitlich weg und… landete im aufklatschenden Wasser. »So etwas schätze ich, Mr. Parker«, ließ die ältere Dame sich wohlwollend vernehmen, »mit der Rettung der beiden Subjekte werden wir uns aber gehörig Zeit lassen.« Kathy Porter lief bereits über die Wendeltreppe nach unten, um Mike Rander in Empfang zu nehmen. Mit sicheren Kraulstößen schwamm er bereits in Richtung der Landzunge. »Mr. Capson und der Pilot«, sagte Parker und deutete in das Wasser. Zwei Köpfe waren auszumachen, die neben dem wegsa ckenden Hubschrauber auftauchten. »Haben wir noch eine Rakete?« erkundigte sich die energische Dame eifrig. »Mehrere, Mylady«, gab der Butler zurück. »Ich werde diesen Lümmeln eine Rettungsleine zuschießen«, kündigte sie an und langte nach einer der Signalraketen. Parker nickte und brachte sich anschließend in Sicherheit. Er ahnte, was kommen würde…
ENDE Nächste Woche erscheint BUTLER PARKER Auslese Band 279 Günter Dönges
PARKER stellt den Stimmband-Killer
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