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PARKER klärt die »Selbstmord-Serie« Günter Donges »Hegen Sie möglicherweise die Absicht, sich zu entleiben?« fragte Butler Parker den Mann, der auf der steinernen Brüstung einer Brücke stand und wie hypnotisiert auf die unten liegenden Gleise starrte. Josuah Parker hatte sein hochbeiniges Gefährt angehalten und stieg aus. Er befand sich in einem südlichen Außenbezirk von London und benutzte eine kaum befahrene Landstraße. Der Angesprochene schien nichts gehört zu haben. Er hielt sich mit der rechten Hand an einer gußeisernen Laterne fest. »Falls Sie tatsächlich springen, Sir, haben Sie auf keinen Fall die Garantie, auch wirklich tot zu sein«, redete Josuah Parker mit ruhiger Stimme weiter. »Es kann zu schmerzhaften Knochenbrü chen oder inneren Verletzungen kommen.« »Bleiben Sie stehen, oder ich springe!« »Bevorzugen Sie in solch einem Fall den Kopfsprung, Sir?« Die Hauptpersonen: Jerry Linfalt setzt einen Kleinlaster in den Graben. Henry Burgess will unbedingt von einer Brücke springen. Jill Burgess wundert sich über das Auftauchen ihres Mannes. Mike Loemond erlebt eine Lady Agatha aus allernächster Nä he. Dave Potting landet in einem Dach-Container. Carlo Viteilo unterzieht sich einer Käse-Gesichtspackung. Lady Agatha Simpson legt sich mit einigen Lümmeln an. Butler Parker reizt einen geheimnisvollen Gartenzwerg. Der Butler fügte hinzu: »Es verlangt eine gute Körperbeherr schung, wie meine Wenigkeit Ihnen versichern darf.« »Bleiben Sie stehen«, verlangte der potentielle Selbstmörder, der sich inzwischen halb umgewandt hatte und Parker aus leeren Augen anblickte. »Ihr wahrscheinlich letzter Wunsch ist meiner Wenigkeit selbst verständlich Befehl«, erwiderte der Butler. »Darf man übrigens 2
fragen, ob Sie vor dem Sprung noch zusätzlich auf einen Zug warten?« Parker deutete mit der Schirmspitze über die Brüstung hinweg auf die beiden Gleise, die hinter einer sanften Biegung in einem kleinen Waldstück verschwanden. Der kleine Trick zahlte sich aus. Der Mann, der nach wie vor fest entschlossen schien, sich von der Brücke zu stürzen, nahm den Kopf herum und suchte nach dem Zug, auf den der Butler hingewiesen hatte. Diese kleine Un aufmerksamkeit reichte Parker völlig, um seinen Schirmgriff als eine Art Rettungsanker zu verwenden. Blitzschnell legte Parker den Bambusgriff um den Hals des Sprungbereiten und zerrte ihn zurück auf den schmalen Gehweg vor der Brüstung. Der Mann schrie auf, wehrte sich gegen den Halsgriff und war wie von Sinnen. Er überfiel den Butler mit üblen Schimpfworten und wollte zusätzlich noch handgreiflich werden. Er schwang ungelenk die Fäuste und hoffte auf einen Zufallstref fer. »Sie scheinen ein wenig außer sich zu sein«, stellte der Butler höflich fest. Er war einen Schritt zurückgewichen und setzte den Schirmgriff erneut ein. Mit wohlgezieltem Schlag auf die Stirnpar tie des Mannes machte er dem potentiellen Brückenspringer den Garaus und blickte dann auf den Mann hinunter, der sich vor der Steinbrüstung niedergelassen hatte. Butler Parker beugte sich über ihn und leistete Erste Hilfe. Dabei glitten seine geschmeidigen Finger natürlich auch in die Anzugta schen des Mannes. Parker wunderte sich kaum darüber, daß er nichts fand. Die Taschen waren leer geräumt. Als er sich wieder aufrichtete, hörte er einen näher kommenden Wagen. Parker machte einen kleinen Kastenlieferwagen aus, der in schnellem Tempo jäh gebremst wurde. Der Fahrer schob den Kopf durch das geöffnete Seitenfenster und rief: »Is’ was? Brauchen Sie Hilfe?« »Nicht unbedingt«, lautete Parkers Antwort. »Der Passant dürf te seine kleine Kreislaufschwäche bereits überwunden haben.« »Okay dann, ich hab’s eilig.« Der Fahrer des Kastenlieferwagens winkte Parker zu und… hielt plötzlich eine Faustfeuerwaffe in der linken Hand. Diese Waffe war mit einem überdimensional großen Schall dämpfer versehen. Bevor der Fahrer diese an sich etwas sperrige 3
Waffe auf Parker richten konnte, nahm der Butler seinen altväter lich gebundenen Schirm hoch und schoß seinerseits. Aus dem hohlen Schirmstock, der nichts anderes war als ein Blasrohr nach der Art der Amazonasindianer, jagte ein kleiner, buntgefiederter Pfeil auf den Kastenwagen zu und… bohrte sich in den Oberarm des Schießwütigen. Danach verzichtete er auf den geplanten Schuß. Der Fahrer nahm ungemein hastig die Hand zurück ins Fahrerhaus und brauchte nur wenige Augenblicke, um den Wagen wie eine Rakete zu beschleunigen. Josuah Parker war klar, daß er den Wagen samt Fahrer bald wiedersehen würde. * Der kleine Kastenlieferwagen lag seitlich im Straßengraben. Er schien relativ sanft weggerutscht zu sein, denn der Aufbau hatte sich nicht unter der Wucht des Aufpralls verschoben. Der Butler stoppte sein hochbeiniges Gefährt, stieg aus und be gab sich hinüber zur Unfallstelle. Erfreulicherweise war das Weg rutschen bisher noch nicht wahrgenommen worden. Die Land straße, auf der man sich befand, war durch eine breite Umge hungsstraße praktisch aus dem Verkehr gezogen worden. Sein Fahrgast im Fond des Wagens wirkte nach wie vor apa thisch. Er hing förmlich in der rechten Wagenecke und schien zu schlafen. Als Parker mit dem Fingerknöchel gegen die Scheibe klopfte, erfolgte keine Reaktion. Ebenfalls keine Reaktion zeigte der Fahrer des Kastenlieferwa gens. Er lag zusammengekauert in einer Ecke des Fahrerhauses und blickte den Butler aus weit geöffneten, aber leeren Augen an. Das chemische Präparat an der Pfeilspitze hatte wieder mal prompt gewirkt. »Sie müssen ein wenig vom Pfad der Tugend abgewichen sein«, sagte Josuah Parker zu dem Mann, der plötzlich reagierte. »Darf man sich erlauben, Ihnen aus dem Wagen zu helfen?« Der Mann lächelte schüchtern und drückte sich versuchsweise hoch. Parker reichte ihm die rechte Hand und zog den Mann aus seiner Schieflage nach oben. Nach wenigen Minuten stand der Fahrer des kleinen Kastenwa 4
gens neben seinem Fahrzeug und machte wieder einen apathisch nachdenklichen Eindruck. Daß er längst nicht mehr im Besitz sei ner Schußwaffe war, hatte er nicht mitbekommen. Mit der Ge schicklichkeit eines Taschendiebes hatte Parker ihm die Waffe aus der Schulterhalfter gezogen. »Sie hatten den Auftrag, auf jemand zu schießen?« erkundigte sich Parker. »Weiß ich nicht«, lautete die verblüffende Antwort. »Wollten Sie jenen Mann treffen, der auf der Steinbrüstung der Brücke stand?« »Ich glaub’ schon«, erwiderte der Fahrer. »Und von wem hatten Sie diesen speziellen Auftrag, um auch diese Frage zu klären?« »Vom Gartenzwerg«, antwortete der Mann, ohne eine Miene zu verziehen. »Würden Sie dies freundlicherweise noch mal wiederholen?« Parker ließ sich seine Überraschung nicht anmerken. Er war und blieb das Muster eines britischen Butlers, den nichts zu erschüt tern vermochte. »Vom Gartenzwerg«, bekräftigte der Fahrer seine erste Aussa ge. Er lächelte und scharrte ein wenig verlegen mit der linken Schuhspitze auf dem Asphalt der Straße. »Und wo, bitte, erreicht man diesen Gartenzwerg?« wollte der Butler wissen. »Weiß ich nicht.« Der Fahrer lächelte nicht mehr. Er runzelte die Stirn und dachte sichtlich angestrengt nach. »Wie setzte er sich denn mit Ihnen in Verbindung?« fragte Jo suah Parker. »Telefon«, lautete die lakonische Antwort. »Macht der mit dem Telefon.« »Ihr Telefon steht wo und ist unter welcher Adresse zu errei chen?« Der Mann nannte umgehend eine Adresse im Londoner Osten. Und lieferte dann gleich noch seinen Namen nach. Er hieß Jerry Linfalt und war arbeitslos, wie er hinzufügte. »Demnach gehört Ihnen dieser Wagen nicht?« »Der stand an der Straßenecke. Und der Schlüssel lag im Brief kasten«, erklärte der Fahrer. »Hat der Gartenzwerg alles am Te lefon gesagt.« »Und wie lautete genau Ihre Aufgabe?« 5
»Ich sollte Burgess überwachen, Henry Burgess.« »Damit meinen Sie den Mann auf der Brücke?« Der Fahrer schüttelte sich leicht. Seine Augen nahmen plötzlich einen anderen Ausdruck an, wie Parker bemerkte. Die Wirkling des chemischen Präparats aus der Pfeilspitze ließ sichtlich nach. Er atmete tief durch, schien Parker jetzt erst richtig zu sehen und wich langsam zurück. »Verdammt, haben Sie mir nicht den Pfeil verpaßt?« fragte er dann mit völlig veränderter Stimme. »In der Tat«, gab der Butler zurück. Der Fahrer blickte sich ver stohlen um und rannte los. Er wollte eindeutig die Flucht ergrei fen, griff dabei aber nach der längst nicht mehr vorhandenen Waffe und… rutschte in sich zusammen. Er hatte seine Kräfte ü berschätzt. * Sie hatte vor vielen Jahren beschlossen, sechzig Jahre alt zu bleiben. Sie war groß, eine majestätische Erscheinung, hatte weißgraues Haar, eine tiefe, sonore Stimme und war von der E nergie eines Bulldozers beseelt. Lady Agatha Simpson, mit dem Blut- und Geldadel der Insel eng verschwistert und verwandt, zeichnete sich durch Ungeniertheit aus. Sie sagte stets das, was sie gerade dachte, und trat somit in jedes erreichbare Fettnäpfchen. Die ältere Dame war immens vermögend und konnte sich den Luxus leisten, sich als Amateur detektivin zu betätigen. Sie wurde dabei ungemein diskret von ihrem Butler beschützt, der stets alle Hände voll zu tun hatte, um seine Herrin vor Schaden zu bewahren. Agatha Simpson befand sich an diesem frühen Abend in der großen Wohnhalle ihres Fachwerkhauses in Shepherd’s Market und hatte gerade Parkers Bericht zur Kenntnis genommen. »Wieso waren Sie eigentlich unterwegs«, fragte sie kopfschüt telnd, »und das auch noch ohne mich?« »Mylady ließen durch meine Wenigkeit den Zustand einer alten Dorfkirche überprüfen«, erinnerte der Butler. »Mylady spielen in diesem Zusammenhang mit dem Gedanken, sich finanziell an der Renovierung des Gotteshauses zu beteiligen.« »Was ich mir noch sehr gründlich überlegen werde«, meinte sie 6
umgehend. Sie war sparsamer als ein ganzer Schotten-Clan zu sammen. »Ich muß schließlich mit jedem Penny rechnen. Aber zurück zu diesem Zwischenfall, Mister Parker: Sie sind sich hof fentlich im klaren darüber, daß Sie wieder mal einen Fehler be gangen haben, nicht wahr?« »Mylady wollen dies gütigst entschuldigen.« Parkers glattes Po kergesicht blieb unbewegt. »Wenn ich dieses Subjekt verhört hätte, wüßten wir jetzt mehr über diese Vogelscheuche.« »Gartenzwerg, Mylady«, korrigierte Parker gemessen. »Ob Vogelscheuche oder Gartenzwerg, Mister Parker, das ist doch völlig gleichgültig«, meinte sie abfällig. »Ich hätte in jedem Fall wertvolle Hinweise bekommen.« »Die Adresse des Mister Jerry Linfalt ist bekannt, Mylady.« »Sie wird natürlich nicht stimmen. Er hat Sie nach Strich und Faden belogen, aber das haben Sie nicht mitbekommen, Mister Parker. Sie sind und bleiben einfach zu vertrauensselig.« »Eine Schwäche, Mylady, die es zu korrigieren gilt.« »Und was ist mit diesem Selbstmörder nun?« forschte sie noch mal nach, obwohl Parker ihr natürlich mitgeteilt hatte, daß er sich als Gast des Hauses betrachten durfte. »Mister Henry Burgess dürfte innerhalb der nächsten Stunde ansprechbar sein, Mylady.« »Hat er während der Fahrt hierher nach London nichts gesagt?« »Er hüllte sich in Schweigen, Mylady.« »Weil Sie ihn wohl falsch angepackt haben«, seufzte sie ver zweifelt. »In meiner Gegenwart hätte er natürlich gesprochen. Nun gut, ich werde ihn später verhören und dann erfahren, wer er ist.« »Mister Henry Burgess dürfte nicht gerade unbekannt sein, My lady.« »Aha, der Name kam mir ja gleich so geläufig vor«, behauptete sie umgehend. »Ich wollte Ihnen nur nicht vorgreifen, Mister Par ker. Und wer ist das nun?« »Mister Henry Burgess ist ein in Fachkreisen bekannter Physi ker, Mylady, der vor einigen Monaten plötzlich untertauchte. Über sein Verschwinden wurde seinerzeit erheblich gerätselt, wie Myla dy sicher wissen.« »Selbstverständlich, Mister Parker.« Sie nickte bekräftigend. »Ich habe die Schlagzeilen noch vor mir. Man behauptete damals, 7
er wäre übergelaufen, nicht wahr?« »Nicht direkt, Mylady«, erfolgte Parkers sanfte Korrektur. »Man sprach davon, er wäre als Geisel im Nahen Osten genommen worden. Mister Burgess verschwand während einer Urlaubsreise an den Gestaden des östlichen Mittelmeers.« »Ich wußte es doch.« Sie nickte und lächelte wohlwollend. »Und nun ist er, mein Gast hier. Ich weiß bereits jetzt, daß ich wieder mal einem sensationellen Kriminalfall auf der Spur bin, Mister Parker.« »Dem möchte meine Wenigkeit, wenn es gestattet ist, sich voll und ganz anschließen«, antwortete der Butler. »Allein schon der Hinweis auf einen sogenannten Gartenzwerg garantiert einen zu sätzlichen Reiz, wenn man es mal so ausdrücken darf.« * Josuah Parker rechnete mit Ärger. Er hatte den Fahrer des Kleinlasters nicht ohne Grund neben seinem weggerutschten Fahrzeug zurückgelassen. Er brauchte Informationen über diesen Mann, der im Auftrag eines seltsamen Gartenzwerges gehandelt hatte. Diese Informationen sollte Horace Pickett ihm beschaffen, den er gleich nach dem Zwischenfall per Telefon alarmiert hatte. Pi ckett und seine Freunde überwachten nun die Umgebung der Wohnung dieses Jerry Linfalt und ließen ihn nicht aus den Augen. Für Parker war es klar, daß Linfalt seinerseits ebenfalls telefo niert hatte, wenn schon nicht mit dem Gartenzwerg, dann wohl mit Freunden, die ihrerseits vielleicht wußten, wie man sich mit diesem ominösen Mann in Verbindung setzen konnte. Es war also damit zu rechnen, daß die Gegenseite bereits ge schaltet hatte und nur darauf wartete, einen unbequemen Augen zeugen zu beseitigen. Lady Agatha saß während der abendlichen Ausfahrt im Fond des hochbeinigen Monstrums, wie Parkers Privatwagen genannt wur de. Dieses ehemalige, schon betagt aussehende Londoner Taxi war allerdings nach seinen genauen Vorstellungen in eine Trick kiste auf Rädern umgebaut worden. Um diesen Wagen hätte selbst James Bond ihn mit einiger Sicherheit beneidet. »Ich fahre jetzt also zu wem, Mister Parker?« fragte sie nach 8
einer Weile. »Zu Mistreß Jill Burgess, Mylady«, erinnerte Parker. »Es handelt sich dabei um die Ehefrau des Mister Burgess, der sich von der Brücke stürzen wollte.« »Aha. Und ich werde dieser Frau die erfreuliche Mitteilung ma chen, daß ihr Mann lebt.« »Vielleicht nicht umgehend, Mylady«, schlug der Butler vor. »Mylady haben sicher die Absicht, sich erst mal Mistreß Burgess anzusehen.« »Das ist doch wohl selbstverständlich«, mokierte sie sich. »Eine Lady Simpson fällt nie mit der Tür ins Haus. Hier ist äußerste Dis kretion geboten, aber so etwas gehört ja zu meinen Spezialitä ten.« »Mylady behandeln heikle Themen stets mit größter Delikates se«, meinte Parker in seiner höflichen Art. »Man sollte Mistreß Burgess vielleicht mitteilen, man habe auf Umwegen erfahren, daß Mister Burgess ein Lebenszeichen von sich gegeben haben könnte.« Während Parker diesen Vorschlag unterbreitete, blickte er wie der wie beiläufig in den Außenspiegel und sah erneut einen un auffälligen Austin, der seinem Gefährt beharrlich folgte. Am Steu er saß ein Mann von vielleicht vierzig Jahren, der keineswegs wie ein Gangster aussah. Er rauchte mit sichtlichem Genuß eine Zi garre und griff immer wieder nach vorn zu seinem Radio. Unauffälliger und ziviler konnte sich ein Autofahrer kaum be nehmen, doch davon ließ der Butler sich nicht täuschen. Sein stets waches Gefühl sagte ihm, daß man es mit einem Profi zu tun hatte. Immerhin folgte der Unauffällige ihm durch die schmälsten Seitenstraßen der City. So etwas konnte kein Zufall sein. Parker wollte sich Gewißheit verschaffen. In einer relativ ruhigen Zone hielt er vor einem mächtigen Bü rohaus, in dem laut Messing- und Bronzeschildern wenigstens sechs Anwälte ihre Praxen hatten. »Was ist denn?« fragte Lady Agatha, die ein wenig meditiert hatte, wie sie ihre kurzen Schlafpausen zu umschreiben pflegte. »Würden Mylady bereit sein, sich als Köder für einen Verfolger anzubieten?« fragte Parker. »Aber jederzeit«, meinte sie und war sofort wieder hellwach. »Wer verfolgt mich?« 9
»Offenbar ein Handlanger des Gartenzwerges, Mylady.« »Und wie werde ich dieses Subjekt hereinlegen?« »Mylady brauchen nur im Wagen zu bleiben. Mit einem Überfall dürfte fest zu rechnen sein.« »Sehr schön«, freute sie sich. »Ich werde wieder mal ein Exem pel statuieren, Mister Parker. Und was werden Sie tun?« »Meine Wenigkeit wird den Besuch bei einem Anwalt vortäu schen«, meinte der Butler. »Der Verfolger wird sich aber mit Si cherheit mit Mylady befassen wollen.« »Ich bin gewappnet«, kündigte sie an und legte sich ihren per lenbestickten Pompadour zurecht. In diesem kleinen Handbeutel befand sich ihr Glücksbringer, wie sie das veritable Hufeisen eines mächtigen Brauereipferdes nannte. Sie lächelte in echter Vorfreu de und hatte nun nichts dagegen, daß ihr Butler den Wagen ver ließ. * Er betrachtete Lady Agatha als leichte Beute. Nachdem der Butler das Bürohaus betreten hatte, stieg der Vierzigjährige aus dem Wagen und schlenderte langsam zu dem hochbeinigen Monstrum des Butlers. Er konzentrierte sich auf die Dame, die in der Wagenecke saß und gelangweilt in einem Mode journal blätterte, das sie aus einem Seitenfach der Tür geholt hatte. Plötzlich wurde der Verfolger sehr aktiv. Nach einem verstohlenen Blick in Richtung Eingangstür des Bü rohauses faßte er schnell nach dem Türgriff des hochbeinigen Monstrums. Er hatte die Absicht, die hintere Tür schwungvoll auf zureißen. Dabei langte er gleichzeitig nach einer Waffe, die sich in einer Schulterhalfter befand. Vor dem Verlassen des Wagens hatte Josuah Parker einen der vielen Kippschalter auf dem reichlich besetzten Armaturenbrett umgelegt. Damit hatte er die Türgriffe unter Strom gesetzt, der schlagartig die Handmuskeln kitzelte. Der Mann, der sich für Mylady interessiert hatte, verspannte sich. Dann drückte es ihn vom Wagen weg, als hätte eine un sichtbare Riesenfaust zugeschlagen. Der Angreifer landete auf dem Rücken, wälzte sich auf die linke Seite und war nicht mehr 10
fähig, eine koordinierte Bewegung auszuführen. »Darf man sich erlauben, Ihnen eine hilfreiche Hand zu leihen?« erkundigte sich Josuah Parker. Er war aus dem Eingang getreten, wo er auf dieses Ergebnis gewartet hatte. Der Butler beugte sich über den Vierzigjährigen, der ihn aus vor Schreck geweiteten Au gen anblickte. Er wollte etwas sagen, doch er schaffte es nicht. »Entspannen Sie sich«, schlug Parker dem Mann vor. Er hatte längst die Waffe in der Schulterhalfter gefunden und nahm sie an sich. »Sie werden Ihren Schock gleich überstanden haben.« Josuah Parker half dem Mann hoch und zeigte dabei, wie durch trainiert er war. Er versorgte den Vierzigjährigen mit erstaunli cher Leichtigkeit und hievte ihn in den Wagenfond, nachdem er vorher die Türgriffe neutralisiert hatte. Dazu hatte er einen klei nen, aber langen Schlüssel in eine Ausbohrung gesteckt, die von einer Gumminoppe verdeckt war. »Er ist voll auf mich hereingefallen«, lobte die ältere Dame sich grimmig. »Dieses Subjekt wird gleich etwas erleben.« Während sie noch redete, zog sie eine ihrer Hutnadeln aus dem skurrilen Gebilde, das auf ihrem Kopf saß. Parker drückte den Vierzigjährigen in die freie Ecke und verband die Handgelenke mit einer Handschelle. Für weitere Sicherungen brauchte er nicht zu sorgen. Mylady war nicht die Frau, die man so leicht überrumpeln konnte. Der Vierzigjährige kam langsam wieder zu sich und atmete we sentlich freier als zuvor. Er nahm etwas mühsam den Kopf her um, denn seine Muskeln waren noch immer verspannt. Er blickte auf Lady Agatha und fragte etwas, das man allerdings nicht ver stehen konnte. Seine Zunge war noch wie gelähmt. »Ich hoffe, Sie werden gleich versuchen, junger Mann, mich an zugreifen«, sagte Lady Agatha und prüfte mit dem linken Zeige finger die Spitze der Hutnadel. »Ich habe dann die Gelegenheit, in Notwehr zu handeln.« Er schielte auf die einem Bratspieß ähnliche Waffe und rückte, soweit es überhaupt möglich war, noch weiter in seine Ecke zu rück. * »Sie sollten Mylady nicht in eine ärgerliche Grundstimmung ver 11
setzen«, warnte Parker den Fahrgast. »Aus diesem Grund emp fiehlt es sich, Angaben zur Person und zu Ihrem Auftrag zu ma chen.« »Was… was soll das alles?« empörte sich der Vierzigjährige. Er kam sich wieder fit vor. »Wieso verschleppen Sie mich eigent lich?« »Noch eine Frage dieser Art, junger Mann, und ich werde Sie ohrfeigen«, kündigte die ältere Dame grollend an. »Sie wollten sich an mir vergreifen, an einer wehr- und hilflosen Frau.« »Ich… ich wollte nach der Uhrzeit fragen«, lautete die mehr als faule Ausrede, »und dann hab’ ich plötzlich so einen verrückten Schlag bekommen.« »Der sich gleich wiederholen wird«, prophezeite Lady Agatha erfreut. »Sie versuchten im Auftrag eines gewissen Gartenzwergs, Myla dy und meine Wenigkeit zu überfallen und vielleicht sogar auch zu töten«, schaltete der Butler sich ein. Er saß längst wieder am Steuer und lenkte sein hochbeiniges Monstrum durch die Straßen. Sein Ziel war nach wie vor, Mrs. Burgess einen Besuch abzustat ten. Man hatte Regent’s Park bereits passiert und war auf dem Weg nach St. John’s Wood. »Gartenzwerg? Nie von gehört«, behauptete der Mitfahrer um gehend. »Und wer soll das sein?« »Demnach verfolgen Sie Mylady also im Auftrag einer anderen Person?« Parker konnte auf die Wechselsprechanlage verzichten. Er hatte die Trennscheibe zwischen den Vordersitzen und dem Wagenfond versenkt. »Ich hab’ überhaupt keinen verfolgt«, sagte der Vierzigjährige. »Mann, was bilden Sie sich eigentlich ein? Leiden Sie unter Ver folgungswahn?« »Wird man die Schreie des Subjekts draußen auf der Straße hö ren, Mister Parker?« vergewisserte sich Agatha Simpson sachlich. »Was für Schreie, Lady?« Der Mitfahrer dämpfte unwillkürlich die Stimme, schielte noch mal auf die Hutnadel und wagte dann dummerweise einen Ausfall. Er warf sich auf die ältere Dame und wollte seine an den Händen gefesselten Arme über ihren Kopf schieben, um sie auf diese Art in die Zange zu nehmen. Dann schrie er allerdings fast ungläubig auf. Lady Agatha hatte sich nicht geniert, ihm die Spitze der Hutna del in die Hüfte zu drücken. Natürlich hatte sie nicht übertrieben 12
reagiert, doch ihre Andeutung reichte völlig, um den Mann aus der Fassung zu bringen. »Sie… Sie bringen mich um«, stöhnte er und zog sich in seine Ecke zurück. »Reden Sie keinen Humbug«, antwortete die passionierte De tektivin. »Das war nur ein freundlicher Pikser, ich kann ganz an ders zustechen. Sie brauchen es nur zu sagen.« »Falls Mylady zu wünschen geruhen, könnte man die Fahrbahn verlassen und einen kleinen Aufenthalt in einer stillen Seitenstra ße einlegen.« Parker nahm den Kopf andeutungsweise herum. »Ein guter Vorschlag«, erwiderte die ältere Dame und nickte wohlwollend. »Kommt nicht gleich der Regent’s Canal?« »Es gibt dort erfreulich ruhige Passagen, Mylady.« Parker nick te. »Was… was wollen wir dort?« stotterte der Mann weiter. Auf seiner Stirn hatten sich dicke Schweißperlen gebildet. »Mylady wird Sie dazu überreden, einige Informationen preis zugeben«, beantwortete der Butler die Frage. »Tun Sie mir die Freude und reden Sie nur nicht vorzeitig«, füg te Agatha Simpson grimmig hinzu. »Bringen Sie mich nicht um mein Vergnügen, junger Mann.« Der Fahrgast zweifelte eindeutig an seinem Verstand. Er blickte die resolute Dame verstohlen abschätzend an und kam wohl zu dem Schluß, es mit einer Verrückten zu tun zu haben. Während seiner Jahre als Gangster war ihm eine solche Frau nie über den Weg gelaufen. Was den Butler betraf, so wußte er mit dieser Höf lichkeit nichts anzufangen. Sie war ihm schlicht unheimlich. »Okay, Lady, ich packe vorzeitig aus«, sagte er hastig. »Ich bin Joe Cattners und arbeite für einen gewissen Mike Loemond. Sind Sie jetzt zufrieden?« »Überhaupt nicht«, gab Agatha Simpson enttäuscht zurück. »Und wie lautete Ihr Auftrag, Mister Cattners?« fragte der But ler. »Ich sollte die Lady und Sie zwingen, nach Hause zurückzufah ren.« »Zurück nach Shepherd’s Market, Mister Cattners?« »Genau. Und von dort sollte ich dann ‘ne bestimmte Telefon nummer anrufen.« »An die Sie sich bestimmt erinnern werden, Mister Cattners.« »Klar doch, die hab’ ich mir genau eingeprägt. Wollen Sie sie 13
hören?« »Wenn Sie so liebenswürdig sein würden.« Josuah Parker nickte verhalten und prägte sich seinerseits die Nummer ein, die Joe Cattners ihm nannte. * Butler Parker stand in einer Telefonzelle und hatte gerade die ihm genannte Telefonnummer gewählt. Auf der Gegenseite wurde nach einer Weile abgenommen, eine helle Stimme meldete sich. Parker hörte Hintergrundgeräusche, die erkennen ließen, daß sein Gesprächspartner sich wohl in einem Pub aufhielt. »Mister Loemond, wenn man bitten darf«, sagte Parker. »Man spricht übrigens mit welcher Lokalität?« »Lokalität?« Die Frage kam einigermaßen erstaunt. »Der Name des Restaurants, in dem Sie offensichtlich als Bar keeper arbeiten.« »Ach so… Na ja, Restaurant ist leicht übertrieben, Mann. Sie sind mit dem Double Pint verbunden. Wen wollen Sie sprechen?« »Mister Mike Loemond«, wiederholte Parker den Namen, den der Vierzigjährige genannt hatte. »Moment mal, ich rufe ihn aus.« Der Barkeeper besorgte das sehr laut und deutlich. Er wiederholte den Namen einige Male, um sich dann wieder mit normaler Stimme zu melden. »Pech für Sie, Sir«, sagte er. »Hier meldet sich keiner.« »Ist Ihnen denn ein Mister Loemond bekannt?« »Keine Ahnung«, lautete die vorsichtige Antwort. »Kommt mir aber ziemlich fremd vor, denke ich.« Parker bedankte sich und legte auf. Er schritt gemessen zum Wagen zurück. Der Mitfahrer blickte ihn in einer Mischung aus Sorge und Angst an. »Hat er sich gemeldet?« fragte er, als Parker wieder am Steuer Platz nahm. »Bestimmt nicht«, warf Agatha Simpson boshaft ein. »Sie ha ben mich natürlich angelogen, was diesen Namen betrifft.« »Bestimmt nicht, mein Wort, Lady.« Der Mann schielte nach der Hutnadel. »Als der mich angehauen hat, hat er sich als Loemond vorgestellt.« »Sie haben ihn als Person gesehen, Mister Cattners?« fragte der 14
Butler. »Nee, das nicht, der hat mich in meinem Billardclub angeru fen.« »Sie betreiben ein Pub dieser Art?« »Im Osten der Stadt, in Stepney«, redete der Mann hastig wei ter. »Und dort hat er mich angerufen. Vorher hab’ ich von diesem Loemond noch nie gehört.« »Ihnen ist bekannt, was sich unter der von Ihnen genannten Telefonnummer verbirgt, Mister Cattners?« fragte Parker geduldig weiter. »Na ja, ich hab’ da angerufen, ich wollt’ mal wissen, was mit der Nummer los ist.« »Und zu welchem Resultat kamen Sie, Mister Cattners?« »Das is’ das Double Pint, irgendein Pub in Soho.« »Sie lügen selbst dann, wenn Sie nur guten Tag sagen«, warf Lady Agatha ein. »Ich glaube Ihnen kein Wort.« »Man sollte Mister Cattners vielleicht einladen, mit nach Shepherd’s Market zu kommen, Mylady.« »Nun gut, aber was mich das alles wieder kostet«, seufzte die Detektivin. »Möglicherweise wird Mister Cattners Mylady nur für wenige Stunden zur Last fallen«, beruhigte Parker seine Herrin. »Das hört sich schon besser an«, meinte sie. »Während dieser Zeit braucht er ja wohl kaum verpflegt zu werden, nicht wahr?« »Man könnte Mister Cattners eine Tasse Tee anbieten, Mylady.« »Was dann aber auch schon reichen wird«, sorgte sie sich. »Und was plane ich nun, Mister Parker? Da war doch noch etwas, das ich unbedingt erledigen wollte.« »Mylady sind auf dem Weg zu Mistreß Burgess«, erinnerte Jo suah Parker höflich. »Für den Rest der Fahrt wird Mister Cattners sicher nicht mehr gebraucht.« Bevor Mylady sich dazu äußern konnte, hatte Parker bereits ge handelt. Er betätigte wieder einen der vielen Kippschalter, worauf Cattners auf seinem Sitz leicht zusammenzuckte. »Was ist denn, junger Mann?« raunzte die ältere Dame sofort. »Sitzen Sie gefälligst ruhig. Oder möchten Sie mich noch mal an greifen?« »Da hat mich was gestochen«, beschwerte sich der Mann und rutschte ausgesprochen unruhig auf dem Sitz hin und her. »Unsinn«, erwiderte die ältere Dame, obwohl sie diesmal sehr 15
genau wußte, was passiert war. Parker hatte eine im Sitzpolster versteckt angebrachte Nadel aktiviert. Die Spitze dieser Nadel hatte Kontakt mit einer der beiden Gesäßhälften des Gangsters aufgenommen. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis Cattners eingeschlafen war. * Till Burgess war etwa dreißig Jahre alt, langbeinig, blond und sehr attraktiv. Sie öffnete eine kleine, viereckige Sichtklappe in der Haustür und blickte Parker überrascht an. »Mistreß Jill Burgess?« vergewisserte sich der Butler noch mal. Er hatte sie sich von einer Nachbarin genau beschreiben lassen. »Richtig«, bestätigte die Blondine. »Und wer sind Sie? Wissen Sie eigentlich, daß man um diese Zeit keine Besuche mehr macht?« »Mein Name ist Parker, Josuah Parker«, schickte der Butler vor aus. »Lady Simpson gibt sich die Ehre, Ihnen einen Besuch abzu statten.« »Aber nicht um diese Zeit! Und wer, zum Teufel, ist Lady Simp son?« Sie war eindeutig beschwipst und lächelte den Butler in einer Mischung aus Ironie und Herablassung an. »Lady Simpson geruht, wegen Ihres verschwundenen Gatten zu kommen, von dem es möglicherweise ein Lebenszeichen gibt, Mistreß Burgess.« »Von Henry?« Sie lächelte plötzlich nicht mehr und runzelte die Stirn. »In der Tat, Madam«, erwiderte der Butler. »Wollen Sie nun etwas erfahren oder nicht, Kindchen?« schalte te sich Lady Agatha in diesem Moment ein. Die kräftigen Schall wellen ihrer Stimme drückten den Kopf der Blondine ein wenig nach hinten. »Von Henry?« fragte Jill Burgess dann noch mal und erstaunlich laut. »Warten Sie, ich mache sofort auf. Wo steckt denn nur der Schlüssel?« »Könnte es sein, daß er sich im, Schlüsselloch befindet, Mistreß Burgess?« tippte der Butler an. »Nein, nein«, erklärte sie nervös. 16
»Bitte, warten Sie einen Moment. Ich glaube, er liegt in der Kü che. Moment, ich bin sofort wieder zurück.« Sie wollte die kleine Sichtklappe in der Tür schließen, doch sie schaffte es nicht. Sie drückte gegen die Klappe, doch auch jetzt ließ sie sich nicht zudrücken. »Beeilen Sie sich, meine Liebe«, dröhnte Myladys Stimme. »Ich habe meine Zeit schließlich nicht gestohlen.« »Einen Moment nur, bitte!« Jill Burgess unternahm vor Nervosi tät keinen weiteren Versuch und verließ die Haustür. Parker zog den kleinen Finger seines Lederhandschuhs aus dem Rahmen der Sichtklappe, wartete kurz und langte dann geschmeidig mit Arm und Hand durch die Klappe zur Innenseite der Tür. Er spürte ei nen Schlüsselbund im Schloß. »Da bin ich schon wieder«, war die etwas schrille Stimme von Jill Burgess zu hören. Schritte näherten sich schnell wieder der Tür. Dann rasselte deutlich und unüberhörbar ein Schlüsselbund. »Bitte, Mylady, treten Sie ein«, bat sie dann, während sie die Tür öffnete. »Ich bin ja so schrecklich aufgeregt… Sie haben wirk lich Nachricht von Henry? Wo ist er? Wie geht es ihm? Warum hat er sich bisher nicht gemeldet?« Jill Burgess hatte sich einen Bademantel über ihren Hausanzug geworfen und war noch dabei, den Gürtel zuzubinden. Sie trug hochhackige Pantöffelchen und zeigte ein Make-up, das zwar kunstvoll war, aber ein wenig zerlaufen wirkte. »Ich störe doch hoffentlich nicht, mein Kind?« fragte die ältere Dame und schnupperte. »Sie sind eine starke Raucherin, nicht wahr?« »Bitte, was ist mit Henry?« gab die Blondine zurück, die die Frage der älteren Dame überhört zu haben schien. »War da nicht eben ein Butler an der Tür?« »Mister Parker vertritt sich diskret die Beine, meine Liebe«, gab Agatha Simpson zurück. »Gegen einen guten Brandy habe ich übrigens nichts einzuwenden. Genieren Sie sich nicht!« * Er stand an der Ecke der Doppelgarage, nahm fast so etwas wie Witterung auf und querte dann das kurze Rasenstück. Sein Ziel war die mannshohe Taxushecke vorn an der Straße. Es war ein 17
deutig, daß der Mann sich heimlich davonstehlen wollte. Er hatte die bewußte Hecke noch nicht ganz erreicht, als er plötzlich wie versteinert stehenblieb, förmlich einfror und dann zusammensackte. Dabei griff er noch mit der rechten Hand nach seinem Nacken, ohne ihn allerdings zu erreichen. Butler Parker, der hinter einem Strauch rechts vom Eingang stand, steckte gemessen seine Gabelschleuder in die Innentasche seines schwarzen Covercoats und begab sich dann zu dem Mann, der auf dem Rasen lag. Er war von der hartgebrannten Tonerbse, die Parker mit seiner Zwille verschossen hatte, im Genick voll erwischt worden und merkte nicht, wie schnell und geschickt er von dem Schützen durchsucht wurde. Parker entdeckte eine Brieftasche, klappte sie auf und fand her aus, daß der Besitzer Steven Mondon hieß und wohl Makler war. Der Butler schob die Brieftasche zurück und verließ den Ruhen den. Nach seiner Erfahrung dauerte es höchstens noch wenige Minuten, bis Steven Mondon wieder zu sich kam. Er hatte kaum den bewußten Strauch wieder erreicht, als Mon don sich bereits rührte. Der Mann hob versuchsweise den Kopf, faßte nach dem Genick, stemmte sich hoch und blickte ausge sprochen verwirrt um sich. Dann ging er unsicher auf die Taxus hecke zu, blieb noch mal stehen, blickte zurück auf das Landhaus und zwängte sich dann durch die Hecke. Butler Parker wartete noch eine Weile und begab sich dann auf die Rückseite des Hauses. Nicht umsonst hatte er vorn am Haus auf einen Besucher der Till Burgess gewartet. Nachdem er den Schlüsselbund im Türschloß entdeckt hatte, war ihm klar gewe sen, daß Mrs. Burgess Zeit herausgeschunden hatte, damit ihr Besucher sich entfernen konnte. »Ihr Herumlaufen macht mich ganz nervös, Mister Parker«, war Mylady in diesem Augenblick deutlich zu vernehmen. »Kommen Sie gefälligst ins Haus. Ich habe keine Geheimnisse. Und Sie ha ben doch schließlich diesen eigenartigen Tip bekommen.« »Wie Mylady zu wünschen geruhen.« Parker lüftete höflich die schwarze Melone, passierte die kleine Terrasse und betrat den Wohnraum. »Sie also haben diesen Tip bekommen?« erkundigte sich Till Burgess, bei ihm. Sie wirkte ungeduldig und unsicher zugleich. Sie sah ihn abschätzend an und fragte sich wohl, ob er ihren Be 18
sucher gesehen hatte. »Ein Standeskollege, Madam, erwähnte den Namen Ihres Gat ten«, schwindelte Parker umgehend. »Er will einen Mister Burgess in Brighton gesehen haben.« »In Brighton? Wieso kam er darauf, daß es sich um meinen Mann gehandelt haben könnte? Der Name Burgess ist nicht gera de ungewöhnlich. So erzählen Sie doch endlich genauer.« »Mein Standeskollege will Ihren Mann anhand eines Zeitungsfo tos wiedererkannt haben, Madam. Er verständigte meine Wenig keit, da ihm bekannt ist, daß Mylady sich mit rätselvollen Krimi nalfällen beschäftigt.« »Er hat meinen Mann eindeutig wiedererkannt? Das ist doch kaum möglich. Wenn Henry, ich meine natürlich Mister Burgess, wenn Henry also in Brighton wäre, hätte er sich doch längst hier gemeldet.« »Sie vermissen ihn seit wann, meine Liebe?« fragte Lady Agat ha. »Fast seit dreieinhalb Monaten«, lautete die Antwort. »Henry verschwand während einer Studienreise. Er fuhr in den Nahen Osten. Seine letzte Karte kam aus Kreta. Seit dieser Zeit habe ich nichts mehr von ihm gehört.« »Mylady brachte in Erfahrung, daß Ihr Gatte, Mistreß Burgess, als Plasmaphysiker in einem staatlichen Institut arbeitet.« »Das ist richtig.« Sie nickte. »Was er dort genau tat, hat er mir nie verraten. Es muß sich um militärische Dinge oder so gehan delt haben. Aber ich glaube, daß er sich nur etwas wichtig ma chen woll… Ich meine, er redete nie über seine Arbeit, aber das sagte ich ja wohl schon.« Parker hatte selbstverständlich vor, weitere Fragen zu stellen, doch als plötzlich die Scheibe eines Seitenfensters barst und gleichzeitig der ungemein spitze Aufschrei der Jill Burgess zu ver nehmen, war, schloß der Butler die Befragung erst mal ab, um sich den heimtückischen Schützen zu angeln. Er dachte unwillkürlich an jenen Steven Mondon, der sich gera de erst durch die Taxushecke gezwängt hatte. * »Natürlich wollte man mich treffen, mein Junge«, sagte Agatha 19
Simpson ungemein zufrieden in Richtung Mike Rander. Er und Kathy Porter waren erst vor wenigen Minuten im altehrwürdigen Haus der Agatha Simpson eingetroffen und hatten sich von Parker informieren lassen. »Dieser Schuß galt allein mir.« »Man weiß eben, wie erfolgreich Sie als Kriminalistin sind, Myla dy«, versicherte der Anwalt und blickte sie treuherzig an. Rander, um die vierzig Jahre alt, erinnerte in Statur und Wesen an einen bekannten James-Bond-Darsteller. Er verwaltete das immense Vermögen der älteren Dame und wurde dabei von Kathy Porter unterstützt, die als Lady Simpsons Sekretärin und Gesellschafte rin fungierte. Kathy Porter, zehn Jahre jünger als Mike Rander, war eine aus gesprochen attraktive Erscheinung, der man keineswegs ansah, daß sie sich meisterhaft in allen Künsten fernöstlicher Selbstver teidigung auskannte. »Ich weiß, Mike, daß man mich fürchtet«, lobte sich die ältere Dame ungeniert. »Man hat auch allen Grund dazu. Leider schaffte es Mister Parker nicht, diesen Schützen zu stellen.« »Man wird in dieser Beziehung gewissen Spuren nachgehen«, versicherte Parker pauschal. »Vielleicht wird auch Mister Cattners dazu beitragen können, diesen Schützen zu finden.« »Sie haben ihn noch nicht verhört, Mister Parker?« wollte Kathy Porter wissen. »Weder ihn noch Mister Burgess«, faßte der Butler zusammen. »Die beiden Herren befinden sich noch in einer Art regenerativen Phase, wenn meine Wenigkeit es mal so ausdrücken darf.« »Könnte es sich bei Burgess um eine Ehegeschichte handeln?« tippte Kathy Porter an. »Mistreß Burgess scheint sich auf jeden Fall recht nachdrücklich getröstet zu haben, Miß Porter«, antwortete der Butler. »Mylady wollen diesem Aspekt noch nachgehen.« »Und zwar gründlich«, versicherte die Detektivin. »Für mich ist der neue Fall völlig klar.« »Sie machen uns neugierig, Mylady«, erklärte der Anwalt. Mike Rander wußte aus Erfahrung, daß Agatha Simpson sich gern und vorschnell festlegte, aber auch keine Hemmungen hatte, eine Theorie gegen die andere auszutauschen. »Sie will ihren Mann umbringen lassen«, fuhr die ältere Dame munter fort. »Das beweist doch schon die Tatsache, daß er von der Brücke springen wollte.« 20
»Freiwillig, Mylady«, erinnerte Rander. »Aber nein«, widersprach sie sofort. »Mister Parker hat das nur völlig falsch gesehen. Man wollte ihn zwingen, von der Brücke zu springen. Als er es nicht tat, schoß man sogar auf ihn. Sehen Sie, mein lieber Junge, man muß nur einen Blick für die inneren Zu sammenhänge haben. Mister Parker fehlt es noch am richtigen Gespür für solche Dinge.« »Ein Manko, Mylady, das sich vielleicht im Lauf der Jahre aus gleichen läßt«, warf der Butler ein. Sein Pokergesicht blieb aus druckslos. »Ich werde Ihnen dabei helfen, Mister Parker«, versprach sie. »Im Augenblick habe ich natürlich andere Sorgen. Ich will endlich wissen, wer diese Vogelscheuche ist.« »Sie sprechen jetzt vom Gartenzwerg?« fragte Mike Rander. »Natürlich, mein Junge.« Agatha Simpson nickte und nahm ü berhaupt nicht zur Kenntnis, daß sie einen falschen Begriff ver wendet hatte. »Mister Parker, ich erwarte von Ihnen einige Vor schläge in meinem Sinn. Der morgige Tag muß die Lösung dieses harmlosen Rätsels bringen. Ich verlasse mich da ganz auf Sie.« Josuah Parker deutete eine zustimmende Verbeugung an, doch war ihm klar, daß von einem harmlosen Rätsel keine Rede sein konnte. * Lady Agatha hatte sich in ihr Studio zurückgezogen, um über den Fall gründlich nachzudenken. Tatsächlich aber saß sie vor dem Fernsehgerät und schaute sich das Mitternachtsprogramm an. Selbstverständlich tat sie dies nicht aus purem Vergnügen, nein, sie studierte die Technik des Drehbuchschreibens, wie sie stets versicherte. Lady Agatha war nach wie vor dabei, Ihren geplanten Bestseller zu konzipieren. Parallel dazu wollte sie noch einen Kriminalroman und ein Bühnenstück schreiben. Es war ihre feste Absicht, die Welt der Unterhaltung zu revolutionieren. Butler Parker und Mike Rander hatten die Gelegenheit für eine gemeinsame Ausfahrt genutzt. Sicherheitshalber war Kathy Porter im Fachwerkhaus der älteren Dame zurückgeblieben, um Lady Agatha vor spontanen Handlungen zu bewahren. 21
Die beiden Männer saßen recht beruhigt in Parkers hochbeini gem Monstrum und waren auf der Fahrt nach Soho, um sich das Double Pint aus nächster Nähe anzusehen. Joe Cattners hatte dort anrufen und nach einem gewissen Mike Loemond fragen sol len. Vor dieser Ausfahrt hatte Josuah Parker sich entsprechend vor bereitet. Er trug einige seiner raffinierten Miniatur-Abwehrwaffen bei sich. Sie sahen aus wie Dinge des täglichen Gebrauchs und erweckten ganz sicher kein Mißtrauen. »Was halten Sie von diesem Physiker, Parker?« fragte Rander. »Braucht Burgess nicht einen Arzt?« »Einen Spezialisten sollte man in der Tat konsultieren, falls Mis ter Burgess’ Zustand sich in den kommenden Stunden nicht bes sert, Sir«, pflichtete der Butler dem Anwalt bei. »Bisher war Mis ter Burgess nach wie vor nicht ansprechbar. Er befindet sich in einem Stadium völliger Apathie und Gleichgültigkeit.« »Denken Sie nicht auch an Drogen, Parker?« »Dieser Verdacht, Sir, drängt sich durchaus auf«, erwiderte Parker. »Meine Wenigkeit war so frei, Mister Burgess nach kleinen Einstichwunden zu untersuchen. Es konnte nichts gefunden wer den.« »Vielleicht hat man Burgess auch oral etwas verpaßt, Parker.« »Eine bequeme Methode, Sir. Falls es sich um Drogen handelt, muß es etwas sein, was sich von bekannten und herkömmlichen Mitteln unterscheidet. Man darf daran erinnern, daß sich Mister Burgess ohne ersichtlichen Zwang unbedingt von der Brücke stür zen wollte.« »Und als Sie ihn daran hinderten, wurde geschossen. Auf Sie nun, Parker, oder auf Burgess?« »Mit letzter Sicherheit läßt sich dies nicht sagen, Sir. Auch der potentielle Schütze dürfte wie unter fremdem Zwang gehandelt haben. Er erwähnte aber immerhin eine Person, die er als Gar tenzwerg bezeichnete.« »Eine verrückte Geschichte.« Rander schüttelte den Kopf. »Pi ckett observiert diesen Jerry Linfalt?« »Zusammen mit einigen Freunden, Sir. Er dürfte keine Chance haben, sich solch einer Überwachung zu entziehen.« »Der gute Pickett versteht sein Handwerk«, gab Mike Rander lä chelnd zurück. »Warten wir’s ab, was diese Überwachung bringen wird. Vielleicht führt Linfalt uns ungewollt an den Gartenzwerg 22
heran.« »Damit, Sir, ist leider kaum zu rechnen«, lautete die Antwort des Butlers. »Mister Linfalt hat den sogenannten Gartenzwerg nie gesehen, wenn man daran erinnern darf.« »Aber der Gartenzwerg muß Linfalt kennen«, entgegnete Mike Rander, »sonst hätte er ihn ja wohl kaum so ohne weiteres an heuern können.« »Man wird sich Mister Linfalts Umfeld sehr genau ansehen müs sen, Sir«, meinte der Butler in seiner höflichen Art. »Dies gilt na türlich auch für das Double Pint.« »Warum, zum Teufel, setzt sich ein Wissenschaftler so einfach von seiner Frau ab, taucht nach dreieinhalb Monaten wieder im Land auf und will von einer Brücke springen?« fragte Mike Rander halblaut. »Wo war dieser Bursche während der ganzen Zeit? Was hat er getrieben? Wir wissen so gut wie nichts über ihn!« »Man wird am morgigen Tag seinen früheren Arbeitgeber fragen müssen, Sir«, schlug der Butler vor. »Es könnte durchaus sein, daß er für eine staatliche Institution arbeitete.« »Ich denke, wir werden noch eine Menge Überraschungen erle ben«, prophezeite der Anwalt. »Mit letzter Sicherheit, Sir«, schloß Parker sich der Meinung Randers an. »Und einen Vorgeschmack davon könnte man bereits im Double Pint bekommen.« * Josuah Parker lag mit seiner Vermutung völlig richtig. Das Double Pint entpuppte sich als eine Bierschwemme, deren Gäste mit Sicherheit der Unterwelt angehörten. Es handelte sich um ein buntgemischtes Volk aus stämmigen Schlägern, aalglatten Zuhältern und verwegenen Glücksrittern. Sie alle machten hier eine Pause, um sich von der bereits geleisteten nächtlichen Arbeit zu erholen. Als Parker und Rander das Pub betraten, herrschte für einen Moment absolute Stille. Man maß die neuen Gäste mit mehr oder weniger aggressiven Blicken und tat dann so, als hätte man sie schon wieder vergessen. Es war aufreizend, wie Parker und Rander auf die Stammgäste wirkten. Parker war als hochherrschaftlicher Butler natürlich so 23
fort einzuordnen. Typischer als er konnte kein Butler aussehen. Mike Rander trug zur grauen Flanellhose einen dunkelblauen Blazer, ein diskret gestreiftes Hemd und eine Krawatte. Die beiden Männer, die so gar nicht in diese Umgebung paßten, suchten sich einen Platz am Tresen und bestellten Bier. Der Bar keeper nickte beiläufig und schien dann vergessen zu haben, was die neuen Gäste wünschten. Dafür aber gingen zwei stämmige Trinker aus ihrer gespielten Reserve heraus und widmeten sich Parker und Rander. »Wetten, daß ihr euch verlaufen habt?« fragte jener Stämmige, dessen Knorpelnase verriet, daß er sich in jüngeren Jahren wohl in einem Boxring betätigt hatte. »Aber überhaupt nicht, guter Mann«, erwiderte Mike Rander bewußt nasal und dadurch ein wenig hochmütig-herablassend. »War das gerade ‘ne faustdicke Beleidigung?« Der Stämmige wandte sich an seinen Partner. »Ich hab’s genau gehört«, bestätigte der Bursche und grinste dümmlich. »Er hat dich ‘n Miststück genannt.« »Un’ so was lass’ ich mir nicht gefallen«, meinte der erste Stämmige nun wieder. »Dafür schlage ich dir die Nase ein.« Während er noch diese Ankündigung machte, holte er zu einem mächtigen Heumacher aus. Dabei wichen die näher Stehenden geschickt nach hinten und zur Seite aus, um nicht in die Reich weite des Armes zu kommen. »Un’ ich schneid’ ihm den Strick vom Hals«, meinte der zweite Stämmige und hielt plötzlich ein Klappmesser in der linken Hand. »Darf man einen Augenblick um Ihre Aufmerksamkeit bitten?« schaltete Josuah Parker sich betont höflich ein. »Wieso? Was is’ denn?« fragte der angehende Messerheld ver blüfft. »Sie haben eine Laufmasche in Ihrem Pullover«, fügte der But ler hinzu und hob seinen altväterlich gebundenen Regenschirm. »Dort, wenn Sie genau hinsehen wollen.« Um den Punkt zu bezeichnen, stieß der Butler mit der Spitze seines Schirmes auf das Brustbein des Mannes. Er tat es blitz schnell und sehr nachdrücklich. Er traf einen Nervenpunkt, der bei dem Messerträger deutlich erkennbare Luftnot auslöste. Der Getroffene riß den Mund auf, hechelte die Luft in sich hinein und bekam dabei einen krebsroten Kopf. Dann taumelte er gegen die Kante des Tresens und ließ dabei ein Stöhnen vernehmen, als 24
wäre in seinen Lungen ein schadhafter Staubsauger in Tätigkeit gesetzt worden. »Dort ist noch eine weitere Laufmasche«, erkannte der Butler und legte die Schirmspitze diesmal auf die Herzpartie des Man nes. Der schaltete seinen inneren Staubsauger daraufhin sofort ab und ging zu Boden. Dabei verlor er sein Messer, das Mike Rander mit schnellem Kick unter einen der wenigen Tische an der Wand des Pubs beförderte. Der Stämmige, der noch auf den Beinen stand, starrte zuerst auf seinen Partner hinunter, dann auf den Butler und schließlich auf Mike Rander. Jetzt erinnerte er sich daran, daß er dabei war, einen mächtigen Heumacher anzubringen, holte also noch mal aus und legte seine Fingerknöchel in Form einer geradezu riesi gen Faust auf die Hutwölbung von Parkers schwarzer Melone. Die Innenseite dieser Kopfbedeckung war mit zähem Stahlblech ausgefüttert, was der Schläger natürlich nicht wissen konnte. Parker hatte die Melone genau im richtigen Moment abgenommen und sie vorschnellen lassen. Der Schläger jaulte, blickte fasziniert auf seine Faust, deren Finger er nicht mehr öffnen konnte, produzierte dicke Krokodils tränen und greinte anschließend. »Stopp, Leute! Ich will hier keinen Krach haben«, war dann eine harte Stimme zu vernehmen. Hinter dem Tresen erschien ein mit telgroßer, schlanker Mann von etwa vierzig Jahren. Er trug einen dunkelgrauen Sportanzug und schien die Autorität in diesem Pub zu besitzen. Einige Gäste, die sich bereits mit Rander und Parker befassen wollten, zogen sich sofort zurück. »Man wünscht einen wundervollen Abend«, grüßte Parker, be vor er seine schwarze Melone wieder aufsetzte. »Kann man davon ausgehen, daß Sie dieses Lokal betreiben?« »Ich bin Mike Loemond«, antwortete der Mann. Er hatte eis graue Augen, einen schmalen Mund und eine überraschend kleine Nase. »Der hier in dieser Lokalität recht unbekannt zu sein scheint«, gab der Butler zurück. »Vor einigen Stunden rief meine Wenigkeit hier an und fragte nach Ihnen. Der Barkeeper konnte sich unter dem Namen Loemond aber nichts vorstellen.« »Reine Routine, ich bin nicht für jeden Anrufer zu sprechen.« Loemond lächelte ironisch. »Und wer sind Sie?« »Mein Name ist Parker, Josuah Parker«, stellte der Butler sich 25
vor. »Meine Wenigkeit überbringt die Grüße eines gewissen Mister Joe Cattners.« »Parker…?« Loemond zerdehnte den Namen und hüstelte dann. »Und wer ist Joe Cattners?« »Der Betreiber des Billardsalons in Stepney, Mister Loemond.« »Okay, kommen Sie mit in mein Büro«, schlug Loemond vor. »Wir sollten uns mal in aller Ruhe unterhalten.« »Zum Beispiel über den Gartenzwerg«, warf Mike Rander belus tigt ein. Loemond maß ihn mit schnellem Blick, lächelte dann neutral und übernahm die Führung. Es ging durch einen schmalen, sehr langen Korridor, bis man eine Tür erreichte, die nur angelehnt war. Loemond blieb stehen und wandte sich zu seinen Besuchern um. »Ich darf vorausgehen?« fragte er höflich. »Warum nicht?« antwortete Mike Rander und reagierte auf recht ungewöhnliche Art. * Er lag plötzlich flach in der Luft, passierte den völlig verdutzten Loemond, rollte sich im richtigen Moment auf dem Boden ab und stieß mit den Füßen die angelehnte Tür auf. Damit löste Mike Rander eine Kettenreaktion aus. Zwei Männer, die links und rechts neben der Tür Aufstellung be zogen hatten, wollten mit Axtstielen zuschlagen, taten es auch, doch sie trafen nichts als Luft. Mike Rander hatte das Büro zu schnell und zu ungewöhnlich betreten. Bevor sie sich auf den Anwalt einstellen konnten, hatten sie be reits auf der ganzen Linie verloren. Mike Rander, stets ein wenig lässig und desinteressiert wirkend, hatte sich in einen Einzel kämpfer verwandelt. Er stand schon längst wieder auf den Bei nen, setzte seine Handkantenschläge ein und durchmischte sie mit Fußtritten, die alle ihr Ziel trafen. Es dauerte nur wenige Au genblicke, bis die beiden Männer am Boden lagen und aufgaben. Loemond blickte fassungslos auf die Szene. Er stand in der Tür und wandte sich zu Parker um. Loemonds Gesicht hatte eine kalkweiße Farbe angenommen. »Mister Rander und meine Wenigkeit gingen davon aus, daß Sie 26
per Fernsehüberwachung sehr genau wußten, was sich vorn am Tresen abspielte«, erläuterte der Butler höflich. »Ohne eine sol che hausinterne Übertragung hätten Sie nicht so prompt hinter dem Tresen erscheinen können.« »Das da… das da hab’ ich nicht veranlaßt«, log Loemond und deutete auf seine Mitarbeiter. Sie hatten sich hochgesetzt und überprüften ihre diversen Gliedmaßen. Dabei produzierten sie verhaltene Stöhnlaute. »Wie auch immer, Loemond«, sagte Mike Rander, dem man ü berhaupt nicht ansah, daß er sich körperlich betätigt hatte. »Kommen wir zur Sache, was diesen Joe Cattners betrifft.« »Vielleicht können Sie sich zusätzlich dazu entschließen, einige Hinweise auf einen sogenannten Gartenzwerg zu geben, Mister Loemond«, fügte der Butler hinzu. Er dirigierte Loemond mit der Schirmspitze ins Büro und schloß die Tür hinter sich. Neben Loemonds Schreibtisch entdeckte Josuah Parker einen kleinen Monitor, der noch eingeschaltet war. Das Bild zeigte den Tresen und die vielen Gäste davor. Damit bestätigte sich der Ver dacht. Loemond hatte die Szene am Tresen genau verfolgen kön nen. Die beiden Männer, die sich hochgesetzt hatten, krochen müh sam in eine Zimmerecke und machten einen Bogen um Mike Rander. Parker folgte ihnen und fragte nach Waffen. Sie hoben die Hände und wollten damit andeuten, daß sie waffenlos waren. »Sie erlauben, meine Herren, daß man sich versichert«, schlug Josuah Parker vor. »Nach einem sattsam bekannten Zitat ist Ver trauen gut, Kontrolle jedoch besser.« Er entdeckte je einen Revolver und diverse Stichwaffen, nahm diese Gegenstände an sich und ließ sie in den Außentaschen sei nes schwarzen Covercoats verschwinden. »Wie wäre es denn jetzt mit ein paar hübschen Hinweisen, Loemond?« fragte Mike Rander. »Wie ist das mit diesem Garten zwerg? Wollen Sie abstreiten, Joe Cattners in Marsch gesetzt zu haben?« »Ich kenne keinen Cattners«, log Loemond. »Schön, dann wollen wir dieses Thema mal leicht vertiefen«, gab der Anwalt zurück und betrachtete seine Hände. »Aber fühlen Sie sich nur ja nicht unter Druck gesetzt, Loemond.« »Okay, Rander«, erwiderte Loemond. »Ich packe aus.« »Aber auf keinen Fall eine Schußwaffe«, reagierte Rander iro 27
nisch. »Ich könnte das mißverstehen.« »Sie haben da eben von einem Gartenzwerg gesprochen«, be gann Loemond und hütete sich, die Hände von der Schreibtisch platte zu nehmen. »Der hatte mich angerufen und sich nach ei nem guten Mann erkundigt.« »Daraufhin schlugen Sie wen vor, Mister Loemond?« fragte Jo suah Parker. »Cattners«, lautete die Antwort. »Er sollte Sie und die Lady in das Haus nach Shepherd’s Market zurückbringen. Wozu das gut sein sollte, weiß ich nicht, aber ich häb’ auch nicht danach ge fragt.« »Der erwähnte Gartenzwerg war für Sie bereits eine bekannte Größe, Mister Loemond?« »Eben nicht, aber das spielt auch keine Rolle. Ich bekam die Vermittlungsprovision, und damit hatte es sich für mich auch schon.« »Auf welche Art und Weise sollte Mister Cattners das Gelingen seiner Operation an Sie weitergeben?« »Durch ‘nen Anruf, Mister Parker«, fuhr Loemond fort und schien nicht zu lügen. »Wir hatten da ein Stichwort abgemacht. Er sollte nach mir fragen, und ich sollte dann in Shepherd’s Mar ket anrufen. Als dann nach mir gefragt wurde, rief ich bei dieser Lady an, aber Cattners meldete sich nicht. Da ahnte ich, daß was schiefgelaufen war.« »Wie sollten Sie Verbindung mit dem ominösen Gartenzwerg aufnehmen, Mister Loemond?« »Der wollte hier anrufen, hat es aber bisher nicht gemacht. Und das ist auch schon die ganze Geschichte. Mehr hab’ ich wirklich nicht zu bieten. Sie haben Cattners erwischt, nicht wahr?« »Der Knabe scheint nicht gerade zur Spitzenklasse zu gehören«, antwortete Mike Rander lächelnd. »Hoffentlich wird der Garten zwerg Ihnen die falsche Wahl nicht ankreiden, Loemond.« »Ich kenne den Mann ja gar nicht«, behauptete Loemond er neut. »Dafür aber müßte er Sie kennen, Mister Loemond«, schaltete Josuah Parker sich ein. »Der Gartenzwerg wird Sie kaum zufällig angerufen haben.« »Darüber hab’ ich auch schon nachgedacht«, räumte Loemond ein. »Aber ehrlich, von einem Gartenzwerg hab’ ich bisher noch nie was gehört. Ein verrückter Name, finden Sie nicht auch?« 28
»Er dürfte gut für wenigstens einen Mord sein, Loemond«, sagte Mike Rander. »Falls Sie doch etwas über ihn wissen sollten, möchte ich nicht in Ihrer Haut stecken. Es stirbt sich schnell in der Unterwelt.« »Ich kenne keinen Gartenzwerg«, erklärte der Pub-Betreiber mit Nachdruck. »Und ich hab’ noch nicht mal ‘ne Ahnung, wo ich ihn suchen sollte.« »Mister Rander und meine Wenigkeit nehmen Ihnen fast jedes Wort ab«, schloß Parker die Unterhaltung. »Sie haben jetzt den Vorzug und das Vergnügen, einen Weg vorzuschlagen, um auf die Straße zurückzugelangen.« »Freiwillig oder auch nicht«, fügte Mike Rander ironisch hinzu. * Es waren drei Wagen, deren Insassen nur darauf warteten, die Verfolgung des hochbeinigen Monstrums aufnehmen zu können. Die Autos standen fahrbereit am Straßenrand. Ihre Motoren lie fen. Josuah Parker und Mike Rander hätten im hochbeinigen Monst rum Platz genommen und entließen Loemond, der sie bis hierher geführt hatte. Man hatte einen Nebenausgang benutzt, war durch einen Hinterhof gegangen und hatte dann die schmale Straße erreicht, die in engen Kurven zu einer Durchgangsstraße führte. »Das kann eine ziemlich heiße Rückfahrt werden, Parker«, meinte der Anwalt gelassen, als er sich eine Zigarette anzündete. »Loemond scheint nachtragend zu sein.« »Und zudem auch kaum lernfähig, Sir«, antwortete der Butler. »Er müßte eigentlich inzwischen wissen, daß dies nicht seine Nacht ist.« Während Parker diese Feststellung traf, griff er in eine seiner vielen Westentaschen und holte einen völlig regulär aussehenden Kugelschreiber hervor. Auf die Schreibspitze steckte er eine Art Zuckerwürfel. »Eine neue Blitzlichtbombe, Parker?« erkundigte sich Mike Rander interessiert. »In der Tat, Sir«, gab der Butler zurück. »Die Leuchtkraft konn te noch zusätzlich angehoben werden. Sie brauchen nur den Hal teclip abzuwinkeln, um die Zündung auszulösen.« 29
»Und möglichst dazu die Augen schließen, wie?« »Es empfiehlt sich durchaus, Sir«, redete Parker weiter. »Noch besser wäre es natürlich, eine Schutzbrille überzustreifen.« Der Butler konnte natürlich auch damit dienen. Er zog eine Art Schublade unter dem Fahrersitz hervor und reichte dem Anwalt eine zusammenlegbare Brille, wie man sie unter der Höhensonne zu tragen pflegte. Rander streifte sie sich über und nickte dann dem Butler zu, der sein hochbeiniges Ge fährt bereits in Fahrt gebracht hatte. Parker blickte in den Rück spiegel. Die drei Fahrzeuge lösten sich vom Straßenrand und nahmen die Verfolgung auf. Die Insassen waren darauf abgerichtet wor den, das Duo im ehemaligen Taxi irgendwo zu stellen. Loemond wußte wohl von einer besonders hohen Prämie, falls es ihm ge lang, zumindest Parker zu stellen. Der Gartenzwerg schien dafür eine fürstliche Belohnung ausgesetzt zu haben. Parker schaltete schnell hoch, als hätte er die Verfolger wahrge nommen und nun die Absicht, einen Vorsprung herauszufahren. Die verfolgenden Wagen wurden prompt schneller, paßten sich der Geschwindigkeit an und taten genau das, was Parker von ih nen erwartete. »Vielleicht könnten Sie die Bombe hinter der nächsten Biegung zünden, Sir«, schlug Parker dem Anwalt vor. »Mit dem größten Vergnügen.« Rander schob sich die Schutz brille über die Nase und paßte die beiden Schalen seinen Augen an. Er blickte zurück, als Parker die Biegung nahm, wartete, bis die drei Wagen erschienen, und… zündete die Miniaturbombe. Greller konnte kaum die Sonne sein. Obwohl Mike Rander den Augenschutz trug, blendete ihn für ei nen Moment die Lichtfülle. Er sah nichts als ein grelles Weiß, da nach vielfarbige Kreise und verspürte einen leichten Schmerz im Kopf. Dann aber hörte er bereits, wie sich drei Wagen offenbar ineinander verkeilten. Die Fahrer hatten die Lenkräder verrissen und waren außer Kurs geraten. Die Fahrzeuge schrammten aneinander, stießen sich ab, krachten wieder zusammen und wurden dann zu einem schier unentwirrbaren Knäuel aus Blech. Glas splitterte, eine Hupe sägte an den Nerven. Parker hielt und nahm eine zwickerähnliche Brille von seinem Nasenbein. Auch er hatte die Augen natürlich geschützt. Er wand 30
te sich um und beobachtete die Straße hinter sich. Sie war völlig blockiert. Die drei Wagen produzierten inzwischen Dampfsäulen aus ihren Kühlern, und die ersten Fahrer stiegen mühsam aus. »Darf man davon ausgehen, Sir, daß Sie mit meiner Wenigkeit andeutungsweise zufrieden sind?« fragte der Butler. »Kann man wohl sagen«, gab der Anwalt zurück. »Man könnte Sie direkt empfehlen, Parker.« * Henry Burgess machte einen leicht erholten Eindruck. Er hatte auf der Bettcouch seines Gästezimmers gelegen und richtete sich auf, als Josuah Parker ihm das Frühstück servierte. »Man erlaubt sich, einen wunderschönen Morgen zu wünschen«, grüßte der Butler. »Und einen guten Appetit dazu, Mister Bur gess.« »Hallo«, antwortete der verhinderte Selbstmörder. »Darf man sich nach Ihrem Befinden erkundigen, Sir?« »Wo bin ich hier?« fragte Burgess. Seine Stimme war leise. »Sie sind Gast Lady Simpsons, Sir«, erwiderte der Butler. »Mei ne bescheidene Wenigkeit war so frei, Sie vor einem Sprung von einer Brücke zu bewahren, wie Sie sich vielleicht erinnern wer den.« »Tatsächlich?« wunderte sich Henry Burgess verhalten. »Sie erinnern sich an diesen Vorgang nur vage, Sir?« »Kann sein«, gab der Physiker nachdenklich zurück. »Ich habe scheußliche Kopfschmerzen.« »Vielleicht wird der starke Kaffee diesen Zustand ändern, Sir. Sie sollten ihn versuchen. Meine Wenigkeit nahm übrigens Kon takt mit Ihrer Frau auf.« »Aha.« Burgess zeigte kein Interesse. Er war aufgestanden und kam auf den Couchtisch zu. »Sie verließen Mistreß Jill Burgess vor etwa dreieinhalb Mona ten.« »Jill Burgess?« Er runzelte die Stirn. »Ihre Frau, Sir«, erinnerte Parker höflich. »Meine Frau.« Er nickte und nahm am Couchtisch Platz. »Sie vermißt Ihre Gegenwart seit dreieinhalb Monaten, Mister 31
Burgess.« »Ich muß gleich zurück ins Camp«, sagte der Physiker. »Ich werde erwartet.« »Man wird Sie nach dem Frühstück dorthin geleiten, Mister Bur gess«, machte Parker ihm geduldig klar. Der Butler hatte inzwi schen längst erkannt, daß der Physiker zur Realität kein Verhält nis mehr zu haben schien. »Und dann die Brücke.« Burgess wartete, bis ihm Kaffee einge gossen wurde, und nahm dann einen Schluck. »Ich habe Kopf schmerzen.« Er lehnte sich im Sessel zurück, wo er Platz genommen hatte, und drückte die Innenflächen seiner Hände gegen die Schläfen. Er schloß die Augen und stöhnte. »Sie haben die Absicht, diesen Brückensprung noch mal zu wa gen, Sir?« tippte der Butler an. »Ich muß… ich muß frei sein«, entgegnete Burgess. »Wo findet man das Camp, das Sie erwähnten, Sir?« »Ich weiß es nicht«, lautete die verblüffende Antwort. »Irgend wo… Ich muß zurück zur Brücke.« »Und vielleicht auch zum Gartenzwerg, Mister Burgess?« »Zum Gartenzwerg.« Burgess lächelte versonnen. »Ein Name, der Ihnen etwas sagt, Mister Burgess?« »Ein guter Mann«, erklärte der Physiker. »Er sorgt für Freiheit.« Nach dieser Feststellung schien Burgess das Frühstück bereits wieder vergessen zu haben. Er stand auf, legte sich wieder auf die Bettcouch, schloß die Augen und preßte erneut die Hände ge gen die Schläfen. Parker verließ diskret das Gästezimmer. Ihm war klar, daß Bur gess in die Hand eines Arztes gehörte. Und dieser Arzt mußte sich in Drogen auskennen. Henry Burgess stand nach Parkers Beo bachtung eindeutig unter Psychopharmaka. Als Parker den Trakt mit den diversen Gästezimmern verlassen hatte und im Korridor stand, der hinauf ins Erdgeschoß von Myla dys Haus führte, läutete das Telefon. Wenige Augenblicke später hatte Parker den oft erwähnten Gar tenzwerg in der Leitung. *
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Natürlich war die Stimme verfremdet und klang quäkend. »Sie lassen sich da auf ein sehr gefährliches Spiel ein, Parker«, sagte die Stimme. »Ich habe große Lust, auch Sie und Ihre Lady zu behandeln.« »Sie agieren als sogenannter Gartenzwerg, nicht wahr?« erkun digte sich der Butler. »Ein hübscher Tarnname, nicht wahr?« Weibisches Kichern war zu hören. »Über Fragen des Geschmacks sollte man tunlichst niemals streiten«, erwiderte der Butler. »Ihnen ist natürlich bekannt, daß Mister Henry Burgess sich in Myladys Obhut befindet.« »Versprechen Sie sich nichts davon, Parker. Er hat jede Über sicht verloren.« »Ihre Drogen scheinen sehr wirkungsvoll zu sein.« »Sie werden sie am eigenen Leib verspüren, wenn Sie weiter machen, Parker! Das gilt auch für Ihre Lady!« »Meine Wenigkeit wird sich erlauben, Mylady in dieser Hinsicht zu informieren«, versprach, der Butler. »Kann man davon ausge hen, daß nicht nur Mister Burgess von Ihnen behandelt wird?« »Davon können Sie ausgehen«, kam die von Parker vermutete Bestätigung. »Ich befreie eine Menge Leute von ihren Komplexen und von ihrer Arroganz.« »Zum Beispiel durch einen Sprung von einer Brücke, Mister Gartenzwerg?« »Auch so, Parker, auch so.« Da war wieder dieses weibische Ki chern. »Ich gebe jedem die Möglichkeit, sich von sich selbst zu befreien.« »Demnach fühlen Sie sich als Wohltäter?« »So kann man sagen, Parker. Ich sorge für klare Verhältnisse.« »Sie suchen sich Ihre Freiheitssucher sicher sehr gezielt aus, Mister Gartenzwerg, nicht wahr?« »Ich gebe mir Mühe, Parker. Sie wollen mich natürlich aufs Glatteis führen, aber das wird Ihnen nicht gelingen.« »Könnte es sein, daß Sie Ihren Freiheitssuchern gegenüber ge wisse Rachegefühle hegen, Mister Gartenzwerg?« Parker brachte instinktiv diese Wendung vor. »Rachegefühle, Parker? Aber nein, auf keinen Fall. Warum sollte ich Rachegefühle haben? Und gegen wen? Ich sorge nur dafür, daß unser Globus keinen Kollaps erleidet.« »Sie überschätzen die intellektuellen Möglichkeiten meiner We 33
nigkeit«, stapelte Parker tief. »Könnten Sie eine Art Übersetzung Ihrer letzten Bemerkung vornehmen?« »Ich sorge dafür, daß unsere Erde nicht zu schnell kaputtgeht, Parker. Haben Sie jetzt kapiert?« »Demnach müßte man Sie als eine Art Menschheitsbeglücker bezeichnen, Mister Gartenzwerg?« »Das gefällt mir schon besser, Parker. Ich bin bereits auf einem guten Weg, wie man später merken wird.« »Sie ließen bereits andere Personen über Brückengeländer springen?« »Es gibt ja schließlich noch andere Möglichkeiten, Parker. Aber bleiben wir bei Ihnen: Ich warne Sie noch mal! Ziehen Sie sich zurück, lassen Sie Burgess frei, und setzen Sie ihn in einem Wa renhaus in der City ab! Wenn das geschehen ist, werde ich Sie und Ihre Lady vergessen. Falls Sie aber nicht mitspielen wollen, sorge ich dafür, daß Sie sich sehr frei fühlen werden.« »Vielleicht noch eine abschließende Frage«, bat Parker höflich und geduldig. »Warum nennen Sie sich Gartenzwerg? Zu Ihnen würde doch besser >Retter der Menschheit< passen.« »Das ist völlig richtig.« Josuah Parker wartete auf das weibische Kichern, doch es erklang nicht. »Haben Sie mir sonst noch etwas zu sagen, Mister Parker?« »Dachten Sie an ein bestimmtes Warenhaus, was Mister Bur gess betrifft?« »Das ist mir völlig gleichgültig«, entgegnete der Gartenzwerg. »Brauchen Sie möglicherweise die Adresse eines erstklassigen Psychiaters, Mister Gartenzwerg?« Nach dieser Frage wurde auf der Gegenseite kommentarlos auf gelegt, was Josuah Parker aber nicht weiter verwunderte. * »Dieser Lümmel hat Ihnen doch nur etwas vorgemacht«, erklär te Lady Agatha und lächelte überlegen, »und Sie haben sich wie der mal ins Bockshorn jagen lassen, Mister Parker.« Die ältere Dame war im Salon ihres Hauses erschienen und be gutachtete das Frühstück. Da sie nach wie vor strenge Diät hielt, hatte sie sich nur ein paar Kleinigkeiten ausgebeten. Sie nickte, als sie das Rührei mit Speck, die gebackenen Nierchen, den 34
Lachs, etwas Roastbeef, kaltes Huhn, diverse Brotsorten, gesal zene Butter, Käse und Marmeladen wahrnahm. »Das muß einfach reichen«, seufzte sie. »Aber irgendwann, Mis ter Parker, werde ich damit aufhören, mich zu kasteien.« »Mylady könnten sonst in der Tat vom Fleisch fallen«, kommen tierte der Butler diesen Entschluß. »Sie glauben also, daß dieser Mann in die Hand eines Arztes gehört?« fragte sie weiter. »Mylady deuteten dies bereits an«, behauptete der Butler. »Das ist richtig«, sagte sie umgehend. »Ich will da kein unnöti ges Risiko eingehen. Und diese Vogelscheuche sagte am Telefon, sie wolle sich mit mir befassen?« »Es war unüberhörbar, Mylady.« Parker nahm keine Namens korrektur vor. »Das soll mir ein Vergnügen sein.« Sie lächelte erfreut. »Habe ich da nicht noch einen zweiten Gast im Haus?« »Mister Joe Cattners«, erinnerte Parker. »Er versuchte im Auf trag des Mister Loemond, Mylady zu schädigen.« »Aber da war doch noch ein drittes Subjekt?« Sie runzelte die Stirn, vergaß darüber aber nicht, einige kleine Scheiben Roast beef zu sich zu nehmen. »Mister Jerry Linfalt, der Schütze von der Brücke«, gab der But ler die gewünschte Auskunft. »Er wird von Mister Pickett obser viert.« »Hat der gute Pickett sich bisher gemeldet, Mister Parker?« »Sehr wohl, Mylady, doch Mister Linfalt erschien bisher nicht in seiner Wohnung.« »Es war ein Fehler, daß Sie ihn freiließen, Mister Parker, aber ich will das jetzt nicht weiter vertiefen, ich habe ohnehin alle Hände voll zu tun. Was plane ich für diesen Morgen?« »Mylady haben die Absicht, Mister Burgess’ Arbeitgeber zu kon taktieren.« »Das bringt zwar nichts, aber es muß wohl sein.« Sie aß schnell und ausgiebig. »Aus der kurzen Unterhaltung mit dem Gartenzwerg ging her vor, Mylady, daß diese geheimnisvolle Person wohl noch weitere Personen betreut, um es mal so auszudrücken.« »Dieser Lümmel hat doch nur den Mund voll genommen«, wuß te sie wieder im voraus. »Ich werde Ihnen sagen, wie der Fall tatsächlich liegt.« 35
»Mylady spannen meine Wenigkeit geradezu auf die sprichwört liche Folter.« »Es handelt sich um eine einfache Dreiecksgeschichte, Mister Parker«, entwickelte sie ihre Sicht der Dinge. »Diese Mistreß Bur gess will ihren Mann loswerden und hat ihren Freund auf diesen armen Kerl angesetzt. Und der Liebhaber nun ist die Vogelscheu che, die ich bald überführen werde.« »Mylady sprechen jetzt von Mister Steve Mondon?« »Ihn gilt es zu überführen.« Sie nickte. »Alles andere ist reine Spekulation, Mister Parker.« Parker kam nicht mehr dazu, eine Antwort zu geben. Ein hoher Piepton, der die große Wohnhalle und auch den Salon geradezu körperlich ausfüllte, zeigte an, daß mit Besuch zu rech nen war. Man hatte das geöffnete zweiflügelige Gittertor vorn an der Durchgangsstraße gerade passiert. Sensoren hatten dies wahrgenommen und weitergeleitet. Parker begab sich hinüber in die Wohnhalle, öffnete den Wand schrank rechts im verglasten Vorflur und schaltete die hauseigene TV-Anlage ein. Nach einer Sekunde war auf dem Bildschirm ein Morris zu sehen, der sich in schneller Fahrt dem überdachten Ein gang näherte. »Der gute McWarden, nicht wahr?« vermutete die ältere Dame ironisch. »Er weiß schließlich, daß ich um diese Zeit frühstücke.« »Vielleicht handelt es sich auch um Abgesandte des Garten zwergs, Mylady«, antwortete Josuah Parker. »Er machte am Tele fon einen Eindruck der Ungeduld.« »Dann möchte ich vorerst nicht gestört werden«, verlangte die Hausherrin energisch. »Gangster empfange ich nur nach dem Frühstück.« * Sie wirkten nicht gerade vertrauenerweckend, drückten die Haustür auf und sahen sich bereits als Sieger auf der ganzen Li nie. Ihre Maschinenpistolen modernster Bauart im Hüftanschlag, kamen sie sich wahrscheinlich wie zwei Helden in einem ActionFilm vor. Sie marschierten im Sturmschritt in den verglasten Vor flur und merkten nicht, wie sich hinter ihnen die schwere Haustür 36
geräuschlos schloß. »Man wünscht einen angenehmen Morgen«, grüßte Parker, der sich vor der Tür des verglasten Vorflurs aufgebaut hatte. In sei ner rechten Hand befand sich ein Fernbedienungskästchen, das dem einer Video-Anlage glich. Einer der beiden Waffenträger griff nach dem Türknauf der Glastür und wollte sie schwungvoll aufreißen, was sich aber als unmöglich erwies. Die Tür war elektronisch verschlossen. »Sofort aufmachen, oder es kracht!« brüllte der Mann wütend und richtete den Lauf der Maschinenwaffe auf den Butler. »Wen, bitte, darf man melden?« erkundigte sich Parker gemes sen. »Hast du noch alle Tassen im Schrank?« fuhr ihn der zweite Waffenträger fast entgeistert an. »Siehst du nicht, was wir hier mitschleppen?« »Es dürfte sich dem Augenschein zufolge um Maschinenpistolen handeln«, antwortete der Butler. »Damit sägen wir dich in zwei Teile.« »Falls die Geschosse in der Lage sind, die Panzerglasscheiben zu überwinden, meine Herren.« »Panzerglas?« Der erste Gangster runzelte die Stirn. »Ein Spezialglas, das dem von Bankschaltern erheblich überle gen ist, was die Widerstandskraft betrifft.« »Soll das etwa ‘n Bluff sein?« »Sie können es selbstverständlich auf einige Schüsse ankom men lassen«, schlug Josuah Parker vor. »Rechnen Sie in solch einem Fall allerdings mit diversen Querschlägern.« Sie waren eindeutig aus dem Konzept gebracht. Mit einer sol chen Entwicklung hatten sie nicht gerechnet. Sie spielten, das war ihnen anzusehen, durchaus mit dem Gedanken, einen Feuer stoß zu riskieren, doch die Angst, sich dabei selbst zu verletzen, stand dem entgegen. »Okay, wir kommen wieder.« Der erste Gangster wandte sich um und starrte die längst wieder geschlossene Haustür an. »Betrachten Sie sich als Myladys Gäste«, erwiderte der Butler. »Die kann uns mal«, schlug der zweite Waffenträger vor. Er ging zur Tür und langte nach dem Knauf. Sie sah normal und durchschnittlich aus, doch sie besaß einen Stahlkern, der noch nicht mal mit einer Sprengladung zu verbiegen war. »Sofort aufmachen«, verlangte der Gangster, als auch diese Tür 37
sich nicht rührte. »Sie kommen im Auftrag eines Mister Loemond?« fragte Parker. Er ging auf die Forderung des wütenden Gangsters nicht ein. »Sofort aufmachen, oder ich säge das Schloß raus«, drohte der Gangster noch aufgebrachter. »Auch in solch einem Fall ist fest mit Querschlägern zu rechnen, meine Herren.« »Na schön, und wie soll’s jetzt weitergehen?« Der erste Gangs ter ließ den Lauf seiner Maschinenpistole sinken. »Wie gesagt, betrachten Sie sich als Myladys Gäste«, wiederhol te der Butler die Einladung. »Auf einen bestimmten Zeitraum soll ten Sie sich allerdings nicht einrichten.« »Sie wollen uns hier festhalten?« »So kann man es auch ausdrücken«, fand Parker und deutete ein zustimmendes Kopfnicken an. »Okay, wir kommen von diesem Learmond«, sagte der zweite Gangster. »Könnten Sie diesen Namen freundlicherweise wiederholen?« »Learmond… Haben Sie doch eben selbst gesagt, Mann.« »Und wo, bitte, befindet sich seine Schrotthandlung?« Parker wußte längst, daß die beiden Männer nicht von Loemond ge schickt worden waren. Die Gangster hatten den wirklichen Namen nicht parat. »Na, wo schon«, erwiderte der Gangster und kam sich sehr ge schickt vor. »In der Eastside…« »Sie haben noch genau eine Möglichkeit, sich zu korrigieren«, sagte Josuah Parker. Sein Zeigefinger schwebte über den kleinen Tasten der Fernbedienung. »Learmond hat uns geschickt«, tippte der Gangster an. »Machen Sie es sich so bequem wie nur eben möglich.« Parkers Zeigefinger drückte eine bestimmte Taste, worauf sich die geteilte Falltür unter den Füßen der beiden Gangster öffnete. Die ungebetenen Besucher schrien und waren völlig überrascht. Sie warfen ihre Maschinenwaffen und Arme hoch in die Luft, strampelten ein wenig und… sausten dann nach unten in die Fall grube. Wenig später hatte die Falltür sich wieder geschlossen. Butler Parker begab sich zurück in den kleinen Salon, um Myla dy Kaffee nachzugießen und sich nach weiteren Wünschen zu erkundigen.
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* »Falls Sie Besuch haben sollten, möchte ich auf keinen Fall stö ren«, meinte Chief-Superintendent McWarden, ein untersetzter, bullig aussehender Mann von etwa fünfundfünfzig Jahren. Er leite te im Yard ein Sonderdezernat für das organisierte Verbrechen und war ein mehr als guter Freund des Hauses. »Meine Wenigkeit möchte Ihnen versichern, Sir, daß Sie nie mals stören«, versicherte Parker dem Besucher, während er ihn in den kleinen Salon geleitete. McWarden absolvierte einen etwas verunglückten Kratzfuß in Richtung Mylady und beteuerte sofort, er habe bereits gefrühstückt. »Das höre ich sehr gern«, antwortete die ältere Dame. »Natür lich hätte ich Sie sonst eingeladen, einen Happen mitzuessen.« »Mir ist der Appetit vergangen. Und das schon seit Tagen. Um offen zu sein, Mylady, seit einigen Wochen.« »Sie arbeiten also wieder an einem Fall, den Sie ohne meine Hilfe nicht lösen können.« Agatha Simpson lächelte boshaft und zufrieden zugleich. »Ich werde mit der Tür ins Haus fallen, Mylady.« »Diplomatie war noch nie Ihre Stärke«, erwiderte die passio nierte Detektivin anzüglich. »Wir im Yard haben es mit einer rätselhaften Selbstmordserie zu tun«, begann McWarden und nickte zerstreut, als Parker ihm einen Kaffee servierte, was Mylady mit leicht verweisendem Kopf schütteln zur Kenntnis nahm. »In einer Stadt wie London sind Selbstmorde leider an der Ta gesordnung, Sir«, schaltete der Butler sich ein. »Handelt es sich um Selbstmorde besonderer Art?« »Das kann man wohl sagen«, seufzte McWarden und nickte. »Diese Selbstmordserie betrifft fast ausschließlich Wissenschaft ler, die in ihren Fachbereichen einen Namen haben.« »Warum habe ich davon noch nicht in den Zeitungen gelesen?« wunderte sich Lady Agatha grollend. »Hat der Yard wieder mal Schweigen verordnet?« »Bisher haben wir diese Fälle diskret behandelt, aber nun geht das nicht mehr«, fuhr der Chief-Superintendent fort. »Die Presse ist hellhörig geworden und hat ihrerseits recherchiert.« »Was ja auch wohl ihre Aufgabe ist, McWarden«, machte die äl 39
tere Dame deutlich. Sie nickte grimmig dazu. »Sie sprachen von fachbekannten Wissenschaftlern, Sir«, erin nerte Parker diskret und kam auf das Thema zurück. »Könnte man Details erfahren?« »Die Namen der Toten werden Ihnen kaum etwas sagen«, schickte der Yard-Beamte voraus. »Aber es handelt sich um Män ner, die in der Forschung tätig waren. Wir haben es da mit einem Atomwissenschaftler zu tun, mit einem Elektronikspezialisten, mit Männern aus der Rüstungstechnik und einem Spezialisten für Bio logie, Fachbereich Viren.« »Die wahrscheinlich in verschiedenen Instituten arbeiteten, Sir?« fragte der Butler. »Das ist völlig richtig. Nach unseren Ermittlungen kannten die Männer sich untereinander so gut wie gar nicht. Herausgefunden haben wir, daß sie sich mal auf verschiedenen Kongressen gese hen haben könnten, sicher ist das jedoch nicht.« »Und um welche Todesarten handelte es sich, Sir, um auch die se Frage noch zu klären?« »Einer sprang aus einem sehr hohen Hotelfenster, der andere nahm sich einen Strick, ein anderer wieder nahm Tabletten, dann gab es einen Todesfall in einer Garage, Sie wissen, Autoabgase bei laufendem Motor, dann wieder jagte einer der Wissenschaftler mit seinem Wagen gegen einen Brückenpfeiler. So und ähnlich kam es zu den Selbstmorden. Ein Fremdverschulden ist in sämtli chen Fällen auszuschließen, Mister Parker.« »Auf den ersten und zweiten Blick, mein lieber McWarden«, warf Lady Agatha skeptisch ein. »Natürlich ist da Fremdverschul den im Spiel gewesen, Sie haben das nur hoch nicht erkannt.« »Um wie viele Selbstmorde handelte es sich bisher, Sir?« Butler Parker kam auf das eigentliche Thema zurück, höflich und diskret, aber beharrlich. »Es handelt sich bisher um acht Wissenschaftler«, gab McWar den Auskunft. »Wir befürchten aber, daß mit weiteren Selbstmor den zu rechnen sein wird. Wir machen uns da überhaupt nichts vor.« »Und jetzt soll ich wieder mal die Feuerwehr spielen, mein Lie ber?« fragte Lady Simpson. »Vielleicht entdecken Sie etwas, das uns bisher verborgen geblieben ist, Mylady«, meinte der Yard-Beamte. »Ich werde Ih nen unsere Unterlagen gern zur Verfügung stellen. Ich habe Ko 40
pien anfertigen lassen und verstoße damit eindeutig gegen meine Vorschriften, aber das ist mir im Augenblick völlig gleichgültig.« »Die Lebensumstände der Verblichenen waren normaler Natur, Sir?« Parker ließ sich nicht ablenken. »In keinem Fall gab es Schulden oder finanzielle Abenteuer wie Wetten oder so«, erklärte McWarden. »Auch die Ehen waren so weit in Ordnung. Die acht Wissenschaftler hatten alle eine steile Karriere vor sich, sofern sie sie nicht bereits gemacht hatten. Wie gesagt, wir stehen vor einem Rätsel, Mister Parker.« »Aber nicht mehr lange, mein Bester«, erklärte die Hausherrin optimistisch wie stets. »Betrachten Sie auch diesen Fall bereits als gelöst. War da nicht noch etwas, Mister Parker?« »Myladys Gast«, erinnerte der Butler. In Anbetracht der Um stände mußte er Henry Burgess in die Hand eines Polizeiarztes geben. »Sie haben einen Gast?« McWarden ahnte, daß die ältere Dame hin und wieder gewissen Personen besondere Gastfreundschaft angedeihen ließ, doch er hatte sich bisher stets gehütet, Fragen zu stellen. »Ein Passant, Sir, der die Absicht hatte, sich von einer Brücke zu stürzen«, präzisierte Parker seinen Hinweis. »Es könnte durch aus der Fall sein, daß auch dieser Mann sich in die Reihe der Selbstmörder einreihen wollte.« »Das ist ja sensationell!« rief McWarden und sprang auf. »Viel leicht kann diese Person uns erste Angaben machen. Seit wann ist der Mann hier im Haus?« »Seit einigen Stunden«, gab Parker pauschal zurück. »Mylady möchte aber gleich darauf aufmerksam machen, daß er sich bis her als nicht sehr gesprächig erwies.« »Wie sind Sie an diesen Mann gekommen?« Der ChiefSuperintendent war sehr munter geworden. »Wie heißt er?« »Mister Parker wird Ihnen alles berichten«, sagte Agatha Simp son. »Und wenn ich alles sage, meine ich das auch so, nicht wahr, Mister Parker?« Der Butler verbeugte sich stumm und wußte, daß er den Gar tenzwerg mit Sicherheit nicht erwähnen würde. *
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Bevor Josuah Parker mit Lady Agatha das Haus verließ, schalte te er die hausinterne Video-Anlage ein und ließ sich ein Bild aus der Fallgrube liefern. Die beiden Maschinenwaffenträger lagen erstaunlich entspannt auf den elastischen und weichen Streifen aus Schaumstoff und wagten nicht, eine heftige Bewegung zu machen. Sie hatten in zwischen herausgefunden, daß sie sonst nach unten wegsackten und sich mühsam wieder nach oben arbeiten mußten. Ihre Ma schinenpistolen hatten sie längst auf den Grund der Fallgrube sinken lassen. »Sie werden sich noch ein wenig gedulden müssen, meine Her ren, bevor man sich mit Ihnen näher befassen kann«, gab Parker über die Wechselsprechanlage durch. »Sie machen einen verdammt großen Fehler«, erwiderte einer der beiden Waffenträger sehr vorsichtig. Er hatte Angst, schon die Bewegung seines Unterkiefers könnte ihn wegsacken lassen. »Feststellungen dieser und ähnlicher Art sind meiner Wenigkeit nur zu vertraut«, erwiderte der Butler. »Sie sollten die Gelegen heit auch noch nutzen, die obligaten Drohungen auszustoßen.« »Was soll nun werden?« fragte der andere Gangster vorsichtig. »Wie lange wollen Sie uns hier festhalten?« »Darüber wird Lady Simpson entscheiden. Rechnen Sie aber si cherheitshalber mit einigen Tagen.« »Mit einigen Tagen? Hier in dieser verdammten Fallgrube?« »Mylady hatte schon Gäste, die über eine Woche blieben, meine Herren.« »Das ist… das ist doch glatte Freiheitsberaubung.« »Eine Frage des Standpunktes.« »Hören Sie mal, was ist denn, wenn wir auspacken?« tippte der Mann an. »Nach einer Verifizierung Ihrer Angaben dürfte Ihrem Weggang nichts mehr im Weg stehen.« »Nach einer was?« Verblüffung war in der Stimme. »Sobald sich herausgestellt hat, daß Ihre Angaben und Hinweise der Wahrheit entsprechen, können Sie das Haus verlassen.« »Ach so.« Der Mann hatte endlich begriffen. »Okay, wir werden auspacken. Kennen Sie Dave Potting?« »Bisher kreuzte ein Mann dieses Namens noch nicht Myladys Weg.« »Potting hat uns losgeschickt. Und wir sollten hier nur mal kurz 42
einschüchtern.« »Mylady und meine Wenigkeit?« »Für einen Typ, der sich Gartenzwerg nennt«, fügte der Gangs ter hinzu. »Aber wer das ist, hat Potting uns nicht gesagt. Wir sollten nur diesen komischen Gartenzwerg erwähnen.« »Welchem Beruf geht Mister Potting nach, meine Herren?« »Potting verkauft Wohnwagen«, lautete die Auskunft. »Der hat in Stepney seinen Platz.« »Nicht weit vom Billardclub des Mister Joe Cattners entfernt?« tippte Parker sofort an und ließ damit einen Versuchsballon stei gen. »Der wohnt im Nachbarblock«, lautete die Antwort. »Und wird hin und wieder von Mister Loemond aufgesucht?« »Keine Ahnung, wer das ist«, erwiderte der Gangster, was Par ker ihm ohne weiteres abnahm. »Wann werden Sie losziehen und zu Potting fahren?« wollte der zweite Gangster wissen. »Sie sollten sich ein wenig in Geduld fassen«, empfahl der But ler den Gangstern. »Mylady ist überaus beschäftigt und nimmt bereits festgelegte Termine wahr.« Bevor die Männer protestieren konnten, schaltete Parker die Wechselsprechanlage ab und wartete auf seine Herrin, die gerade die geschwungene Freitreppe herabschritt und dabei unterneh mungslustig ihren perlengeschmückten Pompadour durch die Luft kreisen ließ. Mylady machte einen sehr dynamischen Eindruck. * Parker hatte umdisponiert. Wichtiger als der Arbeitgeber von Henry Burgess war jetzt Dave Potting, der die Maschinenwaffenträger ins Haus geschickt hatte. Dieser Mann war ebenfalls vom ominösen Gartenzwerg engagiert worden, um Mylady und ihn außer Gefecht zu setzen. Der Butler war übrigens froh, daß Chief-Superintendent McWar den Burgess nur zu gern zum Yard mitgenommen hatte. Der Phy siker mußte unbedingt behandelt werden. Vielleicht konnten die Fachärzte schnell herausfinden, was mit der Psyche des Wissen schaftlers geschehen war. Parker rechnete mit Drogen, die man 43
Henry Burgess verabreicht hatte. Dave Pottings Wohnwagen standen im Stadtteil Stepney auf ei nem nicht gerade einladenden Platz, der von hohen, brandig aus sehenden Hauswänden eingerahmt wurde. Zerschlissene Rekla mefahnen und grelle Wimpel sollten wohl Kunden anlocken. Das Angebot an Wohnwagen war nicht gerade überwältigend. Die meisten der mobilen Wohnheime waren mit Sicherheit schon durch viele Hände gegangen. Potting war wohl kaum daran inte ressiert, diese Wagen zu verkaufen. Sein Geschäft diente vermut lich nur dazu, nach außen hin eine bürgerliche Arbeit vorzutäu schen. Der Herr der Wohnwagen entpuppte sich als ein vierschrötiger, sehr treuherzig aussehender Mann von etwa fünfundvierzig Jah ren. Er wirkte wie ein gutmütiger Teddybär und strahlte Mylady und Parker an, als er aus seinem langen Wohnwagen kam, der ihm als Büro diente. »Hier bei mir sind Sie völlig richtig«, sagte er und lachte breit. »Ich habe genau das, was Sie suchen, Herrschaften.« »Das wird sich zeigen, junger Mann«, antwortete die ältere Da me. »Ich suche…« »… einen hübschen Trailer, nicht wahr? Habe ich alles auf Lager, Madam. Sie brauchen nur zu wählen. Und ich habe Preise, die ‘nen zusätzlichen Urlaub garantieren. So preiswert bin ich.« »Mylady ist eigentlich nicht sonderlich an einem Wohnwagen in teressiert«, gab Josuah Parker zurück. »Mylady wünscht einen Gartenzwerg.« Prompt lächelte Potting nicht mehr. Aus dem Teddybär wurde ein sehr wachsamer Grizzly. Die Au gen des Wohnwagenhändlers wurden klein. Sein Lächeln gefror. »Sie suchen einen Gartenzwerg?« fragte Potting. »In der Tat«, redete der Butler weiter. »Zwei Ihrer Mitarbeiter waren so freundlich, darauf zu verweisen. Sie wurden zu einer Lady Simpson in Shepherd’s Market geschickt, und zwar in Ihrem Auftrag.« »Ich verstehe kein Wort«, behauptete Potting umgehend. »Hier muß ein Mißverständnis vorliegen, schätze ich.« »Natürlich«, bestätigte Lady Agatha munter und setzte ihren Glücksbringer samt Pompadour auf die Brust des Händlers, der daraufhin sofort eine gewisse Konditionsschwäche zeigte und mit seinem Rücken Kontakt mit einem Wohnwagen suchte. 44
»Eben ein Mißverständnis«, sagte die ältere Dame genußvoll. »Aber man kann ja über alles reden, nicht wahr?« Er drückte sich kraftvoll von der Seitenwand des Wohnwagens ab und hatte eindeutig die feste Absicht, Mylady mit dem Kopf zu rammen. Er pfiff darauf, daß er es mit einer Frau zu tun hatte, benahm sich wie ein Stier und schnaubte. »Mit Ihrer Erlaubnis«, ließ Josuah Parker sich in seiner höflichen Art vernehmen und setzte den bleigefüllten Bambusgriff seines Universal-Regenschirmes ein. Er setzte den Griff auf den Hinter kopf des Mannes, der sich daraufhin von einem wild gewordenen Stier in einen Flugapparat verwandelte, der bereits im Begriff war, zu einer Bruchlandung anzusetzen. Dave Potting schrammte mit seinem Bauch über den Erdboden und erreichte auch noch, da genügend Fahrt vorhanden, eine Pfütze, die mit öligem Schlammwasser gefüllt war. Er durchpflügte den kleinen Teich, ließ das Wasser links und rechts aufspritzen und blieb dann dicht vor Lady Agatha liegen. »Würdelos«, konstatierte die ältere Dame und blickte ausge sprochen mißbilligend auf den Mann hinunter, der leicht stöhnte. »Mister Potting dürfte die Gebote der Höflichkeit vergessen ha ben, Mylady«, meinte Josuah Parker. Bevor er aber noch etwas hinzufügen konnte, wurden er und Lady Agatha aufgefordert, ge fälligst und schleunigst die Hände zu heben. * Diese Aufforderung kam von einem wesentlich jüngeren Mann, der nach Parkers Einschätzung höchstens dreißig Jahre zählte. Er stand in der Tür des Wohnwagens, der Potting als Büro diente, und hielt eine schallgedämpfte Pistole in der rechten Hand. Der junge Mann trug Jeans, ein bunt bedrucktes Hemd und eine Sonnenbrille. Er hielt die Schußwaffe profihaft und schien mit ihr bestens umgehen zu können. »Flossen hoch!« verlangte der Mann noch mal nachdrücklich. »Mir macht’s überhaupt nichts aus, euch ein paar Dinger zu ver passen.« »Sie sind ein Mitarbeiter Mister Pottings, wie zu vermuten ist«, stellte Josuah Parker fest. »Sein Partner«, korrigierte der junge Mann. »Wie ist das jetzt 45
mit den Händen, Leute? Ich warte nur noch einige Sekunden.« »Wie Sie zu wünschen belieben.« Parker nahm umständlich die Arme hoch. Dabei schwenkte der Schirm in leichtem Halbkreis nach vorn. Die Spitze richtete sich für einen Augenblick auf den Waffenbesitzer. Diese Zeit reichte völlig. Parker drückte genau im richtigen Moment auf den versteckt angebrachten Schirmhals und gab damit einen Blasrohrpfeil frei, der sich im hohlen Schirmstock befand. Angetrieben von kompri mierter Kohlensäure, schoß dieses seltsame Geschoß auf den jungen Mann zu und bohrte sich in seine Armbeuge. Der Getroffene reagierte zwar noch, doch er verriß diesen Schuß und starrte dann verblüfft auf den buntgefiederten Pfeil. Bevor er die Waffe neu einrichten konnte, mußte er bereits den Rand von Parkers Melone in Empfang nehmen. Parker hatte seine Kopfbedeckung aus dem Handgelenk heraus geschleudert. Wie eine Frisbee-Scheibe war sie durch die Luft gesirrt und hatte ihr Ziel getroffen, nämlich die Hand des Mannes, der daraufhin seine Waffe wegwarf. Der junge Mann sackte förmlich in sich zusammen und greinte. Er zog den Kopf ein, als Parker sich ihm näherte. »Haben Mister Potting oder Sie mit dem Gartenzwerg verhan delt?« erkundigte sich der Butler. Er nahm die Melone wieder an sich und hielt plötzlich eine kleine, schmale Bürste in der rechten, schwarz behandschuhten Hand. Damit säuberte er seine Kopfbe deckung, bevor er sie wieder aufsetzte. »Potting hat mit diesem Kerl gesprochen«, lautete die schnelle Antwort. Der junge Mann deutete anklagend auf den Wohnwa genhändler. Potting hatte sich hochgekniet und blickte Parker und die ältere Dame in einer Mischung aus Unglauben und Respekt an. »Ihr habt ‘ne Menge drauf, Leute«, sagte Potting dann und at mete tief durch. »Keine unnötigen Schmeicheleien, junger Mann«, wehrte Lady Agatha ab. »Wie war das mit dieser Vogelscheuche?« »Vogelscheuche, Lady? Gartenzwerg!« »In welcher Form setzte der erwähnte Gartenzwerg sich mit Ih nen in Verbindung?« verlangte Parker zu wissen. »Der hatte hier angerufen und brauchte zwei gute Leute, um ein paar Typen in Shepherd’s Market aufzumischen. Ich hab’ an 46
einen Jux gedacht und ihm die beiden Leute besorgt.« »In welcher Form bezahlte der Gartenzwerg Sie, Mister Pot ting?« »Da kam ein Penner vorbei und lieferte einen Umschlag ab. Und in dem Ding waren dann fünfhundert Pfund, die wir ausgemacht hatten.« »Sie haben diesen Penner, wie Sie sich ausdrücken, nach sei nem Auftraggeber befragt, wie anzunehmen ist, Mister Potting.« »Der war von ‘nem Mann angehauen worden, der mit seinem Wagen vorn an der Straße stand. Und das is’ es auch schon. Ich hab’ die beiden Leute also nach Shepherd’s Market geschickt. Wie gesagt, ich hab’ an einen kleinen Scherz geglaubt.« »Mylady geht davon aus, daß Sie in einschlägigen Kreisen dafür bekannt sind, Mister Potting, zu gewissen Scherzzwecken Leute zu vermieten.« »Na ja, man hat so seine Freunde«, räumte Potting ein. »Sie verkehren normalerweise in welchem Lokal, Mister Pot ting?« »Im >Tartini<…« »Das sich wohl in der Nähe befindet, nicht wahr?« »Ich… ich bin auch oft in anderen Lokalen«, beteuerte Potting schleunigst. Er hatte wohl erst mit Verspätung bemerkt, daß er zu schnell und zu ehrlich geantwortet hatte. »Seit wann wissen Sie von dieser Vogelscheuche?« ließ Agatha Simpson sich streng vernehmen. »Davon hab’ ich vorher noch nie gehört«, antwortete der Wohnwagenhändler und unterstellte, daß die ältere Dame sich versprochen hatte. »Ich werde das nachprüfen«, versprach Lady Agatha grollend. »Sollten Sie mich belogen haben, junger Mann, dann werde ich noch mal darauf zurückkommen.« »Wir sind bedient«, erklärte Dave Potting und blickte hinüber zu dem jungen Mann, der auf der Trittstufe des Büro-Wohnwagens hockte und einen schläfrigen Eindruck machte. Parker hatte den buntgefiederten Pfeil längst wieder an sich genommen und ihn in einer Falte seines Schirmes verschwinden lassen. »Da wäre noch ein Mister Loemond«, schickte der Butler vor aus. »Er erscheint in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen im Billardclub des Mister Cattners?« »Loemond läßt sich da manchmal blicken«, gab Potting ohne 47
weiteres und fast arglos zu. »Selbstverständlich auch im >Tartini<, das Sie eben erwähn ten.« »Auch da«, lautete die Antwort. »Wir kennen uns eben und ho cken manchmal zusammen. Ganz harmlos.« »Und sprechen von der Vogelscheuche, wie zu vermuten ist, wie?« Lady Agatha konnte sich von diesem Begriff einfach nicht trennen. »Vom Gartenzwerg haben wir vorher noch nie gehört«, beteuer te Potting hastig noch mal. »Was mache ich jetzt mit diesen beiden Subjekten, Mister Par ker?« Agatha Simpson blickte sich auf dem Platz um. »Man könnte oder sollte sogar die beiden Herren so unterbrin gen, Mylady, daß sie nicht unbedingt wieder aktiv werden kön nen.« »Sie werden sie auf keinen Fall einladen, meine Gäste zu sein, Mister Parker«, entgegnete die Detektivin streng. »Ich betreibe schließlich keine Pension.« »Man könnte die Herren die Bequemlichkeit eines der Wohnwa gen testen lassen«, gab Josuah Parker zurück und deutete auf einen Trailer, der hart an einer Hauswand stand. »Nun gut«, erwiderte sie, »erledigen Sie das, Mister Parker, a ber keine unnötige Rücksichtnahme. Man wollte mich immerhin ermorden.« * Das »Tartini« erwies sich als ein italienisches Speiselokal mit recht ordentlichem Eindruck. Es war ein wenig rustikal eingerich tet und versprach laut Reklame original sizilianische Küche. Lady Agatha schnupperte animiert, als sie an einem der kleinen, runden Tische Platz genommen hatte. Selbstverständlich griff sie sofort nach der Speisekarte und studierte die Vielzahl der Gerich te. »Was will ich eigentlich hier?« fragte sie dann ihren Butler. »Wollen Sie mich etwa verführen, Mister Parker?« »Dies würde meiner bescheidenen Wenigkeit niemals in den Sinn kommen, Mylady«, erwiderte der Butler. »Wenn überhaupt, dann werde ich höchstens eine bedeutungs 48
lose Kleinigkeit probieren«, erklärte die ältere Dame und langte erneut nach der Karte, die sie gerade erst energisch auf den Tisch zurückgelegt hatte. »Mylady wissen natürlich, daß sich in diesem Lokal die Wege der Herren Cattners, Loemond und auch Potting kreuzen«, meinte Josuah Parker. »Der gesuchte Gartenzwerg muß demnach dieses Etablissement ebenfalls kennen.« »Daran dachte ich sofort«, behauptete sie umgehend. »Dieser Schluß bietet sich ja förmlich an, Mister Parker. Ich bin ehrlich überrascht, daß Sie so viel Zeit brauchten, um das zu bemerken.« »Die Herren Cattners, Loemond und Potting wurden vom soge nannten Gartenzwerg dafür bezahlt, Mylady Schaden zuzufügen.« »Was ich nicht durchgehen lasse, Mister Parker.« Sie sah ihn streng an. »Mylady können sich durchaus vorstellen, daß der gesuchte Tä ter hier bekannt ist, ohne daß man natürlich weiß, daß er als Gar tenzwerg diese Selbstmordserie inszeniert.« »Für mich ist dies bereits erwiesen, Mister Parker. Sagen Sie, was heißt Maccheroni con crespelle ripiene? Das klingt doch wie aus einer italienischen Oper.« »Es handelt sich aber tatsächlich um Pfannkuchen, die mit Spi nat und Käse gefüllt sind, Mylady.« »Verlockend, Mister Parker. Und was stelle ich mir unter Rognoncini trifolati vor?« »Geschwenkte Nierchen, Mylady, mit einem Hauch von Knob lauch überbacken.« »Das klingt sehr gesund, fast nach Diät, Mister Parker. Ich den ke, ich werde etwas für meine Gesundheit tun. Rufen Sie den Kellner.« »Und vielleicht auch den Besitzer des Lokals, Mylady?« Parker wartete ihre Zustimmung nicht ab, sondern bat den in der Nähe wartenden Kellner an den Tisch. »Mylady wünscht mit dem Herrn des Hauses zu sprechen«, sag te Parker. »Wenn Sie freundlicherweise die Güte hätten, ihn an den Tisch zu bitten?« »Mister Carlo Vitello, Sir?« »Mister Carlo Vitello«, bestätigte Parker. »Und bringen Sie mir umgehend die Nummern einundzwanzig und zweiunddreißig«, fügte die ältere Dame hinzu und tippte auf die Speisekarte. »Man sagte mir, daß diese beiden Gerichte eßbar 49
sein sollen.« »Sie werden begeistert sein, Madam«, prophezeite der Kellner. »War Mister Loemond bereits hier?« tippte Parker an. »Ich habe ihn bisher noch nicht gesehen, Sir.« Der Kellner war arglos und ging auf Parkers Frage ohne Scheu ein. Der Butler blickte sich im Restaurant um und nahm beiläufig zur Kenntnis, daß die wenigen Gäste an den benachbarten Tischen zahlten und gingen. Es handelte sich um einen Massenaufbruch, der einfach nicht zu übersehen war. Parker folgerte daraus, daß wieder mal Überraschungen drohten. * »Ein Vorgericht nach Art des Hauses«, sagte der schlanke Fünf ziger, der an den Tisch getreten war. Er hatte sich gerade als Carlo Vitello vorgestellt und präsentierte eine kleine Platte, auf der eine Schüssel mit einer Käsespeise und frisches Brot zu sehen waren. Vitello, behend und geschmeidig wirkend, verbeugte sich und zeigte anschließend die nächste Überraschung, nämlich einen Revolver, der mit einem Schalldämpfer versehen war. »Wie hübsch«, meinte die Detektivin, die sich überhaupt nicht aus der Fassung bringen ließ. »Aus Schokolade etwa?« »Sie werden sich wundern«, erwiderte der Mann, der sich als Vi tello zu erkennen gab. »Stehen Sie auf und kommen Sie mit! Was wir zu bereden haben, können wir in meinem Büro erledigen.« »Sie handeln, wenn nicht alles täuscht, im Auftrag eines Man nes, der sich Gartenzwerg nennt?« schaltete Josuah Parker sich ein. »Kann durchaus sein.« Der Mann nickte und… blickte dann sei ner Schußwaffe nach, die sich bereits zum Steilflug in Richtung Decke abgesetzt hatte. Butler Parker hatte ihm mit dem Schirmstock den Revolver aus der Hand geschlagen, und Lady Agatha sorgte sofort dafür, daß dem Mann auch noch die Sicht genommen wurde. Dazu benutzte sie die locker aufgeschlagene Käsespeise und klatschte je eine Portion in die Augen des Zurückzuckenden, der vom Tempo dieser Behandlung völlig überrascht wurde. Danach drückte Lady Agatha ihm noch eine größere Portion in die Nasen 50
löcher und stellte ihm gekonnt ein Bein. Der Mann fiel auf einen freien Stuhl und schnaubte. Er fuchtelte verzweifelt mit den Händen in der Luft herum und öffnete dabei den Mund. Er brauchte eindeutig Sauerstoff für seine Lungen. Mylady bediente ihn spontan und auch durchaus gekonnt. Carlo Vitello erhielt eine weitere Portion verabreicht. Die ältere Dame füllte damit seine Mundhöhle, während Parker diskret zur Seite getreten war und die Tiefe des Restaurants beobachtete. Er rechnete mit Hilfstruppen. Sie ließen nicht lange auf sich warten. Der Kellner erschien mit einem Partner und schwang dabei ein Hackbeil, das er sich wohl in der Küche des Hauses besorgt hatte. Sein Begleiter stach mit einem Tranchiermesser in der Luft her um. Die beiden dienstbaren Geister kurvten um die Tische und näherten sich dem Schauplatz, den Mylady eindeutig beherrschte. Josuah Parker ließ es erst gar nicht auf eine längere Auseinan dersetzung ankommen. Er verwandelte seinen Regenschirm in einen Kendo-Stock, umspannte mit seinen schwarz behandschuh ten Händen das obere und untere Drittel des waagerecht gehalte nen Schirmes und entwaffnete die beiden Servierer mit wenigen Schlägen. Es dauerte nur einige Augenblicke, bis sie sichtlich mit genommen auf dem Boden des Restaurants saßen. »Nun, Mister Parker, was sagen Sie jetzt?« Mylady wandte sich an ihren Butler und deutete auf Vitello, der sich mit beiden Hän den die weiche Käsemasse aus dem Gesicht spachtelte. »Ein wenig übergewürzt, was den Knoblauch betrifft, Mylady«, erwiderte Josuah Parker. Er hatte einen kleinen Löffel in die Schüssel getaucht und schmeckte ab. »Sobald dieser Lümmel die Backen frei hat, werde ich ihn noch ohrfeigen«, kündigte Lady Agatha an. »Er wollte mich immerhin niederschießen.« »Dies sollte man nicht völlig ausschließen, Mylady«, gab Josuah Parker zurück. »Überraschend ist die Tatsache, daß der ominöse Gartenzwerg so schnell reagierte.« »Richtig«, bestätigte sie. »Und wieso?« »Er muß sich in nächster Nähe aufhalten oder aber aufgehalten haben, Mylady.« Während Parker noch sprach, warf er einen seiner Patentkugel schreiber in die Mitte des Restaurants. Vorher hatte er die beiden Hälften kurz gegeneinander verdreht und damit die Nebelbombe 51
en miniature aktiviert. Wie richtig er gehandelt hatte, zeigte sich umgehend. Als die überraschend massive Wolke vom Boden schoß und sich ausbreitete, zerplatzte dicht neben Parker die Marmorplatte eines benachbarten Tisches. Ein erstes Geschoß hatte diesen leichten Flurschaden ausgelöst. * Die beiden Kellner saßen im kleinen Büro des Restaurants auf dem Boden und waren vorerst nicht in der Lage, sich einzuschal ten. Carlo Vitello hing in einem Sessel und blickte Lady Agatha und ihren Butler abwartend-ängstlich an. »Ich… ich hab’ Sie verwechselt«, log er ohne jede Überzeu gungskraft. »Ich hab’ Sie für Leute vom Schutzgeld-Ring gehal ten.« »Gegen die Sie sich zu wehren gedachten, Mister Vitello?« Par ker schüttelte leicht verweisend den Kopf. »So etwas würden Sie niemals wagen. Sie wissen als Insider sehr genau, daß Sie gegen die geballte Macht und Kraft dieser Ringe nichts einzusetzen ha ben. Sie wurden vom sogenannten Gartenzwerg alarmiert?« »Der hatte mich angerufen«, räumte Carlo Vitello nun ein und nickte. »Der muß gewußt haben, daß Sie in meinem Restaurant sind.« »Und wie lautete sein Auftrag?« Parker blickte kurz zu Lady A gatha hinüber, die die Hausbar des Restaurantbetreibers inspi zierte und sich für eine bekannte italienische Cognacmarke ent schied. »Ich sollte Sie in mein Lager rüberschaffen«, redete Vitello nun bedeutend flüssiger weiter. »Mehr sollte ich bestimmt nicht. Sie nehmen doch wohl nicht an, daß ich wirklich auf die Lady oder auf Sie geschossen hätte, oder?« »Mylady wünscht zu erfahren, aus welchen Gründen Sie diesem Gartenzwerg dienstbar sind«, erwiderte der Butler, ohne auf Vi tellos Frage einzugehen. »Sie müssen ihn also kennen.« »Überhaupt nicht.« Vitello schüttelte den Kopf. »Sie engagierten sich demnach für eine Ihnen völlig unbekannte Person?« »Der Mann, der sich am Telefon Gartenzwerg nannte, hat mir 52
gesagt, daß Sie früher oder später hier aufkreuzen würden«, ge stand Vitello weiter. »Er hat die Lady und Sie genau beschrieben. Als Sie reinkamen, wußte ich sofort, wer Sie sind.« »Sie werden kaum aus reiner Menschenliebe so gehandelt ha ben, als Sie den Auftrag des Gartenzwerges annahmen, Mister Vitello.« »Der hatte mir ‘n Umschlag mit Geld ins Haus geschickt. Warten Sie, ja, da is’ er noch.« »Mit dem Geld?« schaltete Lady Agatha sich ein. »Mit tausend Pfund«, sagte Vitello und deutete auf einen hell grauen Umschlag, der auf einem Geldschrank lag. »Ich werde diesen Umschlag als Beweismittel sicherstellen«, kündigte die Detektivin umgehend an. »Einen Umschlag, auf dem sich möglicherweise Fingerabdrücke des Gartenzwergs befinden«, warnte Parker, als Agatha Simpson bedenkenlos zulangen wollte. Bevor sie den Umschlag an sich bringen konnte, griff Parker zu und schob ihn in ein Magazin, das er Mylady dann überreichte. »Bei Ihnen verkehren die Herren Cattners, Loemond und Pot ting«, sagte Parker und wechselte das Thema. »Die sind manchmal hier und essen dann«, bestätigte Vitello. »Ist Ihnen auch ein gewisser Linfalt bekannt?« »Nie von gehört.« Vitello schüttelte den Kopf. »Sie haben sich mit den vorher genannten Personen verschie dentlich über den Gartenzwerg unterhalten?« »Niemals… Dieser Name ist überhaupt nicht gefallen. Von die sem Zwerg hab’ ich ja erst vor anderthalb Stunden zum ersten mal gehört.« »Und dennoch waren Sie sofort bereit, ihm einen Gefallen zu erweisen?« »Für tausend Pfund? Ich bitte Sie! Das ist verdammt viel Geld.« Vitello holte tief Luft. »Für tausend Pfund stirbt es sich sehr schnell«, warnte der But ler. »Sie haben ja mitbekommen, daß geschossen wurde. Gehen Sie davon aus, daß dieser Schuß ausschließlich Ihnen galt, Mister Vitello. Sie wissen zuviel. Sie ahnen zumindest, wer dieser Gar tenzwerg ist. Und damit stehen Sie auf der Todesliste dieses Mör ders. Gehen Sie davon aus, daß Sie schon sehr bald Selbstmord begehen werden.«
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* Horace Pickett war vor Jahren auf dem Gebiet des Taschendieb stahls Meister seines Faches gewesen. Inzwischen stand er längst auf der Seite des Gesetzes und war zu einem wertvollen Mitarbei ter. Parkers und der Lady Simpson geworden. Da der Butler ihm mal das Leben gerettet hatte, fühlte er sich überaus verpflichtet. Zudem bewunderte er den Butler über alle Maßen und war geradezu stolz darauf, für ihn tätig zu sein. Pickett, der aussah wie ein pensionierter Offizier, erwartete das Paar aus Shepherd’s Market auf einem Parkplatz in der Eastside. Der ehemalige Eigentumsumverteiler, der in seiner Glanzzeit als Taschendieb nur solche Leute frequentiert hatte, die eindeutig einen finanziellen Verlust ertragen konnten, trug einen Trenchco at und einen Traveller-Hut. Pickett war um die Sechzig und ver ehrte Lady Simpson, die ihm sehr zugetan war. Sie schätzte seine Höflichkeit. »Meine Wenigkeit erfuhr soeben über den Anrufbeantworter in Myladys Haus von Ihrem Telefonat, Mister Pickett«, schickte Par ker nach der kurzen Begrüßung voraus. »Mister Jerry Linfalt ist also endlich in seine Wohnung gegangen?« »Vor knapp einer Stunde«, bestätigte Pickett. »Er kam mit ei nem Taxi und wirkte ziemlich angetrunken.« »Er war allein, wie man wohl unterstellen muß, nicht wahr?« »Allein«, lautete Picketts Antwort. »Er ist jetzt oben in seiner Wohnung.« »Aha«, schaltete sich die ältere Dame ein. »So etwas dachte ich mir schon, mein lieber Pickett. Und wer ist nun dieser Linfalt? Ist er für mich überhaupt wichtig?« »Mister Jerry Linfalt ist der Brückenschütze, wie Mylady wis sen«, gab der Butler höflich zurück. »Er steuerte den kleinen Kas tenlieferwagen, den er nach der Applizierung eines Pfeils in den Straßengraben beförderte.« »Ich weiß, ich weiß«, erwiderte Lady Agatha ungeduldig und leicht gereizt. »Natürlich habe ich alle Einzelheiten genau im Kopf, Mister Parker. Eine Lady Simpson braucht keine Belehrun gen.« »Schon allein der Gedanke daran wäre eine Beleidigung«, er klärte der Butler, um sich dann wieder Pickett zuzuwenden. »Sie 54
haben bisher noch nichts über den Gartenzwerg in Erfahrung bringen können?« »Der Mann ist in der Szene völlig unbekannt«, erwiderte Pickett. »Meine Freunde haben wirklich intensiv nachgefragt.« »Ich werde mich jetzt mit diesem Lümmel dort oben in der Wohnung unterhalten«, kündigte Lady Agatha an. »Und nichts wird mich aufhalten, Mister Parker.« »Ein Entschluß, den man als ausgesprochen glücklich bezeich nen muß«, erwiderte der Butler. Er nickte Pickett zu und über nahm die Führung. Er steuerte das graue Haus an, in dem sich Jerry Linfalts Wohnung befand, und fragte sich, ob der gesuchte Gartenzwerg sich wieder mal in der Nähe aufhielt. Dieser Täter hatte es ja nicht sonderlich schwer, Myladys und seine Schritte vorauszuberechnen. Er wußte, wen man inzwischen aufgespürt hatte, und konnte sich leicht an fünf Fingern ausrech nen, wen man in diesem Zusammenhang früher oder später auf suchen würde. Mit Schüssen aus dem Hinterhalt war inzwischen fest zu rech nen. Der Gartenzwerg spürte wohl, daß man ihn einkreiste. Er verzichtete auf alle Feinheiten und wollte seine Verfolger durch gezielte Schüsse außer Gefecht setzen. Im Wohnhaus selbst drohte zusätzliche Gefahr. Über fünf Stockwerke verteilt gab es viele mittelgroße und klei ne Wohnungen. Menschen gingen aus und ein. Irgendwo in diesem Wohnblock konnte der gesuchte Garten zwerg auf seine Opfer lauern. Man wußte ja nicht, wie er aussah. Über seine Schußwaffe hinaus verfügte dieser Täter über eine Waffe, die wohl willenlos machte. Auf welche Weise er seine ge fährliche Droge anwandte, war ebenfalls nicht bekannt. »Keine Sorge, Mister Parker«, sagte die ältere Dame, als man den Hauseingang erreichte. »Ich bin bei Ihnen und werde aufpas sen, damit Ihnen nichts passiert.« »Mylady können mit der Dankbarkeit meiner Wenigkeit rech nen«, erwiderte Josuah Parker höflich. In seinem Gesicht regte sich kein Muskel. * Pickett hatte eine genaue Beschreibung der Wohnung geliefert. 55
Parker stand vor der Tür und überlegte kurz. Sollte er läuten? Setzte er damit vielleicht eine Sprengladung in Bewegung? Fälle dieser Art waren ihm aus jüngster Vergangen heit nur zu bekannt. Er spürte, daß Linfalt längst nicht mehr Herr seines Willens war, er diente sicher nur noch als Köder. Der Gar tenzwerg mußte ja wissen, daß man diesen Linfalt aufsuchen würde. Ihm mußte bekannt sein, daß man ihn beobachten ließ. »Worauf warten Sie denn noch, Mister Parker?« drängte die äl tere Dame grollend. »Dieses einfache Schloß wäre für mich be stimmt kein Hindernis.« »Wie Mylady zu wünschen geruhen.« Josuah Parker holte sein kleines Universalbesteck aus einer der Westentaschen und faltete es auseinander. Es erinnerte, was die seltsam geformten schlüs selähnlichen Stahlzungen betraf, an das Gerät eines passionierten Pfeifenrauchers. Mit einer dieser Stahlzungen fuhr Parker in das einfache Schlüsselloch und brauchte nur wenige Augenblicke, bis er das Schloß entsperrt hatte. »Es empfiehlt sich, vielleicht ein wenig in Deckung zu gehen«, schlug er Lady Agatha vor. »Sie übertreiben natürlich wieder mal, Mister Parker«, räsonier te sie und… warf sich mit ihrer kräftig ausgebildeten Schulter ve hement gegen das Türblatt. Parker, der diese Aktivität nicht hatte verhindern können, schloß unwillkürlich die Augen. Doch erfreulicherweise tat sich nichts. Dafür aber produzierte die ältere Dame einen gereizten Laut. Die Tür hatte nämlich nur für etwa zehn Zentimeter nach gegeben, wurde nun aber von einer Sicherheitskette festgehalten. »Eine Unverschämtheit«, sagte sie gereizt und warf sich erneut gegen das Türblatt. Diesmal hatte sie noch mehr Energie zu bie ten, und die Sicherheitskette wurde mitsamt den Festhalte schrauben aus dem Türholz gerissen. »Sehen Sie, Mister Parker, so erledigt man das«, meinte sie stolz und marschierte wie selbstverständlich in den viereckigen Korridor hinein. Sie fand auf Anhieb den kleinen Schlafraum und blieb dann in der Tür stehen. »So tief kann doch kein Mensch in Morpheus’ Armen liegen«, stellte sie dann fest und ging auf Linfalt zu, den Parker sofort wiedererkannt hatte. Linfalt, der Fahrer des kleinen Kastenwagens, lag auf einer zer wühlten Bettcouch und rührte sich nicht. Seine Augen waren weit 56
geöffnet und starrten ausdruckslos hoch zur Zimmerdecke. Auf einem Hocker, der als Nachttisch diente, stand ein Wasser glas und lag eine Tablettenröhre. Josuah Parker kümmerte sich sofort um Linfalt, dessen Puls sehr schwach war. Der Rest im Wasserglas entpuppte sich als Gin, wie der Butler herausfand. Laut Aufschrift hatte das leere Tablettenröhrchen Aspirin enthalten, doch daran glaubte Parker nicht. »Das sieht nach Selbstmord aus, Mister Parker«, ließ die ältere Dame sich vernehmen. »Ich denke, ich werde Erste Hilfe leisten. Als ehemalige Pfadfinderin kenne ich mich darin bestens aus.« »Mister Linfalt bedarf eindeutig einer Magenspülung, Mylady«, antwortete der Butler. »Wenn es erlaubt ist, sollte man einen Po lizeiarzt bemühen.« Parker wartete die Zustimmung seiner Herrin nicht ab und ging hinüber in das ebenfalls kleine Wohnzimmer. Er hatte den Appa rat noch nicht ganz erreicht, als es läutete. »Bei Mister Linfalt«, meldete sich der Butler. »Hier spricht Ihr Gartenzwerg, Parker«, sagte die ihm bereits bekannte, weibisch klingende Stimme. »Sie wollten gerade einen Notarzt anrufen, nicht wahr?« »Sie beurteilen die Lage völlig richtig.« »Selbst ein Superspezialist kann da nichts mehr machen, Par ker«, redete der Gartenzwerg weiter. »Linfalt ist nur noch eine leere Hülle.« »Was, bitte, muß man sich darunter vorstellen?« Parkers Stim me klang höflich und unverbindlich wie stets. »Sein Hirn ist zerstört. Und das ist nicht mehr zu reparieren. Linfalt wird weiterleben, aber er wird nichts mehr davon haben.« »Er hätte Sie demnach verraten können?« »Wohl kaum, Parker. Mich kann man nicht verraten. Ich bin un angreifbar! Haben Sie das noch nicht begriffen? Sie tun doch stets genau das, was ich von Ihnen erwarte. Ich führe Sie an meiner Leine. Und Sie reagieren auf jede Bewegung.« »Ihnen dürfte darüber entgangen sein, daß Sie bereits deutliche Spuren hinterlassen haben, Mister Gartenzwerg«, entgegnete der Butler, »sonst würden Sie ja wohl kaum eine Schußwaffe einset zen.« »Das… das mache ich nur, um Sie zusätzlich zu verwirren, Par ker«, lautete die Antwort. »Und Sie sind verwirrt! Aber das ist 57
noch nichts gegen das, was Sie erwartet. Ich werde auch Sie zu einer leeren Hülle machen.« »Ihr Haß auf die Menschen muß geradezu unbändig sein.« »Nur auf bestimmte Menschen, die nicht kapieren wollen, Par ker.« »Und was sollten diese Menschen kapieren, um bei diesem Wort zu bleiben?« »Daß sie den Globus nicht zerstören dürfen, Parker.« »Dies deuteten Sie bereits schon mal an. Sie betrachten sich als Retter der Menschheit. Gehen auf Ihr Konto übrigens die diversen Wissenschaftler, die unverständlicherweise Selbstmord verüb ten?« »Ich habe sie dazu gebracht, sich von dieser Welt zu verab schieden«, antwortete die weibische Stimme. »Sie werden kein Unheil mehr anrichten und für die Rüstung ar beiten.« »Sie nehmen das vor, was man eine sehr einseitige Abrüstung nennen könnte«, forderte Parker den Gartenzwerg heraus. »Was ist mit den Rüstungsspezialisten in anderen Ländern?« »Auch mit diesen Leuten werde ich mich noch befassen«, er klärte der sogenannte Gartenzwerg. »Ich stehe ja erst am An fang. Zuerst kehre ich vor der eigenen Haustür.« »Einen eindeutigen Größenwahn kann und darf man Ihnen auf keinen Fall absprechen«, meinte der Butler. Daraufhin nahm der Gartenzwerg übel und legte auf. * Es war Abend geworden. Chief-Superintendent McWarden befand sich im altehrwürdigen Haus der Lady und wurde mit einem Sherry verwöhnt. Er saß in einem mächtigen Sessel vor dem Kamin in der Wohnhalle und berichtete vom Untersuchungsergebnis der Ärzte. »Die Symptome sind identisch«, sagte er. »Burgess und Linfalt stehen völlig unter dem Einfluß einer teuflischen Droge, Mylady.« »Das dachte ich mir gleich«, gab sie zurück. »Diese Droge konnte ermittelt werden, Sir?« fragte der Butler. »Richtig«, bestätigte der hohe Yard-Beamte. »Es handelt sich um PCP, wie die Chemiker sagen.« 58
»Aha.« Agatha Simpson nickte sicherheitshalber. »Phencyclidin«, übersetzte der Butler umgehend. »In der ur sprünglichen Form dient es als Beruhigungsmittel für Schlacht vieh.« »Scheußlich«, erregte sich die ältere Dame. »Ich werde ab so fort kein Fleisch mehr essen. Vielleicht…« »Dieses PCP kann chemisch umgestaltet und vielfach variiert werden«, fuhr Parker höflich fort. »Bisher sind mehr als dreißig Abkömmlinge bekannt.« »Sie sind wieder mal bestens informiert«, entgegnete McWar den und lächelte. »Erfreulicherweise liest Mister Parker hin und wieder die Bücher, die ich ihm empfehle«, behauptete die passionierte Detektivin. »Myladys Hinweise sind stets von höchstem Wert«, anerkannte der Butler. »Die PCP-Opfer, um auch dies noch zu sagen, werden zu willenlosen Körperhüllen, um einen Ausdruck des Garten zwergs zu verwenden.« »Zu Robotern, deren Steuerung verrückt spielt«, fügte McWar den hinzu. »Dieses Giftzeug ist den Opfern sehr einfach beizu bringen, wie man mir versicherte.« »Ein versetzter Drink allein reicht aus, Sir«, sagte Josuah Par ker. »Nach zwei oder höchstens drei weiteren Dosen ist das Opfer völlig willenlos und kann nach Belieben manipuliert werden.« »Die angebliche Selbstmordserie«, warf Lady Agatha ein. »Die keine ist, Mylady«, bestätigte McWarden. »Gut, daß wir Burgess und Linfalt untersuchen konnten. Auf diese Weise kamen wir zum erstenmal an die Droge heran.« »Sie werden sicher gewisse Konsequenzen gezogen haben, Sir?« tippte Parker an. »Ein Fremdverschulden an den bekannten Selbstmorden dürften Sie jetzt bestimmt in Betracht ziehen.« »Worauf Sie sich verlassen können, Parker. Ich habe eine ge naue Untersuchung eingefädelt und werde die angeblichen Selbstmörder auf diese Droge hin nachprüfen lassen.« »Das Resultat kenne ich bereits«, ließ die ältere Dame sich ver nehmen. »Da bin ich völlig Ihrer Meinung, Mylady«, räumte der ChiefSuperintendent ein. »Die Zusammenhänge sind ja jetzt deutlicher geworden. Ich bin verdammt froh, daß Sie den Gartenzwerg er wähnt haben.« »Ein Psychopath, Sir, der Zugang zu den Wissenschaftlern ge 59
habt haben muß, die sich entleibten.« »In solch einem Fall kenne ich keinen Egoismus, mein lieber McWarden«, sagte die ältere Dame. »Wobei ich betonen möchte, daß Egoismus mir überhaupt völlig fremd ist. Was werden Sie jetzt tun?« »Ich werde nach einer Person suchen, die die Möglichkeit hatte, an die angeblichen Selbstmörder heranzukommen.« »Sie verfügen über Chancen, die Mylady und meiner Wenigkeit versagt bleiben müssen«, bedauerte der Butler. Lady Simpson runzelte die Stirn. »Meine Wenigkeit denkt an Computer, Mylady«, erläuterte der Butler. »Ich verlasse mich lieber auf mein exzellentes Gedächtnis«, lob te sich Lady Agatha nachdrücklich. »Mister Parker kann darüber jederzeit verfügen.« »Darum beneide ich Sie, Mister Parker«, erklärte McWarden und biß sich leicht auf die Unterlippe. Doch dann hatte die Wirklichkeit ihn bereits wieder eingeholt. »Dieser Retter der Menschheit ist eine Riesengefahr, darüber braucht man sich ja wohl nicht weiter zu unterhalten. Er könnte sich an jeden Spezialisten in der Regie rung heranmachen.« »Nun übertreiben Sie aber, mein Bester«, warf Agatha Simpson herablassend ein. »An diese Spezialisten muß man ja erst mal herankommen, nicht wahr? Die Leute sind doch abgeschirmt.« »Es gibt dennoch relativ einfache Mittel und Wege, um solche Abschirmungen zu überwinden«, warf Parker ein, doch er hütete sich, dieses Thema zu vertiefen, zumal er bereits gewisse Vorstel lungen hatte. »Darf man Ihnen übrigens einige Personen anver trauen, die sich im Lauf der Stunden hier in Myladys Haus einge funden haben?« »Ich nehme mit, was immer Sie mir anzubieten haben, Mister Parker«, erwiderte McWarden schmunzelnd. »Und ich werde keine Fragen stellen.« »Es handelt sich um zwei Männer, die Maschinenpistolen trugen und sich unhöflich aufführten«, konkretisierte Parker sein Ange bot. »Mylady könnte ferner mit einem gewissen Mister Joe Catt ners dienen, der Mylady umzubringen gedachte.« »Lohnt es sich, diese Kerle besonders zu verhören?« fragte der Chief-Superintendent. »Nicht unbedingt, Sir«, antwortete der Butler. »Es handelt sich 60
um Randfiguren, die auf keinen Fall Angaben zum Gartenzwerg machen können.« »Was Sie mir natürlich wieder mal nicht abnehmen und glauben werden, McWarden«, wußte die ältere Dame bereits im vorhinein. »Ich glaube Ihnen alles, was immer Sie auch sagen, Mylady«, versicherte McWarden ihr ohne jeden Nachdruck. * Eine halbe Stunde nach Mitternacht wurde Parker von einem hohen Piepton geweckt. Er lag in seinem kojenähnlichen Bett in seinem Schlafraum, war sofort hellwach, langte nach der Fernbedienung, die auf dem Nachttisch lag, und schaltete die hausinterne Fernsehüberwa chung ein. Während er aufstand, lieferte die Kamera, die an der Frontseite des Hauses angebracht war, bereits die ersten Bilder. Parker brauchte keine Feinregulierung vorzunehmen. Zwei Ges talten waren gerade dabei, das geschlossene Gittertor vorn an der Durchgangsstraße zu übersteigen. Er hätte den Burschen eine kleine elektrische Sensation liefern können, doch Parker verzichtete auf dieses Vergnügen. Er wollte die nächtlichen Besucher ans Haus herankommen lassen. Sie hielten sich für völlig sicher, wechselten zu einer Seite der flankierenden Häuser hinüber und hielten dann schnurstracks auf die Haustür zu. Sie trugen dunkle Overalls und hatten sich Ta schen umgehängt. Hatte der Gartenzwerg neue Mitarbeiter aktiviert? Wollte er noch in dieser Nacht für vollendete Tatsachen sorgen? Wurde ihm der Boden zu heiß, auf dem er sich bewegte? Die beiden Gestalten standen inzwischen unter dem säulenge tragenen Vordach und befaßten sich mit der Haustür, der man ihren Stahlkern natürlich nicht ansah. Parker schaltete auf die Kamera um, die hinter dem Giebeldach angebracht war, und erkannte nun Dave Potting und den wesent lich jüngeren Mann, der angeblich sein Partner sein wollte. Die beiden Wohnwagenspezialisten unterhielten sich leise miteinan der. »Kleine Fische«, sagte der junge Mann gerade und hielt bereits eine mächtige Wasserpumpenzange in der Hand. »Ich dreh’ das 61
Schloß raus, Dave.« »Aber leise«, verlangte Potting. »Wir müssen diesen Mistkerl im Schlaf überraschen. Und die Alte auch.« Butler Parker drückte auf einen Knopf seiner Fernbedienung und hörte gleichzeitig das diskrete Rasseln von Gitterjalousien, die aus dem Vorbau einen Käfig machten. Vor den Säulen, die das kleine Vordach trugen, standen plötzlich solide Rollgitter. Auch der Zugang zum Vordach war entsprechend abgesichert. Dies alles war in Sekundenschnelle getan, und die Gangster kamen erst jetzt dazu, Panik zu zeigen. Sie rüttelten verzweifelt an den Rollgittern, die in versenkten Führungsschienen standen und sich kaum bewegten. Nachdem Potting und sein Begleiter die erste Panik abreagiert hatten, ka men sie zu dem Schluß, daß sie von einem gewissen Butler nach allen Regeln der Kunst hereingelegt worden waren. »Dem möchte meine Wenigkeit auf keinen Fall widersprechen«, schaltete Parker sich über die Wechselsprechanlage in die Unter haltung ein. »Sie kommen aus eigenem Antrieb, meine Herren?« »Wieso eigentlich Antrieb?« fragte Potting. »Oder sollte der Gartenzwerg Sie geschickt haben?« »Unsinn, Parker, wir wollten uns nur mal mit Ihnen über zwei Dachcontainer unterhalten.« »Sie scheinen ein wenig nachtragend zu sein, Mister Potting.« »Wir haben stundenlang in diesen verdammten Dachcontainern gelegen«, beschwerte sich Potting nachträglich. »Wir sind fast umgekommen.« »Mit solch einem Ausgang brauchten Sie auf keinen Fall zu rechnen«, erklärte Josuah Parker. »Meine Wenigkeit vergewisser te sich vorher, daß ausreichend Luftlöcher vorhanden waren.« »Und was soll jetzt passieren, Parker?« fragte der junge Mann wütend. »Meine Wenigkeit erwartet Ihre Vorschläge.« »Okay, Sie haben uns noch mal aufs Kreuz gelegt, Parker«, sagte nun wieder Potting. »Ich glaube, unser Bedarf ist gedeckt.« »Dann sollten Sie sich der Entspannung und Ruhe hingeben«, schlug der Butler vor. »Man wird Sie in den Morgenstunden recht zeitig wecken.« »Was… was soll das heißen, Parker?« brauste Potting auf. »Wol len Sie uns hier festhalten?« »So kann man es natürlich auch ausdrücken«, erwiderte Josuah 62
Parker. »Machen Sie es sich bequem, soweit es nur geht.« »Mann, wir demolieren Ihre komischen Gitter«, drohte Pottings junger Begleiter. »Meine Wenigkeit bittet um einen entsprechenden Versuch.« »Los, mach schon!« fuhr Potting seinen Komplicen an. »Du hast doch ‘n Bolzenschneider dabei, oder?« »Das haben wir gleich.« Der junge Mann kramte in seiner Um hängetasche und förderte tatsächlich einen beachtlichen Bolzen schneider zutage. Er verlängerte wegen der besseren Hebelwir kung die beiden Griffe mit entsprechenden Hülsen, die er über schob, und machte sich daran, das Rollgitter zu bearbeiten. Daraufhin betätigte Parker einen weiteren Knopf auf seiner Fernbedienung. Strom jagte durch das Rollgitter, sprang auf die beiden Hebelgriffe des Bolzenschneiders über und hüpfte dann ohne jeden Widerstand in die Hände des Mannes. Er absolvierte einen Tanz, der an den berühmten Jitterbug in den vierziger Jahren erinnerte. Der junge Kerl erwies sich als ein Meister dieser Tanzform, der aus guten Gründen auch Zittertanz genannt worden war. »Auf… auf… auf… aufhören«, hechelte er, während er sich sei nen wilden Körperzuckungen hingab. Josuah Parker schaltete die Stromzufuhr ab und sah auf dem Monitor, daß der Tänzer kraftlos zu Boden rutschte. »Halten Sie sich tunlichst fern von den Rollgittern«, empfahl Jo suah Parker den beiden Besuchern. »Sie stehen weiterhin unter Strom. Und jetzt erlaubt man sich, Ihnen eine mehr oder weniger gute Nacht zu wünschen.« Parker schaltete die hausinterne Warn- und Übertragungsanlage ab und begab sich zurück in seinen Schlafraum. Mit weiteren Ü berraschungen rechnete er eigentlich nicht mehr. * »Ich habe die ganze Nacht über kein Auge zugetan«, erklärte Lady Simpson am anderen Morgen, als sie im Erdgeschoß ihres Hauses erschien und sich in den kleinen Salon begab. »Mylady dachten sicher über den anstehenden Fall nach«, ver mutete Parker. »Ununterbrochen«, klagte sie und griff sich mit tragischer Geste 63
an die rechte Schläfe. »Sie haben natürlich fest geschlafen, Mister Parker, nicht wahr?« »Bis auf eine kleine Unterbrechung, Mylady.« Der Butler berich tete von dem nächtlichen Zwischenfall. »Das habe ich natürlich beiläufig registriert«, behauptete sie umgehend. »Aber wegen einer solchen Bagatelle habe ich mich nicht gemeldet, Mister Parker.« »Die beiden nächtlichen Besucher wurden inzwischen nach ei nem Anruf bei Chief-Superintendent McWarden von einer Polizei streife abgeholt, Mylady.« »Randfiguren«, sagte sie abfällig. »Mit so etwas belastet eine Lady Simpson sich nicht. Was steht heute auf meinem Pro gramm?« »Mylady planen, jener Firma einen Besuch abzustatten, für die Mister Henry Burgess tätig war.« »Richtig, Mister Parker. Und danach werde ich mich noch mal mit seiner Frau unterhalten.« »Wie Mylady zu wünschen belieben.« Parker beschloß, diese Fahrt diskret zu unterschlagen. Er lenkte die ältere Dame mit dem Frühstück ab und wunderte sich wieder mal darüber, wel chen Appetit sie entwickelte. »Das muß reichen«, sagte sie, als sie das nicht gerade kleine Angebot des Butlers geschafft hätte. »Ich darf mir den Magen nicht überladen, Mister Parker.« »Mylady werden noch viel Energie brauchen«, tröstete der But ler sie. »Der Gartenzwerg dürfte sich so schnell nicht geschlagen geben.« »Einer Lady Simpson ist er im Endeffekt nicht gewachsen«, sag te sie und erhob sich. »Auf welche Person werde ich mich jetzt konzentrieren, Mister Parker?« »Mylady denken sicher an Mister Carlo Vitello.« »Richtig«, gab sie zurück. »Das ist doch dieser Wohnwagen händler, nicht wahr?« »Der Betreiber des italienischen Restaurants, Mylady«, korri gierte der Butler beiläufig. »In seinem Etablissement verkehrten die Herren Cattners, Loemond und auch Potting. In diesem Lokal muß der Gartenzwerg auf die Gangster aufmerksam geworden sein. Demnach gehen Mylady davon aus, daß der Gartenzwerg auch in diesem Restaurant zu verkehren pflegt.« »Das ist die Logik, die ich so an mir liebe«, lobte sie sich nach 64
drücklich. »Ich werde in diesem Lokal weitere Ermittlungen an stellen und dem Besitzer die Daumenschrauben anlegen.« »Der Gartenzwerg wird davon ausgehen, daß Mylady und meine Wenigkeit dort erneut erscheinen.« »Das muß er wohl, Mister Parker. Und wenn er sich dann mit mir anlegen will, werde ich ihn überführen.« »Er wird Mylady nicht entkommen können.« Parker sah die Din ge zwar erheblich komplizierter, doch er hütete sich, davon zu sprechen. Er geleitete seine Herrin zurück in die große Wohnhalle und half ihr in den weiten, wallenden Umhang. Agatha Simpson setzte sich ihr skurriles Hutgebilde auf und griff nach dem Pom padour. Sie war bereit, es mit der gesamten Londoner Unterwelt aufzu nehmen. * »Henry Burgess lebt?« fragte Randolph Bennett und blickte Par ker entgeistert an. Bennett, etwa sechzig Jahre alt, war der Leiter des staatlichen Institutes, in dem Burgess als Physiker gearbeitet hatte. »Sind Sie sich völlig sicher, Mister Parker?« »Er befindet sich zur Zeit in ärztlicher Obhut«, antwortete Par ker. »Es war einem Zufall zu verdanken, daß er den Weg meiner Wenigkeit kreuzte.« »Und wo hat er die ganze Zeit über gesteckt?« Bennett, ein umgänglicher Mann, hager, mit einem schmalen Kopf versehen, schüttelte immer noch ungläubig das Haupt. »Dies, Sir, ließ sich bisher nicht rekonstruieren«, redete der Butler weiter. »Mister Burgess ist noch ein wenig verwirrt.« »Burgess und verwirrt? Lächerlich! Dieser Mann war die kalte Logik in Person. Als er verschwand, war das für unser Institut ein herber Verlust. Eine ganze Entwicklungsphase mußte sofort ein gestellt werden. Ohne Burgess hätte sich die Weiterarbeit nicht gelohnt. Er war Kopf und Seele der Entwicklung.« »Mylady wünscht zu erfahren, auf welchem Gebiet Mister Bur gess tätig war«, machte Parker dem Institutsleiter deutlich. »Das ist streng geheim«, erwiderte Bennett und hob bedauernd die Hände. »Sie arbeiten für die Rüstung, wie ich im Kriegsministerium er 65
fuhr?« schnappte die ältere Dame zu und meinte natürlich das Verteidigungsministerium. »Nun, im weitesten Sinn des Wortes«, räumte Bennett ein. »Ich darf vielleicht eine Andeutung machen, Mylady: Burgess beschäf tigte sich mit intelligenten Suchwaffen.« »Eine scheußliche Vorstellung«, meinte die ältere Dame. »Mister Burgess besuchte gewisse internationale Kongresse, Sir?« Parker wechselte das Thema. »Natürlich, Mister Parker. Diese Kongresse sind die beste Gele genheit, Kontakt mit Spezialisten aus anderen Ländern aufzu nehmen. Man erfährt manchmal aus beiläufigen Bemerkungen, wie weit die Konkurrenz inzwischen ist. Ein völlig normales Ver fahren.« »Mylady benötigt dringend eine Aufstellung dieser Kongresse, die von Mister Burgess besucht wurden.« »Ich denke, daß sich das machen läßt.« Bennett nickte. »Es handelt sich um Kongresse, die man nur auf Einladung be suchen kann, wie Mylady vermutet.« »Selbst die Presse hat zu diesen Kongressen keinen Zutritt«, lautete Bennetts Antwort. »Sie finden meist unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt.« »In den Hauptstädten dieser Welt?« »Meistens in der westlichen Hemisphäre«, gab Bennett Aus kunft. »Und wie gesagt, der Kreis der Teilnehmer ist genau ein gegrenzt.« »Mylady geht davon aus, daß Ihnen die Namen der Teilnehmer bekannt sind.« »Das ist die Frage, auf die es mir ankommt«, erklärte die ältere Dame und nickte bekräftigend. »Richtig, die Namenlisten liegen vor, und sie dürften hier bei uns abgeheftet sein.« »Mylady interessiert sich für jedes Detail.« »Sie vermuten eine weltweite Verschwörung gegen unsere Wis senschaftler?« sorgte sich Bennett. »Als ich vom Ministerium an gerufen und auf Ihren Besuch vorbereitet wurde, ließ man so et was anklingen. Sie kennen den zuständigen Staatssekretär, Myla dy?« »Ich glaube, ich habe ihn als Kind auf den Knien geschaukelt«, behauptete Lady Agatha. »Es kann aber auch sein, daß er auf einem meiner Landsitze Äpfel gestohlen hat.« 66
»Sie werden sämtliche Unterlagen bekommen die Sie zu sehen wünschen, Mylady«, versicherte Bennett noch mal. »Glauben Sie, daß mit weiteren Selbstmorden zu rechnen ist?« »Diese Gefahr dürfte inzwischen gebannt sein, mein Bester«, entgegnete Agatha Simpson und lächelte wissend. »Nach der Auswertung der Unterlagen werde ich zuschlagen. Ist es nicht so, Mister Parker?« »Mylady brauchen in der Tat nur noch wenige Details zu klä ren«, pflichtete der Butler ihr bei. »Wie ich es gesagt habe«, meinte sie. »Mein guter Bennett, machen Sie sich nur keine Sorgen. Das Empire kann bereits schon jetzt wieder zur Tagesordnung übergehen.« Parker hütete sich, in übertragenem Sinn Wasser in Myladys Wein zu gießen. * Mike Loemond, der Betreiber des Double Pint in Soho, riß die Augen weit auf, als Mylady und Parker sein Pub betraten. Er hatte das Lokal gerade erst geöffnet, doch der Tresen war bereits dicht umlagert. Die Mitglieder der Haibund Unterwelt suchten den üblichen Kontakt untereinander und staunten nicht schlecht, als die ältere Dame sich resolut ihren Weg bahnte. Es gab da einige Anzüglichkeiten, die an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrigließen. Mylady überhörte sie vorerst und steuerte auf Loemond zu, auf den Parker mit seiner Schirmspitze verwie sen hatte. »Sie sind das also«, sagte sie, als sie vor ihm stand. »Sie haben mir also einen Lümmel auf den Hals geschickt, der mich entfüh ren sollte?« Es gab weitere Anzüglichkeiten. Einer der Tresensteher – ein mittelgroßer, fast schlanker Mann von etwa fünfunddreißig Jahren, der einen teuren Seidenanzug trug und dazu eine schreiend bunt gemusterte Krawatte tat sich besonders hervor. Er hatte das Stichwort Entführung mitbekommen und erklärte boshaft, ein Mann allein hätte wohl kaum ausgereicht, solch eine Masse zu bewegen. Damit traf er den empfindlichen Nerv der Lady Agatha, die sich 67
für fast schlank hielt. Sie wandte sich um und musterte den Vor lauten mit einem scharfen, abschätzigen Blick. »Haben Sie mich etwa gemeint, junger Mann?« fragte sie. »Sonst ist an Masse ja nichts vorhanden«, lautete die unver schämte und zugleich auch leichtsinnige Antwort. Er hatte seinen Satz noch nicht ganz beendet, als er einen heftigen Tritt gegen das linke Schienbein erhielt, der ihm das Wasser in die Augen trieb. Der Getroffene verbeugte sich unwillkürlich, stöhnte und mußte dann einen Schlag mit dem Pompadour hinnehmen. Der Glücks bringer im Handbeutel tat seine Wirkung. Der Mann legte sich mit dem Oberkörper über den Tresen und kam mit dem Kopf gefähr lich in die Nähe jenes Beckens, in dem die gebrauchten Gläser gespült wurden. Lady Agatha ließ sich solch eine Möglichkeit natürlich nicht ent gehen. Während die übrigen Thekengäste mehr oder weniger amüsiert zuschauten, faßte sie herzhaft zu. Mit ihren nicht gerade kleinen Händen umfaßte sie die Hüften des Stöhnenden und hob ihn e nergisch an. Der Mann wurde völlig überrascht, leistete keinen Widerstand und landete mit dem Kopf im Spülbecken. Er prustete wie ein Walroß, strampelte mit den Beinen und hat te Mühe, sich wieder zurückzudrücken. Dann rutschte er mit dem Bauch über die Kante des Tresens und klatschte wie ein nasser Lappen zu Boden. »Wagen Sie es nicht noch mal, eine wehr- und schutzlose Frau anzugreifen oder zu beleidigen«, machte die ältere Dame ihm dann klar. »Sie können froh sein, daß ich nicht ärgerlich gewor den bin.« Das Gelächter der Zuschauer füllte das Pub. Der klitschnasse Mann fuhr sich mit der linken Hand übers Ge sicht und zog plötzlich ein Messer. »Haben Sie tatsächlich vor, diese Schneidware anzuwenden?« schaltete der Butler sich höflich ein. »Die mach’ ich alle!« brüllte der Mann aufgebracht und… rea gierte genauso laut, als Parker mit der Schirmspitze zugestoßen hatte. Er traf haargenau den Handballen des Messerstechers. Unter dem aufflammenden Schmerz ließ der Mann das Messer fallen und machte plötzlich einen ratlosen Eindruck. »Hau ab!« fuhr Loemond den Gast wütend an. 68
»Das lass’ ich mir nicht bieten!« brüllte der Mann zurück, um dann doch Fersengeld zu geben, als Mylady auf ihn zuschritt. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis er auf der Straße ver schwunden war. »Wo bleibt die Höflichkeit alten Menschen gegenüber?« fragte die ältere Dame und blitzte mit ihren Augen die Runde an. Loe mond hatte sich an Mylady herangeschoben und bat sie in sein Büro. »Bitte«, fügte er dann in Richtung Parker hinzu. »Ich garantie re, daß nichts passieren wird.« »Schade«, bedauerte Agatha Simpson. »Ich kam gerade in Stimmung, junger Mann. Aber ich werde später noch mal an den Tresen zurückkommen, das verspreche ich Ihnen.« »Bitte, Lady, vergessen Sie’s.«, stöhnte Loemond. * »Sie kennen Mister Carlo Vitello, Mister Loemond?« erkundigte sich Parker, als man im Büro Platz genommen hatte. »Ich glaube schon«, lautete seine vorsichtige Antwort. »Mister Vitello erklärte, Sie, Mister Cattners und auch Mister Potting häufig in seinem Restaurant gesehen zu haben. Sie haben sich dort zu gewissen Pokerrunden getroffen.« »Was hat Vitello denn sonst noch gesagt?« »Er hat Sie auf keinen Fall belastet, Mister Loemond. Und es geht auch nicht um Mister Cattners, den Sie auf Mylady und mei ne Wenigkeit angesetzt haben.« »Dieser Lümmel sitzt bereits, ich habe ihn der Polizei überant wortet«, warf die Detektivin ein. »Strafe muß sein.« »Das wird sich alles als ein verrücktes Mißverständnis aufklä ren«, behauptete Loemond. »Cattners hat mich bestimmt falsch verstanden, als ich von Ihnen gesprochen habe, Lady.« »Dies steht momentan nicht zur Debatte, Mister Loemond«, be ruhigte der Butler den Pub-Betreiber. »Es geht um Mister Vitello. Über ihn wünscht Mylady umgehend einiges zu erfahren.« »Den kenn’ ich doch kaum.« Mike Loemond war ganz Vorsicht. »Erinnern Sie sich besser, wenn ich Sie ohrfeige?« fragte die energische Dame aufmunternd. »Was ich von Vitello weiß?« Loemond rückte ein wenig zurück. 69
»Der hat vor ‘nem Jahr dieses Restaurant von dem Vorbesitzer übernommen. Das heißt, der Mann war gestorben, er war von einem Lastwagen überfahren worden. Seine Witwe hat dann das Restaurant an Vitello verkauft.« »Er hat ein Verhältnis mit der Witwe, nicht wahr?« Mylady wit terte Zusammenhänge. »Aber nein«, widersprach Loemond und lächelte unwillkürlich. »Signora Candoli ist sechzig Jahre alt. Vielleicht sogar noch älter. Sie ist längst nach Sizilien zurückgekehrt.« »Und welchem Beruf ging Mister Vitello vor der Übernahme des Lokals nach, Mister Loemond?« lautete Parkers nächste Frage. »Da war er Saucenkoch und Bankett-Manager, glaube ich. Er hat mal davon erzählt. Vitello war viel unterwegs.« »Für welches Hotel oder für welche Hotelkette arbeitete er?« »Keine Ahnung, Mister Parker, mein Wort darauf! Davon hat er nie gesprochen. Ist das denn so wichtig?« »Das frage ich mich allerdings auch«, machte Agatha Simpson sich leicht ungeduldig bemerkbar. »Schweifen Sie jetzt nicht et was vom Thema ab, Mister Parker?« »Nur vordergründig, wie Mylady längst bemerkt haben wer den«, entgegnete der Butler überaus höflich. »Welche Freund schaften pflegt Mister Vitello, um für Mylady auch dies noch zu klären?« »Da muß ich völlig passen, Mister Parker.« Loemond hob die Schultern. »Ist er verheiratet?« »Nein, nein, er ist Junggeselle. Kann sein, daß er eine Freundin hat… Doch, die hat er… Jetzt fällt es mir wieder ein… Eine Italie nerin, glaube ich.« »Das wären erst mal die drängendsten Fragen, Mister Loe mond«, schloß der Butler. »Übrigens, Mister Vitello ließ erkennen, daß Sie und die erwähnten Personen durchaus von der Existenz eines Gartenzwergs wußten.« »Hat Vitello das wirklich gesagt? Na schön, er selbst hat doch davon angefangen und uns überhaupt auf das Geschäft aufmerk sam gemacht.« »Auf welches Geschäft, junger Mann?« forschte die ältere Dame prompt nach. »Na ja, daß man ganz schön verdienen kann, wenn man für diesen Gartenzwerg mal ‘ne Hand rührt. Sie verstehen, Lady, was 70
ich meine.« »Vitello machte Sie in der Tat mit der Person des Gartenzwergs vertraut«, wiederholte Parker diesen Hinweis. »Fragen Sie doch mal Potting«, schlug Loemond vor. »Der wird Ihnen das bestätigen.« »Ein Hinweis, den man umgehend und dankbar aufgreifen wird«, antwortete der Butler. »Mister Potting kann mit dem schnellen Besuch Myladys fest rechnen.« »Bin ich jetzt aus dem Schneider, Mister Parker, was die Sache mit Cattners betrifft?« »Sie sollten sehr vorsichtig sein, was den Gartenzwerg angeht«, warnte Parker ihn. »Der Mörder ist dabei, sehr gründlich seine Spuren zu beseitigen.« »Und solch eine Spur sind auch Sie, junger Mann«, fügte die Detektivin genüßlich hinzu. »Hoffentlich überstehen Sie’s… oder auch nicht. Ich will mich da nicht festlegen.« * »Ich fahre nicht zu diesem Pottners?« wunderte sich Lady Agat ha zehn Minuten später. »Mister Potting dürfte inzwischen von Mister Loemond informiert und vorgewarnt worden sein, Mylady, falls die Polizei ihn über haupt auf freien Fuß gesetzt hat. Dies gilt auch für Mister Vitello.« »Richtig, Pottners ist ja verhaftet worden. Wollte er nicht bei mir einbrechen?« »Mister Potting verbrachte die Nacht vor Myladys Haustür«, sagte der Butler. »Er wurde am frühen Morgen von der Polizei abgeholt, die ihn jedoch nach Feststellung seiner Personalien frei gelassen haben könnte.« »Fahre ich wenigstens zum italienischen Restaurant?« »Mister Vitello könnte seinerseits bereits den Gartenzwerg ge warnt haben, Mylady.« »Das wäre doch wunderschön«, freute sie sich im voraus. »Dann könnte ich dieses Subjekt ja dort entlarven und festneh men. Mir kommt da übrigens eine Idee, Mister Parker. Doch was heißt schon Idee. Das ist die Lösung meines Falles!« »Mylady gehen davon aus, daß Mister Vitello mit dem Garten zwerg identisch ist?« 71
»Woher wissen Sie das?« schnappte sie sofort zu. »Liegt das nicht auf der Hand, Mister Parker?« »Warum sollte ein Saucenkoch und ehemaliger BankettManager wie Mister Vitello es sich in den Kopf gesetzt haben, Wissenschaftler in den Selbstmord zu treiben? Mylady dürften sich diese Frage bereits längst gestellt haben.« »Weil die Leute sich zum Beispiel über seine Saucen mokiert haben könnten«, theoretisierte sie sofort. »Ich habe da ein Krimi nalstück im Fernsehen gesehen, Mister Parker, das ein ähnliches Thema behandelte. Köche brachten Gäste um, die sich über die Speisen beschwert hatten.« »Ein Thema, das man nur als ausgesprochen delikat bezeichnen kann, Mylady.« »Sie werden sehen, daß ich wieder mal den Nagel auf den Kopf getroffen habe«, prophezeite sie wie gewöhnlich. »Nun gut, was werde ich jetzt also unternehmen? Ich bin eigentlich nach wie vor dafür, zu diesem Saucenkoch zu fahren.« »Der Gartenzwerg könnte gezielt aus dem Hinterhalt schießen. An Versuchen fehlte es bisher nicht, Mylady.« »Eine Lady Simpson kneift nicht, sie stellt sich der Gefahr, Mis ter Parker.« »Und wagt nur aus Gründen der Klugheit ein kalkulierbares Ri siko«, gab der Butler zurück. »Das ist richtig«, pflichtete sie ihm nun bei. »Aber ich habe auf der anderen Seite wirklich keine Lust, die Hände in den Schoß zu legen.« »Eine undenkbare Vorstellung, Mylady. Könnten Mylady sich mit dem Gedanken vertraut machen, ein Restaurant der Luxusklasse aufzusuchen?« »Eine angenehme Vorstellung, falls ich nicht an die horrenden Preise denke, Mister Parker.« »Meine Wenigkeit kennt einen gewissen Morgan Slicer, Mylady, der eine Kapazität in seinem Fach ist und dem Orden der Gau menfreunde vorsteht.« »Und wo kocht dieses Exemplar?« »Im >Swan<, Mylady, einem kleinen, aber erstklassigen Re staurant an der Themse in der Höhe von Richmond. Sein Lokal gilt als Geheimtip.« »Ich werde seine Küche testen«, versprach die ältere Dame. »Worauf warte ich eigentlich noch?« 72
Während dieser munteren Unterhaltung hatte Parker sein hoch beiniges Monstrum längst in die entsprechende Richtung gesteu ert. Er hatte das Gefühl, auf der richtigen Spur zu sein. * Wie ein Koch der Spitzenklasse sah Morgan Slicer wirklich nicht aus. Er erinnerte eher an einen seriösen Bankbeamten. Slicer, an die Fünfzig, war mittelgroß, schlank und trug eine Hornbrille. Er emp fing seine Besucher auf der Terrasse des Restaurants und hatte zu Myladys Freude einen Imbiß herrichten lassen. »Nur eine Kleinigkeit, Mylady«, sagte er, »eine Art Gaumenkit zel.« »Falls es nicht reichen sollte, werde ich mich melden, mein Bes ter«, antwortete die ältere Dame überraschend freundlich. »Las sen Sie sich nicht weiter stören, Mister Parker wird Ihnen meine Fragen stellen.« Parker und Slicer kannten sich. Die Unterhaltung kam schnell zu dem Punkt, auf den Parker es ankam. »Vitello war nie Spitzenklasse«, erklärte Slicer auf die entspre chende Frage, »aber er war nicht schlecht. Er hat sein Talent da mals verschleudert, wenn Sie mich fragen, Mister Parker. Er trat in die Dienste eines Kantinen-Service und mußte ganz zwangsläu fig sein damals erreichtes Niveau verlieren.« »Dieser Kantinen-Service würde Mylady interessieren«, erwider te der Butler. »Es handelt sich da um eine französisch-schweizerische Gesell schaft, die Kantinen bewirtschaftet«, erläuterte der Meisterkoch. »Diese Gesellschaft hat sich auf Großkantinen spezialisiert und übernimmt pauschal den Service. Sie engagiert das Personal und regelt den Großeinkauf. Vitello war längere Zeit für dieses Unter nehmen tätig.« »Bis er sich selbständig machte.« »Bis er ein italienisches Lokal übernahm«, sagte Slicer, »was ich übrigens noch heute nicht begreife. Wie kann man plötzlich auf das Niveau von Spaghetti umsteigen? Rätselhaft.« »Ihnen ist der Londoner Sitz dieser Gesellschaft bekannt, Mister Slicer?« 73
»Ich werde Ihnen die Adresse aufschreiben, Mister Parker.« »War Mister Vitello nur hier in London beschäftigt?« »Aber nein, er wurde innerhalb dieser Firma Bankett-Manager und war häufig im Ausland. Wissen Sie, er arrangierte Kongresse und sorgte da für den reibungslosen Ablauf. Vitello war darin ei gentlich noch besser als in seinem Beruf als Saucenkoch.« Während Parker zuhörte, beobachtete er die nahe Straße, die hinter dem Grundstück verlief. Ihm war ein dunkler Ford aufgefal len, der bereits zum zweitenmal die Gegend passierte. Dies mochte ein Zufall sein, doch Parkers wacher Instinkt hatte längst auf höchste Vorsicht umgeschaltet. Er spürte ein erstes Vibrieren in seinen Nervenenden. Agatha Simpson hingegen war ahnungslos. Sie hörte gespielt interessiert zu, doch tatsächlich konzentrierte sie sich auf die kleinen Köstlichkeiten. Sie schien seit Tagen nichts gegessen zu haben. »Hatte Mister Vitello irgendwann mal Ärger mit seiner Firma, Mister Slicer?« fragte der Butler. »Gerüchte, Mister Parker, nichts als Gerüchte.« »Die Mylady diskret behandeln wird, Mister Slicer.« »Er soll angeblich geschmuggelt haben und wurde entlassen«, berichtete der Spitzenkoch weiter. »Aber bitte, das sind Gerüchte. Konkretes war nie zu erfahren.« »Könnte Mister Vitello seinerzeit mit Drogen in Verbindung ge bracht worden sein?« »So sagte man hinter vorgehaltener Hand. Ich glaube, es kam sogar zu einer Untersuchung, die aber nichts erbrachte. Bitte, Mister Parker, nur weil Sie es sind, gebe ich diese Gerüchte wei ter. Ich möchte dem guten Vitello auf keinen Fall schaden.« Parker kam nicht mehr dazu, Morgan Slicer zu beruhigen. Er langte mit seinem Schirmgriff plötzlich nach Myladys Stuhl lehne und riß das Sitzmöbel mitsamt der älteren Dame zu Boden. Gleichzeitig verließ auch er seine Sitzfläche und begab sich auf die Steinplatten der Terrasse. Was sich als ungemein gesunderhaltend erwies. Zwei schallgedämpfte Schüsse erreichten die Terrasse und zer fetzten dicht hinter Mylady und Parker zwei Fensterscheiben. * 74
»Natürlich war mir dieser Wagen sofort aufgefallen, Mister Par ker«, behauptete die ältere Dame zwanzig Minuten später. »Ich ließ ihn nicht aus den Augen.« »Hoffentlich vermögen Mylady meiner Wenigkeit noch mal zu verzeihen.« »Sie haben natürlich übernervös reagiert, Mister Parker«, tadel te sie verhalten. »Aber es geschah ja immerhin in guter Absicht.« »Es galt, gezielten Schüssen zu entgehen, Mylady.« »Ich hätte mich auch ohne Ihre Hilfe in Sicherheit gebracht. Und Sie dazu, Mister Parker! Ihr Bekannter, dieser Meisterkoch, ist übrigens ein bemerkenswerter Mensch.« »Mylady zeigten in der Tat großes Wohlwollen seiner Person ge genüber.« »Dieser Mann hat wenigstens Benehmen«, urteilte sie munter und schien den bösartigen Feuerüberfall wieder vergessen zu ha ben. »Die Kostproben, die er mir mitgegeben hat, sahen recht gut aus.« »Und sind reichlich, Mylady.« »Nun ja, es geht«, schränkte sie sofort wieder ein. »Überschla gen hat er sich gerade nicht. Was diese Vogelscheuche betrifft, so hat mein Verdacht sich also bestätigt, nicht wahr?« »Mylady sind der Ansicht, daß Mister Vitello und der Garten zwerg identisch sind?« »Da gibt es für mich überhaupt keinen Zweifel, Mister Parker. Oder sind Sie wieder mal anderer Meinung?« »Mister Vitello könnte auch nur der Verbindungsmann des Gar tenzwerges sein, Mylady, jener Mann, der dem Täter die Hand langer besorgte.« »Und wer ist Ihrer Ansicht nach die Vogelscheuche?« Sie dachte nicht im Traum daran, die Bezeichnung des Täters zu ändern. »Es handelt sich um eine noch unbekannte Person, Mylady. Und man kann nur hoffen, daß der Gartenzwerg keine Gelegenheit findet, Mister Vitello aus dem Weg zu räumen.« »Dann fahre ich jetzt zu diesem Mann?« »Vielleicht später, Mylady. Vorerst wollen Mylady sicher Kontakt mit jener Gesellschaft aufnehmen, für die Mister Vitello als Ban kett-Manager tätig war.« »Es kann ja nicht schaden«, erwiderte sie. »Allerdings verspre che ich mir von diesem Abstecher überhaupt nichts. Woraufhin 75
ich eigentlich aus?« »Mylady wollen eruieren, ob Mister Vitello immer dort als Ban kett-Manager tätig war, wo die wissenschaftlichen Kongresse ab gehalten wurden.« »Richtig«, bestätigte sie verblüfft. »Falls dem so sein sollte, werden Mylady daraus schließen, daß Mister Vitello auf diesen Kongressen Kontakt mit den verblichenen Wissenschaftlern hergestellt haben könnte.« »Also doch«, triumphierte sie umgehend. »Dieser italienische Koch ist mein Gartenzwerg. Geben Sie es endlich zu!« »Er könnte auf einem dieser Kongresse einen ersten Kontakt mit dem Gartenzwerg aufgenommen haben. Mylady stellten sich bereits die Frage, warum ein Saucenkoch und Bankett-Manager daran interessiert sein könnte, Wissenschaftler umzubringen.« . »Weil sie sich über seine Saucen mokierten«, wiederholte sie ihre Behauptung. »Aber das sagte ich Ihnen ja schon. Es gibt natürlich auch noch eine andere Möglichkeit.« »Mylady haben eine parallele Theorie entwickelt?« forschte der Butler höflich nach. »Dieser Koch könnte in den Diensten einer fremden Macht ste hen, Mister Parker. Haben Sie daran schon gedacht? Er bringt Wissenschaftler um, um die Verteidigungsbereitschaft des Wes tens zu untergraben.« »Eine Vorstellung, die man nur als ungemein bestürzend be zeichnen kann und muß, Mylady.« »Ohne Phantasie kann man keinen komplizierten Kriminalfall lö sen«, fuhr sie munter fort. »Man muß den Mut haben, das Unge wöhnliche zu denken.« »Mylady sind darin eine wahre Meisterin.« »Ich weiß, ich weiß, Mister Parker«, bestätigte sie sich. »Des halb bin ich auch so erfolgreich.« Parkers Gesicht blieb unbewegt wie das eines perfekten Poker spielers. * Mylady hatte sich zur Meditation in ihr Studio zurückgezogen. Butler Parker befand sich allein in der großen Wohnhalle des alt ehrwürdigen Hauses und studierte die Unterlagen, die er gesam 76
melt hatte. Schon nach kurzer Zeit wußte er, daß sein Verdacht sich bestä tigt hatte. Vitello hatte im Auftrag seiner Firma insgesamt vier Kongresse betreut und für den reibungslosen Ablauf der gastro nomischen Dinge gesorgt. Und an diesen vier Kongressen hatten alle jene Wissenschaftler teilgenommen, die Selbstmord began gen hatten. Dies war unmöglich ein Zufall. Parker befaßte sich auch mit den Protokollen der Kongresse, die Randolph Bennett ihm zur Verfügung gestellt hatte. Ihn interes sierten nicht die Fachvorträge, die gehalten worden waren. Parker ging die Begleitprotokolle durch, die zuerst gar nichts er brachten. Zu ernsten, wissenschaftlichen Auseinandersetzungen war es seinerzeit nicht gekommen. Alles war im bekannt akade mischen Stil vorgetragen und diskutiert worden. Ein Begleitpapier allerdings alarmierte ihn dann. Über die offizielle Darstellung der Kongresse hinaus tauchte ein Bericht auf, nach dem Parker insgeheim gesucht hatte. Einer der Protokollführer berichtete in knappen Worten von einem Zwi schenfall, der sich am Rand eines wissenschaftlichen Treffs in London abgespielt hatte. In diesem Zusammenhang tauchte so gar das Stichwort Gartenzwerg auf. Josuah Parker war wie elektrisiert. Ein Paul Angers, seines Zeichens Chemiker, war spöttischerwei se so bezeichnet worden, als er in einer privaten Diskussion Mög lichkeiten einer chemischen Kampfführung vorgetragen hatte. Nach seinen Vorstellungen sollten die Führungszentralen der so genannten Feindmächte mit einem speziellen chemischen Kampfmittel besprüht werden. Paul Angers hatte gleich dieses Kampfmittel vorgestellt und es beschrieben. Seine Kollegen waren ihm seinerzeit mit Hohn und Spott begeg net und hatten ihn als einen kleinen Gartenzwerg tituliert. Das war der Punkt, auf den es ankam. Der Butler ging die Teil nehmerlisten noch mal durch und verglich bestimmte Namen mit denen der angeblichen Selbstmörder. Nun war klar und deutlich, daß die Wissenschaftler sich damals alle an dieser internen Dis kussion beteiligt hatten. Parker griff nach dem Telefonbuch und suchte Paul Angers’ Ad resse. Er fand sie und wunderte sich nicht weiter darüber, daß der Chemiker in Stepney wohnte. Genau dort befand sich auch das 77
Restaurant des Carlo Vitello. Das Telefon klingelte, und McWarden diente wie auf ein Stich wort hin mit einer weiteren, wichtigen Ergänzung. »Ich denke, wir sind da auf einer heißen Spur«, sagte der ChiefSuperintendent. »Nach ersten Erkenntnissen sind zumindest drei der acht Wissenschaftler mit starken Drogen behandelt worden, bevor sie Selbstmord verübten, Mister Parker.« »Mylady denkt in diesem Zusammenhang an die Verschwörung einer Fremdmacht, Sir.« »Und Sie, Mister Parker?« »Es könnte sich durchaus um den Rachefeldzug einer privaten Person handeln, Sir.« »Und wer käme dafür in Betracht, Mister Parker?« »Vielleicht ein beleidigter Wissenschaftler, Sir.« »Haben Sie bereits eine bestimmte Person im Visier? Falls ja, dann sollten wir uns abstimmen. Alleingänge sind einfach zu ge fährlich.« »Sobald meine bescheidene Wenigkeit über gesicherte Fakten verfügt, Sir, wird man Sie umgehend benachrichtigen«, antworte te der Butler. »Mister Parker, keine Alleingänge«, wiederholte McWarden sei ne Warnung. »Man wird tunlichst davon Abstand nehmen«, entgegnete der Butler. Er wechselte noch einige Worte mit dem Yard-Beamten und legte dann auf. War es richtig gewesen, McWarden nicht zu informieren? Hätte man ihn nicht einweihen müssen? Parker dachte an die Dienstvorschriften, die McWarden einfach dazu verpflichteten, tätig zu werden. Und ein Mörder wie der Gar tenzwerg hätte wohl mit Sicherheit sofort gemerkt, daß er einge kreist wurde. Diesen Mann durfte man nicht unterschätzen. Es ging jetzt darum, auf seine krankhafte Eitelkeit zu setzen. Nur auf diese Weise war er wohl zu überführen. Es mußte bei der bisherigen privaten Auseinandersetzung bleiben. Nur so hatte man eine Chance, den Gartenzwerg zu stellen. Parker griff nach dem Telefon und wählte die Nummer von Paul Angers. * 78
Er trug einen weiten Mantel und machte einen durchaus höflich verbindlichen Eindruck. »Mister Paul Angers?« fragte Parker, als der Wissenschaftler den verglasten Vorflur betreten hatte. Der Butler hatte sich nur kurz mit Angers unterhalten und ihn zu einer Unterredung nach Shepherd’s Market gebeten. Angers war auf diese Einladung sofort eingegangen und wartete nun darauf, in die große Wohnhalle eingelassen zu werden. »Mylady wird sofort erscheinen«, kündigte Parker an, um dann höflich zur Seite zu treten, als die Hausherrin aus dem kleinen Salon kam. »Sie also sind dieser komische Gartenzwerg?« fragte sie unge niert. »Ich habe Sie mir völlig anders vorgestellt. Geisteskrank sehen Sie aber gar nicht aus, junger Mann.« Paul Angers war mittelgroß, ein wenig dicklich und trug eine randlose. Brille. »Mir war klar, daß Sie mich früher oder später aufspüren wür den«, antwortete Angers. »Wollen Sie mich nicht endlich einlas sen?« »Umgehend, Sir«, versprach Parker. »Es zeugt übrigens von ei nem bemerkenswerten Selbstbewußtsein, daß Sie dieser Einla dung Folge leisteten.« »Sie und Ihre Handlanger haben immerhin einige Male versucht, mich umzubringen«, warf die ältere Dame grimmig ein. »Was nicht ist, Mylady, wird noch werden«, versprach Paul An gers, um sich wieder Parker zuzuwenden. »Sie haben sehr folge richtig gearbeitet.« »Kann man davon ausgehen, daß Mister Vitello noch bei bester Gesundheit ist, Mister Angers?« »Vitello ist uninteressant.« »Aber er leistete Ihnen wertvolle Hilfe bei der Beschaffung von Handlangern.« »Wir lernten uns während eines Kongresses kennen«, lautete die Antwort des Chemikers. »Er war damals gefeuert worden, und mich hatte man ausgelacht. Wir suchten und fanden uns in einer Hotelbar.« »Ihre Kollegen nannten Sie einen Gartenzwerg, Mister Angers.« »Und haben dafür gebüßt«, freute sich Angers im nachhinein und lächelte fast müde. »Es gibt da noch einige Kollegen, die ich 79
bestrafen müßte, aber ich habe keine Lust mehr.« »Sie wollen einen Schlußstrich ziehen, Mister Angers?« »Ich will nicht mehr«, erklärte der Chemiker und gähnte verhal ten. »Ich werde mit einem gewaltigen Paukenschlag ein Ende machen.« »Ohne die Welt zu informieren?« wunderte sich der Butler ge konnt und ein wenig überdeutlich. »Ich habe ein entsprechendes Schriftstück hinterlegt. Es wird morgen veröffentlicht werden. Dann weiß die Welt, was sie an mir verloren hat.« Er hatte immer langsamer gesprochen und taumelte ein wenig. »An Ihrem geplanten Paukenschlag wollen Sie Mylady und mei ne Wenigkeit teilhaben lassen, wenn nicht alles täuscht, Mister Angers?« »Ich… ich werde uns alle in die Luft sprengen«, kündigte der Besucher mit schwerer Zunge an. »Warum wäre ich sonst wohl gekommen?« »Warten Sie damit gefälligst bis nach dem Dinner«, schaltete die ältere Dame sich grollend ein, doch Angers bekam diesen Hinweis schon nicht mehr mit. Er rutschte plötzlich in sich zu sammen und landete auf dem Boden der Falltür. »Was soll denn das?« fragte die Hausherrin. »Mister Angers konnte der Lachgasmischung nicht länger wider stehen«, antwortete Parker. »Meine Wenigkeit war so frei, den Vorraum damit zu versetzen, während Mister Angers sich äußer te.« »Nun ja, nicht direkt schlecht«, räumte die passionierte Detek tivin widerwillig ein. »Aber Sie glauben doch wohl nicht, daß er sich und uns in die Luft sprengen wollte, oder? Das war doch nichts als Bluff!« Mylady glaubte es dann nicht mehr, als Parker später den Man tel des Chemikers öffnete. Paul Angers hatte sich mit Plastikta schen umgürtet und auch die Taschen seines Anzugs vollgestopft. Der mitgebrachte hochbrisante Sprengstoff hätte völlig ausge reicht, das alte Fachwerkhaus mitsamt seinen Bewohnern in die Luft zu jagen. »Verständigen Sie McWarden«, sagte Agatha Simpson, nach dem sie sich von ihrer Überraschung erholt hatte. »Und ich brau che jetzt einen Kreislaufbeschleuniger, Mister Parker.« »Einen doppelten, Mylady?« fragte Parker sicherheitshalber. 80
»Einen dreifachen«, steigerte sie ihr Verlangen. »Wie gut, daß ich so geistesgegenwärtig gewesen bin, Mister Parker.« »Mylady sind nicht zu übertreffen«, erklärte Josuah Parker. »Mister McWarden wird wieder neidvoll einräumen müssen, daß Mylady schneller waren als er.« »Was mich nicht wundert«, entgegnete sie und griff nach dem Cognacglas, das Parker ihr auf einem silbernen Tablett reichte.
ENDE Nächste Woche erscheint BUTLER PARKER Band 389 Curd H. Wendt
PARKER duscht den »Kasino-Schreck« Ihr Zuhause: Luxushotels in aller Welt. Ihr Arbeitsplatz: Spiel kasinos, die sie ein paar Tage gründlich schröpfen, um dann ihre Tournee fortzusetzen. Das Abkassieren mit allen Tricks findet je doch ein jähes Ende, als ein Mitglied der Bande im südenglischen Seebad Bornemouth an die ebenso kostenbewußte wie spielfreu dige Agatha Simpson gerät. Zusammen mit Josuah Parker, ihrem Butler, eröffnet die passionierte Amateurdetektivin eine gnaden lose Jagd auf die Großbetrüger. Der berüchtigte »Kasino-Schreck« und sein Gefolge reagieren mit beispielloser Brutalität auf die störenden Auftritte des skurri len Paares, was die resolute Lady erst recht in Rage bringt. Sie läßt sich auch durch Killerkommandos nicht einschüchtern und gibt erst Ruhe, als sie die Bande hinter Schloß und Riegel ge bracht hat – mit Parkers diskreter Hilfe, versteht sich. Curd H. Wendt schrieb einen neuen BUTLER PARKER-Krimi. Sie sollten ihn nicht versäumen!
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