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PARKER „entsorgt“ die Müll- Piraten Ein Roman von Günter Dönges »Natürlich haben Sie sich wieder mal total verfahren, Mister Parker«, räsonierte Lady Agatha, »aber das wundert mich nicht mehr.« »Mylady haben Grund zu solch einer Annahme?« erkundigte sich der Butler in seiner bekannt höflichen Art. Steif, als habe er einen Ladestock verschluckt, saß er am Steuer seines Wagens. Es handelte sich dabei um ein schon recht betagt aussehendes ehemaliges Taxi, das nach seinen recht eigenwilligen Vorstellungen völlig umgestaltet worden war. Unter dem eckigen Aufbau befand sich jetzt die Spitzentechnik des Automobilbaus, vom Motor ganz zu schweigen, der einem Tourenwagen alle Ehre gemacht hätte. »Schauen Sie sich die riesigen Möwenschwärme an, Mister Parker«, fuhr Agatha Simpson genußvoll fort. »Sie kündigen die Nähe des Meeres an, wie Sie hoffentlich wissen.« »Oder auch nur die Nähe einer sogenannten Mülldeponie, Mylady«, entgegnete Josuah Parker. »Möwen durchstöbern Müllhalden liebend gern, um sich die mühevolle Suche nach Futter zu ersparen.« »Mag sein.« Sie zog ein grimmiges Gesicht. »Man wird sehen, Mister Parker, wer von uns beiden wieder mal recht hat.« Die Hauptpersonen: Les Corley beschäftigt sich mit einem mörderischen Skandal. Haie Badling »entsorgt« Müll auf seine Art. Chris Gleason finanziert Gangster und Profi-Killer. Peter Rescill hat eine Vorliebe für ein Konkurrenz-Unternehmen. Chester Cameron gilt als Kopf gewisser Piraten. Lady Agatha versorgt Container mit „Spezialabfall“. Butler Parker funktioniert eine Deponie in einen AutoSchrottplatz um.
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Lady Agatha rückte sich in der Wagenecke zurecht und bot das Bild einer momentan mißgestimmten Frau, die das sechzigste Lebensjahr mit Sicherheit überschritten hatte. Sie war groß, recht füllig und erinnerte, was ihre Erscheinung betraf, an die Walküre aus einer alten Wagner-Inszenierung. Sie trug ein sehr weites und offenbar bequemes Tweedkostüm und einen Hut, der eine Mischung aus verunglücktem Napfkuchen und zerfranstem Südwester darstellte. Mylady war immens vermögend, seit vielen Jahren verwitwet und hielt sich für eine einmalig begabte Kriminalistin. Sie hatte der Unterwelt den Kampf angesagt und konnte sich über mangelnde Möglichkeiten nicht beklagen. Lady Agatha zog automatisch die Fälle an und glich darin einem Magneten, der von Eisenfeilspänen spontan aufgesucht wurde. Butler Parker stand seit vielen Jahren in Diensten der älteren Dame und hielt stets seine schützende Hand über sie. Er mochte um die Sechzig sein, war aber eigentlich eine alterslose Erscheinung mit dem glatten und ausdruckslosen Gesicht eines passionierten Pokerspielers. Parker war Meister der Improvisation und ein begabter Erfinder. Er befaßte sich mit Dingen, die zur Abwehr von mörderischen Angriffen dienten. Damit stellte er selbst Profis immer wieder vor neue Probleme. Diese beiden als skurriles Paar bekannten Personen waren auf dem Weg zurück nach London. Lady Agatha hatte ein anregendes Wochenende bei einer Freundin im Süden der Hauptstadt verbracht und sehnte sich nun nach Abwechslung. Sie hatte auf dem flachen Land Golf gespielt und dabei etwa zwei Dutzend Bälle verschlagen, die nicht mehr auffindbar waren. Darüber hinaus hatte sie sich noch dem Bogenschießen gewidmet und mit traumhafter Sicherheit Ziele getroffen, an die sie überhaupt nicht gedacht hatte. Josuah Parker war als Naturfan in die nahen Wälder gegangen und hatte mit Interesse in einer Kleinstadt einer Protestversammlung beigewohnt, die sich gegen die Erweiterung einer bereits vorhandenen Mülldeponie richtete. Natürlich hatte er sich nicht verfahren. Er befand sich mit seinem Wagen, der eine reine »Trickkiste auf Rädern« war, auf einer gut ausgebauten Landstraße und mußte mehrfach schwere Müllfahrzeuge überholen, die der Deponie zu3
strebten. Der Verkehr auf dieser Straße war recht beachtlich. Parker, der sich die Straßenkarte vor der Abfahrt genau angesehen hatte, bog nach links ab, um über Seitenstraßen vielleicht schneller zur Hauptstraße zu gelangen. Dabei machte er etwa zehn Minuten später eine erstaunliche Entdeckung. Als er eine Hecke rechts der Straße passierte, zwängte sich plötzlich ein Mann durch die Sträucher und winkte verzweifelt. Er hatte den weichen Hut vom Kopf gerissen und benutzte ihn als eine Art Signalflagge. »Was ist denn, Mister Parker?« grollte die ältere Dame, die hochschreckte. »Man bittet offensichtlich um Mitnahme, Mylady«, erwiderte Josuah Parker. »Nach Lage der Dinge und der Gestik dieses sogenannten Anhalters scheint es sich um einen dringenden Fall zu handeln.« Während Parker seine Herrin informierte, bremste er sein hochbeiniges Gefährt und schickte sich an, dem Winkenden zumindest eine Mitfahrt anzubieten. »Das ist eine Falle, Mister Parker«, vermutete die passionierte Detektivin umgehend. »Man wird einer solchen zu begegnen wissen, Mylady«, entgegnete der Butler und nahm zur Kenntnis, daß der Winkende plötzlich jäh ins Gesträuch gerissen wurde. Dies geschah mit solcher Kraft und Heftigkeit, daß er den Boden unter den Füßen verlor. Eine Sekunde danach war von dem Anhalter schon nichts mehr zu sehen. Der Boden schien ihn verschluckt zu haben. * Parker hatte den Wagen verlassen und schritt gemessen und würdevoll zu jener Stelle, an der der Winkende gestanden hatte. Dabei hatte der Butler seinen altväterlich gebundenen UniversalRegenschirm mit dem Bambusgriff korrekt über den angewinkelten linken Unterarm gelegt. Er bot das Bild eines hochherrschaftlichen englischen Butlers, wie man ihn eigentlich nur noch in einschlägigen Filmen sieht. Auf dem Kopf saß seine schwarze Melone, dazu trug der Butler einen schwarzen Zweireiher und einen Eckkragen mit schwarzem Binder. 4
Mit dem Schirm teilte er mühelos das Gesträuch und entdeckte auf Anhieb den weichen Travellerhut. Als Parker ihn bergen wollte, wurde vor ihm ein weiterer Teil der Hecke zur Seite geschlagen. Das gerötete, vierschrötige Gesicht eines Mannes war zu sehen. »Zieh schleunigst Leine!« fuhr der Unbekannte ihn wütend an. »Und vergiß, was du vielleicht gesehen hast.« »Falls Sie Schwierigkeiten haben, Mister, und eine gewisse Hilfe benötigen, sollten Sie es meine Wenigkeit wissen lassen«, gab Josuah Parker in seiner bekannt höflichen Art zurück und lüftete die schwarze Melone. »Ich brauch’ keine Hilfe«, lautete die barsche Antwort. »Schwirr ab! Ich hab’ dein Kennzeichen, Mann. Wenn Ärger machst, stehe ich bei dir auf der Matte.« »Sie befleißigen sich einer bemerkenswert bunten Sprache«, stellte der Butler fest. »Darf man erfahren, was aus jener Person wurde, die um Mitnahme bat und die Besitzerin dieses ist?« »Dann eben anders, Mann.« Der Vierschrötige walzte durch das Gesträuch und wollte sich des Butlers annehmen. Er kam jedoch nicht weit, blieb plötzlich stehen und verfärbte sich nachhaltig. Die eben noch rote Gesichtsfarbe wich dem Grau der Asche. Gleichzeitig litt der Mann unter Atemnot. Er schnappte nach Luft, vermochte aber nicht, die Lungen mit Sauerstoff zu füllen. Dies hing mit der Schirmspitze zusammen, die der Butler ihm durch das Gesträuch auf den Solarplexus gedrückt hatte. »Mit Ihrer Erlaubnis«, schickte Parker voraus und schob sich nun seinerseits weiter vor. Er trat neben den Vierschrötigen, der dies wehr- und hilflos mit ansehen mußte, und erblickte den Anhalter auf dem Rasen, er schmale Mann kam gerade wieder zu sich und tastete vorsichtig nach Kinn und Nase. Er schien dort einige Schläge erhalten zu haben. »Falls sie auch weiterhin an einer Mitnahme interessiert sein sollten, könnten Sie jetzt zusteigen«, meinte der Butler und warf seinen enggerollten Regenschirm mit einer ruckartigen Bewegung des Unterarms steil in die Luft. Als der geeignete Augenblick gekommen war, griff Parker ans untere Ende des Regendaches und benutzte seinen Schirm als eine Art Schlaginstrument. Er setzte den Bambusgriff, der mit Blei ausgegossen war, auf die Stirn des Vierschrötigen, der daraufhin kommentarlos zu Boden ging. »Schnell weg«, stöhnte der schmale Mann und erhob sich mühsam. »Er ist nicht allein. Hinter mir ist eine ganze Meute.« 5
»Einzelheiten dazu vielleicht im Wagen«, meinte Parker. Er deutete mit dem Schirm in Richtung Straße und kümmerte sich dann kurz um den am Boden liegenden Vierschrötigen. Mit der geschmeidigen Art und Fingerfertigkeit eines Taschendiebes suchte und fand Butler Parker ein blaugraues Plastikkärtchen, auf dem ein Lichtbild des Liegenden zu sehen war. Parker ließ diesen Ausweis, um den es sich wohl handelte, in seiner rechten Anzugtasche verschwinden und folgte dann dem Anhalter, der sich bereits bis zur Straße durchgekämpft hatte, aber noch sehr unsicher auf den Beinen war. »Sie haben die Ehre, Lady Simpsons Schutz genießen zu dürfen«, erklärte der Butler ihm. »Kann man davon ausgehen, daß Sie einen Namen haben?« »Ich…ich bin Les Corley«, antwortete der Anhalter, während er in den Fond des hochbeinigen Monstrums stieg, wie Parkers Wagen von Freund und Feind genannt wurde. Lady Agatha hatte in weiser Voraussicht dessen, was ihrer Erfahrung nach kommen würde, den Fond geräumt und sich auf dem Beifahrersitz niedergelassen. Les Corley stieg mühsam in den Wagen und ließ sich erschöpft nieder. Als Parker anfuhr, entdeckte er weit vor sich in einer Biegung der Straße einen Jeep, der sich dort auf die Lauer gelegt zu haben schien. Der Butler reagierte umgehend und flexibel, wie es seinem Wesen entsprach. * »Vollgas und rammen«, schlug Agatha Simpson vor, wobei ihre Augen glitzerten. »Es ist doch klar, daß man mich an der Weiterfahrt hindern will, Mister Parker.« »Davon kann und muß man in der Tat ausgehen, Mylady«, gab Josuah Parker zurück. »Man könnte die beiden Insassen des Jeeps allerdings auch dazu bringen, freiwillig die Straße räumen.« »Keine unnötigen Rücksichten, Mister Parker«, entschied die ältere Dame, die grundsätzlich keiner Konfrontation aus dem Weg ging. »Wie Mylady zu wünschen geruhen.« Parker war bereits dabei, den Wagen zu wenden. Er brauchte nur wenige Augenblicke, um 6
dies zu bewerkstelligen, und beobachtete immer wieder den Jeep, der seine Lauerstellung aufgegeben hatte und nun näher kam. Der Fahrer, der um den Anschluß fürchtete, gab sogar derart Gas, die Hinterräder durchtourten und für eine gewisse Rauchentwicklung sorgten. »Die…die erwischen uns«, stöhnte der Fahrgast. »Wir haben keine Chance…« »Reißen Sie sich gefälligst zusammen, junger Mann!« raunzte die ältere Dame den etwa Dreißigjährigen an. »Sie stehen unter meinem Schutz.« »Gegen die haben Sie keine Chance«, wiederholte der Mitfahrer. »Die sind mit allen Wassern gewaschen.« »Sie sprechen jetzt von wem, Mister Corley?« erkundigte sich Josuah Parker gemessen und höflich wie stets. Das schnelle Näherkommen des Jeeps schien ihn eindeutig nicht zu beruhigen. »Das sind Hale Badlings Schläger«, kam prompt die Antwort. »Können Sie nicht schneller fahren, Sir?« »Man soll die Mechanik eines Wagens nicht unnötig strapazieren«, antwortete der Butler und wartete den richtigen Zeitpunkt ab, um die Schläger des ihm vorerst noch unbekannten Hale Badling außer Gefecht zu setzen. Der Jeep war herangekommen, die Distanz betrug höchstens noch dreißig Meter. Der Fahrer des Geländewagens bremste bereits den Schwung seines Wagens, um Parkers Gefährt nicht zu rammen. Der Beifahrer hatte sich hochgestellt und hielt sich an der oberen Kante der Windschutzscheibe fest. Er hielt, wie Parker längst sah, eine Automatic in der rechten Hand. Der Butler sorgte dafür, daß den Verfolgern ein wenig die Sicht genommen wurde. Er »entsicherte« etliche Kipphebel auf dem damit reichhaltig bestückten Armaturenbrett durch einen Tritt der linken Schuhspitze gegen einen versteckt angebrachten Schalter am Wagenboden und aktivierte dann die beiden Düsen, die unter dem Heck angebracht waren. Aus ihnen schoß mit hohem Druck eine kompakte Rußwolke, die ölig war und sich wie ein zäher Film auf den Jeep legte. Die Insassen des Wagens, völlig ungeschützt im offenen Fahrzeug, befanden sich plötzlich in ägyptischer Finsternis und sahen nichts mehr. Der Fahrer verriß ungewollt das Lenkrad und steuerte den Jeep in 7
die Hecke. Der Beifahrer absolvierte eine Art Salto, flog aus dem Wagen und landete irgendwo im Gesträuch. Der Fahrer selbst verließ weniger spektakulär seinen Sitz, rutschte seitlich herab, rollte dann über Bord und landete in einem Knäuel von Brombeerranken. »Ich werde den beiden Lümmeln einen zusätzlichen Denkzettel verabreichen, Mister Parker«, kündigte Lady Agatha munter an. »Sie werden es nicht noch mal wagen, mich zu belästigen.« »Die betreffenden Personen dürften Myladys Weg mit letzter Sicherheit erneut kreuzen«, antwortete Josuah Parker. »Vorerst stellen die Herren, wie Mylady sicher längst zu denken geruhen, nur eine unnötige Belastung dar, die dazu noch kostenintensiv ist.« »Das ist allerdings richtig, Mister Parker.« Die sparsame Lady nickte beifällig. »Ich muß schließlich mit dem Penny haushalten. Fahren Sie weiter, und hoffen wir auf neue Zwischenfälle. Ich hasse Langeweile.« * »Kann man davon ausgehen, daß Sie sich journalistisch betätigen?« forschte Parker nach. Er nahm andeutungsweise und damit höflich den Kopf herum und bedachte seinen Fahrgast mit einem schnellen Blick. »Ich bin eigentlich mehr Schriftsteller«, antwortete der Mann, der sich als Les Corley vorgestellt hatte. »Im Grunde arbeite ich aber in der Versicherungsbranche. Als freier Agent, verstehen Sie?« »Kein Wort, junger Mann«, ließ Lady Agatha sich prompt vernehmen. »Drücken Sie sich gefälligst deutlich aus. Was treiben Sie nun tatsächlich?« »Ich verkaufe Versicherungen aller Art. Ich habe eine eigene Agentur«, lautete die Antwort. »Darüber hinaus schreibe ich in meiner Freizeit… Gedichte, Romane und so…« »Könnte man in einer beliebigen Buchhandlung eine Arbeit von Ihnen käuflich erwerben?« wollte Josuah Parker wissen. »Nein, leider nein«, meinte der Versicherungsagent. »Ich biete meine Arbeiten zwar immer wieder an, aber die Themen sind wohl zu brisant.« »Sie werden Mylady sicher umgehend verraten, um welche The8
men es sich handelt«, vermutete Parker. »Umweltthemen«, kam die Antwort. »Neben meinem eigentlichen Beruf gebe ich auch noch die > Umwelt-Blätter < heraus.« »Kann ich denn wenigstens die irgendwo kaufen, falls ich das überhaupt vorhabe?« fragte die ältere Dame ungeduldig. »Unsere Auflage ist sehr gering«, antwortete der Fahrgast. »Es fehlt an Geld. Der Druck eines kleinen Magazins ist teuer… Von den Papierkosten ganz zu schweigen.« »Mylady folgert aus dem Gehörten, daß Sie sich vor vielleicht einer halben Stunde eine Deponie angesehen haben, Mister Corley«, tippte der Butler an. »Das reinste Giftloch«, empörte sich Corley. »Sie ahnen ja nicht, was man da alles hineinkippt.« »Könnten Sie möglicherweise mit Hinweisen dienen, Mister Corley?« Während Parker sprach, blickte er erneut in den Rückspiegel. Von Verfolgern war vorerst nichts zu sehen, doch Parker rechnete mit weiteren Störversuchen. Sein Gefühl sagte ihm, daß es zu unangenehmen Zwischenfällen kommen würde. »In der Mehrzahl handelt es sich um giftige Industrieschlämme, die durchweg einen hohen Schwermetallanteil haben«, beantwortete Corley die Frage des Butlers. »Dann geht es um Ölreste, Schlacken und Filter stäube.« »Was sage ich dazu, Mister Parker?« wandte sich Lady Simpson an ihren Butler. »Die aufgezählten Stoffe sind ohne Ausnahme geeignet, das Grundwasser zu schädigen und damit Leben zu gefährden, Mylady.« »Richtig«, bestätigte sie fachmännisch. »Genau das wollte ich gerade sagen, Mister Parker. Fragen Sie aber ruhig weiter, ich werde schon eingreifen, falls Sie etwas übersehen sollten.« »Mylady sind zu gütigst«, meinte der Butler, wobei sein glattes Gesicht keinen Ausdruck zeigte. Er wandte sich wieder an Corley. »Sie statteten der erwähnten Deponie einen Besuch ab, um sich über weitere Gift-Beschickungen zu informieren?« »Ich bin dabei, Beweise zu sammeln«, entgegnete der Fahrgast, der sich endlich ein wenig sicherer zu fühlen schien. »Hale Badling ist der Drahtzieher, der den Giftmüll überall um London herum abkippen läßt.« »Ein Mann, der mit Sicherheit einen festen Wohnsitz und damit auch eine Adresse haben dürfte.« 9
Corley nickte und nannte sie. Und er verbreitete sich über den bereits mehrfach erwähnten Hale Badling, der eine Entsorgungsfirma betrieb und damit bereits ein Vermögen gemacht hätte. »Sie sprechen jetzt von jener Person, die Sie ruckartig wieder in die Hecke zerrte, Mister Corley?« vergewisserte sich der Butler und zog gleichzeitig das Plastikkärtchen hervor, das er dem Vierschrötigen abgenommen hatte. »Das war Badling«, bestätigte der Mitfahrer. »Der ist immer dabei, wenn’ eine besonders gefährliche Fracht ausgekippt werden soll. Soviel habe ich bereits herausgefunden.« »Sie sahen mit eigenen Augen, wie Gefahrengut deponiert wurde, Mister Corley?« wollte Josuah Parker wissen. »Nun ja, so weit kam’s nicht«, schränkte Corley ein. »Man hatte mich vorzeitig entdeckt und verfolgte mich. Den Rest kennen Sie ja inzwischen.« »Was wäre Ihnen geschehen, wenn man Sie gefangen hätte, Mister Corley?« »Ich will ja nichts behaupten«, schickte der Mitfahrer voraus, »aber ich kann mir vorstellen, daß die mich in die Deponie gekippt hätten.« »Mord, mein Lieber?« Lady Agathas Stimme klang wieder mal hoffnungsvoll. »Mord ist durchaus drin, Lady«, bestätigte der junge Mann. »Wie interessant«, freute sich die ältere Dame und wandte sich an ihren Butler. »Mister Parker, ab sofort ist dies mein Fall. Ich werde diesen Umwelt-Gangstern das Handwerk legen.« * Man befand sich bereits in den Außenbezirken von London, als Parker bemerkte, daß man ihm folgte. Es handelte sich um einen kleinen Ford, der im Straßenverkehr so gut wie gar nicht auffiel. In dem Wagen saßen zwei Männer, die dunkle Overalls trugen. Laut Wagenaufschrift befaßte man sich mit Antennen jeder Art und garantierte für blitzschnelle und fachgerechte Montage. »Dieser Wagen fiel mir sofort auf, Mister Parker«, sagte Agatha Simpson, nachdem der Butler sie aufmerksam gemacht hatte. »Und warum war das so? Ich bin gespannt, ob Sie mir darauf eine Antwort geben können.« 10
»Der kleine Ford löste sich ein wenig zu prompt aus der Parktasche am Straßenrand«, entgegnete der Butler. »Außerdem machte der Beifahrer den Mann am Steuer zu nachdrücklich auf Mylady aufmerksam.« »Aha«, meinte die Detektivin und korrigierte sich umgehend, nachdem sie sich explosionsartig geräuspert hatte, »richtig, Mister Parker. So etwas kann und darf man nicht übersehen. Man hat eindeutig auf mich gewartet.« »Mister Hale Badling dürfte Mitarbeiter hier in London alarmiert haben«, fuhr Josuah Parker fort. »Er hat natürlich auch das Wagenkennzeichen durchgegeben.« »Was sonst, Mister Parker?!« Die ältere Dame blickte ihren Butler triumphierend an. »Man muß die Tatsachen eben nur addieren. Ich werde auf diese neuen Verfolger natürlich reagieren.« »Mylady haben spezielle Wünsche?« erkundigte sich der Butler. »Sie können frei entscheiden, Mister Parker«, meinte sie großzügig, »aber in meinem Sinn natürlich. Haben Sie Mut zum Risiko!« »Mylady wünschen sicher in Erfahrung zu bringen, um welche Verfolger es sich handelt.« »Selbstverständlich.« Sie lehnte sich zurück und nahm etwas den Kopf zu Les Corley herum, der nach wie vor allein im Fond des hochbeinigen Wagens saß. »Wissen Sie, wer die Subjekte da drüben im Ford sein könnten, junger Mann?« »Nein, ich habe keine Ahnung, Lady«, erwiderte Corley. »Ich weiß nur, daß Badling sich oft in einem Nachtclub aufhält.« »Der wie heißt, Mister Corley?« ließ der Butler sich vernehmen. »Das ist der >Dampfkessel<, Sir«, antwortete Corley. »Im Club selbst war ich noch nie, ich habe mich einfach nicht getraut. Ich glaube, dort verkehren Leute, die, nun ja, die nicht so ganz astrein sind.« »Was darf man darunter verstehen, Mister Corley?« wollte der Butler wissen. Er tat gekonnt ahnungslos. »Ich glaube, in dem Nachtclub verkehren nur schwere Jungs und sehr leichte Damen«, erklärte Corley und wirkte ein wenig verlegen. »Ich kann mich natürlich auch täuschen«, fügte er hinzu. »Man kann sicher unterstellen, Mister Corley, daß Ihnen der Betreiber des Clubs namentlich bekannt ist«, sagte Parker. »Butch Glatter«, erfolgte prompt die Antwort. »Aber der Name sagt mir natürlich nichts.« »Das macht überhaupt nichts, junger Mann«, erklärte Lady Simp11
son. »Ich werde diesen Mister Gaffer schon sehr bald interviewen. Aber vorher werde ich die beiden Individuen im Wagen vernehmen. Ich hoffe doch sehr, Mister Parker, daß Ihnen inzwischen eingefallen ist, wie man sie stellen kann.« * Josuah Parker setzte auf seine bewährte Taktik. Er kannte den Eifer gewisser Verfolger, die eigentlich immer in Sorge waren, abgehängt zu werden. Darauf hob der Butler auch jetzt wieder ab und steigerte erst mal die Geschwindigkeit seines hochbeinigen Monstrums, um die Aufmerksamkeit des folgenden Fahrers zu beschäftigen. Parkers Wagen machte förmlich einen Satz nach vorn und schuf innerhalb weniger Sekunden einen erstaunlichen Abstand zum Ford. Der Fahrer dieses Wagens gab selbstverständlich ebenfalls Vollgas und folgte dem Butler von der Ausfallstraße in einen Seitenweg. Dabei schleuderte der Ford und konnte nur mühsam davor bewahrt werden, dem Straßengraben einen Besuch abzustatten. Der Fahrer erwies sich als geschickt, den ausbrechenden Wagen gerade noch ab und setzte alles auf die lange, gerade Strecke, die auch von seinem Fahrzeug aus zu sehen war. Er holte auf und merkte nicht, daß er damit auf Parkers Spiel einging, der sein Monstrum langsamer werden ließ. Als genau jener Abstand erreicht war, den Parker benötigte, schickte der Butler einige sogenannte Krähenfüße auf die Straße, Stahlstifte nämlich, die kreuzweise miteinander verschweißt waren. »Sehr schön«, sagte Agatha Simpson, die sich im Sitz ein wenig umgewandt hatte. »Ich sehe es immer wieder gern, Mister Parker… Wie genau doch die Wagen vom Kurs abkommen…« Myladys Beschreibung idealisierte die Realität. Der kleine Ford war luftleer, was die beiden Vorderreifen betraf. Die Krähenfüße hatten sich mit Wonne in die Pneus gebohrt und die Luft schlagartig entweichen lassen. Der nicht mehr steuerbare Wagen war vom Kurs abgekommen und jagte inzwischen schräg eine Böschung hoch, kippte dann seitlich weg, überschlug sich und landete schließlich wieder auf allen vier Rädern. 12
»Eine ausgesprochen zirkusreife Nummer, Mylady, wenn man so sagen darf«, stellte der Butler fest. »Wer… wer sind Sie wirklich?« ließ Les Corley sich vom Fond aus vernehmen. In seiner Stimme befanden sich Irritation, Respekt und auch ein wenig Angst. »Man nannte Ihnen bereits die Namen«, erinnerte Josuah Parker. »Lady Simpson befaßt sich, um es zu wiederholen, mit der Aufklärung suspekter Kriminalfälle.« »Sie sind doch niemals Laien«, stieß Corley hervor. »Dazu vielleicht später mehr«, schlug der Butler vor. Er hatte seine Trickkiste auf Rädern bereits zurückgestoßen, stieg aus und schritt gemessen und würdevoll auf den Ford zu, der einen ramponierten Eindruck machte. Die beiden Verfolger hingen benommen in ihren Gurten und hatten nach Lage der Dinge keine Schäden davongetragen. Parker nutzte ihre Indisposition, um sie nach Waffen zu durchsuchen. Er fand auf Anhieb je einen Revolver und je eine Stahlrute. Bevor die Männer ernsthaft Widerstand leisten konnten, bemühte der Butler zwei Einwegfesseln aus Plastik, um ihre Handgelenke zu binden. Dann bat er die beiden Ford-Benutzer, den Wagen zu verlassen. Sie kamen schnell seinem Wunsch nach, als er von einer möglichen Explosion sprach. Eben noch benommen, mühten sie sich sofort, gehörigen Abstand zwischen sich und den Wagen zu legen. »Sie werden mit dem Kofferraum vorliebnehmen müssen«, entschuldigte sich der Butler anschließend. Er hatte seinen Wagen entsprechend geöffnet und deutete mit der Schirmspitze in das betreffende Innere, das eigentlich aus zwei überdimensional großen Schubladen bestand. Die Verfolger a.D. zierten sich zwar ein wenig, doch als Lady Agatha erschien und sich eine der Beutewaffen von ihrem Butler erbat, verzichteten sie auf jede Diskussion und stiegen in ihre Behälter. »Sollte man den Ford nicht anzünden, Mister Parker?« schlug Lady Agatha vor, während Parker den Kofferraum schloß. »Man würde vielleicht unnötig die zuständige Behörde interessieren, Mylady«, gab der Butler zu bedenken. »Man sollte im Gegenteil sogar die Kennzeichen entfernen, um Spuren zu verwischen.« »Genau das wollte ich gerade sagen«, behauptete die ältere Dame. »Erfreulich, daß Sie mitdenken, Mister Parker.« 13
»Mylady haben sicher die Absicht, Mister Buten Glatter einen Besuch abzustatten«, tippte Parker an. »Umgehend«, versicherte sie ihm. »Und wer ist das?« »Mister Butch Glatter könnte der Arbeitgeber jener Herren sein, Mylady, die sich im Kofferraum befinden«, erinnerte Josuah Parker. »Eine letzte Sicherheit dürfte die Unterhaltung bringen, die man an anderer Stelle durchführen sollte.« »Unwichtige Details überlasse ich Ihnen, Mister Parker«, gab Agatha Simpson gelangweilt zurück. »Ich kann mich schließlich nicht um alles kümmern. In diesem Zusammenhang verweise ich auf den jungen Lümmel im Fond des Wagens, Mister Parker.« »Mylady sind Bedenken gekommen?« »Er könnte Teil einer raffinierten Falle sein, die man mir stellen will, Mister Parker«, warnte die ältere Dame. »Man sollte auf alles gefaßt sein.« »Wie Mylady zu wünschen geruhen.« Parker deutete eine Verbeugung an. * Mittag war gerade vorüber, als Parker sein hochbeiniges Monstrum in einer schmalen Seitenstraße in Stepney abstellte. Er hatte vorher den Block umrundet und sich mit der näheren Örtlichkeit vertraut gemacht. Von dieser Seitenstraße aus erreichte man den Bühneneingang des Clubs, der im Souterrain eines Wohnblocks untergebracht war. Parker schritt voraus, Lady Agatha folgte ihm und bewegte ihre Fülle mit der Grazie einer rüsselbewehrten Dickhäuterin. An ihrem linken Handgelenk schwang ein perlenbestickter Pompadour, dem man keineswegs ansah, daß es sich dabei um eine Art Morgenstern handelte. In dem kleinen, neckisch-harmlos aussehenden Handbeutel befand sich nämlich das Hufeisen eines stämmigen Brauereigauls, das nur darauf wartete, gezielt eingesetzt zu werden. Lady Agatha war darin eine wahre Meisterin, wie sich immer wieder zeigte. Les Corley, im Wagen zurückgelassen, hatte keine Möglichkeit, sich heimlich zu empfehlen, Parker hatte die vier Türen zentral verriegelt und konnte sich, was die Scheiben betraf, auf ihre Schußfestigkeit verlassen. 14
»Sie sind sich Ihrer Sache sicher, Mister Parker? Sie haben wirklich mit diesem Subjekt gesprochen?« vergewisserte sich die ältere Dame. »Mister Butch Glatter war am Apparat, Mylady«, gab der Butler zurück. »Er erwartet einen Vertreter der Steuerbehörde in etwa einer halben Stunde.« »Nun, hoffentlich waren Sie auch überzeugend«, sorgte sich die energische Dame, »man wird ja sehen.« Während des munteren Dialogs erreichten sie die Tür zur Bühne, die um diese Zeit natürlich verschlossen war. Parker verzichtete darauf, die Klingel zu benutzen, sondern bemühte sein kleines Patentbesteck, das aus einigen flachen Metallzungen, Korkenziehern und Miniaturdietrichen bestand. Er setzte sich etwa anderthalb Minuten mit dem Yale-Schloß intensiv auseinander, dann war er bereits in der Lage, die Tür vorsichtig zu öffnen. Der Butler betrat einen Korridor, in dem auch eine – jetzt aber unbesetzte – Pförtnerloge untergebracht war. Er schritt im Halbdunkeln weiter und hörte hinter sich das vertraute intensive Schnaufen seiner Herrin. Parker durchmaß mit ihr einen etwa zehn Meter langen Gang und blieb dann in einem fast quadratischen Lichthof stehen, von dem einige Türen abzweigten. Nach wenigen Augenblicken wußte er, welchen weiteren Weg er zu nehmen hatte. Er folgte halblauten Stimmen, die von Radiomusik überlagert wurden, und betrat nach dem Aufziehen einer Tür ein Vorzimmer, durch das er in einen Nebenraum blicken konnte. Dort residierte ein untersetzter, stämmiger Mann mit einem ansehnlichen Stiernacken. Er beugte sich über seinen Schreibtisch und sortierte hastig Schriftstücke aller Art. Ihm assistierte ein schmaler Mann, der vielleicht gerade fünfundzwanzig Jahre zählte. Der Stiernackige hingegen mochte um die Vierzig sein. Als dieser Marin plötzlich hochschaute und den Butler auf Anhieb wahrnahm, verschoß Parker einen buntgefiederten Blasrohrpfeil. * Der Pfeil erinnerte an eine ganz normale Stricknadel, die oben am Schaft allerdings mit einigen bunten Federn versehen war. Sie 15
dienten zur Stabilisierung des Flugs und leisteten auch jetzt wieder gute Hilfe. Der kleine Blasrohrpfeil war inzwischen im rechten Oberarm des Stiernackigen gelandet und vibrierte leicht. Der Getroffene dachte sicher sofort an den Amazonas, an dort lebende Indianer und mit Sicherheit auch an Pfeilgifte. Er stierte aus weit geöffneten Augen auf das seltsame Geschoß in seinem Oberarm und wollte etwas sagen, brachte aber keinen Ton hervor. Der Schreck lähmte seine Stimmbänder. Der junge Mann hatte bisher noch nichts bemerkt, wandte sich an den Stiernackigen und…fuhr jäh zurück, als er den Pfeil sah. Er streckte abwehrend die Hände aus und vergaß darüber erst mal, nach einer sicher vorhandenen Schußwaffe zu greifen. Als er es endlich tun wollte, stand Josuah Parker bereits in günstiger Nähe und setzte den bleigefüllten Bambusgriff ein. Der Assistent des Stiernackigen ging daraufhin kommentarlos zu Boden und merkte nicht, daß Parker ihn entwaffnete. Wie vermutet, fand der Butler eine Faustfeuerwaffe in Gestalt einer Automatic. »Mister Butch Glatter, wie zu vermuten ist?« Parker wandte sich an den untersetzten Mann, der noch immer auf seinen Oberarm starrte. »Haben Sie…? Ist der Pfeil…?« Der Mann sprach sehr heiser und leise. »Natürlich ist der Pfeil vergiftet, mein Bester«, schaltete Lady Agatha sich ein. »Sie müßten das Gift bereits spüren.« »Gütiger Himmel…« Der Stiernackige sackte noch zusätzlich in sich zusammen und produzierte einige gurgelähnliche Geräusche. Seine Zunge schien ihm den Dienst gekündigt zu haben. »Vielleicht habe ich ein Gegenmittel parat, junger Mann«, fuhr Lady Simpson fort. »Aber bevor Mister Parker es Ihnen verabreicht, möchte ich einige Hinweise bekommen.« »Sie wurden von Mister Badling benachrichtigt und schickten daraufhin zwei Männer in einem kleinen Ford in den Außenbereich der Stadt?« lautete die Frage des Butlers. »Badling…« Der Stämmige nickte zustimmend. »Und worum bat er Sie genau, Mister Glatter?« fragte der Butler weiter. »Abfangen…«, äußerte der Stiernackige, »und dann zu ihm in den Bauhof bringen.« »Der wo liegt, um auch dieses Detail zu klären, Mister Glatter?« 16
»Hier in Stepney«, entgegnete der Mann, auf dessen Stirn sich dicke Schweißtropfen gebildet hatten. Anschließend nannte er noch zusätzlich die genaue Adresse. »Das… das Gegengift«, bat Glatter dann hastig, »schnell, ich spür’ wirklich schon das Gift.« Was keineswegs sein konnte, denn selbstverständlich war der kleine Blasrohrpfeil nicht vergiftet. Die Spitze war nur ein wenig präpariert worden und sorgte für einen unwiderstehlichen Juckreiz an der Stelle des Eindringens. Parker entfernte den Pfeil und gab dem Stiernackigen damit den Weg frei, sich ausgiebig zu jucken. Anschließend verabreichte Parker dem Geschockten eine weiße Tablette, die ungemein bitter schmeckte. Es handelte sich um eine gepreßte Kräutermischung zur Behandlung von überschüssiger Magensäure. Der Stiernackige zerkaute dieses vermeintliche Gegengift und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Josuah Parker hatte den kleinen Pfeil in einem kaum erkennbaren Futteral neben einem der Schirmstäbe untergebracht und das Blasrohr neu geladen. Der Schirmstock, um den es sich handelte, war entsprechend aufgebohrt. Die Pfeile wurden von komprimierter Kohlensäure angetrieben, die sich in entsprechenden Druckpatronen befand. Parker hatte die so gut wie geräuschlose und unheimlich anmutende Waffe in seinem Labor entwickelt und verfügte über eine erstaunliche Treffsicherheit. Verblüffend war immer wieder die Panik, die er mit den kleinen Pfeilen auslöste. Die Kriminellen, besonders ausgesprochene Gangster einer Großstadt, wußten mit solchen Geschossen einfach nichts anzufangen. Sie dachten, wie sich immer wieder zeigte, sofort an Pfeilgift und reagierten entsprechend. Schneid- und Schußwaren aller Art waren ihnen vertraut, doch buntgefiederte Pfeile lösten offensichtlich Urängste aus. »Mylady wünscht zu erfahren, Mister Glatter, wer der Geldgeber Mister Badlings ist«, bedachte Parker den Stiernackigen mit einer Frage. Der Butler klopfte damit in übertragenem Sinn des Wortes auf den Busch. »Badling wird von Chris Gleason finanziert«, erfolgte die Antwort, »sagt man wenigstens so…« Glatter hielt sich den getroffenen Arm. »Eine Antwort, die sicher kaum befriedigt, Mister Glatter«, schick17
te der Butler voraus. »Sie sollten Mylady sagen, wer der erwähnte Mister Chris Gleason ist.« »Der hat ‘ne Baufirma«, erwiderte er. »Gleason baut Straßen, liefert Schotter, repariert Gleisanlagen und so…« »Kann man davon ausgehen, daß er über eine respektabel große Firma verfügt?« »Die war vielleicht mal groß, aber jetzt…? Ich weiß nicht, ob der überhaupt noch Aufträge hat.« »Freundlicherweise bitte noch die Adresse Mister Gleasons«, sagte der Butler. »Und an dieser Stelle sollten Sie jetzt wissen, daß die Zusammenarbeit mit Ihnen erfreulich und ersprießlich ist. Zum Dank lädt Mylady Sie zu einer kleinen Ausfahrt ein, und zwar mit dem Ziel, Ihnen unbekannte Schönheiten der Stadt zu zeigen. Diese Einladung erstreckt sich selbstverständlich auch auf Ihren Mitarbeiter.« Man nahm die Einladung gerne an. * Die Herren kannten sich. Die beiden Ford-Benutzer hatten den Kofferraum verlassen und blickten mehr als überrascht auf Butch Glatter und dessen Assistenten, die von Mylady aus dem Fond des hochbeinigen Monstrums ins Freie gewinkt wurden. Sie waren an den Händen gefesselt und machten einen deprimierten Eindruck. Sie hatten sich schließlich längst eingestanden, daß sie von diesen beiden nicht mehr jungen Personen nach allen Regeln der Kunst ausgetrickst worden waren. »Sie sollten sich tunlichst wechselseitig keine Vorwürfe machen«, schlug der Butler den vier Männern vor. »Sie konnten schließlich nicht wissen, daß Mister Hale Badlings Bitte um Hilfestellung sich derart negativ auswirken würde.« »Wer Sie genau sind, weiß ich nicht«, äußerte Butch Glatter, »aber ich weiß dafür, daß Sie noch verdammt viele Unannehmlichkeiten bekommen.« »Das ist hoffentlich eine Drohung, junger Mann«, gab Lady Agatha voller Erwartung zurück. »Nein, eigentlich nicht«, schränkte der Betreiber des Privatclubs sofort ein, da Mylady eine prüfenden Blick auf ihre nicht gerade 18
kleine Handfläche warf. Butch Glatter blickte sich um. Er wollte sicher herausfinden, wo man sich befand, doch die offensichtliche Tiefgarage ließ keine Schlüsse zu. Glatters Blick blieb schließlich an einem geschlossenen Kleintransporter haften, neben dem Parkers hochbeiniges Monstrum abgestellt worden war. Um diesen Transporter herum kam ein großer, schlanker Mann, der sich unkenntlich gemacht und getarnt hatte. Er trug einen knöchellangen Staubmantel, eine Commander-Mütze und einen rauschenden Vollbart. Der Mann war nicht allein, wie sich zeigte. In seiner Begleitung befanden sich zwei ebenfalls getarnte Personen, die auch lange Staubmäntel und falsche Vollbarte trugen. Sie veranlaßten die vier eingefangenen Kriminellen, möglichst geordnet in den Kastenaufbau des kleinen Transporters zu steigen. Als sie im Wagen waren und die hintere Tür verschlossen wurde, entfernte der große, schlanke Mann seinen Vollbart, nahm außerdem die Sonnenbrille ab und präsentierte sich als Horace Pickett, der von Parker hierhergebeten worden war, um die vier Männer zu beaufsichtigen. Horace Pickett, der sich straff militärisch hielt und einen kleinen, sorgfältig gestutzten Schnauzbart trug, war Parkers enger Mitarbeiter und Mylady zutiefst verbunden. Vor Jahren hatte Horace Pickett als Taschendieb gearbeitet und war ein Meister seines Fachs gewesen. Selbstverständlich hatte er sich nur an Klienten gehalten, die seiner Einschätzung nach den Verlust einer gefüllten Brieftasche verschmerzen konnten. Bis er dann mal an die Brieftasche eines hohen Mafioso geriet, der seine Mitarbeiter auf ihn gehetzt hatte. Dank Parkers Eingreifen lebte Pickett noch, war von einem Saulus zu einem Paulus geworden und stand nun auf der Seite des Gesetzes. Er nutzte aber immer noch seine vorhandenen Verbindungen zur Szene, um für Parker und Mylady verdächtige Personen zu observieren. Auch darin war er ein Könner, der dazu noch über viele Helfer verfügte, falls die Lage es erforderte. Pickett war von Parker noch vom Nachtclub aus informiert worden und sollte die vier Männer nach Heathrow bringen. In der Nähe des großen Flughafens wohnte nämlich der ehemalige Eigentumsübertrager und war in der Lage, bestimmten Personen Kost und Logis anzubieten. Diese Personen wurden ihm stets von Parker 19
empfohlen und sicher untergebracht. »Kann Mylady davon ausgehen, Mister Pickett, daß Ihnen ein Mister Chris Gleason bekannt ist?« tippte der Butler an. »Unbekannt, Mister Parker«, bedauerte Pickett, »aber ich werde mich um diesen Mann kümmern. In welcher Branche ist er tätig?« »Er befaßt sich eindeutig mit Müll«, antwortete der Butler. »In diesem Zusammenhang dürfte er Dinge treiben, die nach Myladys Einschätzung offensichtlich das Licht des Tages zu scheuen haben.« »Eine tolle Wachstumsbranche, Mister Parker«, antwortete der ehemalige Eigentumsumverteiler. »Damit kann man sich eine goldene Nase verdienen. Müll hat Zukunft.« »Dem möchte meine Wenigkeit auf keinen Fall widersprechen«, lautete die Antwort des Butlers. * Les Corley, durch den die Affäre ins Rollen gekommen war, machte einen verschlafenen Eindruck. Parker hatte den jungen Herausgeber der »Umwelt-Blätter« im Fond des hochbeinigen Monstrums zurückgelassen und ihn ruhiggestellt. Dazu hatte eine kleine Dosis Spray gereicht, die aus einem Zerstäuber stammte, der kaum größer war als die Hülse eines Lippenstifts. Ein Gemisch aus Lachgas und zusätzlichen Ingredienzien ließ die Empfänger solcher Sprays entspannt und sehr ausgeglichen werden. Les Corley hatte die zusätzlichen Mitfahrer neben sich im Fond des hochbeinigen Monstrums kaum zur Kenntnis genommen. »Ich habe jetzt was vor, Mister Parker?« fragte die ältere Dame, die sich gerade zu Corley setzte, um mehr Platz zu haben. »Mylady werden sich Mister Chris Gleason aus nächster Nähe ansehen wollen«, vermutete der Butler. »Er gilt laut Aussage Mister Glatters als der Drahtzieher und Geldgeber des Mr. Badling.« »Keine unnötigen Details, Mister Parker«, verbat sich Agatha Simpson umgehend. »Das Subjekt, das Sie gerade erwähnten, spielt welche Rolle? Ich brauche nur ein Stichwort.« »Mister Chris Gleason, Mylady, betreibt eine Baufirma und hat sich auf Gleise, Straßen und Schotter spezialisiert.« »Aha.« Die Detektivin räusperte sich und nickte gedankenschwer. 20
»Das sagt mir was, Mister Parker?« »Die Firma Mister Gleasons unterhält sicher Transportfahrzeuge aller Art, Mylady, die man sich ansehen sollte.« »Genau das wollte ich sagen«, behauptete Lady Simpson und drückte Les Corley zurück, der in einer sanften Kurve gegen sie zu fallen drohte. Sie knuffte ihn nachdrücklich und nagelte ihn förmlich in seiner Wagenecke fest. »Was werde ich mit den Lümmeln machen, die der gute Pickett übernommen hat?« lautete ihre Frage. »Das momentane Verschwinden der Herren dürfte gewisse Aktivitäten Mister Badlings auslösen«, vermutete der Butler. »Man wird Mylady früher oder später nach diesen vier Personen befragen wollen.« »Und dann werde ich zuschlagen, Mister Parker«, kündigte die ältere Dame geradezu lustvoll an. »Ich denke, daß meine bisherige Taktik recht effektiv war, finden Sie nicht auch?« »Mylady setzten wieder mal unumstößliche Zeichen«, entgegnete der Butler mit gewohnter Höflichkeit. »Die Gegner dürften bereits deutlich verspüren, daß sie sich auf der Verliererstraße befinden.« »Hoffentlich kapituliert die Gegenseite nicht zu schnell«, sorgte sie sich und seufzte tragisch. »Sollte ich auch weiterhin zu stürmisch vorgehen, Mister Parker, halten Sie mich bitte zurück. Wir haben heute Mittwoch, nicht wahr?« »In der Tat, Mylady«, pflichtete der Butler seiner Herrin bei. »Sehen Sie«, redete sie weiter, »ich möchte schließlich über das Wochenende hinaus beschäftigt sein. Ich hasse nichts so sehr wie Langeweile.« Josuah Parker hielt es für angebracht, dazu nichts zu sagen. * Die Baufirma Chris Gleasons strahlte Ruhe aus. Auf einem großen Parkplatz standen einige Lastwagen, Schaufellader und Tankfahrzeuge. Diese Transportgeräte waren blitzsauber und schienen erst vor Stunden durch eine Waschanlage gebracht worden zu sein. Vor einigen Wohn-Containern, die man zu einem zweistöckigen, riesigen Würfel zusammengesteckt hatte, stand ein Bentley, den ein sportlich aussehender Mann von etwa zwanzig Jahren hinge21
bungsvoll putzte. »Sie haben verdammt viel Pech«, schickte er voraus, bevor Parker eine Frage stellen konnte. »Der Chef ist nicht da.« »Kann man davon ausgehen, daß dieser Chef einen Stellvertreter hat?« wollte der Butler wissen. »Es geht um den Schotter für eine private Eisenbahnlinie im Süden der Insel.« »Dann reden Sie doch mal mit Jerry Limmers«, schlug der Wagenpolierer vor, während er noch mal den Butler und dann Mylady im Wagen neugierig musterte. Für Les Corley, der unbeteiligt im Fond saß, hatte er hingegen nur einen kurzen Blick übrig. »Und wo könnte man unter Umständen den erwähnten Mister Limmers finden?« lautete die nächste Frage des Butlers. »Warten Sie, ich werd’ Sie reinbringen«, bot der junge Mann seine Hilfe an. »Kann nämlich sein, daß Limmers im Anbau ist.« »Meine Wenigkeit wird sich erlauben, Ihnen zu folgen«, gab Parker in seiner bekannt höflichen Art zurück, blieb dann aber neben dem Bentley stehen. »Mister Gleasons Vertreter scheint nicht wenig zu verdienen, wie man sieht.« »Das is’ der Wagen vom Chef«, antwortete der Polierer. »Den hab’ ich eben erst aus der Garage geholt und werd’ ihn zum Chef bringen.« »Mister Limmers wohnt demnach sicher in der Nähe dieses erstaunlich aufgeräumten Bauhofes?« »Ein paar Ecken weiter«, kam vage die Antwort. Der junge Mann schritt nun schneller aus, schien weiteren Fragen damit vorbeugen zu wollen und verschwand dann im Container-Würfel. Parker folgte und… sah sich plötzlich einer Mündung gegenüber, die nach seiner Einschätzung zu einer Faustfeuerwaffe gehörte. Der Mitarbeiter drückte die großkalibrige Automatic gegen Parkers Körpermitte. »Sie werden verstehen, daß meine Wenigkeit ein wenig überrascht ist«, gestand Josuah Parker. »Sollte man Ihren Unwillen erregt haben?« »Vor so was wie ‘nem Butler bin ich gewarnt worden«, erwiderte der junge Mann spontan, um sich gleich darauf doch zu ärgern. »Ich meine… ich meine…« »Sie wurden telefonisch verständigt? Oder sollte Mister Gleason Sie entsprechend programmiert haben?« »Nee, ganz sicher nicht.« »Vielleicht sollte man ihn selbst befragen«, schlug der Butler vor 22
und lächelte an dem jungen Mann vorbei in Richtung Korridor. Der Wagenpolierer ließ sich durch diesen wirklich altbekannten Bluff ablenken. Er wandte sich halb um und hatte im gleichen Augenblick auch schön seine Waffe verloren. Parker hatte sie ihm mit einem schnellen Handkantenschlag aus den Fingern geprellt. Der junge Sportler stöhnte auf, kam zu dem Schluß, hereingelegt worden zu sein, und wollte sich dafür auf seine Art revanchieren. Er holte zu einem Fausthieb aus und schlug hart zu. Als Zielgebiet hatte er sich auf Parkers Unterkiefer festgelegt. Die Faust traf natürlich nicht. Parker hatte den Schlag bereits im Ansatz erkannt und parierte ihn mit dem bleigefüllten Bambusgriff seines Schirmes. Die vorschnellende Faust krachte gegen den Schirmgriff und verformte sich. Die Knöchel der Mittelfinger stauchten sich und lösten Schmerzwellen im Kopf des Kämpfers aus. Er stöhnte erneut, verbeugte sich ungewollt vor dem Butler und hielt sich mit der gesunden Hand die schmerzenden Finger. »Meine Wenigkeit bedauert es ungemein, daß die Dinge derart eskalierten«, ließ der Butler sich vernehmen. »Und nun umgehend zu Mister Gleason, um ihn nicht ungeduldig werden zu lassen.« »Meine Knöchel«, stöhnte der Autopolierer. »In letzter Konsequenz hilft da nur noch eine Ruhigstellung durch Gips«, empfahl Josuah Parker. »Doch mit Dauerschäden ist auf keinen Fall zu rechnen, wie man getreulich versichern darf.« * Er lag auf einer Couch, hielt eine Dose Bier in der rechten Hand und schaute sich die Übertragung eines Cricket-Spiels im Fernsehen an. Er reagierte überhaupt nicht, als Parker mit dem jungen Sportler das Büro betrat. »Was is’ denn, Archie?« kam schon ungnädig die Frage. »Mister Gleason, wie anzunehmen ist?« warf Josuah Parker ein. Der Liegende hob erstaunlich schnell den Oberkörper und wandte sich Parker zu. Anschließend erfolgte die unvermeidliche Frage, mit wem man es zu tun hätte und wie man hereingekommen wäre. 23
»Mein Name ist Parker, Josuah Parker«, antwortete der Butler und lüftete höflich die schwarze Melone. »Meine Wenigkeit hat die Ehre, Lady Simpson dienen zu dürfen.« »Und was wollen Sie hier?« Gleason hatte sich aufgesetzt und bedachte seinen Mitarbeiter Archie mit einem verärgerten Blick. »Lady Simpson benötigt Grob- und Feinschotter in beachtlichen Mengen«, behauptete der Butler. »Es geht um die Reparatur einer privaten Schmalspurbahn im Süden Englands.« »Wie sind Sie denn ausgerechnet auf mich gekommen?« wunderte sich Gleason. Er ging zu seinem Schreibtisch hinüber, schaltete bei dieser Gelegenheit das Fernsehgerät ab und zog sich sein Jackett über. »Ihre Transportfahrzeuge sind im Straßenverkehr nicht zu übersehen«, behauptete Parker. »Die Telefonnummer Ihrer Firma lieferte einen weiteren Hinweis, ebenfalls die Adresse.« »Mann, hören Sie mal, normalerweise sind meine Trucks ja…« Er bremste überraschend und redete nicht weiter, bedachte den Butler aber mit einem sehr aufmerksamen und prüfenden Blick. »Sie fahren keinen Schotter mehr aus?« staunte Parker unüberhörbar und deutete mit der Schirmspitze auf einige schon vergilbte Schwarzweißfotos, die an der Längswand neben dem Schreibtisch hingen. Sie zeigten die verschiedenen Ansichten eines Steinbruchs, den man in einen teilweise noch bewaldeten Hügel brutal vorgeschoben hatte. »Der Steinbruch ist längst nicht mehr in Betrieb«, meinte Gleason lässig, »die Zeiten haben sich geändert. Meine Firma übernimmt nur noch Auftragsfahrten. Wer, sagten Sie, wer sind Sie?« »Parker mein Name, Josuah Parker«, stellte der Butler sich erneut vor. »Vielleicht sagt Ihnen auch der Name der Lady Simpson etwas. Es könnte durchaus sein, daß Mister Badling Sie bereits auf Mylady und meine Wenigkeit hinwies.« »Wer ist Badling?« kam die fast zu erwartende Frage. »Mister Badling könnte man als eine Art Entsorger bezeichnen«, entgegnete der Butler. »Er beschäftigt sich mit Müll aller Art und beschickt damit diverse Deponien.« »Kann sein… durchaus möglich, daß meine Firma vielleicht sogar schon mal für ihn ein paar Touren erledigt hat. Da müssen Sie aber meinen Stellvertreter Limmers fragen, der ist mein Disponent.« »Demnach ist es nur ein vages Gerücht, wonach Sie Mister Bad24
ling diskret finanzieren, Mister Gleason?« »Verdammt, was sollen die dämlichen Fragen? Ich denke nicht daran, mich von Ihnen verhören zu lassen. Verschwinden Sie, bevor ich wütend werde. Wollen Sie sich hier vielleicht als die Polizei aufspielen?« »Hätten Sie die Polizei denn zu fürchten, Mister Gleason?« wollte der Butler wissen. »Das Beschicken von Mülldeponien mit Industrieabfällen und Giften ist überaus strafbar.« »Jetzt reicht es mir aber!« Gleason, um die vierzig Jahre alt, mittelgroß und durchaus muskulös, geriet in Harnisch und fühlte sich überlegen. Vor ihm stand schließlich ebenfalls nur ein mittelgroßer und fast schlanker Mann undefinierbaren Alters, der wahrlich nicht wie ein Einzelkämpfer aussah. Archie, der seitlich neben dem Butler stand, witterte eine Möglichkeit, sich revanchieren zu können. Er wartete auf den Angriff seines Herrn und Meisters. Gleason hatte sich in Bewegung gesetzt und hielt auf Parker zu. Der Spezialist in Sachen Schotter und Straßenbau hatte die Hände geballt und war zum Zuschlagen bereit. Archie drückte sich von der Wand ab und wollte seinem Arbeitgeber assistieren. Er langte nach einem Aktenordner auf einem Wandregal und hatte die Absicht, ihn in Parkers Gesicht zu deponieren. Der Butler war nicht bereit, dieses Vorhaben auch nur andeutungsweise in Kauf zu nehmen. * Josuah Parker drückte die Spitze seines enggerollten Schirmes mit einigem Nachdruck in die Beuge jenes Armes, der den Aktenordner bewegen sollte. Und schon nahm der Wagenpolierer Abstand von seinem Vorhaben, ließ den Ordner fallen und produzierte einen schrillen Aufschrei. Dann verneigte er sich vor dem Butler und erhielt mit dem bleigefüllten Bambusgriff des Regendaches einen Schlag auf den Hinterkopf. Chris Gleason blickte konsterniert auf seinen Wagenpfleger. Er hatte die Fäuste sinken lassen und machte momentan einen recht unentschlossenen Eindruck. Er hatte sich seinen Einsatz wahrscheinlich ganz anders vorgestellt. 25
»Meine Wenigkeit möchte Sie keineswegs daran hindern, aktiv zu werden, Mister Gleason«, sagte Parker zu dem Bauunternehmer. »Hatten Sie nicht die Absicht, meine Wenigkeit mit Fäusten traktieren zu wollen?« »Wer sind Sie tatsächlich?« fragte Gleason und zog sich zurück. Er steuerte seinen Arbeitstisch an, in dem sich wohl eine Schußwaffe befand, wie Parker vermutete. »Fragen dieser Art werden meiner Wenigkeit immer wieder gestellt, Mister Gleason«, antwortete der Butler. »Man gab sich aber bereits zu erkennen, wie man Ihnen versichern darf, und zwar genau.« »Sie sind niemals ein Butler.« »Möchten Sie meine Person einem anderen Beruf zuordnen, Mister Gleason?« »Sie kommen von… Rescill, ja? Geben Sie’s schon zu.« »Wäre dies als klug zu bezeichnen?« forschte der Butler nach. »Was Rescill zahlt, zahle ich schon lange.« »Sie dürften wohl doch nicht so genau wissen, wer Mister Rescill ist«, bluffte Parker. »Rescill wird überschätzt«, behauptete Gleason. »Früher oder später stoße ich ihn aus dem Anzug.« »Mister Rescill dürfte dies kaum zulassen, Mister Gleason.« »Wieviel zahlt er Ihnen?« Gleason wollte zur Sache kommen. Er hatte den Schreibtisch erreicht und ließ die rechte Hand nach unten gleiten, bis sie die Kante erfühlte. »Sie sollten vielleicht mit einer Zahl dienen, Mister Gleason«, schlug der Butler vor. »Es läßt sich dann effektiver verhandeln.« »Sie bekommen bei mir, sagen wir, tausend Pfund. Dafür treten Sie dann als Butler auf. Und ich denke, daß sich das verdammt gut machen wird.« »Sie brauchen für Ihren Bentley in der Tat noch einen Butler«, pflichtete Parker ihm bei. »Tausend Pfund die Woche sind natürlich eine Ausgangsbasis, die…« »Im Monat«, widersprach Gleason sofort. »Erzählen Sie mir bloß nicht, Rescill würde Ihnen mehr zahlen. Warten Sie…« Er beugte sich über den Arbeitstisch und tat so, als suchte er nach einem Utensil. Tatsächlich aber ließ er die Hand unter die Schreibtischplatte in. ein Schubfach gleiten. Und anschließend zog er die Hand blitzschnell hoch. Er schaffte es aber nicht, seine Waffe, eine kleine Automatic, auf 26
den Butler zu richten. Längst war Parkers schwarze Melone als eine Art fliegende Untertasse in der Luft. Sie sirrte, geworfen aus dem Handgelenk, in einer Kurve durch den Raum und landete, zielsicher über Gleasons Nasenwurzel. Der Schotter-Unternehmer wurde zurückgeworfen, verlor dabei seine Waffe und auch das Gleichgewicht, rutschte mit dem Rücken an der Wand in Richtung Boden und blieb mit weit geöffneten Augen sprachlos liegen. »Nein, nein«, bat Archie, der Wagenpfleger, als Parker sich in Richtung Schreibtisch bewegte. Er war wieder Herr seiner Sinne und fürchtete, der Butler hätte die Absicht, sich noch mal mit ihm zu befassen. »Die Adresse des erwähnten Mister Rescill!« forderte Parker kühl und beherrscht wie stets. Allein der Tonfall seiner Stimme ließ kein Schweigen zu. Archie lieferte also umgehend das Gewünschte über Mr. Peter Rescill, wie der vollständige Name lautete, und gab dann noch zusätzliche Hinweise zu dieser Person. »Rescill will meinen Chef aus dem Geschäft boxen«, informierte er den Butler, »aber der hat keine großen Chancen. Wir werden schließlich von Chester Cameron abgedeckt, sagt man wenigstens. Ob’s stimmt, weiß ich natürlich nicht. Hören Sie, ich hab’ nichts gesagt, ja?« Er warf einen scheu-prüfenden Blick auf Gleason, der sich erstmals wieder rührte und stöhnte. »Wo findet man Mister Cameron?« forschte der Butler weiter nach. Archie zuckte mit den Schultern und erklärte, das wüßte keiner von den Müllpiraten. * »Wiederholen Sie das noch mal, Mister Parker«, sagte Lady Agatha eine Viertelstunde später. »Der erwähnte Wagenpfleger sprach von Müllpiraten, Mylady«, erwiderte der Butler. »Damit meinte er übrigens, wie sich dann herausstellte, seinen Arbeitgeber Gleason und dessen Freunde.« »Keine Namen«, verbat sich die Detektivin schleunigst. »Ich kann mich nicht mit Kleinigkeiten belasten.« 27
»Zumal Mylady die Namen Glatter und Badling geläufig sind«, behauptete Josuah Parker. Er saß am Steuer seines hochbeinigen Monstrums und fuhr zurück nach Shepherd’s Market, wo sich Myladys Stadtwohnsitz befand. Es ging Parker darum, den Herausgeber der »Umwelt-Blätter« sicher unterzubringen. Für den Rest des Tages wollte er den jungen Les Corley nicht weiter mitfahren lassen. »War da nicht noch ein anderer Mann?« fragte die ältere Dame und runzelte die Stirn. »Mylady sprechen von Mister Jerry Limmers«, unterstellte der Butler ihr in seiner höflichen Art. »Dies ist der Stellvertreter Mister Gleasons, der persönlich noch nicht in Erscheinung zu treten vermochte.« »Genau ihn meine ich«, gab Lady Agatha zurück. »Nun, was nicht ist, kann noch werden, Mister Parker. Wer steht übrigens jetzt auf meiner Liste? Ich weiß doch genau, daß ich eine Menge zu absolvieren habe.« »Mylady wollen sich noch mit Mister Hale Badling unterhalten«, erinnerte der Butler. »Er betreibt eine Entsorgungsfirma in Stepney und wurde an der bewußten Mülldeponie zurückgelassen, auf der sich diverse Möwen angesiedelt haben dürften.« »Sollte ich nicht gerammt werden?« Sie lächelte versonnen. »In der Tat, Mylady«, bestätigte der Butler. »Die beiden Insassen des Jeeps verfingen sich in einer Dornenhecke.« »Ein sehr schöner Anblick, Mister Parker.« Sie nickte. »Selbstverständlich werde ich mir die Deponie noch mal genau ansehen.« Sie wandte sich zu Les Corley um, doch der Mann stand immer noch unter dem Einfluß des Lachgases. Er hatte die Augen geschlossen und schien an amüsante Dinge zu denken. Das Lächeln, das seine Lippen umspielte, war gelöst und heiter. »Mylady wissen jetzt, daß es zwei Gruppen geben muß, die sich mit Sondermüll beschäftigen«, faßte Josuah Parker zusammen. »Auf der einen Seite lernten Mylady bereits die sogenannten Müllpiraten kennen. Dazu kommt jetzt noch die Gruppe um einen Mister Chester Cameron.« »Ich habe alles genau registriert«, behauptete die ältere Dame. »Ich werde natürlich beide Gruppen ausschalten und den Gerichten überstellen, Mister Parker.« »Mylady werden wieder mal erfolgreich sein.« »Natürlich, Mister Parker«, entgegnete sie. »Offen gesagt, 28
manchmal bin ich mir selbst direkt unheimlich.« »Mylady pflegen sich schließlich nie zu schonen.« »Völlig richtig«, lobte sie sich weiter. »Nach dem Dinner bin ich sofort wieder tätig, Mister Parker. Man darf dem Gegner keine Ruhe gönnen und muß ihn ununterbrochen attackieren.« »Mister Badling dürfte inzwischen seine Müllpiraten alarmiert haben, Mylady.« »Mister Badling.« Sie nickte. »Das ist dieser…« »…Entsorger aus Stepney«, half der Butler diskret aus. »Nachdem sein Mister Glatter sich in Mister Picketts Obhut befindet, gehen Mylady davon aus, daß mit anderen Schlägertrupps zu rechnen sein dürfte.« »Diese Überlegung bot sich mir sofort an, Mister Parker«, erwiderte die ältere Dame, »dazu bedarf es nur ein wenig Phantasie. Aber die kann man eben nicht erlernen, mag man sich noch so anstrengen. Sie werden damit leben müssen!« Parkers Gesicht blieb glatt und ausdruckslos. Er verzichtete wieder mal auf jede Antwort. * Das altehrwürdige Haus der Lady Simpson stand auf den Gewölben einer mittelalterlichen Abtei, war zweistöckig und in Fachwerkbauweise errichtet. Es war ein wunderschönes Haus, das so gar nicht in die Millionenstadt paßte. Der Hauptbau wurde flankiert von zwei einstöckigen Häuserzeilen, die senkrecht zur Durchgangsstraße führten. Es gab einen großen Vorplatz mit einer Blumenrabatte, eine Mauer aus Sandsteinquadern und ein reichverziertes, zweiflügeliges Gittertor. Das Haus wirkte einladend und anfällig zugleich, was ungebetene Besucher betraf. Doch der Schein trog. Parker hatte das Stadthaus seiner Herrin im Lauf der Jahre zu einer raffinierten Festung umbauen lassen, die mit den Fallstricken elektronischer Sicherungen versehen war. Gangster aller Provenienz versuchten nämlich immer wieder, das Anwesen zu stürmen oder sich einzuschleichen. Bisher waren aber die Versuche stets gescheitert. Natürlich hatte die Gegenseite inzwischen reagiert, wie Parker auf den ersten Blick bemerkte. Knapp vor der Auffahrt zum Gittertor parkte ein kleiner japanischer Lieferwagen, der fast wie ein zu 29
groß geratenes Spielzeug aussah. Am Steuer saß ein Mann um die Dreißig. Er rauchte, schnipste gerade die Asche ins Freie und studierte einen ausgebreiteten Stadtplan. Parker passierte den Wagen, wendete weiter unten auf der Durchgangsstraße und kehrte zurück. Er hielt dicht neben dem Kleintransporter und bedachte den Fahrer mit einer bohnengroßen Plastikkapsel. Vor dem Absetzen dieser perforierten Waffe hatte er in ihr eine Glasampulle zerdrückt. Die darin enthaltene wasserklare Flüssigkeit verband sich geradezu heftig mit dem Sauerstoff der Luft und ließ unter dem Fahrersitz eine weißgelbe Rauchwolke aufquellen. Der bisher wohl unbeteiligte Mann hüpfte förmlich hoch, stieß sich den Kopf am Wagendach und drückte hastig die Tür auf. Dazu hustete er bereits ausgiebig und gab sich einem intensiven Tränenfluß hin. Parker war weitergefahren und stand mit seinem Wagen vor dem noch geschlossenen Gittertor. Durch Funksteuerung ließ er die beiden Torflügel überraschend schnell aufschwingen. Parker überfuhr die Schwelle und sorgte dafür, daß das Tor sich umgehend und wieder erstaunlich schnell schloß. Er hielt und stieg aus. Der Fahrer des Kleintransporters stand neben der geöffneten Wagentür und hustete sich fast die Seele aus dem Leib. Ein zweiter Mann unterstützte ihn dabei. Er stammte wohl aus dem geschlossenen Kastenaufbau, in den die Rauchwolke eingesickert sein mußte. Die beiden Männer blickten in ihren kurzen Hustenpausen zu Parker hinüber, der höflich die schwarze Melone gelüftet hatte und jetzt zum Wagen zurückging. In diesem Augenblick war die aufdringliche Sirene eines Polizeistreifenwagens zu vernehmen. Der Butler setzte sich ans Steuer und blickte noch mal zurück zur Straße. Die Insassen des Kleintransporters hatten natürlich auch die Polizeisirene gehört und wollten verschwinden. Sie überquerten die stark befahrene Durchgangsstraße und bewegten sich im Schweinsgalopp in Richtung Green-Park. An einem Gespräch mit der Polizei war man offensichtlich nicht interessiert. »Man wollte mich natürlich wieder mal ermorden, Mister Parker«, deutete die ältere Dame den kleinen Zwischenfall. »Dies dürfte auf keinen Fall auszuschließen sein«, erwiderte der 30
Butler, umrundete mit dem hochbeinigen Monstrum die Blumenrabatte und hielt vor dem überdachten Hauseingang. »Verständigen Sie mich, Mister Parker, sobald Sie mit dem Dinner fertig sind«, sagte Agatha Simpson. »Bis dahin werde ich ein wenig über meinen neuen Fall nachdenken. Reiner Aktionismus ist mir verhaßt, wie Sie wissen. Man hat intensiv nachzudenken, bevor man tätig wird.« »Mylady sind darin stets ein Vorbild«, antwortete Josuah Parker und widmete sich dann Les Corley, um ihn in einem der verschwiegenen Gästezimmer des Hauses unterzubringen. * Sie hatten sich die Sache sehr einfach vorgestellt. Parker befand sich im kleinen Salon und richtete den Tisch. Er hatte das Dinner vorbereitet und wollte Lady Agatha ein Rinderfilet, gebackene Nierchen, einen glasierten Schweinerücken, Rösti und diverse Salate anbieten. Selbstverständlich hatte er nicht die reichbeschickte Käseplatte und den Apfelkuchen mit Sahne vergessen. Dies alles diente dem kleinen Hunger, wie Mylady es stets auszudrücken beliebte. Sie hungerte nach ihren Worten schon seit Monaten, um eine Gewichtsminderung zu erreichen. Es waren zwei recht gut gekleidete Männer, die einen offiziellen Eindruck machten. Sie hielten Clip-Boards in Händen, machten sich Notizen und erschienen kurz vor der Fassade des Fachwerkhauses. Bei dieser Gelegenheit prüften sie sogar die Festigkeit der geschwungenen Gitter vor den Fenstern und klopften an die Scheiben, die übrigens ausnahmslos aus Panzerglas bestanden. »Darf man sich nach den Wünschen der Herren erkundigen?« fragte der Butler, nachdem die beiden Besucher geläutet hatten. »Amt für Wohnstatistik«, erfolgte die sachliche Antwort. »Wir benötigen einige Auskünfte zu allgemeinen Fragen des Wohnwertes.« »Stets zu Diensten«, gab Parker über die Wechselsprechanlage zurück. »Wie lautet Ihre erste Frage?« »Sie müßten sich dazu einige Auswahlbilder ansehen«, behauptete der Wortführer der beiden Amtspersonen. »Wenn Sie vielleicht 31
öffnen würden?« Die Männer vor der Tür merkten nicht, daß sie beobachtet wurden. Unter dem Spitzdach des Vorbaus befand sich eine geschickt getarnte Fernsehkamera, die ihre Bilder auf den Schirm eines Kontrollmonitors im Haus beförderte. Der Monitor war Bestandteil einer raffinierten Alarmanlage, die in einem Wandschrank neben dem verglasten Windfang der Wohnhalle untergebracht war. Während der Wortführer weitere Fragen äußerte und nach wie vor höflich blieb, beschäftigte sein Partner sich bereits mit dem Schloß der Haustür. Es machte einen durchaus einladenden Eindruck und schien nur darauf zu warten, mit einem Dietrich beehrt zu werden. Parker schaute zu, wie der Bursche sich tatsächlich abmühte. Dann entsperrte er mit der Fernbedienung das Schloß und verschaffte dem Eindringling ein echtes Erfolgserlebnis. Man hörte es im Türschloß klicken, und der Mann konnte die Tür vorsichtig aufdrücken. Nachdem er sich vergewissert hatte, daß keine Sperrkette existierte, nickte er seinem Partner zu, worauf beide sich gleichzeitig gegen das Türblatt warfen. Es schwang auf und gab den Weg frei zum Vorflur, der völlig verglast war. Sie blickten sich ein wenig verblüfft um und konzentrierten sich dann auf den Butler, der eine Verbeugung andeutete. »Ließe es sich einrichten, meiner Wenigkeit einen Dienstausweis zu zeigen?« fragte er über die auch hier eingeschaltete Sprechanlage. »Natürlich, können Sie alles haben.« Sie blickten sich kurz an und warfen sich dann förmlich auf den Drehknauf der Glastür. Ihrer Erfahrung nach hatten sie das Haus bereits gestürmt. Was allerdings nicht der Fall war, wie sich zeigte. Die Glastür, aus schwerem, schußsicherem Glas, rührte sich um keinen einzigen Millimeter. Die angeblichen Amtspersonen stauchten sich die Schultern, ihr unterdrücktes Stöhnen war nicht zu überhören. »Sie sollten jetzt Ihre sicher vorhandenen Faustfeuerwaffen ziehen«, regte Josuah Parker höflich an. Er kannte Situationen dieser Art zur Genüge. Sie ähnelten sich wie ein Ei dem anderen. Die beiden Männer kamen Parkers Anregung umgehend nach und zeigten Automatics, bauten sich in einigem Abstand zur Glastür 32
auf und erklärten, sie würden alles kurz und klein schlagen, falls man nicht umgehend öffnen würde. »Rechnen die Herren mit unkontrollierten Querschlägern«, warnte Josuah Parker. »Die dadurch entstehenden Wunden sind ärztlich kaum zu versorgen.« »Querschlägern?« fragte der Wortführer und ließ die Automatic sinken. »Sie stehen in einem Windfang aus Panzerglas«, erläuterte der Butler, »aber die Herren können dies selbstverständlich auf eigenes Risiko testen.« »Ab durch die Mitte!« ließ der zweite Mann sich vernehmen und wandte sich hastig um. Er wollte zurück ins Freie und seine Haut retten. Zu seiner Überraschung hatte sich aber die Tür hinter ihnen geräuschlos geschlossen. Der Mann machte sich verbissen über den Knauf her, der jedoch keine Wirkung zeigte. »Was soll der verdammte Quatsch?« brüllte der Wortführer und wandte sich an den Butler. Dabei richtete er den Lauf seiner Waffe auf Parker. »Sofort die Tür auf, oder ich pfeif auf Querschläger und ziehe durch!« »Bitte, wenn die Herren unbedingt darauf bestehen?!« Parker nickte knapp und betätigte einen bestimmten Knopf des Fernbedienungsgeräts, ohne es dabei zu heben. Die Reaktion stellte sich sofort ein. * Der eben noch feste Boden des verglasten Windfangs teilte sich und klappte nach unten weg. Durch die jetzt sichtbare Falltür segelten die angeblichen Amtsvertreter nach unten. Sie warfen hilfesuchend die Arme in die Luft, stießen spitze Schreie aus und waren wenige Augenblicke danach verschwunden. Die Falltür klappte wieder zurück in ihre alte Stellung und sah nun wieder fest und sicher aus. Parker ging zum Wandschrank und schaltete den Kontrollmonitor ein. Auf dem Bildschirm erschienen die beiden Besucher, die zwischen langen Schaumstoffstreifen herumhüpften und um einen festen Halt in der Fall-Grube bemüht waren. Parker hatte die Kerle weich landen lassen. 33
»Die Herren werden meiner Wenigkeit sicher nicht gram sein, daß man sie erst mal außer Gefecht setzte. Die Unterseite der Falltür ist übrigens schußsicher. Die Wände um Sie herum bestehen aus Beton.« »Okay, Sie haben uns reingelegt«, gab der Wortführer zurück. Er war in eine der vier Ecken gehüpft, breitete die Arme aus und hielt sich mit gespreizten Händen am rauhen Beton fest. »Und wie soll’s jetzt weitergehen?« »Darüber wird Mylady zu befinden geruhen«, antwortete der Butler, »Mylady reagiert meist ungemein abhold, wenn man versucht, sie während des Dinners zu stören.« »Wir sagen, wer uns geschickt hat, klar? Und dafür lassen Sie uns wieder raus an die frische Luft.« »Sie würden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Wahrheit ein wenig beugen«, vermutete der Butler. »Verdammt, warum sollten wir Sie anlügen?« fragte der Gangster. »Für uns ist die Sache erledigt.« »Die Herren wurden von wem engagiert, um sich Zutritt zu verschaffen?« stellte der Butler die entscheidende Frage. »Eine schnelle und ehrliche Aussage könnte Ihrer Gesundheit nur dienlich sein.« »Gesundheit? Worauf spielen Sie an?« Der zweite Gangster war hellhörig geworden. Er hatte keine Ecke erreicht und lag flach auf dem Rücken. Die Unterlage war weich und nachgiebig. Während er sprach, wippte er im Takt der Silben. »Vor geraumer Zeit gab es eine Art Rohrbruch, wobei die Fallgrube sich mit Wasser füllte. Man kann nur hoffen, daß sich der Vorgang nicht wiederholt, meine Herren.« »Harry Kinsley«, lautete der lakonische Hinweis. »Er hat uns eingekauft.« »Mister Kinsley dürfte Ihren Auftrag genau definiert haben«, vermutete Josuah Parker. »Wir sollten nur das Haus übernehmen und ihn dann anrufen.« »Demnach verfügen Sie über eine entsprechende Telefonnummer«, schlußfolgerte Parker. »Die Herren werden sie meiner Wenigkeit sicher zur Verfügung stellen.« Der Wortführer nannte die Telefonnummer und wiederholte dann noch mal den Namen seines Auftraggebers. »Sie sollten sich ein wenig gedulden«, bat der Butler anschließend. »Man wird sich mit Mister Harry Kinsley ins Benehmen set34
zen und den Wahrheitsgehalt Ihrer Behauptung einer Prüfung unterziehen.« Parker schaltete die Übertragung aus der Fallgrube ab und widmete sich wieder dem Dinner. Vom Obergeschoß her hatte er gerade das bekannte explosive Räuspern der älteren Dame gehört. Sie hatte ihre Meditation beendet und war bereit, die gereichten Kleinigkeiten zu sich zu nehmen. Die Hausherrin kam über die geschwungene Treppe nach unten und erinnerte dabei an eine regierende Monarchin, die sich huldvoll ihrem Volk zeigte. Sie winkte dem Butler wohlwollend zu und beherrschte die Szene. »Mylady sollten wissen, daß sich inzwischen ungebetene Gäste eingestellt haben«, sagte Parker. »Später, Mister Parker, später«, entschied sie. »Alles zu seiner Zeit. Diese Leute dürfen warten, bis ich diniert habe. Sie haben hoffentlich daran gedacht, daß ich strikte Diät halte?« »Unter diesem Gesichtspunkt wurde die Speisenfolge zusammengestellt«, beruhigte Parker seine Herrin, der nun aber doch einige Bedenken kamen. »Hoffentlich haben Sie nicht übertrieben, Mister Parker«, meinte sie. »Nun, man wird sehen… überraschen Sie mich!« * Sein Büro befand sich in Pimlico in einem ehemaligen Hotel, das man in Wohnapartments und Geschäftsräume aufgeteilt hatte. Laut Firmenschild in der früheren Halle war Harry Kinsley Agent für Großtransporte aller Art. Obwohl es inzwischen Abend geworden war, wurde in den Büros noch gearbeitet. Parker und Lady Simpson konnten ungehindert die frühere Hotelhalle passieren und fuhren dann mit dem Lift in die dritte Etage. Am Ende eines langen, düsteren Korridors lag das Büro des Transporteurs, in unmittelbarer Nähe zur Feuertreppe, wie Parker mit einem schnellen Blick herausfand. Im Vorzimmer saß ein Fünfundzwanzigjähriger, der von seinem Magazin mehr als erstaunt aufblickte, als das skurrile Paar aus Shepherd’s Market eintrat. »Wir… äh… wir haben schon geschlossen«, stotterte der Jüngling 35
hastig, als Lady Agathas Fülle sich ihm näherte. »Man sieht es, junger Mann«, gab die ältere Dame mit ihrer sonoren, tragenden Stimme zurück. »Ich finde Ihren Arbeitgeber wo?« »Der… der is’ nicht da«, schwindelte der Mitarbeiter und warf gleichzeitig einen Blick zur Tür im Hintergrund. »Ich verbitte mir das alberne Lügen, junger Mann!« raunzte die ältere Dame. Parker, der sich zurückgehalten hatte, hielt die bewußte Tür unter Sichtkontrolle. Seiner Ansicht nach war sie nur angelehnt und gerade ein wenig bewegt worden. Der Butler holte sicherheitshalber seine Gabelschleuder hervor und lud die Lederschlaufe, die beide Gummistränge verband, mit einer hartgebrannten Tonerbse. »Wer sind Sie eigentlich?« fragte der Mittzwanziger inzwischen und stand auf. Er langte wie beiläufig nach einer großen Papierschere neben dem Telefonapparat. Genau in diesem Moment mußte Parker tätig werden, denn die Tür war bewegt und weiter geöffnet worden. Parker sah einen Kopf, der sich vorschob, und er bemerkte auch eine Hand, die mit einer Waffe versehen war. Die Tonerbse sirrte durch das Vorzimmer und platzte auf der Stirn. Der Besitzer dieser Stirn wurde zurückgeworfen und verlor dabei seine Waffe. Es handelte sich um einen kurzläufigen Revolver, der rein optisch schon todbringend aussah. Der Fünfundzwanzigjährige hatte indes nicht mitbekommen, daß der Butler mit seiner Y-förmigen Gabelschleuder geschossen hatte. Er hörte nur ein Poltern, dann einen dumpfen Fall, riß die Papierschere hoch und wollte Lady Agatha attackieren. Dies stellte sich als schwerwiegender Fehler heraus, wie sich umgehend zeigte. Die passionierte Detektivin hatte ihren so neckisch und harmlos aussehenden, perlenbestickten Pompadour bereits in Schwingung versetzt und deponierte den kleinen Handbeutel auf der Brust des Scherenbesitzers, Myladys Glücksbringer im Pompadour, nämlich das Hufeisen eines mächtigen Brauereipferdes, ließ das Brustbein des Getroffenen vibrieren und stauchte die Rippen. Der Mitarbeiter des Transporteurs verfärbte sich, setzte sich neben dem Papierkorb auf den Boden und war vorerst nicht ansprechbar. »Mister Kinsley, wie zu vermuten ist?« Parker stand in der geöffneten Tür und blickte auf den Mann hinunter, dessen Stirn er mit der bewußten Tonerbse getroffen hatte. Der Unglückliche hatte 36
sich gerade hochgesetzt und fingerte recht vorsichtig an der Aufschlagstelle herum, wobei er das Gesicht verzog. »Kinsley«, bestätigte der Mann, der um die Vierzig sein mochte. Der Mittelgroße war sehr stämmig und blickte den Butler aus noch immer leicht verglasten Augen an. »Meine Wenigkeit erlaubt sich, Grüße von zwei Herren auszurichten, die von Ihnen in das Haus der Lady Simpson geschickt werden sollten, Mister Kinsley. Vielleicht sollten Sie sich zu diesem Vorgang näher äußern.« Kinsley langte hastig nach dem Revolver, der nicht weit von ihm auf dem Boden lag. * Josuah Parker funktionierte seinen Universal-Regenschirm in einen Golfschläger um und schlug mit dem bleigefüllten Bambusgriff die Schußwaffe aus Kinsleys Reichweite. Der Spezialist für Großtransporte aller Art griff deshalb ins Leere und fiel zurück auf den Teppich. Dabei benutzte er sein Kinn als Rutschbremse. »Sie echauffieren sich völlig unnötig, Mister Kinsley«, meinte der Butler mit seiner bekannt höflichen Art. »Sie sollten mit den Herren Badling und Gleason ein ernstes Wort reden. Man ist dabei, Sie zu mißbrauchen, um es mal so auszudrücken.« »Wie… wie kommen Sie denn darauf?« staunte der Geldgeber der beiden Besucher in Shepherd’s Market. Er machte erst gar nicht den Versuch, sich von den genannten Gangstern zu distanzieren. »Sie setzten eindeutig auf das falsche Pferd«, fuhr Parker fort. »Die Zukunft dürfte Mister Peter Rescill gehören.« Der Butler jonglierte mit den Namen und war auf das Resultat gespannt. Er wollte Harry Kinsley aus seiner verständlichen Reserve locken. »Sie kennen Rescill?« fragte der Mann erstaunt. »Eine Person, die mit Müll umzugehen versteht.« »Und wer sind Sie nun?« »Man dürfte Ihnen erzählt haben, daß Mylady und meine Wenigkeit Störenfriede sind, Mister Kinsley.« »Sie… sind auch im Müllgeschäft tätig?« »Durchaus«, versicherte der Butler. »Allerdings nicht auf Seiten der Müllpiraten.« 37
»Davon hat man mir überhaupt nichts erzählt«, beschwerte sich Kinsley. »Ihre Auftraggeber Badling und Gleason werden Sie jederzeit opfern, falls es sich auszahlen sollte, Mister Kinsley.« »Das glaub’ ich auch«, räumte der Transporteur ein. »Für die ist alles Müll, wenn’s nichts bringt.« »Sie fahren seit wann bereits für Badling und Gleason?« tippte der Butler an. »Seit fast einem Jahr…« »Hoffentlich wurden und werden Sie für das große Risiko auch entsprechend bezahlt, Mister Kinsley.« »Na ja, das kommt immer auf die Besonderheiten an«, entgegnete Kinsley arglos. »Wir haben da auch gewisse Gefahrenklassen ausgemacht.« »Haben Sie sich je an Mister Peter Rescill gewandt und ihm Ihre Dienste angeboten?« »Nee, natürlich nicht… Rescill is’ ja noch neu im Geschäft.« »Er kennt sich aber in dem aus, was man gemeinhin Schliche zu nennen pflegt«, meinte der Butler. »Warum sonst wird er als Konkurrent gefürchtet?« »Wie kann man mit Rescill in Kontakt kommen?« wollte Kinsley nun wissen. Er hatte sich vom Niedergang auf den Teppich längst erholt und machte einen sehr wachen Eindruck. »Warten Sie, bis er sich bei Ihnen meldet«, schlug Parker vor, der natürlich keine Ahnung hatte, wo dieser Peter Rescill zu finden war. »Man wird Mister Rescill umgehend informieren. Es wäre übrigens recht ratsam, wenn Sie diese Unterhaltung für sich behalten würden, Mister Kinsley. Allzu große Mitteilungsfreude hat sich schon oft als tödlich erwiesen.« * »Es war natürlich ein taktischer Fehler, Mister Parker, daß Sie das Subjekt ungeschoren ließen«, räsonierte die ältere Dame. Sie saß wieder im Fond des hochbeinigen Monstrums und beugte sich ein wenig vor. »Dieses Individuum wird umgehend erneut versuchen, mich ermorden zu lassen.« »Dies sollte man selbstverständlich grundsätzlich niemals aus38
schließen«, gab der Butler zurück. »Auf der anderen Seite rechnen Mylady aber auch damit, daß Mister Kinsley an kommende lukrative Geschäfte denkt. Falls dem so sein sollte, dürfte er mit Mylady Kontakt halten. Mister Kinsley ist schließlich der Meinung, daß man durch Myladys Vermittlung an den bisher noch nicht bekannten Mister Peter Rescill kommt.« »Aha.« Sie ließ sich wieder zurücksinken und runzelte die Stirn. »Mylady haben es verstanden, eine Saat des Mißtrauens auszusäen«, fügte der Butler hinzu. »Das ist allerdings richtig«, behauptete sie ungeniert. »Alles ist eben eine Frage der Taktik, Mister Parker.« »Wer wäre schon in der Lage, Mylady darin zu überbieten?« warf der Butler ein. Sein Gesicht blieb glatt und ausdruckslos. »Ich muß mich damit abfinden, daß dem so ist«, seufzte sie fast tragisch. »Manchmal, Mister Parker, geniere ich mich deswegen.« »Mylady sollten dies allerdings nicht unnötig übertreiben.« »Wie war das?« reagierte sie ein wenig mißtrauisch. »Mylady sollten sich nicht zu sehr und ausgiebig genieren«, warnte Josuah Parker noch mal. »Könnten Mylady sich entschließen, Mister Badling einen Besuch abzustatten?« »Badling, Mister Parker…?« Sie hob leicht ihre Stimme. »Der Müllpirat von der Deponie«, erinnerte Josuah Parker. »Er landete gegen seinen Willen in einer Hecke und mußte darauf verzichten, Mister Les Corley auf der Halde abzukippen.« »Ich weiß, ich weiß.« Sie räusperte sich nach dieser Behauptung explosiv. Parker lieferte aber dennoch einen weiteren Hinweis. »Mylady sollten von einem Jeep gerammt werden«, fügte der Butler hinzu. »Die Insassen hatten gegen Mylady keine Chance.« »Wie sollten sie auch, Mister Parker?!« Die ältere Dame lächelte versonnen und rückte sich in ihrer Wagenecke zurecht. »Na schön, ich werde mir dieses Subjekt also ansehen. Bis dahin werde ich meditieren.« Sie besorgte das sehr intensiv, wie bald darauf zu hören war. Mylady schnarchte ungeniert und produzierte noch zusätzliche Pfeiftöne. Parker, der immer wieder in den Rückspiegel blickte und nach Verfolgern Ausschau hielt, konnte sich ungestört mit dem Fall der Müllpiraten befassen. In der Vergangenheit hatte man schon etliche Male mit diesen Dingen zu tun. Es war ein Riesengeschäft, Problem- und Giftmüll 39
der Industrie zu entsorgen, wie es im Fachjargon hieß. Die Verursacher dieses Abfalls machten sich in der Regel die Dinge sehr einfach. Sie schlossen Verträge mit speziellen Firmen, zahlten sehr viel Geld für die Übertragung der Entsorgung und kümmerten sich dann nicht weiter um die Langzeitgifte. Aus ihrer Sicht hatten sie ja alles getan, was notwendig war. Juristisch waren sie abgesichert und konnten ihre weißen Westen präsentieren. Gewisse Spezialfirmen aber pfiffen auf eine möglichst schadenfreie Entsorgung und kippten den Problemmüll einfach auf gewöhnliche Müllhalden. Dadurch sparten sie immense Kosten und steckten gewaltige Gewinne ein. Ob sie dadurch die Umwelt auf Jahre hinaus schädigten, kümmerte die Gangster nicht. Daß sie auf diese Art und Weise Menschen in tödliche Gefahr brachten, nahmen sie einfach nicht zur Kenntnis. Für sie zählte nur der Gewinn. Parker bremste sein hochbeiniges Monstrum absichtlich ein wenig, um Mylady aus der Meditation aufzuschrecken. Sie rutschte aus ihrer Wagenecke, räusperte sich explosionsartig wie gewohnt und fragte automatisch nach Verfolgern. »Falls es sie geben sollte, Mylady, sind sie zur Zeit nicht auszumachen«, gab Josuah Parker zurück. »Dafür aber hat man die Firma des Mister Hale Badling erreicht.« »Sehr schön«, freute sie sich. »Ich werden Ihnen jetzt wieder mal demonstrieren, wie man Verhöre führt,Mister Parker. Irgendwann, denke ich, werden Sie es auch noch lernen.« Parker verzichtete auf jeden Kommentar und stellte noch nicht mal die rechte Augenbraue. * Es gab den üblichen Bauhof, der hier allerdings in Farbe gehalten war. Alles strahlte Sauberkeit aus. Rechts vom zweistöckigen Bürogebäude befand sich eine weite Remise, in der man Sammelbehälter für Glaswaren aller Art gestapelt hatte. Diese Behälter waren weiß lackiert und schienen fast steril zu sein. Es gab einige Tanklastzüge und Container-Trucks. Auch sie waren sehr gut gepflegt und ließen den Gedanken an Müll und Abfall erst gar nicht aufkommen. 40
Über dem Eingang zum Bürogebäude war eine Reklame angebracht, die gleißend hell verkündete, Sauberkeit sei der Job der Firma. Rechts vom Eingang standen einige Gelände-Rover, ein teurer Importwagen aus Deutschland und zwei Wohnmobile der Mittelklasse. »Das sieht aber alles recht seriös aus, Mister Parker«, urteilte die ältere Dame. »Und genau das macht mich mißtrauisch. Das sieht mir alles zu poliert aus.« »Falls Mylady erlauben, möchte meine Wenigkeit sich Myladys Feststellung anschließen«, ließ der Butler sich vernehmen. »Man scheint für die Öffentlichkeit zu posieren.« »Ich werde diesen Müllpiraten die Maske vom Gesicht reißen«, kündigte Lady Simpson munter an. »Man wird bald bedauern, daß es mich gibt.« Parker hatte sein hochbeiniges Monstrum neben der teuren Importe abgestellt und öffnete den hinteren Wagenschlag. Lady Agatha stieg aus, nickte dazu hoheitsvoll und steuerte sofort den Eingang an. Parker benutzte sein kleines Patentbesteck, um das Türschloß zu überreden, sich zu öffnen. Er brauchte nur wenige Augenblicke, bis es seinem Wunsch nachgab. Parker drückte die Tür auf und betrat eine kleine Vorhalle. Licht gab es nur aus einer Säulenvitrine. Punktstrahler beleuchteten Spezialfahrzeuge in Sachen Müllabfuhr. Es gab Tankwagen, Container-Trucks, Müllwagen für die kommunale Abfuhr und einige Hochglanzfotos, auf denen Mülldeponien abgebildet waren. Sie wirkten geradezu einladend. In überdimensional großen Bodenwannen, die mit Kunststoffbahnen ausgelegt waren, stapelten sich große Ballen, die aus verdichtetem Müll bestanden. »Geradezu verführerisch«, meinte Agatha Simpson abfällig. »Ich kenne da ganz andere Deponien.« »Dem möchte meine Wenigkeit durchaus beipflichten«, lautete die Antwort des Butlers. Er hatte sich bereits orientiert und ging durch einen Korridor zu einer Glastür, hinter der Licht brannte. Er hatte die Tür noch nicht ganz erreicht, als plötzlich die Leuchtröhren unter der Decke aufflammten. Eine ironisch klingende Stimme begrüßte Mylady und Parker. »Mister Badling?« Parker wandte sich um und erkannte jenen Mann wieder, den er in der Nähe der Mülldeponie ins Gesträuch 41
geschickt hatte. Der Vierschrötige genoß seine momentane Überlegenheit. Er wurde flankiert von zwei jungen Mitarbeitern, die schallgedämpfte Automatics in Händen hielten. Badlings Begleiter machten einen durchaus profihaften Eindruck. »Sie haben die Alarmanlage übersehen, Parker«, sagte Hale Badling. »Und Sie haben sich verdammt viel Zeit gelassen mit Ihrem Kommen. Ich hatte Sie wesentlich früher erwartet.« »Mylady hatte noch anderweitig zu tun«, erklärte Parker höflich. Er sorgte sich ein wenig, denn er kannte das ungezügelte Temperament der resoluten Dame. Natürlich übersah sie die Schußwaffen und konnte sich wahrscheinlich gar nicht vorstellen, daß man gezielt auf sie schießen würde. »Der Zwischenfall in der Nähe der Mülldeponie scheint Sie nach wie vor zu beschäftigen«, tippte Josuah Parker an. »Sie stören«, machte Badling deutlich. »Sie vermasseln mir mein Geschäft, wenn Sie so weitermachen wie bisher.« »Sie planen, dem vorzubeugen, Mister Badling?« »Warten Sie’s ab, Parker; aber vorher sollten Sie sich mal so eine Deponie aus nächster Nähe ansehen.« »Dazu wollte ich Sie gerade auffordern, junger Mann«, schaltete die Detektivin sich ein. »Sie können einer Lady Simpson auf keinen Fall Sand in die Augen streuen.« »Vielleicht Müll?« Badling lachte schallend. Er schien seine Scherze zu mögen. »Sie hegen gewisse Pläne, Mister Badling, was Mylady und meine Wenigkeit betrifft?« fragte der Butler. »Richtig, Parker«, kam die Antwort. »Wir fahren raus zur Deponie. Dort können Sie sich genau ansehen, wie meine Firma entsorgt. Ist das ein Angebot oder nicht?« »Hätte es einen Sinn, Ihr Angebot abzulehnen, Mister Badling?« »Natürlich nicht, Parker. Aber da wäre noch etwas. Wie Sie wissen, war ich hinter einem miesen Möchtegernschreiber her, der meine Firma durch den Dreck ziehen will.« »Sie sprechen sicher von Mister Les Corley, Mister Badling.« »Den meine ich. Sie haben ihn von der Bildfläche verschwinden lassen. Und nun will ich wissen, wo er steckt. Ich hab’ ein paar Worte mit ihm zu reden.« »Sie wollen Mister Corley entsorgen, Mister Badling, um in Ihrer Fachsprache zu bleiben?« 42
»Das hängt davon ab, wie zugänglich er ist, Parker. Sie können viel für Ihre Gesundheit tun, wenn Sie mir Corley verschaffen. Das mit der Gesundheit gilt natürlich auch für die Lady, ganz klar!« »Sie glauben doch wohl nicht, mich kaufen zu können, junger Mann, wie?« »Wenn es ums Leben ging, ist schon mancher schwach geworden, Lady.« »Sie fragen erstaunlicherweise nicht nach Mister Butch Glatter«, schlug Parker ein neues Thema an. »Auf den wäre ich noch zu sprechen gekommen«, versicherte Badling dem Butler. »Ich will natürlich wissen, wo Sie ihn versteckt halten.« »Könnten Sie sich vorstellen, daß er die Fronten in Richtung Mister Peter Rescill gewechselt hat?« »Rescill…?« kam die gedehnte Antwort. »Woher haben Sie denn diesen Namen, Parker?« »Würden Sie meiner Wenigkeit Glauben schenken, falls man Ihnen eine Angabe machen würde?« »Darüber reden wir noch ausführlich auf der Müllkippe«, drohte der Gangster und nickte seinen beiden Handlangern zu. »Macht sie reisefertig, Jungens, und bringt sie dann zur Kippe!« »Mylady und meine Wenigkeit werden sich den Anordnungen und Auflagen fügen«, erklärte der Butler, der nur hoffen konnte, daß Lady Agatha vorerst friedlich reagierte. * Die beiden Profis waren irgendwie überrascht und auch enttäuscht, daß sie bei Parker keine Schußwaffe fanden. Sie amüsierten sich über die Gabelschleuder, die sie als Mumpitz bezeichneten, und kamen erst gar nicht auf die Idee, der altväterlich gebundene Regenschirm könnte eine Waffe sein. Dies bezog sich auch auf Myladys Pompadour. Sie hielten es noch nicht mal für nötig, den perlenbestickten Handbeutel an den langen Schnüren abzutasten. Ihrer Ansicht nach konnten sich im Pompadour höchstens eine Puderdose und andere Kleinigkeiten befinden. Nachdem die Profis ihre Opfer also nach Waffen durchsucht hatten, wobei sie bei der älteren Dame erstaunliche Diskretion wal43
ten ließen, versahen sie ihre beiden Gefangenen mit Handfesseln aus Isolierdraht. Parker war ein wenig unruhig, als Mylady sich so ohne weiteres fesseln ließ. Stand sie dicht vor einer Explosion? »So, Leute, und jetzt machen wir’s uns bequem«, schlug einer der beiden Profis vor und sprach dann von einem Wohnmobil, mit dem man zur Deponie zu fahren gedachte. »Wir sehen uns dann dort«, kündigte Badling an und wandte sich dann direkt an den Butler, »und zwar unter anderen Voraussetzungen, Parker. Beim ersten Zusammentreffen haben Sie mich überrascht, will ich gern zugeben, aber so etwas passiert mir immer nur einmal.« Er ging zur Tür und war dann verschwunden. Die beiden Profis veranlaßten Lady Simpson und den Butler, das Bürogebäude zu verlassen und in eines der Wohnmobile zu steigen. Es war recht gut eingerichtet und eine Art rollendes Apartment, wie sich zeigte. Die beiden Zwangsgäste nahmen in einer Sitzecke Platz, einer der Profis ging nach vorn, öffnete eine schmale Tür und nahm am Steuer Platz. Der zweite Gangster lümmelte sich in einen Sessel und tat unbeteiligt, doch Parker fand schnell heraus, daß der Mann sehr mißtrauisch und wachsam war. »Sie fürchten nicht, an der Deponie überrascht zu werden?« fragte der Butler, nachdem das Wohnmobil sich in Bewegung gesetzt hatte. »Wir fürchten überhaupt nichts«, lautete die Antwort. »An der Deponie sind wir dann unter uns, Mann. Machen Sie sich da mal keine Sorgen.« »Es ist sinnlos, Ihnen eine Prämie anbieten zu wollen?« »‘ne Prämie? Wieso, worauf wollen Sie hinaus?« »Lady Simpson gilt als nicht gerade unvermögend«, schickte der Butler voraus. »Für eine Freilassung würde Mylady sich mit Sicherheit erkenntlich zeigen.« »Wollen Sie mich etwa kaufen?« fragte der Gangster ohne jede Entrüstung. »Dies ist die erklärte Absicht«, bestätigte Josuah Parker. »Wieviel, junger Mann?« erkundigte sich die ältere Dame. Ihre dunkle, baritonal gefärbte Stimme klang recht munter. »Was würden Sie denn springen lassen?« Der Gangster lächelte und blickte Agatha Simpson erwartungsvoll an. »Mylady denkt an zehntausend Pfund pro Person«, schaltete Parker sich ein. 44
»Fünfzigtausend«, verlangte der Gangster. »Für meinen Partner und für mich.« »Sie sehen Möglichkeiten, Mylady und meine Wenigkeit vor dem geplanten Dahinscheiden zu bewahren?« erkundigte sich der Butler. »Man könnte euch mit leichtem Müll zuschieben«, bekam der Butler zu, hören. »Ihr müßtet dann aber verdammt ruhig sein, auch wenn wir mit ‘nem Verdichter ranrollen.« »Mylady und meine Wenigkeit könnten diese Bedingung durchaus erfüllen«, wußte der Butler. »Aber auf welche Weise gedenken Sie die Geldprämie abzurufen und in Ihren Besitz zu bringen?« »Wir holen euch später wieder hoch und fahren dann zu euch ins Haus«, schlug der Gangster vor. »Das alles muß ich aber erst mit meinem Partner bereden. Der muß schließlich mitmachen. Vielleicht ist er allerdings nicht so billig wie ich.« »Mylady und meine Wenigkeit werden sich auf jede erdenkbare Überraschung einzustellen wissen«, versicherte der Butler. Der Gangster grinste flüchtig, stemmte sich aus dem Sessel und verschwand kurz danach durch die schmale Tür ins Fahrerhaus. Damit hatte Parker Zeit und Gelegenheit, sich mit seiner Handfessel intensiv zu beschäftigen. * Josuah Parker bediente sich der Vorrichtungen und Tricks, wie sie im Zweiten Weltkrieg von den Geheimdiensten praktiziert wurden. Sein rechter Schuhabsatz ließ sich nach kurzem Anheben seitlich wegdrehen und gab eine Aushöhlung im Absatz frei, deren Inhalt der Butler jetzt aber nicht brauchte. Für ihn war eine Kante der Absatzhöhlung wichtig, denn sie war so scharf wie ein Rasiermesser und in der Lage, fast alle Stoffe zu trennen. Parker raspelte seine Fessel kurz gegen diese Schneide, worauf der zähe Isolierdraht sich sofort von seinen Handgelenken löste. Der Butler brachte seinen Absatz wieder in Ordnung und bemühte sich nun kurz um einen völlig harmlos aussehenden Kugelschreiber, der in einer seiner vielen Westentaschen festgemacht war. Er verdrehte die beiden Hälften gegeneinander und aktivierte auf diese Art die Treibladung im angeblichen Schreibgerät. Der Butler war jetzt in der Lage, mit hohem Druck komprimierter Kohlensäu45
re ein Reizmittel zu verschießen. Als der Gangster zurückkam, hatte Parker seine diversen Vorbereitungen längst getroffen. Der Isolierdraht schlang sich wie bisher um seine Handgelenke. Der bewußte Kugelschreiber steckte nun in der Ziertuchtasche seines schwarzen Covercoats und wurde dank seiner ebenfalls schwarzen Farbe glatt übersehen. »Hunderttausend für jeden von uns«, berichtete der Gangster und ließ sich wieder in den Sessel fallen, »alles andere wie besprochen, Leute. Wir bringen euch nach unten und schieben anschließend mit ‘nem Verdichter leichten Müll über euch. Ihr haltet still, bis Badling und die anderen weggefahren sind.« »Es ist noch mit weiteren Personen zu rechnen?« fragte Josuah Parker. »Oder hat man es ausschließlich mit Mister Badling zu tun?« »Badling ist allein«, lautete die Antwort. »Wir haben ein paar Ladungen Sondermüll zu verstauen. Das braucht seine Zeit. Morgen bei Sonnenaufgang muß der ganze Dreck verbaut sein, damit nichts auffällt.« »Muß man demnach nicht unterstellen, daß die erwähnte Deponie unbewacht ist?« erkundigte sich der Butler. »Natürlich ist die bewacht, Mann«, entgegnete der Gangster, »aber wir haben den Knaben fest in der Hand. Auch seinen Stellvertreter. Da brauchen wir uns keine Sorgen zu machen.« »Sie beschicken die Deponie schon seit geraumer Zeit mit Giftmüll aller Art?« fragte der Butler. »Das ist mit die beste Deponie von allen«, gestand der Gangster lässig. »Da kommt pro Tag so viel Müll an, daß wir alles leicht tarnen können.« »Mister Badling verfügt demnach über eine ausgezeichnete Organisation«, lobte Parker. »Der Mann is’ Spitze.« »Und wird Ihnen gram sein, wenn er erfährt, daß Mylady und meine Wenigkeit nicht im Müll erstickt sind.« »Bis er das merkt, sind wir längst über alle Berge«, entgegnete der Gangster. »Und was euch betrifft, na ja, ihr müßt dann eben besonders aufpassen.« »Es gäbe noch eine andere Möglichkeit, Mister Badling zu düpieren«, sagte Parker. »Man könnte jetzt und hier in die Stadt zurückfahren und die geplante Geldübergabe vornehmen. Dies würde mit Sicherheit Zeit sparen.« 46
»Und uns und euch den Hals kosten«, machte der Gangster deutlich. »Badling ist doch hinter uns. Und er ist nicht allein, der hat noch ein paar von seinen Leuten mitgenommen.« »Es war nur eine Frage«, gestand Josuah Parker. »Die Herren kennen sich in den Tatsachen schließlich besser aus als meine bescheidene Wenigkeit. Man wird sich an den vereinbarten Ablauf halten.« »Gibt ja auch gar keine andere Möglichkeit«, war der Mahn überzeugt und grinste. »Wenn ihr durchkommen wollt, müßt ihr schon mitspielen.« Parker war zwar erheblich anderer Meinung, doch er ließ sich darüber nicht aus. * Die beiden Gangster hatten nichts dagegen, daß der Butler sich halb umwandte und durch einen Spalt im vorgezogenen Vorhang des Seitenfensters blickte. Es gab zwei Tiefstrahler, die ein Drahttor und eine Art Kontrollhaus in Form eines Wohn-Containers ausleuchteten. Leichter Nieselregen war aufgekommen. Das Licht spiegelte sich in tiefen Wagenspuren und Pfützen. Neben dem Wohnmobil erschien jetzt ein japanischer Geländewagen, aus dem Badling stieg. Er kam direkt auf das Wohnmobil zu. Parker setzte sich zurecht. »Alles klar?« erkundigte sich Badling bei dem Gangster, der die ältere Dame und Parker in Schach hielt. »Alles bestens«, versicherte der Kerl. »Wie soll’s jetzt weitergehen?« »Fahrt schon mal durch bis zur Kippe!« ordnete Badling an. »Bleibt neben den Verdichtern stehen, da drüben am Lüftungsschacht. Ich melde mich dann.« »Sollen wir nicht…?« Der Gangster verzichtete bewußt darauf, den Satz zu beenden. »Später«, lautete die Antwort. »Vorher muß ich die beiden Typen noch verhören – wegen Glatter und seiner Leute… Danach seid ihr dann an der Reihe.« »Klappt doch bestens«, freute sich der Gangster und informierte durch die schmale Tür seinen Partner am Steuer. Das Wohnmobil 47
setzte sich wieder in Bewegung und rumpelte durch tiefe Schlaglöcher auf die eigentliche Kippe zu. Parker hatte mit der Schulter erneut den kleinen Vorhang zur Seite geschoben und informierte sich. Man passierte zwei Lastwagen mit geschlossener Ladefläche. Sie warteten offensichtlich auf Abruf rechts von der Zufahrtsstraße. Die beiden Fahrer standen beisammen und rauchten. Der feine Nieselregen schien sie überhaupt nicht zu stören. »Illegale Beweger von Sonder- und Giftmüll?« fragte Parker den Gangster, der seitlich neben der Wagentür stand und rauchte. Der Butler registrierte eine deutliche Nervosität bei dem Mann. Er schien genau zu wissen, worauf man sich da einlassen wollte. Ein Tankwagen in Parkers Blickfeld rollte bereits quer über die verfestigte Deponie auf einen Lichtmast zu, wo Männer in Parkas zu sehen waren. »Giftschlämme?« tippte Parker bei seinem Bewacher an. »Wahrscheinlich«, verhieß die Antwort. »Was das genau ist, interessiert uns nicht.« »Sie verseuchen immerhin die Deponie und ruinieren das Grundwasser«, empörte sich die ältere Dame. »Nicht unser Bier«, erwiderte der Gangster und zuckte die Achseln. »Dann muß man die Deponie eben besser absichern.« »Sie haben schon mehrere dieser Transporte mitgemacht?« erkundigte sich der Butler beiläufig. »Mindestens ein halbes Dutzend«, hörten Parker und Agatha Simpson. »Aber diese Fahrten endeten nicht alle hier auf der Kippe. Da gibt’s noch andere.« »Wie oft wird die Müllhalde von Mister Badling frequentiert?« ließ Parker eine weitere Frage folgen. »Mylady geht davon aus, daß dies mehrmals in der Woche geschehen dürfte.« »Da liegt die Lady verdammt richtig«, unterstrich der Gangster. »Sie ahnen ja nicht, was an Giftdreck pro Tag in London anfällt. Und anderswo sicher auch. Mit Müll kann man Millionen machen, wenn man weiß, wie’s geht.« »Mister Badling dürfte dies sehr genau wissen.« »Der soll sogar ein paar Müllfirmen in Mittelengland und im Westen haben«, versicherte der Gangster und lachte leise. »Wenn er nur nicht so geizig wäre…« »Ihnen kommen gewisse Dinge, die man Skrupel zu nennen pflegt?« 48
»Skrupel? Überhaupt nicht. Was man nicht bekommt, muß man sich eben holen. So einfach ist das.« Parker nahm wieder den Kopf herum, denn inzwischen hatte man den Lüftungsschacht erreicht. Der Butler schaute sich die sogenannten Schaufellader an, die als Verdichter bezeichnet wurden. Statt der übergroßen, grobstolligen Reifen besaßen sie breite Stahlräder, die mit schweren Keilen versehen waren. Diese Keile hatten die Aufgabe, den weichen und lockeren Müll zu pressen und zu verdichten. Die Schwere des ganzen Gerätes tat ein übriges, um das angelieferte Mullvolumen schrumpfen zu lassen. Selbst im Wohnmobil roch es nach Faulgas, nach Müll, Moder oder Fäulnis. Nicht weit vom Entlüfter entfernt wurde Faulgas abgefackelt. Die flackernde Flamme hatte beachtliche Ausmaße, ein Zeichen dafür, wie es in dieser Deponie arbeitete. »Mylady wundert sich, daß die nächtlichen Aktivitäten nicht beobachtet werden«, ließ der Butler sich vernehmen. »Hat man sich etwa an die Müllfahrten zur Nachtzeit gewöhnt?« fügte die ältere Dame hinzu. »Scheint so, Lady«, erwiderte der Gangster. »Und wer ‘ne Lippe riskieren will, bekommt eben Ärger. Haben wir alles schon durchexerziert. Hier muckst kein Schwanz auf, dafür sorgen wir schon.« »Wer von solchem Müll begraben wird, den wird man niemals mehr aufspüren können«, ließ die ältere Dame sich vernehmen. »Darauf können Sie Gift nehmen, Lady«, bestätigte der wachhabende Gangster. »Morgen kommen die regulären Fuhren, bis zu hundert Fahrzeuge am Tag. Wer in diesen Dreck abrutscht, ist verloren.« »Wer, bitte, ist das dort, der Mann neben dem rechten Verdichter?« bat Parker um Auskunft. Der Gangster drückte sich mit der Schulter von der Wagenwand ab und ging zu Parker hinüber, beugte sich neben ihm vor und… ächzte dann sehr verhalten, als er einen Handkantenschlag kassierte. Parker nahm ihm die Schußwaffe ab, stand auf und entledigte sich der improvisierten Handfessel. Er ging zur Tür, öffnete sie und bat den Fahrer, der sich ohne jede Hast umdrehte, um Entschuldigung. »Es ist meiner Wenigkeit ungemein peinlich«, sagte Parker, während er mit dem Griffstück der erbeuteten Schußwaffe an die 49
Stirn des Fahrers pochte. Der Mann wurde umgehend recht klein, rutschte in seinem Fahrersitz nach unten weg und mußte von Parker wieder in eine normale Stellung gebracht werden. Mit zwei Plastik-Einwegfesseln sicherte er die Gangster, die noch nicht mal in die Wölbung von Parkers Kopfbedeckung geschaut hatten. Ihr Leichtsinn und ihre Überheblichkeit wurden nachdrücklich bestraft. »Wie ich längst gesehen habe, Mister Parker, gibt es hier einen Kühlschrank«, sagte Agatha Simpson, als der Butler ihr den Isolierdraht von den Handgelenken nahm. »Ich gehe davon aus, daß man etwas für meinen angegriffenen Kreislauf finden wird.« Und Mylady hatte sich nicht getäuscht. * »Nicht gerade schlecht«, meinte sie nach einem ausgiebigen Schluck und setzte das Wasserglas ab. Parker hatte es bis zu einem guten Drittel mit Brandy gefüllt. »Darf man sich die Freiheit nehmen, sich nach Myladys Befinden zu erkundigen?« fragte der Butler. »Das Schlückchen hat meine Lebensgeister angerührt«, erwiderte die ältere Dame. »Ich denke, ich bin auf dem richtigen Weg.« »Darf man Mylady nachschenken?« »Genau das wollte ich mit meinen Worten sagen«, machte sie deutlich. »Und dann möchte ich von Ihnen hören, Mister Parker, wie ich die Lage beurteile. Ich habe da bereits meine bestimmten Vorstellungen.« »Man könnte und sollte Mister Badling jetzt und hier überraschen, stellen und überführen, bevor er in der Lage ist, weiteren Giftmüll illegal abzuladen.« »Richtig«, bestätigte die Detektivin. »Ich werde auf alle Finessen verzichten und sofort zur Sache kommen. Dieser Fall ist bereits geklärt, Mister Parker. Ich kenne den Täter und den Drahtzieher.« »Mylady sprechen von Mister Badling?« »Von wem denn sonst?« behauptete sie munter und stärkte ihren Kreislauf. »War er nicht eben hier an der Wagentür?« »In der Tat, Mylady«, erwiderte der Butler. »Mister Badling ist die handelnde Person, die den Problem- und Giftmüll illegal abkippt. 50
Mylady wollen aber sicher noch den eigentlichen Drahtzieher der Müllpiraten entsorgen, um es mal salopp auszudrücken.« »Den Drahtzieher?« Sie zerdehnte das Wort und runzelte die Stirn. »Eine bisher noch unbekannte Person, die mit einem gewissen Mister Cameron identisch sein könnte, Mylady.« »Aha.« Agatha Simpson nickte grimmig. »Ich ahnte, äh, ich wußte doch, daß da noch etwas war, Mister Parker. Wo finde ich diesen Mister…« »Es handelt sich um einen Mister Cameron, wie man im Büro des Mister Gleason in Erfahrung bringen konnte.« »Kenne ich diesen Mann?« forschte sie ungeduldig. »Er ist ein Mister Unbekannt, um es mal so zu umschreiben, Mylady«, antwortete der Butler. »Man nennt seinen Namen, weiß aber nicht, wo er wohnt. Möglicherweise handelt es sich um eine Tarnbezeichnung.« »Davon gehe ich aus.« Sie nickte wissend. »Aber nun genug der Details, Mister Parker. Wie werde ich jetzt also reagieren? Ich hoffe doch sehr, daß Sie sich dazu bereits Ihre Gedanken gemacht haben.« »Man müßte versuchen, über Mister Badling an den gesuchten Mister Cameron zu gelangen. Falls Mylady dies umzusetzen wünschen, müßte man Mister Badling noch, weiterhin Gelegenheit verschaffen, sich frei zu bewegen.« »So hatte ich das vor, Mister Parker, und so werde ich es auch tun«, entschied Agatha Simpson energisch wie stets. »Und nichts wird mich davon abhalten. Treffen Sie die erforderlichen Vorbereitungen. Ich lasse Ihnen wieder mal vertrauensvoll freie Hand.« »Myladys Vorschuß an Vertrauen ist immer wieder beglückend«, lautete Parkers Antwort. Er hatte keine Mühe, seih Gesicht glatt zu halten, deutete eine Verbeugung an und bat darum, sich für kurze Zeit empfehlen zu dürfen. Er wartete diese Erlaubnis gar nicht erst ab, sondern öffnete die Außentür des Wohnmobils und trat ins Freie. Er sorgte dafür, daß man ihn von den Lastwagen her nicht erkennen konnte. Parkers Vorsicht zahlte sich voll aus. Der japanische Geländewagen schlingerte durch die mit Wasser und Schlamm gefüllten Spurrinnen und hielt knapp hinter dem Wohnmobil. Badling, der am Steuer saß, stieg aus und ging auf das Wohnmobil zu. 51
Er war ahnungslos, wie sich zeigte. Er zündete sich eine Zigarette an, sprang über eine breite Wasserpfütze, sprang dabei eindeutig zu kurz und landete mit dem linken, vorgestreckten Fuß in der schlammigen Brühe. Badling fluchte, lief weiter und riß die Tür zum Wohnmobil auf. Dann blieb er wie erstarrt stehen, als Parker ihm den Lauf der erbeuteten Schußwaffe gegen die rechte Nierenpartie drückte. »So sieht man sich wieder, Mister Badling, wie es so treffend heißt«, sagte Josuah Parker. »Könnte es sein, daß Sie sich danach sehnen, entsorgt zu werden, wie im Branchenjargon gesprochen wird?« »Pa… Pa… Parker?« stotterte Badling. »Mit Ihrer Erlaubnis, Mister Badling«, gab der Butler zurück. »Wie Sie hören und gleich sehen werden, haben die Dinge sich völlig neu entwickelt.« Hale Badling setzte alles auf eine Karte und warf sich entschlossen zurück. Er wollte Parker und einem eventuellen Schuß zuvorkommen. Und er erreichte auch einiges. * Der Butler war genau im richtigen Augenblick seitlich ausgewichen und sorgte auf diese Weise dafür, daß Badling rücklings in einer ölig schimmernden Wasserlache landete. Der flüssige Dreck spritzte hoch und hätte Parker erreicht, wenn der Butler nicht den Schutz der Wagenecke aufgesucht hätte. »Sie bewegen sich ein wenig unüberlegt, Mister Badling«, machte Josuah Parker deutlich. »Könnte es sein, daß Sie nervös sind?« Er wollte sich auf keine Diskussion einlassen und griff nach seiner Schulterhalfter. Er blieb allerdings auf dem Rücken in der schlammigen Brühe liegen und hatte wohl nur den einen Gedanken, Butler Parker zu erledigen. Doch Badling mußte seine Absicht revidieren, denn er hatte die Schußwaffe noch nicht ganz aus der Schulterhalfter geholt, als sein Gesicht eingewässert wurde. Parker hielt einen Blechkanister in Händen, dessen oberer Deckel abgeschnitten war. In diesem Kanister, der wohl als Eimer diente, befand sich Altöl. Die Wirkung war verblüffend. Der Umwelt-Gangster zuckte zurück und wollte einen Schrei aus52
stoßen, doch das Altöl erstickte jede Äußerung. »Sie sollten möglichst schnell aufstehen, Mister Badling«, schlug der Butler vor. »Mylady hegt einen gewissen Unmut, was Sie betrifft.« »Dafür werden Sie noch büßen«, drohte der Umwelt-Gangster und richtete sich auf. Er blickte fast elegisch um sich. So hatte er sich sein Verhör mit Lady Simpson und dem Butler sicher nicht vorgestellt. »Vielleicht sollten Sie sich den Rand der Deponie mal genauer ansehen«, schlug der Butler weiter vor. »Sie dürften dann aus nächster Nähe erfahren, was Sie Mylady und meiner Wenigkeit zugedacht hatten.« Er stemmte sich mühsam aus der Schlammpfütze hoch und ließ sich von Parker zum nahen Rand der Deponie dirigieren. Der Butler sorgte dafür, daß man ihn und Badling von den Transportern her nicht beobachten könnte. Er hörte aber, daß die schweren Diesel der Trucks und Tankzüge angeworfen wurden. Es konnte also nicht mehr lange dauern, bis die illegale und verbrecherische Entsorgung im Sinne der Umwelt-Gangster erfolgte. »Das alles werden Sie noch mal tief bereuen«, drohte Badling weiter und spuckte ausgiebig. Er stand inzwischen auf nassen Füßen und trabte durch den hier noch nicht komprimierten Müll weiter nach vorn. Das Licht der Bogenlampe reichte aus, daß auch Parker seinen Weg fand. Er balancierte über zerbrochene Kisten, eingedrückte Kartons, Möbelteile, Plastikflaschen und Glasschrott und ließ den Umwelt-Gangster dabei nicht aus den Augen. Badling aber hatte jeden Widerstand aufgegeben. Als er den Schüttrand der Deponie erreichte und hinunterblickte in die stinkende Dunkelheit, in der das schrille und alarmierende Pfeifen aufgeschreckter und wohl auch verärgerter Ratten zu vernehmen war, strich er die Segel. »Man wird sich Ihnen keineswegs in den Weg stellen, wenn Sie jetzt nach unten springen«, schickte Josuah Parker voraus. »Wie von Ihren beiden Mitarbeitern zu erfahren war, sollten Mylady und meine Wenigkeit hier abgelagert werden.« Während Parker sprach, nahm er die Waffe hoch und richtete den Lauf auf Badling, der einen weiteren, vorsichtigen Schritt nach vorn tat, dann plötzlich abrutschte, schrie und im gleichen Moment nach unten sackte. 53
Das Klatschen von aufgestautem Sickerwasser kündigte das Eintreffen des Mannes an. * Chief-Superintendent McWarden, fünfundfünfzig Jahre alt, untersetzt und recht stämmig, zeigte einen deutlichen Bauchansatz. Er hatte das Gesicht einer stets leicht gereizten Bulldogge und zeichnete sich durch großes Können aus. Er war dem Innenminister direkt unterstellt und leitete in Scotland Yard das Ressort, das sich mit dem organisierten Verbrechen befaßte. McWarden war von Parker gerade eingelassen und höflich begrüßt worden. Der Chief-Superintendent war ein gerngesehener Gast im Haus der älteren Dame, die er sehr schätzte. Er bat sie oft um Mitarbeit an bestimmten Kriminalfällen. Immer dann, wenn er an den kleinen und großen Dienstweg gebunden war, konnte Agatha Simpson sich lustvoll einschalten und auf alle Vorschriften pfeifen. Sie hatte jenes Geld, das man haben mußte, um sich jede Extravaganz leisten zu können. Obwohl normalerweise sparsamer als ein geiziger Schotte, scheute die resolute Dame sich nicht, Privatjets oder Hubschrauber, hochseegängige Yachten oder einen Stab von Observanten einzusetzen. Dann nämlich spielten Kosten für sie überhaupt keine Rolle. Besonders verpflichtet war McWarden dem Butler. Er hielt Parker für einen erstklassigen Kriminalisten, der zäh, höflich und sehr effektiv seine Ermittlungen anstellte. Er hatte in der Vergangenheit mehrfach versucht, den Butler abzuwerben, doch er war stets ablehnend beschieden worden. Parker war zu keinem Zeitpunkt bereit gewesen, seine Tätigkeit für Mylady aufzugeben. »Sie sollten sich zu einem kleinen Frühstück eingeladen fühlen, Sir«, sagte der Butler. »Mylady wird in wenigen Minuten erscheinen. Sie hatten, wenn man überhaupt fragen darf, rein zufällig in der näheren Umgebung zu tun?« Parker kopierte die Standardfloskel des Chief-Superintendent. McWarden erschien nämlich stets zufällig und kündigte damit natürlich an, daß er an einer Mithilfe bei der Klärung eines Falles interessiert war. »Nee, Mister Parker, eigentlich komme ich diesmal sehr gezielt«, 54
erwiderte McWarden. »In der vergangenen Nacht ist im Süden von London so einiges passiert.« »Meine Wenigkeit darf sich erlauben, ein wenig zu staunen«, gab Josuah Parker zurück. »Auf einer Mülldeponie muß sich eine Art Überfall zugetragen haben«, berichtete McWarden und nickte beiläufig-dankbar, als Parker ihm einen trockenen Sherry servierte. »Darf man Einzelheiten erfahren, Sir?« »Da sind einige Müllfahrzeuge über die Abbruchkante der Kippe nach unten gesegelt«, zählte der Chief-Superintendent auf. »Sie können sich ja vorstellen, wie die Wagen jetzt aussehen.« »Könnten Sie dennoch und möglicherweise mit einigen Details dienen, Sir?« »Da gibt es einen Tankwagen, der sich überschlagen hatte und aufgeplatzt ist«, schilderte McWarden weitere Einzelheiten. »Und dann sind da noch zwei Container-Trucks, die auch nur noch Kleinholz sind. Sie wissen, was ich damit meine, nicht wahr?« »Sollten diese Fahrzeuge sich selbständig gemacht und von sich aus über den Rand der Deponie gerollt sein, Sir?« fragte Josuah Parker. Sein Gesicht blieb glatt und ausdruckslos wie stets. »Kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, Mister Parker«, beantwortete der Chief-Superintendent die Frage. »Da muß einer dran gedreht haben, um’s mal so zu sagen. Wir fanden nämlich die Truckfahrer und einige andere Männer, die ziemlich tief im Dreck saßen. Und das meine ich wörtlich.« »Sie sollten davon ausgehen, Sir, daß Sie längst das Interesse meiner Wenigkeit geweckt, haben«, machte Parker deutlich. »Sie saßen und lagen in ölschillernden Dreckschlämmen«, berichtete der Chief-Superintendent weiter. »Sie waren an den Händen gefesselt. Und wissen Sie, womit? Sie werden es kaum glauben!« »Sie verstehen geradezu blendend, meine Wenigkeit in Hochspannung zu versetzen, Sir«, steigerte der Butler seine Aussage. »Mit Plastikfesseln, Mister Parker, mit diesen Einwegfesseln, wie wir sie bei der Polizei verwenden«, präzisierte der hohe YardBeamte seine Aussage. »Verwenden nicht auch Sie diese Dinger?« »Mehr als sparsam, Sir«, meinte der Butler. »Konnten die Betroffenen angeben, von wem sie gefesselt worden sein wollten?« »Sie sprachen von einem Mann, der wie ein Butler gekleidet war«, lautete McWardens Antwort. Auch sein Gesicht blieb jetzt 55
ernst. Von einer Andeutung war in seiner Stimme nichts zu vernehmen. »Die Berufskleidung eines Butlers dürfte hier auf der Insel nicht gerade als Rarität zu bezeichnen sein, Sir.« »Das meine ich allerdings auch, Mister Parker. Ich werde diesen Aussagen also erst mal keinen Glauben schenken. Dafür aber habe ich umgehend gesorgt, daß sich Spezialisten mit dem Inhalt der ausgekippten Container und des Tanklasters befaßten. Das Ergebnis ist niederschmetternd.« »Den Grund für diese Einschätzung wird man sicher jetzt und hier erfahren, Sir.« »Giftschlämme, Problem- und Sondermüll… Schwermetalle, Giftsalze und Säuren, Öle und medizinischer Abfall aller Art… Mister Parker, diese Deponie ist völlig verseucht und ist bereits stillgelegt worden.« »Kennt man die Verursacher, Sir?« »Die Fahrer der Last- und Tankwagen verweigern jede Aussage«, meinte McWarden achselzuckend. »Aber erfahrungsgemäß werden die Knaben früher oder später schon noch reden, Mister Parker.« »Ihre Mitarbeiter, Sir, werden selbstverständlich über die Wagenkennzeichen an die Halter der Fahrzeuge gekommen sein.« »Die gehören einem gewissen Hale Badling, Mister Parker, den wir bereits kontaktiert haben«, erzählte McWarden weiter. »Er hat sich sofort zu den Fahrzeugen bekannt, sie aber an einen Subunternehmer namens Peter Commers vermietet. Angeblich, dürfte ja klar sein.« »Meine Wenigkeit geht davon aus, daß ein Mister Peter Commers zwar durchaus existiert, aber zur Zeit geschäftlich auf dem Kontinent weilt, Sir!« »Das ist haargenau richtig, Mister Parker. Wir werden der Sache natürlich nachgehen. Und Mylady und Sie können gern mitmachen. Vielleicht sollten Sie noch etwas wissen: Dieser Badling hat zwei Beulen am Kopf, groß wie Taubeneier. Ich könnte mir glatt vorstellen, daß die von einem harten Gegenstand herrühren. Vielleicht von dem Bambusgriff eines ganz bestimmten Schirmes?« »Überraschungen, gleich welcher Art, sollte man grundsätzlich niemals ausschließen, Sir«, schickte Josuah Parker voraus. »Vielleicht wird die erwähnte Person irgendwann sagen, um welchen Schirm es sich gehandelt hat.« 56
»Ich werde Badling nichts, aber auch rein gar nichts glauben«, kündigte der Yard-Gewaltige an. »Dieser Badling könnte ja glatt auf den Gedanken kommen und Ihren Namen nennen! Nein, nein, so weit lasse ich es nicht kommen! Unter uns, von mir aus hätte er sich drei Taubeneier einhandeln können.« * »Zwei Sherry, Mister Parker?« fragte Agatha Simpson und blickte ihren Butler ungläubig-entgeistert an. »Mister McWarden beauftragte meine Wenigkeit, den Dank für die Bewirtung zu übermitteln, Mylady.« Parker saß am Steuer des hochbeinigen Monstrums und hatte seine Herrin gerade informiert. Während des Frühstücks hatte er geschwiegen, um den Appetit der älteren Dame nicht zu gefährden. »Dieser Mann ruiniert mich noch«, fürchtete sie mit halblauter Stimme. »Hoffentlich ist er, was den Sherry betrifft, nicht dem Alkohol verfallen.« »Falls Mylady darauf bestehen, wird man darauf zu achten haben«, gab der Butler zurück. »Myladys Anregung hinsichtlich der bisher eingesammelten Gäste und Besucher wurde in die Tat umgesetzt.« »Sehr schön.« Die Detektivin nickte. »Mylady ging es, wenn man daran erinnern darf, um die Senkung der Kosten. Daraufhin wurden die angesprochenen Personen in die Freiheit entlassen.« »Hatte ich das tatsächlich angeordnet?« Sie runzelte die Stirn. »Möglicherweise indirekt, Mylady«, behauptete der Butler. »Myladys Beschluß ist selbstverständlich als sehr hilfreich und geradezu beglückend zu bezeichnen.« »Ich weiß, ich weiß«, erfolgte prompt ihre bekannte Wendung. »Mit anderen Worten, ich habe alle Subjekte freigesetzt?« »Und dadurch immense Kosten gespart.« »Und was ist mit Picketts Gästen?« erkundigte sie sich. »Mister Glatter, sein Assistent und die beiden Fordfahrer können sich ebenfalls wieder frei bewegen«, zählte der Butler auf. »Mister Badling dürfte jetzt alle Hände voll zu tun haben, um die mit Sicherheit erregten Gemüter wieder zu beschwichtigen und neu zu stimulieren.« 57
»Das war ja schließlich meine Absicht«, erfolgte prompt genau diese Antwort. »Ich bin mir natürlich völlig im klaren darüber, daß ich ein großes Risiko eingegangen bin.« »Mylady haben Risiken noch nie gefürchtet«, meinte der Butler. »Mylady benötigen sie sogar.« »Ich brauche die Spannung in mir«, machte sie deutlich, »und deshalb bin ich schon wieder unterwegs. Was sagte der gute McWarden denn zur Mülldeponie?« »Mister McWarden war ungemein beeindruckt und ließ die Deponie bereits schließen«, berichtete der Butler. »Zu einer Anklage gegen Mister Badling reichen die Beweise allerdings noch nicht. Mister Badling hat geschickterweise einen Strohmann vorgeschoben, von dem er düpiert worden sein will.« »Diese Beweise werde ich herbeischaffen, Mister Parker. Wohin fahre ich im Augenblick?« »Mylady planen, Mister Rescill einen Besuch abzustatten«, erinnerte der Butler in seiner bekannt diskreten Art. »Richtig.« Sie lächelte versonnen und mild. »Das ist doch dieser… Wie heißt er noch?« »Der erklärte Konkurrent Mister Badlings«, half der Butler aus. »Wie ich an anderer Stelle bereits gesagt habe«, erklärte sie, »diesem Individuum werde ich umgehend das Handwerk legen.« »Mylady werden wieder mal für Irritation und Panik zu sorgen wissen«, meinte Parker, ohne eine Miene zu verziehen. * Peter Rescill betrieb eine Firma, die sich ebenfalls mit Müll aller Art befaßte. Die Spezialität seines Betriebes im östlichen Bereich von Groß-London war die Sanierung vergifteter Böden in einer Art Riesenwaschanlage, die auf einem ausgedehnten Fabrikhof stand. Es gab zwei große Hallen, in deren ausbetonierten Wannen Fässer mit Problemmüll zwischengelagert wurden. Rescill machte einen durchaus seriösen und fachkundigen Eindruck. Er hatte seine Gäste herumgeführt und schien nach wie vor zu glauben, daß Lady Simpson seine Dienste in Anspruch zu nehmen gedachte. Josuah Parker hatte in ihrem Namen aus dem Moment heraus von einem lecken Öltank in einem von Myladys Landhäusern gesprochen. Rescill ging nun davon aus, daß er ei58
nen vollgelaufenen Wirtschafts- und Heizungskeller zu reinigen habe. Parker hatte von zwanzigtausend Litern gesprochen. »Die Sanierung wird nicht gerade billig sein, Mylady«, sagte Rescill, als man wieder in das langgestreckte, zweistöckige Bürohaus ging. »Und wenn Sie sich nicht beeilen, dann werden Sie den Ölgeruch im Haus niemals wieder los. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich spreche.« »Darf man erfahren, auf welche Art die Sanierung vonstatten gehen soll, Mister Rescill?« brachte Parker seine Frage an den Fachmann. »Da wäre zuerst mal das Absaugen in spezielle Tankwagen, anschließend müssen die Kellerräume heiß ausgewaschen werden. Einzelheiten kann ich dazu erst dann geben, wenn ich mir das alles angesehen habe. Aber ich sage Ihnen gleich, daß ich nicht gerade billig bin, Mylady.« »Ein Mister Badling aus Stepney, ebenfalls ein Entsorger, bietet konkurrenzlose Preise an, Mister Rescill«, warf Josuah Parker ein. »Ich kenne Badling«, erwiderte der Firmenbetreiber und lächelte flüchtig. »Wir sind Konkurrenten und schenken uns nichts.« Rescill, um die fünfzig Jahre alt, mittelgroß, schlank, angenehmes Gesicht und hellwache, schnelle Augen, war kurz stehengeblieben und ging dann weiter. Für ihn schien das Thema Badling bereits erledigt zu sein. »Man sagt hinter vorgehaltener Hand, Mister Badling wäre ein wahrer Künstler in Sachen Entsorgung«, fuhr der Butler fort. »Mylady und meine Wenigkeit haben sich selbstverständlich informiert.« »In unserer Branche wird viel geredet«, wiegelte Rescill ab. Er blieb an der Tür zum Bürogebäude stehen und ließ seine Besucher eintreten. »Sehen Sie, die eigentlichen Verursacher von Problemmüll, nämlich Fabriken jeder Größe, übertragen den Firmen unserer Branche die Entsorgung. Sie ahnen ja nicht, wie schwer dieses Geschäft ist. Wer will schon, daß hinter seinem Haus eine Deponie eingerichtet wird? Wer duldet schon Spezialdeponien für giftige Industrieabfälle? Und trotzdem muß der Dreck ja schließlich irgendwo sicher untergebracht werden.« »An der Schädigung des Branchen-Image dürften die sogenannten schwarzen Schafe schuld sein«, vermutete der Butler. »Mit Sicherheit«, wußte Rescill. Er hatte seine Gäste in sein Büro im Erdgeschoß geführt und bat sie, in einer Besucherecke Platz zu 59
nehmen. »Ich gehe davon aus, junger Mann, daß Sie mir eine Erfrischung anbieten wollen«, ließ Lady Simpson sich vernehmen. »Gegen einen reifen Brandy hätte ich nichts einzuwenden.« »Sofort, Mylady«, versprach der Firmenbetreiber. »Ich hätte aber auch einen guten alten Sherry.« »Ausgezeichnet«, lobte die ältere Dame und lächelte wohlwollend. »Beginnen wir also mit dem Sherry.« »Mylady wurde auch der Name eines gewissen Chris Gleason genannt«, tippte der Butler an, während Rescill die eingebaute Hausbar in einer Schrankwand öffnete und sich mit dem angekündigten Sherry befaßte. »Durch die erwähnte Person erfuhr Mylady sogar erst von der Existenz Mister Badlings.« »Von Gleason habe ich schon gehört«, räumte Rescill ohne weiteres ein. »Ist der aber nicht im Straßenbau tätig?« »Eine Frage am Rande«, sagte Parker. »Mylady kann also davon ausgehen, daß Ihre Entsorgung den Regeln und Vorschriften für den Umgang mit Problemmüll entspricht?« »Dafür garantiere ich«, erklärte Rescill. »Bitte, mißverstehen Sie mich nicht, wenn ich Ihnen jetzt sage, daß Badling Ärger mit den Behörden hat. Ich will ihn wirklich nicht anschwärzen, aber man munkelt, er würde seinen Giftmüll auf normalen Hausmülldeponien heimlich abkippen.« »Verbindlichsten Dank für diesen wirklich wichtigen Hinweis«, gab Josuah Parker zurück. »Mylady dürfte Sie umgehend verständigen und Ihnen den beschriebenen Auftrag erteilen.« »Der Sherry ist recht passabel«, ließ Agatha Simpson verlauten. »Jetzt bin ich gespannt auf den Brandy. Überraschen Sie mich, junger Mann!« Rescill warf einen erstaunten Blick auf die ältere Dame, die höchst trinkfest zu sein schien. * »Ich habe einen sehr guten Eindruck von diesem Mann«, urteilte sie eine halbe Stunde später. Sie saß im Fond des hochbeinigen Taxis und machte einen durchaus zufriedenen Eindruck. »Ist Ihnen aufgefallen, wie zurückhaltend er von seiner Konkurrenz gesprochen hat? Sehr wohltuend, Mister Parker.« 60
»Die Diskretion Mister Rescills war in der Tat bemerkenswert, Mylady«, erwiderte der Butler. »Er gab allerdings ein Gerücht wieder, wonach Mister Badling Giftmüll auf Hausmülldeponien schaffen soll.« »Nun ja, wer hätte so etwas nicht erwähnt, Mister Parker? Auf jeden Fall dürfte dieser Mann eine reine Weste haben.« »Myladys immer wieder verblüffende Menschenkenntnis ist bewunderungswürdig«, stellte der Butler fest. »Man hat es, Mister Parker, oder man hat es eben nicht«, gab sie zurück und lächelte versonnen. »Dieser Mister…« »…Rescill, Mylady«, half der Butler diskret aus. »Wie auch immer«, gab sie leicht gereizt zurück. »Klammern Sie sich nicht immer an Namen, Mister Parker.« »Wie Mylady zu wünschen geruhen.« »Nun ja, dieser Mister Wie-auch-immer ist auf keinen Fall ein Gangster«, entschied sie. »Mylady täuschen sich so gut wie nie«, behauptete Parker. Sein glattes Gesicht blieb undurchdringlich. »Lassen wir das Thema«, verlangte sie und wandte sich ein wenig mühsam um. »Werde ich etwa verfolgt?« »Zur Zeit scheint man sich nicht um Mylady kümmern zu wollen«, informierte der Butler. »Mister Badling dürfte noch unter den Folgen der nächtlichen Ereignisse auf der Deponie leiden.« »Ich hätte dieses verkommene Subjekt mehrfach in den Schlamm drücken sollen«, sinnierte sie halblaut, »aber Sie waren ja wieder mal dagegen.« »Mylady hätten möglicherweise eine Vergiftung provoziert«, erinnerte der Butler. »Mister Parker!« Sie räusperte sich explosionsartig. »Was richten die Müllpiraten und -gangster denn ihrerseits an? Sie vergiften ganze Regionen.« »Myladys Unmut ist durchaus zu verstehen. Vielleicht ist man in der Lage, weitere Beweise gegen Mister Badling zu sammeln.« »Richtig, Mister Parker. Und ich habe da bereits meine sehr genauen Vorstellungen«, erklärte sie. »Ich bin nun sehr gespannt, ob Sie in der Lage sind, sie zu umreißen.« »Die erwähnten Vorstellungen Myladys?« »Natürlich«, gab sie ungeduldig zurück. »Was habe ich mir wohl alles ausgedacht, Mister Parker?« »Mylady dürften sich noch mal mit Mister Gleason befassen wol61
len«, begann der Butler mit seiner Aufzählung. »Richtig«, bestätigte die ältere Dame. »Dieser Ganson oder wie er sonst heißen mag…« »Mister Chris Gleason«, erinnerte der Butler geduldig. »Er betreibt eine Firma, die auf Schotter gegründet ist.« »Ich weiß, ich weiß«, erfolgte unmittelbar darauf ihre leicht gereizte Antwort. »Aber nun gut, Mister Parker. Weiter! Ich bin doch sehr gespannt.« »Zusätzlich zu Mister Gleason haben Mylady die Absicht, Mister Cameron zu interviewen.« »Ich wunderte mich schon, daß Sie diesen Mann nicht genannt haben«, sagte die Detektivin. »Mister Cameron…« »… in der Tat, Mylady, Mister Cameron«, wiederholte der Butler. »Also ihn muß ich sogar dringend sprechen«, stellte sie heraus. »Er ist schließlich…« »… der eigentliche Drahtzieher der Gangster Gleason und Badling«, faßte der Butler zusammen. »Er dürfte der echte Müllpirat sein, wie es den Anschein hat.« »Und wo finde ich dieses Subjekt, Mister Parker? Es weiß doch bestimmt längst, daß ich auf der Mülldeponie war, oder?« »Mit letzter Sicherheit, Mylady«, bestätigte der Butler. »Mister Cameron dürfte Myladys Besuch als sicher unterstellen.« »Er wird also seine Vorbereitungen getroffen haben?« »In der Tat, Mylady. Man wird sich auf Überraschungen einzustellen haben.« »Das ist Ihr Ressort, Mister Parker«, entschied Lady Agatha. »Ich hoffe, ich kann mich auf Sie verlassen.« »Meine Wenigkeit wird sich ungemein bemühen«, versprach Josuah Parker ernst. »Erfreulicherweise konnte inzwischen die Adresse des mehrfach erwähnten Mister Cameron ausfindig gemacht werden.« »War mir die denn nicht bekannt?« wunderte sich die ältere Dame. »Oder sollten Sie nicht recht zugehört haben, Mister Parker?« »Bisher wurde nur Mister Camerons Name genannt, Mylady«, entgegnete der Butler. »Er galt für eine gewisse Zeit sogar als Konkurrent der Herren Badling und Gleason, inzwischen dürfte aber sicher sein, daß er genau das Gegenteil von dem ist. Er ist der eigentliche Drahtzieher der sogenannten Müllpiraten.« »Dies ahnte ich bereits die ganze Zeit über, Mister Parker«, kam die von Parker erwartete Feststellung. »Und woher weiß ich nun 62
von der Adresse dieses Subjektes?« »Mister Horace Pickett und seine Freunde wurden tätig und ermittelten. Sie verweisen auf einen Mister Cameron in Wapping. Er unterhält dort ein Büro, in dem man sich mit Fragen der Entsorgung und des Recycling beschäftigt. Mister Camerons Betrieb im Osten der Stadt stellt Shredder- und Sortieranlagen her.« »Das ist genau der Mann, den ich suche«, wußte die ältere Dame umgehend und nickte nachdrücklich. »Mister Parker, Sie kennen das Ziel, den Weg überlasse ich Ihnen. Auch Sie brauchen hin und wieder ein Aha-Erlebnis, um mit Lust und Schwung bei der Sache zu bleiben.« »Mylady sind eine bemerkenswerte Psychologin«, behauptete der Butler in bekannt höflicher Weise. »Mylady verstehen es immer wieder, meine bescheidene Wenigkeit zu motivieren.« * Es waren zwei relativ junge Männer, die Agatha Simpson und Butler Parker geschickt folgten. Der Butler entdeckte sie, als man sich in Wapping dem Konstruktionsbüro des Mister Cameron näherte. Er machte die ältere Dame natürlich umgehend auf seine Entdeckung aufmerksam. »Und das fällt Ihnen erst jetzt auf?« meinte sie ironisch. »Diese Verfolger beobachte ich bereits die ganze Zeit über.« »Mylady lösen in meiner Wenigkeit eine gewisse Bestürzung aus«, gestand der Butler. »Meine Aufmerksamkeit muß abgelenkt worden sein.« »Sehen Sie sich diesen Mini-Cooper doch genau an«, fuhr sie siegessicher fort. »Das Pärchen auf den Vordersitzen soll doch nur Harmonie vortäuschen, tatsächlich aber dürfte es sich um hochkarätige Killer handeln.« »Mini-Cooper, Mylady?« Parker hatte einen solchen Wagen vor wenigen Minuten im Blickfeld seines Rückspiegels gehabt, doch der Kleinstwagen war inzwischen wieder abgezogen. »Mini-Cooper, Mister Parker«, wiederholte Lady Agatha. »Er ist ein paar Wagen hinter mir… Sehen Sie nur genau hin!« »Meine Wenigkeit muß ungemein bedauern, Mylady, aber von einem Mini-Cooper ist momentan nichts zu sehen.« »Natürlich ist er hinter mir«, beharrte Agatha Simpson unwirsch. 63
»Ich habe doch Augen im Kopf. Welchen Wagen haben Sie denn ausgespäht?« »Einen VW Golf, Mylady, in dem zwei Männer sitzen. Sie dürften mit der Besatzung eines zweiten Wagens zusammenarbeiten, wie es den Anschein hat.« »Mit dem Mini-Cooper, Mister Parker. Sagte ich doch!« »Mit einem GM, Mylady«, erläuterte der Butler. »Auch in diesem Wagen befinden sich zwei junge, recht handfest aussehende Männer.« »Und der Mini-Cooper ist dann eben der dritte Verfolgungs- wagen«, meinte die ältere Dame leichthin. »Eine Lady Simpson vermag man nicht zu täuschen. Übrigens, Mister Parker, Sie sehen jetzt, wie falsch es war, diese Subjekte freizusetzen. Bei mir im Haus und beim guten Mister Pickett wären die Individuen besser aufgehoben gewesen.« »Und hätten Mylady ein kleines Vermögen gekostet«, erinnerte der Butler noch mal. »Eine Lady Simpson scheut keine noch so horrende Ausgabe, wenn es darum geht, dem Recht zu dienen«, dozierte sie, wenn auch mit grollender Stimme. »Aber nun denn, Mister Parker, wie werde ich mich verhalten, was die aufdringlichen Lümmel betrifft? Wer hat sie mir nachgeschickt? Doch mit Sicherheit dieser Bursche, dessen Brandy doch nicht so reif war, wie ich es mir vorgestellt hatte.« »Im Anschluß an diesen Besuch kam und kommt es zu dieser Beschattung, Mylady«, gab Josuah Parker zurück. »Es dauerte nach dem Besuch aber gut und gern zehn Minuten, bis es zu dieser massiven Verfolgung kam.« »Tarnung, nichts als Tarnung, Mister Parker«, wußte Agatha Simpson wieder mal mit letzter Sicherheit. »Damit wollte man natürlich einen Zusammenhang zwischen meinem Besuch und der Verfolgung erst gar nicht aufkommen lassen.« »Mylady wünschen zu erfahren, wer die Verfolger sind und wer sie auf Mylady angesetzt hat?« »Unbedingt, Mister Parker«, erklärte sie. »Und keine unnötigen Rücksichten jetzt, schließlich hat man die Absicht, mich umzubringen. So etwas macht mich stets ein wenig ärgerlich.« Parker war längst von der Durchgangsstraße abgebogen und lotste die verfolgenden Fahrzeuge auf ein Terrain, das er mehr als gut kannte. Im Stadtteil Wapping, wo es einst prall gefüllte Wa64
renlager, dicht besetzte Kaianlagen, Werften und vielfältige Betriebe gab, existierten trotz umfangreicher Sanierung immer noch weite Regionen, in denen von Grund auf neu gebaut wurde. Neben abwrackreifen Fabrikanlagen und alten Warenspeichern waren bereits tiefe Baugruben und halbfertige Neubauten zu sehen. In diesem Dschungel hatte Parker bisher stets hartnäckige Verfolger und Profi-Killer unschädlich machen können. Und er war bereit, eine weitere Lektion zu erteilen. * Sie witterten Morgenluft, was sogar noch zur augenblicklichen Tageszeit paßte. Es war schließlich noch Morgen, und Lady Agatha hatte erst vor einer Stunde ausgiebig gefrühstückt. Die Insassen des VW Golf und des GM merkten natürlich, daß Parker im vorausfahrenden Wagen offenbar einen Fluchtversuch unternehmen wollte. Aus dem Auspuff quollen blauschwarze Abgaswolken. Man hörte ein rostiges Scheppern und dazu Fehlzündungen. Dies alles lieferte ein Tonband, das Parker eingeschaltet hatte. Die Abgaswolken stammten natürlich ebenfalls aus einem Qualmerzeuger unter dem Wagenheck. Parker gaukelte den Verfolgern einen Wagen vor, der dicht davor stand, restlos auseinanderzufallen. Es schien wie ein Wunder, daß dieses hochbeinige Monstrum überhaupt noch rollte. Wie zwei vor Eifer hechelnde Jagdhunde schoben die verfolgenden Wagen sich an das Heck des ehemaligen Taxis heran. Parkers Privatwagen keuchte über eine langgezogene Rampe auf eine Art Zwischengeschoß, das zu einer abbruchreifen Fabrik gehörte. Das Dach dieser ehemaligen Halle war streckenweise längst eingestürzt. Auf dem Betonboden lag Unrat aller Art, gab es verrottetes Holz und Ziegelsteine und stapelten sich bereits abgeschweißte Eisenträger. Man brauchte schon einiges Geschick, um die Schuttberge zu umrunden. Parker meisterte die kritische Situation allerdings souverän wie stets. Und Lady Agatha bekam im Grunde überhaupt nicht mit, wie gefährlich dieser Slalom war. Sie übersah wohl die Montagegruben im Beton des Hallenbodens. Sie standen quer zur Fahr65
bahn des hochbeinigen Monstrums, und von Parker mußte man annehmen, daß er die ehemalige Fabrikhalle wohl kaum zum erstenmal abfuhr. Die beiden verfolgenden Wagen ließen sich zurückfallen und verschwanden immer wieder für Augenblicke hinter Schutt und hochgestapelten Trägern und Bohlen. »Was soll denn das, Mister Parker?« erkundigte sich Lady Simpson plötzlich und schob sich vor. »Wollen Sie unbedingt Ihren Wagen ruinieren?« Sie deutete über seine Schulter hinweg nach vorn. Parker hielt auf eine Montagegrube zu, die wie eine überdimensional große Fallgrube aussah. Quer über die Grube waren einige Bohlen gelegt worden. Sie dienten als behelfsmäßige Brücke, mahnten jedoch eindringlich zur Vorsicht. Es war ratsam, sich dieser Brücke vorsichtig zu nähern und zu prüfen, ob die Breite ausreichte, einen Wagen passieren zu lassen. Sie reichte gerade noch. Parker überquerte dennoch mit Schwung und Können den schmalen Steg und erreichte glücklich die andere Seite der Fallgrube. Er steuerte seinen Wagen hinter einen Stapel Bohlen, stieg aus und ging die wenigen Schritte zurück zu der improvisierten Brücke. Er benutzte seinen Schirm als eine Art Hebel, um eine der äußeren Bohlen ein wenig zu verschieben, was übrigens wesentlich leichter ging, als er ursprünglich gedacht hatte. Die betreffende Bohle, auf die er sich konzentriert hatte, rutschte zur Seite, wobei einige Betonbrocken als behelfsmäßige Kugellager dienten. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis Parker seine Arbeit beendet hatte. Als er zum Bohlenstapel zurückging, hörte er die verfolgenden Fahrzeuge. Der VW Golf führte weiterhin. Der Fahrer schob seinen Kopf ein wenig vor und prüfte die Breite der Behelfsbrücke. Als er dann das Heck von Parkers Wagen sah, das seitlich am Bohlenstapel hervorragte und kleine Abgaswolken produzierte, sah der VWGolf-Fahrer sich, in seiner Einschätzung bestätigt. Wenn schon das ehemalige Taxi diesen Steg geschafft hatte, dann reichte die Breite auch für den Golf. Der Fahrer gab also Gas und fetzte förmlich auf die Behelfsbrücke zu. Er wollte die Verfolgung glücklich abschließen und zur eigentlichen Sache kommen. Es knirschte häßlich, als das Blech gestaucht wurde. Und das Rei66
ßen und Bersten von Glas klang auch nicht gerade melodisch. Dann löste ein wütendes Zischen die ursprünglichen Eintauchgeräusche ab und machte deutlich, daß Motor und Kühlschrank sich mit Sicherheit ein wenig aus ihrer Lage verschoben hatten. Der VW Golf hing mit dem Bug nach unten in der überdimensional großen Fallgrube und bewies, wie schnell man sich als Fahrer verschätzen konnte. * Die beiden Männer aus dem GM standen vorn an der Montagegrube und halfen ihren Partnern nach oben. Die Golffahrer machten einen ebenfalls leicht angestauchten Eindruck, waren aber noch kräftig genug, um ausgiebig zu fluchen und zu drohen. Josuah Parker stand neben dem Stapel und hielt seine Gabelschleuder in den schwarz behandschuhten Händen. Er hatte die Lederschlaufe mit einer Tonerbse geladen, die mit Weichplastik ummantelt war. Das seltsame Geschoß stammte aus einer Art Pillendose und sah sehr harmlos aus. Das Geschoß aber hatte es in sich! Die Weichplastik-Ummantelung war getränkt mit einem Stoff, der auf der Haut eines Menschen eine Allergie auslöste, die sich in geradezu wüstem Juckreiz manifestierte. Parker schickte die erste Weichplastik auf die Reise und traf den größeren der beiden GM-Benutzer am Hals. Der Getroffene zuckte zusammen, blickte verdutzt zu Boden, entdeckte wohl das Geschoß und bückte sich. Als er sich wieder aufrichtete, zeigte sich, daß es ihm um die Kugel gegangen war. Er hielt sie zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand, da die rechte mit dem Griffstück einer Faustfeuerwaffe befaßt war, und wunderte sich sichtlich. Nach einigen Sekunden warf der Mann jedoch seine Waffe zu Boden, faßt sich an den Hals und begann mit einer Tanzimprovisation. Er bewegte sich zu unsichtbaren Rhythmen und keuchte. Er sprang herum wie ein Irrwisch, rieb sich den Hals, dann die Hände, massierte sich die Finger, kratzte sich auf dem Rücken, so gut es eben ging, beschäftigte sich zuerst mit der linken, dann mit der rechten Wade, scheuerte seinen Unterbauch, dann wieder den Nacken und fetzte sich anschließend Lederweste und Hemd vom 67
Leib. »Kein Schamgefühl, Mister Parker«, konstatierte die ältere Dame abfällig. »Man wird diesen Steinzeitmenschen irgendwann mal Manieren beibringen müssen.« Parker nickte andeutungsweise, konnte aber dazu nicht wie üblich die schwarze Melone lüften, sondern schickte gerade die zweite Markierungskugel auf die Reise. Auch sie traf natürlich, und zwar den unteren Rücken des zweiten Golffahrers, der gerade geborgen wurde. Die Weichplastik klatschte über dem tief hängenden Hosengürtel auf die nackte Haut unterhalb der Nierengegend. »Jetzt bin ich aber doch sehr gespannt, Mister Parker«, meinte Lady Agatha und lachte schadenfroh. »Ich rechne mit der Aufführung eines kleinen Balletts.« »Mylady werden mit Sicherheit fest auf Myladys Kosten kommen«, versicherte der Butler seiner Herrin und verzog keine Miene. * Sie saßen erschöpft und schweißgebadet auf einer Bohle und zuckten hin und wieder zusammen. Der Juckreiz hatte sich gelegt, und erst seit einigen Minuten war ihnen aufgegangen, daß Parker ihre Handgelenke mit Einwegfesseln verschnürt hatte. »Haben Sie noch mehr von diesen Geschossen, Mister Parker?« erkundigte sich die ältere Dame und blickte die vier erschöpften Männer interessiert an. »Mylady brauchen nur den Bedarf anzumelden«, erwiderte der Butler. »Ich werde die vier Subjekte wahrscheinlich noch mal mit diesen hübschen Geschossen bedenken«, äußerte die ältere Dame. »Sie sollen später nicht sagen, ich hätte mich nicht ausreichend mit ihnen beschäftigt.« »Mylady dürften damit die Nervenkraft der vier Personen überfordern«, warnte Parker. »Papperlapapp, Mister Parker«, tat sie diesen Einwand ab, »schließlich sollte ich ja ermordet werden.« »Aber ganz sicher nicht, Lady«, erwiderte der Wortführer der Autobenutzer. »Wir sollten Sie und den Butler nur für ein paar Tage aus dem Verkehr ziehen.« 68
Während der Mann, der übrigens den Golf gesteuert hatte, diese Aussage machte, kratzte er sich plötzlich ausgiebig und verbissen die Brust. Die Allergie, längst im Abklingen, hatte sich noch mal zurückgemeldet. »Wie stellten Ihre Auftraggeber sich das vor, was Sie durchführen sollten?« erkundigte sich der Butler weiter. »Na ja, ein paar Tage Hospital eben«, redete der Gangster sich heraus. »Vielleicht ein paar Abschürfungen und Verstauchungen, mehr sollte es auf keinen Fall sein.« »Ihr Auftraggeber dürfte mit Sicherheit einen Namen haben«, vermutete der Butler in seiner höflichen Art. »Gleason«, erfolgte prompt die Antwort. »Sie reden eindeutig von Mister Gleason, der eine Firma für Straßenbau betreibt?« vergewisserte sich der Butler noch mal. »Gleason«, gab der Angesprochene zurück und nickte. »Aber der wird das natürlich abstreiten.« »Damit dürften Sie dazu verurteilt sein, jene Suppe zu löffeln, die Mister Gleason für Sie einbrockte«, kündigte der Butler an. »Mylady pflegt streng und unnachgiebig zu reagieren.« »Darauf können Sie sich fest verlassen, junger Mann«, fügte die ältere Dame grimmig hinzu. »Lassen Sie sich überraschen.« »Mylady sollten in Betracht ziehen, wenn man darauf verweisen darf, daß das Erste-Hilfe-Set bereits verbraucht ist«, informierte der Butler. »Man verfügt nur noch über einige Pflaster und Mullbinden.« »Nun gut, ich werde mich darauf einrichten«, sagte sie zu. »Dies muß für das Abbinden von Arterien reichen, Mister Parker.« »Moment mal, Lady«, ließ der Gangster sich vernehmen. Seine Stimme klang ängstlich und unsicher. »Wieso brauchen Sie Mullbinden und Pflaster? Bei uns gibt’s doch überhaupt nichts zu verbinden.« »Vorerst«, sagte Parker besänftigend. »Meine Wenigkeit wird darauf zu achten haben, daß die Herren nicht ausbluten.« »Seid ihr verrückt? Seid ihr wahnsinnig? Das kann doch niemals wahr sein!« erregte sich der Gangster mit schriller Stimme. »Leute, wir sollten euch doch nur ein paar Prellungen…« »Halt die Klappe!« ließ sich ein zweiter Gangster vernehmen. Er kratzte sich versunken den Rücken und konzentrierte sich dann wieder auf den Butler. »Wir sollten euch runter zum Containerhafen Tilbury schaffen.« 69
»Sie sind auf einem guten Weg, sich weitere Qualen zu ersparen«, lobte Parker den Gangster, den er für sehr aussagebereit hielt. »Was sollte mit Mylady und mit meiner Wenigkeit dort geschehen?« »Ihr solltet entsorgt werden«, kam die für Parker nicht gerade überraschende Antwort. »Ihr solltet verschüttgehen, und zwar auf ‘nem Frachter.« Die vier Kerle gifteten sich daraufhin erst mal ausgiebig an und belegten sich mit Ausdrücken, die einerseits von Phantasie, andererseits aber auch vom Verfall der Sprache und der guten Sitten zeugten. Dank der Wegwerffesseln geriet man sich aber nicht wechselseitig an die Kehlen. Josuah Parker wartete geduldig, bis die Männer sich erschöpft hatten. Dann befaßte er sich wieder mit dem Mann, der vom Frachter in Tilbury gesprochen hatte. »Man hatte das Schiff zur Entsorgung vorbereitet?« fragte Parker. »Für Giftmüll in Fässern«, bestätigte der Gangster hastig und bedachte seine Partner mit einem ebenfalls giftigen Blick. »Der ganze Dreck sollte in der nördlichen Nordsee ausgekippt werden. Auch Dünnsäure und Klarschlämme.« »Scheußlich«, urteilte die passionierte Detektivin. »Und wann soll der Frachter in See stechen? Ist er bereits entsprechend beladen worden?« »Bis unters Deck«, lautete die Antwort. »Es fehlen nur noch Sie und Ihr Butler, dann legen die ab.« »Und wer hat diesen Frachter beladen lassen?« schaltete sich der Butler nun ein. »Gleason sprach von dem Müllpiraten und nannte dabei einen Cameron oder so.« »Ich weiß mit dem Namen hoffentlich etwas anzufangen«, wandte sich die ältere Dame an ihren Butler. »In der Tat, Mylady«, antwortete Parker. »Mister Camerons Firma befaßt sich laut Auskunft eines Vertrauten mit Dingen der Entsorgung«, erinnerte er diskret. »Und dieses Büro befindet sich hier in der Region von Wapping.« »Worauf warte ich eigentlich noch?« gab die resolute Dame unternehmungslustig zurück. »Den Mann werde ich umgehend zur Rechenschaft ziehen. Sorgen Sie dafür, daß die vier Individuen mir nicht wieder in die Quere kommen, sonst könnte ich wahrscheinlich sehr verärgert reagieren.« Parker deutete eine Verbeugung an und lüftete dazu die schwarze 70
Melone. * Er war ein etwas über mittelgroßer Mann von fünfundvierzig Jahren, wie Parker den Betreiber der Firma altersmäßig einschätzte. Cameron hatte die beiden Besucher gerade empfangen und bemühte sich besonders um Lady Simpson, der er erst mal einen Sherry offerierte. »Ich werde Sie vorerst nicht beleidigen und die kleine Erfrischung annehmen, mein Bester«, sagte die ältere Dame und nickte hoheitsvoll. »Aber ich werde sofort zur Sache kommen. Sie schicken noch bis Mittag einen Frachter auf See?« »Einen Frachter?« staunte Cameron. »Wie kommen Sie denn darauf, Mylady?« »An Bord dieses Frachters befindet sich Problem- und Giftmüll aller Art?« übernahm der Butler die nächste Frage. »Dieses Gift soll auf hoher See entsorgt werden, wie man Mylady glaubhaft versicherte.« »Da muß eine schlimme Verwechslung vorliegen«, entgegnete Cameron und schüttelte erneut den Kopf. »Darf man erfahren, wer meinen Namen ins Spiel gebracht hat?« »Mitglieder der Müllpiraten, um es mal so auszudrücken«, beantwortete der Butler diese Frage. »Wer diese Müllpiraten sind, dürften Sie natürlich wissen, Mister Cameron, nicht wahr?« »Natürlich habe ich längst von den Gangstern gehört«, räumte Cameron sofort ein, während er Mylady ein gefülltes Sherryglas reichte. »Diese Leute scheren sich einen Dreck um die Umwelt und die Gesundheit der Menschen. Sie denken nur an schnellen Gewinn und kippen den Giftmüll ungeniert auf normale Deponien. Es wird höchste Zeit, daß man ihnen das schmutzige Handwerk legt.« »Starke Worte, mein Lieber«, fand Agatha Simpson, die anschließend den Sherry kostete und beifällig nickte. »Wieso kommt dieses Gift überhaupt auf reguläre Deponien?« »Bestechung und Drohungen« erwiderte ehester Cameron. »Aber man darf in diesem Zusammenhang nicht nur an Mülldeponien denken. Sogenannte Entsorger füllen damit Steinbrüche, Lagerhallen stillgelegter Fabriken, und dann wäre ja noch die See… Sie 71
ahnen nicht, was da alles unter falscher Flagge und gefälschter Deklarierung von Schiffsladungen außer Landes geschafft wird. Wenn Sie mich fragen, so hat die Mafia längst ihre Hand im Spiel, Mylady. Müll dieser speziellen Art wird inzwischen mit Gold aufgewogen.« »Man spricht sogar davon, daß Problem- und Giftmüll in Großfeuerungsanlagen ungeniert verbrannt wird«, tippte der Butler an. »Worauf Sie sich verlassen können«, bestätigte Cameron. »Denken Sie an die vielen kleinen Fabriken hier auf der Insel, die noch mit Kohle arbeiten. Diese Feuerungsanlagen sind ideal, um solchen Müll thermisch zu entsorgen, wie es so hübsch harmlos heißt. Tatsächlich ignoriert man, daß zum Beispiel das Sevesogift Dioxin frei wird. Hauptsache, die Gelder fließen und stimmen.« »Sie konstruieren Sortieranlagen, wie es unter anderem heißt, Mister Cameron?« »Für den Haus- und Gewerbemüll«, bestätigte der Mann, der einen seriösen und durchaus selbstsicheren Eindruck machte. »Unsere Spezialität ist das Recycling von Materialien aller Art. Noch einen Sherry, Mylady?« »Ich möchte Sie nicht unnötig beleidigen«, lautete die Antwort der älteren Dame. »Tun Sie sich keinen Zwang an. Sie wissen, wer diese Müllpiraten sind?« »Selbst wenn, Mylady, ich würde nicht darüber reden«, gestand der Konstrukteur von Sortieranlagen aller Art. »Diese Leute kennen keine Hemmungen und schlagen gnadenlos zu.« »Aber die Namen Badling, Gleason, Kinsley und Rescill dürften Ihnen etwas sagen, Mister Cameron.« Parker erwähnte die Namen wie beiläufig. »Natürlich kenne ich Badling«, antwortete Cameron. »Auch Gleason ist mir bekannt, jedoch weniger. Rescill gehört meiner Einschätzung nach nicht zu diesen beiden Männern. Kinsley habe ich nur einige Male gesehen und gesprochen.« »Mister Badling ist ein sehr bekannter Entsorger.« »Ja, so heißt es«, lautete die vorsichtige Antwort. »Mister Gleason dürfte mit ihm eng liiert sein.« »Ja, so heißt es«, reagierte er wortgleich wie beim erstenmal. »Mister Kinsley dürfte für Mister Badling hin und wieder aushilfsweise Frachtfahrten mit Müll übernehmen.« »Ja, so heißt es«, sagte Cameron zum drittenmal ohne jede Betonung. Er blickte den Butler aufmerksam an. Ihre Blicke begeg72
neten sich, doch Cameron wich diesem Duell nicht aus. »Da wurde noch ein Mister Commers erwähnt, der als Subunternehmer für Mister Badling unterwegs sein soll, Mister Cameron.« »Diesen Mann kenne ich nicht. Ich weiß also auch nicht, ob er überhaupt existiert«, lautete die sachliche Antwort. »Man hat mir gesagt, Sie seien der Drahtzieher der Müllpiraten.« Lady Agatha kam wieder mal sehr ungeniert zur Sache und brachte das Thema auf den Punkt. »Ich soll ein Müllpirat sein?« amüsierte sich Cameron. »Gütiger Himmel, wer behauptet denn solchen Unsinn, Mylady? Sie sprachen eben von Müllpiraten, die so etwas gesagt haben sollen. Hier handelt es sich doch eindeutig um ein Ablenkungsmanöver.« »Das von welcher Person Ihrer Ansicht nach inszeniert wird, Mister Cameron?« wollte der Butler wissen. »Könnte hier Mister Badling seine Hand im Spiel haben?« »Ich werde keinen Namen nennen«, wiederholte Cameron noch mal. »Wissen Sie, Mister Parker, ich hänge sehr am Leben. Ich möchte nicht vorzeitig entsorgt werden, um im Jargon zu bleiben. Aber vielleicht können Sie mir sagen, wer mich noch von den Personen belastet hat, die Sie eben aufzählten, Mister Parker?« »Ein Mitarbeiter Mister Gleasons, ein gewisser Archie, wies auf Sie hin und bezeichnete Sie als den Chef der Müllpiraten, eine Behauptung, die dann später von Mister Gleason geteilt wurde.« »Ausgerechnet Gleason«, ärgerte sich Cameron. »Man sollte sich mal um seine Steinbrüche und Schotterwerke kümmern. Sie ahnen ja nicht, Mister Parker, wie viele Giftfässer man in solch offenen Gruben stapeln und unterbringen kann! Eine Entdeckung ist überhaupt nicht zu befürchten, denn die Steinbrüche sind lebensgefährlich und werden mit Zäunen voll abgesichert.« »Ein Hinweis, Mister Cameron, den man nur als ungemein wertvoll bezeichnen kann und muß«, entgegnete der Butler. »Mister Gleason dürfte Ihnen nicht sonderlich gewogen sein.« »Gut, nennen wir’s mal so«, willigte Cameron ein. »Gleason ist der Mann hinter Badling und Glatter, der einen Nachtclub in Stepney hat.« »Sagt Ihnen der Name eines gewissen Mister Les Corley etwas, Mister Cameron?« Parker sprach von dem jungen Mann, der den Fall der Müllpiraten ins Rollen brachte. »Natürlich kenne ich ihn«, verhieß die Antwort. Und jetzt lächelte Cameron ein wenig. »Der gute Corley gibt >Umwelt-Blätter< 73
heraus, die sich mit dem Müllproblem befassen. Unter uns, er wird von mir finanziert, aber hängen Sie das nicht an die große Glocke.« »Darauf brauche ich unbedingt noch einen Sherry«, ließ die ältere Dame sich vernehmen. »Mit diesem Hinweis habe ich wirklich nicht gerechnet.« * »Nun, Mister Parker, was halte ich von diesem Gespräch?« fragte Agatha Simpson eine halbe Stunde später. Man hatte sich von Chester Cameron verabschiedet und befand sich im hochbeinigen Monstrum des Butlers. »Mylady erkannten auf Anhieb, daß Mister Cameron eine interessante Person zu sein scheint«, versicherte Parker seiner Herrin. »Mylady fielen zudem auf, daß Mister Cameron so gut wie nichts zur Person des Mister Rescill sagte.« »Und ob mir das aufgefallen ist, Mister Parker«, unterstrich sie umgehend. »Daraus werde ich meine Schlüsse ziehen, Mister Parker. Man muß bei der Aufklärung eines Kriminalfalles auf jede Nuance achten.« »Mylady haben einen speziellen Verdacht, was Mister Rescill betrifft?« »Ich denke noch darüber nach«, wich die ältere Dame aus. »Man soll keine vorschnellen Urteile fällen, Mister Parker. Ich werde jetzt was tun?« »Meine Wenigkeit interpretierte Mylady dahin gehend, daß Mylady beabsichtigen, Mister Gleason aufzusuchen.« »Sehr schön.« Sie nickte. »Und was will ich von diesem verkommenen Subjekt?« »Mister Gleason dürfte für die Fracht an Bord des erwähnten Schiffes verantwortlich sein, Mylady.« »Ich werde mir den Gangster umgehend kaufen, Mister Parker«, kündigte sie energisch an. »Ich werde verfolgt?« »Meine Wenigkeit kann zur Zeit nichts dergleichen ausmachen, Mylady«, gab Josuah Parker zurück. »Mylady halten Mister Cameron für den gesuchten Kopf der Müllpiraten?« »Eigentlich macht der Mann einen sehr guten Eindruck«, entgegnete die ältere Dame. »Aber das will natürlich nichts heißen, Mis74
ter Parker.« »Meine Wenigkeit erlaubt sich, Myladys Ansicht zu teilen«, lautete die Antwort des Butlers. »Kriminelle pflegen in der Regel nicht wie solche auszusehen.« »Aber dieser Konstrukteur wird massiv belastet, Mister Parker. Hoffentlich ist Ihnen das nicht entgangen!« »Mylady sprachen in diesem Zusammenhang bereits von einem raffinierten Ablenkungsmanöver«, behauptete der Butler. »Und dazu stehe ich natürlich«, meinte sie postwendend. »Man vermag eine Lady Simpson nicht zu täuschen.« »Eine Tatsache, die bereits manchem Kriminellen zum Verhängnis wurde«, pflichtete der Butler ihr bei. Sein Gesicht blieb glatt und ausdruckslos. »Mylady werden natürlich mit Lügen förmlich eingedeckt.« »Das macht einen Fall ja gerade erst interessant«, schwärmte sie förmlich. »Und wie gehe ich jetzt vor? Habe ich mir bereits einen entsprechenden Plan gemacht?« »Mylady könnten die Hauptpersonen animieren, sich zu treffen und aktiv zu werden.« »Daran dachte ich gerade auch, Mister Parker«, sagte die Detektivin selbstbewußt. »Also gut, treffen Sie die erforderlichen Vorbereitungen. Ich lasse Ihnen wieder völlig freie Hand.« »Mylady verstehen es immer, meine Wenigkeit zu motivieren«, bedankte sich der Butler. »Nun ja, ich bin eben eine gute Psychologin«, lobte sich die ältere Dame ungeniert. »Manchmal wundere ich mich sogar, wie einfühlsam ich sein kann.« Parker verzichtete auf jeden Kommentar. Er hatte im Umgang mit Agatha Simpson gelernt, seine Miene zu beherrschen. * Archie, der Wagenwäscher und Pfleger eines Bentley, staunte nur, als der Butler plötzlich vor ihm stand. Bevor der Leibwächter Gleasons eine Abwehr einleiten konnte, nahm er bereits eine ausreichende Spraydosis zu sich und entspannte sich ausgiebig. Er lächelte ein wenig tumb, kicherte unvermittelt und war dann sehr friedlich. 75
»Wo erreicht man Mister Gleason?« fragte Parker, der den Leibwächter in der Remise der Schotter-Firma gefunden hatte. »Der Chef is’ im Studio«, lautete die Antwort. »Der sieht sich ‘nen Film an.« »Einen Spielfilm?« Parkers nächste Frage kam sofort. »So ähnlich«, meinte Archie vage. »Soll ich Sie rüberbringen?« »Sie werden sich in den Bentley setzen und der Ruhe pflegen«, ordnete Parker an und deutete auf den Fond des teuren Wagens. Archie gehorchte, öffnete den hinteren Wagenschlag und nahm vorsichtig Platz. Dann aber kicherte er erneut und legte sich flach auf die Polster Parker verabreichte dem Leibwächter eine zweite Dosis aus dem Zerstäuber schloß die Tür und begab sich zurück zu Lady Simpson, die ihn ein wenig vorwurfsvoll anblickte. »Eine völlig unnötige Rücksichtnahme, Mister Parker«, mokierte sie sich. »So etwas schlägt man nieder. Und wie geht es jetzt weiter?« »Mylady können sich einen Film ansehen«, bot der Butler an. »Mister Gleason befindet sich in einem hauseigenen Studio, wie in Erfahrung zu bringen war.« »Worauf warte ich noch?« Sie versetzte ihren perlenbestickten Pompadour in erste Schwingung und brachte ihre majestätische Fülle in energische Bewegung. Als man die kleine Empfangshalle erreichte, erschien ein drahtiger Mann von etwa dreißig Jahren, der sich Mylady in den Weg stellte. »Hinweg, junger Mann!« raunzte die Lady ihn an. »Wo finde ich Ihren Arbeitgeber?« »Der ist jetzt nicht…« »Sie dürften Mister Limmers sein, der Mister Gleason als Assistent zur Hand geht«, vermutete der Butler unterbrechend. »Und Sie sind…?« Es fiel ihm offensichtlich erst jetzt wie Schuppen von den Augen. Der Drahtige langte nach seiner Schulterhalfter und wollte ein Weitergehen verhindern. Dabei konzentrierte er sich auf den Butler und vergaß für einen Moment die Anwesenheit der Lady Agatha. Dies sollte sich für ihn bitter rächen. Die energische Dame trat mit dem rechten Fuß zu und traf das Schienbein des Wehrhaften, der stöhnte und seine Absicht aufgab, nach einer Waffe zu greifen. Der Mann faßte mit beiden Händen nach dem offensichtlich schmerzenden Bein und hüpfte 76
auf dem schmerzfreien herum. »Mister Limmers?« wiederholte Parker seine Frage. »Limmers«, kam die gedehnte Antwort. »Guter Gott, sie hat mir das Schienbein gebrochen.« »Papperlapapp, junger Mann«, meinte die ältere Dame. »Das hätte man schließlich hören müssen. Stellen Sie sich gefälligst nicht so an!« »Zu Mister Gleason«, wiederholte der Butler seinen Wunsch und deutete mit der Schirmspitze auf eine Pendeltür im Hintergrund. Er hatte auf einer Art Wegweiser durch das Haus den Hinweis auf das Studio gelesen. Um nicht unnötig abgelenkt zu werden, setzte der Butler den bleigefüllten Bambusgriff seines Schirmes auf die Stirn des Assistenten, worauf Limmers sich zu Boden schraubte und dabei die Augen geradezu abenteuerlich verdrehte. Parker legte dem Mann Handfesseln an und schleifte ihn ein kleines Stück durch den Korridor. Anschließend verstaute er Limmers, der ihn überhaupt nicht interessierte, in der Toilette. Wenig später drückte Parker die Tür zum Studio auf. Im Halbdunkel machte er Gleason aus, der in dem kleinen Vorführraum saß, rauchte und sich einen Film anschaute. Auf der Leinwand war ein Frachter zu sehen, der in Küstennähe seewärts steuerte und eine lange Ölspur nach sich zog. Eindeutig war zu erkennen, daß dieser Frachter ganz bewußt Ladung löschte, eine Ladung, die nur hoch giftig sein konnte. »Sind Sie’s, Badling?« fragte Gleason, ohne sich umzuwenden. »Sehen Sie sich das mal an, so was darf nicht wieder vorkommen… Das ist zu küstennah, so was können wir uns nicht leisten…« »Dem, Mister Gleason, kann man nur beipflichten«, ließ der Butler sich vernehmen. »Verbindlichsten Dank für den optischen Beweis Ihres Verbrechens.« Chris Gleason fuhr herum, wollte aufspringen und wohl auch nach einer Waffe greifen, doch dies ließ der Butler nicht zu. Mit dem Bambusgriff seines Universal-Regenschirmes umfaßte er den Hals des Umwelt-Gangsters und zog ihn wieder zurück auf den Sitz. In diesem Moment wurde die Tür zum Studio aufgerissen. Badling stürzte herein und wußte offensichtlich, daß Mylady und Parker bereits anwesend waren. Er hielt einen Revolver schußbereit in der rechten Hand und wollte die Lage auf seine Art bereinigen. Er nahm davon Abstand, nachdem Lady Agatha ihren Glücksbrin77
ger auf die Nase des Hereinstürmenden gelegt hatte. Badling grunzte, produzierte unverständliche Laute und fiel dann wie ein nasses Handtuch bäuchlings über die Lehne eines Studiosessels, nachdem er einen Moment benommen im Raum herumgeirrt war. »Ob ich noch mal zulange, Mister Parker?« fragte die resolute Dame ihren Butler. »Vielleicht nicht umgehend und sofort, Mylady«, gab der Butler in seiner höflichen Art zurück »Mister Badling dürfte vorerst nicht mehr ansprechbar sein.« Gleason saß steif auf seinem Sitz und rührte sich nicht. Der Schirmgriff hatte ihn zu einer Art Salzsäure werden lassen! »Ist es gestattet, einen Blick in Ihren Aktenkoffer zu werfen?« fragte Josuah Parker in Richtung Badling, der sich gerade hochstrampelte, aber immer noch einen geistesabwesenden Eindruck machte. Natürlich war dies nur eine rhetorische Frage, denn Parker hatte bereits den Aktenkoffer geöffnet und sichtete oberflächlich den Inhalt. »Man kann sich wirklich nur bedanken, Mister Badling«, sagte er dann. »Sie haben genau jene Unterlagen mitgebracht, um die man Sie am Telefon bat.« »Sie… Sie haben mich angerufen?« stotterte Hale Badling und wurde wieder sehr sachlich. »Ein wohlgelungener Versuch, Mister Gleasons Stimme zu imitieren«, erwiderte Josuah Parker. »Sie werden meiner Wenigkeit die kleine Täuschung hoffentlich verzeihen. Man sah aber keine andere Möglichkeit, um an beweiskräftige Unterlagen heranzukommen.« »Wir… wir werden alles abstreiten«, sagte Gleason wütend. »Denken Sie an Ihre Stein- und Schotterbrüche«, entgegnete der Butler. »Laut Mister Cameron sind sie vollgepackt mit Giftfässern aller Art. Und denken Sie an den Frachter, der Mylady und meine Wenigkeit entsorgen sollte, wie Sie sich auszudrücken beliebten.« »Dafür werde ich Sie jetzt entsorgen und in einem Zuchthaus deponieren lassen«, schaltete die ältere Dame sich grimmig ein. »Ich wußte von Anfang an, welche Rolle Sie spielen, Sie Lümmel!« »Mister Camerons Name wurde sicher nur aus Gründen der Ablenkung und Tarnung genannt, nicht wahr?« »Auch er hat Dreck am Stecken«, giftete Gleason. »Was zu klären sein wird«, meinte der Butler. »Vorerst aber dürf78
te Ihnen das Handwerk gelegt werden, Mister Gleason.« »Man darf sich mit mir eben nicht anlegen«, freute sich die ältere Dame und lächelte schadenfroh. »Ich ärgere mich nur, daß ich Sie auf der Müllkippe nicht noch intensiver behandelt habe.« »Sie hatten tatsächlich vor, Mister Les Corley auf der Deponie verschwinden zu lassen?« Parker wechselte das Thema und blickte Badling an. »Wer ist dieser Corland?« frage Agatha Simpson umgehend und runzelte die Stirn. »Mister Les Corley ist jener junge Mann, der den Stein des Giftmülls ins Rollen brachte«, erinnerte der Butler diskret. »Mylady erkannten bereits beim ersten Kontakt, wie wichtig diese flüchtige Begegnung war.« »Das ist allerdings richtig«, meinte die Detektivin und widmete sich wieder den beiden Müll-Gangstern. »Sie also wollten mich ermorden, ja? Mister Parker, schauen Sie sich um… Irgendwo muß es doch wohl Müllkästen geben.« »Mit einiger Sicherheit, Mylady, neben der Remise«, antwortete der Butler. »Meine Wenigkeit sah einige Groß-Container, die offenbar seit geraumer Zeit nicht mehr geleert wurden. Der Inhalt dürfte in eine gewisse Gärung übergegangen sein.« »Ausgezeichnet«, sagte Lady Simpson. »Container sind der richtige Aufenthaltsort für Gangster. Ich werde die Lümmel darin deponieren, bis die Polizei kommt.« »Man könnte sich eine gewisse Zeit nehmen, bis man sie alarmiert«, schlug der Butler vor. »Das bitte ich mir aus, Mister Parker«, betonte die ältere Dame und nickte wohlwollend. »Inzwischen werde ich mich im Haus umsehen und nach weiteren Beweisen suchen, das heißt, das könnten Sie eigentlich übernehmen, Mister Parker. Ich brauche eine Stärkung für meinen Kreislauf.« »Er kann umgehend angehoben werden«, sagte Parker und deutete mit der Schirmspitze auf eine kleine Hausbar neben einer Art Regiepult. »Mylady brauchen nur zu wählen.« »Ich werde mit einem Sherry beginnen«, sagte die resolute Dame. »Aber vorher wandern diese Subjekte in Müll, Mister Parker.« »Mit einigem Vergnügen wird meine Wenigkeit diesem Wunsch nachkommen«, ließ der Butler sich vernehmen, um sich dann an Badling und Gleason zu wenden. »Kommen Sie, meine Herren, der Müll erwartet Sie! Sie werden sich mit Sicherheit in dieser 79
Umgebung wohl fühlen. Müll zu Müll, um es mal drastisch auszudrücken.«
-ENDENächste Woche erscheint BUTLER PARKER Band 515 Edmund Diedrichs
PARKER lüftet den Brautschleier Sir Hillarys Tochter ist gegen ihren Willen in eine Heirat geschliddert, und Myladys Suite im Hochzeitshaus wird angehört. Josuah Parker nimmt einen seltsamen Anruf entgegen, und auf der Rückfahrt wird das skurrile Paar verfolgt. Der Butler sorgt dafür, daß die Kerle auf einer Wiese landen und bis zum Eintreffen der Polizei von einigen Kühen bewacht werden. Danach begleitet er seine Herrin in ein obskures Heiratsinstitut, wo Mylady nach einem gewissen Partner sucht. Kathy Porter gerät indes in die Hände eines »Psychiaters«, der ihr zu tief in die Augen schaut. Doch die vermeintlich vermögende Erbin ist sie nicht. In letzter Sekunde gelingt es, Kathy vor einer Luftspritze zu retten. Mylady akupunktiert dabei das Gesäß des »Doktors«, verschätzt sich allerdings in der Belastbarkeit seiner Haut… Ein neuer PARKER-Krimi von Edmund Diedrichs! Spannung und Humor!
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