Medienökonomie
Hanno Beck
Medienökonomie Print, Fernsehen und Multimedia Dritte, überarbeitete und ergänzte Auflage
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Professor Dr. Hanno Beck Hochschule Pforzheim Tiefenbronner Straße 65 75175 Pforzheim Deutschland
[email protected]
ISBN 978-3-642-18131-3â•…â•…â•…â•… e-ISBN 978-3-642-18132-0 DOI 10.1007/978-3-642-18132-0 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2002, 2005, 2011 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)
Vorwort zur dritten Auflage
Im digitalen Zeitalter Bücher zu veröffentlichen ist keine selbstverständliche Sache – und solche Bücher in die dritte Auflage zu schicken, wohl auch nicht. Noch hat die Digitalisierung das Buch nicht verdrängt, dafür aber erfordert sie eine ständige Revision und Anpassung der Inhalte von Büchern über Medien, so auch bei diesem Buch. Neben der Aktualisierung und Anpassung von Tabellen und Grafiken ist die vorliegende dritte Auflage ergänzt um Überlegungen zum Öffentlich-rechtlichen Internet, das den privaten Zeitungsverlagen massive Schwierigkeiten bereiten dürfte, um Ausführungen zum Web 2.0 und Social Media, zu Product Placement und Produktionshilfen, dem Drei-Stufen-Test sowie den Internet-Strategien der Zeitungen. Auch in anderen Details habe ich mich bemüht, das Buch auf den aktuellen Stand der Diskussion zu bringen, auch wenn ich mir bewusst bin, dass dieses Unterfangen in einem Zeitalter, in der die Geschwindigkeit nicht mehr durch die Druckerpresse, sondern durch Prozessoren bestimmt wird, äußerst ambitioniert ist – alleine den Versuch ist es wert. Für wertvolle Hilfe und Unterstützung danke ich wie immer dem Springer Verlag; darüber hinaus gebührt meiner Kollegin Prof. Dr. Andrea Beyer ein großes Dankeschön für Ihre Hilfe und Unterstützung bei zahlreichen Diskussionen und der Endredaktion. Ich hoffe, dass das Buch auch in der dritten Auflage Lesern hilft, Medien zu verstehen und ihnen Lust darauf macht, mehr zu wissen. Pforzheim im November 2010
Hanno Beck
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Vorwort zur zweiten Auflage
Die Tatsache, dass dieses Buch bereits nach rund zwei Jahren in die zweite Auflage geht, beweist, wie groß das Interesse an Medien und an ihrer Ökonomie ist -ein Ansporn für den Wissenschaftler und Lehrbuchautor, dieses Interesse zu wecken und ihm Nahrung zu geben. Dieses Interesse motivierte mich auch, das vorliegende Buch an einigen Stellen zu überarbeiten und zu aktualisieren. Neu in dieser Auflage sind drei Kapitel: So wird im Abschn.€1.7 die Rolle der Medienunternehmen als Anbieter auf zwei Märkten – dem Werbemarkt und dem Rezipientenmarkt – näher beleuchtet und zudem die Konjunkturabhängigkeit von Medienunternehmen beleuchtet. Abschn.€ 2.2.4.2 enthält eine Aufarbeitung der Zeitungskrise und diskutiert einige Ansätze des Krisenmanagements der Verlage. Abschn.€4.4.4 schließlich widmet sich der Frage, warum die noch vor wenigen Jahren als Stein der Weisen gefeierten Medienfusionen bisher so wenig überzeugend waren, was ihre Ergebnisse angeht. Neben diesen Kapitel sind einige Abschnitte neu überarbeitet worden, so beispielsweise das Kapitel über Napster – hier zeigt sich allmählich deutlicher, wie die Antwort der Musikkonzerne auf das Problem des illegalen Downloads aussehen wird. Darüber hinaus sind einige neue Kästen beispielsweise über Tabloid-Zeitungen, Quotenregelungen für das Radio, terrestrisches digitales Fernsehen, Teleshopping und Nebengeschäfte der Fernsehsender – hinzugefügt. Weiterhin habe ich mich bemüht, sämtliche Zahlen zu aktualisieren, was leider in zwei Fällen nicht gelungen ist. Ich habe mich dennoch wegen ihrer Aussagekraft entschlossen, zwei Tabellen wieder in das Buch zu nehmen, obwohl keine aktuelleren Daten zur Verfügung standen, auch wenn ich mir dieses Mangels bewusst bin. Ich hoffe, dass dieses Buch auch weiteren Lesern helfen wird, Medien kennen zu lernen und zu verstehen – ihr Interesse soll mir auch weiterhin Ansporn und Motivation sein. Frankfurt am Main im März 2005
Hanno Beck
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Vorwort: Warum ein Buch über Medien?
Medien sind ein zentraler Bestandteil des täglichen Lebens. Ob Sie morgens die Zeitung lesen oder Radio hören, ob Sie auf der Arbeit das Internet nutzen, ob Sie abends Fernsehen schauen, ins Kino gehen oder gerade dieses Buch lesen – Medien begleiten den Menschen den ganzen Tag. Die besonderen Aufgaben und Funktionen, die den Medien vor allem von politischer Seite zugewiesen werden, legen ebenfalls eine intensivere Beschäftigung mit ihnen nahe: Medien sind und waren zu allen Zeiten auch politische Machtinstrumente und haben stets eine wichtige Rolle im gesellschaftlichen Leben gespielt. Sie gestalten das politische und gesellschaftliche Miteinander und sind ein Spiegel der Gesellschaft. Bücher, welche sich mit den gesellschaftlichen Aufgaben und Funktionen von Medien beschäftigen, gibt es viele, und auch zu den institutionellen oder kommunikationstheoretischen Aspekten der Medien findet sich ausreichend Literatur. Die ökonomische Theorie hat bisher nur zögerlich Einzug in die Medienwissenschaft gehalten. Doch man beraubt sich wertvoller Einsichten, wenn man es sich versagt, das Instrumentarium der ökonomischen Theorie auf die Medienbranche anzuwenden. Gerade die gesellschaftlichen Aufgaben der Medien machen es erforderlich, Medienpolitik effizient zu gestalten. Und immer, wenn von Effizienz – also dem Ziel, ein bestimmtes Ergebnis mit geringstem Ressourceneinsatz zu erreichen – die Rede ist, spricht man über Ökonomie. Wer akzeptiert, dass eine Beschäftigung mit Medien es auch erforderlich macht, sich mit den Grundlagen der ökonomischen Theorie auseinanderzusetzen, könnte sich ja nun einfach ein Ökonomiebuch beschaffen, um sich dort das notwendige Handwerkszeug anzulesen. Diese Idee ist im Grunde genommen nicht verkehrt, aber dennoch macht trotz all der zahlreichen – teils hervorragenden – Ökonomiebücher ein Buch speziell über Medienökonomie Sinn. Warum? Nicht alle grundlegenden Einsichten der Ökonomie gelten für die Medienbranche: Hier finden sich einige ökonomische Besonderheiten, die in den einführenden Standardwerken zur ökonomischen Theorie oft nur am Rande behandelt werden -zumeist, ohne explizit einen Bezug zur Medienbranche herzustellen. Dieses Buch soll eine Brücke zwischen zwei Welten sein: Es soll die ökonomische Theorie anwenden auf die oftmals speziellen Aspekte der Medienbranche, und somit dem Leser Einsichten in die ökonomischen Besonderheiten des Mediengeschäftes verix
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Vorwort: Warum ein Buch über Medien?
mitteln, Welche Besonderheiten der Medienbranche sollen das sein, die ein eigenes Buch über die ökonomischen Aspekte von Medien erforderlich machen? Schließlich gibt es über viele andere Märkte keine speziellen Lehrbücher – oder haben Sie schon einmal etwas von „Bäckerökonomie“ gehört? Ohne jetzt schon allzu sehr ins Detail gehen zu wollen, gibt es einige Besonderheiten in der Medienbranche. Medienunternehmen stellen Information her: Informationen sind nicht-stoffliche Güter, mit teilweise ungewöhnlichen Eigenschaften. Wenn Sie beispielsweise eine Hose kaufen und anziehen, so schließt das den Konsum der Hose durch jemand anderen aus (das wollen wir zumindest einmal für Sie hoffen). Nicht so beim Konsum von Informationen: Die Tatsache, dass Sie eine Fernsehsendung verfolgen, schließt nicht den Konsum dieser Fernsehsendung durch andere Personen aus. Das hat Konsequenzen für die Vermarktung von Informationen und wird uns noch ausführlicher beschäftigen. Auch der Vertrieb von Informationen weist einige Tücken auf: Neben den technischen Bedingungen für die Verbreitung von audiovisuellen Informationen, die erhebliche ökonomische Folgen haben, bringt der Aufbau eines Vertriebsnetzes einen enormen Kostenaufwand mit sich, der Folgen für die Wettbewerbssituation auf dem betreffenden Markt haben kann. Massenproduktionsvorteile können unter Umständen ganze Märkte in eine Monopolwüste verwandeln. Die besonderen gesellschaftlichen Aufgaben, die den Medien zugeschrieben werden, machen unter Umständen auch eine staatliche Regulierung erforderlich: Aus ökonomischer Perspektive muss zum einen gefragt werden, inwieweit eine Regulierung der Medienbranche wirklich erforderlich ist, und zum anderen wie sie unter Effizienzgesichtspunkten aussehen sollte. Wie wir im Folgenden sehen werden, ergeben sich aus den genannten Besonderheiten, mit denen sich die Unternehmen in der Medienbranche konfrontiert sehen, erhebliche Konsequenzen für die Marktstruktur. Sie bringen etliche ökonomische Probleme mit sich, die wir in den nächsten Kapiteln näher ergründen werden. Im ersten Kapitel sollen zunächst einige ökonomische Grundlagen erarbeitet werden; wir werden uns die ökonomischen Besonderheiten des Gutes Information genauer anschauen und überlegen, welche Folgen sich daraus ergeben. Dann werden wir die Besonderheiten beim Vertrieb von Informationen untersuchen; auch hier werden wir feststellen, dass es interessante ökonomische Implikationen gibt. Nachdem wir uns dann ein wenig mit Netzwerkeffekten beschäftigt haben, die in der Medienökonomie bisher eher eine stiefkindliche Rolle gespielt haben, können wir uns mit der Frage beschäftigen, wie es um den Wettbewerb in der Medienbranche bestellt ist. Mit diesem ökonomischen Fundament versehen, können wir uns dann in (M) medias res wagen: Zunächst werden wir einen Blick im zweiten Kapitel auf die Printmedien werfen. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit den audiovisuellen Medien, also dem Radio und dem Fernsehen. Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit dem Internet und der Multimediatechnik beides wird die Medienwelt nachhaltig verändern, und wir werden dort auch einen Blick darauf werden, wie die Medienlandschaft in den kommenden Jahren aussehen könnte.
Vorwort: Warum ein Buch über Medien?
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Lang ist die Liste derjenigen, denen ich danke, da sie mich bei der Anfertigung dieses Buches unterstützt haben: Neben meiner Familie, die mir immer die nötige Rückendeckung gab, bin ich vor allem Herrn Univ.-Prof. Dr. Aloys Prinz zu Dank verpflichtet, ohne den dieses Buch sicherlich nicht entstanden wäre. Für die sorgfältige, aufmerksame und kritische Durchsicht des Manuskriptes danke ich Frau Dr. Martina Bätzel und Dr. Lukas Weber – ihre Anmerkungen waren sehr lehr-und hilfreich. Für die logistische Unterstützung danke ich Frau Dipl.-Math. Alexandra Reichardt und Frau Elif Urel; für die unkomplizierte und professionelle Hilfe bei der Fertigstellung des Manuskriptes danke ich Dr. Müller und Frau Beisel vom Springer Verlag. Frankfurt am Main Mai 2002
Hanno Beck
Inhalt
1â•…Ökonomische Konzepte ����������������������������������尓������������������������������������尓������ ╇╅ 1 1.1â•… Was sind Medien? ����������������������������������尓������������������������������������尓�������� ╅╇ 1 1.2â•… Besonderheiten des Gutes Information ����������������������������������尓������������ ╇╅ 4 1.3â•… Die Nachfrage nach Informationen ����������������������������������尓������������������ â•… 14 1.4â•… Die Konsumentscheidung ����������������������������������尓�������������������������������� â•… 17 1.5â•… Die Theorie der natürlichen Monopole ����������������������������������尓������������ â•… 21 1.6â•… Wie bezahlt man für Mediendienstleistungen? ����������������������������������尓 â•… 27 1.7â•… Medienunternehmen als Diener zweier Herren ����������������������������������尓 â•… 37 1.8â•… Eine Frequenz, bitte! ����������������������������������尓������������������������������������尓���� â•… 40 1.9â•… Die politische und gesellschaftliche Bedeutung von Medien ������������ â•… 44 1.10╇ Der Zug der Lemminge: Netzwerkeffekte ����������������������������������尓������� â•… 47 1.11╇ Wettbewerb in der Medienbranche ����������������������������������尓������������������� â•… 51 1.12╇ Publizistischer versus ökonomischer Wettbewerb ����������������������������� â•… 55 2â•…Printmedien ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������� â•… 61 2.1â•… Geschichte der Presse ����������������������������������尓������������������������������������尓��� â•… 61 2.1.1â•… Die Anfänge ����������������������������������尓������������������������������������尓����� â•… 61 2.1.2â•… Die moderne Presse ����������������������������������尓������������������������������ â•… 69 2.1.3â•… Presse unterm Hakenkreuz ����������������������������������尓������������������� â•… 72 2.1.4â•… Die Presse nach 1945 ����������������������������������尓��������������������������� â•… 75 2.1.5â•…Die Presse der ehemaligen DDR und die Wiedervereinigung ��� â•… 79 2.2â•… Zeitungen und Zeitschriften ����������������������������������尓����������������������������� â•… 84 2.2.1â•… Täglich, wöchentlich oder monatlich? ����������������������������������尓� â•… 84 2.2.2â•… Der Vertrieb ����������������������������������尓������������������������������������尓������ â•… 88 2.2.3â•… Die Finanzierung ����������������������������������尓���������������������������������� â•… 94 2.2.4â•… Der Wettbewerb ����������������������������������尓������������������������������������尓 ╇ 102 2.3â•… Der Buchmarkt ����������������������������������尓������������������������������������尓������������� ╇ 119 3â•…Audiovisuelle Medien ����������������������������������尓������������������������������������尓���������� ╇ 127 3.1â•… Geschichtliches ����������������������������������尓������������������������������������尓������������ ╇ 127 3.1.1â•… Von den Anfängen bis zum Nationalsozialismus ������������������� ╇ 127 3.1.2â•… Der Neuanfang nach 1945 ����������������������������������尓�������������������� ╇ 133 xiii
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Inhalt
3.1.3â•… Das duale System: Die privaten Anbieter ������������������������������ ╇ 138 3.1.4â•… Rundfunkstaatsverträge und Verfassungsgerichtsurteile �������� ╇ 142 3.2â•… Vor- und nachgelagerte Märkte ����������������������������������尓������������������������ ╇ 145 3.2.1â•… Zulieferer und andere Dienstleister ����������������������������������尓������ ╇ 145 3.2.2â•… Filmproduktion ����������������������������������尓������������������������������������尓� ╇ 148 3.2.3â•… Die Stars ����������������������������������尓������������������������������������尓����������� ╇ 161 3.2.4â•… Kino, Videos und DVDs ����������������������������������尓����������������������� ╇ 164 3.2.5â•… Lizenzhändler und Rechteverwerter ����������������������������������尓���� ╇ 168 3.2.6â•… Infrastrukturanbieter ����������������������������������尓����������������������������� ╇ 173 3.3â•… Radio und Fernsehen ����������������������������������尓������������������������������������尓���� ╇ 179 3.3.1â•… Finanzierung ����������������������������������尓������������������������������������尓����� ╇ 179 3.3.2â•… Wettbewerb im Rundfunk ����������������������������������尓�������������������� ╇ 201 3.3.3â•… Brauchen wir öffentlich-rechtlichen Rundfunk? �������������������� ╇ 215 3.3.4â•… Alternativen zum dualen System ����������������������������������尓���������� ╇ 221 3.3.5â•… Ausblick ����������������������������������尓������������������������������������尓������������ ╇ 225 4â•…Internet und Multimedia-Anwendungen ����������������������������������尓�������������� ╇ 227 4.1â•… Grundlagen ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������� ╇ 227 4.1.1â•… Der Aufbau des Internet ����������������������������������尓����������������������� ╇ 227 4.1.2â•… Ökonomie des Internet ����������������������������������尓������������������������� ╇ 229 4.1.3â•… Multimedia: Gesetzliche Regelungen ����������������������������������尓�� ╇ 235 4.2â•… Audiovisuelle Medien im Zeitalter des Internet ��������������������������������� ╇ 238 4.2.1â•… Napster: Vorsicht, Piraten ����������������������������������尓��������������������� ╇ 238 4.2.2â•… Stars aus dem Netz ����������������������������������尓������������������������������� ╇ 245 4.2.3â•… Hollywood zittert vor dem Download ����������������������������������尓�� ╇ 246 4.2.4â•… Die Werbeindustrie zittert vor dem Rekorder ������������������������ ╇ 249 4.2.5â•… Digitales Fernsehen und öffentlich-rechtliches Internet �������� ╇ 254 4.3â•… Printmedien im Zeitalter des Internet ����������������������������������尓��������������� ╇ 259 4.3.1â•… Internet und Zeitungen ����������������������������������尓������������������������� ╇ 259 4.3.2â•… E-books ����������������������������������尓������������������������������������尓������������ ╇ 265 4.4â•… Digitalisierung und Konvergenz ����������������������������������尓���������������������� ╇ 269 4.4.1â•… Konvergenz der Technik – Konvergenz der Medien? ������������ ╇ 269 4.4.2â•… Glücklose Medienfusionen ����������������������������������尓������������������� ╇ 273 4.4.3â•… Wettbewerbspolitik und Konvergenz ����������������������������������尓��� ╇ 275 Bibliographie ����������������������������������尓������������������������������������尓����������������������������� ╇ 279
Verzeichnis der Abbildungen
Abb. 1.1 Abb. 1.2 Abb. 1.3 Abb. 1.4 Abb. 1.5 Abb. 1.6 Abb. 1.7 Abb. 1.8 Abb. 1.9 Abb. 1.10 Abb. 1.11 Abb. 2.1 Abb. 2.2 Abb. 2.3 Abb. 2.4 Abb. 2.5 Abb. 2.6 Abb. 2.7 Abb. 2.8 Abb. 2.9 Abb. 2.10 Abb. 2.11 Abb. 2.12 Abb. 2.13 Abb. 2.14 Abb. 3.1 Abb. 3.2 Abb. 3.3 Abb. 3.4 Abb. 3.5 Abb. 3.6 Abb. 3.7
Produktionsstufen in der Medienbranche ����������������������������������尓��� ╇╅ 4 Die Nachfragefunktion ����������������������������������尓������������������������������� â•… 14 Die optimale Konsumentscheidung ����������������������������������尓������������ â•… 18 Preissenkung für Medien und Konsumentscheidung ������������������� â•… 20 Preissenkung und Indifferenzkurven ����������������������������������尓���������� â•… 21 Die Angebotsfunktion ����������������������������������尓��������������������������������� â•… 28 Das Marktgleichgewicht ����������������������������������尓����������������������������� â•… 30 Hier versagt der Preismechanismus ����������������������������������尓������������ â•… 33 Werbefinanzierte Rundfunkprogramme ����������������������������������尓����� â•… 36 Bruttowerbeinvestitionen und Wirtschaftswachstum ������������������� â•… 39 Darstellung einer Frequenz von einem Hertz ������������������������������� â•… 41 Reduktion der Produktionskosten ����������������������������������尓��������������� â•… 66 Einführung einer Stempelsteuer ����������������������������������尓����������������� â•… 74 Subventionen und ihre Folgen ����������������������������������尓�������������������� â•… 81 Unterscheidungskriterien für Presseerzeugnisse �������������������������� â•… 84 Vertriebsformen für Zeitungen ����������������������������������尓������������������� â•… 88 Gesamtkostenfunktion und Durchschnittskosten ������������������������� â•… 92 Entwicklung der Rubrikenmärkte ����������������������������������尓��������������� â•… 98 Die Anzeigen-Auflagen-Spirale ����������������������������������尓����������������� ╇ 105 Radio versus Zeitung ����������������������������������尓���������������������������������� ╇ 115 Radio, Fernsehen und Zeitbudget ����������������������������������尓��������������� ╇ 116 Optimale Medien-Kombination ����������������������������������尓������������������ ╇ 117 Das Radio wird aktueller ����������������������������������尓���������������������������� ╇ 118 Marktanteile im deutschen Buchhandel ����������������������������������尓����� ╇ 120 Buchpreisbindung ����������������������������������尓������������������������������������尓��� ╇ 123 Zahl der gemeldeten Hörer ����������������������������������尓������������������������� ╇ 131 Fernsehempfang in Deutschland ����������������������������������尓���������������� ╇ 140 Filmförderungssubventionen in Deutschland ������������������������������� ╇ 155 Wirkung der Filmförderung ����������������������������������尓������������������������ ╇ 158 Der Markt für Video, Kino, Filmverleih ����������������������������������尓����� ╇ 167 Die Entwicklung der Rundfunkgebühren seit 1969 ��������������������� ╇ 183 Brutto-Werbeumsätze 2008 ����������������������������������尓������������������������ ╇ 191 xv
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Abb. 3.8 Abb. 3.9 Abb. 3.10 Abb. 3.11 Abb. 4.1 Abb. 4.2 Abb. 4.3 Abb. 4.4
Verzeichnis der Abbildungen
Programmstrategien einzelner Fernsehsender ���������������������������� â•… Durchschnittskosten pro Gesamtsendeminute ���������������������������� â•… Gesamtkosten je Sendeminute ����������������������������������尓������������������ â•… Anteile an der täglichen Sendedauer ����������������������������������尓�������� â•… Der Aufbau des Internet ����������������������������������尓���������������������������� â•… Ausgaben für digitale Musikkäufe 2009 ����������������������������������尓�� â•… Wie verändert Multimedia den Medienkonsum ������������������������� â•… Zeitbudgets und Medienkonsum ����������������������������������尓�������������� â•…
199 218 219 225 228 243 270 272
Verzeichnis der Tabellen
Tab. 1.1╅ Tab. 1.2╅ Tab. 1.3╅ Tab. 1.4╅ Tab. 2.1╅ Tab. 2.2╅ Tab. 2.3╅ Tab. 2.4╅ Tab. 2.5↜渀 Tab. 2.6↜渀 Tab. 2.7╅ Tab. 2.8╅ Tab. 3.1╅ Tab. 3.2╅ Tab. 3.3╅ Tab. 3.4╅ Tab. 3.5╅ Tab. 3.6╅ Tab. 3.7↜渀 Tab. 3.8╅ Tab. 4.1╅ Tab. 4.2╅ Tab. 4.3╅
Arten von Gütern ����������������������������������尓������������������������������������尓������� â•… 11 Die internationalen Werbeausgaben ����������������������������������尓�������������� â•… 37 Netto-Werbeeinnahmen deutscher Werbeträger ������������������������������ â•… 40 Eigenschaften von Informationen ����������������������������������尓����������������� â•… 59 Verlagsorte deutscher Tageszeitungen ����������������������������������尓����������� â•… 68 Entwicklung der Tagespresse 1954–2009 ����������������������������������尓����� â•… 78 Entwicklung der ehemaligen DDR-Zeitungen �������������������������������� â•… 83 Presse-Grosso in Deutschland 2009 ����������������������������������尓�������������� â•… 89 Kosten-Erlös-Struktur von Zeitungsvertrieben ������������������������������� â•… 91 Strategieansätze von Zeitungen ����������������������������������尓��������������������� â•… 99 Konzentration im deutschen Zeitungsmarkt ����������������������������������尓�� ╇ 108 Werbeaufwendungen in Deutschland ����������������������������������尓������������ ╇ 114 Kosten verschiedener Sendeformate ����������������������������������尓������������� ╇ 136 Marktanteile in der Zuliefererindustrie ����������������������������������尓��������� ╇ 146 Mitarbeiter in Medienunternehmen ����������������������������������尓��������������� ╇ 151 Marktanteile deutscher Kino-Produktionen ����������������������������������尓�� ╇ 157 Der deutsche Kinomarkt ����������������������������������尓�������������������������������� ╇ 164 Kauf und Verleih von Videos, DVD und Blu-Ray �������������������������� ╇ 168 Ertragspläne der öffentlich-rechtlichen Sender ������������������������������� ╇ 189 Tausender-Kontaktpreis und Reichweite ����������������������������������尓������� ╇ 193 Erlösmodelle im Internet ����������������������������������尓������������������������������� ╇ 230 Fernsehen im digitalen Zeitalter ����������������������������������尓�������������������� ╇ 256 Der Markt für Werbeträger in Deutschland ����������������������������������尓��� ╇ 276
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Verzeichnis der Boxen
Box 1.1╇╅ Box 1.2╇╅ Box 1.3╇╅ Box 1.4╇╅ Box 1.5╇╅ Box 1.6╇╅ Box 1.7╇╅ Box 1.8╇╅ Box 1.9╇╅ Box 1.10╅ Box 1.11╅ Box 1.12╅ Box 1.13╅ Box 1.14╅ Box 1.15╅ Box 2.1╇╅ Box 2.2╇╅ Box 2.3╇╅ Box 2.4╇╅ Box 2.5╇╅ Box 2.6╇╅ Box 2.7╇╅ Box 2.8╇╅ Box 2.9╇╅ Box 2.10╅ Box 2.11╅ Box 2.12╅ Box 2.13╅ Box 2.14╅ Box 2.15╅ Box 2.16╅ Box 2.17╅
Produktionsentscheidung eines Unternehmens ������������������������������ ╇╅ 6 Die VG Wort ����������������������������������尓������������������������������������尓������������� ╇╅ 8 Öffentliche und meritorische Güter ����������������������������������尓�������������� â•… 10 Nachfrage nach Informationen ����������������������������������尓��������������������� â•… 15 Die Nachfrageelastizität ����������������������������������尓������������������������������� â•… 16 Übertragungstechniken bei Rundfunkmedien �������������������������������� â•… 22 Durchschnittskosten und Grenzkosten ����������������������������������尓��������� â•… 24 Sinkende Grenzerträge, steigende Grenzkosten ����������������������������� â•… 26 Natürliche Monopole ����������������������������������尓������������������������������������尓 â•… 27 Soziale Marktwirtschaft ����������������������������������尓������������������������������� â•… 31 Die GEZ ����������������������������������尓������������������������������������尓�������������������� â•… 35 Raum- und Bodenwellen ����������������������������������尓������������������������������ â•… 41 Fernsehnormen ����������������������������������尓������������������������������������尓��������� â•… 50 Das GWB ����������������������������������尓������������������������������������尓����������������� â•… 52 Die Kreuzpreiselastizität ����������������������������������尓������������������������������ â•… 54 Gutenbergs Bibelprojekt ����������������������������������尓������������������������������ â•… 62 Papier, Papyrus und Pergament ����������������������������������尓�������������������� â•… 62 Optimale Produktion ����������������������������������尓������������������������������������尓 â•… 63 Die Post will Monopole ����������������������������������尓������������������������������� â•… 67 Der break-even-point ����������������������������������尓������������������������������������尓 â•… 68 Warum Drucker keine Rotationspressen mochten ������������������������� â•… 71 Die Zeitungen kriegen erste Konkurrenz ����������������������������������尓����� â•… 72 Die erste Kommission ����������������������������������尓���������������������������������� â•… 72 Der Hugenberg-Konzern ����������������������������������尓������������������������������ â•… 75 Publizistische Einheiten ����������������������������������尓������������������������������� â•… 77 Werbung in der DDR ����������������������������������尓������������������������������������尓 â•… 80 Vertrieb in der DDR ����������������������������������尓������������������������������������尓� â•… 83 Pressepost ����������������������������������尓������������������������������������尓����������������� â•… 90 Die optimale Betriebsgröße ����������������������������������尓�������������������������� â•… 92 Werbemessung ����������������������������������尓������������������������������������尓��������� â•… 95 Die Messung der Auflagenzahlen ����������������������������������尓���������������� â•… 96 Deutsche Verlagsgesellschaften ����������������������������������尓������������������� ╇ 103 xix
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Box 2.18╅ Box 2.19╅ Box 2.20╅ Box 2.21╅ Box 2.22╅ Box 2.23╅ Box 3.1╇╅ Box 3.2╇╅ Box 3.3╇╅ Box 3.4╇╅ Box 3.5╇╅ Box 3.6╇╅ Box 3.7╇╅ Box 3.8╇╅ Box 3.9╇╅ Box 3.10╅ Box 3.11╅ Box 3.12╅ Box 3.13╅ Box 3.14╅ Box 3.15╅ Box 3.16╅ Box 3.17╅ Box 3.18╅ Box 3.19╅ Box 3.20╅ Box 3.21╅ Box 3.22╅ Box 3.23╅ Box 3.24╅ Box 3.25╅ Box 3.26╅ Box 3.27╅ Box 3.28╅ Box 3.29╅ Box 3.30╅ Box 3.31╅ Box 3.32╅ Box 3.33╅ Box 3.34╅ Box 3.35╅ Box 3.36╅ Box 3.37╅ Box 3.38╅ Box 3.39╅
Verzeichnis der Boxen
Eine Frage der Größe: Tabloid-Zeitungen ����������������������������������尓���� ╇ 106 Messung der Konzentration im Pressewesen ��������������������������������� ╇ 109 Das GWB und der Pressesektor ����������������������������������尓������������������� ╇ 110 Sind Gratiszeitungen Dumping? ����������������������������������尓������������������ ╇ 112 20 Minuten Köln ����������������������������������尓������������������������������������尓������ ╇ 113 Der Robbespierre der deutschen Buchkultur ��������������������������������� ╇ 121 Telegrafenmissbrauch ����������������������������������尓����������������������������������� ╇ 128 Der Phonograph ����������������������������������尓������������������������������������尓�������� ╇ 128 Die Photographie ����������������������������������尓������������������������������������尓������ ╇ 129 Öffentlich-rechtliche Rundfunksender ����������������������������������尓��������� ╇ 133 Das Fernsehen ����������������������������������尓������������������������������������尓���������� ╇ 135 Die Landesmedienanstalten ����������������������������������尓�������������������������� ╇ 140 Regulierung der privaten Sender ����������������������������������尓������������������ ╇ 141 Die Rundfunkstaatsverträge ����������������������������������尓������������������������� ╇ 143 Rundfunkurteile des Bundesverfassungsgerichtes ������������������������� ╇ 144 Deutsche Filmproduzenten ����������������������������������尓��������������������������� ╇ 149 Filmförderung ����������������������������������尓������������������������������������尓����������� ╇ 154 Eine Quote für die deutsche Musik ����������������������������������尓�������������� ╇ 157 Warum Edison kein Kino mochte ����������������������������������尓���������������� ╇ 166 Rechtehändler in Deutschland ����������������������������������尓���������������������� ╇ 170 Auch Kreativität kostet Geld – die Gema ����������������������������������尓���� ╇ 172 Das Telekommunikationsgesetz ����������������������������������尓������������������� ╇ 173 Netzbetreiber in Deutschland ����������������������������������尓����������������������� ╇ 175 Satelliten ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������� ╇ 175 Digitales Satellitenradio ����������������������������������尓������������������������������� ╇ 177 Telefon aus der Steckdose ����������������������������������尓���������������������������� ╇ 178 Überall-Fernsehen ����������������������������������尓������������������������������������尓���� ╇ 179 Der ARD-Finanzausgleich ����������������������������������尓��������������������������� ╇ 180 Mitglieder der KEF ����������������������������������尓������������������������������������尓�� ╇ 183 Rechtliche Beschränkungen für Werbung ����������������������������������尓���� ╇ 190 Der Tausenderpreis ����������������������������������尓������������������������������������尓��� ╇ 193 Einschaltquotenmessung ����������������������������������尓������������������������������ ╇ 194 Teleshopping ����������������������������������尓������������������������������������尓������������ ╇ 195 Öffentlich-Rechtliche Spartenkanäle ����������������������������������尓����������� ╇ 200 Die Pro Sieben Sat 1 Media AG ����������������������������������尓������������������� ╇ 202 Die RTL Group ����������������������������������尓������������������������������������尓��������� ╇ 203 AOL und Time Warner ����������������������������������尓��������������������������������� ╇ 206 Rundfunkfragen aus Sicht der EU ����������������������������������尓���������������� ╇ 208 Ansatzpunkte einer Konzentrationskontrolle ��������������������������������� ╇ 210 Leo Kirch stört den Familienfrieden ����������������������������������尓������������ ╇ 212 Vorbild Öffentlich-Rechtliche? ����������������������������������尓�������������������� ╇ 216 Offene Kanäle ����������������������������������尓������������������������������������尓���������� ╇ 217 Der Sender lebt nicht nur von Werbung alleine ����������������������������� ╇ 220 Das neuseeländische Fernsehen ����������������������������������尓������������������� ╇ 221 Fernsehen down under ����������������������������������尓��������������������������������� ╇ 222
Verzeichnis der Boxen
Box 3.40╅ Box 3.41╅ Box 4.1╇╅ Box 4.2╇╅ Box 4.3╇╅ Box 4.4╇╅ Box 4.5╇╅ Box 4.6╇╅ Box 4.7╇╅ Box 4.8╇╅ Box 4.9╇╅ Box 4.10╅ Box 4.11╅ Box 4.12╅ Box 4.13╅ Box 4.14╅ Box 4.15╅ Box 4.16╅ Box 4.17╅ Box 4.18╅ Box 4.19╅ Box 4.20╅ Box 4.21╅ Box 4.22╅ Box 4.23╅ Box 4.24╅ Box 4.25╅ Box 4.26╅
xxi
Fernsehen in Amerika ����������������������������������尓����������������������������������� ╇ 223 Alternativen zur Rundfunkgebühr ����������������������������������尓���������������� ╇ 223 Es geht auch schneller ����������������������������������尓���������������������������������� ╇ 229 Online-Werbung ����������������������������������尓������������������������������������尓������� ╇ 231 Webwasher, Junk-Buster und „faire“ Werbung ������������������������������ ╇ 232 Web 2.0 und Social Media ����������������������������������尓��������������������������� ╇ 233 Der Fall Compuserve ����������������������������������尓����������������������������������� ╇ 236 Das Signaturgesetz ����������������������������������尓������������������������������������尓��� ╇ 237 MPEG-Standards und MP3 ����������������������������������尓�������������������������� ╇ 238 Peer to Peer – von Kumpel zu Kumpel ����������������������������������尓�������� ╇ 240 Legale Musik aus dem Internet ����������������������������������尓�������������������� ╇ 242 Urheberrechtsabgabe und Kulturflatrate ����������������������������������尓������ ╇ 244 Purple Rain ����������������������������������尓������������������������������������尓��������������� ╇ 246 Online-Filmkanäle ����������������������������������尓������������������������������������尓���� ╇ 247 Das Moorhuhn ����������������������������������尓������������������������������������尓���������� ╇ 248 Digitales Kino ����������������������������������尓������������������������������������尓���������� ╇ 249 Der Totengräber des Privatfernsehens ����������������������������������尓���������� ╇ 251 Product Placement und Produktionshilfen ����������������������������������尓��� ╇ 253 Rufen Sie uns an! ����������������������������������尓������������������������������������尓����� ╇ 254 Digitale Programmangebote ����������������������������������尓������������������������� ╇ 255 Das Tor zur Multimediawelt ����������������������������������尓������������������������� ╇ 256 Der Drei-Stufen-Test ����������������������������������尓������������������������������������尓 ╇ 258 Internet-Strategien der Zeitungen ����������������������������������尓����������������� ╇ 260 Elektronisches Extrablatt – die Kabelzeitung �������������������������������� ╇ 262 Die IVW kämpft gegen Roboter ����������������������������������尓������������������ ╇ 263 So funktioniert digitales Papier ����������������������������������尓�������������������� ╇ 265 Wann ist ein Buch ein Buch? ����������������������������������尓����������������������� ╇ 267 Das Gold des 21. Jahrhunderts ����������������������������������尓��������������������� ╇ 277
Kapitel 1
Ökonomische Konzepte
1.1â•… Was sind Medien? Die Frage danach, was Medien sind, wird oft in Form einer Aufzählung beantwortet: Als klassische Medien werden zumeist die Zeitung, der Hörfunk und das Fernsehen genannt, bei längerem Überlegen werden auch das Kino und das Internet als Medien genannt. Andere Möglichkeiten der Informationsübertragung wie Telefon oder Telefax gelten nach landläufiger Meinung nicht als Medien. Also was sind Medien? Um eine allgemeine Definition von Medien zu finden, macht es Sinn, die Aufgaben und Eigenschaften von Medien näher zu untersuchen. Ein Medium ist ein Instrument zur Verbreitung von Informationen. In früheren Zeiten, bevor man das Papier erfand, wurden Felswände oder Tierhäute zur Verbreitung von Informationen genutzt, heutzutage werden Informationen auch über elektronische Medien wie Rundfunk, Kupfer- oder Glasfaserkabel vermittelt. Nach dieser Definition sind beispielsweise auch das Telefon oder das Fax-Gerät Medien. Was das Telefon oder das Fax von den Massenmedien, die umgangssprachlich als Medien bezeichnet werden, unterscheidet, sind der Adressatenkreis und die Fähigkeit, mehrere Adressaten zur gleichen Zeit anzusprechen. Mit Hilfe des Telefons oder des Fax-Gerätes lassen sich in der Regel nur eine (oder wenige) Personen zum gleichen Zeitpunkt erreichen; diese Medien sind nicht dazu konzipiert, einen größeren Adressatenkreis zum gleichen Zeitpunkt zu erreichen. Massenmedien hingegen sind von ihrer technischen Konzeption her darauf ausgerichtet, einen möglichst großen Adressatenkreis zur gleichen Zeit anzusprechen. Der Preis für die Möglichkeit, einen größeren Personenkreis zu erreichen, bestand bisher darin, dass die Kommunikation nur in eine Richtung, nämlich vom Medium zum Adressat, möglich war, aber nicht vom Adressat zum Medium (sieht man einmal von der Möglichkeit ab, z.€ B. Leserbriefe zu schreiben). Doch dieser Nachteil verschwindet im Zuge des technischen Fortschrittes: Mit dem Aufkommen des Internet wird es zunehmend möglich, Massenkommunikation in beide Kommunikationsrichtungen zu betreiben – Leser oder Zuhörer sind zunehmend in der Lage, mit ihrer Zeitung oder ihrem Sender in direkten Kontakt zu treten (Ob sie auch eine Antwort bekommen, ist eine andere Frage, denn kann die Belegschaft einer Zeitung oder eines Senders auf
H. Beck, Medienökonomie, DOI 10.1007/978-3-642-18132-0_1, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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1 Ökonomische Konzepte
alle Leser oder Zuhörer eingehen? Hier herrscht ein zahlenmäßiges Missverhältnis). Beim Internet weichen also die eben aufgezeigten Grenzen der Massenmedien auf. Das Internet hat insofern eine Sonderstellung: Es ist ein Medium, das sich sowohl zur persönlichen Kommunikation als auch zur weitflächigen Verbreitung von Informationen eignet. Aber die Auflösung der Grenzen zwischen persönlichen Kommunikationsmedien und Massenmedien ist nur einer der Gründe, warum eine Definition von Massenmedien ausschließlich über ihre Fähigkeit und Intention, ein breites Publikum zu erreichen, zu kurz greift. Will man die ökonomischen Zusammenhänge in der Medienwirtschaft analysieren, so ist es sinnvoll, den gesamten Prozess der Leistungserstellung im Mediensektor zu untersuchen, anstatt sich nur auf einen Teil der Wertschöpfungskette, nämlich den Vertrieb der Informationen, zu beschränken. Aus diesem Grunde behandelt dieses Buch nicht nur Massenmedien, sondern auch Medienunternehmen. Denn hinter den landläufig bekannten Medien (Fernsehen, Radio, Zeitung) steht eine Vielzahl von Unternehmen mit wirtschaftlichen Interessen, welche über die Inhalte, die Verbreitung und die Verbreitungsform ihrer Nachrichten entscheiden. Für eine ökonomische Betrachtung des Mediensektors reicht es nicht aus, die Betreiber der Kommunikationswege (wie beispielsweise einen Fernsehsender) zu untersuchen, man muss auch die diesen Anstalten vor- und nachgelagerten Unternehmen betrachten. Und die in der Medienbranche tätigen Unternehmen lassen sich dadurch identifizieren, dass man die verschiedenen Produktionsprozesse im Mediensektor untersucht. Dazu muss man sich zunächst einmal ansehen, was das für Prozesse sind. Der Betriebszweck eines Medienunternehmens besteht in der Beschaffung, Selektion, Aufbereitung, Bündelung und Verbreitung von Informationen. Die Beschaffung von Informationen steht am Anfang eines Produktionsprozesses: Informationen über Ereignisse, Personen oder Statistiken müssen registriert und vor Ort beschafft werden. Viele dieser Informationen werden an die Unternehmen kostenlos herangetragen, da sich die Informanten von der Veröffentlichung ihrer Informationen persönliche Vorteile versprechen. Ein anderer Teil der Informationen muss jedoch selbständig recherchiert und zusammengetragen werden, wozu es einer ständigen weltweiten Präsenz von Repräsentanten bedarf, welche die Informationsbeschaffung vor Ort übernehmen. Die Selektion von Informationen ist aus zwei Gründen eine wichtige Aufgabe von Medienunternehmen: Zum einen muss geprüft werden, ob die jeweilige Information korrekt und glaubwürdig ist, zum anderen muss entschieden werden, ob diese Information auch für die Adressaten nutzenbringend, also relevant ist. Diese Aufgabe ist wichtiger, als es auf den ersten Blick den Anschein hat, und schafft für die Empfänger der Nachrichten einen unmittelbaren Mehrwert: Unternehmen oder Personen, die auf Informationen angewiesen sind, kämen in arge Bedrängnis, wenn sie jede Information selbst auf ihre Glaubwürdigkeit hin überprüfen müssten – der Aufwand dafür wäre zu hoch. Bei mangelnder Überprüfung der zur Verfügung gestellten Informationen besteht aber die Gefahr, zu einer falschen Einschätzung der Realität zu kommen und aufgrund einer schlechten Informationslage Fehlentscheidungen zu treffen.
1.1 Was sind Medien?
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Doch nicht nur Glaubwürdigkeit, auch Relevanz ist ein wichtiger Filter für Informationen: Was soll ein Automobilproduzent mit der Information anfangen, dass die Weizenernte in der Ukraine im kommenden Jahr besser ausfällt? Jedes Unternehmen und jede Privatperson hat einen eigenen Nachrichtenhorizont mit einer Palette von Themen, die als wichtig und relevant erachtet werden. Die Flut von Informationen, die jeden Tag über die Welt hineinbricht, macht es für den Einzelnen unmöglich, die relevanten Nachrichten selbst herauszufiltern. Medienunternehmen übernehmen die Aufgabe, die für den einzelnen Zuschauer oder Leser wichtigen Informationen auf ihre Glaubwürdigkeit hin zu überprüfen und nach Maßgabe ihrer Relevanz in geeigneter Form zur Verfügung zu stellen. Mit anderen Worten: Medienunternehmen erfüllen die Funktion eines Filters und bündeln die für ihre jeweiligen Zielgruppen relevanten und interessanten Informationen (GatekeeperFunktion). Stellen Sie sich einmal eine Zeitung vor, die alle Nachrichten der Welt (oder auch nur die Hälfte) jeden Tag druckt – sie müsste mit einem LKW angeliefert werden und Sie müssten Ihr Frühstück für die Lektüre dieser Zeitung auf einige Monate ausdehnen. Damit ist der nächste wichtige Schritt im Produktionsprozess eines Medienunternehmens angesprochen: Die auf ihre Glaubwürdigkeit und Relevanz hin untersuchten Informationen müssen adressatengerecht aufbereitet und in einer für den Adressaten angemessen Form zur Verfügung gestellt werden. Die Aufbereitung von Informationen bezieht sich sowohl auf die physische Aufbereitung, also beispielsweise die Verfilmung für das Fernsehen oder das Drucken für eine Zeitung (technische Produktion), als auch die inhaltliche Aufbereitung (redaktionelle Produktion): Die Information muss verständlich gemacht, auf ihre wesentlichen Inhalte reduziert und – wenn vom Kunden gewünscht – beurteilt, kommentiert und inhaltlich in einen größeren Kontext eingeordnet werden. Der letzte Schritt im Produktionsprozess eines Medienunternehmens ist die Verbreitung der selektierten und aufbereiteten Informationen. Das Medienunternehmen muss dafür sorgen, dass der Adressat die für ihn relevanten Informationen rasch erhält, findet und zeitnah auf sie zugreifen kann. Während die bisherigen Schritte auch teilweise von normalen Unternehmen oder Personen (manchmal aber auch von Geheimdiensten oder den Nachbarn) wahrgenommen werden, besteht die Besonderheit von Medienunternehmen in der Absicht, die Informationen einem möglichst breiten Publikum zur Verfügung zu stellen. Dies kann auf recht unterschiedlichem Weg geschehen, und wie wir später sehen werden, gibt es bei der Verbreitung von Informationen einige technische und ökonomische Besonderheiten, die es in anderen Industrien in dieser Form nicht gibt. All diese Leistungsprozesse müssen nicht notwendigerweise von einem Unternehmen erbracht werden: Das Geschäft der Informationsbeschaffung, -selektion und -aufbereitung lässt sich ohne weiteres getrennt von der Verbreitung dieser Informationen (und gegebenenfalls einer nochmaligen Selektion und Aufbereitung) betreiben. Ein Beispiel dafür sind Nachrichtenagenturen, die Informationen sammeln und diese an andere Massenmedien vertreiben, wo diese Nachrichten nochmals selektiert und aufbereitet und erst dann gesendet oder gedruckt werden. Ein nachgelagerter Produktionsschritt kann darin bestehen, dass die Rechte an bestimmten
4 Abb. 1.1↜渀 Produktionsstufen in der Medienbranche
1 Ökonomische Konzepte Nachrichten Sammeln, selektieren und bearbeiten (Nachrichtenagenturen, freie Journalisten)
Unterhaltung Selektion, Produktion (freie Künstler, Agenturen)
Rechteverwertung und –verwaltung Lizensierung, Merchandising, Vermarktung Redaktionelle Aufbereitung und Selektion, physische Aufbereitung, Bündelung Zeitungen, TV, Hörfunk, Internet Werbeakquisition und Werbeplatzierung Verlage, Agenturen Physische Distribution Kabelnetz, Funk, Satellit, Austräger, Pressepost, Provider, Handel
Nachrichten oder Beiträgen und deren Vermarktung von speziellen Unternehmen übernommen werden. Eine weitere Funktion von Medien besteht in der Bereitstellung von Unterhaltung. Hier gilt ähnliches wie bei den Ausführungen zur Informationsaufgabe von Medien: Unterhaltung muss nicht nur verbreitet, sondern auch erdacht und realisiert werden. Hinter den Fernsehsendern steht eine ganze Industrie, die Unterhaltungssendungen konzipiert, Filme produziert und die Rechte an den Unterhaltungssendungen verwaltet und verwertet. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Medienunternehmen Unternehmen sind, die sich mit der Beschaffung, Selektion, Aufbereitung, Verwertung, Bündelung und dem Vertrieb von Informationen oder Unterhaltung beschäftigen. Abbildung€1.1 gibt einen Überblick über die einzelnen Produktionsbereiche und nennt Beispiele für typische Unternehmen. In einem nächsten Schritt werden wir uns nun genauer damit beschäftigen, welche Besonderheiten das Gut hat, das Medienunternehmen produzieren.
1.2â•… Besonderheiten des Gutes Information Im vorherigen Abschnitt haben wir gesehen, dass Medienunternehmen Unternehmen sind wie andere auch: Es gibt verschiedene Produktionsstufen, die teilweise von unterschiedlichen Unternehmen abgedeckt werden, und am Ende des Produktionsprozesses steht ein fertiges Produkt wie eine Zeitung oder eine Rundfunksendung, das man mit der Absicht, Gewinne zu erzielen, verkauft. Warum ist dann überhaupt ein eigenes Buch über Medienunternehmen nötig? Bücher über Unternehmen gibt es schließlich viele. Ganz einfach: Einige Besonderheiten des von diesen Unternehmen angebotenen Gutes führen dazu, dass herkömmliche Ver-
1.2 Besonderheiten des Gutes Information
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triebs- und Finanzierungsmethoden, wie sie in anderen Industrien üblich sind, in der Medienbranche nur eingeschränkt funktionieren. Um das verstehen zu können, muss man sich klar machen, was Medienunternehmen herstellen. Ja, welche Güter produzieren Nachrichtenunternehmen? Fernsehsender produzieren Fernsehsendungen, Radiosender Hörfunkprogramme und Verlage stellen Zeitungen oder Zeitschriften her. Doch das sind nur die physischen Informationsträger, auf denen das eigentliche Produkt von Medienunternehmen vertrieben wird; die eigentlichen Produkte von Medienunternehmen sind Informationen. Jede Nachricht, und streng genommen jede Unterhaltungssendung, besteht aus Informationen, die in der einen oder anderen Weise zuvor bearbeitet oder neu zusammengesetzt wurden und eventuell mit anderen Informationen kombiniert worden sind. Die Nachricht, dass die Regierung wechselt, ist eine Information, die vom Medienunternehmen entsprechend aufbereitet (indem man sie beispielsweise entsprechend prominent verkündet als Aufmacher in der Zeitung oder als Top-Nachricht zu Beginn der 20 Uhr-Nachrichten), nötigenfalls in einem entsprechenden Kontext gestellt (beispielsweise durch die Information, dass dies der erste Regierungswechsel seit 14 Jahren ist) und eventuell auch in einem Gesamtkontext eingeordnet wurde (beispielsweise durch einen Kommentar, was die Bürger nun erwartet). Nun haben Informationen aber eine Eigenschaft, die sie von vielen anderen Gütern unterscheidet, und die Ökonomen mit dem Begriff Nicht-Rivalität im Konsum umschreiben. Stellen Sie sich vor, sie kaufen ein herkömmliches Produkt, beispielsweise eine Hose. Wenn Sie diese Hose anziehen, bedeutet dies, dass niemand anderes außer Ihnen diese Hose tragen kann. Die Tatsache, dass Sie die Hose tragen, sie sozusagen konsumieren, verhindert, dass ein anderer die Hose trägt, respektive konsumiert. Noch deutlicher wird dieses Beispiel, wenn Sie einmal den Kauf eines Brötchens überdenken: Ein Brötchen, das Sie essen, kann kein zweiter zu sich nehmen. Wenn Sie diesen Gedanken auf das Gut Information übertragen, so kommen Sie ins Schleudern: Der Umstand, dass Sie eine Nachricht hören, also konsumieren, schließt nicht aus, dass auch weitere Personen diese Nachricht erfahren. Eine Nachricht kann von vielen Personen gleichzeitig wahrgenommen und konsumiert werden, ohne dass sich diese im Konsum der Nachricht gegenseitig ausschließen oder stören. Das bezeichnen Ökonomen als Nichtrivalität im Konsum.1 Für die Kalkulation der Medienunternehmen hat diese Eigenschaft von Informationen erhebliche Folgen. Um diese Folgen verstehen zu können, ist ein kurzer Ausflug in die Produktionstheorie notwendig, der uns weitere Besonderheiten von Medienunternehmen zeigen wird. Ein Unternehmen orientiert sich bei der Entscheidung, wie viele Einheiten eines Gutes es herstellen will, natürlich an seinen Absatz- und Erlösmöglichkeiten (bitte vergleichen Sie Box€ 1.1). Doch das ist nicht alles: Gleichzeitig muss das Unternehmen auch die Kosten beachten, die ihm bei der Produktion entstehen. Nur wenn die Erlöse aus dem Verkauf der hergestellten Produkte deren Herstellungskosten 1╇ Das gilt unter Umständen nicht für den Nutzen, den man aus der Information ziehen kann: Je weniger Personen beispielsweise von der Existenz und der Lage eines Schatzes erfahren, um so besser für sie, denn um so weniger Personen müssen sich diesen Schatz teilen.
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1 Ökonomische Konzepte
übersteigen, lohnt sich die Produktion für das Unternehmen. Genauer gesagt: Solange die Erlöse, die man mit der zuletzt abgesetzten Einheit des Gutes erzielt (die Grenzerlöse), über den damit verbundenen zusätzlichen Kosten dieser Einheit liegen (Ökonomen reden von Grenzkosten), ist die Produktion lohnend. So weit, so gut. Doch für ein Medienunternehmen taucht hier ein Problem auf: Die verkaufte Menge seiner Produkte, also der hergestellten Informationen, entspricht genaugenommen der Anzahl der Personen, die diese Nachricht konsumiert haben. Halt, konsumiert? Da ist der Haken: Dem Kostenrechner des Medienunternehmens ist es völlig egal, wie viele Zuschauer oder Hörer die Informationen konsumieren, die Kosten verändern sich nicht. Die Herstellung einer Nachrichtensendung beispielsweise kostet einen bestimmten festen Betrag für die Bereitstellung des Studios, die Bezahlung des Nachrichtensprechers usw. Wie viele Personen diese Nachrichten aber lesen, sehen oder hören, hat keinen Einfluss auf die Kosten der Herstellung. Bei einer Hose ist das etwas anderes: Man muss für jeden Konsumenten eine Hose herstellen, da jeder seine eigene Hose haben will, das kostet Stoff und Schneiderarbeit. Ob aber 10 oder 100.000 Personen die Nachrichten konsumieren, ändert nichts an den Kosten der Herstellung (wir werden sehen, dass dieses Argument noch ein wenig relativiert werden muss und darüber sprechen, wenn wir auf die Vertriebswege der Medienunternehmen kommen. Zudem gilt dieses Argument für Zeitungen nur eingeschränkt: Die Produktion zusätzlicher Zeitungen kostet mehr Papier und Druckerschwärze, aber wie viele Personen ein Exemplar lesen, spielt für die Kosten des Verlages keine Rolle). Box 1.1: Die Produktionsentscheidung eines Unternehmens╇ Die Höhe der Produktion eines Unternehmen richtet sich nach drei Größen: Dem Gewinn G, der sich aus der verkauften Menge x an Produkten, multipliziert mit ihrem Preis p abzüglich der Kosten K, die zu ihrer Herstellung nötig sind, zusammensetzt. Der Gewinn ergibt sich, indem man von den Umsatzerlösen E die Kosten K abzieht: G(x) = E(x) − K(x),
mit E(x)â•›=â•›xâ•›·â•›p. Der Erlös ist also die verkaufte Menge x mal dem erlöstem Preis p; und die Kosten hängen von der Höhe der Produktion x ab. Um die optimale Produktionsmenge festzulegen, muss das Unternehmen eine Grenzbetrachtung anstellen: Bis zu welchem Punkt wird durch die zusätzliche Produktion einer Einheit des Gutes (den Grenzertrag) noch ein zusätzlicher Gewinn erzielt? Überlegen Sie einmal: Solange der zusätzliche Erlös (der Grenzerlös), den man bei der Herstellung einer weiteren Einheit erzielt, über den mit der Produktion zusätzlich verbundenen Kosten (den Grenzkosten) liegt, lohnt sich die Herstellung einer weiteren Einheit. Liegen aber die zusätzlichen Kosten einer weiteren Einheit über den damit verbundenen zusätzlichen Erlösen, so lohnt sich die Produktion dieser Einheit des Gutes nicht mehr. Wenn die Produktion von 100 Einheiten beispielsweise 1.000€€
1.2 Besonderheiten des Gutes Information
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kostet, und die Produktion von 101 Einheiten 1.002€€ kostet (die Grenzkosten betragen 2€€), so wird das Unternehmen 101 Einheiten nur herstellen, wenn die 101. Einheit mindestens 2,01€ € an zusätzlichen Erlösen in seine Kasse spülen wird. Ansonsten lohnt sich die Produktion der zusätzlichen Einheit für das Unternehmen nicht. Und wer es gerne formal mag: die optimale Produktionsmenge ergibt sich, indem man das Maximum der obigen Gleichung ausrechnet, indem man die erste Ableitung bildet. G(x) = x · p − K(x) nach x abgeleitet ergibt G (x) = p − K (x),
(mit Grenzerlöse = E (x) = p)
wobei das ′ anzeigt, dass es sich um die erste Ableitung handelt. K′(x) sind die Grenzkosten, also die Kosten einer zusätzlich erzeugten Einheit des Gutes x (Die erste Ableitung einer Funktion zeigt deren Steigung an, also den Wertzuwachs der abhängigen Variable, wenn die unabhängige Variable um eine Einheit erhöht wird. Die abhängige Variable sind in unserem Beispiel die Kosten, die unabhängige die gewählte Produktionsmenge x.). Um ein Maximum zu errechnen, muss man diese Gleichung gleich null setzen und erhält p = K (x),
also Grenzkosten gleich Grenzerlöse (bei konstantem Preis ist der Grenzerlös immer gleich dem Preis). Wenn aber bei Medienunternehmen die Grenzkosten der Produktion Null sind, folgt daraus ein optimaler Preis von Null. Mit anderen Worten: Das Medienunternehmen sollte bestrebt sein, die Anzahl seiner Kunden ins Unendliche auszuweiten, denn je mehr Zuschauer oder Leser, desto besser, vor allem, weil die Anzahl der Zuschauer für die Kosten der Produktion der Sendungen keine Rolle spielt. Damit gilt aber das in Box€ 1.1 beschriebene Optimierungskalkül zur Produktionsentscheidung des Unternehmens hier nicht. Warum? Ganz einfach: Ein normales Unternehmen produziert so lange, bis die zusätzlichen Erlöse einer zusätzlich produzierten Einheit gleich ihren damit verbundenen zusätzlichen Kosten sind. Kostet der zusätzliche Kunde mehr, als er in die Kasse des Unternehmens spült, dann verzichtet das Unternehmen auf diesen Kunden. Bei Medienunternehmen funktioniert dieses Kalkül nicht, denn die zusätzlichen Kosten eines jeden weiteren Nutzers einer Information sind Null. Das bedeutet, dass es sich für ein Medienunternehmen immer lohnt, zusätzlichen Kunden seine Informationen zu verkaufen – es sollte nach diesem Kalkül den Kreis seiner Kunden ins Unendliche ausdehnen. Welche Folgen das hat und wie dieses Problem zu lösen ist, werden wir uns später anschauen, wenn wir über das Angebot der Medienunternehmens sprechen. Doch das ist noch nicht alles: Informationen haben noch eine weitere Eigenschaft, die den Medienunternehmen das Leben schwer machen können, und welche die Ökonomen mit dem Begriff Nichtausschlussprinzip umschreiben. Was ist ge-
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1 Ökonomische Konzepte
meint? Nehmen wir einmal an, der Finanzminister des Landes tritt überraschend zurück. Das ist natürlich eine Sensationsnachricht, die jeder Sender oder jede Zeitung gerne für sich hätte („Nur in Bild zu lesen:…“). Doch wenn die Nachricht einmal bekannt ist, dann hat sie sich schnell verbreitet, und der Sender, der sie zuerst ausgegraben hat, kann schließlich nicht die Exklusivrechte darauf beanspruchen. Die Personen, welche nicht den hauseigenen Sender schauen oder die betreffende Zeitung lesen, können vom Konsum der Nachricht nicht ausgeschlossen werden, sei es, sie erfahren die Information von der Bundesregierung, die es bekannt gibt, oder von dem Nachbarn, der die Zeitung gelesen hat oder den Sender geschaut hat. Zudem kommt noch hinzu, dass es aus gesellschaftlichem Interesse nicht erwünscht ist, dass bestimmte Informationen nur von einem Unternehmen verbreitet werden. Darüber hinaus lassen sich die Rechte an bestimmten Nachrichten nicht einfach erwerben – wenn ein Finanzminister zurücktritt, so ist schließlich jeder frei, darüber zu berichten, solange er die Persönlichkeitsrechte des Ministers nicht verletzt. Aber Vorsicht mit diesem Argument, hier müssen wir drei Dinge voneinander trennen: Zum einen den Umstand, dass sich Informationen beliebig oft reproduzieren lassen, wenn sie einmal öffentlich geworden sind, als zweites das öffentliche Interesse an Informationen, und als drittes die Möglichkeit, dass die Konsumenten einer Nachricht diese weiter tragen und sich damit quasi als eigene Medienunternehmen gebärden. Box 1.2: Die VG Wort╇ Die VG Wort (www.vgwort.de) wurde 1958 ins Leben gerufen. Sie ist ein Zusammenschluss von Autoren und Verlagen zur Wahrnehmung (Verwertung) von Urheberrechten gegenüber Dritten. Die VG Wort unterscheidet verschiedene Berufsgruppen: Autoren und Übersetzer schöngeistiger und dramatischer Literatur, Journalisten, Autoren und Übersetzer von Sachliteratur, Autoren und Übersetzer von wissenschaftlicher und Fachliteratur, Verleger von schöngeistigen Werken und von Sachliteratur, Bühnenverleger, Verleger von wissenschaftlichen Werken und von Fachliteratur. Der Grund für diese Differenzierung sind die unterschiedlichen Interessen und Berufssituationen dieser Gruppen. Die VG Wort beschränkt sich auf die Verwaltung urheberrechtlicher Nutzungsrechte an Sprachwerken. Zudem nimmt sie die Rechte an Eigenillustrationen von Autoren wissenschaftlicher Texte wahr; die sonstigen Bildrechte werden durch die VG Bild-Kunst verwaltet. Die VG Wort kassiert über Tausende von Einzelverträgen, Rahmenverträge und Inkassostellen Geld von denen, die das geistige Eigentum der Mitglieder nutzen und verteilt die Einnahmen an die Mitglieder. Verteilt wird anhand von Meldungen von Journalisten, Autoren und Verlagen, anhand statistischer Erhebungen über das Kopierverhalten von Behörden, Firmen, Schulen oder Copy-Shops. Im Bereich Funk und Fernsehen kommen die Einnahmen aus Geräteabgaben und Leerkassettenabgaben (für Video und Audio) und Zahlungen für öffentlich aufgestellte Radios oder Fernseher. Bibliotheken, die ja Druckwerke verleihen, zahlen Bibliothekstantieme (zumeist zahlen Bund und Länder diese). Firmen, Behörden, Verbände und sonstige Organisationen zahlen für ihre internen Pressespiegel, und auch Lesezirkel zahlen Abgaben.
1.2 Besonderheiten des Gutes Information
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Zudem gibt es eine Repro-Abgabe auf Kopierer und eine Abgabe für CopyShops sowie Bildungseinrichtungen wie Schulen. Im Jahr 2009 beliefen sich die Erlöse aus der Wahrnehmung von Urheberrechten auf 434,38€Mio.€€. Da haben wir durch die Hintertür noch eine weitere Besonderheit von Informationen kennengelernt: Sie lassen sich leicht reproduzieren und von anderen wiedergeben. Das macht es für den Schöpfer einer Information schwierig, sie mehrmals an verschiedene Kunden zu verkaufen – weil der erste Kunde im Zweifelsfall diese Information (fast) kostenfrei an andere potentielle Kunden verteilt. Das erklärt, warum es in der Medienbranche Unternehmen gibt, die sich um die Verwertung von Rechten an Informationen kümmern (wie beispielsweise die VG Wort, die in Box€ 1.2 erklärt ist). Entscheidend ist nicht die Möglichkeit, etwas rasch kopieren zu können, sondern, ob man das Recht hat, dies zu tun (Allerdings kann man sich nicht alle Informationen rechtlich schützen lassen). Wenn aber alle guten Ideen sofort kopiert werden, haben die Erfindern dieser Ideen keine Anreize mehr, sich auf neue Ideen zu besinnen (wie sollen die denn an ihrem Ideenreichtum verdienen, wenn alles sofort kopiert wird?). Deshalb braucht man einen Rechtsrahmen, der das Kopieren von Ideen ohne eine Erlaubnis des Ideengebers verbietet2. Wer die Idee zu einer Sendung hatte, kann sich das Recht an dieser Sendung schützen lassen. Wer einen interessanten Interviewpartner exklusiv für sich haben will, zahlt ihm ein Honorar dafür, dass er anderen Medien gegenüber schweigt und die Geschichte von der Landung mit dem Flugzeug auf dem Roten Platz in Moskau nur einer Zeitschrift exklusiv erzählt. Dadurch, dass Informationen leicht kopiert werden können, gibt es natürlich Schwierigkeiten bei der Bezahlung derjenigen, welche die Informationen erstellen, beschaffen und aufbereiten. Eine Lösungsmöglichkeit für diese Probleme lernen Sie in Box€1.2 kennen (eine ähnliche Einrichtung wie die VG Wort, die Gema, finden Sie in Box€3.15). Aber Halt, werden Sie nun sagen, man kann sich doch nicht jede Nachricht patentieren lassen. In der Tat, wie will man sich die Nachricht, dass der Finanzminister zurückgetreten ist, rechtlich schützen lassen? Hat man sie einmal in die Welt hinaus posaunt, so kann die ganze Konkurrenz diese aufnehmen, beim Ministerium nachfragen und eine eigene Geschichte daraus machen. Bestimmte Informationen lassen sich nicht schützen, entweder, weil es niemanden gibt, der ein Recht daran in Anspruch nehmen kann (wer hat denn das Recht an der Nachricht über ein Zugunglück oder eine Unwetterkatastrophe?), oder aber, weil sich ein solche Nachricht schlichtweg nicht exklusiv halten lässt (irgendwann merken die Journalisten, dass der Sessel des Finanzministers bei den Kabinettssitzungen leer bleibt) oder aber, weil es ein öffentliches Interesse an dieser Information gibt (ein Rücktritt kann eine wahlentscheidende Angelegenheit sein). 2╇ Ein einleuchtendes Beispiel für diesen Ideenschutz ist der Patentschutz, der es Erfindern ermöglicht, aus ihren Ideen auch Kapital zu schlagen. Wer weiß, ob ohne diesen Anreiz wirklich alle Erfindungen gemacht würden, wenn sich einer die ganze Mühe macht, ohne dafür angemessen belohnt zu werden?
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Damit sind wir bei einer weiteren Besonderheit von Informationen: Bestimmten Informationen wird zugebilligt, dass sie im Interesse der Öffentlichkeit stehen, und der Staat lässt deswegen keine Monopolisierung dieser Nachrichten zu – und manche Informationen lassen sich gar nicht monopolisieren (beispielsweise Naturkatastrophen). Da spielen auch wichtige politische Aspekte eine Rolle: Der Staat ist der Ansicht, dass Informationen eine wichtige Funktion für das Zusammenleben und das Funktionieren der Gesellschaft spielen. Aus diesem Grund, so das Argument, kann man die Medienordnung nicht dem freien Spiel der Marktkräfte überlassen. Wir werden uns später noch ausführlicher mit diesen Argumenten beschäftigen, so dass wir die Diskussion hier noch einmal zurückstellen wollen. Box 1.3: Öffentliche und meritorische Güter╇ Ein öffentliches Gut definieren Ökonomen durch zwei Tatbestände: Es muss zugleich Nicht-Rivalität im Konsum und Nicht-Ausschließbarkeit vom Konsum vorliegen, d.€h. es ist technisch unmöglich, Personen vom Konsum dieser Güter auszuschließen. Ein klassisches Beispiel für ein öffentliches Gut ist der Leuchtturm: Es spielt keine Rolle, wie viele Schiffe das Leuchtfeuer nutzen (Nicht-Rivalität im Konsum), und ein Schiff kann von der Nutzung des Leuchtfeuers nicht ausgeschlossen werden (Nicht-Ausschließbarkeit). Vor allem die fehlende Möglichkeit, Personen von der Nutzung des Gutes auszuschließen, macht ein öffentliches Angebot notwendig, da ein privates Angebot nicht zustande kommen würde. Warum soll der Kapitän des Schiffes für die Nutzung des Leuchtturms zahlen, wenn man ihn nicht davon ausschließen kann? Ein weiteres Beispiel für solche Trittbrettfahrereffekte ist die Landesverteidigung: Warum soll ich für die Landesverteidigung mitbezahlen? Wer das Land meines Nachbarn verteidigt, verteidigt auch meinen Grund und Boden. Etwas anderes ist das bei sogenannten meritorischen Gütern: Das sind Güter, bei denen es ein privates Angebot am Markt gibt, von denen der Staat meint, dass die Nachfrage nach ihnen zu gering ist, weil ihnen von den Bürgern nicht die Bedeutung zugesprochen wird, die sie für die Gesellschaft haben. Diese Güter sind also aus sich heraus „gut“, jedenfalls nach Meinung des Staates. Das klassische Beispiel: Kultur. Welche Kultur förderungswürdig ist, ist reine Ansichtssache – Mozart gilt als Kultur, Metallica eher nicht. Medienunternehmen wird eine meritorische Funktion zugebilligt, vor allem in Hinblick auf die politische Aufklärung und den Beitrag zur Allgemeinbildung, den sie leisten sollen. Ein wichtiges Missverständnis gilt es hier aus noch dem Weg zu räumen. Wenn über Medien geredet wird, so wird oft von öffentlichen Gütern gesprochen (bitte vergleichen Sie Box€1.3). Ein öffentliches Gut ist definiert durch Nicht-Rivalität im Konsum und die fehlende Möglichkeit, Konsumenten von der Nutzung dieses Gutes auszuschließen (↜Nichtausschlussprinzip). Klassische Beispiele sind die Landesverteidigung, Leuchttürme oder Deichanlagen. Nun gibt es aber Güter, bei denen Nicht-Rivalität im Konsum vorliegt, aber der Ausschluss vom Konsum möglich ist.
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1.2 Besonderheiten des Gutes Information Tab. 1.1↜渀 Arten von Gütern Ausschluss vom Konsum möglich Ausschluss vom Konsum nicht möglich
Rivalität im Konsum Private Güter: Hosen, Lebensmittel Umweltgüter: Luft, Wasser
Nicht-Rivalität im Konsum Straßen, Kabelfernsehen Öffentliche Güter: Verteidigung, Leuchtturm
Oder Güter, bei denen Rivalität im Konsum besteht, aber der Ausschluss vom Konsum nicht möglich ist. Bei genauerem Nachdenken stellt man fest, dass es insgesamt vier mögliche Kombinationen für Güter im Hinblick auf diese Eigenschaften gibt (Vergleichen Sie mit Tab.€1.1). Tabelle€1.1 systematisiert die Arten von Gütern in Hinblick auf ihre möglichen Eigenschaften. Der erste Fall ist klar: Im ersten Feld links oben sind „normale“ Güter, die nur jeweils eine Person konsumieren kann und bei denen der Ausschluss vom Konsum möglich ist. Hier finden wir die Hose oder das Brötchen. Im vierten Feld rechts unten stehen die öffentlichen Güter, der Leuchtturm oder die Landesverteidigung. Die anderen beiden Felder enthalten Mischfälle: Im Feld links unten finden Sie Güter, bei denen die fehlende Möglichkeit zum Ausschluss vom Konsum zu einer zu exzessiven Nutzung der Güter führt. Das Paradebeispiel für solche Güter sind Umweltgüter wie Luft oder Wasser: Es ist schwer, jemanden von der Nutzung der Luft abzuhalten (er kann beispielsweise ungehindert Giftstoffe emittieren), und das kann zur Folge haben, dass diese stark verschmutzt wird, wodurch auch andere Personen bei der Nutzung der Luft beeinträchtigt werden können – hier liegt also Rivalität im Konsum vor (das Wasser, das die Fabrik verschmutzt hat, kann ich nicht mehr trinken). Der für uns wichtige Fall sind die Güter, die wir im Feld rechts oben finden: Es herrscht Nicht-Rivalität im Konsum, und ein Ausschluss vom Konsum ist technisch möglich, aber aus wirtschaftlicher Perspektive nicht unbedingt wünschenswert, da zusätzliche Konsumenten keine zusätzlichen Kosten verursachen. Nehmen Sie als Beispiel das Kabelfernsehen: Ein Ausschluss von der Nutzung ist technisch ohne weiteres möglich, aber in Hinblick auf die Werbeeinnahmen eher kontraproduktiv, da zusätzliche Nutzer zusätzliche Werbeeinnahmen versprechen und – sind die Kabel erst einmal installiert – keine zusätzlichen Kosten verursachen. Solche Güter können unter Umständen zu wettbewerbspolitischen Problemen auf den betreffenden Märkten führen, über die wir später noch reden müssen. Für den Moment soll uns die Erkenntnis reichen, dass Medien keine öffentlichen Güter sind, da ein Ausschluss von der Nutzung bei vielen Medien in der Regel technisch machbar und möglich ist. Aber halt, warum werden Medien dann so oft als öffentliche Güter bezeichnet? Das hat wohl drei Gründe. Erstens haben wir gesehen, dass Informationen oftmals beide Eigenschaften öffentlicher Güter auf sich vereinen: Man kann Menschen (zumeist, aber nicht immer) nicht von ihnen ausschließen und es tritt keine Rivalität im Konsum auf. Das trifft aber nicht für die Dienstleistungen zu, welche Medienunternehmen anbieten: Bei der Selektion, der Aufbereitung und dem Vertrieb von Informationen – dies stellt ja die eigentliche Leistung der Unternehmen dar – ist der Aus-
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1 Ökonomische Konzepte
schluss von dieser Dienstleistung möglich. Hier liegt also offenbar eine Verwechslung vor: Trennen Sie zwischen dem Gut Information und den Dienstleistungen der Medienunternehmen, damit vermeiden Sie Missverständnisse. Bei den Dienstleistungen der Medienunternehmen ist ein Ausschluss vom Konsum zumeist möglich, und zumindest teilweise kann sogar Rivalität im Konsum vorliegen, wenn Sie beispielsweise an das morgendliche Gerangel um den Sportteil der Zeitung denken. Der zweite Grund dafür, dass Medien noch häufig als öffentliche Güter bezeichnet werden, hat historische Gründe: In den Kindertagen der Rundfunkmedien war der Ausschluss vom Konsum in der Tat nicht möglich, man sendete ein Programm in den Äther, das dort jedermann auffangen konnte, ohne dass man ihn daran hätte hindern können. Das führt dazu, dass niemand bereit sein dürfte, für etwas zu bezahlen, was er auch kostenlos bekommen kann, ohne dass man ihn daran hindern könnte. Moderne Techniken ermöglichen aber mittlerweile den Ausschluss von Trittbrettfahrern, die Programme schauen, ohne dafür zahlen zu wollen. Es kommt noch hinzu, dass mittlerweile aufgrund der gestiegenen Möglichkeiten, mehr Programme zu senden, auch kein Mangel an Rundfunkprogrammen mehr herrscht. Viele Rundfunkprogramme können nach wie vor von jedem empfangen werden, der das möchte, die Sender finanzieren sich über Werbung und ähnliches. Als der Rundfunk noch in den Kinderschuhen steckte und nur die Übertragung weniger Programme technisch möglich war, gab es Bedenken gegenüber dieser Form der Finanzierung und gegenüber privatem Rundfunk. Die enormen technischen Möglichkeiten, die mittlerweile eine Fülle von Programmen zulassen, machen es notwendig, dieses Argument zu hinterfragen. Wir werden uns damit später noch ausführlich beschäftigen. Ein weiterer Ursprung der Bezeichnung von Mediendienstleistungen als öffentliche Güter dürfte aus einer Begriffsverwirrung herrühren: Medien wird von der Politik und der herrschenden Meinung stets eine gewisse Sonderrolle eingeräumt: Sie sind nicht nur Vermittler von Informationen (von nützlichen, staatstragenden oder von unwichtigen, vielleicht sogar gesellschaftszersetzenden), sondern ihnen wird auch eine Rolle als Erziehungsinstitution zugebilligt, weswegen ihnen ein öffentlicher Auftrag zukomme. Über diese Rolle der Medien kann man und werden wir später etwas länger nachdenken, aber für den Moment genügt es festzuhalten, dass man in diesem Fall nicht öffentliche Güter meint, wenn man von Medien spricht, sondern deren öffentliche Funktion. Ökonomen sprechen in diesem Fall von meritorischen Gütern (vergleichen Sie bitte auch Box€1.3). Meritorische Güter sind Güter, bei denen der Staat davon ausgeht, dass im Falle einer privaten Bereitstellung durch den Markt diese Güter in zu geringem Umfang angeboten respektive nachgefragt würden – wobei sich das „in zu geringem Umfang“ auf die Meinung des Staates bezieht und nicht objektiv definiert werden kann. Eng im Zusammenhang mit der öffentlichen Aufgabe der Medien wird eine weitere Besonderheit der Medienbranche diskutiert. Hier geht es um die Schwierigkeit der Leser oder Zuschauer, die Qualität von Informationen ausreichend zu beurteilen und die Vermutung, dass die Kunden der Medienunternehmen nicht über ausreichende Kenntnisse verfügen, um „gute“ von „schlechten“ Informationen zu trennen. In der Tat ist es nicht immer gegeben, dass man als Leser einer Zeitung oder
1.2 Besonderheiten des Gutes Information
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als Fernseh-Zuschauer beurteilen kann, wie fachkundig oder meinungsgetrieben ein Beitrag ist. Dem gilt es aber einschränkend entgegenzuhalten, dass dies kein unbedingt medienspezifisches Problem ist, auch auf vielen anderen Märkten finden sich solche sogenannten Informationsasymmetrien zwischen Anbietern (hier: den Journalisten) und Nachfragern (den Lesern), denken Sie beispielsweise an den Gebrauchtwagenmarkt oder an Finanzprodukte. Erst in Verbindung mit der öffentlichen Funktion der Medien kann diese Unausgewogenheit im Informationsstand der Rezipienten zu einem Problem werden. Ein Mechanismus, wie man diesem möglichen Qualitätsproblem beikommen kann, besteht im Aufbau von Vertrauen und Reputation – damit werden wir uns später noch beschäftigen. Die Diskussion um die öffentlichen Aufgaben von Medienunternehmen sei einmal bis auf weiteres zurückgestellt; es gilt noch auf zwei weitere Besonderheiten des Gutes Information hinzuweisen. Zum einen haben viele Informationen nur eine begrenzte Haltbarkeitsdauer; das ergibt sich nicht nur aus der fehlenden Möglichkeit, Dritte von diesen Informationen auf Dauer auszuschließen, sondern auch aus dem Interesse der Konsumenten an aktuellen Informationen. Die Nachricht, dass Konrad Adenauer nicht mehr Kanzler ist, mag Sie vielleicht überraschen, wenn Sie die letzten Jahrzehnte in einem Kloster auf dem Himalaja verbracht haben, aber wie wichtig ist diese Nachricht für Sie angesichts der Tatsache, dass dies schon mehrere Jahrzehnte zurückliegt? Nachrichten erhalten ihren Wert durch zwei Dinge: Aktualität und Exklusivität. Wie wir gesehen haben, ist letzteres bei Informationen nicht immer möglich, aber öfter, als man vermutet. Aber auch bei Unterhaltungsformaten, wo der Ausschluss zumeist funktioniert, spielt Aktualität oft eine Rolle: Oftmals wollen Konsumenten einen neuen Film sehen, sobald er in die Kinos kommt, anstatt darauf zu warten, dass er im Fernsehen läuft. Auch mit diesem Phänomen werden wir uns beschäftigen. Informationen haben eine weitere Besonderheit: Konsumenten von Informationen wollen in der Regel nicht einzelne Informationen beziehen, sondern ein Bündel von Informationen. Niemand möchte sich die Informationen, die er wünscht, einzeln zusammen suchen. Erinnern wir uns: Eine wichtige Aufgabe der Medienunternehmen ist die Selektion von Informationen. Wären Sie bereit, für eine Zeitung, deren Inhalt sie sich selbst zusammenstellen müssen, das gleiche Geld zu bezahlen wie für eine fertige Zeitung? Der Vorteil einer selbst zusammengestellten Zeitung besteht darin, dass sie nur Dinge enthält, die Sie interessieren, d.€h. dass sie Informationen bündelt. Aber wie lange brauchen Sie, um diese Zeitung zusammenzustellen? Wäre da nicht ein fertiges Produkt vorteilhafter? Informationen können also nicht in beliebig kleinen Einheiten produziert und verkauft werden. Ein weiteres Argument spricht für diese Ansicht: Die Nachricht, dass ein Herr namens Gent den Mannesmann-Konzern übernehmen möchte, sagt vielleicht nicht jedem etwas. Erst weitere Informationen über Herrn Gent (er ist der Chef des britischen Telekommunikationsunternehmens Vodafone) und Mannesmann (ein nicht gerade unbedeutender deutscher Telekommunikationskonzern) helfen Ihnen, die Nachricht einzuordnen und ihre Bedeutung abzuschätzen. Und um sich eine vollständige Meinung bilden zu können, lesen Sie vielleicht noch die Kommentare, die Ihnen sagen, wie Ihre Zeitung dieses Ereignis bewertet. Mit anderen Worten: Der Wert
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von Informationen bestimmt sich durch ihren Umfang und durch ergänzende Informationen, und diese können nicht in beliebig kleinen Einheiten angeboten werden. Wir wollen dies einmal als die Notwendigkeit zu einer Mindestangebotsmenge bezeichnen. Diese Überlegungen werden uns jetzt auch weiterhelfen, die Nachfrage nach Informationen näher bestimmen (die hier geschilderten Argumente finden Sie noch einmal in der zusammenfassenden Tab.€1.4).
1.3â•… Die Nachfrage nach Informationen Jetzt wissen wir genug über die Besonderheiten des Gutes Information, um die Nachfrage nach Informationen präziser darstellen zu können. Ein Unternehmen, das etwas produzieren will, muss wissen, was es am Markt erfolgreich absetzen kann. Dazu muss es möglichst viel über die Wünsche der Konsumenten in Erfahrung bringen – diese bezeichnen Ökonomen als Nachfrage. Die Nachfrage nach einem Gut hängt in der Regel von dessen Preis ab: Je höher (geringer) der Preis eines Gutes ist, umso geringer (höher) wird die Nachfrage nach diesem Gut sein. Kostet Sie ein Eis 20€€, so werden Sie wohl auf den Genuss verzichten; bei einem Preis von 5€€ ringen Sie sich zu einem klein wenig Luxus durch, und bei einem Preis von 10€Cents essen Sie vielleicht Eis, bis der Notarzt kommt. Übertragen wir dieses Verhalten auf allen anderen Konsumenten von Eis und addieren die Nachfrage aller Konsumenten nach Eis bei verschiedenen Preisen, so können wir eine Nachfragefunktion konstruieren, indem wir in einem Schaubild auf der horizontalen Achse die nachgefragte Menge und auf der senkrechten Achse den Preis abtragen (bitte vergleichen Sie mit Abb.€1.2). Bitte lesen Sie die Grafik wie folgt: Bei einem Preis von 10€€ gehen Sie von der senkrechten Achse aus nach
Preis
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Abb. 1.2↜渀 Die Nachfragefunktion. Bei einem Preis von 10€€ fragt die Gesamtheit aller Konsumenten 3 Tüten Eis nach; bei einem Preis von 5€€ fragen sie 8 Eistüten nach
5
3
8 nachgefragte Menge
1.3 Die Nachfrage nach Informationen
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rechts, bis Sie die Kurve erreichen. Von dort aus gehen Sie senkrecht nach unten, und können auf der horizontalen Achse die zu dem jeweiligen Preis zugehörige nachgefragte Menge ablesen. Aber Vorsicht: Die Nachfrage nach Informationen kann diese Funktion nicht wiedergeben – hier schlägt die Nicht-Ausschließbarkeit im Konsum zu. Stellen Sie sich vor, das Medienunternehmen sitzt auf einer Exklusivinformation, die es für viel Geld verkaufen will. Wenn Sie als Konsument das wissen, müssen Sie nur warten, bis die Information einmal publiziert worden ist, nachdem jemand dafür bezahlt hat – dann erhalten Sie die Information umsonst. Aber diese Funktion gibt – zumindest idealtypisch – die Nachfrage beispielsweise nach Zeitungen, nach Videofilmen oder nach Büchern wieder, also nach den Produkten der Medienunternehmen, nach den Trägern der Informationen. Die Nachfrage bezieht sich also auf die Dienstleistungen der Medienunternehmen, das Selektieren, Bearbeiten, Bündeln und Vertreiben der Informationen. Allerdings gilt das natürlich nur mit vielen Einschränkungen: Die Nachfrage nach Medienprodukten (wie auch die Nachfrage nach anderen Gütern) ist von vielen weiteren Dingen abhängig, nicht nur vom Preis (lesen Sie dazu bitte Box€1.4). Die Dringlichkeit, mit der Konsumenten Informationen oder Angebote von Medien nachfragen, lässt sich mit Hilfe des Konzeptes der Nachfrageelastizität beschreiben. Je intensiver oder je dringlicher ein Konsument ein Gut – in unserem Fall Informationen – nachfragt, umso unelastischer ist seine Nachfrage, auch hohe Preise halten ihn dann nicht davon ab, dieses Gut nachzufragen. Je stärker die Nachfrage des Konsumenten mit steigenden Preisen zurückgeht, umso elastischer ist seine Nachfrage: Mit steigendem Preis sinkt die Nachfrage stärker als im Falle unelastischer Nachfrage. Wer es gerne mathematisch haben mag, lese Box€1.5. In Abb.€1.2 lässt sich die Nachfrageelastizität an der Steigung der Kurve ablesen: Je steiler die Kurve ist, umso unelastischer ist die Nachfrage. Das lässt sich einfach erklären: In der Nachfragefunktion in Abb.€1.2 muss der Preis von 10 auf 5 sinken, damit die Nachfrage von 3 auf 8 steigt. Im Falle der gestrichelten Nachfragekurve, die steiler ist, würde eine gleiche Preissenkung die Nachfrage nur ein wenig anheben – das ergibt sich, wenn man von der gestrichelten Nachfragekurve dort das Lot auf die horizontale Achse fällt, wo die Linie beim Preis von 3 diese Nachfragekurve schneidet. Diese Nachfragefunktion repräsentiert eine unelastischere Nachfrage, da Preissenkungen im Vergleich zu anderen Nachfragefunktion eine wesentlich geringere Steigerung der Nachfrage zur Folge hat. (Aber Vorsicht: Die Elastizität ist nicht gleich der Steigung der Kurve). Box 1.4: Nachfrage nach Informationen╇ Die Nachfrage nach Informationen hängt von vielen Details ab, die einen unterschiedlichen Einfluss auf die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten haben. Aktualität: Je aktueller eine Information ist, um so eher wird man bereit sein, dafür mehr zu bezahlen, denn zeitnahe Informationen bedeuten eventuell Gewinnmöglichkeiten; denken Sie nur einmal an Börsenkurse. Ähnliches gilt für die Exklusivität einer Information: Exklusivität signalisiert einen zeitweisen Informations-
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1 Ökonomische Konzepte
vorsprung, den man wirtschaftlich ausnutzen kann. Aber auch das Umfeld, in dem Informationen präsentiert werden, ist entscheidend: Je mehr Detailinformation und qualifizierte Kommentierung zu der Information zusätzlich bereitgestellt werden, umso wertvoller werden diese Informationen. Auch der Allgemeinheitsgrad der Information spielt eine Rolle für die Nachfrage: Je spezifischer und detaillierter eine Information ist, umso höher wird ihre Nützlichkeit für eine bestimmte Zielgruppe sein – und damit auch der Preis, den die betreffende Zielgruppe bereit ist, zu bezahlen. Eine weitere Rolle für den Preis spielen auch die Art der Übermittlung sowie die inhaltliche und optische Aufbereitung. Eine letzte Anmerkung zur Nachfrage nach Medien: Nicht immer bezahlen Konsumenten mit Geld, denn sonst würde es beispielsweise kein privates Fernsehen geben, das man ohne Gebühr empfangen kann. Viele Sender finanzieren sich über die Ausstrahlung von Werbung und nehmen von ihren Zuschauern oder Zuhörern kein Geld, und auch einige Printmedien erhält man kostenlos. „Kostenlos“ täuscht allerdings darüber hinweg, dass man doch etwas bezahlen muss. Im Falle werbefinanzierter Rundfunkstationen bezahlt man mit der Zeit, die man investieren muss, um nach dem Konsum der Werbung das Programm (weiter-) verfolgen zu können. Als Gegenleistung für den „kostenlosen“ Konsum des Programms bezahlt der Konsument also mit seiner Aufmerksamkeit für die Werbeeinblendungen. Bei den werbefinanzierten Zeitungen bezahlt man quasi mit der „Belästigung“ durch Werbung. Diesen Aspekt werden wir uns später noch einmal näher anschauen. Box 1.5: Die Nachfrageelastizität╇ Die Nachfrageelastizität gibt an, wie stark oder schwach die nachgefragte Menge auf Preisveränderungen dieses Gutes (Eigenpreiselastizität) oder eines anderen Gutes (Kreuzpreiselastizität) reagiert: η=
Mengenänderung in Prozent Preisänderung in Prozent
oder mathematisch ausgedrückt: η=
X1 −X2 X
P1 −P2 P
Man nimmt die Menge vor der Preisänderung, X1, zieht davon die nachgefragte Menge nach der Preisänderung (X2) ab (das ergibt dann die Veränderung der nachgefragten Menge) und dividiert das noch einmal durch die
1.4 Die Konsumentscheidung
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nachgefragte Menge3 – damit erhält man die prozentuale Veränderung der nachgefragten Menge. Das gleiche Spiel macht man noch einmal für den Preis und dividiert die beiden prozentualen Änderungen durcheinander – das ist die Preiselastizität der Nachfrage. Sie beschreibt, um wie viel Prozent die nachgefragte Menge sinkt (steigt), wenn der Preis um ein Prozent steigt (sinkt). Ein Beispiel: Steigt der Preis eines Gutes um ein Prozent und fällt die nachgefragte Menge daraufhin um 2€%, so beträgt die Nachfrageelastizität minus 2 (−2 geteilt durch 1). Die etwas umständliche mathematische Formulierung benutzt man deswegen, um die Nachfrageveränderung durch Prozentzahlen auszudrücken – absolute Zahlen sind weniger aussagekräftig. Nimmt man die prozentuale Änderung des Einkommens als Ursache einer Nachfrageänderung anstatt der Preisänderung, so erhält man die Einkommenselastizität der Nachfrage. Sie sagt, um wie viel Prozent sich die Nachfrage verändert, wenn sich das Einkommen um ein Prozent verändert. Ein Teil Ihres Medienkonsums im werbefinanzierten Fernsehen wird auch von Fremden finanziert: Da die Unternehmen, die Anzeigen oder Werbespots schalten, nichts zu verschenken haben, schlagen sie die Kosten für die Werbung natürlich auf den Produktpreis auf. Das hat zur Folge, dass alle Konsumenten eines Produktes auch den Konsum derjenigen Medien mitbezahlen, in denen das entsprechende Produkt beworben wird – ob sie das Medium konsumieren oder nicht. Da bestimmte Medien wie beispielsweise Zeitungen auch mischfinanziert werden, indem ein Teil über Preise, ein Teil über Werbung finanziert wird, ist diese Form der Querfinanzierung nicht nur auf diejenigen Medien beschränkt, die sich kostenlos konsumieren lassen. Nun mag man beklagen, dass man den Fernsehkonsum anderer Leute mitbezahlen muss, wenn man ein Stück Butter erwirbt, aber das muss nicht unbedingt ausschließlich nachteilig sein: Wenn es dem Produzenten gelingt, aufgrund seiner Werbung mehr von seinen Produkten zu verkaufen und dadurch zu günstigeren Kosten zu produzieren, die er auch an seine Kunden weitergibt, dann profitieren auch diejenigen von der Werbung, welche keine Medien konsumieren, in denen das Produkt beworben wird.
1.4â•… Die Konsumentscheidung Lassen Sie uns nun kurz auf eine Frage eingehen, die sich bei einer ökonomischen Betrachtung von Konsumentscheidungen grundsätzlich stellt: Wie trifft ein Konsument seine Konsumentscheidungen? Wie trifft er die Entscheidung, was er an Zei3╇ Korrekterweise müsste man eigentlich durch den Durchschnitt der vorher und nachher nachgefragten Menge teilen (also (X1â•›+â•›X2)/2); das ist die so genannte Bogenelastizität. Die Formel zur Punktelastizität, die exakter ist als die Bogenelastizität, finden Sie in jedem mikroökonomischen Lehrbuch.
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tungen oder Zeitschriften oder Rundfunk will? Auf diese Frage gibt die sogenannte Haushaltstheorie eine Antwort. Betrachten Sie das folgende Beispiel in Ruhe, man kann das dort verwendete Instrumentarium grundsätzlich für alle Konsumentscheidungen einsetzen – man muss nur die Bezeichnungen an den Achsen entsprechend verändern. Wir werden in den späteren Kapiteln noch einmal vor allem auf die Indifferenzkurven zurückkommen. Betrachten sie zuerst die gebogene Linie in Abb.€ 1.3, das ist eine sogenannte Indifferenzkurve. Die Grundüberlegung dieser Kurve besteht darin, dass man – vereinfacht angenommen – die Wahl zwischen zwei Gütergruppen hat, in diesem Beispiel Medien (Print oder Rundfunk) und sonstige Güter. Der Konsum eines jeden Gutes stiftet dem Konsumenten einen bestimmten Nutzen. Nun lassen sich die beiden Konsumgüter zumindest in Grenzen so gegeneinander austauschen – substituieren – dass man mit unterschiedlichen Konsumkombinationen beider Güter den gleichen Nutzen (sagen wir einmal das gleiche Niveau an Zufriedenheit) erreichen kann (Ein Beispiel: Sie tauschen 2€Stunden Zeitung lesen gegen eine Stunde Skateboardfahren und haben danach das gleiche Zufriedenheitsniveau – also ist Ihnen eine Stunde Skateboardfahren zwei Stunden Zeitungslesen wert). Eine Bewegung auf der Kurve in Abb.€1.3 von links oben nach rechts unten bedeutet also, dass man den Konsum der sonstigen Güter reduziert (den Konsum dieser Güter kann man auf der vertikalen Achse ablesen) und statt dessen mehr Medien Sonstige Konsumgüter
Punkt A: 100 Euro nur für sonstigen Konsum ausgegeben Indifferenzkurve 2, Nutzen = 75
C 80
D
50
Indifferenzkurve 1 Nutzen = 50
Punkt B: 100 Euro nur für Medien ausgegeben
2
5
Medien
Abb. 1.3↜渀 Die optimale Konsumentscheidung. In Punkt C kauft der Konsument 80 Einheiten sonstiger Güter und zwei Einheiten Medien. Den Gesamtnutzen gibt die Indifferenzkurve 1 an: 50 Einheiten. Verändert der Konsument seinen Einkaufszettel derart, dass er statt 80 nur 50 Einheiten sonstiger Güter und statt zwei nun 5 Medieneinheiten kauft, so konsumiert er in Punkt D. Die Indifferenzkurve 2 gibt den Gesamtnutzen an: 75. Nur durch eine Veränderung des Konsumplans ist der Konsument von C nach D gewandert und hat den Nutzen verdoppelt – bei nach wie vor gleichen Ausgaben für den gesamten Konsum. Die Mittel, die der Konsument für die 30 Einheiten sonstiger Konsumgüter gespart hat, die er nicht mehr braucht, reichen exakt aus, um die zusätzlichen 3 Einheiten Medien zu bezahlen
1.4 Die Konsumentscheidung
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(abzulesen auf der horizontalen Achse) konsumiert – bei weniger Sport und dafür im Gegensatz mehr Zeitschriften bleibt insgesamt das Nutzenniveau respektive der Zufriedenheitsgrad des Konsumenten konstant. Auf einer Indifferenzkurve liegen alle möglichen Konsumkombinationen von zwei Gütern (in unserem Fall Medien und sonstige Güter), die für den gleichen Nutzen sorgen. Die Höhe dieses Nutzens geben wir in Form von Zahlen an, wobei diese wobei diese nicht unbedingt Geldbeträgen entsprechen müssen. Wie hoch dieses Nutzenniveau einer Indifferenzkurve ist, hängt von den persönlichen Vorlieben des Menschen ab, dessen Nutzen diese Kurven repräsentieren. Und je nachdem, in welchem Verhältnis dieser Mensch die sonstigen Güter und der Medienkonsum gegeneinander austauschen mag, ohne dass sich sein Gesamtnutzen verändert, hat die Indifferenzkurve eine andere Form. Jetzt brauchen wir noch ein zweites Konzept, nämlich die Budgetgerade. Wir verteilen also ein gegebenes Budget (sagen wir unser Einkommen) von beispielsweise 100€€ auf die beiden Konsumgüter. Kauft man nur sonstige Konsumgüter, so erhält man im Schaubild den Punkt A – alles Geld wird für Konsumgüter ausgegeben, Punkt A gibt die Menge dieser Güter an, die ich für mein gesamtes Budget bekomme. Kauft man nur Mediendienstleistungen, so erhält man im Schaubild den Punkt B. Zwischen diesen beiden Punkten kann man nun eine Verbindungslinie ziehen, das ist die Budgetgerade. Sie repräsentiert alle möglichen Kombinationen von sonstigen Gütern und Medien, die man mit dem gegebenen Budget kaufen kann. Eine Bewegung von Punkt A in Richtung B bedeutet, dass man weniger sonstige Güter kauft und mit den dadurch frei werdenden Mitteln Medien kauft. Dabei kombiniert man diese Veränderungen so, dass immer das gesamte Budget ausgegeben wird. Ein Beispiel: In Punkt A geben Sie 100€€ für sonstige Güter aus (und nichts für Medien). Jetzt nehmen Sie 20€€ und geben diese für zwei Einheiten Medien aus; diese 20€€ haben Sie vom Konsum der sonstigen Güter abgezwackt, davon konsumieren Sie jetzt nur Güter im Wert von 80€€. Damit sind Sie auf der Budgetgerade von Punkt A nach rechts unten auch Punkt C gewandert, bleiben aber auf der Budgetgerade (Sie geben immer noch insgesamt 100€€ aus). Die konsumierten Mengen lesen Sie ab, indem Sie von der Budgetgerade ein Lot auf die jeweilige Achse fällen. Weiter gilt: Je höher mein Budget ist, um so mehr kann ich einkaufen. Je weiter die Budgetgerade also rechts vom Ursprung liegt, um so mehr kann ich einkaufen. Erhöht sich Ihr Budget auf 200€€, so können Sie entweder für 200€€ sonstige Konsumgüter kaufen – der Startpunkt der Budgetgerade liegt dann oberhalb des Punktes A – oder aber Sie können für 200€€ mehr Medien kaufen, dann liegt der Startpunkt der Budgetgerade rechts von Punkt B. Verbindet man die beiden neuen Punkte miteinander, erhält man eine neue Budgetgerade, die rechts oberhalb der alten Gerade liegt – und das bei einem höherem Budget, also auch bei einem höheren Nutzen, schließlich kann man jetzt mehr Geld ausgeben. Weiter gilt: Je mehr Güter ich kaufen kann, umso höher ist mein Nutzen. Das bedeutet, dass jeder Punkt, der sich im Diagramm rechts vom Ursprung befindet, zugleich auch einen Punkt repräsentiert, in welchem dem Konsumenten ein höherer Nutzen gestiftet wird, weil er mehr Güter konsumiert (genau diesen Konsum kann man ja an den Achsen ablesen). Das bedeutet auch, dass jede Indifferenzkurve ein umso höheres Nutzenniveau darstellt, je weiter sie vom Ursprung entfernt liegt.
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1 Ökonomische Konzepte
Das ist das Ziel des Konsumenten: Mit allen Mitteln des gesamten Budgets so zu konsumieren, dass sein Nutzen maximal ausfällt. Das impliziert zunächst, dass er auf einem Punkt konsumiert, der auf der Budgetgerade liegt, denn nur hier werden alle Mittel ausgegeben (rechts von der Budgetgerade kann er nicht konsumieren, da er dafür nicht genügend Geld hat; links von der Budgetgerade würde er nicht alle Mittel ausgeben). Doch welchen Punkt auf der Budgetgerade, der ihm sagt, wie viele sonstige Güter und wie viele Printmedien er kaufen soll, soll er nehmen? Um das zu entscheiden, braucht er die Indifferenzkurven. Sie geben ja alle möglichen Güterkombinationen an, mit denen er das gleiche Nutzenniveau erreichen kann. Da ein Punkt einen umso höheren Nutzen repräsentiert, je weiter er vom Ursprung weg liegt, wird der Konsument diejenige Indifferenzkurve wählen, die am weitesten rechts vom Ursprung liegt. Dabei muss er allerdings die Finanzierungsrestriktion beachten: Er kann nicht mehr ausgeben, als er hat, also nicht rechts von der Budgetgerade konsumieren. Also wählt der Konsument die Indifferenzkurve, die gerade noch die Budgetgerade berührt – Indifferenzkurve 2 in Punkt D. Hier erreicht der Konsument bei gegebenem Budget den höchsten Nutzen – einen höheren, als wenn er nur Skateboards oder nur Medien konsumiert hätte. Nur dadurch, dass er seine Ausgabenstruktur verändert hat (aber immer noch den gleichen Geldbetrag ausgibt), erhält er einen höheren Nutzen. Das klingt auch logisch: Nur Sport macht müde, da macht es Sinn, ein wenig Geld vom Gesamtbudget abzuzwacken und anstatt für Skateboards für Medien auszugeben. Das war harter Stoff, können wir da noch etwas zulegen? Versuchen wir es einmal. Wir machen jetzt ein kleines Gedankenexperiment, und dazu brauchen wir Abb.€1.4. Was passiert, wenn der Preis für Medien sinkt? Ganz einfach: Zunächst hat man immer noch 100€ €. Auf der vertikalen Achse passiert nichts: Wenn ich meine 100€€ komplett für andere Konsumgüter ausgebe, bekomme ich immer noch die gleiche Menge an Konsumgütern – deren Preis hat sich ja schließlich nicht geändert. Doch wenn ich die 100€€ komplett für Medien ausgebe, bekomme ich jetzt mehr Medien als vorher, da deren Preis gesunken ist – der Achsenabschnitt auf der Sonstiger Konsum A: 100 Euro nur für sonstigen Konsum Neue Indifferenzkurve bringt höheren Nutzen D G
Abb. 1.4↜渀 Preissenkung für Medien und Konsumentscheidung
E
B: für 100 Euro bekommt man jetzt mehr Medien als vor der Preissenkung
Medien F
sonstiger Konsum
1.5 Die Theorie der natürlichen Monopole
21
neues Konsumoptimum
altes Konsumoptimum
Medien
Abb. 1.5↜渀 Preissenkung und alternative Lage der Indifferenzkurven. Mit dieser Lage der Indifferenzkurven folgt aus einer Preissenkung für Medien (Drehung der Budgetgerade nach außen) eine Erhöhung des Konsums sowohl der Medien als auch der übrigen Konsumgüter. Der Grund dafür ist einfach: Da Medien nun billiger geworden sind, kann der Konsument nun mit dem gleichen Geldbetrag mehr an Medien konsumieren, oder aber den gleichen Medienkonsum mit weniger Geld genießen. Das bedeutet, dass nun mehr Mittel für den Konsum der anderen Güter frei werden
horizontalen Achse verschiebt sich also weiter nach rechts. Wie Sie in Abb.€1.4 sehen, dreht sich die Budgetgerade um den Punkt A und wandert auf der horizontalen Achse nach außen. Auf diesem Weg kann der Konsument jetzt mit dem gleichen Budget eine höhere Indifferenzkurve erreichen, also ein höheres Nutzenniveau. Das leuchtet auch ein: Bei gleichem Budget und sinkenden Preisen von Medien kann ich mehr Medien kaufen, das steigert meinen Nutzen. Aus dem neuen Punkt E, in dem die neue Budgetgerade eine höhere Indifferenzkurve berührt – das ist das neue Konsumoptimum – kann man nun auch die neuen Mengen an Konsum ablesen, indem man das Lot auf die Achsen fällt: Jetzt wird F an Medien und G an sonstigen Gütern konsumiert. Mit anderen Worten: Man konsumiert jetzt mehr an Medien und weniger an sonstigen Gütern. Das muss aber nicht so sein: Je nach Lage der Indifferenzkurve sind auch andere Ergebnisse möglich – das zeigt das Beispiel in Abb.€1.5. Wenn Ihnen das zu viel Theorie war, dann ist das nicht weiter schlimm – der Rest des Buches ist auch ohne dieses Konzept zu verstehen. Allerdings werden wir auf die Indifferenzkurven noch einmal zurückgreifen müssen, wenn wir in den späteren Kapiteln über die Konkurrenz der Medien untereinander sprechen. Jetzt reden wir erst einmal über das Angebot an Medien.
1.5â•… Die Theorie der natürlichen Monopole Bevor wir über das Angebot an Informationen sprechen, benötigen wir noch eine Klarstellung. Sicher haben Sie sich gefragt, wie es überhaupt sein kann, dass Informationen gewerblich angeboten werden und auch von den Kunden bezahlt werden,
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wenn man diese auch kostenlos erhalten kann. Warum sollten Kunden also für eine Zeitung oder für einen Rundfunksender zahlen, wenn sie die Information über den Rücktritt des Finanzministers auch kostenlos vom Nachbarn erhalten können, der die Zeitung gekauft hat – oder von der beglückten Opposition? Die Lösung des Rätsels: Medienunternehmen verkaufen im Grunde genommen nicht Informationen, sondern Dienstleistungen: Sie sammeln, selektieren, bündeln und vertreiben Informationen, und die Konsumenten bezahlen für diese Dienstleistungen. Die Informationen sind sozusagen nur der Rohstoff, den die Unternehmen brauchen, um ihr Geschäft zu betreiben (Ökonomen sprechen vom Input). Das bedeutet allerdings nicht, dass die Unternehmen nicht Rücksicht nehmen müssen auf die verschiedenen Besonderheiten der Ware Information, die sie vertreiben. Aber zunächst einmal zur Produktion der Dienstleistungen, welche Medienunternehmen anbieten: Um Informationen zu sammeln, zu selektieren und zu vertreiben, ist eine bestimmte Infrastruktur notwendig, die zu Problemen beim Angebot führen kann. Um Informationen einzusammeln, benötigt man ein großes Netz von Korrespondenten, die über die ganze Welt verstreut sind, um Neuigkeiten nachzujagen. Diese Informationen müssen dann in einer Zentralredaktion ausgewertet und aufbereitet werden. Doch das eigentlich Aufwendige bei Medienunternehmen ist die Verbreitung der Informationen, wie ein Blick auf die verschiedenen Übertragungstechniken zeigt (vergleichen Sie bitte Box€1.6). Das Problem bei der Verbreitung von Informationen liegt in den mit der Verbreitung verbundenen Kosten: Einen Satelliten ins All zu schießen, viele Sendestationen zu bauen oder ein Kabelnetz unter der Erde zu verlegen, kostet gewaltige Summen. Doch nicht nur das: Aus ökonomischer Perspektive ist es wenig sinnvoll, für jeden Sender ein eigenes Kabelnetz zu verlegen oder einen eigenen Satelliten ins All zu schießen, zumal über das Netz oder den Satelliten viele Programme gleichzeitig übertragen werden können. Die Vorstellung, dass jeder Sender eigene Satelliten ins All schießt oder aber fünf oder zehn Kabelnetze im gesamten Land verlegt werden, ist unsinnig. Diese Argumente gelten nur eingeschränkt für die Verbreitung von Printmedien: Ein Vertriebsapparat, der bei Bedarf sämtliche Bürger erreicht, erfordert einen geringeren Mittelaufwand als ein Kabelnetz. Dennoch stellt der Vertrieb für Zeitungen ein ernsthaftes Problem dar, zumal unter dem Aspekt der Notwendigkeit, Zeitungen pünktlich zu vertreiben. Bequemer haben es da die Publikumszeitschriften, da sie auf ein etabliertes und bewährtes Vertriebssystem zurückgreifen können – nämlich die Post. Doch auch diese Zeitschriften müssen noch andere Vertriebskanäle nutzen, um eine ausreichende Verbreitung in der Fläche zu erzielen. Box 1.6: Übertragungstechniken bei Rundfunkmedien╇ Die Übertragung von Rundfunk ist recht aufwendig und erfolgt in der Regel über elektromagnetische Wellen. Ein Sender erzeugt hochfrequente Schwingungen, die sich in Form elektromagnetischer Wellen gleichmäßig auf ein größeres Sendegebiet ausbreiten. Zur Ausstrahlung von Rundfunkwellen benötigt man – je nach
1.5 Die Theorie der natürlichen Monopole
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Frequenz und Leistungsfähigkeit der Sender – mehrere Sendeanlagen. Für die Versorgung der Bundesrepublik mit drei Fernsehprogrammen sind etwa 300 Grundnetzsender und zusätzlich rund 10.000 Füllsender, die Versorgungslücken vermeiden sollen, erforderlich. Alternativ dazu gibt es die Möglichkeit, Rundfunkprogramme über sogenannte geostationäre Satelliten auszustrahlen oder aber über Kabel zu versenden. Deutschsprachige Programme werden heute im Wesentlichen über die Satellitensysteme Astra und Eutelsat verbreitet. Seit Ende der siebziger Jahre erfolgt die Verbreitung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen auch über das Kabelnetz, das ehemals der Deutschen Telekom gehörte. Mit der Entwicklung des Internet und zunehmender Leistungsfähigkeit von Datenreduktionsprogrammen, welche die bei der Übertragung anfallenden Datenmengen reduzieren, wird Rundfunk verstärkt über das Internet ausgestrahlt. Die Übertragung der Daten erfolgt zunehmendem auch über Glasfaserkabel. Mittlerweile sind Kabel und Satellit die führenden Übertragungswege. Die folgenden Argumente beziehen sich also vor allem auf Rundfunkmedien und haben – wie wir noch sehen werden – bei der Etablierung der geltenden Rundfunkordnung eine wichtige Rolle gespielt. In der Sprache der Ökonomen entstehen beim Aufbau eines Kabelnetzes, eines Sendernetzes oder eines Vertriebsapparates für Zeitungen hohe Fixkosten. Das bedeutet, dass bereits sehr hohe Kosten entstehen, bevor die erste Sendung oder die erste Zeitung ihren Weg zu den Zuhörern oder Lesern findet. Neben den Fixkosten, also denjenigen Kosten, die unabhängig davon entstehen, wie viele Sendeminuten oder Zeitungen produziert werden, gibt es variable Kosten, deren Höhe von der Anzahl der Sendeminuten oder der gedruckten Exemplare abhängt. Bei einem Fernsehsender steigen die variablen Kosten beispielsweise an, wenn mehr Moderatoren beschäftigt werden, um mehr Talkshows zu senden; bei einer Zeitung steigen die Kosten für die Druckerschwärze und das Papier, wenn mehr Exemplare gedruckt werden. Die hohen Fixkosten von Rundfunksendern führen zu einem Phänomen, das Ökonomen als „Fixkostendegression“ bezeichnen. Fixkostendegression bedeutet, dass die fixen Kosten pro Stück bei steigender Ausbringungsmenge sinken. Wie muss man sich das vorstellen? Das Konzept der Grenzkosten haben wir bereits im vorherigen Abschnitt erklärt: Die Grenzkosten eines Unternehmens sind die Kosten einer zusätzlich produzierten Einheit (Sie können das noch einmal in Box€1.1 nachlesen). Jetzt müssen wir noch einen weiteren Produktionsbegriff einführen, nämlich den der Durchschnittskosten. Die Durchschnittskosten sind recht einfach zu erklären: Das sind die Kosten je produzierter Einheit. Wenn die Gesamtkosten der Produktion 100€€ betragen und insgesamt 50 Stück produziert wurden, so betragen die Durchschnittskosten Dâ•›=â•›100€€/50 Stück, also 2€€ pro Stück. Dass Durchschnittskosten und Grenzkosten sehr unterschiedlich sein können, zeigt Ihnen das Beispiel in Box€1.7. Fixkosten sind Kosten, die auch entstehen, wenn man nichts produziert. Ein Sender muss beispielsweise ein Kabelnetz und Studios unterhalten, die er be-
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zahlen muss, auch wenn noch keine Minute gesendet ist. Wenn ein Sender jetzt den Preis einer Sendung kalkuliert, so wird er die Gesamtkosten – also die Fixkosten plus die variablen Kosten für den laufenden Sendebetrieb wie beispielsweise Moderatorengehälter – durch die Anzahl der Sendeminuten teilen. Hat er Gesamtkosten von beispielsweise 1.110€€ (1.000€€ fix und 110€ € variabel), so kosten ihn 10 Sendeminuten 110€€. Je mehr Minuten er sendet, um so höher werden die variablen Kosten (beispielsweise Überstundenzuschläge für die Moderatoren oder neue Moderatoren), aber die Kosten für den Betrieb des Sendenetzes bleiben unverändert und werden nun auf eine höhere Anzahl von Sendeminuten verteilt. Mit anderen Worten: 100 Sendeminuten tragen die Last eines Sendernetzes in Höhe von 1.000€ € wesentlich leichter als 10€ Minuten. Bei einer Sendezeit von 10€Minuten kostet jede Minute 100€€ an Fixkosten, während bei einer Sendezeit von 100€Minuten jede Minute nur noch 10€€ an Fixkosten zu tragen hat (noch günstiger wird es, wenn man 2.000€ Minuten sendet). Das ist eigentlich gesunder Menschenverstand: Wenn man schon ein komplettes Sendezentrum nebst Kabelnetz aufbaut, dann macht es wenig Sinn, es nur 10€Minuten am Tag zu benutzen. Box 1.7: Durchschnittskosten und Grenzkosten╇ Die Produktionsstruktur eines Unternehmens habe folgendes Aussehen: Stückzahl 10 20 30
Variable Kosten 100 210 330
Stückzahl 50 100
Variable Kosten 450 700
(Die variablen Kosten seien beispielsweise die Löhne) Zusätzlich existieren fixe Kosten (beispielsweise in Form des Sendernetzes) in Höhe von 1.000€€. Insgesamt ergeben sich folgende Kosten: Stückzahl 10 20 30 50 100
Gesamtkosten 1.100 1.210 1.330 1.450 1.700
Grenzkosten 100 110 120 120 250
Durchschnittskosten 110 60,5 44,3 29 17
Wie man sieht, steigen mit zunehmender Stückzahl sowohl die variablen Kosten als auch die Grenzkosten (die sich errechnen, indem man von den Gesamtkosten einer Produktionsstufe die Gesamtkosten der vorherigen Produktionsstufe abzieht, also beispielsweise bei 20 produzierten Einheiten 1.210╛╛−â•›1.100â•›=â•›110). Aufgrund der Fixkosten kommt es aber zu sinkenden Durchschnittskosten (z.€B. 1.210€€/20 Stückâ•›=â•›60,5€€ pro Stück). Die Kosten pro Stück sinken also
1.5 Die Theorie der natürlichen Monopole
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mit steigender Ausbringungsmenge. Der Grund dafür liegt darin, dass bei steigender Produktion die Fixkosten auf immer mehr produzierte Einheiten verteilt werden. Die Grenzkosten steigen aber, d.€h. jede weitere produzierte Einheit kostet für sich alleine betrachtet mehr als die vorhergehende. Das Phänomen der Fixkostendegression gibt es streng genommen in jeder Branche, da (fast) jedes Unternehmen zuerst einen größeren Produktionsapparat aufbauen muss, bevor es mit der Produktion beginnt. Im Grunde genommen ist das also nichts Besonderes, also wozu die ganze Aufregung? Diese Aufregung ist nur angebracht bei solchen Unternehmen, deren Fixkosten extrem hoch sind – wie zum Beispiel bei Rundfunkunternehmen. Bei Unternehmen mit einem geringeren Fixkostenanteil wird dieser Effekt recht schnell von den steigenden variablen Kosten und den zumeist steigenden Grenzkosten überkompensiert und fällt bei der Kalkulation nicht mehr ins Gewicht. Genauer erläutert ist dies noch einmal in Box€1.8. Bei Unternehmen mit geringen Fixkosten wird es sich also in der Regel so verhalten, dass mit steigender Produktion auch die Durchschnittskosten und damit der Preis der hergestellten Güter steigen werden. Je mehr ein Unternehmen herstellt, desto höher werden die Kosten sein, die das Unternehmen tragen muss, und damit wird auch der Preis steigen, den das Unternehmen für seine Güter verlangt. Dies führt dazu, dass ein Unternehmen eine bestimmte optimale Größe hat, bei deren Überschreitung die Produktion ineffizient und zu teuer wird. Das schafft Raum für zusätzliche Produzenten und garantiert damit die Existenz mehrerer Unternehmen, also Wettbewerb. Anders verhält sich das jedoch mit Unternehmen, die über einen riesigen Fixkostenblock verfügen: Da der Effekt der Fixkostendegression derart hoch ist, dass er auch bei extrem hohen Produktionsmengen nicht von der Zunahme der sonstigen Kosten überkompensiert wird, bedeutet das, dass ein Unternehmen umso billiger anbieten kann, je mehr es herstellt. Das bedeutet im Extremfall, dass für andere Anbieter eigentlich kein Platz mehr im Markt ist. Auch das entspricht der Intuition: Je höher die Fixkosten (beispielsweise beim Aufbau des Sendernetzes) sind, um so eher kommt man zu dem Ergebnis, dass es aus ökonomischer Perspektive richtig ist, nur einen einzigen Anbieter am Markt zu haben, der dann mit den geringsten möglichen Kosten produzieren kann. Aber schlimmer noch: Die sinkenden Durchschnittskosten führen sogar automatisch dazu, dass nur ein Anbieter am Markt verbleibt. Der Grund ist folgender: Wenn ein Unternehmen umso billiger anbieten kann, je mehr es produzieren kann, hat es Anreize, die Produktion so weit auszudehnen, bis die gesamte Nachfrage von ihm befriedigt werden kann. Mit anderen Worten: Mehrere Anbieter können gar nicht zusammen am Markt existieren, da aufgrund der sinkenden Durchschnittskosten nur Platz für einen Anbieter am Markt ist, der mit jeder Produktionsausweitung so lange seine Preise senken und damit die Konkurrenz aus dem Markt drängen kann, bis er den gesamten Bedarf alleine deckt.
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1 Ökonomische Konzepte
Box 1.8: Sinkende Grenzerträge, steigende Grenzkosten╇ Der Effekt der Fixkostendegression wird bei einem geringen Fixkostenanteil von dem Anstieg der variablen Kosten überlagert, da die Grenzkosten in der Regel mit zunehmender Produktionsmenge steigen. So wird oft angenommen, dass die Grenzkosten in einem Betrieb mit der Aufnahme der Produktion zunächst sinken und erst ab einer gewissen Ausbringungsmenge wieder zunehmen. Das lässt sich durch das sogenannte Ertragsgesetz erklären, das für die Mehrheit aller Produktionsprozesse gilt. Das Ertragsgesetz geht davon aus, dass der Ertrag eines Produktionsfaktors je nach dessen Einsatzmenge recht unterschiedlich ausfallen kann. Entwickelt wurde das Ertragsgesetz in der Landwirtschaft: Ein Sack Dünger, auf einem Feld ausgebracht, wird die Produktion deutlich steigern. Ein zweiter Sack mag die Produktion sogar um mehr als das doppelte steigern, ein dritter Sack bringt vielleicht sogar mehr als das dreifache an Ernteerträgen. Beim vierten und fünften Sack nehmen die Erträge zwar noch zu, aber mit abnehmenden Steigerungsraten (die Ernte steigt nur noch um einen halben Sack). Ein sechster Sack kann sogar dann dazu führen, dass ein Feld überdüngt wird – der Ertrag steigt nicht, sondern geht sogar zurück. Ähnlich mag es sich mit den Erntearbeitern verhalten: Ein Arbeiter erwirtschaftet einen Zentner Getreide, zwei Arbeiter 2,5 Zentner, drei Arbeiter sogar sechs Zentner, aber 20 Arbeiter zertrampeln die Ernte, was dazu führt, dass der Grenzertrag ab einer bestimmten Zahl von Arbeitern nicht mehr zunimmt, sondern möglicherweise sogar zurückgeht – der Grenzertrag wird negativ. Mit anderen Worten: Die Grenzerträge eines Produktionsfaktors (also der zusätzliche Ertrag eines zusätzlich eingesetzten Produktionsfaktors) steigen mit zunehmender Einsatzmenge zuerst überproportional, sinken aber mit weiter steigenden Einsatzmengen und werden eventuell sogar negativ. Etwas unakademischer könnte man formulieren: Mit steigendem Einsatz eines Produktionsfaktors steigen die Erträge zunächst, aber ab einer bestimmten Einsatzmenge wird es zu viel des Guten. Wenn aber die zusätzlichen Erträge mit steigendem Produktionsfaktoreinsatz abnehmen, die Kosten der Produktionsfaktoren aber konstant sind, kommt es insgesamt automatisch zu einem Anstieg der Grenzkosten. Was jetzt hier mit viel Aufwand beschrieben wurde, wird in der Ökonomie als Theorie der natürlichen Monopole bezeichnet. In dürre Worte gekleidet besagt sie, dass Besonderheiten bei der Produktion eines Gutes oder auf den entsprechenden Märkten dazu führen können, dass auf lange Sicht nur ein Anbieter – der Monopolist – auf dem Markt übrig bleibt. Auch ohne Ökonomiestudium ist einsichtig, dass die Existenz nur eines Anbieters auf einem Markt problematisch sein kann: Ausbeutung der Kunden, Machtmissbrauch, Ineffizienzen und zu hohe Preise sind die Folge von Monopolen. Noch problematischer wird es, wenn die Kosten des Marktaustrittes für den betreffenden Monopolisten besonders hoch sind wie beispielsweise bei der Eisenbahn (das Schienennetz können Sie nicht mal eben auf dem Wochenmarkt verkaufen, im Gegenteil, sie müssen
1.6 Wie bezahlt man für Mediendienstleistungen?
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damit rechnen, noch die Kosten der Verschrottung zu tragen). In diesem Fall hat der Monopolist keine Anreize, beim Auftreten von Konkurrenz aus dem Markt auszusteigen, da die Fixkosten auch durch ein Ausscheiden aus dem Markt nicht abgebaut werden können. Stattdessen wird er verbissen um seinen Markt kämpfen und potentielle Konkurrenten vom Markt verdrängen. Diese Monopole sind recht heimtückisch, da jegliche Versuche von Konkurrenten, den Markt zu stürmen, aufgrund dieser Besonderheiten zum Scheitern verurteilt sind. Dass dies alles keine graue Theorie, sondern ein wichtiges Problem der Wettbewerbspolitik ist, zeigt Box€1.9. Box 1.9: Natürliche Monopole╇ Das Problem natürlicher Monopole wird als Rechtfertigung für eine ganze Reihe staatlicher Eingriffe angeführt. Vor allem handelt es sich dabei um leitungsgebundene Versorgungsnetze wie Strom, Gas, Fernwärme, Wasser, Öl und den Rundfunk. Aber auch Telekommunikationsdienste unterlagen in der Vergangenheit einer staatlichen Regulierung, die erst in jüngster Zeit gelockert wurde; und auch die Post unterliegt noch teilweise der Kuratel des Staates. Doch die Liberalisierungen in einigen dieser Märkte zeigen, dass das Argument des natürlichen Monopols nicht für alle diese Bereiche gilt oder es zumindest Wege gibt, trotz Besonderheiten in der Produktion die staatliche Regulierung auf ein Minimum zu beschränken.
1.6â•… Wie bezahlt man für Mediendienstleistungen? Jetzt haben wir alles beisammen, um das Geschehen auf dem Markt für Medienleistungen zusammenfassend zu analysieren: Wir haben die Nachfrage untersucht, und wir wissen um die Besonderheiten des Angebotes. Nun erhebt sich die Frage, wie Angebot und Nachfrage ausgeglichen werden: Was sollen die Hörer, Leser oder Zuschauer für die Dienstleistung der Medienunternehmen bezahlen? Und wie stellt man sicher, dass auch genau das Programm bzw. genau das Informationsangebot bereitgestellt wird, das die Hörer, Leser oder Zuschauer wünschen? Die Antwort der Ökonomen auf diese Probleme – sie sprechen hier von einem Allokationsproblem – lautet in der Regel: Marktwirtschaft. Um diese Idee zu erklären, müssen wir noch einmal die bereits im vorherigen Kapitel hergeleitete Nachfragekurve bemühen. Wir erinnern uns: Je geringer der Preis eines Gutes ist, umso höher wird die nachgefragte Menge sein. Genau diese Argumentation wird mit der Nachfragekurve in der untenstehenden Abb.€1.6 grafisch dargestellt. Um jetzt Angebot und Nachfrage in Übereinstimmung zu bringen, müssen wir uns noch überlegen, wie man das Angebot in das Diagramm einbindet. Die Nachfragefunktion in Abb.€1.6 kennen Sie bereits, jetzt kommt noch eine Angebotsfunktion hinzu. Diese leitet sich wie folgt her: Ein Unternehmer muss Gewinne erwirtschaften, deswegen sind Kosten und Erlöse seine zentralen Grö-
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Angebotsfunktion Nachfragefunktion
Preis
Abb. 1.6↜渀 Die Angebotsfunktion. Kostet das betreffende Gut 5€€, so werden die Produzenten nur 4 Einheiten anbieten; steigt der Preis auf 10€€, so verdoppeln die Produzenten ihr Angebot in der Erwartung höherer Gewinne
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nachgefragte Menge 4
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angebotene Menge
ßen, auf die er achten muss. Unterstellen wir einmal weiter, dass er den Marktpreis seines Produktes nicht beeinflussen kann. Damit werden seine Erlöse durch den Preis bestimmt. Entscheidend für ihn ist nun, dass der Preis, also der Erlös pro Stück, über den Kosten pro Stück, also den Stückkosten, liegt. Dabei lässt sich vermuten, dass der Produzent bei gegebenem Preis seine Produktion an die Kapazitätsgrenze ausdehnen wird, da dann aufgrund der bereits erläuterten Fixkostendegression die Stückkosten minimal sein werden: Der gesamte Block an fixen Kosten wird auf eine maximale Ausbringungsmenge verteilt, das senkt den Stückpreis. Jetzt wissen wir, wie sich ein Produzent bei einem gegebenen Preis verhält, aber was passiert bei sich verändernden Preisen? Bei sinkenden Preisen wird der Produzent irgendwann die Produktion einstellen, nämlich dann, wenn die Stückkosten dauerhaft unter dem erzielbaren Preis liegen – denn dann macht der Produzent Verluste. Bei steigenden Preisen wird er versuchen, seine Produktion auszudehnen, indem er Überstunden fährt, Fertigungsprozesse beschleunigt oder aber seine Kapazitäten aufstockt. Allerdings steigen damit auch die Produktionskosten. Der Produzent wird jenseits des Stückkostenminimums exakt jene Stückzahl an Produkten anbieten, bei der die Grenzkosten gleich dem Preis sind (das können Sie auch noch einmal in Box€1.1 nachlesen). Dahinter steht folgendes Kalkül: Der Erlös einer zusätzlich produzierten Einheit ist gleich dem dafür erzielten Preis. Liegt dieser über den dafür zusätzlich aufgewendeten Kosten zur Herstellung dieser Einheit (eben den Grenzkosten), dann erwirtschaftet der Produzent damit einen Gewinn. Sind die Grenzkosten gleich dem Preis, so erwirtschaftet die zusätzlich produzierte Einheit exakt die Kosten, die sie zusätzlich verursacht hat. Steigen die Preise, so steigt auch das Angebot, da der Ertrag einer zusätzlich produzierten Einheit nun über den damit verbundenen zusätzlichen Kosten liegt. Das bringt uns eine wichtige Erkenntnis: Die Angebotsfunktion die das Angebot
1.6 Wie bezahlt man für Mediendienstleistungen?
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in Abhängigkeit vom Preis darstellt, repräsentiert zugleich die Grenzkosten der Unternehmen. Entscheidend für die grafische Darstellung der Angebotsfunktion ist, dass mit steigenden Preisen die Produzenten ihr Angebot ausdehnen werden. Zusätzlich werden mit steigenden Preisen eines Produktes auch neue Unternehmen an den Markt kommen, angelockt von den hohen Gewinnen, die sie beobachten. (Sollte eines Tages bei unveränderten Kosten für ein Eis ein Preis von 1.000€€ bezahlt werden, wird es wohl eine Menge Eisverkäufer geben). In Kürze: Steigende Preise führen zu steigenden Gewinnen und damit zu einem steigenden Angebot. Um jetzt das Gesamtangebot am Markt zu ermitteln, muss man nur die von den einzelnen Unternehmen zum jeweiligen Preis angebotenen Mengen zusammenzählen und im Schaubild abtragen. Dabei gilt: Je höher der Preis, umso größer wird die insgesamt am Markt angebotene Menge sein. Das ist grafisch in Abb.€1.6 dargestellt; die dort gezeigte Angebotskurve ist also die Addition aller individuellen Angebotskurven (die von Unternehmen zu Unternehmen auch unterschiedlich sein werden). Mit Hilfe der Angebotsfunktion und der Nachfragefunktion lässt sich nun erläutern, wie ein marktwirtschaftliches System funktioniert. Die Idee der Marktwirtschaft ist es, dass der Ausgleich von Angebot und Nachfrage über den Preis als zentrale Steuerungsvariable erfolgt. Welche Rolle spielt der Preis? Im Grunde genommen hat der Preis zwei Gesichter: Auf der Nachfrageseite dient der Preis als Indikator für die Wertschätzung der Konsumenten. Indem der Konsument den Preis nennt, den er bereit ist, für ein Gut zu zahlen, gibt er seine maximale Wertschätzung für das betreffende Gut an. Lehnt er es ab, ein Gut für einen höheren Preis zu erwerben, so zeigt er damit, dass seine Wertschätzung unter dem betreffenden Preis liegt – lapidar gesagt: Das Gut ist ihm zu teuer. Doch der Preis hat auch auf der Angebotsseite eine wichtige Information: Er zeigt an, was die Produktion des betreffenden Gutes kostet, denn kein Produzent wird ein Gut für einen Preis anbieten, der unter den Produktionskosten liegt. Bietet er aber einen Preis an, der sehr stark über den Produktionskosten liegt, so lockt er rasch weitere Anbieter in den Markt, welche ihm die hohen Gewinne neiden und sich ein Scheibchen vom Kuchen abschneiden wollen. Um aber Kunden zu gewinnen, werden sie zu einem etwas geringeren Preis anbieten als der vorherige Anbieter, um so die Nachfrage auf sich zu ziehen. Aber solange die Gewinne immer noch stark über den Herstellungskosten liegen, werden immer weitere Anbieter in den Markt drängen, was den Preis beständig drückt, bis er auf Höhe der tatsächlichen Produktionskosten plus einer angemessenen Entlohnung für den Produzenten liegt (Jetzt wissen wir auch, warum ein Eis nicht 1.000€€ kostet). Sie sehen jetzt, welche wichtige Rolle Gewinne in einem marktwirtschaftlichen System spielen: Sie signalisieren Knappheit und veranlassen Produzenten, das anzubieten, was die Konsumenten wünschen. Zugleich sind sie eine Belohnung für den Produzenten und seine Bemühungen. Abbildung€ 1.7 erläutert nun, wie es zu einem Ausgleich von Angebot und Nachfrage am Markt kommt. Der Preis zeigt also zur gleichen Zeit die Kosten der
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1 Ökonomische Konzepte Angebotsfunktion
Preis
10 8
nachgefragte Menge 4
8 angebotene Menge
Abb. 1.7↜渀 Das Marktgleichgewicht. Bei einem Preis von 8€€ entspricht die Nachfrage exakt dem Angebot; der Markt befindet sich im Gleichgewicht. Zu einem Preis von 10€€ werden nur 4 Einheiten nachgefragt, aber 8 Einheiten angeboten. Der Angebotsüberschuss von 4 Einheiten wird abgebaut, indem die Produzenten ihre Preise senken und einige Produzenten ausscheiden – dadurch sinkt das Angebot. Durch den sinkenden Preis erhöht sich auch die Nachfrage
Produktion und die Wertschätzung der Nachfrager an. Bei einem gedanklich angenommenen Preis von 10€€ passiert nun folgendes: Der Preis ist für viele Nachfrager zu hoch, nur wenige wollen das Gut für diesen Preis erwerben, da er über der Wertschätzung der meisten Nachfrager liegt, weshalb die Nachfrage gering ist. Nur wenige Gierschlunde werden zu diesem Preis ein Eis erwerben (die Zahl der nachgefragten Produkte erhalten Sie, indem sie von der Preisachse nach rechts auf die Nachfragekurve wandern und von dort aus das Lot auf die Mengenachse fällen). Wenn das Gut zu 10€ € verkauft werden kann, bedeutet das für die Produzenten einen hohen Gewinn, weshalb entsprechend viele Produzenten das Gut anbieten. Aus diesen Gründen ist das Angebot hoch, und zwar größer als die Nachfrage, es besteht ein Angebotsüberschuss. Wenn nun aber die Produzenten für den betreffenden Preis ihr Angebot nicht absetzen können, werden sie sowohl ihr Angebot als auch den Preis reduzieren; manche Produzenten werden ganz aufgeben. Preis und angebotene Menge sinken. Mit dem sinkenden Preis steigt wieder die Nachfrage, da sich nun zunehmend Käufer finden, die zu einem etwas geringeren Preis bereit sind, das Gut zu kaufen. Der Preis fällt so weit, bis die zu diesem Preis angebotene Menge vollständig nachgefragt wird. Das entspricht dem Schnittpunkt der beiden Kurven in Abb.€1.7 mit einem Preis von 8€€. Der Markt befindet sich im Gleichgewicht. Aber wieso ist dieser Prozess im Schnittpunkt der beiden Geraden beendet? Warum fällt der Preis nicht auf 5€€? Überlegen Sie einmal: Wenn das Gut nur 5€€ kostet, ist die Nachfrage sehr hoch, weil das Gut recht billig ist. Die Produzenten bieten aber nicht so viel an, wie zu diesem Preis nachgefragt wird; bei diesem Preis erwirtschaften sie nicht genügend Gewinne. Es entsteht ein Nachfrageüberhang, zu viele Nachfrager rangeln sich um ein zu geringes, weil billiges Angebot (denken Sie an den Winterschlussverkauf), mit der Folge, dass die Preise steigen werden – jeder Konsument überbietet den anderen, um an das Gut zu bekommen.
1.6 Wie bezahlt man für Mediendienstleistungen?
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Der Anstieg des Preises lässt die Nachfrage wieder sinken und führt gleichzeitig zu einem steigenden Angebot. Die Bewegung endet im bereits erwähnten Gleichgewicht bei einem Preis von 8€ €. Warum kann der Preis nicht über das Gleichgewicht steigen? Zur Beantwortung dieser Frage lesen Sie bitte noch einmal den obenstehenden Absatz. Wenn Sie diese Argumentation sorgfältig überdenken, so werden Sie erkennen, mit welcher Eleganz die vielbeschriebene unsichtbare Hand (um genau diese handelt es sich hier) zwei Probleme zugleich löst: Der Preis führt zu einem Ausgleich von Angebot und Nachfrage. Er sorgt dafür, dass nur so viel produziert wird, wie bei bestehenden Produktionskosten abgesetzt werden kann; es gibt keine Überschussproduktion, die auf die Halde wandert und keine Schlangen an den Verkaufsständen, die auf eine relative Knappheit der entsprechenden Güter hindeutet (beides Symptome für eine Zentralverwaltungswirtschaft, in der die Produktion vom Staat geplant wird). Und das alles geschieht, ohne dass jemand den Produzenten sagt, was sie herstellen sollen – sie vergleichen den Preis des Gutes mit den Herstellungskosten und produzieren, wenn sie sich einen Gewinn versprechen. Der Preis ist also ein Knappheitsindikator, der die Produktionsmittel in die Verwendungsrichtung lenkt, die der Wertschätzung der Konsumenten am besten entspricht. Das liegt an seiner zweiten Funktion: Er zeigt nicht nur die Produktionskosten an, sondern auch die Bedürfnisse der Konsumenten. Dieser Preismechanismus sorgt auch für eine Maximierung der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt: Im Gleichgewicht erhalten jene Konsumenten das Gut, die bereit sind, exakt jenen Preis zu bezahlen, den die letzte Einheit des Gutes in der Herstellung kostet. Das löst ein wichtiges Allokationsproblem: Exakt jene Konsumenten erhalten das Gut, deren Wertschätzung für das Gut am höchsten ist. Wem das Eis keine 8€€ wert ist, der verzichtet auch darauf, während der Eishungrige zum Zuge kommt. Das sichert ein Maximum an gesellschaftlicher Wohlfahrt. Würde man das Gut auf dirigistischem Weg verteilen, liefe man in Gefahr, dass Konsumenten das Gut erhalten, deren Wertschätzung für das Gut geringer ist als derjenigen Konsumenten, die bei der Zuteilung zu kurz gekommen sind. Das würde die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt mindern. Box 1.10: Soziale Marktwirtschaft╇ Ein funktionierender Preismechanismus bringt ökonomisch optimale Ergebnisse. Allerdings wird dieser Preismechanismus teilweise außer Kraft gesetzt und Nebenbedingungen wie sozialer Frieden und Solidarität spielen eine wichtige Rolle. Wer kein Einkommen hat, kann nichts kaufen, die Preise schließen also sozial Schwache aus. Konsens in den westlichen Marktwirtschaften ist es aber, sozial Schwachen unter die Arme zu greifen. Darüber besteht Einigkeit, umstritten ist nur, wie man den sozial Schwachen helfen soll. Neben den sozialen Nebenbedingungen gibt es noch weitere Probleme, welche den Preismechanismus außer Kraft setzen können: Mangelnder Wettbewerb verhindert Preissenkungen bei zu hohen Preisen, fehlende Eigentumsrechte beispielsweise bei Umweltgütern
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1 Ökonomische Konzepte
wie Luft oder Wasser führen zu Umweltverschmutzung, und auch die öffentlichen Güter entziehen sich dem Preismechanismus. In der Bundesrepublik Deutschland versucht man diesen Problemen konzeptionell dergestalt Rechnung zu tragen, indem man sich grundsätzlich für ein marktwirtschaftliches System entschieden hat, das man aber als ergänzungsbedürftig, aber auch als ergänzungsfähig erachtet. Wo der Preismechanismus versagt, setzt der Staat einen entsprechenden Rahmen (beispielsweise durch das Wettbewerbsrecht) oder greift korrigierend mit Sozialpolitik, Wettbewerbspolitik, Umweltpolitik oder dem staatlichen Angebot öffentlicher Güter ein. Zudem hat man noch eine Reihe von Maximen aufgestellt, die helfen sollen, die Interventionen in den Markt effizient und effektiv zu gestalten. Dieses Konzept firmiert unter dem Namen Soziale Marktwirtschaft und geht unter anderem auf Walter Eucken zurück. Der Verdienst, dieses Konzept in der Bundesrepublik nach dem Krieg gegen beträchtliche Widerstände eingeführt zu haben, gebührt Ludwig Erhardt. Zugleich beseitigt der Preismechanismus auch Knappheit: Zu hohe Preise zeigen einen gesellschaftlichen Bedarf an, der größer ist als die derzeit hergestellte Menge. Die Folge: Das Angebot steigt, da die hohen Gewinne neue Unternehmen anlocken. Dadurch wird erreicht, dass Unternehmen nur Güter produzieren, die auch nachgefragt werden. Würde man stattdessen das Angebot staatlich lenken, könnte man nicht sicher sein, dass auch immer das angeboten wird, was von den Nachfragern tatsächlich gewünscht wird. Diese Schilderung des Preismechanismus ist zugegebenermaßen recht rudimentär und benötigt einige Ergänzungen, um ihn an die Wirklichkeit anzupassen. Vergleichen Sie dazu bitte Box€1.104. Abbildung 1.8 zeigt Ihnen im Überblick, wo der Preismechanismus in der Medienbranche versagt –lassen Sie uns diese Punkte kurz durchgehen. Der Preismechanismus versagt allerdings bei Rundfunkunternehmen aus mehreren Gründen. Der erste liegt in der bereits oben getroffenen Feststellung, dass Rundfunkunternehmen unter Umständen natürliche Monopole sind. Ist dies der Fall, so fällt ein wichtiger Baustein in der Argumentation aus: Ohne Konkurrenz wird der Monopolist in die Lage versetzt, einen hohen Preis zu verlangen, der weit über den Produktionskosten liegt, ohne dass dies Konkurrenz auf den Plan ruft – denn diese gibt es schlichtweg nicht. Der Monopolist hat aufgrund seiner Machtposition eine Marktmacht, die er zu Ungunsten der Konsumenten voll ausspielen kann. Sie sehen: Ohne Konkurrenz funktioniert der oben beschriebene Preismechanismus nicht, da der Preis nur die Wertschätzung der Nachfrager wiedergibt, aber nicht die Produktionskosten, sondern die Marktmacht des Monopolisten. Das ist eine wichtige Erkenntnis: Eine Marktwirtschaft ohne Konkurrenz funktioniert nicht. 4╇ Dieses Thema kann hier kaum erschöpfend behandelt werden, der interessierte Leser sei auf einführende Lehrbücher zur Volkswirtschaftslehre verwiesen und beispielsweise auf die Schriften der deutschen Klassiker in diesem Gebiet; beispielsweise von Walter Eucken oder Wilhelm Röpke.
1.6 Wie bezahlt man für Mediendienstleistungen?
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Preis als
Indikator der Wertschätzung der Konsumenten
verhindert Rolle als Nichtausschlussprinzip
Ausgleich Angebot und Nachfrage
Indikator für die Produktionskosten
verhindert Rolle als Nicht-Rivalität im Konsum, natürliches Monopol
Abb. 1.8↜渀 Hier versagt der Preismechanismus. Das Nichtausschlussprinzip verhindert, dass die Kunden für Informationen zahlen (weil man sie eben nicht vom Konsum ausschließen kann); die Nicht-Rivalität im Konsum und die Tendenz zu natürlichen Monopolen verhindern, dass der Preis ein brauchbarer Indikator für die Höhe der Produktionskosten ist
Wenn Sie im vorherigen Kapitel gut aufgepasst haben, dann erahnen Sie auch einen weiteren Grund, warum der Marktmechanismus im Rundfunkwesen nicht einwandfrei funktioniert. Erinnern Sie sich bitte an das zweite Kapitel: Dort hatten wir festgestellt, dass eine ökonomische Besonderheit von Informationen darin besteht, dass beim Konsum von Informationen Nicht-Rivalität im Konsum besteht. Als Folge dieser Eigenschaft, so haben wir festgestellt, sind die Grenzkosten der Gewinnung zusätzlicher Kunden Null – ob man mit einem Rundfunksender 1.000, 100.000 oder 1.000.000 Zuschauer bzw. Zuhörer erreicht, macht für die Kosten des Medienunternehmens kaum einen Unterschied (im Gegenteil, das Phänomen der Fixkostendegression führt dazu, dass die Durchschnittskosten dann auch noch sinken). Das macht es äußerst schwierig, wenn nicht gar unmöglich, den Preis zu berechnen, den man den Kunden abverlangen will. Der Preis verliert seine Funktion als Indikator für die Kosten des Angebotes, da er nicht die Kosten für eine zusätzlich produzierte Einheit angibt. Im Angebots-Nachfrage-Diagram würden Grenzkosten von Null dazu führen, dass die Angebotsfunktion eine Horizontale wird: Der Anbieter bietet zu einem Preis jede beliebige Menge an, weil die Angebotsmenge keine Rolle für seine Kosten spielt. Den Anbietern ist es zumindest aus Kostensicht schlichtweg egal, wie viele Zuschauer oder Leser sie beliefern (die Zuschauerzahl interessiert natürlich hinsichtlich der möglichen Werbeeinnahmen, wie wir gleich sehen werden). Doch nicht nur das, es kommt sogar noch schlimmer: Gilt das im ersten Kapitel bereits vorgestellte und erörterte Nichtausschlussprinzip, so hat das Rundfunkunternehmen jetzt noch ein weiteres, sogar recht schwerwiegendes Problem. Wer ist schon bereit, für etwas zu bezahlen, das er auch kostenlos haben kann? Ob ich für das Rundfunkprogramm zahle oder nicht, ändert nichts an meinen Möglichkeiten, diese Programme zu empfangen und zu konsumieren. Warum also für etwas zahlen, was ich kostenlos erhalten kann? Das bedeutet, dass der Rundfunkanbieter über-
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haupt keinen Preis finden kann, zu dem er anbietet. Der Preis versagt hier als Indikator für die Wertschätzung der Konsumenten, da sie den Rundfunk auch erhalten, ohne dafür zahlen zu müssen. Wenn auch nur die Hälfte der Zuschauer sich weigert, für den Rundfunkkonsum zu zahlen, so bedeutet das für das Rundfunkunternehmen, dass es sein Produkt – nämlich Rundfunksendungen – nicht verkaufen kann. Damit ist aber die Existenzgrundlage eines Rundfunkunternehmens gefährdet. Für Zeitungen gilt dieses Argument nur in eingeschränktem Maße, da bei dem unmittelbaren physischen Produkt, also der Zeitung, die Sie morgens am Frühstückstisch lesen, durchaus das Ausschlussprinzip Anwendung findet. Zwar kann man die Zeitung, nachdem man sie gelesen hat, an die bessere Hälfte, an die Kollegen oder an den Nachbarn weitergeben, aber dieser Kette sind Grenzen gesetzt: Jede Weitergabe der Zeitung erfordert Zeit und führt dazu, dass die Zeitung etwas später zum nächsten Leser kommt. Und da nichts älter ist als die Zeitung von gestern, hat diese Kette schnell ein Ende. Wer also eine aktuelle Zeitung will, wird diese in der Regel maximal mit seinen Wohnungsgenossen oder noch vielleicht dem Nachbarn teilen, darüber hinaus ist die Weitergabe einer Zeitung nicht sonderlich attraktiv. Bitte bedenken Sie: Nicht die Informationen, sondern die physische Erscheinungsform der Zeitung ist der Grund, warum das Nichtausschlussprinzip bei Zeitungen nicht funktioniert. Wer also den umfassenden Service der Zeitung – Sammeln, Transportieren, Einordnen und Kommentieren der Nachrichten – in Anspruch nehmen will, wird oftmals nicht umhin kommen, sich sein Exemplar selbst zu kaufen, wenn er diesen Service einigermaßen zeitnah genießen will. Bei den Rundfunkmedien stimmt diese Argumentation allerdings nicht: Da der Transport der Informationen über Funkwellen erfolgt, die von jedermann empfangen werden können (Nichtausschlussprinzip) und darüber hinaus von jedem konsumiert werden können, ohne dass dies einen anderen Nutzer beeinträchtigen würde (Nicht-Rivalität im Konsum), gibt es hier keine Möglichkeit für das betreffende Unternehmen, von seinen Kunden einen Preis zu verlangen. In letzter Konsequenz würde das bedeuten, dass kein Rundfunk angeboten wird – außer vielleicht von Idealisten oder reichen Mäzenen, die das Programm im Sinne ihrer eigenen Vorstellungen gestalten würden. Da es aber ausreichend Rundfunksender in jedem Staat der Welt gibt, ist zu vermuten, dass es offensichtlich Möglichkeiten gibt, dieses Problem zu lösen. Eine Methode besteht darin, ein staatliches Rundfunkprogramm über Steuermittel zu finanzieren. Da aber in den Kindertagen des Fernsehens nicht jeder Bürger einen Rundfunkempfänger besaß, wäre es sicherlich zu einem Sturm der Entrüstung gekommen, wenn man das gesamte Volk für den Rundfunkkonsum weniger (vermögender?) Zuschauer zur Kasse gebeten hätte. Also wählte man in der Bundesrepublik ein recht naheliegendes Verfahren, um den Betrieb von Rundfunksendern zu finanzieren: Man bat die Kunden der Sender direkt zur Kasse. Und da man schlecht kontrollieren kann, wie viel jeder Kunde an Rundfunksendungen konsumiert, wurde beschlossen, dass jeder Besitzer eines Rundfunkempfangsgerätes (Fernseher oder Radio) eine feste monatliche Pauschale zu zahlen hat, mittels derer die Programme der Rundfunksender finanziert werden. Seit 1976 übernimmt die GEZ die Aufgabe, die Gebühren bei den Bürgern einzutreiben (lesen Sie bitte Box€1.11). Das
1.6 Wie bezahlt man für Mediendienstleistungen?
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war sinnvoll, als es nur staatlichen Rundfunk gab, doch mit dem Aufkommen der privaten Rundfunkanbieter verlieren die Verfechter solcher Gebühren ein wichtiges Argument. Der Diskussion um das Für und Wider staatlichen Fernsehens und staatlicher Rundfunkgebühren werden wir uns später zuwenden. Box 1.11: Die GEZ╇ Bis 1975 wurden die Rundfunkgebühren zumeist vom Postboten kassiert. Das schien den Rundfunkanstalten ARD und ZDF zu teuer, und so wurde 1976 die Gebühreneinzugszentrale GEZ in Köln ins Leben gerufen (www.GEZ.de). Die GEZ ist somit keine Behörde, sondern ein Dienstleister der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Die Gesamterträge der GEZ beliefen sich 2009 auf insgesamt 7,6€Mrd.€€. Bezahlen muss jeder, der ein Rundfunkgerät zum Empfang bereithält. Dazu gehören neben herkömmlichen Radios und Fernsehgeräten (auch Radiowecker, Autoradios, Navigationsgeräte mit Empfangsteil, Mobiltelefone mit Rundfunkempfangsteil, PCs mit Radio- oder Fernsehkarte, DVD- oder Video-Rekorder mit Empfangsteil) auch so genannte neuartige Rundfunkgeräte (zum Beispiel Rechner, die Rundfunkprogramme aus dem Internet wiedergeben können, PDA und Mobiltelefone mit UMTS- oder Internetanbindung). Ebenso gebührenpflichtig sind an Radios und Fernsehgeräte angeschlossene Lautsprecher oder Monitore, wenn sie als gesonderte Hör- oder Sehstellen betrieben werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob man das Rundfunkgerät tatsächlich nutzt oder nicht – wer eins hat, muss zahlen. Mit der Gebühr sind alle Geräte abgegolten, auch die des Ehepartners (der nicht-eheliche Partner muss extra zahlen; Empfangsgeräte in Zweitwohnungen hingegen kosten extra). Unter bestimmten Voraussetzungen ist eine Befreiung von der Gebührenpflicht möglich – so bei Geringverdienenden, also Studenten, Arbeitslosen, Sozialhilfeempfängern oder Kleinrentnern. Von den insgesamt gemeldeten Rundfunkempfangsgeräten waren 2009 rund 9,6€% der Hörfunkgeräte, rund 10,6€% der Fernsehgeräte und rund 3,1€% der neuartigen Rundfunkempfangsgeräte gebührenbefreit. Eine private Gebührenbefreiung verschaffen sich Schwarzseher, die Fahndung nach ihnen ist aufwendig und erfolgt beispielsweise über den Abgleich von Adresslisten mit dem Melderegister der GEZ, aber auch über Fahnder vor Ort. Deren Methoden sind umstritten, ihre Kompetenzen beschränkt: Sie dürfen eine Wohnung nur auf Aufforderung des Wohnungsinhabers betreten – auch wenn der Fernseher bis in den Hausflur plärrt. Schwarzsehern drohen saftige Strafgebühren. Schätzungen zufolge entgehen den öffentlich-rechtlichen Anstalten pro Jahr etwa eine halbe Milliarde Euro an Gebühren durch Schwarzseher. Ab 2013 soll nicht mehr zahlen, wer ein Rundfunkgerät hat, sondern wer einen Haushalt führt oder eine Betriebsstätte unterhält. Das ist die so genannte Haushaltsabgabe.
Aber halt – private Rundfunksender? Ein privater Rundfunksender kann sicherlich keine Zwangsgebühren eintreiben, aber wie finanziert er sich dann? Offenbar gibt es
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1 Ökonomische Konzepte
Zuschauer
Programm Werbung
Kunden
zusätzliche Käufe aufgrund der Werbung
Sender
Werbeaufträge finanzieren das Programm Ertrag der Werbung = Zusätzliche Erträge durch die Werbung minus Kosten für die Werbung Industrie; werbetreibende Wirtschaft
Abb. 1.9↜渀 Werbefinanzierte Rundfunkprogramme. Werbung rechnet sich für die Unternehmen, wenn die zusätzlichen Erträge aus dieser Werbung größer sind als die Kosten für die Werbung. Die Grafik deutet auch die Probleme dieser Finanzierungsform an: Sind die Erlöse aus den durch die Werbung zusätzlich verkauften Produkten größer als die Kosten für die Werbung? Das hängt auch davon ab, wie groß die in der Abbildung angedeutete Schnittmenge zwischen den Kunden der Unternehmen und der Konsumenten der Sendung ist. Deswegen erwarten die Unternehmen, dass die Programme der Sender sich möglichst an den Wünschen ihrer Kunden, der Zielgruppe, orientieren. Ein weiteres Problem: Wie viele Kunden reagieren auf die Werbung in der von den Unternehmen erhofften Art und Weise?
noch eine andere Finanzierungsmöglichkeit. Aus der täglichen Erfahrung wissen Sie sicherlich, wie man ein Rundfunkprogramm noch finanzieren kann: Über Werbung. Das funktioniert folgendermaßen (vgl. auch Abb. 1.9): Die Sender erstellen ein Programm, das den Hörern bzw. Zuschauern kostenlos angeboten wird. Finanziert wird das Ganze durch Unternehmen, die im Rahmen der Rundfunkprogramme Werbung betreiben, in der Hoffnung, dass die Zuschauer aufgrund der Werbung ihre Produkte kaufen. Und je mehr Zuschauer eine Sendung hat, um so größer ist die Zahl der potenziellen neuen Käufer der Produkte und damit die potenziellen Gewinne aus der Werbung, und folglich auch die Bereitschaft der Unternehmen, hohe Preise für die Schaltung von Werbung zu bezahlen. Tabelle 1.2 gibt Ihnen einen Überblick über die internationalen Ausgaben für Werbung. Und damit sind alle glücklich: Die Zuschauer bekommen ihren Rundfunk, die Rundfunkanstalten erwirtschaften einen Gewinn, wenn die Einnahmen aus der
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1.7 Medienunternehmen als Diener zweier Herren
Tab. 1.2↜渀 Die internationalen Werbeausgaben für Fernsehen, Druckerzeugnisse, Radio, Kino, Plakat und Internet in Milliarden Dollar; Zahlen für 2010 geschätzt. (Quelle: ZenithOptimedia 2009) 2007 2008 2009 2010 Region Nordamerika 188 181 162 158 Westeuropa 124 123 112 112 Asien/Pazifik 105 108 103 107 Mittel/Osteuropa 21 35 29 30 Lateinamerika 26 30 30 32 Afrika/Rest der Welt 16 20 18 21 Medium Zeitungen Magazine Fernsehen Radio Kino Außenwerbung Internet
130 59 181 38 2,2 31 42
123 56 186 37 2,3 32 51
105 47 173 34 2,2 20 56
101 45 179 33 2,4 31 63
Werbung die Programmkosten übersteigen, und die werbetreibenden Unternehmen machen Gewinne, wenn die zusätzlichen Erträge aufgrund der Werbung die Kosten für die Werbung übersteigen. Wie wir allerdings in einem späteren Kapitel sehen werden, macht diese Lösung nicht alle glücklich. In der Praxis beobachten wir Mischformen dieser beiden Finanzierungsformen: Die öffentlich-rechtlichen Sender finanzieren sich über Zwangsgebühren und Werbeeinnahmen, die privaten Rundfunksender ausschließlich über Werbeeinnahmen, und Printmedien finanzieren sich zumeist über eine Kombination von Werbeeinnahmen und einem direktem Entgelt für das gedruckte Exemplar. Diese unterschiedlichen Finanzierungsformen werden uns in den späteren Kapiteln noch beschäftigen. Jetzt wollen wir uns erst unterhalten, welche Folgen die Abhängigkeit der Medien von den Werbekunden aus ökonomischer Sicht haben kann.
1.7â•… Medienunternehmen als Diener zweier Herren Nun wissen wir, dass sich viele Medienunternehmen vor allem über Werbung finanzieren – Grund genug, einen kurzen Blick auf die Werbebranche zu werfen. Das Interesse der Werbetreibenden ist klar: Es sollen so viele Menschen wie möglich die Werbebotschaft vernehmen, und vor allem solche Menschen, die als potentielle Kunden der werbetreibenden Unternehmen in Frage kommen. Daraus ergeben sich zwei Kernforderungen an das Werbemedium: Es soll eine möglichst hohe Verbreitung haben (quantitative Reichweite), dabei aber wenig Streuverluste aufweisen, d.€h. es muss die Zielgruppe des werbetreibenden Unternehmens so gut wie möglich erreichen (qualitative Reichweite). Leider widersprechen sich diese beiden Forderungen: Je weiter ein Medium verbreitet ist, umso unspezifischer wird der
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1 Ökonomische Konzepte
Nutzerkreis. Ein Beispiel: Die Zuschauerschaft der „Tagesthemen“ dürfte wesentlich heterogener sein als die Zuschauergruppe eines Heimwerkermagazins. Wo soll der Heimwerkermarkt nun werben: vor den Tagesthemen, wenn er viele Zuschauer erreichen kann, von denen aber sicher viele kein Interesse an Baumärkten haben, oder vor der Heimwerkersendung, deren Zuschauerzahl zwar geringer ist, dafür aber empfänglicher für die Verlockungen des Werbespots? Das ist ein klassischer Zielkonflikt, nämlich zwischen der Reichweite der Werbung und ihrer Zielgenauigkeit. Und der Umstand, dass die werbetreibenden Unternehmen dieses Optimierungsproblem haben, hat auch Folgen für die Medienunternehmen: Letztlich wird ihre Programm-Strategie vom Optimierungskalkül der werbenden Unternehmen bestimmt. Das liegt daran, dass die Werbeausgaben der Unternehmen die Einnahmen der Medienunternehmen sind. Im Grunde genommen haben Medienunternehmen nicht nur eine, sondern zwei Angebotsfunktionen: Sie sind zum einen Anbieter von Mediendienstleistungen auf dem Rezipientenmarkt, zum anderen aber auch Anbieter von Werbedienstleistungen für die werbetreibenden Unternehmen. Im ersten Falle sind die Kunden die Leser oder Zuschauer, im zweiten Fall sind die Unternehmen, die Anzeigen schalten wollen, die Kunden der Medienunternehmen. Ein Medienprodukt ist also in vielen Fällen ein sogenanntes Kuppelprodukt: In einem Produktionsprozess werden zwei Produkte gleichzeitig erstellt, in unserem Fall ein Produkt zur Information oder Unterhaltung zusammen mit einem Werbeträger. Hier liegt der Kern einer publizistischen Auseinandersetzung: Wie unabhängig sind die Medien in ihrer Berichterstattung mit Blick auf ihre Werbekunden? Kann eine Zeitung negativ über ein Unternehmen berichten, von dessen Werbegeldern sie lebt? Ein zweites Problem entsteht bei der wettbewerbspolitischen Beurteilung der Medienkonzentration: Marktmacht von Medien kann sowohl auf der Zuschauer- als auch auf der Werbekundenseite auftreten. Und eine Machtposition auf der einen Seite kann zugleich die Macht auf dem anderen Markt festigen: Wer viele Leser oder Zuschauer hat, bietet seinen Werbekunden ein attraktives Werbeumfeld, und wer viele Werbeeinnahmen hat, der hat genügend Einnahmen, um den Rezipienten ein attraktives Informationsangebot zu machen. In der Printbranche ist dieser Kreis als „Anzeigen-Auflagen-Spirale“ bekannt; wir werden ihn uns im Kapitel über den Wettbewerb bei den Printmedien noch einmal näher ansehen. Auch über diesen Konflikt zwischen publizistischer Unabhängigkeit und wirtschaftlichen Notwendigkeiten werden wir später noch einmal reden, hier wollen wir noch einen kurzen Blick auf ein besonderes Problem der Medienbranche werfen, das durch die Abhängigkeit der Medien von den Werbeeinnahmen entsteht: Die Medienbranche ist ein äußerst zyklisches Geschäft. Um sich dies zu vergegenwärtigen, muss man sich nur überlegen, was die Höhe der Werbeausgaben bestimmt. In der Regel werden die Werbeausgaben steigen, wenn es der Wirtschaft gut geht, wenn die Einkommen und die Absatzchancen steigen (marketingtechnisch müsste man als Unternehmen eigentlich genau das Gegenteil tun). Abbildung€ 1.10 zeigt diesen Zusammenhang: Wenn das Bruttoinlandsprodukt als Maßzahl für die Höhe der wirtschaftlichen Aktivität einer Volkswirtschaft wächst, so steigen – etwas zeit-
1.7 Medienunternehmen als Diener zweier Herren
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8 6 4 2 0
1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007
–2 –4 –6 –8
Abb. 1.10↜渀 Bruttowerbeinvestitionen (↜gestrichelte Linie) und Wirtschaftswachstum (↜durchgezogene Linie); Veränderungen in Prozent gegenüber dem Vorjahr. Deutlich kann man den Absturz der Werbeinvestitionen nach dem Jahr 2000 erkennen: Während das Wachstum des Bruttosozialproduktes auch in den Jahren 2001 und 2002 noch positiv war, stürzten die Bruttowerbeinvestitionen ab. Die Krise der New Economy war auch eine Krise der Werbebranche. (Quelle: Medien- und Kommunikationsberichtbericht der Bundesregierung 2008; BT-Drucksache 16/11580, S.€ 176; eigene Berechnungen)
verzögert – auch die Werbeausgaben und damit auch die Einnahmen der Medienbranche. Weiterhin können Sie der Abb.€1.10 entnehmen, dass die Werbeausgaben in der Regel stärker schwanken als die Wachstumsraten des Inlandsproduktes – das macht Konjunkturschwankungen für Medienunternehmen noch unangenehmer, es verstärkt sie nämlich. Wenn es also der Wirtschaft schlecht geht, die Konsumenten ihre Ausgaben für Medien ohnehin zurückschrauben, weil ihnen das Geld fehlt, dann dreht auch die Werbewirtschaft den Hahn zu – damit kommen Medienunternehmen von beiden Seiten her unter Druck. Diese Mechanismen führen dazu, dass Medienunternehmen von einem wirtschaftlichen Abschwung stärker betroffen sind als viele andere Branchen – sie sind konjunktursensibler. Zuletzt erleben konnte man das nach dem Ende des New Economy-Booms im Jahr 2000: Als die Wirtschaft und auch die Werbeausgaben zur Talfahrt ansetzen, begann in Deutschland ein der wohl schwersten Medienkrisen der Bundesrepublik. Und auch für den einzelnen Journalisten wird es unangenehm: Seinem Arbeitgeber geht es genau zu einem Zeitpunkt sehr schlecht, in dem es sehr schwer ist, eine berufliche Alternative zu finden. Wie Sie Tab.€1.3 entnehmen können, verbuchen die Zeitungen die meisten Werbeeinnahmen in der Bundesrepublik – kein Wunder, dass die Medienkrise der vergangenen Jahre vor allem auch eine Zeitungskrise war. Wir werden uns der Zeitungskrise im zweiten Abschnitt des Buches noch einmal widmen, jetzt gibt es noch eine weitere Besonderheit in der Medienbranche, der wir uns widmen wollen, die allerdings nur die Rundfunkmedien betrifft: Es geht um die Vergabe von Frequenzen.
1 Ökonomische Konzepte
40 Tab. 1.3↜渀 Netto-Werbeeinnahmen deutscher Werbeträger 2008 (Nach Abzug von Rabatten sowie Mittlerprovisionen). (Quelle: Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft (www.zaw.de))
Werbeträger
Millionen Euro
Tageszeitungen Fernsehen Werbung per Post Publikumszeitschriften Anzeigenblätter Verzeichnismedien Fachzeitschriften Außenwerbung Hörfunk Online-Angebote Wochen/Sonntagszeitungen Filmtheater Zeitungssupplements Gesamt
4.373,40 4.035,50 3.291,55 1.693,09 2.008,00 1.224,70 1.031,00 805,38 711,23 754,00 265,70 76,65 86,80 20.357,00
1.8â•… Eine Frequenz, bitte! Wie werden Sendefrequenzen an Rundfunksender vergeben? Um das zu erklären, ist ein wenig Technik notwendig. Rundfunk wird mit Hilfe elektromagnetischer Wellen übertragen. (Das Wort „Funk“ stammt aus den Anfängen der elektronischen Übertragung, als man entdeckte, dass man hochfrequente elektrische Schwingungen mit Hilfe so genannter Funkenstrecken erzeugen kann.) Ein Sender erzeugt hochfrequente Schwingungen, die von der Senderantenne in Form elektromagnetischer Wellen im Raum verbreitet werden. In der Empfangsantenne erzeugen diese Wellen wieder Schwingungen der gleichen Frequenz. Diese Wellen breiten sich mit Lichtgeschwindigkeit (300.000€ km/h) aus. Die Frequenz der Wellen, also die Anzahl der Schwingungen pro Zeiteinheit, wird nach dem deutschen Physiker Heinrich Hertz mit der Einheit Hertz bezeichnet. Ein Hertz entspricht einer Schwingung pro Sekunde (Abb.€1.11 veranschaulicht das). Die Strecke, die eine Welle im Verlauf einer Schwingung zurücklegt, wird als Wellenlänge bezeichnet. Hält man gedanklich den Zeitraum der Schwingung konstant, so wird deutlich, dass hochfrequente Schwingungen eine entsprechend kurze Wellenlänge haben: Da sie innerhalb des gleichen Zeitraumes mehr Schwingungen haben als Wellen mit einer geringen Frequenz, legen sie pro Schwingung eine kürzere Wegstrecke zurück. Oder vereinfacht gesagt: Je höher die Frequenz (die Anzahl der Schwingungen), desto geringer ist die Wellenlänge.5 Die Ausbreitungseigenschaften dieser Wellen sind je nach Frequenz bzw. Wellenlänge recht unterschiedlich, was ihre Verbreitung im freien Raum und längs der Erdoberfläche angeht. Näheres können Sie Box€1.12 entnehmen. 5╇ Ein Blick ins Physikbuch: Das Produkt aus Wellenlänge w und Frequenz h ist gleich der Lichtgeschwindigkeit, formal: wâ•›*â•›hâ•›=â•›c. Löst man diese Gleichung nach w auf, so erhält man wâ•›=â•›c/h. Da c konstant ist, sinkt der Wert von w mit steigendem Wert von h und umgekehrt.
1.8 Eine Frequenz, bitte!
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Abb. 1.11↜渀 Darstellung einer Frequenz von einem Hertz Amplitude
1
Zeit
1 Hertz = eine Schwingung pro Sekunde
Die elektromagnetischen Wellen sind nur das Transportmedium, sie dienen als Sendefrequenzen beziehungsweise als Trägerfrequenzen. Die zu übertragenden Informationen, also Bilder oder Töne, werden in elektrische Signale umgewandelt und dann den Trägerfrequenzen mit Hilfe der so genannten Modulation aufgeprägt, bei der die Wellen in ihrer Intensität oder ihrer Frequenz verändert werden. Dazu gibt es zwei Verfahren: Bei der Amplitudenmodulation werden die Schwingungen in ihrer Intensität (Amplitude) entsprechend den Schwingungen der zu übertragenden Informationen verändert. Bei der Frequenzmodulation wird die Frequenz der Trägerschwingung nach Maßgabe der zu übertragenden Informationen verändert. Beim Empfänger wird die Information wieder von der Trägerschwingung getrennt und in Informationen umgewandelt. Jeder Sender nimmt ein bestimmtes Frequenzband (einen so genannten Kanal) in Anspruch. Wird beispielsweise Musik mit Frequenzen von 15.000€Hz auf einer Trägerwelle mit einer Frequenz von 600.000€Hz übertragen, so treten um die Trägerfrequenz Schwingungen von plus/minus 15.000€Hz auf. Ein zweiter Sender, der ebenfalls Signale mit Schwingungen von bis zu 15.000€Hz sendet, muss eine Trägerfrequenz wählen, die mindestens 30.000€Hz von der Frequenz des ersten Senders (600.000€ Hz) entfernt liegt. Jeder Sender sendet also in einem bestimmten Frequenzband (Kanal), das anderen Sendern nicht zur Verfügung steht. Und je breiter der Kanal eines Senders ist, umso weniger Kanäle stehen insgesamt in einem Frequenzbereich für andere Sender zur Verfügung. Grundsätzlich gilt: Je höher die Frequenz, desto mehr Übertragungskapazität steht zur Verfügung. Box 1.12: Raum- und Bodenwellen╇ Bei den von einem Sender ausgestrahlten Wellen unterscheidet man zwischen Boden- und Raumwellen. Bodenwellen breiten sich längs der Erdoberfläche aus, während Raumwellen frei in den Raum abgestrahlt werden und je nach Frequenz der Wellen entweder die Ionosphäre durchdringen, von ihr absorbiert oder reflektiert werden. Die Sendeleistung von Bodenwellen, die vor allem bei Langwellen, also niedri-
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1 Ökonomische Konzepte
gen Frequenzen, eine Rolle spielen, nimmt mit zunehmender Entfernung vom Sender ab; Bodenwellen können je nach Frequenz, Sendeleistung und Bodenbeschaffenheit eine Reichweite von bis zu 1.000€km erreichen. Langwellen eignen sich vor allem gut für die lückenlose Versorgung großer Gebiete. Bei Mittelwellen (Frequenzen von 300 bis 3.000€ kHz) klingt die Bodenwelle rasch ab, die Raumwelle hingegen wird nachts von der Ionosphäre reflektiert, so dass solche Sender nachts bei genügend hoher Leistung des Senders noch in Entfernungen von mehreren 1.000€km empfangen werden können. Bei den Kurzwellen hingegen spielen Bodenwellen kaum eine Rolle, sie klingen über die Distanz zu rasch ab. Kurzwellen haben aber über Raumwellen eine gute Fernwirkung. Deswegen dienen Kurzwellen vor allem der Ausstrahlung von Programmen in weit entfernte Länder. Im Lang- und Mittelwellenbereich hat man sich in Europa darauf geeinigt, Informationen nur bis zu einer Frequenz von 4.500€Hz zu übertragen, da in diesen Frequenzbereichen ansonsten nur wenige Sender betrieben werden könnten, ohne sich gegenseitig zu stören. Die Trägerschwingungen haben in diesem Bereich also einen Abstand von 9.000€ Hz; die Übertragung erfolgt mittels Amplitudenmodulation. 4.500€Hz reichen zur Übertragung von Sprache, aber nur für bescheidene Musikqualität aus. Dafür haben die Lang- und Mittelwellen den Vorteil einer größeren Reichweite. Im Ultrakurzwellenbereich werden Informationen mit Frequenzen von bis zu 15.000€Hz übertragen, das gibt einen richtig satten Klang, wenn man das Radio aufdreht. Da in diesem Bereich mehr Platz zur Verfügung steht als bei den Lang- und Mittelwellen, kann man hier das Frequenzmodulationsverfahren verwenden, das eine Bandbreite von 300.000€Hz benötigt. Noch breitere Frequenzbänder (Kanäle) werden für die Übertragung von bewegten Bildern – sprich: Fernsehen – benötigt. Hier wird ein Frequenzbereich von etwa 7 bis 8€Mio.€Hz (7 bis 8€MHz) benötigt. Die Übertragung dieser Bilder erfolgt innerhalb der Frequenzbereiche Very High Frequency (VHF) und Ultra High Frequency (UHF), also zwischen 40€Mio. und 800€Mio.€Hz. Auch in diesen Frequenzbereichen sind Füllsender notwendig, um Versorgungslücken zu vermeiden. Mit den vorhandenen Frequenzbereichen ist eine flächendeckende Versorgung der Bundesrepublik mit weiteren als den derzeitigen Sendern nicht möglich. Damit sind wir auch bei den ökonomisch interessanten Aspekten von Sendefrequenzen und Kanälen: Der Umstand, dass jedes für Rundfunkdienste geeignete Frequenzspektrum nur einmal vorhanden ist, führt zu Problemen. Es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Frequenzen, auf denen gesendet werden kann, und wenn jeder Betreiber eines Senders sich einfach ohne Rücksicht auf andere Anbieter eine Frequenz herauspicken würde, käme es recht schnell zu Unverträglichkeiten und gegenseitigen Störungen der einzelnen Sender. Wie mag sich das wohl anhören, wenn ein Klassik-Sender und ein Rockmusik-Sender auf ähnlichen Frequenzen senden? Das wollen Sie nicht wissen. Wenn aber die Nachfrage nach den Sendefrequenzen höher ist als das vorhandene Angebot an Frequenzen, wenn also mehr
1.8 Eine Frequenz, bitte!
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Rundfunksender auf Sendung gehen wollen als Frequenzen zur Verfügung stehen, steht man vor einem Problem. Damit werden Frequenzen das, was Ökonomen ein knappes Gut nennen: Da die Nachfrage nach diesem Gut höher ist als das Angebot, besteht ein Nachfrageüberhang. So weit, so gut. Wenn man nun akzeptiert, dass Sendefrequenzen knappe Güter darstellen, so muss ein Weg gefunden werden, diese knappen Güter unter denjenigen aufzuteilen, die sich darum bewerben. Grundsätzlich gibt es mehrere Verfahren, die alle ihren Charme haben. Eine Lösung besteht darin, die Frequenzen von Staats wegen nach politischem Ermessen zu vergeben (damit unterstellt man automatisch, dass der Staat Eigentümer der Frequenzen ist). Das hat man in der Frühphase des Rundfunks in Deutschland gemacht: Auch aufgrund der anderen Besonderheiten von Rundfunksendern hat man sich dafür entschieden, die Sendelizenzen an staatliche Rundfunksender zu vergeben. Der Vorteil dieser Methode besteht darin, dass damit der Staat seine eigenen Programmvorstellungen verwirklichen kann. Der Nachteil: Der Staat verwirklicht seine eigenen Programmvorstellungen. Verwirrt? Kein Wunder. Mal im Ernst: Wer dafür ist, dass der Staat auch erzieherisch in das Leben seiner Bürger eingreifen soll und dies auch über die Rundfunkmedien tun sollte, wird die Vergabe der Lizenzen an die öffentlichen Sender begrüßen. Aber genau darin liegt auch die Gefahr: Wer kontrolliert den Programmanbieter Staat? Nicht umsonst reißen sich Militärdiktaturen stets auch die Rundfunksender unter den Nagel. Ein staatlicher Rundfunk ohne private, freie Konkurrenz ist also nur etwas für eine stabile Demokratie. Zudem haben Kritiker einer solchen Lösung noch ein anderes Argument: Die Rundfunksendungen sollten derart gestaltet werden, dass sie den Vorlieben (Ökonomen sagen Präferenzen dazu) der Mehrheit der Bürger Rechnung tragen. Dies, so glauben sie, ist bei einer solchen Lösung nicht gewährleistet, weil der Staat nicht die Vorlieben der Zuschauer kennen kann. Aus diesem Grund schlagen sie eine andere Lösung vor: Eine Auktion. Die Grundidee ist simpel: Bei einer Auktion der Lizenzen erhält derjenige den Zuschlag, der für diese Lizenzen am meisten bietet (ein legendäres Beispiel für die Auktion von Frequenzen in der Bundesrepublik war die Versteigerung der UMTSLizenzen an Mobilfunkunternehmen). Das wird in der Regel derjenige sein, der sich den größten Nutzen von diesen Lizenzen verspricht. Und er wird auch nur so viel für die betreffende Frequenz bieten, wie sie ihm wirklich wert ist. Den Nutzen aus der Frequenz kann er dadurch realisieren, indem er möglichst hohe Werbeeinnahmen erzielt, die wiederum nur möglich sein werden, wenn er das Programm derart gestaltet, dass möglichst viele Zuschauer die Sendungen sehen wollen – denn das verspricht einen hohen Ertrag aus der Werbung, weshalb die Unternehmen bereit sein werden, für diese Werbung entsprechend mehr auszugeben. Das klingt listig: Das Gewinnstreben des Rundfunkbetreibers veranlasst ihn, ein Programm anzubieten, das die höchstmögliche Zahl an Zuschauern findet – sozusagen das höchstmögliche Glück der größtmöglichen Zahl. Erkennen Sie es? Das Auktionsverfahren ist wiederum nichts anderes als der uns bereits bekannte Marktmechanismus: Angebot (an Frequenzen) und Nachfrage (der Sender nach den Frequenzen) werden dadurch ausgeglichen, dass man eine Auktion veranstaltet, also den Preismechanismus zulässt. Der Unterschied zum normalen Marktmechanismus: Auf der Nachfrageseite bieten nicht die einzelnen Hörer, Leser oder Zuschauer für die Informationen, sondern die Medienunternehmen. Die Hörer,
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1 Ökonomische Konzepte
die Leser oder die Zuschauer bieten nur indirekt: Da für die Medienunternehmen die Anzahl der Kunden respektive der Zuschauer über die Höhe der Werbeeinnahmen entscheidet, werden sie das Programm anbieten, das ihnen ihrer Einschätzung nach die meisten Kunden garantiert. Damit steigern die Kunden quasi indirekt mit. Das Problem: Die Medienunternehmen müssen mehr oder weniger raten, was ihre Kunden wollen. Darüber werden wir später noch reden. Kritiker finden beim Auktionsverfahren noch ein weiteres Haar in der Suppe: Was, wenn der Rundfunkanbieter aber nicht Geld, sondern Macht im Sinn hat? Wenn er den Sender zur politischen Agitation und Meinungsmache nutzen will? Dieses Argument ist wichtig, und wir werden darauf noch einmal zurückkommen, wenn wir über Wettbewerb im Rundfunksektor reden. So lange nämlich ausreichend Konkurrenz unter den Rundfunksendern besteht, hoffen die Verfechter des freien Rundfunks auf ausreichenden Meinungswettbewerb, der solche negativen Entwicklungen verhindern kann. Doch gerade dieser Wettbewerb könnte durch den Frequenzmangel behindert werden. Aber noch etwas stört die Gegner des Auktionsverfahrens: Ohne öffentlich-rechtliche Sender beraube sich der Staat der Möglichkeit, über den Rundfunk seine Bürger zu erziehen. Das sehen die Gegner der Öffentlich-Rechtlichen nicht so: Zum einen argumentieren sie, dass der Staat seine Bürger nicht zu erziehen habe und verwehren sich gegen jeglichen Paternalismus. Die Frage, ob der Staat weiß, was für seine Bürger gut ist, lässt sich aus wissenschaftlicher Perspektive nicht beantworten, dafür können Ökonomen Ihnen keine Lösung anbieten. Aber eines kann man festhalten: Wenn der Staat seinen Bürger über bestimmte Rundfunksendungen erziehen will, so kann er das auch ohne eigene Sender. Er kann die Sendungen beispielsweise bei privaten Sendern in Auftrag geben und senden lassen. Darüber werden wir später noch einmal diskutieren. Eine letzte Möglichkeit der Lizenzvergabe sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt: Es wäre durchaus denkbar, die Lizenzen auch in einem so genannten Windhundverfahren zu vergeben – nach dem Motto: wer zuerst kommt, bekommt die Lizenzen. Aber ernstlich diskutiert wird diese Option bei Rundfunklizenzen eigentlich nicht. Für diesen Abschnitt können wir festhalten: Die Tatsache, dass es physikalisch nur eine beschränkte Zahl an Sendefrequenzen gibt, führt dazu, dass diese in irgendeiner Form verteilt werden müssen. In einem marktwirtschaftlichen System würde diese Verteilung über den Markt und den Preismechanismus erfolgen; in der Realität jedoch erfolgt sie in der Regel über staatliche Eingriffe. Woran liegt das? Wenden wir uns nun einer weiteren Begründung zu, warum Medienunternehmen anders behandelt werden als Eisverkäufer. Es geht um Politik.
1.9â•…Die politische und gesellschaftliche Bedeutung von Medien Jetzt haben wir eine Menge Argumente kennengelernt, warum Medienunternehmen keine Eisbuden sind: Die besondere Produktionsstruktur (hohe Fixkosten, NichtRivalität im Konsum) und die mangelnden Ausschlussmöglichkeiten vom Konsum
1.9 Die politische und gesellschaftliche Bedeutung von Medien
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führen dazu, dass der Preismechanismus in seiner Funktionsfähigkeit beeinträchtigt ist. Die Tendenz zu natürlichen Monopolen führt zu mangelndem Wettbewerb, die Nicht-Ausschließbarkeit im Konsum kann dazu führen, dass es den Medienunternehmen nicht möglich ist, einen Preis von ihren Kunden zu verlangen. Hinzu kommt noch das Problem, dass es nicht genügend Sendefrequenzen gibt, so dass diese in irgendeiner Form auf die Rundfunkanbieter verteilt werden müssen. Das klingt nach einigen guten Argumenten für staatliche Eingriffe, oder? Aber wenn Sie gut aufgepasst haben, so könnten Sie zu dem Schluss kommen, dass nicht alle diese Argumente staatliche Eingriffe rechtfertigen. Wir haben gesehen, dass die Nicht-Ausschließbarkeit im Konsum nicht verhindert, dass Rundfunk angeboten wird: Der Rundfunk wird über Werbung finanziert, und durch die Hintertür der hohen Einschaltquoten, auf welche die Unternehmen setzen müssen, um erfolgreich zu sein, wird das Votum der Konsumenten berücksichtigt. Ebenso ist bei der Vergabe der Frequenzen Vorsicht geboten: Auch andere Unternehmen müssen knappe Produktionsmittel erwerben und tun das über den Markt. Das einzige, was wirklich erforderlich ist, ist eine Verwaltung der Frequenzen in dem Sinne, dass jeder Produzent (jedes Unternehmen) auch nur auf der Frequenz sendet, die ihm zugewiesen wurde. Frequenzen sind knappe Güter, bei ihnen gilt das Ausschlussprinzip, so dass sie grundsätzlich wie alle anderen Waren gehandelt werden können. Der einzige Unterschied: Frequenzen gehören a priori niemandem. Sobald man aber das Eigentumsproblem gelöst hat (der Staat eignet sich die Frequenzen an), hat man jemanden, der diese Frequenzen verkaufen und überwachen kann, ob der Käufer auch nur auf dieser Frequenz sendet. Das Beispiel mit der Auktion zeigt, dass Frequenzen – hat man einen Besitzer auserkoren – wie jedes andere Gut gehandelt werden können. Ein wesentlicher Grund für die Sonderbehandlung bei der Frequenzvergabe ist ein politischer und führt uns direkt zu einem wesentlichen Punkt in der Mediendiskussion: Die Rolle der Medien als politische Instrumente. Das wichtigste Merkmal, das Medienmärkte von anderen Märkten unterscheidet, ist deren politische Funktion. Medien sollen die Kommunikation zwischen den Regierenden und den Regierten und allen Mitgliedern der Gesellschaft ermöglichen und damit einen Beitrag zur gesellschaftlichen Willens- und Entscheidungsbildung leisten. Im Einzelnen lassen sich folgende Funktionen von Medien unterscheiden, die man von ihnen einfordert: Medien haben eine Informationsfunktion, d.€h. sie sollen alle wichtigen Informationen umfassend, ohne Verzögerung und möglichst objektiv an die interessierte Öffentlichkeit weiter leiten. Zudem sind Medien am Meinungsbildungsprozess beteiligt, indem sie Nachrichten auswählen und kommentieren. Im Rahmen dieser Tätigkeit sollen Medien auch Fragen aufgreifen, Interessen artikulieren und verschiedenen Interessengruppen ermöglichen, sich in der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen. Zudem sollen sie das politische Geschehen kritisch begleiten und kommentieren, um der Öffentlichkeit eine begründete Meinungsbildung zu ermöglichen. Oftmals haben Medien sich in dieser Funktion erhebliche Meriten erworben, beispielsweise indem sie politische Skandale aufgedeckt haben. Um aber unabhängig über das politische Geschehen zu berichten, muss sichergestellt werden, dass Medien möglichst keiner politischen Beeinflussung unterliegen – eine Forderung, deren Umsetzung sich schwierig gestaltet, wie wir noch sehen werden.
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Bedenkt man Forderungen an Medien, so lassen sich einige Anforderungen an die Ausgestaltung einer Rundfunkordnung ableiten. Eine wichtige Anforderung ist die bereits angesprochene Staatsferne: Je weniger der Staat in den Medienmarkt eingreift und den Unternehmen vorschreibt, was sie zu berichten haben, um so größer sind die Freiheiten der einzelnen Medienunternehmen. Die zweite Forderung an eine Medienordnung ist die nach ausreichender Vielfalt an Themen und Meinungen in der Berichterstattung, kurz Pluralität genannt. Das funktioniert aber nur, wenn auf dem Medienmarkt ausreichend Wettbewerb besteht – also genügend verschiedene Medienunternehmen ihre Dienste anbieten. Das kann unter Umständen, wie wir bereits festgestellt haben, aufgrund der Besonderheiten in der Produktion schwierig werden. Inwieweit bei den einzelnen Medien ausreichend Wettbewerb vorhanden und möglich ist, werden wir uns bei der Betrachtung dieser Medien näher ansehen. Dabei müssen wir die Frage diskutieren, ob Wettbewerb in den einzelnen Medienbereichen wirklich dazu führt, dass ausreichend Pluralität gewährleistet ist. Ist dies nicht der Fall, so benötigen wir ein öffentlich-rechtliches Rundfunkwesen. Es wird noch ein weiteres Argument für die Ausnahmestellung des Mediensektors und damit für öffentlich-rechtliche Sender angeführt: Medien leisten einen Beitrag zur kulturellen und allgemeinen Bildung und gelten damit als sogenanntes „meritorisches Gut“ (vergleichen Sie noch einmal mit Box€1.3). In diesem Zusammenhang muss man vor einem Fehler warnen: der Verwechslung von Meritorik und externen Effekten. Externe Effekte entstehen, wenn das Handeln einer Person A Folgen für eine andere Person B hat, ohne dass diese Folgen Eingang in das Kalkül von A finden. Ein Beispiel: Wenn ein Fabrikunternehmen seine Produktion billiger gestalten kann, indem es Schadstoffe in die Luft ablässt, so hat dies negative externe Effekte auf die Anwohner der umliegenden Gegend, nämlich schlechtere Luft. Aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive kommen zu viele Schadstoffe in die Luft, weil der Nutzen, den der Produzent aus seinem Handeln zieht, geringer ist als die Nutzeneinbußen, welche die Anwohner hinnehmen müssen. Das ist ein so genannter negativer externer Effekt und ein klarer Fall für einen wirtschaftspolitischen Eingriff. Ein positiver externer Effekt ergibt sich zum Beispiel durch einen Impfschutz. Je mehr Personen geimpft werden, umso geringer wird die Ansteckungsgefahr für die gesamte Gesellschaft. Externe Effekte rechtfertigen in der Regel einen staatlichen Eingriff, da ansonsten das gesamtgesellschaftliche Wohlfahrtsoptimum verfehlt wird.6 Will man aber zwischen meritorischen Gütern und externen Effekten unterscheiden, so bilden meritorische Güter im Grunde genommen einen Restposten: Es handelt sich dabei um all jene Güter, bei denen der Staat aufgrund normativer, gesellschaftlich bedingter Werturteile eingreifen möchte. Meritorische Güter sind einfach Güter, die der Staat für gut und förderungswürdig hält, ohne dass es dafür einer näheren Begründung bedarf. Diese Argumente treffen recht gut für die Grundversorgung der Gesellschaft mit Kultur: Aus ökonomischer Sicht ist es zumindest fragwürdig, wie man bei Fernsehspielen, Theateraufführungen oder Musiksendun6╇ Wer mehr darüber wissen möchte, sei auf Lehrbücher für Volkswirte verwiesen; speziell in der Umweltökonomie setzt man sich mit diesem Problem intensiv auseinander.
1.10 Der Zug der Lemminge: Netzwerkeffekte
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gen externe Effekte erkennen kann. Ob es nun mehr oder weniger Musiksendungen gibt – aus ökonomischer Perspektive sind keine wohlfahrtsverändernden Effekte zu erkennen, solange die Musiksendungen auf einem freien Markt nachgefragt oder angeboten werden. Natürlich lässt sich (fast) immer über eine hinreichend lange Argumentationskette ein positiver externer Effekt konstruieren, doch ist fraglich, ob der Ertrag aus diesen recht zweifelhaften externen Effekten auch den Aufwand rechtfertigt, der betrieben wird, um sie zu erreichen. Das muss nicht bedeuten, dass man die Förderung solcher Güter ablehnt oder dass der Staat den Bürgern seine Vorstellungen nicht mit Nachdruck nahebringen darf, doch man muss so ehrlich sein und zugeben, dass es sich hier um Werturteile handelt – eine zwingende ökonomische Begründung für die staatliche Förderung meritorischer Güter gibt es nicht. Das sind die meritorischen Güter: Der Staat fördert bestimmte Dinge, weil er möchte, dass es diese gibt. Als letztes Argument für den staatlichen Eingriff kann man auch ein Verteilungsargument nennen: So solle es jedem Bürger möglich, am öffentlichen Leben teilzunehmen, indem er Rundfunk empfangen kann. Damit kann man einverstanden sein, doch rechtfertigt dies staatlichen Rundfunk? Es wäre genau so möglich, dass der Staat den bedürftigen Mitbürgern Transfers zukommen lässt, welche diese für ihren Rundfunkkonsum verwenden können. Zudem gibt es doch private Rundfunksender, welche ihr Programm ohne Entgelt zur Verfügung stellen. Diese Palette der Argumente soll vorerst ausreichen, sie werden bei der Diskussion um das Für und Wider des öffentlichen Rundfunks später noch einmal aufgegriffen. Lassen Sie uns zum Abschluss dieses Kapitels noch auf eine weitere Besonderheit blicken, die Ihnen im Mediengeschäft begegnen wird: Netzwerkeffekte.
1.10â•… Der Zug der Lemminge: Netzwerkeffekte Haben Sie noch Ihr altes Video-2000-Gerät?╇ Erinnern Sie sich noch an Video 2000 oder Betamax? Das sind oder waren Videosysteme, die es in Zeiten gab, als Videorecorder ein noch relativ junges Produkt waren. Damals gab es drei verschiedene Systeme, mit denen man Videocassetten abspielen konnte: VHS, Betamax und Video 2000. Das war mühselig: Wenn man sich von Freunden einen Film ausleihen wollte, so ging das nur, wenn diese über das gleiche Abspielsystem verfügten; und in den Videotheken hatte man selten die freie Auswahl; der Film, den man gerne sehen wollte, war oftmals nicht in dem Abspielformat vorhanden, das man benötigte. Auch die Filmindustrie fand das nicht witzig, musste doch jeder Film, den man als Video vermarkten wollte, in drei verschiedenen Kassettenformaten hergestellt werden, wenn man alle potenziellen Zuschauer erreichen wollte. Schauen wir heute auf den Markt für Videosysteme, so stellen wir fest, dass diese sogenannte „Balkanisierung der Systeme“ vorbei ist. Heute gibt es nur noch ein einheitliches System zum Abspielen von Videocassetten, nämlich VHS, von dem einige Leute behaupten, es sei im Vergleich zu den anderen Systemen nicht das technisch beste. Was ist passiert?
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1 Ökonomische Konzepte
Die Besitzer von Betamax- oder Video 2000-Rekordern, die sich alle einen neuen Rekorder zulegen mussten, sind Opfer eines mächtigen Effektes geworden, den Ökonomen als „Netzwerkeffekt“ bezeichnen. Netzwerkeffekte treten überall dort auf, wo der Nutzen eines Gutes steigt, wenn die Anzahl der Nutzer des Gutes zunimmt. Das klassische Beispiel für Netzwerkeffekte ist das Telefon: Wenn A sich ein Telefon kauft, es aber kein weiteres Telefon auf der Welt gibt, so ist es für A völlig nutzlos. Wenn nun B sich ebenfalls ein Telefon kauft, dann steigt der Nutzen des Telefons von A – ohne dass B das beabsichtigt hätte oder dafür belohnt wird. Eine klassische Externalität: B kauft ein Telefon, und steigert dadurch den Nutzen von A (dessen Telefon hat für ihn nun wesentlich mehr Nutzen), ohne dass B das wollte oder dafür gar entschädigt wird. Das ist der Trick bei Netzwerkgütern: Je mehr Personen ein Telefon (das Netzwerkgut) besitzen, umso höher wird der Nutzen des Telefons für alle Besitzer von Telefonapparaten. Denn jeder weitere Benutzer eines Telefons erhöht den Personenkreis derer, die man per Telefon erreichen kann, und damit auch den Nutzen des eigenen Telefons. Genau das ist auch bei Videorekordern passiert: Ab einem bestimmten Zeitpunkt war die Anzahl der Filme, die man sich für VHS-Rekorder ausleihen konnte, größer als bei den anderen Systemen. Das hatte zur Folge, dass jeder, der sich einen neuen Videorekorder anschaffen wollte, natürlich einen VHS-Rekorder wählte – wegen der größeren Auswahl bei den Filmen, nicht wegen der technischen Überlegenheit des Systems. (Zudem gab es immer mehr Freunde, die ebenfalls VHS hatten und mit denen man so Filme austauschen konnte.) Je mehr die Anzahl der Besitzer von VHS-Rekordern stieg, um so attraktiver wurden diese auch für alle Besitzer und potenzielle Neubesitzer dieser Rekorder, da man jetzt ja noch mehr Filme darauf abspielen konnte. Auch für die Filmfirmen wurde VHS immer attraktiver, sie begannen, ihre Filme nur noch auf VHS zu vermarkten, denn hier war schließlich der größere Käuferkreis. Das ganze funktionierte auch umgekehrt: Je weniger Personen einen Video 2000- oder einen Betamax-Rekorder hatten, um so weniger lohnte es sich für die Firmen, ihren Film für diese Systeme zu produzieren, und um so geringer wurde die Auswahl an Titeln für diejenigen, die den Kauf eines solchen Rekorders erwogen. Schließlich passierte etwas, das für Netzwerkeffekte typisch ist: Ab einem bestimmten Punkt wurden die Vorteile von VHS so offensichtlich, dass jeder Neukäufer sich für VHS entschied und Video 2000 sowie Betamax der Erinnerung anheim fielen. Das Endergebnis ist auch für Netzwerkeffekte typisch: Nur ein System hat überlebt. Und noch etwas Typisches von Netzwerkeffekten: Wie Sie gesehen haben, muss sich nicht unbedingt das technisch beste System durchsetzen; wer den Krieg der Systeme gewinnt, ist oftmals von ganz anderen Faktoren abhängig. Sobald der Kreis der Nutzer eines Systems einen bestimmten Punkt überschritten hat, ist der Nutzenvorsprung, den dieses System bietet, so groß, dass es eine Sogwirkung entwickelt und beständig neue Nutzer anzieht. Das Gewirr verschiedener Systeme ist im Videorekorder-Beispiel vielleicht noch zu verschmerzen, aber in anderen Bereichen könnte man es sich kaum leisten, auf längere Dauer unterschiedliche Systeme nebeneinander zu belassen; denken Sie einmal an Steckdosen oder Übertragungstechnologien in der Telekommunikation. Ein Nebeneinander verschiedener Syste-
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me könnte dazu führen, dass der Nutzen des Stroms oder des Telefons sehr gering werden würde – Sie bräuchten für ihren Föhn Gott weiß wie viel verschiedene Adapter, und wenn Ihre bessere Hälfte nicht das gleiche Telefonsystem benutzt wie Sie, dann gibt es Kommunikationsprobleme. Das ist ein wichtiger Punkt bei Netzwerkgütern: Sie entfalten ihren vollen Nutzen nur, wenn sie auf eine einheitliche, genormte Technologie zurückgreifen können oder die verschiedenen Technologien untereinander vollständig kompatibel sind. Falls letzteres nicht möglich ist, muss ein gemeinsamer Standard her. Wie dieser Standard entsteht, ist im Grunde genommen egal: Ob er sich wie bei den Videosystemen im Wettbewerb herausschält oder aber durch den Staat oder durch gemeinsame Vereinbarungen der Produzenten festgelegt wird, spielt für den Erfolg des Netzwerkgutes keine Rolle. Auf welchem Weg jedoch auch der technisch beste und ökonomisch günstigste Standard durchgesetzt wird, ist allerdings fraglich. Wie Sie später noch sehen werden, spielen Netzwerkeffekte bei Medien eine nicht zu unterschätzende Rolle, da sie den Erfolg oder Misserfolg eines Mediums erklären können. Eine wichtige Standardisierungsentscheidung beispielsweise bei Rundfunksendern ist die Entscheidung für Übertragungstechniken, Empfangsgeräte und Sendenormen. Erst wenn man sich geeinigt hat, in welchem Format Sendungen produziert werden sollen, wie die Sendegeräte beschaffen sind und welches Verfahren der Übertragung man wählt, erreicht man das potenziell größtmögliche Publikum. Was nützt Ihnen der teuerste Fernsehfilm, wenn die Hälfte der Zuschauer ihn nicht ansehen kann, weil sie ein anderes Empfangsgerät hat? In den Anfängen des Rundfunks war das noch ziemlich einfach: Da Rundfunk eine staatliche Angelegenheit war (ein paar der Gründe dafür haben wir bereits kennengelernt), setzte der Staat den Standard, und als die privaten Sender starteten, hatten sie keine andere Wahl, als zu akzeptieren. Doch wenn Sie zum Beispiel an den Streit um eine einheitliche sogenannte Settop-Box für den Empfang von Pay-TV denken, wird rasch klar, dass hier ein Netzwerkproblem vorliegt. Wenn verschiedene Pay-TV-Sender unterschiedliche Settop-Boxen zur Entschlüsselung ihrer Programme verwenden, dann wird kaum ein Zuschauer bereit sein, sich 12 verschiedene Boxen zuzulegen und auf seinem Pantoffelkino dekorativ zu platzieren – von den Kosten ganz zu schweigen. Eine Box, die alle Sender dekodiert, ist da schon konsumentenfreundlicher und billiger. Eine andere Standardisierungsfrage erhebt sich beispielsweise bei den Fernsehnormen PAL und Secam (das können Sie in Box€1.13 nachlesen). Ein weiterer heißer Kandidat für Netzwerkeffekte ist das Internet. Erst der Anstieg der Nutzerzahlen machte das Netz der Netze auch für Laien und Geschäftsleute interessant, da sich jetzt genügend Kunden und Gleichgesinnte im Netz tummelten, deretwegen sich der Ausflug ins Netz lohnte. Gleiches gilt für Betriebssysteme: Die Anzahl der Anwendungsprogramme, die auf einem bestimmten Betriebssystem laufen, hängt vor allem von der Zahl der potenziellen Nutzer dieser Programme ab. Und die wird wahrscheinlich bei dem Betriebssystem am größten sein, das die weiteste Verbreitung aufweist. Und je mehr Programme auf einem Betriebssystem laufen, desto attraktiver wird das Betriebssystem für potenzielle Neueinsteiger. Diese Argumente erklären auch den erstaunlichen Erfolg mancher Medien, die sich innerhalb kürzester Zeit etablieren konnten: Ist einmal eine bestimmte kritische An-
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zahl von Nutzern erreicht, so wird der Nutzen des Mediums für mögliche Neueinsteiger immer größer – und damit auch der Anreiz, in das Medium einzusteigen. Bedenken Sie nur einmal, wie rasch sich Mobiltelefone verbreitet haben. Auch der Misserfolg mancher Medien lässt sich damit erklären: Gelingt es nicht, eine kritische Masse an Nutzern zu gewinnen, so kann sich das Medium nicht entfalten. Ein Beispiel: Das Satellitentelefon Iridium. Zu den fehlenden Nutzern kam hier auch noch die fehlende Möglichkeit, über die uns bereits bekannte Fixkostendegression die Kosten zu senken und mit Preissenkungen weitere Nutzer zu gewinnen. Es ist ein Teufelskreis. Ein Problem von Netzwerkeffekten kann darin liegen, dass sich nicht die technisch beste Lösung durchsetzt, sondern die Lösung des finanzkräftigsten oder marktmächtigsten Anbieters, oder aber die Lösung des ersten Anbieters, der einen so genannten first mover advantage hat: Ist man als erster Anbieter am Markt, so kann man die kritische Masse an Nutzern einsammeln, noch bevor sich diesen eine Alternative bietet. Bis die Konkurrenz an den Markt kommt, ist der bereits verlaufen – der Erstanbieter hat dann so viele Kunden, dass jeder Neukunde sich für dessen System entscheiden wird. Ob allerdings die beste Technologie durch staatlichen Erlass gefunden werden kann, ist zweifelhaft. Box 1.13: Fernsehnormen╇ Bei der Übertragung von Fernsehbildern muss man sich darauf einigen, welches Format übertragen werden soll. In Europa weit verbreitet ist die PAL-Norm, welche Fernsehbilder im Verhältnis 4:3 überträgt – Breite und Höhe des Bildes stehen im Verhältnis von 4 zu 3. In osteuropäischen Ländern und in Frankreich war Secam die Fernsehnorm. Da Fernseher nur eine Norm verarbeiten können, konnten Besitzer eines PALGerätes keine Sendungen empfangen, die in Secam übertragen werden. Da in der ehemaligen DDR aber viele Bürger trotzdem West-Fernsehen empfangen wollten, gab es dort oft sogenannte Mehrnormempfänger, die beide Fernsehnormen empfangen konnten. PAL-Geräte können auch die neue Fernsehnorm PAL-Plus, die eine Übertragung von Bildern im Format 16:9 ermöglicht, empfangen – allerdings mit Trauerbalken. Normierung spielt auch eine wichtige Rolle bei der Ausstrahlung hochauflösender Fernsehbilder, dem so genannten high definition TV (HDTV), das eine bessere Auflösung des Fernsehbildes, also schärfere Bilder, ermöglicht. Da HDTV aber eine zu große Bandbreite im Frequenzspektrum beanspruchen würde, bietet sich als Ausweg an, das Fernsehbild zu digitalisieren. Der Nachteil: Heutige Fernsehgeräte können digitale Sendungen nicht empfangen, ein Umsteigen auf HDTV würde also für alle Besitzer eines Fernsehapparates ein neues, teures Fernsehgerät oder zumindest ein Zusatzgerät erfordern – ein nicht unerhebliches Hindernis bei der Einführung einer neuen Norm. Ein weiteres Problem der Netzwerkeffekte besteht darin, dass es hier leicht zu Monopolen kommen kann; denn im Extremfall lässt dieser Effekt nur eine Technologie zu. Der monopolistische Anbieter kann dann den Preis frei wählen und zudem seine
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Marktmacht auch auf andere Geschäftsfelder übertragen. Letzteres ist genau das, was die amerikanischen Kartellbehörden dem Softwareunternehmen Microsoft vorwerfen. Fazit: Wo Netzwerkeffekte existieren, lauern riesige Wachstumspotenziale, aber auch wettbewerbliche Probleme. Denen wollen wir uns nun noch kurz zuwenden.
1.11â•… Wettbewerb in der Medienbranche Aus den vorherigen Ausführungen wissen Sie, dass marktwirtschaftliche Systeme äußerst leistungsfähig sind, wenn es beispielsweise darum geht, Knappheiten zu beseitigen oder die Produktion einer Volkswirtschaft entsprechend der Bedürfnisse der Konsumenten auszurichten. Doch damit dieses System funktioniert, bedarf es unbedingt eines ausreichenden Wettbewerbes, der das Entstehen einzelner Machtpositionen verhindert. Wettbewerb ist kein Selbstzweck, sondern soll mehrere Funktionen erfüllen. Einige davon haben wir schon kennen gelernt: Wettbewerb soll, indem er eine freie Preisbildung ermöglicht, dafür sorgen, dass sich das Angebot entsprechend den Vorlieben der Konsumenten zusammensetzt. Die Konsumenten signalisieren mit ihrer Bereitschaft, einen bestimmten Preis zu zahlen, was sie wünschen. Und diese Bereitschaft verrät dem Produzenten, wo er mit Gewinnen produzieren kann, das lenkt die gesamtwirtschaftliche Produktion in die aus Sicht der Konsumenten bestmögliche Verwendungsrichtung. Unter Ökonomen wird diese Funktion auch als Steuerungsfunktion des Wettbewerbs bezeichnet. Wenn Wettbewerb herrscht, werden sich die Anbieter von Medien bemühen, ihre Inhalte gemäß den Wünschen der Zuschauer oder Leser zu gestalten. Zugleich sorgt Wettbewerb dafür, dass die Produktionsfaktoren so produktiv wie möglich verwendet werden – wenn ein Produzent nicht sparsam wirtschaftet, muss er teurer als die Konkurrenz anbieten und wird damit aus dem Markt ausscheiden. Ein Produzent, der überleben will, muss sparsam wirtschaften und kann entsprechend billig anbieten. Ökonomen bezeichnen das als Allokationsfunktion des Wettbewerbs. Wenn Wettbewerb herrscht, werden die Sender oder Zeitungen darauf verzichten, dem Intendanten oder dem Herausgeber eine Dienstvilla im Tessin zu bezahlen; Wettbewerb verhindert Verschwendung. Wettbewerb sorgt auch, wie wir bereits gesehen haben, für einen Ausgleich von Angebot und Nachfrage. Zudem soll Wettbewerb vor der Entstehung von wirtschaftlicher Macht schützen – solange es Konkurrenz gibt, kann ein Produzent keine Wucherpreise verlangen. Ihre Zeitung kostet auch deswegen nicht 100€€, weil es Konkurrenzzeitungen gibt. Wettbewerb schützt vor publizistischer Macht und sichert die Vielfalt an Themen und Meinungen – je mehr Programme und Zeitungen, umso mehr Meinungen werden publiziert und um so leichter ist es, die Forderung nach Pluralismus zu erfüllen. Doch Wettbewerb hat auch eine in die Zukunft gerichtete Funktion: Da ein Produzent zumindest temporär Gewinne erwirtschaften kann, wenn er eine Neuheit – sei es ein kostensparenderes Produktionsverfahren oder ein neues Produkt – entwickelt, sorgt Wettbewerb dafür, dass die Produzenten stets bemüht sein werden,
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innovativ zu sein. Das ist die dynamische Funktion von Wettbewerb: Indem er den Produzenten Belohnungen dafür verspricht, wenn sie innovativ sind, sorgt er für technischen Fortschritt und damit verbunden steigenden Wohlstand. Wenn ein Sender ein neues Sendeformat entwickelt, das besonders gut bei den Zuschauern ankommt, wird er mit hohen Einschaltquoten und mit steigenden Werbeeinnahmen belohnt – jedenfalls so lange, bis sich Nachahmer finden. Das erklärt zumindest teilweise die Jagd nach Enthüllungsgeschichten: Wer Sensationen ausgräbt, hat einen Vorsprung vor anderen Medien, kann sich der Aufmerksamkeit der Bürger gewiss sein und damit höhere Einschaltquoten oder steigende Abonnentenzahlen verbuchen. Wettbewerb im Mediensektor sorgt damit auch für politische Hygiene. In den vorherigen Kapiteln haben wir bereits gesehen, dass es im Mediensektor zahlreiche Hindernisse für funktionierenden Wettbewerb gibt. Nichtsdestoweniger gibt es Wettbewerb im Medienbereich: Wettbewerb zwischen den privaten und öffentlichen Rundfunksendern, der von zahlreichen institutionellen Besonderheiten begleitet ist oder Wettbewerb zwischen einzelnen Verlagen. Diese Form des Wettbewerbs wollen wir intramedialen Wettbewerb nennen. Aber untersuchen wollen wir auch den Wettbewerb zwischen den einzelnen Medien, so beispielsweise zwischen Zeitungen und Rundfunksendern. Diese Form des Wettbewerbs wollen wir als intermedialen Wettbewerb bezeichnen. Wie Sie Box€1.14 entnehmen können, ist der Gesetzgeber nicht untätig, wenn es darum geht, funktionsfähigen Wettbewerb sicherzustellen. Die steigende Zahl der Fusionen im Mediensektor macht deutlich, dass dies auch für Medien dringend notwendig ist. Und je mehr die klassischen Medien mit den neuen Medien verschmelzen, umso dringlicher wird die Wettbewerbskontrolle in der Medienbranche, wenn man verhindern will, dass es zu wirtschaftlichen oder publizistischen Machtpositionen bei den alten oder neuen Medien kommt. Um aber Wettbewerb im Mediensektor zu sichern, muss man sich zuerst darüber einig werden, was Wettbewerb ist. Das klingt auf den ersten Blick einfach: Wettbewerb ist das Rivalisieren von Anbietern und Nachfragern um vorteilhafte Geschäftsabschlüsse. Doch wann ist gesichert, dass es wirklich Rivalität um die Geschäftsabschlüsse gibt? Möglicherweise gibt es zu wenig Anbieter, oder aber die Anbieter sprechen sich ab, oder aber einzelne Wettbewerber verwenden unfaire Behinderungs- und Verdrängungspraktiken. Box 1.14: Das GWB╇ Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) von 1957 ist sozusagen das Wettbewerbs-Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und wurde mit dem Ziel geschaffen, Wettbewerbsbeschränkungen jeglicher Art zu vermeiden bzw. zu bekämpfen. Das Gesetz untersagt Unternehmenszusammenschlüsse, wenn diese Wettbewerbsbeschränkungen befürchten lassen, und enthält Vorschriften über die sogenannte Missbrauchsaufsicht bei marktbeherrschenden Unternehmen, mit deren Hilfe man Machtmissbrauch solcher Unternehmen bekämpft. Weiterhin gibt es Vorschriften
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gegen eine unbillige Diskriminierung von Unternehmen, gegen abgestimmte Verhaltensweisen, gegen Aufforderungen zum Boykott sowie ein Verbot von Kartellen, letzteres allerdings mit etlichen Ausnahmetatbeständen. Ein Ausnahmetatbestand ist in Paragraph 30 GWB für die Presse vorgesehen, die so genannte vertikale Preisbindungen vornehmen darf, welche die Abnehmer der Presseerzeugnisse verpflichten, den vom Verlag vorgesehenen Preis zu fordern. Mit dem GWB wurde das Bundeskartellamt geschaffen, das Wettbewerbsbeschränkungen durch Kontrollen oder gegebenenfalls Sanktionen entgegenwirken soll. Daneben gibt es die aus unabhängigen Gutachtern bestehende Monopolkommission, welche die Bundesregierung in wettbewerbspolitischen Fragen berät. Wettbewerb hängt also sicherlich davon ab, wie viel Anbieter es an dem betreffenden Markt gibt. Je mehr Anbieter vorhanden sind, umso unwahrscheinlicher ist es, dass ein einzelner Anbieter zu hohe Preise verlangen oder Konkurrenten behindern kann. Auch die Gefahr formeller oder informeller Absprachen unter den Produzenten zuungunsten der Konsumenten wird mit steigender Anbieterzahl immer unwahrscheinlicher. Doch wie viel Anbieter sind ausreichend, um „genügend“ Wettbewerb zu sichern? Hier kann man eigentlich nur raten, und im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) werden hierzu einige Legalvermutungen angestellt. Zusammenschlüsse müssen bis auf Bagatellfälle gemeldet werden, und wenn sich durch den Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung des Unternehmens bildet, kann dieser Zusammenschluss untersagt werden. Die Vermutung der Marktbeherrschung wird vom Gesetzgeber anhand der Höhe der Umsätze und anhand der Marktanteile der Unternehmen festgemacht. Hat ein Unternehmen einen Marktanteil von mehr als einem Drittel, oder haben 3 Unternehmen zusammen einen Marktanteil von mehr als 50€%, so vermutet der Gesetzgeber, dass Marktmacht vorliegt. Das sind sogenannte Konzentrationsraten (concentration ratios; CR), die aussagen, welchen Gesamtmarktanteil wieviel Unternehmen auf sich vereinen. Eine Konzentrationsrate mit dem Index 3 (CR3) von 0,66 besagt beispielsweise, dass in dem betreffenden Markt drei Unternehmen 66€% des Marktes auf sich vereinen. Solche Konzentrationskennzahlen sind eine formale Erleichterung für den Nachweis von Marktmacht, geben aber keine Garantie, dass auf dem betreffenden Markt wirklich Marktbeherrschung vorliegt. Doch das Konzept, über die Konzentration der Anbieter auf einem Markt das Ausmaß der vorhandenen Marktmacht zu messen, hat zwei Haken. Haken Nummer eins: Ab welcher Konzentrationsrate liegt Marktbeherrschung vor? Jeder der vorgibt, das zu wissen, ist äußerst mutig. Haken Nummer zwei: Was ist der relevante Markt? Konkurriert der Hersteller von Bier nur mit anderen Bierherstellern oder auch mit Winzern oder gar mit den Anbietern von Mineralwasser? Konkurriert der „Spiegel“ mit dem „Lüneburger Tageblatt“, mit der „Zeit“ oder mit „Monitor“?
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Box 1.15: Die Kreuzpreiselastizität╇ Die Kreuzpreiselastizität der Nachfrage soll die Austauschbarkeit von Produkten oder Gütern angeben. Sie gibt an, um wie viel Prozent sich die Nachfrage nach einem Gut ändert, wenn sich der Preis eines anderen Gutes um ein Prozent ändert. Eine Kreuzpreiselastizität von 2 zwischen Zeitung und Videokassetten gibt an, dass bei einer Preissteigerung für Zeitungen um ein Prozent die Nachfrage nach Videokassetten um zwei Prozent steigt. Formal betrachtet wird die Kreuzpreiselastizität definiert als e=
Nachfrageveränderung nach Gut 1 in Prozent Preisänderung von Gut 2 in Prozent
Je höher die Kreuzpreiselastizität ist, umso heftiger reagieren Konsumenten auf eine Preisanhebung bei dem einen Gut, indem sie auf das alternative Gut umsteigen. So dürfte die Kreuzpreiselastizität zwischen zwei verschiedenen Zeitungen höher sein als zwischen Zeitungen und Videokassetten. Die Kreuzpreiselastizität stellt damit ein gutes Instrument dar, um den relevanten Markt abzugrenzen: je höher die Kreuzpreiselastizität zwischen zwei Gütern ist, um so eher betrachten die Nachfrager beide Güter als austauschbar, weswegen man sie einem Markt zurechnen kann. Bei niedrigen Kreuzpreiselastizitäten hingegen lässt sich vermuten, dass die beiden Güter nicht demselben Markt angehören. So dürfte die Kreuzpreiselastizität zwischen Zeitungen und Videokassetten recht gering sein. Im Grunde genommen konkurrieren doch alle Anbieter zusammen um den schmalen Geldbeutel des Konsumenten, der jede Mark nur einmal ausgeben kann. Gibt er sein Geld für eine Zeitschrift aus, so kann er sich weniger Videokassetten leisten. Mit dieser Argumentation würde man allerdings das Kind mit dem Bade ausschütten und sagen, dass es immer Wettbewerb gibt. Das ist eine interessante akademische Frage, doch in der Medienpraxis muss man Antworten auf die Frage finden, wie viel Wettbewerb man unter Medien benötigt. Hier gibt es mehrere Konzepte. In der rechtlichen Praxis geht man von einem so genannten Bedarfsmarktkonzept aus. Dabei wird der relevante Markt so definiert, dass man von einem durchschnittlichen Konsumenten ausgeht und überlegt, welche Möglichkeiten er hat, auf alternative Produkte auszuweichen. Ein Beispiel: Wenn einem Leser die regionale Tageszeitung nicht gefällt, so kann er auf eine überregionale Zeitung ausweichen. Kann er? Sie sehen, dieses Konzept ist auch kein Allheilmittel, die Bestimmung der Austauschbarkeit von Produkten erfordert eine gehörige Portion Augenmaß. Eine andere Möglichkeit, den relevanten Markt zu definieren, besteht darin, von der Angebotsseite auszugehen und zu fragen, inwieweit die verschiedenen Produkte sich in der Herstellung ähneln oder wie rasch andere Produzenten ihr Angebot auf den betreffenden Markt ausdehnen können. Beispielsweise gehören unter dieser Perspektive sicherlich regionale und überregionale Zeitungen zum gleichen Markt,
1.12 Publizistischer versus ökonomischer Wettbewerb
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da sie sich in der Herstellung stark ähneln. Inwieweit aber der Hersteller einer regionalen Tageszeitung auch überregional expandieren kann, steht wieder auf einem anderen Blatt. Sie sehen, auch dieses Konzept ist nicht ohne Tücken. Bis jetzt haben wir nur über Wettbewerb innerhalb der gleichen Branche gesprochen, über horizontalen Wettbewerb. Ein weiteres Problem der Wettbewerbspolitik ist aber auch der Wettbewerb zwischen vor- und nachgelagerten Produktionsstufen, der vertikale Wettbewerb. Was ist beispielsweise davon zu halten, wenn ein Fernsehsender mit zahlreichen Produktionsfirmen kooperiert und den Konkurrenzsendern damit die Möglichkeit nimmt, auf diese Produktionsfirmen zurückzugreifen? Nur wenn es genügend andere Produktionsfirmen gibt ist das kein Problem. Noch wichtiger für die Zukunft der Medien werden diagonale Fusionen, bei denen Unternehmen mit unterschiedlichen Produkten oder unterschiedlichen Absatzgebieten fusionieren. Eine diagonale Fusion ist beispielsweise ein Zusammenschluss zwischen einem Rundfunksender und einem Zeitungsverlag. Mit der zunehmenden Konvergenz der Medien im Zeitalter der Multimedia-Technik, über die wir noch ausführlich reden werden, gewinnt dieser Problemkreis immer mehr an Bedeutung. Bei beiden Formen der Wettbewerbsbeschränkungen – vertikal oder konglomeral – wird es noch schwieriger, zu klären, ob ausreichend Wettbewerb besteht oder der Wettbewerb durch solche Konzentrationsprozesse gefährdet werden könnte. Schwieriger wird die Frage nach Wettbewerb in der Medienbranche durch die besondere gesellschaftliche Rolle, die man Medien zubilligt. Das bringt uns auf die Frage nach dem publizistischen Wettbewerb.
1.12â•… Publizistischer versus ökonomischer Wettbewerb Wie wir bereits erörtert haben, bringt Wettbewerb unter normalen Bedingungen ökonomisch vorteilhafte Ergebnisse. Doch sind diese ökonomisch guten Ergebnisse auch die von uns gewünschten, oder gibt es Folgen des Wettbewerbs, die aus gesellschaftlicher oder publizistischer Perspektive nicht wünschenswert sind? Das ist eine heftige Debatte, nämlich die Frage, ob Wettbewerb im Mediensektor mit den Kriterien publizistischer Qualität kompatibel ist. Folgende Argumente werden vorgebracht, wenn man die Frage diskutiert, ob ökonomischer Wettbewerb auch publizistisch gute Ergebnisse bringt: 1. Da Information ein öffentliches Gut sei, sei die Produktion an Informationen suboptimal. Da keine direkten Preise für Informationen verlangt werden können, werde weniger produziert, als es die Bürger wünschten. Das gilt vor allem für das Gut „Öffentliche Meinung“ bzw. „Meinungsvielfalt“: Da niemand bereit sei, für Meinungsvielfalt zu zahlen, da er ja kostenlos daran partizipieren kann, werde bei Wettbewerb zu wenig Meinungsvielfalt produziert. Die Unterproduktion des Gutes Meinungsvielfalt sei geradezu ein Strukturfehler des Journalismus. 2. Ein wichtiges Argument ist das Marktversagen in Hinblick auf die Produktqualität: Da die Konsumenten nicht in der Lage seien, die Qualität publizistischer
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Inhalte hinreichend zu beurteilen, hätten sie kein Interesse daran, für eine bessere – sprich teurere – Qualität zu bezahlen. Auch für die Produzenten bestehe kein Anreiz, bessere Qualität bereitzustellen, weil ja niemand bereit ist, dafür mehr zu zahlen. Das Ergebnis: Medieninhalte werden in geringerer Qualität hergestellt, als die Kunden eigentlich möchten. 3. Ein weiteres Argument besteht darin, dass für die Produzenten von Informationen Anreize bestehen, Informationen zur Meinungsmanipulation im eigenen Interesse zu missbrauchen. Der Journalist verspricht sich private Zusatzgewinne, die bei entsprechender Verbreitung der Information entstehen können (beispielsweise, indem er entsprechende Wertpapiere positiv vorstellt oder Geschäftsfreunde in der Zeitung belobigt). 4. Auch führe Kostenwettbewerb zu geringerer Qualität: Um Kosten zu sparen, kommt es zu Mehrfachverwertungen und Wiederholungen; Meinungen werden nur kolportiert, anstatt dass Argumente gesammelt werden, gründliche Recherchen unterbleiben, weil sie zu teuer sind. Und weiter: Eigenproduktionen werden zugunsten von Auftrags- und Kaufproduktionen gesenkt; das reduziere die Vielfalt, weil die Produktion dadurch standardisiert wird, und zudem ist die Qualität bei Fremdproduktionen schlechter zu kontrollieren als bei Eigenproduktionen. Das sind eine ganze Menge Einwände gegen den von Ökonomen befürworteten Wettbewerb, aber sind sie denn auch tragfähig? Lassen Sie uns diese Argumente einmal der Reihe nach näher anschauen – auch vor dem Hintergrund der bereits gesammelten Erkenntnisse: • Zu Punkt 1: Dass Informationen öffentliche Güter sind, ist in der Tat richtig; das Argument muss aber relativiert werden. Denn: Die Leute fragen Informationen nach, sonst würden sie nicht dafür bezahlen. Genaugenommen fragen die Leute jedoch nicht die Informationen nach, wenn sie Medien nutzen, sondern die Dienstleistungen dieser Unternehmen: die Auswahl und Zusammenstellung der Informationen, die Bündelung und den Transport. Von diesen Dienstleistungen kann man die Konsumenten zumindest in Grenzen ausschließen, wie wir bereits ausgeführt haben; das erklärt auch, warum Menschen Zeitungen kaufen oder für Pay-TV zahlen. Zwar sind die Informationen öffentliche Güter, doch da sie gesammelt, selektiert und transportiert werden müssen, ist der Raum für Trittbrettfahrer nur begrenzt – vor allem, wenn sie aktuelle Informationen nachfragen. Aber zahlt niemand für Meinungsvielfalt? Mit Sicherheit ja: Diejenigen, die ihre Meinung in den Medien artikuliert haben wollen, zahlen für Meinungsvielfalt. Und mit zunehmendem technischem Fortschritt wird es immer einfacher und billiger, seine eigene Meinung in der Öffentlichkeit zu artikulieren. Und ganz ehrlich: Haben Sie den Eindruck, dass es zu wenig Meinungen in den heutigen Medien gibt? Spätestens mit der Einführung von Blogs gibt es in der Medienwelt so viele Meinungen wie Menschen. Ein weiterer wichtiger Punkt: Was ist eigentlich die „öffentliche Meinung“, wer definiert sie und wer entscheidet, wie viel davon notwendig ist? Diese Fragen machen es schwierig, der Kritik am Wettbewerb ein alternatives Leitbild gegenüberzustellen, das eine öffentliche Meinung garantieren kann oder soll. Genügend öffentliche Meinung dürfte es solange geben, solange es genügend Medien gibt, die in den Händen verschiedener
1.12 Publizistischer versus ökonomischer Wettbewerb
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Unternehmen oder Personen sind. Sollte es dem Staat an öffentlicher Meinung mangeln, so steht es ihm frei, ein Medienunternehmen damit zu beauftragen, „andere“ Meinungen zu transportieren. • Zu Punkt 2: Bei sehr vielen Produkten hat der Konsument das Problem, dass er die Qualität des Gutes nur unzureichend beurteilen kann. Mindestens genau so dramatisch (wenn nicht schlimmer) wie bei Medien ist das zum Beispiel bei Finanzprodukten; die Konditionen sind oftmals so verwirrend, dass ein genauer Vergleich der einzelnen Produkte fast unmöglich ist. Vollkommene Produktund Qualitätstransparenz wird es voraussichtlich nie auf einem Markt geben, und je komplexer die Produkte sind, umso größer werden die Probleme damit sein. Bedeutet das, dass Marktwirtschaft im Grunde genommen nie funktioniert, weil die Kunden nicht über die Qualität entscheiden können und immer Güter in geringerer Qualität hergestellt werden, als die Kunden es eigentlich wünschen würden? Auch hier hilft ruhiges Nachdenken: Ein Mechanismus, mit dem solche Probleme umschifft werden, ist Reputation. Wenn Sie die Qualität eines Produktes nicht hinreichend beurteilen können, dann versuchen Sie, von der Reputation des Herstellers auf die Güte des Produktes zu schließen. Von wem würden Sie ihre Lebensversicherung kaufen: Von der Allianz oder von einem Finanzdienstleister, der auf den Bahamas sitzt und sich „Reich im Schlaf GmbH & Co. KG“ nennt? Und weiter: Wessen Analyse und Information halten Sie beispielsweise für ökonomische Fragen für vertrauenswürdiger? Die einer Zeitung, die hier allgemein als ausgewiesen kompetent gilt und die sie in der Vergangenheit auch als solche erlebt haben oder die einer Boulevard-Zeitung, die Mord und Totschlag auf den Titelseiten führt? Das ist ein wichtiger Punkt beim Argument mangelnder Qualität: Diese Argumentation unterstellt implizit, dass der Kaufakt nur ein einziges Mal stattfindet. Wo aber der Kaufakt (oder im Falle des Rundfunks der Konsumakt) beständig wiederholt wird, verändert sich auch die Anreizstruktur des Verkäufers: er will seine Kunden halten und wird sich deswegen tunlichst um Qualität bemühen, denn der Kunde hat nun ausreichend Zeit, bei wiederholten Kaufakten die Qualität des gekauften Gutes zu überprüfen und gegebenenfalls den Anbieter zu wechseln. Dem halten Kritiker entgegen, dass die Unternehmen probieren werden, durch Einsatz von bewährten Namen oder Moderatoren Qualität vorzuspiegeln, wo keine Qualität vorhanden ist (warum wechselt dann Günther Jauch zur ARD, könnte man da fragen). Doch wie lange kann das funktionieren? Reputation muss man sich hart erarbeiten, doch zerstört ist sie schnell: Das spektakulärste Beispiel dafür sind wohl die legendären Hitler-Tagebücher, deren Vorstellung das Magazin „Stern“ seine Reputation gekostet hat; von diesem Schlag hat sich das Magazin lange nicht erholt. Reputation ist ein wichtiges Gut, das man sich ständig aufs Neue erarbeiten muss. Und so dumm sind die Konsumenten dann doch nicht, oder denken Sie, dass man Sie so leicht übers Ohr hauen kann? Doch nicht nur das spricht dafür, dass Medien Qualität herstellen werden: Gibt es ausreichend Konkurrenz, so werden die Konkurrenten daran interessiert sein, den Kunden klar zu machen, dass die Konkurrenz schlecht gearbeitet hat. Hier zeigt sich auch, wie gefährlich es für ein Unternehmen ist, nachlässig zu arbeiten. Und noch etwas stört an der Argumentation, dass Medien nicht ausreichend Qualität haben: Wer definiert die Qualität der Medien? Gibt es
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1 Ökonomische Konzepte
objektive Qualitätskriterien? Qualität ist immer auch eine Frage der Perspektive; und manche Tatsachenaussage ist im Grunde genommen auch eine Wertung, die nicht unmittelbar empirisch verifiziert werden kann. Und weiter: Im Grunde genommen unterstellt diese Argumentation, dass die Leser oder Zuschauer nicht in der Lage sind, Qualität zu erkennen. Haben wir als Konsumenten wirklich so wenig Urteilskraft? Lassen wir uns so leicht hinters Licht führen? Wissen nur Journalisten, was „wahr“ ist und Qualität darstellt? Wenn die journalistische Qualität eines Mediums schlecht ist, so liegt das mitunter auch an der Qualifikation der Journalisten oder aber ihrer Gesinnung und nicht an dem Umstand, dass Journalisten Qualität nicht produzieren wollen, weil die Kunden nicht bereit sind, dafür zu zahlen. Die Legion der teuren Fachzeitschriften und -magazine zeigt, dass es durchaus Nachfrage nach Qualität gibt, und dass diese auch befriedigt wird. • Zu Punkt 3: In der Tat gibt es für Journalisten und Verleger Anreize, Informationen im eigenen Interesse einzusetzen und darzustellen. Der Verleger mit politischem Sendungsbewusstsein wird seine Zeitung sicherlich nach den eigenen politischen Vorstellungen einsetzen, das ist richtig. Dieses Argument spricht vor allem dafür, für eine größtmögliche Vielfalt an Verlagen bzw. Medien zu sorgen – je mehr Wettbewerber, desto mehr Meinungen und desto mehr Chancen für den Leser oder Zuschauer, zwischen Meinungsmache und Information zu trennen. Dass Journalisten ihren Eigennutz dadurch maximieren, dass sie ihre Aktien empfehlen oder ihre Bekannten groß rausbringen, lässt sich auch am besten durch Wettbewerb im Zaum halten. Bekannt ist beispielsweise die Affäre um einen Redakteur, der in seinem Medium Aktien aus seinem eigenem Depot empfohlen hat – sehr zur Freude der Konkurrenz, die das als hässliche Geschichte um den unliebsamen Mitwettbewerber aufbaute. Sie sehen: Publizistische Hygiene gedeiht am besten bei Wettbewerb. • Zu Punkt 4: Führt Kostenwettbewerb wirklich zu minderer journalistischer Qualität? Natürlich ist Recherche aufwendig, und Expertise hat ihren Preis. Eine Pressemeldung abzuschreiben geht rascher und ist billiger, als die Nachricht selbst zu recherchieren. Zum einen haben wir aber bereits gesehen, dass Wettbewerb und Reputation durchaus Anreize geben, Qualität herzustellen. Kann eine Zeitung durch Qualität nicht ihre Auflage steigern, weil die Leser es ihr nicht glauben, dass sie Qualität liefert? Man kann den Lesern einer Tageszeitung oder den Zuschauern eines Fernsehkanals durchaus zutrauen, sich ein Urteil darüber zu bilden, was journalistische Qualität ist und was nicht; vor allem, wenn sie den betreffenden Sender oder die Zeitung über einen längeren Zeitraum verfolgen. Gibt es dann noch hinreichend Wettbewerber, deren Berichterstattung als kontrastreiches Alternativprogramm zur Verfügung steht, dann muss Kostenwettbewerb nicht zwingend zu minderer journalistischer Qualität führen. Zudem gibt es noch ein gewichtiges Argument: Journalisten können Kosten nicht einfach ignorieren, sondern müssen sich immer fragen, ob der zusätzliche Erkenntnisgewinn durch die Recherche auch die damit verbundenen Kosten rechtfertigt – wenn nicht, so ist das schlichtweg Verschwendung. Man muss nicht wirklich jedem Interviewpartner hinterher reisen, das Telefon tut es manchmal auch.
1.12 Publizistischer versus ökonomischer Wettbewerb
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Tab. 1.4↜渀 Eigenschaften von Informationen Eigenschaft Folgen Nicht-Rivalität im Konsum Führt zu sinkenden Durchschnittskosten der Bereitstellung; erschwert das Angebot exklusiver Güter Sinkende Durchschnittskosten Beliebige Ausweitung des Angebots ohne größere Zusatzkosder Bereitstellung ten möglich; Wettbewerbsprobleme als Folge Begrenzte Haltbarkeit von Aktualität der Informationen als Wettbewerbsfaktor; zeitnahe Informationen Bereitstellung notwendig Informationen sind leicht Informationen können leicht kopiert und weitergereicht reproduzierbar werden; eventuell muss man die Rechte an ihnen schützen lassen Politische und gesellschaftliche Politische Interventionen in der Medienbranche Funktion von Informationen Mindestangebotsmenge Ein Medienunternehmen bündelt Informationen und reichert notwendig sie mit Kommentaren und einordnenden Informationen an
Lassen Sie uns die Diskussion um den Gegensatz zwischen journalistischem und ökonomischem Wettbewerb zusammenfassen: Als publizistische Qualitätskriterien gelten publizistische Vielfalt: Aktualität, Relevanz, Richtigkeit, Ausgewogenheit und Meinungsvielfalt. Das Problem an diesen Kriterien liegt darin, dass sie nicht einwandfrei objektivierbar sind: Was ist aktuell? Wie viel Vielfalt ist notwendig und angemessen? Welche Berichterstattung ist ausgewogen? Welche Nachrichten sind relevant? Wir können ja bei vielen Berichten noch nicht einmal sagen, was richtig ist, da in ihnen viel Meinung und oft auch Prognose („In zwanzig Jahren wird es keine Zeitung mehr geben“) enthalten ist. Journalistische Qualität ist immer eine Frage des persönlichen Blickwinkels. Zwar gibt es in der Tat beim Wettbewerb im Mediensektor einige Besonderheiten, doch gibt es solche oder ähnliche Besonderheiten auch in anderen Branchen, in denen der Wettbewerb funktioniert. Vor allem das Argument der fehlenden Transparenz bezüglich der Qualität unterstellt, dass die Konsumenten der Medien unfähig sind, sich eine eigene Meinung zu bilden. Der Verweis auf den Erfolg von Boulevardmagazinen wirkt da pharisäerhaft: Nur weil viele Menschen diese Art der Berichterstattung mögen, wäre es arrogant, diese Menschen gering zu schätzen oder als ignorant bezeichnen, weil sie nicht die Art von Berichterstattung schätzen, die wir vielleicht mögen. Wer die Menschen von anderen Inhalten überzeugen will, sollte dies mittels seiner Überzeugungskraft tun, nicht mit Hilfe staatlicher Erlasse. Damit sind wir am Ende des ersten Kapitels angekommen. Tabelle€1.4 gibt Ihnen einen Überblick über die Besonderheiten von Informationen. Diese Tabelle fasst zusammen, warum wir uns mit Medienökonomie befassen müssen und die Medienbranche nicht wie andere Wirtschaftszweige behandeln können. Wir werden im weiteren Verlauf des Buches immer wieder auf einzelne Punkte in dieser Tabelle zurückkommen.
Kapitel 2
Printmedien
2.1â•… Geschichte der Presse 2.1.1 Die Anfänge1 Am Anfang war das Wort. Im Falle der Zeitungen waren dies Gesetzestexte, Lieder, Flugblätter sowie politische oder religiöse Rhetorik. Aber die Zeitung ist auch ein Kind der Globalisierung: Mit zunehmender wirtschaftlicher Verflechtung der Städte und Staaten stieg die Nachfrage nach aktuellen Informationen. Frühe Nachrichtenzentren waren vor allem die großen Handelszentren, wo Kaufleute Nachrichten austauschen. Verstetigt wurde dieser Nachrichtenfluss durch die Post, die in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielte. Doch so richtig abgehoben hat das Nachrichtenwesen erst mit der Erfindung des Mannes, den ein amerikanisches Magazin zum Mann des Jahrtausends gekürt hat: Johannes Gensfleisch Gutenberg. Ehre wem Ehre gebührt, doch den Buchdruck hat Johannes Gutenberg nicht erfunden. Bereits im 2. Jahrtausend vor Christus gab es Tontafeln und Ton-Rollzylinder in Babylon, bei den Römern gab es Druckstempel aus Metall und Ton. Auch Bücher wurden schon in Europa gedruckt, allerdings in einem mühseligen Verfahren: Ein Formschneider schnitt aus einem Holzblock eine gesamte Seite samt Abbildungen und Text. Auch bewegliche Lettern kannte man bereits in China etwa im 11. Jahrhundert, was war also so revolutionär an Gutenbergs Erfindung, die er 1440 vollendete? Zum einen erfand er, angeregt von den rheinhessischen Winzern, die Druckpresse, die der Presse als Branche ihren Namen gab. Bedeutsamer war aber die Idee Gutenbergs, ein Gießinstrument zu entwickeln, das die gleichförmige Reproduktion von Druckbuchstaben ermöglichte, die er aus einer speziellen Legierung aus Blei, Wismut, Zinn und Antimon goss, wodurch sie wesentlich haltbarer waren als die Tonstempel. Gutenbergs Erfindung ermöglichte die Massenproduktion beweglicher Lettern und machte damit den Buchdruck mit beweglichen Lettern 1╇ Die Ausführungen in diesem und dem folgenden Abschnitt stützen sich auf das ausgezeichnete Buch von Rudolf Stöber (2000): Deutsche Pressegeschichte. Einführung, Systematik, Glossar. UVK Medien Verlagsgesellschaft, Konstanz.
H. Beck, Medienökonomie, DOI 10.1007/978-3-642-18132-0_2, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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2 Printmedien
praktikabel. Experten sagen, dass Gutenberg auf diesem Weg auch die Ebenmäßigkeit der Schrift zu perfektionieren suchte, doch die ökonomischen Vorteile seines neuen Verfahrens müssen ihm bewusst gewesen sein, wie sein Bibelprojekt zeigt (Vergleichen Sie bitte Box€2.1). Box€ 2.1: Gutenbergs Bibelprojekt╇ Im Jahr 1452 begann Gutenberg mit dem Druck einer Bibel, die im Herbst 1454 fertig war. Schätzungen gehen davon aus, dass der reale Zeitbedarf, um insgesamt 180 Bibeln zu drucken, 13,5 Monate betrug; ein mittelalterlicher Kopist hingegen benötigte für eine Bibel je nach Aufwand 12 bis 36 Monate. Die Gewinnspanne Gutenbergs wird nach Abzug der Investitionskosten auf etwa 236€% geschätzt. Im Schnitt kalkulierten Buchdrucker und -händler mit Margen von 50€% des Umsatzes. Drucker und Druckergesellen waren im 16. und 17. Jahrhundert wohlhabende Leute. Doch wo Geld ist, ist auch Ärger: Ein Jahr nach der Fertigstellung der Bibel wurde Gutenberg von seinem Geschäftspartner und Geldgeber, dem Makler Johannes Fust, auf Rückzahlung eines Teils der geliehenen Gelder verklagt. Mit Gutenbergs Erfindung war der Weg zur Massenproduktion von Druckerzeugnissen fast frei. Hinzu kamen noch zwei weitere Umstände: Die Preise für Papier, das Papyrus und Pergament als Material für den Druck zunehmend ablöste, fielen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts auf ein Siebtel bis ein Neuntel des Preises von 1450 (näheres erfahren Sie in Box€2.2). Damit wurde das Drucken noch billiger. Hinzu kam, dass das mittelalterliche Ausbildungssystem die Verbreitung der neuen Techniken begünstigte: Die wandernden Gesellen trugen die neue Kunst in alle Welt hinaus, und da die Buchdruckerkunst anfangs eine freie Kunst war, also frei von zünftischen Regeln, konnten sich die wandernden Gesellen auch dort niederlassen, wo es ihnen gefiel. Box 2.2: Papier, Papyrus und Pergament╇ Papyrus wird aus dem Mark der Papyrusstaude hergestellt. Das Mark der Staude wird in Streifen geschnitten, die Streifen werden in Form eines Gitters in drei Schichten übereinandergelegt, eingeweicht, verklebt und getrocknet. Der Nachteil von Papyrus: es ist feuchtigkeitsempfindlich und nicht so haltbar wie Pergament, das aus enthaarten, geglätteten, gegerbten und getrockneten Fellen von Kälbern, Schafen oder Ziegen hergestellt wird. Pergament ist aber in der Herstellung wesentlich teuerer als Papyrus. Papier war billiger als die beiden Alternativen und zudem auch überall herstellbar. Es wird aus einem zerstampften Faserbrei hergestellt, der zu Blättern gepresst und getrocknet wird. Die Chinesen, die das Papier erfunden haben, verwendeten vor allem Baumwolle, in Europa verwendete man anfangs Hanf, Flachs oder Kleiderlumpen, die zerkleinert und eingeweicht wurden; später verwendete man Holzschliff. Da der Wasser-
2.1 Geschichte der Presse
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verbrauch bei der Papierherstellung recht hoch war und Wasser zudem eine ideale Antriebsquelle für die Schneidewerkzeuge war, standen die Papiermühlen zumeist in der Nähe von Flüssen. Mit neuen Produktionsmitteln, welche die Arbeit beschleunigten und billigeren Produktionsfaktoren war der Weg für das gedruckte Wort frei. Dieser technische Fortschritt führte zu dem, was Ökonomen Strukturwandel nennen: Arbeit und Kapital – also Maschinen – wurden neu kombiniert und in anderen Relationen eingesetzt. Die gleiche Menge Bücher konnte nun mit weniger Arbeit hergestellt werden, indem man mehr Maschinen einsetzte. Lassen Sie uns diesen Gedanken einmal mit Hilfe eines Griffes in den ökonomischen Werkzeugkasten etwas näher analysieren. Wie findet ein Produzent eigentlich die optimale Kombination von Produktionsfaktoren? Soll er mit 20 Arbeitern und einer Maschine oder mit 10 Maschinen und einem Arbeiter produzieren? Um diese Frage zu klären, müssen wir kurz ein paar kleine ökonomische Konzepte kennenlernen. Box€ 2.3 gibt Ihnen Aufschluss darüber, wie ein Produzent seine Produktion so plant, dass er mit einem gegebenen Budget die größtmögliche Menge herstellen kann. Wem das zu hoch ist, muss das nicht lesen, wir werden zwar im weiteren Verlauf noch einmal auf dieses Konzept zurückgreifen, doch alle Argumente lassen sich auch ohne die in Box€2.3 gewählte Darstellungsform verstehen – sie soll Ihnen das Leben erleichtern, nicht erschweren (wenn Sie genau hinschauen, werden Sie merken, dass die Konstruktionsprinzipen exakt die gleichen sind wie bei den Ausführungen zur optimalen Nachfrage in Abschn.€1.4; lediglich die Bezeichnungen der Kurven und Geraden haben sich verändert). Box 2.3: Optimale Produktion╇ Die gebogene Linie in der untenstehenden Abbildung ist eine sogenannte Isoquante. Die Grundüberlegung dieser Kurve besteht darin, dass man mit – vereinfacht angenommen – zwei Produktionsfaktoren, in unserem Fall Arbeit und Maschinen, ein Produkt herstellt. Nun lassen sich die beiden Produktionsfaktoren zumindest in Grenzen so gegeneinander austauschen (↜substituieren), dass man mit unterschiedlichen Kombinationen von Arbeitern und Maschinen den gleichen Ertrag – also beispielsweise die gleiche Anzahl an Zeitungen – herstellen kann. Eine Bewegung auf der Kurve in der untenstehenden Abbildung von links oben nach rechts unten bedeutet also, dass man die Anzahl der Arbeiter reduziert und die gleiche Anzahl von Zeitungen dadurch weiterhin herstellen kann, indem man im Gegenzug die Anzahl der Druckmaschinen erhöht. Arbeit wird also gegen Maschinen substituiert. Auf einer Isoquante liegen alle möglichen Kombinationen von Arbeits- und Maschineneinsatz, die den gleichen Ertrag bringen. Je nachdem, in welchem Verhältnis sich die beiden Produktionsfaktoren gegeneinander austauschen lassen, ohne dass man den Ertrag verändert, hat die Isoquante eine andere Form.
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Dabei wird sich diese Austauschbeziehung je nach Produktionspunkt ändern: Hat man viele Arbeiter und wenige Maschinen, wird man gegen eine Maschine viele Arbeiter austauschen können, die Kurve wird steil verlaufen. Doch je mehr Maschinen man hat, umso weniger Arbeiter kann man im Gegenzug einsparen, wenn man auf eine weitere Maschine verzichtet (denken Sie an das Ertragsgesetz in Box€ 1.8, wo wir das Phänomen sinkender Grenzerträge kennengelernt haben). Eine Mindestzahl von Arbeitern wird allerdings immer nötig sein, das wird durch den am Ende parallelen Verlauf der Isoquante zur horizontalen Achse deutlich (die gesamte Argumentation gilt natürlich auch andersherum). Jetzt brauchen wir noch ein zweites Konzept, das der Isokostenlinie. Ausgangspunkt der Überlegungen ist hier, dass man ein gegebenes Budget von beispielsweise 100€€ auf die beiden Produktionsfaktoren aufteilen kann. Engagiert man nur Arbeiter, so erhält man im Schaubild den Punkt A (die 100€€ gehen komplett für Löhne drauf). Investiert man alles in Maschinen, so erhält man im Schaubild den Punkt B (die 100€€ gehen für Kapitalkosten, also Zinsen, drauf). Zwischen diesen beiden Punkten kann man nun eine Verbindungslinie ziehen, das ist die Isokostenlinie. Sie repräsentiert alle möglichen Kombinationen von Maschinen und Arbeitern, die man mit dem gegebener Mittelausstattung kaufen kann. Eine Bewegung von Punkt A in Richtung B bedeutet, dass man weniger Arbeiter engagiert (weniger Löhne zahlt) und mit den frei werdenden Mitteln Maschinen kauft (mehr Zinsen zahlt). Dabei kombiniert man diese Veränderungen so, dass immer alle zur Verfügung stehenden Mittel ausgegeben werden. Jetzt kommt noch ein weiterer gedanklicher Klimmzug: Je mehr
Punkt A: 100 Euro nur für Arbeiter ausgegeben Isoquante 2; Gesamtertrag = 100
Arbeiter
80
C
Isoquante 1; Gesamtertrag = 50 D
50
Punkt B: 100 Euro nur für Maschinen ausgegeben
10
50 Maschinen
2.1 Geschichte der Presse
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In Punkt C produziert der Hersteller mit 80 Arbeitern und 10 Maschinen. Den Gesamtertrag gibt die Isoquante 1 an: 50 Einheiten. Verändert der Hersteller seine Produktion derart, dass er statt 80 nur 50 Arbeiter und statt 10 nun 50 Maschinen beschäftigt, so produziert er in Punkt D. Die Isoquante 2 gibt den Gesamtertrag an: 100. Nur durch eine Veränderung der Produktionsstruktur ist der Produzent von C nach D gewandert und hat den Ertrag verdoppelt – bei nach wie vor gleichen Ausgaben für die gesamten Produktionsfaktoren. Die Mittel, die der Produzent für die 30 Arbeiter gespart hat, die er nicht mehr braucht, reichen aus, um die zusätzlichen 40 Maschinen zu bezahlen. Mittel der Produzent einsetzt, umso mehr Produktionsfaktoren kann er einkaufen. Je weiter die Isokostenlinie also rechts vom Ursprung liegt, umso mehr Produktionsfaktoren kann man einkaufen (tragen Sie auf den Achsen gedanklich ab, dass statt 100€€ 1.000€€ ausgegeben werden, dann verschiebt sich die Gerade nach rechts). Je mehr Produktionsfaktoren ich aber kaufen kann, um so mehr kann ich produzieren. Je weiter also ein Punkt sich rechts vom Ursprung befindet, umso mehr produziert man. Damit stellt auch jede Isoquante ein umso höheres Produktionsniveau dar, je weiter sie vom Ursprung entfernt ist. Das muss das Ziel des Produzenten sein: Einen gewünschten Ertrag mit geschicktem Mitteleinsatz so zu produzieren, dass die Kosten minimiert werden. Das impliziert zunächst, dass er auf einem Punkt produzieren muss, der auf einer Isokostenlinie liegt, die möglichst weit weg vom Ursprung des Schaubildes liegt. Doch welchen Punkt auf der Isokostenlinie, der ihm sagt, wie viele Arbeiter und wie viele Maschinen er beschäftigen soll, soll er nehmen? Um das zu entscheiden, braucht er die Isoquanten. Sie geben ja alle möglichen Faktorkombinationen an, mit denen er das gleiche Ertragsniveau erreichen kann. Da eine Isoquante einen umso höheren Ertrag repräsentiert, je weiter sie vom Ursprung weg liegt, wird der Produzent diejenige Isoquante wählen, die am weitesten rechts vom Ursprung liegt. Dabei muss er allerdings die Finanzierungsrestriktion beachten: Er kann nicht mehr ausgeben, als er hat, also nicht rechts von der Budgetgerade produzieren. Also wählt der Produzent die Isoquante, die gerade noch die Budgetgerade berührt – Isoquante 2 in Punkt D. Grafisch ist das das gleiche Konzept wie bei den Konsumenten mit den Indifferenzkurven und Budgetgeraden, lediglich die Herangehensweise ist ein wenig anders: Der Konsument will mit einem gegebenem Budget seinen Nutzen maximieren, indem er die optimale Kombination der konsumierten Mittel sucht; der Produzent will eine gewünschte Produktionsmenge durch geschickten Mitteleinsatz möglichst billig herstellen. Dass eine solche einschneidende Veränderung der Produktionsbedingungen wie die Einführung von Maschinen auch Folgen für den Markt hat, auf dem diese Erzeugnisse vertrieben werden, ist nachvollziehbar. In der Regel reagieren zuerst die
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2 Printmedien Nachfragekurve alte Angebotskurve
Preis
neue Angebotskurve
Palt Pneu
Malt
Mneu
Menge
Abb.€2.1↜渀 Welche Folgen hatte die drastische Reduktion der Produktionskosten für den Markt an Druckerzeugnissen? Zunächst verschiebt sich die Angebotskurve nach rechts: Die gleiche Menge Malt an Druckerzeugnissen kann nun mit geringeren Kosten hergestellt werden und damit zu geringeren Preisen angeboten werden (das wird durch den Pfeil dargestellt). Die angebotene Menge nimmt zu, und bei sinkenden Preisen steigt die Nachfrage und damit die abgesetzte Menge (vorsichtig: der Anstieg der Nachfrage ist lediglich eine Bewegung auf der Kurve; für die Käufer ändert sich nur der Preis, also die Variable, die auch auf der vertikalen Achse des Diagramms steht. Die Angebotskurve hingegen verschiebt sich, weil sich die Kosten ändern, also eine Variable, die nicht auf den Achsen des Diagramms steht). Das Ergebnis des technischen Fortschrittes: Die konsumierte Menge an Druckerzeugnissen nimmt zu, der Preis ist gesunken
Preise, wenn sich die Produktionsmöglichkeiten verändern. Zudem finden sich im Zuge technischen Fortschritts rasch weitere Anwendungen für die neue Technik; Produktinnovationen sind ein ständiger Begleiter des technischen Fortschritts. Abbildung€2.1 gibt Ihnen Aufschluss darüber, wie sich Gutenbergs Erfindung auf die Preise für Druckerzeugnisse auswirkte. Neben Büchern, wurden vor allem nichtperiodische Erzeugnisse vertrieben, so beispielsweise Einblattdrucke, Flugblätter und Flugschriften zur Meinungsbildung. Daneben gab es die Fuggerzeitungen, Zusammenstellungen der wichtigsten Nachrichten für das Handelshaus, die eigentlich nicht für eine Veröffentlichung bestimmt, sondern lediglich zum internen Geschäftsgebrauch gedacht waren. Doch oftmals wurden diese Nachrichten weitergeleitet – natürlich nicht ohne Hintergedanken, man erhoffte sich im Gegenzug Gefallen. Die Palette der Themen der „Neuen Zeitungen“ (übersetzt: Neue Nachrichten) entsprach in etwa auch den Interessenlagen der heutigen Leserschaft: Politik, Wirtschaft, Himmelserscheinungen, wilde Tiere, Karikaturen, Wetter, Astronomie, Verbrechen, Reformation, Moral, Erdbeben, Teufel, Hexen und Wunder. Viele dieser „Neue Zeitungen“ waren in gewisser Weise bereits Vorläufer der heutigen Sensationspresse; die auch mit bildhaften Darstellungen arbeiteten. Allerdings erschienen diese Druckwerke nicht periodisch. Die starke Zunahme solcher Werke erklärt sich auch mit den Bemühungen der Drucker, sich zusätzliche Einnah-
2.1 Geschichte der Presse
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men zu verschaffen. Bereits seit 1500 gingen die Preise repräsentativer Druckwerke zurück, so dass die Drucker nicht voll ausgelastet waren. Also druckten sie zusätzlich Flugblätter, was ihre Durchschnittskosten senkte (Bitte vergleichen Sie diese Argumentation mit Box€1.7, wo wir gesehen haben, dass steigende Stückzahlen zu sinkenden Durchschnittskosten führen). Die ersten periodischen Druckwerke waren die Messrelationen, Chroniken, die zu den Messen im Herbst und im Frühjahr regelmäßig herausgegeben wurden, ihnen fehlte aber die Aktualität. Sie wurden nach dem dreißigjährigen Krieg von wöchentlich erscheinenden Avisen und Relationen verdrängt, die in kürzeren Perioden erschienen und dem Bedürfnis der Menschen nach Aktualität mehr entgegenkamen. Box 2.4: Die Post will Monopole╇ Bereits Ende des 17. Jahrhunderts gab es sowohl ein privates als auch ein öffentliches Botensystem. Überraschenderweise waren die privaten Boten oftmals schneller als ihre offiziellen Kollegen. Die aus Bergamo stammende Familie Taxis leistete in Italien für Kirche, Handel und Höfe Kurierdienste; 1595 erhielt das Unternehmen Taxis das Reichsregal zur Beförderung von Nachrichten und Briefen sowie Personen und Gütern. Dieses Recht wurde dann 1616 in ein erbliches Postmonopol umgewandelt. Die Familie Taxis hatte rasch die Chancen erkannt, die sich mit der Vertrieb von Druckerzeugnissen bieten: 1628 versuchte man, ein kaiserliches Dekret zu erwirken, das die Zeitungen zum Annex der Post macht und der Familien damit ein weiteres Monopol zu verschaffen – allerdings vergeblich. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich aus dem Reichsregal derer von Thurn und Taxis die Post. Erste Zeitungen mit regelmäßigem Erscheinungsrhythmus und hoher Aktualität waren etwa ab 1605 die Straßburger Relation und der Aviso aus Wolfenbüttel. Diese wurden als Avisen (von avisierenâ•›=â•›etwas ankündigen) oder Relationen (das leitet sich von referieren ab) bezeichnet. Im Unterschied zu den Flugschriften waren diese Druckwerke eher nüchtern und enthielten sich oftmals der Kommentare. Die Erscheinungsweise der frühen Zeitungen war zunächst wöchentlich, dem Rhythmus der Post folgend. Wo sich Postlinien kreuzten, erschienen Zeitungen häufiger. Als erste Tageszeitung macht die Literatur die „Einkommende Zeitungen“ aus Leipzig aus, die 1650 erschien. Ende des 17. Jahrhunderts gab es in Deutschland etwa 70 Zeitungen, die im Schnitt eine Auflage von 350 bis 400 Exemplaren hatten; einzelne Blätter brachten es auf bis zu 1.500 Exemplaren. Die Nachrichten für die Avisen kamen über die Poststationen (lesen Sie dazu auch Box€2.4), über Handelsreisende, Kaufleute oder wurden schlichtweg aus anderen Briefen oder Zeitungen übernommen. Das erklärt auch, warum die meisten Druckwerke an wichtigen Handelsplätzen und Verkehrsknotenpunkten gedruckt wurden; zumal hier die Nachfrage nach Nachrichten entsprechend hoch war (Vergleichen Sie bitte mit Tab.€2.1). Der Postapparat war aber nicht nur wichtiger Nachrichtenlieferant, sondern zugleich auch ein wichtiger Vertriebskanal; wenngleich
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2 Printmedien
Tab. 2.1↜渀 Wichtigste Verlagsorte deutscher Zeitungen im 17. Jahrhundert
Ort
Verlage
Ort
Verlage
Hamburg Danzig Frankfurt a.€M. Leipzig Kopenhagen Prag
11 9 6 6 5 5
Zürich München Stettin Altona Augsburg Köln
5 4 4 3 3 3
teuer und unzuverlässig. Noch bis ins 19. Jahrhundert hinein schrieben viele Korrespondenten nebenberuflich, weil die Zeitungen sich keine Redakteure leisten konnten; erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ging man dazu über, Redaktion und Verlag zu trennen. Die Auflagen der frühen Zeitungen bewegten sich anfangs zwischen 500 und 1.500 Stücken, gegen Ende des 18. Jahrhunderts waren es in etwa 10.000 bis 20.000 Exemplare. Da diese zumeist in Wachstuben, Kaffeehäusern, Gaststätten und Avisenbuden auslagen, wurde ein Exemplar von mehr als einem Leser gelesen; Schätzungen sprechen von etwa 10 Lesern je Exemplar. Mit steigenden Auflagen verkürzte sich die Periodizität; damit wurden die Nachrichten aktueller. Erschien die Straßburger Relation 1605 nur einmal die Woche, so erschienen die Leipziger Einkommende Zeitungen 1660 siebenmal die Woche. Die Kosten der Zeitung schwankten umgerechnet zwischen ein bis zwei Maß Bier und einem Pfund Brot; nach heutigen Preisen also zwischen einem und zehn Euro. Erst Anfang des 18. Jahrhunderts kamen die sogenannten Intelligenzblätter auf, die sich auch aus Anzeigen finanzierten. Intelligenz kommt hier von intellegreâ•›=â•›Einsicht nehmen. Intelligenzblätter enthielten amtliche Bekanntmachungen, die ausschließlich oder aber mindestens zuerst in den entsprechenden Intelligenzblättern veröffentlicht werden mussten. Die preußischen Intelligenzblätter mussten von bestimmten Personenkreisen und öffentlichen Stellen zwingend abonniert werden – wen wundert es, dass der Staat am Gewinn der Intelligenzblätter beteiligt war? Zudem reglementierte der Staat die Inhalte. Andere Intelligenzblätter wurden weniger stark reglementiert, hatten aber auch keine garantierten Abnehmer.
Box 2.5: Der break-even-point╇ Als break-even-Point bezeichnet man den Punkt, in dem die Gesamterlöse gleich der Summe aus fixen und variablen Kosten sind. In diesem Punkt decken also die Verkaufserlöse die gesamten Kosten. Berechnen lässt sich dieser Punkt, indem man die Umsatzerlöse den Gesamtkosten gleichsetzt: Preis · Stückzahl = Fixe Kosten + Stückzahl · variable Kosten
(2.1)
Lösen wir die Gleichung nach der Stückzahl auf, so erhalten wir:
Stückzahl∗ = Fixe Kosten/(Preis − variable Kosten)
(2.2)
2.1 Geschichte der Presse
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Bei der Stückzahl* erreicht das Unternehmen seinen break-even-point, an dem die Umsätze genau die Kosten decken; jedes zusätzlich abgesetzte Stück trägt jetzt zum Gewinn bei (sofern die Grenzkosten nicht ansteigen). Die Gl.€2.2 zeigt auch den Einfluss des Preises: Je höher der Preis ist, um so kleiner wird der Term auf der rechten Seite von Gl.€2.2 – das bedeutet, dass die kritische Stückzahl* geringer wird. Je höher hingegen die fixen oder variablen Kosten sind, umso mehr Stücke müssen abgesetzt werden, damit die Gewinnschwelle erreicht wird. Ende des 17. Jahrhunderts entwickelten sich die ersten Vorläufer der Zeitschriften. Anfänglich waren das periodisch erscheinende Chroniken, die den Messrelationen ähnelten. Ziel der Verleger war es, nicht nur die aktuellen Nachrichten zu kolportieren, sondern diese auch ausführlich zu beleuchten und zu erörtern. Eine Wurzel der Zeitschriften sind die frühen Streitschriften: Eine Schrift bedingte die andere, in der geantwortet wurde. Je geringer die Abstände zwischen den einzelnen Repliken wurden und je regelmäßiger die Streitschriften erschienen, umso näher kamen diese Streitschriften dem, was wir heute unter einer Zeitschrift verstehen. Manche Zeitschriften ersetzten den Briefwechsel zwischen Gelehrten und legten damit den Grundstein für Fachzeitschriften und populärwissenschaftliche Zeitschriften. Salonblätter brachten die Nachrichten aus Adelskreisen und vom Hof, und moralische Wochenzeitschriften sorgten sich um das geistig-moralische Wohl ihrer Leser; aus ihnen leiteten sich die ersten Frauenzeitschriften her. Stark vertreten waren auch die literarischen Zeitschriften. Die Anzahl der Titel explodierte rasch; viele Titel hielten sich nur wenige Monate am Markt. Die durchschnittliche Auflage lag zwischen 500 und 1.000 Stück, bei 700 bis 800 verkauften Exemplaren; die Gewinnzone für ein Magazin, der break-even-point, lag bei etwa 500 Exemplaren (vergleichen Sie bitte mit Box€2.5).
2.1.2 Die moderne Presse Der Anfang des Pressewesens lässt sich also in etwa wie folgt zusammenfassen: Neue Technologien erlaubten eine billigere Produktion der Druckerzeugnisse; zugleich stieg mit den fallenden Preisen die Nachfrage nach Druckerzeugnissen. Hinzu kamen fallende Materialpreise, steigende Möglichkeiten der Distribution von Presseerzeugnissen über die Post, die das Entstehen der modernen Presse begünstigten. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es wieder einige technische Innovationen, die das Wachstum des Pressesektors beschleunigen sollten. Zum einen verbesserte sich die Drucktechnik. Gutenbergs Technik, die an die Weinpressen angelehnt war, hatte zwei Nachteile: Zum wurden die Satztypen rasch verschlissen, weil das Papier mit großer Kraft auf die Satzform gepresst wurde.
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Zudem ließ sich dieser Druck nur bei mäßig großen Formaten ausüben; je größer die Flächen waren, die man gegeneinander presste, um so größer musste auch der Druck sein. Also musste eine neue Konstruktion her: Der Papierbogen wurde von einer Rolle gegen den Bleisatz gedrückt; statt Fläche gegen Fläche stieg man also auf Fläche gegen Zylinder um. Dadurch war der Andruck, den man benötigte, wesentlich geringer als vorher, das schonte die Drucktypen. Zudem konnte man nun größere Formate bedrucken. Einen Schritt weiter gingen die Rotationspressen, bei denen der Drucksatz ebenfalls auf eine Rolle gespannt wurde (dies wurde dadurch möglich, dass man die gesetzten Vorlagen mit Hilfe galvanoplastischer Verfahren abgoss und den Abguss auf Rotationswalzen spannte). Mit Hilfe dieser Drucktechniken stiegen die Auflagen und das Format der Zeitung wurde größer. Aber es gab auch Verlierer dieser technischen Neuerungen. So schrieb die Times 1814, als die erste Ausgabe auf einer Schnellpresse gedruckt wurde: „Eine andere Klasse von Menschen gefällt sich, finstere und anonyme Drohungen von Rache gegen uns auszustoßen, falls wir fortfahren in der Anwendung unserer Maschinen. Es sind die Drucker“2. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es sogar wiederholt zu Maschinenstürmereien gegen Schnellpressen (vergleichen Sie bitte mit Box€2.6). Weitere technische Fortschritte gab es bei der Satztechnik: Wurden die Seiten anfangs per Hand gesetzt, so änderte sich das mit der Einführung des Linotype-Verfahrens. Hier wurden die Buchstaben auf einer schreibmaschinen-ähnlichen Tastatur geschrieben; anschließend wurde die Zeile mit Blei ausgegossen. Statt 2.500 Zeichen pro Stunde konnte man damit bis zu 6.400 Zeichen pro Stunde setzen. Hinzu kam, dass die industrielle Fertigung von Holzschliffpapier die Kosten für Papier weiter senkte, das zudem jetzt auf Rollen statt auf Bögen verarbeitet wurde – auch das brachte Produktivitätsfortschritte. Doch noch andere Faktoren waren für die Verbreitung der Presse verantwortlich: Mit steigendem Wohlstand konnten sich immer mehr Bürger eine Zeitung leisten; zudem waren mit steigendem Wohlstand immer mehr Leute in der Lage, zu lesen. Mit Erfindungen wie dem Telegraphen und der Bahn wurde die Welt kleiner, das Interesse für die Vorgänge in der Welt nahm zu. Zum Ende des 19. Jahrhunderts gab es drei verschiedene Zeitungstypen: Die von weltanschaulichen Gruppierungen (Parteien und Kirchen) herausgegebenen Blätter, die eher lokal orientierten Generalanzeiger sowie Qualitätsblätter mit politischer, wirtschaftlicher und kultureller Berichterstattung. Mit der B.Z. am Mittag erschien zu Beginn des 20. Jahrhunderts die erste Boulevardzeitung. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts nahm die Anzahl der Zeitungen bis zur Jahrhundertwende dramatisch zu. Der erste Weltkrieg steigerte die Auflagen der Zeitungen noch einmal deutlich; allerdings eher die Auflagen der größeren und der nationalistischer eingestellten Zeitungen. Die spätere Weltwirtschaftskrise drückte die Auflagen wieder deutlich. Zudem kam neue Konkurrenz auf die Zeitungen zu (das lesen Sie in Box€2.7).
2╇
Stöber, R. (2000): Deutsche Pressegeschichte, a.a.O., S.€116.
2.1 Geschichte der Presse
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Box 2.6: Warum die Drucker keine Rotationspressen mochten╇ Um zu verstehen, warum die Drucker die neue Technik nicht mochten, müssen wir auf das Konzept der Isoquanten und der Budgetgeraden aus Box€2.3 zurückgreifen. Erinnern Sie sich: Die optimale Kombination von Produktionsfaktoren findet der Produzent indem er mit gegebenem Budget diese so kombiniert, dass er die Isoquante erreicht, die möglichst weit rechts vom Ursprung liegt. Der optimale Produktionspunkt liegt in Punkt D. A: 100 Euro nur für Arbeiter ausgegeben
Menschen
Neue Isoquante bringt höheren Ertrag
Neue Isokostenlinie
D E
B: für 100 Euro bekommt man jetzt mehr Maschinen als vor der technischen Neuerung
Maschinen
Was passiert? Maschinen werden durch die technische Innovation billiger, da sie im Vergleich zu ihren Kosten jetzt mehr Ertrag abwerfen. Im Schaubild bedeutet das, dass sich die Budgetgerade nach rechts außen dreht. Für 100€€ können Sie immer noch nur die gleiche Menge Arbeiter beschäftigen; aber für 100€€ können Sie jetzt mehr Maschinen einsetzen – also muss der Punkt B, in dem man nur Maschinen nutzt, weiter rechts von seinem alten Punkt liegen; der Punkt A, in dem man nur Arbeiter beschäftigt, bleibt unverändert. Damit wird der Produzent in die Lage versetzt, eine neue Isoquante zu erreichen, die ja eine höhere Produktionsmenge repräsentiert (Punkt E). Wenn Sie nun das Lot auf die beiden Achsen fällen, dann wissen Sie, warum die Drucker die Rotationspressen nicht mochten: Im neuen Produktionspunkt wird mehr produziert, aber mit weniger Arbeitskräften und mehr Maschinen. Eine weitere Ursache für den Erfolg der Presse war die Entdeckung der Macht der Werbung. Und wie bringt man die Werbung an den Mann? Natürlich über die Zeitung. Den Zeitungen erschloss sich damit eine neue, zusätzliche Einnahmequelle, was weitere Preissenkungen ermöglichte. Das Anzeigenvolumen der Zeitungen expandierte rasch. Über diese Form der Finanzierung werden wir später noch mehr nachdenken.
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2 Printmedien
Box 2.7: Die Zeitungen kriegen erste Konkurrenz╇ Vor allem in den Großstädten wuchs der Bedarf nach täglichen, aktuellen Zeitschriften. Da sich die Gewinne stiegen, wenn man die Druckmaschinen besser auslastete (um die Fixkostendegression zu nutzen), wundert es nicht, dass bald „Halb-“ oder „Dritteltageszeitungen“ erschienen, welche die Bevölkerung mit aktuellen Meldungen versorgten. Doch mit dem Aufkommen des Radios, das mehrmals täglich aktuelle Nachrichten sendete, verloren diese Zeitungen zunehmend ihren Sinn: Die aktuellsten Nachrichten kamen jetzt aus den Lautsprechern, und mit deren Geschwindigkeit konnten Zeitungen nicht konkurrieren. Aber verdrängt hat das Radio die Zeitungen nicht. Das ist mit Blick auf die neuen elektronischen Medien eine ermutigende Erkenntnis für Zeitungsfreunde.
2.1.3 Presse unterm Hakenkreuz Es ist ein politischer Wahnsinn, einem einzelnen Individuum eine Meinungsfreiheit dergestalt zuzubilligen, dass es in der Lage ist, mittels dieser Freiheit alles und jedes zu vertreten. (Joseph Goebbels)
Die Geschichte der Presse ist auch eine Geschichte der Zensur. Das ist zwar nur am Rande ein ökonomisches Thema, doch ist der historische Abriss über die Presse zu Zeit der Nationalsozialisten geeignet, zumindest einen kurzen Einblick zu geben, wie das obige Zitat von Joseph Goebbels zeigt. Am Anfang der Zensur stand die Kirche: Als älteste Zensuranordnung gilt der Befehl des Erzbischofs von Mainz 40 Jahre nach Gutenbergs Erfindung. Da die Kirche als oberste Autorität in Sachen Glauben gilt, liegt nahe, dass sie den Inhalt der Drucke ihrer Aufsicht zu unterwerfen suchte. 1559 erschien der erste Index verbotener Bücher; der letzte dieser Indizes wurde erst 1966 (!) wieder außer Kraft gesetzt. Doch auch der Staat hat sich bereits vor 1933 nicht mit Ruhm bekleckert: 1512 wurde das erste kaiserliche Bücherverbot erlassen. Bis zum Ende des Kaiserreichs oblag das Hoheitsrecht über das Bücherwesen, das Bücherregal, dem Kaiser, der es sich allerdings mit den Landesfürsten teilen musste (näheres entnehmen Sie auch Box€2.8). Das Reich sorgte auch für strafrechtliche Vorschriften gegen Beleidigungen, die Kehrseite der Pressefreiheit. Nachdem zuerst die kirchliche Kontrolle der Schriften im Vordergrund gestanden hatte, wurde nach und nach die Kontrolle des Staates zu einem wichtigem Ziel; das Motiv des Glaubenserhaltes wurde mehr und mehr von der Staatsräson abgelöst. Box 2.8: Die erste Kommission╇ Kommissionen sind etwas Wunderbares, Politiker lieben sie, und Kaiser auch. Bereits Ende des 16. Jahrhunderts wurde eine Bücherkommission in Frankfurt installiert, die anfangs während der
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Messen die Drucker und die Verleger beaufsichtigte. Gegen Anfang des 17. Jahrhunderts wurde diese Kommission fest installiert. Zu den – umstrittenen – Aufgaben der Kommission gehörte die Durchsetzung der kaiserlichen Druckprivilegien, die Konfiszierung verbotener Schriften, die Mitwirkung an der Erstellung von Messekatalogen, aber nicht die Vorzensur. Der städtische Rat der Stadt Frankfurt beaufsichtigte die Drucker und Verleger, darunter litt die Frankfurter Messe; das begünstigte den Aufstieg von Leipzig als Messestadt. Nicht nur Zensur, auch das Gewerberecht beengte die Freiheiten der Drucker. Zünfte unterwerfen ihre Mitglieder einem strengen Reglement: Die Standessatzung schreibt Ausbildung, Qualität und vor allem den Zugang zum Gewerbe vor. Das hat eine praktische Konsequenz: Nicht jeder, der den Beruf ausüben will, darf dies. Auf diesem Weg verhindern die Zünfte den Wettbewerb: Wenn nicht mehr Anbieter auf den Markt drängen können, können die Preise auch nicht fallen. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass sich dieser restriktive Charakter der Zünfte erst im 17. und 18. Jahrhundert herausbildete, als der wirtschaftliche Wettbewerb im Gewerbe zunahm. Auch hinter der Zensur stecken oft ökonomische Interessen: Stöber vermutet, dass viele Zeitungsverbote nicht auf die Zensur, sondern auf eine Intervention der Konkurrenten zurückgingen3. Aber wie zensiert man eigentlich? Grundsätzlich gibt es verschiedene Methoden: Bei der Vorzensur werden die Werke erst begutachtet, bevor man sie zum Druck freigibt, bei der Nachzensur werden die Werke kontrolliert, sobald sie fertig sind. Ersteres ist sicherer, wenn man verhindern will, dass etwas in den Umlauf kommt, das dort nach Meinung des Zensors nicht hingehört; um letzteres durchzusetzen, muss man dafür sorgen, dass die Verleger Pflichtexemplare bei der zuständigen Stelle abliefern und ein Impressum angeben, aus dem erkenntlich wird, wer das gedruckt hat. Oft ist Zensur auch mit Zulassungsbestimmungen verbunden. Eine andere beliebte Variante besteht darin, dass jeder, der drucken will, zunächst eine Kaution hinterlegen muss. Das hat zwei Folgen: Zum einen können tendenziell nur reichere Leute einen Verlag ins Leben rufen (von denen man vielleicht erhofft, dass sie dem herrschenden Regime gewogener sind), zum anderen kann man aus der hinterlegten Kaution die Strafen bestreiten, die man bei Missachtung der Zensurgesetzgebung zu zahlen hat. Das ist ein hübscher Gedanke: Wir verteuern die Produktion einer Zeitung, das reduziert das Angebot. Abbildung€2.2 erklärt Ihnen, wie das funktioniert. Verteuert wurde die Produktion einer Zeitung auch durch eine so genannte Stempelsteuer oder dadurch, dass man die Beförderungskosten für die Zeitungen erhöhte. In Deutschland wurde 1848 die Pressefreiheit eingeführt; aber erst 1874 garantierte das Reichspressegesetz eine einheitliche gesetzliche Gewährleistung der Pressefreiheit. Doch der sich daran anschließende Aufschwung der Zeitungen wurde bei Beginn des ersten Weltkrieges abrupt beendet, als die Militärzensur eingeführt 3╇
Ebenda, S.€110.
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2 Printmedien Nachfragekurve
Preis
neue Angebotskurve
Pneu
alte Angebotskurve
Palt
Mneu
Malt
Menge
Abb. 2.2↜渀 Die Stempelsteuer. Was passiert, wenn man die Produktion einer Zeitung beispielsweise durch Einführung einer Stempelsteuer oder erhöhte Beförderungsgebühren verteuert? Die gleiche Menge Zeitungen können die Verleger jetzt nur noch zu höheren Kosten verkaufen (oder andersherum: zu den gleichen Kosten kann man jetzt weniger Zeitungen herstellen) – die Angebotskurve verschiebt sich nach links. Die Folge: das Angebot sinkt, die Preise steigen, die steigenden Preise reduzieren die Nachfrage nach Zeitungen. Auf diesem Weg kann man die Verbreitung einer unliebsamen Zeitung reduzieren
wurde. In der Weimarer Republik war Zensur ausdrücklich verboten und Meinungsfreiheit gewährt, allerdings gab es keinen expliziten Schutz der Pressefreiheit. Damit war es 1933 vorbei. Vor dem Anbruch des Dritten Reichs gab es etwa 4.700 Zeitungen im Deutschen Reich; 1944 waren es nur noch 900 Titel – auch ein Ergebnis der systematischen Pressepolitik der Nationalsozialisten. Bereits 1933 wurde das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda gegründet, das alle Bereiche an sich nahm, in denen einen Beeinflussung des Volkes möglich war. Die Reichskulturkammer war eine berufsständische Zwangsorganisation, die eine personelle Überwachung der Journalisten ermöglichte. Eine Unterorganisation der Reichskulturkammer war die Reichspressekammer, der alle publizistischen Fachverbände einverleibt wurden, auch der später gleichgeschaltete Verein Deutscher Zeitungsverleger. Mit Hilfe dieser Verbände gelang es Goebbels, unliebsame Kritik bereits im Keim zu ersticken – nämlich bei der Auswahl und der Zulassung der Journalisten. Mit der Gleichschaltung der Presse kam eine weitere Krise auf die deutsche Presse zu: Je gleichförmiger die Blätter wurden (vergleichen Sie dazu auch Box€2.9), umso mehr gingen die Anzeigenerlöse zurück und die Leser liefen den Blättern scharenweise davon. Zudem machte den letzten unabhängigen Blättern die Konkurrenz der stark subventionierten NS-Blätter zu schaffen, die vor der Machtergreifung teilweise selbst den Atem des Insolvenzverwalters im Nacken gespürt hatten. Diese ökonomische Strukturkrise diente als Vorwand für die weitere Gleichschaltung der Presse. Doch nicht nur das: In mehreren Enteignungsaktionen rissen die Nationalsozialisten nach und nach die Presseverlage an sich. Zu diesem Zweck wurden zuerst
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Notverordnungen in Kraft gesetzt; die Geschäftsgrundlage der bürgerlichen Verlage wurde Ihnen – das muss auf die Verleger wie ein Hohn gewirkt haben – durch die Anordnung zur Wahrung der Unabhängigkeit des Zeitungsverlagswesens entzogen. In dieser Anordnung wurde bestimmt, dass Verlage, die in der Rechtsform der AG, Kommanditgesellschaft, GmbH, Genossenschaft oder Stiftung organisiert waren, vom Verlegerverband ausgeschlossen wurden; das kam einem Berufsverbot gleich. Weiterhin wurde verboten, eine Zeitung auf einen bestimmten Leserkreis auszurichten; das hatte die Schließung von etwa 400 Zeitungen zur Folge. Immerhin ging man bei der Gleichschaltung der Presse diskret vor: Die Übernahmen der Zeitungen wurden nicht vermeldet und teilweise über nach außen hin neutrale Holdingund Finanzierungsgesellschaften abgewickelt, so dass die wahren Auftraggeber im Dunkeln blieben. Box 2.9: Der Hugenberg-Konzern╇ Alfred Hugenberg gilt als der Pressezar der Weimarer Republik. Er hatte bereits im ersten Weltkrieg damit begonnen, sich ein Netzwerk von Kontakten und Einflussnahmen auf das deutsche Pressewesen aufzubauen. Er verfügte über Beteiligungen an Nachrichtenagenturen, Film- und Beratungsunternehmen. Hugenberg übernahm 1913 den wichtigen Scherl-Verlag, beteiligte sich an der Nachrichtenagentur Telegraphen Union und fügte seinem Imperium eine Holding-Gesellschaft für Provinzzeitungen, die Vera-Verlagsgesellschaft hinzu. 1927 erwarb er die Universum Film. Fatal war Hugenbergs Machtstellung bei den so genannten Materngesellschaften: Matern sind Gipskartons, die ausgegossen werden und als Druckvorlage in die Druckmaschine gespannt werden. Viele Zeitungen bezogen ihren Mantelteil als Matern und erweckten nur den Eindruck, als hätten sie einen eigenständigen Mantelteil – durch den Bezug von Matern sparten sie sich Journalisten und Setzer. Der publizistischen Vielfalt war das abträglich. Auch Hugenbergs Machtposition im Anzeigengeschäft hatte Folgen: Indem seine Unternehmen politisch genehmere Zeitungen mit Anzeigen versorgten, schwächte er die demokratischen Organe. 1941 erfolgte eine weitere Welle der Aus- und Gleichschaltung, die vor allem mit Kriegserfordernissen begründet wurde. Gegen Ende des Krieges gab es nur noch NS-Blätter, die aber angesichts der Mangelwirtschaft am Ende nicht mehr als Flugblätter waren, die außer Heeresberichten und Durchhalteparolen nicht mehr viel zu bieten hatten.
2.1.4 Die Presse nach 1945 Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. (Art.€5 Grundgesetz)
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Auf jede Nacht folgt auch einmal ein Tag, und auch die Finsternis des Nationalsozialismus währte nicht ewig. Aber Adolf Hitler hinterließ ein Land, das am Boden lag – inklusive des Pressesektors. Die Neugestaltung der deutschen Medienlandschaft war zunächst den Siegern, also den Alliierten vorbehalten, die ihre eigenen Vorstellungen von Medienpolitik verwirklichen wollten. Bereits vor der offiziellen Kapitulation riefen die Amerikaner erste Heeresgruppenblätter ins Leben; in allen Sektoren wurden Nachrichtenagenturen gegründet, die zunächst ausschließlich von den Militärs verwaltet wurden und einer strengen Zensur unterlagen. Rasch wurden Zulassungsbedingungen für Journalisten eingeführt: Wer vor 1945 als Journalist gearbeitet hatte, wurde nicht zugelassen. Doch: woher wollte man genügend Journalisten nehmen, zumal der Anteil von Remigranten recht gering war? Im Ergebnis kam es zu mehr personeller Kontinuität im deutschen Medienwesen als es sich die Alliierten gewünscht hatten. Auch bei den Verlegern wollte man politisch vorselektieren, indem man Lizenzen für das Herausgeben einer Zeitung vergab: Vor und bis 1945 tätigen Verlegern wurde es verweigert, eine Zeitung herauszugeben. Die Lizenzpolitik der Alliierten war unterschiedlich: Die Amerikaner strebten überparteiliche Blätter an und teilten den Lizenzträgern genaue Verbreitungsgebiete zu – die ersten lokalen Monopole entstanden. Da die Verbreitungsgebiete eher klein waren, waren die jeweiligen Zeitungen regional sehr stark verwurzelt, doch der fehlende Wettbewerb in diesen Gebieten hat nach Ansicht von Experten die Zeitungsdichte auch nach dem Ende der Lizenzphase niedrig gehalten. Die Briten genehmigten Parteirichtungszeitungen, die den jeweiligen Standpunkt einer Partei vertreten sollten, ohne von diesen abhängig zu sein. Immerhin – die Briten ließen gleich Konkurrenz zu. Die Franzosen ließen zuerst unabhängige Lokalzeitungen zu; bald aber gab es auch Lizenzen für parteipolitisch orientierte Blätter. Die Sowjets ließen – wen wundert es – nur parteipolitisch orientierte Zeitungen zu. Dass sie dabei eine bestimmte Parteirichtung bevorzugten, erstaunt auch nicht. Aus den kurzlebigen Militärzeitungen entwickelten sich rasch Besatzungsblätter, sogenannte Zonenorgane, von denen jede Besatzungsmacht eines hatte. 1949 wurde eine Generallizenz erteilt – jedem Deutschen, der nicht als Beschuldigter oder Belasteter eingestuft war, war es fortan erlaubt, eine Zeitung zu gründen. Das war die Stunde der sogenannten Altverleger, also jener Verleger, die bereits vor 1945 eine Zeitung verlegt hatten und deswegen von der ersten Stunde an nicht dabei sein durften. Die Folge: 1949 kam es zu zahlreichen Zeitungsgründungen, der Wettbewerb nahm zu. Doch die Lizenzpresse erwies sich als widerstandsfähig: Viele der Neugründungen – überwiegend Regionalzeitungen – scheiterten. Der starke Wettbewerb zwang die Altverleger aufgrund mangelnder Ressourcen oft dazu, von einer eigenen Vollredaktion abzusehen. Die Lizensierungspolitik hatte dazu geführt, dass vielerorts auflagenstarke Regionalzeitungen entstanden waren, die ihren Lesern außer den lokalen Ausgaben auch eine umfassende politische Berichterstattung und Kommentierung anboten. Das war eine harte Konkurrenz. Statt Vollredaktionen entstanden oft Gemeinschaftsredaktionen, welche die jeweiligen lokalen Blätter mit einem aktuellen politischen Mantelteil versorgten. Eine andere Alternative sind Redaktionsgemeinschaften, bei denen mehrere Redaktionen gemeinsam den überörtlichen Teil zusammenstellen.
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In der Literatur wird die Phase der Altverleger in etwa mit dem Jahr 1954 für beendet erklärt: Seitdem ist es in der Bundesrepublik nur noch in vier Fällen gelungen, echte Neugründungen regionaler Zeitungen erfolgreich am Markt zu etablieren (über die Ursachen dafür werden wir später noch sprechen). Die Bestandsaufnahme der ersten fünf Jahre nach Wegfall der Lizensierungspolitik liest sich wie folgt: Insgesamt 1.500 Ausgaben wurden von 624 Verlagen herausgebracht, die zusammen aber nur 225 Vollredaktionen unterhielten. Dabei hatte sich die Zahl der Verlage nach der Generallizenz fast verfünffacht; die Zahl der publizistischen Einheiten jedoch nur verdoppelt (zu diesem Begriff vergleichen Sie bitte Box€ 2.10). Bereits damals gab es deutliche Konzentrationstendenzen: 46,3€% aller Verlage gaben Zeitungen heraus mit einer Auflage, die kleiner als 5.000 Stück war; umgekehrt wiesen nur knapp 5€% aller Verlage eine Auflage von mehr als 100.000 Stück auf – das sind mehr als 45€% der Gesamtauflage. Was folgte, war eine Zeit der Konzentration: Von 1954 bis 1976 verringerte sich die Zahl der publizistischen Einheiten von 225 auf 121; vor allem kleinere Lokalzeitungen mussten aufgeben. Die Zahl der publizistischen Einheiten mit einer Auflage unter 40.000 Exemplaren ging von 121 auf 30 zurück; der Anteil der publizistischen Einheiten mit einer Auflage von mehr als 150.000 Exemplaren wuchs von 18 auf 42. Ein weiterer Trend war die Zunahme der Einzeitungs-Kreise: 1954 waren es 85, 1974 waren es 156. Zur genaueren Entwicklung der Zahlen vergleichen Sie bitte Tab.€2.2. Box 2.10: Publizistische Einheiten, redaktionelle Ausgaben und Verleger╇ Für die Pressestatistik muss man ein paar einfache Grundbegriffe kennen: Als publizistische Einheit bezeichnet man redaktionell selbständige Tageszeitungen mit einer eigenen Vollredaktion. Der redaktionelle Teil sowie der Anzeigenteil werden selbständig erarbeitet und verantwortet. Publizistische Einheiten sind beispielsweise auch Zeitungen, die den gleichen Mantel haben. Redaktionelle Ausgaben sind solche Zeitungen, die ihre Berichterstattung auf ihr vorwiegendes Verbreitungsgebiet ausrichten – das ist in der Regel im Regional- und Lokalteil der Fall. Solche Zeitungen werden durch Übernahme eines weiteren redaktionellen Teils – in der Regel der politische Teil – aus einer anderen Vollredaktion vervollständigt. Unter der Bezeichnung „Verlage als Herausgeber“ sind alle Zeitungen zusammengefasst, in deren Impressum der gleiche Verleger oder Herausgeber erscheint. Auch die Zahl der Verlage als Herausgeber ist seit 1954 beständig gefallen: Verlage als wirtschaftliche Einheiten sind alle Verlage als Herausgeber, die in bestimmten Bereichen zusammenarbeiten (beispielsweise beim Druck, beim Vertrieb oder im Anzeigenverbund) Im Zuge dieses Konzentrationsprozesses wurden der Axel-Springer-Verlag, die WAZ-Gruppe, die Gruppe Stuttgarter Zeitungsverlag, der Kölner Verlag DumontSchauberg und der Süddeutsche Verlag zu den führenden Tageszeitungskonzernen. Ähnliche Entwicklungen beobachtete man im Zeitschriftenwesen, hier waren es
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Tab. 2.2↜渀 Entwicklung der Tagespresse 1954–2009. Die Zahl der publizistischen Einheiten hat deutlich abgenommen. Erst seit Mitte der neunziger Jahre zeigt sich – abgesehen vom Strukturbruch nach der Wiedervereinigung – eine gewisse Stabilität hinsichtlich der publizistischen Vielfalt. Abgenommen hat auch die Anzahl der Verlage als Herausgeber. Die Zahl der Ausgaben hingegen ist relativ konstant geblieben. (Quelle: Schütz, Walter J. (2000): Deutsche Tagespresse 1999. Media Perspektiven 1/2000, S.€ 9 und Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (www. bdzv.de)) Publizistische Verlage als Ausgaben Verkaufte Auflage in Einheiten Herausgeber Mio. 1954 225 624 1.500 13,4 1964 183 573 1.495 17,3 1967 158 535 1.416 18 1976 121 403 1.229 19,5 1979 122 400 1.240 20,5 1981 124 392 1.258 20,4 1983 125 385 1.255 21,2 1985 126 382 1.273 20,9 1987 121 375 – 20,7 1989 119 358 1.344 20,3 1991 158 410 1.673 27,3 1993 137 384 1.601 25,4 1995 135 381 1.617 25 1997 135 371 1.582 24,6 1999 135 355 1.581 24,1 2001 136 356 1.584 23,8 2003 134 349 1.561 22,6 2004 133 347 1.552 22,1 2005 138 359 1.538 21,7 2006 136 352 1.524 21,0 2007 135 351 1.514 20,8 2008 135 354 1.512 20,4 2009 134 351 1.511 19,9
der Heinrich Bauer Verlag, Gruner & Jahr, der Axel Springer-Verlag und der Burda-Verlag, die sich an die Spitze des Marktes setzten. Der Springer-Verlag war zu jener Zeit übrigens der einzige, der sowohl Tageszeitungen, Wochenzeitungen als auch Zeitschriften verlegte, die anderen Verlage konzentrierten sich in der Regel nur auf eines dieser Segmente. Die Ursachen dafür sahen die Zeitungsverleger in dem Aufkommen neuer Konkurrenz: Sie gaben dem Fernsehen die Schuld, das den Medienkonsum der Leser ihrer Ansicht nach in andere Bahnen lenkte. Doch so einfach ist das wohl nicht: Die Gesamtauflage der Zeitungen stieg in der Zeit von 1954 bis 1976 von 13,4€Mio. auf 19,6€Mio. Exemplare. Das ist ein typisches Merkmal von Pressekonzentration: Eine rückläufige Anzahl der publizistischen Einheiten, begleitet von steigenden Auflagenzahlen. Auch im Werbemarkt machte sich das Fernsehen nicht so bemerkbar: Zwar gab es Umschichtungen zugunsten des neuen Mediums, doch der Gesamtmarkt wuchs so stark, dass die Einkünfte der Printmedien aus Werbung absolut nicht zurückgingen.
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Dennoch: Auf Drängen der Verlage setzte die Bundesregierung zwei Kommissionen ein, die sich mit der wirtschaftlichen Situation der Presse und den möglichen Folgen einer Pressekonzentration beschäftigten sollten; die Michel-Kommission und die Günther-Kommission. Die Michel-Kommission4 fand keine Anzeichen dafür, dass der Wettbewerb durch Funk und Fernsehen zuungunsten der Printmedien verzerrt werde, der Konzentrationsprozess sei vor allem auf den Wettbewerb der Printmedien untereinander zurückzuführen. Rundfunk und Presse ergänzen sich, und das Aufkommen des Fernsehens könne nicht die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Presse erklären, hieß es weiter. Die Forderung der Verleger nach einer Beteiligung am öffentlich-rechtlichen Rundfunk wies die Kommission zurück. Die Günther-Kommission5 beschäftigte sich mit den Folgen der Pressekonzentration und konstatierte keine Gefährdung der Pressefreiheit, schlug aber einige Gegenmaßnahmen vor, um eine weitere Konzentration zu verhindern. Einige dieser Vorschläge – beispielsweise die Verpflichtung der Verleger zur Offenlegung ihrer Besitzverhältnisse, das Pressestatistik-Gesetz oder ein Pressefusionskontrollgesetz – wurden in späteren Jahren vom Gesetzgeber umgesetzt. Ab 1976 ist eine gewisse Konsolidierung in der deutschen Presselandschaft zu beobachten: Die Anzahl der publizistischen Einheiten bleibt relativ konstant, ebenso die Auflagenzahl. Seit den achtziger Jahren veränderte sich aber die Arbeitswelt der Zeitungsmacher: Lichtsatz und Offset-Druck senkten die Kosten der Auflage, und in den Redaktionen hielten elektronische Redaktionssysteme Einzug – die Erfassung der Texte wird nun direkt durch die Redakteure vorgenommen; zudem haben sie auch zunehmend layouterische Tätigkeiten übernommen. Die Folgen dieser Entwicklung: Die Blätter sind zunehmend bunter geworden, die Leser sind hinsichtlich des Layouts auch immer verwöhnter geworden. Die äußere Gestaltung einer Zeitung oder Zeitschrift ist damit zu einem immer wichtigeren Wettbewerbsfaktor geworden, über den sich die einzelnen Blätter voneinander absetzen.
2.1.5 D ie Presse der ehemaligen DDR und die Wiedervereinigung Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht, den Grundsätzen dieser Verfassung gemäß seine Meinung frei und öffentlich zu äußern. (Art.€ 27 der Verfassung der DDR)
Ein anderes politisches System – kein Wunder, dass auch die Presse in der Deutschen Demokratischen Republik grundverschieden von der bundesrepublikanischen Presse war. Die Presse war mehr oder weniger das Ankündigungs- und Vollzugsorgan des Staates und weisungsabhängig, der Berufszugang war staatlich kontrolliert und der Nachrichtenstrom zentral gesteuert. So wundert es nicht, dass jeder Bürger sich 4╇ 5╇
Bundestagsdrucksache V/2120 vom 7. Juni 1967. Bundestagsdrucksache V/3122 vom 3. Juli 1968.
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nur „den Grundsätzen der Verfassung gemäß“ äußern durfte, und die waren nun einmal die führende Rolle der Partei und der demokratische Zentralismus. Gelenkt wurde die DDR-Presse von der Abteilung für Agitation und Propaganda beim Zentralkomitee der SED und durch das dem Komitee unterstellte Presseamt. Die Nachrichten kamen von der staatlichen Nachrichtenagentur ADN (Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst), die dem Presserat unterstellt war. Zudem bekamen die Chefredakteure wöchentlich Weisungen von den Sitzungen des Zentralkomitees, in denen thematische Schwerpunkte festgelegt wurden. Bei soviel Zentralismus erstaunt es nicht, dass sich die einzelnen Zeitungen recht ähnlich waren; es gab sogar Empfehlungen an die Redaktionen, wie Beiträge aufzumachen und zu platzieren seien. Zudem gab es eine Lizenzpflicht für Presseorgane, mit deren Hilfe der Zugang zu den Medien kontrolliert wurde. Da in der Zentralverwaltungswirtschaft nicht nur Nachrichten, sondern auch Materialien zugeteilt wurden, wurden den Zeitungen auch Papier, Farben und andere Arbeitsmaterialien zugeteilt – bevorzugt natürlich an die SED-Zeitungen. Westdeutsche Zeitungen gab es höchstens für ausgewählte Genossen, und da natürlich nur, um den Feind zu studieren, versteht sich. Die Bürger der DDR konnten sich nur über westdeutschen Rundfunk informieren, sofern sie im Sendebereich solcher Sender lebten; Gebiete ohne Westrundfunk-Empfang hießen im Volksmund „Tal der Ahnungslosen“. Die meisten der rund 40 Tageszeitungen in der DDR wurden in der Zentrag, der Zentralen Druckerei, Einkaufs-, und Revisionsgesellschaft, gedruckt. Damit verfügte die SED, der die Zentrag unterstellt war, über rund 90€% der Druckereikapazitäten der DDR. Ein Teil der Zeitungen – so beispielsweise das Neue Deutschland, die Berliner Zeitung und 14 Bezirkszeitungen – waren direkt der SED unterstellt und unterlagen nicht den Anleitungen des Presseamtes. Dieser Aufsicht unterlagen nur die Zentralorgane und Bezirkszeitungen der Blockparteien, deren Anteil an der Gesamtauflage aller Tageszeitungen von 20€% Mitte der Fünfziger Jahre auf etwa 8€% gegen Ende des DDR-Regimes abnahm. Box 2.11: Werbung in der DDR╇ Braucht man in einer Planwirtschaft, in der die Produktion zentral festgelegt wird, Werbung? Wer zentral Bedarfe plant, gibt ja vor, diese zu kennen, und wenn er sie kennt, weiß er, dass das, was produziert wird, auch abgesetzt wird, oder? Ganz so einfach ist es nicht, weswegen es auch in der DDR Werbung gab, die offiziell der Sortimentsdarstellung diente und zentral über die Deutsche Werbe- und Anzeigengesellschaft (DEWAG) abgewickelt wurde. „Potemkinsche Dörfer“, „überflüssige Imagewerbung“ lautet das Urteil von Kritikern. Im Ausland hingegen, wo man sich der Konkurrenz des Weltmarktes aussetzte, musste man werben, auch in westlichen Medien. Dies übernahm die Gesellschaft für Werbung und Auslandsmessen (Interwerbung), und hier kleckerte man nicht. Schließlich ging es für die DDR darum, durch den Verkauf der heimischen Produktion auf Auslandsmärkten Devisen zu beschaffen.
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Über die wirtschaftliche Situation der DDR-Zeitungen ist wenig bekannt: Schätzungen zufolge wurde eine Bezirkszeitung mit Beträgen zwischen 13 und 20€Mio.€DM pro Jahr subventioniert (die Wirkungen solcher Subventionen entnehmen Sie bitte Abb.€ 2.3). Das lag an zwei Dingen: Zum einen waren die Werbeeinnahmen dieser Zeitungen recht gering – wer muss in einer Planwirtschaft, in der fast immer Knappheit herrscht, schon Werbung machen (lesen Sie dazu auch Box€2.11)? – zum anderen wurden die Zeitungen zu extrem billigen Preisen abgegeben. Ähnlich reguliert waren auch die Wochen- und Monatszeitschriften, von denen es gegen Ende der DDR etwa 30 mit einer Auflage von 9,5€ Mio. gab. Hier gab es Funk- und Fernsehprogrammillustrierte („FF Dabei“), Frauenzeitschriften („Für Dich“), Familienblätter („Wochenpost“), sogar Satirezeitschriften wie den legendären „Eulenspiegel“. Eine Besonderheit der DDR waren die zumeist 14-täglich erscheinenden Betriebszeitungen, welche die Arbeitsleistungen der Beschäftigten stimulieren und das politische Bewusstsein im Sinne der Partei festigen sollten. Insgesamt gab es etwa 600 Stück davon in der DDR, die es auf eine Auflage von
Preis
Nachfrage
Angebot
PK PG PS
M1 MG M2 verkaufte Menge
Abb. 2.3↜渀 Subventionen und ihre Folgen. Die DDR wollte den Verkauf ihrer Zeitungen unterstützen, indem sie den Preis für die Presseerzeugnisse niedrig hielt. Zu dem Preis Ps lassen sich mehr Zeitungen absetzen, da mit sinkendem Preis die Nachfrage steigt von der Gleichgewichtsmenge MG auf die Menge M2. Doch zu diesem Preis PS würden die Verleger nur die Menge M1 anbieten, doch diese Menge können sie zum Preis PS nicht kostendeckend anbieten (Jeder Punkt auf der Angebotsfunktion repräsentiert den Preis, zu dem der Anbieter kostendeckend arbeitet). Geringerer Preis – geringere Erlöse – sinkendes Angebot. Wenn der Staat aber dennoch die Menge M2 abgesetzt sehen möchte, so muss er dem Verleger den Preis PK zahlen; zu diesem Preis können die Anbieter die Menge M2 kostendeckend anbieten. Der Betrag dieser Subvention lässt sich damit errechnen: Am Markt erlöst der Verleger M2â•›*â•›Ps; das sind seine Verkaufserlöse. Seine tatsächlichen Erlöse, die er benötigt, um kostendeckend zu wirtschaften, betragen PKâ•›*â•›M2. Also muss der Staat die Differenz zwischen den beiden Beträgen, multipliziert mit der abgesetzten Menge, als Subvention zahlen: (PKâ•›−â•›PS)â•›*â•›M2. Dieser Betrag ist in der Abbildung durch die grau unterlegte Fläche repräsentiert (die Fläche eines solchen Rechtsecks erhalten Sie, indem sie dessen Länge – also die angebotene Menge – mit seiner Höhe – PK minus PS – multiplizieren)
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mehr als 2€Mio. Exemplaren brachten. Etliche der Journalisten, die in diesen Zeitungen arbeiteten, waren gegen ihren Willen dorthin delegiert worden. Es gab auch eine konfessionelle Presse (1988 etwa 34 periodisch erscheinende Publikationen mit einer Gesamtauflage von 376.000 Exemplaren), die zwar nicht den strengen Vorgaben des Zentralkomitees unterlag, was Inhalt und personalpolitische Einflussnahme angeht, die aber strenger Kontrolle und vielen Repressalien – vor allem einer Vorzensur – unterlag. In ihrem Schatten segelte oftmals die oppositionelle Untergrundpresse. Mit dem Ende des Sozialismus kam auch das Ende der zentralistischen Medienpolitik der SED. Die Abteilung Agitation und Propaganda wurde abgewickelt, das Regime verlor die Möglichkeit, die Presse zu lenken. In der Zeit des Umbruchs wurde versucht, die Medienordnung der DDR auf neue Beine zu stellen, doch die Versuche dazu scheiterten. Mit dem Ende der DDR ging ihr staatliches Mediensystem unter. Das Zeitungs- und Zeitschriften-Angebot nahm erwartungsgemäß zunächst deutlich zu: Viele Westverlage lieferten ihre Publikationen über die ehemalige Grenze, die ehemaligen SED-Bezirkszeitungen, die nun auf die Subventionen der Nachfolgepartei PDS verzichten mussten, stellten ihr Erscheinen aber nicht ein, sondern wurden begehrte Kooperationspartner für die Westverlage. Ökonomisch gesehen ist das nachvollziehbar: Die Verlage hatten bereits die notwendige Infrastruktur (beispielsweise die Druckereien,) und sie hatten – trotz ihrer Nähe zum DDR-Staat – eine hohe Leser-Blatt-Bindung; ihre Abkehr von der Partei-Linie hatte zudem ihre Akzeptanz bei der Leserschaft offenbar gesteigert. Dennoch hatten sie Kooperationen mit finanzstarken Westverlagen bitter nötig, da der Wegfall der Subventionen sich bemerkbar machte: Die Mittel wurden knapper; und da man deswegen die Preise erhöhen musste, hatte dies Auflagenrückgänge zur Folge. Eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Presse nach 1989 kommt dabei der Treuhandanstalt zu, welche die Privatisierung des ehemaligen Volksvermögens abwickeln sollte. Die meisten der ehemaligen SED-Zeitungen wurden zum Verkauf ausgeschrieben und an westdeutsche Zeitungs- und Zeitschriftenverlage veräußert. Der Verkauf der Zeitungen der ehemaligen Blockparteien wurde zwischen den Verlagen und den Kaufinteressenten direkt abgewickelt. Der Verkauf der Zeitungen an die wirtschaftlich starken Westverlage – nur sie konnten sich umfangreiche Investitionen leisten – wurde heftig kritisiert, da sich durch diesen Verkauf die Konzentration im deutschen Presse- und Verlagswesen erhöht hat. Natürlich gab es eine Fülle von Neugründungen nach der Wende; zumeist waren es Lokalzeitungen, die mit den westdeutschen Mutterverlagen kooperierten und keine eigene Vollredaktion hatten. Eine Kooperation mit ostdeutschen Verlagen war selten. Doch trotz einer völlig veränderten Ausgangslage nach 1989 lässt sich rückblickend feststellen, dass die Marktzutrittschancen für neue Titel sehr begrenzt waren6. Die Bilanz des Medienberichtes hinsichtlich der Neugründungen ist erschütternd: Von den insgesamt fast 100 Neugründungen zwischen 1989 und 1991 sind Ausführlicher dazu: Deutscher Bundestag (1998): Bericht der Bundesregierung über die Lage der Medien in der Bundesrepublik Deutschland 1998 – Medienbericht 1998. Deutscher Bundestag, 13. Wahlperiode, Drucksache 13/10650; S.€65€ff.
6╇
2.1 Geschichte der Presse
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1997 nur noch 8 übrig geblieben, die mehr oder weniger enge Kooperationen mit den lokalen Bezirkszeitungen eingegangen sind. Box 2.12: Vertrieb in der DDR╇ Der Vertrieb für Presseerzeugnisse erfolgte in der DDR vor allem über die Post, die das Vertriebs- und Beförderungsmonopol für Presseerzeugnisse besaß und sogar Kioske betrieb. Sie kaufte die Blätter an und veräußerte sie weiter. Hier gab es eine weitere Möglichkeit der Zensur: Die Post vertrieb nur Presseerzeugnisse, die auf der jährlich erscheinenden Postzeitungsliste aufgeführt waren. Rund 85€% der Gesamtauflage aller Zeitungen und Zeitschriften wurden über den Postvertrieb abgewickelt, die restlichen 15€% wurden im Einzelverkauf über Poststellen und Einzelverkaufsstellen abgesetzt. Das hatte zur Folge, dass die westdeutschen Verlage nach dem Fall der Mauer gezwungen waren, eigene Vertriebssysteme zu installieren; es kam zu einem Nebeneinander verlagsabhängiger und verlagsunabhängiger Grossisten. Wie wichtig der Vertrieb beim Kampf um Marktanteile in Ostdeutschland war, zeigte auch der Wettlauf zwischen der Bild-Zeitung und der umstrittenen Super!-Zeitung („Angeber-Wessi mit Bierflasche erschlagen. Ganz Bernau freut sich“): Bild hatte ein eigenes Vertriebsnetz aufgebaut, das ihr einen Vorsprung gegenüber der Super!-Zeitung verschaffte, die nach nur 18 Monaten ihr Erscheinen einstellte. Viele der ehemaligen DDR-Zeitungen sind mittlerweile vom Markt verschwunden (Vergleichen Sie bitte mit Tab.€2.3). Der Grund dafür liegt auch in der Macht der ehemaligen SED-Bezirkszeitungen, die vor der Wende praktisch über das Monopol der ortsbezogenen Berichterstattung verfügten. Offenbar war dieser Startvorteil nicht zu schlagen, die Leser sind ihrem lokalen Blättchen treu geblieben. Von den 24 noch existierenden ehemaligen DDR-Titeln waren alleine 15 ehemalige Bezirkszeitungen der SED, 5 Titel waren Regionaltitel der ehemaligen Blockparteien. Von den ehemals 7 überregionalen Zentralorganen haben nur 2 überlebt. Die Struktur der ostdeutschen Presse ist auch heute noch geprägt durch die Vorgaben der DDR: In der lokalen und regionalen Berichterstattung dominieren die ehemaligen SED-Bezirksblätter mit hoher Auflagenzahl und einer großen Verbreitung; ihre Verbreitungsgebiete entsprechen weitgehend noch den mittlerweile politisch völlig überholten ehemaligen Bezirken der DDR. Selbständige Lokalzeitungen gibt es in Ostdeutschland kaum noch. Auch bedingt durch die Verkaufspolitik der Treuhand gibt es in Ostdeutschland kaum einen verlegerischen Mittelstand. Zudem gibt es in Ostdeutschland noch mehr Ein-Zeitungskreise als€in€Westdeutschland. Tab. 2.3↜渀 Die Entwicklung der ehemaligen DDR-Zeitungen nach dem Mauerfall. (Quelle: Medienbericht 1998, a.a.O., S.€65) 1989 1993 1997 Auflage in Millionen 9,6 4,5 4,1 Anzahl 38 25 24
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2 Printmedien
2.2â•… Zeitungen und Zeitschriften 2.2.1 Täglich, wöchentlich oder monatlich? Entsprungen ist die Zeitung dem Privatbrief: Das Wort „Zidinge“ oder „Zidunge“ ist ein Lehnwort aus dem mittelniederdeutschen beziehungsweise mittelniederländischen „tidinge“, das für Nachricht, Botschaft steht. Was macht eine Zeitung aus? Eine Zeitung kann vom Leser zu jedem gewünschten Ort transportiert werden, sie erlaubt ihm hohe räumliche Mobilität (man kann sie in der Straßenbahn, beim Frühstück oder am stillen Örtchen lesen).Eine Zeitung ermöglicht dem Leser auch sachliche Mobilität: Er selbst entscheidet, welche der in der Zeitung befindlichen Artikel er liest, und er entscheidet, wann er sie liest (zeitliche Mobilität). Doch was unterscheidet einen Brief von einer Zeitung, eine Zeitung von einer Zeitschrift oder einem Magazin? Darauf gibt es vier Antworten: Publizität, Aktualität, Universalität und Periodizität. Nimmt man als weiteres Unterscheidungskriterium noch den Vertriebsweg hinzu, so kann man eine etwas genauere, wenngleich immer noch nicht trennscharfe Abgrenzung zwischen Briefen, Zeitschriften und Zeitungen vornehmen. Einige Abgrenzungskriterien finden Sie in Abb.€2.4. Was für Presseerzeugnisse gibt es? Überregionale Tageszeitungen:╇ Hier sind die F.A.Z., die Welt, die Deutsche Tagespost, die TAZ, das Neue Deutschland und die Junge Welt zu nennen. Landesweite Verbreitung finden auch die Süddeutsche Zeitung, die Frankfurter Rundschau, der Tagespiegel und einige weitere Titel, die zwar einen regionalen Fokus haben, aber aufgrund ihres überregionalen Teiles eine Bedeutung über ihren eigentlichen Verbreitungskreis hinaus haben. Insgesamt brachten es Tageszeitungen – regional
Zeitung
Zeitschrift
hohe Aktualität
geringere Aktualität, mehr Analyse
täglicher Erscheinungsrhythmus
wöchentliches / monatliches Erscheinen
Oft regionaler Fokus
i.d.R. überregionale Ausrichtung
breiterer Adressatenkreis
zunehmende Spezialisierung auf einzelne Gruppen; Special interest-Titel
viele, breit gestreute Werbeadressaten
gezieltes Marketing; auf Einzelgruppen fokussiert
geringere Selektion der Nachrichten; breites Themenfeld
starke Selektion der Nachrichten
Vertrieb: Austräger, Post, Kioske
Vertrieb: Kioske, Post
Abb. 2.4↜渀 Unterscheidungskriterien für Presseerzeugnisse
2.2 Zeitungen und Zeitschriften
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und überregional – 2009 auf Umsätze von 7,96€Mrd.€€ – 3,69€Mrd.€€ davon stammten aus den Anzeigenerlösen, der Rest aus dem Vertrieb. Sonntagszeitungen:╇ Die Platzhirsche sind hier die Bild am Sonntag und die Welt am Sonntag; daneben gibt es auch andere Titel, die sonntags vertrieben werden; zumeist jedoch mit regionaler Begrenzung. Ende 2001 ist die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung ebenfalls mit einem überregionalem Auftritt gestartet; bis dahin war ihr Erscheinen nur regional begrenzt. Insgesamt haben Wochen- und Sonntagszeitungen 2009 Umsätze von 416€Mio.€€ verbucht; 208€Mio. davon aus Anzeigenerlösen und 208€Mio. aus dem Vertrieb. Straßenverkaufspresse:╇ Einige Zeitungen verkaufen sich zu überwiegenden Teilen nur über Kioske oder ähnliche Verkaufsstellen, ihr Anteil an Abonnenten ist gering. Dabei handelt es sich zumeist um sogenannte Boulevard-Zeitungen, deren Platzhirsch natürlich die Bild-Zeitung ist, neben der sich beispielsweise auch noch die B.Z., der Express, die Abendzeitung und die Morgenpost tummeln. Im Jahr 2009 standen rund 343 Abonnementszeitungen mit einer Gesamtauflage von 14€Mio. nur 8 Straßenverkaufszeitungen mit einer Gesamtauflage von 4,2€Mio. gegenüber. Fremdsprachige Zeitungen:╇ Schätzungen zufolge gibt es rund 1.900 fremdsprachliche Titel, die in Deutschland vertrieben werden; davon rund 180 Zeitungen. Einen Löwenanteil daran haben die türkischen Zeitungen. Zugenommen hat auch der Absatz russischer, polnischer und jugoslawischer Titel. Unter den Zeitschriften kann man nochmals differenzieren: Anzeigenblätter:╇ Das sind periodisch erscheinende Blätter, die in der Regel kostenlos ausgegeben werden und sich ausschließlich über Werbung finanzieren. Neben dem Anzeigenteil gibt es einen redaktionellen Teil, der sich zumeist auf regionale Themen konzentriert. Wahrscheinlich haben auch Sie schon des Öfteren ein solches Blatt in Händen gehalten oder in den Papierkorb geworfen – sie finden es regelmäßig in Ihrem Briefkasten. Die meisten Anzeigenblätter – 2009 waren es 1.414 mit einer Auflage von knapp 92€Mio. – erscheinen wöchentlich. Im Jahr 2008 haben Anzeigenblätter Umsätze in Höhe von rund zwei Milliarden Euro generiert. Anzeigenblätter im weiteren Sinne sind die sogenannten Offertenblätter, in denen Privatleute Anzeigen oft kostenlos aufgeben können; diese Blätter werden in der Regel nicht kostenlos abgegeben. Kostenlos verteilt werden zumeist auch die kommunalen Amts- und Mitteilungsblätter, mit spezifischem Bezug zur jeweiligen Gemeinde, in denen auch private und geschäftliche Anzeigen veröffentlicht werden. Neben diesen Blättern gibt es so genannte Amtliche Blätter, welche die Behörden der Gebietskörperschaften als Gesetzes- und Verordnungsblätter herausgeben. Unter den Nachrichtenmagazinen, die zumeist wöchentlich erscheinen, gibt es in Deutschland zwei Platzhirsche: Den Spiegel und den Focus. Jahrelang hatte der Spiegel quasi eine Monopolstellung inne, bis der Focus sich seinen Platz sicherte, indem er der politisch eher links angehauchten Berichterstattung des Spiegel eine konservativere Haltung entgegensetzte. Ein ähnliches Segment wie die Nachrichtenmagazine besetzen die Wochenzeitungen, hier sind vor allem die Zeit, die
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Wochenpost und der Bayernkurier zu nennen. Die 2009 verzeichneten 27 Wochenzeitungen kommen zusammen auf eine verkaufte Auflage von knapp 20€Mio. Publikumszeitschriften richten sich an ein breites Publikum, das nicht durch Beruf, Bildung oder Mitgliedschaft in einem Verein oder einer Gemeinschaft getrennt sein soll. Sie haben unter den Zeitschriften einen hohen Anteil am Gesamtvolumen aller verkauften Zeitschriften; nach Anzahl der Titel handelt es sich eher um ein kleineres Segment. Seit Mitte der Neunziger Jahre ist hier eine Konzentrationsbewegung zu beobachten: Die Zahl der Titel, die sich auf spezielle Zielgruppen konzentrieren, nimmt zu, mit Folgen: Die Auflagenzahl sinkt, und damit wächst der Kostendruck auf die einzelnen Zeitschriften. Bei nach wie vor hohen Fixkosten sinkt die Stückzahl, und damit nehmen die Kosten je gedrucktem Exemplar zu (das Dilemma der Fixkostendegression wurde bereits ausführlich im ersten Kapitel erörtert). Mit sinkender Auflage sinken natürlich auch die Werbeeinnahmen, da die Werbekunden jetzt mit jeder geschalteten Anzeige weniger Leser erreichen – weswegen sie auch weniger für die Anzeigen zahlen. Im Jahr 2009 beliefen sich die Werbeerlöse der Publikumszeitschriften auf rund 1,4€Mrd.€€. Eine starke Gruppe unter den Publikumszeitschriften sind die Fernsehzeitschriften; hier hat der Wettbewerb in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Fachzeitschriften wenden sich an ein spezielles, eher kleineres Publikum und haben zumeist ein berufsbezogenes Informationsangebot. Der Medienbericht der Bundesregierung weist für 2007 knapp 3.900 Titel mit einer Jahresauflage von 500€Mio.€€ aus. Die Umsätze der Fachzeitschriften beliefen sich 2008 auf rund zwei Milliarden Euro; die Werbeeinnahmen beliefen sich auf knapp eine Milliarde Euro. Die konfessionelle Presse verbucht in ihrem Fachverband 41 Mitgliedsverlage mit 140 Titeln und einer verkauften Auflage von rund fünf Millionen. Der Markt der konfessionellen Zeitschriften ist überwiegend regional organisiert. Kundenzeitschriften sind periodisch erscheinende Zeitschriften belehrenden und unterhaltenden Inhalts, die der Verbraucherinformation, dem Kundenkontakt und der Werbung dienen. Sie richten sich entweder an Endkunden oder aber an Geschäftspartner. Die Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW; s. Box€2.15) beziffert die Auflage dieser Zeitschriften für das Jahr 2009 auf rund 43€Mio. Exemplare. Wie Sie sehen, gibt es eine Fülle verschiedener Presseprodukte. Doch wovon hängt es ab, welches Produkt man anbietet? Was sind die Vor- und Nachteile der verschiedenen Produkte? Welche sind erfolgreicher als andere und warum? Warum gibt es eine Fülle von Fachzeitschriften für ein sehr spezielles Publikum, während wir bei Regionalzeitungen viele Ein-Zeitungs-Kreise haben? Lassen Sie uns zuerst einen Blick darauf werfen, welcher Zusammenhang zwischen dem Spezialisierungsgrad einer Zeitung oder Zeitschrift und den damit verbundenen Einnahmen existiert. Eine zunehmende Spezialisierung der Zeitschrift hat mehrere Folgen: Zum einen sinkt die Anzahl der Personen, die Interesse an dem Objekt haben – je spezieller ein Themengebiet, desto weniger Interessenten. Damit einher geht zum einen die Notwendigkeit, zunehmend überregional zu werden, das erhöht die Wahrscheinlichkeit mehr Leser zu finden. Zusammengenommen bedeutet das, dass mit zunehmender Spezialisierung der Zeitschrift tendenziell die Auflage sinkt, zugleich
2.2 Zeitungen und Zeitschriften
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dürfte der regionale Bezug des betreffenden Objektes sinken. Da spezielle Themen zwar durchaus Vielfalt bieten, aber in der Regel weniger Aktualität erfordern als die politische Tagesberichterstattung, ist der Erscheinungsrhythmus solcher Objekte in der Regel wöchentlich oder monatlich – manchmal sogar vierteljährlich. Das ist auch aus einem anderen Grund notwendig: Mit sinkender Zahl von Lesern wird auch der Vertrieb teurer. Und weniger Aktualität bedeutet, dass man die Exemplare für Ihre Abonnenten auch der Post anvertrauen kann und keinen so aufwendigen Distributionsapparat benötigt wie eine Tageszeitung. Die zunehmende Spezialisierung hat einen weiteren Vorteil: Die werbetreibende Industrie kann gezielter in den jeweiligen Objekten werben. Oder was meinen Sie: Wo ist eine Werbung für teure Mountainbikes besser untergebracht: In einer Zeitschrift wie „Bike Sports“ oder in einer Tageszeitung, von der Sie vermuten können, dass mindestens die Hälfte der Leser zu alt für solche Kapriolen ist? Zumal die Anzeige in dem auflagenstärkeren Medium teurer sein dürfte als in der Fachzeitschrift. Ein weiterer Vorteil der Spezialisierung: Die Leser werden tendenziell eher bereit sein, einen höheren Preis für das Heft zu zahlen, und zwar aus zwei Gründen: Je spezieller die Zeitschrift, desto höher wird der persönliche Nutzwert sein, den der Leser dem Heft zubilligt – das wird zum Beispiel deutlich bei Zeitschriften, die sich mit Hobby- und Freizeit-Themen beschäftigen. Für sein Hobby ist man eher bereit etwas Geld auf den Tisch des Hauses zu blättern als für die politischen Tagesnachrichten, zumal man diese – und das ist der zweite Grund – auch kostenlos aus den Konkurrenzmedien Fernsehen und Radio entnehmen kann. Mit steigender Spezialisierung nimmt also die Bereitschaft der werbetreibenden Industrie zu, zu werben, weil sie der Anzeige in dem betreffenden Blatt eine höhere Werbewirksamkeit zubilligt, zudem erhöhen sich die Umsatzerlöse, weil man höhere Preise für spezielle Fachzeitschriften fordern kann als für die Tagespresse. Steigende Spezialisierung bedeutet aber auch mehr Kosten. Zum einen sinkt die potenzielle Auflage (die Vorteile aus der Fixkostendegression lassen nach) und damit auch die potenziellen Abonnementseinnahmen, zum anderen schreckt die werbetreibende Industrie natürlich ab, dass das betreffende Objekt nur 50.000 und nicht 400.000 Leser hat, welche man mit der Anzeige erreichen kann. Ein weiterer Kostenfaktor besteht in der notwendigen redaktionellen Arbeit: Mit steigender Spezialisierung muss man eine spezialisiertere Mannschaft einstellen, denn Agenturen und Praktikanten können nur in den wenigsten Fällen das leisten, was die Leser der Spezialzeitschriften erwarten. Das Problem ist klar: Unser Verleger muss zwischen den positiven, weil umsatzerhöhenden und negativen, weil kostenerhöhenden und umsatzreduzierenden, Effekten abwägen. Dabei muss er abwägen zwischen den Abonnementserlösen und den Werbeeinahmen; bei beiden Erlösarten ist die Wirkung einer zunehmenden Spezialisierung nicht eindeutig: Die Abonnementseinnahmen steigen wegen der zunehmenden Zahlungsbereitschaft der Leser und sinken wegen der sinkenden Leserschaft. Die Werbeerlöse steigen wegen der höheren Zielgenauigkeit der Werbung und sinken wegen des abnehmenden Verbreitungsgrades der Werbung. Ein weiteres, praktisches Problem der Printpresse ist der Vertrieb – das schauen wir uns jetzt näher an.
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2 Printmedien
2.2.2 Der Vertrieb 2.2.2.1â•…Die Vertriebskanäle Wie bringt man eine Zeitung an den Mann oder die Frau? Abbildung€2.5 gibt einen Überblick. Zeitungen und Zeitschriften werden entweder im Abonnement oder im Einzelhandel verkauft, oder aber über Lesezirkel verliehen. Lassen Sie uns aber mit der wichtigsten Vertriebsform, dem Presse-Grosso, beginnen. Der Pressegroßhandel (vgl. auch Tab. 2.4) ist mit einem Marktanteil von etwa 54€ % der dominierende Vertriebskanal. Der Grossist kauft die Presseerzeugnisse vom Verlag und verkauft sie an die Einzelhändler weiter. Dabei bestimmt der Verlag, in welchem Gebiet der Grossist ausliefern darf, er bestimmt die Abgabepreise an den Einzelhandel und die Endverkaufspreise an den Konsumenten und er verpflichtet die Grossisten, die Presseerzeugnisse ausschließlich an den Einzelhandel weiter zu verkaufen. Viele Grossisten sind in ihrem Vertriebsgebiet für alle dort angebotenen Titel alleinverantwortlich und sind damit Alleinanbieter in ihrem Gebiet – jeder Einzelhändler kann die betreffenden Titel nur vom Grossisten beziehen. Das verschafft dem Grossisten die Möglichkeit, dem Einzelhändler vorzuschreiben, welche und wie viele Titel er zu beziehen hat. Der Einzelhändler hat dafür das Recht, nach Ablauf der Angebotszeit alle Exemplare zurückzuschicken, die nicht verkauft worden sind. Der Verlag wiederum räumt den Grossisten das Recht ein, innerhalb einer bestimmten Zeit unverkaufte Exemplare gegen Gutschrift zurückzugeben (das geschieht entweder durch einen Nachweis auf dem Verrechnungsweg, also körperlos, durch Rücksenden der Kopf- oder Fußleisten, die Titelblatt-Remission, oder durch Ganzkörperremission – alle Exemplare werden zurückgeschickt). Dafür verpflichtet er sich, nicht außerhalb seines Vertragsgebietes tätig zu werden. Das ermöglicht es dem Verlag, seine Erzeugnisse in dem Umfang und der Menge zu vertreiben, wie er es wünscht. Durch das Remissionsrecht verbleibt das Absatzrisiko beim Verlag: Wer die Absatzpolitik bestimmt, muss auch die damit verbundenen Risiken tragen. Presse-Großvertriebe sind mittelständisch geprägte Unternehmen mit durchschnittlich 140 Beschäftigten. Sie handeln mit einem Sortiment von etwa 6000
Abb. 2.5↜渀 Vertriebsformen für Zeitungen
Abonnement
Einzelverkauf
• feste Vorbestellung • Lieferung über Agenturen, Post oder eigene Zusteller • Werbung über eigene Werber, Agenturen oder Haustürwerber
• Verkauf über Einzelhandel • Presse-Grosso, Bahnhofsbuchhandel, Verkaufsautomaten
Vermietung
• Lesezirkel: • Verlag leiht Objekte an Lesezirkelfirmen aus • Verleihung von Lesemappen über einen bestimmten Zeitraum
2.2 Zeitungen und Zeitschriften Tab. 2.4↜渀 Presse-Grosso in Deutschland 2009. (Quelle: Bundesverband Deutscher Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften-Grossisten (www. bvpg.pressegrosso.de))
89 Anzahl Grosso-Firmen Alte Bundesländer Neue Bundesländer Anzahl Grosso- und Filialgebiete Alte Bundesländer Neue Bundesländer Umsätze in Mrd. Euro Anzahl der belieferten Verkaufsstellen Einzelhändler je 1000 Einwohner Verkaufte Exemplare gesamt in Mrd. Remission in Prozent (mengenmäßig) Remission in Prozent (wertmäßig)
73 57 16 87 71 16 2,66 123.033 1,5 2,792 37,98 46,46
Titeln. Im Gegensatz zum vielfach bekannten, herkömmlichen Großhandel billigt man den Presse-Grossisten eine gewisse Sonderrolle zu: Da sie für die Verbreitung von Presseerzeugnissen zuständig sind, dürfen sie kein Erzeugnis aus politischen oder sonstigen Gründen vom Vertrieb ausschließen, das könnte nämlich die Pressefreiheit gefährden. Zudem haben die meisten Pressegrossisten in ihrem Gebiet ein de-facto-Monopol, mehr als 90€% aller Einzelhändler werden nur von einem Großhändler beliefert. Deswegen dürfen Grossisten auch nicht die Übernahme neuer Titel in ihren Vertrieb verweigern. Das eröffnet auch kleinen Verlagen den Zugang zu umfangreichen Vertriebswegen. Schaut man sich den Presseeinzelhandel an, so ergibt sich in etwa folgendes Bild: Insgesamt gibt es etwa 120.000 Angebotsstellen für Presseerzeugnisse, die 2010 rund 2,698€Mrd. Exemplare verkauft und dabei Gesamtumsätze zu Endpreisen in Höhe von rund 3,483€Mrd.€€ erwirtschaftet haben. Solche Verkaufsstellen sind entweder reine Zeitungsverkaufsstellen oder Zeitschriftenspezialverkaufsstellen, aber auch Bäckereien, Getränke-Stützpunkte, Discounter, Lebensmittelhändler und Gemischtwarengeschäfte. Einzelverkauf erfolgt auch über die sogenannten Stummen Verkäufer, die auf die Redlichkeit der Leser bauen und die Bahnhofsbuchhandlungen, die das alleinige Recht besitzen, auf dem Bahnhofsgelände Presseerzeugnisse zu verkaufen. Daneben gibt es auch einen Sonderhandel, bei dem einzelne Händler exklusiv für einen Verlag oder eine Zeitung zuständig sind und den Zustellhandel, eine Mischform aus Einzelhandel und Abonnement (vor allem Sonntagszeitungen werden darüber vertrieben). Das Abonnement ist vor allem deswegen eine wichtige Verkaufsform, weil es stabile Einnahmen garantiert. Der Leser bindet sich für längere Zeit und verpflichtet sich zur regelmäßigen Abnahme der Zeitung oder der Zeitschrift. Kein Wunder, dass Abonnenten so begehrt sind, sie sichern konstante Erträge und signalisieren den Anzeigenkunden zugleich eine stabile Leserschaft für die kommende Auflage, in der die Anzeige stehen soll. Ein wichtiger Vertriebskanal für die Abonnenten ist die sogenannte Pressepost, ein Geschäftsfeld der Deutschen Post, die Dienstleistungen für Zeitungen und Zeitschriften anbietet (vergleichen Sie bitte auch Box€2.13). Das waren 2008 immerhin
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rund zwei Milliarden Stücke, welche die Post verschickte. Etwa die Hälfte der Sendungen stellen Monatszeitschriften dar, gefolgt von Wochenzeitschriften, die etwa ein Viertel der Sendungen ausmachen. Ein weiterer Weg ist die Hauszustellung durch Austräger, die entweder zum Verlag oder zum Grossisten gehören. Dieser Dienst ist für die Verlage relativ aufwendig, aber im Wettbewerb mit den audiovisuellen Medien enorm wichtig: Niemand will die Meldungen des Vortages erst am Abend lesen. Oftmals teilen sich Verlage die Dienste der Zusteller, ein Zusteller trägt dann verschiedene Zeitungen aus. Box 2.13: Pressepost╇ Presseerzeugnisse kommen bei der Deutschen Post in den Genuss vergünstigter Tarife. Als Presseerzeugnisse gelten Zeitungen, Zeitschriften und Hefte, die eine kontinuierliche innere und äußere Gestaltung aufweisen. Sie sollen aus formatgleichen und überwiegend beidseitig bedruckten Blättern bestehen und werden durch Falzung oder durch eine buchbinderische Verarbeitung zu einer Einheit zusammengefasst. Presseerzeugnisse müssen als identische Vervielfältigungen in einem presseüblichen Druckverfahren hergestellt sein, jedermann zugänglich sein sowie periodisch – mindestens einmal im Quartal – erscheinen. Auf der Titelseite der Presseerzeugnisse muss entweder Titel, Nummer oder die Bezeichnung „Sondernummer“ angegeben sein. Presseerzeugnisse können als Pressesendungen oder als Postvertriebsstücke versandt werden. Bei Presseerzeugnissen, die als Pressesendung versandt werden sollen, muss der Herausgabezweck darauf gerichtet sein, Informationen oder Unterhaltung öffentlich zu verbreiten (also nicht Prospekte, Versandkataloge oder Werbekataloge; aber Kunden-, Investoren-und Mitarbeiterzeitschriften). Presseerzeugnisse, die als Postvertriebsstück versandt werden sollen, müssen entgeltlich zu dem Zweck herausgegeben werden, die Öffentlichkeit über Tagesereignisse, Zeit- oder Fachfragen durch redaktionelle Beiträge, die keine geschäftliche Werbung enthalten, zu unterrichten (presseübliche Berichterstattung). Sie müssen Mannigfaltigkeit der Beiträge, Aktualität, Publizität sowie Kontinuität aufweisen. Nicht unter diese Regelung fallen Druckerzeugnisse, die unmittelbaren geschäftlichen Interessen dienen. Indizien dafür können Werbesprache, offensichtlich von Firmen herausgegebene Beiträge, Kaufempfehlungen, Ordertips und Bestellnummern oder katalogartige Vorstellungen von Produkten sein. Der Umfang des Druckerzeugnisses muss mehr als 30€ % presseübliche Berichterstattung enthalten. Streifbandsendungen schließlich sind Zeitungen und Zeitschriften, die in kleinen Mengen versendet werden; dabei handelt es sich um Nachsendungen.
2.2.2.2â•…Die Ökonomie des Vertriebs Bisher haben wir eigentlich nur beschrieben, wie die Zeitung an die Frau oder den Mann kommt, aber warum ist das so wichtig bei Presseerzeugnissen? Schließlich
2.2 Zeitungen und Zeitschriften
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interessiert uns eigentlich auch nicht sonderlich, wie unsere Supermärkte ihre Waren bekommen (auf den Laster – fertig). Doch halt – der Vertrieb einer Zeitung ist etwas Besonderes, aus mehreren Gründen: • Zum einen liefert der Verlag zumindest teilweise seine Produkte an jeden einzelnen Kunden – das macht Milka in der Regel nicht, hier holt sich der Kunde die Schokolade vor Ort im Supermarkt selbst ab. • Der Vertrieb direkt an den Endkunden ist enorm kostenintensiv und wirft damit das Problem der sinkenden Durchschnittskosten auf. • Der Vertrieb von Presseprodukten unterliegt einer zeitlichen Restriktion: Niemand will eine Zeitung erst drei Tage nach der Drucklegung haben. Vor allem Zeitungen leiden unter dem Konflikt zwischen einer weitreichenden Distribution und einer hinreichenden Aktualität. • Es gibt noch einen weiteren Konflikt: Je höher die Reichweite einer Zeitung, umso geringer ist ihr regionaler Bezug und damit umso geringer die potenzielle Leserbindung. Bei zu geringer Verbreitung jedoch geht der regionale Bezug einer Zeitung zu Lasten ihrer hohen Kosten. Tabelle€2.5 gibt Ihnen einen Aufschluss über die Kostenstruktur einer Zeitung. Wie Sie sehen, bilden die Kosten der Herstellung den größten Block, auch wenn sie in den vergangenen Jahren dank der Technik anteilsmäßig zurückgegangen sind. An zweiter Stelle liegen die Redaktionskosten, dicht gefolgt von den Vertriebskosten. Wenn wir also eine Entscheidung darüber treffen wollen, welche Reichweite unsere Zeitung haben soll, so werden wir diese drei Kostenblöcke gebührend berücksichtigen müssen. Das wollen wir einmal in Abb.€2.9 versuchen. Wie groß soll die Reichweite einer Zeitung sein? Das hängt von zwei Dingen ab: Von den Kosten und den Erlösen. Um einmal schematisch zu erläutern, wie sich ein solcher Entscheidungsprozess ergibt, müssen wir wieder ein paar Annahmen machen. In Abb.€2.6 sind die Kosten einer Zeitung in Abhängigkeit von ihrer Reichweite abgetragen. Diese Kostenfunktion hat eine Besonderheit: Innerhalb eines bestimmten Intervalls steigen die Kosten langsam – bei steigender Auflage braucht man mehr Papier, Druckerschwärze, und ähnliches – das sind die sogenannten variablen Kosten, die mit steigender Auflage kontinuierlich zunehmen.
Tab. 2.5↜渀 Kosten-Erlös-Struktur von Abonnementzeitungen in Westdeutschland 2009; Angaben in Prozent. (Quelle: Bundesverband der Zeitungsverleger (www. bdzv.de))
Anteil Kosten Herstellung Redaktion Vertrieb Anzeigen Verwaltung
27,0 25,5 23,2 16,0 8,4
Erträge Anzeigen Vertrieb Fremdbeilagen
41,1 50,7 8,2
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Abb. 2.6↜渀 Gesamtkostenfunktion und Durchschnittskostenfunktion in Abhängigkeit von der Reichweite einer Zeitung
Durchschnittskosten Gesamtkosten
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Gesamtkosten
Durchschnittskosten
Reichweite (Auflage)
Doch ab einem bestimmten Punkt, der durch die gestrichelten Linien angedeutet ist, machen die Kosten einen deutlichen Sprung. Das sind die sogenannten sprungfixen Kosten: Für eine jeweilige Reichweite benötigt man einen technischen Apparat und Druckmaschinen, das sind fixe Kosten, denn sie verändern sich nicht, auch wenn innerhalb des Intervalls die Anzahl der gedruckten Zeitungen steigt. Genauer gesagt handelt es sich um sprungfixe Kosten, denn ab einer gewissen Auflagenstärke, die mit einer steigenden Reichweite einhergeht, muss der technische Apparat ausgebaut werden und weitere Druckmaschinen an verschiedenen Standorten angeschafft werden. Dann steigen mit einem Schlag die Fixkosten und sind dann wieder solange konstant, bis die Zeitung in die nächste Auflagenklasse hineinwächst. Mit eingetragen in Abb.€ 2.6 sind die durchschnittlichen Kosten in Abhängigkeit von der Reichweite (das ist die dick gedruckte Linie). Wir sehen, dass die durchschnittlichen Kosten der Besonderheit der Gesamtkosten folgen: Bei jedem Übergang zu einer neuen, höheren Auflagenklasse steigen sie sprunghaft an – das sind die Fixkosten, durch welche die Gesamtkosten mit einem Schlag stark erhöht werden. Doch jetzt wird es interessant: Innerhalb eines jeden Intervalls sinken die durchschnittlichen Kosten der Zeitungsproduktion mit steigender Auflage. Das liegt an der bereits im zweiten Kapitel beschriebenen Fixkostendegression: Zwar steigen die Gesamtkosten auch mit steigender Reichweite, weil die variablen Kosten wie Druckerschwärze und Papier zunehmen, doch die hohen Fixkosten innerhalb des jeweiligen Auflagenintervalls führen dazu, dass die gesamten durchschnittlichen Kosten, also die Gesamtkosten dividiert durch die Anzahl der gedruckten Exemplare, sinken, da sich die hohen Fixkosten nun auf eine größere Ausbringungsmenge verteilen. Box 2.14: Die optimale Betriebsgröße╇ In Branchen mit hohem Fixkostenanteil – und damit sinkenden Durchschnittskosten – kann es rasch zu Wettbewerbsproblemen kommen. In Studien hat man versucht herauszufinden, wie hoch die mindestoptimale technische Betriebsgröße (MOTB) ist. Dazu gibt es drei verschiedene Verfahren: In Survivor-Analysen geht man davon aus, dass nur Unternehmen mit den geringsten Durchschnittskosten den Wettbewerb
2.2 Zeitungen und Zeitschriften
93
überleben. Also ergibt sich die MOTB durch Beobachtung der tatsächlichen durchschnittlichen Kosten der überlebenden Betriebe. Bei statistischen Kostenanalysen stützt man sich auf die Kostendaten der jeweiligen Unternehmen, bei Expertenschätzungen befragt man Ingenieure und andere Fachleute. Eine Schätzung zur MOTB – die leider schon etwas älter ist – kommt zu dem Ergebnis, dass bei regionalen Abonnementszeitungen die MOTB bei 150.000 bis 180.000 Exemplaren pro Jahr liegt.7 Dann kommt es erst im nächsten Intervall zu einem sprunghaften Anstieg der Fixkosten; dieser Anteil der Kosten ist dann wieder solange fix, bis man mit der Auflagenzahl in die nächste Größenklasse hineinwächst, die weitere Druckmaschinen und weitere Technik erfordert. Mit anderen Worten: Innerhalb bestimmter Größenklassen kann ein Verlag mit dem bestehenden Apparat arbeiten, innerhalb dieses Bereiches drückt jedes zusätzlich verkaufte Exemplar die durchschnittlichen Kosten. Doch sobald eine gewisse Auflagenhöhe oder Reichweite überschritten wird, muss man nach- und aufrüsten, dann steigen die Fixkosten sprunghaft an. Ein weiterer Effekt führt zuerst zu sinkenden Kosten bei steigender Reichweite: Je geringer der regionale Bezug der Zeitung ist, um so mehr kann man auf Agenturmeldungen zurückgreifen und die Redaktionsmannschaft verkleinern – das senkt die Kosten je verkauftem Exemplar. Mit zunehmender Reichweite dürfte dieser Effekt aber abnehmen: Um sich genügend Profil in den Augen der Leser zu schaffen, wird man zunehmend auf eigene redaktionelle Kompetenz anstatt auf Agenturen zurückgreifen, das bedeutet, dass man auch Korrespondenten im Ausland braucht. Zudem steigen mit zunehmender Reichweite die Vertriebskosten stark an – das dürfte den Kostendegressionseffekt zusätzlich dämpfen. Aus diesen Gründen ist die Kostenfunktion in Abb.€2.6 so gezeichnet, dass die Kosten mit steigender Reichweite zunehmend weniger sinken; das ist dadurch angedeutet, dass die Steigung der Kurve mit zunehmender Reichweite immer flacher wird – bei einem zusätzlichem Reichweitengewinn sinken die Durchschnittskosten bei hoher Reichweite nicht mehr so stark wie bei geringer Reichweite. Was wir hier kennengelernt haben, ist die Frage nach der sogenannten mindestoptimalen technischen Betriebsgröße (MOTB): Welche Größe muss ein Unternehmen mindestens erreichen, um profitabel am Markt zu arbeiten (lesen Sie dazu auch Box€2.14)? So, das war jetzt kompliziert genug, doch jetzt können wir ein paar Aussagen über die Ökonomik von Zeitungen machen: Innerhalb der jeweiligen Größenklassen können rasch Wettbewerbsprobleme entstehen. Da innerhalb der jeweiligen Größenklassen die durchschnittlichen Kosten mit steigender Anzahl gedruckter Exemplare sinken, macht es Sinn, die Auflage bis an die Grenze der jeweiligen Größenklasse zu steigern. Das kann dazu führen, dass innerhalb der jeweiligen Größenklasse nur Platz für wenige – im Extremfall 7╇ Vergleichen Sie zu diesem Thema genauer das Hauptgutachten der Monopolkommission 1984/1985: Gesamtwirtschaftliche Chancen und Risiken wachsender Unternehmensgrößen, Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden, 1986.
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einen – Anbieter ist; es kann also zur Herausbildung von Monopolen kommen. Das könnte helfen zu erklären, warum es so viele so genannte Ein-Zeitungs-Kreise in der Bundesrepublik gibt: In den jeweiligen Regionen lassen die Kostenstrukturen einfach nicht mehr Wettbewerber zu. Erst ab einer neuen Größenklasse beziehungsweise Reichweite treten neue Konkurrenten auf. Begünstigt wird diese Entwicklung dadurch, dass viele Zeitungsleser offenbar in Zeitungen verschiedener Größenklassen unterschiedliche Produkte sehen: Eine Regionalzeitung befriedigt ihre Nachfrage nach regionaler Berichterstattung; die überregionale Zeitung ist mehr für Politik, Zeitgeschehen und Analyse zuständig. Mit ökonomischen Worten: Die Kreuzpreiselastiziztät (schauen Sie bitte noch einmal in Box€1.15 nach) zwischen einer Regionalzeitung und einer überregionalen Zeitung ist eher gering. Weiterhin wird noch einmal deutlich, dass eine Zeitung zwar Informationen verkauft, die zwar ein Fülle ökonomischer Besonderheiten aufweisen (die wir in Kap.€1 kennengelernt haben), doch dass die anderen Dienstleistungen einer Zeitung (Auswahl, Bündelung, Vertrieb) verhindern, dass Informationen quasi kostenlos verteilt werden können. Inwieweit sich das im Zuge neuer Vertriebsmöglichkeiten (vor allem durch das Internet) ändert, ist Gegenstand späterer Kapitel. Jetzt wollen wir erst noch einmal einen Blick darauf werfen, wie sich Zeitungen finanzieren.
2.2.3 Die Finanzierung 2.2.3.1â•…Werbung und Abonnement Eine Zeitung oder Zeitschrift arbeitet ökonomisch betrachtet in einem sogenannten Kuppelproduktionsprozess: Sie stellt zwei Produkte gleichzeitig her. Produkt Nummer eins sind die gebündelten Informationen, die sie verbreitet, und als zweites Produkt fällt dabei sozusagen nebenher die Verbreitung von Werbebotschaften an, eine Dienstleistung für die inserierende Industrie. Tabelle€2.5 kann man entnehmen, dass die Werbeerlöse in der Regel mehr als 40€% der Erlöse ausmachen – da kann man sich streiten, was das eigentliche Hauptprodukt der Zeitung ist: Die Information oder die Werbebotschaft. Diese Zahlen zeigen zugleich, wie wichtig Werbung für die Zeitungsleser ist: Ohne Werbung, die einen Großteil der Kosten der Zeitungsproduktion finanziert, wäre das Druckwerk wesentlich teurer. Die Werbeindustrie finanziert den Zeitungskonsum der Leser zumindest teilweise. Der Haken dabei: Da die Werbeindustrie das nicht aus reiner Gefälligkeit tut, holt sie sich das Geld, das sie den Zeitungslesern sozusagen spendiert, woanders wieder – nämlich bei den Käufern ihrer Produkte. Und so kommt es, dass der Margarine-Konsument den Zeitungskonsum des Butterkonsumenten mitfinanziert – unabhängig davon, ob er überhaupt lesen kann. Diese Doppelproduktion der Zeitungen führt dazu, dass sie auf zwei Märkten kämpfen: Zum einen müssen sie im Wettbewerb um die Leser bestehen, zum an-
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deren müssen sie im Wettbewerb um Anzeigenaufträge mithalten. Das Fatale ist, dass sich die Erfolge auf diesen Märkten gegenseitig bedingen: Wer eine hohe Auflage hat, erzielt einen hohen Verbreitungsgrad und wird damit für Anzeigenkunden attraktiv. Die steigenden Werbeeinnahmen ermöglichen der betreffenden Zeitung, sich eine größere, bessere Redaktion zuzulegen und damit das Blatt attraktiver machen – das bringt mehr Leser und damit auch wieder mehr Werbeeinnahmen.
Box 2.15: Werbemessung╇ Die Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.€V. (IVW) wurde 1949 gegründet und 1955 als eingetragener gemeinnütziger Verein rechtlich verselbständigt. Die IVW ist laut Satzung eine neutrale Kontrolleinrichtung mit dem Ziel, vergleichbare und objektiv ermittelte Unterlagen über die Verbreitung von Werbeträgern zu beschaffen und bereitzustellen. Ursprünglich als Einrichtung zur Auflagenkontrolle von Printmedien geschaffen, wurde der Tätigkeitsbereich der IVW im Laufe der Jahrzehnte auf weitere Medien ausgedehnt, nämlich auf Plakatanschlag und Verkehrsmittelwerbung, Filmtheater, Funkmedien, periodische elektronische Datenträger und Online-Medien. Zu den Mitgliedern der IVW zählten 2009 insgesamt 2.100 Unternehmen und Organisationen (1.290 Verlage, 649 Online-Anbieter, 36 Hörfunk- und Fernsehveranstalter oder deren Werbegesellschaften, 15 Unternehmen der Außenwerbung, 4 Veranstalter von Sport- und Kulturevents oder deren Vermarkter, 47 Werbeagenturen, 17 werbungtreibende Unternehmen, 42 sonstige Mitglieder). Die Arbeitsgemeinschaft Media-Analysen e.€V. ist ein Zusammenschluss von rund 260 Unternehmen der deutschen Werbewirtschaft zur Erforschung der Massenkommunikation. Die Arbeitsgemeinschaft führt mit zum Teil mehr als 50.000 Interviews die so genannte Media-Analyse durch, die Daten zum Mediennutzungsverhalten ermittelt. Eine weitere Quelle für Mediendaten ist die Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse (AWA), die vom Institut für Demoskopie Allensbach durchgeführt wird. Die Analyse stützt sich auf rund 21.000 mündliche Interviews, deren Ergebnisse hochgerechnet werden und für rund 65€Mio. Deutsche ab 14 Jahren Gültigkeit besitzen sollen. Die AWA untersucht mehr als 2.000 Märkte und Teilmärkte, berichtet über Kauf- und Verbrauchsgewohnheiten, über Interessenstrukturen und Verhaltensweisen. Abgefragt werden neben Reichweiten von Werbeträgern Besitz- und Konsumdaten sowie psychologische Merkmale und Interessengebiete. Dieses Phänomen bezeichnet man in der Literatur als Anzeigen-Auflagen-Spirale. Wir werden darauf noch einmal im Abschn.€2.2.4.1 zurückkommen – dort werden wir sehen, dass diese Spirale nicht so idealtypisch funktioniert, wie man sich das in der Literatur vorstellt. Die Boxes 2.15 und 2.16 beschäftigen sich mit der Werbemessung, die in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielt.
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Box 2.16: Die Messung der Auflagenzahlen╇ Die IVW (s. Box€2.15) ist eine der wichtigsten Institutionen der Werbeindustrie. Die Finanzierung des Vereins erfolgt aus den Mitgliedsbeiträgen. Die Werbedurchführenden melden der IVW ihre Verbreitungszahlen (bei Zeitungen die verkaufte Auflage, bei Radiostationen beispielsweise die technische Reichweite und die Sendezeiten), die veröffentlicht werden, und die Prüfer der IVW prüfen in regelmäßigen Abständen die Angaben der Werbetreibenden. Jeder Verlag muss für jedes der IVW-Prüfung unterstellte Objekt ein Auflagenbuch oder andere gleichwertige Unterlagen führen. Alle Aufzeichnungen des Verlages müssen die der IVW gemeldeten Zahlen ausreichend erklären. Die Unternehmen melden vierteljährlich ihre Auflage in den Rubriken Einzelverkauf, reguläres Abonnement, Auslandsverkauf und sonstiger Verkauf. Die Trennung in diese Kategorien macht Sinn: Die im Ausland nicht verkauften Exemplare werden aus Kostengründen nicht mehr remittiert – da lässt sich rasch mal die Auflagenzahl schönen. Auch der sonstige Verkauf – der Verkauf an Fluggesellschaften, Messen oder Hotels – wird gerne genutzt, um die Auflagenzahl zu beschönigen. Für die Werbekunden hat dieser Teil der Auflage einen geringeren Wert, wissen sie doch nicht genau, ob die Exemplare nicht ungelesen in der Hotellobby oder im Warteraum des Flughafens vergammeln. Und da die Werbekunden es noch genauer wissen wollen, gibt es spezielle Reichweitenanalysen, in denen die Leserschaft nach einer Fülle verschiedener Kriterien näher analysiert wird. Warum machen die Verlage das mit? Indem sie sich einer unabhängigen Überprüfung ihrer Auflagenzahlen unterwerfen, haben sie gegenüber Ihren Werbekunden eine offizielle, objektive Bestätigung ihrer Verbreitung. Damit kann der Werbekunde sicher gehen, dass er vom Verlag nicht an der Nase herumgeführt wird, was den Verbreitungsgrad des jeweiligen Printobjektes angeht. Der Werbekunde weiß, dass er nicht angeschmiert wird, und der Verlag muss nicht um seine Glaubwürdigkeit bei den Werbekunden kämpfen. Dennoch wird bei der IVW-Statistik gemogelt, dass sich die Balken biegen, behaupten Profis, und zwar nicht nur bei den sonstigen Verkäufen: So verbergen sich auch hinter Abonnements oft gesponserte Abos oder verbilligte Mehrfachabos. Es gab sogar Fälle, in denen Gesellschaften gegründet wurden, welche dem Verlag die Zeitschriften abkaufen und dann erst auf Lesersuche gehen. Praktischerweise zählen diese Exemplare als Abonnements, auch wenn sie anschließend in der Tonne landen. Um die damit verbundene Gefahr der Konzentration und Machtballung zu verhindern, gibt es Kooperationsmodelle. Eines davon ist das sogenannte Stuttgarter Modell einer Anzeigenzwangskombination: Anzeigenkunden können hier nur für mehrere Zeitungen gleichzeitig Anzeigen aufgeben. Das entlastet die schwächeren Zeitungen, da sie nun auf dem Anzeigenmarkt nicht mehr den harten Wettbewerb zu spüren bekommen. Ähnlich funktioniert das WAZ-Modell: Hierbei handelt es sich um eine Kooperation, bei der für alle Zeitungen innerhalb der Verlagsgruppe
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wirtschaftliche Aufgaben wie Anzeigenverwaltung, Druck, Vertrieb und Werbung gemeinsam abgewickelt werden; die redaktionelle Selbständigkeit der Redaktionen bleibt davon unberührt. Das ist die große Sorge der Publizisten: Die Abhängigkeit der Zeitungen von ihren Werbekunden kann rasch zu einer publizistischen Einflussnahme führen; Gefälligkeitsartikel, positive Produktbesprechungen oder das bewusste Auslassen von Themen wären dann die Folge der starken Abhängigkeit der Printmedien vom Anzeigenvolumen. Einschränkend zu diesem Argument muss man allerdings sagen, dass eine Zeitung, die zu offensichtlich Partei für ein Unternehmen und dessen Produkte ergreift und zeitgleich große Anzeigen dieses Unternehmens druckt, rasch Gefahr läuft, Glaubwürdigkeit und damit Leser zu verlieren; doch die Gefahr der Einflussnahme auf den redaktionellen Teil lässt sich nicht leugnen. Wer einmal in einer Zeitungsredaktion gearbeitet hat, weiß, wie sehr die Redaktion darauf bedacht ist, jeden Eindruck von Einflussnahme der Werbekunden auf die Berichterstattung zu vermeiden. Doch nicht nur um die Anzeigenkunden, auch um die Leserschaft müssen Zeitungen buhlen. Hier haben die Printmedien in den vergangenen Jahren mit sogenannten Relaunches, bei denen das Blatt inhaltlich und layouttechnisch geliftet wird, versucht ihre Leser zu halten oder neue zu gewinnen. Kürzere Texte, buntere Seiten, stärkerer regionaler Bezug und mehr Nutzwert – das sind die Stellschrauben, an denen die Verlage im Wettbewerb um Leser drehen. Dabei ist in den vergangenen Jahren deutlich geworden, dass immer noch Wettbewerb das Geschäft am stärksten belebt: Die Einführung des Focus als journalistisches Pendant zum Spiegel hat dem Spiegel ein umfangreiches Face-Lifting beschert; die Texte wurden kürzer, das Blatt wurde bunter. Ähnlich gut bekommen ist die drohende Konkurrenz der Financial Times Deutschland dem Handelsblatt, das sich durch die lachsfarbene Konkurrenz auf seinem angestammten Gebiet bedroht sah; auch dieses Blatt wurde umfangreich verändert und hat in den Augen vieler Leser gewonnen. 2.2.3.2â•…Die Krise des Zeitungsmarktes Die Jahre um die Jahrtausendwende waren für die Medienbranche exzellente Jahre: Mit dem Börsenboom und der New-Economy-Euphorie des ausgehenden Jahrhunderts ging eine Medienhausse einher. In der trügerischen Hoffnung, dass die mit der Internet-Boom verbundene Sonderkonjunktur Normalzustand sei, stockten die Verlage ihre Budgets auf – und wurden von dem bereits Ende 2000 einsetzenden Einbruch der Konjunktur und der Werbeeinnahmen unangenehm überrascht (das sehen Sie auch in Abb.€2.7). Doch nicht nur das: Mit der konjunkturellen Krise der Jahre 2001/2002 kam zum Vorschein, dass die deutschen Zeitungsverlage auch mit einer strukturellen Krise konfrontiert sind. Zur ohnehin schmerzlichen Rückkehr zu Budgetnormalität der prä-Internet-Ära und den konjunkturbedingten Sparprogrammen kam der Druck auf die Einnahmen, der durch die strukturellen Veränderungen in der Medienlandschaft zunahm.
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30,0 20,0 10,0 0,0
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
–10,0 –20,0 –30,0 –40,0 –50,0 Gesamt
Stellen
Immobilien
Familie
Abb. 2.7↜渀 Veränderung der Werbe- und Rubrikenanzeigen deutscher Zeitungsverlage in Prozent. Wie man sieht, schwanken vor allem die Stellenanzeigen sehr stark mit der Konjunktur, während die Familienanzeigen recht stabil sind. (Quelle: mit freundlicher Unterstützung der ZMG Zeitungs Marketing Gesellschaft mbH & Co. KG)
Eine wichtige strukturelle Veränderung, die den Tageszeitungen zunehmend zu schaffen macht, ist der Rückgang der sogenannten Rubrikenanzeigen – Autoanzeigen, Wohnungsgesuche, Stellenangebote und Kontaktanzeigen (vergleichen Sie dazu auch Abb.€2.7). Viele dieser Anzeigen wandern ins Internet ab, das bei diesen Anzeigenformen Vorteile gegenüber einer Zeitung hat. Erstens sind im Internet die Präsentationsmöglichkeiten viel größer: Ganz- und Detailfotos, Links zu Produktbesprechungen oder anderen Anbietern sowie die Möglichkeit der direkten Kontaktaufnahme via E-Mail – all das kann eine Zeitung nicht bieten. Zweitens sind die Angebote jederzeit und überall verfügbar – im Gegensatz zu einer Zeitung, die damit eine geringere potentielle Reichweite hat als eine Anzeige auf einer Internet-Plattform. Hinzu kommt, dass man im Internet wesentlich gezielter nach einem bestimmten Produkt, Partner oder Job suchen kann: Man gibt die entsprechenden Auswahlkriterien ein und erhält sofort alle verfügbaren Angebote, die auf die eigene Nachfrage passen. Ein wenig geschützter vor dieser Entwicklung dürften – zumindest vorerst noch – regionale Anzeigen sein: Wann wo das Feuerwehrfest ist, wer wen geheiratet hat – das sind alles Dinge, die bisher jedenfalls noch nicht so weit ins Internet vorgedrungen sind, als dass sie die Anzeige in der lokalen Zeitung verdrängen konnten. Doch je mehr sich auch Internet-Plattformen mit regionalem Bezug etablieren, die speziell nur auf das Interesse und die Bedürfnisse der Einwohner einer Region eingehen, um so mehr können auch regionale Anzeigen ins Netz abwandern. Bei den
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Familienanzeigen – vor allem bei den Todesanzeigen – ist allerdings noch fraglich, ob sich die Gewohnheiten und der Geschmack der Menschen so weit ändern, dass wir irgendwann auch Todes- und Geburtsanzeigen im Internet lesen werden. Aber ausschließen kann man das nicht. Welche Möglichkeiten haben die Zeitungsverlage, auf diese Herausforderungen zu reagieren? Die erste Antwort ist natürlich, die Rubrikenmärkte selbst ins Internet zu stellen und das Image und die Marke der Zeitung zu nutzen. Ein solcher Versuch war die Onlinebörse Versum.de, die 2001 von zehn großen Verlagen ins Leben gerufen wurde, rund 50€Mio.€€ verbrannte und scheiterte. Grundsätzlich war die Idee eigentlich richtig, Kenner des Projektes behaupten, dass es den teilnehmenden Verlagen an wirklich ernsthaftem Engagement gemangelt habe, um eine bundesweit flächendeckende Online-Börse zu starten. Maßnahme Nummer zwei im Kampf um Marktanteile ist eine Reduktion der Preise – eine schwierige Strategie: Da brechen die Werbeeinnahmen weg und man antwortet mit einer Preissenkung, welche die Einnahmen zusätzlich einbrechen lässt? Dieses Kalkül kann nur aufgehen, wenn die Nachfrage nach Zeitungen sehr preiselastisch ist und die zusätzlichen Leser, die man auf diesem Weg gewinnt, den anderweitigen Rückgang der Einnahmen kompensieren. Beispiele für diese Strategie sind der Verlag Lausitzer Rundschau mit seinem Titel „20 Cents“, oder die Welt Kompakt, die für 50 Cents auf den Markt kam. Wie kontrovers eine solche Strategie erachtet wird, sehen Sie schon daran, dass es Zeitungen gab, deren Antwort auf die Medienkrise darin bestand, die Preise zu erhöhen. Eine weitere Antwort auf den Rückgang der Einnahmen ist die Verbreiterung der Einnahmenbasis – man versucht, den guten Namen der Zeitung für andere Geschäfte zu nutzen. Ein Paradebeispiel dafür ist die SZ-Bibliothek „50 Romane des 20. Jahrhunderts“, die Lesern Nachdrucke von großen Romanen zu 4,95€€ das Stück anbietet. Abonnenten der Süddeutschen Zeitung können die ganze Reihe zum Vorzugspreis von 4€€ erwerben. Weitere Produkte wie CDs werden bereits auch von Zeitungsverlagen verkauft. Eine durchaus interessante Strategie, von der man sich allerdings fragen muß, inwieweit sie geeignet ist, die Umsatzrückgänge aus dem Kerngeschäft vollständig zu kompensieren. Systematisiert man die aktuellen Bemühungen der Zeitungsverlage um neue Kunden und Geschäftsfelder ein wenig, so erhält man Tab.€2.6.
Tab. 2.6↜渀 Strategieansätze der Zeitungen in entwickelten Märkten
Bestehende Produkte
Neue Produkte
Alte Märkte
Neue Märkte
Leser-Blatt-Bindung: Clubs, Kundenkarten Regionalberichterstattung stärken Relaunch Bücher, CDs, DVDs, Autos, Investment-Fonds
Gratiszeitung Tabloid-Format
Briefzustellung
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Grundsätzlich kann man die Strategien der Zeitungen danach beurteilen, ob sie bestehende Kunden stärker an sich binden wollen (alte Märkte) oder neue Kunden gewinnen wollen (neue Märkte). Desweiteren kann man unterscheiden, ob sie das bestehende Produkt anbieten oder verbessern wollen oder aber neue Produkte anbieten wollen. Kombiniert man diese vier Möglichkeiten, so erhält man eine Matrix aus vier Feldern, die vier verschiedenen Strategieoptionen entsprechen: • Das linke obere Feld enthält Strategien, die sich auf das bestehende Produkt und alte Märkte konzentriert: Man versucht das Blatt für die bisherige Kundschaft attraktiver zu machen, beispielsweise durch Maßnahmen der Leser-Blatt-Bindung (Clubs, Kundenkarten, Leserreisen o€ä.) oder indem man die Zeitung attraktiver macht (beispielsweise durch eine optische Auffrischung, einen so genannten Relaunch oder einen Ausbau der Regionalberichterstattung). • Das rechte obere Feld enthält Strategien, bei denen es darum geht, mit dem alten Produkt neue Kundenkreise zu erreichen; beispielsweise indem man durch Gratiszeitungen oder ein neues Format neue Kundenkreise für die Zeitung zu gewinnen versucht. Vor allem das Tabloid-Format gilt als Möglichkeit, der Zeitung neue Leserkreise zu erschließen (vergleichen Sie dazu auch Box€2.18). • Das linke untere Feld enthält Strategien, die darauf abstellen, neue Produkte auf den alten Märkten zu vertreiben: Man nutzt die Beziehungen zu den aktuellen Kunden, um ihnen neben der Zeitung neue Produkte zu verkaufen, beispielsweise Bücher oder Filme. Eine Boulevard-Zeitung hat auf diesem Weg sogar Laufschuhe, Investmentfonds und Autos vertrieben. • Das rechte untere Feld der Matrix schließlich ist der Versuch, neue Produkte in neue Märkte zu tragen. Hier versuchen Zeitungen beispielsweise, ihr Zustellernetz für Postdienstleistungen zu nutzen. Welche dieser Strategien am meisten Erfolg verspricht, lässt sich nicht ohne weiteres sagen, jede hat ihre Vor- und Nachteile; vermutlich werden viele Verlage in Zukunft versuchen, an mehreren Stellen der Matrix anzusetzen. 2.2.3.3â•…Staatliche Unterstützung für Printmedien? In der Sorge um eine zunehmende Konzentration im Pressewesen hat der Gesetzgeber einige Gesetze zugunsten der Verlage umgesetzt. Im Jahr 1967 sicherte ein „Gesetz über die Gewährung einer einmaligen Umsatzsteuervergütung für Presseunternehmen“, Zeitungen und Zeitschriften, die überwiegend der politischen Bildung dienen, für eine Auflage bis zu 160.000 Exemplaren die Erstattung der Umsatzsteuer auf die Vertriebserlöse des zweiten Halbjahres 1967. Mit der Einführung der Umsatzsteuer im Jahr 1968 gilt für die Presse ein verminderter Steuersatz auf Vertriebserlöse (wenn Sie das im Angebots-Nachfrage-Diagramm nachvollziehen wollen, müssen Sie einfach die Angebotskurve nach rechts unten verschieben und den neuen Schnittpunkt mit der Nachfragekurve suchen). Das macht diese Erzeugnisse für den Endkunden billiger, muss er doch nun nur die halbe Mehrwertsteuer auf sein Printerzeugnis entrichten. Eine weitere Vergünstigung gab es bis zur Priva-
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tisierung der Deutschen Post: Bis dahin wurden Zeitungen und Zeitschriften Vorzugstarife eingeräumt; seitdem ist diese Förderung unter dem Stichwort Pressepost auf alle Periodika ausgedehnt, aber auch zugleich reduziert worden. 1968 nahm die Bundesregierung das ERP-Presseprogramm auf: Bis 1991 konnten Verlage und Zeitschriften, die überwiegend der politischen Bildung dienten und deren Verkaufsauflage nicht 160.000 Exemplare überstieg, langfristig zinsverbilligte Kredite beim Bundeswirtschaftsministerium beantragen, um damit Maßnahmen in die Wege zu leiten, welche die Wirtschaftlichkeit des Betriebes stärken. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 303€Mio.€DM für 561 Darlehen bereitgestellt, die zu 90€% kleinen Zeitungen zugute kamen. Hinsichtlich der Subventionierung von Printmedien muss man sich zwei Fragen stellen: Ist erstens so eine Subventionierung angebracht? Und zweitens: Wie sollte eine solche Subventionierung aus der Sicht von Ökonomen aussehen? Zum ersten Punkt kann man als Ökonom wenig sagen: Zwar weisen Printmedien einige Besonderheiten in der Produktion auf, doch das ist noch lange kein Grund, die Produktion zu subventionieren. Und sieht man den Wettbewerb zwischen Printmedien bedroht, so ist nicht eine Subventionierung, sondern gezielte Wettbewerbspolitik der richtige Weg. Die Subventionierung von Printmedien stützt sich eher auf die besondere Rolle, die man diesen Medien bei der Erziehung der Bürger und bei der politischen und gesellschaftlichen Meinungsbildung zubilligt. Hier taucht wieder das alte Problem auf: Wer ist förderungswürdig? Soll für die St.-Pauli-Nachrichten das gleiche Förderrecht gelten wie für die Zeit? Klingt nicht gut. Soll der Staat also ausgewählte Printmedien fördern? Das klingt auch nicht gut, wollen wir doch den Staat gerade aus dem Meinungsbildungsprozess in den Medien raushalten. „Staatliche Förderungsmaßnahmen für die Presse sind nur dann mit Art.€5 Abs.€1 Satz 2 GG vereinbar, wenn eine Einflussnahme auf Inhalt und Gestaltung einzelner Presseerzeugnisse sowie Verzerrungen des publizistischen Wettbewerbs insgesamt vermieden werden. Es ist dem Staat jedoch nicht von vornherein verwehrt, bei der Subventionierung der Presse nach meinungsneutralen Kriterien zu differenzieren“, stellt das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil fest. Der Haken besteht natürlich darin, „meinungsneutrale“ Kriterien zu finden. Insgesamt lässt sich nicht ausschließen, dass die staatliche Subventionspolitik auch zu Wettbewerbsverzerrungen im Printmarkt führt. Was lässt sich zu der zweiten Frage sagen – wie sollte eine optimale Subventionspolitik aussehen, wenn man die Frage nach einer Subvention bejaht? Hier hat man die Möglichkeit zwischen der Objektförderung und der Subjektförderung. Bei der Objektförderung lässt man die Subventionen dem zu fördernden Objekt zukommen, in unserem Falle hier hieße das, dass man den Verlagen die Subventionen zukommen lassen will. Geht es darum, gezielt ein Objekt zu erhalten, so ist das der richtige Weg: Wer verhindern will, dass die politische Wochenzeitschrift ihr Erscheinen einstellt, der gibt Zuschüsse zu den Kosten. Der Haken an diesem Verfahren: Wenn der Verlag weiß, dass er von staatlicher Seite am Leben erhalten wird, kann es sein, dass er seine Bemühungen einstellt, die Zeitschrift auch im Sinne der Leser zu gestalten – er ist nicht mehr auf sie angewiesen, der Staat sorgt ja für den Fortbestand der Zeitschrift. Dieses Anreizproblem bekommt man zumindest teil-
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weise in den Griff, indem man beispielsweise nur prozentuale Zuschüsse zu den Kosten gibt. Doch Objektförderung hat noch einen anderen Nachteil: Indem die betreffende Zeitschrift durch die Subventionen billiger wird, profitieren alle Leser dieser Zeitschrift davon, ihre Ausgaben für diese Zeitschrift sinken. Auf den ersten Blick ist das in Ordnung, doch wenn man näher hinsieht, muss man sich fragen, wer diese Leser das sind. Fänden Sie es gut, wenn die Zeitschrift „Alles für den Millionär“ vom Staat subventioniert würde? Sie sehen, das ist ein verteilungspolitisches Argument: Wird eine Zeitung oder Zeitschrift vom Staat gefördert und dadurch billiger, so profitieren alle Leser von dieser Subvention, auch die, die sich ihre Zeitschrift selbst leisten könnten. Will man dieses Problem umgehen, so greift man zur Subjektförderung: Anstatt die Zeitung oder Zeitschrift zu fördern, erhält jeder potenzielle Leser eine Zuwendung des Staates. So kann man sicherstellen, dass die Subventionen nicht an solche Mitbürger fließen, die diese Gelder nicht benötigen. Allerdings taucht unter Umständen ein anderes Problem auf: Wenn man die Subvention in Geld entrichtet, dann ist es möglich, dass der Subventionierte es nicht für die Zeitschrift, sondern für etwas weniger Förderungswürdiges ausgibt. Also müssten eigentlich Bezugsscheine her, oder? Sie sehen, es ist nicht so einfach, eine gute Subvention zu kreieren. Und dann kommt noch etwas anderes dazu: Der Aufwand für die Subvention sollte die Verhältnismäßigkeit wahren – jetzt wissen Sie auch, warum es eben keine Bezugsscheine für politische Zeitschriften gibt.
2.2.4 Der Wettbewerb 2.2.4.1â•…Ursachen und Formen der Konzentration Lassen sie uns an dieser Stelle noch einmal zusammenfassen, welche Besonderheiten der Pressesektor aufweist, die möglicherweise zu Problemen beim Wettbewerb in der Branche führen könnten und diese kurz diskutieren: Zunächst sind da einmal die hohen Fixkosten. Sie führen dazu, dass die Durchschnittskosten eines Anbieters umso mehr sinken, je mehr Exemplare er absetzt. Im Extremfall kann das dazu führen, dass ein einziger Anbieter die übrigen Konkurrenten vom Markt drängt. In dieser Form ist das Argument allerdings nicht haltbar: Auch der bereits in Kap.€1 beschriebenen Fixkostendegression sind Grenzen gesetzt; die Kostenfunktion wird eher sprungfixe Kosten aufweisen, wie sie bereits in Abb.€2.9 beschrieben wurden. Damit dürfte das Problem der Fixkostendegression nur innerhalb der jeweiligen Kostenintervalle auftreten. Diese These deutet auf Wettbewerbsprobleme innerhalb bestimmter Größenklassen hin – das könnte ein Hinweis darauf sein, warum die Konzentration bei Regionalzeitungen so hoch ist. Inwieweit könnten die Besonderheiten des Gutes Information eine Rolle beim Wettbewerb spielen? Da wäre zuerst die Nicht-Rivalität im Konsum: Wie wir bereits gesehen haben, führt diese Nicht-Rivalität im Konsum bei Informationen zu Grenz-
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kosten der Produktion von Null. Das führt dazu, dass es aus Kostenüberlegungen sinnvoll ist, wenn so viele Konsumenten wie möglich die Informationen erreichen – ob 1.000 oder 10.000 Leser die Informationen erreichen, macht aus Kostenüberlegungen keinen Unterschied; zumindest wenn man auf die Kosten der Nachrichtengewinnung und -aufbereitung abstellt. Die Kosten der Distribution hingegen werden durchaus davon beeinflusst, wie viele Leser eine Zeitung hat – mehr Leser bedeuten mehr Zeitungen, die hergestellt werden müssen, das steigert auch die Kosten der Produktion und des Vertriebs. Hier müssen wir also trennen zwischen der Eigenschaft der Information und denen der Zeitung als materiellem Informationsträger. Der Effekt der Grenzkosten von Null schlägt im Falle der Zeitung nur zu, wenn ein Zeitungsexemplar von mehreren Lesern gelesen wird. Bei Tageszeitungen dürfte dieser Effekt damit also eine wesentlich geringere Rolle spielen als bei wöchentlich oder monatlich erscheinenden Printmedien. Letztere sind nämlich von ihrem Inhalt her so gestrickt, dass sie über den Tag hinaus attraktiv für Leser sind; das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sie nach dem Lesen vom Käufer an weitere Leser weitergereicht werden (tauschen Sie mit Ihrem Nachbarn keine Zeitschriften aus?). Box 2.17: Deutsche Verlagsgesellschaften╇ Die WAZ-Gruppe ist einer der größten europäischen Regionalverlage. Die Gruppe gehört je hälftig der Funke-Gruppe und der Brost-Gruppe und vereint unter ihrem Regime sowohl inländische Tageszeitungen (WAZ, Westfalenpost, Neue Rhein/Ruhr Zeitung) als auch ausländische Tageszeitungen in Bulgarien, Österreich und Ungarn), Anzeigenblätter, Zeitschriften (Echo der Frau, Frau aktuell), Dienstleistungen wie Vertriebsgesellschaften und Druckhäuser und unterhält zudem noch einige Beteiligungen an diversen Fernseh- und Hörfunkunternehmen. Unter dem Dach der WAZ Mediengruppe erscheinen 30 Tageszeitungen mit einer Auflage von mehr als 2,5€Mio. Exemplaren, 19 Wochenzeitungen, 189 Publikums- und Fachzeitschriften, 100 Anzeigenblätter und 400 Kundenzeitschriften. Im Verlagsbereich zählt das Portfolio des Burda-Konzerns mittlerweile rund 262 Magazine im In- und Ausland, darunter so bekannte wie Focus oder die Bunte, Elle oder Freizeit Revue. Im Auslandsgeschäft ist der Konzern im Mittelmeerraum, in Osteuropa und in Ostasien engagiert. Der konsolidierte Gesamtumsatz des Konzerns beläuft sich auf rund 1,7€ Mrd.€ €; rund 8.000 Beschäftigte zählt das Unternehmen. Zum Verlag Gruner & Jahr gehören so bekannte Titel wie Stern, Brigitte, Schöner Wohnen, Geo und Capital. Das Unternehmen ist mit rund 500 Print- und Online-Produkten in 30 Ländern vertreten, der Umsatz beläuft sich auf rund 2,5€Mrd.€€; Gruner & Jahr beschäftigt insgesamt knapp 13.500 Mitarbeiter. Zudem macht der höhere Preis der Magazine es interessanter, etwas zu warten und das begehrte Magazin zwar nicht brandaktuell, aber immer noch aktuell genug und dafür aber preisgünstiger zu erhaschen. Das Grenzkostenproblem dürfte eine weit größere Rolle spielen, wenn es um sogenannte diagonale Zusammenschlüsse geht
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– wenn also eine Zeitung beispielsweise mit einem Fernsehsender zusammengeht. Die größte Rolle dürfte dieser Mechanismus beim Internet spielen, wenn die Grenzkosten der Distribution ebenfalls gegen Null gehen. Doch dazu mehr im Kapitel zu den Multimedia-Techniken. Wie sieht es mit dem Nichtausschluss-Prinzip aus? Die Tatsache, dass sich viele Informationen nicht exklusiv verwerten lassen, verlagert den Wettbewerb zwischen den Printmedien auf andere Ebenen. Zum einen gibt es die Möglichkeit der Exklusivinterviews: Man vereinbart mit einer wichtigen Person der Zeitgeschichte, dass sämtliche Äußerungen nur gegenüber der einen Zeitung oder Zeitschrift getätigt werden – gegen Zahlung eines entsprechenden Entgelts. Ein Paradebeispiel für eine solche Politik ist auch der Poker um die Rechte von Sportarten, das spielt allerdings eher für das Fernsehen eine wichtige Rolle. Insofern diese Politik gegenüber Wettbewerbern nicht möglich ist, muss man auf andere Wettbewerbsparameter abstellen: Aktualität, Aufmachung, Qualität und Ausführlichkeit der Berichterstattung werden zum Wettbewerbsparameter; wer ein allen zugängliches Thema als erster entdeckt, am besten aufbereitet und seinen Leser die ausführlichsten Informationen darüber zukommen lässt, hat im Wettbewerb die Nase vorne. Ein Ausdruck dieser Politik ist auch der sogenannte Nutzwertjournalismus: Man bereitet ein Thema so auf, dass der Leser für sich den optimalen Nutzen aus den Artikeln ziehen kann („Die neue Rentenreform – was bedeutet sie für mich?“). Eine weitere Besonderheit von Zeitungsunternehmungen, die zu Schwierigkeiten im Wettbewerb führen kann, ist die Tatsache, dass Printmedien auf zwei Märkten gleichzeitig konkurrieren, die eng miteinander verknüpft sind (man spricht auch von „two-sided markets“): dem Markt für Leser und dem Markt für Anzeigenkunden. In diesem Zusammenhang wird oft die sogenannte Anzeigen-Auflagen-Spirale diskutiert, die zu Problemen führe und die sich in etwa wie folgt darstellt: Nimmt man an, dass von einem gegebenen Startpunkt aus die Auflage einer Zeitung oder Zeitschrift aus welchem Grund auch immer steigt. Damit steigen zunächst die Einnahmen aus dem direkten Verkauf; in einem ersten Schritt sinken dann die Tausenderkontakt-Preise (dazu können Sie etwas in Box€3.25 nachlesen) – zu den gleichen Preisen kann der inserierende Kunde jetzt mehr Leser erreichen. Das dürfte zu einem Anstieg der Werbeaufträge führen und die Einnahmen weiter erhöhen. Allerdings lässt sich der Platz für Werbung nicht unbegrenzt ausdehnen, weswegen in einem zweiten Schritt der Verlag die Preise für seine Werbeflächen erhöhen wird. Am Ende dieses Prozesses stehen höhere Einnahmen. Nutzt die Zeitung diese, um das Blatt attraktiver zu machen, indem sie beispielsweise in eine größere Redaktion investiert, so schafft sie die Voraussetzungen für weitere Auflagensteigerungen und damit für weiter steigende Einnahmen. Dieser Prozess wird dadurch unterstützt, dass mit steigender Auflage wegen der hohen Fixkosten die Durchschnittskosten sinken, was die Zeitung noch wettbewerbsfähiger macht. Abbildung€2.8 verdeutlicht diesen Kreislauf. So plausibel das klingt – man muss diesen Kreislauf – der auch für audiovisuelle Medien postuliert wird – hinterfragen. Die Idee, dass ein einziges Medium aufgrund seiner Attraktivität alle Konkurrenten vom Markt verdrängt, ist nicht plausibel, wie
2.2 Zeitungen und Zeitschriften Abb. 2.8↜渀 Die AnzeigenAuflagen-Spirale
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attraktivere Werbefläche
steigende Auflage
Mehreinnahmen aus Werbung und Verkauf
Investition in die Attraktivität des Blattes
alleine die Entstehung vieler Spartensender in den vergangenen Jahren zeigt. Je größer ein Medium wird, umso mehr muss es seine Berichterstattung, sein Programm der Mitte, dem Medianleser oder -zuschauer, anpassen – umso mehr Nischen eröffnet es für Spartenzeitungen oder -sender, die einer solchen Konzentration entgegenwirken. Kein Programm oder Format kann den gesamten Markt abdecken; nicht einmal Fußball-Weltmeisterschaften – was erklärt, warum andere Sender ihren Betrieb während des Endspiels zur Fußball-WM nicht einstellen. Und je mehr die Technik eine größere Vielfalt des Angebotes an Medieninhalten eröffnet, umso fragmentarisierter wird das Angebot – eine Anzeigen-Auflagen-Spirale funktioniert in fragmentierten Märkten mit vielen Nischen nicht. Unter dem Strich muss man vermuten, dass eine Anzeigen-Auflagen-Spirale nur begrenzt funktioniert: Je mehr Marktanteile ein Sender erkämpft, umso mehr Nischen eröffnet er der Konkurrenz. Das spricht dafür, dass es einige große Spieler im Markt geben wird und viele kleine Anbieter, aber keine Medienmonokultur. Nachdem wir einige Ursachen der Konzentration im Printbereich kennengelernt haben, müssen wir nun etwas näher definieren, was man unter Konzentration versteht. In der Literatur werden zwei Arten der Konzentration im Medienbereich genannt: Die ökonomische und die publizistische Konzentration (die Konzepte des publizistischen und des ökonomischen Wettbewerbs haben wir bereits im ersten Kapitel kennengelernt). Die Erforschung der publizistischen Konzentration soll der Beantwortung der Frage dienen, inwieweit Konzentrationsprozesse die Meinungsvielfalt einschränken, während sich die ökonomische Konzentration auf das Ausmaß an wirtschaftlicher Freiheit bezieht, die einem Wettbewerber im Markt offen steht. Allerdings stehen beide Kategorien in einem engen Zusammenhang: In dem Maße, in dem es zu einer Konzentration wirtschaftlicher Macht kommt, dürfte auch die Meinungsvielfalt darunter leiden. Entscheidend ist dabei die Frage, welchen Einfluss der Eigentümer auf dem publizistischen Kurs einzelner Blätter in einem Verlag haben kann. Eine andere Kategorie der Konzentration ist die Frage nach der Art der Konzentration: Eine horizontale Konzentration ist eine Konzentration auf der gleichen Produktionsstufe; wenn sich also beispielsweise zwei Zeitungen zusammenschließen. Vertikale Konzentration ist die Konzentration auf vor- und nachgelagerten Produktionsstufen, wenn beispielsweise eine Zeitung eine Nachrichtenagentur kauft.
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Diagonale Konzentration liegt dann vor, wenn zwei Unternehmen zusammengehen, die aus unterschiedlichen Branchen kommen; ein Beispiel dafür wäre der Zusammenschluss zwischen einer Zeitschrift und einem Fernsehsender. Diesen Typ der Konzentration werden wir im Kapitel zu Multimedia näher betrachten. Wir wollen uns im Folgenden zunächst auf die horizontale Konzentration konzentrieren; die Probleme, die hier auftreten, sind schon groß genug. Ziel einer Wettbewerbspolitik auf dem Printmarkt soll es also sein, publizistische Vielfalt zu erhalten und für ausreichend Wettbewerb zu sorgen. Dazu müssen wir zwei Fragen klären: Zuerst müssen wir danach fragen, welche Blätter miteinander konkurrieren, dann, welche Unternehmen miteinander konkurrieren. Eine Idee zur Beantwortung der Frage, welche Blätter miteinander konkurrieren, geht vom Leser aus: Wir betrachten alle diejenigen Printmedien als Konkurrenten auf einem relevanten Markt, die von den Kunden – also den Lesern – als Substitute, also als austauschbar angesehen werden. Das ist das bereits im ersten Kapitel bereits angesprochene Bedarfsmarktkonzept: Der relevante Markt wird definiert, indem man von einem durchschnittlichen Konsumenten ausgeht und überlegt, welche Möglichkeiten er hat, auf alternative Produkte auszuweichen. Als Maßzahl kann dabei die in Box€1.15 erörterte Kreuzpreiselastizität helfen: Je größer sie ist, um so eher kann man davon ausgehen, dass die Konsumenten zwei Titel als austauschbar erachten – das bedeutet, dass die beiden Titel als Konkurrenten angesehen werden können. Box 2.18: Eine Frage der Größe: Tabloid-Zeitungen╇ Im immer härter werdenden Kampf um die Leser haben die Zeitungen einen neuen Wettbewerbsparameter entdeckt: Das Format ihres Blattes. Zeitungen erscheinen in verschiedenen Formaten: Das norddeutsche Format (F.A.Z., Süddeutsche Zeitung) misst 40 mal 57€cm, Regionalzeitungen erscheinen überwiegend im Rheinischen Format (36 mal 53€cm oder auch 35 mal 51€cm) oder im Berliner Format (31,5 mal 47€ cm). Mittlerweile steigen zunehmend Zeitungen auf das sogenannte Tabloid-Format (23,5â•›×â•›31,5€cm) um, beispielsweise auch das Handelsblatt – warum? Angefangen hat damit der britische Independent, auf der verzweifelten Suche nach Wegen, den Leserschwund zu stoppen – mit Erfolg: Innerhalb weniger Monate kletterte die Auflage von 188.000 auf 260.000 Exemplare. Dann zog die Times nach, die auf diesem Weg ebenfalls ihren Auflagenrückgang bremsen konnte. So ganz ohne Probleme ist das Tabloid-Format nicht: Ein kleineres Format bedeutet nicht nur weniger Inhalte, sondern auch weniger Platz für Anzeigen. So gingen beim Independent die Anzeigeneinnahmen um elf Prozent zurück. Und noch schlimmer kommt es für die Verlage, ihre Zeitungen in beiden Formaten verkaufen – mit erheblichen Mehrkosten beim Druck. Wie sieht das in der Praxis aus? Die Kreuzpreiselastizität empirisch festzustellen, ist schwierig. Also muss man sich ein wenig auf den gesunden Menschenverstand
2.2 Zeitungen und Zeitschriften
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verlassen. Hier haben wir die Wahl zwischen vielen verschiedenen Ansätzen: Wollen wir bei der Identifikation der relevanten Wettbewerber zwischen Abonnementzeitungen und Straßenverkaufszeitungen unterscheiden oder beide in einen Topf werfen? Wollen wir zwischen regionalen und landesweiten Zeitungen, zwischen allgemeinen Blättern und Special Interest-Blättern unterscheiden? Wollen wir in unsere Betrachtungen auch die Sonntagszeitungen mit einbeziehen? Und wollen wir nur zwischen den einzelnen Titeln unterscheiden oder aber zwischen den einzelnen Verlagen oder den publizistischen Einheiten? Die Crux dieses Ansatzes besteht darin, dass es empirisch schwierig ist, Kreuzpreiselastizitäten zu ermitteln, die für die Mehrheit der Leser Gültigkeit haben. Dem einen mag es egal sein, ob er eine landesweite Zeitung oder ein regionales Blatt liest, für den anderen ist der Unterschied so wichtig, dass er sogar beide Blätter nebeneinander liest. Zwar birgt auch dieser Ansatz Schwierigkeiten, wie Sie sehen, doch praktikabel ist er durchaus. Heinrich schlägt eine Abgrenzung relevanter Märkte im Tageszeitungsmarkt vor, die sich an der Rechtsprechung orientiert8: Zum einen ist da der Markt für regionale und lokale Abonnement- und Tageszeitungen, die mit speziell darauf zugeschnittenen Lokalteilen die Nachfrage nach regionalen und lokalen Informationen befriedigen. In diesem Markt gilt der Wettbewerb als recht begrenzt; in rund der Hälfte aller Gebiete bestehen Monopole, und der Marktzutritt ist extrem schwierig. Intensiver ist der Wettbewerb auf dem Markt für überregionale Abonnement-Tageszeitungen: Hier konkurrieren die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Süddeutsche Zeitung, die Frankfurter Rundschau, die Tageszeitung und die Welt miteinander. Je nach Definition kann man dazu auch noch das Handelsblatt und die Financial Times Deutschland dazurechnen, wenngleich diese Blätter mit dem Anspruch angetreten sind, sich an eine spezielle Zielgruppe zu richten. Auf dem Markt für Straßenverkaufszeitungen konkurriert im Regelfall in einem räumlich abgegrenzten Bereich die Bild-Zeitung mit jeweils einem Konkurrenten. Am Markt für Wochenzeitungen konkurrieren solche Titel wie der Spiegel, der Focus, die Zeit oder der Rheinische Merkur miteinander; auf dem Markt für Sonntagszeitungen sind vor allem die Bild am Sonntag und die Welt am Sonntag die beherrschenden Blätter; die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung hat mittlerweile aber aufgeschlossen. Tabelle€2.7 gibt einen Überblick, wie sich die Auflagenanteile am Tageszeitungsmarkt in den vergangenen Jahren entwickelt haben. Nehmen wir einmal an, wir haben damit das Problem der Abgrenzung des relevanten Marktes gelöst. Dann stehen wir vor einem weiteren Problem: Wie erkennen wir, ob in dem betreffenden Markt ausreichend oder zu wenig Wettbewerb besteht? Um das festzustellen, stehen uns einige Kennziffern zur Verfügung, die in der Diskussion auch immer wieder genannt werden. Die bereits im ersten Kapitel diskutierten Concentratio Ratios machen die Beantwortung der Frage nach ausreichend Wettbewerb am Anteil fest, den Unternehmen an den Gesamtumsätzen im betreffenden Marktsegment haben. Diese Kennziffer kann
8╇
Vgl. Heinrich, Jürgen (1994): Medienökonomie, Band 1, a.a.O., S. 279 ff.
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Tab. 2.7↜渀 Konzentration im deutschen Zeitungsmarkt; anteilige Auflage der Verlagsgruppen am jeweiligen Segment in Prozent. (Quellen: Röper, Horst (2004): Bewegungen im Zeitungsmarkt 2004, in: Media Perspektiven 6/2004, S.€270, und Röper, Horst: Konzentrationssprung im Markt der Tageszeitungen, in: Media Perspektiven, 8/2008, S.€421) 2008 1991 Tageszeitungen Axel Springer Verlag 22,1 23,9 Verlagsgruppe WAZ 6,0 5 Verlagsgr. Stuttgarter Zeitung/Die Rheinpfalz/Südwest Presse 8,5 5 Verlagsgruppe Dumont Schauberg 4,2 4,5 Verlagsgruppe Ippen 4,0 2,4 Holtzbrinck, Stuttgart 3,8 – Frankfurter Allgemeine Zeitung 3,0 3,2 Verlagsgruppe Madsack/Gerstenberg 2,5 2,2 Marktanteil der 10 größten Verlagsgruppen 58,5 – Abonnementzeitungen Verlagsgruppe WAZ Verlagsgr. Süddt. Zeitung/Die Rheinpfalz/Südwest Presse Axel Springer Verlag Holtzbrinck Marktanteil der 10 größten Verlagsgruppen
7,7 10,8 6,4 4,8 33,9
6,6 6,7 6,6 3,9 –
Kaufzeitungen Axel Springer Verlag Verlagsgruppe Dumont Schauberg Abendzeitung München Ippen-Gruppe, München BV Deutsche Zeitungsholding Marktanteil der 10 größten Verlagsgruppen
79,3 4,3 3,5 3,5 5,5 96,1
74,7 6 3,5 6,5 – –
Hinweise auf ökonomische Konzentration geben: Je mehr Umsätze ein Unternehmen anteilsmäßig auf sich vereint, umso geringer ist der Platz für die Konkurrenten. Doch ganz so platt kann man das nicht sagen, dazu muss man eigentlich auch wissen, inwieweit die Geschäftsleitung Einfluss auf die Berichterstattung des betreffenden Blattes nehmen kann. Ist das Unternehmen zudem nicht mit einem, sondern mit mehreren Blättern am Markt, so wird es noch schwieriger, eine Antwort auf die Frage nach dem publizistischen Wettbewerb zu finden. So praktikabel dieser Ansatz ist, er sagt wenig über die Eigentumsverhältnisse aus: Wenn ein Verlag in verschiedenen Segmenten tätig ist, so kann unter Umständen Gefahr für den publizistischen Wettbewerb entstehen, indem der Verlag verhindert, dass sich bestimmte Ideen oder Meinungen auf den verschiedenen Marktsegmenten durchsetzen. So kann man ohne weiteres davon ausgehen, dass der Springer-Verlag, der in vielen Segmenten vertreten ist, über beträchtliche publizistische Macht verfügt. Das lässt allerdings noch keine Aussage darüber zu, ob der Verlag auch davon Gebrauch macht oder ob es ihm lediglich um Gewinnmaximierung im Gesamtverlag geht.
2.2 Zeitungen und Zeitschriften
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Ebenfalls nicht außer Acht lassen kann man die Macht eines Unternehmens auf der Seite der Anzeigenkunden – wenn es nur wenige Blätter gibt, in denen die Werbekunden inserieren können, dann werden diese tendenziell höhere Werbepreise zahlen müssen als im Falle starker Konkurrenz. Unter diesem Blickwinkel muss man sich die Zahl der konkurrierenden Verlage ansehen, insofern man unterstellt, dass diese ihr Anzeigengeschäft jeweils zentral organisieren. Als Richtlinie lässt sich also festhalten: Je geringer die Zahl der Verlage ist, umso geringer dürfte auch der ökonomische und publizistische Wettbewerb sein. Doch um den publizistischen Wettbewerb näher zu untersuchen, empfiehlt es sich, auch einen Blick auf die Entwicklung der publizistischen Einheiten zu werfen: Eine publizistische Einheit sind alle jene Zeitungen, die den gleichen Mantelteil verwenden (das haben wir bereits in Box€2.10 gesehen). Die Idee dahinter ist naheliegend: Unabhängig von den verlegerischen Strukturen ist für die publizistische Vielfalt entscheidend, wie viele verschiedene Angebote es gibt – die Anzahl der verschiedenen Anbieter hinter den verschiedenen Ausgaben ist für die Frage nach der publizistischen Vielfalt nicht wichtig. Box 2.19: Messung der Konzentration im Pressewesen╇ Eine Möglichkeit, Konzentration von Zeitungsunternehmen zu messen, besteht darin, die Konzentration jener Unternehmen zu messen, die wirtschaftlich eine Einheit bilden. Stellt man auf die Besitz- und Beteiligungsverhältnisse ab, so ergibt sich folgendes Bild: Der Anteil der zehn größten Verlagsgruppen am Markt für Tageszeitungen lag 2008 bei 58,5€% – CR10 beträgt damit 58,5. Im Jahr 1989 lag dieser Wert noch bei 54,8. CR5 lag im Markt für Tageszeitungen 1989 bei 42,8, er ist bis 2008 auf 44,8 gestiegen. Bei den Abonnementzeitungen beträgt CR5 im Jahr 2008 33,9, auch hier hat die Konzentration zugenommen. Mehr oder weniger stabil war die Konzentration bei den Kaufzeitungen, aber sie beträgt immerhin stolze 96,1 gemessen an dem Konzentrationsmaß CR5. Weitere Erhebungskategorien sind die Verlage als Herausgeber (alle Ausgaben, bei denen im Impressum der gleiche Herausgeber oder Verlag erscheint) und die Publizistische Einheit (alle Ausgaben mit einem weitgehend gleichen Zeitungsmantel). Die Zahl der publizistischen Einheiten ist von 158 (1991) auf 135 (2008) gesunken, die Zahl der Verlage als Herausgeber ist von 410 (1991) auf 353 (2008) gefallen.9 Es ist aber auch sinnvoll, sich die Anteile des Unternehmens an der Gesamtauflage anzuschauen. Je höher diese sind, umso größer dürfte wohl auch die ökonomische und publizistische Macht des Unternehmens sein. Die Zahl der Titel, die in einem betreffenden Segment publiziert werden, kann ebenfalls Aufschlüsse über das Aus-
9╇ Vgl. dazu Schütz, Walter J. (2000): Deutsche Tagespresse 1999. Media Perspektiven 1/2000, S.€8€ff. und Schütz, Walter: Deutsche Tagespresse 2008, in: Media Perspektiven 9/2009, S.€455
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maß des Wettbewerbs geben, allerdings sagt das noch nichts über die Eigentumsverhältnisse aus. Auch im Hinblick auf den publizistischen Wettbewerb geben die Konzentrationsraten zumindest Anhaltspunkte: Wer ökonomische Macht hat, hat zumindest potenziell auch publizistische Macht. Doch ganz so einfach ist das nicht: Zumindest muss man dabei fragen, wie hoch der Bedarf an Titeln in dem betreffendem Segment ist. Beispielsweise könnte man davon ausgehen, dass drei Titel im Zeitschriftensegment „Tätowierungen als Hobby“ ausreichend sind – für eine politische Wochenzeitschrift ist das vielleicht eher wenig, angesichts der Vielfalt des Themas und des allgemeinen Interesses daran.Will man die Wettbewerbsverhältnisse im Zeitschriftensektor untersuchen, so gilt es, zwei Dinge zu beachten: Zum einen werden die meisten bedeutenden Zeitschriftentitel überregional verbreitet, so dass man bei der Analyse der Wettbewerbsbedingungen zumindest räumlich keine Einschränkungen machen muss wie beispielsweise im Fall der Regionalzeitungen. Zum anderen dürfte die Abgrenzung zwischen den einzelnen Titeln einfacher sein: Die Kreuzpreiselastizität zwischen einer regionalen Tageszeitung und ihrem überregionalem Konkurrenten dürfte wesentlich höher sein als zwischen einer Computerfachzeitschrift und einer Fachzeitschrift für die Familie. In einfachen Worten: Während zwischen den beiden Zeitungen doch eine gewisse Austauschbeziehung – und somit potenzieller Wettbewerb – besteht, dürfte das bei den beiden Zeitschriften eher nicht der Fall sein. Im Zeitschriftensektor dürfte es damit wesentlich unproblematischer sein, den relevanten Markt abzugrenzen. Box 2.20: Das GWB und der Pressesektor╇ Im Jahr 1976 ergänzte die Bundesregierung das GWB (das wir schon in Box€ 1.14 kennengelernt haben) mit Blick auf eine weitere Konzentration im Pressesektor. Das sogenannte Aufgreifkriterium – also die Schwelle, ab der Zusammenschlüsse dem Bundeskartellamt gemeldet werden müssen – wurde für Pressefusionen gesenkt: Wenn beide fusionierende Unternehmen zusammen mehr als 25€ Mio.€ € an Umsätzen aufweisen, wird das Bundeskartellamt aufmerksam und gegebenenfalls aktiv (für sonstige Unternehmen galt zu diesem Zeitpunkt ein weit höheres Umsatzvolumen als Aufgreifkriterium, diese Dimension wurde damals von Medienunternehmen nicht erreicht). Das Kartellamt kann einen solchen Zusammenschluss verweigern, wenn es die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung befürchtet (es sei denn, die Unternehmen weisen nach, dass die Fusion die Wettbewerbssituation verbessert), oder es kann seine Zustimmung an Auflagen knüpfen. Ein Nachteil dieser Regelung – abgesehen von den bisher bereits angesprochenen Problemen der Wettbewerbspolitik – besteht darin, dass eine solche Regelung nur das externe Wachstum der Unternehmen über Fusionen berücksichtigt. Wenn ein Unternehmen intern (also aus eigener Kraft) wächst, dann greift diese Regelung nicht (möglicherweise greift dann später die sogenannte Missbrauchsaufsicht). Eine weitere Sonderregelung für Verlage gibt es in §Â€30 GWB, dort ist geregelt, dass ver-
2.2 Zeitungen und Zeitschriften
111
tikale Preisbindungen bei Zeitungen und Zeitschriften zulässig sind: Unternehmen, die Zeitungen oder Zeitschriften herstellen, können den Abnehmern ihrer Erzeugnisse die Preise vorschreiben, die diese beim Weiterverkauf verlangen müssen. Zudem zeigt die Dynamik auf dem Zeitschriftenmarkt, dass der Marktzutritt bei den Zeitschriften einfacher ist als bei den Tageszeitungen. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass die Besonderheiten der Produktion einer Zeitung bei Zeitschriften keine so große Rolle spielen: Zum einen ist die Angebotsflexibilität recht hoch; das Angebot an Zeitschriften reagiert rasch auf Änderungen in der Produktionstechnik und der Nachfrage, wie die Zahl der Marktzutritte und Marktaustritte zeigt. Zudem gelten die Betriebsgrößenvorteile bei Zeitschriften als eher gering; die für eine Zeitschrift notwendigen Druck- und Vertriebskapazitäten können von den Verlagen auch rasch auf dem Markt zugekauft werden. Lassen Sie uns einmal festhalten, was wir bisher herausgefunden haben: In einem ersten Schritt müssen wir festlegen, welche Titel miteinander konkurrieren. Danach müssen wir fragen, wie wir die jeweiligen Unternehmenseinheiten definieren, die miteinander konkurrieren sollen: Publizistische Einheiten, Verlage als Herausgeber oder als wirtschaftliche Einheiten. Das sind alles theoretische Probleme, die aber in der Praxis für die Wettbewerbspolitik gelöst werden müssen. 2.2.4.2â•…Gratiszeitungen Die Sorgen der deutschen Zeitungsverlage über die Idee, Zeitungen gratis zu verteilen, sind groß und ihr Vorgehen gegen Gratiszeitungen – zumindest aus ihrer Perspektive – berechtigt. Aber was ist wirklich dran an Gratiszeitungen? Betreiben Sie Dumping? (Was das ist, entnehmen Sie bitte Box€2.21) In vielen anderen europäischen Staaten sind Gratiszeitungen schon gut bekannt: Im Jahr 2006 erschienen schätzungsweise 84 Gratiszeitungen in mehr als 50 europäischen Städten werktäglich in einer Gesamtauflage von etwa 19€Mio. Exemplaren.10 Die Zeitungen sind zumeist vierfarbig, geheftet, der Umfang variiert zwischen 20 und 40 Seiten, die dem Leser Stoff für rund 20€Minuten geben – das orientiert sich an der Länge einer typischen Pendlerstrecke. Verteilt werden diese Zeitungen entweder als freie Stapelauslage in Geschäften, im öffentlichen Personennahverkehr, in Zeitungsboxen oder als Handverteilung. Bleibt noch die wichtigste Frage: Wie verdienen Gratiszeitungen ihr Geld und was ist von diesem Geschäftsmodell zu halten? Zunächst mal ist eines klar: Gratiszeitungen verdienen kein Geld aus Abonnements. Die Erlöse dieser Zeitungen müssen also aus dem Anzeigengeschäft komVgl. Röper, Horst: Gratiszeitungen und etablierte Verlage, in: Media Perspektiven 10/2006, S.€522.
10╇
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2 Printmedien
men. Hier setzt ein erster Kritikpunkt der Gegner von Gratiszeitungen an: Wer nur vom Anzeigenaufkommen abhängig ist, verliert die redaktionelle Unabhängigkeit. Stimmt das? Ja und Nein. Zum einen ist es natürlich richtig, dass sich eine Zeitung schwer damit tut, kritisch über Unternehmen zu berichten, welche im eigenen Blatt inserieren. Das gilt aber grundsätzlich für jede Zeitung, auch für Blätter mit Abonnementeinnahmen. Möglicherweise gilt es verschärft für Zeitungen, die sich ausschließlich über Anzeigen finanzieren, doch wo will man hier die Grenze ziehen? Ab wie viel Prozent Werbeeinnahmen kann man eine Zeitung als nicht mehr unabhängig erachten? Box 2.21: Sind Gratiszeitungen Dumping?╇ In der Diskussion um die Gratiszeitungen wird oft der Vorwurf gebraucht, dass die Anbieter solcher Zeitungen „Dumping“ begehen. Was ist das? Stimmt dieser Vorwurf? Unter Dumping verstehen Ökonomen den Verkauf einer Ware unter den Herstellungskosten; zumeist ist damit ein eindeutiges Ziel verbunden: Ein lästiger Konkurrent soll vom Markt gefegt werden, anschließend kann man dann die Preise beliebig heraufsetzen. Betreiben die Anbieter von Gratiszeitungen wirklich Dumping? Zunächst einmal gilt: Solange diese Zeitungen kostendeckend arbeiten, betreiben sie kein Dumping – sie „verkaufen“ ihre Ware ja nicht unter den Gestehungskosten. Doch auch wenn diese Zeitungen die ersten Jahre Verluste schreiben, muss das nicht heißen, dass es sich hier um Dumping handelt: Viele neu gegründete Unternehmen schreiben in den ersten Geschäftsjahren Anlaufverluste, und das Steuerrecht erlaubt es ihnen sogar, diese Verluste in gewissen Grenzen gegen spätere Gewinne zu verrechnen. Zudem gilt dieses Argument nur, wenn das Blatt von einigen wenigen Kunden abhängig ist – je breiter die Palette der Anzeigenkunden ist, um so weniger muss man auf einzelne Kunden Rücksicht nehmen. Darüber hinaus bezieht sich dieses Argument nur auf den Spezialfall, wenn es über ein konkretes Unternehmen oder eine Branche zu berichten gilt. Hier sind natürlich tendenziöse Berichte nicht auszuschließen – aber welchen Einfluss hat die Nahost-Berichterstattung auf das Werbeaufkommen einer Gratiszeitung, die vor allem lokale Anzeigenkunden locken will? Zudem muss man sich fragen, inwieweit die Leser nicht selbst in der Lage sind, über den Wahrheitsgehalt und die Richtigkeit der Berichterstattung zu entscheiden – bei den Anzeigenblättern und auch den bezahlten Zeitungen traut man ihnen diese intellektuelle Leistung zu. Doch möglicherweise gibt es noch ein anderes Problem mit Gratiszeitungen: Was, wenn sie die regulären Zeitungen schlichtweg vom Markt fegen? Warum eine Zeitung kaufen, wenn man sie geschenkt haben kann? Wer soll dann noch eine Zeitung kaufen? Am Ende dieser Entwicklung könnte eine Welt stehen die von Gratiszeitungen beherrscht wird; die publizistische Vielfalt wäre gefährdet. Doch diese Gefahr dürfte möglicherweise nicht sehr groß sein – warum?
2.2 Zeitungen und Zeitschriften
113
Wie ähnlich sind sich Gratiszeitungen und reguläre Kaufzeitungen? Der Natur der Sache nach werden Kaufzeitungen in der Regel höhere Einnahmen haben – das dürfte es ihnen ermöglichen, auch ein redaktionell anspruchsvolleres Blatt zu machen. Anstatt überwiegend Agenturtexte zu verwenden, können sie bedingt durch ihre höheren Einnahmen mehr redaktionell eigenständige Texte abdrucken, in der Hoffnung, dass der Leser dies honoriert. Zudem könnte sich die von den Gegnern der Gratiszeitungen kritisierte mangelnde Unabhängigkeit der Gratiszeitungen als Verkaufsargument erweisen: Wer Wert auf eine sorgfältig überprüfte Berichterstattung legt, die (hoffentlich) unabhängig ist, wird zu einer Kaufzeitung greifen, im Extremfall zu einem Presseerzeugnis, das gänzlich auf Anzeigen verzichtet. Hat sich einmal eine Zeitung eine solche Reputation erarbeitet, so steht zu vermuten, dass sie sich auch gegen Gratiszeitungen behaupten kann. Und ein letztes Argument: Im Internet gibt es auch „kostenlose“ Informationen, das ist also nichts Neues. Box 2.22: 20 Minuten Köln╇ …hieß eine der ersten Gratiszeitungen, mit denen der schwedische Schibstedt-Verlag die deutsche Zeitungslandschaft aufmischen wollte. Auf den Start der Gratiszeitung in Köln reagierte der Kölner Platzhirsch, der Verlag Dumont Schauberg ebenso mit einer Gratiszeitung wie der Springer-Verlag (vor allem das Dumont-Blatt Express hatte unter der kostenlosen Konkurrenz gelitten). Drei Gratiszeitungen waren für die Domstadt zuviel des kostenlosen Guten, 2001 stellte 20€Minuten Köln, das 1999 gestartet war, sein Erscheinen ein. Noch in der selben Woche, in der 20€Minuten Köln das Erscheinen einstellte, wurden die beiden anderen Gratiszeitungen eingestellt – das war das vorläufige Ende des Kölner Zeitungskrieges. Ein Fehler in der Strategie der Gratiszeitung war nach Auffassung des Schibstedt-Verlages der Umstand, dass viele Anzeigenkunden eine überregionale Verbreitung gewünscht hätten – dazu hätte man auch in anderen Metropolen Gratiszeitungen starten müssen, was wohl enorme Anfangsverluste zur Folge gehabt hätte. Der Verlust mit dem 20€Minuten Köln-Projekt wird in der Branche auf rund 13€Mio.€€ geschätzt. Der Geschäftsführer von 20€Minuten Köln aber gab sich optimistisch: Noch am Tag der Einstellung seines Blattes erklärte er, dass es in 5 Jahren in jeder deutschen Großstadt eine Gratiszeitung geben werde. Bisher lag er damit daneben. Die ersten Experimente mit Gratiszeitungen in Deutschland sind gescheitert (wie Sie Box€2.22 entnehmen können), aber dennoch: Vor allem für regional ausgerichtete Zeitungen könnten Gratiszeitungen zu ernsten Konkurrenten werden. Werden sie ihnen Leser wegnehmen oder nur neue Leserkreise erschließen? Vermutlich beides, wobei ersteres natürlich eine Bedrohung für die Kaufzeitungen ist. Auch bei Gratiszeitungen gilt es, einen hohen Nutzwert für die Leser zu stiften. Eine Gratwanderung, die Zeitung so schlecht zu machen, dass sie deshalb zur Kaufzeitung greifen, dürfte bei den Lesern auf Unwillen stoßen. Und je schärfer die Konkurrenz wird, um so mehr dürften die Gratisblätter auch auf ihre Qualität achten.
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2 Printmedien
2.2.4.3â•…Wettbewerb mit audiovisuellen Medien Printmedien stehen auf zwei Märkten mit audiovisuellen Medien in Konkurrenz: Bei den Lesern und bei den Werbekunden (Tab.€2.8 gibt Ihnen einen Überblick über den Werbemarkt). Die Wettbewerbsvorteile der jeweiligen Medien ergeben sich dabei aus ihrer spezifischen Funktion und ihrer Beschaffenheit: Eine Zeitung kann mehr in die Tiefe gehen, da jeder Leser selbst entscheiden kann, was er in welcher Intensität liest. Zumeist können Printmedien deswegen ein Mehr an Analyse bieten als audiovisuelle Medien. Audiovisuelle Medien mögen in vielerlei Hinsicht komfortabler sein als Printmedien, doch Printprodukte bieten einen wesentlichen Vorteil: Man kann sie überall mit hin nehmen, die darin enthaltenen Informationen sind vom Leser jederzeit abrufbar, und zwar dann, wenn er es will, und nicht, wenn die Sendung gerade läuft. Der Vorteil des Radios und des Fernsehers für den Informationshungrigen besteht darin, dass keine zusätzlichen Kosten mehr anfallen, wenn das Gerät einmal angeschafft worden ist. Die Zeitung hingegen muss jeden Tag aufs Neue bezahlt werden. Auch für Werbekunden können Zeitschriften Vorteile haben, wie wir gesehen haben: Sie ermöglichen eine genaue Fokussierung auf die Zielgruppen, jedenfalls wenn es sich um spezialisierte Titel handelt. Tabelle€2.8 zeigt Ihnen, wie sich die verschiedenen Medien den Werbekuchen in den vergangenen Jahren aufgeteilt haben. In der Tat haben Printmedien in den vergangenen Jahren Marktanteile verloren, was sie aber bisher gerettet hat, war der Umstand, dass zwar ihre Marktanteile rückläufig waren, aber der Kuchen insgesamt größer geworden ist – bei sinkenden Anteilen sind die absoluten Zahlen gestiegen. Doch die Schlacht um den Printmarkt wird vor allem beim Leser gewonnen. Lassen Sie uns einen Blick darauf werfen, wie man die Entscheidung des Konsumenten Tab. 2.8↜渀 Werbeaufwendungen in Deutschland 1985–2008. Marktanteile der Medien in Prozent. Gesamtmarktvolumen 2008 (1985): 20,36 (8,96)€Mrd.€€. (Quelle: Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger DZV/ZAW (www.bdzv.de)) 1985 2000 2002 2003 2006 2008 Tageszeitungen 37,1 28,0 24,6 23,1 22,3 21,5 Wochen- und Sonntagszeitungen 1,8 1,2 1,3 1,2 1,3 1,3 Zeitungssupplements 0,3 0,5b 0,4 0,5 0,4 Publikumszeitschriften 15,1 9,6 9,6 9,7 9,6 8,3 Anzeigenblätter 7,0 7,7 8,5 9,1 9,5 9,9 TV 8,3 20,1 19,7 19,8 20,2 19,8 Hörfunk 3,0 3,1 3,0 3,0 3,3 3,5 Direktwerbung 10,6 14,5 16,6 17,1 16,3 16,2 Online-Medien 0,7 1,1 1,3 2,4 3,7 Übrige Mediena 17,2 14,8 15,9 15,4 15,0 15,4 Gesamt 100 100 100 100 100 100 a Adressbuch-, Außen-, Fachzeitschriften- und Filmtheaterwerbung b Bei Zeitungssupplements werden ab 2002 Vertriebs- und Anzeigenerlöse miteinander verrechnet und als Gesamtergebnis dargestellt. Dadurch ergibt sich ein geringfügig höherer Marktanteil
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2.2 Zeitungen und Zeitschriften
im Wettkampf der Medien modelltheoretisch aufbereiten kann. Dazu greifen wir auf ein Konzept aus dem ersten Kapitel zurück – die Indifferenzkurven. Erinnern Sie sich bitte: Mit Hilfe der Indifferenzkurven und der Budgetgeraden haben wir bestimmt, wie die optimale Konsumentscheidung zwischen Medien und sonstigen Konsumgütern aussieht. Jetzt wollen schauen, wie die Entscheidung zwischen zwei verschiedenen Medien aussehen könnte. Natürlich könnten wir einen einfachen Weg gehen: Statt „andere Güter“ tragen wir auf der vertikalen Achse „Zeitungen“ ab und auf der horizontalen Achse „audiovisuelle Medien“ (statt Medien). Dann können wir das gleiche Optimierungsspiel betreiben wie bei der Entscheidung zwischen Medien und anderen Konsumgütern. Doch versuchen wir, einen anderen Weg zu beschreiten.11 Ausgangspunkt der Überlegungen ist folgender: Printmedien und audiovisuelle Medien besitzen prinzipiell die gleichen Eigenschaften, aber zu unterschiedlichen Anteilen. Die Zeitung verfügt über weniger Aktualität im Vergleich zu audiovisuellen Medien, dafür aber im Gegensatz zu diesen mehr Analyse (nehmen Sie diese Annahmen einfach mal so hin). Mit anderen Worten: Audiovisuelle Medien bieten ein Mehr des Merkmals „Aktualität“, aber weniger des Merkmals „Analyse“ als Zeitungen. Diese Merkmalseigenschaften sind auf den beiden Achsen in Abb.€2.9 abgetragen. Zur Veranschaulichung ist dem Grad der Aktualität und dem Grad der Analyse eine Kennzahlen zugeordnet; je höher die Zahl, desto höher der entsprechende Anteil der betreffenden Eigenschaft.
10 Aktualität
Abb. 2.9↜渀 Radio versus Zeitung. Die Linie, welche das Radio repräsentiert, läuft oberhalb der Linie, welche die Zeitung repräsentiert. Das Radio bringt dem Konsumenten einen Aktualitätsgrad von 10 und einen Analysegrad von 4, wenn er seine gesamte Zeit darauf verwendet, Radio zu hören. Die Zeitung hingegen kommt nur auf einen Aktualitätsgrad von 5, dafür aber auf einen Analysegrad von 8 – vorausgesetzt, der Konsument wendet all seine Zeit für das Lesen der Zeitung auf
Radio: Mehr Aktualität; weniger Analyse
Zeitung: weniger Aktualität, mehr Analyse 5
8
4 Analyse
11╇ Diese Analysetechnik ist von Kelvin Lancaster entwickelt worden, Sie können sie nachlesen: Lancaster, K.J. (1966): Change in innovation in the technology of consumption. American Economic Review/Papers and Proceedings (Mai 1966), S.€14–23.
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2 Printmedien
Jetzt kommt noch ein gedanklicher Kunstgriff: Gehen wir einmal davon aus, dass es dem Leser darauf ankommt, eine Kombination beider Eigenschaften zu erlangen – er will eine bestimmte Menge Analyse und Aktualität in einem bestimmten Verhältnis zueinander. Diese Mischung von Aktualität und Analyse kann er sich selbst zusammenstellen, indem er eine Kombination aus audiovisuellen Medien und Printmedien konsumiert, beispielsweise eine Stunde Fernsehen und zwei Zeitschriften. Der Konsument kann sich also seine eigene Mischung von Aktualität und Analyse zusammenstellen. Allerdings muss er dabei sein Zeitbudget beachten. Nehmen wir einmal an, der Konsument hat zwei Stunden Zeit für seinen Medienkonsum. Er kann die gesamten zwei Stunden für die audiovisuellen Medien verwenden, dann erhält er 10 Einheiten Aktualität und 4 Einheiten Analyse. Setzt er die zwei Stunden komplett für Zeitungs- oder Zeitschriftenlektüre ein, erhält er 5 Einheiten Aktualität und 8 Einheiten Analyse. Jetzt kann unser Konsument zwischen diesen beiden Punkten, in denen er seine Zeit für nur eines der beiden Medien verwendet, dadurch erreichen, indem er sein Zeitbudget zwischen den beiden Medien aufteilt. In der Abb.€2.10 sieht das dann so aus, dass wir eine lineare Verbindung zwischen dem Punkt „nur audiovisuelle Medien konsumieren“ und dem Punkt „nur Print lesen“ ziehen (ein Punkt auf den Linien unterhalb der Eckpunkte würde bedeuten, dass der Konsument nicht sein gesamtes Zeitbudget ausschöpft – diesen Fall wollen wir hier vernachlässigen). Jeder Punkt dieser Gerade in Abb.€2.10 stellt eine Kombination aus lesen und radiohören/ fernsehen dar, bei der ein Konsument den gewünschten Mix von Aktualität und Analyse dadurch erhält, indem er all seine verfügbare Zeit entsprechend auf die beiden Medien verteilt. Jetzt sind wir fast fertig, es fehlt nur noch eins: Nämlich etwas, womit wir die Vorlieben der Konsumenten für die beiden Eigenschaften Aktualität und Analyse bestimmen können. Hier hilft uns das Konzept der Indifferenzkurven aus dem ersnur Radio- oder Fernsehkonsum mit dem kompletten Zeitbudget
Abb. 2.10↜渀 Radio, Fernsehen und Zeitbudget. Die gestrichelte Linie repräsentiert alle Möglichkeiten der Kombination der beiden Medien; die Eckpunkte stellen den reinen Konsum nur eines der beiden Medien dar
Aktualität
10
Radio
Kombinationen von audiovisuellen und Printmedien bei einem Zeitaufwand von 2 Stunden
Zeitung
5
komplettes Zeitbudget nur für Printmedien aufgewendet
4
Analyse
8
2.2 Zeitungen und Zeitschriften
117
Abb. 2.11↜渀 Die optimale Kombination von audiovisuellen Medien und Printmedien
Indifferenzkurve 2
Indifferenzkurve 1 10
Radio/TV
Aktualität
A B 5
Zeitung
Analyse
ten Kapitel. Indifferenzkurven geben alle Kombinationen zweier konsumierter Güter an, die dem Konsumenten den gleichen Nutzen stiften. Übertragen auf Abb.€2.11 bedeutet das folgendes: Wenn der Konsument auf der Indifferenzkurve von links oben nach rechts unten wandert, so ersetzt er Aktualität durch Analyse, er verzichtet also zugunsten von etwas mehr Analyse auf ein wenig Aktualität – sein Nutzen bleibt dabei konstant. Je weiter die Indifferenzkurve dabei vom Ursprung der Grafik entfernt ist, umso höher sind sowohl Aktualität als auch Analyse, die der Konsument erhält, und umso höher ist also sein Nutzen. Das ist der Schlüssel zur Beantwortung der Frage, für welche Kombination von Aktualität und Analyse sich der Konsument entscheiden wird: Nehmen wir an, er wird die gesamten 2€Stunden zum Medienkonsum verwenden. Dabei will er seinen Nutzen maximieren. Also wird er die Kombination von Aktualität und Analyse wählen, die ihn auf diejenige Indifferenzkurve bringen wird, die am weitesten vom Ursprung entfernt ist, denn dort ist sein Nutzen am größten. In Abb.€2.11 wäre beispielsweise die Kombination von Aktualität und Analyse in Punkt A nicht optimal: Der Konsument erreicht dadurch nur die Indifferenzkurve 1. Indem er auf etwas Aktualität verzichtet und dafür mehr Zeit in Analyse steckt – also weniger Fernsehen und dafür mehr Print – wandert er auf der Verbindung zwischen den beiden Extrempunkten nach rechts unten und erreicht dadurch die Indifferenzkurve 2, die ihm einen höheren Nutzen stiftet. Er hat einfach sein Informationsverhalten so umgestellt, dass es seinen Präferenzen – repräsentiert durch die Indifferenzkurve 2 – mehr entgegenkommt. Eines ist dabei wichtig: Wie Sie in der Grafik sehen, werden immer noch beide Medien konsumiert. Die Form und Lage der Indifferenzkurve spiegelt die Informationspräferenzen des jeweiligen Konsumenten wider – in Abb.€2.12 beispielsweise gehören die oberen Indifferenzkurven einem Menschen, der mehr Wert auf Aktualität legt – er verzichtet (in der Ausgangslage) gänzlich auf Printmedien, Aktualität ist ihm deutlich wichtiger als Analyse.
118
2 Printmedien Neue Kombination von Aktualität und Analyse, nachdem Radio/TV noch aktueller geworden sind
„Aktualitätsbetonter Typ“ Radio/TV
Aktualität
10
Zeitung 5
„Analytiker“: Er liest nur Zeitung
Analyse
Abb. 2.12↜渀 Das Radio wird aktueller. Die dünn gestrichelten Linien zeigen, wie die neue Situation ist, wenn das Radio oder der Fernseher aktueller geworden sind: Bei gleichem Ausmaß an Analyse erhält der Konsument jetzt noch mehr Aktualität; die Linie für die audiovisuellen Medien dreht sich nach oben. Die Verbindung zwischen dem neuen Eckpunkt dieser Linie und der Linie für die Printmedien gibt alle neuen Kombinationen von Aktualität und Analyse an, die der Konsument durch eine Kombination der beiden Medien bei unverändert gegebenem Zeitbudget erreichen kann
Sein mentales Gegenstück ist der Konsument, dessen Präferenzen durch die unteren Indifferenzkurven repräsentiert werden: Ihm ist Analyse wesentlich wichtiger als Aktualität, er verbringt seine gesamte Zeit damit, Printmedien zu lesen anstatt Fernsehen zu gucken oder Radio zu hören. Die je nach Konsumenten unterschiedlich beschaffene Lage und Form der Indifferenzkurven und das unterschiedliche „Produktprofil“ von audiovisuellen und gedruckten Medien führt auch dazu, dass es ein Nebeneinander von Print und audiovisuellen Medien gibt. Um das zu demonstrieren, ist in Abb.€2.12 noch ein weiteres Gedankenexperiment abgebildet: Angenommen, audiovisuelle Medien schaffen es, bei gleichem Analysegrad noch aktueller werden. In der Abbildung äußert sich das darin, dass sich die Gerade, welche die Eigenschaften der audiovisuellen Medien repräsentiert, nach oben dreht: Bei gleichen Analysegrad (also gleichem Achsenabschnitt auf der horizontalen Achse) und gleichem Zeitbudget erhält der Kunde dann beispielsweise
2.3 Der Buchmarkt
119
12 Einheiten Aktualität (statt wie bisher 10); die gestrichelten Linien zeigen die neuen Verhältnisse, die gestrichelte Verbindung zwischen der neuen Linie für die audiovisuellen Medien und der Printmedien gibt alle neuen möglichen Kombinationen von Aktualität und Analyse an, die der Konsument jetzt bei gegebenem Zeitbudget erreichen kann. Das Schaubild zeigt auch das Überraschende: Der aktualitätsbezogene Typ liest nach der Erhöhung des Aktualitätsgrades der audiovisuellen Medien auf einmal Zeitung. Mit der neuen Konstellation kann er nun die höher liegende Indifferenzkurve erreichen, die ihm einen höheren Nutzen verspricht, aber auch zugleich nun auch den Konsum von Zeitungen beinhaltet. Des Rätsels Lösung ist einfach: Dadurch, dass die audiovisuellen Medien noch aktueller geworden sind, ist sein Bedürfnis nach Aktualität nun so stark gedeckt, dass er nun sogar einen Teil seiner Zeit dafür übrig hat, Zeitung zu lesen, um mehr Analyse zu erhalten. Weiterhin sehen wir im Schaubild, dass sich für den Zeitungsmenschen nichts geändert hat: Dass Radio oder Fernsehen aktueller geworden sind, ändert nichts an seiner Konsumentscheidung, da er ja wenig Wert auf Aktualität legt. Sein optimaler Konsumpunkt bleibt auch im neuen Gleichgewicht der alte. Damit wollen wir es fürs erste bei der Analyse der Konkurrenzbeziehungen zwischen Printmedien und audiovisuellen Medien bewenden lassen, wir werden diesen Ansatz später noch einmal aufgreifen, wenn wir über die Konkurrenz der Medien in der Multimediawelt sprechen werden. Lassen Sie uns vorher noch einen kurzen Blick auf den Buchmarkt werfen.
2.3â•… Der Buchmarkt Lassen Sie uns mit dem Vertrieb des Produktes Buch starten. Es gibt zwei Möglichkeiten für den Buchhandel, an die Bücher zu kommen: Der erste Weg führt direkt über den Verlag, das sind die sogenannten Verlagsauslieferungen. Verlagsvertreter preisen das Programm ihres Verlags direkt vor Ort; die Auslieferung der Bücher erfolgt mit einem Verlagsrabatt. Der zweite Weg zu den Büchern führt über den Zwischenbuchhandel (die Barsortimente). Die Rolle der Verlage ist klar: Sie suchen die Autoren beziehungsweise Werke aus, die publiziert werden sollen, übernehmend das Lektorat und lassen das Buch drucken. Dann muss das Buch auf den Weg zum Leser geschickt werden, das geschieht in der Regel über Verlagsauslieferungen und den Zwischenbuchhandel. Dort gibt es zum einen die sogenannten Barsortimente: Sie bilden quasi die Hintergrundlager des Buchhandels. Barsortimente führen je nach Größe bis zu 40€% aller Titel der deutschsprachigen Produktion und decken damit 90 bis 95€% des durchschnittlichen Bedarfs einer Buchhandlung ab. Damit bewahren sie die Verlage vor der Durchführung kostspieliger Kleinbestellungen. Die Verrechnung der Barsortimente mit den Verlagen und den Buchhandlungen erfolgt in der Regel auf Kontokorrentbasis – man gibt sich hier also kurzfristig Kredit. Weiterhin gibt es im Großhandel noch Exporteure und Importeure, Großantiquariate, also Großhandlungen für das sogenannte moderne Antiquariat und Regalgroßhändler, die ihren Kunden eine zur
120
2 Printmedien Internet
10,7
Buchgemeinschaften
2,9
Verlage direkt
18,2
Versandbuchhandel
3,3
Warenhäuser
3 9,2
Sonstige Verkaufsstellen Sortimentsbuchhandel
52,6 0
10
20
30
40
50
60
Abb. 2.13↜渀 Marktanteile der Vertriebswege im deutschen Buchhandel in Prozent. Rund 9,6€Mrd.€€ Umsatz hat der deutsche Buchhandel im Jahr 2008 mit 94.000 Titeln erzielt. (Quellen: Börsenverein des deutschen Buchhandels: Buch und Buchhandel in Zahlen 2009, Frankfurt 2009)
Verfügung gestellte Fläche mit ausgewählten Titeln bestücken. Die Großhandelsunternehmen arbeiten in der Regel auf eigenen Namen und eigene Rechnung. Daneben gibt es buchhändlerische Kommissionäre, die im Auftrag und Namen und auf Rechnung des Verlags handeln. Die Verlagsauslieferungen beispielsweise bündeln die Titel für die Auftragnehmer der Verlage (die sogenannten Kommitenten). Über die Bucheinzelhändler oder sonstige Verkaufsstellen wie Kioske oder Buchabteilungen von Warenhäusern gelangt das Buch dann in die Hände des Lesers – und derer gibt es in Deutschland doch einige. Abbildung 2.13 gibt Ihnen einen Überblick über die Vertriebswege im deutschen Buchhandel. Die Deutschen allerdings kaufen nach wie vor ihre Bücher am liebsten im Fachbuchhandel – vermutlich spielt die Beratung hier eine wesentliche Rolle. Und solange die Kunden eine qualifizierte Beratung wünschen, besteht für die Buchhändler Hoffnung, dass ihr Geschäft nicht ganz von den Internet-Buchhandlungen übernommen wird. Immerhin: Der Gesamtumsatz von Büchern über das Internet beträgt mittlerweile 10€% am Gesamtumsatz. Dennoch könnte aus dem Internet eine Bedrohung für die Buchhändler kommen: Das Internet bedroht nämlich die seit 1887 existierende Buchpreisbindung, mit der sich die Branche so angenehm arrangiert hat (lesen Sie dazu bitte Box€2.23). Das ist eine eigentlich freiwillige Verpflichtung von Verlegern und Buchhändlern, den Preis für Bücher allgemein festzulegen. Eigentlich ist es von Rechts wegen verboten, den Preiswettbewerb zu behindern, doch im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) wird die Preisbindung der zweiten Hand für Verlagserzeugnisse als zulässig deklariert. Bücher sind nicht automatisch preisgebunden: Grundlage für die Buchpreisbindung sind Kartellverträge zwischen den Verlegern und den Buchhändlern
2.3 Der Buchmarkt
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(zumeist geschieht das in Form des sogenannten Sammelrevers – Bevollmächtigte der Verlage kümmern sich im Auftrag mehrerer Verlage um die lückenlose Einhaltung der Preisbindung). Durch diese Verträge verpflichtet sich der deutsche Buch- und Zeitschriftenhandel, die von den Verlagen festgesetzten Ladenpreise einzuhalten. Im Gegenzug versichern die Verlage, keine Bücher an den Endverbraucher zu verkaufen. Box 2.23: Den Robbespierre der Buchkultur╇ …hat eine Zeitung André Rettberg, den Chef des östereichischen Buchhändlers Libro, genannt. Der österreichische Buchhändler Libro hatte über seine deutsche Tochtergesellschaft Lion.cc Bücher über das Internet in Deutschland um bis zu 20€% billiger verkauft und sich damit den Ärger der gesamten deutschen Branche zugezogen. Und die Branche handelte: Libro musste bei der EU-Kommission Beschwerde einreichen, dass die deutschen Verlage ihn boykotierten und keine Bücher mehr lieferten. Immerhin: Es erfolgten Hausdurchsuchungen bei Bertelsmann, dem Aufbau-Verlag und beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Die Europäische Kommission hegte nämlich den Verdacht, dass es zwischen Verlegern und Händlern verbotene Absprachen über einen gemeinsamen Lieferboykott gegenüber Libro gegeben hat – das wäre ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht der EU. Die Rechtslage ist kompliziert: Die Verlage sehen im Vorgehen von Libro eine Umgehung der Preisbindung und halten einen Ausschluss der Belieferung für Rechtens, die EU hingegen führt an, dass Reimporte und der Direktverkauf von Büchern an ausländische Kunden nicht der Preisbindung unterliegen. Preisbindung sei nur zulässig, sofern sie nicht den grenzüberschreitenden Verkehr betreffen. Dann müssten deutsche Verleger jeden ausländischen Wiederverkäufer mit Büchern beliefern. Bis zur Klärung dieser Streitfrage konnte Robespierre nicht mehr warten: Libro hat inzwischen Vergleich angemeldet. Dieser Regelung liegt die Vorstellung des Buches als schützenswertes Kulturgut zugrunde. Lassen Sie uns einen Blick auf die Argumente der Befürworter der Buchpreisbindung werfen: 1. Die Buchpreisbindung soll den Sortimentsbuchhandel gegenüber den großen Buchhandlungen schützen; Befürworter der Buchpreisbindung wollen keine „Büchersupermärkte“, sondern ein flächendeckendes dichtes Netz von Buchhandlungen und „hervorragende Beratung“. 2. Die Buchpreisbindung soll Vielfalt garantieren, da sie es den Verlagen gestattet, kleinere Werke mit weniger Publikumsresonanz zu verlegen. Bei Abschaffung der Buchpreisbindung werde sich das Angebot der lieferbaren Titel verkleinern, da nur noch Bestseller, aber keine Nischenliteratur verlegt werde. Zudem liefere die Preisbindung den Verlagen eine zuverlässige Kalkulationsgrundlage. Sonst käme es zu einer vorsichtigeren Publikationspolitik und damit auch wieder zu einer geringeren Titelzahl.
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2 Printmedien
Starke Argumente, oder? Was sagen Ökonomen dazu? Zuerst einmal muss man das Argument ausblenden, dass das Buch ein besonderes Wirtschaftsgut sei und deswegen eines besonderen Schutzes bedürfe. Das ist ein normatives Werturteil, dazu lässt sich aus Sicht der Ökonomen wenig Objektives sagen. (Allerdings sei nebenbei bemerkt, dass manche Leute auch Filme oder Musik als schützenswertes Kulturgut ansehen – doch die haben keine ähnlichen Schutzmechanismen – warum?) Wir werden am Schluss der Argumentation auf diesen Punkt zurückkommen. Zu dem ersten Argument: Natürlich profitieren kleinere Buchhandlungen davon, dass die großen Discounter nicht mit ihnen in einen Preiswettbewerb eintreten – doch warum muss man diese erhalten? Das mag zwar grausam klingen, doch der Erhalt kleiner Buchhandlungen ist kein Selbstzweck – auch die Hufschmiede sind weitgehend ausgestorben, und kein Gesetz hat sich für den Erhalt dieser Berufsgruppe eingesetzt, wohl auch deswegen, weil es zu offensichtlicher Unfug wäre, die Hufschmiedezunft mit Subventionen am Leben zu erhalten, indem man beispielsweise jeden Autofahrer dazu zwingt, auch ein Pferd zu halten. Wenn die Mehrheit der Kunden mit ihren Käufen im Internet und bei den Discountern bekunden, dass sie kleine Buchhandlungen nicht benötigen – soll man sie dann künstlich erhalten? Und weiter: Der Preis ist nicht das einzige Wettbewerbsargument, im Buchhandel entscheidet auch der Service – und solange die Kunden Wert darauf legen und die kleinen Buchhandlungen dies bieten können, werden sie auch eine Chance im Wettbewerb haben – beispielsweise, indem sie sich auf Nischenliteratur spezialisieren. Ein Problem hat die Strategie, Kunden über Beratung zu gewinnen, natürlich: Die Kunden kommen in den Laden, lassen sich beraten, und gehen dann dorthin, wo sie das Buch am billigsten bekommen. Damit sind wir auch beim zweiten Argument: Garantiert die Buchpreisbindung mehr Vielfalt? Das tut sie sicherlich, doch das hat auch seinen Preis. Lassen Sie uns doch mal einen Moment darüber nachdenken, wer das eigentlich bezahlt. Wenn die Befürworter der Buchpreisbindung Recht haben und mit dem Wegfall der Buchpreisbindung viele Titel nicht mehr publiziert werden, bedeutet das, dass diese Bücher also bei freier Preisbindung nicht mehr publiziert werden. Warum? Doch nur, weil der Preis ohne Preisbindung offensichtlich nicht mehr die Kosten des Buches decken würde. Wenn also der Preis eines Buches bei freier Preisbindung nicht mehr die Kosten deckt, so bedeutet dies, dass die Preisbindung dafür verantwortlich ist, dass die Kosten gedeckt werden. Das kann auf zwei Wege geschehen: Entweder hält die Preisbindung den Preis der betreffenden Bücher hoch genug oder aber sie ermöglicht eine sogenannte Quersubventionierung über den Preis anderer Bücher. Sehen wir uns die erste Möglichkeit an: Die Preisbindung würde demnach dafür sorgen, dass die Preise der Bücher, deren Verschwinden man befürchtet, von der Preisbindung über dem eigentlichen Gleichgewichtspreis gehalten werden – die Leser kaufen diese Bücher zu teuer. Das ist aber unlogisch: Wenn die Preise der Bücher sinken, steigt die Nachfrage nach ihnen – warum sollten diese Titel dann vom Markt verschwinden? Nur wenn der Gewinn insgesamt sinken würde, und das passiert, wenn der Umsatz sinkt. Erinnern Sie sich: Der Umsatz ergibt sich, indem man die verkaufte Menge mit dem Preis multipliziert. Sinkt der Preis und steigt aber die verkaufte Menge, so sinkt der Gesamtumsatz nur, wenn der Effekt aus der
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Preissenkung höher ist als der Effekt aus dem Mengenzuwachs – also im Fall unelastischer Nachfrage. Abbildung 2.14 zeigt Ihnen die Zusammenhänge zwischen Nachfrageelastizität und Umsatzentwicklung bei einer Preiserhöhung. Doch so ganz passt dieses Szenario nicht in die Argumentation der Befürworter der Buchpreisbindung: Sie argumentieren, dass mit einem Wegfall der Buchpreisbindung viele Titel vom Markt verschwinden, weil sie dann zu teuer werden, also der Preis steigt – das widerspricht dieser Argumentation, denn nach den bisherigen Überlegungen eigentlich müssten sie ja billiger werden. Also muss hier ein anderer Grund vorliegen, und den schauen wir uns jetzt einmal an. Der wahre Grund für das erwartete Titelsterben liegt in der Quersubventionierung, welche die Verleger betreiben: Die Buchpreisbindung ermöglicht es ihnen, mit den Erlösen aus künstlich teurer gehaltenen Büchern diejenigen Bücher zu bezuschussen, die ansonsten zu teuer wären. Mit den Erlösen aus dem Bestseller, der über dem Gleichgewichtspreis verkauft wird, wird die Produktion der Bücher subUnelastische Nachfrage
Elastische Nachfrage
Preis
Gebundener Preis
Wettbewerbspreis
Mgeb MWett
Mgeb
MWett
abgesetzte Menge
Abb. 2.14↜渀 Preisbindung und Nachfrageelastizität. In der linken Grafik sehen Sie eine Nachfragekurve bei eher unelastischer Nachfrage: Bei einer Preiserhöhung vom Wettbewerbspreis auf den gebundenen Preis – also einer Bewegung auf der ordinalen Achse von unten nach oben – geht die Menge verkaufter Bücher nur von Mwett auf Mgeb zurück. Der Umsatz steigt trotz eines Nachfragerückganges, weil der umsatzfördernde Effekt durch die Preissteigerung den Umsatzverlust durch ein Minus an abgesetzten Büchern kompensiert. Der Umsatz beim Wettbewerbspreis (also die bei Wettbewerb abgesetzte Menge MWett mal Pwett) wird durch das weiße Rechteck unter den Kurve plus dem grau schraffierten Rechteck zu seiner Rechten abgebildet. Der Umsatz bei Buchpreisbindung wird durch das weiße Rechteck plus das dunkel schraffierte Rechteck über ihm repräsentiert. Wie man sieht, fällt der Umsatz bei Buchpreisbindung hier höher aus. Anders sieht das im rechten Schaubild aus: Hier ist die Nachfrage elastisch, die Nachfragekurve also flach geneigt (wenn Sie den Preis um denselben Betrag erhöhen wie im linken Schaubild, geht die Menge stärker zurück als im linken Schaubild). Der Preisanstieg kann den Rückgang der abgesetzten Menge nicht kompensieren. Fällt hier also die Preisbindung, dann sinken die Umsätze deutlich. (Eine steilere Nachfragekurve zeigt eine unelastischere Nachfrage, das haben wir bereits in Abschn.€1.3 erörtert)
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2 Printmedien
ventioniert, die zum kostendeckenden Preis keine Käufer finden würden. Mit anderen Worten: Die Erlöse aus den Büchern, die man – gemessen am Marktpreis – zu teuer verkauft, werden dazu verwendet, um andere Bücher billiger an den Mann oder die Frau zu bringen. Ökonomen bezeichnen dieses Vorgehen als Quersubventionierung. Das bringt uns natürlich zu der Frage, welche Bücher da welche Bücher subventionieren. Die Antwort lässt sich leicht finden: Teuer können Sie nur Bücher verkaufen, an denen reges Interesse besteht, also Bestseller, bei denen die Nachfrage eher unelastisch ist. Hier verliert man mit den höheren Preisen einige Kunden, doch die unelastische Nachfrage führt dazu, dass dieser Verlust an potenziellen Lesern nicht so stark ins Gewicht fällt – der Umsatz steigt dennoch. Subventioniert werden eher Bücher, die von geringerem Interesse für die Mehrheit der Leser sind, denn sonst müsste man nicht den Preis dafür künstlich senken. Die Nachfrage nach diesen Büchern wird dabei eher preiselastisch sein, und das hebelt die obige Argumentation aus: Umsatzrückgänge bei Preissenkungen wären nur bei unelastischer Nachfrage zu verzeichnen; dieses Argument scheidet als Begründung zum Titelsterben beim Wegfall der Buchpreisbindung aus. Fazit: Die Leser der Bestseller subventionieren mit den höheren Preisen, die sie für ihre Bücher zahlen, die Leser der Nischenliteratur. Unabhängig davon, wie man das jetzt findet, kommt noch eine weitere Überlegung dazu: Wer ist der Leser der typischen Nischenliteratur, welche die Verleger so gerne erhalten möchten? Und wer liest die Bestseller? Wenn sie diese Frage für sich beantwortet haben, dann wissen Sie auch, wer hier wen subventioniert: Zahlt der geringverdienende Konsalik-Leser die kostbaren Gedichtbände des Studienrates? Der Gedanke liegt nahe, oder? Ob das wirklich so ist, sei dahingestellt. Tatsache ist, dass hier eine Lesergruppe für den Literaturkonsum der anderen Lesergruppe zumindest teilweise aufkommen soll – und alles im Namen der abendländischen Kulturerhaltung. Nun muss man sich doch fragen, wer eigentlich bestimmt, was als „Literatur“ gefördert wird und was als sozusagen „weniger wertvolle Literatur“ dazu verdammt wird, für die „echte“ Literatur zu zahlen – es sind letztlich die Verleger. Nach welchen Kriterien sie die betreffende Literatur auswählen, wird wohl ihr Geheimnis bleiben. Aus Sicht der Ökonomen ein anderer Weg der Finanzierung korrekt, nämlich der aus Steuermitteln und die direkte Bezuschussung einzelner Werke. Ersteres kann man damit motivieren, dass Literatur und Kultur dem Gemeinwohl dienen und deswegen auch als solches von der Gemeinheit finanziert werden sollen (warum dann eigentlich nicht auch Pop-Konzerte?), letzteres liegt aus Effizienzgesichtspunkten nahe: Der Autor oder das Werk wird direkt gefördert; das stellt sicher, dass sich der Verleger nicht die Erträge aus der Buchpreisbindung in die eigene Tasche stopft, anstatt damit hoffnungsvolle Autoren zu sponsern. Der Haken an diesem System: Der Steuerzahler würde unmittelbar sehen, was ihn der ganze Spaß kostet, und dann ist es fraglich, ob er bereit wäre, diese Kosten im Namen der Literatur zu tragen – ein Pessimist würde eher dazu neigen, dass er dies nicht will. Das ist ja das Schöne an Quersubventionierung: Das Geld wandert von der einen in die andere Tasche, ohne dass so richtig klar wird, wer hier wen in welchem Ausmaß bezahlen muss.
2.3 Der Buchmarkt
125
Nun kann man natürlich einwenden, dass es solche Formen der Quersubventionierung auch in anderen Unternehmen gibt: Auch in anderen Unternehmen werden die Erlöse aus gut gehenden Produkten dazu genutzt, die Produktion anderer Produkte zu subventionieren. Das stimmt, doch gibt es hier zwei Unterschiede: Erstens verfügen diese Unternehmen nicht über den Luxus einer Preisbindung, die ihnen diese Strategie erlaubt. Daraus resultiert unmittelbar zweitens: Echte Verlustbringer, die auf absehbare Zeit keine Gewinne bringen, werden in diesen Unternehmen irgendwann in der Produktion eingestellt. (Das kann einen ja auch auf den Gedanken bringen, ob ein Verleger, der ja auch gewinnorientiert arbeitet, sich nicht auch bei der Nischenliteratur fragt, ob es sich rentiert, oder aber in großzügiger Weise sagt: „Das ist zwar ein Verlustgeschäft, aber große Literatur“ – letztere sollte eigentlich auf lange Frist auch kommerziell erfolgreich sein, oder?) Alles in allem liegt der Verdacht nahe, dass die Buchpreisbindung für die Verleger eine angenehme Möglichkeit ist, den Wettbewerb auszuschalten.
Kapitel 3
Audiovisuelle Medien
3.1â•… Geschichtliches 3.1.1 Von den Anfängen bis zum Nationalsozialismus Am Anfang der Nutzung einer Nachrichtenübertragung über weite Distanzen stand militärisches Interesse: Zu Beginn der französischen Revolution hatte der junge Physiker Claude Chappe ein Zeichenübertragungssystem mit schwenkbaren Signalarmen und optischen Gläsern entwickelt. Das Prinzip des optischen Telegrafen beruhte darauf, dass man in sichtbaren Abständen Türme mit schwenkbaren Signalarmen auf dem Dach aufstellte. Die Anordnung der Signalarme war änderbar; jede Anordnung entsprach einem Buchstaben. So konnte eine Nachricht am einen Ende der Telegrafenlinie auf die Reise geschickt werden und wurde von den anderen Türmen weitergeleitet, welche die Nachricht von dem Turm, der jeweils hinter ihnen lag, mittels optischer Gläser auffingen. Chappe war auf die Unterstützung der Nationalversammlung angewiesen, und so überzeugte er sie mit den militärischen Möglichkeiten, die dieses neue System bot. Aber auch die Idee, die neue Republik durch den Telegrafen enger zusammenrücken zu lassen, stand bei der Errichtung der optischen Telegrafen Pate. In den anderen europäischen Staaten wurden ebenfalls Telegrafennetze in Staatsbesitz zur Stärkung der nationalen Einheit, zu militärischen Zwecken und zur Festigung der Staatsmacht eingesetzt. Geschäftsleute hatten bereits früh erkannt, dass sich die optischen Telegrafen auch zu kommerziellen Zwecken, vor allem für Börsenzwecke nutzen ließen (bitte vergleichen Sie Box€3.1, 3.2 und 3.3 geben Auskunft über die technische Entwicklung weiterer audiovisueller Erfindungen). Doch Initiativen zu privaten Telegrafengesellschaften in Frankreich wurden 1837 durch ein Gesetz beendet, das die Übermittlung von Zeichen von einem Ort zum anderen unter Strafe stellte. Vor allem die Furcht des Staates vor politischen Unruhestiftern hat bei dem Entschluss, den Telegrafen unter Staatsräson zu stellen, eine wesentliche Rolle gespielt. Die Möglichkeiten zur Erzielung von Börsengewinnen wurden vom Gesetzgeber als „unmoralische, räuberische Spekulationspraktiken“ betrachtet.
H. Beck, Medienökonomie, DOI 10.1007/978-3-642-18132-0_3, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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3 Audiovisuelle Medien
Das Problem des natürlichen Monopols wurde auch damals gesehen; es sei unwirtschaftlich, auf einer Strecke mehr als eine Telegrafenlinie zu betreiben, hieß es. Die Übertragung des Monopols an den Staat sollte verhindern, dass ein Monopol im Dienste des Privatinteresses entsteht. Doch beispielsweise in Großbritannien oder Deutschland wurden um 1830 auch private Netze in Betrieb genommen, was zeigt, dass dies nicht notwendigerweise eine staatliche Aufgabe sein muss. Und da die Betreiber dieser Linien Gewinne machen wollten, transportierten sie die Nachrichten aller Kunden, auch des Staates. Da alternative Wege der Informationsübermittlung zur Verfügung standen wie beispielsweise Kutschen oder Brieftauben, dürften die Preise für diese Übermittlung keine Mondpreise gewesen sein. Das ist eine wichtige Erkenntnis: Solange es alternative Möglichkeiten, sogenannte Substitute, gibt, ist die Macht eines natürlichen Monopols beschränkt. Box 3.1: Telegrafenmissbrauch╇ Im Jahr 1836 wurde in Frankreich ein Fall von Telegrafenmissbrauch bekannt: Zwei Bankiers aus Bordeaux hatten einen Angestellten der Telegrafengesellschaft bestochen, mit den amtlichen Nachrichten zusätzliche Signale zu schicken, welche Auskunft über die neuesten Kurse der Rententitel gaben und die Bankiers früher als ihre Konkurrenten über die Kursentwicklung informierten. Als die Geschichte nach zwei Jahren ans Tageslicht kam, wurden die Beschuldigten aber freigesprochen, da das staatliche Telegrafenmonopol noch nicht geschützt war. Die optischen Telegrafen hatten einen entscheidenden Nachteil: Bei Regen, Nebel und Nacht waren sie in ihrer Leistungsfähigkeit extrem beeinträchtigt. Zudem dauerte die Übermittlung von Nachrichten teilweise immer noch rund einen Tag. Diese Mängel bereiteten den Boden für den elektrischen Telegrafen. Einen einzelnen Vater hat der elektrische Telegraf nicht, eine Menge Erfinder haben Bausteine dazu beigetragen. Im Jahr 1844 errichtete Samuel Morse erste telegrafische Städteverbindungen zwischen Washington und Baltimore, in den folgenden Jahren wurde das amerikanische Telegrafennetz von der Western Union ausgebaut. Box 3.2: Der Phonograph╇ Bereits 1857 gab es erste Schritte zu einer Schallaufzeichnung, und 1877 stellte der amerikanische Erfinder Thomas Edison den ersten Phonographen vor. Der erste Anlauf zur Vermarktung der neuen Technik war ein Misserfolg: Edison und später auch Graham Bell versuchten, die Sprechmaschine der Geschäftswelt als Diktiergerät zu verkaufen – beide scheiterten. 1890 hatten aber Vertriebsfirmen Erfolg mit der Idee, die Sprechautomaten in der Öffentlichkeit aufzustellen, wo sich die Kunden gegen Entgelt ein Musikstück vorspielen lassen konnten – die Juke-Box war geboren, übrigens zum großen Ärger von Edison, der die Ansicht vertrat, dies werde dem Ruf des Phonographen schaden. Dennoch: Erst die Entdeckung von Verwendungs-
3.1 Geschichtliches
129
möglichkeiten, die eine hinreichend hohe Nachfrage nach dem neuen Produkt garantierten, verhalf dem Phonographen zum Durchbruch. Die Nachfrage nach Diktiergeräten hätte wohl nicht ausgereicht, um die Produktionskosten auf Dauer zu decken. Zur endgültigen Kommerzialisierung des Phonographen trug Emil Berliner bei, der zum Abspielen der Musik Platten verwendete. Im Unterschied zu den Walzen, mit denen die Geräte von Edison arbeiteten, konnten von Schallplatten Musikstücke in großer Stückzahl vervielfältigt werden. Die von Edison bespielten Walzen waren Einzelstücke, die armen Musiker mussten das gleiche Stück bis zu 80-mal am Tag einspielen. Als Edison das Problem der industriellen Massenfertigung von Walzen 1901 gelöst hatte, war der Zug abgefahren: Die Plattentechnik, die von Anfang an auf industrielle Massenfertigung angelegt war, hatte sich längst durchgesetzt. Ein weiteres Beispiel für die mächtige Wirkung von Netzwerkeffekten: Der zeitliche Vorsprung der Platte hatte gereicht, um die Walze als Medium zu verdrängen. Auch beim Telegrafen existierten verschiedene Ansätze der Finanzierung, die Erfinder bzw. potenziellen Telegrafen-Unternehmer wandten sich sowohl an den Staat als auch an private Investoren. Netze wurden entlang von Eisenbahnlinien gebaut, die anfangs nur die Eisenbahngesellschaften nutzten, über die aber bald auch private Informationen gesendet wurden. In England beispielsweise entwickelte sich das Telegrafennetz im privatwirtschaftlichen Rahmen; der Staat legte sogar seine optischen Telegraphen still und bediente sich des neuen, privatwirtschaftlichen Systems. In Amerika finanzierte der Staat erste Linien, doch bald wurde hier der Netzausbau von wenigen großen privaten Gesellschaften vorangetrieben. Teilweise wurden diese Linien vom Staat subventioniert. Box 3.3: Die Photographie╇ Louis Mandé Daguerre stand in dem Ruf, ein Maler zu sein, der die Natur bemerkenswert wahrheitsgetreu darzustellen vermochte. Er entwickelte die Erfindung seines Freundes Nicéphore Niepce, ein Bild von Gegenständen durch die chemische Wirkung des Lichtes auf Jodsilberplatten festzuhalten, weiter. Anfangs waren die so entstandenen Photographien Einzelstücke; photographiert wurden vor allem Denkmäler, Straßen und Plätze. 1839 kaufte der französische Staat das Patent auf die Daguerreotypie, wie das Verfahren genannt wurde, um die Erfindung der Allgemeinheit zugänglich zu machen – nicht aus Angst vor einem Nutzungsmonopol. In den siebziger Jahren wurde es möglich, Photoplatten industriell herzustellen. Als George Eastman einen flexiblen Rollfilm herausbrachte, der die Photoplatten ersetzen sollte, scheiterte dieses Produkt zuerst. Die professionellen Photographen – und nur um solche handelte es sich in der Regel – beherrschten das Handwerk der Herstellung des Photomaterials und waren auf den Rollfilm nicht angewiesen. Also musste Eastman sich eine neue Kundengruppe erschließen: Er brachte einen leicht bedienbaren Photoapparat mit dem dazu-
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3 Audiovisuelle Medien
gehörigen Film auf den Markt und bot zusätzlich einen Service zur Entwicklung der Filme an. Das Systemangebot, das Eastman unter dem Namen Kodak an den Markt brachte, war ein Riesenerfolg und eröffnete die Welt der Photographie auch dem technischen Amateur. Eastman hatte einen neuen Markt erschlossen, auf dem sich sein Produkt hervorragend verkaufte. Ähnlich wie beim Phonographen (vergleichen Sie bitte Box€3.2) war es die Erschließung einer neuen Nutzungsmöglichkeit bzw. eines neuen Kundensegmentes, die den Erfolg der Erfindung möglich machte. Wie Sie sehen, gab es in einigen Ländern durchaus private Initiativen in der Telekommunikation, in Deutschland hingegen lief das anders: Die Verantwortung für den Rundfunk lag von Anfang an beim Deutschen Reich. 1871 ging die Rundfunkhoheit an das Deutsche Reich, 1908 wurde dieses staatliche Rundfunkrecht auf den drahtlosen Funkverkehr ausgeweitet. Vermutlich haben von Anfang an staatliche und militärische Überlegungen den Ausschlag für diese Entscheidung gegeben, da man hier das wesentliche Anwendungsgebiet für den Rundfunk sah. Die staatliche Rundfunkhoheit verhinderte auch einen Krieg der Standards, wie wir ihn im ersten Kapitel kennengelernt haben: Anfangs wurden im deutschen Reich von der Allgemeinen Elektricitätsgesellschaft (AEG) sowie Siemens & Halske zwei Rundfunksysteme nebeneinander entwickelt. Beide Unternehmen einigten sich und gründeten die gemeinsame Tochtergesellschaft Gesellschaft für drahtlose Telegraphie mbH, die Telefunken. Die Sendeanlagen wurden von der Reichspost errichtet und betrieben. Diese stellte sie nach dem ersten Weltkrieg privaten Nachrichtenbüros zur Verfügung, die über die Sender staatliche und wirtschaftliche Institutionen mit Nachrichten versorgten. Auf den ersten Blick finden wir hier lehrbuchhaft das, was wir unter der Überschrift „Natürliche Monopole“ bereits besprochen haben: Das Sendernetz wird als natürliches Monopol von der Post (dem Staat) betrieben, der Programmbetrieb wird von privater Seite gestaltet, gegen Zahlung einer Gebühr an die Reichspost. Allerdings war diese Vorgehensweise nicht so unproblematisch, wie es auf den ersten Blick scheint: Die Reichspost vergab die Frequenzen und hatte somit Einfluss auf das Programmangebot; zudem standen die ersten Anbieter von Pressediensten unter staatlichem Einfluss. Bis 1922 kann man allerdings noch nicht von Rundfunk im engeren Sinne reden, da es sich um Telegraphie, also Zeichenfunk handelte. Zudem wandten sich die Nachrichtenagenturen nicht an ein breites Publikum. Erst mit zunehmenden technischen Möglichkeiten kam der Rundfunk in der Gestalt auf, wie wir ihn heute kennen. Seit 1920 wurden in Amerika bereits private Rundfunksender mit staatlicher Lizensierung betrieben. 1922 ging in Deutschland der erste Antrag auf eine Sendelizenz nach amerikanischem Vorbild ein. Die Initiative ging von der Rundfunkindustrie aus, der Rundfunkempfang sollte kostenlos sein; Ziel der Rundfunkindustrie war es, den Verkauf von Geräten zu steigern. Ein zweiter Konzessionsantrag kam von der „Deutschen Stunde“, einer Tochtergesellschaft der Eildienst GmbH, einem 1919 eingerichteten Wirtschaftsfunkdienst unter staatlichem Einfluss. Da
3.1 Geschichtliches 5 4,5 4 3,5 3 2,5 2 1,5 1 0,5 0
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1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932 1933
Abb. 3.1↜渀 Die Zahl der gemeldeten Hörer in Deutschland in Millionen. Die Zahl der Hörer stieg von 1.580 Hörern zu Jahresbeginn 1924 auf eine halbe Million zum Jahresende 1924 (nicht in der Abbildung zu sehen); in den darauf folgenden Jahren kletterte die Zahl der Hörer – wie man in der Abbildung sieht – rasch auf mehr als 4€Mio. Ein typisches Muster bei Medien: Die Anzahl der Nutzer steigt sehr rasch, was sich durch die im ersten Kapitel beschriebenen Netzwerkeffekte erklärt. Je mehr Hörer, umso eher lohnt sich ein umfangreicheres Programm mit verschiedenen Sendeinhalten, das weitere Hörer anlockt. (Quelle: dpa – Archiv- und Informationsmaterial: Rundfunk in Deutschland; Teil I, Hamburg 1973, S.€12)
das Reichsinnenministerium mittlerweile erkannt hatte, welches politische Potenzial das neue Medium hatte, kam es zu einer Entscheidung gegen einen kommerziellen Rundfunk: Die Dradag (Drahtloser Dienst. Aktiengesellschaft für Buch und Presse), eine Gesellschaft unter dem Einfluss des Innenministeriums, übernahm die Verbreitung der Nachrichten und des politischen Inhalts, die Deutsche Stunde übernahm den auf Unterhaltung und Bildung angelegten Programmteil. Die Produktion der Programme durfte einer der Reichspost genehmen Gesellschaft übertragen werden. Abbildung 3.1 zeigt die Entwicklung der Hörerzahlen. Teilweise mit Blick auf die regionalen Eigenheiten der Republik, teilweise aufgrund technischer Ursachen (die Sendeleistung reichte nicht aus, um von einem zentralen Sender das gesamte Reichsgebiet zu bestrahlen), wurden im Reich mehrere regionale Rundfunkgesellschaften gegründet. Die Anteile an den Regionalsendern wurden von der Reichspost, der Deutschen Stunde und der Dradag, aber auch von Privatleuten gehalten. Die Länder sicherten sich ihren Einfluss über Kulturbeiräte und Überwachungsausschüsse. Alle Rundfunkgesellschaften wurden 1925 in der Reichsrundfunkgesellschaft, dem Zentralorgan aller Rundfunkgesellschaften, zusammengeschlossen, in dem sich die Reichspost de facto die Macht sicherte und damit in rundfunkpolitischen Fragen das alleinige Sagen hatte. Die Rundfunkgesellschaften waren zwar privatrechtlich organisiert, waren aber durch verschachtelte Beteiligungen in den staatlichen Verwaltungsapparat integriert. 1932 machte der Staat – nicht zuletzt aufgrund der immer unsicherer werdenden politischen Situation – Schluss mit dem letzten Rest von Rundfunkfreiheit; die Rundfunkanstalten wurden vollständig der öffentlichen Hand unterstellt; private Anteilseigner mussten aus den Rundfunkgesellschaften ausscheiden. Der Rundfunk wurde zentralisiert, unter staatliche Aufsicht gestellt und die Programme vom Staat kontrolliert.
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Zusammenfassend lässt sich für die Entstehung des Rundfunks in der Weimarer Republik erstens festhalten, dass der Reichspost eine dominante wirtschaftliche und technische Position zukam: Die Sendeanlagen gehörten der Reichspost, was angesichts der Theorie der natürlichen Monopole nicht überraschend ist. Allerdings rührte dies auch daher, dass der Rundfunk oder dessen Vorgängertechniken für den militärischen Gebrauch gedacht waren – private Anbieter waren da nicht gefragt. Zweitens bleibt zu konstatieren, dass im Gegensatz zu anderen Staaten in Deutschland eine starke politische Kontrolle der Sendeinhalte stattfand. Das staatliche Angebot der Infrastruktur erklärt sich daher zum einen neben den bekannten ökonomischen Gründen aus der Entstehungsgeschichte des Rundfunks; das mehr oder weniger staatliche Angebot der Sendeinhalte aber aus politischen, nicht aus ökonomischen Motiven. Da die Sendeinhalte weitgehend vom Staat bestimmt wurden, ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Finanzierung durch Rundfunkgebühren erfolgte. Die von der Post eingezogene Rundfunkgebühr war eine Konzessionsabgabe, die der Radiohörer dafür entrichtete, dass er eine Rundfunkempfangsanlage errichten und betreiben durfte. Im Jahr 1923 betrug diese Gebühr aufgrund der hohen Inflation in Deutschland zeitweise bis zu 350€Mrd. Mark, im Mai wurde die Gebühr dann auf monatlich 2 Mark festgesetzt. Auf diesem Niveau blieb sie bis 1969. Die Post zog die Gebühren durch die Briefträger ein, eine Übung, die sich bis 1973 hielt (das wurde bereits in Box€1.11 erläutert). Die Post selbst bestimmte, welcher Teil der eingezogenen Gebühren den Rundfunkgesellschaften für die Finanzierung und den Betrieb der Sendungen zugewiesen wurde. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde der Rundfunk zum Instrument staatlicher Propaganda umfunktioniert und vollständig dem berüchtigten Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda von Joseph Goebbels zugeordnet; der Reichspost blieben nur die technischen Aufgaben. Die Nationalsozialisten erkannten die Macht, die ihnen mit diesem Medium in die Hände gelegt wurde, und suchten diese auszubauen, indem sie den billigen Volksempfänger unter das Volk streuten. 1935 nahmen die Nationalsozialisten auch einen Fernsehversuchssender in Betrieb, über den regelmäßig Tonfilme sowie aktuelle Wochenschauen ausgestrahlt wurden. Doch da noch geeignete Empfangsgeräte fehlten, setzte sich das Fernsehen als Massenmedium nicht durch; die Bürger verfolgten die olympischen Spiele 1936 vor allem in Fernsehstuben, aber nicht an eigenen Empfangsgeräten. Hier zeigt sich, wie stark der Erfolg eines Mediums auch von den Möglichkeiten abhängt, dass ein billiges Empfangsgerät zur Verfügung steht. Beim Volksempfänger hatte das funktioniert, hier gab es ein billiges Empfangsgerät, doch beim Fernsehen war die Zeit war technisch gesehen noch nicht reif für eine Karriere als Massenmedium. Auf der Rundfunkausstellung 1939 wurde der Fernseheinheitsempfänger der Öffentlichkeit vorgestellt; etwa 50 Apparate wurden hergestellt, dann machte der Krieg den Fernsehplänen ein Ende. Dem Radio blieb dieses Schicksal übrigens erspart: Ursprünglich war daran gedacht worden, Radioübertragungen in großen Sälen zu veranstalten, doch der „Saalfunk“, wie er heißen sollte, wurde einfach übersprungen – die Empfangsgeräte waren preisgünstig genug, um eine attraktive Alternative zum Besuch eines Radiokinos darzustellen (hätte man ein Radiokino auch abgedunkelt?).
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3.1.2 Der Neuanfang nach 1945 Nach dem Krieg übernahmen die Besatzungsmächte den Rundfunk und nutzten die rasch instand gesetzten Sender zur Kontrolle der wirtschaftlichen und politischen Lage in ihren Sektoren. In der amerikanischen Zone wurden mehrere dezentrale Sender gegründet, in der britischen und französischen Zone jeweils zentral ein Sender. Bei der Frage nach der richtigen Organisationsform setzte sich das britische Modell einer öffentlich-rechtlichen Anstalt durch. Das kommerzielle Modell der Amerikaner kam wohl auch deswegen nicht zum Zug, weil es unmittelbar nach dem Krieg keine ökonomischen Grundlagen für ein werbefinanziertes Rundfunksystem gab – in einer Wirtschaft, in der die meisten Güter Mangelware sind, ist es wenig sinnvoll, Werbung zu machen. Das Modell eines Staatsrundfunks hingegen verbot sich aufgrund der negativen Erfahrungen der vergangenen Jahre. Damit wurde mit dem öffentlich-rechtlichen System die Grundlage für die Rundfunkordnung der Bundesrepublik bis 1987 gelegt, auch wenn dies damals noch vielen deutschen Politikern unmöglich erschien; in ihrer Erfahrungswelt war der Rundfunk immer eine Domäne des Staats. Box 3.4: Öffentlich-rechtliche Rundfunksender╇ Die öffentlich-rechtlichen Sender sind juristische Personen des öffentlichen Rechts, die das Recht zur Selbstverwaltung besitzen und dem staatlichen Einfluss weitgehend entzogen sein sollen. Dieser Organisationsform liegt die Ansicht zugrunde, dass Rundfunk eine Aufgabe im gesellschaftlichen Interesse ist, die nicht vom Staat, sondern von der Gesellschaft selbst zu bewerkstelligen ist. Die Grundzüge der Organisationsform der Anstalten sind sehr ähnlich. Der Intendant ist das Exekutivorgan und vertritt die Anstalt nach außen. Er ist auch für die Einhaltung der Programmgrundsätze verantwortlich und besitzt Weisungsrecht gegenüber allen Mitarbeitern der Anstalt. Gewählt wird er vom Rundfunkrat (beim ZDF ist das der Fernsehrat), einen Gremium aus Vertretern politischer, weltanschaulicher und gesellschaftlich wichtiger Gruppen aus dem Sendegebiet. Das Bundesverfassungsgericht postuliert, dass im Rundfunkrat alle gesellschaftlich relevanten Kräfte und Gruppen vertreten sein und einen effektiven Einfluss auf die Programmgestaltung haben müssen (sogen. Binnenpluralismus). Sie sind sozusagen die Treuhänder der Gesellschaft im Sender. Die Auswahl der Gruppen und die Entsendeverfahren sind bei den jeweiligen Rundfunkanstalten recht unterschiedlich und wenig transparent geregelt. Den Landesparlamenten steht das Recht zu, das Kriterium der gesellschaftlichen Relevanz zu konkretisieren und die Entsendungsberechtigten auszuwählen. Als pluralistische Rundfunkräte bezeichnet man Rundfunkräte, in denen die Mitglieder gesellschaftlich relevanter Gruppen vertreten sind (wer das im einzelnen ist, ist von Bundesland zu Bundesland verschieden), von staatlich-politischen Rundfunkräten spricht man, wenn die Mitglieder von den Landesparlamenten oder überwiegend von den Parlamenten und der Regie-
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rungen entsendet werden. Der Verwaltungsrat als drittes Organ überwacht die Geschäftstätigkeit des Intendanten, ist für die Finanz- und Entwicklungsplanung des Senders verantwortlich und wird zumeist ausschließlich oder überwiegend vom Rundfunkrat gewählt. Auf die Programmentscheidungen hat er keinen Einfluss. Bei der Gründung der Bundesrepublik 1949 gab es insgesamt sechs Rundfunkanstalten. Die Verantwortung für den Rundfunk wurde von den Alliierten schrittweise wieder in die Hände der Deutschen gelegt, aber erst mit den Pariser Verträgen von 1954, die 1955 in Kraft traten, erlangte die Bundesrepublik volle Souveränität. Mitte der fünfziger Jahre gab es insgesamt neun Rundfunkanstalten, die alle die gleichen Organisationsmuster aufwiesen (lesen Sie dazu auch Box€3.4): • Es handelte sich um Anstalten des öffentlichen Rechts mit dem Recht auf Selbstverwaltung, was sie von Staats- und Regierungseinflüssen, aber auch von Einflüssen anderer Interessengruppen unabhängig machen sollte. • Die Finanzierung erfolgte über Gebühren, die bis 1973 von der Post eingezogen wurden, danach von der GEZ (bitte vergleichen Sie Box€1.11). • Durch die Aufteilung der Bundesrepublik in Länder und das Bestreben der Alliierten, den Rundfunk aufgrund der schlechten Erfahrungen im dritten Reich zu dezentralisieren, wies auch der deutsche Rundfunk eine dezentrale Struktur auf. Zu den großen Verlierern der neuen Rundfunkordnung gehörte die Post: Außer dem Einzug von Gebühren, der Zurverfügungstellung der für den Betrieb notwendigen Kabel und der Unterhaltung eines Entstörungsdienstes wurden ihr alle rundfunkpolitischen Kompetenzen entzogen. Für diese Dienste wurde ihr ein bestimmter Anteil am Gebührenaufkommen zugebilligt. Zudem verlor die Post auch ihre Sender, diese wurden entschädigungslos den Rundfunkanstalten übertragen1. Der nächste wichtige Schritt, der die Rundfunklandschaft in der Bundesrepublik prägen sollte, war die Gründung der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Deutschlands, ARD, am 5. Juni 1950, in der die Zusammenarbeit der einzelnen Rundfunkanstalten koordiniert werden sollte (Die ARD ist also keine eigene öffentlich-rechtliche Anstalt). Unter dem Dach der ARD wurden Aufgaben wie Programmaustausch und -vorbereitung, Tariffragen, Verhandlungen mit Nachrichtenagenturen, ein gemeinsames Auftreten gegenüber der Bundespost oder dem Ausland sowie der interne Finanzausgleich wahrgenommen. Die Geschäftsführung der ARD wechselt unter den Mitgliedern; der Intendant der geschäftsführenden Anstalt ist Vorsitzender der ARD. Eine wichtige gemeinsame Aufgabe der ARD war die Gestaltung eines eigenen Fernsehprogramms, denn in der Zwischenzeit hatten die Bilder laufen gelernt und drängten in die Rundfunklandschaft (lesen Sie dazu auch Box€3.5). 1╇ Detaillierter nachzulesen bei: Hans Bausch (Hrsg.): Rundfunk in Deutschland; Band 3: Rundfunk nach 1945. Erster Teil, 1945–1963, München 1980, S.€24€ff.
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Zwar wurde der Fernseh-Rundfunk schon am 22. März 1935 in Deutschland offiziell eröffnet. Das Programm stellte die Reichs-Rundfunkgesellschaft, die Dachorganisation der deutschen Rundfunkgesellschaften, für die Technik zeichnete die Reichspost verantwortlich. Doch wie bereits geschildert verhinderte letztlich der Krieg den Durchbruch des Fernsehens zum Massenmedium. Box 3.5: Das Fernsehen╇ Die Grundidee des Fernsehens wurde 1883 Paul Nipkow entwickelt: Das Bild wird in Bildpunkte zerlegt, die nacheinander übertragen werden, und zwar in Zeilen von links oben nach rechts unten gereiht, so dass sie eine Fläche ergeben. Bewegte Vorgänge werden in Reihenbildern so rasch hintereinander übertragen, dass die Vorgänge ineinander verschmelzen. Ferdinand Braun lieferte 1897 mit der Erfindung der Kathodenstrahlröhre die Bildröhre des Fernsehempfängers. 1926 begann die Reichspost, sich mit dem neuen Medium zu beschäftigen; 1929 liefen die ersten Versuche für drahtlose Fernsehsendungen; 1934 wurde das Programm zur ständigen Einrichtung. 1935 wurde das Fernsehwesen neu geordnet: Die Reichspost war für die Technik zuständig, das Programm bestimmte das Propagandaministerium. Die Idee des Reichsempfängers wurde wegen des Kriegs nicht umgesetzt. Nach dem Krieg blieben die Bildschirme zunächst dunkel, doch schon bald nahm der Nordwestdeutsche Rundfunk erste Versuchssendungen auf; 1951 begann der Sender mit einem regelmäßigen Programmdienst. 1967 wurde das Farbfernsehen eingeführt. Eine Schwierigkeit bei der Einführung des Farbfernsehens bestand darin, dafür zu sorgen, dass Farbsendungen auch in schwarz-weiß von den herkömmlichen Fernsehempfängern empfangen werden konnten. Das war zwar aufwendig, sorgte aber dafür, dass mit dem Beginn der Farbära nicht alle bis dahin funktionierenden Fernsehapparate ausgetauscht werden mussten – das wäre ein Hindernis bei der Einführung des Farbfernsehens gewesen. Nach dem Krieg begann die Rundfunkanstalt in der britischen Besetzungszone, der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR), rasch mit ersten Versuchssendungen. Als größter Sender mit den höchsten Einnahmen konnte er sich die hohen Investitionen für den Fernsehversuchsbetrieb leisten. An ein eigenes Fernsehprogramm für jeden Sender war aufgrund der hohen Kosten nicht zu denken, dennoch waren sich die Intendanten einig, dass das Fernsehen von allen Anstalten betrieben werden sollte. 1953 einigten sich die Intendanten der Rundfunkhäuser im sogenannten Fernsehvertrag, dass sich das Fernsehprogramm aus Beiträgen der verschiedenen Anstalten zusammensetzen sollte. Das Ausmaß der Beteiligung sollte sich nach der Größe des jeweiligen Sendegebiets des einzelnen Rundfunkhauses richten. Die Programmanteile wurden mit dem Hinzukommen weiterer Sender im Laufe der Zeit mehrmals geändert. Das Recht jeder Rundfunkanstalt, daneben noch ein weiteres Fernsehprogramm auszustrahlen, blieb vom Vertrag unberührt. Die Sendezeit wurde anfangs auf 2€Stunden am Tag festgelegt, mehr konnte man sich angesichts der hohen Kosten für das Programm nicht leisten.
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Bei der Aufteilung der Programmanteile entschloss man sich, Quoten für jede Sendeform festzulegen; jeder Sender sollte einen bestimmten Prozentsatz des Programms für jede Sendeform liefern. Aus ökonomischer Perspektive wäre es besser gewesen, wenn jedes Rundfunkhaus sich auf eine bestimmte Sendeform spezialisiert hätte: Unterhaltung in Frankfurt, Wissenschaftssendungen in Stuttgart, Komödien in München, und so weiter. Das hätte zu Spezialisierungsvorteilen für die betreffenden Sender geführt, zudem hätten vielleicht Netzwerkeffekte der regionalen Ballung (bitte vergleichen Sie dazu Abschn.€3.2.2) diese Entwicklung noch forciert. Aus der kulturellen Perspektive hingegen hat die gewählte Lösung den Vorteil, dass sie die kulturellen Eigenheiten der Länder zur Geltung kommen lässt (aus diesem Grund gibt es bayrische und norddeutsche Komödien in der ARD oder eigene „Tatort“-Sendungen), für Pluralismus im Programm der ARD sorgt und mehr Freiräume für die Rundfunkschaffenden aller Häuser bietet. Ein weiteres Argument für diese Lösung: Die verschiedenen Sendeformen haben natürlich unterschiedliche Kostenintensität (vergleichen Sie dazu bitte Tab.€3.1), und welcher Sender möchte sich auf die teuerste Sparte spezialisieren? Das neue Medium etablierte sich erfolgreich, und als sich die technischen Möglichkeiten eines zweiten Fernsehprogramms andeuteten, gab es viele Interessenten, die den zweiten Fernsehsender betreiben wollten. Allen voran war natürlich die ARD an der Ausstrahlung eines zweiten Fernsehprogramms interessiert, doch auch der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer hatte die Attraktivität des Mediums erkannt und versuchte, den rundfunkpolitischen Aktionsradius des Bundes auszuweiten. 1962 nahmen der Deutschlandfunk und die Deutsche Welle den Sendebetrieb auf; zwei Radiosender, von denen der erste als Langwellensender für ganz Deutschland (also auch für die DDR) und das deutschsprachige Ausland konzipiert war, der zweite als Sender für das europäische Ausland. Beide Anstalten traten zwar später der ARD bei, unterschieden sich aber in einigen Details von den ARDAnstalten: Die Deutsche Welle finanziert sich komplett aus Bundesmitteln, der Deutschlandfunk finanzierte sich aus Bundesmitteln und Gebühren (er existiert in dieser Form nicht mehr und ist jetzt als Deutschland-Radio unter die gemeinsamen Tab. 3.1↜渀 Durchschnittliche Sendekosten verschiedener Sendeformate im Ersten Deutschen Fernsehen im Jahr 2000. (Quelle: ARDJahrbuch 2001, S.€369. Seit dem Jahrbuch 2001 veröffentlicht die ARD diese Daten nicht mehr)
Eigene Beiträge der Anstalten im Ersten Deutschen Fernsehen Politik und Gesellschaft Kultur und Wissenschaft Religion Spielfilm Unterhaltung Musik Familie Sport Musik Wetterkarte Tagesschau/Tagesthemen Durchschnittskosten
Kosten je Minute in DM 3.554 3.209 4.418 5.715 8.784 9.334 2.428 17.398 9.334 4.646 5.348 7.117
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Fittiche von ARD und ZDF gewandert). Der Versuch Adenauers, quasi im Windschatten dieser Radiosender über den Kopf der Ministerpräsidenten der Länder hinweg auch ein bundesweites Fernsehprogramm zu installieren, wurde zuerst vom innerparteilichen Widerstand, im zweiten Anlauf dann vom Bundesverfassungsgericht gestoppt. In dem berühmten ersten Fernsehurteil von 1961 stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass der Rundfunk als kulturelles Gut der Hoheit der Länder unterliege, während dem Bund nur die Kompetenz für die technische Seite des Rundfunkbetriebs (das Post- und Fernmeldewesen) zustehe. Im Urteil findet sich ein weiteres interessantes Argument: Da es im Rundfunk aufgrund der Frequenzknappheit und des hohen finanziellen Aufwandes zum Betrieb eines Fernsehsenders nicht ausreichend Konkurrenz gebe, sei die derzeit bestehende Organisationsform des Rundfunks, nämlich die öffentlich-rechtliche, geeignet, Rundfunkfreiheit zu garantieren. Hier findet sich ein expliziter Hinweis auf die im ersten Kapitel erörterten ökonomischen Besonderheiten des Rundfunkwesens und deren Folgen für die Konkurrenzsituation im Medienbereich. Für das Pressewesen sah das Verfassungsgericht eine solche Sondersituation nicht gegeben. Zudem kritisierte das Gericht die mangelnde Staatsferne des geplanten Fernsehens; der Bund habe einen zu großen Einfluss in dem geplanten Sender. Dabei gab es durchaus Ideen für eine zumindest teilweise privatwirtschaftliche Produktion: Im Vorfeld des später gescheiterten Gesetzentwurfes hatte man die Freies Fernsehen GmbH beauftragt, ein Programm für das zweite deutsche Fernsehen zu produzieren; das vorproduzierte Programm sollte vom endgültigen Träger des zweiten deutschen Fernsehens übernommen werden. Diese Idee lief darauf hinaus, das Programm im öffentlichen Auftrag privatwirtschaftlich herzustellen. Dieser Plan wurde nicht realisiert, und das wenig später von den Ministerpräsidenten der Länder gegründete Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) übernahm aus der Konkursmasse der Freies Fernsehen GmbH die technischen Anlagen, einen Teil des Personals und – das bereits vorproduzierte Programm, immerhin Programme für ein Vierteljahr (offensichtlich erschien es den Ministerpräsidenten doch staatsfern genug). Die Landesrundfunkanstalten hatten eigentlich damit gerechnet, dass ihnen die Aufgabe eines zweiten deutschen Fernsehens übertragen würde; stattdessen hatten die Länder das Heft in die Hand genommen. Quasi auch als Entschädigung dafür wurde den Anstalten erlaubt, regionale dritte Fernsehprogramme auszustrahlen, die anfangs zumeist Bildung, Regionales und Information in den Vordergrund stellten. Das ZDF ist eine selbständige Anstalt öffentlichen Rechts und ist ähnlich organisiert wie die ARD-Anstalten: Neben dem Intendanten gibt es einen Fernsehrat, der dem Programmbeirat vergleichbar ist, und einen Verwaltungsrat. Allerdings bemängeln Kritiker, dass der Fernsehrat wohl etwas weniger Staatsferne aufweist als die Rundfunkräte – er sei stark vom Parteien-Proporz dominiert. ARD und ZDF beschlossen eine Programmkoordinierung, um zwei kontrastreiche Programme zu ermöglichen. Zudem wurden sogenannte Schutzzonen eingerichtet: Während der Sendezeit der politischen Magazine soll der andere Kanal auf attraktive Konkurrenzprogramme verzichten. Damit sollte eine höhere Sehbeteiligung für politi-
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sche Magazine erreicht werden. Wer sich zu dieser Zeit unterhalten lassen wollte, musste zum Radio oder zum Buch greifen. Hier sehen wir einen klaren Eingriff in die Wahlfreiheit der Konsumenten mit dem Hintergedanken, den Konsum eines meritorischen Gutes – nämlich politische Bildung – zu fördern. Aus ökonomischer Perspektive verringert sich die Wohlfahrt, da die Auswahlmöglichkeiten der Zuschauer beschnitten werden (dem ist der mögliche Wohlfahrtsgewinn aus den externen Effekten politischer Bildung entgegenzuhalten – darüber ist später noch einmal zu sprechen). Politische Bildung mag nun mal halt nicht jedermanns Sache sein, und zudem lässt sich über die Qualität der politischen Sendungen streiten – auch heute. Finanzieren sollte sich das ZDF zum einen durch Werbung – eine Finanzierungsform, welche zum Teil bereits von den ARD-Anstalten genutzt wurde (schon 1948 hatte Radio Bremen Werbung ausgestrahlt) – und durch einen Anteil an den Rundfunkgebühren. Schmerzlich für die ARD: 30€% des Gebührenaufkommens wurden dem ZDF zugesprochen. Das hatte natürlich zur Folge, dass der mühsam austarierte Finanzausgleich der ARD-Anstalten untereinander wieder einmal neu verhandelt werden musste (lesen Sie zum Finanzausgleich auch Abschn.€3.3.1.1). Die Werbung unterliegt allerdings einigen Restriktionen, was ihre Dauer und die Sendezeiten angeht, wie Sie Box€3.24 entnehmen können. Der Aufbau der Rundfunklandschaft in Deutschland nach dem Krieg fand mit der Gründung des ZDF seinen vorläufigen Abschluss. Doch der technische Fortschritt nagte am Rundfunkmonopol des Staates, und auch das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem ersten Fernsehurteil nicht ausgeschlossen, dass auch privatwirtschaftlich organisierter Rundfunk in der Bundesrepublik möglich sei. Bald war die Zeit reif für das duale System.
3.1.3 Das duale System: Die privaten Anbieter Technische Entwicklungen im Bereich der Kabel- und Satellitentechnik, welche neue Übertragungsmöglichkeiten ermöglichten, belebten die Diskussion um die Zulassung privater Anbieter. Vom ökonomischen Standpunkt aus betrachtet macht das Sinn: In dem Maße, in dem durch neue Technologien ein wesentliches Argument für die staatliche Ordnung des Rundfunkwesens entfällt (nämlich die begrenzten Übertragungskapazitäten), muss man auch die dazugehörige Rundfunkordnung überdenken. 1973 wurde unter der Beteiligung des Bundes und der Länder die Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems (KtK) ins Leben gerufen. Sie sollte den Bedarf an neuen Kommunikationsformen, die technischen Möglichkeiten und den zugehörigen gesetzlichen Rahmen untersuchen. Auf Empfehlung der Kommission wurden Kabelpilotprojekte eingerichtet, in denen Modelle der künftigen Medienlandschaft erprobt werden sollten. Im Rahmen dieser Pilotprojekte wurden neben den existierenden öffentlich-rechtlichen Programmen zusätzlich auch erstmals privatrechtliche Programme eingespeist. Die Projekte
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waren hinsichtlich der angeschlossenen Zuschauer und der Dauer begrenzt. Die Pilotprojekte schafften bis zu einem gewissen Grad auch vollendete Tatsachen, da eine Rücknahme der Verkabelung nach dem Ende der Projekte aufgrund der hohen Investitionskosten undenkbar schien. Wieder einmal stellte das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil die Weichen, jetzt für den Weg ins duale System. Die Freie Rundfunkgesellschaft AG (FRAG) hatte im Saarland auf Erteilung einer Konzession für die Veranstaltung von privatem, kommerziellem Fernsehen geklagt; dies war laut Rundfunkgesetz des Saarlandes zwar möglich, die Regierung hatte der FRAG aber diese Konzession verweigert. Das Verfassungsgericht wies die Klage ab mit dem Hinweis, dass der Passus des saarländischen Rundfunkgesetzes, der die Zulassung privater Anbieter ermögliche, nichtig sei, da Rundfunkfreiheit und Meinungsvielfalt nicht gewährleistet seien. Allerdings räumte das Verfassungsgericht ein, dass die gesetzliche Zulassung privater Rundfunkanstalten durch die Länder grundsätzlich zulässig sei und gab einen Ordnungsrahmen für die Rundfunkorganisation vor, in dem der öffentlich-rechtliche Rundfunk nur als eine mögliche, aber nicht alleinige und auf Dauer zulässige Ordnung genannt wurde. Mit diesem Urteil wurden die Weichen für die Entwicklung des privaten Rundfunks in Deutschland gestellt. In der Folge haben die Länder eigene Landesmediengesetze erlassen, mit deren Hilfe die Entwicklung des privaten Rundfunks gesteuert werden sollte. Das führte dazu, dass die bisher so homogene Medienordnung der Bundesrepublik uneinheitlicher wurde; aber zumindest hinsichtlich der bundesweit anbietenden privaten Sender koordinierten sie ihre Medienpolitik in den Rundfunkstaatsverträgen, so dass wir vor allem beim Fernsehen eine einheitliche Entwicklung beobachten können. Dass sich unter den bundesweiten Sendern nur wenige finanzstarke Veranstalter, an denen vor allem Großverleger und Medienkonzerne beteiligt waren, durchsetzen konnten, verwundert nicht angesichts der Tatsache, dass der Aufbau und Betrieb eines Senders erhebliche Mittel verschlingt. Der Start privater bundesweiter Fernsehanbieter wurde durch die Freigabe zusätzlicher terrestrischer Sendefrequenzen durch die Bundespost begünstigt; diese Frequenzen versprachen eine wesentlich größere Reichweite als die Kabelprogramme, an die anfangs nur wenige Haushalte angeschlossen waren, und diese höhere Reichweite war eine der Grundvoraussetzungen für den ökonomischen Erfolg des Privatfernsehens. Die Frequenzen wurden zumeist den Anbietern Sat 1 und RTL Plus zur Verfügung gestellt. Diese wenigen Lizenzen, die diesen Sendern anfangs vergeben wurden, erwiesen sich als großer Wettbewerbsvorteil, da den Konkurrenten der Eintritt in den Markt nun deutlich erschwert war. Erst mit neuen technischen Möglichkeiten entspannte sich die Situation in den nächsten Jahren (zur Entwicklung der Empfangsmöglichkeiten studieren Sie bitte Abb.€3.2). Die grundlegenden Rahmenbedingungen für den privaten Rundfunk sind in den meisten Bundesländern weitgehend die gleichen. In allen Bundesländern existieren Landesmedienanstalten (sie sind in Box€3.6 erklärt), die sich um den privaten Rundfunk kümmern. Ihre zentrale Aufgabe ist die Zulassung und Beaufsichtigung des privaten Rundfunks.
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Terrestrisch 0 11,3
Satellit
10,9
31,2
Kabel
36,6
0
10
20
16,2
30
40
50
60
Abb. 3.2↜渀 Fernsehempfang in Deutschland 2009: Verteilung der Übertragungswege in Prozent. Insgesamt 52,8€% der Haushalte empfangen ihr Programm über das Kabel (36,6 plus 16,2€%) – das sind fast 20€Mio. Haushalte. Die terrestrische Übertragung erfolgt mittlerweile komplett digital, das ist der digitale terrestrische Rundfunk DVB-T. (Quelle: Andreas Hamann: Aktueller Stand der Digitalisierung in deutschen TV-Haushalten Juni 2009, in: Komission zur Zulassung und Aufsicht der Landesmedienanstalten (Hrsg.): Digitalisierungsbericht 2009, S.€48)
Box 3.6: Die Landesmedienanstalten╇ Die 15 Landesmedienanstalten sind rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts und nicht staatlichen Weisungen unterworfen. Ihre Organisation ist in jedem Bundesland anders geregelt, aber einige allgemeine Aufbauprinzipien lassen sich feststellen. Sie verfügen in der Regel über zwei oder drei Organe. Das Hauptorgan ist entweder ein mitgliederstarkes Gremium aus Vertretern verschiedener gesellschaftlicher Gruppen oder aber ein kleineres, unabhängiges Gremium aus Sachverständigen. Es entscheidet unter anderem über Erteilung, Rücknahme oder Widerruf einer Lizenz, die Vergabe von Übertragungskapazitäten und die Feststellung des Haushaltsplanes und des Jahresabschlusses. Das Exekutivorgan ist entweder ein Präsident oder Direktor oder aber ein Vorstand. Er vertritt die Anstalt nach außen, erstellt den Haushaltsplan und den Jahresabschluss und führt die laufenden Geschäfte der Verwaltung. Die Finanzierung der Landesmedienanstalten erfolgt über die Rundfunkgebühr: sie erhalten jeweils 2€ % aus dem Aufkommen der Rundfunkgebühr, wobei aus dem jährlichen Gesamtbetrag des Anteils aller Landesmedienanstalten jede Anstalt einen Sockelbetrag erhält. Der Rest des Geldes steht den Anstalten im Verhältnis des Aufkommens der Rundfunkgebühr ihres Landes zu. Um die Zusammenarbeit der Landesmedienanstalten zu koordinieren, haben die Direktoren dieser Anstalten sich in der Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten in der Bundesrepublik Deutschland (ALM) zusammengeschlossen.
3.1 Geschichtliches
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Die Zulassung zum privaten Rundfunk gestaltet sich in etwa wie folgt: Wenn eine Landesmedienanstalt über freie Übertragungskapazitäten verfügt, leitet sie das Zulassungsverfahren mit einer Ausschreibung ein. Wer sich um die Sendelizenz bewirbt, muss bestimmte persönliche und sachliche Voraussetzungen erfüllen: Man muss von ihm erwarten können, dass er die gesetzlichen Anforderungen an die Veranstaltung von Rundfunksendungen einhalten wird; zudem muss er seine Programmvorstellungen und deren Finanzierung vorlegen. Erfüllt der Bewerber die Kriterien, so trifft die Landesmedienanstalt beim Vorliegen mehrerer Anträge eine Auswahl, die sich an Kriterien wie einer Prognose über den erwarteten Beitrag zur Meinungsvielfalt oder dem lokalen bzw. regionalen Bezug des Programms orientiert. Box 3.7: Regulierung der privaten Sender╇ Private Sender unterliegen vielerlei Regulierungen: Zuerst müssen sie eine Lizenz durch die Landesmedienanstalten beantragen. Die Landesmedienanstalten prüfen die Programmschemata; bei den beiden reichweitenstärksten Vollprogrammen müssen sogenannte Fensterprogramme zur Sicherung der Vielfalt eingerichtet werden: Ab 10€% Zuschaueranteil müssen mindestens 260€Minuten Sendezeit wöchentlich für Unabhängige Dritte bereitgestellt werden. Weiterhin wird im Rahmen der Konzentrationsregulierung darauf geachtet, dass ab 30€ % Zuschaueranteil keine weiteren Lizenzen mehr vergeben werden. Das Gesetz sieht sogar eine aktive Entflechtung vor – in der deutschen Wettbewerbsordnung einmalig. Für die Programminhalte gibt es grundsätzlich keine Vorschriften (das Gesamtprogramm soll in sich ausgewogen und vielfältig sein), allerdings sollen laut europäischer Richtlinien mindestens 50€% des Programms europäischen Ursprungs sein. Weiterhin gibt es Beschränkungen hinsichtlich der Werbung. Bei der Bewerbung um eine bundesweite Lizenz müssen die Lizenzanträge der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Rundfunkwesen (KEK) vorgelegt werden, die darauf achten soll, dass durch die Vergabe der Lizenzen keine vorherrschende Meinungsmacht entsteht (das genaue Verfahren ist im Rundfunkänderungsstaatsvertrag von 1996 festgeschrieben). Unter bestimmten Umständen können Zulassungen zurückgenommen oder widerrufen werden (zur Regulierung privater Sender lesen Sie bitte auch Box€3.7). Die Landesmedienanstalten haben auch den Auftrag, die privaten Rundfunkveranstalter laufend zu beaufsichtigen. Hierbei geht es vor allem um die Programm- und Konzentrationskontrolle. Die Programmkontrolle orientiert sich an einem umfangreichen Katalog von Programmvorschriften, welche die Veranstalter einzuhalten haben. Dieser Katalog enthält einige allgemeine Programmgrundsätze (beispielsweise die Achtung der Menschenwürde oder die Bindung an das Verfassungsgebot), das Verbot unzulässiger Sendungen (beispielsweise Sendungen, die zu Hass und Gewalt aufrufen, Sendungen, welche verleumden, oder pornographische Inhalte) sowie Vorschriften zur Werbung und zum Sponsoring
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(beispielsweise Trennung von Werbung und Programm, Verbot der Irreführung und Schleichwerbung). Bei der Konzentrationskontrolle ist vor allem wichtig, dass sich die Landesmedienanstalten ständig einen genauen Überblick über die Verflechtungen und die Beteiligungsverhältnisse in der Medienwirtschaft verschaffen. Im Rundfunkänderungsstaatsvertrag von 1996 sind den Landesmedienanstalten zu diesem Zweck weitreichende Auskunftsmöglichkeiten und Ermittlungsbefugnisse eingeräumt worden. Weiterhin sind die Landesmedienanstalten gesetzlich dazu verpflichtet, alle drei Jahre einen Bericht der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK), deren Mitglieder von den Ministerpräsidenten der Länder einvernehmlich berufen werden, über die Konzentration in der Medienwirtschaft zu veröffentlichen. Die Landesmedienanstalten können von den Feststellungen der KEK nur abweichen, wenn die Konferenz der Direktoren der Landesmedienanstalten dies mit einer Dreiviertel-Mehrheit beschließt.
3.1.4 Rundfunkstaatsverträge und Verfassungsgerichtsurteile Zu einem wichtigen Bestandteil der deutschen Medienordnung gehören die sogenannten Rundfunkstaatsverträge, welche die Entwicklung des Rundfunkwesens in der Bundesrepublik entscheidend prägen. Da die Landesregierungen aufgrund der im Grundgesetz garantierten Kulturhoheit der Länder die Kompetenz zur Ordnung und Regelung des Rundfunkwesens haben, existieren in den einzelnen Bundesländern Landesmediengesetze für private Veranstalter und Landesrundfunkgesetze für die öffentlich-rechtlichen Veranstalter. Länderübergreifende Regelungen hingegen müssen zwischen den jeweils betroffenen Landesregierungen durch einen Staatsvertrag vereinbart werden. Die seit 1959 abgeschlossenen Einzelstaatsverträge wurden 1991 durch einen Gesamtstaatsvertrag abgelöst, der alle einzelnen Verträge zusammenfasste (zu den Inhalten der einzelnen Staatsverträge vergleichen Sie bitte Box€3.8). Mittlerweile sind dreizehn Änderungen des Gesamtstaatsvertrages in Kraft getreten. Wie schon weiter oben angedeutet, trug auch das Bundesverfassungsgericht dazu bei, die Rundfunkordnung der Bundesrepublik zu prägen. Es sprach einige Urteile, in denen die Struktur des neuen dualen Systems in der Bundesrepublik festgelegt wurde – eine Fülle von Einzelaspekten und Fragestellungen wurde so im Lauf der Zeit durch richterliche Entscheidungen konkretisiert. Im so genannten Niedersachsen-Urteil von 1986 skizzierte das Gericht die Leitidee des dualen Systems: Die sogenannte Grundversorgung obliegt in diesem System den öffentlich-rechtlichen Sendern. Solange die Grundversorgung durch die öffentlich-rechtlichen Sender gesichert sei, müsse man an den privaten Rundfunk nicht die gleichen Anforderungen stellen wie an das öffentlich-rechtliche Programm. In den folgenden Jahren gewann das duale Rundfunksystems in den Urteilen des Verfassungsgerichtes immer mehr an Gestalt (in Box€3.9 sind die wichtigsten Urteile aufgeführt).
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Box 3.8: Die Rundfunkstaatsverträge╇ Der Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland fasst sämtliche zuvor einzeln geschlossene Einzelstaatsverträge zusammen. Er umfasst den Rundfunkstaatsvertrag, den ARDStaatsvertrag, den ZDF-Staatsvertrag, den Rundfunkgebührenstaatsvertrag, den Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag und den Bildschirmtextstaatsvertrag. Der Rundfunkstaatsvertrag enthält Regelungen zu unzulässigen Sendungen, zur Kurzberichterstattung, zu Werbung und Sponsoring, er spricht sich für eine Präferenz zugunsten europäischer Produktionen aus. Darüber hinaus enthält er Regelungen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk (Finanzierung, Werbung) und zum privaten Rundfunk (Zulassungsregeln, Programmgrundsätze, Finanzierung und Werbung). Der ARD-Staatsvertrag enthält allgemeine Rahmenvorschriften, u.€ a. zur gemeinsamen Gestaltung des Ersten Fernsehprogramms. Der ZDF-Staatsvertrag enthält allgemeine Grundsätze für das ZDF, Programmgrundsätze, Bestimmungen über die Organisation und die Finanzierung. Der Rundfunkgebührenstaatsvertrag legt die Gebührenpflicht und den Kreis der Gebührengläubiger sowie Bestimmungen zu Ordnungswidrigkeiten fest. Der Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag bestimmt über die Höhe und Verwendung der Rundfunkgebühren und enthält Regelungen zum Finanzausgleich unter den Rundfunkanstalten. Der BildschirmtextStaatsvertrag ist inzwischen vom Staatsvertrag über Mediendienste von 1997 abgelöst worden. Dieser Vertrag soll einheitliche Regelungen für die Nutzung der verschiedenen elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste schaffen. Im ersten Rundfunkänderungsstaatsvertrag von 1994 wurden Regelungen zum Jugendschutz und zum Sponsoring ergänzt bzw. verändert, der zweite Rundfunkänderungsstaatsvertrag von 1995 brachte keine wesentlichen Veränderungen. Der dritte Rundfunkänderungsstaatsvertrag von 1996 beinhaltete weitreichende Änderungen: Der Finanzbedarf der Rundfunkanstalten soll durch die unabhängige Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) geprüft und ermittelt werden, deren Position in diesem Vertag gestärkt wurde; die Gebührenfestsetzung erfolgt dann durch Staatsvertrag. Zur Sicherung der Meinungsvielfalt im privaten Rundfunk löste das sogenannte Zuschaueranteilmodell die numerische Begrenzung von Beteiligungsmöglichkeiten ab. Vorherrschende Meinungsmacht wird nach diesem Modell vermutet, wenn die einem Unternehmen zurechenbaren Programme im Jahresdurchschnitt einen Zuschaueranteil von 30€ % erreichen. Der vierte Rundfunkänderungsstaatsvertrag trat 2000 in Kraft und stellte eine Liste mit Großereignissen auf, die im freien Fernsehen übertragen werden müssen, lockerte die Werberichtlinien und ließ neue Werbeformen zu. Der fünfte Rundfunkänderungsstaatsvertrag erlangte Berühmtheit wegen der damit verbundenen Gebührenerhöhung und der Einführung von Gebühren für internetfähige PCs. 2005 trat der achte Rundfunkänderungsstaatsvertrag in Kraft, in dem eine Erhöhung der Rundfunkgebühren von 16,15 auf 17,03€€ festgeschrieben wurde – dabei wichen die Ministerprä-
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sidenten erstmals von der Empfehlung der KEF ab. Der neunte Rundfunkänderungsstaatsvertrag (2007) regelte die medienrechtlichen Kompetenzen von Bund und Ländern bei der Regelung von Telediensten und Mediendiensten neu, die unter dem Begriff Telemedien zusammengefasst wurden. Im zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag (2008) wurden die Aufsicht über den privaten Rundfunk, die Zuweisung von Übertragungskapazitäten und die Behandlung so genannter Plattformanbieter neu geregelt (Plattformanbieter bieten auf digitalen Übertragungswegen Rundfunk und vergleichbare Telemedien an oder machen diese zugänglich). Im elften Rundfunkänderungsstaatsvertrag (2009) wurde die Rundfunkgebühr auf monatlich 17,98€€ festgesetzt. In der zwölften Änderung wurden die Zusagen der Bundesrepublik gegenüber der Europäischen Kommission im Beihilfeverfahren über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks umgesetzt; hier geht es die Konkretisierung des Auftrags der Öffentlich-Rechtlichen für die digitalen Rundfunkprogramme und Telemedienangebote; vor allem um den sogenannten Drei-Stufen-Test. Der 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (2010) brachte für private Veranstalter eine Lockerung bestehender Beschränkungen und eine teilweise Legalisierung von Produktplatzierungen. Die Entwicklung der deutschen Rundfunklandschaft nach 1945 lässt sich also wie folgt zusammenfassen: Nach dem Aufbau des öffentlich-rechtlichen Systems, dessen Entstehung vor allem mit der Knappheit der Frequenzen begründet war, wandelte sich das Rundfunksystem nach und nach zu dem dualen System in der heutigen Form: Öffentlich-rechtliche Sender erfüllen die Funktion der Grundversorgung, wobei dieser Begriff umstritten ist. Zugleich wird den öffentlich-rechtlichen Sendern eine Bestands- und Entwicklungsgarantie gegeben; d.€h. der Begriff der Grundversorgung soll im Zeitablauf stets neu hinterfragt und interpretiert werden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist zugleich die Voraussetzung für die Existenz privater Anbieter in ihrer jetzigen Form. Da diese aufgrund ihrer Finanzierungsart, aber auch aufgrund des damit verbundenen Aufwandes kein derart umfangreiches Programm zur Verfügung stellen können, so dass die vom Gesetzgeber geforderte Grundversorgung garantiert wäre, hängt ihre Existenz auch von den öffentlichrechtlichen Anbietern ab. Solange diese nämlich die Grundversorgung gewährleisten, scheint ein im Umfang und in der Pluralität vermindertes Angebot privater Anbieter unbedenklich. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht auch deutlich gemacht, dass diese Medienordnung nicht in Stein gemeißelt ist. Box 3.9: Rundfunkurteile des Bundesverfassungsgerichtes╇ Im Ersten Fernsehurteil von 1960 stellte das Gericht fest, dass Rundfunk Ländersache sei; das öffentlich-rechtliche System wird bestätigt und gesichert. Im Mehrwertsteuer-Urteil wurde festgestellt, dass die Rundfunkgebühr nicht der Mehrwertsteuer unterliegt. Im FRAG-Urteil von 1981 wird die grundsätz-
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liche Möglichkeit eines privaten Rundfunks bejaht, das Gericht sieht allerdings keine Pflicht des Staates zur Zulassung privater Rundfunkveranstalter. Im Niedersachsen-Urteil von 1986 entwirft das Gericht die Grundidee einer dualen Rundfunkordnung, in der dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Aufgabe der Grundversorgung zukommt. Solange die Grundversorgung gesichert sei, könne man an private Rundfunkanbieter geringere Anforderungen hinsichtlich der Programmbreite und der Vielfalt stellen. Im Baden-Württemberg-Beschluss von 1987 wird erklärt, dass Grundversorgung nicht nur eine Mindestversorgung meint; das Gericht gibt den öffentlich-rechtlichen Sendern eine Entwicklungsgarantie; das Programmangebot darf nicht auf dem bestehenden Umfang eingefroren werden. Im NRW-Urteil von 1991 werden die Grundsätze einer verfassungsgerechten Rundfunkordnung zusammengefasst. Dem Gesetzgeber bleibt es überlassen, wie die Rundfunkordnung im Einzelnen zu gestalten ist. Die Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist an inhaltliche Standards gekoppelt, die dem klassischen Rundfunkauftrag entsprechen sollen. Im Hessen-3-Beschluss von 1992 bekräftigt das Gericht, dass Rundfunkgebühren die Haupteinnahmequelle der Rundfunkanstalten bilden; Einnahmen aus Werbung können von geringer Bedeutung sein. Im Rundfunkgebühren-Urteil erklärt das Gericht für rechtens, dass jeder Rundfunkgebühren zahlen muss, auch wenn er ARD und ZDF nicht sehen will. Zudem definiert das Gericht den Entscheidungsprozess für die Festsetzung der Rundfunkgebühren neu. Im EG-FernsehrichtlinienUrteil von 1995 schließlich bestimmt das Gericht, dass die Bundesregierung die Interessen der Länder gegenüber der Europäischen Gemeinschaft zu vertreten hat, wenn diese Rundfunkkompetenzen beansprucht. Im Urteil von 1998 ging es um Kurzberichterstattung im Fernsehen, im Urteil von 2007 erklärte das Gericht, dass die Gebührenfestsetzung, mit der der Gesetzgeber um 28 Cent unter der von der KEF empfohlenen Gebühr geblieben war, die Rundfunkfreiheit der Sender verletze. Im Jahr 2008 erging das Urteil über die unmittelbare oder mittelbare Beteiligung von Parteien an privaten Rundfunkunternehmen – das Gericht sah es als gerechtfertigt an, diese insoweit zu untersagen, als sie dadurch bestimmenden Einfluss auf die Programmgestaltung oder die Programminhalte nehmen können.
3.2â•… Vor- und nachgelagerte Märkte 3.2.1 Zulieferer und andere Dienstleister Als Zulieferer von Fernsehprogrammen, also als Produzenten und Lizenzhändler, sind in Deutschland schätzungsweise 2.000 bis 3.000 Unternehmen tätig. Die Lizenzhändler werden wir uns in einem späteren Abschnitt ansehen. Bei den Zuliefe-
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rern und Dienstleistern lassen sich drei verschiedene Bereiche unterscheiden: Neben den Filmproduzenten gibt es noch deren Zulieferer, die praktisch die Produktionsmittel für die Filmemacher liefern; darüber hinaus werden in diesem Abschnitt auch die Kinobetreiber als nachgelagerte Produzenten berücksichtigt, welche den Filmemachern eine Plattform zur Vermarktung ihrer Filme anbieten. Doch zunächst zu den Zulieferern: Die Liste der Zulieferer der Filmindustrie ist lang; im einzelnen gibt es Unternehmen für Postproduktion (Schnitt und Kopie); Synchronisation, Ausstattung, Mietstudios (Location und Licht), Anbieter von Tontechnik und -aufzeichnung, Unternehmen für Film- und Videotechnik; Geräteverleiher, Produzenten für Filmmusik, Casting-Agenturen sowie Studios für Computergrafik und -animation. Diese Unternehmen sind nicht nur Zulieferer der Filmindustrie, sondern sie erstellen auch Leistungen für die Programmveranstalter, wenn diese Sendungen selbst erstellen oder sich beispielsweise eingekaufte Sendeformate aus dem Ausland adaptieren lassen. Der Markt für diese Zulieferer ist ein Markt wie jeder andere, hier gibt es weder produktionstechnische Besonderheiten, noch meint der Gesetzgeber, dass in diesen Bereichen eine besondere staatliche Aufsichtspflicht notwendig ist. Diese Zulieferer erbringen ja im Grunde genommen nur Dienstleistungen für die Film- und Programmproduzenten, welche diese benötigen, um Filme herstellen zu können. Die nach Umsatz und Mitarbeiterzahl größten Branchen in diesem Bereich sind die Unternehmen der Postproduktion, die Film- und Video-technik, Ausstattungsunternehmen, Mietstudios, Tonstudios, Filmmusik-produzenten, Casting-Unternehmen, Agenturen für Computergrafik und Computeranimation sowie Synchronisationsunternehmen. Daten über die wirtschaftliche Entwicklung dieser Bereiche sind zumeist nur sehr schwer zu erhalten, es gibt nur Schätzungen. Eine Verteilung der Marktanteile in der Zuliefererindustrie finden Sie in Tab.€3.2. Aktuelle Daten zu diesen Produktionszweigen zu finden, ist extrem schwierig, einen kleinen Einblick gibt die Umsatzsteuerstatistik des Statistischen Bundesamtes2: Dort sind für 2008 Lieferungen und Leistungen in Höhe von 3,6€Mrd.€€ für die Film- und Video-Herstellung ausgewiesen, 1,4€ Mrd. für die Herstellung von Tab. 3.2↜渀 Marktanteile in der Zuliefererindustrie. (Quelle: Böckelmann, Frank: Hörfunk und Fernsehen als Wirtschaftsfaktor, a.a.O., S.€73) Branche Umsatzanteil (%) Postproduktion (Schnitt und Kopie) 25 Ausstattung 20 bis 25 20 bis 25 Film- und Videotechnik/Geräteverleih Mietstudios; Beleuchtung; Lichttechnik 10 Tontechnik und -aufzeichnung/Tonstudios 5 Filmmusik, Casting, Computergrafiken und Computeranimation 5 Sonstige 10
2╇
Statistisches Bundesamt (2010): Finanzen und Steuern, Umsatzsteuer 2008, Fachserie 14, Reihe 8.
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Hörfunk- und Fernsehprogrammen, 456€Mio. für die Erbringung technischer Hilfsdienste für kulturelle Leistungen und knapp 765€ Mio.€ € Umsätze in der Vervielfältigung von bespielten Tonträgern. Schauen wir uns einmal die einzelnen Produktionszweige näher an. Unternehmen der Postproduktion, die sich auf die Bearbeitung des Filmmaterials spezialisiert haben, repräsentieren den umsatzstärksten Sektor, da nur die wenigsten Filmproduzenten selbst schneiden und kopieren. Die Umstellung von der alten Kopier- und Schneidetechnik auf elektronische Videotechnik wird nach Vermutungen von Experten eine Zunahme des Konzentrationsprozesses mit sich bringen, dem diejenigen Unternehmen zum Opfer fallen werden, die nicht die Mittel für die notwendigen Investitionen aufbringen können. Die Digitalisierung der Videotechnik wird zwar die Produktion der Postproduktionsunternehmen verbilligen, aber auch mehr Anwendungsmöglichkeiten bieten (beispielsweise mehr Schnitte pro Film), so dass nicht klar ist, ob die digitalisierte Produktion schneller und billiger wird. Die gestiegene Anzahl von Game-Shows, Live-Sendungen und Wiederholungen bringen den Postproduktionsfirmen allerdings keine Gewinne, da diese Sendungen in der Regel keine oder nur eine sehr geringe Nachbearbeitung erfordern. Die Zunahme der Show-Sendungen ist eher ein Segen für die Anbieter von Mietstudios, die darunter leiden, dass Filmproduzenten zunehmend auch auf Originalschauplätze („Outdoor-Produktionen“) und digitalisierte Simulation setzen, welche die Studios teilweise überflüssig machen. Viele große Atelierbetriebe leiden unter Überkapazitäten und der Konkurrenz von kleineren, billigen Anbietern. Heftige Konkurrenz herrscht auch unter den wenigen großen Anbietern von Filmund Videotechnik und Geräteverleihern. Ruhiger geht es hingegen bei den Ausstattern zu, die Kostüme, Bauten und Gerätschaften anbieten; der Einzug neuer Techniken wird in diesem Geschäft vermutlich nicht so viel bewegen; dasselbe gilt für die Tonstudios. Zukunft hat wahrscheinlich die Tätigkeit der Casting-Firmen, die Kandidaten für Spielshows und Talkshows oder quotenträchtige Prominente für Sendungen vermitteln. Solange die Anzahl der Spiel- und Game-Shows zunimmt, wird auch das Geschäft der Casting-Firmen zunehmen. Einige interessante Fälle, in denen einzelne Kandidaten durch bis zu 15 (!) Talkshows reisten, zeigen, dass bei der Sorgfältigkeit der Auswahl der Kandidaten aber noch Verbesserungsbedarf besteht (oder denken Sie einmal an den „Buntstiftlutscher“ bei Thomas Gottschalk). Für Synchronisationsfirmen ist die Zukunft ungewiss: Schlecht fürs Geschäft ist die Zunahme der deutschen Eigenproduktionen, die nicht synchronisiert werden. Solange aber die Nachfrage nach ausländischen (vor allem amerikanischen) Produktionen nicht abreißt, scheint das Geschäft noch gesichert. Kosten lassen sich hier in Zukunft wohl kaum sparen: In Asien beispielsweise hat man statt Synchronsprechern Untertitel, was aber für den deutschen Konsumenten eher unüblich wäre. (Schauen Sie einmal polnisches Fernsehen, dort werden alle Schauspieler von einem Sprecher synchronisiert. Auch das scheint kein sonderlich attraktiver Weg zu sein, um Kosten zu sparen – vor allem bei Liebesszenen.). Ein weiterer Geschäftszweig ist in der Nachbereitung die Qualitätskontrolle und die Restauration.
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3.2.2 Filmproduktion Bei der Produktion von Filmen existieren verschiedene Sendeformate, die eine Produktionsfirma herstellen kann: Neben Fernsehproduzenten, die Fernsehfilme, Dokumentationen oder Talk-Shows und Game-Shows produzieren, gibt es Hersteller von Werbefilmen und natürlich auch von Kinofilmen. Hinzu kommt noch Firmen-TV, das nur für die Belegschaft eines einzigen Unternehmens angefertigt wird. Ein weiterer Zweig sind die Hersteller von Wirtschaftsfilmen, die Imagefilme, Produktfilme, Schulungsfilme oder Messeinformationsfilme im Auftrag von Unternehmen drehen. Im Jahr 2006 zählte man in Deutschland 676 Fernsehproduktionsfirmen, die insgesamt 717.000€Minuten Sendezeit produziert haben; unter den Formaten standen Magazine an erster Stelle, gefolgt von Talk-Shows und Spieleshows. Größte Auftraggeber waren RTL und Sat1, gefolgt von ARD und ZDF.3 Man unterscheidet dabei zwischen senderabhängigen Betrieben, die teilweise oder ganz den privaten oder öffentlich-rechtlichen Sendern gehören (abhängige Betriebe) und denjenigen, die keine Kapitalverflechtungen mit Sendern haben (unabhängige Betriebe). Die abhängigen Betriebe (71 Stück) haben im Jahr 2006 rund 255.000€Sendeminuten produziert, bei den 605 unabhängigen Betrieben waren es im gleichen Jahr 463.100€Minuten. Bei den Produktionsfirmen gibt es zwei verschiedene Geschäftsmodelle: die Auftragsfertigung und die Lizenzproduktion. Bei der Auftragsproduktion fertigt die Firma im Auftrag eines Fernsehsenders (in der Regel handelt es sich bei diesen Geschäftsmodellen um Fernsehproduktionen) ein vorher festgelegtes Sendeformat an. Der Preis für die Formate wird am Anfang festgelegt; die Produktionsfirma schlägt eine Gewinnmarge auf ihre erwarteten Kosten auf. Die Vorteile für die Produktionsfirma: Am Anfang des Projektes stehen bereits die Einnahmen fest, das reduziert das Risiko der Produktion. Und in dem Ausmaß, wie es dem Unternehmen gelingt, die Kosten der Produktion zu reduzieren, steigt sein Gewinn (das gilt aber auch umgekehrt: Hat die Firma die Kosten nicht im Griff, geht das voll zu Lasten des Gewinns). Der Fernsehsender profitiert ebenfalls davon: Er wälzt das Risiko der Produktion auf den Produzenten ab, und erhält zu einem garantierten Preis das gewünschte Sendeformat. Dafür trägt der Sender allerdings das Erfolgsrisiko: Wird die Serie ein Flop, so hat der Sender das Geld in den Sand gesetzt, der Produzent ist fein raus (ob er allerdings noch einmal einen Auftrag vom Sender bekommt, steht auf einem anderen Blatt). Sie sehen, dieses Geschäftsmodell verteilt die Risiken: Der Produzent übernimmt das Kostenrisiko bei der Herstellung, der Sender das Erfolgsrisiko bei der Ausstrahlung. Doch dem Erfolgsrisiko steht auch eine Gewinnchance gegenüber: Sollte sich die Serie als Erfolg erweisen, so gehören dem Sender in der Regel alle Zweit- und Drittverwertungsrechte; der Produzent sieht außer dem einmaligen Betrag, den ihm der Sender gezahlt hat, kein Geld. Auch die Einnahmen aus dem Verkauf von Postern, Souvenirs oder ähnlichem fließen in der Regel am Hersteller vorbei. Vgl. Pätzold, Ulrich; Röper, Horst: Fernsehproduktionsvolumen 2005 und 2006, in: Media Perspektiven 3/2008, S.€125€ff. 3╇
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Glaubt der Produzent an den Erfolg seiner Serie, so wählt er statt der Auftragsproduktion die Lizenzfertigung: Er übernimmt außer dem Kostenrisiko auch das Erfolgsrisiko. Wird der Film ein Flop, so steht er mit leeren Händen da. Schlägt der Film aber ein, so gehören ihm sämtliche Rechte an dem Film. Damit kann er auf allen Stufen der Wertschöpfungskette mit hohen Einnahmen rechnen. Das höhere Risiko wird – wie meistens – mit höheren Gewinnchancen belohnt. Oftmals werden Filme auch über Kapitalgesellschaften mitfinanziert, die dem Hersteller gegen Gewinnbeteiligung Mittel zur Produktion zur Verfügung stellen. Wer beispielsweise in einen Filmfonds investiert, setzt also auf den Erfolg derjenigen Filme, die von diesem Fonds finanziert werden. Box 3.10: Deutsche Filmproduzenten╇ Zu den Filmproduzenten in Deutschland, welche die Produktion als ihr Hauptgeschäft ansehen, gehören Constantin Film, Senator, Brainpool und Odeon; die meisten anderen Filmunternehmen konzentrieren sich mehr auf den Vertrieb. Constantin ist in der Produktion und Verleih von Kino- und Fernsehfilmen tätig sowie im Lizenzhandel. Senator Entertainment AG stellt Fernseh- und Filmproduktionen selbst her, erwirbt die Auswertungsrechte an fertigen Filmen und verwertet diese über alle Verwertungsstufen, also im Kino, auf DVD, im Fernsehen und über das Internet. Odeon produziert Fernsehfilme und -serien sowie Kinofilme. Brainpool ist auf Fernsehproduktionen ausgerichtet und produziert vor allem erfolgreiche Unterhaltungsformate wie „TV Total“, ist aber auch im Geschäft mit Konzerten, dem Künstler-Management und Produktionsdienstleistungen tätig. H5B5 hat sich vor allem auf Wissens- und Dokumentationsformate spezialisiert („Welt der Wunder“). Naturgemäß gibt es zwischen der Produktion von Fernsehformaten und Kinofilmen Überschneidungen; dennoch unterscheidet sich die Produktion eines abendfüllenden Kinofilmes erheblich von der Herstellung einer Dokumentation oder eines Fernsehformates wie beispielsweise eines Informationsmagazins. Der Unterschied liegt vor allem in den benötigten Produktionsfaktoren: Ein abendfüllender Kinofilm ist in der Regel aufwendiger und weist höhere Produktionskosten auf, birgt damit auch ein höheres Risiko. So wird man sich in der Regel bemühen, einen attraktiven Stoff wie beispielsweise einen aktuellen Buch-Bestseller zu verfilmen, dessen Rechte natürlich teurer sind als die Rechte für eine Tierdokumentation. Einen abendfüllenden Spielfilmen ausschließlich mit Pinguinen zu gestalten, erscheint aber mutig; in der Regel greift man auf bekannte Stars zurück, die als Publikumsmagneten dienen sollen (wir werden später noch sehen, warum sie das überhaupt sein können). Das ist natürlich nicht billig: Julia Roberts beispielsweise hat angeblich für einen Film 20€Mio.€$ Gage erhalten. Ein Kinofilm benötigt auch andere Vertriebswege als ein Fernsehfilm. Der Weg des Fernsehfilmes ist vorgegeben, er geht über die Sender und dann in die Archive der Sender. Ein Kinofilm hat einen ganz anderen, wesentlich längeren Lebensweg, den wir noch näher untersuchen werden, wenn wir über den Handel mit Rechten sprechen.
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In diesem Kapitel wollen wir uns eine Besonderheit der Filmindustrie ansehen, die sie von einigen anderen Branchen unterscheidet. Am Anfang der Untersuchung steht die Beobachtung, dass es deutliche Ballungstendenzen in der Filmindustrie gibt: Das weltweite Geschäft mit Spielfilmen (und auch mit Serien) wird von den Amerikanern dominiert. Allein in Deutschland hatten amerikanische Produktionen in den achtziger und neunziger Jahren einen Marktanteil von durchschnittlich 70€%. Sind die amerikanischen Filme wirklich so gut? Das lässt sich nicht beantworten, doch wer streng auf den Wettbewerb als Gütekriterium abstellt, kann rasch zu dem Schluss kommen, dass in der Tat amerikanische Produktionen den Geschmack der Zuschauer besser treffen als europäische. Die amerikanischen Filme verkaufen sich besser, also mögen die Zuschauer diese Filme lieber, denn sonst würden sie sich ja europäische Filme ansehen. Ist es wirklich so einfach? Nein, es gibt noch einen anderen Grund für den Erfolg amerikanischer Filme. Amerikanische Filme sind zumeist wesentlich aufwendigere Produktionen, mit einem größeren Staraufgebot und oft auch sehr attraktiven Drehbüchern, die auf aktuellen Bestsellern basieren. Mit anderen Worten: Amerikanische Filmproduzenten greifen tiefer in die Tasche als europäische Produzenten. Höhere Ausgaben sind zwar nicht immer eine Garantie für einen Publikumserfolg oder gar einen besseren Film, aber sie erhöhen die Wahrscheinlichkeit eines Kassenschlagers durchaus (wir werden später noch einen Grund dafür kennenlernen). Sind die Europäer geizig? Nein, der Grund für die amerikanische Spendierfreude liegt auch in dem Umstand begründet, dass amerikanische Filme in englischer Sprache gedreht werden. Das ist die Basis für das Auftreten der uns bereits bekannten sinkenden Durchschnittskosten. Englischsprachige Filme haben von Natur aus ein hohes Zuschauerpotenzial, da Englisch viel verbreiteter ist als andere europäische Sprachen. Das bedeutet, dass grundsätzlich höhere Einnahmen möglich sind. Alleine der große amerikanische Markt für Kinofilme bietet ein wesentlich höheres und homogeneres Zuschauerpotenzial als die kleinen und kulturell wesentlich unterschiedlicheren europäischen Märkte. Ein amerikanischer Film erreicht ohne zusätzliche Synchronisation oder sonstige Anpassungsmaßnahmen ein Publikum von einigen 100€Mio. Zuschauern. Das ist verglichen mit den 80€Mio. Deutschen, die als potenzielle Zuschauer für eine deutsche Produktion in Frage kommen, recht ansehnlich (man muss allerdings noch die Zuschauer aus der Schweiz und Österreich hinzuzählen). Die Folge: Die hohe Zuschauerzahl ermöglicht den amerikanischen Produzenten höhere Ausgaben, da hier das uns bereits bekannte Phänomen der Fixkostendegression zuschlägt. Ist der Film erst einmal produziert, dann ist es für dessen Kosten mehr oder weniger egal, ob ihn 80 oder 280€Mio. Zuschauer sehen. Je mehr Zuschauer diesen Film aber sehen, desto höher werden die Einnahmen der Produzenten und desto geringer die durchschnittlichen Kosten je Zuschauer. Die höhere Spendierfreude der amerikanischen Produzenten hängt also mit deren besseren Möglichkeiten zusammen, die Kosten auf mehr Zuschauer zu verteilen. Welch Elend hingegen für den deutschen Filmemacher: Er kann nur auf deutlich weniger potenzielle Zuschauer hoffen, und der Export des Filmes in andere Länder erfordert eine teure Synchronisation, bei welcher der Film auch an Attraktivität verlieren kann. Zudem ist Europa kulturell gesehen wesentlich zersplitterter als Ame-
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rika: Eine Anspielung auf Joe Di Maggio versteht jeder Amerikaner und kann sie in den Handlungskontext einordnen, doch versteht ein Schwede den Witz über Harald Juhnke? Sie sehen, hier tun sich auch kulturelle Barrieren auf, die eine grenzüberschreitende Vermarktung heimischer Produktionen erschweren. Amerikanische Produktionen haben sich dagegen oft schon im eigenen heimischen Markt amortisiert, d.€ h. ihre Produktionskosten eingespielt, wenn sie zum Sprung über den großen Teich ansetzen. Da sie in der Regel aufwendiger produziert sind als europäische, sind sie auch oft attraktiv genug für das europäische Publikum. Zudem beißt sich die Katze auch in den Schwanz: Je mehr amerikanische Produktionen verbreitet werden, umso mehr Personen werden auch vom amerikanischen Geschmack beeinflusst und geprägt, umso mehr Zuschauer kennen die amerikanische Kultur, was die kulturellen Barrieren zwischen Amerika und Europa reduziert – aber nur in eine Richtung. Das ist dann die vielbeklagte „Amerikanisierung“ des Lebens. Der Erfolg der amerikanischen Produktionen erhöht damit auch die Erfolgsaussichten der zukünftigen Produktionen. Vielleicht gibt es bei diesen Filmen auch noch einen anderen Effekt, der erfolgreiche Filme noch erfolgreicher macht: Wenn jeder in ihrer Umgebung den neuen Film gesehen hat, könnte Sie das unter Umständen unter Druck setzen, sich den Film anzusehen, um mitreden zu können. Die besseren Startchancen für amerikanische Filme sind aber vielleicht nur ein Grund für den Erfolg amerikanischer Filme. Es gibt noch einen anderen Effekt, der die regionale Ballung der Filmindustrie begünstigt. Diese Beobachtung gilt übrigens nicht nur für Amerika: Auch in Deutschland beobachten wir eine regionale Ballung der Filmindustrie an sogenannten Medienstandorten. Berlin, Hamburg und München sind seit jeher Filmmetropolen; Köln hat sich nach dem Krieg zum Medienstandort entwickelt. In den meisten anderen Ländern ist die Filmindustrie noch zentralisierter; in Italien konzentriert sie sich beispielsweise auf Rom und Mailand. Tabelle€3.3 zeigt die Ballung der Medienbranche auf vier Standorte in Deutschland. Wie entstehen Medienzentren? Fragt man Medienunternehmen, warum sie sich an einem Standort niedergelassen haben, so erhält man in der Regel ähnliche Antworten: Man schätzt die Nähe von spezialisierten Zulieferindustrien und Kunden, die vorhandene öffentliche Infrastruktur und ein größeres vorhandenes Potenzial an geeigneten Arbeitskräften. Damit hat sich die Antwort auf die Frage aber nur ver-
Tab. 3.3↜渀 Mitarbeiter in Medienunternehmen an den vier wichtigsten Medienstandorten; prozentualer Anteil am Bundesgebiet (2004). In Berlin beispielsweise arbeiten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk 9,1€% aller bundesweit bei den Öffentlich-Rechtlichen beschäftigten Personen; insgesamt arbeiten 50,4€ % aller öffentlich-rechtlichen Beschäftigten in den unten angegebenen vier Städten. Insgesamt haben 29.415 Mitarbeiter im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gearbeitet. (Quelle: Medienbericht der Bundesregierung 2008, S.€253) Berlin Hamburg Köln München Summe der Deutschland vier Städte absolut Öffentlich-rechtlicher 9,1 9,4 20,1 11,9 50,4 29.415 Rundfunk Privater Rundfunk 10 4,3 12,6 23,9 50,8 16.589 Sonstige Mitarbeiter 8,4 6,6 27,0 12,6 54,6 28.235
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lagert: Woher kommt es, dass die Zulieferer und die Kunden und die potenziellen Beschäftigten an diesen Standorten geballt zu finden sind? Die Antwort darauf ist eine ökonomische, wie Sie gleich sehen werden. Erinnern Sie sich bitte an das erste Kapitel, in dem wir die Theorie der Netzwerkeffekte kennengelernt haben. Solche ähnlichen Effekte gibt es auch bei regionalen Entwicklungen; man spricht hier von positiven externen Effekten. Externe Effekte haben auch schon im ersten Kapitel kennengelernt. Zur Wiederholung: Wenn die Handlungen eines Wirtschaftssubjektes für andere Wirtschaftssubjekte Folgen haben, ohne dass diese Folgen Eingang in die Wirtschaftsrechnung der Verursacher finden, spricht man von externen Effekten. Die Wirkungen des Handelns treffen also nicht den Verursacher, sondern unbeteiligte Dritte – und der Verursacher wird dafür nicht zur Kasse gebeten oder kann etwas einstreichen für seine Mühen. Genau solche Effekte spielen auch bei der Entstehung regionaler Ballungsräume eine wichtige Rolle. Am Beispiel der Medienzentren lässt sich das erklären. Die Ballung einer Industrie an einem Ort schafft positive externe Effekte für alle in der Branche tätigen Unternehmen. Stellen Sie sich vor, ein Rundfunkanbieter siedelt sich auf der grünen Wiese an. Aufgrund der kürzeren Wege und des Vorteils besserer persönlicher Kontakte kommen zunächst erste Zuliefererbetriebe in der näheren Umgebung dazu. Das wiederum zieht auch zunehmend die entsprechenden Arbeitnehmer in das Gebiet, die sich in diesem Umfeld bessere Berufsaussichten und eine bessere Auswahl an Stellen versprechen. Je mehr Betriebe aus der Medienbranche sich ansiedeln, umso mehr können sich die einzelnen Unternehmen spezialisieren. Die Folge: Das Know-How der im Umfeld der Sender angesiedelten Betriebe wird immer umfangreicher, das Ausmaß der Spezialisierung erhöht sich, und das kommt wiederum den Sendern zugute. Zugleich erhalten die Fernsehsender und die Zuliefererbetriebe quasi kostenlos eine immer bessere Auswahl an potenziellen Beschäftigten vor der Haustür serviert. Auch die Produktionsmöglichkeiten für die Sender verbessern sich zunehmend, da sich immer mehr Zulieferer ansiedeln – es gibt beispielsweise mehr Studiokapazitäten, mehr Tonstudios und mehr Geräteverleiher. Je mehr und je größere Betriebe sich an diesem Standort ansiedeln, umso größer wird die Sogwirkung der Region auf Zulieferer, Arbeitnehmer oder sonstige branchenspezifische Anbieter. Da haben wir den externen Effekt: Je mehr Betriebe aus der betreffenden Branche sich ansiedeln, umso größer wird der Nutzen der regionalen Ballung für alle Beteiligten – ohne dass jemand dafür bezahlen müsste. Die Rundfunksender bekommen mehr Zulieferer, die Zulieferer mehr Kunden, sobald sich mehr Sender ansiedeln; und alle profitieren vom steigenden Arbeitskräfteangebot – wobei die Arbeitnehmer wiederum von den steigenden Beschäftigungsmöglichkeiten profitieren. Ab einem gewissen Punkt hat die Region dann einen positiven Imagewert als Medienstandort, was ihre Attraktivität nochmals erhöht (sie lockt beispielsweise auch neue Talente an – wer ein Star werden will, geht nach Hollywood). Zudem schafft die Präsenz vieler Beschäftigter der gleichen Branche ein Klima, in dem besser neue Ideen entstehen und einzelne Betriebe oder Filmschaffende sich in ihrer Kreativität gegenseitig befruchten. Ein klassischer externer Effekt: Das Handeln einzelner Betriebe (die Entscheidung, sich an dem Standort anzusiedeln) hat positive Folgen für alle anderen Unternehmen der Branche, ohne dass jemand
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dafür etwas bezahlen muss. (Mit der Zeit allerdings wird es immer teurer, sich an den Medienstandorten anzusiedeln. Insofern ist die Ballung nicht ganz kostenlos.) Kann so ein Prozess an jedem beliebigen Ort in Gang gesetzt werden? Vermutlich nein, weil es noch andere Faktoren gibt, die eine regionale Ballung beschleunigen können. Vor allem der Staat spielt hierbei eine wichtige Rolle: Eine gute Verkehrsanbindung, ein dichtes Telefonnetz – eine gute Infrastrukturausstattung ist ein wichtiger Faktor, der die Standortentscheidung von Unternehmen beeinflusst. Speziell für Medienunternehmen spielt auch die staatliche Medienpolitik eine entscheidende Rolle, wobei aus Befragungen hervorgeht, dass vor allem die Vergabepolitik bei den Frequenzen wichtig ist. Doch der Staat hat noch einen weiteren wichtigen Grundstein für die Entstehung der deutschen Medienzentren gelegt, indem er die Standorte der Landesrundfunkanstalten festgelegt hat. Dadurch wurde der Standort für einen wichtigen Nachfrager von Mediendienstleistungen vom Gesetzgeber fixiert. Nicht von ungefähr sind die Standorte großer Landesrundfunkanstalten zugleich wichtige Medienstandorte. Zu den nicht-staatlichen Faktoren, welche die regionale Ballung von Medienunternehmen begünstigen können, gehört die historische Entwicklung (die Entscheidung für den Standort des altehrwürdigen Mutterunternehmens fiel vielleicht aus ganz anderen Gründen) oder aber auch die natürliche Umgebung. So wird München auch wegen seiner guten Lokalitäten für Film- und Fernsehproduktionen geschätzt – da ruft der Berg. Mit dieser Theorie der regionalen Externalitäten kann man auch erklären, warum Hollywood zur Filmmetropole geworden ist: Hollywoods Attraktivität ist derart groß geworden, dass es Betriebe und Talente aus Europa nach Amerika zieht; denken Sie einmal an Roland Emmerich oder Arnold Schwarzenegger. Wer etwas werden will, geht nach Hollywood, weil er sich dort die meisten Chancen ausrechnet. Sie sehen, dass diese externen Effekte auch ein Grund für die Stärke der amerikanischen Filmindustrie sind; die hohen Chancen, welche diese Metropole bietet, locken natürlich die Besten der Besten an, schwächen damit aber die anderen Filmmetropolen und verbessern gleichzeitig die eigene Attraktivität. Das sind keine schönen Aussichten: Wenn sich diese Effekte verstärken, so wäre eine weitere Konzentration der Sendezentren zu erwarten und damit eventuell eine zunehmende Schwächung der europäischen Filmindustrie. Ganz so schlimm wird es wohl nicht kommen: Zum einen sind auch den externen Effekten gewisse Grenzen gesetzt: Der Grenzertrag der Ballung dürfte abnehmend sein – das zwanzigste Tonstudio bringt irgendwann nur noch wenig Erträge für die Beteiligten. Darüber hinaus hat eine zunehmende Ballung zumeist auch steigende Mieten, Lebenshaltungskosten und Löhne zur Folge, und ab einem bestimmten Zeitpunkt locken die billigen Produktionsstandorte auf der grünen Wiese. Die zunehmende Digitalisierung des Geschäftslebens, die eine gute Kommunikation und Auslieferung ermöglicht, dürfte diesen Trend fördern. Die informellen Kontakte allerdings, die Tuchfühlung zur „Szene“ lassen sich nicht ersetzen. Gäbe es keine natürlichen Grenzen für Ballungseffekte, so gäbe es in Deutschland nur noch eine einzige Großstadt – ein recht unwahrscheinliches Szenario. Ein weiteres Plus für die europäische Filmindustrie ist die kulturelle Nähe zu den Endverbrauchern. So lange es einen Bedarf für spezifisch deutsche Filme gibt,
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wird es auch deutsche Filmproduzenten geben. Oder glauben sie, dass Metro-Goldwyn-Meyer deutsche Heimatfilme herstellen wird oder will? Die deutschen Filmemacher werden sich zunehmend spezialisieren; deutsche Autorenfilme oder Komödien mögen durchaus profitabel sein, aber für ein großes Hollywood-Studio sind sie ganz einfach uninteressant, weil man dort in anderen Dimensionen rechnet. Nichtsdestoweniger – ist die europäische und die deutsche Filmindustrie ein Fall für den Staat? Dieser meint, dass dem so ist und hat 1967 ein Gesetz erlassen – das Gesetz über Maßnahmen zur Förderung des deutschen Films, kurz Filmförderungsgesetz, das zuletzt 2009 überarbeitet wurde (Einzelheiten dazu entnehmen Sie bitte Box€3.11). Box 3.11: Filmförderung4╇ In der Bundesrepublik muss jeder Veranstalter einer entgeltlichen Filmvorführung, dessen Jahresumsatz 75.000€€ übersteigt, vom Umsatz des Kartenverkaufs eine Filmabgabe entrichten. Die Abgabe beträgt je nach Umsatzgröße 1,8, 2,4 oder 3€%. Für die Videowirtschaft liegt sie ab einem Umsatz von 50.000€€ zwischen 1,8 und 2,3€%. Die Abgabe fließt einem Fonds zu, aus dem die Filmförderungsanstalt (FFA, www.ffa.de) Förderungsmaßnahmen finanziert. Gefördert werden so genannte Referenzfilme, die mindestens 150.000 Referenzpunkte erreichen (diese Punkte erwirbt ein Film durch seine Besucherzahlen, Preise und Erfolge bei Filmfestival) sowie Projektfilme, die aufgrund des Drehbuchs oder der Besetzungsliste erwarten lassen, dass sie die Qualität und Wirtschaftlichkeit des deutschen Films verbessern werden (allerdings muss der Hersteller einen Eigenanteil an den Kosten tragen). Förderungen existieren auch für Kurzfilme sowie den Verleih, den Vertrieb und das Abspielen deutscher Filme; auch Drehbücher oder die Modernisierung von Filmtheatern können gefördert werden. Die Mitglieder des Verwaltungsrates der Filmförderungsanstalt, der über Grundsatzfragen der Anstalt entscheidet, werden vom Bundesminister für Wirtschaft berufen, aber überwiegend von den Verbänden des Films benannt. Unter den Mitgliedern befinden sich Bundestagsabgeordnete, Vertreter der Kirchen, der Videowirtschaft, der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und des Verbandes privater Rundfunk und Telekommunikation. 2008 hat die Anstalt rund 72€Mio.€€ eingenommen und 62€Mio.€€ für Fördermaßnahmen ausgegeben. Was wird gefördert? „Die wilden Kerle“ beispielsweise wurden 2008 mit rund 1,4€Mio.€€ gefördert, der „Herr der Ringe“ erhielt immerhin noch 7.300€€ Fördergelder. Über diese wirtschaftliche Filmförderung hinaus gibt es eine dem Bundesinnenministerium zugeordnete kulturelle Filmförderung (beim Beauftragten des Bundes für Kultur und Medien), eine Filmförderung der Bundesländer sowie Filmförderungsmaßnahmen auf der Ebene der Europäischen Union. Die föde4╇ Quellen: Filmförderungsanstalt (2009): Geschäftsbericht 2008; Berlin 2009; Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien (2005): Filmförderungsrichtlinien der BKM vom 13. Juli 2005, Bonn 2005.
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rale Zersplitterung der deutschen Filmförderung wird oft kritisiert: Sie kann zur Folge haben, dass Filmteams quer durch die Republik reisen und in jedem Bundesland drehen, um den verschiedenen Vergaberichtlinien Genüge zu tun. Da werden dann Szenen, die eigentlich in Ost-Berlin spielen, im Ruhrgebiet gedreht, weil dann auch die Filmstiftung Nordrhein-Westfalen zahlt. Die Kritik an der Filmförderung (deren finanzielles Ausmaß entnehmen Sie bitte Abb. 3.3) ist vielfältig: So wird bemängelt, dass diese stark zersplittert ist, anstatt aus einer Hand vergeben zu werden. Das erschwert eine sinnvolle Koordination der Fördermaßnahmen. Kritisiert wird auch, dass Filmschaffende ihre Filme zunehmend an der Förderung orientieren und Filme drehen, deren Finanzierung vorweg gesichert ist. Das ist ja auf den ersten Blick nichts Verwerfliches, doch der Teufel steckt im Detail: Wenn sich die Filmemacher zunehmend an den Kriterien der Filmförderungsgremien orientieren und ihnen zudem das Risiko eines finanziellen Fehlschlages abgenommen wird, besteht die Gefahr, dass nur noch Filme am Markt vorbei produziert werden. Die Folge: Ein Gremienkino ohne Risiko. Das Risiko eines Filmemachers erfüllt nämlich eine wichtige Funktion: Wenn er seinen Film nicht an den Bedürfnissen des Publikums orientiert (zumindest so weit, dass genügend Zuschauer kommen, um die Kosten einzuspielen), steht er am Ende seines Projektes mit leeren Händen – oder noch schlimmer: mit Schulden – da (denken Sie an die unsichtbare Hand des Preismechanismus). Wenn Sie aber bereits zu Beginn des Projektes wissen, dass der Film komplett finanziert ist, können sie sich als Produzent im Zweifelsfall den Luxus leisten, einen Streifen über das Liebesleben des 11,61
nordmedia
14,22
Mitteldeutsche Medienförderung
11,15
Filmförderung Baden-Würtemberg
12,4
Filmförderung Hamburg-Schleswig-Holstein
28,88
Medienboard Berlin-Brandenburg
35,76
Filmstiftung Nordrhein-Westfalen
27,59
Film-Fernsehfonds Bayern
93,1
Filmförderung des Bundes 71,7
Filmförderungsanstalt 0
10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Abb. 3.3↜渀 Filmfördersubventionen in Deutschland 2009 (Haushaltsansätze) in Millionen Euro. (Quelle: Filmförderungsanstalt (2009): Geschäftsbericht 2008; Berlin 2009)
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3 Audiovisuelle Medien
kalifornischen Streifenhörnchens zu drehen – ob das jemanden interessiert, spielt dann keine Rolle, Hauptsache, es hat Spaß gemacht mit den possierlichen Tierchen. Erkennen Sie die Argumentation wieder? Das ist wieder ein schlichter Marktmechanismus, den wir im ersten Kapitel erörtert haben: Um Gewinne zu machen, muss der Produzent sich am Geschmack des Publikums – also der Nachfrage – orientieren; der Gewinn bzw. die Gewinnchancen geben die Nachfrage nach entsprechenden Filminhalten wider. Der erfolgreiche Produzent wird deswegen mit Gewinnen belohnt, weil er den Geschmack des Publikums getroffen hat. Der drohende Verlust verhindert, dass am Geschmack des Publikums vorbeigedreht wird und damit Zeit und Geld verschwendet werden (wenn Zeit und Zelluloid aufgewendet werden und dann niemand das Ergebnis der Arbeit sehen will, dann ist das Verschwendung von Ressourcen). Sie sehen, zur Marktwirtschaft gehört nicht nur die Chance auf Gewinne, sondern auch das Risiko des Verlusts. Wer nicht mit Verlusten rechnen muss, übernimmt auch keine Verantwortung für seine Entscheidungen. Aber halt: Ganz am Geschmack des Publikums kann unser Filmemacher nicht vorbeidrehen, schließlich muss der Film dem Geschmack und den Kriterien der Filmförderungsgremien Genüge tun. Doch sichert dies einen Film entsprechend dem Geschmack des breiten Publikums? Nur wenn die Zusammensetzung der Gremien repräsentativ für den Geschmack des gesamten deutschen Filmpublikums ist. Das dürfte unwahrscheinlich sein; Kritiker reden sogar von „Anmaßung“, wenn ein Gremium sich ein Urteil darüber erlauben wolle, was dem Publikum gefalle – oder noch schlimmer: gefallen solle. Aber das wollen sie ja auch nicht, oder? Schließlich geht es darum, Filme zu fördern, die „Kultur“ darstellen – woran man dies messen soll, bleibt ein Geheimnis. In der Tat ist das nicht ganz unbedenklich: Kulturförderung schön und gut, doch wer entscheidet darüber, was förderungswürdige Kultur ist und was nicht? Was der eine für großartige Kultur hält, bringt den anderen auf die Palme5. So richtig lässt sich die Frage danach, was Kultur ist, nicht objektiv beantworten, was vielleicht nicht weiter schlimm sein mag. Problematisch an der Kulturförderung ist allerdings, dass sie aus einer Zwangsabgabe bezahlt wird, denn dann werden Mittel verwendet, um Projekte zu fördern, die mancher Zahler so nicht will. Auch das ist noch nicht weiter schlimm, schließlich werden mit unseren Steuergeldern eine Menge Dinge finanziert, die nicht unsere Billigung finden; allerdings werden diese Beschlüsse von den von uns gewählten Volksvertretern gefällt. So funktioniert nun mal Demokratie – man kann es nicht allen recht machen. Doch wie steht es mit der demokratischen Legitimation der Gremienmitglieder der Filmförderungsanstalten? Die Frage ist schwer zu beantworten, aber es leuchtet beispielsweise nicht ein, warum der Verwaltungsrat der Filmförderungsanstalt mit Vertretern der Spartenverbände des Films besetzt werden muss. Wo bleibt da der Normalverbraucher? Den Verwaltungsrat mittels direkter Wahlen zu bestücken, wäre unsinnig, ein bisschen weniger Proporz wäre vielleicht auch nicht schlecht, oder? (Und warum sind Kirchenver-
5╇ Ein hübsches Beispiel: Was halten Sie von Helge Schneider? Oder wie stehen Sie zu moderner Zwölfton-Musik?
3.2 Vor- und nachgelagerte Märkte
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Tab. 3.4↜渀 Marktanteile (in Prozent) deutscher Produktionen und Kino-Besucher in Deutschland. Produktionen aus Amerika haben immer noch einen Marktanteil von 64€ %, auch wenn der deutsche Film ein wenig zugelegt hat. Deutsche Produktionen verbuchten 2009 Umsätze in Höhe von 273€ Mio.€ €; amerikanische Filme hingegen sammelten 641€ Mio.€ € ein. (Quelle: Filmförderungsanstalt) Marktanteil in Prozent 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Deutsche Produktionen 24 17 26 20 27 29 US-Produktionen 76 83 65 69 62 64 Sonstige – – 9 11 11 6 Mio. Besuche 157 127 137 125 129 146
treter im Verwaltungsrat, aber keine Vertreter der Sportverbände oder der Lehrer, Bauern, Sekretärinnen, Hobbymusiker oder Gerüstbauer?) So unklar es sein mag, was Kultur ist, so sicher glauben doch viele identifiziert zu haben, was nicht Kultur ist: nämlich die amerikanische (deren Marktanteil in Deutschland entnehmen Sie bitte Tab. 3.4). Das Schlagwort der MacDonaldisierung der europäischen Kultur wird gerne dazu benutzt, um auch nationalen Quotenregelungen beim Fernsehen oder in den Kinos das Wort zu reden. Eine bestimmte Sendezeit müsse den heimischen Produktionen eingeräumt werden, so die Idee. Das sichere den Erhalt der nationalen Kultur. Was ist davon aus ökonomischer Perspektive zu halten? Ökonomen haben eine Vorliebe dafür, die Bürger frei entscheiden zu lassen und ihnen nicht fremde Werturteile und Meinungen vorzuschreiben. Und Ökonomen können Ihnen etwas darüber erzählen, welche Folgen eine Quotenregelung haben könnte. Aus ökonomischer Perspektive ist diese Maßnahme sicherlich effektiv: man kann sofort einen gewünschten Sendeanteil an heimischen Produktionen erreichen. Box 3.12: Eine Quote für deutsche Musik╇ …fordern bekannte deutsche Musiker wie Udo Lindenberg, Nena oder Heinz-Rudolf Kunze. Ihr Vorwurf: Die deutschen Radiosender spielen ihrer Ansicht nach zu viele ausländische Titel und hängen zu sklavisch an den Charts, anstatt es zu riskieren, unbekannte, deutsche Talente ins Programm zu hieven. Deswegen solle jeder Sender eine Mindestquote an deutschen Titeln spielen. Diese Forderung – einmal abgesehen von ihrer wenig weltoffenen Haltung – ist in mehrerer Hinsicht problematisch: Sollen nur deutsche Lieder oder auch deutsche Interpreten gefördert werden? Im ersteren Fall wäre beispielsweise im Radio kein Platz für die Scorpions, weil diese auf englisch singen, in der Vergangenheit aber eine der erfolgreichsten deutschen Gruppen waren. Im zweiten Fall müsste man darüber verhandeln, ab wann denn eine deutsche Band als „deutsch“ gilt – ist ein Ausländer an Bord schon zu viel? Oder zwei? Müssen die in Deutschland wohnen? In Deutschland geboren sein? Muss das Stück von einem Deutschen geschrieben sein? Dann muss man die Ausweichreaktionen der Sender berücksichtigen: Wenn deutsche Musik bei den Hörern nicht gewünscht ist, werden die Sender ihre Quote Nachts zwischen drei und fünf erfüllen – das kann nicht im Sinne des Erfinders sein. Und dabei haben wir noch nicht vom
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kulturellen Werturteil gesprochen, das hinter dieser Quote steckt: Ein Sender, der De Randfichten, Heino oder Gottlieb Wendehals spielt, erfüllt die Deutsch-Quote ebenso wie der Sender, der den ganzen Tag Scooter, Marusha und Blümchen spielt. Und wenn wir ehrlich sind, sind es nicht vorwiegend diese Spielarten der deutschen Musik, an welche die meisten Verfechter der Quote gedacht haben. Da liegt schon der Verdacht nahe, dass sie eher an andere Titel gedacht haben – gerne aus der eigenen Feder. Doch effizient ist diese Maßnahme aus mehreren Gründen nicht: Zum einen bewirkt eine Sendegarantie ähnliches wie die Gewinngarantie durch die Filmförderung. Da der Produzent nun sicher sein kann, dass seine Produktion gesendet wird, muss er nur noch bedingt Rücksicht auf die Interessen des Publikums nehmen (jetzt hängt es von seiner Eitelkeit ab: Will er, dass sein Film von vielen Menschen gesehen wird?). Aus marktwirtschaftlicher Perspektive nicht sehr günstig. Und weiter: Wer zahlt das? Sollen die Sender die Fernsehproduzenten dafür bezahlen, dass sie Filme drehen, die der Sender nur aufgrund der Quote senden muss, auf die er aus wirtschaftlichen Gründen lieber verzichten würde? Das Quotenmodell funktioniert nur, wenn der Wettbewerb zwischen den heimischen Produzenten funktioniert. Je größer dieser Wettbewerb ist, umso geringer werden diese Probleme. Doch wo immer Wettbewerb reduziert wird – genau dies ist ja bei der Quotenregelung der Fall – kommt es zu Ineffizienzen, weil der Konkurrenzdruck nachlässt. Der Schutz vor der amerikanischen Konkurrenz lindert den Druck auf die heimischen Produzenten, sich dem Geschmack des Publikums anpassen zu müssen. Was werden Sie als Besitzer eines Fernsehsenders machen, wenn sie eine Quote mit Filmen senden müssen, die keine Einschaltquoten bringen? Das nennt man Ausweichreaktionen. Die legale Variante: Sie senden die Quotenfilme nachts zwischen 2 und 5, da kostet das am wenigsten Zuschauer. Die Folge: Ein staatlicher Erlass, der auch die Sendezeiten vorschreibt. Spätestens hier wird doch aber erheblich in die Rundfunkfreiheit eingegriffen, oder? (Und was werden Sie als Zuschauer machen? Klar: amerikanische Filme, die nachts laufen, auf Video aufnehmen und zur prime time ansehen. Will man dann ein Video-Verbot erlassen oder die Leute auf anderem Weg zum Anschauen der eigenen Filme zu zwingen?) Dann gibt es noch die illegale Variante, bei der Sie die Quote ignorieren oder unterwandern, indem Sie Filme senden, die Sie als heimisch deklarieren, weil ein deutscher Schäferhund mitspielt. Auf diese Idee werden auch die ausländischen Filmproduzenten kommen: Man stellt einen deutschen Tontechniker an, gründet formell einen Firmensitz in Deutschland, dreht den Film auswärts und deklariert das Ganze als heimische Produktion. Zuletzt haben Hollywood-Studios eine ähnliche Strategie genutzt: Sie haben deutsche Schauspieler engagiert, um damit deutsche Anleger zu ködern, die ihr Geld in steuerbegünstigten Filmfonds angelegt haben. Das Geld gelangte nach Hollywood unter dem Namen „silly german money“ – albernes deutsche Geld. Viele dieser Euros haben nie wieder den Weg zurück zu ihren deutschen Eigentümern gefunden.
3.2 Vor- und nachgelagerte Märkte
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Die Folge: Der Gesetzgeber muss präzisieren, was ein deutscher Film wirklich ist – vor dem geistigen Auge des Betrachters entstehen groteske Erlasse und Gesetze und ein gigantischer Behördenapparat zur Überwachung der Einhaltung und Interpretation dieser Gesetze. Das alles ist ein sehr anschauliches Beispiel für das, was Ökonomen als Ölflecktheorie bezeichnen: Der Staat interveniert, um bestimmte Ziele zu erreichen, die Bürger antworten mit Ausweichreaktionen. Um die gewünschten Ziele dennoch zu erreichen, folgen weitere Interventionen des Staates, um diese Ausweichreaktionen zu unterbinden; die Folge: weitere Ausweichreaktionen. Dass dieses Spielchen nicht sehr wirtschaftlich ist, ist einleuchtend. Alles in allem sind das keine verlockenden Aussichten. Wer deutsche Filme fördern will, sollte statt zur Förderung mit der Gießkanne – nichts anderes stellt eine Quote dar – zu einer gezielten Objektförderung greifen, bei der man den einzelnen Film fördert. Über die Vergabekriterien kann ein Ökonom nichts sagen, das ist Geschmackssache. Aber eines haben wir aus diesem Abschnitt gelernt: Die Förderung sollte nicht dazu führen, dass man die Produzenten vollständig aus der finanziellen Verantwortung entlässt, um sicherzustellen, dass der Film nicht komplett am Geschmack des Publikums vorbeiproduziert wird (die ökonomischen Folgen der Filmförderung zeigt Abb. 3.4).
Nachfragefunktion der Zuschauer
Angebotsfunktion vor Filmförderung
Preis
PE PW Angebotsfunktion mit Filmförderung
PZ
ZW
ZZ
Zuschauer
Abb. 3.4↜渀 Wirkung der Filmförderung. In der Ausgangslage kommen ZW Zuschauer in die Kinos und zahlen einen Preis von Pw. Die Subvention verschiebt die Angebotsfunktion nach rechts: In jedem Punkt kann der Produzent den Film billiger anbieten, die Differenz zum alten Preis zahlt der Staat mit der Subvention. Jetzt kommen ZZ Zuschauer, da der Preis wegen der Subvention auf PZ gesunken ist. Doch das kostet etwas: Der tatsächliche Preis, den die Produzenten für die Menge ZZ verlangen würden, ist PE. Die Differenz zwischen diesem Preis und dem Preis, der an der Kinokasse gezahlt wird (PZ), zahlt der Staat. Die Gesamtkosten der Subvention, die Differenz zwischen den beiden Preisen (PEâ•›−â•›PZ), multipliziert mit der Anzahl der Zuschauer ZZ, stellt das graue Rechteck dar. Das Ergebnis: Ein Film, der in der Herstellung PE kostet, ist den Zuschauern nur PZ wert. Und wenn etwas in der Herstellung mehr kostet als es den Konsumenten wert ist, dann ist das Verschwendung
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Was sagt also der Ökonom abschließend zur Frage nach Filmsubventionen? Aus ökonomischer Perspektive lässt sich festhalten, dass es bestimmte ökonomische Besonderheiten in der Filmbranche gibt, die sie von anderen, herkömmlichen Branchen unterscheiden. Doch rechtfertigt dies einen staatlichen Eingriff in Form einer Filmförderung, die ökonomisch betrachtet eine Subvention darstellt? Dagegen gibt es einige Argumente. Zum einen gibt es regionale externe Effekte, wie sie oben beschrieben sind, auch in vielen anderen Branchen, ohne dass diese subventioniert würden. Ein Paradebeispiel dafür ist die Modebranche, die sich nur auf wenige Metropolen der Welt konzentriert. Prüfen Sie bitte, inwieweit die obige Argumentation auf diese Branche zutrifft – Sie müssen keine Abstriche machen. Probleme kann regionale Ballung von Industrien aufwerfen, wenn sie dazu führt, dass Randgebiete aufgrund der Tendenz zur Ballung wirtschaftlich austrocknen und dadurch entvölkert werden. Das kann dazu führen, dass die Versorgung der Zurückgebliebenen nicht mehr zu adäquaten Kosten aufrecht erhalten werden kann; es kommt zu hohen Einkommensdifferenzen zwischen den Kernregionen und den Randgebieten, die auch politische Spannungen mit sich bringen können. Denken Sie einmal an den Zwist zwischen Nord- und Süditalien. Diese Probleme lassen sich allerdings besser mit Regionalpolitik, also der Förderung der schwachen Regionen, erreichen und nicht über eine Förderung der Filmindustrie. Macht Filmförderung Sinn, um einen sozusagen natürlichen Wettbewerbsnachteil, nämlich den kleineren Markt, auszugleichen? Nicht unbedingt: Zum einen gibt es auf allen Märkten solche natürlichen Wettbewerbsvor- und -nachteile, ohne dass der Staat dort eingreift. Mit diesem Argument lässt sich so ziemlich jede Subvention begründen, wenn man will. Denken Sie einmal an die natürlichen Wettbewerbsvorteile der Südamerikaner in der Bananenherstellung. Damit sind wir bei einem wichtigen Thema: Spezialisierung. Wer auf die Schriften von David Ricardo, einem bekannten englischen Ökonom, zurückgreift, lernt rasch, dass zwischenstaatliche Spezialisierung wohlstandsfördernd ist. Das macht Handel aus: Wir produzieren Maschinen und tauschen sie im Ausland gegen Bananen. M.€a.€W.: Wir spezialisieren uns auf Maschinen, weil wir dort Wettbewerbsvorteile haben, und die Südamerikaner spezialisieren sich auf Bananen. Und das Ganze nennt man dann – Außenhandel. Wäre es nicht unsinnig für uns, Bananen anzubauen? Genauso unsinnig wäre im Grunde genommen der Versuch, Action-Filme in amerikanischer Manier mit dem entsprechenden Aufwand herzustellen. Es gibt andere, die das besser und billiger können, und warum sollten wir davon nicht profitieren? Das führt uns zum zweiten Argument: Können wir europäische Produktionen wirklich mit amerikanischen Filmen vergleichen? Die Kreuzpreiselastizität zwischen diesen Filmen dürfte nicht so hoch sein, als dass europäische Filme komplett von amerikanischen verdrängt werden könnten (Wer Ingmar Bergmann-Filme schätzt, wird auf Rocky III sicherlich leichten Herzens verzichten können). Dazu sind vermutlich die kulturellen Unterschiede, die sich auch in den Filmen widerspiegeln, zu hoch. Europäische Filme besetzen sozusagen eine Marktnische, in der sie erfolgreich agieren können und welche die Amerikaner nicht so rasch besetzen können und wollen.
3.2 Vor- und nachgelagerte Märkte
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Was als Argument bleibt, ist die Forderung, den europäischen Film zu fördern, weil man dies als Beitrag zur Förderung der europäischen Kultur verstanden wissen will. Den Problemen bei dieser Argumentation werden wir noch öfter begegnen: Wer definiert, wie viel Förderung für welchen Film nötig ist? Und wer definiert einen kulturell wichtigen Film, der gefördert werden muss? Können das die gewählten Staatsoberhäupter wirklich entscheiden? Das sind Fragen, die Ökonomen nicht beantworten können, und es ist nicht sicher, ob überhaupt irgendjemand diese Fragen endgültig und „richtig“ beantworten kann. Diese Diskussion wird uns noch einmal in einem späteren Abschnitt beschäftigen. Genug der Filmförderung, Zeit sich noch einem anderen interessanten Phänomen der Filmindustrie zuzuwenden: den Stars.
3.2.3 Die Stars Wenn ich wollte, könnte ich auch ein Schnitzel spielen. (Robert de Niro)
Was ist ein Star? Eine Definition eines Stars ist sehr anschaulich: Einer Anekdote zufolge soll ein Filmproduzent einmal über einen seiner Stars gesagt haben: „Er könnte auch das Telefonbuch vorlesen, und das wäre ein Kassenschlager“. Das ist treffend. Doch warum würde das verfilmte Telefonbuch ein Kassenschlager? Am Drehbuch kann es in diesem Fall nicht liegen. Ist der Schauspieler so gut oder gibt es noch andere Gründe? Ja, es gibt noch andere Gründe, und diese hängen mit einer besonderen Eigenschaft von Filmen als Konsumgut zusammen. Wenn Sie eine Hose oder eine Uhr kaufen, so kennen Sie das Produkt vor dem Verkauf, da sie es an- oder ausprobiert haben. Wenn Sie ein Auto kaufen, so fahren Sie es vorher zur Probe. Wenn Sie Lebensmittel einkaufen, so probieren Sie diese zwar nicht, Sie wissen aber ungefähr, wie eine Wurst auszusehen hat und wie sie schmecken soll. Schmeckt Ihnen die Wurst nicht, so kaufen Sie beim nächsten Mal eine andere Sorte. Vergleichen Sie diese Handlungsweisen einmal mit dem Konsum eines Kinofilms, und Sie werden sehen, dass Sie ins Schwimmen kommen. Wer in einen Kinofilm geht, weiß nur in Ansätzen, was ihn erwartet. Er kennt den ungefähren Handlungsrahmen, ein paar Vorab-Bilder, aber nicht das komplette Produkt. Das kennt er erst, wenn er bezahlt und den Film gesehen, also konsumiert hat. Aber dann ist das Geld weg. Auch der Vergleich mit der Wurst hinkt: Wenn Sie den Film gesehen haben, und Sie sind enttäuscht, so werden Sie wohl kaum sagen: „Das nächste Mal gehe ich in einen anderen Waterworld-Film“. Das geht nicht: Es gibt nur den einen Film, der Waterworld heißt, und Sie haben ihn bereits gesehen. Das Geld ist weg, und Ihre Hoffnungen auf einen unterhaltsamen Abend haben sich vielleicht nicht erfüllt. Das ist also das Problem: Sie kaufen ein Gut, ohne es vorher zu kennen. Ökonomen nennen solche Güter experience goods, also Güter, die man erfahren muss. Woher wollen Sie also wissen, dass Ihnen der Film gefällt? Zum einen orientieren Sie sich natürlich an der Werbung und an der Sparte des Films (Action, Komödie,
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Drama). Aber selbst das reicht noch nicht aus, schließlich gibt es Hunderte von Actionfilmen und Komödien, und Werbung hat immer etwas sehr Subjektives. Woran orientieren Sie sich noch: Klar, an den Meinungen und Urteilen der Freunde und Kollegen, aber die haben nicht exakt den gleichen Geschmack wie Sie. Also bleibt Ihnen noch eine andere Möglichkeit: Sie gehen nicht in Waterworld, sondern in den neuen Kevin-Kostner-Film, und der heißt nun einmal Waterworld. Und warum in den Kevin-Kostner-Film? Ganz einfach: Sie haben die letzten Filme mit Herrn Kostner gesehen und waren begeistert. Aus diesem Grunde gehen Sie davon aus, dass auch der neue Film mit ihm Ihnen gefallen wird. Das ist es, was einen Star ausmacht: Ein Star ist ein Versprechen auf einen guten Film. Ein Film mit einem Star, den Sie mögen, der Ihnen gefällt und dessen Filme Sie bisher gemocht haben, verspricht Ihnen aus Erfahrung Unterhaltung auch in seinem neuen Film. Mit Hilfe des Stars versuchen Sie zumindest teilweise das Problem zu lösen, dass Sie ein Gut im Voraus bezahlen, das Sie nicht kennen. Sie kennen nun mal nicht den Film, aber den Hauptdarsteller, ein wesentliches Element des Films. Der Star ist das Lockmittel für die Zuschauer. Das erklärt auch, warum Stars so hohe Gagen fordern können: Sie sind für die Produktionsfirmen Garanten für hohe Besucherzahlen und damit ordentliche Gewinne. Zudem besitzt Herr Kostner ein natürliches Monopol: Nur er kann Kevin Kostner spielen, und ein Produzent, der, von den letzten Film(Kassen-)erfolgen von Herrn Kostner beeindruckt, einen Kassenknüller drehen will, kann nur Kevin Kostner engagieren. Das ermöglicht es Herrn Kostner, einen hohen Anteil der Filmgewinne für sich zu vereinnahmen – er hat eine exzellente Verhandlungsposition, die zudem dadurch gestärkt wird, dass es nur ein begrenztes Angebot an Stars gibt, die dem gleichen Genre zuzuordnen sind und die gleiche Eignung für einen gegebenen Filmstoff aufweisen. Damit sind mit dem Image des Stars auch die Erwartungen auf einen bestimmten Filminhalt verbunden, der dann das entsprechende Publikum anzieht. Stars stehen also für ein bestimmtes Filmformat und eine gewisse Qualität der Filme, und sollen das entsprechende Publikum ins Kino locken. Das erklärt, warum das Publikum oft enttäuscht ist, wenn ein Star sein Genre wechselt – wer in einen Sylvester-Stallone-Film geht, erwartet Action und Muskeln und nicht den fettleibigen Polizisten, den er in „Copland“ gibt. Die Marke Stallone steht für bestimmte Inhalte und zieht damit auch ein entsprechendes Publikum an. Ein Ausbruch der Marke aus einer ihr zugedachten Rolle wird nicht immer vom Publikum belohnt, da in den Darsteller gesetzte Erwartungen enttäuscht werden. Diese Argumentation erklärt auch das Phänomen der Fortsetzungen: War der Erfolg eines Filmes groß, so setzt man auf die Fortsetzung und zehrt von dem Ruhm und der Qualität des ersten Filmes – wenn man sich für „Waynes World“ begeistert hat, so lässt das hoffen, dass auch der zweite Teil ähnlich und damit auch entsprechend gut ist. Eine Fortsetzung ist nichts anderes als der Rückgriff auf bereits erfolgreich getestete Formate und Ideen – mit wechselhaftem Erfolg. Die Filmindustrie hat außer den Stars auch noch andere Werbemethoden, die den Kunden zeigen sollen, dass es sich um einen guten Film handelt. Man wirbt mit hohen Etats, die anzeigen sollen, dass es sich um einen aufwendigen Film handelt.
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Damit verspricht der Produzent nicht nur Qualität, sondern verbürgt sich quasi dafür: Wenn ein sehr teurer Film gedreht wird, geht der Produzent ein hohes Risiko ein, wenn er am Publikumsgeschmack vorbei produziert. Daher ist das Versprechen eines guten Films (in gewissen Grenzen) glaubhaft, da der drohende wirtschaftliche Verlust real ist. Der hohe Aufwand signalisiert dem Zuschauer, dass sich hier jemand richtig Mühe gegeben hat. Natürlich heißt das nicht, dass teure Filme nicht schlecht oder Flops sein können (denken Sie einmal an „Heavens Gate“). Eine weitere Strategie, Qualität zu signalisieren, besteht darin, auf Filmpreise („nominiert für acht Oscars“) und hohe bereits erreichte Besucherzahlen zu verweisen. Beide sollen signalisieren, dass es offenbar eine ganze Reihe (auch fachkundiger) Personen gibt, die den Film für gut halten. Und je mehr Leute den Film gut finden, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass man selbst den Film mögen wird. Was Sie hier kennengelernt haben, wird in der Ökonomie unter der Bezeichnung signalling behandelt. Der potenzielle Kunde ist nicht ausreichend über die Qualität eines Gutes, das er kaufen will, informiert; der Verkäufer besitzt einen Informationsvorsprung, denn er kennt die Qualität seines Produktes. Für den Verkäufer stellt sich damit ein Problem: Wie kann er den potenziellen Kunden klarmachen, dass sein Produkt qualitativ hochwertig ist und sich so von den Billig-Anbietern absetzen? Er muss also Signale aussenden, welche die Kunden davon überzeugen, dass es sich um ein qualitativ hochwertiges Produkt handelt. Und dazu dient die Werbung mit Stars als Qualitätsgaranten sowie die Werbung mit Besucherzahlen und Filmpreisen, und nicht zuletzt die Investition großer Summen in die Produktion des Filmes. Gelingt es den Anbietern der „guten“ Filme nicht, sich von den Anbietern der „schlechten“ Filme abzusetzen, dann passiert folgendes: Die Kunden können nicht zwischen guten und schlechten Filmen unterscheiden, und werden deswegen nur noch bereit sein, den Preis für einen „durchschnittlich“ guten Film zu bezahlen, der Aufwand für einen „guten“ Film (falls der überhaupt mit einem höheren Aufwand verbunden sein muss) lohnt sich dann nicht. Die Folge: Mittelmaß wird den Filmmarkt dominieren, da die „guten“ Filme nicht in der Lage sind, den Preis zu erzielen, den man nehmen muss, um sie wirtschaftlich rentabel zu machen. Sie sehen, Stars und Filmpreise erfüllen eine wichtige ökonomische Funktion, da sie den Filmproduzenten eine Möglichkeit bieten, sich von den Produzenten schlechter Filme abzusetzen. Die Theorie des signalling lässt sich auch auf andere Produkte der Unterhaltungsindustrie anwenden: Man kauft die neue Phil Collins-CD, weil einem auch die vorherigen CDs von ihm gut gefallen haben. Für den einzelnen Konsumenten wäre es viel zu aufwendig, sich durch die vielen Neuproduktionen durchzuhören, statt dessen greift man – zumindest teilweise – auf bewährte Interpreten zurück. Ähnliches gilt für Videos und Bücher. Man kennt ihre Inhalte nicht, braucht also andere Anhaltspunkte zur Beurteilung ihrer Qualität. Sie sehen jetzt, welche wichtige Rolle Bestseller-Listen spielen. Weniger gelten diese Argumente für Zeitungen oder Zeitschriften, da man ja seine Kaufentscheidung täglich oder wöchentlich wiederholt und somit revidieren kann. Allerdings müssen auch Zeitungen oder Zeitschriften Reputation aufbauen, um zu signalisieren, dass ihre Informationen gut recherchiert und verlässlich sind.
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3.2.4 Kino, Videos und DVDs Weltweit werden etwa 700 Filme pro Jahr produziert, aber nicht alle erreichen die Kinos, viele werden direkt für das Fernsehen oder das Videogeschäft hergestellt. Ein durchschnittlicher Kinofilm flimmert je nach Erfolg zwischen ein paar Wochen und mehreren Monaten über die Leinwand. Die Einnahmen aus dem Kinogeschäft können je nach Kassenerfolg bis zu 25€% der Gesamteinnahmen aus der Vermarktung des Films ausmachen (die anderen Einnahmequellen lernen wir gleich im nächsten Abschnitt kennen). Die Firmen, welche die Filme vertreiben, erhalten im Durchschnitt etwa 50€% der Kasseneinnahmen; die Produktionsfirma erhält von diesen Einnahmen in der Regel eine vorab vereinbarte Pauschale (flat fee), doch mittlerweile setzen sich auch immer mehr zusätzliche Zahlungen in Abhängigkeit von der Besucherzahl durch. Tabelle€3.5 zeigt die Entwicklung des Kinomarktes in Deutschland. In der KinoBranche spielt sich ein Wandel ab: War das Kino vor dem Aufkommen des Fernsehens und der Videotheken ein Ort, an dem man sich Filme ansehen konnte, so wurde diese Funktion durch das Aufkommen neuer Möglichkeiten, Filme zu sehen, für Kinos immer unwichtiger. Doch das Fernsehen hat zumindest bisher das Kino nicht verdrängt, wie es vielerorts befürchtet wurde. Das Kino hat seine Rolle gewechselt. War ein Kino früher ein Ort, an dem man sich einfach einen Film anschaute, so reicht dies angesichts der Konkurrenz durch Fernsehen und Videotheken nun nicht mehr aus. Aus diesem Grund haben Kinobetreiber ihre Angebotspalette ausgeweitet; zusätzlich zum Film versucht man den Kunden nunmehr ein Ausgehgefühl zu vermitteln. Das Angebot an Filmen innerhalb eines Kinos ist aufgrund der höheren Anzahl der Leinwände größer, zudem werden noch Getränke, Popcorn und ähnliches angeboten, und oft gibt es noch im Kino eine Art Bar und bisweilen sogar ein Restaurant, die vor und nach dem Film zur Geselligkeit einladen sollen. Durch den Ausbau der Kinos und die erweiterte Servicepalette erreicht man, dass man über das Gut Film hinaus noch ein Ambiente bietet, mit dessen Hilfe sich der Kinobesuch von anderen Formen des Filmkonsums deutlich unterscheidet. Große Leinwände und aufwendige Tonsysteme machen das Kino zusätzlich attraktiv gegenüber der
Tab. 3.5↜渀 Der deutsche Kinomarkt: Leinwände, Sitzplätze und Multiplex-Kinos. Bemerkenswert ist der Anteil der Multiplex-Kinos: Sie stellen rund 27€% der Leinwände, haben aber 47€% der Gesamtbesuche und fast 50€% der Gesamtumsätze. (Quelle: Medienbericht der Bundesregierung 2008, S.€164) 2000 2005 2007 1997 Leinwände 4.284 4.783 4.889 4.832 Sitzplätze in 1000 797 874 859 837 Multiplex-Kinos Anzahl Spielstätten – – 144 144 Anteil an Leinwänden in % 11,8 24,3 26,7 – Anteil an Gesamtbesuchen in % 22,5 40,4 46,9 47,2 Anteil am Gesamtumsatz in % 2,5 44,2 50 49,5
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Flimmerkiste (schauen Sie sich doch einmal den „Krieg der Sterne“ auf einem tragbaren Fernsehgerät an, dann verstehen Sie das Argument). Natürlich spielen auch noch andere Faktoren eine Rolle bei der Entwicklung zum Großkino, vor allem wieder einmal sinkende Durchschnittskosten. Wenn ein Filmverleih eine Kopie an ein Kino gibt, so profitiert er von den Besucherzahlen des betreffenden Kinos. Und hohe Besucherzahlen lassen sich vor allem in Großkinos erzielen, so dass die attraktivsten neuen Filme auch tendenziell früher an diese Kinos vergeben werden. Das kleine Dorfkino erscheint aufgrund seiner geringen Besucherzahlen wenig attraktiv, um aktuelle Filme dort zuerst zu zeigen. Wenn Sie gut aufgepasst haben, wird Sie eines an dieser Argumentation irritieren: Angesichts der hohen Produktionskosten erscheinen die Kosten für die Erstellung einer weiteren Filmkopie doch relativ gering, warum also nicht alle Kinos gleichzeitig mit den Kopien versorgen? Angesichts der fast 2000 Kinos, die es in Deutschland gibt, dürften die Kosten für einen Vertrieb an alle diese Kinos ins Gewicht fallen; Kopien müssen erstellt und vertrieben sowie Abrechnungen gemacht und kontrolliert werden. Möglicherweise spielt noch ein anderer Faktor eine Rolle: Wenn es nur wenige Kopien des Filmes gibt, lassen sich unter Umständen günstigere Konditionen für den Filmverleiher erzielen, weil nämlich mehr Kinos um das Recht konkurrieren, diesen Film zuerst zeigen zu dürfen. Könnten ihn alle Kinos sofort und zugleich haben, dann würde dies sicherlich die Verhandlungsposition des Verleihers schwächen. Indem der Verleiher sozusagen eine künstliche Knappheit an Filmkopien erzeugt, kann er die Preise für den Verleih in die Höhe treiben. Der Filmverleiher ist streng genommen ein Monopolist; er alleine hat das Recht, den betreffenden Film zu vertreiben, was ihm ermöglicht, mit der Höhe seiner Produktion (der verliehenen Kopien) auch den Preis seines Gutes zu beeinflussen. Der höhere Preis ist ein Aktualitätsbonus: Einige Kinos bekommen das Recht, den neuesten Film zuerst zeigen zu dürfen und damit aktueller als andere Kinos zu sein. Und für dieses Recht sind sie bereit, zu bezahlen. Hier geht es um eine interessante Eigenschaft von Filmen, die ebenfalls mit dafür verantwortlich sein dürfte, warum Kinos trotz der verschärften Konkurrenz noch nicht ausgestorben sind. Offenbar sind Filme für das Kinopublikum umso interessanter, je aktueller sie sind. Wie will man sonst erklären, dass Menschen ins Kino gehen, viel Geld zahlen, um einen neuen Film zu sehen, obwohl sie wissen, dass dieser Film in etwa 18 Monaten kostenlos (genaugenommen stimmt das nicht, das werden wir noch in den Ausführungen zur Finanzierung des Fernsehens sehen) im Fernsehen zu sehen ist? Natürlich spielen die oben bereits erwähnten Faktoren wie Großleinwand, guter Sound und das umgebende Ambiente dabei ein Rolle, doch wie viele Menschen gehen ins Kino, um sich einen bereits 10 Jahre alten Film anzusehen (abgesehen vom Programmkino, in dem „Klassiker“ gezeigt werden – hier steht der Erlebnisabend im Vordergrund)? Hier kommt eine besondere Eigenschaft des Menschen ins Spiel, die sogenannte Gegenwartsvorliebe, die man umgangssprachlich auch als Neugier bezeichnen könnte: Menschen haben eine höhere Vorliebe (vornehmer gesagt: Präferenz) für gegenwärtigen als für zukünftigen Konsum. Das hängt sicherlich damit zusammen,
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dass der zukünftige Konsum immer mit erheblicher Unsicherheit behaftet ist: Man weiß nicht, ob die Möglichkeit, die sich in der Gegenwart bietet, auch in der Zukunft existiert. Diese Überlegungen erklären zumindest teilweise, warum Menschen für Kredite Zinsen verlangen: Die Zinsen sind die Entschädigung für das Warten auf den späteren Konsum und für das Risiko, dass der Kreditnehmer den Kredit nicht zurückzahlt (natürlich steckt in den Zinsen auch die erwartete zukünftige Inflation). Diese Gegenwartsvorliebe trägt bei zu erklären, warum Menschen einen neuen Kinofilm gleich sehen wollen, anstatt darauf zu warten, dass er im Fernsehen gezeigt wird. Ein anderer Grund für diese Verhalten mag sicherlich sein, dass man „in“ sein will: Wer den neuen Film mit Leonardo Di Caprio gesehen hat, kann im Freundesund Bekanntenkreis mitreden, man hat einen weiteren gemeinsamen Bezugspunkt und ist hip. Box 3.13: Warum Edison kein Kino mochte╇ Bereits 1889 experimentierte Thomas Edison mit dem von George Eastman entwickelten Rollfilm, und zwei Jahre später ließ er sich ein Kinetoskop patentieren, bei dem man sich durch ein kleines Sichtfenster einen Film anschauen konnte. Aus seinen Erfahrungen mit dem Phonographen (vergleichen Sie bitte Box€3.2) glaubte Edison gelernt zu haben: Ab 1894 stellte er Münzautomaten auf, an denen man sich gegen Geld einen Film anschauen konnte. Dem Wunsch von Kinetoskop-Betreibern, den Film auf einer Leinwand zu zeigen, widersetzte er sich, er war der Ansicht, dass er wohl ein besseres Geschäft mache, wenn er viele „Guckkasten-Apparate“ verkaufe anstatt weniger Projektoren. Ein Irrtum des genialen Erfinders. Der Erfolg des Kinos beruht auch auf den Gebrüdern Lumière, die sich 1895 den Kinematographen patentieren ließen, aber erst 10 Monate später die erste Vorführung starteten. In der Zwischenzeit hatten sie Vorführer ausgebildet und rund 100 Filme gedreht – ein immenser Wettbewerbsvorsprung bei einem neuen Medium, konnte man doch mit einem umfangreichen Filmfundus an den Start gehen. Anfangs verkauften die französischen Filmproduzenten ihre Produktionen an Kirmesbudenbesitzer. Das hatte den Nachteil, dass der Produzent nicht am Erfolg eines Filmes partizipierte, zudem erfuhr er nichts über das Schicksal seines Films; die Kopie wurde oft weiterverkauft. Die Lösung für dieses Problem war ein Filmverleihsystem: Der Film wurde an die Kinobetreiber verliehen, die Produzenten partizipierten am Erfolg ihres Filmes über einen Anteil an den Einnahmen. Auch Edison profitierte vom Kino: Jeder Produzent und Kinobetreiber verpflichtete sich, ihm als Inhaber wichtiger Patente eine Lizenzgebühr zu zahlen. Das Ambiente, das man mit einem Kinobesuch verbindet sowie die Gegenwartspräferenz der Kinobesucher erklären, warum das Kino mit dem Aufkommen des Fernsehens und der Videofilme nicht ausgestorben ist (vgl. Abb. 3.5). Das Fernsehen hat gegenüber dem Kino den Vorteil, dass man nicht aus dem Haus muss, also etwas bequemer Filme konsumieren kann (allerdings ist dieser Vorteil in Zeiten
3.2 Vor- und nachgelagerte Märkte Abb. 3.5↜渀 Der Markt für Kino, Video und Filmverleih im Vergleich; Umsätze in Mio. Euro. (Quelle: Medienbericht der Bundesregierung 2008, S. 164)
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2000 1800 1600
Filmverleiher Kinos Videoanbieter
1400 1200 1000 800 600 400 200 0 1998 1999 2000
2001 2002 2003 2004 2005 2006
des Internet fast obsolet). Videofilme wiederum haben gegenüber dem Fernsehen den Vorteil einer höheren Zeitsouveränität: Der Ausleiher einer Videocassette kann selbst entscheiden, wann er welchen Film sehen will, während er beim Fernsehen an das starre Korsett des Sendeplans gebunden ist. Das Fernsehen wiederum hat gegenüber der Videocassette den Vorteil, dass es vor allem bei Nachrichten und Sportereignissen in Sachen Aktualität (fast) unschlagbar ist. Zudem bietet es eine Vielfalt von Sendeformen und -formaten und gibt dem Zuschauer die Option, aus einem großen Angebot auszuwählen. Steht der Fernseher erst einmal in der Wohnung, so sieht man sich auch die gesendeten Filme an. Wenn man Rundfunkgebühren für den Fernseher zahlt, erreicht man eine Art private Fixkostendegression: Je mehr Fernsehfilme man sieht, umso geringer wird der Minutenpreis, den man zahlen muss. Das ist wie bei Unternehmen mit hohen Fixkosten: Die Rundfunkgebühr entrichten Sie unabhängig von der Zeit, die Sie vor dem Fernseher verbringen. Wenn Sie das Gerät gar nicht nutzen, sollten Sie es abmelden. Wenn es aber den ganzen Tag läuft, erscheinen die paar Euro im Monat nicht viel Geld, oder? Sie sehen, jedes der drei Medien hat seine Vorteile und damit eine Existenzberechtigung: Kinos versorgen die Kunden mit aktuellen Filmen und einem Ausgehambiente, Fernsehen sorgt für Aktualität und Programmvielfalt, und Videocassetten ermöglichen einen zeitsouveränen Filmkonsum. Insofern scheint eine Koexistenz der drei Medien möglich. Ob sich aber der Medienkonsum der Menschen durch die Existenz verschiedener Möglichkeiten erhöht, ist ungewiss. Der Tag hat nur 24€Stunden, und das Zeitbudget eines Menschen lässt nur eine mehr oder weniger feste Stundenzahl für Freizeitaktivitäten frei. Wenn also der Fernseh-, Kinooder Videokonsum zunehmen soll, dann kann er das nur auf Kosten anderer Freizeitaktivitäten. Es wird daher auch in Zukunft ein starker Wettbewerb zwischen Kino, Fernsehen und Videotheken herrschen; dass eines der drei Medien vollständig verdrängt wird, zeichnet sich aufgrund der oben dargelegten Argumente zumindest vorläufig nicht ab. Möglicherweise werden sich aber die Techniken ändern; so könnten die Videos eines Tages durch Video-on-demand, also die individuelle Bestellung von Videos
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Tab. 3.6↜渀 Kauf und Verleih von Videos, DVDs und Blu-Ray 2000 bis 2008; Umsätze in Millionen Euro. Man sieht sehr schön, wie schnell die DVD dabei ist, das Video als Trägermedium abzulösen; Bluy-Ray/HD-DVD steht aber schon als Ablöse für die DVD bereit. (Quelle: Oliver Turecek; Helmut Bämer; Gunnar Roters: Videomarkt und Videonutzung 2008, in: Media Perspektiven 5/2009; S.€248) 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2000 Verleih VHS 341 316 218 90 34 5 1 – DVD 41 141 212 273 315 283 273 259 Blu-Ray 1 5 Verkauf VHS DVD Blu-Ray
423 170
383 407
328 713
200 1.053
117 1.323
45 1.322
12 1.295
4 1.313 14
1 1.242 48
über das digitale Fernsehen oder das Internet oder durch DVDs (digital versatile discs), abgelöst werden. DVDs beispielsweise bieten dem Zuschauer nicht nur bessere Qualität, sondern auch verschiedensprachige Versionen des Films, Hintergrundinformationen und unveröffentlichte Szenen aus dem Film. Dies sind erhebliche Vorteile gegenüber den herkömmlichen Videos, so dass Videos durch DVDs vermutlich vollständig abgelöst werden – sie haben die geringere Speicherkapazität und sind bedienungsunfreundlicher (vgl. Tab. 3.6). Aber Vorsicht: Mit DVD wird nur die Technik ausgewechselt, die Funktion (zeitsouveränes Abspielen von Filmen zu Hause) bleibt erhalten.
3.2.5 Lizenzhändler und Rechteverwerter Lizenzhändler handeln mit dem Wertvollsten, was ein Film zu bieten hat: mit den Rechten an diesem Film. Warum die Rechte an einem Film so wertvoll sind, zeigt die idealtypische Verwertungskette eines Filmes, die wesentlich länger ist, als man auf den ersten Blick annimmt: • Die erste Station der Filmvermarktung ist natürlich das Kino. Dort läuft ein Film in der Regel durchschnittlich etwa sechs Monate. Nicht alle Filme amortisieren sich bereits in dieser Phase, oftmals werden die Produktionskosten erst in den späteren Verwertungsphasen eingespielt. • In der zweiten Phase werden die Filme im Video-Verleih vermarktet, in der Regel sechs bis zwölf Monate. In einem weiteren Schritt wird der Film dann auch als Kaufcassette angeboten oder in anderen Formaten, wie beispielsweise als DVD. • Etwa ein Jahr, nachdem der Film ins Kino gekommen ist, findet er den Weg ins Pay-TV, anfangs möglicherweise als Pay-per-view; d.€h. der Käufer zahlt einen bestimmten Betrag speziell für den betreffenden Film. Später läuft er in einem
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normalen Abonnement-Kanal (Pay-per-channel), wo der Zuschauer für den Kanal zahlt, unabhängig davon, wie stark er ihn in Anspruch nimmt. • Rund zwei Jahre nach dem Kino-Start kommt der Film dann ins Free-TV, also entweder in den Öffentlich-Rechtlichen oder den privaten, werbefinanzierten Rundfunk. Im Anschluss daran werden die Filme innerhalb der Senderfamilien mehrmals wiederholt, teilweise auf anderen, kleineren Kanälen. • Zusätzlich wird der Film auch im Ausland gezeigt und in ähnlicher Weise wie im Inland verwertet. • Rund um den Film gibt es aber noch viele weitere Einnahmequellen, die sich am besten unter dem Begriff Merchandising zusammenfassen lassen. Damit sind T-Shirts, Spielzeug, Bücher, Werbung für Schnellrestaurants und ähnliches gemeint. Das sollte man nicht unterschätzen: Experten schätzen, dass bei guten Filmen der mit Merchandising erzielte Gewinn meist doppelt so hoch wie der Gewinn aus Film, DVD- und Fernsehrechten. Vom Zauberlehrling Harry Potter beispielsweise gibt es rund 400 verschiedene Merchandising-Artikel, einschließlich sieben Briefmarken der britischen Post. Pro Film werden weltweit schätzungsweise Harry-Potter-Merchandising-Artikel im Wert von 2,8€ Mrd.€ $ verkauft. Wie Sie sehen, bietet ein guter Film wesentlich mehr Einnahmequellen, als man zunächst vermutet. Das Interessante ist vor allem die vielseitige Verwertbarkeit: ein und dasselbe Produkt kann mehrmals verkauft werden. Der Eigentümer der Verwertungsrechte besitzt (wieder einmal) ein Monopol, das er auf verschiedene Weise ausnutzen kann: • Er kann die Rechte am Film und den Filmfiguren zu einem pauschalen Preis veräußern. • Besser ist es möglicherweise, neben dem Fixum noch eine erfolgsabhängige Vergütung auszumachen. • Eine weitere Strategie besteht darin, die Rechte für einzelne Länder oder einzelne Glieder der Wertschöpfungskette getrennt zu veräußern. Das ermöglicht es, für jedes Land und jede Verwertungsstufe ein Maximum an Einnahmen zu erzielen. In der Praxis sieht das dann beispielsweise so aus, dass die Senderechte bei einem Unternehmen, die Rechte für die Souvenirs aber bei einer anderen Gesellschaft liegen. Der Erfolg der Verwertungskette hängt vor allem von der Attraktivität des Filmes ab: Je größer die tatsächlichen oder erwarteten Zuschauerzahlen sind, umso attraktiver werden die Verwertungsrechte für die folgenden Verwertungsstufen. Auch die Attraktivität der Stars sowie des Drehbuchs bestimmen den Wert der Verwertungsrechte. Mittlerweile haben sich in Deutschland etliche Firmen etabliert, deren Hauptgeschäft aus dem Handel mit Film- und Filmfigurenrechten besteht (ein paar davon lernen Sie in Box€3.14 kennen). Doch nicht nur die Rechte an Filmen werden verwertet; Musiker und die schreibende Zunft schaffen ebenfalls immaterielle Werte, indem sie Lieder, Bücher oder Zeitschriftenartikel verfassen. Auch sie haben ein Interesse daran, dass die Früch-
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te ihres Schaffens angemessen entlohnt werden. Dabei erfolgt ihre Bezahlung auf zwei Wegen. Der erste Weg ist der, dass sie an den Verkaufserlösen ihrer CDs oder Bücher beteiligt werden. Die Kunden kaufen diese Produkte und entlohnen darüber den Musiker oder Schriftsteller. Das ist praktisch der erste Schritt in der Verwertungskette, der etwa dem der Filme, die in die Kinos gebracht werden, entspricht. Doch bei den weiteren Verwertungsschritten wird es schwieriger. Lieder werden auf Veranstaltungen, im Fernsehen und im Radio gespielt oder auf Cassette überspielt (bzw. mittlerweile auf CD gebrannt oder auf USB-Stick kopiert), Bücher, Zeitschriften und Artikel werden kopiert. Box 3.14: Rechtehändler in Deutschland╇ Einer der bekanntesten – und mittlerweile umstrittensten – Rechteverwerter in Deutschland ist die EMTV Merchandising AG. Ursprünglich vermarktete das Unternehmen vor allem Zeichentrickfilme („Biene Maja“), hat aber zeitweilig auch mit anderen Inhalten wie beispielsweise der Formel Eins gehandelt. Darüber hinaus hat sich das Unternehmen auch als Koproduzent engagiert. Im Jahr 2000 ist das Unternehmen, das am Neuen Markt in Frankfurt börsennotiert ist, ins Gerede gekommen, nachdem der Kurs der Aktie im Verlauf des Jahres um mehr als 90€% gefallen war. Ursache der Kursverluste waren neben einigen Unstimmigkeiten bei den Geschäftszahlen auch Zweifel der Investoren am Geschäftsmodell von EM-TV. Das Unternehmen schrammte nur knapp am Konkurs vorbei, die ehemaligen Vorstände und Gründer, die Haffa-Brüder, fanden sich sogar vor Gericht wieder. 2007 wurde das Unternehmen in EM.Sport Media AG umbenannt, beteiligte sich am Sportrechtevermarkter International Media und benannte sich in Constantin Medien AG um. Ebenfalls vor Gericht landete der Gründer der Kinowelt Medien, Michael Kölmel. Das Unternehmen handelte vor allem mit Lizenzrechten für den deutschsprachigen Raum; es hatte darüber hinaus auch einen eigenen Kinoverleih und eigene Programmkinos. Das Geschäftsmodell, zu dem unter anderem auch die Vermarktung von Fernsehrechten aus Fußball-Bundesliga-Vereinen gehörte, ging nicht auf, das Unternehmen meldete Insolvenz an. Michael Kölmel wurde wegen Untreue zu 22 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden, und übernahm die Konkursmasse der Kinowelt. Im Jahr 2008 wurde das Unternehmen vom französischen Medienkonzern Medien- und Mobilfunkkonzern Vivendi S.A. übernommen. International Media, entwickelt und vermarktet Spielfilme und hat mehrere Vereinbarungen mit unabhängigen Filmproduzenten. Das Unternehmen stellt gegen Gebühr die Finanzierung eines Filmprojektes sicher und verkauft dann die Filmrechte an internationale Verleiher. Das Unternehmen Intertainment kauft Lizenzrechte an Filmen und verkauft diese weiter. Nachdem ein Rechtsstreit mit einem amerikanischen Geschäftspartner das Unternehmen jahrelang gelähmt hatte, kam der Insolvenzantrag, das Unternehmen wurde mehrheitlich von Kinowelt übernommen. Das schaffte Senator Entertainment nicht: Das Unternehmen produzierte und koprodu-
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zierte Fernseh- und Kinofilme und verwertete die Rechte von Lizenz- und Eigenproduktionen national und international. Leider war man nicht recht erfolgreich, die Bibliothek an Filmrechten, die man besaß, erwies sich angesichts des schrumpfenden deutschen Marktes als nicht so werthaltig wie man gedacht hatte. Im Jahr 2004 schließlich schaute der Insolvenzverwalter vorbei; seitdem wird umstrukturiert und neu ausgerichtet. Hier machen sich wieder die tückischen Eigenschaften von Informationen bemerkbar, nämlich die Nichtrivalität im Konsum und die damit verbundene Möglichkeit, das Produkt rasch und billig vervielfältigen zu können. Im Extremfall geht der Musiker fast leer aus: Seine Stücke werden im Rundfunk gespielt, jeder schneidet sie mit, und niemand kauft das Album. Oder der Buchautor: Sein Buch wird begeistert aufgenommen, doch jeder kopiert es sich, und das Original bleibt in den Regalen liegen und das Konto des Autors leer. Das könnte im Extremfall die Produktion von Musik oder Büchern und Zeitschriften verhindern. (Lösungen für diese Probleme finden Sie beispielsweise in Box€3.15 und 1.2) Aus dem Abschnitt über die Möglichkeiten, für Medienkonsum zu bezahlen, wissen wir, dass es noch andere Möglichkeiten gibt, um trotz der besonderen Eigenschaften von Informationen Geld dafür zu bekommen. Die Idee eines Kopierschutzes, wie man sie aus der Softwareindustrie kennt, macht bei Büchern oder CDs nur auf den ersten Blick Sinn. Zum einen dürfte der Aufwand dafür erheblich sein, denn wie will man das Aufnehmen von Stücken oder das Kopieren von Buchseiten verhindern? Bei den Buchseiten gäbe es die Möglichkeit, sie in einer bestimmten Farbe zu drucken, die das (physische) Kopieren erschwert oder unmöglich macht, weil die Kopie dann kaum noch lesbar wäre, aber erfreut das die regulären Käufer des Buches? Bei Musik wäre es denkbar, dass man den Radiomoderator verpflichtet, die Musik teilweise zu übersprechen. Aber was würden Sie als Zuhörer davon halten? Genau. Eine andere Möglichkeit, sich von den kopierfreudigen Kunden abzusetzen, besteht darin, mit dem Kauf des Produktes zusätzliche Leistungen anzubieten: Zur CD gibt es ein exklusives Booklet mit Fotos, Texten oder ähnlichen sammlerträchtigen Dingen, das Buch kommt im Luxuseinband und schmucker Aufmachung daher. Aber wie viele Kopierer würde das abschrecken bzw. zum Kauf des Originalproduktes verleiten? Ein weiteres Problem: Dem Autor oder dem Musiker ist es wichtig, dass das Buch oder die CD möglichst große Verbreitung findet. Denn je mehr Leute ein Buch oder eine CD kennen, desto größer auch der Werbeeffekt, der dann wieder andere Käufer anlockt. Zum einen machen die bisherigen Käufer Werbung, indem sie ihren Bekannten und Freunden davon erzählen, zum anderen deuten hohe Auflagen oder Verkaufszahlen darauf hin, dass es sich um ein Buch oder eine CD von hoher Qualität handelt – denken Sie an das, was wir unter dem Punkt „Die Stars“ besprochen haben. Hohe Nachfrage signalisiert nach außen ein gutes Werk. Aber wie lassen sich die Musiker und Autoren dann ihre Arbeit bezahlen? Ganz einfach: Mit einem ähnlichen Modell, wie wir es bereits bei der Fernsehgebühr (Box€1.11) kennen gelernt haben.
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Box 3.15: Auch Kreativität kostet Geld – die GEMA╇ Die Gema (www. gema.de) ist eine Verwertungsgesellschaft mit der Rechtsform eines staatlichen Vereins kraft staatlicher Verleihung. Sie steht unter der Aufsicht des Deutschen Patentamtes und des Bundeskartellamtes. Sie nimmt die Urheberrechte ihrer Mitglieder wahr. 2009 hat die Gema 841€Mio.€€ aus Verwertungsrechten und Vergütungsansprüchen eingenommen. Die Abrechnung ist kompliziert: Es gibt vier Berufsgruppen (Komponisten, Bearbeiter, Textdichter und Verleger), die im Verteilungsplan mit unterschiedlichen Anteilen berücksichtigt werden. Bei der Abrechnung wird – auch wegen der unterschiedlichen Möglichkeiten der Aufführung – zwischen ernster und unterhaltender Musik unterschieden. Weiterhin wird zwischen den Aufführungsrechten (Aufführungen durch Musiker oder von Tonträgern), Senderechten (Hörfunk und Fernsehen), Vervielfältigungsrechten (Tonträgerproduktion) und privater Vervielfältigung, Vermietung und Verleih (beispielsweise die Vergütung von Leercassetten) unterschieden. Die Berechnung der Zahlungen erfolgt nach einem Punktesystem, das sich unter anderen nach der Art des Werkes und der Länge richtet.6 Das Urheberrechtsgesetz von 1965 gewährleistet den urheberrechtlichen Schutz von Werken. Der Urheber selbst darf entscheiden, ob und wie sein Werk veröffentlicht werden soll; ihm ist auch das Recht der öffentlichen Wiedergabe, der Verbreitung und Vervielfältigung seines Werkes vorbehalten. Bearbeitungen oder Umgestaltungen dürfen nur mit seiner Einwilligung vorgenommen werden. Der Haken dabei: Wie will der Künstler überwachen, wo und wann seine Werke verbreitet oder aufgeführt werden? Bei großen Bühnenaufführungen geht das wahrscheinlich noch: Das Haus, das diese aufführen will, tritt in Kontakt mit dem Bühnenverlag oder dem Bühnenvertrieb; die Rechte werden individuell ausgehandelt. Aber wie soll man das bewerkstelligen bei Hörfunk- und Fernsehsendungen, bei Live-Konzerten, Einspielungen von Platte oder CD? Oder stellen Sie sich einmal vor, die Jungs von Deep Purple müssten von jeder Amateurband, die „Smoke on the water“ nachspielt, persönlich deren Obulus für die Erlaubnis, das Stück nachzuspielen, eintreiben. Hier musste eine andere Lösung her, und die gibt es in der Tat. Die Bühnenaufführungen werden im Rahmen des sogenannten „Großen Rechtes“ individuell verwertet und abgerechnet, bei Live-Konzerten, Rundfunkausstrahlungen usw. tritt im Rahmen des „Kleinen Rechtes“ die Gesellschaft für musikalische Aufführungsund mechanische Vervielfältigungsrechte (Gema) auf den Plan, welche die Rechte der Kreativen wahrnimmt (vergleichen Sie dazu Box€ 3.15). Die Gema tritt quasi als Agent der Urheberrechte der Künstler auf: Sie stellt den Musiknutzern das komplette Repertoire von schätzungsweise mehr als drei Millionen Musiktiteln zur Verfügung und lässt sich die Nutzung dieser Titel bezahlen. Die Einnahmen werden 6╇ Mehr über die Gema erfahren Sie beispielsweise aus ihrem jeweils aktuellen Jahrbuch; Gema Jahrbuch 2010/11; Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden.
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dann nach Deckung der Verwaltungskosten (etwa 15€%) an die bezugsberechtigten Mitglieder oder andere in- und ausländische Verwertungsgesellschaften ausgeschüttet. Die Vergütung der Musiktitel durch die Musiknutzer richtet sich nach festen Tarifen. In der Praxis kann man sich das so vorstellen, dass die Hobby-Musiker vor ihrem Konzert angeben, dass sie „Smoke on the Water“ spielen werden; dafür müssen sie dann einen Betrag an die GEMA zahlen, welche dieses Geld dann – vereinfacht gesagt – an die Jungs von Deep Purple weiterleitet.
3.2.6 Infrastrukturanbieter Es gibt insgesamt drei mögliche Infrastrukturwege, auf denen Rundfunkdienstleistungen angeboten werden: über terrestrische Sender, über das Kabelnetz oder über Satellit. Ihnen allen ist gemeinsam, dass der Aufbau der jeweiligen Infrastruktur recht teuer ist; die Kosten sind fix; damit entstehen sinkende Durchschnittskosten. Das Ergebnis, wie bereits im ersten Kapitel erläutert, lautet: Beim Aufbau von Übertragungsinfrastrukturen besteht die Tendenz zur Bildung natürlicher Monopole. Die Übertragungswege stellen den Vertriebsapparat der Medienunternehmen dar, sie transportieren die Informationen, welche die Medien anbieten. Ein wesentlicher Kostenfaktor bei Medienunternehmen resultiert also aus der Notwendigkeit, die Information zu den Kunden zu transportieren. Jede der drei Übertragungsformen hat unterschiedliche Vor- und Nachteile. Eine Übertragung über terrestrische Frequenzen ist im Vergleich zu den anderen Übertragungswegen recht preiswert, vor allem, wenn die Frequenzen kostenlos zugeteilt werden. Zudem ist mittels terrestrischer Frequenzen eine gezielte regionale Nutzung möglich; angesichts der Kulturhoheit der Länder eine angenehme Eigenschaft, ermöglicht sie doch die Verbreitung regionaler Rundfunkprogramme. Allerdings ist die Übertragungskapazität begrenzt, und auch die Empfangsqualität kann unter Umständen leiden. Der Vorteil für die Zuschauer bzw. -hörer: Der Empfang ist im Grunde genommen kostenlos, man benötigt außer dem Fernseher oder dem Radio kein Zusatzgerät wie etwa eine Empfangsschüssel oder einen Kabelanschluss. Die Rundfunk-Sendeanlagen befinden sich seitdem die Alliierten nach dem Krieg die Post enteignet hatten, im Besitz der Sender. Die Kompetenz zur Vergabe der Frequenzen liegt in den Händen der Bundesländer (zur Notwendigkeit der Verteilung knapper Frequenzen vergleichen Sie bitte Abschn.€1.8). Bei der Vergabe der Frequenzen haben die öffentlich-rechtlichen Sender Vorrang; die flächendeckende Verbreitung mit deren Programmen ist sicherzustellen. Box 3.16: Das Telekommunikationsgesetz╇ Mit der Verabschiedung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) 1996 wurde es Konkurrenten der Deutschen Telekom möglich, Telekommunikationsleistungen auf eigenen Übertragungswegen anzubieten, wobei allerdings einige Telekommunikationsleistungen lizenzpflichtig sind (der Sprachtelefondienst blieb bis 1998 Monopol des Bun-
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des). Die neu geschaffene Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (Reg PT) vergibt Lizenzen an diejenigen, die Übertragungswege betreiben oder Sprachtelefondienst anbieten. Zulassungsvoraussetzungen sind Fachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit des Lizenznehmers. Marktbeherrschende Unternehmen (nach §Â€22 GWB oder aber mit mindestens 25€% Marktanteil) sollen Universaldienste, also ein Mindestangebot an Telekommunikationsdiensten, zu erschwinglichen Preisen erbringen. Darüber hinaus müssen marktbeherrschende Unternehmen einen nicht-diskriminierenden Netzzugang für andere zur Verfügung stellen, d.€h. zu Bedingungen, die auch für sie selbst gelten. Auch die Preise der marktbeherrschenden Unternehmen werden überwacht und müssen von der Reg PT genehmigt werden. Die Übertragung über Kabel zeichnet sich dadurch aus, dass bei guter Bildqualität und einer im Vergleich zu terrestrischen Übertragungswegen höheren Übertragungsqualität die Kosten für die Zuschauer und Zuhörer höher sind: Während sie für die Frequenzen nichts zahlen müssen, kostet ein Kabelanschluss eine einmalige Anschlussgebühr sowie eine monatliche Miete. Neben dem Netz der Deutschen Telekom gibt es noch Kabelnetze der Versorgungsunternehmen (RWE, Veba, Viag), die eine eigene Netzinfrastruktur besitzen, die sie vor dem Ende des Netzmonopols für die unternehmensinterne Kommunikation genutzt haben. Auch die Deutsche Bahn und die Stadtwerke besitzen eigene Netze, die ursprünglich zur internen Datenübertragung gedacht waren. Seit dem Erlass des Telekommunikationsgesetzes (vergleichen Sie bitte Box€3.16) dürfen auch private Anbieter Übertragungswege oder Sprachtelefondienste anbieten. Das deutsche Kabelnetz (und die dazugehörigen Eigentumsrechte) gliedert sich in vier Ebenen: Die Ebene eins umfasst die Produktion der Inhalte und die Studiotechnik. Auf der zweiten Netzebene erfolgt die Übertragung der Signale vom Produktionsort zum Sender und von dort zur sogenannten Kabelkopfstelle, wo das Programm ins Netz eingespeist wird. Die dritte Netzebene, das Zuführungsnetz, umfasst den Transport der Signale von der Kopfstation zu den einzelnen Häusern. Dieses Verteilnetz gehörte anfangs noch zu etwa 95€% der Deutschen Telekom. Die Netzebene vier stellt die Verkabelung innerhalb der Häuser (Inhouse-Verkabelung) dar. Hier sind die Eigentumsverhältnisse aufgrund der historischen Entwicklung recht zersplittert, es gibt in diesem Bereich eine Vielzahl von Unternehmen, die mit der Deutschen Telekom konkurrieren.7 Diese zersplitterte Besitzerstruktur des Kabelnetzes bringt etliche Probleme mit sich: Sie erschwert den Zugang großer Anbieter zum Endkunden und die Abrechnung.
7╇ Ursache dafür war das sogenannte Handwerksprivileg: Das Handwerk verhinderte, dass die Telekom die Anschlüsse direkt in die Wohnungen legen durfte – das taten Handwerksunternehmen im Auftrag der Wohnungseigentümer, weshalb viele Netze der Ebene 4 im Besitz von Wohnungsgesellschaften sind.
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Box 3.17: Netzbetreiber in Deutschland╇ Das TV-Breitband-Kabelnetz war ursprünglich im Besitz der Deutschen Telekom, die dieses auf Druck der europäischen Kommission verkaufen musste. Seit Anfang 1999 sind die Kabel Deutschland GmbH der Deutschen Telekom für die Infrastruktur sowie die Media Service GmbH für die Verteilung der Programme und Dienste im Kabelnetz zuständig. Mittlerweile kann man vier Typen von Netzbetreibern in Deutschland unterscheiden: Typ eins sind ehemalige Telekom-Regionalgesellschaften, die Netze der Ebene drei betreiben, teilweise auch der Ebene 4 (Kabel Deutschland, Unity Media, Kabel BW). Typ zwei sind große überregionale Betreiber der Netzebene vier, die teilweise auch über Zuführungen zur Netzebene drei verfügen (bspw. TeleColumbus, PrimaCom, EWT, Bosch). Typ drei sind kleine und mittelständische Kabelnetzbetreiber inkl. City Carrier (bespw. Hansenet, SMATcom, Marienfeld Multimedia, KMS München, LKG Lauchhammer, NetCologne, Magdeburg City-Com), welche die Netzebene vier betreiben und teilweise über eigene Netzebene-drei-Zuführungen verfügen. Typ Vier ist die Wohnungswirtschaft, die hauptsächlich die Netzebene vier betreibt. Bisher finanzieren sich die Kabelnetzbetreiber vor allem durch Kabelanschlussentgelte der Zuschauer sowie durch Einspeiseentgelte der Fernsehsender, diese bezahlen nämlich dafür, dass ihre Programme in die Kabel eingespeist werden und damit mehr Zuschauer erreichen. Das könnte sich in Zukunft ändern. Möglicherweise werden in Zukunft die Kabelnetzbetreiber den Fernsehsendern Entgelte für deren Programme zahlen, damit sie attraktive Programme in ihre Netze einspeisen können, die es rechtfertigen, von den Kabelkunden höhere Entgelte für die Nutzung des Kabels zu verlangen. Box 3.18: Satelliten╇ Satelliten müssen sich in exakt 35.786 km Entfernung von der Erde befinden um eine geostationäre Position einzunehmen. Bei dieser Entfernung ist die Geschwindigkeit, bei welcher sich der Satellit in der Umlaufbahn halten kann, exakt so hoch, dass der Satellit die Erde in 24€Stunden einmal umrundet und damit geostationär ist, d.€ h. er befindet sich aus der Sicht der Erde immer über dem gleichen Punkt. Satelliten senden auf Frequenzen zwischen elf und dreizehn Gigahertz, also auf wesentlich höheren Frequenzen als terrestrische Rundfunksender. Dies ermöglicht 40 Kanäle mit einer Bandbreite von je 20€Mhz. Die Programme können mit Satellitenschüsseln empfangen werden, werden aber auch in die Kabelnetze eingespeist. Die Nutzung der Satellitenübertragungskapazitäten wird in Europa im wesentlichen von den privaten Betreibern des Astra-Satelliten-Systems, der Luxemburger Betreibergesellschaft Société Européenne des Satellites SA (SES) und Eutelsat, einer Organisation der europäischen Telekommunikationsunterneh-
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men, vermarktet. Das SES ASTRA-Satellitensystem besteht aus 15 Satelliten, die mehr als 125€ Mio. Satelliten- und Kabelhaushalte in Europa versorgen und mehr als 2.500 analoge und digitale Fernseh- und Radiokanäle übertragen. SES ASTRA versorgt außerdem Unternehmen, Regierungen und ihre Dienststellen mit satellitenbasierten Multimedia-, Telekommunikations- und Internetdiensten. Eutelsat nutzt 26 Satelliten, die den gesamten europäischen Kontinent, den Mittleren Osten, Afrika, Indien und Teile Asiens sowie Nordund Südamerikas abdecken. Die Satelliten übertragen rund 3.500 TV-Kanäle. Davon werden mehr als 1.100 Kanäle an mehr als 120€Mio. Satelliten- und Kabelhaushalte in Europa, Nordafrika und den Mittleren Osten übertragen. Allerdings ist auch ein unfreundlicheres Szenario für die Fernsehsender möglich: Wenn die Besitzer der Kabelnetze selbst genügend attraktive Programme haben, dann sind sie auf die Programme der anderen Sender nicht mehr angewiesen – im Ernstfall könnten sie die Programme anderer Sender nicht in ihre Kabel einspeisen, da sie ja Konkurrenz zu den eigenen Inhalten darstellen. Das erklärt auch, warum die deutschen Fernsehsender so beunruhigt sind über den Verkauf des Kabelnetzes. Ihre Befürchtung: Ein starker Anbieter von Inhalten kauft sich über das Kabelnetz den Zugang zu den Kunden, speist seine eigenen Inhalte ein und verwehrt der Konkurrenz den Zutritt zu den Übertragungskapazitäten. Die Kombination des Besitzes von Inhalten und von Übertragungswegen kann in der Tat wettbewerbspolitisch bedenklich werden. Um das Schlimmste zu verhindern, könnten hier sogenannte „must-carry“-Regelungen helfen: Der Besitzer der Netze wird verpflichtet, andere Programme gegen ein angemessenes Entgelt durchzuleiten. Doch private Firmen betreiben mittlerweile nicht nur Kabel, auch Satelliten werden von privaten Firmen ins All geschossen, trotz der immensen Kosten (lesen Sie dazu auch Box€3.18). Interessanterweise verhält es sich bei der Satellitenübertragung so, dass die Programmanbieter die Kosten der Satelliten-Übertragung tragen, während sich die Kunden der Satellitensender lediglich die entsprechende Parabolantenne zulegen müssen. Dabei ist der Satellitenrundfunk vorteilhafter als Kabelrundfunk: Die Kosten sind geringer, die Empfangsqualität gut und die Übertragungskapazität groß, einzig eine regionale Begrenzung von Programmen ist kaum möglich. Warum zahlen die Empfänger für das Kabel, aber nicht für den Satellitenempfang? Warum setzen sich manche Sendeformate wie das Digitale Satellitenradio (vergleichen Sie bitte Box€3.19) nicht durch? Im Grunde genommen stellt die Entscheidung zum Bezug eines Rundfunksenders ein schlichtes Kosten-Nutzen-Kalkül dar: Übersteigt der Nutzen aus dem Konsum der Rundfunksendungen den Nutzenentgang in Form der Zahlungen plus der Zeit, die man zum Konsum der Sender aufwendet, so fällt die Entscheidung des Konsumenten zugunsten der Rundfunksendungen aus. Kabelfernsehen hat gegenüber terrestrischem Empfang den Vorteil, dass der Empfang besser und weniger störungsanfällig ist, vor allem für Menschen, die in Regionen mit schlechtem Empfang leben. Zudem ist es wenig überraschend, dass Parabolantennen vor allem in
3.2 Vor- und nachgelagerte Märkte
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Regionen mit schlechtem Empfang verbreitet sind, wo es keine Kabelanschlüsse gibt. Sowohl das Kabel als auch die Satelliten leiden allerdings unter dem Wettbewerbsnachteil, dass es bereits terrestrisches Fernsehen gibt, das als kostenloses Grundangebot eine harte Konkurrenz darstellt. Ohne Zusatznutzen wie den besseren Empfang und das erhöhte Programmangebot gäbe es keine überzeugenden Gründe, vom terrestrischen Empfang abzugehen. Box 3.19: Digitales Satellitenradio╇ Das Digitale Satellitenradio wurde 1989 in Deutschland vom Institut für Rundfunktechnik und den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten entwickelt und eingeführt. Insgesamt 16 StereoRundfunkprogramme in CD-Qualität wurden via Satellit verbreitet. Für den Empfang dieser Radioprogramme war allerdings ein Gerät notwendig, das mit Preisen zwischen 500 und 2.000€DM nicht billig war. Da mit 16 Radioprogrammen der Zusatznutzen einer solchen Investition offenbar recht gering war, wurde das Digitale Satellitenradio 1998 eingestellt, jetzt wird es als Astra Satellitenradio via Satellit gesendet. Interessant ist, dass es mittlerweile viele Firmen gibt, die eigene Netzkapazitäten aufbauen, selbst nutzen und vermieten. Wie ist das möglich, wo wir doch im ersten Kapitel gelernt haben, dass Netze natürliche Monopole darstellen? Wie kann es da mehrere private Anbieter geben? Darauf gibt es folgende Antwort: Zum einen ist das Verlegen von Kabeln mittlerweile zunehmend billiger geworden, so dass der hohe Fixkostenblock, der für die Entstehung natürlicher Monopole verantwortlich ist, immer kleiner geworden ist. Zum anderen ist die Leistungsfähigkeit der Netze gestiegen – es ist schlichtweg profitabler geworden, Netze zu verlegen. Beide Faktoren zusammen verändern die Kostenstruktur bei der Verlegung von Netzen nachhaltig und machen es auch für private Firmen profitabel, Netze zu verlegen. Inwieweit gilt also angesichts des enormen technischen Fortschrittes noch das Argument des natürlichen Monopols? Zum einen zeigt die Empirie, dass mit sinkenden Kosten der Technologie zunehmend ein privates Angebot an Übertragungskapazitäten entsteht. Mittlerweile gibt es auch in Europa zahlreiche Kabel- und Telekommunikationsunternehmen, die Netze verlegen und kommerziell verwerten. Dabei handelt es sich nicht nur um sogenannte backbones, also leistungsfähige Netze, die große Ballungszentren miteinander verbinden, sondern auch die Zahl regionaler Netzbetreiber nimmt zu, die in Großstädten Netze anbieten, die bisher vor allem zur Telekommunikation genutzt werden. Doch da es sich bei diesen Netzen zumeist um moderne Glasfaserkabel handelt, werden sie in erster Linie im Bereich Multimedia zunehmend eine wichtige Rolle spielen. Eine weitere Möglichkeit der Datenübertragung könnten in Zukunft vielleicht auch die Stromleitungen (vergleichen Sie bitte Box€3.20). Sind also die im ersten Kapitel präsentierten Argumente zum natürlichen Monopol bezüglich der Netze hinfällig? Ganz so einfach ist es nicht. Die Ursachen dafür, dass es bei physischen Netzen zur Entstehung natürlicher Monopole kommt, sind
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auch Bündelungsvorteile und stochastische Ersparnisse. Bündelungsvorteile können im Extremfall dazu führen, dass die gesamte Kommunikation zwischen zwei Vermittlungsstellen durch eine Leitung bewältigt werden kann. Sie entstehen beispielsweise durch Nachbarschaftseffekte – der Anschluss einer dichtbesiedelten Siedlung ist pro Anschluss gerechnet wesentlich günstiger als der eines Einödhofs. Zudem sinken dann die Kosten pro Anschluss mit steigender Zahl der Teilnehmer, da sie auf mehr Kunden umgelegt werden können. Stochastische Ersparnisse entstehen bei hohem Gesprächsaufkommen: Je höher das Verkehrsaufkommen im Netz ist, umso weniger Reservekapazität muss der Netzbetreiber für Zeiten mit Spitzenbelastungen vorhalten, da sich bei einer großen Zahl von Teilnehmern Schwankungen im Auslastungsgrad des Netzes ausgleichen. Wer nur zwei Teilnehmer in seinem Netz hat, muss für die Stoßzeiten mit Maximalbelastung relativ gesehen mehr Reservekapazitäten vorrätig halten als jemand, der eine Million Kunden in seinem Netz zählt. Box 3.20: Telefon aus der Steckdose╇ Die deutschen Energieversorger träumen davon, der Deutschen Telekom das Geschäft zu verderben: Internet und Telefonie über Stromleitungen lautet ihr Ziel. Die Grundidee ist einfach: Über das Stromkabel können neben dem Strom auch Daten übertragen werden. Dann bräuchte der Internet-Nutzer keinen Telefonanschluss, sondern würde seinen PC einfach an die Steckdose hängen. Gelingt dies, so hätte die Telekom auf der letzten Meile – also bei den Ortsanschlüssen – erhebliche Konkurrenz zu erwarten; bisher war es immer noch zu teuer, neben den Telefonleitungen separate Leitungen zu jedem Haushalt zu legen. Doch das Konzept der sogenannten Powerline Communication hat noch etliche Macken: Zunächst einmal müssen die Daten auf ihrer Reise durch das Stromkabel verstärkt werden. Dabei besteht die Gefahr der Abstrahlung, die Stromleitungen wirken dann wie Antennen und können Funkdienste, die auf denselben Frequenzen arbeiten, stören. Sollten die technischen Schwierigkeiten jedoch behoben werden, so könnte die Stromleitung ein attraktiver Kabelanschluss werden: InternetSurfer könnten permanent online bleiben; die Übertragungsraten dürften dann etwa bei dem 15-fachen einer ISDN-Leitung liegen. Diese Aspekte machen unter Kostengesichtspunkten nur einen Anbieter für Telekommunikationsleistungen sinnvoll. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass die Bündelungsvorteile auf der Ebene der Fernnetze erschöpft sind: Vor allem in den alten Bundesländern erfolgen die Übertragungen von Telefongesprächen auf vielen Strecken über mehrere räumlich getrennte Leitungen; eine Leitung reicht also nicht mehr aus. Stochastische Ersparnisse haben an Bedeutung verloren, seit es durch moderne Vermittlungstechnik möglich geworden ist, Städte auch über Umwege im Netz miteinander zu verbinden, falls die direkte Verbindung überlastet ist (Multi-Routing). Diese Argumente zusammen mit dem technischen Fortschritt, der das Verlegen von Kabeln billiger macht, deuten darauf hin, dass auf der Ebene der Fern-
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netze das Argument vom natürlichen Monopol an Bedeutung verliert. Anders sieht das im Ortsnetz, auf der sogenannten letzten Meile, aus: Hier hat die Deutsche Telekom im Telefongeschäft derzeit noch einen Marktanteil von mehr als 90€%. Aber auch hier ist damit zu rechnen, dass neue Technologien das Problem der natürlichen Monopole zurückdrängen werden. Box 3.21: Überall-Fernsehen╇ …ist die umgangssprachliche Bezeichnung für das Digitale terrestrische Fernsehen (Digital Video broadcasting terrestrial, DVB-T), das seit 2005 schrittweise in der Bundesrepublik eingeführt wird. Die Bundesregierung hatte 1998 beschlossen, bis zum Jahr 2010 die herkömmliche analoge Fernsehausstrahlung über Antenne abzuschalten und durch das digitale terrestrische Fernsehen zu ersetzen. Die neue digitale Technik kann bis zu 32 Programme transportieren und bietet sogar einen sauberen Empfang im Auto. Erforderlich für den Empfang der digitalen Funksignale sind eine so genannte Set-Top-Box, ein etwa taschenbuchgroßer Decoder und eine kleine Stabantenne von der Größe eines Kugelschreibers. Das Empfangsset ist bereits ab etwa 80€€ zu haben. Folgekosten wie etwa Kabelgebühren fallen nicht an.
3.3â•… Radio und Fernsehen 3.3.1 Finanzierung 3.3.1.1â•…Finanzierung über Gebühren Die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Sender erfolgt – wie bereits im ersten Kapitel angedeutet – über Werbefinanzierung8 und vor allem über Rundfunkgebühren. Bereits 1969 haben sich die Länder in einem Staatsvertrag darauf geeinigt, dass die Rundfunkgebühr aus einer Grundgebühr und einer Fernsehgebühr besteht. Deren Höhe ist über einen eigenen Staatsvertrag festzulegen. Das bedeutet, dass die Landesregierungen letztlich über die Höhe der Einnahmen der Rundfunksender mitentscheiden, indem sie in diesen Verträgen die Höhe der Rundfunkgebühr festlegen. Das bedeutet einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Rundfunk, der den Sendern nicht sehr behagte. Bis zum Jahr 1973 bekam die Deutsche Bundespost einen pauschalen Anteil an den Fernsehgebühren für die Bereitstellung der Infrastruktur; seitdem bekommt die Post Zahlungen auf der Basis einer Verwaltungsvereinbarung für ihre technischen 8╇ Lediglich die beiden Programme des Deutschlandradios, die keine Werbung enthalten, finanzieren sich aussschliesslich über Rundfunkgebühren. Der Etat der Deutschen Welle wird wegen deren Besonderheiten aus dem Bundeshaushalt bestritten.
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Leistungen nach dem Prinzip der Kostenerstattung. Von 1976 an übernahm dann die Gebühreneinzugszentrale GEZ (die Sie in Box€1.11, vielleicht aber auch schon persönlich bereits kennengelernt haben) den Einzug der Fernsehgebühren. Das hatte bis dahin stets die Bundespost getan. Die Verteilung der Rundfunkgebühren ergibt sich nach der Neufassung des Staatsvertrags über die Rundfunkfinanzierung aus dem Jahr 1996 wie folgt: Das Nettoaufkommen aus der Grundgebühr steht den Landesrundfunkanstalten zu; sie finanzieren damit ihre Hörfunkprogramme. Das ZDF erhält 36,0122€% der Fernsehgebühren, die ARD die restlichen 63,9878€%. Bis 1996 hatte das ZDF 30€% der Fernsehgebühren erhalten. Vom Aufkommen der Grund- und Fernsehgebühr gehen zwei Prozent an die Landesmedienanstalten, die für die Zulassung und Aufsicht der privaten Sender zuständig sind. Das Deutschlandradio und der Sender Arte erhalten jeweils einen kleineren Teilbetrag. Für das weitere Aufkommen der Fernsehgebühr gilt das sogenannte Wohnsitzprinzip: Das Gebührenaufkommen wird den Landesrundfunkanstalten entsprechend der Zahl der Rundfunkteilnehmerhaushalte in ihrem Sendegebiet zugewiesen – je mehr Zuschauer, desto mehr Einnahmen. Box 3.22: Der ARD-Finanzausgleich╇ Die einzelnen Sender der ARD waren bereits von Anfang an mit einer recht unterschiedlichen Finanzkraft – gemessen an der Anzahl der Hörer und Seher – ausgestattet. Denn die als Einheitsgebühr gestaltetet Rundfunkgebühr führt bei unterschiedlichen Teilnehmerzahlen zu einem ungleichmäßigen Finanzaufkommen bei den Landesrundfunkanstalten. Wenn aber jeder Sender einen Beitrag zum gemeinsamen Fernsehprogramm leisten soll, dann muss die unterschiedliche Finanzkraft der Sender angepasst werden. Dies geschieht im Finanzausgleich der ARD, der in den fünfziger Jahren eingeführt wurde. Ziel des Finanzausgleichs soll nicht die Vereinheitlichung der Finanzverhältnisse sein, sondern ein Ausgleich strukturell bedingter Unterschiede in der Finanzkraft. Die Regelungen des Finanzausgleichs beruhen auf Freiwilligkeit der in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten. Einigen sich diese allerdings nicht, so beschließen die Landesregierungen den Finanzausgleich. Zusätzlich zum Finanzausgleich orientiert sich das Sendevolumen, das die einzelnen Anstalten zum ersten Fernsehprogramm beitragen müssen, an deren Anteil am Gebührenaufkommen. Dieses Finanzierungssystem führt zu zwei Problemen: Zum einen besteht bei den ARD-Anstalten das Problem, dass aufgrund der unterschiedlichen Größen und Reichweiten der einzelnen Sender nicht alle in der Lage wären, ein Vollprogramm anzubieten. Vor allem die kleineren Sender wären gar nicht in der Lage, ein umfassendes, teures Vollprogramm zu bieten und zu bezahlen. Der sogenannte horizontale Finanzausgleich soll sicherstellen, dass auch kleinere Sender ihre Aufgaben als öffentlich-rechtliche Sender erfüllen können. Da die Rundfunkgebühr als einheitliche Gebühr ausgestaltet ist, erzielen die Sender mit höherer Reichweite wesentlich
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höhere Einnahmen als ihre kleineren Brüder, die aber einen ähnlichen Aufwand wie diese betreiben müssen, um ihren Programmbetrieb aufrecht erhalten zu können (hier schlägt wieder die Fixkostendegression zu). Zur Entlastung erhalten die kleineren Sender Zahlungen von den größeren, finanzstärkeren Sendern. Auch auf der Leistungsseite werden die kleinen Sendeanstalten entlastet (vergleichen Sie bitte Box€3.22). Ende 1999 haben sich die ARD-Anstalten auf einen neuen Finanzausgleich geeinigt: Die kleineren Anstalten sollen beim Filmeinkauf und dem Einkauf von Sportrechten entlastet werden, indem sie sich im geringerem Umfang an den gemeinschaftlichen Umlagen für den Erwerb dieser Rechte beteiligen müssen. Diese Entlastung ist erforderlich, denn die Ministerpräsidenten der Länder haben beschlossen, den Finanzausgleich der ARD bis zum Jahr 2005 von derzeit zwei Prozent auf ein Prozent des Gebührenaufkommens abzusenken. Eine geringere Verteilungsmasse bedeutet auch geringere Einnahmen für die kleinen Sender. Hier liegt ein wesentliches Problem des Finanzausgleichs: Die Gebersender werden stets weniger geben wollen, als die Nehmersender verlangen. Die Folge: langwierige Verhandlungen und Resultate, die wohl weniger vom tatsächlichen Bedarf als vom strategischen Verhandlungsgeschick der Senderchefs abhängen. In den so genannten „Bonner Beschlüssen“ hat sich die ARD 2008 auf weitere Maßnahmen geeinigt, um die nehmenden Anstalten RB und Saarländischen Rundfunk zu entlasten, deren Existenz man ansonsten bedroht sieht. Ein weiteres Problemkind ist Radio Berlin Brandenburg, das wie andere Großstädte unter einem besonderen Problem leidet: Die so genannte Teilnehmerdichte beträgt dort nur rund 75€% – zu viele Gebührenbefreiungen und Schwarzseher lassen die Einnahmen des Senders sinken. Jeder Finanzausgleich erfolgt im Grunde genommen nach dem gleichen Schema: Zuerst wird anhand geeigneter Indikatoren der Mittelbedarf festgestellt. Das Problem: Welche Indikatoren dienen zur Ermittlung des Bedarfes? Im Rundfunkstaatsvertrag von 1987 hat man versucht, die Kriterien zu präzisieren, nach denen der Bedarf ermittelt werden soll: Hier werden die wettbewerbsfähige Fortführung der bestehenden Programme, die Teilhabe an neuen Rundfunkmöglichkeiten, die allgemeine Kostenentwicklung sowie die Entwicklung der Werbeeinnahmen und der sonstigen Einnahmen genannt. Für wie praktikabel und aussagekräftig man diese Kriterien auch halten mag, der Bedarf eines Senders wird nicht zuletzt durch seine Programmentscheidungen determiniert – wer viel und aufwendig produziert, hat einen höheren Bedarf. Sodann wird die Finanzkraft ermittelt, die aussagt, wie viele Mittel jedem Mitglied der Solidaritätsgemeinschaft des Finanzausgleichs zur Verfügung stehen – im Falle der Sender sind das hauptsächlich die Gebühren, die auf den einzelnen Sender entfallen. Subtrahiert man von den zur Verfügung stehenden Mitteln (der Finanzkraft) den Mittelbedarf, so erhält man den Finanzbedarf, der im Falle eines Defizits zu decken ist. Jetzt kommt die wichtigste Entscheidung: Bis zu welchem Grad soll dieser Finanzbedarf durch den Finanzausgleich gedeckt werden? Gesteht man den Sendern zu, dass ihre Defizite stets komplett finanziert werden, so ist das eine Einladung zur
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Verschwendung – da wird sich der Intendant gerne die Luxus-Dokumentation leisten, auf die der Sender ansonsten aus Kostengründen wohl eher verzichten würde. Das ist das grundlegende Dilemma eines Finanzausgleichs: Je höher die zugesagte Deckung ist, umso höher sind die Anreize zu einem wenig sparsamen Umgang mit den Mitteln. Je geringer aber die Deckungsquote ist, umso eher verfehlt man das Ziel des Solidarausgleichs. Die Vermutung, dass das Ergebnis des Finanzausgleichs wohl eher von Verhandlungsmacht und -geschick sowie von rein politischen Faktoren abhängt, ist nicht abwegig. Eine ähnliche Argumentation gilt auch für die Ermittlung des gesamten Finanzierungsbedarfes der öffentlich-rechtlichen Sender. Diese erfolgt über die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (KEF), die 1975 von den Ministerpräsidenten der Länder gegründet wurde, nachdem das Bundesverfassungsgericht 1968 entschieden hatte, dass die Regelung der Rundfunkgebühren Ländersache ist. Bis 1975 erfolgte die Festlegung der Rundfunkgebühren durch Referenten aus Staatskanzleien und Rechnungshöfen, welche die von der ARD und dem ZDF vorgelegten Unterlagen prüften. Das widersprach der Vorstellung der Sender von einem staatsfernen und unabhängigen Rundfunk: Solange der Staat über die Finanzmittel der Sender entscheidet, hat er ein ideales Druckmittel gegen die Sender in der Hand, um seine Vorstellungen von Rundfunkpolitik zu forcieren. Bis vor wenigen Jahren untersuchte die KEF den Finanzbedarf der Sender, vor allem auch in Hinblick auf die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit, und erstattete den Ministerpräsidenten alle zwei Jahre Bericht, in welchem sie auch Vorschläge über eine Anpassung der Gebühren machten. Die eigentliche Beratungsaufgabe entwickelte sich aber in den Augen der Kritiker zu einer aktiven Einflussnahme auf das Programm. Das Verfassungsgericht erklärte 1994 die bis dato erfolgte Praxis der Gebührenerhebung für unzulässig und wertete die KEF (vgl. auch Box 3.23) erheblich auf, indem sie ihre Empfehlungen mehr oder weniger verbindlich machte. Die Gebührenfestsetzung erfolgt nunmehr in einem dreistufigen Verfahren: 1. Zuerst ermitteln die Rundfunkanstalten ihren Bedarf für die Zukunft unter Beachtung der Kriterien Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und legen diese Zahlen der KEF vor. 2. Die KEF prüft den angemeldeten Finanzbedarf unter fachlichen Aspekten. Sie prüft, ob der angemeldete Bedarf im Einklang mit den Rundfunkauftrag steht und ob der daraus abgeleitete Mittelbedarf zutreffend ist und die Kriterien der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit berücksichtigt werden. 3. Der von der KEF nach der Prüfung errechnete Gebührenbedarf dient den Landesregierungen als Grundlage für deren Entscheidung. Ein Abweichen von den Vorschlägen der KEF ist nur aus Gründen des Informationszuganges oder der Sozialverträglichkeit zulässig. Ersteres meint, dass Sendeformate, die ein bereits bestehendes Programmangebot nur duplizieren oder kopieren, nicht in die Berechnung des erforderlichen Finanzierungsumfangs aufgenommen werden. Sozialverträglichkeit meint, dass die Gebührenerhöhung mit den geringsten Belastungen für die davon Betroffenen verbunden sein muss.
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Box 3.23: Mitglieder der KEF╇ Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Staats- und Parteiennähe der KEF beklagte, wurde die Zusammensetzung des Gremiums geändert. Jetzt sind in der KEF vertreten: zwei Wirtschaftsprüfer, zwei Fachkundige aus dem Bereich Betriebswirtschaft, zwei Sachverständige, die über Erfahrungen auf dem Gebiet des Rundfunkrechts besitzen und die Befähigung zum Richteramt haben, drei Sachverständige aus dem Bereich Medienwirtschaft und Medienwissenschaft, ein Sachverständiger aus dem Bereich Rundfunktechnik sowie fünf Sachverständige aus den Landesrechnungshöfen. Jedes Land ernennt ein Mitglied, das auf die Dauer von fünf Jahren berufen wird. Nach dem Urteil des Verfassungsgerichtes dürfen dem Gremium keine Vertreter aus der Politik angehören. Die KEF muss in ihrem Bericht an die Landesparlamente nicht nur die Höhe der Rundfunkgebühr (vgl. Abb. 3.6) beziffern, sie soll auch auf die Notwendigkeit einer Änderung des Finanzausgleichs hinweisen sowie die Aufteilung der Gebühren zwischen ARD, ZDF und Deutschlandradio prozentual und betragsmäßig beziffern. Was ist von dieser Art der Gebührenfestsetzung zu halten? Auf diese Frage gibt es die Antwort, die Ökonomen so unbeliebt macht: Das kommt darauf an. Wer eine Maßnahme bewerten will, muss auch den Maßstab nennen, der für diese Bewertung gelten soll. Meistens kommen mehrere Ziele beziehungsweise Maßstäbe in Frage, anhand derer man eine Maßnahme bewerten kann. Also einmal der Reihe nach: Gemessen am Ziel eines staatsfernen Rundfunks hat die jetzt gefundene Lösung sicherlich einiges für sich. Allerdings besteht immer noch ein gewisser Einfluss des Staates auf die Rundfunksender: Zum einen bestimmen die Länder die Mitglieder der KEF; das verschafft ihnen unter Umständen einen gewissen Einfluss auf die Sender. Wie stark dieser ist oder sein kann, ist allerdings ungewiss, so etwas lässt sich nicht beziffern. Ein anderes Druckmittel der Länder ist der Finanzausgleich, den ja die Ministerpräsidenten der Länder verabschieden müssen; sie nutzen
20 17,98
18 16,15
16 14 12,17
12 10
8,31
8
Abb. 3.6↜渀 Die Entwicklung der Rundfunkgebühren seit 1950 in Euro
9,71 8,49
6,65
6 4
17,03
14,4
4,35
3,58
5,37
2 0 1950
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1990
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vermutlich bisweilen die schwierigen Verhandlungen um den Finanzausgleich, um Druck auf die kleineren Sender auszuüben. Wohlgemerkt: Bis hierhin ging es nur um die wirtschaftliche Verwendung der Mittel, aber noch nicht um die Programmgestaltung. Das ist ein zweiter Knackpunkt: Das Konzept der öffentlich-rechtlichen Sender ist so angelegt, dass die Rundfunkräte das Programm überwachen, das notwendig und angemessen ist. Was ist aber mit einer Expansion der Sender in neue, zumeist auch kostenträchtige Medien? Wenn sich hier niemand findet, der das Finanzgebahren der Sender kontrolliert, dann werden diese recht schnell expandieren – große Organisationen neigen in der Regel dazu, alles zu tun, um ihre Position nicht nur zu zementieren, sondern auch auszuweiten, ob es sinnvoll ist oder nicht. Das Fazit dieser Überlegungen: Das Finanzgebahren der Sender muss von außerhalb der Sender kontrolliert werden, um Verschwendung und unnütze Ausgaben zu vermeiden. Sobald aber diese Kontrolle vom Staat vorgenommen wird, haben wir wieder ein Stückchen staatlichen Einfluss auf die Sender. Verschwendung oder Staatseinfluss – zwischen diesen beiden Polen gibt es sozusagen nur Abstufungen, ein Mehr von dem einen bedeutet meistens ein Weniger von dem anderen. Wenn wir uns nun dazu entschließen, den Sendern eine wie auch immer geartete Kontrolle ihres Finanzgebarens angedeihen zu lassen, dann stehen wir vor einem weiteren Problem, nämlich dem der effizienten Kontrolle. Das Problem besteht darin, dass die Sender ihre Bedarfe anmelden und die Kontrollkommission diese überprüft. Kann die Kommission die Korrektheit der Angaben unzweifelhaft prüfen? Hier kommen strategische Bedarfsmeldungen ins Spiel: Bei der Planung eines Budgets werden die einzelnen Abteilungen in der Regel aufgefordert, ihre Bedarfe für das kommende Jahr anzumelden. Was würden Sie als Abteilungsleiter tun? Sie wissen, dass Ihr Antrag nie in der vollen Höhe bewilligt wird, vor allem nicht in Zeiten von Budgetkürzungen. Was tut der kluge Mann also: Er meldet mehr an Bedarf an, als er eigentlich braucht. Das geht in etwa so: „Ich brauche sechs Rechner“, denkt sich der Abteilungsleiter. „Da man mir aber in der Regel immer ein Drittel meines Bedarfes streicht, melde ich einfach den Bedarf von neun Rechnern an, drei werden mir gestrichen, sechs bekomme ich“. Und sobald das die meisten Abteilungsleiter tun, können Sie sich ausmalen, wie exakt ihre Planzahlen sind. Und es kommt noch dicker. Die Planungsabteilung weiß natürlich, dass die Abteilungsleiter gerne übertreiben; das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass diese die Budgetzahlen auf jeden Fall kürzen. Das wiederum wissen auch die Abteilungsleiter. Und so weiter. Um diese strategischen Spielchen zu vermeiden, müsste man jeder Bedarfsmeldung einzeln nachjagen und sie auf ihre Verlässlichkeit abklopfen – bei großen Organisationen ein unmögliches Unterfangen. Das hier geschilderte Problem ist ein Problem, mit dem sich alle großen Unternehmen herumschlagen. Für die KEF dürfte es besonders aufwendig sein, da sie die Bedarfe aller Sendeanstalten zu überprüfen hat – eine Sisyphusarbeit. Zudem wissen die Sender, dass die Höhe der Rundfunkgebühren – und damit auch ihre Einnahmen – von den von ihnen angemeldeten Bedarfen abhängt – ein verhängnisvoller Anreiz. Nicht zuletzt wirft die KEF auch noch ein anderes Problem auf: Die Programmautonomie der Sender soll ja gewahrt bleiben – ist diese in Gefahr, wenn die KEF den Sendern Budgetkürzungen ans
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Herz legt? Wenn man dies alles vermeiden und zudem den leidigen Diskussionen um die Gebührenanhebung aus dem Weg gehen will, verfällt man rasch auf eine andere Lösungsmöglichkeit. Kritiker des obigen Verfahren haben vorgeschlagen, die Höhe der Rundfunkgebühren an der Inflationsrate auszurichten – sie also an das Preisniveau zu koppeln (Indexierung). Die Grundidee einer indexierten Rundfunkgebühr ist einfach: Um eine Einmischung des Staates in die Finanzierungsangelegenheiten der Sender ebenso zu verhindern wie eine Selbstbedienung durch die Sender, orientiert man die Zuwächse der Rundfunkgebühren an der Höhe der Inflationsraten. Höhere Inflationsraten, also höhere Preise für die Güter des täglichen Bedarfs, führen dann automatisch zu höheren Rundfunkgebühren. Der Gedanke dahinter ist in etwa folgender: Mit steigenden Preisen steigen auch die Ausgaben der Rundfunksender, da sie ebenso wie die Bürger die höheren Preise zahlen müssen. Höhere Preise bedeuten höhere Gehälter für Moderatoren und Schauspieler sowie höhere Preise für Vorleistungen, welche die Sender einkaufen müssen. Und steigende Kosten erfordern bei gleicher Programmleistung höhere Gebühreneinnahmen. Die Methode klingt ganz einleuchtend, hat aber einige Fußangeln. Zum einen gibt es „die Preise“ eigentlich nicht. Die Inflationsrate, wie wir sie aus der Tagesschau kennen, misst den Anstieg der Preise eines ausgewählten Güterkorbes. Das Statistische Bundesamt hat zum Zweck der Inflationsmessung verschiedene Güterkörbe mit festgelegten Konsummengen und etwa 900 Gütern konstruiert; steigt der Gesamtwert dieser Güterkörbe, so steigt die Inflationsrate. Wenn also die Inflationsrate steigt, so muss das nicht notwendigerweise bedeuten, dass auch die Preise für die Sendeanstalten steigen: Die Preise in der Kantine mögen steigen, doch die Preise für Schauspieler und Moderatoren sind nicht in den Güterkörben enthalten, mit denen das Statistische Bundesamt die Inflationsrate misst. Wenn also die Güterpreise steigen, so muss das nicht bedeuten, dass auch die Kosten für die Sender steigen – im Extremfall können sie sogar sinken. Wenn man also die Höhe der Gebühren danach bemessen will, dass es den Sendern bei steigenden Preisen weiterhin möglich sein soll, ihrem Programmauftrag nachzukommen, so braucht man einen Preisindex, der die Kosten im Rundfunkwesen misst; also eine Art Güterkorb, an dem der Intendant seine Kosten ablesen kann. Das ist mit zwei Problemen verbunden: Zum einen sind die öffentlich-rechtlichen Sender in der deutschen Medienlandschaft so groß, dass sie durch ihr Finanzgebahren auch die Höhe der Kosten im Rundfunkbereich mitbestimmen. Wenn der Intendant die Gehälter der Moderatoren erhöht, so steigt damit automatisch auch der Preisindex der Rundfunkkosten – und damit würden auch wiederum die Rundfunkgebühren zunehmen. Durch die Hintertür sozusagen würde das Finanzgebahren der Sender zu höheren Rundfunkgebühren führen. Die Sender könnten durch ihr eigenes Verhalten die Gebühren in die Höhe treiben. Das zweite Problem mit einer Indexierung liegt im statischen Charakter dieses Konzeptes: Die Medienlandschaft entwickelt sich stetig weiter; ständig entstehen neue Sendeformate, Programmangebote und Medien. Diese können aber naturgemäß in dem Güterkorb, der dazu dient, die Kosten der Sender zu ermitteln, nicht enthalten sein. Wie will man bei einer automatischen Anpassung der Rundfunkge-
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bühren Geld für neue Bedarfe vorsehen, die bisher nicht in dem Güterkorb enthalten sind, mit dessen Hilfe man die Einnahmen der Sender bestimmt? Irgendjemand muss also ständig über die Zusammensetzung des Güterkorbes und die Gewichtung der einzelnen Preise entscheiden – und damit ist der ganze schöne Automatismus wieder dahin. Wer über den Güterkorb entscheidet, kann indirekt Einfluss auf die Sender ausüben, indem er neue Bedarfe zulässt oder aber den Korb unverändert lässt. Eine weitere Möglichkeit wäre die Einführung einer Innovationspauschale, die man zusätzlich zahlt. Aber auch hier stellt sich ein Problem: Da Innovationen etwas Neues sind (das liegt in der Natur der Sache), kann man im Voraus gar nicht wissen, wann man wie viel Geld dafür benötigt. Die Festsetzung der Pauschale wäre ein Politikum. Zudem regt eine solche Pauschale wiederum dazu an, ausgegeben zu werden – ob es Innovationen gibt oder nicht. Als weitere Möglichkeit der Rundfunkfinanzierung wird eine Steuerlösung diskutiert. Man könnte den Sendern, so die Idee, einen bestimmten Anteil an den Steuereinnahmen des Staates zuweisen und beispielsweise eine festen Prozentsatz vereinbaren, mit dem die Sender an den Einnahmen des Staates beteiligt werden. Problem Nummer eins: Das Finanzbudget der Sender wäre dann an die Einnahmensituation des Staates gekoppelt, und in einer Rezession, in der die Steuereinnahmen zurückgehen, würden auch die Einnahmen der Sender sinken. Die Güte und der Umfang der öffentlich-rechtlichen Programme wären dann an den Konjunkturzyklus gekoppelt – das muss man nicht schlimm finden, kann man aber. Aber man muss dann schon erklären, warum die Ausgaben der Bürger für alle anderen Ausgabengruppen in der Rezession notgedrungen sinken, aber nicht die (zwangsweise entrichteten) Ausgaben für öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Also müsste ein fester Betrag her, der den Sendern aus den Steuermitteln zugewiesen wird. Aber der müsste jedes Jahr wieder neu ausgehandelt werden – mit den bereits bekannten Problemen, auch was die Programmautonomie der Sender angeht. Also eine Rundfunksteuer? Das würde uns auch nicht viel weiter bringen: Die Steuer müsste in ihrer Höhe festgelegt werden – von wem? Das wäre das alte Problem. Zudem gibt es noch weitere Argumente gegen eine Rundfunksteuer: Entweder, diese Steuer wird explizit erhoben nur zu dem Zweck, den Rundfunk zu finanzieren. Dann müssten aber auch jene dafür zahlen, die den Rundfunk gar nicht nutzen. Natürlich zahlen wir mit unseren Steuern für viele Dinge, die wir nicht nutzen (wollen), doch gilt im Budgetrecht des Bundes das sogenannte Nonaffektationsprinzip: Steuern werden allgemein erhoben, ohne dass man ihren Verwendungszweck vorher festlegen würde. Alle Steuereinnahmen fließen gedanklich in einen großen Topf, aus dem dann die Staatsausgaben finanziert werden9. Das hat auch einen guten Grund: Der Steuerwiderstand gegen zweckbestimmte Steuern wäre immens. Warum sollten Pazifisten Bundeswehrsteuer zahlen? (Warum sollte man Wehrsteuern zahlen? Die Verteidigung ist ein reines öffentliches Gut, denken Sie an Kap.€1 und überlegen Sie einmal, warum man nicht zahlen muss, um verteidigt zu werden) Warum sollten Kunstmuffel Museumsteuern zahlen? Ein Staat ist eine Solidargemeinschaft: Jeder Bürger ist aufgerufen, 9╇ Eine Ausnahme von diesem Prinzip bildet beispielsweise die Mineralölsteuer, deren Aufkommen teilweise für den Straßenbau vorgesehen ist.
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nach Maßgabe seiner Leistungsfähigkeit dazu beizutragen, dass Gemeinschaftsaufgaben erfüllt werden. Und das geschieht maßgeblich über Steuern, die sich am Einkommen, also an der vermuteten Leistungsfähigkeit der Bürger, orientieren.10 Das aber wiederum könnte der Vorteil einer Rundfunksteuer sein: Jeder Bürger würde nach Maßgabe seiner Leistungsfähigkeit – gemessen am Einkommen – zur Finanzierung des Rundfunks beitragen, was einer in westlichen Demokratien weitverbreiteten Gerechtigkeitsvorstellung entspricht. Der Nachteil der Fernsehgebühr ist auch ein verteilungspolitischer: Jeder Bürger zahlt unabhängig von seinem Einkommen, also seiner Leistungsfähigkeit, den gleichen Beitrag zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Wer umverteilen will, findet das nicht sonderlich gut. Der Rundfunkgebühr liegt eher der Gedanke der Äquivalenz zugrunde: Jeder soll entsprechend dem Nutzen, den er aus dem Rundfunk erhält, zahlen, unabhängig von seiner Leistungsfähigkeit. Leider ist die Äquivalenz hier sehr unvollkommen: Der Zuschauer zahlt für die potenzielle und nicht die tatsächliche Nutzung des Rundfunks; zudem hat er nur einen äußerst geringen und mittelbaren Einfluss auf den Nutzen – also das Programm – des Rundfunks, nämlich über die Rundfunkräte. Seien wir einmal ehrlich, im Grunde genommen ist die Rundfunkgebühr eine Art Rundfunksteuer: Jeder muss sie zahlen, der ein Radio (einen Fernseher) besitzt, unabhängig davon, ob er öffentlich-rechtliche Sender sieht oder nicht (juristisch gesehen stimmt das natürlich nicht, denn der Rundfunkgebühr fehlen wesentliche Eigenschaften einer Steuer). Und da mittlerweile ein Fernseher oder ein Radio zur Grundausstattung jedes Haushaltes gehört, zahlt sie eigentlich auch jeder (außer den Schwarzsehern, aber Steuerhinterziehung gibt es überall). Vom Standpunkt der Zuschauer aus betrachtet ergibt sich bei der Gebührenfinanzierung noch ein weiteres Problem: Die Wünsche des Publikums werden bei der Planung der Bedarfe und der Gebühren im Grunde genommen nicht berücksichtigt. Natürlich machen sich die Macher der Sendungen Gedanken darüber, was die Zuschauer und -hörer haben wollen, aber wissen sie es auch? Hier sind wir wieder bei dem Problem der Zuschauerpräferenzen: Letztlich entscheiden die Sendeleiter und die KEF darüber, was dem Publikum vorgesetzt wird, die Rundfunkräte überwachen dies. Ob dies auch wirklich den Präferenzen der Zuschauer entspricht, ist nicht sicher. Das Problem: Wenn ein Sendeformat floppt, so hat das bei privaten Sendern weitaus schlimmere Folgen als bei den Öffentlich-Rechtlichen. Den Privaten brechen dann die Werbeeinnahmen weg, aber die Öffentlich-Rechtlichen haben auch weiterhin ihre Gebühreneinnahmen. Wir vernachlässigen jetzt einmal aus didaktischen Gründen ganz bewusst die Tatsache, dass auch die öffentlich-rechtlichen Sender auf Werbeeinnahmen angewiesen sind (zumal diese im Vergleich zum Gesamtbudget recht gering sind). Stellen Sie sich einmal rein gebührenfinanzierte Sender vor: Die Einnahmen sind völlig unabhängig vom Sendeerfolg. Und sobald man Finanzierungsverantwortung von der Verantwortung für den Inhalt trennt, entstehen leicht Sendungen, die nicht unbedingt zum Publikumsrenner taugen. Das soll nicht heißen, dass die Öffentlich-Rechtlichen auf den Geschmack des Publikums Der finanzwissenschaftlich gebildete Leser möge es verzeihen, dass all die anderen Steuern unter den Tisch gefallen sind.
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pfeifen, doch sollte Ihnen der Mechanismus bei einer Gebührenfinanzierung klar sein: Garantierte Einnahmen führen zu einem laxeren Umgang mit den überantworteten Mitteln. Allerdings muss man den Sendern zugutehalten, dass genau diese Unabhängigkeit vom Publikumsgeschmack ja gewollt ist. Das ist die bereits im ersten Kapitel erörterte meritorische Rolle von Rundfunksendungen, womit man aber explizit eingesteht, dass das, was förderungswürdig ist, nicht unbedingt (massen) publikumstauglich sein muss. Ein weiterer kritischer Punkt bei der Gestaltung des öffentlich-rechtlichen Programms sind die so genannten Quersubventionierungseffekte: Die Gesamtheit aller Gebührenzahler als potenzielle Zuschauer bezahlt Fernsehgebühren für eine Sendung, deren Nutzen jedoch nur den tatsächlichen Zuschauern zufließt. M.€a.€W.: Die Nicht-Seher einer Sendung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen bezahlen den Fernsehkonsum der tatsächlichen Konsumenten, der Atheist bezahlt für die Übertragung des Worts zum Sonntag, falls er einen Fernseher besitzt. Man kann sich das in etwa so vorstellen: Die Gesamtheit aller potenziellen Fernsehzuschauer bezahlt in einen großen Gebührentopf, aus dem das gesamte Programm finanziert wird. In dem Ausmaß, in dem die Gestaltung des Programms nicht dem Geschmack des einzelnen Gebührenzahlers entspricht, ist das öffentlich-rechtliche Fernsehen ein Zuschussgeschäft für ihn. Nehmen Sie einmal zwei Gebührenzahler: Der eine möchte nur – sagen wir einmal – Catchen sehen, der andere Kultursendungen und Tierfilme. Aber beide zahlen die gleiche Gebühr. Unser Freund des Catchens zieht aus den öffentlich-rechtlichen Sender nur wenig Nutzen, mit seinen Gebühren werden die Tierfilme und Kultursendungen bezahlt, die unseren zweiten Zuschauer freuen; Catch-Sendungen gibt es im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht. Würde jeder unserer beiden Zuschauer nur die Programmanteile bezahlen, die er wirklich konsumieren will, so würde der Catch-Fan nichts bezahlen, und der Tier- und Kulturfreund müsste wesentlich mehr bezahlen, um das Programmangebot zu erhalten, das er im Falle der Quersubventionierung bekommt. Der Catch-Freund subventioniert also den Fernsehkonsum des Kultur- und Tierliebenden; das bezeichnen Ökonomen als Quersubventionierung. Die mit dieser Quersubventionierung verbundenen Umverteilungseffekte sind nicht zu überblicken, hier lassen sich nur wenige allgemeine Aussagen machen. Umverteilungsverlierer sind unstrittig alle jene Fernsehzuschauer, die vom Programmangebot der öffentlich-rechtlichen Sender keinen Gebrauch machen. Ihr Gebührenaufkommen wird zur Finanzierung von Sendungen verwendet, die sie nicht verfolgen bzw. verfolgen wollen oder sogar können. Je weniger Gebrauch ein Zuschauer von den öffentlich-rechtlichen Sendern macht, umso mehr wird seine Fernsehgebühr zu einer Fernsehsteuer ohne tatsächliche Gegenleistung. Die Umverteilung innerhalb der Gemeinschaft der Gebührenzahler, welche das öffentlich-rechtliche Fernsehen nutzen, dürfte sich noch schwerer erfassen lassen. Die Konsumenten von Sendungen, welche ohne öffentlich-rechtliches Fernsehen nicht gesendet worden wären, gewinnen auf Kosten der Konsumenten solcher Sendungen, welche ohne die Existenz von Fernsehgebühren häufiger bzw. von anderen Sendern ausgestrahlt worden wären. M.€a.€W.: All jene Personen, die höhere Präferenzen für die von staatlicher Seite für die öffentlich-rechtlichen Sender beschlossenen meritorischen Inhalte haben, sind die Gewinner der Umverteilung durch das öffentlich-rechtliche Fernsehen.
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3.3 Radio und Fernsehen
Wie dies praktisch aussehen mag, verdeutlichen z.€ B. die Überlegungen für den deutsch-französischen Kultursender Arte: Mit einem Mittelaufwand von etwa 375€Mio.€€ (2008) im Jahr wird hier ein Programm gestaltet, das einen spezifischen Marktanteil von etwa 0,7€% der Zuschauer hat. Die thematischen Schwerpunkte von Arte legen die Überlegung nahe, dass dieses Programm eher von Personen mit höherer Schulbildung genossen wird. Unterstellt man einen positiven Zusammenhang zwischen der Einkommenshöhe und dem Grad der Ausbildung, so kann man zu dem Ergebnis kommen, dass die Gebührenfinanzierung von Arte denjenigen Zuschauern zugutekommt, die sich diese Programminhalte aufgrund ihres Einkommens auch selbst leisten könnten und darüber hinaus auf staatliche Unterstützungen hinsichtlich ihres Bildungs- oder Informationsniveaus nicht angewiesen sind. Verteilungspolitisch keine schöne Angelegenheit. Das Streben der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender nach höheren Einschaltquoten zeigt allerdings, dass sie sich dieser Problematik durchaus bewusst sind und kann als Versuch interpretiert werden, eine größere Anzahl von Gebührenzahlern zu Gewinnern dieses Systems zu machen. 3.3.1.2â•…Finanzierung über Werbung Nun haben wir bisher ausschließlich über Gebührenfinanzierung gesprochen und dabei vernachlässigt, dass sich auch die öffentlich-rechtlichen Sender zumindest teilweise über Werbung finanzieren. Tabelle€3.7 zeigt allerdings, dass die Haupteinnahmequelle der Öffentlich-Rechtlichen immer noch die Gebühren sind. Dies liegt nicht zuletzt an den Beschränkungen, denen die Werbung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen unterworfen ist. Während das ZDF die Aufgaben, die sich aus der Vermarktung der Sendezeit ergeben, selbst übernimmt, haben die ARD-Anstalten ihr Werbegeschäft in der ARD Werbung ausgegliedert, deren Anteile sich entweder über Treuhänder oder aber direkt im Besitz der Anstalten befinden. Im Folgenden wollen wir uns etwas genauer ansehen, was es mit der Finanzierung von Fernsehen über Werbung auf sich hat. Die folgenden Argumente gelten Tab. 3.7↜渀 Ertragspläne der öffentlich-rechtlichen Sender für die Jahre 2001–2008. (Quelle: Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten: 14., 16. und 17. Bericht, Mainz 2003, 2007, 2008) Erträge in Millionen Euro 2001–2004 2005–2008 2009–2012 ARD Gebühren 19.556 20.602 20.430 Werbung 386 410,8 418,6 Sonstige Einnahmen 3.384 3.043 3.028 Davon Sponsoring 117 154,6 133,5 ZDF Gebühren Werbung Sonstige Einnahmen Darunter Sponsoring
6.276 509 566 86,9
6.847,2 457,2 628 92
6.785 477 626 98
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3 Audiovisuelle Medien
– solange nichts Gegenteiliges gesagt wird – sowohl für die öffentlich-rechtlichen als auch für die privaten Sender. Im ersten Kapitel wurde bereits erklärt, wie das mit der Werbung im Rundfunk funktioniert: Die Nichtausschließbarkeit vom Konsum der Medien führt dazu, dass man von den Zuschauern direkt keinen Preis verlangen kann. Heute allerdings ist der Ausschluss vom Konsum technisch möglich (Pay-TV), so dass das Argument vom öffentlichen Gut nicht mehr greift. Aber die Grenzkosten für jeden weiteren Zuschauer sind Null, so dass es aus ökonomischer Sicht wenig sinnvoll ist, das zu tun. Jeder weitere Zuschauer bringt mehr Werbeeinnahmen (über das Geschäftsmodell der Pay-TV-Sender sprechen wir später noch). Aus diesem Grund finanzieren sich die Sender über Werbung: Die werbetreibenden Unternehmen bezahlen für die Werbung, die im Programm geschaltet wird. Sobald die zusätzlichen Verkaufserlöse, welche sie durch diese Werbung erzielen, über den Kosten für die Werbeschaltung liegen, rechnet sich das. Um möglichst hohe Verkaufserlöse zu erzielen, ist es wichtig, dass möglichst viele Zuschauer die Werbeunterbrechungen konsumieren. Also werden die Unternehmen ihre Werbung in einem möglichst attraktiven Programmumfeld starten. Aus diesem Grund werden sich die Sender, die ihre Werbeeinnahmen maximieren wollen, um ein möglichst attraktives Programm bemühen. Mit anderen Worten: Je attraktiver das Programm, umso höher die Einschaltquoten, umso höher die potenziellen zusätzlichen Einnahmen der werbetreibenden Unternehmen und umso höher die Werbeeinnahmen der Sender. Sozusagen auf Umwegen werden die Sender gezwungen, ihr Programm möglichst eng am Geschmack der Zuschauer auszurichten. Die List der Marktwirtschaft funktioniert hier auf Umwegen: Auch der Rundfunksender richtet sich am Geschmack des Publikums aus, nur mit dem Unterschied, dass nicht die Konsumenten (also die Zuschauer) direkt für die Kosten der Rundfunksendungen aufkommen, sondern die Unternehmen, die dort Werbung betreiben. Die Zuschauer zahlen mit Aufmerksamkeit, bzw. mit der Zeit, die sie vor dem Fernseher verbringen und die Werbung anschauen. Eins muss man allerdings einschränken: Es wird nur die Summe der Einzelbedürfnisse gemessen, aber nicht deren Intensität – die Dringlichkeit eines individuellen Programmwunsches eines einzelnen wird nicht direkt berücksichtigt. Wenn man aber bedenkt, dass die werbetreibenden Unternehmen darauf aus sind, in einem Umfeld zu werben, in dem die Kunden eine möglichst hohe Aufmerksamkeit haben, wird klar, dass auch die Intensität der Wünsche über Umwege berücksichtigt wird. Box 3.24: Rechtliche Beschränkungen für Werbung╇ Der Gesetzgeber hat einige rechtliche Regelungen erlassen, denen sich Sender unterwerfen müssen, wenn sie ihr Werbeprogramm gestalten. Die Gesamtdauer der Werbesendungen ist für die Öffentlich-Rechtlichen zeitlich begrenzt; nach 20 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen dürfen keine Werbesendungen ausgestrahlt werden; die Öffentlich-Rechtlichen dürfen maximal 20€Minuten Werbung pro
3.3 Radio und Fernsehen
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Tag betreiben. Bei den Privaten Sendern darf die Dauer der Werbespots innerhalb einer Stunde nicht mehr als 20€% der Zeit beanspruchen. Eine Möglichkeit für die Öffentlich-Rechtlichen, das Werbeverbot zu umgehen, stellt das Sponsoring dar: Ein Werbetreibender „präsentiert“ den Zuschauern ein Großereignis, eine Fußballspiel oder ähnliche Ereignisse; am Anfang und am Ende der Sendung wird das Logo des Sponsors eingeblendet („Dieses Spiel wurde Ihnen präsentiert von …“). Dafür muss er natürlich zahlen. Bitte fragen Sie nicht, worin der Unterschied zu „normaler“ Werbung besteht, hier wird das Argument angeführt, dass es ja keine Aussagen zum Produkt und dessen Vorzügen gebe. Da die privaten Fernsehsender sich ausschließlich über Einnahmen aus Werbung finanzieren (vgl. Abb. 3.7), müssen sie ihr Programm stärker an den Präferenzen des Publikums ausrichten als die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender, da die Einschaltquoten über die Höhe der Werbeeinnahmen entscheiden. Die Zuschauer bezahlen ihren tatsächlichen Konsum der Programme ausschließlich in Form ihres Konsums von Werbung, und zwar in wesentlich höherem Ausmaß als im Falle der öffentlich-rechtlichen Programme. Die Gebühren machen die öffentlich-rechtlichen Sender bis zu einem gewissen Grad unabhängig von der Publikumsgunst, da sie einen erheblich geringeren Teil ihrer Einnahmen über Werbung erzielen.
ARD; 207
Abb. 3.7↜渀 Brutto-Werbeaufwendungen im deutschen Werbefernsehen 2008, in Millionen Euro. Der Marktanteil der Öffentlich-Rechtlichen am gesamten Werbekuchen in Höhe von 8.745€Mio.€€ beläuft sich auf rund 4,3€%. Die Öffentlich-Rechtlichen allerdings werfen den Privatsendern gerne vor, dass diese sich ihre Marktanteile mit hohen Rabatten erkaufen. Immerhin: Das Brutto-NettoVerhältnis, also die Relation von Bruttowerbepreis zu Nettowerbepreis (also unter Berücksichtigung von Rabatten), liegt für die gesamte Branche für das Jahr 2008 bei rund 40€%
ZDF; 169
Sonstige; 1278
RTL; 2032 Kabel 1; 619
Vox; 725
RTL 2; 588 SAT 1; 1668
Pro 7; 1455
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Auch bei rein werbefinanzierten Rundfunksendern gibt es die bereits beschriebenen Quersubventionierungseffekte, die sich allerdings etwas anders darstellen als im Falle der öffentlich-rechtlichen Sender: Hier werden die Kosten für die Werbung, mit deren Hilfe die Sendungen finanziert werden, auf das beworbene Produkt umgelegt. Der Produzent der Zahnpasta, für die im Rundfunk geworben wird, schlägt die Kosten für diese Werbung auf den Preis für sein Produkt auf. Wer also Zahnpasta kauft, bezahlt mit dem Preis dafür auch die Kosten der Werbung, die wiederum das Ausstrahlen von Rundfunksendungen ermöglicht. Damit tragen alle Konsumenten des betreffenden Gutes zur Finanzierung der Übertragung im werbefinanzierten Fernsehen bei, unabhängig davon, ob sie die Sendung verfolgen oder nicht. M.€a.€W.: Der Zahnpasta-Konsument ohne Fernseher bezahlt zumindest teilweise den Al-Bundy-Konsum des Biertrinkers. Dieser Effekt findet sich grundsätzlich bei allen Formen (teilweise oder gänzlich) werbefinanzierten Konsums (z.€ B. auch bei Zeitschriften, kostenlosen Online-Angeboten oder gesponsorten Veranstaltungen) und kann insgesamt zu Wohlfahrtsgewinnen führen, wenn die Anbieter der beworbenen Produkte durch die werbeinduzierte Steigerung ihres Absatzes eine Reduktion ihrer Durchschnittskosten erreichen können und sich das in niedrigeren Produktpreisen widerspiegelt. Um es einfacher zu formulieren: Wenn die Erhöhung des Werbeaufwandes zu einem Anstieg der verkauften Menge – und damit der produzierten Menge – führt und diese erhöhte Produktion aufgrund von Massenproduktionsvorteilen billiger hergestellt werden kann, so stellt die Werbung einen Gewinn für alle Konsumenten dar. Das Ausmaß dieses Effektes ist beträchtlich: Schätzungen haben gezeigt, dass beispielsweise bei der Produktion von LKWs, Kühlschränken, Videorekordern, Schreibmaschinen und Zigaretten weniger als drei Anbieter am Markt notwendig sind, um die mindestoptimale technische Betriebsgröße zu erreichen, ab der bei einer Erhöhung der Produktionsmenge keine bedeutsame Senkung der Durchschnittskosten mehr möglich ist. Mit anderen Worten: Solange es mehr als drei Anbieter in dieser Branche gibt, würde eine Erhöhung der Absatzmenge verbunden mit einer Reduktion der Anbieter zu einem Absinken der durchschnittlichen Produktionskosten führen. Wie ist Werbefinanzierung aus ökonomischer Sicht zu beurteilen? Die aus dieser Sicht optimale Lösung werden wir im nächsten Abschnitt kennenlernen, so dass hier erst einmal einige andere Aspekte diskutieren werden sollen: nämlich den Wettbewerb und die Frage nach der redaktionellen Unabhängigkeit. Aus Wettbewerbsperspektive muss man festhalten, dass diese Form der Rundfunkfinanzierung einen direkten Preiswettbewerb der Rundfunksender verhindert, da der Zuschauer ja keine direkt messbaren Preise für seinen Rundfunkkonsum zahlt. Die Sender tragen ihren Kampf um die Zuschauer über das Programm aus; der Sender mit dem attraktivsten Programm hat die höchsten Einschaltquoten und die größten Werbeeinnahmen. Ein Wettbewerb mit Preisen findet beim Kampf um die Werbekunden statt: Hier machen sich die Sender Konkurrenz, indem sie sich bemühen, ihre Werbeminuten billiger als die Konkurrenz zu verkaufen. „Billiger“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass man nicht mit den absoluten Preise konkurriert, sondern mit dem Preis, zu dem der Werbekunde die meisten Zuschauer erreichen kann – beispielsweise mit dem in Box€3.25 erläuterten Tausenderpreis.
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3.3 Radio und Fernsehen
Box 3.25: Der Tausenderpreis╇ Die über Werbung erreichbare Personenzahl wird in der Regel in 1.000 Personen gemessen, der dafür zu zahlende Preis ist der so genannte Tausenderpreis – er macht die Leistung von Werbeträgern vergleichbar. Der Tausend-Kontakte-Preis ist der Preis für die Werbung, der durch die Anzahl der erreichten Personen dividiert und mit 1.000 multipliziert wird. Er gibt an, was es den Werbetreibenden kostet, 1.000 Personen mit seiner Werbung zu erreichen. Nimmt man statt der Zahl der erreichten Kontakte die Auflage einer Zeitung, so hat man den Tausend-Käufer-Preis; wählt man statt dessen die Zahl der eingeschalteten Geräte, so erhält man den TausendGeräte-Preis. Diese Kennziffern sind wichtig, denn eine Zeitung wird in der Regel von mindestens zwei Personen gelesen, und ein Rundfunkgerät wird in der Regel von mehreren Personen genutzt. Für das Jahr 2008 lag der Tausender-Kontaktpreis (30€Sekunden, Erwachsene ab 14 Jahren, 3:00 bis 3:00 Uhr) bei rund 11,85€€11 (vgl. auch Tab. 3.8). Kritiker des werbefinanzierten Programms behaupten, dass auf diese Art und Weise kein transparenter Wettbewerb entsteht: Die Zuschauer sind sich nicht im Klaren darüber, welchen Preis sie wirklich für ihren Rundfunkkonsum bezahlen müssen. Dem sind zwei Dinge entgegen zu halten: Zum einen wird niemand dazu gezwungen, Rundfunk zu konsumieren (aber er wird gezwungen, Rundfunkgebühren zu bezahlen). Aufgrund der Freiwilligkeit der Zuschauer ist dies also nicht das Problem. Zum anderen wissen Konsumenten oftmals den „wahren“ Preis, den sie beim Einkauf bezahlen, nicht. So zum Beispiel beim Konsum von Zeitungen (auch hier konsumiert man Werbung). Oder denken Sie einmal an Rabattmarken, Kundenbonussysteme oder ähnliche Angebote, bei denen dem Konsumenten ein Bündel von Gütern angeboten wird. Preistransparenz ist eine extrem schwierige Sache und definiert sich nicht ausschließlich darüber, dass man einen Preis ablesen kann. Auch die mit werbefinanziertem Fernsehen verbundene Quersubventionierung muss nicht so problemaTab. 3.8↜渀 TausenderKontaktpreis und Werbeinselreichweite deutscher Sender 2009. (Quelle: o.€V. (2009): TV-Werbeinseln – Reichweitenvergleich, in: W&V Media Nr.€5 vom 29.04.2009, S.€49)
ZDF ARD RTL RTL II Pro Sieben Sat Eins Vox Kabel Eins
Tausender-Kontaktpreis (Erwachsene über 14; 17–20 Uhr)
Sehbeteiligung in Millionen
11,37 6,46 17,40 14,19 24,81 11,46 13,69 17,33
1,80 2,73 1,40 0,42 0,73 1,49 0,73 0,31
Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten in Deutschland: ALM Jahrbuch 2008, Stuttgart 2009.
11╇
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3 Audiovisuelle Medien
tisch sein: Wir haben oben gesehen, dass unter Umständen dennoch alle Konsumenten von einem erhöhten Werbeaufkommen profitieren können. Wer gegen diese Art der Quersubventionierung ist, muss auch gegen werbefinanzierte Printmedien sein.
Box 3.26: Einschaltquotenmessung╇ Damit die Werbeeinnahmen auch fließen, muss man wissen, wie viele Zuschauer eine Sendung sehen. Das findet für die Fernsehsender die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK, www. gfk.com) in Nürnberg heraus, die von der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (www.agf.de) beauftragt ist, der die öffentlich-rechtlichen Sender und fast alle kommerziellen Sender angehören. Die GfK ermittelt in rund 5.600 Haushalten, denen etwa 13.000 Personen angehören, mit speziellen Geräten die Fernsehnutzung jeder einzelnen Person im Haushalt. Die aus diesen Haushalten gewonnenen Daten werden auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet – zu diesem Zweck hat man sich bemüht, die Haushalte repräsentativ auszuwählen. Die aktuellen Daten liegen am darauf folgenden Tag auf den Schreibtischen der Programmverantwortlichen. Die Kosten dieser Datenerhebung werden von Experten auf 15 bis 20€Mio.€€ jährlich geschätzt. (Tabelle 3.8 zeigt Ihnen einen Marktvergleich zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern.) Ein wesentliches Argument gegen werbefinanzierten Journalismus gilt der redaktionellen Unabhängigkeit: Ein Medienunternehmen, das von den inserierenden Unternehmen abhängig ist, dürfte kaum in der Lage sein, mit Abstand und nötigenfalls auch kritisch über das betreffende Unternehmen zu berichten. Das Unternehmen wäre in der Lage, auch die redaktionellen Inhalte zu bestimmen. Dieses Problem wird umso geringer sein, je mehr Werbekunden ein Sender (oder eine Zeitung) hat und je mehr Konkurrenz der Medien untereinander es gibt. Bei starker Konkurrenz erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass zumindest ein Medium über das betreffende Unternehmen berichtet. Eine große Anzahl von Werbekunden reduziert die Wichtigkeit des einzelnen Werbekunden für den Sender und damit auch die Abhängigkeit von ihm. Hier spielen die öffentlich-rechtlichen Sender auch eine Rolle: Da sie weniger von Werbeeinnahmen abhängig sind, werden sie auch mit höherer Wahrscheinlichkeit eine kritische Berichterstattung wagen. Die Abhängigkeit von einzelnen Werbekunden dürfte umso mehr ein Problem sein, je spezialisierter das Medium (also der Sender oder die Zeitschrift) ist: denn umso spezifischer ist das Publikum dieser Medien und umso kleiner ist der Kreis der werbetreibenden Unternehmen, die als Kunden in Frage kommen. Das erhöht die Abhängigkeit der Medien. Extrembeispiele sind Fachzeitschriften, die Testberichte drucken (über Hifi-Geräte, Musikinstrumente, Autos oder ähnliches); der Verdacht, dass Testberichte unter dem Einfluss des Unternehmens entstehen, liegt nahe. Grobe Schnitzer dürfen allerdings nicht in den Testberichten sein, sonst mer-
3.3 Radio und Fernsehen
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ken das die Konsumenten rasch; die Zeitschrift verliert ihre Glaubwürdigkeit. Ein anderes Beispiel sind Musiksender, die Musikvideos abspielen – hier wird ein Teil der Sendezeit von Produktionen aus der Industrie gestellt. Da liegt der Verdacht nahe, dass die Auswahl der gespielten Titel auch dem Einfluss der Musikkonzerne unterliegt, die gewisse Interpreten fördern wollen. Haben in diesem System Minderheitenprogramme eine Chance? Das hängt neben der Zahlungskraft dieser Minderheit sicherlich auch von der Höhe der Fixkosten ab: Je geringer diese werden, umso eher ist zu erwarten, dass sich Nischensender etablieren werden, denn sie besitzen gegenüber Massenprogrammen den entscheidenden Vorteil, dass sie ein wesentlich homogeneres Publikum erreichen, was eine gezieltere und damit erfolgreichere Werbung verspricht. In den vergangenen Jahren haben einige Spartenprogramme den Sendebetrieb aufgenommen; allein dieser Umstand deutet bereits darauf hin, dass sich die Fixkosten in der Rundfunkproduktion reduziert haben. Box 3.27: Teleshopping╇ Schönheitsartikel, Münzen, Küchengeräte, Elektronikgeräte, Heimwerkergeräte – nichts, was man nicht auch per Fernbedienung kaufen könnte. Die drei Großen im deutschen Geschäft sind der Marktführer QVC (Quality, Value, Convenience) mit einem Nettoumsatz in 2009 von 674€Mio.€€, Home Shopping Europe (394€Mio.€€ Nettoumsatz 2009), der als H.O.T. 1995 gestartet ist, und Spätstarter RTL Shop (92€Mio.€€ Nettoumsatz 2008). Als vierte Kraft hat sich 1-2-3-TV etabliert (2009: 92€Mio.€€). Daneben gibt es auch noch Spezialanbieter von Reisen (Sonnenklar-TV, TV Travel Shop). Das Geschäft hat durchaus Zukunft: Im Jahr 2009 lagen die Umsätze mit Teleshopping bei knapp 1,2€Mrd.€€. Teleshopping gilt allerdings nicht als Rundfunk im Sinne des Rundfunkstaatsvertrags.
3.3.1.3â•…Pay-TV Jetzt kommen wir zu der aus ökonomischer Perspektive optimalen Rundfunkfinanzierungsform, zumindest, was die Berücksichtigung individueller Präferenzen angeht: dem Pay-TV, das es in mehreren Formen gibt. Pay-per-channel- oder Payper-view-Sender finanzieren sich ausschließlich über die Zahlungen ihrer Kunden, wobei diese Zahlungen je nach Organisationsform mehr oder weniger verbrauchsabhängig gestaltet werden. Bei Pay-per-channel zahlt der Kunde eine monatliche Pauschale, bei Pay-per-view wird die tatsächliche Inanspruchnahme des Programms abgerechnet. Pay-TV entspricht also im Grunde genommen jedem anderen Vorgang in der Privatwirtschaft: Sie wollen ein Gut – eine Fernsehsendung – und bezahlen dafür. Punkt. Sie sehen, dass Nicht-Ausschließbarkeitsprinzip ist Geschichte – bei Pay-TV funktioniert der Ausschluss vom Konsum zu vertretbaren Kosten; moderne Techniken wie Decoder ermöglichen es im Zusammenspiel mit dem Kabelfernsehen, Zuschauer von der Nutzung des Fernsehens auszuschließen – Fernsehen wird
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zum (fast) ganz normalen Gut. Dass sich diese Form des Fernsehens bisher nicht durchgesetzt hat, liegt zum einen sicherlich daran, dass sie erst seit einigen Jahren technisch möglich ist; begonnen hatte das Zeitalter des Fernsehens schließlich mit Sendungen auf terrestrischen Frequenzen, wo das Ausschlussprinzip nicht funktioniert12. Zum anderen ist die starke Konkurrenz der öffentlich-rechtlichen Sender und der privaten Free-TV-Sender ein starkes Hindernis für den Erfolg von Pay-TV. Der Unterschied zwischen den Zahlungen für Pay-TV und den Gebühren zugunsten öffentlich-rechtlicher Sender besteht im Grad der Freiwilligkeit: Der Wille, für Programme des Bezahlfernsehens zu zahlen, deutet darauf hin, dass der Kunde seine Zahlung als angemessen im Vergleich zum Nutzen aus dem ihm angebotenen Programm ansieht, andernfalls würde er auf den Bezug eines solchen Kanals verzichten. Diese Freiwilligkeit besteht nicht im Falle der öffentlich-rechtlichen Programme. Bei Pay-TV gibt es keine Quersubventionierung: Jeder Kunde zahlt genau das, was er sich ansieht, niemand zahlt für Programme, die er nicht will (das gilt so in Reinform nur für Pay-per-view; bei Pay-per-channel hat man immer noch kleine Quersubventionierungseffekte, da Sie das ganze Programm bezahlen, aber sich nicht alles ansehen werden). Bei Pay-per-channel-Sendern lässt sich eine den öffentlich-rechtlichen Sendern vergleichbare Form der Querfinanzierung also nur eingeschränkt feststellen: Da die Zuschauer bei dieser Form des Fernsehens eine fixe Grundgebühr zahlen, kann der Pay-per-channel-Sender theoretisch über die Verwendung des Gebührenaufkommens frei entscheiden. Allerdings gilt dieses Argument nur sehr eingeschränkt, da die Abonnenten ihr Abonnement sofort kündigen werden, wenn der Nutzen aus dem Fernsehkonsum den Nutzenentgang durch die Gebührenzahlung unterschreitet. Insofern ist der Pay-per-channel-Anbieter einer nachfrageseitigen Restriktion ausgesetzt, die einer Strategie der Quersubventionierung enge Grenzen setzt. Diese Überlegungen zeigen, dass Pay-per-channel-Sender eine Strategie betreiben, bei der sie die Kaufkraft der Zuschauer besser abzuschöpfen, als es das Pay-Per-ViewSender können: Der Zuschauer bezahlt nicht für eine einzelne, bestimmte Sendung (ein einzelnes Produkt), sondern für ein komplettes Programm (mehrere Produkte), d.€h. er entrichtet einen Paketpreis, unabhängig davon, in welchem Umfang er das Programmangebot tatsächlich nutzt. Da zusätzliche Zuschauer in Hinblick auf die während der Übertragung gesendete Werbung (oder steigender Zahlungen der Zuschauer im Falle des Pay-TV) sogar erwünscht sind, und eine Zunahme der Zuschauerzahl mit keinerlei Kosten für den Anbieter der Übertragung verbunden ist, stellt sich die Frage, warum ein Ausschluss von Zuschauern beim Pay-TV aus Sicht der Anbieter überhaupt sinnvoll sein kann. Rein volkswirtschaftlich gesehen lautet die Regel für die Bereitstellung von Information gleich welcher Art wie folgt: Wenn die Grenzkosten der Versorgung mit Information für weitere Personen null sind, ist der optimale Preis für diese Information ebenfalls null (lesen Sie dazu noch einmal Box€1.1). Das bedeutet, dass ein gesamtwirtschaftliches Optimum es erfordern würde, für die Information einen Preis von Eigentlich würde es das doch tun: Sie müssen die Sendung nur verschlüsselt senden und entsprechende Decoder verkaufen, deren Nutzung sie gegen eine monatliche Gebühr gestatten. Aber auch diese Lösung war wohl in den Kindertagen des Fernsehens technisch nicht möglich.
12╇
3.3 Radio und Fernsehen
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null zu verlangen. Leider tritt hier ein Effekt auf, der auch aus anderen Bereichen bekannt ist: Würde man die Informationen tatsächlich kostenlos bereitstellen, gäbe es niemanden mehr, der sie sammelt, aufbereitet und sendet. Die Folge davon ist, dass doch positive Preise für Informationen von jedem neu hinzukommenden Nutzer verlangt werden, um Anreize für die Produktion und Verteilung von Information bereitzustellen. Sie sehen, Informationen sind tatsächlich ein besonderes Gut. Also: Warum kann es Sinn machen, trotzdem Zuschauer vom Konsum einer Sendung auszuschließen? Der entscheidende Grund ist darin zu sehen, dass der Wert des Rechts einer Fernsehübertragung sich auch durch deren Exklusivität bestimmt. Erst diese Exklusivität ermöglicht es, bei den Zuschauern für die Übertragung einen positiven Preis in monetären oder nicht-monetären Äquivalenten zu erzielen. Dieser Gedanke erklärt, warum Fernsehrechte trotz der Nichtrivalität im Konsum einen positiven Preis am Markt erzielen können: Die Sender benötigen das alleinige Übertragungsrecht eines Ereignisses, um mit Hilfe dieser Exklusivität weitere Zuschauer zu locken. Im Fall der öffentlich-rechtlichen und der privaten Sender erhöht dies die Werbeeinnahmen, im Falle des Bezahlfernsehens die unmittelbaren Einnahmen aus Zahlungen. Auf der Ebene der Fernsehanstalten erweisen sich beispielsweise die Übertragungsrechte für ein Sportereignis oder andere attraktive Sendeinhalte als knappes Gut, jedenfalls auf Seiten der Anbieter. Eine zeitgleiche Übertragung des Ereignisses in einem anderen Sender reduziert die Anzahl der potenziellen Zuschauer und damit den zu erwartenden Gewinn aus der Nutzung dieser Rechte. Die gleichzeitige Ausstrahlung der Sendung durch mehrere Sender ist technisch möglich, ökonomisch kontraproduktiv. Wohlgemerkt: Was die Exklusivität vieler dieser Übertragungen ausmacht, ist ihre zeitnahe, aktuelle Ausstrahlung. Das WM-Endspiel will man eben live sehen, und nicht zwei Wochen später. Wie man sieht, haben Fernsehsender unterschiedliche Möglichkeiten, durch eine Quersubventionierung der tatsächlichen durch die potenziellen Zuschauer (bei Werbung sogar durch Nichtzuschauer) ihre Gebote für die Übertragungsrechte für Sendeinhalte über die dafür tatsächlich vorhandene aggregierte Zahlungsbereitschaft der tatsächlichen Konsumenten hinaus zu steigern. Dies hat Folgen für die Nachfrage dieser Sender nach Übertragungsrechten und die Zukunft der Programmvielfalt. Dazu wollen wir uns ein paar Ideen anschauen. 3.3.1.4â•…Die Zukunft der Programmvielfalt Um nähere Aussagen über die möglichen Strategien der Fernsehsender hinsichtlich des Erwerbs von Übertragungsrechten zu machen, soll im Folgenden zuerst eine Bestandsaufnahme des Fernsehmarktes in der Bundesrepublik erfolgen. Dabei lassen sich unterschiedliche Strategien ausmachen, welche die einzelnen Sender bisher verfolgt haben: Die öffentlich-rechtlichen und die großen privaten, werbefinanzierten Sender bieten ein Vollprogramm an: Die Sendeinhalte sind breit gestreut mit der Absicht, möglichst jeder Zuschauergruppe ein attraktives Programm anzubieten. Dabei werden die Zeitpunkte für die Übertragung der jeweiligen Sendungen an den bevorzugten Fernsehzeiten der entsprechenden Zielgruppe ausgerichtet. Weitere private,
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werbefinanzierte und öffentlich-rechtliche Sender verfolgen eher eine Strategie der Spezialisierung auf bestimmte Sendeinhalte (Spartenprogramme: Sport, Nachrichten), andere Sender spezialisieren sich auf bestimmte Personengruppen und deren Nachfrage nach bestimmten Programminhalten (zielgruppenorientierte Programme: z.€ B. höher gebildete Personen, Frauen). Dabei können sich beide Spezialisierungsstrategien teilweise überschneiden. Eine weitere Strategie, die bisher vor allem vom Pay-TV verfolgt wird, ist die der Exklusivität: So werden bestimmte Sendeinhalte exklusiv für diesen Sender erworben (Fußballbundesliga-Liveübertragungen, aktuelle Kinofilme, die noch nicht im freien Fernsehen zu sehen sind). Ziel dieser Strategie ist, ein zum bisherigen Angebot an Sendeinhalten komplementäres Angebot zu schaffen: Pay-TV soll nicht anstatt des freien Fernsehens, sondern zusätzlich konsumiert werden. Damit diese Strategie verfängt, müssen Sendeinhalte angeboten werden, die es im freien Fernsehen noch nicht zu sehen gibt. Wodurch sind die beschriebenen Strategien determiniert? Zwei wesentliche Aspekte, die hier eine Rolle spielen, sind die Preis- und Einkommenselastizität der Fernsehnachfrage der Zuschauer. Eine geringe Preiselastizität bedeutet, dass die Zuschauer auch dann noch das Gut kaufen, wenn es teurer wird (bitte lesen Sie noch einmal Box€1.5). Das betreffende Gut ist dem Konsumenten so wichtig, dass er Preiserhöhungen hinnimmt. Die Zuschauer werden bei geringer Preiselastizität eher bereit sein, ihren Fernsehkonsum nicht nur über den Konsum von Werbung, sondern auch über Geld oder Inkaufnahme von Werbung zu bezahlen, ohne ihren Konsum deutlich zurückzuschrauben. Eine geringe Preiselastizität bedeutet ein hohes Interesse an den Inhalten. Ein ähnliches Argument gilt für die Einkommenselastizität der Zuschauer (auch diese haben Sie bereits in Box€1.5 kennengelernt). Die Einkommenselastizität gibt darüber Auskunft, um wie viel Prozent sich die Nachfrage nach einem Gut verändert, wenn das Einkommen des Konsumenten sich um ein Prozent verändert. Bei hoher Einkommenselastizität werden Zuschauer zunehmend andere Finanzierungsformen als Werbung für ihren Fernsehkonsum akzeptieren und möglicherweise auch bereit sein, Geld zu zahlen. Darüber hinaus ist zu vermuten, dass die Höhe des Einkommens auch die Nachfrage nach Sendeinhalten mitbestimmt. Mit Hilfe dieser Überlegungen lassen sich die einzelnen Fernsehsender in einem Diagramm positionieren (vgl. Abb.€3.8): Die Programmstrategien der Sender orientieren sich in diesem dreidimensionalen Diagramm an der Einommenselastizität, an der Nachfrageelastizität der Zuschauer und am Grad der Exklusivität der Sendungen; die Position der Sender gibt an, wie stark sie sich an den drei Determinanten der Programmstrategie ausrichten. Im linken unteren Abschnitt von Abb.€3.8 sind die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender angesiedelt: Sie weisen eine geringe Exklusivität auf, und sie senden Vollprogramme, ohne sich auf bestimmte Zielgruppen zu spezialisieren. Da sie sich nicht auf spezielle Sendeinhalte konzentrieren, senden sie eher allgemeinere Programmformate, also Formate, bei denen man eine hohe Nachfrageelastizität erwarten kann. Je spezieller die Formate sind, umso eher kann man eine unelastische Nachfrage nach ihnen vermuten – je spezieller ein Thema ist, umso größer dürfte das Interesse der jeweiligen Zuschauer sein. Und je unelastischer die Nachfrage ist,
3.3 Radio und Fernsehen hoch
DF 1 Sky
Einkommenselastizität hoch
Exklusivität
Abb. 3.8↜渀 Programmstrategien einzelner Fernsehsender
199
Arte, Phönix 3 SAT ARD, ZDF gering
gering
RTL, SAT 1, PRO 7
hoch
NTV
Sport 1 gering
Nachfrageelastizität
umso höher dürfte die Bereitschaft sein, häufigere Werbeschaltungen zu akzeptieren. Allerdings kann man zugleich umso geringere Zuschauerzahlen erwarten. Die großen werbefinanzierten, privaten Sender weisen im Prinzip die gleichen Programmspezifika auf, müssen jedoch aufgrund ihrer Finanzierungsform die Wünsche der Zuschauer stärker berücksichtigen als die öffentlich-rechtlichen Sender. Dies bedeutet, dass sie eher Inhalte senden müssen, bei denen die Zuschauer eine geringere Preiselastizität aufweisen – das erhöht die Bereitschaft der Zuschauer, Werbung als Bezahlung ihres Fernsehkonsums hinzunehmen. Deswegen sind die privaten Sender in der Abbildung weiter rechts von den öffentlich-rechtlichen Sendern positioniert. Da sich private Sender am Durchschnittszuschauer orientieren, werden sie den Zuschauern mit höherem Einkommen (und damit höherer Einkommenselastizität) tendenziell eher weniger Beachtung schenken – diese Kundengruppe ist schlichtweg zu klein. Die Fokussierung auf einkommensstärkere Zuschauerschichten findet eher bei Arte, Phönix und 3 Sat statt: Hier werden zielgruppenorientierte Programme angeboten, die eher besser verdienende Zuschauergruppen ansprechen. Die Exklusivität dieser Sender ist allerdings recht gering, teilweise werden Sendeinhalte aus den anderen öffentlich-rechtlichen Programmen wiederholt. Arte, Phönix und 3 Sat müssen allerdings auch weniger Rücksicht auf die Zuschauer nehmen, da sie gebührenfinanziert sind – die Zuschauer müssen nicht mit Werbekonsum bezahlen. Also spielt die Nachfrageelastizität für diese Programme eine weniger wichtige Rolle. Demgegenüber orientieren sich Spartenprogramme wie z.€ B. Sport 1 in ihrer Reinform stark an der Preiselastizität ihrer Zuschauer: Die Spezialisierung auf bestimmte Programminhalte, bei denen eine geringe Preiselastizität (also hohes Interesse an diesen Programminhalten) vermutet werden kann, impliziert eine geringere Reichweite hinsichtlich der Einschaltquoten, die in Hinblick auf die Finanzierung allerdings dadurch kompensiert werden kann, dass Spartenkanäle eine homogene Zuschauerschaft haben und damit ein sehr zielgerechtes Marketing ermöglichen.
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Die geringe Preiselastizität der Nachfrage deutet zudem an, dass die Konsumenten auch willens sind, diese Werbung zu sehen. Andere Sender bieten eine Kombination von sparten- und zielgruppenorientierten Programmen an: Hier wird eine Spezialisierung auf Programminhalte vorgenommen, von denen vermutet wird, dass diese vor allem von einkommensstärkeren Bevölkerungsgruppen bevorzugt werden. Ein Paradebeispiel für diese Sender ist der Nachrichtensender NTV. Die Konzentration auf einkommensstärkere Personengruppen in Verbindung mit der geringeren Nachfrageelastizität nach den Inhalten macht diesen Sender für die werbetreibende Industrie besonders attraktiv. Dies könnte sich als entscheidender Vorteil hinsichtlich der Finanzierung gegenüber reinen Spartensendern erweisen. Die geringere Preiselastizität der Zuschauer bei Spartenprogrammen und zielgruppenorientierten Programmen erweist sich bei der Finanzierung dieser Programme als vorteilhaft: Die Zuschauer weisen eine höhere Zahlungsbereitschaft auf, die über Geldzahlungen oder häufigere Werbeschaltungen abgeschöpft werden kann13. Sowohl den Vollprogrammen als auch den Spartensendern und den zielgruppenorientierten Programmen ist gemeinsam, dass sie ein geringes Ausmaß an Exklusivität aufweisen. Damit stehen diese Sender untereinander in Konkurrenz, die umso intensiver sein wird, je näher die Sender in Abb.€3.8 beieinander liegen; je enger die Sender beieinander liegen, umso mehr werden sie von den Zuschauern als Substitute angesehen. Dies zeigt die Bedeutung der Exklusivität für Fernsehsender, da sie ein wichtiger Parameter zur Sicherung von Wettbewerbsvorteilen ist. Je dichter die Ebene, welche durch die beiden Achsen Einkommens- und Preiselastizität aufgespannt wird, besetzt ist, umso wichtiger wird es für einzelne Sender, sich durch exklusive Sendungen von den anderen Wettbewerbern abzusetzen – also im Diagramm sich mehr nach oben positionieren. Box 3.28: Öffentlich-Rechtliche Spartenkanäle╇ Mittlerweile gibt es einige öffentlich-rechtliche Spartenkanäle: 1997 sind der Kinderkanal und Phönix auf Sendung gegangen. Der Kinderkanal wird von ZDF und ARD von Erfurt aus gemeinsam betrieben, sendet vor allem Zeichentrickfilme und Serien und wird täglich von 8 bis 19 Uhr ausgestrahlt. Phönix versteht sich als politischer Sender, der aktuelle Informationen über politisch und gesellschaftlich relevante Themen sendet; hier werden beispielsweise Bundestagsdebatten oder aktuelle Pressekonferenzen, aber auch Reportagen und Gesprächsrunden gesendet. Auch diesen Sender betreiben ARD und ZDF gemeinsam. Sowohl der Kinderkanal als auch Phönix werden mit einem gesondert ausgewieseDa das Werbeaufkommen der privaten Sender in seiner Gesamtheit durch rechtliche Vorgaben beschränkt ist, ergibt sich daraus nicht unmittelbar ein Vorteil für spartenorientierte Programme. Ein strategischer Vorteil für diese Sender könnte allerdings darin bestehen, dass man die Anzahl der Werbeblöcke bei gegebenem Volumen vergrößern, d.€h. die Frequenz der Werbung erhöhen kann, ohne dass man Zuschauer verliert, die eine häufigere Unterbrechung des Programms als größere Belästigung empfinden dürften als monolithische Werbeblöcke. Aus Perspektive der werbetreibenden Industrie ist eine solche Werbestrategie attraktiver, da sich die Gefahr des „Zappens“, d.€h. das Wegschalten des Programms, reduziert.
13╇
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nen Anteil an der Rundfunkgebühr finanziert; Phönix beispielsweise hatte 2009 einen Zuschaueranteil von einem Prozent. Zum Vergleich: Der private Nachrichtensender NTV hatte im gleichen Jahr einen Zuschaueranteil von 0,9€ %. Ein deutsch-österreichisch-schweizerisches Projekt ist der Sender 3 Sat (Zuschaueranteil 2009: rund ein Prozent), der stark kulturlastig ist, aber auch Merkmale eines Vollprogramms aufweist. Dies haben die Pay-TV-Sender erkannt und versuchen, durch die Sendung exklusiver Inhalte ein zum Free-TV eher komplementäres Programm anzubieten, umso den Wettbewerb mit diesen Sendern zu vermeiden. Dabei kommen vor allem aktuelle Sportereignisse und brandneue Kinofilme in Frage, hier wird die Exklusivität über die Aktualität erzeugt. Diese Strategie ist für Pay-TV-Sender notwendig, da alle anderen Strategieoptionen (Spartenbildung oder Fokussierung auf bestimmte Zielgruppen) bereits von Sendern besetzt sind, welche „kostenlos“ (werbe- oder gebührenfinanziert) angeboten werden. Auch deswegen ist zu vermuten, dass sich das Angebot der Pay-TV-Sender eher an einkommensstärkere Personenkreise wendet: Die Bezahlung des Fernsehkonsums über nutzungsabhängige Gebühren erfordert eine höhere Zahlungsbereitschaft der Zuschauer, vor allem angesichts des „kostenlosen“ Angebotes durch die Sender des Free-TV. Aus diesem Grund dürfte auch eine geringere Nachfrageelastizität der Zuschauer notwendig sein, um sie für das Pay-TV zu gewinnen. Da Pay-per-channel eher einem Vollprogramm auf Pay-TV-Ebene entspricht, während Pay-per-view eher dem Bild der Spartenkanäle entspricht, ist zu vermuten, dass für einen Erfolg des Pay-per-view ein höheres Einkommen der Zuschauer und auch eine geringere Preiselastizität bezüglich der Sendeinhalte notwendig sind. Was lernen wir aus dieser Analyse? Zumindest, dass am Markt für Fernsehsender Platz für mehrere Sender ist und dass die Konkurrenz vielleicht doch nicht so groß ist, wie es auf den ersten Blick scheint, da die Sender teilweise recht unterschiedliche Strategien verfolgen. Zudem hilft diese Analyse zu verstehen, welches für die Programmverantwortlichen die Parameter sind, an denen sie ihr Programm ausrichten und welche Stellschrauben sich ihnen anbieten. Im letzten Absatz wurde es bereits angesprochen: Die „kostenlose“ Konkurrenz der öffentlich-rechtlichen Sender hat auch Folgen für die Wettbewerbsstrategie der anderen Sender. Zeit, sich mit dem Thema Wettbewerb im Rundfunksektor auseinanderzusetzen.
3.3.2 Wettbewerb im Rundfunk 3.3.2.1â•…Vorteile einer Konzentration Das Thema Wettbewerb im Rundfunk ist sehr komplex, was man schon daran erkennen kann, dass ihm zahlreiche Monographien gewidmet sind. Hier soll wenigstens eine kurze Momentaufnahme erfolgen.
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Der horizontale Wettbewerb im Rundfunk – also der Wettbewerb zwischen einzelnen Sendern – ist in der Bundesrepublik mittlerweile geprägt durch die Existenz eines sogenannten Duopols in Form von zwei Senderfamlien – die ProSiebenSat Eins-Gruppe und der Bertelsmann-Konzern (vgl. dazu auch Box 3.29 und 3.30). Zur Pro Sieben Sat. 1 Media AG gehören die Sender Sat. 1, Pro Sieben, Kabel 1 und N€24. Der Bertelsmann-Konzern ist zusammen mit dem Essener WAZ-Konzern größter Anteilseigner der RTL Group, zu der die Sender RTL, RTL 2, Super RTL und Vox gehören. Box 3.29: Die Pro Sieben Sat1 Media AG╇ Die Pro Sieben Sat1 Media AG ist mit 5.000 Mitarbeitern, einem Umsatz von 2,7€Mrd.€€ und Gewinnen vor Steuern von etwa 231€Mio.€€ (2009) das größte TV-Unternehmen in Deutschland. Zu dem als Holding organisierten Unternehmen gehören die Sender Pro Sieben, Sat 1, Kabel 1 und der Nachrichtenkanal N 24. Zu den Eigentümern gehören die Lavena-Holding-Gesellschaften, die von Fonds kontrolliert werden, die von durch die Beteiligungsgesellschaften Kohlberg Kravis Roberts & Co. L.P. (KKR) und Permira beraten werden. Weiterhin hält der niederländische Medienkonzern Telegraaf Media Groep N.V. 12€% der stimmberechtigten Stammaktien respektive sechs Prozent des Grundkapitals. Die Konzentration der Sender in wenigen Händen macht ökonomisch betrachtet Sinn: Action-Filme auf Pro Sieben, Familienfilme auf Sat. 1 und Klassiker auf Kabel 1 – so umschreiben Vertreter der ProSiebenSat1 Media AG die Strategie der Sender-Familie. Auf diesem Weg gelingt es der Senderfamilie, ihr Produkt stärker nach den Wünschen der einzelnen Zuschauergruppen zu differenzieren und auf diesem Weg eine größere Zuschauermenge anzusprechen. Je passgenauer das Programm auf bestimmte Zuschauergruppen ausgerichtet ist, umso mehr Zuschauer gibt es und umso höhere Werbeeinnahmen kann die Senderfamilie als Ganzes erwirtschaften. Doch nicht nur das: Einmal in den Besitz des Senders gelangte Filme können in der Zweit- und Drittverwertung von den anderen Sendern ausgestrahlt werden – wenn der Film zum ersten Mal im Free-TV gezeigt wird, läuft er zur Prime-Time im Sender mit der besten Reichweite und dem besten Markennamen, die Wiederholungen wandern dann zum Recycling als „Klassiker“ in die angeschlossenen Sender, zu anderen Sendezeiten. Sogenannte Synergieeffekte ergeben sich auch bei den Nachrichten: Ein und derselbe Korrespondent bearbeitet ein Thema für die verschiedenen Sender – für den einen jugendlich moderiert, für den anderen konservativ vorgetragen, und für den dritten Sender in Kurzform. Eine Nachrichtenredaktion kann Nachrichten in unterschiedlicher Aufbereitung für die verschiedenen Sender produzieren. Gleiches gilt für die Werbung: Beide großen Senderfamilien haben mittlerweile die Vermarktungsgesellschaften ihrer Sender zusammengelegt; nunmehr ist je eine Vermarktungsgesellschaft dafür zuständig, Werbezeiten für alle Sender der Familie zu verkaufen. Jeder Kunde kann dabei das gewünschte Zielpublikum besser ansprechen,
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weil die Sender ein klareres Zuschauerprofil bekommen haben: Anstatt ein Vollprogramm für alle zu machen, hat man die Programme passgenauer auf einzelne Zuschauergruppen zugeschnitten – das macht die Sender auch für die Werbetreibenden interessanter. Box 3.30: Die RTL Group╇ Die RTL Group Luxemburg ist im April 2000 durch die Zusammenlegung der Film- und Fernsehgeschäfte von CLT-Ufa und Pearson entstanden und gehört dem Bertelsmann-Konzern, der WAZGruppe, der Group Bruxelles Lambert und dem britischen Medienunternehmen Pearson, dessen Anteile aber bald von Bertelsmann übernommen wurden. Unter dem Dach der Gruppe finden sich 31 Radio- und 45 Fernsehsender in elf europäischen Ländern (beispielsweise RTL, Channel 5, Antena 3), Produktionsfirmen und Rechte. In Deutschland zählen zur RTL Group RTL, RTL zwei, Vox und das Fernsehkaufhaus RTL Shop, darüber hinaus hält die Gruppe Anteile am Nachrichtenkanal ntv. Im Jahr 2008 hat die Gruppe Umsätze von 5,7€Mrd.€€ verbucht. Die ökonomischen Vorteile einer Konzentration werden durch dieses Beispiel verdeutlicht: Zum einen kommt es zu sinkenden Durchschnittskosten, die wir schon im ersten Kapitel kennengelernt haben. Die besseren Verwertungsmöglichkeiten für Sendungen oder Filme und die besseren Möglichkeiten, gezielt Werbekunden anzusprechen, sind weitere Argumente für eine Konzentration im Rundfunk. Darüber hinaus gilt: Je öfter ein einmal produzierter Film gesendet wird, umso mehr rentiert er sich; d.€ h. die Durchschnittskosten der Filmproduktion sinken umso mehr, je öfter der Film gesendet wird. Und stehen einmal die Sendeanlagen, so rentieren sich diese ebenfalls umso besser, je stärker sie ausgelastet sind. Ist Konzentration im Rundfunk also kein Problem? Da lohnt es sich doch, mal näher hinzuschauen. 3.3.2.2â•…Folgen einer Konzentration im Rundfunkbereich Was können die Folgen einer Konzentration im Mediensektor sein? Hier lassen sich ökonomische und publizistische Effekte unterscheiden. Die ökonomischen Folgen einer Wettbewerbsbeschränkung ergeben sich aus dem, was allgemein zur Funktionsweise des Wettbewerbs im ersten Kapitel bereits erläutert wurde: Wenn wir davon ausgehen, dass aus den bereits erläuterten Gründen Wettbewerb zu ökonomisch guten Ergebnissen führt, so gilt es, Wettbewerbsbeschränkungen zu verhindern. Eine Ballung von Sendern bringt beispielsweise auch Probleme für die Zulieferer mit sich: Ihnen stehen statt mehreren Abnehmern nur noch zwei große Abnehmer gegenüber – das macht das Verhandeln für sie nicht einfach. Durch die geringe Anzahl an Fernsehsendern haben sie weniger Kunden, denen sie ihre Dienste anbieten können. Im Extremfall können beispielsweise zwei Sender sich absprechen und sich weigern, für die ihnen angebotenen Produktionen höhere Preise zu zahlen.
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Der Zulieferer muss schließlich einen geringeren Preis für seine Leistungen akzeptieren. Es könnte auch so etwas wie eine Einnahmen-Reichweiten-Spirale geben: Je größer die Einschaltquoten eines Senders, umso höher werden seine Erlöse aus Werbung sein. Mit diesen höheren Erlösen kann er dann ein attraktiveres Programm gestalten, das wiederum höhere Einschaltquoten garantiert mit höheren Werbeeinnahmen – und so weiter. Das Ende einer solchen Spirale wäre dann ein mächtiger Sender, umgeben von Nischensendern. Und weiter: Fehlender Wettbewerb führt möglicherweise dazu, dass der verbleibende oder die wenigen verbleibenden Sender von ihren Werbekunden überhöhte Preise verlangen können, da diese keine Möglichkeit haben, in anderen Sendern zu werben. Zudem werden die Sender mit sinkender Wettbewerbsintensität immer weniger unter Druck stehen, das Programm entsprechend den Wünschen der Zuschauer zu gestalten – schließlich haben diese auch keine Möglichkeit, auf andere Sender auszuweichen, ihnen bliebe nur noch der Rückzug aufs Buch, auf die DVD oder ins Kino. Zudem benötigt der Sender ja keine hohen Einschaltquoten, um mehr Werbekunden zu locken – schließlich können diese ja nicht ausweichen. Das Ergebnis fehlenden Wettbewerbs aus ökonomischer Sicht wäre also ein Fernsehprogramm, das sich zu wenig an den Wünschen des Publikums orientiert und die Werbung künstlich verteuert, was die Unternehmen dann – wenn möglich – auf die Konsumenten in Form höherer Preise abwälzen werden. Nun könnte man natürlich einwenden, dass die hohen Gewinne der wenigen verbleibenden Sender neue Sender anlocken, die sich ein Stück vom Kuchen abschneiden wollen. Doch ganz so einfach ist das nicht: Erinnern Sie sich an die Ausführungen im ersten Kapitel zu den natürlichen Monopolen? Alleine die hohen Investitionen, die zum Betrieb eines Senders notwendig sind, schrecken potenzielle Konkurrenten unter Umständen ab. Zudem müssen dann auch genügend Übertragungswege offen sein. Das kann in der Tat ein Problem für die Wettbewerbspolitik werden. Die publizistischen Folgen fehlenden Wettbewerbs liegen ebenfalls auf der Hand: Zum einen kann Meinungsmacht entstehen – hier kommt wieder eine der Besonderheiten der Medienbranche zum Tragen. Medien haben Einfluss auf die politische und gesellschaftliche Landschaft, und eine Konzentration unter den Sendern hätte zur Folge, dass ein einzelner Sender unter Umständen einen überdurchschnittlichen Einfluss auf die Meinungslandschaft eines Staates nehmen könnte. Die oben bereits erwähnte Mehrfachverwertung von Sendeformaten ist aus publizistischer Sicht ebenfalls bedenklich, da die Programmvielfalt leidet. Weiterhin muss man sich fragen, ob ein machtvoller Sender bereit und willens ist, neue, möglicherweise finanziell riskante Sendeformate auszuprobieren. Die Fernsehlandschaft schläft ein; 100 Jahre Lindenstraße sind dann die Strafe einer gescheiterten Wettbewerbspolitik. Wenn Sie das zweite Kapitel aufmerksam gelesen haben, werden Sie feststellen, dass hier bisher vor allem über horizontale Konzentration gesprochen wurde. Aus wettbewerbspolitischer Perspektive muss man aber auch einen Blick auf die vertikale Konzentration werfen: Wie ist es zu beurteilen, wenn ein Fernsehsender beispielsweise ein Produktionsunternehmen kauft? Ein Grund für vertikale Konzentration kann der Versuch sein, Transaktionskosten zu sparen. Transaktionskosten sind vereinfacht gesagt Kosten, die entstehen,
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wenn man etwas über den Markt beschaffen will: Man muss geeignete Geschäftspartner suchen, das kostet Zeit und Geld. Dann müssen Verträge ausgearbeitet und geschlossen werden – auch dies kostet Zeit und Geld. Und schließlich muss auch noch die Erfüllung der Verträge überwacht werden – das kostet, na Sie wissen schon. Um ein Beispiel zu nennen: Als Sender mieten Sie nicht die Übertragungswagen, sondern schaffen Sie selbst an, Sie kaufen keine Reportagen von außen, sondern stellen eigene Reporter an. Vereinfacht gesagt: Unternehmen vorgelagerter Produktionsstufen kaufen Sie als großes Medienunternehmen immer dann, wenn Sie die Qualität ihres Sendematerials sicherstellen wollen und auch Wert auf dessen pünktliche Auslieferung legen. Ihren eigenen Reporter können Sie antreiben, die Fremdfirma ist aber oft weit weg. Unternehmen nachgelagerter Produktionsstufen kaufen Sie, wenn es darum geht, den Verkauf der eigenen Produkte zu sichern. So kauft ein Sender beispielsweise eine Vermarktungsgesellschaft, um sicherzustellen, dass die Werbezeiten möglichst teuer verkauft werden. Eine negative Folge der vertikalen Konzentration besteht darin, dass der vertikal aufgestellte Konzern seine Marktmacht auf den vor- und nachgelagerten Märkten missbrauchen kann: Wer vertikal integriert ist, hat einen bevorzugten Zugang zu den vor- und nachgelagerten Märkten, er erhält unter Umständen das Sendematerial billiger als die Konkurrenten und verbessert dadurch seine Wettbewerbslage gegenüber diesen. Wer über exzellente Zugänge zu lukrativen Sendeformaten und gute Absatzmöglichkeiten verfügt, hat einen Vorteil gegenüber seinen Konkurrenten. Das kann im Extremfall dazu führen, dass niemand mehr gegen den großen Sender antreten will. Gravierender wird dieses Problem, wenn der Sender in seinem eigentlichen Geschäftsfeld bereits eine marktdominierende Stellung besitzt, denn unter diesen Umständen kann er möglicherweise seine Marktmacht vom ursprünglichen Geschäftsbereich auf die vor- und nachgelagerten Stufen übertragen. In diesem Fall steckt das Übel dann allerdings auf dem Hauptmarkt des Unternehmens und hat nur am Rande etwas mit einer vertikalen Konzentration zu tun. Das ist aber noch nicht alles zum Thema Konzentration, eine Form der Konzentration müssen wir noch erörtern: Die intermediale Konzentration: Wie ist es zu beurteilen, wenn ein Fernsehsender eine Zeitung kauft? Aus ökonomischer Sicht ergeben sich hier eine Menge Verbundeffekte, ähnlich wie bei den Senderfamilien: Ein und dieselbe Information kann – allerdings unterschiedlich aufbereitet – in verschiedenen Medien verarbeitet werden. Die Hintergrundreportage läuft Sonntagabend im Fernsehen, Montag erscheint der ausführlichere Bericht in gedruckter Form im Magazin. Und eine ganz ausführliche Version mit Bildern und Videos findet sich im Internet. Zudem kann ein solches Unternehmen für sich selbst auf den verschiedenen Plattformen werben: Am Abend gibt der Redakteur des Magazins ein Interview im hauseigenen Fernsehsender und erwähnt dabei, dass man den ausführlichen Bericht am kommenden Tag am Kiosk erwerben kann. Beliebt sind auch Medienpartnerschaften, bei denen der Ruf und die Reputation des einen Mediums auf das andere übertragen werden sollen. Der neue Fernsehsender sichert sich die Partnerschaft des Magazins mit einem hervorragenden Ruf, um damit den Zuschauern zu zeigen, dass man die gleiche Qualität wie das reputierliche Magazin habe. Hier kommt wieder die Eigenschaft von Medien als Vertrauenssgüter zum Tragen: Da Sie vorher nicht genau wissen, was Sie
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konsumieren und wie gut es sein wird, verlassen Sie sich als Konsument auf den Ruf eines Mediums, den sich dieses in langen Jahren erarbeitet hat. „Wenn die das drucken, dann wird es schon stimmen“, lautet vereinfacht gesagt die Entscheidung des Konsumenten, einer Zeitung oder einem Magazin zu vertrauen. Und dieses Vertrauen versucht man, auch auf andere Medien zu übertragen. Box 3.31: AOL und Time Warner╇ Ein Paradebeispiel für eine intermediale Fusion ist der Zusammenschluss des Internet-Zugangsdienstes AOL mit dem Medienkonzern Time Warner. Beide Unternehmen galten als die weltweit größten in ihrem Geschäft. AOL vermittelte etwa 26€Mio. Kunden den Zugang zum Internet und Time Warner besitzt TV-Sender wie CNN, Magazine wie Fortune und Time, Buchverlage, Musikverlage und eine Filmproduktion. Zudem verfügt Time Warner über das zweitgrößte Kabelnetz der USA. Die Logik der Fusion war einfach: AOL liefert den Zugang zum Internet und die Kunden, Time Warner den Inhalt, auf neudeutsch Content. Die Kunden wählen sich über AOL ins Internet ein und werden dort mit den Medieninhalten von Time Warner bedient. Da AOL seinen Kunden nunmehr attraktive Inhalte anbieten kann, macht es für diese noch mehr Sinn, sich für AOL als Internet-Provider zu entscheiden. Und je mehr Kunden AOL hat, umso attraktiver wird das Unternehmen für die Anbieter anderer Medieninhalte und natürlich für Anzeigenkunden. Das Ziel der Fusion war es, die Inhalte des weltgrößten Medienkonzerns zu digitalisieren, online anzubieten und profitabel zu vermarkten. Doch die Ernüchterung kam rasch: Die beiden Unternehmenskulturen passten nicht zusammen, versprochene Synergien nicht erreicht, Finanzvorgaben verfehlt, das Unternehmen häufte riesige Schulden an. Die Konsequenz: Aus AOL Time Warner wurde wieder Time Warner – das „AOL“ im Namen wurde einfach gestrichen, obwohl damals AOL Time Warner übernommen hatte. Das Ende vom Lied: AOL wurde von Time Warner wieder abgespalten und separat an die Börse gebracht. Medien schätzen, dass diese Affäre rund 300€Mrd.€$ Aktionärskapital vernichtet hat. An und für sich ist das nichts Verwerfliches, die Frage ist nur, welche Nebenwirkungen intermediale Konzentration haben kann. Die Schreckensvision ist natürlich ein alles verschlingender Medienkoloss, der auf sämtlichen Medienhochzeiten tanzt und seine Meinungsmacht über Zeitung, Fernsehen, Radio und Internet ausspielt. Zudem kann ein Konzern dieser Größe aufgrund seiner Größe und der damit wahrscheinlich verbundenen Finanzkraft jeden Konkurrenten verdrängen. Das nennt man die „Deep-Pocket-Theorie“: Ein finanzkräftiges Unternehmen kann – gestützt durch die Finanzmittel aus seinen tiefen Taschen – potenzielle Konkurrenten vom Markt fernhalten, indem es mit Preissenkungen und einem heftigen Verdrängungswettbewerb droht. Existierende Wettbewerber können ebenfalls auf diese Art ausgeschaltet werden: Man verdrängt sie mittels niedriger Kampfpreise oder man kauft sie einfach.
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Für die publizistischen Folgen von mangelndem Wettbewerb kann generell festgestellt werden, dass die Vielfalt an Meinungen, Programmen und Sendeformaten wohl umso geringer sein dürfte, je weniger unabhängige Medien es gibt. Ob vertikal, horizontal oder intermedial – wo immer Konkurrenten aus dem Markt scheiden, ist zu befürchten, dass die Vielseitigkeit des Medienangebotes leidet. Insofern haben eine ökonomische und publizistische Wettbewerbskontrolle die gleiche Zielrichtung: Möglichst viele Anbieter sichern ökonomisch effizienten Wettbewerb und (potenziell) auch publizistische Vielfalt. Für die Sender hingegen ist es durchaus attraktiv, Wettbewerb auszuschalten und zu verhindern: Je weniger Konkurrenz, umso höhere Einnahmen und umso weniger Druck, sich neuen Herausforderungen zu stellen. Dass in solchen Fällen die Politik etwas tun muss, liegt auf der Hand. 3.3.2.3â•…Wettbewerbspolitik in der Medienbranche Es gibt drei Ebenen, auf denen Wettbewerbspolitik in der Medienbranche stattfindet: Europaweit, bundesweit und auf Länderebene. Auf der Ebene der Europäischen Union gibt es ein Kartellverbot, eine Missbrauchsaufsicht sowie eine Fusionskontrolle. Diese Regelungen greifen aber im Fall des Kartellverbots und der Missbrauchsaufsicht nur, wenn der grenzüberschreitende Handel zwischen den EU-Staaten beeinträchtigt ist; die Fusionskontrolle ist nur im Fall grenzüberschreitender Fusionen von gemeinschaftsweiter Bedeutung (diese wird an bestimmten Umsatzzahlen der Unternehmen festgemacht) relevant. Eine von der EU untersagte Fusion kann von einem einzelnen Staat nicht im Nachhinein genehmigt werden; wohl können aber aus nationalem Interesse auf Ebene der Einzelstaaten härtere Auflagen an eine Fusion geknüpft werden. Greift die EU-Gesetzgebung nicht, so greifen die Regeln der jeweiligen nationalen Fusionskontrolle. Auf Bundesebene gibt es in Deutschland das bereits im ersten Kapitel erörterte Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (das GWB, vergleichen Sie bitte noch einmal Box€ 1.14). Das GWB gilt für private wie öffentlichrechtliche Sender gleichermaßen. Der Rundfunksektor ist interessanterweise kein kartellrechtlicher Ausnahmebereich im GWB, wie man vielleicht angesichts seiner ökonomischen Besonderheiten erwarten könnte (merkwürdigerweise gibt es aber eine Pressefusionskontrolle). Auf Länderebene erfolgt die Wettbewerbspolitik in der Bundesrepublik vor allem über Rundfunkstaatsverträge. Bis 1997 sah der Rundfunkstaatsvertrag Konzentrationskontrollen vor: Ein Veranstalter durfte bundesweit maximal ein Fernseh- und Hörfunkprogramm der Sparte Vollprogramm/Informationsprogramm sowie ein weiteres Fernseh- bzw. Hörfunkprogramm verbreiten (Beteiligungsmodell). Für das Fernsehen galt, dass mindestens drei Eigentümer für die Veranstaltung eines Fernsehprogramms notwendig waren (bzw. dass die Beteiligung eines Eigentümers maximal 49,9€% betragen durfte). Der Rundfunkstaatsvertrag von 1997 ordnete die Konzentrationskontrolle neu. Die entscheidende Änderung war der Wechsel vom Beteiligungsmodell hin zum Zuschauermarktanteilsmodell: Ein Rundfunkunternehmen kann nun so viel Programme veranstalten, wie es will, aber ab einem Zuschauermarktanteil von 30€% wird
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vorherrschende Meinungsmacht vermutet; ab dieser Schwelle greifen sogenannte vielfaltsichernde Maßnahmen14. Für die Veranstalter eines Vollprogramms sowie eines Spartenprogramms mit Schwerpunkt Information und einem Zuschaueranteil von zehn Prozent bedeutet das, dass sie unabhängigen Dritten Sendezeit einräumen müssen (Regionalfenster nach §Â€25 Abs.€4 RStV, Sendezeit für unabhängige Dritte; §Â€26 Abs.€5 RStV). Eine weitere vielfaltsichernde Maßnahme ist die Berufung eines Programmbeirates, der Teile des Programms beanstanden kann. Diese Beanstandung kann nur mit 75€% der Stimmen des Kontrollorgans des Veranstalters abgelehnt werden. Bei einem Marktanteil von 30€ % kann eine einvernehmliche Lösung zwischen Landesmedienanstalt und dem Sender darin bestehen, dass Beteiligungen aufgegeben werden, die Marktmacht auf medienrelevanten verwandten Märkten abgebaut wird oder die bereits erwähnten vielfaltsichernden Maßnahmen ergriffen werden. Box 3.32: Rundfunkfragen aus Sicht der EU╇ Eine ausdrückliche Rundfunkkompetenz der Europäischen Union (EU) gibt es nicht. Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung sieht aber vor, dass die Gemeinschaft dort tätig werden kann, wo der EG-Vertrag eine Kompetenz der Gemeinschaft begründet. Eine Begründung für medienpolitische Eingriffe der EU besteht darin, Rundfunk unter den Dienstleistungsbegriff des Artikels 59 des EG-Vertrages zu subsumieren. Dass Rundfunk Elemente einer Dienstleistung hat, wird in der Literatur nicht bestritten, doch fraglich ist, ob die EU jede Frage regeln darf, die den Rundfunk betrifft. Artikel 128 des EG-Vertrages begrenzt nämlich die Kompetenzen der EU in kulturellen Dingen auf Fördermaßnahmen. Zudem weist der Europäische Gerichtshof darauf hin, dass die Erhaltung des Pluralismus und die Bewahrung des kulturellen Erbes einer Nation zu den zwingenden Erfordernissen einer öffentlichen Ordnung gehören und damit eine Sonderregelung für Ausländer ermöglichen. Der Europäische Gerichtshof hat aber wiederholt festgestellt, dass kulturelle Dinge nicht per se dem Anwendungsbereich des EG-Vertrages entzogen sind. Die Anwendung der Wettbewerbsregelungen der EU auf öffentlich-rechtliche Sender kann auch nur ausnahmsweise verhindert werden, wenngleich die Öffentlich-Rechtlichen kraft Hoheitsakt mit einer besonderen Aufgabe betraut worden sind und damit unter Umständen unter die Regelungen von Artikel 90 EWG-Vertrag fallen. Dieser Artikel besagt, dass die Wettbewerbsregeln auf diese Unternehmen nur Anwendung finden, wenn dadurch nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben verhindert wird. Eine weitere, sekundäre Rechtsquelle mit Bedeutung für die Medien ist die EG-Fernseh-Richtlinie, die unter anderem Regelungen für die Werbung, das Sponsoring und den Jugendschutz Gleiches gilt bei einem Zuschaueranteil von 25€%, sofern das Unternehmen auf einem „medienrelevanten verwandten Markt“ eine marktbeherrschende Stellung hat oder eine Gesamtbeurteilung seiner Aktivitäten im Fernsehen und auf medienrelevanten verwandten Märkten ergibt, dass der Meinungseinfluss der 30-Prozent-Schwelle entspricht.
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enthält. Die Richtlinie folgt dem Sendestaatsprinzip; die Rechtmäßigkeit einer Sendung wird demgemäß nach dem Recht des Sendestaates beurteilt. Die Richtlinie enthält auch die umstrittenen Quotenregelungen für europäische Werke, nach denen ein Hauptteil der Sendezeit europäischen Produktionen vorbehalten sein soll. In einer weiteren Richtlinie wurde verfügt, dass jedes Mitglied der Gemeinschaft eine Liste von Veranstaltungen aufstellen kann, die nicht ausschließlich dem Pay-TV vorbehalten sein sollen. Aus der bisherigen EG-Fernsehrichtlinie wurde 2007 die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, die nicht nur das herkömmliche Fernsehen, sondern auch für neue Angebote wie Internet- oder mobiles Fernsehen und Fernsehen auf Abruf gilt. Die Richtlinie regelt Dinge wie Werbung, Product Placement, Sponsoring und Teleshopping, Jugendschutz und das Gegendarstellungs- und Kurzberichterstattungsrecht. Quantitative Werberegelungen wurden reduziert; die tägliche Werbezeitbegrenzung aufgehoben, die Werbe-Obergrenze von zwölf Minuten pro Stunde allerdings blieb erhalten. Produktplatzierung wird mit dieser Richtlinie zulässig, muss aber am Anfang und am Ende eines Programms und nach jeder Werbeunterbrechung klar gekennzeichnet sein. Kommt es nicht zu einer einvernehmlichen Lösung, so widerruft die Landesmedienanstalt die Zulassung von so vielen Unternehmen des betreffenden Veranstalters, bis keine vorherrschende Meinungsmacht mehr festgestellt werden kann. Eine Entschädigung wird dabei nicht gewährt. Das entspricht im Grunde genommen einer aktiven Entflechtung, die auch bei internem Wachstum vorgenommen wird – ein in der deutschen Wettbewerbspolitik äußerst unübliches Vorgehen. Diese vielfaltsichernden Maßnahmen werden von der Kommission zur Ermittlung der Konzentration (die KEK) erörtert, die ebenfalls mit dem Rundfunkstaatsvertrag von 1997 geschaffen wurde. Alle drei Jahre verfasst die Kommission einen Bericht zur Lage der Konzentration. Vielfaltsichernde Maßnahmen werden in Abstimmung mit der Konferenz der Direktoren der Landesmedienanstalten (KDLM) getroffen, die von den gesetzlichen Vertretern der Landesmedienanstalten gebildet wird. Noch zu klären ist die Frage, wie man feststellt, ob ausreichender Wettbewerb existiert. In einer ersten vorsichtigen Annäherung kann man vermuten, dass eine große Zahl an Anbietern auch Wettbewerb garantiert. Je mehr Anbieter, umso geringer die Wahrscheinlichkeit einer Absprache unter ihnen, und umso höher der Wettbewerb. Also besteht ein möglicher Ansatz der Wettbewerbspolitik darin, die Anzahl der Wettbewerber als wettbewerbspolitischen Parameter aufzugreifen. Doch das muss nicht unbedingt ausreichen: Es besteht ja auch die Möglichkeit, dass von 100 Anbietern 99 kleine Unternehmen sind, die von den Brosamen leben, die ihnen Unternehmen Nummer 100 – der Riese in diesem Geschäft – übrig lässt. Neben der Anzahl der Unternehmen spielt also auch die Verteilung der Umsätze auf die Wettbewerber eine wichtige Rolle. Auf dieser Idee basierend hat man die schon im ersten Kapitel erwähnten Kennziffern zur Messung der Konzentration entwickelt, wie beispielsweise die Kennziffer CR.
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Dieses Konzept bringt allerdings viele Probleme mit sich. Zuerst einmal: Woran messen wir die Konzentration? An der Anzahl der Zuschauer? An dem Anteil der Werbeerlöse, den ein Sender einstreicht? An der Anzahl der Sender, die ein Unternehmen hat? Weiterhin muss der relevante Markt abgegrenzt werden. Wo ziehen wir hier die Grenze? Nehmen wir einmal an, wir untersuchen die Konzentration auf dem Markt für Radiosender. Regional lässt sich das vielleicht noch ganz gut abgrenzen: Man nimmt alle Sender aus einem bestimmten Sendebereich. Aber was ist mit Internet-Radios? Die können weltweit empfangen werden. Zudem muss man fragen, ob ein Klassik-Sender und ein Sender für Heavy-Metall-Fans wirklich in Konkurrenz zueinander stehen – oder bedienen sie völlig unterschiedliche Märkte? Und weiter: Wenn man das Kriterium der Meinungsvielfalt anlegt, so muss man fragen, ob nicht auch die regionalen Zeitschriften mit einbezogen werden müssen; schließlich kann Meinungsmacht auf mehreren Wegen transportiert werden. Kurzum: Die Konzentrationsmaße versagen weitgehend bei vertikaler oder bei intermedialer Konzentration, und auch bei horizontaler Konzentration wird es mitunter schwierig, den relevanten Markt abzugrenzen – eindeutig wird dies wohl nur selten möglich sein (vgl. auch Box 3.33). Box 3.33: Mögliche Ansatzpunkte einer Konzentrationskontrolle╇ Woran kann man festmachen, ob ein Unternehmen sich anschickt, Marktmacht zu erlangen? Eine Möglichkeit besteht darin, Marktmacht an die Zahl der Zuschauer eines Senders zu binden. Je größer der erreichte Zuschaueranteil, umso größer die vermutete Marktmacht. Der Haken: Soll diese Regelung für Unterhaltungssender gleichermaßen gelten wie für Informationskanäle? Aus ökonomischer Sicht ja, aus publizistischer Sicht ist vor allem letzteres problematisch. Zudem muss man bedenken, dass auch hier Schwierigkeiten bei der Abgrenzung des relevanten Marktes auftreten: Ein Spartensender, der 90€% seiner relevanten Zielgruppe erreicht, ist sicherlich ein anderes Problem als ein Sender mit Vollprogramm, der nur 40€% des Publikums erfasst. Also ein anderer Ansatzpunkt: Die Höhe der Werbeerlöse könnte Aufschluss über die Marktmacht geben. Ökonomische Macht auf den Werbemärkten lässt sich möglicherweise damit recht gut erfassen, doch ist diese Macht auch identisch mit Meinungsmacht? Schließlich hat nicht jeder Zuschauer für die Werbeindustrie den gleichen Wert, so dass die bloßen Umsätze nichts über die Struktur der Zuschauerschaft eines Senders aussagen. Eine weitergehende Konzentrationskontrolle müsste zudem eigentlich auch die gesamte Mediennutzung einbeziehen, um diagonale Verflechtungen einzelner Marktteilnehmer zu berücksichtigen. Ein anderer, etwas radikalerer Vorschlag geht dahin, jedem Unternehmen nur einen Sender zuzugestehen. Einmal abgesehen von der schwierigen Kontrolle angesichts der vielfältigen Verflechtungen von Unternehmen, stellt sich die Frage, ob man den Handlungsspielraum der Unternehmen nicht zu drastisch einengt und damit möglicherweise
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bestehende Strukturen zementiert – vielleicht sogar Wettbewerb unterbindet. Zudem würde man die von uns bereits beschriebenen wertvollen Synergieeffekte bei Mehrsenderfamilien auf dem Altar einer Wettbewerbspolitik mit ungewisser Wirkung opfern. Selbst wenn wir all diese Hindernisse überwinden, bleibt immer noch eine kritische Frage: Ab welcher Konzentration schreitet man ein? Objektiv kann diese Frage niemand beantworten. Wie soll man publizistische Vielfalt oder „hinreichenden“ (alleine das Wort ist schon dubios) Wettbewerb definieren? Unter Umständen kann schon ein Wettbewerber ausreichend sein, und dennoch besteht Wettbewerb. Potenzieller Wettbewerb lautet hier das Stichwort: Sind die Markteintrittsbarrieren gering, so kann ein einzelner Wettbewerber die Preise nicht beliebig hoch schrauben, da er sonst damit rechnen muss, dass andere Wettbewerber in den Markt eintreten, um etwas von den hohen Gewinnen mitzunehmen. Allerdings sind hier möglicherweise die hohen Anfangsinvestitionen ein Hindernis dafür, dass neue Wettbewerber auf den Plan treten. Sie sehen, die Wettbewerbspolitik sieht sich vor viele Herausforderungen gestellt: Das einfachste dürfte noch die institutionelle Gestaltung sein; die Kompetenzen müssen klar verteilt sein. Doch bereits hier steht man rasch mit dem EU-Recht auf Kriegsfuß, wie Sie bereits gesehen haben. Sodann müssen Behinderungs- und Verdrängungspraktiken der Sender überwacht werden. Das mag in Extremfällen noch möglich sein, doch bereits hier gibt es eine große Grauzone; eine wirksame Politik scheitert oftmals bereits daran, dass es schwierig ist, den relevanten Markt zu definieren. Die wohl wichtigste Aufgabe der Wettbewerbspolitik dürfte darin bestehen, den Marktzugang für potenzielle Konkurrenten offen zu halten. Hier dürfte die Technik der Wettbewerbspolitik etwas in die Hände spielen: Mit sinkenden Kosten der Rundfunkübertragung sowie mit dem Aufkommen des Internet wird es immer billiger, auf den Markt zu kommen. Bisher ist der Weg noch mühsam, wie das Beispiel der Internet-TV-Sender zeigt. 3.3.2.4â•…Wettbewerb und ökonomische Besonderheiten im Rundfunksektor Nun haben wir hier die ganze Zeit munter von Wettbewerb gesprochen, doch haben dabei eines völlig unter den Teppich gekehrt: Medien haben ja einige ökonomische Besonderheiten, die wir bereits im ersten Kapitel kennengelernt haben. Da ist zum einen die Nicht-Rivalität im Konsum von Medien. Wenn ich fernsehe, wird mein Konsum nicht dadurch beeinträchtigt, dass auch mein Nachbar fernsieht. Im Falle meiner Hose sieht das anders aus: Die Hose, die ich anhabe, kann mein Nachbar nicht anziehen. Die Grenzkosten eines weiteren Zuschauers liegen also fast bei null: Für die Höhe der Produktionskosten spielt es keine Rolle, wie viele Zuschauer oder Zuhörer ich habe (sieht man einmal von den Kosten der Distribution ab). Je mehr Zuschauer ich aber habe, umso besser für meine Werbeeinnahmen. Die logische Konsequenz: Ein Sender, der alle Bürger des Landes be-
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dient, ist der kostengünstigste. Das kann zu einer Monopolisierung führen: Da mit steigender Zuschauerzahl die durchschnittlichen Kosten sinken, dauert der Wettbewerb so lange an, bis nur noch ein Sender übrig ist. Schließlich macht es für jeden Sender Sinn, die Werbepreise so weit und so lange zu senken, bis er die anderen Sender vom Markt verdrängt hat und ein Monopolist wird. In der Realität beobachten wir dies allerdings so nicht: Trotz der Existenz der Öffentlich-rechtlichen Sender haben sich private Sender etabliert. Auch in anderen Staaten beobachten wir, dass es eine Fülle von Sendern gibt. Wie kann das sein? Zum einen muss man zugestehen, dass zwar die Zahl der Sender in der Bundesrepublik zugenommen hat, der Wettbewerb mit den privaten Fernsehgesellschaften in der Bundesrepublik aber im wesentlichen von zwei Unternehmen – der RTL-Group und der Pro Sieben Sat 1 Media AG – bestimmt wird. Hinter den Kulissen findet also schon eine Konzentration statt. Allerdings zeigt die Strategie der Gruppen, mehrere Sender zu halten, auch, worin eine Antwort auf unsere Frage besteht: Fernsehen ist nicht gleich Fernsehen. Jeder Sender hat ein eigenes Profil, eine eigene Zielgruppe, und ein einziger Einheitssender wäre wenig attraktiv, da er mit seinem Programm alle Zielgruppen bedienen müsste – direkt nach der Kultursendung kommt American Wrestling – wer hält das schon aus? Zudem dürften die Verbundeffekte für einen Sender nur begrenzt sein: Im Falle der Nachrichtenredaktion beispielsweise sind zwar die Informationen die gleichen, aber die Aufbereitung muss je nach Sender unterschiedlich erfolgen, und das verursacht wiederum Kosten. Es gibt also zwar so etwas wie sinkende Durchschnittskosten, doch diese sinken nur bis zu einem gewissen Punkt; danach steigen sie wohl eher wieder. Die Existenz von Nischensendern zeigt sogar, dass der Rundfunkmarkt auch Platz für kleinere Wettbewerber lässt. Das Zielpublikum dieser Sender ist offenbar so speziell, dass es keine größeren Verbundeffekte mit anderen Sendern gibt. Das Fazit: Technisch durchaus vorstellbar, ist die Vorstellung eines einzigen Senders, der nur wegen der sinkenden Durchschnittskosten allein übrig bleibt, aus programmpolitischer Perspektive wenig wahrscheinlich. Den sinkenden Durchschnittskosten steht eine von den Konsumenten gewünschte Vielseitigkeit der Programmlandschaft gegenüber. Offenbar sind die Fernsehsender inhaltlich so verschieden, dass man sie als „einzelne“ Sender wahrnimmt. Was ist mit der Nicht-Ausschließbarkeit vom Konsum? Wie wir gesehen haben, spielt dieser Punkt bei den Printmedien keine ganz so wichtige Rolle, doch im Rundfunk ist das durchaus ein Thema, wie der Kampf um die Übertragungsrechte beim Fußball beispielsweise zeigt. Wie das Beispiel Fußball zeigt, kann die NichtAusschließbarkeit im Konsum durchaus eine wichtige Rolle im Fernsehen spielen – Exklusivität und Aktualität sind hier wichtige Stichworte, wie wir gesehen haben. Box 3.34: Leo Kirch stört den Familienfrieden╇ Alles hat damit begonnen, dass Leo Kirch die Rechte an der Fußball-Bundesliga gekauft hat. Kirchs Ziel war es auch, mit Hilfe dieser sehr attraktiven Rechte die Zahl seiner Kunden bei seinem Pay-TV-Programm Premiere zu steigern (er wählte also die
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Strategie „exklusive Inhalte, vergleichen Sie bitte mir Abb.€3.8). Der Haken: Die Fußball-Show „Ran“ auf dem ebenfalls zu Kirchs Imperium gehörenden Sender Sat 1 zeigte umfangreiche Berichte und Zusammenschnitte der Bundesliga bereits um 19.30 – warum dann ein teures Premiere-Spiel ansehen? Zuerst probierte es Kirch damit, die attraktivsten Spiele erst abends austragen zu lassen – und handelte sich Ärger mit den Fans ein, die in ihrer Initiative „15.30“ eine Rückkehr zu den gewohnten Anstoßzeiten forderten. Der zweite Versuch: „Ran“ wurde auf 20.15 verlegt. Die entscheidende Frage: Reicht der zeitliche Abstand zwischen dem Abpfiff und der Berichterstattung um 20.15 aus, um genügend neue Zuschauer zu Premiere zu locken? Zudem ist eine dreiminütige Kurzberichterstattung der anderen Sender rechtlich zulässig – das würde bedeuten, dass ein wesentlicher Teil der Attraktivität der Ran- oder Premiere-Sendungen verloren geht: Die Unkenntnis der Spielausgangs. Zu viele Fragen und zu wenige Zuschauer: Kirchs Experiment scheiterte nach wenigen Sendungen. Ein anderes Problem ist die gesellschaftliche Rolle der Medien als Erziehungsanstalt: Medien bestimmen die öffentliche Meinung. Das Gut „öffentliche Meinung“ ist ein reines öffentliches Gut: Es herrscht Nicht-Rivalität im Konsum, und niemand kann von dem Konsum der öffentlichen Meinung ausgeschlossen werden. Das führt unmittelbar zum sogenannten Trittbrettfahrer-Problem: Jeder „konsumiert“ die öffentliche Meinung, ist aber nicht bereit, dafür Zeit und Geld zu investieren, er bekommt das ja alles gratis. Also, so die Schlussfolgerung, wird zu wenig an öffentlicher Meinung hergestellt, wenn öffentliche Meinung nur über den Markt bereitgestellt würde. Vereinfacht gesagt könnte man es so ausdrücken: Die Medien eines Landes kümmern sich zu wenig um die öffentliche Meinung, weil die Bürger sich weigern, dafür zu bezahlen. Das ist ein Feld, aus dem sich der Ökonom am liebsten davonstehlen mag, denn die ganze Diskussion ist sehr unübersichtlich. Was ist denn die „öffentliche Meinung“? So etwas existiert immer, ob mit oder ohne Medien. Ob sie wollen oder nicht – Medien leisten immer einen Beitrag zur öffentlichen Meinung, und ob die Bürger wollen oder nicht, auch sie haben immer eine öffentliche Meinung. Offenbar geht es bei dieser Diskussion nicht nur um die Existenz einer öffentlichen Meinung, sondern um deren Inhalte. Und damit sind wir wieder bei der Diskussion um die Inhalte der Medien: Was soll der Bürger sehen? Ökonomen glauben, dass er das sehen soll, was er sehen will, und nicht das, was man gerne hätte, was er sehen soll. Über das Thema Paternalismus und Medienpolitik werden wir am Ende des Kapitels über Rundfunk noch einmal diskutieren. Für die Diskussion hier gilt es festzuhalten, dass das wesentliche Problem in der Wettbewerbspolitik darin besteht, Meinungsmacht zu verhindern: Je mehr unabhängige Sender, umso besser wird vermutlich das Resultat hinsichtlich der Meinungsvielfalt sein. Eine interessante Frage für die Wettbewerbspolitik in der Medienbranche ist auch, inwieweit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine Sonderstellung im Rah-
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men des europaweiten Wettbewerbsrechtes zugestanden werden soll. Eine Möglichkeit besteht darin, Ausnahmen von den Wettbewerbsgesetzen zu gewähren für Unternehmen, die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse anbieten und die im Falle von Wettbewerb nicht mehr angeboten werden könnten. Die andere Möglichkeit besteht darin, eine Ausnahme vom Wettbewerbsrecht zu machen mit dem Hinweis auf den Grundversorgungsauftrag. Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks haben die Regierungschefs der EU vorsorglich in der Protokollerklärung zum EG-Vertrag als zulässig deklariert – solange die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in der Gemeinschaft nicht übermäßig beeinträchtigt werden. Ein weiteres Problem in der Rundfunkpolitik werden die Decoder sein: Das digitale Fernsehen dürfte in Zukunft mit einer Zunahme der Angebote einhergehen, die verschlüsselt sind und zur Entschlüsselung Decoder benötigen. Settop-Boxen ermöglichen den Empfang digitaler Programme, verarbeiten digitale in analoge Signale für die herkömmlichen Sender und ermöglichen Empfang und Abrechnung digitaler Programme. Dieser Dekoder kann aber über den Marktzugang entscheiden, wenn der Anbieter eines Dekoders nämlich nur die Entschlüsselung seines eigenen Programmangebotes ermöglicht: Wer den Bertelsmann-Dekoder kauft, kann nicht die Kirch-Programme entschlüsseln. Das wäre fatal, bei einem Wettbewerb der beiden Systeme würde sich nicht das technisch bessere Angebot durchsetzen, sondern der Anbieter mit den attraktivsten Programminhalten. Für die Wettbewerbspolitik ist es hier entscheidend, dafür zu sorgen, dass Dekodersysteme offen sind, d.€h. dass jeder Anbieter auf die Technologie der Boxen zugreifen kann und seine Programme darüber anbieten kann. Ein weiteres Problem aus wettbewerblicher Perspektive sind die Übertragungswege: Die Anzahl der terrestrischen Frequenzen ist beschränkt, und Kabelnetze sowie Satelliten verursachen hohe Kosten und damit ebenfalls das Problem der sinkenden Durchschnittskosten (vergleichen Sie bitte noch einmal mit Kap.€1). Den Markt für Satelliten teilen sich die Astra-Satelliten der Société Européenne des Satellites S.A. (SES) und die Eutelsat-Satelliten der Organisation der Europäischen Postorganisationen. Angesichts der enormen Datenmengen, die zukünftige Anwendungen wie beispielsweise near-video-on-demand (zeitversetztes Ausstrahlen von Filmen) erfordern, ist es allerdings durchaus möglich, dass es auch bei den Satellitenkanälen in Zukunft weiterhin Knappheitsprobleme geben wird. Solche Knappheitsprobleme gab es bereits bei den terrestrischen Frequenzen und wird es dort in Zukunft auch geben, vor allem bei der Einführung des digitalen terrestrischen Hörfunks. Wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk hier viele Kapazitäten binden wird, dürfte es zu Problemen für die privaten Anbieter kommen, die auf eine hohe Reichweite angewiesen sind. Auch im Kabelnetz werden weiterhin Kapazitätsprobleme erwartet: Zum einen werden wohl für einen längeren Zeitraum digitale und analoge Fernsehprogramme simultan ausgestrahlt werden müssen – das kostet Übertragungskapazitäten. Zusätzliche Übertragungskapazitäten werden für neue Multimedia-Dienste – auch für die interaktiven Rückkanäle – benötigt werden. Für all diese Knappheitsprobleme gilt: Solange diese knappen Ressourcen in einem wettbewerblichen Verfahren vergeben werden, ist zumindest ein Wettbewerb
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um den Markt gegeben. So kann man die knappen Frequenzen beispielsweise in einem Auktionsverfahren vergeben – bekanntestes Beispiel dafür war die Versteigerung der UMTS-Lizenzen. Das Problem: Der Wettbewerb um den Markt ist nicht gleich dem Wettbewerb auf dem Markt – letzterer wiederholt sich täglich und garantiert gute Ergebnisse. Der Wettbewerb um den Markt muss also entweder auch in regelmäßigen Abständen wiederholt werden oder aber man benötigt eine Aufsichtsoder Regulierungsbehörde, die das Geschehen auf dem Markt nach der Vergabe der Ressourcen überwacht. Sie können sich sicherlich vorstellen, dass da eine Menge Probleme auf den Regulierer warten. Die Wettbewerbspolitik muss auf alle Fälle sicherstellen, dass die Vergabe der Lizenzen, Frequenzen oder Kanäle in einem wettbewerblichen Prozess erfolgt: Dann wird derjenige die Sendekapazitäten erwerben, der sich den höchsten Gewinn davon verspricht – also derjenige, der die höchsten Einschaltquoten erzielt bzw. das Programm anbietet, das die höchsten Einschaltquoten (und damit die höchste Zufriedenheit der Zuschauer) erwarten lässt (leider sind die potentiellen Veranstalter nicht vor Fehlplanungen gefeit, wie das Beispiel der UMTS-Lizenzen auch zeigt). Je mehr Frequenzen bzw. Lizenzen aber an öffentlich-rechtliche Programme vergeben werden, umso weniger Wettbewerb gibt es. Zeit für ein letztes, wichtiges Resümee im Kapitel über Rundfunkmedien: Die Abrechnung der privaten mit den öffentlich-rechtlichen Anbietern.
3.3.3 Brauchen wir öffentlich-rechtlichen Rundfunk? Einiges der Diskussion um die Öffentlich-Rechtlichen wurde an anderen Stellen bereits vorweggenommen, doch sollen an dieser Stelle noch einmal die gesamten Argumente für und gegen einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk erörtert werden. Zunächst sollen die Befürworter dieser Sender zu Wort kommen: Warum brauchen wir öffentlich-rechtliche Sender? In der Literatur werden diesen Sendern vier verschiedene Funktionen zugeordnet: • Integrationsfunktion: öffentlich-rechtlicher Rundfunk soll durch die Sicherstellung einer gemeinsamen Informationsbasis und die Vermittlung gemeinsamer kultureller Inhalte den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern. • Mit der Forumsfunktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist gemeint, dass alle Stimmen zu Wort kommen sollen; in einem „Marktplatz der Meinungen“ sollen Minderheiteninteressen berücksichtigt und politische Ausgewogenheit und Meinungsvielfalt sichergestellt werden. • Öffentlich-rechtliche Sender sollen im Rahmen ihrer Vorbildfunktion Qualitätsstandards setzen, ein Höchstmaß an Professionalität und Seriosität sicherstellen und mit innovativer Programmgestaltung glänzen. • Die vierte Funktion der öffentlich-rechtlichen Sender ist die Komplementärfunktion: Sie sollen Sendungen von gesellschaftlichem Interesse anbieten, die unter rein ökonomischen Gesichtspunkten voraussichtlich nicht angeboten würden.
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Diese Funktionen kommen gemäß der Literatur vor allem in Nachrichtensendungen, Jugend- und Kultursendungen und sonstigen Informationssendungen zum Ausdruck; diese Sendungen werden daher auch als Kernbereich der ÖffentlichRechtlichen angesehen, ohne dass sich diese allerdings auf diese Formate beschränken müssten. Bei der Diskussion um öffentlich-rechtlichen Rundfunk muss man zwei Themenebenen trennen: Zum einen kann man fragen, inwieweit es überhaupt nötig oder möglich ist, die genannten Funktionen der öffentlich-rechtlichen Sender bereitzustellen; in einem zweiten Schritt geht es darum, auf welchen Wegen man diese Aufgaben erfüllen kann. Box 3.35: Vorbild Öffentlich-Rechtliche?╇ Die öffentlich-rechtlichen Sender sollen politikfern sein und ein Vorbild an Qualität – werden sie diesem Anspruch immer gerecht? Kritiker sehen das mit gemischten Gefühlen: Der Chefredakteur des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) wurde ein massiver Streitfall für die Politik, die Fernsehspielchefin des NDR wurde entlassen, nachdem sich herausstellte, dass sowohl sie als auch ihr Mann unter Pseudonym Drehbücher verfasst und beim Sender eingereicht hatten. Zudem gab es immer wieder Skandale um Schleichwerbung, Bestechlichkeit und Vorteilnahme. So wird der ehemalige Sportchef des Hessischen Rundfunks im Oktober 2008 wegen Bestechlichkeit und Untreue sowie der Beihilfe zur Bestechung zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt, eine Fernsehgarten-Moderatorin hat ohne Wissen des ZDF für eine Diätfirma Schleichwerbung gemacht (und wird nach vorübergehender Kündigung wieder eingestellt) und in einer täglichen Serie der ARD wurde über zehn Jahre hinweg systematisch Schleichwerbung betrieben – Firmen konnten sogar Handlungsstränge und Dialoge für ihre Produkte bestellen. Nicht zuletzt gab es auch eine Beschwerde der Landeszentrale für Medien und Kommunikation (LMK), dass der SWR-Beitrag „Quoten, Klicks und Kohle“ „…in weiten Teilen anerkannte journalistische Grundsätze, insbesondere aufgrund der fehlenden Objektivität, Sachlichkeit und Ausgewogenheit sowie der fehlenden Trennung von Information und Meinung…“ verletze. Der (öffentlich-rechtliche) Beitrag prügelte fröhlich auf die Konkurrenz der privaten Medienhäuser ein und lobte den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk als einzige Alternative. Fangen wir einmal mit der Integrationsfunktion an: Vermittlung gemeinsamer kultureller Inhalte, Bereitstellung einer gemeinsamen Informationsbasis – was ist davon zu halten? In der Absicht gut, in der Umsetzung problematisch: Wer definiert die gemeinsame kulturelle Basis? Und in einer Zeit der Massenmedien, in der das Problem für den einzelnen mittlerweile eher in einer Überversorgung mit Informationen besteht, muss man auch das Argument der Bereitstellung einer gemeinsamen Informationsbasis relativieren. Aber möglicherweise hilft hier die Vorbildfunktion der öffentlichrechtlichen Sender: Sie könnten eine „objektivere“ Informationsbasis bereitstellen als
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die privaten Sender, die ihre Inhalte nach rein kommerziellen Gesichtspunkten zusammenstellen müssen. Das ist in der Tat ein Pluspunkt für die öffentlich-rechtlichen Sender, doch wer sagt eigentlich, dass diese wirklich immer „objektiver“ oder präziser als ihre Konkurrenten sind? Kritik gibt es genug: So sagen Kritiker, dass sich die Ausgewogenheit der Aufsichtsgremien der Öffentlich-Rechtlichen auf eine ausgewogene Darstellung der Parteienstandpunkte reduziert. Untersuchungen in den siebziger und achtziger Jahren wollen nachgewiesen haben, dass bei der Berichterstattung der Öffentlich-Rechtlichen eine Unwucht zugunsten der links orientierten Parteien zu beobachten gewesen sei. Zudem gab es Kritik, dass es zu Parteien-Proporz bei der Einstellung von Redakteuren gekommen sei. Wie auch immer man diesen Streit beurteilt, eines macht er deutlich: Eine wirklich objektive Berichterstattung ist immer Meinungssache. Und möglicherweise haben die öffentlich-rechtlichen Sender zwar nicht das Problem, ständig ökonomischem Druck ausgesetzt zu sein, dafür haben sie aber das Problem, stets ihren Aufsichtsgremien gerecht werden zu müssen. (Zur Vorbildfunktion der Öffentlich-Rechtlichen lesen Sie bitte auch Box 3.35) Bleiben noch die Komplementärfunktion und die Forumsfunktion: Es ist in der Tat ein lobenswertes Anliegen, auch Minderheiten Gehör zu verschaffen – ein Weg dazu sind beispielsweise auch die Offenen Kanäle (vergleichen Sie bitte Box€3.36). Doch auch hier gibt es ein Haar in der Suppe: Was oder wer sind Minderheiten, und vor allem: Welche diese Minderheiten sollen in den Genuss kommen, auf Kosten der übrigen Gebührenzahler eine stärkere Berücksichtigung im Programm der Öffentlich-Rechtlichen zu finden? Die Mittel reichen sicherlich nicht aus, um jeder Minderheit eine Sendung oder einen Programmplatz zu spendieren, von den Protesten derjenigen, die diese Programme nicht sehen wollen (die definitionsgemäß in der Überzahl sind) mal ganz abgesehen. Also muss hier wieder jemand entscheiden, wer in welchem Umfang von den Gebühren der Allgemeinheit profitieren soll. Und wenn ein Programm sich aus ökonomischer Perspektive nicht rechnet, dann bedeutet das, dass dieses Programm subventioniert werden muss – andere müssen dieses Programm also bezahlen, in diesem Fall die Gebührenzahler. Damit sind wir dann wieder bei dem Problem, wer mit welcher Legitimation über die Verwendung der Gebühren entscheidet. Um es zusammenzufassen: Die vier Funktionen der öffentlich-rechtlichen Sender sind wünschenswerte Postulate, doch muss man sich zum einen fragen, inwieweit es überhaupt möglich ist, diesen Ansprüchen gerecht zu werden; zum anderen gilt es zu prüfen, ob es auch andere Möglichkeiten gibt, diesen Zielen gerecht zu werden. Darauf werden wir im nächsten Abschnitt eingehen. Zuvor wollen wir nachsehen, wie sich die öffentlich-rechtlichen Sender im Vergleich zur privaten Konkurrenz präsentieren. Box 3.36: Offene Kanäle╇ Tummelplätze für Chaoten, Laienspielwiesen oder ernsthaftes Bürgerradio? Jeder Bürger kann in einem offenen Kanal Sendungen gestalten, produzieren und im Kabel oder terrestrisch verbreiten. Ein offener Kanal verfügt über ein Fernseh- oder Hörfunkstudio in der Trägerschaft einer Landesmedienanstalt oder eines Vereins, der mit der Landesmedienanstalt verbunden ist. Die Nutzung aller technischen Einrichtungen
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ist kostenlos; die Beiträge dürfen keine Werbung enthalten, es findet keine Zensur statt. Grundsätzlich gilt das Windhundprinzip: Wer zuerst kommt, sendet zuerst bzw. nutzt die Anlagen zuerst. Offene Kanäle sollen kreative Fähigkeiten der Bürger fördern, den öffentlichen Meinungsbildungsprozess vor allem auf regionaler Eben beleben und medienpädagogische Zielsetzungen unterstützen. Diese Kanäle werden entweder direkt oder indirekt aus den Etats der Landesmedienanstalten gefördert. Betrachtet man Nachrichten, Kultursendungen und sonstige Informationsprogramme als Kernkompetenzen der Öffentlich-Rechtlichen, so haben sie sogar einen Kostenvorteil: Studien haben ergeben, dass diese Art von Programmen im Vergleich zu anderen Programmangeboten in der Herstellung billiger sind (das entnehmen Sie auch Abb.€3.9). Merkwürdigerweise zeigt Abb.€3.10 aber, dass die Gesamtkosten je Sendeminute bei den öffentlich-rechtlichen Sendern deutlich über denen der privaten Sender liegen.
ARD gesamt
3,6 0,2
Spot/ Überleitung Familie
1,2
Kultur und Wissenschaft
1,9
Politik und Gesellschaft
1,9
Religion
1,9
Spielfilm
3,7
Unterhaltung
4,7 5,5
Musik Fernsehspiel
7,1
Sport
10,4 0
2
4
6
8
10
12
Abb. 3.9↜渀 Durchschnittskosten pro Gesamtsendeminute der wichtigsten Ressorts der ARD in 1.000€€ 2004. Für das ZDF lagen die Gesamtkosten in diesem Jahr bei 2.900€€, für die Dritten Fernsehprogramme bei 390€€. In den Dritten Programmen zeigt sich dabei eine erhebliche Streuung der Durchschnittskosten; wobei die kleineren Anstalten (RBB und HR) deutlich günstigere Kosten-Leistungs-Relationen aufweisen als die größeren Anstalten, insbesondere der BR, NDR/ RB, WDR und SR/SWR. (Quelle: KEF (2005): 15. KEF-Bericht, Band 2, S.€35)
3.3 Radio und Fernsehen Pro 7
219
2638
SAT 1
3089
RTL (1996)
3630
ZDF
4973
ARD III
1298
ARD I
6425 0
2000
4000
6000
8000
DM
Abb. 3.10↜渀 Gesamtkosten je Sendeminute 1995 (ARD III umfasste 1995 acht Regionalprogramme, wobei zum Teil Programmbeiträge mehrfach verwendet wurden. (Quelle: Klaus Mattern, Thomas Künstner: Fernsehsysteme im internationalen Vergleich, in: Ingrid Hamm (Hrsg.): Die Zukunft des dualen Systems: Aufgaben des dualen Rundfunkmarktes im internationalen Vergleich. Verlag Bertelsmann Stiftung, Gütersloh 1998, S.€201. Aktuellere Zahlen waren von den Sendern auf Anfrage nicht zu erhalten)
Dieser Kostenunterschied lässt sich auch nicht mit der unterschiedlichen Programmstruktur der Sender erklären: In den Sparten Nachrichten und Information liegen die öffentlich-rechtlichen Sender ganz klar vor den Privaten, was den Anteil dieser Programme am Gesamtprogramm angeht. Warum also sind die ÖffentlichRechtlichen teurer als ihre privaten Konkurrenten? Ökonomen haben dafür eine einfache Erklärung anzubieten: Es fehlen die Anreize zu einem sparsamen Wirtschaften. Um den Gewinn zu erhöhen, gibt es für ein Unternehmen zwei Möglichkeiten: Die Einnahmen steigern oder die Ausgaben senken, schließlich gilt: Gewinnâ•›=â•›Erlös minus Kosten. Den Privaten bleiben wenig Möglichkeiten, ihre Einnahmen nach Belieben zu steigern, also müssen sie an der Kostenseite ansetzen. Bei den Öffentlich-Rechtlichen hingegen ist das etwas anders: sie können ihre Einnahmen durchaus in gewissem Maße mitbestimmen, und was viel wichtiger ist: Die Einnahmen in Form von Gebühren sind garantiert. Das senkt natürlich die Sorgfalt im Umgang mit den eigenen Mitteln, sagen Kritiker. Für sie ein Grund mehr, für ein privates Rundfunksystem zu plädieren. Die Kritiker der öffentlich-rechtlichen Sender haben noch einen weiteren Pfeil im Köcher: Die Vielzahl der technischen Argumente, die für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk sprechen, sind mittlerweile im Zuge des technischen Fortschrittes überholt. Wie wir bereits gesehen haben, sinkt die Bedeutung der hohen Fixkosten im Medienbereich und damit auch das Argument der natürlichen Monopole. Auch die Argumente von der Nichtausschließbarkeit und der Nicht-Rivalität im Konsum reichen angesichts des technischen Fortschritts nicht mehr aus, um ein öffentlichrechtliches Fernsehen zu begründen – das haben die bisherigen Ausführungen eben-
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so gezeigt wie der medienpolitische Alltag, in dem sich eine Fülle von privaten Sendern behauptet. Stimmt das? Ein wichtiges Argument für öffentlich-rechtliche Sender ist ja auch die Furcht vor mangelndem Wettbewerb im Mediensektor, und die bereits beschriebene Tendenz zu einem Duopol am deutschen Medienmarkt ist bedenklich. Hierauf gibt es möglicherweise zwei Antworten. Antwort Nummer eins: Wer Angst vor Wettbewerbsbeschränkungen hat, der sei auf den Gesetzgeber und das GWB verwiesen – um Wettbewerb zu sichern, muss der Staat oder eine öffentlich-rechtliche Instanz nicht zwingend als Anbieter auf den Plan treten, er muss nur dafür sorgen, dass der Boden für weitere Wettbewerber bereitet ist. Sollte also der Wettbewerb auf dem Rundfunkmarkt nicht funktionieren, so kann man auch über eine Reform oder Verschärfung der Wettbewerbsregeln nachdenken, nicht über öffentlich-rechtliche Sender. Antwort Nummer zwei ist noch unerfreulicher: Möglicherweise ist der Wettbewerb auf dem deutschen Rundfunkmarkt nicht trotz, sondern wegen der Existenz der öffentlich-rechtlichen Sender so gering. Überlegen Sie einmal: Würden Sie in einem Markt umfangreiche Investitionen vornehmen, in dem sich bereits zwei große Spieler mit bekanntem Namen tummeln, die zudem noch eine Einnahmegarantie haben und staatlichen Schutz genießen? Möglicherweise wäre der Rundfunksektor ohne die Existenz von ARD und ZDF wesentlich härterem Wettbewerb ausgesetzt. Box 3.37: Der Sender lebt nicht nur von Werbung alleine╇ Die ÖffentlichRechtlichen Sender haben neben den Gebühren auch noch andere Einnahmequellen: So hat die ARD 2008 mit Sponsoring knapp 35€Mio.€€ eingenommen, dazu kommen noch Einnahmen aus Gewinnspielen (die Einnahmen aus der Wahl zum „Tor der Woche“ alleine schätzen Kenner auf mehr als fünf Millionen Euro). Hinzu kommen wenig rühmliche Kooperationen mit Werbepartnern: So wurde 2004 ruchbar, dass das ZDF auch Interessenten mit ihren Werbebotschaften in Drehbuchdialogen in Fernsehserien berücksichtigt. Die Partner erwerben anschließend sogenannte nicht-gewerbliche Rechte an den Filmen und zahlen dafür teilweise recht üppige Beträge. So fuhr beispielsweise ein Cabrio der Firma VW nicht zufällig durch die Fernsehserie „Sabine“. Bei der Serie „Samt und Seide“ kam recht häufig das Logo des Kaufhauskonzerns Kaufhof ins Bild – der nach Ausstrahlung die nicht-gewerblichen Rechte für 1,5€Mio.€€ erwarb. Eine weitere Erwerbsquelle sind die Rechte an der Verwertung von beliebten Figuren: So gibt es rund 500 Artikel mit der „Maus“ des WDR, Socken von Käptn Blaubär, Bettwäsche mit der Biene Maja und jede Menge Begleitbücher zu Serien, Dokumentationen und Kochshows. Der Privatsenderverband VPRT zählte 2004 satte 1.484 Artikel in den Shops von SWR, BR, NDR, MDR, HR und RBB. Im Internetshop des WDR fanden sich 4.242 verschiedene Produkte: CDs, Münzen, Batterie-Sets, Ferngläser, Taschenlampen und Isolierflaschen. Alles nötig zur Bereitstellung der Grundversorgung mit Informationen?
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Das war jetzt eine ganze Reihe von Argumenten gegen einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Doch man muss nicht nur kritisieren können, sondern auch Alternativen bieten. Schauen wir uns doch einmal an, welche Alternativen es zum derzeitigen System in der Bundesrepublik gibt.
3.3.4 Alternativen zum dualen System Es gibt vier Alternativen zum derzeitigen deutschen System. Die erste Möglichkeit besteht darin, dass öffentlich-rechtliche Sender sich als Produzenten von Fernsehprogrammen zurückziehen. Das bedeutet nicht, dass es kein öffentlich-rechtliches Programm mehr gibt: Anstatt Fernsehen selbst zu machen, wird es quasi in Auftrag gegeben. Mit einem bestimmten Budget werden ausgewählte Sendeformate eingekauft, die den Vorstellungen der Öffentlichkeit von einem förderungswürdigen Fernsehen entsprechen. Ein Beispiel für ein solches System ist das Fernsehen in Neuseeland (vergleichen Sie bitte Box€3.38). Box 3.38: Das neuseeländische Fernsehen╇ In Neuseeland existiert kein öffentlich-rechtlicher Rundfunkveranstalter im eigentlichen Sinn. Die Gesellschaft NZonAir hat die Aufgabe, Programme mit besonderem gesellschaftlichem Interesse zu fördern. Das Unternehmen betreibt keine eigenen Sender, sondern fördert ausgewählte Programme, die auf verschiedenen Sendern laufen können. Voraussetzung für die Förderung ist die Erfüllung eines vorgegebenen Kriterienkataloges. Die Behörde selbst bestimmt diesen Kriterienkatalog, unterliegt aber der Aufsicht der Regierung. NZonAir subventioniert auch Sendeanlagen in Gebieten, die nach wirtschaftlichen Kriterien von privaten Anbietern nicht versorgt würden. Der Anteil der von NZonAir geförderten Programme am gesamten Programm liegt bei etwa 22€ %; hier schlägt sich das vergleichsweise geringe Mittelaufkommen nieder. Im Jahr 2000 wurde die Rundfunkgebühr in Neuseeland abgeschafft, seitdem wird NZ on Air direkt vom Staat finanziert. In Neuseeland gibt es keine Konzentrationsbestimmungen hinsichtlich der Rundfunkanbieter, ebenso wenig wie Mindestquoten oder Werbezeitbeschränkungen. Um es noch einmal deutlich zu machen: Der öffentlich-rechtliche Bereich zieht sich nicht aus der Programmgestaltung, sondern nur aus der Programmherstellung zurück. Ein Vorteil dieser Regelung: Wenn die Produktionskosten eines privaten Senders oder Produktionsunternehmens günstiger sind als die eines öffentlich-rechtlichen Unternehmens, dann wirkt diese Maßnahme kostensenkend; für das gleiche Ausmaß an Gebühren bekommt man ein Mehr an geförderten Programmen. Die Produktionsfirmen stehen untereinander im Wettbewerb um das staatliche Fernsehgeld, das erzeugt deutliche Anreize für eine kostenminimale Produktion. Da eine
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öffentliche Institution die Mittel vergibt, behält sie weiterhin die Hoheit darüber, was förderungswürdig ist. Kritiker am neuseeländischen System werfen diesem vor, dass die Anzahl der geförderten Sendungen zu gering ist und dass diese Sendungen immer auf unattraktive Sendeplätze abgeschoben werden. Der erste Kritikpunkt ist nur eine Frage des Mitteleinsatzes – mehr Gebühren ergeben dann eine größere Zahl geförderter Sendungen. Das ist auch aus ökonomischer Sicht der Charme dieses Modells: Es macht recht deutlich sichtbar, wie viel Geld wir ausgeben für öffentlich-rechtliches Fernsehen. Der zweite Punkt ist letztlich auch nur eine Frage des Gebührenaufkommens: Im Grunde genommen muss die Öffentlichkeit die Sendezeiten einkaufen, zu denen diese Programme gesendet werden. Spätestens jetzt wird klar, dass öffentlich-rechtliches Fernsehen eine sehr teure Veranstaltung ist, wenn man bedenkt, was eine Minute Sendezeit zur Prime Time kostet. Box 3.39: Fernsehen Down Under╇ In Australien wird das öffentlich-rechtliche Fernsehen seit 1974 über Steuern finanziert. Es hat dort einen Marktanteil von etwa 17€%. Da Kabel und Satelliten in Australien nicht weit verbreitet sind, dominieren die beiden öffentlich-rechtlichen Sender sowie die drei privaten Anbieter den Markt. Die drei privaten Sender haben zusammen einen Marktanteil von fast 80€%. Die australische Regierung ist mit der Verteilung weiterer terrestrischer Lizenzen knauserig und schützt damit das de facto bestehende Oligopol der drei großen Privatanbieter. Im Gegenzug werden diese aber in die öffentlich-rechtlichen Aufgaben mit eingebunden; die Lizenzen sind mit Programmauflagen verbunden. So gibt es Quoten für nationale Inhalte sowie detaillierte Vorschriften zur Sicherung der Programmvielfalt. Zudem müssen die Privatsender für ihre Lizenzen jährliche Gebühren in Höhe von 9€% der Erlöse entrichten. Letztlich kann das neuseeländische System möglicherweise die Produktionskosten senken, doch es beantwortet nicht alle Fragen, die sich bei der Installation eines öffentlich-rechtlichen Senders stellen: Wie finanziert man ein solches System und wer hat welchen Einfluss auf die Programmgestaltung? Hinsichtlich der Finanzierung haben wir ja bereits die in Deutschland gebräuchliche Gebührenfinanzierung mit all ihren Folgen kennengelernt. Eine Alternative dazu gibt es in Australien: Dort werden öffentlich-rechtliche Programme über Steuern finanziert (Box€3.39). Der Charme der Steuerlösung liegt in der verteilungspolitischen Wirkung: Betrachtet man öffentlich-rechtliches Fernsehen als eine Aufgabe der Allgemeinheit, dann sollte man auch die Allgemeinheit dazu heranziehen. Das ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn man davon ausgehen kann, dass praktisch jeder Bürger einen Fernseher besitzt. Dann hat die Finanzierung über Steuern nicht nur den Vorteil, dass der Aufwand der Gebührenerhebung und der Schwarzseher-Jagd entfällt, nein, die Lasten werden auch anders verteilt. Geht man nämlich davon aus, dass unser Steuersystem zu weiten Teilen auf dem Prinzip der Besteuerung nach der
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Leistungsfähigkeit beruht, so werden an der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens diejenigen, die mehr leisten können, in größerem Umfang beteiligt als die armen Schlucker. Wer nichts hat und keine Steuern zahlen kann, bekommt seinen Rundfunk quasi kostenlos. Die fatale Querfinanzierung eines gebührenfinanzierten Programms, in dem der geringverdienende Privatsenderzuschauer den Arte-Konsum des Studienrates bezahlt, entfällt damit. Box 3.40: Fernsehen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten╇ Am Anfang war der Kommerz: Zuerst gab es in den Vereinigten Staaten kommerzielles Fernsehen, bevor der Kongress 1967 die Corporation for Public Broadcasting (CPB) ins Leben rief, die finanzielle Unterstützung für Fernseh- und Radiostationen anbietet. CPB gründete den Public Broadcasting Service (PBS) und das National Public Radio (NPR), denen 350 Fernsehsender und 560 Radiostationen angehören und die anspruchsvolle Sendungen, Dokumentationen, Opern und ähnliche Programminhalte senden und werbefrei sind (allerdings gibt es auch hier „messages“ von Unternehmen). An dem Budget, das den Sendern des PBS zur Verfügung steht, beteiligt sich der Staat nur mit etwa 15€% – der Rest muss durch Spenden von der Wirtschaft (etwa 35€%) und von Privaten (50€%) aufgebracht werden. Um das Geld bei den Privaten einzutreiben, werden sogenannte Pledge Weeks veranstaltet, in denen zwischen attraktiven Sendungen Spendenaufrufe gesendet werden. PBS kommt auf etwa 95€Mio. Zuschauer. Die anderen großen Sender – beispielsweise NBC, ABC, Fox, CBS – finanzieren sich durch Werbung. Den TV-Networks stehen auch die sogenannten Kabel-Networks gegenüber, die sich nicht nur durch Werbung finanzieren, sondern auch von den Kabelnetzbetreibern, über deren Netze ihre Programme laufen, pro Zuschauer entlohnt werden. Natürlich hat auch diese Lösung ihre Schattenseiten: Wenn der Staat die Sender direkt bezahlt, erhöht dies seinen Einfluss auf die Programmgestaltung; die Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Sender ist damit in Gefahr. Einschränkend dazu muss man natürlich all das sagen, was wir bereits zum Thema Einfluss auf die Programmgestaltung diskutiert hatten. Um es auf den Punkt zu bringen: Wo immer jemand das Geld bereitstellt, wird er auch Mitsprache verlangen; und wo jemand Geld bekommt, ohne dafür Rechenschaft ablegen zu müssen, wird Verschwendung Einzug halten. Zwischen diesen beiden Polen gilt es Balance zu halten, wobei die Option eines steuerfinanzierten Rundfunks eher näher an einem der beiden Pole, nämlich der Mitsprache des Geldgebers, einzuordnen ist. Box 3.41: Alternativen zur Rundfunkgebühr╇ Die Freien Demokraten (FDP) schlagen vor, die Fernsehgebühren gerechter zu verteilen: Statt der Rundfunkgebühr solle jeder Bundesbürger eine Pro-Kopf-Abgabe entrichten, lautet der Vorschlag. Die Abgabe würde im Vergleich zu den jetzigen Gebüh-
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ren geringer ausfallen, weil jeder Erwachsene zahlen müsste und die Gebühr nicht für Haushalte berechnet wird. Profitieren würden davon also Alleinstehende, während Haushalte, in denen mehrere Erwachsene leben, draufzahlen müssten. Ob das wirklich „gerechter“ ist, kann man im Grunde genommen nicht beantworten; es ist möglicherweise gerechter im Sinne einer Äquivalenz: Jeder potenzielle Zuschauer muss nun zahlen, der Alleinstehende zahlt genau so viel wie der erwachsene Sohn oder der WG-Mitbewohner. Ob eine solche Regelung gerechter in Hinblick auf die Einkommensverhältnisse ist, ist Geschmackssache – hier handelt es sich eben um eine Pro-Kopf-Abgabe, die keine Rücksicht auf Einkommensverhältnisse nimmt. Einen ähnlichen Vorschlag machte der ehemalige Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof, der für ARD, ZDF und Deutschland Radio ein Gutachten über die zukünftige Rundfunkfinanzierung erstellte: Alle Haushalte und Gewerbebetriebe sollen einen festen Beitrag entrichten. Damit würde zwar eine Abkehr von der geräteabhängigen Gebühr stattfinden, was insofern sinnvoll ist, als man mittlerweile Rundfunk mit vielen verschiedenen Geräten empfangen kann, nicht nur mit einem Fernseher oder einem PC. Allerdings müsste damit jeder Haushalt – unabhängig davon, ob er einen Fernseher, ein Radio, ein Smartphone oder PC besitzt – eine Abgabe entrichten.
Eine letzte Möglichkeit, ein Rundfunksystem zu organisieren, besteht darin, auf staatlichen Rundfunk weitgehend zu verzichten. Dieser Variante am nächsten kommt noch das amerikanische Fernsehsystem (vergleichen Sie bitte Box€3.40). Ob man dieses Modell wirklich will, ist letztlich eine normative Frage. Aus den bisherigen Ausführungen ist deutlich geworden, dass aus ökonomischer Perspektive nur wenig für öffentlich-rechtlichen Rundfunk spricht. Will man aber aus politischen Gründen nicht darauf verzichten, so ist der american way of Television wenig attraktiv. Die privaten Anbieter haben noch einen anderen Vorschlag für die deutsche Rundfunklandschaft: Die öffentlich-rechtlichen Sender sollen sich ihrer Ansicht nach auf ihren öffentlich-rechtlichen Auftrag zurückbesinnen und kein Vollprogramm mehr anbieten. Das würde die Kosten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stark reduzieren, die Sender würden auch nicht mehr in Konkurrenz zu den privaten Anbietern treten; sie würden sich dem Quotendruck entziehen. In der Tat kann man sich fragen: Brauchen wir „Verbotene Liebe“ oder Boulevardmagazine in den öffentlich-rechtlichen Programmen? Ja, meinen diese, sie sehen nämlich die Akzeptanz der öffentlich-rechtlichen Sender gefährdet, wenn diese kein Vollprogramm mehr anbieten. Ein wenig Grundversorgung müsse es für alle Interessengruppen geben. Kritiker halten das für verwirrend: Man mache öffentlich-rechtlichen Rundfunk unter anderem mit Verweis auf die unzureichenden Programmformate der privaten Konkurrenz, glaubt aber, ohne diese Formate nicht akzeptiert zu werden?
3.3 Radio und Fernsehen
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3.3.5 Ausblick Wie wird sich die Medienlandschaft in den kommenden Jahren gestalten? Das lässt sich schwer sagen, doch man kann einige mögliche Entwicklungstendenzen aufzuzeigen. Die erste Frage ist die nach der Zukunft der öffentlich-rechtlichen Sender: Die Reichweite der privaten Sender nimmt zu, und damit auch die Konkurrenz für die Öffentlich-Rechtlichen. Bei gegebenem, fixem Zeitbudget der Konsumenten erhöht sich für diese das Angebot. Die Folge zeigt sich in den Statistiken bereits seit 1985: Die Marktanteile der öffentlich-rechtlichen Sender gehen zugunsten der Privaten zurück. Das korrespondiert natürlich mit den Werbeeinnahmen: Auch hier haben die Öffentlich-Rechtlichen in den vergangenen Jahren deutlich Federn zugunsten der Privaten lassen müssen. Bedeutet das, dass die Öffentlich-Rechtlichen bald keine Werbeeinnahmen mehr haben werden? Sicherlich nicht: Wenn sich neue Anbieter am Markt etablieren, so ist es eine logische Konsequenz, dass der bisherige Alleinanbieter Marktanteile verliert – insofern stellt Abb.€3.11 einen völlig normalen Prozess dar. Fraglich ist nur, 35
ARD ZDF
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ARD Dritte RTL
25
Sat 1 Pro 7
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15
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5
0 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008
Abb. 3.11↜渀 Anteile an der täglichen durchschnittlichen Sehdauer in Prozent (Zuschaueranteile). (Sehdauer der Zuschauer ab drei Jahren, Montag bis Sonntag, in der Zeit von 3:00 bis 3:00 Uhr.) Man sieht sehr schön, wie sich die privaten Sender den Öffentlich-Rechtlichen Marktanteile abgejagt haben
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3 Audiovisuelle Medien
ob bzw. wann dieser Prozess zum Stillstand kommt. Oder? Nun ja, wenn die Zuschaueranteile der Öffentlich-Rechtlichen weiter zurückgehen, könnte sich irgendwann die Frage nach der Akzeptanz der Rundfunkgebühren stellen – brauchen wir öffentlich-rechtlichen Rundfunk für eine Minderheit der Haushalte? Die Sender sehen diese Gefahr natürlich auch. Was ist zu tun? Eine Möglichkeit besteht darin, die Erfolgsrezepte der Privaten zu kopieren. Und manchmal legt ein Blick in die Programmzeitschrift den Gedanken nahe, dass dies bereits geschieht: „Verbotene Liebe“ findet sich da neben Boulevardmagazinen und James-Bond-Filmen – ist das öffentlich-rechtliche Unterhaltung? Auf der anderen Seite sieht man, dass vor allem diejenigen Sender, die ein Vollprogramm anbieten, sich um Sendeformate bemühen, die den Öffentlich-Rechtlichen Konkurrenz machen – beispielhaft dafür ist „Spiegel-TV“. Der Gedanke, dass die öffentlich-rechtlichen Sender eines Tages kaum noch von den Privaten zu unterscheiden sind, dass es also zu einer Konvergenz der Programme kommt, liegt aus ökonomischen Gesichtspunkten nahe. Wer ein Vollprogramm macht, will die Mehrheit der Zuschauer gewinnen – dazu muß er massenattraktive Programme bieten. Eine Abgrenzung gegen andere Sender durch eine Nischenstrategie verspricht nicht die notwendigen Einschaltquoten. Doch genau diese Konvergenz könnte die Öffentlich-Rechtlichen ihrer Existenzberechtigung berauben. Aber vielleicht sieht die Medienwelt in 20 Jahren ja völlig anders aus – stellt sich dann die Frage nach einem öffentlich-rechtlichen Programmanbieter neu? Zeit, sich einem neuerem Medium zu widmen: dem Internet.
Kapitel 4
Internet und Multimedia-Anwendungen
4.1â•… Grundlagen 4.1.1 Der Aufbau des Internet Was macht das Internet in einem Buch über Medien? Das hat zwei Gründe: Zum einen ist das Internet selbst ein Medium, zum anderen hat das Aufkommen des Internet erhebliche Folgen für die gesamte Medienindustrie. Doch bevor wir uns in m(M) edias res stürzen, wollen wir kurz sehen, was das Internet ist und wie es funktioniert. Militärische Überlegungen haben bei der Entwicklung des Internet eine wichtige Rolle gespielt: Angesichts des kalten Krieges wollten die Amerikaner ein nationales Kommunikationsnetz haben, das im Kriegsfall überlebensfähig wäre. Es galt zu verhindern, dass einige wenige gut gezielte Angriffe gegen einzelne Sendezentren zu einem Zusammenbruch der gesamten Kommunikation führen. 1962 fanden Wissenschaftler der RAND-Cooperation eine Antwort auf diese Frage: Sie hieß PacketSwitching. Stellen Sie sich ein normales Telefonnetz vor: Ein Gespräch kommt hier dadurch zustande, dass ein Teilnehmer den anderen anwählt. Dabei wird eine Verbindung zwischen beiden Teilnehmern aufgebaut, die über mehrere Vermittlungsstationen geschaltet wird und für die Dauer des gesamten Gesprächs über bestehen bleibt. Sobald aber diese Verbindung an irgendeiner Stelle unterbrochen wird, bricht die gesamte Verbindung zusammen, es gibt keine Möglichkeit, auf eine Ersatzleitung auszuweichen. Die Idee des Packet-Switching vermeidet diesen Nachteil durch einen einfachen Trick: Die Nachrichten, welche zwischen den Teilnehmern ausgetauscht werden, werden in einzelne Pakete zerlegt und getrennt voneinander auf unterschiedlichem Weg an ihren Bestimmungsort geschickt. Beim Empfänger der Nachricht müssen die einzelnen Pakete nur noch in der richtigen Reihenfolge wieder zusammengesetzt werden. Damit ist bei einem Gespräch keine kontinuierliche Verbindung mehr zwischen den beiden Teilnehmern notwendig. Fallen nun Teile des Kommunikationsnetzes aus, so werden die Pakete auf einem alternativen Weg durch das Netz an den Empfänger geschickt. Hier zeigt sich auch der Vorteil dieser Paketlösung: Da Nachrichten jeden beliebigen Weg durch das Kommunikationsnetz nehmen können, stellen teilweise (kriegsbedingte) Ausfälle des Netzes kein Problem H. Beck, Medienökonomie, DOI 10.1007/978-3-642-18132-0_4, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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mehr für die Nachrichtenübermittlung dar. Um die Kommunikation des Landes zum Erliegen zu bringen, müssten dann alle Leitungswege zerstört werden. Der Vorteil eines Netzwerks, das auf Paketvermittlung beruht, liegt in seiner dezentralen Struktur. Diese Struktur sollte zu einem wesentlichen Kennzeichen des Internet werden. Doch das Internet ist nicht nur Paket-Switching, sondern auch ein gemeinsames Übermittlungsprotokoll, das sicherstellt, dass alle Netzwerke miteinander kommunizieren können, unabhängig von der verwendeten Technologie. Dazu benötigt man aber ein einheitliches Protokoll, d.€h. verbindliche Absprachen darüber, wie die Kommunikation und der Datenaustausch zwischen unterschiedlich gebauten Rechnern funktionieren sollen. Welches Protokoll Sie dabei wählen ist – abgesehen von der Frage nach der besten Technologie – eigentlich Nebensache, die Betreiber der verschiedenen Netzwerke müssen sich nur auf ein bestimmtes Protokoll einigen. Die meisten Nutzer der verschiedenen Netzwerke griffen auf ein bereits existentes Protokoll zurück, das transmission control protokoll/Internet protokoll (TCP/IP). Hier schlugen auch wieder Netzwerkeffekte zu: Da es ein bereits existierendes Protokoll gab, machte es für neue, hinzukommende Rechner Sinn, auch dieses Protokoll zu verwenden. Wie Sie sehen, ist das Internet im Grunde genommen damit kein Netzwerk im herkömmlichen, physischen Sinne, sondern eher ein virtuelles Netzwerk, ein Zusammenschluss verschiedener Netzwerke. Daher auch der Name: Internet steht für interconnecting networks, d.€h. Verbinden von Netzwerken. Abb.€4.1 erläutert noch einmal die Funktionsweise des Internet, Box€4.1 gibt Ihnen Auskunft über Übertragungstechniken.
Internet Nachfrage
Nutzer
Zugang
Öffentliche Universität Schule handshake (TCP/IP)
Zugang
AOL Compuserve
handshake (TCP/IP) Zugang
Angebot Internet services Kommerzielle Dienste: Banken Online-Broker Informationsdienste NichtKommerzielle Dienste chat rooms newsgroups etc.
Intra-Netze Unternehmen
Abb. 4.1↜渀 Der Aufbau des Internet. Die verschiedenen Netze aller Anbieter kommunizieren miteinander und bilden so in ihrer Gesamtheit das Internet
4.1 Grundlagen
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Das Entscheidende am Internet ist also, dass es ein Zusammenschluss von Netzen ist, deren einzige Gemeinsamkeit darin besteht, dass sie ein und dasselbe Übertragungsprotokoll verwenden und deshalb miteinander kommunizieren können. Ohne das gemeinsame Protokoll würde eine heillose Sprachverwirrung im Netz herrschen – kein Rechner würde sein Gegenüber verstehen, wenn dieses ein anderes Übertragungsprotokoll verwendet. Das Internet ist also ein Netzwerk aus Rechnern: Jeder Rechner, der Online geht, mit anderen Rechnern kommunizieren kann und TCP/IP benutzt, ist somit ein Teil des Internet. Das ökonomisch Entscheidende am Internet ist, dass jetzt alle Rechner der Welt problemlos miteinander kommunizieren können. Allerdings gibt es keine zentrale Aufsicht über das Internet, ebenso wie es kein zentrales Verzeichnis der angeschlossenen Rechner und aller verfügbarer Adressen gibt. Wer also etwas aus dem Internet herunterladen will, muss sich selbst danach auf die Suche machen. Das hat Implikationen für das Geschäft im Internet. Box 4.1: Es geht auch schneller╇ Alles fließt – auch die technische Entwicklung des Internet geht rasch von statten. Mehrere Techniken versprechen, das Internet noch schneller zu machen. Eine Idee ist Powerline, Internet über die Stromleitungen aus der Steckdose. Hoffnung versprechen auch die sogenannten xDSL-Techniken: Die Telefonleitungen bieten Platz für bis zu 250mal mehr Informationen, als sie der Sprachverkehr nutzt, und diesen Platz nutzen xDSL-Techniken, welche die ganze Bandbreite des Kupferkabels nutzen. ADSL (Asymmetric digital suscriber line) ist eine dieser xDSL-Techniken, mit einer Besonderheit: Der Kanal zum Kunden hin ist größer als der Rückkanal vom Kunden zum Provider, was dem grundsätzlichem Charakter der Datenströme im Internet sehr entgegenkommt: Man lädt viel Daten herunter, sendet aber selbst relativ wenig Daten an den Provider. Auch fix ist die Datenübertragung via Fernsehkabel – mit 550€Kbit pro Sekunde etwa neunmal schneller als ISDN. Internet via Satellit bietet Übertragungsmöglichkeiten zwischen 400€Kbit und 400€Megabit je Sekunde. Die Daten werden vom Provider auf die Empfangsschüssel des Kunden geschickt, der aber schickt seine Daten über die herkömmlichen Wege zurück an den Provider. Eine echte Alternative zum Breitbandfestnetz soll der Mobilfunk werden, hier geht die Technik mittlerweile in die vierte Generation: Long Term Evolution (LTE) heißt die Entwicklung hin zu einer neuen Technik, die Internet per Funk bieten soll. Bandbreiten von mehr als 100€Megabit (MBit) in der Sekunde, das Fünfzigfache eines herkömmlichen DSL-Anschlusses, sollen möglich werden.
4.1.2 Ökonomie des Internet Das Internet ermöglicht den raschen, weltweiten Austausch digitalisierbarer Güter, und genau das macht es für die Medienindustrie so interessant, denn wie wir bereits
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im ersten Kapitel gesehen haben, beschäftigen sich Medien mit dem Sammeln und dem Vertrieb von Informationen, und Informationen lassen sich ohne Probleme digitalisieren. Das hat weitreichende Konsequenzen. Zuerst muss man festhalten, dass die Kosten der Distribution von Informationen drastisch sinken: Mit Hilfe des Internet lassen sich Informationen – also nicht nur Texte, sondern auch Musik oder Filme – kostengünstig bis ans Ende der Welt verbreiten, und zwar sowohl zwischen Unternehmen als auch zwischen Privatleuten. Die zweite Besonderheit des Internet: Es lässt zumindest innerhalb gewisser Grenzen auch Interaktivität zu. Bisher war die Kommunikation bei Massenmedien nur unidirektional – vom Sender zum Empfänger, dem Zuschauer. Jetzt kann der Empfänger – der einzelne Surfer – auch direkt auf die Angebote aus dem Netz antworten, die Abfolge der Informationen, die er haben will, selbst bestimmen und auf Aufforderungen und Fragen des Senders direkt reagieren. Damit werden sich auch die Formen der Kommunikation und Interaktion zwischen Sender und Empfänger verändern. Den herkömmlichen Massenmedien eröffnen sich neue Kanäle der Kommunikation, die auch von Konkurrenten genutzt werden können, die bisher keinen Zugang zu einem breiten Publikum hatten. Den Nachfragern nach Kommunikationsleistungen eröffnen sich damit zusätzliche Alternativen zu den herkömmlichen, bisher genutzten Medien. Diese Punkte gilt es in den folgenden Abschnitten noch genauer zu diskutieren, an dieser Stelle macht ein kurzer Blick auf die verschiedenen Geschäftsmodelle im Internet Sinn. Tabelle€4.1 gibt einen Überblick über die verschiedenen Geschäftsmodelle im Internet. Hierbei wird zwischen direkten und indirekten Erlösen unterschieden. Direkte Erlöse kommen vom Kunden selbst, indirekte Erlöse erwirtschaftet der Anbieter durch Dritte, aber nicht vom direkten Kunden. Bei der transaktionsabhängigen Bezahlung zahlt der Kunde sozusagen je Kontakt, während die transaktionsunabhängige Bezahlung eine Pauschale für die Nutzung eines Gesamtangebotes ist. Im Einzelnen ergeben sich damit vier verschiedene Erlösmodelle: „Pay-Per“-Angebote bestehen darin, dass der Kunde den direkten Zugang zum Angebot an den Anbieter zahlt, wobei sich die Bezahlung nach dem Ausmaß der tatsächlichen Nutzung des Angebotes richtet. Man kann direkte Erlöse auch dadurch erzielen, indem man den Kunden für den Zugang zu den Informationen eine Pauschale abverlangt (also eine transaktionsunabhängige Bezahlung fordert). Nach der Registrierung zahlt man beispielsweise einen festen Betrag monatlich und hat damit unbegrenzten Zugang zu dem damit abonnierten Angebot. Dieses Angebot trägt dem Umstand Rechnung, dass die Grenzkosten der zusätzlichen Bereitstellung Tab. 4.1↜渀 Erlösmodelle im Internet. (Quelle: DG-Bank Branchenreport Nr.€5: Digitalisierung und Internet: Konsequenzen für die Filmbranche, Frankfurt, Juni 2001) Direkte Erlöse Indirekte Erlöse Transaktionsabhängige „Pay-Per“-Angebote; VerbindungsProvisionen Bezahlung oder Nutzungsgebühren (Maklerdienste) Transaktionsunabhängige Einrichtungsgebühren; Grundgebühren Bannerwerbung, Verkauf Bezahlung von Nutzerprofilen, Sponsoring
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von Informationen praktisch Null sind. Hat der Kunde seine Pauschale gezahlt, so spielt es für den Anbieter keine Rolle mehr, wie umfangreich er das Angebot nutzt. Die Geschäftsmodelle ohne direkte Erlöse sind natürlich vor allem die Modelle mit Werbeerlösen: Der Zuschauer bezahlt die Nutzung der Informationen mit seiner Aufmerksamkeit, die er der Werbung auf der jeweiligen Homepage widmen soll. Alternativ lässt sich auch Geld einsammeln, indem man die Kunden für die Vermittlung von Informationen oder Kontakten zur Kasse bittet. Box 4.2: Online-Werbung╇ Die Standardwerbeform im Internet sind sogenannte Banner, die beispielsweise am oberen oder unteren Rand der Website eingeblendet werden (Top-, bottom-Banner). Etwas aufdringlicher sind sogenannte Pop-Ups, die beim Öffnen der Website sich noch vor die Seite schieben und weggeklickt werden müssen. Sonder-Werbeformen sind beispielsweise TV-Boxen, hier wird ein Werbespot in einem Kasten online eingeblendet, oder streaming Pop-Ups, also Pop-Ups mit Videosequenzen. Interstitials sind Anzeigen, bei denen nach dem Prinzip des Werbespots das gesamte Browser-Fenster in einer Zwischeneinblendung gefüllt wird. Weitere Werbeformen sind E-Mail-Marketing, also Info-Briefe per Mail oder das SuchmaschinenMarketing, bei dem Anzeigen im Umfeld der Ergebnisse von Suchmaschinen geschaltet werden. Gezahlt wird für Online-Werbung entweder auch nach dem Tausender-Kontakt-Preis, nach der Anzahl der angeklickten Anzeigen (cost-per-click) oder aber nach Festpreisen. Insgesamt beliefen sich die Brutto-Werbeumsätze der Online-Angebote in Deutschland auf 2,25€ Mrd.€ € im Jahr 2008; rund 1,3€Mrd. davon wurden für Suchmaschinen-Marketing ausgegeben. Einen Überblick finden Sie unter www.werbeformen.de. Welchen Erfolg versprechen die einzelnen Geschäftsmodelle? Die „Pay-Per“-Angebote sichern dem Anbieter einen sicheren Zahlungsstrom – wenn er genügend Kunden findet. Die Provider werden sicherlich genügend Kunden finden, denn irgendwie müssen die Menschen ja ins Netz. Allerdings ist der Wettbewerb hier bereits recht intensiv, die Gewinnspannen der Provider sind dementsprechend gering. Für die Anbieter von Informationen ist das Klima unfreundlicher, denn leider haben die Anfangstage des Internet die Sitten verdorben: Da es im Internet zu fast jedem Thema Informationen gratis gibt, waren Angebote, gegen Bezahlung Informationen aus dem Netz zu holen, bisher wenig erfolgreich. Hier kommt wieder die unangenehme Eigenschaft von Informationen zum Tragen, dass die Grenzkosten ihrer Reproduzierbarkeit Null sind: Sind die Informationen erst einmal in der Welt, finden diese sich rasch irgendwo im Netz wieder, nicht umsonst, sondern kostenlos. Mit Hilfe der entsprechenden Suchmaschine ist es kein Problem, an die gewünschten Informationen zu kommen. Dennoch: Eine Chance gibt es für das Modell „Informationen gegen Bezahlung“: Vertrauen. Das Problem ist folgendes: Wer garantiert Ihnen, dass die Informationen, die ins Netz gestellt worden sind, korrekt sind? Jeder kann mittlerweile eine Home-
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page erstellen und ins Netz stellen. Und im Netz finden sich in der Tat eine Menge dubioser oder falscher Informationen. Und was ist der beste Garant für verlässliche Informationen? Ein guter Name natürlich. Und ein ebensolcher lässt sich nur über einen längeren Zeitraum erwerben, Ökonomen reden hier von Reputation. Das kennen wir bereits von den Zeitungen: Ist es Ihnen erst einmal gelungen, einen guten Ruf – also Reputation – zu erlangen, dann fassen Ihre Leser Vertrauen zu den betreffenden Medien; wer hingegen einmal lügt, dem glaubt man danach nicht mehr so leicht. Hier zeigt sich auch, warum man einer Zeitung mit hoher Auflage eher glaubt als einem Flugblatt: Die Zeitung hat eine Menge Geld aufgewendet, um ihr Produkt auf den Markt zu bringen – Verlagshaus, Druckmaschinen, Redakteure, Verteilernetz, das alles hat eine Menge Geld gekostet. Und, so die Argumentation, wer würde all diese Investitionen aufs Spiel setzen, indem er eine Falschmeldung produziert und damit riskiert, dass ihm die Leser davonlaufen? Denken Sie einmal an das Debakel des „Stern“ mit den Hitler-Tagebüchern – es dauerte Jahre, bis sich die Zeitschrift davon wieder erholt hatte. Wer mehr zu verlieren hat, wendet auch mehr Sorgfalt auf die Auswahl und Überprüfung seiner Informationen an. Das Fazit: Mit ein bisschen Geschick könnte es den großen Namen im Mediengeschäft gelingen, sich auch des Informationsgeschäftes im Internet zu bemächtigen. Darüber, ob das Internet aber andere Medien, beispielsweise die Zeitung, verdrängen kann, werden wir später nachdenken. Die Modelle, in denen man sich mit Werbeerlösen finanzieren will, waren einst hoch gefeiert, mittlerweile ist hier deutliche Ernüchterung eingekehrt: Die Kunden haben die schönen Banner, also die Werbetafeln auf ihrem Bildschirm, ignoriert – die Erlöse solcher werbefinanzierter Internet-Start-ups lagen oft deutlich unter ihren Kosten. Dabei sah die Idee anfangs so bestechend aus: Die Konkurrenz liege im Internet nur einen Mausklick entfernt, und wer zuerst da sei und sich einen Namen schaffe, werde auch das Rennen machen. Wenn man näher hinschaut, dann steckt hinter diesen Ideen auch ein Art Anzeigen-Auflagen-Spirale: Ist eines Homepage erst einmal hinreichend bekannt, dann werden immer mehr Nutzer diese Seite anklicken, das verspricht eine höhere Attraktivität für die Werbekunden, die mehr Werbung machen; die Mehreinnahmen helfen dann, das Programm attraktiver zu gestalten. Aber den werbebasierten Geschäftsmodellen drohen zudem weitere Stolpersteine, wie Sie in Box€4.3 nachlesen können. Box 4.3: Webwasher, Junk-Buster und „faire“ Werbung╇ Der Webwasher ist ein Programm, das man auf dem PC installiert, welches die Internetseiten von Werbung reinigt, entweder total oder mit abgestuften Vorgaben. So können die Nutzer Werbebanner für bestimmte Produkte und Dienstleistungen weiterhin unbeschadet erscheinen lassen, während die restliche Werbung vom Schirm „gewaschen“ wird. Ursprünglich wurde das kleine Programm in der Siemens AG für den hausinternen Gebrauch geschrieben, um den Mitarbeitern das Surfen zu erleichtern. Der Webwasher blendet unter anderem
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Grafiken aus, die in ihren Pixelmaßen dem inzwischen internationalen Standard von Werbebannern entsprechen. Dabei kann es allerdings auch schon mal gleich große werbefreie Bilder erwischen, und nicht alle Banner werden erfolgreich gebannt. Ähnliches leistet der „Internet-Junk-Buster“: Er blendet einfach Banner aus, die das Laden der Seiten verzögern. Einen anderen Ansatz wählte das Unternehmen Fairad.de: Wenn die Konsumenten schon nicht vor Werbung geschützt werden können, dann solle er wenigstens an den milliardenschweren Werbeausgaben von Industrie, Handel und Dienstleistern beteiligt werden: Wer die Werbebanner eine Minute lang über seinen PCSchirm flimmern ließ, bekam 1,8 Pfennig gutgeschrieben und konnte sich das Geld überweisen lassen, wenn er 20 DM zusammengesurft hatte. Hört sich gut an, hat in der Praxis aber versagt: Fairad musste Insolvenz anmelden, jetzt versucht das Nachfolgeunternehmen promio.net, dieser Idee des bezahlten Werbekunden neues Leben einzuhauchen. Bleibt zum Abschluss noch ein kurzer Schlenker auf das sogenannte E-Business – die virtuellen Handelshäuser im Internet. Ökonomen sprachen anfangs von einem fast perfekten Wettbewerb: Alle Konditionen lassen sich im Netz nebeneinander sofort vergleichen, der Kunde muss keine Wege zurücklegen, um zum entsprechenden Unternehmen zu gelangen. So sah sie dann aus, die neue Welt: Der Kunde geht ins Netz, vergleicht Preise und Konditionen aller Hersteller, trifft seine Wahl und bestellt. Box 4.4: Web 2.0 und social media╇ Manche sehen im Web 2.0 respektive den social media die dritte Ära der Mediengeschichte heraufdämmern (die erste war der Übergang von mündlicher zu schriftlicher Kommunikation, die zweite das Aufkommen der Massenmedien). Die Definition dieser Begriffe ist wenig trennscharf, verallgemeinernd kann man sagen, dass es darum geht, dass das Internet zu einer Plattform zum Mitreden, Mitteilen und Mitgestalten wird. Man tauscht Meinungen, Produktbewertungen, Wissen, Dateien, Bilder, und Inhalte jeglicher Art aus. Hier spielt das Internet alle seine Vorteile aus: Jeder kann sofort und ohne große Kosten und Umstände kommunizieren, sich mittteilen oder informieren. Ein Beispiel sind Weblogs, kurz Blogs, das sind zumeist private Onlineangebote, in denen der Verfasser Einträge verfasst und ins Netz stellt, welche die Leser kommentieren können. Dann gibt es Onlineenzyklopädien, in denen jedermann, kostenlos Artikel abrufen oder auch einstellen kann – also eine kostenlose Online-Enzyklopädie, die von den Netznutzern selbst erstellt wird (wobei sich allerdings die Qualitätsfrage stellt – sind es immer die besten Experten, die neutral ihr Wissen ins Netz stellen oder sind da auch Außenseiter oder politisch motivierte Mittäter am Werk?). Dann gibt es die Foto- und Videocommunitys wie flickr oder YouTube, wo
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die Teilnehmer eigene Bilder oder Videos ins Netz stellen oder abrufen (allerdings stellt sich hier oft die Frage nach den Urheberrechten und der Privatsphäre von Leuten, deren Bilder gegen ihren Willen ins Netz gestellt werden). Weiterhin gibt es die sozialen Netzwerke (Communities), das sind Plattformen, auf denen man berufliche (z.€B. Xing oder LinkedIn) oder private (z.€B. Facebook, StudiVZ oder Wer-kennt-wen?) Kontakte knüpfen kann. Hier präsentieren sich die Nutzer mit einem eigenen Profil und können Kontakte knüpfen. So schön diese Vorstellung war, so falsch ist sie auch. Ein Blick auf das Beispiel der Versandhauskataloge hätte gezeigt, dass dem perfekten Wettbewerb Grenzen gesetzt sind: Zum einen wollen die Kunden die Ware doch oft anfassen, bevor sie diese kaufen. Zum anderen spielt Vertrauen auch eine wichtige Rolle: Kann ich dem Anbieter trauen? Wie geht er mit Reklamationen um? Was ist, wenn das Produkt repariert werden muss? Und dann kommt auch noch die Logistik hinzu: Die meisten Waren müssen nach wie vor physisch ausgeliefert werden – ein Auto kriegen Sie nicht durchs Netz transportiert. Selbst bei Musik und Literatur bevorzugen die Leute offenbar immer noch (?) die greifbare Version als CD oder Buch (beispielsweise, wenn man Musik oder Literatur verschenken will). Diese Einwände zeigen, dass das Geschäft mit dem E-Business nicht so einfach ist, wie es schien, und sie legen nahe, dass es auf lange Frist wieder einmal die großen Namen sein könnten, die das Geschäft hier bestimmen werden – ein großer Name bedeutet ein breites Kreuz für die nötige Logistik und auch großes Vertrauen, und das wird im Zeitalter des Internet offenbar zunehmend wichtig. Lassen Sie uns noch kurz über das letzte Geschäftsmodell im Internet reden: Die Makler. Die Idee eines Maklers besteht darin, dass er eine Provision dafür bekommt, dass er seinen Kunden etwas vermittelt. Er kennt den betreffenden Markt (für Versicherungen, Autos oder was auch immer) besser als der Kunde und kann deshalb die bessere Wahl treffen. Im Internet könnte dieser Beruf an Relevanz gewinnen: Die Zahl der Angebote vergrößert sich, und zumeist sind die Preiskonditionen nicht unmittelbar miteinander vergleichbar (denken Sie mal an Ihre Versicherung). Also braucht man einen Experten, der das beste Angebot herausfiltert. Wie groß man hier das Wort „Vertrauen“ schreiben muss, können Sie sich ja denken. Doch nicht nur Versicherungen, auch Informationen benötigen einen Makler: Die Flut der Informationen im Internet ist mittlerweile so unüberschaubar geworden, dass man ohne einen Wegweiser nicht mehr auskommt. Aufgrund der bereits beschriebenen Struktur des Internet ist klar, dass es keine zentralen Verzeichnisse oder etwas ähnliches gibt – deswegen verlassen sich die Leute heutzutage schon auf Suchmaschinen, das sind Softwareprogramme, die beständig das Netz absuchen und die Homepages, die sie dort finden, kategorisieren und verschlagworten. Man gibt ein Schlagwort ein, und die Suchmaschine wirft eine Liste der Homepages aus, auf denen das Schlagwort zu finden ist. Noch kosten die Dienste dieser Suchmaschinen zumeist nichts, doch das könnte sich ändern.
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4.1.3 Multimedia: Gesetzliche Regelungen Was ist eigentlich Multimedia? Die Zahl der Definitionen ist groß, und sicherlich hat jede ihre Berechtigung und ihren Vorteil. Zwei Aspekte sollen für die Zwecke einer kurzen Analyse genügen: Multimedia wörtlich genommen bedeutet, dass man hier einen Zusammenschluss aus mehreren Medien hat: Bild – bewegt oder unbewegt – Ton und Text verschmelzen zumindest teilweise zu einer Einheit. Damit eng zusammen hängt der zweite Aspekt von Multimedia: Die bisher getrennten klassischen Medien wachsen zunehmend zusammen, das bedeutet, dass sich möglicherweise auch die Träger der Medien – der Fernseher, das Foto, die CD oder das Papier – ändern oder neue Konkurrenz bekommen. Der Siegeszug von Multimedia hat viele Folgen, und bevor man über die ökonomischen Folgen redet, lassen Sie uns erst einen Blick auf die rechtlichen Schwierigkeiten werfen, die mit diesem Phänomen verbunden sein könnten. Bisher sind unterschiedliche Medien auch in juristischer Hinsicht unterschiedlich behandelt worden: Für den Rundfunk gab es die Rundfunkstaatsverträge und die entsprechenden Urteile des Bundesverfassungsgerichtes, die Presse wird in den Pressegesetzen behandelt. Doch mit den Möglichkeiten von Multimedia eröffnen sich hier neue Grauzonen: Ist eine Homepage ein Presseerzeugnis? Nur weil sie potentiell jeden erreichen kann, ist sie noch keine Zeitung. Und wenn auf der Homepage Filme zum Anschauen sind, ist das dann Rundfunk? Und was ist mit dem Homeshopping, dem sogenannten E-Commerce? Unter welche gesetzlichen Regelungen sollen diese Geschäfte fallen? Der Gesetzgeber hat diese Probleme rasch erkannt und Abhilfe geschaffen: Grundsätzlich kann man sagen, dass seit 2007 das Telemediengesetz die wichtigsten Regelungen für das Internet enthält. Hier hat der Gesetzgeber zwischen Rundfunk und sogenannten Telediensten unterschieden. Im Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag wird Rundfunk als ein linearer Informations- und Kommunikationsdienst verstanden; er ist eine für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Angeboten in Bewegtbild oder Ton entlang eines Sendeplans unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen (§Â€2 Abs.€1 Satz€1 RStV). Damit wird die Linearität, der zeitgleiche Empfang des Rundfunkinhalts, der zentrale Unterschied zu den nicht-linearen Mediendiensten, die zu von den Nutzern bestimmten Zeitpunkten abgerufen werden können. Kein Rundfunk sind laut Rundfunkstaatsvertrag Angebote, die weniger als 500 potenziellen Nutzern zum zeitgleichen Empfang angeboten werden, die zur unmittelbaren Wiedergabe aus Speichern von Empfangsgeräten bestimmt sind, ausschließlich persönlichen oder familiären Zwecken dienen, nicht journalistischredaktionell gestaltet sind oder aus Sendungen bestehen, die jeweils gegen Einzelentgelt freigeschaltet werden. Das 2007 verabschiedete Telemediengesetz, welches das frühere Teledienstegesetz, das Teledienstedatenschutzgesetz und den Mediendienstestaatsvertrag zu einem Gesetz zusammengefasst hat, hat den einheitlichen Begriff der „Telemedien“ definiert, die mit diesem Gesetz geregelt werden. Die über wirtschaftsrechtliche
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und allgemeine Anforderungen hinausgehenden, inhaltsspezifischen Regelungen sind in einem neugefassten Abschnitt für Telemedien im Rundfunkstaatsvertrag enthalten; diese gelten für alle Telemedien. Box 4.5: Der Fall Compuserve╇ Das war nicht sehr appetitlich: Unter denen vom Provider Compuserve zur Verfügung gestellten Newsgroups, den elektronischen Diskussionsforen im Internet, fanden sich auch Gruppen mit eindeutigen Bezeichnungen wie alt.sex.pedophilia und alt.sex.pedophilia.boys, alt.pedophilia.pictures oder alt.sex.pedophilia.swaps. In diesen newsgroups stieß die Polizei auf kinderpornographische Bilder in Dateiform, die von den Nutzern heruntergeladen werden konnten. Die deutschen Strafverfolgungsbehörden übersandten dem Unternehmen die Liste der newsgroups und wiesen auf die Inhalte hin. Die entsprechenden newsgroups wurden zunächst von Compuserve gesperrt. Doch dann eröffnete Compuserve die Gruppen wieder mit dem Hinweis, dass man mit einer neuen Zugriffskontrolle es nun den Eltern wieder ermögliche, effektiven Jugendschutz auszuüben. Die Staatsanwaltschaft wies das Unternehmen schriftlich darauf hin, dass die Einrichtung eines Jugendschutz-Kontroll-Programmes ihrer Auffassung nach nicht ausreiche. Das Verfahren vor dem Landesgericht München endete letztlich mit einem Freispruch, allerdings deswegen, weil Compuserve Deutschland lediglich den technischen Zugang zum Server des Unternehmens in den Vereinigten Staaten vermittelte. Was sind Telemedien? Laut Telemediengesetz sind Telemedien „…alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, soweit sie nicht Telekommunikationsdienste…, telekommunikationsgestützte Dienste … oder Rundfunk …sind“. Dabei gilt das Gesetz für alle Anbieter einschließlich der öffentlichen Stellen und unabhängig davon, ob für die Nutzung ein Entgelt erhoben wird. Vereinfacht gesagt sind also Telemedien alle Dienste, die nicht Telekommunikationsdienste oder Rundfunk sind. Hört sich präzise an, ist es aber nicht – Kritiker sagen, dass das Problem dieses Gesetzes darin besteht, dass man nicht positiv definiert hat, was Telemedien sind. Ein paar Pflöcke hat der Gesetzgeber eingeschlagen: Das Live-Streaming (die zusätzliche parallele bzw. zeitgleiche Übertragung herkömmlicher Rundfunkprogramme über das Internet) und das Web-Casting (die ausschließliche Übertragung herkömmlicher Rundfunkprogramme über das Internet) gelten als Rundfunk, Video on Demand-Angebote hingegen stuft der Gesetzgeber in der Regel als Telemedien ein. Der Anbieter erbringe hier keine eigene „Programmierleistung“, zudem sei regelmäßig keine gleichzeitige Rezeptionsmöglichkeit gegeben, sodass das für den Rundfunk entscheidende Kriterium der Ausrichtung an die Allgemeinheit nicht erfüllt sei. Weiterhin gelten als Telemedien Angebote, die weniger als 500 potenziellen Nutzern zum zeitgleichen Zugriff angeboten werden, also nicht an die All-
4.1 Grundlagen
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gemeinheit gerichtet sind – die Ausrichtung an die Allgemeinheit gilt als eines der wesentlichen Kriterien für Rundfunk. Eine andere Meinung zielt dahin, dass Mediendienste keine so große Bedeutung als Medium und Faktor der öffentlichen Meinungsbildung haben. Unter der Bezeichnung Rundfunk firmieren also Massenmedien, denen man eine suggestive Überzeugungskraft zugesteht, so dass sie im Interesse politischer, sozialer und kultureller Ziele einem erhöhten Regelungsbedarf unterliegen. Mediendienste sind in der Übermittlung grundsätzlich den Rundfunkmedien gleich, doch fehlt ihnen eben jenes Gestaltungspotenzial bei der öffentlichen Meinung, weswegen sie nicht einer so umfassenden und strikten Regelung bedürfen wie Rundfunk. Das Telemediengesetz stuft alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste als Telemedien ein; damit zählen mehr oder weniger alle Internet-Präsenzen zu den Telemedien. In §Â€ 5 regelt das Telemediengesetz die Impressumspflicht; der Betreiber der Seite muss im Impressum Namen, Anschrift, E-Mail, Vertretungsberechtigte, gegebenenfalls zuständige Aufsichtsbehörde und einige weitere Angaben machen. Weiterhin regelt das Gesetz das E-Mail-Marketing: Kommerzielle Werbung und der Absender dieser Werbung müssen als solche klar erkenntlich sein; anonyme elektronische Werbung ist unzulässig. Was den Datenschutz angeht, so ist der Nutzer der Website über Art, Umfang und Zweck möglicher Datenerhebungen zu informieren, sobald er auf eine Homepage gelangt. Wer die Daten der Nutzer über den geschäftlichen Zweck hinaus nutzen will, braucht dazu das Einverständnis des Nutzers. Für fremde Inhalte, also für den Fall, dass der Anbieter der Homepage Links auf andere Seiten setzt, haftet er nicht, insofern er keine Kenntnis von rechtswidrigen Handlungen hatte und sie die Links oder Informationen unverzüglich entfernt haben, sobald sie davon Kenntnis erlangt haben, dass diese rechtswidrig sind. Konkret bedeutet das, dass Links oder Blogeinträge vom Betreiber einer Homepage nicht auf Inhalte überprüft werden müssen, doch sobald er erfährt, dass diese Links oder Einträge rechtswidrig sind, muss er sie entfernen. Die Anforderungen an die Inhalte von Telemedien sind im Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag) geregelt. Box 4.6: Das Signaturgesetz╇ Ein weiteres wichtiges Gesetz ist das Gesetz zur digitalen Signatur, das Signaturgesetz (SigG). Es soll für Rechtssicherheit im elektronischen Geschäftsverkehr sorgen, indem die elektronische Signatur quasi eine digitale, fälschungssichere Unterschrift wird, mit der sich ein Geschäft vollständig über das Internet abwickeln lässt. Die meisten Signaturverfahren funktionieren mit zwei Schlüsseln: Mit dem ersten Schlüssel verschlüsselt der Besitzer der Signatur seine Nachrichten an Dritte – nur er ist in Besitz dieses Schlüssels. Der zweite Schlüssel wird an die Öffentlichkeit weitergegeben, ihn nutzen alle Personen, die eine verschlüsselte Nachricht an den Besitzer der beiden Schlüssel schicken wollen. Der Trick dabei: Eine
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mit dem öffentlichen Schlüssel kodierte Nachricht kann nur mit dem dazugehörigen privaten Schlüssel entschlüsselt werden, der nicht der Öffentlichkeit zugänglich ist. Der Vorteil dieses Verfahrens: Jeder kann sofort spontan mit dem Besitzer der Schlüssel kodierte Nachrichten austauschen, ohne dass vorher der Kodierschlüssel ausgetauscht werden muss – der öffentliche Schlüssel liegt auf einem Server zum Download für jedermann bereit.
4.2â•… Audiovisuelle Medien im Zeitalter des Internet 4.2.1 Napster: Vorsicht, Piraten Nicht viele Menschen bringen es im zarten Alter von 19 Jahren zu Berühmtheit – und noch weniger Menschen bringen es in diesem Alter schon dahin, eine umstrittene Berühmtheit zu werden. Shawn Fanning hat das fertiggebracht: Der Erfinder der Musik-Tauschbörse Napster gilt seinen Anhängern als Robin Hood des Internet, seinen Gegnern als Plage der Musikindustrie und Pirat. Es begann alles mit der Frage, wie man mit seinem Freunden leichter Musikdateien austauschen kann. Fannings Idee war einfach: Jeder stellt auf seinem Rechner etwas Festplattenplatz zur Verfügung und gewährt den Freunden über das Internet Zugriff auf die dort gelagerten Datenbestände – eben auch die Musik. Fanning entwickelte die Software, mit deren Hilfe man Musikstücke auf fremden Festplatten finden und herunterladen kann und stellte diese ins Internet. Das Resultat: Mehr als 40€Mio. Menschen luden sich diese Software herunter; zeitweise wurden jeden Tag 25€Mio. Dateien über das Internet ausgetauscht. Der Austausch der Musikstücke wurde durch den sogenannten MPEG-Standard erleichtert, der in Box€4.7 erläutert ist. Box 4.7: MPEG-Standards und MP3╇ Eine wichtige Basis für den Transfer von audiovisuellen Daten sind die MPEG-Standards, die der digitalen Kompression audiovisueller Daten dienen. (MPEG steht für Moving Pictures Experts Group). Der MP3-Standard ist ein Teil der verschiedenen MPEG-Standards und wurde am Fraunhofer-Institut in Erlangen entwickelt. Mit Hilfe des Komprimierungsverfahrens von MP3 lassen sich Musikdateien ohne größere hörbare Unterschiede auf rund 8€% der sonst notwendigen Datenmenge verkleinern, indem Frequenzen, die für das menschliche Ohr nicht hörbar sind, herausgefiltert werden. Das ermöglicht es Anwendern, Musikstücke etwa zwölfmal schneller herunterzuladen als ohne Kompression.
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Das sahen die Platten- und Musikkonzerne nicht gerne: Schließlich zahlte niemand für die heruntergeladenen Musikdateien – und wer Musik kostenlos aus dem Internet lädt, kauft keine CDs oder Schallplatten. Man lädt sich die gewünschten Stücke aus dem Netz – ob von Freunden oder Fremden spielt im weltweiten Netz auch keine Rolle mehr – brennt sich diese auf CD und stellt sich so seine eigene LieblingsCD zusammen – und alles kostenlos. Oder man bestückt den tragbaren MP3-Player damit. Und die Musikindustrie geht leer aus. Der Verband der amerikanischen Plattenindustrie hat Napster postwendend verklagt, auf eine Summe, die über dem liegt, was sich durchschnittliche Gehaltsempfänger vorstellen können (besonders aktiv bei der öffentlichen Anprangerung von Napster waren die coolen Jungs der Hard-Rock-Band Metallica – auf dem Höhepunkt des Napster-Streits brachte Schlagzeuger Lars Ulrich Zehntausende von Adressen von Nutzern, die angeblich illegal Metallica-Stücke über Napster kopieren, persönlich ins Napster-Hauptquartier und forderte, diese Nutzer von der NapsterPlattform zu werfen). Ein interessantes juristisches Problem: Stellt Napster nur die Software zur Verfügung, mit deren Hilfe man Musikdateien herunterladen kann und dient Napster damit nur unbekannten Künstlern als Vertriebskanal oder ist Napster schuld an einer kollektiven Verletzung der Urheberrechte durch viele Millionen Menschen? Die amerikanischen Richter entschieden gegen Napster: Im Sommer 2001 musste der Internet-Dienst aufgrund von Millionenklagen der Musikindustrie wegen Verletzung von Urheberrechten vom Netz gehen. 2008 wurde Napster – oder was davon übrig war – vom amerikanischen Elektronikkonzern Best Buy gekauft und bietet nun legale Musik an. Zuvor hatte der deutsche Medienkonzern Bertelsmann versucht, Napster zu kaufen. Napster zeigt sehr schön die Probleme, die bei Gütern mit den typischen Eigenschaften von Informationen entstehen können (Musik ist auch nur eine Abfolge von Informationen). Musik – gerade wenn sie digitalisiert ist – weist die klassischen Merkmale von Informationen auf: Nicht-Rivalität im Konsum (wenn ich mir ein Stück aus dem Internet herunterlade, kann das danach immer noch auch jeder andere Nutzer tun) ebenso wie (zumindest teilweise) Nicht-Ausschließbarkeit vom Konsum (wie wollen Sie jemanden vom Kopieren abhalten?), und die Grenzkosten einer zusätzlichen Kopie sind mehr oder weniger fast Null. Die Folgen ängstigen natürlich die Musikindustrie: Sinkende Gewinne bedeuten weniger Anreize, Künstler zu produzieren, am Ende gibt es dann vielleicht keine Superstars mehr (Madonna hat bereits geklagt, sie wisse bald nicht mehr, wie sie die Ausbildung ihrer Tochter zahlen solle). Bei Schallplatten oder CDs war das Ausschlussprinzip zumindest teilweise noch gewährt, man konnte die CD nur ausleihen, oder aber man kopierte sich die Stücke auf Musikcassette. Mit Napster hat das aber eine neue, globale Dimension bekommen: Tauschte man früher Platten, Cassetten oder CDs nur im engsten Freundeskreis (um das Stück zu kopieren, brauchte man schließlich den physischen Tonträger), so kann heute Hans in Deutschland mit Jane in Montreal oder Jim in Australien Musikstücke austauschen – der früher dazu notwendige und limitierende Austausch von physischen Tonträgern ist entfallen. Die Nutzerzahlen von Napster und anderen Internet-Tauschbörsen zeigen, dass dies tatsächlich ein Problem ist.
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Die Folgen eines solchen freimütigen Austausches von Musikstückchen liegen auf der Hand: Wenn ein Künstler nicht mehr seine Musik verkaufen kann, weil sie nur noch kopiert wird, hat er keine Anreize mehr, Musik zu machen – vom Ruhm, dem Glamour und sonstigen immateriellen Vorteilen abgesehen. Auch die Musikkonzerne haben kein Interesse mehr daran, Stars zu produzieren, schließlich gehen auch ihre Einnahmen im Internet verloren. Was ist zu tun? Es gibt mehrere Antworten auf dieses Problem, und in der Realität ist zu beobachten, dass verschiedene Strategien versucht werden, um des Problems Herr zu werden: Der Weg über Gerichte, ein Kopierschutz, das sogenannte spoofing und ein eigenes Angebot der Musikindustrie über das Internet. Strategie Nummer eins – ein gerichtliches Verbot solcher Internet-Tauschbörsen – hat zumindest bei Napster gewirkt. Doch das Ende von Napster war nicht das Ende des digitalen Musikraubes – die Napsters der zweiten Generation waren rasch da: Die sogenannten Peer-to-Peer-Netzwerke (vergleichen Sie bitte Box€4.8). Ein gerichtliches Verbot von Napster dürfte der Enthauptung einer Hydra ähneln: Einem abgeschlagenen Kopf folgen zwei neue. Und schon bei den Tauschbörsen der zweiten Generation war die Musikindustrie vor Gericht gescheitert: Klagen gegen die Tauschbörsen Morpheus und Grokster wurden vor Gericht abgewiesen. Diese Peer-to-Peer-Netzwerke machen klar, dass eine Strafverfolgung und bewehrung keine umfassende Lösung des Problems bringt: Zum einen dürfte es schwierig sein, all diese Netzwerke zu überwachen, zu kontrollieren und die illegalen Kopierer zu verfolgen – vor allem, wenn sie im Ausland sitzen. Also entschloss sich die amerikanische Musikindustrie zu einer weiteren gerichtlichen Attacke, diesmal nicht gegen die Betreiber, sondern gegen die Nutzer solcher Tauschbörsen: Der amerikanische Branchenverband der Musikindustrie zerrte einzelne Nutzer vor den Kadi – und erwirkte teils absurd hohe Strafen für Nutzer, die ein paar wenige Dateien aus dem Netz geladen oder angeboten hatten. Zum Aufspüren der Nutzer setzte man eine Software ein, die Anbieter von Musikstücken auf diesen Tauschbörsen aufspürt und identifiziert. Zu diesem Zweck wurde auch der Telekommunikationsanbieter Verizon gerichtlich gezwungen, Namen von Kunden herauszugeben, die über die Dienste von Verizon Musikstücke auf Tauschbörsen anbieten. Box 4.8: Von Kumpel zu Kumpel╇ So lässt sich das sogenannte Peer-topeer-Prinzip (P2P) übersetzen, das für die Industrie neue Ungemach bringt. Bei Napster gab es noch zentrale Rechner, auf denen die Listen der Musikstücke und Tauschpartner bereitgestellt wurden. Der Nutzer stellt eine Liste mit seinen Dateien dem zentralen Server zur Verfügung und kann sich auf dem zentralen Server umsehen, was von wem angeboten wird. Hier ist das System verwundbar, die Justiz musste nur die Server abstellen, um Napster zum Schweigen zu bringen. Die Tauschbörsen der nächsten Generation wie Gnutella, Freenet oder Jungle Monkey arbeiten anders: Hier kommunizieren einfache PCs unmittelbar miteinander. Das ist eine Art Kettenbriefsystem, bei dem jeder Rechner mit einer Anzahl anderer Rechner verbundenen ist.
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Jeder angeschlossene Rechner sendet zur Orientierung Signale an alle anderen Rechner, mit denen er verbunden ist und wartet auf Antwort. Startet ein Rechner eine Anfrage, so wird sie an alle miteinander verbundenen Rechner weitergereicht, bis ein Rechner meldet, dass er die gewünschte Datei hat. Dieser antwortet auf demselben Weg, auf dem die Anfrage zu ihm gekommen ist, dann nehmen die beiden Rechner, die Dateien austauschen wollen, direkten Kontakt miteinander auf. Durch P2P lassen sich auch leicht verschlüsselte Dateien durch das Netz reichen und Dateien auf mehreren Rechnern speichern – eine Zensur oder Strafverfolgung macht das fast unmöglich. Wie erfolgversprechend ist diese Strategie? Will man jeden kleinen Kopierer, der sich ein oder zwei Madonna-Titel herunterlädt, vor den Kadi zerren? Die Höhe des Schadens wird in vielen Fällen in keinem Verhältnis zum Aufwand der Strafverfolgung und der Rechtsprechung stehen. Zudem kann der erwischte Kopierer sich darauf zurückziehen, dass es sich nur um ein Kopieren unter Freunden gehandelt habe – schließlich könne man ja auch Leercassetten kaufen. Wo will man da noch eine Grenze ziehen? Zudem wirft dieses Vorgehen die Frage nach den Persönlichkeitsrechten der Internet-Nutzer auf. Das sieht nach einer unlösbaren Aufgabe für Justitia aus, vor allem, wenn der Musikklau grenzüberschreitend erfolgt. Und nicht zuletzt ist es für einen Künstler nicht vorteilhaft, wenn dauernd in den Gazetten steht, dass er seine Fans wegen illegalem Raubkopieren verklagt – keine gute Sache für das Image. Doch einen für die Musikindustrie positiven Effekt könnte dieses Vorgehen jedoch haben, nämlich dann, wenn durch eine drohende Strafverfolgung immer mehr Internet-Nutzer darauf verzichten, illegal Musik herunterzuladen – oft reicht schon die glaubwürdige Androhung einer Strafe aus, um Straftaten zu unterbinden. Wenn auch ein Verbot dem Übel der Raubkopiererei nicht abhelfen kann, so muss man sich andere Möglichkeiten überlegen. Eine besteht natürlich in einem Kopierschutz, der allerdings technisch aufwendig und damit teuer werden kann, zudem stehen hinter jedem Kopierschutz meistens schon 5 Hacker und warten darauf, selbigen zu knacken. Aber immerhin: Ein wirksamer Kopierschutz könnte zumindest die Kosten für das illegale Kopieren von Musik erhöhen, indem sich der Aufwand für den betreffenden Raubkopierer erhöht – das könnte die Raubkopiererei zumindest reduzieren. Reduziert werden kann sie natürlich auch durch eine erhöhte Strafbewehrung und härtere Verfolgung durch den Gesetzgeber – das erhöht das Risiko für den Kopierer und senkt die Anreize zu entsprechendem Verhalten. Der Haken: Auch die Strafverfolgung kostet Geld, und der Aufwand dazu sollte auch im Verhältnis zur Schwere der Tat stehen.1 Ein weiterer Versuch, sich technisch gegen 1╇ Zudem ist es auch nicht so einfach mit einem ordentlichen Kopierschutz: Die CD-Branche hat bereits Systeme im Einsatz, die aber zu einigen Protesten führten, weil sich die geschützten Cds auf einigen Abspielgeräten gar nicht mehr abspielen ließen. Zudem ist damit auch die Vervielfältigung für den privaten Gebrauch nicht mehr möglich – das ärgert den Musikfreund mit dem tragbaren MP3-Player.
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illegale Kopien zu wehren, ist das sogenannte Digital Rights Management (digitale Rechteverwaltung). Dabei handelt es sich um einen Kopierschutz, der regelt, auf wie vielen PCs, Handys und Musikspielern die Kunden im Internet gekaufte Musik anhören, kopieren und wie oft Sie die Stücke auf CD brennen können. Grundsätzlich eine gute Idee, technisch aber anspruchsvoll und kompliziert, so dass viele Experten mittlerweile davon reden, dass auch dieser Ansatz gescheitert ist. Eine weitere Strategie der Musikindustrie gegen den Internet-Musikklau ist das sogenannte spoofing: Hier stellt die Industrie selbst Musikstücke in die Tauschbörsen ein, allerdings solche, die nur Unsinn enthalten oder nur 20-mal den Refrain. Besonders drastisch hat das beispielsweise die um die Ausbildung ihrer Tochter besorgte Madonna vorgeführt: Wer sich Stücke aus ihrem Album „American Life“ auf einer der illegalen Tauschbörsen herunterlud, bekam unter Umständen statt Musik wüste Beschimpfungen zu hören: „what the f….do you think you’re doing?“, pöbelte es ihm aus den Lautsprechern entgegen. Madonnas Plattenfirma hatte die Tauschbörsen mit Hunderten dieser falschen Kopien überflutet, um den Raubkopierern die Lust am herunterladen zu nehmen. Eine drastischere Strategie des spoofing wäre es, virenverseuchte Dateien in die Tauschbörsen einzustellen – eine Strategie, die von der Industrie offiziell bestritten wird. Der Effekt wäre aber der gleiche wie bei einer Überflutung mit „falschen“ Musikdateien: Die Suche nach einem kostenlosen Stück im Internet wird langwieriger, gefährlicher und teurer. Box 4.9: Legale Musik aus dem Internet╇ Die ersten Gehversuche der Musikindustrie im Internet waren weniger erfolgreich: Unternehmen wie Pressplay oder Musicnet konnten kaum mehr als die Aufmerksamkeit der Fachpresse auf sich ziehen. Das lag vor allem daran, dass ihre Geschäftsmodelle den Musikfreunden nicht behagten, da die Restriktionen zu groß waren: So durften sie teilweise die Stücke nicht auf tragbare Abspielgeräte kopieren oder die digitale Kopie löschte sich nach einer vorher festgelegten Nutzungsdauer von selbst – dafür wollen die wenigsten Musikhörer Geld bezahlen. Ein etwas intelligenteres Model kommt von Steve Jobs, dem Gründer von Apple: Bei I-Tunes Music kauft der Nutzer ein Musikstück und kann es beliebig oft auf tragbare Abspielgeräte kopieren. Eine spannende Idee ist in diesem Zusammenhang die sogenannte Super-Distribution: Ein Kunde erwirbt ein Stück im Internet und kann dieses kostenfrei an seine Freunde schicken – die können es genau einmal hören, dann müssen sie es kaufen, wenn sie es mögen. Dabei kann man auch demjenigen, der die Musik weiter empfohlen hat, Bonus-Punkte für zusätzliche Einkäufe gut schreiben. Eine andere Idee ist eine Musik-Flatrate: So bietet der Telekommunikationskonzern Nokia seinen Kunden im Rahmen des Angebotes „Comes With Music“ beim Kauf eines Mobiltelefons eine Flatrate: Ein Jahr lang kann der Käufer eines solchen Mobiltelefones unbegrenzt Lieder aus dem Nokia Store laden, der sechs Millionen Stücke anbietet – egal ob per Handy oder Computer. Nach Ablauf des Jahres können die Nutzer ihre Songs auch weiterhin behalten und abspielen (zu digitalen Musikverkäufen vgl. Abb. 4.2).
4.2 Audiovisuelle Medien im Zeitalter des Internet Abb. 4.2↜渀 Ausgaben für digitale Musikkäufe 2009 in Millionen Dollar. (Quelle: The Economist Group)
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Süd-Korea
100
Indien
100 200
Spanien
300
Italien
900
Frankreich Deutschland
1500
Großbritannien
1600 4000
Japan
4600
USA 0
1000
2000
3000
4000
5000
Doch neben diesen eher destruktiven Antworten auf die Bedrohung aus dem Internet hat die Musikbranche auch konstruktive Ideen entwickelt: So hat beispielsweise Madonna eben jenes Album „American Life“ zur Veröffentlichung ausgewählte Songs auf den Seiten großer Internet-Portale gestellt; auf der Seite des Musiksenders MTV konnte man sogar alle Titel anhören (aber nicht herunterladen), und zum Preis von 1,49€$ konnte man über das Internet auch die neue Single als MP3-Datei erstehen. Auch bei der Hardrockband Metallica erkannte man die Zeichen der Zeit: Auf dem Album „St. Anger“ war ein Code abgedruckt, mit dem sie Zugang zu Downloads und anderem, teilweise unveröffentlichtem Material auf der Homepage der Band erhalten. Hinter dieser Strategie stand auch ganz klar das Motiv, mehr Aufmerksamkeit für das neue Album zu erhalten. Eine Kombination aller dieser Strategien – Strafbewehrung, Kopierschutz, spoofing und eigenes Angebot – könnte durchaus erfolgreich sein. Zuerst erschwert man das illegale Kopieren und macht es riskanter, dann verkauft man die Musik selbst über das Internet – komfortabel, virenfrei und legal. Fraglich bleibt allerdings, wie viele Musikfreunde wirklich bereit sind, sich ihr ruhiges Gewissen etwas kosten zu lassen. Interessanter wird der Service, wenn man zusätzlich zum Download Dienstleistungen zur Verfügung stellt – Portraits, Live-Chats mit den Künstler, Merchandising-Artikel, weitere Stücke als Appetithappen, bevorzugter Zugang zu Konzertkarten – die Palette der Möglichkeiten ist groß. Dennoch: Aus der Welt schaffen lässt sich das Piraten-Problem damit nicht; möglicherweise müssen die Künstler dazu übergehen, einen immer größeren Teil ihrer Erträge über Konzerte, Merchandising und Gema-Gebühren zu erwirtschaften. Die Musik könnte immer mehr nur als Werbeträger für diese anderen ertragsbringenden Tätigkeiten dienen. Bereits jetzt sind Konzerte für die meisten Künstler die mit Abstand größte Einnahmequelle – was auch erklärt, warum Dinosaurier wie Led Zeppelin oder The Police sich bisweilen dazu aufraffen, doch noch einmal ein paar Konzerte zu geben. Aber es könnte noch dicker kommen: Wenn sich solche Musikbörsen – legal oder illegal – etablieren, könnte das Ende der CD als Gesamtkunstwerk nahe sein: Wer, außer den eingefleischten Fans mag sich noch die gesamte CD kaufen, wenn er nur einen einzigen Titel – das Nummer-1-Stück – hören will? Eine CD ist ein klassisches Koppel-Geschäft: Der Kunde erwirbt mehrere Stücke – also Produkte – zu einem einheitlichen Preis, einzeln kann er die Stücke nicht kaufen (außer auf
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überteuerten Singles oder Maxi-CDs). Auf diesem Weg konnte der Künstler seinen Erfolg von dem einzigen Hit übertragen auf die gesamte CD. Doch wenn man sich nun jedes Stück einzeln auf einer Internet-Börse organisieren kann, warum sollte man dann noch die komplette CD kaufen, auf der auch so viele andere Stücke sind, die man eigentlich nicht kaufen will? Noch ist es aber nicht so eng: Das Phänomen der Singles und der Maxi-CDs, auf denen nur ein bis vier Stücke zu hören sind, zeigt, dass dieses Problem vielleicht nicht so virulent ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Einen Grund dafür haben wir bereits kennengelernt: Das Signalling. Der Nummer-1-Hit sagt dem Zuhörer etwas über die Güte des Interpreten, er sagt ihm auch, ob der Interpret auch die vom Hörer bevorzugte Musikrichtung vertritt. Gefällt ihm der Nummer-1-Hit, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass ihm der Rest der CD auch gefällt, höher. Da man als Musikkonsument keine Zeit hat, sich durch sämtliche Neuerscheinungen des Monats durchzuhören, fällt die Wahl des Musikfreundes auf das, was er bereits zumindest in Ansätzen kennt. Das erklärt auch, warum außer den hartnäckigen Fans auch andere Hörer bereit sein werden, für die gesamte CD zu zahlen. Möglicherweise lohnt sich die CD noch mehr, wenn sie noch zusätzliche Gimmicks enthält wie Fotos, Filme oder sonstiges Begleitmaterial, das man sich auf multimedia-fähigen PCs anschauen kann, während man die Musik hört. Um es zusammenzufassen: Die Digitalisierung der Musik dürfte dazu führen, dass sich die Geschäftsmodelle und Vermarktungsstrategien der Stars in Zukunft ändern werden – statt mit der Musik wird das Geschäft auch zunehmend über das Rahmenprogramm gemacht; die Musik dient dann als Werbeträger. Die Alternative zu diesem steinigen Weg – das Internet bekämpfen oder ignorieren, wäre töricht oder leichtsinnig. Ein Trost bleibt den Musikern: Nicht nur ihnen, auch den großen Musikkonzernen droht Ungemach, doch nicht nur, weil auch ihnen möglicherweise die Tantiemen an den Musikstücken wegzubrechen drohen, sondern auch, weil ihnen noch aus einer anderen Ecke Gefahr droht: Der nächste Star könnte aus dem Internet kommen und ihnen auch ihr Geschäft vermiesen. Box 4.10: Urheberrechtsabgabe und Kulturflatrate╇ Eigentlich muss man für jede Kopie eines Werkes dem Urheber ein Entgelt leisten. Dort, wo die Vervielfältigung nicht kontrolliert werden kann, werden stattdessen Abgaben auf die Geräte oder Informationsträger erhoben. Für längst überfällig halten die Verwertungsgesellschaften Wort und Bild eine Urheberrechtsabgabe auf Computer: Texte, Bilder oder Musik werden auf den Rechnern vervielfältigt, ohne dass den Autoren eine angemessene Vergütung dafür zukomme. Dem hat die Computerindustrie entgegen gehalten, dass eine solche Abgabe die Gerätepreise um bis zu 30€% steigen lassen würde – „völlig überzeichnet“, wie Kritiker meinen. Urheberrechtsabgaben auf Speichermedien und Geräte gibt es bereits seit 1965. Die Gema, die VG Wort und die VG Bild-Kunst verteilen die Einnahmen aus den Abgaben an ihre Mitglieder. Bei Kopierern beispielsweise wird eine Gebühr sowohl für jedes Gerät als auch für jede
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einzelne Kopie fällig. Abgaben werden auch auf Audio- und Videocassetten, Videorecorder, Scanner und Faxgeräte erhoben (bei den Scannern und Faxen hatte man jahrelang die Kopier-Kapazität künstlich gedrosselt, da die Abgabe früher erst ab einer Kopiergeschwindigkeit von 2 Kopien je Minute fällig wurde). Die Höhe des fälligen Beitrags muss zwischen den Urheberrechtsvertretern und der Industrie ausgehandelt werden. Beim Deutschen Patentamt gibt es zudem eine Schiedsstelle für Urheberrechte, die vermitteln kann. Eine Pauschalabgabe je Gerät bestraft allerdings auch diejenigen, welche die Geräte nicht zu Kopierzwecken nutzen. Eine Alternative wäre eine so genannte Kulturflatrate, also eine pauschale Abgabe beispielsweise auf Internet-Anschlüsse. Kritiker einer solchen Abgabe lehnen diese ab, da durch eine solche Abgabe die Künstler praktisch gezwungen wären, einer massenhaften Vervielfältigung und Vermarktung ihrer Werke zuzustimmen. Bisher illegale Downloads würden durch die Kulturflatrate legal, die Kosten dafür würden auf alle Nutzer des Internets umgelegt – auch auf solche, die keine urheberrechtlich geschützten Werke herunterladen.
4.2.2 Stars aus dem Netz Warum wäre das ein Problem für die Plattenkonzerne? Um das zu verstehen, muss man sich vergegenwärtigen, was ein solches Unternehmen macht. Plattenkonzerne produzieren nicht nur CDs, sondern vor allem die dazugehörigen Stars, indem sie diese entdecken und aufbauen. Dazu gehören nicht nur die Finanzierung der Studiokosten, auch die Promotion, die Werbetourneen, die Fotos, die Organisation der Interviews, die Bezahlung der zertrümmerten Hotelzimmer und ähnliches. Das ist nicht billig. Das Problem: Nicht jeder von den Firmen produzierte Star schafft es, diese Kosten einzuspielen. Das macht nichts, solange der eine, der es schafft, mit seinen Erträgen auch die zahlreichen Flops finanzieren kann, welche seine Plattenfirma mitfinanziert hat. Vereinfacht gesagt: Man produziert zehn Künstler, das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass man einen Treffer darunter hat. Und dieser Treffer muss die Kosten für die anderen neun weniger erfolgreichen Künstler einspielen. Sie sehen, ein Künstler braucht eine Plattenfirma dazu, dass sie ihn aufbaut und bekannt macht und für die Verbreitung seiner Musik sorgt, das ist aufwendig und teuer. Nein, das war aufwendig und teuer, denn das Internet könnte das ändern: Auf Musikerplattformen im Internet kann jeder seine Stücke einstellen, und diese damit der gesamten Welt zugänglich machen. Und die Hitparaden, die es auf solchen Plattformen gibt, könnten dafür sorgen, dass eine Band aus dem Internet populär werden kann, denn diese Charts sind ein Signal (erinnern Sie sich bitte daran, was wir in Abschn.€3.2.3 zu den Stars gelernt haben): Eine Spitzenposition in den Charts soll den Hörern die Qualität des Titels und des Künstlers signalisieren, damit sie unter all den Tausenden von Internet-Musikstücken diejenigen finden, die ihnen ge-
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fallen. Plattformen wie peoplesound.de geben den Künstlern sogar Vorschüsse; im Gegenzug müssen die Musiker mögliche zukünftige Gewinne mit dem Unternehmen teilen. Das zeigt, wohin hier die Reise gehen könnte: Die großen Unternehmen werden das Internet als Talentschuppen nutzen, denn für eine richtige weltweite Vermarktung über Radio, Fernsehen, Zeitschriften, für die Organisation einer Tournee und all das braucht man auch einen entsprechenden logistischen Apparat, den wohl nur die wenigsten Hobby-Musiker haben werden – seien sie auch noch so gut. Aber immerhin: Die Lage für die Musiker wird wohl besser. Sie können ihre Stücke weltweit vertreiben und damit ihren Bekanntheitsgrad erhöhen; und ein Erfolg in den Internet-Charts dürfte die Verhandlungsposition gegenüber der Plattenfirmen verbessern. So richtig unangenehm wird es für diese aber erst, wenn sich die angestammten Künstler entschließen, sich über das Netz zu vermarkten. Künstler wie David Bowie oder die Beastie-Boys stellen gegen den Willen ihrer Firmen Stücke ins Netz; bei ihrem Bekanntheitsgrad eine durchaus attraktive Option. Das könnte bedrohlich werden für eine Plattenfirma: Erst werden die Künstler mit ihrer Hilfe, ihrem Geld und ihren Kontakten zu Stars, dann verabschieden sie sich ins Internet. Der einzige Trost für die Musikfirmen: Der Filmindustrie könnte es nicht viel besser ergehen. Box 4.11: Purple Rain╇ Kennen Sie Prince? Der Mann ist nicht nur musikalisch originell, auch die Geschäftsmöglichkeiten des Internet hat er erkannt: Prince fühlte sich als Sklave der Musikkonzerne (er hat sich eine Zeit lang sogar ein „S“ als Zeichen für „Slave“ auf die Backe gemalt), dann verkaufte er seine Musik über das Internet. Registrierte Fans erhielten auf seiner Homepage exklusive Bilder und Tonmaterial, Fanartikel, News – und das alles für acht Dollar im Monat (die Fanartikel allerdings gingen extra). Wer etwas mehr – 100€$ – drauflegte, konnte Vorzugsplätze auf Konzerten ergattern oder Einladungen auf Parties nach den Konzerten. Schlagzeilen machte Prince auch mit seiner Aktion, sein neues Album als Gratisbeilage der Sonntagszeitung „Mail On Sunday“ zu verschenken. Offenbar lohnte es sich: Wenige Wochen später spielte er 21 ausverkaufte Konzerte in der Londoner O2-Arena. Ähnliche Erfahrungen machte auch die britische Band Radiohead: Sie stellte ihr neuestes Album einige Wochen lang zum freiem Download zur Verfügung und überließ es ihren Hörern, den Preis festzulegen. Zwei Drittel bezahlten, darüber hinaus verkaufte sich die reguläre CD-Version noch 1,5€Mio. Mal. Dennoch: Prince zumindest erklärt das Web für tot, hat seine eigene Homepage abgeschaltet und verzichtet auf den Onlinevertrieb seiner Songs.
4.2.3 Hollywood zittert vor dem Download Was für Musik gilt, gilt auch für Filme: Filme bestehen aus Informationen, und wenn diese digitalisiert werden können – so wie Musik – kann man über das Netz all
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die schönen Dinge damit tun, die man auch mit Musik tun kann. Auch Hollywood hat seinen Shawn Fanning, und der heißt in diesem Fall Jon Johanson und kommt aus Norwegen. Er hat die Software DeCSS entwickelt, mit deren Hilfe das Kopiersicherungssystem von DVDs, das Content Scrambling System (CSS) untauglich gemacht wird und damit die Speicherung von DVD-Daten auf CD-Rohlinge ermöglicht. Ursprünglich verschlüsselte Filme können damit nun über das Internet zugänglich gemacht werden. Hinzu kommt noch das von dem Franzosen Jérome Rota entwickelte System DivX, mit dessen Hilfe die Datenmenge von Filmen drastisch komprimiert werden kann, was den Austausch über das Internet vereinfacht. Zwei einfache Komponenten – Umgehung des Kopierschutzes und Komprimierung der Daten – reichen aus, um Hollywood vor dem Download zittern zu lassen. Die Folgen sind klar: Umsatzeinbußen und geringere Anreize, Blockbuster zu produzieren. Bereits vor dem Internet kursierten oft schon vor der Premiere Raubkopien von Filmen, doch mit Hilfe des Internet könnte das deutlich größere Ausmaße annehmen. Die Strategie für Hollywood scheint auch klar: Ähnlich wie bei Napster ist zu befürchten, dass rechtliche Schritte alleine nicht ausreichen werden; Kontroll- und Strafverfolgungskosten wären und werden immens sein. Doch die Filmindustrie ist nicht so stark davon betroffen wie die Musikindustrie: Wie wir bereits in Abschn.€3.2.4 gesehen haben, konnten weder Fernsehen noch Video das Kino ganz verdrängen. Ein Kinofilm ist mehr als der reine Film, dahinter stehen auch das Ausgehvergnügen, das Ambiente und die Möglichkeit, mit dem neuen Schwarm das erste Mal völlig unverfänglich in einem dunklen Raum sitzen zu können. Ein Film auf DVD ist schlicht und ergreifend nicht das gleiche wie ein Film auf einer Großleinwand. Und bisher kann ein DVD-Film oder ein Internet-Film offenbar nicht den Konkurrenten das Wasser reichen (vergleichen Sie bitte Box€4.12) Box 4.12: Online-Filmkanäle╇ Online-Filmkanäle haben es nicht leicht: Der Online-Filmkanal Pseudo.com, der im Internet kurze Filme mit Kultur, Politik, und Unterhaltung ausstrahlte, hat seine Pforten ebenso geschlossen wie Digital Entertainment Network in Kalifornien; die Internet-Firma Pop. com, von Regisseur Steven Spielberg unterstützt, gab sogar auf, bevor sie überhaupt auf Sendung ging. Ursache für den Misserfolg waren wohl die im Verhältnis zu den Produktionskosten der Filme geringen Erlöse mit Werbung. Vielfach war den Werbetreibenden und den Kunden wohl auch die Übertragungsqualität der Filme noch zu schlecht. Sollte das der wesentliche Grund für die Pleiten gewesen sein, dann dürfe sich das aber mit der Verbesserung der Übertragungstechniken rasch ändern. Vielleicht brauchen Online-Filmkanäle eine zweite Chance. Dennoch: Die Einnahmen der Filmindustrie könnten sinken, da ja die Zweitverwertung über Video oder DVD von den Raubkopien betroffen sein dürfte. Die Strategien liegen auf der Hand: Die Filmindustrie wird das Internet sicherlich auch als Werbemittel einsetzen, kurze Trailer im Netz werden den Kunden Appetit machen,
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und das Kopierproblem lässt sich nur mit zwei Mitteln entschärfen: Mit einem Kopierschutz, der ständig nachgebessert werden muss, und indem man zu der Kaufoder Leih-DVD zusätzliche attraktive Beigaben verabreicht, das Filmposter, Fotos, eben irgendetwas, was sich nicht über das Internet kopieren und vertreiben lässt. Das schafft zwar nicht alle Probleme aus der Welt, doch diese Strategie kann recht erfolgreich sein, wie das Beispiel eines der bekanntesten Hühner Deutschlands belegt (vergleichen Sie bitte Box€4.13) Doch nicht nur potenzielle Raubkopierer könnten das Filmgeschäft durcheinander wirbeln. Der Einzug der digitalen Technik dürfte auch Folgen für den Vertrieb von Filmen haben – und damit auch für die Kinos. Im Kino der Zukunft (ein paar wenige davon gibt es bereits in Deutschland) ist der Film auf einer Reihe von CD-Roms gespeichert und wird von Digitalprojektoren abgespielt. Der Vertrieb der Filme wird zunehmend über das Internet oder Satellit geschehen. Das rechnet sich rasch: Statt der schätzungsweise 5€Mrd.€$, die jährlich durch Produktion und Vertrieb teuerer Zelluloid-Kopien anfällt, wären es nur noch knapp 10€% dieser Kosten, wenn alle Filme digitalisiert wären. Ein weiterer Vorteil: Da die Anzahl der Kopien, mit denen man starten will, keine Rolle mehr spielt, könnte im Grunde genommen jedes Kleinkino in der Provinz am Premierentag den neuen George-Lucas-Film zeigen; wer auf dem Land wohnt, muss nicht mehr monatelang warten, bis die Kopie auch den Weg dorthin gefunden hat. Box 4.13: Das Moorhuhn╇ Es ist eines der beliebtesten Computerspiele Deutschlands gewesen: Frei im Internet erhältlich, konnte man ohne viel Federlesens Moorhühner mit der virtuellen Flinte erlegen. Und obwohl das Spiel frei im Internet erhältlich war, hat die Firma, die das Moorhuhn in die Welt gesetzt hat, das Spiel in den Läden so häufig vertrieben, dass es zu den am meisten gekauften Spielen des Jahres 2000 gehörte. Der Trick: Neben der CD gab es Computerpuzzles und Computerkarten und ein Moorhuhnposter, das Ganze optisch schön aufgemacht. Das hat wohl auch den Reiz ausgemacht: Zusatzfeatures, etwas „Anfassbares“ (beispielsweise, um es zu verschenken) und auch die Sicherheit, ein virenfreies Programm zu haben. Das dürfte aber den Kinobetreibern nicht gefallen: Ein Wettbewerbsvorteil der großen Kinos ist es ja, die Blockbuster-Filme früher als die Konkurrenz zeigen zu können (wir hatten ja bereits gesehen, dass es offenbar eine Eigenschaft des menschlichen Charakters ist, ungeduldig zu sein). Dieser Wettbewerbsvorteil entfällt nun. Ein weiteres Problem kommt mit der Finanzierung hinzu: Wer bezahlt die teuere Umrüstung der Kinosäle auf die digitale Technik? Schätzungen sprechen von einer halben Million Umrüstungskosten je Kinosaal. Mit steigenden Kosten für die Kinos könnte es zu einer stärkeren Konzentration kommen, wird befürchtet. Einen Pluspunkt hat die Digitaltechnik für die Kinobetreiber: Zum einen kann das Werbeprogramm flexibler gestaltet werden und auf die regionalen Eigenheiten
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abgestimmt werden, zum anderen kann ein Kino mittels Digitaltechnik auch LiveBeiträge senden, beispielsweise Fußballspiele. Das erweitert das Geschäftsfeld der Kinos und verschafft ihnen möglicherweise neue Einnahmequellen. Zudem kann ein Kino je nach Bedarf die gesamte Kinogeschichte vom Server laden und ein extrem flexibles Programm zusammenstellen – die Programmgestaltung könnte damit mehr denn je zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor werden. Wie auch immer – die Digitalisierung wird dazu führen, dass sich sowohl die Filmindustrie als auch die Kinobetreiber umstellen werden müssen. Der einzige Trost: Auch für das Fernsehen könnten die Zeiten rauer werden. Box 4.14: Digitales Kino╇ Herkömmliche Projektoren funktionieren wie ein Dia-Projektor: Der Zelluloid-Streifen wird durchleuchtet und dabei vergrößert. Das digitale Kino hingegen baut auf einen Computer-Chip, der einen Laserstrahl steuert. Der Strahl wirft das Bild mit 90€ km pro Sekunde auf die Leinwand, Die Daten kommen vom Playout-Center, einer Kopfstation. Weitervermittlung und Vertrieb der Filme geschieht ohne Verzögerung und Abnutzung der Bilder. Kostenersparnisse: Eine Filmrolle zu kopieren kostet etwa 1.500€€, der Transport kostet noch einmal 300€€ zusätzlich. Jede weitere digitale Kopie nach der ersten hingegen kostet nichts. Teuer hingegen ist die Umstellung auf digitales Kino: Während ein normaler Projektor mit 65.000 bis 100.000€€ zu Buche schlägt und dann Jahrzehnte im Einsatz sein kann, kostet die Umstellung auf digitale Technik deutlich mehr. Die Kinobetreiber mögen das nicht: Sie haben hohe Investitionskosten, während die Verleiher drastische Kosteneinsparungen haben. Aus diesem Grund entstand in Deutschland das 100er-Modell, das eine Beteiligung von Verleihern, Kinobetreibern und der öffentlichen Hand (Filmförderung, Bund Länder, Gemeinden) vorsieht – über fünf bis acht Jahre sollen 100€Mio.€€ investiert werden.
4.2.4 Die Werbeindustrie zittert vor dem Rekorder Das Beispiel der Digitalisierung in den audiovisuellen Medien zeigt schön, wie nahe Chance und Bedrohung bei neuen Techniken beieinander liegen. Die Chance stellt das digitale Fernsehen dar, das Risiko sind die digitalen Videorecorder. Stellen Sie sich den digitalen Videorecorder in etwa so vor: Er durchforstet für Sie eigenständig das tägliche Programm, zeichnet ihnen die attraktivsten Sendungen auf (er kann etwa bis zu 30€Stunden Programm speichern), und lernt aus Ihren Vorlieben: Wenn Sie mehrmals Sendungen über Schmetterlinge schauen, wird er automatisch solche Sendungen aufzeichnen, ohne dass Sie es ihm explizit sagen müssen. Und wer mehrmals George-Clooney-Filme oder Serien mit ihm aufgenommen hat, wird abends auf seiner Festplatte alles mit dem guten George vorfinden. Im Extremfall wäre dies das Ende eines Fernsehprogramms, wie wir es kennen:
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Anstatt Abends heimzukommen, die Glotze anzuwerfen und das zu schauen, was gerade aktuell läuft, bietet der Videorecorder eine auf seinen Besitzer zusammengestellte Auswahl dessen an, was den ganzen Tag über gesendet wurde. Welche Konsequenzen hätte das für das werbefinanzierte Fernsehen? Ein Vorteil solcher digitaler Rekorder könnte darin bestehen, dass die Sender mehr Zuschauer für Randprogramme gewinnen können: Wann immer irgendwo ein Polo-Spiel gezeigt wird, werden alle Rekorder, deren Besitzer ein Faible für diese Sportart haben, sich einschalten; die Polo-Fans kommen also voll auf ihre Kosten, ihr Sport auf potentiell höhere Einschaltquoten. Das verspricht dann auch höhere Einschaltquoten und damit Werbeinnahmen. Doch digitale Rekorder bergen auch ein großes Risiko für die Fernsehsender: Zum einen lautet eine Befürchtung, dass dies das Ende der klassischen PrimeTime bedeuten könnte, zu der man die attraktivsten Sendungen laufen lässt und die Kosten für die Werbeminuten am höchsten sind, weil die potenziell zu erreichende Zuschauerzahl am höchsten ist. Jeder schaut sich sein Lieblingsprogramm dann an, wann es ihm passt, lautet die Befürchtung; das nennt man dann Entlinearisierung des Fernsehens. Doch dieses Argument ist nur auf den ersten Blick einleuchtend, einleuchtender erscheint ein anderes Argument: Allein die Tatsache, dass ich mir Sendungen aufzeichnen kann, verändert nicht meine Zeiteinteilung. Wenn ich Zeit habe, schaue ich Fernsehen – ob meine Lieblingssendung dann gerade live über den Schirm flimmert oder als Konserve, macht keinen Unterschied. Allerdings muss man einschränkend feststellen, dass sich die Programmsouveränität der Zuschauer erhöht, sie entscheiden, was sie zur Prime-Time sehen wollen. Solange aber das attraktivste Programm zur Prime Time live läuft, gibt es wenig Grund, warum die Zuschauer dann auf die Konserve ausweichen sollten. Je mehr aber die Zuschauer statt nur mit der Fernbedienung auch noch mit dem digitalen Videorecorder abstimmen, umso geringer wird die Attraktivität der Zeitschiene für die Werbetreibenden; ihre Werbebemühungen werden sich dann noch mehr an den gesendeten Formaten ausrichten: Spülmittelwerbung zu Hans Meiser, Rasierwasserwerbung beim Fußball. Das ist natürlich auch eine Marketing-Chance: Das Werbeumfeld kann noch besser auf die einzelnen Zielgruppen abgestimmt werden. Doch es gibt noch einen anderen Grund, warum Videorecorder der werbetreibenden Wirtschaft wohl schon immer ein Stachel im Fleisch waren: Der potenzielle Werbekunde zeichnet sich die im Werbefernsehen ausgestrahlte Titanic-Verfilmung an, und schaut sie sich später an. Über die Werbeblöcke – und hier liegt das eigentliche Ärgernis – wird per Fernbedienung hinweggespult. Nun war da bisher keine so große Gefahr: Das mit dem Spulen war unbequem, oft musste man dann vor- und zurückspulen, um die richtige Stelle zu finden, wo die Werbung aufhörte, und das dauerte dann manchmal länger als der Werbeblock. Also ließ man die Werbung durchflimmern. Mit digitalen Videorecordern könnte sich das ändern: Was passiert, wenn man mit Hilfe des Videorecorders den Werbeblock innerhalb einer Sekunde überspringen kann? Die werbefinanzierten Sender sind bereits beunruhigt; und wie wenig sie so etwas schätzen, zeigen schon die Ärgernisse um die Fernsehfee (Vergleichen Sie bitte mit Box€4.15).
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Medienberichten zufolge zeigen erste Erfahrungen, dass Besitzer von Festplattenrekordern zu 90€% keine Werbung mehr schauen. Dass solche Entwicklungen den werbefinanzierten Sendern Kopfschmerzen bereiten, ist verständlich: Wenn die Werbeblöcke von den Zuschauern missachtet werden, dann werden die Werbetreibenden das Interesse verlieren – das gesamte Finanzierungssystem der werbefinanzierten Sender ist gefährdet. Welche Auswege gibt es? Box 4.15: Der Totengräber des Privatfernsehens╇ Viel Unmut bei den werbefinanzierten Fernsehsendern hat sich die Fernsehfee eingehandelt. Sie erlaubt ihrem Benutzer nicht nur, den Videorekorder intelligent zu programmieren oder bestimmte Sendungen auszublenden (beispielsweise Gewaltsendungen, um Kinder zu schützen), eine interessante Funktion der Fernsehfee ist das Werbeblocking (commercial free decoder), das Werbung aus den Spielfilmen in Echtzeit entfernen kann. Bereits kurz nach der Vorstellung der Fernsehfee 1999 kündigte der Verband der Privaten TV- und Radiosender einstweilige Verfügungen an; ein Prozessmarathon folgte. Im Sommer 2004 unterlag RTL vor dem Bundesgerichtshof: Die Fernsehfee sei rechtlich zulässig und nicht wettbewerbswidrig, sie sei lediglich ein technisches Hilfsmittel zum Ausblenden unerwünschter Werbung. Ob der Konsument davon Gebrauch mache, bleibe ihm überlassen, der Werbeblocker greife nicht in die Programmfreiheit der Sender ein. Zwar werde die geschäftliche Tätigkeit des Senders durch die Fernsehfee (die mittlerweile technisch überarbeitet ist und auf den Namen Tvoon hört) erschwert, bedrohe sie aber nicht existentiell. Mittlerweile gibt es mehrere Verfahren der Werbeerkennung (in der Regel aber nicht in Echtzeit, wie das die Fernsehfee verspricht) – man kann also mittels Software die Werbung aus seinen DVDs schneiden. Die Methoden dieser Software sind recht unterschiedlich. Eine Methode besteht darin, Werbeblöcke anhand des fehlenden Senderlogos zu identifizieren, das die Sender aus rechtlichen Gründen in einer Bildecke einblenden. Allerdings ist das Logo oft bei Programmvorschauen für folgende Sendungen wieder eingeblendet, und einige Sender blenden ihre Logos zudem nach Pausen nicht sofort oder animiert ein oder wechseln die Position des Logos. Die Erkennungssoftware sucht meistens nur nach statischen Bildinhalten, sodass bei animierten Logos wichtige Sekunden der Sendung als Werbung erkannt und weggeschnitten werden. Eine andere Möglichkeit: Spielfilme werden oft in einem breiteren Sendeformat gesendet, weswegen sich schwarze Balken am oberen und unteren Bildrand befinden. Da Werbung in einem anderen Format ausgestrahlt wird, fehlen die schwarzen Balken bei den Spots – daran kann die Software dann Werbung erkennen. Eine weitere Idee, Werbung automatisch zu identifizieren, sind schnelle und häufige Szenenwechsel mit auffälligen Helligkeitsunterschieden. Doch weisen actionreiche Spielfilme oft ebenfalls schnelle Schnitte auf, daher lässt sich dieses Merkmal lediglich als Ergänzung zu anderen visuellen Merkmalen heranziehen. Auch die Lautstärke kann helfen,
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Werbeblöcke zu identifizieren – oftmals steigt der Lautstärkepegel zu Beginn eines Werbeblocks – liegt der Audiopegel über einen längeren Zeitraum deutlich über dem vorherigen Durchschnitt, geht die Erkennungssoftware von einer Werbeunterbrechung aus. Die einfachste Möglichkeit besteht darin, Werbung attraktiv zu machen: Schon heute gibt es Sendungen, in denen die lustigsten Werbespots der Welt gezeigt werden – als Programmbeitrag. Das ist intelligent: Die Zuschauer sehen sich die Werbung nicht gezwungenermaßen an, sondern sie gieren förmlich danach – was kann sich ein Werbetreibender mehr wünschen? Der Haken: Solche Werbung ist natürlich aufwendiger herzustellen, und nicht jedes Produkt kann witzig beworben werden. Zudem geht auch leicht die Botschaft im Gag unter. Eine andere Möglichkeit besteht darin, alternative Werbeformen zu versuchen. Ein Weg besteht im sogenannten Product Placement: Die Produkte werden im Rahmen des eigentlichen Programmes beworben. Haben Sie sich jemals gefragt, warum James Bond in einigen Filmen einen BMW fährt oder eine Rolex trägt? Und warum man das auch im Film gut erkennen kann? Das ist Product Placement; die Produkte werden im Rahmen des eigentlichen Programms präsentiert und finden damit ihren Weg in die Köpfe der Zuschauer. Das ist aber auch Geschmackssache: Hier werden Werbung und Unterhaltung nicht mehr getrennt, das erfordert dann ein gerütteltes Maß an Souveränität des Zuschauers, diese beabsichtigte Manipulation auch als solche zu erkennen. Diese Form der Werbung ist zuletzt von der europäischen Union zugelassen worden (Vergleichen Sie bitte mit Box€4.16). Andere Formen der Werbung werden auch bereits seit geraumer Zeit eingesetzt. Beim Sponsoring finanziert der Sponsor eine Sendung, und tut dies im Umfeld des Programms kund („diese Sendung wurde Ihnen präsentiert von…“). Im Rundfunkstaatsvertrag wird Sponsoring in §Â€8 behandelt und wird von Werbung unterschieden. Das erklärt auch, warum in den öffentlich-rechtlichen Programmen auch nach 20 Uhr gesponsort wird, obwohl Werbung um diese Uhrzeit in den Öffentlich-Rechtlichen eigentlich nicht erlaubt ist – man definiert das Problem einfach weg. Aus ökonomischer Perspektive ist Sponsoring lediglich eine andere Form der Werbung: Man sucht die Aufmerksamkeit des Zuschauers zu erhaschen, will ihm den Namen eines Produktes oder eines Unternehmens nahebringen mit dem Ziel, die Verkaufszahlen zu erhöhen. Zwar darf Sponsoring laut Rundfunkstaatsvertrag nicht „zum Verkauf, Kauf…von Erzeugnissen…anreizen“ – aber mal ehrlich: Was kann sonst das Ziel von Sponsoring sein? Andere Formen des Sponsoring sind beispielsweise das Wetterpatronat („das Wetter wird Ihnen präsentiert von…“) oder die Insertwerbung („Unsere Moderatoren wurden ausgestattet von…“). Noch einen Schritt weiter gehen Werbeformen, bei denen das Produkt in das Programm mit eingebunden wird; ein Paradebeispiel dafür ist das Glücksrad („Ich kaufe ein ‚e‘“).
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Box 4.16: Product Placement und Produktionshilfen╇ Die Grundregeln für Werbung im Rundfunk stehen im Rundfunkstaatsvertrag und gelten für öffentlich-rechtliche wie private Sender gleichermaßen. Der §Â€7 des Rundfunkstaatsvertrages enthält allgemeine Regelungen über die Werbeinhalte. Werbung darf nicht irreführen oder den Interessen der Verbraucher schaden und nicht Verhaltensweisen fördern, die der Gesundheit oder der Sicherheit der Verbraucher oder der Umwelt schaden. Hinzu kommt das Gebot, dass Werbung, die sich an Jugendliche oder Kinder richtet, nicht deren Unerfahrenheit ausnutzen darf. Weiterhin dürfen Werbung oder die Werbetreibenden nicht das Programm redaktionell oder inhaltlich beeinflussen. Nicht zuletzt muss Werbung als solche immer klar erkennbar sein und deutlich von den anderen Programmteilen getrennt werden. Mit dem 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag sind so genannte Produktplatzierungen zulässig, Produktionsfirmen und Rundfunksender dürfen Werbekunden diese gegen Entgelt anbieten. Das gilt für Unterhaltungssendungen, fiktionale Programme wie Serien und Filme sowie für Sportsendungen. Ausdrücklich ausgenommen sind Nachrichten, Informationssendungen und Kinderfernsehen. Die Regelungen dafür sind recht dehnbar: Produktplatzierungen dürfen in die Handlung des Films oder in eine Sendung nur „aus überwiegend programmlich-dramaturgischen Gründen“ eingebaut werden; eine Marke oder ein Produkt darf nicht „werblich“ präsentiert werden – wie auch immer man das fassen will. Die Sendungen oder Filme müssen mit einem entsprechenden Logo zu Beginn, am Ende und nach einer Werbepause gekennzeichnet werden und die Zuschauer auf die Produktplatzierung hinweisen. Neben dem Product Placement gibt es noch die so genannten unentgeltlichen Beistellungen, also Produktionshilfen, wenn der Hersteller sein Produkt für die Produktion der Sendung kostenlos zur Verfügung stellt. Die zulässige Grenze für solche Beistellungen liegt bei einem Prozent der Produktionskosten, sobald diese überschritten wird, müssen Produktionshilfen ebenfalls gekennzeichnet werden.
Die strategische Marschrichtung der Werbeindustrie im Zeitalter der Digitalisierung ist klar: Werbung muss entweder unterhaltsamer werden oder direkt in das Unterhaltungsprogramm mit eingebunden werden. Oder aber man macht von den neuen technischen Möglichkeiten Gebrauch, welche mit der Digitalisierung möglich werden. Eine Möglichkeit ist das sogenannte Split-Screening, bei dem der Bildschirm in zwei Hälften eingeteilt wird: Im einen Fenster läuft das Programm, im anderen Werbeinhalte. Für Spielfilme ist das schwer vorstellbar, doch beispielsweise bei Fußballspielen ist das möglich – bei RAN auf Sat 1 wurde diese Form der Werbung bereits praktiziert, seit sie mit dem vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrag im Jahr 2000 zugelassen wurde.
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Box 4.17: Rufen Sie uns an!╇ Ob Dreiecke zählen, das Tor des Monats wählen oder den deutschen Superstar küren – auf der Suche nach neuen Einnahmequellen haben die Sender das sogenannte T-Commerce entdeckt. Dazu zählen neben Pay-TV, Pay-per-view, Teleshopping auch die sogenannten TVbasierten Telefon-Mehrwertdienste. Das funktioniert nach einem einfachen Muster: Man fordert den Zuschauer dazu auf, anzurufen, und kassiert dann via Telefonrechnung – im Durchschnitt kostet ein Anruf 62€Cents pro Minute, die sich der Sender und die Telekommunikationsdienstleister teilen. Marktforscher schätzen, dass 2008 rund 630€Mio.€€ mit den Telefon-Mehrwertdiensten umgesetzt wurden. Der Pionier dieses sogenannten Transaktionsfernsehen ist der ehemalige Frauensender tm3, der unter dem Namen Neun Live der Branche vorführt, wie man mit Ratespielen unter Telefonbeteiligung Gewinne schreiben kann. Im Jahr 2002 verzeichnete der auf Mitmachspiele ausgerichtete Sender 173€Mio. Zuschaueranrufe. Doch auch die Öffentlich-Rechtlichen Sender wissen Zusatzeinnahmen zu schätzen: Alleine die ARD gibt die Einnahmen aus Gewinnspielen für das Jahr 2004 mit netto elf Millionen Euro an. Auch das deutsche Privatradio machte satte Umsätze mit telefonischen Gewinnspielen, 2006 waren es rund 20€Mio.€€. Doch schon 2008 haben sich die Einnahmen aus dieser Erlösquelle nach Branchenschätzungen gegenüber 2006 nahezu halbiert, mit sinkender Tendenz. Zuletzt ist dieses Erfolgsmodell nämlich unter die Räder geraten, und die Schuld geben die Verantwortlichen der Gewinnspielsatzung, welche die Landesmedienanstalten 2009 erlassen haben, die einige Aspekte dieser Sendungen regelt. Die einzelnen Sendungen dürfen pro Rätselfrage nicht länger als drei Stunden dauern; mindestens alle 30€Minuten muss ein Anrufer durchgestellt werden. Für den Zuschauer müssen die Spiele nachvollziehbar sein, die Teilnahmebedingungen sollen alle 15€Minuten eingeblendet werden. Das Spiel ist nach dem Ablauf sofort zu lösen; die Lösung muss mindestens drei Tage lang auf der Web-Site des Veranstalters veröffentlicht werden. Die Satzung sieht bei Missachtung dieser und weiterer Punkte Strafen von bis zu einer halben Million Euro vor. Sollten alles Mühen und Barmen und der gesamte Einfallsreichtum der Werbeindustrie nichts mehr nützen, so wird man über kurz oder lang andere Wege finden müssen, um weiterhin werbefinanziertes Fernsehen anzubieten. Möglicherweise bietet das digitale interaktive Fernsehen hier einige Hinweise, welche Strategie man in Zukunft fahren könnte.
4.2.5 Digitales Fernsehen und öffentlich-rechtliches Internet Das Ende ist nah – zumindest das Ende des analogen Rundfunks, wenn es nach dem Willen der Initiative digitaler Rundfunk der Bundesländer und der Bundesre-
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gierung geht. Bis 2010 soll die Sende- und Übertragungstechnik im Rundfunk vollständig auf den digitalen DVB-Standard (Digital Video Broadcasting) umgestellt sein. Technisch gesprochen werden die eigentlich kontinuierlich verlaufenden Bild- und Tonsignale in Nullen und Einsen zerlegt – also digitalisiert – und paketweise übertragen. Seit 1996 wird digitales Fernsehen bereits über Satellit übertragen, seit 1997 via Breitbandkabel, das digitale terrestrische Fernsehen (DVB-T) befindet sich noch in der Erprobungsphase (der Vorteil von DVB-T ist der mobile Empfang). Box 4.18: Digitale Programmangebote╇ Das Digitalpaket der ARD bietet derzeit neben Programmen, die auch analog empfangen werden können (beispielsweise Das Erste, Bayern 3 (MDR) die Zusatzprogramme Eins Extra (Wiederholungen der aktuellen Nachrichten sowie Zusatzinformationen), Eins Festival (Filme aus dem Fundus der ARD) und Eins MuxX (eine zeitversetzte Ausstrahlung der ARD-Programms). Das digitale Paket des ZDF, ZDF. Vision, beinhaltet zusätzlich zu dem analogen Angebot ZDF.Doku (Reportagen und Dokumentationen), ZDF.Info (Service-Beiträge, geordnet nach Themengebieten), ZDF Theaterkanal, Euronews und Eurosport. RTL und Pro Sieben bieten ebenfalls digitale Bouquets an. Digital ausgestrahltes Fernsehen bietet drei Vorteile: Zum einen erhöht sich die Vertriebskapazität enorm, es können mehr Programme ausgestrahlt werden. Zudem ist die Qualität von Ton und Bild besser als bei herkömmlichem, analogem Fernsehen. Ein weiterer Pluspunkt: Digitales Fernsehen bietet die Möglichkeit neuer Sendeformate wie interaktives Fernsehen und Fernsehen, das Multimedialeistungen anbietet. Der Nutzer wird zunehmend autonom, was den Zeitpunkt des Konsums und die Auswahl der Sendeformate angeht. Derzeit werden sowohl einige analoge Programme über Satellit auch digital ausgestrahlt als auch ausschließlich digitale Programme via Satellit gesendet. Was sich also ändert, ist die Natur des Fernsehens: Vom passiven Medium, das den Konsumenten nur zwei Alternativen lässt (wegschalten oder zugucken), entwickelt sich das Fernsehen zum interaktiven Medium, bei dem der Zuschauer selbst bestimmen kann, was er wann sehen will. Doch nicht nur das: Der Zuschauer kann dann später vielleicht auch den Ausgang des Films mitbestimmen, er kann die Produkte, die er im Fernsehen sieht, gleich ordern und er kann direkt Kontakt mit der Redaktion aufnehmen. Das Ende des Fernsehens, wie wir es kennen. Welche Möglichkeiten sich dabei auftun, zeigt Ihnen Tab.€4.2. Bei so vielen Interaktionsmöglichkeiten ist es naheliegend, dass die anderen Medien darunter leiden werden. Immerhin: Befragungen haben ergeben, dass ein Viertel derjenigen Personen, die sich einen digitalen Fernsehzugang zugelegt haben, seitdem deutlich weniger ins Kino gegangen sind, und auch die Nutzung von Printmedien und Radio war rückläufig. Dafür ist der Fernsehkonsum gestiegen. Welche
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Tab. 4.2↜渀 Wie wird das Fernsehen im digitalen Zeitalter aussehen? Die Tabelle gibt Aufschluss darüber, welche Programmformate davon betroffen sein könnten: Der Einfluss der Digitalisierung auf einzelne Programmgenres. (Quelle: DG-Bank Branchenreport Nr.€5: Digitalisierung und Internet: Konsequenzen für die Filmbranche, Juni 2001, S.€23) Genre Bedeutung interaktiver Bedrohung durch Beispiele für interDienste digitale Konkurrenz aktive Angebote Spielfilme Niedrig Hoch Informationen zu Stars, „Making of“, Teleshopping Nachrichten Bildung Hoch Hoch Zusatzinformationen, Diskussionsforen Talk-Shows Mittel Niedrig Chat-Angebote Game-Shows Hoch Mittel Mitraten im Internet Sport Hoch Niedrig Teleshopping, Merchandising, Hintergrundinfos Jugendprogramme Hoch Hoch Teleshopping, Merchandising, Chats
Folgen man als Ökonom prognostizieren kann, werden wir uns im Zusammenhang mit den Ausführungen zur Konvergenz der Medien ansehen. Box 4.19: Das Tor zur Multimediawelt╇ Das Nadelöhr, durch das alle digitalen Informationen müssen, ist der Dekoder, auch Settop-Box genannt. Er wandelt digitale Signale in analoge um und macht damit auch analoge Fernseher fit für Digital-TV. Damit dürfte ihnen in der Übergangszeit vom analogen zum digitalen Fernsehen einige Bedeutung zuwachsen, da sich sicher nicht alle Bürger auf einen Schlag digitale Fernsehgeräte anschaffen werden (für das digitale Radio gibt es solche Dekoder nicht, hier werden die analogen Endgeräte verstummen – Sie werden sich ein neues Radio kaufen müssen). Zudem dient der Dekoder als Türwächter, er ermöglicht die Sendung und Abrechnung von Pay-TV. Darüber hinaus ebnet er den Weg in die Multimedia-Welt: Er bietet Rückkanalfähigkeit und ermöglicht damit interaktives TV oder Teleshopping, und er wird auch zunehmend zum Einfallstor ins Internet. In absehbarer Zeit ist es damit möglich, dass Fernseher und PC dank der Settop-Box immer mehr verschmelzen. Ein Dekoder besteht aus mehreren Elementen: Das Betriebssystem steuert die Kommunikation zwischen Hardware und Software, das Application Programming Interface (API) legt fest, welche Software das Betriebssystem nutzen kann. Die Software verarbeitet die im Datenstrom mitgelieferten Service-Informationen und liefert die Bedienoberfläche, den elektronischen Programmführer. Für das Bezahlfernsehen braucht man dann noch ein Conditional-Acess-Modul, das den Zugang zu Pay-TV-Diensten regelt. Die Multimedia Home Platform
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(MHP) sollte den Dekoder ablösen, hat sich aber bis jetzt nicht durchgesetzt. Der neue Anlauf zum Multimedia-TV ist das hybride TV-Gerät, das den Datenstrom aus dem Internet und das TV-Rundfunksignal kombinieren soll. Mit der Digitalisierung des Fernsehens stellt sich noch eine andere Frage: Durch die neue Technik entfällt das Argument der Frequenzknappheit, zudem sinken die Kosten der Distribution (teilweise auch der Produktion) von Programmen deutlich. Damit sind zwei wichtige Argumente aus den Kindertagen des öffentlichrechtlichen Fernsehens (die wir bereits diskutiert haben) obsolet geworden. Auch die Programmvielfalt – und damit potenziell auch die Meinungsfreiheit – dürfte damit zunehmen, das Fernsehen bedient dann zunehmend auch Nischeninteressen. Als einzige Begründung für Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk bleiben da noch der öffentlich-rechtliche Erziehungsauftrag und die Sorge um die Meinungsvielfalt. Die Öffentlich-Rechtlichen – wie wir gesehen haben, sind sie längst ins digitale Geschäft eingestiegen – berufen sich auf die Bestands- und Erweiterungsgarantie des Bundesverfassungsgerichts. Sie wollen ein Gegengewicht zu den kommerziellen Angeboten bilden. Mit diesem Argument drängen sie auch ins Internet, wo sie laut Rundfunkstaatsvertrag vorwiegend programmbezogenen Inhalt anbieten dürfen – ein dehnbarer Begriff, wie Kritiker finden. Für sie ist es schlichtweg Wettbewerbsverzerrung, wenn mit Gebührengeldern ein Internet-Angebot finanziert wird, zumal diese – wie einige aus dem öffentlich-rechtlichen Lager drohen – allenfalls kostendeckend arbeiten sollen. Sie argumentieren, dass wegen der nicht vorhandenen Knappheit an Übertragungskapazitäten die Meinungsvielfalt im Internet nicht gefährdet sei, die öffentlich-rechtlichen Sender hingegen behaupten elegant, dass die Privaten keine ausreichende publizistische Vielfalt im Internet bereitstellen können. Der Ärger wanderte nach Brüssel: Der Verband Privater Rundfunk und Telemedien reichte 2003 eine Beschwerde bei der EU-Kommission in Brüssel ein. Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ebenso wie die zunehmende Zahl der Online-Angebote sei wettbewerbsverzerrend. Die Kommission stufte die deutsche Rundfunkfinanzierung als unzulässige staatliche Beihilfe ein. Nach juristischem Tauziehen einigten sich die Bundesländer 2007 mit der EU-Kommission auf einen Kompromiss, der im 12. Rundfunkstaatsvertrag umgesetzt wurde. Hier wurde der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für seine digitalen Rundfunkprogramme und Telemedienangebote konkretisiert. In einer Negativliste sind verschiedene Angebotsformen aufgezählt, welche die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht anbieten dürfen (beispielsweise Partnerbörsen, Musikdownloads und Ratgeberportale ohne Sendungsbezug). Zudem wurde festgelegt, wie lange öffentlich-rechtliche Inhalte im Netz angeboten werden dürfen: Fernseh- und Hörfunksendungen dürfen nur noch sieben Tage nach der Ausstrahlung via Internet zur Verfügung gestellt werden. Sendungen von sportlichen Großereignissen sowie von Spielen der 1. und 2. Bundesliga dürfen ebenfalls nur noch 24€Stunden lang ins Netz gestellt werden.
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Eine längere Verweildauer von Inhalten ist jedoch nach Durchführung eines so genannten Dreistufentests möglich (vergleichen Sie Box€4.20). Mit diesem Test soll festgestellt werden, ob das Angebot neuer Online-Angebote dem Grundversorgungsauftrag entspricht und ein klarer Mehrwert geschaffen wird. Vereinfacht gesagt dürfen die Öffentlich-Rechtlichen zusätzliche Angebote im Internet nur anbieten, wenn sie einen zusätzlichen publizistischen Nutzen nachweisen können. Man muss nicht sonderlich pessimistisch sein um zu vermuten, dass diese Klausel des Vertrags die Ausdehnung der Öffentlich-Rechtlichen ins Internet nicht verhindern wird. Box 4.20: Der Drei-Stufen-Test╇ Der 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrage (12. RÄStV) verpflichtet alle öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, ihre Online-Angebote dem Drei-Stufen-Test zu unterziehen (der bisweilen auch als public-value-Test bezeichnet wird, das ist ein ähnlicher Test, wie er bei der englischen BBC vorgenommen wird). Dieser Test soll dazu dienen, nachzuweisen, dass das Angebot der Anstalten nur so weit reicht, wie es ihr öffentlich-rechtlicher Auftrag zulässt. Zuerst wird geprüft, ob das betreffende Angebot diesen Test durchlaufen muss; grundsätzlich müssen nur neue oder veränderte Angebote geprüft werden. Dann wird auf der ersten Stufe geprüft, inwieweit das Angebot den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft entspricht – wie auch immer man das feststellen will. Auf der zweiten Stufe wird untersucht, in welchem Umfang das Angebot in qualitativer Hinsicht zum publizistischen Wettbewerb beiträgt – wie auch immer man das feststellen will. Dann folgt die dritte Stufe, auf der untersucht wird, welcher finanzielle Aufwand für das Angebot erforderlich ist. Verantwortlich für diesen Test sind die Rundfunkräte, die auch in letzter Instanz entscheiden, ob das Angebot zugelassen wird. Dritte bekommen die Gelegenheit zur Stellungnahme. Darüber hinaus ist externer Sachverstand zur Begutachtung der marktlichen Auswirkungen der Angebote einzuholen – die Kosten für diese Gutachten werden von Beobachtern auf mehr als eine Million Euro pro Jahr geschätzt. Ohne Kritik ist dieses Verfahren nicht geblieben: Experten der Landesmedienanstalten kritisierten, dass eine sachlich ausgewogene Ergebnisfindung nicht gegeben sei. Öffentlich-rechtliche Angebote würden per se als höherwertig eingestuft als private Angebote, es gebe falsche und unbegründete Schlüsse und Interpretationen zu den ökonomischen Auswirkungen auf die privaten Angebote, Erlösaussichten sowie Werbemärkte und deren Entwicklung, und bei der Marktdefinition gebe es eine Beliebigkeit der methodischen Vorgehensweise. Um es einfacher zu sagen: Kritiker unterstellen, dass trotz Drei-Stufen-Test die betreffenden Angebote einfach durchgewinkt werden; der Test sei allenfalls ein Feigenblatt. Unzulässig sind ebenfalls presseähnliche Angebote. Das sind laut Staatsvertrag nicht nur elektronische Ausgaben von Printmedien, sondern alle journalistischredaktionell gestalteten Angebote, die nach Gestaltung und Inhalt Zeitungen oder
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Zeitschriften entsprechen. Insofern sie nicht sendungsbezogen sind, dürfen die Öffentlich-Rechtlichen keine presseähnliche Angebote veröffentlichen. Mit dieser Regelung soll vermieden werden, dass Rundfunkanstalten bei nichtsendungsbezogenen Telemedien den inhaltlichen und gestalterischen Schwerpunkt bei Texten setzen und damit den Zeitungen Konkurrenz machen. Kritiker sagen, dass diese Regelung lächerlich ist: Natürlich ist jedes Angebot im Internet nicht vergleichbar mit dem einer Zeitung, sobald man dort ein interaktives Element, einen Link oder ähnliche dynamische Elemente integriert, die man auf jeder Internet-Seite findet. Der Vergleich mit der gedruckten Presse geht an der Realität vorbei: Die Presseunternehmen versuchen, ihre Umsatz- und Leserverluste dadurch zu kompensieren, indem sie ihre Informationen im Internet anbieten – natürlich mit den gleichen dynamischen Elementen. Die Öffentlich-Rechtlichen konkurrieren natürlich mit den privaten Presseunternehmen, aber eben nicht auf Papier, sondern im Internet. Dass man mit dem öffentlich-rechtlichen Internet-Angebot der privaten Presse keine Konkurrenz macht, ist so einfach nicht richtig. Im schlimmsten Fall zerstören Sie den privaten Presseunternehmen die Chance, ihr altes Geschäftsmodell in ein neues zu überführen. Dann würde die Öffentlich-Rechtliche Internet-Präsenz dazu führen, dass die publizistische Vielfalt im Internet sinkt, weil die subventionierte Konkurrenz die privaten Verlage aus dem Wettbewerb wirft. Und dabei haben es die Printmedien im Zeitalter des Internet ohnehin schwer genug, wie der nächste Abschnitt zeigt.
4.3â•… Printmedien im Zeitalter des Internet 4.3.1 Internet und Zeitungen Ist das Internet eine Bedrohung oder eine Chance für Zeitungen? Wird es die Zeitung nur verdrängen oder ergänzen? Das sind Fragen, die sich nicht abschließend beantworten lassen, doch zumindest lassen sich einige Argumente abwägen, die für oder gegen die jeweilige Meinung sprechen. Also ran an die Arbeit. Die erste Position wirkt auf den ersten Blick einleuchtend: Das Internet bietet all das, was eine Zeitung auch bietet: Detaillierte Information, teilweise geordnet nach Themengebieten, zudem ist der Informationsfluss beständiger und die Informationen sind im Zweifelsfall aktueller, da eine Homepage im Minutentakt aktualisiert werden kann, eine Zeitung hingegen nur einmal am Tag erscheint. Und nicht nur das: Das Internet bietet eine derartige Informationstiefe, dass es auch einen stärkeren regionalen Bezug zu den Informationen herstellen kann. Der Rezipient ist zeitlich und räumlich unabhängig. Zudem ist das Informationsangebot im Internet derzeit auf vielen Seiten sogar gratis – warum also noch zum Kiosk laufen oder auf den Zeitungsboten warten? Um diese Frage zu beantworten, lassen Sie uns noch einmal die Aufgaben einer Zeitung zusammenfassen: Eine Zeitung soll Informationen bündeln, sie soll In-
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formationen auswählen, gewichten und auf ihre Richtigkeit überprüfen. All diese Funktionen lassen sich auch von einem Internet-Informationsportal erfüllen – aber das ist die erste Einschränkung: Die Bündelung der Informationen muss vorgenommen werden. Niemand möchte sich seine Informationen im Internet mühsam zusammensuchen müssen, der komfortgewöhnte Leser möchte alles in einem Blick haben. Hier bietet das Internet einen Vorteil: Wenn der Benutzer sein Informationsbedürfnis in einem Profil näher eingrenzt, dann kann ihm ein Internet-Portal exakt jene Informationen anbieten, die ihn interessieren, doch bei Bedarf kann er auch auf die anderen Themenbereiche zugreifen. Das Internet bietet dem Informationssuchenden zugleich mehr Zielgenauigkeit, aber auch mehr Breite und Tiefe. Ein klarer Vorteil gegenüber einer Zeitung, die – je nach Konzeption – entweder in die Breite oder in die Tiefe gehen kann, aber selten beides bieten kann. Doch bitte vergessen Sie nicht: Diese Wucht und Unmenge an Informationen will auch beschafft, selektiert, aufbereitet und bezahlt sein. Ein solches Angebot kann also nicht jedes Unternehmen leisten. Aktueller, breiter, tiefer – warum haben wir dann überhaupt noch Zeitungen? Der wohl banalste Grund dafür dürfte sein, dass nicht jeder über einen Internet-Zugang verfügt und auch nicht bereit ist, sich nur wegen seines Informationsbedarfes, den er auch aus dem Fernsehen oder der Zeitung decken kann, auch einen PC zuzulegen. Das spricht aber auf lange Sicht nicht dagegen, dass das Internet die Zeitung als Informationsmedium ablöst, dann nämlich, wenn ein PC in jedem Haushalt Standard geworden ist, ebenso, wie es ein Radio geworden ist. Box 4.21: Internet-Strategien der Zeitungen╇ Die Reaktionen der Zeitungen auf das Internet fallen teils recht unterschiedlich aus. Der englische Guardian, die Londoner Times und die Financial Times beispielsweise haben ihre Printund Online-Redaktionen zusammengelegt und verfolgen nun das „Web-First“Prinzip: Die neuesten Meldungen sollen sofort im Web publiziert werden, und nicht erst in der Print-Ausgabe. Einen anderen Ansatz hat El País mit der „Häppchen-Zeitung“: Der Kunde erhält gegen Bezahlung regelmäßig Meldungen per Push-Dienst auf sein mobiles Endgerät. Die Los Angeles Times ging den ganzen Weg und stellte 2005 ihre landesweite Druckausgabe zugunsten ihrer Online-Version ein. Mit dem Aufkommen der Tablet-PCs (beispielsweise das I-Pad von Apple) hoffen die Verlage auf mehr Einnahmen aus den elektronischen Publikationen. Dabei gibt es mehrere Möglichkeiten der Bezahlung: Als Abonnement, Bezahlung pro Artikel, oder speziell gebündelte Angebote. Die fünf großen amerikanischen Verlage News Corp, Time, Hearst, Condé Nast und Meredith haben 2009 ein Gemeinschaftsunternehmen für einen gemeinsamen digitalen Paid-Content-Kiosk gegründet. Eine bemerkenswerte Idee ist das Cafe le press, ein Café, in dem man Zeitungen lesen kann, surfen kann, und sich mit den Redakteuren der Zeitung unterhalten kann, die dort sitzen und arbeiten – echte Basisarbeit am Leser. Ein Beispiel dafür ist PPF Media in Tschechien, die Ausgaben für Orte bis 30.000 Einwohnern produziert. Neben
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der gedruckten Wochenzeitung gibt es lokale Websites, die über das tagesaktuelle Geschehen in der Region berichten. Die Reporter der Zeitung arbeiten in Nachrichten- oder Internetcafés, wo Passanten mit dem Redaktionsteam ins Gespräch kommen können. Die Journalisten sind also mittendrin, der direkte Kontakt zur Bevölkerung verschafft deutlich mehr Informationsquellen. Aber es gibt noch weitere Argumente, die für ein – zumindest temporäres – Überleben der Zeitung sprechen: die menschlichen Gewohnheiten. Mal ehrlich: Wollen Sie morgens zum Frühstück einen Bildschirm lesen? Oder in der U-Bahn? Der große Vorteil der Zeitung ist ihr Trägermedium: Eine Zeitung lässt sich an allen möglichen und unmöglichen Orten lesen, einzelne Artikel lassen sich aufheben (man steckt sie sich in die Tasche und liest sie, während man auf den Zug wartet oder hebt sie sich fürs Wochenende auf dem Sofa auf) und die Zeitung lässt sich gut überall mit hinnehmen. Natürlich gibt es auch hier Einwände: Auch Artikel aus dem Internet lassen sich archivieren, und mittlerweile ist es auch technisch machbar, im Zug oder der S-Bahn mit einem kleinen, portablen PC oder mittlerweile auch mit einem Mobiltelefon zu surfen und zu lesen. Und auch die menschliche Neigung, statt eines Bildschirms ein Stück Papier zu bevorzugen, könnte sich in sagen wir mal 80 oder 90 Jahren überholt haben. Die Erfahrung der Zeitungen mit dem Fernsehen oder dem Radio haben aber gezeigt, dass neue Medien nicht alternativ, sondern komplementär waren – das Radio oder der Fernseher wurden ergänzend zur Zeitung genutzt. Allerdings muss man auch sagen, dass diese Medien in ihrem Nutzungsverhalten und der Art der Informationsaufbereitung sehr verschieden waren. Das Internet ist zwar auch ein anderes Medium als die Zeitung, doch es ermöglicht dem Nutzer all jene Nutzungsspielarten, die auch eine Zeitung bietet. Das macht die Sache für die Verleger gefährlicher. Über die Koexistenz der Medien werden wir uns im letzten Abschnitt dieses Kapitels noch einmal ein paar Gedanken machen. Genauso gefährlich, wenn nicht sogar noch gefährlicher ist der Angriff des Internet an der anderen Front, nämlich am Werbemarkt. So wandern zunehmend Stellenmärkte und Kleinanzeigen, die ein wichtiges ökonomisches Standbein der Zeitungen bilden, ins Internet ab, das bedeutet schmerzliche Einnahmeneinbußen. Rubrikenmärkte im Internet bieten im Vergleich zu denen in gedruckter Form viele Vorteile: So kann der Kunde in der Datenbank des Internet-Angebots wesentlich zielgenauer suchen (beispielsweise nach Preiskategorien oder bestimmten Ausstattungsmerkmalen), er kann bundes- respektive weltweit suchen, zu den Anzeigen lassen sich beliebig viele Bilder, Animationen und ähnliche Zusatzbeschreibungen stellen, die Anzeige lässt sich jederzeit aktualisieren, und oft kann er mit dem Anbieter sogar direkt mittels eines Mausklicks Kontakt aufnehmen. Durch die unbegrenzte Verbreitung der Anzeigen ist eine Kleinanzeige im Internet wesentlich lukrativer als in der regionalen Zeitung, allerdings mit der Einschränkung, dass es sich bei den Kontakten, die man knüpfen will, nicht um solche handelt, die eine räumliche Nähe erfordern. Denken Sie einmal an Schränke, die man verkaufen will, an Kontaktanzeigen, oder an örtlich gebundene Stellensuchen-
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de (Eine Rubrik, die bisher den Weg ins Internet allerdings nicht geschafft hat, sind die Todesanzeigen). Keine Frage – die Printmedien müssen das Internet als Bedrohung durchaus wahrnehmen und reagieren, wie Ihnen auch schon die Zahlen zur Entwicklung der Rubrikenmärkte in Abb.€18 (Kap.€2) gezeigt haben. Wie sollen die Zeitungen dem Internet begegnen? Die naheliegende Strategie – ignorieren – verspricht wenig Erfolg. Wenn Sie sich aber an die Ausführungen erinnern, in denen es darum ging, wie wichtig Vertrauen im Internet sein kann, liegt die zweite Strategie nahe: Die Verlage haben das know-how, sie haben die Erfahrung und die Mittel (beispielsweise die Korrespondenten, ein paar Server sind rasch angeschafft), und vor allem – sie haben die Reputation und den Namen, im Nachrichtengeschäft zwei wichtige Argumente. Die Reputation bewirkt, dass die Nutzer den Nachrichten Vertrauen entgegenbringen, wenn sie sich zwischen zwei Nachrichtenquellen entscheiden müssen, so werden sie diejenige wählen, der sie vertrauen. Der Name ist auch wichtig: Da es im Netz keine Adressbücher gibt, verlässt sich der Nutzer oft auf das, was er kennt. Und was kennt er? Natürlich die Namen der großen Zeitungen, Zeitschriften oder seiner eigenen Fachzeitschriften. Wenn meine Lieblingszeitschrift „Gitarrenwelt“ heißt, gebe ich www.gitarrenwelt.de ein, und schon bin ich aller Voraussicht nach da, wo ich hin will. Ein guter Name ist in einer Welt voller namenlosen Konkurrenten ein wertvolles Gut für den Inhaber und ein Leuchtfeuer für den Suchenden. Box 4.22: Elektronisches Extrablatt – die Kabelzeitung╇ Bereits Mitte der neunziger Jahre zeigten die Zeitungen erste Bestrebungen, sich neuen Medien zu nähern. Die 1995 in Bremen und Bremerhaven gestarteten Kabelzeitungen sind Texttafeln, die über das Rundfunkkabelnetz kostenlos verbreitet werden. Auf einer Abfolge von Textseiten werden aktuelle Kurzmeldungen und lokale Meldungen aus Politik, Kultur und Sport angeboten. Im Grunde genommen ist die Kabelzeitung nur eine Sammlung von Überschriften, die dazugehörigen Nachrichten stehen dann auf Videotexttafeln. Die Textabfolge dauert 20€Minuten und wird regelmäßig aktualisiert; von den 20€Minuten sind 4€Minuten Werbung. Also auf ins Internet? Nein, schreien da die Skeptiker, das führe nämlich zur Selbstkannibalisierung: Die Leser bleiben weg, statt die Printausgabe zu kaufen, nehmen sie das Online-Angebot wahr. Der erste Einwand gegen diese Argument ist der simpelste: Wenn Du es nicht machst, macht es ein anderer. Den Zug der Zeit aufzuhalten, indem man die Uhr anhält, ist keine gute Idee; wo es Geschäftsmöglichkeiten gibt, wird es immer auch jemanden geben, der diese wahrnimmt. Und wenn man das Internet-Angebot richtig aufzieht, dann bietet es auch Chancen für die Print-Ausgabe, wie die Strategie vieler Verlage zeigt: Man stellt nicht die komplette Ausgabe ins Netz, sondern nur Teile, die Appetit machen sollen – den Rest kann sich der Nutzer dann in der Print-Ausgabe abholen. Der Internet-Auftritt kann damit Visitenkarte für die Zeitung sein und neue Leser gewinnen, die von den Inter-
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net-Seiten so begeistert sind, dass sie sich auf die Print-Ausgabe kaprizieren. Und die Abonnenten erfreut man mit einer Zusatzdienstleistung, indem man ihnen einen Gratiszugang zu der kompletten Ausgabe im Netz bietet, auf diese Weise können sie beispielsweise auf Auslandsreisen ihre Zeitung oder ihr Magazin lesen und werden es dem Verlag danken. Diese Strategie heißt unter Experten Companion-Website, eine Website also, die das Printmedium unterstützt. Sie soll Besucher neugierig auf die Printausgabe machen und den Abonnenten zusätzlichen Nutzen bieten. Schätzungen zufolge kostet eine solche Website auf drei Jahre bis zum Erreichen der Gewinnschwelle auf 1,1€Mio.€$; die Entwicklung und Pflege der Seite kosten etwas mehr als eine halbe Million Dollar. Refinanzieren sollen sich die Kosten zu 83€% durch die Akquisition neuer Abonnenten, und nur zu 5€% durch Werbung (die fehlenden Prozente entfallen auf den Verkauf von Artikeln an andere Websites und durch Kommissionen im E-Business-Geschäft). Die andere Alternative, eine Destination-Website, ist mit geschätzten Kosten von 17,5€Mio.€$ etwas teurer, und alleine die jährliche Pflege kostet mehr als 4€Mio.€$. Eine Destination-Website soll regelmäßige Besucher anziehen und zu der TopAdresse in ihrem Bereich werden – das kostet eine Stange Geld. Angesichts der Schwierigkeiten, diese Investitionen wieder einzuspielen, neigen viele Zeitungen nur zu einer Companion-Website. Eine mögliche Arbeitsteilung zwischen Internet und Zeitung könnte dann so aussehen, dass das Internet eine Art Aushängeschild für die Printausgabe ist, das zudem den Leser auch das Mehr an Aktualität spendiert, das die Printausgabe nicht leisten kann. Dort finden sich dann beispielsweise die Hintergrundberichte oder Kommentare zu den bereits am Vortag im Netz vermeldeten Nachrichten. Auch bei den Rubrikenmärkten werden die Zeitungen reagieren müssen. Die erste Idee ist naheliegend: Man nutzt den eigenen Bekanntheitsgrad aus dem Printgeschäft, um Nutzer im Internet auf die eigene Plattform für den Rubrikenmarkt zu locken. Mittlerweile haben sich hier aber bereits neue Konkurrenten breit gemacht, die von einer wichtigen Eigenschaft der Rubrikenmärkte zehren: Auch hier gibt es starke Netzwerkeffekte. Das Prinzip ist stets das gleiche, so auch in diesem Fall: Je mehr Anzeigen auf einer Plattform gebündelt werden, um so attraktiver wird es für die potentiellen Kunden, diese Plattform zu besuchen, und je mehr Kunden das tun, um so attraktiver wird die betreffende Plattform für weitere Anbieter. Box 4.23: Die IVW kämpft gegen Roboter╇ Die Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern, die IVW (www.ivw.de, Box€2.14 und 2.15), misst auch die Reichweiten von Online-Anbietern. Auch die Arbeitsgemeinschaft Onlineforschung (www.agof.de), eine Organisation der Online-Vermarkter und -Werbeträger, soll unabhängig von Individualinteressen für Transparenz und Standards in der digitalen Werbeträgerforschung sorgen. Doch wie definiert man Reichweite bei Online-Medien? Potenziell erreicht ein Online-Anbieter die gesamte Welt. Als Messgrößen kommen
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Visits und Page Impressions in Frage. Die Page Impressions sind die Anzahl der Sichtkontakte von Surfern mit einer Seite, ein Visit ist ein zusammenhängender Nutzungsvorgang beim Besuch eines WWW-Angebotes. Die IVW ermittelt zu den einzelnen Online-Angeboten neben den Page Impressions und den Visits deren Zusammensetzung nach Seiteninhalten, die in sieben Hauptkategorien unterteilt sind (z.€B. redaktioneller Inhalt, Suchmaschinen, Spiele, benutzergenerierter Inhalt). Zusätzlich erhebt die IVW die Online-Nutzung nach Kategorien-Visits, diese geben Auskunft darüber, wie groß die Zahl der einzelnen Besuche für inhaltlich abgegrenzte Bereiche eines Angebots im Laufe eines Monats waren. Die so ermittelten Nutzungsdaten für OnlineAngebote werden monatlich auf den Webseiten der IVW veröffentlicht, und zweimal im Jahr manuell von der IVW überprüft. Kritiker bemängeln, dass es Schlupflöcher gibt, um die Nutzungszahlen nach oben zu manipulieren: Man kann beispielsweise die Seite geschickt konstruieren (die begehrten Link-Listen auf verschiedene Seiten verteilen, so dass der Nutzer mehrere Seiten besuchen muss oder das Bookmarken von Seiten verhindern, so dass Besucher immer über die Startseite müssen), aber es gibt auch die Möglichkeit, einen Robot zu programmieren, der unter ständig wechselnder eigener Adresse die Seiten besucht und Verkehr simuliert. Ein weiteres Problem ist die Rubrizierung der einzelnen Internet-Angebote: So beschwerten sich Konkurrenten, dass der Online-Broker Consors unter „Fachinformationsdienste“ läuft, obwohl viel Verkehr auf dieser Seite die Bank-Kunden sein dürften, die nur rasch eine Aktie verkaufen wollen. Dem hat die IVW abgeholfen: Jede einzelne Seite eines Anbieters wird einer der sieben Hauptkategorien (mit 50 Unterkategorien) zugeordnet. Damit vermeidet man die Strategie einzelner Anbieter, den sonst spröden Inhalt ihrer Seiten attraktiver zu machen, indem man klick-intensive Spielchen auf den Seiten installiert, die mehr Nutzer auf ihre Homepage ziehen, die sich für die sonstigen Inhalte der Seiten nicht interessieren. Jetzt muss die Seite mit dem Spielchen als solche kategorisiert werden – zur Freude der Anzeigenkunden, die nun wissen, was die Stunde geschlagen hat. Deswegen könnte es den Verlagen passieren, dass sie zu spät ins Geschäft mit den Internet-Rubrikenmärkten starten, sich bestenfalls mit den neuen Plattformanbietern zusammentun können und sich dabei nur noch mit der Rolle des Junior-Partners im Internet begnügen müssen. Die andere Alternative besteht darin, sich mit mehreren Verlagen zusammenzuschließen, ein Vorhaben, das aber an den individuellen Befindlichkeiten der Verlage scheitern könnte. Darauf deuten zumindest die bisherigen Erfahrungen hin: 2001 beschlossen zehn große Verlage, ihre Rubrikenmärkte im Gemeinschaftsunternehmen versum.de zu bündeln. Diesem Unterfangen war wenig Erfolg beschieden, wobei Experten sagen, dass es vor allem daran gelegen habe, dass die Verlage letztlich nur recht halbherzig in dieses Unternehmen gestartet sind.
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So viel zur gegenwärtigen Lage der Zeitungen. Doch wie ihre fernere Zukunft aussehen könnte, zeigt das Beispiel der E-Books, dem wir uns jetzt widmen wollen.
4.3.2 E-books Wann ist ein Buch ein Buch?╇ Mögen Sie den Geruch eines neuen Buches? Das Rascheln des Papiers? Ist ein Buch für Sie mehr als ein Informationsträger? Dann ist dieses Kapitel nichts für Sie, denn hier geht es um das Ende des Buches so wie wir es kennen. Die Rede ist von elektronischen Büchern, den sogenannten E-Books. E-Books gibt es mittlerweile einige auf dem Markt. Der Favorit ist der Kindle des Online-Händlers Amazon – Amazon hat im Weihnachtsgeschäft 2009 erstmals mehr E-Books für den Kindle verkauft als gedruckte Bücher. Buchketten wie Libri und Thalia bieten E-Reader von Sony an und verkaufen über das Internet ein wachsendes Angebot an E-Books. Apple ist mit dem iPad am Start und bietet dazu einen eigenen iBookstore. Noch weiter gehen die Experimente mit digitaler Tinte: Bewegliche Partikel in tintegefüllten Kügelchen erzeugen auf papierähnlichem Material Strukturen, die sich zu Buchstaben ordnen (genau können Sie das noch einmal in Box€4.24 nachlesen). Wenn diese Lösung technisch und wirtschaftlich praktikabel sein wird, dann gibt es nur noch ein Buch oder eine Zeitung, die ihren Inhalt beliebig wechseln können. Die Download-Gebühr für Bücher unterscheidet sich allerdings derzeit nicht wesentlich vom Buchpreis, zudem ist das Angebot noch recht begrenzt wächst aber stetig. Hier zeichnet sich wieder einmal ein klassisches Netzwerkproblem ab: Solange es nur wenig Bücher und Texte gibt, die man auf den E-Books laden kann, sind diese Bücher wenig attraktiv. Erst wenn eine kritische Menge an angebotenen Büchern dem Leser zur Verfügung steht, werden auch mehr Kunden sich für ein E-Book entscheiden. Und mit steigenden Kundenzahlen wird die Produktion der E-Books günstiger, damit sinkt ihr Preis. Ein weiterer Haken, den E-Books derzeit noch in der Bundesrepublik aufweisen: Wer ein E-Book eines bestimmten Herstellers kauft, muss auch dessen Bücher kaufen – nicht alle Bücher von allen Verlagen sind auf allen E-Books lesbar. Box 4.24: So funktioniert digitales Papier╇ Das Grundprinzip bei elektronischem Papier besteht darin, zwischen zwei Plastikschichten eine Schicht mit Farbkapseln einzuschweißen. In den Plastikschichten sind Leiterbahnen angebracht, durch die Strom geschickt wird. Beim Prinzip Gyricon liegen Millionen winzige, elektrisch geladene Kügelchen in der Fluidschicht zwischen dem Plastik; die Kugeln sind zur Hälfte schwarz und in der anderen Hälfte weiß. Je nachdem, welcher elektrische Impuls durch die Leiterbahnen geschickt wird, dreht sich die Kugel mit der farbigen oder der weißen Seite nach oben und erzeugt einen Bildpunkt auf der Plastikschicht. Beim Prinzip
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E-Ink sind die Kügelchen gefüllt mit positiv geladenen weißen und negativ geladenen schwarzen Partikeln. Je nachdem, welche Spannung an der Leiterbahn anliegt, werden die weißen oder die schwarzen Partikel von der Leiterbahn an die Oberfläche angezogen und erzeugen dann den entsprechenden Bildpunkt. Nach diesem Prinzip kann man sich beispielsweise eine digitale Zeitung vorstellen, die per Mobilfunk aktualisiert wird. Man kauft sich einmal eine digitale Zeitung und abonniert einen Zeitungsdienst, der auf die Adresse des digitalen Buches immer die neusten Nachrichten sendet. Ihre Zeitung sieht dann stündlich anders aus. Und es gibt kein Warten auf den Zeitungsjungen mehr – aber auch keine alte Zeitung vom Nachbarn, wenn der diese ausgelesen hat. Was sind denn die Vorteile eines digitalen Buches? Erstens nehmen Sie statt einer ganzen Bibliothek nur noch ein Buch mit auf Reisen, das seinen Inhalt beliebig wechselt. Ihre Bibliothek wird damit wesentlich mobiler; der Leser kann all seine Unterhaltung oder all sein Wissen jederzeit bei sich haben. Zudem kann er auf die allgegenwärtig verfügbaren Informationen viel gezielter zugreifen über Stichwortsuche, elektronische Lesezeichen und ähnliche Hilfen. Mittlerweile sind auch Multimedia-Anwendungen möglich, dann kann man zu den abgerufenen Informationen beispielsweise auch einen Film abrufen; und wenn man das Ganze via Mobilfunk an das Internet anbindet, wird das noch komfortabler und leistungsfähiger. Doch ganz ohne Nachteile geht das nicht: Zum einen muss man sich daran gewöhnen, dass das Lesevergnügen in Zukunft Strom kostet – oft sind die Akkus noch der neuralgische Punkt bei mobilen Computer-Anwendungen. Und dann der Bildschirm: Können Sie sich vorstellen, „Schuld und Sühne“ am Bildschirm zu lesen? Viele Kritiker der E-Books sagen nein. Ist der menschliche Geist wirklich so beschaffen, dass er sich nur auf Papier entspannen kann, so wäre in Zukunft eine Arbeitsteilung zwischen den beiden Medien denkbar: Die E-Books dienen als portable Informationsquellen und Arbeitswerkzeuge, auf denen Lexika, Bedienungsanweisungen und akute fachliche Hilfestellungen für den mobilen Einsatz abrufbar sind, doch die Romane, Gedichte, Krimis und Essays werden weiterhin zwischen Buchdeckeln gebunden konsumiert werden. Doch eine Warnung sei angebracht: Zum einen ist es durchaus vorstellbar, dass der technische Fortschritt uns wirklich ein Material beschert, das Papier in nichts nachsteht. Zudem müssen wir uns eingestehen, dass wir alle Sklaven unserer Gewohnheiten sind: Wir können uns vielleicht nicht vorstellen, uns des sinnlichen Vergnügens raschelnden Papiers und fester Buchdeckel zu entledigen, doch wenn eine Generation mit E-Books aufwächst und diese Erfahrung nicht mehr in ausreichendem Maße macht, dann wäre es vorstellbar, dass eines Tages auch „Krieg und Frieden“ nur noch digital gelesen wird. Der Umstieg oder Einstieg der Verlage ins elektronische Geschäft dürfte den Verlagen eigentlich leicht fallen, zumindest was die Kostenseite angeht: Die meisten Bücher liegen schon in digitaler Form vor – auf den Servern der Ver-
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lage. Mit ein wenig Formatierung könnte man all diese Bücher rasch auch für E-Books vermarkten. Doch ganz so einfach ist es dann doch nicht – warum? Zum einen ist da die Angst vor Rechteverletzungen: Ein digitales Buch lässt sich leicht kopieren und weiterreichen; damit hätte die Buchindustrie das gleiche Problem, mit dem sich die Musikindustrie schon seit der Erfindung der Leercassette herumschlägt: Mehr Kopien bedeuten weniger Verkäufe. Hier schlägt eine der Besonderheiten des Gutes Information zu, die wir im ersten Kapitel kennengelernt haben: Informationen – also der Inhalt des Buches – sind beliebig oft reproduzierbar, die Grenzkosten dafür sind fast Null. Bisher war das für die Buchindustrie kein großes Problem, weil die Information bisher stofflich gebunden sein musste –zwischen Buchdeckeln. Jetzt, wo es einen alternativen Informationsträger gibt, der die Kosten des Kopierens und Verbreitens drastisch drückt, wird das zum Problem für die Verlage. Da wird ein Buch nicht mehr ausgeliehen, sondern kopiert, und diese Kopie kann ohne Kosten erneut kopiert werden. Das könnte die Margen der Verlage empfindlich drücken, ja sogar geschäftsbedrohend werden. Die Konsequenz: Die Verlagsindustrie wird einen guten Kopierschutz benötigen, um das ungestörte Kopieren von Büchern wenn nicht auszuschalten, so doch in ertragbaren Grenzen zu halten. Damit stehen sie eigentlich vor genau dem gleichen Problem wie die Musikindustrie. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, mit dem Buch einen bestimmten Service zu verkaufen, der ausschließlich an den Kauf des Buches gekoppelt ist: Information über Neuerscheinungen des Autors, Chats mit dem Autor – irgendwelche Dienste, die nicht beliebig kopierbar sind, dem Leser aber einen Zusatznutzen bieten (die gleiche Idee hatten wir auch bei der Musik erwogen). Box 4.25: Wann ist ein Buch ein Buch?╇ Ärger der besonderen Art machten E-Books in Amerika: Dort hat die Verlagsgesellschaft Random House den Verlag Rosettabooks.com, der ausschließlich E-Books verlegt, verklagt, weil der E-Verlag auf seiner Website Werke bekannter Autoren von Random House zum Herunterladen anbietet. Doch Rosetta betont, dass man keine Piraterie betreibe: Man habe sich von den Autoren die Rechte für den Download einräumen lassen. Die Autoren hatten in der Tat nichts gegen die Publizierung über das Internet, da sie ihnen noch ein Zubrot bescherten. Random House hingegen argumentierte, dass alle Rechte an den Werken der Autoren bei ihm liege, und das gelte auch für eine Publizierung über E-Books. Die Autoren hingegen erklärten, dass sie Random House nur die Rechte zur Verwertung in Buchform eingeräumt hätten. Vor Gericht hatte Random House wenig Erfolg und unterlag in erster und zweiter Instanz vor den zuständigen Gerichten in New York. Viele Verlage haben bereits Ihre Verträge umgestellt – jetzt müssen die Autoren dem Verlag auch die Rechte für eine digitale Publikation einräumen. In Deutschland ist die Rechtslage eindeutig: §Â€31 Abs.€4 des Urheberrechtsgesetzes ordnet an, dass Verwertungsformen, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht bekannt war – also
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technisch nicht realisierbar und wirtschaftlich unbedeutend sind – von der Rechtseinräumung durch den Autor nicht erfasst sind. Alle Lizenzverträge, die vor Mitte der Neunziger Jahre geschlossen worden sind, enthalten diese Rechte nicht. E-Books bieten noch eine weitere Herausforderung für die Verlagsindustrie: Es könnte zu einem Phänomen kommen, das Ökonomen als Disintermediation bezeichnen: Der Verlag als Vertreiber der Literatur wird überflüssig, jeder Autor wird sein eigener Verleger (das ist im Grunde genommen das gleiche Problem, das wir schon unter der Überschrift „Stars aus dem Netz“ besprochen haben). Für kleine Autoren ist das natürlich eine Chance, ihr Buch nun unter Umgehung des Verlags im Internet zu publizieren. Und für die bekannten Autoren noch mehr: Sie haben einen großen Namen, der werbewirksam genug ist, um Leser auf ihre Homepage zu holen. Bisher funktioniert das allerdings noch nicht so gut: Der Horrorautor Stephen King ist mit seinem ersten Versuch, einen Roman ausschließlich über das Internet zu vermarkten, an der Zahlungsmoral seiner Leser gescheitert. Dennoch – ungemütliche Aussichten für Verlage: Da haben sie mit viel Mühe einen Autor aufgebaut und über Jahre bekannt gemacht, und dann macht sich der treulose und undankbare Geselle aus dem Staub und publiziert im Internet. Doch ganz so einfach wird es wohl nicht sein, noch ist das Verlagswesen nicht verloren. Denn Verlage vertreiben nicht nur Bücher, auch wenn dies auf den ersten Blick so scheint. Verlage tun mehr: Sie selektieren, nehmen somit also eine qualitative Überprüfung der Werke vor und stellen ihnen, indem sie diese publizieren, eine Art Gütesiegel aus. Stellen Sie sich einmal vor, Sie haben auf einmal im Internet die Auswahl unter Tausenden von Büchern von Autoren, deren Namen Ihnen nichts sagen – was werden Sie tun? Richtig, Sie werden auf die bekannten Namen zurückgreifen, das funktioniert so ähnlich wie die Mechanismen, die wir bereits unter der Überschrift „Die Stars“ (Abschn.€3.2.3) kennengelernt haben. Gerade mit zunehmender Unübersichtlichkeit wird es immer wichtiger, jemanden zu finden, der eine Art Vorselektion durchführen kann und dem Leser die Mühen abnimmt, sich durch alle 10.000 Romane zu quälen, um den einen Erfolg zu finden. Aber nicht nur die Leser, auch die Autoren brauchen die Verlage auch weiterhin: Der Verlag kümmert sich um das Marketing und macht den Autor und dessen Namen bekannt; der Autor kann dann mit dem „Gütesiegel“ des Verlages Werbung für seine Werke machen. Aber immerhin: Die Branche könnte durchlässiger werden, mehr Überraschungserfolge könnten möglich werden, und auch die Macht der Literaturkritiker dürfte zunehmen. Wie Sie sehen, kommen da einige Herausforderungen auf die Buchindustrie zu, aber ein Ende des Buches sehen wir zumindest in absehbarer Zeit nicht. Und ein Problem wirft das digitale Buch auf alle Fälle auf: Was wollen Sie denn in Zukunft in Ihre Regale stellen?
4.4 Digitalisierung und Konvergenz
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4.4â•… Digitalisierung und Konvergenz 4.4.1 Konvergenz der Technik – Konvergenz der Medien? Hinter dem Stichwort Konvergenz verbirgt sich das Zusammenwachsen von Telekommunikation, Fernseher, Internet und anderen Medien. Fernsehen wird interaktiv, Radio und Zeitung kommen über das Internet, das Kino, Videos und Musik kommen ebenfalls über das Netz. Der Computer wird zum Dreh- und Angelpunkt der Kommunikation und des Medienkonsums: auf ihm empfängt und sendet man Nachrichten, sieht fern, hört Radio, recherchiert und liest Texte. Treiber dieser Konvergenz sind zum einen die technische Entwicklung, die es möglich macht, immer mehr Daten über das Netz zu transportieren und die Deregulierung der einstmals stark regulierten Märkte für Telekommunikation. Mit einher gehen werden eine Veränderung der Nutzungsgewohnheiten der Konsumenten und eine Veränderung der Struktur der Medienlandschaft. In den vorherigen Kapiteln hat sich bereits an der ein oder anderen Stelle angedeutet, wo und wie sich die Industrie ändern wird: Musik und Filme werden über das Netz vertrieben, Videos werden online abgerufen, Zeitungen präsentieren sich im Internet. Wenn es wirklich zu einer Konvergenz der Technik kommt, liegt die erste Frage auf der Hand: Wird es dann nur noch ein Medium, den PC oder etwas PC-ähnliches, geben, und sterben die anderen Medien dann aus? Ja und nein. Die Zeitung dürfte noch ein wenig Galgenfrist haben, wie Abschn.€4.3.1 gezeigt hat. Den Radioapparat in seiner ursprünglichen Form wird es vielleicht nicht mehr geben – aber ein Radioprogramm? Vermutlich schon, denn das Radio erfüllt eine etwas andere Funktion als ein Fernsehprogramm: Radio ist auch Begleitprogramm zur Hausarbeit, zu den Hausaufgaben, bei der Arbeit oder beim Essen. Radio spricht nur einen der fünf Sinne an und lässt dem Hörer noch Raum für andere Tätigkeiten – warum sollte es dafür nicht auch in Zukunft einen Platz geben? Das Fernsehen wird seine Rolle ebenso behalten, und das Internet wird einen Platz zwischen der Zeitung und den audiovisuellen Medien finden: Stärker auf Aktualität und Interaktivität ausgerichtet, bietet es dem Konsumenten zugleich die Möglichkeit zu einer tieferen und individuelleren Recherche zu einem aktuellen Thema – es rundet die Palette der Medien sozusagen ab. Vermutlich wird es also eher eine gemeinsame Existenz der Medien nebeneinander geben, doch zugleich wird die Konkurrenz der Medien untereinander steigen: Sie werden zunehmend um das Zeitbudget der Konsumenten konkurrieren. Die Grundidee dieses Gedankens ist recht einfach: Dem Menschen stehen nur 24€Stunden am Tag zur Verfügung, zwischen 4 und 10 (12?) davon verbringt er mit Schlafen, dann muss er auch noch arbeiten (zumeist jedenfalls) – der schmale Rest ist Freizeit und steht dem Konsumenten damit zur freien Verfügung. Um dieses Zeitbudget konkurrieren dann die verschiedenen Medien. Das werden wir uns jetzt ein wenig näher anschauen. Dazu können wir den modelltheoretischen Ansatz nutzen, den wir schon im letzten Abschnitt des dritten Kapitels benutzt haben.
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F Indifferenzkurve 1
Radio/TV
A
E
Aktualität
E´ D
6
C B
5 Indifferenzkurve 1
Zeitung
3 Analyse
Abb. 4.3↜渀 Wie verändert Multimedia das Medienkonsumverhalten?
In Abb.€4.3 ist noch einmal die Ausgangssituation aufgegriffen: Audiovisuelle Medien (Radio/TV) bieten ein Mehr an Aktualität, Printmedien hingegen wuchern mit dem Pfund der Analyse. Die Eckpunkte der beiden Linien in Abb.€4.3 repräsentieren jeweils den Punkt, in dem der Konsument die gesamte ihm zur Verfügung stehende Zeit aufgrund seiner Präferenzen nur einem der beiden Medien widmet: In Punkt A nutzt der Konsument sein gesamtes Zeitbudget nur für audiovisuelle Medien, weil er großen Wert auf Aktualität setzt, in Punkt B liest der Konsument in der gesamten ihm zur Verfügung stehenden Zeit nur Printmedien, weil er Wert auf Analyse legt. Die Linie zwischen diesen beiden Punkten repräsentiert alle Kombinationen aus dem Konsum audiovisueller Medien und Printmedien, mit denen sich der Konsument bei kompletter Ausschöpfung seines Zeitbudgets jede Kombination aus Aktualität und Analyse zusammenstellen kann, die er mit seinem Zeitbudget erreichen kann. In Punkt C erreicht der Nutzen des Konsumenten vor der Einführung des neuen Mediums sein Optimum. Jetzt führen wir ein neues Medium ein, das durch die dicke gestrichelte Linie in Abb.€4.3 repräsentiert wird. Nehmen wir einmal an, das neue Medium hat nun drei verschiedene Entwicklungsphasen D, E und F: In der ersten Entwicklungsphase (D) bietet das neue Medium bei gegebenem Zeitbudget einen Aktualitätsgrad und Analysegrad, der durch den Punkt D repräsentiert wird. Das Medium ist sozusagen noch
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in den Kinderschuhen und bietet bei maximalem Zeitaufwand des Konsumenten einen Aktualitätsgrad von 6 und einen Analysegrad von 3 – das können Sie ablesen, indem Sie wieder von diesem Punkt das Lot auf die beiden Achsen fällen. In diesem Stadium ist das neue Medium keine Konkurrenz für die etablierten Medien – es bietet im Vergleich zu ihnen weniger Aktualität und weniger Analyse: Bei gleichem Zeitaufwand kann der Konsument mehr Aktualität und Analyse erreichen, indem er beispielsweise in Punkt A oder B konsumiert oder auf jedem beliebigen Punkt der A und B verbindenden Gerade. Wenn sich das neue Medium (natürlich ist hier die Rede vom Internet) jetzt weiterentwickelt, dann erreicht es Punkt E: Es bietet jetzt bei gleichem Zeitaufwand dem Konsumenten mehr Aktualität als die audiovisuellen Medien, hinkt aber in Sachen Analyse noch deutlich hinter den Printmedien zurück (das erkennen Sie wieder, indem Sie das Lot auf die beiden Achsen fällen). Jetzt kann der Konsument zwischen drei Medien wählen, und die Verbindungslinie zwischen den drei Eckpunkten (in jedem dieser Eckpunkte wird nur das betreffende Medium konsumiert) repräsentiert alle möglichen Kombinationen des Konsums der drei Medien, mit deren Hilfe er seine gewünschte Kombination von Aktualität und Analyse herstellen kann. Das Konsumoptimum bei Technikstand E findet sich in Punkt E´ – dort, wo die Verbindungslinie zwischen den drei Medien die höchste Indifferenzkurve berührt. Es werden also nach wie vor auch Printmedien gelesen. Gefährlich für die anderen Medien wird es erst in Punkt F: Das neue Medium ist nun so aktuell und analytisch zugleich, dass es sowohl aktueller als die audiovisuellen Medien als auch analytischer als die Printmedien ist. Bei gegebenem Zeitbudget kann der Kunde nun am meisten Aktualität und Analyse dadurch bekommen, indem er all seine Zeit nur auf das neue Medium setzt. Der optimale Konsumpunkt liegt nun in F – das neue Medium hat nun die beiden alten Medien verdrängt – es ist eine echte Killerapplikation geworden. Allerdings muss man bei dieser Analyse noch etwas einschränken: Zuerst muss man feststellen, dass es je nach Lage der Indifferenzkurven (also nach Konsumangewohnheiten und Geschmack) auch nach wie vor vorstellbar ist, dass immer noch eine Kombination mehrerer Medien konsumiert wird. Um wirklich alle anderen Medien zu verdrängen, muss der Vorsprung der Killerapplikation sehr groß werden – so groß, dass für jeden Konsumenten die höchste für ihn erreichbare Indifferenzkurve immer Punkt F berührt, unabhängig davon, wie seine Indifferenzkurve aussieht. Zum zweiten – und das ist der wichtigere Einwand – berücksichtigt diese Analyse aus Gründen der Anschaulichkeit nur zwei Eigenschaften der Medien. In der Realität fällt die Entscheidung zugunsten eines Mediums anhand vieler Eigenschaften, die obige Analyse müsste dann beispielsweise als drei- oder vierdimensionale Grafik angelegt werden, wenn man weitere Eigenschaften berücksichtigen will. Einen Nachteil dürften interaktive Medien gegenüber den passiven Konkurrenten haben: Letztere nehmen eine viel stärkere Selektion vor und erfüllen damit eine der Aufgaben, die Medien zugeschrieben wird. Der passive Leser oder Zuschauer/ Zuhörer bekommt ein Bündel von vorselektierten und gebündelten und aufbereiteten Informationen präsentiert, konsumiert und ist zufrieden – er will die Qual der Wahl vermeiden. Zwar kann das interaktive Medium dieses auch bieten, es lässt ja dem Konsumenten immer die Wahl, tiefer zu gehen und weitere Informationen ab-
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zurufen – doch das kostet Zeit und Kraft zur Entscheidung. Eine Zeitung oder die Nachrichten präsentieren die Informationen – und Schluss. Der Konsument muss sich nicht damit fordern lassen, selbst nachzudenken, ob und wenn ja was er zusätzlich wissen muss. Selbst wenn es ihm freisteht, die Möglichkeit eines zusätzlichen Informationsangebotes nicht zu nutzen, so stresst ihn schon die Möglichkeit dieser Wahl – denn sich für etwas nicht zu entscheiden, ist auch eine Entscheidung. Und es kommt noch etwas hinzu: Auch die anderen Medien werden nicht stillstehen. Modernere Drucktechniken, bessere Berichterstattung, Fokussierung auf Nischen oder bestimmte Klientel – die anderen Medien werden sich nicht kampflos den neuen ergeben. In Schaubild 39 könnte das beispielsweise so aussehen, dass sich auch die Eckpunkte der beiden anderen Medien nach außen verlagern – bei gleichem Zeitaufwand wird der Leser jetzt beispielsweise aktueller (beispielsweise durch eine neue Technik, die einen späteren Andruck ermöglicht) informiert. Dann dreht sich die Zeitungsgerade nach oben, Punkt B wandert damit nach oben und das neue Medium verliert einen Teil seines Attraktivitätsvorsprunges. Damit wird es wahrscheinlicher, dass der Berührungspunkt von einer Indifferenzkurve und der Verbindungslinie zwischen den drei Eckpunkten nicht auf dem Eckpunkt F in Abb.€4.3 liegt. Um es also kurz zu machen – wenn man bedenkt, dass jedes Medium eine Vielzahl von Eigenschaften in unterschiedlicher Ausprägung aufweist, gibt das Anlass zur Hoffnung, dass es auch im Zeitalter der Konvergenz eine Vielfalt von Medien geben wird, wenngleich sich der Medienkonsum sicherlich verändern wird. Denn schärfer werden dürfte der Wettbewerb allemal: Bei mehr oder weniger gleichbleibendem Zeitbudget konkurrieren mehr Medien um die Aufmerksamkeit der Konsumenten – ein Kuchen, der gleich groß bleibt, muss unter mehr hungrigen Mäulern verteilt werden (Bitte schauen Sie sich dazu auch Abb.€4.4 an). Kino; 1 Zeitschrift; 3 Zeitung; 4
Teletext; 1
Video/DVD; 6
Abb. 4.4↜渀 Anteile der Medien am Medien-Zeitbudget der Bundesbürger in Prozent. Ein großer Teil des Zeitbudgets der Konsumenten entfällt auf das Fernsehen. Lebt ein Mensch 75 Jahre, so hat er davon in etwa 10 Jahre vor der Röhre verbracht. Großer Gewinner der vergangenen Jahre ist allerdings das Internet: In nur zehn Jahren hat es die Printmedien in der Gunst der Deutschen überflügelt. (Quelle: Seven One Media: Time Budget 12, 1999–2005)
Buch; 7
Fernsehen; 35
Internet; 12
Radio; 30
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Der schärfer werdende Wettbewerb sowie der technische Fortschritt werden die Struktur der Medienkonzerne ändern: Sie werden zunehmend multimedial werden, also nicht nur Zeitungen oder nur Radio oder Fernsehen anbieten, sondern ihre Nachrichten und Informationen über verschiedene Medien vertreiben. Das hat für die Medienunternehmen einen entscheidenden Vorteil: Ein und derselbe Inhalt kann, unterschiedlich aufbereitet, in mehreren Formen angeboten werden: Zum lesen, zum hören, zum sehen, passiv oder interaktiv. Inhalte werden damit zum entscheidenden Produktionsfaktor, zum Engpass. Das legt nahe, dass zunehmend Medienkonzerne entstehen werden, die auf allen Ebenen zu Hause sind: Internet, TV und Print. Doch so überzeugend das alles klingt – in der Realität hat das bisher nicht so gut funktioniert. Warum eigentlich?
4.4.2 Glücklose Medienfusionen2 Was haben Unternehmen wie Vivendi, Bertelsmann, Gruner & Jahr und noch weitere Medienunternehmen gemeinsam? Sie sind nicht nur Medienunternehmen, sondern sie alle haben bei der Strategie, in andere Medienbereiche zu expandieren, teils herbe Rückschläge hinnehmen müssen. Vielen Medienunternehmen ist der Ausflug in die andere Medienwelt nicht gut bekommen. Das ist übrigens nicht ganz so neu: Bereits Ende der achtziger Anfang der neunziger Jahre sind etliche Zeitungsverlage mit einer Fernsehstrategie gescheitert. Um die Gründe dafür zu finden, muss man sich erst einmal anschauen, warum denn eine Expansion eines Medienunternehmens in andere Medien Sinn macht: • Bei der Beschaffung und Produktion von Medienprodukten können zentrale Einrichtungen, wie z.€B. Archive oder Personal gemeinsam genutzt werden. Darüber hinaus spart die Beschaffung im eigenen Konzern Transaktionskosten und sichert strategisch wichtige Beschaffungsquellen. Das schafft zugleich Marktzutrittsschranken für Neueinsteiger. • Inhalte lassen sich innerhalb der verschiedenen Medien des Konglomerats mehrfach verwerten. Diese Möglichkeiten werden durch die Merkmale von Informationen als digitale Güter noch verstärkt: sie lassen sich leicht verändern, sie unterliegen keiner physischen Abnutzung – es besteht deshalb auch Nicht-Rivalität im Konsum – und sie sind leicht reproduzierbar. Durch eine weitere Verwertungsmöglichkeit des gleichen Produktes (windowing) oder eine Veränderung zu geringen Kosten (versioning) können die gesamten Stückkosten gesenkt werden • Bei der Vermarktung können sich Effizienzvorteile ergeben, wenn es sich um bereits eingeführte Marken handelt, die einen positiven Imagetransfer initiieren. Das Magazin ist gut und seriös – dann wird es wohl auch die gleichnamige Fern2╇ Die folgenden Überlegungen basieren auf einem gemeinsamen Artikel mit Andrea Beyer: Andrea Beyer, Hanno Beck: Glücklose Medienfusionen, in: Wirtschaftsdienst, 84. Jahrgang, Heft 2 (Februar 2004), S. 91–97.
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sehsendung sein. Zudem kann man dann für das Magazin in der Fernsehsendung werben und umgekehrt. Ein exzellentes Beispiel dafür waren die ntv-Sendung „Telebörse“ und das gleichnamige Anlegermagazin. • Zugleich, so die Idee, könne ein Einstieg in andere Medien helfen, die Abhängigkeit des Unternehmens von einem einzigen Produkt zu verringern. Und da man befürchten müsse, dass die anderen, neuen Medien sich zu einer ernsthaften Konkurrenz für das etablierte Medium entwickeln könnte, lag es nahe, das Geschäft dort lieber selbst zu machen, als sich von neuer Konkurrenz an die Wand drängen zu lassen – „kannibalisiere Dich selbst“, lautete die Losung. Die Idee, durch den Einstieg in andere Medien die Abhängigkeit von einem Medium zu verringern, wurde unter dem Schlagwort Risikodiversifizierung gehandelt. • Zudem galt der Internet-Markt als wachstumsträchtig – es schien so, als könne man rasch eine Menge Geld verdienen, vor allem, wenn man im Mediengeschäft bereits über eine entsprechende Expertise verfügt. In der Realität hingegen stellt sich heraus, dass all diese Argumente, so überzeugend sie auch sein mögen, doch relativiert werden müssen: • Die Mehrfachverwertung der Informationen war auf den zweiten Blick doch nicht so überzeugend: Zwar lassen sich Informationen mehrfach verwerten, doch die Aufbereitung muss für jedes Medium getrennt verfolgen, erst recht der Vertrieb. Ein Zeitungsartikel kann nicht eins zu eins ins Radio oder ins Fernsehen gehievt werden, hier ist neue redaktionelle Bearbeitung notwendig. Bedenkt man, dass Informationen nur ein Input unter vielen für ein Medienunternehmen sind, so relativiert sich die Idee von der Mehrfachverwertung von Informationen in einem Medienkonglomerat. Die Schlacht wird in der redaktionellen Aufbereitung und im Vertrieb gewonnen, und hier sind für jedes Medium neue Ressourcen nötig. • Was ist von der Idee von plattformübergreifenden Medienformaten zu halten? Zuerst muss man sich fragen, wie viele solcher Formate man kreieren kann, die sich zu einer Mehrfachverwertung auf unterschiedlichen Medien eignen. Für den Konsumenten der Information ist der Zusatznutzen aus dem Konsum des zweiten Mediums zum gleichen Thema gering: Wer die Telebörse gelesen hat, wird sein Freizeitbudget auf andere Weise ausfüllen als sich die gleichen oder ähnlichen Inhalte nochmals auf ntv anzusehen; wer die Telebörse auf ntv gesehen hat, dem genügt die Kurzfassung und er verzichtet auf den Kauf des Magazins. Auch die gegenseitige Vermarktung, die sogenannte cross-media-promotion, funktioniert nur eingeschränkt: Solange die Zielgruppe der jeweiligen Unternehmen nicht homogen oder zumindest ähnlich ist, macht eine Werbung auf beiden Medien wenig Sinn: Lohnt es sich wirklich, für die „Bravo“ auf ntv Werbung zu machen? Lohnt es sich, auf Viva für die Frankfurter Allgemeine zu werben? Wer eine plattformübergreifende Vermarktung von Inhalten und Werbung anstrebt, muss darauf achten, dass die jeweiligen Kundengruppen ein ausreichend hohes Maß an Ähnlichkeit aufweisen, um diese Strategie überhaupt zu ermöglichen. Und in dieser Ähnlichkeit lauert ein Problem: Lässt das Interesse für ein Format nach, dann dürfte dies allen Medien treffen. Beispielhaft dafür war auch der
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gleichzeitige Einbruch der Auflagenzahlen und der Einschaltquoten der „Telebörse“. • Die Idee einer besseren Risikodiversifizierung enthält einen Denkfehler: Nicht nur die Abhängigkeit von einem Medium ist für ein Unternehmen bedeutend, sondern auch die Abhängigkeit von einem Markt, nämlich dem Anzeigenmarkt. Indem man in andere Medien expandierte, verringerte man möglicherweise die Abhängigkeit von einem Medium (beispielsweise dem Printmarkt), erhöhte aber zugleich die Abhängigkeit vom Werbemarkt – wenn dieser einbricht, dann tut er dies in allen Medien, mit entsprechenden Folgen für das Gesamtkonzernergebnis. Mit dem Konjunktureinbruch des Jahres 2001 wurde das allen Medienunternehmen schmerzhaft bewusst. • Der Einstieg in die wachstumsträchtigen Geschäftsfelder im Internet war – wie es die Theorie vorhersagt und die Empirie bestätigt hat – mit erheblichen Risiken verbunden. Viele Internet-Beteiligungen wurden viel zu teuer gekauft, und statt der Chancen bekamen die Unternehmen die Risiken eines solchen Engagements zu spüren. Viele Unternehmensvorstände hätten sich fragen müssen, ob man ein solches Risiko eingehen muss und ob man die nötigen Kompetenzen für das neue Geschäftsfeld hat. Die Konjunkturkrise der Jahre 2001 und 2002 hat den konglomeralen Träumen vieler Medienunternehmen einen mächtigen Dämpfer versetzt – mit sinkendem Anzeigengeschäft und fehlenden Mitteln wurden viele der frisch erworbenen Beteiligungen wieder verkauft und man besann sich „zurück auf das Kerngeschäft“, wie es so schön unter Betriebswirten heißt. Doch das bedeutet nicht, dass das Thema Konvergenz und Unternehmenskonzentration in den Medien vom Tisch ist. Sowohl der Wettbewerb um den Leser, Zuschauer oder Zuhörer als auch der Wettbewerb um die Werbekunden wird zunehmen und härter werden – zudem muss befürchtet werden, dass die Konzentration im Mediensektor zunehmen wird. Eine Herausforderung für die Wettbewerbspolitik.
4.4.3 Wettbewerbspolitik und Konvergenz Für die Wettbewerbspolitik bedeutet das alles Arbeit und Probleme: Zum einen ist zu befürchten, dass mit zunehmender länderübergreifender Konzentration die nationale Wettbewerbspolitik zunehmend hilflos wird. Und der mit der zunehmenden Ausbreitung von Konzernen auf alle Medienebenen einhergehende wachsende publizistische Einfluss dürfte auch den Medienpolitikern Unbehagen bereiten. Die damit verbundenen Probleme müssen wir an dieser Stelle nicht mehr neu diskutieren, die Ausführungen im Kap.€3 zur Wettbewerbspolitik passen auch im wesentlichen auf das Problem der Wettbewerbspolitik im Zeitalter grenzüberschreitender Medienkonzerne – allerdings könnten sich hier die Probleme noch etwas größer ausnehmen. Noch schwieriger wird die Frage, wie man die Konzentration im MultimediaZeitalter messen will: Die Zahl der Zuschauer und Zuhörer reicht hier nicht mehr
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Tab. 4.3↜渀 Stark umkämpft: Der Markt für Werbeträger in Deutschland. Nettowerbeeinnahmen erfassbarer Werbeträger in Millionen Euro. (Quelle: ZAW) Mediengruppe 2006 2007 2008 2009 Tageszeitungen 4.532 4.567 4.373 3.694 Wochen/Sonntagszeitungen 260 269 265 208 Anzeigenblätter 1.943 1.971 2.008 1.966 Publikumszeitschriften 1.855 1.822 1.693 1.404 Fachzeitschriften 956 1016 1.031 852 Verzeichnismedien 1.198 1.214 1.224 1.184 Werbung per Post 3.318 3.347 3.291 3.080 Fernsehen 4.114 4.155 4.035 3.639 Hörfunk 680 743 719 678 Online-Angebote 495 689 754 764 Außenwerbung 787 820 805 737 Filmtheater 117 106 76 71
aus, man muss eigentlich noch die Zahl der Internet-Zugriffe hinzuzählen. Muss man? Wer auf die Meinungsmacht abstellt, hat damit sicherlich Recht, doch wie sieht es bei der ökonomischen Konzentration aus? Das hängt davon ab, wie hoch die Kreuzpreiselastizität (vergleichen Sie bitte die Ausführungen in Box€1.15) zwischen dem Internet und den übrigen Medien ist. Je größer diese ist, umso stärker können Kunden auf andere Medien ausweichen, umso geringer sind die Wettbewerbsprobleme (Tabelle 4.3 zeigt Ihnen, wie umkämpft der Markt für Werbeträger in Deutschland ist.). Das stimmt allerdings nicht, wenn die Medienriesen ihre Marktmacht aus dem einen Medium (beispielsweise auf dem Wege der Überkreuzwerbung (cross-media-promotion), mit Hilfe des guten Namens oder mit Hilfe ihrer gut gefüllten Kasse auf die Märkte der anderen Medien übertragen kann. Sie sehen, es wird schwierig: Um Marktbeherrschung oder ausreichenden Wettbewerb zu definieren, muss man zuerst den relevanten Markt definieren, doch die Grenzen werden im Zeitalter des Internet noch schwammiger: Nationale Grenzen verschwimmen ebenso wie die Grenzen zwischen den Medien. Wahrscheinlich wird man zunehmend dazu übergehen müssen, den relevanten Markt in der Medienbranche nach Themen oder Formaten zu definieren; so macht es vermutlich mehr Sinn, beispielsweise von einem Markt für Wirtschaftsnachrichten zu sprechen oder einem Marktführer für Unterhaltungsformate. Vielleicht liegt ja auch eine Chance in der zunehmenden Internationalisierung der Medien: In dem Maße, in dem den Zuschauern auch Nachrichten und Informationen aus anderen Staaten zugänglich werden, steigen auch seine Auswahlmöglichkeiten. Der Wettbewerbsdruck auf die heimischen Sender und Medien könnte sich damit erhöhen, sei es auch nur deswegen, weil der Zuschauer sieht, was man im Ausland alles geboten bekommt. Allerdings hat dieses Argument einen kleinen Haken: Selbst im Zeitalter der Globalisierung wird es immer kulturelle und sprachliche Barrieren geben, die den heimischen Zuschauern die Nutzung ausländischer Sender erschweren werden.
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Box 4.26: Das Gold des 21. Jahrhunderts╇ …werden vielleicht Rechte an Inhalten sein: Man kann zwar viele Fernsehsender empfangen, aber was nützt das, wenn überall Einheitsbrei läuft? Also werden bei steigendem Angebot an Medien die Inhalte immer wichtiger – das dürfte die Position erfolgreicher Autoren stärken, wenn sich gleich mehrere Fernsehsender um sie reißen. Die ersten Grabenkämpfe um die Vergütung dieser Rechte werden bereits geführt: Nicht nur wird über Kulturflatrates diskutiert (Box€4.10), auch das deutsche Urhebervertragsrecht muss überarbeitet werden. Kernpunkt der Diskussion ist der Anspruch des Urhebers auf eine „angemessene Vergütung für eine Nutzung seines Werkes“, auf die er nicht verzichten kann, und die seit 2002 nun Gesetz ist. Im Klartext heißt das: Was der Verlag und der Autor vereinbart haben, zählt im Zweifelsfall nicht mehr, sondern die Verbände, Gewerkschaften und Verwertungsgesellschaften sollen mit den Nutzern aushandeln, was als angemessene Vergütung anzusehen ist. „Angemessen“ muss damit nicht mehr notwendigerweise das sein, was Autor und Verleger im Vertrag vereinbart haben, sondern das, was Verbandsvertreter und Gewerkschafter („Vereinigungen der Urheber und Vereinigungen der Werknutzer“) in freiwilligen Tarifverträgen vereinbaren oder notfalls – falls die Schlichtung nicht freiwillig akzeptiert wird – die Gerichte im Nachhinein als angemessen ansehen. Wenn der Autor also unzufrieden mit seiner Entlohnung ist, ruft er nach einem Nachschlag – sehr zum Ärger des Verlages. Die Befürworter dieser Regelung verweisen auf das strukturelle Ungleichgewicht zwischen dem Autor und dem Verlag, der in der stärkeren Position den Autor nach Gutsherrenart ausnutzen kann (erzählen Sie das mal dem Verleger von Stephen King); das Gesetz schütze sozusagen den armen Poeten. Für die Verlage ist das aber unangenehm: Sie tragen das Risiko der Produktion und eines möglichen Flops, geht es aber gut, dann müssen sie nachzahlen, womit sich praktisch die Produktionskosten erhöhen. Unter dem Strich wird es damit für den Verleger unattraktiver, neue, unbekannte Autoren ins Programm zu nehmen, weil sich das Chance-Risiko-Profil (neuer Bestseller oder Flop – höhere Kosten im Falle des Erfolges) deutlich verschlechtert hat. Das Risiko bleibt beim Verleger, im Falle des Erfolges profitiert der Autor, ohne dass er ein zusätzliches Risiko zu tragen hat. Möglicherweise führt diese Veränderung des Urheberrechts dazu, dass junge Autoren einer Chance beraubt werden (wenn sie erst mal erfolgreich sind, ändern sich die Verhandlungspositionen schlagartig, aber da muss man ja erst mal hinkommen). Kritiker einer solchen Regelung verweisen zudem auf den Bestsellerparagraphen des Urheberrechtsgesetzes, nach dem jeder Urheber eine Änderung des Vertrages verlangen kann, wenn die Erträge des Verwerters in ein zu grobes Missverhältnis zur Vergütung des Autors geraten.
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