Dennis Bösch Carl-Peter Criée Lungenfunktionsprüfung Durchführung – Interpretation – Befundung
Dennis Bösch Carl-Peter Criée
Lungenfunktionsprüfung Durchführung – Interpretation – Befundung 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage
Mit 87 Abbildungen und 19 Tabellen
123
Dr. med. Dennis Bösch Zentrum für Pneumologie Diakoniekrankenhaus Rotenburg (Wümme) Verdener Straße 200 27356 Rotenburg (Wümme)
[email protected]
Prof. Dr. med. Carl-Peter Criée Evangelisches Krankenhaus Göttingen-Weende e.V. Medizinische Klinik – Pneumologie Pappelweg 5 37120 Bovenden-Lenglern
ISBN 978-3-540-88038-7 Springer Medizin Verlag Heidelberg Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer Medizin Verlag springer.com © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2007, 2009 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Planung: Hinrich Küster, Heidelberg Projektmanagement: Gisela Zech, Heidelberg Copyediting: Gabriele Siese, Untergruppenbach Titelbild links: Ganshorn Medizin Electronic, Niederlauer Titelbild rechts: Tillmann, Atlas der Anatomie des Menschen, Springer 2004 Einbandgestaltung: deblik Berlin SPIN 12257553 Satz: TypoStudio Tobias Schaedla, Heidelberg Druck: Stürtz GmbH, Würzburg Gedruckt auf säurefreiem Papier
2126 – 5 4 3 2 1 0
V
Vorwort zur 2. Auflage Nach sehr erfreulicher Resonanz ist nach weniger als zwei Jahren die erste Neuauflage unseres Buches erforderlich geworden. Wir haben dies zum Anlass genommen, das positiv aufgenommene Konzept der praxisorientierten Darstellung in der vorliegenden Auflage weiter zu verfeinern. Überdies wurden einige Inhalte aktualisiert und der Umfang des Buches erweitert. An nunmehr 56 authentischen Fallbeispielen mit über 60 Originalbefunden wird nahezu das gesamte Spektrum der Lungenfunktionsprüfungen vom orientierenden Einstieg in die Methode über typische Befundmuster hin zu komplexeren und selteneren Befunden dargestellt. Durch seine klare Gliederung und die hervorgehobenen zusammenfassenden Vermerke kann das Buch sowohl als Kursus durch die Lungenfunktionsprüfung als auch als Kompendium genutzt werden. Wir hoffen, mit unserem Buch einen kleinen Beitrag zum stetig wachsenden Interesse an der Lungenfunktionsprüfung beisteuern zu können und dem Leser zu einer freudeerfüllten und sicheren Befundung im klinischen Alltag zu verhelfen.
Dr. med. Dennis Bösch Prof. Dr. med. Carl-Peter Criée
Bremen, Göttingen im Februar 2009
VII
Vorwort zur 1. Auflage Nicht zuletzt dem technischen Fortschritt mit immer kompakteren und bedienerfreundlicheren Geräten ist es zu verdanken, dass die Lungenfunktionsdiagnostik zunehmende Verbreitung findet. Zudem wecken ein stark anhaltender Wissenszuwachs und stetig steigende Zahlen an Patienten mit obstruktiven Lungenerkrankungen seit Jahren das Interesse an Lungenfunktionsstörungen und entsprechenden Untersuchungsmethoden. Bei zunehmender klinischer Bedeutung der Lungenfunktionsdiagnostik im klinischen Alltag gehören die verschiedenen Methoden der Lungenfunktionsprüfung in den Krankenhäusern und den internistischen, allgemeinmedizinischen und pädiatrischen Praxen heute zum Standard. Neben der weit verbreiteten Spirometrie sind dies die Bodyplethysmographie, Diffusionstestung, Mundverschlussdruckmessung, Blutgasanalyse und die erweiterten Untersuchungen mit Provokation und Bronchospasmolyse. Dieses Buch richtet sich an alle, die mit der Durchführung und Befundung von Lungenfunktionsprüfungen befasst sind. Dem Leser soll nach bewusst kurzer Einführung in die verschiedenen Methoden systematisch – anhand authentischer, klinischer Patientenfallbeispiele – die Befundung und Interpretation der Untersuchungsergebnisse unter Berücksichtigung der klinischen Umstände vermittelt werden. Hierzu wurden über 60 Untersuchungsergebnisse von Patienten, die mit Geräten verschiedener Hersteller und unterschiedlichen Modellen erhoben worden waren, ausgesucht und zusammengestellt. Wichtige Punkte und Hintergrundinformationen zu den jeweiligen Untersuchungen und Funktionsstörungen sind hervorgehoben und gesondert zusammengefasst. Dabei wurde mit großer Sorgfalt versucht, die Empfehlungen der deutschen und internationalen Fachgesellschaften zu berücksichtigen. Neben dem Anfänger wird auch der Fortgeschrittene wertvolle Informationen zur täglichen Praxis finden, da die Beispiele neben den klassischen Befundkonstellationen auch seltenere und kompliziertere Fälle aufzeigen. Abschließend bietet ein Kapitel die Möglichkeit, das erworbene Wissen und die erlernten Fertigkeiten anhand z. T. komplexerer Fallübungen zu kontrollieren. Dieses Buch soll zudem auch als Kompendium und Nachschlagewerk für die tägliche Praxis dienen. Wir wünschen Ihnen eine interessante und lehrreiche Lektüre sowie viel Erfolg und Freude bei der Befundung eigener Lungenfunktionsuntersuchungen.
Dr. med. Dennis Bösch Prof. Dr. med. Carl-Peter Criée
Bremen, Göttingen im Dezember 2006
IX
Inhaltsverzeichnis 1
Lungenfunktionsprüfung im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
2
Lungenfunktionsparameter . . . . . . . . . . . . 3
2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Statische und dynamische Volumina . . . . . . . Atemflussparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Resistance-Parameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diffusionsparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mundverschlussdruckparameter . . . . . . . . . . . Blutgasanalyseparameter . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
Diffusionstestung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
6.1 6.2
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
4 4 7 7 8 8 8
7
Mundverschlussdruckmessung . . . . . . .109
7.1 7.2
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
3
Spirometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
9
Blutgasanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .127
3.1 3.2 3.3 3.4
Einleitung und Messprinzip . . . . . . . . . . . . . . Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . Ventilationsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
Peakflow-Messung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .117
8.1 8.2
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
10 12 12 13
9.1 9.2
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
10
Die Variable Patient . . . . . . . . . . . . . . . . . .137
4
Bodyplethysmographie . . . . . . . . . . . . . . . 45
11
4.1 4.2 4.3
Einleitung und Messprinzip . . . . . . . . . . . . . . 46 Durchführung der Untersuchung . . . . . . . . . 48 Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
Interpretationsstrategie der Lungenfunktionsprüfung . . . . . . . . . . . . .141
12
Gemischter Übungsteil . . . . . . . . . . . . . . .143
5
Bronchospasmolysetestung und Provokationstestung . . . . . . . . . . . . . . 83
5.1 5.2 5.3 5.4
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bronchospasmolysetestung . . . . . . . . . . . . . . Provokationstestung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84 84 84 86
Praxisrelevante Literaturempfehlungen. . . . . . . . . . . . . . .165 Verzeichnis der Fallbeispiele . . . . . . . . . .167 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . .171
XI
Abkürzungsverzeichnis 6MWD art. ATS BE BGA COPD CT DGP DLCO ERV ERS FEF FEV1 FEV1% FRC FVC Hb HCO3 IC IRV ITGV IVC kap. KCO kg KL kPA l MEF
6-minute walking distance (6-MinutenGehtest) arteriell American Thoracic Society Base Excess (Basenüberschuss) Blutgasanalyse Chronic Obstructive Pulmonary Disease Computertomographie Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin Diffusionskapazität (Syn.: TLCO) exspiratorisches Reservevolumen European Respiratory Society forcierte exspiratorische Flussgeschwindigkeit Einsekundenkapazität relative Einsekundenkapazität funktionelle Residualkapazität forcierte Vitalkapazität Hämoglobin Bikarbonat inspiratorische Kapazität inspiratorisches Reservevolumen intrathorakales Gasvolumen inspiratorische Vitalkapazität kapillär Krogh-Index Kohlenmonoxid Kilogramm Körperlänge Kilopascal Liter maximale exspiratorische Flussgeschwindigkeit
O2 OHS OSAS P0,1 pCO2 PEF pH PIF PImax pO2 Reff Rocc Ros RAWex RAWtot RSD RV s SaO2 sReff sRAWtot TGV TLC TLCO VA VC VCex VCin VT
Sauerstoff adipositasassoziiertes Hypoventilationssyndrom obstruktives Schlafapnoesyndrom inspiratorischer Mundverschlussdruck bei 0,1 s Kohlendioxidpartialdruck exspiratorischer Peakflow pH-Wert inspiratorischer Peakflow maximaler inspiratorischer Mundverschlussdruck Sauerstoffpartialdruck effektiver Atemwegswiderstand okklusiver Atemwegswiderstand oszillatorischer Atemwegswiderstand exspiratorischer Teilwiderstand totaler Atemwegswiderstand residuale Standardabweichung Residualvolumen Sekunde Sauerstoffsättigung spezifischer effektiver Atemwegswiderstand spezifischer Atemwegswiderstand thorakales Gasvolumen totale Lungenkapazität Transferfaktor Kohlenmonoxid Alveolarvolumen Vitalkapazität exspiratorische Vitalkapazität inspiratorische Vitalkapazität Tidalvolumen
1
Lungenfunktionsprüfung im Überblick
2
1
Kapitel 1 · Lungenfunktionsprüfung im Überblick
Die Hauptaufgabe der Lungenfunktion ist die Atmung, also der Gasaustausch zwischen Körperzellen und Umgebung. Hierbei wird Sauerstoff (O2) für den Transport zu den Zellen aufgenommen und Kohlendioxid (CO2), nach Abgabe der Gewebe in die Blutbahn, über die Lunge ausgeatmet. Die Atmung (Ventilation) unterliegt hierbei komplexen Gesetzmäßigkeiten und Regelmechanismen, die ein sehr variables Anpassen der Funktion an verschiedenste Einflüsse und Anforderungen ermöglicht. Zudem kommt der Lunge eine wichtige Aufgabe in der Regulation des Säure-Basen-Haushaltes des Organismus zu. Im Blut gepufferte saure Valenzen können über das Abatmen des Säureanhydrids CO2 eliminiert werden. Die Lungenfunktionsdiagnostik ist ein sehr heterogenes Feld von unterschiedlichen Untersuchungen, mit denen die verschiedenen Anteile der Lungenfunktion im Einzelnen oder global als Summe dargestellt und überprüft werden können. Die Lungenfunktion besteht aus einem Zusammenspiel von Einzelfunktionen. Vereinfacht kann man folgende Bereiche unterscheiden: ▬ die Ventilation, ▬ die Perfusion, ▬ den Gasaustausch und ▬ die Atemmuskelfunktion mit ihrer zentralen Steuerung. Neben einer Störung dieser Einzelfunktionen mit den jeweiligen Unterformen können auch kombinierte Störungen auftreten oder Störungen, die
auf einem unphysiologischen Zusammenspiel der Einzelfunktionen basieren. Für die Lungenfunktionsdiagnostik stehen uns im Wesentlichen folgende Tests zur Verfügung: ▬ die Spirometrie, ▬ die Bodyplethysmographie, ▬ die Bronchospasmolyse-/Provokationstestung, ▬ die Diffusionstestung, ▬ die Mundverschlussdruckmessung und ▬ die Blutgasanalyse. Mit den einzelnen Methoden ist es möglich, verschiedene Atemvolumina, Flussgeschwindigkeiten, thorakale Druckverhältnisse, ggf. mit entsprechenden Veränderungen auf Medikamentengabe oder auch Exposition von Reizstoffen, sowie die Diffusionsverhältnisse und den Gasaustausch zu untersuchen. Die Indikation zur Durchführung einer Lungenfunktionsprüfung liegt meist in der Abklärung und Objektivierung einer Dyspnoe (also der subjektiven unangenehmen Wahrnehmung der Atmung) begründet. Die mit einer Lungenfunktionsstörung einhergehenden Erkrankungen können zudem in ihrem lungenfunktionellen Verlauf beobachtet und die Therapie überprüft und bewertet werden. Des Weiteren wird die Lungenfunktionsdiagnostik auch im Rahmen präventiver Screening-Untersuchungen oder auch zur Risikoabschätzung belastender Eingriffe durchgeführt. In den nachfolgenden Kapiteln werden die verschiedenen Methoden anhand unterschiedlicher Beispiele einfacher und komplexer Lungenfunktionsstörungen dargestellt und erläutert.
2
Lungenfunktionsparameter
2.1
Allgemeines – 4
2.2
Statische und dynamische Volumina – 4
2.3
Atemflussparameter – 7
2.4
Resistance-Parameter – 7
2.5
Diffusionsparameter – 8
2.6
Mundverschlussdruckparameter – 8
2.7
Blutgasanalyseparameter – 8
2
4
Kapitel 2 · Lungenfunktionsparameter
2.1
Allgemeines
Die genaue Kenntnis der Bedeutung der einzelnen Messwerte und ihrer Zusammenhänge ist eine Grundvoraussetzung für die Interpretation der Lungenfunktionsprüfung. Man unterscheidet die statischen Volumina, also die zeitunabhängigen einzelnen Teilvolumina der Totalkapazität (z. B. die Vitalkapazität), von den dynamischen Volumina, die in forcierten Atemmanövern in Bezug zur Zeit ermittelt werden (z. B. die Einsekundenkapazität). Des Weiteren können Atemstromstärken bzw. Atemflussparameter (z. B. der Peakflow), Munddruckverhältnisse, Diffusionsparameter und Blutgaswerte gemessen werden. Die einzelnen Parameter werden nachfolgend erläutert und in den ⊡ Abb. 2.1, 2.2 und 2.3 veranschaulicht. Die einzelnen Werte sind jeweils als Ist-Wert (also gemessener Wert) und meist als Soll-Wert (also Normal- oder Referenzwert) mit entsprechender prozentualer Abweichung des Messwertes vom Sollwert angegeben. Sollwerte beziehen sich auf eine bestimmte Kohorte gesunder Referenzpersonen. Gewisse Schwankungen zwischen den einzelnen Personen sind normal und ohne Krankheitswert. Der eigentliche Sollwert ist also vielmehr der Mittelwert innerhalb der zugrunde liegenden Kohorte. Das als normal zu bezeichnende Referenzintervall wurde definiert als Sollwert-Mittelwert ± 1,64 RSD (residuale Standardabweichung) und beinhaltet 90% der gemessenen gesunden Population. Die unteren und oberen 5% der normalen Population liegen definitionsgemäß außerhalb der 5. Perzentile-Grenze (lower bzw. upper limit of normal) und werden fälschlicherweise als falsch-positiv definiert.
2.2
VT
▼
IRV
Inspiratorisches Reservevolumen: das Volumen, das nach normaler Inspiration noch zusätzlich maximal eingeatmet werden kann.
IC
Inspiratorische Kapazität: das Volumen, das aus der Atemruhelage heraus noch maximal eingeatmet werden kann, also VT+IRV.
ERV
Exspiratorisches Reservevolumen: das Volumen, das nach normaler Exspiration noch zusätzlich maximal ausgeatmet werden kann.
VCin
Inspiratorische Vitalkapazität (IVC): das Volumen, das nach maximaler Exspiration maximal eingeatmet werden kann.
VCex
Exspiratorische Vitalkapazität (EVC): das Volumen, das nach maximaler Inspiration maximal ausgeatmet werden kann. Es kann zwischen einer langsamen (»relaxed«) Exspiration und einer forcierten Exspiration (FVC) unterschieden werden. Bei gesunden Probanden besteht keine systematische Differenz zwischen IVC und EVC; nur bei obstruktiven Lungenerkrankungen kann die IVC größer sein als EVC und FVC. EVC ist in der Regel größer als FVC.
FVC
Forcierte Vitalkapazität: das nach kompletter Inspiration unter stärkster Anstrengung schnellstmöglich ausgeatmete maximale Volumen (Tiffenau-Manöver).
FRC
Funktionelle Residualkapazität: das Volumen, das sich nach normaler Exspiration (endexspiratorisch) noch in der Lunge befindet, also ERV+RV. Bestimmung nur der ventilierten Anteile mittels Heliumdilutionsmethode. Entspricht physiologisch dem TGV.
TGV
(Intra-)Thorakales Gasvolumen (=ITGV): das Volumen, das sich nach normaler Exspiration (endexspiratorisch) noch in der Lunge befindet, also ERV+RV. Bestimmung mittels Bodyplethysmographie – neben den ventilierten Anteilen
Statische und dynamische Volumina Atemzugvolumen/Tidalvolumen: das pro (Ruhe-)Atemzug ein- bzw. ausgeatmete Volumen. Der Wendepunkt zwischen Aus- und Einatmung bezeichnet die Atemmittellage.
▼
2
5 2.2 · Statische und dynamische Volumina
werden auch die gasgefüllten Anteile erfasst. Entspricht physiologisch der FRC, die mittels Heliumdilution ermittelt wird, jedoch nur den ventilierten Anteil erfasst. Bei intrathorakalen Lufteinschlüssen (z. B. »trapped air« oder Emphysembullae) kann die TGV größer sein als die FRC. RV
Residualvolumen: das Volumen, das nach maximaler Exspiration noch in der Lunge verbleibt und nicht ausgeatmet werden kann.
TLC
Totale Lungenkapazität: das Volumen, das sich nach maximaler Inspiration in der Lunge befindet, also VC+RV.
▼
FEV1
Einsekundenkapazität (forciertes exspiratorisches Volumen in einer Sekunde): das nach maximaler Inspiration unter stärkster Anstrengung schnellstmöglich ausgeatmete Volumen der ersten Sekunde.
FEV1%
Relative Einsekundenkapazität: das nach maximaler Inspiration unter stärkster Anstrengung, schnellstmöglich ausgeatmete Volumen der ersten Sekunde im Verhältnis zur Vitalkapazität (FVC oder VCIN, s. oben). Ausgedrückt als Prozentanteil der FEV1 an der FVC bzw. VCIN.
Spirogramm Volumen
IRV TLC
IC
ERV FRC Zeit
⊡ Abb. 2.1. Übersicht der Volumina
RV
RV
© GANSHORN MEDIZIN ELECTRONIC
VC
VT
MEF 25
Fluss-Volumen-Kurve normale Kurve
© GANSHORN MEDIZIN ELECTRONIC
Volumen
PIF ⊡ Abb. 2.2. Übersicht der Atemflussparameter
Atemschleife
Fluss
Inspiration sRAW in sRAW tot PB Kabinendruck
sRAW ex Exspiration
⊡ Abb. 2.3. Atemschleife mit spezifischem Atemwegswiderstand
© GANSHORN MEDIZIN ELECTRONIC
2
PEF
Fluss
MEF 50
Kapitel 2 · Lungenfunktionsparameter
MEF 75
6
7 2.4 · Resistance-Parameter
2.3
Atemflussparameter
PEF
Peak Expiratory Flow: maximale exspiratorische Atemstromstärke bzw. Flussgeschwindigkeit, die bei forcierter Exspiration nach kompletter Inspiration erreicht werden kann.
PIF
Peak Inspiratory Flow: maximale inspiratorische Atemstromstärke bzw. Flussgeschwindigkeit, die bei forcierter Inspiration nach kompletter Exspiration erreicht werden kann.
MEF75
Maximale exspiratorische Atemstromstärke bzw. Flussgeschwindigkeit (Flow) zu dem Zeitpunkt, bei dem noch 75% der VC auszuatmen sind.
MEF50
Maximale exspiratorische Atemstromstärke bzw. Flussgeschwindigkeit (Flow) zu dem Zeitpunkt, bei dem noch 50% der VC auszuatmen sind.
MEF25
Maximale exspiratorische Atemstromstärke bzw. Flussgeschwindigkeit (Flow) zu dem Zeitpunkt, bei dem noch 25% der VC auszuatmen sind.
MEF 75–25 Maximale exspiratorische Atemstromstärke bzw. Flussgeschwindigkeit (Flow) im Volumenabschnitt 75–25% der noch auszuatmenden FVC. FEF25
Maximale (forcierte) exspiratorische Atemstromstärke bzw. Flussgeschwindigkeit (Flow) zu dem Zeitpunkt, bei dem 25% der VC ausgeatmet wurden (=MEF75).
FEF50
Maximale (forcierte) exspiratorische Atemstromstärke bzw. Flussgeschwindigkeit (Flow) zu dem Zeitpunkt, bei dem 50% der VC ausgeatmet wurden (=MEF50).
FEF75
Maximale (forcierte) exspiratorische Atemstromstärke bzw. Flussgeschwindigkeit (Flow) zu dem Zeitpunkt, bei dem 75% der VC ausgeatmet wurden (=MEF25).
FEF25–75
Maximale exspiratorische Atemstromstärke bzw. Flussgeschwindigkeit (Flow) im Volumenabschnitt 25–75% der ausgeatmeten FVC (=MEF75–25).
2
MEF und FEF unterscheiden sich lediglich hinsichtlich ihrer Nomenklatur voneinander. Während sich die MEF jeweils auf das noch auszuatmende Volumen (des Tiffeneau-Manövers bzw. FVC) bezieht, ist es bei der FEF das bereits ausgeatmete Volumen (angegeben als Prozent der FVC). MEF wird vornehmlich im europäischen Raum angewandt, während FEF überwiegend im angloamerikanischen Raum Anwendung findet. Bei Bewertung des forcierten Exspirationsmanövers ( Tiffenau-Manöver) sind 2 Phänomene zu berücksichtigen: ▬ Es besteht eine deutliche Atemabhängigkeit (»effort dependence«) der exspiratorischen Atemflüsse. Dies gilt insbesondere für die 1. Hälfte der ausgeatmeten Vitalkapazität. Bei unzureichender Mitarbeit des Patienten sind die Atemflüsse entsprechend niedriger. Andererseits sind die maximalen (forcierten) Atemflüsse bei maximaler Anstrengung, bedingt durch die Kompression der Atemwege, häufig etwas geringer als bei submaximaler Anstrengung. Bei schlechter Reproduzierbarkeit einer submaximalen Anstrengung ist jedoch stets ein maximal forciertes Manöver zu fordern. ▬ Das 2. Phänomen ist die Zeitabhängigkeit (»time dependence«). Bei langsamer Inspiration (bis zum TLC-Niveau) mit zusätzlicher Pause (>1 s) vor der forcierten Exspiration sind die Atemflüsse bis zu 25% geringer als bei schneller Inspiration ohne Pause vor der forcierten Exspiration. Ursächlich hierfür sind unterschiedliche viskoelastische Eigenschaften der Lunge und eine unterschiedlich gute Aktivierung der Exspirationsmuskulatur abhängig vom zeitlichen Verlauf.
2.4
Resistance-Parameter
Über die Atemschleife lässt sich der sog. spezifische Atemwegswiderstand (sRAW) ermitteln. Durch zusätzliche Messung des thorakalen Gasvolumens (TGV) im Verschlussmanöver lässt sich dann im Weiteren der eigentliche Atemwegswiderstand (RAW) errechnen. Die Ermittlung des effektiven spezifischen Atemwegswiderstandes (sReff ) erfolgt über das
8
2
Kapitel 2 · Lungenfunktionsparameter
Verhältnis von der Fläche der Atemschleife zur Fläche der Fluss-Volumen-Kurve. Der effektive Atemwegswiderstand (Reff ) wird analog zu RAW in einem zweiten Schritt im Wesentlichen über Berücksichtigung des TGV bestimmt. Bei etwas geringerer Sensitivität von Reff bzgl. vornehmlich peripherer funktioneller Veränderungen ist Reff weniger anfällig gegenüber Störeinflüssen bzw. intra- und interindividuellen Variabilitäten im Vergleich zu RAW. RAWtot
Totaler Atemwegswiderstand (Resistance) bzw. Strömungswiderstand. Berechnung: RAW = sRAW/TGV.
sRAWtot
Spezifischer totaler Atemwegswiderstand. Gerade zwischen maximalem in- und exspiratorischem Druckpunkt der Atemschleife
sReff
Spezifischer effektiver Atemwegswiderstand. Ermittelt über die Fläche von Atemschleife und FlussVolumen-Kurve.
Reff
Effektiver Atemwegswiderstand. Berechnung: sReff / (TGV+VT/2).
2.6
Mundverschlussdruckparameter
P0,1
Inspiratorischer Mundverschlussdruck 0,1 s nach Beginn der Inspiration, bei Ruheatmung.
PImax
Maximaler inspiratorischer Mundverschlussdruck bei forcierter Inspiration nach vorheriger kompletter Exspiration bis zum Residualvolumen.
P0,1/PImax
Mundverschlussdruck P 0,1, bezogen auf den maximalen statischen Inspirationsdruck.
P0,1/MV
Mundverschlussdruck P 0,1, bezogen auf das Atemminutenvolumen.
P0,1/(VT/ti)
Mundverschlussdruck P 0,1, bezogen auf die mittlere Inspirationsgeschwindigkeit bei Ruheatmung.
2.7
Blutgasanalyseparameter
pH
pH-Wert: aktueller Gehalt an freien Protonen (H+-Ionenkonzentration).
pO2
Sauerstoffpartialdruck: Teildruck des Sauerstoffs am Gesamtgasgemisch.
Funktionelle Residualkapazität (mittels Heliumdilution); s. FRC, TGV.
pCO2
Kohlendioxidpartialdruck: Teildruck des Kohlendioxids am Gesamtgasgemisch.
RV-He
Residualvolumen (mittels Heliumdilution); s. RV.
HCO3
TLCO
Transferfaktor: Gasmenge an Kohlenmonoxid (CO), die vom Alveolarraum ins Blut (Hämoglobin) aufgenommen wurde. Synonym auch DLCO (Diffusionskapazität).
Bikarbonat: Konzentration an Bikarbonat bzw. Standardbikarbonat (berechnet für normoventilatorische Verhältnisse).
BE
Basenüberschuss (»base excess«): Abweichung der Pufferbasen.
SaO2
Sauerstoffsättigung: Hämoglobinanteil, der mit Sauersoff gesättigt (oxygeniert) ist.
Hb
Hämoglobin.
2.5
Diffusionsparameter
FRC-He
KCO
VA
Krogh-Index oder Transferkoeffizient (TLCO/VA): Transferfaktor bezogen auf das Alveolarvolumen (VA). Alveolarvolumen: VA+Totraumvolumen entspricht weitestgehend der TLC.
3
Spirometrie
3.1
Einleitung und Messprinzip – 10
3.2
Durchführung der Untersuchung – 12
3.3
Ventilationsstörungen – 12
3.4
Fallbeispiele – 13
3
10
Kapitel 3 · Spirometrie
3.1
Einleitung und Messprinzip
Die Spirometrie besitzt einen hohen Stellenwert in der differenzialdiagnostischen Untersuchung und Bewertung respiratorischer Symptome. Darüber hinaus kommt einigen Messwerten eine hohe Bedeutung als prognostischer Faktor von Atemwegserkrankungen zu. Mit relativ geringem apparativen und zeitlichen Aufwand ist sie einfach durchführbar und ermöglicht die Ermittlung grundlegender Atemvolumina sowie in- und exspiratorischer Atemflussverhältnisse. Sie ist deshalb hervorragend als Screening-Untersuchung geeignet. Die ⊡ Abb. 3.1 zeigt ein Modell eines einfachen Spirometers. Der besondere Wert der Spirometrie liegt in der Diagnostik obstruktiver Ventilationsstörungen und der Möglichkeit, die therapeutische Beeinflussbarkeit dieser sehr häufigen Ventilationsstörung zu objektivieren. Es sei darauf hingewiesen, dass andere Störungen der Lungenfunktion mit der Spirometrie nicht oder nur eingeschränkt darstellbar sind. Patienten mit schwerster Ateminsuffizienz können so unter Umständen ein normales Untersuchungsergebnis in der Spirometrie aufweisen.
Unter Spirometrie versteht man die Messung von Lungenvolumina am Mund. Erste Untersuchungen von Atemvolumina gehen bis auf das Jahr 1681 zurück (G.A. Borelli). Nach einer stetigen Weiterentwicklung hat A. Fleisch um 1925 mit der Pneumotachographie die Glockenspirometrie, den Keilbalg etc. abgelöst und ein neues Zeitalter der Lungenfunktionsprüfung eingeleitet. Ein Pneumotachograph arbeitet mittels eines bekannten Widerstandes, der in die Atemströmung der zu untersuchenden Person geschaltet ist. Der Widerstand bewirkt einen atemflussabhängigen Druckabfall. Diese Druckdifferenz wird in elektrische Spannung umgewandelt und verhält sich proportional zur Atemströmung (⊡ Abb. 3.2). Durch Integration dieser Spannung über die Zeit kann dann zusätzlich das Volumen bestimmt werden. Neuere Pneumotachographen messen die Strömung mittels eines schräg in die Atemluft einfallenden Ultraschallmessstrahls (⊡ Abb. 3.3). Bei der Spirometrie per Ultraschall basiert die Flussmessung auf der Beeinflussung des Ultraschallsignals durch den Atemfluss. Zwei diagonal gegenüberliegende Schallwandler senden und emp-
⊡ Abb. 3.1. Spirometer mit Mundstück und Filter sowie Verbindungskabel zum PC
3
11 3.1 · Einleitung und Messprinzip
Pneumotachograph
© GANSHORN MEDIZIN ELECTRONIC
Strömungswiderstand
Druckwandler
⊡ Abb. 3.2. Druckdifferenzmessung des Pneumotachographen
Ultraschall-Flussaufnehmer Ultraschallwandler 2
Ultraschallwandler 1 ⊡ Abb. 3.3. Ultraschall-Flussaufnehmer
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Fluss
12
Kapitel 3 · Spirometrie
3 ⊡ Abb. 3.4. Tischspirometer
fangen abwechselnd Ultraschallwellen. Ein Fluss im Atemrohr beschleunigt bzw. bremst nun die Schallwellen in der einen oder anderen Richtung. Die Größe der Differenz der Schall-Laufzeiten korreliert hierbei mit der Flussgeschwindigkeit. Neuere Entwicklungen haben es ermöglicht, nun auch kleine Tischspirometer mit der Ultraschalltechnik anzubieten (⊡ Abb. 3.4). Bei dem gezeigten Modell ist es überdies möglich, die Gasdichte und somit über die Zeit die Konzentrationsänderung z.B. von Kohlendioxid zu ermitteln. Diese ist hierbei synchron zum Atemvolumen und ermöglicht somit die sog. Kapno-Volumetrie. Bei der Spirometrie wird die Volumenänderung typischerweise gegen die Zeit, die Flussgeschwindigkeit (Flow) gegen das Volumen in entsprechenden Kurven graphisch dargestellt (⊡ Abb. 2.1, ⊡ Abb. 2.2).
3.2
Durchführung der Untersuchung
Für die Durchführung einer erfolgreichen und aussagekräftigen Untersuchung sollten einige Dinge beachtet werden: ▬ Der Patient sollte beengende Kleidungsstücke ablegen. ▬ Die Messung wird generell im Sitzen durchgeführt, da sich sämtliche Referenzwerte auf eine sitzende Position beziehen. ▬ Die Nase wird mit einer Nasenklemme verschlossen. ▬ Der Patient nimmt das Mundstück zwischen die Zähne, die Zunge liegt dabei unter dem Mundstück.
▬ Nach kurzer Eingewöhnungszeit, in der sich der Patient unter Ruheatmung an das Gerät adaptiert, werden 3–4, jedoch mindestens 2 Tiffeneau-Manöver durchgeführt. Zwischen den einzelnen Manövern soll der Patient 2- bis 3-mal spontan atmen. ▬ Das Manöver beginnt, indem der Patient aufgefordert wird, langsam pressend maximal auszuatmen. Danach folgt eine zügige und vollständige Inspiration zur Bestimmung der inspiratorischen VC. Nach möglichst geringer Pause (unter 1 s) schließt sich eine forcierte maximale Exspiration an, bis ein deutliches Plateau im zeitlichen Volumenverlauf sichtbar wird. ▬ Wichtig ist neben der maximalen Anstrengung des forcierten Exspirationsmanövers das Erreichen der maximalen Volumengrenzwerte, d. h. RV-, dann TLC- und wieder RV-Niveau.
3.3
Ventilationsstörungen
Mittels Spirometrie lässt sich eine Ventilationsstörung nachweisen und meist auch grob differenzieren. Ventilationsstörungen werden vereinfacht in obstruktive und restriktive Störungen eingeteilt. Eine obstruktive Ventilationsstörung ist durch eine Abnahme der maximalen Atemstromstärken (kurz: Fluss) charakterisiert und lässt sich mittels Spirometrie sehr gut ermitteln. Restriktive Ventilationsstörungen sind durch eine Behinderung der Lungenausdehnung charakterisiert. Hierbei sind die Atemvolumina (TLC und VC) entsprechend vermindert. Der Fluss ist dabei – in Relation zu den eingeschränkten Volumina – nicht relevant beeinträchtigt. Definiert ist die Restriktion über eine TLC-Verminderung, weshalb sie mittels einfacher Spirometrie nur vermutet, aber nicht eindeutig diagnostiziert werden kann. Gemischte Ventilationsstörungen mit Anteilen obstruktiver und restriktiver Ventilationsstörungen lassen sich mittels einfacher Spirometrie somit ebenfalls nicht ausreichend differenzieren und bedürfen weiterer Untersuchungen. Die ⊡ Abb. 3.5 und ⊡ Abb. 3.6 verdeutlichen das Prinzip der Darstellung obstruktiver und restriktiver Ventilationsstörungen in der Fluss-VolumenKurve.
3
13 3.4 · Fallbeispiele
Fluss
Fluss-Volumen-Kurve normale Kurve
Volumen
© GANSHORN MEDIZIN ELECTRONIC
Obstruktion
⊡ Abb. 3.5. Obstruktive Ventilationsstörung
Fluss
Fluss-Volumen-Kurve normale Kurve
Volumen
© GANSHORN MEDIZIN ELECTRONIC
Restriktion
⊡ Abb. 3.6. Restriktive Ventilationsstörung
3.4
Fallbeispiele
Die folgenden 13 Fallbeispiele sind ungeschönt aus der täglichen Praxis entnommen und führen systematisch durch die Interpretation von
Spirometrie-Untersuchungsergebnissen und die Befundung von Ventilationsstörungen. Ergänzt werden die Beispiele durch wichtige Hinweise für die tägliche Praxis und wertvolle Hintergrundinformationen.
14
Kapitel 3 · Spirometrie
Fallbeispiel 1 65 Jahre, männlich, 175 cm, 78 kg Das erste Beispiel zeigt die Spirometrie eines 65-jährigen Mannes mit seit Monaten zunehmender Belastungsdyspnoe.
3
Links oben kann der gesamte Untersuchungsgang in der Volumen-Zeit-Graphik nachvollzogen werden. Drei Zyklen einer Ruheatmung folgen hier 3 Tiffeneau-Manöver und erneut 2 Zyklen einer Ruheatmung. Das erste und hier beste Manöver wird rechts oben in der Fluss-Volumen- und Volumen-Zeit-Graphik dargestellt. Die 4 Punkte (in der Volumen-Zeit-Kurve) markieren die Messmarken der Vitalkapazität und des Tidalvolumens. In der zweiten Reihe finden Sie die Fluss-Volumen-Kurven
der einzelnen Tiffeneau-Manöver zum direkten Vergleich übereinander dargestellt. Schon bei Betrachtung der Fluss-Volumen-Kurve (mit dem zusätzlich hinterlegten Sollwertverlauf) kann hier eine relevante Ventilationsstörung ausgeschlossen werden. Der Eindruck eines Normalbefundes lässt sich durch Betrachtung der einzelnen Messparameter bestätigen. Die im Normbereich liegende relative Einsekundenkapazität ist – bei ebenfalls normaler VC – wegweisend für den Normalbefund.
⊡ Abb. 3.7. Spirometrie Fallbeispiel 1
Zusammenfassend bedeutet das: Aktuell lässt sich bei dem Patienten keine Ventilationsstörung nachweisen. Zur Durchführung der Untersuchung sei angemerkt, dass zwischen den einzelnen Tiffeneau-Manövern korrekterweise 2–3 Ruheatemzüge hätten durchgeführt werden sollen. Bei guter
Mitarbeit und guter Lungenfunktion des Patienten bleibt dies im vorliegenden Fall jedoch ohne Relevanz. Als Ursache für die Beschwerden des Patienten wurde im Weiteren eine isolierte Herzinsuffizienz diagnostiziert.
15 3.4 · Fallbeispiele
! Sind die relative Einsekundenkapazität (FEV1 %) und die VC im Normbereich, liegt keine relevante Ventilationsstörung vor. Es handelt sich jedoch immer nur um eine
Momentaufnahme der Ventilationsfunktion. Beim Asthma bronchiale bzw. hyperreagiblen Bronchialsystem besteht typischerweise eine starke Variabilität der Ventilationsfunktion mit zwischenzeitlichen Normalbefunden. Ferner ist ein Normalbefund nicht mit dem generellen
Ausschluss einer pulmonalen Erkrankung zu verwechseln, da durch die Spirometrie nur ein Teil der Lungenfunktion untersucht wird.
3
Typische Indikationen einer Spirometrie sind: ▬ Abklärung unspezifischer Symptome wie Dyspnoe, Husten, in-/exspiratorische Atemgeräusche, Zyanose etc. ▬ Tabakkonsum ▬ Verdacht auf Erkrankungen von Atemwegen, Lunge, Herz, knöchernem Thorax, Skelettmuskulatur ▬ Verdacht auf Erkrankungen der Atempumpe (Atemzentrum, zugehörige Nerven und Muskeln) ▬ Verlaufs-/Therapiekontrolle bronchopulmonaler Erkrankungen ▬ Präoperative Diagnostik ▬ Arbeitsmedizinische Kontrolle ▬ Allgemeine gesundheitliche Vorsorge Als Kontraindikation gelten: ▬ Frischer Myokardinfarkt. Es wird empfohlen, auf eine Spirometrie mit forcierten Atemmanövern während der ersten 4 Wochen zu verzichten. ▬ Spannungspneumothorax ▬ Akute innere Blutungen
16
Kapitel 3 · Spirometrie
Fallbeispiel 2 64 Jahre, männlich, 183 cm, 89 kg Im nachfolgenden Beispiel ist der Befund eines asymptomatischen Patienten dargestellt, der wegen eines Kolonkarzinoms operiert werden soll.
3
⊡ Abb. 3.8. Spirometrie Fallbeispiel 2
+ Zeigt das Beispiel einen normalen Befund? Es sei angemerkt, dass aufgrund eines Anwendungsfehlers des Untersuchers leider nicht die kompletten Untersuchungsergebnisse ausgedruckt wurden.
17 3.4 · Fallbeispiele
Interpretation der Untersuchung Beim ersten Blick auf den Kurvenverlauf und die Werte hat man den Eindruck einer deutlichen Ventilationsstörung. Tatsächlich handelt es sich jedoch lediglich um eine deutlich eingeschränkte Mitarbeit oder auch unzureichende Anleitung durch den durchführenden Untersucher. Die Untersuchung wurde wiederholt. Der folgende Befund (⊡ Abb. 3.9) zeigt den gleichen Patienten noch am selben Nachmittag. Erfreulicherweise konnte bei dem Patienten, wie klinisch auch erwartet, doch noch ein Normalbefund erhoben werden.
⊡ Abb. 3.9. Zweite Spirometrie Fallbeispiel 2
! Mit der Anleitung bzw. Führung durch die Untersuchung und der letztendlichen Mitarbeit steht und fällt das Ergebnis der Lungenfunktionsprüfungen. Nur bei einer guten Mitarbeit sind die Ergebnisse uneingeschränkt zu bewerten. Da der Befunder die Messung meist nicht selbst durchführt oder der Messung beiwohnt, ist es unerlässlich, die Mitarbeit mit den Ergebnissen, z. B. in Form einer vereinbarten Kodierung, zu dokumentieren.
3
18
Kapitel 3 · Spirometrie
3
Wie erkenne ich die Qualität der Mitarbeit? Neben dem subjektiven Eindruck bzgl. des Verständnisses, der Bemühungen und letztlich der Ausführung gibt es einige objektive Hinweise für eine gute bzw. weniger gute Mitarbeit. ▬ Bei Durchführung des Tiffeneau-Manövers sollte in der Volumen-Zeit-Kurve am Ende der maximalen Inspiration eine kurze und am Ende der maximalen Exspiration eine deutliche Plateauphase erkennbar bzw. angedeutet sein. ▬ Die Fluss-Volumen-Kurve sollte geschlossen sein. ▬ Am Beginn der Exspiration sollte (bis auf ganz wenige Ausnahmen) ein Peakflow erkennbar sein (Peak=Spitze). Bei steilem Anstieg sollte dieser innerhalb von 120 ms erreicht werden. ▬ Mindestens 2 erzielte Fluss-Volumen-Kurven sollten annähernd deckungsgleich verlaufen.
Die Differenz der FEV1 und der FVC darf nicht mehr als 5%, die des PEF nicht mehr als 10% betragen. ▬ Bei einer FVC von <1 l darf die Differenz nicht mehr als 100 ml betragen. ▬ Die Kurven sollten möglichst frei von Hustenartefakten oder ähnlichen Störeinflüssen sein.
Das Fallbeispiel hat die Mitarbeitsabhängigkeit eindrucksvoll gezeigt. Grundvoraussetzungen für eine gute Patientenmitarbeit sind eine gute Schulung der die Messung durchführenden Person und die korrekte, patientengerechte Anleitung bzw. Führung durch die Untersuchung. Hierbei muss vom Patienten stets die maximale Leistung gefordert werden. Für weitere Hinweise zur korrekten Durchführung der Untersuchung s. auch Kap. 3.2
19 3.4 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 3 62 Jahre, männlich, 176 cm, 75 kg Das dritte Beispiel zeigt eine bizarre, durch exspiratorische Unregelmäßigkeiten gezeichnete FlussVolumen-Kurve eines Patienten, der im Rahmen einer präoperativen Routine untersucht wurde.
+ Wie erklären sich die Auffälligkeiten?
⊡ Abb. 3.10. Spirometrie Fallbeispiel 3
3
20
Kapitel 3 · Spirometrie
Interpretation der Untersuchung
3
Die Veränderungen sind durch Hustenartefakte bedingt. Nach Trinken eines Schluckes Wasser zeigt die Wiederholung einen störungsfreien Kurvenverlauf mit entsprechendem Normalbefund (⊡ Abb. 3.11). ! Hustenstöße oder Hustenreiz während der Messmanöver können die Durchführung und die Ergebnisse der Messung erheblich beeinflussen. Es sollte eine Wiederholung nach beruhigendem Einfluss oder auch nach Trinken eines Schluckes Wasser durchgeführt werden. Hustenreiz kann auch ein Hinweis auf ein hyperreagibles Bronchialsystem z. B. im Rahmen eines Asthma bronchiale sein.
⊡ Abb. 3.11. Zweite Spirometrie Fallbeispiel 3
Folgende Zustände bzw. gesundheitliche Gegebenheiten führen häufig zu einem suboptimalen Ergebnis der Untersuchung: ▬ Starker Hustenreiz ▬ Schmerzzustände in Thorax oder Abdomen ▬ Schmerzen im Bereich von Mund oder Gesicht, die durch das Mundstück verstärkt werden ▬ Demenz oder Verwirrtheit ▬ Schwerhörigkeit/sprachliche Verständigungsschwierigkeiten ▬ Stressinkontinenz
21 3.4 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 4 70 Jahre, weiblich, 138 cm, 80 kg Nachfolgend ist der Befund einer Patientin mit langjährig bekannter obstruktiver Lungenerkrankung dargestellt. Die Untersuchung wurde unter der laufenden Therapie durchgeführt.
⊡ Abb. 3.12. Spirometrie Fallbeispiel 4
+ Schauen Sie sich die Kurven und die dazugehörigen Werte an und versuchen Sie, die Untersuchungsergebnisse zu interpretieren.
3
22
Kapitel 3 · Spirometrie
Interpretation der Untersuchung
3
Die Kurvenverläufe sprechen für eine gute Mitarbeit der Patientin. Der exspiratorische Teil der Fluss-Volumen Kurve ist konkav gekrümmt. Die Atemflussparameter (PEF, FEV1, MEF75 50 25) sind zum Ende der Exspiration hin zunehmend eingeschränkt. Bei normaler VC und leicht eingeschränkter Einsekundenkapazität (folglich auch relativen Einsekundenkapazität) kann zusammenfassend der Befund einer leichtgradigen obstruktiven Ventilationsstörung (bei vorbekannter, nicht näher bezeichneter obstruktiven Lungenerkrankung) gestellt werden. ! Eine obstruktive Ventilationsstörung ist durch eine Verminderung der altersabhängigen relativen Einsekundenkapazität (FEV1/VCin) auf Werte unterhalb der 5. Perzentile definiert. Hierbei ist die Abnahme der maximalen exspiratorischen Atemstromstärken (MEF bzw. FEF) charakteristisch und für das typische Bild der Fluss-Volumen-Kurve bestimmend. Die Regressionsgleichungen der Referenzwerte mit Errechnung der 5. Perzentile sind in ⊡ Tab. 3.1 dargestellt.
In unserem Beispiel ergibt sich ein unterer Grenzwert für FEV1/VCin von 65% (75,8–10,7). Mit
63% liegt die Patientin somit unter der 5. Perzentile. Der spirometrische Schweregrad der Obstruktion wird über die Einschränkung der FEV1 bestimmt. Hierbei ist zu beachten, ob die Werte prä- oder postdilatatorisch ermittelt wurden. Die klinischen Schweregrade bestimmter obstruktiver Ventilationsstörungen (Asthma bronchiale, COPD) müssen nicht mit dem spirometrischen Schwe⊡ Tab. 3.2) übereinstimmen. regrad der Obstruktion (⊡ ⊡ Tab. 3.2. Spirometrischer Schweregrad der Obstruktion Schweregrad
FEV1 (in % vom Soll)
I leicht
≥70
II mäßig
60–69
III mittelschwer
50–59
IV schwer
35–49
V sehr schwer
<35
⊡ Tab. 3.1. Regressionsgleichungen (EKGS-Werte) für Lungenvolumina und exspiratorische Atemstromstärken für Erwachsene im Alter von 18–70 Jahren Geschlecht
Parameter
Einheit
Mittelwert-Gleichung
1,64×RSD
Männer
VCin
l
(6,10×KL)–(0,028×A)–4,65
±0,92
FVC
l
(5,76×KL)–(0,026×A)–4,34
±1,00
FEV1
l
(4,30×KL)–(0,029×A)–2,49
±0,84
PEF
l/s
(6,14×KL)–(0,043×A)+0,15
±1,99
MEF50
l/s
(3,79×KL)–(0,031×A)–0,35
±2,17
–0,18×A+87,21
±11,8
FEV1/VC(%) Frauen
VCin
l
(4,66×KL)–(0,024×A)–3,28
±0,69
FVC
l
(4,43×KL)–(0,026×A)–2,89
±0,71
FEV1
l
(3,95×KL)–(0,025×A)–2,60
±0,62
PEF
l/s
(5,50×KL)–(0,030×A)–1,11
±1,48
MEF50
l/s
(2,45×KL)–(0,025×A)+1,16
±1,81
–0,19×A+89,10
±10,7
FEV1/VC(%)
KL Körperlänge in Metern, A Alter in Jahren. Zwischen 18 und 25 Jahren wird in der Gleichung das Alter 25 eingesetzt. Die 5. Perzentile errechnet sich durch die Subtraktion von 1,64×RSD (residuale Standardabweichung) vom errechneten Mittelwert.
23 3.4 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 5 73 Jahre, männlich, 178 cm, 95 kg Der Patient des fünften Beispiels war mit progredientem chronischem Husten und anamnestisch langjährigem Nikotinabusus vorstellig.
+ Wie ist das nachfolgende Untersuchungsergebnis zu bewerten?
⊡ Abb. 3.13. Spirometrie Fallbeispiel 5
3
24
Kapitel 3 · Spirometrie
Interpretation der Untersuchung
3
Die Qualität, zumindest bzgl. der Deckungsgleichheit der Fluss-Volumen-Kurven, ist eingeschränkt. Da der exspiratorische Anteil (der Kurven) jedoch kongruent verläuft, sind folgende Aussagen möglich: Der endexspiratorische Teil der Fluss-VolumenKurve ist konkav gekrümmt. Die Atemflussparameter MEF50 und MEF25 zeigen entsprechende Einschränkungen, während die absolute und relative Einsekundenkapazität – bei noch normaler VC – keine relevanten Verminderungen zeigen. Zusammenfassend spricht der Befund für eine leichte periphere Obstruktion im Sinne eines »small airways disease« (z. B. als möglicher Hinweis auf eine beginnende COPD). ! Eine COPD beginnt meistens als leichte Obstruktion der peripheren Bronchialabschnitte, dem sog. »small airways disease«, erkennbar am Abfall der MEF25 und MEF50 als früher Indikator. Diese Abschnitte sind zudem weniger mitarbeitsabhängig als die frühexspiratorischen Anteile (insbesondere PEF und MEF75).
Ein gewisses Maß an endexspiratorischer Flussminderung wird mit zunehmend höherem Lebensalter (ab ca. 60 Jahren) jedoch als normal bewertet und hat keine krankheitsspezifische Relevanz.
Die Differenzialdiagnose der Obstruktion umfasst viele Krankheiten: ▬ Asthma bronchiale ▬ COPD (chronisch obstruktive Bronchitis, obstruktives Lungenemphysem) ▬ Obstruktive Bronchiolitis ▬ Bronchiektasien ▬ Zystische Fibrose (Mukoviszidose) ▬ Silikose ▬ Intra-/extrathorakale Atemwegsstenosen (Tumoren, Stimmbandparese, Larynxödem) ▬ Lungenparenchymerkrankungen mit Obstruktion (z. B. Sarkoidose)
25 3.4 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 6 58 Jahre, männlich, 176 cm, 83 kg Das folgende Beispiel zeigt die Spirometrie eines 58-jährigen Patienten, der bei vorliegendem Pankreaskarzinom präoperativ im Rahmen einer Risikoabschätzung untersucht werden sollte und bei dem bislang keine Ventilationsstörung bekannt war.
⊡ Abb. 3.14. Spirometrie Fallbeispiel 6
+ Ergeben sich durch den Befund Hinweise auf ein erhöhtes perioperatives Risiko?
3
26
Kapitel 3 · Spirometrie
Interpretation der Untersuchung
Fluss
! Eine unauffällige Spirometrie schließt eine aktuelle Ventilationsstörung aus. Von der Norm abweichende Kurvenverläufe bzw. veränderte Messwerte sind jedoch nicht zwangsläufig mit dem Vorliegen einer Ventilationsstörung gleichzusetzen. Die Mitarbeit muss diesbezgülich stets berücksichtigt werden.
Die bestmögliche Mitarbeit ist von entscheidender Bedeutung!
Der sichere Ausschluss einer obstruktionsbedingten Flussveränderung ist nur durch den Vergleich der Kurven mehrerer Manöver möglich. Deckungsgleich veränderte Kurven sprechen für eine Störung und unterschiedliche Kurvenverläufe eher für eine mitarbeitsbedingte Veränderung. Bei der Untersuchung werden daher immer so viele Manöver gefordert, dass mindestens 2 Kurven nahezu kongruent verlaufen. In unserem Beispiel ist aus technischen Gründen nur eine Kurve dargestellt. Bei Unkenntnis der anderen Kurven müsste die Untersuchung wiederholt oder eine weitergehende Abklärung (HNO-Konsil o. Ä.) eingeleitet werden.
Fluss-Volumen-Kurve normale Kurve variable intrathorakale Stenose
Volumen
⊡ Abb. 3.15. Variable intrathorakale Stenose
© GANSHORN MEDIZIN ELECTRONIC
3
Bei unauffälliger Exspiration fällt eine abgeflachte, plateauförmige Inspirationskurve mit einem PIF von ca. 3 l/s auf. (Vergleichen Sie hierzu den bauchigen Inspirationsteil aus Fall 1). Erklärt ist dieser Befund durch eine langsame, nicht forciert durchgeführte Inspiration, also letztlich die Mitarbeit. Um Missverständnisse zu vermeiden, sollte deshalb bei entsprechender Kurvenveränderung immer zusätzlich noch eine forcierte Inspiration gefordert werden. Differenzialdiagnostisch könnte es sich nämlich auch um eine variable extrathorakale Stenose mit inspiratorischer Flusslimitierung handeln (⊡ ⊡ Abb. 3.15). Die anderen Manöver (hier nicht abgebildet) wiesen jedoch einen normalen inspiratorischen Flussverlauf auf. Die VC und das FEV1 (sowie die übrigen Werte) liegen im Normbereich. Eine relevante Ventilationsstörung ist somit ausgeschlossen. Zusammenfassend handelt es sich um einen Normalbefund bei leicht eingeschränkter Mitarbeit. Aus Sicht der Ventilationsfunktion besteht somit kein erhöhtes Risiko bzgl. der geplanten Operation bzw. der Vollnarkose oder möglicher postoperativer Komplikationen.
3
27 3.4 · Fallbeispiele
Unterscheidung variabler intrathorakaler und extrathorakaler Stenosen: Vereinfacht kann man sagen: Eine intrathorakale Obstruktion erkennt man an einer exspiratorischen Flusslimitierung, erfasst durch ein forciertes Exspirati⊡ Abb. 3.15). onsmanöver (⊡
Fluss
Eine extrathorakale Obstruktion erkennt man an einer inspiratorischen Flusslimitierung, erfasst ⊡ Abb. 3.16). durch ein forciertes Inspirationsmanöver (⊡ Eine fixe (von In- bzw. Exspiration unabhängige) Stenosierung der großen Atemwege (z. B. durch eine Tumorkompression der Trachea) zeigt sich auch in einer kombinierten in- und exspiratorischen Flussli⊡ Abb. 3.17). mitierung (⊡
Fluss-Volumen-Kurve normale Kurve
Volumen
© GANSHORN MEDIZIN ELECTRONIC
variable extrathorakale Stenose
⊡ Abb. 3.16. Variable extrathorakale Stenose
Fluss
Fluss-Volumen-Kurve normale Kurve
Volumen
⊡ Abb. 3.17. Fixierte extrathorakale Stenose
© GANSHORN MEDIZIN ELECTRONIC
fixierte extrathorakale Stenose
28
Kapitel 3 · Spirometrie
Fallbeispiel 7 64 Jahre, männlich, 164 cm, 86 kg Das siebte Beispiel zeigt den Befund eines Mannes, der mit seit Monaten progredienter unklarer Belastungsdyspnoe vorstellig wurde.
3
⊡ Abb. 3.18. Spirometrie Fallbeispiel 7
+ Besteht bei dem Patienten aufgrund der Spirometrie ein Hinweis auf eine obstruktive Ventilationsstörung?
29 3.4 · Fallbeispiele
Interpretation der Untersuchung Der Untersuchungsverlauf (Volumen-Zeit-Diagramm) spricht für eine leicht eingeschränkte Mitarbeit. Tiffeneau-Manöver sind nicht eindeutig von einer vertieften Spontanatmung abzugrenzen. Die Form der Fluss-Volumen-Kurve ist verschmälert, ansonsten aber erhalten und ohne konkave Krümmung. Erklärt wird die Verschmälerung durch die verminderte VC. Damit einhergehend ist die Einsekundenkapazität ebenfalls vermindert. In Bezug zur VC ist die FEV1 (relative Einsekundenkapazität) jedoch normal bzw. sogar erhöht. Zusammenfassend sprechen der typische Kurvenverlauf und die Werte für das Vorliegen einer mäßiggradigen restriktiven Ventilationsstörung. Eine obstruktive Ventilationsstörung liegt nicht vor. Neben der leichten Adipositas gibt es sicher noch einen weiteren Grund für die Restriktion, der in zusätzlichen Untersuchungen (Bodyplethysmographie, Diffusionstest, Bildgebung) abgeklärt werden muss. ! Eine erniedrigte VC (<80% vom Soll) zusammen mit einer normalen oder gar erhöhten relativen Einsekundenkapazität spricht für
3
das Vorliegen einer restriktiven Ventilationsstörung. Definiert ist die Restriktion jedoch durch eine TLC unterhalb der 5. Perzentile des Sollwertes (⊡ Tab. 3.3). Den eigentlichen Nachweis einer Restriktion erhält man also nur über die zusätzliche Messung der TLC (mittels Bodyplethysmographie).
Restriktive Ventilationsstörungen werden als parenchymal bzw. pulmonal oder extraparenchymal bzw. extrapulmonal unterschieden. ▬ Typische parenchymale/pulmonale Ursachen sind: Lungenfibrose, Alveolitis, Pneumonie, Pneumonitis, Silikose, zystische Fibrose (Mukoviszidose), Linksherzinsuffizienz ▬ Typische extraparenchymale/extrapulmonale Ursachen sind: Adipositas, Kyphoskoliose, Trichterbrust, Pleuraerguss, Pleuraverschwartung, Pneumothorax, Pleuramesotheliom, Zwerchfellparese, neuromuskuläre Erkrankungen, Myopathien ▬ Zustand nach Pneumektomie
⊡ Tab. 3.3. Regressionsgleichung (EKGS-Werte) für die totale Lungenkapazität für Erwachsene im Alter von 18–70 Jahren Geschlecht
Einheit
Mittelwert-Gleichung
1,64×RSD
Männer
l
7,99×KL–7,08
±1,15
Frauen
l
6,60×KL–5,79
±0,99
KL Körperlänge in Metern. Zwischen 18 und 25 Jahren wird in der Gleichung das Alter 25 eingesetzt. Die 5. Perzentile errechnet sich durch die Subtraktion von 1,64×RSD (residuale Standardabweichung) vom errechneten Mittelwert.
30
Kapitel 3 · Spirometrie
Fallbeispiel 8 68 Jahre, männlich, 164 cm, 75 kg Im achten Beispiel ist die Kontrolluntersuchung eines Patienten mit bekannter COPD (unter laufender Medikation) gezeigt.
3
⊡ Abb. 3.19. Spirometrie Fallbeispiel 8
31 3.4 · Fallbeispiele
Interpretation der Untersuchung Die Fluss-Volumen-Kurve zeigt die typischen Merkmale einer Obstruktion mit konkav gekrümmtem Exspirationsteil. In der Volumen-Zeit-Kurve ist außerdem ein verlängertes Exspirium erkennbar. Bei der gezeigten Obstruktion sind die absolute und die relative Einsekundenkapazität entsprechend vermindert. Es ist jedoch zu beachten, dass die Vitalkapazität ebenfalls vermindert ist. Dies führt zu einer Abmilderung des Obstruktionsgrades bei isolierter Betrachtung der relativen Einsekundenkapazität. Zur Beurteilung des Obstruktionsgrades müssen deshalb neben der Kurvenform sämtliche Werte beachtet werden. Die kleine Differenz zwischen inspiratorischer (VCin) und forcierter exspiratorischer Vitalkapazität (FVC) ist durch die Mitarbeit begründet, da die FVC physiologischer- und pathophysiologischerweise eher kleiner, aber nicht größer sein kann als die VCin. Zusammenfassend zeigt der Befund eine mittelschwere (postdilatatorische) Obstruktion mit zusätzlicher leichter VC-Minderung. Erfahrungsgemäß ist eine Verminderung der VC fast immer durch eine Lungenüberblähung bedingt, wenn die relative Einsekundenkapazität unter 55% vermindert ist. Die relative Einsekundenkapazität beträgt hier 58%. Obwohl die VC-Minderung – wie bereits erwähnt – am ehesten durch eine Lungenüberblähung begründet ist, könnte differenzialdiagnostisch aber auch eine zusätzliche restriktive Komponente vorliegen. Zur sicheren Abklärung sollte deshalb (sofern nicht schon in Voruntersuchungen
geschehen) eine ergänzende Bodyplethysmographie erfolgen. Die COPD kann aktuell als mittelgradig bezeichnet werden, entsprechend einem Grad II. ! Eine erniedrigte Vitalkapazität ist nicht mit einer Restriktion gleichzusetzen. Insbesondere bei einer progredienten COPD liegt die Ursache meist in einer Überblähung mit erhöhtem Residualvolumen. Häufig ist eine verminderte VC aber auch mitarbeitsbedingt. Eine Bodyplethysmographie (mit Bestimmung der TLC) ist zur sicheren Differenzierung unabdingbar.
Die Schweregradeinteilung der COPD (und auch des Asthma bronchiale) muss nicht mit der spirometrischen Schweregradeinteilung der Obstruktion übereinstimmen. Die Obstruktionswerte in der COPD-Schweregradklassifikation beziehen sich auf postdilatatorische Werte, und für die Schweregradbestimmung werden zusätzlich blutgasanalytische Werte einbezogen (für die Einteilung ⊡ Tab. 3.4).
Bezüglich der relativen Einsekundenkapazität sei angemerkt, dass in Deutschland die VCin in den Nenner gesetzt wird, während im angloamerikanischen Raum zumeist die FVC genutzt wird. Bei obstruktiven Lungenerkrankungen kann die VCin größer sein als die FVC, sodass es hier gewisse Differenzen geben kann.
⊡ Tab. 3.4. Schweregradeinteilung der COPD Schweregrad
FEV1/VCIN
FEV1 (% vom Soll)
Klinik
I leicht
<70%
>80
Mit/ohne Symptomatik (Husten/ Auswurf )
II mittel
<70%
50–80
Mit/ohne chronische Symptomatik
III schwer
<70%
30–50
Mit/ohne chronische Symptomatik
IV sehr schwer
<70%
<30 oder <50 und chronisch respiratorische Insuffizienza
Mit/ohne chronische Symptomatik
FEV1-Werte postdilatatorisch und bei stabiler COPD. 2 <60 mHg ± PaCO2 >60 mmHg unter Raumluft.
aPaO
3
32
Kapitel 3 · Spirometrie
Fallbeispiel 9 65 Jahre, männlich, 175 cm, 117 kg Das folgende Beispiel zeigt die Spirometrie eines Patienten, bei dem 2 Wochen zuvor der rechte Oberlappen wegen eines Bronchialkarzinoms operativ entfernt wurde.
3
⊡ Abb. 3.20. Spirometrie Fallbeispiel 9
+ Wie ist die Untersuchung zu bewerten? Vergleichen Sie das Ergebnis mit der vor der Operation durchgeführten, nachfolgend abgebildeten Untersuchung (⊡ Abb. 3.21).
33 3.4 · Fallbeispiele
⊡ Abb. 3.21. Spirometrie Fallbeispiel 9 (präoperativ)
3
34
Kapitel 3 · Spirometrie
Interpretation der Untersuchung
3
Präoperativ (⊡ Abb. 3.21): gute Lungenfunktion mit (trotz deutlicher Adipositas) hoher Vitalkapazität (große Lunge) und ohne Anzeichen für eine Flussbehinderung. Postoperativ (⊡ Abb. 3.20): mitarbeitsbedingte Unregelmäßigkeiten im Kurvenverlauf. Im Vergleich zur präoperativen Spirometrie Verminderung der VC um 1200 ml entsprechend der Lungenteilresektion. Weiterhin kein Hinweis auf eine Atemflussbehinderung. Im Hinblick auf die postoperative Situation zeigt sich ein normaler postoperativer Befund. ! Die Befundung der Ergebnisse sollte immer unter Berücksichtigung der Umstände, insbesondere der kardiopulmonalen Veränderungen und der vorliegender Beschwerden, erfolgen. Je mehr Informationen über den Patienten bekannt sind, desto genauer kann die Befundung erfolgen bzw. aus den Kurven und Werten herausgelesen werden.
Spirometrie in der allgemein präoperativen Vorbereitung Für die Einschätzung der Operabilität, Beatmungsmöglichkeit und insbesondere des Risikos postoperativer Atemstörungen (Ateminsuffizienz, Pneumonie etc.) muss zwischen den verschiedenen Eingriffen unterscheiden werden. Für allgemeinchirurgische
Operationen gilt im Allgemeinen eine Risikostratifikation, die sich nach der FEV1 richtet ⊡ Tab. 3.5). Abgeleitet wird die FEV1 auf der Basis, (⊡
dass letztlich die maximale Leistung der Atemmuskulatur (MVV), die mit der Formel FEV1*35 geschätzt werden kann, und der Grundumsatz bzw. die Sauerstoffaufnahme pro Minute für die Risikobeurteilung interessant sind.
Bei thoraxchirurgischen Eingriffen, Lungenteilresektionen etc. gelten höhere Risiken, sodass hier z. T. strengere Grenzwerte gesetzt werden müssen und oft zusätzliche präoperative Untersuchungen (z. B. BGA, Spiroergometrie, Lungenszintigraphie) nötig sind. Spirometrisch ist neben der FEV1 hier die Vitalkapazität von besonderem Interesse, um die Verträglichkeit der Resektion belüfteter Lungenabschnitte einzuschätzen. Nach Resektion größerer bullöser Areale im Rahmen einer operativen Versorgung einer schwergradigen Emphysemlunge kann die Vitalkapazität postoperativ jedoch auch steigen und sich die Lungenfunktion bessern. ⊡ Tab. 3.5. Risikostratifikation anhand der FEV1-Werte Geschlecht
FEV1
Risiko
Männer
>20 ml/kg KG
Kein erhöhtes Risiko
<20 ml/kg KG
Erhöhtes Risiko
<14 ml/kg KG
Sehr hohes Risiko
>18 ml/kg KG
Kein erhöhtes Risiko
<18 ml/kg KG
Erhöhtes Risiko
<12 ml/kg KG
Sehr hohes Risiko
Frauen
Die angegebenen Werte gelten für normgewichtige Patienten. Bei adipösen Patienten sollte mit dem Normalgewicht nach Broca (Körpergröße in cm–100) gerechnet werden.
35 3.4 · Fallbeispiele
3
Fallbeispiel 10 74 Jahre, männlich, 183 cm, 87 kg Das zehnte Beispiel zeigt die Untersuchung (einfaches Tischspirometer) eines Patienten mit bekannter Lungenfibrose und stabiler Belastungsdyspnoe. Ein langjähriger Nikotinabusus ist aus der Vorgeschichte ebenfalls bekannt.
⊡ Abb. 3.22. Spirometrie Fallbeispiel 10
Anmerkung zur Darstellung der Ergebnisse: Der Sollwert ist hier als Referenzintervall angegeben, d.h. Sollwert ± 5. Perzentile (hier bezeichnet als Min bzw. Max); zum besseren Verständnis s. auch ⊡ Tab. 3.1. + Versuchen Sie, einen Befund zu formulieren, bevor Sie weiterlesen.
36
Kapitel 3 · Spirometrie
Interpretation der Untersuchung
3
Gute Mitarbeit. Zwei nahezu deckungsgleich verlaufende, geschlossene Fluss-Volumen-Kurven mit gutem PEF und PIF. Endexspiratorisch schmale und hohe, leicht konkav eingedellte Fluss-Volumen-Kurve. Von der Kurvenform ausgehend, handelt es sich um eine deutliche restriktive Ventilationsstörung mit zusätzlich diskreter peripher obstruktiver Komponente. VC und FEV1 sind um ca. 50% vermindert. Die relative Einsekundenkapazität beträgt 105% des Soll. MEF50 und MEF25 sind diskret, über das Maß der volumenbedingten Senkung (s. VC) der exspiratorischen Flussvolumina (FEV1, MEF) gemindert. Erkennbar ist dies an der diskret (spätexspiratorisch) konkav gekrümmten Form der FlussVolumen-Kurve. Zusammenfassend stellt sich der Befund einer schweren Restriktion bei bekannter Lungenfibrose. Zusätzlich zeigt sich eine diskrete periphere Obstruktion, die in Anbetracht des Alters jedoch keinen pathologischen Befund darstellt.
! Ventilationsstörungen sind nicht selten gemischt, d. h., es bestehen simultan obstruktive und restriktive Anteile. Die Gewichtung der einzelnen Anteile ist mittels alleiniger Spirometrie nur sehr eingeschränkt möglich – eine ergänzende Bodyplethysmographie und
ggf. Diffusionstestung sind hier sinnvoll. Die Einteilung des Schweregrades einer Restriktion erfolgt über die Vitalkapazität und setzt die Verminderung der TLC (<5. Perzentile) voraus (⊡ Tab. 3.6). ⊡ Tab. 3.6. Schweregradeinteilung der Restriktion Schweregrad
VCIN in % vom Soll
I leicht
>70
II mäßig
60–69
III mittelschwer
50–59
IV schwer
35–49
V sehr schwer
<35
37 3.4 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 11 54 Jahre, männlich, 180 cm, 83 kg Im nächsten Fall ist die Untersuchung eines Patienten mit zunehmender Leistungsminderung und vorbekannter Leukämie dargestellt.
⊡ Abb. 3.23. Spirometrie Fallbeispiel 11
+ Gibt es Anhaltpunkte in der Spirometrie, die gegen den Beginn einer Chemotherapie bei dem Patienten sprechen?
3
38
Kapitel 3 · Spirometrie
Interpretation der Untersuchung
3
Versuchen Sie, sich bei der Interpretation und Befundung ein festes Schema anzugewöhnen. Folgende Punkte sind dabei zu berücksichtigen: ▬ Was ist über den Patienten bekannt – was ist im Befund zu erwarten? ▬ Wie ist die Mitarbeit – ist der Befund valide? ▬ Wie verlaufen die Kurven? ▬ Wie passen die einzelnen Messwerte und die Kurven zusammen? ▬ Wie lautet Ihre zusammenfassende Beurteilung? ▬ Empfehlen Sie weitere Untersuchung? Die Punkte können im vorliegenden Beispiel wie folgt umgesetzt werden: ▬ Aus der Vorgeschichte ergibt sich kein Anhalt für eine spezifische Ventilationsstörung. ▬ Die Untersuchung zeigt eine gute Mitarbeit. Ein kleiner endexspiratorischer Hustenstoß ist ohne Relevanz. ▬ Geschlossene Kurve mit normgerechter Form. Sämtliche erhobenen Parameter bewegen sich im Bereich der Norm. ▬ Zusammenfassend ergibt sich aktuell kein Anhaltspunkt für eine Ventilationsstörung.
▬ Bei der speziellen Fragestellung (Verabreichung potenziell lungentoxischer Chemotherapeutika) im vorliegenden Fall empfiehlt sich zur Abklärung einer Gasaustauschstörung die Durchführung einer ergänzenden Diffusionstestung, die bezüglich des Erkennens einer parenchymalen Vorschädigungen bzw. Störung sensitiver ist als die Spirometrie. Ergänzend kann berichtet werden, dass die anschließend bei dem Patienten durchgeführte Diffusionstestung ebenfalls einen unauffälligen Befund erbrachte. ! Ein fester logischer Ablauf bei der Befundung von Lungenfunktionstests ist empfehlenswert und hilft, sämtliche Befunde zu erfassen, einzelne Informationen gegeneinander zu prüfen und sinnvoll zusammenzufügen. Versuchen Sie stets, alle Informationen für Ihren Befund zu berücksichtigen und die einzelnen Ergebnisse in das klinische Gefüge zu integrieren.
39 3.4 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 12 91 Jahre, weiblich, 159 cm, 60 kg Der nachstehende Befund zeigt die Untersuchung einer betagten, rüstigen Patientin mit einem großen unklaren zervikalen Tumor und in ansonsten gutem Allgemeinzustand.
⊡ Abb. 3.24. Spirometrie Fallbeispiel 12
+ Versuchen Sie erneut, eine Befundung unter Berücksichtigung der einzelnen Punkte aus dem vorherigen Beispiel zu formulieren, bevor Sie weiterlesen.
3
40
Kapitel 3 · Spirometrie
Interpretation der Untersuchung
3
Gute Mitarbeit. Die Fluss-Volumen-Kurve trägt die typischen Zeichen einer fixen Stenose der großen Atemwege (Trachea). PEF und PIF sind (bei forciert durchgeführter In- und Exspiration) um ca. 50% vermindert. In- und exspiratorisch deutet sich ein Plateau an. Von diesem Befund abgesehen, zeigt die Spirometrie eine normale Ventilationsfunktion mit Werten (VC, FEV1) oberhalb der angegebenen Sollwerte. Zusammenfassend besteht der Verdacht auf eine fixe Stenose im Bereich der Trachea (am ehesten im Rahmen einer Tumorkompression). Eine ergänzende Bildgebung (und ggf. Bronchoskopie) sollte durchgeführt werden; zum Vergleich s. auch ⊡ Abb. 3.17. Tatsächlich bestätigte sich in einer später durchgeführten CT-Untersuchung der Halsregion eine Tracheakompression. ! Die Normalwerte bzw. Sollwerte sind abhängig von Größe, Alter und Geschlecht. In Deutschland weit verbreitet sind die zuletzt 1993 überprüften und veröffentlichten Werte der Kommission der Europäischen Gemeinschaft für Koh-
le und Stahl (EGKS), die auf einem untersuchten Kollektiv von Menschen zwischen 18 und 70 Jahren beruhen. Im Vergleich zu anderen Sollwertformeln fallen die EGKS-Werte eher zu niedrig aus. Für die tägliche Arbeit empfiehlt sich deshalb neben einer Plausibilitätskontrolle des für die Sollwertberechnung eingegebenen Alters, Geschlechts und der Körpermaße die Berücksichtigung der Gesamtumstände beim Vergleich der Ist- mit den Sollwerten.
Referenzwerte – Was ist normal? Über die richtigen Sollwertformeln wird noch heute kontrovers diskutiert. Es gibt je nach Fachgesellschaft z. T. deutliche Unterschiede bzgl. der Normalwerte und folglich der Interpretation der entsprechenden Lungenfunktion. Ursächlich hierfür sind die Unterschiede im jeweils zugrunde liegenden Kollektiv der Referenzpersonen. Bei z. T. deutlichen Mittelwertabweichungen wird deshalb vereinzelt auch die Anwendung eines Referenzintervalls empfohlen.
41 3.4 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 13 85 Jahre, weiblich, 168 cm, 78 kg Dieses spirometrische Fallbeispiel zeigt die Untersuchung einer älteren Patientin, die in der neurologischen Klinik stationär behandelt wurde. Nähere klinische Angaben wurden leider nicht übermittelt. Es sei noch erwähnt, dass die Mitarbeit von der durchführenden MTA als gut dokumentiert wurde.
⊡ Abb. 3.25. Spirometrie Fallbeispiel 13
+ Wie lautet Ihr Befund der dargestellten Untersuchung?
3
42
Kapitel 3 · Spirometrie
Interpretation der Untersuchung
3
Bei neurologischen Patienten mit Ventilationsproblemen handelt es sich häufig um neuromuskuläre Erkrankungen mit Schwäche bzw. Einschränkung der Atemmuskulatur. Die Mitarbeit kann als gut beurteilt werden. Die offene Fluss-Volumen Kurve mit vorzeitigem Abbruch der Exspiration zeigt sich in der Übersicht der Kurven (s. »Beste FV-Kurven«) nahezu kongruent und ist eher nicht auf eine mangelnde Mitarbeit zurückzuführen. Homogen eingeschränkter Fluss (FEV1, PEF, PIF) bei verminderter VC mit normaler relativer Einsekundenkapazität. Die Kurvenform spricht ebenfalls für eine Restriktion mit vorzeitigem Abbruch der Exspiration als Zeichen der muskulären Schwäche. Kein Anhalt für eine Obstruktion (Kurvenform und normale relative Einsekundenkapazität). Die deutliche VC-Minderung ist am
ehesten als Zeichen der schweren Restriktion zu werten. Zusammenfassend lässt sich die Spirometrie folgendermaßen befunden: schwergradige Restriktion, die durch eine ausgeprägte (atem)muskuläre Schwäche bedingt sein könnte. Eine Bodyplethysmographie, Mundverschlussdruckmessung und BGA sollten ergänzend durchgeführt werden. Auf Nachfrage bei dem behandelnden Neurologen bestätigte sich der beschriebene Befund bei vorliegender langjähriger Myasthenia gravis. Klinisch beklagte die Patientin eine Dyspnoe und rasche Erschöpfung bei mittlerer Belastung. ! Bei fehlenden Angaben zum Patienten zögern Sie nicht, diese nachzufordern bzw. zu erfragen. Für die sichere Beurteilung eines pathologischen Befundes sind klinische und anamnestische Angaben wichtig und unerlässlich.
43 3.4 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 14 65 Jahre, männlich, 179 cm, 102 kg Das letzte spirometrische Beispiel zeigt die Bettuntersuchung – mittels portablem Messgerät – eines Patienten mit schwergradiger COPD, zusätzlichem Adipositas-Hypoventilationssyndrom (obesity hypoventilation syndrome, OHS) und allgemeiner Multimorbidität. Nach erster klinischer Besserung wurde eine lungenfunktionelle Messung zur Orientierung bei weiterhin bestehender Immobilität angestrebt. Die Messung wurde halbsitzend und mit dokumentiert gutem Effort seitens des Patienten durchgeführt.
⊡ Abb. 3.26. Spirometrie Fallbeispiel 14
3
44
Kapitel 3 · Spirometrie
Interpretation der Untersuchung
3
Eingeschränkte Beurteilbarkeit bei »Bettmessung« trotz guter Mitarbeit. Der Kurvenverlauf der FlussVolumen-Kurve sowie die Flow-Werte sprechen für eine sehr schwere Obstruktion. Zudem vorliegende VC-Minderung als Ausdruck einer stark eingeschränkten Reserve am ehesten im Rahmen einer Hyperinflation, die jedoch ohne Bodyplethysmographie nicht nachzuweisen ist. Zusätzlich wurde eine Messreihe des Atemwegswiderstandes nach der Okklussionsmethode (ROCC) durchgeführt. In unserem Beispiel liegen die Werte zwischen 1,14 und 1,63 (im Mittel 1,40 kPa*s/l, entsprechend 304% vom Soll) und sind somit deutlich erhöht, im Sinne einer schweren Obstruktion. ! Eine »Bettmessung« mit mobilem Spirometer ist eine Behelfsmethode, andererseits jedoch eine sinnvolle Alternative für schwerkranke, immobile Patienten. Die Messwerte sind nicht sicher valide und nicht uneingeschränkt mit Messergebnissen aus einer regulären Spirometrie ver-
gleichbar. Daher ergibt sich die Empfehlung, eine »Bettmessung« nur dann durchzuführen, wenn eine reguläre Spirometrie unter standardisierten Bedingungen nicht möglich ist.
Die Okklussions- oder Unterbrechermethode ist eine relativ einfache Methode der Atemwegswiderstandsmessung. Hierbei wird der Atemfluss für einen Bruchteil von Sekunden verschlossen (ohne die Atmung dabei relevant zu behindern) und der Widerstand über das Verhältnis Munddruck zu Atemfluss ermittelt. Diese Methode ist zwar, wie die Bodyplethysmographie, weitestgehend mitarbeitsunabhängig, jedoch etwas weniger präzise und nur eingeschränkt valide in ihrer Aussagekraft. Werte im mittleren Bereich korrelieren weitestgehend mit denen der Bodyplethysmographie. Die Bodyplethysmographie ermöglicht jedoch über die Atemschleife und eine Reihe weiterer Messparameter weitaus differenziertere Aussagen zur Lungenfunktion.
4
Bodyplethysmographie
4.1
Einleitung und Messprinzip – 46
4.2
Durchführung der Untersuchung – 48
4.3
Fallbeispiele – 50
4
46
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
4.1
Einleitung und Messprinzip
Die heutige Form der Bodyplethysmographie (bzw. Ganzkörperplethysmographie) geht auf die Einführung der Methode durch DuBois im Jahr 1956 zurück. Im klinischen Bereich und in Praxen niedergelassener Pneumologen gilt die Bodyplethysmographie, kombiniert mit der Spirometrie, als Diagnoseverfahren der ersten Wahl. Die Untersuchung mittels Bodyplethysmographen stellt die ideale Lungenfunktionsprüfungsmethode dar, da sie über die Messgrößen der Spirometrie bzw. Pneumotachographie hinaus im gleichen Untersuchungsgang ▬ den spezifischen Atemwegswiderstand (sRAW) mit Atemschleife,
▬ das thorakale Gasvolumen (TGV) sowie ▬ die jeweils daraus zu errechnenden Parameter ermitteln kann. Hierdurch wird ermöglicht, auch komplexe und kombinierte Ventilationsstörungen genauer darzustellen und zu analysieren. Dabei sind die Messungen weitestgehend mitarbeitsunabhängig und frei von körperlicher Belastung für den Patienten. Die hohe Genauigkeit und große Sensitivität der Methode sind von zusätzlichem Vorteil. Der zeitliche Mehraufwand ist gering. Die eingeschränkte Verbreitung im ambulanten Bereich ist eher durch den apparativen Aufwand erklärt. Neben der Druckmesskammer bedarf es hierbei im Wesentlichen einer Computereinheit (⊡ Abb. 4.1).
⊡ Abb. 4.1. Arbeitsplatz mit Bodyplethysmographen, Computereinheit und Diffusionsmesseinheit
4
47 4.1 · Einleitung und Messprinzip
Während der Ruheatmung des Patienten wird, bedingt durch ventilationsbedingte Volumenänderungen bzw. Kompression/Dekompression, der Kammerdruck (bzw. äquivalent das sog. Verschiebevolumen, d.h. eine den Aveolardruck erzeugende und Atemfluss antreibende Volumenbewegung) fortlaufend gemessen und als sog. Atemschleife dargestellt. Die oftmals benutzte Bezeichnung der Resistanceschleife ist streng genommen nicht korrekt, da zwar der prinzipielle Verlauf des Alveolardrucks (bzw. Kabinendrucks), nicht jedoch sein absoluter Wert, der auch vom (unbekannten) Lungenvolumen abhängt, beschrieben wird. Der über eine Gerade durch die Atemschleife ermittelte spezifische Atemwegswiderstand (sRAW) ist somit kein Strömungswiderstand im engeren Sinne, sondern ein Ausdruck der Atemarbeit. Je flacher die Atemschleifen verlaufen, desto größere Drücke bzw. Verschiebevolumina sind in Relation zum Atemfluss erforderlich und desto größer ist der sog. spezifische Atemwegswiderstand. Der
Wert von sRAW ist reziprok zur Steilheit der Atemschleife. Erst wenn man den sRAW mit dem Lungenvolumen ins Verhältnis setzt kann der eigentliche Atemwegswiderstand RAW später (nach erfolgtem Verschlussdruckmanöver) rechnerisch ermittelt werden (RAW=sRAW/TGV). Zudem werden in der Atemschleife Inhomogenitäten des spezifischen Atemwegswiderstandes zu bestimmten Phasen der In-/Exspiration anhand typischer Schleifenverläufe deutlich. Die Messung des thorakalen Gasvolumens beruht auf dem physikalischen Gesetz von Boyle und Mariott, nach dem das Produkt aus Druck (D) und Volumen (V) konstant ist, also: DxV=DxV. Da das Volumen der Kammer bekannt ist, der Druck in der Kammer und am Mund des Patienten gemessen werden kann, lässt sich so das Lungenvolumen zu einer bestimmten Zeit des Atemzyklus (z. B. als TGV am Ende der normalen Exspiration/Atemruhelage) errechnen (Kammervolumen × ΔKammerdruck/ΔAlveolardruck).
Atemschleife Fluss
normale Kurve
PB Kabinendruck
⊡ Abb. 4.2. Atemschleife ohne und mit Obstruktion
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Obstruktion
48
4
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
Hierzu wird am endexspiratorischen Scheitel der Ruheatmung für kurze Zeit automatisch ein Verschluss (Shutter) vorgeschaltet (⊡ Abb. 4.3). Während frustraner Atemzüge werden die Druckverhältnisse synchron gemessen. Die Steilheit des Verschlussdruckwinkels entspricht dann dem TGV (⊡ Abb. 4.4). Je flacher, d.h. je kleiner die Munddruckänderung im Verhältnis zur Kammerdruckänderung, desto größer ist das Lungenvolumen zum Zeitpunkt des Verschlusses. Angewandt wird die Bodyplethysmographie zur differenzierten Verlaufsbeobachtung einer bekannten Ventilationsstörung oder auch weiteren Abklärung einer unklaren oder gemischten Ventilationsstörung.
4.2
Durchführung der Untersuchung
Für die Durchführung einer erfolgreichen und aussagekräftigen Untersuchung sollten, ergänzend zu den oben gemachten Ausführungen ( Kap. 3.2), einige Dinge beachtet werden. ▬ Alle Messungen werden bei mit einer Nasenklemme verschlossenen oberen Atemwegen mit Atmung über ein Mundstück durchgeführt. Undichtigkeiten am Mundstück führen zu Fehlbestimmungen, die meist an typischen Kurvenabweichungen erkennbar sind. ▬ Für die Bodyplethysmographie nimmt der Patient in der Kabine Platz, die für die Untersuchung über einen elektromagnetischen Schalter luftdicht verschlossen wird. ▬ Nach kurzer Adaptationszeit, in der das Gerät sich den Gegebenheiten (Temperatur etc.) anpasst, werden die Atemschleifen aufgezeichnet. Hierzu atmet der Patient spontan. So ist gewährleistet, dass die mechanische Belastung unter Normalbedingungen erfasst wird. In den meisten Fällen atmet der Patient jedoch etwas zu langsam, um verwertbare Schleifen zu erzielen. Um die Signalgüte zu verbessern, sollte man deshalb die Patienten ggf. etwas schneller atmen lassen. Dies trifft am ehesten bei Patienten mit weitestgehendem Normalbefund zu. Meist wird eine Flussgeschwindigkeit von ca. 1 l/s angestrebt. ▬ Bevor im Weiteren die Verschlussdruckmessungen durchgeführt werden, muss der Patient
unbedingt unbeeinflusst spontan atmen, damit die Atemmittellage nicht artefiziell verändert ist. Die Verschlussdruckmessung wird durch Betätigung des Shutters (Verschlusses) vorgenommen. Das Gerät verschließt den Atemstrom hierzu für kurze Zeit automatisch nach Erreichen des endexspiratorischen Scheitels der Ruheatmung (TGV-Niveau). Während dieser Zeit versucht der Patient (gegen den Widerstand) ein- und auszuatmen. ▬ Wurden drei bis fünf »brauchbare« Verschlussdruckkurven aufgezeichnet schließt sich zum Ende mindestens ein langsames Manöver zur Bestimmung der Vitalkapazität, d. h. maximale Exspiration, gefolgt von maximaler Inspiration, an. ▬ Bei dann geöffneter Tür, wird im Anschuss, wie beschrieben, die Spirometrie durchgeführt, und die beiden Messungen in der Software werden kombiniert.
4
49 4.2 · Durchführung der Untersuchung
TGV & Spirogramm PM
PB
Zeit
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Volumen
⊡ Abb. 4.3. TGV-Verschlussdruckmessung
a PB Kabinendruck
⊡ Abb. 4.4. Verschlussdruckkurve
© GANSHORN MEDIZIN ELECTRONIC
TGV-Kurve
PM Munddruck
50
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
4.3
Fallbeispiele
Nachfolgend sind 15 Fallbeispiele gezeigt, die Sie in die Interpretation und Befundung von Spirometrie/Bodyplethysmographie-Untersuchungen einführen sollen.
4
51 4.3 · Fallbeispiele
4
Fallbeispiel 15 21 Jahre, männlich, 184 cm, 75 kg Im ersten bodyplethysmographischen Beispiel ist die Untersuchung eines 21-jährigen Patienten gezeigt, der beschwerdefrei war und im Rahmen einer betrieblichen Vorsorge untersucht werden sollte.
Auf der linken Seite sind die Ergebnisse der Bodyplethysmographie mit den entsprechenden Messwerten im unteren Block der Wertetabelle und auf
⊡ Abb. 4.5. Bodyplethysmographie Fallbeispiel 15
der rechten Seite die Ergebnisse der Spirometrie (gemäß vorherigem Kapitel) dargestellt.
52
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
Interpretation der Untersuchung
4
Die gezeigten Kurven sprechen für eine ausreichend gute Mitarbeit. Inhomogenitäten im Inspirationsteil der Fluss-Volumen-Kurve sind mitarbeitsbedingt und hier zu vernachlässigen. Die Fluss-VolumenKurve ist geschlossen und ansonsten normgerecht geformt. Entsprechend hierzu finden sich spirometrische Messparameter im Bereich der Norm. Die Atemschleifen (im Feld »Resistance«) zeigen eine homogene Form mit steilem, geradem und geschlossenem Verlauf. Hierzu finden sich Resistancewerte (RAW) innerhalb der Norm. Die Verschlussdruckkurven (TGV-Messung) zeigen gute Ausschläge mit homogenen Werten im Bereich der oberen Norm. Die TLC passt zur VC, RV und TGV sind im Normbereich. Zusammenfassend zeigt die Untersuchung einen unauffälligen Befund. Aktuell lässt sich keine Ventilationsstörung nachweisen.
Zusätzlich müssen verwertbare (Kurven homogen, >0,5 kPa) Verschlussdruckkurven aufgezeichnet sein, die normalerweise gerade verlaufen und zum inspiratorischen Anteil auch exspiratorische Drücke haben können. Bei älteren Patienten ist es häufig einfacher, das Verschlussdruckmanöver durch einfaches kräftiges Inspirieren durchführen zu lassen. Entsprechend einem normalen Verschlussdruckwinkel findet sich hierzu passend ein TGV im Normbereich. Abzüglich des ERV ergibt sich dann rechnerisch das RV und im Weiteren die TLC (RV+VC).
Bei der Bodyplethysmographie ist auf typische Fehler zu achten. Die Messung ist sehr empfindlich, und die ermittelten Werte sind schnell unbrauchbar.
▬ Mundstück ist nicht fest umschlossen, Atem ent! Bodyplethysmographischer Normalbefund Die Atemschleifen sind homogen und weisen einen ausreichenden Fluss auf. Der Verlauf ist gerade, steil und weicht nicht nennenswert auseinander. Hierzu passend, sind die Widerstandsparameter (RAWtot, sRAWtot) im Normbereich.
weicht.
▬ Weiche Mundstücke werden mit den Zähnen zusammengedrückt.
▬ Patient ist hektisch und atmet nicht gleichmäßig. ▬ Patient erschreckt und stoppt den Atem bei Verschlussdruckmessung (klackendes Geräusch).
53 4.3 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 16 68 Jahre, männlich, 183 cm, 70 kg Das 16. Fallbeispiel zeigt die Untersuchung eines 68-jährigen Patienten, der mit progredientem Pleuramesotheliom und zunehmender Belastungsdyspnoe vorstellig wurde. Im CT wurde eine massive Ausdehnung mit subtotaler Ummauerung der rechten Lunge beschrieben.
⊡ Abb. 4.6. Bodyplethysmographie Fallbeispiel 16
+ Was ist aufgrund der Bildgebung zu erwarten, und sind entsprechende funktionelle Veränderungen in der Untersuchung dargestellt?
4
54
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
Interpretation der Untersuchung
4
Aufgrund der Anamnese, ist mit einer deutlichen Einschränkung der Lungenausdehnung und somit der Vitalkapazität zu rechnen. Es zeigt sich eine gute Mitarbeit bei der dargestellten Untersuchung. Deutliche VC- und TLC-Minderung im Sinne einer schweren Restriktion. Kein Nachweis einer zusätzlichen Obstruktion. Die Minderung der FEV1 und MEF sind nur Auswirkungen der VCEinschränkung. Die relative Einsekundenkapazität und der Kurvenverlauf schließen eine relevante Obstruktion aus. Zusammenfassend ergibt sich der Befund einer schwergradigen Restriktion bei progredientem Pleuramesotheliom. ! Bei einer bodyplethysmographisch gesicherten restriktiven Ventilationsstörung ist zur Differenzierung einer intra- oder extrapulmonalen Ursache neben einer
geeigneten Bildgebung die Durchführung einer Diffusionstestung sinnvoll. Manchmal kann man bereits aus der Kurvenform und der Konstellation der einzelnen Messparameter erste Anhaltspunkte auf eine intra- oder extrapulmonale Ursache finden.
Bei der Beurteilung der Restriktion sollte auch die Konstellation der einzelnen Parameter (VC, TGV, RV, TLC) beachtet werden. Eine isolierte Verkleinerung der TGV kann sich z. B: bei Adipositas, Aszites oder Schwangerschaft zeigen. Eine isolierte Verminderung der RV wird nicht als pathologisch angesehen.
Zur Diagnosestellung und Schweregradbestimmung der Restriktion s. auch Fallbeispiel 7 und 10.
55 4.3 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 17 63 Jahre, männlich, 191 cm, 93 kg Nachfolgend ist die Untersuchung eines Patienten dargestellt, der über einen langjährigen, mäßig produktiven Husten klagt und bei dem bereits eine bronchiale Hyperreagibilität bekannt ist. Eine pulmonale Medikation wurde zum Untersuchungszeitpunkt nicht eingenommen bzw. inhaliert.
⊡ Abb. 4.7. Bodyplethysmographie Fallbeispiel 17
+ Die Mitarbeit wurde von der MTA als gut vermerkt. Welche Funktionsstörung lässt sich aus der Untersuchung nachweisen?
4
56
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
Interpretation der Untersuchung
4
Gute Mitarbeit, die Ergebnisse sind frei von Störeinflüssen. Es zeigt sich eine mäßige Obstruktion, die peripher betont ist. Die Lokalisationsbetonung ergibt sich, neben der Fluss-Volumen-KurvenForm, aus der betonten Verminderung des MEF50 und MEF25 sowie der FEV1 im Vergleich zum PEF, MEF75 und der normalen Resistancewerte. Formal (5. Perzentile) sind die VC und TLC noch normal. Insgesamt hat man jedoch das Gefühl einer vorliegenden diskreten Überblähung. Zusammenfassender Befund: mäßiggradige, peripher betonte, prädilatatorische Obstruktion. Zur Klärung der Reversibilität der Obstruktion sollte ergänzend ein Bronchospasmolysetest durchgeführt werden.
Der Normalwert des Atemwegswiderstandes (RAW) für Erwachsene beträgt ca. 0,22, der obere Grenzwert 0,3 kPa*s/l. Der Wert ist unabhängig von Alter, Geschlecht, Größe oder Gewicht. Der Schweregrad der Obstruktion wird daher meist an⊡ Tab. 4.1). hand der absoluten Werten bestimmt (⊡
Eine später durchgeführte Bronchospasmolysetestung bestätigte den Verdacht eines Asthma bronchiale. Das Asthma bronchiale wurde aufgrund der Klinik als Schweregrad III eingestuft. Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass der spezifische Schweregrad der Erkrankung nicht mit dem allgemeinen Schweregrad der Obstruktion, hier Grad II, übereinstimmen muss.
! Anhand der Kurvenverläufe und der Werte lässt sich manchmal grob der Schwerpunkt der Obstruktion lokalisieren. Eine Obstruktion der zentralen, großen Atemwege (bis ungefähr zur 5. Generation des Bronchialbaums) zeigt sich
insbesondere an Veränderungen des PEF, MEF75 und der Resistance, eine periphere Obstruktion durch Einschränkungen des FEV1, MEF50 und MEF25. Der allgemeine Schweregrad der Obstruktion wird anhand der FEV1-Einschränkung beurteilt.
⊡ Tab. 4.1. Schweregradeinteilung der Obstruktion mittels Atemwegswiderstand Schweregrad
RAW (in kPa*s/l)
Grenzwertig
0,3–0,35
Leicht
<0,5
Mittel
0,5–1,0
Schwer
>1,0
57 4.3 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 18 68 Jahre, männlich, 164 cm, 75 kg Nachfolgend ist die 5 Tage später durchgeführte, Kontrolluntersuchung des bekannten COPD-Patienten aus Fallbeispiel 8 gezeigt.
⊡ Abb. 4.8. Bodyplethysmographie Fallbeispiel 18
4
58
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
Interpretation der Untersuchung
stand vom TGV abhängig ist und je kleiner das TGV, desto höher der RAW ist und umgekehrt. Bei normaler TGV wäre auch hier ein eindeutiger Wert im Sinne einer schweren Obstruktion zu erwarten. ! Die typischen Kennzeichen einer COPD sind neben einem verlängerten Exspirium in der Volumen-Zeit-Kurve eine biphasische Exspirationskurve in der Fluss-Volumen-Darstellung mit frühexspiratorischem Knick (⊡ Abb.4.9) und entsprechender Keulen- oder Golfschlägerform in der Atemschleife (⊡ Abb.4.11). Der Schweregrad der Überblähung wird anhand der TLC, TGV, RV und dem Verhältnis RV zu TLC (RV/TLC) bestimmt (⊡ Tab. 4.2). Zunehmende Bedeutung erhält auch die inspiratorische Kapazität (IC).
⊡ Tab. 4.2. Schweregradeinteilung der Überblähung Schweregrad
TLCa
TGVa
RVa
RV/TLCa
Leicht
<130
<140
<140
<140
Mittel
130–150
140–170
140–170
140–170
Schwer
>150
>170
>170
>170
aAngegeben
in Prozent vom Soll.
Fluss-Volumen-Kurve
Fluss
normale Kurve Atemwegskollaps
Volumen
⊡ Abb. 4.9. Fluss-Volumen-Kurve mit Zeichen des Atemwegskollaps
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4
Die Kurven sprechen für eine gute Mitarbeit. In der Volumen-Zeit Darstellung erkennt man ein stark verlängertes Exspirium von ca. 10 s des ausgewählten Exspirationsmanövers. Die Form der Fluss-Volumen-Kurve zeigt den typischen Verlauf einer schweren COPD mit biphasischer Exspiration (frühexspiratorischer Knick) als Hinweis auf einen (stark flusslimitierenden) exspiratorischen Bronchialkollaps. Rechts werden die Atemschleife und die Verschlussdruckkurve dargestellt. Der keulen- oder golfschlägerförmigen Veränderung der Atemschleife kann eine (bronchialkollapsbedingte) inhomogene Obstruktion mit zusätzlichem deutlichem Phasendisplacement (Öffnung) als Hinweis auf eine Überblähung entnommen werden. Unter zusätzlicher Beachtung der Messwerte ist zusammenfassend folgender Befund zu erheben: Typischer COPD-Aspekt mit exspiratorischem Bronchialkollaps und mittel-schwergradiger Obstruktion sowie leicht-mittelgradiger Überblähung bei guter Vitalkapazität. Zum Schweregrad der Obstruktion ist ergänzend zu erläutern, dass die FEV1 zwar nur mäßiggradig eingeschränkt ist, der Fluss-Volumen-Kurvenverlauf und die Atemschleife (mit dem sRAW bzw. Rtot) aber eher für eine schwere Obstruktion sprechen. Bei Beachtung der Rtot (=RAW) ist hierbei zu bedenken, dass der Wert bei erhöhtem TGV »falsch-niedrig« erscheint, da der Atemwegswider-
59 4.3 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 19 85 Jahre, männlich, 174 cm, 103 kg Im nächsten Beispiel ist die Untersuchung eines älteren Patienten mit leichter Belastungsdyspnoe und Zustand nach Nikotinabusus dargestellt.
⊡ Abb. 4.10. Bodyplethysmographie Fallbeispiel 19
+ Handelt es sich hier, im Vergleich zum Vorbefund, ebenfalls um eine COPD?
4
60
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
Interpretation der Untersuchung
Fluss
fellhochstands (schwere Adipositas) bei intakten Bronchialwänden hindeutet. Es handelt sich nicht um die Darstellung eines typischen COPD-Aspektes. Die zusätzlich nachgewiesene leichtgradige, obstruktive Ventilationsstörung bleibt unklar. Es sollte ergänzend ein Bronchospasmolysetest und ggf. eine Diffusionstestung durchgeführt werden. ! Eine schwere Adipositas kann eine deutliche Restriktion verursachen und zusätzlich die Atemmechanik mit entsprechender obstruktiver Komponente beeinträchtigen.
Typische Deformierungen der Atemschleife sind ein wichtiger Teil in der Differenzierung obstruktiver Ventilationsstörungen, da sie die Verhältnisse des Strömungswiderstandes zu jedem Zeitpunkt des Atemzyklus direkt darstellt. Neben der Golfschläger-/Keulenform und der Dreieckform gibt es z. B. noch eine S-förmige (nahezu geschlossene) Deformierung bei extrathorakaler fixer Stenosierung.
Atemschleife normale Kurve COPD
PB Kabinendruck
⊡ Abb. 4.11. Atemschleife bei COPD
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4
Die Kurvenverläufe deuten auf eine gute Mitarbeit. Der Kurvenverlauf der Fluss-VolumenKurve weist zunächst auf eine leichte Obstruktion hin. Die Atemschleifen zeigen eine dreieckförmige Verformung im exspiratorischen Teil. Hiermit einhergehend finden sich entsprechende Resistancewerte. Spirometrisch ist die Obstruktion jedoch bei Beachtung der zusätzlichen VCMinderung nur leichtgradig. Die Betrachtung der isolierten FEV1 wäre hier zur Beurteilung des Schweregrades nicht ausreichend. Die Werte zeigen eine zusätzliche, noch leichtgradige, restriktive Einschränkung (VC, TLC). Bei entsprechendem TGV fällt auf, dass das RV hierbei nur gering vermindert ist. Zusammenfassend kann folgender Befund erhoben werden: Nachweis einer leichtgradigen Restriktion. Die Ursache der Restriktion könnte z. B. durch die Adipositas (BMI 34 kg/m2) bedingt sein. Hierfür spricht die Konstellation der TLC, des TGVs und RVs. Zusätzlich fällt eine Deformierung der Atemschleife auf, die am ehesten auf eine veränderte Atemmechanik im Rahmen eines Zwerch-
4
61 4.3 · Fallbeispiele
Zu dem vorliegendem Fall sei noch angemerkt, dass die obstruktive Komponente in der Wiederholung mit einer relativen Einsekundenkapazität von 62% (85% vom Soll) nur noch diskret nach-
Fluss
weisbar war und eine Bronchospasmolyse ohne Effekt blieb. Eine ergänzende Diffusionstestung zeigte einen unauffälligen Befund.
Atemschleife normale Kurve
PB Kabinendruck
⊡ Abb. 4.12. Atemschleife bei fixer extrathorakaler Stenose
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Obstruktion
62
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
Fallbeispiel 20 57 Jahre, männlich, 176 cm, 82 kg
4
Die folgende Bodyplethysmographie wurde von einem Patienten mit langjährigem Nikotinabusus und vor einer Woche neu diagnostizierten COPD unter jetzt neuer Medikation und deutlicher klinischer Beschwerdebesserung gemacht. Der Vorbefund der Lufu vor einer Woche lautete: ▬ Nikotinabusus, keine vorbekannte Atemwegserkrankung, keine pulmonale Vormedikation. ▬ Gute Mitarbeit. Typischer Kurvenverlauf einer schweren COPD mit exspiratorischem Bronchialkollaps und sehr schwerer (prädilatatorischer) Obstruktion (FEV1 29% des Sollwertes) und mindestens mittelgradiger dynamischer Überblähung (TLC, TGV 160% des Sollwertes).
⊡ Abb. 4.13. Bodyplethysmographie Fallbeispiel 20
+ Wie ist der aktuelle Befund im Vergleich zum beschriebenen Vorbefund zu werten?
4
63 4.3 · Fallbeispiele
Interpretation der Untersuchung Die Untersuchung deutet auf eine gute Mitarbeit. Es zeigt sich ein typischer COPD-Aspekt mit verlängertem Exspirium, entsprechenden Veränderungen der Fluss-Volumen-Kurve und Atemschleife. In der Fluss-Volumen-Darstellung kann man ferner eine exspiratorische Flusslimitierung erkennen, d. h., der Fluss der forcierten Exspiration ist bei gleichem Lungenfüllungsstand (s. bei 2 l) kleiner als der des exspiratorischen Ruhe-Atemflusses. Die FEV1- und MEF-Einschränkungen deuten zusammen mit der nur leichten RAWtot-Erhöhung auf eine schwere Obstruktion mit Betonung der peripheren Atemwege hin. Die Atemschleifen zeigen die Inhomogenität der Obstruktion und die leichte Überblähung an. Beachtlich ist auch die letzte Schleife in der unteren Schleifenübersicht. Hier zeigen sich die massiven Veränderungen der Atemmechanik während des bei submaximaler Anstrengung durchgeführten VC-Manövers am Ende der eigentlichen Bodyplethysmographie (s. Verlaufsübersicht der TGV-Grafik). Die entsprechende Schleife wurde nicht in die Reihe der den Mittelwert bildenden einbezogen. Die Überblähung ist bei leicht erhöhtem TGV, RV und RV/TLC als leichtgradig und bei normaler TLC als eher relativ zu beurteilen. Die entsprechende Einschränkung der Reserve (VC) ist jedoch deutlich. Eine gewisse zusätzliche restriktive
Komponente ist hier nicht sicher auszuschließen. Formal (5. Perzentile) liegt die TLC im Normbereich. Eine gegensätzliche Beeinflussung der TLC (restriktive Komponente und dynamische Überblähung) muss dann anhand der weiteren Werte und weiterer Untersuchungsergebnisse (Bildgebung etc.) vermutet bzw. dargestellt werden. Insgesamt bestätigt sich der Befund einer COPD, die sich unter laufender Medikation in der Kontrolle deutlich gebessert und nun »nur noch« als schwergradig darstellt. Die Obstruktion ist zurückgegangen, deutlich peripher betont und aktuell als (postdilatatorisch) schwergradig einzustufen. Die Überblähung ist ebenfalls deutlich zurückgegangen und erklärt insbesondere die klinische Besserung des Patienten. ! Die Beurteilung des COPD-Schweregrades erfolgt stets unter stabilen klinischen Verhältnissen und unter laufender Medikation bzw. postdilatatorisch. Ferner ist zu beachten, dass auch die Klinik und blutgasanalytische Parameter maßgebend für die Einstufung sind.
Nachfolgend sind die Regressionsgleichungen (EKGS) für Lungenvolumina im Alter von 18–70 Jahren aufge⊡ Tab. 4.3). führt (⊡
⊡ Tab. 4.3. Regressionsgleichungen (EKGS) für Lungenvolumina im Alter von 18–70 Jahren Geschlecht
Parameter
Einheit
Mittelwert-Gleichung
1,64×RSD
Männer
TLC
l
7,99 KL-7,08
±1,15
RV
l
1,31 KL+0,022 A-1,23
±0,67
TGV
l
2,34 KL+0,009 A-1,09
±0,99
RV/TLC
%
0,39 A+13,96
±9,0
TLC
l
6,60 KL-5,79
±0,99
RV
l
1,81 KL+0,016 A-2,0
±0,58
TGV
l
2,24 KL+0,001 A-1,0
±0,82
RV/TLC
%
0,34 A+18,96
±9,6
Frauen
KL Körperlänge in Metern; A Alter in Jahren. Zwischen 18 u. 25 Jahren wird in die Gleichung das Alter 25 eingesetzt. Die 5. Perzentile errechnet sich durch die Subtraktion von 1,64×RSD vom errechneten Mittelwert.
64
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
Fallbeispiel 21 75 Jahre, männlich, 156 cm, 102 kg Nachfolgend ist die Untersuchung eines Patienten mit bekannter Lungenfibrose und langsam progredienter Belastungsdyspnoe dargestellt.
4
⊡ Abb. 4.14. Bodyplethysmographie Fallbeispiel 21
+ Versuchen Sie, eine Interpretation der Untersuchung und einen abschließenden Befund zu formulieren.
65 4.3 · Fallbeispiele
Interpretation der Untersuchung Die Mitarbeit kann als ausreichend gut bewertet werden. Die dargestellte Fluss-Volumen-Kurve deutet auf eine (parenchymale) Restriktion und eine leichte periphere Obstruktion hin. Aufgrund der VC-Verminderung wird die Restriktion als mittelschwer eingestuft. Die periphere Flussbehinderung findet Ausdruck in der übermäßigen Verminderung der MEF50 und MEF25, kann jedoch im Hinblick auf das Alter noch als normal und als nicht relevant bewertet werden. Formal (5. Perzentile der relativen Einsekundenkapazität) liegt hier keine Obstruktion vor. RAWtot ist deutlich erhöht, da das Lungenvolumen (TGV) deutlich vermindert ist (zur Erinnerung: RAW=sRAW/TGV). sRAW »beinhaltet« quasi das TGV und deutet in unserem Beispiel auf einen lediglich diskret erhöhten Widerstand hin. Zusammenfassend zeigt die Untersuchung den Befund einer parenchymalen, mittelschweren Restriktion (bei bekannter Lungenfibrose) und eine noch altersentsprechende leichte periphere Flussbehinderung. Ergänzend sollte eine Diffusionstestung zur Erfassung der Gasaustauschstörung durchgeführt werden.
4
! Die Resistance ist auch vom Lungenvolumen abhängig. Bei veränderten Lungenvolumina und stark verschobener Atemmittellage ist der Atemwegswiderstand RAWtot volumenbedingt erhöht oder erniedrigt. Die spezifische Resistance
(sRAWtot) ist weitestgehend unabhängig vom Lungenvolumen und stellt den am wenigsten von der Mitarbeit abhängigen Wert dar, der mit der Bodyplethysmographie ermittelt werden kann (⊡ Tab. 4.4). ⊡ Tab. 4.4. Schweregradeinteilung der Obstruktion mittels spezifischem Atemwegswiderstand Schweregrad
sRAW (in % vom Soll)
Leicht
<170
Mittel
170–350
Schwer
>350
Ein erhöhter Quotient RV/TLC deutet nicht zwangsläufig auf eine Überblähung hin, sondern findet sich auch häufig bei restriktiven Ventilationsstörungen. Diese Erhöhung liegt an einer überproportionalen Verminderung der VC im Verhältnis zum RV.
66
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
Fallbeispiel 22 57 Jahre, weiblich, 167 cm, 83 kg Das nächste Beispiel zeigt die Lungenfunktionsprüfung einer Patientin, die über leichte Belastungsdyspnoe klagte. Kardiopulmonal waren keinerlei Vorerkrankungen bekannt.
4
⊡ Abb. 4.15. Bodyplethysmographie Fallbeispiel 22
+ Lässt sich die Symptomatik durch die gezeigte Lungenfunktionsprüfung erklären?
67 4.3 · Fallbeispiele
Interpretation der Untersuchung Den Kurven lässt sich eine gute Mitarbeit entnehmen. Auffällig ist nur eine TGV-betonte diskrete restriktive Komponente (TLC, VC). Da die TLC über der 5. Perzentile liegt, besteht per definitionem noch keine Restriktion. Die Atemflüsse zeigen keinerlei Beeinträchtigung. Zusammenfassend zeigt die Untersuchung eine diskrete restriktive Komponente, die am ehesten adipositasbedingt ist (BMI: 29,8 kg/m2) und klinisch ohne Relevanz sein dürfte. Zum sicheren
4
Ausschluss einer beginnenden Gasaustauschstörung bzw. einer interstitiellen Erkrankung sollten ergänzend ein Diffusionstest und eine Bildgebung durchgeführt werden. ! Eine Restriktion ist über die TLC-Verminderung unter die 5. Perzentile definiert (⊡ Tab. 3.4). Eine klinische Relevanz ist bei restriktiven Ventilationsstörungen erst ab einer VC <80% vom Soll und einer TLC <80% vom Soll zu erwarten. Dies ist natürlich auch abhängig vom Alter, der allgemeinen Fitness und dem entsprechenden Aktivitätsradius des Patienten.
68
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
Fallbeispiel 23 67 Jahre, männlich, 185 cm, 116 kg Nachfolgend ist die Bodyplethysmographie eines 67-jährigen Patienten gezeigt, der mit seit 2 Wochen zunehmender Dyspnoe und beidseitigen Infiltrationen im Röntgen-Thorax stationär behandelt wurde. Bisher verabreichte Antibiotika hatten zu keiner Besserung geführt. Ein Lungenbefund vor 9 Jahren zeigte einen Normalbefund.
4
⊡ Abb. 4.16. Bodyplethysmographie Fallbeispiel 23
+ Versuchen Sie, einen Befund zu formulieren. Die Mitarbeit wurde als gut beschrieben. Zusätzlich wurde angemerkt, dass der Patient deutlich luftnötig war.
69 4.3 · Fallbeispiele
Interpretation der Untersuchung Etwas unregelmäßige Kurven deuten auf eine Anstrengung des Patienten hin. Die Qualität der Untersuchung ist aber ausreichend gut. Es zeigt sich eine mäßiggradige restriktive Ventilationsstörung mit entsprechender Minderung von VC, TLC, TGV und RV. Die Atemflüsse sind unbeeinträchtigt und sogar erstaunlich gut, entsprechend einer parenchymalen Störung. Zusammenfassend ergibt sich eine mäßiggradige Restriktion. Die Atemflüsse sind gut. Zusätzliche ist die Durchführung einer Diffusionstestung und BGA sinnvoll.
4
Der weitere Verlauf erbrachte den Nachweis einer kryptogen organisierende Pneumonie (COP bzw. BOOP) bei dem Patienten. ! Eine restriktive Ventilationsstörung ohne zusätzlichen Nachweis einer relevanten Obstruktion
ist bei einer COP in Anbetracht der Klinik häufig unerwartet, aber typisch. Nur in ca. 20% der Fälle lässt sich eine zusätzliche relevante Obstruktion nachweisen.
70
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
Fallbeispiel 24 70 Jahre, männlich, 164 cm, 62 kg Das folgende Beispiel zeigt das Untersuchungsergebnis eines Patienten mit seit Tagen zunehmender Belastungsdyspnoe und Zustand nach langjährigem Nikotinabusus. Der Patient nahm bisher keinerlei Medikamente ein.
4
⊡ Abb. 4.17. Bodyplethysmographie Fallbeispiel 24
+ Gibt es eine Lungenfunktionseinschränkung als mögliche Ursache für die Beschwerden?
71 4.3 · Fallbeispiele
Interpretation der Untersuchung Die Exspiration der Tiffeneau-Manöver wurden jeweils etwas vorzeitig abgebrochen (s. Spirometrieübersichts-Grafik), insgesamt kann die Mitarbeit jedoch als gut bewertet werden. Die Fluss-Volumen-Kurve ist etwas verschmälert und exspiratorisch konkav eingekrümmt. Die Atemeschleifen bieten keinen spezifischen Anhalt. Den Werten entnehmen wir eine mäßiggradige (TGV-betonte) Restriktion und eine peripher betonte leichtgradige Obstruktion. Zusammenfassend stellt sich der Befund einer gemischten Ventilationsstörung mit leichter, peripher betonter Obstruktion und mäßiggradiger (am ehesten extraparenchymaler) Restriktion.
4
Ergänzend wird die Durchführung einer Bronchospasmolysetestung und eines Diffusionstestes empfohlen. Der weitere Verlauf erbrachte den Nachweis eines ursächlichen rechtsseitigen Pleuraergusses bei Bronchialkarzinom im rechten Hauptbronchus. ! Bei deutlich eingeschränkter Vitalkapazität ist die Beurteilung der Obstruktion mittels der Flussparameter (insbesondere FEV1) schwierig. Neben der relativen Einsekundenkapazität muss man sich an dem Verlauf der Fluss-VolumenKurve orientieren. Die Messung der Atemwegswiderstände ist bei peripher betonter Obstruktion leider oftmals ebenfalls wenig hilfreich.
72
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
Fallbeispiel 25 70 Jahre, männlich, 173 cm, 64 kg Das nächste Beispiel zeigt die Untersuchung eines COPD-Patienten in derzeit klinisch stabilem Zustand und unter laufender Therapie.
4
⊡ Abb. 4.18. Bodyplethysmographie Fallbeispiel 25
+ Versuchen Sie, einen Befund zu formulieren.
73 4.3 · Fallbeispiele
Interpretation der Untersuchung Die Kurvenverläufe sprechen für eine gute Mitarbeit. Darstellung eines typischen COPD-Aspektes mit Zeichen der bronchialen Instabilität (Fluss-Volumen-Kurve, Atemschleife). Sehr schwere Obstruktion [Kurve, Einsekundenkapazitäten, sRAW (bzw. RAW spz)] mit zusätzlicher mindestens mittelgradiger Überblähung und deutlich eingeschränkter Reserve (VC-Minderung). Der im Ausdruck angebotene Vergleich der relativen Einsekundenkapazität, bezogen auf die VCin und FVC, verdeutlicht den relevanten Unterschied zwischen langsamer und forcierter Exspiration bei obstruktiven Atemwegserkrankungen. Zusammenfassend ergibt sich ein COPD-typischer Aspekt. Unter laufender Medikation sehr schwere Obstruktion und mindestens mittelgradige Überblähung mit deutlicher Einschränkung der Reserve (VC). Der Befund entspricht somit einer sehr schweren COPD (Grad IV). Zur vollständigen Erfassung des Ausmaßes sollten ergänzend eine Diffusionstestung, eine BGA und ein 6-Minuten-Gehtest (6MWD) durchführt werden.
4
! Die FEV1 ist ein wichtiger Prognosefaktor bei der COPD. Isoliert und als Teil von multidimensionalen Score-Systemen (z. B. BODE-Index) korreliert die Einsekundenkapazität gut mit dem Überleben der Patienten und ist somit ein wichtiger Verlaufsparameter. Bei fortgeschrittener COPD ist der 6MWD jedoch gegenüber der FEV1 weitaus aussagekräftiger, da er im Ergebnis über die Obstruktion hinaus jegliche systemischen, leistungslimitierenden Komponenten widerspiegelt.
Noch nicht so lange als Prognosefaktor etabliert ist das Verhältnis der inspiratorischen Kapazität (IC) zur TLC. Ein IC/TLC-Wert <25% geht mit einer
klinisch bedeutsamen Überblähung und einer erhöhten Mortalität einher. Verglichen mit der isolierten FEV1 ist IC/TLC als Mortalitätsprädiktor noch aussagekräftiger.
In unserem Beispiel ergibt sich rechnerisch eine IC von 1,77 l (VC–ERV) und ein IC/TLC von 23%.
74
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
Fallbeispiel 26 48 Jahre, männlich, 190 cm, 60 kg Nachfolgend ist die Spirometrie/Bodyplethysmographie eines Patienten mit bekannter COPD dargestellt. Eine Woche nach Extubation und Rekompensation (nach Erschöpfung der Atempumpe im Rahmen einer AECOPD) sollte der lungenfunktionstechnische Status erhoben werden.
4
⊡ Abb. 4.19. Bodyplethysmographie Fallbeispiel 26
+ Wie ist die Lungenfunktion zu beurteilen?
75 4.3 · Fallbeispiele
Interpretation der Untersuchung Die Mitarbeit des schwer betroffenen Patienten kann als gut bewertet werden. Der hohe PEF spricht für eine maximale Bemühung. Die Fluss-Volumen-Kurve und die Atemschleife zeigen sehr eindrucksvoll die atemmechanischen Verhältnisse mit frühexspiratrischem Abbruch des Atemflusses bei forcierter Exspiration (Bronchialkollaps). Die Obstruktion ist als sehr schwer einzustufen. Die erniedrigte TLC lässt an eine Restriktion denken – diese hat sich jedoch im Verlauf durch weitere Untersuchungen nicht bestätigt. Trotz der erniedrigten TLC deuten die restlichen Werte (TGV, RV, RV/TLC) und nicht zuletzt die Form der Atemschleifen auf eine mindestens mittelgradige relative Überblähung hin. Zusammenfassend ergibt sich der Befund einer sehr schweren COPD mit ausgeprägtesten Zeichen der bronchialen Instabilität. Sehr schwere Obstruktion und mindestens mittelgradige Überblähung. Ergänzend sollte noch eine Diffusionstestung zur Bestimmung einer Gasaustauschstörung (als Maß des Parenchymschadens) durchgeführt werden. Es sei ergänzend angemerkt, dass der Patient für die gezeigten Veränderungen viel zu jung
4
ist. Um einen systematischen Fehler (z. B. falsches Geburtsdatum) auszuschließen, wurde der behandelnde Arzt bzgl. der Umstände kontaktiert. Das Geburtsdatum war korrekt, der Patient hat einen bekannten α-1-Antitrypsin Mangel, der entsprechende Veränderungen erklärt. IC/TLC beträgt (rechnerisch) im gezeigten Beispiel 22% und ist somit deutlich vermindert. ! Die klinischen Umstände sind für die Beurteilung der Untersuchungen sehr wichtig und stets zu berücksichtigen. Die Mitarbeit darf bei schwer beeinträchtigten Patienten etwas eingeschränkt sein. Die Plausibilität ist stets zu überprüfen. Passt das Ergebnis zu dem Patienten (Alter, Geschlecht, Körpermaße)?
Das Lungenemphysem ist primär durch strukturelle Veränderungen definiert. Eine Überblähung ist
nicht automatisch einem Lungenemphysem gleichzusetzen. Funktionell wird dieses, bedingt durch den korrelierenden Parenchymschaden, über eine Transferstörung in der Diffusionstestung definiert.
76
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
Fallbeispiel 27 57 Jahre, weiblich, 161 cm, 94 kg Das nächste Beispiel zeigt die Untersuchung einer Patientin mit deutlicher Belastungsdyspnoe und bekannter chronischer Bronchitis.
4
⊡ Abb. 4.20. Bodyplethysmographie Fallbeispiel 27
+ Wie beurteilen Sie die Untersuchung?
77 4.3 · Fallbeispiele
Interpretation der Untersuchung Die Mitarbeit der Patientin kann als gut bewertet werden. Die Fluss-Volumen-Kurve und die Atemschleifen deuten zunächst auf eine gemischte Ventilationsstörung hin. Auffällig ist, dass die relative Einsekundenkapazität (FEV1/VC) bei stark erniedrigter FEV1 und VC trotz der deutlichen Zeichen der Flusslimitierung nicht vermindert ist. Bei schwergradig verminderter VC ist andererseits die TLC im Normbereich. Zusätzlich fällt eine Erhöhung des RV, TGV und RV/TLC, im Sinne einer relativen Hyperinflation auf. Formal ist somit (orientiert an FEV1, VC und TLC) trotz stark veränderter Lungenfunktionsprüfung sowohl eine Obstruktion als auch eine Restriktion ausgeschlossen. Die Messung der Resistance entspricht jedoch einer mittelgradigen Obstruktion. Zusammenfassend ergibt sich der Befund eines Small Airways Obstruction Syndrome mit klassischer Konstellation von FEV1, VC, RV und TLC. Zugrunde liegend ist in diesem Fall am ehesten eine COPD mit beginnendem Emphysem.
4
! Das Small Airways Obstruction Syndrome ist durch die typische Konstellation von verminderter FEV1 und VC, erhöhtem RV und RV/ TLC und normaler FEV1/VC und TLC charakterisiert. Formal wäre (gemäß der üblichen Kriterien) bei dieser Konstellation eine Obstruktion und Restriktion ausgeschlossen. Es handelt sich bei dem Syndrom um eine obstruktive Venti-
lationsstörung mit vorzeitigem Verschluss kleiner peripherer Bronchien (mit »air trapping« und entsprechender VC-Minderung).
Das Small Airways Obstruction Syndrome wird bei verschiedenen Erkrankungen oder auch bei älteren Menschen beobachtet. Typischerweise liegt dem Syndrom ein frühzeitiges Emphysem, ein Small Airways Disease oder ein Asthma bronchiale zugrunde. Ursächlich scheint eine Obstruktion der kleinen peripheren Bronchien bei frühzeitigem Bronchialkollaps und entsprechendem »air trapping« zu sein.
78
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
Fallbeispiel 28 50 Jahre, männlich, 174 cm, 72 kg Die nachfolgende Untersuchung zeigt das Ergebnis eines Patienten mit Verdacht auf eine Sarkoidose bei radiologischem Nachweis einer bihilären Adenopathie. Der Patient hat keine Ruhebeschwerden und gibt an, stets viel Sport betrieben zu haben.
4
⊡ Abb. 4.21. Bodyplethysmographie Fallbeispiel 28
+ Wie beurteilen Sie das Untersuchungsergebnis?
79 4.3 · Fallbeispiele
Interpretation der Untersuchung Gute Mitarbeit. In der Fluss-Volumen-Kurve zeigt sich ein überschießender initialer exspiratorischer Atemfluss. Die weitere Exspirationskurve verläuft etwas unregelmäßig und diskret eingedellt. Im Vergleich zu den Referenzwerten leicht erhöhte VC und deutlich erhöhter PEF. Während MEF50 und 25 vermindert sind, liegt die FEV1 jedoch im oberen Normbereich. Die Atemschleife verläuft normal, die Atemwegswiderstände sind (entsprechend den großen Lungenvolumina) vermindert. Zusammenfassend ergibt sich ein Normalbefund bei großer Lunge. Aufgrund des verstärkten initialen Exspirationsflusses (auch Flow-Overshoot genannt) kommt es im weiteren Flussverlauf zunächst zu einer leichten Verminderung des Flusses, da initial bereits größere Teile der VC ausgeatmet wurden. Der mittlere Kurvenverlauf darf nicht fälschlicherweise mit den ersten Anzeichen einer
4
peripheren Obstruktion (im Sinne eines small airways disease) verwechselt werden. Ergänzend lässt sich dem Befund hinzufügen, dass eine Spiroergometrie durchgeführt wurde, die eine überdurchschnittlich gute Lungenfunktion bestätigte. Die maximale Sauerstoffaufnahme betrug 156% vom Soll, und die erreichte Leistung lag mit 180% vom Soll ebenfalls deutlich über dem Referenzwert. ! Ein großer, kräftiger Lungenfunktionsapparat zeigt manchmal einen überschießenden initialen Exspirationsverlauf (Flow-Overshoot). Der weitere, leicht alterierte Flow-Verlauf darf nicht mit dem einer beginnenden peripheren Obstruktion verwechselt werden. Der insgesamt leicht veränderte Kurvenverlauf ist nicht Ausdruck einer Pathologie, sondern einer besonderen anatomischen und funktionellen Kapazität der Lunge.
80
Kapitel 4 · Bodyplethysmographie
Fallbeispiel 29 53 Jahre, weiblich, 168 cm, 117 kg Das letzte Beispiel zeigt die Untersuchung einer Patientin mit erstdiagnostizierter obstruktiver Schlafapnoe bei schwerer Adipositas (BMI 42 kg/m²). Kardiopulmonale Vorerkrankungen sind nicht bekannt.
4
⊡ Abb. 4.22. Bodyplethysmographie Fallbeispiel 29
+ Wie lautet ihr Befund?
81 4.3 · Fallbeispiele
Interpretation der Untersuchung Gute Mitarbeit. Etwas unregelmäßige, aber insgesamt normale Fluss-Volumen-Kurve. Die Werte der Spirometrie liegen ebenfalls im Normbereich. Die Atemschleife darf nicht mit der einer fortgeschrittenen COPD verwechselt werden. Sie zeigt die typische dreieckförmige Konfiguration eines stark adipösen Menschen. Zum Vergleich s. auch Fallbeispiel 19. Versucht man den bronchialen Widerstand und somit den Grad der Obstruktion nur aufgrund der Werte sRAWtot (hier: SRtot) bzw. RAWtot (hier: Rtot) zu beurteilen, führt dies manchmal zu Fehleinschätzungen – so auch in diesem Fall. Von einigen Experten wird daher die Beurteilung mittels effektivem Atemwegswiderstand (Reff ) vorgezogen. Mit 0,32 kPa*s/l liegt dieser im Normbereich. Auffällig ist auch die isolierte starke Einschränkung von ERV (14% vom Soll) und in geringerem Ausmaß auch ITGV (77% vom Soll). Zur Erinnerung: ITGV (bzw. TGV)=ERV+RV). Diese Veränderungen sind typisch für eine Adipositas. Zusammenfassend zeigt die Untersuchung, abgesehen von einer Adipositas-typischen Atemmechanik, einen Normalbefund. Eine relevante Ventilationsstörung liegt derzeit bei der Patientin nicht vor.
4
! Der effektive Atemwegswiderstand (Reff ) ist ein weiterer Parameter zur Beurteilung des Atemwegswiderstandes bzw. der Obstruktion. Im Vergleich zu Rtot wird der Wert nicht über die beiden Extrempunkte des Kabinendrucks bestimmt, sondern errechnet sich über die Fläche der Atemschleife, dividiert durch die Fläche der Fluss-Volumen-Kurve. Hiermit ist der Wert zwar weniger sensitiv bzgl. peripherer Veränderungen, dafür aber im Vergleich zu RAW weniger variabel bzw. anfällig für Störeinflüsse. Der spezifische Reff ist proportional zum Kehrwert der Steigung einer mittleren Gerade durch die Atemschleife. Reff errechnet sich (analog zu sRAW und RAW) durch Division des sReff durch TGV (hier: ITGV), zuzüglich der Hälfte des Atemzugvolumens (VT/2).
Der Sollwert für Reff liegt (analog zu RAWtot) bei <0,3 kPa*s/l, und die Schweregradeinteilung entspricht der des RAWtot. Mit steigendem BMI kommt es häufig zu Lungenfunktionseinschränkungen im Sinne einer Restriktion. Noch bevor es zum Abfall von FVC und FEV1 kommt, liegt meist eine Einschränkung von ERV (und folglich auch TGV bei meist stabilem RV) vor.
5
Bronchospasmolysetestung und Provokationstestung
5.1
Einleitung – 84
5.2
Bronchospasmolysetestung – 84
5.3
Provokationstestung – 84
5.4
Fallbeispiele – 86
5
84
Kapitel 5 · Bronchospasmolysetestung und Provokationstestung
5.1
Einleitung
Ergänzend zur Spirometrie bzw. Bodyplethymographie ist es manchmal sinnvoll, eine Bronchospasmolyse- oder Provokationstestung durchzuführen. Der Wert der Bronchospasmolysetestung liegt in der Überprüfung der Reversibilität und damit in der Differenzierung einer unklaren obstruktiven Ventilationsstörung. Aufgrund der Rückbildungstendenzen einer Obstruktion auf ein Bronchospasmolytikum kann insbesondere zwischen einem Asthma bronchiale und einer COPD unterschieden werden. Andererseits kann mittels inhalativer Provokation eine bronchiale Hyperreaktivität ermittelt werden.
5.2
Patienten, inhalative Applikationssysteme richtig anzuwenden, sehr unterschiedlich ist und die Wirkung der Medikamente ganz entscheidend von der richtigen Anwendung der inhalativen Systeme abhängt. Eine etwaige pulmonale Vormedikation muss zudem ausreichend lange pausiert sein, um eine valide Bronchospasmolysetestung durchführen zu können. Es sei jedoch angemerkt, dass bei Patienten mit exspiratorischem Bronchialkollaps die Änderungen des FEV geringer ausfallen können als der Abfall des TGV oder RV. Sonst ist die Aussagekraft einer kombinierten Spirometrie-Bodyplethysmographie höher als die einer Bronchospasmolyse-Testung mittels isolierter Spirometrie.
Bronchospasmolysetestung 5.3
In der Bronchospasmolysetestung wird die Beeinflussbarkeit einer Obstruktion durch Bronchospasmolytika (β2-Sympathomimetika, Anticholinergika) überprüft. Da die Obstruktion der verschiedenen Atemwegserkrankungen unterschiedlich auf Bronchospasmolytika anspricht, kann man hiermit zwischen den einzelnen Erkrankungen unterscheiden. Außerdem ist es möglich, die Wirkung verschiedener Bronchospasmolytika individuell auszutesten. Nach erfolgtem Nachweis einer obstruktiven Ventilationsstörung mittels Spirometrie und ggf. Bodyplethysmographie wird ein Bronchospasmolytikum (⊡ Tab. 5.1) inhaliert. Nach ausreichend hoher Dosis und ausreichend langer Wirkzeit wird dann der vorherige Lungenfunktionstest wiederholt und die Rückbildung der Obstruktion (Reversibilität) beurteilt. Für eine effektive Durchführung sei darauf hingewiesen, dass das Vermögen der einzelnen
⊡ Tab. 5.1. Bronchospasmolytika Substanz
Wirkeintritta
Salbutamol
10
Formoterol
10
Ipratropiumbromid
30
aMinimale Wartezeit
in Minuten
Provokationstestung
Bis zu einem gewissen Grad ist die Reaktion der bronchialen Muskulatur auf inhalative Reize normal und physiologisch sinnvoll. Eine Hyperreaktivität kann jedoch unangenehme Folgen haben. Der inhalative, unspezifische Provokationstest dient dem Nachweis einer bronchialen Hyperreaktivität. Typisch ist dies z. B. bei einem Asthma bronchiale. Es sei jedoch angemerkt, dass es auch andere Erkrankungen gibt, die mit einer erhöhten bronchialen Hyperreaktivität einhergehen (Sarkoidose etc.) und dass auch Atemwegsgesunde oder Patienten nach Atemwegsinfekt (bis zu 6 Wochen) mitunter ein pathologisches Testergebnis zeigen können. Beim inhalativen Provokationstest wird spirometrisch (und ggf. bodyplethysmographisch) die Reaktion auf eine standardisierte Inhalation eines Aerosols einer chemischen Substanz (meist Metacholin oder Histamin) ermittelt. Durchgeführt wird der Einkonzentrationstest (mit z. B. 0,25% Methacholin) oder der Mehrkonzentrationstest (mit ansteigender Dosis oder Konzentration, z. B. Methacholin 0,25% – 0,5% – 1,0% – 2,0% – 3,0%). Im Einkonzentrationstest wird die Reaktivität auf eine feste niedrige Dosis anhand der Reaktionsstärke beurteilt. Im Mehrkonzentrationstest wird die Reaktion durch die ansteigende Dosis bzw. Konzentration erfasst und als Provokationskonzentration ausgedrückt, bei der die FEV1 um mindestens 20 % abnimmt (PC 20).
85 5.3 · Provokationstestung
Bei der Durchführung sollten folgende relative Kontraindikationen berücksichtigt werden: ▬ vorliegende Atemwegsobstruktion (FEV1% <70, RAWtot >0,35 kPa/l/s) oder Hypoxämie, ▬ vorliegende Herzerkrankungen, insbesondere bradykarde Herzrhythmusstörungen und Zustand nach frischem Herzinfarkt, ▬ vorliegende Schwangerschaft.
5
Ferner sollte berücksichtigt werden, dass eine bronchodilatatorische Medikation gemäß Wirkdauer im Vorfeld ausreichend lange pausiert ist. Der Patient muss auf das eventuelle Auftreten einer schweren Atemwegsobstruktion hingewiesen werden, und entsprechende Behandlungsmöglichkeiten (Antiobstruktiva) müssen bei der Durchführung des Tests einsatzbereit sein.
86
Kapitel 5 · Bronchospasmolysetestung und Provokationstestung
5.4
Fallbeispiele Fallbeispiel 30 24 Jahre, weiblich, 170 cm, 54 kg Das erste Beispiel zeigt die Untersuchung einer jungen Frau, die mit Atemnot und Verdacht auf ein Asthma bronchiale vorstellig wurde. Dargestellt ist die Lungenfunktionsprüfung vor und 10 min nach Inhalation mit 0,4 mg Salbutamol.
5
⊡ Abb. 5.1. Bronchospasmolysetest Fallbeispiel 30
+ Welche Veränderungen sind zwischen den beiden Untersuchungen zu erkennen?
87 5.4 · Fallbeispiele
Interpretation der Untersuchung Die Kurven sprechen für eine gute Mitarbeit der Patientin. In der ersten Untersuchung zeigen sich eine mittelschwere Obstruktion sowie eine leichtgradige Überblähung mit entsprechender leichtgradiger Einschränkung der VC. Nach Inhalation des schnell wirksamen β2Sympathomimetikums zeigt sich eine Zunahme der FEV1 um 880 ml bzw. 47%. Die Obstruktion ist nach signifikantem Rückgang noch leichtgradig nachzuweisen (FEV1, Fluss-Volumen-Kurve) und betrifft hauptsächlich die peripheren Bronchialabschnitte (RAWtot normal). Die Überblähung hat sich ebenfalls deutlich zurückgebildet und ist nur noch diskret nachweisbar. Beachtlich ist in diesem Zusammenhang auch die Rückbildung der Atemschleife. Zusammenfassend ergibt sich der Befund eines positiven Bronchospasmolysetests mit partieller Reversibilität einer mittelgradigen Obstruktion im Rahmen eines Asthmaanfalls.
5
! Die Reversibilität wird anhand der FEV1Veränderung bestimmt. Eine Zunahme um mindestens 15% bzw. 200 ml gilt hierbei als signifikant. Ferner wird zwischen einer partiellen und kompletten Reversibilität der Obstruktion differenziert.
Eine verminderte oder fehlende Reversibilität kann an der Art der Obstruktion (fixe Obstruktion) oder auch an der Durchführung der Bronchospasmolyse (richtige Inhalation, Dosis, Wartezeit) liegen.
Für den gezeigten Fall sei angemerkt, dass die Wartezeit für das Ausmaß der Obstruktion etwas knapp ist. Andererseits ist kaum zu erwarten, dass ein Asthmaanfall trotz guten Ansprechens auf β2-Sympathomimetika nach einmaliger Inhalation 10 min später vollständig reversibel ist.
88
Kapitel 5 · Bronchospasmolysetestung und Provokationstestung
Fallbeispiel 31 44 Jahre, männlich, 178 cm, 72 kg Nachfolgend ist die Untersuchung eines Patienten dargestellt, der initial mit schwerer Dyspnoe im Rahmen einer Bronchitis stationär aufgenommen wurde. Bei anamnestisch länger bestehenden bronchitischen Beschwerden wurden nach klinischer Besserung die Antiobstruktiva pausiert und ein Bronchospasmolysetest (mit 0,4 mg Salbutamol) durchgeführt.
5
⊡ Abb. 5.2. Bronchospasmolysetest Fallbeispiel 31
+ Welcher Befund ist zu erheben?
89 5.4 · Fallbeispiele
Interpretation der Untersuchung Die Kurven sprechen für eine gute Mitarbeit des Patienten. In der ersten Untersuchung zeigen sich eine sehr schwere, peripher betonte Obstruktion sowie eine leichtgradige Überblähung mit deutlicher Einschränkung der VC. Die Fluss-Volumen-Kurve und die Atemschleife zeigen diskrete Zeichen der bronchialen Instabilität. Nach Inhalation des schnell wirksamen β2Sympathomimetikums zeigt sich eine Zunahme der FEV1 um 260 ml bzw. 25%. Die Obstruktion ist nach signifikantem Rückgang postdilatatorisch noch schwergradig nachzuweisen (FEV1, Fluss-Volumen-Kurve) und betrifft bei deutlichem Rückgang der Resistance (um 46%) hauptsächlich die peripheren Bronchialabschnitte. Die Überblähung hat sich bodyplethysmographisch nicht wesentlich verändert, jedoch ist die VC um 441 ml gestiegen. Zusammenfassend ergibt sich der Befund eines positiven Bronchospasmolysetests mit partieller Reversibilität einer sehr schwergradigen Obstruktion. Der Befund spricht am ehesten für das Vorliegen einer COPD. Hierzu ist anzumerken, dass die 25-prozentige Reversibilität für eine gewisse Hyperreaktivität (mit entsprechender Reversibilität) spricht, die bei einer COPD durchaus vorliegen kann, in diesem Fall aber auch Folge des abklingenden Atemwegsinfektes sein könnte. Für eine COPD (insbesondere in dem Ausmaß) ist der Patient sehr jung. Zur weiteren Abgrenzung eines Asthma bronchiale sollte unbedingt eine Verlaufskontrolle und ergänzend noch eine Diffusionstestung durchgeführt werden. Bei einem vorliegenden Emphysem ist der Transferfaktor (DLCO) erniedrigt, während der Transfer-
5
faktor bei einem reinen Asthma bronchiale normal oder sogar erhöht ist. Der Befund einer COPD hat sich im Weiteren bestätigt. Ferner wurde bei dem Patienten ein α1Antitrypsinmangel festgestellt. ! An der Reversibilitätsreaktion der Obstruktion durch inhalative Antiobstruktiva kann man häufig zwischen einem Asthma bronchiale und einer COPD unterscheiden. Während beim Asthma bronchiale die Reversibilität meist nahezu vollständig ist, ist sie bei der COPD häufig nicht einmal signifikant (d. h. >15% bzw. >200 ml der FEV1). Hierbei muss das primäre Ausmaß der Obstruktion berücksichtigt werden. In unserem Beispiel beträgt die Reversibilität zwar 25%, für die Schwere der Obstruktion ist sie aber eher gering.
Insbesondere bei der COPD ist die positive Reaktion auf ein Antiobstruktivum nicht unbedingt nur an der FEV1 ablesbar. Häufig ist hier jedoch ein deutlicher Rückgang der Resistance nachweisbar. Wegen der bronchialen Instabilität (Bronchialkollaps) ist die FEV1 bei einer COPD häufig wenig aussagekräftig, und es sollte unbedingt das Ausmaß der Überblähung mitbeurteilt werden, die sich meist deutlich bessern lässt. Einige Effekte zeigen sich auch erst nach regelmäßiger wochenlanger Anwendung (z. B. Rückgang der Überblähung). Ein negativer Bronchospasmo-
lysetest darf nicht mit einer Wirkungslosigkeit der verwendeten Substanz verwechselt werden und erlaubt keine Aussage über das Ansprechen der Medikation im weiteren Verlauf.
90
Kapitel 5 · Bronchospasmolysetestung und Provokationstestung
Fallbeispiel 32 70 Jahre, männlich, 173 cm, 64 kg Das nächste Beispiel zeigt die Bronchospasmolysetestung eines Patienten, der an einer langjährig bekannten COPD leidet.
5
⊡ Abb. 5.3. Bronchospasmolysetest Fallbeispiel 32
+ Versuchen Sie, einen schriftlichen Befund zu erheben und die Untersuchungsergebnisse zu beschreiben.
91 5.4 · Fallbeispiele
Interpretation der Untersuchung Die Kurven sprechen für eine gute Mitarbeit des Patienten. In der ersten Untersuchung zeigt sich eine sehr schwere Obstruktion bei deutlichen Zeichen der bronchialen Instabilität sowie eine mindestens mittelgradige Überblähung mit entsprechend deutlicher Einschränkung der Reserve (VC). Nach Inhalation des schnell wirksamen β2Sympathomimetikums zeigt sich eine Zunahme der FEV1 um 60 ml bzw. 9%. Die Obstruktion ist weiterhin als sehr schwer einzustufen und hauptsächlich durch die bronchiale Instabilität bedingt. Die Betrachtung der Atemschleife zeigt, am ehesten bedingt durch eine schnellere, kräftigere Atmung (s. erhöhten Fluss der postdilatatorischen Resistanceschleifen), sogar eine Zunahme der Widerstande (exspiratorischer Bronchialkollaps nimmt mit zunehmendem Exspirationsdruck zu). Die Überblähung hat sich dem TGV zufolge leicht zurückgebildet. Da RAW (=sRAW/TGV) vom Lungenvolumen abhängig ist, bedeutet eine Abnahme des TGV zugleich eine gewisse Abnahme des Bronchialquerschnitts und somit einen erhöhten RAW. Hierdurch wird der positive bronchodilatatorische Effekt unterschätzt. Um eine Fehlinterpretation zu vermeiden, sollte lieber der spezifische Atemwegswiderstand sRAW beurteilt werden. So ist auch in unserem Beispiel begründet, warum RAW stärker ansteigt als sRAW. Zusammenfassend ergibt sich der Befund eines negativen Bronchospasmolysetests mit sehr schwerer Obstruktion, die hauptsächlich durch die
5
exspiratorische Instabilität des Bronchialsystems gekennzeichnet ist, passend zu einer langjährigen COPD. ! Bei bronchialer Instabilität nimmt der exspiratorische Widerstand, also die Obstruktion, mit zunehmender Exspirationsanstrengung bzw. Atemflussgeschwindigkeit zu. Bei Betrachtung der Atemschleifen muss der Fluss stets beachtet werden. Möglicherweise ist der Patient durch vorherige Atemmanöver bereits stark angestrengt und atmet deshalb schneller und kräftiger. Gefordert ist jedoch eine Ruheatmung, deren Fluss meist um 1 l/s liegt.
Bei Patienten mit schwerer bronchialer Instabilität (COPD) sind die forcierten, unphysiologischen Atemmanöver nur bedingt geeignet, die (relevante) Lungenfunktion wiederzugeben. Die Diffusionstestung, BGA oder der 6-Minuten-Gehtest sind Untersuchungen, die die schwere der Lungenfunktionseinschränkung bei der COPD ergänzend darstellen können.
Im vorliegenden Fall wurden 2 Hub eines Dosieraerosols verabreicht. Es bleibt offen, ob der Patient in der Lage war, genug Wirkstoff über dieses Applikationssystem zu inhalieren. Ältere Menschen haben große Schwierigkeiten, Dosieraerosole korrekt anzuwenden. Hier muss auf Spacer oder andere Applikationssysteme zurückgegriffen werden.
92
Kapitel 5 · Bronchospasmolysetestung und Provokationstestung
Fallbeispiel 33 44 Jahre, männlich, 197 cm, 140 kg Das nachfolgende Beispiel zeigt die Provokationsuntersuchung eines Patienten, der seit Monaten über wiederholte Husten- und Atemnotanfälle berichtete und ansonsten nach eigenen Angaben gesund sei. ⊡ Abb. 5.4) und die Messung nach Provokation mit Histamin 0,5 mg/ Gezeigt ist die Basis-Leermessung (⊡ ⊡ Abb. 5.5) sowie nach Spasmolyse (⊡ ⊡ Abb. 5.6). Die komplette Testreihe des Mehrkonzentratiml (⊡ onstestes (einschließlich der hier nicht aufgeführten Einzelbefunde) ist im Hyperreagibilitäts-Report ⊡ Abb. 5.7) unten chronologisch aufgeführt. Die Parameter FEV1 und sRAWtot sind über den Verlauf (⊡ grafisch dargestellt.
5
⊡ Abb. 5.4. Provokationstest – Leermessung Fallbeispiel 33
93 5.4 · Fallbeispiele
⊡ Abb. 5.5. Provokationstest – Histamin 0,5 mg/ml Fallbeispiel 33
5
94
Kapitel 5 · Bronchospasmolysetestung und Provokationstestung
5
⊡ Abb. 5.6. Provokationstest – Bronchospasmolyse Fallbeispiel 33
95 5.4 · Fallbeispiele
⊡ Abb. 5.7. Provokationstest – Hyperreagibilitäts-Report Fallbeispiel 33
5
96
Kapitel 5 · Bronchospasmolysetestung und Provokationstestung
Interpretation der Untersuchung
5
Die Kurven sprechen für eine ausreichend gute Mitarbeit des Patienten. Die Basis-Leermessung zeigt eine diskrete periphere Flussbehinderung. FEV1/VC und MEF50 sind am unteren Grenzwert (5. Perzentile), jedoch formal noch nicht im Sinne einer Obstruktion erniedrigt. Die PEF-Verminderung und der abgerundete exspiratorische Peak sind mitarbeitsbedingt. Nach Inhalation mit NaCl 0,9% zeigt sich keine wesentliche Änderung der Ventilationsfunktion. Es zeigt sich lediglich ein diskreter Anstieg der spezifischen Resistance. Nach Inhalation von Histamin 0,1 mg/ml zeigt sich ein weiterer, diskreter Anstieg der spezifischen Resistance bei unveränderten spirometrischen Flussparametern. Nach Inhalation von Histamin 0,5 mg/ml zeigen sich ein deutlicher Anstieg der spezifischen Resistance (um ca. 300% bzw. 580%, bezogen auf den Leerwert) sowie deutliche Zeichen der Obstruktion in der Fluss-Volumen-Kurve bei entsprechenden spirometrischen Flussparametern im Sinne einer schwergradigen Obstruktion. Zusätzlich zeigt sich eine deutliche Zunahme der relativen Überblähung (»air trapping«) mit entsprechender Auslenkung der Atemschleife.
Die anschließende Bronchospasmolyse zeigt im Weiteren die vollständige Reversibilität der Obstruktion und relativen Überblähung. Zusammenfassend ergibt sich der Befund einer positiven unspezifischen Provokationstestung (bei Histamin 0,5 mg/ml) mit anschließend guter Reversibilität als Zeichen eines deutlich hyperreagiblen Bronchialsystems, passend zu dem Befund eines Asthma bronchiale. ! Die Kriterien eines positiven Provokationstestes sind eine Abnahme der FEV1 um mindestens 20% und eine Verdoppelung des Widerstandes sRAWtot auf mindestens 2,0 kPa*s. Die Quantifizierung der Reaktion erfolgt (je nach verwendeter Methode) über die Angabe der Kon-
zentration bzw. Dosis der inhalierten Provokationssubstanz. Alternativ wird die Stärke der Reaktion auf eine fixe Dosierung beschrieben (Einkonzentrationstest). Hierbei besteht jedoch die erhöhte Gefahr falsch-negativer Ergebnisse.
6
Diffusionstestung
6.1
Einleitung – 98
6.2
Fallbeispiele – 99
6
98
Kapitel 6 · Diffusionstestung
6.1
Einleitung
Die Diffusionstestung oder Diffusionsanalyse ist eine ergänzende Untersuchungsmethode, die eine weitere wesentliche Teilfunktion der Atmung, die Diffusion der Atemgase, untersucht und in letzter Zeit zunehmende Bedeutung findet. Als Testgas für die Diffusion wird Kohlenmonoxid (CO) verwendet, das eine sehr starke Affinität zum Hämoglobin hat und (außer bei Rauchern) in der natürlichen Atmosphäre und somit auch im Blut praktisch nicht vorkommt. Der wesentliche Parameter der Untersuchung ist die Diffusionskapazität (DLCO oder TLCO). Die Diffusionskapazität ist jedoch nicht nur von der eigentlichen Diffusion, sondern auch von weiteren Teilfunktionen, wie z. B. der Durchblutung, abhängig, die bei der Untersuchung unspezifisch miterfasst werden. Unterschieden werden 2 unterschiedliche Messmethoden. Die Ein-Atemzug-Methode (oder Single-Breath-Methode) ist die weitaus gebräuchlichere Untersuchungsform, wobei ein Gasgemisch (Kohlenmonoxid, Helium, Raumluft) in einem maximalen Inspirationsmanöver eingeatmet und während einer 10 s dauernden Atemanhaltezeit ins Blut diffundieren kann, bevor das restlich Gas in der nachfolgenden Exspiration wieder ausgeatmet und dabei auf seine Zusammensetzung analysiert wird. Insbesondere für ältere und schwergradig atemwegserkrankte Patienten ist es jedoch oft schwierig, die Luft 10 s lang anzuhalten. Hier ist eine Software von Vorteil, die von einer Atemanhaltezeit von z. B. 7 s ausgehen kann und die ermittelten Werte auf die eigentliche Referenzzeit von 10 s umrechnet. Die zweite Messmethode ist die Steady-State-Methode, bei der die Gasaufnahme über eine Ruheatemphase ermittelt wird. In der Praxis hat sie jedoch kaum Bedeutung. Nachfolgend sollen zum besseren Verständnis die einzelnen Einflüsse auf die Diffusionskapazität dargestellt werden. Die DLCO ist von der Diffusionsleitfähigkeit der Membranen (DM), der chemischen Reaktionsrate zwischen Kohlenmonoxid und Hämoglobin (*) und dem Volumen des kapillären Blutstroms (Vc) abhängig. Den Einfluss
der einzelner Faktoren auf die Diffusionskapazität zeigt die folgende Formel: 1/DLco=(1/Dm)+(1/*Vc) Da die Einflüsse der oben genannten Faktoren über die eigentliche Diffusion hinausgehen, wird heute meist der Begriff des Transferfaktors (TLCO) dem der Diffusionskapazität (DLCO) bevorzugt. In ⊡ Tab. 6.1 und ⊡ Tab. 6.2 sind die einzelnen physiologischen und pathophysiologischen Mechanismen der DLco-Erhöhung bzw. -Erniedrigung aufgelistet. Über das Alveolarvolumen (VA) kann man die Diffusionskapazität in Relation zur Lungengröße bringen und somit größenbedingte Veränderungen der Transferfunktion näherungsweise korrigieren. Dieser sog. Transferkoeffizient oder auch KroghIndex (TLCO/VA bzw. KCO) erlaubt eine grobe Unterscheidung der Restriktion in eine pulmonale oder extrapulmonale Ätiologie. So kann beispielsweise bei einer Thoraxdeformität der Transferfaktor zwar erniedrigt sein, der Transferkoeffizient zeigt jedoch Werte im Normbereich oder ist auch leicht erhöht. Ergänzend zu den Diffusionsparametern werden mittels Heliumdilution das Residualvolumen, die funktionelle Residualkapazität und die Totalkapazität ermittelt.
⊡ Tab. 6.1. DLCO-Erhöhung ↑ * VC
Polyzythämie, Links-rechts-Shunt, Lungenhämorrhagie, Asthma, körperliche Anstrengung, Adipositas
⊡ Tab. 6.2. DLCO-Erniedrigung ↓ VA, DM
Atemmuskelstörung, Thoraxdeformierung
↓ * Vc
Anämie, Lungenembolie
↓ Dm und * Vc
Lungenresektion, Emphysem, Lungengerüsterkrankung, Lungenödem, Vaskulitis, pulmonale Hypertonie
99 6.2 · Fallbeispiele
6.2
Fallbeispiele Fallbeispiel 34 39 Jahre, männlich, 178 cm, 81 kg Das folgende Beispiel zeigt die Diffusionstestung eines Patienten, der wegen eines Lymphoms eine potenziell lungentoxische Chemotherapie erhalten soll. Eine vorherige Spirometrie zeigte einen unauffälligen Befund des langjährigen Rauchers.
⊡ Abb. 6.1. Diffusionstestung Fallbeispiel 34
+ Kann die Chemotherapie ohne Bedenken begonnen werden?
6
100
Kapitel 6 · Diffusionstestung
Interpretation der Untersuchung
6
Die Kurvenformen sprechen für eine gute Mitarbeit des Patienten. Die Heliumdilution zeigt Werte im Normbereich. Eine relevante Restriktion oder Überblähung ist somit ausgeschlossen. Der Transferfaktor und der Transferkoeffizient bzw. Krogh-Index (TLCO/VA=KCO) zeigen Werte im unteren Grenzbereich (5. Perzentile) als mögliches Frühanzeichen einer beginnenden parenchymalen Schädigung. Zusammenfassend ergibt sich der Befund einer noch normalen Diffusion. Die Werte im unteren Grenzbereich sind möglicherweise ein Zeichen einer beginnenden Parenchymschädigung bei unauffälliger Ventilationsfunktion. Der Befund wurde unter der Prämisse eines normalen Hämoglobinwertes und einer mindestens 4-stündigen Rauchabstinenz erhoben. Auf Nachfragen hatte der Patient jedoch 15 min vor der Untersuchung geraucht. Die Untersuchung wurde wiederholt (⊡ Abb. 6.2). Nach 4-stündiger Rauchabstinenz zeigt sich ein Normalbefund. Die Chemotherapie kann ohne Bedenken begonnen werden.
⊡ Abb. 6.2. Diffusionstestung Fallbeispiel 34 – Wiederholung
! Der aktuelle Hämoglobinwert und der aktuelle Raucherstatus bzw. der zeitliche Abstand zur zuletzt gerauchten Zigarette müssen bei jeder Untersuchung vermerkt werden, da sie die Messwerte maßgeblich beeinflussen bzw. verfälschen. In Abhängigkeit von der Menge der gerauchten Zigaretten (Kohlenmonoxidspiegel) wird eine Abstinenzphase von 4–6 h empfohlen, um die Messwerte nicht zu verfälschen. Diffusionswerte nach Zigarettenrauchen sind falsch-niedrig.
Als weitere beeinflussende Faktoren wurden Tageszeit, Menstruationszyklus, Alkoholkonsum, Bronchodilatatormedikation und körperliche Anstrengung (bzw. Herzzeitvolumen) identifiziert.
Der Test sollte deshalb möglichst unter standardisierten Bedingungen, z. B. morgens, in Ruhe, nach Medikation, vor der ersten Zigarette, durchgeführt werden.
101 6.2 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 35 63 Jahre, männlich, 191 cm, 93 kg Ergänzend zu Fallbeispiel 17 ist nachfolgend die Diffusionstestung des Patienten mit leicht atypischer Klinik eines Asthma bronchiale dargestellt.
⊡ Abb. 6.3. Diffusionstestung Fallbeispiel 35
+ Gibt es einen Anhalt für eine Parenchymschädigung, die z. B. auf das Vorliegen einer COPD hinweist?
6
102
Kapitel 6 · Diffusionstestung
Interpretation der Untersuchung
6
Die Kurvenformen sprechen für eine ausreichend gute Mitarbeit des Patienten. Die Exspiration (nach Atemanhaltephase) wurde etwas frühzeitig abgebrochen. Die Heliumdilution zeigt Werte im Normbereich. Ein Hinweis auf eine relevante Restriktion oder Überblähung liegt nicht vor. Der Transferfaktor und der Transferkoeffizient zeigen Werte im hochnormalen Bereich. Zusammenfassend ergibt sich der Befund einer normalen Diffusionstestung mit Werten im oberen Normbereich, passend zu einem Asthma bronchiale. Es ergibt sich kein Anhalt für eine fortgeschrittene COPD. ! Mittels Diffusionstestung kann in unklaren Fällen manchmal die Differenzierung eines Asthma
bronchiale (normale oder leicht erhöhte Werte) von einer (fortgeschrittenen) COPD (erniedrigte Werte) unterstützt werden. Auch bei der Diffusionstestung entscheidet die Mitarbeit ganz grundlegend über das Ergebnis der Untersuchung. Es sollten nur Werte in-
terpretiert werden, die den Anforderungen einer möglichst störungsfreien und korrekt durchgeführten Messung entsprechen. Sollte eine Wiederholung der Untersuchung notwendig werden, ist zu beachten, dass hierzu mindestens 5 min (bei obstruktiven Ventilationsstörungen 10 min) gewartet werden muss, bis das CO wieder abgeatmet ist.
103 6.2 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 36 54 Jahre, männlich, 165 cm, 76 kg Das nächste Beispiel zeigt die Diffusionstestung eines Patienten mit einer leichtgradigen Restriktion in der Bodyplethysmographie/Spirometrie mit folgenden Werten der Voruntersuchung (Angaben in Prozent vom Soll): VC 79%, FEV1/VCIN 92%, TLC 79%, TGV 80%. Der Patient ist Nichtraucher und hat einen aktuellen Hb von 14,1 g/dl.
⊡ Abb. 6.4. Diffusionstest Fallbeispiel 36
+ Ist die ermittelte restriktive Ventilationsstörung parenchymal oder extraparenchymal bedingt?
6
104
Kapitel 6 · Diffusionstestung
Interpretation der Untersuchung
6
Die Kurvenformen sprechen für eine ausreichend gute Mitarbeit des Patienten. Auffällig ist eine etwas frühzeitig abgebrochene Exspiration (nach Atemanhaltephase). Die Heliumdilution deutet auf eine leichte Restriktion hin. Der Transferfaktor und der Transferkoeffizient sind im Sinne einer leichtgradigen Transferstörung erniedrigt. Zusammenfassend ergibt sich der Befund einer leichtgradigen, parenchymalen Restriktion. Eine weitere Differenzierung sollte u. a. mittels Bildgebung erfolgen. Ergänzend sei angemerkt, dass sich im weiteren Verlauf bei dem Patienten ursächlich eine Lungenfibrose zeigte. ! Die Diffusionstestung ist eine wichtige Untersuchung zur weiteren Differenzierung einer Restriktion und der Unterscheidung einer parenchymalen oder extraparenchymalen Ursache (Übersicht s. Fallbeispiel 7).
Die Schweregradeinteilung der Transferstörung (bzw. Diffusionsstörung) erfolgt mittels TLCO
⊡ Tab. 6.3). Bei vermindertem Alveolarvolumen (⊡ (VA) ist die zusätzliche Beachtung des Transferkoeffizienten (TLCO/VA) sinnvoll. Da die »Korrektur« des Transferfaktors über das VA komplex und nicht linear ist, ist die Wertigkeit des Transferkoeffizienten jedoch umstritten.
⊡ Tab. 6.3. Schweregradeinteilung der Transferstörung Schweregrad
TLCOa
Leicht
>60
Mittel
40–60
Schwer
<40
aAngegeben
in Prozent vom Soll
105 6.2 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 37 57 Jahre, männlich, 174 cm, 84 kg Nachstehend ist die Untersuchung eines Patienten mit schwergradiger COPD gezeigt. Der Patient ist seit einem Jahr Nichtraucher und hat aktuell einen Hb von 14,8 g/dl. In der vorherigen Bodyplethysmographie/Spirometrie wurden folgende Werte erhoben (Angaben in Prozent vom Soll): VC 65%, FEV1 35%, sRAWtot 275%, TLC 91%, TGV 132%.
⊡ Abb. 6.5. Diffusionstest Fallbeispiel 37
+ Lässt sich eine Parenchymschädigung bei dem Patienten nachweisen?
6
106
Kapitel 6 · Diffusionstestung
Interpretation der Untersuchung Die Kurvenformen sprechen für eine ausreichend gute Mitarbeit des Patienten. Die Heliumdilution deutet auf eine leichte relative Überblähung hin. Der Transferfaktor und der Transferkoeffizient sind im Sinne einer leichtgradigen Parenchymschädigung erniedrigt. Zusammenfassend ergibt sich der Befund einer leichtgradigen Transferstörung als Zeichen einer entsprechenden Parenchymschädigung bei COPD.
6
! Die Diffusionstestung ist eine gute Methode, um die strukturellen, parenchymalen Schädigungen bei einer COPD (Emphysemanteil) im Verlauf zu erfassen. Eine im Vergleich zur TGV erniedrigte FRC-He deutet auf das Vorhandensein von thorakalen Gaseinschlüssen (z. B. Bulae) hin. Mit der TGV wird das gesamte Volumen, mit der FRC-He nur das tatsächlich ventilierte Volumen erfasst.
107 6.2 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 38 67 Jahre, weiblich, 168 cm, 89 kg Das nächste Beispiel zeigt die Untersuchung einer Patientin mit grenzwertig verminderten Lungenvolumina (VC 83% und TLC 92% vom Soll) bei schwerer pulmonaler Hypertonie. Der aktuelle Hb betrugt 9,2 g/dl, die letzte Zigarette hatte die Patientin 3 h zuvor geraucht bei einem Konsum von ca. 10 Zigaretten täglich.
⊡ Abb. 6.6. Diffusionstestung Fallbeispiel 38
6
108
Kapitel 6 · Diffusionstestung
Interpretation der Untersuchung
6
Die Mitarbeit kann als gut bewertet werden. Die Heliumdilution deutet auf eine leichte relative Überblähung hin. Der Transferfaktor und der Transferkoeffizient sind schwergradig erniedrigt. Bei vermindertem Hb ergibt sich ein korrigierter TLCO-Sollwert von 6,49 bzw. ein Ist/Soll von 36%. Der Zigarettenraucheinfluss ist bei vergleichsweise geringem Gesamtkonsum in diesem Fall – nach 3 h Abstinenz – vernachlässigbar. Zusammenfassend ergibt sich der Befund einer schwergradigen Transferstörung bei schwerer pulmonaler Hypertonie bei gering verminderten Lungenvolumina. ! Die Hämoglobinbindung ist ein wichtiger Faktor für den CO-Transfer (s. oben). Bei erniedrigtem Hb muss daher der Referenz-Transferfaktor korrigiert werden. Die Korrekturformel (⊡ Tab. 6.4) ergibt den korrigierten Sollwert des Transferfaktors für den jeweiligen Hb-Wert. Für die Referenz wird normalerweise ein Hb von 14,6 g/dl (Männer) bzw. 13,4 g/dl (Frauen) vorausgesetzt.
Die Empfehlung der Anwendung einer bestimmten Transferfaktor-Sollwertformel kann wegen der relativ hohen Variabilität zwischen den Lungenfunktionslaboren gemäß ERS nicht gegeben werden. Jedes Lungenfunktionslabor sollte eine gewisse Anzahl an gesunden Probanden messen und die ermittelten Werte des TLCO mit denen unterschiedlicher Sollwertformeln vergleichen, um die für das jeweilige Labor geeignetste Referenzformel zu finden. Häufige Verwendung findet z. B. die 1993 von Cotes et al. veröffentlichte Formel ⊡ Tab. 6.5). (⊡
⊡ Tab. 6.5. TLCO-Sollwertformel Männer
(11,11xKL)–(0,066xA)–6,03±2,32
Frauen
(8,18xKL)–(0,049xA)–2,47±1,92
Körperlänge (KL) in Metern, Alter (A) in Jahren
⊡ Tab. 6.4. Korrigierter Referenz-Transferfaktor Männer (und männliche Jugendliche >15 Jahre)
TLCO Soll (korr.)=TLCO Soll x (1,7xHb/(10,22+Hb))
Frauen (und männliche Kinder <15 Jahre)
TLCO Soll (korr.)=TLCO Soll x (1,7xHb/(9,38+Hb))
Hb in g/dl
7
Mundverschlussdruckmessung
7.1
Einleitung – 110
7.2
Fallbeispiele – 111
7
110
Kapitel 7 · Mundverschlussdruckmessung
7.1
Einleitung
Die Ventilation der Lunge wird durch die Kraft der Atempumpe, die sich aus Atemzentrum, Nerven und Atemmuskulatur zusammensetzt, bewirkt. Mittels Mundverschlussdruckmessungen lassen sich die maximale Atemmuskelkraft sowie die aktuelle Beanspruchung ermitteln. Wie die Skelettmuskulatur auch ist die Inspirationsmuskulatur bei Überbeanspruchung ermüdbar, und es kann zu einem myogenen Pumpversagen kommen. Die Bestimmung der Atemmuskelkraft erfolgt über die Messung des Druckes am Mund bei verschlossenem Atemventil unter verschiedenen Atemmanövern. Zur Messung der aktuellen Beanspruchung wird der Mundverschlussdruck (P0,1) 0,1 s nach Inspirationsbeginn während spontaner Ruheatmung bei (für 120 msec) verschlossenem Ventil ermittelt. Der gemessene Druck ist proportional zum Inspirationsdruck bzw. Pleuradruck. Der Verschluss ist hierbei so kurz, dass die weitere Ruheatmung nicht beeinflusst wird. Die maximale Inspirationskraft (PImax) wird bei forciertem Inspirationsmanöver nach vorheriger Exspiration auf Residualvolumenniveau gegen ein für 2 s verschlossenes Ventil gemessen.
Die Bestimmung des maximalen Inspirationsdrucks 0,1 s nach Inspirationsbeginn (P0,1max) ist bei geringer Reproduzierbarkeit und höherer Standardabweichungen von untergeordneter Relevanz. Die Durchführung der Messungen erfordert etwas Erfahrung. Für die P0,1-Messung sollten jeweils mindestens 5–10 Manöver mit dem Patienten durchgeführt werden, um über die Mittelwerte valide Ergebnisse zu erhalten. Bei der PImax-Messung wird der Maximalwert von mindestens 5 Versuchen ausgewählt. Bei relativ stabilen intraindividuellen Ergebnissen ist die Methode gut zur Verlaufsbeurteilung, aber bei größeren interindividuellen Abweichungen (insbesondere bei Patienten älter 60 Jahren) nur bedingt zur Bestimmung allgemeiner Schweregrade geeignet. Mit der Mundverschlussdruckmessung lassen sich Einschränkungen der maximalen Inspirationskraft (Kapazität), sowie eine erhöhte Beanspruchung (Last) der Inspirationsmuskulatur erkennen. Ursächlich sind sowohl chronische Erkrankungen als auch akute Erkrankungen mit verminderter maximaler Inspirationskraft bzw. Überbeanspruchung der Inspirationsmuskulatur durch eine erhöhte Last (⊡ Tab. 7.1).
⊡ Tab. 7.1. Ätiologie der Atemmuskelerschöpfung Erhöhung der Last
Verminderung der Kapazität (Muskelschwäche)
Erkrankungen mit obstruktiver Ventilationsstörung: z. B. Asthma bronchiale, COPD, Trachealstenose, Stimmbandparese, Tubusatmung
Erkrankungen mit muskulärer Funktionseinschränkung: z. B. Muskeldystrophien, Myopathien, Kollagenosen, Sarkoidose, Polymyositis, Dermatomyositis, Hyper-/Hypothyreose, Myopathie bei Elektrolytstörungen, Steroid- und Alkoholmyopathie, M. Addison
Erkrankungen mit restriktiver Ventilationsstörung: z. B. Pneumonie, Lungengerüsterkrankungen, ARDS, pulmonale Stauung, Adipositas
Erkrankungen mit neuraler Funktionseinschränkung: z. B. amyotrophe Lateralsklerose, Spinale Muskelatrophie, Poliomyelitis, Post-Polio-Syndrom, multiple Sklerose, GuillainBarré-Syndrom
Erkrankungen mit Übertragungsstörungen von Kraft in Inspirationsdruck: z. B. Lungenüberblähung, Thoraxdeformitäten, Rippenserienfraktur
Erkrankungen mit neuromuskulärer Funktionseinschränkung: z. B. Myasthenia gravis
111 7.2 · Fallbeispiele
7.2
Fallbeispiele Fallbeispiel 39 32 Jahre, männlich, 190 cm, 94 kg Das Beispiel zeigt die Untersuchung eines Asthmapatienten bei aktueller Beschwerdefreiheit.
⊡ Abb. 7.1. Mundverschlussdruckmessung Fallbeispiel 39
7
112
Kapitel 7 · Mundverschlussdruckmessung
Interpretation der Untersuchung
7
Die Kurven deuten auf eine gute Mitarbeit hin. Die Schwankungsbreite der P0,1-Messwerte (oben) ist relativ groß. Bei ausreichender Anzahl an Wiederholungen (10 Messungen) ergibt sich jedoch ein valider Mittelwert. Die PImax-Manöver (unten) sind sehr homogen (Kurvenform und Messwerte). Die Messung der maximalen Inspirationskraft zeigt ein normales Ergebnis (Kurve und PImaxWert). Der P0,1 kann ebenfalls als normal bewertet werden und hat, mit 3%, ein normales Verhältnis zur maximalen Inspirationskraft (P0,1/PImax) als Ausdruck einer normalen Beanspruchung. Zusammenfassend ergibt sich ein unauffälliger Befund mit normaler Kapazität und aktueller Last der Atempumpe. ! Insbesondere bei schwankenden P0,1Messwerten wird eine ausreichende Anzahl an Wiederholungen (mindestens 7) erforderlich, um über eine Mittelwertbildung valide
Ergebnisse zu erhalten. Der höchste PImax wird häufig erst im 4.–6. Versuch erreicht. Bei guten und homogenen Werten (Abweichung < 20%) sind jeweils auch weniger Wiederholungen akzeptabel. Aufgrund hoher interindividueller Abweichungen des PImax ist die Bewertung der PImax-Messwerte nicht unproblematisch. Die ⊡ Tab. 7.2 gibt einen Anhalt für die Beurteilung. Als intraindividueller Verlaufparameter ist der Wert gut beeignet.
⊡ Tab. 7.2. Maximaler statischer Inspirationsdruck (PImax) Kollektiv <60 Jahre
Frauen
Männer
Mittelwert
8,5
11,5
Unterer Grenzwert
4,0
5,5
Ausschluss relevanter Muskelschwäche
>7,0
>8,0
Werte jeweils in kPa
113 7.2 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 40 40 Jahre, weiblich,160 cm, 66 kg Das nachfolgende Beispiel zeigt die Untersuchung einer Patientin mit langjähriger Anamnese einer Myasthenia gravis mit rezidivierender z. T. schwerer Belastungsdyspnoe. Bei Beginn der Untersuchung ist die Patientin beschwerdefrei.
⊡ Abb. 7.2. Mundverschlussdruckmessung Fallbeispiel 40
+ Lässt sich bei der Patientin eine Störung der Atempumpe nachweisen?
7
114
Kapitel 7 · Mundverschlussdruckmessung
Interpretation der Untersuchung
7
Die Kurven deuten auf eine gute Mitarbeit hin. Die Messung der P0,1-Werte zeigt homogene Werte im oberen Normbereich. Der PImax-Wert ist mit 1,72 kPa (16% vom Soll) schwerstgradig erniedrigt. Es fällt auf, dass der Peak der einzelnen Versuche zwar um den Zeitpunkt 0,5 s, also recht früh, erreicht wird, der maximale Sog aber nicht über die 2 s gehalten werden kann. Das Verhältnis P0,1/PImax ist mit 13% (768% des Solls) deutlich erhöht und zeigt die schwer erhöhte Beanspruchung der Atemmuskulatur unter Ruheatmung an, was auf eine schwere Einschränkung der Reserve deutet. Bestätigt wird dies zusätzlich durch den erhöhten Quotienten P0,1/MV von 0,03 (127% vom Soll) und P0,1/(VT/ti) von 0,63. Zusammenfassend ergibt sich der Befund einer schwergradig eingeschränkten Kapazität mit schwerer Last der Atempumpe bei neuromuskulärer Grunderkrankung.
! Die Belastung der Atempumpe wird insbesondere durch das Verhältnis P0,1 zu PImax sowie das Verhältnis P0,1 zu MV und P0,1 zu (VT/ti) angezeigt. Die oberen Grenzwerte sind in ⊡ Tab. 7.3 dargestellt. Quotienten oberhalb der Grenzwerte sprechen sicher für eine erhöhte Beanspruchung der Atemmuskulatur. Die Erschöpfungsgrenze der Inspirationsmuskulatur liegt bei einem P0,1/PImax von etwa 20–25%.
⊡ Tab. 7.3. Obere Grenzwerte P0,1/PImax, P0,1/MV, P0,1/(VT/ti) P0,1/PImax
<4,5%
P0,1/MV
<0,025 kPa/min*l
P0,1/(VT/ti)
<0,5 kPa/(l/s)
115 7.2 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 41 57 Jahre, männlich, 174 cm, 84 kg Im nächsten Beispiel ist die Untersuchung eines Patienten mit schwergradiger stabiler COPD gezeigt. Eine vorherige Bodyplethysmographie/Spirometrie ergab folgende Werte (Angaben in Prozent vom Soll): VC 66%, FEV1 36%, TLC 108 %, TGV 142%.
⊡ Abb. 7.3. Mundverschlussdruckmessung Fallbeispiel 41
7
116
Kapitel 7 · Mundverschlussdruckmessung
Interpretation der Untersuchung Den Kurven lässt sich eine gute Mitarbeit entnehmen. Die P0,1-Werte zeigen deutlich erhöhte Werte (0,53 kPa) als Zeichen einer erhöhten Last. Der PImax-Wert ist noch im Normalbereich. Das Verhältnis P0,1/PImax ist mit 6% deutlich erhöht und zeigt die erhöhte Beanspruchung der Atemmuskulatur an. Bestätigt wird dies zusätzlich durch die Quotienten P0,1/MV und P0,1/(VT/ti). Zusammenfassend ergibt sich der Befund einer noch normalen Kapazität mit deutlicher Last der Atempumpe bei vorliegender stabiler COPD mit leichter Überblähung.
7
! Bei Interpretation der Maximaldrücke muss das Lungenvolumen als Index der Länge der Inspirationsmuskulatur berücksichtigt werden. Bei
Patienten mit Lungenüberblähung werden auch ohne das Vorliegen einer eigentlichen Kontraktilitätsstörung geringere Inspirationsdrücke erreicht. Je höher das Lungenvolumen bei Bestimmung PImax ist, desto kürzer ist die Inspirationsmuskulatur und umso geringer ist der maximale Inspirationsdruck. Der Quotient P0,1/
PImax ist jedoch ein hiervon weitestgehend unabhängiger Parameter.
8
Peakflow-Messung
8.1
Einleitung – 118
8.2
Fallbeispiele – 119
8
118
Kapitel 8 · Peakflow-Messung
8.1
Einleitung
Die Peakflow-Messung ist eine einfache Methode, eine Atemflussbehinderung der vornehmlich großen Atemwege zu untersuchen. Hierbei können die Patienten den Verlauf ihrer obstruktiven Atemwegserkrankung selbstständig kontrollieren. Typischerweise werden die Patienten angeleitet, die Messung 2- bis 3-mal täglich durchzuführen und zu protokollieren. Anhand der Tagesschwankung (PEF-Variabilität) der Werte sowie der sich ergebenden Trends können Rückschlüsse sowohl auf den Schweregrad und den Verlauf der Erkrankung als auch auf das Ansprechen einer Therapie gezogen werden. Oft lässt sich auch eine drohende Exazerbation erkennen. Mittels Ampelschema bzw. zuvor definierten Schwellenwerten können Notfallmedikamenteneinnahmen besprochen und die Therapie für die Patienten nachvollziehbar dargestellt werden. Es sei jedoch angemerkt, dass die einfache Peakflow-Messung nicht die Spirometrie oder andere Lungenfunktionsprüfungen ersetzen kann. Problematisch ist die Mitarbeitsabhängigkeit bzw. -anfälligkeit der Werte. Die Methode ist daher nur für den intraindividuellen Vergleich geeignet und bedarf vor Beginn der sorgfältigen Anleitung des Patienten, der die Messungen in standardisier-
ter Form mit 2 Wiederholungen durchführt, um dann den jeweils besten Wert zu notieren. Das Tragen einer Nasenklemme ist nicht erforderlich. Der Patient sollte die Messung stets in gleicher Position, am besten im Sitzen durchführen. Es gibt unterschiedliche Modelle von mechanisch arbeitenden Handgeräten bis zu modernen Geräten, die auf elektronischer Basis arbeiten und zusätzlich z. B. die Einsekundenkapazität und die Vitalkapazität messen und die Werte von Wochen speichern können. 2004 wurde für den europäischen Raum ein neuer Standard (EN 13826) definiert, der sich sowohl hinsichtlich der Skaleneinteilung als auch der messtechnischen Anforderungen unterscheidet. Insbesondere bei Patienten mit relevanter Atemflussbehinderung konnte der PEF mittels der älteren Geräte oft nicht korrekt erfasst und wiedergegeben werden. Daher sollten heute nur noch Geräte genutzt werden, die der neuen EU-Norm entsprechen. Ergebnisse guter Geräte sind dabei mit denen einer herkömmlichen Spirometrie durchaus vergleichbar. Häufig werden die PEF-Ergebnisse der Spirometrie in l/s und die der Handgeräte in l/min angegeben. Der Wert unterscheidet sich (eine vergleichbare Qualität vorausgesetzt) lediglich hinsichtlich seiner Einheit, d.h. l/s × 60=l/min.
119 8.2 · Fallbeispiele
8.2
Fallbeispiele Fallbeispiel 42 45 Jahre, männlich, 178 cm, 65 kg Das folgende Beispiel zeigt das PEF-Protokoll eines Patienten, der mit mittelgradig persistierendem Asthma vorstellig wurde und einen ausgeprägten Bronchodilatatorabusus betrieb. Die Aufzeichnung beginnt 2 Tage nach Beginn einer inhalativen Kortikoidmedikation. Mit dem Patienten wurde vereinbart, dass er einen Hub Salbutamol bei Unterschreiten von 400 l/min inhalieren soll.
⊡ Abb. 8.1. Peakflow-Protokoll Fallbeispiel 42
8
120
Kapitel 8 · Peakflow-Messung
Interpretation des Protokolls Das Protokoll spricht für eine sorgfältige Durchführung der Messungen. Die PEF-Variabilität beträgt 33% (Bestwert 570, geringster morgendlicher Wert 380). Am Morgen des 19.07. unterschreitet der Patient den vereinbarten Schwellenwert und inhaliert einen Hub Salbutamol, woraufhin sich der PEF auf 460 verbessert. Zusammenfassend zeigt das Protokoll eine typische zirkadiane Variabilität (>30%) mit morgendlichen Tiefstwerten (»morning dip«), passend zu einem Asthma bronchiale. Die Compliance konnte verbessert werden. Das Salbutamol wurde in 4 Tagen einmal angewendet – im
PEF-Variabilität =
8
Vergleich zu ca. 10-mal täglich vor Beginn des Protokolls. ! Die zirkadiane PEF-Variabilität, mit typischerweise morgendlichen Tiefstwerten ist ein klassisches Zeichen eines Asthma bronchiale. Die Stärke der Variabilität geht dabei mit dem Schweregrad des Asthmas einher. Ein Wert >20% ist sicher pathologisch.
Die Berechnung der PEF-Variabilität erfolgt über folgende Formel:
(PEF-Tageshöchstwert – PEF-Tagestiefstwert) PEF-Tageshöchstwert
x 100
121 8.2 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 43 31 Jahre, männlich, 189 cm, 88 kg Im nachstehenden Protokoll sind die Werte eines Patienten mit intermittierendem Asthma bronchiale dargestellt. Die Daten wurden über ein elektronisches Gerät erfasst und über eine Computersoftware ausgedruckt.
⊡ Abb. 8.2. Peakflow-Protokoll Fallbeispiel 43
8
122
Kapitel 8 · Peakflow-Messung
8
⊡ Abb. 8.3. Peakflow-Protokoll Fallbeispiel 43
123 8.2 · Fallbeispiele
Interpretation des Protokolls Das Protokoll zeigt die Werte über fünfeinhalb Tage. Die PEF-Variabilität der ersten 3 Tage beträgt durchschnittlich 11%, die der nachfolgenden 2 Tage 4%. Am 22.03. wird um 13:37 eine Messung bei belastungsinduzierter Atemnot durchgeführt. Der Wert von 445 l/min steigt durch Inhalation von Salbutamol auf 519 l/min (um 14%) an. Am Abend des 22.03. wird die Medikation mit einem inhalativen Kortikoid begonnen. Zusammenfassend zeigt das Protokoll einen typischen Verlauf eines intermittierenden Asthmas an. Die PEF-Variabilität liegt <20%. Die Bronchospasmolysereaktion (14%) entspricht einer guten Ansprechbarkeit (formal jedoch nicht signifikanten Reaktion) bei hyperreagiblem Bronchialsystem. Die diskrete Besserung der Mittelwerte sowie die Abnahme der PEF-Variabilität nach Beginn der in-
8
halativen Kortikoidmedikation entspricht ebenfalls einer typischen Reaktion. ! Das Führen eines Peakflow-Protokolls ist ein wichtiges Instrument, das Gefühl des Patienten für die Erkrankung und die Therapie und somit die Compliance zu fördern.
Mit Hilfe eines Peakflow-Protokolls lässt sich das Ansprechen von verschiedenen Therapiemaßnahmen objektivieren. Es lassen sich sowohl Trends der Mittelwerte, der Verlauf der PEF-Variabilität sowie das unmittelbare Ansprechen auf Akutmaßnahmen darstellen.
124
Kapitel 8 · Peakflow-Messung
Fallbeispiel 44 64 Jahre, männlich, 178 cm, 75 kg Das nächste Beispiel zeigt das Protokoll eines Patienten mit COPD (Grad II), der mit einer inhalativen Medikation von lang wirksamem Anticholinergikum und Sympathikomimetikum gut eingestellt ist.
8
⊡ Abb. 8.4. Peakflow-Protokoll Fallbeispiel 44
125 8.2 · Fallbeispiele
Interpretation des Protokolls Das Protokoll zeigt die Werte über eine Woche. Die Werte des 08. und 09.05. zeigen sich auf niedrigem Niveau relativ stabil (PEF-Variabilität <10%). Beginnend am 09.05. zeigen die Werte einen Abwärtstrend von ca. 300 auf 200 l/min an. Hierzu werden entsprechend Symptome einer Exazerbation und ein erhöhter Einsatz an Bedarfsmedikation protokolliert. Am 14.05. scheint eine Besserung der Werte zu beginnen. Zusammenfassend zeigt das Protokoll einen typischen Verlauf einer mittelgradigen COPD. Eine dargestellte Exazerbation wird am 11.05. erkannt und mit einer zusätzlichen Kortikoidmedikation erfolgreich abgefangen.
8
! Der typische Verlauf bei einer COPD zeigt relativ konstante Werte auf erniedrigtem Niveau. Der Wert der Peakflow-Protokollierung liegt in der Früherkennung von Exazerbationen. Bei einer
COPD und noch besser bei einem Asthma bronchiale lassen sich Exazerbationen häufig noch vor dem Auftreten eindeutiger Symptome am Peakflow-Verlauf erkennen.
Besonders bei eingeschränkten Patienten mit relevanter Atemflussbehinderung sind die Werte (abgesehen von der problematischen Mitarbeitsabhängigkeit) auch hinsichtlich der messtechnischen Fähigkeit der korrekten Datenerfassung kritisch zu beurteilen und nicht überzubewerten.
9
Blutgasanalyse
9.1
Einleitung – 128
9.2
Fallbeispiele – 129
9
128
Kapitel 9 · Blutgasanalyse
9.1
Einleitung
Aufgabe der Lungenfunktion ist letztlich die Versorgung des Organismus mit Sauerstoff bzw. Elimination des anfallenden Kohlendioxids. Die Blutgasanalyse (BGA) stellt die Methode der Lungenfunktionsdiagnostik dar, in der letztlich das Endergebnis der einzelnen Lungenteilfunktionen erfasst wird, indem die Konstellation der Blutgase (Sauerstoff- und Kohlendioxidpartialdruck) dargestellt wird. Mit ihr kann der Wirkungsgrad der Lunge als Organ des Gasaustausches zwischen Außenwelt und Körper bewertet werden. Hierbei können die Werte jedoch durch pathologische z. T. auch nicht pulmonal bedingte Faktoren beeinflusst werden. Bei der Blutgasanalyse muss zwischen den verschiedenen Abnahmequellen der Blutproben unterschieden werden. Prinzipiell wird zwischen arteriellem, venösem und kapillärem Blut differenziert. Die arterielle BGA stellt hierbei den Goldstandard dar. Zu beachten ist, dass zwischen venösen und arteriellen Blutproben lediglich der pH-Wert eine gute Korrelation zeigt. Venöses Blut ist zur Beurteilung der Lungenfunktion nicht geeignet, da die venösen Blutgase maßgeblich vom Stoff-
wechsel abhängig sind und die Lungenfunktion unzureichend widerspiegeln. Ein Kompromiss zur arteriellen Blutgewinnung ist die Abnahme von arterialisiertem Kapillarblut. Neben dem pH zeigt sich hier eine gute Korrelation zum pO2 und pCO2 bei deutlich geringerer Invasivität der Abnahme. Daher ist die Gewinnung von arterialisiertem Kapillarblut für Routineuntersuchungen meist ausreichend. Ausnahmen stellen etwa Schockzustände mit verminderter peripherer Durchblutung dar. Wichtig für die Validität der BGA ist jedoch auch die korrekte Entnahmetechnik des Blutes. Für alle Proben gilt, dass Luftbeimengungen vermieden werden müssen und dass das Blut umgehend untersucht werden sollte. Bei Entnahme von Kapillarblut wird das Blut aus dem Ohrläppchen gewonnen. Vor Punktion wird das Ohrläppchen hierzu ausreichend lange hyperämisiert (vasodilatatorische Salbe für 10–15 min einwirken lassen). Nach der Punktion wird dann das Blut ohne Drücken und Quetschen des Ohrläppchens aufgefangen. Die wesentlichen Parameter des Wirkungsgrades der Lungenfunktion sind der pO2, pCO2 sowie der pH. Zur Beurteilung des Säure-BasenHaushaltes werden darüber hinaus noch das Standardbikarbonat und der Basenüberschuss berücksichtigt.
129 9.2 · Fallbeispiele
9.2
Fallbeispiele Fallbeispiel 45 75 Jahre, männlich, 178 cm, 81 kg Das Beispiel zeigt die BGA eines Mannes mit gesicherter beidseitiger zentraler Lungenarterienembolie. Der Patient beklagte Ruhedyspnoe und wurde zum Blutabnahmezeitpunkt mit Sauerstoff (3 l/min) versorgt. Kardiopulmonale Vorerkrankungen bestanden nicht.
⊡ Abb. 9.1. Blutgasanalyse Fallbeispiel 45
9
130
Kapitel 9 · Blutgasanalyse
Interpretation der Untersuchung Die Werte sind plausibel für eine korrekte arterielle Blutentnahme. Der pO2 liegt zwar im Normbereich ist jedoch für die mit Sauerstoff angereicherte Atemluft und den erniedrigten pCO2 viel zu niedrig. Es ergibt sich ein korrigierter pO2 von 47,3 mmHg (unter 3 Liter Sauerstoff/min). Der pCO2 ist erniedrigt und spricht für eine Hyperventilation. Der pH ist entsprechend alkalisch. Der negative BE und das verminderte Standardbikarbonat sprechen für eine metabolische Teilkompensation der respiratorischen Alkalose. Zusammenfassend zeigt die BGA eine schwere Hypoxie mit kompensatorischer Hyperventilation und entsprechend teilkompensierter, respiratorischer Alkalose. Der Befund passt gut zu einer schweren Lungenarterienembolie.
9
! Bei Beurteilung des Sauerstoffpartialdrucks müssen das Alter, die Atemluft (Raumluft, Sauerstoffzufuhr) und die Pumpleistung (pCO2) berücksichtigt werden. Der pO2 sinkt physiologischerweise mit steigendem Alter. Der jeweilige Referenzwert lässt sich mit folgender Formel errechnen:
pO2 (mmHg)=100–(0,26*Alter)
Kompensatorisch wird die Pumpleistung bzw. Ventilation bei Hypoxie gesteigert. Bei erniedrigtem pCO2 muss der pO2 mittels Umrechnungsformel vor der Beurteilung korrigiert werden. Die Umrechnungsformel lautet:
pO2korr=pO2ist–1,66x(40–pCO2) Die respiratorische Alkalose ist ein Ausdruck der alveolären Hyperventilation. Der pO2 kann dabei variabel sein. Mögliche Ursachen sind nachfolgend aufgeführt.
Ursachen der respiratorischen Alkalose/alveolären Hyperventilation ▬ Psychische Störung ▬ Fieber ▬ Hypoxämie ▬ Interstitielle Lungenerkrankung ▬ Lungenarterienembolie ▬ Mechanische Überbeatmung
131 9.2 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 46 58 Jahre, männlich, 172 cm, 89 kg Nachfolgend ist die BGA eines Patienten mit akut exazerbierter, langjährig bekannter COPD gezeigt. Der Patient war schwer dyspnoeisch und leicht bewusstseinsgetrübt. Abnahme der BGA unter O2 2 l/min.
⊡ Abb. 9.2. Blutgasanalyse Fallbeispiel 46
9
132
Kapitel 9 · Blutgasanalyse
Interpretation der Untersuchung
9
wird als respiratorische Globalinsuffizienz bezeichnet und ist Auswirkung einer alveolären Hypoventilation. Mögliche Ursachen einer alveo-
Die gemessenen Werte sind plausibel für eine korrekte arterielle Abnahme. Der pO2 ist schwergradig erniedrigt. Der pCO2 ist schwergradig erhöht. Die Hyperkapnie entspricht einer alveolären Hypoventilation. Der pH ist entsprechend azidotisch. Der BE und das Standardbikarbonat liegen im Normbereich. Zusammenfassend zeigt die BGA eine respiratorische Globalinsuffizienz mit respiratorischer Azidose und (noch) fehlender metabolischer Kompensationsantwort. Dieser Befund passt zu einer akut exazerbierten schweren COPD mit Erschöpfung der Atempumpe und beginnender CO2-Narkose. Die Therapie mit supportiver Sauerstoffzufuhr ist unzureichend.
! Die isolierte Verminderung des pO2 (Hypoxämie) wird als respiratorische Partialinsuffizienz bezeichnet. Eine Hypoxämie, kombiniert mit einem erhöhten pCO2 (Hyperkapnie),
Der zeitliche Verlauf der Kompensationsmechanismen ist unterschiedlich beschaffen: respiratorische Kompensation ca. 1 h, renale metabolische Kompensation >6 h.
lären Hypoventilation sind nachfolgend aufgeführt.
Ursachen einer respiratorischen Azidose/alveolären Hypoventilation ▬ Zentrale Atemregulationsstörung ▬ Versagen der Atemmuskulatur ▬ Schwere Formen von Lungenkrankheiten ▬ Unzureichende mechanische Ventilation
133 9.2 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 47 68 Jahre, männlich, 184 cm, 86 kg Das nächste Beispiel zeigt die BGA eines Patienten, der mit hyperosmolar entgleistem Diabetes mellitus, Exsikkose und Nierenversagen aufgenommen wurde. Der Patient war bis auf Abgeschlagenheit asymptomatisch. Kardiopulmonale Vorerkrankungen waren nicht bekannt.
⊡ Abb. 9.3. Blutgasanalyse Fallbeispiel 47
9
134
Kapitel 9 · Blutgasanalyse
Interpretation der Untersuchung Der pH ist im Sinne einer Azidose erniedrigt. Die Azidose ist metabolisch, da der BE und das Standardbikarbonat ebenfalls erniedrigt sind. Der pO2 ist nicht plausibel, da der Patient keinerlei Zeichen der respiratorischen Insuffizienz zeigt. Die BGA ist venös und (wie sich später bestätigte) fälschlicherweise als arteriell markiert worden. Dies erklärt auch den pCO2, der im Rahmen der Kompensation erniedrigt sein müsste und hier im Normbereich liegt. Da venöse pCO2-Werte im Vergleich zu arteriellen Werten stets höher gemessen werden, ist anzunehmen, dass der arterielle pCO2 tatsächlich erniedrigt ist.
9
Zusammenfassend zeigt die venöse BGA eine metabolische, vermutlich respiratorisch teilkompensierte Azidose. Eine Aussage zur pulmonalen Situation ist mit dieser BGA nicht möglich, in Anbetracht der klinischen Problematik jedoch auch nicht unbedingt nötig. ! Die Interpretation einer BGA sollte immer mit der Überprüfung der Plausibilität der Messwerte beginnen. Die klinischen Umstände sollten immer in die Überlegungen einbezogen werden. Ist eine BGA (oder auch sonstiger Laborbefund) nicht
plausibel, muss sie sofort wiederholt werden, um nicht eine unerwartete und klinisch unauffällige Notfallsituation zu übersehen.
135 9.2 · Fallbeispiele
Fallbeispiel 48 76 Jahre, weiblich, 149 cm, 47 kg Im letzten Beispiel ist die BGA einer älteren Patientin mit langjährig bekannter mittelgradiger COPD gezeigt. Zwei Tagen zuvor wurden bereits folgende Werte gemessen: pO2 62, pCO2 38 mmHg. Klinisch befindet sich die Patientin momentan in einer stabilen Phase. Die BGA wurde auch hinsichtlich der Frage der Einleitung bzw. Indikation einer Sauerstoff-Langzeittherapie angefertigt.
⊡ Abb. 9.4. Blutgasanalyse Fallbeispiel 48
+ Wie bewerten Sie die vorliegende BGA, wie erklärt sich die Verschlechterung?
9
136
Kapitel 9 · Blutgasanalyse
Interpretationsvorschlag Es ergibt sich eine schwere Hypoxämie (pO2 54 mmHg, Sollwert alterskorrigiert ca. 80 mmHg) bei normalem pCO2. Nebenbefundlich liegt eine diskrete metabolische Alkalose vor. Die Diskrepanz zum Vorwert erklärt sich nur über die Kenntnis der Umstände. Die BGA wurde unmittelbar nach 5-minütigem Fußmarsch zum BGA-Labor abgenommen – also unter Belastungssituation. Eine weitere Kontrolle 15 min später ergab bereits wieder folgende Werte: pO2 64, pCO2 37,5 mmHg (unter Ruhebedingungen). ! Neben Alter, Atemluft, pCO2 muss, gerade bei Patienten mit respiratorischer Insuffi-
9
zienz, die körperliche Belastungssituation (Ruhe, leichte bis schwere Belastung) bei der Beurteilung der Blutgaswerte mitberücksichtigt werden. Dies ist bei mobilen Patienten auf Station nicht immer einfach. Im Zweifelsfall sollte die BGA wiederholt werden.
Hauptursachen einer Hypoxämie: 1. 2. 3. 4.
alveoläre Hypoventilation Transferstörung Shunt Ventilations-Perfusions-Mismatch
10
Die Variable Patient
138
10
Kapitel 10 · Die Variable Patient
Eine gute Mitarbeit bei der Lungenfunktionsprüfung bzw. die korrekte Durchführung der Messung ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Validität und Beurteilbarkeit eines überwiegenden Teils der Lungenfunktionsparameter. Zudem sollte bei der Beurteilung sowie bereits bei der Indikationsstellung der verschiedenen Tests der Patient mit all seinen Einschränkungen bzw. Möglichkeiten berücksichtigt werden. Die »Variable Patient« ist oftmals nicht unerheblich und soll im Folgenden weiter differenziert werden. Die strukturelle Entwicklung der Lunge ist in der Regel nach dem 5. Lebensjahr weitestgehend abgeschlossen. Im Weiteren kommt es dann v.a. zu einer Vergrößerung gemäß dem allgemeinen Körperwachstum. Etwa zwischen dem 20. und 25. Lebensjahr hat die Lunge schließlich ihre maximale Funktion erreicht. Im Rahmen des Reifungs- sowie des physiologischen Alterungsprozesses lassen sich einige funktionelle Veränderungen nachweisen, die zwar in den Referenzwerten enthalten sind, jedoch für das tiefergehende Verständnis und die Interpretation der Lungenfunktionskurven und -werte berücksichtigt werden sollten. So nimmt z.B. die elastische Retraktionskraft (und somit auch das Kaliber der exspiratorischen Atemwege) bis etwa zum 20. Lebensjahr zu, um dann mit steigendem Alter wieder kontinuierlich abzufallen. Entgegengesetzt verhält sich der exspiratorische Atemwegswiderstand, der mit abnehmendem Kaliber tendenziell zunimmt. So entspricht die elastische Retraktionskraft eines Kleinkindes in etwa der eines 60-jährigen Menschen. Bei Säuglingen und bei älteren Menschen mit zusätzlichem Emphysem erklärt sich so z.B. die Neigung zu einem exspiratorischen Bronchialkollaps. Neben der Abnahme der elastischen Retraktionskraft kommt es mit zunehmendem Alter zudem zu einer gewissen Abnahme der Compliance der Brustwand (Versteifung), einer Einschränkung der respiratorischen Muskelkraft sowie gewissen parenchymalen Veränderungen. Die meisten altersbezogenen Veränderungen der Lungenfunktion lassen sich durch diese Phänomene erklären. Während die TLC im Laufe des Lebens keine signifikante Veränderung erfährt, kommt es ab etwa 25 Jahren mit steigendem Alter meist zu einer stetigen Zunahme des RV mit ein-
hergehender Verkleinerung der VC. In geringerem Ausmaß steigt neben dem RV auch die FRC mit Verschiebung der Atemruhelage. Spirometrisch zeigt sich mit steigendem Alter eine stetige Abnahme des Peak-Flow sowie der FEV1 und FVC. Bei Anwendung der üblichen Referenzgleichungen wird bei Menschen über 70 Jahren die Einschränkung einer Atemflussbehinderung tendenziell überschätzt. Zudem erinnert der Verlauf der Fluss-Volumen-Kurve eines Menschen ab ca. 60 Jahren häufig an Veränderungen im Sinne eines small airways disease. Diese Veränderungen finden sich auch bei gesunden, lebenslangen Nichtrauchern und deuten somit auf einen normalen Altersbefund hin. Die Anwendung des Quotienten FEV1/FVC < 70% zur Definition der Obstruktion ist daher bei älteren Patienten nicht unproblematisch und führt zu einem gewissen Anteil falsch-positiver Befunde. Die Umstellung der Definition einer Obstruktion auf das System der Untergrenze der Normalbefunde (LLN) (gemäß den anderen wichtigen Parametern FEV1 etc.) wurde – trotz Kenntnis der erläuterten Problematik zugunsten einer einfacheren Anwendbarkeit des Quotienten <70% – in den aktuellen COPD-Leitlinien der führenden Gesellschaften bisher nicht umgesetzt. Die Lungenfunktionsdiagnostik im Kindesalter ist meist eine besondere Herausforderung. Mit meist befriedigender Qualität ist eine Lungenfunktionsdiagnostik im eigentlichen Sinne spätestens ab dem Schulalter möglich. Hierbei wird die Mitarbeit bei der Spirometrie meist durch eine visuelle Computeranimation (z.B. Auspusten einer Kerze) verstärkt. Während bei Säuglingen mittels Sedierung und speziellem Equipment Lungenfunktionswerte ermittelt werden können, ist das Alter zwischen 2 und 5 Jahren aufgrund der altersbedingten Grenzen der Kooperation besonders schwierig und erfordert ein hohes Maß an Erfahrung. Prinzipiell ist auch eine Bodyplethysmographie möglich und wünschenswert. Allerdings bedeutet das Einschließen in der Kabine für die Kinder häufig einen unnötigen Stress. Alternativ wird daher, mit zudem weitaus geringerem technischen Aufwand, bei Kindern eine Widerstandsmessung mittels Oszilloresistometrie (Ros) oder Unterbrechermethode (Rocc) durchgeführt.
139 Kapitel 10 · Die Variable Patient
Mehr noch als bei adulten Personen müssen die Ergebnisse von Kindern, auch bei Werten im Referenzbereich, besonders kritisch und stets im Zusammenhang mit den klinischen Beschwerden beurteilt werden. Für Kinder finden meist die Referenzgleichungen von Zapletal Anwendung. Generell ist aber die unreflektierte Anwendung jeglicher Referenzformel nicht unproblematisch. Optimal wäre die Erstellung eigener Referenzgleichungen, die in ausreichender Größe die Population der Region widerspiegeln. Bei adulten Personen (18 Jahre und älter) werden meist die Referenzwerte der EGKS in der letzten Überarbeitung von 1993 angewandt. Die Referenzpopulation beinhaltet ein Kollektiv von Menschen zwischen 18 und 70 Jahren und einer Körpergröße von 155–195 cm (m) bzw. 145–180 cm (w). Da die Patienten zwischen 18 und 25 näherungsweise gleiche Werte aufweisen, wird in dieser Altersgruppe das Alter von 25 Jahren in die Referenzformeln eingesetzt. Folglich handelt es sich bei jüngeren oder älteren Menschen bzw. Personen, die größer oder kleiner sind, lediglich um interpolierte Vergleichswerte, die besonders kritisch hinterfragt werden müssen. Auch wenn die Referenzwerte nicht ideal sind und gemäß neueren Erkenntnissen tendenziell die Funktionswerte eher unterschätzen, wurden sie jüngst von der europäischen Gesellschaft (ERS) als Referenz bestätigt. Dies hat den Vorteil, dass die Werte und somit z.B. auch standardisierte Therapieempfehlungen international miteinander verglichen werden können.
10
Die eingeschränkte Mitarbeit eines Patienten sollte nicht pauschal als Kommunikationsfehler oder gar mangelnde Kooperationsbereitschaft gewertet werden. Selbst für erfahrene Untersucher ist es mitunter unmöglich, mit dem Patienten eine makellose Untersuchung durchzuführen. Altersoder auch krankheitsbedingte Einschränkungen machen es dem Patienten teilweise sehr schwer, die geforderten Manöver ohne »Schönheitsfehler« durchzuführen. Handelt es sich z.B. um einen 80jährigen COPD-Patienten mit schwerer Dyspnoe, Nervosität und Unruhe sowie einem gewissen Grad an Schwerhörigkeit, könnte es sein, dass den Patienten eine korrekte Diffusionstestung schlicht überfordert. Hier sollten primär der Nutzen der Untersuchung hinterfragt und/oder entsprechende Umstände bei der Beurteilung etwaiger Ergebnisse mitberücksichtigt werden. Bei allen Lungenfunktionsprüfungen wird ein individueller Mensch untersucht und in definierten Parametern seiner Lungenfunktion erfasst. Die Befundung über den schlichten Vergleich der Werte mit denen der Referenztabelle kann einem so differenzierten Individuum in seinen unterschiedlichen Lebensphasen und gesundheitlichen Zuständen nur unzureichend gerecht werden. Dennoch sind wir darauf angewiesen, eine gewisse Standardisierung und Vereinfachung bei den z.T. komplexen Untersuchungen unserer Patienten anzuwenden. Die Befundqualität gewinnt jedoch, wenn man klinische und patientenspezifische Informationen mit einbezieht.
11
Interpretationsstrategie der Lungenfunktionsprüfung
142
11
Kapitel 11 · Interpretationsstrategie der Lungenfunktionsprüfung
vaskuläre Störung auszuschließen. Eine Diffusionstestung hilft auch bei der Differenzierung einer Restriktion und kann in Fällen einer Obstruktion weitere Hinweise auf das Vorliegen eines Emphysems oder eines Asthma bronchiale geben. Bei Umsetzung des Algorithmus haben wir bewusst den Transferkoeffizienten für den Transferfaktor zur Differenzierung der Restriktion ausgetauscht. Bei komplexer und nicht linearer Beziehung zwischen dem Transferfaktor (TLCO) und dem Alveolarvolumen (VA) ist dieser Punkt international weiterhin umstritten. Wir meinen aber, dass man zur sicheren Differenzierung der Restriktion neben dem Transferfaktor auch den Transferkoeffizienten beachten muss. Nicht integriert in den Algorithmus sind die Blutgasanalyse und die Mundverschlussdruckmessung, die jedoch häufig einen wichtigen Bestandteil der Beurteilung der Lungenfunktionseinschränkung bzw. Klärung der Genese einer Funktionsstörung darstellen. Abschließend sei nochmals erwähnt, dass die Aussagefähigkeit der einzelnen Untersuchungen in hohem Maße von der Durchführung bzw. Mitarbeit der Patienten abhängt und sich durch einen guten Informationsfluss bzgl. der klinischen Umstände, Anamnese und weiterer kardiopulmonaler Untersuchungsergebnisse steigern lässt.
Eine erfolgreiche Lungenfunktionsdiagnostik ist nicht nur von einer guten Interpretation der einzelnen Untersuchung, sondern auch von der richtigen Auswahl des Testes und des Testzeitpunktes, d. h. einer gewissen Strategie, abhängig. Die Spirometrie ist zweifelsohne die meistangewandte Methode der Lungenfunktionsprüfung. Ihr besonderer Wert liegt in der einfachen Durchführbarkeit und der Fähigkeit, Ventilationsstörungen auszuschließen. Der fehlende Nachweis einer Ventilationsstörung darf aber nicht mit dem generellen Ausschluss einer Lungenfunktionsstörung gleichgesetzt werden. Auch muss betont werden, dass es sich lediglich um eine Momentaufnahme der z. T. pathogenetisch bedingt schwankenden Ventilationsfunktion handelt. Von einer internationalen Arbeitsgruppe (ATS/ERS task force: Standardisation of lung function testing) wurde vor wenigen Jahren ein vereinfachter Algorithmus zur Umsetzung der Lungenfunktionsprüfung in die klinische Praxis veröffentlicht (⊡ Abb. 11.1). Hierbei bilden VC, FEV1, FEV1/VC und TLC die wegweisenden Basisparameter. Eine normale relative Einsekundenkapazität (FEV1/VC) schließt bei zusätzlich normaler Vitalkapazität (VC) eine Ventilationsstörung aus. Ergänzend ist jedoch eine Diffusionstestung notwendig, um eine pulmonal-
FEV1/VC LLN
Ja
Nein
VC LLN
⊡ Abb. 11.1. Vereinfachter Lungenfunktionsalgorithmus für die klinische Praxis [modifiziert nach: Pellegrino R et al. (2005) Interpretative strategies for lung function tests. Eur Respir J 26: 948–968]. LLN »lower limits of normal« (<5. Perzentile), PV pulmonal vaskulär, TW Thoraxwand, NM neuromuskulär, ILD »interstitial lung disease«, CB chronische Bronchitis
Ja
VC LLN Nein TLC LLN
Normal
PV Störungen
Ja TW und NM Störungen
Gemischte Störung
Obstruktion
TLCO/VA LLN Nein
Nein
Ja Restriktion
TLCO LLN Ja
TLC LLN
Ja
Nein Normal
Nein
Ja
Nein ILD Pneumonitis
TLCO LLN Ja Asthma CB
Nein Emphysem
12
Gemischter Übungsteil
144
Kapitel 12 · Gemischter Übungsteil
In diesem Kapitel sind die verschiedenen Untersuchungen der Lungenfunktionsprüfung als Kasuistiken in Übungsform nochmals zusammengestellt. Versuchen Sie, die Befunde selbstständig zu erheben, und vergleichen Sie Ihre Ergebnisse
12
anschließend mit den vorgegebenen Interpretationsvorschlägen. Gehen Sie hierbei, wie in den vorherigen Kapiteln gezeigt, systematisch vor und scheuen Sie sich nicht, ggf. wiederholt die entsprechende Schweregradeinteilung nachzuschlagen.
145 Kapitel 12 · Gemischter Übungsteil
Fallbeispiel 49 15 Jahre, männlich, 174 cm, 84 kg Das Beispiel zeigt die Verlaufskontrolle eines Jungen mit bekanntem Asthma bronchiale (Grad II, geringgradig persistierend) unter laufender Medikation.
⊡ Abb. 12.1. Fallbeispiel 49
12
146
Kapitel 12 · Gemischter Übungsteil
Interpretationsvorschlag Gute Mitarbeit. Leichte Obstruktion, leicht verschobene Atemmittellage, passend zum vorbekannten Asthma. Zur weiteren Beurteilung wäre ein PEF-Protokoll wünschenswert. Das PEF-Protokoll zeigte eine PEF-Variabilität von <10% und bestätigte die gute medikamentöse Einstellung.
12
147 Kapitel 12 · Gemischter Übungsteil
12
Fallbeispiel 50 70 Jahre, männlich, 183 cm , 84 kg Der Patient im nachfolgenden Beispiel beklagte eine seit Monaten zunehmende Belastungsdyspnoe. Des Weiteren sind ein langjähriger Nikotinabusus und eine Vormedikation mit Methotrexat bei rheumatoider Arthritis bekannt. Eine angefertigte Thoraxröntgenaufnahme blieb ohne besondere Auffälligkeiten.
⊡ Abb. 12.2. Fallbeispiel 50
148
Kapitel 12 · Gemischter Übungsteil
⊡ Abb. 12.3. Fallbeispiel 50
Neben einer guten Mitarbeit wurde von der MTA eine Nikotinkarenz von 10 h sowie ein aktueller Hb von 14,5 g/dl vermerkt.
12
149 Kapitel 12 · Gemischter Übungsteil
Interpretationsvorschlag Gute Mitarbeit. Leichte Restriktion, leichtgradige Transferstörung als Zeichen einer parenchymalen Ursache. Leichte periphere Flussbehinderung (bei Nikotinabusus). Ein HRCT sollte zum Ausschluss einer (z. B. MTX-induzierten) Fibrose ergänzend durchgeführt werden. Die Medikation mit MTX wurde daraufhin umgestellt.
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Kapitel 12 · Gemischter Übungsteil
Fallbeispiel 51 57 Jahre, männlich, 174 cm, 84 kg Im nächsten Beispiel ist die Bodyplethysmographie/Spirometrie eines Patienten mit langjähriger COPD gezeigt. Der Patient war zum Untersuchungszeitpunkt klinisch stabil, und die Messung wurde unter laufender Medikation durchgeführt.
12
⊡ Abb. 12.4. Fallbeispiel 51
151 Kapitel 12 · Gemischter Übungsteil
Interpretationsvorschlag Gute Mitarbeit. Typischer COPD-Aspekt. Schwere Obstruktion. Leicht-mittelgradige Überblähung mit deutlicher Minderung der Reserve (VC). Eine ergänzende Mundverschlussdruckmessung des Patienten ist in Fallbeispiel 41 dargestellt.
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Kapitel 12 · Gemischter Übungsteil
Fallbeispiel 52 75 Jahre, weiblich, 164 cm, 71 kg Das Beispiel zeigt die BGA einer Patientin, die mit akutem Myokardinfarkt, exazerbierter COPD und Nierenversagen aufgenommen wurde.
⊡ Abb. 12.5. Fallbeispiel 52
12
153 Kapitel 12 · Gemischter Übungsteil
Interpretationsvorschlag Gemischt, vorwiegend respiratorische Azidose bei respiratorischer Globalinsuffizienz (im Rahmen einer akut infektexazerbierten COPD), Nierenversagen und Herzinsuffizienz. Das Ergebnis bestätigt die Indikation für die sofortige Einleitung einer Beatmung. Die Patientin starb wenige Stunden später an Multiorganversagen.
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154
Kapitel 12 · Gemischter Übungsteil
Fallbeispiel 53 36 Jahre, weiblich, 165 cm, 85 kg Nachfolgend ist die Untersuchung einer jungen Patientin mit Belastungsdyspnoe und radiologisch bihilärer Lymphadenopathie dargestellt.
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⊡ Abb. 12.6. Fallbeispiel 53
155 Kapitel 12 · Gemischter Übungsteil
Interpretationsvorschlag Gute Mitarbeit. Die Spirometrie/Bodyplethysmographie zeigt als Befund eine leichtgradige Restriktion. Der Verdacht einer Sarkoidose hatte sich im Verlauf bestätigt.
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156
Kapitel 12 · Gemischter Übungsteil
Fallbeispiel 54 38 Jahre, männlich, 187 cm, 92 kg Das nächste Beispiel zeigt die Untersuchung eines jungen Patienten mit vermutetem Asthma bronchiale. Einer unspezifischen Provokation durch Belastung folgt eine inhalative Provokation mit Histamin 0,5% und nachfolgend eine Bronchospasmolyse mit 0,4 mg Salbutol (s. Legende oben links).
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⊡ Abb. 12.7. Fallbeispiel 54
157 Kapitel 12 · Gemischter Übungsteil
Interpretationsvorschlag Gute Mitarbeit. Leichte peripher betonte Obstruktion in der Leeruntersuchung. Nach Belastung diskrete Zunahme der Obstruktion. Nach Inhalation der Histamin-Lösung deutliche Zunahme, der nun schwermittelschweren Obstruktion, mit Abnahme der FEV1 um 40% und Zunahme der sRAWtot um 695%. Nach
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anschließender Bronchospasmolyse deutliche Teilreversibilität der Obstruktion mit Zunahme der FEV1 um 820 ml bzw. 26%. Der Befund bestätigt den Verdacht des Vorliegens eines Asthma bronchiale bei deutlich hyperreagiblem Bronchialsystem. Der Patient konnte im Weiteren medikamentös gut eingestellt werden.
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Kapitel 12 · Gemischter Übungsteil
Fallbeispiel 55 73 Jahre, männlich, 163 cm, 98 kg Das folgende Beispiel zeigt die Untersuchung eines Patienten, der mit rezidivierender schwere Dyspnoe und schwerer allgemeiner Leistungseinschränkung (mit leichter generalisierter Muskelschwäche) und Tagesmüdigkeit stationär behandelt wurde.
⊡ Abb. 12.8. Fallbeispiel 55
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159 Kapitel 12 · Gemischter Übungsteil
⊡ Abb. 12.9. Fallbeispiel 55
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Kapitel 12 · Gemischter Übungsteil
12 ⊡ Abb. 12.10. Fallbeispiel 55
161 Kapitel 12 · Gemischter Übungsteil
Interpretationsvorschlag Die BGA zeigt eine respiratorische Globalinsuffizienz mit metabolisch vollständig kompensierter Gesamtazidität (pH). In der Bodyplethysmographie/Spirometrie kommt – bei leicht eingeschränkter Beurteilbarkeit – eine schwere restriktive Ventilationsstörung zur Darstellung. Eine Obstruktion oder Überblähung liegt nicht vor. Die Mundverschlussdruckmessung zeigt eine gute Mitarbeit und zusätzlich das Vorliegen einer schweren Atemmuskelschwäche mit drohender
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Erschöpfung der Atempumpe, bei schwerer Überbeanspruchung der Inspirationsmuskulatur während Ruheatmung. Letztlich wurde bei dem Patienten ein adipositasassoziiertes Hypoventilationssyndrom (OHS) mit zusätzlicher leicht-mittelgradiger obstruktiver Schlafapnoe (OSAS) diagnostiziert. Das Vorliegen einer primär neuromuskulären Störung wurde diagnostisch ausgeschlossen. Es zeigte sich eine deutliche Besserung sämtlicher Befunde unter einer eingeleiteten nächtlichen n-BIPAP-Heimbeatmung.
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Kapitel 12 · Gemischter Übungsteil
Fallbeispiel 56 17 Jahre, weiblich, 173 cm, 60 kg Nachfolgend ist die kapilläre BGA einer jungen Patientin mit ausgedehntem Oberlappeninfiltrat links im Rahmen einer offenen Lungentuberkulose gezeigt. Neben einer allgemeinen Abgeschlagenheit beklagt die Patientin eine mäßige Hustensymptomatik sowie eine Dyspnoe bei mäßiger Belastung.
12 ⊡ Abb. 12.11. BGA Fallbeispiel 56
163 Kapitel 12 · Gemischter Übungsteil
Interpretationsvorschlag Der angegebene pO2-Wert erlangt erst in Zusammenschau mit dem Alter der Patientin und der Hypokapnie als Zeichen der Hyperventilation sein volles Ausmaß. Korrigiert man den Wert entsprechend dem pCO2, ergibt sich ein pO2korr von 55,8 mmHg bei einem altersbezogenen Sollwert von 95,6 mmHg. Somit ergibt sich eine schwere Hypoxämie bei gleichzeitiger kompensatorischer Hyperventilation. Vier Wochen nach Behandlung zeigte die Patientin bei deutlicher klinischer Besserung und gutem Rückgang der Infiltrationen eine normale BGA.
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Praxisrelevante Literaturempfehlungen
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Praxisrelevante Literaturempfehlungen
Nachfolgend finden Sie eine kleine Auswahl aktueller und praxisrelevanter Literaturquellen, deren Empfehlungen inhaltlich in das vorliegende Buch integriert wurden und die zum Teil weitere ergänzende Informationen bieten. Die Publikationen wurden von Expertenteams erarbeitet und haben maßgeblichen Einfluss auf den Goldstandard der Durchführung und Interpretation der verschiedenen Lungenfunktionstests oder bedeuten eine wertvolle Ergänzung im Rahmen einer Vertiefung der Thematik. ▬ Brusasco V, Crapo R, Viegi G (2005) ATS/ERS Task Force: Standardisation of Lung Function Testing 1-5 (Series). Eur Respir J ▬ Criée CP et al. (2006) Lungenfunktion – Spirometrie und Atemmuskelfunktion. Empfehlungen der Deutschen Atemwegsliga. Dustri, Oberhaching ▬ Criée CP et al. Lungenfunktion – Bodyplethysmographie. Empfehlungen der Deutschen Atemwegsliga. Dustri, Oberhaching, im Druck ▬ Global strategy for the diagnosis, management, and prevention of chronic obstructive pulmonary disease. Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD). Updated 2007. www.gold-copd.com ▬ Global strategy for asthma management and revention. Global Initiative for Asthma (GINA). Updated 2007. www.ginasthma.org ▬ Gosselink R, Stam H (2005) Lung Function Testing. Eur Respir Mon 31 ▬ Janssens JP, Pache JC, Nicod LP (1999) Physiological changes in respiratory function associated with ageing. Eur Respir J 13:197–205, 1455–1456
Verzeichnis der Fallbeispiele
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1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24
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Verzeichnis der Fallbeispiele
Normalbefund Unzureichende Mitarbeit, Normalbefund Hustenartefakt, Normalbefund Leichte obstruktive Ventilationsstörung Small Airways Disease Normalbefund Mäßiggradige restriktive Ventilationsstörung Mittelschwere Obstruktion, leichte VC-Minderung bei mittelgradiger COPD Prä- und postoperativer Normalbefund bei Lungenteilresektion Schwergradige Restriktion bei Lungenfibrose Normalbefund Fixe extrathorakale Stenose bei zervikalem Tumor mit Tracheakompression Schwergradige Restriktion bei Muskelschwäche und bekannter Myasthenia gravis Schwergradige Obstruktion bei COPD Normalbefund Schwergradige Restriktion bei Pleuramesotheliom Mäßiggradige Obstruktion Mittel-schwergradige Obstruktion und mittelgradige Überblähung bei COPD Leichtgradige obstruktive Ventilationsstörung Schwergradige Obstruktion bei COPD Mittelgradige Restriktion bei Lungenfibrose Normalbefund bei Adipositas Mäßiggradige Restriktion bei kryptogen organisierender Pneumonie Leichtgradige Obstruktion und mäßiggradige Restriktion bei Bronchialkarzinom mit Pleuraerguss Sehr schwere Obstruktion und mittelgradige Überblähung bei COPD Sehr schwere Obstruktion und mittelgradige Überblähung bei COPD Small Airways Obstruction Syndrome flow-overshoot bei großer Lunge Adipositas-typische Atemmechanik bei Adipositas Positiver Bronchospasmolysetest bei Asthma bronchiale Positiver Bronchospasmolysetest bei COPD Negativer Bronchospasmolysetest bei COPD Positiver Provokationstest/positiver Bronchospasmolysetest bei Asthma bronchiale Normalbefund
35 Normalbefund bei Asthma bronchiale 36 Leichtgradige Transferstörung bei parenchymaler Restriktion 37 Leichtgradige Transferstörung bei COPD 38 Schwergradige Transferstörung bei schwerer pulmonaler Hypertonie und Anämie 39 Normalbefund 40 Schwergradig eingeschränkte Kapazität, schwere Last der Atempumpe bei Myasthenia gravis 41 Deutliche Last der Atempumpe, normaler Kapazität bei COPD 42 Typische zirkadiane PEF-Variabilität bei Asthma bronchiale 43 Typische zirkadiane PEF-Variabilität bei intermittierendem Asthma bronchiale 44 PEF-Verlauf bei exazerbierter COPD 45 Schwere Hypoxie, respiratorische Alkalose bei Lungenarterienembolie 46 Respiratorische Globalinsuffizienz bei akut exazerbierter COPD 47 Metabolische Azidose bei hyperosmolar entgleistem Diabetes 48 Belastungsinduzierte Hypoxämie bei COPD 49 Leichte Obstruktion bei Asthma bronchiale 50 Leichte Obstruktion, leichte Transferstörung bei Nikotinabusus und MTX-Vormedikation 51 Schwere Obstruktion, leicht-mittelgradige Überblähung bei COPD 52 Respiratorische Globalinsuffizienz bei akutem Myokardinfarkt und akut exazerbierter COPD 53 Leichtgradige Restriktion bei Sarkoidose 54 Positiver Provokationstest/positiver Bronchospasmolysetest bei Asthma bronchiale 55 Schwere Restriktion, schwergradig eingeschränkte Kapazität und Last der Atempumpe, respiratorische Globalinsuffizienz bei adipositasassoziiertem Hypoventilationssyndrom 56 Schwere Hypoxämie mit kompensatorischer Hyperventilation bei Lungentuberkulose
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Quellenhinweis Für die freundliche Bereitstellung der Abbildungen 2.1–2.3, 3.1–3.6, 3.15–3.17, 4.1–4.4, 4.9, 4.11, 4.12 danken wir der Firma Ganshorn
Medizin Electronic Industriestr. 6–8 97618 Niederlauer
Stichwortverzeichnis
A α1-Antitrypsinmangel 75, 89 Alkalose, respiratorische 130 Alveolarvolumen 8 Asthma bronchiale 15, 20, 24, 86, 96, 101, 119, 121, 145, 156 Atemmuskelerschöpfung 110 Atempumpe 114, 116, 132 Atemschleife 46, 47, 52, 60, 81 Atemstromstärke forcierte exspiratorische 7 maximale exspiratorische 7 Atemwegswiderstand 56 effektiver 81 spezifischer totaler 8 totaler 8 Atemzugvolumen 4 Azidose metabolische 134 respiratorische 132
Bodyplethysmographie Durchführung der Untersuchung 48, 50 Messprinzip 46 bronchiale Hyperreagibilität 55 bronchiale Hyperreaktivität 84 bronchiale Instabilität 91 Bronchialkollaps, exspiratorischer 58 Bronchialsystem, hyperreagibles 15, 20, 123 Bronchospasmolysetestung 84 Reversibilität 87 Bronchospasmolytika 84
C CO2-Narkose 132 COPD (Chronic Obstructive Pulmonary Disease) 24, 30, 57, 58, 62, 63, 72, 73, 74, 89, 90, 105, 115, 124, 131, 150, 152 Schweregrad 63 Schweregradeinteilung 31
B Basenüberschuss 8 Bikarbonat 8 Blutgasanalyse Entnahmetechnik 128
beeinflussende Faktoren 100 korrigierter Referenz-Transferfaktor 108 Single-Breath-Methode 98 Steady-State-Methode 98 Dyspnoe 2
E Einsekundenkapazität, relative 5 Emphysem 106 Erkrankungen, neuromuskuläre 42 exspiratorischer Bronchialkollaps 58 exspiratorisches Reservevolumen 4 exspiratorische Flusslimitierung 63 exspiratorische Vitalkapazität 4 Exazerbationen 125
F D Diffusionskapazität 98 Diffusionstestung 98
FEV1 5, 73 FEV1% 5 Fibrose s. Lungenfibrose 149 Flow Overshoot 79
172
Stichwortverzeichnis
Flusslimitierung, exspiratorische 63
G Gasvolumen, thorakales 4, 47 Globalinsuffizienz, respiratorische 132
H Hustenartefakte 20 Hyperreagibilität, bronchiale 55 Hyperreaktivität, bronchiale 84 Hypertonie, pulmonale 107 Hyperventilation, Ursachen 130 Hypoventilation alveoläre 132, 136 Ursachen 132 Hypoventilationssyndrom, adipositasassoziiertes 43, 161 Hypoxämie 130, 132, 136, 163 Hypoxie 130
I Inspirationsdruck, maximaler statischer 112 Inspirationskraft, maximale 110 inspiratorische Kapazität 4 inspiratorische Vitalkapazität 4 Instabilität, bronchiale 91
K Kapazität, inspiratorische 4 Kapno-Volumetrie 12 Kohlendioxidpartialdruck 8 Krogh-Index s. Transferkoeffizient 8, 98
Kryptogen organisierende Pneumonie 69
maximaler inspiratorischer 8 Mundverschlussdruckmessungen 110 Myasthenia gravis 113
L Lunge Alterungsprozess 138 Entwicklung 138 Funktion 2, 128, 138 Lungenarterienembolie 129 Lungenerkrankung, obstruktive 21 Lungenfibrose 35, 36, 64, 104, 149 Lungenfunktion 2 Lungenfunktionsdiagnostik 2 Befundung 38 Interpretation 38, 142 Kindesalter 138 Lungenfunktionsparameter Allgemeines 4 Atemflussparameter 6 Blutgasanalyseparameter 8 Diffusionsparameter 8 dynamische Volumina 4 Ist-Wert 4 Mundverschlussdruckparameter 8 Regressionsgleichung 22, 29 Resistance-Parameter 7 Sollwert 4 statische Volumina 4 Transferfaktor-Sollwertformel 108 Lungenkapazität, totale 5 Lungentuberkulose 162 Lungenüberblähung 31, 116
M Metabolische Azidose 134 Mitarbeit 18, 138, 139 Mundverschlussdruck 110 inspiratorischer 8
N Neuromuskuläre Erkrankungen 42
O Obstruktion 31, 47, 58, 71, 73, 75, 87, 89, 91 Differenzialdiagnose 24 extrathorakale 27 fixe Stenose 40 intrathorakale 27 Reversibilität 87 Schweregrad 22, 56, 65 Obstruktive Lungenerkrankung 21 Obstruktive Schlafapnoe 80 Okklusionsmethode 44, 138
P Partialinsuffizienz, respiratorische 132 Peakflow-Messung Ampelschema 118 Früherkennung von Exazerbationen 125 Mitarbeitsabhängigkeit 118 Peakflow-Protokoll 123 Peak Expiratory Flow 7 Peak Inspiratory Flow 7 PEF-Variabilität 118 pH-Wert 8 Pleuramesotheliom 53 Pneumonie, kryptogen organisierende 69
173 Stichwortverzeichnis
Pneumotachograph 10 präoperativ allgemein 34 Risikostratifikation 34 thoraxchirurgisch 34 Prognosefaktor 73 Provokationstestung 84 Kontraindikationen 85 Kriterien einer positiven 96 Pulmonale Hypertonie 107
R Referenzformel s. Referenzgleichung Referenzgleichung 22, 138, 139 Referenzwert 4, 22, 40 relative Einsekundenkapazität 5 Reservevolumen exspiratorisches 4 inspiratorisches 4 Residualkapazität, funktionelle 4, 8 Residualvolumen 5, 8 Resistance 56, 65 respiratorische Alkalose 130 respiratorische Azidose, Ursachen 132 Restriktion 29, 36, 42, 54, 60, 65, 67, 69 Differenzierung 104 extrapulmonale Ursachen 29 pulmonale Ursachen 29 Schweregradeinteilung 36 Retraktionskraft, elastische 138
Small Airways Obstruction Syndrome 77 Sollwert 40; s. auch Referenzwert 4, 22 spezifischer totaler Atemwegswiderstand 8 Spirometrie Bettmessung 44 Durchführung der Untersuchung 12 Indikationen 15 Kontraindikation 15 Messprinzip 10 Mitarbeit 18, 26
T thorakales Gasvolumen 4, 47 Tidalvolumen 4 Tiffeneau-Manöver 12, 18 Atemabhängigkeit 7 Zeitabhängigkeit 7 totaler Atemwegswiderstand 8 totale Lungenkapazität 5 Transferfaktor 8, 98 Transferkoeffizient 8, 98 Transferstörung 106; s. auch Diffusionsstörung 104 Schweregrad 104
U Überblähung 73, 75, 89 Schweregrad 58 Unterbrechermethode 44, 138
S Sarkoidose 78, 155 Sauerstoffpartialdruck 8, 130 Sauerstoffsättigung 8 Schlafapnoe, obstruktive 80 small airways disease 24
V Variabilität, zirkadiane 120 Ventilationsstörung 12, 29 gemischte 13, 36, 71
obstruktive 13, 22 restriktive 13, 29 Verschlussdruckkurven 48, 49, 52 Verschlussdruckmessung 48, 49 Vitalkapazität exspiratorische 4 forcierte 4 inspiratorische 4
Z zirkadiane Variabilität 120