Johannes Eurich · Alexander Brink (Hrsg.) Leadership in sozialen Organisationen
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Johannes Eurich · Alexander Brink (Hrsg.) Leadership in sozialen Organisationen
Soziale Investitionen Herausgegeben von Helmut K. Anheier, Andreas Schröer, Volker Then
Bürgerschaftliches Engagement und Stiftungsförderung, Zeit und Geld für gemeinwohlorientierte Zwecke werden immer weniger konsumtiv als „Spende“, sondern ihrer eigentlichen Funktion entsprechend als Investition verstanden. Was sind Potenzial und Grenzen privater Beiträge für das Gemeinwohl? Welche Rolle nehmen Stiftungen, zivilgesellschaftliche Organisationen und Sozialunternehmen ein? Welchen Beitrag können Staat und Wirtschaft leisten? Diese und andere zentrale Fragen werden aus wirtschaftlicher, politischer, gesellschaftlicher, organisationaler und managementrelevanter Sichtweise betrachtet. Die Reihe richtet sich an Studierende, Kollegen aus unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen (Soziologie, VWL, BWL, Organisationstheorie, Politikwissenschaft, Pädagogik, Recht) und an die Fachöffentlichkeit, einschließlich Führungskräfte im Dritten Sektor (in Stiftungen, Verbänden, Wohlfahrtsorganisationen, Sozialunternehmen, NGOs), in der Wirtschaft wie auch in der Politik.
Johannes Eurich Alexander Brink (Hrsg.)
Leadership in sozialen Organisationen
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Frank Engelhardt VS Verlag für Sozialwissenschaften ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-16282-9
Inhaltsverzeichnis
Vorwort .............................................................................................................................. 7 Zur Aktualität des Leadership-Diskurses .......................................................................... 9 Johannes Eurich und Alexander Brink
I.
Führungshandeln und Führungspersönlichkeit Führen heißt die Herzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnen ..................... 21 Hans H. Hinterhuber Internes Unternehmertum – Gefordert – Gefördert – Gelebt ......................................... 31 Rolf Wunderer Leadership und Wertemanagement ................................................................................. 47 Walter Neubauer Narzissmus und Führung ................................................................................................. 61 Gerhard Dammann Charismatische Führungspersönlichkeit und soziale Verantwortung ............................ 91 Klaus D. Hildemann
II. Steuerung und Professionalisierung Leadership und Nonprofit Governance ......................................................................... 101 Axel Schuhen Corporate Governance in der Diakonie: Empirische Beobachtungen und theoretische Überlegungen ....................................... 111 Arne Manzeschke Führung in Wohlfahrtsverbänden .................................................................................. 133 Georg Cremer
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Inhaltsverzeichnis
Professionalisierung und Nonprofit Leadership ............................................................ 141 Andreas Schröer Professionalitätsdiskurs und Management: Ein Paradoxon der Moderne .......................................................................................... 159 Julia Evetts Leadership und interpersonales Vertrauen am Beispiel der Prozessorganisation sozialer Dienstleistungen ................................... 169 Andreas Langer
III. Perspektiven und Potenziale Accountability in a Globalising World: International Non-Governmental Organisations and Foundations ............................ 193 Helmut K. Anheier und Amber Hawkes Neue Verantwortungsteilung und Aktivierung der Wohlfahrtsgesellschaft: Herausforderungen für Nonprofit-Organisationen ........................................................ 213 Wolfgang Maaser Leadership Diskurse: Neue Herausforderungen für Führung und Leitung .................................................... 225 Marlies W. Fröse The Three Elements of Good Leadership in Rapidly Changing Times ....................... 245 Lynn Barendsen und Howard Gardner
Autorinnen und Autoren ................................................................................................ 255
Vorwort
Dieser Band geht auf das Symposium Leadership in sozialen Institutionen zurück, das vom 15. bis 17. März 2007 am Internationalen Wissenschaftsforum der Universität Heidelberg (IWH) stattfand. Ausrichter des Symposiums war das Diakoniewissenschaftliche Institut der Universität Heidelberg in Kooperation mit dem Studiengang Philosophy & Economics der Universität Bayreuth. Dem damaligen Direktor des Diakoniewissenschaftlichen Instituts, Prof. Dr. Heinz Schmidt, danken wir herzlich für die Zusammenarbeit. Ebenso gilt unser Dank dem Team des IWH unter Leitung von Dr. Ellen Peerenboom sowie der Volkswagen Stiftung und der Stiftung der Universität Heidelberg, die durch ihre finanzielle Unterstützung das Symposium erst ermöglicht haben. Fast alle Vorträge, die auf dem Symposium gehalten wurden, sind in den Beiträgen des vorliegenden Bandes enthalten. Ergänzend haben wir gezielt einzelne Autorinnen und Autoren um weitere Aufsätze gebeten, so dass nun ein über das ursprüngliche Symposiumsformat hinausgehendes Spektrum von Fragestellungen wiedergegeben ist. Damit werden nicht nur weitere Zusammenhänge aufgezeigt, die von dem Thema Leadership berührt werden, sondern auch Perspektiven eröffnet, die zukünftige Arbeiten zu diesem Themenfeld anregen können. Wir möchten allen Autorinnen und Autoren für ihre Beiträge und ihre Mitarbeit herzlich danken. Den verantwortlichen Mitarbeitenden des VS Verlags für Sozialwissenschaften in Wiesbaden danken wir für die reibungslose Zusammenarbeit, den Reihen-Herausgebern für die Aufnahme in die Reihe Soziale Investitionen. Verbunden fühlen wir uns Frau Eva Jansky, die bei der Erstellung der Druckvorlage großen Einsatz gezeigt hat. Diesen Band veröffentlichen wir in Erinnerung an Prof. Dr. Bernard M. Bass, einen der Väter des Leadership-Konzepts. Prof. Bass hatte seine Teilnahme an dem oben genannten Symposium zugesagt, musste dann aber aufgrund einer schweren Krankheit seine Reisepläne aufgeben. Er verstarb im Oktober 2007.
Heidelberg und Bayreuth, im September 2008 Johannes Eurich und Alexander Brink
Zur Aktualität des Leadership-Diskurses Johannes Eurich und Alexander Brink
1.
Einleitung
Leadership ist ein im deutschsprachigen Raum bislang eher vernachlässigtes Thema. Natürlich gibt es Arbeiten zu Führung und Führern, aber die Führungstheorien sind nicht in gleichem Maße entwickelt worden wie in anderen Ländern.1 Besonders deutlich wird dies im Vergleich zu den USA. Einige Autoren haben zwar amerikanisches Leadership-Denken auch hierzulande eingeführt oder weiterentwickelt (vgl. z.B. Hinterhuber und Wunderer).2 Doch in den USA findet man einen seit einigen Jahrzehnten geführten wissenschaftlichen Diskurs zu Führung und Führungsverhalten in der Wirtschaft und im öffentlichen Sektor, der nicht nur unterschiedliche Ansätze im Verständnis von Führung hervorgebracht und diese von Management differenziert hat (vgl. Barendsen/Gardner), sondern der sich inzwischen auch in unterschiedliche Teilbereiche von Leadership ausdifferenziert hat (vgl. public leadership, business leadership, nonprofit leadership etc.). Im vorliegenden Band beziehen wir uns – wie der Titel bereits anzeigt – auf den Teilbereich von Leadership in sozialen Organisationen. Dabei werden auch amerikanische Konzepte aufgegriffen und in den deutschen Kontext eingespielt. Dass ein Diskurs über Leadership notwendig ist, kann man an der Transformation des Sozialbereichs in Deutschland zeigen. Auf die Einführung stärker ökonomisch ausgerichteter Rahmenbedingungen zunächst im Pflegesektor, dann in immer mehr Bereichen des Dritten Sektors wurde mit der Entwicklung von Sozialmanagement-Konzepten reagiert, die einen sprunghaften Anstieg von entsprechenden Studiengängen und Fortbildungsangeboten nach sich zog.3 Mit der Einführung ökonomischer Steuerung in sozialen Organisationen entfallen auf Sozialmanager/innen Aufgaben, die auch die Steuerung und Kontrolle der Erbringung sozialer Dienstleistungen beinhalten. Autonomie, Kompetenz und Vertrauen, die bislang als notwendige Voraussetzungen für professionelle Praxis erachtet wurden, werden nun durch managerielle Eingriffe in Frage gestellt oder reglementiert (vgl. Evetts). Zugleich ist zu beobachten, dass die Koordination und Erbringung sozialer Dienstleistungen neue Herausforderungen an eine Organisation stellt, die nun bereits auf der Ebene der Dienstleistungserbringung Leadership-Qualitäten erforderlich machen (vgl. Langer). Diese neuen Anforderungen an Führung
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Die besonderen historischen Gründe hierfür klingen z.B. beim Gebrauch des Wortes „Führer“ im Deutschen noch an; jedoch bezieht sich die Leadership-Debatte im Kontext sozialer Organisationen gerade nicht auf autoritäre, gewalt- oder machtverherrlichende Führungsverständnisse. Trotzdem muss auch das Thema des Missbrauchs von Autorität und Führungspositionen gerade vor dem Hintergrund der NS-Zeit bearbeitet werden. In diesem Band nehmen vor allem die Beiträge von Dammann und Hildemann Gefährdungen von Leadership auf und diskutieren diese kritisch. In diesem Abschnitt wird in den Klammern auf Autorinnen und Autoren verwiesen, die Beiträge zum vorliegenden Band beigesteuert haben. Heute gibt es bereits über 100 Studiengänge in Deutschland, die für Sozialmanagement oder entsprechend verwandte Studien-Angebote an Hochschulen akkreditiert sind.
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werfen auch die Frage auf, ob durch eine Professionalisierung von Führung im Dritten Sektor den strukturellen Führungsaufgaben und ihren zentralen Herausforderungen besser entsprochen werden kann (vgl. Schröer). Auch wenn diese Frage momentan nicht schlüssig beantwortet werden kann, so zeichnen sich doch Veränderungen in der Konzeption von Sozialmanagement-Studiengängen ab, etwa wenn Reflexionsräume für Wertfragen oder Coaching zur Entwicklung der Persönlichkeit von Führungskräften curricular vorgesehen werden (vgl. Fröse). Eine Unterscheidung zwischen Management und Leadership ist in Deutschland in der Regel bisher nicht üblich, zumindest nicht im Bereich des Dritten Sektors. Vielmehr werden Führungsaufgaben und Führungshandeln im Rahmen des strategischen Managements und des normativen Managements sozialer Organisationen verortet oder sie werden einfach abgeblendet. In diesem Band wird jedoch zwischen Management und Leadership grundlegend unterschieden. Dabei gehen wir davon aus, dass der Dritte Sektor einige Spezifika für das Führungshandeln aufweist, die für alle sozialen Organisationen Gültigkeit haben, auch wenn es innerhalb des Sektors sehr vielfältige und unterschiedliche Organisationen gibt. Leadership hat auch für die Steuerung und Aufsicht von Organisationen, also für die Corporate Governance, Bedeutung. Leadership und Corporate Governance sind daher zwei miteinander verschränkte und voneinander abhängige Elemente der Organisationsführung (vgl. Schuhen und Manzeschke). Durch die Reform des Sozialstaats wurden in den unterschiedlichen Bereichen des Dritten Sektors Sozialmärkte, Quasi-Märkte oder (teil-)korporatistische Ordnungen geschaffen bzw. erhalten, die neue Herausforderungen an die verschiedenen sozialen Organisationen stellen. Im Wettbewerb der einzelnen Dienstleister muss sich eine soziale Organisation durch Effizienz, Innovation, kluge Kooperation und ein überzeugendes Profil auszeichnen. Oftmals ist dazu ein grundlegender Umbau der Führungsstrukturen und -prozesse notwendig. Die Persönlichkeit von Führungskräften rückt stärker in den Fokus, da diese nicht nur die in der Profilbildung verankerte Wertebasis der Organisation verkörpern müssen, sondern auch, weil Führungskräfte für die Anpassung der Organisationsziele und die Erschließung neuer Geschäftsfelder Visionen entwickeln und überzeugend vermitteln sollten. Zugleich müssen sie nach innen mit den Transformationsprozessen einhergehende Ängste z.B. unter der Mitarbeiterschaft abbauen und nach außen neue Kooperationen aufbauen. Zum Teil werden kleinere Organisationen von größeren übernommen oder fusionieren zu größeren Einheiten. Bei diesen Vorgängen sind Führungsqualitäten erforderlich, die über erworbenes Managementwissen hinausgehen und nicht losgelöst von persönlichen Eigenschaften betrachtet werden können. Damit ist ein weiterer Ansatzpunkt für Leadership in sozialen Organisationen gekennzeichnet. In diesem Zusammenhang wird unter Leadership oftmals ein spezifisches Set an Eigenschaften und Kompetenzen verstanden, durch das andere motiviert und befähigt werden, zum Erfolg einer Organisation beizutragen. Gleichzeitig wird dabei deutlich, dass Leadership nicht allein funktional zu verstehen ist, sondern die Fähigkeiten und die Persönlichkeit des/der Führenden mitbedacht werden müssen. Gerade die psychologische Literatur bietet hier bemerkenswerte Erkenntnisse (vgl. Dammann und Hildemann). Wird Leadership auf die Führung der gesamten Organisation bezogen und von Management abgegrenzt, dann sind auch die Entwicklung der Wertgrundlagen und der Organisationsstrategie als Kernaufgaben von Leadership zu verstehen (vgl. Neubauer). Für Leadership kommt es deshalb darauf an, die spezifischen Anforderungen des zivilgesellschaftli-
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chen Sektors zu verstehen, gesellschaftliche Entwicklungen richtig zu deuten und adäquate Antworten in der Ausrichtung der Organisation zu finden. Welche Herausforderungen sich Führungskräften in sozialen Organisationen heute stellen, kann am Problem der Rechenschaftslegung bei grenzüberschreitenden Engagements dargestellt oder an Prioritätenkonflikten zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Funktionszuschreibungen, etwa als sozialer Dienstleister und als Sozialanwalt, aufgezeigt werden (vgl. Anheier/Hawkes sowie Maaser und Cremer).
2.
Überblick über die Beiträge des Bandes
Der vorliegende Band Leadership in sozialen Organisationen ist in drei Teile gegliedert: Führungshandeln und Führungspersönlichkeit (Teil I), Steuerung und Professionalisierung (Teil II) sowie Perspektiven und Potenziale (Teil III).
2.1 Führungshandeln und Führungspersönlichkeit (Teil I) Im ersten Teil werden die Grundlagen von Führung dargestellt und Differenzierungen in der Begrifflichkeit vorgenommen. Dabei müssen auch die Persönlichkeit von Führungskräften und ihre Potenziale wie ihre Risiken für den Erfolg der Organisation bedacht werden. Die Beiträge thematisieren Führungshandeln und Führungspersönlichkeit zum Teil in unternehmerischer Perspektive, ohne dabei immer eine Übertragung auf soziale Organisationen vorzunehmen. Besondere Anforderungen und Spezifika der Führung sozialer Organisationen werden anschließend in Teil II dargestellt. Hans H. Hinterhuber (Universität Innsbruck) stellt in seinem Artikel Führen heißt die Herzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnen Merkmale exzellenter Führung vor. Diese wird als Dienstleistung rekonstruiert, nicht als Herrschaft oder Macht. Vieles, was ursprünglich der Führungskraft zugeschrieben wurde, fällt mittlerweile – so Hinterhuber – in den Verantwortungsbereich der Mitarbeiter. Nur die nicht delegierbaren Führungsaufgaben bleiben weiterhin im Spektrum der Führungskraft. Dennoch sollte sich die Führungskraft immer auch als Teil der Gemeinschaft betrachten. Hinterhuber gibt schließlich Empfehlungen in Bezug auf die richtige Auswahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sein Beitrag ist insgesamt sehr praxisnah und klar geschrieben: Er skizziert deutlich das Spannungsfeld von Leadership und Management, von Emotion und Kognition, von Begeisterung und Kontrolle, wobei eine exzellente Führung – als Mischung von Charakter, Wissen und Tun – sich gerade in der guten Balance von Leadership und Management auszeichnet. Letztlich geht es bei Führung aber immer darum, die Herzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen. Rolf Wunderer (Universität St. Gallen) spricht sich in seinem Artikel Internes Unternehmertum – Gefordert – Gefördert – Gelebt für unternehmerisches Handeln in Form von internem Unternehmertum aus. Der Wandel von der Industrie- zu einer Dienstleistungsund Wissensgesellschaft hat internes Unternehmertum in den vergangenen Jahren zu einem eigenen Managementkonzept werden lassen. Es geht Wunderer um konzeptionelle Anregungen, die weit über die Mitbestimmung hinausgehen und in ein integriertes Konzept münden, das in sieben Thesen diskutiert wird. Dabei werden zahlreiche interessante Facet-
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ten von internem Unternehmertum angesprochen, etwa die Differenzierung zwischen einem selbständigen Unternehmer (mit Arbeitgeberstatus) und einem internen Unternehmer (mit Arbeitnehmerstatus). Mitunternehmertum wird sowohl gut begründet (normative Ebene) als auch mit Blick auf die Praxis (anwendungsbezogene Ebene) betrachtet. Wunderers Thesen werden mit zahlreichen Beispielen belegt und Unternehmen beim Namen genannt. Der Autor nimmt einen managementtheoretischen und sozialpsychologischen Standpunkt ein und zeigt Grenzen sowie Lösungsoptionen seines Konzepts auf. Walter Neubauer (Universität Bonn) hat den Beitrag Leadership und Wertemanagement verfasst. Im Gegensatz zu einer homogenen Gesellschaft zeichnet sich – dem Autor folgend – die multikulturelle Gesellschaft gerade durch unterschiedliche Wertorientierungen ihrer Mitglieder aus. Für soziale Organisationen hat dies eine besondere Bedeutung, da Wertedifferenzen oftmals die Ursache von Unklarheiten und Konflikten darstellen. Die Führungskraft steht nun vor der großen Herausforderung, Mitarbeiter mit unterschiedlichen Wertvorstellungen zu führen (Diversitäts-Management). Ein wichtiger theoretischer Anknüpfungspunkt ist das Modell von Schein, das Artefakte, Werte und Grundannahmen unterscheidet. Neubauer untermauert seine theoretischen Ausführungen durch zahlreiche empirische Belege aus (sozial-)psychologischer Perspektive. Entscheidend ist letztlich die Kompatibilität der Werte mit der gelebten Unternehmenskultur. Führung wurde lange Zeit als transaktionaler Prozess verstanden, bei dem Mitarbeiter auf Basis von juristischen Verträgen zielorientiert geführt wurden. Psychologische Verträge, die eher impliziten Charakter haben und Vertrauen, Versprechen und andere Werte in den Vordergrund rücken, waren weniger relevant. Deshalb macht Neubauer sich für eine transformationale und visionäre Führung stark, die sich gerade mit der Veränderung von Werten befasst. Visionäre Führungskräfte verfügen über ein höheres Selbstwertgefühl und werden auch von ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mehr geschätzt: Transformational führende Chefs sind loyaler, kommunikativer und glaubwürdiger. Insgesamt zeigt die Empirie, dass visionäre Vorgesetzte ihre unterstellten Mitarbeiter begeistern können, attraktive Ziele zu verfolgen. Zugleich sind der transformationalen Führung aber auch Grenzen gesetzt. Eine explizit psychologische Perspektive nimmt der Mediziner und Psychoanalytiker Gerhard Dammann (Psychiatrische Klinik Münsterlingen) in dem Beitrag Narzissmus und Führung ein. Dammann beleuchtet die narzisstische Persönlichkeit, die er allerdings nicht einseitig negativ, sondern als Kontinuum von erwünschten und destruktiven Anteilen versteht. Dementsprechend unterscheidet er zwischen einem produktiven und einem pathologischen Narzissmus. Auf dieser Grundlage analysiert Dammann destruktive Mechanismen von Führungshandeln in Organisationen, die durch narzisstische Persönlichkeitsstörungen und spezifische Dynamiken entstehen können. Nach einem Überblick über verschiedene Konzepte und Diagnostiken von Narzissmus geht Dammann auf Eigenschaften und Typologien narzisstischer Führer ein. Ebenso wird die Frage nach dem Zusammenhang von Macht und Narzissmus diskutiert. Die Ergebnisse fließen in die Möglichkeiten der Organisationsberatung ein, die der Autor anhand verschiedener Interventionsmöglichkeiten näher darstellt. Dem bereits von Dammann angesprochenen Zusammenhang von Narzissmus und charismatischer Führungspersönlichkeit geht Klaus D. Hildemann (Fliedner Stiftung Mülheim/Ruhr und Universität Bonn) in seinem Beitrag Charismatische Führungspersönlichkeit und soziale Verantwortung nach. Dabei liegt ein Schwerpunkt in der Darstellung der Beziehung des charismatischen Führers zu den von ihm geführten Gruppen. Hier kommt es
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in besonderem Maß auf die Passung von Führern und Geführten an, so Hildemann. Ähnlich wie Dammann unterscheidet er zwischen einem positiven und einem destruktiven Narzissmus, reflektiert nun aber dieses Verständnis in seiner Bedeutung für die Führung von Kirche und Diakonie. Unter Rückgriff auf Bourdieus Konzept des Habitus wird der Transformationsprozess von (kirchlichen) Organisationen beschrieben und aufgezeigt, welches Potenzial, aber auch welche Gefährdungen seitens charismatischer Führungspersönlichkeiten innerhalb dieses Transformationsprozesses bestehen.
2.2 Steuerung und Professionalisierung (Teil II) Der zweite Teil dieses Bandes behandelt die Leadership-Thematik im Kontext von Steuerungs- und Professionalisierungsfragen, die für soziale Organisationen eine große Bedeutung haben. Dabei wird die enge Verbindung zwischen Führung und Governance herausgearbeitet, beides zugleich aber voneinander differenziert. Die Auswirkung ökonomischer Steuerung auf Professionen und Prozesse der Dienstleistungserstellung kommt dabei ebenso in den Blick. In seinem Beitrag Leadership und Nonprofit Governance setzt Axel Schuhen (SilverAge Gesellschaft für Soziale Dienstleistungen Freiburg) Beobachtungen aus der NonprofitLandschaft in Deutschland in Beziehung zu konzeptionellen Ansätzen und gewinnt so einen Ausgangspunkt für die begriffliche Differenzierung von Leadership und Governance. Leadership ist nach Schuhen zwingend personengebunden, während Governance auch durch strukturelle Elemente umgesetzt werden kann. Diese Unterscheidung spielt Schuhen dann im Blick auf die Besonderheiten und Herausforderungen von Leadership und Governance in sozialen Organisationen durch: Multidimensionale Zielsysteme, ehrenamtliches Leitungshandeln, Outcome-Orientierung, Innovation und Sozialanwaltschaft sowie Anspruchsgruppen werden auf ihre Bedeutung für Führung und Steuerung untersucht, Verbindungen zwischen beiden aufgezeigt und Herausforderungen für die weitere Arbeit benannt. Nach Schuhen sollten Leadership und Governance zu einer sich selbst tradierenden, tragfähigen Unternehmenskultur weiterentwickelt werden, durch die auch Wechsel in den Führungspositionen besser bewältigt werden können. Arne Manzeschke (Universität Bayreuth) beginnt in dem Beitrag Corporate Governance in der Diakonie: Empirische Beobachtungen und theoretische Überlegungen bei den gegenwärtigen Steuerungsproblemen, denen sich konfessionelle Wohlfahrtsverbände aufgrund der Reform des Sozialstaates gegenüber sehen. Nach der Darstellung des Governance Kodex der Diakonie erörtert er die Frage, welche Bedeutung Corporate Governance mit der Einführung des Kodexes in diakonischen Einrichtungen gewinnt. Sein vorläufiges Fazit lautet hier: Corporate Governance ist in Diakonie und Caritas allenfalls auf einer formalrhetorischen Ebene angekommen. In der Praxis sei noch nicht erkennbar, ob der Kodex als Instrument zu einer besseren Führung eingesetzt werde. An die hier erkennbaren Forschungsdesiderata schließt Manzeschke wirtschaftsethische, diakoniewissenschaftliche und theologische Überlegungen zu Corporate Governance an. Aus wirtschaftsethischer Sicht erfüllt der Corporate Governance Kodex der Diakonie eine Benchmark- und Vorbildfunktion und trägt zur Identität einer Einrichtung bei. Aus diakoniewissenschaftlicher Perspektive bietet der Kodex eine strukturelle Orientierung, die soziales Handeln ermöglicht und zugleich einen Raum für solches Engagement lässt, das aufgrund seiner Motivation im Glau-
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ben auf Spontaneität und Freiwilligkeit angewiesen ist. Theologisch versteht Manzeschke die Governance-Struktur als eine Ordnung um des Evangeliums willen, die durch entsprechende, theologisch begründete Normen und Werte inhaltlich zu bestimmen ist. Diese Perspektiven markieren Anschlusspunkte für die Weiterentwicklung und Implementierung der Corporate Governance in der Diakonie. Aus der Innenperspektive eines großen Dachverbandes stellt Georg Cremer (Deutscher Caritasverband) Leadership-Fragen in seinem Beitrag Führung in Wohlfahrtsverbänden dar. Als Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes e.V. reflektiert er zunächst die Struktur und Steuerung seines Verbandes. Dabei wird bereits deutlich, dass Führung in Wohlfahrtsverbänden häufig nur indirekt möglich ist. Hierzu tragen auch die vielfältigen Rollen als Unternehmen, Solidaritätsstifter, Sozialanwalt und diakonischer Arm der Kirche bei, die Wohlfahrtsverbände in der Gesellschaft wahrnehmen. Aus ihnen erwachsen besondere Herausforderungen für die Führung von kirchlichen Wohlfahrtsverbänden, die Cremer vor dem Hintergrund der Reform des Sozialstaats skizziert. Insbesondere Konsistenz und Akzeptanz nehmen in der Führung von Wohlfahrtsverbänden eine zentrale Rolle ein: Konsistenz in der Begründung sozialpolitischer Positionen als Gesprächspartner der Politik, Akzeptanz innerhalb des Verbandes zur Wahrung seiner Integrität. In diesem Zusammenhang heißt Führungshandeln in einem Verband immer Kontextsteuerung durch Richtlinien, Benchmarking-Verfahren, Qualitätsmanagement, Problemlösungsstrategien usw. Die Steuerung sozialer Organisationen kann heute nicht losgelöst von Professionalisierungsprozessen behandelt werden. Andreas Schröer (Universität Heidelberg) untersucht in dem Beitrag Professionalisierung und Nonprofit Leadership, ob sich auch im Blick auf die Führung von Organisationen im Dritten Sektor eine Tendenz zur Professionalisierung abzeichnet. Dazu gibt er zunächst einen Überblick über das Wachstum des Dritten Sektors in Deutschland und sich daraus ergebende strukturelle Veränderungen, z.B. im Hinblick auf die Finanzierung sozialer Dienstleistungen. Gleichzeitig hat sich die Professionalisierung des Dritten Sektors durch die Zunahme hauptamtlicher Tätigkeiten fortgesetzt. Diese Veränderungen bilden sich auch bei den strukturellen Besonderheiten von NonprofitOrganisationen ab, die Leadership berücksichtigen muss: Schröer sieht steuerungsrelevante Aufgaben vor allem im normativen Management, strategischer Planung und Multiple Stakeholder Management. Die sich aus diesen Führungsaufgaben ergebenden konzeptionellen Anforderungen an Leadership gleicht er dann mit den Ergebnissen einer empirischen Untersuchung in den USA ab, die hier erstmals veröffentlicht werden. Demnach stellt der Dritte Sektor spezifische Herausforderungen an Führungskräfte, die von diesen durch eine Kombination aus Kompetenzen, spezifischem Fachwissen und persönlicher Wertorientierung beantwortet werden. Auf Grundlage dieser Kombination werde ein spezifischer Habitus gebildet, der jedoch nicht professionalisierbar sei, so lautet Schröers Fazit. Julia Evetts (University of Nottingham) nähert sich mit ihrem Beitrag Professionalitätsdiskurs und Management: Ein Paradoxon der Moderne dem Thema Professionalisierung aus einer anderen Perspektive. In ihren bisherigen Forschungsarbeiten hat sie sich auf Felder außerhalb der klassischen Professionen konzentriert und sich für eine Verlagerung des analytischen Fokus hin zum Konzept der Professionalität ausgesprochen. Sie unterscheidet zwischen organisationaler Professionalität und beruflicher Professionalität. Während Letztere als ein Weg verstanden wird, den Status eines Berufes samt seiner Entlohnung zu verbessern, stellt die organisationale Professionalität eine von oben verordnete Professionalität dar, deren Ergebnis nicht in der Selbstkontrolle der Arbeit durch die Arbei-
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ter, sondern vielmehr in der Kontrolle durch die organisationalen Manager besteht. In einem zweiten Schritt fragt Evetts nach den Konsequenzen organisationaler Professionalität für die professionelle Arbeit. Galten bisher Vertrauen, Autonomie und Kompetenz als notwendige Voraussetzungen professioneller Arbeit, so werden diese durch die organisationale Professionalität immer mehr in Frage gestellt. Organisationale Ziele bestimmen das Verhältnis zwischen Professionellen und Kunden, setzen Zielvorgaben und Leistungsindikatoren. Kontrollen unterminieren Vertrauen und reduzieren die Interaktionszeit zwischen Professionellen und Kunden. Vertrauen als wesentliches Element sozialer Dienstleistungserstellung steht im Zentrum des Beitrags Leadership und interpersonales Vertrauen am Beispiel der Prozessorganisation sozialer Dienstleistungen von Andreas Langer (Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg). Langer geht es dabei um die Frage, wie Ungewissheit bearbeitet wird. Als Führungsaufgabe betrifft die Frage die Überführung von Unsicherheit in zielgeführte Kontrolle und Steuerung. Nach einer einführenden Darstellung von Vertrauen, Dienstleistung und Leadership greift Langer auf die Ergebnisse einer empirischen Untersuchung aus der Jugendhilfe zurück um zu zeigen, dass Vertrauen ein konstitutives Element bei der Organisation sozialer Dienstleistungen ist und als solches auch Steuerungsfragen betrifft. Dies wird besonders deutlich, wenn Langer in einem weiteren Kapitel untersucht, inwiefern Vertrauen in der Steuerung sozialer Organisationen konzeptionalisiert und empirisch untermauert werden kann. Er führt dazu folgende drei Perspektiven ein: (1) Vertrauensaufbau und -erhalt im Rahmen strategischer Investitionen, (2) die Transformation von Vertrauens- in Erfahrungsgüter und (3) den Erhalt von Vertrauen und die Vermeidung von Vertrauenserosion durch den Einsatz inadäquater Managementinstrumente.
2.3 Perspektiven und Potenziale (Teil III) Im dritten Teil wird der Blick über das direkte Führungshandeln hinaus auf dessen Rahmenbedingungen bzw. auf die gesellschaftlichen Veränderungen gelenkt, welche den Kontext für Leadership in sozialen Organisationen bilden. Die Führung von Nonprofit-Organisationen muss diesen Prozessen besondere Aufmerksamkeit schenken, denn die Strategien von einzelnen Organisationen müssen sowohl den gesellschaftlichen Kontexten entsprechen als auch auf Veränderungen etwa von Stakeholder-Gruppen adäquat reagieren. Orientierung von Führungshandeln geht daher über spezifisch organisationale Belange hinaus und muss gesellschaftliche wie globale Aspekte aufnehmen und einer Antwort zuführen. Helmut K. Anheier (Universität Heidelberg) und Amber Hawkes (University of California, Los Angeles) stellen in ihrem Beitrag Accountability in a Globalising World: International Non-Governmental Organisations and Foundations die Frage nach der Rechenschaftslegung von NGOs auf nationaler wie auf internationaler Ebene. Dabei gehen sie vom Prinzipal-Agenten-Problem aus und analysieren die Schwierigkeiten, die sich aus den Besonderheiten von NGOs für ein Anreizsystem und Informationsmanagement ergeben. Anhand des Engagements der Aventis Foundation in Südafrika wird ein Rechenschafts-Syndrom (accountability syndrome) rekonstruiert, welches anschließend in Bezug zu globaler Steuerung gesetzt wird. In fünf Thesen entwickeln Anheier und Hawkes die Perspektive, dass Rechenschaft nicht die Lösung, sondern selbst das Problem ist, weil (1) Erwartungen an die Rechenschaftspflicht steigen, während globale Institutionen schwächer werden, (2)
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das Rechenschafts-Konzept ein multidimensionales Konzept ist, das zunächst differenziert werden muss, bevor es als Instrument einsetzbar ist und (3) nicht nur organisationale Rechenschaft, sondern soziale Rechenschaft und sogar moralische Rechenschaft als Fokus in Betracht gezogen werden müssen. Die Auswirkungen der Globalisierung stehen auch bei dem Beitrag Neue Verantwortungsteilung und Aktivierung der Wohlfahrtsgesellschaft: Herausforderungen für Nonprofit-Organisationen von Wolfgang Maaser (Evangelische Fachhochschule Bochum) im Hintergrund der Analyse. Maaser verortet zunächst die Rede von der Eigenverantwortlichkeit des Individuums in den gesellschaftlichen Verantwortungsdiskursen seit Mitte des letzten Jahrhunderts und zeichnet anschließend die Entwicklung vom kontinental-europäischen Sozialstaat zum aktivierenden Staat nach. Diese Entwicklung hat zu unterschiedlichen Konzepten der Wohlfahrtsgesellschaft geführt, von denen der Autor die bürgergesellschaftliche Variante, die wohlfahrtsgesellschaftliche Variante und die gemeinschaftsorientierte Variante darstellt. Die Frage ist, welche Konsequenzen sich aufgrund der Entwicklung zum aktivierenden Staat aus der Aufwertung der Gesellschaft für soziale Organisationen ergeben. In normativer Perspektive benennt Maaser drei Problemstellungen, die von der Leitung im Rahmen der Organisationsentwicklung gelöst werden müssen: (1) Prioritätenkonflikte aufgrund einer geänderten Adressierung der Organisation, (2) Wahrnehmung einer öffentlichkeitspolitischen Rolle oder Beschränkung auf die Funktion eines sozialen Dienstleisters und (3) die Schaffung ausreichender institutioneller Voraussetzungen für eine Realisierung von Inklusionspraktiken. Alle drei Problemstellungen schneiden tief in das Selbstverständnis sozialer Dienstleister ein und erfordern eine entsprechende organisationale Vergewisserung. Marlies W. Fröse (Evangelische Fachhochschule Darmstadt) fordert in ihrem Beitrag Leadership Diskurse: Neue Herausforderungen für Führung und Leitung, dass Leadership in den Studiengängen, die sich mit dem Management sozialer Institutionen oder Sozialmanagement befassen, berücksichtigt werden sollte. Der Beitrag spannt einen weiten Bogen, von begrifflichen Klärungen im Kontext von transaktionaler und transformationaler Führung über die spezifischen Eigenschaften einer Führungskraft bis hin zu der Forderung, Managementinstrumente um Leadership zu ergänzen. Fröse geht es besonders um den gesellschaftlichen Leadership-Diskurs, der durch Idealisierungen, Heroisierungen und Personalisierungen gekennzeichnet ist, allerdings erst in jüngster Zeit in Deutschland geführt wird und zwar gleichermaßen in Theorie (also an den Hochschulen) und Praxis (in den Nonprofit-Organisationen). Abschließend stellt die Autorin das Darmstädter ManagementModell vor, dessen Ziel es ist, wissenschaftliche Reflexion in den Kontext der PraxisOrganisation-Reflexion und der Persönlichkeitsentwicklung zu stellen. Leadership – so Fröse – stellt eine neue Führungsqualität dar, sie wird nicht wie eine Führungstechnik an den Universitäten vermittelt, sondern bildet sich flankierend in der Lehre und im Prozess reflexiver Professionalisierung aus. Im abschließenden Beitrag The Three Elements of Good Leadership in Rapidly Changing Times von Lynn Barendsen (Harvard University) und Howard Gardner (Harvard University) werden Ergebnisse des Good Work® Projects im Blick auf das Verständnis von guter Führung vorgestellt. Die drei Elemente guter Führung, welche von Barendsen/Gardner genannt werden, sind: (1) exzellente technische und professionelle Qualität und Kompetenz, (2) ethische Orientierung und (3) ein umfassend eingebrachtes Verständnis von (Sinn-)Erfüllung und Bedeutung. Sie sehen die Notwendigkeit für diese drei Elemente
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guter Führung vor allem durch die fortschreitende Globalisierung, durch starke Marktkräfte und durch den Mangel an guten Vorbildern begründet. Anhand von Beispielen aus ihrer Forschungsarbeit veranschaulichen sie, wie die genannten Elemente in der Praxis des Führungshandelns effektiv eingesetzt werden können.
3.
Ausblick und Forschungsperspektiven
Mit welchen Herausforderungen werden soziale Organisationen konfrontiert, welche Forschungsperspektiven ergeben sich für die Zukunft? Aus den einzelnen Beiträgen greifen wir im Folgenden jeweils eine weiterführende Fragestellung heraus. In der Zusammenstellung ergibt sich so ein breites Spektrum unterschiedlicher Forschungsperspektiven für weitere Arbeiten in theoretischer wie praktischer Hinsicht. Im ersten Teil Führungshandeln und Führungspersönlichkeit werden Herausforderungen für die Umsetzung von Leadership benannt: Inwieweit ist Führung heute Ausdruck der Wertschätzung, der Achtung vor dem anderen und wie wählt man geeignete Führungskräfte aus (Hinterhuber)? Inwieweit müssen wir bei Zunahme an sozialen Dienstleistungsunternehmen mehr Mitarbeiter mit mitunternehmerischer Kompetenz und Motivation einfordern und welche Relevanz kommt hierbei dem Leadership-Konzept zu (Wunderer)? Welche Ansätze zur empirischen Erforschung der Verbindung zwischen kognitiver Vermittlung von Wert-Konzepten und dem gezeigten Verhalten der Führungsperson gibt es (Neubauer)? Welche Persönlichkeitsmerkmale wirken sich wie auf den Führungserfolg aus, bzw. anders formuliert: Wo sind ihre Chancen und Risiken (Dammann)? Welche Bedeutung hat vor diesem Hintergrund die charismatische Führung gerade für Führungspositionen in Diakonie und Kirche (Hildemann)? Im Blick auf den organisationalen Kontext stehen im zweiten Teil Forschungsperspektiven für Steuerungs- und Professionalisierungsfragen im Mittelpunkt. Wie soll das unternehmerische Ziel von Nonprofit-Organisationen in Zukunft aussehen und wie sollen dann die zentralen Wirkungsmechanismen (Governancestrukturen) beschaffen sein (Schuhen)? Welche Bedeutung haben Kodizes, wenn Corporate Governance in der Diakonie sich als multidisziplinäres und multiperspektivisches Projekt versteht, das kontinuierlich verbessert werden soll (Manzeschke)? Welche Modelle erscheinen erfolgsversprechend für die zukünftige Entwicklung des Verhältnisses von Dachverband zu Mitgliedsorganisationen bei Wohlfahrtsverbänden (Cremer)? Was können wir über die Struktur von Kooperationsbeziehungen als Bedingung professionellen Handelns erfahren, was über Kontrolle und Kontrollmechanismen (Schröer)? In welchem Ausmaß werden Vertrauensbeziehungen zwischen Professionellen und Kunden durch organisationale Formen der Reglementierung (z.B. Managerialismus, Rechenschaftspflicht oder Marktformen der Kundenbeziehung) ersetzt (Evetts)? Inwieweit sind spezielle Leadership-Qualitäten auf der Ebene der Dienstleistungserbringung notwendig, wenn Leadership selbst zu einer Dienstleistung wird (Langer)? Im dritten Teil werden folgende Forschungsperspektiven angesprochen: Welche Rolle werden internationale NGOs in Zukunft übernehmen und welche Legitimations- und Rechenschaftsformen können auf internationaler Ebene entwickelt werden (Anheier/Hawkes)? Wie können Nonprofit-Organisationen Prioritätenkonflikte angemessen lösen (Maaser)? Inwieweit können wissenschaftliche Erkenntniswege in der Ausbildung von Führungskräften mit Praxis- und Persönlichkeits-Trainings verbunden werden (Fröse)? Wo findet man
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die best practice im Blick auf die Qualität von Leadership und wie lässt sich der Erfolg messen und darstellen (Barendsen/Gardner)? Abschließend möchten wir auf die vielfältigen Interdependenzen und Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Bereichen hinweisen, die den Kontext von Leadership bilden. Die Autorinnen und Autoren des vorliegenden Bandes zeigen in ihren Beiträgen auf, dass Führungshandeln und Führungspersönlichkeit immer unter den institutionellen Bedingungen und damit unter spezifischen Designs und Anreizen existieren, die wiederum in einen gesellschaftlichen Diskurs und staatliche Rahmenbedingungen eingebunden sind. Die Verflechtungen, Abhängigkeiten, Wechselwirkungen etc. zwischen diesen unterschiedlichen Bereichen ergeben ein komplexes und zunehmend globales Analysefeld, bei dem in interkultureller und interdisziplinärer Zusammenarbeit kreative Lösungsansätze mit hohem innovativen Potenzial zu entwickeln sind. Die Herausforderungen für Leadership von sozialen Organisationen werden in der Zukunft eher noch zunehmen – und somit auch die entsprechenden Forschungsaufgaben.
I. Führungshandeln und Führungspersönlichkeit
Führen heißt die Herzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnen Hans H. Hinterhuber
1.
Einleitung Die Klage über die Schärfe des Wettbewerbs ist in Wirklichkeit nur die Klage über den Mangel an Einfällen. Walther Rathenau
Je turbulenter das Umfeld und je schwieriger die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind, desto mehr trägt eine exzellente Führung zum Erfolg einer jeden Institution bei. Diese vielfach abgesicherte Erfahrung lässt die Frage zu, was wohl eine exzellente Führung einer Institution ausmache. Dieser Frage soll hier in vier Abschnitten nachgegangen werden. Erstens wird gezeigt, dass Dienen der Grundgedanke der Führung ist. In diesem Sinne ist Leadership mehr als Management. Zweitens werden die Führungsaufgaben dargestellt, die nicht delegierbar sind. Drittens wird der Nachweis erbracht, dass Führende eine Gemeinschaft personifizieren und sich als Teil derer verstehen, die mitdenken und mithandeln sollen, um den Kunden einen Mehrwert zu bieten und die Institution langfristig stärker zu machen. Der vierte Abschnitt behandelt die Auswahl und Entwicklung der richtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die zentrale Botschaft des Beitrages lautet: Führen heißt, einen Weg zu den Herzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden, der über lange Zeiträume das Beste in ihnen weckt und sie in die Lage versetzt, das Beste zum Wohle des Ganzen zu geben.
2.
Dienen als Grundgedanke der Führung Jede Einrichtung ist der verlängerte Schatten des Mannes oder der Frau an der Spitze. Ralph Waldo Emerson
Führen heißt, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter inspirieren und in die Lage zu versetzen, sich begeistert für gemeinsame Ziele und Aufgaben einzusetzen. Führen heißt auch, herausragende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erkennen und anerkennen, sich um sie kümmern und ihnen helfen, ihr maximales Leistungspotenzial zu erreichen und vielleicht etwas höher zu streben als sie selbst für möglich halten (vgl. Hinterhuber/Saeed 2006). Führen ist eine Kombination aus Leadership und Management, die von der Situation abhängt, in der geführt wird (Abbildung 1).
22
Hans H. Hinterhuber
Was eine Einheit bilden soll, muss der Art nach verschieden sein. Aristoteles
Leadership • Entdecken neuer Möglichkeiten + die Fähigkeit, diese umzusetzen oder umsetzen zu lassen
• Die Mitarbeiter inspirieren und in die Lage versetzen, sich begeistert für gemeinsame Ziele und Aufgaben einzusetzen • Kreatives Lösen von Problemen/Optimieren von etwas Bestehendem
• Bewertung/exzellente Umsetzung einer Möglichkeit
Management
Abbildung 1:
Führung = Management plus Leadership
Leadership heißt:
eine Richtung vorgeben, die Sinn macht, neue Möglichkeiten erschließen und umsetzen oder umsetzen lassen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im positiven Sinne für das Erreichen von Zielen zu beeinflussen, die im gemeinsamen Interesse sind, authentisch sein, d.h. ein Charakter, der Vertrauen einflößt.
Management dagegen bedeutet:
Probleme auf eine kreative Weise lösen, Bestehendes optimieren, Planen, Organisieren, Kontrollieren, Koordinieren und dergleichen mehr.
Management ist mehr ein technokratischer Ansatz, für den es eine Vielzahl von Methoden, Instrumenten und Einstellungen gibt, mit denen eine Einrichtung ihren Kunden einen Mehrwert bieten und ihr Überleben sichern kann. Management lässt sich deshalb leichter erlernen als Leadership. Leadership ist subtiler, denn hier geht es darum:
Möglichkeiten zu entdecken und umzusetzen, die andere nicht gesehen haben, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu bewegen, ihre Energie in den Dienst gemeinsamer Aufgaben zu stellen.
Dazu gehört ein Charakter, der Vertrauen einflößt. Leadership ist deshalb eine Kombination aus Charakter, Wissen und Tun. Das Ziel von Leadership ist Exzellenz in allem, was wir tun (Abbildung 2).
Führen heißt die Herzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnen
Vergangenheit
23
Charakter
Leadership
Tun
Exzellenz
Wissen
Zukunft
Verhalten Charakter Nicht-delegierbare Führungsaufgaben
Situation
Werte
Wissen Tun
Abbildung 2:
Einstellungen
Leadership = Charakter plus Wissen plus Tun (in Anlehnung an: The Center for Army Leadership 2004)
Management ist dem kognitiven Bereich des Planens, Organisierens, Optimierens, Kontrollierens und dergleichen mehr zuzurechnen. Management ist auf Umsetzung und Performance ausgelegt. Der kognitive Bereich ist Führungskräften wohl bekannt; die gesamte Ausund Weiterbildung ist auf Meisterschaft in diesem Bereich ausgerichtet. Veränderungsprozesse in Organisationen spielen sich jedoch überwiegend in einem anderen Bereich, dem emotionalen Bereich, ab. Der emotionale Bereich ist gekennzeichnet durch Intuition, Unzufriedenheit, häufig auch Ärger mit dem Status-quo, Unmut mit den Konkurrenten, Stress und dergleichen mehr. Bei Veränderungsprozessen – etwa wenn eine neue Pionierphase der Organisation eingeleitet werden soll – ist in erster Linie der emotionale Bereich gefordert, der allerdings durch die Vernunft geleitet werden muss (vgl. Hinterhuber 2002). Leadership betrifft deshalb mehr den emotionalen, Management mehr den kognitiven Bereich.
Führende brauchen je nach Situation einmal mehr Leadership-, ein anderes Mal mehr Management-Fähigkeiten. Leadership und Management ergänzen sich wie Yin und Yang, keines ist ohne das andere möglich. Der deutsche Begriff Führung umfasst Leadership und Management. Im vorliegenden Beitrag geht es vorwiegend um Leadership; Leadership wird dabei als transformationaler Prozess verstanden, der durch vier Komponenten gekennzeichnet ist: visionäre Führung, inspirierende Motivation, intellektuelle Stimulation und individualisiertes Eingehen auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (vgl. Neubauer/Rosemann 2005).
Die natürliche Autorität und Glaubwürdigkeit der Führenden hängt davon ab, ob ihre vorgelebte Vision, ihre Strategien und Verhaltensweisen von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern akzeptiert werden oder nicht. Die Wurzeln von Leadership liegen im Respekt und in der Ehrfurcht vor dem Anderen, in der Wertschätzung der Menschen, in Idealen und Wer-
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Hans H. Hinterhuber
ten sowie im selbstlosen Dienen und in einem Einsatz, der über den persönlichen Bereich hinausgeht (vgl. Pircher-Friedrich 2005).
3.
Die nicht-delegierbaren Führungsaufgaben Der Mensch ist wie eine Bruchrechnung. Der Zähler zeigt an, was er ist, der Nenner, wofür er sich hält. Je größer der Nenner, desto kleiner der Bruch. Leo Tolstoi
Es gibt bestimmte Aufgaben, die nicht delegierbar sind, wenn Führende ihre Führungsverantwortung erfüllen wollen. Die Metapher des Hauses veranschaulicht die nichtdelegierbaren Führungsaufgaben (Abbildung 3) (vgl. Hinterhuber/Krauthammer 2005). Empirische Untersuchungen zeigen, dass der Erfolg einer Organisation in erster Linie von den Kundenbeziehungen und der Qualität der Produkte und Dienstleistungen, in zweiter Linie von der Mitarbeiterzufriedenheit abhängt (vgl. Maister 2003). Die Mitarbeiter sind der Schlüssel zur Kundenzufriedenheit. Deshalb bilden die Kunden das Fundament des „Leadership-Hauses“.
Authentisch sein Ethische Reflexion Visionär sein:
Vorbild sein - vorleben:
„Die Richtung angeben, Sinn vermitteln und den Siegeswillen anspornen."
"Engagement und Mut zeigen, Energien freisetzen sowie Talente und Innovationen fördern"
Den Kernauftrag entwickeln Die Kernkompetenzen bestimmen/weiterentwickeln lassen Die Kernprodukte/ -dienstleistungen ableiten/ Strategic Issues bewältigen Die Kerndifferenzierungen zur Konkurrenz entscheiden und ausbauen lassen
Durch die Ausgewogenheit der Persönlichkeit/das Wellbeing Durch die Unternehmungskultur/Kommunikation Durch das Jahresleitbild/ den Verhaltensauftrag
Abbildung 3:
Den Unternehmenswert steigern: "Wohlstand für alle strategischen Stakeholder schaffen" Mit der Organisation/den Führungskräften/den Prozessen Mit den Strategien/dem Erfolgscontrolling Mit der Unternehmungsidentität/Markenbildung
Kunden
Leadership heißt, die richtigen Prioritäten setzen
Wer führen will, muss erstens eine Richtung vorgeben, die Sinn macht und die Herzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anspricht. Er hat zweitens eine Vorbildfunktion und muss die Werte der Einrichtung leben und vorleben. Die dritte Führungsverantwortung besteht darin, Werte zu schaffen, und zwar – in dieser Reihenfolge – für die Kunden, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Anteilseigner. Wer auch nur einer dieser drei Verantwortungen nicht nachkommt, erfüllt seine Führungsaufgabe nicht. Führung hat eine ethische Komponente. Die allgemeine Ethik liefert die theoretische Basis für das Führungsverhalten (vgl. Albach 2007). Wer führen will, muss authentisch
Führen heißt die Herzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnen
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sein. Führen ist ein Lebensstil und eine Frage der inneren Haltung (vgl. Hinterhuber 2007). Authentisch ist die ganzheitliche Führungspersönlichkeit, die sich Zeit für die Familie, die Freunde und die eigene Gesundheit nimmt, die Neugier für das Leben zeigt, die Selbstvertrauen mit Demut verbindet, die weiß, dass es neben der höchsten Professionalität noch viele andere Dinge gibt, die ein gelingendes Leben ausmachen. Jede Säule stellt Führungsaufgaben dar, die ein persönliches Beteiligtsein der Führenden verlangen und deshalb nicht delegierbar sind. Jede Säule und jeder Führungsbereich hängt mit allen anderen zusammen und ist nicht isoliert zu behandeln. Durch vielfach abgesicherte Erfahrungen lassen sich die folgenden nicht-delegierbaren Führungsaufgaben den einzelnen Säulen zuordnen (vgl. Hinterhuber/Krauthammer 2005): Der Kernauftrag ist der konkrete Mehrwert, den die Einrichtung ihren Kunden bietet. Der Kernauftrag eines Krankenhauses lautet z.B.: Steigerung des ganzheitlichen Wohlbefindens der Patienten. Die Kernkompetenz ist die integrierte Gesamtheit von Fähigkeiten, Ressourcen, Prozessen, Technologien und Einstellungen, in denen es die Einrichtung zur Meisterschaft gebracht hat und die sie besser beherrscht als die Konkurrenten. Die Kernkompetenz des oben genannten Krankenhauses ist die ganzheitliche, individuelle Pflege und Betreuung der Patienten. Die Kernprodukte/Kerndienstleistungen leiten sich aus der Kernkompetenz ab und sind im Beispiel des Krankenhauses der durch pflegerische Intervention veränderte Zustand des Patienten. Die Kerndifferenzierung ist der Mehrwert, der in den Augen der Kunden die Produkte/Dienstleistungen einer Einrichtung von denen der Konkurrenten unterscheidet. Im Krankenhaus können die Patienten und deren Angehörige die Kerndifferenzierung wie folgt sehen: Sach- und Fachkompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Sozialkompetenz, Hotel- und Serviceleistung, Kommunikation, Information, Transparenz, Vermittlung von Sinn und Perspektiven. Die Pflege des eigenen Wohlbefindens und des der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist Pflicht eines jeden Führenden. Wohlbefinden ist der Zustand, in dem ein Mensch mit sich selbst und der Welt im Einklang ist. Führende sind für die Kultur, d.h. für die Summe aller gelebten und anerkannten Werte, Normen und Zielvorstellungen der Einrichtung, die sie leiten, verantwortlich. Werte sind z.B. Respekt vor dem Anderen, Integrität, Offenheit, Loyalität, Teamarbeit und dergleichen mehr. Führende steigern die Wirkung der Kommunikation durch Glaubwürdigkeit, Professionalität und Wissen, durch Mut zum proaktiven Handeln und indem sie Sicherheit durch Zukunftsorientierung bieten. Das Leitbild ist die Visualisierung der Grundregeln in der Organisation; es basiert auf den Werten, Normen und Zielvorstellungen, wie sie in der Kultur der Einrichtung gelebt und vorgelebt werden. Das Leitbild ist mit einer Hausordnung vergleichbar, die klare Verhaltensweisen definiert. Führende haben die Aufgabe, zum einen eine Organisation zu schaffen, in der sich jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter entfalten und sein Bestes geben kann, zum anderen die richtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auszuwählen und zu entwickeln. Zwei Kriterien spielen dabei die entscheidende Rolle: das Leben und Vorleben der Werte der Einrichtung und das Erreichen der vereinbarten Ziele. Die Strategie ist ein integrierendes Gesamtkonzept zur Erreichung von Zielen. Die Strategie des oben erwähnten Krankenhauses ist: Wir beraten und pflegen unsere Patienten und entwickeln mit ihnen Perspektiven, die ihre individuelle Situation und den letzten Stand der Wissenschaft berücksichtigen. Die letzte, nicht-delegierbare Führungsaufgabe betrifft das äußere Erscheinungsbild der Einrichtung. Führende haben die Verantwortung, darauf hinzuarbeiten, dass ihre Einrichtung von der Außenwelt so gesehen und bewertet wird, wie es ihren Werten, Normen und Zielvorstel-
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Hans H. Hinterhuber
lungen entspricht. Das Ziel ist eine sowohl nach innen als auch nach außen attraktive Einrichtung zu sein und die Marke zu stärken.
4.
Führende personifizieren eine Gemeinschaft Dem gehorchen die Menschen gerne, von dem sie wissen, dass er verständiger auf ihr Wohl bedacht ist als sie selbst. Xenophon
Erfolgreiche Unternehmer und Führungskräfte sind Kollektiv-Wesen. Sie führen weniger als Individuen, so nahe die gegenteilige Annahme im Falle großer Führungspersönlichkeiten auch liegen mag. Sie verkörpern jeweils eine bestimmte Gemeinschaft als solche und müssen deshalb von dem Nicht-Kollektiven in sich, ihrem Persönlichen und Individuellen absehen. Das Persönliche und Individuelle zählt relativ. Leadership geht nicht vom persönlichen Menschen aus, sondern von der Personifizierung einer Gemeinschaft. Führende verstehen die Kunst, die Werte zu verkörpern, die – bewusst oder unbewusst – auch die Werte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind. Dadurch gewinnen sie die Herzen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Marc Aurel verkörperte die Werte der Stoa, die die Philosophie des römischen Kaiserreichs war, Moltke die preußischen Tugenden, Jack Welch die Werte einer kompetitiven Gesellschaft. Außergewöhnliche Führungspersönlichkeiten können für eine gewisse Zeit außergewöhnliche Leistungen erzielen. Die Geschichte zeigt jedoch, dass langfristig außergewöhnliche Leistungen das Ergebnis bewusster und gewissenhafter Bemühungen einer Vielzahl von engagierten Führungskräften und Mitarbeitern sind, die einen sinnvollen Kernauftrag in die Wirklichkeit umsetzen. Es sind die richtig geleiteten kollektiven Anstrengungen, die letztlich eine Einrichtung zu dem machen, was sie ist (vgl. Wunderer 2006). Wer eine Gemeinschaft personifiziert, muss den Verlockungen von Nebenerfolgen und der Erschütterung durch Misserfolge widerstehen, eigene Nebenwünsche zum Schweigen bringen und Wünsche und Forderungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Interesse des Ganzen berücksichtigen. Er oder sie muss mit Herz und Vernunft führen (Abbildung 4). Vernunft
Abbildung 4:
(+)
Diktator
Leadership
(-)
Unfähigkeit
Poet
(-)
(+)
Herz
Führen mit Herz und Vernunft (in Anlehnung an Koestenbaum 2002)
Führen heißt die Herzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnen
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Führen heißt, die Herzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnen. Führen heißt, sich als Teil derer zu verstehen, die mitgehen, mitdenken und mithandeln sollen, um mit ihren Vorgesetzten neue Möglichkeiten zu erschließen und/oder Bestehendes zu optimieren. Wer führen will, muss einen Weg zu den Mitarbeitern finden, der über lange Zeiträume das Beste in ihnen weckt und ein Umfeld schaffen, damit sie ihr Bestes zum Wohle des Ganzen geben können. Empirische Untersuchungen zeigen, dass narzisstische Führungspersönlichkeiten ein großes Risiko für jede Institution darstellen (vgl. Chatterjee/Hambrick 2007): Führende, die erwarten, dass jeder ihnen die geschuldete Ehrerbietung erweist, die immer im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen wollen, die sich anderen überlegen fühlen und die sich damit beschäftigen, zu zeigen, wie außergewöhnlich sie sind, neigen dazu, extrem volatile Ergebnisse zu liefern. Auf der einen Seite kann ihr aufgeblähtes Selbstbild einer Institution Dynamik und Größe verleihen, auf der anderen Seite kann ihr Bestreben, ihre Institution als Werkzeug für persönliche Grandiosität zu nutzen, einer Einrichtung großen Schaden zufügen (vgl. Hildemann 2009; Manzeschke/Nagel 2006). Bei Führung kommt es auf die ursprüngliche Gleichheit der Wellenlänge an (Abbildung 5). Führen heißt nicht, A nordnungen und W eisungen geben
sondern herausfinden, w as M enschen w irklich w ollen und sie anregen, sich begeistert für gem e insam e Z iele einsetzen.
Abbildung 5:
Die ganzheitliche Beziehung zwischen Führenden und Geführten
Das bedeutet nicht, Verschiedenartigkeit unter den Mitarbeitern auszuschließen. Ein komplexes System, wie es jede Institution ist, erneuert sich in Funktion seiner Fähigkeit, Verschiedenartigkeit zuzulassen, zu fördern und im Interesse der Strategien zu nutzen. (vgl. Schuster 2006).
5.
Die Auswahl und Entwicklung der richtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ich schaue einem Bewerber lieber in die Augen als in die Zeugnisse. Helmut Maucher
Jeder Führende muss sich selbst Vorwürfe machen, wenn er nicht genug Energie in die Auswahl und Entwicklung seiner Mitarbeiter investiert hat und wohl auch selbst mit daran Schuld ist, dass sie nicht besser vorwärts kommen. Eine jede Institution wächst in dem
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Hans H. Hinterhuber
Maß, wie ihre Mitarbeiter wachsen. Zwei Kriterien spielen, wie erwähnt, für die Auswahl und Entwicklung der Mitarbeiter eine entscheidende Rolle:
das Leben und Vorleben der Führungswerte, das Erreichen der vereinbarten Ziele.
Jeder Mitarbeiter wird in Bezug auf die beiden Kriterien beurteilt. Die Ergebnisse werden in eine Matrix eingetragen (Abbildung 6): Mitarbeiter vom Typ II leben die Werte und erreichen die vereinbarten Ziele; sie führen eine Einrichtung erfolgreich in die Zukunft. Von Mitarbeitern vom Typ III, die die Werte nicht teilen und die Leistung nicht erbringen, muss sich die Einrichtung trennen. Bei Mitarbeitern vom Typ IV muss geprüft werden, warum sie die vereinbarten Ziele nicht erreichen. Die Führenden haben die Pflicht, ihnen zu helfen die Ziele zu erreichen. Früher oder später müssen allerdings auch diese Mitarbeiter die Ziele erreichen. Mitarbeiter vom Typ I erreichen oder übertreffen sogar die vereinbarten Ziele, leben jedoch die Werte der Institution nicht. Eine Trennung ist notwendig, auch wenn die Entscheidung schwer fällt. Der Grund: Es ist oft leichter Ergebnisse kurzfristig zu verbessern, wenn ohne Rücksicht auf die Werte der Institution vorgegangen wird. Menschen, die in Führungspositionen berufen werden, müssen wissen, dass sie als herausgestellte Mitarbeiter persönlich eine Vorbildfunktion einnehmen.
Ziele I
Erfolgreiches Führen mit Werten
II
• Nur die Besten sind gut genug! • Im Zweifel, nein!
erreicht
Trennung
Spitze
• Das Bild des Teamplayers im eigenen Herzen beobachten • Leadership beginnt, wo der Konsens aufhört
III nicht erreicht
IV
Trennung
nicht gelebt
Abbildung 6:
6.
2. Chance
gelebt
Führungswerte
Die Auswahl und Beurteilung der Führungskräfte und Mitarbeiter (in Anlehnung an General Electric)
Zusammenfassung und Ausblick
Führung ist ein Ausdruck der Wertschätzung, der Achtung vor denjenigen, durch deren Engagement eine Institution erfolgreich in die Zukunft geführt wird. Führende, die die Herzen ihrer Mitarbeiter gewinnen, können viel erreichen. Das setzt voraus, denen zu vertrauen, die geführt werden, aber erfordert auch einen Charakter, der Vertrauen einflößt.
Führen heißt die Herzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnen
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Die Hauptergebnisse des vorliegenden Beitrages sind:
Führung ist eine Kombination aus Leadership und Management; je nach Situation benötigen Führende einmal mehr Leadership-, ein anderes Mal mehr Managementfähigkeiten. Führung ist Charakter plus Wissen plus Tun. Führung ist innerhalb bestimmter Grenzen erlernbar. Führende setzen Prioritäten und konzentrieren sich auf die nicht-delegierbaren Führungsaufgaben. Führende personifizieren eine Gemeinschaft. Sie verstehen sich als Teil derer, die mitdenken und mithandeln sollen, um gemeinsam das Überleben der Institution zu sichern.
Die Auswahl und Entwicklung der richtigen Führungskräfte ist die wichtigste unternehmerische Aufgabe. Zwei Kriterien spielen dabei die entscheidende Rolle: Leben der Werte der Institution und Erreichen der vereinbarten Ziele. Wer eine Führungsfunktion innehat, muss Herz und Vernunft der Mitarbeiter ansprechen. Die goldenen Regeln für den Erfolg einer jeden Institution lauten:
Stelle Mitarbeiter ein, die besser und klüger sind als du selbst, nutze ihre Talente und gib ihnen die Möglichkeit, sich zu entwickeln. Beurteile deine Führungskräfte danach, welche Mitarbeiter sie eingestellt haben und wie viele ihrer Mitarbeiter sie selbst zu Führenden entwickelt haben. Trenne dich rechtzeitig von Mitarbeitern, die die Werte der Institution nicht leben. Hilf Mitarbeitern, die die Werte der Institution leben, die vereinbarten Ziele aber nicht erreichen, ihr maximales Leistungspotenzial zu erreichen. Blutsverwandtschaft ist kein Ersatz für Kompetenz.
Literatur Albach, H. (2007): Unternehmenstheorie und Unternehmensethik. In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft. Special Issue 1. 1-13. Chatterjee, A./Hambrick, D.C. (2007): It’s All About Me: Narcissistic CEOs and Their Effects on Company Strategy and Performance. In: Administrative Science Quarterly 52(3). 352-386. Hildemann, K.D. (2009): Charismatische Führungspersönlichkeit und soziale Verantwortung. In: Eurich, J./Brink, A. (Hrsg.): Leadership in sozialen Organisationen. Wiesbaden. 93-99. Hinterhuber, H.H. (2002): Leadership als Dienst an der Gemeinschaft. In: Zeitschrift für Organisation 71(1). 4052. Hinterhuber, H.H. (2007): Leadership. Strategisches Denken systematisch schulen von Sokrates bis heute. 4. Aufl. Frankfurt am Main. Hinterhuber, H.H./Krauthammer, E. (2005): Leadership – mehr als Management. 4. Aufl. Wiesbaden. Hinterhuber, H.H./Saeed, M.M. (2006): Dienen als Grundgedanke der Führung. In: Hinterhuber, H.H./PircherFriedrich, A./Reinhardt, R./Schnorrenberg, L. (Hrsg.): Servant Leadership. Prinzipien dienender Unternehmensführung. Berlin. 155-180. Koestenbaum, P. (2002): Leadership. The Inner Side of Greatness. A Philosophy for Leaders. 2nd Ed. San Francisco, CA.
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Maister, D.H. (2003): Practice What You Preach. New York, NY. Manzeschke, A./Nagel, E. (2006): Leadership in sozialen Institutionen. Zur Organisation von Macht. In: Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik 7(1). 9-26. Neubauer, W./Rosemann, B. (2006): Führung, Macht und Vertrauen in Organisationen. Stuttgart. Pircher-Friedrich, A. (2005): Mit Sinn zum nachhaltigen Erfolg – Anleitung zur werte- und wertorientierten Führung. Berlin. Schuster, N. (2006): Leadership in sozialen Institutionen. Von der zentralen Aufgabe des Contingency Mastering. In: Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik 7(1). 62-78. The Center for Army Leadership (Ed.) (2004): The U.S. Army Leadership Field Manual. New York, NY. Wunderer, R. (2006): Führung und Zusammenarbeit. Eine unternehmerische Führungslehre. 6. Aufl. München.
Internes Unternehmertum – Gefordert – Gefördert – Gelebt Rolf Wunderer
Wir denken, entscheiden und handeln unternehmerisch. Diesen Unternehmensleitsatz im Bewusstsein möglichst vieler Mitarbeiter zu verankern, wird zunehmend erklärtes Ziel von Managern und Personalexperten (vgl. Wunderer/Dick 2007). Der Beitrag gibt konzeptionelle Anregungen in einem integrierten Konzept, das in sieben Thesen diskutiert wird.
1.
Verstehe internes Unternehmertum als ein Managementkonzept: Differenziere zwischen Intrapreneurship und Mitunternehmertum
Inhaltlich lassen sich beim internen Unternehmertum zwei Entwicklungslinien differenzieren. Die Erstere konzentriert sich auf sozialpolitische Anliegen. Sie lässt sich bis ins vorletzte Jahrhundert zurückverfolgen (vgl. Gaugler 1999). Danach sollen Arbeitnehmer vor allem über verstärkte Mitbestimmung sowie eine Erfolgs- und Kapitalbeteiligung zu mündigen Wirtschaftsbürgern entwickelt werden. Wegbereiter waren meistens sozialpolitisch engagierte Unternehmer aus Mittel- und Kleinbetrieben. Sowohl in der Schweiz wie in Deutschland und Österreich gibt es noch heute Vereinigungen und Unternehmen mit und zu dieser Zielsetzung. Seit den 90er Jahren wird internes Unternehmertum nun aber als ein Managementkonzept – meist von Großunternehmen – postuliert. Ziel ist nun vor allem eine umfassendere und effizientere Nutzung der zunehmend teureren und anspruchsvolleren Personalressourcen. Dies im Kontext eines Wandels von der Industrie- zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft. Methodologisch prägen die aktuellen Ansätze weniger normativ-ethische, sondern eher praktisch-normative Denkmuster. Beide konzentrieren sich nicht auf wenige Positionen (z.B. das Topmanagement oder maximal die Führungskräfte), sondern wollen auch die restlichen 90% der Belegschaft erreichen. Die Forderungen finden sich zunehmend in Unternehmens- und Führungsgrundsätzen formuliert – wenn auch meist nur in allgemeiner Weise. Im Vordergrund stehen Verhaltensmaximen. Wie lauten nun diese Forderungen an das interne Unternehmertum? Dazu einige Beispiele: „Alle arbeiten unternehmerisch, unbürokratisch und produktiv!“ (IBM) oder „Wir fördern unternehmerisches Denken in allen Bereichen“ (Mövenpick). Manche gehen etwas weiter und nennen dazu Förderungsmaßnahmen. So die Helvetia-Versicherung: „Wir fördern die Eigenverantwortung und Selbständigkeit aller Mitarbeitenden, indem wir Entscheidungs- und Handlungsspielräume schaffen und unternehmerisches Denken und Handeln belohnen.“ Eine weitere Zielsetzung besteht in der empirischen Evaluation wichtiger Thesen, auch wenn die eingesetzten Forschungsverfahren weiter optimiert werden müssen. Denn damit kann schon einmal tendenziell auch die Differenz zwischen Utopien („Wir alle arbeiten
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Rolf Wunderer
unternehmerisch…“) und deren Umsetzung verdeutlicht und zugleich die Anwendung einseitiger Menschenbilder und Konzepte relativiert werden. Um die begrifflichen Grundlagen abzuklären, wird zunächst zwischen Unternehmer und Arbeitgeber einerseits und Mitarbeiter und Arbeitnehmer andererseits differenziert (Abbildung 1).
Abbildung 1:
Unternehmer versus interne Unternehmer
Den selbständigen Unternehmer verstehen Wirtschaftswissenschaftler sowie die Bevölkerung nach demoskopischen Umfragen als eine Person, die eigenes Kapitalrisiko am Unternehmen mit Leitungsmacht und Arbeitgeberstatus verbindet. Der interne Unternehmer verbindet dagegen den Arbeitnehmerstatus mit einem unternehmerischen Verhaltenskonzept (vgl. dazu auch Hilb 2002; Hinterhuber 2004; Kuhn 2000). Nun zu anthropologischen Grundlagen. Aus der Literatur sind uns die beiden Modelle des homo oeconomicus und homo socialis (vgl. Dahrendorf 1977; Hartmann 1990) wohl bekannt (Abbildung 2).
Abbildung 2:
Menschenbilder und Mitunternehmertum
Während der homo oeconomicus (vgl. Kirchgässner 2000) grundsätzlich und primär eine individualistische und egoistische Zielsetzung verfolgt und insbesondere auf ökonomische Anreize reagiert, stehen beim homo socialis die Schaffung und Erhaltung von Beziehungen im Vordergrund. In jüngster Zeit entwickelte die psychologische Ökonomie einen „homo oeconomicus maturus“, dessen Handeln auch altruistische Werte sowie intrinsische Motivation einschließt (vgl. Frey/Osterloh 2000). Beim Mitunternehmer zeigt sich eine Kombination mit in der Praxis unterschiedlichen Anteilen.
Internes Unternehmertum – Gefordert – Gefördert – Gelebt
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Nun zur Differenzierung des internen Unternehmens. Der Intrapreneur zeigt ähnliche individualistische und egoistische Denk- und Verhaltensmuster wie der idealtypische Unternehmer nach Schumpeter. Er bewegt sich aber primär im internen Markt und in einer Arbeitnehmerfunktion (Abbildung 3).
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Abbildung 3:
Intrapreneur versus Mitunternehmer
Wenn wir uns im Folgenden mit dem Konzept des Mitunternehmers befassen, so sollte man nicht vergessen, dass sich in realen beruflichen Verhaltensmustern Anteile von beiden Idealtypen finden. Vertrauensbildung und Mikropolitik, ökonomische und soziale Ziele, Egoismus und überindividuelle Interessen. Bei dem Konzept des Mitunternehmertums stehen folgende Verhaltensziele und -muster im Vordergrund: Mitwissen, Mitdenken, Mitfühlen, Mithandeln, Mitverantworten und Mitbeteiligen. Und dies auf der Basis entsprechender Kompetenzen und Motivationen. Dies zeigt Abbildung 4. . $
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Abbildung 4:
2.
Personale Gestaltungs- und Verhaltensziele
Formuliere für Mitunternehmertum ein normatives und zugleich umsetzungsorientiertes Leitkonzept
Interessant ist auch, wie diese Forderungen aus verschiedenen Ebenen und für verschiedene Ebenen formuliert werden. Das soll am Beispiel von deutschen Automobilkonzernen gezeigt werden. DaimlerChrysler leitete dies aus seiner Wachstumsstrategie und den damit verbundenen 3-Kernelementen ab:
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Rolf Wunderer „Es sind wertorientierte Führung, Innovation und Globalisierung. Dies erfordert eine Führungsphilosophie, die auf unternehmerischem Denken und Handeln gründet. Im Mittelpunkt der wertorientierten Führung werden somit die Qualifikation, die Leistungsbereitschaft, die Zufriedenheit und damit insgesamt das Engagement der Mitarbeiter für das Unternehmen stehen.“
Hier also wurde auf Kompetenzmanagement fokussiert und insbesondere das obere Management adressiert. Bei BMW sind dagegen alle Führungskräfte angesprochen, insbesondere mit der Forderung nach ziel- und ergebnisorientierter Führung. Unternehmerische Verantwortung zu übernehmen, d.h. konkret: „Ich fordere Zielvereinbarungen und trage die Verantwortung für meinen Beitrag zur Zielerreichung; ich trage die Verantwortung für die Qualität meiner Arbeit; ich trage Verantwortung für mich selbst, insbesondere für meine Gesunderhaltung und meine berufliche Weiterentwicklung.“ Audi konzentrierte sich auf eine andere Zielgruppe: die Werker. Diese formulierten ihr internes Unternehmertum in Arbeitsgruppen selbst, und zwar unter dem Label „Der Mitarbeiter als Unternehmer“. Zunächst wurde die Frage beantwortet: „Was kennzeichnet einen Unternehmer?“ Dieser wurde klassisch als leitender Eigentümer interpretiert. Selbst oberste Führungskräfte kommen nicht vor. Die zweite Frage lautete: „Warum sollte unsere Gruppe wie ein Unternehmer im Unternehmen Audi handeln?“ Hier wurden die Kundenzufriedenheit, das Kosten-/Nutzenverhältnis und die Gewinnerzielung thematisiert. Und schließlich wurde die Frage beantwortet: „Wie kann unsere Gruppe unternehmerisches Handeln stärker fördern?“ Hier geht es dann um ganz konkrete kontinuierliche Verbesserungen am Arbeitsplatz, nämlich Vermeidung von Überproduktion oder Überlagern sowie von unnötigen Laufwegen oder um Minderung von Wartezeiten in der Prozesskette oder Reduktion von Nacharbeit (Abbildung 5).
Abbildung 5:
Führungsgrundsätze bei Audi – Sicht: Werkerebene
Bei BMW sind dagegen nur die Führungskräfte angesprochen, insbesondere mit der Forderung nach ziel- und ergebnisorientierter Führung. Und bei VW wurde ein eigenschafts- und verhaltensorientierter Ansatz bevorzugt, der den „4-M-Mitarbeiter“ fordern und fördern will: mehrfach qualifiziert und mobil einerseits, mitgestaltend und menschlich andererseits (Abbildung 6).
Internes Unternehmertum – Gefordert – Gefördert – Gelebt
Abbildung 6:
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Führungsgrundsätze bei VW – Der 4M-Mitarbeiter
Auch die Universität St. Gallen fordert die Studenten auf, Unternehmer in eigener Sache zu sein: „Wir fördern und fordern Persönlichkeiten. Werde Unternehmer in eigener Sache. [...] Werde autonom. Entscheide Dich sorgfältig.“ Auf die Verbindung der hierbei geforderten „unternehmerischen Mitgestaltung“ und das so genannte „integrierende Verbindungsdenken“ sowie kooperatives und unternehmensförderliches Sozialverhalten wird noch zurückgekommen. Auf der Basis von mehrjährigen Forschungsarbeiten wird nun ein integrierter Ansatz vorgestellt und an einigen ausgewählten Aspekten die wesentlichen Komponenten dieses Beschreibungs- und Gestaltungsmodells diskutiert. Der folgende Bezugsrahmen (Abbildung 7) will einen umfassenderen Ansatz anbieten. Er kann aus Platzgründen hier an sechs Elementen mit je einer These angesprochen werden. Die Leitsätze wurden schon angeführt. Und nun folgt das Potenzial.
Abbildung 7:
3.
Bezugsrahmen und Leitkonzept für Mitunternehmertum
Fokussiere Kompetenzmanagement auf spezifische mitunternehmerische Schlüsselqualifikationen, Grundmotivation und den Abbau von Motivationsbarrieren
Kompetenzen werden als „Selbstorganisationsdispositionen für Handlungen“ (vgl. Erpenbeck/Heyse 1999) verstanden. Dabei wird meist zwischen Fach- und Methodenkompetenz sowie Persönlichkeitskompetenzen differenziert. Jobspezifische Fachkompetenzen stehen
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Rolf Wunderer
auch heute noch im Mittelpunkt bei der Gewinnung, Auswahl und Allokation von Mitarbeitern. Die Diskussion konzentriert sich hier auf unternehmerische Schlüsselqualifikationen; diese werden als personengebunden und als fachübergreifend verstanden. In dem Kompetenzkonzept zum Mitunternehmertum haben wir uns auf drei überfachliche Schlüsselqualifikationen konzentriert. Sie sind an jedem Arbeitsplatz erforderlich, wenn internes Unternehmertum gefordert und gelebt wird. Wir differenzieren dabei zwischen Problemlösungs-, Umsetzungs- und Sozialkompetenz (Abbildung 8).
Abbildung 8:
Mitunternehmerische Schlüsselqualifikationen
Zur Verbesserung von Arbeitsverfahren und Ergebnissen ist an jedem Arbeitsplatz eine ständige Qualitätsverbesserung über weiterführende Problemlösungen (auch Optimierung oder exploitation genannt) erforderlich. Bei grundlegenden Veränderungen (exploration oder Erneuerung) in Restrukturierungsprozessen steigen diese Anforderungen erheblich. Für die meisten Mitarbeiter genügt das laufende Verbessern durch möglichst auch selbständige Problemlösungen im Sinne eines „continuous improvement“. Das Management hat größeren Anteil an grundlegenden Wandlungsprozessen. Die Umsetzungskompetenz, die vor allem durch Zielstrebigkeit, Machbarkeitsglauben und Hartnäckigkeit auch gegenüber Widerständen verbessert wird (vgl. Wunderer/Bruch 2000), wurde schon von Schumpeter (1912) als die entscheidende Kompetenz für den selbständigen und dynamischen Unternehmer definiert; in der Sozialkompetenz charakterisierte er diesen hingegen als egoistisch und unsozial. Nun zur Sozialkompetenz beim Mitunternehmer (Abbildung 9). Die Dimension des autonomen, eigenständigen und eigen„sinnigen“ Verhaltens ist gerade für Mitunternehmer unverzichtbar. Aber ebenso gilt dies für die zweite Dimension, die auf Kooperation, wechselseitige Unterstützung, Vertrauensbildung und Netzwerkfähigkeit ausgerichtet ist.
Abbildung 9:
Sozialkompetenz Mitunternehmer
Internes Unternehmertum – Gefordert – Gefördert – Gelebt
37
Für die Abgrenzung zwischen Intrapreneur (vgl. Pinchot 1988) und Mitunternehmer ist die unterschiedliche Sozialkompetenz wohl die entscheidend diskriminierende Schlüsselqualifikation (vgl. Wunderer/Dick 2002). Die Universität St. Gallen hat vier Schlüsselkompetenzen für die Assessmentstufe definiert und sie von der Fachkompetenz bewusst getrennt. Es sind neben Leadership und Reflektionsfähigkeit eben gerade auch Sozialkompetenz und Verantwortungsbewusstsein, also genau die differenzierenden Kompetenzanteile, die unser Mitunternehmertum charakterisieren (Abbildung 10).
Abbildung 10:
Vier Kernkompetenzen für Studierende der Universität St. Gallen
Hinsichtlich der Motivation wird zwischen Grund- und Situationsmotivation sowie Commitment und Demotivation unterschieden. Die unternehmerische Eigenmotivation ist von größter Bedeutung. Dazu gehören zunächst Chancen- und Risikoorientierung sowie Umsetzungsmotivation. Die Sozialpsychologie bezeichnet eine weitere Anforderung mit dem Konzept „freiwilliges Engagement“ (vgl. Bierhoff 1991). Die unternehmerische Eigenmotivation definierte schon Schumpeter (1912) vor allem über Initiative, Chancenorientierung, Zerstörung alter und Aufbau neuer Kombinationen sowie Umsetzungsmotivation. Daneben gibt es eine situationstypische, volatile und auch kalkulative Motivation, die besonders von Einschätzungen zur Bedeutung der jeweiligen Aufgabe (Valenz), der Wahrscheinlichkeit ihrer Realisierung (Erfolgswahrscheinlichkeit) und der dafür nötigen Instrumentalität beeinflusst wird. Auf diese wird nicht weiter eingegangen. Die Führungskräfte fokussieren nach eigener Aussage meist auf Valenzsteigerung. Schließlich zählen wir im weiteren Sinne ethisches, emotionales und auch kalkulatives Commitment dazu, insbesondere die Bereitschaft, auch nicht-motivierende Aufgaben gut zu erfüllen (vgl. Wunderer 2007). Die Analysen zur Verteilung des internen Unternehmertums zeigen, dass ein großer Teil der Mitarbeiter (fast die Hälfte) und ein noch größerer der Führungskräfte (rund 2/3) bereits unternehmerisch eigenmotiviert sind. Für sie müssen deshalb nicht primär extrinsische Anreizsysteme entwickelt und eingesetzt werden; wichtiger ist, sie nicht zu demotivieren. In der situativen Motivierung, besonders von weniger Eigenmotivierten, können dagegen auch extrinsische Anreize eingesetzt werden. Entscheidend ist aber, dass diese schon intrinsisch und unternehmerisch Motivierten nicht durch unnötige Motivationsbarrieren in der Ausschöpfung ihrer Potenziale behindert werden.
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Unsere Forschungen ergaben interessante Differenzierungen zwischen aktuellen Demotivatoren sowie potenziell stark eingeschätzten Motivationsbarrieren. Letztere erfordern ein prophylaktisches „Unterlassungsmanagement“ der Führungskräfte, die das meist ausblenden. Weiter überraschte, dass die Blockierung der Produktivität und Arbeitsfreude primär durch schlecht vorbereitete, geführte und umgesetzte Koordinationsmechanismen, insbesondere Besprechungen und Konferenzen verursacht wurden. Sie rangierten noch vor einer demotivierenden Führungskultur, bei der Reden und Handeln frustrierend auseinander klaffen. Weiterhin zeigte sich ein erstaunlich hoher Anteil an Produktivitätsverlust sowie Reduktion von Arbeitsfreude schon bei nur durchschnittlicher Belastung durch zentrale Motivationsbarrieren. Die Abbildung 11 zeigt Ergebnisse aus spezifischen Befragungen von 243 Führungskräften des mittleren Managements zwischen 2002 und 2005 (vgl. Wunderer 2007).
Abbildung 11:
4.
Ergebnisse eigener Demotivations-Befragungen
Entwickle eine fördernde Kontextgestaltung – Konzentriere dich dabei auf das Steuerungskonzept und die Kulturentwicklung
4.1 Zunächst zum Steuerungskonzept In keinem der zahlreichen befragten Unternehmen fanden wir ein explizit formuliertes Konzept für eine an der Unternehmensverfassung orientierte Steuerung. Dieses interne „Governancekonzept“ kann man nach vier Steuerungsprinzipien differenzieren: Hierarchie, Bürokratie sowie interner Markt- und interne soziale Netzwerk-Organisation. Unsere Umfragen zeigten bis heute durchgehend, dass in den meisten Firmen Hierarchie und Bürokratie die dominante klassische Steuerungskonfiguration darstellen (Abbildung 12). Gleichzeitig zeigten sie aber auch, dass von den befragten Führungskräften als zukünftige und häufig erwünschte Steuerungskonfiguration eine Kombination von internem Markt- und sozialen Netzwerk, also „Co-opetition“, genannt wurde.
Internes Unternehmertum – Gefordert – Gefördert – Gelebt
Abbildung 12:
39
Steuerungskonzept: Co-opetition
Dies entspricht nun wieder eindeutig dem unternehmerischen Steuerungskonzept. Denn hier wird die ökonomische Marktsteuerung auf der Basis von Erträgen, Leistungen, Kosten und Gewinnen mit langfristig orientierten Interaktionen verbunden, die auf sozialer Netzwerkbildung, gegenseitiger Unterstützung und der hier relevanten Währung, dem „Vertrauen“, basieren und abgewickelt werden. Dies kann man auch als interne soziale Marktwirtschaft oder „co-opetition“ (vgl. Nalebuff/Brandenburger 1996) bezeichnen (Abbildung 13). Natürlich bleiben Hierarchie und Bürokratie sowie Technokratie weiterhin als Steuerungskonzepte in jedem Unternehmen erhalten, verlieren aber in diesem Kontext an Einfluss. Nun fehlt noch das mitunternehmerische Führungskonzept. Es umfasst die strukturelle und die interaktive Führung.
Abbildung 13:
Mitunternehmerische Koordination
40
Rolf Wunderer
4.2 Strukturelle Führung Nach der Implementation der Steuerungskonfiguration geht es um die darauf abgestimmte Gestaltung der strukturellen Führung. Diese konzentriert sich auf drei Elemente: die Gestaltung von Aufbau- und Ablauforganisation, die Verbindung von Zielen und Mitteln (Strategie) und schließlich die Entwicklung und Umsetzung von gemeinsam geteilten und gelebten Werthaltungen, also den Kulturkern. Später wird die interaktive Führung diskutiert (Abbildung 14).
Abbildung 14:
Zwei Führungsdimensionen
Hier soll nur am Beispiel von notwendigen Kulturveränderungen gezeigt werden, welche Herausforderungen und Schwierigkeiten allein in diesem Ansatz bestehen (Abbildung 15).
Abbildung 15:
Von der Hierarchie/Bürokratie zum Mitunternehmertum
Denn diese Grundwerte, Denkmuster und Verhaltensweisen sind meist Teil der relativ stabilen Kompetenz- und Motivationsstruktur des Personals und deshalb schwer und allenfalls mittelfristig zu ändern. Und diese „Software“ ist nicht von der „Hardware“ der Mitarbeiterköpfe zu trennen. Parkinson brachte dies auf den sarkastischen Nenner: Wenn Gott heute noch einmal die Menschen umfassend heimsuchte, dann würde er statt der Sintflut die Papierflut wählen. Dies gilt auch in Zeiten des papierlosen Büros mit anderen Mitteln. Man braucht nur an die fast babylonische Zahl der Mails und SMS zu denken. Diese sind aber auch Kernelemente des sozialen Netzwerkes.
Internes Unternehmertum – Gefordert – Gefördert – Gelebt
41
Ohne eine integrierte und auf Mitunternehmertum ausgerichtete Gestaltung von Steuerungskonzept und struktureller Führung kann internes Unternehmertum kaum nachhaltig realisiert werden. Die Verantwortung für diese fördernde Kontextgestaltung im Rahmen der Governance-Struktur liegt dabei beim oberen Management.
5.
Integriere delegativ rationale mit transformational emotionaler Leadership
Nun zur Gestaltung der interaktiven Führung, die hier nach transaktionaler und transformationaler Führung differenziert wird (vgl. Bass/Steyrer 1995; anders aber überzeugend dazu Hinterhuber 2004; Hinterhuber/Krauthammer 2005) (Abbildung 16).
Abbildung 16:
Mitunternehmerischer Führungsstil
Bei der Gestaltung der direkten und interaktiven Mitarbeiterführung wird für einen kooperativ-delegativen Führungsstil plädiert, der eigenverantwortliche sowie ziel- und ergebnisorientierte Leistungserbringung fördert. Dieses Managementkonzept ist heute Bestandteil fast aller mittleren und größeren Firmen und wird auch instrumentell unterstützt. Dazu gehören Strategieformulierung, Zieldefinitionen, zielorientierte Stellen- und Teambeschreibungen, Planungsverfahren und Instrumente, Budgetsteuerung und Profitcenterorientierung. In Führungsstilanalysen zeigt sich ebenfalls eine eindeutige und zunehmende Bevorzugung des delegativen Führungsstils als Soll-Konzept. Bei der Einschätzung des realen Führungsverhaltens der Vorgesetzten steht allerdings die konsultative Führung ganz überwiegend im Vordergrund. Diese forderte übrigens schon vor über 1500 Jahren der hl. Benedikt für seine Gemeinschaft mit folgendem – heute noch gültigen – Leitsatz: „Sooft im Kloster eine wichtige Angelegenheit zu entscheiden ist, ruft der Abt die ganze Klostergemeinde zusammen und lege selber dar, worum es sich handelt! Und er höre den Rat der Brüder und tue, was nach seinem Urteil das Nützlichste ist“. Diese konsultative Führung belässt aber noch die Initiative für Problemlösungen bei den jeweiligen Vorgesetzten und begrenzt das eigenständige Problemlösen der Nachgeordneten. Als notwendige Kombination für eine auf höhere bzw. andere Werte und Motive sowie auf damit verbundene Verhaltensweisen ausgerichtete Mitarbeiterführung wird die transformationale Führung nach Bass etwa so differenziert (vgl. Bass/Riggio 2006; Bass/ Steyrer 1995) (Abbildung 17).
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Rolf Wunderer
Abbildung 17:
Transformationale Führung
Sein Konzept wurde bewusst umgestellt, um damit auch die Realisierungsmöglichkeiten dieses anspruchsvollen Ansatzes aufzuzeigen. Die erste Forderung zielt auf individuelle Führung der Mitarbeiter. Das kann auch jeder Manager lernen. Der zweite Punkt fordert schon ein Aufbrechen von alten Denkmustern und damit einen erfolgreichen, aber äußerst anspruchsvollen Führungsprozess, um die neuen Ideen für den geplanten Wandel auch säen und wachsen lassen zu können. Auch das sollte ein guter Manager noch schaffen. Die nächsten zwei Punkte gehen nun aber in Richtung anspruchsvoller Leadership. Denn sie erfordern eine fast charismatisch begeisternde Führung sowie eine hohe Fähigkeit zur Vertrauensbildung durch vor allem integres Verhalten. Gerade daran hapert es nach der Analyse von Motivationsbarrieren aber ganz besonders. Die zweitstärkste Motivationsbarriere wird als Widerspruch zwischen Sagen und Tun also „Walk your Talk“ definiert. Insgesamt sollte man strukturelle mit interaktiver Führung abstimmen, will man MitUnternehmertum realisieren.
6.
Fördere individuell und zielgruppen – sowie teamorientiert
Neben der zuvor schon angesprochenen individuellen Führung sollten obere und mittlere Führungskräfte Konzepte entwickeln, die kompetenzorientierte Zielgruppen nach dem Mitunternehmerkonzept differenzieren. Empirische Befragungen zur Zielgruppendifferenzierung ergaben vier Qualifikations- und Motivationsstrukturen. Die wichtigste Folgerung lautet, mitunternehmerische Mitarbeiter anders zu fördern. Abbildung 18 zeigt einen idealtypischen Vorschlag auf der Grundlage von Verteilungsergebnissen der Portfoliobefragungen (vgl. Wunderer 2007).
Internes Unternehmertum – Gefordert – Gefördert – Gelebt
Abbildung 18:
43
Zielgruppenorientierte Führung
Aus der zielgruppenorientierten Differenzierung ist aber nicht abzuleiten, dass z.B. Routine-Mitarbeiter als unbrauchbar ausgesondert werden müssten. Jedes Team erfordert unterschiedliche Rollen. Nur kreative Erfinder sind in einem Team ebenso wenig ausreichend wie nur operative Umsetzer. Die optimale Teamentwicklung ergibt sich – das zeigen gerade alle Teamsportarten – in sich ergänzenden Qualifikationen in einer Rollenkombination (Abbildung 19).
Abbildung 19:
7.
Teamorientierte Rollenverteilung (Magerison/McCann 1985)
Setze auf reife Umsetzung
Die Verteilung der Schlüsselqualifikationen und damit verbundener Motivationen zeigt eindeutig, dass die Umsetzungskompetenz das Hauptproblem bei der Realisierung des Unternehmertums ist. In einer Studie mit über 100 Firmen wurde ermittelt, dass die Umset-
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Rolf Wunderer
zungskompetenz und -motivation mit Abstand am geringsten realisiert ist (vgl. Wunderer/Bruch 2000 und Abbildung 20).
Abbildung 20:
Verbreitung mitunternehmerischer Fähigkeiten/Motivation
Daran also unterscheiden sich Organisationen mit guten Ideen. Die einen setzen sie um und die anderen entwickeln daraus lediglich Visionen als Träume ohne Verfallsdatum. Dagegen fordert das japanische Automobilunternehmen Honda: „Each individual [...] must translate the philosophy into actions“. Dass diese Erkenntnis schon früher formuliert wurde, belegen noch einige Zitate. So schrieb Schumpeter schon vor über hundert Jahren (1912: 133) in seinem Klassiker: „Wie setzt sich das Neue in der Wirtschaft durch? [...] Die neuen Kombinationen kann man immer haben, aber das Unentbehrliche und Entscheidende ist die Tat und die Kraft zur Tat.“
Dies verbindet er auch schon mit einem Portfolioansatz (Abbildung 21).
Abbildung 21:
Portfolio mitunternehmerischer Kompetenzen nach Schumpeter
Ein weiterer Kollege – es ist Professor Wilhelm Faust – befasste sich mit einer anspruchsvollen Aufgabe, nämlich der Übersetzung des Johannes-Evangeliums. Er kam – so J.W. Goethe – zu folgendem Schluss (Abbildung 22):
Abbildung 22:
Umsetzung nach J.W. Goethe
Internes Unternehmertum – Gefordert – Gefördert – Gelebt
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Die Umsetzungsorientierung darf nicht mit Aktionismus gleichgesetzt werden – ganz nach dem Satz von Mark Twain: „Und als sie das Ziel aus den Augen verloren, verdoppelten sie ihre Anstrengungen“. Vielmehr geht es hier um eine situativ abgestimmte Kombination von Aktion und Reflexion – ganz im Sinne altbekannter philosophischer Traditionen (vgl. Arendt 2002 sowie Abbildung 23).
Abbildung 23:
8.
Prinzipien für reifes Unternehmertum
Fazit
Trotz erfolgreicher Ansätze verwirklichten Mitunternehmertums ist der Weg zu einer umfassenden Realisierung dieses Konzepts noch weit, das auch nie alle Unternehmen bzw. Mitarbeiter leben können oder wollen. Dass „alle Mitarbeiter unternehmerisch denken und handeln“, bleibt also eine utopische Vision. Dass die Entwicklung zur Dienstleistungs- und Kommunikationsgesellschaft aber zunehmend mehr Mitarbeiter mit mitunternehmerischer Kompetenz und Motivation fordert und Unternehmen und öffentliche Verwaltungen dazu vor allem durch strukturelle Förderung (Führungs- und Kooperationskultur, Personal- und Führungsstrategie sowie Aufbau- und Prozessorganisation) sowie durch Auswahl, Einsatz und gezielte Förderung der Belegschaft dazu beitragen sollten, dürfte ebenso unbestritten sein.
Literatur Arendt, H. (2002): Vita activa oder vom tätigen Leben. München. Bass, B.M./Riggio, R. (2006): Transformational Leadership. 2nd Ed. Mahwah, NJ. Bass, B.M./Steyrer, J. (1995): Transaktionale und transformationale Führung. In: Kieser, A./Reber, G./Wunderer, R. (Hrsg.): Handwörterbuch der Führung. 2. Aufl. Stuttgart. 2053-2062. Bierhoff, H.W. (1991): Soziale Motivation kooperativen Verhaltens. In: Wunderer, R. (Hrsg.): Kooperation. Stuttgart. 21-38.
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Rolf Wunderer
Dahrendorf, R. (1977): Homo Sociologicus: Ein Versuch zur Geschichte, Bedeutung und Kritik der Kategorie der sozialen Rolle. 15. Aufl. Opladen. Erpenbeck, J./Heyse, V. (1999): Die Kompetenzbiographie: Strategien der Kompetenzentwicklung durch selbstorganisiertes Lernen und multimediale Kommunikation. München et al. Frey, B.S./Osterloh, M. (2000): Managing Motivation. Wiesbaden. Gaugler, E. (1999): Mitarbeiter als Mitunternehmer: Die historischen Wurzeln eines Führungskonzepts und seine Gestaltungsperspektiven in der Gegenwart. In: Wunderer, R. (Hrsg.): Mitarbeiter als Mitunternehmer: Grundlagen, Förderinstrumente, Praxisbeispiele. Neuwied et al. 3-21. Hartmann, R. (1990): Die anthropologische Konzeption des Genossenschaftswesens: Welche Chance hat der „homo cooperativus“? In: Laurinkari, J. (Hrsg.): Genossenschaftswesen (Hand- und Lehrbuch). München et al. Hilb, M. (2002): Integriertes Personalmanagement: Ziele – Strategien – Instrumente. 10. Aufl. Neuwied. Hinterhuber, H.H. (2004): Leadership. 3. Aufl. Frankfurt am Main. Hinterhuber, H.H./Krauthammer, E. (2005): Leadership – mehr als Management. Was Führungskräfte nicht delegieren dürfen. 4. Aufl. Wiesbaden. Kirchgässner, G. (2000): Homo oeconomicus: Das ökonomische Modell individuellen Verhaltens und seine Anwendung in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. 2. Aufl. Tübingen. Kuhn, Th. (2000): Internes Unternehmertum: Begründung und Bedingungen einer „kollektiven Kehrtwendung“. München. Margerison, C./McCann, D. (1985): How to Lead a Winning Team. Bradford. Nalebuff, B.M./Brandenburger, A.J. (1996): Coopetition – kooperativ konkurrieren. Mit der Spieltheorie zum Unternehmenserfolg. Wiesbaden. Pinchot, G. (1988): Intrapreneuring: Mitarbeiter als Unternehmer. Wiesbaden. Schumpeter, J.A. (1912): Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Leipzig. Wunderer, R./Bruch, H. (2000): Unternehmerische Umsetzungskompetenz. München. Wunderer, R./Dick, P. (2002): Sozialkompetenz – eine mitunternehmerische Schlüsselkompetenz. In: Die Unternehmung 56(6). 269-299. Wunderer, R./Dick, P. (2007): Personalmanagement – Quo Vadis? 5. Aufl. Köln. Wunderer, R. (2007): Führung und Zusammenarbeit: Eine unternehmerische Führungslehre. 7. Aufl. Köln.
Leadership und Wertemanagement Walter Neubauer
1.
Anforderungen an Führung in einer multikulturellen Gesellschaft
Bei einer homogenen, immobilen Gesellschaft kann man davon ausgehen, dass die grundlegenden Wertvorstellungen in den Familien, in der Kommune, aber auch in Wirtschaftsunternehmen und in Nonprofit-Organisationen eine vergleichbare Struktur aufweisen. Es gibt kulturelle Selbstverständlichkeiten, die mehr oder weniger für alle verbindlich sind, und die im Allgemeinen nicht hinterfragt werden. Unabhängig von der Größe einer solchen Gruppierung achten die Mitglieder untereinander darauf, dass das gezeigte Verhalten diesen Wertvorstellungen und Prinzipien entspricht, d.h. die Einhaltung der Regeln wird positiv, die Nicht-Einhaltung negativ sanktioniert. Als Konsequenzen ergeben sich daraus erkennbare Gemeinsamkeiten des Verhaltens, aber auch strukturelle Stabilität, hohe Integrationskraft und eine klar abgegrenzte „soziale Identität“ (Wir-Bewusstsein). Solche kulturellen Selbstverständlichkeiten bilden dann auch die Interpretationsmuster für das individuelle Wahrnehmen und Denken. Wie stark solche kulturspezifischen Schemata durch Sozialisation in uns verankert sind, bemerkt man erst bei einem Wechsel in eine andere Kultur. Besonders instruktiv ist der mündliche Bericht von Oberst i.G. Geyer, Militär-Attaché der Bundesrepublik Deutschland in der Volksrepublik China (vgl. Neubauer 2003: 75f.): „Vor einigen Tagen hatte ich die Stelle als Militär-Attaché der Bundesrepublik Deutschland in der Volksrepublik China in Peking angetreten. Ich hatte mich zwei Jahre durch Studium der chinesischen Sprache, der chinesischen Philosophie und Literatur sowie der Geschichte und Landeskunde systematisch auf diese Tätigkeit vorbereitet. Bei einer der ersten offiziellen Veranstaltungen im alten Peking-Hotel geschah es beim festlichen Dinner, dass ein chinesischer Ober die Suppe auf ein Hosenbein meines Fracks goss. Ich ärgerte mich, und der Ober fing an laut zu lachen, ohne den Versuch zu machen, sich zu entschuldigen. Ich ärgerte mich noch mehr und es kam immer mehr Personal, das sich um mich herum stellte, laut lachte und kicherte. Trotz meiner intensiven Studien und meiner Kenntnisse hatte ich in dieser peinlichen Situation als Europäer emotional reagiert. In China ‚verliert man sein Gesicht’, wenn man emotional ärgerlich reagiert und nicht lächelt, dies gilt als kindisches Verhalten. Ähnlich wie europäische Eltern ein kleines Kind ablenken, das sich schmerzhaft am Kopf gestoßen hat, damit es nicht lauthals weint, bewahrten mich die Ober durch ihr Verhalten vor einem möglichen Gesichtsverlust; sie stellten sich um mich, schirmten mich vor den anderen Gästen ab und versuchten, mich zum Lächeln zu bewegen. Es brauchte einige Zeit, bis ich in der Lage war, auch bei starker persönlicher Betroffenheit ‚chinesisch’ zu reagieren.“
Bei einer multikulturellen Gesellschaft ist es kennzeichnend, dass Personen mit sehr unterschiedlichen Wertorientierungen zusammentreffen oder sogar in einer Organisation zusammenarbeiten. Dies gilt nicht zuletzt auch für die intergenerationelle Veränderung der Wertorientierungen und damit auch der Sozialisation und Erziehung bei Personen des gleichen Kulturkreises. Missverständnisse und Konflikte sind unter solchen Voraussetzungen sehr wahrscheinlich. Eine effiziente Führungskraft sollte daher folgende Bedingungen erfüllen:
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2.
Walter Neubauer
Sie sollte in der Lage sein, solche Differenzen der individuellen Wertorientierung und deren Auswirkungen im Verhalten zu erkennen. Sie sollte Personen und Gruppen divergierender Wertorientierungen führen können, so dass eine erfolgreiche Zusammenarbeit möglich ist. Empirische Untersuchungen und Erfahrungen in der Praxis belegen, dass bei solchen Voraussetzungen besonders innovative Lösungen erzielt werden können (Diversity-Konzept).
Führung als transaktionaler Prozess
Die Führungsforschung beschränkte sich lange Zeit auf die Person des Führenden, und man betrachtete Führung als einseitigen Prozess zielorientierter Beeinflussung anderer Personen. Dies greift allerdings zu kurz, denn Führung muss als ein „relationales Konzept“ aufgefasst werden, d.h., es geht um die Beziehung zwischen zwei oder mehr Personen. Denn auch die Geführten nehmen den Vorgesetzten und dessen Verhalten wahr. Sie tragen bestimmte Erwartungen an ihn heran, beurteilen ihn und verfügen ebenfalls über Strategien sowie über implizite Theorien darüber, wie man ihn behandeln muss, um bei ihm bestimmte Ziele zu erreichen. Ähnliches gilt natürlich auch für Gruppen. Führung ist daher als ein dynamischer Prozess wechselseitiger Verhaltensbeeinflussung aufzufassen, der zumindest potenziell durch Lernprozesse auf beiden Seiten einer mehr oder weniger steten Veränderung unterliegt. Daher ist Führung ein so genannter „transaktionaler Prozess”, d.h., durch die Interaktionen werden Veränderungen auf beiden Seiten bewirkt. Wenn der Vorgesetzte steuernd eingreift, verändert er gleichzeitig die beteiligten Personen und damit die Situation. Wie ein Mitarbeiter seinen Vorgesetzten wahrnimmt und beurteilt, ist insbesondere von den Erfahrungen und Wertorientierungen des Mitarbeiters abhängig, die wesentlich kulturell determiniert sind. Umfangreiche empirische Erhebungen von Hofstede (1980) belegen, dass es je nach Herkunftsland unterschiedliche normative Erwartungen gibt, beispielsweise hinsichtlich Machtdistanz und Unsicherheitsvermeidung. Die erste Dimension betrifft das Ausmaß von Machtunterschieden zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern. Personen, die normativ von einer großen Machtdistanz zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern ausgehen, halten sich streng an die Hierarchie, sie lassen sich nur von ihrem unmittelbaren Vorgesetzten Anweisungen erteilen. Die zweite Dimension bezieht sich darauf, in welchem Maße die Menschen strukturierte Situationen bevorzugen oder sich durch solche Vorgaben eingeengt fühlen. Mitarbeiter aus einem Land mit hoher Unsicherheitsvermeidung (z.B. Griechenland) werden stark verunsichert, wenn der Vorgesetzte sie beispielsweise um ihre Meinung zu einem Sachverhalt fragt. Spätere Studien zeigen, dass es sogar regionale Unterschiede in den einzelnen Ländern gibt (vgl. Weibler et al. 2000 und Thomas 1996). Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Unterscheidung zwischen juristischen und so genannten „psychologischen“ Verträgen. Die Bedeutung solcher „psychologischer Verträge“ wurde in den letzten Jahren vor allem bei Vereinbarungen von Partnern aus verschiedenen Kulturen zunehmend erkannt (Guzzo et al. 1994; Rousseau 1995). Parry/Beck (1993) untersuchten bei einer Stichprobe von Amerikanern und Japanern den Effekt unterschiedlicher Versionen eines Joint Venture-Vertrages auf das wahrgenommene Vertrauen vor Beginn der Zusammenarbeit. Jeder Befragte erhielt einen Fragebogen mit einem bestimmten Szenario einschließlich einer Version des Joint Venture-Vertragstextes; dazu
Leadership und Wertemanagement
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waren dann auf Skalen die Vertrauensbeziehung sowie die Erfolgschancen der Geschäftsverbindung einzustufen. Die eine Version enthielt die in Amerika üblichen genauen Regelungen bezüglich Kapital, Rechten und Pflichten der Vertragspartner, Verfahren bei Meinungsverschiedenheiten u.a., die andere Version lediglich offene Formulierungen. Bei den Japanern ergab sich für beide Versionen kein Unterschied in der Einschätzung der Vertrauensbeziehung, sie machten die Entwicklung des Vertrauens von der späteren Zusammenarbeit abhängig. Allerdings prognostizierten sie eine relativ geringere Erfolgschance, wenn der Vertrag sehr genaue Regelungen enthielt. Bei den Amerikanern war es genau umgekehrt. Sie sahen bei der detaillierten Formulierung eine solide Basis für das Vertrauensverhältnis. Daraus ist abzuleiten, dass juristische Verträge (als Ausdruck einer rationalen Orientierung) und enge reziproke persönliche Beziehungen (als Ausdruck einer relationalen Orientierung) je nach der betreffenden Kultur einen unterschiedlichen Stellenwert haben. Während für Personen westlicher Industriegesellschaften im Allgemeinen ein detailliert ausgehandelter Vertrag die Grundlage bildet, ist dies im japanischen Kulturkreis eher ein Zeichen dafür, dass man keinen Wert auf gute interpersonale Beziehungen legt. Ähnliche Probleme berichten Stephens/Greer (1995) über Joint Ventures zwischen mexikanischen und U.S.-Firmen. In Mexiko stellt das gegenseitige Vertrauen einen hohen Wert dar. Für Mexikaner muss daher das „handshake“ zuerst kommen, d.h. die Etablierung einer persönlichen Beziehung, die auf Vertrauen und gegenseitigem Respekt aufbaut, ist die Grundlage jeder geschäftlichen Beziehung. Neben diesem „psychologischen Vertrag“ gibt es dann noch die formellen, schriftlichen Vereinbarungen, die aber für Mexikaner eher sekundär sind. „Der psychologische Vertrag ist ein dynamischer, informaler, ‚lebender‘ Kontrakt, der sich im täglichen Aushandeln manifestiert [...]“ (Stephens/Greer 1995: 47). Beharrt der amerikanische Geschäftspartner beispielsweise beim Auftreten von Mängeln auf der Einhaltung der formellen Regelungen, dann besteht die Gefahr, dass der mexikanische Geschäftspartner das Gesicht verliert, so dass der psychologische Vertrag aufgekündigt wird.
3.
Wertemanagement
3.1 Möglichkeiten der Vermittlung von Werten Werte kann man – ähnlich wie Intelligenz – als Konstrukte auffassen. Sie werden üblicherweise mit einem Begriff gekennzeichnet, der allerdings verschieden interpretiert werden kann (Weibler 2008). Ein einfaches Beispiel dafür ist „Pünktlichkeit“ als Wert. Sagt ein Mitarbeiter aus Franken, dass er eine Sache „gleich erledigt“, handelt es sich in der Regel um einen Zeitraum von wenigen Minuten. Demgegenüber bezieht sich dieselbe Aussage im Rheinland auf einen völlig unbestimmten Zeitraum, der mehrere Wochen umfassen kann. Um einen Wert inhaltlich näher festzulegen, bedarf es daher einer Definition, die sich aber ihrerseits wieder auf sprachliche Begriffe bezieht (Problem der Basissätze nach Popper). Daher wird in den empirischen Wissenschaften im Allgemeinen gefordert, dass ein Konstrukt operationalisiert werden muss, d.h. es müssen beobachtbare Verhaltensweisen zugeordnet werden, die es erlauben, das Konstrukt empirisch zu erfassen und damit dessen Ausprägung nach Möglichkeit zu messen.
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Walter Neubauer
Daraus kann man ableiten, wie die Weitergabe von Werten praktisch erfolgen kann und – wenn man an die eigenen Erfahrungen als Eltern oder Lehrer denkt – auch tatsächlich stattfindet. Dabei gibt es grundsätzlich zwei Wege:
Es wird ein konkreter Sachverhalt als Gebot oder Verbot formuliert, der Geltungsbereich (vielleicht später dann im Zusammenhang mit weiteren Anlässen) abgegrenzt und ein Begriff für diesen Wert eingeführt (induktives Vorgehen). Andererseits ist es auch möglich, einen Wert-Begriff als abstrakte Norm einzuführen und diese durch konkrete Beispiele zu interpretieren (deduktives Vorgehen).
Die Weitergabe von Werten wurde bisher kaum empirisch untersucht. Bemerkenswert ist eine neuere Studie von Boehnke/Welzel (2006) bei einer Stichprobe von 7- bis 14-jährigen Kindern (N = 121) und deren Eltern (N = 43). Die Befunde sprechen dafür, dass die kognitive Verarbeitung eine große Rolle spielt. So fanden die Autoren, dass sich ein Grundverständnis von Leitprinzipien menschlichen Lebens bereits im Grundschulalter herausgebildet hat, dass sich hingegen die feinere Unterscheidung der verschiedenen Werthaltungen innerhalb der Wertorientierungen höherer Ordnung erst im Jugendalter entwickelt. Interessanterweise war die Ähnlichkeit der Wertorientierung der befragten Kinder und ihrer Eltern sehr hoch, sie veränderte sich über die einbezogene Altersphase kaum. Werte (values) sind normative und moralische Anker, die das Verhalten der Gruppenmitglieder in bestimmten Situationen leiten. Sie beziehen sich auf das Verständnis von richtig und falsch, von dem, „was sein sollte“ im Unterschied zu dem, „was ist“. Schein (1995) unterscheidet noch zwischen „espoused values“ (bekundete Werte), die von einzelnen zu einem bestimmten Zeitpunkt in die Gruppe eingebracht werden, und „shared values“, d.h. geteilten Werten. „Espoused values“ sind nicht das Ergebnis von kulturellem Lernen, sondern stammen von allgemeinen ideologischen Annahmen (z.B. „Man darf andere Menschen nicht betrügen“). Stimmen die „espoused values“ ausreichend mit den vorhandenen Grundannahmen überein, können sie die Gruppe verbinden und zur Identifikation mit der Gruppe dienen. Ist dies nicht der Fall, dann haben sie höchstens Einfluss auf die verbalen Äußerungen, nicht jedoch auf das tatsächliche Verhalten der betroffenen Personen. Solange die Gruppe nicht gemeinsam handelt und das Resultat ihrer Maßnahmen beobachtet hat, verfügt sie noch nicht über eine gemeinsame Basis zur Bestimmung dessen, was richtig ist (d.h. über geteilte Werte). Ziel einer systematischen Veränderung von Wertorientierungen sollte es sein, dass diese nicht nur bei Anwesenheit anderer Gruppenmitglieder das Verhalten steuern, sondern in die individuelle Wertstruktur übernommen werden, d.h. dass diese Person auch ohne kontrollierende Beobachter solche Verhaltensprinzipien realisiert (nach dem Muster der „funktionellen Autonomie der Motive“ nach Allport 1970). Wenn es darum geht, vorgegebene Aufgaben und Anordnungen des Vorgesetzten zu realisieren, liegt zunächst eine extrinsische Motivation vor. Wie ist es möglich, die Bedingungen so zu strukturieren, dass eine intrinsische Motivation zustande kommen kann? Einen Weg dazu erklärt die Selbstbestimmungstheorie von Deci/Ryan (1985). Diese Theorie geht davon aus, dass jede Person ein Bedürfnis nach Selbstbestimmung, Kompetenz und sozialer Eingebundenheit hat. Dies sind die Voraussetzungen für eine intrinsische Motivation. Wenn nun Aufgaben vorgegeben werden, bestehen nach Deci/Ryan unterschiedliche Grade, wie weit sich eine Person mit einer solchen Aufgabe identifiziert, d.h. sich die Aufgaben zu eigen macht. Dabei werden folgende Stufen der Regulation angenommen:
Leadership und Wertemanagement
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Externale Regulation: Die Handlungen werden ausschließlich durch Druck von außen veranlasst. Die Handlungen beruhen nur auf dem Mechanismus von Streben nach Belohnung und Vermeidung von Sanktionen. Es liegt extrinsische Motivation vor.
Die Internalisierung von Handlungszielen kann in drei Stufen erfolgen:
Introjizierte Regulation: Die Person hat die vorgegebenen Handlungsziele internalisiert, identifiziert sich aber nicht mit ihnen. Sie handelt unter äußerem Druck, um ein schlechtes Gewissen zu vermeiden, oder nimmt die Anstrengung in Kauf, weil das Ergebnis die notwendige Voraussetzung für die Erfüllung eigener Wünsche ist. Identifizierte Regulation: Die Person akzeptiert hier die ehemals externen Handlungsziele als ihre eigenen. Sie hat das Gefühl, etwas persönlich Wichtiges zu tun, kann diese Ziele als bedeutsam ansehen, ohne allerdings an den Handlungen selber Freude zu haben. Integrierte Regulation: Die Person hat sich auf dieser Stufe nicht nur mit den Handlungszielen identifiziert, sondern sie vollständig und konfliktfrei in ihr Selbstkonzept integriert. Die Handlungsziele sind dauerhaft in die Überzeugungen der Person eingefügt.
Empirische Untersuchungen belegen, dass für die Internalisierung folgende Bedingungen günstig sind: (1) Kollegialer Umgang (soziale Einbindung), (2) Freiräume für die Auseinandersetzung mit dem Stoff (Autonomie-Unterstützung) und (3) Informierendes Feedback, damit der persönliche Lernfortschritt und der Erfolg selbst erkannt werden können (Kompetenz-Unterstützung).
3.2 Transformationale Führung Wenn es um die gezielte Veränderung von Werten geht, reicht für die Wirksamkeit eines Vorgesetzten die transaktionale Führung nicht aus, sie sollte durch die transformationale Führung ergänzt werden. Bahnbrechende Forschungen dazu wurden von Bass (1985) durchgeführt. Für die transformationale Führung nennt Bass (1985, 1990) folgende vier Komponenten:
Charisma: Die Geführten vertrauen dem Führer, identifizieren sich mit ihm und versuchen, ihm nachzueifern. Inspirierende Motivation: Die Führer vermitteln hohe Erwartungen an ihre Geführten, wobei sie oft Symbole (Metaphern, Visionen) und emotionale Appelle verwenden. Intellektuelle Stimulation: Die Geführten werden ermutigt, kreativ und innovativ zu sein, und sich für die Gestaltung der Zukunft herausfordern zu lassen. Individualisiertes Eingehen auf die Geführten (individualized consideration): Die Führer demonstrieren einen hohen Grad an persönlichem Interesse für die Bedürfnisse der Geführten.
Ein transformationaler Führer geht im Sinne der charismatischen Führung weit darüber hinaus, indem er seine Mitarbeiter inspiriert und ermutigt, das Wagnis einzugehen, neue Wege zu beschreiten, um herausfordernde, künftige Ziele zu erreichen (vgl. Neubauer/Rosemann 2006; Felfe et al. 2004). Bass (1985) spricht in diesem Zusammenhang von „Führung und Leistung über die Erwartungen hinaus“.
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In der Literatur finden sich zuweilen andere Begriffe wie charismatische Führung oder visionäre Führung (vgl. Bass 1990; Schweer/Rosemann 1998). Im Kern wird allerdings von den verschiedenen Autoren Ähnliches gemeint. Zusammenfassend kann hier nur auf die wichtigsten Befunde eingegangen werden.
Charismatische Führung hat im Allgemeinen einen positiven Einfluss auf die objektive Gruppenleistung, aber auch auf die Wahrnehmung der Gruppenleistung durch die Geführten (Howell/Avolio 1993; Conger et al. 2000). Ähnliches wird für die intellektuelle Stimulierung berichtet (Lowe et al. 1996). Besonders deutlich ist offensichtlich der Effekt für das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit. Die Geführten bringen dem charismatischen Führer Achtung und Wertschätzung entgegen. Das Vertrauen der Geführten zum charismatischen Führer und die Zufriedenheit werden allerdings moderiert durch die Achtung von Seiten des Führers. Die erlebte Gruppenidentität (Wir-Bewusstsein) wird ebenfalls positiv beeinflusst (Conger et al. 2000).
Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Untersuchung von Schweer/Rosemann (1998). Die Stichprobe dieser schriftlichen Felderhebung umfasste insgesamt 468 Führungskräfte des Top-Managements, des mittleren und des unteren Managements sowie 1655 unterstellte Mitarbeiter (ohne Führungsfunktion) einer großen deutschen bürokratischen Organisation. Zum Zeitpunkt der Erhebung befand sich das Unternehmen durch die Einführung neuer Unternehmensgrundsätze in einer Phase des organisatorischen Wandels, in der visionäre Führung besonders wichtig ist. Bei der Untersuchung ging es um eine zweifache Fragestellung: Zum einen sollte erfasst werden, in welchem Ausmaß sich die Führungskräfte in ihrem Selbstkonzept die Fähigkeit zur visionären Führung zuschreiben (Beispiel-Item: „Ich kann meine unterstellten Mitarbeiter begeistern“). Zum anderen interessierte die Frage, wie die Mitarbeiter ihre Vorgesetzten in dieser Phase erleben. Leider konnte aus Gründen der Anonymitätswahrung die Auswirkung des Führungsverhaltens nicht mittels einer direkten Zuordnung von Vorgesetzten und Mitarbeitern unmittelbar überprüft werden. Daher wurde versucht, indirekt Informationen über die Auswirkungen zu gewinnen. Die Mitarbeiter wurden zum Ausmaß ihrer Anstrengungsbereitschaft („Ich arbeite auch ohne Aufforderung über die normale Arbeitszeit hinaus“) und zu ihrer Beziehung zum direkten Vorgesetzten befragt. Führungskräfte mit und ohne visionäres Selbstkonzept unterschieden sich signifikant in einer Reihe von Merkmalen. Visionäre Führungskräfte betonten die Notwendigkeit einer klaren Strukturierung der Arbeit, bei Unklarheit selbst Ziele zu setzen und bei Bedarf allein zu entscheiden. Dieser Befund bestätigt den auch in anderen Studien gefundenen Zusammenhang zwischen charismatischer Führung und Aufgaben-Orientierung (initiating structure). Ferner schätzen sich visionäre Führungskräfte als selbstbewusster und risikofreudiger ein, betonen die Wichtigkeit eines vernetzten Denkens und haben eine deutlich stärkere Identifikation mit dem Unternehmen. Sie sehen auch ihre berufliche Situation positiver als Führungskräfte ohne visionäres Selbstkonzept. Sie sind zufriedener mit dem Handlungsund Entscheidungsspielraum, mit den Inhalten ihrer Arbeit, mit den sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz sowie mit der Einschätzung der Innovationsbereitschaft der Mitarbeiter und der beruflichen Zukunft nach dem organisationalen Wandel.
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Auf Seiten der Mitarbeiter wurde nach der subjektiven Anstrengungsbereitschaft gefragt. Hier fanden sich ebenfalls einige bemerkenswerte Unterschiede. Mitarbeiter mit hoher Anstrengungsbereitschaft fühlten sich von ihrem Vorgesetzten stärker unterstützt, schätzten die Glaubwürdigkeit ihres Vorgesetzten deutlich höher ein, ebenso die kommunikative Kompetenz und die Teamfähigkeit ihres Vorgesetzten. Die Überprüfung des Zusammenhangs der Einstellung zur visionären Führung bei Vorgesetzten zeigte eine leichte Häufung auf der Ebene des Top-Managements. Allerdings belegen andere Untersuchungen, dass dies entscheidend mit der Art der Organisation (Organisationsstruktur, NPO oder Wirtschaftsunternehmen, Verwaltung vs. operativer Bereich) zusammenhängt (Lowe et al. 1996). Die Überprüfung auf Item-Ebene erbrachte für die Hierarchie-Ebenen keine signifikanten Unterschiede. Insgesamt sprechen die Befunde dafür, dass es Vorgesetzten mit einem visionären Selbstkonzept zu gelingen scheint, ihren unterstellten Mitarbeitern attraktive Ziele aufzuzeigen und sie für die Erreichung dieser Ziele zu begeistern. Erfahrungen mit SektenFührern, aber auch mit politischen Führern zeigen allerdings, dass die Gefahr besteht, mit dem wachsenden Erfolg des Anführers die Ansprüche an die Gefolgschaft zu steigern, die letztlich die ganze Person mit Leib und Leben einschließen. Von der Oelsnitz (1999) weist daher mit Recht darauf hin, dass sowohl praktische als vor allem auch ethische Grenzen der transformationalen Führung zu beachten sind, um die Integrität der Persönlichkeit der Mitarbeiter zu wahren. Fasst man die Forschungsbefunde und Beobachtungen in der Praxis zusammen, dann ist festzustellen, dass eine solche charismatische Führung durch herausragende Einzelpersonen zwar für entscheidende Entwicklungsphasen notwendig ist, um neue Impulse zu setzen, aber nicht geeignet, um eine überdauernde, effiziente Organisation zu erhalten (vgl. Weibler 1997; Steyrer 1999; Blutner et al. 1999). Die umfangreiche Meta-Analyse von Lowe et al. (1996) zeigte überdies hohe positive Korrelationen zwischen den Skalen für transformationale Führung und der Skala „Verhaltens- und ergebnisbezogene Belohnung (contingent reward)“. Die Autoren schließen daraus, dass eine effektive charismatische Führung offensichtlich auch Verhaltensweisen der transaktionalen Führung berücksichtigen muss. Vereinfacht kann man daher wohl die Behauptung wagen, dass erfolgreiche Vorgesetzte beide Führungskonzepte beherrschen sollten.
3.3 Verankerung von neuen Wertstrukturen Erweisen sich Werte als dauerhaft erfolgreich für die Gruppe, können sie in Grundannahmen (Basic assumptions) transformiert werden und erhalten dadurch kulturelle Relevanz. Schein (1995) geht aus diesem Grund von einem Drei-Ebenen-Modell der Unternehmenskultur aus (vgl. Abbildung 1).
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Artefakte
Werte
Grundannahmen
Abbildung 1:
Drei-Ebenen-Modell der Unternehmenskultur (Schein 1995)
Nach diesem Modell stehen die Werte einerseits im Zusammenhang mit nicht hinterfragten Grundannahmen als Basis, andererseits wirken sie sich in den Artefakten, der obersten Ebene, aus. Diese Ebene betrifft alle Phänomene, die man sieht, hört und fühlt, wenn man einer neuen Gruppe begegnet. Im Einzelnen gehören dazu Architektur und Ausstattung der Räume, Logos, Statusmerkmale, Sprache, Stil der Kleidung, Umgangsformen, aber auch Gefühlsäußerungen, Legenden, Geschichten, Mythen und Symbole, Verlautbarungen des Unternehmens sowie Rituale und Zeremonien. Die Artefakte lassen sich von Außenstehenden leicht beobachten, sind aber nur schwer zu entschlüsseln. So kann ein Beobachter seine Eindrücke zwar beschreiben, aber daraus noch nicht rekonstruieren, was diese Dinge für die Gruppe bedeuten oder ob sie überhaupt wichtige Grundannahmen widerspiegeln. Dazu kommt, dass Symbole mehrdeutig sind, so dass sich die möglichen Bedeutungen nur dann überprüfen lassen, wenn man auf der Ebene der Werte und der Grundannahmen Erfahrungen mit der entsprechenden Kultur gesammelt hat. Gruppenmitglieder sind sich selbst häufig ihrer Artefakte nicht bewusst, so dass man die Artefakte nicht einfach mit Interviews erfragen kann. Bleibt der Beobachter lange genug in der Gruppe, dann erschließt sich ihm allmählich die Bedeutung der Artefakte. Ein schnellerer Weg ist es, eine Analyse der bekundeten Werte, Normen und Regeln vorzunehmen, „die die Leitlinien formulieren, an denen sich die Gruppenmitglieder in ihrem täglichen Verhalten orientieren“ (Schein 1995: 31). Diese Fragestellung stellt den Bezug zur nächsten Ebene der Untersuchung von Kultur dar. Hatch (1993) knüpft in ihrem „Prozessmodell der Kultur“ („Cultural Dynamic Model“) am Kultur-Ebenen-Modell von Schein an, entwickelt dieses jedoch systematisch weiter und ergänzt es (vgl. Abbildung 2). Sie kommt zu folgender Reihenfolge der Elemente, die als geschlossener Kreis angeordnet sind: Grundannahmen – Werte – Artefakte – Symbole und wiederum Grundannahmen etc. Während Schein die Beziehungen zwischen den Ebenen als Elemente seines Ansatzes nur sehr allgemein oder anhand von Beispielen behandelt, gilt das besondere Interesse von Hatch den Verbindungen bzw. Beziehungen zwischen den Elementen. Diese Beziehungen werden als Transformationsprozesse aufgefasst, die – beginnend bei den Grundannahmen – als Manifestation, Realisation, Symbolisation und Interpretation beschrieben werden. Sie können jeweils in zwei Richtungen ablaufen, nämlich sowohl vorwärts (proaktiv, prospektiv) als auch rückwärts (retroaktiv, retrospektiv). Die einzelnen Transformationsprozesse lassen sich wie folgt kennzeichnen:
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Werte
Manifestation
Realisation
Artefakte
Annahmen
Interpretation
Symbolisierung
Symbole
Abbildung 2:
Prozessmodell der Kultur (Hatch 1993)
(1a) Proaktive Manifestation Bei diesem Vorgang werden aus Grundannahmen Werte gebildet. Der Transformationsprozess lässt sich folgendermaßen beschreiben: Grundannahmen aktivieren bestimmte Erwartungen, die wiederum die Wahrnehmung, Gedanken und Gefühle in Bezug auf die Umwelt beeinflussen. Die kognitive Verarbeitung des Erlebens einer bestimmten Umwelt kann zu bestimmten normativen Überzeugungen und Werten führen, ohne dass dabei die betreffenden Grundannahmen bewusst werden müssen. Beispielsweise kommt es bei der Grundannahme, dass Menschen von Natur aus faul sind, zu der Erwartung, dass Mitarbeiter sich nicht anstrengen wollen. Sieht man als Vorgesetzter dann beim Betreten eines Büros, dass sich die Mitarbeiter unterhalten und lachen, entsteht daraus die Erkenntnis, dass es gut ist, Mitarbeiter zu kontrollieren, d.h. Kontrolle wird zu einem Wert. Gleichzeitig behindert die Faulheit-Annahme die Erwartung fleißigen Verhaltens bei den Mitarbeitern. Somit wird auch der Wert von Autonomie unterdrückt, denn warum sollte man den Mitarbeitern Autonomie einräumen, wenn sie diese für ihre Faulheit ausnutzen? Obwohl Autonomie kompatibel ist mit der Annahme, dass der Organisationserfolg von Anstrengung abhängig ist, lässt aber die Faulheit-Annahme den Anstrengung/Autonomie-Zusammenhang als Wert zurücktreten gegenüber dem Anstrengung/Kontrolle-Zusammenhang als Wert. Weiterhin nimmt Hatch an, dass es keine Eins-zu-eins-Zuordnung zwischen Annahmen und Werten gibt. Die Annahmen wirken simultan, und es ergeben sich ganzheitliche Erwartungen darüber, wie die Organisation „sein sollte“. Diese Erwartungen können entweder normativer Art sein („ought to be“) oder sie beinhalten, was im Unternehmen ganz allgemein als normal betrachtet wird. In beiden Fällen werden die Werte nicht getrennt erlebt. (1b) Retroaktive Manifestation Dieser Transformationsprozess bezieht sich auf den Einfluss der Werte auf die Annahmen. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder bestätigen die Werte die Annahmen oder sie verändern sie. Wenn Werte und Grundannahmen miteinander harmonieren, ist keine weitere Verarbeitung notwendig, die Organisationsmitglieder erfahren, dass „die Welt in Ord-
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nung“ ist. Im anderen Fall schließt sich Hatch der Auffassung Scheins an, dass Grundannahmen dann geändert werden können, wenn neue Werte eingeführt werden (üblicherweise durch Top-Manager), und wenn die neuen Werte als erfolgreich erlebt werden. Allerdings ist es dann wahrscheinlich, dass die neuen Werte am Anfang dieses Prozesses in Widerspruch zu alten Grundannahmen gestanden haben müssen, da sonst keine Veranlassung zu einer Veränderung vorgelegen hätte. (2a) Proaktive Realisation Dieser Prozess betrifft die Umsetzung von Werten in Handlungen, die dann ihrerseits beobachtbare und zum Teil dauerhafte Ergebnisse (nämlich die Artefakte) hervorbringen. Dies lässt sich am „Menschen-sind-faul“-Beispiel wie folgt verdeutlichen: Es werden KontrollUhren zur Erfassung der Anwesenheitszeit installiert, ferner tägliche Arbeitsberichte verlangt und Verfahren der Leistungsmessung eingeführt. Aus dem Vorhandensein solcher Artefakte kann allerdings nicht unmittelbar auf entsprechende Werte rückgeschlossen werden, da die sichtbaren Artefakte durch die situativen Gegebenheiten mitbeeinflusst werden, so dass sie aus diesem Grund nur teilweise kulturell determiniert sind (vgl. Schein 1995). Es gibt Befunde, dass nur diejenigen vom Management neu eingeführten Handlungsregelungen von den Mitarbeitern akzeptiert und realisiert wurden, die mit den bereits vorhandenen Wertvorstellungen übereinstimmten. (2b) Retroaktive Realisation Hierbei geht es um die Rückwirkung der Artefakte auf die Werte in Verbindung mit den Erwartungen „wie die Dinge sein sollten“. Ähnlich wie bei der Manifestation gibt es wieder zwei Möglichkeiten: Die Artefakte können völlig in Übereinstimmung mit den Werten und Erwartungen stehen und diese bestätigen oder die realisierten Artefakte können die Werte bedrohen. Ist Letzteres der Fall, dann ergeben sich wieder zwei Möglichkeiten: Die eine besteht darin, sie zu ignorieren, zu entfernen oder außer Funktion zu setzen (z.B. Sabotage), die andere bedeutet, dass man sich daran gewöhnt oder sie akzeptiert. Die Akzeptierung bedeutet, dass Werte verändert werden, die dann wiederum die Grundannahmen durch den Prozess einer retroaktiven Manifestation beeinflussen. Hatch diskutiert sodann das Verhältnis von Symbolen und Artefakten. In der Literatur finden sich dazu unterschiedliche Auffassungen. Autoren, die der Ansicht von Schein folgen, betrachten Symbole als eine Teilmenge der globalen Kategorie der Artefakte, d.h. alle Symbole sind Artefakte. Im Gegensatz dazu vertreten Forscher der symbolisch-interpretativen Perspektive die Meinung, dass jedes Artefakt eine symbolische Bedeutung hat, d.h. alle Artefakte sind Symbole. Bei beiden Richtungen ist es daher unnötig, zwischen Artefakten und Symbolen zu unterscheiden. Eine dritte Richtung behauptet jedoch, dass nicht alle Artefakte Symbole sind. Diesen Gedanken greift Hatch auf (1993: 669), indem sie in ihrem Modell die Transformationsprozesse zwischen Artefakten und Symbolen ausdrücklich aufnimmt. Ein Symbol wird im Allgemeinen definiert als ein sichtbarer Gegenstand, mit dem eine über die Merkmale des Gegenstands hinausgehende Bedeutung verbunden wird. Hatch verdeutlicht dies am Beispiel eines Rosenstraußes: Er ist nicht nur ein Bündel Blumen, sondern auch ein Zeichen der Wertschätzung. Neben den objektiven Merkmalen und ihrer Bedeutung wie Farbe, Duft, Anordnung u.a. hat der Rosenstrauß also noch eine zusätzliche Bedeutung. Diese kann von den vorhergehenden Erfahrungen, der eigenen Biografie, der Freundschaftsbeziehung u.a. abhängen. Ein Firmenschild, ein Gebäude etc. können daher Artefakte sein, aber auch Symbole.
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(3a) Prospektive Symbolisation Dieser Prozess versieht Artefakte und sichtbare Handlungen mit Bedeutungen, die über ihre gegenständliche Bedeutung hinausgehen. Es handelt sich um den Vorgang einer bewussten oder unbewussten Verknüpfung von Artefakten mit meist abstrakteren Konzepten und Sinngebungen, die in einem bestimmten kulturellen Kontext entstehen. Beispielsweise wird ein großer Schreibtisch im Allgemeinen als Arbeits- und Ablagefläche erlebt. Korreliert in einem Unternehmen die Größe des Schreibtisches mit der Hierarchiestufe des Benutzers, so kann er zu einem Symbol für Macht werden und bei einem Mitarbeiter Achtung und Respekt auslösen. (3b) Retrospektive Symbolisation Die retrospektive Art der Symbolisation betont das Bewusstsein der bloßen gegenständlichen Bedeutung der symbolisierten Artefakte, es geht hier gewissermaßen um eine Entsymbolisierung. Zu beachten ist hierbei, dass die Artefakte in einem unterschiedlichen Ausmaß und bei einer verschieden großen Anzahl der Mitglieder eine zusätzliche symbolische Bedeutung erhalten können. Die Artefakte selbst bilden lediglich ein Potenzial für symbolisches Material. (4) Prospektive und retrospektive Interpretation Interpretation und Symbolisation sind Vorgänge, die systematisch eng aufeinander bezogen sind. Beides betrifft einen Prozess der Bedeutungszuweisung. Während bei der Symbolisation die Genese des Symbols im Mittelpunkt steht, ist es bei der Interpretation die Rezeption des Symbols in Bezug auf die Grundannahmen. Vereinfacht formuliert geht es bei der Interpretation um das Verstehen von Symbolen im spezifischen kulturellen Kontext. Dies bedeutet, dass Wahrnehmungen durch Interpretation mit Bedeutung versehen werden, die sich aus den Grundannahmen ableiten. Interpretation setzt gleichzeitig entsprechende Vorerfahrungen voraus, und das Ergebnis wirkt wieder auf die Annahmen zurück (so genannter „hermeneutischer Zirkel“). Verstehen geschieht also auf diese Weise, dass neue Informationen auf das bezogen werden, was schon gewusst wird. Durch diese wechselseitige Abhängigkeit ist es daher kaum möglich, prospektive und retrospektive Interpretation voneinander zu trennen. Diese Auffassung hat für die Erforschung von Kultur weitgehende Konsequenzen. Danach kann nur jemand eine Kultur richtig verstehen, der in dieser Kultur aufgewachsen ist oder längere Zeit darin lebt. Andererseits ist eine vergleichende Kulturforschung nur möglich, wenn man mit bestimmten allgemeineren Grundannahmen, Theorien und Konstrukten arbeitet, die möglicherweise mit den Grundannahmen der untersuchten Kulturen nicht kompatibel sind.
3.4 Intoleranz als Gruppeneffekt Wertemanagement sollte auch berücksichtigen, dass Gruppen mit einer gefestigten sozialen Identität die Einhaltung ihres Normensystems bei den Mitgliedern überwachen und entsprechend sanktionieren. Allerdings besteht gleichzeitig die Tendenz, sich nach außen abzugrenzen, vor allem, wenn man sich von außen bedroht sieht. Diesen Effekt benutzen manche Führer, wenn sie äußere Gefahren beschwören, um die innere Geschlossenheit herzustellen („Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche“; Kaiser Wilhelm II).
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Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang ein Phänomen, das als „NIH“Syndrom bekannt ist. Mitarbeiter sperren sich im Allgemeinen grundsätzlich dagegen, wenn sie etwas übernehmen sollen, das an anderer Stelle außerhalb ihrer Gruppe oder ihrer Abteilung entwickelt wurde, d.h. das Verfahren ist „Not Invented Here“ (= NIH). Gruppen sind aufgrund ihrer Gruppenidentität überzeugt, dass sie etwas Besonderes sind und nur sie wissen, worauf es bei der Arbeit ankommt, wenn diese optimal gelingen soll. Ein Externer kann daher nach Auffassung von Gruppen nie die Bedingungen vor Ort genau beurteilen. Wenn beispielsweise ein neues Verfahren von einer Projektgruppe entwickelt wurde und dort nachweislich hervorragend funktioniert, sind die Mitglieder der Gruppe, bei der dieses Verfahren nun eingeführt werden soll, in der Regel äußerst skeptisch. Falls der Vorgesetzte – wie in einem Konzernbetrieb tatsächlich geschehen – über ein exaktes Detailwissen verfügt, weil er vorher der Leiter dieser Projektgruppe war, wegen seiner Verdienste befördert wurde und die jetzige Gruppe übernahm, dann wird ihm die Gruppe beweisen, dass es in der neuen Abteilung nicht funktioniert. Ein weiteres Problem einer gut funktionierenden Gruppe ist das „Gruppendenken“ (groupthink), das vor allem dazu beiträgt, dass Gruppen der Meinung sind, sie hätten (vielleicht als einzige) das Problem richtig erkannt, und sich gegenseitig darin bestärken (Janis 1982). Tatsächlich werden bei einer einseitigen Sichtweise wichtige Punkte übersehen, weil sich jeder auf den anderen verlässt (Phänomen der Verantwortungsdiffusion in Gruppen). Die drei Haupt-Symptome des Gruppendenkens sind: (1) Überschätzung der Macht und des Einflusses der Gruppe, (2) Glauben an die eigenen Ideen und Abwertung anderer Ansichten (closed-mindedness) und (3) Gruppendruck auf Geschlossenheit. Multikulturelle Gruppen sind im Allgemeinen wesentlich weniger anfällig für Gruppendenken, weil sie die Begrenztheit und Einseitigkeit ihrer Ansichten, Ideen, Schlussfolgerungen und Entscheidungen erkennen.
4.
Zusammenfassung
Der Themenbereich „Wertemanagement“ ist überaus komplex und bisher nur ansatzweise empirisch untersucht. Das vorbildliche Verhalten einer Führungskraft ist sicher wichtig, aber nicht ausreichend, da Verhaltensweisen von anderen Personen unterschiedlich wahrgenommen, interpretiert und bewertet werden können. Ganz entscheidend ist in diesem Zusammenhang offensichtlich die kognitive Vermittlung von Wert-Konzepten in Verbindung mit dem gezeigten Verhalten, d.h. dass man den Mitarbeitern erläutert, warum man als Vorgesetzter in einer bestimmten Situation etwas Bestimmtes tut oder bewusst nicht tut. Für die Wahrscheinlichkeit der Übernahme von Handlungsprinzipien ist es wichtig, den Prozess der Integration in das Selbstkonzept einer Person zu fördern, d.h. dass ein für die Person zunächst äußeres Anliegen (extrinsische Motivation) zu einem inneren Anliegen (intrinsische Motivation) werden kann. Bei einem günstigen Verlauf werden solche Werte dann im Laufe der Zeit zu persönlichen Selbstverständlichkeiten. Entscheidend ist nicht zuletzt die Kompatibilität der Werte mit der gelebten Unternehmenskultur. Dabei ist zu beachten, dass eine Stärkung der sozialen Identität einer Gruppe gleichzeitig eine Abgrenzung gegenüber anderen mit sich bringt. Daraus folgt, dass in unserer Gesellschaft die Werte Fairness und Toleranz gerade auch in Zeiten des Wettbewerbs einen sehr hohen Stellenwert einnehmen müssen.
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Narzissmus und Führung Gerhard Dammann
1.
Einleitung
Die psychologische Betrachtungsweise gewinnt zunehmend an Bedeutung – gerade auch in der Wirtschaft. Der Missbrauch von Macht und Einfluss in der Wirtschaft, aber auch psychologische Faktoren im Zusammenhang mit Führung und Charisma haben das Thema Narzissmus in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Ogger (1992: 125) berichtet, dass der frühere Thyssen-Vorstandsvorsitzende Dieter Spethmann sich allen Ernstes mitten durchs Düsseldorfer Thyssen-Hochhaus einen zusätzlichen Privatlift einbauen lassen wollte, um direkt von der Straße in sein Büro zu gelangen. Deshalb mag es erstaunen, wenn in einem neueren Zeitungsartikel auch heute noch ohne Fragezeichen einfach formuliert wird: „Karrierestrategien: Narzissten im Vorteil.“1 Das Thema Narzissmus2 wurde bisher in der Wirtschaft trotz seiner Relevanz weitgehend ignoriert, kaum solide bearbeitet oder höchstens indirekt in anderen Konzepten wie Charisma und Machiavellismus abgehandelt. Narzissmus ist zwar gegenwärtig in aller Munde, gleichzeitig fehlen aber oft klare Merkmale, die helfen können, gesundes Selbstbewusstsein und pathologischen Narzissmus zu differenzieren. Dabei ist deutlich, dass Narzissmus und paranoide Haltungen in der Wirtschaft zum Problem werden, wenn sie überhandnehmen. „Es herrscht in vielen deutschen Firmen ein Klima der Angst und Schuldzuweisung“, stellte der Kieler Organisationspsychologe Dieter Frey schon 1992 fest (Ogger 1992: 135). Aber nicht nur die Wirtschaft hat da einen „blinden Fleck“. Die Klinische Psychologie und Psychotherapie wiederum beschäftigt sich meist nicht mit Phänomenen aus Wirtschaft und Führung. In dem hier vertretenen Ansatz wird eine Synthese zwischen beiden Bereichen – Wirtschaft und Psychotherapie – versucht. Während der Begriff narzisstische Persönlichkeit heute zumeist einseitig negativ besetzt ist, soll gezeigt werden, dass es sich eigentlich um ein Kontinuum handelt, das von positiven, der Wirtschaft und der Führung förderlichen Formen bis hin zu destruktivem oder psychopathischem Narzissmus reichen kann. Es wird somit ein produktiver (erwünschter) von einem pathologischen (destruktiven) Narzissmus unterschieden und es werden Hinweise für die „Diagnostik“ gegeben, die auch dem Personaler und anderen Interessierten Unterstützung beim Erkennen geben sollen. Im Folgenden wird vorwiegend die Position einer so genannten psychodynamischen Organisationsberatung bei der Analyse von geführten Organisationen eingenommen. Dieser
1 2
Süddeutsche Zeitung vom 25. März 2007 (Ressort Job & Karriere). Im Folgenden wird der Begriff „Narzissmus“ verwendet, obwohl es korrekter – aber eher ungebräuchlich – „Narzissismus“ heißen sollte.
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„klinische“ Zugang, der viele Perspektiven eröffnet, etwa Gruppenprozesse und den Einfluss des Unbewussten stärker gewichtet, wird hergeleitet und die Vorteile – aber auch methodischen Probleme, die es gibt, da sich vieles behaupten lässt – erläutert. Auf wichtige andere Bereiche kann an dieser Stelle nicht ausführlicher eingegangen werden (z.B. Narzissmus-Theorien, Ursachen, Zusammenhang zur charismatischen Führung, Gruppenprozesse, Geschlechtsunterschiede, so genannte „emotionale Intelligenz“, empirische Untersuchungen), hingewiesen sei dazu auf eine neuere Buchveröffentlichung (Dammann 2007). Das Thema der Persönlichkeit, der Aufgaben und Fehler der Spitzenmanager, die rasch „vom Heilsbringer zum Sündenbock“ werden können (so ein Titel eines neueren Artikels (Storn 2007), aber auch das Thema Wirtschaftskriminalität (KPMG 2007) und die Spitzengehälter der Manager haben in jüngster Zeit in den Medien zunehmende Aufmerksamkeit gefunden. In einer bemerkenswerten Arbeit hat die New Yorker Psychologin und Psychoanalytikerin Diane Diamond (2006) das Ineinandergreifen (Reziprozität) von individueller narzisstischer Pathologie und gesellschaftlicher (narzisstischer) Störung beschrieben. Die gesellschaftliche Entwicklung in Richtung einer Kultur des Narzissmus erklärt möglicherweise noch keine individuellen Exzesse in dieser Richtung ohne entsprechende persönliche Prädisposition, schafft aber vielleicht ein Klima (exhibitionistische Medienwelt etc.), das solchen Personen mehr Möglichkeiten der Entfaltung und Wertschätzung einräumt, als dies unter anderen sozialen Begebenheiten der Fall wäre. Möglicherweise können narzisstisch akzentuierte Persönlichkeiten den im Grunde konflikthaften Spagat zwischen ethischen Prinzipien und höheren Profiten besser von sich fernhalten und – wie dies ja an Stellungnahmen von Wirtschaftsführern der letzten Zeit sichtbar wurde – sogar den von Grandiosität zeugenden Anspruch erheben, dass selbst ungeheuer hohe Lohnsummen für ihre Leistung angemessen sind. Die Kritik von anderen daran (dazu Grünwald 2006: 6) wird dann einfach als „Sozialneid“ apostrophiert und von sich ferngehalten. Dies entspräche dem Kriterium 8 der Narzissmus-Klassifikation nach DSM-IV (APA 1994) (siehe unten): „ist häufig neidisch auf andere oder glaubt, andere seien neidisch auf ihn/sie“. Gleichzeitig hat in den letzten Jahren das Interesse an psychodynamisch-orientierter Organisationsberatung zugenommen, die an Bedeutung gewinnt, ohne jedoch bereits einen größeren Stellenwert in der Wirtschaft zu haben (z.B. Lohmer 2004). Die Psychoanalyse verlässt folglich in gewisser Weise ihren „klinischen Elfenbeinturm“ und wendet sich vermehrt der Wirtschaft zu. Eine – damals noch relativ wenig beachtete – Pionierarbeit in Deutschland war die Buchveröffentlichung dazu von Mertens und Lang (1991).3 Es soll daher versucht werden, auf der Basis dieses Ansatzes destruktive Mechanismen in geführten Organisationen, die durch narzisstische Persönlichkeitsstörungen und spezifische Dynamiken entstehen können, näher darzustellen und zu diskutieren. In dieser Arbeit werden weitere Konzepte aus der Sozial- und Wirtschaftspsychologie wie Macht, Autoritarismus oder soziale Intelligenz mitberücksichtigt, ohne dass jeweils immer präzise Begriffsdefinitionen vorgenommen werden können. Insbesondere seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts hat sich in der Führungsforschung sehr viel getan. Neu hinzu kamen unter anderem:
3
Darin auch ein Kapitel „Führung aus psychoanalytischer Sicht“ (65-144).
Narzissmus und Führung
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die Interaktionsbetrachtung mit dem neuen Fokus auf die Geführten, die Betrachtung von Führung als Form einer „Sinngebung“, die Wiederentdeckung des Konzepts der charismatischen Führung, die auf Max Weber zurückgeht und systemische Betrachtungen von Führung (siehe Schreyögg/Sydow 1999).
Der nüchterne Diskurs über den Faktor „Narzissmus“ bei geführten Organisationen wird erschwert durch das schlechte Image, das der Narzissmus im Allgemeinen hat (siehe dazu Wirth 2006). Er wird allzu häufig nur mit Egoismus, Rücksichtslosigkeit, Ich-Bezogenheit gleichgesetzt. Auch das Thema „Macht“ löst zumindest „ambivalente Gefühle, Phantasien und Wertungen“ (Wirth 2006: 158) aus. In dieser Arbeit wird jedoch normaler und notwendiger Narzissmus in geführten Institutionen von pathologischen und destruktiven Formen unterschieden und es werden die verschiedenen Dynamiken, die beide Formen beinhalten, dargestellt. „Eine ausreichende Portion Narzissmus, ja selbst übertriebener Narzissmus, ist meines Erachtens notwendig, um als politischer Führer etwas bewirken zu können. Es ist sein Narzissmus, der ihn sich wohl fühlen lässt in seiner Haut als „Nummer eins“. Narzissmus, ich wiederhole es noch einmal, ist kein Unwort.“ (Volkan 2006: 225)
Die Gegenüberstellung von „Objektbezogenheit“ versus „Narzissmus“ ist sicherlich vereinfacht. Ein gesunder Narzissmus, gemeint im Sinne von ausreichendem Selbstwert und Selbstfürsorge und der Fähigkeit sich sowohl abgrenzen und damit einlassen zu können, stellt sogar die Voraussetzung für befriedigende Arbeits-, Freundschafts- und Liebesbeziehungen dar. Für den destruktiven Narzissmus gilt dies nicht. Hier sind Personalabteilungen, Human Resource Management (HRM), Coaching, der Bereich „Führung und Organisation“ innerhalb der Betriebswirtschaft und Arbeits- und Betriebspsychologie gefragt, diagnostische und interventionelle Strategien zu entwickeln. Besonders unter dem Blickwinkel des Human Resource Management (HRM) kann der Mensch als das wertvollste Gut eines Unternehmens betrachtet werden („Humankapital“). Ziel ist es, die richtigen Personen zur richtigen Zeit am richtigen Arbeitsplatz zu haben. Im Allgemeinen, so mein Eindruck, betonen Organisationsberatung, Führungsseminare oder Coaching, aber auch universitäre Institute im Bereich Betriebswirtschaft häufig nur die Potenziale, kreativen Entwicklungsprozesse oder Ressourcen von Organisationen, Teams oder Führungspersonen. Vergleichsweise selten dagegen werden destruktive oder pathologische Prozesse in diesen Bereichen beleuchtet und diskutiert. Selbst dann, wenn es im engeren Sinn um die Analyse von Konflikten und Konfliktberatung aus organisations- oder betriebspsychologischer Sicht geht, werden maligne Konfliktverläufe kaum dargestellt. Dieser Bereich der „Pathologie“ von Wirtschaftsführern ist tabuisiert und wird weitgehend „verdrängt“ oder „verleugnet“. Über die Gründe für diesen „blinden Fleck“ kann nur spekuliert werden. Möglicherweise findet zum einen noch zu wenig Austausch zwischen den diversen Subdisziplinen der Psychologie, d.h. der Arbeits- und Organisationspsychologie auf der einen und der Klinischen Psychologie auf der anderen Seite statt. Vielleicht steht jedoch auch diese Perspektive, die sich mit zerstörerischen Potenzialen und damit auch Scheitern befasst, etwas im Widerspruch zu dem „optimistischen Geist“, den die Wirtschaft vertritt und einfordert.
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Bis vor wenigen Jahren wurde Führung meist nur als positive oder neutrale unabhängige Variable in der Forschung betrachtet. Dies hat sich erst in den letzten Jahren verändert. „It is only in recent years (unlike the situation in historical literature, for example) that psychological research has begun to discuss leadership as a phenomenon that can also be negative“ (Popper 2002: 798). Ausgangspunkt ist dabei die Feststellung von Kernberg et al. (2000: 101): „Die Charakterpathologien von Führungspersonen, die für Institutionen die grösste Gefahr bergen, sind vermutlich die narzisstischen Persönlichkeitsmerkmale.“
Es wird dabei gezeigt, dass der Narzissmus als ein Kontinuum verstanden werden kann, das von positiven Formen bis zu destruktiven Formen reicht. Dieses Untersuchungsmodell (Kets de Vries 1984) soll dabei auch methodenkritisch betrachtet werden, außerdem sollen empirische Untersuchungen und Testinstrumente dargestellt werden. Es hat natürlich auch bereits früher Versuche gegeben, Führung psychodynamisch zu verstehen (Hirschhorn 1990; Horowitz und Arthur 1988). Alle diese Ansätze gehen von einem Konzept aus, wo Führer und Geführte wechselseitig voneinander abhängen, stehen also einer monistischen Sicht auf den Führer, wie man sie zum Teil in der Literatur findet, kritisch gegenüber.
2.
Die Führungspersönlichkeit
Bereits die griechische Mythologie ist voll von Beispielen „narzisstischer“ Hybris: Prometheus, der den Menschen das Feuer bringt oder Ikarus (Wiklund 1978), der zu nahe an die Sonne heranfliegt und abstürzt. Der psychobiografische Ansatz zur Analyse von „Erfolg“, „Macht“ oder „Genie“ geht letztlich auf Freud zurück (etwa in seiner Schrift über Leonardo da Vinci). In der Folge entstanden wichtige psychobiografische Studien, etwa von Erik H. Erikson, der in seinen Büchern den Zusammenhang von Entwicklungskrisen und Erfolg bei Genies wie Martin Luther oder Mahatma Gandhi darstellt. Der psychobiografische Ansatz konnte zeigen, dass sich destruktive Führergestalten aus der Geschichte von anderen deutlich unterscheiden (Burns 1978; Bullock 1991) und man bei diesen (z.B. Hitler oder Stalin) zahlreiche Kriterien für eine narzisstische Persönlichkeitsstörung erfüllt sehen kann. Natürlich stellt sich in der „Psychohistorie“ und indirekt auch in der Wirtschaftsgeschichte immer auch die Frage nach der tatsächlichen Bedeutung des einzelnen großen Individuums. Steinberg (1996) hat unter anderem minutiös nachgezeichnet, wie die politischen Entscheidungen Präsident Nixons im Vietnam-Krieg, der auch eine kollektive narzisstische Dynamik (von der Hybris bis zur Kränkung) der USA beleuchtet hat, von Empfindungen der Scham und der Demütigung beeinflusst waren. Es kann an dieser Stelle nur angedeutet werden, dass diese „charakter-biografischen“ Ansätze zum Verständnis von (historischen) Führern und Entstehung von Macht nicht unwidersprochen geblieben sind (insbesondere dazu: Peter Gronn (1993, 1995). Albert O. Hirschman hat in einer bahnbrechenden mentalitätshistorischen Studie zur politischen Ökonomie (1977; dt. 1987) überzeugend dargelegt, dass die Entstehung des Kapitalismus – nach dem Absolutismus – einherging mit einer Mentalitätsveränderung, weg von der Suche nach moralischem Ruhm (etwa Kathedralenbau) hin zu materiellen Interessen.
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Ein dem Narzissmus etwas verwandt wirkendes Konzept verwendet Fukuyama (1992) in seinem damals viel beachteten universalgeschichtlichen Versuch „Das Ende der Geschichte“. Fukuyama greift dort das Konzept des „Thymos“ (dt.: Lebenskraft) auf, das seit Machiavelli bis hin zu Nietzsche eine große ideengeschichtliche Bedeutung hatte. Er stellt dabei das Konzept der „Megalothymia“ (als dem Verlangen, den anderen Menschen gegenüber als überlegen anerkannt zu werden) der „Isothymia“ gegenüber, die kennzeichnend ist für unsere liberale Gesellschaft, und die das Verlangen bezeichnet, als den Mitmenschen gleichwertig anerkannt zu werden. Trotz dieser Ansätze muss jedoch mit Schumann (2005) festgestellt werden, dass die Persönlichkeit bis heute eine „vergessene Größe in der empirischen Sozialforschung“ darstellt.
2.1 Charaktertypen und Führungsstile nach Maccoby Als ein Pionier im Versuch Charakter- oder Persönlichkeitstypologie und Führungsstil zu verbinden, kann sicher Michael Maccoby angesehen werden. Nach Maccoby (1989) (zum Teil zitiert nach Frankenberger 2003) ist zunächst der unternehmerische Führungsstil vom bürokratischen Führungsstil des Verwalters zu unterscheiden. Er differenziert dann vier unternehmerische Führungs- bzw. Charakterstile, die tief mit den Wertvorstellungen etc. der jeweiligen Führer verbunden sind:
den Experten, den Beschützer, den Förderer sowie den Innovator.
Jeder dieser Typen hat spezifische positive Merkmale (z.B. schafft der Beschützer Loyalität, während der Förderer tolerant ist, der Experte Kosten senkt oder der Innovator enthusiastisch ist), aber auch negative Merkmale. Der narzisstische Typus findet sich sicherlich am deutlichsten im Stil des „Innovators“, den Maccoby mit negativen Aspekten als intolerant, manipulativ, überheblich und utopistisch beschreibt. Die wesentliche (auch durch tiefenhermeneutische Interviews mit Führungskräften empirisch gestützte) Entdeckung Maccobys, auf die hier aber nicht näher eingegangen werden kann, ist, dass die erfolgreichsten Unternehmensführer die positivsten Merkmale von allen vier Unternehmerischen Typen mit Verwaltungsfähigkeiten kombinieren.
2.2 Führungspersönlichkeiten und gesunde Führer Kets de Vries (1999) unterscheidet zwei charakteristische „Extrempersönlichkeiten“ im Bereich des Managements, die er als „Live Volcanoes“ (lebende Vulkane) und „Dead Fish“ (kalte, leblose Fische) bezeichnet. Das emotionale Charakteristikum (Defizit) der „Vulkane“ kann als hypoman oder zyklothym, instabil bezeichnet werden. Dagegen sind die „Fische“ durch eine Alexithymie gekennzeichnet, was als eine Form des emotionalen Analphabetismus bezeichnet werden könnte und wo extreme emotionale Bindungslosigkeit und Kühle bzw. ein Mangel an Gefühlen dominieren (siehe auch Potter (2002) zum Zu-
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sammenhang von Bindungstheorie und narzisstischer Führung). Kets de Vries argumentiert, dass vermutlich Persönlichkeiten mit diesen Akzentuierungen Probleme haben werden und eine emotional balancierte und empathische und somit berechenbare Person in der Regel wegen ihrer interaktionellen Vorteile am erfolgreichsten sein wird. Kets de Vries gibt Hinweise für die Vorteile, die der „hypomane“ Manager haben kann (schillernd, charismatisch, energisch, enthusiastisch etc.), aber spricht auch von seinen Nachteilen (launisch, verletzend, gereizt). Mit der Zeit kann es bei diesen (oft grandiosen und letztlich narzisstischen) Charakteren zu einem Niedergang kommen (Schwierigkeiten mit Niederlagen umzugehen, Alkoholprobleme, Rückzug von Freunden, finanzielle Ungenauigkeiten, Depression, Erschöpfung, „paranoide“ Verarbeitung von Kritik). Obwohl diese hypomanen Persönlichkeiten nicht leicht für Kritik an ihrem Persönlichkeitsstil zu gewinnen sind, gibt Kets de Vries (1999: 13) einige Hinweise für Strategien im Umgang mit ihnen (beispielsweise Coaching). Auch „alexithyme“ Manager können – etwa in bestimmten technischen Branchen – Vorteile haben (sachlich, konzentriert auf wesentliche Inhalte, von Stimmungen in Teams wenig beeinflussbar, auch weil sie diese unter Umständen gar nicht mitbekommen), aber auch relevante Nachteile (unzugänglich, abweisend, mitleidlos etc.). Mit der Zeit kann es bei diesen (oft zwanghaften oder schizoiden) Charakteren zu Schwierigkeiten kommen (Kommunikationsprobleme, Rückzug, Demotivierung von Mitarbeitern, die dann kündigen; Vermeidungsverhalten bezüglich wichtiger Öffentlichkeitsarbeit oder Vernetzung). Auch diese Persönlichkeitsakzentuierung bei Führungskräften kann über einen Mangel an Enthusiasmus, Visionen oder Inspiration zu Problemen in der ganzen Organisation führen. Eine Weiterentwicklung dieser „Typenlehre“ der Führung mit ihren irrationalen Elementen hat Kets de Vries (2001) vorgelegt. Kernberg (2000: 63) benennt folgende fünf „bedeutende, wünschenswerte Persönlichkeitsmerkmale“, die für rationale Führung erforderlich sind:
Intelligenz, persönliche Aufrichtigkeit und Unbestechlichkeit, Fähigkeit zur Herstellung und Aufrechterhaltung intensiver Objektbeziehungen, ein gesunder Narzissmus, eine gesunde, berechtigte, antizipatorische paranoide Haltung, die das Gegenteil von Naivität bedeutet.
Wie Kernberg aufführt, ist ein „gesunder“ Führer nicht darauf angewiesen, von allen Mitarbeitern vorbehaltlos „geliebt“ zu werden, was Führung naturgemäß schwierig macht. Er kann „ein gewisses Mass an Aggression gegen ihn tolerieren, ohne sich übermäßig beunruhigen zu lassen“ (Kernberg 2000: 79).
3.
Narzissmus und Narzisstische Persönlichkeitsstörung
Unter Narzissmus versteht man, nach der klassischen Definition von Moore und Fine aus dem Jahr 1967, eine Konzentration des seelischen Interesses auf das eigene Selbst. Aus dieser Definition wird ersichtlich, dass wir es also mit einem Spektrum zu tun haben, das von normalem, angemessenen Narzissmus bis hin zu schweren narzisstischen Störungen reichen kann. Wenn die narzisstische Problematik überwiegt, z.B. bei der narzisstischen Persönlichkeitsstörung, dann dominieren die Beschäftigung mit dem eigenen Selbst und
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dem Selbstwert, die Beziehungen zu anderen Menschen und die Interaktionen mit diesen, und es kommt z.B. zu ständigen Vergleichen mit anderen, Bedürfnis nach Bestätigung oder Neid. Ohne an dieser Stelle näher auf die Ätiologie dieser Störung eingehen zu können, führt vermutlich in besonderem Maße die Erfahrung mangelnder echter und bedingungsloser Wertschätzung in der Kindheit zur Entwicklung dieser Störung. Es kommt so zum charakteristischen Problem von Grandiositätsphantasien (die immer auch Unabhängigkeit von anderen bedeuten) auf der einen und dem Gefühl von Minderwertigkeit auf der anderen Seite. Hinzu kommt die Vorstellung oder Phantasie, niemanden zu brauchen, sich „selbst zu genügen“ (Modell 1975). Frühe Analytiker sprachen in diesem Zusammenhang auch von „Gotteskomplex“ (Jones 1913) oder Nobelpreis-Komplex (Tartakoff 1966).
3.1 Diagnostische Kriterien Nach dem Klassifikationsmanual psychischer Störungen DSM-IV der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung (APA 1994) ist die narzisstische Persönlichkeitsstörung durch ein durchgängiges Muster von Großartigkeit (in der Phantasie oder Verhalten), ein Bedürfnis nach Bewunderung und ein Mangel an Einfühlungsvermögen sowie das dauernde Vorhandensein von mindestens fünf der folgenden neun typischen Merkmale gekennzeichnet:
3.2 DSM-IV Kriterien der Narzisstischen Persönlichkeitsstörung
Übertriebenes Selbstwertgefühl (eigene Fähigkeiten und Talente werden übertrieben; Erwartung, selbst ohne besondere Leistung als „etwas Besonderes“ beachtet zu werden); ständige Phantasien grenzenlosen Erfolgs, Macht, Glanz, Schönheit oder idealer Liebe; Ansicht, als Mensch besonders und einzigartig zu sein und deshalb nur von besonderen Menschen (etwa mit höherem Status) verstanden zu werden oder mit solchen verkehren zu wollen; ständiges Verlangen nach Bewunderung; Anspruchsdenken; zwischenmenschliche Beziehungen werden ausgenützt, um die eigenen Ziele zu erreichen; Mangel an Einfühlungsvermögen; Neid auf andere oder sich beneidet fühlen; arrogantes, überhebliches Verhalten.
Einschränkend wird darauf aufmerksam gemacht, dass nicht bei jedem Vorhandensein von narzisstischen Persönlichkeitszügen von einer „narzisstischen Persönlichkeitsstörung“ gesprochen werden sollte. Es sollte generell zumindest eine länger dauernde schwerwiegende Beeinträchtigung in zahlreichen Lebensbereichen (Arbeit, Beziehungen etc.) vorliegen, damit von einer „Persönlichkeitsstörung“ gesprochen werden kann. Hyperaktivität stellt oft einen Versuch dar, Leeregefühle und Depressivität zu maskieren. Die Leere und die Depressivität sind zum Teil mit dem Narzissmus selbst in Verbindung zu bringen, sind aber zum Teil auch deswegen weit verbreitet, weil Führungskräfte
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merken, dass ihnen die Zeit davon läuft, d.h. sie zwar (unter Umständen sehr) viel verdienen, aber letztlich nicht dazu kommen, obwohl sie nicht mehr jung sind, etwas von dem zu leben, was ihnen wichtig ist. Es kommt so zu einer narzisstischen Krise, da sich die Möglichkeiten zunehmend verringern. Ein bekanntes Fallbeispiel aus dem Wirtschaftsbereich ist Larry Ellison, der Gründer der Software-Firma Oracle und heute einer der zehn reichsten Männer der Welt. Als außereheliches Kind geboren, wurde er mit neun Monaten zu einer Tante gegeben. Sein Stiefvater sagte ihm immer wieder, dass aus ihm nichts werden würde. Während seines Mathematik-Studiums erreichte er stets hervorragende Leistungen und wurde sogar als Student des Jahres ausgezeichnet. Dennoch fiel er – als seine Stiefmutter verstarb – durch sämtliche Abschlussexamen und verließ deshalb die Hochschule ohne Abschluss. Wegen seines aggressiven und charismatischen Führungsstils ranken sich um Ellison zahlreiche „Mythen“, die sehr gut sein Bedürfnis, das tiefsitzende Minderwertigkeitsgefühl durch Gesten der Überlegenheit zu kompensieren, zeigen. Nach einem Segelrennen soll er nach dem Sieg schleunigst zum Flughafen gefahren sein, dort seinen Kampfjet bestiegen haben, um über den Köpfen der Segler zu kreisen und den Nachzüglern damit eine weitere Demütigung zuzufügen. Das „Motto“ dieses Unternehmers lautet: „It's not enough that I succeed, everyone else must fail.” Es ist kein Zufall, dass die Firma in ihrem Expansionsstil ebenfalls als „aggressiv” gilt (zu dieser Manager-Biografie siehe auch Wilson 1999).
3.3 Narzisstische Dynamik und Narzisstische Pathologie Aus psychodynamischer Sicht beschrieben, findet sich beim Narzissmus eine ausgelebte oder phantasierte grandiose Vorstellung, alles Gute in sich zu tragen, nichts zu benötigen, was dem Schutz gegenüber Gefühlen der Nichtigkeit, der Abhängigkeit und des Neides dient. Die Abwehr von Gefühlen der Nichtigkeit und der Leere ist dabei als zentral anzusehen. Die Nichtigkeitsgefühle, die bei Trennungen und Misserfolgen verstärkt auftreten, stellen dann eine Bedrohung der Person dar. Die Grandiosität kann dabei die Form einer durch Ansprüchlichkeit geformten, chronifiziert wütenden Grundstimmung annehmen, die sich dann als Ärger, Zorn oder rachsüchtiges Ressentiment anderen Menschen gegenüber zeigen kann. Insbesondere ist es Wut, zum Teil aus nichtigen Anlässen, wenn etwas nicht so läuft, wie gewünscht, d.h. sich die Realität nicht nach einem selbst richtet, die dann auftaucht. Die wesentlichen Abwehrmechanismen beim Narzissmus sind dabei, wenn die Intellektualisierung etwa nicht mehr greift, die Idealisierung und die Entwertung. (Dies wird besonders gut sichtbar an der Art, wie von diesen Patienten über frühere enttäuschende Therapien gesprochen wird.) Andere Menschen, oft selbst Partner, Freunde oder Familienangehörige werden in ihrer Selbständigkeit nicht wahrgenommen bzw. diese wird als lästig erlebt. Der andere, etwa dessen Erfolge, dienen der eigenen Selbstwertregulation. Häufig hat der andere dadurch die Funktion eines „Selbstobjekts“ (hier natürlich nicht in der engeren selbstpsychologischen Bedeutung). Um so überraschender ist es dann oftmals für den Menschen, wenn sich ein Partner oder eine Partnerin dann doch trennt, hatte der Betreffende doch in keiner Weise damit gerechnet. In Beziehungen sind die Personen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung oft sehr leicht kränkbar, der Betreffende erlebt sich selbst oft so, dass er selbst auf der Suche nach Liebe, Unterstützung und anerkennender Bewunderung ist, während er
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andere so erlebt, dass sie ihn kritisieren, kontrollieren oder einengen. Bei normalen und neurotischen Personen lösen Verlassenheit und Bedrohungen des Selbst zwar ebenfalls Angst aus, aber gleichzeitig wird dadurch das innere Erleben trotzdem vorhandener, unzerstörbarer Beziehungserfahrungen (guter Selbst- und Objektrepräsentanzen) aktiviert, welche die negativen ausgleichen können. Bei schwer narzisstischen Patienten dagegen dreht sich zentral vieles um ein grandioses, unabhängiges Selbst-System, bei dem negative Erfahrungen ins Außen projiziert, abgespalten oder verleugnet werden müssen. Lässt sich die Grandiosität nicht mehr aufrecht erhalten, treten massive Minderwertigkeitsideen an ihre Stelle, die selbst wieder übertriebene „negative Größenphantasien“ darstellen (worauf bereits Abraham 1924 hinwies) und dann ebenfalls auch zur Quelle für einen Suizid werden können (Dammann/Gerisch 2005). Zentrale Affekte sind dabei auch hier die Wut als Ausdruck der erhöhten Kränkbarkeit und vor allem der (zumeist auch unbewusst ausgeprägte) Neid auf andere. Zusammenfassend lassen sich (nach Beland 1989) zwei theoretische Linien der psychodynamischen Narzissmusforschung der letzten Jahrzehnte seit den zentralen Schriften Freuds, Abrahams und Ferenczis zum Narzissmus konzeptionell identifizieren. Die eine Linie kann auf die Verletzbarkeit des gestörten „Selbstachtungs-Narzissmus“ zurückgeführt werden (Autoren wie A. Reich, E. Jacobson, J. Sandler und besonders H. Kohut). Neben diesem „Selbstwert-Narzissmus“ beschreiben insbesondere H. Rosenfeld sowie O.F. Kernberg in ihren Arbeiten einen „Objekt-Abwehr-Narzissmus“ und eine grandiose Selbststruktur, die der Abwehr abhängiger Objektbeziehungen dienen. Nach Kernberg (2002: 132) ist die narzisstische Persönlichkeit „charakterisiert durch eine abnorme extreme Idealisierung des Selbst, die so weit geht, dass ideale Anteile anderer inkorporiert werden. Mithilfe dieser Selbstidealisierung kann jede Abhängigkeit von anderen vermieden werden. Gleichzeitig schützt diese abnorme Selbstidealisierung den Patienten vor einer Wahrnehmung der verfolgenden Anteile seines Erlebens, vor Frustration und Aggression. Klinisch fallen diese Personen durch ein übertriebenes Maß an Grandiosität und Selbstzentriertheit auf, das nur gelegentlich von plötzlichen heftigen Minderwertigkeitsgefühlen durchbrochen wird, wenn das pathologische grandiose Selbst bedroht wird [...] das sich in Exhibitionismus, Anspruchsdenken, Rücksichtslosigkeit, der Inkorporation idealisierter Anteile anderer, der chronischen Neigung zur Entwertung anderer, ausbeuterischem und parasitärem Verhalten sowie in dem chronischen Bedürfnis danach, von anderen bewundert zu werden und im Zentrum des Interesses aller zu sein, [zeigt].“
Das Bedürfnis nach Anerkennung und externer Bewunderung – oder der Kompensation von narzisstischen Wunden – ist in vielen Fällen eine Triebfeder des Erfolgs. Bekannt ist aber auch, dass dennoch viele erfolgreiche Manager in sich Selbstkommentare wie „andere sind besser“, „du bist ein Hochstapler und alles wird aufliegen“, „es reicht noch nicht“ etc. vernehmen.
4.
Destruktiver und maligner Narzissmus
Bei den schwersten Formen narzisstischer Persönlichkeitsstörungen, die man auch als destruktiven Narzissmus bezeichnen kann (siehe unten), dominiert dieses Problem die Beziehungen zu Mitmenschen vollkommen. Solche Personen müssen, um ihren Selbstwert zu regulieren, die Verdienste anderer kleinreden oder für sich usurpieren. Die Beziehungen sind stark manipulativ (Bursten 1973), d.h. der andere (z.B. Partner oder Mitarbeiter) wird kaum in seiner eigenen (objektalen) Bedeutung gesehen, sondern dient der eigenen Bedürf-
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nisbefriedigung, was etwa durch ein manipulatives Verhalten zu erreichen versucht wird, d.h. etwa, dass diese Personen immer nur „nehmen“, „erwarten“, aber kaum je uneigennützig „geben“. (Tragischerweise wiederholen somit diese Personen an anderen Menschen die selbst durchgemachte Erfahrung, den anderen nicht wirklich als Person wichtig zu finden.) Kennzeichnend sind auch anfängliche Begeisterung oder Idealisierung für Projekte oder Personen, denen dann meist rasch eine Entwertung folgt. Typisch ist also eine Sichtweise, bei der sich die Personen immer wieder von „Idioten“ umgeben sehen. Lässt sich eine Person nicht manipulieren oder entwerten, droht diese als gefährlich, bedrohlich („Feind“) erlebt zu werden. Es dominieren bei diesen Personen oft eine enorme Anspruchs-, Vorwurfs- und Versorgungshaltung. Aufgrund der schlechten Selbstwertregulation reagieren die Personen häufiger mit großer Kränkbarkeit bis hin zu nachhaltiger (narzisstischer) Wut. Sutton (2006) beschreibt eine Reihe von solchen dysfunktionalen Interaktionsmustern, die diese Persönlichkeiten auszeichnen:
als Witze getarnte Beleidigungen, öffentliches Demütigen, ständige beißende Ironie, rüdes Unterbrechen des anderen, Ignorieren bestimmter Personen bei Meetings, Verletzung der Privatsphäre etc.
Horowitz und Arthur (1988) beschreiben in ihrer heute bereits klassisch zu nennenden Arbeit die Dynamik von narzisstischer Wut, die durch rechthaberische Führer ausgelöst werden kann. Insbesondere in den Jahren des Vietnam-Kriegs, der in den Vereinigten Staaten traumatisch erlebt worden ist, wurde von psychiatrischer Seite auch versucht, Zusammenhänge zwischen Aggression und Gewaltexzessen im Kriegsgeschehen mit dem Narzissmus herzustellen (Fox 1974; Bey Jr./Smith 1971; Bey Jr./Zecchinelli 1974). Eine besondere Situation etwa bei der Behandlung narzisstischer Patienten stellt nach Ansicht einiger Kliniker und Theoretiker das wichtige Phänomen des so genannten „destruktiven“ oder „malignen“ Narzissmus‘ dar (siehe unten). Gemeint ist dabei die Kombination aus narzisstischer Persönlichkeitsstörung, antisozialem Verhalten, ich-syntonem Sadismus oder Aggressivität sowie paranoide Befürchtungen. Nach Kernberg (1984) äußert sich die tiefgehende Abwehr vor jeder Form abhängiger Beziehung etwa in Therapien darin, dass der Patient sich jeden Fortschritt, den er macht, sofort aneignet und behauptet, dass er den Inhalt der Deutungen bereits wusste und dass sie deshalb schon immer in seinem Besitz waren. Patienten mit malignem Narzissmus suizidieren sich nicht nur häufig, oftmals als Akt eines letzten Triumphs, sondern benutzen diesen Akt dann auch häufig wie eine „Waffe“, etwa um sich zu rächen. Die Basis für diese Tendenz sich alles sofort anzueignen, ist nach Kernberg (2000) der bewusste oder unbewusste Neid des Narzissten, der nicht erträgt, dass auch andere erfolgreich oder kreativ sind.
5.
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Es gibt einige wenige Arbeiten, die bereits relativ früh den Zusammenhang von Narzissmus und Erfolg im Management dargestellt haben, so etwa Bruhn (1991). Erst in der jüngsten
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Zeit beginnt sich auch die akademische Psychologie mit dem Zusammenhang von Narzissmus und den Auswirkungen auf Führung und Zusammenarbeit an Arbeitsplätzen zu beschäftigen (etwa Judge et al. 2006). Peterson et al. (2003) konnten empirisch einen Zusammenhang zwischen der Persönlichkeit des Chief Executive Officer (CEO) (bei 17 CEOs), dem ranghöchsten Manager, der Gruppendynamik im Top Management Team und der Leistung (performance) der Organisation nachweisen. Obwohl manchmal auch argumentiert wird, dass negative Persönlichkeitsänderungen bei Führungskräften die Folge von größerer Macht und Einfluss sein könnten, bin ich dagegen der Meinung (siehe auch unten), dass der Zusammenhang umgekehrt ist, d.h. Aspekte entsprechender Persönlichkeitseigenschaften sogar die Karriere in Wirtschaftsunternehmen zunächst begünstigen können! Im Einzelnen sind dies folgende Kennzeichen, die sogar eine Art „Selektionsvorteil“ im Hinblick auf Karriere darstellen können:
oberflächlicher Charme, übersteigertes Selbstwertgefühl, Tendenz sich zu überschätzen, zum Teil charismatische Eigenschaften, suchtartiges Arbeitsverhalten, Stimulationsbedürfnis/Reizhunger auf Grund der Tendenz zur Langeweile, Fähigkeit andere zu lenken, zu beeinflussen oder zu manipulieren, Mangel an Schuldgefühlen, bis hin zur Fähigkeit leicht zu lügen, oberflächliche Gefühle und dadurch mangelnde Bindung, Loyalität, Gefühlskälte, Mangel an Empathie, Risikofreudigkeit, Verweigerung der Verantwortung für eigenes Verhalten, große innere „Flexibilität“ auf Grund mangelnder tatsächlicher Bindungen und Identitäten.
Zurzeit ist das Thema der „Psychopathen“ oder „Soziopathen“, die uns angeblich überall umgeben, relativ en vogue (Babiak/Hare 2006; Stout 2006). „Der Soziopath von nebenan. Die Skrupelosen: Ihre Lügen, Taktiken und Tricks“, lautet der Titel einer neueren Veröffentlichung, die aus dem Amerikanischen übersetzt wurde (Stout 2006). Diese Personen werden überzeichnet als frei von jeglicher Scham, Schuld oder Reue dargestellt, gleichzeitig sollen sie voll schmeichelndem Charme und charismatischer Ausstrahlung sein. Diese Sichtweise erscheint sehr holzschnittartig. Zum einen entspricht sie dem Bild von Insassen in forensischen Abteilungen und Gefängnissen, die kaum je größeren beruflichen Erfolg erreichen, zum anderen bleibt unklar, warum Personen mit solch negativen Eigenschaften von ihrer Umwelt als nett und anziehend empfunden werden sollen. Es besteht auch die Gefahr, dass bestimmte Eigenschaften, die gute Führende auszeichnen, so als Kennzeichen von „Soziopathie“ missgedeutet werden. In Abgrenzung zu diesen Ansätzen plädiere ich für wesentlich mehr Zwischenstufen und Differenzierungsmerkmale. Zur Risikobereitschaft weist Post (1993: 112) darauf hin, dass es das narzisstische Gefühl von „Omnipotenz und Unverletzbarkeit“ ist, das dazu führt, dass Risiken eingegangen werden, die ein gewöhnlicher Führer nie eingehen würde. Bei einzelnen Eigenschaften, etwa „Verantwortungslosigkeit“, wird deutlich, dass der „Erfolg“ dieser Persönlichkeiten möglicherweise auch stärker von der jeweiligen Branche
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abhängt. Vorstellbar wäre etwa, dass z.B. hohe Risikobereitschaft (der Typus des „Spielers“ oder „Hochstaplers“) im Investment-Banking besser reüssiert als in einer konservativeren und risikoärmeren Branche. Insgesamt findet sich aber heute in der Wirtschaft die Tendenz, Biografien als Erfolgsgeschichte („success story“) im Marketing zu verwenden (Dammann/Dammann 2006). Kets de Vries (2005) beschreibt die klassischen Symptome „fear of failure, fear of success, perfectionism, procrastination, and workaholism. He then describes how perfectionist overachievers can damage their careers, their colleagues' morale, and the bottom line by allowing anxiety to trigger self-handicapping behavior and cripple the very organizations they're trying so hard to please.” Charismatische Führung selbst kann sehr wohl wertebasiert sein, wie House und Mitarbeiter (2004) in der „Global Leadership and Organizational Behaviour Effectiveness (GLOBE)“-Studie zeigen. Die wesentlichen positiven Attribute, die diese Art der Führung aufweist, sind: visionär, inspirierend, selbstaufopfernd, integer, entschlossen und leistungsorientiert. Obwohl schwerer narzisstische Personen als Manager meist dauerhaft wenig erfolgreich sind, sind es genau diese Persönlichkeitseigenschaften (Fähigkeiten zu täuschen oder andere einzuschüchtern), die auf die Gefolgsleute – wegen der darin scheinbar ausgedrückten Dominanz – zunächst positiv wirken können (Hogan et al. 1994). Rosenthal (2006: 49/50) spricht gar von einem tautologischen Prozess in diesem Zusammenhang: „Implicit leadership theory suggests that we choose as our leaders those people who seem most „leader-like“ (Hogan et al. 1994). These individuals are intelligent and honest, but also charismatic, confident, and aggressive. In other words, our selection process can be tautological, we make non-leaders into leaders because they seem like leaders to begin with.”
Dabei spielen wiederum – insbesondere in Krisenzeiten – projektive Faktoren eine große Rolle. Das heißt, die Auswahl korrespondiert mit dem Bedürfnis der Anhänger, diese zu bewundern für ihr „prestige, power, beauty, intelligence, or moral stature“ (Post 1986: 679). Dies erschwert im Übrigen später auch die Möglichkeit, sich von einem narzisstischen Führer wieder zu trennen, weil es ja auch ein Eingeständnis der eigenen ursprünglichen Täuschung bedeuten würde („for failing to live up their own exaggerated expectations“, Kets de Vries 1997: 238). Ein besonderer Fall tritt dann ein, wenn es durch eine hochpathologische oder sogar psychopathische Persönlichkeit, die sich wütend und verletzt wieder findet, zu einer Zerstörung des eigenen (Wirtschafts-) Imperiums kommt. In der neueren politischen Psychologie war es vor allem Jerrold Post, der in einigen Arbeiten den Zusammenhang zwischen terroristischen und anderen Führern und dem Kernbergschen Konzept des malignen Narzissmus beleuchtet hat (1984, 1986, 1993). House und Shamir (1993) haben in den letzten Jahren den neo-charismatischen Führungstheorien theoretisch neues Gewicht gegeben. In ihrer stark psychologisch fundierten Theorie dient der charismatische Führer nicht zuletzt auch dem Bedürfnis nach Selbstverwirklichung der Geführten. Kraft seiner Visionen, seines Selbstbewusstseins, seiner sozialen Sensitivität und seines Charismas können solche Führungskräfte motivationale Prozesse in Gang bringen. Folgende vier Personenmerkmale werden zur Charakterisierung neo-charismatischer Führungskräfte immer wieder angebracht (seit House 1977):
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hohe Selbstsicherheit, ein hohes Dominanzstreben, eine starke Überzeugung von den eigenen Ideen und ihrer moralischen Richtigkeit, sowie ein hohes Bedürfnis, andere davon zu überzeugen.4
House und Shamir (1995: 881) charakterisieren in ihrem neo-charismatischen Führungsmodell charismatische Führer, die ihre Unternehmen zu außergewöhnlichen Leistungen und Veränderungen führen können, mit außergewöhnlichem Vertrauen und Loyalität bei den Mitarbeitenden. Bereits Ende der 1990er Jahre und Anfang der 2000er Jahre begannen die Phänomene von Eitelkeit, übersteigertem Ego in Zusammenhang mit Macht und Wirtschaftsalltag vermehrt beachtet zu werden (Krainz/Gross 1998; Kets de Vries 1998; Beal 2001; Rust 2002). Bereits in diesen Arbeiten wurde auf die notwendige und „produktive“ Seite der Eitelkeit als Triebfeder hingewiesen. Dieser Aspekt ist zudem für nicht wenige Betriebswirtschaftsstudenten, die Wirtschaftsführer als Vorbilder und späteren finanziellen Erfolg als Motive für das Studium nennen, von Wichtigkeit. Hingewiesen wurde aber auch auf die Schäden und Kosten (Krainz/Gross 1998), die entstehen können.
5.1 Typologien narzisstischer Führer Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, näher auf die verschiedenen Konzeptionen von Untergruppen des Narzissmus einzugehen. Bereits Wilhelm Reich (1977) unterschied schon 1922 zwei Typen: „den phallischen Narzissten“ und den, der unter Minderwertigkeitsgefühlen leidet. Weitere Subtypisierungsversuche stammen von Rosenfeld (1990), Gabbard (1986), Gersten (1991), Bursten (1973) oder Wink (1991). In den letzten Jahren wurde neben dem typischen – durch meist expansives und extravertiertes Verhalten gekennzeichneten – offenen Narzissmus noch eine weitere Form konzeptualisiert, die als „verborgener“ (hidden, closet) Narzissmus in der Literatur bezeichnet wird (Wink/Donahue 1997; Masterson 1988; Cooper 1998). Diese Unterform zeichnet sich – auf den ersten Blick verborgen – eher durch ein übertriebenes „Kleinheits-Selbst“ aus: „Keiner hat so gelitten wie ich etc.“. Diese Gruppen finden sich z.B. bei Frauen, die in langjährigen missbräuchlichen Beziehungen verbleiben oder bei Personen, die freiwillig immer wieder in Teams die unattraktivste Arbeit übernehmen. Horowitz und Arthur (1988) werfen die Theorie auf, dass narzisstische Führer über Phantasien von unbegrenzter Macht verfügen, die im Kontrast zu ihrer realen Macht stehen. Wenn ihre Macht auch nur in kleinster Weise gefährdet ist, stellt dies eine massive innere Bedrohung dar. „Even a subordinate's hesitation in carrying-out a leader's command can be misinterpreted as a threat, thus triggering an angry outburst – a narcissistic rage.” Ein erfolgreicher Führer zu sein, beinhaltet mit anderen Worten auch die Fähigkeit mit der Diskrepanz zwischen idealem inneren Selbstbild und tatsächlichem Selbst zurechtzukommen
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Zitiert nach Rathgeber (2002: 52).
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und die Enttäuschung darüber innerlich aushalten zu können, was wiederum ein nicht zu schlechtes Selbstwertgefühl voraussetzt. Diamond und Allcorn (1997) beschreiben fünf negative Führerprofile:
den perfektionistischen Führer, den arrogant-rachsüchtigen Führer, den narzisstischen Führer, den übertrieben bescheidenen Führer sowie den resignierten Führer.
5.2 Arbeitssucht Arbeitssucht ist nicht selten Kennzeichen der narzisstischen Persönlichkeiten und kann sowohl positive wie negative Auswirkungen auf die Führung haben (Kets de Vries 1984). Dies wurde bereits 1919 von Ferenczi in seinem Beitrag „Sonntagsneurosen“ beschrieben. Die narzisstische Veranlagung kann Grund dafür sein, dass sich jemand ständig mit Arbeit überhäuft und nervös und unruhig wird, wenn er mal nichts zu tun hat. Beschrieben wird auch eine Unfähigkeit, abschalten zu können. Tartakoff (1966) beschreibt die äußerst ehrgeizigen und verbissenen Bemühungen um die Verwirklichung viel zu hoch angesetzter Ziele; allerdings entsteht bei Erreichung der Ziele auch keine richtige Befriedigung, allenfalls ein flüchtiges grandioses Hochgefühl. Natürlich stellt die Bereitschaft von bestimmten narzisstischen Persönlichkeiten, unglaublich viel zu arbeiten und alles andere der Karriere unterzuordnen (Familie, Freundeskreis, Hobbies), auch einen „Selektionsvorteil“ innerhalb der Betriebe dar.
5.3 Führer und Geführte Auch der Geführte weist eine Reihe von verschiedenen, zum Teil sogar widersprüchlichen Bedürfnissen und Erwartungen auf, die mit frühen Beziehungserfahrungen des Menschen zu tun haben, unter anderem mit dem Bedürfnis, sich an jemanden „anzulehnen“, der für einen Verantwortung übernimmt. Auf die tiefgreifenden psychodynamischen Verbindungen zwischen Führern und Geführten weist auch Brothers (2003) hin, die das aus der Selbstpsychologie und der intersubjektivistischen Systemtheorie gewonnene Konzept der „intersubjektiven Regulation von Unsicherheit“ („the intersubjective regulation of uncertainty“) einführt und darauf hinweist, dass sich beide gegenseitig benötigen: „… that the bond between many charismatic leaders and their followers endures so powerfully for the very reason that they urgently need one another to regulate uncertainty“ (Brothers 2003). Es besteht kaum Zweifel, dass weniger narzisstische Führende, die dennoch bereit sind, die Verantwortung von Führung auf sich zu nehmen, dazu besser in der Lage sind. Die Gefahr ist groß, dass der zunächst gefeierte „Messias“ beim Ausbleiben des Erfolgs rasch von seinem Sessel verjagt werden muss. Viele der in jüngster Zeit entlassenen Topmanager waren zunächst mit höchstem Lob ausgezeichnet gewesen (Kai-Uwe Ricke bei der Telekom, Bernd Pischetsrieder bei VW, Klaus Kleinfeld bei Siemens oder Wolfgang Bernhard bei VW). Der Druck auf neue Spitzenmanager in einem Unternehmen, das sich ja meist bei personeller Umorientierung auch noch in einer Krise befindet, ist enorm hoch.
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Rasche richtungsweisende Entscheidungen, die erfolgreich sind, werden erwartet. Kommt dann noch hinzu, dass die Persönlichkeit des Gewählten zur Überschätzung und hektischem Agieren neigt, sind die Schwierigkeiten oft vorprogrammiert. Khurana (2002a,b) hat in seiner brillianten Studie, die ebenfalls den Mythos von Leistung und Rationalität als Kriterien entzaubert, gezeigt, dass es gerade auch das Unternehmen selbst ist, das das Bedürfnis nach einem Helden hat, der von außen kommt5 und mit seinem Charisma alles ändern wird („Crowning Napoleon: The Making of the charismatic candidate“, Kapitel 6 aus Khurana 2002a). Er verwendet dafür den Begriff der „Krönung Napoleons“, die ja bekannterweise eine Selbstkrönung war. Unternehmen und Kandidat gehen so eine – manchmal heilvolle, manchmal heillose – Kollusion ein. Der charismatische CEO ist somit auch ein Symbol für die Firma nach außen. Es erscheint nicht ungefährlich, sich zu früh auf einen Kandidaten einzuschwören. Wie Khurana in seinen Arbeiten analysiert hat, geht es allzu oft gar nicht um eine wirkliche Auswahl bei Bewerbungen, sondern darum, eine vorgefasste Meinung bestätigt zu bekommen. Wobei sich offensichtlich „technokratischere“ und „charismatischere“ Wellen in der Führungsund Rekrutierungsphilosophie abwechseln.
5.4 Narzissmus – nur eine Folge von Macht? Selbstverständlich stellt sich immer die Frage, ob allfällige pathologische Züge nicht, wie von mir in dieser Arbeit vertreten, Ursachen, sondern Folge der Macht sein könnte. Die Sichtweise, dass Macht zu einer Deformation führt, vertritt etwa der Psychoanalytiker Mario Erdheim: „Die Mächtigen leugnen, dass sie verletzlich sind. Je mehr Macht jemand hat, desto verletzbarer wird er. Denn der Mächtige entwickelt ein Misstrauen gegenüber seiner Umwelt. Und dieses Misstrauen wird immer größer, je länger er es schafft, an der Macht zu bleiben. [...] Wie ein Minenarbeiter bei der Arbeit zwangsläufig eine Staublunge bekommt, so bekommt der Mächtige die Paranoia. [...] Der Preis der Macht ist die Unfähigkeit zu lieben. Es gibt ein bitteres Gespür für der Mächtigen für die eigene Liebesunfähigkeit, die mit der Einsamkeit zusammenhängt. [...] Es müsste den Mächtigen vor Dienstantritt eine Beipackzettel mitgegeben werden über die Nebenwirkungen, die der Konsum der Macht verursacht.“ (Erdheim 2006: 27)
Auf den Aspekt der Folgen der Macht gehen auch Gross (2006) und Kramer (2003) ein. Ich teile diese Sichtweise, dass es die Machtausübung ist, – etwa im Sinne der „süßen Droge Macht“ (wie es in einem Essay von Zundel (1989) hieß) – die zu diesen Effekten führt, nicht ganz und messe der Primärpersönlichkeit in meinen Ausführungen größere Bedeutung zu. Allerdings teilweise „scheint Macht selbst zu korrumpieren“ (Witte 2002).6
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Wie der Soziologe Georg Simmel zu Anfang des 20. Jahrhunderts analysierte, ist es die Funktion des Fremden, Hoffnung und Versprechen zu vermitteln. Für die umgekehrte Sichtweise (Deformation als Folge) sprechen aber z.B. das berühmte Stanford-Gefängnisexperiment von Zimbardo und Mitarbeitern (vgl. Haney et al. 1973) und die Milgram-Experimente (vgl. Milgram 1963), die zeigten, dass aus „ganz normalen“ Durchschnittspersonen – unter bestimmtem sozialen Druck – grausame Aufseher werden können.
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6.
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Destruktive Prozesse durch pathologische Führungspersönlichkeiten
In einem bis heute einflussreichen Artikel haben Kets de Vries und Miller (1985) den Zusammenhang zwischen Führung und Narzissmus aus psychodynamischer Perspektive ausgeleuchtet: „It is argued that one critical component in the orientation of leaders is the quality and intensity of their narcissistic development. In this paper, the relationship between narcissism and leadership is explored. Using concepts taken from psychoanalytic object relations theory, three narcissistic configurations found among leaders are presented: reactive, self-deceptive, and constructive. Their etiology, symptomatology, and defensive structure is discussed.” (Kets de Vies/Miller 1985)
Kets de Vries und Miller (1985), aber etwa auch Conger (1997) identifizieren als zentrales Problem des Narzissmus die Tendenz, dass die Führerschaft durch das egoistische Bedürfnis nach Bewunderung und Macht motiviert wird und weniger durch eine empathische Verbundenheit mit den Strukturen, die sie führen. Auch Maccoby (2001a) hat in seiner Analyse von wichtigen Wirtschaftsführern festgestellt, dass der Typus des narzisstischen Führers in den letzten 25 Jahren zugenommen hat. Er greift dabei die psychoanalytische Literatur und Debatte über den Narzissmus der 1970er Jahre (Kohut, Kernberg, Basch etc.) auf und unterscheidet (Maccoby 2000) zwischen dem produktiven und dem unproduktiven Narzissmus. Rosenthal (2006: 44) spricht sogar von einer eigentlichen „Debatte“ darüber, ob die negativen oder die positiven Eigenschaften des Narzissmus bei der Führung ausschlaggebender seien. Folgende sieben Aspekte des Narzissmus können sich nach Rosenthal als problematisch erweisen (weitere wie Omnipotenz wären vorstellbar):
Minderwertigkeitsgefühle, unstillbarer Hunger nach Anerkennung und Überlegenheit (siehe Morf/Rhodewalt 2001a,b; Harwood 2003; Post 1986, 1993), Überempfindlichkeit und Ärger (Steinberg 1991), Mangel an Empathie, amoralisches Handeln (siehe dazu Horowitz/Arthur 1988; Glad 2002), Irrationalität und Unflexibilität (siehe dazu Glad 2002; Kramer 2003; Paulhus/Williams 2002), paranoide Verarbeitung.
6.1 Die Untersuchungen von Paul Babiak zu Psychopathen in Führungsetagen „Nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes werden rund ein Drittel aller Wirtschaftsdelikte von Mitgliedern des Topmanagements begangen“ (Grunwald 2006: 6).
Khurana (2002a,b) hat eindrücklich auf die Gefahren durch die mit in den letzten Jahren immer größerer Macht ausgestatteten “Chief Executive Officers“ (CEOs) hingewiesen. Er beschreibt ihre Ausstattung mit charismatischer Befähigung, ihre Isolation („closed ecosystem“), irrationale Entscheidungen, das Übergehen von unternehmerischen Traditionen und stellt schließlich eine Verbindung her zu diesem Phänomen und einigen wirtschaftli-
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chen Zusammenbrüchen der letzten Jahre. Er weist darauf hin, dass mehr Aufmerksamkeit auf Talente, die aus den Unternehmen selbst kommen, gelegt werden sollte, die vielleicht über weniger charismatische Ausstrahlung verfügen, aber dafür über eine tiefere Erfahrung. Hinzu kommt, dass durch diese Fokussierung auf charismatische Macht der Markt der potenziellen CEO immer kleiner wird. Der amerikanische Wirtschaftspsychologe Paul Babiak wurde in den letzten Jahren bekannt für seine Untersuchungen zu „Psychopathien“, d.h. extrem rücksichtslosen, zum Teil mit krimineller Energie und antisozialem Verhalten gepaarten schweren Narzissmus bei Führungskräften. Babiak konnte nachweisen, dass sich solche Persönlichkeiten, die er „Schlangen in Nadelstreifen“ nennt, vermehrt in höheren Führungsetagen finden lassen (Babiak/Hare 2006). Unter Managern sei der Anteil von Personen mit „dissozialer Persönlichkeitsstörung“ – die zeitgemäße Umschreibung des alten Begriffs „Psychopath“ – überproportional hoch. Während in der Gesamtbevölkerung der Anteil etwa ein Prozent betragen würde, kämen in US-Firmen auf hundert Angestellte rund acht Psychopathen – und das auch noch stets in höheren Positionen. Die „psychopathischen“ Manager – Babiak spricht von der „Diagnose“ „Corporate Psychopathy“ – wären zwar kaum körperlich aggressiv und häufig sogar recht geschickte Selbstvermarkter, andere negative, für das Krankheitsbild typische Eigenschaften kämen aber sehr wohl zum Tragen. Mit ausschließlicher Selbstbezogenheit, Unberechenbarkeit und der Neigung andere zu beschuldigen, könnten diese Personen Konzerne bis in den Abgrund treiben.
6.2 Forensische Wirtschaftspsychologie Analog der Arbeiten von Hare und Babiak (siehe oben) wird auch von Forensischen Psychiatern das Phänomen der Wirtschaftskriminalität zunehmend entdeckt. Knecht (2006a) etwa unterscheidet z.B. die Wirtschaftskriminellen, die er als adaptiert und bestens vernetzt, als so genannte „Weißkragen-Delinquenten“ (Sutherland 1940) beschreibt, von den typischen Kriminellen („blue collar“) mit abgebrochenen Ausbildungen und oft Unterschichtshintergrund. Beschrieben wird bei dieser Gruppe – wie bei den Psychopathen auch – überdurchschnittliche Risikobereitschaft, starkes Konkurrenzdenken, Gier nach Anerkennung, Impulsivität, Narzissmus, Gewissenlosigkeit, hoher Reizhunger und der Wunsch, Bedürfnisse sofort zu befriedigen (Alaletho 2003). Allerdings bleibt bei diesem deskriptiven Ansatz – den ich als Kehrseite zur klassischen Wirtschaftspsychologie sehen möchte, die Pathologie gar nicht kennt – offen, warum in dem einen Fall solche Eigenschaften zum Erfolg führen und in dem anderen nicht. Auch bleibt unklar, ob es sich wirklich um eine andere Tätertypologie handelt, oder die kriminelle Energie und Antisozialität nur auf einem anderen sozialen Niveau stattfindet. Unklar bleibt auch, warum der Befund, den Hirschi und Gottfredson (1987) beschrieben, dass nämlich beruflicher und sozialer Aufstieg eigentlich einen Selektionsmechanismus in Richtung von weniger Delinquenz darstellen, sich dann doch als weniger tragfähig erweist. Knecht (2006b) versucht, das Problem mit dem Unterschied von Antisozialität (blue-collar) und Psychopathie und machiavellistischer Intelligenz (white-collar) zu erklären. Es sollte auch nicht jede (kriminelle) Bereicherung, die es im Wirtschaftsbereich ebenso gibt wie in anderen Berufsfeldern (nur dass eben der Schaden dort oft dramatisch höher ist), mit „Psychopa-
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thie“ im Sinne einer basalen (wohl auch teilweise neurobiologisch bedingten) Amoralität gleichgesetzt werden. Dies zeigt auch eine kürzlich von der Wirtschaftsprüfungsfirma KPMG veröffentlichte Studie (2007) zur Wirtschaftskriminalität. Die Studie anhand von 360 Fällen zeigt, dass es sich in der Regel um männliche Mitarbeiter zwischen 36 und 55 Jahren handelt, die seit mehreren (meist mehr als sechs) Jahren in einem Unternehmen tätig sind, oft in der Finanzabteilung oder beim Einkauf arbeiten und die meist ungenügende interne Kontrollen ausnutzen, um sich zu bereichern. Die Motive sind Geldgier, manchmal höhere Schulden, schlechte Wirtschaftslage, Neid auf hohe Boni von Konkurrenten und eine sich bietende Gelegenheit, die zum Delikt verleitet. Die Durchschnittsdeliktsumme betrug in diesen Fällen aus mehreren Kontinenten eine Million Euro. Über 60% der Täter gehören dem oberen Management an. Gerade Topkader verfügen über vertrauliche Informationen. Dank ihrer Stellung können sie interne Kontrollen leichter übergehen und dadurch insgesamt mehr Schaden zufügen. Wirtschaftskriminelle, das zeigt die Studie weiter, sind in der Regel Wiederholungstäter. In 91% der untersuchten Fälle begehen sie mehrere Delikte, bis sie entdeckt werden. Fast immer werden die Delikte über einen längeren Zeitraum begangen; in rund 76% der Fälle erstrecken sich die Taten über mehr als sechs Monate, in 33% über drei und mehr Jahre. Aus Angst vor Imageschaden werden Mitarbeiter, Behörden und Medien selten informiert. Es steht außer Zweifel, dass das Phänomen der Wirtschaftskriminalität von Managern vermehrt Beachtung findet und ihm proaktiver begegnet wird (Puntas Bernet: 2007), allerdings scheint nur ein kleinerer Teil der Wirtschaftstäter dem Typus der extrem narzisstischen oder gar psychopathischen Persönlichkeit zu entsprechen.
7.
Produktiver Narzissmus und Führung
Dagegen kann insbesondere die Tendenz visionär zu sein und Mitarbeiter hinter sich zu scharen eine positive Eigenschaft sein, worauf etwa Maccoby (2000), Campbell (2001) oder Post (1986) hingewiesen haben. Maccoby „suggests that today’s hectic and chaotic business world necessitates leaders who, rather than playing the role of solid foundation to companies that change at a glacial pace, are grand visionaries and innovators“ (Rosenthal 2006: 47). Es fällt auf, dass im Zusammenhang mit charismatischer Führung immer wieder vom Visionären die Rede ist, das einen Teil des Erfolgs und der möglichen Begabung für Management-Funktionen erklären könnte. Kennzeichen des Visionärs ist es, ein Gespür für Zukünftiges zu haben und Ideen umsetzen zu wollen, die zunächst als nicht praktikabel oder utopisch erscheinen und dafür Zwänge zu überwinden. Bennis und Nanus (1985) haben sogar eine Dichotomie hergestellt zwischen Managern und Führungskräften als „sozialen Architekten“. Im Unterschied zum reinen Manager „der Dinge richtig macht, während der Führende richtige Dinge tut“ soll die Führungskraft die Richtung vorgeben, eine Vision weisen. Es geht also über die Leitung und Organisation von bestehenden Aufgaben hinaus, die für das Management typisch sind. Es ist Rathgeber zuzustimmen, wenn sie schreibt: „Eine wichtige Funktion von Visionen ist es, die eigene Tätigkeit in einen größeren Sinnzusammenhang zu stellen und ihr damit mehr Bedeutung zu verleihen“ (2005: 50). Die Studien von Baum et al. (1998) sowie Hoch et al. (1999)
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stellen eine positive Korrelation zwischen Klarheit von Visionen und Unternehmenserfolg fest.7 Allerdings können Narzissten nur dann wirklich produktiv sein, wenn sie ihre eigenen problematischen Seiten möglichst gut selbst reflektieren können. Außerdem hängen Erfolg oder Misserfolg von Umgebungsvariabeln ab (Robins/Paulhus: 2001). Es wurde auch ausgeführt, dass es einen wichtigen Unterschied machen könnte, ob es eher um Stabilisierung oder Neuorientierung (z.B. bei einem Unternehmen) geht. Für Letzteres könnte der Narzissmus positivere Züge haben, als wenn es um Stabilisierung geht. „The qualities needed to form a group may be different from those required to maintain it“ (Hogan et al. 1994: 499). Grundsätzlich können sich bei Führern von Unternehmungen und Organisationen alle Arten von Persönlichkeitsakzentuierungen finden (zwanghafte, schizoide, misstrauische, ängstlich-vermeidende etc.). Allerdings führen diese Persönlichkeitsakzentuierungen oder Persönlichkeitsstörungen in der Regel zu Formen des Rückzugs, Unsicherheiten u.ä., die eher nicht dazu prädisponieren in Leitungsfunktionen zu gelangen. Dies gilt nicht für die narzisstische Persönlichkeitsstörung, die sogar im Gegenteil dazu führt, dass Menschen, die eine solche Persönlichkeitsstruktur haben, in besonderem Maße prädisponiert sind, nach höheren Positionen zu streben und diese zum Teil auch zu erreichen. Dafür gibt es mehrere Gründe:
das nie ganz stillbare Bedürfnis nach Bewunderung und Anerkennung führt dazu, dass die Personen ehrgeizig sind, die Personen mit narzisstischen Störungen verfügen oft über nicht wenig Charme und Charisma (den sie zum Teil in der Vergangenheit entwickeln mussten, um wenigstens etwas von der Zuwendung zu erhalten, die sie vermisst haben), bei stärkerem Narzissmus besteht die Tendenz, andere für sich arbeiten zu lassen und deren Ergebnisse als eigene auszugeben.
In diesem Zusammenhang erscheint es wichtig, dass die narzisstische Führungspersönlichkeit nicht aus sich allein heraus erfolgreich sein kann, sondern spezifische interaktionelle Dynamiken aktiviert. Häufig projizieren z.B. Angestellte dann auch in eine narzisstische Persönlichkeit ihre eigenen (zuvor evtl. unterdrückten) grandiosen Phantasien. Es sind also bei narzisstischen Dynamiken meist beide Beteiligten zu beleuchten, der manifeste Narzissmus der Führungsgestalt und der latente Narzissmus der Mitläufer. Dies ergibt eine unter Umständen erhebliche pathologische Kollusion, wo beispielsweise sehr gute Mitarbeiter gekündigt werden, bloß weil sie sich dieser Dynamik (zu bewundern) entziehen. Rosenthal (2006: 52) schreibt zu Recht, dass „the current research on narcissism and leadership accords well with the idea that narcissism is positively linked to attaining a leadership position, but not necessarily to performing well in that position“. Auf dieses Zeitproblem („the benefits of narcissism wane with time“ (Rosenthal 2006: 52), dass Narzissten zunächst als Führende einen positiven Eindruck machen, der dann aber nicht hält, hat auch
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Siehe Rathgeber (2005: 50).
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Paulhus (1998) hingewiesen und wurde jüngst von Pittinsky und Rosenthal (2006) sogar empirisch bestätigt.8 Auch Kernberg (2000: 103) stellt fest: „In vielen Fällen handelt es sich um sehr intelligente, hart arbeitende Männer und Frauen, die auf ihrem Gebiet extrem begabt oder fähig sind; ihre narzisstischen Bedürfnisse aber neutralisieren oder zerstören ihr kreatives Potential in der Organisation.“
Nach Maccoby (2003), der die Biografien von 500 Wirtschaftsführern näher untersuchte, sind produktive Narzissten begnadete und kreative Strategen, die das ganze Bild sehen und Sinn finden in (manchmal risikoreichen) Vorschlägen, die Welt zu verändern. Die Gesellschaft benötigt sie insbesondere dafür, kühne und avantgardistische Veränderungen in Politik, Wirtschaft etc. durchzuführen, die periodisch notwendig werden. Auch hätten produktive Narzissten die Fähigkeit, andere Menschen mitzureißen. Allerdings kann der Narzissmus in das Unproduktive oder Destruktive umschlagen, wenn die Narzissten „den Boden unter den Füßen“ verlieren würden und immer mehr „ins Träumen“ gerieten. Die Achilles-Ferse des Narzissmus sei seine Tendenz zur Grandiosität und das tiefsitzende Misstrauen. Selbst brilliante Narzissten können, so Maccoby (z.B. unter erheblichem Druck) anfangen, paranoid-misstrauisch zu werden. Gerade weil heute immer mehr Narzissten an der Spitze von vielen Unternehmen seien – während es früher vielleicht eher autoritäre Charaktere waren – erscheint es wichtig, abzusichern, dass sich Führende nicht selbst zerstören oder die Organisation letztlich in ein Desaster führen. Maccoby schlägt dazu einige Strategien vor. Die Hauptstärken liegen somit in den „großen Visionen“ und der Fähigkeit „Gefolgschaft anzuziehen“. Dabei sind das Charisma und die manchmal hervorstechenden rhetorischen Fähigkeiten von Bedeutung. Andererseits seien sie aber auch sehr abhängig von der Bestätigung und Bewunderung durch diese („it fosters both closeness and isolation“). Dies fördert die Unterwürfigkeit von Mitarbeitern. Hinzukommt die Schwierigkeit von narzisstischen Führern, andere „Menschen wirklich differenziert zu beurteilen“ (Kernberg 2000: 105), was nach Kernberg mit der internalisierten Objektbeziehungspathologie zusammenhängt. Je erfolgreicher sie seien, umso klarer träten auch die charakteristischen Schwächen zu Tage: Schwierigkeit oder Unfähigkeit mit Kritik umzugehen bzw. sich sehr unwohl zu fühlen, wenn Negatives von Mitarbeitern vorgebracht würde.9 Durch ihre Unfähigkeit zur Kritik, Mangel an Empathie und Akzeptanz für Fehler anderer zögen sie mit der Zeit den Unmut auf sich. Sie seien ständig, auch wenn es nicht notwendig sei, stark wettbewerbsorientiert und hätten Mühe, einen Mentor zu akzeptieren. Als Prototypen des erfolgreichen Narzissten beschreibt auch Maccoby den früheren US-amerikanischen Präsidenten Bill Clinton. (Interessanterweise sind sowohl Clinton wie der neue, dynamische und resultatsorientierte französische Staatspräsident Sarkozy oder der amerikanische Präsidentschaftskandidat Obama weitgehend vaterlos aufgewachsen, was psychodynamisch gut mit Ehrgeiz als Wunsch nach ausgeblie-
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„In our study [Pittinsky/Rosenthal 2006] members of small project groups (five members per group) reported in the first month of the group’s existence that the more narcissistic group members provided more leadership than did the less narcissistic members. However, by the end of the semester (and the end of the group’s existence), narcissistic group members were no longer viewed as leaders.” (Rosenthal 2006: 52) Allerdings – so zumindest mein Eindruck – tun sich fast alle Menschen schwer mit Kritik.
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bener väterlicher Anerkennung, verfrühter Übernahme der väterlichen Rolle den Müttern gegenüber aber auch symbolisiertem „Vatermord“ den älteren Konkurrenten gegenüber in Verbindung gebracht werden kann.)
8.
Möglichkeiten der Organisationsberatung
Man weiß inzwischen, dass ca. 70% aller Mitarbeiter ein Unternehmen wegen ihres Chefs verlassen, was auch die ökonomische Dimension dieses Problems darstellt, das „unbehandelt“ folglich enorme Kosten verursacht (Kets de Vries, zitiert nach Schwertfeger 2006: 51). Lohmer (2004: 299/300) plädiert dafür, besser von Organisationsentwicklung als von Organisationsberatung zu sprechen und benennt folgende Chancen für die Weiterentwicklung des psychodynamischen Ansatzes (insbesondere bei komplexen Beratungsaufgaben):
„Umsetzungsbegleitung, Förderung der Selbstbeobachtung, Integration unterschiedlicher Haltungen und Interessen, Verbindung von strategischem und prozessualem Denken.“
Folgende Faktoren sind wohl von entscheidender Bedeutung bei der Rekrutierung geeigneter Bewerber:
fachliche Qualifikation, Erfahrung, Leistungsmotivation und Ehrgeiz, Intelligenz, die immer auch Flexibilität beinhalten sollte, Soziale Kompetenz und Empathiefähigkeit, Fähigkeit auch zu verzichten, zu leiden oder Durststecken durchzuhalten.
Die letzten vier Kriterien sind eng mit der Persönlichkeit verbunden und nur zum Teil lernbar. Diese klinisch-diagnostische Perspektive sollte in Zukunft m.E. trotz ihrer (methodischen) Probleme in der Wirtschaft weiter ausgebaut werden. Grundsätzlich sollten Mitarbeiter auf Kollegen und vielleicht sogar auch auf Vorgesetzte zugehen, bei denen Probleme augenfällig werden, da auch das „emotionale Management“ in einer modernen Firma dazugehört. Kets de Vries (Coutu 2004) hält „emotionale Intelligenz“ für die vielleicht wichtigste Eigenschaft von Führenden überhaupt sowie die Fähigkeit zu handeln und zu reflektieren. Im Folgenden werden einige Interventionsmöglichkeiten näher dargestellt:
8.1 Assessment-Prozess Kernberg (2000: 108f.) warnt davor, sich bei der Wahl einer neuen Führungskraft auf „den oberflächlichen Eindruck scheinbarer Anpassungsfähigkeit und charmanter Umgangsweisen zu verlassen. Wie wir gesehen haben, sind das Geschick, augenblickliche Situationen
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einzuschätzen, die Fähigkeit, Konflikte kurzfristig zu klären, die Neigung, sich niemanden zum Feind zu machen und ungestümer Ehrgeiz nicht unbedingt Merkmale einer guten Führungskraft.“ Stattdessen könnte – z.B. für das Personalmanagement oder den Kreis, der über die Bewerbung zu entscheiden hat – die Beantwortung folgender Fragen (prognostisch) relevant sein:
„Wie groß ist die Kreativität, die der Kandidat in der Vergangenheit auf seinem Gebiet bewiesen hat?“ „Inwieweit bezieht er seine Gratifikation aus seiner beruflichen Tätigkeit und inwieweit bleibt ihm diese Quelle erhalten, sobald er seine Managerfunktionen übernommen hat?“ „Inwieweit wird ihn seine eigene Kreativität als Manager befriedigen, ohne dass er auf Beifall und Bewunderung anderer angewiesen ist?“ Ist sich die künftige Führungskraft „grundlegender professioneller Werte bewusst und fühlt sich ihnen verpflichtet, statt das Augenmerk auf Aspekte zu richten, die gerade „in“ sind und kurzfristig als gewinnträchtig erscheinen?“ „Inwieweit hat der Kandidat den Mut bewiesen, offen für seine Überzeugungen einzutreten, statt Konflikte mit Rücksicht auf Macht und Prestige auszunutzen?“ Kann sich der „Kandidat über das Wachstum und die Entwicklung anderer Menschen wirklich freuen?“ (Kernberg 2000: 109) Verfügt der Bewerber über dauerhafte Hobbies, an denen er – trotz Mühen und Zeitmangel – festzuhalten vermag? Führt der Bewerber eine glückliche (intime) Beziehung? Ist er dazu in der Lage?
Bei Verdacht, dass der Bewerber maligne narzisstische Züge aufweist, können zudem folgende Maßnahmen hilfreich sein:
Genaues Überprüfen der vorgelegten Zeugnisse (Lücken, Fälschungen, Ungereimtheiten) Rollenspiel, das starke interaktionelle Fähigkeiten erfordert (Mitarbeiter leisten Widerstand bei der Einführung einer neuen Methode. Wie verhalten Sie sich?).
Gefordert wird bereits heute für Firmen ein „radical evaluation process to decide whether star-quality candidates have depth as well as dazzle“ (o.A. 2001). In diese Richtung weisen auch die neueren betriebswirtschaftlichen Arbeiten von Khurana (2002b), Maccoby (2000) und Sorcher/Brant (2002). Aufgabe der Jury beim Auswahlverfahren muss es sein, möglichst ein Bild vom Bewerber zu bekommen, wie er wirklich ist. Dabei sind Schwächen unter Umständen gar nicht das Hauptproblem, da erfahrene Bewerbungskommissionen zunehmend auf Potenziale achten, d.h. wenn jemand der noch relativ jung ist, noch zu nervös, zu theoretisch oder eine Spur zu draufgängerisch erscheint, sollte dies und wird dies in der Regel anders beurteilt werden, als bei einem bereits älteren Bewerber. Dieses Problem besteht insbesondere bei so genannten „High-Potentials“, wo nicht selten „der Spieß umgedreht wird“ und die Bewerber (mit mehreren Stellengeboten oder ihres Werts bewusst) es sind, welche die kritischen Fragen an das Unternehmen stellen. Ich plädiere dafür, um solcher künstlichen Mimikry nicht zu erliegen, das Feld der typischen Fragen eher zu verlassen („Was ist ihre größte Schwäche?“ und ähnliches), ein im umfassenden Sinn geführtes Gespräch zu führen, was einem ein Bild der Persönlichkeit des
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Bewerbers vermitteln soll, und sich auch auf seine „Gegenübertragung“ zu verlassen.10 Im Zweifelsfall erscheint es sinnvoll, noch eine weitere Bewerbungsrunde durchzuführen, obwohl dies natürlich immer aufwändig ist. Bei weniger exponierten Stellen ist es oft auch nützlich, auf positive Erfahrungen mit Praktikanten oder früheren Mitarbeitern zurückzugreifen und diese zu gewinnen, da man diese Person bereits in ihrer sozialen Verträglichkeit kennt. Manche Firmen gehen auch dazu über, zunächst jemanden über eine Zeitarbeitsfirma einzustellen, um sich nicht gleich stärker verpflichtend zu binden.
8.2 Coaching Coaching – eine Art intensive, zielorientierte, individuelle Stärken und Schwächen berücksichtigende Beratung – wird heute in weiten Bereichen der Wirtschaft als hilfreich betrachtet. In vielen Fällen, insbesondere wenn eine Person sehr wichtig für ein Unternehmen ist, schlagen Vorgesetzte bei Problemen individuelles Coaching vor, wo man sich möglicherweise noch vor einigen Jahren von einem Mitarbeiter eher getrennt hätte. Positiv könnte man aus organisationspsychologischer Perspektive an diesem Trend werten, dass auch in der Wirtschaft persönliche Faktoren stärker beachtet werden und Prozesse in der Wirtschaft nicht einfach mehr nur auf rationale „Falsch- oder Richtig-Entscheidungen“ reduziert werden. Problematisch an diesem Trend, der natürlich auch Ausdruck einer „Durchtherapeutisierung“ der Gesellschaft ist11, ist insbesondere, dass es bis heute wenige Qualitätsstandards für Coaches gibt. 12 Weder ist ein Psychologiestudium noch eigene Selbsterfahrung etc. vorgeschrieben.13 Inzwischen kommt auch Kritik aus den eigenen Reihen. Die Coachs hätten den Managern oft nur geholfen, die von ihnen gewünschten Ziele zu erreichen und Coaching sei so zu einer Art Ware eines Zulieferbetriebs geworden (Pichler 2006). Wichtig sei dagegen, dass der Coachingprozess „ergebnisoffen“ geführt werde und dass es nicht primär um Erfolg im Management gehe, sondern dass der Gecoachte (Coachee) zu einer „authentischen Persönlichkeit“ reife. Wichtig, so wird betont, sei gerade auch der „Eigenwert der Beziehung von Coach und Coachee, zumal viele Topmanager Probleme hätten, langfristige zwischenmenschliche Beziehungen zu gestalten“. 14 Selbstverständlich können CoachingProzesse nicht ohne Weiteres mit intensiven Psychotherapien verglichen werden. Ich meine aber, dass man etwas von dem Dilemma (das oberflächlich als „Reparieren“ oder tiefer als „Reflektieren“ bezeichnet werden kann), in dem auch der Coach steht (Pichler 2006), hier 10
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In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass auch zunehmend von Kaderleuten von Personaldienstleistungsfirmen anerkannt wird, dass dem „Bauchgefühl“ (Gegenübertragung) in Personalfragen generell größeres Gewicht zukommen sollte. Ein ähnliches Phänomen, besonders bei den Juristen, ist die Mediation. Allein in Deutschland gibt es gegenwärtig ca. 200 Ausbildungsinstitute und ca. 18.000 Menschen mit abgeschlossener Coaching-Ausbildung, d.h. auf 2.100 Erwerbstätige kommt ein Coach (Angaben nach Pichler 2006). „Meine Sorge ist, dass heute jede Küchenhilfe Coach werden kann. Aber Coach zu spielen ist gefährlich, wenn man keine Kenntnisse in klinischer Psychologie hat“ (Kets de Vries, zitiert nach Schwertfeger 2006: 50). So ein Pionier der Coaching-Bewegung im deutschsprachigen Raum, Dr. W. Looss, zur Eröffnungsrede der „Coaching Fachtagung 2006“ des Austrian Coaching Council (ACC) am 4.3.2006 in Laxenburg bei Wien (nach Pichler 2006: 43).
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sehr gut wieder finden kann. Insgesamt ist es wichtig, darauf hinzuweisen, wie das bereits relativ früh der Psychoanalytiker Cremerius (1979) getan hat, dass die Behandlung der Reichen, Berühmten und der Mächtigen massiv erschwert ist. Dafür sind insbesondere Gegenübertragungsaspekte von größerer Bedeutung: Der Therapeut oder Coach lässt sich von Macht, Berühmtheit oder Reichtum blenden bzw. verunsichern. Die Klienten werden schonungsvoller behandelt oder bestimmte Themen werden ausgeklammert oder aber (etwa über Mobilisierung von unbewusstem Neid) wird von Seiten des Therapeuten oder Coach dem Klienten unbewusst so begegnet, als habe er unverdient seine Position erlangt etc. Therapeuten und Coaches werden auch mit eigenen Machtwünschen u.ä. konfrontiert. In vielen Fällen versuchen diese Klienten auch, – durch Einladungen, Vergünstigungen etc. – den Therapeuten zu „belohnen“, was zwar gut gemeint sein kann, letztlich aber doch zu einer Form der „Korrumpierung“ führt.15 Oder aber der Coach oder Therapeut dient dazu, letztlich nur das System zu stabilisieren und „zu einem brauchbaren Objekt in seinem System“ (Cremerius 1984: 243) zu werden. Schließlich geht es auch um reale Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse. Auf die Frage (Schwertfeger 2006: 50), wie er sich den derzeitigen Coaching-Boom erkläre, antwortet Kets de Vries: „Aber der Hauptgrund ist das Geld. Als guter Psychoanalytiker kann man etwa 100 Euro in 45 Minuten verdienen, als Coach 500 Euro. Das ist einfach verlockend.“ Es erscheint zwingend notwendig, dass man gerade bei diesen sehr lukrativen Stunden- und Tagessätzen die Abhängigkeit, in die man damit gerät, besonders gut reflektiert. Gewarnt werden sollte jedoch auch vor narzisstischen Coaches und Therapeuten. Horwitz (2000) beschreibt aus einer klinischen Perspektive die Auswirkungen, die es hat, wenn der Gruppentherapeut narzisstisch ist.
8.3 Ausbildung der Manager und Selbstreflexion Bisher fokussierte die Ausbildung von Managern etwa im Rahmen von berufsbegleitenden Executive MBA-Programmen im Bereich der Führung stark auf die Elemente Innovationsfähigkeit, Führen von Gruppen, Steigerung der Ambitionen und Zielorientiertheit. Es wird zunehmend erkannt, dass Integrität und das wirkliche Übernehmen von Letztverantwortung ebenfalls zur Aufgabe von Führungspersonen gehören und im Rahmen dieser Ausbildungen gelehrt werden müssen. Viele Karrieren scheitern nicht an fachlich schlechten Leistungen, sondern an Fehleinschätzungen und der mangelhaft entwickelten Fähigkeit Warnzeichen zu erkennen (Hildebrandt-Woeckel, 2006). Man könnte sagen, dass auch für Führungskräfte „Selbsterfahrung“ (etwa in Form von Coaching, Nachdenken über sich selbst, eigene Therapie) hilfreich ist, um die eigenen „vulnerablen“ oder auch „verrückten“ Seiten besser zu kennen. Wichtig ist es auch über einen Spiegel zu verfügen, der sich traut die Wahrheit zu sprechen.16
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Um nur ein Beispiel zu geben. Der Coachee erfährt, dass der Coach gerne einmal in eine Wagner-Oper nach Bayreuth ginge, und bietet ihm an, was für den Therapeuten sonst kaum möglich wäre, ihm Karten zu besorgen. Der Vorgang ist an sich zwar harmlos, führt jedoch unweigerlich zu Problemen. Kann der Coach diesem Angebot widerstehen? Führt die Annahme einer solchen Vergünstigung zu Beeinträchtigungen in der Beziehung? So gesehen hat der Coach, der der Führungskraft die Wahrheit ins Gesicht sagt, was sich die Mitarbeiter vielleicht nicht trauen, die Funktion des Hofnarren im Mittelalter dem Fürsten gegenüber.
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8.4 Konstruktive Trennung von dem Mitarbeitenden Großunternehmen wie Southwest Airlines sind dazu übergegangen, Mitarbeiter, die sich anderen gegenüber als herabsetzend erweisen, frühzeitig zu entlassen, auch wenn sie fachlich sehr qualifiziert sind. Die Firma lässt Bewerber auch systematisch von den zukünftigen Untergebenen mitevaluieren (Angaben nach Sutton 2006). In nicht wenigen Fällen wird es nicht gelingen, einen narzisstisch akzentuierten Mitarbeiter zu coachen, zu Veränderungen zu bewegen oder anders einzusetzen, entweder weil das Vertrauensverhältnis nachhaltig belastet ist, die Position so wichtig ist, dass das Unternehmen kein Risiko eingehen kann, oder aber interaktionell – etwa in einem Team – bereits soviel „Porzellan zerschlagen“ wurde, dass eine ressourcenorientierte Vorgehensweise nicht mehr opportun erscheint. In diesen Fällen ist eine Trennung von einem Mitarbeiter oft unvermeidlich. Die Natur der narzisstischen Kränkbarkeit, die Tatsache, dass Narzissten oft im Vorfeld nichts bemerken, macht diesen Trennungsprozess oft nicht einfach und ist beim Betroffenen mit Gegenwehr, Wut oder Anklagen verbunden. Hinzu kommt auch die ausgeprägte Gruppendynamik, die dazu führen kann, dass der jetzt zum Problemfall gewordene Mitarbeiter lange Zeit ein „Star“ oder „Liebling“ war bzw. immer noch seine Gefolgschaft hat. In manchen Fällen können die Konflikte relativ unvermittelt, aber sehr heftig in einem Team aufbrechen. Der betroffene Mitarbeiter wird dann – subjektiv nicht ganz falsch – bemerken können, dass doch immer alles in Ordnung gewesen sei, man doch mit ihm zufrieden gewesen sei und ihm nun Unrecht tue. Manchmal werden die Probleme auch erst in Krisensituationen oder bei einem beruflichen Aufstieg, der mehr Macht beinhaltet und interpersonelle Subtilität verlangt, sichtbar. An und für sich wäre es richtig, dass man einem Mitarbeiter, dem wegen stärkerer narzisstischer Persönlichkeitsakzentuierung und den damit verbunden Problemen gekündigt werden muss, die Gründe offen aber taktvoll erläutert. In manchen Fällen könnte man dies auch mit dem Hinweis verbinden, dass nicht fachliche Kompetenz das Problem war, sondern es im „Zwischenmenschlichen“ gelegen hat. Allerdings wird diese Vorgehensweise doch in vielen Fällen vermieden, aus zeitlicher Bequemlichkeit oder Befürchtungen, sich stärker involvieren zu müssen. Stattdessen werden die unliebsamen Mitarbeiter z.B. weggelobt oder als Begründung angebliche „Überqualifikation“ angeführt. Letztlich bleibt es so dem Betroffenen erschwert, Einsicht über die Art und Weise seiner sozialen Schwierigkeiten zu gewinnen und vielleicht sogar von sich aus etwas dagegen zu tun (Selbsterfahrungsgruppe oder ähnliches). Schwieriger kann die Situation dann sein, wenn man versucht, mit jemandem von diesem Profil gütlich eine eingetretene problematische Situation zu klären. Unter Umständen aktiviert die eingetretene Belastung, kritisiert zu werden, genau das interaktionelle Muster mit dem Versuch zu täuschen, zu imitieren, zu dominieren oder zu manipulieren. Mit anderen Worten besteht die Gefahr, dass der problematische Mitarbeiter alles tun wird, um die Situation „abzuwiegeln“, statt sich inhaltlich mit den Kritikpunkten auseinander zu setzen. Stärker narzisstisch strukturierte Personen werden bei beruflichen Trennungsgesprächen eher seltener beherrscht wirken. Typischer werden sie wütend oder geschockt reagieren, möglicherweise dann in einer weiteren Phase verhandeln (Abfindungen) oder unter Umständen rechtliche Gegenmaßnahmen versuchen.
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Das Thema „Trennungskultur“ (Andrzejewski 2003) ist in den meisten Personalabteilungen trotz seines großen Gewichts noch immer vernachlässigt. Oft werden Trennungsgespräche, die viel Geschick erfordern, weil sie klar, fair und menschlich aber doch bestimmt sein sollten, unprofessionell geführt, auf den letzten Moment vertagt oder die Zuständigkeit ist nicht ganz klar geregelt (Vorgesetzter, Personalabteilung). Trennungen in der Wirtschaft werden noch zu wenig als kontinuierliche Management-Aufgabe angesehen.
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Charismatische Führungspersönlichkeit und soziale Verantwortung Klaus D. Hildemann
Ein Bild, aufgenommen um das Jahr 1915, zeigt den großen Kirchenhistoriker und ersten Präsidenten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft Adolf von Harnack in vollem Ornat: dunkelgrüner Samttalar mit schwarzseidenem Innenfutter und einem Kragen aus orangeseidenem Velvet, Samtbarrett, Amtskette sowie das Kreuz des Ordens Pour le mérite (Buchardt 1996: 148). Es ist das Bild eines Mannes, eines hoch dekorierten Würdenträgers aus einer vergangenen Zeit. Was geht es uns heute noch an? Und doch. Es ist auch das Bild eines Charismatikers, der ein einfaches und klares Konzept der Führung dieser primär an der wissenschaftlichen Arbeit orientierten Forschungsinstitute der heutigen Max-Planck-Gesellschaft gegeben hat. Dieses noch heute gültige Prinzip wurde 1928 formuliert und heißt in einem Satz: „In so hohem Grade ist der Direktor die Hauptperson, dass man auch sagen kann: die Gesellschaft wählt einen Direktor und baut um ihn herum ein Institut“ (Münchener Neueste Nachrichten 1928). Der Direktor ist damit frei in der Wahl seiner Forschung, seiner wissenschaftlichen Mitarbeiter und in der Qualifizierung seiner Forschungsmittel. Im Gegensatz zum Universitätsbetrieb ist er ebenfalls weitestgehend frei von Lehraufgaben. Ist damit auch eine gewisse Differenz zur Universität hergestellt, so kann man doch heute zumindest bei Berufungsverfahren auf bedeutende universitäre Lehrstühle feststellen, dass die Gestaltung eigener Forschungsthemen sowie der Umfang und die Auswahl des wissenschaftlichen Personals in den Verhandlungen eine wichtige Rolle spielen. So ist es nicht unüblich, dass Forschungsvorhaben in medizinischen Fakultäten nur in einer sehr lockeren Beziehung zur klinischen Patientenversorgung stehen und in die Forschung eingebundene Oberärzte bei Neubesetzungen des Lehrstuhls den Aufgabenbereich bzw. die Klinik verlassen müssen. Die kritische Frage lässt sich nicht abweisen, ob dieses Harnacksche Prinzip von Leadership nicht überholt patriarchalisch und, wenn überhaupt, nur auf die Führung von Wissenschaftsakademien oder besonderen wissenschaftlichen Lehrstühlen anwendbar ist. Machen wir es uns jedoch nicht zu leicht. Der in seiner Zeit charismatische Adolf von Harnack hat eine Form von Führung beschrieben, die auch heute noch Wirkung und Faszination ausübt, und das nicht nur in den Max-Planck-Instituten. Aber was ist das Besondere, das diese Wirkung ausmacht? Der sicher nicht weniger bedeutsame Soziologe Max Weber (1985: 140ff.) hat etwa zur gleichen Zeit wie Adolf von Harnack über Leadership nachgedacht und dabei die Form charismatischer Führung beschrieben. Weber macht in unserem Zusammenhang auf dreierlei aufmerksam. Eine charismatische Führungspersönlichkeit sollte sich erstens in einer „außeralltäglichen“ Qualität seiner Persönlichkeit erweisen. Sie sollte mit besonderen, hervorragenden und somit nicht jedermann zugänglichen Kräften oder Eigenschaften ausgestattet sein. Dies führt dazu, dass seine Anhänger ihn zweitens als Führer werten und anerkennen. Wertung und Anerkennung bewähren sich drittens durch die freie Hingabe der geführten Menschen an diese von ihnen anerkannte Persönlichkeit.
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Klaus D. Hildemann
In Harnacks Denken ist diese die ganze Arbeit des Instituts neu gestaltende Forschungspersönlichkeit verbunden mit den Aufgaben der Heranbildung und Führung junger Wissenschaftler. Diese identifizieren sich mit dem Direktor, engagieren sich in den von ihm strukturierten Aufgaben und arbeiten in diesen wissenschaftlichen Gebieten auch an ihrer eigenen Reputation sowie ihrem Fortkommen. Sie haben eine Beziehung im besten Sinne zu einem wissenschaftlichen, charismatischen Leader. In heutigen Untersuchungen zu modernen Formen von Führung wird dieser charismatische Führungsstil neu aufgegriffen. So wird z.B. bei John C. Maxwell der Blick auf „die Person und das Charisma“ (Maxwell 2005) gelegt oder bei Daniel Goleman und anderen in ihrem Buch „Emotionale Führung“ die Struktur der Führung als visionärer Führungsstil beschrieben (Goleman et al. 2002: 79ff.). Ob nun der Fokus der Betrachtung auf die Persönlichkeit des Führenden oder auf den jeweiligen Führungsstil gelegt wird, auf jeden Fall werden dabei wesentliche Dimensionen charismatischer Führung vernachlässigt. Es geht nämlich auch um die psycho- und gruppendynamischen Prozesse, die innerhalb der Gruppe ablaufen, und es geht um die dynamischen Prozesse, die sich zwischen den Führenden und der Gruppe der Geführten entwickeln. Kommen wir zuerst zu der Persönlichkeit des charismatischen Führers in seiner Beziehung zu den von ihm geführten Gruppen. Im Hinblick auf die Führung von Gruppen, auch von Großgruppen, geht es wesentlich um die Passung von Führern und Geführten. Ist eine Gruppe mit einer klaren Aufgabenstellung und einem differenzierten Leiter in der Lage, die ihr gestellten Aufgaben realitätsgerecht abzuarbeiten, so ist eine Gruppe, die sich von innen oder von außen bedroht fühlt, sehr schnell in der Situation, auf bestimmte Grundmuster in ihrer Dynamik zu verfallen und die Aufgaben zu vernachlässigen. Wilfred Bion, der in diesen Fragen in psychoanalytischer Perspektive herausragend gearbeitet hat, nennt drei Konstellationen: die Abhängigkeitsgruppe, die Kampf-Flucht-Gruppe sowie die Paarbildungsgruppe (Bion 1971). Charismatische Führer sind am ehesten bereit, innerhalb dieser Gruppenstrukturen die Führung einer so genannten Abhängigkeitsgruppe mit ihren emotionalen Abhängigkeitsbedürfnissen sowie den Bedürfnissen der Sicherung in ihrer Situation zu übernehmen. Aufs Erste passen beide zusammen, der außeralltägliche, besondere Mensch mit seinen besonderen Fähigkeiten und die besondere Situation der Gruppe in ihren Abhängigkeitsbedürfnissen und ihren Sehnsüchten nach Sicherheit. Es stellen sich die Fragen, ob solch eine von der Gruppe als charismatisch erlebte Person dieser wesentlichen Aufgabe der emotionalen Sicherung gerecht werden kann oder ob es sich nur um eine wechselseitige Einbildung von Führungsperson und Gruppe handelt? Zur Beantwortung dieser Fragen müssen wir uns der Persönlichkeitsstruktur eines charismatischen Menschen in besonderer Führungsverantwortung zuwenden. Hilfreich hierbei sind klinisch-psychologische und psychiatrische Untersuchungen zur narzisstischen Persönlichkeitsstruktur, die in ihrer Anwendung auf Führungsfragen Funktionsweisen der charismatischen Führungspersönlichkeit deutlich sichtbar machen. Wir möchten allerdings zur Vermeidung von Missverständnissen bei aller Nähe von persönlichem Charisma und positivem Narzissmus darauf hinweisen, dass nicht alle positiv narzisstischen Personen in Führungspositionen charismatisch und nicht alle charismatischen Personen narzisstisch sind. Und dennoch, es ist, wie wir sehen werden, zwischen beiden eine deutliche Affinität gegeben.
Charismatische Führungspersönlichkeit und soziale Verantwortung
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Narzisstische Führungspersönlichkeiten erscheinen mit einem doppelten Gesicht. Einerseits sind sie überzeugt von ihrer Besonderheit, von ihrer Grandiosität. Damit können sie diejenigen, die ihnen folgen, begeistern und mitreißen. Andererseits beschleicht sie ein Gefühl von Minderwertigkeit, das einen Hunger nach Liebe und Anerkennung auslöst. Beide Gesichter scheinen einander abgewandt, sie erscheinen wie zwei Seiten eines Kopfes unverbunden/verbunden: das grandiose Selbst und das hungrige Selbst. Menschen mit diesen mehr oder minder aufeinander bezogenen beiden Seiten ihres Selbst führen in der Bewertung ihres Handelns zu unterschiedlichen Ergebnissen. Das Handeln hängt deutlich von der Integrationsmöglichkeit der beiden gegensätzlichen Anteile des Selbst ab. Psychoanalytisch unterscheiden wir dabei die destruktiv handelnden narzisstisch Führenden von den positiv und reparativ Handelnden (Volkan 2006). Wenden wir uns zuerst den pathologischen Narzissten bzw. ihrem destruktiven Handeln zu. Sie können zwar auch ihre Mitarbeitenden zeitweise begeistern, aber sie werten sie gleichzeitig ab. Werte, die sie haben, neigen zur Oberflächlichkeit, das Personal ist dazu da, die Führungsperson zu bewundern. Wenn das nicht mehr geschieht, wird es abgewertet und beiseite gestellt. Destruktive narzisstische Personen führen ihre Mitarbeitenden dazu, in bewundernder Abhängigkeit von ihnen zu bleiben. Eigene Identität und Selbstwertgefühl des Narzissten werden gestärkt durch die Abwertung von Gruppen, die der destruierenden Kritik von Dritten preisgegeben werden, wenn von ihnen kein persönlicher Profit mehr zu erwarten ist. Werden hier, wenn überhaupt, nur kurzfristig wirkende charismatische Führungsaspekte deutlich, so erleben wir bei dem normalen oder positiven Narzissmus von Führungspersonen eine deutliche Nähe zum charismatischen Handeln. Hierbei handelt es sich um Führende, deren Selbstwertgefühl aus der Befriedigung an den eigenen Aufgaben resultiert und das verbunden ist mit den Mitarbeitenden durch Wertschätzung und Anerkennung ihres Handelns. Charismatisches Handeln entsteht auf dieser Grundlage. Es ist dort zu finden, wo die zu führenden Menschen aus ihrer Unsicherheit und ihren Abhängigkeitsbedürfnissen herausgeführt werden und Eigenständigkeit zeigen können. Ihre Identität als Abhängigkeitsgruppe im Sinne von Bion wird überführt in eine neue Identität der eigenverantwortlichen Erfüllung ihrer Aufgaben und eine Neudefinition ihrer Situation. Dabei bleibt der positiv handelnde Narzisst in seinen Augen und in den Augen der Gruppenmitglieder die besondere „Nummer eins“, die die Gruppe aus ihrer Abhängigkeit herausführt und den weiteren Verlauf der Dinge maßgeblich beeinflusst. In dieser Rolle als „Nummer eins“ fühlt er sich bleibend wohl und wird weiterhin geschätzt. Es bleiben ihm die Fähigkeiten und Aufgaben der Inspiration, der Vision und der Leidenschaftlichkeit (Zaleznik 2005). Blickt man auf die positiven Fähigkeiten des charismatischen Führers, so kommt man nicht umhin, auch seine destruktiven im Auge zu behalten. Und diese destruktiven Persönlichkeitsanteile können ein Unternehmen in den Ruin führen. Es drängt sich daher die Frage auf, ob es überhaupt unternehmerische Konstellationen gibt, in denen charismatische Führung sinnvoll oder sogar notwendig ist? Und kann man in solchen Konstellationen oder muss man sogar in ihnen die destruktiven Gefahren bar jedweder notwendigen Vorsicht akzeptieren? Kirche und Diakonie machen bei aller Unterscheidung ihrer jeweils eigenen Aufgabenstellungen Transformationsprozesse durch. Dabei denke ich nicht an die vielfach zu hörenden ideologischen Vereinnahmungen, Diakonie sei Kirche, oder gar Diakonie sei, wie die Kirchenumfragen zeigen, die akzeptiertere Form von Kirche. Ich meine, dass Diakonie und Kirche bei aller Unterschiedlichkeit ihrer gesellschaftlichen Erscheinungsformen beide
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vor einem unternehmerisch zu gestaltenden Prozess der jeweils eigenen Transformation stehen. In dem Impulspapier des Rates der EKD mit der Überschrift „Kirche der Freiheit“ (Rat der EKD 2006) werden Schritte in die Zukunft versucht. In der Ausdifferenzierung einer stärker unternehmerisch geführten Diakonie bzw. einer am Mandat für die Schwächsten der Gesellschaft orientierten so genannten Armutsdiakonie werden diese Schritte ebenfalls sichtbar. Überall hört man aber warnende Stimmen. Die unternehmerische Diakonie verlöre ihre biblische Fundierung, wenn sie sich mit ihren Angeboten deutlich an der wohl hilfebedürftigen, gleichwohl aber auch finanzstarken Klientel orientiert und damit die Blickrichtung auf die zunehmende Armut in der Gesellschaft verliert. Und ebenso erklingen Warnungen an die Kirche, auch sie würde mit ökonomischer Orientierung, unternehmerischem Verhalten und Effizienzdenken ihre Wurzeln verlieren. Gegenwärtig wird das EKDPapier in den Landeskirchen diskutiert, und auch die Diakonie wird sich mit ihrer jeweiligen Perspektive der Diskussion zu ihrer Zukunft im Hinblick auf ihre Aufgaben nicht entziehen können. Auch in der Vergangenheit haben in Kirche und Diakonie häufig charismatische Persönlichkeiten mit all ihren persönlichen Gefährdungen durchtragende Impulse gegeben. Wichern, Fliedner, Bodelschwingh, Niemöller und Karl Barth, aber auch der vor nicht langer Zeit verstorbene rheinische Präses Peter Beier sind zu nennen. Wenn unsere Beobachtung sich als richtig erweist, dass in beiden Nonprofit-Organisationen, Kirche und Diakonie, gravierende Klärungs- und Transformationsprozesse anstehen, dann werden sich charismatische Persönlichkeiten von allein finden, die dazu bereit sind, die Zukunft von Kirche und Diakonie nicht nur zu antizipieren, sondern sie in Aufbruchprozessen zu gestalten. Doch was ist mit den Mitarbeitenden? Welche Rolle können sie in diesen Entwicklungsund Veränderungsprozessen spielen? Und wie werden beide Organisationen auf diese so gestalteten Transformationsprozesse reagieren? In den beiden Nonprofit-Organisationen Kirche und Diakonie wird immer neu der Begriff der Dienstgemeinschaft beschworen. Dieses immer wieder eingeforderte Loyalitätszeichen für den Zusammenhalt von beiden bleibt so lange farblos, wie die Mitarbeitenden nicht gestaltenden Einfluss auf die Transformationsprozesse nehmen können. Um diesen Einfluss zu erreichen, muss allerdings Klarheit über die Prozesse auf Gruppen- und Organisationsebene hergestellt werden. Wie können aber Mitarbeitende aus Abhängigkeitsbeziehungen zu mit- und selbstgestalteter Veränderungsarbeit kommen? Um aus der Position der Abhängigkeit herauszukommen, müssen Gruppen und Organisationen zuerst einmal wieder ihre Aufgaben sehen. Diese Aufgaben gilt es dann, realitätsgerecht einzuschätzen, ihrer Erfüllung zuzustimmen und unter einer definierten Leitung an deren Umsetzung zu arbeiten. Es geht also im Wesentlichen um Fragen der Veränderung von Wahrnehmen, Denken, Bewerten und Handeln, wenn die Transformationen der Organisationen gelingen sollen. Dieses ist sowohl eine Frage für den einzelnen Mitarbeitenden als auch für die Gruppe als Ganze. Pierre Bourdieu (1980: 88f.) nennt das ein System permanenter und auch interpersonell übertragbarer persönlicher Dispositionen. Es handelt sich bei diesen individuums- und gruppenspezifischen Dispositionen also um Denk- und Handlungsschemata. Sie sind aber nicht starr, sondern ereignen sich in spezifischer Weise als Antwort auf spezifische Situationen, in denen Menschen leben und arbeiten. Sie werden in den jeweiligen Situationen bei den Einzelnen und der Gruppe abgerufen. Es handelt sich dabei um nicht bewusst oder gar individuell gesteuerte Vorgänge.
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Dieses System von Denk- und Handlungsschemata, das sich sowohl auf der personalen als auch auf der Ebene der gemeinschaftlich handelnden Gruppe ereignet, wollen wir mit Pierre Bourdieu den „Habitus“ einer Organisation nennen. Dieser gemeinsam getragene Habitus hat den Vorteil, dass eine Organisation in einem Zeitablauf in einer stabilen Weise funktioniert. Er hat den Nachteil, dass bei veränderten Anforderungen die Antwortschemata von Einzelnen und der Gruppe gewohnt und routiniert ablaufen. Positive Veränderungen können sich aber nur dann ereignen, wenn in Organisationen ein Klima der Reflektion über den eigenen Habitus möglich ist. Eine Möglichkeit, dieses in einer festgefahrenen Organisation zu implementieren, besteht meines Erachtens in einem Dreierschritt. Dabei geht es einerseits um die stetige Sicherung der Diagnose von Zielen und Abläufen des Unternehmens im Hinblick auf den praktizierten Habitus der Mitarbeitenden, es geht zum Zweiten um die Umsetzung der Erkenntnisse in jeweils veränderte Bewertungs- und Handlungsschemata, also um die Veränderung des gemeinsamen Habitus, und es geht drittens um die Evaluation der Veränderung und den erneuten Übergang in die Diagnose. In dieser Weise können Veränderungen des Habitus gelingen. Es bleibt dabei die Frage offen, wo bei tief greifenden Veränderungsprozessen der Promotor einer erfolgreichen Entwicklung auf Dauer seinen Platz hat – innerhalb der Organisation und später dann außerhalb? Und welche Persönlichkeit ist am besten geeignet? In der Management-Literatur wird in diesem Zusammenhang häufig die charismatische Führungspersönlichkeit genannt. Es wird dabei auf die Fähigkeit zur Begeisterung und Motivation verwiesen. Es bleiben aber die Anfragen an die destruktiven Anteile der Persönlichkeit, die auch bei den reparativ und zukunftsorientiert handelnden Narzissten mit bedacht werden müssen. Es geht immer auch um die Frage der Sicherung der sozialen Führungsverantwortung von charismatisch führenden Personen. Im Management von Transformationsprozessen kann es weder um Veränderungen gehen, die in Top-down-Prozessen umgesetzt werden, noch um Problemlösungen im Bottomup-Verfahren. Top-down-Verfahren rufen häufig heftige und schwer zu handhabende Widerstandsprozesse bei den Mitarbeitenden hervor, Bottom-up-Abläufe leiden unter der mangelhaften Einbindung in die Gesamtzusammenhänge des Unternehmens. So bleibt die Zielsetzung und die Motivierung zur Veränderung eine Aufgabe von Führung, die konkrete Umsetzung ist auf die positiven Kommunikationsabläufe zwischen „oben“ und „unten“ angewiesen. Wie sieht nun diese charismatische Führungspersönlichkeit aus, der in den für Diakonie und Kirche relevanten Veränderungsprozessen die Aufgabe des Promotors zukommen kann? Wir wollen das zu beschreiben versuchen, indem wir die Gefährdungen für die Persönlichkeit des Führenden, für die Mitarbeitenden und das Unternehmen mit bedenken. Schauen wir zur genaueren Differenzierung z.B. auf depressiv strukturierte Führungspersönlichkeiten, so erleben wir bei ihnen ein Klima der Unterstützung und der gegenseitigen Hilfe zwischen Führung und Gruppe. Die Führenden wollen von den Mitarbeitenden anerkannt, ja geliebt werden und sind damit immer in der Gefahr, von außen, von der Gruppe geleitet zu werden. Zwanghaft strukturierte Führungspersönlichkeiten, die man häufig in kleineren Unternehmen findet, sind innen geleitet. Sie halten Ordnung, sind effektiv in ihrer Aufgabenerfüllung, haben feste Werte, an denen sie sich orientieren. Aber ihnen fehlt das Visionäre, das aus guten Ideen bedeutende Ideen werden lässt. Charismatische Führungspersonen sind weder von ihren Mitarbeitenden im Hinblick auf positive, emphatische Gefühle abhängig, noch fehlt ihnen die visionäre Kraft. Sie
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zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht nur die Zukunft eines Unternehmens gedanklich antizipieren können, sie können diese Zukunft auch praktisch herbeiführen. Und sie können die Mitarbeitenden hinter ihren Visionen versammeln und sie für deren Verfolgung begeistern. So kann der Psychoanalytiker Vanik D. Volkan sagen: „Eine ausreichende Portion Narzissmus, ja selbst übertriebener Narzissmus, ist meines Erachtens notwendig, um als [...] Führer etwas bewirken zu können“ (Volkan 2006). Dem gegenüber stehen aber auch große Gefahren: Es ist auch bei positiven Narzissten immer wieder die Gefahr des Durchbrechens des hungrigen Selbst – der destruktiven Persönlichkeitsanteile –, die Abwertung von Personen und Gruppen, die nicht den eigenen Zielen dienen. Damit verbunden ist die fehlende Empathie für die Gedankenwelt der anderen. Unempfänglichkeit von Ratschlägen ist gepaart mit einer Überempfindlichkeit aller Kritik gegenüber, die mit einem rivalisierenden Verhalten bekämpft wird. Sieht man die dadurch entstehenden gravierenden Gefahren für ein Unternehmen, das von einer narzisstischen Persönlichkeit mit erheblichem Charisma, aber auch erheblicher Gefährdung geführt wird, dann neigt man zu dem Resümee so mancher psychologisch arbeitender Forscher zu Führungsfragen: Narzisstische Personen sind vielleicht geeignet für besondere Aufbruchs- und Übergangssituationen, sie sind aber nicht geeignet für eine dauerhafte Führung. So war es z.B. bei Churchill zur Zeit des Zweiten Weltkrieges. Nach diesem Krieg gab es keine Passung mehr zwischen ihm und seinem Volk, er wurde abgewählt. Es gibt jedoch auch andere Beispiele, Beispiele gelungenen Übergangs von Führungskompetenz in transitorischen Phasen zu gleich bleibendem positiven Führungsverhalten. Im Wirtschaftsleben wäre z.B. Jack Welch zu nennen. Er hat in Verbindung mit seiner Persönlichkeit die Kultur des Unternehmens General Electric über Jahrzehnte gestaltet und die Manager als deren Repräsentanten geformt. Gerade in neuer Zeit ist mit dem mittelständischen Unternehmer Jürgen Großmann eine charismatische Persönlichkeit für den Vorstandsvorsitz des zweitgrößten deutschen Energiekonzerns, RWE, gewählt worden. Der Aufsichtsrat hat diesen Schritt gewagt. Fassen wir zusammen: Charismatische Führungspersönlichkeiten auf der Grundlage einer narzisstischen Persönlichkeitsstruktur haben erhebliche Fähigkeiten, die Zukunft von Unternehmen nicht nur zu antizipieren, sondern auch zu gestalten. Mit visionären Entwürfen, die auch die Reparatur der Vergangenheit eines Unternehmens beinhalten, beeinflussen sie seine Struktur und sein Personal. Ihre Gefahren zur Selbstdestruktion und zur Destruktion des Unternehmens schmälern die großen Stärken dieser charismatischen Persönlichkeiten. Entscheiden sich Aufsichtsgremien gegen die Person, dann haben sie weniger Gefährdung im Unternehmen, aber möglicherweise entkleiden sie dieses auch seiner wesentlichen Entwicklungspotenziale. Charismatische Führung hat in der Diakonie eine große Tradition. Wenn man diese Tradition aufnehmend in die Zukunft gehen will, dann wird man allerdings verantwortlich auf zweierlei achten müssen. Erstens muss die kulturelle Formung des Unternehmens durch eine visionäre Persönlichkeit im christlichen Glauben seine Wurzeln haben. Dieser Glaube muss die Person durchdringen und prägen. So kann im Miteinander von Führung und emanzipierter Mitarbeiterschaft, die an ihren Aufgaben orientiert ist, ein diakonischer Habitus entstehen, der gemeinsames, zukunftsorientiertes Denken und Handeln für das diakonische Unternehmen ermöglicht. Und zweitens ist es zur Sicherung vor Gefährdungen wichtig, dass jede charismatische Führungspersönlichkeit eine vertraute Person an ihrer Seite hat. Das ist wie zwischen Don Quijote und Sancho Pansa das Verhältnis eines Visionärs,
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der in Gefahr gerät, die Realität zu vergessen, zu einem „Kumpan“, der immer wieder zur Realität zurückführt. Die Dehnung in die Zukunft leistet der charismatische Visionär, den empathischen Realitätsbezug zum Unternehmen und seinen Mitarbeitenden der Vertraute. Dieses beides kann eine wichtige Grundlage für eine Diakonie und Kirche in der Phase der heutigen Transformation und vielleicht auch darüber hinaus sein.
Literatur Bion, W.R. (1971): Erfahrungen in Gruppen und andere Schriften. Stuttgart. Bourdieu, P. (1980): Le sens practique. Paris. vom Brocke, B./Laitko, H. (Hrsg.) (1996): Die Kaiser-Wilhelm/Max-Planck-Gesellschaft und ihre Institute. Berlin/New York, NY. Buchardt, L. (1996): Prägten die Präsidenten die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft? Präsidiale Stile von Harnack bis Hahn. In: Vom Brocke, B./Laitko, H. (Hrsg.): Die Kaiser-Wilhelm/Max-Planck-Gesellschaft und ihre Institute. Berlin/New York, NY. 148-172. Goleman, D./Boyatzis, R./McKee, A. (2002): Emotionale Führung. München. Kernberg, O. F. (1988): Innere Welt und äußere Realität. München. Kernberg, O.F./Hartmann, H.P. (Hrsg.) (2006): Narzissmus. Grundlagen – Störungsbilder – Therapie. Stuttgart. Maxwell, J.C. (2002): Charakter und Charisma. Gießen/Basel. Münchener Neuesten Nachrichten (1928): Die Förderung der Wissenschaften. In: Die Kaiser-WilhelmGesellschaft, Sonderbeilage vom 10. Juni 1928. 181(156). Rat der EKD. Impulspapier: Kirche der Freiheit – Perspektiven für die evangelische Kirche im 21. Jahrhundert (2006). In: http://www.ekd.de/download/kirche-der-freiheit.pdf (Zugriff am 24.9.08). Volkan, V.D. (2006): Großgruppen und ihre politischen Führer mit narzisstischer Persönlichkeitsorganisation. In: Kernberg/Hartmann (Hrsg.): Narzissmus. Grundlagen – Störungsbilder – Therapie. Stuttgart. 205-227. Weber, M. (1985): Wirtschaft und Gesellschaft. Tübingen. Zaleznik, A. (2005): Managers and Leaders. Are They Different? In: Harvard Business Review on the Mind of the Leader. 73-96.
II. Steuerung und Professionalisierung
Leadership und Nonprofit Governance Axel Schuhen
1.
Einführende Bemerkungen
Mit Leadership und Nonprofit Governance erhalten zunehmend zwei weitere Begrifflichkeiten und Konzepte angelsächsischer Provenienz Einzug in den Nonprofit-Sektor. Beiden ist gemein, dass – zumindest aus Sicht des Autors – in der Theorie keine trennscharfen Definitionen und in der Praxis keine einheitlichen Routinen und Instrumente existieren.1 Auch der vorliegende Beitrag wird hier keine abschließende Klärung herbeiführen können. Er geht zur Legitimierung der Termini davon aus, dass mit beiden Begriffen charakteristische Herangehensweisen an Organisationsführung und Organisationsgestaltung verbunden werden, deren Umsetzung sich aus einem weit gefächerten Instrumentenkasten bedienen kann. Es ist beabsichtigt, beide Begriffe und die damit verbundenen Inhalte insbesondere im Kontext der Freien Wohlfahrtspflege näher zu betrachten. Die geschilderten Aussagen erheben dabei nicht durchgängig den Anspruch einer wissenschaftlichen/empirischen Fundierung, sondern gründen zum Teil auch auf anekdotischer Evidenz, d.h. eigenen Erfahrungen und beobachteten Praxisphänomenen. Zunächst sollen Thesen aufgestellt werden, die aus Sicht des Autors die aktuellen Rahmenbedingungen für Leadership und Governance prägen. Der Nonprofit-Sektor ist ein heterogenes Gebilde, das nach dem trichotomischen Modell von Etzioni und Levitt als dritter Part neben Markt und Staat existiert (vgl. Etzioni 1973; Levitt 1973). Den drei Sektoren werden jeweils spezifische Koordinationsmechanismen und -prinzipien zugeschrieben, wie unter anderem Bürokratie, politische Willensbildung im Staatssektor, Preis- und Wettbewerbsmechanismus im Markt sowie Solidarität, Selbsthilfe und Mitgliederpartizipation im Dritten Sektor. Im Gegensatz zum Begriff des Nonprofit-Sektors, dem faktisch auch öffentliche Unternehmen zuzurechnen sind, ist der Dritte Sektor definitorisch enger gefasst. Er bezeichnet ausschließlich diejenigen Organisationen, die die nachfolgenden Kriterien erfüllen (vgl. Schauer 1999: 148):
autonome Entscheidungsfindung (self-governing), Nichtausschüttungsrestriktionen (nonprofit-distributing), Bedeutung der Ehrenamtlichkeit in Leitung und Ausführung.
1
Vgl. für den Bereich der Nonprofit Governance Schuhen (2005a) und Manzeschke (2006).
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Im Folgenden sollen diese enger gefassten Eigenschaften des Dritten Sektors auch als Grundlage der Definition des Nonprofit-Sektors bzw. von Nonprofit-Organisationen dienen. Öffentliche Träger und Organisationen werden mit dem Hinweis auf deren fehlende Autonomie (self-governing) für den vorliegenden Artikel aus der Definition ausgeschlossen. Neben der Differenzierung zu Markt und Staat verfügt der Nonprofit-Sektor selbst wiederum über verschiedene Begriffsabgrenzungen, die einerseits dessen Vielfalt, andererseits aber auch eine definitorische Unsicherheit und das Fehlen einer general theory offenbaren. Je nachdem, welche Eigenschaften in den Vordergrund gestellt werden sollen, werden Begriffe wie independent sector (Betonung der Unabhängigkeit), voluntary sector (Betonung der Freiwilligkeit) oder not-for-profit-sector (Betonung der Nichtgewinnerzielungsabsicht bzw. der Gewinnausschüttungsrestriktion) verwendet. Der Nonprofit-Sektor als definitorisches Konstrukt spaltet sich in der Praxis aus Sicht des Autors zudem in zwei Phänotypen von Nonprofit-Organisationen auf (vgl. Schuhen 2005a: 25):
die primär leistungsentgeltfinanzierten Nonprofit Corporations (Nonprofit-Unternehmen), die primär durch Spenden und Ehrenamt getragenen Voluntary Organizations (Freiwilligen-Organisationen).
Beide können dem Nonprofit-Sektor zugerechnet werden, sind jedoch von ihrer Steuerungslogik und organisatorischen Praxis her sehr unterschiedlich. Zugespitzt formuliert: Was hat der kirchliche Krankenhauskonzern (Nonprofit Corporation) mit der ehrenamtlich geführten Obdachloseninitiative (Voluntary Organization) gemein, außer gegebenenfalls den gemeinnützigen Status und die Zugehörigkeit zum gleichen Wohlfahrtsverband? Um dieser rhetorischen Frage vorab eine idealtypische Antwort zu geben: Die gleichen Grundwerte und die Haltung der Mitarbeiter/innen bei der Dienstleistungserbringung. Doch selbst wenn dies der Fall ist, unterscheiden sich die Organisationswirklichkeiten erheblich. Während meist über direkte ehrenamtliche Mitarbeit die Nähe zur Dienstleistungserstellung in den Freiwilligenorganisationen noch eher gegeben ist, entfernen sich die größeren Sozialunternehmen durch Professionalisierung, rechtliche und wettbewerbliche Rahmenbedingungen zunehmend vom typischen Idealverein, implementieren unternehmerische Steuerungslogiken und -modelle und bedienen sich aus dem Fundus betriebswirtschaftlicher Instrumente, was in jüngster Zeit beispielsweise an der – im Vergleich zum Profit-Sektor – zeitverzögerten Integration von Balanced Scorecards oder Risikomanagement-Modellen abzulesen ist. Insbesondere in den Nonprofit-Unternehmen scheint die Thematisierung von Fragen zur Leitung, Steuerung und Aufsicht notwendig, auch weil die häufig beobachtbare Trennung von Eigentum (Träger, Mitglieder) und Steuerung/Kontrolle (hauptamtliche Geschäftsführer, ausgelagerte Betriebsteile) zu klassischen Organisationsprolemen im Sinne der Prinzipal-Agenten-Theorie führt. Konsequenterweise werden in den folgenden Ausführungen die Nonprofit-Unternehmen als Schwerpunkt betrachtet. Diese sehen sich verstärkt Tendenzen gegenüber, die das klassische Drei-Sektoren-Modell (Markt, Staat und Dritter Sektor) aufweichen. So agieren beispielsweise große Wohlfahrtsorganisationen in leistungsentgeltfinanzierten Quasi-Märkten im Wettbewerb zu öffentlichen und privatkommerziellen Anbietern. Auf der anderen Seite erheben auch profitorientierte Unternehmen über so genannte Corporate Social Res-
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ponsibility-Programme den Anspruch, soziale und kulturelle Interessen zu vertreten. Es scheint somit weder einen Alleinvertretungsanspruch des Markts für ein an Wirtschaftlichkeitskriterien orientiertes Handeln zu geben, noch ein Primat des Angebots sozialer und kultureller Dienstleitungen durch Nonprofit-Organisationen. Im Gegensatz zum angelsächsischen Raum ist das (ehrenamtliche) Führungs- und Überwachungshandeln von Nonprofit-Organisationen in Deutschland eher unterdurchschnittlich erforscht. Gleiches gilt auch für die Weiterentwicklung von (ehrenamtlichen) Leitungsorganen im Kontext von Board Development und Board Assessment.2 Der Fokus der Diskussion um Führung und Kontrolle in Nonprofit-Organisationen lag in der Vergangenheit meist auf der Kritik am ehrenamtlichen Leitungshandeln in entgeltfinanzierten sozialen Dienstleistungsunternehmen. Hierbei wurde häufig die Analogie ehrenamtlich = unprofessionell in unzulässig pauschaler Weise in den Vordergrund gestellt. Der Kern der Kritik fußt auf einer Beobachtung der faktischen Leitungswirklichkeit in Vereinen. So weichen die juristisch determinierte Führungsfunktion des Vorstands als primäres Leitungsorgan und dessen tatsächliches Handeln häufig voneinander ab. In den besseren Fällen üben ehrenamtliche Vorstände Kontrolle auf hauptamtliches Management aus und geben strategischen Input. In den schlechteren Fällen verfällt ihr Tun in reines Laissezfaire und Symbolhandlungen. Dies gilt verstärkt im Rahmen von Auslagerungstendenzen gemeinnütziger Arbeit in GmbHs bei denen der Trägerverein zu einem redundanten organisatorischen Anhängsel ohne Gestaltungsanspruch mutiert bzw. mutieren kann. Im Idealmodell der Trennung ideeller Verbands- bzw. Vereinstätigkeit und operativer Betriebsführung werden die Vorstände zwar von wirtschaftlichen Routinearbeiten zugunsten ideeller und strategischer Arbeit entlastet. Die Gesamtverantwortung verbleibt allerdings auch bei der Anstellung hauptamtlicher Geschäftsführer und/oder in Ausgründungsmodellen beim Vorstand, der weiterhin Aufgaben der Steuerung und Überwachung zu übernehmen hat und hierfür die notwendigen Rahmenbedingungen und Qualifikationen benötigt. Akzeptiert man die normative Kraft des Faktischen, sind grundsätzlich zwei Modelle – ohne Berücksichtung eventueller Mischtypen – denkbar: Entweder werden die rechtlichen Strukturen an die faktischen angepasst, z.B. durch hauptamtliche Vorstände und Einsatz eines ehrenamtlichen Aufsichtsgremiums, oder es erfolgt eine Qualifizierung der ehrenamtlichen Vorstände zur professionellen Wahrnehmung von Management- und Überwachungsaufgaben. Ersteres, nämlich die Anpassung der Strukturen, ist in den Praxisbeobachtungen eher vorzufinden als eine konsequente Qualifizierung von Ehrenamtlichen (allerdings ohne hierfür empirisch belastbare eigene Studien vorweisen zu können). Zum Teil geht es auch nicht nur darum, Ehrenamtliche zu qualifizieren, sondern schlicht genügend motivierte und mit Zeitbudget ausgestattete Personen für eine ehrenamtliche Vorstandsarbeit zu finden. Ein Teil des Trends zu hauptamtlichen Vorständen ist wohl allein dieser Tatsache geschuldet. Man könnte mit Blick auf die genannten Beobachtungen zusammenfassend festhalten, dass im Prozess der Professionalisierung von Einrichtungen und Diensten auf der Ausfüh-
2
Vgl. als Theoriearbeiten und weiterführende Literatur u.a. Siebart (2006); Schuhen (2005a) sowie Projekt Bürgerschaftliches Engagement & Management (2005).
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rungsebene die gleichzeitige und gleichwertige Professionalisierung der Leitungs- und Überwachungsebene als Gegengewicht in ein Hintertreffen gelangt ist. Nonprofit-Organisationen scheinen, zugespitzt formuliert, gelegentlich als Organisationen mit Zweck, aber ohne Ziel zu handeln. Um diese Zielsetzungs- und Zielüberwachungsdefizite zu überwinden, sind Strategien und Instrumente von Governance und Leadership nicht die einzigen, aber wichtige Ansatzpunkte. Governance und Leadership können dabei sowohl als Zielgenerator als auch als Zielüberwacher und Zielverfolger dienen. Voraussetzung hierfür ist, dass oft eher abstrakt formulierte Satzungszwecke in konkrete Zielsetzungen überführt werden, d.h. der Sprung von einer „Wir-sind-für-Sie-da“-Sprache hin zu einer Vorgabe nach dem Schema „In diesem Jahr werden wir das Angebot X für die Zielgruppe Y ausbauen“ erfolgt. Jonathan Carver folgend müssen im Vordergrund der Betrachtung bei der Zielsetzung die auch als moral owner bezeichneten, tatsächlichen und potenziellen Dienstleistungsempfänger stehen.3
2.
Governance und Leadership im Nonprofit-Bereich
2.1 Begriffliche Abgrenzungen Nachdem die Begriffe Governance und Leadership zwar bereits eingeführt, aber nicht definiert wurden, soll an dieser Stelle eine kurze terminologische Abgrenzung stattfinden (Schuhen 2005a; Schuhen 2005b: 233). Der Terminus Governance geht auf das lateinische gubernare in der Bedeutung von das Steuerruder führen, lenken, leiten zurück. Die Definition des Cadbury Reports von 1992 schreibt Governance ein multiples Aufgabenbündel zu: „Corporate Governance is the system by which companies are directed and controlled. The responsibilities of the board include setting the company's strategic aims, providing leadership to put them into effect, supervising the management of the business and reporting to shareholders on their stewardship.“ (Alley 1995: 58)
Es geht nach dieser Definition offensichtlich darum, Strategie, Leadership, Überwachung und Anwaltschaft in einem System bzw. einer Funktion zu vereinen. In diesem Governance-Verständnis ist Leadership somit integrativer Bestandteil von Governance. Beide Konzepte – Leadership und Governance – beschäftigen sich mit zentralen Führungsfragen einer Organisation, die über das operative Tagesgeschäft (Management) hinausgehen bzw. sich von diesem abgrenzen. Gleichwohl schwingt bei Governance stets ein Überwachungs- und Kontrollgedanke mit, während Leadership mit visionären und personenbezogenen Attributen („Vorbild sein“, „Visionär sein“) verknüpft ist. Beide zeichnen sich dadurch aus, dass sie eher effektivitäts- als effizienzbezogen sind. Anders ausgedrückt: Governance und Leadership fragen danach, die richtigen Dinge zu tun statt die Dinge richtig zu tun (Hinterhuber/Krauthammer 2005).
3
Vgl. zum Konzept der moral ownership Carver (1997: 15); Carver/Carver (1996: 16).
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Die Governance-Logik folgt dem Prinzipal-Agenten-Prinzip, indem idealtypisch mehrstufige Auftragsbeziehungen implizit oder explizit vorherrschen (Picot et al. 2005). Die Mitglieder eines Vereins beauftragen einen ehrenamtlichen Vereinsvorstand mit der Leitung/Führung, der sich wiederum eines hauptamtlichen Managements für das operative Geschäft bedient. Als Praxisphänomen beobachtbar ist, dass die strategische Arbeit und Leitung/Führung nicht entlang dieser Auftragskette erfolgt, sondern gegenläufig. Im Extremfall wird der Vorstand durch das hauptamtliche Management geführt, was auch als Managerialism oder Gegenstromprinzip bezeichnet wird. Dies muss für die Organisation und deren Dienstleistungsempfänger nicht zwingend nachteilig sein, kann aber zu einer opportunistischen Ausnutzung von damit verbundenen Handlungsspielräumen führen. Im Vergleich zu Governance ist Leadership eher von formalen Auftragsbeziehungen losgelöst und knüpft weniger an die Stellung in der Organisation an, als an die persönliche Eigenschaft zur Überzeugung anderer, oder wie Drucker es formuliert: „The only definition of a leader is someone who has followers. Some people are thinkers. Some are prophets. Both roles are important and badly needed. But without followers, there can be no leaders“ (Hesselbein 2007). Während eine Kontrollfunktion in der Regel über organisatorische Maßnahmen erzwungen werden kann (Vier-Augen-Prinzip, interne und externe Revision etc.), ist das Überzeugt-Sein und gemeinschaftliche Verfolgen von Zielen – außerhalb totalitärer Systeme – in der Regel nur auf freiwilliger Basis zu erreichen. Leadership ist somit zwingend personengebunden, während Governance auch durch strukturelle Elemente umgesetzt werden kann. In der Praxis findet Governance Einzug und Aufmerksamkeit unter anderem über Siegel, Codes, Richtlinien, Gesetze, alternative Modelle der Aufbauorganisation und Rechtsformstruktur, Assessment (vgl. Schuhen 2006: 6) von Vorständen und Aufsichtsräten bis hin zur Integration in und über Controlling und Qualitätsmanagement-Modelle (Schuhen 2005a). Es sind explizite Governance-Organe ebenso denkbar wie eine Verteilung von Governance-Funktionen auf verschiedene Gremien oder Funktionsträger (Aufsichtsrat, Vorstand, Mitgliederversammlung, Wirtschaftsprüfer, Zertifizierungsgesellschaften etc.). Das funktionale Governance-Verständnis bzw. die Fokussierung auf Missionen, Werte und Ziele zeigt sich deutlich auch in der GovernanceDefinition des National Center for Nonprofit Boards: „These issues include the organization’s mission, values, or direction: it’s long-term performance: the conservation and expansion of institutional assets; and the processes used to identify, discuss, and decide matters of strategic or symbolic significance“ (National Center for Nonprofit Boards 1994: 2). Nachfolgend werden ausgewählte Besonderheiten und Herausforderungen von Governance und Leadership in sozialen Institutionen beschrieben. Sie sollen im Gesamten näher skizziert und auf ihre Verbindung zu Governance und Leadership hin überprüft werden.
3.
Besonderheiten und Herausforderungen von Governance und Leadership in sozialen Institutionen
3.1 Multidimensionale Zielsysteme Nonprofit-Organisationen werden auch als sachzieldominierte Organisationen charakterisiert. Daraus lässt sich schließen, dass es mehrere, gegebenenfalls auch konkurrierende Zielebenen gibt, die neben diesen Sachzielen berücksichtigt werden müssen. Hierzu zählen
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einerseits die Formalziele und – insbesondere in weltanschaulich geprägten Organisationen – auch metaökonomische Zielsetzungen. Die Formalziele (wirtschaftliche Erfolgs- und Finanzziele) dienen, vereinfacht ausgedrückt, als notwendige, aber nicht hinreichende Nebenbedingung, während die metaökonomischen Zielsetzungen die Sachziele mit Wertvorstellungen „anreichern“. In der Praxis ist allerdings eine Trennung von Sachzielen und metaökonomischen Zielsetzungen nicht immer möglich und sinnvoll. Die nachfolgende Tabelle stellt die drei Zielebenen und exemplarische Inhalte/Definitionen dar. Zielebene Formalziele Sachziele metaökonomische Zielsetzungen Tabelle 1:
beispielhafte Inhalte Kostendeckung, Erreichung eines bestimmten Wirtschaftlichkeitsgrades, Liquiditätssicherung wirtschaftliche und qualitativ hochwertige Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen; Abdeckung eines Versorgungsgebiets Vermittlung einer bestimmten Weltanschauung, Erbringung eines über die (öffentlichen) Aufgaben hinausgehenden Zusatznutzens
Quelle: Zielebenen (Schuhen 2005a: 132)
Insbesondere in Bezug auf die metaökonomischen Zielsetzungen, zum Teil aber auch bei den Sachzielen besteht häufig eine Sprachlosigkeit, die es erschwert, die damit verbundenen Inhalte innerhalb und außerhalb der Organisation nachvollziehbar darzustellen. An der Transformation der oft abstrakten Mission in intersubjektiv nachprüfbare Ziele scheitern Überwachungs- und Anreizsysteme regelmäßig. Organisationen orientieren sich aus diesem Grund häufig einseitig an der „schwarzen Null“ und rechtlichen Integrität. Zu beobachten ist eine übermäßige Fokussierung auf rein monetäre und outputorientierte Aspekte, die einerseits Ausdruck mangelnder Fähigkeiten zur Bewertung weicher Organisationsziele (im Sinne von Outcome und Impact) sind. Andererseits zwingen schwierige finanzielle Rahmenbedingungen und Abhängigkeiten von Kostenträgern diesen Fokus auf.
3.2 Ehrenamtliches Leitungshandeln „Manchmal tut ein Vorstand genau das, was die Geschäftsführung tun sollte, manchmal kümmert sich umgekehrt die Geschäftsführung um das, was eigentlich der Vorstand tun sollte – oft passiert beides sogar gleichzeitig. Vorstände beklagen sich dann über die Geschäftsführer, die ihnen die Fäden aus der Hand nehmen, Geschäftsführer [...] wiederum über die Einmischung des Vorstands (‚inkompetente Laien’) in ihren Geschäftsführungsbereich.“ (Langnickel 1997: 5)
Das von Langnickel eingefangene Zitat fasst sehr gut häufig anzutreffende Leitungssituationen zusammen. Oftmals gibt es unklare und verschwimmende Grenzen, insbesondere im „Dreiklang“ Aufsichtsrat, Vorstand und Geschäftsführung/Mitarbeiter. Es darf allerdings bezweifelt werden, dass es sich hier ausschließlich um ein Nonprofit-Problem, sondern vielmehr um eine grundsätzliche Folge arbeitsteiliger Organisation handelt. Insbesondere ehrenamtliches Leitungshandeln ist in pauschale Kritik geraten, die sich meist auf unzureichende Qualifikation, Verzetteln im Mikromanagement und/oder zu wenig Zeiteinsatz konzentriert (vgl. Projekt Bürgerschaftliches Engagement & Management 2005). Neben dem Ersatz von Ehrenamtlichen durch Hauptamtliche können diese allerdings auch zur Wahrnehmung ihrer Funktion qualifiziert werden. Dies setzt voraus, dass die Auf-
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gaben klar identifiziert und beschrieben sind. Regelmäßige Selbstevaluation von Leitungshandeln sowie genügend Raum für strategische Arbeit sind hierfür zwingend notwendig. Das reine Abarbeiten der Vorstandstagesordnung und „Durchhecheln“ von Budgets und Kalkulationsmasken reicht nicht aus. Vor dem Hintergrund des Leadership-Konzepts können Ehrenamtliche in verantwortlicher Position im positiven Fall als Persönlichkeiten, als Leader, auch die Chance auf Spendenmittel und ehrenamtliche Mitarbeit im Sinne von Fund- und Friendraising erhöhen. Ehrenamtliche orientieren sich – zumindest in der Theorie – an einer Idee/Vision als Leitprinzip und können ohne bzw. mit verminderter Rücksicht auf evtl. dienstrechtliche Konsequenzen oder informelle Machtbeziehungen Stellung beziehen. Man gewinnt und hält sie nicht mit monetären Argumenten, wodurch die erfolgreiche Akquisition und dauerhafte Bindung von Ehrenamtlichen auch umgekehrt als Beleg eines guten Leaderships herangezogen werden könnte. Erwähnt werden soll auch, dass Ehrenamtliche die Position eines Leaders nicht nur aus altruistischen Motiven anstreben, sondern in der Regel auch der konkrete individuelle Nutzwert (Prestige, eine Lebensaufgabe haben etc.) eine Rolle spielen dürfte.4 In einem Umfeld, in dem es zunehmend schwieriger scheint, motivierte und qualifizierte Ehrenamtliche für Leitungsaufgaben zu gewinnen, ist bedeutend, dass deren Weiterentwicklung nicht als Gängelung oder Geringschätzung der bisherigen Arbeit angesehen, sondern von jedem einzelnen Vorstandsmitglied auch als persönliche Bereicherung empfunden wird, beispielsweise durch Mitwirkung an einem verbesserten Organisationserfolg oder persönliche Risikominimierung durch Risikomanagementsysteme. Im Idealfall erhält man so eine klassische Win-Win-Konstellation, in der sowohl die Organisation bzw. deren Dienstleistungsempfänger als auch die (ehrenamtlich) Leitenden profitieren.
3.3 Outcome-Orientierung „Wir sind für Sie da“ – „Wir pflegen mit Herz und Verstand“. Solche und ähnliche Formulierungen trifft man gerade im Nonprofit-Bereich häufig an. Sie sollen in prägnanter Weise die Haltung des Trägers bzw. der Einrichtung/des Dienstes nach innen und außen transportieren. Doch was bedeuten diese Leitsätze konkret für Mitarbeiter und Dienstleistungsempfänger? Welche notwendigen Konsequenzen im Sinne von Voraussetzungen (z.B. Personalkapazität und -qualität) und Restriktionen (z.B. Verzicht auf höhere Rendite zugunsten der Versorgung defizitärer Kundengruppen) ergeben sich daraus? Die Beobachtung hier ist, dass der Anspruch gemäß den Leitsätzen durchaus abstrakt vorhanden ist, die praxisrelevante Umsetzung jedoch häufig hinterherhinkt. Hinzu kommt, dass beispielsweise das Controlling sich noch zu sehr auf rein monetär-quantitative Fakten bezieht – im Sinne von Output-Orientierung – und eher weiche aber zielbezogene Indikatoren wie Nutzen, Zufriedenheit oder Lebensqualität – im Sinne von Outcome-Orientierung – selten Gegenstand der Organisationssteuerung sind. Outcome-Orientierung im Verständnis des Autors bedeutet, die Wirkungsmechanismen im die eigene Organisation betreffenden sozialen Handlungs-
4
Vgl. hierzu im Kontext der Theorie des Spendens auch Felbinger (2005).
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feld zu verstehen und gleichzeitig die Fähigkeit, über Outputs hinweg nutzerorientiert denken und handeln zu können. Eine Verknüpfung zum Leadership-Konzept kann für diesen Kontext über die drei Säulen von Leadership hergestellt werden. Diese heißen: Visionär sein, Vorbild sein/vorleben sowie den Unternehmenswert nachhaltig steigern (Hinterhuber/Krauthammer 2005: 15). Während die beiden ersten Elemente mit Innovationsfähigkeit sowie wertorientierter Unternehmensführung übersetzt werden könnten, fällt die Zuordnung des Begriffs „Unternehmenswert“ im Nonprofit-Sektor nicht leicht. Was ist der Unternehmenswert eines Obdachlosenasyls oder einer Einrichtung der Suchtkrankenhilfe? Damit ist auch die Leadership-Frage eng an die Out-come/Wirkungsfrage in Nonprofit-Organisationen geknüpft. Nur dann, wenn nachprüfbare Outcome-Kriterien vorliegen, kann die Arbeit der Organisation und auch die managerial performance korrekt beurteilt werden. Das Ergebnis einer Nonprofit-Organisation liegt in diesem Verständnis außerhalb der Organisation z.B. in veränderten Gesundheitszuständen, in gestiegener Lebensqualität oder gesellschaftlichen Impulsen. Neuere Controlling-Ansätze wie die Balanced Scorecard, aber auch ganzheitliche Qualitätsmanagement-Systeme wie das Modell der European Foundation for Quality Management (EFQM) können die Schärfung des Blicks auf mehrere Zielebenen und den Outcome unterstützen.
3.4 Innovation und Sozialanwaltschaft Wenn – wie ausgeführt – Ergebnisse sozialer Organisationen primär außerhalb der eigenen Organisation liegen, sind Leader für diejenigen da, die – bildlich gesprochen – nicht am Vorstandstisch sitzen (Carver/Carver 1996: 1). Leader müssen durch die Zielgruppen selbst nicht oder nur schwer artikulierbare Interessen aufgreifen, prüfen und in tragfähige Konzepte überführen. Hierin besteht die Innovationsfunktion von Nonprofit-Organisationen und Freier Wohlfahrtspflege, die auch einen Teil von deren Legitimationsgrundlage bildet. Die Governance-Funktion muss über Personen und Instrumente so implementiert sein, dass ein regelmäßiger Abgleich zwischen Bedarf und eigenem Angebot erfolgen kann. Aufsicht muss so auch das Risiko falscher oder nicht vorhandener Angebote im Blick haben. Nonprofit-Organisationen müssen sich einer moralischen Haftung der Leitungskräfte für Missmanagement bewusst sein. Im Gegensatz zum Profit-Bereich verschlechtert Missmanagement nicht nur die finanzielle Situation, sondern durch damit einhergehende finanzielle Restriktionen auch die Möglichkeit, zusätzliche oder qualitativ bessere Angebote zu erbringen. In problematischen Fällen führt Missmanagement zu einer direkten negativen Beeinflussung von Lebensqualität bei Mitarbeitern und Dienstleistungsempfängern. Die Nonprofit-Orientierung darf dabei kein Deckmäntelchen der Ineffizienz und Ineffektivität sein. Es muss jederzeit deutlich und nachweisbar sein, ob erwirtschaftete Defizite Ausdruck einer besonders hohen und damit unter Umständen teureren Qualität oder schlicht Ergebnis schlechten Managements sind.
Leadership und Nonprofit Governance
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3.5 Anspruchsgruppen Nonprofit-Organisationen zeichnen sich in der Regel durch vielschichtige Anspruchsgruppen aus, wie beispielsweise Nutzer/innen, Angehörige und Kostenträger. Durch das so genannte sozialrechtliche Dreiecksverhältnis gibt es zudem in vielen Handlungsfeldern ein Auseinanderfallen von Dienstleistungs-Empfänger und Financier. Dies – und die Tatsache des Angebots komplexer Vertrauensgüter – führen zu einer eingeschränkten Kundensouveränität, weshalb von einem Sozialmarkt nur eingeschränkt gesprochen werden kann. Die Tatsache, dass gleichzeitig die Dienstleistungsempfänger selbst sowie Dritte in Dienstleistungsprozesse eingebunden sind, zwingt Leadership und Governance zu einem breiten Blickwinkel und einem erweiterten Kundenbegriff, der über den eigentlichen Dienstleistungsempfänger hinausgeht. Den Mitarbeitern bzw. der Mitarbeiterorientierung kommt in diesem Kontext eine besondere Rolle zu. Während unzureichende Mitarbeiterqualifikation und -motivation in der Industrie gegebenenfalls zu einem produzierten Montagsauto mit Mängeln führt, sollte sich soziale Arbeit beispielsweise im Gesundheits- und Pflegebereich keinen Montagspatienten leisten, da diese Dienstleitung sehr direkt mit der Lebensqualität in Form elementarer menschlicher Bedürfnisse verbunden ist.
4.
Schlussbemerkungen
Ein Schlüssel für erfolgreiche Nonprofit-Organisationen scheint in der Klärung von Organisationszielen und den zentralen Wirkungsmechanismen im jeweiligen sozialen Handlungsfeld sowie der Rollen- und Aufgabenverteilung der handelnden Personen zu liegen. Traditionelle Elemente der Wohlfahrtsarbeit, wie beispielsweise das Arbeiten mit Ehrenamtlichen und die Entwicklung von Leitbildern, müssen um verbindliche und intersubjektiv nachprüfbare Kriterien bezüglich der Strukturen, Prozesse und Ergebnisse ergänzt werden. Dies ist jedoch keine einmalige Workshop- oder Klausurtag-Aufgabe der Organisation, sondern ein ständiger Prozess für den beispielsweise eine klassische Leitbildentwicklung eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung ist. Eher kommen hierfür moderne Controlling- und Qualitätsmanagement-Ansätze in Frage. Langfristiges Ziel sollte es sein, dass die Leadership- und Governance-Philosophie – zumindest teilweise – von Personen entkoppelt ist und zu einer sich selbst tradierenden, tragfähigen Unternehmenskultur wird, die auch gelegentliche Wechsel in Führungspositionen sowie die permanenten Herausforderungen des Sozialmarkts zu bewältigen vermag.
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Axel Schuhen
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Corporate Governance in der Diakonie: Empirische Beobachtungen und theoretische Überlegungen1 Arne Manzeschke
1.
Der Mensch im Mittelpunkt
„Der Mensch steht im Mittelpunkt“ – so heißt es wortwörtlich oder mindestens sinngemäß in fast jedem Leitbild diakonischer Einrichtungen.2 „Der Mensch steht im Mittelpunkt – und damit im Weg“, lautet ein Kalauer, der dieses Statement häufig begleitet. Mal kommt er eher resignativ, mal eher zynisch, zumeist aber provokativ daher. Die Provokation besteht, so meine ich, darin, dass mit diesem richtigen und wichtigen Anspruch der Diakonie immer ein Problem verbunden ist. Ein Interviewausschnitt soll dieses Problem illustrieren. Das Interview stammt aus einer umfangreichen qualitativen Studie zu den Auswirkungen der diagnoseorientierten Fallpauschalen (DRGs = Diagnosis Related Groups) in Krankenhäusern. Eine der leitenden Fragestellungen war die nach den Auswirkungen von ökonomischen Anreizsystemen auf das Ethos von Mitarbeitenden in diakonischen Krankenhäusern (vgl. Manzeschke 2006, 2008). „Und da die Leute Angst kriegen, geht ihr Handeln auch dementsprechend anders. Sie machen mehrere Dinge zwar genauso wie sie es vorher gemacht haben, aber nicht mehr so – hat man das Gefühl – aus freiem Willen und weil sie es tun wollen, sondern weil sie es müssen. ‚Ich muss ja meinen Job machen’. Und es ist nicht mehr so lustbetont, d.h. der Spaß geht verloren. Und wenn der Spaß verloren geht, dann, wenn man die Leute anguckt, dann verschwindet das Lächeln und wenn das verschwindet dann merkt der Patient das. Und in dem Moment ist auch eigentlich der Patient nicht mehr im Mittelpunkt“.
Das Lächeln verschwindet, und der Mensch gerät aus dem Mittelpunkt. Der das sagt, ist Oberarzt und Medizin-Controller in einem evangelischen Krankenhaus. Er beobachtet sich und seine Kolleginnen und Kollegen seit Einführung der DRGs, der diagnoseorientierten Fallpauschalen, mit welchen in deutschen Krankenhäusern seit 2004 prospektiv abgerechnet wird. Seine Beobachtungen hat er in einem gut einstündigen Interview mitgeteilt, das im Rahmen des Forschungsprojektes „Diakonie und Ökonomie“ an der Universität Bayreuth durchgeführt wurde.
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Ich danke dem Freund und Kollegen Dr. Stefan Heuser, Erlangen, für wichtige Anregungen und die beständige Bereitschaft zum gemeinsamen Nachdenken und Diskutieren. Ich verwende im Folgenden die Begriffe „Diakonie“ und „diakonisches Handeln“ und bezeichne damit, ohne eine konfessionelle Differenzierung vorzunehmen, ganz allgemein eine Grunddimension kirchlichen Handelns. Zum anderen verwende ich die Begriffe, ohne es eigens zu markieren, um damit die konkreten evangelischen Einrichtungen zu beschreiben, die sich von der Corporate-Governance-Thematik herausgefordert sehen. Für diese kann ich mit mehr Einblick sprechen als für die vergleichbaren Einrichtungen der Caritas.
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Sollte die Beobachtung des Arztes realistisch sein – und der große Teil der insgesamt 80 Interviews und vier Fokusgruppen stützt diese Annahme ebenso wie ähnlich gelagerte Forschungen zu den DRGs (vgl. Braun/Müller 2006; Buhr/Klinke 2006; Klinke/Kühn 2004) –, so wirft das gleich ein ganzes Bündel an Fragen für die Gesundheitsversorgung insgesamt auf. Aber auch für die Unternehmen als Dienstleistungserbringer und für ihre Mitarbeitenden sowie für die Patientinnen und Patienten sind damit Herausforderungen von grundsätzlicher Tragweite verbunden. Es stellt sich die moralische Frage, ob und in welchem Maße Dienstleistungsunternehmen im Gesundheitswesen verpflichtet sind, dem Menschen, der hier Hilfe und Heilung sucht, gerecht zu werden. Diese Frage stellt sich mutatis mutandis gegenüber den Mitarbeitenden der Unternehmung. Geht ihre Motivation aus strukturellen Gründen verloren, so hat das weit reichende Folgen für die Qualität und die Effizienz der Leistungserbringung und damit für die Reputation der Organisation. Schließlich sind hiermit auch fachliche (u.a. medizinische, pflegerische) und ökonomische (unternehmerische wie volkswirtschaftliche) Probleme berührt. Für diakonische Einrichtungen kommt es gegenwärtig entscheidend darauf an, eine gute Balance zwischen den nicht immer kompatiblen diakonischen und ökonomischen Ansprüchen zu finden. Das gilt für alle Ebenen der Organisation. Einem Drahtseilakt gleicht diese Balance. Fallen die Einrichtungen auf der einen Seite herunter, drohen sie diakonisch unglaubwürdig zu werden. „Das soll christlich sein?“ heißt es etwa, wenn diakonische Einrichtungen bei Tarifverhandlungen ihr Recht zu einer im Dritten Weg geregelten Vereinbarung nutzen, um unterhalb der Tarife des öffentlichen Dienstes abzuschließen (vgl. Klute/Segbers 2006). Auf der anderen Seite droht ihnen, so argumentieren sie, die ökonomische Handlungsunfähigkeit, die Schließung oder das Aufgehen in größeren, ökonomisch potenteren Einheiten, wenn sie nicht rentabel arbeiten. Diakonische (und caritative) Einrichtungen müssen gerade lernen, im Wettbewerb durch Effizienz, Innovation, kluge Kooperation und ein überzeugendes Profil zu bestehen (vgl. Schuster 2008). Entscheidend wird dabei immer mehr der Zugang zu frischem Kapital, um eben Innovation und Profilierung, die Renovierung von Gebäuden oder Qualifikation von Personal finanzieren zu können (Manzeschke 2007a). Dieser Transformationsprozess geht nicht zuletzt einher mit einem grundlegenden Umbau der Führungsstrukturen und -prozesse. Gute Führung in transparenten, effizienten und effektiven Strukturen ist derzeit gefordert. Corporate Governance könnte man übersetzen mit: gute Führung in guter Ordnung. – Man möchte meinen, das sei eine Selbstverständlichkeit für diakonische Einrichtungen und es bedürfte nicht extra des neudeutschen Vokabulars und der schmerzhaft gewonnenen Einsichten und Selbstverpflichtungen kapitalmarktbasierter Unternehmen, um sich auf diesen Weg zu begeben. Nach zwei Seiten ist hier kritisch zu fragen: Einerseits hinsichtlich der guten Ordnung und guten Führung von diakonischen Einrichtungen: Wie gut sind sie tatsächlich und was können, was müssen sie dazulernen, damit bei ihnen der Mensch weiter oder wieder im Mittelpunkt steht? Andererseits ist nach der Güte und Kompatibilität der Empfehlungen und Leitlinien zu fragen, die jetzt über den Deutschen Corporate Governance Kodex Eingang erhalten und die Führung und Ordnung diakonischer Einrichtungen maßgeblich bestimmen. Zwei Leitfragen gliedern diesen Beitrag:
Welche Bedeutung gewinnt die Corporate Governance mit der Einführung des Governance Kodex der Diakonie (DGK) in den diakonischen Einrichtungen? Was ist aus wirtschaftsethischer, theologischer und diskursanalytischer Perspektive kritisch zum DKG anzumerken?
Corporate Governance in der Diakonie
2.
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Corporate Governance
2.1 Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK) Im Sommer 2001 setzte die Bundesregierung eine Kommission ein mit dem Auftrag, das System der deutschen Unternehmensführung in seinen Stärken auszubauen und seine Defizite zu beheben. Ein öffentlich noch gut erinnerlicher äußerer Anlass hierfür war die Insolvenz der Baufirma Holzmann, bei der der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder medienwirksam und doch erfolglos für den Erhalt der Arbeitsplätze interveniert hatte. Die nach dem heutigen Aufsichtsrat der Thyssen AG benannte Cromme-Kommission legte im Januar 2002 den Deutschen Corporate Governance Kodex vor, der „gesetzliche Vorschriften zur Leitung und Überwachung deutscher börsennotierter Gesellschaften“ sowie „international und national anerkannte Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung“ enthält (DCGK Präambel 2007). Seither wird er jährlich „vor dem Hintergrund nationaler und internationaler Entwicklungen überprüft und bei Bedarf angepasst“ (DCGK Präambel 2007). Das Thema der guten Unternehmensführung ist sehr viel älter als diese Episode (vgl. Schewe 2005, 316ff.), jedoch unterliegt das mit dem Kodex verbundene Thema der moralischen Selbstverpflichtung zu einer guten Unternehmensführung – das „gut“ bezieht sich auf eine moralische und nicht ökonomische Qualität – jüngst einer verstärkten Aufmerksamkeit (vgl. Brink 2006). Eine wichtige Grundlage des Kodexes bildet das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz in Unternehmen (KonTraG) sowie das Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts zu Transparenz, Publizität (TransPuG). Hierin sind Handlungsempfehlungen für börsennotierte Aktiengesellschaften enthalten, die auf eine gute und verantwortliche Unternehmensführung zielen. Kodizes als Formen der Selbstverpflichtung von Einzelnen (Managern, Mitarbeitern) wie von Unternehmen oder Institutionen sind schon seit vielen Jahren in der Diskussion und in der Anwendung. Sie haben eine unterschiedliche Reichweite, einen unterschiedlichen Verpflichtungsgrad und sind mit verschieden harten Sanktionen bewährt (vgl. Brink 2006: 9ff.). Der Deutsche Corporate Governance Kodex selbst bietet keine Übersetzung für den englischen Terminus Corporate Governance. Mögliche Übertragungen lauten: Führungsgrundsätze, Ordnungsrahmen, wertschöpfende Leitung des Unternehmens, materielle Unternehmensverfassung (vgl. Bachert 2006: 28). Corporate Governance lässt sich verstehen „als eine verantwortliche, auf langfristige Wertschöpfung ausgerichtete Unternehmensleitung und -kontrolle“ (Dörner/Orth 2005: 6). Führung und Kontrolle der Organisation mit dem Ziel ihrer langfristigen Existenzsicherung und einem Interessenausgleich zwischen internen und externen Anspruchsgruppen der Organisation ist Ziel der Corporate Governance. Anders als im amerikanischen, stärker am Kapitalmarkt orientierten Modell geht es beim Deutschen Corporate Governance Kodex jedoch mehr um die Regelung der Binnenverhältnisse einer Organisation (vgl. Bachert 2006: 31). Dementsprechend fokussiert der Kodex die Bereiche Führung und Aufsicht, Controlling sowie Risikomanagement.
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Arne Manzeschke
2.2 Aufbau des DCGK Der aktuelle Deutsche Corporate Governance Kodex vom 14. Juni 2007 bietet erstmalig die Möglichkeit, einen Verwaltungsrat einzurichten, was dem anglo-amerikanischen one-tierModell entspricht und eine andere Governance-Struktur im Unternehmen einführt, als es die deutsche Trennung von Aufsichtsrat und Vorstand (two-tier-Modell) vorsieht. Der Kodex soll das deutsche Corporate Governance System transparent und nachvollziehbar machen. Er will das Vertrauen der internationalen und nationalen Anleger, der Kunden, der Mitarbeiter und der Öffentlichkeit in die Leitung und Überwachung deutscher börsennotierter Gesellschaften fördern“ (DCGK 2007, Präambel). Hierzu artikuliert und regelt der Kodex in sieben Punkten
das Grundverständnis des Kodex in der Präambel, die Rechte von Aktionären und Hauptversammlung, das Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichtsrat, die Aufgaben und Zuständigkeiten des Vorstands, die Aufgaben und Zuständigkeiten des Aufsichtsrats, Fragen der Transparenz, Fragen der Rechnungslegung und Abschlussprüfung.
Der Kodex bietet – im deutschen Recht erstmalig – ein so genanntes „Soft Law“; d.h. er stellt selbst kein sanktionierbares Recht dar, sondern verweist auf einschlägige Rechtsquellen und bietet darüber hinaus Empfehlungen und Standards für eine gute Unternehmensführung. Der DCGK ist im § 161 AktG rechtlich verankert. Corporate Governance ist aber kein rechtsfähiger Begriff. Die Juristen Dörner und Orth bringen es meines Erachtens auf den Punkt, wenn sie konstatieren: Der Kodex ist ein „selbstgeschaffene[s] Recht der Wirtschaft“, mit dem in Deutschland eine „Neujustierung des Verhältnisses von staatlichem Ordnungsrahmen und Instrumenten der Selbstregulierung herbeigeführt wird“ (Dörner/Orth 2005: 11). Ich betone diesen Punkt eigens, weil er mir für die spätere Reflexion des Regierens (Governance, gouverner heißt ja auch „regieren“) zentral erscheint. Über die jährliche Rechenschaftspflicht hinaus bezweckt der Kodex vor allem Folgendes:
Eine prospektive Unternehmenskontrolle. Er beschreibt die Kommunikation innerhalb der Organisation und nach außen. Er ordnet Führung und Aufsicht der Organisation im Sinne von Transparenz und Effizienz. Er hat eine Vergewisserungs- und Verdeutlichungsfunktion: Wozu sind wir da? Wie können wir das, was wir machen, besonders gut machen?
2.3 Corporate Governance Kodex der Diakonie (DGK) Bereits die Baums-Kommission, die der Cromme-Kommission vorgearbeitet hatte, wies darauf hin, dass die Grundsätze einer guten Unternehmensführung nicht allein für kapitalmarktorientierte Unternehmungen geltend gemacht werden sollten. Auch alle sozialwirtschaftlichen Unternehmungen und Idealvereine sollten hier einbezogen werden. 2001 notierte die Kommission: „Die Regierungskommission ist gleichwohl [sc. anders als der Ge-
Corporate Governance in der Diakonie
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setzgeber] der Auffassung, dass rechtspolitischer Diskussionsbedarf vor allem hinsichtlich solcher Vereine besteht, die steuerliche Privilegien in Anspruch nehmen, Spenden einsammeln oder als Idealvereine im Rahmen des so genannten Nebenzweckprivilegs als Wirtschaftsunternehmen tätig sind“ (Baums 2001: 6). Versteht man die diakonischen/caritativen Einrichtungen als Dienstleistungsunternehmen, die sich in einem Sozial- oder Wohlfahrtsmarkt als Anbieter positionieren, so lässt sich in der Tat die Mehrzahl der Bestimmungen aus dem DCGK auf diesen Sektor übertragen. Ausnahmen bilden hier allein die kapitalmarktrechtlichen Bestimmungen und das Kapitel über Transparenz. Freilich lässt sich mit guten Gründen argumentieren, dass Not-for-ProfitOrganisationen nicht zwingend der gleichen Unternehmensführung unterliegen müssen, wie kapitalmarktorientierte Unternehmen für Produktionsgüter (vgl. grundlegend Badelt et al. 2007). So lässt sich entgegen der weitgehend akzeptierten Rhetorik mit Fug und Recht danach fragen, ob Kirchen Unternehmungen sind (vgl. Gräb-Schmidt 1999). Entsprechend ist auch zu fragen, ob diakonische Einrichtungen als Unternehmen im kapitalistischen Sinne aufgefasst werden können. Um dies – ansatzweise – zu beantworten, müssen verschiedene Kriterien herangezogen werden. Hierzu zählen: „Privateigentum an Produktionsmitteln, Eigeninteresse und Gewinnmaximierung als die zentralen ökonomischen Anreize, Wettbewerb auf Märkten für Rohmaterialien, Arbeitskräfte und Produkte, Investitionen von Kapital mit dem Ziel, noch mehr Kapital zu gewinnen (Kapitalakkumulation)“ (Voelzkow 2001: 391).
Schon diese Kriterien lassen erkennen, dass diakonische Einrichtungen nur in einem eingeschränkten Sinne als kapitalistische Unternehmen bezeichnet werden können. Es bleibt jedoch in jedem Fall bemerkenswert, wie die Standards kapitalmarktorientierter Unternehmungen via Kodizes nun auch diesen Sektor normieren und formatieren. Auch dies kann als ein Indiz für die Uniformierung der Märkte, die Ökonomisierung immer weiterer Lebenssphären, eine „neoliberale Invasion und Konversion“ (Bourdieu 1998) gewertet werden. Welche Bedeutung und Konsequenzen hat das nun für diakonische Einrichtungen? „Unternehmen, gleich welcher Größe, Rechtsform oder Ertragskraft, die sich einer guten Corporate Governance verschließen, werden auf lange Sicht gegenüber Mitbewerbern weniger erfolgreich sein, die den DCGK umgesetzt haben.“ (Pfitzner/Oser 2003: 8)
Auch wenn die sozial- und idealwirtschaftlichen Unternehmungen per Gesetz nicht verpflichtet sind, sich den Empfehlungen und Standards der Corporate Governance zu unterwerfen, so lässt sich doch eine gewisse „Ausstrahlungswirkung“ des Gesetzes (Bachert 2006: 18) nicht verkennen. Im Oktober 2005 wurde auf der Diakonischen Konferenz in Rummelsberg die Annahme eines Diakonischen Corporate Governance Kodex (DGK) beschlossen. Er richtet sich zunächst an Einrichtungen mit mehr als 50 Vollzeitkräften und einem Jahresumsatz von mehr als zwei Millionen Euro. Kleinere Einrichtungen sind aufgefordert, „den DGK so weit wie möglich anzuwenden“ (DGK 2005, Vorbemerkungen). Der DGK versteht sich „als Regelungswerk, das durch eine Kompetenzabgrenzung der Organe und Vorgaben zur Kommunikation dieser Organe untereinander eine qualifizierte Arbeit der Einrichtung ermöglicht“ (ebd.). Also auch hier werden Empfehlungen mit dem Ziel einer guten Unternehmensführung durch Optimierung und Überwachung der Leitungstätigkeiten der Einrichtungen gegeben. In der Begründung argumentierte Wolfgang Teske, Vizepräsident des Diakonischen Werkes der EKD:
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2.4 Aufbau des DGK Wie der DCGK fokussiert der DGK auf die Bereiche Führung und Aufsicht, Controlling und Risikomanagement, setzt aber als vierten Punkt noch die Arbeit im Verband hinzu. Auch hier sind die anvisierten Ziele ganz ähnlich denen im DCGK:
Transparenz in Prozessen und Strukturen, Garantie der Qualität der Leistungen, Stärkung des Vertrauens in die Leistung der Einrichtung, Optimierung der Kommunikation, Steigerung der Wirtschaftlichkeit.
Letztlich verspricht man sich hiervon eine Stärkung des diakonischen Profils, eine Stärkung des Vertrauens der Stakeholder, ein besseres Rating bei den Banken und schließlich eine bessere Performanz (vgl. DW EKD 2006). Der Ausweis, mit Corporate Governance zu arbeiten, wird – mindestens in der Literatur – immer wieder als Legitimationsbasis für die treuhänderische, gemeinwohlorientierte und idealwirtschaftliche Tätigkeit der Not-forprofit-Organisation angeführt. Als Konsequenzen ergeben sich durch die Anwendung des DGK folgende Veränderungen in den diakonischen Einrichtungen:
Ein duales Führungssystem wird verankert (Vorstand und Aufsichtsgremium). Eine Professionalisierung des Aufsichtsgremiums wird erforderlich – nach einer Professionalisierung des Vorstands, die zumeist in den letzten Jahren bereits erfolgte. Eine Trennung des operativen und strategischen Bereichs wird nötig. Der DGK macht ein eigenes Überwachungs- und Kontrollsystem erforderlich. Die Mitgliederversammlung erhält ein stärkeres Gewicht. Ein einrichtungsspezifisches Leitbild wird erforderlich. Die Offenlegung der Vorstandsbezüge wird erforderlich. Es ergeben sich noch einige offene Fragen für die gemeindenahe, kleine Diakonie.
Bei aller Akkomodation an die Unternehmensführung im For-Profit-Bereich beharren Kirche und Diakonie auf ihrer arbeitsrechtlichen Autonomie. Im Rahmen der Tarifvereinbarungen beschreiten Kirche und Diakonie den so genannten „Dritten Weg“, der es ihnen als Körperschaften des öffentlichen Rechts erlaubt, in eigenen arbeitsrechtlichen Kommissionen, also unter Ausschluss der Gewerkschaften, ihre Tarife auszuhandeln (Grethlein et al. 1994, bes.: 310ff.). Da es bis 2005 eine weitgehende Deckungsgleichheit zwischen im zweiten Weg (Arbeitgeber und Gewerkschaften) ausgehandelten Tarifverträgen (BAT) und kirchlichen Tarifen gab, war das kirchliche Arbeitsrecht weniger Gegenstand gravierender Kritik. Mit dem Ausstieg von Bund und Ländern aus dem BAT und der Überleitung in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TvöD) ist diese Konkordanz nicht mehr gegeben. Die Kirchen wie die Diakonischen Werke haben diese Freiheit zumeist dahingehend verwendet, ihre Beschäftigten unter dem vergleichbaren TvöD-Tarif zu entlohnen. Der öko-
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nomische Druck im Sozialmarkt führt dazu, dass zunächst die Personalkosten reduziert werden. Und hier befinden sich nun die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Kirche und Diakonie in einer schwächeren Verhandlungsposition als die gewerkschaftlich organisierten. Der Hinweis erscheint mir wichtig, weil die Übernahme des Corporate Governance Kodex in der Diakonie als Gegenstand guter Unternehmensführung im Zusammenhang mit diesen arbeitsrechtlichen Verschiebungen gesehen werden muss. Gemeinsam mit dem Corporate Governance Kodex hatte die Diakonische Konferenz 2005 die Übernahme der Richtlinie des Rates der EKD über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit in der Evangelischen Kirche und dem Diakonischen Werk der EKD beschlossen. Diese so genannte Loyalitätsrichtlinie „dient einer klareren Konturierung der Teilhabe diakonischer Einrichtungen und ihrer Mitarbeitenden am Rechtskreis der verfassten Kirche, wie er immer wieder Behörden und Gerichten gegenüber zum Ausdruck gebracht werden muss.“ (DW EKD 2005)
Die Loyalitätsrichtlinie fordert von den Mitarbeitenden in der evangelischen Kirche und der Diakonie grundsätzlich die Zugehörigkeit zu einer evangelischen Kirche. Der „kirchliche Anspruch auf Loyalität unterscheidet sich grundlegend von den herkömmlichen dienstlichen Loyalitätsansprüchen anderer Arbeitgeber und reicht über diese hinaus, denn Kirche ist ja nicht irgendein Dienstgeber“ (DW EKD 2005). Für Kirche hänge ihre Glaubwürdigkeit davon ab, ob ihre Beschäftigten sich mit ihr identifizieren und dies auch nach außen darstellen. „Die Übernahme der Loyalitätsrichtlinie entspricht sowohl dem verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrecht der verfassten Kirche und damit der Diakonie sowie zugleich auch der Gestaltungspflicht der Kirchen.“ (DW EKD 2005)
Betrachtet man die Übernahme des Corporate Governance Kodex in der Diakonie vor dem Hintergrund dieser arbeitsrechtlichen Entwicklungen, so ist bemerkenswert, dass die Diakonie sich einerseits den Formen der Unternehmensführung, wie sie in dem For-ProfitSektor, insbesondere in der kapitalmarktorientierten Unternehmensführung verpflichtend werden, weitgehend annähert. Zugleich beharrt sie aber auch auf der Eigenart ihrer Unternehmensform, indem sie bezüglich des Identifikationsgrades ihrer Mitarbeitenden deutlich mehr Loyalität verlangt und zugleich – wenigstens in ausgegliederten GmbHs – einen niedrigeren Lohn im Vergleich mit ähnlichen Anbietern auszahlt. Außerdem sucht sie den Antagonismus von Arbeit und Kapital, wie er sich in den Tarifauseinandersetzungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften manifestiert, durch eine arbeitsrechtliche Kommission aufzulösen. Für alle Beschäftigten in der Diakonie gelte das Leitbild einer „Dienstgemeinschaft“ (vgl. DW EKD 1997: 5), der sich alle gleichermaßen verpflichtet wüssten; deshalb könne von einem Interessengegensatz hier nicht gesprochen werden. Es ist mir mehr als fraglich, ob Kirche und Diakonie diese gegensätzlichen Ansprüche – hier marktwirtschaftliche Unternehmensführung, dort gemeinwohlorientierte Dienstgemeinschaft – jenseits der Semantik werden durchhalten können (mit Hinweis auf mögliche Reformwege der „Dienstgemeinschaft“ vgl. Jähnichen 2005). Zur guten Unternehmensführung gehörte es meines Erachtens, dass die rechtlich und strukturell verankerten Gegensätze und organisationalen Widersprüche artikuliert und verhandelt werden müssen. Es geht hier um ein Spannungsfeld aus Leitung, Kontrolle und Interessenvertretung, wie es Gerhard Schewe programmatisch als Thema der Unternehmensverfassung identifiziert hat (vgl. Schewe 2005). Für die
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Diakonie (und für die Kirche insgesamt) wird es in Zukunft immer wichtiger werden, diese Konfliktfelder in ihren Organisationen präzise zu beschreiben – also nicht semantisch zu verschleiern – und produktiv zu bearbeiten. Das könnte auch bedeuten, den Gedanken der Dienstgemeinschaft neu – unter den Bedingungen einer Corporate Governance – durchzubuchstabieren. Z.B. ließe sich fragen, wie die Leitung der Einrichtung ihren Mitarbeitenden dienen könnte, damit diese ihren Dienst an der Klientel gut erbringen können?
3.
Empirische Beobachtungen zum Corporate Governance Kodex in der Diakonie (DGK)
Welche Erfahrungen mit Corporate Governance in der Diakonie lassen sich bisher erkennen? Die Frage nach der Empirie erscheint keineswegs überflüssig. Zu einer sinnvollen Beurteilung, was ein Corporate Governance Kodex leistet, kommen wir nicht allein über eine theoretisch-systematische Reflexion seiner Kategorien und Begriffe. Wir müssen seine Leistungen (und seine Defizite) in der konkreten Praxis betrachten und von hier aus zu einer Beurteilung und gegebenenfalls zu Modifikationen seiner Richtlinien kommen. Wie aber ist eine solche konkrete Praxis zu beobachten und zu beurteilen? Zu beobachten ist sie aus sozialwissenschaftlicher Perspektive als empirische Beobachtung und analytische Rekonstruktion dieser Praxis. Zu beurteilen ist sie aus einer sozial- bzw. wirtschaftsethischen Perspektive, indem die Normen des Menschengerechten und Sachgemäßen „unautoritär im Medium argumentierender Vernunft“ (Rich 1991: 103) in Beziehung zur beobachteten Praxis gesetzt werden und diese Praxis kritisch, d.h. unterscheidend beurteilt wird (vgl. insgesamt Rich 1991: 82ff.). „Es gibt keine Sozialethik ‚more geometrico demonstrata’, ein Programm, das Spinoza – vergeblich – seiner Ethik zugrunde legte. Solche Richtlinien sind immer nur auf Grund fundierter, die Erkenntnisse der theoretischen und angewandten Sozialwissenschaft aufnehmenden Analysen gesellschaftlicher bzw. wirtschaftlicher Tatbestände zu gewinnen, und zwar so, daß die Grundkriterien als Beurteilungs- und Entscheidungskriterien in die Analysen eingebracht werden. Insofern ist die Sozialethik in ihrem methodologischen Ansatz entschieden empiriebezogen und empiriebewußt.“ (Rich 1991: 103)
Empiriebezogen und empiriebewusst soll die sozialethische Praxis sein und das Menschengerechte und das Sachgemäße zur Geltung bringen. Wie also kann der Corporate Governance Kodex als Instrument der Einrichtungsführung dazu beitragen, dass diakonische Einrichtungen ihrem Auftrag angemessen nachkommen? Wie trägt der Kodex zu einer sachgemäßen Einrichtungsführung bei, die den Menschen gerecht wird – denen, die in dieser Einrichtung arbeiten, und denjenigen, denen von dieser Einrichtung geholfen werden soll? Und schließlich: Wie trägt beides zum Gemeinwohl in der Gesellschaft bei? Zu einer guten Führung gehört es, dass die diakonischen Einrichtungen ihre Tätigkeit auf Effizienz und Effektivität hin überprüfen. In diesem Sinne ist es meines Erachtens angezeigt, die Einführung, Durchdringung und den Wirkungsgrad der Corporate Governance in diesen Einrichtungen empirisch zu erforschen – sinnvollerweise qualitativ und quantitativ. Das wird zunächst einmal zu mehr Controlling und zu mehr Dokumentationsaufwand führen, was bei manchen Praktikern auf Widerstand stoßen wird. Aber genau darin liegt die Logik solcher Kontrollmechanismen wie der Corporate Governance: Dass sie die Kontrolle selbst noch einmal kontrollieren und so möglichst flächendeckend und differenziert zu einer guten Einrichtungsführung anreizen.
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Welche empirische Evidenz für die Leistungsfähigkeit des Diakonischen Governance Kodex haben wir also? Zunächst einmal sehr wenig, und das nicht nur aufgrund des relativ kurzen Zeitraums, seit dem der Corporate Governance Kodex in diakonischen Einrichtungen eingeführt worden ist. Die geringe empirische Evidenz resultiert auch aus der wenig erkennbaren Neigung, die eigene Praxis, die durch die Governancestrukturen einer Beobachtung und Evaluation unterzogen werden soll, noch einmal einer Beobachtung und Evaluation zweiter Ordnung zu unterziehen. Aus dem Bereich der kapitalmarktorientierten, aktiennotierten Unternehmen liegen erste Evaluationen vor, die belegen, dass Unternehmen mit DCGK bessere Unternehmensergebnisse, insbesondere aufgrund eines besseren Risikomanagement aufweisen (vgl. Dörner/Orth 2003). Allerdings ist die Erforschung des Implementierungs- und Wirkungsgrades von Corporate Governance in den kapitalmarktorientierten Unternehmen noch nicht sehr weit erforscht (vgl. Brink 2006). Für den Bereich der Diakonie liegt noch keine vergleichbare Evaluation vor. Allenfalls lässt sich bisher konstatieren, dass „eine spezifizierte Umsetzung des DGK in den Einrichtungen noch nicht ausreichend“ (Bachert 2006: 33) ist. Das wäre aber die eigentliche Aufgabe bei der Übernahme des Kodexes, dass die Einrichtungen diesen an ihrer jeweils spezifische Organisationsstruktur und Aufgabe ausrichten. Eine Nachfrage beim Diakonischen Werk der EKD ergab, dass hier zwar Fortbildungen in Sachen Corporate Governance angeboten werden, dass aber keine systematische Forschung über die Verbreitung, die Leistungsfähigkeit, die Kosten und den Nutzen der Umsetzung des Corporate Governance Kodex in der Diakonie geplant ist. Interessant erscheinen mir zudem die eher rhapsodischen Eindrücke, die ich mit einer kleinen Umfrage bei mir bekannten Diakonikern gewinnen konnte: Der Begriff Corporate Governance findet allemal Erwähnung in den Geschäftsberichten. Allerdings erklärte mir ein Vorstandsvorsitzender auch, dass in seiner Einrichtung Corporate Governance der Sache nach, aber nicht unter diesem Namen umgesetzt werde. Hintergrund sei die kirchliche Skepsis gegenüber ökonomischen Methoden und Instrumenten. In dem anfangs erwähnten Forschungsprojekt, bei dem ja auch Geschäftsführer interviewt wurden, wurde das Thema Corporate Governance nicht einmal erwähnt. Auch bei einem Beratungsprojekt mit Mitgliedern von Aufsichtsgremien katholischer Träger ist Corporate Governance kein Thema – obwohl die Caritas als Verband wie die Diakonische Konferenz die Einsetzung eines spezifischen Corporate Governance Kodex beschlossen hat. Als eine erste Tendenz lässt sich daraus – ohne tatsächlich eine starke empirische Evidenz zu besitzen – folgende Hypothese formulieren: In Diakonie und Caritas ist das Thema Corporate Governance allenfalls auf einer formal-rhetorischen Ebene angekommen; formal wird ihre Einführung beschlossen, doch zugleich ist das Thema in der Sprache der Ökonomen in den Organisationen nur bedingt vermittelbar. In der praktischen Anwendung der Corporate Governance ist noch nicht klar zu erkennen, ob das Thema primär als eine umzusetzende Vorgabe verstanden wird: Der Markt fordert die Einführung der Corporate Governance; diese verspricht Effizienzgewinne und Wettbewerbsvorteile, also unterwirft man sich nolens volens dem Marktdruck. Oder wird Corporate Governance als Instrument zu einer anderen und besseren Unternehmensführung verstanden und eingesetzt? Hier fehlt eine entsprechende Forschung, um (1) auf diese Fragen antworten zu können und (2) den freigemeinnützigen Einrichtungen ein Orientierungswissen für die unternehmerischen, organisatorischen Entscheidungen an die Hand zu geben.
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Eine entsprechende Forschung müsste besonders beobachten, welche Ausstrahlungswirkung vom Kapitalmarkt auf die Sozialwirtschaft vorliegt, ob etwa beide Wirtschaftsbereiche immer gleichförmiger werden, oder die Sozialwirtschaft in der Lage bleibt, ihr Proprium mit für sie anderen Prioritätensetzungen als die gewinnwirtschaftlichen Unternehmungen durchzuhalten. Es gilt außerdem zu beobachten, ob und wie sich die Ausstrahlungswirkung von den großen auf die kleinen diakonischen Einrichtungen darstellt. Lässt sich der Charakter gemeindenaher Diakonie durchhalten oder geht das in Zukunft nur noch als Mitglied eines großen Verbundes – mit den Vorteilen der Skaleneffekte und des breiten Angebots an Leistungen, aber möglicherweise auch mit dem Verlust der persönlichen Nähe? Das sind prima vista Fragen, die über die unmittelbare Reichweite eines Corporate Governance Kodex hinausführen. Aber, ich meine, er bietet einen guten Anlass, diese Fragen jetzt umso dringlicher zu stellen und empirisch nach Antworten zu suchen. Schließlich bietet eine empirische Erforschung der Corporate Governance in der Diakonie die Chance für wichtige Lern- und Reflexionsschritte. Denn es geht ja nicht einfach um die Umsetzung eines gleichlautenden Kodex für alle Einrichtungen, sondern um die Spezifizierung des Kodexes in einer Balance zwischen einer Vereinheitlichung der Strukturen und Prozesse einerseits, und andererseits dem Rechnung zu tragen, dass diakonisches Handeln konkret bezogen ist auf sehr verschiedene Situationen, in denen man Menschen individuell gerecht werden will.
4.
Theoretische Überlegungen
Die folgenden theoretischen Überlegungen gliedern sich in drei Teile, einen wirtschaftsethischen, einen diakoniewissenschaftlichen und einen Teil, den ich mit Theologie und Diskursanalyse überschreibe.
4.1 Wirtschaftsethische Überlegungen Wirtschaftsethisch betrachtet gehört die Corporate Governance Thematik auf die Mesoebene der Unternehmung. Hierbei geht es zunächst um eine analytische Zuordnung; denn natürlich hat die Corporate-Governance Auswirkungen auf die Mikroebene der unmittelbaren Begegnung von Führungspersonal und Mitarbeitenden bzw. Mitarbeitenden und der Klientel der diakonischen Einrichtung. Umgekehrt kommt das Governance-Thema aus der Makroebene der wirtschaftspolitischen Gesamtsteuerung und die Impulse der einzelnen Unternehmungen gehen in diese Steuerung wiederum ein (zur Mehrebenenanalyse in der Wirtschaftsethik vgl. Enderle 1993: 17ff.; 54ff.). Josef Wieland hat die Programmatik der Corporate Governance unter wirtschaftsethischen Aspekten auf den Punkt gebracht: „Governancestrukturen sind formale und informale Ordnungen zur Steuerung der verschiedenen Codes oder Logiken eines Systems oder einer Organisation, eine Matrix, innerhalb derer distinkte Transaktionen verhandelt und möglichst vollständig durchgeführt werden.“ (Wieland 1999: 46)
Wieland unterscheidet dann zwischen globalen und lokalen Governancestrukturen, was hier aber nicht weiter in Betracht gezogen werden muss. Die moralische Verfassung einer Orga-
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nisation soll nach Wieland nicht von den „moralischen Vorstellungen und Handlungen eines Unternehmers, seiner Führungsmannschaft oder seiner Mitarbeiter“ her verstanden werden; sie muss mehr und „etwas anderes sein [...] als die Summe der moralischen Überzeugungen ihrer Mitglieder“ (Wieland 1999: 47). „Die Governanceethik versteht sich als komparatives Forschungsprogramm, das die Wirkungsweise moralischer Regeln und Werte als endogene Elemente von Governancestrukturen für wirtschaftliche und gesellschaftliche Transaktionen thematisiert und untersucht. Governancestruktur meint hier die Steuerungs- und Kontrollstruktur in Organisationen.“ (Wieland 2003)
Es geht also bei der Corporate Governance um das „Regieren ohne Regierung“ (Bachert 2006: 18), um Selbststeuerung der Unternehmung ohne eine externe Instanz, die das unternehmerische Handeln spezifischen moralischen Imperativen unterziehen könnte. Vielmehr ist es so, dass die Werte und Normen als endogene Elemente der Unternehmungen gewissermaßen erst das hervorbringen, was dann die Selbst-Regierung respektive Governance der Unternehmungen ausmacht. Die Governanceethik nimmt damit Einsichten der Systemtheorie ernst, dass Handeln in komplexen Strukturen, wie sie Unternehmen im Markt darstellen, nicht auf das Handeln von individuellen Akteuren reduziert werden kann, sondern das Zusammenwirken der Vielen in einer Organisation als ein Ergebnis eigener Art verstanden werden muss. Hinzu kommt, dass dieses Handeln immer von den Vorannahmen begleitet ist, die sich ein Handelnder von den Handlungen seiner Gegenüber macht und vice versa. Handlungen sind damit Kooperationshandlungen, die auf unvollständigen Informationen beruhen. Moralisch betrachtet lassen sich solche Handlungen als „Verbundhandlungen“ verstehen, bei denen Verantwortung nicht mehr retrospektiv kausal, sondern prospektiv funktional interpretiert werden muss. Zu Recht weist Bühl jedoch darauf hin, dass moralische Verantwortung in einer systemischen Perspektive nicht in Funktionalität aufgelöst werden dürfe. Vielmehr müsse es darum gehen, beides zusammen zu denken: individuelle Verantwortung und die Zurechenbarkeit von Handlungen in komplexen, systemischen Zusammenhängen, in denen Ursache und Wirkung nicht mehr simplifizierend individuell adressiert und monokausal rekonstruiert werden (vgl. Bühl 1998: 15ff.). Eine Folge dieser Verschiebung ist es, dass die Ethik sich verändert von einer Verursacher- und Schuldethik zu einer „Folgenverantwortungsethik oder einer Ethik der kontinuierlichen Systemsteuerung“ (Bühl 1998: 18). In den Worten von Wieland: „Der systematische Ort der Management-Tugenden ist der Prozeß der Unternehmung, der systematische Ort der Governanceethik ist die Form der Unternehmung.“ (Wieland 1999: 50)
Mit einem anderen Zugang versuchen Brink und andere die moralische Selbstbindung von Einzelnen, insbesondere Managern, in Unternehmen zu denken. Sie sehen die Reichweite der Governanceethik vor allem auf die Regulierung der Unternehmensführung beschränkt und wollen diese durch eine Selbstverpflichtung der Manager über einen eigenen FührungskräfteKodex ergänzen (vgl. Brink 2006; Brink/Tiberius 2005; Brink/Karitzki 2004). Daran ist sicherlich richtig, dass es nicht genügen kann, allein das Unternehmen als große Organisation auf die Einhaltung von Regeln zur guten Unternehmensführung zu verpflichten und das moralische Defektieren allein über eine entsprechende Rahmenordnung ausschließen zu wollen. So gesehen ist es wichtig, auch die Einzelnen als moralische Akteure zu adressieren. Allerdings ist aus den Entwürfen noch nicht ganz ersichtlich, wie der eher systemisch orientierte Blick der Governanceethik mit dem der klassischen Individualethik vermittelt werden soll. Ein
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Addieren der Ethiken erscheint mit nicht möglich, weil beide eine jeweils andere Perspektive auf das Unternehmen voraussetzen. Versteht man beide Ethiken in einem komplementären Verhältnis zueinander, so ist genau dieses Verhältnis noch näher zu bestimmen. Das gilt im gleichen Maße für den Bereich der Diakonie. Hier hat man traditionell sehr stark eine individualethische Perspektive – und eine entsprechende Fixierung auf die Führungsfiguren – eingeübt, die erst in den letzten Jahren allmählich durch eine systemische Perspektive erweitert wird (vgl. Heller/Krobath 2003; Schuster 2008). Ein weiteres Merkmal der Governanceethik ist es, dass mit ihr die Moral nicht erst außerhalb des Marktgeschehens gesucht und von außen an dieses herangetragen wird, sondern Moral immer schon als dem ökonomischen Handeln selbst inhärent verstanden wird. So gesehen ist der Hinweis auf die notwendige Selbststeuerung einer Organisation sicher in der Hinsicht berechtigt, dass in der Einrichtung selbst das entsprechende Know-How über Produktion, Distribution und Kundschaft vorhanden ist, und die organisational eingespielten Regeln, Werte und Normen hier am besten bekannt sind. Insofern handelt es sich tatsächlich um eine Selbstregulierung, bei der immer wieder neu und gemeinsam exploriert wird, was es denn ist, was die Unternehmung leitet. Wieland schließt hier an Einsichten der Neuen Institutionenökonomik an, wenn er formuliert, Moralanwendungen in der globalen Wirtschaft führten „in den Bereich der Governanceethik als deskriptiver und kontextueller Ethik“ (Wieland 1999: 23). Danach werde Moral in der Ökonomie in dem Maße berücksichtigt, wie sie das Wirtschaften selbst tangiert. „In dieser Perspektive ist Moral ein mit sich selbst identisches Element in der Wirtschaft, aber kein Element der Wirtschaft. Die funktionalistische Trennung von Moral und Ökonomie wird durchgehalten, und gerade deshalb kann gezeigt werden, daß Moral in der Wirtschaft ein Parameter ist, der dann positiv zählt, wenn er nicht ausschließlich strategisch eingesetzt wird.“ (Wieland 1999: 23)
Da aber Entscheidungen in der Wirtschaft nicht allein auf moralischen Regeln beruhen könnten, sondern andere Handlungsbeschränkungen wie Technik, Recht, Psychologie ebenfalls einbezogen werden müssten, sei die Governanceethik durch zwei Merkmale charakterisiert: Erstens gehen moralische Regeln in ihr funktional gleichberechtigt neben anderen Handlungsbeschränkungen in die Entscheidung ein. Ein Primat der Moral könne allenfalls noch behauptet, aber praktisch nicht mehr durchgesetzt werden (Wieland 1999: 25). Zweitens müssten moralischer Begründungs- und Anwendungsdiskurs strikt getrennt werden: „Zusammenfassend und pointiert: Die Begründung moralischer Regeln und Werte ist die Aufgabe der Philosophie und Theologie. In der Wirtschaft, vor allem in der Unternehmung generieren moralische Regeln und Werte kein universalistisches Begründungs-, sondern ein lokales Entscheidungsproblem.“ (Wieland 1999: 24f.)
Von wirtschaftsethischer Seite ist weitergehend genau zu reflektieren, wie das Programm der Governanceethik die Spezifika diakonischer Einrichtungen wahrzunehmen vermag. Das gilt in besonderem Maße für die hier anzutreffenden asymmetrischen Beziehungen. Die Klientel der Diakonie ist fachlich, menschlich und nicht zuletzt auch ökonomisch abhängig. Das verlangt einen sorgsamen Umgang mit den darin häufig verborgenen Machtseiten. Die Neue Institutionenökonomik ist nicht genuin für diakonische Einrichtungen erfunden worden, aber sie nimmt die Interessenkonflikte und Asymmetrien zwischen denen, die Leistungen erbringen, und denen, die sie in Anspruch nehmen, deutlicher in den Blick als alle neoklassischen Ansätze. Schon 1963 hat der Philosoph Hans Albert der Neuen Institutionenökonomik attestiert, dass sie mit ihrem marktsoziologischen Ansatz der Realität des
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Marktes und den sozialen Beziehungen zwischen den dort handelnden Akteuren deutlich näher kommt als die modellplatonischen Ansätze der Neoklassik (Albert 1965: bes. 417ff.), die, wie Kenneth Boulding einmal spottete, an die „unbefleckte Empfängnis der Indifferenzkurve“ glaubten – will sagen: Ihre ökonomischen Annahmen und Modelle mögen zwar sehr elegant wirken, aber sie werden der menschlichen und marktlichen Realität kaum gerecht. Schärfer noch ist die Kritik des Wirtschaftsethikers Peter Ulrich: „Gewiss mögen die Vertreter dieser fast allen Gesichtspunkten konkreter Lebensdienlichkeit eigentümlich entfremdeten Disziplin [sc. die Wirtschaftswissenschaftler einer mainstream-economics] sich als Bürger ebenso Sorgen machen über die Entwicklung der real existierenden Marktwirtschaft(en) wie andere nachdenkliche Zeitgenossen; gleichwohl sind sie als ‚Sachverständige’ aus pragmatischen Gründen kaum mehr in der Lage, zu dem immer offenkundiger werdenden Auseinanderfallen der anonymen, aber oft merkwürdig parteilich wirkenden ökonomischen Sachlogik einerseits und der ethischen Logik der (Zwischen-) Menschlichkeit andererseits viel Vernünftiges zu sagen. [...] Denn sie [s.c. die mainstream economics] modelliert nur die ‚eigensinnige’ Funktionslogik des ins Reine gedachten marktwirtschaftlichen Systems und versucht daher in aller Regel, die ethisch praktischen Probleme der gesellschaftlichen Ökonomie in nichts als ökonomischer ‚Systemrationalität’ aufzuheben. Wo humane Bedürfnisse oder gesellschaftliche Anliegen sich in der abstrakten Funktionslogik des marktwirtschaftlichen Systems nicht angemessen zur Geltung bringen lassen oder ihr gar prinzipiell widersprechen, argumentiert die ‚reine’ Ökonomik daher oft genug – und ohne ihren eigenen normativen Standpunkt zu reflektieren – gegen noch so unmittelbare Ansprüche an die Menschlichkeit und Lebensdienlichkeit der gesellschaftlichen Wirtschaftspraxis.“ (Ulrich 2001: 12)
Ulrichs Kritik macht im Anschluss an die von Albert deutlich, dass die mittlerweile im mainstream angekommene Neue Institutionenökonomik auch nicht gefeit ist vor Weltfremdheit, dass auch sie der Verführung zu eleganten, aber nicht unbedingt realistischen Theorien erliegen kann. Auch ihr stärker soziologisch orientierter Ansatz bewahrt sie nicht vor Reduktionen und Abstraktionen, die sich fatal auf die ökonomische Praxis auswirken können. Gerade im Bereich diakonischer Arbeit, wo Menschlichkeit und Lebensdienlichkeit Ausgangs- und Zielpunkt aller Bemühungen sind, sollte diese Problematik hinreichend berücksichtigt werden. Die Neue Institutionenökonomik versucht über drei unterschiedlich akzentuierte Ansätze die Interessendifferenzen und Informationsasymmetrien zwischen Vertragspartnern durch systematische Kommunikations- und Kontrollformen zu kompensieren: Property Rights-Ansatz, Transaktionskostenanalyse und Prinzipal-Agenten-Theorie (vgl. Schewe 2005: bes. 45–63). Für die Governance-Thematik ist besonders Letztere wichtig geworden. Die Prinzipal-Agenten-Theorie bietet einen Ansatz, um das Handeln von Not-for-ProfitOrganisationen zu verstehen, und zwar als eine treuhänderische Funktion für die Gemeinschaft im Sinne des Subsidiaritätsprinzips (vgl. Bachert 2006: 42). Die Agenturtheorie, wie sie auch genannt wird, geht davon aus, dass die Informationen zwischen Prinzipal und Agent ungleich verteilt sind und der Agent seinen Informationsvorsprung zum Nachteil des Prinzipals ausnutzen könnte. Umgekehrt könnte der Prinzipal versuchen, seine Agenturkosten (Kontrolle des Agenten, Vertragsgestaltung, Informationsbeschaffung u.a.) zu minimieren. Die Theorie bietet entsprechende Analyseverfahren, um diese Konstellationen hinsichtlich ihrer ökonomischen Konsequenzen zu verstehen und produktiv zu gestalten. Der Corporate Governance Kodex gibt durch seine Regulierungen gewisse Standards für die Unternehmensführung vor und dürfte damit die Entscheidungsoptionen präziser fassen und die Agenturkosten minimieren.
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Allerdings wird man kritisch berücksichtigen müssen, dass die Interaktionsstruktur zwischen diakonischem Personal einerseits und ihrer Klientel andererseits nur bedingt als eine Kooperation im institutionenökonomischen Sinne verstanden werden kann. Zu Recht weist Wieland darauf hin, dass die Transaktionskosten-Ökonomik den Prozess, der vor der eigentlichen Transaktion (Tausch) liegt, also Anbahnungs-, Durchführungs- und Kontrollkosten systematisch berücksichtigt und deshalb auch präziser als andere ökonomische Theorien die Kooperation von Akteuren in Tauschgeschäften verstehen lässt (vgl. Wieland 1999: 30ff.). Da er die „Ethik der Governance“ aber vor allem aus der Perspektive der Unternehmung als ein organisationales Handeln reflektiert, kommt nicht hinreichend in den Blick, inwiefern die strukturelle Abhängigkeit der Klientel von der diakonischen Organisation eine andere Form der Kooperation generiert. Auch verdeckt eine ‚einfache’ Agenturtheorie, dass das komplexere Verhältnis von Leistungserbringer, Leistungsnehmer und Leistungsträger im diakonischen Handeln eine ‚doppelte’ Prinzipal-Agenten-Theorie erfordert. Hier sind meines Erachtens die Reflexionen hinsichtlich der spezifischen Eigenart von diakonischen Organisationen/Einrichtungen/Unternehmungen/Institutionen – die Wortreihe soll die Unentschiedenheit und Polyvalenz diakonischer Einrichtung in der Selbst- wie Fremdwahrnehmung anzeigen – noch nicht befriedigend durchgeführt worden. Die Prinzipal-Agenten-Theorie sucht nach Regelungswerken, mit denen der Agent angereizt wird, die genuinen Interessen des Prinzipals zu verfolgen und ihm nicht aufgrund seines Informationsvorsprungs Schaden anzutun (kritisch hierzu Schewe 2005: 56ff.). Aber auch diese Anreizsystematik, das Kontrollwerk der Prinzipal-Agenten-Theorie, bietet keine Gewähr gegen hypertrophe Rationalisierung und Übersteuerung des Systems. Betrachten wir die Governance-Thematik in der Diakonie vor dem Hintergrund der sie fundierenden Theorie, so ergeben sich aus wirtschaftsethischer Perspektive einige kritische Überlegungen:
Not-for-Profit-Unternehmen müssen zwar auch Gewinne machen, um Rücklagen zu bilden und um investieren zu können, aber sie haben primär keine monistische Zielorientierung. In welchem Maße lässt sich die Selbstregulierung aus endogenen Normen und Werten profit-orientierter Unternehmen auf Not-for-Profit-Unternehmen übertragen? Bleibt hier genügend Raum für eigene (diakonische) Werte und Normen, oder ist die „Ausstrahlungswirkung“ der profit-orientierten Steuerungselemente doch stärker und überformt das diakonische Profil? Kooperationen und Fusionen verändern die Unternehmenslandschaft derzeit massiv. Viele Einrichtungen haben wenig Erfahrung im Umgang mit Konkurrenz im Markt. Hier besteht ein großer Bedarf an (ökonomischer) Steuerung. Damit erklärt sich teilweise auch der Bedeutungszuwachs der Governance-Thematik. Gerade die mangelnde Erfahrung mit dieser Steuerungsform birgt die Gefahr, ‘mehr vom Gleichen’ zu tun und lediglich die Steuerungsformen der For-Profit-Unternehmen zu reproduzieren und gerade keine spezifische Governance zu entwickeln. So lässt sich z.B. das Verhältnis von Leistungserbringer, Leistungsnehmer und Leistungsträger im sozialpolitischen Dreieck als eine doppelte Prinzipal-Agenten-Struktur konstruieren, was die Adaption von Corporate-Governance in diakonischen Einrichtungen noch einmal anspruchsvoller macht und eine entsprechende, noch zu erbringende Reflexion erfordert.
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Der normative Eintrag, der mit der Prinzipal-Agenten-Theorie durch das zugrunde liegende Menschenbild gemacht wird, müsste sehr viel stärker und kritischer reflektiert werden, als das bisher der Fall ist (vgl. Schewe 2005: 59). Das gilt in verstärktem Sinne für Patientinnen und Patienten sowie Bewohnerinnen und Bewohner in diakonischen Einrichtungen, die keinesfalls rationale Akteure im Sinne des homo-oeconomicus-Modells sind. Damit aber fällt eine zentrale Prämisse der Prinzipal-Agenten-Theorie fort. Auch das bedarf eigener ökonomischer, diakonischer und ethischer Überlegungen und einer eigenständigen Praxis.
Mit den bisherigen Überlegungen lässt sich der Governance Kodex der Diakonie vorläufig beurteilen. Als problematisch wird man ansehen müssen, wenn der Kodex lediglich als Marke zur Image-Verbesserung ohne inhaltliche Substanz dient. Hier besteht die Gefahr, Allgemeinplätze zu verbreiten, die das diakonische Profil schwächen und die Frage provozieren, warum es dann noch solche Einrichtungen braucht. Umgekehrt leidet das Image der Einrichtung, wenn gegen den selbst auferlegten und nach innen und außen kommunizierten Kodex verstoßen wird. Die Ökonomen sprechen hier vom Reputationspfand, das verloren werden kann (vgl. Wieland 1999: 36). Auch lässt sich bisher eine mangelnde Akzeptanz unter den Mitarbeitern und Stakeholdern feststellen. Das sind möglicherweise Anlaufschwierigkeiten, aber um das genauer beurteilen zu können, müsste die Implementierung der Corporate Governance begleitend erforscht werden. Kritisch muss in diesem Zusammenhang bedacht werden, ob und in welchem Maße das Proprium diakonischen Handelns als eine Marke kommuniziert werden kann und soll. Marken sind nicht zuletzt an ihren emotionalen Gehalt gebunden, der in der Warenwelt heute häufig als der tatsächliche Unterschied gilt. Vom Inhalt oder von der Qualität unterscheiden sich die Marken häufig weniger als durch ihre spezifische emotionale Besetzung, mit der eine bestimmte Konsumentenschicht gezielt angesprochen werden soll. Es ist meines Erachtens eine zentrale Entscheidung, wenn Diakonie sich für Marketing, also für die Darstellung der Organisation/Institution Diakonie als eine Marke entscheidet. Die Diakonie unterwirft sich damit gewissen Gesetzlichkeiten des Marketings, die es schwerer machen dürften, den Auftrag der Diakonie so zur Geltung zu bringen, dass er nicht auf den emotionalen oder ästhetischen Gehalt einer Marke reduziert wird. Als Vorzüge des Kodex lassen sich nennen: Der DGK erfüllt eine Benchmark- und Vorbildfunktion. Damit kann er zu einem Wettbewerb um kreative und effiziente Formen der Leistungserbringung beitragen. Darüber hinaus stellt er das Besondere einer Unternehmung oder Einrichtung heraus und macht sie als Träger einer Marke besonders erkennbar und ansprechbar. Das bedeutet dann unter Umständen eine gesteigerte Attraktivität auch für andere Stakeholder, die sich dann an der Einrichtung mit Geld oder Engagement (Ehrenamtliche!) beteiligen wollen. Der DGK kann so die Identität der Einrichtung und die Identifizierung mit ihr stärken.
4.2 Diakoniewissenschaftliche Überlegungen David Lohmann hat in seinem bereits in zweiter Auflage erschienen Bielefelder DiakonieManagement-Modell vermerkt: „Diakonisches Management wird durch die Integration theologischer und betriebswirtschaftlicher Aspekte zu einer Gesamtperspektive und durch die Zentrierung auf eine theologische Sinnmitte definiert“ (Lohmann 1998: 163). Nun
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macht eine Definition noch nicht das Ganze der Theorie aus und die Praxis ist noch einmal etwas Eigenes. Gleichwohl ist fraglich, ob eine solche Definition reicht. Wie ist es mit den vielen anderen Fächern, Disziplinen und Wissenschaften, die im diakonischen Handeln relevant werden? Die Fachlichkeit diakonischen Handelns ist mittlerweile so differenziert und spezialisiert, dass das verschiedene Wissen der vielen Professionen Eingang finden muss in das diakonische Management. Dieses darf sich nicht auf zwei Kernfächer, Ökonomie für die Außenbedingungen und Theologie für die Sinnmitte, beschränken. Ein Grundsatz der Organisationsentwicklung lautet: Was nicht in die Strukturen eingeht, wird nicht organisiert. Es stellt sich also die Frage, wie die Fachlichkeit des diakonischen Handelns strukturell aufgehoben werden soll, damit sie organisiert und gemanagt werden kann. Vom Wortsinn her meint Diakonie „auf der einen Seite alltägliches praktisches Handeln im Sinne der Nächstenliebe, und dient auf der anderen Seite dazu, das die Kirche begründende Handeln Jesu bzw. seines Apostels zu qualifizieren“ (Bartmann 2006: Sp. 368). Hilfe für andere ist aber keine genuin christliche Tat. Sie findet sich in allen Religionen und ebenso im areligiösen Humanismus. Anderen zu helfen, wie es etwa der barmherzige Samariter im Gleichnis Jesu (Lk 10: 25-37) tut, ist weder an bestimmte Professionen noch an bestimmte ideologische Voraussetzungen gebunden. Sie ist, wie der Ethiker Knud Ejler Løgstrup formuliert hat, eine „souveräne Lebensentscheidung“ (Løgstrup 1989: 6ff.) des Menschen. Daraus folgt aber, dass Diakonie über das Helfen als solches keine unverwechselbare Identität gewinnen kann, die sie eindeutig identifizierbar von anderen unterscheidet, die auch helfen wollen und helfen können (vgl. Manzeschke 2007b). Ökonomisch gesprochen verfügt die Diakonie hier über kein Alleinstellungsmerkmal. Sehr wohl könnte sie aber darauf verweisen, dass die Motivation (Begründungsdiskurs), die diakonischem Helfen zugrunde liegt, eine spezifische ist. Problematisch an einem solchen Hinweis ist jedoch, dass die Motivation prinzipiell bezweifelt werden kann – wer vermag schon die wahre Motivation anderer zu erkennen – und im Alltag nur wenige interessieren wird, solange die Hilfeleistung als solche stimmt. Souverän ist die Entscheidung zu helfen, so Løgstrup, weil es hierfür keine Letztbegründung geben kann. Die im helfenden Handeln zum Ausdruck kommenden Werte und Normen lassen sich nicht logisch und für alle gleichermaßen überzeugend demonstrieren. Zu denken wäre hierbei etwa an die Evidenz des Augenscheins, wie sie Hans Jonas in seinem Prinzip Verantwortung beschrieben hat (vgl. Jonas 2003: bes. 184ff.), oder an die Geiselnahme durch den Anderen, wie sie Emmanuel Levinas eindrücklich formuliert hat (vgl. Levinas 1983: bes. 281ff.). Der diakonische Anspruch, anwaltschaftlich für all jene zu sprechen und zu handeln, die dazu nicht oder nur eingeschränkt in der Lage sind, der mit dem Auftrag Jesu zur Nachfolge begründet wird, kann als allgemeine und letzte Begründung nicht gelten. Bezogen auf Wielands Unterscheidung von Begründungs- und Entscheidungsdiskurs in der Governanceethik muss also das Urteil lauten, dass die Diakonie im Begründungsdiskurs keine Argumente bietet, die jenseits der Diakonie unmittelbar Geltung beanspruchen können. Gleichwohl bleibt es eine Herausforderung für die Diakonie, die Gründe ihres Handelns auch für nicht christlich denkende Menschen plausibel zu machen. Bleibt der Entscheidungsdiskurs und die Frage, ob diakonisches Helfen ein spezifisches Argument bieten kann, welches einmal die Entscheidung für die Hilfe als solche und zweitens die Frage nach der konkreten Form der Hilfe orientiert. Gerade auf dieser Ebene tut sich die Diakonie derzeit sehr schwer, das Genuine des diakonischen Handelns zu artikulieren und den diakonischen Anspruch mit den ökonomischen Forderungen in eine nach
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innen und außen überzeugende Ausgewogenheit zu bringen. Die „Ökonomisierung der Diakonie“ scheint zu einer „Kulturwende im Krankenhaus und bei sozialen Einrichtungen“ (Ulshöfer et al. 2004) zu führen, die den Charakter diakonischer Einrichtungen nachhaltig in Frage stellt und wohl auch verändert. Rekonstruiert man diakonisches Handeln als soziales Handeln, so bleibt es verwechselbar mit allem anderen Hilfehandeln. Theologisch gesprochen hat es Teil an der Verborgenheit Gottes in dieser Welt. Luther hat von den „Larven“ und dem „Mummenschanz“ gesprochen, unter denen sich Gottes Handeln in dieser Welt entfaltet (vgl. Luther 1970, WA 40, I: 174). Es ist das menschliche Handeln, das in guten Werken die Frucht des Glaubens zur Welt bringt, aber als solches immer auch verwechselbar und uneindeutig bleibt – für den, der dieses Handeln nicht im Glauben wahrnimmt. Luther sagt in seiner Auslegung des Galaterbriefs von 1519 zu Gal 2,3ff. (es geht um die Beschneidung der Heidenchristen, die mit diesem ‚guten Werk’ ihren Gehorsam gegenüber Gott und dem mosaischen Gesetz demonstrieren sollen), dass die guten Werke sponte et hilariter aus der ins Werk gesetzten Liebe erwachsen (Luther 1966, WA 2: 478). Spontan und freiwillig sollen die guten Werke geschehen, nicht durch Gewissenszwang und äußere Gesetze. Luther opponiert hiermit gegen eine Gesetzestreue und Werkgerechtigkeit, gegen die er die Freiheit vom Gesetz und zu den guten Werken reklamiert. Nun kann aber eine diakonische Einrichtung nicht darauf bauen, dass sich immer rechtzeitig und genügend barmherzige Samariter finden, die den unter die Räuber Gefallenen und den anderen Bedürftigen in dieser Gesellschaft unter die Arme greifen und für ihre Pflege sorgen. Die guten Werke bedürfen einer guten Ordnung, damit sie realisiert werden können. Die Diakonie ist vielleicht mehr als andere darauf angewiesen, dass eine gute Ordnung es ermöglicht, dass diakonische Arbeit in einer für die Klienten sicheren Erwartbarkeit stattfinden kann und zugleich einen Raum für die Spontaneität und Freiwilligkeit dieser guten Werke lässt, die sich eben nicht durch Gesetze und Gesetzmäßigkeiten stratifizieren lassen. Diese institutionalisierte gute Ordnung muss sich an ihrem Ziel, der Verkündigung des Evangeliums in Wort und Tat, messen lassen. Sie muss der tätigen Liebe Raum geben, damit sie sich darin frei und spontan entfalten kann. D.h., diese institutionalisierte Ordnung kann die Liebe und die guten Werke nicht schaffen, aber sie bietet eine strukturelle Orientierung, die das ermöglicht und zugleich über sich hinausweist. Ähnliches macht Paulus für die Gemeindeordnung in Korinth geltend: Die Charismen bestehen nicht für sich selbst, sie müssen in eine gemeinsame Ordnung eingefügt werden, damit alle davon profitieren und auferbaut werden können (1Kor 10,23; 14, 4.17).
4.3 Theologische und diskursanalytische Überlegungen Was sich im diakoniewissenschaftlichen Teil bereits als theologische Reflexion ankündigte, soll hier auf der Ebene der Institution und der Regierung in einer institutionellen Ordnung weiter bedacht werden.3 Ohne hier die ganze Theorie der systemtheoretisch konzipierten 3
Wenn ich hier den Begriff Ordnung verwende, so will ich damit nicht auf das Theologumenon der göttlichen Ordnungen zurückgreifen, wie es in der Theologie des 20. Jahrhunderts immer wieder Verwendung gefunden hat. Ich bevorzuge mit Artur Rich (1991) den für menschliche Gestaltung offeneren Begriff der Institution, den-
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Governanceethik diskutieren zu können, scheint mir doch eine Frage hinsichtlich der Corporate Governance in diakonischen Einrichtungen besonders dringlich zu sein: Lassen sich in diakonischen Einrichtungen Begründungs- und Entscheidungsdiskurs so klar voneinander trennen, wenn das, was Wieland in Anlehnung an Jon Elster als „Herstellung lokaler Gerechtigkeit“ (Wieland 1999: 23) im Entscheidungsdiskurs bezeichnet, ganz unmittelbar auf den Begründungsdiskurs verweist? Könnte es sein, dass in diakonischen Einrichtungen der Begründungsdiskurs und die aus ihm resultierenden Elemente im Entscheidungsdiskurs eine stärkere, nicht funktional gleichwertige Berücksichtigung finden müssten, als es in ‚normalen’ Unternehmungen der Fall ist? Dieser Primat, oder – etwas schwächer – Vorzug, resultiert meines Erachtens daraus, dass diakonische Einrichtungen bei aller Unternehmensförmigkeit eben nicht allein und nicht in erster Linie Unternehmen sind, sondern Institutionen im theologischen Sinne. D.h., sie verdanken ihre Existenz und Persistenz nicht ihrer eigenen strategischen Selbstsicherung in einer menschlichen Ordnung wie z.B. einem Markt, sondern dem schöpferischen und erhaltenden Handeln Gottes. Das Erhaltungshandeln Gottes wird in der theologischen Dogmatik als gubernatio diskutiert. Alles was ist, verdankt sich Gottes ursprünglicher (creatio) und erhaltender Schöpfung (gubernatio). In der erhaltenden Schöpfung soll die Gegenwart Gottes im aktuellen welthaften Geschehen gedacht werden. Hintergrund dieser Denkfigur ist eine metaphysische Ontologie, die so nicht mehr erschwinglich ist. Gleichwohl besteht die theologische Aufgabe nach wie vor, Gottes lebendige Gegenwart als eine erhaltende Schöpfermacht in den Wirklichkeitsstrukturen unserer Welt zu denken und ihre Konsequenzen zur Geltung zu bringen. Dies scheint mir für eine theologisch informierte und fundierte Corporate Governance in diakonischen Einrichtungen eine fundamentale Herausforderung zu sein. Governance ist sprachlich verwandt mit und verweist auf die gubernatio Dei. In den jeweiligen Ordnungen wird regiert. Auch Schleiermacher weiß um die Bedeutung der Regierung und ihrer jeweiligen Ordnung für die Kirche – die Kybernetik, die Führungslehre von der Kirche hängt ebenfalls sprachlich und sachlich eng zusammen mit der gubernatio und der Governance (vgl. Schleiermacher o.J.: bes. 99ff.). Wie also soll die Regierung aussehen, in welcher Ordnung muss sie sich vollziehen, damit sie für die diakonischen Einrichtungen zielführend, sachgemäß und menschengerecht ist? Die Governance-Struktur lässt sich als eine Ordnung um des Evangeliums willen verstehen – als solche muss sie dann vom Verband und den einzelnen Einrichtungen ausgestaltet werden. Wieland weist in seiner Governanceethik auf die endogenen Normen und Werte hin, die das Regieren oder Selbststeuern der Unternehmung bestimmen. Diesen Hinweis gilt es meines Erachtens ernst zu nehmen und theologisch zu fragen, um welche Normen und Werte es sich im Bereich diakonischer Einrichtungen handelt. Eine weitere und nötige Rückfrage an die Governanceethik und an das Konzept der Corporate Governance ergibt sich aus der theologischen Überlegung, dass die guten Werke nicht primär aus guten Begründungen oder guten Entscheidungen leben, sondern aus einer Ökonomie der Barmherzigkeit Gottes. Das bedeutet nicht, dass gute Begründungen und gute Entscheidungen für ein Handeln in diakonischen Einrichtungen irrelevant wären. Keike hierbei das „institutum est“ aus CA 5 mit und möchte damit auf die Mehrwertigkeit des Ordnungs- bzw. Institutionsbegriffs aufmerksam machen: Beide müssen jeweils für das göttliche und das menschliche Handeln in verschränkter und gleichwohl unterscheidbarer Weise offen bleiben.
Corporate Governance in der Diakonie
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neswegs. Jedoch gründen diese Begründungen und Entscheidungen in einem göttlichen Handeln, dass sich etwa in der Weisung aus dem Epheserbrief artikuliert: „Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen.“ (Eph 2,10)
Kritisch will ich hier anfügen, dass „Regieren ohne zentrale Durchsetzungsgewalt“ Fragen aufwirft. Wie ist theologisch eine göttliche Regierung (gubernatio Dei) ohne Gott zu denken? Wie artikuliert die Diakonie die „göttliche Governance“ in Begriffen, die einmal dem Anspruch nach einer theologisch verantworteten Rede von Gott gerecht wird und von Mitarbeitenden wie der Klientel verstanden wird? Zweitens: Wie plausibilisiert sie diese „göttliche Governance“ gegenüber einem Sozial- oder Kapitalmarkt, dem der Begriff „Gott“ eine Leerformel sein muss, dem die Diakonie gleichwohl Rechenschaft über ihre Unternehmensform und Einrichtungsführung ablegen will und muss? Michel Foucault hat in seinem Projekt der Gouvernementalität die Governance als eine Genealogie der Regierungstechniken beschrieben, in deren Verlauf wir immer stärker die ehedem äußeren Anreiz- und Kontrollmechanismen verinnerlicht haben (Foucault 2004a, 2004b, 2000). Das ist keinesfalls nur ein Freiheitsgewinn, weil Stechuhr oder Aufseher nicht mehr hinter uns stehen. Es ist bei dieser Frage, wie wir uns – als Einzelne und als Gesellschaft – selbst regieren, immer auch zu fragen, ob und wie wir uns dabei nicht auch verlieren. Verlieren in einer immer stärker rational gestalteten Welt, die allenfalls bürokratisch auf unsere Existenz zu reagieren vermag und der Individualität und Freiheit – Spontaneität und Freiwilligkeit – immer weniger Raum geben mag. Diese Bürokratisierung, Kontroll- und Steuerungshybris schlägt uns auch in der Governance-Thematik entgegen. Wir entkommen ihr nicht einfach, aber wir müssen um sie wissen, um mit ihr sinnvoll umgehen zu können. Es geht nicht um ein „Heroisches Management“, wie Dirk Baecker das genannt hat (Baecker 1994), also die Reinszenierung des charismatischen Führers. Es geht auch nicht um Resignation angesichts des „stählernen Gehäuses der Hörigkeit“, mit dem Max Weber unsere rationale und entzauberte Welt charakterisiert hat. Sondern es geht um kritische und durchaus auch subversive Strategien (Elster 1987), mit denen wir in der Diakonie dem eigenen Auftrag mit guter Führung in guter Ordnung nachkommen.
5.
Ausblick
Ich halte dafür, dass Corporate Governance in der Diakonie ein multidisziplinäres und multiperspektivisches Projekt darstellt. Es bedeutet eine Einladung an alle Beteiligten, darüber zu beraten, wie gute Ordnung und gute Führung aussehen sollen, um den guten Werken einen Ermöglichungsraum zu schaffen. Insofern geht es um ein gemeinsames Sich-SelbstRegieren im Raum des erhaltenden Schaffens Gottes. Das bedeutet jedoch nicht, dass es keine Führung und keine Geführten mehr gibt. Das zu glauben, wäre meines Erachtens naiv. Aber gute Führung, gute Governance funktioniert nur im Zusammenspiel, in der Autorisierung der Führung durch die Geführten und in der gemeinsamen Beratung, was zusammen erarbeitet werden soll. Das Management „managed“ nicht allein, läuft es doch so Gefahr, in einer unfruchtbaren Expertokratie zu enden – das wissen wir von Ivan Illich (Illich 1974).
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Arne Manzeschke
Anzustreben ist die Entwicklung und Verabschiedung eines spezifischen Corporate Governance Kodex für kirchliche Einrichtungen – idealerweise in ökumenischer Zusammenarbeit. Das könnte dann die Basis bieten für die Entwicklung eines Professionalisierungskonzeptes im Bereich der Führungskräfte diakonischer Einrichtungen. Last but not least könnte ein solches Projekt eine wunderbare Reflexionsarena sein, um gemeinsam die Grundlagen einer diakonisch durchgebildeten Ökonomie zu erarbeiten und umzusetzen. Das alles, damit der Mensch im Mittelpunkt bleibt.
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Corporate Governance in der Diakonie
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Arne Manzeschke
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Führung in Wohlfahrtsverbänden1 Georg Cremer
1.
Verbände sind keine Konzerne
Führung in Wohlfahrtsverbänden findet in einer historisch gewachsenen Struktur statt, Führungshandeln muss diese strukturellen Besonderheiten akzeptieren und zielt gleichzeitig auf deren Gestaltung und Veränderung. Das Führungshandeln in den Wohlfahrtsverbänden unterscheidet sich vom Führungshandeln in hierarchisch gegliederten Großorganisationen etwa im industriellen Bereich. Ein Wohlfahrtsverband wie der Deutsche Caritasverband ist ein Verband aus rechtlich selbständigen Trägern mit eigenständig handelnden Führungsgremien. Deren Sichtweisen, Ziele und Interessen sind natürlich nicht immer identisch mit denjenigen der Verbandsleitung. Ob und inwieweit sie das Handeln des Verbandes unterstützen, etwa durch die Mitwirkung bei politischen Kampagnen oder bei der Erarbeitung und Umsetzung fachlicher Empfehlungen, entscheiden sie autonom. Entgegen dieser Realität und der damit verbundenen Vielfalt im Handeln der Gliederungen und Mitglieder hat sich in der Öffentlichkeit – zumindest im Bezug auf den Deutschen Caritasverband, das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland oder das Deutsche Rote Kreuz – ein Konzernimage verfestigt. Vom Deutschen Caritasverband wird aufgrund der knapp 500.000 beruflichen Mitarbeitenden in den ihm „angeschlossenen“ Diensten und Einrichtungen als dem größten privaten Arbeitgeber in Deutschland gesprochen. Jedoch suggeriert diese Formel – die die Verbandsleitung des Deutschen Caritasverbandes seit einigen Jahren bewusst nicht mehr verwendet – ein Bild zentraler Steuerung, das der verbandlichen Realität nicht gerecht wird. Diese Konzernillusion der Wohlfahrtsverbände hat auch Eingang in die wissenschaftliche Literatur gefunden (vgl. beispielsweise Enste 2004: 89f.; 93). Realität ist, dass der Deutsche Caritasverband aus 27 Diözesan-Caritasverbänden unter der Aufsicht des jeweiligen Ortsbischofs, mehr als 500 – in der Regel rechtlich selbständigen – Orts-Caritasverbänden, 18 Fachverbänden sowie mehreren tausend ebenfalls rechtlich selbständigen Trägern unterschiedlicher Größe besteht, die als korporative Mitglieder dem Verband angehören. Dabei gibt es keine zentrale Steuerung der Mitgliedschaft. Diese wird begründet bei den Gliederungen selbst, und das wesentliche Mitgliedskriterium für den Träger eines Dienstes oder einer Einrichtung, nämlich eine Organisation im Rechts-
1
Der Vortrag greift auf die Erfahrungen zurück, die ich seit dem Jahr 2000 als Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes gemacht habe. Fragen der Führung im Wohlfahrtsverband der katholischen Kirche stehen damit im Vordergrund der folgenden Ausführungen.
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Georg Cremer
kreis der Katholischen Kirche zu sein, wird außerhalb des Verbandes vom jeweils zuständigen Bischof definiert. Daraus ergibt sich zwangsläufig auch, dass der Wohlfahrtsverband Deutscher Caritasverband nicht über eine zentralistische Angebotsplanung verfügt und auch in diesem Sinne kein Konzern ist. Dennoch – und zu Recht – wird dieses Gebilde als eine vielfältig gegliederte Einheit empfunden. Es gibt durchaus so etwas wie das Bewusstsein einer „Marke“ Caritas in der Bevölkerung. Sie ist eine der Marken mit hohem Bekanntheitsgrad in Deutschland, auch wenn ihre Wahrnehmung durch die Stärkung des fachübergreifenden Markenbewusstseins und durch ein einheitlicheres Erscheinungsbild der Dienste und Einrichtungen der verbandlichen Caritas noch gesteigert werden könnte. Die Caritas stößt – wie die Internetumfrage zeigt, die 2003/2004 federführend von McKinsey erstellt wurde – kaum auf Ablehnung und sie hat – was die Perspektive der Marke Caritas zeigt – hohe Vertrauenswerte bei den Befragten, die Kontakt zu ihren Diensten und Einrichtungen hatten.2 Dass es ein solches Markenbewusstsein gibt, zeigt sich auch und gerade bei Negativmeldungen. So geht eine Verfehlung, wie sie um das Jahr 2000 in einer unseligen Verbindung aus unkritischer Aufsicht und krimineller Energie der Geschäftsführung der Caritas-Trägergesellschaft Trier aufgetreten ist, in ihrer Wahrnehmung und ihren Wirkungen weit über den Kreis der unmittelbar Verantwortlichen hinaus; sie kann alle Träger der Caritas in Deutschland schädigen. Dieses Gebilde „Caritas“ hat durchaus eine gemeinsame Identität. Sie hat in ihrer Geschichte eine breit verankerte Vorstellung über ihren caritativen Auftrag entwickelt, diesen Auftrag in unterschiedlichen Rollen – als Anwalt und Mitgestalter des Sozialstaats, als sozialer Dienstleister und als Solidaritätsstifter – differenziert und tradiert diese Identität weiter. Zum 100. Geburtstag des Deutschen Caritasverbandes im Jahr 1996 gelang es, diese Identität in einem gemeinsamen Leitbild zu formulieren. Die Gliederungen und Mitglieder des Verbandes und die Mitarbeitenden haben Erwartungen an die Verbandsleitung: Sie erwarten politische Einflussnahme sowohl für anwaltschaftliche Belange als auch für die unternehmerischen Interessen der Dienste und Einrichtungen. Sie erwarten Dienstleistungen, die die lokalen Bewältigungskapazitäten der Mitglieder verbessern, die die Dienste und Einrichtungen dabei unterstützen, sich in ihrem jeweiligen Umfeld zu behaupten, sie haben Erwartungen nach verbandlichem Zusammenhalt und der Bewältigung innerverbandlicher Konflikte. Teilweise übersteigen diese Erwartungen die reale Handlungsmacht der Verbandsleitung sowohl auf Bundes als auch auf Diözesan-Ebene, etwa wenn die Erwartung geäußert wird, den Wettbewerb zwischen unterschiedlichen Trägern sozialer Dienste innerhalb desselben Verbandes, den innerverbandlichen Wettbewerb also, einzuschränken, zu regulieren oder zu unterbinden. Zu den Strukturmerkmalen dieses Gebildes gehört auch – ich vergleiche hier mit meinen früheren Arbeitsgebieten, einer Universität und einer politischen Stiftung – eine hohe Identifikation der Mitarbeitenden mit dem caritativen Auftrag des Verbandes. Diese hohe Identifikation ist positiv, da sie mit hoher Motivation für die verbandlichen Aufgaben verbunden ist. Sie kann aber auch in besonders ausgeprägte Frustration kippen, wenn Mitarbeitende Führungsentscheidungen als falsch oder sogar als eine Abkehr von dem Grundanliegen der Caritas empfinden; etwa wenn harte Entscheidungen notwendig sind, damit sich 2
Vgl. von Mitschke (2004: 16ff.). Zu Vorschlägen zur Stärkung der Markenwahrnehmung vgl. Becker (2004: 10ff.).
Führung in Wohlfahrtsverbänden
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eine caritative Einrichtung im Markt sozialer Dienste behaupten kann. Diese hohe Identifikation zeigt sich beispielsweise auch in Rückmeldungen von – manchmal schon seit vielen Jahren – pensionierten Mitarbeitenden, die die Änderung von Positionen oder Strukturen, und sei es nur die Neuzuordnung ihres früheren Aufgabengebietes, als Infragestellung ihres Lebenswerkes empfinden.
2.
Unterschiedliche Rollen im Verband
Führung in Wohlfahrtsverbänden ist nicht nur aufgrund dieser strukturellen Bedingungen kompliziert und häufig nur indirekt möglich. Zudem hat ein Wohlfahrtsverband wie der Deutsche Caritasverband oder das Diakonische Werk unterschiedliche Rollen – und zwar als unverzichtbares Element seiner Identität. Beide Verbände sind eben nicht schlicht Zusammenschlüsse von Trägern sozialer Dienste und Einrichtungen, die sich auf die Vertretung der unternehmerischen Interessen dieser Dienste und Einrichtungen beschränken könnten. Sie sind die Verkörperung des diakonischen Auftrags ihrer Kirchen und dazu gehört grundständig ihre anwaltschaftliche Funktion für Hilfebedürftige. Sie sind gleichzeitig Stifter von Solidarität in der Gesellschaft. Zwischen diesen unterschiedlichen Rollen gibt es unvermeidlicherweise Reibungen und Spannungen. Hierzu zwei Beispiele: Die Spannungen zeigten sich in der Vergangenheit beispielsweise bei der Hilfe für Menschen mit Behinderung. Aufgrund der Bedingungen ihrer Gründungszeit bildeten die großen stationären Einrichtungen mit oft mehreren hundert Bewohnern und Mitarbeitern das Rückgrat der Hilfe. Die notwendige Umorientierung hin zu gemeindenahen Hilfeformen wurde zeitweise als kaum vereinbar gesehen mit den unternehmerischen Interessen dieser Einrichtungen. Die Debatten hierzu in den Fachverbänden der Behindertenhilfe waren seinerzeit entsprechend konfliktbeladen. Heute ist dieser Konflikt aufgrund einer langfristig orientierten Strategie auch der großen Einrichtungen der Behindertenhilfe hin zu stärker gemeindenahen Hilfeformen weitgehend entschärft. Ein anderes Beispiel: Möglichen Interessenkonflikten werden wir auch dann begegnen, wenn wir uns stärker noch als bisher den Wünschen pflegebedürftiger hochbetagter Menschen öffnen, in ihrem bisherigen häuslichen Umfeld zu verbleiben, und wir deswegen – wie es derzeit diskutiert wird – unsere Angebote im Bereich der Pflege um einen neuen Dienst der Alltagsbegleitung erweitern. Auch dies steht – zumindest auf den ersten Blick – in einem Gegensatz zu den Interessen der stationären und teilweise auch der ambulanten Einrichtungen der Altenhilfe. Ein kirchlicher Wohlfahrtsverband und die in ihm organisierten Träger der Dienste und Einrichtungen müssen auf wettbewerbliche Herausforderungen anders reagieren, als dies ein privat-gewerblicher Träger tun könnte. Selbst wenn es aus einer betriebswirtschaftlichen Betrachtung sinnvoll wäre, Dienste und Einrichtungen mit fragiler kommunaler Finanzierung (wie etwa offene Dienste im Bereich der Schuldnerberatung oder der Suchttherapie) aufzugeben und sich auf die stabil in den Sicherungssystemen verankerten Bereiche wie die Alten- oder die Behindertenhilfe zu konzentrieren, so darf ein Wohlfahrtsverband so nicht handeln, will er seinen diakonischen Auftrag nicht verraten. Zu den Aufgaben der Führung in Wohlfahrtsverbänden gehört auch, die Anforderungen dieser unterschiedlichen Rollen – die jeweils für sich legitim und notwendig sind – zu benennen und für eine entsprechende Auseinandersetzung im Verband zu sorgen, damit die unterschiedlichen Interessen nicht verkleistert werden. Dabei geht es nicht darum, einen
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Georg Cremer
antagonistischen Widerspruch zu konstruieren zwischen Anwaltschaftlichkeit und der Vertretung unternehmerischer Interessen. Alte ideologische Debatten hierzu sind weitgehend überwunden. Die Anwaltschaftlichkeit im Einsatz für die selbstbestimmte Teilhabe und eine gute sozialstaatliche Sicherung bleiben folgenlos, wenn sie nicht gepaart werden mit verantwortlichem unternehmerischem Handeln bei der Bereitstellung sozialer Dienstleistungen für Hilfebedürftige. Aber es ist unangemessen, schlicht die Kongruenz der Interessen zu postulieren („alles was für unsere Einrichtungen gut ist, ist gut für die Hilfebedürftigen“). Ebenso unangemessen ist es im anderen Extrem, all das, was aus fachlicher Sicht geboten ist, den Diensten und Einrichtungen als Anspruch vorzuhalten, ganz unabhängig davon wie die Rahmenbedingungen des wirtschaftlichen Handelns ausgestaltet sind.
3.
Herausforderungen für kirchliche Wohlfahrtsverbände und damit für die Führung in ihnen
Führung von Wohlfahrtsverbänden wird geprägt durch die verbandlichen Herausforderungen, die gleichzeitig Herausforderungen für die Verbandsleitung sind. Drei Herausforderungen greife ich auf: der härter werdende Wettbewerb bei der Erbringung sozialer Dienstleistungen, die Positionsfindung in den Auseinandersetzungen um die Reform des Sozialstaats und die Sicherung des Profils kirchlicher Wohlfahrtsverbände. Eine der prägenden Herausforderungen der letzten Jahre war die stärkere wettbewerbliche Orientierung bei der Erbringung sozialer Dienste. Mit dem Wegfall des Vorrangs der frei-gemeinnützigen Träger bzw. der Erweiterung dieses Vorrangs auf privat-gewerbliche Träger und dem Wegfall des Selbstkostendeckungsprinzips hat sich der Wettbewerbsdruck verstärkt und sind die Herausforderungen an wirtschaftliches Führungsverhalten deutlich gestiegen. Es bestand die Gefahr einer innerverbandlichen Meinungsbildung, die durch rückwärts gewandte Nostalgie geprägt ist und sich zu einem mentalen Hemmnis hätte entwickeln können, die Marktherausforderungen auch in der verbandlichen Arbeit aufzugreifen und so die Dienste und Einrichtungen bei dieser Aufgabe zu unterstützen. Zumindest in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre waren entlastende Sichtweisen weit verbreitet, privatgewerbliche Anbieter, die Leistungen günstiger anbieten, würden per se schlechtere Qualität erbringen. Die These, das „Soziale“ und der Wettbewerb schlössen einander aus, war weit verbreitet und auch ein Teil der heutigen Debatten in den Wohlfahrtsverbänden ist nur auf der Grundlage dieser Ausschlusshypothese zu verstehen. Die Führung von Wohlfahrtsverbänden kann hier nicht einfach eine andere Sichtweise verordnen. Es ist im Deutschen Caritasverband gelungen, eine Debatte in Gang zu setzen, wie Märkte sozialer Dienste zu gestalten sind, damit sie im Interesse der Hilfebedürftigen wirken können. Die Caritas hat eine stärker ordnungspolitisch fundierte Position entwickelt, um auf der Grundlage dieser Position zu versuchen, jenseits von Verweigerung oder schlichter Anpassung die politische Gestaltung von Märkten selbst zu einem Gegenstand verbandlichen Handelns zu machen. Neben dieser sozialpolitischen und ordnungspolitischen Funktion, die das Führungshandeln eines Wohlfahrtsverbandes aufgreifen muss, gibt es zudem selbstredend die Dimension, zur Steigerung der Bewältigungskapazitäten im Wettbewerb beizutragen, etwa durch Fortbildung in betriebswirtschaftlichen Fragen, Benchmarking, Crossmarketing, Qualitätsmanagement etc. Diese Dimension ist neben der ordnungspolitischen Positionierung unverzichtbar. Denn schließlich kann man auch in gut geordneten Märkten scheitern.
Führung in Wohlfahrtsverbänden
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Eine zweite zentrale Herausforderung ist die Konsistenzsicherung sozialpolitischer und fachpolitischer Positionen. Die Bedingungen für das sozialpolitische Lobbying der Wohlfahrtsverbände haben sich deutlich verändert. In der Ausbauphase der sozialen Sicherung waren sie vorrangig fachpolitisch gefordert, sie haben Nöte benannt, die bis dahin ohne Hilfe blieben und Vorschläge entwickelt, mit welchen Sicherungsmechanismen oder mit welchen Diensten diesen Nöten begegnet werden kann. Hier waren die einzelnen sozialen Fachbereiche des Verbandes gefordert; die Dominanz der Fachexperten der jeweiligen Hilfefelder gegenüber Querschnittsqualifikationen in der Zentrale des Verbandes war angesichts der damaligen Herausforderungen angemessen. Wir sind heute in einer völlig anderen Situation: Aufgrund des demografischen Wandels, der weiterhin hohen Arbeitslosigkeit, des Rückgangs sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung und der höheren internationalen Verflechtung stößt eine schlichte Verlängerung der Sicherungssysteme der Vergangenheit in die Zukunft an finanzielle Grenzen. Die Frage ihrer langfristigen Sicherung ist heute zwingender Teil einer sozialpolitischen Positionierung. Der Zusammenhang zwischen den institutionellen Regelungen der Sicherungssysteme und ihrer Folgen für die Abgabenbelastung und die Arbeitsmarktintegration sind – berechtigterweise – zu einem zentralen Thema geworden. In Deutschland hat dies aufgrund der Kopplung der sozialen Sicherung an die Lohnkosten eine besondere Dringlichkeit. Zudem rückt stärker in den Blick, dass es Nöte und Herausforderungen gibt, denen mit den bisherigen Diensten und Transfermechanismen nicht angemessen begegnet werden kann. Auch wenn der Begriff problematisch ist, stellen die Phänomene, die unter dem Stichwort „neue Unterschicht“ diskutiert werden, eine Herausforderung dar, die bisher ungenügend aufgegriffen wurde. Unter diesen gewandelten Bedingungen muss ein Wohlfahrtsverband – will er politisch wirklich wirksam sein und nicht nur seinen Mitgliedern das identitätssichernde Gefühl von Wirksamkeit vermitteln – seine unterschiedlichen Positionen auf Fragen der Konsistenz abprüfen, einschließlich der Dimension der Finanzierbarkeit. Für verbandliches Führungsverhalten bedeutet dies, dass sich die sozialpolitischen Positionen nicht einfach aus der Addition des Wünschenswerten der einzelnen Fachbereiche – so wohl begründet diese sein mögen – ergeben können. Die dritte Herausforderung, die ich hier benennen will, besteht für die beiden großen konfessionellen Wohlfahrtsverbände darin, ihren diakonischen Auftrag in einer weltanschaulich pluralen Gesellschaft zu vertreten (Neher 2005: 417ff.). Dem nostalgischen Wunsch des Rückzugs in den Kreis einer kleiner werdenden Schar von Getreuen haben Diakonie und Caritas nicht nachgegeben. Sie stellen sich dem Auftrag, den Glauben an einen die Menschen liebenden Gott in der Welt sichtbar zu machen. Sie rekrutieren ihre Mitarbeitenden nicht mehr aus festen und unhinterfragten Milieus. Das verlangt und bietet die Chance, eine offene innerverbandliche Verständigung über den diakonischen Auftrag zu führen. Das Profil eines christlichen Wohlfahrtsverbandes muss sich in der Arbeit seiner Dienste beweisen, im Umgang mit den Mitarbeitenden, in der verbandlichen Arbeit. Nebenbei gesagt: Dabei brauchen wir keine Identitätskrise zu bekommen, wenn auch andere aus ähnlichen oder anderen Wertgrundlagen gute Arbeit leisten. Wir sollten uns darüber freuen.
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4.
Georg Cremer
Führung und Strukturen
Um verbandliche Zusammenarbeit und Führungshandeln unter veränderten Herausforderungen zu gestalten, hat der Deutsche Caritasverband seine Strukturen reformiert. Diesem Ziel diente die Satzungsreform von 2003 und dient der heutige Prozess der Verbandsentwicklung. Um dem Charakter des Verbandes als Verband rechtlich selbständiger Träger gerecht zu werden, unterschiedliche Funktionen wie Ehrenamt und Hauptamt abzubilden und die notwendige Verankerung mit der verfassten Kirche sicherzustellen, hatten sich im Deutschen Caritasverband sehr große Gremien herausgebildet. Eine Vertreterversammlung mit fast 700 Mitgliedern hatte mit Ausnahme der Satzungskompetenz nur beratende Funktion. Das Organ, welches legitimerweise politische Positionen beschließen konnte, war bis 2003 der Zentralrat mit 108 Mitgliedern, unter ihnen 54 Vorsitzende und Direktoren der Diözesan-Caritasverbände. Dieser traf sich nur zweimal im Jahr. Es gab einen Zentralvorstand, bei dem sich operative und Aufsichtsfunktionen mischten, und einen Geschäftsführenden Vorstand. Legitimierte Entscheidungen waren nur in einem langen Prozess möglich, der die Reaktionsfähigkeit des Verbandes auf neue sozialpolitische Positionierungsbedarfe sehr stark einschränkte. Praktisch nicht eingebunden in die formelle Organstruktur auf Bundesebene waren Vertreter der Ortsebene der caritativen Arbeit, obwohl im Prozess der Kommunalisierung diese Ebene immer wichtiger wurde. Die Interessen großer caritativer Träger waren in der faktischen Arbeit des Verbandes ungenügend berücksichtigt, so dass diese im Jahr 2000 mit dem Aufbau einer eigenen Organisation parallel zum Verband drohten. In der neuen Satzung wird stärker zwischen den Funktionen differenziert: Die alte Vertreterversammlung mit fast 700 Mitgliedern, die sich alle drei Jahre traf und nur empfehlende Beschlusskompetenz hatte, ist einer alle Rechte eines Basisorgans beinhaltenden Delegiertenversammlung mit ca. 200 Mitgliedern gewichen. Sie trifft sich jährlich und wählt alle sechs Jahre den Präsidenten. Der dreimal jährlich tagende Caritasrat stellt, unterstützt von einer Finanzkommission, die Aufsicht über den Vorstand sicher und hat grundlegende Beschlusskompetenz im Rahmen der Festlegungen der Delegiertenversammlung. Die Leitung des Verbandes und die operative Verantwortung liegen eindeutig beim Präsidenten und dem Vorstand, dem er vorsitzt. Die Mitglieder des Vorstandes werden jetzt auf Zeit gewählt, Berufungen bis zum Rentenalter gibt es hier nicht mehr. Diesen einschneidenden strukturellen Änderungen ging ein längerer Verständigungsprozess im Verband voraus, sonst hätte sich mit der Neufassung der Satzung die alte Vertreterversammlung nicht mit einer Entscheidungsmehrheit von 90% selbst aufgelöst. Die Organe sind heute von ihrer Arbeitsfähigkeit und Funktionsdifferenzierung deutlich schlagkräftiger. Der Verbandsentwicklungsprozess dient der weiteren Entwicklung der Arbeitsstrukturen auch unterhalb der Satzungsebene. Derzeit suchen wir nach Antworten auf die Föderalismusreform. In der Konsequenz bedeutet sie für den Verband, dass das politische Lobbying auf Landesebene an Bedeutung gewinnt und somit die Diözesan-Caritasverbände hier ihre Rolle verstärken werden. Dieses Lobbying auf Landesebene muss verbunden sein mit dem Lobbying auf Bundesebene und bedeutet für das Führungshandeln im Verband eine neue Herausforderung. In den Arbeitsstrukturen findet auch eine Funktionsdifferenzierung zwischen anwaltschaftlicher und unternehmenspolitischer Interessenvertretung statt. Es geht um eine Differenzierung, nicht um eine strikte Trennung der Funktionen. Denn selbstverständlich muss
Führung in Wohlfahrtsverbänden
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eine angemessene Anwaltschaftlichkeit für Hilfsbedürftige immer auch die Frage beantworten, ob ihre fachlichen Vorstellungen unternehmenspolitisch umsetzbar sind. Eine unternehmenspolitische Interessenvertretung muss immer auch die Frage stellen, ob die Dienste und Einrichtungen, für die sie sich einsetzt, den Interessen der Hilfebedürftigen entsprechen. Es bewährt sich aber, diese Funktionen stärker zu differenzieren. So ist in den letzten Jahren die bisher bestehende Personalunion zwischen den Leitungspersonen der Fachreferate der Zentrale und den Geschäftsführer(inne)n der Einrichtungsfachverbände auf Bundesebene getrennt worden. Dies ist ein deutlicher Traditionsbruch im Deutschen Caritasverband. Er war aus meiner Sicht notwendig, damit Anforderungen, die sich aus dem Ziel der Sicherung selbstbestimmter Teilhabe ergeben, selbständig und prononciert vertreten werden können gegenüber ebenso legitimen unternehmenspolitischen Interessen der Dienste und Einrichtungen.
5.
In der Spannung von Konsistenz und Akzeptanz
Führung in Wohlfahrtsverbänden steht vor der Aufgabe, Positionen und Handlungsstrategien zu entwickeln, die die Herausforderungen für die Freie Wohlfahrtspflege aufgreifen. Die Positionen stehen immer in einem Spannungsverhältnis von Konsistenz und Akzeptanz. Ohne Konsistenz der sozialpolitischen Positionen verliert die Wohlfahrtspflege ihre Dialogfähigkeit gegenüber der Politik und büßt Wirkungsmöglichkeiten ein. Die politischen Gesprächspartner erwarten Positionen der Wohlfahrtsverbände, die lösungsorientiert sind und in das sozialrechtliche und politische Rahmenwerk implementiert werden können. Kompromissformeln verbandlicher Meinungsbildung, die diese Bedingungen verletzen, mögen vordergründig identitätsstiftend sein, sie ermöglichen aber keine Wirkung und tragen damit eben langfristig zur Frustration im Verband bei. Auch auf Ebene der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege stellen sich die Wohlfahrtsverbände vermehrt diesem Prozess der Erarbeitung konsistenter Positionen und verlassen den traditionellen Weg konfliktarmer, aber inkonsistenter Kompromisspapiere. Führungshandeln muss zudem die Spannung zwischen Anwaltschaftlichkeit und unternehmenspolitischer Interessenvertretung aushalten und produktiv gestalten. Für mich liegt der Lösungsansatz dieser Spannung in der Entwicklung einer ordnungspolitischen Position zur Gestaltung sozialer Märkte. Ordnungspolitisch gut gestaltet sind Märkte dann, wenn die Hilfeberechtigten (oder die für sie handelnden Vertrauenspersonen) wirksam im Sinne ihrer Interessen handeln und die Strukturen und Inhalte der Angebotserbringung beeinflussen können und der Mechanismus des Wettbewerbs seine produktive Wirkung zugunsten der Hilfeberechtigten entfalten kann. Führungshandeln in Wohlfahrtsverbänden bedeutet in diesem Kontext immer Kontextsteuerung, da eine direkte Steuerung über hierarchische Strukturen gegenüber den rechtlich selbständigen Trägern nicht möglich ist. Diese Kontextsteuerung kann aber durchaus Wirksamkeit entfalten. Die Durchsetzung angemessener Strukturen wirtschaftlicher Aufsicht auf direktem Wege ist in einem Verband rechtlich selbständiger Träger nicht möglich. Die Richtlinien zur wirtschaftlichen Aufsicht und die damit verbundene Selbstverpflichtung zur Anwendung des KontraG, wie sie von der Bischofskonferenz in Verbindung mit dem Deutschen Caritasverband erarbeitet wurden, können die handelnden Personen bei den Trägern und in den kirchlichen Aufsichtsinstanzen veranlassen, entsprechende Aufsichtsstrukturen innerhalb der Trägerstrukturen zu schaffen. Die Erfahrung zeigt, dass die Richtlinien in
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vielen Fällen diese Wirkung auch entfalten. Ein anderes Instrument der Kontextsteuerung ist das Benchmarking, die bewusste und systematische Bereitstellung einer Plattform des Vergleichs. Diese entfalten Wirkung für alle, die sich hieran beteiligen, und sie schaffen – da andere hiermit Erfolg haben – Legitimationszwänge für diejenigen, die sich dem Vergleich über Benchmarking entziehen wollen. Ähnliches gilt auch für die Arbeit des Qualitätsmanagements über Qualitätskriterien und Qualitätsleitbilder. Wirksames Führungshandeln organisiert Prozesse der Problemwahrnehmung und der gemeinsamen Erarbeitung von Problemlösungsstrategien. Bezüglich des sozialpolitischen Lobbyings bedeutet wirksames Führungshandeln, einerseits Problemsichten, die sich aus einer zeitgemäßen Umfeldanalyse ergeben, in den verbandlichen Verständigungsprozess einzuspeisen und bei der Erarbeitung sozialpolitischer Positionen die verbandlichen Erfahrungen zu verdichten. Auf diesem Prinzip beruht das so genannte Sozialmonitoring der Wohlfahrtsverbände mit der Bundesregierung. Durch die Verdichtung verbandlicher Erfahrungen mit der Umsetzung der Sozialgesetze, die in vielen Beratungsstellen und Einrichtungen gewonnen werden, wird eine empirische Grundlage für die sozialpolitische Positionierung erarbeitet, dadurch wird der Verband ein interessanter Gesprächspartner für die Politik. Erfolgreiches Lobbying ist nur zu verfolgen, wenn ein Großverband wie die Caritas gleichzeitig auch Teil der Lösung der benannten Probleme ist. Dies beinhaltet also auch die Selbstverpflichtung der verbandlichen Gliederungen, zur Lösung sozialer Problemlagen beizutragen. Wirksame Selbstverpflichtungen können nur Folge verbandlicher Verständigungsprozesse sein. Einen solchen Verständigungsprozess versucht der Deutsche Caritasverband mit der Befähigungsinitiative für benachteiligte Kinder und Jugendliche, die sich um eine stärkere Integration des Konzepts der Befähigungsgerechtigkeit in die verbandliche Positionierung bemüht und zudem darauf zielt, verbandliches Handeln daraufhin zu überprüfen, ob die Potenziale zur Befähigung noch stärker genutzt werden können. Je höher der Grad der Erfüllung der Selbstverpflichtung ist, desto stärker ist die Marke und desto stärker ist das Standing gegenüber den Instanzen der Sozialpolitik. Solche Verständigungsprozesse anzustoßen, zu organisieren und zu beeinflussen ist die wichtigste Aufgabe der Führung in Wohlfahrtsverbänden.
Literatur Becker, T. (2004): Kirche löst Imageproblem und Caritas wird zur Marke. In: Neue Caritas 105(5). 10-15. Enste, D. H. (2004): Die Wohlfahrtsverbände in Deutschland. Eine ordnungspolitische Analyse und Reformagenda Köln. von Mitschke, T. (2004): Caritas- und Kirchen-Image. In: Neue Caritas 105(5). 16-19. Neher, P. (2005): In Veränderung führen – eine organisationsethische Skizze am Beispiel der Caritas. In: Meier, U./ Sill, B. (Hrsg.): Zwischen Gewinn und Gewissen. Wertorientierte Personalführung und Organisationsentwicklung. Regensburg. 417-429.
Professionalisierung und Nonprofit Leadership Andreas Schröer
Das bemerkenswerte Wachstum aber auch der radikale Wandel des so genannten Dritten Sektors in der letzten Dekade haben die Anforderungen an Führungskräfte in NonprofitOrganisationen (NPOs), Nongovernmental Organizations (NGOs) und Stiftungen verändert. Die Effektivität von Dienstleistungen wird im Sektor stärker betont, der Vertrauensvorschuss, den NPOs in der Bevölkerung genießen, ist in Frage gestellt und der gesellschaftliche Bedarf nach Transparenz steigt. Durch diese Entwicklungen wächst der Professionalisierungsdruck auf Führungskräfte, allerdings bleiben die Richtung der Professionalisierung und die konkreten Führungsanforderungen diffus. Der vorliegende Beitrag arbeitet die Anforderungen an Führungskräfte im Dritten Sektor zunächst vor dem Hintergrund struktureller und organisationaler Besonderheiten des Sektors heraus, stellt danach empirische Ergebnisse zur Selbstwahrnehmung der Anforderungsprofile von Führungskräften aus dem US-amerikanischen Dritten Sektor vor und befragt diese auf Hinweise für eine angemessene Interpretation von Professionalisierungs-Prozessen von Nonprofit-Führungskräften in Deutschland. Der Dritte Sektor in Deutschland wächst und wandelt sich. Bereits 1995 waren 2,1 Mio. Menschen in Nonprofit-Organisationen beschäftigt, dies entsprach 1,4 Mio. Vollzeitbeschäftigungsverhältnissen in 417.000 Organisationen (Priller 2007: 108ff.). Neuere Schätzungen gehen – basierend auf der Hypothese eines kontinuierlichen Wachstums zwischen 1995 und 2005 (Zimmer/Priller 2007) – von drei Mio. Beschäftigten (Beher et al. 2008: 30) aus, wobei das Wachstum jedoch auf ca. ein Drittel der Organisationen des Dritten Sektors beschränkt blieb (Priller 2007: 112). Zu den Beschäftigten kamen 1995 weitere 2,3 Mrd. Stunden freiwillig geleisteter Arbeit hinzu, was der Arbeitszeit einer weiteren Million Vollzeit-Beschäftigten entspricht (ebd.). Die Zahl der Organisationen des Sektors wird inzwischen auf 544.000 geschätzt, davon ca. 15.000 Stiftungen. Mehr als jeder zweite Arbeitsplatz im deutschen Dritten Sektor ist im Bereich Soziale Dienste oder Gesundheitswesen angesiedelt (Zimmer/Priller 2007: 57), d.h. gerade die beschäftigungsintensiven Bereiche des Sektors sind sehr eng mit dem wohlfahrtstaatlichen System von Sozialversicherungen und öffentlicher Hand verzahnt. Zu relevantem Beschäftigungswachstum kam es vor allem in den neueren Bereichen des Sektors, den Umweltschutzorganisationen und den internationalen NGOs (Priller/Zimmer 2006: 19). An der Finanzierungsstruktur der Sektororganisationen lassen sich aber auch tiefgreifende strukturelle Veränderungen erkennen. Zwar lag 1995 der Finanzierungsanteil der öffentlichen Hand mit 65% noch sehr deutlich vor den Eigeneinnahmen (aus Mitgliedsbeiträgen und Umsatz aus Dienstleistungen) mit 34% und Spenden bzw. Stiftungsbeiträgen von 3%. Es war jedoch schon damals zu erkennen, dass die wachsenden Bereiche des Sektors über ein höheres Maß an Unabhängigkeit von öffentlicher Finanzierung verfügten; so lag der Anteil der Spendenleistungen und der Eigeneinnahmen in den Bereichen Umwelt-
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schutz und Internationales deutlich höher als im Sektordurchschnitt. Dieser Trend dürfte sich in der Zwischenzeit spürbar verstärkt und den Anteil der öffentlichen Haushalte an der Gesamtfinanzierung des Sektors weiter gesenkt haben. Auch der Wandel des Wohlfahrtsstaats-Verständnisses hin zu einem aktivierenden Gewährleistungsstaat (Schuppert 2004), der gestiegene Wettbewerb von sozialen Dienstleistungsanbietern innerhalb des Dritten Sektors und zwischen den Sektoren, die Einführung persönlicher Budgets und die Vergabe zeitlich befristeter Verträge haben die Bedeutung unternehmerischen Handelns verstärkt und die Anforderungen an Führungskräfte im Sektor verändert. Die Professionalisierung des Dritten Sektors war in den letzten Jahrzehnten durch die Zunahme hauptamtlicher Arbeit in NPOs geprägt (Zimmer/Priller 2007). Organisationen, die aus den neuen sozialen Bewegungen entstanden sind und heute einen bedeutenden Teil der Organisationen in den Wachstumsbereichen Umweltschutz und Internationales ausmachen, haben einen Prozess der Institutionalisierung (Roth/Rucht 1990) durchlaufen. Viele NPOs haben sich von Wertgemeinschaften zu Dienstleistungsunternehmen (Rauschenbach et al. 1995) gewandelt. Dadurch gewinnen wirtschaftliches Denken und Effektivität im Sektor an Bedeutung. Die jüngsten Skandale um korrekte Mittelverwendung haben das Vertrauen der Öffentlichkeit in NPOs erschüttert. Der gesellschaftliche Bedarf an transparenter Führung und Berichterstattung steigt und damit verändern sich die Anforderungen an das Führungspersonal. Weiterer Professionalisierungsdruck entsteht im transatlantischen Vergleich: Während es in den USA 1980 noch keinen Studiengang für Nonprofit-Management gab, waren es im Jahr 2000 bereits 91 Masterstudiengänge mit mindestens einer Schwerpunktbildung im Bereich Nonprofit (Mirabella/Wish 2001), weitere 100 Bachelorstudiengänge und 50 universitäre, zertifizierte Weiterbildungsangebote (Ashcraft 2001; O’Neill/Fletcher 1998). Darüber hinaus sind an den Universitäten Forschungszentren für Philanthropy und Nonprofit-Management entstanden, es wurde ein Kerncurriculum für die Ausbildung von Nonprofit-Managern entwickelt, zudem entstanden Berufsverbände mit dem Ziel der Professionalisierung (http://www.idealist.org/career/profasso-ciation.html). In Deutschland hingegen richten sich die vorhandenen Ausbildungsgänge an Hochschulen primär an Ausschnitte des Sektors, insbesondere auf das Management sozialer Dienstleistungseinrichtungen, nur zwei universitäre Angebote (Heidelberg, Münster) richten sich allgemeiner an Führungskräfte in Nonprofit-Organisationen. Der aktuelle Professionalisierungsdiskurs bleibt jedoch weitgehend orientierungslos. In der öffentlichen Diskussion scheint es weniger um die Ausbildung einer Profession zu gehen, vielmehr steht die kompetente Aufgabenerfüllung in konkreten Organisationen im Vordergrund. Für eine wirkliche Richtungsentscheidung stünden derzeit drei Möglichkeiten offen: eine Ausrichtung an der Theorie des New Public Management, die in der öffentlichen Verwaltung Einzug gehalten hat, eine stärkere Orientierung an betriebswirtschaftlichen Management-Konzepten oder aber der Versuch, eine Managementlehre zu entwickeln, die auf Besonderheiten zivilgesellschaftlicher Ressourcen und struktureller Merkmale gemeinwohlorientierter Organisationen basiert. Die folgenden Ausführungen gehen von einem Verständnis von Professionalisierung der Organisationen des Dritten Sektors und ihres Führungspersonals aus, das durch eine Analyse der Anforderungen der Aufgabenumwelt, der verfügbaren Ressourcen und organisationalen Besonderheiten begründet ist. Daher wird zunächst untersucht, welche Anforderungen an Führung und Management sich aus den strukturellen Besonderheiten von Nonprofit-Organisationen ableiten lassen.
Professionalisierung und Nonprofit Leadership
1.
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Besondere Anforderungen an Nonprofit Leadership
Der angelsächsische Begriff Leadership bezeichnet Führungskräfte in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ebenso wie das Phänomen der Führung von Organisationen und Bewegungen. Soziologische Klassiker verstehen unter Führung legitimierte Formen des Einflusses auf das Verhalten anderer. Im Hinblick auf Führung unterscheidet etwa Max Weber traditionale, rationale und charismatische Herrschaft (Weber 1972: 124). Dabei soll Herrschaft verstanden werden als „die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts, bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden; Disziplin soll heißen die Chance, kraft eingeübter Einstellungen für einen Befehl prompten, automatischen und schematischen Gehorsam bei einer angebbaren Vielheit von Menschen zu finden“ (Weber 1972: 28). Der internationale Diskurs um Leadership wird stark von US-amerikanischen Business Schools geprägt, die gerne so genannte personality trait theories („great man theories“) in den Vordergrund stellen und die Persönlichkeitsmerkmale von Führungskräften untersuchen (Zaleznik 1977; Bennis/Nanus 1986). Zu den Merkmalen von Führungspersönlichkeiten zählen insbesondere deren visionäre und charismatische Charaktereigenschaften. So wird in der Literatur auch zwischen Management als effizienzorientiertem Handeln und Leadership als effektivitätsorientiertem und kreativem Handeln unterschieden (Bennis/Na-nus 1986; Drucker 2000). Kognitionswissenschaftlich fundierte Konzepte von Leadership betonen Kreativität, Intelligenz, gar Weisheit als charakteristische Eigenschaften und lenken den Fokus ihrer Untersuchungen auf die Resonanz von ‚leaders and followers’ bzw. die gelingende Kommunikation zwischen beiden (Gardner 1995; Gardner 2004; Sternberg 2005). Allerdings entwickelte sich bereits in den 1970er Jahren mit der Kontingenztheorie eine wichtige Linie der Leadership-Forschung. Fiedlers Kontingenztheorie der Führung (Fiedler 1967), die Pfad-Ziel Theorie der Führungseffektivität (House 1971), die Theorie des Lebenszyklus (Hersey/Blanchard 1984), die Theorie kognitiver Ressourcen (Fiedler/Garcia 1987) und die Entscheidungsprozess-Theorie (Vroom/Yetton 1973) suchten die Muster des Führungshandelns mit unterschiedlichen Organisationstypen oder persönlichen Situationen zu verknüpfen. Damit wurde ein entscheidender Entwicklungsschritt getan; Führung wurde nicht mehr primär als Charaktereigenschaft verstanden, sondern vielmehr der Effekt von sich verändernden organisationalen Bedingungen auf Führungsstil und Führungshandeln betont. Damit verband sich die Erkenntnis, dass Führungskräfte ihre Handlungsmuster und Managementstile an sich verändernde Umfeldbedingungen und die jeweilige Situation ihrer Organisation anpassen müssen. An den systematischen Zusammenhang von Führung und Aufgabenumwelt anknüpfend, thematisiert eine aktuelle Studie die Wechselwirkung zwischen Führungsverhalten und kulturellem Kontext (House 2004). Zur Untersuchung des erwünschten Führungsverhaltens in 62 Ländern weltweit haben die Forscher neun kulturelle Dimensionen vorgeschlagen (Performanzorientierung, Vermeidung von Unsicherheit, Zukunftsorientierung, Geschlechtergleichheit, institutionalisierter Kollektivismus, usw.), um deren Dominanz in zehn Länderclustern zu analysieren. Die Studie resultiert in länderclusterspezifischen Profilen erwünschten Führungsverhaltens. Während im deutschsprachigen Cluster insbesondere auf Autonomie des Führungsverhaltens Wert gelegt wurde, stand im anglo-amerikanischen Cluster der Wunsch nach wertbasierter charismatischer Führung an erster Stelle (House 2004).
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Andreas Schröer
Gerade die Anpassungsleistung von Führungshandeln an die organisationalen Umfeldbedingungen stellt in Nonprofit-Organisationen und Stiftungen eine besondere Herausforderung dar, da es sich um Organisationen handelt, die sich in einem sich noch konstituierenden sozialen Sektor bewegen, dessen sektorspezifische Normen und Handlungsmuster sich erst konstituieren und noch wenig erforscht sind. Leadership soll im Folgenden also als Handlung verstanden werden, die durchaus zu Umfeldbedingungen und Aufgabenumwelt in enger Beziehung steht, ohne davon gänzlich determiniert zu sein. In diesem Sinne definieren auch Heifetz et al. (2004: 24): „First, leadership is better understood as an activity rather than a set of personal or institutional capacities. [...] No person or institution leads consistently across all issues all the time. Second, prominence, resources, or positions of authority do not define leadership. Significant leadership often comes from the margins of society, without authority. [Leadership] is the activity of mobilizing people to tackle the toughest problems and do the adaptive work necessary to achieve progress.”
In ähnlicher Weise formuliert auch Northouse (2006: 3) nach der vergleichenden Analyse von zahlreichen Leadership Theorien: „Leadership is a process whereby an individual influences a group of individuals to achieve a common goal.” Stärker noch als Heifetz et al. betont Northouse überzeugend den Prozesscharakter von Führung, dessen notwendige Interaktivität, gemeinsame Zielorientierung und die Verankerung der Führung in Gruppenverhalten und -struktur.
2.
Strukturelle Besonderheiten von Nonprofit-Organisationen
Während die gängigen Leadership-Ansätze effektivitätsorientiertes und kreatives Handeln und die besondere Bedeutung der Kommunikation betonen, geht dieser Beitrag dem kontingenztheoretischen Hinweis nach, dass Führung und Aufgabenumwelt in einem engen Zusammenhang stehen. Daher wird das Verständnis von Nonprofit Leadership im Folgenden auf der Basis der strukturellen Besonderheiten von Nonprofit-Organisationen fundiert. Organisationen des Dritten Sektors sind im Vergleich zu Unternehmen oder staatlichen Einrichtungen in struktureller Hinsicht vor allem dadurch unterschieden, dass sie in hohem Maße auf Solidarität in Form von freiwilliger Arbeit und durch Spendenunterstützung, insbesondere aber auf die Unterstützung der Werte und Mission der Organisation durch Mitglieder und Öffentlichkeit angewiesen sind. Priller und Zimmer charakterisieren die Organisationen des Dritten Sektors daher als „Wertgemeinschaften“ (2006: 17), die über ein großes gesellschaftliches Integrationspotenzial verfügen. Salamon und Anheier (1997) haben eine strukturell-operationale Definition von Nonprofit-Organisationen vorgeschlagen, die insbesondere rechtliche und kulturelle Unterschiede im internationalen Vergleich – im Zuge der Diskussion um die mangelnde empirische Datenlage zum Dritten Sektor – überbrücken sollte. Organisationen des Dritten Sektors sind danach organisiert (organisationale Permanenz), privat (relativ unabhängig von staatlichem Einfluss), nichtgewinnorientiert (Gewinnausschüttungsverbot), autonom (interne Entscheidungsfindung) und freiwillig (Elemente von ehrenamtlicher Arbeit und/oder Spenden) (Toepler/Anheier 2005: 20f.). Dabei übernehmen die Organisationen unterschiedliche gesellschaftliche Rollen. Anheier identifiziert die Rollen des sozialen Dienstleistungsanbieters, die Avantgarderolle (Identifikation neuer gesellschaftlicher Bedarfe, Entwicklung neuer Lösungen), die Rolle des Themenanwalts und die werteerhaltende Rolle (Anheier 2005). Aus Definition
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und Rollenbeschreibung ergeben sich einige Besonderheiten für die Führung dieser Organisationen.
2.1 Normatives Management Das Leitbild einer Nonprofit-Organisation, ihre Mission, ist ihr primärer Zweck. Anders als in Wirtschaftsunternehmen, die am Hauptzweck der Profiterzielung orientiert sind, finden sich die zentralen Orientierungsmarken von NPOs in ihrer Satzung in Form der dort niedergelegten handlungsleitenden Werte. Die Mission einer Nonprofit-Organisation ist der Grund ihrer Existenz, definiert ihren Erfolg und legitimiert ihre Leistungen und Funktionen. Die besondere Bedeutung der Organisationsmission betont das normative Management (Rüegg-Stürm 2002) in NPOs. Normatives Management beschäftigt sich mit den generellen Zielen der Unternehmung, mit Prinzipien, Normen und Spielregeln, die darauf ausgerichtet sind, die Lebens- und Entwicklungsfähigkeit der Unternehmung zu ermöglichen“ (Bleicher 1991: 73), dabei geht es auch um die ethische Legitimation des Organisationshandelns gegenüber den Stakeholdern. Demnach arbeiten Führungskräfte im Drittem Sektor unter besonderen Erfolgsbedingungen. Sie leiten Organisationen, deren primärer Zweck nicht darin liegt, monetären Profit, sondern gesellschaftliche Wirkung zu erzielen bzw. soziale Ziele zu verfolgen. Dabei ist ihre wichtigste Ressource nicht Geld, sondern Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit. Da die Qualität bestimmter sozialer Leistungen nur schwer messbar ist und dadurch beim Produzenten Informationsvorteile gegenüber dem Konsumenten entstehen (Hansmann 1996), wirken Nonprofit-Organisationen aufgrund des Gewinnausschüttungsverbots vertrauenswürdiger als Forprofit Anbieter. Vertrauensbeziehungen zu Kunden, Leistungsempfängern und Öffentlichkeit sind daher zentral für den Erfolg von NPOs. Sie können durch codes of ethics oder codes of good governance ebenso unterstützt werden wie durch Führungskräfte und Boards, die sich der besonderen Bedeutung dieser Dimension bewusst sind. Aufgrund der häufig gesellschaftspolitischen Mission ihrer Organisationen sind Führungskräfte des Dritten Sektors auch Figuren des öffentlichen und politischen Lebens. Ihre Organisationen stehen für die öffentliche Repräsentation von Werten (Tierschutz, Gewaltfreiheit), repräsentieren gesellschaftliche Minderheiten (Menschen mit Behinderung) oder stehen für die friedfertige Vermittlung von Werthaltungen in einer pluralistischen Gesellschaft ein. Demzufolge sind Führungskräfte im Dritten Sektor nicht nur Leitungspersonal ihrer Organisationen, sondern auch – wie es Christiane Frantz (2005) formuliert hat – Politiker jenseits der Parteien. Alternativ könnte man ihre Fähigkeit, die widersprüchlichen Bedürfnisse ihrer Stakeholder wirksam an die Öffentlichkeit zu tragen, betonen, indem man sie als Moderatoren und Lobbyisten der Menschlichkeit und des Gemeinwohls bezeichnet.
2.2 Personalführung Die Führung von Mitarbeitern ist eine genuine Aufgabe von Führungskräften, auch und gerade in Organisationen des Dritten Sektors. Nonprofit-Organisationen erbringen insbesondere in den Bereichen Soziales und Gesundheit personalintensive Dienstleistungen (von
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Andreas Schröer
Eckartstein/Ridder 2003). Allerdings sind im Personalmanagement mindestens zwei strukturelle Besonderheiten in NPOs zu berücksichtigen. Erstens ist in Nonprofit-Organisation fast immer freiwillige Arbeit im Spiel. Im Jahr 1998 waren einer Befragung von 2.240 Organisationen zufolge in 93% der NPOs Ehrenamtliche tätig (Zimmer/Priller 1999). So arbeiten z.B. in den großen Wohlfahrtsverbänden etwa ebenso viele Personen als Freiwillige wie als Angestellte (Deutscher Caritasverband: 490.000 Angestellte, 500.000 Freiwillige; Diakonisches Werk der EKD: 435.000 Angestellte, 400.000 Freiwillige). Zudem gibt es gerade in Nonprofit-Organisationen eine Vielzahl von Mitarbeitern, die in einem Mischverhältnis sowohl als hauptamtlich Angestellte mit einem Teilzeitvertrag arbeiten und zusätzlich ehrenamtlich in ihrer Einrichtung engagiert sind. Freiwillige sind sowohl in der operativen Arbeit der Organisationen als auch in deren Leitungsgremien zu finden. Im Jahr 2005 waren ca. 35% aller ausgeübten freiwilligen Leistungen Vorstands- und Leitungstätigkeiten (BMFSFJ 2005). Die überwiegenden Tätigkeitsfelder freiwilliger Mitarbeiter sind Öffentlichkeitsarbeit, Verwaltungs- und Beratungstätigkeiten und Lobbyarbeit (Zimmer/Priller 1999). Über das Verhältnis von Freiwilligen und Hauptamtlichen hinaus zeichnen sich die Organisationen des Dritten Sektors durch eine sehr heterogene Beschäftigungsstruktur aus (ebd.). Die Beschäftigungsformen umfassen „Honorarkräfte (10%), geringfügig Beschäftigte (6%), ABM-geförderte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen (3%) ebenso [...] wie Zivildienstleitende, Praktikanten und Absolventen eines freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahres“ (Zimmer/Freise 2003). Die Verteilung der Beschäftigungsverhältnisse hängt dabei in hohem Maße von der Größe der Organisation und dem Bereich des Nonprofit-Sektors ab. Die Führung von Freiwilligen (Biedermann 2000), geringfügig Beschäftigten und Hauptamtlichen, das Management der unterschiedlichen Arbeitsmotivationen und Erwartungshaltungen, aber auch die unterschiedlichen Standards, die man an die Arbeit der jeweiligen Gruppe anlegen kann, bilden zusammen mit dem Versuch, Synergieeffekte zwischen den jeweiligen Kompetenzen herzustellen, eine zentrale Herausforderung der Personalführung in Nonprofit-Organisationen. Zweitens haben sowohl angestellte Mitarbeiter als auch Freiwillige eine besondere, meist wertbezogene Motivation (Mission) für ihre Tätigkeit, die in der Übereinstimmung ihrer persönlichen ethischen Überzeugungen mit der Organisationsmission zum Ausdruck kommt. Konzeptionelle und empirische Forschung belegen eine Veränderung der Motivation zum freiwilligen Engagement „vom Dienst zum Selbstbezug“ (BMFSFJ 2005; Jakob 1993; Rauschenbach et al. 1988). Freiwillige, insbesondere der jüngeren Generation, engagieren sich weniger aus Pflichtbewusstsein, als vielmehr um Leute kennenzulernen, etwas Sinnvolles zu tun, und betonen stärker die notwendige biografische Passung des Engagements. Dieser Motivationswandel verändert auch die Erwartungen der Freiwilligen an organisationale Flexibilität und Unterstützung, aber auch an Spaß bei der Arbeit und Geselligkeit (BMFSFJ 2005: 102ff.). Laut Freiwilligensurvey sind die wichtigsten Motive für freiwilliges Engagement, „die Gesellschaft zumindest im Kleinen mitzugestalten“ (66%), „mit anderen Menschen zusammen zu kommen“ (60%) und das eigene Engagement als eine Aufgabe anzusehen, „die gemacht werden muss und für die sich jedoch schwer jemand findet“ (44%) (vgl. BMFSFJ 2005: 97). Aber auch Hauptamtliche in NonprofitOrganisationen haben eine stark wertbezogene Motivation für ihre Arbeit: Sie wollen soziale Zwecke verfolgen und zur Verbesserung gesellschaftlicher Verhältnisse beitragen (Beher et al. 2008). Dies bedeutet im Personalmanagement und in der Personalentwicklung, dass visionäre Führung, Identifikationsangebote, die Gewährung von flexiblen Arbeitszeiten,
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autonomen Handlungsspielräumen und nicht-monetären Anreizen eine wichtige Rolle spielen sollten. Allerdings liegen über die geeigneten Führungstechniken, Führungsstile und Personalmanagement-Methoden kaum gesicherte empirische Erkenntnisse vor. NPOs sind also durch eine komplexe Personalsituation und heterogene Beschäftigungsstruktur gekennzeichnet, in der es Mitarbeiter mit unterschiedlichen Erwartungen, Ausbildungsniveaus und Professionalisierungsgraden zu berücksichtigen gilt. Hierfür müssen geeignete Personalmanagement- und Personalentwicklungsinstrumente erarbeitet werden, die den genannten heterogenen Bedürfnissen und Motivationen entsprechen.
2.3 Strategische Planung und unternehmerisches Handeln Der Finanzierungs-Mix von Nonprofit-Organisationen hat sich in den letzten Jahren zugunsten eines Bedeutungszuwachses von Eigeneinnahmen verändert. Während der Anteil staatlicher Zuschüsse (65%) laut Johns Hopkins Daten für das Jahr 1995 im internationalen Vergleich in Deutschland immer noch sehr hoch ist und der Anteil von Spenden und Stiftungsbeiträgen auf konstant niedrigem Niveau stagniert (3%), gewinnen die selbsterwirtschafteten Mittel der Organisationen durch Gebühreneinnahmen, Erträge aus Produkten und Dienstleistungen (34%) zunehmend an Bedeutung (vgl. Salamon/Anheier 1996). Mit der erhöhten Anforderung zur Eigenfinanzierung ist die Aufwertung betriebswirtschaftlich erfolgreicher Erbringung sozialer Dienstleistungen verbunden, die in Kombination mit dem verschärften Wettbewerb im Sektor und zwischen den Sektoren zu einer Aufwertung von strategischem Management und unternehmerischem Handeln in der Führung gemeinwohl-orientierter Organisationen führt. Dabei bieten die verschiedenen Rollen von NPOs als sozialer Dienstleister, Themenanwalt, Avantgarde oder Bewahrer von Werten (vgl. Salamon/Anheier 1997) interessante Möglichkeiten der Strategiewahl, wobei eine Organisation sehr häufig mehr als eine der genannten Rollen übernimmt (Multifunktionalität, vgl. Priller/Zimmer 2006). Eine weitere strategische Entscheidung ist die Wahl der richtigen Interventionssphäre: Staat, Markt oder Zivilgesellschaft. Zunehmend mehr Organisationen treten aus der tradierten Nähe zum Staat heraus und positionieren sich als Sozialunternehmen direkt am Markt (Zimmer/Freise 2003). Die Heterogenität der Einnahmequellen (Markt, Quasi-Märkte, Mitglieder, verschiedene Formen staatlicher Mittelzuflüsse, Spenden und Zustiftungen, freiwilliges Engagement, vertragliche Leistungen, etc.), die zu einer erhöhten Bedeutung der Einwerbung von Eigeneinnahmen und der Akquise von Drittmitteln führt, ebenso wie der Mangel an verlässlichen Preisbildungsmechanismen und Leistungs- und Wirkungsindikatoren im Dritten Sektor (Anheier 2005) stellen einige der zentralen Herausforderungen des unternehmerischen Handelns in NPOs dar. Nonprofit-Führungskräfte müssen also zunehmend das „Handwerk des Unternehmers“ (Baecker 1998) erlernen, d.h. Innovationsfähigkeit erwerben, um Produktideen als eine Form „konkreter Poesie“ (ebd.) entwickeln zu können. Führung im Dritten Sektor beinhaltet angesichts des eingangs schon erwähnten strukturellen Wandels auch das Management von Veränderungsprozessen und die erfolgreiche Suche nach kreativen Lösungen, um die Organisationen an die wandelnden Umfeldbedingungen anzupassen (Anheier/Leat 2005). Dabei geht es angesichts der limitierten Ressourcen von Stiftungen und Nonprofit-Organisationen auch darum, solche Lösungen zu entwickeln, die über den unmittelbaren Einflussbereich der Organisationen hinausreichen, z.B.
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ist der formale Einfluss einer fördernden Stiftung auf ihre „grantees“ beschränkt, „on the other hand, foundations can use their stature, wealth, knowledge, and access to exert leadership over a much larger arena. They cannot tell people who do not take their money what to do, nor penalize them for disobedience, but they can influence their thinking and behavior nonetheless” (Heifetz et al. 2004: 23).
2.4 Governance und Multiple Stakeholder Management Nonprofit-Organisationen haben eine Vielzahl von Anspruchsgruppen (stakeholder), wobei als Anspruchsgruppen diejenigen Gruppen bezeichnet werden, die einen realen, angenommenen oder imaginären Anspruch an die Organisation, ihre Leistung und Nachhaltigkeit haben (Anheier 2005: 227). Je nach Organisationen können dies Kuratoren, Mitarbeiter, Freiwillige, Nutzer, Kunden, staatliche Stellen, Kontrollorgane, Vertragspartner und andere mehr sein. Bereits Kanter und Summers (1987: 164) haben vermutet, dass in der Vielzahl von Anspruchsgruppen das Kerndilemma des Managements und der Governance von Nonprofit-Organisationen begründet liegt. In der Literatur werden hierfür zwei Hauptgründe genannt: das principal-agent Problem und die multi bottom line. Das in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur beschriebene principal-agent Problem stellt die Frage, wie Eigentümer (principals) sicherstellen können, dass Manager (agents) die Organisation in der Weise führen, dass die Ergebnisse den Eigentümern nutzen. In Unternehmen delegieren Eigentümer bzw. Aktienbesitzer ihre Aufsichtsfunktion an einen Aufsichtsrat, der wiederum das Management kontrolliert und dafür den Eigentümern gegenüber verantwortlich ist. In Nonprofit-Organisationen ist jedoch meist völlig unklar, wer als der Eigentümer angesehen werden soll. Mitglieder oder Kuratoren sind nicht in gleichem Maße Eigentümer wie etwa Aktieninhaber, da hier keine Besitzansprüche im Spiel sind (Oster 1995). Anstelle der Eigentümer im Unternehmen haben wir es in Nonprofit-Organisationen mit vielfältigen Anspruchsgruppen zu tun. Ein weiterer Unterschied zwischen Unternehmen und Nonprofit Organisationen, der sich aus den vielen Anspruchsgruppen ergibt, ist die Antwort auf die Frage nach dem Ergebnis einer Operation. In Unternehmen ist – trotz der zunehmenden Diskussion um blended value (Emerson/Bonini 2004) und triple bottom line (Elkington 1994) – im Wesentlichen eine Ergebniszahl relevant: der finanzielle Profit oder Verlust (financial bottom line). In Nonprofit-Organisationen dagegen sind mehrere bottom lines relevant, je nachdem, ob nach den Interessen der Kunden, der Mitarbeiter, der Freiwilligen oder der allgemeinen Öffentlichkeit gefragt wird. Auf jeden Fall aber geht es nicht nur um den finanziellen Ertrag, sondern auch um die Erfüllung der Mission der Organisation, ihre soziale Wirkung oder deren Nachhaltigkeit. Die in der Mission festgelegten Werte stellen daher eine zentrale Ressource der Nonprofit-Organisationen dar und sind relevant für die Einschätzung ihres Ergebnisses. Ein weiterer Unterschied ist darin zu sehen, dass die Interessen der NonprofitOrganisationen, ihrer Förderer und ihrer Dienstleistungs-Empfänger nicht wie auf dem freien Markt über einen funktionierenden Preisbildungsmechanismus miteinander abgestimmt werden. Vielmehr gibt es nach Ansicht der neuen Institutionen-Ökonomik gerade deshalb Nonprofit-Organisationen, weil Märkte in Hinblick auf die Bedarfsdeckung bestimmter Interessengruppen bzw. die Bereitstellung mancher öffentlicher Güter versagen (Marktversagen, Williamson 1975).
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Bezogen auf Führungsaufgaben kann man also sagen, dass die Existenz und Ergebnisrelevanz vieler unterschiedlicher Anspruchsgruppen die Führung und Steuerung gemeinwohlorientierter Einrichtungen zu einer genuin politischen Aufgabe macht. Viele wichtige Anspruchsgruppen sind häufig in den Aufsichtsgremien der Organisationen vertreten. Die heterogenen, häufig sogar widersprüchlichen Interessen, Bedürfnislagen und Erfolgserwartungen der Anspruchsgruppen müssen mithilfe von mehrdimensionalen und komplexen Zielsystemen balanciert werden. Es gilt, funktionierende Steuerungsmechanismen, z.B. durch die richtige Zusammensetzung und Aufgabenbeschreibung von Aufsichtsgremien (Kumar/Nunan 2002; Cornforth 2003), zu institutionalisieren, die in der Lage sind, die unterschiedlichen Anspruchsgruppen angemessen zu berücksichtigen.
3.
Selbstwahrnehmung von Führungsanforderungen
Teilergebnisse eines empirischen Projektes erlauben, die konzeptionell entwickelten Anforderungen mit qualitativen Daten zu konfrontieren, die zeigen, wie Führungskräfte im USamerikanischen Dritten Sektor die Anforderungen an sich selbst wahrnehmen. In dem von den Psychologen Gardner, Csikszentmihalyi und Damon entwickelten Forschungsdesign des Good Work® Projects wird „good work“ als qualitativ exzellente, sozial verantwortliche und subjektiv sinnvolle Arbeit verstanden, die durch ein Set von so genannten Kontrollen entsteht: namentlich aus persönlichen Standards des professionell Handelnden, der sozialen Kontrollen des Feldes, also der Kollegen derselben Profession, und den kulturellen Kontrollen aus der Tradition der Profession, die ihren Ausdruck etwa in codes of ethics (z.B. Hippokratischer Eid) finden. Zudem gibt es Ergebniskontrollen seitens der Öffentlichkeit und der Stakeholdergruppen. Die Grundhypothese des GoodWork® Projekts ist, dass alignment, d.h. die Übereinstimmung der Werte zwischen den einzelnen Kontrollebenen, die zentrale Voraussetzung für gute Arbeit darstellt (Gardner et al. 2001: 27). Diese Hypothese hat für Führungskräfte in stark wertorientierten Nonprofit-Organisationen und Stiftungen besondere Relevanz. Im Rahmen des GoodWork® Projekts wurden insgesamt 1.200 qualitative Interviews mit führenden Professionsvertretern in verschiedenen Berufen durchgeführt, darunter im Rahmen einer Teilstudie „Good Work in Philanthropy“ (Damon/Verducci 2006) eine Interviewsequenz mit 33 Führungskräften aus Stiftungen (n=23) und NPOs (n=10). Die hier genannten Ergebnisse aus diesen Interviews werden in diesem Beitrag erstmalig vorgestellt. Der zugrundeliegende Interview-Leitfaden enthielt u.a. folgende Dimensionen:
persönliche Ziele, Mission der Organisation, Strategien zur Erreichung der Ziele Hindernisse bei der Zielerreichung, Trends in der eigenen Profession, Hindernisse und Herausforderungen, um gute Arbeit zu leisten, Verantwortungsgefühl, Werte und ethische Standards und Dilemmata.
Als zentrale Herausforderungen gelingender Führung im Dritten Sektor haben die befragten Führungskräfte folgende Aspekte (in der Ordnung ihrer Häufigkeit) genannt:1
1
Die Antworten wurden aus zwei Codes der qualitativen Interviewdaten zusammen gezogen, dabei wurden nur
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2
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Machtmissbrauch, Machtgefälle und problematische Beziehung zwischen Geldgeber und Nonprofit-Organisation:2 Die Variationen der genannten Folgen des ungleichen Machtverhältnisses zwischen Förderinstitutionen und Nonprofit-Organisationen sind groß. Im Vordergrund standen dabei Versuche, den Förderempfängern die Ziele der Förderinstitutionen überzustülpen und sie so von ihrer eigenen Mission abzubringen (mission drift). Die ungleichen Machtverhältnisse bergen zudem die Gefahr der Korruption, der Zurückhaltung von Kritik und geschönten Berichterstattung; sie stellen damit eine permanente Bedrohung des Vertrauensverhältnisses zwischen Fördergeber und -empfänger dar. Genannt wurde außerdem die mangelnde Verantwortung von fördernden Stiftungen für Nonprofit Organisationen bei gleichzeitiger Gefahr, Abhängigkeitsverhältnisse zu etablieren oder kleine Organisationen mit großen Förderbeträgen zu überfordern. Genannt wurden zudem organisationsinterne Machtgefälle, vor allem zwischen den Programm-Mitarbeitern von Stiftungen und „the donors and the rich people“ in den Aufsichtsgremien, die monatelange Arbeit in der ProgrammVorbereitung mit einem einzigen „Nein“ wertlos machen können. Mangel an Standards, Rechenschaftspflicht und gesellschaftliche Verantwortung: Angesichts der relativ weichen staatlichen Aufsicht von Stiftungen und den erst entstehenden sektorinternen Selbstverpflichtungen und Kontrollmechanismen stellen der Mangel an Mechanismen gesellschaftlicher Rechenschaftslegung und an professionellen Standards elementare Herausforderungen beim Versuch dar, die Arbeit von Stiftungen und Nonprofit-Organisationen in der öffentlichen Wahrnehmung zu legitimieren. Hinzu kommt, dass durch einige Skandale in Bezug auf den Missbrauch gemeinwohlorientierter Mittel in den USA und die landläufige Überschätzung der Stiftungsvermögen die öffentlichen Erfolgserwartungen drastisch gestiegen sind. Probleme der Effektivität und Wirkungsmessung: Die Interviewpartner berichteten häufig von der Gefahr, durch gute Intentionen eine schlechte Wirkung zu erzielen, etwa durch Destabilisierung von gewachsenen Gemeinschaften, Freiwilligenstrukturen oder kleinen Nonprofit-Organisationen durch Stiftungsgelder und Professionalisierungsbestrebungen. Dabei ist der Fokus auf die gesellschaftliche Wirkung gemeinwohlorientierter Arbeit einerseits notwendig, andererseits notorisch problematisch, da angesichts handhabbarer Instrumente zu viel Energie für Wirkungsmessung absorbiert wird und wenig Zeit für die eigentliche Projektarbeit bleibt, was schließlich zu einer Diskontinuität zwischen Zielen und Handlungen führt. Begrenzte Ressourcen: Die Finanzkraft des Stiftungssektors und der Organisationen des Dritten Sektors ist notwendigerweise begrenzt. Um gesellschaftliche Probleme zu lösen, kann der Sektor nur einen Bruchteil der finanziellen Ressourcen mobilisieren, die der Staat für entsprechende Aufgaben zur Verfügung hat. Dies führt im Alltag von Stiftungen dazu, dass sehr viele sinnvolle Anträge und Ansinnen abgelehnt werden müssen. Für Stiftungen, Nonprofit-Organisationen und Sozialunternehmen bedeutet dies aber auch, dass strategische Überlegungen über den bestmöglichen Ressourcendie Aspekte mit mehr als 10 Nennungen berücksichtigt: (1) „dark sides of philanthropy“ und (2) „obstacles to good work in philanthropy“. Der hier zugrundeliegende Punkt „power differentials“ war die mit weitem Abstand am häufigsten genannte Herausforderung für Führung und gute Arbeit im Sektor.
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einsatz als Führungsherausforderung an Bedeutung gewinnen. Die begrenzten Ressourcen können auch mit einem Mangel an Kooperation mit anderen Akteuren im Feld einhergehen, da die permanente Sorge um die begrenzten und zeitlich befristeten Mittel Zeitdruck erzeugt und Erwartungen nach schnellen Ergebnissen weckt, so dass zu wenig Raum für langfristige Problemlösungsperspektiven bleibt. Trägheit der Bürokratie: In den Organisationen gibt es Ermüdungserscheinungen, die dazu führen, dass es bei der Umsetzung von Reformprozessen häufig bei Anstößen bleibt, die bürokratischen Einschränkungen und zu langen Entscheidungsprozesse am Ende aber dazu führen, dass gerade die Arbeit von Freiwilligeninitiativen gelähmt werden, da diese nicht über den ausreichend langen Atem in der Auseinandersetzung mit bürokratischen Strukturen verfügen.
Um die genannten Herausforderungen zu meistern, sehen die Führungskräfte vier Chancen philanthropischer Arbeit als besonders bedeutsam an:3 Sie betonen die große Bedeutung von gelingender Zusammenarbeit mit Beratern, Wissenschaftlern und zwischen Stiftungen und Nonprofit-Organisationen, um das Verständnis des Feldes zu verbessern und gemeinsame Planungs- und Strategieentwicklungs-Prozesse anzustoßen. Zweitens wird due diligence als ein rationales Modell der Entscheidungsfindung genannt, das daraus besteht, ein Problem zu definieren, das Problemfeld zu erforschen, Interventionsmöglichkeiten zu untersuchen und Entscheidungen in Übereinstimmung mit der Organisationsmission und der Strategie zu treffen. Allerdings weisen die Befragten ebenso auf die Grenzen wissenschaftlicher Evidenz bei der Bearbeitung sozialer Probleme hin und betonen die Notwendigkeit von vertrauensbasierten Beziehungen als Entscheidungsbasis. Drittens begründen die begrenzten Ressourcen des Sektors die Notwendigkeit zu strategic philanthropy im Sinne von Stiftungsarbeit, die strategisch auf soziale Wirkungen zielt. Dabei wurden Formulierungen gewählt, die in etwa lauten, dass „gute Leute gute Projekte“ machen können, bei denen auch etwas herauskommt, das man systematisch beschreiben kann. Während bei den Herausforderungen das Machtgefälle im Sektor erwähnt wurde, wurde an vierter Stelle die Chance der Gestaltung der Geber-Empfänger-Beziehung als vertrauensvoll, integer, ehrlich und wechselseitig kritisch genannt.
3.1 Kompetenzen einer guten Führungskraft In einem weiteren Schritt wurden die Führungskräfte befragt, über welche Kompetenzen sie selbst verfügen bzw. verfügen müssten, um die genannten Herausforderungen im Sektor zu bewältigen. Diese Selbstbeschreibung hilfreicher Qualitäten einer Führungskraft im Dritten Sektor führte zu folgenden Aussagen: An erster Stelle stehen interpersonale Kompetenzen wie affektive Qualitäten, exzellente interpersonale Fähigkeiten, kollaboratives Verhalten, Selbstsicherheit, emotionale Stabilität und Ausgeglichenheit. Sehr häufig wurde auch das Verfügen über sektorspezifisches Wissen genannt. Führungskräfte brauchen spezifisches Fachwissen und hohe kognitive
3
Diese Felder sind aus Antworten auf die Frage nach der „sunny side of philanthropy“ und examples of good work in philanthropy entnommen.
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Fähigkeiten, um die genannten Anforderungen bewältigen zu können. Das nächsthäufig genannte Kompetenzbündel lässt sich am besten als unternehmerische Qualitäten beschreiben. Führungskräfte müssen proaktiv, aufgabenzugewandt (committed) und kreativ sein. Allerdings wurde in den Interviews auch deutlich gemacht, dass all die zuvor genannten Qualitäten und Kompetenzen von einer basalen Management-Kompetenz begleitet sein sollten, der Fähigkeit, ein effizienter Administrator zu sein, um die kreativen Konzepte und das Fachwissen auch im Organisationsalltag umsetzen zu können. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass nach Einschätzung der befragten Führungskräfte Leadership und Management an der Spitze der philanthropischen Organisationen vonnöten sind, d.h. sowohl unternehmerische Qualitäten, kreative und soziale Führungsqualitäten, die genaue Kenntnis der spezifischen Herausforderungen des Feldes, das nötige Fachwissen als auch die Fähigkeit zu effektiver und effizienter Verwaltung.
3.2 Motivation und persönliche Werthaltungen Im Rahmen der Befragung machten die Führungskräfte aber auch deutlich, wie stark ihr eigenes Wertesystem und ihre persönlichen Ziele ihre Arbeit und deren Ergebnisse beeinflussen. Am Allgemeinsten wurde dies in dem von allen (!) 33 Befragten zum Ausdruck gebrachten Wunsch deutlich, einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft („make the world a better place“, „make a real difference“) haben und gute Arbeit leisten zu wollen. Viele der Befragten berichteten von der persönlichen Zufriedenheit und Freude, die sie aus der Tätigkeit in gemeinwohlorientierten Organisationen beziehen. Diese Zufriedenheit ist sowohl Motivation zur täglichen Arbeit (n=9) und kann es auch in Krisenzeiten sein (n=2). Eine weitere wichtige Motivationsquelle sind persönliche religiöse und spirituelle Vorstellungen (n=10), ebenso wie eine generelle ethische Orientierung am „anderen“ (n=13), die im Wunsch Ausdruck findet, anderen zu dienen, anderen zu helfen, ihr persönliches Potenzial voll auszuschöpfen oder in der Idee des Empowerments, also der Schaffung von self-supporting and self-empowering communities. Als zentrale Ergebnisse der Selbstwahrnehmung der Führungskräfte aus dem USamerikanischen Dritten Sektor können wir festhalten, dass der Sektor spezifische Herausforderungen an Führungskräfte stellt (Machtgefälle, Mangel an Standards der Rechenschaftslegung, Probleme der Wirkungsmessung, u.a.) und diese Herausforderungen durch eine Kombination aus Kompetenzen, spezifischem Fachwissen und einem „passenden“ persönlichen Wertesystem bearbeitet werden, wozu sich einige besonders günstige organisationale Gelegenheiten anbieten, etwa in der Zusammenarbeit mit Beratern, in der Entwicklung rationaler Modelle der Entscheidungsfindung oder in der Konzeption von strategischer Philanthropie.
4.
Fazit: Ist Professionalisierung die Lösung?
Ausgehend von den strukturellen Führungsaufgaben in Nonprofit-Organisationen und den Selbsteinschätzungen der Führungskräfte, worin ihre zentralen Führungsherausforderungen bestehen und welche Kompetenzen ihnen helfen, diese zu meistern, stellt sich nun erneut die Frage, was unter Professionalisierung von Führung im Dritten Sektor zu verstehen ist
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und wie es um die Professionalisierbarkeit des Führungshandelns bestellt ist. Aus der vorangegangenen Analyse kann man ableiten, dass die Konzepte des New Public Management oder die allgemeine Managementlehre der Betriebswirtschaft die strukturellen Spezifika und besonderen Herausforderungen der Führung von Nonprofit-Organisationen nicht ausreichend berücksichtigen. Ein Professionalisierungsprozess, der diese besonderen Bedingungen berücksichtigt und dabei nicht nur auf die Anforderungen in einzelnen Organisationen eingeht, sondern auf den Institutionalisierungs-Prozess im Dritten Sektor insgesamt bezogen ist, stellt die leitende Perspektive der abschließenden Betrachtung dar. In theoretischer Hinsicht lassen sich mindestens drei Erklärungsmodelle zur Entstehung von Professionen unterscheiden (Heidenreich 1999): Aus funktionalistischer Perspektive (Rüschemeyer 1980) werden in Berufen die Wertorientierungen, Rationalitätsmodelle und Funktionsvoraussetzungen moderner Gesellschaften durch funktionale Differenzierung umgesetzt, aus machttheoretischer Perspektive (Freidson 1986) gehen Berufe mit sozialen Schließungsmechanismen einher, die privilegierte Erwerbschancen monopolisieren. Aus jüngerer neoinstitutionalistischer Perspektive (Powell/DiMaggio 1991) kommen stärker die neu entstehenden Denk- und Wissensordnungen in den Blick, die autonome Problemdefinitionen und Formen der Problembearbeitung ermöglichen. Die neue Institutionentheorie argumentiert, dass mit der sozialen Schließung durch Professionalisierung auch eine kognitive Schließung einhergeht, die sich in einer Definition von durch die jeweilige Profession bearbeitbaren Aufgaben umsetzt. Nach dem klassischen indikationstheoretischen Modell setzt eine Profession die Entwicklung von wissenschaftlich fundierten Sonderwissensbeständen und Terminologien, eine akademische, theoretisch fundierte Ausbildung, einen Kanon an kodifizierten Verhaltensregeln (code of ethics), eine autonome Fach- oder Sachautorität, ein exklusives Handlungskompetenzmonopol und Interessenvertretung und Selbstkontrolle (im Sinne einer ausschließlichen Kollegialkontrolle) in Berufsverbänden voraus. Insbesondere in der Sozialen Arbeit hat sich ein schlankeres Verständnis von Professionalisierung durchgesetzt, das auf dem Modell reflexiver Professionalität (Dewe/Otto 2002) beruht und die Aspekte wissenschaftlicher Begründungspflicht professionellen Handelns sowie die Entwicklung eines Berufskodexes in den Vordergrund stellt. Im Konzept reflexiver Professionalität wird Professionalität nicht durch Zugehörigkeit zu einer bestimmten Professionsgruppe definiert, sondern durch spezifische Formen sozialen Handelns. Wird Professionalität als reflexive Handlungspraxis verstanden, so setzt professionelles Handeln den Austausch von wissenschaftlichem (systematisch und kontrolliert erzeugtem) Wissen und praktischem Handlungswissen (aus Erfahrung gewonnenem Wissen über prozedurale Vorgänge) voraus. Aufgabe der akademischen Ausbildung im Prozess der Professionalisierung wäre es demnach, diesen Austausch zwischen an Wahrheit orientiertem Wissen und an Praxisangemessenheit orientiertem Wissen zu organisieren und professionelles Handeln durch Lernen an exemplarischen Fällen zu fördern. Reflexive Professionalität hält insofern an einem Konzept von Fachlichkeit fest, indem fachliche Alltagspraxis wissenschaftlich begründet und reflektiert wird, um Deutungs- und Handlungskompetenzen im beruflichen Alltag zu erweitern. Professionalisierung, die an ein Verständnis von reflexiver Professionalität anknüpft, räumt damit der akademischen Forschung und Hochschulbildung für die Professionsentwicklung einen zentralen Stellenwert ein.
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Aus der Professionalisierungsforschung in der Sozialen Arbeit lassen sich per Analogieschluss einige Probleme der Professionalisierbarkeit der Führung von NonprofitOrganisationen ableiten. 4 Soziale Arbeit ist ebenso wie die Arbeit in NonprofitOrganisationen im Allgemeinen zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Funktionssystemen angesiedelt (Stichweh 1996: 62). Beide haben einen eher unterbestimmten Problembezug (soziale Probleme, Gemeinwohl) und weisen damit keine guten Voraussetzungen für ein „reines“, d.h. ausschließlich auf dieses Feld spezialisiertes Fach- und Professionswissen auf. Die Forschung zur sozialen Arbeit (Thole/Cloos 2000) macht deutlich, dass Professionsangehörige im sozialen Bereich juristische und ökonomische Zusammenhänge als starke Orientierung für die Praxis ansehen, sie ihre Arbeit an den wertgebundenen Zielsetzungen ihrer Organisationen ausrichten und vorhandene Routinen mindestens eine ebenso große Rolle spielen wie ihre akademisch-fachlichen Kenntnisse. Als Folge dieser Orientierung an außerfachlichen Wissensbeständen konnte in der Sozialen Arbeit ein Boom psychologischtherapeutischen Wissens (Kurz-Adam 1995) oder betriebswirtschaftlicher Produktdefinitionen (Klatetzki 1993) empirisch beobachtet werden. Ein entsprechender Boom von allgemeinem Management-Wissen und New Public Management-Ansätzen wurde auch für den Nonprofit-Sektor im Ganzen beschrieben (Meyer 2008). Die Gefahren dieser Entwicklung lassen sich am Beispiel der Übernahme von Qualitätssicherungsmodellen und Verfahren der Leistungsmessung deutlich machen, die ein beträchtliches Potenzial aufweisen, die Entscheidungs- und Handlungsspielräume von Professionellen einzuengen, die Bedeutung dessen, was als „gute Arbeit“ gilt, zu verschieben und den professionellen Modus einer falllogischen Anwendung von Wissen und Fähigkeiten durch formalisierte Arbeitsroutinen zu ersetzen (Reh 2004). Zusätzlich zum unterbestimmten Problembezug und der Schwierigkeit, „reines“ feldspezifisches Wissen zu identifizieren, haben wir es in NPOs mit heterogenen Erwartungen der Stakeholdergruppen und der werthaltigen Mission der Einrichtungen zu tun, die Hinweise auf die Grenzen der Professionalisierbarkeit zivilgesellschaftlicher Führungsqualität deutlich werden lassen. Gute Nonprofit-Führungskompetenz beruht zwar auf dem nötigen und spezifischen Fachwissen, den entsprechenden Instrumenten und Methoden, aber auch auf einer Persönlichkeit, die gemeinwohlorientiert und für die Werte der Organisationsmission offen ist. Die Ergebnisse des Good Work® Projekts zeigen, wie wichtig diese persönlichen Werthaltungen und deren Übereinstimmung mit der Organisationsmission für die Arbeitsmotivation der Führungskräfte sind. Andere empirische Untersuchungen geben Hinweise darauf, dass diese Werthaltungen häufig durch einen Sozialisationsprozess im
4
„(…) ein Netzwerk ethischer Normierungen, also über weltanschauliche Deutungsmuster und Interpretationen wie dem der »sozialen Gerechtigkeit«, christliche oder karitative Orientierungen der »allgemeinen Nächstenliebe«,nicht genuine fachliche psychologische, soziologische und insbesondere juristische Wissenskontexte, also über disziplinäre Bezüge, die anderen Wissenschaften entnommen sind, technizistische Methodisierungen der Praxis bis hin zu therapeutischen Methodendesigns, im Kern häufig mit Hilfe einer über Zusatzausbildungen ausbuchstabierte Psychologisierung und Therapeutisierung der Praxis Sozialer Arbeit, betriebswirtschaftliche, kundenorientierte Produktdefinitionen, also durch die Implementierung eines Kontraktes, der die potentielle Reziprozität sozialer Hilfe durch die Rationalität ökonomischer Gesetzmäßigkeiten ersetzt, mehr oder weniger sozialpädagogisch abgesicherte und fachlich begründete Handlungen, alltagspragmatische, intuitive Handlungsroutinen und nur marginal fachsemantisch unterlegte Deutungsmuster oder über fallorientiert angelegte und fachliches Wissen revitalisierende Praxis.“ (Thole/Cloos 2000: 543)
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Dritten Sektor (vgl. Beher et al. 2008; Frantz 2005) erworben oder gefestigt werden. Zusätzlich zu ihrer Fachlichkeit bilden Führungskräfte eine spezifische Form der Urteilskraft aus, eine Kompetenz, mit Wertekonflikten verantwortlich umzugehen, diese in ihrem Organisationsalltag ernst zu nehmen und ethische Fragen in ihre Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Man könnte in diesem Zusammenhang von ethischer Kompetenz sprechen. Die empirischen Hinweise aus dem GoodWork® Projekt stützen diese Beobachtung. In der Reflexion des Alltagshandelns von Führungskräften im Dritten Sektor zeigt sich also, dass das Verständnis von Professionalität nicht auf den Aufbau eines spezifischen Fachwissens beschränkt werden darf, sondern auch den Aufbau einer ethischen Kompetenz als zentraler Handlungskompetenz beinhalten muss. Theoretische Konzepte (Bourdieu 1982) ebenso wie empirische Studien (Frantz 2005) legen nahe, dass der Erwerb einer solchen Urteilskraft Ergebnis eines langjährigen Sozialisationsprozesses ist, der wie ein „Habitus“ als Grammatik von Handlungs-, Wahrnehmungs- und Urteilsmustern in spezifischen Kontexten über längere Zeiträume erworben wird. Ein Habitus als Ergebnis von Sozialisationsprozessen kann reflektiert, herausgefordert und entwickelt werden. Allerdings fügt er sich nicht der instrumentellen Logik des Kompetenzaufbaus. Der „Habitus“ der urteilsfähigen NonprofitFührungskraft bildet sich in einer kontextspezifischen Praxis und kann durch Reflexionsprozesse bewusst gemacht und angeregt werden. Im Habitus vermittelt sich der voranschreitende Institutionalisierungsprozess des Dritten Sektors mit der Handlungsebene der Akteure. Er markiert damit auch eine Grenze der Professionalisierbarkeit der Führung von Nonprofit-Organisationen, insofern ein Prozess reflexiver Professionalisierung in der Auseinandersetzung von wissenschaftlichem Wissen und Praxiswissen Wissensbestände aufbauen, Kompetenzen erweitern und Interpretationsschemata testen kann. Aber die Entwicklung persönlicher Werthaltungen, der Aufbau ethischer Kompetenz und die Entwicklung eines Habitus sind nicht professionalisierbar, obwohl sie eine entscheidende Grundlage für gelingende Führung im Dritten Sektor darstellen. Trotz der hier angedeuteten Grenze kommt der Wissenschaft in Form von Forschung und Bildungsangebot im Konzept reflexiver Professionalisierung eine wichtige Rolle zu. Damit die Wissenschaft zum Prozess reflexiver Professionalisierung von Führungskräften in Nonprofit-Organisationen sinnvoll beitragen kann, muss sie sich einer anspruchsvollen empirischen Forschungsagenda stellen. Es bedarf genauerer Kenntnisse über die spezifische Wissensbasis der professionell Handelnden im Dritten Sektor, über die Struktur von Kooperationsbeziehungen als Bedingung professionellen Handelns, über Kontrolle und Kontrollmechanismen und über die spezifischen Kontexte professionellen Handelns (vgl. Pfadenhauer 2005).
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Andreas Schröer
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Professionalitätsdiskurs und Management: Ein Paradoxon der Moderne Julia Evetts1
Die Konzepte von Profession und Professionalität werden immer stärker auf das allgemeine Verständnis von Arbeit und Arbeitnehmern in modernen Gesellschaften angewandt. Vertrauen, Autonomie und Kompetenz, die bislang als notwendige Voraussetzungen für professionelle Praxis erachtet wurden, werden jedoch kontinuierlich in Frage gestellt, verändert oder „reglementiert“. Dieses Paradoxon der Moderne gilt es zu umreißen und zu verstehen. In meiner Funktion als Professionssoziologin habe ich mich besonders für wissensbasierte Beschäftigungsfelder außerhalb der klassischen (archetypischen oder Schlüssel-) Professionen Medizin, Gesundheitswesen und Recht interessiert. Ich habe über Schulleiter, in der Industrie arbeitende Ingenieure und Wissenschaftler, in der Wirtschaft arbeitende Bankangestellte, Soldaten, Journalisten und in letzter Zeit über Sozialarbeiter und Pflegeeltern geforscht und publiziert. Dieser Fokus hat natürlich meine Interpretation beeinflusst. Meiner Ansicht nach gehören wissensbasierte Berufe zu einer sich ausweitenden Beschäftigungskategorie und zu den wachsenden Arbeitsmarktsektoren in entwickelten (Lyotard 1984; Perkin 1988; Reed 1996; Frenkel et al. 1995), Übergangs- (Buchner-Jeziorska 2001; Buchner-Jeziorska und Evetts 1997) und sich entwickelnden Gesellschaften (Hiremath/Gudagunti 1998; Sautu 1998). Das Konzept von „Profession“ wird außerhalb der anglo-amerikanischen Literatur, in der es die Kategorie der privilegierten, hoch angesehenen, gut verdienenden Berufsgruppen repräsentiert, selten verwendet. In den meisten Gesellschaften ist die Ausdehnung der auf Wissen basierenden Arbeitsfelder und Berufe verbunden mit der wachsenden Kapazität der Hochschulsysteme, gebildete und geschulte Arbeitnehmer auszubilden und der Notwendigkeit von Arbeitgebern und Managern, in Organisationen Kontrolle über Wissensarbeit und Dienstleistungen auszuüben. Ich habe mich für die Verlagerung des analytischen Fokus’ weg von den Konzepten der Profession und der Professionalisierung hin zur gründlichen Analyse des Konzeptes von Professionalität und dessen Verwendung ausgesprochen. In derzeitigen Arbeits- und Beschäftigungskontexten ist der verstärkte Gebrauch des Professionalitätsdiskurses für eine Vielzahl von Beschäftigungen und organisationale Arbeitsplätzen von besonderer Relevanz. Dieser Professionalitätsdiskurs wird als Marketingslogan in der Werbung verwendet, um Kunden anzuziehen (Fournier 1999). Er wird in der Anwerbung von neuen Mitarbeitern verwendet, in Unternehmensleitbildern und in der Zielsetzung der Organisation, um Mitarbeiter zu motivieren. Der Professionalitätsdiskurs hat Eingang in die Management-Literatur
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Übersetzt aus dem Englischen von Silvia & Andreas Schröer.
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Julia Evetts
gefunden und findet sich in Handbüchern wieder. Sogar Dienstvorschriften und Arbeitskontrollen (sowohl intern als auch extern) werden nun als Mittel, die Professionalität am Arbeitsplatz zu verbessern, ausgegeben und gerechtfertigt. Wenn der analytische Fokus von den Konzepten von Profession (verstanden als eine deutlich abgegrenzte und allgemeine Berufskategorie) und Professionalisierung (als Prozesse der Konstitution einer Berufsgruppe und den dazugehörigen Dynamiken ihrer Schließung, Entwicklung und Stabilisierung) verlegt wird auf das Konzept von Professionalität, dann werden andere Arten von erklärenden Theorien sichtbar. So kann der Professionalitätsdiskurs als ein wirksames Instrument für beruflichen Wandel und soziale Kontrolle auf Makro-, Meso- und Mikroebene verstanden und auf eine große Anzahl von Beschäftigungen in sehr verschiedenen Arbeits-, Organisations- und Beschäftigungsverhältnissen, Kontexten und Bedingungen bezogen werden. Der Aufsatz beginnt mit einer Klärung von drei verschiedenen Interpretationen von Professionalität:
Professionalität als beruflicher Wert (occupational value), Professionalität als Ideologie; Professionalisierung als Mechanismus der Marktschließung, Professionalität als Diskurs für beruflichen Wandel und Management-Kontrolle.
Daran anschließend zeige ich auf, dass eine Konsequenz des derzeitigen Wandels die Existenz zweier idealtypischer Formen von Professionalität ist: berufliche Professionalität und organisationale Professionalität. Der Aufsatz schließt mit der Formulierung einiger Konsequenzen, die sich für professionelle Arbeit aus der Ausweitung der organisatorischen Form von Professionalität hinsichtlich der Aspekte Vertrauen, Autonomie und Kompetenz ergeben.
1.
Professionalität und Professionalisierung: entgegengesetzte Interpretationen
Die Konzepte von Profession, Professionalität und Professionalisierung haben beachtliche (manchmal kritische) Aufmerksamkeit in der Soziologie erregt. In der frühen britischen soziologischen Analyse war „Professionalität“ das Schlüsselkonzept und die Betonung lag auf der Bedeutung von Professionalität für die Stabilität und Zivilität von sozialen Systemen (z.B. Tawney 1921; Carr-Saunders und Wilson 1933; Marshall 1950). In diesen Interpretationen wurde Professionalität als ein wichtiger und höchst erstrebenswerter Wert in der Arbeitswelt begriffen und professionelle Beziehungen wurden als kollegial, kooperativ und gegenseitig unterstützend charakterisiert. Die Vertrauensverhältnisse zwischen Professionellen und Klienten bzw. Professionellen und Management wurden ähnlich charakterisiert, da davon ausgegangen wurde, dass Kompetenzen durch Bildung, Ausbildung und manchmal durch Lizenzvergabe garantiert werden. Die frühen amerikanischen professionssoziologischen Theoretiker entwickelten ähnliche Interpretationen und wieder war Professionalität als beruflicher Wert das Schlüsselkonzept, das auf Vertrauen, Kompetenz und einer starken beruflichen Identität und Kooperation basiert. Der bekannteste und wahrscheinlich am häufigsten falsch zitierte Versuch, die besonderen Charakteristika von Professionalität, seine zentralen Werte und seinen Beitrag zu sozialer Ordnung und Stabilität zu klären, war der von Parsons (1951). Parsons war einer
Professionalitätsdiskurs und Management
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der ersten Theoretiker, der erkannte und aufzeigte, wie die kapitalistische Wirtschaft, die rational-legale soziale Ordnung (Weber) und die modernen Professionen miteinander in Beziehung stehen und sich gegenseitig im Gleichgewicht halten, um die Stabilität der fragilen normativen Sozialordnung zu gewährleisten. Er zeigte, wie sowohl die Vormachtstellung von Professionen als auch von bürokratisch hierarchischen Organisationen auf denselben Prinzipien beruhen (z.B. durch funktionale Spezifika, Einschränkung der Machtbereiche, Anwendung von universellen, unpersönlichen Standards). Die Professionen jedoch zeigten mithilfe ihrer kollegialen Organisation und gemeinsamen Identität einen alternativen Zugang (verglichen mit der Verwaltungshierarchie bürokratischer Organisationen) zum gemeinsam geteilten normativen Zweck. Parsons wurde anschließend heftig kritisiert, vor allem wegen seiner Bezüge zum Funktionalismus (Dingwall und Lewis 1983). Freidson ist in einer jüngeren Analyse (2001) jedoch zur Unterscheidung zwischen Professionalität und rational-rechtlich begründeter Bürokratie als alternative Modelle der Arbeitsorganisation zurückgekehrt. Freidson untersucht die Logik dreier verschiedener Wege der Arbeitsorganisation in modernen Gesellschaften (Markt, Organisation und Profession) und erläutert die jeweiligen Vor- und Nachteile für Klienten und Professionelle. In dieser Analyse legt er dar, wie wichtig es weiterhin ist, Professionalität (mit einigen Änderungen) als Hauptorganisationsprinzip im Dienstleistungssektor beizubehalten. Diese Interpretation könnte man eine optimistische Auffassung dessen nennen, was mit Professionalität und dem Prozess der Professionalisierung bezeichnet wird. Sie basiert auf dem Grundsatz, dass Arbeit entweder für die Öffentlichkeit oder für die Interessen des Staates oder für eine Elite von speziellem Wert ist (Freidson 2001: 214). „The ideal typical position of professionalism is founded on the official belief that the knowledge and skill of a particular specialization requires a foundation in abstract concepts and formal learning“ (Freidson 2001: 34/5). Bildung, Ausbildung und Erfahrung sind fundamentale Voraussetzungen, aber wenn sie einmal erlangt (und manchmal lizenziert) sind, dann ist die Ausübung von auf Kompetenz basierender Autonomie zentral und verdient einen besonderen Status. Professionelle verfügen über spezielles Wissen und Können und es existiert ein Bedürfnis, ihren Intentionen zu vertrauen (besonders wenn ihre Tätigkeit durch eine Lizenz geschützt wird). Die Folge ist, dass extern auferlegte Regeln, die die Arbeit beeinflussen, minimiert werden und die Ausübung von Autonomie und gutem Urteilsvermögen, oft in hoch komplexen Situationen und Umständen und basierend auf anerkannten Kompetenzen, gestärkt wird. Es gibt jedoch eine zweite, pessimistischere Interpretation von Professionalität, die aus der kritischeren Literatur über Professionen stammt, die die anglo-amerikanischen Analysen der 1970er und 1980er Jahre hervorgebracht haben. In dieser Zeit wurde Professionalität als erfolgreiche Ideologie (Johnson 1972) abgetan und Professionalisierung als ein Prozess der Marktschließung und monopolistischen Kontrolle der Arbeit (Larson 1977) sowie der Dominanz einzelner Berufsgruppen (Larkin 1983) verstanden. Professionalisierung diente dazu, sowohl das berufliche Eigeninteresse der Professionellen in Bezug auf Gehalt, Status und Macht voranzutreiben als auch den beruflichen Kompetenzbereich monopolistisch zu schützen. Dies wurde als ein Prozess angesehen, der größtenteils von den Professionsangehörigen selbst initiiert und kontrolliert wurde und zwar hauptsächlich in ihrem eigenen Interesse, obwohl man auch argumentieren könnte, dass sie in öffentlichem Interesse handelten (Saks 1995).
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Julia Evetts
Eine dritte, spätere Entwicklung hat die Analyse von Professionalität in den Diskurs um berufliche Veränderung und Kontrolle eingebunden – dieses Mal in Arbeitseinrichtungen, in denen der Diskurs zunehmend von Managern angewandt und genutzt wird. Fournier (1999) betrachtet die Attraktivität von „Professionalität“ als einen disziplinären Mechanismus in neuen beruflichen Kontexten. Sie zeigt auf, wie der Gebrauch des Professionalitätsdiskurses in einem großen privatisierten Dienstleistungsunternehmen für Managementtätigkeiten funktioniert, um „adäquate“ Arbeitsidentität, Arbeitsverhalten und Arbeitspraktiken zu prägen. Sie versteht dies als „a disciplinary logic which inscribes ‚autonomous’ professional practice within a network of accountability and governs professional conduct at a distance“ (1999: 280). Interessant und höchst relevant ist es auch, dieses Verständnis von Professionalität des Managements mit Aspekten des Managements öffentlicher Einrichtungen zu verbinden – insbesondere im staatlichen Gesundheitswesen. Es kommt auch vor, dass der Professionalitätsdiskurs zwischen verschiedenen Berufsfeldern variiert. Evetts (2003) hat McClellands Kategorisierung (1990: 170) benutzt, um zwischen Professionalisierung „von innen heraus“ (z.B. erfolgreiche Manipulation des Marktes durch die Gruppe) und „von oben“ (dominierende Kräfte außerhalb der Gruppe) zu unterscheiden. In dieser Interpretation wird der Rekurs auf Professionalität von der Berufsgruppe selbst gemacht und benutzt. Der Ertrag dieses Rekurses „von innen heraus“ kann für die Gruppe bedeutend sein. In diesen Fällen war die Gruppe historisch betrachtet in der Lage, den Diskurs zu nutzen, um ihre berufliche Identität auszubilden, für ihr Image bei Klienten und Kunden zu werben und in Verhandlungen mit dem Staat ihre (manchmal selbstbestimmenden) regulativen Verantwortlichkeiten zu sichern und zu erhalten. In diesen Beispielen nutzt der Beruf den Diskurs zum Teil im eigenen berufsbezogenen und fachlichen Interesse, manchmal aber auch als einen Weg, um das öffentliche Interesse zu fördern und zu wahren. In den meisten modernen Dienstleistungsberufen wird Professionalität jedoch „von oben“ verordnet und meistens betrifft dies die Angestellten und Manager von Dienstleistern, in denen diese „Professionellen“ arbeiten. Hier sind die Diskurse (zu engagierter Dienstleistung und autonomer Entscheidungsfindung) Teil der Anziehungskraft von Professionalität. Wenn der Diskurs „von oben“ in Gang gesetzt wird, dann ist er häufig aufgezwungen. Ein falscher oder selektiver Diskurs wird benutzt, um beruflichen Wandel (Rationalisierung) zu fördern und zu erleichtern, und er dient als disziplinärer Mechanismus autonomer Subjekte, die ein gewünschtes Verhalten erreichen wollen. Dieser Professionalitätsdiskurs wird von der Berufsgruppe aufgegriffen und begrüßt, da er als ein Weg verstanden wird, den Status des Berufes und die kollektiven und individuellen Entlohnungen zu verbessern. Indessen sieht die Wirklichkeit der „von oben“ verordneten Professionalität ganz anders aus. Das Ergebnis ist nicht die Selbstkontrolle der Arbeit durch die Arbeiter, sondern vielmehr Kontrolle durch die organisationalen Manager und Vorgesetzten. Organisationale Ziele (die manchmal politisch sind) bestimmen das Verhältnis zwischen Professionellen und Klienten, setzen Zielvorgaben und Leistungsindikatoren. So regulieren und ersetzen organisationale Ziele die berufsgruppeninternen Kontrollmechanismen der Interaktion zwischen Professionellen und Klienten, schränken dadurch den Ermessensspielraum ein und verhindern die Ethik der Dienstleistung, die für professionelle Arbeit so wichtig gewesen ist. Organisationale Professionalität ist für die Formen von Public Management, die zurzeit in Bildungsinstitutionen (Schulen und Universitäten) und im staatlichen Gesundheitswesen und der medizinischen Grundversorgung entwickelt werden, eindeutig relevant.
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Die Anziehungskraft von Professionalität kann als ein starkes, motivierendes Kontrollmittel „aus der Ferne“ angesehen werden (Miller/Rose 1990; Burchell et al. 1991). Tatsächlich ist es eine Form von nach innen gerichteter Kontrolle oder Selbstkontrolle, wo eine enge Aufsicht durch das Management nicht notwendig ist. Organisationale Professionalität wird erreicht durch bessere Berufsausbildung und die Zertifizierung der Arbeiter und Angestellten – ein Prozess, den Collins (1979, 1981) als „credentialism“ bezeichnet hat. In diesen Fällen ist Professionalität ein wirkmächtiger Mechanismus, um beruflichen Wandel und soziale Kontrolle zu fördern. Manager in Organisationen2 fühlen sich von dem Mythos oder der Ideologie der Professionalität in dem Diskurs angezogen (Evetts 2003), der Aspekte wie exklusives Expertenwissen, autonome Arbeitspraktiken und Kontrolle über das Beschäftigungsfeld einschließt. Die Realität ist aber tatsächlich anders als die Professionalität, die man sich gegenwärtig vorstellt. Die Anziehungskraft des Professionalitätsdiskurses für Manager beinhaltet oft den Ersatz von organisationalen durch professionelle Werte; bürokratische, hierarchische und betriebliche Kontrollen statt kollegialer Beziehungen; betriebliche und organisationale Ziele statt des Klienten-Vertrauens basierend auf Kompetenz; haushaltsmäßige Beschränkungen und finanzielle Rationalisierungen; die Standardisierung von Arbeitsvorgängen statt Autonomie; Leistungserfüllung, Verantwortlichkeit und manchmal gesteigerte politische Kontrolle. Der Gebrauch des Professionalitätsdiskurses ist nicht auf Manager in betrieblichen Organisationen („work organisations“) beschränkt. Als ein Diskurs über Selbstkontrolle kann er auch als eine Ideologie interpretiert werden, die Selbstmotivation und manchmal sogar Selbstausbeutung ermöglicht. Born (1995) zeigt dies sehr gut in ihrem Bericht über die Welt der zeitgenössischen französischen Musikpraktiken. Auch in der Arbeitskultur von Künstlern, Schauspielern und Musikern generell findet der Professionalitätsdiskurs einen klaren Ausdruck. Hat man sich einmal selbst definiert als ein professioneller Künstler, wird es illegitim, seinen Leistungen zeitliche oder andere Beschränkungen aufzuerlegen. Die Erwartungen von einem selbst und anderen Professionellen kennen keine Grenzen. Für den Professionellen werden die Bedürfnisse und Ansprüche von Publikum, Patienten, Klienten, Studenten und Kindern vorrangig. Von Professionellen wird erwartet und sie erwarten auch von sich selbst, dass sie engagiert sind, sogar moralisch in ihre Arbeit involviert sind. Ich habe dargelegt, dass wir in modernen Gesellschaften anscheinend die Entwicklung zweier verschiedener (und auf vielfältiger Weise gegensätzlicher) Formen von Professionalität in wissensbasierter Arbeit im Dienstleistungssektor verfolgen können: organisationale und berufliche Professionalität (siehe Model 1). Idealtypisch ist organisationale Professionalität ein Kontrolldiskurs, der zunehmend von Managern in betrieblichen Organisationen („work organisations“) benutzt wird. Er berücksichtigt rational-legale Formen von Autorität und hierarchische Strukturen von Verantwortlichkeit und Entscheidungsfindung. Er schließt die zunehmend standardisierten Arbeitsabläufe und -praktiken sowie betriebliche Kontrolle ein. Er stützt sich auf externalisierte Regulierung wie Zielbestimmung, Wirkungsmessung und Erfolgskontrolle. Im Gegensatz dazu – und auch wieder idealtypisch – wird der Diskurs um die berufliche Professionalität innerhalb professioneller Berufsgruppen geführt und berücksichtigt kollegiale Autorität. Er beinhaltet Vertrauensbeziehungen zum Profes-
2
Im engl. Original: work organisations.
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Julia Evetts
sionellen sowohl von Seiten der Anstellungsträger als auch der Klienten. Er basiert in komplexen Situationen auf der Autonomie, der Ermessens-Entscheidung und dem Beurteilungsvermögen der Professionellen. Er ist abhängig von allgemeinen und übermäßig langwierigen Bildungssystemen und Ausbildungen und der Entwicklung einer starken beruflichen Identität und Arbeitskultur. Kontrollen werden von den Professionellen selbst operationalisiert, die sich an den Richtlinien der Professionsethik orientieren, die von professionellen Instituten und Verbänden überwacht werden. In anderen Aufsätzen habe ich die Anknüpfungspunkte und Verbindungen zwischen diesen beiden verschiedenen Formen von Professionalität und den klassischen Interpretationen von Weber und Durkheim untersucht (Evetts 2004, 2005). Organisationale Professionalität Kontrolldiskurs, zunehmend verwendet von Managern in betrieblichen Organisationen („work organizations“) Rational-rechtlich begründete Form der Autorität Standardisierte Verfahren Hierarchische Strukturen von Autorität und Entscheidungsfindung Managerialismus Verantwortlichkeit und externalisierte Regulierungen, Zielbestimmungen und Erfolgskontrolle in Anlehnung an Webers Organisationsmodell Abbildung 3:
2.
Berufliche Professionalität Diskurs findet innerhalb professioneller Gruppen statt Kollegiale Autorität Autonomie und professionsinterne Kontrolle über die Arbeit Professionelles Vertrauen von Klienten und Anstellungsträgern Kontrolle wird von den Professionellen operationalisiert Professionsethik, von Institutionen und Verbänden kontrolliert verankert in Durkheims Modell von Berufen als moralische Gemeinschaften
Zwei Formen von Professionalität in wissensbasierten Arbeitsfeldern
Schlussfolgerung: Vertrauen, Autonomie, Kompetenz
Was also sind die Konsequenzen der Ausdehnung von organisationaler Professionalität für die Aspekte Vertrauen, Autonomie und Kompetenz, die eine wichtige Rolle in professioneller Arbeit gespielt haben? Oder, alternativ, was bedeutet der zunehmende Gebrauch von Professionalität als Managementinstrument für beruflichen Wandel und für die Kontrolle beruflicher und tätigkeitsbezogener Professionalität? Dieser Aufsatz begann mit dem aktuellen Paradoxon, dass die Konzepte von Profession und Professionalität zunehmend auf das Verständnis von Arbeit und Arbeitnehmer in modernen Gesellschaften angewandt werden. Vertrauen, Autonomie und Kompetenz, die bislang als notwendige Voraussetzungen professioneller Praxis erachtet wurden, werden jedoch kontinuierlich in Frage gestellt oder verändert. Bedeutet der zunehmende Gebrauch des Professionalitätsdiskurses als Managementinstrument der Arbeitskontrolle den weiteren Rückgang von Vertrauen? Bedeutet die Ausweitung der Zielvorgaben und Verantwortlichkeiten, dass man sich nicht länger auf Kompetenzen verlassen kann? Werden professionelle Berufsgruppen mit der Ausweitung von dienstleistungs- und wissensbasierter Arbeit weniger abgrenzbar und mehr wie andere organisationale Angestellte? Die Bedeutungen von Vertrauen, Kompetenz und Professionalität waren untrennbar miteinander verbunden. Im 19. Jahrhundert war das der Fall, als man darauf vertrauen
Professionalitätsdiskurs und Management
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konnte, dass der Doktor, der Anwalt und der Geistliche, die alle „Gentlemen“ waren, aufgrund ihrer Kompetenzen und Erfahrungen uneigennützig Rat geben würden innerhalb einer Gemeinschaft von gegenseitig abhängigen Klienten aus der Mittel- und Oberschicht. Freidson (2001: 150) hat die Aufmerksamkeit auf die schichtenspezifische Beschaffenheit von Vertrauensbeziehungen gelenkt. Dieses Vermächtnis, ob Fakt oder Fiktion, sorgte für ein starkes Image und einen Anreiz für viele aufstrebende Berufsgruppen im 20. Jahrhundert und hilft, die Anziehungskraft des Professionalitätsdiskurses als Management-Werkzeug zu erklären. Die soziologische Professionsliteratur hat ebenfalls Vertrauen, Kompetenz, Autonomie und Professionalität miteinander verbunden. Auf diese Weise werden Bildung, Ausbildung und manchmal auch die Lizenzierung des Wissens durch ein Fundament an abstrakten Konzepten erreicht, gefolgt von formalisierten Lernprozessen durch Erfahrung mit oder die Ausbildung bei einem qualifizierten Professionellen. Wenn das Wissen, das Können und die Kompetenz einmal angeeignet sind, dann können sie in unterschiedlichen und komplexen Fällen, die autonomes berufliches Handeln verlangen, angewandt werden. Freidson (2001: 34) hat dargelegt, dass der idealtypische Charakter von Wissen und Können, der den Professionellen zugeschrieben wird, impliziert, dass sie ihre eigene Arbeit kontrollieren. Fox (1974: 26-35) hat anhand industrieller Arbeit aufgezeigt, dass das Recht auf Autonomie impliziert, vertrauenswürdig, engagiert und sogar moralisch in seine Arbeit involviert zu sein. Freidson hat hinzugefügt (2001: 34), dass in idealtypischer professioneller Arbeit die „externally imposed rules governing work are minimized“. Die Verbindung von Vertrauen, Kompetenz und Professionalität ist weiterhin Teil des aktuellen Diskurses, obwohl in letzter Zeit in Großbritannien einige Vorfälle das Image der Professionen in Frage stellen, insbesondere durch medizinische und juristische Nachlässigkeiten und Amtsmissbrauch oder wie im Fall von Dr. Harald Shipman der Verurteilung als Massenmörder. Die Verbindung von Vertrauen, Kompetenz und Professionalität wird nun hinterfragt. Können wir unseren öffentlichen Dienstleistern oder den Menschen, die dort arbeiten, vertrauen? Es scheint, als würden Ärzte, Anwälte, Wissenschaftler und viele andere zunehmend misstrauisch beäugt. Die Worte von Politikern und Geschäftsleuten werden angezweifelt und ihre Motive in Frage gestellt. Eine wachsende prozesssüchtige Kultur, angetrieben durch das Bekanntwerden von großen finanziellen Gewinnen aus Gerichtsverfahren in den USA, untergräbt zudem Vertrauen und Professionalität. Eine damit zusammenhängende Schwierigkeit ist, dass die vorgeschlagene Lösung – professionelle und dienstleistende Institutionen wie Schulen und Krankenhäuser stärker zur Rechenschaft zu ziehen – tatsächlich ein Teil des Problems in diesem komplexen System von Verantwortung und Rechenschaftspflicht ist und Prüfungen außerdem Vertrauen zerstören und die Zeit, die die Professionellen mit ihren Kunden/Klienten verbringen können, reduziert. Wie kann also die Ausweitung von organisationaler Professionalität und die Analyse von Professionalität als ein Diskurs zu beruflichem Wandel und Kontrolle sowie der zunehmende Gebrauch dieses Diskurses als ein Management-Werkzeug in ArbeitsOrganisationen es uns ermöglichen, das Paradoxon zu klären und anzugehen? Welche forschungsrelevanten Schlüsselfragen müssen wir untersuchen? Die wachsende Bedeutung von Professionalität in der Arbeitswelt und für Arbeiter in modernen Gesellschaften müsste natürlich nachgewiesen und nicht nur angenommen werden. Auch ist es wichtig zu untersuchen, ob und wenn ja durch wen, in welcher Weise und für welche Professionen die Beziehungen von Vertrauen, Autonomie und Kompetenz in Frage gestellt werden. Damit zu-
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sammenhängend müsste überprüft werden, in welchem Ausmaß Vertrauensbeziehungen zwischen Professionellen und Klienten durch organisationale Formen der Reglementierung wie Hierarchie, Bürokratie, Managerialismus, Zielvorgaben, Rechenschaftspflicht und Marktformen der Kundenbeziehung ersetzt werden. Ein starker Anhaltspunkt oder Test, der angeben würde, ob Professionalität eher „von oben“ als „von innen“ aus der Berufsgruppe heraus gestaltet wird, ist die Feststellung, wer die Ziele vorgibt. Daran anschließend müsste man weitere Fragen stellen. Diese wären unter anderem: Kann Vertrauen wieder hergestellt werden, indem Professionelle und Institutionen mehr zur Verantwortung gezogen werden? Oder schädigen komplexe Systeme von Rechenschaftspflicht und Kontrolle Vertrauen? Und vielleicht noch wichtiger: Wie wichtig ist Vertrauen in wissensbasierte Arbeiter und Experten in modernen Demokratien mit ihren komplexen arbeitsteiligen Systemen? Generell bietet ein Fokus auf den Professionalitätsdiskurs einige neue Richtungen und interessante (Forschungs-)Felder für Soziologen und Professionsgruppen. Es ist auch wichtig zu erkennen, dass er gleichzeitig die Aufmerksamkeit von Forschern neu auf Fragen der klassischen Soziologie lenken kann, etwa der gesellschaftlichen Mechanismen der sozialen Ordnung und der sozialen Kontrolle. In diesem Fall wäre die wichtigste Forschungsfrage, wie und auf welche Weise der Professionalitätsdiskurs verwendet wird (von Staaten, Arbeitgebern und Managern und von einigen einigermaßen einflussreichen Berufsgruppen), und zwar als Instrument beruflichen Wandels (inklusive Widerstand gegen diesen Wandel) und sozialer Kontrolle.
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Professionalitätsdiskurs und Management
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Leadership und interpersonales Vertrauen am Beispiel der Prozessorganisation sozialer Dienstleistungen Andreas Langer
Welche Bedeutung hat interpersonales Vertrauen und Leadership für die Dienstleistungserbringung sozialer Institutionen? Mit diesem Problemzuschnitt soll eine Grundfrage der sozialen Dienstleistungstheorie aufgenommen und weitergeführt werden, die Thomas Olk bereits 1986 als eine kaum zu umgehende Ungewissheitsbelastung beschrieb. Er diagnostiziert im Rahmen von Qualitäts-, Effektivitäts- und Effizienzanforderungen bei der Organisation von (professionellem) Expertenhandeln ein „Steuerungs- und Kontrolldilemma sozialarbeiterischer Dienstleistungsorganisation“ (Olk 1986: 115). Mit Leadership, interpersonalem Vertrauen und Dienstleistung sind drei weitreichende Themenkomplexe angesprochen, die notwendigerweise auf das genannte Problem hin geschärft werden müssen, um die zentrale Fragestellung zu fokussieren: Es geht um die Bearbeitung von Ungewissheit. In einer Management-Perspektive geht es aber auch um die Überführung von Unsicherheit in zielgeführte Kontrolle und Steuerung. Im ersten Kapitel der nachfolgenden Ausführungen wird aus analytischer Perspektive kurz ausgeführt, was gemeint ist, wenn von Vertrauen, Dienstleistung und Leadership gesprochen wird. Im zweiten und dritten Teil dieses Aufsatzes werden zwei Thesen vorgestellt: So wird mit Rückgriff auf eine empirische Studie in Kapitel zwei gezeigt, dass Vertrauen ein konstitutives Element bei der Organisation sozialer Dienstleistungen ist und sich implizit bereits Teilaspekte von Leadership-Konzepten insbesondere bei Dienstleistungsprozessen in sozialen Institutionen entdecken lassen. In Kapitel drei wird das eingeführte Leadership-Verständnis mit Hilfe der empirischen Erkenntnisse für den Kontext sozialer Institutionen konkretisiert, um Perspektiven zur Gestaltung von Dienstleistungsorganisation zu gewinnen.
1.
Leadership und Vertrauensgüter
In der einschlägigen Literatur über „soziale Institutionen“, „Nonprofit-Organisationen“ oder den so genannten „Dritten Sektor“ steht die Analyse der institutionellen Strukturen mit ihren charakteristischen Merkmalen oftmals im Vordergrund. Dass jedoch die Produktion von Dienstleistungen als ein verbindendes Charakteristikum dieser „Organisiertheit“ von Handlungen und Interaktionen gelten kann, wird selten behandelt. Im Folgenden will ich am Beispiel der Sozialen Dienste in der Jugendhilfe diesen charakteristischen Gegenstandsbezug herausarbeiten und damit den analytischen Rahmen von Vertrauen, Dienstleistung und Leadership bestimmen.
170
Andreas Langer
1.1 Das Spannungsfeld personenbezogener sozialer Dienstleistungen Einrichtungen und Dienste für Kinder und Jugendliche in einer lokalen Trägerlandschaft bieten sich aus zwei Gründen als Gegenstand für die (empirische) Untersuchung von Steuerungs- und Kontrollprozessen sozialer Dienstleistungen an. Erstens gelten sie „als erster Bereich ‚moderner‘ sozialer Dienste“ (Bahle 2007: 287), die „eine institutionell eigenständige Form erhielten“ und „in eigenständigen institutionellen Komplexen reguliert“ werden. Kinder- und Jugendhilfe eignen sich also, um NonprofitManagement vor dem Hintergrund des Verhältnisses von freier und öffentlicher Wohlfahrt zu analysieren. Damit wird ein entscheidendes Charakteristikum des bundesdeutschen Sozialstaats berücksichtigt. Denn obwohl soziale Leistungen und Dienste „aus dem Kontext des Armen- und Fürsorgewesens herausgelöst“ (Bahle 2007: 287) wurden, ist durch politisch initiierte Reformen das – seit vielen Jahren unveränderte – Verhältnis von freier Wohlfahrt und öffentlich-staatlichen Organen in Bewegung gekommen. Zweitens lässt sich an sozialen Diensten für Kinder, Jugendliche und deren Familien das Spannungsfeld sozialer personenbezogener Dienstleistungen verdeutlichen, die im Weiteren auch als Vertrauensgüter konzipiert werden. Die Doppelbezeichnung „sozial“’ und „personenbezogenen“ markiert bei den Dienstleistungen in der Kinder- und Jugendhilfe ein Spannungsverhältnis, welches wesentlich zu der von Olk genannten Ungewissheitsbelastung führt. Auf der einen Seite sind diese personenbezogenen Produkte und damit der Ressourceneinsatz „im Hinblick auf die individuellen Bedürfnisse von Klienten konzipiert“ (Finis/Siegler 2001: 249). „Wenn aber Sozialpolitik eine anbieterinduzierte Nachfrage im Sinne der Transformation von Bedürfnis und Nachfrage in bedarfsgerechter Inanspruchnahme gemäß sozialpolitischer Leitbilder will, muss sowohl die asymmetrische Interaktionsbeziehung zwischen Sozialarbeiter und Klient als auch die meritorisch notwendige Anbieterdominanz kontrolliert werden“ (ebd.: 251). Soziale Institutionen sind also insofern konstitutiv gemeinwohlorientiert, weil sie (wenn auch nur zum Teil) einen Bedarf bedienen, der kollektiv definiert und festgestellt wird. Das Charakteristikum „sozial“ markiert den Sachverhalt, dass letztlich institutionell entschieden wird, „welche Probleme als soziale anerkannt und welche Aufgaben als gesellschaftlich relevant eingestuft werden“ (ebd.: 249). Ein Management, welches sich auf personenbezogene soziale Dienstleistungen richtet, steht also immer im Spannungsfeld zwischen personenbezogener Bedürfnisorientierung und sozialer Problemdefinition und Ressourcenfreigabe, was sich in der Finanzierungsstruktur und der Funktion sozialer Institutionen niederschlägt. Diese „sind erstens Träger und Erbringer von sozialen Leistungen, sie leisten zweitens als lokale Vereine einen Beitrag zur sozialen Integration, und drittens organisieren sie als sozialpolitische Akteure Prozesse der Interessenvermittlung“ (Merchel 1996: 302), womit Merchel die schon fast klassische Trias zur Bestimmung von Nonprofit-Unternehmen im sozialen Dienstleistungssektor nennt.
1.2 Personenbezogene soziale Dienstleistung als Vertrauensgut Neben diesem wohlbekannten Spannungsfeld findet in der einschlägigen Literatur die genauere Charakterisierung der Dienstleistungen als „Gut“ relativ wenig Beachtung. Deswegen soll im Folgenden insbesondere auf die Eigenschaften der genannten Dienstleistungen als Vertrauensgüter eingegangen werden. In der Literatur finden sich zwei Differenzierun-
Leadership und interpersonales Vertrauen
171
gen, die Abgrenzung von Vertrauensgütern sowie die Abgrenzung von vertrauensbasierten Dienstleistungsbündeln. Die Unterscheidung von Suchgütern1, Erfahrungsgütern und Vertrauensgütern2 lässt sich sehr gut anhand ihrer Qualitätseigenschaften führen (vgl. Tabelle 1). Ökonomisch ausgedrückt unterscheiden sie sich im Wesentlichen durch die Höhe der Messkosten (Fließ 2004: 41). Abgeleitet davon können Steuerungs- und Kontrollaktivitäten dementsprechend an Such-, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften der Dienstleistungen ansetzen (vgl. ebd: 35). Suchgut/Inspektionsgüter Erfahrungsgut
Vertrauensgut/Reputationsgut
Tabelle 1:
Qualität ist bereits vor Vertragsabschluss erkennbar – es fallen keine zusätzlichen Kosten an – Grad der Informationsasymmetrie ist nahe Null Qualität ist erst nach Vertragsabschluss zu erkennen bzw. erweisen ihre Qualität durch Gebrauch – es fallen keine zusätzlichen Kosten an – Grad der potenziellen Informationsasymmetrie liegt vor Vertragsabschluss im mittleren Bereich Qualität kann kaum bewertet werden bzw. lässt sich weder durch vorheriges Prüfen noch durch Gebrauch vollständig ermitteln, man muss darauf „vertrauen“, gute Qualität zu erhalten – Informationsasymmetrie ist prohibitiv hoch – es entstehen erhebliche Kosten bei der Qualitätsüberprüfung
Charakterisierung von Such-, Erfahrungs- und Vertrauensgütern (nach Kuchinke 2000: 4)
Die „Eigenschaftsmessung“ bzw. Überwindung der Informationsasymmetrie einer Leistung ist mit Messkosten verbunden, die in drei Klassen unterteilt werden können: (1) direkte Messkosten, (2) Messfehlerkosten, (3) Opportunitätskosten. Prohibitiv hohe Messkosten entstehen bei Vertrauensgütern dadurch, dass keine technischen Methoden zur Verfügung stehen, dass Kosten der Messung den Wert der zu tauschenden Leistungen übersteigen oder dass die Opportunitätskosten des Ressourceneinsatzes der Messungen so hoch sind, dass die Alternativwerdung zu einem höheren Nutzen führt als der Tausch der zu messenden Leistungen (Fließ 2004: 35). Demzufolge dominieren bei standardisierten Leistungsversprechen Erfahrungseigenschaften, während bei nicht standardisierten Leistungsversprechen und so genannten Kontaktgütern Vertrauenseigenschaften vorherrschen. Der Vertrauensaspekt ist damit in der direkten Interaktion und als Legitimation durch Vertrauen im Sozialmarkt relevant (Arnold 1997: 23). Mit der zweiten Differenzierung betont Hardt (1996) die Vertrauenseigenschaften bei dienstleistungsorientierten Leistungsbündeln (vgl. Tabelle 2). Industrielldienstleistungsorientierte Leistungsbündel Kreativ-dienstleistungsorientierte Leistungsbündel Vertrauensdienstleistungsorientierte Leistungsbündel
Tabelle 2:
1 2
Probleme, sowie deren Lösungen sind bekannt – standardisierte Interaktionen – Kaufentscheidungen werden dominiert von Sucheigenschaften, teilweise auch von Erfahrungseigenschaften; beides ist nicht kostenlos – langfristige Vertragsbeziehungen – hohe Planungssicherheit Probleme sind bekannt, die Lösungen jedoch nicht oder nur bedingt – intensive Interaktionen – wird von Erfahrungseigenschaften dominiert – nur geringe Planungssicherheit Weder Problem noch Problemlösung sind bekannt – spezifisch und komplexe Interaktion – dominierend sind Vertrauenseigenschaften – langfristige relationale Verträge
Charakterisierung vertrauensdienstleistungsorientierter Leistungsbündel (eig. Darstellung)
Nelson bezeichnet die erste Gutskategorie als Suchgüter. Manchmal werden diese Güter aber auch als Inspektionsgüter bezeichnet (vgl. Stiegler 1994). Der Begriff des Vertrauensgutes wurde von Darby/Karni eingeführt. Zu den Charakteristika der Vertrauensgüter vgl. Kuchinke (2000); Fließ (2004); Mantwill (1995); Abraham/Kropp (2000); Emons (2001).
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Andreas Langer
Personenbezogene soziale Dienstleistungen werden aus dieser Perspektive als Vertrauensdienstleistungen bezeichnet. Die Erstellung dieser speziellen Vertrauensgüter – oder genauer von vertrauensdienstleistungsorientierten Leistungsbündeln – ist bestimmt von Informationsasymmetrien (Hardt 1996). Die Unbestimmtheit von „Qualität“, „Leistung“ oder „Problemlösung“ liegt in der Intagibilität (Sydow 1994) der Dienstleistung begründet, das sind neben den Vertrauenseigenschaften die Gleichzeitigkeit der Produktion und Konsumption, die Nicht-Lagerungsfähigkeit sowie die Konsumentenanwesenheit und -mitwirkung bei der Dienstleistung (das so genannte „uno-actu“-Prinzip). Das Prinzip des „uno-actu“ bedeutet auch, dass erst mit der Produktion der Dienstleistung die Vertragserfüllung beginnt (Kuchinke 2000: 4). Vertrauenseigenschaften beziehen sich auf Leistungseigenschaften, deren Vorhandensein der Kunde auch während oder nach Inanspruchnahme der Dienstleistung nicht kostenlos beurteilen kann. Der Nachfrager kann nicht oder nur zu sehr hohen Kosten zwischen Anbietern guter und Anbietern schlechter Qualität unterscheiden (vgl. Kuchinke 2000: 3; Fließ 2004: 34). Dies eröffnet dem Anbieter einen Verhaltensspielraum, den er opportunistisch ausnutzen kann. Um Messkosten zu senken, können Debundling-, Visualisierungs-, Externalisierungs- bzw. Internalisierungsstrategien zum Einsatz kommen (Fließ 2004: 41). Da Vertrauensgüter durch hohe Messkosten am Output gekennzeichnet sind, kommt Fließ (2004: 40) zum dem Schluss, dass die Qualitätssteuerung am davor liegenden Leistungserstellungsprozess ansetzen sollte. Neben der Intagibilität des Gutes kommt in der prozessorientierten Perspektive zum Tragen, dass sich die Dienstleistungserstellung nicht in beliebig kleine Segmente aufteilen lässt. Der Arbeitsteilung sind also deutliche Grenzen gesetzt: „Die Leistung stellt eine Einheit dar. Auch wenn unterschiedliche Teilelemente existieren, so ist doch das Ausschlaggebende gerade die Einheit dieser Elemente – die Einheit, die mehr bildet als die Summe der Elemente“ (Herrmann 2002: 23). Zum Teil sind der möglichen Arbeitsteilung natürliche Grenzen gesetzt, weil sich prozessorientierte Vertrauensgüter nicht in unendlich kleine Teilstücke zerlegen lassen, wie Josef Wieland (1993: 13ff.) am Problem der lokalen Gerechtigkeit zeigt.
1.3 Leadership oder Management? Warren Bennis (1985) grenzt Leadership gegen Management ab.3 Wenn es um die Steuerung und Kontrolle in sozialen Institutionen geht, dann fokussiert Leadership darauf, „die richtigen Dinge zu tun“, also eine Vision zu haben, daraus Ziele und Strategie zu entwickeln, Entscheidungen auf eine Strategie zu gründen, die Effektivität (als Zielerreichung und Wirkung) stärker relevant zu machen als die Effizienz. Leadership konzentriert Führungshandeln des Weiteren auf die aktive Gestaltung der Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter (oder im Weiteren der beteiligten Stakeholder), die gezielte Entwicklung des Personals und der Organisation unter Aspekten der Beteiligung, Transparenz, Vision, Unternehmenskultur, Weiterbildung bis hin zur Berücksichtigung (emotionaler) Bedürfnisse (vgl. Bass 1990: 19-21; Tichy/Devanna 1995). 3
Bennis (2003) prägte eine der bekanntesten Definitionen von Leadership: „Managers are people who do things right and leaders are people who do the right thing”.
Leadership und interpersonales Vertrauen
173
Dieses Verständnis von Leadership – dem ich mich im Folgenden anschließe – in den Kontext sozialer Dienste zu tragen, hätte bis Anfang der 1980er Jahre bedeutet, Eulen nach Athen zu tragen. Denn zu Beginn der Diskussion um „Sozialmanagement“ unterscheiden Albrecht Müller-Schöll und Manfred Priepke Sozialmanagement von Management dadurch, dass „Effizienz [...] kein Maßstab für die Organisation“ (Müller-Schöll/Priepke 1992: 8) sein könne. Dieser Definitionsversuch wurde jedoch von den Effekten der Modernisierungs- und Reformprozesse in der Gesamtheit sozialstaatlicher Sicherungssysteme förmlich durchkreuzt. Denn das „New-Public-Management“, „Sozialmanagement“ und die Entwicklung so genannter „Sozialmärkte“ im Rahmen des Neuen Steuerungsmodells (NSM) bringen Unternehmen hervor, die unter dem Selbsterhaltungsaspekt eine alternative Form der Gewinnorientierung kultivieren (vgl. Schilling 2002: 418ff.; Strachwitz 2000). Trotz ihres Wertbezuges hält also die Annahme „formale Organisationen der SW [Sozialwirtschaft, Vf.] orientierten sich an Prinzipien von Solidarität und Altruismus [...] einer empirischen Prüfung schwerlich Stand“ (Arnold 1997: 22). Entscheidend für soziale Institutionen sei mittlerweile unterschiedslos die Produkt-, Effektivitäts- und Effizienzorientierung. Gegen diese Managementorientierung lenkt das genannte Leadership-Konzept den analytischen Blick auf die konstitutiven Produktionsbedingungen (Wert- und Kundenorientierung), auf den Vertrauensaspekt und das beteiligte Personal in Dienstleistungsprozessen. 4 Mit Leadership-Konzepten soziale Dienstleistungen zu reflektieren, könnte also einerseits bedeuten, zum Beginn der Management-Diskussion im Sozialwesen zurückzugehen. Andererseits kann es aber auch bedeuten, einen Aspekt der Kontrolle und Steuerung sozialer Dienste schärfer und mit deutlicheren Konturen in die Diskussion zurückzuverlegen, der als unterbelichtet erscheint: die Konzentration auf Wertbezug, Strategie und Personal. Genau dies soll im Folgenden nach der empirisch fundierten Analyse sozialer Dienstleistungsprozesse geschehen.
2.
Dienstleistungsprozesse und Vertrauen in der Jugendhilfe
Die Unbestimmtheit der Wirkungen und die Schwierigkeiten der Erfolgsmessung geben einen Hinweis darauf, dass es für das Management sozialer Dienstleistungen vor allem fruchtbar sein könnte, die Dienstleistungsprozesse zu optimieren. Vonseiten des Sozialmanagements wurde diesem Hinweis bislang aber noch kaum nachgegangen, in der einschlägigen Literatur finden sich Arbeiten über (Dienst-)Leistungsprozesse verstärkt in der Methodenreflexion. So unterscheidet z.B. Burkhard Müller (1993) vier – idealtypische – Phasen in der multiperspektivischen Fallarbeit, die für das Beispiel der Jugendhilfe stark an den gesetzlichen Vorgaben des SGB VIII (Hilfeplan) orientiert zu sein scheinen. In der DFGgeförderten Studie „Dienstleistungen in der Sozialen Arbeit zwischen Verwaltungsreform und professionellem Handeln“ 5 ließ sich jedoch zeigen, dass sich in vollkommen unter-
4 5
Auch wenn Management in einer handlungstheoretischen Perspektive als Planung, Organisation und Kontrolle (vgl. Staehle 1999) von Dienstleistungsproduktion aufgefasst wird. Diese qualitativ-empirische Studie wurde vom Autor unter dem Dach der Ruhr-Universität Bochum und dem IAT_Gelsenkirchen im Zeitraum 2005 bis 2007 durchgeführt und machte sich zur Aufgabe, die Auswirkungen von Verwaltungsreformen auf die professionelle Dienstleistungserbringung zu erforschen.
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Andreas Langer
schiedlichen kommunalen Strukturen der Sozialen Dienste für Kinder und Jugendliche vergleichbare Dienstleistungsprozesse herausgebildet haben, die die unterschiedlichsten Methoden Sozialer Arbeit (von Case-Management über sozialpädagogische Diagnostik bis hin zu sozialpädagogischer Familienhilfe oder stationärer Unterbringung) in einem standardisierten Verfahren integrieren. 6 Im Folgenden werde ich diesen Dienstleistungsprozess idealtypisch abbilden um dann Vertrauenskontexte aufzuzeigen.
2.1 Dienstleistungsprozesse In der genannten empirischen Untersuchung, auf welche im Folgenden Bezug genommen wird, wurden 17 öffentliche und freie Dienstleistungsorganisationen untersucht, die sich durch die Erbringung personenbezogener Dienstleistungen charakterisieren lassen. Wie bereits Sabine Fließ (2006: 17ff.) beschreibt, orientieren sich diese „modern“ organisierten Unternehmen an der Prozessorganisation von Dienstleistungen und damit mehr oder minder im Abstand zur traditionellen tayloristisch/fordistischen Arbeitsteilung oder Funktionaldifferenzierung. Innerhalb der Strukturen von Prozessorganisation scheint es dabei zu gelingen, die zur Verfügung stehenden Ressourcen (z.B. bei Dienstleistungen insbesondere das Personal aber auch die Nutzer) optimal einzusetzen (vgl. dazu auch Strachwitz 2000: 20f.). In der explorativ angelegten Studie wurden in einer ersten Forschungsphase die lokalen „Dienstleistungsstrukturen“ (Langer 2007) durch Daten- bzw. Organisationsanalysen und durch Interviews mit Leitungskräften und – in der zweiten Phase – „Professionals“ rekonstruiert. Die Vergleichbarkeit der Prozessorganisation in den vier heterogen strukturierten Kommunen ermöglichte eine Verallgemeinerung der Prozesse in organisationalen Dienstleistungsnetzwerken (ebd.). Diese Vergleichbarkeit machte eine Visualisierung, Analyse und Gestaltung der Dienstleistungsprozesse mit einem Modell möglich, welches von Sabine Fließ weiterentwickelt und entsprechend angepasst wurde, das so genannte „ServiceBlueprintTM“. Im Folgenden soll dieses Modell zur Prozessbeschreibung herangezogen werden. Die jeweiligen Modellelemente werden jeweils an der Stelle eingeführt, an der sie für die Prozessschilderung auch verwendet werden. Um die charakteristischen Erstellungsbedingungen sozialer Dienstleistungen aufnehmen zu können, ist die Prozessdarstellung in fünf Ebenen unterteilt, die jeweils spezifische Aktivitäten darstellen (vgl. Abbildung 1). Die Ebenen sind auch in sich durch verschiedene „Grenzlinien“ strukturiert.
6
Innerhalb der explorativ angelegten Studie konnten ‚Produktionsabläufe’ rekonstruiert werden, die weder in einem Hilfeplanverfahren (welches ja im SGB VIII angelegt ist) noch in einer sozialpädagogischen Methode (z.B. der multiperspektivischen Fallarbeit oder dem Case-Management) aufgehen. Vielmehr bietet sich die Konzeptionalisierung als ein Dienstleistungsprozess an, mittels dessen – als organisationale Struktur – die unterschiedlichen professionellen Akteure mit ihrer unterschiedlichen Fachlichkeit sowie hierarchischen Position, die unterschiedlichen Methoden sowie die beteiligten Trägerorganisationen einen fortgeschrittenen Institutionalisierungsgrad aufweisen.
Leadership und interpersonales Vertrauen
Abbildung 1:
175
Prozessvisualisierung: Hilfen zur Erziehung
Die Ebenen unterscheiden – in der Abbildung 1 von oben nach unten – Dienstleistungshandlungen, die sich direkt auf die Adressaten beziehen (solche, die sichtbar sind und solche, die nicht sichtbar ablaufen, getrennt durch die Sichtbarkeitslinie; vgl. Fließ 2006: 65, Abbildung 20). Intraorganisational sind jeweils drei Akteursgruppen beteiligt, das Management, die Koordination und die Fallbearbeitung. Auf einer fünften Ebene sind die Aktivitäten hinsichtlich des autonomen Leistungspotenzials der freien oder auch öffentlichen Träger abgebildet (diese Bereitstellungsebene wird zugunsten der Vereinfachung im Folgenden nicht weiter ausgeführt. Die so genannte Vorplanungslinie („Line of Order Penetration“) trennt die Prozess-Aktivitäten von den Leistungspotenzial-Aktivitäten). Die Onstage-Aktivitäten sind dadurch definiert, dass hier die Dienstleistungserbringung jeweils sichtbar für die Nutzer wird. Der Kontakt mit der Kinder- und Jugendhilfe wird über Beratungsleistungen bzw. Interventionen hergestellt und durch die Bereitstellung präventiver Angebote und Anlaufstellen (wie z.B. eine Erziehungsberatungsstelle) unterstützt. Durch die Kundeninteraktionslinie („Line of Interaction“) werden dabei Kundenund Anbieteraktivitäten voneinander abgegrenzt. Beratung und Intervention stellen damit einen ersten so genannten „Kundenkontaktpunkt“ dar, an dem sich Dienstleistungsnutzer und Anbieter (öffentlicher Träger oder auch freier Dienstleister) „treffen“ und interagieren (vgl. Fließ 2006:64). In diesem Kontakt fällt aufgrund der Einschätzung einer SozialarbeiterIn die Entscheidung, ob z.B. ein vorliegendes Problem in die weitere Bearbeitung gegeben wird, ob also ein „Fall“ entstehen kann, oder ob es bei einer Beratung ohne Leistungsprozess bleibt. Diesem Kontakt folgt bei der Fallbearbeitung ein Antrag der Hilfe zur Erziehung (HzE), durch den der eigentliche Dienstleistungsprozess erst eingeleitet wird. In der Kinder- und Jugendhilfe ist es also der Antrag der Dienstleistungsnutzer, durch den der Prozess entscheidend angestoßen wird (mit der Ausnahme einer Notfallintervention, bei der ein Antrag erst nachträglich gestellt wird).
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Andreas Langer
Durch die Sichtbarkeitslinie („Line of Visibility“) werden nun die für die Dienstleistungsnutzer sichtbaren („Onstage-Aktivitäten“) und unsichtbaren Anbieteraktivitäten („Backstage-Aktivitäten“) mit wertschöpfendem Charakter unterschieden (vgl. Fließ 2006:65). Die internen Aktivitäten sind durch die interne Interaktionslinie („Line of Internal Interaction“) nochmals in unterstützende (sekundäre) und kundenbezogene Tätigkeiten (primäre) unterteilt. Beide sind zwar für den Kunden nicht sichtbar, werden aber jeweils durch ihn angestoßen. In dem begonnenen Beispiel wird über den Fall in einem multidisziplinären Entscheidungsgremium beraten und entschieden. An dieser Beratung nehmen in den untersuchten kommunalen Studien jeweils Vertreter der drei beteiligten Akteursgruppen teil, die ihre fachliche Sicht in die Entscheidungen einbringen. Der Fall wird dann in der Regel – begleitet durch eine Etatprüfung – vom Case-Management weiter geführt. Während der Rahmen der zu leistenden Hilfe vom Entscheidungsgremium bereits definiert wird, konkretisiert das Case-Management die Leistung in Verhandlungen mit der Fallkoordination des gewählten Dienstleistungsanbieters bzw. mit den Adressaten. Sind die Abnahmeentscheidungen getroffen, beginnt ein Doppelprozess: Im Hilfeplangespräch (HPG) wird die Leistung unter Beteiligung von Case-Management, Fallkoordination und Adressaten konkretisiert, bevor die eigentliche Dienstleistungserstellung in der ProfessionellenAdressaten-Interaktion beginnt (die bis über zwei Jahre oder länger dauern kann). Diese „Leistungserstellung“ muss besonders hervorgehoben werden, da hier wieder unterschiedlichste Methoden zum Einsatz kommen können und die Kontakt-Intensität der Interaktion in Quantität und Qualität höchst unterschiedlich sein kann. Parallel dazu findet eine interne Personalauswahl durch den Fallverantwortlichen statt. Die Dienstleistungserstellung wird durch Evaluationsmaßnahmen begleitet, wobei Berichtswesen, teambezogene Qualitätsentwicklung und Supervision als wesentlichste Bestandteile hervorzuheben sind. Nach der Fallbearbeitung geht der Fall in eine weitere Beratung/Begleitung über, aus der ein neuer Fall entstehen kann, oder aber das Ende der Dienstleistung. Die Visualisierung will nicht den zeitlichen Ablauf abbilden. Vielmehr wird deutlich, dass der Integrativitätsgrad externer Faktoren (vgl. Fließ 2006:37) entscheidend durch Aktivitäten der Dienstleistungsnutzer (Adressaten) bestimmt wird, die den Anbieter in seiner Leistungserstellung und seinen Dispositionsmöglichkeiten in hohem Maße beeinflussen. Andererseits wird auch hier bereits deutlich, dass, obwohl die Wünsche der Dienstleistungsnutzer, deren Anforderungen und externe steuernde Prozessinformationen in hohem Maße integriert werden (vgl. Fließ 2006: 38f.), die maßgeblichen Entscheidungen über Art und Umfang der Leistungen in der Abwägung höchst unterschiedlicher Kriterien getroffen werden. Der Einzelfall wird also reflektiert vor dem Hintergrund gegebener Rahmenbedingungen behandelt.
2.2 Vertrauenskontexte in Dienstleistungsprozessen Schon die Rekonstruktion und die Generalisierung eines Dienstleistungsprozesses lässt vermuten, dass Vertrauen und Leadership eine wesentlich weitreichendere Verortung brauchen, als die Kontextualisierung in der Interaktion zwischen professioneller Sozialarbeiter/in und Adressat. Vor dem Hintergrund dieser – idealtypischen – Prozessbeschreibung soll die Dienstleistungserbringung nun auf die Bedeutung von Vertrauen analysiert werden. Vor dem Hintergrund der empirischen Daten lassen sich fünf „Vertrauenskontexte“ rekon-
Leadership und interpersonales Vertrauen
177
struieren und herausarbeiten. Als grundlegende Vertrauenskonzeptionen lege ich die Arbeiten von Giddens und Luhmann sowie die Ergebnisse der „rational-choice“-basierten Vertrauensforschung zugrunde.7 In diesen Ansätzen wird davon ausgegangen, dass interpersonales Vertrauen ein wesentliches Funktionselement moderner, komplexer Gesellschaften darstellt und dass durch Vertrauen im Wesentlichen die Bearbeitung von Unsicherheitssituationen und Informationsasymmetrien erklärt werden kann. Klientenvertrauen und das „linkage“-Problem: Wer hat Zugang zu sozialen Diensten? In der sozialen Netztheorie wird unter dem „linkage“-Problem das Phänomen gefasst, dass nicht jeder Mensch einen vergleichbaren – guten oder schlechten, günstigen oder ungünstigen, niedrigschwelligen oder hochbarrierigen – Zugang zu Ressourcen, sozialen Beziehungen, Netzwerken bis hin zu Hilfeleistungen hat. Das gilt für soziale Dienste und ihre Nutzer in gleicher Weise. Hinter dem oben rekonstruierten Dienstleistungszugang der Beratung/Intervention verbirgt sich ein Kompetenzproblem. Niklas Luhmann (1988) hat bereits in den 1990er Jahren über Vertrauen gearbeitet und eine wesentliche Unterscheidung zwischen „confidence“ und „trust“ getroffen. Mit confidence ist ein selbstverständliches, schon unbewusstes, generalisiertes Vertrauen in die gesellschaftlichen Systeme, in die soziale Kompetenz der anderen und sich selbst gemeint. Dieses Vertrauen ist die Voraussetzung für jedes soziale Handeln in einer komplexen Welt. Anthony Giddens stimmt mit Luhmanns Idee des generalisierten Vertrauens in weiten Teilen überein, gibt jedem Vertrauen, sei es confidence oder trust, jedoch einen Rest an personenbezogenem Inhalt und Wertung: Es geht nicht nur um die Vertrautheit mit der „Welt“ bzw. um die Tatsache des Funktionierens (z.B. des gesellschaftlichen Systems Recht), sondern auch um das richtige Funktionieren. Wenn ein System zwar verlässlich funktioniert, aber aus der (subjektiven) Perspektive eines Akteurs verlässlich zur Benachteiligung oder zur Gefährdung führt, wird es eben nicht vertrauenswürdig sein. Für Soziale Dienste bedeutet dies, dass Hilfeleistungen nicht per se – aus sich heraus – als vertrauenswürdig anzusehen sind. Stattdessen lässt sich aus Sicht der Stadtsoziologie feststellen, dass selbst die sozialen Dienstleistungen, die in Stadtteilen benötigt werden, als öffentliche Hilfeangebote und lokalpolitische Entwicklungsmaßnahme mit einem grundsätzlichen Misstrauen belegt werden. Aufgrund der Segregation von Stadtgesellschaften behindert das „soziale Klima in Armutsstadtteilen“ (Strohmeier 2005: 145) nicht nur die Aktivierung der Bewohner. Die Folge dieser vorzufindenden Haltung – die auch als der Verlust von sozialem Kapital umschrieben wird – in benachteiligten Stadtteilen ist, dass Leistungen weder von der Kommune noch von freien Trägern bei den Adressaten ankommen, d.h. die Leistungen und Angebote erreichen gar nicht mehr die Zielgruppen, für die sie bestimmt sind. Dies hat einerseits mit der Nutzerfreundlichkeit der Angebote (wie z.B. der Anlaufstellen und Beratungsangebote, vgl. Abbildung 1) zu tun. Andererseits ist dies aber auch ein Vertrauens- bzw. Misstrauensproblem, dem verstärkt durch präventive und sozialräumliche Ansätze versucht wird, entgegenzuwirken. Während die aktuelle Diskussion über das Management Sozialer Dienste insbesondere auf den Leistungs-, Bedürfnis- und Berechtigungsaspekt von Hilfeangeboten abhebt,
7
Vgl. hier die Vertrauenskonzeption von Giddens (1998), Luhmann (1986) und Beckert (2002).
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scheint dieser Legitimationsaspekt aus Sicht der Bürger aus dem Blick zu geraten. Aus der Perspektive des generalisierten Vertrauens hat Politik und Management zuerst die Aufgabe, die Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Vertrauen und Solidarität wieder möglich sind. Diese Investition in Vertrauen geht weit über Einzelfälle hinaus: Es geht um den langsamen Vertrauensaufbau in risikoarmen Projekten, die es den Menschen ermöglichen, auch kurzfristig einen Nutzen zu erfahren, ohne sich zu verpflichten oder langfristig zu binden. Es geht darum, eine Identifikation mit dem Stadtteil durch die „Beteiligung an der Verbesserung der individuellen wirtschaftlichen Lage, der Wohnverhältnisse oder Wohnumfeldbedingungen“ (ebd.: 146) zu ermöglichen. Mittel, um dies zu erreichen, sind z.B. niederschwellige, flexible und kontinuierliche Beratungsangebote, in denen öffentliche und freie Träger kooperieren, aber dennoch transparent und unterscheidbar bleiben. Solche Maßnahmen machen Investitionen notwendig, die langfristig und nachhaltig lokale soziale Dienste erst wieder möglich machen. Ziel dieses professionellen Vertrauenskontextes ist es also, die Vertrauenswürdigkeit sozialer Dienste zu gewährleisten. Die Basis für Vertrauen ist das lokale Sozialkapital, die Einbettung professioneller Dienste in den sozialen Kontext sowie die Erfahrbarkeit professioneller Leistungen. Klientenvertrauen und Person Bei der weiteren vertrauenstheoretischen Interpretation personenbezogener sozialer Dienstleistungen folge ich mit dem zweiten Vertrauenskontext nicht dem oben geschilderten chronologischen Prozessablauf, sondern bleibe auf der Interaktionsebene und den so genannten „Onstage“-Aktivitäten. Personenbezogene soziale Dienstleistungen sind dadurch gekennzeichnet, dass die Dienstleistungserbringung in der Interaktion zwischen Dienstleistungsnutzern und Dienstleistern erstellt werden – mit den oben gezeigten Elementen der Mitwirkung, Nicht-Lagerfähigkeit und Anwesenheit. Unter dem Signum „Klientenvertrauen“ analysiert Garia di Luzio (2005) darüber hinaus, dass in dieser Interaktionsbeziehung konsekutive Informationsasymmetrien bestehen, deren Überwindung Vertrauen funktional unverzichtbar machen. Vertrauen ermöglicht als „riskante Vorleistung“ (Luhmann) des Klienten dessen Kooperation mit dem Professionellen und damit mit den Dienstleistern. Am Beispiel der Ärzteschaft zeigt di Lucio, dass die Organisation sozialer Dienstleistungen als Profession durch die professionelle Rolle eine doppelte Kontingenz absichert: Auf Seiten der Klienten geht es um Absicherung des Kompetenzgefälles (vgl. di Luzio 2005: 70), es geht um die Angewiesenheit auf professionelle Leistung, um die Ungewissheit über professionelle Tätigkeit und um den legitimierten Eingriff in die Intimsphäre (vgl. ebd.: 71). Auf Seiten der Gesellschaft geht es um die Absicherung der Bereitstellung öffentlicher Güter wie Gesundheit, Bildung, Gerechtigkeit/Recht und die Sicherung der entsprechenden Qualität der Leistungen: wissenschaftliche Ausbildung, Lizenzierung der Berufsausübung, Selbstverwaltung usw. Klientenvertrauen setzt dabei die Wahl des Klienten voraus, sich dem Professionellen zu überantworten (ebd. 82). Insofern analysiert di Luzio auch diesen Kontext des Vertrauens – ganz im Sinne Luhmanns – als unpersönliches Vertrauen. Die Persönlichkeit der Teilnehmer sei irrelevant (ebd. 75), ihr rollenkonformes Verhalten sei entscheidend. Im Rahmen der vorliegenden empirischen Studie können diese Thesen zum großen Teil nur bestätigt werden, vor allem zur Sicherung der Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit erscheint eine Vertrauensbeziehung als unverzichtbar. Anders verhält es sich jedoch mehr und mehr mit den Grundlagen dieses Vertrauens. So muss der Persönlichkeit
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der professionellen Sozialarbeiter/in eine weit größere Bedeutung zugerechnet werden als allein dem korrekten Ausfüllen einer professionellen Rolle durch eine beliebige Person. Durch die aktive Nutzung des Faktors Vertrauen in der Steuerung der Dienstleistungsinteraktionen wird eine hohe Ressourcenorientierung bzw. Kundenintegration erreicht. „Und wir glauben schon, dass ambulante Hilfen immer dann funktionieren können, wenn ‘ne Beziehung aufgenommen werden kann. Und das braucht seine Zeit. Und die Veränderung sozusagen kann in dieser Beziehung stattfinden. Und insofern ist das immer was, was auf jede Familie passend zugeschnitten werden muss.“ (Geschäftsführer/in eines freien Trägers)
Die aktive Einbindung der Adressaten wird nicht nur als eine normative Forderung verstanden. Vielmehr wird Qualität und Nachhaltigkeit der Dienstleistungen durch die Schaffung und den Erhalt einer vertrauensvollen Arbeitsbeziehung zwischen den Professionellen und Adressaten gewährleistet. Ebenso spielt Vertrauen und Reputation im Marktgeschehen sozialer Dienstleistungen den entscheidenden Faktor, um im Wettbewerb zu bestehen. Ziel des professionellen Klientenvertrauens ist es, die konstitutiven Informationsasymmetrien in der professionellen Leistung zu bearbeiten. Die Planung der Leistungen und damit die Basis für professionelles Vertrauen stellt die Beratung sowie Abstimmung mit dem Klienten dar, die in Zielen über Leistung und Mitwirkung transparent gemacht werden. Intraorganisationales Vertrauen: Qualitätssicherung und Personalführung Die Effektivität von Dienstleistungen im Gesundheits- und Sozialsektor ist im hohen Maße von dem optimalen Einsatz der sozialarbeiterischen Professionalität sowie der Wissensressourcen abhängig: Dem Personalmanagement kommt bei personenbezogenen sozialen Dienstleistungen per definitionem eine hohe Bedeutung zu. In den Fallstudien zeichnete sich ab, dass sich im Sinne eines Professionsmanagements im Zuge der Prozessorganisation spezifische Führungskompetenzen herausbilden konnten, die sich durch Partizipation, Vertrauenskultur, der Verhinderung von Verdrängungs- und Übertragungseffekten, situativem Management und dem gezielten Einsatz von Teamstruktur und kollegialer Beratung kennzeichnen lassen. Professionsmanagement kann insofern als Wissens- und Human-ResourceManagement bezeichnet werden, was insbesondere an spezifischen Formen der Qualitätssicherung in der Dienstleistungserbringung deutlich wird. Hier werden in hohem Maße Supervision und kollegiale Kooperations- und Beratungsstrukturen etabliert. Gerade in der Prozessstruktur werden zudem im Sinne eines strategischen Managements Produktlinien optimiert. Die Evaluation von Qualitätszielen, Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung tritt an die Stelle einer Input-Output-Messung in Form von Kennzahlen und Bilanzen. Unter dem Gesichtspunkt eines erleichterten Vertrauensaufbaus in Interaktionskontexten zwischen Dienstleistern und Adressaten wird die Dienstleistungserbringung personenabhängig spezifiziert, d.h. es werden passende Professionelle für spezifische Fälle ausgesucht. Ein solches Sozial-Marketing richtet die Unternehmensaktivitäten konsequenterweise auf seine zwei Kunden aus: Lässt die Abnahmepolitik des öffentlichen Trägers eine adäquate Klientenorientierung nicht zu, ist der Anbieter einerseits sehr wohl gewillt, die Dienstleistung zu verweigern. Zum integralen Bestandteil des Angebots, also des Produkts, gehört andererseits nicht nur die Leistung, sondern auch ein professioneller Akteur mit seinen spezifischen Charakteristika wie Geschlecht, Alter, Erfahrung bis hin zu biografischer Herkunft oder Zuwanderungsgeschichte, der für die Dienstleistungserbringung eingesetzt wird.
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Vertrauen in Dienstleistungsprozessen ist hier als spezifische Art der Führung und des Human-Resource-Management rekonstruierbar. Ein integrativer Bestandteil ist die steuernde und kontrollierende Wirkung von kollegialer Beratung, Supervision und sozialer Kontrolle in kleinen Teams. Die Basis für Vertrauen wird durch die Evaluation von Qualitätszielen, Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung als Verfahren und als Prozessmonitoring erstellt. Interorganisationales Vertrauen: Netzwerkbildung In der interorganisationalen Kooperation wurde und wird in vielfältiger Hinsicht vom (Aushandlungskosten reduzierenden) Medium Vertrauen Gebrauch gemacht. Der reziproke Charakter des Vertrauens und der gegenseitigen Vertrauensgaben wird innerhalb der sozialwissenschaftlichen Literatur vor allem von den rational-choice Theoretikern als Vertrauensvorschuss der Vertrauensgeber und die Honoration des Nehmers konzipiert (vgl. dazu Beckert: 2002). Gegenüber der soziologischen Konzeption, die einseitig den Vertrauensgeber in den Mittelpunkt stellt, müssen die Vertrauensnehmer – vor allem im Marktgeschehen – als Akteure verstanden werden, die eine Vorleistung zur „Erzeugung des Eindrucks der Vertrauenswürdigkeit“ erbringen (vgl. Beckert 2002: 27, 33ff.). Als zweites Element der Kompetenzverteilung in der Kooperation zwischen öffentlichen Trägern und NPO auf der lokalen Ebene kann mit Vertrauen das Ineinandergreifen von formellen und informellen Mechanismen8 betont werden. Analysiert man die Dienstleistungsprozesse in Kommunen, die verstärkt durch betriebswirtschaftliche Instrumente gesteuert werden, so deuten die lokalen administrativen und formalen Regelungen auf einen weitestgehenden Wandel in Richtung Pluralisierung und Privatisierung hin. Die Dienstleistungen werden jeweils an NPO (freie Träger) delegiert, es besteht eine große Öffnung des „Marktes“ durch die Mindestanforderung der Leistungsvereinbarungen an die freien Träger; die Wohlfahrtsverbände werden gegenüber den privaten oder eigenständigen freien Trägern nicht bevorzugt. So wurden in einer Kommune z.B. mit 80 Trägern Leistungsvereinbarungen für unterschiedliche Leistungen abgeschlossen. Bei der Analyse informeller Regelungen in den Kommunen zeigt sich aber, dass die marktliche Steuerung nicht auf der Ebene des Managements verortet ist, sondern die Akteure auf der Koordinationsebene die zentrale Rolle bei der Beauftragung, Steuerung und Kontrolle der jeweiligen Dienstleistungen spielen. Obwohl den Case-Manager/innen im Jugendamt eine Vielzahl möglicher Dienstleister zur Verfügung stehen, beschränkt sich ihre Auswahl für die ambulanten Hilfen auf diejenigen freien Träger, mit denen bereits gute Erfahrungen gesammelt worden sind und zu deren Koordinator/innen und Fallbearbeiter/innen ein Vertrauensverhältnis besteht, seien es privat-gewerbliche oder frei-gemeinnützige Anbieter. Wie durch eine Interaktionsanalyse in Verhandlungs- und Koordinationsprozessen gezeigt werden kann, gründet sich die Abnahmeentscheidung für eine spezifische Dienstleistung auf die erfahrbaren und personenabhängigen Eigenschaften des Sozialunternehmens bzw. dessen Mitarbeiter/innen: Reputation, Vertrauen, (Vor-)Erfahrung sind als 8
Die Unterscheidung von formell und informell resultiert aus der Vertragstheorie der Neuen Institutionenökonomik. Formell meint explizite Vertragsverhältnisse als rechtlich durchsetzbare Vereinbarung, der klassische Fall ist hier der Kaufvertrag. Jenseits der Rechtsordnung zielen implizite Verträge dagegen auf die Erfassung von Verhaltensnormen ab.
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Auswahlkriterien auf die Ebene der Dienstleistungskoordination verlagert. Dies lässt sich an zwei Vertrauensphänomenen verdeutlichen: Einerseits erscheinen die Marktaktivitäten des jeweiligen Managements in einer solchen Weise an Wertüberzeugungen der eigenen Arbeit gebunden, dass die Kooperationsbereitschaft des Auftraggebers beim öffentlichen Träger in Entscheidungen mit einfließt. Wird in den konkreten Verhandlungen über die Dienstleistungen keine Einigung und Sicherheit über die zu erreichende Qualität erreicht, werden gegebenenfalls Aufträge auch ablehnt. Erweist sich beispielsweise ein Case-Manager (beim öffentlichen Träger) als unzuverlässig oder unkooperativ oder kommt es nicht zu einer Einigung bezüglich des als notwendig erachteten Leistungsumfanges, wird die Zusammenarbeit zwischen den spezifischen Personen auch langfristig abgebrochen. Andererseits sind die Verhandlungen und Entscheidungen über Inhalt und Umfang der Fallbearbeitungen Prozesse, die je nach Bekanntheitsgrad zwischen den Koordinator/innen und Case-Manager/innen zeitlich stark abgekürzt werden, weil in den relationalen Verträgen zwischen den Akteuren bereits ein hoher Grad an fachlicher Übereinstimmung, Bekanntheit von Qualitätssicherung und -management sowie Verlässlichkeit in der Fallbearbeitung vorhanden ist. Vertrauen(swürdigkeit) wird dadurch erzeugt, dass freie Träger bestimmte Kompetenzprofile abdecken (können), dass diese Verlässlichkeit dem Auftraggeber (hier dem Jugendamt) bekannt ist und dass die Qualität durch Erfahrungswerte bestätigt und geprüft worden ist. Ebenso ist von Bedeutung, dass die Dienstleister in der Lage sind, sich auf die Anforderungen des Auftraggebers – auch kurzfristig – einzustellen. So ersparen sie dem Auftraggeber Suchkosten und durch wiederholte Auftragsverhältnisse minimieren sich weitere Transaktionskosten. Dienstleistungsmarketing und Controlling werden in meist langfristigen Kooperationsbeziehungen realisiert, die letztlich eine Marktschließung zur Konsequenz haben. „By social closure Weber means the process by which social collectivities seek to maximize rewards by restricting access to resources and opportunities to a limited circle of eligibles.“ (Parkin 1979: 44)
Das hier rekonstruierte Vertrauen als Koordinationsmedium im Sozialmarkt hat sowohl eine generalisierte – als Systemvertrauen und spezifisches Vertrauen – als auch personenbezogene Dimension. Die Basis für Vertrauen besteht in Reputation, (Vor-)Erfahrung mit dem Interaktionspartner und spezifischen Kompetenzprofilen. Damit bestätigt sich die Annahme Giddens’, dass Vertrauen kaum komplett in „confidence“ aufgehen kann, sondern immer Personenvertrauen beinhaltet. Vertrauen in Entscheidungsprozessen Ein letzter Vertrauenskontext konnte in den Fallbeispielen rekonstruiert werden, in denen die professionellen Entscheidungsprozesse in Form von multidisziplinären Entscheidungsgremien institutionalisiert wurden. In den untersuchten kommunalen Studien sind dabei jeweils Vertreter verschiedener professioneller Akteursgruppen (Manager, Case-worker, Practitioner) vertreten, die ihre fachliche Sicht in die Entscheidungen einbringen. Hier werden überdies Regelungsbedarfe bezüglich Datenschutz, Zuständigkeiten, Doppeldiagnosen bis hin zur Angleichung fachlicher Verständnisse und Haltungen bearbeitet – im Folgenden auch als Prozesse der „Decodierung“ bezeichnet. Die Zusammensetzung dieses Teams variiert dabei von Kommune zu Kommune, die Funktion ist jedoch jeweils vergleichbar: Das Gremium dient dazu, die unterschiedlichsten Gesichtspunkte der Leistungserbringung
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wie Antrag der Leistungsberechtigten, Angaben über Dauer, Intensität und Inhalt der vorangegangenen Beratung, Problemsicht des Dienstes oder der Einrichtung, der Eltern, des Minderjährigen/jungen Volljährigen sowie der fallführenden Mitarbeiter zu integrieren und zu einer Entscheidung zu führen. Ebenso fließen Lösungsvorschläge, -erwartungen und -wünsche der Beteiligten mit ein, also der Eltern, Minderjährigen/jungen Volljährigen sowie der beteiligten Professionellen. Diese Informationen werden in Form kollegialer Beratung bzw. Supervision verarbeitet und mit den vorhandenen Ressourcen abgeglichen. Die Ergebnisse der Beratungen enthalten Aussagen über den Bedarf, die aktuellen Ziele, die zu gewährende Art der Hilfe und die Zeitdimensionen. Vor diesem Hintergrund dient das MEG mehreren Funktionen: Beratungs- und Entscheidungsprozesse werden objektiviert (also der individuellen Willkür entzogen), professionalisiert (also einem fachlichen Standard unterstellt), die Leistungen werden budgetiert und die weitere Fall- und Prozessverantwortlichkeit verteilt. Gleichzeitig wird durch diese Gruppen jedoch auch ein Konsens über die zu erbringende Dienstleistung erzeugt. Durch die institutionalisierte Decodierung ausdifferenzierter hierarchischer Interessen, Wissens- und Kompetenzressourcen zielt hier Vertrauen auf einen tragfähigen Konsens zwischen den beteiligten Professionellen bezüglich der zu erbringenden Dienstleistung. Die Basis für Vertrauen stellen eine gemeinsame Wertgrundlage sowie transparente Informationen über Fachlichkeit, Verfahren und Ressourceneinsatz dar.
2.3 Vertrauen als Gegenstand von Leadership oder Vertrauen als Management-instrument? Die vertrauenstheoretische Analyse der Dienstleistungsprozesse hat fünf Kontexte des Vertrauens aufgeschlossen, die in der folgenden Tabelle 3 nochmals zusammengefasst sind. Nimmt man diese Erkenntnisse zur Grundlage einer Diskussion um Management oder Leadership in sozialen Dienstleistungen, dann ist unschwer erkennbar, dass Vertrauen als ein grundlegendes Element in Dienstleistungsprozessen angesehen werden muss. Während nun aber im Sinne eines Managements (do things right) Vertrauen eher als Instrument verwendet wird, fällt die Erhaltung und Genese von Vertrauensbeziehungen einem LeadershipKonzept (do the right things) zu: Leadership geht es unter der Vertrauensperspektive darum, Visionen, Werte, Ziele oder Ressourcen so zu integrieren, dass Vertrauen möglich ist – es wird also ein vertrauensrelevantes Problem in bestimmten Handlungskontexten bearbeitet (vgl. Zeile 3 der Tabelle 3). Die Lösungsansätze zeigen die relevanten Instrumente, die empirisch rekonstruiert und untermauert werden konnten. Ein gangbarer Weg, von der Rekonstruktion zu möglichen vertrauensrelevanten Gestaltungsansätzen zu gelangen, ist in der Tabelle durch die Zeilen von oben nach unten angedeutet. Die empirisch gewonnenen Vertrauenskontexte sind erstens durch Vertrauenskonzeptionen in einen theoretischen Diskurs eingebettet. Im handlungstheoretischen Zugang ist es zweitens notwendig, Kontexte gegeneinander abzugrenzen. Drittens wird mit Vertrauen ein spezifisches Problem in diesen Kontexten fokussiert. Vertrauen viertens analytisch als Lösungsansatz einzuführen, zielt auf die jeweilige Doppelnatur von Vertrauen: Vertrauen wird durch ein jeweils kontextspezifisches Problemlösungshandeln generiert und stabilisiert. Andererseits ist der Lösungsansatz selbst ein Ausdruck von Vertrauen. Die Gestaltungsansätze weisen in die Konzeptionalisierung von Vertrauen als Element von Leadership.
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Vertrauen und „Linkage“
Klientenvertrauen und Persönlichkeit
Führung professioneller Leistung
Organisation Netzwerkkooperation
Entscheidungsorganisation
Vertrauenskonzeption
Generalisiertes Vertrauen
Vertrauen in Expertensysteme
Vertrauenskultur und Teamvertrauen
Spezifiziertes Vertrauen in Netzwerken
Commitment und wertbasiertes Management
Kontext
Segregierte soziale Räume
Interaktion zwischen Experten und Adressaten
Personalführung, Führung professioneller Experten
Organisationsübergreifende Prozesskooperation
Multiperspektivisches Fallassessment
Problem
Misstrauen und fehlendes Sozialkapital
Informationsasymmetrien zwischen Adressaten und Professionellen
Einsatz wissensbasierter HumanRessourcen
Qualitätssicherung
Decodierung professionellen Wissens und Kooperation
Vertrauensinvestitition und relationale Verträge
Commitment und Konsensorientierung
Transformation in Erfahrungs-güter
Decodierung professioneller Informationen
Lösungsansatz Gestaltungsansätze
Tabelle 3:
langfristige Investition in Sozialstrukturentwicklung Aufbau und Stabilisierung Sozialkapital
Institutionelle Rahmung von Vertrauensbeziehungen Rahmung von Vertrauensbezie-hungen
Situative Führung, Reflexion und Selbstorganisation/ kollegiale Beratung Mobilisierung und Integration professioneller Expertise
Vertrauenskontexte (eig. Darstellung)
Vor diesem Hintergrund lässt sich die These vertreten, dass durch den Vertrauens- und Prozessbezug zwei wesentliche Elemente der oben eingeführten Leadership-Konzeption bereits implizit vorzufinden sind: (1) Die Nichtdurchsetzung von Marktmechanismen, die Netzwerkkoordination der Dienstleistungen und der (strategische) Aufbau von Vertrauen deuten auf einen starken Wertbezug der Steuerung und Kontrolle sozialer Dienstleistungen hin. Vertrauen selbst wird in mehreren Kontexten als zu erreichender Wert konzipiert und strategisch aufgebaut bzw. gesichert. (2) Es geht bei Dienstleistungsprozessen zentral um die Steuerung und Kontrolle von Human-Ressourcen, um den optimalen Einsatz von personenbezogenem Wissen.
3.
Leadership-relevante Gestaltungsaspekte in sozialen Institutionen
Mit dem Hinweis auf Gestaltungsaspekte in der letzten Zeile der Tabelle 3 habe ich bereits zum abschließenden Kapitel dieses Beitrags übergeleitet. Es geht nun um die Frage, ob aus den gewonnenen empirischen Erkenntnissen Thesen abgeleitet werden können, die allgemein für Leadership in sozialen Institutionen gelten können. Dazu sollen drei Perspektiven gegeben werden. Erstens kann der Vertrauensaufbau und -erhalt im Rahmen strategischer Investitionen konzeptionalisiert werden (3.1.). Zweitens deutet sich in den Dienstleistungsprozessen eine Transformation von Vertrauensgütern in Erfahrungsgüter an (3.2). Und drittens zielt Leadership auf den Erhalt von Vertrauen und die Vermeidung von Vertrauenserosion durch den Einsatz inadäquater Managementinstrumente (3.3).
3.1 Vertrauen und strategische Investitionen Strategisches Denken, Entscheiden und Handeln kam im Dienstleistungsmanagement insbesondere dort zum Tragen, wo sich die Nonprofit-Unternehmen als Projekt-Anbieter, In-
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novationsmotoren und soziale Investoren bedarfsaufnehmender Dienstleistungen verstehen. Es ist jedoch als ein deutlicher Hinweis auf Leadership in sozialen Institutionen zu erkennen, dass sich die strategischen Entscheidungen weniger aus der Adaption aufwändiger Finanz-, Liquiditäts- oder Haushaltsplanungen – im Sinne eines strategischen Controllings – speisen. Stattdessen reagiert die Unternehmensführung auf die Anforderung, die Angebotsstruktur einerseits in einem hohen Maße flexibel an sich stetig veränderte Rahmenbedingungen im öffentlichen Sektor (Gesetze, Umstrukturierungen, Bedarfsveränderungen) anzupassen. Andererseits konnte in den Interviews festgestellt werden, dass über diese kurzfristige Flexibilität jeweils auf Nachhaltigkeit und Langfristigkeit gerichtete Ziele umgesetzt wurden. Exemplarisch kann an einem Interviewausschnitt die Kombination aus Strategie, Innovation und Investition aufgezeigt werden. „Wir haben [...] sehr früh, 96 haben wir darauf hingewiesen, was im Sozialraum aus unserer Sicht fehlt. Darauf hingewiesen, dass im Sozialraum mehr passieren muss, weil wir das Gefühl haben, dass sich einzelne Ressourcen vor Ort nicht genügend gebündelt werden. [...] Und wir haben gesagt, so, wir sind in diesem Stadtteil, hier Kommune Süd am meisten vertreten, und wir sammeln mal, mit wem wir wie Kontakte haben [...], weil wir dann versucht haben, vom Tankwart bis zur Oma von nebenan Kontakte aufzubauen, immer in Verbindung mit Hilfen.“ (Geschäftsführer/in eines freien Trägers)
Die Innovationsleistung dieser Träger führte dazu, dass ein sozialräumlicher Gegenstandsbezug Sozialer Arbeit in der Kommune etabliert werden konnte: Die hier zitierte Geschäftsführer/in einer diakonischen Einrichtung bezieht sich auf die Begriffe Raum und Räumlichkeit als Komplex verschiedener Faktoren. Unter dem Ressourcenaspekt nimmt die Geschäftsführer/in Personen (Tankwart; Oma) und Institutionen (Schulen; Jugendeinrichtungen usw.) in den Blick, die eben nicht Ziel oder Gegenstand einer einzelfallbezogenen – und von öffentlicher Hand finanzierten – Leistung sind. Diese projektbezogene Innovationskraft wurde in dem gewählten Beispiel von Nonprofit-Unternehmen dem öffentlichen Träger zur Verfügung gestellt. An diesem Beispiel wird der untrennbare Zusammenhang zwischen Vertrauen, wertund visionsbasiertem Leadership und Innovation/Investition erkennbar. Nicht nur um adäquate Dienstleistungen in segregierten Stadtteilen anbieten zu können, sondern um mit sozialen personenbezogenen Dienstleistungen auch die jeweiligen Zielgruppen erreichen zu können, müssen Investitionen in ein sozialräumliches „Vertrauensklima“ getätigt werden. Diese Investitionen können nur unspezifisch zu konkreten Hilfebedarfen und Problembeschreibungen konzeptioniert werden; sie zielen auf Integration der vorhandenen Ressourcen und beruhen auf einer auf Nachhaltigkeit basierenden Strategie.
3.2 Vom Vertrauensgut zum Erfahrungsgut Die Prozessstrukturen, die sich in den Fallstudien herausgebildet haben, um personenbezogene soziale Dienstleistungen in Dienstleistungsnetzwerken zu organisieren, deuten auf eine Transformation von Vertrauens- in Erfahrungsgüter hin. Hier lassen sich zwei Argumente anführen: Wie schon Heinze et al. (1997: 243) oder Sydow (1994) zeigen und in der neueren Literatur vor allem von Fließ (2006) vertreten wird, dürfte der ökonomische Vorteil von organisationalen Netzwerken vor allem bei den günstigeren Transaktionskosten liegen. In den hierarchischen Netzwerken sind typische Integrationsfaktoren vorzufinden wie z.B. Vertrauen, Pragmatismus, Reputation, Sozialraum, relationale Verträge (vgl.
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Weissbach 2000: 272), die im Vergleich zu „alten“ Netzwerkstrukturen wie Markt (Tausch, Vertrag, Recht), hierarchische Organisation (Ordnung, Macht) oder Expertenkulturen (Wissen, Können) die massiven Informationsasymmetrien in der Prinzipal-Agenten-Beziehung zwischen den Trägern verringern, Interessenkonstellationen herstellen und dadurch Aushandlungs-, Vertrags-, Kontroll- und Opportunismuskosten senken. Vertrauen spart dem öffentlichen Träger als Nachfrager Kosten und sichert den Zugang zu bekannter Qualität und personenbezogenen Ressourcen. Den freien Trägern als Dienstleister ermöglichen unterschiedliche Elemente generalisierten, spezifischen und persönlichen Vertrauens einen (relativ) sicheren Zugang zu relevanten Ressourcen – durch die exklusive RessourcenAufteilung und die Beherrschung der Umwelt. Die Vorteile von erhöhter Produktivität, Innovativität und Umweltkontrolle (Hakansson/Johanson 1993) von Prozessorganisation und Netzwerken resultieren bei personenbezogenen sozialen Dienstleistungen aus einer organisationsübergreifenden „Containment“-Funktion: Nicht zu transformierende Vertrauensgüter durch den personalintensiven Erbringungskontext werden durch akteurbezogenen Vertrauensaufbau, Bekanntheit der Reputation, (Vor)Erfahrung, lokale Präsenz und Bekanntheit in einen sozialen Kontext mit steuernder und kontrollierender Funktion „eingebettet“. Fehlverhalten und Vertrauensbruch wird erkennbar und sanktionierbar. Gleichzeitig werden längerfristige Investitionen in Kompetenzaufbau und spezifisches Humanvermögen ermöglicht, bei deutlicher Verringerung von „adverse selection“ und „hold up“-Phänomenen. Aus eben diesen Gründen ist es erklärbar, warum in den Fallbeispielen trotz ökonomischer Steuerungsmechanismen kein Wettbewerbsmarkt etabliert werden konnte. Die Etablierung und Stabilisierung der organisationalen Netzwerke und Prozessstrukturen bedeuten auch die Gleichzeitigkeit von Pluralisierung und Schließung von Dienstleistungsnetzwerken, die den Zugang zum Anbietermarkt entscheidend erschweren und verlangsamen. Die Transformation von Vertrauensgütern in Erfahrungsgüter stellt eine Strategie dar, um die strategische Zielerreichung zu gewährleisten und dennoch die Fehleffekte korporatistischer Lobbystrukturen zu vermeiden.
3.3 Vertrauenserosion: Risikoselektion in der Personalführung In der genannten Studie konnte aber auch festgestellt werden, dass sich ein sehr einseitiges Personalmanagement etabliert hat. So wurde vor allem in Managementkompetenzen „investiert“, die Dienstleistungserbringung jedoch so gestaltet, dass die strukturellen Risiken an die Produktionsebene der Dienstleistungserbringung weitergegeben wurden. Im Folgenden sollen einige Effekte dieser einseitigen Risikoselektionsstrategie rekonstruiert werden, die eine entscheidende Verbindung zu Vertrauen haben. Durch diese Art des Managements wird die systematische Erosion von Vertrauensverhältnissen in Kauf genommen. Diese Anreize zur Risikoselektion und Risikoweitergabe führten in den Fallstudien zu fünf Paradoxien, die im Folgenden als Beispiele personalunsensiblen Managements rekonstruiert werden. Ein weiterer Interviewausschnitt soll einen Eindruck in die Problemlage geben: „Dann ist es ist sicherlich schwierig zu gucken [...], wann ist die Schwelle überschritten zur [...] ambulanten Hilfe. [...] Dann heißt es, eine Hilfekonferenz zu schreiben, das Ganze auch noch einzuleiten, Gespräche zu führen, mit Betreuern zu reden, und am Ende kommt – das sind die Rahmenbedingungen, die ja sehr eng sind [...] – vielleicht kommt dann auch ne SPFH [sozialpädagogische Familienhilfen, Vf.] mit drei Stunden
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Andreas Langer oder eineinhalb Stunden pro Woche für drei Monate raus. Da habe ich nichts von, da ist der Aufwand viel zu groß. Das hat dann dazu geführt [...], dass ich immer vermehrt auch formlos betreue, weil sich der Aufwand nicht lohnt. Dadurch verdichtet sich die Arbeit.“ (Jugendamtsmitarbeiter/in im ASD)
Die erste festzustellende Paradoxie war hier, dass ein hoher Aufwand für fachliche Entscheidungen den Anreiz bildete, diese Entscheidungsprozesse zu umgehen. Verstärkt wird dieser Anreiz dadurch, dass jugendamtsinterne Strategien zu erkennen waren, Entscheidungsprozesse für fallbezogene Hilfeleistungen so „kostspielig“ anzusetzen, dass die beratenden Mitarbeiter/innen gezwungen waren, die Aufwände und Kosten der Einleitung eines Hilfeplanverfahrens gegen den möglichen Nutzen abzuwägen. Die Folge dieses internen Anreizsystems waren Vorverhandlungen zwischen Tür und Angel und die Risikoübernahme bzw. Arbeitsverdichtung auf Seiten der jeweiligen Mitarbeiter/innen. Ein zweiter Widerspruch taucht durch die Differenzierung zwischen gemeinwesenorientierter Beratung/Begleitung und fallspezifischer Hilfe auf, wenn „Weitergabediagnosen“ gestellt wurden. Im Zweifelsfall wurde ein risikobelasteter Fall von Mitarbeiter/innen als hilferelevant definiert, um die Verantwortlichkeit an die spezialisierte Stelle weitergeben zu können. Die Spezialisierung, die die Fachlichkeit erhöhen sollte (besserer Zugang zu Beratung und Hilfe durch eine Ausweitung des gemeinwesen- und sozialraumorientierten Angebots sowie bessere Koordination durch konzentrierte Bearbeitung der Hilfefälle durch dafür qualifizierte Fachkräfte), hatte zur Folge, dass vermehrt Fälle und Problemlagen nicht entschieden wurden, sondern als „Clearing-Fälle“ entweder zurückgegeben oder vorübergehend betreut wurden. Zum Dritten wurden externe Risiken der Betriebsführung systematisch an die Fallausführenden weitergegeben, wenn in Budgetierungen alle Leistungsarten zusammengefasst wurden. Wurde z.B. ein umfassendes Sozialraumbudget (für stationäre Hilfen wie z.B. Heimunterbringung und ambulante Hilfen wie z.B. SPFH s.o.) durch kostenintensive Fälle (etwa durch Zuzug einer Familie mit mehreren Kindern mit stationärem Hilfebedarf) belastet, standen automatisch weniger Mittel für ambulante Hilfen zur Verfügung. Die Mitarbeiter/innen in der Koordination und in der Fallbearbeitung waren gezwungen, Bedarfe und Hilfearten durch den Einfluss externer Faktoren (den Zuzug einer hilfeintensiven Familie in den Budgetbereich) gegeneinander abzuwägen. Die Qualität und Fachlichkeit der professionellen Entscheidungen wurde in diesem Falle massiv durch externe Faktoren beeinflusst, die als Risiken in der betrieblichen Organisation an die Fachkräfte weitergegeben werden. Als viertes Paradoxon ließ sich die Weitergabe des Bedarfsdeckungsrisikos analysieren. Ein allgemein bekanntes Problem bei sozialen Dienstleistungen ist die Notwendigkeit, bestimmte Dienstleistungen vorzuhalten und die Schwierigkeit, die Bereitstellung von Dienstleistungen an den tatsächlichen Bedarf anzupassen. Während dieses Risiko im Rahmen der Zuwendungsfinanzierung ein Thema der Verhandlung zwischen Kostenträger und Dienstleister war, wurde das Risiko der „Fehlbelegung“ im Rahmen der Entgeltfinanzierung auf den Dienstleister verteilt. Die deutlich wahrnehmbare Tendenz dazu, professionelle Fachkräfte in quasi-freiberuflichen Beschäftigungsverhältnissen fallbezogen zu bezahlen, deutete nun die innerbetriebliche Risikoweitergabe an die individuellen Akteure an. Die Folge war die Zunahme des „Eigenunternehmertums“ und prekärer Erwerbssituationen für die professionellen Fallbearbeiter/innen (vgl. auch Dahme et al. 2005). Als fünftes Phänomen ließen sich Risikoselektionen im Prozess der „Ambulantisierung“ feststellen. In allen Kommunen konnte festgestellt werden, dass der Ersatz stationärer durch ambulante Hilfen zur Erziehung als wirksames Mittel zur Kostenreduktion eingesetzt
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werden konnte. Zu beobachten war in diesem Zuge jedoch auch, dass im Sinne eines „Creaming up“ schwere oder nicht so schwere Fälle unterschiedlich an Dienstleister verteilt wurden, oder dass stationäre Unterbringungen trotz des fachlich begründeten Bedarfs lange hinausgezögert wurden. Professionelle Fachkräfte sahen sich als Folge vermehrt mit Fällen konfrontiert, die eigentlich nicht mehr in ihren Leistungsbereich fielen, aber aus Gründen des „Marketings“ oder der „Marktplatzierung“ übernommen werden mussten, während bevorzugte Träger von der Risikoselektion profitierten. Die paradoxalen Auswirkungen der Ökonomisierung in der Dienstleistungserstellung lassen sich unter dem Gesichtspunkt der „Modernisierungsverlierer“ zusammenfassen. Die professionellen Akteure in der Klienteninteraktion haben es mit erschwerten Bedingungen zu tun, um die Qualität und Professionalität ihrer Leistungen aufrecht zu halten. Auffällig ist hier insbesondere die (De-)Stabilisierung von Arbeitsverhältnissen: Währen die Positionen mit Managementaufgaben sich in langfristigen Vollzeitbeschäftigungen wiederfinden, verbleiben die Dienstleistungserbringer im Klientenkontakt zumeist in Honorverträgen, Teilzeitbeschäftigung und erhöhter Fluktuation. Aus der Sicht von Leadership kann die leitende Strategie hier nur sein, die strukturellen Risiken auch durch eine adäquate Organisationsgestaltung aufzufangen. Bevor in neue und innovative Projekte investiert wird, gilt es, die konkrete Dienstleistungserbringung nachhaltig zu sichern. Diese Strategie erscheint als alternativlos. Denn hohe Fluktuation in Arbeitspositionen, häufiger Wechsel der „Vertrauenspersonen“ und Ansprechpartner in längerfristigen Interaktionen und sozialraumbezogenen Engagements führt zwangsweise zu Qualitätseinbußen, Vertrauens- und Kooperationsverlust. Die möglichen Gewinne durch Prozessorganisation und Netzwerkaufbau werden dabei ad absurdum geführt.
4.
Zusammenfassung
Die Analyse zu Vertrauen und personenbezogenen sozialen Dienstleistungen beinhaltet für Leadership sozialer Institutionen drei richtungsweisende Erkenntnisse. Interpersonales Vertrauen stellt einen Wert an sich für die Dienstleistungserbringung dar, der als konsekutiver Bestandteil eines strategischen Denkens und Handelns von Leadership gelten kann. Dieser Wertbezug lässt sich in Dienstleistungsprozessen und organisationalen Netzwerken organisieren und in Instrumente eines vertrauenssensiblen Human-Resource-Managements überführen. Die Paradoxien, die bei der Adaption von Managementinstrumenten in sozialen Diensten auftreten, zeigen, dass Vision, Wertbezug und Personalführung nicht nur auf leitungsbezogene Kompetenzen und Positionen beschränkt werden darf. Vielmehr muss bei personalintensiven und wissensbezogenen Dienstleistungen das gesamte Personal Gegenstand der wertgebundenen Personalführung sein.
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III. Perspektiven und Potenziale
Accountability in a Globalising World: International Non-Governmental Organisations and Foundations Helmut K. Anheier and Amber Hawkes
1.
Introduction
Demands for better governance and greater accountability have increased significantly in recent years at both national and transnational levels and across public, private and not-forprofit sectors. Originally, accountability, referring in a general sense to having to answer for one’s behaviour, was a core concept of public administration and has been exported to other fields. The scandals that have rocked the business world, governments and not-forprofit organisations alike seem to have undermined public trust in many institutions. Prominent examples include the Enron debacle of 2002, mismanagement in the reconstruction of Iraq, corruption charges in the UN’s Oil for Food Programme, the truthfulness of Greenpeace’s information in the Brent Spa case in the mid-1990s, questions about the use of funds raised by the American Red Cross in the aftermath of 9/11 and issues about the transparency of some non-governmental organisation (NGO) operations after the 2004 tsunami in South-East Asia. Such incidents have brought the issue of accountability closer to the public eye. At the same time, they demonstrate the role of the media in detecting and publicising accountability issues. As the flows of media grow in scope and reach, the ability of interested bodies to hold guilty parties up to public scrutiny increases. As a result of congressional action, the Sarbanes-Oxley Act of 2002 (Mintz/Vail 2003; Board Source and Independent Sector 2003) became a milestone for the accountability debate among NGOs and not-for-profit organisations generally. Larger non-profit organisations and foundations are anticipating the implications of the Sarbanes-Oxley Act, which requires independent and financial audit committees, certified financial statements, policies on conflicts of interests and disclosure, and introduces protection for whistle-blowers. What is more, some states like California have introduced regulations that apply to tax-exempt organisations and others, like New York, have turned the keen eye of the Public Prosecutor’s Office to philanthropic organisations. Members of the International Association of Non-Governmental Organisations (IANGO), which is made up of 11 large NGOs such as Save the Children, OXFAM and Amnesty International, adopted the Accountability Charter for International Advocacy NGOs in the summer of 2006 (International Non-Governmental Organisations Commitment to Accountability 2006), which includes many aspects of the Sarbanes-Oxley Act (see Box 1). Similarly, in May 2007, the European Foundation Centre and the US Council on Foundations issued the Principles of Accountability for International Philanthropy (European Foundation Centre and the US Council on Foundations 2007) to guide funders in making better decisions in pursuing their international missions and objectives and to provide a
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framework that will encourage and assist more foundations to get involved internationally (see Box 2). While the IANGO Charter and the Principles of Accountability for International Philanthropy can been seen as steps forward, they also highlight some of the biggest challenges in defining and enforcing accountability in a globalising world, for instance, those centred around the multiplicity of stakeholders and the difficulty of enforcement and liability, which will be discussed later in this chapter. BOX 1 IANGO Charter The heads of eleven large international NGOs endorsed the Accountability Charter for International Advocacy NGOs and Networks (IANGO Charter) in June, 2006. Signatories were: ActionAid International, Amnesty International, CIVICUS World Alliance for Citizen Participation, Consumers International, Greenpeace International, Oxfam International, the International Save the Children Alliance, Survival International, International Federation Terre des Hommes, Transparency International and World YWCA. IANGO’s Charter is voluntary and is not exclusive but outlines an accountability and governance framework for the participating organizations. Its mission states that: “This Charter outlines our common commitment to excellence, transparency and accountability. To demonstrate and build on these commitments, we seek to: identify and define shared principles, policies and practices; enhance transparency and accountability, both internally and externally; encourage communication with stakeholders; and improve our performance and effectiveness as organisations.” The Charter defines the concept of stakeholders (including: people’s whose rights the organizations seek to advance, ecosystems, members, donors, staff, regulatory bodies, the media, etc.) and then outlines its guiding principles:
respect for universal principles (such as freedom of speech and assembly) independence responsible advocacy effective programs non-discrimination transparency (reporting, auditing, and accuracy of information) good governance ethical fundraising (the rights of donors, use of donations, gifts-in-kind, and agents) professional management (financial controls, evaluation, public criticism, partners, human resources, bribery and corruption, respect for sexual integrity, and whistleblowers)
The next steps for the IANGO 11 will be to look at reporting mechanisms and review of the Charter, along with issues of liability and enforcement.
Accountability in a Globalising World
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BOX 2: European Foundation Centre and Council of Foundations Principles of Accountability for International Philanthropy Cross-border philanthropy is exciting and rewarding, with the benefits far outweighing challenges. In view of the distinct complexities facing independent funders working across national borders, the European Foundation Centre (EFC) and the Council on Foundations created a Joint Working Group to develop a set of principles of accountability specifically for international philanthropy. The result is this voluntary, aspirational document that is intended to educate, guide and help EFC and Council members be more accountable and effective in their cross-border activities. In early 2005 the Working Group undertook the extensive process of consulting members of the two organisations as well as other philanthropic networks and experts. In addition, consultations were held with groups of grantees and philanthropic partner organisations in Latin America, Eastern Europe, and Africa, including a three-day workshop with 25 African non-governmental organisation (NGO) leaders in South Africa. The Working Group recognises that legal compliance, fiduciary responsibility, and administrative oversight are essential components of philanthropic accountability. These “givens” are therefore not the focus of this document. The Working Group’s primary concern was to come up with a set of principles and good practice options addressing the issue of accountability to mission, grantees, and partners and, ultimately, to the intended beneficiaries of transnational philanthropic activity. The Seven Principles of Accountability for International Philanthropy are: 1. Integrity Engage in international philanthropy in a way that is in line with and truthful to your mission, values, vision, and core competencies. Show that you are genuine in your intentions throughout all aspects (programmatic, operational, and financial) of your international work. Be honest and transparent with your stakeholders. 2. Understanding Take the time to research and understand the political, economic, social, cultural, and technological context in which your international philanthropy will take place. Tap into expertise that already exists, including at the local level, and develop a philanthropic strategy that is realistic and appropriate. 3. Respect Avoid cultural arrogance by respecting cultural differences and human diversity. Recognise local knowledge, experience, and accomplishments. Be modest about what you know, what you can accomplish with the resources you have, and what you have yet to learn. When visiting international grantees and partners, always keep in mind that you are a guest in someone else’s country. 4. Responsiveness Listen carefully to your international grantees and partners in order to understand and respond adequately to their needs and realities. Be open and prepared to adjust your original objectives, timeline, and approach to the local context and capacity—resist the temptation to impose your own models or solutions. Build a relationship of trust with your international grantees and partners and with the communities where you work. 5. Fairness Be reasonable and flexible in what you require from your grantees and partners, ensuring that your demands are proportionate to the level, purpose, and nature of your support. Be mindful of their possibly limited capacity to deal with multiple funders, and do not demand of them what you would not demand of yourself. 6. Cooperation and Collaboration Recognise that international work calls for a high level of cooperation and collaboration among funders themselves and with a variety of actors, including non-governmental organisations (NGOs), businesses, governments, and multilateral organisations. Strive to work collaboratively in order to maximise resources, build synergies, boost creativity, and increase learning and impact. 7. Effectiveness Assess whether your international philanthropy is effective by engaging in a process of mutual learning with your peers, grantees, and partners. Demonstrate how your international philanthropy contributes to the achievement of your organisation’s mission and the advancement of the public good. Plan for sustainability and commit to staying long enough to be effective. Developed by a Joint Working Group of the European Foundation Centre and the Council on Foundations, Brussels, 2007 Source: http://www.efc.be/ftp/public/ic/EFC_COF/EFC_COF_PrinciplesAccountabilityUKV.pdf
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An additional challenge to NGOs working internationally came with the major change in the geo-political climate after the terrorist attacks of September 11, 2001. Legislation and guidelines issued by the US government and the subsequent declaration of a ‘war on terror’ by President Bush, put a much higher accountability burden on non-profit organisations than in the past. Issued first in 2002 by the US Department of the Treasury under the authority of the Patriot Act and updated since, the Anti-Terrorist Financing Guidelines: Voluntary Best Practices for U.S.-based Charities address foundations and cross-border philanthropy. This measure takes the first step to put in place detailed regulations governing the operations of financial institutions, including foundations and NGOs. Similar and sometimes more stringent measures have been discussed at the European Commission, the Council of Europe and the OECD (Anheier/Daly 2005) with regard to financial audits and the review of foreign organisations. While these are major developments that will add to the ‘accountability burden’ of foundations in particular, it is equally important to recognise that the accountability challenges go beyond the regulatory compass of the Sarbanes-Oxley Act and anti-terrorist legislation. In fact, they are part of a wider, and perhaps chronic, ‘accountability syndrome’ facing cross-border organisations in a globalising world. Examining this accountability syndrome for transnational civil society organisations is the core purpose of this chapter. While many accountability issues can be broadly applied across all sectors, transnational civil society faces specific challenges in terms of governance, responsibility and liability. Indeed, we see the accountability challenges of transnational civil society closely linked to the process of globalisation itself. On the one hand, globalisation is characterised by democratic deficits and governance problems: disparate societies and communities engage each other and are made to interact with greater frequency and intensity, yet without adequate global supervisory mechanisms. On the other hand, accountability for international NGOs is increasingly related to the cross-national dispersion of democratic values and the public expectations that come with them. In this model, global civil society organisations act as proactive instruments for exposing and demanding transparency and accountability across sectors. Hence global civil society is on both sides of this problem: having normalised the previously alien notion that all kinds of power-holders, not just governments, have an obligation to ‘render account’ to stakeholders and the global public, international NGOs, as prominent actors of global civil society, also epitomise internal and external deficits in the form of disconnects between donors, members and beneficiaries. To whom these organisations should be accountable and through what mechanisms and enforcement, are questions central to this discussion.
2.
The main argument
At the core of accountability is what economists call the principal-agent problem. How can owners (the principals) ensure that managers (the agents) run the organisation in a way and with the results that benefit the owners? In the business world, the owners/shareholders delegate the oversight authority to a board of directors. The board is then charged with the responsibility to make sure that management acts in accordance with the principal’s goals and interest. In the public sector, voters (the electorate) elect politicians who then exercise
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oversight over public sector performance; in addition, the media, agencies like the US Government of Accountability, and many interest organisations monitor the conduct of government. By contrast, in non-profit organisations and philanthropic foundations in particular, the situation is undetermined and it is unclear who should be regarded as, or function as, the owner, particularly in cases where the members do not exercise direct democratic control. Trustees are not owners in the sense of shareholders, and while different parties could assume or usurp the role of a principal, such a position would not rest on property rights but on some form of politically negotiated or imposed legitimacy. The key to understanding the governance and accountability requirements of non-profit organisations is to recognise the special importance of multiple stakeholders rather than owners. The application of the principal–agent dynamic is limited in the non-profit world, where information about performance is not as clearly and keenly demanded, required, assembled and analysed to the same extent as in the for-profit and public sector due to weaker signals and incentives in the former. In other words, accountability is less linked to incentives in response to owner/stakeholder signals than in the other sectors, which makes information management and sharing potentially problematic. However, in a transnational context, the weak signal/incentive problem that applies as well to domestic accountability assumes a new quality. We also argue that in transnational contexts, accountability is increasingly becoming a problem in search of a solution, rather than a solution in response to problems that are well understood and accepted by stakeholders. What is more, it is increasingly difficult for non-profit organisations that operate crossnationally to be or become accountable relative to growing public and political expectations. Ultimately, the accountability syndrome of transnational civil society organisations embeds accountability in legitimacy. There are several features of this syndrome, some of which are well known and certainly not new, including the presence of multiple jurisdictions with divergent oversight regimes, reporting systems, professional claims and expertise and the overall ‘culture’ of accountability and transparency (van Veen 2001; The International Center for Not-forProfit Law). Other factors are less understood, particularly when they begin to interact with the former, including the presence of multiple stakeholders and the notion that accountability goes well beyond donor-recipient relations (Jordan 2004; Bendell 2006). Many stakeholders today have stronger voices and are heard more frequently than in the past. They generate accountability claims and demand their enforcement, as a result of several processes that include a greater political mobilisation and awareness in many parts of the world, the emergence of a global civil society and a value shift in many countries from generalised institutional trust to the culture of the audit society (Power 1997a).
3.
Illustrating the accountability syndrome
The Aventis Foundation (AF) is a French-German corporate foundation of the SanofiAventis pharmaceutical corporation located in Frankfurt, Germany. Its main areas of interest are health related, in particular public health and the intersection of society, culture and health behaviour. One of the AF projects funds the German Diabetes Association for developing and launching an awareness campaign for increasing public knowledge about the
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relationship between lifestyle choices (such as nutrition and exercise), obesity and diabetes. The Foundation and the Association work closely with public health authorities, other relevant organisations (largely professional associations in the fields of health, education and nutrition) and advertising agencies. What are the accountability issues in this case? Assuming that the AF as well as other relevant organisations receiving foundation funds, in particular the German Diabetes Association, file the appropriate tax returns, disseminate information about the project in ways deemed adequate domestically, and also assuming that stakeholders believe that the project is transparent by local standards, there should be no intrinsic issues about accountability. The AF is accountable according to law and public expectations. The fact that SanofiAventis manufactures diabetes drugs would not be seen as something to be questioned; on the contrary, most stakeholders would see the support of public health efforts to generate greater awareness about diabetes as an exemplary act of good corporate citizenship and enlightened corporate philanthropy. Against the diabetes case, a purely domestic project, consider another AF grant – this time a transnational project in the sense that it involves devolved authority and responsibilities across borders. The project is ‘TB Free’, which aims at reducing tuberculosis (TB) infection rates in South Africa by involving local communities through volunteers, traditional healers, grassroots groups, churches and so on, to (a) help administer and complete the treatment course for TB patients as part of a so-called ‘directly observed treatment system’ (DOTS), (b) fight the stigma attached to TB at the community level and (c) create better public awareness about the disease and its relationship with HIV/AIDS. As a foreign foundation, the AF decided to establish and work through a not-for-profit organisation created for the purpose of the project called ‘TB Free’, in a partnership that includes the Nelson Mandela Foundation, and with the Government of South Africa as the main public sector partner, to set up training centres for DOTS as well as for administering AF funds locally. The Foundation signed a contract with the National Department of Health to make sure that the government would take over the programme after five years and ensure its long-term sustainability. Parallel to, and independent of, setting up TB Free, the Sanofi-Aventis corporation bid for a government contract to sell anti-TB drugs to the South African health authorities, successfully outbidding competitors like Sandoz from Switzerland (which supports a smaller project of this kind in Soweto), and those from other countries, including India. The result is a complex public-private partnership that works rather well and is beginning to show results (TB Free; Aventis Foundation). At the beginning, however, the project faced major and chronic accountability challenges, and managing them consumed a considerable amount of managerial effort and resources. These tensions were often between ‘doing the project’ and ‘accounting for it’ to different stakeholders, especially at the local level in South Africa. Being accountable is a way of building legitimacy. It becomes an investment into something that, while legally granted, has to gain political acceptance, even legitimacy, across a broad spectrum of actors and interests, as shown below. Early on, three major organisational project components were put in place that in aggregate laid the foundation for the accountability infrastructure of the project. The first was reconciling the German and South African legal requirements for the transfer (from Germany to South Africa) and disbursement (inside South Africa) of funds. The second was establishing overall and local responsibilities vis-à-vis government and public health offi-
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cials and the third was securing a local legitimacy base for TB Free (the Nelson Mandela Foundation). As a result, the project developed several important accountability lines: in TB Free (which operates a central office in Midrand, Gauteng, and in the country’s nine provinces where TB Free centres operate) and in the AF in Germany; between TB Free and three layers of government (local, provincial and national); between TB Free and the Nelson Mandela Foundation and between TB Free and the AF. Next in importance are the secondary accountability lines between the AF and Sanofi-Aventis, the Nelson Mandela Foundation and the Government of South Africa, as well as internal governmental accountability. Moreover, the project required several tertiary accountability lines that were not fully anticipated at the beginning of the project. One was the relationship between hospital staff and the DOTS volunteers, many of whom are traditional healers practicing African medicine; Western-trained doctors required the traditional healers to report to them but did not have to reciprocate. Another was the relationship between medical nurses and the DOTS volunteers: The former either felt threatened or over-burdened by the latter in a health crisis in which there is an acute scarcity of resources. Added to all this was the highly politicised nature of the TB–HIV/AIDS policy field in South Africa; the tensions that existed at that time between the Nelson Mandela Foundation and the government in power; and the presence of other pharmaceutical corporations, foundations, NGOs and government entities involved in related programmes and projects. The challenge of being accountable to, and among, multiple stakeholders is thus clear.
4.
Accountability and global governance
The difference between domestic and transnational accountability arises from the complexity in attempting to promote change across borders. In the transnational arena, questions of legitimacy are raised because the funding and impetus for projects originate from a foreign source. Civil society actors working across borders typically want to change current conditions in the foreign country towards some kind of improvement or to develope better capacity to deal with problems of many kinds. Because of this, relationships among stakeholders are likely to undergo some form of transformation or tension that may or may not have been anticipated. At its core, this difference is largely a result of what is known as the global governance problem, that is, weak, patchy, loosely coupled and sometimes contradictory policies, regulatory frameworks and enforcement institutions relative to the needs of stakeholders, as well as actual and potential accountability failures (Held 2003). Global governance refers to the government, management and administration capabilities of the United Nations, World Bank and other international organisations, various regimes, coalitions of interested nations and individual nations when they act globally to address to various issues that emerge beyond national borders (Yakota 2004). The governance debate is about the efficacy of this system in ensuring „a degree of cooperation sufficient to bring about order in human affairs” (Smith/Stacey 1997). In transnational arenas, accountability exists in a world of multiples (including jurisdictions and legal systems, reporting and oversight regimes and stakeholders) dispersed across countries and cultures. Consequently, accountability tends to be fluid – even ambi-
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guous – in terms of the expectations and standards involved, both legally and politically complex and, given the emerging nature of global civil society, subject to change. What is more, there are no quick policy fixes in sight, although a number of policy options exist. We explore this argument and its implication below in a series of four theses.
4.1 Thesis 1: Accountability is the problem, not the solution We need to rethink accountability and move away from a position that sees accountability as a fix, as we do at domestic levels, towards an understanding of the endemic accountability problems of many types of non-profit organisations, epitomised by independent grantmaking foundations. These foundations are among the freest institutions of modern societies: Free in the sense of being independent of market forces and the popular political will. This enables foundations to ignore political, disciplinary and professional boundaries if they choose to take risks and consider approaches that others cannot. As quasi-aristocratic institutions they flourish on the privileges of a formally egalitarian society and, while they exist in a democracy, foundations are themselves not democratically constituted. As others have pointed out, foundations have no „demos” or membership equivalent, and no broad-based election of leaders takes place that would aggregate preferences and hold those elected accountable. Unlike firms in the marketplace, membership-based notfor-profit organisations or government agencies, foundations have no equivalent set of stakeholders that would introduce a system of checks and balances. Grantees have little influence, and no explicit vehicles for redress and grievance. Expressing primarily the will of the donor or deed, the organisational structure of a foundation does not typically allow for broad-based participation and decision making outside the limited circle of trustees. In a domestic context there is usually a supervisory or regulatory office looking after foundations. By imposing certain rules and regulations for the establishment and operations of foundations, countries try to compensate for the lack of checks and balances and accountability. The Sarbanes-Oxley Act is as an example of this regulatory compensation. However, cross-nationally, the regulatory regimes and the institutions involved, together with the extent and frequency of reporting and audits vary widely (van der Ploeg 1999; van Veen 2001), as does the balance countries are able to strike between encouraging foundation growth and activities on the one hand, and controlling, even curtailing, them on the other. The point is that in a domestic context today, we tend to have some sort of workable congruence between the regulatory frameworks in place to demand, channel and enforce accountability in relation to the accountability deficit of foundations in legal and political space. By contrast, we do not have similarly adequate accountability agreements and mechanisms in place when it comes to transnational activities. To grasp the scale of this problem, consider what kind of accountability exists of the large-scale activities of the Melinda and William Gates Foundation in addressing HIV/AIDS in Africa with a budget that exceeds that of the World Health Organisation (WHO) in the same field. Compare the complex governing structure of WHO and its elaborate accountability regime with that Melinda and William Gates Foundation. Consider also the activities of US foundations supporting democratisation movements such as anti-apartheid organisations in South Africa during the 1980s and 1990s, or the activities of the Open Society Fund in Central and Eastern Europe during the 1990s and in Central Asia and Russia today. Who empowered or entitled Ford,
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Gates or Soros to become active in supporting causes and addressing problems abroad, many of which are transnational in nature? In whose name and for whom are they active? At a formal, level, legitimacy questions are not problematic at all; accountability becomes an issue only when it relates to the highly politicised arenas that characterise global problems such as AIDS, poverty and economic and democratic development or environmental degradation. In such fields, multiple jurisdictions, multiple stakeholders, typically with different accountability expectations and standards, high levels of politicisation and legitimacy challenges, the impact of anti-terror legislation and other developments, make it increasingly difficult to be accountable. Thus, in the context of globalisation, accountability is a persistent and growing problem in search of a solution rather than a solution in response to a problem, in part because it relates to questions of legitimacy. Accountability becomes part of the global political economy: some stakeholders have more voice than others and are the preferred audience of accountability for legitimacy reasons; some jurisdictions are more ‘hands off’ and others are more controlling, even restrictive; some audits in some countries are demanding, others are easy. Accountability becomes a political issue that reflects power differentials among stakeholders, and an economic issue that reflects transaction and compliance costs.
4.2 Thesis 2: Accountability expectations increase while global governance institutions weaken Not only are we dealing with the very high transaction and compliance costs of full accountability but also with a need for strategic answers on behalf of boards and management that go beyond the technical aspects of accountability to anticipate complex scenarios that combine legitimacy, governance and accountability, as illustrated by the TB Free project above. Accountability has become a major policy issue because the lack of accountability is believed to have many negative consequences, as the debacles in the business and not-forprofit world have shown, including corruption, lower efficiency and effectiveness, greater inequities and other negative externalities that have to be born by the public at large. Several forces, some at cross-purposes with each other, are at work in this context: Role of the media The expectations of being (or having to be) accountable are rising among stakeholders and across borders. This seems to have increased in recent times, coupled with lower institutional confidence (Power 1997a), perhaps because of the increase in democracy and associated values, greater awareness of the media and the role of the media, and institutionalised suspicion of watchdog groups, among other reasons. Unethical behaviour is often uncovered by responsive media entities rather than by formal audit bodies and other traditional authorities, even in developed democracies. The media thus acts as a watchdog, even monitoring the formal auditing authorities themselves. The implications that this has on public expectations of accountability are profound. Though this type of media-based accountability offers certain benefits, especially because of the growing capabilities of globalising mass communication streams and technologies, relying on the media as the prime watchdog is not dependable, because media bodies themselves can have political and economic motivations, and can lack access to relevant infor-
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Helmut K. Anheier and Amber Hawkes
mation. Furthermore, reports from small media outlets may be ignored or overlooked, while larger, more politically embroiled mainstream media sources supply the bulk of accountability reports. The question of who should regulate the regulators comes into play here. Another complication is that while media-based accountability implies aspects of liability (because a public that is aware of corruption is more likely to act to punish the guilty party), it does not guarantee actual enforcement. Enforcement Because of globalisation and corresponding governance problems, accountability is more difficult to enforce than in the nation-state frameworks of the past (Held 2003). Being accountable in a transnational context implies relatively high transaction and compliance costs. The capacity of organisations for being or becoming unaccountable is often greater than their capacity to enforce accountability. Detection While globalisation expands opportunities for being unaccountable, it also increases the likelihood of detection due to improved communication and the denser network of the media, information technologies such as the Internet, watchdog organisations and the rise of transnational civil society institutions (see for example Kaul et al. 1999). Policy void A policy void is created as globalisation challenges conventional accountability mechanisms and practices and civil society and the public at large simultaneously demand more accountability (see Kaldor et al. 2003). As a result of these processes, accountability becomes easily entangled with legitimacy questions about the role and performance of foundations and other non-profit organisations.
4.3 Thesis 3: Accountability is a multi-dimensional concept that requires unpacking before becoming a useful policy concept and management tool The use of accountability in transnational contexts has led to multiple definitions and meanings. Indeed, Koppell (2005) suggests that conflicting expectations borne of disparate conceptions of accountability undermine organisational effectiveness; he proposes a five-part typology of accountability: transparency, liability, controllability, responsibility, and responsiveness.
Transparency: did the organisation reveal the facts of its performance? Transparency is an important tool for assessing organisational performance and includes giving access to audit results, internal reports, and other evaluation documents to the press, the public, and other interested parties. Liability: did the organisation face consequences for its performance? This dimension attaches consequences for an organisation’s performance. Liability can come in the form of setbacks, such as diminished budget authority and increased monitoring or positive reinforcement, such as cash bonuses to employees and other rewards. Controllability: did the organisation do what the principal desired? Many analyses of accountability focus on this dynamic of controllability: how much control the stake-
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203
holder has over the organisation or principal, for example, the view that government bureaucracies, as their representatives, should carry out the will of the public. Responsibility: did the organisation follow the rules? This aspect of accountability includes being lawful, adhering to professional or industry standards and behavioural norms, and being morally sound. Responsiveness: did the organisation fulfill the substantive expectations? Responsiveness works horizontally and refers to the levels of attention that organisations give to their clients and stakeholders’ needs and demands. It implies accountability outwards rather than upward.
Koppell’s five dimensions of accountability are not mutually exclusive: The first two, transparency and liability, are foundational supporting concepts on which the other three aspects of accountability rest. Each dimension denotes a particular aspect of accountability: While a US foundation can be transparent about its grant-making to recipient X in country Y for the purpose of Z, and may indeed be responsible for the grant and perhaps even liable, it may neither have the controllability nor the necessary responsiveness in place to prevent abuse. This suggests that we should approach accountability from a more refined perspective that includes the organisation and its many diverse stakeholders. One organisation can have overlapping accountabilities on different levels. Applied to the TB Free case above, Table 1 offers a schematic overview of the various accountability dimensions, following Koppell, for a number of stakeholders. Each cell could be further differentiated according to project needs and information requirements:
The primary target or addressee involved, for example, the German tax authorities for the liability of the AF, as opposed the South African tax and public health authorities for TB Free. The range of demands and strength of expectations in terms of transparency, liability, controllability, responsibility and responsiveness, for example, what are the expected responsibilities of the Nelson Mandela Foundation and how responsive to accountability demands is it expected to be? The actual performance in terms of the five accountability dimensions, for example, how transparent is the National Department of Health in relation to its project responsibilities, or to what extent have the local training centres been able to control the flow of information relevant for discharging its accountability obligations?
204
Helmut K. Anheier and Amber Hawkes Transparency: reveal performance?
Aventis Foundations TB-Free Local DOTS Training Centers National Department of Health Regional Departments of Health Nelson Mandela Foundation Sanofi-Aventis Corporation
Table 1:
Liability: face consequences?
Controllability: principal control?
Responsibility: follow rules?
Yes
No
Yes
Yes
Yes
Yes
Yes
Yes
Yes
Yes
Yes
Yes
No
No
No
Yes
Yes
No
No
Yes
No
No
No
Yes
Yes
No
Yes
Yes
Responsiveness: meet expectations?
To be seen as project is ongoing
Accountability dimensions and stakeholders in the TB-Free project
A somewhat different typology was introduced by Radin and Romzek (1996). They differentiate between the source and the degree of control of accountability. This yields four basic accountability types, as shown in Table 2. Source of Control ĺ Internal
External
High
Hierarchical accountability
Legal accountability
Low
Professional accountability
Political accountability
Degree of Control
Table 2:
Types of Accountability Relationships
Hierarchical accountability can be seen in organisational roles such as supervisory relationships, standard operating procedures, and the monitoring of agency or employee performance. Obedience is the key concept here. Legal accountability implies supervision and monitoring activities by an actor external to the agency or organisation, such as an auditor or legislative review body. There is little room for discretion in these two types of accountability, but the monitoring that does occur is sporadic. Professional accountability comes from within the organisation or agency in terms of standards and expectations. Political accountability comes from external sources that have a low degree of control. These external sources/stakeholders have expectations of the agency, but the agency or individual can decide how much they want to respond to the expectations of such external stakeholders. The role of the media as monitor fits in the Radin and Romzek framework here.
4.4 Thesis 4: We should encourage innovation around accountability NGOs are not alone in seeking solutions to the accountability syndrome of organisations working transnationally. Different actors, including international organisations like the World Bank and transnational corporations, are seeking new ways and means of accountability, trying to create what Selznick (1994: 397) called ‘regularized forms of openness’
Accountability in a Globalising World
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that could make transnational organisations more sensitive and porous to information needs about their performance, and at the same time also generating a feeling of ownership and control for stakeholders. As Bovens (2005) explains, accountability is important for three main reasons. First, it is an essential component of the democratic process in which voters/stakeholders are made aware of the conduct of the organisational body in question. Second, it helps prevent corruption and abuses of power, and third, it leads to improved policies and decision-making processes. Accountability Mechanisms
Definition
Example
Elections
Election of board members by NGO members
World Development Movement (WDM), Friends of the Earth (FOE)
Board Appointments
Monitoring and Evolution
Standards and Codes of Conduct
Certifications
Ratings
Reporting
Dialogue and Participation
Box 3:
Appointment of independent board members from key stakeholder groups Assessing performance against a set of pre-defined goals for the funded activity Documented statements of how an organization and its staff should operate, adopted by one or a collection of organizations Auditing organizations against, and endorsing them as in conformity with, specific standards or codes Assessing organizations against a standard or code, and rating their performance, whether requested or not Publishing of performance, sometimes against using a specific standard, to a specific organization or the public Involvement of affected persons in decision making on, or implementation of, specific projects
World Wide Fund for Nature (WWF) A requirement of most bilateral aid agency funded projects (OECD-DAC) Human Accountability Project (HAP-I), People In Aid Société Générale de Surveillance (SGS) NGO Certification, Philippine Council for NGO Certification Global Accountability Project (GAP), Charity Navigator Financial reports are required in most countries, and most large NGOs publish annual reports on progress, for donors or members ActionAid
Types of Voluntary NGO Accountability Mechanisms (UN NGLS Development Dossier: Debating NGO Accountability. Geneva 2006).
The field of accountability is currently a crowded one, containing many models that attempt to set standards but with no actor/coalition strong enough to impose its will. Box 3, from the UN Non-governmental Liason Service (NGLS) Development Dossier on Accountability (Bendell 2006), shows just some of the accountability mechanisms that NGOs currently use. Some methods are pure window-dressing, others are sincere; some are naïve, others well-grounded and workable. Most initiatives work outside informal networks of accountability such as those practiced by the media and watchdog groups, though some, such as One World Trust’s Global Accountability Partnership Initiative (GAP), acknowledge the role of the media in disseminating information about an organisation to facilitate transparency.
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Tables 7.3 and 7.4 present examples of accountability initiatives for international NGOs in terms of the five Koppell dimensions and the Radin/Romzek framework. What is immediately apparent in these applications is that the accountability initiatives for NGOs differ in scope, target, method and motivation. Most initiatives, however, lack specific enforcement mechanisms. While transparency and responsibility are dynamics that are included in almost every accountability initiative, liability and enforcement are not. These are especially contentious topics in the accountability debate for the not-for-profit sector, because creating instruments of enforcement puts the control of organisations into the hands of a third party and usurps many of the rights that non-profit organisations rely on to do their work. The question remains of who this third party should be.
4.5 Thesis 5: We should move from an NGO-centred notion of accountability to an understanding of social accountability, even moral accountability in a broader sense Social accountability is an approach in which citizens and civil society organisations participate directly or indirectly in exacting accountability from private and public institutions, including NGOs. Businesses, governments and NGOs are held accountable for their actions and the social, political, or environmental impact they may have. Social accountability refers to a broad range of actions and mechanisms that citizens, communities, independent media and civil society organisations can use to hold public officials and civic leaders accountable (Malena et al. 2004). Such mechanisms include participatory budgeting, public expenditure tracking, monitoring of public service delivery, investigative journalism, public commissions and citizen advisory boards. They complement and reinforce conventional mechanisms of accountability such as political checks and balances, accounting and auditing systems, administrative rules and legal procedures. Social accountability affirms and operationalises direct accountability relationships between (a) citizens and the state, (b) citizens and businesses, (c) businesses and the state and (d) NGOs and relevant stakeholders (Social Accountability International). The globalising media plays an increasingly dynamic role in this, not only helping to broaden the capabilities of social accountability movements but also as an actor itself in holding the parties in question to account. Social accountability both complements and enhances conventional mechanisms of accountability so that internal (state) and external (social) mechanisms of accountability could be mutually reinforcing. Similarly, while social accountability emphasises vertical bottom-up action, it also reinforces accountability mechanisms that are vertical, top-down (from regulatory agencies or boards) and horizontal (from peers or other similar organisations) as people demand more access to information. Another key feature of social accountability mechanisms is their use of a range of formal and informal rewards and sanctions, including public pressure. Social accountability has become an important policy issue for three reasons (Malena et al. 2004). The first is the crisis of democratic governance and the growing disillusionment among citizens with governments that they perceive as unresponsive and given to corruption and favouritism (World Bank 2001). In many developing countries the effectiveness of conventional mechanisms of accountability such as elections has proved to be limited, as has the capacity of governments to hold businesses accountable. Social accoun-
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tability mechanisms are intended to allow ordinary citizens to access information, voice their needs and demand accountability between elections, and to strengthen calls for greater corporate social responsibility and business ethics. Emerging social accountability practices enhance the ability of citizens to move beyond mere protest toward engaging with bureaucrats, politicians and business leaders in a more informed, organised, constructive and systematic manner, thus increasing the chances of effecting positive change. Second, social accountability is an important tool for increased development effectiveness by improving public service delivery and more informed policy design, particularly in the context of new public management (NPM). As governments fail to deliver services and to adhere to terms of contracts or formulate policies in a discretionary and non-transparent manner, social accountability mechanisms promote dialogue, consultation and learning. In particular, as NPM frequently involves the privatisation of public functions, social accountability mechanisms become important in monitoring not-for-profit as well as for-profit service delivery. Third, social accountability initiatives can lead to empowerment, particularly of poor people, for instance, through the expansion of individual freedom of choice and action. By providing critical information on rights and entitlements and soliciting systematic feedback from poor people, social accountability mechanisms provide a means to increase and aggregate the voice of disadvantaged and vulnerable groups. With the rise of information and communication technologies, this ability increases. An enhanced voice empowers the poor and increases the chance of greater responsiveness by the state to their needs. In a recent article Kaldor (2003) introduced the notion of moral accountability to complement what she calls measures of procedural accountability. Indeed, most, if not all of the accountability measures referred to in this chapter and presented in the various boxes, are procedural in nature, including social accountability. What sets moral accountability apart, and thereby elevates the debate to a normative level, is the value base of NGO activities and the extent to which NGOs live up to the standards they set for themselves and for others. Moral accountability arises from the mission of the organisation (Kaldor 2003) and is closely related to its legitimate right to speak for and on behalf of others. Put simply, if an NGO seeks to promote democracy and the rule of law, it must itself be democratically organised and soundly governed. Otherwise, the organisation faces accountability deficits and can easily be affected by the accountability syndrome described earlier that will threaten its legitimacy.
5.
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An increasing number of different accountability frameworks exists (as depicted in Box 4), especially for organisations and foundations working internationally. The accountability syndrome facing global civil society actors is a by-product of the governance problems of a globalising world. Accountability regimes are tied to a world of nation states but economy and society, and increasingly civil society and philanthropic institutions, no longer fit into this framework. Anti-terrorist legislations in the USA and Europe, laws like the SarbanesOxley Act and the multiplication of watchdog groups add to the accountability complexity of transnational civil society.
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Box 4: Sample Accountability Initiatives Active Learning for Accountability and Performance in Humanitarian Action. ALNAP is an international, inter-agency forum, established in 1997, after a multi-agency evaluation of the Rwandan genocide. The Network currently has 51 full member and 450 observer members. ALNAP’s annual Review of Humanitarian Action monitors the performance of humanitarian action via review of the evaluative reports of its members, it monitors the quality of these evaluations using an ALNAP quality pro-forma, and it works with agencies to improve their evaluation skills. http://www.alnap.org/ Australian Council for International Development Code of Conduct. The Council is an independent national association of Australian NGOs working in the field of international aid and development. The ACFID Code of Conduct lays out standards for organizations in terms of their public reporting and fundraising and currently over 110 organizations have signed the Code. Only agencies that have signed the Code are able to apply for Australian government aid program funds through AusAID. http://www.acfid.asn.au/code/code.htm Bank Track. Bank Track is a network of civil society organizations and people who monitor the private financial sector. The network runs international accountability campaigns, conducts research and produces reports and educational materials, runs trainings for NGOs who are monitoring the financial sector, and gives related direct support. http://www.banktrack.org/ Canadian Council for International Cooperation. The Council includes around 100 civil society organizations that must comply with a Code of Ethics. The Code deals with finance accountability, governance, management practices, fundraising, etc., and is set up through a self-certification scheme in which organizations can asses their own levels of compliance while an Ethics Review Committee advises them indirectly (but does not take any disciplinary action). http://www.ccic.ca/e/002/ethics.shtml Credibility Alliance. Credibility Alliance is a grouping of over 450 civil society organizations in India who are dedicated to accountability and transparency in the sector. The Alliance has created Credibility Alliance Norms of Good Governance, which are voluntary and self-regulated standards. For an organization to belong to the Alliance it must adhere to the Standards that include basic legal requirements, optimal governance structure, management and human resource standards, required reporting, etc. The Alliance is currently developing a formal Accreditation Mechanism. http://and self-regulated Draft EC Code. The Draft European Commission Code of Conduct for Non-profit Organisations to Promote Transparency and Accountability Best Practice is a voluntary initiative that was drafted in the Fall of 2005. It focuses solely on the financial accountability and annual reporting of organizations in the voluntary sector and strives primarily to guard against the exploitation of organizations by terrorism. Ethical Corporation. Ethical Corporation, founded in 2001, is an independent publisher and conference organizer that works with issues surrounding corporate ethics. The Corporation is owned primarily by First Conferences Ltd, an independent, privately-owned London-based media company. http://www.ethicalcorp.com/ Global Reporting Initiative. An international network of business, civil society, labor, and professional institutions with a Reporting Framework (G3), that focuses on reporting in terms of content relevant to all organizations regardless of size, sector, or location. The Guidelines include principles, guidance, and standard disclosures that can be voluntarily adopted. http://www.globalreporting.org/ Home Government Accountability Project. GAP, a whistleblower protection agency, was created in the late 1970s as a public interest group that deals with government and corporate accountability. http://www.whistleblower.org/ Help Argentina. This Argentinean nonprofit has a Self-Evaluation Tool that allows organizations in the country to qualitatively analyze their programs to become more transparent. The tool was created in April, 2007 by Help Argentina and developed with support from the Tinker Foundation and the World Bank Small Projects Fund. http://www.helpargentina.org/news2.php?id=198#1 Humanitarian Accountability Partnership International. HAP-I, the humanitarian sector's first self-regulatory body, is a partnership of 15 main member agencies. HAP 2007 Standard in Humanitarian Accountability and Quality Management lay out principles for humanitarian action and benchmarks for performance and verification for organizations to become certified. The initiative focuses on accountability to beneficiaries. http://www.hapinternational.org/en/ Humanitarian Accountability Partnership International. HAP-I, the humanitarian sector's first self-regulatory body, is a partnership of 15 main member agencies. HAP 2007 Standard in Humanitarian Accountability and Quality Management lay out principles for humanitarian action and benchmarks for performance and verification for organizations to become certified. The initiative focuses on accountability to beneficiaries. http://www.hapinternational.org/en/ Independent Sector. Independent Sector is a leadership forum for charities, foundations, and corporations that has an Accountability Checklist that NGOs can use to assess their own accountability. The checklist includes criteria such as staff and board training, the publication of a code of ethics and values, a publicized conflict of interest policy, independent auditing of financial statements, a whistleblower policy, etc. http://www.independentsector.org/issues/accountability/Checklist/index.html InterAction. InterAction is the largest alliance of U.S.-based international development and humanitarian NGOs such as the Christian Children's Fund, the Aga Khan Foundation, Action Aid International, Catholic Relief Services, Heifer International, Oxfam, United Way, and others. All InterAction member organizations (over 160) have to certify compliance with Private Voluntary Organization (PVO) Standards, which cover topics like management practices, financial integrity, communications, and reporting. http://www.interaction.org/pvostandards/ International Association of Non-Governmental Organizations. The IANGO Charter is a voluntary Accountability Charter for International Advocacy NGOs adopted in the summer of 2006 by the International Association of Non-Governmental Organizations. Members of IANGO include 11 large NGOs such as Save the Children, OXFAM, and Amnesty International. The voluntary charter outlines governing principles, such as respect for universal human and social rights, responsible advocacy, non-discrimination, transparency in reporting and auditing, ethical fundraising, and professional management. http://www.ingoaccountabilitycharter.org/
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The Extractive Industries Transparency Initiative (EITI) supports improved governance in resource-rich countries through the verification and full publication of company payments and government revenues from oil, gas, and mining. The Initiative works to build multi-stakeholder partnerships in developing countries in order to increase the accountability of governments. The assumption underlying EITI is that good governance is a precondition for converting large revenues from extractive industries into economic growth and poverty reduction. http://www.eitransparency.org ISEAL Alliance 2006. The International Social and Environmental Accreditation and Labeling is an association of voluntary international standard-setting organizations (from private and manufacturing industries) that focus on social and environmental issues. The Alliance helped develop a Code of Good Practice for Setting Social and Environmental Standards, to which all ISEAL members adhere and are evaluated against through self-assessment and peer review. www.isealalliance.org/code Keystone Reporting. Keystone offers an open source model for civil-society accountability that can be adapted and changed by each organization according to their needs. The model covers self-assessment techniques, stakeholder engagement methods, monitoring and evaluation, and reporting techniques. http://www.keystonereporting.org/ MANGO. The Management Accounting for Non-governmental Organizations charity launched its Who Counts campaign in April 2005. MANGO helps NGOs to strengthen their financial management by providing training and guides for good practice. The Who Counts campaign encourages NGOs to implement transparent and comprehensive financial reporting to beneficiaries. http://www.mango.org.uk/whocounts/index.asp NGO Watch. The American Enterprise Institute (AEI) for Policy Research and the Federalist Society developed NGOwatch.org around 2003, which is a evolving website that provides an NGO monitoring tools and related information. In 2003 AEI and the Institute for Public Affairs (Australian) held a conference entitled: "Non-governmental Organizations: The Growing Power of an Unelected Few" and NGOwatch grew from this conference. NGOwatch does not have or support a particular accountability initiative, rather it has lists and information on hundreds of NGOs, with links to their websites and their tax form 990s. Critics of NGOwatch are quick to label the project "a clear example of a right-wing campaign designed to monitor and critique "liberal" U.N.-designated NGOs” (The Political Research Associates). http://www.NGOwatch.org One World Trust. The One World Trust organization focuses on education and research in relation to three main international areas: sustainable development, accountability, and peace and security. One World runs the Global Accountability Project (GAP), which is a framework that looks at accountability in four dimensions: transparency, participation, evaluation, and complaints and response. Intergovernmental organizations, TNCs, and international NGOs, along with other organizations can use the GAP framework internally to increase their accountability or can be used by stakeholder groups to advocate for the accountability of these organizations. http://www.oneworldtrust.org/?display=project&pid=10 Pakistan Centre for Philanthropy NPO Certification Programme. The program the first of its kind in Pakistan (and in fact in the whole South Asian region). It relies on a certification process that evaluates at an organization’s governance, transparent financial management, and the effectiveness of its program delivery. Certification is awarded after a desk review and a field visit, scoring by professionals, and then review by an Evaluation Panel (two members of whom are from the government of Pakistan). http://www.pcp.org.pk/certification.html Parliamentary Network on the World Bank. PNoWB is an international network of Parliamentarians that strive to increase transparency and accountability in the World Bank and other multilateral and bilateral donor organizations. PNoWB runs annual conferences, dialog series, and field visit programs, and has national and regional chapters. The Network runs a Parliamentarians’ Implementation Watch since 2002, which produces updates, connects parliamentarians with NGOs, private sector organizations, and the media, creates action plans and builds the capacity of parliamentarians to enforce and pursue the accountability of the World Bank and other similar organizations. http://www.pnowb.org/ People in Aid. People in Aid is a support organization for a global network of development and humanitarian assistance agencies. The Code of Good Practice in the management and support of aid personnel helps these agencies enhance the quality of their human resources management in terms of health, safety, security, training, communication, leadership, policies and practices. It is geared towards development and humanitarian relief organizations of any size and shape and is the result of collaboration between international and national NGOs from around the world. http://www.peopleinaid.org Philippine Council for NGO Certification. The Council was initiated by six large Philippine NGOs and is a private non-profit organization that certifies other non-profits in terms of their financial management and accountability. The Council is authorized by the Department of Finance to carry out this certification process. NGOs can apply for certification and are then evaluated and potentially awarded a three to five year certification. www.pcnc.com.ph SA8000. Social Accountability 8000 is a standards and verification system mainly for private business but also for any organization with a supply chain, such as a nonprofit organization. The program relies on certification by certain SA accredited bodies and deals with workplace standards. It is based on the International Labor Organization conventions, the Universal Declaration of Human Rights and the UN Convention on the Rights of the Child, and covers topics like child labor, forced labor, health and safety, and freedom of association. SA8000 mandates certain management requirements, involvement by stakeholders, public reporting through SA certified facilities and annual reports, training partnerships, and complaints and appeals processes. http://www.sa8000.org SLLGO. SLLGO, a Polish non-profit and non-partisan organization has put together a manual on Local Governments Transparency discussing the ideal cooperation between local governments and the third sector. Specifically, the manual explains how local governments should implement transparent rules for distributing public funds to public service organizations and how they can establish a monitoring and evaluation system. http://www.lgo.pl/uploads/download/Attachment%201_final%20report%20Local%20Governments%20Transparency.doc South African NGO Coalition Code of Ethics. The Coalition, created in 1995, is the largest grouping of NGOs in South Africa. All of its members adhere to the Coalition’s Code of Ethics, which covers values, governance, accountability, management and human resources, finance, and resources, etc. www.sangoco.org.za
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Standards for Excellence (US). As part of an initiative by the Standards for Excellence Institute, the Standards include a certification component and are based on a code developed by volunteers several years ago from the nonprofit sector. The Standards cover eight principle areas, such as conflict of interests, mission and program, fundraising, and transparency, which lay out how responsible nonprofit organizations should operate. Over 60,000 copies of the Standards Code have been distributed. Nonprofits can use the Code as a guide for best practice different, more tailored versions of the Code exist for different US States. http://www.standardsforexcellenceinstitute.org/public/html/explore_a.html The Central and Eastern European Working Group on Nonprofit Governance. The working group developed a Handbook in Good Governance in 2004, which lays out ideal governance practices for nonprofits in Central and Eastern Europe. It includes information on board structure, delegation of duties, roles of staff members, organizational missions, evaluation, codes of conduct, conflict of interest, audits, and reporting, among other topics, and includes an implementation checklist for organizations. The Handbook can be applied to nonprofit sectors around the world and has been translated into many languages. http://www.ecnl.org/dindocuments/18_Governance%20Handbook.pdf The Sphere Project. The project was developed by the Red Crescent Movement, the Red Cross, and other humanitarian NGOs and includes the Sphere Humanitarian Charter and Minimum Standards in Disaster Response, which lays out what people affected by disasters should expect from humanitarian assistance and how accountability in disaster response can be enhanced. http://www.sphereproject.org/ WANGO. The World Association of NGOs (WANGO) is an international support organization uniting NGOs worldwide, with members in over 150 countries. The Code of Ethics Project was initiated by WANGO in 2002 and the current version of the Code was completed in March 2005. It lays out a series of broad guidelines that an organization should follow to be accountable in terms of governance structures, human rights, fundraising, mission statements, human resource development, reporting and public information, partnerships, and financial and legal responsibility. http://www.wango.org/activities/codeofethics.aspx?page=0
While we may feel uncomfortable with the multiplicity of accountability initiatives in our increasingly globalised world, there is no one approach that can appropriately dictate how every organisation should seek accountability. A multi-pronged approach to accountability is more appropriate. A first step towards finding solutions is to acknowledge, as we have argued in this chapter, that accountability is a growing problem that requires a strategic political perspective rather than a procedural, regulatory point of view alone. We also need to see accountability more broadly in relation to negotiated legitimacy and institutional trust, rather than in terms of proven impact, efficiency and fiduciary compliance. Indeed, as Kaldor (2003) suggests, the balance among different accountability approaches used will differ across types of NGOs and fields of activity, in particular in the relative emphasis given to procedural and moral accountability. In this respect, NGOs will certainly benefit and learn from the various accountability projects and approaches presented in Tables 7.3 and 7.4. However, the various options are unlikely to offer a quick fix on their own for addressing the accountability syndrome. By contrast, when taken together with other measures, they may indeed offer ways forward. Among these are:
to acknowledge that full accountability lies beyond what NGOs can and should do. Instead, external bodies or agents should be encouraged to offer accountability services to stakeholders on a for-profit or not-for-profit basis, to increase the mechanisms available to organisations and the public. One option would be for foundations or government funders to allocate a portion of each international grant to this purpose, perhaps by adding a line item to the project budget. to require international organisations to play a greater role and encourage the UN, EU and similar bodies to address the accountability syndrome under conditions of weak global governance. Discussions in Europe to establish the legal instrument of a European Association/Foundation, and having the European Commission serve as regulator and supervisory body, is one example of this option.
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to introduce and encourage the use of standards (ISO) for international NGO activities based on established and proven good practices. This option entails that foundations and organisations will engage in the necessary research and fact-finding needed for developing best practices and standards, and also that they will think about appropriate ways and means of certification and auditing. to develop transnational NGO audits, conducted by independent institutions (public or private) that mediate between ‘general principles of control and accountability which have a populist basis, and internal procedures capable of uniting technical and moral competence’ (Power 1997b: 21). to view accountability in the broader context of social accountability. An example of this is that organisations can run versions of town hall meetings and forums at regular intervals to give relevant stakeholders the opportunity to share information, ask questions, voice concerns and make suggestions about such matters as the project’s goals, performance and accountability. Such forums are also a good way to detect potential conflicts, and for discussing and settling them in an open manner. Related to this is the need to investigate both the potentials and limitations of the media as accountability monitor and transparency enforcer.
There is, of course, a bridge between social/moral accountability and democracy, in particular the notion of democracy-as-debate. Indeed, of the five types of accountability Koppel identifies, transparency and responsiveness relate most directly to this conception and, as it turns out, are among the most popular of the initiatives we have looked at. By contrast, controllability, which is closest to the traditional conception of democracy-asrepresentation, does not fare so well and shows the inherent weakness of civil society organisations in this respect. Thus, if social accountability approaches could be developed into the direction of democracy-as-debate and therefore more into the direction of moral accountability, the accountability syndrome we have identified in this chapter could move from an emphasis on technocratic supervision and control to more devolved and open transnational accountability networks.
Acknowledgements We would like to thank Marlies Glasius, Martin Albrow, Mary Kaldor and Fiona Holland for their helpful comments on earlier versions of this draft, Eugen Mueller, of the Aventis Foundation, for making the case study of TB Free possible and for supporting the background research and the UCLA Center for Civil Society for logistical assistance.
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Neue Verantwortungsteilung und Aktivierung der Wohlfahrtsgesellschaft: Herausforderungen für Nonprofit-Organisationen Wolfgang Maaser
Wer heute Nonprofit-Organisationen (NPOs) leitet, sollte seinen Blick nicht ausschließlich auf die Ökonomisierung des Nonprofit-Sektors richten. Er ist gut beraten, wenn er den Prozess der neuen Herausforderungen als Teil einer neuen sozialpolitischen Steuerungsphilosophie einordnen und verstehen kann. Da soziale Organisationen sich zumeist selbst als Akteure einer subsidiären Arbeitsteilung verstehen, deren Wurzeln im Wesentlichen auf sozialpolitische Weichenstellungen der Weimarer Zeit zurückgehen (Sachße 1996), ist ein vertieftes Begreifen der derzeitigen Herausforderungen erforderlich. Ihr Selbstverständnis und ihre normativen Zielvorstellungen verdanken sich auch heute diesen Traditionen: Nonprofit-Organisationen greifen ihrem Selbstverständnis nach als sozialpolitische Lobbyisten von Marginalisierten ein und reklamieren einen Beitrag zur Gemeinnützigkeit; sie machen traditionellerweise moralische Argumente oder religiös-weltanschauliche Gründe für ihre Existenz und die Legitimation ihrer Organisation geltend; sie verstehen sich als Sozialanwälte ihrer Nutzer; ihre Leitungen geben öffentliche Stellungnahmen ab u.ä. Im Folgenden werden vor allem die Veränderungen der neuen Steuerungsphilosophie und ihre Auswirkungen in den Blick genommen. Dabei steht zunächst der aktuelle Diskurs über die Verantwortungsteilung im Mittelpunkt, anschließend die Transformation des kontinental-europäischen Sozialstaats unter dem Gesichtspunkt der Aktivierung. Die daraus folgende Aufwertung gesellschaftlicher und individueller Verantwortung findet ihren Fokus im Begriff der Wohlfahrtsgesellschaft. Zum Schluss erfolgen einige ausgewählte Problemanzeigen in normativer Hinsicht.
1.
Der neue Verantwortungsdiskurs
Im Kontext der gegenwärtigen Herausforderungen gewinnt der Begriff der Verantwortung eine zunehmende Relevanz. Er zieht offensichtlich ethische und öffentliche Aufmerksamkeit auf sich. Denn seit einigen Jahren ist ein neuartiger Verantwortungsdiskurs im Schnittfeld von Sozialpolitik, Ethik und Sozialphilosophie entstanden. Bereits in den achtziger Jahren erfuhr der Begriff der Verantwortung verstärkte öffentliche Aufmerksamkeit. Helmut Schmidt und Carl Carstens griffen häufig die webersche Unterscheidung von Gesinnungs- und Verantwortungsethik (Weber 1988: 549-552, 558f.) in der Zeit der Friedensbewegung auf und variierten sie; sie wollten damit herausheben, dass der Politiker die Folgen seiner Entscheidungen beachten muss und sich nicht an der Gesinnung, an den bloß guten Absichten orientieren darf. Ihnen kam es darauf an, die Folgenorientierung, aber auch eine gewisse Stellvertretungsfunktion des politischen Handelns
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herauszustellen. Nicht zuletzt müssen die in die Verantwortung gestellten Personen auch befähigt sein, die damit verbundene Ambivalenz ertragen zu können. Im Modell von Max Weber litt der einzelne, in Verantwortungsstrukturen eingebundene Entscheidungsträger an der Ambivalenz der vermeintlich sachlogischen Entscheidungen. Er tat dies gewissermaßen stellvertretend für alle. Dieses Modell hatte vor allem ein selbstverantwortliches, gebildetes Individuum und einen in Handlungsanforderungen verstrickten politischen Entscheidungsträger vor Augen. Wenig später erfuhr ein anderes Konzept durch die Ökologiebewegung besondere verantwortungsethische Aufmerksamkeit, das vor allem das durchschnittliche Verhalten und seine langfristigen Folgen betonte. Unterstützt durch Hans Jonas’ „Prinzip Verantwortung“ (Jonas 1986) galt nun jeder als Verantwortungssubjekt. Verantwortung wurde in gewisser Weise demokratisiert. Beide skizzierten Diskurse thematisierten auf je eigene Weise das Problem arbeitsteiliger Verantwortung. Im Modell von Max Weber wird eine gewisse Arbeitsteilung der Verantwortung vorausgesetzt. Im ökologischen Verantwortungsmodell hingegen erscheinen alle Menschen sowohl in die strukturellen Folgen hineingezogen als auch für sie verantwortlich. Hier schien die Zuständigkeit aller Verantwortungssubjekte deutlich hervorzutreten. Beide Modelle verweisen je auf ihre Weise auf das Problem der Verantwortungsteilung in komplexen Gesellschaften, ein Sachverhalt, den Organisationstheoretiker bereits früh thematisierten. Das interessante Paradebeispiel stammt von Chester Barnard: Eine bei einer Telefongesellschaft angestellte Telefonistin wählt bewusst eine untergeordnete Position in einem Außenbezirk, weil sie dort während der Arbeitszeit das Haus ihrer kranken Mutter beobachten kann. Als eines Tages das Haus brennt, bleibt sie an ihrem Arbeitsplatz und zeigt – mit Barnard – „außerordentlichen moralischen Mut und hohe Verantwortlichkeit“ (Barnard 1970: 221) im Hinblick auf die Organisationsnormen gesellschaftlicher Arbeitsteilung, deren Leistungsbereitschaft und Dienste: Sie vertraut auf die Feuerwehr (im Beispiel wird die Mutter gerettet). Normalerweise sind die potenziellen Verantwortungsakteure nicht so evident wie in diesem Beispiel. Komplexe Gesellschaftsstrukturen suchen in gewisser Weise erst ihre Verantwortungssubjekte. Barnards Gedankenexperiment demonstriert zudem die Notwendigkeit verantwortungstheoretischer Differenzierungen zwischen individuellen, organisatorischen und globalen Ebenen. Dieser hier nur umrissene Problemdruck gesamtgesellschaftlicher Verantwortungsteilung der 1980er und -90er Jahre hat sich verstärkt und zunehmendes Interesse auf sich gezogen. So werden in der Umwelt- und Biopolitik, beim Umbau des Sozialstaats, der Erneuerung der Gesundheitssysteme und der Reform des Arbeitsmarktes, aber auch in internationalen politischen und ökonomischen Zusammenhängen neue Verantwortlichkeiten eingeklagt. Die Bundesregierung fordert die verstärkte Eigenverantwortung der Bürger bei der Gesundheits- und Altersvorsorge. Firmen und Konzerne schreiben sich die Leitlinien der Corporate Social Responsibility auf ihre Fahnen. Umweltinitiativen, Bürgerrechtsbewegungen und Nichtregierungsorganisationen klagen die globale Verantwortung der Industrienationen für den nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen und die Belange unterentwickelter Länder ein. Seit ca. einem Jahr ziehen diese Probleme unter dem Stichwort Klimawandel wieder zentrale Aufmerksamkeit auf sich. Dabei ist die Situation eigentümlich paradox. Je emphatischer der Ruf nach Verantwortlichkeiten, desto mehr scheinen sich eindeutig auszumachende Verantwortungssubjekte zu verflüchtigen (Heidbrink 2003, 2007).
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Einer der Gründe für diese Konjunktur liegt darin, dass die moderne Gesellschaft sich durch eine Entwicklungsdynamik und Komplexität auszeichnet, in der die Folgen des persönlichen Handelns zunehmend unübersehbarer werden. Dies gilt besonders für die Entwicklungen in den Bereichen der Ökonomie, Politik und Ökologie. Komplizierte systemische Zusammenhänge, nicht beabsichtigte, unvorhersehbare Nebenfolgen, sich unerwartet aufschaukelnde Wechselwirkungen und komplexe Ursachenketten verweisen auf die Grenzen unseres Wissens, fordern uns aber gleichzeitig dazu heraus, dieser Situation zunehmender Ungewissheit und Unsicherheit zu begegnen.
2.
Vom kontinental-europäischen Sozialstaat zum aktivierenden Staat
Dass Verantwortung besonders in komplexen Systemen in ihrem Zuschreibungscharakter als interpretatives Zurechnungskonstrukt (Lenk 1994: 240ff.) hervortritt, zeigt sich im gegenwärtig wandelnden Staats- und Gesellschaftsverständnis. Die öffentliche Debatte darüber hat die Gestalt eines Verantwortungsdiskurses angenommen, in dem kontrovers über veränderte Zuständigkeiten und Aufgabenzuschreibungen debattiert wird. Da Verantwortung immer auch von Zuschreibungen der Folgen handelt, die einer Organisation oder einem Subjekt angelastet werden können, enthält die Verantwortungsteilung auch Vorentscheidungen darüber, was man von einer Organisation legitimerweise erwarten darf. Im Zuge dessen werden die Verantwortungsträger auch mit behaftet, da sie als die Ursache der Folgen gelten; andernfalls wäre die Zuschreibung sinnlos. Eine ähnliche Zuschreibung findet auch in Bezug auf die Bürger statt. Das Ideal eines sein Leben selbständig steuernden, quasi unternehmerisch ausgerichteten Individuums gewinnt nicht nur an normativer Bedeutung, es korreliert auch mit Steuerungsprozessen, die dem Einzelnen angesichts abnehmender Leistungstiefe des Sozialstaates mehr Risiken zuschreiben (Voß/Pongratz 1998, 2003; ebenso Bröckling 2003, 2007). „Teile des Risikoausgleichs [...] werden wieder in die Hand der Gesellschaft“ (Priddat 2003: 377) gelegt. Die Aufgaben und Zuständigkeiten zwischen Staat, Gesellschaft und Individuum werden insgesamt neu definiert und aufgeteilt. Im 20. Jahrhundert reagierte die Politik auf die vom Einzelnen wenig beeinflussbaren Risiken und Dynamiken der modernen Industriegesellschaft mit der Entwicklung eines staatlichen Systems sozialer Sicherung. Dies verlieh dem kontinental-europäischen Sozialstaat sein institutionelles Gepräge. Seine Funktion für sozialen Frieden und Gerechtigkeit galt nach dem 2. Weltkrieg jahrzehntelang als unumstritten. Der Staat begrenzte die strukturelle Machtasymmetrie zwischen Individuum und wirtschaftlichen Strukturdynamiken. Besonders die Arbeit bzw. Arbeitslosigkeit erfuhr als ein vom Individuum nicht maßgeblich zu beeinflussendes Strukturproblem und wegen der an sie gekoppelten Rentenvorsorge und Krankenversicherung besondere Aufmerksamkeit. Allerdings sollten Menschen ihre Arbeitskraft nicht unter allen Umständen – zu billigsten Preisen – verkaufen müssen. Extreme Zerrüttungen, wie sie im Zuge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert entstanden waren – von der Kinderarbeit bis zum Arbeitshaus –, sollten so vermieden werden. Dieses aus der Einsicht in das strukturelle Machtungleichgewicht entwickelte Kommodifizierungskriterium erfährt nun eine Revision (vgl. Manske 2005: 242) – ohne dass es nennenswerte Argumente für das Verschwinden des Ungleichgewichts in den realen Arbeitsverhältnissen gäbe (Büstrich 2006). Vor allem die im Zuge der Globalisierung stattfindende Deregulie-
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rung des Arbeitsmarkts lässt die kontinental-europäische Sozialstaatsgestalt unzeitgemäß erscheinen. Hohe strukturelle Arbeitslosigkeit und das Zurücktreten standardisierter, lebenslanger Normalarbeitsverhältnisse verändern auch die Handlungsfelder und Klientele der NPOs. Vor allem die in den klassischen Wohlfahrtsverbänden organisierten gemeinnützigen Einrichtungen können im Kontext des Sozialstaatsmodells alter Prägung als wichtige Akteure subsidiärer Arbeits- und Verantwortungsteilung begriffen werden. Sie sind strukturell auf der Meso-Ebene angesiedelt und folglich von veränderter sozialpolitischer Steuerung auf der Makro-Ebene in gravierender Weise betroffen, d.h. in ihrer Organisationsentwicklung und ihrem Selbstverständnis herausgefordert. Gegenüber dem traditionellen Sozialstaatsmodell will das Konzept des aktivierenden Staats vor allem die geltend gemachte Überteuerung, Ineffektivität und Lähmung überwinden (zum Überblick Heinze 2005: 9ff.). Der Staat behält zwar eine umfassende öffentliche Verantwortung, tritt jedoch als Leistungserbringer zurück. Auf diese Weise entwickelt er sich zu einem Gewährleistungsstaat, der die gesellschaftlichen Kräfte und ihre Eigeninitiative stimuliert. Er übernimmt die Rahmen- und Gewährleistungsverantwortung, sorgt insofern für die Erbringung öffentlicher Aufgaben, erstellt die wohlfahrtlichen Leistungen jedoch nicht selbst. Die Programmformel „vom providing zum enabling“ im Anschluss an den Vorschlag von Osborne und Gaebler (1992; vgl. auch Dettling 1995: 72), die „Regierung neu zu erfinden“, wird zum bildhaften Motto: steuern, nicht rudern. In diesem Konzept rückt die Gesellschaft mit ihren unterschiedlichen organisatorischen wie individuellen Akteuren in den Horizont der Verantwortung. Nicht der Staat, sondern die Gesellschaft und die Individuen sollen zu Akteuren unterschiedlicher politischer bzw. sozialpolitischer Aktivitäten werden. Im Falle der Wohlfahrtsproduktion sollen vor allem z.B. Nonprofit-Organisationen, formelle und informelle Netzwerke wichtige Funktionen übernehmen. So entsteht eine Neukonzeption des Sozialstaates, in der die Theorie einer neuen Verantwortungsaufteilung zwischen Staat und Gesellschaft zum Kernelement wird (Schuppert 2002: 67-98, bes. 77ff.). Anstrengungen, diesen Prozess gesellschaftlicher Verantwortungsübernahme zu stimulieren, lassen sich als Aktivierung von Verantwortung begreifen. Die Verlagerung vom Staat auf die Gesellschaft hat sich indessen in unterschiedlichen Verständnissen und Konzepten der Gesellschaft niedergeschlagen.
3.
Konzepte der Wohlfahrtsgesellschaft
(1) Als erstes ist hier die bürgergesellschaftliche Variante zu nennen: Dieses Konzept der Verantwortungsaktivierung zielt vor allem auf die Stimulierung bürgerschaftlicher Teilhabe. Es verbindet den Prozess der Vergesellschaftung des Staates mit dem Begriff der Bürgergesellschaft bzw. mit dem Begriff der Zivilgesellschaft (vgl. Adloff 2005). Die Aktivierung der Gesellschaft erscheint infolgedessen als politisches Programm der Demokratisierung (hierzu Barber 1994). Im Mittelpunkt stehen zumeist weniger altruistische Praktiken, in denen die Beteiligten ihre partikularen Interessen im Sinne einer humanitären Identitätsidee überschreiten, sondern eher politisch wirksame Formen der Interessenwahrnehmung und Nutzenorientierung. Wie die empirischen Untersuchungen (Gensicke et al. 2006) zum bürgerschaftlichen Engagement dokumentieren, stehen vorwiegend die greifbaren Eigen-
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interessen in der nahen und mittleren Umwelt und die Belange der Betroffenen im Vordergrund. Dieser Gesichtspunkt fordert Nonprofit-Organisationen dazu auf, ihre gesellschaftsdemokratische Stoßrichtung zu überprüfen und zu entwickeln. Dies gilt vor allem für die klassischen Institutionen der traditionellen Wohlfahrtspflege. Als eher in die bürgerschaftliche Richtung weisende Institutionen gelten vor allem neue Formen von NGOs – Selbsthilfegruppen, Greenpeace etc. –, weniger die traditionellen Einrichtungen der klassischen Wohlfahrtspflege. (2) Die wohlfahrtsgesellschaftliche Variante: Ihr geht es um die Aktivierung der Gesellschaft für die Herstellung von Wohlfahrt jenseits des Staates. Daher werden neben dem Staat der Markt, der so genannte Wohlfahrtssektor, d.h. der Dritte Sektor als auch der informelle Sektor (Nachbarschaft, Familie u.ä.) aufgewertet. Im Vordergrund steht nicht die politische Partizipation, sondern eine andersartige wohlfahrtliche „Leistungserbringung“ (Blanke/Schridde 2001: 101). Das Modell des aktivierenden Staates radikalisiert „die Frage nach der gesellschaftlichen Verantwortungsteilung“ in wohlfahrtsgesellschaftlicher Hinsicht. Diese Programmentwicklung lässt sich von ihren politiktheoretischen Anfängen im amerikanischen Kontext von Gilbert (Gilbert N./Gilbert B. 1989) über Osborne (Osborne/Gaebler 1992) bis zu Blanke (Blanke 2001) verfolgen. Gerade verwaltungstheoretische Modernisierungskonzepte (Behrens et al. 1995) besitzen – neben den politiktheoretischen und anwendungsbezogenen Programmatiken, wie der „Dritter Weg“ (Giddens 1997; Schröder 2000) – im deutschen Kontext erhebliche Bedeutung. Im Konzept des Wohlfahrtspluralismus (Olk/Evers 1996: 9ff., bes. 49ff.) – gemeint ist eine veränderte, vielfältigere Beteiligung und Gewichtung unterschiedlicher Akteure – findet dieses Programm seinen Begriff als Alternative zum so genannten liberalistischen, „schlanken“ Staat (vgl. den steuerungstheoretischen Überblick bei Dahme/Wohlfahrt 2002). Allerdings ist auch die wohlfahrtsgesellschaftliche Variante von der Entstehung her stark von finanziellen Kompensationsüberlegungen bestimmt. (3) Die gemeinschaftsorientierte Variante: Sie misst den dem Individuum vorgelagerten Gemeinschaftsbildungen zentrale Bedeutung bei, die ihren Zusammenhalt und ihre Reproduktion durch gemeinsame Werte stabilisieren. Familienpolitische Konzepte finden hier ihren Ansatzpunkt. Individualisierungsthesen plausibilisieren den Bedarf nach Gemeinschaft; in der Vervielfältigung von Lebensformen entlasten Gemeinschaften den erhöhten individuellen Orientierungsbedarf und stiften Sicherheit. Gleichzeitig betont das Konzept die prinzipielle Notwendigkeit von Gemeinschaftlichkeit als Bedingung individuellen Lebens. Aus diesem Sachverhalt ergibt sich mithin ein neues, durch Gegenseitigkeit legitimiertes Austarieren von Gemeinschaft und Individuum. Folglich muss eine neue, angemessene Balance von Rechten und Pflichten gefunden werden und damit auch eine gesellschaftliche Neubeschreibung dessen, wofür der Einzelne verantwortlich ist, wenn sich die „Stimme der Gemeinschaft“ (Etzioni 1994, 1999) zu Wort meldet. Die Aufwertung der Gesellschaft und die Veränderungen staatlicher Rahmenbedingungen führen für NonprofitOrganisationen zu erheblichen Konsequenzen.
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4.
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Herausforderungen der Nonprofit-Organisationen – Problemanzeigen in normativer Hinsicht
Einerseits verspricht die Semantik des aktivierenden Staates erhöhte Handlungsspielräume für die Gesellschaft, andererseits lassen sich in den Steuerungsprozessen der neuen Verantwortungsteilung geradezu gegenläufige Trends ausmachen. So greift der Staat im Bereich des Dritten Sektors (vgl. Anheier/Seibel 1990) − d.h. des gesamten Wohlfahrtssektors, immerhin ein Bereich mit 1,4 Millionen Angestellten − sehr viel mehr als zuvor steuernd ein. Nahmen Wohlfahrtsverbände zuvor eine konzeptionell mitgestaltende Rolle in einer subsidiär orientierten Sozialpolitik ein, entwickeln sie sich nun immer deutlicher zu instrumentellen Implementationsakteuren politischer Vorgaben. Neue Steuerungsverfahren, die das Verhältnis von Kostenträgern und Leistungserbringern neu ordnen – vor allem das Kontraktmanagement und dessen Elemente (Zielvereinbarung, Budgetierung, Controlling u.ä.) –, legen fest, in welcher Weise die Verbände im gesellschaftlichen Raum agieren müssen, wenn sie denn weiter existieren wollen (vgl. Dahme et al. 2005: 105ff.). Daher kann das für die Gesellschaft Wohlfahrtsnotwendige immer weniger von den subsidiär gedachten Wohlfahrtsorganisationen in eigener Verantwortung mitdefiniert und mitbestimmt werden. In der neuen gesellschaftlichen Verantwortungsteilung bestimmt der Staat sehr viel deutlicher die inhaltliche Konkretion und Realisierung der bis dato subsidiären Verantwortungsübernahme. Dabei gehen Dezentralisierung der Verantwortung und gleichzeitige substanzielle Vorgaben der Verantwortungsverwirklichung Hand in Hand. Dezentralisierung führt daher nicht eo ipso zu einem Gewinn von Handlungsspielräumen. In einzelnen Fällen droht die durch die Dezentralisierung bedingte Zusammenführung von Fach- und Ressourcenverantwortung zu bedenklichen Erosionen von Rechtsansprüchen zu geraten. Dies geschieht in den Fällen, in denen den Wohlfahrtsakteuren und Leistungserbringern durch die Zusammenführung von Fach- und Ressourcenverantwortung quasi die Gewährleistungsverantwortung übertragen wird. Die staatlich zu garantierende Gewährleistung droht in diesem Delegationssystem durch Verbrauch der Ressourcen und Ausdünnung der Fachlichkeit zu erodieren (hierzu Neumann 2003). Im Schnittfeld von Semantik und Steuerung zeigt sich daher eine spezifische Dialektik derzeitiger Aktivierung: Verantwortung wird delegiert; gleichzeitig kommt es zur stärkeren Steuerung der Wohlfahrtsorganisationen und gegebenenfalls auf Dauer zur Entkernung ihrer sozialpolitischen Funktion, da sie sich als Implementationsakteure zu bloßen Erfüllungsgehilfen des Staates entwickeln. Dies müsste nicht weiter stören, allerdings handelt es sich in den meisten Fällen um soziale Organisationen, die in ihren Leitbildern die bereits zu Anfang genannten Gesichtspunkte in ihrem Selbstverständnis geltend machen. Es genügt hier ein Blick in die einschlägigen Leitbilder der großen Verbände im Dritten Sektor, um zu erkennen, dass sich die Organisationen zwischen operativen Zwängen und moralischem Selbstverständnis befinden (vgl. Maaser 2004). In diesem Feld entsteht ein erheblicher Synchronisierungsbedarf, der nicht frei von Spannungen ist. Es bildet sich eine Reihe klärungsbedürftiger Prioritätenkonflikte aus. Die Leitung muss in ihrer Organisationsentwicklung mit diesem Problem umgehen. Denn es wäre unangemessen, es als bloßes Gesinnungsproblem von Angestellten und Führung zu behandeln. Es ist zunächst unproblematisch für soziale Organisationen, sich als Teil der Wohlfahrtsgesellschaft zu verstehen. Denn dies lässt sich ohne große Schwierigkeiten mit ihrem
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traditionellen Verständnis als subsidiäre Akteure verbinden. Komplikationen entstehen dann, wenn die sozialwirtschaftlichen Herausforderungen dazu zwingen, die Schwerpunkte in der Adressierung der Organisationen zu verschieben (Eurich 2005). Hier kommt es zu facettenreichen Prioritätenkonflikten. Soll sich die Organisation auf der Linie ihres Selbstbildes primär an die gesellschaftlich Marginalisierten wenden oder soll sie um ihrer Selbsterhaltung willen in attraktive Geschäftsfelder investieren? Steffen Fleßa hat diesen Prioritätenkonflikt in pointierter Weise besonders für diakonische Einrichtungen als Problem der Zukunft und als Problem von Kirche insgesamt freigelegt (Fleßa 2003). Dieser Punkt beinhaltet einen großen Diskussionsbedarf. In dieser Frage wird ein wichtiger Klärungsprozess in den nächsten Jahren erfolgen müssen. Aber man sollte nicht bloß an die großen kirchlichen Einrichtungen denken. Auch andere soziale Einrichtungen beanspruchen moralisch zu handeln und tragen zum Gemeinwohl bei. Die Organisationen des Dritten Sektors insgesamt leisten einen erheblichen Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit der Gesellschaft. Ihr Beitrag besteht in einem umfänglichen Ausmaß praktischer sozialer Arbeit wie auch in spezifischen Beiträgen zum gesellschaftlichen Verständnis von Gerechtigkeit (Maaser 2008). Nach eigenem Selbstverständnis tragen sie zur Integration, zum sozialen Frieden der Gesellschaft und zur Interessenvertretung Benachteiligter bei. Sie verstehen sich „als Gemeinwohl-Agenturen, die ihre der Gemeinschaft dienenden Überzeugungen und Werthaltungen gestaltend einbringen und in diesem Zusammenhang sowohl vorbeugend tätig sind und/oder auch die jeweils größte Not zum Ausgangspunkt ihrer Aktivitäten machen“ (BAGFW 1998: 237). Die Rolle der Verbände im Sozialstaat ist immer auch ein „Unterthema zu dem größeren Thema: Vielfalt und Erscheinungsformen sozialer Sicherheit und Komplexität des jeweiligen nationalen Systems“ (Zacher/Kessler 1990: 121; ebenso Kaufmann 2003: 44ff.). Als wichtige Implementationsakteure von Sozialpolitik haben sie gleichzeitig einen Einfluss als „Akteure im Gesetzgebungsverfahren und als Akteure bei der Konkretisierung und Durchführung gesetzlicher Maßnahmen“ (Windhoff-Heritier 1989: 158). Soziale Organisationen erfüllen eine wichtige Funktion im gesellschaftlichen Definitionsprozess der Konkretisierung von Gerechtigkeit, eine Funktion, die nicht nur praktisch sozialarbeiterischer Natur ist, sondern die öffentlichkeitspolitische Bedeutung der Sozialen Arbeit im Kontext der Gesamtgesellschaft betrifft. Eine Gesellschaft, die sich aus ihrem moralischen Selbstverständnis heraus den Schutz der menschlichen Würde zur Aufgabe setzt, muss etwas über die Gefährdungen bzw. den Verlust der Erfahrbarkeitsbedingungen der Würde ihrer Mitglieder erfahren wollen. Sie benötigt darum konkrete Informationen über die in ihrer Gesellschaft vorhandenen Gefährdungen selbständigen Lebens. Nonprofit-Organisationen bringen auch an dieser Stelle ihre an der professionellen Hilfepraxis orientierte Sachkompetenz ein, d.h. ihre professionellen und wissenschaftlich gestützten Einsichten über die Verteilungs- und Befähigungsbedingungen eines nachhaltig selbständigen Lebens in unserer Gesellschaft. Darüber hinaus ist der gesamte Bereich der Sozialberichtserstattung zu berücksichtigen (vgl. Huster/Eissel 2000; Hanesch et al. 2000). Weitreichende Informationen bieten auch die von der EU initiierten, nationalen Aktionspläne (NAPincl). Sie geben Auskunft über inklusionsorientierte Politikstrategien sowie empirische Daten zu den einschlägigen Exklusionsproblemen und versuchen mit einer entsprechenden Indikatorenbildung die Beantwortung der Frage nach dem anständigen Mindestmaß (decent mimimum) zu operationalisieren. Der Prozess unterliegt wiederum begleitender Evaluierung (hierzu Huster/Benz/Boeckh 2003).
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Da nun in komplexen Gesellschaften soziales Elend und Benachteiligung nicht einfach wie nackte Fakten auf der Hand liegen, darf die Mitidentifikation und Mitkonfiguration sozialen Handlungs- und Hilfebedarfs in ihrer Bedeutung nicht unterschätzt werden. Denn Elendssituationen neuzeitlicher Gesellschaften können durch bürokratische Verwaltung, kulturelle Stigmatisierungs- und Verdrängungsprozesse unsichtbar bleiben und verschwinden. Individuell anschaulich gemachtes Elend und Skandalisierungsdiskurse können nur punktuell eine scheinbar unmittelbare Betroffenheit hervorrufen. Prinzipiell hingegen bleiben auch solche Prozesse den komplizierten Verwicklungen von politischer Öffentlichkeit und Mediengesellschaft (Vowe 2002) unterworfen; das, was gesellschaftlich nicht kommuniziert wird, gibt es in gewisser Weise auch nicht. Soziale Organisationen müssen sich daher darüber im Klaren sein, inwieweit sie diese öffentlichkeitspolitische Rolle Sozialer Arbeit übernehmen wollen oder ob sie nur unmittelbar praktisch-soziale Dienstleister sein wollen (Bobb/Gabriel 2001). Daher muss der Prioritätenkonflikt zwischen Anwaltschaft und sozialer Dienstleistung in der zukünftigen Organisationsentwicklung stärkere Beachtung erfahren. Vor einiger Zeit hat Karl Gabriel vorgeschlagen, soziale Organisationen in zivilgesellschaftlicher Perspektive stärker als so genannte Bewegungsorganisationen (Gabriel 2001: 68ff.) zu verstehen. Dies ist eher ein normativer Begriff als ein empirischer Befund. Er zielt auf die Verbindung demokratischer und sozialanwaltschaftlicher Funktionen. Gleichzeitig zieht er in Betracht, dass solche Institutionen bereits Organisationskulturen besitzen, die weit über die spezifischen Organisationsgrenzen hinausgehen. Damit sind auch die unterschiedlichen Werte- und Hilfetraditionen sowie Milieuaffinitäten angesprochen, die die traditionellen Hilfeeinrichtungen haben entstehen lassen. Durch ihre Hilfe- und Deutungskulturen interpretieren und konkretisieren sie den moralischen Selbstanspruch der Gesellschaft und konstruieren ihn mit. Dies betrifft besonders die vorherrschende Gestalt des Verhältnisses von Barmherzigkeit und Gerechtigkeit. Nonprofit-Organisationen definieren die gesellschaftlich konstruierte und konkretisierte Grenze zwischen dem, was sich Menschen in einer konkreten Gesellschaft schulden, und dem, was als Gabe wahrgenommen wird, mit. Obwohl sich Gerechtigkeit und Liebe in semantischer Hinsicht relativ trennscharf auseinander halten lassen, ist es nicht möglich, aus ihnen deduktiv Konkretionen abzuleiten. Hingegen ist die konkrete Gestalt sozialer Gerechtigkeit und ihr gesellschaftliches Verständnis im Wesentlichen ein komplexes Ergebnis aus gesellschaftlichen Interessen- und Aushandlungsprozessen sowie kulturellen Hilfetraditionen, die auf dem Wege der Sozialpolitik Eingang in sozialrechtliche Regelungen und entsprechende Organisationsformen gefunden haben, auf die gleichzeitig kulturelle und institutionelle Hilfeerwartungen bezogen sind. Gerechtigkeit und Barmherzigkeit sind in diesem Prozess interpretationsbedürftige und stimulative Kriterien. Auf diesem Weg kondensiert sich (stets vorläufig) das, was Staat und Gesellschaft gemeinsam in sozialer Hinsicht verantworten und im Ergebnis als soziale Leistungen und die selbständige Lebensführung unterstützende Befähigungsprozesse zur Verfügung stellen. Gerade die Verlagerung von der Barmherzigkeit zum Recht, die auch gelegentlich Juristen konzeptionell inspirierte – Erik Wolf (1972: 136) formuliert im Anschluss an P. Gillet: „Die Gerechtigkeit von heute ist die Liebe von gestern, die Liebe von heute ist die Gerechtigkeit von morgen“ – dokumentiert ein gewisses Nachhaltigkeitsinteresse, denn es macht die Subjekthaftigkeit des Armen geltend: Er ist kein Hilfeobjekt, sondern ein poten-
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ziell selbständiger Mensch, ein Träger von Rechten, dessen Ressourcen durch das Recht zu sichern sind. Infolgedessen lösen die jeweils kontextuell-historischen Gerechtigkeitsforderungen immer wieder Diskurse über die inhaltliche Gestaltung des Rechts aus, ohne praktische Hilfeleistungen überflüssig zu machen. Bereits in biblischer Perspektive umfasst die Frage nach dem Recht die nach der Anerkennung, der Integration und den Ressourcen eines nachhaltig selbständigen Lebens der Gedemütigten. Recht zielt auf die Anerkennung des Anderen als eines Subjektes und Trägers von Rechten, der wiederum gerechtigkeitsfundierte Ansprüche gegenüber den anderen Subjekten geltend machen darf. Die darin avisierte Anerkennungserfahrung bedarf sowohl der sozialen Teilhabe als auch ausreichender ökonomischer Ressourcen für ein selbständiges Leben. Diese prinzipielle Inklusionsperspektive drängt auf erfahrbare Konkretisierung. Modern gesprochen: Die abstrakte, deklaratorische Zuschreibung von Würde erfordert entsprechende Erfahrbarkeitsbedingungen der Würde, d.h. substanzielle Chancengleichheit (Dworkin 1981). Daher bedarf es der Schaffung institutioneller Voraussetzungen für eine realistische Verwirklichung des Anerkennungspostulats. Dies fokussiert sich in der kontextorientierten Frage: In welchem Ausmaß muss in einer Gesellschaft soziales, ökonomisches und kulturelles Kapital (Bourdieu 1983: 268ff.) verteilt sein, damit auch die von Exklusion bedrohten Menschen reale Erfahrungen der Selbstanerkennung und der Anerkennung durch andere machen können? Zur Beantwortung dieser Frage spielen Nonprofit-Organisationen ihrem Selbstverständnis nach ihr diesbezügliches Wissen und ihre Erfahrungen aus sozialanwaltschaftlicher Sicht in die Sozialpolitik ein. Auch unter diesem Gesichtswinkel muss der Prioritätenkonflikt zwischen Sozialanwalt und Dienstleister geklärt werden.
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Leadership Diskurse: Neue Herausforderungen für Führung und Leitung Marlies W. Fröse
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit Leadership und den dazugehörenden Diskursen, der Führung und Leitung von Organisationen und Unternehmen, einer Thematik, die zukünftig verstärkt in unseren Management-Studiengängen – ob für soziale Organisationen oder für Unternehmen – an Hochschulen in Deutschland wichtig wird und von daher auszubauen ist.1 Wir wissen, dass insbesondere die sozialen Organisationen die staatliche Unterversorgung von Menschen mit verschiedenen Bedürfnislagen aufgrund des gesellschaftlichen Wandels kompensieren müssen.2 Dafür bedarf es differenzierter Analysen der sich wandelnden Bedürfnisse sozialer Gruppen. Zudem ist dies unter dem Aspekt zu betrachten, dass die Qualität sozialer Leistungen sehr schwer messbar ist, auch wenn es den Vertrauensvorschuss für soziale Organisationen (non distributive constraint) gibt. Vertrauen ist ein zentrales Gut, insbesondere im Kontext der Debatten um die Good Governance. Soziale Organisationen – ob Profit- und/oder Nonprofit-Organisationen – werden und wurden gegründet, um nichtmonetäre, normative Ziele zu erreichen. Im Vordergrund standen und stehen religiöse, politische, humanitäre oder/und moralische Werte. Für andere Arten der Unternehmungen ist dies nicht so ohne Weiteres erforderlich, da vorwiegend marktorientierte Gewinnmargen im Vordergrund stehen. Auch die Beziehungen zu den multiplen Anspruchsgruppen wie Kuratoren, Mitarbeitende, Freiwillige, Nutzer, Kunden und staatliche Stellen werden mit Blick auf die knapper werdenden Ressourcen und die Zunahme bürokratischer Anforderungen komplizierter. Zudem wird von Führungskräften verstärkt ein politisches Handeln in der Praxis sozialer Organisationen gefordert. Intensive kommunikative Fähigkeiten sind erforderlich, ebenso wie ein gutes Verhandlungsgeschick, um mit den unterschiedlichsten Bedürfnissen der Destinären (Begünstigten) arbeiten zu können. Auch die Einnahmequellen (wie Gebühren, Mitgliederbeiträge, staatliche Mittelzuflüsse, Spenden, Zustiftungen, freiwilliges Engagement, vertraglich definierte Leistungen) werden sich stark diversifizieren und reduzieren. Die Finanzierungsquellen für die Aufrechterhaltung sozialer Organisationen werden noch heterogener und damit auch unsicherer. Zunehmend muss soziales, kulturelles und ökonomisches Kapital über Fundraising eingeworben werden. Angesichts der Konkurrenz nimmt der Rechtfertigungsdruck der gesellschaftlich notwendigen Arbeit zu, aber auch die Nachfrage nach Effektivität und deren Messung bis
1
2
Mein Dank gilt insbesondere den Kommentatorinnen, die mich beim Schreiben dieses Beitrages unterstützt haben: Prof. Dr. Dorothea Greiling (Linz) und Prof. Dr. Alexa Köhler-Offierski (Darmstadt) sowie Dr. Carola Müller (Köln). Vgl. Fröse (1999; 2004) wie aber auch die vielen Autoren/innen, die seit 20 Jahren im Bereich Sozialmanagement publizieren (ausführliche Literaturliste enthalten in Fröse 2004).
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Marlies W. Fröse
hin zur Evaluation. Und das alles steht unter dem Postulat des Zeitdrucks, der stetigen Veränderungen der rechtlichen Grundlagen der Arbeit (Sozialgesetzgebung, Gesundheitsreform) sowie den veränderten Konkurrenzbeziehungen. Viele Anbieter sozialer Dienstleistungen stehen stärker denn je unter dem Druck, nicht nur effektiv im Sinne der Verwirklichung ihrer Zielsetzungen zu sein, sondern auch effizient, d.h. möglichst wirtschaftlich die ihnen zur Verfügung stehenden personellen und finanziellen Ressourcen einzusetzen. Die Schere zwischen den vielfältigen Aufgabenstellungen und den knappen finanziellen Mitteln führt dazu, dass sich die Einrichtungen heute nicht mehr ohne ein fundiertes Managementwissen und Managementfähigkeiten führen lassen. All die vorab genannten Entwicklungen haben dazu geführt, dass in den letzten zwanzig Jahren an die 100 Studiengänge im Bereich des Managements Sozialer Organisationen oder des NPO-Managements eingerichtet worden sind (vgl. Boeßenecker/Markert 2003, 2007).3 Vieles wird gegenwärtig in den Management-Studiengängen vermittelt. Der Begriff Leadership tauchte bislang in den deutschsprachigen Studiengängen kaum auf. In Deutschland wird Leadership – also Führung – in der Regel immer noch als fachorientiertes Managementwissen verstanden. Letztlich gehe es darum, die richtigen Führungsmethoden und Führungswerkzeuge adäquat zu beherrschen und auch gut zu organisieren. Dies zeigte sich bei der Analyse der deutschsprachigen Sozialmanagement-Studiengänge, sie sind soziotechnokratischer ausgerichtet als dies international üblich ist: Man orientiert sich eher an Instrumenten. In Deutschland wird bislang alles unter dem Begriff Management subsumiert. Warum dies so ist, könnte aus meiner Sicht eine interessante Forschungsfrage sein. Sichtbar wird: Die klassischen Management-Instrumente der Führung reichen nicht mehr aus. Rein technokratisches betriebswirtschaftliches Wissen löst heute nicht mehr die anstehenden gesellschaftlichen und organisatorischen Probleme und Bedingungen von Führung und Leitung in Organisationen. Es muss mehr geschehen als nur die Einführung betriebswirtschaftlicher Instrumente. Denn psychische und physische Belastungen am Arbeitsplatz sowie die zunehmenden Existenzunsicherheiten, wie etwa befristete Arbeitsverträge, und Ängste der Menschen innerhalb von Organisationen nehmen radikal zu (vgl. Bauer/Fröse 2006: 4ff.). Oft geraten Führungskräfte mit dieser Komplexität an ihre eigenen Grenzen. Zunehmend erkennen dabei Nonprofit- wie auch Forprofit-Unternehmen, dass Führungskräfte nicht nur Fachwissen benötigen, sondern auch dringend Leadership-Qualitäten mitbringen sollten. Zunehmend werden deshalb Fragen nach Charakteristika und Vermittlung von Leadership gestellt. In diesem Beitrag werde ich versuchen, den Begriff Leadership differenziert darzustellen: Was versteht man unter Leadership? Woher kommt dieser Begriff? Wie grenzt sich dieser von Management ab? Was brauchen gegenwärtig Führungskräfte an Managementund Leadership-Qualifikationen für ein langfristiges und zukunftsweisendes Management? Leadership ist ein schillernder Begriff. Wer sich aus wissenschaftlichem Interesse mit Führung (englisch: Leadership) beschäftigt, muss sich mit drei Diskursen und den dazugehörenden Widersprüchlichkeiten auseinandersetzen (vgl. Eck 2007): dem wissenschaftlichen Diskurs, dem Diskurs der Praxis und dem kulturspezifischen, gesellschaftlichen Diskurs. Entlang dieser Diskurse werde ich den Beitrag aufbauen, um im vierten Teil Antworten der 3
Der Begriff „Sozialmanagement“ wird aufgrund der vorhandenen Diffusität und Unschärfe im Darmstädter Management-Modell nicht verwendet.
Leadership Diskurse: Neue Herausforderungen für Führung und Leitung
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Hochschulen zu thematisieren. Im fünften Teil werde ich einen Entwurf für ein neues Leadership-Verständnis als eine erforderliche Führungsqualität darlegen, welches unterstützenswert sein kann für die curriculare Weiterentwicklung der Managementstudiengänge an unseren Hochschulen. Auch wenn der Ausgangspunkt dieses Beitrages die Führung und Leitung sozialer Organisationen ist, bleibt die Leadership-Debatte kein exklusives Problem sozialer Organisationen, also nicht auf einen Organisationstypus festgelegt, sondern betrifft alle Formen der Unternehmungen mit den jeweiligen organisationsbezogenen Besonderheiten – auch wenn die Stakeholderinteressen in sozialen Organisationen weitaus vielseitiger sind.
1.
Wissenschaftlicher Diskurs
Der wissenschaftliche Diskurs schlägt sich in einer Fülle von publizierten Theorien, Modellen und Begrifflichkeiten nieder, die sich jedoch selten auf eine realistische Praxis beziehen. Eck geht sogar so weit, zu konstatieren, dass wir in den einhundert Jahren Führungsforschung zwar eine relativ große Vielstimmigkeit haben, aber was Führung letztlich auszeichnet, wie Führung funktioniert und wie diese sich auch reproduziert, darin gibt es keinen Konsens (vgl. Eck 2007: 10). Diesem Ergebnis kann ich zustimmen. Hervorragende Überblicke erhalten wir von Neuberger (2002), von Boltanski/Chiapello (2003) und insbesondere in der im Jahr 2005 herausgegebenen Encyclopedia of Leadership (vgl. Goethals/Sorenson/Burns 2004). Einig sind sich die Autorinnen und Autoren mehr oder weniger darin, dass „das Verhältnis der Management- bzw. Führungsliteratur zur Wirtschaft und der herrschenden Wirtschaftsordnung komplex ist und trotz aller angestrebten Wissenschaftlichkeit eher ideologisch beeinflusst ist als wissenschaftlich.“ ǻEck 2007: 10)
Was bedeutet nun führen/lead? Einige Definitionen dazu (vgl. Eck 2007: 13):
Führen heißt = fahren machen = in Bewegung bringen; Lead = lithan (altenglisch) = gehen, reisen, wandern = althochdeutsch = lidan = leiten; Management = manu agere = Hand anlegen, mit eigenen Händen machen.
1.1 Zum Begriff Leadership Im Grunde müsste man im ersten Schritt die Arbeit am BegriffŚ vornehmen. Zuerst einmal ist es bedeutsam, dass im englischsprachigen Kontext etliche Definitionen existieren, in denen deutlich die Differenz zwischen Management und Leadership sichtbar wird. Die bekanntesten Definitionen zu Leadership:5
4 5
Der Begriff Arbeit am Begriff ist im Sinne von Hegel gemeint. Siehe auch Eck (2007: 13ff.). Siehe auch die Vielzahl von Webseiten zu Leadership: http://www.leadership-studies.com/lsw/definitions.htm (Stand 25.3.2008) sowie http://www.spirit-of-leadership.de/SL/Leadership/K150.htm (Zugriff am 25.3.2008).
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Marlies W. Fröse
„[...] the behavior of an individual [...] directing the activities of a group toward a shared goal“ (Hemphill/Coons 1957: 7). „[...] the influential increment over and above mechanical compliance with the routine directives of the organization“ (Katz/Kahn 1978/1996: 528). „[...] exercised when persons [...] mobilize [...] institutional, political, psychological, and other resources so as to arouse, engage, and satisfy the motives of followers“ (Burns 1978: 18). „[...] the ability to step outside the culture [...] to start evolutionary change processes that are more adaptive“ (Schein 1992: 2). „The only definition of a leader is someone who has followers“ (Peter Drucker in Hesselbein et al. 1996). „Leadership is a function of knowing yourself, having a vision that is well communicated, building trust among colleagues, and taking effective action to realize your own leadership potential“ (Bennis 2001).
Auch Oswald Neuberger stellte in seinen umfangreichen Publikationen fest, dass es über 130 Definitionen von Führung gibt.6 Eine der gängigen Definitionen ist die von Steinle: „Führung wird verstanden als systematisch strukturierter Einflussprozess der Realisierung intendierter Leistungs-Ergebnisse; Führung ist damit im Kern zielorientierte und zukunftsbezogene Handlungslenkung, wobei diese Einwirkung sich auf Leistung und Zufriedenheit richtet.“ ǻSteinle 1978: 27)
Das Verständnis von Führung weist jedoch explizit auf den klassischen Managementbegriff hin, da es um das Organisieren geht: Operationalisiere! Handle! Differenziere! Hierarchisiere! Konstelliere! Relationiere! Typisiere! Erzähle eine Geschichte! Integriere! Theoretisiere!7 Dieses deutsche Führungsverständnis betrifft den klassischen Begriff des Managements, aber nicht den Begriff des Leadership. 1.2 Leadership ist mehr als Management8 In den vergangenen zwanzig Jahren wurde deutlich, dass es zwischen Management und Leadership eine deutliche Differenz gibt. Bereits Warren Bennis (1989) machte diese klassische Dichotomie sichtbar, bestätigt auch durch andere Theoretiker wie Paul Birch (1999). Dieser kennzeichnet zwei archetypische Führungsfiguren. 9 Zusammengefasst kann nach Bennis gesagt werden: „Managers do the things right, leaders do the right thing.“ (vgl. Tabelle 1)
6 7 8
9
Vgl. Neuberger (2002: 7ff.). Ausführlich zu den Dekodierungsstrategien, siehe Neuberger (2002: 15ff.). In Anlehnung an den Titel eines Vortrages von Hinterhuber (Innsbruck): Leadership – mehr als Management, Wien am 6.10.2005. Cornelia Hegele-Raih (2004) hat die Diskussion über Leadership und Management und drei Irrtümer pointiert nachgezeichnet und problematisiert: 1. Leader seien besser als Manager, 2. Die Idealbesetzung sei ein Manager-Leader und 3. Leader seien Charismatiker. Neuberger (2002: 50) thematisiert in diesem Zusammenhang auch die Leader-Manager-Differenzierung (Dux versus Rex) aus der Perspektive der Politiktheorie nach Rigotti (1984: 58).
Leadership Diskurse: Neue Herausforderungen für Führung und Leitung
Management Verwalten Erhalten Imitieren Sind Kopien Akzeptieren den Status Quo Fokussieren sich auf Systeme Verlassen sich auf Kontrolle Sind auf kurzfristige Erfolge aus Fragen nach wie und wann Sind rational und kontrolliert Haben die Bilanz im Auge Machen Dinge richtig Tabelle 1:
229
Leadership Innovieren Entwickeln Kreieren Sind Originale Fordern den Status Quo heraus Fokussieren sich auf Menschen Setzen auf Vertrauen Denken langfristig Fragen nach was und warum Sind begeistert und begeisternd Haben die Vision im Herzen Machen die richtigen Dinge
Management und Leadership (vgl. Neuberger 2002: 49)
Hinzu kommen noch die Diskurse über Führungstheorien, wie etwa der Eigenschaftstheorien (Charisma-Forschung u.a.). Diese sind eine Sammelbezeichnung für alle Ansätze, die der Persönlichkeit des oder der Führenden ausschlaggebende Bedeutung beimessen. Ausgangspunkt dafür ist ein ontologischer Ansatz: Man geht davon aus, dass es Eigenschaften gibt, die man finden und objektiv messen kann. Es stellt sich jedoch die Frage, wie viele Eigenschaften es eigentlich gibt. Bereits in den Untersuchungen von Allport und Odbert (1930er Jahre) fanden sich an die 18.000 Begriffe, heute wird die Zahl mit 450.000 Begriffen angegeben. Und helfen uns diese Eigenschaften tatsächlich weiter? Kritiker wie Kompa (2000) gehen davon aus, dass der Diskurs über Führungs-Eigenschaften Privilegien eher sichert und bestehende Verhältnisse gegen Veränderungen schützen soll. Diese Überlegungen können im Kontext der neuen Elite-Diskussionen ebenfalls in Betracht gezogen werden (vgl. Hartmann 2002). Es gibt Zusammenhänge zwischen Führung und Eigenschaften, Unterschiede zwischen Geführten und Führenden, aber die Zusammenhänge sind bisher noch nicht konkreter herausgearbeitet worden. Durch umfangreiche Untersuchungen wissen wir seit vielen Jahrzehnten, dass im Kontext der Eigenschaftstheorie der Führung nach wie vor nicht erwiesen ist, was Führungseigenschaften sind.10 Einen neuen Anknüpfungspunkt bietet die differenzielle Psychologie, die sich mit den Unterschieden zwischen Menschen befasst. Sie geht von den weitgehend unabhängigen fünf Grunddimensionen „Big Five“ (vgl. Goldberg 1993; Borkenau/Ostendorf 1991 u.a.) aus. Darunter sind folgende Grunddimensionen zu verstehen:
10
Nachfolgendes Zitat von Brown aus dem Jahr 1959 soll dies verdeutlichen: „Wenn wir an Männer wie Hitler, Napoleon [...] oder an Frauen wie Mary Baker, die erste Königin Elisabeth [...] denken, wird es uns fast grotesk anmuten, einer Führerpersönlichkeit Eigenschaften wie innere Ausgeglichenheit, Sinn für Humor oder Gerechtigkeitssinn zuzuschreiben. Einige der erfolgreichsten Führer in der Geschichte sind Neurotiker, Geisteskranke und Epileptiker gewesen. Waren humorlos, engstirnig, ungerecht und despotisch. Es gab religiöse Führer, die an Schuldgefühl, politische Führer, die an Größenwahnsinn, und Militärdiktatoren, die an Verfolgungswahn krankten. Sollte man einwenden, dass wir es mit der Industrie zu tun haben, [...] wäre mit Leichtigkeit nachzuweisen, dass auch die großen Industriekapitäne vielfach der von den Psychologen empfohlenen Eigenschaften ermangelten. Männer wie Ford [...] waren keineswegs Musterbeispiele an Tugend oder innerer Gesundheit.“ (Brown 1959: 132)
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Extraversion: Gesprächig – ruhig, offen – verschwiegen, gesellig – zurückgezogen, abenteuerlustig – vorsichtig, bestimmt – scheu, energisch – gehemmt. Verträglichkeit: Warm – kalt, gutmütig – grob, kooperativ – misstrauisch, freundlich – unfreundlich, einfühlend – rüde. Gewissenhaftigkeit: Organisiert – desorganisiert, kleinlich – sorglos, gründlich – oberflächlich, effizient – unpraktisch, beharrlich – unbeständig, ordentlich – schlampig, verantwortlich – verantwortungslos. Emotionale Stabilität: Launenhaft – unerschütterlich, nervös – beherrscht, entspannt – angespannt, gefasst – erregbar, ungestört – ängstlich, reizbar – gelassen, unemotional – emotional. Offenheit: Phantasievoll – geistlos, komplex – einfach, unkonventionell – konventionell, breite Interessen – enge Interessen, intellektuell – unintellektuell, kreativ – einfallslos.
Diese bieten Ansatzpunkte für die zukünftige Führungsforschung, insbesondere im Kontext der transaktionalen und transformationalen Führung. Doch was ist damit gemeint?
1.3 Transaktionale und transformationale Führung John P. Kotter wird als Erfinder des Begriffes Leadership genannt – bekannt durch seine Publikation: How Leadership differs from Management. Doch bereits Jahre zuvor setzten sich James M. Burns (1978) sowie Abraham Zaleznik (1977) mit den Unterschieden zwischen Managern und Leadern sowie mit der transaktionalen und transformationalen Führung auseinander.11 Dabei ist anzumerken, dass die Leadership-Diskussion weit in die Geschichte bis zur Antike zurückführt. Bedeutsam für die weitere Entwicklung der Führungsund Leadership-Forschung sind die Ansätze der transaktionalen und transformationalen Führung (vgl. Bass 1985; Conger 1989), denn diese haben den Führungsdiskurs positiv verändert. Mit den beiden Führungsansätzen ist Folgendes gemeint: Die transaktionale Führung geht von einem Management by Exception (Ausnahme) plus bedingte Belohnung aus. Diese führt zu erwarteten Anstrengungen und erwarteten Leistungen, die wiederum eine erhöhte Motivation zur geplanten Erreichung der Ergebnisse bewirkt (vgl. Avolio 1985, Bass/Avolio 1990). Sie basiert auf Verstärkung: „Für das, was sie tun oder lassen, haben die Geführten mit positiven oder negativen Konsequenzen zu rechnen, die die Führungskraft vermittelt.“12
11
12
Die Ursprünge der transaktionalen Führung finden sich in der Anreiz-Beitragstheorie, der Gerechtigkeitstheorie und der Weg-Ziel-Theorie. Es geht vorrangig um den Austausch von Beiträgen zwischen den Menschen durch Leistung und Gegenleistung. Bei der transformationalen Führung steht der Geführte, der gewandelt werden soll, im Vordergrund (Ursprung eher in der Eigenschaftstheorie). Siehe Neuberger (2002: 197) = Führung kontrolliert Weg und Ziele (Weg-Ziel-Theorie von Bass) = Modell des rational kalkulierenden homo oeconomicus verpflichtet. Bei der transaktionalen Führungskraft stehen folgende Aspekte im Vordergrund: mit Visionen Aufmerksamkeit wecken/durch Kommunikation Sinn vermitteln/einen Standpunkt einnehmen und Position beziehen/Entfaltung der Persönlichkeit durch positives Selbstwertgefühl/Lernen aus Fehlern/Erkennen von Stärken und Kompensation von Schwächen/Entwicklung von Talenten/Übereinstimmung von Qualifikation und Anforderung-.
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Die transformationale Führung stellt insbesondere das Charisma, den Idealisierten mit seiner Inspiration, seiner intellektuellen Stimulierung und der individualisierten Fürsorge, in den Mittelpunkt. Zentrale Begriffe sind: Vision, Mission, Enthusiasmus, Commitment, Innovation, Streben nach höchsten Zielen.13 So wir dann noch die charismatische und transformationale Führung unterscheiden wollen, müssen weitere Unterscheidungsmerkmale herangezogen werden, wie z.B. hohe Werte, hohe Ziele, radikale Veränderung des Bestehenden und hohe Erwartungen. Einerseits werden beide Begriffe synonym gebraucht, andererseits steht die Differenz im Vordergrund: Das Charisma ist eher an der Führungsperson ausgerichtet und beinhaltet Verehrung, Bewunderung, Verklärung. Der transformierende Ansatz zielt eher auf die Förderung und Ermächtigung der Geführten und die Förderung der Anliegen der Gemeinschaft. Die Bedeutung der transformationalen Führung wird auch von Hans H. Hinterhuber (siehe Artikel in diesem Buch) unterstrichen: Unter wirtschaftlich schwierigen Rahmenbedingungen werde Leadership an Bedeutung zunehmen. Führung bestehe aus Management und Leadership, was eine Einheit bilden solle, müsse der Art nach verschieden sein (vgl. Hinterhuber 2009). Doch auch Hinterhubers Verständnis muss als zu vage angesehen werden, wenn Leadership nur dahingehend definiert wird, dass ein Führender der ist, der die berechtigten Bedürfnisse seiner Mitarbeiter und Kollegen erkennt und erfüllt, Barrieren abbaut und Rahmenbedingungen schafft, damit Mitarbeiter und Kollegen die Kunden zu Botschaftern des Unternehmens machen können. Leadership besteht für ihn aus Charakter plus Wissen plus Tun (vgl. Hinterhuber 2009: 22f.). Doch was heißt das konkret? Wer definiert Charakter, wer definiert das Wissen, und was ist das Tun? Authentizität ist erforderlich. Ein Leader sollte ein Visionär, ein Vorbild sein und die Werte des Unternehmens vorleben, um den Unternehmenswert steigern zu können. Beide Ansätze (transaktional wie auch transformational) gehen weit über die klassischen soziotechnokratischen Führungsmodelle und Führungsstile hinaus. Konstatiert werden muss jedoch, dass insbesondere die transformationale Führung Ansatzpunkte für ein neues Leadership-Verständnis bietet.
2.
Kulturspezifischer, gesellschaftlicher Diskurs
Selbstverständlich existiert ein kulturspezifischer, gesellschaftlicher Diskurs zu Leadership, auch wenn wenig darüber geforscht wird. Zudem ist dieser Diskurs höchst ambivalent. Idealisierungen, Heroisierungen und Personalisierungen sind an der Tagesordnung. Die Glaubwürdigkeitskrise ist in unseren Medien alltäglich zu finden. Zur Illustration einige Titel aus gängigen Tageszeitungen im Februar 2008: Staatsfeind Steuersünder, Strafanzeige gegen Hypo-Spitze, Missmanagement des Kreditgewerbes kostet die Steuerzahler Milliar-
13
Wenn über transformationale oder charismatische Führung geredet wird, dann wird vor allem das Folgende herausgehoben: Das Aufbauende/das Gute/das Konstruktive/das Innovative = quasi religiöse Idiomatik (Gesamtheit der Redewendungen/Ausdrücke). Das Charisma steht hier stärker im Mittelpunkt. Beim transformational Leader sind die Zuschreibungen mehr oder weniger mit der transaktionalen Führung vergleichbar (vgl. Tichy/Devanna 1986).
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den, Bankensanierung auf Staatskosten, Unterschlagung von Geldern beim Deutschen Roten Kreuz, unsachgemäßer Umgang mit Spendengeldern bei UNICEF (Prozente versus Spendensiegel). Mittlerweile hat man den Eindruck, die Aufzählung setzt sich jeden Tag fort. Enttäuschungen und kurzlebige heftige Empörungen über spektakuläre Fälle von Führungsversagen sind an der Tagesordnung. So konstatiert Eck sehr pointiert, dass „eine erstaunliche Naivität des gebildeten Publikums bezüglich der real existierenden gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse“ (vgl. Eck 2007: 11) existiere. Auch dies ist eine Seite des Leadership-Diskurses – denn Führung sollte nicht nur die Binnenprozesse unserer Organisationen betrachten. Weiterhin wäre zu untersuchen, warum die Leadership-Debatte erst jetzt in Deutschland diskutiert wird. Management und Leadership haben in den USA bereits eine lange Forschungstradition. Zu fragen ist, inwieweit dies unter Umständen ein deutsches Problem ist und sich auf die bislang noch unzureichende Aufarbeitung unserer deutschen Geschichte und der immer noch mangelnden Demokratieerfahrung beziehen könnte. Weitere Forschungen sind auch deshalb erforderlich, da die Halbwertzeit von Führungskräften mittlerweile nur noch vier Monate beträgt – dies fand Harvard in einer Untersuchung bei Managern der 500 Top-USA-Unternehmen heraus.14 Die Zahlen für Deutschland liegen bei 4,7 Jahren. Die Tendenz im Allgemeinen ist eindeutig: Sie sinkt (vgl. Dammann 2007). Bereits 1983 stellten McCall und Lombardo fest, dass Führungskräfte zunehmend scheitern, da sie oft unsensibel gegenüber anderen Menschen sind: einschüchternd, scharf, tyrannisierend, kalt, distanziert, arrogant, Vertrauen nicht würdigen, nur an die nächste Stelle denken (überehrgeizig) und in politische Spiele verwickelt sind, eine Neigung zum Übermanagen haben, nicht delegieren können, kein Team bilden können, unfähig sind, neue Mitarbeiter zu gewinnen oder gar strategisch zu denken (vgl. McCall/Lombardo 1983a/b). Und auch neuere Untersuchungen (vgl. Dammann 2007; Babiak/Hare 2007) bestätigen diese Entwicklung und weisen darauf hin: [Wichtiger] „für die Zukunft von Unternehmen als jede Balance Scorecard und jeder Ruf nach einer neuen Fehlerkultur ist laut Sutton das Nachdenken über all die destruktiven Charaktere in den Unternehmen, die ‚ihren Mitmenschen schaden und die Leistungsfähigkeit dieser Organisation untergraben.‘ Sie vergraulen Kunden und Mitarbeiter, inszenieren arbeitszeitkostende Konflikte, höhlen die Leistungsfähigkeit von Teams und Management aus“ (Dammann 2007: 10).
Dabei müssten insbesondere die Schattenseiten von Führung und Leitung thematisiert werden.15 Zudem brauche es mehr Analysen über Macht: [Macht] „geht überall Hand in Hand mit Korruption – überall, außer in der Business-Leadership-Literatur. Wenn man Tom Peters, Jay Conger, John Kotter und die meisten ihrer Kollegen liest, dann sind Führer mit den Worten von Warren Bennis Individuen, die einen gemeinsamen Sinn kreieren sowie eine charakteristische Stimme, Anpassungsfähigkeiten und Integrität haben. Laut der heutigen Business-Literatur ist ein Führer per Definition gütig“ (Dammann 2007: 34).
Jedoch ist dieses Führungsverständnis eher nur in der Managementliteratur präsent. Die neue Institutionenökonomik und insbesondere die Transaktionskostentheorie geht vom 14 15
Vgl. Leitl (2007). Der Aufschrei unter Ökonomen war groß, als die „Sprachkritische Aktion ‚Unwort des Jahres’“ für das Jahr 2004 den Begriff Humankapital auswählte. Vgl. hierzu den Beitrag von Dammann (2007) sowie Babiak/Hare (2007).
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Opportunismus als Verhaltensannahme aus. Die Realität zeichne sich durch auf eigennutzmaximierende Individuen aus, die ihre Interessen mit List und Tücke verfolgen.16 Und nicht umsonst weisen schon heute Erkenntnisse des Bundeskriminalamtes darauf hin, dass rund ein Drittel aller Wirtschaftsdelikte von Mitgliedern des Topmanagements, den CEOs begangen werden (vgl. Dammann 2007: 96; Grunwald 2006: 6), und deshalb warnt Khurana eindrücklich vor den zunehmenden Gefahren in der Führung und Leitung von Organisationen.17
3.
Diskurs der Praxis
In einem weiteren Schritt stellt sich die Frage: Was vermittelt uns der Diskurs der Praxis? Hier müssen wir konstatieren, dass die real existierenden Führungsverhältnisse extrem unterschiedlich sind. Anspruch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander. Leadership solle Organisationen zu Höchstleistungen führen. Wie? Dazu gibt es die vielfältigsten, stetig veränderten Instrumente und Managementmoden. Leadership wird gefordert und ein Mangel an Leadership insbesondere bei den unteren Führungsebenen beklagt. Die Folge ist: Überall werden Management-Trainings angeboten (zwischen Leadership und Management wird häufig nicht unterschieden). Auch hier liegen die Verfallszeiten der Modethemen vor. In einer Harvard-Untersuchung über einen Zeitraum von 20 Jahren wurde festgestellt, dass es nicht das einzelne Instrument gibt, welches zum Erfolg führt.ŗŞ Bedeutsam sind oft ganz „schlichte“ Grundlagen wie Kommunikation, Transparenz und Offenheit sowie klare Strukturen und Vertrauen, die über all den gegenwärtig vorhandenen Modethemen existieren. Sichtbar wird im Diskurs der Praxis, dass Leadership zum Thema geworden ist – auch in den Hochschulen.
4.
Antworten der Hochschulen
Im Folgenden werde ich zwei Entwicklungen aus dem internationalen und nationalen Hochschulbereich skizzieren, da Hochschulen Führungskräfte für die Praxis unserer Unternehmen ausbilden:
4.1 Stand der internationalen Entwicklung von Management-Studiengängen „Was Manager von C.G. Jung lernen können und warum Business Schools sich zunehmend um das Thema Leadership kümmern und dabei auf die Selbsterfahrung setzen“, so der Titel eines Artikels in der Süddeutschen Zeitung (vgl. Schwertfeger 2008). Pointiert wird dort herausgehoben dass Studierende durch Selbstreflexion am meisten über Führung und Lei16 17 18
Oliver E. Williamson wurde vor allem durch die beiden Bücher „Markets and Hierarchies“ (1975) und „The Economic Institutions of Capitalism“ (1985) berühmt. Khurana (2002a/2002b), zitiert nach Dammann (2007: 96). Ausführlich zu den Managementmoden: Nohria/Joyce/Robertson (2003).
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tung lernen, so auch die Aussagen von MBAs, die explizit Leadership in ihre Ausbildungsgänge integriert haben, wie etwa an der englischen Cranfield School of Management, die Stanford Graduate School of Business in Kalifornien, die britische Ashridge Business School oder das International Institute for Management Development in Lausanne.19 Im Studium solle es darum gehen, zu verstehen, wie man sich selbst verhält und wie andere Menschen darauf reagieren – also um die Entwicklung von Personal and Professional Identity. Bestandteile der englisch-amerikanischen Studiengänge sind beispielsweise SelbstAssessments, Leadership Development, Simulationen (Planspiele), Coaching, Intervisionsgruppen u.a., angeleitet durch Professorinnen und Professoren und durch die Studierenden selbst. Dies sind wichtige Qualifikationen, die bereits innerhalb der Studiengänge „Sozialarbeit“ und „Sozialpädagogik“ oder auch im Darmstädter Management-Modell vermittelt werden (vgl. Fröse 2004). Personal und Professional Identity beschäftigt sich nicht nur mit der Vermittlung von theoretischen Inhalten wie etwa mit Human Resource Management, sondern auch mit den Fragen, wie es den Führungskräften geht, wenn Sie ein Mitarbeitergespräch führen, ein Kritikgespräch einleiten, Teamgespräche initiieren oder sogar eine Kündigung aussprechen. Das sind wahrlich keine einfachen Aufgaben, die auch belastend für Führungskräfte sind. Man fühlt sich einfach nicht gut darin. Üben könnte man dies in Rollenspielen und in Systemaufstellungen, um eine Ahnung von den verschiedenen Rollen, Funktionen und Positionen zu erlangen. Eine weitere wichtige Frage ist, welche Auswirkungen Organisationsveränderungen haben. 20 Theoretisch können die Inhalte von Klaus Doppler und Christoph Lauterburg (2002), Edgar Schein (1992/1995), W.L. French und C.H. Bell jr. (1990) und Friedrich Glasl et al. (2005) selbstverständlich in den Studiengängen vermittelt werden: Doch was heißt dies für die Organisation und deren Entwicklung? Welche Auswirkungen können Organisationsveränderungen bezogen auf die Mitarbeitenden und die Führungskräfte haben? Könnte man diese theoretischen Inhalte methodisch-didaktisch auch anders vermitteln? Einen Ansatz hierzu stellt das Darmstädter Management-Modell dar. Weiter gefragt: Wie kann ich faire Entscheidungen treffen? Was ist gerechtes Handeln in schwierigen Situationen? Organisationspsychologie, Persönlichkeitsentwicklung, Selbstreflexion, Gruppendynamik oder das Wissen um die Organisationskulturen gehören ebenso dazu wie Konfliktmanagement, Story Telling oder das Wissen um die unbewussten Dynamiken (wie etwa dem Teddybär-Phänomen oder der Bedeutung des Mahagoni-Schreibtisches).21 Leadership ist kein einzelnes Fach. Es sollte sich flankierend in den theoretischen Fächern der Betriebswirtschaftslehre, der Volkswirtschaftslehre, der Organisationspsychologie und der Organisationssoziologie wiederfinden. Die Integration von Supervision in Management-Studiengänge wäre wünschenswert, wird jedoch kaum realisiert, obgleich Supervision, Intervision oder Coaching gute Ansatzpunkte im Rahmen der Ausbildungen wären. 19
20
21
Schwertfeger hebt in ihrem Beitrag in der Süddeutschen Zeitung vom 23.2.2008 aber auch hervor, dass es bislang nur punktuell curriculare Veränderungen an den Hochschulen gegeben habe. Studierende erhalten das Angebot zusätzlich, und nur ca. 1/5 der Studierenden nimmt dieses in Anspruch. Siehe insbesondere dazu die umfangreiche Bibliografie von Friedrich Glasl in Ballreich et al. (2007: 581ff.). An dieser Stelle sei auch auf das folgende Buch genannt, welches das ganzheitliche Organisationsverständnis pointiert darstellt: Glasl et al. (2005) oder auch Häfele (2007). Siehe dazu auch Gareth Morgan (1997). Humorvoll beschrieben wurde das Teddybär-Phänomen am Beispiel der Bedeutung des Schreibtisches (Mahagoni) von Martin Suter (2000).
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4.2 Das Darmstädter Management-Modell Die folgenden Überlegungen basieren auf einer zehnjährigen Erfahrung des mittlerweile bekannten Darmstädter Management-Modells. Ziel ist es, die wissenschaftliche Reflexion in den Kontext der Praxis-Organisation-Reflexion und der Persönlichkeitsentwicklung zu stellen.22 Neben den Theorieseminaren werden Kernstudiengruppen gebildet. Die Supervision ist ein elementarer Studieninhalt, der nach Beendigung des Studiums oftmals als Intervision fortgesetzt wird. Die Studierenden werden neben all den theoretischen Inhalten befähigt, Führung und Leitung verantwortlich zu übernehmen: „Am meisten hat mir die Selbstreflexion gebracht – ohne die hätte ich mein Boot nicht durch den Sturm bringen können“ – so eine Führungskraft aus dem Darmstädter Studiengang. Das Darmstädter Management-Modell vermittelt nicht nur fundierte wirtschaftswissenschaftliche Fach- und Methodenkompetenz im Bereich von Management und Leadership, sondern qualifiziert darüber hinaus auch für Prozesse der Organisationsentwicklung. Diese gilt es zu initiieren und verantwortlich zu gestalten. Ergänzend zu dem beruflichen Nutzen, der sich in einem hohem Autonomiegewinn beziehungsweise in einer Steigerung der Arbeitsmarktchancen zeigt, berichten unsere Absolventinnen und Absolventen auf der persönlichen Ebene, dass das Studium deutlich ihre soziale Kompetenz und emotionale Intelligenz verbessert habe, da der selbstreflexive Erkenntnisgewinn über die eigene Person und die eigene Person in der Gruppe, in den Rollen und in den Organisationen maßgeblich gefördert wurde. Beigetragen hat das Studium auch zu einem besseren Umgang mit Konflikten im beruflichen Alltag. Zusätzlich haben die Studierenden das Studium als ein wertvolles Netzwerk für kollegiale Beratungen/Intervision und gegenseitiges Coaching wahrgenommen. Und dies ist vor dem Hintergrund unserer gesellschaftlichen Veränderungen zu beachten: Anbieter sozialer Dienstleistungen sehen sich mit einer deutlichen Umbruchssituation aufgrund gewandelter externer und interner Kontextfaktoren konfrontiert. Steigende Klientenanforderungen, immer detailliertere gesetzliche Qualitätssicherungsauflagen und ein zunehmender Wettbewerbsdruck prägen ebenso das Bild wie zum Teil dramatische Rückgänge bei den öffentlichen Fördermitteln und Finanzierungsgrenzen der sozialen Sicherungssysteme. Das zur Bewältigung dieser Herausforderungen notwendige Wissen kann man sich auf einer elementaren Instrumentenebene mühsam im Selbststudium aneignen. Systematischer lassen sich Managementtechniken sowie ein fundiertes Verständnis über Management und Leadership in einem geordneten berufsbegleitenden Masterstudiengang erlernen. Managementtechniken können relativ schnell veralten, wenn die Vermittlung der dahinter stehenden wissenschaftlichen Theorien vernachlässigt wird. Auch dieses ist besser in einem Masterstudiengang möglich. Selbstbewusstes, professionelles Handeln als Führungskraft braucht außerdem Orte der professionellen Selbstreflexion über das alltägliche Führungshandeln und der Verständigung über die Werte, die uns leiten.
22
Vgl. Fröse (1999; 2004).
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4.3 Zwischenresümee Führung wird immer wichtiger, aber auch komplizierter. Viele reden über Leadership, gehen das Thema aber ausschließlich rational an, obwohl Leadership auch auf der emotionalen Ebene von Führung und Leitung verortet sein muss: „Die Menschen rennen einem Manager doch nicht aus rationalen Gründen hinterher.“23 Diese Überlegungen führen dazu, im nächsten Abschnitt die erforderlichen Lerninhalte zu betrachten. Ziel ist die Qualifizierung von Führungskräften. Dabei steht die Förderung der Integrität und Authentizität von Führungskräften als ein bedeutsamer Aspekt von Leadership im Vordergrund. Denn Leadership ist mehr als nur ein effektives Management von Organisationen. Es geht um das Inspirieren, Motivieren und Überzeugen von Menschen. Wer gut führen will, muss wissen, wie und warum man in welchen Situationen so und nicht anders reagieren kann.
5.
Leadership – eine neue Führungsqualität!
In den beschriebenen drei Diskursen spiegeln sich implizit und explizit Denktraditionen wieder, die an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden können. Im Folgenden soll es um die Beschreibung von Leadership als neue Führungsqualität gehen. Wie kann Leadership entwickelt und gefördert werden? Was brauchen wir an weiteren Führungsqualifikationen? Wie könnten dafür die Inhalte aussehen? Aufgrund der konzeptuellen Trennschwäche ist eine Antwort sicherlich nicht einfach – auch unter dem Aspekt des bonding und bridging capitals.24 Herausgehoben werden kann: Leadership kann man nicht nur allein als Ergebnis eines Ausbildungsganges, welcher gezielt Managementkompetenz und Fachwissen anbietet, erwerben. Leadership kann nur flankierend in der Lehre und im Prozess reflexiver Professionalisierung entwickelt werden sowie in der konkreten Auseinandersetzung mit wissenschaftlichem und praxisbezogenem Wissen. Somit ist Leadership ein ständiger Prozess, der gelebt werden muss. Er bildet in Kombination mit dem persönlichen Skillset des „Leaders“ eine Grundlage für eine höhere Erfolgsquote. Dafür bedarf es weiterer Erkenntnisebenen, die nachfolgend skizzenhaft dargestellt werden. Diese bedürfen im Rahmen der Lehre Zeit und Raum, sowohl im Kontext der Theorieseminare und Vorlesungen als auch bei Seminaren mit Formen der Supervision und Intervision. Nachfolgend werde ich drei Wissensebenen (Wissen über Metafähigkeiten, Wissen über Personal Governance, Wissen über Menschen- und Organisationsbilder) skizzieren, die Leadership als Führungsqualität charakterisieren sollten:
23 24
Jack Wood, zitiert nach Schwertfeger (2008). Bonding capital: Aufbau geschlossener Netzwerke, enge Beziehungen innerhalb der Organisation, basierend auf Vertrauen und Gegenseitigkeit, die Gefahr sind Filz und Group-thinking-Phänomene. Bridging Capital: Aufbau und Pflege offener Netzwerke, strukturelle Veränderungen, interorganisationelle Verbindungen, welche Zugänge zu neuen Ressourcen und Informationen ermöglichen) = gemeint ist damit die soziale Kapitalisierung gemäß Iles/Preece (2006).
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5.1 Wissen über Metafähigkeiten Erfolgreiche und anerkannte Führungskräfte zeichnen sich neben der Fachkompetenz insbesondere durch das Beherrschen so genannter Metafähigkeiten 25 aus. Die heuristische Fähigkeit hilft, neuartige Situationen zu bewältigen. Im Sinne der Anforderungen an Leadership wäre aus meiner Sicht insbesondere die hermeneutische Kompetenz erforderlich, die das Denken im weiteren Sinne eröffnet, um überhaupt Probleme aus verschiedenen Perspektiven betrachten zu können. Wenn man sich eine Situation anschaut, sind viele Interpretationen denkbar, die plausibel erklären können, wie die Dinge zusammenhängen, so dass das Selbst Sinn darin finden kann. 26 Die interpersonale Fähigkeit beinhaltet die Beherrschung einer Vielfalt kommunikativer Mittel sowie die Fähigkeit, neue soziale Kontakte einzuleiten. Auch ein ausgebildetes Einfühlungsvermögen ist dafür erforderlich. Des Weiteren wird die reflexive Fähigkeit genannt. Darunter wird die Fähigkeit verstanden, sich trotz zeitlicher Engpässe aus dem Strom der täglichen Aktivitäten auszuklinken, Ergebnisse zu hinterfragen, über Vergangenes nachzudenken und daraus Schlüsse für die Zukunft zu ziehen. Eigene Lebensprojekte weiterzuverfolgen ist dabei sicherlich ein wichtiges Fundament. Die interpretative Fähigkeit zieht anerkannte Umweltdeutungen in Zweifel und beschäftigt sich mit der Schaffung der Ordnung über den Weg der Unordnung. Dazu finden wir in der Wissenschaft bereits gute Ansätze: Zum einen kann diese Schaffung der Unordnung durch die Förderung der Kreativität geschehen, indem man sich aus dem Bann der Gewohnheiten befreit, um neue Ideen entwickeln zu können. Eingefahrene Denkmodelle können aufgebrochen werden durch kreative Dialogformen (vgl. Brodbeck 1999). Zum anderen können Ansätze beispielsweise abgeleitet werden durch die Untersuchungen von Karl Weick und Kathleen Sutcliffe (2003), insbesondere in ihrer Publikation Das Unerwartete managen. Wie Unternehmen aus Extremsituationen lernen. Der Zweifel als Methode steht im Vordergrund, denn es gibt weder eine perfekte Führungskraft noch ein perfektes Management – vor allem keine Standardsituationen. Hinzu kommt dann noch die inszenatorische Fähigkeit. Hier geht es um die Fähigkeit, sich auszudrücken und Sachverhalte darstellen zu können, um andere von den eigenen Plänen und Ideen überzeugen zu können. Erweitert werden könnten diese Führungsqualitäten mit den Überlegungen von Kets de Fries und Florent Treacy (1998, 2002): Sie gehen davon aus, dass es Metabedürfnisse – bewusst und unbewusst – gibt, die vermittelt werden sollen:
25 26
Gemeinschaftsbedürfnis: Förderung von Gemeinschaftstugenden wie gegenseitige Unterstützung, Respekt und Zusammenarbeit. Freude: Freude am Tun und Entdecken von Neuem (auch wie andere arbeiten und die Dinge tun) macht Menschen kreativ und produktiv. Sinn: Sich als Teil eines größeren Ganzen wertvoll zu erleben.
Die Metafähigkeiten wurden von Heinz K. Stahl und Hans H. Hinterhuber (2000: 424) beschrieben und meinerseits erweitert und kommentiert. Vgl. dazu ausführlich Schmid (2007: 58ff.). Hier geht es darum, die verschiedensten Zusammenhänge wahrnehmen zu können, wie etwa intentionale, logische, argumentative, kausale, konditionale, utilitäre, subjektive, situative, historische, konzeptionelle, terminologische, polare oder auch paradoxe Zusammenhänge. Siehe auch Schmid (2000).
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Dafür bedarf es Führungskräfte, die diese Metabedürfnisse selbst haben und auch sichtbar ausleben wollen, so die beiden Autoren: Ausgeprägte Offenheit für die unterschiedlichsten kulturellen Erfahrungen ist dafür erforderlich. In dieser Funktion nehmen die Führungskräfte eine charismatische Rolle ein. Sie entwerfen ein Zukunftsbild ihrer Organisation, ermächtigen und autorisieren Mitarbeitende auch auf der emotionalen Ebene. Sie etablieren allerdings auch die Rolle des Architekten/der Architektin bei der Gestaltung, Strukturierung, Kontrolle und bei der Etablierung von Anerkennungssystemen und Wertschätzungen. Für diese Rollen braucht es Menschen mit einem globalen Denkansatz. Sichtbar wird aber auch, dass beide Rollen das klassische Spannungsverhältnis von Management und Leadership widerspiegeln.#
5.2 Wissen über Personal Governance Auch die Überlegungen von Fredy Hausammann zum Personal Governance können erste Anhaltspunkte bieten, wobei kritisch herausgestellt werden muss, dass dieser Ansatz sehr individuumsbezogen verstanden werden kann. Hausammann geht davon aus, dass es verstärkt um eine reflektierte Selbsteinschätzung und Selbstüberprüfung gehen sollte, um ein ethisches Management zu forcieren. Dies fasst er unter den Begriff Personal Governance, den er folgendermaßen definiert: „Personal Governance ist eine bewusste, strategische und operativ/situative Selbststeuerung und permanente persönliche Weiterentwicklung unter Berücksichtigung der reflektierten individuellen Bedürfnisse, Fähigkeiten und Präferenzen sowie unter Berücksichtigung des privaten und beruflichen Umfeldes. Die Personal Governance ist auf ein Lebensprojekt ausgerichtet, das auf einer ausgewogenen Berücksichtigung von privaten und beruflichen Zielen basiert und gesellschaftspolitische Interessen integriert.“ (Hausammann 2007: 22)
Dazu präsentiert er ein Sieben-Phasenmodell, welches sicherlich weiterer Diskussionen bedarf. Es bietet jedoch Ansatzpunkte zur WeiterarbeitȱǻǯȱHausammann 2007: 24ff.):
Lebensplanung respektive Lebensprojekt als roter Faden und Leitmotiv Hohes Bewusstsein bezüglich des eigenen Wertesystems und der eigenen verantwortungsethischen Handlungsgrundsätze Gut ausgebildete Fähigkeiten der Selbstreflexion, Selbsteinschätzung und Selbstregulation Kennen und Erkennen der persönlichen Stressoren und Wahrnehmung für das adäquate Maß der Arbeits-Belastung bei sich selbst und bei den anderen Mitarbeitenden (Coping-Strategien, Coaching) Entwicklung seiner selbst und anderer – u.a. via education permanente Starke Interessen und Passionen außerhalb des beruflichen Pflichtenheftes Achtsamkeit für die eigene Reputation und die Firmenreputation
Aus meiner Sicht muss dieser Ansatz noch diversifiziert werden. Denn es geht um die Entwicklung der Personal und Professional Identity: Diese beinhaltet ebenso das Wissen um
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das eigene Selbstbild27, das Wissen um das Bild vom anderen28, das Wissen um die eigene Biografie29, das Wissen über Verschlüsselungen und Entschlüsselungen30, das Wissen um den Umgang mit den eigenen Rollendilemmata in der Führung und Leitung 31 sowie das Wissen um die eigenen und organisationalen und auch gesellschaftlichen Visionen32. Und dabei nimmt die Fähigkeit des Zuhörens eine bedeutsame Rolle ein.33
5.3 Wissen um Menschenbilder und um Organisationsbilder Leadership benötigt auch ein Wissen über Menschenbilder und Organisationsbilder. Hier müssen Erkenntnisse aus dem kulturspezifischen und gesellschaftlichen Diskurs herangezogen werden. Welche Menschenbilder und welche Organisationsbilder (vgl. Morgan 1997) existieren für die Führung und Leitung von Organisationen in unseren Gesellschaften oder in anderen Gesellschaften? Betrachte ich beispielsweise die Organisation als Maschine, in der die Rädchen (die Mitarbeitenden) ständig erneuert werden können? Verstehe ich die Organisation als Gehirn, welches sich autopoetisch selbst erneuert? Deute ich die Organisation als Kultur- und Politikinstitution, als Hologramm, als Garten? In meinen Veranstaltungen, die sich mit Organisationstheorien und Organisationsbildern beschäftigt haben, stellte sich oft heraus, dass viele Führungskräfte die Maschinenmetapher als Organisationsbild sehr verinnerlicht haben. Dies erstaunt nicht, da Taylorismus und Fordismus das gesamte Wirtschaftsleben im vergangenen Jahrhundert stark geprägt haben. Auch bezogen auf das verinnerlichte Menschenbild können wir die Fragen stellen: Welches Menschenbild trägt ein Direktor eines Altenwohnstiftes, einer Werkstatt für behinderte Menschen oder die Leiterin eines Frauenhauses mit sich und in sich? Und welche Auswirkungen haben diese Bilder dann auf die Unternehmenskultur? Diese Überlegungen können an dieser Stelle nur stichwortartig angedeutet werden. Bezogen auf das Verständnis von Menschenbildern hat Oechsler (2000: 378) dies pointiert in der nachfolgenden Tabelle 2 zusammengefasst und die dazugehörenden Konsequenzen definiert:
27
28 29 30
31 32 33
Selbstbild: Selbstbild als dynamisches Element, Mechanismen zum Erhalt des Selbstbildes, Verdrängung, Projektion, Identifikation, Rationalisierung, Verschiebung, Fixierung, Regression, Verleugnung der Realität, Verkehrung in das Gegenteil, Konversion. Bild des Anderen: Urteilstendenzen, der erste Eindruck, Kategorisierung, fehlende Revision, Projektion, eigene Persönlichkeitstheorie, soziale Situation, gegenseitige Beeinflussung, Erfahrungsmaßstäbe, Idealbilder. Welche Relevanz hat die Herkunftsfamilie für die Führung und Leitung von Organisationen? Wie kann ich meine Wahrnehmungen verschlüsseln und entschlüsseln: Erkennen von Fehlerquellen beim Entschlüsseln, Vermengen von Tatsachen und Deutung, aneinander vorbeireden, vermeintliche Vollständigkeit, statische Betrachtungsweise, Etikettierung, Polarisierung, Einseitigkeit, Personalisierung, sozialer Druck, Nebenbedeutungen. Aufgaben, die sich insbesondere junge Menschen erst einmal theoretisch erarbeiten müssen, um dann auf einer zweiten Ebene einen Zugang zum eigenen Verständnis der Führungsrolle erahnen zu können. Eine einprägsame Vision verleiht dem Projektteam einen Sinn, bündelt Aufmerksamkeit und gibt dem täglichen Arbeiten mehr Gewicht. Schon eine Regel aus dem Alten Ägypten besagt: „Solltest Du einer von denen sein, an den Petitionen herangetragen werden, so höre Dir in Ruhe an, was der Antragsteller zu sagen hat. Weise ihn nicht zurück, bevor er sich enthüllen konnte und bevor er gesagt hat, weswegen er gekommen ist. [...] Es ist nicht notwendig, dass alle seine Bitten gewährt werden, aber gutes Zuhören ist Balsam für das Herz.“ (George 1972: 6)
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Menschenbilder Konsequenzen für die Unternehmenskultur Klassische Management-Funktionen: Planen, Der rationale Mensch ist in erster Linie durch monetäre Organisieren, Motivieren, Kontrollieren; Organisation Anreize motiviert, ist passiv und wird von der und deren Effizienz steht im Mittelpunkt; Organisation manipuliert, motiviert und kontrolliert. Organisation hat die Aufgabe, irrationales Verhalten Sein Verhalten ist rational; Annahmen der Theorie X. zu neutralisieren und zu kontrollieren. Der soziale Mensch ist in erster Linie durch soziale Aufbau und Förderung von Gruppen; soziale Bedürfnisse motiviert; als Folge der Sinnentleerung der Anerkennung der Mitarbeiter durch Manager und Arbeit wird in sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz Gruppe; die Bedürfnisse nach Anerkennung, Ersatzbefriedigung gesucht; er wird stärker durch Zugehörigkeitsgefühl und Identität müssen befriedigt soziale Normen seiner Arbeitsgruppe als durch Anreize werden; Gruppenanreizsysteme treten an die Stelle und Kontrolle des Vorgesetzen gelenkt; Annahmen der von individuellen Anreizen. Human Relations Bewegung Selbstverwirklichender Mensch: Manager sind Der sich selbstverwirklichende Mensch: Menschliche Unterstützer und Förderer (nicht Motivierer und Bedürfnisse lassen sich in einer Hierarchie anordnen; Kontrolleure); Delegation von Entscheidungen, der Mensch strebt nach Autonomie und bevorzugt Übergang von Amtsautorität zu Fachautorität; Selbstmotivation und Selbstkontrolle; es gibt keinen Übergang von extrinsischer Motivation zu zwangsläufigen Konflikt zwischen intrinsischer Motivation; Mitbestimmung am Selbstverwirklichung und organisatorischer Arbeitsplatz. Zielerreichung; Annahmen der Theorie Y. Der komplexe Mensch ist äußerst verwandlungsfähig; Komplexer Mensch: Manager sind Diagnostiker von die Dringlichkeit der Bedürfnisse unterliegen einem Situationen; sie müssen Unterschiede erkennen Wandel; der Mensch ist lernfähig und erwirbt neue können und eigenes Verhalten situationsgemäß Motive; in unterschiedlichen Systemen werden variieren können; es gibt keine generell richtige unterschiedliche Motive bedeutsam; Annahme der Organisation. Situationstheorie Tabelle 2:
Menschenbilder mit ihren Konsequenzen für die Führung (vgl. Oechsler 2000: 378).
Dieses Wissen über Menschen- und Organisationsbilder könnte dann systematisch erweitert werden, hin zu einer Philosophie des Weltbürgertums, um die Vielfalt der Kulturen und der dort lebenden Menschen zu begreifen, wie es Kwame Anthony Appiah erst jüngst formuliert hat: „Nicht Konsens ist für den Weltbürger notwendig, sondern der Glaube an die Gemeinsamkeit des Menschseins in einer Welt von Fremden.“ (Appiah 2007)
Dies würde auch die erforderliche Integration des Diversity Management Diskurses beinhalten (vgl. Fröse 2006; Becker/Seidel 2006; Bergemann/Sourisseaux 2003) mit dem Ziel einer menschengerechten und demokratischen Gesellschaft.
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6.
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Ausblick
„Um Menschen zu führen, gehe hinter ihnen“, so der berühmte Satz von Laotse. Die oben beschriebenen Überlegungen zu den verschiedenen Wissensebenen für ein neues Leadership-Verständnis gehen zum Teil von einem individualisierten Verständnis von Führung und Leitung in Organisationen aus. Die Binnenstruktur von Unternehmungen steht oftmals im Vordergrund. Im Sinne des kulturspezifischen und gesellschaftlichen Diskurses müssen aber auch politische und gesellschaftliche Kenntnisse über Situationen vermittelt werden, in denen die Führungskräfte agieren müssen. Konflikte, Spannungsfelder und Krisen sind nicht allein durch eine verbesserte Führung bzw. eine verbesserte Personal Identity zu gestalten. Es gibt ein Innen und Außen, im Menschen, in den Organisationen und in der Gesellschaft – auch im Verständnis von Führung und Leitung. Zukünftig wird Leadership auch in Deutschland einen hohen Stellenwert bekommen – auch im Kontext unserer Studiengänge und der dazugehörenden Lernfelder. Denn Ziel ist es, die eigenen Lernprozesse zu reflektieren und die gewonnenen Selbsterkenntnisse sowohl für die persönliche als auch für die berufliche Entwicklung zu nutzen. Dabei geht es nicht um die Schaffung eines guten Menschen, sondern um die Möglichkeit, in diesen komplexen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen bei unserer bedeutsamen Arbeit in sozialen Organisationen und Unternehmen verantwortungsvoll, authentisch und integer handeln zu können. Führung bzw. Leadership ist unverzichtbar. Sie ist eine gemeinsame Erfindung im organisationalen Prozess von Organisationen und Unternehmen und in der Praxis des Alltags. Sie benötigt ein stabiles Beziehungsverhältnis, sie ist lokal und auch eine Inszenierung, sie ist schwach und ambivalent zu gleich. Und auch wenn wir immer noch die Frage stellen können: How can we train leaders if we don’t know what leadership is? wie Barker es bereits 1997 mit Recht formulierte, meine ich, dass es Lösungsansätze dazu gibt. Es geht um die Förderung von Führung und Persönlichkeit, von Personwerdung, als Mensch, als Subjekt mit seiner Identität, in der Organisation und im gesellschaftlichen Kontext. Es geht um die Ermöglichung der Auseinandersetzung. Von daher sollten wir diesen Prozess unterstützen. What makes the difference, if we don’t do it? (vgl. Eck 2007: 33).
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The Three Elements of Good Leadership in Rapidly Changing Times Lynn Barendsen and Howard Gardner
What does it mean to be a “good” leader? What are the traits of good leaders across time and how do these leaders adjust to rapidly changing times? Over the past decade, we and our fellow researchers on the GoodWork® Project have interviewed over 1200 individuals in a variety of professions, at different levels in their careers (cf. Gardner et al. 2001). Our research suggests that the best leaders are individuals who, in their work, exhibit three distinct meanings of good: (1) an excellent technical and professional quality and competence; (2) an ethical orientation and (3) a completely engaged sense of fulfillment and meaningfulness. We think of these as three “E’s” intertwined in the DNA of our best leaders. Good leadership is never easy or unproblematic. Few ages appear “golden” to those who are living through them. Yet leadership is especially challenged when new technologies are rampant, when markets are very powerful, and when there are few if any forces to counteract them. Certainly our age is a paradigm of such conditions. That said, one can always learn from leaders who coped with such uncertain conditions without losing their sense of purpose. One example of such a leader is the late John Gardner, no relation to either author, and, as it happens, an expert on the subject of leadership. Gardner served six different U.S. Presidents. Among his many other accomplishments, he was Secretary of Health, Education and Welfare, Founder of Common Cause, Founder of the National Urban Coalition, and President of the Carnegie Corporation. He authored numerous books during his lifetime, including Excellence, Self-Renewal and On Leadership. As part of our study we interviewed John Gardner in 1999 and again in 2000. Gardner sought excellence in every domain – he memorably observed that excellence in plumbing was as important as excellence in philosophy. But excellence was not a single level, to be reached and maintained; rather, in his view, excellence must be continually renewed. Reaching a high level of success or meeting high personal standards can actually harbor risks: “I had already written the book on Excellence or I was toward having written it, and becoming aware of this other dimension of vitality and stagnation, and I went to an institution, which again I won’t name, but it was of unquestioned quality, and yet some things in it were just foreboding of stagnation. I mean that if they didn’t mend it, they were going to be dead in the water. And I thought, gee, excellence isn’t enough. And a curious thing about some of these great, highly developed fields is that they can be on the edge of stagnation and still so good that you can’t help admire them. But they’re weaving their shroud. They are not building for the future.”
In his own career, Gardner certainly did not stagnate. He continually evolved, from professor to foundation president to high level official to social reformer, actively pursuing change as soon as he started to feel too comfortable in any one setting. Gardner pushed himself to move beyond his current level of excellence. In our study, we have confirmed
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that sustaining excellent and ethical work is difficult, once meaningful engagement begins to fray. As he told us, “I began to think about renewal while I was at Carnegie, and I wrote the book while I was at Carnegie, and it was really the principle of renewal plus the confidence I had that led me to take the government job. For a good year before I was offered the job, I had real feelings that my situation was too comfortable. I knew all the answers to being a foundation president in New York City. I was able to open practically any door and deal with my problems, and that’s not a good sign. I mean, you know that life isn’t like that, so if you begin to feel that way, something’s closing in on you.”
To paraphrase Gardner, once success has been achieved, work may cease to be engaging. As we construe it, ethical work is socially responsible work, work that takes its consequences into account and adjusts accordingly. Asked about leadership, Gardner responded in ethical terms. In his view, leadership goes hand-in-hand with thinking beyond oneself: “I began to think about ‘How do you develop leaders?’ And it clearly traces back to childhood and early development of a sense of responsibility for the other. And you can’t lead if you don’t give a damn about the other. Leaders are people who are thinking, even if they are not thinking in kindly or beneficial ways, they are thinking about other people. They are relating themselves to the group. When I began to work on community building, same thing. You go back to people’s early involvement with the group and their relation to it. And a lot of the breakdowns in individual performance that lead to delinquency and so forth and so on are people who never learned, never developed any bond with the group. No feedback from the group to govern the individual’s behavior because they discounted that.”
In Gardner’s view, ethical work, without excellence, is equally ineffective. For example, he describes “bad” non-profits, mismanaged organizations that stumble along, trying to do good and yet lacking innovation and expertise. These non-profits are “bad”, “[...] bad in the sense of pious continuance of not competent or creative work, which in a way is damaging. Damaging because it uses up well meaning dollars, because it breeds discouragement in people who just feel ‘We’re working so hard and we’re just not getting anywhere.’ And I think there’s a fair amount of that in the nonprofit world. And there’s something about lofty ideals that are at odds with clean-cut self-evaluation. You know, ‘How can you criticize us when our ideals are so great?’ That’s why I like that cartoon of Peanuts on the pitcher’s mound saying, ‘How can we lose when we’re so sincere?’”
John Gardner helps us to contextualize the three “E’s” of good leadership. Leadership without excellence, even well-intentioned leadership, results in mediocrity. Leadership without ethics is encountered in every sphere, from politics to business to the nonprofit world. Leadership without engagement simply cannot be sustained, and eventually results in burnout or in compromised work.
1.
Current conditions that complexify the task of leadership
Strong counter-forces threaten excellence, ethics and engagement. Indeed, in an era of rapid change, even the identification of that which is good can be difficult. These powerful forces must either be controlled or they will control us. In what follows, we comment on three conditions that challenge efforts to achieve good work: the forces of globalization, the struggle to raise funds in a market-saturated milieu, and the scarcity of positive examples of leadership.
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2.
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Globalization
Over the last few decades, we have come to recognize forces that constitute globalization. In this era, all manner of entities – currencies, customs, commodities, communicable diseases, to name a few – circulate around the world with enormous speed, and without regard to boundaries and borders of any sort. Events that occur in areas as remote as North Korea, Afghanistan, or Silicon Valley exert almost immediate effects on populations thousands of miles away. Because many of these factors are difficult to understand, let alone to control, it is easy to lose one’s ethical bearings – and thus sacrifice the chance to do good work. Jill Ker Conway, teacher, author, feminist historian, served as President of Smith College for ten years. For his book, Shared Values for a Troubled World, our colleague Rushworth Kidder interviewed Conway. During the interview at her home in a Boston suburb, Conway describes one of the problems associated with globalization: “I just came back from a board meeting of a major international service company [...]. Everybody knows the world is one world: they trade twenty-four hours a day in many different currencies, and you would not have to persuade anybody there that we live in a single global environment. But when I go out to dinner in a suburb like this, it is not apparent to people at all”. (Kidder 1994: 135)
Although globalization is an indisputable fact, the multifaceted ways in which it affects every one of us are not always obvious. And therefore, motivating individuals to acknowledge and act while keeping global conditions in mind is challenging. Conway describes a world “so complex and complicated that it is impossible to imagine any oversight (i.e. careful supervision – Ed. note) by professionals” (Kidder 1994: 136). When asked about a solution to these issues, Conway points directly to ethical leadership, “young ones learn their ethics from the adult generation. So we have to model a greater ethical concern” (Kidder 1994: 137). William Drayton is the founder of Ashoka, one of the very first organizations designed to fund social entrepreneurs (individuals who approach social problems with entrepreneurial spirit and business sense). Ashoka seeks out leaders who will tackle social issues of global consequence. Most of the Fellows come from and serve the third world, including many countries that fail to thrive in the global economy. To be selected as an Ashoka fellow, applicants go through an intensive screening process. Drayton emphasizes the ethical component to this evaluation: “One of our four criteria is ethical fiber for selecting fellows, and ditto for staff. It’s not accidental, it’s very carefully thought through, as we think that values are absolutely critical. They’re critical for efficacy. You can’t get people to change the primary patterns in what they do in their lives, which involves all sorts of subtle power changes, unless they trust you. You can’t lead people if they don’t trust you. And I don’t believe that you can fake it [...]. We can’t build a fellowship, which absolutely requires openness and trust and mutual respect, if even a tiny number of people were not trustworthy [...] we just don’t want to add to [the] supply of untrustworthy public figures.”
According to Drayton, finding and funding these new leaders will accelerate the process of positive social change: “We want people who have society’s interests at heart. That’s why we are here. We’re not a social welfare program for bright people [...]. We’re trying to have – to speed up the rate of change and democratization in the world. And these folks just happen to be the single most critical component to that change.”
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Drayton is one of many leaders determined to use globalization to positive effect. Ashoka seeks out social entrepreneurs who have developed solutions that may be replicated worldwide. Here, “ethical fiber” is described as one element that is used not so much to combat globalization but rather to turn the fact of our smaller, faster world into positive results. At its worst, globalization may be seen as a threat (how do we ever create positive connections and resonances in such a diverse, and non-egalitarian world?). At its best, globalization may be seen as an invitation to embrace diversity. Cellist Yo-Yo Ma has done exactly this with his Silk Road Project. Born in 1955 to Chinese parents, Ma began studying the cello at the age of four. His parents soon moved to New York City, where he began studying at the Julliard School. After Julliard, he attended Harvard, and since his graduation he has performed with many of the world’s leading orchestras. He has won fifteen Grammy Awards, recorded over fifty albums, and in addition to his expertise with classical music, he is well-versed in contemporary and folk music. The Silk Road Project is in part an expansion of these varied musical interests. Founded in 1998, this project examines the global movement of music and ideas and explores ways in which our current cultural understanding might be enhanced by traditional expressions. As Ma explains: “We live in a world of increasing awareness and interdependence, and I believe that music can act as a magnet to draw people together. Music is an expressive art that can reach to the very core of one’s identity. By listening to and learning from the voices of an authentic musical tradition, we become increasingly able to advocate for the worlds they represent. Further, as we interact with unfamiliar musical traditions we encounter voices that are not exclusive to one community. We discover transnational voices that belong to one world.” (Ma: 1)
Complementing Conway’s and Drayton’s emphasis on the ethical dimensions, Ma helps us to understand that excellence and engagement are also crucial to this formula. First, he describes how bringing together some of the world’s best musicians is crucial to the creative process: “We seem to have two main jobs – to investigate and give credit to the past, on the one hand, and then to encourage new kinds of cultural development, on the other. All cultures evolve. And since we’re more and more connected in this global world, we can’t say, well, we’ll keep something separate. That is certainly one way to kill cultural expressions very quickly…I think this is a moment in time when it’s appropriate to bring specialists together to see whether we can find a consensus about common knowledge that will enrich our own specialties.” (Grotenhuis 2003: 35)
Reminiscent of the process of renewal described (and lived) by Gardner, this type of work involves an openness to learning that confers new meaning upon work. Very much like John Gardner, Yo-Yo Ma has broadened his classical musical repertoire to include all kinds of contemporary musics; and he has participated in a number of collaborative innovations, including a six part multi-medium television series. As a result of this continuing artistic stretch, Ma remains fully engaged: “For me, one of the things that stimulates both scholarship and creativity is new knowledge. In this (Silk Road) project we’re on a steep learning curve because we’re constantly faced with the unfamiliar – whether different cultures, languages, musical instruments or disciplines. All that I’m learning will certainly change the way I play the cello, and it will change the way I think about the world.” (Grotenhuis 2003: 36f.)
One solution, then, to the challenge globalization poses to leadership, is to embrace it, to see it as a strength, rather than as an obstacle. Muhammad Yunus, professor of economics
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in Bangladesh and social entrepreneur par excellence, started the Grameen Bank – an institution that pioneered microcredit lending (providing very small loans to individuals with little or no credit history). Like others in the ‘subspecies’ of human social entrepreneur, Yunus often sees possibility where others see complication. His perspective envisions the empowerment of underserved populations – with globalization as a great equalizer: “Borders will be relics of the past [...] The closeness will come [...] What you’ve got in Washington, I’ll have in a tiny township with a population of 403 – because I’ve got access to information. So you’re not so big any more. You can’t come and tell me, ’You don’t know what’s going on in tiny countries; you have to be in Washington to find out.’ I say, ‘You’re crazy: I know everything!’” (Kidder 1994: 151)
3.
Market Pressures
Especially for those whose vocation is explicitly the pursuit of good work, obtaining sufficient funding is a perpetual problem. Most such individuals work for non-profit institutions, like hospitals or universities, or for the over one million non-governmental organizations that have sprung up in the last half century. The issue of survival is exacerbated today because non-profit organizations are expected to follow business models – to have business plans, to produce ‘deliverables’ to be accountable in terms of numbers of pregnancies prevented, new audience members secured, or engineers graduated – even when such quantitative measures are inappropriate, given the mission and mode of operation of non-profit organizations. Monetary pressures cross professional boundaries – everyone has a bottom line to which he or she is held accountable. Derek Bok, the former President of Harvard University, has written extensively on this topic in Universities in the Marketplace. The influences acting upon the university, making it an increasingly commercial venture, are numerous: “[...] commercialization turns out to have multiple causes. Financial cutbacks undoubtedly acted as a spur to profit-seeking for some universities and some departments. The spirit of private enterprise and entrepreneurship that became so prominent in the 1980s helped encourage and legitimate such initiatives. A lack of clarity about academic values opened the door even wider. Keener competition gave still further impetus. But none of these stimuli would have borne such abundant fruit had it not been for the rapid growth of moneymaking opportunities provided by a more technologically sophisticated, knowledge-based economy.” (Bok 2003: 15)
New leaders – and in particular, innovative leaders, those who are busy trying to establish new models for change – need a specific type of support. Drayton describes the issue as follows: “Entrepreneurs need loyalty. They need partners who will understand that they have got to go through, that they (the entrepreneurs) are the golden goose. You don’t need this if you’re putting in the fifteenth department store or another school [...]. But you do when you’re fundamentally changing the pattern, because that entrepreneurial mindset is constantly going after every little change. And it’s changing the idea. They’re evolving it. If you don’t invest in the entrepreneur, forget it. It’s going to fail. Most foundations and governments have very little sense of who the entrepreneur is or why they’ve got to invest for ten years in the entrepreneur and help him or her through this long cycle. The time frame is also completely wrong. And the entrepreneur needs a large sum of money, not little dribs and drabs [...]. There is a complete misfit between what the entrepreneur needs and what these institutions provide.”
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When new leaders are forced to spend an inordinate amount of time seeking funding, their work suffers. Time spent fundraising necessitates time away from work, and quality of work may suffer as a result. Sometimes, funding pressures can result in less-than-honest practices – what we term ‘compromised work’. Some individuals may spin the truth to make projects more attractive to potential funders, while others may take more drastic measures. In our study of young professionals, in particular, we often heard the justification of improper (if not frankly illegal) means in service of noble ends or long-term goals. (The theory: Once power and position have been achieved, one will miraculously be transferred into a paragon of virtue – cf. Fischman et al. 2004) Market forces, such as funding pressures, constitute a perennial challenge to today’s leaders. One solution, especially apt for entrepreneurial leaders, is to provide long-term funding. In the past few years, this support has become possible, due to the emergence of venture philanthropy. Often entrepreneurs themselves, venture philanthropists understand the mindset and the needs of these creative leaders and are therefore more inclined and more able to give them the long-term support they require. As one venture philanthropist describes it, the funding process really becomes a collaborative relationship: “[...] engaged philanthropy relies on collaboration and real shared decision making [...]. It depends a lot on trust, and trust takes time, so we make long-term investments that allow for the engagement to grow organically over the time that we’re working with a particular group. I don’t think you can do engaged philanthropy well if you just make a one-time grant.”
Such general, long-term support can indeed free entrepreneurial leaders to carry out good work. But this happy ending can only come about if the venture philanthropist respects the operation of the non-profit and does not attempt to micromanage the organization or distort its mission. It is great for venture philanthropists to become engaged; but it is risky if this engagement threatens the excellence or the ethics of the funded organization. Other approaches are conceivable. To resist commercialization in higher education, Derek Bok advocates a systemic change: “Others may think of further steps to help university leaders resist the excesses of commercialization. Whatever the precise reforms, however, the basic point remains: success demands much more than simply announcing an appropriate set of rules. Unless universities create an environment in which the prevailing incentives and procedures reinforce intellectual standards instead of weakening them, commercial temptations are bound to take a continuing toll on essential academic values.” (Bok 2003: 197-198)
As president of a well-regarded university, Bok set very high standards for the leaders of our institutions of higher learning – standards of ethics and excellence. This example is particularly important because tomorrow’s leaders are being molded within these institutions. Here they will witness and learn a great deal about leadership – of varying qualities and quality.
4.
Scarcity of positive examples
Leadership can also be threatened by a dearth of positive models. In a very basic sense, young people learn by example. When the individuals who are garnering public attention are successful by dint of dishonest means, or in the news because their corrupt actions have been pardoned, many young people are likely to follow suit. And when the flaws of even
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the most impressive leaders are sensationalized in the media, future leaders may come to believe that good work – excellent, ethical, engaging work – is impossible. As a long-time leader in the field of education, Bok has garnered much admiration for his attention to ethical issues and the very impressive standards embodied by him and his wife, the philosopher Sissela Bok. In his interview with Rushworth Kidder, Bok makes an explicit connection between ethics and leadership. Referring to major social concerns (poverty, crime, welfare, public education), Bok argues that solutions to these issues must go beyond changes in policy and beyond acquisition of knowledge. Change must begin with the ethical qualities of our leaders, many of whom frequent our university settings: “[...] efforts to respond to the kinds of public problems that I’m talking about cannot be sought only in developing the knowledge for policy solutions [...] [also needed is] a strengthening of individual virtues, ethical virtues, civic virtues on the part of individuals – especially the kinds of influential individuals who flow through our colleges and universities.” (Kidder 1994: 100)
Clearly, if they are to catalyze good work, leaders need ethics as well as knowledge, information, and IQ points. In a publication dedicated to leadership, it is important to acknowledge that leaders and leadership are rarely properly located in a single, authoritative individual. In his conversation with Kidder, John Gardner says “I think of leaders as running down through all levels and segments of the system” (Kidder 1994: 199). He cites problems with leadership in the United States, in part, because of a breakdown in this system of leadership, “we need a much healthier substratum of leaders down the line before we can get great leadership at the top” (Kidder 1994: 199). Such a substratum is most unlikely to arise in the absence of role models that are convincing and worthy of emulation. It is possible that practical interventions in our schools may encourage the development of ethical, excellent, and engaged leaders. We have developed one such intervention, a GoodWork® Toolkit. This instrument provides a framework for individuals to consider the kind of workers they are now and the kinds of professionals they want to become. Designed originally for high school students, it has been piloted in middle schools, high schools and university settings, and also used as a professional development tool. This toolkit encourages excellent and meaningful work while at the same time evoking reflections about the consequences of one’s work on others. It is important to stress that exemplary leaders do exist. Because of the pathographical bias of current media, they are simply not garnering considerable attention. (Magazines devoted to the presentation of good work do not survive, while many of those that focus on the foibles of the great and the not-so-great sell in the millions.) John Gardner spoke to this issue: “[...] you’ve probably heard me talk about the number of Jefferson’s and Washington’s and the like around today. Six world-class leaders when we had a population of three million. We now have eighty times that many, we ought to have eighty times six – four hundred and eighty Jefferson’s, Madison’s, Franklin’s, Washington’s. And I’m convinced they’re out there. I don’t throw up my hands and say, “Where are they?” They’re out there, not fully aware of their capacity to lead because it isn’t a big crisis. Not conscious of what they have to give the world.”
If Gardner is correct in his belief, another solution would be to find and inspire these potential leaders. Preferably, this can happen before the crisis Gardner alludes to, one that makes our need for leadership even more apparent. Up to this point we have cited leaders who are personally known to us, but numerous other exemplary models could be mentioned. To cite
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a particularly vivid example, Anita Roddick, founder of the Body Shop chain of stores, continually examined her work and her values, and did so keeping in mind that she was an example to young people: “I [...] travel with the vagabond for two or three weeks, just going through the black belt of America. Living in shacks. Seeing crack [...] being made, living outside, in prison communities. It is incredibly important that I continue to do that, whether it’s [the] Appalachian trip or whether it’s the Albanian trip. It’s so important because that’s a role of leadership. A leader in my eyes is not someone who sits of top of an ivory tower, lots of dosh, lots of money, and proclaims it. It is moral leadership. It’s doing things that the young girls or young people that work with me can say, ‘God she did that. Now what does that make me?’ And how do I – my job is, how do you keep them away from a value system of endless increasing wealth to one where humanity, community, is part of the value system.”
Roddick helds her business accountable to high standards of both excellence and ethics. At the time of our interview (in 1999), she struck us as fully engaged with her network of enterprises. Asked how she balances work with family, she replied, “I don’t. One bloody big creative stew. Because what is work to me isn’t work.” Roddick has achieved a fair amount of attention in the media. But our study on Good Work confirms that there are many other exemplary leaders – or potential exemplary leaders – who are either unnoticed or are unaware of their abilities to lead.
5.
Conclusion
Threats to effective leadership today are very real, as real as the power of markets, the dystopic flavor of the press, and the rapid and unpredictable emergence of new technologies. Prescient leaders have already discerned methods to transform these threats into opportunities. Yo-Yo Ma does not worry about globalization, but instead, shows us how it can diversify and deepen our cultural understandings. He does so as one of the world’s premier cellists, fully engaged in his music, and equally engaged in his service of others. William Drayton, frustrated by the lack of funding for the socially-minded leaders of the future, founded an organization designed to alleviate the problem. He has become a leader amongst social entrepreneurs, a group that by definition acts with innovation and on behalf of others, and a group that is almost universally engaged in meaningful work. As a result of her business success, Anita Roddick found herself in a position of power. She used her position selfconsciously, to model the behavior of a good leader, trying to combat less positive examples. It is as important to know of these exemplary three workers as it is to know about the sins and peccadilloes of Arthur Andersen, Enron, Martha Stewart, Dennis Kozlowski, Courtney Love, or Russell Crowe. The individuals portrayed here illustrate that good leaders are able to turn potential threats into strategies that can help others – leaders or followers – to execute good work.
Acknowledgements For support of the GoodWork® Project we would like to thank The Christian Johnson Endeavor Foundation, The Hewlett Foundation, The Atlantic Philanthropies, Louise and Claude Rosenberg, and Jeffrey Epstein.
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Autorinnen und Autoren Prof. Dr. Helmut K. Anheier, Professor für Soziologie an der Universität Heidelberg und Akademischer Direktor des Centre for Social Investment an der Universität Heidelberg. Lynn Barendsen, Project Manager at the GoodWork® Project at Harvard University Graduate School of Education, USA. Prof. Dr. Dr. Alexander Brink, Professor für Wirtschafts- und Unternehmensethik an der Universität Bayreuth und Permanenter Gastprofessor für Corporate Governance & Philosophy an der Privaten Universität Witten/Herdecke. Prof. Dr. Georg Cremer, Generalsekretär und Vorstand Sozial- und Fachpolitik des Deutschen Caritasverbands e.V., Freiburg und apl. Prof. (Volkswirtschaftslehre) an der Universität Freiburg. Dr. Gerhard Dammann, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Ärztlicher Direktor der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen (Kanton Thurgau), Schweiz. Prof. Dr. Johannes Eurich, Professor für Praktische Theologie/Diakoniewissenschaft an der Universität Heidelberg und Direktor des Diakoniewissenschaftlichen Instituts der Universität Heidelberg. Prof. Dr. Julia Evetts, Professor of Sociology in the School of Sociology and Social Policy at the University of Nottingham, UK. Prof. Dr. Marlies W. Fröse, Leiterin des Masterstudienganges „Management in Social Organisations“ für Fach- und Führungskräfte Sozialer Organisationen an der Evangelischen Fachhochschule Darmstadt. Prof. Dr. Howard Gardner, Hobbs Professor of Cognition and Education at the Harvard University Graduate School of Education, USA. Amber Hawkes, Research Assistant at the Center for Civil Society in UCLA School of Public Affairs, USA. Prof. Dr. Klaus D. Hildemann, leitender Direktor der Theodor Fliedner Stiftung, Mülheim an der Ruhr und Direktor des Instituts für interdisziplinäre und angewandte Diakoniewissenschaft an der Universität Bonn. Prof. (em.) Dr. Hans H. Hinterhuber, Gründer und ehemaliger Leiter des Instituts für Unternehmensführung der Universität Innsbruck, Österreich und Chairman von Hinterhuber & Partners. Prof. Dr. Andreas Langer, Professor für Sozialwissenschaften mit den Schwerpunkten Sozialpolitik und Sozialmanagement an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg. Prof. Dr. Wolfgang Maaser, Professor für Ethik im Fachbereich Soziale Arbeit an der Evangelischen Fachhochschule Bochum. PD Dr. Arne Manzeschke, Privatdozent für Systematische Theologie/Ethik an der Universität Erlangen und Leiter der Arbeitsstelle für Theologische Ethik und Anthropologie an der Universität Bayreuth. Prof. (em.) Dr. Walter Neubauer, Philosophische Fakultät der Universität Bonn. Dr. Andreas Schröer, Abteilungsleiter für Forschung am Centrum für Soziale Investitionen und Innovationen der Universität Heidelberg. Dr. Axel Schuhen, geschäftsführender Gesellschafter der SilverAge GmbH Freiburg. Prof. (em.) Dr. Rolf Wunderer, Gründer und Partner des Instituts für Führung und Personalmanagement an der Universität St. Gallen, Schweiz.