Jugendsprache in Barcelona und ihre Darstellung in den Kommunikationsmedien
Katharina Wieland
Max Niemeyer Verlag
BEIHEFTE ZUR ZEITSCHRIFT FR ROMANISCHE PHILOLOGIE BEGRNDET VON GUSTAV GRBER HERAUSGEGEBEN VON GNTER HOLTUS
Band 345
KATHARINA WIELAND
Jugendsprache in Barcelona und ihre Darstellung in den Kommunikationsmedien Eine Untersuchung zum Katalanischen im Spannungsfeld zwischen normalisiertem und autonomem Sprachgebrauch
n MAX NIEMEYER VERLAG TBINGEN 2008
Gedruckt mit Unterstützung der Kurt-Ringger-Stiftung, Mainz, und der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet ber http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 978-3-484-52345-6
ISSN 0084-5396
Max Niemeyer Verlag, Tbingen 2008 Ein Imprint der Walter de Gruyter GmbH & Co. KG http://www.niemeyer.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschtzt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulssig und strafbar. Das gilt insbesondere fr Vervielfltigungen, bersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbestndigem Papier. Satz: Johanna Boy, Brennberg Gesamtherstellung: Hubert & Co, Gçttingen
Vorwort
Viele, zunächst scheinbar nebensächliche Ereignisse haben dazu geführt, dass schließlich dieses Buch entstanden ist. Zu Beginn steht die Überzeugungsarbeit meines Kommilitonen in der Studienzeit in Barcelona und heutigem Kollegen an der FU Berlin, Felix Bildhauer, der mich dazu brachte, auch mit äußerst geringen Katalanischkenntnissen sprachwissenschaftliche Seminare in dieser Sprache an der Universitat de Barcelona zu besuchen. Ihm sei herzlich dafür gedankt, dass er seine wachsende Begeisterung für die Linguistik und die katalanische Sprache an mich weitergegeben hat. Dass dieses Interesse schließlich in eine Dissertation im Bereich der katalanischen Soziolinguistik mündete, verdanke ich nicht zuletzt vielen weiteren Personen, die mich in den Jahren des Entstehens dieser Arbeit begleitet und unterstützt haben. Allen voran möchte ich meinen Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Werner Thielemann nennen, der ohne mich und meine akademischen Leistungen im Detail zu kennen, bereit war meine Dissertation an der HU Berlin zu betreuen und mir immer wieder wichtige Denkanstöße dazu gegeben hat. Mein herzlicher Dank gilt auch meinem Zweitgutachter, Herrn Prof. Dr. Dieter Kattenbusch, dessen wertvolle Kommentare besonders in der Phase der Überarbeitung der Arbeit für die Publikation mir weitergeholfen haben. Frau Prof. Dr. Gabriele Knauer, an deren Lehrstuhl ich seit Mitte 2005 tätig bin, möchte ich vor allem dafür danken, dass ich in der Abschlussphase meiner Arbeit nur mit der nötigsten Arbeit, die am Lehrstuhl anfiel, betraut wurde und Zeit und Unterstützung für den Abschluss dieses Projekts von ihr bekam. Ein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Carsten Sinner, der mit seinen Arbeiten zum spanisch-katalanischen Sprachkontakt und zu Fragen der Sprachnorm immer ein Vorbild für mich war. Durch seine Einladungen, an seiner Sektion für den Deutschen Hispanistentag 2005 teilzunehmen und mit ihm gemeinsam einen Vortrag für eine Tagung zu Sprachpolitik und Norm im Iberoamerikanischen Institut in Berlin zu halten, fühlte ich mich wissenschaftlich ernst genommen und wagte es, mich zum Thema der katalanischen Jugendsprache vor einer größeren wissenschaftlichen Öffentlichkeit zu äußern. Danke für die zahlreichen großen und kleinen Tipps und Hinweise und das offene Ohr für alle Fragen, die mit dieser Arbeit und ihrer Publikation zu tun hatten.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1.
Vorbemerkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1. Informationsinterviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2. Transkriptionsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3. Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4. Historischer Rückblick zum Sprachkontakt in Katalonien . . . .
5 5 5 7 7
2.
Sprachkontaktphänomene unter besonderer Berücksichtigung des Katalanischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1. Begriffsklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1. Interferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2. Interferenz und Entlehnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3. Code-Switching vs. Interferenz und Entlehnung . . . . . . . . 2.1.4. Neologismen und Neosemantismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.5. Entlehnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.5.1. Lehnprägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.5.2. Lehnwörter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Entlehnungen im Katalanischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1. Kastellanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2. Anglizismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11 12 13 14 21 24 28 36 39 49 52 53
3.
Sprachpolitik und Sprachplanung in Katalonien . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1. Norm, Normierung, Normalisierung – Begriffsklärungen und Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1. Norm und Normkonflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2. Das Problem der Norm in der gesprochenen Sprache . . 3.1.3. Normierung und Normalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2. Der sprachliche Normalisierungsprozess in Katalonien . . . . . . . 3.2.1. Die Entwicklung bis 1975 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2. Die soziolinguistische Situation nach Franco . . . . . . . . . . 3.2.3. Grundüberlegungen zur Normalisierung der katalanischen Sprache ab 1975 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3. Die Normalisierung des Katalanischen im Kontext der Autonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V
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Auf katalanischer Seite erhielt ich großartige Unterstützung von Francesc Xavier Vila i Moreno und Emili Boix i Fuster von der Universitat de Barcelona. Sie nahmen mich in die universitätseigene Forschungsgruppe Centre Universitari de Sociolingüística i Comunicació auf und stellten mir in Barcelona Arbeitsraum und -mittel zur Bearbeitung und Auswertung meines Korpusmaterials zur Verfügung. Die Sitzungen und der Austausch in der Gruppe waren stets eine – nicht nur – wissenschaftliche Bereicherung, auf die ich auch in Zukunft gerne bauen werde. Ein herzlicher Dank ergeht ebenfalls an die Direktoren, Lehrer und Lehrerinnen der Schulzentren in Barcelona, die mich die Aufnahmen für das Korpus durchführen ließen, an die vielen katalanischen Schüler und Schülerinnen, die sich zur Mitwirkung bereit erklärten. Ebenso danke ich den Mitarbeitern der verschiedenen sprachpolitischen und medienrelevanten Einrichtungen für ihre Bereitschaft, sich mit mir über katalanische Sprachpolitik und Jugendsprache auszutauschen. Finanzielle Unterstützung für die Forschungsaufenthalte in Barcelona erhielt ich durch das Rudolf-Brummer-Stipendium des Deutschen Katalanistenverbandes sowie durch ein Stipendium des Institut d’Estudis Catalans. Beiden Einrichtungen und insbesondere Herrn Francesc Vallverdú für die Betreuung in Barcelona sei an dieser Stelle mein Dank ausgesprochen. Ich danke dem Herausgeber, Herrn Prof. Dr. Günter Holtus für Aufnahme meiner Arbeit in die Beihefte zur Zeitschrift für Romanische Philologie. Unterstützt wurde die Publikation durch die Kurt-Ringger-Stiftung der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz sowie die Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften – hierfür herzlichen Dank. Danken möchte ich ganz besonders auch meinen Freunden Matthias Keese, Karin Madlener, Christina Bischoff und Ramona Ludwig für die umfangreiche Korrekturarbeit, die sie für mich geleistet haben. Etwas weniger Korrekturhilfe, aber dafür umso mehr seelisch-moralische Unterstützung erhielt ich von Florian Walz, der von Anfang an an den Erfolg meiner Arbeit geglaubt und mich entsprechend unterstützt und immer wieder aufgemuntert hat. Danke!
3.3.1. Allgemeine Beobachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2. Sprachkompetenzen und -gebrauch der Jugendlichen . . 3.3.3. Die Rolle der Spracheinstellungen für den Sprachgebrauch der katalanischen Jugendlichen . . 3.3.4. Die sprachliche Normalisierung in den Kommunikationsmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.
Jugendsprache, jugendliche Lebensweise und ihre Multiplikatoren in Katalonien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1. Allgemeine Betrachtungen zur Varietätenlinguistik . . . . . . . . . . 4.1.1. Sprache und Varietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2. Varietäten – Varietätenraum und Varietätenkette . . . . . 4.2. Zum Begriff der «Jugend» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3. Die katalanische Jugendsprache im Varietätenraum . . . . . . . . . 4.3.1. Der diastratische Aspekt der katalanischen Jugendsprache: Parlar xava und argot juvenil . . . . . . . . 4.3.2. Jugendsprachliche Varietät vs. jugendlicher Sprechstil . 4.3.3. Entstehen und Funktion von Jugendsprache . . . . . . . . . . 4.3.4. Konflikte der katalanischen Jugendsprache . . . . . . . . . . . 4.3.5. Dynamik von Jugendsprache und ihre Integration in allgemeine Sprachnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4. Jugendsprache in Katalonien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1. Bisherige Forschungen zur katalanischen Jugendsprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2. Die katalanische Jugendsprache heute . . . . . . . . . . . . . . . 4.5. Jugendsprache – Jugendkultur / Lebensstile der Jugendlichen in Katalonien bzw. Barcelona. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1. Jugendkultur – jugendliche Subkulturen – jugendliche Lebensstile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2. Jugendsprache(n) – Jugendkultur(en) in Katalonien bzw. Barcelona . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2.1. Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2.2. Neue Forschungen und Entwicklungen . . . . . . 4.5.2.3. Die jugendlichen Subkulturen in Katalonien bzw. Barcelona – eine Beobachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2.4. Sprachkontakt (vor allem Anglizismen), Jugendkultur und Jugendsprache in Katalonien bzw. Barcelona . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2.5. Statistische Daten zu jugendlichem Freizeitverhalten in Barcelona . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2.6. Wir-Gruppen und Gruppenkonstitution in den Gesprächsaufzeichnungen katalanischer Jugendlicher . . . . . . . . . . . . . . . . . VI
81 82 85 91
95 96 97 98 102 104 106 110 115 118 122 127 129 130 134 134 136 136 138
140
142 145
150
4.5.2.7.
Die Relation zwischen Wir- und Fremdgruppenkonstitution . . . . . . . . . . . . . . . 4.6. Multiplikatoren von Jugendsprache und -kultur . . . . . . . . . . . . 4.6.1. Katalanische Mediensprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.1.1. Mediensprache und mündliche Norm . . . . . . 4.6.1.2. Mediensprache von Jugendlichen . . . . . . . . . 4.6.1.3. Neuere Entwicklungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.2. Das Jugendbild in den ausgewählten Medienbeiträgen des Korpus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.3. Distanzierung durch Kategorisierung . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.3.1. Kategorisierung zur Abgrenzung vom Jugendbild in den Medien . . . . . . . . . . . 4.6.3.2. Sprachliche Komponente der Abgrenzung . 4.6.3.3. Jugendsprache vs. mediale Jugendsprache . . 5.
Analyse der fremdsprachlichen Einflüsse in der Jugendsprache Barcelonas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1. Methodologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1. Auswahl der angewandten Methoden . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2. Auswahl der Informanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2.1. Informationen zu den einzelnen Schulzentren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2.2. Barcelona als Zentrum der Studie . . . . . . . . 5.1.3. Das Korpus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.3.1. Fragebogen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.3.2. Schriftliche Kommunikation Jugendlicher . . 5.1.3.3. Mündliche Kommunikation Jugendlicher . . . 5.1.3.3.1. Gesprächsaufzeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.3.3.2. Versteckt aufgezeichnete Gespräche . . . . . . 5.1.3.4. Medien mit jugendlicher Zielgruppe . . . . . . . 5.1.3.4.1. Mündliche Medienkommunikation . . . . . . . . 5.1.3.4.2. Schriftliche Medienkommunikation . . . . . . . . 5.1.4. Technische Daten der Aufzeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2. Korpusanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1. Lexikalisch-semantische Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1.1. Semantisches Feld Musik und Mode . . . . . . . 5.2.1.1.1. Wortfeld Musikstile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1.1.2. Personen(gruppen) aus dem Bereich Musik . . 5.2.1.1.3. Personen(gruppen) – Bezeichnungen nach Kleidungsstilen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1.1.4. Wortfeld Kleidungsstücke . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1.1.5. Accessoires und Schmuck . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1.1.6. Adjektive/adjektivischer Gebrauch von Substantiven aus Musik und Mode . . . VII
156 164 166 168 176 177 179 184 188 195 197
199 200 200 202 204 206 209 209 209 211 211 214 214 214 215 216 217 218 219 219 224 233 236 237 238
5.2.1.1.7. 5.2.1.1.8. 5.2.1.2. 5.2.1.2.1. 5.2.1.2.2. 5.2.1.2.3. 5.2.1.2.4. 5.2.1.2.5.
5.2.1.3. 5.2.1.3.1. 5.2.1.3.2. 5.2.1.3.3. 5.2.1.3.4. 5.2.1.4. 5.2.1.4.1. 5.2.1.4.2. 5.2.1.5. 5.2.1.5.1. 5.2.1.5.2. 5.2.1.5.3. 5.2.1.6. 5.2.1.6.1. 5.2.1.6.2. 5.2.1.7. 5.2.1.7.1. 5.2.1.7.2. 5.2.1.7.3. 5.2.1.7.4. 5.2.1.8. 5.2.1.8.1. 5.2.1.8.2. 5.2.1.8.3. VIII
Verben aus Musik und Mode . . . . . . . . . . . . . Weitere Lexeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Semantisches Feld Freizeit . . . . . . . . . . . . . . . Substantive zur Bezeichnung jugendkultureller Bewegungen . . . . . . . . . . . . Substantive aus dem Feld Sport und Freizeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Substantive aus dem Feld Urlaub und Entspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verben aus dem Feld Sport, Freizeit, Urlaub. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Substantive und Adjektive zur Bezeichnung von Personen aus dem Feld Freizeit, Sport, Urlaub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Semantisches Feld Drogen . . . . . . . . . . . . . . . Substantive zur Bezeichnung verschiedener Substanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Personenbezeichnungen aus dem Feld Drogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verben aus dem Feld Drogen. . . . . . . . . . . . . Sonstige Lexeme aus dem Feld Drogen . . . . Semantisches Feld Essen und Trinken . . . . . Alkoholkonsum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Speisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Semantisches Feld Arbeit und Wirtschaft . . . Substantive zur Personenbezeichnung. . . . . . Verben aus dem Feld Arbeit und Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Lexeme aus dem Feld Arbeit und Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (Moderne) Kommunikationsmedien . . . . . . . Illegalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verben zur Bezeichnung von Aktivitäten im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Personen(gruppen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Personenbezeichnungen . . . . . . . Bezeichnungen für Nationalitäten . . . . . . . . . Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Semantisches Feld (sexuelle) Beziehungen . Personenbezeichnungen aus dem Feld Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homosexualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verben aus dem Feld Beziehungen . . . . . . . .
242 244 247 247 250 251 252
253 254 254 258 259 262 264 264 266 267 267 269 271 272 272 273 276 276 280 281 282 283 284 285 286
5.2.1.9. 5.2.1.9.1. 5.2.1.9.2. 5.2.1.9.3. 5.2.1.9.4. 5.2.1.9.5.
Gefühlszustände und Wertungen . . . . . . . . . . Positiv-wertende Adjektive . . . . . . . . . . . . . . . Negativ-wertende Adjektive . . . . . . . . . . . . . . Negativ-wertende Substantive . . . . . . . . . . . . Semantisch veränderte Adjektive. . . . . . . . . . Adjektive zur Bezeichnung des Befindens/ persönlicher Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1.9.6. Adverbien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1.9.7. Substantive zur Bezeichnung von Gefühlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1.9.8. Verben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1.10. Quantitative Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1.10.1. Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1.10.2. Zeitangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1.10.3. Geld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1.11. Bezeichnung von Räumlichkeiten und Orten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1.12. Pragmatische Marker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1.13. Sonstige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2. Morphosyntaktische Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2.1. Der neutrale Artikel lo . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2.2. Wortbildung bei Substantiven/Adjektiven . . 5.2.2.2.1. Derivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2.2.2. Diminutive und Augmentative . . . . . . . . . . . . 5.2.2.2.3. Apokopen – Trunkierung . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2.2.4. Komposition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2.2.5. Veränderung der Wortklasse – Konversion . 5.2.2.3. Morphosyntaktische Verwendung der Verben und Verbalperiphrasen . . . . . . . . 5.2.2.4. Wortbildung bei Verben. . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3. Phonetisch-phonologische Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3.1. Anglizismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3.2. Kastellanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.4. Inter- und intraphrasales Code-Switching . . . . . . . . . . . . 5.3. Zusammenfassende Darstellung der Unterschiede zwischen den Teilkorpora zur Jugend- und Mediensprache. . . . . . . . . . . .
287 287 293 300 303 305 306 308 310 311 311 312 313 314 316 322 327 327 328 328 330 330 334 338 339 343 346 346 348 349 357
6.
Jugendsprache und Sprachwandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367
7.
Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377
Anhang 1: Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 Anhang 2: Fragebögen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 IX
X
Einleitung
Kulturelle Phänomene und insbesondere die Kultur der Massenmedien spiegeln sich im Sprachverhalten wider. Dieser für alle Sprechergruppen gültige Gemeinplatz verdient besondere Aufmerksamkeit bei der Reflexion über jugendliches Sprachverhalten. Die Medien bringen nicht nur Phänomene der Jugendkultur hervor und verstärken sie. Sie gelten auch als der «Multiplikator» par excellence für die Verbreitung von jugendsprachlichen Äußerungen. Es kann jedoch nicht verallgemeinernd behauptet werden, dass die Medien generell jugendsprachliche Äußerungen aufnehmen und somit wesentlich zu deren Verbreitung unter den Jugendlichen selbst und auch zu ihrer Aufnahme in die Standardsprache beitragen. Interessant ist, in welchen Kontexten jugendsprachliche Äußerungen in den Medien in Erscheinung treten und ob diese überhaupt als jugendsprachlich zu werten sind. Und: Was heißt eigentlich «jugendsprachlich»? Diese Aspekte stehen im Mittelpunkt dieser Studie. Sie untersucht die Sprechweise verschiedener Jugendlicher in Barcelona und kontrastiert sie mit der Sprache in von Jugendlichen bevorzugten Sendungen im katalanischen Fernsehen bzw. in Pressetexten mit jugendlicher Zielgruppe. Die Arbeit konzentriert sich in Bezug auf den Zusammenhang und die gegenseitige Abhängigkeit von Medien- und Jugendsprache besonders auf einen Aspekt: den Umgang mit Sprachkontaktphänomenen, vorzugsweise Entlehnungen. Zum einen soll die Vermutung, dass in der Jugendsprache und ihrer medialen Form vor allem Anglizismen auftreten, die durch die Medien und die Jugendlichen Eingang in die Standardsprache finden, überprüft werden; zum anderen geht es um die für das Katalanische stets bedeutsame Rolle der Entlehnungen aus dem Spanischen. Anhand des erstellten Korpus werden Divergenzen und Konvergenzen in von Jugendlichen und für Jugendliche produzierter Kommunikation auf verschiedenen sprachlichen Ebenen analysiert. Das Hauptaugenmerk ist auf die Wechselwirkung von Jugendsprache/-kultur und Medien sowie ihre Bedeutung für zukünftige Entwicklungen gerichtet. Neben lexikalischen Aspekten findet auch die Betrachtung pragmalinguistischer Diskursphänomene Eingang in die Studie, vor allem in Bezug auf die Kategorisierungs- und Abgrenzungsprozesse der Jugendlichen bzw. Jugendgruppen untereinander. Auch die Zustimmung bzw. Ablehnung der Jugendlichen gegenüber dem Ju1
gendbild und der Jugendsprache, wie sie von den Medien vermittelt werden, wird beleuchtet. Ein Vergleich zwischen jugendlicher Sprechweise mit der um Jugendlichkeit bemühten Mediensprache wäre in allen modernen Sprachen mit entsprechender Verbreitung und «Infrastruktur» aufschlussreich und interessant. Das Katalanische, als so genannte Minderheitensprache, verdient in diesem Zusammenhang besonderes Interesse. Die zugrunde liegende zweisprachige Basis der jugendlichen Sprecher eröffnet Perspektiven, wie sie in einer monolingualen Situation nicht gegeben wären: Die zentrale Fragestellung ist, wie die Jugendlichen selbst und die Medien mit dieser Zweisprachigkeit umgehen. Es stellt sich die Frage, wie die Sprechweise der jugendlichen Informanten des Korpus und die analysierte mediale Jugendsprache divergieren und konvergieren und welche Wechselwirkungen sich zwischen beiden abzeichnen. Hierbei soll untersucht werden, ob die Medien wirklich jugendliche Sprechweise – und auch jugendkulturelle Bilder und Erscheinungen – widerspiegeln. Weiterhin wird der Frage nachgegangen, ob die Jugendlichen in ihrer Sprechweise in der Tat mediale Vorgaben aufnehmen oder ob hier ein mehr oder weniger großes Spannungsfeld vorliegt, da die Realität sich nicht mit ihrer Darstellung in den Medien deckt. Ausgehend von den genannten Fragestellungen entwickeln sich aber weitere, welche mit der besonderen sprachpolitischen Situation des Katalanischen zusammenhängen. Es stehen zwei eng miteinander verflochtene Aspekte im Vordergrund: der Sprachkontakt Katalanisch-Spanisch und das Verständnis von Norm im katalanischen Sprachraum. Es wird betrachtet, ob und wie sich diese Aspekte in der Jugendsprache, bei den Jugendlichen selbst und in den Medien bemerkbar machen. Jugendsprache gilt seit jeher als Quelle der Abweichung vom Standard, als Protestsprache, die ein gewolltes Divergieren von der sprachlichen Norm vorantreibt, um zu provozieren. Daher soll untersucht werden, ob die Jugendlichen nach sprachlicher Autonomie streben, die sich im Kontext der Zweisprachigkeit auch in einem «lockeren», unreflektierten oder bisweilen sogar provokativen Umgang mit beiden Sprachen manifestiert. Inwieweit normative Vorgaben hierbei eine Rolle spielen und ob durch die Zweisprachigkeit sowie den «sorglosen» Umgang mit beiden Sprachen eine größere Durchlässigkeit für weitere äußere Einflüsse wie Entlehnungen aus dem Englischen entsteht, ist Schwerpunkt dieser Arbeit. Gleichzeitig interessiert, wie die Medien in ihren als jugendsprachlich präsentierten Äußerungen mit diesem Spannungsfeld zwischen normativem und autonomem Sprachgebrauch umgehen. Dies geschieht in Anlehnung an bisherige Arbeiten der katalanischen Jugendsprachforschung (cf. 4.4.1.), die Sprachkontaktphänomene – und hier vor allem das CodeSwitching – betrachten, um zum einen die Sprechweise der jugendlichen Informanten an sich, zum anderen aber auch allgemein den Sprachgebrauch der katalanischen Jugendlichen vor dem Hintergrund der Zweisprachigkeit zu beschreiben. 2
Die vorliegende Studie geht davon aus, dass die jugendlichen Informanten des Korpus in der Kommunikation untereinander (Ingroup-Kommunikation) das Katalanische benutzen. Analysiert werden soll, wie sich ihre Sprechweise realisiert, wenn sie auf Katalanisch stattfindet, und nicht, in welchen situativen Kontexten die Jugendlichen das Katalanische und in welchen Kontexten sie das Spanische bevorzugen. Die Arbeit beleuchtet insbesondere, wie die Jugendlichen mit Sprachkontaktphänomenen umgehen, in welchem Maße die jugendliche Sprechweise von den Medien generiert bzw. von diesen absorbiert wird und welches Verhältnis zur katalanischen Standardsprache existiert. Bisher wurde die Sprache von Jugendlichen in Katalonien selten unter dem für die Jugendsprache oft herangezogenen Aspekt ihrer Funktion für die jugendlichen Sprechergruppen oder besonders in Bezug auf gruppenkonstituierende Mechanismen untersucht. Es wurde nur am Rande auf die innovative, zukunftsweisende Bedeutung der Jugendsprache für die weitere Entwicklung der katalanischen Sprache eingegangen. Diesem Ansatz soll die vorliegende Arbeit ebenfalls Raum geben. Der Vergleich mit der von den Medien verbreiteten Jugendsprache erscheint für die Untersuchung überaus geeignet, da die Medien eine wesentliche Rolle bei der Normalisierung der katalanischen Sprache und bei der Bildung und Veränderung des Standards spielen (cf. 3.3.4.).
Aufbau der Studie Die Arbeit gliedert sich folgendermaßen: Den Vorbemerkungen im ersten Kapitel schließt sich ein theoretisches Kapitel zu Sprachkontaktphänomenen an. Es behandelt die bei der späteren Korpusanalyse relevanten Phänomene wie Interferenzen, Entlehnungen und Code-Switching, stellt die verschiedenen linguistischen Erklärungsansätze dazu dar und setzt die Phänomene in Bezug zur konkreten katalanischen Situation. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit der katalanischen Sprachpolitik und Sprachplanung seit 1975. Der Prozess der sprachlichen Normalisierung wird in seinen wesentlichen Etappen dargestellt und seine wichtigsten Akteure werden präsentiert. Ein besonderes Augenmerk liegt hierbei auf den für die sprachliche Entwicklung der katalanischen Jugendlichen relevanten Bereichen wie dem Erziehungswesen und den Kommunikationsmedien. Das folgende vierte Kapitel widmet sich der Jugendsprache. Zunächst werden die Begriffe der Jugend und der Jugendsprache diskutiert und letztere im Varietätenraum situiert. Dabei spielen vor allem theoretische Überlegungen aus dem deutschsprachigen Raum zum Sprechstilkonzept, zu Funktionen von Jugendsprache und die Darstellung sprachlicher Kategorisierungsprozesse zur Gruppenkonstitution eine Rolle. Anschließend werden der sprachliche und soziokulturelle Hintergrund der für das Korpus befrag3
ten Informanten vorgestellt. Hierzu wird die statistische Auswertung der erstellten Fragebögen (cf. Anhang) präsentiert. Der Schwerpunkt des vierten Kapitels liegt auf pragmalinguistischen Betrachtungen zu den aus Korpusbeispielen ersichtlichen Funktionen von Jugendsprache, insbesondere den Kategorisierungs- und Abgrenzungsmechanismen gegenüber anderen Gruppen und dem Jugendbild in den Medien. Mittels der getroffenen Darstellungen wird ein Schaubild entwickelt, welches das Spannungsfeld veranschaulicht, in dem sich die Jugendlichen sowohl in sprachlicher Hinsicht (zwischen Norm und Autonomie, zwischen Spanisch und Katalanisch) als auch im Hinblick auf ihre – sprachliche und jugendkulturelle – Kategorisierung zwischen Selbstdarstellung der Jugendlichen und der Darstellung von Jugendlichen in den Medien) befinden. Im fünften Kapitel erfolgt die linguistische Korpusanalyse nach lexikalisch-semantischen, morphosyntaktischen und phonetisch-phonologischen Aspekten sowie dem Code-Switching zugeordneten Elementen. Zuvor wird detailliert auf die Gewinnung des Korpusmaterials eingegangen; außerdem werden Inhalt und Umfang des Korpus dargestellt. Das Kapitel fünf schließt mit einer Zusammenfassung der in der Korpusanalyse beobachteten Unterschiede zwischen der Jugendsprache und ihrer medialen Verwendung ab. Diese Betrachtung geht über in Überlegungen zum Sprachwandel und zum Entstehen sprachlicher Veränderungen durch Jugendsprache im sechsten Kapitel. Den Schluss bildet eine zusammenfassende Betrachtung mit Ausblick auf mögliche zukünftige Entwicklungen und Forschungsdesiderata.
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1.
Vorbemerkungen
Da bereits in den Kapiteln zwei, drei und vier Zitate aus dem Korpus bzw. aus den zusätzlich durchgeführten Informationsinterviews einfließen, möchte ich im Anschluss eine Übersicht über die Informationsinterviews sowie einige Hinweise auf Transkriptionsregeln und benutzte Abkürzungen geben. Eine kurze Zusammenfassung zur Geschichte des katalanisch-spanischen Sprachkontakts in Katalonien rundet diese Vorbemerkungen ab und soll dem Leser dazu dienen, sich im Kontext dieser Arbeit zu situieren.
1.1. Informationsinterviews Zur Gewinnung von Hintergrundinformationen zur Situation der Jugendlichen in Barcelona, zur Sprachsituation im Erziehungswesen bzw. in den Medien und zu verschiedenen sprachpolitischen und sprachplanerischen Aktivitäten und Institutionen wurden Interviews bei folgenden Institutionen durchgeführt: INFO1 INFO2 INFO3 INFO4 INFO5 INFO6 INFO7 INFO8 INFO9
TV Catalunya, Servei Lingüístic, 21. Oktober 2003 Oficina del Pla Nacional de Joventut, 22. Oktober 2003 Institut d’ESO i de Batxillerat L’Alzina, 23. Oktober 2003 Grup Flaix, Servei Lingüístic, 23. Oktober 2003 Termcat, 27. Oktober 2003 Departament d’Educació de la Generalitat, 29. Oktober 2003 Casal d’Associacions Juvenils, 31. Oktober 2003 Institut d’Estudis Catalans, 13. November 2003 Coordinadora d’Associacions per la Llengua Catalana – CAL, 17. November 2003
1.2. Transkriptionsregeln Bei der Transkription der Aufzeichnungen fiel die Entscheidung gegen eine phonetische Transkription, da die Phänomene in der Lautbildung zwar auch Erwähnung in der Studie finden, aber nicht deren zentrales Thema darstellen. Einzelne Äußerungen mit besonderer und für diese Studie interessanter 5
Lautung sind phonetisch transkribiert, ansonsten folgt die Transkription der katalanischen Orthographie unter Berücksichtung suprasegmentaler sowie gesprächsrelevanter Phänomene. Auf Wiedergabe der gesamten Transkription aller Interviews in dieser Arbeit wurde aus Platzgründen verzichtet. Eine digitale Version des Korpus mit den entsprechenden Audio- und Videodateien und Transkriptionen liegt jedoch vor und kann als solche unter https:// medienportal.hu-berlin.de eingesehen werden. Die Notation folgt den Transkriptionskonventionen nach Payrató (1995), wie sie auch für das Corpus oral de conversa col·loquial der Universitat de Barcelona1 angewendet wurden: Sprachmelodie am Sequenzende fallend \ steigend / gleichbleibend – Betonung / Sprechintensität – Betonung (èmfasi) – Intensität stark (forta) sehr stark (molt forta) schwach (fluixa)
{(F) Text} {(FF) Text} {(FL) Text)}
Sprechgeschwindigkeit schneller als normal (accelerat) langsamer als normal (desaccelerat} Längung eines Wortes / einer Silbe
{(AC) Text} {(DC) Text} : :: :::
Pausen/Überschneidungen sehr kurze Pause (0,1 – 0,3 Sek.) kurze Pause (0,4 – 0,9 Sek.) mittlere Pause (1 – 3 Sek.) lange Pause (mehr als 3 Sek.) Überschneidung zweier Sprecher
(. Länge) (.. Länge) (... Länge) (.... Länge) [ Text ]
Sonstiges Lachen Lachen mit gleichzeitigem Sprechen Anmerkung der Autorin Unverständliche Passagen ein Zeichen pro Silbe relevante Stellen für die Korpusanalyse
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Cf. Payrató/Alturo 2002, 18s.
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{(E) Text}
@ @@ @@@ {(@) Text} ( Text ) x Unterstreichungen
1.3. Abkürzungen Bezüglich der im theoretischen Teil und für die Korpusanalyse verwendeten Wörterbücher werden folgende Abkürzungen verwendet: DIEC: Institut d’Estudis Catalans (ed.), Diccionari de la llengua catalana, Barcelona, 1997, http://pdl.iecat.net/entrada/diec.asp, letzter Zugriff am 27. Februar 2008. DPN: Enciclopèdia Catalana (ed.), Diccionari de paraules noves. Neologismes recollits a la premsa, Barcelona, Enciclopèdia Catalana, 1998. GD62: López de Castillo, Lluís (ed.), Gran Diccionari 62 de la llengua catalana, Barcelona, Edicions 62, 2000. DCBV: Institut d’Estudis Catalans (ed.), Diccionari català-valencià-balear, Barcelona, 2000, http://dcvb.iecat.net, letzter Zugriff am 27. Februar 2008. NDN: Termcat (ed.), Nou Diccionari de neologismes, Barcelona, Edicions 62, 2001a. DInt: Termcat (ed.), Diccionari d’Internet, Barcelona, Enciclopèdia Catalana, 2001b. DSL: Ruiz, Francesc et al. (ed.), Diccionari de Socioligüística, Barcelona, Enciclopèdia Catalana, 2001. CLAVE: Maldonado González, Concepción (ed.), CLAVE. Diccionario de uso del español actual, Madrid, Ediciones SM, 1999. DRAE: Real Academia Española (ed.), Diccionario de la Lengua Española, Madrid, 2001, http://www.rae.es, letzter Zugriff am 27. Februar 2008. DEA: Seco, Manuel et al., Diccionario del español actual, Madrid, Aguilar, 2005. OALD: Hornby, A. S./Cowie A. P. (ed.), Oxford Advanced Learner’s Dictionary, Oxford, Oxford University Press, 1989. Webster: Merriam-Webster, Inc. (ed.), Merriam-Webster Online Dictionary, 2005, www.m-w.com, letzter Zugriff am 27. Februar 2008.
1.4. Historischer Rückblick zum Sprachkontakt in Katalonien Ohne bis ins Detail auf die sprachgeschichtliche Entwicklung der katalanischen Sprache im Laufe der Jahrhunderte seit ihrer Entstehung aus dem Vulgärlatein eingehen zu wollen, sei an dieser Stelle dennoch ein kurzer historischer Rückblick zum besseren Verständnis der heutigen Sprachsituation erlaubt.2 In Anlehnung an Vallverdú (1979b), Lüdtke (1984) und Badia i Margarit (1973; 1981) schlagen Rogge/Beinke (cf. 1991, 196) eine Einteilung in zwei Zeitphasen bis zum Einsetzen der Renaixença vor (vom 10. Jahrhundert bis zur Personalunion mit Kastilien und vom 16. Jahrhundert bis zur Renaixença) und konstatieren für diesen Zeitraum Folgendes: «Die Sozialgeschichte der katalanischen Sprache läßt sich durchaus als Aufeinanderfolge von Sprachkontaktsituationen mit Diglossiecharakter interpretieren. Die gesellschaftliche Rollenveränderung der Sprache reicht, ausgehend von der Jahr-
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Eine detaillierte Beschreibung zur Geschichte des Sprachkontakts in Katalonien findet sich bei Sinner (2004, 9ss.).
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tausendwende bis zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts, von der Rolle der BSprache und damit vorrangig mündlichen Sprachform […] im Verhältnis zum Lateinischen über diejenige der A-Sprache […] in ihrer literarischen Form gegenüber ihrer eigenen gesprochenen Variante bis erneut zur B-Sprache im Verhältnis zum Kastilischen als der Sprache des spanischen Staates» (1991, 196).
In politischer Hinsicht befand sich Katalonien seit dem 10. Jahrhundert auf dem Weg, zu einem Machtzentrum im Mittelmeerraum zu avancieren. Diese Entwicklung erreichte im 13. Jahrhundert unter Jaume I (1213–1276) ihren Höhepunkt. Die bis dato als diglossisch einzuordnende Sprachsituation (Sprache A: Latein, Sprache B: Katalanisch) wandelt sich «mit der Ausweitung der politischen Herrschaft und der positiven sozioökonomischen Entwicklung während dieser Expansionsperiode» (Rogge/Beinke 1991, 197). Es besteht eine klare Entwicklung hin zur Schriftsprachlichkeit, die durch die Präsenz des Katalanischen als Amtssprache (z. B. der 1359 gegründeten Generalitat als administratives Organ) gewährleistet wird. Das Katalanische erfährt somit annähernd eine erste Phase der Standardisierung und gewinnt eine bedeutende Stellung als Kultur- und Nationalsprache vom 13. bis zum 15. Jahrhundert. Allerdings ist innerhalb der Schriftsprachlichkeit eine deutliche Trennung zwischen Lyrik (Okzitanisch) und Prosa (Katalanisch sowie Latein) vorzunehmen, die sich bis ins 15. Jahrhundert hält (cf. Rogge/Beinke 1991, 197; Laitin 1989, 298s.). Bis zur politischen Unterordnung Kataloniens unter die kastilische Krone durch die Personalunion mit Kastilien ab 1469 besteht daher folgende soziolinguistische Situation: Sprache A: Schriftkatalanisch, Latein, (Kastilisch), (Okzitanisch), Sprache B: gesprochenes Katalanisch.3
Ab dem 16. Jahrhundert erfährt das Katalanische einen kontinuierlichen Funktionsverlust und wird in immer mehr Bereichen vom Kastilischen verdrängt. Spätestens seit dem Decreto de Nueva Planta (1716) erfolgt neben der politischen Integration auch die sprachliche Integration der katalanischen Länder (cf. Brumme 1986, 479), da ab diesem Zeitpunkt Kastilisch als offizielle Sprache in allen öffentlichen Angelegenheiten, im juristischen Bereich sowie zu bedeutenden Anteilen im Erziehungswesen durchgesetzt wird. In Verbindung mit der dem Kastilischen entgegengebrachten hohen Wertschätzung sowie der Tatsache der zunehmenden dialektalen Zersplitterung der katalanischen Sprache durch das Fehlen einer überregionalen Leitnorm stellt
3
Cf. Rogge/Beinke (1991, 8); Kastilisch und Okzitanisch erscheinen als A-Sprache in dieser Darstellung gleichberechtigt. In Wirklichkeit lässt sich allerdings eine sukzessive Verschiebung konstatieren, welche einen beständigen Rückgang des Okzitanischen in der Schriftsprache zugunsten eines Aufschwungs für das Kastilische in sich birgt.
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sich die soziolinguistische Situation Ende des 18. Jahrhunderts in Katalonien wie folgt dar (cf. Laitin 1989, 300; Rogge/Beinke 1991, 199): Sprache A: Kastilisch, Sprache B: Katalanisch.
Im Rahmen der aufkommenden nationalen Bewegungen in Europa Mitte des 19. Jahrhunderts erfährt das Katalanische jedoch einen erneuten Aufschwung, ausgelöst durch die wachsende Industrialisierung, deren zur bürgerlichen Klasse aufsteigende Protagonisten (vor allem die Handwerker) überwiegend die katalanische Sprache sprechen (cf. Vallverdú 1979b, 1). Durch diese gesellschaftspolitische Wende erfährt der katalanische Sprachgebrauch in der Bevölkerung eine Wiedergeburt (Renaixença) und eine neue Kontinuität, welche als «Voraussetzung für eine Standardisierung der katalanischen Sprache» (Rogge/Beinke 1991, 199) gelten dürfen. Der zu Beginn des 20. Jahrhunderts einsetzende Normierungsprozess führt schließlich dazu, dass «el català [...] reconquerí progressivament, amb estires i arronses, i de vegades amb una lluita aferrissada, si no una normalitat completa com a mínim la seva plena legitimiat» (Boyer 1992, 51).
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2.
Sprachkontaktphänomene unter besonderer Berücksichtigung des Katalanischen
«Els fenòmens de contacte de llengua afecten probablement totes les llengües del món. Difícilment trobarem cap llengua que mai no hagi incorporat un manlleu, encara que només sigui per raons d’intercanvi comercial de productes nous. Però el pes quantitatiu i qualitatiu que arriben a assolir els fenòmens de contacte de llengües pot variar enormement segons el cas. […] En alguns casos, el canvi de les varietats es veu produït especialment per processos de manlleu massiu de lèxic, mentre que els components morfològic, fonològic, sintàctic i pragmàtic de la llengua no es veuen afectats en la mateixa mesura. En altres casos, allò que sembla transformar-se més profundament és el component morfosintàctic, mentre que la resta de la varietat pateix menys transformacions» (Boix/Vila 1998, 253).
Der Kontakt zweier Sprachen oder zweier Varietäten innerhalb einer Sprache lässt sich aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Zum einen handelt es sich um eine historische Entwicklung, die über Jahrhunderte hinweg, manchmal intensiver, manchmal weniger intensiv, immer neue Elemente des einen in das andere sprachliche System einfließen lässt und dieses prägt. Zum anderen interessiert auch der sich historisch verändernde, reelle Umgang der Sprecher mit den Sprachkontaktphänomenen in ihrem alltäglichen Sprachgebrauch. Darüber hinaus besteht gleichermaßen die Möglichkeit, Sprachkontakt nicht diachronisch, sondern synchronisch zu betrachten. In jedem Fall ist Sprachkontakt als ein Geflecht von sprachlichen und außersprachlichen Phänomenen anzusehen. Im vorliegenden Kapitel sollen nun, nach einem historischen Rückblick, aus den verschiedenen Blickwinkeln heraus die theoretischen Grundlagen für die anschließende empirische Studie gelegt werden. Hierbei geht es vor allem auch um die Klärung terminologischer Bezeichnungen. Daher werden im Folgenden verschiedene für die vorliegende Studie relevante Sprachkontaktphänomene in ihren wichtigsten Ansätzen dargestellt. Anzumerken ist, dass die Sprachkontaktforschung oft von einem bilingualen Kontext ausgeht und demnach Phänomenen wie Interferenz oder Code-Switching große Bedeutung beimisst. Der Ausgangspunkt für die dieser Arbeit zu Grunde liegende Studie ist allerdings nicht so sehr die Bilingualität der untersuchten Sprechergruppe von Jugendlichen, sondern deren Sprachgebrauch in einer ihrer beiden Sprachen, nämlich dem Katalanischen, im Hinblick auf Einflüsse von außen. Besondere Gewichtung liegt somit auch auf den Entlehnungen, die als Vergleichsfaktor für die Gegenüberstellung der Jugendsprache 11
der untersuchten Sprechergruppe mit der medialen Jugendsprache, wie sie von den katalanischen Kommunikationsmedien verbreitet wird, dienen. Entlehnungen können m.E. ein Messfaktor für den innovativen Charakter von Jugendsprache sein. Außerdem spiegelt der Umgang mit ihnen – gerade mit denjenigen, die schwer von Interferenzen zu trennen sind, weil unterschiedliche Ansichten im Zusammenhang mit der Sprachgebrauchsnorm herrschen – das Spannungsfeld zwischen Norm und autonomem Sprachgebrauch in der Jugendsprache wider, von dem in den folgenden Kapiteln (cf. 3.1.2.; 4.6.3.1.) noch die Rede sein wird.
2.1. Begriffsklärungen Die Terminologie der Sprachkontaktforschung ist seit langem mit einer Bezeichnungsproblematik behaftet, die in der Literatur oft kontrovers diskutiert wurde und immer noch wird. Zahlreiche Publikationen sind ihr gewidmet bzw. beinhalten einen theoretischen Teil zur Definition der behandelten Phänomene. Im Vergleich erweisen sich diese Definitionen jedoch als teilweise widersprüchlich und werden verschiedenartig interpretiert. Im folgenden Kapitel möchte ich daher einen Überblick über die von mir übernommene und für die vorliegende Arbeit relevante Sprachkontaktterminologie geben und dabei auf die bisweilen sehr unterschiedlichen Interpretationen der Termini eingehen. Hierbei geht es vor allem um eine Klärung der Begrifflichkeiten, die für die Korpusanalyse relevant sind. Ziel dieser Arbeit ist es, aufzuzeigen, inwiefern die Sprechweise der jugendlichen Informanten des Korpus von diversen Spannungsfeldern beeinflusst wird. Die Analyse konzentriert sich hierzu auf die Entlehnungen als Vergleichspunkte zwischen den beiden Teilen des Korpus (Jugendsprache vs. mediale Jugendsprache) und macht daran deutlich, wie sich die Jugendlichen in ihrer Sprechweise zwischen zwei Sprachen, zwischen Norm und Autonomie und zwischen ihrer eigenen und einer ihnen «in den Mund gelegten» Sprechweise bewegen. Ziel dieser Arbeit ist es daher nicht, die jugendliche Sprechweise bezüglich ihrer Interferenzen mit dem Spanischen1 oder detailliert auf das Code-Switching hin zu analysieren. Zu dieser Thematik existieren bereits zahlreiche Studien. Allerdings können Interferenzen und CodeSwitching auch nicht unberücksichtigt bleiben, handelt es sich doch um zwei sehr prägnante und typische Erscheinungsformen des Sprachkontakts. Für
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Im Folgenden wird in dieser Arbeit in Bezug auf das heutige Kastilisch immer der Begriff «spanisch/Spanisch» verwendet. Der Differenzierungsproblematik dieser beiden Bezeichnungen bin ich mir bewusst; an dieser Stelle sei auf die Beschreibungen von Sinner (2004, 51ss.; 469ss.) verwiesen, für die der Autor Frequenzuntersuchungen heranzieht und die Unsicherheit von spanischen bzw. katalanischen Muttersprachlern bezüglich dieser Begriffe zitiert.
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das vorliegende Korpus sind sie insofern besonders wichtig, als es darum geht, Entlehnungen von ihnen abzugrenzen bzw. einige in der Jugendsprache weit verbreitete «Interferenzphänomene» (z. B. bueno, die Verwendung von Konstruktionen mit lo, etc.) im Hinblick auf ihren Interferenzcharakter zu diskutieren. Das Code-Switching, besonders in seiner Funktion des Zitierens anderer Personen, wird bezüglich seines pragmatischen Gehalts in Bezug auf das Spannungsfeld Katalanisch-Spanisch beleuchtet.2 2.1.1. Interferenz Die Bezeichnung Interferenz für Phänomene, die auftreten, wenn mehrere Sprachen (oder Varietäten einer Sprache) aufeinander stoßen, findet sich bekanntermaßen bei Weinreich in seinem Werk Languages in Contact. Hier heißt es: «Those instances of deviation from the norms of either language which occur in the speech of bilinguals as a result of their familiarity with more than one language, i.e. as a result of language contact, will be referred to as INTERFERENCE phenomena» (1964, 1).
Bei seiner Definition geht Weinreich zunächst von nicht strukturellen Faktoren wie einer allgemeinen Sprechkompetenz des Sprechers sowie von seiner Fähigkeit aus, grundsätzlich zwei Sprachen auseinander halten zu können. Weiterhin hat der von Weinreich beschriebene Sprecher relativ gute Kompetenzen in beiden Sprachen, wobei er beiden, ihren entsprechenden Kulturen sowie der Zweisprachigkeit an sich mit entweder idiosynkratischen oder stereotypisierten Einstellungen (cf. 1964, 3) gegenübertritt. In einem weiteren Schritt stellt Weinreich fest (1964, 7), dass Interferenz effektiv mit strukturalistischer Terminologie beschrieben werden kann, wenn sich die Interferenzphänomene auf den konkreten Kontakt zwischen den Grundeinheiten auf Ausdrucks- und Inhaltsseite von Sprache (bei Weinreich als Phoneme und Semanteme bezeichnet) beziehen. Seit Weinreichs Definition der Interferenz als Abweichung von der Sprachnorm wird das Phänomen oft in der Fehlerforschung bzw. im Zusammenhang mit dem Erwerb von Fremdsprachen aufgegriffen. Zwar gab es immer wieder auch Versuche zu neutraleren Definitionen, doch sind diese wenig fruchtbar. Dementsprechend stellt Sinner fest: «Der Tatsache, dass Beeinflussung einer Sprache durch eine andere Sprache nicht zwangsläufig zu Normverstößen führen muss, wird später – und auch heute noch – leider oft keine Rechnung getragen» (2001a, 133).
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Zur vertiefenden Lektüre zum Sprachkontakt sei an dieser Stelle u. a. auf die Arbeiten von Weinreich (1964), Haugen (1950), Mackey (1970), Clyne (1975), Payratò (1985), Boix (1993), van Hout/Muysken (1994), Boix/Vila (1998) und Sinner (2001; 2004) verwiesen.
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«Der Terminus Interferenz entstand zwar im Kontext negativer Beurteilung und wurde prinzipiell als Angriff auf die Norm des Systems gewertet […], von Fehler dürfte im Kontext der sprachlichen Interferenz in Sprachkontaktsituationen aber eigentlich nicht mehr gesprochen werden, da dies nur im Vergleich zu einer korrekten Form sinnvoll wäre und somit eine Unregelmäßigkeit einer bestimmten – monolingualen – Norm gegenüber impliziert. Die eigentliche Schwierigkeit ergibt sich aus der Tatsache, dass es in manchen Kontaktsituationen praktisch keine wirklich monolingualen Sprecher gibt und eine Norm somit nicht eindeutig bestimmt werden kann, zumal wenn – teilweise gezwungenermaßen – Interferenz durch Vergleich mit einer zentralen Norm ermittelt wird, wie dies z. B. im Falle des in Katalonien gesprochenen Spanisch die Regel ist. Die Gleichung Interferenz = Fehler ist somit allenfalls in der Zweitsprachenerwerbsforschung gerechtfertigt» (2001a, 135).
Die Interpretation des Interferenzbegriffes hängt also, wie man aus dem Zitat erkennen kann, eng mit dem Verständnis von Norm zusammen, das im folgenden Abschnitt bzw. im Zusammenhang mit dem Thema der sprachlichen Normalisierung in Katalonien (cf. 3.2.) ausführlicher beschrieben wird. Ein weiteres Problem, das eng damit verbunden ist, ist sicherlich die Verwendung des Terminus Interferenz für Elemente, welche ursprünglich individuelle Interferenzen waren, mittlerweile aber durch ihr hohes Auftreten in der Sprachgebrauchsnorm zu einem für einen Großteil der Kommunikationsgemeinschaft gebräuchlichen Phänomen geworden sind. Teilweise handelt es sich um in das System aufgenommene Elemente, die eigentlich entsprechend als Entlehnung (oder je nach Terminologie als Integrate) bezeichnet werden müssten. Da diese Darstellungsweise auch die unterschiedlichen Integrationsstadien von Entlehnungen einbezieht, ist es nicht verwunderlich, dass die Diskussion um die Terminologie der Sprachkontaktforschung immer wieder neu aufflammt und auch lange Zeit nach Beginn der Reflexion über diese Phänomene noch nicht abgeschlossen ist. 2.1.2. Interferenz und Entlehnung Interferenzen finden genauso wie Entlehnungen auf allen sprachlichen Ebenen statt.3 In diesem Kapitel wird exemplarisch dafür die Wortschatzebe-
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Weinreich (1964, 29ss.) geht z. B. detailliert auf phonetische und grammatikalische Interferenzen ein und bezieht sich hierbei zunächst auf Meillet (1921; 1938) und Sapir (1927) bzw. Schuchardt (1917), die bezüglich der Möglichkeiten der Interferenz auf morphosyntaktischer Ebene gegensätzliche Meinungen, nämlich zwischen nicht-existent und sehr wohl existent, vertreten. Laut Weinreich hängen Interferenzen auf morphosyntaktischer Ebene vor allem davon ab, welche Srukturen betrachtet werden, z. B. freie oder gebundene, lexikalische oder grammatische Morpheme, verschiedene Grade festgelegter syntaktischer Strukturen etc. Er konstatiert diesbezüglich: «A word which has been transferred from one language into another is itself subject to the interference of the grammatical, as well as the phonic, system of the recipient language, especially at the hands of its unilingual
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ne4 aufgegriffen, da sie das in der Häufigkeit weiteste Feld ist und in ihr Entlehnungen meist besser als auf morphosyntaktischer Ebene zu erkennen sind. Viele der angesprochenen Definitionen und Beispiele sind auf die anderen sprachlichen Ebenen applizierbar. Interferenz ist eine sprachliche Veränderung, welcher der direkte – individuelle oder soziale – Einfluss einer zweiten Sprache zu Grunde liegt. Nimmt man diese von Boix/Vila (cf. 1998, 55) übernommene Aussage als Ausgangspunkt, so ließe sich Interferenz im weiteren Sinne als Oberbegriff für eine von einer Sprache A herbeigeführte Neuerung (Innovation, Verlust, Substitution), z. B. in der Lexik einer Sprache B bezeichnen. Unter direktem Einfluss verstehen die Autoren hierbei, dass strukturelle, außersprachliche Faktoren mit Bezug zur Sprache A sozusagen einen Druck von außen auf die Sprache B ausüben, welcher sich in sprachlichen Faktoren widerspiegelt. Dies gilt gleichermaßen für formal identische Kontaktphänomene zwischen einzelnen Registern oder dialektalen Varietäten ein und derselben Sprache. Das Problem, das sich bei dieser allgemeinen Definition, die der von Payrató (cf. 1985, 58s.) nicht unähnlich ist, stellt, ist folgendes: Wie unterscheidet sich nach dieser Beschreibung Interferenz von Entlehnung? Und inwiefern lässt sich diese Definition mit der bereits erwähnten, häufig verbreiteten Auffassung von Interferenz als Störung oder Fehler vereinbaren? Die Antwort auf letztere Frage ergibt sich aus der Tatsache, dass Boix/ Vila von einer anderen Definition von Interferenz als die Zweitspracherwerbsforschung ausgehen. Ihr Ansatz entspricht dem der «Areallinguistik» nach Sternemann, der entsprechend formuliert: «Unter Interferenz versteht man in der Areallinguistik (im Unterschied zur Fremdsprachenmethodik) […] die Berührung und Beeinflussung zweier oder mehrerer Sprachen bei gegenseitigem Kontakt» (1983, 115). Im engeren Sinne bezeichnen Boix/Vila Interferenz demzufolge auch als «un tret o element foraster (= que pertany a una llengua A), que utilitza un parlant bilingüe quan s’expressa en una llengua B» (1998, 56). Diese Beschreibung siedelt die Interferenz eher auf
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speakers» (1964, 44). Weiterhin gesteht er den Sprechern selbst eine große Einflussnahme zu: «The choice itself would appear to depend not on the structures of the languages in contact, but rather on individual psychological and socio-cultural factors prevailing in the contact situation» (1964, 46). Bei lexikalischer Interferenz unterscheidet Weinreich die «simple word (non-compound) lexical elements» (1964, 47), eine Kategorie, der er die meisten Interferenzen zuordnet. Daneben gibt es die «compound words and phrases», die Weinreich in drei Typen unterteilt (cf. 1964, 47s.). Weinreich schreibt die Möglichkeit der lexikalischen Entlehnung nicht nur den zweisprachigen Sprechern zu, sondern allen Sprechern einer Sprache; sie dient der Bezeichnung neuer Begrifflichkeiten, ist aber auch durch interne sprachliche Faktoren wie Instabilität einzelner Lexeme, den Bedarf an Synonymen oder semantischen Bedeutungsveränderungen einzelner Lexeme bedingt (cf. 1964, 60).
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der Ebene der parole an; dies entspricht auch der Unterscheidung zwischen langue und parole, wie wir sie bei Weinreich finden: «In speech, interference is like sand carried by a stream; in language, it is the sedimented sand deposited on the bottom of a lake. The two phases of interference should be distinguished. In speech, it occurs anew in the utterances of the bilingual speaker as a result of his personal knowledge of the other tongue. In language, we find interference phenomena which, having frequently occurred in the speech of bilinguals, have become habitualized and established. Their use is no longer dependent on bilingualism» (1964, 11).
Mit seiner Differenzierung des Inferenzbegriffes für die Ebene der langue und der parole erweitert Weinreich seine eigene Ausgangsdefinition, widerspricht ihr aber auch. Demnach findet die eigentliche Interferenz in der parole statt, Einflüsse in der langue bezeichnet Weinreich als «interference in the system» und siedelt diese näher bei nicht von der Zweisprachigkeit der Sprecher abhängigen Entlehnungen an. Diese werden von Haugen (1956) und Mackey (1970) als Interferenz (als Gebrauch von Elementen einer anderen Sprache in der parole) und Integration (Eingliederung von Elementen einer anderen Sprache in die langue) aufgegriffen. Den Autoren gelingt es, zwischen individuellen Interferenzen und sich in der Sprache verankernden Integraten (d.h. Entlehnungen) zu unterscheiden. Mackey weist allerdings mehrfach darauf hin, dass diese Unterscheidung eines der schwierigsten Unterfangen bei der Analyse der Sprache von bilingualen Sprechern sei (cf. 1970, 195; 199). In diesem Zusammenhang ist auch die Arbeit von Juhász zu nennen, der Interferenz als Verletzung der Norm in der Sprachausübung bezeichnet. Als Grund für das Auftreten von Interferenzen nennt er die Unterschiedlichkeit der Systeme und verzichtet daher zunächst auf eine Unterscheidung zwischen langue- und parole-Ebene wie sie beispielsweise Weinreich vornimmt (cf. Juhász 1970, 10). Für die Elemente, die zum Bestandteil der Sprachnorm geworden sind und entsprechend aufhören, «als störender Eingriff in die Sprache zu wirken», verwendet Juhász den Begriff der Integration (1970, 10). In ähnlicher Weise geht das Diccionari de Sociolingüística (Ruiz et al. 2001; im folgenden als DSL bezeichnet) an den Interferenzbegriff heran und unterscheidet ihn von der Entlehnung. Zu Grunde liegt eindeutig die auch ursprünglich von Weinreich proklamierte Zuordnung der Interferenz zum Sprachsystem, also zur Ebene der langue. Das DSL versteht daher unter «interferència lingüística»: «Fenomen que ocorre quan una part del sistema de la llengua dominant s’introdueix, ocupa i desplaça determinats elements fònics, morfosintàctics o lèxics de la llengua minoritzada, en situacions de conflicte lingüístic. La comunitat lingüística que usa la llengua minoritzada va adquirint al llarg del temps paraules, fonemes i estructures morfològiques i sintàctiques pròpies de la llengua dominant. […] El terme interferència implica la nova disposició de patrons que resulta de la introducció d’elements estrangers en els dominis més profundament estructurats de la llengua,
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com ara la major part del sistema fonològic, una gran part de la morfologia i la sintaxi, i algunes àrees del vocabulari. […] No s’ha de confondre la interferència amb el manlleu, que no és més que una mera addició a l’inventari de la llengua receptora» (2001, 154s.).
Dem letzten Satz dieses Zitats kann man das zweite Unterscheidungskriterium zwischen Interferenz und Lehnwort (i.w.S.) entnehmen. Ein mehr oder weniger integriertes Lehnwort kann als reine Ergänzung angesehen werden, die Interferenz hingegen ist zunächst ein individueller Fehler, der durch Veränderung der Sprachgebrauchsnorm aber zu einem gruppalen Phänomen wird und eine tiefer gehende Veränderung des Sprachsystems zur Folge haben kann. Hält man sich hier allerdings die Definition von Rull vor Augen, die besagt, dass «una interferència té lloc quan l’entrada de l’element lingüístic implica la pèrdua d’un ús o d’un element lingüístic genuí» (2000b, 26), so ist eine Überschneidung mit dem unter den Lehnprägungen (cf. 2.1.5.1.) angesprochenen Substitutionseffekt gegeben. Somit ist durch die vorliegende Argumentation keine scharfe Trennlinie zwischen beiden Phänomenen zu ziehen, wenn auch die Definition von Rull sicherlich nicht für alle Arten von Interferenz als zutreffend gelten darf. Ein anderer wichtiger Faktor, der häufig zu einer ersten Abgrenzung von Interferenz nicht gegenüber Entlehnungen, sondern gegenüber dem CodeSwitching herangezogen wird, ist das von den Sprechern meist nicht bewusst wahrgenommene Auftreten von Interferenzen.5 Das DSL spricht daher nicht zu Unrecht davon, dass «una característica típica de les interferències de les llengües dominants sobre les regressives és que els parlants d’aquestes sovint no les perceben com a tals […]» (2001, 154s.). Die Interferenz in diesem engeren Sinne, gleichwohl sie das System später beeinflussen kann, ist also zunächst einmal im Sprachgebrauch, d.h. in der Rede, bemerkbar und tritt vor allem in der bilingualen Kommunikation auf. Der Begriff der Interferenz bekommt dadurch eine individuelle Ebene. Schmidt-Radefeldt bezieht sich ebenfalls auf die individuelle Interferenz im Zusammenhang mit der Darstellung des Entwicklungsprozesses von Interferenz hin zu Entlehnung. Er spricht zunächst von einer ersten Phase, in der einzelne Sprecher neue Formen annehmen und damit eine mögliche Aufnahme in das muttersprachliche System vorbereiten. An diese schließt sich eine zweite Phase an, in der zwei aus verschiedenen Systemen stammende Formen von der aufnehmenden Sprachgemeinschaft akzeptiert und nebenei-
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Cf. hierzu Payrató, der im Zusammenhang mit Interferenz von einem «procés de generalització i adaptació que porta a la integració de l’element en el sistema lingüístic receptor i a la pèrdua de consciència, en els parlants, del caràcter aliè del terme» (1985, 121) spricht. Allerdings wäre hier anzumerken, dass nicht klar wird, wie diese «pèrdua de consciència» beginnt und wie sie einzugrenzen wäre, d.h. ab wann letztendlich ein Element keine Interferenz oder kein Code-Switching mehr ist, sondern als integriert gelten kann.
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nander verwendet werden. In einer dritten Phase wird dieses «hybride» Ergebnis durch die sprechsprachliche und schließlich auch die schriftsprachliche Norm angenommen, d.h. beispielsweise durch eine mit der Normregulierung betraute Institution (cf. Schmidt-Radefeldt 1990, 148). Bei Payrató ist das Problem der Unterscheidung zwischen Interferenz und Entlehnung dadurch gelöst, dass der Autor sowohl die individuelle Interferenz als auch die Tradierung derselben als Interferenz bezeichnet (1985, 58s.). Payratós Definition ist vor allem in der spanischen Linguistik weit verbreitet und gilt dort als Referenz, und das, obwohl die Definition vielfach kritisiert wurde. So schreibt z. B. Kabatek, dass der Terminus durch Payratós Beschreibung völlig an Gebrauchsfähigkeit verliere, «da in diesem Sinne eigentlich alle Elemente einer Sprache letztendlich Interferenzen wären» (1996, 13). Der Unterschied zwischen Entlehnung und Interferenz hängt für viele Autoren vom Grad der Assimilierung (an phonologische, morphologische oder syntaktische Muster) ab. Vielfach herrscht die Überzeugung, dass ein Wort als integriert gelten kann, wenn es ausreichend assimiliert ist bzw. wenn es in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen ist (cf. Weinreich 1974, 37; Baetens 1964, 50). In diesem Zusammenhang unterscheidet Kloss (1952, 339ss.) zwischen Binnenentlehnungen und Außenentlehnungen. Bei Binnenentlehnungen handelt es sich um «Entlehnungen aus bis zur mündlichen Erkennbarkeit verwandten anderen Einzelsprachen» (1952, 339). Auf das Katalanische bezogen sind das die Entlehnungen aus dem Spanischen, die so genannten Kastellanismen, bei denen sich zuweilen, aufgrund der Nähe der beiden Sprachsysteme, das Erkennen der Entlehnung als solche schwierig gestaltet. Ist hingegen keine Integration ersichtlich, handelt es sich demzufolge um eine Interferenz. In diesem Sinne wäre die Integration ein kontinuierlicher Prozess, der von der Interferenz ausgeht, mehrere Phasen durchläuft und schließlich das Integrat als Resultat hat (cf. Haugen 1950; Mackey, 1970, 199 und 1976, 308; Payrató 1985, 58).6
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Payrató (1985, 119) unterscheidet zwischen vier Phasen des Integrationsprozesses, in denen ein Element von der Rede ins System übernommen wird. Bei Mackey wird diese letzte Phase auch als Entlehnung bezeichnet (1970, 199). Für Haugen (1950, 216) ist der Integrationsprozess abgeschlossen, wenn ein Element ursprüngliche Elemente der anderen Sprache ersetzt und auch die einsprachigen Sprecher es verwenden. Sinner (2004, 63; 92) schließt sich ebenfalls der Meinung, dass eine der besten Möglichkeit festzustellen, ob ein Element integriert ist, die Überprüfung seines Gebrauchs durch monolinguale Sprecher sei. Er weist allerdings darauf hin, dass mit dieser Beschreibung nicht die «integrierten» Elemente erfasst werden, die gleichzeitig mit den ursprünglichen Formen benutzt werden und außerdem keine Aussage über die Gebrauchsfrequenz der verschiedenen Elemente getroffen werden könne. Außerdem fällt für den katalanischen Fall die Möglichkeit des Vergleichs mit monolingualen Sprechern aufgrund der mehr oder weniger vollständigen Zweisprachigkeit der Katalanen weg.
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Sinner weist hier allerdings darauf hin, dass diese Gleichsetzung von Assimilierung mit Entlehnung bzw. Integrat (cf. 2004, 61s.), wie sie beispielsweise auch Grosjean (1982, 308) vornimmt, zweifelhaft ist, weil nicht genau klar wird, wie der Prozess der Assimilierung vonstatten gehen soll. Außerdem weist er darauf hin, dass der Faktor des Sprachgebrauchs insofern differenzierter zu beschreiben sei, als berücksichtigt werden sollte, ob die Sprecher diesen Sprachgebrauch als korrekt ansehen. Sinner schlägt daher vor, dass auch das Bewusstsein um funktionale Aspekte der entsprechenden Elemente aussagekräftig für ihren Charakter als Entlehnung sein kann: «El mero hecho de que los hablantes tengan conciencia de la distribución por registros a su vez puede interpretarse como índice de la integración de estos elementos en las normas de uso, pues la distribución funcional de los elementos de una lengua forma parte del conocimiento de las normas y del funcionamiento de la lengua» (2004, 92).
Dieser Ansatz berücksichtigt einen wesentlichen Punkt, der häufig bei der Diskussion um Interferenz und Entlehnung ins Spiel gebracht wird: die Norm. Geht man vom Normbegriff Coserius (cf. 1973, 77; cf. 3.1.1.) aus und interpretiert Norm als Norm im Sprachgebrauch, d.h. als Gesamtheit der von den Sprechern in der Praxis akzeptierten Realisierungen, dann lässt sich sehr wohl annehmen, dass diese Norm durch den höheren Gebrauch einiger «Interferenz»-Elemente nach und nach verändert wird (cf. Bartsch 1985, 151).7 Genauso können dann auch Elemente, die zunächst von der Norm abweichen, nach und nach in die Sprachgebrauchsnorm aufgenommen werden und somit «normativ» werden. Ähnliche Darstellungen finden sich bereits bei Sternemann, der im Zusammenhang mit der Beschreibung des Interferenzbegriffes in der Areallinguistik meint: «Bei kollektiver Zweisprachigkeit kommt es nun zu ständigen Interferenzen, deren Ergebnisse – gegenseitige Entlehnungen und kongruente Entwicklungen – allmählich zur Sprachnorm werden» (1983, 115). Es ist jedoch zu bedenken, dass dieser Vorgang nicht für alle Interferenzen gleichermaßen gelten kann, d.h. nur einige Interferenzen werden durch Wiederholung zu einem Gruppenphänomen, das letztlich eine
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Sinner weist in diesem Zusammenhang allerdings auf die Problematik der Frequenzmessung hin: «Si como norma de la lengua entendemos lo que hacen los hablantes, es decir, si la realización media constituye la norma, entonces la frecuencia media, por decirlo así, posiblemente podría dar información acerca de la pertenencia de un elemento a la norma. Sin embargo, hablar de frecuencia media podría llevar a generalizaciones peligrosas: ¿serían entonces más integradas las formas más frecuentes que otras? Si se consideran como normales las formas más comunes, automáticamente dejarían de ser normales los elementos con frecuencia muy baja o los elementos que tienen una frecuencia cada vez más baja, convirtiéndose, de esta forma, en formas no usuales que, con el tiempo, no se considerarían ya como parte de la norma de uso» (2004, 64).
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Veränderung der Sprachgebrauchsnorm oder sogar des Systems (und somit einen Sprachwandel) hervorruft. Juhász formuliert entsprechend: «Das eigentliche Problem besteht in der eigenartigen Verflechtung von diachronischen und synchronischen Gesichtspunkten für die Beurteilung der sich wandelnden Norm; denn jede Veränderung der Norm ist zwar ursprünglich ein Fehler, aber nicht aus jeder Abweichung von der Norm wird eine Veränderung der Norm. Während im ersten Fall eine der langue nicht entsprechende parole-Form zur Veränderung der langue führt, bleibt im zweiten Fall die parole-Erscheinung auch späterhin langue-widrig […]. Systemwidrige Ausdrucksformen führen selbst dann nicht immer zu einer Veränderung der langue, wenn sie sehr häufig vorkommen» (1970, 34).
Interferenz wird häufig als Verstoß gegen die Norm, also als Fehler angesehen. Dem widerspricht Sinner, indem er darauf hinweist, dass es gerade bezüglich der für die Analyse von Sprachkontakt wichtigen gesprochenen Sprache schwierig sei, diese Position aufrecht zu erhalten. Eine für die Schriftsprache festgelegte Norm, die mündliche Phänomene nicht oder kaum berücksichtigt, wie es bisher z. B. in Katalonien sowohl für das Spanische als auch für das Katalanische der Fall ist, kann hier nicht allein ausschlaggebend sein (cf. Sinner 2004, 72; cf. 3.1.2.). Der Autor bezieht sich vor allem auf eine Studie von Hernández García, die im Spanischen Kataloniens als catalanismos klassifizierte Elemente auf ihren Gebrauch in anderen Teilen Spaniens untersucht. Die Autorin fasst ihre Ergebnisse folgendermaßen zusammen: «una cosa es lo que dice la normativa – y sea la de las gramáticas o el criterio de los propios filólogos – y otra muy diferente el uso lingüístico» (1998, 507s.). Ich verstehe unter Interferenz im Zusammenhang mit der vorliegenden Arbeit Elemente des Spanischen, die von einem zweisprachigen Sprecher (des Spanischen und des Katalanischen) im Katalanischen verwendet werden, die aber weiterhin als fremde Elemente gelten dürfen und keinerlei Integration ins katalanische Sprachsystem aufweisen. Davon ausgeschlossen sind z. B. spanische Zitate oder Elemente, die klar dem Code-Switching (cf. 2.1.3.) zugeordnet werden können. Weiterhin ausgeschlossen sind Elemente, die in der präskriptiven Norm (als Kastellanismen) sowie in der Sprachgebrauchsnorm des Katalanischen, sofern sich letztere aus meiner Sicht als Außenstehende eingrenzen lässt, enthalten sind. Ausgehend von dieser Definition werden Elemente aus anderen Sprachen als dem Spanischen in dieser Arbeit nicht als Interferenzen betrachtet, sondern in ihrer Eigenschaft als Entlehnungen bzw. im Zusammenhang mit dem Code-Switching untersucht. Dass auch diese Definition problematisch sein kann, obwohl sie sich nur auf einen kleinen Aktionsradius, nämlich die vorliegende Arbeit bezieht, ist mir bewusst. Schließlich kann eine Abweichung von der Norm bei zweisprachigen Sprechern auch von anderen als sprachlichen Faktoren abhängen bzw. von den Sprechern absichtlich vorgenommen werden (cf. Oksaar 1972, 499; Sinner 2004, 81). Weiterhin hängt die Normativität eines Elements auch von den bereits erwähnten funktionellen Aspekten ab. Ein Element kann also 20
in einem Register als normativ gelten und wäre somit nicht als Interferenz zu interpretieren; in einem anderen Register kann es hingegen eine Interferenz darstellen.8 Für die vorliegende Arbeit gilt allerdings, dass, egal ob Jugendsprache als Register oder Sprechstil definiert wird (cf. 4.3.2.), sich die analysierten Sprechweisen mehr oder weniger auf der gleichen Ebene9 befinden und wir daher von einer relativ einheitlichen Sprachgebrauchsnorm ausgehen können. Inwiefern sich die Akzeptanz mancher Interferenzen in der Sprachgebrauchsnorm, d.h. ihre Entwicklung hin zu «integrierten» normativen Elementen in diachronischer Sicht, von Generation zu Generation vollzieht, wird in Kapitel 6, das sich an die Korpusanalyse anschließt, im Zuge der Sprachwandeldiskussion aufgegriffen werden. 2.1.3. Code-Switching vs. Interferenz und Entlehnung Für bilinguales Sprechen typisch ist nicht nur eine geringere Stabilität bei der Wahl der Grundsprache, sondern auch eine viel größere Häufigkeit von Sprach- oder Code-Mischung bzw. «transkodischen Markierungen» (Lüdi 1987). Darunter versteht man nach Lüdi Formen in der Rede, z. B. Lehnwörter, Interferenzen oder Code-Switching, die in der Analyse häufig als Ergebnis eines Einflusses einer Sprache oder Varietät auf eine andere interpretiert werden. Haugen (1956) spricht von einem Kontinuum, in dem sich die bilingualen Sprachphänomene bewegen und an dessen einem Ende das Code-Switching, am anderen Ende die Entlehnung anzutreffen ist – dazwischen existiert nach Haugen als Übergangsphänomen die Interferenz. Die Rekurrenz auf diese Kommunikationsmittel stellt für die zweisprachigen Sprecher aber auch oft eine gewinnbringende Ausschöpfung ihrer sprachlichen Ressourcen dar, ist also ein Instrument, das den Sprechern zur Verfügung steht und das unterschiedlich interpretiert und definiert werden kann. Haugen äußert sich dazu folgendermaßen: «We need to get away from the notion of ‹interference› as somehow noxious and harmful to the language. The bilingual finds that communicating he is aided by the overlap between languages and he gets his message accross by whatever devices are available to him at the moment of speaking» (1968a, 685).
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Gleiches gilt für die individuelle Norm. Manche Sprecher benutzen ein Element evtl. auf allen sprachlichen Ebenen, wohingegen es für andere nur in bestimmten situativen Kontexten akzeptabel erscheint. Hierbei ist vor allem die diaphasische Ebene gemeint; allerdings kann aufgrund der Auswahl der Informanten (cf. 5.1.2.) aus einem begrenzten Raum, mit eingeschränkter Altersspanne und relativ ähnlichem Bildungsniveau auch von ihrer sprachlichen Annäherung auf diatopischer und diastratischer Ebene ausgegangen werden.
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Das Code-Switching basiert im Gegensatz zu den Interferenzen auf der Kontrastierung von Elementen zweier Sprachen. Die meisten Sprecher setzen sie daher bewusst als rhetorisches Mittel ein. Barri und Masats meinen dazu: «Entenem per canvi de codi recórrer, d’una manera conscient i voluntària, a una altra llengua, […] en una comunicació, – oral o escrita – monolingüe, ja sigui perquè l’usuari desconeix el terme en la pròpia llengua o perquè vol matisar connotacions intencionadament» (1999, 60).
Wichtig ist, an dieser Stelle festzuhalten, dass durch Code-Switching die Sprache vom Sprecher aktiv der Kommunikationssituation angepasst wird. Hierzu hat Myers-Scotton (1993) einige Regelmäßigkeiten dargelegt, die von Lüdi in folgende Phasen, die den Prozess des Code-Switchings aufzeigen, zusammengefasst werden: «a) on choisit d’abord une langue de base (’matrix language’) qui peut toutefois changer d’un tour de parole à l’autre, souvent même à l’intérieur d’un tour de parole; b) pour diverses raisons et avec de nombreuses fonctions, on intègre ensuite des éléments d’une autre langue (‹embedded language›) dans des énoncés en langue de base. Cet enchâssement peut avoir lieu à des niveaux différents. La condition à respecter est que des syntagmes mixtes suivent les règles de la grammaire de la langue de base, qui fournissent aussi les morphèmes de système. Ou alors on enchâsse des séquences entières sous forme ‹d’ilots› en langue enchâssée: c) on contrôle constamment si les unités lexicales ou constituants enchâssés sont compatibles syntaxiquement avec les cadres de la langue de base; si non, des opérations de synchronisation sont nécessaires, p.ex. la formation d’un îlot en langue enchâssée ou un changement de la langue de base» (Lüdi 1998, 144).
Diese Regelmäßigkeiten lassen u. a. auch auf einen intentionalen Gebrauch des Code-Switching schließen, der somit einen wesentlichen Unterschied zur Interferenz repräsentiert. Weitere Unterscheidungskriterien nennt Sinner: «[…] no se trata [en el caso del cambio de código] de una infracción de la norma de una lengua sino, […] de un cambio de la lengua. Mientras que la interferencia suele verse como determinado por factores lingüísticos, el cambio de código se atribuye, generalmente, a factores extralingüísticos […]. El cambio de código es un indicador extremadamente sensible de la habilidad lingüística del bilingüe y de su creatividad […]» (2004, 79).
Diese in der Theorie recht klar abgrenzbaren Faktoren verhindern allerdings nicht, dass es in der Praxis bei der Zuordnung von sprachlichen Äußerungen zu dem einen oder anderen Sprachkontaktphänomen dennoch zu Schwierigkeiten kommt. Was z. B. bei einigen bilingualen Sprechen als Interferenz erscheint, kann bei anderen ein bewusst eingesetzter Codewechsel sein. Dies gilt nicht nur für die Gegenüberstellung Code-Switching – Interferenz, sondern insbesondere auch für Interferenz vs. Entlehnung. Oft ist der Grund für das Auftreten des einen oder anderen Phänomens nicht klar zu erkennen, und eine eigentlich individuelle Interferenz kann beispielsweise so oft bei verschiedenen Sprechern auftreten, dass man ihr den Charakter einer Ent22
lehnung zuschreiben würde. Diese Tatsache ist jedoch nicht zuletzt auf den bereits erwähnten Faktor der Unbewusstheit zurückzuführen; viele Sprecher wissen nicht, dass ein bestimmtes von ihnen gebrauchtes Element eine mögliche Abweichung von einer sprachlichen Norm darstellt. Transkodische Markierungen können natürlich auch auf anderen als der bisher dargestellten Ebene der Lexik auftauchen. Blom und Gumperz (1971) sprechen beispielsweise von metaphorischem Code-Switching, bei dem eine Varietät, die normalerweise nur in bestimmten Situationen gebraucht wird, plötzlich in einer anderen Situation auftaucht, weil das Gesprächsthema mit der Ursprungssituation assoziiert wird. Gumperz (1982) unterscheidet zwischen situativen und metaphorischen Code-Switchings, d.h. die Sprecher wechseln entweder je nach Situation oder innerhalb einer Situation. Besonders im zweiten Fall misst der Autor dem Code-Switching eine kommunikative Funktion (z. B. der Hervorhebung), ähnlich dem Stilwechsel in einsprachigen Situationen, bei. Diese Überlegungen leiten uns einen Schritt weiter, auf die Ebene der Pragmatik. Bei Glück heißt es unter dem Stichwort «Interferenz» (wobei hier Interferenz im weiteren Sinne, als Oberbegriff für verschiedene Sprachkontaktphänomene zu verstehen ist): «Auch im Bereich der Pragmatik kann es zu Interferenzen kommen (wenn etwa Formen der sozialen Kontaktaufnahme wörtlich in eine andere Sprache – und einen anderen Kulturkreis – übersetzt werden)» (2000, 310).
Pragmatische Aspekte spielen in der jugendlichen Kommunikation einer sich nach außen abgrenzenden peergroup 10 eine Rolle für die Präsenz, den spezifischen Gebrauch und die Frequenz von transkodischen Markern. Pragmatische und weitere außersprachliche Faktoren fließen in die Sprachverwendung der Jugendlichen ein. In der vorliegenden Arbeit werden sie besonders in Verbindung mit der Gruppenkonstitution im Gespräch bzw. mit Abgrenzungsmechanismen von jugendlichen peergroups (cf. 4.4.1.; 4.5.2.6.) deutlich. Darüber hinaus liegt der Schwerpunkt der vorliegenden empirischen Studie allerdings weder auf Code-Switching noch auf Interferenzphänomenen. Beide Phänomene sind gerade in Bezug auf das Katalanische bereits in zahlreichen Arbeiten hinreichend diskutiert worden. Der Fokus soll vielmehr auf bewusste, in die Sprache integrierte oder im Integrationsprozess befindliche Elemente gerichtet sein, wobei dem Integrationsprozess bis hin zur Aufnahme der in der Jugendsprache auftretenden Elemente in die Standardsprache und die Sprachnorm besondere Aufmerksamkeit gewidmet sein wird. Code-
10 Gruppe von Gleichaltrigen oder Gruppe von Gleichgestellten; der Begriff geht zurück auf den Soziologen Charles H. Cooley (1864–1929). Es wird davon ausgegangen, dass besonders Kinder und Jugendliche sich bezüglich Gruppenstandards stärker an Menschen ähnlichen Alters als an den eigenen Eltern orientieren. Die peergroups haben somit eine wichtige Sozialisationsfunktion.
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Switching als bewusster Prozess wird dabei am Rande eine Rolle spielen, da es von Jugendlichen aus verschiedenen Motivationsgründen (cf. 5.2.4.) intentional eingesetzt wird. Genauso wird auch vom Interferenzbegriff in manchen Fällen die Rede sein, da bestimmte Phänomene in der Jugendsprache im Zusammenhang mit den Vorstellungen von Norm bzw. der Normdiskussion auf ihren (vermeintlichen) Interferenzcharakter untersucht werden können. Im Mittelpunkt der Studie stehen als zentrales Phänomen die Entlehnungen. Hierzu erscheint mir zunächst eine Beschäftigung mit dem Begriff des Neologismus sinnvoll, da dieser durchaus Sprachkontaktphänomene, vor allem Entlehnungen beinhalten kann; gleichzeitig ermöglicht ein näheres Eingehen auf den Begriff eine Bewusstmachung der verschiedenen Möglichkeiten zur Wortneubildung und kann helfen, Prozesse, die keine Entlehnungen darstellen, als solche zu erkennen und zu beschreiben. 2.1.4. Neologismen und Neosemantismen «neologisme: unitat lèxica nova, formalment o semànticament, creada en una llengua per les pròpies regles de formació de mots o manllevada a una altra llengua» (DIEC). «neologisme: mot de creació recent o manllevat recentment a una altra llengua; accepció nova a un mot o a una expressió que ja existia en la llengua» (López de Castillo 2000, 797). «Neologismus: […] Eine durch Neubildung oder Entlehnung neu enstandene lexikal. Einheit, die noch nicht Eingang in das Lexikon der betr. Sprache gefunden hat, bisweilen auch nicht findet. Unterschieden werden (a) Neulexeme […], d.h. Lexeme, die erstmals neue bzw. neu etablierte Gegenstände oder Sachverhalte bezeichnen […], (b) Neusememe […], d.h. Sememe […], die vorhandenen Sememen bereits existierender Lexeme neu hinzugefügt werden, (c) Neubezeichnungen, d.h. neue Bez. für Personen bzw. bereits existierende Gegenstände und Sachverhalte […]» (Glück 2000, 468s.).
Jede Sprache ist einer konstanten Weiterentwicklung ausgesetzt und gezwungen, sich an neue Notwendigkeiten und Umstände anzupassen. In diesem Sinne schafft jeder Sprecher einer Sprache fortlaufend aktiv Neologismen, sei es in einer Fachsprache, sei es im allgemeinsprachlichen Alltagsgebrauch, und ist genauso passiv einer Vielzahl von Neuschöpfungen ausgesetzt. Obgleich hiervon alle sprachlichen Ebenen betroffen sind, schlagen sich die durch den Prozess des Sprachwandels neu entstehenden Formen und Inhalte vor allem auf lexikalischer Ebene nieder. Dies geht auch aus den Eingangszitaten hervor, welche Neologismen als rein lexikalisches Phänomen bezeichnen, wobei jedoch neben der formalen Komponente natürlich auch die semantische Ebene eine Rolle spielt. Auch Guerrero Ramos definiert den Neologismus als «unidad nueva, de naturaleza léxica, en un código lingüístico definido» (1997, 12), weist jedoch auf Schwierigkeiten bei der exakten Begriffsklärung hin und schließt neben 24
Lexemen auch Morpheme, lexikalisierte Syntagmen oder sonstige syntaktische Gruppen mit ein. Unabhängig von der Klassifizierung der Neologismen nach ihrer Zuordnung zu verschiedenen sprachlichen Ebenen handelt es sich bei dem Phänomen um sprachliche Produkte, welche neue Konzepte materieller und intellektueller Natur erfassen. Quantitativ besonders häufig ist hiervon der Bereich der Wissenschaft und Technik betroffen, welcher jedoch in vielen seiner Teilaspekte direkten Einfluss auf die Alltagssprache nimmt. Als Beispiel sei an dieser Stelle nur auf die Entwicklungen im Bereich der modernen Kommunikationsmedien verwiesen. Ob ein Neologismus in einer Sprache auch wirklich «funktioniert», ergibt sich also nicht nur aus der reinen Frage der Grammatik, ob es sich um ein Lexem oder Morphem, etc. handelt; auch psychologische und soziokulturelle Faktoren spielen eine Rolle und entsprechend sollten die Analysen auch chronologische und soziolinguistische Ansätze berücksichtigen. Bezüglich der chronologischen Perspektive heißt es beispielsweise bei Guerrero Ramos: «Se debe enmarcar el neologismo en una sincronía oportunamente definida en relación con el objeto de estudio. Sin embargo, hay que tener en cuenta que la neología cambia en el tiempo. Los procedimientos y los mecanismos de renovación léxica son en la actualidad, para cualquier lengua, cuantitativa y cualitativamente distintos a los del pasado» (1997, 14).
Obgleich der synchronischen Perspektive11 deutlich der Vorrang gegeben wird, finden in dieser Anleitung von Guerrero Ramos diachronische Aspekte Eingang, die dazu dienen können, die Entwicklung der Neologismen durch die verschiedenen Epochen hindurch zu verfolgen, um somit die aktuelle Situation aufgrund ihrer historischen und sozialen Basis besser verstehen zu können. Diese Entwicklung steht unter dem Einfluss der bereits erwähnten soziokulturellen Faktoren, die wiederum der Tatsache Rechnung tragen, dass auch einzelne Lexeme in ihrer Form als Neologismen keine isolierten Phänomene im System einer Sprache darstellen. Guerrero Ramos folgt der Darstellung von Auger und Rousseau (1984), die diese Überlegung in den fünf Kriterien für die Akzeptanz eines Neologismus in einer Sprache widerspiegelt (cf. Guerrero Ramos 1997, 14): «1) conformidad al sistema de la lengua, 2) amplitud semántica, 3) valor de integración en una lengua,
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Hierbei wird der Begriff Synchronie allerdings nicht im Sinne von Saussure als Zustand einer Sprache in einem gegebenen Zeitraum verstanden, zumindest nicht, was die Lexik betrifft. Synchronie nach Saussure ist eine methodologische Abstraktion, die an dieser Stelle nicht greift, da im Gebrauch der Lexik häufig verschiedene Phasen durchlaufen werden, in denen ein Lexem viel gebraucht wird, und andere Phasen, in denen es weniger vorhanden ist.
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4) criterio onomasiológico, 5) valor sociolingüístico».
Ausführlicher dargestellt bedeutet dies folglich, dass ein Neologismus den phonologischen und orthographischen Strukturen der allgemeinen Standardsprache entsprechen (1), die Realität beschreiben (2) und sich in das Sprachsystem sowohl syntagmatisch (als Teil verschiedener Konstruktionen auf Basis einer lexikalisierten Einheit), als auch paradigmatisch (unter Berücksichtigung verschiedener sprachinterner und terminologischer Regeln) sowie auf transformationeller Ebene (als Teil von Komposita und Derivaten) integrieren muss (3). Weiterhin darf er nicht in Konkurrenz zu anderen Begriffen treten (4). Unter «valor sociolingüístico» verstehen die Autoren die Fragestellung, ob der Neologismus auf eine Notwendigkeit zum Zeitpunkt seiner Entstehung zurückgeht und er immer noch einen bestimmten Bedarf abdeckt (5). Um dies einschätzen zu können, gilt es vor allem Aspekte wie Benutzungshäufigkeit, allgemeines Verständnis des Begriffs, positive und negative Konnotation durch die Benutzer oder Verbreitung des Begriffs zu betrachten. Die Anwendung der Kriterien hängt jedoch eng mit der Art des Neologismus zusammen. Ausgehend vom sprachlichen Zeichen nach Saussure als Vereinigung von signifiant und signifié und in Anlehnung an die Definition von G. Matoré, der von Neologismus als «acepción nueva introducida en el vocabulario de una lengua en una época determinada» spricht (zit. nach Guerrero Ramos 1997, 18), unterscheidet Guerrero Ramos zwischen zwei Großgruppen von Neologismen und damit auch zwei Arten der Neologie als deren Entstehungsprozess. Zum einen erwähnt sie die formale Neologie, die neue signifiants (und teilweise gleichzeitig mit diesen neue dazugehörige signifiés) kreiert, zum anderen spricht sie von semantischer Neologie, welche hingegen bereits existierenden signifiants einer Sprache neue signifiés zuordnet (cf. Guerrero Ramos 1997, 19). Wie auch Thielemann (2002, 418s., 2003b) möchte ich diese als Neosemantismen bezeichnen. Eine ähnliche Unterscheidung trifft die gleiche Autorin mit den beiden Begrifflichkeiten der denominativen und der stilistischen Neologie. Erstere «reside […] en la necesidad de dar un nombre a un objeto, a un concepto nuevo» (Guerrero Ramos 1997, 17). Es geht hier also darum, wie bei der vorher genannten formalen Neologie auch, eine neue Erfahrung mitzuteilen, ein neues Konzept möglichst adäquat und unter Ausschluss von Ambiguität zu benennen. Die zweite Form, die stilistische Neologie, «está fundada en la búsqueda de la expresividad de la palabra en sí misma» (Guerrero Ramos 1997, 17). Hier sollen neue Ideen und Inhalte, wie bei der semantischen Neologie formuliert werden. Allerdings ist der aus diesem Prozess resultierende stilistische Neologismus stärker als sein rein semantischer Partner von der sprachlichen Kreativität der Benutzer und deren Willen, mit sprachlichen Formen zu spielen, abhängig. Es stellt sich also die Frage, inwiefern man an 26
dieser Stelle von einem Neologismus sprechen kann oder es sich doch eher um sprecherabhängie Einzelphänomene handelt. Ein wesentlicher, in den bisherigen Überlegungen noch vernachlässigter Punkt, ist neben sprachlicher Ebene und Art der Neologismen deren Herkunft. Neben den sprachinternen Kreationen ex nihilo und Umdefinierungen semantischer Inhalte auf Basis von Elementen (Lexemen, Morphemen, etc.) einer Sprache geht eine Vielzahl von Neologismen auf Entlehnungen aus anderen Sprachen zurück. Die hierfür verantwortlichen Gründe sind zahlreich und werden an späterer Stelle detaillierter betrachtet (cf. 2.1.5.; 2.2.). In Anlehnung an Auger und Rousseau bezieht Guerrero Ramos (1997, 20) in ihre Überlegungen Entlehnungen als sogenannte «neologismos de préstamo» mit ein und gelangt zu folgender Klassifizierung von Neologiephänomenen auf rein lexikalischer Ebene: «1) la neología de forma, 2) la neología de significado, 3) la neología de préstamo».
In Punkt 1 und 2 entsprechen die Autoren der bereits von Guerrero Ramos aufgestellten Definition von formaler und semantischer Neologie. Im Gegensatz zur «neología de forma», welche von Auger und Rousseau als Kreation von neuen lexikalischen Einheiten auf Basis von Elementen des eigenen morphologischen Systems einer Sprache oder des Systems einer alten oder modernen Fremdsprache verstanden wird, geht es bei der «neología de préstamo» darum, ein bereits in einer Fremdsprache existierendes lexikalisches Element in die eigene Sprache zu übernehmen. In diesem Sinne wird also die «neología de préstamo» als eine Untereinheit der «neología de forma» angesehen; die bei Entlehnungen durchaus ebenfalls existierende semantischinhaltliche Perspektive wird außer Acht gelassen. Daher erscheint es mir an dieser Stelle wichtig, auf den von Thielemann verwendeten Begriff des semantischen Anglizismus zurückzugreifen. Hierunter versteht der Autor das Prinzip, dass «fremde Begriffe an etablierte Signifikanten gebunden werden» (2003b). Anhand von Beispielen aus der Computertechnik und des Lemmas processar im Portugiesischen zeigt Thielemann, wie das Bedeutungsspektrum eines Lexems um eine Lehnbedeutung aus dem Englischen erweitert wird. Das Verfahren trägt nach Meinung des Autoren «zur Motivation der Entlehnung in der Nehmersprache bei. Selbst wenn der Neosemantismus nicht polysem, sondern homonym notiert wird, verbleibt der Eindruck, als ob beide Einträge, die etablierte und die neue Bedeutung, etwas miteinander zu tun hätten» (2002, 418). Bevor dieser Aspekt, neben der allgemeinen Klassifizierung von Entlehnungen, im Folgenden ausführlicher behandelt wird, möchte ich noch ein eng mit der Neologieforschung einhergehendes Phänomen ansprechen. Neologie und Neologismen sind immer mit einer kontroversen Diskussion um Spracherneuerung vs. -erhalt bzw. sogar Sprachkonservatismus oder Sprachpu27
rismus vs. sprachliche Innovation verbunden. Sicherlich darf eine Sprache sich nicht zu radikal und zu schnell verändern, damit die Kommunikation zwischen den Generationen gewährleistet ist. Im Falle der Entlehnungen taucht zusätzlich der Aspekt des befürchteten Sprachverfalls auf, der gerade bei sozial weniger fest verankerten Sprachen, beispielsweise dem Katalanischen, als «stets lauernde Gefahr» angesehen wird. Andererseits liegt es in der Struktur der meisten Sprachen oder am intensiven Kontakt der Sprachen untereinander, durch eine Vielzahl verschiedenartiger Prozesse Neologismen zu schaffen und dadurch neu entstehende sprachliche Bedürfnisse zu decken. Die Behauptung «la neología léxica no debe ser vista como un mal evitable» (Guerrero Ramos 1997, 11) kann in diesem Sinne richtungsweisend für eine weitere Beschäftigung mit dem sprachlichen Phänomen der Neologismen sein. 2.1.5. Entlehnungen «Entlehnung: […] Sowohl Prozeß als auch Resultat der Übernahme eines sprachl. Ausdrucks aus einer Sprache A in eine Sprache B, die häufig mit der Übernahme der so bezeichneten und vorher unbekannten oder ungebräuchlichen Gegenstände, Verfahrensweisen usw. durch die Sprachgemeinschaft B einhergeht. Neben lexikalischer Entlehnung (Lehnwort) gibt es grammatische Entlehnung, die auf allen Ebenen des Sprachsystems stattfinden kann (Lehngut). Verursacht wird Entlehnung durch politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Einflüsse sowie durch Sprachkontakt. […] E. und damit verbundene Sprachmischung ist eine universelle Erscheinung; Unterschiede lassen sich allenfalls in Art und Umfang der Entlehnung feststellen. […] Entlehnungen decken vorhandenen Bezeichnungsbedarf und tragen wesentlich zur Erweiterung des Wortschatzes der entlehnenden Sprache bei […]. Im allgemeinen wird der Lehnwortschatz als Gesamtresultat der lexikalischen, grammatischen und semantischen Entlehnung (nicht immer trennscharf) unterteilt in a) Lehnwörter (i.w.S.) mit den Untergruppen Fremdwort und Lehnwort (i.e.S.) und b) Lehnprägungen mit den Untergruppen Lehnübersetzung, Lehnübertragung, Lehnschöpfung und Lehnbedeutung […]» (Glück 2000, 186).
Die vielleicht größte Zahl der Wortneuschöpfungen entspringt den Entlehnungen12 von Elementen aus anderen Sprachen. Entlehnungen spiegeln die Kulturgeschichte einer Sprache und Gesellschaft wider, zeigen sie doch, mit welchen anderen Kulturen und damit Sprachen intensiverer oder weniger intensiver Kontakt und Austausch geherrscht haben. Selbstverständlich spielen weitere Faktoren wie Zeit, Hintergründe der Kontaktsituation, Verbreitungsgebiet und -kanal oder Akzeptanz unter der Bevölkerung eine wesentliche Rolle bei der Integration in eine Sprache oder Varietät; am Anfang steht aber
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Gerade im Hinblick auf die Terminologie der Sprachkontaktforschung und die Diskussion um die Abgrenzung zu den Interferenzen findet sich für die Entlehnungen in der Literatur auch häufig der Terminus Integrat, vor allem in der spanischsprachigen Literatur. In dieser Studie wird der Terminus Entlehnung aus diversen, im folgenden diskutierten Gründen vorgezogen.
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meist ein bestimmtes kulturelles (oder auch politisches bzw. soziales) Ereignis im weitesten Sinne (cf. Thielemann 2002, 410; 2003b), durch das sich zu einem bestimmten Zeitpunkt die Notwendigkeit ergibt, für seine Bezeichnung das Originalelement aus einer fremden Sprache zu entlehnen. Ein wesentlicher Unterschied, gerade zum Code-Switching, das meist (mehr oder weniger) bilingualen Sprechern bzw. Sprechern im Zweitspracherwerb vorbehalten ist, tritt der Gebrauch von Entlehnungen auch bei monolingualen Sprechern auf. Der Entlehnungsprozess führt aber nicht tendenziell, wie es im Gegensatz dazu bei anderen Sprachkontaktphänomenen wie z. B. dem Code-Switching mitunter diskutiert wird, zu einer grundlegenden Veränderung der Varietät an sich – für den Sprecher werden die Entlehnungen, spätestens wenn der Prozess abgeschlossen ist, Teil ihrer Sprache bzw. Varietät. Dieser Prozess ist zunächst durchaus als positiv zu werten, da die Entlehnungen in ihrer meist nach kurzer Zeit naturalisierten, legitimierten Form eine Bereicherung für die Aufnahmesprache darstellen. Spätestens an dieser Stelle, und vor allem auch bei der Frage, wie der Entlehnungsprozess vonstatten geht bzw. wann er abgeschlossen ist, setzt die eingangs des Kapitels erwähnte Bezeichnungsproblematik ein. Hudson (1980, 59) gibt beispielsweise zu bedenken, dass Entlehnungen in verschiedenen Assimilierungsgraden auftreten, man sie also sozusagen auf einer Skala je nach Höhe des Assimilierungsgrades anordnen könne. Weiterhin erschwert werde die Klassifizierung von Entlehnungen, da diese nicht unbedingt auf allen sprachlichen Ebenen auftreten müssten, sondern teilweise nur Einzelbereiche, z. B. nur den semantischen Gehalt einzelner Lexeme oder nur die Phonetik beträfen. Payrató konstatiert beispielsweise in seinem Artikel zur Terminologie der Sprachkontakte «múltiples confusions i imprecisions que deriven del vocabulari terminològic usualment emprat per referir-se als fenòmens resultants de les influències interlingüístiques» (1985, 45); er verweist darin auch auf die in anderen Sprachen, vor allem dem Englischen und Deutschen, vorhandene Terminologie, welche detailliertere Beschreibungen als das Katalanische zulässt. Greift man auf die deutsche Terminologie zurück und betrachtet die Entlehnungen auf allen Ebenen des Sprachsystems, gelangt man zu folgendem Schema:
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Lehngut
Lehnphonem
Lehngraphem
Lehnmorphem
Lehnwortschatz
Lehnwort i.w.S. (lexikal. Entlehnung)
Fremdwort
Lehnwendung
Lehnsyntax
Lehnprägung (semant. Entlehnung)
Lehnwort i.e.S.
Lehnbedeutung
Lehnbildung
Lehnformung
Lehnübersetzung
Lehnschöpfung
Lehnübertragung
Graphik 2–1: Lehngut (cf. Glück 2000, 402)13
Ausgehend vom Begriff des Lehnguts als zusammenfassende Bezeichnung für alle Formen der Beeinflussung einer Sprache durch andere Sprachen erfolgt eine Unterteilung auf verschiedenen Ebenen,14 von denen – wie in der Graphik zu erkennen ist – der Lehnwortschatz, und damit die lexikalische Ebene, den größten Nährboden für die Integration von fremdsprachigem Gut darstellt. Wortschatzelemente sind ein offenes Inventar, das einem ständigen Wandel unterliegt; sie haben eine niedrigere Frequenz als grammatische Elemente, daher wirken sich Veränderungen in der Realität sprachlich zuerst im lexikalischen Bereich aus (cf. Dietrich/Geckeler 1990, 102s.). Der Wortschatz weist somit auf die geistig-kulturellen und politisch-sozial-ökonomischen Verhältnisse einer Sprachgemeinschaft hin und kann als die letzte sprachliche Schicht vor dem Übergang zur außersprachlichen Wirklichkeit verstanden werden. Bruguera spricht auch davon, dass «la història del lèxic és en gran part la història dels manlleus que la llengua ha anat fent – i encara fa – a d’altres llengües» (1985, 15). Der Bereich der Lexik lässt sich in Bezug auf die Entlehnungen aufteilen in eher formale und eher inhaltliche Aspekte, d.h. in Lehnwörter im weiteren Sinne und Lehnprägungen.
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Eine ähnliche Typologie der Entlehnungen findet sich bei Oksaar (1984, 847). Hier erfolgt eine Aufteilung des Lehngutes in Lehnphonem, Lehngraphem, Lehnmorphem, Lehnwortschatz, Lehnwendung, Lehnsyntax.
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Lehnwörter i.w.S. wiederum ermöglichen eine erneute Unterklassifizierung, je nach Assimilierung oder Nichtassimilierung in phonetischer, graphischer oder morphologischer Hinsicht (cf. hierzu auch das Drei-Phasen-Modell von Schmidt-Radefeldt (1995b, 193), das von Thielemann (2002, 413s.; 2003b) als Vier-Stufen-Modell adaptiert wird; cf. 2.1.5.2.). So kann hier zwischen Lehnwörtern im engeren Sinne und Fremdwörtern unterschieden werden. Als Fremdwort bezeichnet Glück einen in den Wortschatz einer Sprache A integrierten, aus einer Sprache B stammenden Ausdruck, der in seiner Lautung und/oder Schreibung und/oder Flexion nicht oder nur teilweise in das System der Sprache A integriert ist (cf. 2000, 220). Die Klasse der Lehnwörter im engeren Sinne umfasst im Unterschied zum Fremdwort allein solche Entlehnungen aus einer fremden Sprache, die in Phonie, Graphie und Flexion vollständig in die entlehnende Sprache integriert sind. Der Übergang zwischen beiden Subklassen ist fließend, da zunächst viele als Fremdwort übernommene Termini im Laufe der Zeit mehr oder weniger vollständig angeglichen und integriert und so zu Lehnwörtern werden. Inhaltliche Wortschatzeinflüsse einer Sprache A auf Ausdruckselemente einer Sprache B werden in der Graphik als Lehnprägung bezeichnet. Fachsprachlich sind sie auch unter Calque oder Kalkierung geläufig, eine Bezeichnung, welcher man in der katalanischen Terminologie wiederbegegnet. Diese Ebene der semantisch identischen oder ähnlichen Nachbildungen weist ebenfalls zwei Unterklassen auf. Soweit nur die Bedeutung übernommen und auf ein vorhandenes heimisches Wort übertragen wird, spricht man von einer Lehnbedeutung. Diese entspricht dem von Thielemann verwendeten Begriff des Neosemantismus bzw. des semantischen Anglizismus (2002, 418s.; 2003b). Hier wird die Bedeutung eines Wortes der Sprache A in das schon vorhandene entsprechende Wort der Sprache B übernommen, welches dadurch eine Bedeutungserweiterung, d.h. die Erweiterung des Bedeutungsspektrums des Lexems um ein Semem, das zu den bereits vorhandenen hinzutritt, erfährt. Thielemann bezeichnet Neosemantismen «gerade für fachsprachliche Ausdrücke als glückliche Lösung […], ein ökonomischer Weg, um vorhandene Lexik zu aktivieren, anstatt das System mit ungeläufigen Neologismen zu belasten» (2003b; cf. auch 2002, 419). Gleichzeitig haben nach Ansicht des Autors Neosemantismen oder semantische Anglizismen den Vorteil, den Grad der Vertrautheit mit dem neu zu bezeichnenden Sachverhalt zu steigern. Daneben gibt es die Lehnbildung (engl. semantic calque, kat. calc semàntic) mit ihren beiden Unterklassen der Lehnschöpfung und Lehnformung, wobei letztere ebenfalls zweigeteilt als Lehnübersetzung sowie -übertragung auftritt. Bei Lehnschöpfungen wird ein fremdsprachiger Ausdruck in der Nehmersprache anhand der Elemente und Muster des Systems formal gänzlich frei nachgebildet. Lehnübersetzungen und -übertragungen hingegen sind formal abhängig und übersetzen alle bzw. einzelne Bestandteile eines fremdsprachigen Ausdrucks in die Nehmersprache. Sie alle haben nach Thielemann den Vorteil, «die neuen Begriffe in konventioneller Tracht zu prä31
sentieren, womit ihnen nicht das Image des Fremden anhängt; sie scheinen einheimische Bildungen zu sein» (2003b). Bei den calcs ist kennzeichnend, dass der semantische Inhalt aus der Ausgangssprache erhalten bleibt, die Form aber mit den Mitteln der Aufnahmesprache gebildet wird. Die katalanische Terminologie kennt vor allem zwei Begriffe, die zum einen dem deutschen Lehnwort im weiteren Sinne, zum anderen der Lehnprägung mehr oder weniger entsprechen: manlleu und calc (semàntic). Dass die Begrifflichkeiten jedoch wenig klar sind, zeigt sich schon in den Definitionsunterschieden verschiedener Nachschlagewerke. So gibt das Gran Diccionari 62 de la llengua catalana (GD62) folgende Beschreibung von manlleu: «manlleu: […] Element d’una llengua que s’incorpora a una altra llengua o un mot tècnic que passa a formar part de la llengua comuna» (López de Castillo 2000, 720).
Im Diccionari de l’Institut d’Estudis Catalans (DIEC) heißt es zum gleichen Begriff: «manlleu: […] Element lingüístic, sobretot lèxic, que passa d’una llengua a una altra i s’hi integra».
Die ausführlichste Definition bietet das Diccionari de Sociolingüìstica (DSL): «manlleu (o préstec) (borrowing) Unitat lingüística pròpia d’una llengua X que s’ha integrat fonològicament, morfològicament i sintàcticament en una llengua receptora Y. Els manlleus són més o menys estables i, per tant, recurrents en la parla dels individus I de la comunitat […]» (Ruiz et al. 2001, 187).
Im GD62 wird der Begriff sehr weit gefasst; er ist auf alle sprachlichen Ebenen ausgedehnt und kann neben fremdsprachlichen Elementen auch fachsprachliche Entlehnungen in der Allgemeinsprache bezeichnen. Die engste Definition bietet sicherlich das DIEC, das besonders die lexikalische Ebene betont. Im DSL wird neben der sprachlichen Ebene und Integration der entlehnten sprachlichen Einheit auch der Gebrauch in der Nehmersprache angesprochen. Noch größer sind die Abweichungen bei der Definition von calc. Hier liest man im GD62: «calc: […] Forma de manlleu d’una llengua que consisteix a incorporar una expressió o un mot estranger mitjançant una traducció directa» (López de Castillo 2000, 181).
Das DIEC schreibt: «calc: […] Manlleu lèxic, sintàctic o semàntic que reflecteix l’estructura d’una forma estrangera a través d’una combinació d’elements nadius».
Und im DSL heißt es schließlich: «Calc (loan translation, semantic blend, calque) Reproducció d’elements lingüístics d’una llengua A en una llengua B, amb les modificacions pròpies d’aquesta llengua» (Ruiz et al. 2001, 59).
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Es fällt auf, dass die ersten beiden Einträge calc nur als Untergruppe bzw. Sonderform von manlleu ansehen. Das GD62 definiert calc sehr eingeschränkt als Lehnübersetzung, das DIEC erweitert den Begriff, der dann im eingangs dargestellten Schema der Lehnformung entspräche. Die am weitesten gefasste Definition des Begriffs findet man wiederum im DSL, welche alle sprachlichen Ebenen einbezieht und offen lässt, wie sehr die Form der Originalsprache beibehalten wird. Das DSL beschreibt außerdem den Unterschied zwischen manlleu (a) und calc (b) folgendermaßen: «a) importació a la llengua receptora d’elements de la llengua donant, b) substitució, procés que no implica l’adopció de la forma fònica de la llengua donant, sinó simplement la seva reproducció mitjançant elements propis de la llengua receptora».15
Unter dem Stichwort manlleu findet man weiterhin die Begrifflichkeit manlleu ocasional (engl. nonce borrowing) als einmalige, sprecherabhängige Entlehnung (cf. 2.1.5.2.). Payrató behandelt in seiner Publikation zur Terminologie der Sprachkontaktforschung manlleus unter dem Oberbegriff «fenòmens de contacte interlingüístics». Er kritisiert eingangs bereits den katalanischen Terminus an sich, da manllevar eigentlich einen wechselseitigen Prozess bezeichnet, der so bei Entlehnungen nicht vorliegt. Daher schlägt der Autor vor, eher von «adopció lingüística» oder «importació lingüística» zu sprechen (cf. Payrató 1985). Im Bewusstsein der Ambiguität des Begriffs als Prozess und Resultat desselben sowie der Tatsache, dass dieser, trotz weiter reichender Möglichkeiten, im Katalanischen häufig als rein lexikalisches Phänomen angesehen wird, versucht der Autor folgende Definition und unterscheidet hierbei nach «a) manlleu im weiteren Sinne als Prozess der Überführung eines Elements einer Sprache A in eine Sprache B und als sprachliches Element (jedweder Ebene), welches diesen Prozess durchlaufen hat, b) manlleu lèxic» (cf. Payrató 1984, 53s.).
Payrató lässt allerdings unklar, ob die rein lexikalischen Entlehnungen unter b) auch semantische Verschiebungen beinhalten und somit Lehnwörter und Lehnprägungen umfassen. Unter a) hingegen bezieht er, durch den Verweis auf den Integrationsprozess, alle fremdsprachigen Elemente einer Sprache mit ein, seien es Fremdwörter, Fremdwörter im Integrationsprozess oder bereits voll integrierte Lehnwörter. Durch die Ausdehnung der Begrifflichkeit, wie sie der Autor unter a) vollzieht, wird Kritik an der bis dato geläufigen Definition von manlleu deutlich. Payrató sieht hierin, in Anlehnung an Weinreich (cf. 1964, 1) und im Gegensatz zu vielen seiner Vorgänger, eine Evolution der Sprache, begründet durch die Imitation eines Modells von außen. Es
15
Cf. Ruiz et al. (2001, 59); die hier dargestellte Differenzierung geht zurück auf Haugen (1950).
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handelt sich beim manlleu also nicht nur um einen reinen Zusatz, sondern um eine Art Neuorganisation des ursprünglichen Sprachbestandes. Da diese häufig semantischer Art ist, lässt sich an dieser Stelle der Bezug zum calc herstellen; so erklärt sich auch zum Teil die oben dargestellte Definition dieses Begriffs unter Einbeziehung des Terminus manlleu in vielen katalanischen Wörterbüchern. Bei Payrató ist zu finden: «calc: […] un manlleu de traducció, en què s’importa un model […]» (1984, 54).
Payrató merkt kritisch an, dass manlleu sich in der Fachliteratur fast ausschließlich auf lexikalische Phänomene bezieht und nur am Rande phonische und morphologische Erscheinungen integriert. Dies liegt auch daran, dass morphologische Elemente schwieriger in eine andere Sprache zu integrieren sind und daher weit seltener auftreten.16 Semantische und syntaktische Veränderungen, die durch fremdsprachigen Einfluss hervorgerufen werden, erhalten, wenn sie bisher auch viel weniger erforscht wurden, meist die Bezeichnung calc. Die gerade bei semantischen Veränderungen bestehende Verquickung mit einer bestimmten lexikalischen (oder eventuell auch nur morphologischen) Einheit wird bei dieser Begriffswahl nicht bewusst. Ein gemeinsamer Oberbegriff wie beispielsweise Lehngut fehlt im Katalanischen. Gerade dieses Zusammenwirken von calc und manlleu stellen Boix/Vila17 schematisch dar:
16
17
Boix und Vila (1998, 236) greifen diesen Aspekt der Konzentration der entlehnten Elemente auf bestimmten sprachlichen Ebenen auf und nennen drei Faktoren für die Entlehnbarkeit (kat. manllevabilitat, engl. borrowing capacity) sprachlicher Elemente auf die langue bezogen: «a) El grau d’integració paradigmàtica: com menys integrada en un paradigma tancat, més fàcil de manllevar serà una unitat lèxica. Això explica que noms i verbs siguin manllevats amb molta més facilitat que determinants o pronoms. b) La flexió en la llengua donant: les unitats flexionades en la llengua donant resulten més difícils de manllevar que les no flexionades. c) La situació perifèrica de la unitat en la construcció de l’oració: les unitats perifèriques a la gramàtica de l’oracio […] són manllevades amb més facilitat que les no perifèriques; això explicaria que els substantius fossin manllevats normalment amb força més facilitat que els verbs, veritables centres de gravetat de l’oració». Trotz des hier eindeutig dargestellten Bezugs zu lexikalischen Einheiten, erklärt sich aus diesen Kriterien heraus auch die Tatsache, dass beispielsweise syntaktische Gruppen durch ihre festere Integration in ein geschlossenes Paradigma (a) schwerer zu entlehnen sind. Das seltenere Auftreten von morphologischen Entlehnungen erklärt sich ebenfalls aus deren festerer Integration in größere lexikalische Einheiten (a) bzw. erschwert die Flexion die Übernahme einzelner Morpheme (b). Cf. hierzu auch Haugen (1950) sowie Poplack/Sankoff/Miller (1988). Cf. Boix/Vila (1998, 227) in Anlehnung an die Sprachkontaktphänomene bei Pompeu Fabra.
34
Nivell
Fenomen
1.
Fonètic
1.1 Acomodació de trets aliens no vinculada al manlleu lèxic; Adopció de caracteristiques prosòdiques d’una altra llengua; pèrdua de distincions fonètiques que ignora l’altra llengua 1.2 Introducció de sons aliens vinculada al manlleu lèxic
2.
Lèxic
2.1 Manlleu lèxic (més o menys adaptat, més o menys detectable) 2.2 Adaptació mediatitzada de cultismes, estrangenismes i neologismes; 2.3 Calc lèxic; Traducció literal de paraules, d’elements de mots complexos i frases fetes; Acomodació de significats entre paraules que presenten alguna semblança inicial
3.
Morfològic
3.1 Manlleu de morfemes derivatius 3.2 Readjustament en el sistema de distincions 3.3 Canvi de classe morfològica
4.
Sintàctic
4.1 Canvi del comportament sintàctic dels mots 4.2 Canvi en la distribució de funcions de les marques morfològiques
5.
Discursiu
Tabelle 2–1: calc und manlleu auf verschiedenen sprachlichen Ebenen (cf. Boix/Vila 1998, 236)
Ähnlich wie in der eingangs aufgezeichneten Graphik erfolgt hier eine Aufteilung nach sprachlichen Ebenen. Besonders im Bereich der Lexik (vergleichbar mit dem «Lehnwortschatz» in Graphik 2–1) wird das Neben- und Miteinander von calc und manlleu deutlich. Aber auch bei einer Betrachtung der in den Zeilen drei und vier behandelten Morphologie bzw. Syntax wird, wenn auch nicht wortwörtlich erwähnt, deutlich, dass hier semantische Veränderungen eine Rolle spielen (z. B. Wechsel der morphologischen Klasse, Veränderung in der Funktionsverteilung, etc.). Dies entspricht auch der Auffassung von Semantik nach Coseriu, der die Semantik nicht nur als Zweig der Sprachwissenschaft versteht, welcher sich ausschließlich mit der Bedeutung der Lexeme – d.h. mit der lexikalischen Bedeutung – beschäftigt, sondern definiert: «Die Semantik ist im weitesten Sinne die Untersuchung der sprachlichen Inhalte, d.h. der semantischen Seite der Sprache. Da nun die ganze Sprache per definitionem ‹semantisch› ist, so hat die Semantik in diesem Sinne die ganze Sprache als ihr Objekt» (1974, 81).
In der Korpusanalyse (cf. 5.2.) werden das hier dargestellte Schema sowie die zu Beginn dieses Kapitels dargestellte Übersichtsgraphik besondere Berücksichtigung finden. In der Verwendung der Entlehnungsbegriffe werde ich mich jedoch eher an der deutschen Terminologie orientieren, nicht so sehr, weil sie konzeptuell von der katalanischen in großem Maße differieren würde, sondern vor allem aufgrund ihrer größeren Bezeichnungsvielfalt. 35
Die nächsten beiden Kapitel beschäftigen sich näher mit internen Differenzierungs- und Abgrenzungsschwierigkeiten der Oberbegriffe calc und manlleu bzw. Lehnwort i.w.S. und Lehnprägung. An dieser Stelle sei kurz auf zwei bereits aus dem DSL zitierte Termini hingewiesen, die auf Haugen (1950) zurückgehen und von Boix/Vila (cf. 1998, 228) aufgegriffen werden: das Importieren von Elementen einer Gebersprache in eine Nehmersprache sowie die Substitution als Reproduktion eines Elements der Gebersprache mit den sprachlichen Mitteln der Nehmersprache. Boix/Vila setzen das Importieren den manlleus bzw. die Substitution den calcs gleich. Erwähnenswert ist eine an dieser Stelle neu auftauchende Mischgruppe, die so genannten «Hybride», bei denen ein Wortteil substituiert ist, der andere jedoch aus der Nehmersprache kommt. Diese, sowie die bereits erwähnte Unterscheidung zwischen Fremd- und Lehnwort werden Aspekte des folgenden Kapitels sein. 2.1.5.1. Lehnprägungen Im Gegensatz zu der sonst häufig üblichen Darstellungsreihenfolge, die in vielen Publikationen mit den Lehnwörtern beginnt, möchte ich zuerst auf die Lehnprägungen eingehen. Hierzu zählen Prägungen, bei denen der semantische Inhalt entlehnt und beibehalten, die Form, nach Regeln der Aufnahmesprache und meist in Analogie zur Sprache, aus der entlehnt wird, jedoch neu geprägt wird. Dies ist im Katalanischen z. B. der Fall bei vielen Termini der Computerfachsprache wie processar, welches eine Erweiterung vom juristischen Begriff auf die Datenverarbeitung erfährt, oder in der Musik bei cultura punk für punk culture. Dies liegt zum einen daran, dass im Zusammenhang mit den Lehnwörtern auch noch die Abgrenzung zwischen diesen, den individuell gebrauchten Lehnwörtern (engl. nonce borrowing, kat. manlleu ocasional) und den Interferenzen zu diskutieren ist. Zum zweiten ist es durch diesen Aufbau möglich, die fremdsprachigen Einflusselemente schrittweise nach dem Grad der «Auffälligkeit» in der Nehmersprache zu sortieren. Allen der Gruppe der Lehnprägungen zugeordneten Phänomenen (Lehnbedeutung und Lehnbildung mit den entsprechenden Untergruppen) ist gemeinsam, dass sie nie oder nach kürzester Zeit nicht mehr eindeutig als Entlehnungen in der Nehmersprache erkennbar und somit schwierig zu identifizieren sind. Dies erklärt sich aus der Anlehnung an rein semantische Inhalte der Originalsprache, bzw. deren Übertragung oder Übersetzung, welche aber in jedem Fall die sprachlichen Mittel der Nehmersprache nutzen. Die neuen Morpheme, Lexeme etc. sind demnach von Beginn an vollständig phonetisch, graphisch und meist auch syntaktisch integriert und ermöglichen teilweise nur schwer Rückschlüsse auf ihre jeweilige Herkunft. Wenn schon nicht die Wörter selbst, so liefern doch die semantischen Felder, denen sie entstammen oder in die sie in der Aufnahmesprache integriert werden, Hinweise auf einen möglicherweise durchlaufenen Entlehnungspro36
zess. Einige semantische Felder weisen prozentual weit mehr Entlehnungen auf als andere. Dies geschieht vor allem in Bereichen, in denen eine Kultur – und damit auch Sprache – eine Vorreiterrolle innehat, wie das Englische z. B. in der Informatik. Dieses soziokulturelle Motiv für Entlehnungen findet man selbstverständlich noch stärker ausgeprägt im Bereich der Lehnwörter, denkt man zum Beispiel an japanische Ausdrücke im Bereich der Kampfsportarten oder allgemein Bezeichnungen in der Gastronomie. In Bezug auf die Häufigkeit der Entlehnungen nach semantischen Feldern lässt sich zwischen zwei Typen unterscheiden, nämlich den «camps semàntics interns i externs al sistema de la llengua» (Rull 2000a, 21). Als Beispiel für ein «camp semàntic extern» führt der Autor Begrüßungsfloskeln an, welche ihm zu Folge als expressive Ausdrücke wenig oder keinen semantischen Inhalt haben und mit keinem konkreten Konzept verbunden sind. Sie sind äußeren Einflüssen weit mehr ausgesetzt als «camps semàntics interns». Von diesem für den gesamten Lehnwortschatz gültigen Überlegungen zurückkommend auf die Lehnprägungen (calcs), möchte ich kurz einen Ansatz von Vila/Bellés aufgreifen, die folgende Definition von calc geben: «Considerem calc semàntic aquella unitat lèxica que experimenta algun tipus de canvi semàntic paral·lel al que pateix el seu equivalent en una altra llengua i per influència directa d’aquesta equivalència. Considerem calc formal aquella unitat lèxica formada mitjançant els recursos de la pròpia llengua per mimetisme amb una unitat lèxica d’una altra llengua, la forma de la qual la primera tendeix a imitar» (1989, 12s.).
Obgleich eine scharfe Trennung zwischen semantischem und formalem calc schwierig erscheint, da auch bei der formalen Übertragung oder Übersetzung immer semantische Inhalte einfließen (wenn diese auch in beiden betroffenen Sprachen in diesem Falle die gleichen sind), ist gerade die Definition von semantischem calc in ihrer weiteren Auslegung erwähnenswert. Vila/Bellés erklären hierzu: «Si considerem els termes inclosos dins una xarxa imaginària d’hipònims i hiperònims, les possibles relacions entre un neologisme i el mot que li ha donat origen mitjançant un canvi semàntic són: a) Conversió en un hipònim b) Conversió en un hiperònim c) Conversió en un cohipònim
[...] [...] [...]
Especificació semàntica Extensió semàntica Desplaçament semàntic» (1989, 36s.).
Ein semantischer calc geht den Autoren zufolge immer mit einer semantischen Veränderung, die in Form einer Bedeutungserweiterung, Bedeutungseinschränkung oder einer Bedeutungsverschiebung geschehen kann, einher (cf. die Begriffe des semantischen Anglizismus und des Calque bei Thielemann 2002; 2003b). Der Fall der exakten Beibehaltung des semantischen Inhalts in der Nehmersprache wird, wie bereits angedeutet, von Vila/Bellés nicht den semantischen, sondern den formalen calcs zugeordnet. Mit dem 37
Ansatz der beiden Autoren lässt sich die in Punkt 2.1.5. angesprochene, von Payrató propagierte Neuorganisation des ursprünglichen Sprachbestandes durch manlleus also leicht auch auf calcs ausdehnen. Ein nicht nur die Lehnprägung, sondern den gesamten Lehnwortschatz betreffendes Phänomen ist die in vielen Sprachen seit einiger Zeit stark aufflammende Purismusdiskussion über das Maß der «zulässigen» Neologismen fremdsprachigen Ursprungs. In den meisten Fällen wird sie in Bezug auf die steigende Zahl der Anglizismen geführt. Sie findet natürlich auch im Katalanischen statt. Offiziell zuständig für die Integration von Neologismen ins Katalanische ist das 1985 von der Generalitat de Catalunya gegründete Terminologiezentrum Termcat.18 Wie aus dem Interview mit dem Leiter der Abteilung für sprachliche Normalisierung von Termcat, Xavier Fabregàs (INFO5) sowie Artikeln aus der Zeitung El Punt (2005a; 2005b) hervorgeht, handelt es sich vor allem um Termini aus den Bereichen Genetik, Informatik, Sport und Gastronomie, darunter viele aus dem Englischen, die für das Katalanische adaptiert werden – seit Gründung von Termcat waren das ca. 6000 Lexeme. Andere Bereiche, wie die Jugendsprache, finden dagegen keinen Eingang in die Termcat-Wörterbücher. Als Begründung für die Dominanz bestimmter Sektoren bei der Schaffung neuer Lexik nennt Xavier Fàbregas die auf finanziell aufwändigere Weise betriebene Forschung und Innovation. Aus dem Katalanischen selbst, so der Linguist, entstehen kaum neue Termini (cf. El Punt 2005a). An späterer Stelle (cf. 2.1.5.2.) wird bezüglich der Jugendsprache noch genauer auf die besondere Situation der katalanischen Sprache im Hinblick auf derartige Sprachkontaktphänomene eingegangen. Auf die Lehnprägungen bezogen möchte ich hier allerdings kurz auf die vom Termcat (1990) veröffentlichten Criteris lingüístics per a la terminologia verweisen, die als ein Versuch zur Erstellung allgemeiner Richtlinien im Gebrauch von Lehnprägungen (und auch Lehnwörtern) angesehen werden können. Als akzeptabel bei ersten gelten beispielsweise «calcs fixats, incorporats sovint a les obres lexicogràfiques, […] i formacions integrades per elements que es combinen d’acord amb el sistema gramatical català i presenten un significat a la cosa designada» (1990, 11).
Nicht akzeptiert werden sogenannte «calcs innecessaris», für die die katalanische Sprache selbst Wörter oder Wendungen bietet, die das gleiche Konzept ausdrücken. Weiterhin inakzeptabel sind calcs, welche grammatikalisch mit dem Katalanischen unvereinbar sind (cf. Termcat, 1990, 11s.).
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Cf. http://www.termcat.es (letzter Zugriff am 27. Februar 2008); Termcat ist eine von der Generalitat de Catalunya, dem Institut d’Estudis Catalans und dem Consorci de Normalització Lingüística geschaffene Einrichtung mit 22 Mitarbeitern und einem Jahresbudget von 1,4 Millionen Euro zur Erarbeitung von (Fach)Wörterbüchern (cf. El Punt 2005b).
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Derartige Richtlinien können sicherlich zu einer Sensibilisierung für die Problematik zu vieler, unreflektierter Entlehnungen aus anderen Sprachen beitragen, ihre konkrete Anwendbarkeit dürfte jedoch durch die recht schwammigen Formulierungen eher beschränkt sein. Ein interessanter Punkt in den Kriterien von Termcat ist die auch hier präsente Zuordnung zu bestimmten semantischen Feldern nach Häufigkeit der darin auftretenden Lehnprägungen oder -wörter; zu nennen wären z. B. die Bereiche Wissenschaft und Technik, Sport, Mode, Gastronomie und Kultur im weitesten Sinne. Bevor im Anschluss die Lehnwörter behandelt werden, sollen an dieser Stelle die Hybride zur Sprache kommen. Diese Übergangselemente, entstanden aus der Symbiose einer Entlehnung mit einem Lexem/Morphem der Nehmersprache, können sowohl den Lehnprägungen als auch den Lehnwörtern beigestellt werden. Bei Payrató wird dies deutlich in der Bezeichnung der Eigenschaft der Hybride als «compostos per elements de llengües diferents» (1985, 47). Boix/Vila hingegen schreiben sie eher den Lehnwörtern zu, indem sie sie als «compostos d’una part catalana i d’una de manllevada» qualifizieren (1998, 229).
2.1.5.2. Lehnwörter «Considerem manlleu aquella unitat lèxica creada en una altra llengua i traslladada al català conservant íntegrament el significat i el significant. Un cop en català, pot haver adaptat la seva forma – o no – a les habituds fonètiques, morfològiques, etc. del català. Seguint aquest criteri, si el català manllevés un mot d’una altra llengua i l’incorporés al seu vocabulari, i si posteriorment aquest mot experimentés algun tipus de canvi semàntic que no fos compartit per la llengua d’origen, no ens trobaríem estrictament davant d’un manlleu, sinó d’una unitat ja incorporada al català amb un canvi semàntic» (Vila/Bellés 1989, 12).
Wie man aus diesem Zitat ersehen kann, existiert neben der Unterteilung der Lehnwörter i.w.S. in Fremdwörter bzw. Lehnwörter i.e.S. (cf. Graphik 2–1), die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Eingliederungsgraden der Lehnwörter (partielle bzw. vollständige Adaptation) zu unterscheiden. Daneben wären die von Vila/Bellés nicht angesprochenen Fremdwörter zu nennen, die im Folgenden näher beleuchtet werden sollen. Die laut den Autoren zweite Stufe der Entlehnung, nämlich die im Anschluss möglicherweise ablaufende semantische Veränderung, welche als eine Annäherung der Lehnwörter an die Lehnprägungen gesehen werden kann, wird in diesem Kapitel ebenfalls noch kurz aufgegriffen. Payrató kritisiert neben den vielen Schnittpunkten und daraus entstehenden Unklarheiten bei den Begriffsbestimmungen auch die Ungenauigkeit vieler Autoren beim Umgang mit den Termini der Sprachkontaktforschung. Häufig werden Begriffe nur auf lexikalische Phänomene angewandt und erfahren dadurch eine unbeabsichtigte semantische Einschränkung. Bei anderen Bezeichnungen ist sogar eine Art Degradierungsprozess zu beobachten (cf. Payrató 1984, 49). 39
Barbarismus zur Bezeichnung von Fremdwörtern ist ein im Deutschen eher selten gebrauchter Begriff, welcher laut Glück heutzutage allgemein sprachliche Unkorrektheiten bezeichnet. An gleicher Stelle heißt es allerdings auch: «[…] als B. galten falsch ausgesprochene oder verstümmelte Wörter, Phantasie- und Fremdwörter, bes. aus Spr. kulturell unterlegener Völker» (2000, 91). Dass die zweite Definition im katalanischen Empfinden bis heute ihre Gültigkeit bewahrt hat, wird am Eintrag im DSL deutlich: «Barbarisme: Forma lingüística – particularment lèxica – d’origen estranger, no assimilada i normativament rebutjada. Són abundants en la parla dels parlants de llengües minoritzades com a conseqüència de la interferència lingüística que exerceix la llengua dominant» (Ruiz et al. 2001, 49).
Die gesteigerte Frequenz von Barbarismen in Minderheitensprachen greift Sinner in seiner Arbeit El castellano de Cataluña auf. Er geht im Vergleich zum DSL noch einen Schritt weiter und schreibt den Katalanen (in der katalanischen wie in der spanischen Sprache) die Tendenz zu, barbarisme bzw. barbarismo fast ausschließlich an Stelle von castellanisme bzw. catalanismo zu gebrauchen: «[…] también constatamos algunos empleos bastante arbitrarios de términos como barbarismo y vulgarismo. [...] Cabe resaltar, sin embargo, la clara tendencia de los catalanes a emplear la palabra barbarismo como sinónimo de catalanismo (o catalanada […]), muy probablemente por influencia de la práctica extendísima en Cataluña (y en la lingüística catalana) de denominar todos los castellanismos como barbarismo […]» (2004, 609).
Einige Beispiele aus der Aufzeichnung seines Korpus bestätigen diese Tendenz (2004, 609s.): «A: ¿Cómo se llama, una expresión, un vocablo, o giro propio de la lengua catalana […] en el castellano por ejemplo? B16: Barbarismo. A: ¿Cómo se llama una palabra francesa? B16: Eeeeh un galicismo. A: ¿Y una alemana? […] B16: (…) Ah germanismo. A: ¿Y una portuguesa? B16: (…) Uuuuuh, ni idea. ¿Lusismo? A: ¿Y la catalana por qué barbarismo? B16: Eeeeeh, catalanismo. (risa) A: ¿Por qué habrías dicho barbarismo? B16: Supongo porqueeee, cuando estamos/ (…) ya porque es al revés. Eeeh las palabras/ o sea un giro español en lengua catalana, es, barbarisme. […] A: O sea, ¿un anglicismo también sería un barbarisme? (pausa de tres s.) Si digo por ejemplo, ‹feeling›, en catalán. B16: El ‹feeling›. A: ¿Lo llamarías barbarisme? B16: No».
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«B06: Catalan/nnismo/ catalanad/ yo digo catalanada pero esto es muy coloquial. <…> Pues catalanismo. O barbarismos. A: ¿Cuál es la diferencia entre catalanada y catalanismo? B06: Yo diría que catalanada es más coloquial. A: Mh. B06: No escribirías, catalanadas.
Aah, barbarismos. Ah pero los barbarismos son del/ del castellano en catalán. <…> Bueno igual un barbarismo también. Es lo mismo».
Problematisch ist also die negative Konnotation des Begriffs, die zur weit verbreiteten Meinung beiträgt, dass die als «Barbarismus» eingestuften Entlehnungen (darunter vor allem Lehnwörter) «eliminiert» werden sollten, und sich trotz neutral gefasster Definitionen beständig hält. Die Gran Enciclopèdia Catalana gibt beispielsweise ganz allgemein «ús impropi o innecessari d’expressions i de mots forasters contra el geni de la llengua (castellanisme, gal⋅licisme, etc.)» an, die Real Academia Española nennt «faltas de ortografía, acentuaciones erróneas, el ceceo, formaciones erróneas, extranjerismos, arcaísmos, palabras usadas indebidamente etc.», und im Diccionario de uso del español von María Moliner ist die Rede von «palabra o expresión tomada o adaptada de una lengua extranjera en el idioma de que se trata» (cf. auch Payrató 1984, 48s.). Mit speziellem Bezug auf das Katalanische schreibt M. Franquesa im Diccionari de sinònims: «Per barbarisme entenem els mots d’aspecte català, amb unes formes i una accentuació pròpies del català, però que en el fons no són més que una adaptació d’un mot estranger. Són mots que no són identificables com a forasters al primer cop d’ull» (zit. nach Payrató 1984, 51).
Franquesa setzt den Barbarismus einem assimilierten Lehnwort gleich. Laut ihm handelt es sich hierbei also um ein Wort, das den Prozess der Integration schon abgeschlossen hat und nicht mehr als Fremdwort identifizierbar ist. Ganz anderer Meinung ist hingegen das DIEC, das Barbarismus als «forma lèxica d’origen estranger que no es considera assimilada a la llengua pròpia» auffasst und diesen somit eigentlich dem Fremdwort gleichsetzt. Zurückgreifend auf den Eintrag bei Glück ist der Barbarismus als Bezeichnung für eine Entlehnung doch eher veraltet und die allgemeine Zuordnung zum Begriff Fremdwort (estrangerisme), abgesehen von der oben erwähnten Auffassung vieler hispano- oder katalanophoner Sprecher, die geläufigste.19 Die in katalanischen Wörterbüchern zu findenden Bezeichnungen für estrangerisme als «mot que es pren d’una llengua estrangera per incorporarlo a la pròpia» (López de Castillo 2001, 477) oder «mot manllevat a una llengua estrangera» (DIEC) gehen der Definitionsproblematik in Bezug auf
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Im DSL ist allerdings das umgekehrte Phänomen auffällig, hier existiert beim Eintrag estrangerisme nur der Verweis auf barbarisme.
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den Grad der Adaptation von Fremdwort und Lehnwort nicht wirklich auf den Grund. In Publikationen zur Terminologie der Sprachkontaktforschung werden allerdings Bemühungen deutlich, den Begriffen beizukommen, zum einen durch Hierarchisierung, zum anderen durch den Versuch, beide Begriffe gegeneinander abzugrenzen: «Sembla que estrangerisme és l’hiperònim de les denominacions d’origen – aquestes definicions es contradiuen amb les d’un segon grup, les quals limiten l’abast del terme a la primera fase del fenomen, és a dir, quan l’element lingüístic encara no s’ha adaptat. Des d’aquest altra angle, doncs, l’estrangerisme adaptat esdevé un manlleu» (Payrató 1984, 48).
Während die erste Definition mehr oder weniger die genannten Wörterbucheinträge ergänzt, sind nach der an zweiter Stelle genannten Auffassung Fremdwörter und Lehnwörter in einer Art diachronischer Entwicklung voneinander getrennt und stellen zwei Extrempunkte im Prozess der Adaptation oder Integration dar. Einzelne Abschnitte dieses Prozesses wären demnach den verschiedenen Stufen von Lehnwörtern in partieller Adaptation gleichzusetzen, während reine Fremdwörter gar nicht, reine Lehnwörter jedoch vollständig angepasst wären.20 Eine ähnliche Typologie des Übergangs vom Fremdwort zum Lehnwort findet man bei Thielemann (2002; 2003b) in Bezug auf die Integration von Fremdwörtern, vor allem Anglizismen, ins europäische und brasilianische Portugiesisch. Thielemann verändert hier das von ihm zitierte Drei-Phasen-Modell der Adaptation xenoglossen Vokabulars nach Schmidt-Radefeldt (1995b, 193) in folgendes Vier-Stufen-Modell: «1) Zitieren des fremden Wortes, 2) nicht angeglichene Anglizismen, 3) Naturalisierung des Fremdwortes in den zwei Teilschritten der partiellen Integration in das grammatische System (Angleichung an geläufige graphische, phonetische, morphologische und grammatische Muster, z. B. chat wird zu xat im Katalanischen), 4) morphogrammatische Assimilation (Öffnung gegenüber dem Derivationssystem der aufnehmenden Sprache, z. B. chat → xat → xatejar)».
Problematisch bei diesen ansonsten für die Analyse sehr brauchbaren Stufenmodellen ist die fast unmögliche genaue Trennung zwischen den Phänomenen. Lewandowski stellt hierzu fest: «Eine präzise Trennung zwischen Lehnwort und Fremdwort ist schwierig; sie bleibt auch ohne praktischen Wert, wenn nicht puristische Ziele verfolgt werden» (1979, 458). Diese Auffassung teilt auch Barri i Masats. Die Autorin prangert einen zu großen Purismus an, der sich in einer großen Zurückhaltung gegenüber der Akzeptanz von Fremdwörtern im Katalanischen niederschlage. Daher beginne häufig der Prozess der Adaptation von Entlehnungen lexikalischer Art nicht mit dem 20
Cf. auch Pujadas/Turell (1993, 307), die als Lehnwort Elemente bezeichnen, die phonologisch und morphologisch in die Nehmersprache integriert sind.
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Auftreten von Fremdwörtern, sondern setze erst zu einem späteren Zeitpunkt als partielle Adaptation ein. Festzumachen sei dies an der bereits erfolgten Normativierung der Wörter durch die Aufnahme in entsprechende Lexika:21 «Un punt de referència […] ha estat el fet que un element lèxic d’una altra llengua figuri en el diccionari general (i normatiu). Fet que, d’altra banda, tampoc no pot ser considerat fora d’un context temporal i social. Temporal en la mesura que la incorporació de mots en un diccionari no pot mantenir el ritme d’incorporació de neologismes – de forma o d’ús – en la llengua. Social, perquè els canvis produïts en la societat queden també reflectits en la confecció d’un diccionari d’aquestes característiques: canvis en la moda, en els costums o en la consideració de mots tabú» (1999, 52).
Der hier angesprochene temporale und soziale Kontext, in dem Fremdwörter mehr oder weniger einfach Eingang in eine Sprache finden und adaptiert werden können, ist ein nicht zu unterschätzender Faktor bei der Betrachtung des Phänomens und wird auch von Kritikern und Puristen immer wieder aufgegriffen. Durch immer stärkere Annäherung und Austausch zwischen einzelnen Kulturen ist selbstverständlich auch ein engerer sprachlicher Kontakt spürbar, der sich in einer steigenden Anzahl von neuen Entlehnungen im Katalanischen wie in allen anderen Sprachen niederschlägt. Ein derartiger Globalisierungseffekt führt auch dazu, dass Begriffe aus dominierenden Sprachen nicht nur in eine, sondern in viele andere Sprachen übernommen werden. Neben ihrer Klassifizierung als Fremdwort tragen sie gleichzeitig auch den Stempel des Internationalismus. Ob es sich hierbei um Modeerscheinungen handelt, die nach kurzer Zeit wieder verschwinden, oder um Entlehnungen, die ihren Platz in den Wörterbüchern finden, in beiden Fällen ist der Umgang mit ihnen jedenfalls sehr ambivalent. Katalanische Kritiker sprechen häufig von «estrangerismes/manlleus útils o inútils», ohne genau festzulegen, wie diese Nützlichkeit zu definieren sei. Ein Erklärungsversuch hierzu sind die bereits angesprochenen Kriterien von Termcat (1990; cf. 2.1.5.1.). Hier werden als Motive für Fremd- oder Lehnwörter z. B. Notwendigkeit, Internationalität, Mode, Snobismus, Unachtsamkeit bzw. Ignoranz genannt. Barri i Masats nennt als weitere Faktoren
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An dieser Stelle sei auf den Unterschied in der katalanischen und der deutschen Version hingewiesen. Nimmt man den Wörterbucheintrag als Kriterium, so handelt es sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr um reine Fremdwörter, sondern eigentlich um teilweise in die Sprache eingegliederte Lehnwörter, was sich in ihrer graphischen bzw. phonetischen Adaptation, evtl. ihrer Bildung von Derivaten bzw. ihrer Integration in syntaktische Gefüge der Nehmersprache niederschlägt. Betrachtet man erneut Graphik 2–1, so findet man diese (in der Allgemeinsprache ohnehin) als Fremdwörter designierten Begriffe unter den Lehnwörtern i.w.S., während im Katalanischen in einem – bisweilen unreflektierten – Nebeneinander von estrangerismes und manlleus die Rede ist bzw. (cf. Payrató 1984) die estrangerismes als Hyperonym aufgefasst werden.
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die Neuheit und Effektivität der neuen Lexeme sowie, in geringerem Maße, das mit der Fremdsprache verbundene Prestige oder das Hervorhebenwollen der eigenen Sprachkenntnisse (cf. 1999, 54). Wie man sich leicht denken kann, sind nach Termcat nur Fremd- und Lehnwörter, welche einem der ersten beiden Motive zuzuordnen sind, wirklich nützlich, da sie zudem weniger vergänglich sind als solche, die aus anderen Gründen Eingang in die Sprache finden. Für die Integration solcher Termini in die katalanische Sprache existieren nach Termcat (cf. El Punt 2005b) drei verschiedene Möglichkeiten: die Übersetzung, die Adaptation und die exakte Übernahme eines Lexems, wobei von Termcat die Übersetzung als Idealfall angestrebt werde, aber nicht immer möglich sei. Als Beispiele für die drei Optionen nennt der Artikel in El Punt (2005b) Lexeme wie pírcing (phonetisch-orthographische Anpassung), croissant oder whisky (Übernahme der ursprünglichen Orthographie) bzw. correu electrònic (als Übersetzung vom englischen e-mail). Unter der Notwendigkeit der Übernahme von Fremd- oder Lehnwörtern ist der Prozess des Füllens von Leerstellen zu verstehen, weil z. B. in der Technik und Wissenschaft neue Bezeichnungsbedürfnisse entstehen.22 Diese entlehnten Begriffe gehen später vielfach in die Allgemeinsprache über. Ähnlich verhält es sich mit Fremd- oder Lehnwörtern, die aufgrund der immer stärkeren internationalen Zusammenarbeit in bestimmten Sektoren entstehen und Zwecken der gegenseitigen Verständigung dienen. Ein weiterer Schritt in diese Richtung wäre der Einsatz einer Lingua franca. Es ist zu erkennen, dass in einem derart puristischen Ansatz Entlehnungen in den Fachsprachen in jedem Fall eher ihre Lebensberechtigung erhalten als in der Allgemeinsprache. Der Übergang zwischen diesen beiden Registern wird allerdings immer fließender; wissenschaftlich-technische Bezeichnungen nehmen in ihrer rapiden Entwicklung auch in der Allgemeinsprache überhand und finden dort viel weiter gestreute Anwendung als ihre ursprünglichen Pendants. Bei Termcat heißt es hierzu: «Un estrangerisme, quan entra a la llengua receptora, només vol dir una cosa, la nova realitat, de manera que la denominació originària d’un concepte se sent més natural perquè és la primera que s’ha après» (1990, 2).
Für die Sprecher existiert nur ein Zusammenhang zwischen dem neuen Lexem und dem neuen Konzept; ihre eigene Sprache bietet ihnen keine Alternative, daher ist die erste Bezeichnung meist die, die am natürlichsten erscheint und in Folge schwierig wieder zu ändern ist. Aus dieser Haltung der Sprecher heraus entsteht im Katalanischen die Tendenz, die Integration von Fremd- und Lehnwörtern stark reglementieren zu wollen. Bei Termcat heißt es hierzu: 22
An dieser Stelle sei auch auf das von Thielemann (2003b) als «Pseudo-Anglizismus» bezeichnete Phänomen hingewiesen, wie es im Deutschen beispielsweise beim Lexem Handy vorliegt.
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«[…] esdevé fonamental la preocupació per detectar amb immediatesa les noves necessitats lèxiques, de manera que, abans que es propagui per inèrcia un estrangerisme, es proposi la forma genuïna més adient; altrament, hom pot arribar massa tard a l’intent d’impedir la subordinació gratuïta a una altra llengua que la pròpia» (2001a, 9).
Der hier angeführte Versuch, einer übermäßigen Aufnahme von Lehnwörtern in der katalanischen Sprache entgegenzuwirken, ist bereits früher bei Termcat in mehreren Schritten23 festgehalten. Zu den für die calcs genannten Akzeptanzkriterien, die gleichwohl für manlleus ihre Gültigkeit bewahren, sei bei den für Termcat akzeptablen Elementen noch zu ergänzen: «manlleus formats per elements cultes procedents del llatí o del grec [conforme a la norma internacional ISO R/860], manlleus de fixació vacil·lant, però molt estesos, fàcilment adaptables al sistema gràfic i fònic del català, manlleus aïllats i que sembla que no modificaran els camps denominatius de la llengua, manlleus que ja presenten una sèrie derivativa en un camp d’especialitat, manlleus molt estesos procedents de marques registrades i manlleus de base toponímica o antroponímica» (1990, 8s.).
Aus deutscher Sicht mögen derartig exakte Vorgaben für sprachlich schwer steuerbare Phänomene seltsam und schwer nachvollziehbar wirken. Klar erkennbar daraus ist eigentlich nur eine gewisse Unsicherheit im Umgang mit Sprachkontaktphänomenen im Katalanischen. Die Situation der Diglossie, welche trotz des Normalisierungsprozesses noch immer nicht vollständig in einen gleichberechtigten Bilingualismus umgewandelt ist (cf. 3.2.), hat jahrzehntelang ein unkontrolliertes Eindringen von mehrheitlich spanischen Entlehnungen gefördert. Hinzu kommt, dass die internen Verfahren zur Wortneubildung in einer Sprache zwar eigentlich vielfältig und flexibel sind, der Sprecher aber das einmal spontan aufgegriffene und bequeme Lehnwort bevorzugt. Eine Änderung im Nachhinein ist nicht oder nur schwer möglich, genauso wie die Behandlung aktuell entstehender sprachlicher Neuerungen erst nach und nach eine gewisse Ausgewogenheit erreichen kann. Einzig Fremdwörter, die spezifische Phänomene eines anderen Kulturkreises bezeichnen, sowie Eigennamen sind von diesen Reglementierungen ausgenommen. Doch selbst hier existieren Bestrebungen, ihre Behandlung, meist in Form von Vorgaben für ihre Übersetzung ins Katalanische, zu ver-
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Cf. Termcat (1990, 6s.). Hier werden folgende fünf Punkte angeführt: 1) buscar un equilibri entre admissió indiscriminada i el refús sistemàtic, 2) no considerar manlleu com un mal necesari, sinó més aviat com un procediment normal de formació de termes, 3) objectiu prioritari obtenció d’una coherència interna en l’admissió o refús de manlleus, 4) aplicació dels criteris adoptats ha de conduir a resultats, 5) respectar al màxim l’estructura fònica i morfològica de la llengua catalana. Statt Entlehnungen werden im Allgemeinen von Termcat eindeutig auf anderem Wege entstandene Neologismen, z. B. durch Derivation, Komposition, semantische Veränderung oder Lexikalisierung von Syntagmen bevorzugt.
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einheitlichen und dadurch eine semantische Bedeutungserklärung zu geben.24 So gesehen könnte man die übersetzten Eigennamen den Lehnprägungen zurechnen. Ein weiteres mögliches Kriterium für die Klassifizierung von Lehnwörtern, die bei der Zuordnung zu den entsprechenden Herkunftssprachen (cf. 2.2.) von Bedeutung ist, ist die Frage, ob es sich um ein direktes oder indirektes Lehnwort handelt. Indirekte Lehnwörter gelangen über eine dritte, meist in irgendeiner Weise dominantere Sprache in die endgültige Nehmersprache. Ein Beispiel hierfür sind die Indoamerikanismen im Katalanischen, die ihren Eingang über das Spanische fanden. In der katalanischen Terminologie lassen sich bei diesen indirekten manlleus zwei Bezeichnungsschritte festmachen. Das zu entlehnende Original wird auch als «ètim darrer» bezeichnet, das Wort in der Mittlersprache ist das «ètim immediat» (cf. Bibiloni 1998, 21). Wenn wir einen Schritt zurückgehen und noch einmal die Frage betrachten, wann denn nun ein vollständig adaptiertes Lehnwort vorliegt, kann man aufgrund der bisherigen Betrachtungen zu dem Schluss kommen, dass eine Integration stattgefunden hat, wenn das Lehnwort (a) phonetisch und graphisch vollständig adaptiert ist, (b) aus morphosyntaktischer Sicht soweit integriert ist, dass es als Basis für Derivate dienen kann und (c) evtl. neue semantische Inhalte annimmt und dadurch polysem wird. Ein weitaus größeres Abgrenzungsproblem stellt sich aber auf einer viel früheren Integrationsstufe, zu einem Zeitpunkt, an dem eigentlich noch von Fremdwörtern die Rede ist. Es tritt meist auf lexikalischer Ebene auf, da, wie bereits angesprochen, bei Lexemen eine größere Disposition für Entlehnungen als bei anderen Wortgruppen vorliegt. In ihrer Auflistung der Analysefaktoren für lexikalische Entlehnungen nennen daher van Hout und Muysken (1994, 40) neben Schwierigkeiten wie «multiple word-borrowing» die bereits diskutierten «degrees of adaptation»; weiterhin erwähnen sie Phänomene «such as syntactic convergence or influence together with lexical borrowing» sowie «types of borrowing (e.g. loan-blend, loan-shift)» sowie die so genannten «nonce borrowings». Diese Ad-hoc-Entlehnungen, im Katalanischen als manlleus ocasionals bezeichnet, sind fremdsprachige Lexeme, die eher zufällig und einmalig in eine Konversation einfließen und folglich eine stark individuelle Ausprägung beinhalten. Wie vielleicht zu erahnen ist, ergibt sich aus dieser Kurzdefinition eine zweiseitige Fragestellung der Abgrenzung: wie unterscheiden sich zum einen die Ad-hoc-Entlehnungen (auch als Alternierungen bezeichnet) von mehr oder weniger fest integrierten Lehnwörtern, und welche Differenz be-
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Entsprechende Publikationen sind beispielsweise Televisió de Catalunya (1997), Universitat de Barcelona, Servei de Llengua Catalana (1991).
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steht zum anderen zwischen ihnen und den Interferenzen bzw. dem CodeSwitching?25 Ausgehend von den bisherigen Betrachtungen lassen sich Lehnwörter als relativ genau festgelegte und ziemlich gut an die Normen der Nehmersprache assimilierte Einheiten beschreiben, die der ganzen Sprechergemeinschaft zugänglich sind. Bei den Alternierungen handelt es sich hingegen um sprachliche Realisierungen eines konkreten Sprechers in einem festen Kontext aus bestimmten Gründen; weiterhin fehlt im Wesentlichen die erwähnte Anpassung an die Nehmersprache. Poplack (1980) und Poplack/Sankoff (1984) schlagen daher ein variationistisches Analysemodell vor, um die Entlehnungsphänomene klar von denen des Code-Switching zu trennen. Sie legt als Kriterien für Entlehnungen nicht nur deren sprachliche (d.h. phonologische und grammatikalische) Integration ins System fest, sondern auch die soziale Integration, d.h. den tatsächlichen Gebrauch der Phänomene durch die Sprecher. Die soziale Integration kann nach Meinung der Autorin zwar auch beim Code-Switching erreicht werden, d.h. derartige Alternierungen können zu gesellschaftlich relativ weit verbreiteten Gesprächsmodalitäten werden. Eine vollständige bzw. partielle sprachliche Integration sieht Poplack beim Code-Switching hingegen nicht gegeben. Boix/Vila unterscheiden demnach, in Anlehnung an Poplack/Sankoff (1988), zwischen «alternances, caracteritzades perquè retenen íntegrament les característiques morfosintàctiques de la llengua donant» und «manlleus, que estarien adaptats morfosintàcticament a la llengua receptora» (1998, 252).26 Die Autoren vertreten allerdings die Meinung, dass es wenig sinnvoll sei, eine radikale Unterscheidung zwischen manlleu und alternança bzw. manlleu ocasional zu machen. Dies führe nur zu Verwirrungen, da es sich vielmehr um ein Kontinuum von «alternances monolèxiques menys integrades» hin zu «manlleus més ben adaptats» (1998, 253s.) handle. Das ist auch daran ersichtlich, dass bezüglich der grammatikalischen Integration von Entlehnungen bzw. Code-Switching-Phänomenen bei beiden sowohl eine unvollständige Anpassung an die morphosyntaktischen 25 26
Dieser Fragestellung wird detailliert von Poplack/Sankoff/Miller (1988) nachgegangen. Eine auf die Forderungen von Poplack aufbauende Untersuchung findet sich bei Otheguy (1993) bzw. Otheguy et al. (1989), die eine kubanische Sprechergruppe in den USA untersuchen. Sie bezeichnen alle phonetisch ins Spanische integrierten englischen Lexeme als single-word borrowings, sprechen aber bei Beibehaltung der englischen Aussprache von single-word switches. Poplack selbst lehnt es jedoch heute ab, nur den Faktor der Integration als entscheidend für die Klassifizierung von Phänomenen als Code-Switching gegenüber Entlehnung bzw. Ad-hoc-Entlehnung heranzuziehen: «Classic indication of loanword integration have had mediocre results in disambiguating the status of lone content items because different measures produce conflicting results. While these items are usually syntactically positioned according to the language in which they are embedded, they often appear to retain the phonetic properties of the donor language and sometimes appear to conserve donor-language morphology» (Poplack/Meechan 1998, 2).
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Gegebenheiten der Nehmersprache (cf. Gardner-Chloros 1991), als auch eine vollkommene Integration möglich sind (cf. Treffers-Daller 1990). Diese paradox anmutende Erscheinung erklärt sich nach Pfaff (1979, 298) vor allem dadurch, dass bestimmte Wortklassen, z. B. Verben, aus strukturellen Gründen eine vollständige Integration ins System – mit Anpassung der Flexionsendungen für Tempus, Modus, Numerus etc. – eher erforderlich machen als andere (z. B. Substantive, Adjektive). Lüdi, in gleicher Weise Gegner einer exakten Trennung der Begriffe manlleu und alternança, schlägt eine Analyse der Integration der Elemente vor, die bei ihm als lexikalische transkodische Markierungen klassifizierten werden. Dazu geht er von einer Basis dreier Achsen aus. Folgende Graphik soll diesen Ansatz veranschaulichen:27 MÀXIMA ASSIMILACIÓ: Mots dels quals només els etimòlegs coneixen l’origen estranger
Integració
Estabilitat
Difusió
Juxtaposició
Variació
Ús isolat
MÍNIMA ASSIMILACIÓ: Alternança de codi lèxica / transferència lèxica
Graphik 2–2: Drei-Achsen-Modell der Integration (cf. Lüdi 1987, 7)
Die drei Achsen sind keinesfalls isomorph zu betrachten. Es ist durchaus möglich, dass ein Lexem gleichzeitig einen sehr hohen Integrationsgrad, aber eine geringe soziale Verbreitung oder Stabilität aufweist. Gleichwohl kann sich auch ein sehr geläufiges Element auf verschiedenen, teilweise niedrigen Integrationsstufen befinden und mehr oder weniger variabel sein. Auffällig ist, dass Lüdi mit der Einführung der relativ neutralen Bezeichnung lexikalische transkodische Markierungen (cf. 2.1.3.) die Schwelle hin zu Sprachkontaktphänomenen aus bilingualer Sicht überschreitet. Lüdi beschreibt die transkodischen Markierungen (1987, 2) als «[…] marques, dans le discours, qui renvoient d’une manière ou d’une autre à la rencontre de deux ou plusieurs systèmes linguistiques (calques, emprunts, transferts lexicaux, alternances codiques, etc.)». Es geht hier nicht mehr nur um zwei ansonsten unverbundene Sprachen, die untereinander uni- oder bidirektional Lexeme austauschen. Der Fokus wird auch auf den Begriff des sprachlichen Codes als bilinguales Instrument gelenkt, da im bilingualen Kontext häufiger Kommunikationen mit mehr als einem Code vorkommen. So verwirft z. B. auch 27
Hierbei ist anzumerken, dass die mehrfachen Pfeile bei «Integració/Juxtaposició» für die möglichen sprachlichen Ebenen (phonetisch und prosodisch, morphologisch, lexikalisch und semantisch) stehen.
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Myers-Scotton (1990) den Abgrenzungsversuch des «nonce borrowing» zum herkömmlichen Lehnwort, weil hier ein Phänomen, das bilingualen Sprechern vorbehalten sei, auf eine monolinguale (zwar auch von Bilingualen benutzte) Realität ausgedehnt werde. Beide Konzepte seien demnach nicht vergleichbar (cf. Boix/Vila 1998, 252). Bei Poplack (1988) findet sich hingegen die Unterscheidung zwischen Entlehnung und Ad-hoc-Entlehnung (nonceborrowing). Als Kriterien für Abgrenzung der letzten nennt die Autorin u. a. die niedrigere Gebrauchsfrequenz, den Akzeptierungsgrad in der Sprechergemeinschaft sowie die phonologische Integration. Blas Arroyo (2000, 33) führt die Nicht-Lexikalisierung von Ad-hoc-Entlehnungen als weiteres mögliches Kriterium an. Der Autor stellt aber abschließend fest: «En suma, la frontera entre préstamos espontáneos y establecidos se sitúa en el nivel del análisis en que se centra la investigación: mientras que los últimos se hallan plenamente legitimados -gramatical y socialmente- en el nivel comunitario, los préstamos ocasionales reflejan una estrategia utilizada por los hablantes para emplear material ajeno a la lengua base del discurso, sin necesidad de ‹cambiar› de lengua» (2000, 34).
Man könnte nun also vielmehr zur zweiten Fragestellung übergehen und die Ad-hoc-Entlehnungen mit den Interferenzen kontrastieren, eine Tendenz, die ebenfalls bei Van Hout und Muysken (1994, 40) sichtbar wird, da die Autoren statt «nonce borrowing» die Bezeichnung «lexical interference» bevorzugen. Vergleicht man hierzu aber die Definition der Begrifflichkeit des «nonce borrowing» bei Myers-Scotton (1993) und Poplack/Sankoff (1984) so ist erkennbar, dass diese sicherlich weniger der Interferenz als dem Code-Switching zuzuordnen ist, da es sich um einen zwar individuell ablaufenden, jedoch durchaus überlegten Prozess handelt. Allerdings sind Ad-hoc-Entlehnungen nicht nur bilingualen Sprechern vorbehalten, eine Tatsache, in der ein wesentlicher Definitionsunterschied zum Code-Switching besteht.
2.2. Entlehnungen im Katalanischen In Minderheitensprachen, welche wie das Katalanische lange Zeit in einer Situation der Diglossie existieren mussten bzw. müssen, spielen Sprachkontaktphänomene und somit auch Entlehnungen eine große Bedeutung in der Entstehung und Veränderung sprachlicher Elemente. Oft fanden über lange Zeit hinweg fremdsprachige Elemente einen völlig unkontrollierten Eingang in die Minderheitensprache und veränderten, für die Sprecher teilweise unbewusst, deren Physiognomie. Zu den eindringenden Elementen gehören allerdings nicht nur diejenigen aus der dominanten Sprache, sondern auch solche aus anderen Fremdsprachen, die über die dominante Sprache ihren Eingang in die Minderheitensprache finden. Boix/Vila stellen diese Problematik folgendermaßen dar: 49
«Privades progressivament de funcions, les varietats subordinades patiran el doble procés d’interposició i d’intrusió. D’una banda, la llengua oficial s’interposa entre la llengua subordinada i la resta del món i es converteix en la varietat emprada pels parlants de llengua subordinada per relacionar-se amb les altres comunitats lingüístiques, de manera que la realitat del món i les innovacions arriben a la llengua subordinada passades pel tamís de la llengua dominant, en forma de manlleus i calcs. […]; és el mateix fenomen que explica per què manlleus de l’anglès com junkie o hardware es realitzen en català amb fonètica més o menys acastellanada [’joƾki], [’xarwar]» (1998, 202).
Und Bibiloni trifft für den katalanischen Fall die klare Aussage: «[…] dit més clarament: en el cas català, bona part dels manlleus – sobretot anglicismes i gal·licismes, i també d’altres llengües – ens vénen via l’espanyol» (1998, 22).
Dies ist sicherlich der Fall bei vielen eng mit dem Englischen verwobenen Bereichen, wie z. B. der Informatik. Hier tauchen neue Entwicklungen zunächst als Fremd- oder später auch Lehnwort im Spanischen auf und es existieren zunächst Übersetzungen bestimmter Programme nur auf Spanisch. Durch den – freiwillig unfreiwilligen – Umgang damit übernehmen katalanische Sprecher die spanischen Lehnwörter und katalanisieren sie anschließend; es finden also indirekte Entlehnungen statt. Häufig ist zumindest formal der Einfluss der Mittlersprache nicht mehr zu erkennen, in einigen Fällen lässt er sich jedoch relativ gut erahnen. Ein Beispiel hierfür ist das vom englischen to chat («ètim darrer») entlehnte xatejar, welches in katalanischen Wörterbüchern (DIEC, DIC62, DInt) eindeutig als Anglizismus geführt wird. Betrachtet man allerdings den Wortstamm im Englischen und führt man sich die katalanische Verbmorphologie vor Augen, die es problemlos ermöglicht hätte, mit xatar ein kürzeres, unkomplizierteres Verb zu kreieren, so wird unweigerlich eine Assoziation mit dem spanischen chatear «ètim immediat» hervorgerufen. Bernal Gallén (1998) lehnt diese vereinfachte Darstellung jedoch in ihrer Analyse der Verbalisierungssuffixe des Katalanischen ab (cf. 5.2.2.4.). Erschwerend kommt hinzu, dass der Weg über die Mittlersprache meist gewisse Zeit in Anspruch nimmt, so dass zunächst im entsprechenden Fachgebiet nur die Mittlersprache ausschlaggebend ist. Da dies meist relativ unproblematisch vonstatten geht, sinkt das Interesse an einer eigenen Terminologie und Entlehnungen finden unkontrolliert und meist nur mündlich statt; schriftlich manifestieren sie sich seltener und wenn, dann nicht in Form von möglicherweise normativ wirkenden Publikationen. Ebenfalls mit Bezug zur Informatik stellt Ebner diesbezüglich fest:28
28
Cf. hierzu jedoch Sinner/Wieland (2008), wo die Problematik der späten Implementierung solcher Publikationen und Programme und ihrer Annahme durch die Sprecher im katalanischen Sprachraum aufgezeigt wird.
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«In Zusammenhang mit der Bildung von Neologismen für ein Fachgebiet wie der EDV kommt beim Katalanischen zum Nachteil der Kleinheit der Sprache die Tatsache der Zweisprachigkeit als merkbare Erschwernis hinzu. Da Katalanen problemlos und üblicherweise ohne zu zögern auf spanische oder französische Programme, Handbücher und Computerzeitschriften zurückgreifen können, ist die Nachfrage nach entsprechenden Produkten in katalanischer Sprache relativ gering» (2002, 112).
Im Katalanischen besteht eine gewisse Unsicherheit im Umgang mit fremdsprachigen Einflüssen, die sich im Versuch der Vorgabe genauer Akzeptanzkriterien für Entlehnungen widerspiegelt. Dass dies auf die lange Zeit problematische Diglossie-Situation zurückgeht, kann man eigentlich als bestätigt ansehen. Interessant ist allerdings auch, dass dadurch ein zum Teil gegensätzlicher Effekt erzielt wird. Rull (cf. 2000b, 26) meint dazu, dass es wesentlich einfacher sei, Kriterien für die Akzeptanz oder Nichtakzeptanz von Entlehnungen im Katalanischen zu finden, wenn dies aus einer normalisierten sprachlichen Perspektive geschehen könne. In der bisherigen Situation werde vor allem auf die Kastellanismen geachtet, die als Sondergruppe von anderen Fremdwörtern abgesetzt würden. Dies führe dazu, dass z. B. Anglizismen völlig unreflektiert ins Katalanische einfließen könnten. Es ist seit einigen Jahren aber durchaus auch das Bestreben vorhanden, neue Entlehnungen, gerade auf dem Gebiet der Fachsprachen, zu dokumentieren, eventuell zu korrigieren und schließlich zu normativieren. Publikationen zu Neologismen im Allgemeinen existieren beispielsweise von Termcat (2001a) und der Enciclopèdia Catalana (1998) oder speziell zur Informatik von Mas i Fossas (2003), Bel (2003) oder Termcat (2001). Neben der Informatik gibt es natürlich noch weitere Gebiete, die stärker als andere von Entlehnungen durchsetzt sind. Dabei gibt es Begriffe, die in all diesen Gebieten zu finden sind; andere wiederum tauchen nur in spezifischen Kontexten auf. Zu den besonders betroffenen Bereichen (cf. Alzugaray Aguirre 1985, 25) zählen Sport, Gastronomie, Kultur im weitesten Sinne, Mode, aber auch Wirtschaft. Ihnen gemeinsam ist, dass die Sprache, aus der in einem bestimmten Bereich die meisten Elemente entlehnt werden, mit einem hohen Prestige behaftet ist. Neben der Motivation aus politischen, wirtschaftlichen oder kulturellen Gründen kann somit die positive Konnotation von Entlehnungen als etwas Modernes, sozial Anerkanntes ausschlaggebend sein.29 Zu beachten ist außerdem, dass viele entlehnte Formen den Weg ins Katalanische zwar über eine Fachsprache finden, mit fortschreitender Integration allerdings schnell in die Allgemeinsprache übernommen werden.
29
Daneben existieren selbstverständlich noch weitere Faktoren, welche die Entlehnbarkeit eines Begriffs beeinflussen; cf. hierzu die Kriterien von Boix/Vila zur manllevabilitat (cf. 2.1.5.2.); zu Kriterien für die unterschiedliche Gebrauchsfrequenz von marques transcòdiques nach sozialen Gruppen cf. Vila (1998a, 144).
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Herkunftssprachen für Entlehnungen im Katalanischen sind hauptsächlich Spanisch, Englisch und Französisch (in der Reihenfolge ihrer Frequenz), in größerem Abstand folgen Italienisch und Deutsch. Russisch, Türkisch, Arabisch und Japanisch sind in geringem Maße vertreten, bezeichnen aber häufig Internationalismen oder füllen Bezeichnungslücken auf einem Spezialgebiet30 (z. B. Japanisch bei Kampfsportarten, Deutsch in der Philosophie, etc.). Im Folgenden wird für kurz auf die historische Entwicklung und aktuelle Erscheinungen bezüglich des spanischen und englischen Einflusses auf das Katalanische eingegangen. 2.2.1. Kastellanismen Aus den bekannten historischen Gründen ist der Einfluss des Spanischen auf die katalanische Sprache weitaus größer als bei anderen Sprachen, auch wenn, wie beim Französischen, die gleiche geographische Nähe geltend gemacht werden könnte. Ab dem 15. Jahrhundert nahm die spanische Präsenz immer stärker zu, vom 17. bis 19. Jahrhundert erfolgte dann ein massiver Eingang an Kastellanismen ins Katalanische. Dies hatte zur Folge, dass zu Zeiten des Wiederauflebens des Katalanischen, wie z. B. Mitte des 19. Jahrhunderts, viele genuine Formen im Bereich der Lexik und der Syntax verschwunden waren und durch ihre spanischen Pendants Ersatz gefunden hatten. Die Bestrebungen der Katalanisierung, die schließlich zur Normierung der Sprache durch Pompeu Fabra führten, wurden durch die Entwicklungen im 20. Jahrhundert ausgesetzt bzw. regelrecht zunichte gemacht. Moreu-Rey äußert sich zur Kontaktsituation Spanisch-Katalanisch wie folgt: «El contacto español-catalán se puede contemplar históricamente como un proceso de substitución lingüística, que avanza o retrocede en función de circunstancias sociales y políticas. Tales avances o retrocesos se traducen en una mayor o menor influencia lingüística en el catalán, especialmente en el nivel léxico, el más propenso a recibir las aportaciones de otras lenguas. En este nivel, y dadas las características de la situación de contacto lingüístico entre el español y el catalán, es imprescindible distinguir entre fenómenos de interferencia léxica que han tenido o tienen lugar en el habla de los usuarios de ambas lenguas […], los cuales no afectan sin embargo a los respectivos sistemas, y préstamos o fenómenos de interferencia léxicos que se han sedimentado en la lengua como sistema […]» (1991, 159).
Wichtig ist bekanntermaßen die Unterscheidung zwischen (lexikalischen) Interferenzphänomenen und Code-Switching sowie den Entlehnungen, zwei Bereiche, die allerdings teilweise recht schwierig voneinander zu trennen sind. Zu all diesen Bereichen existieren jedoch für das Katalanische umfassende Studien (cf. Boix 1993a; Vila 1996; Pujolar 1997 etc.); daher wird an dieser Stelle nicht näher darauf eingegangen.
30
Cf. Termcat (2001a), Enciclopèdia Catalana (1998).
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In einer klassischen Diglossiesituation, wie sie das Katalanische jahrhundertelang erfahren hat, findet der Austausch an sprachlichen Elementen, im Gegensatz zu einer bilingualen Ausgangslage, nur einseitig statt; entsprechend finden viel weniger Katalanismen Eingang ins kastilische Spanisch als umgekehrt und sind außerdem meist negativ belegt (cf. Sinner 2004, 609). Die Diglossie und die damit verbundene Dominanz des Spanischen sind darüber hinaus auch dafür verantwortlich, dass dessen Entlehnungen, im Gegensatz zu den französischen oder englischen, viel weiter, wenn auch in unterschiedlichen Proportionen, auf verschiedene semantische Bereiche verteilt sind. Dies reicht von fast kompletter Substitution, wie sie lange im Bildungswesen und der Justiz praktiziert wurde, bis hin zu nur geringen Präsenzen, beispielsweise in kulturell fest in die katalanische Tradition verwobenen Bereichen. Oft ist jedoch zu beobachten, dass integrierte, assimilierte Kastellanismen weniger häufig als Anglizismen oder Gallizismen semantische Restriktionen, Erweiterungen oder Veränderungen der existierenden katalanischen Bezeichnung herbeiführen, sondern beide Termini vielfach nebeneinander (oft nur mit geringen Unterschieden in Bedeutung oder Frequenz) existieren (cf. MoreuRey 1991, 160). 2.2.2. Anglizismen Obgleich erste Einflüsse des Englischen im Spanischen und Katalanischen bereits ab dem 18. Jahrhundert spürbar sind, ist das verstärkte Auftreten von Anglizismen ein eher jüngeres Phänomen. Bezogen auf die Sprachen der iberischen Halbinsel stellt Gómez Capuz dies folgendermaßen dar: «[…] la influencia angloamericana ha sido más tardía que en otras lenguas, como el francés o el mismo español de América. Así, en español peninsular, el verdadero punto de partida del anglicismo no se produce hasta 1945, con la hegemonía norteamericana en todos los niveles (político, militar, tecnológico, cultural, musical)» (1997, 29).
In sprachlicher Hinsicht gilt somit das Gleiche wie auf der soziokulturellen Ebene. Alle Lebensbereiche sind von Anglizismen betroffen, es treten sowohl lexikalische und semantische Entlehnungen auf Wortschatzebene als auch Entlehnungen im Bereich der Phonetik, Graphie, Morphologie und Syntax auf. Zu unterscheiden ist einerseits zwischen Anglizismen, welche neue Begrifflichkeiten bezeichnen und somit semantische Lücken im Katalanischen füllen und eventuell das betroffene semantische Feld neu strukturieren. Dies ist häufig der Fall in Gebieten der Wissenschaft und Technik oder des Sports. Andererseits erfolgt der Gebrauch von Anglizismen auch aus stilistischen oder gänzlich außersprachlichen Gründen,31 z. B. zur Schaffung einer inter-
31
Riquelme (1998) kreiert für diese außersprachlichen, meist kulturellen Einflüsse den Begriff anglismo, dessen sprachliche Realisierung dann der anglicismo ist. Thiele-
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nationalen Atmosphäre, aus sprachlicher Ökonomie, da der englische Begriff kürzer und prägnanter erscheint. Anglizismen dienen durchaus aber auch dazu, den Sprecher und seine Sprachkenntnisse in einem besseren Licht erscheinen zu lassen. Diese mitunter als «snobistisch» (cf. Rull 2000a, 19) eingeschätzte Haltung hat sogar vermehrt zur Schaffung von Pseudoanglizismen oder anglisierten Lexemen im Katalanischen geführt, welche im Englischen eine völlig andere Entsprechung aufweisen. Beispielhaft dafür sind zahlreiche das Suffix -ing beinhaltende Lexeme, z. B. fúting oder pàrquing, die vielfach allerdings nicht im Katalanischen selbst kreiert, sondern aus dem Französischen oder Spanischen entlehnt werden. Eine gewisse Zurückhaltung bei der Akzeptanz von Anglizismen als – wie im Deutschen auch – durch die Kommunikationsmedien und die Werbung vor allem aus dem Englischen transferierten oder kreierten Elemente, beginnt sich daher langsam auch im Katalanischen durchzusetzen. Vivanco schlägt diesbezüglich vor, als Klassifizierungskriterium die Gebrauchsfrequenz der entlehnten englischen Phänomene mit einzubeziehen, um eine, wenn auch nur bedingt mögliche Abgrenzung hin zu den reinen Interferenzen oder Codewechseln zu erreichen (cf. 2003, 229). Dies könnte für die Mediensprache durchaus sinnvoll sein, die, so Thielemann (2003b), «eine Vielzahl von Anglizismen [verwendet], die für den uninformierten Leser, denjenigen, der nicht up to date […] ist über die Subtilitäten amerikanisierender Spezialterminologien und Jargons, enigmatisch bleiben».32 Ob Ähnliches auch für die katalanischen Medien in ihren Texten und Sendungen für Jugendliche gelten kann, wird Thema der Korpusanalyse (cf. 5.2.) sein. Anders als bei Entlehnung aus dem Spanischen oder anderen romanischen Sprachen treten bei der Integration von Anglizismen vor allem phonetische und graphische Probleme auf. Betrachtet man die Lehnwörter i.w.S., so sind zwei Tendenzen zu beobachten. Neben Anglizismen, die ihre ursprüngliche Graphie bewahren und von den Sprechern meist auch nach dem Vorbild der englischen Phonetik realisiert werden, existieren zahlreiche an die katalanische Graphie und Phonetik angepasste Elemente.33 Rull (2000b) spricht hierbei dem Katalanischen eine hohe Integrationsfähigkeit zu, da es mehr als das Spanische dem Englischen vor allem in der Struktur seiner Silben
32 33
mann (2003a) spricht in diesem Zusammenhang vom konnotierten Anglizismus, der vorsätzlichen Verwendung von englischen Fremdwörtern aufgrund pragmatischer Ziele, z. B. in der Werbesprache des stilistischen Effekts wegen, zur Signalisierung von Attraktivität und Modernität, sozusagen als Teil der persuasiven Strategie. Als Beispiele führt Thielemann (2003) u. a. Termini aus Wirtschaft und (digitalem) Handel an, wie rating statt avaliação oder cash-flow statt receitas bzw. lucro. Dies ist der Fall bei den meisten Anglizismen, die über das Spanische (seltener auch das Französische) ins Katalanische gelangen. Meist sind sie bereits in gewisser Form an die spanische Phonetik und Graphie adaptiert, so dass sich das Katalanische eher daran als an der Phonetik oder Graphie des entsprechenden Neologismus orientiert (cf. Rull 2000b).
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(besonders mit der Möglichkeit eines okklusiven Konsonanten in Endposition) gleicht. In jüngster Zeit besteht allerdings dennoch eher die Tendenz, die englische Phonetik und Graphie beizubehalten, eine Entwicklung, die vermutlich eng mit dem Prestigefaktor der englischen Sprache verbunden sein dürfte. Ein in beiden Fällen maßgebliches Kriterium für eine fortgeschrittene Integration ist aber in jedem Fall die Bildung von Derivaten auf Basis des entlehnten Lexems oder Morphems. Bezüglich der Morphologie merkt Rull (2000b) die immer wieder neu auftauchende Problematik der Pluralbildung an, welche entweder durch die Wörterbücher ungenügend geregelt oder im Sprachgebrauch einfach anders praktiziert werde, was mitunter zu Verwirrung oder teilweise sogar syntaktischen Fehlern führen könne. Ein zweiter, fast noch häufiger auftretender Typ von Anglizismen im Katalanischen sind Lehnprägungen. In vielen Fällen sind es Lehnübersetzungen oder Lehnübertragungen in Form von Komposita, wie z. B. cap de setmana in Anlehnung an week end; genauso treten aber auch Lehnschöpfungen oder die Zuordnung einer Lehnbedeutung zu einem katalanischen Element auf, welche mitunter nach relativ kurzer Zeit nicht mehr nachzuvollziehen sind (cf. Rull, 2000b, 28). Am ehesten den Lehnprägungen zuzuordnen sind auch sogenannte Frequenzunterschiede, die auftreten, wenn ein englisches (oder anderssprachiges) Element immer mit der gleichen katalanischen Wendung wiedergegeben wird (bei Übersetzungen oder Adaptionen von fremdsprachigen Texten), obwohl das Katalanische hier eine Alternative bietet und sogar fordert. Dies kann im Extremfall dazu führen, dass, auch ohne direkten Bezug auf einen z. B. englischen Ausgangstext, ein katalanisches Element, z. B. eine lexikalische Einheit, einen ganz neuen semantischen Wert erhält.34 Im Hinblick auf die Anglizismen in der katalanischen Lexik bietet Recasens Solé (1982) eine detaillierte Beschreibung, die genauso auf Entlehnungen anderer Sprachen applizierbar ist. Sie unterscheidet zwischen «anglicismos univerbales (patentes y no patentes)» und «multiverbales (compuestos bisustantivos, bisustantivos univerbales, paranominales)». Ohne an dieser Stelle näher auf die innere Differenzierung eingehen zu wollen, seien diese Begriffe kurz erklärt. Unter «anglicismos patentes» versteht die Autorin solche Lehnwörter, die nicht mehr als englische Lexeme identifizierbar sind, weil eine graphische sowie phonetische Adaptation stattgefunden hat. «Anglicismos no patentes» sind vor allem Lehnprägungen. Hierbei unterschei-
34
Als Beispiel führt Rull (2000b, 31) das Wort anyway an, welches im Katalanischen meist mit doncs wiedergegeben wird, obwohl andere und je nach Syntax und Kommunikationssituation in manchen Fällen weitaus treffendere Lexeme gefunden werden könnten. Durch diese unangemessene Gebrauchsfrequenz erfährt doncs eine semantische Veränderung und die anderen, je nach Kontext treffenderen, Lexeme werden in ihrer Gebrauchsfrequenz reduziert. Sinner (2004) beschreibt anhand der Gebrauchsfrequenz von plegar und doblar im Spanischen Kataloniens einen ähnlichen Fall semantischer Veränderung.
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det die Autorin zwischen «voces tradicionales» (neben der herkömmlichen Bedeutung erhält der Begriff zusätzlich eine Lehnbedeutung) und «voces neológicas» (Lehnübersetzung, -übertragung eines bisher im Katalanischen bezeichnungslosen Begriffs). Die dreigeteilte Gruppe der «anglicismos multiverbales» enthält erstens «anglicismos compuestos bisustantivos» (z. B. auto-escola, cine club), zweitens «anglicismos bisustantivos univerbales» (z. B. voleibol) und drittens «anglicismos paranominales» (z. B. aire acondicionat, guardarropia). Eine ähnliche Terminologie findet sich bei Vivanco (cf. 2003, 231), die zusätzlich zur Unterteilung «patente y no patente» von «anglicismos crudos» (ohne Anpassung) oder «aclimatados» (an die Sprachnorm angepasste Anglizismen) spricht.35 Das Englische ist auch Mittlersprache für die Entlehnung von sogenannten Kultismen griechischen oder lateinischen Ursprungs. Ein Bereich, in dem man mit dem Auftreten dieses Phänomens vielleicht eher weniger rechnen würde, ist die Informatik. Ebner meint dazu: «Im Katalanischen sind [in der Computersprache] relativ wenige Fremd- und Lehnwörter zu finden, da aufgrund der englischen Etymologie zumeist ohne viel Aufwand Neologismen aus lateinischen Wurzeln gebildet werden können. Übersetzungen und Neuschöpfungen erfolgen normalerweise durch offizielle und semioffizielle Stellen […]. In manchen Fällen wird ein umgangssprachlicher Begriff basierend auf einer Übersetzung oder einer Entlehnung aus dem Englischen in die Standardsprache übernommen» (2002, 97).
Die Fragestellung, ob gerade in einem so modernen Feld wie der Informatik, trotz der meist lateinischen Wurzeln der Begriffe, nicht doch eher von Anglizismen (und somit Fremd- bzw. Lehnwörtern) gesprochen werden sollte, da dies schließlich den soziokulturellen Hintergrund miteinbezöge, wird sich nicht vermeiden lassen. Interessant ist allerdings Ebners Behauptung, «englische Lemmata scheinen den katalanischen Sprachfluss derart zu stören, dass die Phase des Lehnworts zu Gunsten einer Übersetzung oder Neuschöpfung übersprungen wird» (2002, 99). Ob dies auch für andere Felder als die Informatik gelten kann und sich besonders in der Jugendsprache so äußert, in der sicherlich außer dem Sprachfluss andere sprachpragmatische Einflüsse 35
Eine sich in die bisherige Diskussion über die Terminologie der Sprachkontaktphänomene gut eingliedernde Darstellung am Beispiel der Anglizismen findet sich auch bei Riquelme (cf. 1998, 88). Er unterscheidet zwischen drei verschiedenen Typen von Anglizismen im Spanischen: «préstamos en general (integrados y momentáneos) mit den Untergruppen -xenismos, -peregrinismos, -préstamos propiamente dichos (aclimatados o en vías de aclimatación), -calcos (léxicos y semánticos); cambios de código; interferencias». Den einzelnen Kategorien ordnet er verschiedene Integrationskriterien zu. Daneben erwähnt der Autor noch die Hybride und bezieht sich dabei auf loanblends nach Haugen (1950), die er in hybride Komposita oder hybride Derivate, bestehend aus einem Lexem der Fremdsprache und einem Morphem (meist in Form eines Suffixes) der Nehmersprache aufteilt.
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für den Gebrauch von Anglizismen entscheidend sein können, wird in der Korpusanalyse herausgearbeitet werden. Die Vermutung liegt jedoch nahe, da schon andere Autoren, die sich mit jugendlichen Sprechweisen in Katalonien beschäftigt haben, einen erhöhten Einfluss des Englischen nachgewiesen haben. Vila konstatiert beispielsweise in Bezug auf die lexikalischen transkodischen Markierungen bei zweisprachigen Jugendlichen, wenn auch mit Blick auf das Verhältnis Katalanisch-Spanisch-Englisch: «It is remarkable, though, that (still) unaccepted English loanwords reach an appreciable percentage of Castilian transcodic markers. It should be noted that most of these English items are shared by Catalan […]. It is therefore not implied that Castilian has higher contact with English than Catalan does; both languages seem to be equally influenced by English, as the roughly similar number of English types and tokens recorded for each language suggests […]» (1996, 410).
Wie sich der Einfluss des Englischen – und auch des Spanischen – im konkreten Fall auswirkt, wird in der Korpusanalyse (cf. 5.) näher beleuchtet werden.
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58
3.
Sprachpolitik und Sprachplanung in Katalonien
«Entenem per planificació lingüística el cicle format per l’organització, la posada en pràctica i l’avaluació d’un conjunt coherent d’actuacions de política lingüística adreçat a acomplir uns objectius explícits de transformar la realitat sociolingüística, així com la disciplina que estudia aquestes pràctiques» (Boix/Vila 1998, 275).
Jede gezielte Veränderung der sprachlichen Realität in einer Minderheitssprachensituation kann als Handlung der Sprachpolitik, im Sinne eines Zusammenwirkens verschiedenster gesellschaftlicher Gruppen, verstanden werden. Sprachpolitik bezieht sich nicht nur auf das Festlegen gesetzlicher Richtlinien, die koordinierte Arbeit von Organisationen und Institutionen (z. B. Kommunikationsmedien), sondern ebenso auf das Wirken kleiner Interessengruppen und nicht zuletzt der Einzelpersonen selbst. Die Wirkungsrichtung ist hierbei bidirektional, wie nachstehendes Schema zeigt, zum einen von oben nach unten, aber auch von unten nach oben: POLÍTIQUES I PLANIFICACIÓ LINGÜÍSTIQUES
Poder legislatiu
Poder executiu
ESTAT
Poder judicial
Poder mediàtic
Poder econòmic SOCIETAT CIVIL
Sindicats, associacions de militància lingüística, ONG en general, etc.
Població Graphik 3–1: Akteure der Sprachpolitik (Boix/Vila 1998, 277)
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Letztes Ziel der katalanischen Sprachpolitik zur Verhinderung der sprachlichen Substitution von Minderheitensprachen ist ein Terminus, der erstmalig 1965 von L. Aracil in der Soziolinguistik eingeführt wurde: die Normalització lingüística (cf. 1965, 12; cf. auch Vallverdú 1998, 12). Der Normalisierungsprozess vereinigt in sich eine sprachlich-kulturelle und eine soziopolitische Komponente, deren gemeinsames Ziel ein «normaler» Sprachgebrauch, d.h. die Nutzung der Sprache in allen Lebensbereichen und Funktionen des gesellschaftlichen Lebens, zu Hause, auf der Straße, in den Medien, im Unterrichtswesen, in den öffentlichen und politischen Institutionen, in allen zwischenmenschlichen Kommunikationen ist. Die Normalisierung beinhaltet, nach Auffassung katalanischer Soziolinguisten wie R. Ninyoles, (wenn auch nicht zwingend) einen Prozess der Sprachplanung.1 Die Beschäftigung mit Sprachpolitik erfordert den konkreten Anwendungsfall, da die Komplexität der Organisation im einzelnen von der politischen, sprachlichen und rechtlichen Situation, der Kooperation der Handlungsträger in der Sprachenplanung und den verfügbaren Mitteln der jeweiligen Region abhängt. Für das Katalanische teilen Boix/Vila die sprachpolitischen Ziele in drei Untergruppen, (a) mit Bezug auf das sprachliche Korpus, (b) auf den Status der Sprache in der Gesellschaft und (c) auf den Spracherwerb ein. Hier wird ebenfalls die Einteilung in Normierung und Normalisierung (cf. 3.1.3.) deutlich. In Analogie dazu lassen sich nach Boix/ Vila (1998) also folgende Zielsetzungen abgrenzen: «a) Normativierung, sprachliche Purifizierung, Ausarbeitung von Terminologie und Stil, sprachliche Reformen, b) Veröffentlichung und öffentliche Anerkennung einer Varietät, Förderung des Sprachgebrauchs im öffentlichen Leben, c) Sprachenplanung im Erziehungswesen.«
Die folgenden Abschnitte sollen die theoretische Basis für die Diskussion über Standardisierung, Normierung und Normalisierung des Katalanischen legen. Im Anschluss daran steht eine Zusammenfassung der bisherigen Aktivitäten im Normalisierungsprozess und eine Analyse ihrer Effektivität bezüglich einzelner für diese Arbeit relevanter Bereiche.
1
Cf. Vallverdú (1998, 15); der Autor dokumentiert dort jedoch auch gegenteilige Meinungen: «Des que l’expressió ‹normalització lingüística› es posà en circulació, s’han alçat veus contra ella considerant-la com una etiqueta innecessària, perquè el concepte sociolingüístic ja existia: era planificació lingüística o language planning. […] és oportú reconèixer que les puntualitzacions que alguns autors han fet a la teoria del language planning han acostat certament aquesta noció a allò que nosaltres anomenem ‹normalització lingüística›. Recordem, entre d’altres, Fishman, el qual afirma que language planning cobreix dues grans categories, language status planning i language corpus planning».
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3.1. Norm, Normierung, Normalisierung – Begriffsklärungen und Vorbemerkungen 3.1.1. Norm und Normkonflikt Nach Helgorsky ist Norm «un des termes les plus ambigus et les plus polysémiques des sciences du langage» (1982, 1). Der Normbegriff in der Linguistik hat in den Jahrzehnten seit seiner Existenz verschiedene Deutungen und Umdeutungen erfahren, die aufzuzählen über den Rahmen dieser Arbeit hinausgehen würde. Die erste Unterscheidung zwischen Norm und System findet sich bei Hjelmslev (1942). Eine der bekanntesten Defintionen der sprachlichen und sozialen Norm – als Ebene zwischen langue und parole – findet sich bei Coseriu: «[...] hay elementos que no son únicos u ocasionales, sino sociales, es decir, normales y repetidos en el hablar de una comunidad, y que, sin embargo, no pertenecen al sistema funcional de las formas lingüísticas, o sea que ya sobre la base del llamado ‹producto lingüístico› puede establecerse un sistema normal, distinto del sistema funcional que se establece en el plano superior de abstracción, el de las ‹formas lingüísticas›» (1962, 55s.).
Coserius Unterscheidung wird von zahlreichen Sprachwissenschaftlern unterstützt und aufgegriffen,2 trifft allerdings teilweise auch auf Kritik, so auch von Bartsch: «[...] von dem System und der Norm zu sprechen, setzt ein einziges homogenes System und eine einzige homogene Norm einer Sprache voraus. Beides erscheint
2
Cf. u. a. Kabatek (2003, 11), von Polenz (1972, 76), François (1974, 152ss.) und Faßke (1980, 152). Die Autoren betonen u. a., dass mit dem Erwerb der Sprachkompetenz von den Sprachteilnehmern auch ein metasprachliches Bewusstsein erworben wird, das die Unterscheidung von normativen vs. nicht normativen sprachlichen Regeln gestattet; ferner werde ein Wissen über Akzeptabilität und Nicht-Akzeptabilität erworben, d.h. über den Konsens der Sprachgemeinschft, auf dem die Sprachnormen, wenn sie nicht explizit verbindlich geregelt sind, beruhen. Diese Sprachnormen bestimmen, was aus den potentiellen Möglichkeiten des sprachlichen Systems realisiert werden kann oder soll bzw. als abweichend und nicht akzeptabel zu gelten hat. Faßke (1980, 152) beschreibt Norm als Summe aller Realisierungen und gleichzeitig als Regeln für die Kombinationsmöglichkeiten des Sprachsystems in der schriftlichen oder mündlichen Kommunikation. Somit umfasst das Konzept von Faßke alle sprachlichen Elemente, die in einer Kommunikationssituation möglicherweise auftreten können, für die aber meist der Gebrauch eines bestimmten Phänomens erwartet wird, der wiederum außerdem von den Sprechern als angemessen akzeptiert werden soll. Der Normbegriff bei Faßke umfasst zudem die stilistischen Funktionen oder Konnotationen, unabhängig davon, ob entsprechende Variationen mit der präskritiptiven Norm übereinstimmen. Die Norm beinhaltet also alle möglichen realisierbaren Strukturen, was Faßke mit der Tatsache begründet, dass Sprachen nicht statisch sind und demzufolge es die Norm auch nicht sein kann (cf. hierzu auch Sinner 2004, 65s.).
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mir völlig irrealistisch. Ich gebrauche darum auch nicht den Begriff ‹die Norm einer Sprache›, sondern spreche von vielen ‹Normen einer Sprache›; und das, was häufig als Abweichung von einer Norm verstanden wird, werde ich in vielen Fällen als einen Konflikt zwischen verschiedenen Normen analysieren» (1985, 72s.).
Coseriu versteht den Begriff Norm als normal im allgemeinen Sprachgebrauch, als Ebene zwischen den Regeln des Systems und dessen individuellen Realisierungen.3 Demgegenüber steht ein anderer Normbegriff, der Norm eher im Sinne eines Orientierungspunktes als einzuhaltende Vorgabe für die Sprecher versteht. Settekorn stellt Norm demnach folgendermaßen dar: «Normen sind auf Handlungen bezogen, was sie von Naturgesetzen unterscheidet. Sie regulieren Abläufe von Interaktionen, da sie für die wechselseitigen Erwartungen der Interaktanten konstitutiv sind. In diesem Sinne sind Normen sozial. Normen sind nicht mit Merkmalen wie ‹individuell› oder ‹partikular› zu charakterisieren. Vielmehr wird für sie ein Anspruch auf eine mehr oder weniger große Allgemeingültigkeit und Verbindlichkeit erhoben. Mit diesem Anspruch hängt ein weiteres Merkmal zusammen: Normen haben Gebotscharakter. Wer gegen sie verstößt, muß mit Sanktionen rechnen» (1988, 3).
Diese Auffassung von sprachlicher Norm (als eine unter vielen sozialen Normen) entspricht der Vorstellung von einem sozial verbindlichen Konsens, einem Regelsystem, welches der Sicherung der Kommunikationsmöglichkeiten dienen soll und eine möglichst große Übereinstimmung zwischen dem System und der Realisierung von Sprache durch den einzelnen Sprecher erreichen will (cf. Oksaar 1968, 67; Muller 1985, 272). Bartsch (1985, 30) und Sinner (2004) betonen allerdings auch die Wichtigkeit der Norm als sprachliches Regelwerk zur Garantie der größtmöglichen Verständlichkeit in der Kommunikation. Bei Muller finden sich ähnliche Darstellungen, allerdings weist der Autor darauf hin, dass «les normes ne sont pas constantes, mais soumises au changement, même si elles paraissent identiques pendant plusieurs générations ou que l’individu les perçoive dans une sorte d’intemporalité» (1985, 264).
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Diese Auffassung von Norm im Sprachgebrauch, die im Folgenden wiederholt mit deskriptiver Norm bezeichnet wird, erhält auch häufig die Bezeichnung ‹Gebrauchsnorm›. Baylon (1996, 161s.) bezeichnet sie als Grundlage für die Kommunikation einer Sprachgemeinschaft. Die Gebrauchsnorm macht den Dialog erst möglich, denn sie geht über das Individuelle hinaus und spiegelt die kollektive Sprachrealität wider. Baylon führt weiter fort: «C’est la communauté qui précise les règles et leurs applications d’après l’usage effectif de la langue; la régularisation se fait d’elle même par les locuteurs. On s’applique à être linguistiquement conforme au comportement de la majorité, car de toute évidence, une langue ayant fait ses preuves dans le cadre des situations les plus variées est bonne, et ce qui est généralisé par l’usage ne peut être faux» (1996, 170).
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Verglichen mit der Definition Coserius, welcher die Norm als normale Realisierung des Systems im Sprachgebrauch, als Filter zwischen dem virtuell Möglichkeiten und dem aktuell Genutzten beschreibt, ist diese zweite Auffassung von Norm einer Vorstellung der Realisierung des Sprachsystems unter sozial vorgegebenen Regeln gleichzusetzen. Diese grundsätzliche Unterscheidung belegt die unterschiedliche Herangehensweise an das Phänomen der Norm – die deskriptive versus die präskriptive Norm. Deskriptive Norm und präskriptive Norm werden von manchen Linguisten als gegensätzliche Positionen scharf voneinander getrennt. Dies entspricht der Unterscheidung zwischen Norm und Variation, wenn man von der Perspektive ausgeht, dass «norma equivale a orden, variación a la ruptura de este orden» (Sinner 2004, 70; cf. auch Hernández García 1998, 33). Der Übergang zwischen deskriptiver und präskriptiver Norm ist m.E. allerdings schwer einzugrenzen, wie am Ansatz von Hartung (1977) zu ersehen ist, der eine vermittelnde Position einnimmt. Er beschreibt Norm als bewertete kommunikative Erfahrung, als Abstraktion im Bewusstsein der Sprecher/ Hörer und weist ihr zwei Teilbereiche, den grammatisch-semantischen (bezogen auf sprachliche «Korrektheit») und den pragmatisch-kommunikativen (bezogen auf den sozialen Kontext und Angemessenheit in der Kommunikationssituation) zu. Zwischen präskriptiver Norm und der Norm im Sinne Coserius herrscht keine völlig scharfe Trennlinie, der Umgang mit den sprachlichen Normen findet vielmehr in einem Spannungsfeld statt zwischen einer einschränkenden, regelgetreuen Norm und der stark sozialen – und auch situativen – Veränderungen ausgesetzen Kreation, Wiedergabe, bzw. Anpassung an sprachliche Realisierungen. Bei den sprachlichen Realisierungen durch die Sprecher wirken weitere Faktoren beeinflussend, die von Muller (cf. 1985, 263ss.) u. a. als situationelle, individuelle oder auch die sozial kollektive Norm bezeichnet werden.4 Dieses Spannungsfeld, in dem sich die Sprecher bezüglich der Akzeptanz bzw. Abweichung von der präskriptiven sprachlichen Norm, vor allem in ihrem mündlichen Sprachgebrauch befinden, ist ein zentrales Thema für die Analyse der jugendsprachlichen Kommunikation, auf das in dieser Arbeit verstärkt eingegangen werden soll (cf. 3.1.2.; 4.6.3.1.).
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Angesichts der Komplexität des Normendiskurses wird in dieser Arbeit vor allem auf die Differenzierung zwischen präskriptiv und deskriptiv hingewiesen. Die Unterteilung kann aber noch ausdifferenziert werden (cf. Monteagudo 2004, 424; Muller 1985, 263ss.). Letzter unterscheidet «a) par rapport à la situation de discours, la norme relative ou situationnelle, dépendant de la situation et fonctionnant dans l’instant, et la norme absolue, totalement indépendante de la constellation variable des éléments de la situation, dont l’objectif premier et immédiat est d’assurer l’intercompréhension la plus parfaite possible; b) par rapport au nombre de locuteurs, la norme individuelle et la norme sociale collective, commune; c) par rapport à la validité, la norme prescriptive, idéale, et la norme statistique ou norme d’usage».
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In diesem Wechselspiel begründet sich Präskription häufig auch auf Grundlage eines – nachgewiesenen oder angeblichen – allgemein praktizierten Sprachgebrauchs. Deutlich wird dies am – psychologisch motivierten – Glauben der Sprecher selbst, sich für einen Sprachgebrauch entscheiden zu müssen, den sie als normativ erachten, weil «man es eben so sagt und nicht anders». Berrendonner (1982, 43s.) zeigt diesen aus psycholinguistischer Perspektive äußerst interessanten Prozess in einem vereinfachten Schema auf: «Le raisonnement se laisse reconstituer à peu près comme suit: 1. On (=tout le monde) dit x. 2. Je dois être comme tout le monde. 3. Etre comme tout le monde, c’est dire comme tout le monde. 4. (2+3) Donc, je dois dire comme tout le monde. 5. (1+4) Donc, je dois dire x.«
Wie wird mit diesem Spannungsfeld der Norm nun in den konkreten (romanischen) Einzelsprachen umgegangen? Diese äußert komplexe Frage soll in Ansätzen für das Spanische – und dazu im Vergleich für das Italienische – angerissen werden, bevor auf den Normkonflikt in Bezug auf Minderheitensprachen (und Sprachkontakt) am Beispiel des Katalanischen eingegangen wird. Für Spanien gilt nach wie vor das u. a. von der Real Academia Española explizit oder implizit verbreitete und normativ begründete Prinzip der «lengua española» (cf. Lebsanft 2000). Regionalen Varietäten wird wenig bis keine Anerkennung gewährt, für die Norm der Nationalsprache sind sie eher irrelevant. Regionale Varietäten wirken dem Prinzip der einheitsstiftenden «lengua española» entgegen und werden aus diesem Grund als der Einheit nicht förderliche Kraft abgelehnt (cf. Schmitt 2001). Dass diese Einstellung über den Kreis der klassischen Sprachhüter im Sinne der Real Academia Española hinausgeht, beweist u. a. die Beteiligung seitens der Kommunikationsmedien an der Normendiskussion, wie sie relativ eindeutig in Form der Publikation von Stilbüchern (cf. Libro de Estilo de El País http://estudiantes. elpais.es/libroestilo/indice_estilos.htm, letzter Zugriff am 29. Juni 2008 oder Guía para los medios de comunicación digitales http://www.librodeestilo.com, letzter Zugriff am 27. Februar 2008) stattfindet. Die italienische Linguistik geht, im Gegensatz zur spanischen (cf. Lebsanft 2000) in Bezug auf die Normendiskussion über die präskriptive Norm einer einzigen Standardvarietät hinaus und bezieht Varietäten (cf. 4.1.2.) stärker mit ein. Als Beispiel sei folgendes Zitat aus der Zeitschrift der Accademia della Crusca5 genannt, in dem zwar die Einheitswirkung der Standardvarietät betont wird, dennoch aber sprachliche Nivellierungen, gerade durch die Kommunikationsmedien wie das Fernsehen, unter Bezugnahme auf Varietä-
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Die Accademia della Crusca wurde 1582 in Florenz gegründet, mit dem Ziel der «ripulitura della lingua» (cf. http://www.accademiadellacrusca.it, letzter Zugriff am 27. Februar 2008).
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ten – also nicht der präskriptiven Norm entsprechende Formen – akzeptiert werden. Es geht neben dem Respekt vor einheitsstiftenden Normen vor allem um die Gewährleistung von Kommunikation und das Verständnis für die Verschiedenartigkeit von Kommunikationsformen. Zusammengenommen, so das Fazit des Zitats, sorge diese Art von Umgang mit Sprache für eine größere sprachliche Einheit als rein präskriptive Normen: «Ma quando osserviamo con preoccupazione che la televisione, anche al di fuori delle riprese in diretta, trasmette i più vari tipi di lingua, da quella che è espressione di cultura a quella delle formule pubblicitarie, senza farne verifiche, dobbiamo consolarci pensando che all’impetuoso intervento della televisione in tutte le case italiane si deve che gli italiani abbiano conosciuto l’Italia e che, negli ultimi quarant’anni, sia venuta quella socializzazione linguistica per cui l’italiano da lingua dei ceti colti è diventato lingua di quasi tutti gli italiani, prima in gran parte dialettofoni, e la nazionalità virtuale dei essa si è mutata in nazionalità effettiva. Ovviamente un processo quantitativo così grande si sconta nella qualità; ma chi oserebbe rinnegare l’acquisto sociale e politico ottenuto col fatto che la lingua italiana è oggi divenuta il nostro più forte fattore di unità culturale e politica?» (Accademia de la Crusca 1995, 6; cf. auch Schmitt 2001, 482).
Dem Spannungsfeld zwischen präskriptiver Norm und Gebrauchsnorm wird bei Minderheitensprachen ein weiterer Problemfaktor hinzugefügt: der Sprachkontakt mit einer meist dominanten, überregionalen Sprache bzw. Varietät. Die Schwierigkeit besteht hier vor allem darin, dass die Autonomie der Sprecher, besonders in der mündlichen Sprachrealisierung, stark vom Kontakt mit der anderen Sprache bzw. Varietät beeinflusst wird. Nicht «normative» Äußerungen werden somit nicht nur als nicht regelkonform mit den präskriptiven Vorschriften der eigenen Sprache eingestuft, sondern sind auch als «Interferenzen» (cf. 2.1.1.) mit der jeweils anderen Sprache negativ klassifiziert. Dass diese Haltung in Frage gestellt und neu überdacht werden muss, wenn Minderheitensprachen bzw. einzelne Varietäten aus dem Schatten der sie dominierenden Sprache bzw. Varietät heraustreten sollen, zeigen die vom Conseil de la langue française aufgestellten Richtlinien für das Französische in Québec: «[…] il importe donc que les décisions normatives portant sur les usages linguistiques propres au Québec soient prises par des Québécois et que l’on cesse, dans ces cas-là, de s’en remettre à des évaluations et à des jugements effectués à l’étranger. Par ailleurs, les Québécois partagent aussi un grand nombre d’usages panfrancophones – cela ne doit pas être remis en cause –, mais ils ont à donner leur opinion sur leurs usages propres» (CLF 1990, 31).
Für das Katalanische erweist sich die Situation als immer noch sehr delikat, und das auch nach zahlreichen Jahren des Normalisierungsprozesses, durch den schon viele, wenn auch nicht alle, Konfliktpunkte gelöst wurden (cf. 3.2.).6
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Ein weiterer Problemfaktor bezogen auf die präskriptive Norm im Katalanischen ist die Tatsache, dass diese nicht für alle Regionen gültig ist, so z. B. nicht für Mallorca (cf. Veny 1991; Radatz 1997a; Sinner 2001b).
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Viele Sprecher glauben, oft aus eigener sprachlicher Unsicherheit heraus, sich an die präskriptive, in Form der gängigsten Grammatiken und Wörterbücher verbreitete, Norm halten zu müssen, um das Katalanische vor dem Verfall und Verschwinden zu schützen. Solà kommentiert diese Haltung mit Unverständnis und meint, dass «la majoria d’aquests detalls no tenen cap mena d’influència en la salut pública de la llengua» (2004, 38). Der Autor geht sogar noch weiter und beschwört eine Art Teufelskreis herauf, indem er feststellt: «Aquest estat de la llengua ha produït un fenomen ben explicable: la majoria dels manuals pràctics de gramàtica (i els diccionaris) prefereixen mantenir-se en una posició ‹ortodoxa›. I davant els detalls controvertits o no aclarits pels codis oficials (gramàtica i diccionari) se situen implícitament o explícitament allà on creuen que es troba la norma o l’autoritat» (2004, 38).
In heutiger Zeit bestehen allerdings Bestrebungen, die von der Vorstellung einer rein präskriptiven Norm abweichen und Sprachbeschreibung wieder als Spiegel der sprachlichen Realität betrachten. In diesem Kontext sind das Grammatikprojekt (Gramàtica del català contemporani) und auch das Wörterbuchprojekt (Diccionari descriptiu de la llengua catalana) des Institut d’Estudis Catalans anzusiedeln (cf. Solà 2004; http://dcc.iecat.net/ddlc/index. asp, letzter Zugriff am 27. Februar 2008). Solà äußert sich unter Bezugnahme auf das deskriptive Grammatikprojekt der Gramàtica del català contemporani, zu diesem Unterschied wie folgt: «Una gramàtica descriptiva intenta fer una radiografia del funcionament d’una llengua en la realitat quotidiana, cosa que equival a trobar i formular les lleis profundes dels fets visibles. [...] Una gramàtica normativa (o preceptiva), sobretot aplicada a llengües com el gallec i el català, políticament perseguides durant segles i socialment barrejades amb la llengua del poder, es preocupa bàsicament o exclusivament d’aquells fets que contribueixen a distingir un escrit ‹correcte› d’un escrit ‹incorrecte›, i per tant que ajuden de manera immediata els usuaris de bona voluntat que volen integrar en la seva vida aquella llengua bandejada, perseguida, ignorada. Però resulta que aquests dos qualificatius, correcte i incorrecte, són tan difícils de definir que aviat observem la dispersió a què un manual normatiu es veu abocat» (2004, 32s.).
Bevor näher auf die Problematik der Korrektheit besonders in der gesprochenen Sprache eingegangen wird, möchte ich allerdings noch eine Beschreibung vorstellen, die sich auf die konfliktive Situation der Norm in den Minderheitensprachen auch sehr gut anwenden lässt. Es handelt sich hierbei um die Definition von Hoinkes (1997, 38s.; cf. auch Stehl 1990; 1994) zum exogenen und endogenen Standard. Unter exogenem Standard versteht der Autor die zumeist schriftsprachlich gestützte Norm der exemplarischen Form des Standards; endogener Standard ist für ihn die Realisierung der als Referenz dienenden Norm in einer gegebenen Sprachgemeinschaft: «Zwischen der Standard-Varietät und einer abgrenzbaren Nicht-Standard-Varietät derselben historischen Sprache […] kommt es in der Regel zu einer Kontaktsituation, die mit einem komplizierten Normenkonflikt einhergeht. Dieser Normenkon-
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flikt gestaltet sich deshalb so kompliziert, weil auf der einen Seite die Standard-Varietät in der Form des endogenen Standards ein hohes Maß an Offenheit, Toleranz und Variation aufweist und auf der anderen Seite die Nicht-Standard-Varietät in der doppelten Abhängigkeit von ihrer eigenen Norm und der Norm der StandardVarietät steht. Der hieraus ableitbare Normenkonflikt ist von Fall zu Fall verschieden und wird durch Abgrenzungsmechanismen ebenso wie durch Interferenztechniken und Assimilationserscheinungen bestimmt» (Hoinkes 1997, 43).
Stehen sich nun, wie im Fall des Katalanischen und Spanischen, zwei Standardsprachen gegenüber, treffen somit zwei exogene Standards, zwei endogene Standards und mehrere varietätenbezogene Standards aufeinander – die Beziehung wird also noch komplexer. Auf der normativen Ebene ergeben sich daraus teilweise schwer einzuordnende Normenkonflikte, die «zu einer brisanten Dynamik der Sprachkontaktsituation beitragen» (Hoinkes 1997, 45). Zusätzlich ist an dieser Stelle noch anzumerken, dass der spanisch-katalanische Sprachkontakt lange Zeit ja durch ein disharmonisches (diglossisches) Verhältnis von exogenem und endogenem Standard der jeweiligen Sprachen bestimmt war. Das Spanische hatte eine größere Funktionalität, mehr Prestige und damit allgemein eine übergewichtete Bedeutung, die sich darin äußerten, dass sein exogener Standard als verbindlich für die öffentliche Kommunikation in vielen Belangen galt. Für das Katalanische war hingegen der private Raum der meist mündlichen Kommunikation reserviert, ein Raum der Realisierung des endogenen Standards mit varietätenlinguistischen Besonderheiten und Ausprägungen. Somit wurde das Spannungsverhältnis zum eigenen exogenen Standard im Katalanischen verstärkt, was sich immer noch in hohem Maße im Normalisierungsprozess und in der Annahme des exogenen Standards des Katalanischen durch die Sprecher widerspiegelt. Die Sprecher des Katalanischen – und somit auch die bei dieser Arbeit im Mittelpunkt stehenden Jugendlichen – befinden sich also, zusätzlich zu dem bereits erwähnten Konflikt zwischen Norm und Autonomie bezogen auf eine Sprache (hier das Katalanische), in einem weiteren Spannungsfeld. Ihre sprachlichen Realisierungen werden zusätzlich vom Sprachkontakt SpanischKatalanisch beeinflusst. Dies wirkt sich vor allem im Umgang mit und der Einschätzung von Kontaktphänomenen wie Interferenzen, Code-Switching, Entlehnungen etc. (cf. 2.1.) aus und wird durch die Tatsache erschwert, dass gerade die – besonders in der Jugendsprache – wichtige Ebene der mündlichen Sprachrealisierung normativer Modelle (deskriptiver wie präskriptiver) Art ermangelt.
3.1.2. Das Problem der Norm in der gesprochenen Sprache Der Begriff der Norm in der gesprochenen Sprache, um den es hier gehen soll, darf nicht mit dem Begriff der mündlichen Norm (norma oral), wie man sie im katalanischen (und auch galizischen) Normendiskurs im Hinblick auf die sprachliche Normalisierung findet, verwechselt werden. Für das Katala67
nische spricht beispielsweise Payrató (1990, 60) von einem oralen Standard, der sich erst in einem Prozess der Fixierung befindet. Regueira (2004) stellt auf ähnliche Weise die Situation für das Galizische dar. Beiden Autoren ist gemein, dass sie sich hierbei vor allem auf phonetisch-phonologische Aspekte beziehen, bei denen, aufgrund der langen Diglossiesituation des Katalanischen bzw. Galizischen, noch keine «normative» Auswahl aus den verschiedenen Realisierungen der diatopischen Varietäten, beispielsweise für einen oralen Medienstandard, getroffen wurde. Für das Katalanische ist aber hinzuzufügen, dass die öffentlichen Medien, die über die lokale Ebene hinausgehen, sich mehrheitlich für die Ausspracherealisierung des català occidental entschieden haben (cf. Bassols 1997). Sicherlich existieren gemeinsame Ansatzpunkte, umfassen beide Konzepte doch vor allem die phonetisch-phonologische Ebene. Das Konzept der Norm in der gesprochenen Sprache möchte ich aber im Folgenden weiter fassen und auf alle Ebenen der Sprache anwenden. Es geht hier vor allem um die mündliche Realisierung von Sprache, mit ihren phonetisch-phonologischen, morphosyntaktischen, lexikalischen und diskurspragmatischen Eigenschaften in der mündlichen Kommunikation, wie sie auch von Koch/ Oesterreicher (1990), erweitert auf die konzeptionelle Mündlichkeit, als Nähesprache bezeichnet wird. Für diese gilt, dass sie aus verschiedenen Gründen nicht mit dem gleichen Maßstab, d.h. an der gleichen Norm gemessen werden kann, wie die Schriftsprache, oder, um den Begriff weiter zu fassen und bei der Terminologie von Koch/Oesterreicher zu bleiben, der Distanzsprache. Als einen dieser Gründe nennt Regueira (cf. 2004, 82) beispielsweise einen geringeren Fixierungsgrad in der gesprochenen Sprache und einen toleranteren Umgang mit Abweichungen seitens der Sprecher. Bei Barruti (cf. 1990, 130) wird weiterhin der Aspekt der Spontaneität sowie der Dialogizität angeführt, darüber hinaus werden der gesprochenen Sprache einfachere syntaktische Strukturen und die Verwendung einer entsprechenden Deixis zur Textstrukturierung und Herstellung interner Bezüge zugeschrieben. Zu diesen kommen Aspekte wie Gesprächsabbrüche, Unterbrechungen, Wiederholungen und Reparaturen des Geäußerten hinzu. Trotz dieser wesentlichen Unterschiede, die von Koch/Oesterreicher (1990) noch weiter ausdifferenziert worden sind, werden der Nähesprache zuzurechnende Äußerungen häufig immer noch nach Kriterien der schriftlichen Norm gemessen und in deren Sinne als «richtig» oder «falsch» klassifiziert.7 Dies ist auch häufig der Fall im Katalanischen, für das ausreichende
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Einen umgekehrten Fall für das Deutsche, in dem die schriftliche Norm in der jüngeren Vergangenheit eher eine starke Beeinflussung durch die gesprochene Sprache erfahren hat, nennt Eichinger (2005, 142s.): «Es ist aber offenkundig, dass mit den medialen Umbrüchen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die tradierte schriftsprachliche Norm weniger und weniger als die alleinige Basis
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Beschreibungen der mündlichen Besonderheiten kaum existieren (cf. Sinner 2004, 605ss.; Vila Pujol 1996, 275). Als erste Entwicklung hin zu sprachlichen Modellen für gesprochenes Katalanisch sei an dieser Stelle das Korpusprojekt der Universitat de Barcelona (Corpus oral de conversa col· loquial; cf. Payrató/Alturo 2002) genannt. Auch die Projekte des Institut d’Estudis Catalans der deskriptiven Grammatik bzw. des deskriptiven Wörterbuchs des Katalanischen (cf. Solà 2004) weisen in diese Richtung. Nichtsdestotrotz gibt es im gesprochenen Katalanisch Sprachgebrauchsnormen, welche fester Bestandteil der sprachlichen Realität Kataloniens sind, von den Sprechern aber gleichzeitig als nicht konform mit der präskriptiven Norm angesehen und somit negativ als «falsch» beurteilt werden. Sinner/ Wieland (2008) weisen in diesem Kontext darauf hin, dass «la percepción de muchos hablantes es que lo que se encuentra en los diccionarios es ‹la norma›, sacralizando, de esta forma, los diccionarios, y lo que no se halla en ellos no debe utilizarse. Sin embargo, la orientación en la norma prescriptiva que no coincide en absoluto con la norma de uso local puede causar una relación anormal con la propia lengua. Así, por ejemplo, la comparación de la propia variedad (que normalmente coincide con la variedad local) con la ‹norma central› y el tratamiento de las características de la propia variedad como incorrectos – por ejemplo en la escuela – puede provocar complejos de inferioridad en los hablantes (cf. los juicios de los alumnos de una escuela bilingüe en California descritos por Kjolseth 1973, 12)».8
Viele der Schwierigkeiten hängen mit dem Gebrauch von Umgangssprache, mit einem relativ umgangssprachlichen oder sogar vulgärsprachlichen Vokabular, mit einem weniger formellen Sprachgebrauch – also insgesamt sehr stark mit der Nähesprache – zusammen. Für die jugendliche Sprechweise gilt dies in besonderem Maße, da jugendtypische Realisierungen vor allem im
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sozial angemessenen sprachlichen Verhaltens angesehen, sondern dass umgekehrt Schriftlichkeit nunmehr auch auf verschiedene mündliche Praxen rückbezogen wird – gerade das Fernsehen kennt eine Menge von so gelagerten Formen. Dadurch verliert die schriftliche Standardnorm ihre strikte Dominanz». Diese Aussage ist m.E. allerdings mit leichten Einschränkungen zu betrachten, da Abweichungen vom Standard sehr wohl von den Sprechern wahrgenommen werden und – wenn sie auch nicht mehr in dem Maße wie früher als stigmatisierend gelten – doch zumindest «belächelt» werden. Cf. hierzu besonders Sinner (2004, 605ss.); der Autor (2005) stellt darüber hinaus einige Problemfälle dar, die im gesprochenen Katalanisch durchaus üblich sind, aber von der schriftlichen Norm abweichen. Es handelt sich dabei um Fälle, bei denen weder Sprecher noch Linguisten sicher über eine Normkonformität mit den präskriptiven Normen des Katalanischen urteilen können, die jedoch in ihrer Gesamtheit meist alle als nicht korrekt abgetan werden. Hierzu gehören z. B. der Gebrauch von tenir que statt haver de, die Bildung von Verben mit dem Suffix {-ejar}, die Verwendung der Verbalperiphrase anar a + infinitiu für das Futur, Konstruktionen mit dem Pronomen lo, der Gebrauch von per bzw. per a vor dem Infinitiv sowie die verschiedenen Möglichkeiten, die Uhrzeit anzugeben.
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Kontext der Nähesprache und damit bevorzugt in der mündlichen Kommunikation anzutreffen sind. Folglich sind im katalanischen Kontext in jugendsprachlichen Äußerungen häufig Elemente anzutreffen, die nicht dem streng normativen Katalanisch entsprechen und vielfach als castellanismes angesehen werden. Hierzu einige Beispiele aus dem Korpus dieser Arbeit:9 JOVE3 A: també ha signat lo del fòrum\ buenoJOVE4 B: buenu no/ difícil no és \ lo que passa és que són carissims\ JOVE44 és que hem quedat\ (. 0.13) a les deu i mitja JOVE40 i tinc que deixar:bueno d’aquí poc deixaré la feina i tot\
Die katalanischen Jugendlichen sind daher dem Problem ausgesetzt, dass ihre Sprechweise oft an Normen gemessen wird, die sich am idealisierten Modell messen, das oft schon mit der allgemeinen, nicht spezifisch jugendlich markierten Nähesprache kollidiert. Dieser Konflikt wird noch verstärkt, wenn man die Besonderheiten von Jugendsprache – z. B. das Bestreben, kreativ mit Sprache umzugehen bzw. mit Sprache zu provozieren –, die generell ein Abweichen von der Norm und ein Streben nach größerer sprachlicher Autonomie beinhalten, einbezieht. Folgende Graphik stellt das Spannungsfeld zwischen der – für ihre Belange unvollständig formulierten – Norm und den Bestrebungen nach sprachlicher Autonomie, in dem sich die Jugendlichen befinden, dar. sprachliche Autonomie
Jugendliche
sprachliche Norm Graphik 3–2: Spannungsfeld Norm – Autonomie (eigene Graphik)
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In aus dem Korpus zitierten Textpassagen werden im Folgenden die für die Erwähnung im Text und die Analyse relevanten Sequenzen durch Unterstreichung hervorgehoben.
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Für das folgende Kapitel, in dem das Phänomen der Jugendsprache beschrieben und auf die Situation und bisherige Forschungen in Katalonien bezogen wird, dient das hier dargestellte Spannungsfeld, ebenso wie für die Korpusanalyse (cf. 5.2.), als Hintergrund. Es wird an entsprechender Stelle (cf. 5.3., 7.) noch näher beschrieben und ausgeweitet. Zunächst möchte ich allerdings zum Normierungs- und Normalisierungsprozess der katalanischen Sprache kommen. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass dazu der Begriff der Norm zunächst in Bezug auf die Normierung der Schriftsprache verwendet wird und zwar nicht im Sinne Coserius (Norm → normal), sondern im Sinne einer präskriptiven Sprachkodifizierung (Norm → normativ) zu verstehen ist. 3.1.3. Normierung und Normalisierung Als Normierung oder Normativierung (in deutschsprachigen Werken häufiger Kodifikation bzw. Kodifizierung) werden innerhalb des Gesamtbereichs der Sprachplanung alle Maßnahmen bezeichnet, die der «Fixierung einer Sprachform als verbindlich oder empfohlen» (Kremnitz 1981, 80) dienen. Normierung oder Kodifizierung von Sprache im präskriptiven Sinne ist demnach als Selektion von sprachlichen Mitteln durch Kriterien, die einen Begriff von Sprachrichtigkeit festlegen, zu verstehen. Dies bedeutet eine Gegenüberstellung von Normen mit dem System ohne Berücksichtigung des zwischen beiden Ebenen herrschenden Wechselverhältnisses. Praktiziert wird die Normierung von «Sprachhütern», zu denen Fishman (cf. 1971, 39) Schriftsteller, Grammatiker, Linguisten, Lehrer oder sonstige Personen zählt, die beruflich mit Sprache zu tun haben. Gefördert und verbreitet wird sie von staatlicher Seite durch das Unterrichtswesen und die Massenmedien, was dazu führt, dass mit der normierten Sprache von den Sprechern auch die Werte und Ziele dieser Institutionen (positiv oder negativ) assoziiert werden (cf. Haugen 1966, 28). Kremnitz definiert drei Gruppen von Kodifikation, nämlich den Unitarismus mit dem Ziel der Gültigkeit der Kodifikation für den Gesamtbereich einer historischen Sprache, den Dialektalismus als Kodifikation auf der Grundlage eines einzigen Dialekts sowie den Lokalismus als Kodifikation, die nur einzelne Orte umfassen soll (cf. 1981, 80). Als erster Schritt der Kodifikation erfolgt die Auswahl einer sprachlichen Norm als grundlegendes Modell, das in einem zweiten Schritt ausgearbeitet und als kohärentes Ganzes auf alle Bereiche der Sprache übertragen wird. Dies äußert sich (wie in Katalonien durch Pompeu Fabra geschehen) in der Ausarbeitung einer verbindlichen Orthographie, eines grammatischen Regelwerks und eines Lexikons als Ergebnis des Normierungsprozesses. Damit dieses Modell als solches von den Sprechern anerkannt wird, sind in Anlehnung an Haugen drei wesentliche Prinzipien zu befolgen: «1. Beachtung verschiedener dialektaler Formen (vergleichendes Prinzip), 2. Beachtung einer älteren Sprachform (archaisierendes Prinzip),
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3. Verwendung derjenigen Formen, welche die weiteste Verwendung haben (statistisches Prinzip)» (cf. Rogge/Beinke 1991, 194; Haugen 1968b).
Der Begriff der Standardsprache ist weiter gefasst als der der normierten oder kodifizierten Sprache. Beleuchtet letzte vor allem die sprachstrukturelle Seite, so erfasst die Standardsprache auch die gesellschaftliche Funktion, die soziale Akzeptanz der Sprache, ist demnach also auf ein positives Sprachbewusstsein der Sprecher angewiesen. 1960 prägen einige katalanische Soziolinguisten (cf. Aracil, Ninyoles, Badia) einen neuen Begriff zur Bezeichnung des Standardisierungsvorgangs: Normalització lingüística.10 Der Versuch, die drei Begriffe Normierung (bzw. Kodifikation/Kodifizierung), Standardisierung und Normalisierung zueinander in Verbindung zu setzen, lässt darauf schließen, dass Normierung (linguistische Komponente) und Normalisierung (soziolinguistische Komponente als Verbreitung der normierten Sprachform) als die beiden Grundkomponenten der Standardisierung gesehen werden können. Wirken Normierung und Normalisierung auch zu großen Teilen nebeneinander, so steht jedoch der normierende Vorgang (cf. Phasen des Standardisierungsprozesses nach Haugen 1983) vor allem in seinem kodifizierenden Aspekt der schriftlichen Niederlegung einer Varietät (des Standards) in Regeln, Grammatiken, Wörterbüchern zunächst im Vordergrund. Erst dann kann die Normalisierung einsetzen, welche im DSL wie folgt definiert wird: «Procés de reorganització social consistent en l’extensió – a través de mitjans educatius, polítics, culturals, etc. – de l’ús de la llengua minoritzada en quatre aspectes. 1 2 3 4
augment de la quantitat de parlants, augment de la freqüència d’ús, ocupació de tots els àmbits d’ús, facilitació de normes d’ús lingüístic més favorables a la presència hegemònica de la llengua dominada (…)» (Ruiz et al. 2001, 67).
Kremnitz gibt zu bedenken, dass die katalanischen Soziolinguisten unter Normalisierung «zwei komplementäre Vorgänge, nämlich die Normativierung oder Normierung […] der Sprache und die Erweiterung ihres Anwendungsbereiches […]» verstehen (1979, 23). Dies belegt eine leichte Verschiebung der Begriffserklärung unter Aussparung des Begriffs der Standardisierung, der jedoch dennoch zur besseren Abgrenzungsmöglichkeit hier dargestellt werden soll. Dies geschieht auch im Hinblick auf den Zusammenhang von
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Der Begriff linguistic normalisation wird von Stewart (1968) als Kodifizierung und Akzeptanz eines formalen Systems von Normen des korrekten Sprachgebrauchs durch eine Sprechergemeinschaft bezeichnet. Die Verwendung des Begriffs der sprachlichen Normalisierung, wie er in der katalanischen Soziolinguistik zu finden ist, geht über die Beschreibung Stewarts hinaus und bezieht zur Förderung der Akzeptanz zahlreiche sprachplanerische und sprachpolitische Maßnahmen ein, wie im Folgenden zu sehen sein wird.
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Standardisierung und Standardvarietät und entsprechende Substandards, von welchen an späterer Stelle, im engeren Zusammenhang mit der Jugendsprache noch die Rede sein wird.
3.2. Der sprachliche Normalisierungsprozess in Katalonien 3.2.1. Die Entwicklung bis 1975 Der Beginn der Renaixença, der Wiedergeburt der katalanischen Sprache im 19. Jahrhundert, wird häufig mit der Wiederaufnahme der Jocs Florals, einem Dichterwettstreit in Barcelona im Jahre 1859, gleichgesetzt. Sie gelten vielfach als «la institució que va tenir el paper més decisiu en la recuperació plena de la llengua catalana per a un ús literari normal» (Segarra 1985, 149). Nach dem zu Beginn des 20. Jahrhunderts einsetzenden Normierungsprozess durch Pompeu Fabra beschäftigt man sich alsbald mit der Normalisierung der katalanischen Sprache. Bereits die Einrichtung der Mancomunitat (1914) bringt der katalanischen Sprache de facto den Status einer offiziellen Sprache, jedoch garantiert im Grunde erst die Republik (seit 1931) die Bedingungen der Möglichkeit zur Schaffung einer katalanischen Standardsprache (cf. Vallverdú 1979b, 85). Laut Autonomiestatut von 1932 existiert das Katalanische in Katalonien in Kooffizialität neben dem Spanischen, bis 1939 verstärkt sich jedoch der Gebrauch des Katalanischen vehement, vor allem im Bildungssystem, in der Presse, in der Literatur und im öffentlichen Leben. Vallverdú kommentiert die Situation vor 193911 entsprechend: «En resum, sense que pogués considerar-se superat el conflicte lingüístic en totes les seves ramificacions, sembla evident que la situació a què havia arribat Catalunya durant aquest període [1932–1939] propiciava la plena normalització lingüística. Hi ha, certament, un bilingüisme de massa [...] però [...] un bilingüisme merament funcional, en què el català esdevé gradualment la primera llengua i el castellà una llengua de relació» (1979b, 91).
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Cf. hierzu auch Badia i Margarit (1972, 285 ss.). Der Autor teilt die Normalisierung des Katalanischen im 20. Jahrhundert in drei Phasen ein: a) eine Progressionsphase (bis 1939): Definition und Fixierung einer Schriftsprachennorm, fast vollständige gesellschaftliche Reemanzipation des Katalanischen, b) eine Regressions-/ Repressionsphase (1939 bis Mitte der 70er Jahre): gesellschaftliches Verbot des Katalanischen, starke Redialektalisierung der mündlichen Sprache, ab den 60er Jahren allerdings starke Reaktionsbewegung von katalanischer Seite, c) Phase der zweiten Renaissance (1970 bis heute). Letzte ist zum einen gekennzeichnet durch die Suche nach einer Lösung für das weitgehende Fehlen einer Gemein- bzw. Standardsprache zwischen Literatursprache und Umgangssprache (cf. auch López de Castillo 1976, 30) und zum anderen durch das Bemühen um den Funktionsausbau der Sprache (cf. auch Rogge/Beinke 1991, 203).
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Die Normalisierung der Situation des Katalanischen wird durch Franco erneut unterbrochen und stark gefährdet, der Gebrauch des Katalanischen unter Strafe gestellt; politische und kulturelle Institutionen werden verboten, zahlreiche Intellektuelle gehen ins Exil. Erst seit Beginn der 60er Jahre kann man von einer gewissen Tolerierung des Katalanischen sprechen, die mit einem langsamen Wiederaufbau von Presse und Verlagswesen sowie dem Entstehen der nova cançó einhergeht (cf. Kremnitz 1979, 13ss.; Vallverdú 1998, 17). Die Diktatur betrieb mit ihren strikten und zum großen Teil erfolgreichen Bemühungen zur Durchsetzung des Spanischen als einzige Sprache eine «imperialistische Sprachpolitik» (cf. Vallverdú 1968, 37). Jahrzehntelang fehlte die natürliche Weiterentwicklung der katalanischen Sprache, d.h. eine Anpassung der Sprachnorm an die zunächst mündlich und später eventuell auch schriftlich auftretenden Entwicklungen; zum anderen erfolgte über mindestens eine Generation keine formale Sprachbildung in den Schulen, was dazu führte, dass viele Katalanen nahezu als «Analphabeten» in ihrer eigenen Sprache bezeichnet werden konnten. 3.2.2. Die soziolinguistische Situation nach Franco Ausgehend von den Daten der Volkszählung von 1981 stellen sich die (passiven, mündlichen) Katalanischkenntnisse der Gesamtbevölkerung Kataloniens auf den ersten Blick recht positiv dar: Cens 1981 – Coneixements passius orals del català a Catalunya 1% 19% entenen el català no entenen el català no hi consta
80%
Graphik 3–3: Katalanischkenntnisse 198112
Betrachtet man allerdings den Industriegürtel um Barcelona, so ist das Ergebnis der Volkszählung von 1975, dass mehr als die Hälfte der Einwohner
12
Eigene Graphik nach Daten des Institut d’Estadística de Catalunya unter http:// www.idescat.es (letzter Zugriff am 27. Februar 2008); Absolute Zahlen: Gesamt: 5.782.455 Personen, davon verstehen 4.616.330 Katalanisch und 1.085.367 nicht; 80.758 machten keine Angabe.
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in acht Gemeinden der àrea metropolitana mit mehr als 5.000 Einwohnern, vor allem diejenigen mit Migrationshintergrund, kein oder kaum Katalanisch versteht; in drei Gemeinden können weniger als 25% Katalanisch sprechen (cf. Jou 1998b, 186). Es handelt sich hierbei um das Gebiet, das in den 60er und 70er Jahren am stärksten von der Zuwanderung aus Andalusien und anderen spanischen Provinzen betroffen war und in dem daher der soziale Rückhalt für den Gebrauch der katalanischen Sprache fehlt, da in Katalonien bei vielen Immigranten keine sprachliche Assimilierung stattgefunden hat. Grund dafür war einerseits ein fehlender Zwang zur Integration über die Sprache aufgrund der Beherrschung des Spanischen, andererseits aber auch der Mangel an Möglichkeiten, das Katalanische zu lernen. Die in Normalfällen spätestens bei der zweiten Einwanderergeneration einsetzende Bilingualisierung, gefördert durch die Verwendung der Landessprache in Medien, Schule, Arbeit und Freizeit, war in Katalonien nicht zu registrieren (cf. Solé i Camardons 1998, 42ss.). Aber auch in anderen geographischen Gebieten Kataloniens mit hauptsächlich katalanischsprachigem Bevölkerungsanteil fehlt das Katalanische in den Anfängen der Transición fast gänzlich im öffentlichen Leben. Marí führt dies auf einen äußerst reduzierten Gebrauch in der offiziellen und behördlichen Kommunikation, auf fehlende Präsenz im Bildungswesen (erst ab 1978 Katalanischunterricht), in der Arbeitswelt und im Handel sowie auf das fast vollständige Fehlen von katalanischsprachigen Kommunikationsmedien zurück. López de Castillo sieht das Hauptproblem ebenfalls in der Ersetzung des Katalanischen durch das Spanische im öffentlichen Gebrauch, also in dem Bereich, wo sich normalerweise die soziale Standardnorm generiert und verbreitet (cf. 1976, 30ss.). Hinzu kommt der steigende Gebrauch des Spanischen in informellen, umgangssprachlichen Kommunikationssituationen (cf. Solé i Camardons 1989, 41). Mitte der 70er Jahre gibt es keine sozialen Funktionen, die nicht durch die spanische Sprache abgedeckt werden können; bei den Sprechern existiert zwar vielleicht das Bewusstsein für einen möglichen Nutzen und Notwendigkeit der katalanischen Sprache über den familiären Anwendungsbereich hinaus, Anwendung findet sie aber aufgrund der vorhergegangen Unterdrückung und immer noch vorhandenen Ablehnung kaum. Es liegt also eine Diglossie-Situation im Sinne von Ferguson13 vor.
13
Cf. hierzu auch Hudson: «Diglossia is a relatively stable language situation in which, in addition to the primary dialects of the language (which may include a standard or regional standards), there is a very divergent, highly codified (often grammatically more complex) superposed variety, the vehicle of a large and respected body of written literature, either of an earlier period or in another speech community, which is learned largely by formal education and is used for most written and formal spoken purposes but is not used by any sector of the community for ordinary conversation» (1980, 54). Ferguson selbst beschreibt zunächst die
75
Die soziolinguistische Situation in Katalonien nach Ende der Diktatur unter Franco 1975 lässt sich somit folgendermaßen darstellen: Kommunikationsbereiche
Ausrichtung
Sprache B: Katalanisch
(–) offiziell/formell
Mündlichkeit
Sprache A: Spanisch
(+) offiziell/formell
Schriftlichkeit
Tabelle 3–1: Soziolinguistische Situation in Katalonien 1975 (cf. Rogge/Beinke 1991, 195)
López de Castillo teilt die postfrankistische Gesellschaft in Katalonien unter dem sprachlichen Gesichtspunkt der Nutzung der katalanischen Standardvarietät in vier Gruppen auf: «a) Una petita élite que ha arribat a conèixer la llengua normativa fins a un grau diguem-ne de força acceptabilitat. Repartits per tots els països catalans, bé que concentrats en gran proporció a l’àrea barcelonina, estaria formada fonamentalment per professors de llengua, universitaris i altres estudiosos de la llengua que han seguit diversos cursos [...], b) L’esglaó següent el formaria una base constituida per la gent que ha estudiat poc o molt la llengua, de grans, en cursos i cursets organitzats per diverses entitats culturals [...], c) El tercer esglaó el formaria un públic més difús encara i heterogeni i de més mal concretar [...], d) A part aquesta piràmide, bé que immediatament a sota, hi trobem un nombre imprecís – però que tot indica que pot superar els anteriors – constituït per infants
Diglossie als eine extreme soziale Stratifizierung, bei der entweder die populäre Variante einer Sprache oder eine regionale bzw. eine Kreolsprache (Sprache B) einer Hochsprache (Sprache A) stark untergeordnet ist. Sprache A und Sprache B belegen unterschiedliche Funktionen, unterscheiden sich in Prestige, Erwerb, literarischem Hintergrund, Grammatik, Lexik etc. Mit den ersten Arbeiten von Badia i Margarit für das Katalanische wird der Diglossiebegriff eingeführt, und neben dem individuell geprägten Bilinguismusbegriff erstmalig auf die funktionelle Differenzierung zweier Sprachen in der katalanischen Gesellschaft verwiesen. Im Gegensatz zu Ferguson, der einer Diglossiesituation die Eigenschaft der Stabilität zuordnet, taucht nun die Vorstellung von Dynamik auf, d.h. die Veränderung der Bedingungen und Funktionen beider beteiligter Sprachen. Kremnitz sieht hierfür zwei Entwicklungsmöglichkeiten, zum einen die Substitution der B-Sprache durch die A-Sprache oder zum anderen die Normalisierung der B-Sprache mit gleichzeitiger Verdrängung der A-Sprache (cf. Kremnitz, 1979, 20). Fishman folgt Gumperz und dehnt den Begriff auf jede Gesellschaft aus, in der zwei oder mehr Varietäten oder Sprachen unter verschiedenen Voraussetzungen gebraucht werden (cf. Fishman 1971, 74).
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i nois en edat escolar que reben ensenyament de català a l’escola i a l’institut, dins dels quals hi ha una (encara) minoria que rep l’ensenyament, o part, en català [...]» (1976, 31s.).
Die Sprachpolitik der neuen Generalitat de Catalunya ab 1980 beginnt also, zusammengefasst, unter folgenden Voraussetzungen: «Una situació en què una part de la població només coneix el castellà i una altra part, que parla de manera habitual en català, escriu bé el castellà però no sap ferho en catalá» (Jou 1998b, 186s.).
Aracil (1983; cf. auch Querol 2005) stellt drei mögliche Entwicklungen und Haltungen seitens der Sprecher dar, die sich aus dieser Situation des Katalanischen als Minderheitensprache hätten ergeben können und von denen nur die letzte das Überleben der Sprache sichert: die Ablehnung der Sprache als nutzlos auf dem marché linguistique (cf. 3.3.3.), der Rückzug bzw. die Isolation in lokal sehr begrenzten Kommunikationsgemeinschaften oder schließlich die organisierte soziale Wiederbelebung der Sprache.
3.2.3. Grundüberlegungen zur Normalisierung der katalanischen Sprache ab 1975 Problematisch zeigt sich die Tatsache, dass in den Jahren nach der Diktatur die meisten Katalanen auf eine primäre Sozialisierung in spanischer Sprache zurückblicken können, somit grundlegende sprachliche Funktionen und Handlungen in der dominanten Sprache automatisiert sind und nur schwer auf die bis dato marginalisierte Sprache umgestellt werden können. Erschwerend kommt, nach Meinung von López de Castillo, noch die mangelnde Kenntnis bzw. das mangelnde Sprachbewusstsein für das normative Katalanisch hinzu:14 «Per al parlant, de fet, no hi ha llacunes, almenys mentre no té consciència de la dicotomia existent llengua normativa – llengua parlada: tot concepte troba una expressió verbal entre els parlants catalans. El significat ‹bústia› podrà ser expressat amb el significant /buson/: no hi ha doncs llacuna lingüística. El problema vindrà del no reconeixement d’aquesta forma lingüística per part de la comunitat parlant culta com a forma adequada a un nivell o norma stàndard de llenguatge. La solució d’aquest problema així posat no vindrà sinó del pes sociològic que adquireixi
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Cf. hierzu auch Ruiz et al. (1996, 35); López de Castillo konstatiert bezüglich der Sprachkontaktphänomene allerdings nicht unbedingt ein simples Einsetzen spanischer Lexeme zur Auffüllung von Lücken in der katalanischen Lexik, sondern häufig semantische Entlehnungen. Als Beispiel führt er z. B. das Lexem raig mit seinen zwei spanischen Entsprechungen rayo und chorro an (cf. 1976, 37s.) an. Aufgrund der Ähnlichkeit von rayo und raig, tritt bei vielen Sprechern ein Phänomen von Hyperkorrektion auf, das sie in Analogie das Lexem xorro vom spanischen chorro entlehnen lässt.
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aquesta comunitat parlant culta com a orientadora de l’ús de la llengua en tota la comunitat parlant» (1976, 36).
Die Problematik wird in den zahlreichen Bemühungen deutlich, ein adäquates Katalanisch für die Massenkommunikation zu finden, die oft von Kontroversen über den «korrekten» Sprachgebrauch, ohne Berücksichtigung wesentlicher Unterschiede zwischen Literatur- und Mediensprache begleitet wurden.15 Es entsteht im Zuge der ersten Schritte der neuen katalanischen Sprachenpolitik nach Franco eine Polemik zwischen den Verfechtern einer archaisierenden, sich vom Spanischen entfernenden und eng am normierten Katalanisch orientierten Varietät (català heavy) und einer die neuesten Entwicklungen berücksichtigenden Varietät (català light). Die Diskussionen über das so genannte català heavy bzw. català light führt teilweise zu einer viel zu starken Konzentration auf die Normativität der Sprache und das Vermeiden von barbarismes, d.h. eine zu einfache Aufteilung in korrekt und inkorrekt, die einen wesentlichen Aspekt der Sprachentwicklung, den der Anpassung an soziale Konventionen, missachtet. Dass die Diskussionen um català heavy oder català light bis heute andauern, zeigt folgender polemisierender Beitrag des Linguisten Bibiloni:16 «Ja tenim el nou diari Avui. […] Llàstima que no hagin renovat també el(s) responsable(s) de la llengua i els criteris lingüístics. Això sembla que continuarà igual. És a dir que si un redactor decideix escriure ‹enguany›, ‹darrer›, ‹cercar› o ‹digué›, toparà amb l’implacable llapis vermell que li reemplaçarà aquests mots pels que usen els veïns de l’escala del corrector. I continuarà el ‹sisplau›, ‹l’esclar›, el ‹sigut›, el ‹recolzar el govern›, el ‹nòvio›, el ‹xòfer›, el ‹convence’l› [...] I és que els qui a començament dels 80 van fer la ‹revolució› del que es va anomenar català light continuen en els llocs en què astutament van saber instal·lar-se, i fent la seva feina de deturpació de la llengua. I els qui manen sembla que continuen sense entendre de què va la història».
Ende der 70er Jahre – zu Beginn des Normalisierungsprozesses und trotz der aufgezeigten Polemik – sprechen sich viele Autoren für eine Förderung des Sprachgebrauchs zur Stärkung der Kommunikationsfunktion der katalanischen Sprache aus. Sie äußern allerdings den Vorbehalt gegen mögliche sprachliche Veränderungen durch anfänglich noch mangelhaftes Katalanisch seitens spanischer oder auch katalanischer Muttersprachler.17
15 16
17
Cf. Solé i Camardons (1989, 105) und Sabater (1991). Über die Mailingliste migjorn ([email protected]) am 29. September 2005 verbreiteter Beitrag aus http://www.bibiloni.net/blog, letzter Zugriff am 27. Februar 2008. Cf. Marí (1985), Ruiz et al. (1996), Vallverdú (1979a; 1990); Aymà schreibt hierzu: «No cal ser lingüista per adonar-se que la ‹seva› llengua catalana [der Immigranten im Industriegürtel von Barcelona] és prou diferent del català que encara ara s’usa a les comarques allunyades de Barcelona o de la que parlàvem nostaltres de petits» (1992, 67). Er fährt fort: «Però les llengües canvien, sigui per evolució interna o
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Diese Überzeugung spiegelt sich letztendlich auch in den Medien wider, die wesentlichen Anteil an einer Öffnung vieler spanischsprachiger Haushalte zum Katalanischen hatten und haben: «Un cop el català va començar a tenir accés als mitjans de comunicació, es va plantejar la necessitat d’aconseguir la màxima eficàcia comunicativa dels missatges produïts des d’aquests mitjans. Aquest és l’objectiu fonamental de l’estàndard. D’ací que els arcaismes gratuïts, els dialectalismes remots o els neologismes exagerats no hi tinguin lloc» (Ruiz et al. 1996, 211; cf. auch Aymà 1992, 162; 164).
Neben der Diskussion über die sprachlich durchzusetzende Norm präsentiert sich die Frage nach dem Ziel, das es im sprachlichen Normalisierungsprozess zu verfolgen gilt. Hier sind die Meinungen verschiedener Autoren ebenfalls sehr gespalten. Branchadell unterscheidet im Hinblick auf die Sprachpolitik der katalanischen Regierung zwischen objectiu mínim/feble («que tots els ciutadans de Catalunya que ho desitgin puguin viure en català») und objectiu fort («que a Catalunya tots els ciutadans visquin de fet en català») der sprachlichen Normalisierung (1996, 9s.). Von den Verantwortlichen für den sprachlichen Normalisierungsprozess in Katalonien wird das objectiu fort nur in seltenen Fällen als oberstes Ziel genannt,18 meistens orientiert sich die Sprachenpolitik der Generalitat de Catalunya an kleinschrittigeren Zielen mit größeren Zugeständnissen an die spanische Sprechergemeinschaft in Katalonien. Branchadell selbst geht in seinen eigenen Forderungen sogar noch einen Schritt weiter und sieht als förderungswürdiges objectiu últim der sprachlichen Normalisierung «una situació en què el català fos la llengua comuna de la població», also einen «monolingüisme català» (1996, 10). Dieses Ziel wird von anderen Autoren nicht unbedingt unterstützt. Vallverdú beispielsweise spricht sich eher für das objectiu feble, für eine langsamere Rekatalanisierung der Gesellschaft aus, welche seiner Meinung nach automatisch zu einem sukzessiven Bedeutungsverlust des Spanischen führen wird:
18
per influència d’altres. Normalement, qualifiquem de ‹degradació› lingüística (o li donem algun adjectiu semblant) el canvi que s’hi opera quan ve de l’exterior. És normal, però, que les llengües es ‹degradin› o evolucionin a través dels temps. La veritat és que si es parla d’‹evolució› tothom ho troba perfecte; en canvi, emprem la paraula abans esmentada per significar que és quelcom que no ens agrada. En diem ‹degradació› perquè és un trauma que ens ‹ha tocat› a nosaltres, a les nostres generacions, de veure i viure» (1992, 172). Branchadell zitiert Aina Moll, Directora General de Política Lingüística von 1980–1988: «Normalitzar vol dir fer normal, oi? Quina seria la situació lingüística normal? En un territori on hi ha una llengua oficial qua a més és la pròpia del país, el normal és que tots els ciutadans sàpiguen aquesta llengua i l’emprin en qualsevol situació [...]. Hem de tendir a que [sic!] el català sigui veritablement la llengua pròpia d’aquí, que tota relació normal es faci en català» (Branchadell 1996, 24s.).
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«[...] com que ens proposem la normalització lingüística del català des de posicions responsables, cal acceptar un règim de cooficialitat per al castellà, amb formes no artificioses, el qual, a mesura que el nostre país es (re)catalanitzi, anirà perdent la seva necessitat de ser» (1979b, 164).
Im Endeffekt tritt zwar auch Vallverdú für eine vollständige sprachliche Normalisierung des Katalanischen ein, hält diese aber für utopisch, solange es zahlreiche Teile der Gesellschaft gibt, die der Sprache nicht mächtig sind. Ohne die Bedeutung des Spanischen (als «llengua de relació amb la resta de l’Estat espanyol, com a segona llengua dels catalans», 1979b, 172) in Frage stellen zu wollen, schlägt er das Verfolgen taktischer Ziele, vor allem die Förderung der mündlichen Sprachkompetenz in Zusammenarbeit mit Organisationen, Medien und Kulturzentren vor. Von größter Bedeutung sind hierbei nicht nur die gesetzlichen Rahmenbedingungen,19 sondern vor allem der Einsatz der Gesellschaft als Protagonist der sprachlichen Normalisierung.20 Das Gesetz zur sprachlichen Normalisierung von 1998 verzeichnet insgesamt weit mehr Interventionsinstrumente als das von 1983, insbesondere durch seine Erweiterung der durch die Normalització lingüística angesprochenen Zielgruppen, nämlich nicht mehr nur Administration, Beamte, Erziehungswesen, sondern viele andere, wie z. B. soziale Träger, Geschäftsleute, Radio, Kino etc. Es soll dazu dienen, die 1983 von der Generalitat begonnene Sprachpolitik in Verwaltung, Bildungswesen und Kommunikationsmedien fortzuführen, in verschiedenen weiteren Anwendungsbereichen zu verbes-
19
20
Auf eine ausführliche Darstellung der Vorbereitung, Umsetzung und Konsequenzen der Llei 7/1983 de Normalització lingüística, ihrer Neufassung von 1998 (Llei 1/1998 de Normalització Lingüística) sowie des Pla General de Normalització Lingüística von 1995 wird an dieser Stelle verzichtet. Ausführliche Darstellungen finden sich u. a. bei Laitin (1989), Vallverdú (1990), Marí (1992), Boyer (1992), Martí i Castell (1992), Generalitat de Catalunya (1995), Branchadell (1996), Gergen (1997), Jou (1998) oder Gergen (2000). Der Wortlaut der einzelnen Gesetzestexte ist unter www.gencat.net/llengcat/legis/lleinl.htm (letzer Zugriff am 27. Februar 2008) zu finden. Cf. hierzu auch Mollà: «En aquest sentit, una primera conclusió seria que la políticia i la planificació lingüístiques de caràcter institucional, tot i ser rellevants, no són determinants. Al meu entendre, l’acció cívica és imprescindible per a convertir la reivindicació lingüística en una exigència social de caràcter col·lectiu. La societat és la realitat a normalitzar i la societat ha der ser, conseqüentment, l’agent de la normalització» (1997a, 111); das Argument, dass die Normalització lingüística nur bei entsprechender positiver Einstellung in der Bevölkerung und deren Einsatz dafür möglich ist, findet sich bei zahlreichen Autoren, u. a. Martí i Castell (1992, 133), Comes et al. (1995, 50). Eine Darstellung der Erfolge und Misserfolge bei der Umsetzung der Normalisierungsgesetze und der Implementierung der katalanischen Sprache in der katalanischen Gesellschaft findet sich bei Sinner/Wieland (2008).
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sern bzw. dort, wo es bisher keine gesetzlichen Regelungen für den Sprachgebrauch gab (Wirtschaft, private Kommunikationsmedien, Kulturbetriebe etc.), einen Rahmen zu schaffen. Noch mehr als der Pla General de Política Lingüística von 1995 soll die Llei de Normalització Lingüística von 1998 zur zentralen Handlungsachse der katalanischen Sprachpolitik werden, die zu diesem Ziel ebenfalls verschiedene Institutionen und gesellschaftliche Träger einzubinden sucht (cf. Jou 1998a, 7).
3.3. Die Normalisierung des Katalanischen im Kontext der Autonomie In diesem Kapitel soll die heutige Situation der katalanischen Sprache in Bereichen mit besonderer Bedeutung für diese Arbeit beschrieben werden. Dies gilt vor allem im Hinblick auf die sprachliche Situation in der Bevölkerungsgruppe der Jugendlichen. Neben der Familie, als kleinstem Sozialisationsraum, dient bei den Jugendlichen besonders die Schule dazu, soziale Netze zu knüpfen, mit anderen in (sprachlichen) Kontakt zu treten und sich so u. a. auch mit Sprache(n) im Allgemeinen und sprachlichen Varietäten im Besonderen auseinanderzusetzen. Die Schule ist demnach einer der Hauptakteure im sprachlichen Normalisierungsprozess. Als weiterer bedeutender Faktor im Normalisierungsprozess, der auch großen Einfluss auf die Jugendlichen hat, sind die Medien zu nennen. An dieser Stelle soll jedoch nur kurz allgemein auf die sprachliche Situation in den aktuell wichtigsten Kommunikationsmedien eingegangen werden. Eine detaillierte sprachliche Analyse, besonders im Hinblick auf (vermeintlich) jugendsprachliche Äußerungen und den reziproken Einfluss aufeinander, erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt (cf. 4.6.; 5.2.). 3.3.1. Allgemeine Beobachtungen Trotz seiner vielfachen Erfolge und positiven Entwicklungen hat der sprachliche Normalisierungsprozess in Katalonien gezeigt, dass zwar bezüglich der Sprachwahl von Institutionen, Organisationen, Medien und teilweise vielleicht sogar Unternehmen die Möglichkeit besteht, Einfluss zu nehmen, es aber sehr schwierig ist, die sprachlichen Gewohnheiten von Individuen zu verändern. So ist zwar seit Ende der Franco-Diktatur und vor allem seit Beginn des Normalisierungsprozesses die Bilingualisierung der katalanischen Bevölkerung weit fortgeschritten, ohne sich jedoch auf alle Bereiche des Sprachgebrauchs und auch nicht gleichermaßen auf alle sprachlichen Fertigkeiten zu erstrecken (cf. Bastardas 1991a; 1991b). Esteva stellt allerdings eine allgemeine Ausbreitung des Katalanischen in allen Bevölkerungsgruppen fest (cf. Graphik 3–4):
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«[…] el procés de normalització inclou […] polítics, literats, professors dels diferents nivells de l’ensenyament, periodistes, publicistes i tècnics de la comunicació de masses en versions audio-visuals. Crec que aquesta és una situació pròpia adaptada al procés democràtic que viu l’Estat espanyol i que, manifestament, inclou la nova generació formada, almenys, per la gent d’edats compreses entre els 15 i els 25 anys» (1991, 14).
Dieser vermeintlichen Zweisprachigkeit stellen viele Autoren Vermutungen über eher passiv gebrauchte bilinguale Kompetenzen gegenüber. Gerade für den städtischen Bereich,21 wenn auch nicht ausschließlich für diesen, machen sie geltend, dass hier eine sprachliche Assimilierung an die größere Zahl der Sprecher des Spanischen stattfindet (cf. Bastardas 1991b, 38ss.). Eine große Diskrepanz besteht allerdings zwischen den stark verbesserten Sprachkenntnissen und deren schwer messbarem, reellem Gebrauch sowohl bei den Katalanisch- als auch den Spanischmuttersprachlern (und hier insbesondere bei den Immigranten der jüngsten Zeit): «S’ha generalitzat el coneixement del català, sense que això hagi comportat un augment similar en els usos públics» (Jou 1998b, 195). Im Folgenden sollen die Sprachkompetenzen und der Sprachgebrauch der für diese Arbeit herangezogenen jugendlichen Informanten näher beleuchtet werden. 3.3.2. Sprachkompetenzen und -gebrauch der Jugendlichen Was für die gesamte katalanische Bevölkerung gilt, lässt sich in der Gruppe der Jugendlichen (hier 15 bis 17 Jahre) etwas relativieren. Betrachtet man die Entwicklung der Sprachkenntnisse der Einwohner Kataloniens im Jahre 1996, so sind sehr hohe, fast «normalisierte» Werte in allen vier sprachlichen Fertigkeiten vor allem in der Altersgruppe der 10- bis 20-Jährigen zu erkennen. Geht man etwas tiefer ins Detail, wird allerdings deutlich, dass es sich eher um eine fortgeschrittene Bilingualisierung mit einem hohen Grad an katalanischen Sprachkompetenzen handelt, wie folgende Graphik deutlich macht.
21
Solé i Camardons meint hierzu: «La substitució lingüística ja no segueix estrictament els paràmetres de rural-urbà, sinó que pren una direcció de generalització i consolidació arreu del país, independentment del (sub)àmbit geogràfic: hi ha escoles de majoria absoluta d’alumnes castellanoparlants tant a la comarca del Baix Llobregat (cinturó industrial de Barcelona) com a l’Alt Urgell (comarca de l’Alt Pirineu)» (1991, 51).
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Sprachkenntnisse der katalanischen Bevölkerung 1991
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100 80 60 40 20 0
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Bevölkerung in %
Sprachliche Fertigkeiten Graphik 3–4: Katalanischkenntnisse nach Altersgruppen 1996 (Farràs et al. 2000, 4)
Ihr gegenüber steht nach eigenen Aussagen vieler Jugendlicher gleichzeitig ein relativ hoher Gebrauch des Katalanischen.22 Zweifellos hat die bisher in Katalonien verfolgte Sprachpolitik in dieser Altersgruppe die meisten Erfolge aufzuweisen, werden die Jugendlichen doch durch Schule und Medien täglich mit dem Katalanischen konfrontiert und bewegen sich mehr oder weniger gut in dieser Sprache. Eine ähnliche Entwicklung wurde bereits in einer 1990 durchgeführten Umfrage unter 1.500 Jugendlichen im Alter von 14 bis 24 Jahren aufgezeigt.23 Auch hier gaben die Schüler im Durchschnitt an, die katalanische Sprache in hohem Maße zu gebrauchen, insgesamt in gut 50% ihrer Kommunikationen. Rein statistisch gesehen könnte man also durchaus von einer bilingualen Situation ausgehen. Die Auswertung der statistischen Daten des für diese Arbeit ausgewählten Korpus ergibt sogar eine noch positivere Situation zugunsten der katalanischen Sprache, wobei allerdings zu beachten ist, dass die Auswahl der befragten Jugendlichen auch gerade aufgrund ihres hohen Gebrauchs des Katalanischen getroffen wurde. 58,3% der insgesamt 144 befragten Jugendlichen im Alter von 13 bis 19 Jahren geben an, mit beiden Elternteilen Katalanisch zu sprechen, 18,7% sprechen mit einem Elternteil Katalanisch und mit dem anderen Spanisch bzw. mischen beide Sprachen. Für die Kommunikation mit
22
23
Die insgesamt 2000 in der 1998 durchgeführten Umfrage der Generalitat de Catalunya befragten Jugendlichen waren im Alter von 15 bis 29 Jahren und stammten aus der gesamten katalanischen Autonomieregion. Insgesamt 954 Befragte, d.h. 47,7%, waren zwischen 15 und 21 Jahren alt. Der Fragebogen umfasst neben dem sprachlichen Teil auch die Themen Familie, Arbeit, Studium, Freizeit, gesellschaftspolitisches Verhalten, Religion und Werte. Cf. Romaní (1992). Der Autor stellt bezüglich der Katalanischkenntsnisse bei den 14jährigen bzw. bei den 19jährigen folgende Werte fest: 23%/21% molt bé, 44%/48% bé, 26%/24% regular, 6%/7% deficient; cf. hierzu auch Marí (1992), Solé i Camardons (1997).
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den Geschwistern ergeben sich ähnliche Werte. Nach dem Sprachgebrauch im Gespräch mit Freunden befragt, erklären 66,7% der Jugendlichen, die katalanische Sprache bevorzugt bzw. zu einem Großteil fast ausschließlich zu benutzen. Ein Zusammenhang zwischen der Sprache in der Familie und der mit den Freunden üblichen Sprache lässt sich allerdings nicht erkennen (Korrelationskoeffizient r=0,02). Ebensowenig lässt sich anhand des Wohnortes (80,6% Barcelona, 13,2% primera corona metropolitana, 5,6% segona corona metropolitana)24 auf den jeweiligen Sprachgebrauch des Jugendlichen schließen (r= 0,076). Was die sprachliche Sicherheit der Jugendlichen betrifft, erhält das Katalanische mit 49,3% weit weniger Zuspruch als sein Gebrauch in der Familie oder mit den Freunden erwarten ließe. Allerdings geben 33,3% an, sich in beiden Sprachen gleichermaßen gut ausdrücken zu können. Ein, wenn auch geringer, Zusammenhang besteht zwischen der mit den Freunden gesprochenen Sprache und den sprachlichen Kompetenzen (r=0,28; das Ergebnis ist auf dem Niveau von 0,01 (zweiseitig) signifikant). Die jugendlichen Informanten des Korpus haben bezüglich der Sprachwahl und des Umgangs mit beiden Sprachen in ihrem täglichen Leben eine relativ pragmatische und undogmatische Haltung eingenommen. Die von mir befragten Jugendlichen empfinden sich in ihrer Mehrheit als bilingual und fühlen sich in beiden Sprachen zu Hause. Sie gehören bis auf wenige Ausnahmen (cf. JOVE3, 4) nicht zu den vehementen Verfechtern des Katalanischen, besonders nicht in politischer Hinsicht, geben aber an, das Katalanische mit dem Spanischen als gleichberechtigtes Kommunikationsmittel untereinander zu nutzen (cf. JOVE10). Die Zweisprachigkeit werten sie als positive Erscheinung, sind aber vielfach der Meinung, dass es für sie wichtiger ist, noch andere Sprachen zu lernen, als sich mit den zwei bereits beherrschten zufrieden zu geben oder eine von diesen abzulehnen (cf. JOVE5, 7, 8, 10, 34). Im katalanischen Durchschnitt verhalten sich Jugendliche in der sprachlichen Kommunikation gerade unter Altersgenossen aber doch anders. Im Gegensatz zur Unterrichtssprache, die in der Mehrheit der Fälle das Katalanische ist, attestiert Vila (2003, 32ss.) den katalanischen Jugendlichen einen erhöhten Gebrauch der spanischen Sprache und weist in diesem Zusammenhang auf Interferenzphänomene bzw. nicht klar einzelsprachlich abgrenzbare Phänomene hin.25 Parera/Bretxa stellen z. B. in ihrer Untersuchung zum
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25
Mit primera/segona corona metropolitana wird das Ballungsgebiet um den eigentlichen Stadtkern Barcelonas bezeichnet, das allerdings nicht die gesamte Provinz Barcelona umfasst, cf. hierzu http://www.diba.es/prem/fitxers/enquesta%20Regio%20Barcelona%202000.pdf, letzter Zugriff am 27. Februar 2008. Ähnliche Aussagen finden sich bei Solé i Camardons (1991, 60), der bei den katalanischen Jugendlichen einen geringeren Gebrauch der katalanischen Sprache feststellt, als diese nach eigenen Aussagen vorgeben zu haben. Finden Äußerungen durch Jugendliche auf Katalanisch statt, so bemängeln viele Autoren auch deren sinkende sprachliche Qualität bzw. die große Bereitschaft, je nach Gesprächspartner sofort ins Spanische zu wechseln (cf. Solà 1996).
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Gebrauch des Katalanischen durch jugendliche Sprecher in der an Barcelona angrenzenden Gemeinde Santa Coloma de Gramenet fest, dass «l’escola ha donat una base per a l’aprenentatge de la segona llengua. Tanmateix l’escola no ha generat una adopció del català en relacions horitzontals (amb els iguals). De fet, els informants relaten una evolució en la relació amb la llengua catalana: ús en les primeres etapes, allunyament a finals de primari i durant secundària, i nova valoració després de l’escolarització» (2003, 14).
Die Diskrepanz zwischen Sprachkenntnissen und tatsächlichem Sprachgebrauch der jugendlichen Bevölkerung, die katalanische Schulpolitiker, Soziolinguisten und Pädagogen oft mit «hem guanyat l’aula, però hem perdut el pati» (cf. Vila 2004a; Vila/Galindo 2005; cf. auch Solà 1996) bezeichnen, erklären verschiedene Autoren mit zwei eng zusammenhängenden Phänomenen. Zum einen wird der starke gesellschaftliche Druck gegen des Katalanische von außen angeführt: «[...] si als anys 60 passar-se al castellà era qüestió de bona educació, quatre dècades després és qüestió de no-nacionalisme, obertura, tolerància i mestissatge» (Vila/Vial 2003, 36).
Zum anderen berufen sich Erklärungen auf die Einstellung der Jugendlichen zur Sprache – ein Konzept, das im Folgenden näher erläutert werden soll. 3.3.3. Die Rolle der Spracheinstellungen für den Sprachgebrauch der katalanischen Jugendlichen Einstellungen werden als Orientierung des Individuums gegenüber seinem sozialen und physischen Umfeld verstanden. López Morales (1993) nennt zwei Gruppen, die sich mit der Definition von Einstellungen im Allgemeinen beschäftigt haben: die Mentalisten und die Konduktivisten. Die erstgenannten, zu denen u. a. Fishman zu zählen ist, fassen Einstellungen als eine das Subjekt in seinen Handlungen dauerhaft determinierende Grundhaltung auf, welche López Morales «una variable que interviene entre estímulo que afecta a la persona y su respuesta a él» (1993, 231) nennt. Im Gegensatz zu den Konduktivisten, deren Definition von Einstellung auf den Reaktionen von Sprechern in bestimmten, direkt beobachtbaren Situationen basiert, versuchen die weitläufiger akzeptierten Mentalisten, aufgrund der Einstellungen Vorhersagen über das menschliche Handeln zu treffen. Sie sehen Einstellung somit nicht als eigenständige psychologische Bezugsgröße, sondern als übergeordnete Kategorie für weitere Konzepte. Diesen sind als «constructes conductals de caràcter multidimensional» (cf. Comes et al. 1995, 41) Affekt, Verhalten und Kognition untergeordnet. Beide Definitionen lassen sich allerdings auf einen gemeinsamen Nenner bringen:
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«[...] las actitudes son adquiridas, permanecen implícitas, son relativamente estables, tienen un referente específico, varían en dirección y grado, y proporcionan una base para la obtención de índices cuantitativos» (López Morales 1993, 234).
Viele Einstellungen werden bereits in relativ frühem Alter erworben; dies erklärt, dass Kinder bereits mit Eintritt ins Schulleben eine Reihe von Werten besitzen, die zum einen durch ihre Persönlichkeit, zum anderen aus eigenen Erfahrungen entstanden sind. Durch Einfluss von außen, z. B. Erziehung, Schule, soziales Umfeld und Medien als auf kognitive Prozesse einwirkende Faktoren sind aber durchaus Modifikationen im positiven wie im negativen Sinne möglich, die sich sowohl durch die neuen Erfahrungen des Kindes, als vor allem auch durch die Zugehörigkeit zu neuen Gruppensystemen entwickeln. Große Bedeutung kommt hier den peergroups zu, den Gruppen Kinder und Jugendlicher mit der größten Dominanz und dem jeweils stärksten kulturellen und sprachlichen Einfluss auf eine mehr oder weniger begrenzte jugendliche Gemeinschaft und ihre Individuen. Das Bestreben nach Zugehörigkeit zu dieser peergroup beinhaltet häufig die Übernahme oder die Anpassung an die Gruppenideologie, an die in der Gruppe geläufigen Meinungen und Einstellungen (cf. 4.5.2.6.). Viele Einstellungen sind demnach durch das Umfeld kommunizierte und von ihm geprägte Haltungen, zu gesellschaftlichen oder politischen Themen ebenso wie zu Kultur und Sprache: «Spracheinstellungen beschreiben die subjektiven Einstellungen eines Individuums gegenüber seiner Sprache bzw. der eines anderen Individuums. Der Sprecher wird aufgrund seiner Sprache «klassifiziert» und in ein soziales Gefüge eingeordnet. Nicht nur das Gegenüber wird auf dieses [sic!] Weise bewertet, ein Sprecher unterzieht sich auch selber diesem Vorgang und ordnet sich in einem Identifizierungsprozeß in dieses System ein, indem er eine bestimmte Sprachvarietät wählt» (Dittmar/Schlobinski/Wachs 1986, 89).
Durch diesen Umstand und die Tatsache, dass Sprache als «bloßes» Kommunikationsmittel oft viel weniger reflektiert und diskutiert wird als beispielsweise politische oder wirtschaftliche Ereignisse oder Entscheidungen, bedarf es weit reichender, gesamtgesellschaftlicher Bemühungen, um auf die individuelle Grundeinstellung eines Menschen zu (s)einer Sprache verändernd einzuwirken: «Per canviar les actituds lingüístiques dels parlants […] és necessari prèviament incidir en aquells valors mitjançant els quals es mesuren les coses, i això implica que si no es produeix un canvi en les estructures sòcio-econòmiques, sòcio-culturals i polítiques, no és gens previsible un canvi de les actituts lingüístiques, ja que els valors no depenen dels parlants ailladament sinó del conjunt social i dels models de comportament que tot aquest conjunt social – socio-econòmic, socio-cultural i polític – vehicula» (Comes et al. 1995, 50).
Das Katalanische hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten zweifellos an sozioökonomischem und soziokulturellem Prestige gewonnen, sein «Ge86
brauchswert» ist definitiv gestiegen. Des Weiteren sei an dieser Stelle auch auf die wichtige Rolle von Sprache im Allgemeinen als identitätsstiftendes Element verwiesen, ein Gemeinplatz, der sich so auch auf das Katalanische übertragen lässt. Auf die Frage, ob jeder Bürger Kataloniens beide offizielle Sprachen beherrschen sollte, antworteten fast drei Viertel der in der Enquesta a la Joventut de Catalunya 1998 befragten Jugendlichen mit ja. A Catalunya tothom hauria de saber català i castellà Edat Totalment d’acord Relativament d’acord Relativament en desacord Totalment en desacord NS/NC
15–17 53,7 23,6 11,8 6,5 4,3
18–21 56,6 21,3 13,5 5,6 3,0
Tabelle 3–2: Einstellung katalanischer Jugendlicher zu Sprachkenntnissen (cf. Generalitat de Catalunya 1999b, 104s.)
Für den realen Sprachgebrauch existiert jedoch eine Situation, die von einigen, auch katalanischen Linguisten mit dem von Bourdieu als «marché linguistique» bezeichneten Phänomen beschrieben wird (1977, 645ss.; 1983, 183ss.; cf. hierzu auch Sankoff/Laberge 1978a, 239; Solé i Carmardons 1991, 62). Beziehungen in der Kommunikation, die auf sprachlichem Austausch beruhen, sind in erheblichem Maße symbolische Machtbeziehungen; der Status des Sprechers und die Umstände der Situation spielen eine bedeutende Rolle. Jeder Sprecher hat ein ihm zur Verfügung stehendes sprachliches Kapital, nämlich den sozialen Wert der ihm zur Verfügung stehenden sprachlichen Kompetenzen auf dem sprachlichen Markt. Der soziale Wert, also die Höhe des Kapitals, hängt von den Bedingungen der Produktion und Reproduktion von Sprache durch die Sprecher ab. Für die bilinguale Situation heißt das, dass die Sprecher, im konkreten Fall die Jugendlichen, zusammen mit ihren sprachlichen Kompetenzen im Spanischen und Katalanischen, ein ökonomisches Marktdenken erwerben. Sie lernen den Wert ihres sprachlichen Kapitals einzuschätzen und diesen durch jede soziale Interaktion zu steigern bzw. zu verringern. Dies führt zu einer praktischen Kompetenz der optimalen Anwendung, die darin besteht, vorherzusehen, in welcher Situation welche Sprache die vorteilhafteste oder konfliktärmste ist. So gibt es Jugendliche, die zwar auf Befragung hin der katalanischen Sprache einen sehr hohen Stellenwert einräumen, deren Sprachverhalten jedoch von einem hohen Pragmatismus gekennzeichnet wird:
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«La majoria d’aquests joves [barcelonins] saben parlar català, l’usen força, a vegades o gens, però la majoria no hi tenen animadversió. Tots ells valoren per sobre de tot la llibertat individual. L’important és poder triar [...].» (Boix 1993b, 204).
Boix betont in seiner Studie zwar auch, dass eine Situation der «portes obertes» (1993b, 203ss.) zwischen den katalanischen Jugendlichen und den Jugendlichen nicht katalanischer Muttersprache existiere, die eine Entwicklung hin zu einer Art zweisprachiger Norm mit sich bringe. An anderer Stelle schreibt er hierzu: «[...] els parlants de primera llengua catalana o castellana cada vegada més es bilingualitzen més, és a dir, poden usar activament l’altra llengua i entren sovint a la casa [etnolingüística] de l’altre grup etnolingüístic, mitjançant l’ús d’interferències, manlleus i alternances, però pocs s’hi queden a viure, pocs passen a adoptar la llengua de l’altre grup com a llengua principal que transmeten o transmetrien als fills» (1993b, 292).
Boix hebt allerdings, wie im Zitat ersichtlich wird – wie andere Autoren auch (cf. Solà 1996) – hervor, dass die Sprachgebrauchsnormen für das Katalanische und Spanische in Katalonien immer noch die seit Jahren existierenden Tendenzen widerspiegeln. Darunter versteht er den Gebrauch des Spanischen in formalen Kontexten, in der Öffentlichkeit, im Umgang mit primär spanischsprachigen Personen und bei der Anrede von Unbekannten (cf. Boix 1993b, 95s.; Woolard 1989, 69; Sinner 2004, 427). Diese Situation wird im Allgemeinen durch die demographische Realität der starken Zuwanderung spanischer Muttersprachler nach Katalonien verstärkt.26 Dieser konfliktiven Darstellung des Umgangs mit dem Spanischen und dem Katalanischen in der Kommunikation Jugendlicher trägt das bereits erwähnte Spannungsfeld, in dem sich die Jugendlichen bezüglich der beiden Sprachen befinden, Rechnung. Graphisch lässt es sich wie folgt darstellen:
Spanisch
Jugendliche
Katalanisch
Graphik 3–5: Spannungsfeld Spanisch – Katalanisch (eigene Graphik)
26
Cf. Consorci d’Informació i Documentació de Catalunya (1986; 1988), Institut d’Estadística de Catalunya (1993; 1999), Subirats (1992), Boix (1993b), Siguán (1994) und Institut d’Estudis Metropolitans (1997) zur Zahl der Spanisch- und Katalanischsprecher bzw. zur Bilingualisierung der Bevölkerung Kataloniens.
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Beispiele für dieses Spannungsfeld finden sich im Korpus zahlreiche, wie die linguistische Analyse (cf. 5.2.) zeigen wird. In engem Zusammenhang damit steht das bereits angerissene Spannungsfeld zwischen Norm und Autonomie im katalanischen Sprachgebrauch. Dass der Konflikt Spanisch – Katalanisch über das Sprachliche hinaus auch von den Jugendlichen auf einer sozio-politischen und kulturellen Ebene geführt wird, belegen ebenfalls Äußerungen aus dem Korpus, wenn auch wenige. Generell ist hier allerdings zu bemerken, dass anders als oft in sprachlicher Hinsicht (cf. JOVE7), eher eine Distanzierung von allem, was mit spanischer Kultur etc. verbunden ist (z. B. Espanya profunda oder Fernsehsender wie Antena 3 oder Televisión Española) stattfindet: JOVE7 vull anar a Austràlia/ i acabar com a una professora de institut allà/ serà en castellàque tampoc fa res/ B: val[Handyklingeln] (…1,1) JOVE4 B: l’Espanya profunda no cambia\ C: [l’Espanya profunda] A: que éseh::K: què és l’Espanya profunda/ B: els pobleseh:: C: la ignorància B: [la] la meseta/ ehJOVE4 A: per exemple Antena 3 i Televisió Espanyola\ C: hombre que estánK: síquina hi ha/ A: no no el que síque són els dos fatxes\ C: són todosK: TV3/ C: sempreA: noTV3 no\ Antena 3\ K: Antena ahA: Antena 3 K: pensava: com pot ser\
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@ A: TV3 encara té encara és una mica: encara té una mica de seny\
Dass die Bevorzugung des Spanischen für zahlreiche Kommunikationssituationen eines der wesentlichsten Probleme für die Normalisierung des Katalanischen darstellt, wurde von Seiten der Sprachplaner in Katalonien durchaus erkannt. Man begegnet dem Problem in den letzten Jahren u. a. mit neuen Sprachkampagnen, z. B. im Jahr 2005 mit Dóna corda al català.27 Sind diese Kampagnen natürlich an die ganze katalanische Gesellschaft gerichtet, so sprechen sie doch auch in besonderem Maße die Jugendlichen als auch in sprachlicher Hinsicht innovative Gestalter eben dieser Gesellschaft an. In ähnlicher Weise und mit ebendieser Zielgruppe verfolgte der Pla General de Normalització Lingüística von 1995 sprachpolitische Maßnahmen, bei denen er vor allem die Jugend als einen seiner Schwerpunkte ins Zentrum stellt. Eines seiner erklärten Ziele ist die Förderung der katalanischen Sprache in den von Jugendlichen (hier zwischen 14 und 24 Jahren) häufig genutzten bzw. aufgesuchten sozialen Umfeldern. Dazu zählen neben öffentlichen Freizeiteinrichtungen wie Jugendclubs und centres cívics auch Kneipen und Diskotheken. All diese Lokale werden angehalten, ihr Angebot für Jugendliche auf Katalanisch zu formulieren und Personal mit den entsprechenden Sprachkenntnissen zu beschäftigen – Bestrebungen, die im privaten Sektor allerdings nur schwer zu reglementieren sind. Gleiches gilt für die Medien (cf. 3.3.4.), deren Einflussnahme auf die sprachliche Entwicklung und die Meinungsbildung zur Sprache grundsätzlich nicht angezweifelt wird. Neben den klassischen Kommunikationsmedien wie Rundfunk und Fernsehen und auch der (in Katalonien stark unterentwickelten) Presse für jugendliches Publikum, darunter auch nicht nur von Jugendlichen konsultierte Publikationen zu Sport- und Informatik, gelten die jüngsten Normalisierungsbestrebungen in großem Maße einer Förderung von katalanischen Comics und Computerspielen und deren öffentlicher Bereitstellung in Bibliotheken. Der Erfolg dieser Förderung des aktiven Gebrauchs durch Eingang der Sprache in jugendliche Lebensbereiche sowie der im Schulalltag erworbenen Sprachkenntnisse der Jugendlichen scheint angesichts der bisher beobachte-
27
Cf. Sinner/Wieland (2008): «Así, con la campaña Dóna corda al català […] la primera campaña dirigida a toda la sociedad, el Govern destina tres millones de euros al fomento del catalán más importante desde las iniciativas de 1982. Parla sense vergonya [...], Parla amb llibertat [...] y Per començar, parla en català [...] son los mensajes de esta nueva campaña desarrollada por la secretaría de Política Lingüística de la Generalitat. La campaña se dirige, expresamente, a los catalanohablantes que renuncian a usar su lengua, a las personas que a pesar de tener conocimientos suficientes del catalán no lo utilizan habitualmente y finalmente a aquellos que aún no lo hablan con facilidad y necesitan ayuda y apoyo para poder hablarlo».
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ten statistischen Daten gegeben. Entscheidend für die weitere Bedeutung des Katalanischen im Erwachsenenleben wäre allerdings eine wirklich dauerhafte und gesellschaftlich akzeptierte Präsenz der Sprache in allen Gesellschaftsgruppen und Lebensbereichen. Diese kann jedoch nur erreicht werden, wenn die Sprache vor allem als Kommunikationsmittel gebraucht wird, um am Alltagsleben teilzunehmen, wenn also reale Anwendungsmöglichkeiten vorliegen.28 In dieser Hinsicht spielen die Kommunikationsmedien eine entscheidende Rolle (cf. hierzu auch die Sprachverteilung im Umgang mit Medien bei den Informanten des Korpus cf. 4.6.). Daher sollen auch hier, abschließend zu diesem Kapitel, die neuesten Entwicklungen bezüglich des sprachlichen Normalisierungsprozesses in den Kommunikationsmedien dargestellt werden, bevor im folgenden Kapitel die jugendlichen Sprach- und Ausdrucksformen im Mittelpunkt stehen. 3.3.4. Die sprachliche Normalisierung in den Kommunikationsmedien Seit Gründung des ersten katalanischen Fernsehsenders TV3 im Jahr 1983 hat sich die katalanische Medienlandschaft in großem Maße verändert und erweitert. Im Dezember 2001 wurden in Katalonien 91 Fernsehprogramme ausgestrahlt, davon überregional vier öffentlich-rechtliche und drei private sowie noch 85 lokale Sender. Die in Katalonien ansässigen Sender TV3 und Canal33 sendeten ausschließlich auf Katalanisch, die staatlichen spanischen Sender La2 und TVE sendeten 23 bzw. 3,5 Stunden pro Woche auf Katalanisch, und selbst bei den privaten Sendern TELE5 und Antena 3 war das Katalanische immerhin mit 6,5 bzw. 2,5 Stunden pro Woche vertreten (cf. Generalitat de Catalunya 2001, 75). Laut der Llei de Normalització Lingüística von 1998 ist die katalanische Sprache als offizielle Sprache des öffentlichen Fernsehens (d.h. der Generalitat unterstellten Kanäle) festgeschrieben. Für die lokalen Sender gilt eine 50%-Quote für Sendungen in katalanischer Sprache sowie die Vorschrift, Synchronisierungen fremdsprachiger Filme – außer spanischsprachigen – auf Katalanisch zu senden. Was das Radio betrifft, so wurde die seit 1983 vereinbarte sprachliche Förderung 1998 gesetzlich verankert. Hier gilt, in Analogie zu den Fernsehsendern, dass öffentliche Sender ausschließlich auf Katalanisch senden dürfen und lokale Privatsender ebenfalls eine Quote von 50% erfüllen sollen (2001, 79s.). Durch die audiovisuellen Kommunikationsmedien wurde seit Beginn der 80er Jahre erstmals ein «oraler Standard» der katalanischen Sprache verbreitet, bzw. kamen die Hörer und Zuschauer, unter ihnen viele mit spanischer
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Cf. hierzu Claret (2003, 8); weitere Ansätze bzw. Beschreibungen von Modellversuchen zur Steigerung des Sprachgebrauchs bzw. der mündlichen Kompetenzen im Katalanischen sind den Artikeln von Duran (2005), Martínez/Nussbaum (2005), Bastardas (2005) zu entnehmen.
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Muttersprache, auch mit ihren bis dahin vielleicht unbekannten Registern und regionalen Varietäten in Kontakt (zum Verhältnis der Medien zu einzelnen sprachlichen Varietäten bzw. Registern bzw. zur Prägung sowie Verbreitung der Standardsprache durch die Medien cf. 4.6.1.; 6.). Bassols beschreibt daher das Fernsehen als «difusora d’uns models de llengua que abans d’ara no havien arribat d’una manera tan intensa i diversa al conjunt de la població» (1997, 13) und fügt hinzu: «[…] el microcosmos que recrea la televisió permetia fer arribar a tota la comunitat lingüística la ficció d’un ús normalitzat de la llengua en tota mena de situacions. D’aquesta manera, es podien vehicular per primer cop d’una manera massiva una sèrie de models lingüístics, corresponents a la diversitat lingüística d’una llengua ‹normal›, amb les seves varietats i els seus registres» (1997, 14).29
Interessanterweise scheint kein Zusammenhang zwischen dem Gebrauch der katalanischen Sprache in den audiovisuellen Kommunikationsmedien und der Muttersprache der Hörer oder Zuschauer zu bestehen. Im Jahre 2001 lag der Sender TV3 mit einer Zuschauerquote von über 20% noch vor den spanischsprachigen Sendern TELE5, TVE und Antena3 (je ca. 19%), und dies auch im zu großen Teilen spanischsprachigen Industriegürtel von Barcelona (cf. Terra i Sans 2001, 76). Trotz dieser für die katalanische Sprache als positiv zu wertenden Entwicklungen wäre es übertrieben, von einer Massenkultur auf Katalanisch zu sprechen. Vor allem die Neuerungen in der Computerbranche und den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien mit relativ geringer Präsenz des Katalanischen deuten darauf hin, dass dieser für den modernen sprachlichen Gebrauch so wichtige Markt nur langsam erschlossen werden kann und das Katalanische (hier stellvertretend für alle regionalen Minderheitensprachen) in diesem Bereich zurückzufallen droht. Dies scheint paradox, ist doch das Katalanische unter den 20 Sprachen mit den meisten Seiten im Internet zu finden (cf. Generalitat de Catalunya 2001, 115). Die Problematik liegt jedoch, verständlicherweise, in der nicht vorhandenen Kontrollierbarkeit des Prozesses – die Akteure der Normalització lingüística haben lediglich Einfluss auf die Präsenz des Katalanischen bei offiziellen Internetauftritten; die Sprache privater Seiten ist, wie der Sprachgebrauch an sich, nicht direkt beeinflussbar und tendiert ohnehin zu einer stärkeren Internationalisierung, d.h. einer noch größeren Nutzung der englischen und auch spa-
29
Cf. hierzu auch Broch/Panyella: «Participar en la normalització lingüística volia dir demostrar als catalanoparlants que la seva llengua podia servir per als registres més variats – des del doblatge d’un western fins a la informació internacional o la divulgació científica – i per tant dotar-la de prestigi, familiaritzar als no catalanoparlants amb la llengua catalana i convertir-la en atractiva o necessària per a la vida quotidiana i, finalment, fixar i divulgar un estàndard lingüístic i flexibilitzar la llengua per a tots els usos pràcticament inèdits que comportava» (1989, 289).
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nischen Sprache.30 Nichtsdestotrotz sollte man nicht den verallgemeinernden Schluss ziehen, das Internet führe zu einer ausschließenden Globalisierung und biete keine Chance der Abbildung einer realen Vielfalt. Die katalanische Internetpräsenz deckt umfassend alle Bereiche der Informations- und Kommunikationsverbreitung bzw. -vernetzung ab und erfüllt damit die Voraussetzungen für eine über die Region hinausgehende Nutzung (cf. hierzu auch Weber 2001). Ebenso wie das Internet sind nach Meinung vieler Autoren (cf. Marí 1998; Martí i Castell 1992) weitere Schlüsselbereiche von einer mangelnden Präsenz der katalanischen Sprache betroffen. Hierzu zählen vor allem die Filmindustrie sowie weite Bereiche der Jugendkultur (Comics, Jugend- und Musikzeitschriften, Computer- und Videospiele etc.), in denen sich die Situation seit den 80er Jahren nicht wesentlich geändert hat. Mitunter ist daran auch die hohe Indifferenzquote, die Martí i Castell in Bezug auf das Leseverhalten von Jugendlichen in einer Umfrage konstatiert, Schuld: «Els joves de Catalunya llegeixen de forma majoritària publicacions en espanyol: el 75% dels enquestats; quantitat que contrasta amb la del 65% que es declaren partidaris, tanmateix, de la catalanització de la premsa. [...] Es una contradicció solament aparent i que només s’entén en un context sociolingüístic com el nostre, on [...] voler i poder són encara massa excloents, i on el retrocés de l’hostilitat ideològica a la catalanització social no implica la decisió, el compromís personal de la col·laboració. Un 90% dels joves enquestats creuen que TV3 no ha d’utilitzar cap altra llengua que la catalana, [...] però mostren una preferència inequívoca per TVE, tot i que la televisió catalana, amb un 30% de seguidors, ocupa un molt digne segon lloc» (1992, 99s.).
Ein neuer Problembereich, der in den vergangenen Jahren durch zunehmende Nutzerzahlen ins Zentrum des Interesses gerückt ist, sind die digitalen Kommunikationsmedien, allen voran Computerprogramme, das Internet mit seinen verschiedenen Kommunikationsmöglichkeiten und der Mobilfunk. Die schnelle Verbreitung dieser Kommunikationsmittel unter katalanischen Nutzern, vor allem unter Jugendlichen, stellt eine Herausforderung für die Institutionen der sprachlichen Normalisierung in Katalonien dar, die bei der sprachlichen Reglementierung dieses Kommunikationsbereiches der technischen Entwicklung hinterher hinken. Ein Grund dafür ist auch, dass die großen Anbieter die meisten ihrer Produkte, von Bedienungsanleitungen über Textverarbeitungsprogramme und Internetbrowser bis hin zu Handysoftware bzw. automatischen Mailboxan-
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Cf. Generalitat de Catalunya (2001, 116). In einer Umfrage unter Internetnutzern im Jahre 2001 gaben 49,8% an, dass sie katalanischsprachige Webseiten besuchen; gleichzeitig riefen diese Nutzer zu 82,7% bzw. 44,5% spanisch- bzw. englischsprachige Seiten auf.
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sagen lange Zeit nur auf Spanisch angeboten haben.31 So entstand seitens der Nutzer eine Bevorzugung des Spanischen zu Lasten des Katalanischen bei der Anwendung entsprechender Programme und der Produktion von schriftlicher oder mündlicher Sprache darin. Ein zusätzlicher Problemfaktor ist, dass die informelle Kommunikation unter Privatpersonen, wie wir sie über Internet oder Mobilfunk antreffen, der mündlichen bzw. konzeptionell mündlichen Sprache (cf. 3.1.2) zuzuordnen ist – ein Bereich, der für die Akteure der sprachlichen Normalisierung schwer zu kontrollieren ist. Die genannten Elemente der jugendlichen Lebensweise mit ihrer Bedeutung für das Sprechverhalten der Jugendlichen und die katalanische Jugendsprache an sich werden im folgenden Kapitel einer genaueren Analyse unterzogen. Diese steht im Anschluss an die Definition von Jugendsprache, die Darstellung ihrer Funktionen und einen Überblick über die bisherigen Entwicklungen und Forschungen auf diesem Gebiet in Katalonien.
31
Auf der Internetseite Racó Català (cf. 2005a; b) können mehrere Artikel zum Angebot oder dem Fehlen derartiger Programme eingesehen werden. La Plataforma per la Llengua beschrieb z. B., dass «empreses com NOKIA, MOTOROLA i ERICSSON encara discriminen els consumidors catalans malgrat que sí que respecten consumidors de llengües amb igual o menys parlants que el català. L’organització demana a aquestes tres empreses que s’adaptin a les tendències actuals del mercat, que respectin els mínims de qualitat d’atenció al client i que per tant, introdueixin la llengua catalana en els seus models de telèfon mòbil» (Racó Català 2005b).
94
4.
Jugendsprache, jugendliche Lebensweise und ihre Multiplikatoren in Katalonien
Die Jugendsprache ist ein im Vergleich zu anderen linguistischen Forschungsfeldern relativ «junger» Bereich. Den Beginn einer intensiven linguistischen Auseinandersetzung mit dem Phänomen kann man erst ab den 80er Jahren ansetzen. Zwar existierten bereits vorher wissenschaftliche Arbeiten zum Thema, doch handelte es sich hierbei vor allem um lexikographische Sammlungen jugendlichen Wortschatzes. Jugendsprache wurde als Sondersprache angesehen, als Ausdruck von Jugendkultur, als Protestsprache, als Jargon einer Sondergruppe am Rande der Gesellschaft.1 Sie galt häufig als minderwertig, primitiv, gefährlich und oft als Zeichen eines unaufhaltsamen Sprachverfalls. Mitunter wurde als Grund für das relative Desinteresse in der Forschung die Wandelbarkeit der Jugendsprache, ihre schnelle Veränderbarkeit angeführt – in der heutigen Zeit ist dieser Aspekt allerdings der vorrangige Grund, sich mit Jugendsprache linguistisch auseinanderzusetzen.2 Ab den 80er Jahren beginnt daher die Erforschung von Jugendsprache anhand von empirischem Material; es wird die authentische Sprechweise zu Grunde gelegt, man geht nicht mehr von der Outgroup-Perspektive (d.h. von der Kommunikation Jugendlicher mit Nicht-Jugendlichen), sondern von der Ingroup-Kommunikation (d.h. Kommunikation der Jugendlichen untereinander) aus. Ansatzpunkt ist nicht so sehr die Vermutung, dass Jugendliche die Absicht haben, sich mit ihrer Sprache von anderen Jugendlichen oder Erwachsenen abzugrenzen, sondern dass sie mit Themen und Regeln eher spielerische Experimente durchführen und ihre sprachlichen und diskursiven Kompetenzen erproben (cf. Augenstein 1998, 13). Jugendsprache spiegelt sich schnell wandelnde gesellschaftliche Veränderungen wider – die Sprache nimmt demnach «schnelllebige, diffuse, eklektizistische und sehr flexible For-
1
2
Ein Beispiel hierfür im spanischen Sprachraum ist das Cheli (cf. 4.3.1.), die Jugendsprache des Madrid der 80er Jahre, die teilweise auch als Jugendsprache mit sondersprachlichen Elementen bezeichnet wird (cf. Baumann 2001, 10s.). Cf. Zimmermann (2004, 29). Der Autor stellt hier Jugendsprache aufgrund ihres akzelerierten und ludisch geprägten Wandels als hochgradig interessant für die Sprachwandelforschung dar. Er betont, dass Jugendsprache entweder zur dauerhaften Sondersprache wird, teilweise jugendsprachliche Phänomene einfach verschwinden, andererseits aber auch Begriffe in die allgemeine Umgangs- und Standardsprache aufgenommen werden.
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men an» (Schlobinski/Heins 1998, 13). In den 90er Jahren besteht daher die Tendenz, die jugendliche Ausdrucksweise nicht so sehr als Sprachvarietät, sondern vielmehr als Sprach- oder Sprechstil zu bezeichnen, da sie weniger «Ausdruck subkultureller Gegenentwürfe», sondern vielmehr «gesampelter Teilkulturen» sei (Baumann 2001, 9). Um allgemeine Überlegungen zur Varietätenlinguistik sowie eine Situierung der Jugendsprache im Spektrum von Varietät und Sprechstil geht es im ersten Teil dieses Kapitels. Bevor auf den konkreten katalanischen Fall eingegangen wird, werden zunächst kurz die Voraussetzungen für das Entstehen von Jugendsprache, ihre Funktionen und ihre Dynamik, d.h. ihre Anpassung an Sprachnormen bzw. die Aufnahme in die Standardsprache oder die bewusste Abgrenzung davon präsentiert. Der dritte Teil des Kapitels, der sich explizit mit den Entwicklungen und Gegebenheiten in Katalonien befasst, betrachtet zunächst die wichtigsten Arbeiten der katalanischen Soziologie und Soziolinguistik zu diesem Thema. Anschließend werden einige Besonderheiten innerhalb der aktuellen katalanischen Jugendsprache unter Berücksichtigung im Korpus enthaltener Beispiele aufgezeigt. Jugendsprache und jugendliche Lebensweise werden miteinander in Bezug gesetzt. Hierbei spielen Verfahren der Gruppenkonstitution sowie der Abgrenzung von Gruppen untereinander eine wesentliche Rolle. Zur Veranschaulichung werden Korpusbeispiele herangezogen. Der letzte Teil des Kapitels geht der Frage nach, welche Rolle Multiplikatoren von Jugendsprache spielen. Hier stehen vor allem die Kommunikationsmedien im Vordergrund. Dieser Teil gibt einen allgemeinen Überblick zum Thema der (jugendlichen) katalanischen Mediensprache und hinterfragt kritisch das in katalanischen Medien verbreitete Jugendbild. Abschließend wird dieses Jugendbild mit den bei der Gruppenkonstitution projizierten Selbstbildern der Jugendlichen kontrastiert. Der Vergleich auf linguistischer Ebene zwischen Jugendsprache und Mediensprache in Jugendprogrammen erfolgt dann in Kapitel 5.
4.1. Allgemeine Betrachtungen zur Varietätenlinguistik Norm und Variation sind in der linguistischen und soziolinguistischen Literatur feststehende Begriffe. Die Reihenfolge ihrer Erwähnung müsste hingegen umgekehrt erfolgen, denn sie lässt uns irreführenderweise annehmen, dass es in einer Einzelsprache zuerst die Sprachnorm (meist in Form einer Standardvarietät)3 gibt und die Variation dieser nachgeordnet ist. Doch in jeder Sprache existiert primär die kreative Produktion voller Variationen, und
3
Dieser Begriff wurde zuerst vom norwegischen Romanisten Leiv Flydal 1951 eingeführt, 1958 von Coseriu aufgegriffen und hat sich seither in der Varietätenlinguistik etabliert (cf. Coseriu 1988, 24).
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in einem zweiten Schritt entsteht die Norm, bzw. wird diese beständig durch die Integration von aus Variationen entstandenen Elementen erweitert. Variation ist also Normalität im Sprachgebrauch und demnach kein Sonderfall, keine Abweichung von der Norm, sondern die Basis, anhand derer sich die Norm erst herauskristallisiert (cf. Mattheier 1997, 7). Aus diesem Grund steht zu Beginn der Beschäftigung mit Jugendsprache eine Reflektion über diejenigen Variationen innerhalb der Norm des Katalanischen, welche zusammen genommen oft als jugendsprachliche Varietät bezeichnet werden. Bereits bei einer oberflächlichen Betrachtung der Literatur zur Jugendsprachforschung wird schnell ein grundlegender Konflikt bei der Begriffsdefinition deutlich. Viele deutsche Publikationen sprechen von jugendsprachlicher Varietät, im katalanischen und spanischen Sprachraum stößt man hingegen häufig auf den Begriff des Registers (cf. hierzu Wieland 2005). Weiterhin findet man die Bezeichnung jugendlicher Sprech- oder Sprachstil oder auch die katalanische bzw. spanische Bezeichnung argot juvenil. Diese Begriffe sollen im Folgenden näher beleuchtet werden. 4.1.1. Sprache und Varietät Unter einer Sprache und ihrer Grammatik kann man Elemente und Regeln des Systems verstehen, die helfen, Sprachproduktionen einer Sprechergruppe widerspruchsfrei zu beschreiben; Sprache ist aber gleichzeitig die Ausdrucksweise, derer sich eine als in sich homogen aufgefasste ethnisch-soziale Gruppe bedient. Jede Sprache ist, in Folge der Existenz vieler derartiger Gruppen in einem Sprachraum, in einem mehrdimensionalen, vielschichtigen räumlichen, historischen, sozialen und situativen Ganzen zu sehen; sie wird in Abhängigkeit von ihren Sprechern sowie den äußeren Umständen wie Ort und Zeit unterschiedlich realisiert. Sprache ist heterogen und passt sich an die Unterschiede menschlichen Handelns an. Diese unterschiedlichen Realisierungsformen, in denen eine historische Sprache erscheinen kann, können als Varietäten bezeichnet werden. Der soziale Kontext ist wesentlich für die Sprachbeschreibung und das Verständnis des Funktionierens von Varietäten. Eine sprachliche Varietät zeichnet sich dadurch aus, dass bestimmte Realisierungsformen des Sprachsystems mit gewissen sozialen und funktionalen Merkmalen der Anwendungssituationen der Sprache kookkurrieren (cf. Berruto 1987, 264). Varietäten können im Sinne der soziolinguistischen Sprachbetrachtung von zwei Seiten aus beleuchtet werden. Zum einen lassen sie sich aus der Sprache heraus, also von innen, über die Funktion von sprachlichen Zeichen und den Regeln ihrer Verknüpfung definieren; zum anderen, in einer soziolinguistisch ausgerichteten Betrachtungsweise, über die Gruppe der Sprecher (cf. Albrecht 2005, 128s.).
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4.1.2. Varietäten – Varietätenraum und Varietätenkette «A variación lingüística, os seus matices que se engaden aos valores comunicativos referenciais do código lingua, permiten ao instrumento lingua responder da maneira máis flexible e funcional ás exigencias cada vez máis diversificadas e complexas da vida, da estrutura e das relacións sociais. Ao tempo, a variación lingüística pode ser empregada, conferíndolle determinados valores simbólicos, como un importante medio e vehículo de información afirmación e transmisión da identidade sociocultural e incluso pesoal» (Regueira 2004, 89).
Ausgehend von dem von Coseriu (1974, 14s.) entworfenen Varietätenraum und der von Nabrings (1981) erstellten Varietätentypologie basieren die Varietäten auf zwei Grundtypen der Variation, der dialektalen (mit ihrer diatopischen, diastratischen und diachronischen Ausprägung) und der stilistischen/ funktionalen (diaphasische Ausprägung), also im wesentlichen vier Ausprägungen.4 Diese sind, nach Bibiloni «un conjunt d’elements lingüístics adscrits a un grup humà o a un context de producció lingüística» (1997, 68). Folglich gelangen wir zu einer ersten Klasse von Varietäten mit den drei Untergruppen der diatopischen, diastratischen und diachronischen Varietät, welche immer in Verbindung mit bestimmten Sprechergruppen zu setzen sind, deren Grenzen allerdings stark verschwimmen; daneben existiert eine zweite Klasse, welche nicht so sehr die Charakteristika der einzelnen Sprecher, sondern vielmehr der Sprechsituation widerspiegelt. Diese diaphasische5 Varietät findet man vielerorts unter der Bezeichnung Register wieder, so auch bei Coseriu (1981), der von Register als situativ gebundener Varietät spricht. Auch hier sind, wie für die Varietäten im Allgemeinen, die Grenzen fließend, denn jeder Sprecher hat eine partielle Kompetenz in verschiedenen Registern und kann sich an unterschiedliche Situationen anpassen – allerdings in einem unterschiedlichen Umfang und mit unterschiedlichem Geschick. Auf die diaphasische Varietät wird an späterer Stelle in diesem Kapitel (cf. 4.3.2.) näher eingegangen. Wenden wir uns den Varietäten und ihrem Verhältnis zur Standardvarietät zu. Coseriu (1980; 1988) weist darauf hin, dass die Opposition zwischen Sprache und Dialekt primärsprachlich, also in den Sprachen selbst zu finden sei. Sprache umfasst auch immer Dialekte, Dialekte unterstehen aber nicht zwingend einer Sprache. Dialekt ist jedoch ein relationeller Begriff, denn ein Dialekt ist immer nur ein Dialekt in Bezug auf eine bestimmte Sprache. Laut Coseriu (1980, 106s.; 1988, 24) ist das Varietätenproblem Teil der Entwicklungsgeschichte einer Einzelsprache, es muss daher als Teil der «historischen Sprache» betrachtet werden. Nur die historische Sprache
4 5
Auf weitere Variationstypen wie beispielsweise die individuelle Variation einzugehen, wird an dieser Stelle verzichtet. Auch bezeichnet als stilistische, funktionale oder diatypische Varietät.
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steht in Opposition zum Dialekt. Primäre Dialekte6 existieren schon vor der Gemeinsprache und können auf dem Weg sein, sich zu einer selbständigen historischen Sprache zu entwickeln und sich dabei gegen andere Dialekte durchzusetzen (cf. Kastilisch). Dadurch erlangen sie den Status eines Gefüges historischer Sprechtraditionen, das von seinen eigenen Sprechern und den Sprechern anderer Sprachen als autonome Sprache anerkannt wird. Als sekundäre Dialekte bezeichnet Coseriu die Dialekte, die durch die Differenzierung der Gemeinsprache selbst entstehen (z. B. zurückgehend auf das Kastilische das (historische) andalusische oder das kanarische Spanisch). In einer Erweiterung seiner Darstellung führt Coseriu den Begriff des tertiären Dialekts ein: «In einer Gemeinsprache kann man ferner eine Stufe unterscheiden, die ihre sozial-kulturelle Norm darstellt, die ‹Standardsprache›, das, was ich das ‹Exemplarische› einer Sprache nenne. Diese Stufe des Exemplarischen kann nun wiederum zu einer Differenzierung gelangen, d.h. das Exemplarische kann seinerseits in verschiedenen Gegenden verschieden realisiert werden, wodurch neue diatopische Unterschiede entstehen und zugleich neue syntopische Einheiten, die man tertiäre Dialekte nennen kann» (1980, 114).
Coseriu bezieht sich in seiner Aussage vor allem auf die geographische Dimension, die diatopischen Varietäten; er schlägt außerdem vor, die Betrachtung aus syntopischer Perspektive vorzunehmen, da die verschiedenen diatopischen Formen unterschiedlichen Ebenen der Varietätenkette (cf. Graphik 4–1) zuzuordnen seien. Dies bestätigt, dass die von Coseriu vorgenommenen Unterteilungen, wie er auch selbst schreibt, nicht getrennt voneinander zu sehen sind, sondern ein ineinander greifendes Kontinuum darstellen. Betrachten wir diese Aussage Coserius im Zusammenhang mit der Varietätenkette bzw. dem von Nabrings (1981) postulierten Ordnungsschema7 wird diese Verbindung zwischen den einzelnen Ordnungsdimensionen des Varietätenraums schnell klar. Sie stellen ein Kontinuum hin zu einer nicht markierten Varietät dar, die man mehr oder weniger mit der Standardvarietät gleichsetzen kann. Die einzelnen Ebenen können in der Realität jedoch nicht, wie in der Graphik dargestellt, relativ streng getrennt betrachtet werden, sondern überlappen einander. Markierungen auf einer der Varietätenebenen können
6
7
Cf. zu primären, sekundären und tertiären Dialekten auch Coseriu (1981, 14), García Mouton (1996), Dittmar (1997, 14s.), Sinner (2004) sowie Lüdtke (2005, 178s.). Cf. hierzu auch Linke/Nussbaumer/Portmann (1996, 179s.); die von Nabrings in ihrer Typologie dargestellten Ordnungen sind die diachrone, diatopische, diastratische und diaphasische Dimension, Person, Raum, Gruppen, Kodifizierung, Situation und Kontakt. Dittmar (1997, 179s.) unterscheidet als Ordnungsdimensionen Person, Raum, Gruppen, Kodifizierung, Situation sowie Kontakt und vernachlässigt die historische Dimension, da er sich vor allem auf die gesprochene Sprache bezieht.
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Status
Nähe
‹Nähe› niedrig
einzelspr. kontingent
niedrig
stark
Distanz
Ύ Ύ Ύ
diaphasisch
diastratisch
diatopisch
‹Distanz› hoch
hoch
schwach
diachron zu Markierungen auf übergeordneten Ebenen werden. Eine diatopische Varietät kann also sozial markiert sein, oder soziale Merkmale können situationsabhängig auf die diaphasische Ebene gehoben werden.
nicht markiert
diasystemat. Markierung markiert
Graphik 4–1: Varietätenkette (cf. Koch/Oesterreicher 1990, 13)
Die hier dargestellte Varietätenkette entspricht nicht dem ursprünglichen Pyramidenmodell mit dem Standard an der Spitze und den darunter geordneten Varietäten, wie es u. a. Gilles (2003, 198) beschreibt. Es taucht hier eine neue Dimension auf, die einer exakteren Definition des «Zwischenbereichs» zwischen den beiden Polen Dialekt und Standard dienlich sein kann. Wie aus der Graphik ersichtlich wird, bewegt sich das ganze Diasystem in einem Kontinuum zwischen Nähesprache und Distanzsprache. Äußerungen zwischen Kommunikationspartnern im Rahmen einer nahen, vertrauten Beziehung haben andere sprachliche Formen als solche, bei denen eine gewisse physische oder auch psychische Distanz zwischen Sender und Empfänger herrscht. Häufig wird Nähe dem Medium Mündlichkeit und Distanz einer schriftsprachlichen Ebene zugeordnet. Diese Einteilung kann jedoch nicht allgemeingültig sein, da es nur darauf ankommt, wie der Sprecher die Äußerung konzipiert, also auf die konzeptionelle Mündlichkeit bzw. Schriftlichkeit.8 Das Kontinuum zwischen Nähe- und Distanzsprache ist zum einen
8
Cf. Koch/Oesterreicher (1990,8s.; cf. 4.3.4); Koch/Oesterreicher gehen von der Unterscheidung zwischen Medium und Konzeption aus (verwenden statt Konzeption aber die Begriffe Nähe und Distanz). Die Termini mündlich/schriftlich bekommen bei den Autoren einen doppelten Sinn: zum einen bezogen auf das Medium der Realisierung (mündlich = phonisch, schriftlich = graphisch), zum anderen bezogen auf den Duktus, d.h. die Modalität der Äußerungen sowie die verwendeten Varietäten (konzeptionelle Mündlichkeit/Schriftlichkeit). Koch/Oesterreichers Konzeption der Nähe- und Distanzsprache, der Verschränkung von Schriftlichkeit und Mündlichkeit, findet im Registerkonzept (cf. 4.3.2.) eine gute Anwendung.
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universell, zum anderen ist es einzelsprachlich relevant und steht in direktem hierarchischen Zusammenhang mit den anderen Varietätenebenen. Innerhalb der einzelnen Diaebenen sind Äußerungen, die stark/niedrig markiert sind, eher dem nähesprachlichen Pol zuzuordnen. Schwach/hoch markierte Äußerungen sind von Distanz geprägt bzw. prägen diese. Darüber hinaus kann es in einer Sprache auch Merkmale geben, die nicht diatopische, diastratische oder diaphasische Markierungen sind, sondern nur generell typisch sind für den einzelsprachlichen Nähe- oder Distanzpol. Diese Äußerungen finden sich in der Varietätenkette zwischen den Diaebenen und der nicht markierten Varietät wieder. Koch/Oesterreicher verbinden also die variationslinguistischen Traditionsbegriffe mit der Vorstellung des Kontinuums zwischen Nähe und Distanz als eigener Varietätendimension. Diese Position wird von Kabatek (2003) als unnötig in Frage gestellt, da man Nähe- und Distanzsprache doch innerhalb der diaphasischen Variation einordnen könne. Die Erweiterung der Varietätenkette um das Kontinuum der Nähe- und Distanzsprache durch Koch/Oesterreicher (1990) hat aber für die Jugendsprachforschung durchaus Relevanz. Jugendsprachliche, meist mündliche Äußerungen sind generell auf einer nähesprachlichen Ebene anzusiedeln und zunächst dialektal (ob nun diatopisch, diastratisch oder vor allem diaphasisch) markiert (cf. 4.3.). Darüber hinaus können sie, im Zuge der Varietätenkette, zum einzelsprachlichen Merkmal des Nähewortschatzes werden, d.h. um eine weitere Hierarchieebene aufsteigen. Am Ende steht eine mögliche Aufnahme in den distanzsprachlich unmarkierten Bereich. Gleichzeitig übernehmen Jugendliche auch zahlreiche Elemente gerade aus der universellen Ebene der Nähesprache. Sehr gut erkennen kann man das an «Gesprächswörtern», also pragmatischen Markern, die der Strukturierung des Gesprächs dienen. Im Korpus treten diese häufig in Form von bueno, pues etc. auf, z. B.: JOVE4 B: bueno:: si no busques no trobes\ no/ JOVE4 B: si surt bé pues:: faré biologia i si no surt bé pues:: estudiaré música
Diese potentiellen Entwicklungen werde ich im Rahmen der Betrachtung zur Dynamik von Jugendsprache und Sprachwandel (cf. 6.) erneut aufgreifen. An dieser Stelle sei, unter Bezug auf Sokol (2001, 185), ein Beispiel aus der deutschen jugendsprachlichen Lexik gegeben: «Die deutschen Wörter toll, klasse und super waren in den 50er- und 60er-Jahren diastratisch, und zwar jugendsprachlich markiert. Heute sind sie zu nähesprachlichen Normalwörtern für distanzsprachlich ausgezeichnet oder hervorragend gewor-
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den, und schicken sich an, auch ihre nähesprachliche Markierung zu verlieren. Stark, cool und geil sind im Aufstieg begriffen, wobei stark schon weiter in die diaphasische Kompetenz aller Sprecher vorgedrungen ist als cool, und cool schon weiter als geil. Die markiert jugendsprachlich sprechenden Gruppen verwenden zunehmend nicht mehr cool bzw. geil, sondern innovativ umgedeutete Wörter (krass oder korrekt) oder morphosemantische Verstärkungen des Typs supercool, supergeil oder oberaffengeil».
Jugendsprache ist also auf allen Ebenen des sprachlichen Diasystems nähesprachlich markiert. Darüber hinaus gestaltet sich die generelle Einordnung der Jugendsprache in das Varietätensystem allerdings schwierig; in der Literatur zur Jugendsprachforschung finden sich daher zahlreiche konkurrierende Definitionen, von denen einige Jugendsprache eher als diastratische Varietät, andere wiederum eher als diaphasische Varietät bzw. Register, wiederum andere als gruppengeprägten Sprechstil innerhalb der diaphasischen Varietät bezeichnen. Auf diese Definitionsproblematik soll im nächsten Abschnitt eingegangen werden. Zunächst erfolgt jedoch eine kurze Bestimmung des Begriffs der «Jugend».
4.2. Zum Begriff der «Jugend» Für die Jugend als universal auftretendes Phänomen existieren unterschiedliche Modellvorstellungen, wohl annähernd so viele wie aktuelle und ehemalige Gesellschaftsformen. Ihnen allen gemein ist, dass sie Jugend als «fase necessària del desenvolupament dels individus caracteritzada per la presència permanent de confluits interns» (Alegre/Herrera 2000, 121) bezeichnen. Die heute als Jugend klassifizierte Lebenszeit gibt es in ihrer derartigen Form erst seit relativ kurzer Zeit. Anfang des 20. Jahrhunderts entstand die ‹Jugend› als autonome und selbstbestimmte Lebensphase – zuvor verhinderte vor allem die frühe Integration ins Arbeitsleben die Entwicklung des Phänomens «Jugend». Gesellschaftliche Veränderungen, insbesondere längere Ausbildungszeiten, verschieben die Verantwortung als Erwachsener seit Mitte des 20. Jahrhunderts immer weiter nach hinten; die von Orientieren und Umorientieren geprägte Übergangsphase von Kindheit zu Erwachsensein gewinnt an Dauer: «L’ordenació de les etapes que van des de l’entrada a la pubertat fins a l’arribada a l’edat adulta ha sofert en els darrers anys una reestructuració que afecta tant a la transició dels estudis al món del treball, com al procés d’emancipació familiar i constitució d’una llar pròpia i autònoma. […] diríem que al llarg dels darrers cinquanta anys s’ha produit un canvi substitutiu en la manera de franquejar els quatre llindars que condueixen els joves a l’adquisició de nous estatus i rols socials: d’una banda, l’acabament dels estudis (llindar 1) i l’inici de la vida professional (llindar 2), que formen l’eix ‹públic› i, de l’altra, l’abandonament de la llar dels pares (llindar 3) i l’aparellament o vida en comú amb una altra persona (llindar 4), que consitueixen l’eix ‹privat›. […] aquest model sincrònic ha entrat en crisi per
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donar lloc, ‹a poc a poc› a un altre de caracteritzat no només per l’allargament de l’edat en què se superen els principals llindars d’entrada a la vida adulta, sinó també […] per la gran desconnexió entre els moments en què es franquegen els llindars […]» (Alegre/Herrera 2000, 122s.).9
Die Jugend darf jedoch nicht nur als reine Übergangsphase von der Kindheit zur Erwachsenenwelt betrachtet werden, sondern vielmehr als Phase mit teilweise kultureller Autonomie, die vor allem von Cliquen und kleineren Teilgruppen geprägt wird. Diese peergroups (als weitere Untergliederung der subkulturellen Gruppen im Gesamtkontext der jugendlichen Großgruppe) üben teilweise großen Einfluss auf einzelne Individuen aus und gelten mithin als Modelle zur Entwicklung und Konsolidierung der persönlichen Identität. Dabei kann der Gruppenzwang, z. B. auch in Bezug auf den Sprachgebrauch in der Gruppe, explizit oder implizit, offen oder versteckt auftreten. Der versteckt und subtil ausgeübte Gruppenzwang ist aus psychologischer Sicht der effektivere, nämlich der, dem man sich als Individuum nur mit stark entwickelter Persönlichkeit entziehen kann. Neben der Wirkung der Gruppe nach innen und ihrem Einfluss auf ihre einzelnen Mitglieder hat jede Gruppe auch eine entsprechende Außenwirkung. Kremnitz beschreibt diese wie folgt: «Kollektive Identität hat […] immer etwas mit Abgrenzung zu tun. Sie bildet sich immer auch gegen andere Gruppen, allerdings sind sie in Oppositionen, in denen sich solche Relationen darstellen lassen, sehr komplex: zum einen können sie kaum je nur zwei Gruppen in eine Relation stellen, mindestens lateral spielen immer auch weitere Gruppen hinein, zum anderen wird auch kaum je nur ein Merkmal eine Rolle spielen».10
Schwierig gestaltet sich auch die Bestimmung einer Altersgrenze – bis zu welchem Alter wird ein Individuum noch zur Gruppe der Jugendlichen hinzugerechnet? Hier weichen die bisherige Studien zu Jugendkultur oder Jugendsprache extrem, vor allem kulturell bedingt, voneinander ab. Deutsche Publikationen gehen meist von einem jugendlich pubertären bis postpubertären Publikum aus, betrachten also vor allem Schüler bis zu einem Alter von 18 bis 20 Jahren. Spanische und katalanische Publikationen setzen das Höchstalter weitaus höher an, manche Studien bezeichnen auch noch 35jäh-
9 10
Hervorhebungen im Original, Anmerkung der Autorin. Kremnitz (1995, 70); cf. 4.4.1; besonders bezüglich der Gruppenbildung sei auf die Problematik der Jugendlichen aus Immigrantenfamilien hingewiesen. Alegre/ Herrera (2000) verweisen auf die Herausbildung von sogenannten «endogrups» mit anderen Jugendlichen aus Immigrantenfamilien. Dieses Phänomen tritt vor allem bei Jugendlichen auf, die relativ spät in die neue Gesellschaft kommen, bei denen keine oder nur eine sehr geringe Integration ins Schulleben erfolgen kann und deren Eltern eventuell keine legale Aufenthaltssituation haben. Die Autoren sprechen in diesen Fällen bezogen auf die nicht garantierte soziale Integration und berufliche Entwicklung von «itineraris de transició clarament destructurades» bzw. sogar von «trajectòries en precarietat».
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rige als Jugendliche.11 Betrachtet man die eingangs erwähnten Schwellen zwischen Jugend- und Erwachsenwelt, erscheint dieser Unterschied weniger befremdlich. Gerade in Bezug auf die private Ebene erfolgt die Abkapselung der Jugendlichen vom Elternhaus, oft aus finanziellen Gründen, sehr spät, so dass die Berücksichtigung von 30jährigen in Studien zur Jugend aus soziologischer Sicht durchaus gerechtfertigt erscheint. In dieser Untersuchung wird, analog zur Definition der Vereinten Nationen (cf. http://www.un.org, letzter Zugriff am 27. Februar 2008), die Altersgrenze bei 19 Jahren angesetzt, was in meinen Augen jedoch nicht mit dem Ende der Jugendzeit gleichzusetzen ist. Man kann allerdings davon ausgehen, dass dieses Alter einen Einschnitt im Leben vieler katalanischer Jugendlichen darstellt, da mit dem Ende der Schulzeit nach dem batxillerat tief greifende Veränderungen (Studienbeginn oder Eintritt ins Arbeitsleben, damit verbundene Umzüge und das Kennenlernen neuer Freunde etc.) anstehen, welche sich eventuell auch auf die Sprachgepflogenheiten auswirken.
4.3. Die katalanische Jugendsprache im Varietätenraum Eine Situierung von jugendsprachlichen Äußerungsformen im Varietätensystem gestaltet sich äußert komplex und vielschichtig. An dieser Stelle sollen nur die für diese Arbeit relevanten Aspekte, d.h. vor allem die diaphasische Ebene, näher beleuchtet werden. Auf regionale Unterschiede einzugehen und somit die Jugendsprache in ihren diversen diatopischen Ausprägungen darzustellen, kann und will diese Arbeit nicht leisten. Sicherlich interessant, wenn gleichfalls zu umfangreich, wäre eine Analyse der Sprechweise katalanischer Jugendlicher in Bezug auf diastratische Unterschiede, d.h. ein Vergleich jugendlicher Sprechweisen zwischen «höherer und niedrigerer Umgangssprache». Diese Möglichkeit, ebenso wie die Analyse von Jugendsprache auf der
11
Cf. hierzu für Katalonien Generalitat de Catalunya (1999b), Salvadó (1998), Romaní (1992). «Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß die Angehörigen einer bestimmten Altersgruppe aufgrund der für die verschiedenen Lebensalter konstitutiven Erfahrungs- und Handlungswelten auch ein entsprechend ähnliches Sprachverhalten an den Tag legen» (Linke/Nussbaumer/Portmann 1996, 309). Betrachtet man weitergehend bisherige Studien zu Jugendlichen und Jugendsprache, so wird man sich sehr leicht der Problematik einer genauen Definition des Terminus ‹Jugend› bewusst. Barruti stellt dazu folgende Überlegung an: «En resum, considerem la joventut com una construcció social que constitueix el resultat dinàmic de la interacció de dos elements fonamentals, que són les images culturals sobre la joventut, i les condicions socials dels diferents grups de joves. No podem considerar la joventut com un conjunt homogeni pel fet de ser un grup que està dins d’una determinada edat (quina o quines?) o de compartir una mateixa situació de subordinació en relació amb els adults del seu entorn immeditat» (1990, 14). In der katalanischen Literatur findet sich für den Lebensabschnitt von 12 bis 17 Jahren auch der Terminus adolescència (cf. Serra/Huguet 1993).
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diatopischen Ebene, stellt Radtke in folgender Graphik dar. Hierbei werden die diatopische und diastratische Ebene der Jugendsprache ihrer «Sondersprachlichkeit» gegenübergestellt, wobei der Autor vor allem den diaphasischen Aspekt der Gruppensprachlichkeit hervorhebt. Sprache Jugendlicher (linguaggio dei giovani)
umgangssprachlich überregional
sondersprachlich
vs.
regional
Generationenbezogenheit große Gesellschaftsgruppen
(diatopische Marktierung)
Kleingruppenbezug/ gewisse Sachbereichsorientierung
höhere niedere Umgangssprache Umgangssprache Jugendlichenjargon
(diastratische Marktierung)
sexuellskatologische Vulgärsprache
hohe Alltagssprachlichkeit uneingeschränkte Verständlichkeit deskriptive Normen adäquates Sprachverhalten
Schülerjargon Drogenjargon Politjargon Militärjargon etc.
hohe Sondersprachlichkeit Jargonisierung gesteigertes Expressivitäts- und Emotionspotential soziale Konsonanz von Subkulturen
Graphik 4–2: Jugendsprache im Varietätenraum (Radtke 1990, 139)
Der diastratische Aspekt soll kurz angesprochen werden und im konkreten Fall des Argots Beachtung finden. Hinzuweisen wäre an dieser Stelle weiterhin auf die Stadtsprachenforschung. Stadtsprachen oder Urbanolekte lassen sich sowohl in diatopischer als auch in diastratischer Hinsicht gegenüber dem Standard klassifizieren: Sie sind räumlich zu verorten und sozial stratifiziert. Stadtsprachen haben sich im Zuge von Wanderungsbewegungen entwickelt, haben Einfluss auf die Standardisierung von Dialekten ausgeübt und vielfach die Unterschiede zwischen verschiedenen Dialekten eingeebnet (cf. Dittmar 1997, 193ss.). Die vorliegende Arbeit geht von Jugendsprache im städtischen Umfeld von Barcelona aus und hat nicht die Zielsetzung, diese mit nicht urbanen, jugendlichen Varietäten des Katalanischen zu kontrastieren – daher erscheint mir eine explizite Differenzierung von städtischen Varietäten gegenüber der Standardvarietät oder anderen Varietäten an dieser Stelle nicht nötig.
105
4.3.1. Der diastratische Aspekt der katalanischen Jugendsprache: Parlar xava und argot juvenil Eine Besonderheit – vor allem der spanisch geprägten – Jugendsprache Barcelonas ist das so genannte parlar xava, das von Jugendlichen aus einfachen Vierteln Barcelonas (xave = noi (Junge) im caló) entwickelt wurde. Teilweise spricht man auch von parlar xanego, wobei der Unterschied zu xava allerdings schwer und nur aufgrund soziologischer Überlegungen (cf. López de Castillo 1976, 55) festzumachen ist. López de Castillo definiert xava oder xanego als «parlar fortament acastellanat de l’immigrant de parla castellana que ha après el català al carrer, a la feina […], i que el domina a males penes, amb grans llacunes en tots els camps […], omplint-les amb els corresponents castellans. Es tractaria de modalitats criolles de llenguatge. Els seus límits, doncs, serien força imprecisos, ja que estarien en funció de la capacitat lingüística de cada parlant. Les realitzacions individuals comprendrien així una gamma amplíssima de possiblitats, amb l’única característica comuna d’un llenguatge fortament barrejat que no ha arribat a dominar el sistema de la llengua, característica que apareix com a clarament perceptible fins per al catalanoparlant corrent no cultivat en llengua pròpia» (1976, 56).
Angesichts dieser Definition könnte man davon ausgehen, dass sich vor allem stark vom Spanischen beeinflusste jugendliche Sprecher, z. B. aus der Generation neuer Immigranten, das parlar xava aneignen dürften. Davon betroffene Orte könnten vor allem der Industriegürtel von Barcelona sowie Innenstadtbereiche mit großem Anteil an (häufig sozial schwacher) Immigrationsbevölkerung sein. In Wirklichkeit ist der Einfluss des parlar xava jedoch viel größer und reicht mittlerweile in weitere Gesellschaftsgruppen hinein: «Val a dir, però, que algunes d’aquestes característiques12 del parlar xava s’han anat generalitzant els darrers anys, especialment entre les generacions més joves. La causa no és altra que la massiva castellanització de l’ambient (escolarització més àmplia que mai, tant en abast de població com en durada, amb bandejament del català). Aquesta influència actual massiva del castellà ha trobat una base ja existent en el dit parlar xava, la qual cosa ha potenciat alguns dels seus trets, especialment fonològics, i els ha estès cap a posicions avançades dins la llengua familiar d’una proporció més grand de parlants. Així no és estrany de trobar aquí i allà gent que han arribat a un nivell de llenguatge en aparença standard – a causa d’uns cursos de català que hagin pogut seguir, d’una més o menys familiaritat amb la llengua escrita – i que posseixen en canvi alguns d’aquests trets (ensordiments, vocals mitjanes, castellanismes lèxics i sintàctics) combinats curiosament amb cultismes i arcaismes» (López de Castillo 1976, 58).
Das parlar xava ist in seiner relativen Begrenzung als jugendliche Gruppensprache den Argots13 zuzurechnen, die immer einer bestimmten sozialen
12 13
Vor allem bezogen auf die phonetischen Merkmale, Anmerkung der Autorin. Die Bezeichnung Argot entstammt dem Französischen und existiert in verschiedenen romanischen Sprachen; das Englische verwendet dafür die Bezeichnung
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Schicht oder Gruppe entstammen. Sie verfügen über ein spezielles Vokabular, das allerdings nicht mit dem technischen Vokabular von Fachsprachen zu verwechseln ist (López de Castillo 1976, 58s.):14 «Del punt de vista dels nivells de llenguatge podríem dir que, per a cada grup, l’argot correspondria a un nivell col·loquial o familiar, mentre que el vocabulari específic (en el cas d’oficis, professions, etc.) constituiria part integrant del propi stàndard. Així podríem establir: standard
tècnic =
familiar-col·loquial
argot.«
Argot ist eine Gruppensprache, die mehr oder weniger manifest intendiert, Nicht-Gruppenmitglieder auszuschließen, indem sie gleichzeitig die Gruppenidentität intern verstärkt. In vielen Fällen findet Argot im Sinne einer echten Gruppensprache nur innerhalb dieser Gruppe als Umgangssprache Anwendung, in der Kommunikation nach außen verschwindet er aber. Dadurch entsteht unmittelbar eine soziale Wertung des Argot, der so einer familiären, umgangssprachlichen Ebene mit eingeschränktem Wirkungskreis zugeordnet wird (cf. López de Castillo 1976, 60). Erste historische Hinweise auf katalanischen Argot gehen ins Valencia des 16. Jahrhunderts zurück, wo wirtschaftliche Unbeständigkeit und Kriminalität zum Entstehen dieser «Sondersprache» beigetragen haben. Erste sprachwissenschaftlich bedeutende Beschreibungen des Argot finden sich in Barcelona Ende des 19. Jahrhunderts, die z. B. von Max-Léopold Wagner (1924) aufgezeichnet wurden. Viele der Ausdrücke entstammen den Zigeunersprachen caló oder romanó15 und dem Bereich der Kriminellensprache. Daher findet man als Definition für Argot in historischen Publikationen auch: «manera de hablar de los gitanos ó de los ladrones y rufianes, usada por ellos solos y compuesta de voces del idioma castellano con significación distinta de la
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15
slang, das Deutsche spricht häufig von Jargon. In der französischen Soziolinguistik wird Argot häufig mit Studentensprache oder allgemein jugendlicher Sprechweise gleichgesetzt. Man kann Argot demnach auch als eine Art Szenesprache verstehen (cf. Hinrichs 1983/1984; Braun 1987). Radtke (1984) betrachtet Argot, Jargon und Slang als Sondersprachen, will aber nur das Kriterium der Lexik angewendet wissen, «die in eine mehr oder weniger substandardsprachliche» Syntax eingebettet ist. Eine ähnliche Auffassung findet sich auch bei Sanmartín: «Los argots comparten un léxico más genérico y constituido por elementos cotidianos a cualquier hablante como la ropa, el dinero, el cuerpo humano, la bebida o comida, etc. Este rasgo separa el argot de la jerga y el tecnicismo […]» (1998, 48). Caló und romanó sind die Sprachen spanischer Zigeuner, vor allem aus Andalusien, deren Einfluss auf die Gaunersprache germania vor allem im 19. Jahrhundert zunimmt. Im 20. Jahrhundert spricht man zunächst auch von caló jergal, später dann von caliente als Gaunersprache.
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genuïna y verdadera, y de otros muchos vocablos de formación caprichosa ó de origen desconocido ó dudoso» (Besses 1905, 1s.).
Argot wurde in der Vergangenheit lange Zeit auch als Geheimsprache bezeichnet und hat einen eigenen «Wortschatz». Dieser gestaltet sich kreativ, indem zum konventionellen Wortschatz unkonventionelle Alternativen erfunden werden. Besonders gut ersichtlich ist dies an Bezeichnungen für spezifische Berufsgruppen;16 beispielsweise findet man im katalanischen Argot für die Bezeichnung des Berufs Politiker Ausdrücke wie politicastre oder politiquer, für Polizei sogar eine noch größere Vielfalt mit Bezeichnungen wie pasma, bòfia, madam, etc. Im Katalanischen findet man Ende des 19. Jahrhunderts im Argot viele (verfremdete) Wörter mit Suffixen, die als Geheimcode dienen, z. B. brisquiar anstelle von obrir.17 Argots waren immer rein urbane Phänomene, die aus dem Bedürfnis einzelner sozialer Gruppen entstanden, sich gegenüber anderen Gruppen abzugrenzen und zu identifizieren. Der Argot fungierte als Gruppensprache und hatte eine identifizierende Funktion. Gleichzeitig diente er zum Ausdruck von Werten und Haltungen, indem er als so genannte antillenguatge das Gefühl der Marginalisierung und der Opposition zur Gesellschaft vermittelte. Dies mag einer der Gründe sein, weshalb einige Lexeme des ehemaligen Argot dels marginats i delinqüents (cavall = heroina, camell = traficant, al·lucinar oder flipar = tenir sensacions oder al·lucionacions, privar = beure alcohol) in der Jugendsprache aufgegriffen werden: «Aquest es el factor que generalment més atrau als joves: el fet que l’argot expressa i simbolitza el rebuig a l’autoritat i el trencar les formes» (Enciclopèdia Catalana 2001, 195).
Beispiele des parlar xava finden sich auch im Korpus der vorliegenden Arbeit wieder. Dazu gehören vor allem Lexeme aus der Welt der Drogen, z. B. eben al·lucinar oder auch porro oder solche, die vulgär oder sexuell konnotiert sind wie cagar (cf. hierzu Pomares 1997). Am Beispiel von tio, das von Pomares im Diccionari del català popular i argòtic (1997) aufgeführt wird, lässt sich aus eigenen Erfahrungen erkennen, wie weit der Argot schon in die allgemeine Nähesprache vorgedrungen ist:
16
17
Gerade die unterschiedliche Bezeichnung für Berufsgruppen gibt Hinweise auf die Ursprünge dessen, was z. B. im Deutschen auch als Jargon bezeichnet wird: ein Mittel zur interprofessionellen Verständigung zwischen Kollegen innerhalb gleicher Arbeitsfelder (cf. Dittmar 1997, 219). Reduktion der ersten Silbe; die zweite Silbe und somit ein Teil der Verbendung wird Teil des Verbstamms – bri(squi), das Verb erhält eine neue Endung -ar (cf. Enciclopèdia Catalana 2001, 194ss.).
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JOVE3 A: vull dir que és molt al·lucinant, no/ JOVE38 pos que:el Edu i jo la vam cagar\ JOVE35 A: era un porro {(FF)uhuhu/} @@ B: @@@ C: @@ A: i el tio/ el tio veu
Ein hervorragendes Beispiel hierfür ist die Madrider Jugendsprache der 70er und 80er Jahre, das cheli, das aus der contracultura, der kulturellen Gegenbewegung der Jugendlichen in den 70er und 80er Jahren, heraus entstanden ist und sich zahlreicher Ausdrücke aus dem Argot bediente. Ein von katalanischen Sprachwissenschaftlern18 als problematisch bezeichneter Punkt ist das nicht vorhandene Ausschöpfen der kreativen Möglichkeiten zur Schaffung eines neuen katalanischen Argots. Seit der Unterdrückung des Katalanischen durch das Franco-Regime entsteht Argot in Katalonien fast nur noch auf Spanisch – der wenige, vermeintlich katalanische Argot, ist in Wirklichkeit oft nur eine Entlehnung aus dem Spanischen, teilweise ergänzt durch englischsprachige Elemente. An folgenden Korpusbeispielen (tio aus dem Spanischen, bzw. al·lucinant, heavy aus dem Englischen) wird dies deutlich:19
18
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Das Thema des wenig bis fast gar nicht vorhandenen Argots auf Katalanisch bzw. das Fehlen von neuen Entwicklungen wurde von allen für diese Arbeit interviewten Sprachexperten (INFO1, 4, 8) bestätigt. In den Augen der Experten gibt es kaum Slang oder Argot, weil fast alle wichtigen, von den Jugendlichen genutzen Kulturprodukte (Kino, Musik etc.) in spanischer Sprache verfasst sind. Die Bemühungen um ein standardisiertes Katalanisch in den katalanischen Medien (cf. 3.2.3, 3.3.6.) verhindern ebenfalls, dass wirklicher Argot entsteht, auch wenn in dieser Hinsicht Bestrebungen existieren, jugendliche Sprechstile zu berücksichtigen. In den Augen der Befragten könnte man damit rechnen, außerhalb Barcelonas, in ländlicheren Gebieten, sicherlich mehr jugendsprachlich umgangssprachliche Äußerungen auf Katalanisch zu finden – diese seien jedoch dann stark diatopisch geprägt und könnten nicht als allgemein typisch für die aktuelle katalanische Jugendsprache gelten (cf. Graphik 4–1). Ob die hier genannten Beispiele wirklich als Argot gelten können, sei dahingestellt; m. E. sind sie nicht unbedingt einem bestimmten Soziolekt im Sinne eines Argot zuzuordnen, sondern sind Teil der allgemeinen katalanischen Nähesprache, besonders das Lexem tio. Sie sind allerdings auch im Wörterbuch von Pomares (1997) zu finden, daher wurden sie hier ausgewählt.
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JOVE4 t’enviarànt’enviaràn a Iraq tio\ JOVE3 A: però:. però bueno/ és al·lucinant, perquè- (..0,7) és un fòrum: no séJOVE0 Això d’aquest noi és molt heavy
4.3.2. Jugendsprachliche Varietät vs. jugendlicher Sprechstil Innerhalb einer Varietät stehen den Sprechern zur Durchführung sprachlicher Handlungen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung; sie treffen unter diesen Möglichkeiten – den Stilen – bewusst oder unbewusst eine Auswahl, je nach intendierter kommunikativer Wirkung ihrer Sprechhandlung. Dittmar nimmt Bezug auf verschiedene Stilbegriffe (u. a. von Labov) und betrachtet Stil als ein «auf Wirkung und Expressivität ausgerichtetes System tendenzieller Gebrauchspräferenzen (von Sprechern), die kontextgebunden und gefiltert durch Registeranforderungen aus den verschiedenen Ebenen des einzelsprachlichen Varietätenraums Ausdrucksformen selektieren und diese mittels Kookkurrenzrestriktionen zu einer spezifischen Stillage kombinieren» (1997, 226).
Register ist nicht leicht vom Begriff Stil abzugrenzen. Register sprechen vor allem «erwartbare» Formen des Sprachhandelns an und haben also prototypisch mit dem Muster- und Gebrauchswissen von Situationen zu tun. Eine bestimmte Person wird je nach Situation, z. B. im beruflichen oder im privaten Umfeld, ein anderes sprachliches Register aktualisieren, da sie sich in der konkreten Situation auch einer bestimmten sozialen Gruppe zuordnet. Auch Veränderungen innerhalb einer Situation können die Wahl eines anderen Registers hervorrufen (cf. Linke/Nussbaumer/Portmann 1996a, 306). Soziolinguistische Stile hingegen markieren vor allem Gruppen, die Situation spielt, im Gegensatz zum Register, eine untergeordnetere Rolle. Stile verbinden sich prototypisch mit der personen- oder gruppenspezifischen Expressivität der jeweils durchzuführenden kommunikativen Aufgabe. Sie vermitteln Informationen über den Sprecher (Geschlecht, Alter, Herkunft etc.) sowie nichtsprachliche Informationen,20 während Register in erster Linie auf den funktionalen Kontext bezogene Informationen liefern. Stil und
20
Typisch für die soziale Identität (Gruppenidentität) als indizierendes Stilmittel sind auch die Verweise auf nicht-sprachliches Verhalten, die Art der Kleidung etc.: «Zum sozialen Stil gehören ebenso Eigenschaften des nicht-sprachlichen Verhal-
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Register sind also eng verbunden, Stil ist jedoch Register eigentlich nachgeordnet (cf. Dittmar 1997, 212, 222ss.). Dabei sind Register enger an soziale Normen gebunden als Stile, denn «Register sind kommunikative Praktiken […], deren Erfolg an der Nähe zu den ‹legitimen› Normen gemessen wird» (Dittmar 1997, 212). Der Bezug zu kommunikativen Normen im Register äußert sich als Mittel zur Auswahl aus einem Repertoire nach den Regeln der situativen Angemessenheit: «Betrachtet man individuelle Repertoires als in ihren Erscheinungsformen sozialer Variation zugrundeliegende Basisvarietäten, könnte man Jugendsprache als einen gruppen- und altersspezifischen Ausschnitt aus dem Lebenszyklus von solchen Repertoires betrachten. Als entwicklungsspezifische Übergangsphase […] baut die Jugendsprache auf bereits erworbene dialektale und soziolektale Varietäten auf; andererseits werden bestimmte Teile des bestehenden Registers innovativ verändert» (Dittmar 1997, 230).
Die deutsche Jugendsprachforschung vermeidet es mittlerweile immer stärker, Jugendsprache als soziale Sondersprache oder eigenständige Varietät des Deutschen aufzufassen. Auch die situative Dimension des Registers wird weitgehend ausgeblendet (cf. Schlobinski/Kohl/Ludewigt 1993). Cherubim äußert sich dazu wie folgt: «Jugendsprachliche Ausprägungen auf verschiedenen linguistischen Ebenen […] rechtfertigen noch nicht den Status einer selbständigen Subsprache des Deutschen. Vielleicht sollte man eher von einer Suppletivsprache reden, zumal sie auch von Subjekten, den Jugendlichen, oft gezielt komplementär metakommunikativ oder ironisch distanziert gebraucht wird» (1986, 88).
Der Autor schlägt vielmehr die Bezeichnung Stilregister vor, ein m.E. der Begrifflichkeit der diaphasischen Varietät nahe stehendes Konzept, welches sich an dem u. a. von Augenstein (1998), Neuland (1994; 2003a und b), Neuland / Bleckwenn (1991) oder Schlobinski/Kohl/Ludewigt (1993) und Schlobinski/ Runkehl/Siever (1998) formulierten Sprechstilkonzept orientiert. Neuland (2003a und b) betrachtet Jugendsprache unter dem Begriff der subkulturellen Stile, d.h. unter Einbeziehung des charakteristischen expressiven Verhaltens eines Individuums auf diaphasischer Ebene. Subkulturelle Sprechstile Jugendlicher sind somit Ausdrucksformen jugendlicher Lebenswelten mit der besonderen Funktion der sozialen Distinktion gegenüber der Außenwelt der Erwachsenen und der Identifikation in den Innenräumen jugendlicher Lebenswelten. Die subkulturellen Sprechstile Jugendlicher werden also unter einem kulturanalytischen Aspekt analysiert. Das Sprechstilkonzept bezieht sich auf die sprechsprachliche Performanz, wo jedes Sprachelement ein potentielles Stilelement darstellt und nicht unbedingt an die Intentionen des
tens, der körperlichen Bewegung, des Distanzverhaltens, der Kleidung, der Einrichtung, der Ernährung usw.» (Kallmeyer 1994, 31).
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Sprechers/Schreibers gebunden ist. Die Bezeichnung der Jugendsprache als «Sprechstil» mit von den Jugendlichen geschaffenen Besonderheiten, findet sich auch bei Zimmermann (2004) wieder, der damit der Jugendsprache den Charakter einer «eigenständigen» Sprache zu nehmen versucht. Der Ausdruck Stil siedelt sich auf der Ebene der parole an, der Sprache in ihrer kommunikativen Realisierung; die Jugendlichen wählen sprachliche und visuelle Mittel gezielt aus und kombinieren sie, um eine bestimmte soziale Identität zu konstituieren. Auf diese Weise wird Stil zur «Relation zwischen Textelementen und ihrem funktional-situativen und sozialen Zusammenhang» (Androutsopoulos 2003, 275). Stil ist hier jedoch nicht als normatives Konzept zu verstehen, sondern stellt eine Zusammenfassung sprachlicher und sozialer Einzelerscheinungen dar. Im Gegensatz zu Varietäten, welche die Autoren auf der langue-Ebene als zur Verfügung stehende Ressourcen ansiedeln, sind Sprechstile konkrete Realisierungen in einem sozialen oder regionalen Umfeld, die spezifischen Darstellungs- und Ausdrucksbedürfnissen nachkommen (parole-Ebene). Wie bereits erwähnt, sind beide Konzepte für Jugendsprache zutreffend, je nachdem ob man die Betrachtung eher auf die langue- oder die parole-Ebene konzentriert. Die Jugendlichen bedienen sich schließlich ihrer Ressourcen des Sprachsystems (also der langue) und kombinieren diese spontan in ihren sprachlichen Realisierungen (parole-Ebene). Je nach Situation und Gruppe gestaltet sich die Abweichung der Realisierung von den «Standard-Ressourcen» mehr oder weniger stark. Ich verwende in diesem Sinne verallgemeinernd und unter Vorbehalt der bisherigen Erläuterungen den Begriff Jugendsprache als beide Auffassungen abdeckend. Wenn nötig, erfolgt eine Spezifizierung durch die genaueren Bezeichnungen Stil bzw. Varietät. Jugendsprache in der Outgroup-Kommunikation, d.h. in Kommunikationssituationen mit anderen als den Mitgliedern der eigenen Gruppe, ist immer expressiv als sozialsymbolisches Handeln markiert (cf. Augenstein 1998, 21). Diese markierten Sprachhandlungen können jedoch gruppenspezifisch gestaltet werden. Laut Augenstein kann «auch Jugendsprache […] als solch ein Sprechstil beschrieben werden, der sich über die Realisierung spezifischer Marker konkretisiert» (1998, 22). Der Sprechstil einer Gruppe generiert sich aus regelmäßig auftretenden expressiven Markern und wird zum Identifikationsmerkmal der Gruppe. Sprechstile Jugendlicher sind keine Erfindung einer Person, sie bilden sich im Kommunikationsprozess der Gruppe aus und spiegeln das Wertesystem, soziolinguistische Normen und die gemeinsame Erfahrung der Gruppe wider. Die Auffassung von Jugendsprache als Gesamtheit von Sprechstilen betont ihre Heterogenität: Es gibt so viele Sprechstile, wie es Jugendgruppen gibt. Jugendsprache(n) ist/sind Gruppensprache(n), allerdings auf verschiedenen Ebenen. Zum einen müssen wir von der Ingroup-Perspektive ausgehen, von singulären jugendlichen Sprechstilen innerhalb einzelner jugendlicher peergroups, d.h. den Gruppen Jugendlicher, die gemeinsam ihre Freizeit (und 112
evtl. auch Schulzeit) verbringen und gemeinsame Interessen verfolgen.21 Die für das Korpus ausgewählten Jugendgruppen können auch als peergroups bezeichnet werden, wobei das Konzept von peergroup hier weit zu fassen ist. Manche, z. B. die Musikgruppen (JOVE10, 19, 25), die Gruppe der okupes (JOVE3) oder Gruppen langjähriger Freunde (JOVE2, 6, 16, 22, 34) kann man als wirkliche peergroups bezeichnen. Andere Gruppen sind Zufallskonstrukte, z. B. Studierende im gleichen Kurs (JOVE5, 7, 8, 14), bei denen die Verbundenheit der Gruppenmitglieder auf äußere Umstände zurückzuführen ist, die von ihnen nicht immer wählbar sind. Zimmermann (2003b, 32) spricht in Bezug auf die peergroups auch von spezifischen kommunikativen Netzwerken, die bei Jugendlichen aufgrund der Generationenidentität dichter seien, häufiger aktiviert würden und eine größere Relevanz hätten als bei Erwachsenen. Im Gegensatz dazu steht die Outgroup-Perspektive der Intergruppenkommunikation, die sich einerseits in der Kommunikation jugendlicher «Szenen» oder peergroups untereinander, andererseits im makrosoziologischen Kontext als Kommunikation zwischen den Generationen beschreiben lässt. Sie stellt den Sprechstil der Jugendlichen dem der Erwachsenen (oder auch der Kinder) gegenüber (cf. Augenstein 1998, 25; Tajfel 1982). In dieser makrosoziologischen Outgroup-Perspektive ist Jugendsprache also auch ein Oberbegriff für eine Generationensprache, deren einzelnen Ausprägungen einige wesentliche Aspekte gemein sind. Hierzu zählt die Ambivalenz der Jugendsprache, das Spannungsfeld zwischen Provokation und Stereotypie sowie die teilweise noch recht ausgeprägte Infantilität und spontane Kreativität im Sprachgebrauch. Folgende Gesprächsbeispiele sollen dies für das Katalanische der jugendlichen Informanten veranschaulichen: JOVE12a A: si no: (..0,4) si la gent no pateix/ llavors no es la noticiala gent no vol veure les noticies perquè diguin el món és guai/ sino per {(E)patir}\ K: mh/ A: és unaés una real masoquista/
21
Die peergroup dient der sozialen Orientierung und Kontrolle beim Übergang von der Kindheit zum Erwachsenenleben. Jugendliche projizieren ihre Probleme auf die Gruppe, identifizieren sich mit Werten oder Personen der Grupppe und entwickeln so ihre eigene Identität (zur sprachlichen Konstitution der Gruppenidentität cf. 4.5.2.6.).
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que suposo que era tot así {(AC)és una bocata}B: @@ C: [@@] A: @@ B: xxxxx ja està\ A: ahi::: JOVE7 E: buenoB: no són(..0,6) A: sí:(..0,4) sobretot vas alals extrems de les línees i no sési agafes la línea cinc/ i te’n vas a Horta:/ (..0,4) a Horta ésE: {(@)no tornes @@@ B: @@ JOVE3 K: creus que serà possible/ A: i tantK: si/ A: sientre nosaltres ja parlem en català sempre-vull dir ehB: com un grup de pre: un lobby de [{(@)pressió}] A: un lobby de pressió\ B: @@@ A: @@
Am ersten Beispiel (JOVE12a) wird der Umgang der Jugendlichen mit Stereotypen (la gent no vol) sowie der provokative Umgang mit Sprache (és una real masoquista) deutlich. Gleichzeitig verwenden die Jugendlichen semantisch umgedeutetes Vokabular (és una bocata) auf kreative Weise, um so in der Gruppe Anerkennung – in Form von Lachen – zu gewinnen. Am zweiten Beispiel (JOVE7) zeigt sich neben dem kreativen Umgang mit Sprache durch den erzeugten Reim wiederum der integrative Aspekt von Jugendsprache. Dem Sprecher gelingt es, durch seinen Sprachwitz eine gruppendynamische Situation zu erzeugen, bei der die anderen Sprecher ihre Zustimmung durch Lachen geben und sich so als Gruppe mit der Äußerung identifizieren. Im dritten Fall (JOVE3) tritt die sprachliche Kreativität – ebenfalls mit integrativer Wirkung – in Form eines Neologismus bzw. einer neologistischen Komposition auf. Die synonymisch verwendbaren Lexien grup de presió bzw. der 114
Anglizismus lobby werden vom Sprecher kreativ und, wie die Intonation des Sprechers bezeugt, bewusst zu lobby de presió kombiniert. Es entsteht also ein Pleonasmus, eine Kreation, die in der Gruppe durch Lachen kommentiert und somit anerkannt wird. 4.3.3. Entstehen und Funktion von Jugendsprache Eine gute Zusammenfassung über Entstehen und Besonderheiten von Jugendsprache findet sich bei Zimmermann (2004, 27s.). Der Autor ordnet die Verfahren zur Kreation von Jugendsprache durch die Jugendlichen selbst allen sprachlichen Ebenen zu, schließt also Phonologie, Morphologie, Syntax, Lexik, Semantik, Pragmatik, textuelle bzw. diskursive Formen des Redens sowie non-verbale und semiotische Aspekte ein. Jugendsprache entsteht und wird vorwiegend in Situationen mündlicher Kommunikation jugendkultureller Art eingesetzt; vor diesem Hintergrund muss sie als eine Sonderform der gesprochenen Sprache kategorisiert werden; daher werden ihr aber auch häufig Merkmale zugeschrieben, die gleichwohl allgemein Charakteristika der gesprochenen Sprache sind. Jugendsprache dient, wie wir bereits gesehen haben, als Mittel der Selbstidentifikation Jugendlicher, sie hat einen stark ludischen Charakter und ist oft Ausdruck des kreativen Umgangs mit Sprache durch die Jugendlichen (cf. auch Schwitalla/Streek 1989, 250). Die beiden folgenden Beispiele aus dem Korpus zeigen, wie einzelne Jugendliche durch den kreativen Gebrauch von Sprache (hier in Form von Homophonie) spielerisch mit ihren sprachlichen Ressourcen umgehen und sich gleichzeitig in den Mittelpunkt der Gesprächssituation (Hervorrufen einer positiven Reaktion in Form von Lachen bei den anderen Teilnehmern) stellen: JOVE7 A: a Espanya em penso que és un trenta i pico per cent/ i a Holanda un dinou per cent\ E: un trenta i pico per cent/ (..0,7) A: sí síE: wow, és molt\ B: @@@ A: és que sortia al metro avui\ B: @@ C: no però que sía mi no me sorpren:perquèE: [al metro allà-] (..0,4) a l’estiu és aixòvénen els: (..0,6) els estrangers aquí/ i vénen aquí:
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a la platja a beure D: i a {(@veure}\
Mag es auch wie ein Gemeinplatz wirken, so sei an dieser Stelle dennoch einmal mehr betont, dass es die Jugendsprache (und somit auch die katalanische Jugendsprache) an sich nicht gibt. Januschek (1989, 136s.; 1991, 117) geht sogar so weit zu behaupten, dass der Annnahme, es existiere so etwas wie Jugendsprache, Projektionen Erwachsener zugrunde liegen; entsprechend basiere der Begriff der Jugendsprache nicht auf der sprachlichen Realität, sondern suche sich nur seinen Gegenstand darin. Jugendsprache ist in sich differenziert und variiert sowohl regional als auch sozial. Darüber hinaus sei hier nur nebenbei auf weitere mögliche, z. B. geschlechts-, schichten- oder bildungsspezifische sowie ethische Unterschiede verwiesen. Wird die Jugend als eine homogene Altersgruppe verstanden, ist vielmals von Jugendsprache als Generationssoziolekt die Rede. Auf diese Weise sollen Sprachmerkmale betont werden, die für eine ganze Jugendgeneration charakteristisch sind, z. B. der Gebrauch von Modewörtern; gleichzeitig wird durch den Begriff Soziolekt der Aspekt der sozialen Schichtung angeschnitten. Wenn hingegen die Zugehörigkeit Jugendlicher zu verschiedenen Subkulturen berücksichtigt werden soll, stehen im Mittelpunkt der linguistischen Jugendsprachforschung die spezifischen Merkmale verschiedener subkultureller Sprachen, z. B. die Sprache der Fans unterschiedlicher Musikrichtungen (HipHop, Rap u. a.). Folgende Graphik veranschaulicht das unter dem Begriff der Jugendsprache zusammenfließende Variationsspektrum und stellt eine Auswahl verschiedener Einflussfaktoren wie Alter, Geschlecht, Subkulturen, Bildung, Medien etc. dar:
Standardsprache
࣐ ࣐ ࣐ Zeitgeschichte gesellschaftlicher Kontext Geschlecht
Bildungsgang
Region
Jugendsprache
Medien Alter
Situation
Gruppe
soziale Herkunft
Generation Subkulturen
Graphik 4–3: Variationsspektrum von Jugendsprache (cf. Neuland 2003b, 213)
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Demzufolge sollte man vielmehr im Plural von jugendsprachlichen Varietäten oder Sprechstilen sprechen, die unter dem globalen Oberbegriff der Jugendsprache Ausdruck unterschiedlicher jugendlicher Subkulturen sind, die nie alle Jugendlichen einer Generation oder eines soziokulturellen Raumes gleichermaßen erreichen können oder wollen (cf. Zimmermann 2004, 28; zur sprachlichen Abgrenzung unterschiedlicher Subgruppen cf. 4.4.1.; 4.2.5.6.). Eine weitere Besonderheit der Jugendsprache ist sicherlich ihre schnelle Wandelbarkeit, die nicht nur auf den Generationenwechsel zurückzuführen ist, sondern sich zu großen Teilen auch durch die Übernahme jugendsprachlicher Elemente in die Standardsprache bzw. in die allgemeine Nähesprache (durch Kommunikationsmedien und Werbung) ergibt. Solche Prozesse bezeichnet Zimmermann als Bedrohung für den «emblematischen Charakter» der Jugendsprache (cf. 2004, 34), der durch das Herausbilden neuer Charakteristika entgegen gewirkt wird. Unter den Konstitutionsverfahren, mit denen Jugendsprache kreiert wird, nennt Zimmermann vor allem die Verfremdungstechnik (d.h. dem Wort oder Ausdruck wird der Anstrich von Andersartigkeit gegeben), die Suffigierung (im Spanischen in großem Maßen durch die Suffixe {-ata}, {-eta}, {-ota}. Hierfür finden sich auch einige Beispiele im Korpus, die Entlehnungen aus dem Spanischen darstellen, wie drogata (cf. JOVE42a), die Verwendung von tabuüberschreitenden Termini bzw. «Kraftausdrücken» wie gilipollada oder der Bezeichnung einer Person als gilipollas (cf. JESC9), Inhaltskreationen auf semantischer Ebene z. B. maquillo (cf. JOVE7) bzw. Umsemantisierungen. Weiterhin besteht die Möglichkeit der Intervarietäten-Entlehnung/Quersprachigkeit (Entlehnung aus anderen Sprachen bzw. Varietäten der gleichen Sprache (Argot/Technolekte) sowie aus markanten Texten (Werbetexte, Fanzines, Fernsehsendungen) mit Hilfe der Bricolagetechnik, d.h. der Mischung von Alltagssprache und medialen Elementen (cf. 4.6.). Diese Techniken dienen der Symbolisierung der jugendlichen Generationenidentität und der Gruppenkonstitution. In der Jugendsprache existieren spezielle, von Jugendlichen geschaffene und zu einem bestimmten Zeitpunkt nur oder fast nur von Jugendlichen gebrauchte varietätenspezifische Elemente. Daneben findet man aber auch solche, die bereits früher in anderen Varietäten belegt waren, aber von Jugendlichen entlehnt werden und somit auch für jugendliches Sprechen charakteristisch sind, ohne spezifisch zu sein (cf. Zimmermann 2004, 34). Zu diesen beiden Verfahren gesellen sich die bereits erwähnten Inhaltskreationen, durch die neue materielle und kulturelle Gegenstände und Sachverhalte bezeichnet werden sollen. Viele solcher spielerisch wirkende Kreationen stehen in «funktionaler Beziehung zur generationalen Identität der Schöpfer und Benutzer und erwachsen aus spezifisch jugendlichen Gesprächssituationen mit entsprechenden Gesprächsstrategien» (Zimmermann 2004, 36). Jugendsprachlichen Varietäten oder Sprechstilen wurde lange Zeit und wird zum Teil heutzutage noch eine sowohl in sprachlicher als auch in gesellschaftlicher Hinsicht anti-normative Provokationsfunktion zugesprochen. 117
Jugendsprache an sich ist jedoch linguistisch betrachtet nicht wirklich antinormativ, denn sie braucht die Grundlagen der Standardsprache, um überhaupt existieren zu können. Ein Ausbruch aus den (sprachlichen) Normen, die manchmal in der Schulzeit als drückend empfunden werden, findet zwar statt, konzentriert sich aber oft auf eine, in dieser Hinsicht sehr flexible, sprachliche Ebene: die Lexik. Lange Zeit wurde Jugendsprache als eine primär lexikalisch markierte Ausdrucksform angesehen (cf. Radtke 1990, 137). Lexikalische Forschungen und Zusammenstellungen zur Jugendsprache im deutschsprachigen Raum finden sich bei Ehmann (1996), Heinemann (1989), Beneke (1986), um nur einige zu nennen. Für den spanischsprachigen Raum sind, vor allem im Hinblick auf die iberische Halbinsel, die Arbeiten von Zimmermann (2000) oder einzelne Arbeiten in den Sammelbänden von Rodríguez González (1989 und 2002b) zu erwähnen. Für das Katalanische können die Arbeiten von Vila/ Bellés (1989) oder Recasens Solé (1982) angeführt werden. Für die katalanische Jugendsprachforschung gilt aber, dass sie seit jeher sehr stark der soziolinguistischen Analyse verbunden war und nicht nur rein lexikalische Phänomene, sondern vielmehr Sprachkontaktphänomene auf allen sprachlichen Ebenen, vor allem auch bezüglich ihres pragmatischen Gehalts, untersucht hat. Es besteht meines Erachtens eine zunehmende Tendenz in der katalanischen Jugendsprachforschung, die Jugendsprache im Spannungsfeld zwischen dem Katalanischen und Spanischen (cf. Graphik 3–7.) besonders auf Phänomene des Code-Switching (cf. Boix 1993a; Vila 1996; Pujolar 1997) zu analysieren. 4.3.4. Konflikte der katalanischen Jugendsprache Transkodische Markierungen wie Interferenzphänomene (cf. 2.1.1.) auf allen sprachlichen Ebenen wie auch das Code-Switching (cf. 2.1.3.) sind nicht nur innerhalb des Spannungsfelds zwischen zwei Sprachen, hier also dem Katalanischen und dem Spanischen, zu sehen. In engem Zusammenhang mit diesem Spannungsfeld, sozusagen als eine Dimension desselben, öffnet sich ein neuer Konfliktbereich, der ebenfalls bereits angerissen wurde: das Spannungsfeld zwischen der (fehlenden mündlichen) Norm – und der sprachlichen Autonomie (cf. Graphik 3–2). Letztere bedeutet für die Jugendlichen den ihnen eigenen kreativen Umgang mit Sprache und Sprachkontaktphänomenen. Dieser «freie» Umgang stößt einerseits an die Grenzen zu großer Autonomie. Erreicht ist diese Grenze im Falle des Nicht-Erfüllens einer der Konversationsmaximen nach Grice, nämlich die der Modalität, d.h. die Äußerung klar und verständlich zu formulieren. Dies geschieht vor allem gegenüber Außenstehenden durch Rückgriff auf in der Gruppe bekanntes (Sprach-)Wissen. Ein relativ einfaches Beispiel aus dem Korpus macht dies deutlich:
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JOVE16 B: i dibuixos de: el Raimon\ K: dibuixos de què/ B: el de Raimon/ @@ A: @@ A. els mires encara/ B: encara els miro\ A: ostres\
Trotz Nachfrage seitens der außenstehenden Person wird das nicht verstandene Element (el Raimon) von Sprecher B nicht näher erläutert, sondern lediglich wiederholt. Der eigene Kommentar durch Lachen sowie die nonverbale und verbale Reaktion von A lassen erkennen, dass die Äußerung Teil des gemeinsamen Wissens von A und B ist und entsprechende Konnotationen bei beiden hervorruft. Am anderen Ende des Spannungsfeldes sieht sich Jugendsprache mit der (präskriptiven) Norm und ihrer Einhaltung konfrontiert. So erklärt es sich, dass in der Kommunikation der Jugendlichen sowohl bezüglich der als zu umgangssprachlich gewerteten Elemente (f- treure, wobei das anlautende [f] aufgrund inhaltlich-logischer Vermutung das Verb fotre oder auch fer ergeben hätte), als auch vor allem in Bezug auf Kastellanismen (casco, después, cine) Eigenkorrekturen oder, wie in dem Beispiel aus JOVE7, Korrekturen von den anderen Gruppenmitgliedern auftreten: JOVE40 (. 0.20) i tal-} que havia tingut que f- treure: el tio fora no/ (.. 0.34) perquè clarJOVE 3 A: I els casco (.0,3) els centres urbans JOVE4 A: [a Barcelona] al centre neuràlgic o sigui el centre::: la logística\ i despuesi després la distribuim a: a todocontra els fatxes\ JOVE 6 A: bueno, és aixòpues jo també l’utilitzomh: majoritariam:-
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per anar-me al cine(..0,5) K: mh/ A: al cinema\ JOVE 7 és molt més barato aquí:: C: [més barat] tot això\ el tabac per exempleés molt més barat aquí que a qualsevol altreB: ((weinerlich))ola:: és cert/ A: @@@ C: @@ B: @@@
Dass diese Norm für den mündlichen Sprachgebrauch im Katalanischen noch nicht hinreichend formuliert ist, stellt einen zusätzlichen Problemfaktor in besagtem Spannungsfeld dar (cf. 3.1.2.). Das Leben in diesem Spannungsfeld, geprägt von einem gewissen Streben nach Autonomie und dem Wunsch nach Provokation durch Sprache und auch «kulturelles» Verhalten hat einen emotiv-konativen Hintergrund. Ihm sind auch andere Funktionen von Jugendsprache zuzuordnen – die Abgrenzung gegenüber anderen (sozialen, generationalen, sprachlichen etc.) Gruppen (cf. 4.5.2.7.), das Streben nach Kreativität, Innovation und Originalität (dem die Jugendsprache oft selbst eine große Zahl stereotyper Phrasen entgegensetzt). Nicht unbedeutend ist weiterhin der ökonomische Aspekt jugendsprachlicher Kommunikation (cf. Buschmann 1994), d.h. das Streben nach möglichst hoher Dichte und Intensität des Informationsaustausches – ein Aspekt, der ebenfalls von den Jugendlichen durch teilweise große Redundanz – wie im folgenden Beispiel ersichtlich – zu Nichte gemacht wird: JOVE42 G: (... 1.34) {(F) joderVidal- ((cognom fictici)) tio\} (.. 0.56) {(F) joderper què l’hi vas deixar\ si és meva:\} J: (.. 0.55) ejo no l’hi vaig deixar\ [me la va xx] G: [{(F) hòstiano:\ Vidal\ ((cognom fictici)) no l’hi havies d’haver deixat\ ni posar-se-la\} (…) (.. 0.48) jo [l-] G: {(F) [hòs]tia-
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tio\ ara no la veuré eenque enhòstia puta:\ jode:r\} J: (... 1.61) aviam tio\ xxG: {(F) joder\ ara no la veuré en dos setmane:s\ i estarà picada:\} (. 0.24) {(F) joder tio\ és que ets la hòstiaeh tio\} J:aviam\ truca’l\ tioaviam\ jo li vaig direh\ és del Poma\ no l’agafis\ diu da igual\ el Poma me la deixa\ se la va posar(. 0.22) i dic eh\ despu(é)s la deixes on estava\ i diu sí sí\ i no es va enrecordar perquè(.. 0.46) [xx] G: {(F) [sí:-] no es va enrecordar\ una polla\} (.. 0.36) {(AC)(F) no l’hi havies d’haver deixat\ és meva\ tio\ les coses que no són teves no les deixes\} J:joder\ [{que jo no l’hi vaig deixar\}] G: [{(F) hòstia puta\}] J: [{la va agafar\}] G: [{(F) Jordi\ és que no ho en]tens\ ara no la veuré en un mes\} (…) J: (. 0.25) que la va agafartio\ jo no l’hi vaig deixar\ (. 0.12) Gerard\ (. 0.18) collons\
121
G: xxx\ (.. 0.39) hòstia puta:\ J: (.. 0.77) parla amb ell\ [xxx] G: [jjoder\] merda\ sabia que nohòstia puta\ {(AC) no sé per què me la vaig oblidar\} xxx\ (.. 0.55) hòstia\ p(e)rò com se t’acudeix deixar-l’hi\ i què se la va emportarper la Mallola\ J: (.. 0.30) eh/ G: (. 0.18) se la va emportar per la Mallolaallà\ J: sí\ G: (. 0.20) i per què l’hi vas deixartio\ J: (.. 0.46) p(e)rò que no l’hi vaig deixart’estic dient\ tioque me la va agafar\ (... 1.18) jo vaig dirés del Poma\ (.. 0.70) i em diuno:\ que el Poma me la deixa\ no sé [què\ xx\]
4.3.5. Dynamik von Jugendsprache und ihre Integration in allgemeine Sprachnormen Die Quantität jugendsprachlicher Phänomene in der Kommunikation von Jugendlichen lässt keineswegs auf die Relevanz jugendsprachlicher Ausdrucksformen für die Altersgruppe selbst oder für Personen anderer Altersgruppen, welche diese übernehmen, schließen. Januschek äußert sich dazu wie folgt: «Die zahlenmäßig meisten Jugendlichen gebrauchen höchst selten diejenigen sprachlichen Ausdrucksformen, die uns als typisch jugendsprachlich auffallen und zwar so selten, daß die Verständigung nie gefährdet ist. Diejenigen Jugendlichen, die sich überhaupt ‹jugendsprachlich› artikulieren, tun dies nicht ständig, sondern nur in bestimmten Situationen […]. Die meisten der typisch jugendsprachlichen Ausdrucksformen werden auch von Nicht-Jugendlichen in der ein oder anderen Weise gebraucht» (1991, 117).22
22
Daher wird auch das dieser Arbeit zu Grunde liegende Korpus vorrangig qualitativ und nicht quantitativ ausgewertet.
122
Im Gespräch JOVE4 taucht beispielsweise sehr oft das Lexem terroristes als Kategorisierung für die eigene Gruppe auf, vermutlich durch die starke Präsenz des Begriffs in den Medien zum Zeitpunkt der Gesprächsaufzeichnung durch den Irak-Krieg. In anderen Aufzeichnungen aus dem Korpus ist es hingegen nicht zu finden: JOVE4 B: a veure: (..0,5) algu deu ferperò ja no ho sé A: @@@@ B: [@@@@] C: [@@@@] K: tan malament/ A: está fatal ehB: hi ha més policia perquè és difícilC: {(@) si si} A: o sigui:: semblem els terroristes{(@)no/ C: terroristes si sisom terroristes B: [sobre ] tot a les festes majors als barris/ (..0,6) fa uns anys no hi havia policia i aquest any hi ha hagut\ (…) A: jo vull o siguijo vull una mica d’independència\ C: {(AC) jo també vull independència}\ B: @@@ A: depèn de totperquè jo també però xxxxxx ja estàviure al meu lloc\ ((Zwischengeräusche)) viure al meu lloc\ ja està\ vosaltres/ B: igualC: hem de montar-nos terroristesehabans/ B: [fer] els estudis o algo\ C: jo xxxxx A: que diu/ C: que hem de montar-nos terroristes abans
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K: @@@ C: abans de ser independents\ B: terrorizar-lo K: {(@) aquí a Barcelona o a un altre lloc/ C: no aquí a Barcelona/ contraA: [a Barcelona] al centre neuràlgic o sigui el centre::: la logística\ i despuesi després la distribuim a: a todocontra els fatxes\
Sprachliche, spielerisch gestaltete Innovationen innerhalb einer jugendlichen peergroup werden zunächst von Kommunikationsteilnehmern der gleichen Altersgruppe rezipiert. Ob es sich hierbei um eine positive oder negative Rezeption handelt, hängt häufig mit dem Prestige der Gruppe bzw. ihres leaders (cf. Zimmermann 2003b) zusammen. Bei positiver Rezeption kann ein innerhalb einer Jugendgruppe kreiertes Phänomen regionale bzw. sogar nationale Bedeutung erhalten; vorausgesetzt, man geht von der Bezeichnung jugendsprachliche Varietät aus, so ist festzuhalten, dass Innovation und Ausbreitung jugendsprachlicher Phänomene sich zunächst einmal innerhalb der Varietät durch die Existenz von kommunikativen Netzwerken unter Jugendlichen manifestieren. Wie kommt es nun aber dazu, dass jugendsprachliche Äußerungen nicht nur von anderen Sprechergruppen aufgegriffen, sondern fest in der allgemeinen Nähesprache bzw. sogar in der Standardsprache verankert werden? Für die Übernahme jugendsprachlicher Innovationen in die Standardsprache wird oft das Argument der vermeintlichen «Modernität» der Jugendsprache angeführt, der Wunsch nach Übernahme modischer Elemente aus einer Terminologie, welche die Jugendlichkeit des Sprechers unterstützen soll (cf. Jakob 1988, 338). Sicherlich sind bestimmte Berufsgruppen besonders aufnahmebereit, darunter vor allem Lehrer und Sozialpädagogen bzw. Sozialarbeiter, die eng mit Jugendlichen in Kontakt stehen (cf. Jakob 1988, 338; Augenstein 1998:215).23 Überschreiten jugendsprachliche Ausdrücke die dia-
23
Die Imitation von Jugendsprache durch Erwachsene kann eventuell aus der Appellfunktion von Jugendsprache bzw. Sprache im Allgemeinen heraus interpretiert werden. Kommunizierende suchen nach der Aufrechterhaltung bzw. Steigerung ihres positiven Selbstwertgefühls. Diese erreichen sie z. B. durch Konvergenz, d.h. durch Anpassung ihres Sprechstils. Im Falle der Erwachsenen, die jugendsprachliche Äußerungen übernehmen, sind es die Statushöheren, die den Statusniedrigeren sprachlich entgegenkommen, dadurch aber ihre eigene Position stärken, indem sie den Jugendlichen Nähe signalisieren. Der weitaus häufigere Fall ist allerdings die Anpassung des Statusniedrigeren, in unserem Fall der Jugendlichen, an den
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phasischen Varietätengrenzen, werden sie also in die allgemeine Nähesprache oder sogar Standardsprache24 aufgenommen, wird somit die Markierung «jugendlich» nach und nach implizit aufgehoben (cf. Zimmermann 2003b, 34). Für die Jugendlichen ist diese verallgemeinerte und häufig kommerzialisierte Jugendsprache wertlos, sie muss in der eigentlichen jugendsprachlichen Varietät wieder durch etwas Neues ersetzt werden, es vollzieht sich demnach ein Binnenvarietätswandel.25 Im engeren Sinne kann die bloße Übernahme von isolierten Phänomenen durch einzelne Sprecher noch nicht als Sprachwandel betrachtet werden, da es sich nur um eine spontane Innovation handelt. Die Motivation, die Innovation zu akzeptieren, kann ebenso wie das Motiv der Innovation ganz unterschiedlicher Art sein (cf. Wesch 2001, 141). Sprachwandel gilt meist erst nach Aufnahme in die Standardsprache, in der Regel nachgewiesen durch Aufnahme in Wörterbücher, als vollzogen. Je nach normativem oder deskriptivem Charakter der Wörterbücher gestaltet sich die Aufnahme jugendsprachlicher Elemente entsprechend einfacher oder schwieriger. Coseriu macht jedoch deutlich, dass es bereits den Prozess des Sprachwandels zu beobachten gilt, und definiert diesen als «[…] absichtsvolle Übernahme einer zufälligen oder absichtlichen Innovation im Sprechen eines Individuums durch ihn selbst bzw. vom Hörer und, von dieser einen Übernahme ausgehend, als eine sich fortsetzende Reihe von Übernahmen durch andere Hörer» (1958, 44s.).26
24
25
26
Statushöheren und seine Sprechweise aus dem Bedürfnis nach sozialer Anerkennung. Dies hat allerdings zur Folge, dass relativ wenige Elemente jugendlicher Sprechstile direkt in den Outgroup-Dialog gelangen (cf. hierzu Augenstein 1998, 81ss.; Boix 1993a, 85). Im folgenden wird der Kürze halber der Begriff Standardsprache verwendet. Eine genaue Unterscheidung zwischen allgemeiner Nähesprache (Umgangssprache) und Standardsprache bezüglich der Aufnahme jugendsprachlicher Elemente findet sich wieder bei der Diskussion um Sprachwandelphänomene im Zusammenhang mit Jugendsprache (cf. 6.). Zimmermann meint: «[…] hay cada vez más adultos que pretenden ‹rejuvenecerse› a través del uso de expresiones tomadas del lenguaje juvenil. Como los jóvenes tienen que reaccionar contra esta forma de asimilación e imitación de otros (adultos y niños) para conservar la función de lo que simboliza la identidad del grupo, se ven obligados a crear nuevos símbolos. Así se puede ver que la meta de los jóvenes al crearse una variedad específica no es contribuir al cambio del lenguaje estándar, sino establecer para sí mismos un símbolo de identidad. No obstante contribuyen con ello, sin intentarlo, a un cambio lingüístico. Este cambio puede ser efímero, si un rasgo cae en desuso poco después, pero puede también ser definitivo si primero los jóvenes lo usan con frecuencia y durante mucho tiempo hasta llegar al lenguaje estándar, cuando los hablantes lo integran en su código que consideran estándar, de forma que finalmente las agencias normativas se ven obligadas a codificarlo como ‹normal›» (2002, 144). Die Definition Coserius betrachtet den Sprachwandel vornehmlich als lineare Entwicklung und geht nicht auf differenzierte soziokulturelle Interaktionsstrukturen
125
Auch wenn Jugendsprache als innovative Gruppensprache in der Gruppe selbst sehr häufig die Standardsprache ergänzt, da sich Sprachwandel meist zunächst durch Verstöße gegen die Normen der Angemessenheit materialisiert, so sind ihre Einflüsse auf den allgemeinen Sprachwandel doch sehr begrenzt. Jugendsprache braucht die Standardsprache als Basis, wäre sie doch ansonsten in ihrer Reichweite in funktionaler und sozialräumlicher Hinsicht sehr eingeschränkt (cf. Jakob 1988, 346). Diese Reziprozität von Jugendsprache und Standardsprache dokumentiert anschaulich die nachstehende Graphik: 1. Stilbildung:
«Destandardisierung» (Neubildungen, Umdeutungen, Bricolage)
Jugendsprache
2. Stilverbreitung:
Standardsprache
«Restandardisierung» (Verlust sozio-kultureller Konnotationen und stilistischer Gebrauchspräferenzen)
Graphik 4–4: Jugendsprache und Sprachwandel (Augenstein 1998, 97)
Der jugendliche Sprechstil nährt sich durch «Destandardisierung», d.h. Neubildungen, Umdeutungen etc. von standardsprachlichen Elementen, die später wieder, bei der Übernahme von Jugendsprache durch Erwachsene, restandardisiert werden.
ein. Andere Autoren (cf. Wesch 2001, 141) plädieren dafür, Sprachwandel nicht als linearen, sondern als dynamischen Prozess zu untersuchen, der im Extremfall auch wieder rückgängig gemacht werden kann. López Morales (1993, 242s.) stellt, in Anlehnung an Cedergren (1987), den Sprachwandel in drei Dimensionen und mit drei theoretischen Produkten dar: «1) fuentes de innovación lingüística e innovaciones; 2) filtro de selección lingüística/variantes lingüísticas; 3) filtro de difusión y cambio lingüístico».
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Ein weiteres Phänomen in der wechselseitigen Beziehung Jugendsprache – Standardsprache ist eine langsame Veränderung des sprachlichen Ausdrucks, die Jugendliche auf der Schwelle zur Erwachsenenwelt sukzessive vollziehen, d.h. die immer stärkere Zuwendung zur Standardsprache und Erweiterung der eigenen standardsprachlichen Kompetenz. Jugendsprachliche Ausdrucksformen werden dann stark eingeschränkt bzw. leben sie fast nur noch in Gesprächen mit ehemaligen Mitgliedern der gleichen peergroup weiter, werden aber nicht durch neue jugendsprachliche Mittel ergänzt. Im Anschluss an die Korpusanalyse (cf. 6.) wird nochmals auf das Thema des Sprachwandels eingegangen. Wenden wir uns nun aber zunächst einmal der aktuellen Situation der Jugendsprache(n) und -kultur(en) in Katalonien zu.
4.4. Jugendsprache in Katalonien Offiziell hat das Katalanische seit Ende der Franko-Diktatur in alle jugendlichen Lebensbereiche Eingang gefunden, doch wird es nicht von allen Sprechern aktiv und bewusst genutzt. Solé i Camardons meint dazu: «[…] molts joves tenen una representació idealitzada del contacte de llengües a la societat catalana en què viuen. […] dos de cada tres joves convergeixen amb l’interlocutor, és a dir, passen a parlar la llengua de l’interlocutor» (1997, 29).
Diese wenig optimistische Formulierung lässt jedoch auch etwas klar werden: Jugendliche Kommunikation findet in Katalonien statt und somit existiert auch dort Jugendsprache als Sprechstil und Varietät, die jedoch, soviel steht fest, in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten großen externen Einflüssen ausgesetzt war und nach wie vor ist. Gerade bei sprachlich neu zu benennenden Gegenständen und Konzepten der Jugendkultur weicht das Katalanische häufig gegenüber anderen Sprachen zurück. Wenn katalanische Jugendliche beispielsweise über ihr neuestes Computerspiel oder Musik sprechen, dann tun sie dies zwar nicht unbedingt auf Spanisch, aber durchaus in einem Katalanisch mit einer hohen Durchsetzung an castellanismes oder anglicismes (cf. hierzu auch Solé i Camardons 1997, 30s.). Einige der zahlreichen Beispiele aus dem Korpus belegen dies: JOVE4 A: si diguessi digo una mica pues aleshores: (..0,6) no séxx de pensar pero vaya/ B: bueno jo sé que és un emepe tresi com funciona\ pero no sabia que:
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que és pugui grabar veu\ K: en teniu/ A: jo tinc minidisc\ JOVE4 B: tot lo que:: tot lo que xxx pues pel moment música actual i popA: uah pop B: escolto també (..0,7) crash metal:
Es ist aufgrund der fortgeschrittenen Normalització lingüística allerdings davon auszugehen, dass ein Großteil der katalanischen Jugendlichen über grundlegende bis sehr gute Kompetenzen in der katalanischen Sprache verfügt (cf. Graphik 3–4). Es sollte also in der Jugendsprachforschung in jedem Fall auch darum gehen, den tatsächlichen Gebrauch des Katalanischen durch die Jugendlichen zu ergründen, wie Vila postuliert: «Val a dir que aquests sectors [els infants i els adolescents] són precisament els que més han experimentat l’avenç institucional del català. Caldria estudiar la manera que les recerques sociolingüístiques no deixessin de banda aquests sectors, tan crucials per al futur de la llengua. Ara com ara tenim menys informació d’aquests sectors que de la resta de la població» (2003, 154).
Ein weiterer wesentlicher Aspekt der Untersuchung hat seinen Ursprung in der Sprachkontaktforschung und widmet sich vor allem der Sprachwahl in jugendlichen peergroups sowie dem Code-Switching in der Kommunikation jugendlicher Sprecher untereinander.27 Grund für diesen Fokus ist die größere Durchlässigkeit jugendlicher Sprachvarietäten und der Jugendkultur für Kontaktphänomene: «[…] els fenomens de contacte de llengües no es reparteixen d’una manera homogènia al llarg de la comunitat. […] L’edat, la formació cultural, la classe social, el gènere, les posicions ideològiques, etc., són variables totes elles que permeten identificar reparticions diferents en l’ús de les marques transcòdiques» (Vila 1998a, 145s.).
Kommen bei Vila neben dem Alter noch weitere Faktoren ins Spiel, so betrachten Poplack/Sankoff/Miller den Faktor Alter getrennt von anderen Indikatoren:
27
Vila zitiert hier Heller, die von 1988 bis 1994 verschiedene Untersuchungen zum Code-Switching verschiedener englischer und französischer Sprechergruppen in Kanada durchgeführt hat: «Code-switching may be either conventional or anti-conventional. Conventional language practices represent relatively stable relationships of power, while their violations can be seen as forms of resistance. Conventions are created, maintained or changed through social interaction» (1996, 69ss.).
128
«Both a speaker’s age and English proficiency […] have systematic but generally only marginally significant effects, particularly on borrowing patterns. Younger speakers proficient in English have higher borrowing rates and use significantly more nonce and fewer widespread loans than the others» (1988, 76). «[…] Comparison of borrowing rates among the six age groups [15–24, 25–34, 35–44, 45–54, 55–64, 65+], however, shows that the proportion borrowings represent of the total vocabulary tends to decrease slightly though consistently with age, such that the youngest groups (aged 15–34) use significantly (p<0.01, in a likelihood ratio test) more borrowings than their elders (aged 65 and over), and these in turn represent a significantly (p<0.01) greater proportion of their total lexical types. […] The clear generational differences imply the existence of at least one type of process of change affecting the borrowed lexical stock, that is, that new words are being added to this vocabulary in the form of idiosyncratic (and possibly nonce) borrowings. From the distribution of nonce borrowings […] it appears that the groups responsible for these innovations are the oldest and youngest sectors of the society. However, closer examination of the data suggests that it is in fact only the youngest speakers who are innovating, while those over 65 use obsolete or archaizing terms» (1988, 83).
Sicherlich gehören die im Zuge des Normalisierungsprozesses angefertigten Studien über den Codewechsel zu den wichtigsten Arbeiten, dokumentieren sie doch eindrucksvoll die Entwicklung der katalanischen Sprache und ihres Verhältnisses zum Spanischen. Darüber hinaus existieren aber noch zahlreiche andere Studien, über die im Folgenden ein Überblick gegeben werden soll.
4.4.1. Bisherige Forschungen zur katalanischen Jugendsprache Der Prozess der normalització lingüística hat bekanntermaßen weit reichende und tiefgreifende Veränderungen für den Gebrauch der katalanischen Sprache in allen Bereichen des täglichen Lebens mit sich gebracht. Diese Entwicklung hat seit Beginn der 80er Jahre den Weg für eine bis dato nicht existente soziolinguistische Forschung geöffnet, welche sowohl für die Linguistik als auch für die Sozialwissenschaften beispielhaft ist. Hierbei gilt es, die Studien zum Sprachverhalten der Jugendlichen hervorzuheben, da dieses auf direktem Weg die Auswirkungen der Llei de Normalització Lingüística von 1983 mit ihren Regelungen für das katalanische Schulwesen widerspiegelt. Auf diesem Gebiet gibt es herausragende Arbeiten von katalanischen Soziolinguisten wie Boix (1993a), Pujolar (1997), Vila (1996), um nur einige zu nennen. Daneben existieren zahlreiche Erhebungen der Generalitat de Catalunya sowie Veröffentlichungen des Institut d’Estudis Catalans, welche der jugendlichen Lebensweise und Sprache gewidmet sind. Zu den Besonderheiten der heutigen katalanischen Jugendsprache gehört sicherlich ihre relativ späte Entwicklung, da eine eigenständige Entfaltung einer jugendsprachlichen Varietät zur Zeit des Frankismus mit seinem rein 129
spanischsprachigen Bildungswesen mehrheitlich auch nur auf Spanisch stattfand. Daher können wir eigentlich erst ab Anfang der 80er Jahre von einer sich wirklich frei entfaltenden katalanischen Jugendsprache bzw. Jugendsprache, welche katalanische Elemente enthält, sprechen. Aus dem Einschub geht bereits hervor, dass die Bilingualität vieler Sprecher von größtem Interesse für die entsprechende Jugendsprachforschung ist; so ist es nicht weiter verwunderlich, dass fast allen Arbeiten die Fokussierung auf den Aspekt der Sprachwahl zwischen Katalanisch und Spanisch gemeinsam ist. Weiterhin spielen die Untersuchung der diese Wahl determinierenden Normen sowie Überlegungen zur Konstitution einer kollektiven Identität der jugendlichen Sprecher des Katalanischen und Spanischen eine große Rolle.28 4.4.2. Die katalanische Jugendsprache heute Die bisherige Arbeiten zur katalanischen Jugendsprache stellen sowohl für die katalanische Soziolinguistik wie auch für die Sozialwissenschaften einen großen Fortschritt dar; man kann jedoch mittlerweile auch davon ausgehen, dass zumindest ein Teil der Jugendlichen (sei es mit Katalanisch als Muttersprache oder mit mehr oder weniger zweisprachigem Hintergrund) durchaus als intra- und intergruppale Kommunikationssprache das Katalanische wählen. Diese Behauptung trifft sicherlich für Jugendliche aus ländlichen Gegenden bzw. kleineren Städten Kataloniens stärker zu als bei Jugendlichen aus Barcelona oder der direkten Umgebung der Großstadt. Jugendliche Sprechstile, ebenso wie jugendliche Subkulturen mit weit reichender Außenwirkung, die auch von anderen Sprechergruppen oder von den Medien aufgegriffen werden und nicht nur einem regionalen Umfeld verhaftet bleiben, generieren sich jedoch, wie u. a. Brake (1980) feststellt, meist im urbanen Umfeld. In Katalonien bedeutet dies eine Konzentration auf den Großraum Barcelona, was allerdings nicht heißen soll, dass in anderen, mittelgroßen katalanischen Städten wie Tarragona, Girona oder Lleida29 nicht auch jugendliche Lebens- und Sprechweisen entstehen und existieren. Sicherlich wäre es auch interessant, in einer Studie über die Jugendsprache in Barcelona die Sprechweise der Jugendlichen zu betrachten, deren Muttersprache nicht das Katalanische ist, sondern die katalanischen Elemente in ihren Ingroup-Äußerungen vielleicht hauptsächlich in Form von Code-Switching verwenden. Eine Untersuchung dieser jugendlichen Sprechstile gibt, wie bei Pujolar (1997), in jedem Fall Aufschluss über die Bedeutung des
28 29
Für eine ausführlichere Darstellung der bisherigen Forschung zur Jugendsprache im katalanischen Sprachraum cf. Wieland (2005). Betrachtet man die gesamten Països Catalans, so wären sicherlich an dieser Stelle noch València, Palma de Mallorca oder auch Andorra la Vella zu nennen.
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Katalanischen in einem spanischsprachigen Umfeld und die Einsatzmöglichkeiten des Code-Switching; sie kann aber meiner Meinung nach vor allem dazu dienen, Tendenzen zum Sprachwandel in und durch die spanisch basierte Jugendsprache in Barcelona, also mit Auswirkungen auf die Varietät des Spanischen in Katalonien aufzuzeigen. Die vorliegende Studie konzentriert sich daher auf mehrheitlich katalanische Muttersprachler, die in der IngroupKommunikation mit anderen Jugendlichen größtenteils, wenn auch nicht ausschließlich, die katalanische Sprache benutzen. Selbstverständlich sind Abweichungen häufig und jede nur ein bisschen andere Zusammensetzung der Gruppe kann über die Sprachwahl der Jugendlichen entscheiden. Die Fragestellung ist demzufolge auch nicht, wann und ob Jugendliche in Barcelona das Katalanische als Kommunikationssprache in der Ingroup-Kommunikation wählen, sondern wie diese jugendlichen Sprechstile (mit dem Fokus auf Sprachkontaktsituationen mit anderen Sprachen als dem Spanischen), wenn sie denn auf Katalanisch stattfinden, realisiert, in welchem Maße sie von den Medien generiert bzw. von diesen absorbiert werden und welches Verhältnis zur katalanischen Standardsprache existiert. Jugendliche Sprechstile zeichnen sich vor allem durch den gewählten Kommunikationskanal, die gesprochene Sprache bzw. die jugendsprachlich markierte Nähesprache aus. Die Jugendsprache im Allgemeinen weist daher die typischen Eigenschaften der Oralität auf und betrifft alle sprachlichen Ebenen. Darüber hinaus lebt sie von nonverbalen Äußerungen wie Gestik und Mimik. An dieser Stelle seien zur Veranschaulichung jugendsprachliche Elemente aus zwei sprachlichen Ebenen angeführt. Die Syntax zeichnet sich, wie auch an den Korpusbeispielen zu erkennen ist, durch starke Vereinfachung, häufig auch nicht-normativen Satzbau aus. Besonderheiten der oralen Sprache sind auch in der Jugendsprache zu finden. Die interviewten Jugendlichen bevorzugten z. B. die Aneinanderreihung von Sätzen mit der Konjunktion i, verzichteten dafür aber fast gänzlich auf andere Konjunktionen, mit Ausnahme von però und perquè. Die lexikalische Ebene ist zweifellos der von den Jugendlichen am stärksten sprachlich veränderbare Bereich, bedingt durch seine vielfältige Wandelbarkeit. Bisherige Untersuchungen zur Jugendsprache auf Katalanisch konzentrieren sich daher auch fast ausschließlich auf lexikalische Phänomene, die in bestimmten semantischen Feldern mit großer Häufigkeit auftreten. Hierzu zählen Musik, Mode und Aussehen, Film, Fernsehen, Drogen und Alkohol, Freundschaft und Beziehungen etc. Eine gute Übersicht bietet hier die Arbeit von Vila/Bellés (cf. 1989, 20ss.), die zur Analyse der jugendlichen Lexik in Barcelona, unter besonderer Beachtung von castellanismes und anglicismes, folgende Aufteilung vollziehen: «1 – Beguda, droga, diversió (esnifar, flipar, canuto, bolinga, birra. etc.), 2 – Sexe i relacions sentimentals (lligar, catxondo, etc.), 3 – Música (funky, heavy, hit, mod, skin, rap, punk, rocker, etc.),
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Institucions (policia, presons, etc.) (talego, aceituno, madero, poli, etc.), Grups humans (oficis, grups ètnics, la colla), Mots descriptors (depre, progre, enrotllar-se, cutre, picolo, lolailos, kumba, etc.), 6.a – De sensacions, estats, 6.b – De tipus de persona, 6.c – De cualitats, 7 – Cuantitatius (mogollón, montón, etc.), 8 – Lèxic bàsic (sobar, pringar-la, etc.)». 4– 5– 6–
In den für diese Arbeit geführten Gesprächen mit Jugendlichen ließen sich ebenfalls zahlreiche dieser Termini registrieren (cf. JOVE2, 4, 7, 8, 10, 19, 40). Weitere Termini, häufig aus dem Spanischen integrierte Lehnwörter, bezogen sich in den jugendlichen Äußerungen des Korpus vor allem auf Bezeichnungen für andere Jugendliche und jugendliche Stile, vor allem auf die als pijo bezeichneten reicheren, snobistischen Jugendlichen oder Jugendliche aus der Techno-Szene, die maquineros oder auch maquiners. Von beiden grenzen sich die interviewten Jugendlichen im Gespräch meist ab (cf. 4.5.2.7.). JOVE12 K: com són/ elsels pijosA: que van amb una marca/ eh:: Tommi:Ralf Laurenxxxx B: el polo així(…) A: pues els skatersper exemple xxx (…) A: hi ha de tot\ ((in der Schule)) B: [hi ha de tot]A: pijos/ (..0,5) skaters i fachosB: i també(..0,7) @@@ A: @@@ B: i també/ com la teva germanaA: sí: B: de xx A: que van de negre\ aixì\ K: aha/
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(..0,4) i la teva germana ho fa/ A: sí K: [i quin] quina música escolta/ A: eh:pues:(..0,6) aquesta del Marilyn Mansoni:: tot aquest(..0,4) com es diu/ JOVE8 C: ah:- ((despektierlich)) maquineros\ A: el què/ C: el jove maquineroK : o què què més: hi haviaB: jo no sesí: C: {(DC)el punky} (…) {(DC)el surfer}B: sí C: {(DC)el surfer}A: el rap{(DC)el rapper}-
Auf lexikalischer Ebene zeigen die katalanischen Jugendlichen auch die größte Kreativität, beispielsweise durch semantische Umdeutung, Neologismen, Entlehnungen, Euphemismen oder neue Phraseologie (cf. 5.2.). Unabhängig davon, unter welcher Perspektive die Forschung angegangen wird, steht fest, dass die Jugendlichen in ihren (sprachlichen) peergroups für die Gesellschaft ein wesentliches Element sind, da an ihnen soziokulturelle sowie sprachliche Tendenzen bereits in ihrer Entstehung zu erkennen sind. Wie aus der Graphik 3–6 ersichtlich wurde, überwiegen in allen drei überprüften Bereichen der Sprachkompetenz (Sprechen, Schreiben, Lesen) jugendliche Sprecher mit einigermaßen fundierten, wenn auch oft noch verbesserungswürdigen Katalanischkenntnissen. Ohne die Zweisprachigkeit und die damit verbundenen Sprachkontaktphänomene außer Acht zu lassen, ist es meines Erachtens daher möglich, vor dem Hintergrund der Gegenüberstellung Katalanisch/Spanisch die linguistische mit der soziologischen Perspektive in der Beschäftigung mit Jugendsprache stärker als bisher zu verknüpfen und Jugendsprache noch enger mit jugendlicher Lebensweise (im vorliegenden Fall vor allem jugendlicher Medienkultur) in Bezug zu setzen. 133
4.5. Jugendsprache – Jugendkultur / Lebensstile der Jugendlichen in Katalonien bzw. Barcelona 4.5.1. Jugendkultur – jugendliche Subkulturen – jugendliche Lebensstile Als entscheidender Träger von Jugendsprache werden weitläufig die Jugendkultur bzw. die mit ihr assoziierten so genannten jugendlichen Subkulturen bezeichnet. Diese Einstellung setzt voraus, dass die Gruppe ‹Jugend› nicht allein als Altersgruppe im generationellen Kontext, sondern vielmehr vor ihrem sozialen und kulturellen Hintergrund betrachtet wird: «Von einer jugendlichen Subkultur kann gesprochen werden, wenn ein Interaktionssystem innerhalb der umfassenden Gesellschaft entstanden ist, das von Jugendlichen dominiert ist und zumindest in einer der folgenden Hinsichten von anderen Interaktionssystemen der gleichen Gesellschaft abweicht: Symbolwelt, Interaktionsformen, Normen, Werthaltungen, Zielsetzungen, Verhaltensmuster, Prüfkriterien für Wahrheit und Realität» (Jakob 1988, 341).
Der Terminus Subkultur ist allerdings weitgehend negativ belegt, denn er vermittelt das nur zu oft verbreitete Klischee von Jugend als soziales Problem und wird häufig in Zusammenhang mit sozialem Abdriften von Jugendlichen, z. B. in die Drogenszene gleichgesetzt.30 Genauso wenig ist der Begriff der Jugendkultur wirklich treffend, vermittelt er doch den Eindruck, es existiere in der heterogenen Gruppen der Jugendlichen nur eine einzige «Kultur». In diesem Sinne ist es zumindest angemessen, wie Feixa dies in seiner Definition von Jugendkulturen im weitesten Sinne auch praktiziert, den Begriff im Plural zu verwenden: «En un sentido amplio, las culturas juveniles se refieren a la manera en que las experiencias sociales de los jóvenes son expresadas colectivamente mediante la construcción de estilos de vida distintivos, localizados fundamentalmente en el tiempo libre, o en espacios intersticiales de la vida institucional. En un sentido más restringido, definen la aparición de microsociedades juveniles, con grados significativos de autonomía respecto de las instituciones adultas, que se dotan de espacios y tiempos específicos, y que se configuran históricamente en los países occidentales tras la segunda guerra mundial, coincidiendo con grandes procesos de cambio social en el terreno económico, educativo, laboral e ideológico» (1998, 84).
Es ist durchaus nicht inkorrekt, von Jugendkulturen zu sprechen, doch mag dieser Begriff für einzelne Aspekte jugendlicher Lebensweise zu umfassend erscheinen. In diesem Zusammenhang bietet es sich an, von mehr oder we30
Cf. Rodríguez González (1989, 55); Brake stellt dar, dass Subkulturen im eigentlichen Sinne Reaktionen auf negative wie positive Entwicklungen in der Gesellschaft sind: «Subcultures, by their very existence, suggest that there are alternative forms of cultural expression which reflect a cultural plurality in a culture which seems on superficial examiniation to dominate the members of a society» (1980, 8).
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niger sichtbaren Lebensweisen oder (Lebens-)Stilen von Jugendlichen zu sprechen. Hierzu gehören u. a. die Präferenz für bestimmte Fernsehsendungen, bestimmte Modeerscheinungen, bestimmte sprachliche Ausdrücke, die innerhalb einer oder mehrerer Jugendgruppen prägend sein können, nicht unbedingt mit einer «Subkultur» gleichgesetzt werden müssen, wenngleich auch können. In der Wahl eines Stils spiegelt sich vielmehr der Prozess der Identitätsfindung und der kulturellen Kreativität jedes einzelnen Jugendlichen wider. Nach Vollbrecht drücken sich Lebensstile nicht nur in Freizeitaktivitäten und Konsummustern (expressives Verhalten), sondern noch in drei weiteren Dimensionen aus: Interaktives Verhalten (Formen der Geselligkeit, Mediennutzung), evaluatives Verhalten (Wertorientierungen und Einstellungen) und kognitiver Aspekt (Selbstidentifikation, Zugehörigkeit, Wahrnehmung der sozialen Welt) (cf. 1997, 25s.). Stil ist somit Ausdruck, Instrument und Ergebnis sozialer Orientierung. Die sozialen Veränderungen in den westlichen Industriegesellschaften ab Mitte des 20. Jahrhunderts haben zu einem Überdenken der traditionellen kulturellen Werte Familie und Arbeitswelt hin zu einer zentralen Stellung des kulturellen (Freizeit-)Konsums geführt (cf. Alegre Canosa et. al. 2000, 127). Freizeit ist eine den Industriegesellschaften eigene Realität, in der jeder das Recht auf kulturellen Konsum hat – ein Recht, von dem die Jugend mithin am meisten Gebrauch macht. Für die Jugendlichen heute sind die Freizeit und der Freizeitkonsum der Bereich, der am stärksten ihre Persönlichkeit prägt und ihnen die Möglichkeit bietet, sich mit verschiedenen Gruppen (peergroups) zu identifizieren bzw. sich von anderen Gruppen zu differenzieren (cf. 4.5.2.7.): «[…] són el temps i els espais adreçats al consum d’oci els que doten de significat el present dels joves i les joves. […] el consum d’oci és el que acaba configurant la joventut com una etapa plena i diferenciada de la vida. Aquest consum no tan sols proveeix identitat juvenil, sinó que ho fa mitjançant la integració en un sistema de consum (i en un estil) i, per tant, també a través de la construcció d’alteritats quant a conjunts estilístics. Els paràmetres del consum d’oci dels individus s’emmarquen en aquell ‹univers dels possibles› que és determinat pel seu emplaçament en l’estructura social enclassada, sexuada i etnificada. Per aquesta raó consumir no és un acte d’autoafirmació plenament lliure i autònom, sinó que respon a uns condicionaments d’ordre material. Al mateix temps, l’acte del consum posa en marxa mecanismes d’identificació i diferenciació dels quals poden valer-se els joves per personalitzar-se i fer-se una posició, en ascendència o descendència, en l’espai social juvenil» (Alegre/Herrera 2000, 140).
Selbstverständlich ist das Freizeitverhalten nicht bei allen Jugendlichen gleich – ausschlaggebende Faktoren sind, wie schon bei der Sprache (cf. Graphik 4-5), z. B. Geschlecht, Alter, sozialer Status oder Herkunft.31 Genauso ist
31
Cf. hierzu Alegre/Herrera (2000, 140ss.) Die Autoren diskutieren hier den Zugang zur Jugend- und Freizeitkultur von Einwandererkindern aus dem Maghreb
135
es möglich, dass Jugendliche an mehreren Jugendszenen oder jugendlichen Subkulturen gleichzeitig teilnehmen oder, wie eine nicht geringe Zahl, sich gar keiner jugendlichen Subkultur zugehörig fühlen (cf. Baacke 1991, 38). Darüber hinaus gilt für Jugendkulturen das gleiche wie für die Jugendsprache: Sie sind immer weiteren kreativen Innovationen ausgesetzt und unterstehen somit einem ständigen Wandel. Man denke hierbei an das Entstehen von Tendenzen und Stilen in Musik und Mode und vor allem in der Sprache (als kulturabhängige Größe), die von Jugendlichen (in Reziprozität mit der Medienkultur (cf. Augenstein 1998, 34) ausgehen: «Les noves indústries juvenils proveiren els materials bruts, els béns, però no aconseguiren produïr ‹estils› en el sentit més profund. Els objectes eren allí, a la seva disposició, però els grups els feien servir en la construcció d’estils distintius. Aquest registre de la identitat, situació i trajectòria del grup en forma d’un estil visible serví per consolidar-lo des d’una suau focalització fins una entitat de fronteres precises, i alhora per diferenciar-lo d’altres grups […]» (Feixa 1993, 97).
Anzumerken ist an dieser Stelle, dass die kreativen Auslöser in großem Maße die Jugendlichen selbst sind und sie nicht nur, wie oft dargestellt, reiner Spielball der Medien und in ihrem Freizeitverhalten passiv und manipulierbar sind. Hierzu bedarf es allerdings relativ großer Selbstreflexion, um die eigene Position als jugendliche peergroup gegenüber den Medien bzw. auch als einzelner Jugendlicher gegenüber der Gruppe zu überdenken und distanziert zu sehen. Wie das im Fall der Informanten dieses Korpus geschieht, wird im Folgenden dargestellt (cf. 4.6.3.2.). 4.5.2.
Jugendsprache(n) – Jugendkultur(en) in Katalonien bzw. Barcelona
4.5.2.1. Entstehung Die Ausbreitung dessen, was gemeinhin unter Jugendkultur verstanden wird, erfuhr in Katalonien, wie im Rest von Spanien, einen ersten Höhepunkt in der contracultura32 des Spaniens der 70er Jahre. Diese Bewegung, im Spanischen, vor allem in Bezug auf Madrid, als rollo oder movida bezeichnet, hat
32
in Katalonien und stellen beispielsweise den kulturbedingt geringen Anteil von Mädchen an Freizeitaktivitäten außerhalb des familiären Haushalts fest. Im Allgemeinen sind Jugendkulturen aber weiblicher geworden und betreffen nicht mehr, wie noch vor einigen Jahrzehnten, ausschließlich maskuline, sondern immer mehr feminine Bereiche mit der entsprechenden Beteiligung des weiblichen Geschlechts. Der spanische Begriff der contracultura, ebenso wie der deutsche Begriff Gegenkultur beziehen sich auf das Englische counter-culture, das in seiner Bedeutung eigentlich eher ein kulturelles Gegengewicht meint (cf. Rodríguez González 1989, 136s.). Bessere Bezeichnungen wären dem Autor zufolge im Spanischen daher «cultura alternativa» oder «contestación».
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ihren Ursprung im pasotismo33 vieler Jugendlicher, hervorgerufen durch hohe Arbeitslosigkeit, Unsicherheit, Enttäuschung in der allgemein schwierigen Zeit des Übergangs von der Franko-Diktatur zur Demokratie. Voraussetzungen für ihr Entstehen sieht Feixa in Entwicklungen, die ihren Beginn in den 50er und 60er Jahren nahmen: das Aufbrechen der traditionellen Familienstruktur, die höhere Schulbildung, das Entstehen von Massenkultur, der Einfluss des Tourismus, die sexuelle Revolution etc. (cf. 2001, 88s.). Hauptakteure in der neuen spanischen Gegenkultur sind Jugendliche aus niedrigen sozialen Schichten, aber durchaus auch Studenten. Die Bewegungen waren am stärksten in den Großstädten Madrid und Barcelona vertreten, was sich durch das urbane Umfeld mit seinen kulturellen Möglichkeiten, wie auch allein durch die Tatsache erklären lässt, dass mehr als ein Viertel aller spanischen Jugendlichen in diesen beiden Städten wohnte (cf. Baumann 2001, 18s.). Die Sprache ist das wichtigste Ausdrucksmittel des rollo. Sie ist unter dem Namen lengua pasota oder, wie bereits angesprochen, als cheli bekannt. Das cheli hat neben den bekannten Eigenschaften von Jugendsprache (cf. 4.3.3.) noch eine eng mit der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Krise der Jugendlichen zusammenhängende Funktion: die automarginación, das freiwillige, selbst verursachte Ausgrenzen aus der Gesellschaft (cf. Baumann 2001, 22). Dies heißt jedoch nicht, dass das cheli sich nur auf soziale Randgruppen beschränken würde; es solidarisieren sich auch viele Jugendliche der Mittelund Oberschicht mit der Bewegung und mit der Sprache (so genannter semimarginalismo). Durch diese Jugendlichen kommt es zu einer Aufweichung der Grenzen zwischen cheli und Standardsprache, die wiederum zwangsläufig zu einer internen Weiterentwicklung des cheli führt (cf. 4.3.4.). Ein großes Manko der spanischen Jugendsprachforschung ist ihre starke regionale Begrenzung auf Madrid, das vielen als einziges Jugendsprache generierendes Zentrum gilt: «Anche nel caso spagnolo, il linguaggio giovanile sembra privo di qualsiasi traccia di variazione regionale: […] i gerghi metropolitani superano la loro ristrettezza diatopica e diventano modello normativo per tutti i giovani a livello nazionale. […] in Spagna l’unico centro di diffusione di modelli linguistici giovanili è Madrid – pur non rascurando, per amor del vero, il ruolo di Barcellona, centro di iradiazione di modelli per il substandard giovanile catalano» (Radtke 1992, 23).
Diesem Standpunkt möchte ich allerdings widersprechen, denn er ließe vermuten, dass z. B. ein auf Spanisch geführtes Gespräch zwischen zweisprachigen Jugendlichen in einem katalanischen Kontext die gleichen sprachlichen Merkmale aufweist wie ein Gespräch zwischen einsprachigen oder (anders zweisprachigen) Jugendlichen irgendwo im restlichen Spanien. Sinner (2004)
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Ein pasota ist ein joven que pasa de todo; Baumann zitiert hierzu eine Definition von pasotimo von Umbral: «Pasotismo es hacer política por omisión» (zit. nach Baumann 2001, 18).
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hat bereits aufgezeigt, dass man im Allgemeinen von einer eigenen Varietät oder sogar von Varietäten des Spanischen in Katalonien sprechen kann; meines Erachtens gilt dies umso mehr für die Jugendsprache. In Bezug auf die sprachliche Entwicklung der katalanischen Ausprägung des rollo ist allerdings wenig bekannt, weder über seine spanischsprachigen Formen noch über katalanischsprachige Pendants: «[…] poco sabemos del lenguaje del rollo barcelonés de la época pero sería un dato de gran interés puesto que el rollo había hecho irrupción en Barcelona ya en 1967, con las primeras oleadas de griotas y freaks (etc.)» (Rodríguez González 1989, 141).
Auch Studien über jüngere Entwicklungen der spanischbasierten Jugendsprache im Gebiet des Principat de Catalunya sind mehr oder weniger inexistent – eine sehr bedauerliche Tatsache, führt man sich vor Augen, wie viele Jugendliche doch mehrheitlich auf Spanisch miteinander kommunizieren. Eine ähnliche Bedeutung wie dem cheli könnte im katalanischen Sprachraum dem parlar xava zugesprochen werden, allerdings ist dieses (cf. 4.3.1.) spanisch basiert, wenn auch einige Elemente in der katalanischen Jugendsprache anzutreffen sind. Vila/Bellés (1989) nennen u. a. Lexeme wie currar (treballar), privar (beure) oder xungo (dolent). Das xava an sich als «die» katalanische Jugendsprache anzusehen, wäre aufgrund der doch wenig allgemeinen sozialen Verbreitung und der Reduktion auf die Nutzung weniger Lexeme sicherlich nicht korrekt. 4.5.2.2. Neue Forschungen und Entwicklungen Die Arbeit von Baumann über das cheli (2001), die Studien von Rodríguez González (1989; 2002a und b) sowie Arbeiten im deutschsprachigen Raum, u. a. von Schlobinski/Runkehl/Siever (1998) können in einem wesentlichen Aspekt als richtungsweisend für die Jugendsprachforschung gelten: Sie beziehen die kulturelle Dimension als zentralen Faktor in ihre Analyse mit ein. Erste Schritte in diese Richtung für den katalanischen Sprachraum sind bei Colom i Ortiz (1998) zu erkennen, der in seiner Arbeit über die Jugendlichen in Valencia den Aspekt der Jugendkultur in Form der Rolle der Kommunikationsmedien für die Jugendsprache einbezieht. Für Barcelona findet man als diesbezüglich richtungweisende Publikation Joan Pujolars De què vas, tio? (1997), in welcher der Autor eine Feldforschung mit zwei Jugendgruppen in Arbeitervierteln vorstellt. Ausgehend von einer engen Verknüpfung von Sprache, Kultur und Identität bezieht er Alltagsleben und -probleme der 18 bis 23-jährigen Jugendlichen in seine Überlegungen ein. Diese reichen von der katalanischen Jugendsprache im Allgemeinen bis hin zur Rolle der Zweisprachigkeit bzw. der Sprachwahl bei der Konstruktion von Kultur und Identität. Trotz des Überwiegens von Spanisch als Gruppensprache und wenigen wirklich zwei138
sprachigen Konversationen schreibt Pujolar dem Katalanischen eine nicht unbedeutende Rolle zu, beinhaltet doch jede Äußerung in ihrer Sprache, so kurz sie auch sein mag, eine kulturelle Referenz. Bei den untersuchten Personen aus spanischsprachigen Einwandererfamilien konstatiert Pujolar zudem den hohen Einfluss des Schulwesens und der Kommunikationsmedien, die wesentlich zum Erlernen und Aktivieren des Gebrauchs der katalanischen Sprache beitragen. Als weiterer Anhaltspunkt für die Analyse der Beziehung von Jugendkultur und Jugendsprache dürfte die Publikation von Rodríguez González Comunicación y cultura juvenil dienen. In dieser schreibt der Autor: «[…] la cultura aquí la entendemos […] como el modo que un grupo social tiene de comunicarse, utilizando una serie de signos o señales que le proveen una identidad colectiva. En ese sentido hablamos de cultura juvenil» (2002b, 20).
Dies ist ein Ansatz, der die Jugendsprache als Grundbaustein für eine aktive Jugendkultur sieht und gleichzeitig davon ausgeht, dass die Kultur in der Sprache reflektiert wird. Als solcher sollte er sich gut in das Konzept der katalanischen Soziolinguistik integrieren lassen.34 Zeigen sich in Bezug auf Untersuchungen der jugendlichen Ausdrucksformen auf Spanisch in Katalonien noch zahlreiche weiße Flecken auf der linguistischen Landkarte, so existieren andererseits umfassende Studien zu den katalanischen Ausprägungen subkultureller Bewegungen (cf. Feixa 1993; 2000; Barruti 1990; Colom i Ortiz 1998). Drei der «klassischen» jugendlichen Subkulturen, die alle ihren Ursprung Jahre zuvor in England hatten, untersucht Feixa (2001) Ende der 90er Jahre in Barcelona: die okupes (Hausbesetzer), maquiners (Jugendliche aus der Technoszene), und die pelats (Skinheads). «Okupes, ravers i skinheads: tres subjectes col·lectius juvenils emergents, símptoma i metàfora de formes relativament noves de sociabilitat, conflictivitat i ciutadania. Tres col·lectius amb arrels històriques, socials, estètiques i ideològiques molt diferents, que, tanmateix, han estat objecte de campanyes convergents d’estigmatizació i de pànic moral per part dels mitjans de comunicació i de les institucions adultes» (2000, 195).
Bei den Bewegungen handelt es sich, so der Autor, allerdings nicht um alternative Bewegungen, sondern eher um sehr hybride Ausdrucksstile, wel-
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Ein interessantes Beispiel für das Zusammenwirken von Jugendkultur (in diesem Fall jugendlicher Konsumkultur) und -sprache findet sich bei Dahmen/Hecht zur Jugendsprache in Rumänien: «Parallel dazu, daß – vor allem natürlich in Bukarest – Filialen der bekannten Fast-food-Ketten wie Mc Donalds in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen sind, halten die einschlägigen Produkte auch in der Sprache der Jugendlichen Einzug, wie etwa eine Wendung wie ‹a se agita ca un Pepsi› [=] ‹aufbrausen, sich aufregen› zeigt» (1998, 24).
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che alle in gewisser Hinsicht zukünftige Entwicklungen in der Gesellschaft ersehen lassen.35 Die okupes, die Hausbesetzer also, zeichnen sich, wie andernorts auch, durch ihre Ablehnung traditioneller, vertikaler Hierarchien und Organisationsstile aus und setzen sich für mehr Autonomie durch gemeinschaftliche Entscheidungen sowie selbstverwaltete, antiautoritäre Wohn- und Lebensformen ein. In Barcelona hatte die Bewegung mit der Wohnraumknappheit in den 90er Jahren ihren Höhepunkt erreicht, ist wegen des Fortdauerns der Problematik aber immer noch aktuell. Seit einigen Jahren geht die Stadt radikal gegen die Hausbesetzer vor; es kam zu zahlreichen, gerichtlich angeordneten Schließungen vieler Häuser. Die wenigen noch übrig gebliebenen, z. B. Can Masnou (cf. JOVE3) im Nordosten Barcelonas oder Can Kadena in Esplugues de Llobregat fungieren nicht nur als Wohnraum, sondern nehmen gleichzeitig wichtige Funktionen als alternative Veranstaltungszentren, vor allem zu sozialen und politischen Themen, wahr. Die ravers oder maquiners (kat. màquina/bakalao = Techno) finden seit ca. 1988 auch in Katalonien eine entsprechende Technoszene mit clubs, afterhours, macrodiscoteques und vor allem dem Festival Sónar in Barcelona ein breites Angebot für ihre Freizeitaktivitäten. Das Besondere an der Szene, die oft, zu Recht oder zu Unrecht, mit synthetischen Drogen in Verbindung gebracht wird, ist sicherlich ihr Umgang mit modernen Kommunikationsmitteln, d.h. der Nutzung des Internet und von Musiksendern als Verbreitungsmittel, neben den herkömmlichen flyers. Das Entstehen der Skinheadbewegung in Katalonien wird oft in Zusammenhang mit der zunehmenden Immigration aus Nordafrika und der damit verbundenen wachsenden Ausländerfeindlichkeit gesehen. Die Bewegung ist allerdings differenzierter zu sehen. In Katalonien kam sie gegen Ende der 80er Jahre auf, teilweise gingen die Skins aus Punkgruppen hervor, teilweise aus neofrankistischen Gruppierungen. Feixa unterscheidet drei Personenkreise, zum einen die «skinheads fatxes espanyols», zum anderen die «redskins àcrata-comunistes catalans», und schließlich die «skinheads fatxes catalans (independistes)» (cf. 2000, 205s.).36 4.5.2.3. Die jugendlichen Subkulturen in Katalonien bzw. Barcelona – eine Beobachtung An dieser Stelle halte ich es für interessant eine kurze, wenn auch subjektive Darstellung der katalanischen jugendlichen Subkulturen in Bezug auf die politische Situation Kataloniens einzufügen. In einem für diese Arbeit geführ-
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Feixa nennt diesbezüglich: «[…] noves formes de relació entre el sector públic i el privat, en el cas dels okupes, nous usos de la tecnologia, en el cas dels ravers, noves formes d’exclusió social, en el cas dels skinheads» (2000, 196). Cf. auch allgemein zu jugendlichen Subkulturen und zu Skinheads Farin (2001).
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ten Interview erfasst David Brunet von der Koordinationsstelle des Pla de Joventut der Generalitat de Catalunya (INFO2) das Spannungsfeld zwischen Spanisch und Katalanisch – hier zwar aus politischer Sicht, dennoch nicht minder gültig für die sprachliche Ebene. Er stellt dar, dass die katalanischen Jugendlichen zwar ähnliche Interessen und Probleme hätten wie beispielsweise französische Jugendliche oder Jugendliche aus anderen Gegenden Spaniens. Für den katalanischen Fall sieht er allerdings, zusätzlich zu auseinander driftenden politischen Einstellungen, zwei weitere Extrempole: die katalanischen Nationalisten gegenüber den spanischen Nationalisten. Bezüglich der Subkulturen lassen sich diese in verschiedene Gruppen einteilen, nämlich die quillos (spanische Nationalisten), die maquineros (eher apolitische partypeople) und die catalufos (katalanische Nationalisten). Ähnliche, argumentativ jedoch weniger fundierte Darstellungen des Spannungsfeldes finden sich auch im Korpus, z. B. in den Gesprächen JOVE7, 4 und 34. Die Existenz dieser großen Mischung an subkulturellen Stilen und Bewegungen, wie man sie nicht viel anders aus anderen europäischen Ländern und durchaus auch aus Übersee kennt, ist zweifellos ein Zeichen für die «Globalisierung», die auch oder gerade vor den Jugendkulturen nicht halt macht. Die ehemals begrenzten Konzepte von Zeit und Raum weichen auf und werden umstrukturiert, es entstehen völlig neue Möglichkeiten für die Freizeitgestaltung, aber auch für die Selbstverwirklichung in Form eigener, kreativer Stile: «Els espais per al jovent s’estan obrint a un ritme extraordinari i produeixen una barreja d’estils i models d’activitat a temps real i en espai virtual. Però això té lloc juntament amb els indicis que els espais es tanquen una altra vegada per a molta gent, no només a través de la polarització social de les oportunitats a la vida, sinó també a través de l’encallament de les artèries de transport, que fan de nou més difícil el sentit pràctic de la mobilitat física a través de petits i grans espais» (Feixa 2000, 13).
In Bezug auf jugendlichen Sprachgebrauch bedeutet diese internationale Dimension von Jugendkultur, dass in jugendlichen Sprechstilen tendenziell relativ häufig Kontaktsituationen mit fremdsprachlichen Elementen auftreten dürften – inwiefern dies im katalanischen Kontext der Fall ist, wird im folgenden Kapitel (cf. 5.2.) näher untersucht. Wenngleich die globalen Entwicklungen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte eine isolierte Betrachtung von Jugendsprachen und -kulturen als wenig sinnvoll erscheinen lassen, so wäre es dennoch falsch, von einer vermeintlich einheitlichen Identität der Jugendkultur mit bestimmten hegemonialen Zentren zu sprechen. Jugendsprachen und -kulturen werden «einzelsprachlich und regional-lokal gefiltert, assimiliert und transformiert», weshalb sie Zimmermann auch als «glokales Phänomen» bezeichnet (2003a, 180). Im abgesteckten Rahmen dieser lokalen bzw. regionalen Ebene besteht jedoch ein gewisser «Herdentrieb», werden jugendliche peergroups untereinander homogener, besonders auch in ihrer sprachlichen Ausdrucksweise. Im Kor141
pus lässt sich dieses Phänomen am anschaulichsten an einigen lexikalischen Beispielen dokumentieren. Die Lexeme guapo oder tio tauchen z. B. in ca. 80% aller Gesprächsaufzeichnungen von Jugendlichen auf. Weiterhin sind pragmatische Marker wie bueno mit einer ähnlichen Häufigkeit allgemeines Sprachgut der Jugendlichen. Auf morphologischer Ebene lassen sich ebenfalls generalisierende Tendenzen, die an anderer Stelle schon als allgemeingültig für die katalanische Umgangssprache bezeichnet werden (cf. Bassols 1997), beobachten, wie der Verzicht auf die Nutzung der pronoms adverbials en/hi, Hyperkorrektismen wie enrecordar oder morphosemantisch verstärkte Komposita mit super (cf. JOVE4, 5, 6, 7 oder 38). Um auf die von Feixa dargestellten Subkulturen oder Freizeitstile in Barcelona zurückzukommen, ist in Bezug auf die Sprache Folgendes zu bemerken: Der jugendliche Sprechstil dient zwar als Gruppenabzeichen, weicht aber nur in begrenztem Maße von der Standardsprache ab. Besonderheiten lassen sich vor allem auf lexikalischer Ebene in den stärksten Interessensbereichen der Jugendlichen feststellen, z. B. beim Thema Musik, aber auch Mode, neue Medien, Computer oder Drogen. Besonders das Sprechen über Musik ist fundamental für die Jugendlichen, hier hat sich in allen Sprachen, so auch im Katalanischen, ein «Fachwortschatz» mit starken Prägungen aus dem anglo-amerikanischen Wortschatz entwickelt, z. B. ravers, punkies, rocker, dance-hall. Dieser Musik-Modewortschatz ist gruppenübergreifend allerdings erstaunlich einheitlich, insbesondere bedingt durch seine großräumige Verbreitung in Funk und Fernsehen (cf. Baumann 2001, 35); Beispiele hierfür finden sich in allen Gesprächsaufzeichnungen des Korpus. Ohne pauschalisieren zu wollen, kann daher durchaus gelten, was Augenstein formuliert: «[…] [einzelne] subkulturelle Stilelemente werden in einer Art und Weise kommerzialisiert und medial verbreitet, dass sehr wohl von einer gemeinsamen Jugendsprache gesprochen werden kann» (1998, 34). 4.5.2.4. Sprachkontakt (vor allem Anglizismen), Jugendkultur und Jugendsprache in Katalonien bzw. Barcelona Studien zu Sprachkontaktphänomenen in der katalanischen Jugendsprache, die über den Sprachkontakt Spanisch – Katalanisch hinausgehen und sich z. B. mit Anglizismen befassen, gibt es nur wenige (cf. Recasens Solé 1982). Veröffentlichungen über die spanische Jugendsprache (cf. Rodríguez González 1989; 2002b; Baumann 2001) schreiben dieser eine hohe Durchlässigkeit für Anglizismen zu; sie treffen jedoch, wie die meisten Arbeiten aus dem deutschsprachigen Raum (cf. Schlobinski/Kohl/Ludewigt 1993), nur Aussagen über lexikalische Phänome. Anglizismen (bzw. auch Entlehnungen aus anderen Sprachen) treten verstärkt dann auf, wenn neue kulturelle Konzepte (in diesem Fall im englischsprachigen Raum) entstehen und verbreitet werden, für die es noch keine Entsprechung in der aufnehmenden Kultur und Sprache gibt. Die neuen, 142
entlehnten Lexeme, seien sie assimiliert oder nicht, treten also nicht in Konkurrenz zu einem bereits existierenden Lexem. Dies ist in den ersten drei genannten Bereichen häufig der Fall. So findet man z. B. in der Musik für die Bezeichnungen fast aller Musikstile im Katalanischen als nicht assimilierte Fremdwörter vor: reggae, punk, ska, mod, rock, rhytmblues, dance-hall etc.; zugehörige tribus urbanes tragen entsprechende Namen: rockers, punkys, mods etc. In Liedtexten häufen sich, je nach Genre, Anglizismen oft in Form eines Codewechsels: vor allem Texte aus der Rockmusik spielen zuweilen mit Lexemen wie baby, night, everybody, together, forever, dance etc. hinein (cf. PREM). Boix/Vila meinen hierzu: «Així, les subcultures juvenils atorguen un lloc destacadíssim a la música d’expressió anglesa, la qual cosa facilita el manlleu constant de formes d’aquesta llengua per a la terminologia específica d’aquest camp i altres de relacionats: rock, pop, hip-hop, punk, rap, ska etc.» (1998, 78).
Im Drogenbereich sind sowohl die Drogen selbst, als auch damit verbundene Gefühlskonzepte von Anglizismen durchsetzt. Baumann (cf. 2001, 25) zitiert hier für das Spanische esnifar (to snif), estar alto (to be high), caballo (horse), estar enganchado a (to be hooked on), hierba (grass), mierda (shit), mono (monkey), nieve (snow), viaje (trip), etc. Aus Mode und Filmindustrie finden sich im Katalanischen Begriffe wie bisnes oder look, aus der Informatik graphisch wie phonetisch assimilierte Lehnwörter wie clicar statt – fer clic – to click, formatar – formatate, xip – chip. Anzumerken ist allerdings, dass die bisher genannten semantischen Felder zwar die wichtigsten Bereiche der Jugendkulturen darstellen, sich allerdings längst nicht auf diese beschränken. Musik, Informatik, Mode, Film, Drogen etc. finden auch in andere generationelle Gruppen sprachlichen Eingang. Jugendkulturen und jugendliche Sprechweisen gelten oft als Vorreiter bei der Integration von Anglizismen und anderen Fremdwörtern in die Standardsprache. Schlobinksi/Kohl/Ludewigt (cf. 1993, 34) meinen, dass Anglizismen in der Jugendsprache nur durch Medien vorgeprägte Ausdrücke sind, die von den Jugendlichen übernommen werden. Diese unterschiedlichen Meinungen spiegeln das sich immer wieder neu generierende Spannungsfeld zwischen Jugendlichen und Kommunikationsmedien wider. Die Fragen, wer hier wen zuerst beeinflusst, bzw. wie sich das vor allem sprachliche Wechselspiel zwischen Jugendsprache und medialer Jugendsprache gestaltet, ist eine zentrale Fragestellung der Korpusanalyse und soll dort für den katalanischen Fall ansatzweise beantwortet werden. Im Anschluss daran soll auch überprüft werden, inwiefern es sich bei den analysierten Elementen wirklich um jugendsprachliche Prägungen oder doch um allgemein umgangssprachliche Termini handelt. Konzentriert man sich nicht auf die semantischen Felder, sondern beleuchtet die Kommunikation der Jugendlichen an sich, so kristallisieren sich zwei Medien heraus, in denen man gut die jugendliche Ingroup-Kommuni143
kation betrachten und dabei einen hohen Anteil an Anglizismen feststellen kann: SMS-Kommunikation und Chats bzw., wenn auch in geringerem Maße, E-Mail.37 Galindo/Pons (2000) konstatieren, dass sich die Proportionen englischer und spanischer Kontaktphänomene im Katalanischen, bei denen normalerweise in der mündlichen Kommunikation die spanischen überwiegen, in den Kommunikationsformen Chat und SMS umkehren. Sie meinen dazu: «[…] el recurs a l’anglès és habitual, com, de fet, també ho és, cada vegada més, en la llengua parlada. Als xats, però, s’observa una proporció d’anglès molt més alta, i un tipus d’elements de naturalesa diferent dels que podrien aparèixer en la parla. […] n’hi ha un conjunt que es poden agrupar en uns camps semàntics més o menys definits. D’una banda, s’ha de parlar del terreny de les salutacions i els comiats: apareix hi […] hello, […] bye […]. També és interessant assenyalar l’expressió d’acomiadament italiana ciao [...] força freqüent en els textos produïts pels xatejadors» (2000, 10). «[…] Si s’evidencia la presència tant del castellà com de l’anglès, la influència d’aquestes dues llengües es detecta en proporcions desiguals: l’anglès té un paper molt més important en els xats» (2000, 11).
Eine ähnliche Auffassung vertritt auch ein Mitarbeiter der CAL (Coordinadora d’Associacions per la Llengua Catalana) in Barcelona: INFO9 J: a part de quehi ha (..0,4) xxx de perdre{(F) dic l’hàbit d’escriure/} { (F) com escriuen els missatges del mòbil/} escriuen amb això/ i cada vegada això xx més, més (..0,5) hi ha més paraules d’això d’altres llengüesde l’anglès sobre totque és la llengua predominant/ (..0,8) i respectament del (..0,4)de l’espanyol/
Neben den semantischen Feldern der Grußformeln, treten auch Bitt- und Dankesbezeugungen oder Bestätigungen wie ok, okis oder okiz, please oder plis sowie thanks oder thks auf. Von Anglizismen stark durchsetzt ist auch das Sprechen über das Internet oder Computersysteme an sich (cf. Galindo/ Pons 2000, 12).
37
Zur Kommunikation katalanischer Jugendlicher mittels digitaler Kommunikationsmedien cf. auch Wieland 2006c.
144
4.5.2.5. Statistische Daten zu jugendlichem Freizeitverhalten in Barcelona Im Folgenden soll anhand einiger statistischer Daten aus der von mir im Jahr 2003 bei insgesamt 144 Schülern aus Barcelona erhobenen Umfrage ein Bild vom Freizeitverhalten der für das Korpus befragten Jugendlichen gezeichnet werden (zu weiteren, grundlegenden Informationen über das Korpus cf. 5.1.). Aufgrund der Anzahl der befragten Jugendlichen versteht sich von selbst, dass es sich nur um eine empirische Studie handelt, die keinerlei Anspruch auf allgemeine Aussagekraft über das Freizeitverhalten aller Jugendlichen in Barcelona erhebt. Sie lässt dennoch wichtige Tendenzen erkennen und diente vor allem der Auswahl für das Medienkorpus. Activitats feiners joves 2003
mirar TV (37%) escoltar música (41%) llegir llibres (7%) sortir amb amics (9,80%) anar de copes (0,70%) fer esport (23,60%) escoltar la ràdio (7,00%) llegir diaris (1,40%) ordinador (50,00%) cinèma (0,70%) anar de compres (3,50%) llegir revistes (3,10%) activitats assoviatives (1,40%)
Graphik 4–5: Freizeitaktivitäten der Jugendlichen (2003) an Wochentagen (WT) (nach eigenen Daten)
Die Graphiken 4–5 und 4–6 zeigen die Präferenzen im Freizeitverhalten der 12 bis 18jährigen Jugendlichen (bei Nennung der zwei wichtigsten und am häufigsten praktizierten Beschäftigungen). Ein Vergleich zwischen Wochentagen und Wochenenden lässt logische Veränderungen erkennen. Am Wochenende haben die Jugendlichen mehr Freizeit und daher auch mehr Zeit und Möglichkeit, sich mit ihren Freunden zu treffen, zu shoppen, Diskotheken zu besuchen oder ins Kino zu gehen als an Wochentagen. Betrachtet man beide Graphiken nebeneinander, so gehen daraus als beliebteste Freizeitak145
Activitats cap de setmana joves 2003
escoltar la ràdio (0,70%) activitats asscociatives (2,10%) llegir revistes (2,10%) llegir diaris (2,10%) llegir llibres (2,80%) excursions (4,90%) passejar (4,90%) discotèques (8,40%) anar de copes (8,40%) ordinador (16,00%) cinèma (16,60%) esport (18,00%) mirar TV (18,10%) escoltar música (18,10%) sortir amb amics (47,20%)
Graphik 4–6: Freizeitaktivitäten der Jugendlichen (2003) an Wochenenden (WE) (nach eigenen Daten)
tivitäten der Jugendlichen die Nutzung von Computern (wochentags 50%, am Wochenende 16%), das Fernsehen (WT 37%, WE 18%), das Hören von Musik (WT41%, WE 18,1%), sportliche Betätigung (WT 23,6%, WE 18%) und das Weggehen mit Freunden (WT 9,8%, WE 47,2%) hervor. Bei einem Vergleich dieser Daten mit denen der Studie Enquesta a la Joventut de Catalunya von 1998 (Generalitat de Catalunya 1999b) unter Ausschluss nicht überlappender Altersgruppen (d.h. der älter als 19jährigen) ergibt sich folgendes Bild, an dem sich relativ gut die neuesten Entwicklungen im Freizeitkonsumverhalten der Jugendlichen ablesen lassen können:
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Comparació activitats feiners 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%
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Joventut de Catalunya 1998
Graphik 4–7: Vergleich der Freizeitaktivitäten Jugendlicher (1998/2003) an Wochentagen (nach eigenen Daten)
Comparació activitats cap de setmana 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%
Corpus 2003
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Joventut de Catalunya 1998
Graphik 4–8: Vergleich der Freizeitaktivitäten Jugendlicher (1998/2003) an Wochenenden (nach eigenen Daten)
Einige dieser Unterschiede lassen sich durch den starken Zuwachs bei der Beschäftigung mit Computern (inklusive Internetnutzung) interpretieren. Die Zahlen (51,2% gegenüber 18,6%) spiegeln den rapiden Einzug von modernen Technologien zwischen 1998 und 2003 und, im Zusammenhang mit ihnen, von Kommunikationsmedien in das Alltagsleben von katalanischen Jugendlichen wider. Dass die häufige Nutzung von Computern und der hohe TV-Konsum allerdings der Grund für die Abweichungen im Leseverhalten der Jugendlichen sind, kann anhand dieser Daten allerhöchstens vermutet werden. 147
Die Studie von 1998 differenziert zudem noch zwischen dem Freizeitverhalten von Jungen und Mädchen und stellt folgende Unterschiede fest: Auf der Hitliste der Jungen stehen Fernsehen, Musik, das Ausgehen mit Freunden/Freundinnen, Sport, Bücher, Zeitungen und Computer ganz oben, wohingegen die Mädchen aus Barcelona zwar auch Fernsehen und Musik sowie Bücher und das Weggehen mit Freunden/Freundinnen nennen, aber genauso Spaziergänge, Radio hören und auch Sport bevorzugen. An den Wochenenden kommt auf beiden Seiten noch der Besuch von Diskotheken hinzu. Im Allgemeinen lassen sich zwei Achsen im Freizeitverhalten der Jugendlichen festmachen, zum einen ihre Beziehungen untereinander, zum anderen der Informations- und Musikkonsum zu Hause. Ich möchte diese zwei Hauptlinien, die sich sowohl aus den statistischen Daten dieser Arbeit, als auch aus den zitierten soziologischen Erhebungen herauslesen lassen, als gruppeninternes Verhalten bzw. Medienverhalten der Jugendlichen bezeichnen. Sie sind wesentliche Faktoren jugendlicher Lebensweise und prägen den Sprachgebrauch – daher stellen sie den Kern meiner soziolinguistischen Analyse dar. Ihr eigenes Konsumverhalten, so der aus meiner Umfrage erhaltene Eindruck, reflektieren viele Jugendliche allerdings nicht unbedingt; Konsummöglichkeiten und -artikel werden von vielen als selbstverständlich und gegeben angesehen, über deren Bedeutung für das eigene Leben nicht nachgedacht werden muss. Befragt danach, was ihnen in ihrem Leben am wichtigsten ist, gaben 66,7% der Jugendlichen ihre Freunde, 67,4% ihre Familie, 22,8% Liebe und 20,8% Schule/Studium an. Freizeit und Freizeitmöglichkeiten rangierten auf den letzten Plätzen mit weniger als 5% der Nennungen. 44,4% der befragten Jugendlichen gaben an, Musik auf Katalanisch zu hören, wenn natürlich auch nicht ausschließlich. Trotz dieser positiven Zahlen ist jedoch nicht zu leugnen, dass spanisch- und englischsprachige Gruppen, trotz Quoten im Radio und exzessiver Förderung des katalanischen Musikmarktes, einen großen Vorsprung vor katalanischen Produktionen haben. Auch wenn die katalanische Rock- und Popmusik mit Gruppen wie Els Pets, Sopa de Cabra, Sau oder Lax’n’Busto, um nur einige zu nennen, sehr viel zur sozialen Verbreitung der Sprache beigetragen hat, so haben diese Gruppen doch keine internationale Bedeutung erlangt. Dies führt dazu, dass katalanische Bands auch auf die englische Sprache setzen (cf. Opició K–95, Skatalà oder Dr. Calypso), um internationale Erfolge aufweisen zu können. Die Sprachwahl steht bei der Musik jedoch nicht unbedingt im Vordergrund, sondern wird pragmatisch bzw. nach gusto gehandhabt, wie aus dem Gesprächsbeispiel mit einer jugendlichen Band hervorgeht: JOVE10 A: mh:: clar:si versionem/ depèn de la cançó original:/
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K: mh/ A. per exemple estem practicant una de xx/ doncs en anglés/ (…1,1) i.::: bàsicament xxx espanyol i català(..0,6) perquè són que més utilizemverdad\ K: però:: barrejant/ o:: mh::: C: buenuK: [com ho feu]/ C: {(AC)una cançó en anglésuna altra cançó en castellà una altra català:no séés comés com surti-
Für die meisten Jugendlichen sind die nicht organisierten, nicht formalisierten Freizeitformen die interessanteren: nur 4,5% der Informanten des Korpus nahmen regelmäßig an Veranstaltungen der öffentlichen oder kirchlichen Jugendarbeit teil. Hierzu gehören in Barcelona vor allem die Pfadfindergruppen (escoltes), sowie Kinder- und Jugendzentren (esplais und casals de joves). Im Schnitt werden, laut Aussage des Vizepräsidenten des Casal d’Associacions Juvenils de Barcelona, dem Dachverband der dortigen Jugendarbeit, rund 10% aller katalanischen Jugendlichen von Einrichtungen der Jugendarbeit angesprochen. Wichtiger als die organisierte Jugendarbeit sind eher Aktivitäten, die von den Jugendlichen selbst ins Leben gerufen werden, über die sie selbst bestimmen können: INFO7 VP: avui en dia eh::la zona cultural juvenil/ una podria ser elel col·lectiu okupa\ K: hm/ VP: que té a Barcelona/ una implantació molt forta{(F)molt-} K: hmperò {(F)molt eh-} VP: (..0,9)ah::: i també paral·lel a això seria el que són els col·lectius antiglobalització\ K: [hm-] VP: els antiglobalització de Barcelona/
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tenen molta pasta\ (…) VP:i això/ nosaltres ho considerem com una forma de participació social molt {(F) important} també\ no és la nostra/ no és xx associativa/ K: [hm-] VP: però si que(..0,7) no per ser diferent no està/ no es vàlida/ al contrari {(F) sí} que és vàlida\ K: hmi pot ser que respon una mica més als problemes actuals/ és a dir quesón {(F) moviments} socials juvenils/
Die Aussage über aktuelle Jugendbewegungen in Barcelona widerlegt in gewissem Maße auch das Klischee vom geringen politischen Interesse der jugendlichen Altersgruppe. Sind Politik und Gesellschaft auch nicht die zentralen und wichtigsten Aspekte im Leben der befragten Jugendlichen, so wurden vor allem bei den älteren unter ihnen Themen wie Arbeitslosigkeit, Wohnungssuche, Familienplanung, Gesundheitsvorsorge immer wichtiger. In gewisser Hinsicht stellt die Beschäftigung mit diesen Themen bereits auch einen Hinweis darauf dar, dass diese Jugendlichen einen wesentlichen Schritt ins Erwachsenenleben vollzogen haben. 4.5.2.6. Wir-Gruppen und Gruppenkonstitution in den Gesprächsaufzeichnungen katalanischer Jugendlicher Innerhalb einzelner sozialer Gemeinschaften werden Gruppen verschiedene Werte- und (zu erwartende) Handlungsmuster zugewiesen. Die Angehörigen einer Gruppe – aber auch der sozialen Gemeinschaft als Ganzes – erwarten, dass die einzelnen Gruppenmitglieder gemäß dieser Werte agieren; es bestehen also kategoriengebundene Erwartungshaltungen an die Mitglieder einer Kategorie im Intragruppen- und schließlich auch im Intergruppenverhalten mit Mitgliedern anderer Kategorien. Barth formuliert dies folgendermaßen: «[…] a dichotomization of others as strangers, as members of another ethnic group, implies a recognition of limitations on shared understandings, differences in criteria for judgement of value and performance, and a restriction of interaction to sectors of assumed common understanding and mutual interest» (1969, 15).
Die Zuordnung von Menschen – hier Jugendlichen – in Kategorien und Gruppen (im Sinne von kognitiven Einheiten, cf. Tajfel 1982) stellt also einen wichtigen Faktor im Kommunikationsverhalten dar. Die Zugehörigkeit zu solchen Gruppen spielt bei der Frage, wer wir denn eigentlich sind, ins150
besondere der nach unserer sozialen Identität,38 eine nicht unbedeutende Rolle. Die Einordnung von Individuen in Gruppen oder Kollektive ist ein Verfahren, welches in den Sozialwissenschaften und ab den 70er Jahren auch in der Linguistik als Kategorisierung geläufig ist. Hier wurde diese zunächst statisch begriffen, später ging man zu einer dynamischen und kontextsentiven Sichtweise über (cf. Kesselheim 2003, 22). Es gilt zu beachten, dass der Terminus Kategorie nicht mit dem Begriff der Gruppe gleichzusetzen ist. Eine Kategorie teilt das Individuum mit allen anderen, denen die hinreichenden und notwendigen definierenden Attribute zugeschrieben werden können; sie kann so funktionieren, dass «sie ihre Mitglieder disponiert zur Bildung von Gruppen und Verbindungen» (Goffmann 1967, 35) oder einfacher formuliert: «Les gens sont classés en catégories et organisés en groupes» (Baylon 1996, 75). Die Zuordnung von Individuen zu Gruppen steht allerdings nicht von vornherein fest. Gruppen existieren nicht einfach, sie werden in der Interaktion hervorgebracht. Die Gruppen selbst, ihre Merkmale, ihre Mitglieder, die Unterschiede zu anderen Gruppen – all das wird von den Interaktionsteilnehmern ausgehandelt und bildet die Grundlage ihres weiteren Handelns (cf. Kesselheim 2003, 17). Sacks (1992, 568ss.; cf. hierzu auch Ciapuscio/Kesselheim 1997, 112; Kesselheim 2002; Kern 1998, 97ss.) untersucht diese Gruppenzuordnung unter dem Etikett der social categorization und dehnt somit die von Allport (1954, 20ss.) begründete Beschreibung des Kategorisierungsprozesses aus. In einem Verfahren, das später von Kesselheim (1998, 129) als «Konstitution von Gruppen im Gespräch» bezeichnet wird, ordnen die Interaktanten sich und andere verschiedenen «Kategorien» zu (cf. auch Quasthoff
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Tajfel stellt soziale Identität der persönlichen Identität gegenüber und beschreibt sie als «den Teil des Selbstkonzepts eines Individuums […], der sich aus seinem Wissen um seine Mitgliedschaft in sozialen Gruppen und aus dem Wert und der emotionalen Bedeutung ableitet, mit der diese Mitgliedschaft besetzt ist» (Moermann 1974, 65, zit nach Tajfel 1982, 102). Straßner (1987, 18) meint dazu: «Ein Individuum denkt und spricht [...] ‹gesellschaftlich›, d.h. die Gesellschaft im allgemeinen und die gesellschaftlichen Gruppen/Schichten/Klassen üben bestimmenden Einfluß auf das Individuum aus, und zwar im Sinne unmittelbar/aktueller gesellschaftlicher Einflüsse wie im Sinne der tradierten und kodifizierten Erfahrung. [...] Während ein Individuum Wörter, Begriffe, Symbole und syntaktische Strukturen erwirbt, festigt es sein Wissen und seine Sprache, indem es sie gegenüber seiner Umgebung anwendet. Als Folge davon assimiliert es unbeabsichtigt die politischen und sozialen Werte oder Bezugsrahmen seiner Gruppe, die in bestimmten Kultur- oder Handlungsmustern praktizierten Idiome, Wendungen, Floskeln oder Klischees; die Sprache bzw. der sprachliche Kode einer Gruppe wird somit kontextspezifisch. Die Möglichkeit, über das hinauszugehen, was der eigene Gruppenoder situative Kode enthält, setzt die Anerkennung und das Erlernen anderer Kodes voraus. Der Wechsel von einem Kode zu einem anderen entspricht dann nicht nur dem Wechsel der akzeptierten und praktizierten Sprache, sondern auch dem des sozialen Kontextes.«
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1998; Hausendorf 1993). Diese Kategorien sind im gesellschaftlichen Wissen verankert – sie sind known things – die ihrerseits in «Kollektionen» wie Verwandtschaftsbezeichnungen, Berufen, Ethnien, Nationen etc. organisiert sind (cf. Sacks 1992, 41ss.). Jede Kategorie ist im gesellschaftlichen Wissen mit einer Anzahl von Aktivitäten verbunden, die für die Mitglieder der betreffenden Kategorie als typisch gelten – sogenannte «category-bound activities» (Sacks 1992, 44). Kesselheim dehnt die Definition von Sacks aus und spricht neben den Aktivitäten auch von Rechten, Pflichten, Wissen, Attributen und Kompetenzen – insgesamt also von kategoriegebundenen Merkmalen, die gemeinsam «ein Bild ergeben, das in der Gesellschaft von einer bestimmten Kategorie existiert» (1998, 132s.). Eine ähnliche Erweiterung des Kategorienbegriffs findet sich bei Hausendorf, der soziale Kategorisierungen «nicht nur im Medium der Semantik sprachlicher Zeichensysteme kodiert, sondern auch im Medium nichtsprachlicher, sinnlich wahrnehmbarer Leiblichkeit» (1993, 7s.). Der Autor plädiert dafür, Elemente wie Körpersprache, Kleidung, Aussehen etc. als Aufmerksamkeitszentren für die Äußerung der Zugehörigkeit zu einer Kategorie in die Betrachtung einzubeziehen. Soziale Kategorien und ihre sprachlichen Ausdrucksformen steuern somit die Wahrnehmung unserer sozialen Wirklichkeit und werden gleichzeitig erst durch diese ausgeprägt. Daher entstehen häufig Situationen, in denen man einer Person, die man einer bestimmten Kategorie zuordnet, automatisch bestimmte Aktivitäten, Haltungen oder ein bestimmtes Aussehen unterstellt: JOVE8 A: bueno puesvale/ vesteixes punk:buenudoncs mira:ets un punk\ no/ però(..0,8) també:: igual/ si:et classifiquen\ ets skater {(AC)vol dir que penses/ (.0,3) d’una manerao penses d’una altra}\ C: clari potser no:C: [es classifica tot]
Kategoriegebundene Merkmale stärken das Wir-Gefühl, die Gruppenidentität, wirken also unterstützend bei der Gruppenkonstitution und setzen die 152
Gruppen im sozialen Raum zueinander in Beziehung. Laut Goffmann (1967) und Sacks (1979) sind die Referenz auf die Gruppenidentität sowie Abgrenzungsinteraktionen hin zu anderen Gruppen wesentlich für die Konstitution von jugendlicher counter-culture. Für die Verbreitung und Durchsetzung der kategoriegebundenen Merkmale wurde in der Soziolinguistik und hier besonders in der Jugendsprachforschung immer wieder die Rolle so genannter leaders (Labov 2001), besonders angesehener, kreativer Jugendlicher (cf. Zimmermann 2003b, 30), betont; ihr Sprachgebrauch habe modellhaften Charakter für andere Jugendliche.39 Ohne die Tatsache in Frage zu stellen, dass es innerhalb von Gruppen fast immer eine Führungsperson gibt, die die Gruppe bzw. die Kategorisierungen, mit denen sich die Gruppe definiert, «verwaltet», sei nochmals auf die interaktive Komponente der sozialen Kategorisierungen verwiesen. Meines Erachtens entspricht sie besser der Lebenswelt der heutigen katalanischen Jugendlichen, die sich durch ihre multiple Mitgliedschaft in heterogenen, relativ offenen Gruppen40 oft nicht mehr explizit einer einzigen subkulturellen Gruppe zuordnen lassen (cf. 4.6.3.). Ein Führungsanspruch einzelner Personen kann dabei durchaus vorhanden sein, doch überwiegt in den für das Korpus aufgezeichneten Gesprächen der interaktive Charakter. Sacks beschreibt den interaktiven Prozess folgendermaßen: «Eignet sich ein ‹von außen› konstituiertes Kollektiv die entsprechende Kategorie in Akten der Selbstzuschreibung an bzw. setzt der Fremdkategorie eine Eigenkategorie entgegen, so übernimmt es die Verwaltung der Kategorie. Diese ‹von Mitgliedern› verwalteten Modifikationen […] bedeuten zum Beispiel, dass sie es sind, die erkennen, ob jemand ein Mitglied der einen oder der anderen Kategorie ist und was zu dieser Mitgliedschaft gehört» (1979, 11).
Czyzewksi et al. folgern daraus: «[...] Verbalisierte Selbst- bzw. Fremdbilder sind also nicht umstandslos dem jeweiligen Sprecher zuzuordnen, sondern immer ein Produkt aller Beteiligten, ein Aus-
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In den Gesprächsaufzeichnungen des Korpus sind diese leaders vor allem an ihrer hohen frequentiellen Gesprächsbeteiligung zu erkennen; sie bestimmen die Gesprächsthemen und stellen ihre Kommentare und Meinungen zu einzelnen Punkten stärker in den Vordergrund als andere, z. B. Sprecher A in JOVE12a. Die Jugendlichen füllen verschiedene, mehr oder weniger klar abgrenzbare Kategorien und sind Mitglieder in vielen Gruppen, die sich oft als kollektives Ganzes konstituieren (Klassengemeinschaft, Freunde im eigenen Stadtviertel, Vereine, Musikgruppe etc.). Eine ähnliche Darstellung in Bezug auf die von ihm untersuchte katalanische Kommunikationsgemeinschaft findet sich bei Sinner (unter Verweis auf Kremnitz 1995, 69): «Group identity has to concentrate on certain characteristics, subordinate others and even omit some which might be important to certain individuals. Therefore the individuals who constitute the collective might belong to different groups which can be linked to each other in a hierarchy; or be independent of one another; or even have a competitive relationship» (2002b, 161).
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druck der jeweiligen gemeinsam hervorgebrachten interaktiven Struktur […]» (1995, 80).
Das durch Zuschreibung bestimmter Kategorien entstehende Gruppenbild kann auf zweierlei Weise zu Stande kommen: als Selbst- oder Fremdkategorisierung, als Zuordnung zu einer we- oder they-group, mit Hilfe von Autooder Heterostereotypen41 – sie kann mehr oder weniger explizit als «wir» formuliert werden oder durch Darstellung und Abgrenzung (cf. 4.5.2.7.) von den «anderen» zur Hervorhebung der eigenen gruppenspezifischen Merkmale (cf. Straßner 1987, 18ss.). Ähnlich wie der Prozess der Entstehung von Stereotypen42 lässt sich der Prozess der Gruppenkonstitution in mehrere aufeinander aufbauende Schritte, so genannte konversationelle Aufgaben der Interaktionsteilnehmer bei der Herstellung von Gruppen (cf. Hausendorf 1993, 23; Kesselheim 1998, 141), aufteilen: das Aufrufen einer Kategorie (Einführen ins Gespräch), das Füllen der Kategorie durch kategoriegebundene Merkmale (Zuschreibung von als allgemeingültig geltenden oder neu im Gespräch geschaffenen Eigenschaften und Verhaltensweisen) und die Zuordnung von Personen zu der Kategorie. Am folgenden Beispiel wird dies deutlich: JOVE7 C: maquineros, maquillos\
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Cf. hierzu Klein (1998, 27); Baylon spricht von «groupes de référence positifs» und «négatifs» (1996, 90). Lippmann (1922) führt den Begriff Stereotyp ein. Er bezeichnet ihn als «Ausdruck für die von der Kulturgemeinschaft vorgeprägten und vom Einzelnen übernommenen Konzepte, mit denen der Mensch die Welt wahrnimmt» (1922, 19) und bezeichnet Typisierungen bis zu einem gewissen Grad als notwendig, um den Einzelnen überhaupt handlungsfähig zu machen: «[…] the abandonment of all stereotypes for a wholy innovent approach to experience would impoverish human life» (1922, 14). Die kognitiv orientierte Forschung der Psychologie und Sozialwissenschaften lehnt die Gleichsetzung von Kategorien mit Stereotypen ab: «Stereotyp ist nicht identisch mit einer Kategorie» (Allport 1971, 200s.); Allport bemerkt jedoch an gleicher Stelle, dass ein Stereotyp «eine feste Vorstellung» sei, «die eine Kategorie begleitet». In der linguistischen Stereotypforschung wird diese Vorstellung aufgegriffen. Sacks (cf. 1992, 577) weist auf Vergleichbarkeit der Konzepte «Stereotyp» und «kategoriegebundenes Merkmal» hin, da es bei beiden Begriffen um Generalisierungen und Zuschreibungen von Eigenschaften, Verhaltensweisen etc. an Personen als Mitgliedern von Gruppen geht. Tajfel (1972; 1978) geht einen Schritt weiter und definiert Stereotype als Generalisierungen, die sich aus kognitiven Prozessen ergeben, die an der Kategorisierung beteiligt sind. Dabei ist zwischen neutralen und «wertungshaltigen» Klassifikationen zu unterscheiden (cf. Tajfel 1982,48). Während bei neutralen Kategorisierungen bestimmte Stereotypurteile auf eine Gruppe angewandt werden, ohne dass damit ein positives oder negatives Werturteil verbunden ist, werden Stereotype zur Unterscheidung der eigenen Gruppe von Fremdgruppen aktiv zum Schutz des eigenen Wertesystems eingesetzt (cf. JOVE7, 8).
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síA: [sí] B/D: @@ C: [són lo peor]\ B: els quillosels fatxes vaya/ (….) A: tenen una estètica skin/ (..0,4) C: no però(…) A: tenen poca cultura:: (…) C: espanyolistescatalanistes\ (…) A: i i:: normalmentes tomen pastilles i tal\ (…) B: no no/ jo conec una noia/ que xxx de serbuenu catalanista i això:/
Zunächst rufen die Sprecher die Kategorie auf (maquineros, maquillos, quillos), füllen sie dann mit bekannten Eigenschaften bzw. verleihen sie ihr neue im Gespräch (estètica skin, poca cultura, espanyolistes, catalanistes, tomen pastilles), um dann ein konkretes Beispiel zu geben (jo conec una noia). Klaeger (2002, 294) und Birken-Silverman (2002, 248) bezeichnen die Ingroup-Kommunikation, bei der soziale Kategorisierungen sprachlich43 vorgenommen werden, als kommunikativen sozialen Stil.44 Für beide Autorinnen stellt er ein Identitätssymbol dar und dient der sozialen Positionierung der Sprecher, er unterstützt die Entwicklung einer identitätsstiftenden Symbolik zur Definition und Stabilisierung der Gruppenkohäsion und repräsentiert somit das sprachliche «Kapital» der Gruppe bzw. des Milieus im Sinne Bourdieus. Im Folgenden sei zunächst auf Mechanismen der Selbstkategorisierung und daraus entstehende Selbstbilder im Korpus Bezug genommen, deren Darstellung mir wesentlich für die Situierung der katalanischen Jugendlichen
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Birken-Silverman schreibt dazu: «Gruppenkonstitutiv sind gemeinsamer ethnischer Hintergrund, gemeinsame Wertvorstellungen, Interessen und Freizeitaktivitäten, mit denen sich gemeinsame Routinen und kulturell-ästhetische Praktiken herausbilden, die sich durch Zeichen auch sprachlicher Art konstituieren» (2002, 250). Die Autorinnen verwendet ‹Stil› als holistische Kategorie, die sich durch Phänomene auf allen sprachlichen Ebenen ausdrücken kann.
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in den Spannungsfeldern ihrer (sprachlichen) Interaktionen erscheint.45 Nur über Kenntnis der Eigenwahrnehmung dieser Jugendlichen kann es gelingen, die von ihnen betriebenen Abgrenzungsmechanismen zu verstehen. Das einfachste Verfahren ist die explizite Kategorisierung als Gruppe mit speziellen Eigenschaften. Implizitere Mechanismen beinhalten die Zuordnung z. B. durch Personalpronomen oder Endungen der ersten Person Plural oder durch Lokaldeixis. Beide Verfahren sind im folgenden Beispiel zu erkennen, zum einen der konkrete Bezug auf eine Eigenschaft (fans), zum anderen die etwas implizitere Zuordnung durch die Verben in der ersten Person Plural (som, escoltem): JOVE10 A: em:: C: em:: Obrint Pas/ (..0,5) Petstot lo de rock catalàtipo Sopa de Cabra i això/ (..0,4) no som: fans fans:però:: B: escoltem bastant/ C: sí sí
Eine weitere Methode der Herstellung von Gruppenidentität ist die Bricolagetechnik (cf. 4.6.), bei der u. a. mediale Ressourcen sowie sprachliche Register oder sogar Sprachen zu Ästhetisierungszwecken mit bestimmten pragmatischen Formen, Strukturen, Bedeutungen zu einem gruppenspezifischen Kommunikationsstil verarbeitet werden (cf. hierzu auch Birken-Silverman 2002, 252). 4.5.2.7. Die Relation zwischen Wir- und Fremdgruppenkonstitution Je nachdem, welche Funktion die Selbstdarstellung erfüllen soll, wird sie von den Jugendlichen in Form eines positiven oder negativen Selbstbildes initiiert. Die «seriöse» Seite des positiven Selbstbildes hat die Funktion der Imagepflege als ernstzunehmende Gruppe/Gesprächspartner. Wie aus dem nachstehenden Beispiel klar wird, wollen die Jugendlichen über sich informieren (nosaltres som una minoria absoluta), ihre gruppeninternen Werte vermitteln (és tipo más música, la música que ens agrada) und sich und andere davon überzeugen. Hierdurch wird automatisch ihre Gruppenkohäsion
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Für eine ausführlichere Darstellung sozialer Kategorisierungen am Beispiel von Gesprächen unter katalanischen Jugendlichen cf. Wieland (2008).
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gestärkt – ersichtlich an Reaktionen wie Lachen bzw. zustimmenden Partikeln oder Aufgreifen des Themas durch den jeweils nachfolgenden Sprecher (cf. hierzu Klaeger 2002, 297): JOVE10 veritablement: és que els joves acostumen escoltar això/ (..0,4) perquè lo que sí: a les discoteques:/ la majoria de discoteques són de música {(E)house}/ technoi:: llavors doncsn’hi ha molt d’això\ (..0,5) però:: bueno: és:: C: es podria dir que:: que nosaltres som una:: minoria:. (..0,4) absolutano/ B: @@ (…) A: pel barri de Gràcia n’hi ha molt(..0,4) C: pots anar al Lennons:/ B: normalment és més tipotipo de bar: que sapsés tipo más música: llavors i hi fica la música que ens agrada(…) (…)A: housero i tecno i tot això/ lo que és música més: (..0,7) animada/ diguéssimsón gent així que va a la moda/ diguem:a lo que es portaK: mh(..0,5) A: maquinero:: i coses així: ja són més els: els els fatxes diguem\ (..0,4) C: els tipicos pelados\
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B: @@ (…) C: no dic res perquè no puc ser: no puc ser objectivaamb aquest tema\ K: @@ B: @@
Die Produktionen von Selbst- und Fremdkategorisierungen in der interaktiven Gruppenkommunikation können als Kontinuum angesehen werden. An seinen Extrempolen steht entweder eine gruppenintern zentrierte Eigendarstellung bzw. die explizite Darstellung der Eigenschaften anderer ohne Bezugnahme auf eigene Gruppencharakteristika. Das negative Selbstbild ist dann sozusagen in der Mitte zwischen beiden Extremen anzusiedeln (cf. hierzu auch Schwitalla/Streeck 1989). Beim negativen Selbstbild – der interessanterweise meist negativen Eigendarstellung aus Sicht der anderen – geht es nicht so sehr um die eigene Imagepflege als vielmehr um die Entlarvung und Dekonstruktion der Werte der anderen. Ziel dieser Stilisierung ex negativo ist Provokation, Diskonformität mit und Distanzierung von gültigen Gesellschafts- und auch Sprachnormen,46 verbunden mit Abgrenzung von anderen Gruppen, wodurch die eigene Gruppe intern gestärkt wird. Dazu verlassen die Gruppenmitglieder häufig die seriöse Interaktionsmodalität und gefallen sich in der Realisierung von außen entgegen gebrachter Klischeevorstellungen. So nennen sich z. B. die Jugendlichen in Gespräch JOVE4 terroristes oder nutzen die Jugendlichen in Gespräch JOVE10 die Bezeichnung minoria absoluta (cf. 4.6.) zur Selbstkategorisierung. Distanz wird weiterhin dadurch erzeugt, dass die zuvor im Gespräch getroffenen Aussagen zur Gruppenkategorisierung sprachlich relativiert werden: JOVE4 A: nosaltres el que fem és {(F, E) nadar} i:: B: @@ C: @@ K: @@@ A: [{(@)i xx de txaletes}/] B: @@ C: @@
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An dieser Stelle stellt sich die Frage, wie weit sich die Jugendlichen mit ihrer Sprechweise wirklich von den allgemeinen Sprachnormen des Katalanischen entfernen, wenn man davon ausgeht, dass es in vielerlei Hinsicht angemessener wäre, ihre Sprechweise eigentlich besser mit einer deskriptiven mündlichen Norm zu vergleichen (cf. hierzu auch Sinner 2004; Wieland 2006b; cf. 6.).
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K: @@ A: i ja està K: aquesta és la conclusió de tot\ A: ja estàla conclusiò\
Die im Gespräch erzeugte Kategorisierung soll möglichst nicht nach außen dringen, die Gruppe stellt sich als «harmloses» Konstrukt mit «unspektakulären» Hobbys (nadar) dar. Außenstehenden wird somit «Hilfestellung» zur Distanzierung gegeben, sie sollen sich für die Gruppe nicht interessieren, da diese ja keine besonderen Eigenschaften zu bieten hat. Die Beispiele, die sich teilweise auf der Ebene der Witzkommunikation bewegen, belegen die ludische Seite der Selbstinszenierung Jugendlicher, manche dieser negativen Selbstbilder wirken wie ein Intermezzo in der sonst seriösen Kommunikation. Unterstützt und als Werk der Gruppe inszeniert wird die zunächst nur von einer oder mehreren Personen hervorgebrachte Witzkommunikation durch Kooperationsmechanismen zur Gruppenkohäsion wie Lachen, aktives Zuhören, verbale und nonverbale Zustimmung etc. (cf. hierzu auch Klaeger 2002). Neben den bisher aus dem Korpus zitierten Beispielen, an denen die integrative Funktion von Jugendsprache ersichtlich wird, seien hier der Vollständigkeit halber noch zwei weitere Sequenzen angefügt, die diese Mechanismen der Gruppenkohäsion belegen: JOVE7 B: i disadiumenge::/ al cinema/ D: [clar] sinó fer un café\ o lo típic\ (..0,8) K: el diumenge una mica més tranquil no/ B: sí perquè allà A: [@@] B: es pensa ja al {(@)cole}A: @@ D: @@ C: els joves venen aquí per beurepotser perquè també hi ha més facilitats/ a: per conseguir alcoholtabac:: A: sí sí és molt més barato aquí:: C: [més barat] tot això\ el tabac per exempleés molt més barat aquí que a qualsevol altreB: ((weinerlich)) ola:: és cert/
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A: @@@ C: @@ B: @@@
Witz- oder «Scherzkommunikation» (Hartung 2001, 215) kann aber nicht nur intergruppal sondern auch innerhalb der eigenen Gruppe, auf Kosten einzelner Gruppenmitglieder realisiert werden:47 «Bei Jugendlichen ist nicht immer Gesichtswahrung die oberste Maxime sozialen Handelns und sie verfolgen mit diesem Verhalten bestimmte soziale Zwecke, vor allem das Aushandeln der eigenen Positition in der Gruppe» (2001, 215).
Das Beispiel JOVE6, ein Gespräch unter drei gut befreundeten Jugendlichen stammen, belegt diese Beobachtungen. Kritik am Verhalten einzelner Gruppenmitglieder wird hier offen geäußert, es finden also face threatening acts (FTA) in unabgeschwächter Form von Person A und vor allem B statt, z. B. intento no agafar referents com els del Òscar. Die Reaktionen von C auf diese FTA dienen der eigenen Verteidigung durch Abschwächung der dargestellten Position (els programes dolents per a ella) bzw. sind der Versuch, durch Ausweichen auf lustig-ironische Kommentare (gràcies) das eigene Gesicht zu retten: Trotz fortgesetzter relativ starker Kritik (hem acabat dient que ets una mica estúpid però no t’ho diem), ist die Gruppenkohäsion nach wie vor gegeben. Dies wird vor allem durch die «auflösenden» Lachsequenzen am Ende eines Gesprächsabschnitts deutlich, die den jeweils vorangegangenen Diskurs relativieren und wieder eine engere Verbundenheit zwischen den Gruppenmitgliedern herstellen. Bei derart ausgestalteter, an Mitglieder der eigenen Gruppe gerichteter Witzkommunikation, kann es leicht passieren, gegen die Ingroup-Solidarität zu verstoßen. Dies wird von den Jugendlichen im Beispiel allerdings selbst erkannt – sie schreiten diskursiv ein, wenn Grenzen überschritten sind oder
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Hartung versteht Höflichkeit in Anlehnung an Brown/Levinson (1987), also als Umgang mit dem face der Interaktionspartner, das möglichst respektiert wird; bei unvermeidbaren FTA wird Gesichtsbedrohung so gering wie möglich gehalten. Jugendliche setzen sich bei der Scherzkommunikation über diese sonst gültigen Konventionen hinweg. Die Scherzkommunikation setzt eine gewisse Vertrautheit voraus, entspricht aber nicht dem, was Brown/Levinson unter positiver Höflichkeit verstehen, denn a) man sucht weder Übereinstimmung, noch vermeidet man Dissens, b) das Wissen um die Wünsche des anderen wird nicht zu ihrer Erfüllung eingesetzt, sondern im Gegenteil dazu, ihm die Erfüllung zu erschweren, um zu sehen, wie geschickt er sich aus der Affäre zieht (cf. Hartung 2001, 215), c) innerhalb der Gruppen darf das face ohne abschwächende Modalisierung (jedoch innerhalb eines gewissen Rahmens) direkt verletzt werden, weil gruppentypische Verhaltensweisen, wie z. B. der Kampf ums Rederecht, die Durchsetzung eigener Interessen zur Stärkung der eigenen Position in der Gruppe das zulassen (2001, 222s.).
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überschritten zu werden drohen (que no que no; no no no comencis). Es gilt also: Nicht nur aus den Kategorisierungen anderer können sich Gefahren für die positive Selbstdarstellung eines Interaktionsteilnehmers ergeben. Kategorisierungen können auch das Gesicht desjenigen bedrohen, der sie vornimmt (Kesselheim 1998, 134). Bewegen wir uns im Kontinuum zwischen Selbst- und Fremdkategorisierung einen Schritt weiter in Richtung der Perspektive der Fremdgruppe (they-group). Bei der Untersuchung der Gruppenkonstitution stellt sich heraus, dass die Herstellung von Fremdgruppen aufs engste mit der der WirGruppe der Sprecher verknüpft ist: «Bei der Etablierung eines Insider-Outsider-Verhältnisses in einer Interaktion geht es um die Frage, ob die Situation ‹uns› oder ‹den anderen› gehört, wie ‹wir› uns Zugang oder Kontrolle verschaffen können, dass die Situation auch weiterhin ‹uns› gehört» (Schwitalla/Streeck 1989, 239). «Indem ‹wir› uns die Sinnordnung, nach der ‹uns› die ‹anderen› sehen, vor Augen führen, vergewissern ‹wir› uns, wie ‹wir› in ihren Augen sind. Damit gewinnen wir eine Möglichkeit, ‹wir selbst› zu sein – nämlich ‹anders als die Anderen›, nicht ungewollt anders, sondern ‹ausdrücklich anders›» (Schwitalla/Streeck 1989, 242).
Stereotype Formulierungen bezüglich der «anderen» haben ebenfalls einen gruppendynamischen Effekt und dienen dazu, das Eigenbild in der Gruppe sowie das Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen den Gruppenmitgliedern zu stärken (cf. Kern 1998, 103). Sprachliche Mittel sind hier z. B. Darstellungen in der dritten Person Singular oder Plural, Aufrufen mit dem bestimmten Artikel, aber auch die Verwendung von bestimmten sprachlichen Formen mit Referenz auf die Fremdgruppe, häufig die sprachliche Imitation der zitierten Gruppe, so genannte «fremde Stimmen» (Spreckels 2006). Im Korpus finden sich hierzu Beispiele in den Gesprächen JOVE2 und JOVE7. Die in der Interaktionssituation vorgenommenen Fremdkategorisierungen beziehen sich aber bisweilen nicht nur auf die konkrete Kommunikationssituation, sondern auf eine gesprächsunabhängige Existenz einer Fremdgruppe, die als solche sogar dauerhaft im Lexikon (z. B. pijo) verankert sein kann. Manchmal wird diese allerdings nicht so konkret gefasst, sondern allgemein umschrieben, wie folgendes Beispiel zeigt: JOVE42 J: increïble no/ vull dirja tenen trenlínies d’autobusos internes pelper bellugar-te per dins dela més són nusos d’autopistes/ vull dir:un altre nivell eh/ {(@) nivell europeu-} E: @RR@
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és París(…) J: la hòstia de grossavull dir Sants és grossaperò allò és:és també és un altre nivell no/ i:re vaig una miqueta perdutveig el cartell d’{(L2) exit-} i re cap a la sortidacap a la sortidai una miqueta de ginye no/ perquè:hi havia una quantitat de ionquisi drogatesi de tot allà-
Durch das über die Fremdkategorisierung vorgenommene Verfahren des Gruppenvergleichs bestimmen die Interaktionsteilnehmer das Verhältnis ihrer Gruppe zu anderen Gruppen und grenzen sich explizit oder implizit von diesen selbst oder von dem Bild, das eine andere Gruppe von der eigenen Gruppe zeichnet, ab. Im Spannungsfeld zwischen dem Selbstbild der katalanischen Jugendlichen und dem von den Medien vorgezeichneten Jugendbild wird dies deutlich (cf. 4.6.2.). Dazu wenden wir uns im folgenden Punkt den Medien als Multiplikatoren von Jugendsprache und -kultur zu. Vorher möchte ich an dieser Stelle noch einmal das bereits dargestellte Spannungsfeld zwischen Spanisch und Katalanisch aufgreifen (cf. Graphik 3–7), in dem sich die katalanischen Jugendlichen befinden und auf das sie mit ihren sprachlichen Äußerungen Bezug nehmen. Wird dieses Spannungsfeld in den Selbst- und Fremdzuschreibungen der Gruppenkommunikation katalanischer Jugendlicher wirklich aktiviert? Und welchen Raum nehmen die Bezüge darauf in der kommunikativen Selbstdarstellung der Jugendlichen ein? Zu diesen Fragestellungen in Bezug auf jugendliche bilinguale katalanisch-spanische Gruppen existiert in der Diskursanalyse bislang kaum Literatur. Auch in der vorliegenden Arbeit können die Fragestellungen nicht umfassend und allgemeingültig beantwortet, sondern nur Tendenzen aufgezeigt und mit Beispielen aus dem Korpus belegt werden. Das Aufrufen des sprachlichen Spannungsfeldes durch die Jugendlichen hängt eng mit dem Themenkreis der Spracheinstellungen und der Konstruktion der eigenen sprachlichen Identität zusammen. Es wird hier bewusst auf die Verwendung des Terminus «sprachlich» geachtet, denn «language performance can help in the construction of such an identity» (Sinner 2002b:162; cf. hierzu auch Sebba/Wootton 1998, 276). Außerdem würde eine Ausweitung des bilingualen Spannungsfeldes auf sozialpsychologische Aspekte den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Gleiches gilt für die Interpretation der aufgerufenen Elemente dieses Spannungsfeldes, auf die hier größtenteils verzichtet wird. An dieser Stelle interessiert vor allem, ob und mit welchen Mitteln 162
bzw. in welchem Kontext Jugendliche in ihrer Gruppenkommunikation die Kategorien spanisch bzw. katalanisch aufrufen, in welchem Maße das Spannungsfeld also von ihnen wahrgenommen und propagiert wird und wie sie sich ihm direkt oder indirekt48 zuordnen. Explizite Bezüge finden sich im vorliegenden Korpus relativ wenige, eine Ausnahme stellt folgende Äußerung dar: JOVE3 K: creus que serà possible/ A: i tantK: si/ A: sientre nosaltres ja parlem en català sempre, vull dir ehB: com un grup de pre: un lobby de [{(@)presió}] A: un lobby de presió\ B: @@@ A: @@
Häufiger sind implizite Bezüge auf das Spannungsfeld Spanisch – Katalanisch durch Evozieren der «nationalen» Zugehörigkeit (cf. Sinner 2002b, 175) oder Äußerungen mit symbolischer, emblematischer Funktion. Letzteres manifestiert sich in den beiden Beispielen aus JOVE7. Hier werden in Form von Code-Switching spanische Zitate in das Gespräch mit katalanischer Grundsprache eingebaut. Die zitierten Stellen sind jedoch nicht wertneutral, sondern dienen der Darstellung von Personengruppen, die vom Sprecher und – von diesem erwartet – in seiner peergroup negative Konnotationen erwecken. Den hier präsentierten Code-Switching-Passagen können demnach meines Erachtens abgrenzende Funktionen zugeschrieben werden: JOVE8 A: hi ha/ eh:: C: el Club Súper {(@)tres} K: què és/ (…) A: tots els nens de Catalunyacasisón del Club Súper tres\ JOVE42a Q: la música màquina precisament és una cosa que::
48
Sinner (2002b, 162) verweist diesbezüglich zwar auf die Bedeutung von sprachlichen Äußerungen bei der Identitätsbildung und -darstellung, macht aber deutlich, dass aufgrund des bilingualen Hintergrundes das Augenmerk nicht nur auf der impliziten oder expliziten Zuordnung zu einer Kategorie mit Hilfe von Sprache liegen kann, sondern auch auf den symbolischen Einsatz von Sprache mit emblematischer Funktion zu achten sei (cf. hierzu auch Sebba/Wootton 1998, 277).
163
realment aquí a Espanya que:: JOVE7 A: també hi ha més grans això:/ i van tots vestits igualsC: [que] van en plan txuleo:{(E)sempre}i tu ets al costat((Stimme verstellt, despektierlich)) esamira que {(E)ropa} lleva\ B: sí sí(…) D: o els paquistanis muntaneros clar que és súper injustcom ells estàn aquíque treballen d’aquesta manera/ però encara és més inluinlu(..0,3) ((atmet tief durch)) E: injust D: [injust] encara és més injustque laque la gent ignorant xxxnos van a quitar el trabajo\ (..0,8) que trabajo/ senyorausted no quiere aquest\
An den beiden letzten Beispielen ist sehr schön die Verknüpfung der beiden Spannungsfelder (Norm – Autonomie, Spanisch – Katalanisch) zu erkennen. Code-Switching als ein von bilingualen Sprechern eingesetztes Mittel, das nicht der «Norm» entspricht und über dessen Einsatz sie frei und autonom verfügen, wird genutzt, um den Kontrast und Konflikt zwischen Spanisch – Katalanisch (bzw. vermeintlichen spanischen und katalanischen Muttersprachlern) zu verdeutlichen.
4.6. Multiplikatoren von Jugendsprache und -kultur Ausgehend davon, dass kulturelle Phänomene sich im Sprachverhalten widerspiegeln, soll es im Folgenden darum gehen, eines der signifikativsten Elemente für die Jugendkultur und jugendliche Lebensweise zu erfassen und seine Wechselwirkung mit der Jugendsprache zu analysieren: die Kommuni164
kationsmedien. Von besonderem Interesse erscheint mir dabei die katalanische mediale Jugendsprache, hier im Sinne der Sprachverwendung in Sendungen und Publikationen für ein jugendliches Publikum, und das Bild, das die katalanischen Medien von Jugendlichen zeichnen. Rodríguez González äußert sich zum Einfluss der Massenmedien auf die Jugendsprache wie folgt: «[…], los mass-media antes referidos (prensa, cómics, radio), en su doble modo de comunicación, oral y escrita, tienen de común un lenguaje especial en el que predominan giros coloquiales y voces subestándar […]. El coloquio cotidiano de los jóvenes también se reviste de estas características. […] Para hablar de las características de sus lenguajes [de los jóvenes], hemos de reflexionar, pues, fundamentalmente sobre el consumo cultural de los jóvenes y sobre sus prácticas de ocio» (2002b, 23).
Eine in der Jugendsprachforschung vielfach genannte Art der Widerspiegelung des von Rodríguez González zitierten kulturellen und vor allem auch medialen Konsums in der Ausdrucksweise Jugendlicher ist das Aufgreifen von direkten oder indirekten Medienzitaten bzw. das Herstellen von assoziativen Bezügen situativer und inhaltlicher Art zwischen der laufenden Interaktion und medialen Produkten (z. B. Transfer von Songtexten, Zitate aus Werbetexten oder Nachspielen von Programmteilen aus dem Fernsehen etc.). Die Jugendlichen bedienen sich dazu häufig der Bricolagetechnik (cf. Dürscheid 2006). In einer Darstellung des Kommunikationsstils einer Gruppe italienischer Migrantenjugendlicher in Mannheim definiert Birken-Silverman (2003, 252) diesen als Mischung aus dem «Einsatz alltagskommunikativer, medienkommunikativer und subkulturspezifischer Elemente», als «Bastelei mit verschiedenen Versatzstücken und Teilidentitäten». Für die Autorin ist der Bricolagestil, neben der «Patchworkidentität», «prägend für die Postmoderne, für jugendliche Kommunikationsstile und insbesondere für die Sprechweisen jugendlicher Migranten» (2002, 249) und dient der Identitätskonstituierung der eigenen Gruppe (cf. 4.5.2.7.). Mit Hilfe des Bricolagestils wechseln die Gesprächsteilnehmer spielerisch zwischen ihrer Alltags- und einer Medienwelt, aus der sie Versatzstücke und Identitäten übernehmen. Obwohl es sich bei den für diese Arbeit befragten Jugendlichen nicht um Migranten handelt, ist ihnen mit der bei Birken-Silverman beobachteten Gruppe das plurikulturelle und multilinguale Repertoire gemeinsam. Es äußert sich nicht nur im Einsatz der beiden Sprachen Katalanisch und Spanisch, sondern auch in der Übernahme medienvermittelter Muster und anderer Elemente der Bricolagetechnik (subkulturspezifische oder alltagskommunikative Äußerungen) aus beiden Kontexten. Im Korpus finden sich an einigen, wenn auch nicht übermäßig vielen Stellen Medienzitate im Bricolagestil, die sich auf einen katalanischen Fernsehsender (Singen der Titelmelodie von TV3) und ein Radioprogramm bzw. einen spanischen Songtitel (minoria absoluta der Gruppe Extremoduro) beziehen.
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JOVE35 A: la millor la TV3 ara la xxx B: la millor la millor la millor\ (..0,5) A: oh {(E)gràcies}\ és la teva/ B: @@@ (..0,6) alle ((singen)): tu ja xxx miras xx és la teva/ TV3/ JOVE10 C: es podria dir que:: que nosaltres som una:: minoria:. (..0,4) absolutano/ B: @@ (..0,5)
Gerade am zweiten Beispiel zeigt sich, dass mediale Ressourcen (Imitation) zwar von den Medien übernommen werden, aber einen anderen Auslöser als den direkten Bezug auf das Medium haben können. Im zitierten Beispiel aus JOVE10 dient die Selbstkategorisierung minoria absoluta der Abgrenzung und wird an dieser Stelle von Sprecher C genannt, um den eigenen Musikgeschmack als etwas Besonderes darzustellen. Im Folgenden interessieren die kommunikativen Ausdruckformen der Medien selbst, mit denen sie in ihren jugendspezifischen Sendungen der Sprache Jugendlicher nahe zu kommen versuchen.
4.6.1. Katalanische Mediensprache Eine Definition von Mediensprache im linguistischen Sinne existiert nicht, denn Mediensprache differenziert sich in ein vielfältiges Varietätensystem. «Mediensprache ist in Verbindung mit dem Medium zu sehen, in dem sie benutzt wird» (Helfrich/Klöden 1994, 1) und darf nicht in der Weise missverstanden werden, dass damit eine eigenständige Sprache der Medien oder eine journalistische Fachsprache propagiert würde. Die Medienlinguistik und auch die Medien- und Kommunikationswissenschaften verstehen vielmehr darunter die spezifische Verwendungsweise der Sprache unter den Kommunikationsbedingungen der einzelnen Medien (Burger 1990; Bell 1991; Helfrich 1998; Faulstich 2002). Relevant sind hier besonders die Massenmedien als organisierte, medial vermittelte, professionalisierte Form der Kommunikation mit ihren unterschiedlichen Textsorten, Text-Bild-Relationen, Sendeformaten, Layouts etc.; im von mir untersuchten Fall handelt es sich noch konkreter 166
um Jugendmedien, vor allem um Fernsehprogramme und auch Zeitschriften, die sich an ein jugendliches Publikum richten. Die Tatsache, dass es sich bei den meisten Medien um eine kommerzielle Unternehmung mit ökonomischem Potenzial und demnach Bestrebungen um eine möglichst große Verbreitung in der Gesellschaft handelt, äußert sich in der Orientierung an einer oder mehreren relativ konkreten, jedoch meist anonymen Zielgruppen und den Erwartungen, die diese an das Medium binden. Je nachdem, welcher Erwartungshaltung ein Medienprodukt gerecht werden soll, erfüllt die darin verwendete «Mediensprache» andere Funktionen. Dabei ist nach Burger (1990, 41) zwar immer eine Funktion in dominanter Position, es ist aber selten gegeben, dass ein Medienprodukt monofunktional ist. Helfrich stellt die Funktionen von Mediensprache und ihre Überschneidungsbereiche in einem Schaubild dar:
Vermittlung von Information – Welt- und Wirklichkeitsvermittlung – Informationsfunktion
Meinungsbildung/ Manipulation – Selektions- und Strukturierungsfunktion – Orientierungsfunktionen – Kritik- und Kontrollfunktionen
Unterhaltung – Unterhaltungsfunktion
Identität – Speicherfunktion und kulturelle Wertschätzung – Integrationsfunktionen – Kulturfunktionen
Graphik 4–9: Polyfunktionalität von Mediensprache (cf. Helfrich 1998, 5)
Neben der Information vermittelnden und Meinung bildenden Funktion der Mediensprache, die am Beispiel des von den katalanischen Medien verbreiteten Jugendbildes angerissen wird (cf. 4.6.2.), möchte ich besonders einen Aspekt der identitätsstiftenden Funktion von Mediensprache in den Mittelpunkt der Analyse stellen: die Kulturfunktion unter Bezugnahme auf ihren (jugend)sprachlichen Aspekt. Es ist ein Gemeinplatz festzustellen, dass im Hinblick auf ein vermeintlich jugendliches Publikum, dessen wahre Altersstruktur aufgrund der Anonymität der Medienkommunikation diffus bleibt, sich die Kommunikatoren (Moderatoren, Produzenten oder Autoren) dessen 167
Sprache anzunähern versuchen, um jugendsprachlich und damit jugendlich zu wirken. Eine realitätsnahe Sprache zu finden, gelingt allerdings nicht immer (cf. Sinner/Wieland 2008); weshalb die Jugendlichen dennoch entsprechende Sendungen ansehen und akzeptieren, obwohl sie teilweise von ihrer sprachlichen Realität abweichen, lässt sich daher am besten über die Funktionen von Mediensprache, wie sie Helfrich nennt, erklären. Doch wie kann, auf den katalanischen Fall bezogen, dieses Idealziel der Jugendsprachlichkeit in Talkshows wie Una altra cosa oder Serien wie Plats bruts, Jetlag etc. erreicht werden, wenn Jugendsprache, wie wir bereits gesehen haben, sich vor allem im Ingroup-Dialog generiert? Problematisch ist weiterhin die Asymmetrie der über ein Medium vermittelten Kommunikation zwischen Kommunikator und jugendlichem Rezipienten, denn neben der Intergruppenperspektive kommt meist auch die Intergenerationaliät ins Spiel, ist doch z. B. der Moderator in Una altra cosa, Andreu Buenafuente, wesentlich älter als der jugendliche Teil seiner Zuhörer. Es gilt also, den Gemeinplatz der Jugendsprachlichkeit in den katalanischen Jugendmedien zu überprüfen und die Frage nach ihrem authentischen Charakter für ihr jugendliches Publikum zu stellen. Diese Frage schlägt den Bogen zu dem häufig kontrovers diskutierten, mitunter polemisierten Aspekt der Relation von katalanischer Mediensprache und sprachlicher Norm. Mediensprache ist für den Rezipienten, egal ob sie in einer relativ spontanen (Talkshow, Sendungen mit Publikumsintervention) oder nicht spontanen Sendeform (Serien, Spielfilme, Zeichentrick- und Animationsfilme, Nachrichten etc.) vorkommt, immer gesprochene Sprache; ob sie vom Publikum als wirklichkeitsgetreu empfunden wird, hängt nicht zuletzt davon ab, mit welchem normativen Maß die sprachliche Wirklichkeit gemessen wird. 4.6.1.1. Mediensprache und mündliche Norm Die herkömmlichen Kommunikationsmedien (Fernsehen, Radio und Presse) gelten in Katalonien als wesentlicher Verbreitungsfaktor für die Standardsprache.49 Standard meint allerdings vor allem die Entsprechung der schriftlich fixierten Norm, auch wenn die Sender selbst sich bezüglich der Aussprache an den Recomanacions sobre l’ús del estàndard oral des Institut d’Estudis Catalans (cf. Bassols 1997, 113) orientieren. Turell kommentiert dies wie folgt:
49
Mollà schreibt hierzu: «En fi, la catalanització total dels mitjans de comunicació públics – dels que depenen de la Generalitat, en primer lloc – i la seua total reciprocitat amb els mitjans de la resta de la comunitat lingüística serien el millor reforç de la política educativa, l’antídot contra els prejudicis anticatalunyesos i antivalencianets, respectivament i, consegüentment, l’única garantia de l’estandardització» (1997b, 34).
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«The Catalan mass media – radio, TV, press and cinema – substantially use the standard which was proposed, and which is fundamentally based upon the written language; however, precisely because Catalan lacked standardization/normalization for very long, the oral standard is still undefined, and so it is quite normal to go from an educated to a colloquial variety, evading the middle point that the standard involves. In other words, Standard Catalan exists in the books, encyclopedia, dictionaries, etc… but without the necessary integration and implementation in real written and oral usage» (2000, 48).
Abweichungen davon treten z. B. auf, wenn Moderatoren spontane Äußerungen einbauen oder Hörer/Zuschauer direkt in das Gespräch einbezogen werden und nicht steuerbare Sprachmitteilungen äußern. Abweichungen vom Standard können jedoch auch eine gewollte Erscheinung sein, die eine stärkere Bindung der Zielgruppe an das Programm oder den Sender erwirken will. Als Beispiel zitiert Bassols (1997, 47ss.) die so genannten magazins, den Talkshows ähnliche Programme mit einem mittleren Formalitätsgrad, bei denen die Korrektheit der verwendeten Sprache vor allem von der sprachlichen Kompetenz des Moderators als «mediador del llenguatge» (1997, 47) abhänge. In ihrer Analyse, welche sprachliche Abweichungen von der Norm kritisch hervorhebt und analysiert, weisen die Autoren allerdings auf die wichtige kulturelle Funktion solcher magazins hin, die sich auch in einer positiven Einstellung der Zuschauer gegenüber der katalanischen Sprache niederschlage. Die Zuschauer fühlten sich als Mitglied einer Kultur und seien dadurch auch eher bereit, die Sprache zu übernehmen. Allerdings bemängeln die Autoren die Qualität der magazins: «[…] en alguns dels programes adreçats a una audiència més jove – […] hi trobem veritables monòlegs de tipus humorístic que presenten un desplegament de recursos de tipus retòric, però amb poques llicències pel que fa a la llengua» (1997, 54).
Den katalanischen Serien aus eigener Produktion schreibt Bassols einen hohen Authentizitätsgrad als «tipus de ficció que recrea les situacions quotidianes dels ciutadans» (1997, 74) zu. Die Autoren sind der Meinung, dass in den Sendungen die Umgangssprache gut und glaubwürdig repräsentiert ist – eine Einstellung, die im Widerspruch zu linguistischen Beobachtungen steht: «Sobre la política d’emetre preferentment sèries on es parla català informal, col·loquial (prèviament pensat i elaborat – tant se val–), caldria destacar-ne el caràcter que té de necessària i oportuna, a part que el públic l’hagi premiada en forma de nivells d’audiència. D’una banda perquè s’hi mostren formes de vida pròpies quan l’audiéncia ja està prou ben servida de formes de vida alienes. Però sobretot, perquè ja era indefugible la necessitat d’intervenir a favor de la llengua col·loquial en un moment en què, a causa de la presència aclaparadora del castellà en tota mena d’àmbits, ‹el catalanòfon mitjà té un índex d’aptitud en la pròpia llengua molt baix› […] i se sent insegur fins i tot en l’ús més planer i familiar» (Bassols 1997, 75; cf. auch Lipski 1983; Regueira 2004; Sinner 2004; Sinner/ Wieland 2008).
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Allerdings möchte ich mich der Meinung der Autoren bezüglich der Wichtigkeit des català col·loquial in den Medien zu seiner Verbreitung in der Bevölkerung anschließen. Beispielhaft für den auch im Zitat angesprochenen Konflikt zwischen Standard und mündlicher Realisierung (prèviament pensat i elaborat – tant se val) in Bezug auf die Jugendmedien sind die Bemühungen des Servei lingüístic von Televisió Catalunya um das Kinderprogramm Club Super 3 oder Jugendsendungen wie No n’hi ha prou, 3xl.net oder Spútnik. In einem Interview stellt die Verantwortliche des Servei lingüístic, Anna María Agulló, dar, dass es den Korrektoren vor allem darum ginge tenir llengua viva col·loquial correcte, wobei Kastellanismen zu vermeiden seien (cf. INFO1). Der Sender sieht sich selbst offen gegenüber dem argot juvenil und trifft für seine Sendungen, soweit sie sprachlich im Voraus planbar sind, eine Auswahl aus jugendsprachlichen Wendungen, die in einem Glossar zusammengefasst sind (cf. Bentanachs Sanz o.J.). Die hohe Präsenz des Standards in den Medien steht im starken Gegensatz zu der gemeinhin weit verbreiteten Auffassung, dass diese zum sprachlichen Verfall des Katalanischen beitragen würden, vor allem durch die Vielzahl der Kastellanismen.50 Dass dem nicht so ist, beschreibt Vallverdú in einer Studie: «[…] el 95 per cent, o més, de la comunicació verbal dels presentadors de les ràdios i les televisions públiques no tan sols és ‹no contaminant›, sinó més aviat ‹ecològica›. Certament, pot haver-hi un 2 o 3 per cent de partícules ‹contaminants› (barbarismes, expressions impròpies, incorreccions de dicció, més elevat en programes d’entreteniment), contra les quals cal lluitar sens dubte, però no oblidant que en general són ‹agents beneficiosos› per a l’ecosistema lingüístic» (2002, 8).
In diesem Zusammenhang passt sich auch folgende Aussage über die Situation im französischsprachigen Fernsehen in Quebec ein, in der Reinke/Ostiguy die Mediensprache in einem kontextgebundenen Kontinuum zwischen Hoch- und Umgangssprache ansiedeln: «Pour ce qui est des animateurs de la télévision, ils affichent au contraire une attitude beaucoup plus tolérante à l’égard de la langue utilisée en ondes. D’après un sondage de la société Sorecom Inc. (1984) réalisé auprès de 216 animateurs et animatrices de la radio et de la télévision, ceux-ci désirent utiliser une langue ‹correcte›, mais pratiquent également, par souci de ne pas entraver la communication avec le public (ce qui pourrait affecter, selon eux, l’audimat), la variation linguistique, adaptant leur parler à la situation de communication. Pour eux, la qualité langagière première d’un bon animateur est l’aptitude à communiquer, à se faire comprendre et à tenir des propos concis. Une enquête plus récente auprès des décideurs de stations de radio québécoises (Leblanc/Ostiguy 2001) confirme cette tolérance aux manifestations du français familier, notamment dans le cas
50
Cf. hierzu auch Reinke (2004) zum Französischen der Medien in Québec. In Analogie zum katalanischen Fall stellt die Autorin ebenfalls fast keine Verbreitung nicht standardgemäßer Elemente in den Medien fest.
170
de certains types d’émissions où s’installe une interaction entre le public et les animateurs. Les résultats de l’enquête révèlent que le ‹bon animateur› est perçu par ces décideurs comme étant avant tout un individu ayant de la personnalité et étant capable de communiquer aisément, utilisant en fonction des circonstances les ressources linguistiques disponibles sur le continuum français soutenu – familier. Bien que tolérants, les décideurs prétendent imposer tout de même des limites et exigent l’emploi d’une langue correcte» (2005, 203).
Es ist also davon auszugehen, dass der von den Medien verbreitete Standard dazu beiträgt, die Standardsprache beizubehalten. Im Extremfall kann das sogar so weit gehen, dass durch den Einfluss der Massenmedien «la llengua col·loquial tendeix a acostar-se considerablement al model de llengua estàndard, molt més en aquells països de nivell més desenvolupat, on desapareixen molts trets dialectals» (Solé i Camardons 1989, 76). Nicht selten sind jedoch Fälle, in denen beim Medienpublikum negative, ablehnende Reaktionen gegenüber dem sprachlichen Medienstandard hervorgerufen werden, weil dieser als lächerlich, unzweckmäßig und künstlich empfunden wird (cf. hierzu Sinner/Wieland 2008). Die Produktion einer katalanischen Fernsehserie erfordert, genau wie die Synchronisierung einer ausländischen Produktion, eine Entscheidung zwischen zwei «Extrempositionen» auf dem von Reinke/Ostiguy oben beschriebenen Kontinuum zwischen soutenu und familier. Fällt die Wahl auf ein möglichst getreues Abbild der Realität mit spanischen Äußerungen und nicht normativen Elementen im Katalanischen, so sehen viele darin nicht nur eine Abweichung von der Sprachnorm, sondern auch eine Verletzung des sprachlichen Medienauftrags. Insbesondere bei spontanen, nicht korrektiv im Vorfeld veränderbaren Äußerungen, beispielsweise in Talkshows, entsteht somit eine Polemik, wie in den vergangenen Jahren wiederholt der Fall beim Programm Una altra cosa des Senders TV3.51 Entscheidet sich der Sender oder Moderator für eine sprachlich idealisierende, normative Darstellung (wie es der politische und finanzielle Hintergrund, vor dem die katalanischen Medien agieren, geradezu unausweichlich macht), wirkt er in vielen Teilen unauthentisch oder sogar lächerlich; im schlimmsten Fall führt dies zu einer Ablehnung seitens des Publikums und gefährdet nicht zuletzt die Einschaltquoten. Spiegelbild dafür, dass die katalanischen Medien lange Zeit eine stark präskriptiv normative Sprache gewählt haben und teilweise immer noch wählen, sind die wenigen linguistischen Beiträge, die sich weniger aus soziolinguistischer Perspektive denn im Sinne einer rein sprachwissenschaftlichen Analyse mit den katalanischen Medien (besonders dem Fernsehen) befassen. Paloma i Sanllehí (1999) und Bassols (1997) untersuchen hier vor allem Nachrichtensendungen und Serien (Eigen- und Fremdproduktionen)
51
Cf. hierzu das Informationsschreiben «Els quatre gats» vom Juni 2003, http://www. andreusotorra.com/elsquatregats/arxiu/cir2003/circular20.html (letzter Zugriff am 27. Februar 2008).
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auf ihre Übereinstimmungen bzw. Abweichungen von der Standardphonetik, -morphosyntax und -lexik hin, betonen die meist nicht normative Aussprache der vocal neutra (Paloma i Sanllehí 1999, 82) oder prangern den zunehmenden Verlust der pronoms febles en, ho und hi (1999, 86) und, in Form einer Wortliste, die hohe Frequenz an barbarismes (1999, 88ss.) an. Trotz seines eher traditionellen Vergleichs katalanischer Fernsehserien mit der gültigen Sprachnorm ist sich Paloma i Sanllehí des Spannungsfeldes bewusst, in dem sich die katalanische Medienproduktion, nicht nur in jugendsprachlichen Sendungen, bewegt: «Ara bé, creiem que la llengua de les sèries no és sempre adequada als graus de formalitat i d’espontaneïtat que presenten aquests productes de ficció [les sèries]. Repetim-ho: es tracta de graus de formalitat i d’espontaneïtat falsos, artificials, i precisament per això dúctils. […] la discrepància en l’ús de formes concretes arriba tot sovint a la confusió: qui parla un català molt castellanitzat ho fa sobretot d’acord amb uns trets fonètics determinats […] i el mateix personatge exhibeix una competència lèxica, per exemple, genuïnament catalana. […] hi ha combinacions pronominals que tots els lingüistes estan d’acord a considerar col·loquials i que, en canvi, no se senten gairebé mai en el registre informal de les sèries (en gran part col·loquial, ni que sigui falsament col·loquial), etc.» (1999, 91).
Nicht standardisierte, jugendsprachliche Äußerungen sind, wenn überhaupt, in spontanen Äußerungen seitens der Moderatoren bzw. in Interaktionen mit jugendlichem Publikum zu finden. Allerdings erfahren die Moderatoren bei vielen katalanischen Radiosendern, wie im Fernsehen auch, «Einschränkungen» durch die Serveis lingüístics der entsprechenden Sendeanstalt. Sie bemühen sich um eine möglichst große Korrektheit der Sprache in Bezug auf den Standard, gleichzeitig soll die Sprache aber möglichst authentisch klingen. Der realisierbare Grad der Korrektur und Korrektheit hängt zudem vom Programmtyp (Nachrichtensendung, Talkshow, Serien, Cartoons etc.) und der möglichen Einflussnahme durch den Servei Lingüístic ab. Im Interview mit Jaume Salvanyà, dem Verantwortlichen des Servei Lingüístic der Grup Flaix, einer Sendeanstalt mit zwei Radio- und einem Fernsehprogramm (Flaix FM, Ràdio Flaix Bac sowie Flaix TV) mit jugendlichem Publikum unter 30 Jahren, machte dieser aber auch die Grenzen der sprachlichen Kontrolle deutlich: INFO4 JS: una gran part de lade tot el que surt per antena/ és improvisat\ buenoprimer/ que hi ha molta música vull dir/ són unes emissoressón dues emissores musicals/ i un canal de televisió musical\ (...1,1) i aleshores quan intervé el locutor/ és per presentar la cançó/ és per parlar amb algun oient/
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i aleshoreshi ha molta improvisacióJS: aleshores no hi ha tanta feina dede correcció {(F) abans/} K: hm JS: és a dir eh:: el que es corrigeix abans es limita doncs a les notícies/ eh:: algunes seccions d’algun programa (..0,6) sino eh::{(AC) aixó és tot el que es corrigeix abans-} i {(F9)després/} el que es fa és seguiment dede tot el que surt per antena\ però ja un cop que ha surtit\
Korrigiert werden im Radio vor allem als unnötig angesehene Kastellanismen auf phonetischer und vor allem auf lexikalischer Ebene; die syntaktische Ebene spielt in der Korrektur auch eine Rolle, aber eher in Bezug auf die Kürze oder Länge der Sätze und eventuelle Redundanzen. Ein spezielles Problem ist der Argot, denn: el carrer és farcit d’argot castellà.52 Gleichwohl es in den meisten Fällen auch eine katalanische Entsprechung gibt, wirkt diese mitunter wenig authentisch bzw. veraltet: INFO4 JS: {(F)clapar\} K: hmJS: eh/ abans fa uns anys ehm::tots clapàvem\ no/ quan quanhi hem de dormir/ doncsamb/ amb argot deiem clapar\ que passa/ que en castellà diuen {(F) sobar\} no/ K: [hm-] JS: voy a sobar o estoy sobado\ (..0,8) que passa doncs/ que el català ha agafat aquesta expressió del castellà/ (...1,1) llavons tothom ara va sobat\ o diu queque que està sobato que anirà a sobar\
52
Im Unterschied zu der Beschreibung von Argot als Soziolekt (cf. 4.3.1.) wird Argot hier eher im Sinne der Umgangssprache gebraucht.
173
Die Welt der Musik ist hochgradig mit Anglizismen durchsetzt, jedoch versucht man im katalanischen Radio und auch im Fernsehen, diese wenn möglich zu vermeiden, ohne dass jedoch der Text an Authentizität oder durch aufgezwungene Übersetzungen an Glaubwürdigkeit verliert. Die Korrektoren und allgemein die Medienschaffenden der Jugendprogramme in Katalonien bewegen sich somit in einem Kontinuum (cf. Reinke/Ostiguy 2005, 203), d.h. einem sprachlichen Spannungsfeld zwischen einem präskriptiven Normkatalanisch und einer oft nicht ausreichend beschriebenen, den verschiedensten äußeren Einflüssen unterliegenden Jugendsprache, die selbst ein Sammelsurium an ausdifferenzierten, sich gleichzeitig aber überschneidenden und ergänzenden Sprechstilen ist. Die Medien orientieren sich zwangsläufig stärker an der Norm, an einer korrekten Standardsprache,53 somit stellt sich die Frage, wie sehr diese beschnittene mediale Jugendsprache der wirklichen Jugendsprache entsprechen kann. Nachstehender Interviewauszug (INFO4) geht auf einen dieser äußeren Einflüsse in Form von englischsprachigen Elementen ein: INFO4 JS: en el camp delde la música dance no/ que(..0,4) que tot el món dels discjòqueisK:hmJS: i deldel món musical aquest doncs funciona:/ amb anglèsi amb temes/ (..0,6) queque són coneguts mundialment en anglèsno/ (...1,0) aleshores quan es pot/ o quan tenim una alternativa catalana\ hmquees a dir que es pot traduir el tema anglèso expressió/ es pot traduir al catalàd’una manera que no és forçadai que lai que saps que la gent ho continuarà xxxx/ K: hm/ JS: doncs posem lala versió catalana\
53
Bassols meint dazu: «D’altra banda, l’objectiu didàtic de TV3 de difondre un model de llengua correcte i, alhora, de ser punt de referència comunicativa entre tota la comunitat lingüística justificaria la prudència en l’adapció de solucions més conservadores» (1997, 117s.).
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per exemple(...1,1) si tu dius que(...1,6) a ve(u)re(...1,4) si tu dius queunun DJ oferirà un seten una discoteca/ doncs en català podem dir que oferira una sessió/ un set\ K: [hm-] JS: equival a una sessióaleshoressempre que surt el ella paraula aquesta/ doncs ho corregim oo els hi diem als locutors que/ que en català tenimaquesta paraula\ (..0,6) aleshoresclar molts et diuenhome doncs mira jaja ja anireu xxuna cosa amb l’altra no/(...1,0) K: hmJS: perquè és clar també els estan posat enen el món i{(AC)(P) és clar vull dir-} fan servir l’argot que es fa serviren aquest cas dins del món aquest musical\ no/ aleshores mirahas d’anar fent una mica/ has d’anar temptejant com pots\ no/ que vagin alternant com a mínim/ (…1,0) lales duesles dues opcions\
Ähnlich wie bei den Kommunikationsmedien im Allgemeinen verhält es sich bei der Sondersparte der Werbung.54 Jugendsprache steht in engem Zusammenhang mit der Werbesprache, da hier ebenso emotiv-konative, selbstdarstellende und persuasive Intentionen eine Rolle spielen, wie sachbezogene oder referentielle. Diese Tatsache erklärt auch die reziproke Durchlässigkeit
54
Auf die Werbesprache in Bezug zu Jugendsprache soll in dieser Arbeit allerdings nicht eingegangen werden, da vor allem die persuasive Funktion, die Werbesprache erfüllen soll, besondere (stark gesteuerte) sprachliche Merkmale mit sich bringt, die keinen wirklichen Vergleich zulassen.
175
beider «Sprachen», d.h. ihr Schöpfen aus der jeweils anderen zur Steigerung der eigenen Kreativität. Beide leben von Kreativität, Metaphern, Hyperbeln, Konnotationen und Neologismen, beide arbeiten mit Stereotypen, in beiden ist der «Sprachverschleiß» enorm (cf. Buschmann 1994, 224ss.). Unterschiede bestehen vor allem im funktionalen und kommunikativ-situativen Bereich: Werbung ist öffentlich, Jugendsprache nicht – daraus nimmt sie auch ihr größeres Protestpotential, enttabuisiert mehr, ist drastischer, manchmal auch aggressiver und vulgärer. Dennoch ist Werbung einer der Bereiche, in denen Nicht-Jugendliche am häufigsten mit dem Thema Jugend und Jugendsprache, seien es auch nur (teilweise nicht authentische) Versatzstücke daraus, konfrontiert werden. Die kommerzielle Vereinnahmung von Jugendsprache durch die Werbung wirkt jedoch den eigentlichen jugendsprachlichen Intentionen (Originalität, Exklusivität) entgegen. Sie grenzt schon an die Aufnahme jugendsprachlicher Elemente in die Standardvarietät, welche wiederum die Binnenvariation innerhalb der Jugendsprache hervorruft (cf. 4.3.4.; 6.).55 4.6.1.2. Mediensprache von Jugendlichen Eine Sonderstellung unter den Multiplikatoren von Jugendsprache (und -kultur) nimmt die von Jugendlichen produzierte «alternative Presse» ein. Zur Zeit des rollo verhalf sie dem cheli zu weiter Verbreitung unter den Jugendlichen, da sie authentische, von Jugendlichen praktizierte und «ausgewählte» Jugendsprache verbreitete. Gleichzeitig waren diese Fanzines Teil der Jugendkultur und Stimmungsbarometer des Landes. Das erste Fanzine in Spanien war fandom, ein Science-Fiction-Magazin, das Ende der 60er bis Anfang der 70er Jahre erschien. Einen großen Aufschwung erlebte die alternative Presse durch die Rockmusik, das Identifikationselement einer ganzen Generation: «No sembla que se n’hagi apartat massa: el referent comú del trajecte seguit pel fanzine en la dècada dels viutantes ha estat el rock, la música popular dels nostres dies» (Aymerich 1990, 77).
55
Dass diese kommerzielle Vereinnahmung nicht nur für die Sprache, sondern auch für Mode und Stile gilt, macht Augenstein deutlich: «Die Moden und Stile der Jugendsprache werden nämlich größtenteils nicht von den Jugendlichen in ihren peergroups hervorgebracht, sondern, meist über Medien und kommerziell vermittelt, bei jugendlichen Subkulturen angeeignet und als Versatzstücke von den Jugendlichen in die jeweiligen Ingroup-Stile montiert. Da jedoch subkulturelle Stilelemente durch Kommerzialisierung aus ihren originären Lebenszusammenhängen gerissen und in medialer Verbreitung als modische Stilvariationen oder «Kostümiertechniken» kolportiert wurden, kommen sie auch in der relativ angepaßten Teilkultur immer wieder in den Blick. Auffällige jugendliche Subkulturen wie Punks oder Skinheads waren und sind immer auch ein Medienereignis» (1998, 34).
176
Für die katalanische Jugendsprache waren die Fanzines allerdings nie sonderlich relevant. Zwar existierte in Barcelona eine Vielzahl von Fanzines, doch spielte hierbei die katalanische Sprache nie eine Rolle: «A Catalunya, el fanzine ha estat un mitjà essencialment urbà, concentrat a Barcelona i la seva perifèria industrial. […] Però això si, sense abandonar el castellà. Deixant de banda els nuclis de Reus o els fanzines de bandes independentistes, els fanzines escrits en català – si més no bilingües – no passen de la vintena, dels prop de tres-cents consultat. Això no hauria de sorprendre si es té en compte que en els darrers trenta anys tota la cultura jove d’aquest país s’ha expressat en castellà, i que aquesta tendència pot haver-se reforçat amb el suport rebut per la televisió i la premsa especialitzada en la dècada dels setantes i amb la premsa especialitzada més tard. Aquest raonament hauria pogut servir fa quinze anys, però avui no porta enlloc. La gent que fa fanzines coneix i parla de vegades el català. Però aquest segueix essent un intrús dins la cultura jove d’aquest país. I potser és hora de fer-s’ho mirar. Perquè si es passa dels llenguatges als continguts, a la ideologia d’aquestes publicacions, el resultat és bastant decebedor. Les crítiques a la «cultureta» que fa uns anys llançava la revista Star s’han convertit en una certa agressivitat – o el que és pitjor, indiferència – envers tot el que és català. Dubto que els qui fan fanzines confonguin alternatiu i marginal amb parlar una altra llengua que no és la seva, però ja no està tan clar que els qui porten la cultura d’aquest país no confonguin marginal i alternatiu amb parlar castellà. La confusió pot costar cara. El nacionalisme espanyol dels anys vuitantes ha consagrat al castellà com a llenguatge de modernitat i el català és contemplat per molts joves com un reduce arcaic amb tendència a desaparèixer» (Aymerich 1990, 78s.).
Diese Entwicklung und die Konzentration der Fanzine-Produzenten auf die spanische Sprache sind im Hinblick auf die sprachliche Normalisierung als bedauerlich zu werten. An ein jugendliches Publikum gerichtete und von mehrheitlich Jugendlichen produzierte Publikationen wie Fanzines könnten der katalanischen Sprache durchaus zu einem größeren Stellenwert verhelfen, denn «Fanzine-Produzenten sind experimentierfreudig und indifferent gegenüber etablierten Normen» (Androutsopoulos 2002, 6). Sie durchbrechen Konventionen, sind jenseits des publizistischen Mainstreams anzusiedeln und wären somit in ihrer Doppelfunktion oder Mittlerrolle zwischen Jugendsprache und Mediensprache interessant. 4.6.1.3. Neuere Entwicklungen Kommen wir zu den Medienproduktionen für Jugendliche zurück: Hier ist in den letzten Jahren eine leichte Trendwende zu verspüren. Serien wie Plats bruts – und vorher schon, wenn auch in wesentlich geringerem Maße, die Serie Poble Nou (cf. Paloma i Sanllehí 1999, 84) – berücksichtigen bei der Darstellung einiger Figuren ein weniger an der Norm als an der Alltagssprache orientiertes Katalanisch und erzielen damit hohe Quoten und kommerzielle Erfolge. Bisher existieren allerdings keine allgemeinen Studien über die sprachliche Glaubwürdigkeit und Authentizität in den Serien oder bei Moderatoren. Problematisch ist nach wie vor das Fehlen einer «Basis» für den 177
Gebrauch der authentischeren oralen Register in Form einer deskriptiven mündlichen Norm des Katalanischen (cf. 3.1.1.). Werden bei den traditionellen Kommunikationsmedien nun also sukzessiv orale Register und Sprechstile einbezogen,56 so wird diese Erscheinung umso deutlicher, je intensiver es um die von Jugendlichen umfassend genutzten neuen Technologien (cf. Wieland 2006b) geht. Diese sind, ebenso wie die Musik, durch Herkunft und Entwicklung eng mit der englischsprachigen Welt verbunden, weisen zahlreiche Sprachkontaktphänomene sowie einen innovativen bis revolutionären Umgang mit Sprache auf. Die in neuester Zeit propagierte Ausdehnung der jugendsprachlichen Kommunikationsanalyse auf neue Technologien und ihre aktive kommunikative Nutzung durch Jugendliche im Gegensatz zur bisherigen passiven Rezeption oder reinen Imitation der Medien(sprache) mit Hilfe der Bricolage-Technik stellt eine wesentliche Änderung in der Jugendsprachforschung dar. Erste Reflexionen mit Bezug zum Katalanischen finden sich hierzu in Arbeiten von Torres (1999), Galindo/Pons (2000) sowie Torres/Payrató (2001).
56
Zwar in Bezug auf das Französische, doch in weiten Teilen allgemein gültig, analysiert Boyer: «[…] dans la société médiatisée où nous vivons aujourd’hui il n’y a pas lieu de s’étonner de ce que ce fonctionnement constitutif de la communauté linguistique passe largement par les discours médiatiques. Ainsi ce dont il est question ici est un phénomène doublement exemplaire: il relève pleinement de l’emprise d’un idéal de langue […] sur nos imaginaires collectifs et il révèle spectaculairement le rôle profondément intégrateur des médias. Médias pour qui, non seulement les jeunes, surtout lorsqu’ils sont ‹en révolte›, sont un ‹objet de gourmandise› (car ‹montrer [ces] jeunes [..] c’est être jeune soi-même, c’est attester que l’on participe à l’avenir du monde, puisque ces jeunes sont cet avenir›)» (1997, 7). Den aus dieser gewollten Jugendlichkeit resultierenden Sprechstil in Freizeit und Medien bezeichnet der Autor als «style faux-jeune: on offre ainsi aux lecteurs ‹ados› ou ‹parents› le spectacle d’une certaine façon de parler qui leur est sinon familière du moins pas inconnue et en même temps on domestique ce ‹jargon interdit aus parents› […], ce ‹dialecte› […], on le présente comme une curiosité linguistique complexe certes, mais parfaitement convenable et même utile: un code qu’il vaut mieux maîtriser» (1997, 8). Trotz zahlreicher syntaktischer und semantischer Verschiebungen, die es in der französischen Jugendsprache vielfach gibt (das Pronomen on statt nous, Akzeptanz der unpersönlichen Struktur ça… z. B. bei ça craint), wird in den Medien fast ausschließlich der lexikalische Aspekt betrachtet und Jugendsprache darauf reduziert. Grund ist auch hier die starke Variation und Heterogenität der jugendlichen Sprechstile. Die Lexik betreffend konstatiert Boyer einen starken anglo-amerikanischen Einfluss, aber natürlich auch der Sprachen der banlieues, allen voran des Arabischen. Boyer weist allerdings auch darauf hin, dass in Frankreich die Präsenz der Jugend in den Medien oft in den Kontext der médiatisation de la banlieue integriert wird, was bedeutet, dass Jugend oft im Kontext von Immigration, Gewalt und Kriminalität gezeigt wird.
178
4.6.2. Das Jugendbild in den ausgewählten Medienbeiträgen des Korpus Für die Medienkommunikation gilt: Ein häufig anonymer Autor/Kommunikator steht einem ebenfalls anonymen Publikum gegenüber, das er über das Medium erreichen möchte. Er kennt seine Zielgruppe nur ungefähr, es existiert jedoch in seinem Kopf ein Bild vom Rezipienten, der genauso wie dieser eine relativ feste Vorstellung vom Kommunikator hat; beide wiederum haben auch konkrete Erwartungen an das Medium. Die Bilder vom jeweils anderen und vom Medium kann mehr oder weniger divergieren bzw. konvergieren, da sowohl Kommunikator als auch Rezipient als Individuen wiederum in unterschiedliche, komplexe soziale und berufliche Umfelder eingebunden sind (cf. Faulstich 2002, 40; Burger 1990, 29s.). Ein Beispiel aus dem Korpus untermauert diese Darstellung. Hier stellt eine jugendliche Leserin empört fest, dass der von der Zeitschrift Enderrock ausgegebene Gutschein für einen Konzerteintritt für sie als noch nicht Volljährige nicht einlösbar war: JESC8 no ens han deixat entrar als Premis Enderrock 2003 amb l’entrada que regaleu amb la revista […] Però quina edat penseu que tenen la majoria dels vostres lectors? Llavors, perquè poseu la mel als llavis i ens quedem molt desil·lusionades i ens hem de quedar amb les ganes de veure els nostres grups preferits.
Durch verschiedene medientechnische Maßnahmen wie Publikumskommunikation in Talkshows oder Hörer-Telefone wird versucht, diese Anonymität aufzubrechen; gleichzeitig entstehen dadurch aber einer oder mehrere zusätzliche Kommunikationskreise über den bereits bestehenden mit dem Rezipienten am Bildschirm hinaus: mit der intervenierenden Person (z. B. Gast in der Talkshow) und mit dem eventuellen Publikum im Studio. In einem Beispiel aus dem Korpus werden diese mehrfachen Kommunikationskreise deutlich. In TELE13 fragt z. B. ein eingeladener Gast beim Moderator eine sprachliche Unklarheit nach, da dieser mit einem anderen Gast auf Katalanisch über einen Song diskutiert. Die Antwort des Moderatoren darauf lautet schlicht: el public ja ho entèn. Trotz dieser erwähnten medientechnischen Maßnahmen existieren weiterhin feste Bilder und Erwartungen, die von den Medien häufig in Form von Stereotypen57 verbreitet werden: «Stereotype in den Medien sind in einem Widerspruchsfeld. […] ihre Formel, insbesondere ihre Rekursivität, dient einer Verfestigungsstrategie. Das fixierte Muster
57
Bezüglich des Begriffs ‹Stereotyp› beziehe ich mich auf die Definition von Wenzel: «Ein Sterotyp ist der verbale Ausdruck einer auf soziale Gruppen oder einzelne Personen als deren Mitglieder gerichtete Überzeugung. Es hat die logische Form einer allgemeinen Aussage, welche in ungerechtfertigt vereinfachender Weise, mit emotional-wertender und normativer Tendenz einer Klasse von Personen bestimmte Eigenschaften oder Verhaltensweisen zu- oder abspricht» (1978, 120).
179
wird u. U. zur Sprachhülse, zu einem sprachlichen Klischee. Damit wird auch ein Anspruch auf einen Platz im Kopf der Rezipienten erhoben. Zum anderen verfolgt die Innovation bei Begrüßungsformeln das Ziel, für die jeweilige Übertragung möglichst viele Konsumenten zu gewinnen. Der Inhalt der Sendung formt die Ausdrucksweise der Begrüßung, das Abweichen vom Muster erhebt ebenfalls Anspruch auf einen Platz im Kopf der Rezipienten. Beide Pole eint, dass sie auf die Formierung eines hohen Publikumsanteils ausgerichtet sind. Beide Pole trennt, dass von der traditionellen Formel zum innovativen Muster, zur Variante, der Grad der Festigkeit abnimmt» (Sternkopf 1998, 122).
Stereotype in den Medien basieren auf verschiedenen Strukturen und sind themen- und zielgruppenabhängig, beziehen sich aber immer auf gesellschaftliche Situationen, die sie in standardisierter Form verbreiten. Unter anderem deshalb sind Stereotype in den Medien besonders geeignet, verinnerlicht zu werden, wie man besonders gut am Beispiel der Werbung sehen kann: «Über das Stereotyp aber wird die Ware leichter identifizierbar und besser verkäuflich. Die Werbung tut das ihre, um solche Stereotypen zu verfestigen, indem sie nicht nur den Produktnamen, sondern auch die zusätzlichen Zuordnungen ständig wiederholt und lebendig hält» (Bausinger 1988, 17s.).
Betrachtet man die Werbesequenzen in den ausgewählten Medienbeiträgen des Korpus, werden bereits einige der Stereotypen klar, mit denen die katalanischen Medien ihrer jugendlichen Zielgruppe begegnen. So präsentiert der Beitrag TELE31 die Comicmesse Saló del Manga als ein großes Medienereignis, das alle Jugendlichen interessieren muss. An einer anderen Stelle des gleichen Beitrags folgt eine Werbesequenz, die auf stereotype Weise die Computerbegeisterung der Jugendlichen darstellt und diese als Kaufreiz nutzen will: TELE31 A: {(E)mola-} B: {i perquè mola}/ A: {(E)perquè torna ordenatas-} {(E)sí/ ordinadors per la nostra escola}/ B: {(E)i gratis/} A: i moltes coses més\ alle: què guai A: {(E)amb els personatges ordenatas sorteigen}alle: 200 GameBoy Advance SP II/ B: {(E)aconsegueix la teva}A: {(E)i els punts per al cole}\
Diese Beobachtungen setzen sich in den weiteren Beiträgen des Medienkorpus, sowohl in Produktionen des öffentlichen wie des katalanischen Privatfernsehens, fort. In den Folgen der Serie Plats Bruts (TELE2 – 11), ausgestrahlt vom öffentlichen Sender TV Catalunya, werden zwar immer unterschiedliche Themen behandelt, im Mittelpunkt stehen aber persönliche Beziehungen, Liebesbeziehungen, Verhalten unter Freunden, Schwierigkeiten 180
mit den Eltern, berufliche Entwicklung der Jugendlichen, Mode- und Musiktrends, um nur einige zu nennen. Die drei als jugendlich einzustufenden Protagonisten werden durch ihre übermäßige, unreflektierte Begeisterungsfähigkeit für neue Ideen als leicht beeinflussbare Menschen dargestellt. Sie stellen markante Typen – verwöhnter Junge aus reicher Familie (es un nen pijo, un nen consentit, TELE2), ein alternativ gekleidetes Hippy-Mädchen und einen jungen Homosexuellen mit künstlerischen Ambitionen dar, deren Unterschiedlichkeit gut herausgearbeitet, jedoch überzogen dargestellt ist (sowohl durch schauspielerische Leistungen als auch sprachlich, z. B. ei família, que sóc maricón, TELE7). Diese Überzeichung ist allerdings auch erkennbare Absicht der Serie, so z. B. gut ersichtlich an der Folge Tinc un pare hippy (TELE8). Die einzelnen Typen werden durch ihre Kleidung untermauert, die aber als Thema nicht explizit im Mittelpunkt steht. In den anderen aufgezeichneten Serien überwiegen vor allem Beziehungsprobleme sowie Schwierigkeiten auf der Arbeitsstelle oder in der Schule. Die Talkshow Una altra cosa rückt etwas stärker politische Aspekte in den Vordergrund, auf die in der Sendung in Form von ironischen Kommentaren und Darstellungen eingegangen wird. Die politisch eher linke Position der Sendung wird schnell deutlich, zumal die für das Korpus aufgezeichneten Sequenzen aufgrund zeitlicher Aktualität (März 2003) alle den Irakkrieg sowie die politische Haltung Spaniens und der USA vehement und sarkastisch kritisieren (cf. TELE15, 21). Interessant ist hier der Einsatz des Spanischen, wenn Politiker zitiert werden. Erfolgt das Zitieren von spanischen Politikern wie Aznar grundsätzlich – und logischerweise – auf Spanisch, so ist es m. E. interessant, dass amerikanische oder englische Politker ebenfalls auf Spanisch (meist mit gespieltem englischen Akzent) und nicht auf Katalanisch zitiert bzw. imitiert werden (cf. TELE12). Was das Jugendbild in der katalanischen Presse angeht, sei an dieser Stelle ein kurzer Überblick über die von katalanischen und spanischen Printmedien publizierten Artikel zum Thema Jugend (im Erhebungszeitraum des Korpus September bis November 2003) gegeben. Hier werden Jugendliche vor allem negativ als Hausbesetzer, Diskothekbesucher, Drogenabhängige, Skinheads, Fernseh- und Handysüchtige und Gewalttäter präsentiert. Einige Schlagzeilen lauten:58 «Barcelona ha desalojado 117 casas okupadas en los últimos diez años Infiltrado en el mundo skin Tots els perillosos volen semblar ‹skins› Els nens espanyols veuen 218 minuts diaris de tele La Catalunya ‹skin›, una realitat complexa Cuando la violencia es diversión La adicción al móvil llega al psiquiatra.«
58
Cf. Murillo 2003a und b; Salas 2003; Delgado 2003; Gòmez 2003; Viñas 2003; Olivera 2003; Espinós 2003.
181
Die katalanische Presselandschaft selbst bietet wenige Publikationen für ein jugendliches Publikum. Im Musiksektor sticht besonders die Zeitschrift Enderrock hervor. Hier werden Kategorisierungen Jugendlicher verständlicherweise vor allem in Bezug auf ihren Musikgeschmack verbreitet; es erscheint aber auch das Bild des jugendlichen Computerfreaks: PREM20 Tot està barrejat, encara que el makiner abunda als barris populars, el techno sofisticat és propi dels ambients universitaris, el punk o el metal són més interclasistes i el pop més comercial té més adeptes entre les noies de classe obrera i mitjana (…) El masculí és estar molt assabentat i tenir un posat underground. El femení és més pop. PREM29 un ídol de píxels de molts adolescents enganxats a la PlayStation (…) que els adolescents del país tenien somnis eròtics i atacs de testosterona amb la protagonista d’un videojoc (…) la joventut que s’estimava més cremar hores davant la PlayStation que jugar a futbol. A partir d’aquí, el boom Lara Croft va esdevenir espectacle
Kommen wir noch einmal zurück auf das Jugendbild im katalanischen Fernsehen. Der Musiksender Flaix TV (Grup Flaix), eine Art katalanisches MTV, richtet sich an ein jüngeres Publikum bis maximal 25 Jahre (cf. INFO4); er stellt vor allem die Spaßgesellschaft in den Mittelpunkt und konzentriert sich in seinem gesamten Programm stark auf die Faktoren Freizeit und Musik (vor allem aus dem englischsprachigen Raum). Eine ausgewählte Reportage beschäftigt sich mit den Ausgehmöglichkeiten am Samstagabend und den Angeboten verschiedener Bars und Diskotheken. Jugendliche werden vor allem als Freizeit- und Musikkonsumenten dargestellt; andere Interessen (Politik, Gesellschaft, Sport etc.) werden nur in geringem Maße, als kleine Randnachrichten, angesprochen. Eine gute Zusammenfassung, mit welchen Stereotypen die Massenmedien bezüglich des Jugendbildes, das sie verbreiten, arbeiten, ist die Reportage Entrelínies (EL) des Senders TV Catalunya. Sie gibt von vornherein ein klares Bild der dargestellten Jugendlichen vor. In der Anmoderation heißt es: M: estudis apart/ una de les principals preocupacions dels jovesés la {(E)imatge}/ i els valors que poden transmetreen {(E)funció} de la roba que porten
Diese Einstellung wird in der Reportage durch zwei extrem gegensätzliche Gruppen von Jugendlichen zu vermitteln versucht: die äußerst arroganten, wohlhabenden pijas mit Markenkleidung und eine Gruppe alternativ gekleideter Mädchen, die als hippies bezeichnet werden. Dem Zuschauer werden über Selbst- und Fremdkategorisierungen der dargestellten Jugendlichen 182
deren Eigenschaften vermittelt sowie die Tatsache, dass es zwischen beiden Gruppen außer der Gemeinsamkeit, häufig bauchfrei zu tragen, eine unüberwindbare Kluft gebe,59 die keinen Mittelweg, sondern höchstens noch andere Extreme (skaters, heavy etc.) zulasse:60 M: a tota la colla de la Daniela/ els agrada l’estil /hippy/ (..0,4) H: /hippy/ no és una manera de vestir/ és una manera de pensar:i nosaltres:/ pues: jo diré que quan sigui gran:/ potser: (..0,4) potser {(E)viuré:} com una persona xipiperò de moment no/ perquè no puc\ (..0,4) o sigui:jo crec que seré okupa/ {(@)però::} (.0,3) saps/ per això estic així\ H2: no sigui ninguna moda/ (…) si ens agrada/ ens ho posem no volem a tots igualsno mola\ (...) P: a mi:en prinicipi/ amb això/ em molestava molt\ que em deien {(E)pija}/
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60
Diese Behauptung kann in direkter Gegenüberstellung mit dem jugendsprachlichen Teil des Korpus widerlegt werden, cf. però n’hi ha de tot també, de color normal, però no, la majoria, no és molt pijo, hi ha una altra noia, ens entenem bé (JOVE2). Diese und andere Beschreibungen des in den katalanischen Kommunikationsmedien verbreiteten Jugendbilds entsprechen in gewisser Weise der von Luhmann (1997) vertretenen Auffassung der Konstruktion einer Medienwelt, die nicht mit der Alltagswelt identisch ist, die jedoch so auftritt, als ob sie es sei. Die Medien informieren nach Meinung des Autors nicht über die Realität, sondern erzeugen eine Realität, die ohne sie nicht existieren würde. Dadurch entsteht eine Spaltung zwischen der Wirklichkeit und ihrer Darstellung in den Massenmedien, die sich m.E. auch in sprachlicher Hinsicht bemerkbar macht.
183
i bueno\ ja està\ no/ però {(F, E)després:}/ no sé:la gent em diu\ pues: {(F)ets una pija}/ (.0,3) mhbueno pues sóc així\ aviamés com sóc m’agrada així P2: {(F) [és {(E)aceptar-ho}:] tu seràs /eskeiter/ /xipi/ lo que sigui o: o també: perquè: hi ha {(E)molta} gent/ queets una pija\ (.0,3) bueno t’has vist al mirall/
Die dargestellten Jugendlichen, fast ausnahmslos Mädchen, werden nur in der Schule oder beim Einkaufen von Kleidung gezeigt; diese Einschränkung wird zusätzlich durch stereotype Aussagen der «hilflosen» Eltern, dass sich ihre Kinder eben nur für ihr Äußeres interessieren würden, gestützt. An der kurzen Sendung Entrelínies lassen sich auch sehr gut die (sprachlichen) Abgrenzungsmechanismen zeigen, welche die Jugendlichen nutzen, um durch Selbst- und Fremdkategorisierungen (cf. 4.5.2.7.) Distanz zu anderen Gruppen zu schaffen. 4.6.3. Distanzierung durch Kategorisierung Mit der Behauptung «We are what we are because they are not what we are» beginnen Tajfel/Forgas ihre Darstellung darüber, wie Gruppen ihre eigenen positiven Eigenschaften durch Gegenüberstellung mit Negativbeispielen als «Ausnahme von der Regel» (1981, 124) herausarbeiten. Hausendorf/Kesselheim greifen diese Behauptung auf und fahren fort: «Therefore, individuals constantly compare their in-groups with other groups. As they strive for a positive self-image, they try to become (or remain) a member of only those groups that make a positive contribution to their social identity» (2002, 267; cf. hierzu auch van Dijk 1987, 97).
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Für die Entwicklung eines die Jugendlichen zufrieden stellenden Selbstbildes, das es zunächst zu schaffen, dann zu bewahren und zu verteidigen gilt, sind soziale Vergleiche außerordentlich wichtig. Im Rahmen der Gruppenkonstitution entstehen auch die Vergleiche direkt in der Interaktion und werden dort aus- und umgestaltet. Für Schwitalla/Streeck geht es im Gespräch darum, «ob die Situation ‹uns› oder ‹den anderen› gehört, wie ‹wir› uns Zugang oder Kontrolle verschaffen können, dass die Situation auch weiterhin ‹uns› gehört» (1989, 239).
Wie man am Beispiel der Sendung Entrelínies sehen kann, findet die trennende Funktion Ausdruck in solchen undifferenzierten deiktischen Ausdrücken wie ells/elles, aquests/aquestes, els/les altres, in der direkten Nennung des Gruppennamens, manchmal auch in pejorativen Bezeichnungen, die auf die jeweilige Fremdgruppe gerichtet sind) und im direkten Vergleich (hippy – pijo) (cf. hierzu auch Wenzel 1978, 53): H: normalment les pijas porten:/ tota la roba/ com: igual\ que no van: deixades:/ ni van:no tant com volen/ sino com ho dicta la moda/ que a ver: si ves un hippy pel carrer/ i té: moltes maneres de seri en canvi/ una pija perquè:\ normalment van xxx roses blau cels i blancs\ H: potser una pija:/ es posa un jersei/ només pel fet que és Ralf Laurensi no té té la la marqueta/ ja noja no li agrada\
Im Vergleich verschiedener sozialer Gruppen ziehen die Gesprächsteilnehmer zahlreiche Grenzen zwischen sich und den anderen, positionieren die Outgroups je nach Situation und kommunikativen Zielen in kleiner oder 185
größerer Distanz zur Ingroup61, erklären ihre eigene Kompatibilität oder Inkompatibilität mit ihnen «and define thereby the relative position of these social groups in a multidimensional «social space» (Hausendorf/Kesselheim 2002, 266). Für die vorliegende Arbeit ergibt sich demnach nach Analyse der verschiedenen Gespräche mit Evozierung unterschiedlichster Outgroups folgendes Bild, in dem die häufigsten Fremdkategorisierungen aufgeführt sind, von denen die interviewten Jugendlichen sich abgrenzen:
Mainstream / Konsumgesellschaft
Soziale Randgruppen – borratxos – guarros – drogatas (vgl. JOVE7 u.a.)
– pijos – addictes de Internet / messenger – addictes de la tele (que miren tot que fan) (vgl. JOVE12a, JOVE17 u.a.)
Alternative – okupes – els que són molt d’esquerra (vgl. JOVE17, u.a.)
Eigene »peergroup« Musik- und Kleidungsstile – heavies – punks – pijos – hippies – skaters – maquineros, etc. (vgl. JOVE2, JOVE8 u.a.)
Andere Generationen Gruppen mit (extremer) politischer Einstellung – espanyolistes – fatxes – catalanistes – skins (vgl. JOVE7, JOVE10 u.a.)
–pares – els joves / la joventut (més joves que ells mateixos germans més joves) (vgl. JOVE6, JOVE16, u.a.)
Graphik 4–10: Fremdkategorisierungen der jugendlichen Informanten des Korpus (nach eigenen Daten)
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Die ausdrücklichste Form der Distanzierung, nämlich durch das Zitieren anderer unter der Vermeidung der Nennung einer eigenen Meinung, findet sich in folgendem Beispiel: JOVE12 A: a m’hi m’han explicat/ de estil:(…) si escoltes màquinanormalment/ pues vasamb el pantalon més ample (…0,4) K: mh/ A: amb plataformes/ (..0,5) i: la música pop no tant\
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Interessanterweise erfolgt aber, außer in dem bereits erwähnten Beispiel aus der Sendung Entrelínies, in fast keinem der Interviews eine explizite Zuordnung der Jugendlichen zu einer Subkultur. In den Arbeiten von Pujolar (1997) oder Barruti (1990) sind diesbezüglich klarere Selbstkategorisierungen (hippies, heavies etc.) zu erkennen. Im Korpus dieser Arbeit hingegen ist sie eigentlich nur bei den Vertretern der «klassischen» Subkulturen (okupes, punks etc.) wahrzunehmen, die sich in ihren Aussagen mehr indirekt als direkt auf ihre eigene Kategorie beziehen: JOVE19 L: fa poc/ nosaltres vam estara l’octubre vam estar a Ginebra:/ K: mh/ L: cada any fan un festival:/ el /rootboy/ em:: /rootboys night/ (..0,4) els diuen xxx és un festival antifascistael fan cada any/ i:: festival punk oi és a un centre social {(E)enorme}\ una copa {(E)enorme}\ K: mh/ L: d’estil europeu:no com aquí\ (..0,4) molt {(E)maca}\ home:\ i: hi ha dues plantes/ i llavors/ en una planta/ fan tots els concert de punk oiK: mh/ L: i a l’altre / fan concerts més d’eska i de reggae {(E) ple ple} de gent maquíssimJOVE3 B: home, hi ha molta: gent que estava encanvull dir ara clar que queda no xxx no podem dir eh em eh: {(AC)que estan enamorados de nosotros}no/ A: @@@ K: [@@@] B: {(@) no} però si que ja tenim ((els okupes)) tenim molt molt de suport per la gent del barri\
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Die abnehmende Bedeutung von großen subkulturellen Bewegungen für Jugendliche ist ein Thema, mit dem sich die Jugendforschung, vor allem aus soziologischer Perspektive, in den letzten Jahren gezielt beschäftigt hat und die auch in der Öffentlichkeit diskutiert wird. So schreibt z. B. Lau in Die Zeit: «An die Stelle der großen Jugendbewegungen sind unüberschaubar viele Szenen und Stile getreten. […] Szenen sind flexibler, offener und weniger bindend als hergebrachte Milieus oder politsche Lager. Sie bieten gemeinschaftliche Rituale in einer Gesellschaft, die kaum noch Verbindlichkeiten kennt. Man kann sich in abgestuften Graden an ihnen beteiligen.» (2005, 51)
Der Artikel evoziert weiterhin die Vorstellungen eines «zunehmend unübersichtlichen Mainstreams der Minderheiten» und stellt Jugendkulturen vor allem als kulturindustriell verwertbare, wenn nicht sogar von der Kulturindustrie iniziierte Systeme dar. Kein Stil sterbe darin für immer, sondern es können immer neue hinzukommen – ein Prozess, der durch Medialisierung, Individualisierung und Kommerzialisierung beschleunigt werde. Dieser Prozess führt allerdings auch zu einer «Verwässerung der unterschiedlichen Szenen», die längst nicht mehr klar voneinander abzugrenzen sind. Dass diese Entwicklung auch von den Jugendlichen selbst innerhalb der Szenenlandschaft wahrgenommen wird, belegen folgende Korpusbeispiele: JOVE3 A: potser que fa uns anys hi havia una cultura punk i heavy molt forta/ (…) B: és que jo crec que és com {(F)tot}/ abans era molt més marcada la escena dels {(F)punks} dels {(F)heavies} dels:: mods dels (..0,4) dels xx aquestsi era molt més definit/ separatJOVE8 C: tu potser un dia et veuen/ que vas vestida més skater\ però potser (xx) et veuen/ que vas vestida: pues::més {(E)pija}/
Dennoch nutzen die Jugendlichen – wie bereits dargestellt – diese auf Stereotypen gründenden Kategorisierungen zur positiven (wie negativen) Eigendarstellung und zur Abgrenzung von anderen Gruppen. Die Kategorisierungen dienen den Jugendlichen aber auch zur direkten Abgrenzung vom Jugendbild in den Medien bzw. dessen gesellschaftlicher Interpretation. 4.6.3.1. Kategorisierung zur Abgrenzung vom Jugendbild in den Medien Die Jugendlichen befinden sich bei der Distanzierung von dem von ihnen «verkauften» Bild in den Medien in einem Spannungsfeld. Folgendes Beispiel aus Entrelínies zeigt die Abgrenzung von der eigenen Gruppe, die aufgrund 188
des Medien- und Gesellschaftsbildes nicht mehr den eigenen Vorstellungen entspricht: P2: de la meva manera de ser/ tampoc som molt: molt pijasP: [jo no/] jo no sóc pija jo: ehm: mira personalment:/ sóc independista/ (..0,4) no vull dir/ que sí: de les pijas no tinc/ que ser o no/ però: però no vol dir re:\ P2: som: bastant pijas però també: tenim altres coses\ P3: [sí:] pensem en altres coses que no sol de vestir saps/ P2: [sí a més] no:/ no ens agrada ser superficials\ P3: [altres pensaments\] sí P: i a mi per exemple/ m’encanta molt el {(E)teatre}les naturalsm’agradeni no:/ per sí pija/ no vol dir que només m’inmhaviam que: m’agrada de guapa/ no/ però també m’interessa / o sigui: que tinc:P2: [no només imatges\] P: o sigui que tinc:que xxx saber coses/ m’agrada {(E)molt} el teatre/ i això ja vol dir que m’interesso per altres coses\
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Auch im Korpus dieser Arbeit finden sich Aussagen, die den Konflikt der Jugendlichen zwischen Selbstkategorisierung und ihrer Fremdkategorisierung durch andere – im Allgemeinen und in den Medien im Besonderen – kritisch reflektieren. Folgendes Beispiel zeigt die Ablehnung seitens der Jugendlichen dieser oft vorschnell getroffenen, auf Äußerlichkeiten basierenden Kategorisierungen und der damit verbundenen Stereotypbildung. Besonders deutlich wird dies am Ende des zitierten Ausschnitts (tú potser […] més pija), da hier die widersprüchliche Wechselhaftigkeit und auch Willkür der Kategorisierungen, denen sich die Jugendlichen ausgesetzt fühlen, angesprochen wird. JOVE 8 A: bueno puesvale/ vesteixes punk:buenodoncs mira:ets un punk\ no/ però(..0,8) també:: igual/ si:et classifiquen\ ets skater {(AC)vol dir que penses/ (.0,3) d’una manerao penses d’una altra}\ C: clari potser no:C: [es classifica tot] K: [mh/] A: i potser doncs{(AC)o diuen: els skaters són uns penjats/ que no tenen cap preocupació el que siguidoncs {(E)no}}/ potser sí\ (..0,4) {(AC)saps que també relacionen/ amb:: com pots pensar/ i com pots deixar de pensar: i les coses que creus} tampoc:(…) C: tu potser un dia et veuen/ que vas vestida més skater però potser (xx) et veuen/ que vas vestida:
190
pues::més {(E)pija}/
Die Kommunikationsmedien haben ihre Aufmerksamkeit in besonderem Maße auf jugendkulturelle Ausdrucksstile mit ihren auffälligen Ausdruckscodes gelenkt. Die Medien betreiben eine Kommerzialisierung der Jugendkulturen – die in den seltensten Fällen in den Medien selbst kritisch reflektiert wird, wie im folgenden Beispiel aus dem Korpus (Zeitschrift més jove, November 2003) ersichtlich wird: PREM22 Convertir-se en una gran estrella (OT), passar tres mesos aillat en una casa (GH), implantar l’uniforme a tots els instituts europeus (moda comercial). La societat actual fa esforços per homogeneitzar el comportament dels més joves. […] Sembla que es vulgui crear una massa juvenil obedient, acrítica i al servei del pensament únic predominant.
Die Massenmedien ermöglichen teilweise erst die Durchsetzung der Jugendkulturen durch die mit der Kommerzialisierung verbundene Verbreitung bei immer größeren Teilen der Bevölkerung. Dadurch verkürzen sie aber in gewisser Hinsicht die «Halbwertszeit» (cf. Vollbrecht 1997, 26) von Jugendkulturen und -sprachen, sie sorgen dafür, dass immer wieder Neues und Kreatives zur Bewahrung der Originalität nachfolgen muss: «Se da […] un proceso de osmosis continua, pues, si por un lado, estos medios audiovisuales hacen de espejo donde se refleja la vida y el lenguaje especial de un pequeño grupo social, por otro, bajo sus poderosos efectos, la jerga sale de su gueto marginal, difundiéndose amplia y rápidamente. De este modo se obtiene un enriquecimiento y uniformización del argot general que cobra un mayor sentido en una sociedad como la actual, más indiferenciada y más homogénea culturalmente» (Rodríguez González 1989, 17).
Alle «Multiplikatoren» für die Verbreitung von jugendsprachlichen Äußerungen erweisen sich allerdings gerade gegenüber dem jugendlichen Bild, das sie zu vermitteln suchen, als paradox. Barruti äußert sich in ihrer Publikation El món dels joves a Barcelona dazu wie folgt:62
62
Cf. hierzu auch Rodríguez González: «La cultura juvenil es el efecto de un sistema comunicativo en el que el joven no encuentra lugar sino como objeto y como mensaje, pero nunca como sujeto. La juventud, como el dinero, se convierte en un medio de ‹intercambio› para la cultura institucional, es un valor simbólico que carece de realidad en cuanto tal, carece de valor real. Los adultos y las personas integradas ‹desean› ser jóvenes, adoptan actitudes pautadas socialmente como ‹jóvenes›, se visten y compran guiados por conotaciones publicitarias ‹jóvenes›, pero no ‹son jóvenes›, su juventud carece de realidad: nadie disfruta ni es feliz por el hecho exclusivo de ser joven, que ni siquiera es una condición necesaria para ello, como saben muy bien los propios jóvenes» (1989, 41).
191
«Referint-nos als mitjans de comunicació, s’hauria d’analitzar el significat del contrast entre la imatge abstracta que acostumen a oferir de la joventut, positiva, com a ideal de futur i esplandor del present (que s’hauria de relacionar amb el procés de ‹juvenilització› de les societats industrials contemporànies), la imatge concreta dels joves que apareix moltíssimes vegades, lligada a temes més o menys escabrosos com la delinqüència, la drogodependència o la violència en general» (1990, 10).
Bei der Verbreitung dieses von Barruti als konkret bezeichneten Jugendbildes verzeichnen die Kommunikationsmedien aber auch «Erfolge» bei den Jugendlichen selbst, die bereit sind, das von ihnen gezeichnete Fremdbild zu übernehmen, nicht ohne sich allerdings von der eigenen Gruppe zu distanzieren: JOVE12a A: (…) però com espècia de degradació en la joventut/ {(@)jo vull dir}ara semblo un vell\ {(@)no/ verdad/ B: @@@ A: jo quan quan anava al primer d’ESO/ no erano primer d’ESO noperò no era que els nens: més petitsmh/ (..0,4) d’allò quan anava al seu curs/ ((zeigt auf einen Kleinen in der Nähe)) K: aha/ ara són com molt més: {(E)xuletes i macarres}/ les nenes:/ semsempre van com {(E)pintades} i amb les pinces xx i: K: del:del primer d’ESO/ A: primer d’ESO noperò una mica més endavantsí B: [sí] a segon o tercer ja:: allà\ A: i:: no séJOVE40 (.. 0.95) ah: jo què sé\
192
estar content amb lo:amb {(L2) lo que hay\} (... 1.35) o sigui el qmés aviat el conformisme no/ (.. 0.41) com tota la joventut d’ara\ @@B: (.. 0.45) sí/ creus que: (. 0.25) la joventut és conformista/ M: (.. 0.41) sí\ {(AC)(P) mogollón home\} B: m/ M: (... 1.02) {xx pensa que:-} (.. 0.68) ara mate:ix(.. 0.62) o sigui: més aviat em fa por la: joventut que vindrà ara:(. 0.22) que: la gent que hi ha a dalt\ (.. 0.78) per realment(.. 0.32) tot lo que veig és que tothom es droga\ (... 1.06) i jo què sé\ i jo: ara per exemple jo:(.. 0.41) fu- fumo porro:si tal no/ (.. 0.73) però una cosa és fumar porrosi l’altra fotre’s pastilles-
Die Medien verbreiten ein Jugendbild, das zum einen den Jugendlichen als Selbstbild zur Übernahme angeboten wird (ob als positives oder negatives Selbstbild sei dahingestellt), zum anderen aber für die Jugendlichen bzw. auch für andere Gesellschaftsgruppen als Fremdbild fungiert (die «bösen, nonkonformen» Jugendlichen). Beide Perspektiven können sich überschneiden, da die Jugendlichen sich nicht kategorisch für ein «Entweder-oder» entscheiden, sondern mitunter Teil dieses Bildes sein wollen – es also als von außen auferlegtes Selbstbild akzeptieren (ara per exemple jo fumo porros, JOVE40). Zum anderen distanzieren sie sich aber davon, betrachten es also als Fremdbild der anderen Jugendlichen und ihrer respektiven Gruppen (però una cosa és fumar porros i l’altre fotre’s pastilles, JOVE40). Die Abgrenzung erfolgt oft, wie in den oben genannten Beispielen, nicht explizit, sondern durch indirekte Abgrenzung von Stereotypen (ohne Nennung der Medien oder Bezug auf dieselben), die von den Medien verbreitet werden. Daneben gibt es auch Beispiele direkter Abgrenzung von Medienprogrammen, da diese nicht dem Selbstbild der Jugendlichen entsprechen: JOVE6 A: i després hi ha hi ha una cohi ha un altre programa així en plan/ C: siA: que és per a joves que és el 3xl.net/
193
B: ahA: peròno m’agrada perquè hi ha massa de [txulos] B: @ A: massa deo que guai/ és que sou vosaltres/ etcetera\ i no m’agrada\
Die Beispiele63 sowie die Beschreibungen des Jugendbildes in den analysierten Medienbeiträgen zeigen einmal mehr ein Spannungsfeld, in dem sich die katalanischen und allgemein die Jugendlichen befinden auf: Das Selbstbild der Jugendlichen vs. das von ihnen in den Medien verbreitete Fremdbild. Vereinfacht könnte man dies ausdrücken als die Spannung zwischen «wie nehmen die Jugendlichen sich wahr» und «wie werden die Jugendlichen von anderen wahrgenommen und vor allem in den Medien präsentiert?». Folgende Graphik soll dies veranschaulichen:
Selbstbild
Jugendliche
Jugendbild der Medien Graphik 4–11: Spannungsfeld Selbstbild – Jugendbild in den Medien (eigene Graphik)
Kombiniert man dieses Spannungsfeld mit seinen bereits in Kapitel 3 gezeichneten Pendants (Spannungsfeld Autonomie vs. (mündliche) Norm; Spannungsfeld Katalanisch – Spanisch; cf. Graphiken 3–2 und 3–5), ergibt sich ein dreifaches Spannungsfeld, in dem sich die hier interviewten Jugendlichen hinsichtlich ihrer Sprechweise, aber auch ihres Lebensstils befinden. Dabei darf man sich die Jugendlichen aber nicht als Punkt in diesem dreidimensionalen Spannungsfeld vorstellen, da sie je nach Situation und Gruppe, denen sie sich im Gespräch gerade zuordnen, zwischen den einzelnen Polen fluktuieren. Kaum eine Gruppe der Jugendlichen, außer vielleicht die Gruppe 63
Die genannten Beispiele beleuchten die Problemstellung vor allem in soziologischer Hinsicht. Auf die sprachlichen Komponenten des im Folgenden angerissenen Spannungsfeldes wird nach Abschluss der Analyse in Kapitel 5 eingegangen.
194
der okupes (cf. JOVE3), sehen sich als Mitglieder einer großen Subkulturbewegung; meist äußern sich ihre vielfältigen Interessen in einem entsprechend heterogenen Gruppenverhalten, das ebenso heterogene Sprechweisen hervorbringt, je nachdem welche Gruppenzuordnung für die Jugendlichen gerade im Mittelpunkt steht. Die Darstellung der Jugendlichen im dreifachen Spannungsfeld entspricht daher eher einer Wolke, d.h. einem größeren Kontinuum, in dem sie sich hin- und herbewegen, ohne – bis auf wenige, in der nachstehenden Graphik nicht dargestellte Ausnahmen – die Extrempunkte zu berühren.
Spanisch
Selbstbild sprachliche Autonomie
Jugendliche
sprachliche Norm Jugendbild der Medien Katalanisch Graphik 4–12: Dreifaches Spannungsfeld (eigene Graphik)
Das dargestellte Spannungsfeld ist für die jugendlichen Informanten dieses Korpus nicht nur für ihre Lebensweise und ihren Umgang mit jugendkulturellen Freizeitangeboten relevant; es wirkt sich auch in sprachlicher Hinsicht aus (cf. 5.2.). 4.6.3.2. Sprachliche Komponente der Abgrenzung Die sprachlich geäußerten Abgrenzungen weisen in den einzelnen Fällen Ähnlichkeiten bezüglich ihrer Struktur auf. Sie folgen in groben Zügen dem von Hausendorf/Kesselheim formulierten Schema (2002, 276; 284s.) der Gegenüberstellung sozialer Gruppen oder Subgruppen. Die Autoren gehen hier 195
von drei Analyseniveaus aus. Zunächst gilt es die «superior tasks» (Hauptaufgaben) herauszufiltern, bei denen die Gesprächsteilnehmer mit anderen Gruppen konfrontiert werden (cf. JOVE7, «maquineros, maquillos»). Diese Gesprächsaufgabe wird in einem darunter liegenden Level durch «communicative procedures» (kommunikative Prozesse), d.h. die Nutzung semantischer und pragmatischer Mittel erfüllt. Dazu zählen die Gegenüberstellung bestimmter Gruppeneigenschaften, cf. JOVE7, van en plan xuleo, són lo peor etc. Bei noch genauerer Analyse, begibt man sich in einem dritten Schritt auf die Ebene der «verbal forms» (Verbale Formen), wo es darum geht, wie beispielsweise pragmatische Marker (home, vale) von den Sprechern eingesetzt werden, um die Aufmerksamkeit ihrer Gesprächspartner auf sich zu ziehen und eine gemeinschaftliche Ebene gegenüber der/den anderen Gruppen zu schaffen. Eine weitere Form der Ausgrenzung kann direkt im Gespräch mit Bezug auf dieses stattfinden: Die Wir-Gruppe distanziert sich von einer außenstehenden Person, dem Interviewer/teilnehmenden Beobachter, ohne diesen dabei jedoch explizit einer Kategorie zuzuordnen, die ihn wiederum als Angehörigen einer Gruppe hervorhebt. Die Gruppenmitglieder erinnern die Externen immer wieder an Einstellungen und andere grundsätzliche Bedingungen ihrer Lebenswelten. Dem Interviewer/teilnehmenden Beobachter und – allgemeiner – einer anonymen Erwachsenenöffentlichkeit wird die Fähigkeit abgesprochen, die jugendliche Perspektive zu übernehmen; diese Unterstellung erfolgt implizit und wird explizit vor allem durch Erklärungen zu typischen Elementen der jugendlichen Lebenswelt deutlich, von denen die Jugendlichen annehmen, dass die andere Person sie nicht verstehen oder einordnen kann. Diese Erklärungen sind eigentlich eine zur Abgrenzung gegenläufige Tendenz, da die Jugendlichen den Interviewer/teilnehmenden Beobachter ein Stück mehr in ihrer Lebenswelt integrieren; gleichzeitig aber betonen sie die Distanz, die zwischen ihm und der jugendlichen peergroup liegt. Beispiele dafür, dass eine so geäußerte Distanz auch in einer relativ freundschaftlichen Gesprächsatmosphäre, wie sie in den Aufnahmen für das vorliegende Korpus herrschte, vorkommt, sind folgende Gesprächsauszüge. Sie belegen wieder einmal, wie schwer es ist, möglichst authentische Aufnahmen von Gruppensprachen ohne störende Einflüsse von außen zu erstellen: JOVE5 A: i tambéquan s’acaba això veig:: B: una altra cosa\ A: [una altra cosa]\ C: el programa és diu una altra cosa\ JOVE2 M: {(F)home} jo sí que la miro bastant-(..0,5) quan no tinc ganquan no tinc res a f-
196
o sinó vaig a l’ordinador\ (...1,7) K: teniu a casa/ M: [i em conecto} a Internet\ a surfear\ K: i què fas a Internet/ N: {(Fluixa)@@} M: pos ara que no em va el messenger:pos (..0,4) vaig a mirar: els missatges\ el messenger, saps que és/ K: {(AC)si si si} però:: bé no::: perquè no funciona/ M: no séJOVE2 M: doncs (..0,6) és un programa on xatejes\ M: però:: K: [mh-] M: saps amb qui xatejesconeixes a la persona\ o si no també: coneixes gent a xat/ i doncs li dónes el teu messenger/ K: mhM: que és l’adreça: arroba hotmail punt com/ com a terminacióK: mhM. o si no:: també: de la de la mateixa companyia que és: [eme ese ene] K: mh mhM: {(Fluixa) i també és igual}
4.6.3.3. Jugendsprache vs. mediale Jugendsprache Hand in Hand mit dem von den Medien verbreiteten abstrakten Jugendbild geht oft die in den Kommunikationsmedien gebrauchte «kommerzialisierte» Jugendsprache, die von Jugendlichen selbst als realitätsfern angesehen wird,64 obwohl sie gleichzeitig den Kommunikationsmedien einen hohen Stellenwert in ihrem Freizeitverhalten einräumen (cf. Statistik in 4.5.2.5.; Graphiken 4-5 bis 4-8). Hieraus leitet Rodríguez González ab, dass Jugendsprache ein Kom-
64
Als Beispiel sei hier wiederum die Werbesprache angeführt. Die Werbeagenturen haben eine Initiatorenrolle, die auch die Entwicklung von neuen sprachlichen Elementen beinhaltet und so richtungsweisend für die katalanische Sprache sein kann. Um ein jugendliches Image bemüht, greifen sie (vermeintliche) Elemente der Jugendsprache auf. Träger sind sowohl die neuen als auch die herkömmlichen Kommunikationsmedien.
197
munikationssystem ist, in dem die Jugendlichen selbst «aparecen como objeto y como mensaje, pero nunca como sujeto» (2002b, 43). Ich halte es daher für angebracht, von zwei unterschiedlichen Formen jugendlicher Kommunikation zu sprechen, nämlich einerseits der gruppeninternen Kommunikation Jugendlicher untereinander und andererseits den an Jugendliche gerichteten Äußerungen, die zahlreiche Elemente aus der intragruppalen Kommunikation entnehmen und dabei oft modifizieren. Dieser Unterscheidung trägt auch das dieser Arbeit zu Grunde liegende Korpus in seinen zwei Teilen zur Kommunikation von und für Jugendliche Rechnung. Bei der Analyse stehen Sprachkontaktphänomene im Vordergrund, da diese im Vergleich zu internen Entwicklungen im Katalanischen (z. B. Schaffung von Neologismen auf katalanischer Basis (cf. 4.6.1.1.) eine höhere Frequenz aufweisen. Gleichzeitig repräsentieren Sprachkontaktphänomene einen wesentlichen Faktor im Spannungsfeld zwischen Norm und sprachlicher Autonomie der Jugendlichen bzw. der Medien (cf. Graphik 3–2; 4.6.1.1.). Sie sind daher ein guter Mess- und Vergleichsfaktor, wenn es darum geht, Mediensprache und Jugendsprache miteinander in Verbindung zu setzen. Das jugendsprachliche Korpus und die an Jugendliche gerichteten Äußerungen im Medienkorpus werden zunächst losgelöst vom Normalisierungs- und Normdiskurs betrachtet und kontrastiert; in Kapitel 6 geht es dann um die Relation zur Standardsprache und um Sprachwandelphänomene.
198
5.
Analyse der fremdsprachlichen Einflüsse in der Jugendsprache Barcelonas
Ziel dieses Kapitels ist es aufzuzeigen, inwiefern die Sprechweise der jugendlichen Informanten des Korpus von diversen Spannungsfeldern beeinflusst wird. Die Analyse konzentriert sich hierzu auf die Entlehnungen als Vergleichspunkte zwischen den beiden Teilen des Korpus (Jugendsprache vs. mediale Jugendsprache). Vorzugsweise finden diese Entlehnungen aus dem Englischen und Spanischen statt; andere Sprachen fallen nur geringfügig ins Gewicht. Anhand ausgewählter Beispiele werden Divergenzen und Konvergenzen in von Jugendlichen und für Jugendliche produzierter Kommunikation auf verschiedenen sprachlichen Ebenen analysiert und miteinander verglichen. Es wird deutlich, wie sich die Jugendlichen in ihrer Sprechweise zwischen zwei Sprachen, zwischen Norm und Autonomie und zwischen ihrer eigenen und einer ihnen «in den Mund gelegten» Sprechweise bewegen. Das aktuelle Kapitel, das gleichzeitig den zentralen Punkt der linguistischen Analyse dieser Studie darstellt, gibt zunächst einen Überblick über die Auswahl der Untersuchungsmethoden sowie darüber, wie die Informanten gewonnen und die gewonnenen Daten klassifiziert und verarbeitet wurden. Im Anschluss daran erfolgt die Analyse (cf. 4.2) der im mündlichen – und auch schriftlichen – Korpus enthaltenen jugendsprachlichen Äußerungen, vor allem derjenigen, die Sprachkontaktphänomene bzw. fremdsprachliche Einflüsse enthalten. In der Analyse werden gleichzeitig die von Jugendlichen und die für Jugendliche von den Medien produzierten Elemente betrachtet. Diese werden in jedem einzelnen Punkt einander kontrastiv gegenübergestellt. Als linguistische Analysekriterien dienen hier vor allem die lexikalisch-semantische sowie die morphosyntaktische Ebene zur Beschreibung der einzelnen Elemente in deskriptiver Klassifikation (cf. Graphik 2–1); eine Zusammenfassung phonetisch-phonologischer Besonderheiten schließt sich an. Abschließend (cf. 5.3.) werden die daraus gewonnenen Ergebnisse zusammengefasst und es wird aus der detaillierten Analyse ein Vergleich zwischen den beiden dargestellten jugendsprachlichen Ebenen gezogen. Diese Zusammenfassung hat durchaus bereits den Charakter eines ersten Fazits zu den in Kapitel 1 und 2 aufgeworfenen Fragestellungen und zum Umgang der Jugendlichen mit dem dort gezeichneten Spannungsbild. Im daran anschließenden Kapitel soll Fragestellungen nach der Integration von jugendsprachlichen Elementen in die Standardsprache im Zusam-
199
menhang mit dem Sprachwandel (cf. 6.) nachgegangen werden. Hierzu werden erneut einige Beispiele des Korpus aufgegriffen.
5.1. Methodologie 5.1.1. Auswahl der angewandten Methoden «The aim of linguistic research in the community must be to find out how people talk when they are not being systematically observed: yet we can only obtain these data by systematic observation» (Labov 1972, 209).
Labov stellt hier das zentrale Problem jeder soziolinguistischen Datenerfassung dar: den Versuch, möglichst natürliches, authentisches Sprachmaterial zu erfassen, wie es eigentlich nur in unbeobachteten Situationen produziert wird. Möglichkeiten, diesem Beobachterparadoxon entgegenzuwirken, gibt es mehrere. Zunächst natürlich die unangekündigte, versteckte Aufzeichnung von Gesprächen, bei denen die daran Beteiligten im Nachhinein um ihre Genehmigung der Aufzeichnung gebeten werden. Ein wesentlicher Teil der Aufzeichnungen für das vorliegende Korpus wurde auf diese Weise gewonnen. Über drei Monate nahm ich wöchentlich an einer der von mir ausgewählten Schulen an einer von Lehrern und Jugendlichen zusammen organisierten Arbeitsgruppe zum Thema Umweltschutz und Solidarität teil. Die großen Vorteile dieser Methode der offenen Datenerhebung sind der konstante Gruppenkontakt, das Gewinnen des Vertrauens der einzelnen Teilnehmer und die ungezwungenen Gespräche, welche diese untereinander führen. Gleichzeitig sind derartige Aufzeichnungen gezwungenermaßen von minderer Qualität als Interviews: Gespräche überlagern sich, es existieren zahlreiche Nebengeräusche und durch die oftmals relativ große Distanz zum Mikrophon gestaltet sich das Verstehen und Transkribieren der Texte sehr schwierig. Der zweite Teil der Konversationsaufzeichnungen von Jugendlichen wurde im Rahmen von Gesprächen durchgeführt. Hierbei wurde allerdings versucht, dem Prinzip der teilnehmenden Beobachtung gerecht zu werden. Jugendsprache, als Form einer legeren Umgangssprache, kann nur in einer entspannten, partnerschaftlichen Atmosphäre entstehen und florieren. Außenstehende wirken oft störend und verhindern häufig das Produzieren von zwanglosen Äußerungen mit Mitteln der Ingroup-Kommunikation. Ein Einzelinterview oder ein Interview mit starkem Frage-Antwort-Charakter würde demnach wohl wenig verwertbares Material zum aktuellen Stand der Jugendsprache liefern.1 Aus diesem Grund erschienen mir folgende Punkte für
1
Eine Ausnahme stellt das Gespräch JOVE40 vor, das mit einem einzelnen Jugendlichen geführt wurde. Es handelt sich hierbei allerdings um ein aus dem Corpus Oral de Conversa Col·loquial (COC) des Corpus de Català Contemporani der
200
das Durchführen von Kleingruppengesprächen mit drei bis fünf Personen besonders wichtig: Schaffen einer vertrauenerweckenden Atmosphäre durch Vorstellung der eigenen Person und die Möglichkeit, sich im Vorfeld auszutauschen: In diesem Sinne suchte ich die einzelnen Schulen oder die Universität auf bzw. besuchte in ungezwungenem Rahmen persönliche Bekannte, mit denen ich Gespräche durchführen wollte. Im Unterricht stellte ich mich kurz vor und hatte die Möglichkeit, entweder eine ganze Unterrichtsstunde lang oder auch noch danach auf direkte Fragen der Jugendlichen einzugehen und mit ihnen locker zu plaudern. Besonders schnell baute sich die Distanz in den Gruppen ab, die Deutsch lernten und die Gelegenheit nutzten, sich über kulturelle Eigenheiten, Reiseerfahrungen und landestypische Besonderheiten auszutauschen oder zu informieren. In einigen wenigen Fällen machten die Jugendlichen später im Gespräch implizit, jedoch nie auf provokative Weise, deutlich, dass sie mich als Außenstehende wahrnahmen (cf. 4.6.3.2.). Sondierung des Interessenspektrums der Jugendlichen: Dies erfolgte durch einen Fragebogen, den insgesamt 144 Jugendliche beantworteten. Neben statistischen Fragen zu Alter, Wohnort, Muttersprache und zweisprachigem Verhalten ging es hierbei vor allem darum, das Freizeitverhalten der Jugendlichen zu bestimmen. Die Ergebnisse (cf. 4.5.2.5.; Anhang) dienten vorrangig der Auswahl der Themen für die Gespräche, der Gewinnung von schriftlicher jugendlicher Kommunikation in Form von SMS, E-Mails, Chatroom-Kommunikation und Leserbriefen, aber auch der Auswahl von jugendtypischen und bei Jugendlichen beliebten audiovisuellen und elektronischen Medien, darunter besonders Fernsehprogrammen zur Kontrastierung der darin verwendeten «Jugendsprache» mit dem authentischen Gesprächsmaterial. Auswahl und Kleingruppenzusammenstellung der Jugendlichen für die Interviews anhand freiwilliger Meldungen ihrerseits: Die Kleingruppen bestanden aus Jugendlichen, die sich freiwillig zusammenfanden, sich längere Zeit kannten und Teile ihrer Freizeit im Allgemeinen miteinander verbrachten. Je nach Wetterlage fanden die Gespräche in einem Raum der Schule, in der Schulbibliothek, in der Cafeteria oder einer ruhigeren Ecke des Pausenhofes statt. Für die Jugendlichen stellten die Gespräche eine unverbindliche Kommunikationssituation dar, in der sie frei und ohne den Hintergedanken einer Bewertung agieren konnten.
Universitat de Barcelona zur Verfügung gestelltes Interview, bei dem sich beide Gesprächspartner schon länger kannten.
201
Funktionsebene der Kommunikationspartner und adäquate Auswahl der Gesprächsthematik: Den Informanten zu suggerieren, man befände sich auf der gleichen Funktionsebene wie sie, dürfte meist nur schwer gelingen. Dennoch wurde versucht, die Distanz zwischen mir und den Jugendlichen möglichst gering zu halten und an gemeinsame Interessensschwerpunkte anzuknüpfen. Dazu wurde ihnen als Ziel der Untersuchung ein Vergleich zwischen dem Freizeitverhalten von Jugendlichen in Deutschland und Katalonien/Spanien vorgestellt. Bereits im Vorfeld hatten sich so schon einige Diskussionspunkte ergeben, z. B. über transnational ausgestrahlte Fernsehprogramme, wie Soaps oder das ebenso beliebte wie kontrovers diskutierte Programm El gran hermano/Big brother, das in vielen europäischen Ländern relativ zeitgleich gesendet worden war. An diese und ähnliche emotional angereicherte Themen konnte bei den Gesprächsaufzeichnungen angeknüpft werden; es entstanden daraus häufig mehr oder weniger angeregte Diskussionen unter den Jugendlichen, bei denen sie meine Anwesenheit weitest gehend außer Acht ließen. Im Hinblick auf diese Zielsetzung wurde bei der Wahl der Themen auf emotionsgeladene und bei den Jugendlichen beliebte Aspekte geachtet, da hier sehr schnell das Abweichen von der Standardsprache hin zu einer niedrigeren Stilebene festgestellt werden kann. Auf direktes Befragen der Informanten zu sprachlichen Themen, z. B. der Kenntnis jugendsprachlicher Wendungen und deren Verwendung, wurde verzichtet. Für das Ziel dieser Studie erschien diese Methode als zu sehr gelenkt; hierbei wäre die Gefahr auch groß gewesen, dass solche Interviews oder schriftliche Erhebungen zu sehr von meinen eigenen Erwartungshaltungen bestimmt gewesen wären.
5.1.2. Auswahl der Informanten Im Sinne von Madera ist es für jede soziolinguistische Studie essentiell, mit der «identification of the group or groups that will be the target of the investigation» (1996, 169) zu beginnen. Die Auswahl der Informanten für eine soziolinguistische Arbeit der vorliegenden Art kann nach verschiedenen Kriterien erfolgen. Hernández García (1997) nennt eine Vielzahl von Variablen, nach denen bei der Auswahl von Informanten differenziert werden sollte: soziale Schicht, Muttersprache, Sprachgebrauch, geographische Herkunft, Wohnort, Bildungsniveau, Alter oder Geschlecht. Für die vorliegende Studie sind nicht alle diese Variablen relevant. Eine Differenzierung nach dem Faktor Geschlecht erschien mir zwar interessant, aber zu umfassend, um neben den andern Aspekten auch noch berücksichtigt zu werden. Andere Kriterien, z. B. der Sprachgebrauch, der Wohnort, das Bildungsniveau etc. erschienen relevant und fanden Berücksichtigung. Darüber hinaus fand, durch die mehrheitliche Auswahl von Informanten aus dem Großraum Barcelona (als Geburts- und Wohnort), eine Beschränkung auf ein geographisches Gebiet 202
statt. So kann in der vorliegenden Studie auf das Eingehen auf verschiedene diatopische Varietäten des Katalanischen (cf. Veny 1986, 15s.) verzichtet werden. Der soziolinguistische familiäre Hintergrund der Informanten besonders in Bezug auf ihre geographische Herkunft oder die ihrer Eltern ist jedoch aufgrund der Fragebogenerhebung bekannt; an einigen Stellen wird dieser zur Erklärung auftretender diatopischer Varianten hinzugezogen. Alle von Hernández genannte Kriterien zu berücksichtigen und nach ihnen zu differenzieren, würde den Rahmen dieser qualitativ angelegten Arbeit sprengen. Ein sich wohl immer stellendes Problem ist die Zuverlässigkeit der Auswahl der Informanten und ihrer Äußerungen. Um besonders im Hinblick auf den Sprachwandelprozess aussagekräftige Phänomene repräsentativ aufzuzeichnen, müsste das Korpus einen größeren Umfang haben. Sinner äußert sich dazu, unter Bezugnahme auf Wolfram/Fasold (1974, 39), wie folgt: «No hay unanimidad en cuanto al número necesario o ideal de informantes, pero generalmente existe conformidad en que los estudios explorativos requieren mucho menos informantes que estudios que pretenden ser representativos. Estudios lingüísticos, en términos generales, parecen requerir menos informantes que, por ejemplo, algunos estudios sociológicos, y que los comportamientos lingüísticos pueden considerarse como más homogéneos que otros tipos de comportamiento» (2004, 198).
Bei einer Zahl von 37 Gesprächsaufzeichnungen, einer Auswahl aus ca. 20 TV-Sendungen sowie schriftlichem Material könnten einzelne Phänomen auf ihre Frequenz innerhalb der Aufzeichnungen bzw. im Kontrast zu vergleichbaren Aufzeichnungen anderer Sprechergruppen (Erwachsene oder auch Gespräche von Jugendlichen auf Spanisch) untersucht werden. Man kann jedoch nur bedingt von den vorliegenden Daten auf allgemeingültige Aussagen über die aktuelle katalanische «Jugendsprache» schließen. Präsentiert werden können sicherlich nur Phänomene in einzelnen jugendlichen IngroupSprechstilen, aus denen sich vereinzelte Tendenzen in der Kommunikation von Jugendlichen auf Katalanisch abzeichnen lassen. Dennoch ist bei der Auswahl der Informanten auf einige Punkte besonders zu achten. Für die vorliegende Studie war es wichtig, Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren zu finden, die aus der regió metropolitana, d.h. aus Barcelona oder der primera oder segona corona,2 kamen und von sich behaupten konnten, das Katalanische zu Hause und/oder mit Freunden regelmäßig zu sprechen. Das letzte Kriterium schließt allerdings nicht aus, dass
2
Die primera corona trägt auch den Namen aglomeració central de la regió metropolitana de Barcelona und besteht aus 35 mehr oder weniger direkt an Barcelona angrenzenden Gemeinden. An sie schließt sich der Ring der segona corona an, die aus 129 Gemeinden besteht, cf. hierzu auch http://www.bcn.es/publicacions/b-mm/ bmm-transporte/bmm-transport–10.htm (letzter Zugriff am 28. Februar 2008).
203
die Jugendlichen einige ihrer täglichen Konversationen auf Spanisch führen. Subirats schreibt hierzu: «Que una persona consideri que la seva llengua és el català no suposa que no empri el castellà en les relacions familiars, i el mateix passa en el sentit contrari» (2000, 184).
Das Katalanische ist jedoch für die Informanten des vorliegenden Korpus nicht nur ein reines Schulfach oder Kommunikationsmittel im Gespräch mit dem Lehrer, sondern wird von ihnen aus freien Stücken als bevorzugte Kommunikationssprache eingesetzt. 5.1.2.1. Informationen zu den einzelnen Schulzentren: Das zentrale Element der Studie sind die mit Schülern der drei erwähnten Schulzentren durchgeführten Gespräche. Trotz des institutionellen Rahmens entschied ich mich, die Kontaktaufnahme zu einer Großzahl der Informanten über die Institution Schule laufen zu lassen, da hier die Möglichkeit besteht, klare Informationen über die Sprachwahl der Schüler zu bekommen, das Alter genau abzugrenzen sowie von einer konstanten Zahl an Informanten ausgehen zu können. In Jugendgruppen mit schwankender Beteiligung und außerdem ab einem Alter von acht Jahren wäre dies schwieriger zu handhaben gewesen. Außerdem hatte der Rahmen «Schule» insofern Auswirkungen auf die Gespräche, als die Wahl der katalanischen Sprache, trotz meines Status als Ausländerin, mit der man vielleicht spontan eher Spanisch sprechen würde, nie in Frage gestellt wurde. Gleiches gilt für die an der Universitat Pompeu Fabra durchgeführten Interviews, wobei hier von vornherein strengere Auswahlkriterien bezüglich der Altersgruppe angewendet werden mussten, da die Studentengruppe, mit der die erste Kontaktaufnahme stattfand, durchaus auch 20-jährige oder ältere Studenten umfasste, die für die Gespräche aus Altersgründen nicht in Frage kamen. Institut d’ESO i de Batxillerat Maristes La Immaculada: Es handelt sich um eine private, u. a. von der Kirche getragene Schule. Die Schüler stammen meist aus Familien einer mittleren Einkommensschicht. Einige Schüler aus einkommensschwachen und kinderreichen Familien erhalten ein staatliches Stipendium. Unterrichtssprache ist das Katalanische, außer in den Fremdsprachen und im Spanischunterricht sowie einem weiteren Fach, entsprechend der Vorgaben des Departament d’Educació. Unter den Schülern wird die katalanische Sprache auch außerhalb des Unterrichts häufig, wenn auch nicht ausschließlich praktiziert. Im Unterricht gibt es nach eigenen Beobachtungen und Auskunft der Lehrer pro Klasse ca. zwei bis drei (von 25 bis 30) Schülern, die ihre Beiträge in Unterrichtsgesprächen auf Spanisch formulieren. Neben den üblichen Schulaktivitäten bietet die Schule diverse Freizeitmöglichkeiten, vor allem Sport und sportliche Wettkämpfe, an. Für 204
viele Schüler der ESO (und auch der ebenfalls dazu gehörenden Grundschule) ist die Schule unter der Woche der Ort, an dem sie die meiste Zeit des Tages bis in den späten Nachmittag hinein verbringen. Diese Schüler nehmen daher auch häufig das Angebot der Schulkantine wahr. Die Schüler des Batxillerat haben nur zweimal in der Woche Nachmittagsunterricht und eine etwas größere Freiheit in ihrer außerschulischen Tagesgestaltung. Weitere Information sind über das Internet unter www.maristes-cat.es/imma (letzter Zugriff am 28. Februar 2008) erhältlich. Institut d’ESO i de Batxillerat Súnion: In dieser privaten Schule erfolgt der Unterricht ebenfalls ausschließlich auf Katalanisch, außer in den Fremdsprachen und im Spanischen sowie einem weiteren Fach. Die Schüler sind eher einkommensstarken Familien der gehobenen Mittelschicht zuzuordnen; die Schule gilt innerhalb Barcelonas als relativ teuer und wird, wie mir gegenüber häufiger erwähnt wurde, von vielen als pijo bezeichnet. Interessant ist die im Gegensatz zu vielen anderen Schulen völlig aufgebrochene Unterrichtsstruktur. Die Schüler sind zwar einem Klassenverband zugeordnet, der Unterricht erfolgt jedoch nach dem Gesamtschulprinzip, d.h. in manchen Fächern in nach Leistung orientierten Gruppen. Der Stundenplan ist nicht fest, sondern wechselt wöchentlich; lediglich die zu unterrichtende Stundenzahl der einzelnen Fächer bleibt gleich. Dies erfordert auch von den Schülern ein hohes Maß an Koordination und Informationsverarbeitung, da sie gezwungen sind, sich flexibel auf den Unterricht vorzubereiten und sich an der Informationstafel oder im Internet (www.sunion.net, letzter Zugriff am 28. Februar 2008) über ihren Stundenplan der kommenden Tage zu informieren. Neben dem normalen Unterrichtsgeschehen ist eine hohe Selbstbeteiligung der Schüler im schulischen Alltag gefordert. Der Klassenverband wird wöchentlich mindestens einmal zu gemeinnützigen Tätigkeiten im Schulalltag, z. B. Hilfe in der Schulkantine, Pflege des Schullabors und der dort gehaltenen Schildkröten, Telefondienst am Empfang etc. verpflichtet. Darüber hinaus gibt es zahlreiche extracurriculare Aktivitäten wie Sport, einen Literaturclub oder die Umweltschutzgruppe, an der ich regelmäßig teilnahm. Institut d’ESO i de Batxillerat L’Alzina: Ebenso wie in den anderen Schulen erfolgt der Unterricht bis auf die bereits genannten Fächer auf Katalanisch. Die Schule untersteht einem öffentlichen Träger, die soziale Struktur der Schülerfamilien ist durchmischt; im Gegensatz zu den anderen beiden Schulen sind hier auch mehr Schüler aus einkommensschwächeren Familien zu finden. Weiterhin ist der Ausländeranteil, d.h. weder katalanische noch spanische Muttersprachler, höher als in den beiden anderen Schulen, wo die Ausländerquote zu vernachlässigen ist. L’Alzina hat im Durchschnitt in den Klassen des Batxillerat ein bis zwei aus205
ländische Schüler pro Jahrgang (ohne Berücksichtigung von Muttersprachlern des Spanischen aus dem lateinamerikanischen Raum). In den Klassen der ESO ist der Anteil leicht höher. Der Gebrauch des Katalanischen unter den Schülern ist geringer als in den beiden anderen Schulzentren. Im Unterricht wenden sich nach eigenen Beobachtungen sowie nach Aussage des Schulleiters, Herrn Bertrán, ca. 30% der Schüler in spanischer Sprache an die Lehrer, außerhalb des Unterrichts herrscht nach seinen Angaben ein Verhältnis von 40% Spanisch gegenüber 60% Katalanisch in der Kommunikation der Schüler untereinander. Als schulische Freizeitmöglichkeiten existieren vor allem von den Eltern der Schüler organisierte Sportmöglichkeiten sowie eine zweimal jährlich erscheinende Schülerzeitung. Informationen zu L’Alzina finden sich im Internet unter www.xtec.es/centres/a8039057 (letzter Zugriff am 28. Februar 2008). Allen Schulen ist gemeinsam, dass es sich nicht um Immersionsschulen, sondern um Schulen, die sich als katalanische Schulen verstehen, handelt. Es wird im Unterricht davon ausgegangen, dass für die Schüler das Katalanische keine Fremdsprache ist, die sie außerhalb des Schulalltags nicht einsetzen. 5.1.2.2. Barcelona als Zentrum der Studie Dem Argument, in Barcelona könne man keine katalanische Jugendsprache finden, können neben statistischen Daten3 auch einige wichtige Erkenntnisse aus der Jugendsprachforschung entgegengesetzt werden. Es ist schwer zu bestreiten, dass das Katalanische in Barcelona allgemein stark von Kastellanismen durchsetzt ist bzw. das Spanische im Raum Barcelona einen genauso hohen, wenn nicht sogar höheren Gebrauchswert hat als das Katalanische. Viele Jugendliche aus Barcelona oder Umgebung wären daher nicht als Informanten für diese Studie in Fragen gekommen, da sie zwar grundlegende Kenntnisse des Katalanischen haben, es aber im außerschulischen Rahmen, in der Umgangssprache, also dort, wo Jugendsprache entsteht und angewendet wird, nicht benutzen. Dies gilt besonders für sozial benachteiligtere Gesellschaftsschichten, darunter auch viele Migranten aus nordafrikanischen und lateinamerikanischen Ländern. Aufgrund der größeren Homogenität und des erweiterten sozialen Spektrums Barcelonas wäre es sicherlich einfacher, ein Korpus in einer kleineren katalanischen Stadt wie beispielsweise Girona oder Tarragona oder in einem ländlichen Gebiet zu erstellen.
3
Subirats schreibt hierzu in Bezug auf jugendliche Sprecher: «A Barcelona ciutat, la situació és molt diferent: el castellà és encara el grup mes nombrós, però inferior al 50% i amb tendència a la dismuinució, si bé el grup català mostra també una situació de lleuger retrocés, a favor d’un imporant creixement del pes de les persones que es declaren bilingües» (2000, 182).
206
Dennoch fiel die Wahl auf Barcelona. Grund dafür war vor allem der urbane, um nicht zu sagen der metropolitane Aspekt. Jugendsprache und Jugendkultur, die überregionalen Charakter erlangen, generieren sich nicht im ländlichen Umfeld. Fraglos haben auch Jugendliche in kleineren Städtchen wie Figueres, Puigcerdà, Vic oder Tortosa, um nur einige zu nennen, ihre eigene Sprechweise, die sich innerhalb ihrer jeweiligen peergroup (cf. 4.2.) entwickelt hat. Überregionale Tendenzen in Sprache und Kultur generieren sich jedoch in den großen urbanen Zentren bzw. gelangen dort zu größtmöglicher Verbreitung (cf. 4.4.). Unter der Prämisse, dass Barcelona für eine Vielzahl von Entwicklungen in Katalonien – darunter auch sprachlicher Art – als Zentrum gelten kann und besonders in kultureller Hinsicht als Vorreiter in Katalonien gehandelt wird, erschien es mir sinnvoll, mich in dieser Studie auf Daten aus der katalanischen Metropole zu konzentrieren. Durch den erhöhten und dauerhaften Kontakt beider Sprachen, der in Barcelona sehr intensiv gegeben ist, lässt sich hier im alltäglichen Sprachgebrauch und auch in der Jugendsprache eine Vielzahl von Sprachkontaktphänomenen aufdecken. Daher die Vermutung, dass hier eine erhöhte Durchlässigkeit der Sprache herrscht, die sich über das Spanische hinaus auch auf andere Fremdsprachen anwenden lassen könnte. Dies gilt umso mehr, als neben der rein jugendsprachlichen Analyse auch die Wechselwirkung zwischen Jugendsprache und «jugendsprachlichen» Äußerungen der Medien untersucht werden soll. Innerhalb Barcelona erwies es sich aufgrund der schon beschriebenen «sozialen Verteilung» des Katalanischen als günstig, Informanten in Stadtteilen zu suchen, in denen es aus statistischer Sicht einen hohen Anteil an katalanischen Sprechern gibt. Zwei der drei Schulen, mit deren Schülern zunächst Umfragen durchgeführt und dann Gespräche aufgezeichnet wurden, liegen demzufolge in den Stadtteilen Sarrià-Sant Gervasi (Sunión) und Eixample (Maristes La Immaculada). Die dritte Schule (L’Alzina) liegt im Stadtteil Horta-Guirnadò, einem Stadtteil mit einem hohen Anteil an Muttersprachlern des Spanischen, wie Graphik 5-1 zeigt. Dennoch war es möglich, auch hier Jugendliche zu finden, die mehrheitlich das Katalanische in ihrer Alltagskommunikation verwenden. Neben Gesprächen mit Schülern aus diesen drei Schulen (davon zwei privat, eine öffentlich) wurden auch Gespräche mit Jugendlichen an der Universität Pompeu Fabra sowie jugendlichen Geschwistern von Freunden durchgeführt. Die Jugendlichen wohnten in unterschiedlichen Stadtteilen Barcelonas oder der näheren Umgebung der Stadt. Die Einbeziehung dieser beiden Informantengruppen diente, neben der Vergrößerung des Korpus, auch der Erweiterung seines sozialen Spektrums. Im Durchschnitt ist die gesellschaftliche Mittelschicht am stärksten vertreten, wobei die Informantengruppe neben der großen Zahl von Schülern weiterführender Schulen sowie Studenten auch Jugendliche umfasst, die bereits einer beruflichen Tätigkeit (häufig allerdings als Überbrückung zu einem Studium, cf. JOVE40) nachgehen. Die Jugendlichen gaben mehrheitlich an, bilingual zu sein, d.h. in diesem Fall beide Spra207
Llengües als barris de Barcelona 100%
80%
60%
Altres llengües Ambdues igual Castellà Català
40%
20%
0% Ciutat Vella
Eixample
Sants- Les Corts Montjuïc
SarriàSant Gervasi
Gràcia
HortaGuinardó
Nou Barris
Sant Andreu
Sant Martí
Graphik 5–1: Sprachen in den Stadtteilen von Barcelona (eigene Graphik nach Daten von Generalitat de Cataluuya 1998b)
chen mehr oder weniger gleich gut zu beherrschen und gleich gut zu nutzen. Insgesamt drei Informanten erklärten, besser Spanisch als Katalanisch zu sprechen, führten das Gespräch jedoch auf Katalanisch aufgrund ihrer katalanischen Gesprächspartner. Diese Angaben zur sozialen Herkunft der Informanten dienen lediglich einem groben Überblick und sind keinesfalls wertend zu verstehen. Ziel dieser Studie ist es auch nicht, eine mögliche soziale Strukturierung der katalanischen Gesellschaft darzustellen, da das Konzept der sozialen Schicht häufig bereits in sich widersprüchlich ist. Sinner meint dazu: «El estrato social es una de las variables, junto con la edad, el sexo etc. que se suelen utilizar en análisis sociolingüísticos. Sin embargo, no existe unanimidad de opinión sobre la estratificación de la sociedad y, por consiguiente, sobre el propio concepto del estrato social. […] Los clásicos conceptos sociológicos de los estratos sociales no se corresponden con la estructuración extremadamente dinámica de la sociedad […]. A nuestro entender, la llamada permeabilidad de los estratos sociales simplemente es el reflejo de las relaciones verticales de la sociedad, es decir, de determinadas uniones existentes dentro del sistema de redes sociales» (2004, 195).
War es für meine Studie besonders wichtig, das Alter genau einzugrenzen (cf. 4.2.) sowie zumindest einen Einblick in die soziale Herkunft der Informanten zu geben, so war die dritte bei Sinner genannte Variable, das Geschlecht der Informanten, keine zu beachtende Größe. Sicherlich wäre eine Studie im Rahmen der Gender Studies zum unterschiedlichen Gesprächsverhalten von männlichen und weiblichen Jugendlichen sehr interessant und anhand der 208
Korpusmaterialien möglich, sie war aber nie Ziel dieser Studie. Im Zusammenhang mit Jugendkultur und der Geschlechterperspektive sei hierzu auf die Studie von Martínez (2002) für den katalanischen Raum verwiesen. 5.1.3.
Das Korpus
5.1.3.1. Fragebogen Die beiden Teile des Fragebogens (cf. Anhang) wurden insgesamt 144 Schülern der drei Schulzentren in Barcelona vorgelegt. Teil I wurde von allen ausgefüllt, Teil II von 73 Schülern.4 Ziel der Datenerhebung in Teil I war neben statistischen Informationen zu persönlichen Daten auch die Erfassung von Einstellungen, Interessen, Wertvorstellungen und Lebensweise der Jugendlichen. Aufgrund der besseren Möglichkeit der statistischen Erfassung und Bearbeitung der Fragebögen wählte ich für Teil I Fragen mit eingeschränkter Antwortmöglichkeit. Auch die Fragen nach Medienkonsum und Freizeitverhalten ermöglichten zunächst nach Themengebieten strukturierte Antworten, aus denen sich einzelne Interessensschwerpunkte leichter herauskristallisieren ließen. Im Anschluss daran war den Jugendlichen jedoch die Möglichkeit gegeben, präzise auf ihre eigenen Präferenzen einzugehen. Diese Details waren nicht so sehr für die Statistik bedeutsam als für die Auswahl der Publikationen und Programme, die in dieser Arbeit mit der Sprechweise der Jugendlichen kontrastiert werden. 5.1.3.2. Schriftliche Kommunikation Jugendlicher Teil II des Fragebogens diente der direkten Erhebung von Daten für das Korpus. Hier wurden die Jugendlichen konkret nach ihrer SMS- und E-MailKommunikation gefragt und gebeten, drei SMS sowie zwei E-Mails wiederzugeben. Diesem Wunsch kamen erstaunlich viele, erwartungsgemäß jedoch nicht alle Jugendlichen nach. Gründe dafür waren, dass einige von ihnen kein Handy besaßen, E-Mails gar nicht oder nur auf Spanisch schrieben, häufig Chat-Programme wie Messenger benutzten, deren Texte sich nicht so einfach auf Papier reproduzieren lassen wie eine E-Mail oder eine abgeschriebene SMS. Zudem wurde Teil II des Fragebogens den Jugendlichen mit nach Hause gegeben, damit sie dort die E-Mail-Texte einfügen konnten. Da es sich um eine freiwillige Angabe handelte, lag es in der Natur der Sache, dass einige
4
Bei der Erarbeitung beider Teile erhielt ich Unterstützung von Herrn Jordi Solé i Camardons vom Institut de Sociolingüística Catalana. Teil I des Fragebogens wurde außerdem in Testbefragungen mit befreundeten Studierenden an der Universitat de Barcelona sowie mit jugendlichen Geschwistern von Freunden auf seine Durchführbarkeit erprobt.
209
vergaßen, der Aufgabe nachzukommen. Die Texte wurden anonymisiert, d.h. Namen der Empfänger und Absender wurden gelöscht. Aufgrund der sprachlichen Besonderheiten vor allem in der Graphie und in der Syntax der Äußerungen von Jugendlichen in den modernen Kommunikationsmedien, wurden diese sowie weitere Sammlungen schriftlicher Jugendkommunikation5 nicht in die vergleichende Korpusanalyse einbezogen. Sie sind daher bereits an entsprechender Stelle zusammenfassend diskutiert worden (cf. Wieland 2006b; 2008). Für die Korpusanalyse relevante Beiträge, die nämlich mit entsprechenden Medienbeiträgen vergleichbar sind, stellen Kurzbeiträge von Jugendlichen aus Leserbriefen und Kleinanzeigen der einmal wöchentlich erscheinenden Musikbeilage Rock i Clàssic der katalanischen Tageszeitung Avui sowie aus Leserbriefen der monatlich erscheinenden katalanischen Musikzeitschrift Enderrock dar. Ebenfalls als Dokumentation schriftlicher Jugendsprache habe ich drei vom Institut d’ESO i de Batxillerat L’Alzina zur Verfügung gestellte Schülerzeitungen (Aluzina) ausgewertet, wobei diese nur von marginaler Bedeutung sind, da die Texte mehrfach redigiert und korrigiert werden.6 Im Korpus sind sie als JESC verzeichnet und setzen sich wie folgt zusammen (fehlende Nummern sind Beiträge auf Spanisch, die nicht in die Korpusanalyse einfließen): JESC JESC JESC JESC JESC JESC JESC JESC JESC 5
6
1 Schülerzeitung Aluzina 2002/1 2 Schülerzeitung Aluzina 2 2002/2 3 Schülerzeitung Aluzina 3 2003/1 6 Anschreiben des Club de Fans Mesclat 7 Leserbriefe Enderrock April 2003 8 Leserbriefe Enderrock Oktober 2003 9 Fanzine fak 10 Leserbriefe Enderrock April 2000 11 Leserbriefe Enderrock Dezember 2000
Zum einen wurden anhand der in Teil I des Fragebogens angegebenen Chat- und Newsgroups-Adressen diese Seiten von mir aufgesucht und daraus Diskussionsbeiträge von Jugendlichen entnommen. Die Datengewinnung im Zeitraum Oktober bis Dezember 2003 konzentrierte sich vor allem auf Newsgroups und Diskussionsforen (vor allem www.3xl.net sowie das Musikforum http://melodysoft.com, letzter Zugriff am 28. Februar 2008), da hier die Teilnehmer häufig neben ihrer Herkunft auch das Alter angeben. Bei Chats hingegen bleiben diese Informationen oft geheim oder werden absichtlich verfälscht, so dass nicht sicher davon ausgegangen werden kann, dass es sich wirklich um Jugendliche der gewünschten Altersgruppe handelt. Die Kennzeichnung dieser Daten im Korpus ist folgende: SMS-Nachrichten: SMS1a, SMS1b, …; SMS2a, SMS2b, etc. E-Mail-Nachrichten: MAIL1a, MAIL1b, …; MAIL2a, MAIL2b, etc. Newsgroups- und Diskussionsforenbeiträge: NEWS1, NEWS2, etc. Leserbriefe, Schülerzeitungen: JESC1, JESC2, etc.
210
JESC JESC JESC JESC JESC JESC JESC JESC JESC JESC JESC JESC JESC JESC JESC
12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26
Leserbriefe Leserbriefe Leserbriefe Leserbriefe Leserbriefe Leserbriefe Leserbriefe Leserbriefe Leserbriefe Leserbriefe Leserbriefe Leserbriefe Leserbriefe Leserbriefe Leserbriefe
Enderrock Februar 2003 més jove Mai 2001 més jove November 2003 Rock i Classic 12. März 2003 Rock i Classic 12. September 2001 Rock i Classic 14. November 2001 Rock i Classic 16. April 2003 Rock i Classic 17. Oktober 2001 Rock i Classic 19. September 2001 Rock i Classic 2. April 2003 Rock i Classic 26. März 2003 Rock i Classic 26. September 2001 Rock i Classic 7. November 2001 Rock i Classic diverse Oktober-November 2003 Super 3 Januar 2001
5.1.3.3. Mündliche Kommunikation Jugendlicher 5.1.3.3.1. Gesprächsaufzeichnungen Aufgrund des gesammelten Vorwissens durch die Fragebögen und die Auskünfte, die ich an den verschiedenen Schulzentren über die Zusammensetzung der Schülerschaft erhalten hatte, versuchte ich, ein möglichst umfassendes Korpus zu erstellen, das die Fragestellung nach den fremdsprachlichen Einflüssen nicht nur einseitig beleuchten sollte. Die Gespräche wurden selbstverständlich in katalanischer Sprache durchgeführt, lediglich zwei Mädchen (JOVE5) und ein Junge (JOVE4) erklärten, dass sie sich auf Spanisch besser ausdrücken könnten, sprachen dann aber doch Katalanisch. Zwei Gespräche (JOVE22 und Teile von JOVE25) wurden bewusst in spanischer Sprache geführt, um auch Überlegungen zu unterschiedlichen Häufigkeiten beim Auftreten von fremdsprachlichen Einflüssen im Spanischen und Katalanischen anstellen zu können (cf. Wieland 2008). Die Gespräche wurden in Kleingruppen mit drei bis vier, maximal fünf Teilnehmern aus einer Schulklasse, Studiengruppe oder Musikgruppe durchgeführt. Es handelte sich also um Jugendliche, die einander schon längere Zeit kannten und auch neben der täglichen Schulzeit gemeinsam etwas unternahmen. Es waren also mehr oder weniger fest etablierte Gruppen, die sich bereits häufiger zusammengefunden und bisher schon zahlreiche Möglichkeiten gehabt hatten, sich im Gespräch immer wieder neu zu konstituieren (cf. 4.5.2.6.). Diese Faktoren waren besonders wichtig, um eine ungezwungene, entspannte Atmosphäre herzustellen, in der sich annähernd authentische Gespräche entwickeln konnten. Das angestrebte Ziel, dass die Jugendlichen untereinander anfangen sollten zu diskutieren und meine beobachtende und zurückhaltend fragende Rolle möglichst vergessen sollten, konnte in den meisten Gesprä211
chen erreicht werden. Häufig diskutierten die Jugendlichen untereinander und tauschten ihre Meinungen aus, ohne dass es sich um ein direktes Frage-Antwort-Spiel zwischen mir und einem von ihnen gehandelt hätte. Man kann also in diesen Gesprächssituationen von teilnehmender Beobachtung meinerseits sprechen. Ein zentraler Aspekt war die Wahl der Gesprächsimpulse, die anhand der zuvor analysierten Fragebögen getroffen wurde. Je nach Altersstruktur der Teilnehmer kristallisierten sich zu Gesprächsbeginn einzelne Themen von größerem Interesse heraus, so dass nicht in jedem Interview alle der unten aufgeführten Themen angerissen wurden. Aus der Befragung hatten sich folgende Aspekte der Jugendkultur für die Mehrheit der Befragten als besonders lebenswichtig und interessant ergeben: – Freizeitverhalten unter der Woche und am Wochenende – Ausgehmöglichkeiten in Barcelona (Orte, Altersbegrenzungen, Probleme mit Drogen, Jugendbanden, Verhalten der Eltern) – Probleme im Zusammenleben mit den Eltern, Wunsch nach eigener Wohnung – beliebte Fernsehprogramme – Comics – Zukunftspläne, -wünsche, -ängste – Mode- und Musikstile – Reisen und Erfahrungen im Ausland – Computer und Internet (Art und Umfang der Nutzung, Vorlieben) – Schulalltag Mit einigen Jugendlichen auch: – Politik (bevorstehende Wahlen in Katalonien November 2003, politische Lösungen und Aktivitäten für Probleme der Jugendlichen) – Vergleich ihrer Situation mit der Jugendzeit ihrer Eltern Insgesamt wurden 18 derartige für das vorliegende Korpus in Betracht gezogene Gespräche in teilnehmender Beobachtung aufgezeichnet und anschließend transkribiert:7 Drei Gespräche mit Jugendlichen aus dem Kurs 2n de Batxillerat des Institut d’ESO i de Batxillerat L’Alzina (Horta-Guinardó) JOVE 11, 12 + 12a, 17: Drei Gespräche mit Jugendlichen des Institut d’ESO i de Batxillerat Maristes La Immaculada (2n de Batxillerat und 4t d’ESO) (Eixample) JOVE 5, 7, 8, 14: Vier Interviews mit Jugendlichen (17 und 18 Jahre) der Universitat Pompeu Fabra JOVE 10: Ein Interview mit Jugendlichen einer Musikgruppe im Centre Cívic La Sedeta (Sagrada Família) JOVE 4, 6, 13:
7
Eine Beschreibung der verwendeten Transkriptionsregeln findet sich im ersten Kapitel.
212
JOVE 3: JOVE 33: JOVE 2: JOVE 16: JOVE 25: JOVE 38:
Ein Interview mit Jugendlichen (19 Jahre) in der Casa okupada Can Masdeu (Horta) Ein Interview mit den Gruppenleitern der Pfadfindergruppe Pare Bertrand (Sant Andreu) Ein Interview mit Geschwistern von Freunden (15 Jahre) (Cornellà) Ein Interview mit Jugendlichen (17 Jahre) an der Universitat de Barcelona Ein Interview mit Jugendlichen einer Punkband (19 Jahre) (Gràcia) Ein Interview mit Jugendlichen des 2n de Batxillerat des Institut d’ESO i de Batxillerat Sunión (Sarrià)
Die Länge der Gespräche betrug durchschnittlich 30 Minuten, manche dauerten auch länger (bis zu 45 Minuten). Im Vorfeld war darauf geachtet worden, dass sowohl die Informanten als auch ich genügend Zeit hatten, so dass das Gespräch nicht durch drohende Aufbruchstimmung aufgrund der nächsten Schulstunde oder einer sonstigen Verabredung gestört werden konnte. Aufgrund der Tatsache, dass bereits im Vorfeld der Gespräche eine erste Kontaktaufnahme und ein erstes Kennenlernen stattgefunden hatten, erschien mir die gewählte Länge als ausreichend. Im Anschluss an die Aufzeichnungen wurden die Jugendlichen um Angaben zu Alter, Wohnort und Sprachwahl innerhalb der Familie und mit Freunden gebeten. Außerdem wurde ihre E-Mail-Adresse für eventuelle Rückfragen notiert, z. B. bei Unverständlichkeit einiger Passagen oder zum semantisch/pragmatischen Inhalt einiger Lexeme oder Phraseologismen, was ich bei den Informanten in den offenen Gesprächen per E-Mail in Anspruch nahm. Sechs weitere Gesprächsaufzeichnungen von Jugendlichen wurden mir vom Departament de Filologia Catalana der Universitat de Barcelona aus dem dort erstellten Corpus Oral de Conversa Col·loquial (COC) des Corpus de Català Contemporani zur Verfügung gestellt. Es handelt sich hierbei um zwei Telefonmitschnitte von Gesprächen Jugendlicher im Alter von ca. 16 Jahren (JOVE38, 44) bzw. Einzelinterviews mit Jugendlichen aus der Provinz Barcelona im Alter von 18 bis 20 Jahren (JOVE39, 40, 41, 42, 42a, 43 und 45). Neben den soziolinguistischen Interviews wurden, wie bereits im vorigen Kapitel erwähnt, einige Interviews zur Informationsgewinnung über die katalanische Sprache in den Medien, das Katalanische im Erziehungswesen, die Aufnahme von umgangs- und jugendsprachlichen Elementen in Standardwörterbücher etc. in verschiedenen katalanischen Institutionen durchgeführt.8
8
Diese sind im Korpus mit INFO1, INFO2 etc. bezeichnet. Genauere Informationen finden sich bereits im ersten Kapitel.
213
5.1.3.3.2. Versteckt aufgezeichnete Gespräche Neben den Interviews spielen die versteckten Gesprächsaufzeichnungen, bei denen selbstverständlich nachträglich die Erlaubnis der Informanten eingeholt wurde, eine große Rolle bei der Gewinnung eines umfassenden Korpus. Derartige Aufzeichnungen, bei denen sich die Informanten trotz meiner Anwesenheit unbeobachtet fühlen und in denen die Gespräche nicht von einer außenstehenden Person, wie einem Lehrer beispielsweise, angeleitet werden, bezeichnet Vila als «untutored action» (1996, 197). Im vorliegenden Korpus gehören dazu: JOVE 1, 9, 16, 19, 20, 21, 22: Sieben Aufnahmen im Rahmen der regelmäßigen Teilnahme (über 10 Wochen hinweg) an den wöchentlichen Treffen der Umweltschutzgruppe Ecosunión am Institut d’ESO i de Batxillerat Sunión JOVE 30, 31, 32, 33: Vier Aufnahmen während eines Tagesausflugs mit der Gruppe Ecosunión JOVE 34, 35, 36, 37: Vier Aufnahmen während eines Halbtagesausflugs einer Schulklasse (2n Batxillerat) des Institut Maristes La Immaculada JOVE 0, 27: Zwei Aufnahmen diskutierender Studenten in der Cafeteria der Universitat Pompeu Fabra JOVE 26: Eine Aufnahme von jugendlichen Pfadfindern im Zug nach Barcelona JOVE 20, 24: Zwei Aufnahmen jugendlicher Geschwister von Freunden zu Hause in Barcelona und Vic JOVE 29: Eine Aufnahme von Schülern des Institut d’ESO i de Batxillerat Sunión in der Cafeteria neben der Schule 5.1.3.4. Medien mit jugendlicher Zielgruppe Der zweite Teil des für die Korpusanalyse grundlegenden Materials entstammt aus Programmen der katalanischen Kommunikations- und Printmedien. Im Folgenden sind die Datenquellen, getrennt nach Art der Kommunikationsermittlung, schriftlich oder mündlich, aufgeführt. 5.1.3.4.1. Mündliche Medienkommunikation Das Material für das Korpus mündlicher Medienkommunikation stammt vor allem aus den Jugendsendungen der Fernsehsender TV3, Canal33 und Flaix TV. Der Hauptaufnahmezeitraum lag zwischen dem 20. März und dem 10. April 2003. Aufgezeichnet wurden: 214
TELE 12 – 16, 21 – 25: Vier Folgen der Talksendung Una altra cosa auf TV3 TELE 17, 18, 20: Drei Folgen der Serie Jetlag auf TV3 TELE 35 – 40: Ein Sendenachmittag des Musiksenders Flaix TV TELE 1, 19: Zwei Folgen der Zeichentrickserie Shin Chan auf Canal33 TELE 29 – 32: Vier Folgen der Zeichentrickserie (Manga) Princesa Mononoke auf Canal33 TELE 33: Eine Folge des Kinderprogramms Super 3 auf Canal33 TELE 34: Eine Folge des Jugendprogramms 3xl.net auf Canal33 TELE 26, 27, 28: Drei Folgen der Serie El cor de la ciutat auf TV3 Im Frühjahr 2003 erschienen zudem als wöchentliche Beilage der Zeitung Avui die DVDs der Serie Plats Bruts, die im katalanischen Fernsehen im Jahre 2001 ausgestrahlt wurde. Da diese Serie von sehr vielen Jugendlichen in der Fragebogenerhebung als Lieblingsprogramm genannt wurde, habe ich ebenfalls zehn Folgen dieser Serie in das Korpus aufgenommen (TELE2 – 11). 5.1.3.4.2. Schriftliche Medienkommunikation Unter den katalanischen Publikationen für Jugendliche sind vor allem die Musikzeitschrift Enderrock sowie die Beilage Rock i Classic der Tageszeitung Avui hervorzuheben. Das Korpus umfasst die Veröffentlichungen beider Zeitschriften im Jahr 2003, bis auf die Monate Juni und Juli, sowie einige Hefte aus dem Jahr 2001. Des Weiteren existieren einige wenige Comics auf Katalanisch, wobei diese meistens auch nur Übersetzungen sind, beispielsweise Shin Chan (PREM41), zum gleichnamigen Zeichentrickfilm auf Canal 33. Weiterhin haben einige weitere an Jugendliche gerichtete Informationspublikationen, wie z. B. Més Jove, und Musikzeitschriften wie Mondo Sonoro Eingang ins Korpus gefunden. Die Übersicht der im Korpus analysierten Materialien ist folgende (fehlende Nummern beziehen sich auf spanischsprachige Publikationen): PREM PREM PREM PREM PREM PREM PREM PREM PREM PREM
2: 5: 6: 7: 8: 9: 10: 11: 12: 13:
Zeitschrift 3xl.net Beilage Enderrock Guia Jove Beilage Enderrock März 2003 Comiczeitschrift Bola de drac Monologe von A. Buenafuente zur Sendung Una altra cosa Zeitschrift El còmic Zeitschrift Enderrock Juli 2003 Zeitschrift Enderrock April 2000 Zeitschrift Enderrock Januar 2003 Zeitschrift Enderrock Dezember 2000 215
PREM PREM PREM PREM PREM PREM PREM PREM PREM PREM PREM PREM PREM PREM PREM PREM PREM PREM PREM PREM PREM PREM PREM PREM PREM PREM PREM PREM PREM
14: 15: 16: 17: 18: 19: 20: 21: 22: 23: 24: 25: 26: 27: 28: 29: 30: 31: 32: 33: 34: 35: 36: 37: 38: 39: 40: 41: 42:
Zeitschrift Enderrock Februar 2003 Zeitschrift més jove März 2003 Beilage Enderrock Nr. 63 Beilage Enderrock Nr. 67 Beilage Enderrock Sopa de Cabra Zeitschrift La revista dels supers Zeitschrift més jove Mai 2001 Zeitschrift més jove März 2003 Zeitschrift més jove November 2003 Zeitschrift mondo sonoro Zeitschrift Nativa April 2003 Zeitschrift Nativa September 2003 Zeitschrift Pack de so April 2003 Zeitschrift Pack de so März 2003 Zeitschrift Papers de Joventut Nr. 46 Zeitschrift Rock i Classic 10. September 2003 Zeitschrift Rock i Classic 12. März 2003 Zeitschrift Rock i classic 12. September 2001 Zeitschrift Rock i Classic 16. April 2003 Zeitschrift Rock i Classic 19. September 2001 Zeitschrift Rock i classic 2. April 2003 Zeitschrift Rock i classic 26. März 2003 Zeitschrift Rock i classic 26. September 2001 Zeitschrift Rock i classic 7. November 2001 Zeitschrift secunderia Februar 2003 Zeitschrift secunderia März 2003 Zeitschrift secunderia Oktober 2003 Zeitschrift Shin Chan Beilage Enderrock April 2003
5.1.4. Technische Daten der Aufzeichnung Die Gesprächsaufzeichnungen wurden, ebenso wie die versteckten Aufnahmen mit der Aufnahmefunktion eines MP3-Players der Marke Cebop 128MB durchgeführt und anschließend auf CD-Rom gespeichert. Die digitale Bearbeitung erfolgte mit Hilfe des Programms Sound Forge 4.5.281 der Firma XMAN98. Die Aufzeichnung von Fernsehprogrammen erfolgte mit herkömmlichen VHS-Kassetten; das Material wurde danach mit dem Programm ULeadVideo Studio digitalisiert.
216
5.2. Korpusanalyse Die lexikalische Ebene des Lehnwortschatzes steht im Vordergrund der Analyse. Bei den Lehnwörtern im weiteren Sinn unterscheide ich zwischen Fremdwörtern, durch kulturelle Einflüsse bedingt meist Anglizismen, und Lehnwörtern im engeren Sinn (an das Katalanische assimilierte Fremdwörter). Die Grenzen sind hierbei allerdings fließend und die Assimilation (Integration in die katalanische Morphologie, Bildung von Derivaten etc.) kann sich je nach Lexem unterschiedlich vollziehen. Schwierig ist eine Abgrenzung zudem bei Entlehnungen aus dem Spanischen, da aufgrund der Nähe beider Sprachen und ähnlicher morphosyntaktischer Prozesse die Unterscheidung zwischen Fremd- und Lehnwort kaum getroffen werden kann. Entlehnungen semantischer Art sind im analysierten Korpus vor allem Lehnbildungen und insbesondere Lehnübersetzungen aus dem Englischen und Spanischen. Vereinzelt treten auch Lehnwendungen in Form von spanischen Phraseologismen auf (cf. Graphik 2–1). Für die Analyse wurden die erwähnten spanischen und katalanischen Wörterbücher herangezogen (cf. 1.3.). Aufgrund der Schnelllebigkeit jugendsprachlicher Phänomene sind einige der dargestellten Lexeme in den entsprechenden Wörterbüchern noch nicht vertreten. Die lexikalisch-semantischen Informationen werden teilweise, wo möglich und für das Verständnis nötig, durch situativ-pragmatische Beschreibungen ergänzt. Ein Abschnitt widmet sich auch den pragmatischen Markern, da bei diesen eine große Diskrepanz zwischen beiden Korpusteilen zu verzeichnen ist, was das Spannungsfeld zwischen Norm und autonomem Sprachgebrauch in der Sprache der Jugendlichen und der Medien widerspiegelt (cf. 5.2.). Auf weitere pragmalinguistische Informationen zum Korpus wird an dieser Stelle verzichtet, da eine entsprechende Analyse schon in Kapitel 4 erfolgt ist. Dort ging es vor allem darum, die zur Beschreibung des Spannungsfeldes zwischen Jugendlichen und Medien bedeutsamen Prozesse der Selbst- und Fremdkategorisierung sowie der Gruppenkonstitution darzustellen. An die lexikalisch-semantische Analyse schließt sich die Beschreibung ausgewählter Phänomene der morphosyntaktischen Sprachebene an. Die Analyse schließt mit einer Zusammenfassung der phonetischen Besonderheiten bei der lautlichen Realisierung von Entlehnungen, vor allem aus dem Englischen. Auf eine weitere Darstellung phonetisch-phonologischer Besonderheiten wird verzichtet, da hier ein vertieftes Eingehen auf diatopische Unterschiede im Katalanischen nötig wäre, was allerdings noch detailliertere soziolinguistische Hintergrundinformationen zu den Informanten erfordern würde. Allerdings geht eine detaillierte phonetisch-phonologische Analyse auch über die Zielsetzungen dieser Arbeit hinaus, so dass eine Zusammenfassung m.E. ausreichend erscheint.
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5.2.1. Lexikalisch-semantische Ebene Die Einteilung der zahlreichen lexikalisch-semantischen Phänomene des Korpus erfolgte nach für die Jugendlichen relevanten semantischen Feldern. Eine solche Einteilung in semantische Felder dient der konzeptuellen Strukturierung des Wortschatzes, sie sind also als Gesamtheit konzeptueller Beziehungen zu sehen (cf. Espinal 2002, 106s.; Müller 2002, 184). Ein semantisches Feld umfasst ein oder mehrere Wortfelder, d.h. die Gesamtheit der Lexeme bzw. Lexien, die einen bestimmten konzeptuellen Bereich des semantischen Feldes abdecken. Die Termini in einem Wortfeld, die meist der gleichen Wortklasse (Substantive, Verben, Adjektive etc.) angehören, sind so klassifiziert und organisiert, dass jedes Element dazu beiträgt, seine Nachbarn einzugrenzen und von diesen ebenfalls eingegrenzt wird (cf. Ullmann 1962, 277). Zwischen den einzelnen Elementen eines Wortfeldes herrscht eine Bedeutungsrelation. Diese spricht schon Saussure in der Dichotomie der paradigmatischen vs. syntagmatischen Betrachtung von Sprache an und bezeichnet sie als valeur, als systemischen Wert des Zeichens. Darauf stützt sich die von Trier begründete Wortfeldtheorie (cf. Trier 1931). Die Darstellung nach semantischen Feldern und deren Unterteilung in verschiedene Wortfelder erscheint mir für das vorliegende Korpus günstig. Zum einen gehe ich davon aus, dass sich die Jugendsprache insbesondere in bestimmten semantischen Feldern manifestiert, wie z. B. von Vila/Bellés (1989; cf. 4.4.2.) dargestellt. Zum anderen vereinfacht dieser Aufbau auch den direkten Vergleich zwischen dem jugend- und dem mediensprachlichen Korpus. Entsprechend den Korpusdaten sind folgende semantische Felder/ Wortfelder vertreten: – Musik und Mode (cf. 5.2.1.1.) – Freizeit, Sport, Urlaub (cf. 5.2.1.2.) – Drogen (cf. 5.2.1.3.) – Essen und Trinken (cf. 5.2.1.4.) – Arbeit und Wirtschaft (cf. 5.2.1.5.) – Moderne Kommunikationsmedien (cf. 5.2.1.6.) – Personen(gruppen) (cf. 5.2.1.7.) – (sexuelle) Beziehungen (cf. 5.2.1.8.) – Gefühlszustände und Wertungen (cf. 5.2.1.9.) – Quantitative Angaben (cf. 5.2.1.10.) – Bezeichnungen von Räumlichkeiten und Orten (cf. 5.2.1.11.) Neben diesen semantischen Feldern erscheint eine weitere Kategorie, die auf lexikalisch-semantischer Ebene Beachtung finden soll: die pragmatischen Marker (cf. 5.2.1.12.). Abschließend werden in der Kategorie «Sonstige» (cf. 5.2.1.13.) vereinzelte Phänomene erfasst, die keinem der genannten semantischen Felder bzw. der zwei Kategorien zuzuordnen sind.
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5.2.1.1. Semantisches Feld Musik und Mode Die beiden eng miteinander verwobenen semantischen Felder der Mode und Musik sind in beiden Korpusteilen mit zahlreichen Elementen vertreten. Dies ist auf die Thematik und deren zentrale Stellung in der jugendlichen Lebenswelt zurückzuführen. Die katalanische Jugendpresse konzentriert sich fast ausschließlich auf diesen Bereich, und hier vor allem auf den Musikmarkt (cf. die Zeitschriften Enderrock, mondo sonoro). 5.2.1.1.1. Wortfeld Musikstile Was die englischen Bezeichnungen für Musikstile wie rock, pop, house, techno, heavy (metal), reggae, ska, punk, (punk) oi!, jungle, jazz, breakdance etc. angeht, so werden die entsprechenden Lexien für diese, meist im englischsprachigen Raum entstandenen Phänomene zunächst als morphologisch nicht assimilierte Fremdwörter übernommen. Phonetisch sind allerdings die meisten von ihnen bereits assimiliert, daher könnte man an dieser Stelle auch im Sinne von Thielemann (2003b) von partiell integrierten Anglizismen sprechen. Entsprechende Lexeme sind zahlreich sowohl in den Gesprächen der Jugendlichen als auch in den medialen Korpusteilen zu finden (cf. hierzu auch Vila/Bellés 1989). Eine kleine Auswahl sei im Folgenden gegeben: JOVE5 K: i quina música fan/ A: {(@) és} house i:: i sinó:: technohouse aquest K: mh/ JOVE4 B: tot lo que:: tot lo que xxx pues pel moment música actual i popA: uah pop B: escolto també (..0,7) crash metal JOVE35 C: és una ostia/ tio\ (..0,4) a més que: m’agrada molt el techno:JOVE19 L: en una planta/ fan tots els concert de punk oi/K: mh/
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L: i a l’altre / fan concerts més d’ska de reggae/ {(E) ple ple} de gent maquíssimJESC7 fer algun dia un reportatge o un especial sobre l’oi! català, que el teniu molt oblidat TELE38 B: bueno doncs:que potser quetenen una mica de raó/ sí però en el sentit de discoteques/ tal:música en directe/ {(E)/rock’n’roll/ \ falta música en directe i {(E)/rock’n’roll/ TELE36 A: estem parlant:de l’autor de rap {(E)més jove}/ de l’indústria nortamericana/ PREM24 dins de la World Music Chart Europe, la llista de world music més important d’Europa PREM31 Mentre que dilluns ha estat el dia freestyle per antonomàsia (amb el granadì DJ Toner i els Dope Borthers barrejant groove, big beat i sons llatins) i ahir dimarts els sons roots van envair el CCCB amb el reggae i el dub de Markus Jr. i Ragnampiza, avui dimecres prenen protagonisme els ritmes digitals negres: per un costat, el DJ britànic Howie Roach (resident a les sessions Skyfunk del club comtal Japan) en donarà bon compte de l’UK garage – barreja eminentment anglosaxona de rhythm’n blues, house i garage – mentre que Alien Kid (membre del col·lectiu Slow Bullets) es decantarà per ritmes més contundents com el drum’n’bass i el jungle.
Besonders im schriftlichen mediensprachlichen Teil (PREM) sind bezüglich der Orthographie Unsicherheiten zu verzeichnen. So finden sich z. B. drei Schreibweisen von garage/garatge/garatxe (PREM11, 23, 31), die von der Beibehaltung des Anglizismus über den Versuch der imitierten phonetischen Integration (ausgehend von einem stimmlosen Affrikat) und neu erfundener Graphie (garatxe) bis hin zur partiellen graphischen – und der damit vermutlich auch enthaltenen phonetischen – Integration (als stimmhafter Affrikat) in Anlehnung an katalanische Muster (garatge, wenn auch mit anderem semantischem Gehalt, cf. GD62; DIEC) reichen. Teilweise gehen die Unsicherheiten mancher Autoren sogar soweit, dass die Anglizismen nur in Form der ersten Stufe des Modells von Thielemann (2002; 2003b) bzw. Schmidt220
Radefeldt (1995b) auftreten, d.h. explizit nur zitiert werden und also Fremdwörter bleiben. PREM19 fan música ‹pop› plena de sentiment Un treball en què trobaràs una pila d’estils: balades, ‹hip-hop›…
Das durchgängig (cf. PREM24, 31 und auch in JESC15) nicht angeglichene Kompositum world music bzw. sogar die auf ein Lexem trunkierte Form world9 als Bezeichnung nicht für eine Stilrichtung an sich, sondern als Hyperonym für verschiedene, teilweise schwer zu klassifizierende Stilrichtungen aus aller Welt, ist aus deutscher Sicht erstaunlich. Konsultiert man im deutschsprachigen Raum, in dem gerade dem Musiksektor immer wieder der starke Gebrauch von Anglizismen vorgeworfen wird, Kataloge und Internetauftritte der größeren Tonträgeranbieter, so stößt man auf eine relativ konsequente Verwendung der Lehnübersetzung Weltmusik anstelle des Fremdwortes world music.10 Daher ist es interessant festzustellen, dass in einer Sprache wie dem Katalanischen, in der aufgrund der politischen und historischen Situation tendenziell viel mehr auf sprachliche «Reinheit» geachtet wird und mehr Institutionen zur Verfolgung dieses Ziels zur Verfügung stehen als z. B. in Deutschland, der Anglizismus sich zumindest in der Mediensprache durchgesetzt hat. Die entsprechende katalanische Lehnübersetzung música/músiques del món war im Medienkorpus lediglich einmal zu finden. Weiterhin interessant ist die Verwendung des Lexems groove (cf. in PREM13, 23, 31) zur Bezeichnung eines eigenen Musikstils. Der nicht bzw. kaum assimilierte Anglizismus (lediglich Übereinstimmung des Pluralmorphems) mit der Einzelbedeutung «a pronounced enjoyable rhythm» (cf. Webster), wie er in PREM23 gebraucht wird (com el soul, el jazz, el funk […] i els rare grooves), erfährt eine Bedeutungsverengung. Er dient zur Bezeichnung eines eigenen, allerdings im schriftlichen Medienkorpus nicht näher definierten Stils. Die auftretenden Bezeichnungen für Musikstile decken sich in beiden Teilen des Korpus nicht völlig. Einige sind nur im Medienkorpus zu finden (rock’n’roll, andere wiederum nur im jugendsprachlichen Korpus (wie ska, jungle etc.). Diese Unterschiede sind auf thematische Aspekte der Gesprächsbeiträge zurückzuführen und ließen sich m.E. bei einem größeren Korpus relativieren. Sowohl in der katalanischen Jugend- als auch in der
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10
Diese bei Thielemann (2002, 415) als «truncação» bezeichnete Verkürzung eines Kompositums auf eines der beiden Lexeme bezeichnen Espinal et al. als «contigüitat de noms» (2002, 54), die Tatsache also, dass das signifié des Kompositums auf das Einzellexem übertragen wird. In Die Zeit vom 08/12/05 heißt es hierzu: «[…] die zu anderer Musik tanzen als jene so versöhnliche wie fade Mischung aus Salsa, Jazz, afrikanischen Trommeln und all dem anderen, was sich Weltmusik nennt» (Diez 2005, 84).
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Mediensprache ist davon auszugehen, dass für Musikstile dieselben Anglizismen in gleichen Formen verwendet werden. Was allerdings auffällt, ist eine größere Bezeichnungsvielfalt bzw. -genauigkeit zur Differenzierung der einzelnen Stile in der Pressesprache. Diese Tendenz bringt eine große Zahl von fachsprachlichen Anglizismen mit, welche die Jugendlichen eher nicht spontan benutzen. Ein wenig anders gestaltet sich das Verhältnis bei spanischsprachigen Musikbezeichnungen, die im Korpus meist mit Bezug auf lateinamerikanische Musikstile auftreten. Beiden Korpusteilen ist hier allerdings gemeinsam, dass die entlehnten Lexeme nicht assimiliert werden, auch nicht in phonetischer Hinsicht – sie bleiben also als Fremdwörter erhalten. Darüber hinaus sind vor allem im jugendsprachlichen mündlichen Korpus Bezeichnungsschwierigkeiten bzw. -ungenauigkeiten festzustellen – das Hyperonym música (l)latina wird gegenüber den möglichen Hyponymen (salsa, rumba, pachanga, samba, corrido, bachata etc.) bevorzugt gebraucht. Im Medienkorpus – schriftlich wie mündlich – ist die Bezeichnungsvielfalt in dieser Hinsicht wesentlich größer (cf. PREM14, 29, 31; TELE38). Besonders deutlich wird die Bezeichnungsunsicherheit im jugendsprachlichen Korpus (JOVE5; JOVE11), da hier das Hyponym pachanga (nach DRAE «danza originaria de Cuba») mit dem Hyperonym musica latina gleichgesetzt und somit ebenfalls zum Hyperonym wird. Beide werden synonym verwendet. Dieser Gebrauch erklärt sich auch durch eine Bedeutungserweiterung des Lexems pachanga. Es erhält ein Homonym mit der Bedeutung von lauten, trubelhaften Festen («jolgorio ruidoso y desordenado» (CLAVE) bzw. «alboroto, fiesta, diversión bulliciosa» (DRAE)), welche die Jugendlichen scheinbar mit lateinamerikanischer Musik assoziieren. In PREM37 wird das Lexem in Form von orquestra de patxanga im ursprünglichen Sinn, jedoch an die katalanische Graphie adaptiert, verwendet. TELE38 C: hi ha:: xx és un local amb dos ambients\ local amb bar salsa bar/ és música (l)atina/ PREM14 Es un bachata que van enregistrar en Carlos i col·legues seus, com en Beto Bedoya JOVE11 B: i la pachangapachanga/ (...) B: la música aquesta:A: música: latina:
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JOVE11 A: i no sé.\ rock:/ de popm’agrada tot menos màquina/ K: mh/ A: no m’agrada:i la pachanga tampoc\ vull dir la pachanga m’agrada per ballar però per escoltar-la:no\ PREM29 menys el bacallà d’aquell txunga-txunga pastiller
Ein weiterer Hinweis auf die Bezeichnungsschwierigkeiten unter den Jugendlichen, die in den Medien – vermutlich aus Gründen ihres Kompetenzanspruchs, gerade bei thematischen Sendungen zum Thema Musik – so offensichtlich nicht auftreten, ist auch das in JOVE5 verwendete Lexem racachanga, ein Onomatopoem zur Darstellung der «typisch» lateinamerikanischen Musik. Hier wird die Arbitrarität zwischen signifiant und signifié, wie Saussure sie bereits in seinem Zeichenmodell dargestellt hat, teilweise aufgehoben und es findet eine Annäherung über die Lautkette auf Basis des Katalanischen statt. Eine ähnlich lautmalerische Beschreibung findet sich in JOVE7 mit bumbumbum bzw. in PREM29 mit txunga-txunga in Bezug auf den Musikstil màquina oder bacallà. JOVE5 A: i sinó te’n vas a la de: (..0,8) latina: racachanga/ A: @@ B: @@ JOVE7 D: [van molt a discoteques] B: [amb música bumbum]bumA: a discoteques a:: a música d’aquesta/ C: [de màquina]
Màquina (cf. u. a. JOVE7, 8, 9, 42a) möchte ich als Lehnprägung und hier besonders als Lehnschöpfung (oder nach Thielemann 2002; 2003b als Neosemantismus) bezeichnen. Die fremdsprachige, auf ein aus dem anglo-amerikanischen Raum importiertes Kulturgut zurückgehende Bezeichnung wird mit Elementen des Systems der Aufnahmesprache nachgebildet. Dies geschieht, indem dem existierenden Lexem ein zusätzliches neues signifié («maschi223
nell», d.h. elektronisch erzeugte Musik) hinzugefügt wird, das allerdings noch nicht im Wörterbuch zu finden ist (cf. DIEC; GD62).11 Es handelt sich hierbei scheinbar um eine jugendsprachliche Kreation, denn in den Medienaufzeichnungen schriftlicher wie mündlicher Art findet sich der Begriff nicht. In der Jugendsprache besteht m.E. die Tendenz, màquina, wenn auch nicht ausschließlich, als Hyperonym für alle elektronischen Musikstile zu gebrauchen (wie in JOVE7). In der Mediensprache wird dafür vermehrt zwischen verschiedenen «elektronischen» Stilen in Form verschiedener nicht assimilierter Anglizismen (techno, house, drum’n’bass) unterschieden (cf. alle PREM). 5.2.1.1.2. Personen(gruppen) aus dem Bereich Musik Das als Fremdwort geltende, teilweise assimilierte Lexem fan (Pluralbildung, Verwendung mit katalanischem Artikel möglich etc.; cf. Recasens Solé 1982) findet sich sowohl in den Korpusauszügen zur Jugendsprache, als auch in der Mediensprache in zahlreichen Beispielen (cf. auch PREM10, 11, 12, 13, 14, 19, 30, 32, 35, 36; JESC6, 7, 10, 20; TELE39). Die in Beispiel JOVE10 auftretende Wiederholung durch Dopplung ist nach Payrató (1990, 136) ein sehr häufig in der katalanischen Umgangssprache auftretendes Phänomen zur Betonung, Spezifizierung oder Graduierung des entsprechenden Elements. PREM26 vaig escollir els nous temes, van ser els fans qui van escollir els temes que els agrada escoltar PREM12 Érem superfans de Radio 3. Ens passàvem hores i hores escoltant-la. JOVE10 C: tot lo de rock catalàtipo Sopa de Cabra i això/ (..0,4) no som: fans fans:però:: B: escoltem bastant/ TELE21 B: ha vingut una {(E)superfan} {(E)superfan} superfan/ de Anonio xxx\ JESC 8 per demanar que m’escriguin nois i noies fans del rock català
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Ob dieser Prozess im Katalanischen unabhängig stattgefunden hat, oder ob es sich um eine Analogiebildung zum Spanischen handelt, ist aus meiner Perspektive und ohne genaue Kenntnis der musikgeschichtlichen Entwicklung nicht zu bestimmen.
224
Synonym zum Anglizismus fan benutzen die Jugendlichen auch das (teilweise substantivierte) Adjektiv aficionat/-da (cf. JESC25). In der Mediensprache findet sich auch amants de la música (cf. PREM23). In diesem Zusammenhang seien auch einige Kohyponyme des Lexems fan (zum Hyperonym ‹begeisterter Anhänger›) angeführt, welche ebenfalls als Anglizismen ins Katalanische gekommen sind. Ist hooligan in katalanischen Wörterbüchern aufgeführt (GD62; DPN), so findet sich freak in keinem der konsultierten Werke. Rodríguez González erwähnt das Lexem jedoch bereits 1989 in der graphischen Realisierung friqui bzw. freakie als typisch jugendsprachliches Adjektiv bzw. Substantiv. Neben der Bedeutung fan verzeichnet das OALD für das Substantiv freak allerdings auch die Einzelbedeutung «person considered abnormal because of his behaviour» und gibt für das Adjektiv die Synonyme «unusual, weird» an. Diesen semantischen Inhalt greift auch die Definition für den Anglizismus im Spanischen in CLAVE auf: «[…]una persona, que lleva un tipo de vida diferente a lo habitual y generalmente considerada como extravagante, con sus propios valores, su propia cultura y su propia música». Ähnlich wie bereits für die Adjektive punky bzw. folkie diskutiert, findet bei freakie eine Veränderung der Wortklasse (mit Veränderung der Graphie von zu , wahrscheinlich in Analogie zur Pluralform) vom Adjektiv zum Substantiv, das die Person bezeichnet, statt, wie sie das Englische nicht kennt. Gleichzeitig findet sich auch die Entlehnung des Adjektivs freaky (PREM26) bzw. die Lehnübersetzung des englischen Kompositums als cultura freak (PREM29; cf. hierzu auch Komposita 5.2.2.2.4.). Der in PREM12 angedeutete Versuch des Ersetzens von freak durch ein katalanisches Konzept (juantxi) scheint hingegen wenig erfolgreich verlaufen zu sein. Juantxi ist in den katalanischen Wörterbüchern nicht verzeichnet und taucht auch im Internet (Eingabe des Lexems bei Google) entweder nur als Eigenname oder auf baskischen Internetseiten auf. PREM35 probablement una de les tres primeres bandes de les quals vaig ser hooligan PREM37 Per comptes de solucionar-ho, els hooligans anglesos han pogut continuar pastant com animals pels carrers del West End PREM42 És la història d’un freakieaquest sí que existeix PREM32 «La historia d’un freak, que se’n va de casa per seguir els seus somnis PREM26 però donant-li la volta a la part freaky d’aquest país de merda
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PREM29 Cinema, internet, còmic, exposicions… tota l’oferta colateral a la cultura freak té el seu espai al nou R&C PREM12 El cantautor Ariel Santamaria, impulsor del concepte ‹juantxi› – la catalanització del terme ‹freak› – s’ha presentat com a candidat a les eleccions municipals de Reus del 25 de maig vinent.
Ein weiteres Lexem, das sowohl in der Musik als auch allgemein bei Veranstaltungen oder im Sport (cf. OALD «famous or brilliant singer, performer, sportsman etc.») für Personenbezeichnungen gewählt wird, ist der Anglizismus star. In den wenigsten Fällen und auch nur in der Pressesprache tritt er als nicht assimiliertes Fremdwort auf. PREM30 són una mena de reunió all stars del folk renovador PREM18 Va arribar un moment en què us vau creure rock’n’roll stars?
Häufiger ist jedoch die Lehnübersetzung – allerdings nicht in Form des katalanischen estel, sondern durch Entlehnung der Lehnübersetzung estrella aus dem Spanischen. Die semantische Erweiterung des aus der Astronomie stammenden Lexems um ein Sem (Neosemantismus, cf. Thielemann 2002, 418s.), findet sich im Spanischen in verschiedenen Wörterbüchern verzeichnet (cf. DEA; CLAVE), im Katalanischen hingegen nicht bzw. nur indirekt12 (cf. GD62; DIEC), allerdings auch nicht für das katalanische Lexem estel. Estel ist im Korpus ebenfalls belegt, bezieht sich aber in den entsprechenden Beispielen eigentlich auf den Himmelskörper bzw. dessen abgebildete Formen, nicht auf eine Person. Die Komposition mit super erklärt sich aus der Verwendung des Lexems in der Zeitschrift La revista dels supers (PREM19), die vom katalanischen Fernsehsender Televisió Catalunya herausgegeben wird und in Zusammenhang mit einem Programm für Kinder bzw. Jugendliche steht (Super3).13 Eine Ausnahme stellt das in PREM30 auftretende estels fugaços dar, das metaphorisch gebraucht wird und zudem als lexikalisiertes Kompositum nur schwer das Ersetzen eines der beiden Lexeme durch ein Fremdwort zulässt.14 Es ist also nur 12
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Im DIEC erscheint das Lexem estrella nicht als eigener Eintrag, es findet sich jedoch in der Definition des Adjektivs estel·lar: «Relatiu o pertanyent a les estrelles artístiques». Cf. INFO1 zur Kreation von ähnlichen Komposita und anderen Neologismen als bewusst getroffende Entscheidung innerhalb der Linie des Programms. Als gewollt kreierter Neologismus versteht sich auch die Partizipform petriestrellat (PREM19), die in der gleichen Zeitschrift auftaucht und in engem Zusammenhang zu einer Person mit eben diesem Namen (Petri) steht. Denkbar wäre hier höchstens die Entlehnung des gesamten Kompositums aus dem Spanischen, d.h. der Gebrauch von estrellas fugaces, was aufgrund der grammatikalischen und phonetischen Ähnlichkeit nicht unmöglich erscheint.
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ein partielles Synonym für estrella. In Rücksprache mit einigen Informanten des Korpus äußerten diese ihre Präferenz für estrella zur Bezeichnung von berühmten Musikern, Sportlern etc., da sie mit dem Lexem das Prestige und den Ruhm der entsprechenden Personen konnotierten, mit estel hingegen nicht. PREM29 Les millors estrelles del techno i el house internacional JOVE10 {(AC) però la veritat és que el somni de ser una estrella del rock:/ C: @@ K: @@ (..0,6) B: {(@)és bastant tentadorno/ TELE39 T: és que com tu que t’assembles una mena a aquesta estrella alemanya\ A: no/ ara ja no\ M: em va tocar el punt feble aquí\ PREM19 per dibuixar un superestel Dibuixa’ns el teu superestel PREM30 Joe Strummer: el gran timo del rock’n’roll (político) i Antologia del disparate, on es posen al mateix sac indiscutibles paladins de la lluita política com Woody Guthrie amb estels fugaços com Chumbawamba.
Zu den Substantiven estrella bzw. estel bildet das Katalanische das Adjektiv estel·lar, im Korpus u. a. in folgendem Beispiel belegt: PREM25 amb l’acompanyament estel·lar de les filles del dolor
Weitaus häufiger taucht jedoch das Substantiv estrella in adjektivischer Verwendung auf. Hierbei handelt es sich m.E. um eine Lehnübersetzung aus dem Englischen, die allerdings an die Regeln für die Komposition im Katalanischen bzw. an die für attributive Adjektive üblichere Stellung nach dem Substantiv angepasst wird. Die Interpretation der nachstehenden Beispiele als attributiv gebrauchte Adjektive im Gegensatz zur Komposition ist meiner Meinung nach nahe liegender, da Einfügungen wie im Fall von superestrella sonst kaum möglich wären (cf. Schpak-Dolt 1992, 117ss., Pérez Saldanya et al. 2004, 241s.)15 und
15
Hier wäre weiterhin zu klären, ob es sich bei superestrella um eine Komposition oder eher um Derivation durch Präfigierung handelt, ein Ansatz, der an späterer
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außerdem in Kombination mit DJ als Abkürzung von disc-jockey (PREM30) schon ein Kompositum vorliegt. PREM19 L’exvigilant de la platja canvia el minibiquini per la roba ciber a V.I.P., un de les (sic) propers videojocs estrella de la Dreamcast PREM19 Són els esports estrella de les estacions PREM30 cada cop que un dels seus hits apareix al chart d’un DJ superestrella.
Zurückkommend auf das Lexem màquina, ist dessen weitere Integration und morphogrammatische Assimilation im Sinne einer Öffnung gegenüber dem katalanischen Derivationssystem interessant. Hierzu finden sich auch im Medienkorpus Beispiele, allerdings nur im schriftlichen Teil und hier auch nur wenige. Normalerweise wird der semantische Gehalt eines Wortes leichter verständlich, wenn man die Kontextbedeutung (cf. Espinal et al. 2002, 29) in die Analyse einbezieht. Nach Betrachten der Korpusbeispiele, Hinzuziehen der in katalanischen Wörterbüchern aufgeführten Beispiele für den Gebrauch von estel·lar («allò va ser un moment estel·lar en la seva carrera» cf. GD62; «Sempre li donaven papers estel·lars», DIEC) und Rückfrage bei einigen Informanten des Korpus lässt sich bezüglich estrella und estel·lar nicht abgrenzen, ob eine synonyme Verwendung möglich ist oder ob sich beide in ihrem semantischen Gehalt unterscheiden. Mehrere Informanten des Korpus meinten, sie würden estrella häufiger mit dem Ruhm und Prestige einer Person oder Sache konnotieren; es stünde demnach in entsprechenden Kontexten. Die Korpus- und Wörterbuchbelege für estel·lar sprechen allerdings dagegen. Zu untersuchen wäre in diesem Zusammenhang die Frequenz der Lexeme – am besten im Zusammenhang mit den Substantiven estrella und estel. Eine derartige Analyse würde jedoch ein umfangreicheres Korpus erfordern. PREM20 Makiners, skins, fashion, fans del pop … Cada estil musical té una moda pròpia i una manera de fer que varia molt. Tot està barrejat, encara que el makiner abunda als barris populars (...)
Die für das Katalanische untypische Orthographie mit findet sich in ähnlicher Form in schriftlichen Äußerungen von Jugendlichen in den modernen
Stelle ausführlicher diskutiert werden soll (cf. 5.2.3.5.3.). Fasste man allerdings superestrella als Kompositum auf, so wäre DJ superestrella nur noch schwer als Kompositum zu klassifizieren, da dies zu einem aus zwei Komposita zusammengefügten weiteren Kompositum führen würde, ein für das Katalanische oder Spanische äußerst ungewöhnliches Wortbildungsverfahren (cf. Schpak-Dolt 1992, 118, Pérez Saldanya et al. 2002, 241s.).
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Kommunikationsmedien wieder (cf. 4.4.2.) und ersetzt dort fast durchgängig das . Es handelt sich um eine ideophonematische Schreibweise, die einerseits einen kreativen Umgang mit der Sprache bzw. Graphie vermuten lässt, andererseits aber, vor allem in Form ihres Gebrauchs durch die Jugendlichen, auch den Charakter eines «Protests» gegen die (orthographischen) Normen hat. Die Übernahme in die Mediensprache deutet insofern auf ein gewollt jugend(sprach)liches Erscheinungsbild hin.16 In der Jugendsprache ist maquinero/maquillo17 häufiger vorhanden. Bevor ich hierzu einige Beispiele nenne, sei kurz auf die nach spanischem Vorbild diminutivähnliche Bildung maquillo eingegangen. Es handelt sich aber nicht um einen auf der Basis von màquina oder gar maquinero gebildeten Diminutiv. Dennoch lässt die Nennung in einem Atemzug mit maquinero (cf. folgende Beispiele) einen engen Zusammenhang und sogar die Möglichkeit eines annähernd synonymen Gebrauchs vermuten. Untersucht man das Korpus der mündlichen jugendsprachlichen Äußerungen weiter, so stößt man auf die ähnliche Form quillo,18 die in JOVE7 ebenfalls in einem Kontext mit maquineros genannt wird. JOVE7 C: maquineros, maquillos\ síA: [sí] B/D: @@ C: [són lo peor]\ B: els quillosels fatxes vaya/ JOVE10 A: maquinero:: i coses així: ja són més els: els els fatxes diguem\
Bei quillo (cf. auch JOVE40) handelt es sich um einen Kastellanismus, der allerdings im Spanischen, wenn überhaupt, nur als umgangssprachlich im Wörterbuch steht («col. […] Persona cuya identidad se ignora o no se quiere decir», cf. CLAVE). Meines Erachtens handelt es sich beim Gebrauch von maquillo um eine Äußerung jugendsprachlicher Kreativität, die zur Ver-
16
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Neben dem hier genannten makiner sei an dieser Stelle auf weitere idoephonematische Graphien hingewiesen (zur ausführlicheren Beschreibung cf. 4.4.3.). So finden sich im Korpus z. B. Gratix, kuan de sobte la vaig veure, les ales de mil kolors diferents, els kabells despentinats (cf. JESC9) oder A10 (cf. JESC25) Bei der Transkription habe ich mich in solchen Fällen nicht für eine ideophonematische Schreibweise entschieden, sondern versucht, den Regeln der katalanischen Orthographie weitestgehend zu folgen. Das Lexem quillo findet sich auch bei Vila/Bellés (1989), die es als Kastellanismus klassifizieren und nicht näher beschreiben.
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schmelzung der beiden Lexeme maquinero und quillo zu maquillo führt.19 Das Lexem quillo erfährt in diesem Prozess eine semantische Veränderung von der oben genannten Definition nach CLAVE und wird Hyponym zum Hyperonym ‹Anhänger elektronischer Musik›. Dieser Prozess gewinnt jedoch noch an zusätzlicher Komplexität, da die Jugendlichen im oben stehenden Beispiel – vermutlich aus eigenen Erfahrungen – mit maquinero und dementsprechend auch mit (ma)quillo eine rechte bzw. sogar rechtsextreme politische Haltung konnotieren (els fatxes) bzw. beide auch als Hyponyme zum Hyperonym fatxa einordnen. JOVE8 C: ah:- ((despektierlich)) maquineros\ A: el què/ C: el jove maquineroK : o que que més: hi haviaB: jo no sesí: C: {(DC)el punky} (...) {(DC)el surfer}B: sí C: {(DC)el surfer}A: el rap{(DC)el rap(p)er}JOVE12a A: que: jo no he maixxx sigut així\ però vaja/ (...) i les noies sobre tot tambéés lo mateix\ {(E)rapero i discotequero} JOVE3 B: és que jo crec que és com {(F)tot}/ abans era molt més marcada la escena dels {(F)punks} dels {(F)heavies} dels:: mods dels (..0,4) dels xx aquestsi era molt més definit/ separatPREM27 eren els representants de pop més melodiós, Sopa de Cabra era una banda de rock setanter potent i hippy, Sangtraït eren els heavies, i els Pets eren els més festius i carregats de idiologia política
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Im Französischen bezeichnet als «mot-valise» (cf. Petit Robert), im Englischen als «blend» (cf. Webster).
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Die Jugendlichen greifen in ihrem Sprachgebrauch verstärkt auf weiter ins Katalanische integrierte Lexeme zurück, z. B. sowohl das Lexem rapero als auch rap(p)er. Bei erstem handelt es sich um einen im Spanischen morphogrammatisch assimilierten Anglizismus, der dann wiederum ins Katalanischen als Kastellanismus übernommen wird. Beim Lexem rap(p)er, das in den Beispielen immer phonetisch assimiliert wurde, ist hingegen aufgrund der verwendeten katalanischen Derivationsendung zur Bezeichnung von Personen nicht klar, ob auch eine morphogrammatische Assimilation stattgefunden hat oder ob der Anglizismus einfach beibehalten wurde (cf. 5.2.2.2.; cf. auch surfer bzw. skater in den zitierten Beispielen). Die jugendspezifische Mediensprache entscheidet sich aufgrund der Bemühung um englische Aussprache m.E. für den nicht angeglichenen Anglizismus bzw. die Pressesprache sogar explizit für das Zitieren desselben, da man den Kursivdruck (im Original) als solchen interpretieren kann. TELE38 el rapper Eminem PREM34 el rapper era l’hereu natural dels rebels sense causa, que és com han de ser els rebels de paper cuixé
Bei anderen Lexemen zur Personenbezeichnung, die sich aus Musikstilen ableiten, ist wiederum größere Einigkeit – wenn auch keine völlige Übereinstimmung – zwischen der Jugend- und der Mediensprache festzustellen. Meist handelt es sich hierbei um nicht oder nur phonetisch adaptierte Anglizismen (punks, punky, heavies). Ähnlich wie in den oben zitierten Beispielen tritt im Korpus der katalanischen Jugendpresse das Lexem folkie(s) zu Tage. PREM31 El folkie escocès Jean Ritchie va acusar Dylan de plagiar la vella cancó anglesa nottamun PREM31 generació de folkies
Ist im ersten Beispiel allerdings klar, dass die ursprüngliche semantische Bedeutung «folk singer or instrumentalist» (Webster) beibehalten wird, lässt ein zusätzliches Sem, nämlich ‹Fan dieser Musikrichtung› zu. Bei Bildungen wie punky bzw. heavies verhält es sich ein wenig anders. Diese Anglizismen sind im Englischen keine Substantive zur Personenbezeichnung, sondern Adjektive (zur adjektivischen Verwendung cf. 5.2.1.1.6). Im Fall des polysemen Adjektivs heavy sei an dieser Stelle der Betrachtung nur die Einzelbedeutung in Bezug auf den Musikbereich herangezogen.20
20
Cf. Webster; OALD; die auf den Musiksektor bezogene Einzelbedeutung im Katalanischen erlangt das Lexem nur in der Verbindung mit dem Lexem metal, was als Komposition aufgefasst werden kann. Die Erweiterung des Bedeutungsspektrums des Kompositums um ein Sem lässt dieses zur Bezeichnung für den bekannten
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Liegt im Falle von punky («resembling of typical of a punk», cf. Webster) jedoch nur eine Entlehnung mit Veränderung der Wortklasse des Fremdwortes vor, so kann der Anglizismus heavy bzw. heavies, zusätzlich zu seiner formalen Eigenschaft als Fremdwort, zum einen als Neosemantismus (bei Erweiterung des Bedeutungsspektrums des Lexems um ein Sem), zum anderen als Lehnbildung auf Basis eines Anglizismus in Anlehnung an ähnliche Derivationsschemata (ebenfalls aus dem Englischen) bei anderen Lexemen (folkies, punkies, hippies etc.) angesehen werden.21 Im nächsten Beispiel erfolgt die Derivation auf Basis eines trunkierten Lexems, das ein Accessoire des Kleidungs- und Freizeitstils bezeichnendet: skate(board). JOVE12a B: el breakdance/ és això\ (..0,4) o el hiphopK: sí: B: xxx no sé que/ no séA: o skaters en diem\ per:\ B: i: aquestsno poden entrar als altres llocs\ A: @@ K: mhB: perquè van amb vambes/ no poden entrar\
Gleichzeitig werden mit den damit ausgestatteten Jugendlichen, den skaters also, bestimmte Musikstile (breakdance, hiphop) konnotiert und es erfolgt eine Bedeutungserweiterung des Lexems skater, die allerdings so auch schon im Englischen existiert (cf. Webster). Es erhält ein zusätzliches, eng mit dem ursprünglichen verbundenes signifié, wird also polysem. Darüber hinaus wird gerade bei diesem Lexem deutlich, wie eng wiederum die Personenbezeichnung mit anderen Stilelementen wie Kleidung verbunden ist (perquè van
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Musikstil werden, der als Fremdwort ins Katalanische gelangt. In den Korpusbeispielen wird das Kompositum jedoch – wenn auch nicht durchgängig – trunkiert (cf. 5.2.3.5.2.), d.h. auf ein Lexem, nämlich heavy reduziert, behält aber dabei die musikbezogene Einzelbedeutung. In diesem Zusammenhang ist auch der Anglizismus groupie zu nennen, nach dem OALD «keen supporter (esp a young girl) who follows pop groups to concerts given on tour», das in PREM11 vorkommt.
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amb vambes).22 Bei der Metonymie, d.h. der Verwendung des Eigennamens vambes als Gattungsbezeichnung für Turnschuhe (cf. auch PREM14) liegt nach Espinal et al. eine «contigüitat de sentit» (2002, 53), hier also die semantische Erweiterung auf ein Hyperonym, vor.23 5.2.1.1.3. Personen(gruppen) – Bezeichnungen nach Kleidungsstilen Substantive (und auch Adjektive) zur Personenbezeichnung in der Jugendszene sind nicht nur auf Musikstile, sondern vielleicht in noch größerem Maße auf Äußerlichkeiten wie Kleidung bzw. auch Freizeitaktivitäten (cf. 5.2.1.2) zurückzuführen, wie aus folgenden Beispielen hervorgeht. JOVE8 C: {(AC)aquestes denominacions venen bàsicament/ o per la: música que escoltes/ o per la roba que vesteixis}B: [sí-] C: bien{(AC)ets maquinero ésperquè t’agrada la música {(E)màquina}/ i tens un tipun determinat}/ B: [ah]/ C: i puesB: estan lligat(...) C: {(AC) i ets surfer:/ és perquè vesteixes un tipus: determinat de roba:}i:: així\ B: la roba/ la música/ i les activitats que fas\ tot {(E)així} queda bastant lligatJOVE8 C: tu potser un dia et veuen/ que vas vestida més skater però potser (xx) et veuen/
22
23
Bei vambes bzw. vamba handelt es sich um eine Metonymie, das Lexem ist einem Eigennamen, nämlich der Schuhmarke (Wamba) nachempfundenden und dient allgemein zur Bezeichnung von Sportschuhen. Cf. auch das in TELE8 pejorativ zur Bezeichnung eines Pfadfinders gebrauchte Adjektiv xiruca, das nach GD62 auf den Eigennamen Chiruca zur Bezeichnung der entsprechenden Wander-/ Bergschuhe zurückgeht; das Lexem ist polysem, im GD62 findet sich auch die als ironisch klassifizierte Einzelbedeutung «es diu del tarannà escolta».
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que vas vestida: pues::més {(E)pija}/
Dementsprechend finden sich, meist allerdings eng mit der Musikwelt verbundene Lexeme, die Personengruppen nach ihren Kleidungsstilen bezeichnen, wie z. B. skater, surfer, hippy. JESC6 M’encantaría ser skater JOVE8 B: però sí que hi ha gent/ que es veu de seguida: que (.0,3) que és o surfista:/ o:: o skater/ o punki o maquinero\ JOVE6 B: jo només sé que la meva mare era hippie C: jo crec que estaven molt més involucrats políticament\ B: síaixò segur\ TELE2 és hippy, perquè és dropo TELE7 Tinc un pare hippy PREM32 Els pares de tothom són tipus absolutament progres i hippies i la ciutat és plena de mogudes metall o hippy
Betrachtet man zunächst die Stilbezeichnung hippy, so lässt sich feststellen, dass diese ein sowohl als Adjektiv als auch als Substantiv im Wörterbuch aufgeführter Anglizismus (cf. GD62; DIEC) ist. Allerdings besteht in der Mediensprache in schriftlicher Form teilweise noch die Tendenz, das Lexem zu zitieren und sich somit von diesem Anglizismus zu distanzieren. Bei anderen Stilbezeichnungen ist u. a. auf die Unterschiede bei den Derivationsendungen innerhalb des mündlichen jugendsprachlichen Korpus hinzuweisen, die im morphosyntaktischen Analyseteil näher erläutert werden (cf. 5.2.4.). An dieser Stelle sei nur auf die Diskrepanz zwischen surfer (mit kat. oder auch engl. Derivationsaffix) und surfista (mit kat. oder span. Derivationsaffix) hingewiesen. Weniger exakt einem Kleidungsstil zuzuordnen, sondern darüber hinaus auch den (finanziellen) Hintergrund einer Person bzw. ihre gesellschaftliche Einstellungen beschreibend, ist das unter Jugendlichen sehr geläufige Lexem 234
pijo/-a.24 Es dient sozusagen der Bezeichnung des Gesamtkonzepts eines in der Jugendkultur vorhandenen Stils, der von den Informanten des Korpus im Sinne eines Stereotyps zur häufig negativen Fremdkategorisierung gebraucht wird (cf. 4.5.2.7.). De Tera (2001) beschreibt pijo als «persona que té força diners i que actua, es vesteix i es comporta fent ostentació de la seva economia» (cf. hierzu auch Rodríguez González 1989; Vila/Bellés 1989). Es handelt sich um ein im Katalanischen noch nicht im Wörterbuch verzeichnetes Fremdwort aus dem Spanischen (cf. GD62; DIEC), das zur Klassifizierung eines bestimmten Personentyps (wohlhabend, Markenkleidung tragend, relativ arrogant) dient. JOVE12 K: com són/ elsels pijosA: que van amb una marca/ eh:: Tommi:Ralf Lauren(...) A: hi ha de tot\((in der Schule)) B: [hi ha de tot]A: pijos/ (..0,5) skaters i fatxesB: i també(..0,7) @@@ A: @@@ JOVE8 els pijos estan tots a la zona alta\ tot lo que:la plaça Bonanova::
Im schriftlichen Korpus taucht pijo/-a nicht auf, dafür findet sich hier das Lexem esnob (cf. PREM35), das semantisch betrachtet allerdings nur partielles Synonym von pijo/-a ist. In der Mediensprache erscheint pijo/-a in der Serie Plats Bruts, in der die so bezeichnete Figur in ihrem Gesamtkonzept als ‹verwöhnter Sohn aus reichem Hause› definiert ist. Hier dient das Lexem ebenfalls dazu, die negativen Eigenschaften der Person hervorzuheben und wird an dieser Stelle als attributives Adjektiv gebraucht. TELE2 es un nen pijo, un nen consentit
24
Das Lexem pijo/-a wird allerdings nicht nur von Jugendlichen benutzt, sondern ist auch im allgemeinen Sprachgebrauch präsent. Aufgrund seines relativ häufigen Auftretens im Korpus wurde es aber in die Analyse einbezogen.
235
5.2.1.1.4. Wortfeld Kleidungsstücke Bei der Betrachtung der Substantive zu Musik- und Kleidungsstilen darf eine Erwähnung der Bezeichnungen für verschiedene Entlehnungen für Kleidungsstücke nicht fehlen. In den jugendsprachlichen Auszügen des Korpus finden sich Substantive zur Bezeichnung von Kleidungsstücken vor allem in Bezug auf die Beschreibung von jugendlichen Stilen und hier vor allem in Fremdkategorisierungen von Gruppen, von denen sich die Informanten abgrenzen. Zur Beschreibung der maquiner(o)s, raper(o)s oder auch skaters ziehen sie z. B. ein als Gallizismus klassifizierbares, morphogrammatisch assimiliertes und im lexikographisch erfasstes Lehnwort xandall von frz. chandail heran. Das Lexem hat allerdings im Entlehnungs- und Assimilierungsprozess eine semantische Veränderung erfahren. Ist es im Petit Robert als «gros tricot de laine qui s’enfile par la tête» definiert, so hat es im Katalanischen die Bedeutung eines zweiteiligen Sport- oder Hausanzugs (cf. GD62; DIEC). Im Medienkorpus (TELE22) erfährt es eine zusätzliche Bedeutungserweiterung durch den kreativ-ludischen Umgang mit der Sprache durch den Moderator und gewollt witzige Kommentare zu in der Sendung vorgestellten Kleidungsstücken bzw. -stilen. So entsteht z. B. das Kompositum in Kombination mit einem weiteren Gallizismus (frac) bzw. entbrennt eine spielerische Diskussion zur Darstellung des Bezeichnungswirrwarrs zwischen frac, dem Gallizismus jaqué und dem Anglizismus esmòquing. JOVE10 A: maquinero:: i coses així: ja són més els: els els fatxes diguem\ (..0,4) C: els tipicos pelados\ B: @@ K: sí/ A: amb la bómberamb el el xandalltot {(E)rapats} i (x)\ (..0,.4) TELE22 és un xandall/ per xxx informant\ alle:@@ S: frac-xandallB: sí sí sífrac-xandall\ (..0,5) S: pots còrrer amb una elegància que thi cagues\ alle:@@@ B: jaqué/
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jaqué/ no/ S: jaqué/ jaqué/ jaqué això\ B: així és esmòquing o jaqué/ S: no no\ esmòquing és un xx i el frac què és xx-
Wie schon bei heavy in Bezug auf die Musikstile dargestellt, repräsentiert das Lexem bómber (JOVE10) eine Reduktion in Form einer bei der Entlehnung vorgenommenen Trunkierung des zweiten Teils eines Kompositums. Aus bomber jacket (cf. Webster) wird so bómber zur Bezeichnung des gleichen Kleidungsstücks.25 Daneben finden sich sowohl in der Jugend- als auch in der Mediensprache weitere allgemeinsprachlich genutzte Entlehnungen für Kleidungsstücke wie T-Shirt (cf. PREM35). 5.2.1.1.5. Accessoires und Schmuck Die Bezeichnungen für Accessoires sind ebenfalls Entlehnungen aus dem Englischen und treten in beiden Korpusteilen auf, wenn sie auch aufgrund der Themenwahl in den mündlichen Gesprächsaufzeichnungen der Jugendlichen kein zentraler Punkt waren. Die Integration ins Katalanische ist jedoch unterschiedlich. Ziehen die Jugendlichen die unveränderte Übernahme des Anglizismus vor, so finden sich bei dem Lexem piercing oder pírcing in der schriftlichen Mediensprache sowohl nicht assimilierte als auch graphisch assimilierte Versionen des Fremdwortes (cf. PREM12, 34). In der mündlichen Mediensprache taucht der Anglizismus in (phonetisch) nicht assimilierter Form auf. Bei tattoo bzw. tatuatge sind zwei unterschiedliche Formen der Entlehnung zu beobachten (cf. Rodríguez González 1989, 153). Einerseits findet der nicht assimilierte Anglizismus tattoo Eingang ins Katalanische, bzw. findet lediglich eine phonetische Assimiliation in Form der Verschiebung des Wortakzents statt ([’tatu:], cf. TELE40). Die Form tatuatge hingegen ist eine auf katalanische Wortbildungsmuster gründende Lehnformung mit der Basis des aus dem Englischen entlehnten Verbs to tattoo, das im Katalanischen mit tatuar(-se) wiedergegeben wird. Das GD62 bezeichnet das Lexem tatuatge allerdings als Gallizismus; m.E. läuft aber im Katalanischen lediglich der gleiche Prozess ab wie im Französischen, nämlich dass eine Lehnformung mit Derivationsaffixen der Aufnahmesprache (die sich im Französischen und Katalanischen stark ähneln) vorgenommen wird. Es wäre etymologisch zu
25
Ein weiteres Beispiel für dieses Verfahren ist der Anglizismus polo von engl. polo shirt (cf. JOVE12); cf. hierzu auch Espinal et al. (2002, 55).
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untersuchen, ob der Prozess gleichzeitig abgelaufen ist oder ob die katalanische Form eine Entlehnung aus dem Französischen ist. JESC9 Dissenys exclusius, higiene total, piercing PREM21 Un dels darrers que ha fet és el de pírcings i tatuatges PREM25 hauria de tatuar-se a la vista per afrontar els parnys habituals de la quotidianitat urbanita. TELE40 ojo ojo la Montse\ (...) el nen és molt maco\ (...) ah: portes un tattoo/ ah sí/ m’encanten els tatuatges/ (...) {(E)ostia:què xulo}-
5.2.1.1.6. Adjektive/adjektivischer Gebrauch von Substantiven aus Musik und Mode Für viele der entlehnten Substantive im Musik- bzw. Kleidungssektor gilt, dass sie sowohl als Substantive (zur Stil- oder Personenbezeichnung) gebraucht werden, als auch als Adjektive oder Adverbien Verwendung finden bzw. den Wortstamm für entsprechende adjektivische Derivate bilden. Häufig ist es in diesem Zusammenhang nicht einfach zu unterscheiden, ob das Lexem an einer entsprechenden Stelle als Substantiv oder als prädikatives Adjektiv gebraucht wird, da die Formen identisch sind (cf. zum prädikativen bzw. attributiven Gebrauch katalanischer Adjektive auch Blas Arroyo 2000, 93ss.): TELE13 E: li volia dir:/ que jo abans/ jo era hippy-
Hierbei gilt es zu unterscheiden, ob das Substantiv in der Sprache, aus der entlehnt wird, bereits in der gleichen Form adjektivisch gebraucht wird und eben dieses Adjektiv (z. B. hippy) bzw. ein davon abgeleitetes Adjektiv (z. B. skatalític bzw. eskatalític) entlehnt und dann evtl. eine phonetische, graphische oder morphogrammatische Assimilierung an das Katalanische vorgenommen 238
wird. Hierzu zunächst einige Beispiele, die verstärkt in der katalanischen Jugendpresse, aber auch in den Äußerungen von Jugendlichen selbst, sowohl in prädikativer als auch in attributiver Stellung auftreten. PREM11 Es el disc més salsero de la Salseta PREM11 Es molt rockera i ràpida, però amb un punt techno. PREM11 Es un tema que té un cert punt funky PREM27 temes de pur funky PREM30 El resultat és una maqueta de títol homònim que els ha permès tornar a l’escena skatalítica JOVE19 L: perquè fa: la part més eskatalítica/
Die folgenden Beispiele sind morphologisch betrachtet den vorangehenden ähnlich, unterscheiden sich allerdings in einem anderen Punkt wesentlich von ihnen: sie sind Neosemantismen (bzw. semantische Anglizismen; cf. Thielemann 2002, 418s.), d.h. sie erweitern das Bedeutungsspektrum des Lexems um ein Sem. Im Fall von metàl·liques und gòtica findet eine Bedeutungserweiterung von einer physikalischen Eigenschaft bzw. einem literarischen Stil26 zu einem Musikstil statt. Bei hippy stellt sich die Frage, ob es sich im folgenden Beispiel ebenfalls um einen Neosemantismus mit dem zusätzlichen Sem ‹Musikstil› handelt. Unter Bezugnahme auf katalanische Wörterbücher (cf. GD62; GDEC) wäre diese Frage positiv zu beantworten, da eine entsprechende Einzelbedeutung nicht verzeichnet ist. Im Hinblick allerdings auf die in beiden Wörterbüchern aufgeführte Einzelbedeutung von hippy zur Bezeichnung einer jugendkulturellen Bewegung und unter Bezugnahme auf Rodríguez González (2002b), der unter Jugendkultur Aspekte wie Musikstile, Kleidungsstile, Lebenseinstellungen etc. vereint sehen möchte, wäre das
26
Cf. GD62: «[gòtic] es diu d’un corrent literatri aparegut al final dels sXVIII que conté elements de la novel·la negra i de la novel·la fantàstica». Aufgrund der Erscheinungsform des in der Musikszene als «gothic» bezeichneten Stils (mit entsprechender Kleidung) ist davon auszugehen, dass sich die u. a. auch im Katalanischen dafür übernommene Bezeichnungsform gòtic/-a als semantischer Neologismus auf Basis der dargestellten Einzelbedeutung mit Bezug auf die (düstere und geheimnisvolle) Literatur und nicht auf Basis anderer Einzelbedeutungen des Lexems (Architekturstil, germanischer Volksstamm) entwickelt hat.
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Lexem als Lehnwort einzuordnen. Als reines Fremdwort möchte ich es an dieser Stelle nicht bezeichnen, da es im Adjektivalsyntagma mit Adverbien der Komparation auftritt und somit bereits eine morphosyntaktische Integration erfahren hat: PREM12 Tenen una maqueta amb cançons amb connotacions metàl·liques com … PREM15 de l’escena after-punk i gòtica PREM30 que haurien conformat un disc molt més hippy; i al final el disc el vaig compondreentre Barcelona i Avinyonet, aprofitant només algunes coses d’Eivissa JOVE42a Q: jo m’he trobat allà:(.. 0.59) {(P) gent així una mica:gòtica no-}
Ähnlich wie die eben aufgezeigte Problematik gestalten sich die beiden folgenden Beispiele. Hier lässt zunächst das Fehlen in katalanischen bzw. spanischen Wörterbüchern (cf. GD62; DIEC; DCBV; CLAVE; DRAE) auf nicht lexikographisch erfasste Entlehnungen aus dem Englischen schließen. Von der Tatsache, dass in den katalanischen Wörterbüchern (noch) keine Ableitungskette für rock bzw. jazz verzeichnet ist (cf. Thielemann 2003b für confidencialidade als Entlehnung im Portugiesischen), allerdings darauf zu schließen, dass es sich bei jazzificada bzw. rockística um Eigenkreationen der katalanischen Jugendpresse handelt, wäre gewagt, zumal in einem so stark von der anglo-amerikanischen Kultur beeinflussten Bereich wie der Musik. Die Eingabe der entsprechenden englischen Lexeme jazzified bzw. rockístic in Internetsuchmaschinen und die zahlreichen verzeichneten Einträge bestätigen demzufolge auch die Existenz und den Gebrauch dieser Termini im englischsprachigen Raum, obwohl in den konsultierten englischsprachigen Werken (Webster; OALD) die Lexeme nicht verzeichnet sind. Für die folgenden Beispiele lassen sie auf morphogrammatisch assimilierte Entlehnungen im Katalanischen schließen. Es ist also m.E. ein auf Entlehnung basierender Neologismus, der in Anologie an andere katalanische Termini mit katalanischen Suffixen der Verbalderivation ({-ific-}, cf. Bernal Gallén 1998; cf. 5.2.2.7.) transparent gebildet wird. PREM11 una rumba jazzificada PREM31 La Velvet Underground va ser una banda que, cobrint certa quota de llegenda rockificada
Neben den gezeigten Beispielen existieren auch die Fälle, in denen das Substantiv in der entlehnten Sprache ohne Veränderung adjektivisch gebraucht 240
wird, also eine Konversion vorliegt. Hier ist allerdings einschränkend zu bemerken, dass dies vor allem für den prädikativen Gebrauch gilt (són streetball, cf. JOVE12a). Die attributive Stellung tritt hingegen bei den anschließend dargestellten Konversionen weniger häufig auf und wird von hybriden Lehnübersetzungen englischer Komposita unter Beibehaltung eines entlehnten Lexems (cultura punk von punk culture, cf. hierzu auch Thielemann 2003b) «verdrängt» (cf. 5.2.2.2.4.). Es gibt allerdings auch einige Gegenbeispiele mit attributivem Gebrauch. Hierzu zählt z. B. la veu més soul (cf. PREM26), wobei hier anzufügen ist, dass ähnlich wie im oberen Beispiel (més hippy) durch die Verbindung mit dem katalanischen Komparationsadverb més der adjektivische Charakter gegenüber der Komposition überwiegt. Darüber hinaus stellt diese Form der Einbettung eine erste Stufe der morphosyntaktischen Integration dar, der eventuell eine weitere Anpassung an katalanische Derivationsschemata folgen können. Weitere attributiv anmutende Elemente wie cultura punk, actitud punk, escena rap (cf. TELE36) oder moviment grunge (cf. PREM11) sind in diesem Zusammenhang problematisch. Eigentlich handelt es sich um Lehnübersetzungen von Komposita in der Sprache, aus der entlehnt wird, die nun als hybride Komposita aus ursprünglich einem entlehnten Substantiv und einem Substantiv aus der Aufnahmesprache funktionieren. Die Klassifizierung als Komposita im Katalanischen ist m.E. gleichwohl problematisch, cf. 5.2.2.2.4.). Im zitierten Beispiel aus JOVE3 schließt die Aufzählung cultura punk i heavy und die damit erfolgte Einbettung in ein entsprechendes Nominalsyntagma mit grammatikalischer Gleichwertigkeit beider Adjektive (cf. Schpak-Dolt 1992, 120s.) die Eigenschaft von cultura punk als Kompositum im Katalanischen aus. PREM11 Es molt rockera i ràpida, però amb un punt techno. PREM26 però la nostra actitud punk està intacta, si bé és cert que empaquetada en formes musicals que conviden més a la introspecció i al viatge mental. JOVE7 B: [els quillos] B: és {(@)que}A: tenen una estètica skin/ JOVE3 A: hi ha en els moviments polítics/ hi ha gent qui participa (..0,4) de:: de cultures punksde de cultures heaviesde cultures (..0,5)de totes les cultures:/ estetico-musicals (...)
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jo recordo que hi ha cases okupades on hi ha gent (..0,6) així de: de subcultura punkde subcultura heavy de subcultura hippie de [sub]-
Interessant ist wiederum das Lexem heavy, das eine erneute semantische Bedeutungserweiterung erfährt und zusätzlich zu dem Sem ‹Musikstil› auch in Bezug auf die gesamte zugehörige Jugendkultur, also auch den Kleidungsstil, Anwendung findet. Hierzu einige Beispiele aus den Korpusauszügen der Jugendsprache: JOVE40 @@ i els tiosallò bueno s’emprenyen que no vegis no/ (.0.32) vull dir hòstia no pots escoltar música clàssicanomés pots heavyJOVE10 C: jo sóc la part més heavy del grup\ B: @@ K: [mh]/ C: ja de fet sóc el que escolta un aire per aquíJOVE26 ho veig una mica heavy\ EL jo vaig vestida bàsicament heavy
In der Jugendsprache wird der Anglizismus heavy bzw. hard allerdings nicht ausschließlich für die Bezeichnung des Musikstils verwendet, es existiert daneben durchaus auch das Adjektiv dur (i alguns cançons de grups durs, cf. JESC25). Auffällig ist die auch im Zuge der morphosyntaktischen Analyse diskutierte adverbiale Verwendung des Adjektivs heavy (cf. 5.2.1.9.6.), die auch bei anderen Adjektiven auftritt (cf. JOVE8 vesteixes punk). 5.2.1.1.7. Verben aus Musik und Mode Entlehnungen bei Verben sind im semantischen Feld der Mode und Musik eher selten und vor allem in der Pressesprache anzutreffen. In vielen Fällen werden aufgrund von Entlehnung aus dem Englischen Neologismen nach katalanischen Wortbildungsmustern gebildet, z. B. samplejar. Hier tritt Analogie zu einem anderen Verb, nämlich telonejar auf, das allerdings das katalanische Verbalsuffix {-ej-} an ein entsprechendes katalanisches Substantiv anhängt (cf. hierzu Bernal Gallén 1998, cf. 5.2.2.7.). Ähnlich funktioniert die Bildung des hier als Partizip auftretenden Verbs (re)masteritzar, das an den Anglizismus màster das katalanische Verbalsuffix {-itz-} anhängt (sowie evtl. 242
das Präfix {re-}). Hier besteht darüber hinaus eine Analogie zum englischen Derivationsaffix für das entsprechende Verb/Partizip ({-ize-}, masterize, cf. Webster). Hierzu die Beispiele aus dem Korpus:27 PREM34 Versions remasteritzades, caixes de luxe, material inèdit, bonus tracks PREM26 Brooklyn ha estat masteritzat als Sterling Sound de New York PREM23 el r’n’b com a fenòmen mundial, el permanent recurs de samplejar els clàssics que ells defensen com a eina de producció PREM25 als qui per cert han arribat a telonejar
Das Korpus enthält weiterhin in beiden Teilen das Verb versionar, das m.E. ebenfalls als Neologismus im Katalanischen – durch Bildung des Verbs durch Derivation vom Substantiv versió – gelten darf. Es bezieht sich auf die Nachahmung bzw. das Nachspielen verschiedener Musikstücke (cf. GD62), was im Deutschen mit dem Fremdwort cover bzw. Cover-Version beschrieben wird. Allerdings findet sich auch ein Eintrag des Verb versionar im spanischen Wörterbuch CLAVE («Referido esp. a una obra artística o musical, realizar una nueva versión»), so dass nicht auszuschließen ist, dass eine Lehnprägung im Katalanischen vorliegt. PREM29 els Kemakeur no són un grup de versions de cançons manga JOVE2 M: fan versions, de les cançonsPREM14 versionen algunes de les cançons JOVE10 C: mh:: {(AC)normalment versionem}\ (..0,4) ja tenimés:-
27
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass weder das Substantiv sàmpler/ sampler noch das Verb samplejar in katalanischen Wörterbüchern verzeichnet sind (cf. GD62; DIEC). Das GD62 kennt allerdings den Anglizismus sampling («Procediment utilitzat en les músiques populars contemporànies, que recorre a les tecnologies electròniques per extreure curts fragments d’obres ja publicades i inserir-les com si es tractés d’un collage, en una nova producció»), der im Korpus so nicht auftaucht, allerdings durchaus denkbar wäre. Die Jugendlichen nutzen statt der erwähnten Verben und Substantive, besonders an Stelle von sàmpler, auch die katalanische Entsprechung compilació (cf. JOVE25).
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buenu/ (.0,3) un repertori petit/ (..0,7) són: ((atmet tief durch)) B: [són] A: buenoversionem però també tenim alguna {(E)nostra}-
5.2.1.1.8. Weitere Lexeme Neben den bisher angesprochenen Lexemen findet sich jedoch auch eine Reihe anderer, die zum «Standardrepertoire» der medialen Jugendsprache gehören. Dazu zählt z. B. discjòquei bzw. DJ ([di:’dei] oder [di:ei]). Im mündlichen Medienkorpus ist dieser Anglizismus nicht oder kaum phonetisch assimiliert und tritt sowohl als Abkürzung aus den Initialen des Kompositums, als auch als vollständiges Kompositum auf. TELE38 A: una de les mítiques sales de Gironai que aposta molt per els discjòquei nacionals com internacionals\ PREM22 remesclades per un DJ PREM31 sota la vertebradora funció de DJ resident del festival PREM31 La residència al club madrileny Weekend el va confirmar com un dels grans experts en matèria de latin house a nivell nacional
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf den schriftlich unterschiedlichen Umgang mit dem Lexem im Zuge des Assimilierungsprozesses. Findet es sich im Wörterbuch (cf. GD62) in graphischer Assimilation nach Regeln der katalanischen Orthographie discjòquei, so entscheiden sich die Jugendmedien auch für eine weniger assimilierte Form unter Beibehaltung des Bindestrichs (cf. PREM30) bzw. sogar für das Zitieren des fremden Wortes (cf. PREM19, 23). In den vorliegenden von Jugendlichen produzierten Korpusauszügen tritt der Anglizismus nicht auf; es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Jugendlichen bei entsprechender Thematik zur Bezeichnung der entsprechenden Person auf das Lexem zurückgreifen. Im Fall von DJ resident liegt eine Lehnprägung, genauer gesagt eine Lehnübersetzung von resident DJ vor. Das Adjektiv resident bzw. das Substantiv residència («que resideix, que viu en un lloc determinat» bzw. «lloc on resideix un personatge oficial», cf. GD62) erfährt eine semantische Spe244
zifizierung zur Bezeichnung des regelmäßigen Auftretens eines DJs in einem Club. Zahlreiche weitere Belege aus dem Korpus machen deutlich, dass das semantische Feld der Musik ein nahezu unendlich großes Auffangbecken für Entlehnungen – und hier vor allem für Anglizismen – ist. Auf sie alle an dieser Stelle einzugehen, ist nicht im Sinne dieser Arbeit, da ihr Ziel nicht das Erstellen von Wortlisten der Jugendsprache ist. Betrachtet man sie näher, wird ersichtlich, dass ein Ungleichgewicht zwischen beiden Korpusteilen vorherrscht, da die genannten Entlehnungen vorrangig in der Mediensprache – und hier in ihrer schriftlichen Form – auftreten. Der in der katalanischen Jugendpresse durchaus vorhandene kreative Umgang mit Sprache führt weiterhin zu Kompositabildung wie megaclubs oder pseudo chill-out (cf. PREM13, 31), die im Zuge der Analyse der Morphosyntax näher besprochen werden. Der kreative Umgang mit Sprache führt allerdings bisweilen zu der von Thielemann (2002, 409s.) angesprochenen Unausgewogenheit bei der Übernahme von Anglizismen, die zur «Diskriminierung» einzelner Sprechergruppen, welchen die Entlehnungen unverständlich bleiben, beitragen kann. Ein Beispiel aus dem Korpus ist die besonders in der Pressesprache gehäuft auftretende Lexie top manta («Puesto ambulante en el que se venden copias ilegales de discos compactos, generalmente de música y a precios mucho más baratos que los del disco original», cf. CLAVE). Bei diesem hybriden Kompositum entsteht mit den sprachlichen Mitteln des Englischen und des Spanischen/Katalanischen ein neues Konzept, das nicht als Ganzes semantisches Konzept aus dem Englischen entlehnt wird. Es ist allerdings aufgrund der Übereinstimmung des Lexems manta nicht festzustellen, ob das Lexem im katalanischen Kontext nicht als Entlehnung aus dem Spanischen zu definieren wäre. In den anderen konsultierten katalanischen und spanischen Wörterbüchern (GD62; DIEC; DRAE; DEA) ist kein Eintrag verzeichnet. PREM10 en un disc del top manta PREM30 pel creixement de la pirateria i del top manta PREM14 parlen del top manta i tot això em fan riure: no veig la diferència entre el pirateig de carrer i l’actitud d’una part de la indústria discogràfica PREM12 Per una banda has col·laborat en el disc pirata La colifata, i per l’altra Potiner té col·laboracions dels músics d’aquest entorn. PREM32 el terme de disc pirata servia per definir les gravacions no autoritzades de concerts en directe
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In Rücksprache per E-Mail mit zehn jugendlichen Informanten des Korpus stellte sich heraus, dass diese nicht definieren konnten, was unter top manta zu verstehen sei. Die Spekulationen reichten von «és una mica com la pirateria, crec» über «és alguna cosa que es fa en secret» zu «són discos molt coneguts i que es venen bé». Bei den Jugendlichen verbreiteter ist das Adjektiv pirata zur Bezeichnung illegal angefertigter Kopien von Musik-CDs oder auch Computerprogrammen (cf. 5.2.1.6.1.). Top manta für die Abgrenzung zur Verkaufsaktivität solcher Produkte (cf. CLAVE) nutzen die Jugendlichen in den Korpusaufzeichnungen nicht. Die Mediensprache vollzieht die Unterscheidung jedoch (PREM30, 12, 32). Gleichzeitig tauchen in den mündlichen Medienaufzeichnungen Wortspiele mit Entlehnungen aus der Welt der Musik auf, die auf kreative Weise eben jenes massive Eindringen von Anglizismen, welche teilweise zu Unverständnis bei manchen Sprechern führen, vor allem wegen Schwierigkeiten der phonetischen Assimilation, mokieren. Zum einen handelt es sich um das auch in der Pressesprache auftretende Lexem gingle (TELE15; cf. auch PREM26), zum anderen um unplugged. TELE15 A: tenia un [’diƾgle](..0,4) és que jo m’he fet un [’diƾgle] musical/ B: [’diƾg el] A: eh/ B: [’diƾg gel] A: això és villancico/ del Jingle Bells {(E)burro}/ (.0,3) {(E) [’xiƾgle]/ [’xiƾgle]-}/ TELE13 D: pues nada:había montado esto/ para hacer un rollo/ en plan:en plan:[’unplug]\ B: un plug/ D: un plug o dos plugs/ no noperdón P: @@ D: no nopara montar en plan acústico\ así:\
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un:B: ah: tútú quieres decir{(e)[’nplgd]} D: sí bueno/ P: es que me ha salidome ha salidocon el idioma del xx/ así:un poquillo\
Ob bei dem folgenden Beispiel Schwierigkeiten bei der Assimilation aufgrund der Anpassung der Graphie an die englische Aussprache vorliegen oder ob es ein weiteres Beispiel für kreativen Umgang mit der Sprache durch ideophonematische Schreibung ist, kann auch nach Hinzuziehen des Korpuskontextes nicht zufrieden stellend beurteilt werden. Das Beispiel sei dennoch hier aufgeführt. PREM37 i ara troben que el revaival mola, perquè els ho han dit
Der häufige Umgang mit Anglizismen führt auch zur eigenen Kreation von englischen Neologismen (durch Analogiebildung), die dann sozusagen als «Pseudo-Anglizismus» im Katalanischen auftreten. PREM30 I és que, senyors, Flamin’ Groovies és una de les màquines de r&r amb més shake appeal
5.2.1.2. Semantisches Feld Freizeit Im eng mit dem vorherigen semantischen Feld Musik zusammenhängenden Feld der Freizeitaktivitäten wurde aufgrund der ähnlichen Distribution der Korpusbelege eine ähnliche Einteilung vollzogen, welche die Substantive zur Personenbezeichnung von den anderen Substantiven trennt. 5.2.1.2.1. Substantive zur Bezeichnung jugendkultureller Bewegungen Zu den generischen Bezeichnungen für Jugendkulturbewegungen, unter die allgemein alles, was aktuell und angesagt ist, sei es im Bereich der Musik, Mode, des Ausgehens etc. gefasst wird gehören die Lexeme ro(t)llo und moguda/ movida (cf. de Tera 2001; Rodríguez González 1989). Bei ro(t)llo handelt es sich um einen nur in manchen Fällen im schriftlichen Korpus graphisch assimilierten Kastellanismus. Er dient der Bezeichnung des «ambiente contracultural de los años 70, desarrollado principalmente alrededor de la música rock y las drogas» (cf. DEA). Von einer Lehnprägung ist nicht auszugehen, 247
da das Katalanische zwar die Form rotlle (mit anderer semantischer Bedeutung) kennt, aber eben das Flexionsaffix für den Klassifikator {-o} in diesem Fall eher spanischen Flexionsmustern folgt und diese neben dem semantischen Inhalt entlehnt. Das Lexem moguda ist im Katalanischen hingegen mit der Bedeutung «ambient», bzw. «concentració multitudinària per divertir-se» (cf. GD62) verzeichnet. Im Zusammenhang mit der Jugendkultur erfährt das Lexem allerdings eine semantische Beschränkung und wird, wie bereits der Eintrag im GD62 «la mítica moguda madrilenya» bzw. das Auftauchen des nicht assimilierten Kastellanismus movida im Korpus belegen, zur Lehnprägung des Spanischen movida. Dieses Lexem bezeichnet u. a. auf die Jugendkultur bezogen das «ambiente cultural y festivo propio de la juventud de los años 80» (cf. DEA) und wird häufig auf Madrid bezogen. Das DPN hat movida bereits als Neologismus verzeichnet («ambient molt modern de diversió i de creació cultural sorgit a finals dels anys vuitanta»). Daneben seien der Vollständigkeit halber noch die katalanischen Lexeme festa und marxa erwähnt. Mit festa wird ebenfalls nicht nur eine Feier an sich, sondern allgemein eine Feierstimmung mit allem, was dazu gehört, bezeichnet. Als Steigerung zur Bezeichnung eines besonders großen Festes erscheint im Korpus allerdings die mit dem spanischen Augmentativaffix {-azo} gebildete Form festazo, die im Katalanischen als Kastellanismus gilt (cf. Rull 2004, 295). Für marxa findet sich im GD62 u. a. die Definition «animació, diversió», welche das Wörterbuch für die umgangssprachliche Verwendung des Lexems angibt. Bei de Tera (2001) gilt marxa als typisch jugendsprachliche Bezeichnung für das Ausgehen und Feiern. JOVE40 (.. 0.45) i aquí puesmás o menos la del rollel mateix rollo però em vaig tranquil·li(t)zar més\ (... 1.06) {(AC) i ja era més rollojo què sé\} TELE22 S: què feies tant de:tant de rotllo/ tiu/ PREM11 l’altre director d’orquestra i ideòleg de la moguda ha estat el músic Toni Xuclà JOVE40 M: (.. 0.77) jo per exemple: hi ha una moguda de::(.. 0.60) de lo que sigui tampoc em mouré\ (.. 0.30) depèn de lo que sigui\ JESC12 pot participar en les mogudes que organitza l’AEGEE
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PREM11 el rock de la movida madrilenya o l’indie rock més actual JOVE40 me’n vaig anar de festa una vegadai bueno\ vem muntar una festa que t’hi cagues(...) TELE38 D: què és això de: a Girona/ o hi ha marxa H: home/ hi ha una marxa considerable/ amb pocs ambients fins a poques hores-
Das Lexem ro(t)llo erscheint im Korpus jedoch nicht nur in seiner semantischen Einschränkung als Hyponym zum Hyperonym ‹jugendliche Freizeitkultur›, sondern auch in der in katalanischen Wörterbüchern verzeichneten Bedeutung «cosa avorrida» (cf. GD62), die allerdings so im DIEC nicht auftaucht. JOVE39 A: @RR@i no re(s)no ens vam posar d’acordi és un rotllo\ això d’organitzar coses en grupi aixíde vegades noJOVE40 (.. 0.65) em ve:ig pues(.. 0.52) una persona normalque va a la seva feinai tot el rollo no/
Diese Einzelbedeutung erklärt allerdings nicht zufrieden stellend die folgenden Beispiele, für die doch wieder die weiteren semantischen Bedeutungen des spanischen rollo herangezogen werden müssen. So wird rollo im DEA beispielsweise weiterhin definiert als «asunto o cosa», «relación amorosa», «ambiente o tipo de vida». In einer dieser drei Bedeutungen, wobei es sich auch allgemein um Beziehungen zu anderen Personen handeln kann, sind folgende Korpusbeispiele zu verstehen, in denen ro(t)llo somit als Lehnwort aus dem Spanischen gelten darf (cf. hierzu de Tera 2001). PREM26 De la TV, de la maria, d’aribar (sic!) taja a casa, d’històries surrealistes, del sant pare, del nadal, del bon rotllo, del mal rotllo d’alguns cabrons
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JOVE40 i anava fins al cotxe amb els walkmans\ (... 1.21) pero: rollo:autista total no/ (.. 0.75) i dius bueno@@ {(@) pues-} (.. 0.46) jo què sé\ jo anava: al meu puto rollo-
5.2.1.2.2. Substantive aus dem Feld Sport und Freizeit Ähnlich wie im Deutschen hat sich im Katalanischen zur Beschreibung bevorzugter Freizeitaktivitäten (activitats de lleure) das Fremdwort hobby durchgesetzt. Es findet in der katalanischen Sprache in meist nicht adaptierter Form (englisches Pluralmorphem mit graphischer Veränderung des in ) Anwendung. JOVE6 A: anar a comprar, Òscar/ C: és que a miB: [el què]/ C: que si no vaig amb ellsvaig pel centrea la compres\ B: ah sí\ C: a mí se m’ha inventat un hobby/ que és anar a compranar a la compra/ JESC3 Tenim molts hobbies comuns com per exemple: internet, karate, ens agrada la piscina, la platja… JOVE40 M: (.. 0.75) realment: tinc hobbiespero no són hobbi(e)s que:(.0.17) m’agradin no/ (... 1.21) o sigui m’icrem’intento crear hobbies(.. 0.52) per com aquell qui diu:(... 1.27) no agobiar-me jo mateix no/
Im Freizeitbereich findet besonders bei der Bezeichnung vieler herkömmlicher und neuerer (Mode-)Sportarten eine Vielzahl von Entlehnungen (z. B. aus dem Englischen fútbol oder bàsquet ball, häufig trunkiert zu fut bzw. bàsquet, rallye, motocross, dem Japanischen karate, dem Norwegischen ski – esquí etc.) Eingang in die katalanische Sprache. Dies begründet sich nach Rodríguez González (1989, 153) in der Tatsache, dass hier (wie auch beim Thema Computer, Musik etc.) eine Art Fachsprache vorliegt, die sich im angelsächsischen Kulturkreis generiert hat und von dort, zusammen mit dem jeweiligen Produkt oder Konzept, importiert wird. Als neuestes Beispiel kön250
nen die ständig wechselnden verschiedenen Angebote in Fitness-Studios (cf. PREM21) dienen, in denen Fremdwörter auftreten, die überhaupt nicht assimiliert sind. Daneben existieren auch Lehnübersetzungen englischer Komposita wie volei platja (PREM20) für beach volleyball. Im Allgemeinen sind die Fremdwörter aus dem Bereich des Sports nicht explizit jugendsprachlich, sondern bereits Teil des allgemeinen Wortschatzes und in vielen Fällen entsprechend lexikographisch erfasst (cf. GD62; DIEC). Uneinigkeit herrscht hingegen bezüglich neuerer Wintersportarten, die sich in den katalanischen Pyrenäen in den letzten Jahren großer Beliebtheit, vor allem auch bei Jugendlichen, erfreuen (z. B. snowboard). In für Jugendliche gestalteten Werbeanzeigen bzw. Reportagen über katalanische Wintersportorte spricht die katalanische Jugendpresse einheitlich von snowboard bzw. trunkiert das Wort zu snow (cf. PREM19, allerdings kursiv als Entlehnung hervorgehoben). Somit erfährt das Lexem eine Verschiebung seines semantisches Inhalts, snow dient nicht zur Bezeichnung eines winterlichen Wetterphänomens, sondern wird Kohyponym zu esquí zur Bezeichnung eines Wintersportgeräts. Das Lexem ist noch nicht Teil der katalanischen Norm und sein Gebrauch wird von korrektiv arbeitenden Terminologen in Frage gestellt. Das NDN schlägt beispielsweise an Stelle des Fremdworts fer snowboard die katalanische Lehnformung surf de neu vor (cf. hierzu auch Rius i Alcaráz 1999), die sich aber scheinbar in der Jugendsprache bzw. der medialen Jugendsprache nicht durchsetzen konnte. Paradox ist allerdings das sukzessive Auftreten des Fremdwortes (snowboard) und der Lehnübersetzung raquetes de neu (an Stelle von snow racket). Interessant ist weiterhin die an die Aussprache ([esnɔυ], cf. Webster) angepasste Verwendung der Elision des Artikels (Apostrophierung). Ähnlich wie Thielemann (2003b) dies für das Deutsche und Portugiesische konstatiert,28 erfährt das entlehnte Lexem im Katalanischen eine Bedeutungsveränderung. Snowboard steht für die Sportart (eigentlich snowboarding), aber nicht mehr für das Sportgerät. Dies führt zur pleonastischen Bildung planxa de snowboard (PREM19). 5.2.1.2.3. Substantive aus dem Feld Urlaub und Entspannung Ähnlich wie bei den Begriffen des Sports finden sich auch im Wortfeld der Substantive zum Thema Urlaub und Entspannung nur wenige, nicht typisch jugendsprachliche, Fremdwörter. Mit ihnen verbunden gelangt meist ein neues Konzept (cf. Sportarten) ins Katalanische, so dass die Übernahme des Fremdwortes als Neologismus ein fast logischer Prozess ist. Ein «klassischer»
28
Thielemann (2003b) diskutiert die Entlehnung Cheeseburger, die im brasilianischen Portugiesisch in phonetisch/phonologischer Assimilierung zu xisburger wird, anschließend zu xis trunkiert wird und zum Hyperonym für diese Art von Fastfood wird. Somit neigen die Sprecher dazu, wenn sie die Burgervariante mit Käse bestellen wollen, den Pleonasmus xis com queijo zu verlangen.
251
Fall ist diesbezüglich der graphisch und phonetisch assimilierte Anglizismus càmping (cf. TELE21; JOVE12a), der im Katalanischen durchgängig in den Wörterbüchern verzeichnet ist und sich bereits in den 60er Jahren durch den Tourismusboom an der Costa Brava im katalanischen Wortschatz etabliert haben dürfte. Weiterhin finden sich im Korpus, vor allem in der Mediensprache, Fremdwörter wie spa, hammam und sauna (cf. PREM22), oder zur generischen Bezeichnung herangezogene Eigennamen wie jacuzzi (cf. GD62; Espinal et al. 2002, 53). Eher überraschend mutet der Anglizismus summer holidays an, der in einem Text der katalanischen Jugendpresse erscheint. Der Kontext stellt allerdings sehr schnell klar, dass es sich hierbei um die Übernahme der Bezeichnung verschiedener Pauschalangebote eines Verbandes handelt, welche dieser aufgrund von internationaler Verbreitung mit summer holidays betitelt. Die eingefügte Übersetzung (vacances d’estiu) lässt schnell klar werden, dass dieser Anglizismus eigentlich auch in der Jugendsprache als nicht geläufig vorausgesetzt wird. PREM20 les activitats més demandades de l’associació, les summer holidays o vacances d’estiu Molts joves han conegut l’Associació per alguna d’aquestes summer holidays i després han anat descobrint tota la resta d’activitats que l’AEGEE duu a terme
Ähnliche Prozesse der Übernahme von «Produktbezeichnungen» bzw. von durch eine Fremdkultur geprägten Begriffen als Fremdwörter ins Katalanische sind in folgenden Fällen (interrail, coast to coast) zu erkennen. JOVE16 m’agradaria fer un viatge aixì\ interrail/ o coses aixins\ JOVE45 J: m’agradaria ferun viatge d’aquests coast to coastals Estats Units(...) E: coast to coastper la costa no/
5.2.1.2.4. Verben aus dem Feld Sport, Freizeit, Urlaub Aufgrund der Tatsache, dass bis auf die Derivation esquiar von esquí die meisten Verben im Sport und Freizeitbereich mit den Periphrasen fer + nom oder jugar a + nom (z. B. fer snowboard, jugar a(l) fútbol) gebildet werden, tauchen entsprechend wenige Verben zu dieser Thematik auf. Erwähnenswert ist der Kultismus relaxar-se, der eigentlich aus dem Lateinischen stammt, aber 252
über das Englische (to relax) und auch das Spanische (relajarse) Eingang ins Katalanische gefunden hat (cf. GD62; DIEC). Im Gegensatz zum Englischen benutzt das Katalanische das Verb auch in reflexiver Form. TELE7 m’he de relaxar TELE6 gairebé em relaxa de per vida TELE6 estic absolutament relaxada JOVE16 A: normalment sempre:/ m’agrada molt: tocar instruments i tal/ em relaxa\ (…1,2) mh:: pues em poso a l’ordinador después una estoneta:/ i així pues: va passant la {(@)tarda}\
5.2.1.2.5. Substantive und Adjektive zur Bezeichnung von Personen aus dem Feld Freizeit, Sport, Urlaub Was das Feld des Sports betrifft, so hält das Katalanische, aufgrund der Übernahme der Sportart aus einem anderen Sprach- und Kulturkreis oftmals kein Lexem zur Personenbezeichnung bereit. So finden sich z. B. bei der Darstellung einer Mannschaft im American Football das Lexem quarterback, aber auch umgangssprachlich geprägte Kastellanismen, wie das nach morphosyntaktischen Regeln des Spanischen mit dem Derivationssuffix {-er-} und dem Klassifikator {-o} gebildete plastiquero (cf. CLAVE) zur Beschreibung einer Person, die auf einem Gegenstand aus Plastik, meist einer Tüte, einen verschneiten Hang hinunterrutscht. Auch bei jugendlichen Freizeitgruppen wie Pfadfindern (cf. JOVE34) taucht der Anglizismus zur Bezeichnung der aktiven Personen auf, der im Korpus phonetisch assimiliert wird [es’kauts]. Weiterhin wird nicht nur die generische Bezeichnung übernommen, sondern es werden auch die Bezeichnungen für die einzelnen, nach Alter abgestuften Pfadfindergruppen (cf. JOVE34, rangers) aus dem Englischen entlehnt. PREM12 després de treure’s l’equip oficial dels Barcelona Dragons. Sort en té, doncs, de no haver de substituir el seu paper de cantant pel de quarterback, l’encarregat de llançar el meló de goma. PREM19 El plastiquero és aquell que va per primer cop a la neu
253
PREM19 ‹Plastiqueros› i apassionats dels trineus JOVE34 A. i cada estiu/ al més de junyvénen els scouts
Als Gallizismus hat die Bezeichnung amateur für die nicht professionelle Ausübung eines Sports (oder auch einer künstlerischen Tätigkeit) sowohl als Substantiv, als auch als Adjektiv Eingang ins Katalanische gefunden. PREM24 Em dedico a la música com amateur PREM40 Es tracta d’un esport amateur que exigeix molta dedicació i sacrifici
Bei den Personenbezeichnungen, welche dem Feld Urlaub und Freizeit zuzuordnen sind, finden sich auch im Katalanischen zwei Begriffe mit dem semantischen Inhalt ‹Ausländer› bzw. ‹Ausländer aus den USA›, die sowohl im Katalanischen als auch im Spanischen als umgangssprachlich gelten (cf. CLAVE; GD62): guiri und gringo (cf. PREM11, 12). Der Ursprung von gringo gilt als bis heute nicht eindeutig geklärt (cf. CLAVE; DEA); bei guiri findet sich in CLAVE der Verweis auf die im Zusammenhang mit den Karlistenkriegen im Baskenland entstandene Bezeichnung guiristino für die Anhänger der Königin María Cristina, welche im Baskenland als estranjeros galten. Anzumerken ist, dass guiri und gringo allerdings nur in der Pressesprache auftreten; gringo steht dabei in engem Zusammenhang mit der Darstellung der mexikanischen Band Molotov, ist also in gewisser Weise auch ein bloßes Zitieren der Texte dieser Band. In einem Text einer Schülerzeitung taucht weiterhin das substantivierte Adjektiv playero/-a als Fremdwort aus dem Spanischen auf – ein «Konzept», das im Beispiel selbst definiert wird und für welches das Katalanische, im Gegensatz zum Spanischen, keinen Begriff bereithält (cf. GD62; DIEC). JESC1 Playeros: pels que tenen per objectiu prioritari al mes d’agost posar-se com una gamba africana en una platja
5.2.1.3. Semantisches Feld Drogen 5.2.1.3.1. Substantive zur Bezeichnung verschiedener Substanzen «A la larga, sin embargo, el inglés tendrá un trato de favor en las distintas subculturas pues al lado de esas conivencias en la política oficial hay que considerar
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la influencia del underground americano en la cultura juvenil, que se manifiesta a través de la droga, el rock y los cómics» (Rodríguez González 1989, 153).
Im Korpus ist die Auswahl an Synonymen bzw. Hyperonymen aufgrund des relativ geringen Umfangs nicht so ausgeprägt, wie diese Autoren es beschreiben. Beispiele aus der Jugendsprache finden sich im Korpus in mündlicher und auch schriftlicher Form. Es tritt u. a. der Arabismus haixis (cf. GD62) auf, der lautlich assimiliert wird. Daneben finden sich Anglizismen wie èxtasi. Die meisten Lexeme sind allerdings entweder Entlehnungen aus dem Spanischen wie farlopa (cf. CLAVE) bzw. katalanische Neosemantismen (z. B. merda). Im Falle von coca liegt eine Trunkierung des Lexems cocaïna vor, wodurch zunächst Homonymie zur Bezeichnung der Pflanze auftritt, diese aber somit letztendlich eine semantische Bedeutungsverengung (Bezeichnung der Pflanze → Bezeichnung der daraus gewonnenen Substanz) erfährt. Eine Trunkierung, bei der das Hyperonym in ein Kohyponym verwandelt wird, tritt auch bei pastilla auf. Bei der Reduktion von pastilles d’èxtasi → pastilles (cf. JOVE40) entfällt das Determinans und das Determinatum erhält die Bedeutung des Kompositums. Interessant ist das lexikalische Syntagma a tota pastilla in JESC1 zum Ausdruck der Tatsache, dass etwas sehr ausgiebig und mit großem Einsatz betrieben wird. Der Kontext (Tanzen in einer Diskothek) und die fehlenden Belege in den katalanischen Wörterbüchern legen nahe, dass die Lexie einen von Jugendlichen kreierten phraseologischen Ausdruck darstellt, der sich des auf Drogenkonsum bezogenen Lexems pastilla bedient. Dies bestätigte auch eine Rückfrage bei den Informanten des Korpus. Viele Autoren, die sich im spanischen oder katalanischen Kontext mit Jugendsprache befasst haben, nennen die Terminologie zur Bezeichnung von Drogen und anderen Rauschmitteln als eine der Hauptquellen für Entlehnungen aus dem Englischen. Dies hängt zum einen mit dem Entstehen vieler neuer Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit Drogen im angelsächsischen Raum zusammen, zum anderen aber können die in diesem Zusammenhang verwendeten Fremdwörter auch als «Exotismen» und somit als Mittel der Ausdrucksstärke gewertet werden (cf. Rodríguez González 1989, 153). Rodríguez González nennt zunächst allerdings als typische Lexeme in diesem Bereich beispielsweise mierda als Synonym für droga sowie verschiedene Synonyme bzw. Hyponyme für das graphisch assimilierte arabische Fremdwort hachís wie porro, cachorro, trompeta, canuto, varillo, yoi(n), quiqui oder für marihuana wie yerba, rama, mata oder maría. Eine ähnliche Auflistung für das Katalanische findet sich bei Vila/Bellès (1989), wobei die Autoren vielen Lexemen die Eigenschaft eines Kastellanismus zuschreiben, da die Bezeichnungen für die Substanzen ihrer Meinung nach über das Spanische ins Katalanische gelangen. Das Substantiv clenxa (‹feine Linie›; PREM11) erhält ebenfalls eine neue, spezifischere Bedeutung, es liegt also ein Neosemantismus vor, da das Lexem hier auch zur Beschreibung des Kokainkonsums dient. Bei rula im gleichen 255
Beispiel handelt es sich um einen nicht assimilierten Kastellanismus – CLAVE beschreibt das Lexem als umgangssprachlich verwendetes Synonym für synthetische Drogen. Die zitierten Belege aus dem jugendsprachlichen Korpus unterscheiden sich allerdings aus pragmatischer Sicht. Berichtet in JOVE40 ein Jugendlicher freizügig und ausführlich über seine entsprechenden Erfahrungen in Form einer relativ neutralen und bis auf eine Ausnahme («una cosa és fumar porros i l’altra…») wenig wertenden Erzählung, so äußerten andere Jugendliche in ihren Darstellungen auf verschiedene Weise Distanz zum Thema Drogen. Sie nutzen die dritte Person (la gent, algú, cf. JOVE7, 8) bzw. ein neutrales hi ha (JOVE7), stellen explizit dar, dass sie mit der Sache nichts zu tun haben (JOVE8), oder distanzieren sich vom Charakter des Verbotenen durch Reaktionen wie Lachen (JOVE35). JOVE40 (.. 0.36) de vegades m’havia esnifat cola amb uns col·legue::si bueno\ JOVE40 (.0.29) i li dic(..0.34) bueno(..0.66) mama que jo fumo porros i fumo cada dia no/ i ma mare:ah vale\ però (.0.20) no m’ho diguis\ (.. 0.58) {(@) i et [quedes] vale\} B: [(@) ja}] (...) (.. 0.73) però una cosa és fumar porrosi l’altra fotre’s pastilles(.. 0.44) farlopa::(.. 0.52) a::a: es xuta cavalles foten de tot no/ (.. 0.67) però és que ademés no és que es fotin:(.. 0.49) uns només es fotin pastillessinó és que a lo millor amb una nit s’han fotutpastillestripisfarlopa:i: a lo millor s’han fotut a: special kano/ que és anestèsia per cavall\ (.. 0.35) ja és lo:{(L2) lo último} no/ JESC2 Les pastilles d’èxtasi, què en pensen els joves JOVE7 A: lo que és lo que és marijuana és:
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normalment és (..0,5) per tothom en general/ però especialment per la gent d’aquesta edat més pantxaleta:/ més:: C: xavals i: A: la cocaina i lo altre és més: per a gent: que/ que vol estar-se tota la nitJOVE35 A: era un porro {(FF)uhuhu/} @@ B: @@@ C: @@ A: il el tio el tioveu(...) A: anava al lavabo/ i:: {(@)(F)eheh/} i no recuperava\ B: [per la marihuana] A: i el tiuJESC1 un monovolum amb l’aire condicionat a tota pastilla bailant l’aserejé PREM30 per molt que estiguis envoltat de merda i hypes PREM11 Un porro pel camí, una clenxa abans de tocar i una rula per seguir la festa tota la nit
Andere Substanzen, wie beispielsweise LSD («lysergic acid diethylamide», cf. Webster), tauchen nur in indirekter Form im Korpus auf. Das Adjektiv lisèrgic kann als Entlehnung der englischen lysergic gelten. Es tritt hier als Apokope der Bezeichung der eigentlichen Substanz auf und bezieht sich auf durch LSD hervorgerufene Effekte. Das Verb tripar bzw. hier die Partizipform tripat ist ein nach Regeln der katalanischen Morphologie gebildetes Derivat von tripi, einer Bezeichnung für LSD, wie einige Informanten des Korpus nach Rückfrage bestätigten und wie auch bei Eingabe des Lexem in Internetsuchmaschinen (Google) zu erkennen war. Die Vermutung liegt aber ebenfalls nahe, dass das Verb vom englischen Substantiv trip abgeleitet sein könnte. PREM29 folk i psicodèlia melancòlica amb una certa aroma lisèrgica que va convertir Wyatt en una figura de culte de l’època
257
PREM13 Ni tan metàl·lics com a Powertrip ni tan lisèrgics. JOVE40 (... 1.10) i llavore:s pues(.. 0.72) vem anar cap allài: vem arribar alal baredo(.. 0.58) i érem: dinou persones\ (... 1.11) i e: dinou de festa: allà: bueno\ (.. 0.45) tots anaven tripatsanaven: fuma:tsanaven de totmenys jo que no fumava(.. 0.26) ni tripava no/ fins a:llavores que al final de la nit ja va ser dir ah:(.0.19) passo de tot no/
5.2.1.3.2. Personenbezeichnungen aus dem Feld Drogen Die Bezeichnungen von Personengruppen aus der Drogenszene weisen vor allem einen phonetisch assimilierten Anglizismus auf, nämlich ionqui: JOVE42a Q: hi haviao sigui que eren ionquis saps/ aquests et miren així amb {(canvia la veu) cares rares-} TELE6 colla de gamberres i drogats, maleducat dels collons JOVE42a Q: perquè:hi havia una quantitat de ionquisi drogatesi de tot allà-
Daneben findet sich zur Beschreibung von Drogenabhängigen das Lexem drogata mit typisch jugendsprachlich geltendem Suffix {-ata} (cf. Zimmermann 2004, 34). Dieses erscheint neben der katalanischen Partizipform drogat, allerdings fällt auf, dass sich das Lehnwort eher in der Jugendsprache (u. a. JOVE42a), die nach Regeln der katalanischen Morphologie gebildete Form hingegen in der Mediensprache (TELE6) findet. Eine verallgemeinernde Aussage ist allerdings aufgrund des zu geringen Umfangs des Korpus für fundierte quantitive Analysen nicht möglich. Eine Derivatbildung findet sich in PREM15; auf Basis des Substantivs pastilla wird ein weiteres Substantiv gebildet (pastilleres). Im Kontext mit pijes liefert es eine interessante semantische Information bezüglich dieses bereits diskutierten Begriffs (cf. 5.2.1.1.2.), da hier pijo eine zusätzliche Definition als eine Person, die synthetische Drogen nimmt, u. a. weil sie sie sich leisten kann, erhält: 258
PREM15 cercle de pijes o pastilleres
Bei der Untersuchung von Lexemen aus der Drogenszene bietet es sich an, das Korpus auch auf die häufig in diesem Zusammenhang erwähnten Bezeichnungen für Polizei zu untersuchen. Vila/Bellés (1989) und Rodríguez González (1989) erwähnen in ihren Arbeiten eine Vielzahl von umgangssprachlichen Synonymen (u. a. pasma, bofia, madam), von denen allerdings nur pasma im Korpus auftaucht.29 Als weiteres Lexem aus dem Bereich der Kriminalität findet sich der graphisch assimilierte Anglizismus gàngster in der Pressesprache. PREM14 Us atura la pasma i us demana identificació PREM19 Una història de gàngsters
5.2.1.3.3. Verben aus dem Feld Drogen Bei vielen Verben aus diesem Feld findet der für den Argot bzw. für verschiedene Szenesprechstile oft als typisch bezeichnete semantische Transfer statt. Halliday meint dazu: «La antisociedad es en su estructura una metáfora de la sociedad, de la misma manera que el antilenguaje es una metáfora de la lengua» (1978, 175; zit. nach Rodríguez González 1989, 145). Im Korpus finden sich einige Verben aus der Drogenszene, die vielen Autoren als Anglizismen und typisch jugendsprachlich gelten (al·lucinar, enganxar, esnifar, flipar oder punxar, cf. Vila/Bellés 1989; Rodríguez González 1989; de Tera 2001). Ihnen gemeinsam ist eben jener semantische Transfer, d.h. dass diese Lexeme, die schon lange Teil der Jugendsprache sind, im Katalanischen wie auch im Spanischen eine Bedeutungsverschiebung vollzogen haben und vor allem auch im Bereich der Musik bzw. zum allgemeinen Ausdruck des persönlichen Befindens Anwendung finden. Dies gilt vor allem für al·lucinar, das im Englischen oft auf einen durch Drogen hervorgerufenen Zustand bezogen wird («Drug addicts often hallucinate», cf. OALD); die katalanische Lehnübersetzung al·lucinar erfährt aber in der Umgangssprache eine Bedeutungserweiterung, wie sie im englischen Original nicht vorliegt («estar molt sorprès o perplex», cf. GD62).
29
In diesem Zusammenhang sei auch der Hinweis auf das Lexem tarjola eingefügt, das in JOVE45 als Synonym für Gefängnis verwendet wird (tu no pots anar pel carrer fumando un porro-, perquè si et [...] para la policia et fiquen a la tarjola). Die Recherche in katalanischen und spanischen Wörterbüchern und Internetseiten ergab jedoch keinen einzigen Verweis auf das Lexem; es ist daher anzunehmen, dass es sich um eine individuelle Variation des Sprechers handelt.
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Beim Verb punxar sehen manche Autoren eine ähnliche Entwicklung (cf. Vila/Bellés 1989). Sie interpretieren punxar als graphisch assimilierten Anglizismus (engl. to punch), der sich auf das Injizieren von Drogen bezieht und sehen somit in punxar eine Lehnbildung, die eine semantische Bedeutungserweiterung erfährt und sich auch auf das Auflegen von Platten in Diskotheken (punxar discos) beziehen kann. Dieser Auffassung steht die Tatsache entgegen, dass weder im OALD noch bei Webster noch bei Eingabe des Lexems punch in Internetsuchmaschinen (Google) ein Bezug zu Drogen oder zur Musik gefunden werden konnte.30 Im Falle von enganxar besteht die Möglichkeit, dass es sich um eine Lehnbedeutung, d.h. einen Neosemantismus (hier semantischer Kastellanismus) handelt (cf. Vila/Bellés 1989), was allerdings nur sehr schwer überprüft werden kann. Dafür spricht die Tatsache, dass enganchar(se) in der Einzelbedeutung («hacerse adicto o aficionarse mucho», cf. CLAVE; «hacerse adicto [a una droga o a un vicio]», cf. DEA; «dicho de una droga, del juego o de otra actividad: causar adicción.», cf. DRAE) im Spanischen in mehr Wörterbüchern verzeichnet ist als im Katalanischen (nur in DIEC). Es ist jedoch auch denkbar, dass es sich bei dem Lexem um einen internen semantischen Transfer handelt. Bei flipar(se) hingegen liegt eine morphosyntaktisch assimilierte Entlehnung (mit möglicher Derivatsbildung, flipada, cf. PREM12) vom englischen to flip vor, das sich dort sowohl auf einen durch Drogen hervorgerufenen Zustand, als auch allgemein auf eine überschäumende Gefühlsäußerung beziehen kann (cf. OALD). Daher erscheint es mir nicht angebracht, bei diesem Lexem von einem semantischen Transfer im Katalanischen zu sprechen, da die hier anzutreffenden Einzelbedeutungen in der Entlehnungssprache ebenfalls vorhanden sind und gleichzeitig eine formale und semantische Entlehnung stattfindet, bei der das Verb morphosyntaktisch assimiliert wird (mögliche Reflexivität). Gleiches gilt für die Lehnverben esnifar und xutar, die morphosyntaktische Assimilierungen der englischen Lexeme to sniff und to shoot darstellen (cf. Pomares 1997). Diese treten allerdings als Kohyponyme zu bereits existierenden katalanischen Verben hinzu und erfahren eine semantische Einengung (Reduzierung auf den Gebrauch von Drogen) gegenüber ihrer Polysemie im Englischen. Eine Ausnahme stellt hier die onomatopoetisch verwendete Interjektion esnif (PREM37) dar, die auf die ursprüngliche Bedeutung des Verbs im Englischen, nämlich die Beschreibung des mit einem Geräusch verbundenen Hochziehens der Nase, verweist. Im Falle von traficar kann man m.E. von einem Pseudoanglizismus sprechen, da das Englische to traffic wiederum auf das Italienische trafficare (und 30
Aufgrund der Tatsache, dass in den englischen Wörterbüchern punch auf das französische poinçonner zurückgeführt wird, liegt die Vermutung nahe, dass das Lexem sowohl im Katalanischen als auch im Englischen auf romanische Wurzeln zurückgeht.
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somit das Lateinische) zurückführt (cf. OALD; Webster; GD62). Interessant ist hier die bei der Präposition (traficar amb) auftretende Analogiebildung zum englischen Synonym von to traffic, nämlich to deal with. JOVE40 Q: (.. 0.76) o: jo què sé\ provar algunes drogues que:al·lucines no/ (.. 0.61) jo què sé he provat jo la::{(AC) com es diu} els bolets al·lucinògens(.. 0.68) i de viure: coses que se’t distorsionen per la vista:bueno\ JOVE3 A: però:. però bueno/ és al·lucinant, perquè- (..0,7) és un fòrum: no séPREM24 Macaco està a anys llum de qualsevol grup italià. La gent al·lucina amb Ojos de Brujo. PREM30 I, si no, per què van punxar per acabar l’Hasta luego cocodrilo en anglès? TELE37 eh/ veurem la reacció del DJ punxant/ JOVE12a A: llavorens acabo de sopar/ i encendo l’ordinadori dicvinga vavaig a ver una cosai llavorens dic que méscom no pots desenganxarJESC3 dedicat a aquelles persones que estan enganxades a l’ordinador JOVE40 (.. 0.36) de vegades m’havia esnifat cola amb uns col·leguesi bueno\ PREM37 No se res que tu no sàpigues (esnif)… PREM21 i mai més ben dit que DJ Pepe us xuta a la vena perquè pugueu continuar flipant JOVE2 M: vam anar a la platja-
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a cantarK: mentrestant/ N: siM: era per flipar\ JOVE42a Q: i joòstia(.. 0.53) xxx era petitno/ pues em {(@) em flipava [una micano/]} JESC20 però tampoc flipem tant amb els de Constantí, que es creuen que són els únics que escolten PREM12 I flipo. Però bé, estic de puta mare JOVE42a Q: que traficaque alguns(.. 0.35) que trafiquen amb- amb costo o aixítambé trafiquen amb altres cosesno/
Im Allgemeinen fällt auf, dass die Jugendsprache sich der semantisch veränderten Verben des Feldes Drogen häufiger bedient als die Mediensprache; hier finden sich vor allem die Verben flipar und al·lucinar, tendenziell aber öfter in der Wiedergabe direkter Rede und Interviews als beispielsweise in Reportagen oder Anmoderationen. Bei den Verben ist augenfällig, dass sie im Spanischen in ähnlicher, wenn nicht teils sogar identischer Form existieren, was aufgrund der Ähnlichkeit beider Sprachen nicht verwunderlich ist. Diese Tatsache führt jedoch häufig dazu, dass Lexeme wie flipar, al·lucinar Begriffe aus dem semantischen Feld der Informatik wie xatejar etc. nicht als morphosyntaktisch assimilierte Anglizismen gelten. Viele katalanische Linguisten sind der Auffassung, dass die Lexeme zwar aus dem Englischen, aber über das Spanische ins Katalanische gelangen und lehnen sie häufig als unnötige Kastellanismen ab bzw. plädieren, wie im Falle von xatejar, für die Nutzung anderer Derivationsaffixe (cf. INFO4; cf. 5.2.2.4.). 5.2.1.3.4. Sonstige Lexeme aus dem Feld Drogen Im Zuge einer Beschreibung einer Reise nach Amsterdam tritt im Korpus der nicht assimilierte Anglizismus coffee shop auf, der allerdings auch als Code-Switching aufgefasst werden kann und dem Zitieren einer fremden Realität dient. JOVE45 E: eso no està legalitzada no la marihuana-
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a Holanda/ J: si a Amsterdamperò això que està legalitzada ésE: és un dit/ J: a veureja està legalitzada si la fumis a dins d’un coffee shoptu no pots anar pel carrer fumando un porroJOVE42 els coffee shop plens:la gent bevent cervesafumant-se porros@ de tot
Neben dem Verb traficar existiert als Bezeichnung für das Verkaufen von Drogen der Begriff trapi. Es handelt sich um eine trunkierte Form des Kastellanismus trapicheo («trato o negocio ilegal», cf. DEA; «venta o compra de mercancías al por menor, esp. si es de forma ilegal», cf. CLAVE). Das zweisprachige Wörterbuch (Slaby/Grossmann/Illig 1994) kennt weiterhin die Bedeutung ‹Drogendealer› für trapi, ein Neosemantismus, der in den anderen spanischen Wörterbüchern nicht verzeichnet ist, aber z. B. im Korpus bei der Erwähnung in JOVE40 durchaus als weitere Möglichkeit der Interpretation herangezogen werden kann. JOVE40 (.. 0.30) o sigui les mogudes que hi han entrefins i tot amb els trapis de la penya- no/ (.0.23) sense ficar-m’hi pel mig no/ perquè mai m’hi fico pel mig de: de re\ no/ (.0.29) és com per exemple els trapis d’aquí(.. 0.53) jo mai: m’he fotut en un trapi: granno/ PREM36 nosaltres volem suposar que quan diu business no es refereix a trapicheos JOVE42a Q: [t’has de] moure amb gent que:quequeque traficano/ (.. 0.95) que viu del trapitxeovamos\
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5.2.1.4. Semantisches Feld Essen und Trinken 5.2.1.4.1. Alkoholkonsum Eng mit dem semantischen Feld Drogen ist das Feld des Trinkens und hier vor allem des Alkohol verbunden. Neben zahlreichen Entlehnungen, die eng mit dem Produkt und dessen Herkunft einhergehen (whisky, cf. PREM8; caipirinha, cf. PREM25 – hier allerdings metaphorisch und adjektivisch gebraucht), fällt besonders der Italianismus birra auf, der nicht mit der Übernahme eines neuen Produktes einher geht, sondern parallel zum katalanischen cervesa gebraucht wird. Dass ihm die Konnotation «jugendsprachlich» anhaftet, wird aus dem Beispiel TELE6 deutlich, in dem der nicht mehr ganz jugendliche Darsteller A, der wegen seines «fortgeschrittenen» Alters von 35 Jahren deprimiert ist, seine wesentlich jüngeren Bekannten auf birries einladen möchte. Die falsche Aussprache mit eingefügtem verdeutlicht den Eingeladenen allerdings, dass die Anpassung an den jugendlicheren Sprachgebrauch missglückt und die Jugendlichen korrigieren sofort. PREM8 I a la tardor, White Label continua sent un whisky. PREM25 convida al moment caipirinha del disc JOVE19 L: vols una birra/ o alguna cosa/ K: ehno\ JOVE40 (.0.29) perquè el jefe m’ho pagava totem pagava les birresem pagava els cafès(.. 0.46) perquè clarell sabi- jo feia de:JOVE42 que les finestres donaven al carrer/ on estaven totes les putesi tots els bars {(AC) plens de gentbevent cervesesborratxosllençant ampolles contra terra-} vull dirque hi havia un soroll increïble/ PREM11 un dels seus boleros i les barres dels envelats han servit litres de birra a ritme de rock’n’roll
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TELE6 A: us convido a unes birries @@ (...) B: no són birries/ són birres\
Für entsprechende Einrichtungen für den Konsum alkoholischer Getränke hingegen sind wiederum Anglizismen verbreiteter. Diese sind allerdings in katalanischen Wörterbüchern verzeichnet (GD62; DIEC) und assimiliert: bar und pub. JOVE7 C: jo quan surto/ vaig que a bars\ B: si tambéD: tambéA: a on/ B: a bars\ D: o al cineE: [sí] al cine tambéC: però al cine:B: [jo nojo no] C: jo els {(E)dissabtes} vaig de bar{(E) sempre)\ JOVE8 però sí que algun copdoncs alguna discoteca/ algun pubsortir una estoneta/ JOVE12a B: a Tarragona hi ha:: uns pubsK: aha/ B: cada pub/ té un:: al poble de Tarragona és cada pub té un: un estil de música\
Ähnlich wie bei den von Thielemann zitierten Beispielen aus dem Deutschen und Portugiesischen zu Cheeseburger mit Käse (cf. 2003b) treten auch im Katalanischen bei Entlehnung von Bezeichnungen für Gerichte Pleonasmen auf, da bei der Entlehnung der semantische Gehalt für den Sprecher verloren geht. So kommt es zu Kreationen auf Basis des Kastellanismus cubata (umgangssprachliche Kurzform für cuba libre, cf. CLAVE) wie cubata libre oder zu Doppelungen wie patates chip: 265
TELE11 posa’m un cubata libre JOVE42 (..0,4) xx unes patates chip\ no són com les típiques del MacDonalds/
5.2.1.4.2. Speisen Genauso wie bei den alkoholischen Getränken, findet sich beim Essen auch eine Vielzahl von Fremdwörtern, je nachdem, aus welchem Kulturkreis das jeweilige Gericht ins Katalanische gelangt ist. Das Spektrum reicht hier von nicht assimilierten Fremdwörtern wie pollo (TELE13), shawarma (TELE35), chips (JOVE42) oder pizza (TELE6; JOVE19) über phonetisch oder graphisch assimilierte Fälle ([’kuri], TELE1; natxos, TELE18) bis zu morphosyntaktisch vollständig integrierten Lehnwörtern wie xorriset (TELE17).31
31
Ein interessantes Phänomen, das zwar nur im Kontext des Korpus auf Essen und Trinken bezogen ist, stellt m.E. aber einen erwähnenswerten Grenzfall zwischen Entlehnung und Interferenz dar. In zwei Folgen der Serie Jetlag wird eine Darstellerin als besonders begeistert von chinesischer Kultur präsentiert. Sie beschäftigt sich daher mit ihrem horòscop xino bzw. trinkt sie té xino (cf. TELE17). In der darauf folgenden Ausstrahlung der Serie spricht dieselbe Protagonistin allerdings davon, dass els natxos no són un menjar típicament xinés (cf. TELE18). Die Vermutung liegt auch nahe, dass zwischen den Sendungen TELE17 und 18 der Sprachkorrekturdienst des Senders auf das Drehbuch eingewirkt hat und die Durchsetzung der katalanischen Form etabliert hat. Die Ursache für die Diskrepanz sowie für das häufig verwendete spanische Adjektiv xino an Stelle von xinés, lässt sich aber generell in Analogie zu einem Phänomen beschreiben, welches bei der Nutzung von Mobiltelefonen und den Serviceleistungen der entsprechenden Anbieter (cf. hierzu Sinner/Wieland 2008) auftritt. Es ist durchaus denkbar, dass die Tatsache, dass chinesische Produkte und Restaurants in Katalonien mehrheitlich auf Spanisch verkauft bzw. betrieben werden, dazu führt, dass entsprechend das spanische Adjektiv xino zur Bezeichnung dieser «Kulturimporte», besonders im Bereich des Essens, größere Verbreitung erfährt. In JOVE 42 hingegen wird xino für ein Rotlichtviertel in Amsterdam verwendet. Dies erklärt sich aus der Bezeichnung barrio chino für ein Hafen- und Rotlichtviertel in Barcelona, für das sich der spanische Begriff durchgesetzt hat. Der Jugendliche J ist sich bewusst, dass die Bezeichnung wie ein Eigenname funktioniert und sich auf Amsterdam nicht anwenden lässt und schlägt eine Alternative vor: JOVE42 E: el barri xino/ J: no no és el barri xinoés unel districte vermello el barri vermell-
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Ein Beispiel für den kreativen Umgang mit Sprache durch die Jugendlichen ist die Verwendung von bocata in folgendem Gesprächsauszug. An dieser Stelle nutzen die Jugendlichen die Arbitrarität des sprachlichen Zeichens und beginnen mit ihr zu spielen. Sie weisen dem signifiant ein neues signifié zu; es entsteht ein Neosemantismus, der eine weitere Charakteristik von jugendlicher Sprechweise verdeutlicht. Die semantische Veränderung erfolgt aus der Situation heraus und dient der Gruppenkohäsion. Die anderen Jugendlichen reagieren mit Lachen auf das Wort und machen damit einerseits deutlich, dass sie den Neosemantismus verstehen (im Gegensatz zu Außenstehenden), andererseits drücken sie dem Sprecher auch ihre Anerkennung für die von ihm geschaffene Lehnbedeutung (bocata als Entlehnung aus dem Spanischen, als Verkürzung von bocadillo mit dem gleichzeitigen Anfügen des jugendtypischen Derivationsaffixes {-ata}, cf. 4.3.3.) aus. JOVE12a A: si no: (..0,4) si la gent no pateix/ llavors no es la notíciala gent no vol veure les notícies perquè diguin el món és guai/ sinó per {(E)patir}\ K: mh/ A: és unaés una real masoquista/ que suposo que era tot así {(AC)és una bocata}B: @@ C: [@@] A: @@
Auf der Suche nach Entlehnungen bei Verben in diesem semantischen Feld fällt das Fehlen des angeblich typisch jugendsprachlichen Lexems privar/ pribar aus dem caló als Synonym für beure auf (cf. Rodríguez González 1989; Vila/Bellés 1989). Dafür existiert ein anderer Beleg für ein Lexem aus dem caló, nämlich halar (cf. JOVE40; TELE6; menjar, cf. Pomares 1997; GD62). 5.2.1.5. Semantisches Feld Arbeit und Wirtschaft 5.2.1.5.1. Substantive zur Personenbezeichnung Besonders bezüglich der Zusammensetzung von Musikgruppen (cf. auch PREM14, 30), aber auch in anderen Arbeitskontexten (JESC3) ist zur Bezeichnung für die Führungsperson der graphisch assimilierte Anglizismus líder zu finden. Die konsultierten katalanischen Wörterbücher beziehen das Lexem vor allem auf den Bereich der Politik und der sozialen Bewegungen bzw. auf den Sport (cf. GD62; DIEC; DCVB). Im Spanischen ist der Begriff 267
weiter gefasst, im DEA werden für líder allgemein die Synonyme «jefe o dirigente» genannt; dies gilt auch für das Englische (cf. OALD). PREM11 diu el líder de la banda JESC3 L’altre tipus era un líder natural que es trobava en perfecta simbiosi amb la massa d’individus que eren els habitants de North Wind
Anstelle von líder greifen die katalanischen Jugendlichen, außer in Bezug auf Musikgruppen, auf den phonetisch nicht assimilierten Kastellanismus jefe zurück;32 die katalanische Entsprechung cap erscheint im Korpus nicht. jefe wird im Korpus allerdings nicht als Vokativ eingesetzt, «para dirigirse en tono confianzudo a una persona que tiene o a la que se concede alguna autoridad» (cf. DEA; cf. hierzu auch Rodríguez González 1989), sondern erscheint in Darstellungen aus dem Arbeitsleben und bezieht sich auf die Person des Vorgesetzten (cf. JOVE40). Anders verhält es sich in den Beispielen desselben Jugendlichen mit dem Lexem col·lega. Es erscheint sowohl in der Bedeutung der «persona que treballa en la mateixa tasca, empresa o establiment que una altra», als auch im Sinne eines «company de colla, amic» (cf. GD62; cf. auch DCVB). Dieser Gebrauch wird für das Katalanische als umgangssprachlich angegeben, im Spanischen bezeichnet das DEA den Gebrauch von colega im Sinne von amigo als jugendsprachlich. Für eine Gruppe von Personen, die am gleichen Projekt bzw. bei der gleichen Firma arbeiten, ist in der Pressesprache auch der Anglizismus staff zu verzeichnen. Er tritt hier allerdings als Pleonasmus (staff de col·laboradors) auf, da er in der Bedeutung «grup de persones que treballen juntes» (cf. GD62) im Wörterbuch zu finden ist, die das Katalanische allein durch col·laboradors ausdrücken könnte. Der Anglizismus, der in seiner englischen Definition «group of assistants» (cf. OALD) bedeutet, stellt also eine Art Luxusentlehnung (cf. Thielemann 2002:426ss.; 2003b) dar. Thielemann meint damit eine eigentlich «unnötige» Entlehnung, die nicht auf eine Beschreibungslücke in der Aufnahmesprache zurückzuführen ist, sondern die
32
Weiterhin tritt besonders in der Pressesprache im Zusammenhang mit den Entscheidungsträgern im Musikmarketing bzw. im Management von verschiedenen Gruppen und Sängern der graphisch assimilierte Anglizismus mànager auf (cf. PREM12, 25, 37). Ebenfalls nur die Pressesprache nutzt den Begriff free lance für einen freiberuflichen Mitarbeiter (cf. PREM13). Das entlehnte und nicht assimilierte Substantiv ist im Katalanischen sowohl zur Bezeichnung der Tätigkeit, als auch für den Mitarbeiter selbst in den Wörterbüchern verzeichnet (cf. GD62). Das Englische hingegen unterscheidet zwischen free lance für die Tätigkeit und free lancer für die ausführende Person (cf. OALD). Es findet somit im Katalanischen bei free lance eine semantische Erweiterung statt.
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aus Gründen des Prestiges, der Hervorhebung der eigenen Sprachkenntnisse etc. erfolgt.33 JOVE40 llavores em va trucar: el jef- a(.0.22) el jefeque avuque tinc araJOVE40 (.. 0.75) oh i tinc tots els contactes de policies que vulguis a Mallorca no/ (.. 0.48) del rollo que: si: (.. 0.44) me foten una multa a Mallorcanomés tinc que trucar a quatre col·leguesi me la treuen\ JOVE40 a ma mare li deiahòstia me’n vaig a: dormir a casa un un col·lega(.. 0.59) i a lo millor trucava diumengePREM11 entre l’staff de col·laboradors
Dem Bereich der Werbung entspringt die graphisch assimilierte Entlehnung des englischen espònsor (cf. GD62). PREM39 L’esperit amateur davant d’una professionalització que, tot i els pocs espònsors, ja ha entrat en l’esport de l’estic
5.2.1.5.2. Verben aus dem Feld Arbeit und Wirtschaft Das in der Jugendsprache als umgangssprachliches partielles Synonym zu treballar gebrauchte currar (vg. auch JESC10, 17; aber auch TELE4; PREM30) ist in den herangezogenen katalanischen Wörterbüchern (GD62; DIEC; DCVB) nicht verzeichnet; es findet sich auch nicht im Argotwörterbuch von Pomares (1997). Vila/Bellés (1989) geben den Hinweis, dass es evtl. aus dem caló stammen könnte, nennen jedoch keinen weiteren Beleg. Im Spanischen hingegen findet sich das Verb als umgangssprachlich im Sinne von trabajar
33
Die im Zusammenhang mit den «Luxusentlehnungen» aufkommende Frage nach der Notwendigkeit von Entlehnungen, bzw. der Notwendigkeit als Faktor für sprachliche Veränderung wird auch von Boretzky/Igla (1994, 133s.) diskutiert. Die Autoren führen an, dass, wie es auch Müller (2002, 251) darstellt, die Sprache kein Optimierungsprinzip im Sinne der ständigen Verbesserung und Weiterentwicklung ist, wie diese z. B. in der Technik vorliegen. Boretzky/Igla diskutieren, dass zahlreiche Neuerungen existieren, die nicht durch Notwendigkeit entstanden sind, weil sie eine andere obsolet gewordene Kategorie ersetzt haben, bzw. auch Veränderungen existieren, die wieder verschwinden, also scheinbar nicht notwendig waren, aber zu einem bestimmten Zeitpunkt und für eine gewisse Dauer nützlich waren (cf. 1994, 134).
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verzeichnet (cf. DEA; CLAVE) bzw. spezifiziert das DEA «trabajar, especialmente por cuenta ajena; trabajar concienzudamente en algo». Das Verb findet ebenfalls Erwähnung bei Rodríguez González, der es als jugendsprachliche Bezeichnung für trabajar bzw. hacer nennt. In diesem Sinne tritt es auch an verschiedenen Stellen in allen Teilen des Korpus auf; die Bildung von Derivaten mit spanischen Affixen (JOVE40) deutet darauf hin, dass es sich insgesamt um einen Kastellanismus handelt. JESC1 Camps de treball. per gent treballadora i solidària passa l’agost, a part d’altres coses, currant i pagant per fer-ho JOVE2 M: jo estic a Barnaa Barcelonacurrant\ PREM14 Les guitarres hi tenen un protagonisme especial, però jo m’ho he currat en tots els discos JOVE40 (.. 0.73) fent algun currillo de repartir propaganda:(.. 0.34) ahfent cosetes\ (.. 0.78) {(AC) o sigui per-} (.. 0.53) {(P) xX(0.82)Xx}
Im Bereich der Werbung34 fällt der Gebrauch des Verbs promocionar («fer conèixer una persona o un producte», cf. GD62; «fer valer, fomentar», cf. DIEC) auf. Er tritt als partielles Synonym von promoure auf, dem Verb, auf das beispielsweise das Substantiv promoció zurückgeführt wird, welches u. a. aber auch die Einzelbedeutung «foment, publicitat d’un producte, d’un article de consum a través d’un mitjà de comunicació» (cf. GD62) hat. Promocionar ist ein versteckter Anglizismus, der in Form einer Lehnbildung ins Katalanische gelangt ist und für den englische Wörterbücher lateinische Wurzeln angeben (cf. OALD). Neben dem Verb promocionar und dem Substantiv promoció in der genannten Einzelbedeutung nutzen die Jugendlichen und die Medien im Korpus auch Derivate wie promotor/-a bzw. die trunkierte Form des Substantivs promo.
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Die Werbebranche selbst nutzt eine Vielzahl von Anglizismen, auf die nicht näher eingegangen werden soll, da es sich in den meisten Fällen um in Wörterbüchern verzeichnete Formen handelt, die zudem eher fach- als jugendsprachlich sind. Im Korpus erscheinen sie, bis auf eslògan (cf. JESC1; PREM10) ausnahmslos in der Pressesprache. Zu ihnen zählen nicht verzeichnete und graphisch assimilierte Substantive wie estand (cf. PREM15, 29, 39, 40), aber auch lexikographisch erfasste Formen wie màrqueting (cf. GD62; cf. PREM12).
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PREM30 Inerzia Producciones posa en marxa la gira SOS Rock amb la intenció de promocionar el directe de noves formacions PREM22 els estands d’empreses que venen o promocionen material vinculata amb elcinema (merchandising, pòsters, vídeos, equips, etc.) PREM32 estan en plena promoció i l’entrevista anterior se’ls ha allargat. «Si és pesada, la promo? JESC7 Com a promotora del seu Club d’Amics era coneixedora PREM27 una malaltia greu del promotor
Das einzige andere entlehnte Verb aus dem Korpus, das dem semantischen Feld Wirtschaft und Arbeit zuzuordnen ist, ist der Anglizismus boicotejar (cf. Recasens Solé 1982), der als graphisch und morphologisch assimiliertes Lehnwort erscheint. PREM39 Per tot això, el boicot del grup Pascual als ramaders catalans – per als quals la represàlia de Pascual representa pèrdues de millions d’euros? boicotegem als seus productes i deixem de comprar-los JESC9 Recomanem boicotejar tots els productes iankis
5.2.1.5.3. Sonstige Lexeme aus dem Feld Arbeit und Wirtschaft Weitere Entlehnungen aus dem Englischen bzw. aus dem Französischen (forfet – forfait; cf. Petit Robert), die diesem semantischen Feld zugeordnet werden können, finden sich fast ausschließlich in der Pressesprache. Dazu gehören boom (cf. PREM11, 12, 18, 34, 29, 30), upstarts (PREM13), miting (PREM38), business (PREM36), forfet (PREM19, 22) und stock options (PREM11). In der Jugendsprache erscheint an einer Stelle zudem der Anglizismus planning als «organització d’un pla de treball, ús del temps, programació de treball, etc.» (cf. GD62). JOVE26 C: bé:/ ehm:(..0,4) xxx despréspotser parlem del pressupost/ no/ N: @ C: parlem de fer una miqueta jade planning:/
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5.2.1.6. (Moderne) Kommunikationsmedien Das semantische Feld der Kommunikationsmedien, und hier vor allem das der modernen, digitalen Technologie, ist neben der Musik der Bereich, in dem die meisten Anglizismen im Korpus zu finden sind. Neben Lehnwörtern im weiteren Sinne fällt hier besonders die große Zahl der semantischen Anglizismen auf (cf. Thielemann 2002, 418s.). Meist handelt es sich jedoch um einen technischen Fachwortschatz, der nicht nur bei Jugendlichen, sondern bei allen Alters- und vor allem Berufsgruppen, die sich mit der Thematik befassen, verbreitet ist. Aus diesem Grund wird an dieser Stelle auf eine umfassende Darstellung der lexikalischen Phänomene verzichtet und nur einige exemplarisch herausgegriffen. Aufgrund der großen Zahl technischer Neuerungen, des schnellen Generierens neuer Begriffe für diese Produkte sowie der hohen marktbedingten Fluktuation an Angeboten erneuert sich die Terminologie laufend und wird ergänzt. Dem tragen im Katalanischen verschiedene Wörterbücher (cf. DInt; NDN), meist vom Terminologiedienst Termcat herausgegeben, Rechnung. 5.2.1.6.1. Illegalität Das bereits in Bezug auf das illegale Kopieren und den Verkauf von Tonträgern genannte Adjektiv pirata (cf. PREM27) erscheint im Zusammenhang mit Informatik und modernen Kommunikationsmedien auch als Substantiv zur Bezeichnung einer Person («persona que s’introdueix de forma il·legal en un sistema de seguretat informàtic a fi de produir-hi un perjudici o treure’n profit», cf. DInt; cf. auch GD62). Das existierende Derivat pirateria wird durch das Sem illegaler Umgang mit Datenmaterial ergänzt; daneben bildet die Pressesprache auch das Derivat pirateig (cf. hierzu auch PREM15) als Ableitung des Verbs piratejar (cf. 5.2.2.7.). JESC3 em va dir que feia 1.85 cm, de cabell castany, esportiu i pirata informàtic PREM32 (...) alguns fins i tot acusen de pirateria els ciutadans que descarreguem música de la xarxa o que fem còpies casolanes per als nostres amics. PREM30 ¿un DJ és un músic? ¿què passa amb el pirateig?, ¿enfonsarà la indústria discogràfica?, ¿i què ha suposat Operación Triunfo per al món musical?
Weniger verbreitet ist das Synonym für disc pirata, das sich ursprünglich auf das Schmuggeln von Alkohol beziehende bootleg («make and sell (sth) illegally», cf. OALD). Es tritt als nicht assimilierter Anglizismus in der Pressesprache auf, wird aber auch zunächst nur zitiert (als zusätzliche Erklärung in Klammern und in kursiver Schreibung):
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PREM32 Aquesta mena de discos (anomentas bootlegs en anglès)
Im Zusammenhang mit illegalen Verfahren stehen natürlich auch verschiedene Bezeichnungen zum Schutz eigener Daten vor Außenstehenden. Neben dem katalanischen contrasenya benutzen die Jugendlichen Anglizismen zur Bezeichnung ihrer Identifikation bei der Nutzung von Computern und Internetdiensten. Dazu gehören das nicht assimilierte nick (trunkierte Form von engl. nick name, JESC3), das phonetisch assimilierte password (JOVE44) und der semantische Anglizismus codi (JESC3). JESC3 Al cap d’un altre mes, vaig entrar en un altre xat, i em vaig canviar de nick, ara era ‹Bett›, i vaig veure un que es deia ‹Dream› JOVE44 (.. 0.85) m’has deixat tots uns disquetsuna documentació molt maca(. 0.13) p(e)rò a la que entro al disquetem comença a demanar password(.. 0.68) i jo no el séJESC3 i vaig descobrir que era en Dani pel codi de l’ordinador de Dream
5.2.1.6.2. Verben zur Bezeichnung von Aktivitäten im Internet Bei den Verben, die im Zusammenhang mit moderner Kommunikationstechnologie Verwendung finden, fällt auf, dass es sich in den meisten Fällen um semantische Anglizismen handelt, d.h. um Fälle, bei denen der existierenden Form im Katalanischen ein neues Sem hinzugefügt wird. Interessant ist die Vielfalt an (partiellen) Synonymen zur Beschreibung der vor allem am Computer vorgenommenen Aktivitäten. In der Bedeutung ‹eine Verbindung zum Internet herstellen und sich von Seite zu Seite bewegen› finden sich im Korpus neben connectar-s’hi (cf. auch JOVE2, 11, 16) auch adreçar-s’hi, posar-s’hi oder entrar-hi sowie navegar. JOVE11 A: i després per la tarda/ (..0,5) doncs em posaré a l’ordinador\ K: aha/ per fer què/ A: per conectar-me a {(E)internet}(..0,5) B: @ A: estaré amb:: una mica de temps per allà/
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PREM17 adreca’t a la web (...) i fes un link a Turisme JOVE10 B: a casam’hi poso a Internet\ (..0,6) JOVE12a C: {(FL)a internet tampoc ésA: ja però:a internetsí que vasquan entres entres amb un:: C: algoen concret\ A: [amb un propòsit] PREM17 Navegar per aquesta pàgina és divertit i pràctic, la web et busca totes les opcions disponibles i et mostra el pis amb foots a tot color
In einem Beispiel findet sich auch das Verb anar für das Aufsuchen einer Webseite. JESC3 Una altra adreça, és anar a la web official del cantant o grup, però no tots els cantants tenen les seves lletres
Diese Verwendung, bei der die Ergänzung del cantant o grup sich nur auf die Urheberschaft der Seite, nicht aber auf die Anwesenheit der genannten Person bzw. Personengruppe an dem entsprechenden Ort bezieht, stimmt mit der Darstellung von Rigau überein, die für anar definiert: «Les frases catalanes amb anar pressuposen que el lloc cap on algú, sigui qui sigui, es dirigeix no és mai el lloc de l’emissor ni el del receptor de l’acte lingüístic» (1976, 44). Bei der Darstellung des Weiterleitens auf eine andere Seite konkurrieren die hybride Bildung fer un link (bzw. fer clic en …) und die Lehnprägung enllaçar. PREM17 una selecció d’adreces d’internet d’interès per als joves, amb la possibilitat d’enllaçar-hi directament PREM17 adreça’t a la web www.gencat.es/joventut i fes un link a Turisme JOVE6 A: i a part de que m’agafa cada dos xxxx que fes clic/ no em deixa baixar d’internetper problemes de la meva xx/ C: [i::]
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Weitere semantische Anglizismen liegen bei den Verben baixar (cf. auch JOVE4, 5, 6, 8) bzw. descarregar (cf. PREM12, 30) und penjar (cf. PREM11) zur Bezeichnung des Hinauf- und Herunterladens von Daten in und aus dem Internet vor. Handelt es sich bei descarregar angesichts der formalen Analogie zum englischen Verb download um eine Lehnübersetzung, so liegen bei baixar bzw. penjar wirklich Lehnbedeutungen vor, durch die den Lexemen je ein neues signifié hinzugefügt wird («Copiar programes, fitxers, etc., d’un ordinador remot a un local, generalment a través d’Internet», cf. GD62; cf. auch DInt; für penjar sind diese allerdings nicht verzeichnet). PREM29 es poden descarregar gratuïtament de la web Comprar-lo potser és arriscat, però es pot entrar a la nostra web i descarregar la majoria de cançons per veure si us agrada el que fem PREM25 Des d’aquí podràs baixar Nativa al teu ordinador, en format PDF, gratuitament PREM29 Què en penses de baixar-se pel·lícules per Internet? PREM26 Si penges el disc a la web, tothom té accés a ell, i a qualsevol part del món PREM28 les fitxes de bones pràctiques que ja fa temps que estan penjades a la web
Für das Speichern von Daten auf einem Datenträger existieren ebenfalls mehrere Lexeme nebeneinander, welche auch semantische Erweiterungen erfahren haben: arxivar (cf. PREM5) und emmagatzemar (PREM29). Für das Speichern auf einen externen Datenträger findet auch das als Gallizismus verzeichnete Verb gravar (cf. GD62) Anwendung. Allerdings verstehen die Jugendlichen darunter, wie einige Informanten nach Rücksprache versicherten, das Kopieren des gesamten Datenträgers und nicht das Speichern einzelner Dateien auf einer Diskette oder CD. PREM11 Hem gravat més de 50 CDR JOVE2 M: o sin´6:: poso un {(F)CD} i una gravadora/ i ho gravo\
Im Internet kommunizieren die Jugendlichen, wie bereits gesagt, vor allem über den messenger bzw. Chatprogramme. Daher ist das Auftreten des von xat abgeleiteten Verbs xatejar (cf. auch JOVE2, 12) nicht weiter verwunderlich. Es gilt jedoch häufig, neben seiner Eigenschaft als Lehnwort aus dem Englischen, als Kastellanismus in morphologischer Sicht (cf. INFO4), da eine Ähnlichkeit zum spanischen chatear nicht zu bestreiten ist (cf. hierzu jedoch Bernal Gallén 1998, 151ff; cf. 5.2.2.4.). Interessant ist, dass von manchen Ju275
gendlichen scheinbar die Kommunikation via Internet als gleichwertig zu einem normalen Gespräch begriffen wird, wie Beispiel JOVE7 verdeutlicht. JOVE11 B: em connecto al messenger\ i xatejoper la tarda(..0,5) A: sí: B: [sí:] JOVE7 B: parlar pel messenger/ parlar pel messenger@@
Neben den zahlreichen semantischen Anglizismen finden sich allerdings auch bei den Verben Fremd- und Lehnwörter, so z. B. escanejar (PREM10) oder das auf das Fernsehen bezogene zapping in phonetischer und unterschiedlicher graphischer Assimilation (cf. JOVE12a; PREM20, 30; JESC10; cf. hierzu auch Rodríguez González 1989). Es tritt allerdings nie als Verb an sich, sondern immer nur in substantivierter Form el zapping oder in der Periphrase mit fer (zapping) auf. Als nicht assimilierte Fremdwörter werden auf Verben zurückgehende Bedienungsfunktionen technischer Apparate wie play oder stand-by im Korpus zitiert; letztes wird aber wiederum im Feld Musik im übertragenen Sinn genutzt, um darzustellen, dass eine Band längere Zeit keine neuen Titel hervorgebracht oder keine Konzerte veranstaltet hat. PREM39 posi el play i s’evadeixi durant unes hores PREM29 Després de dos anys en stand by, els de Menorca decideixen oficialitzar la seva separació.
5.2.1.7. Personen(gruppen) 5.2.1.7.1. Allgemeine Personenbezeichnungen Das Substantiv tio ist sowohl als partielles Synonym zu home/noi, als auch als Anrede eine der häufigsten im Korpus auftretenden Personenbezeichnungen und gilt in dieser Häufigkeit als typisch für eine jugendliche Sprechweise (cf. Vila/Bellés 1989). Im GD62 wird das Lexem als umgangssprachlich für home bzw. oncle (in Analogie zu tia) definiert. Das DIEC führt es nicht auf und schreibt das Lexem somit eigentlich automatisch dem Spanischen zu, ohne es jedoch an irgendeiner Stelle als Kastellanismus zu definieren. Man könnte daher von einer Interferenz ausgehen, würde nicht das frequentiell hohe Auftreten im Sprachgebrauch, wie es schon beim vorliegenden relativ 276
kleinen Korpus ersichtlich ist, darauf hinweisen, dass der Begriff in der jugendlichen Kommunikationsgemeinschaft zu einem gebräuchlichen Phänomen geworden ist. Dies gilt nicht nur für die Jugendsprache, sondern auch für die allgemeine Umgangssprache (cf. Pomares 1997). Das DCVB kennt tio in der Bedeutung «individu, home en general, sobretot si és desconegut o si se l’anomena en to despectiu», bezeichnet es in dieser Form allerdings als Kastellanismus, nennt gleichzeitig auch seine hohe Frequenz besonders im Valenzianischen, so dass man einerseits von einer Entlehnung, andererseits auch von der Generalisierung eines diatopisch geprägten Gebrauchs ausgehen könnte. Im Folgenden seien einige der zahlreichen Beispiele aus dem Korpus genannt (cf. auch TELE3, 6, 7, 10, 11, 14, 21, 36, 40; PREM11, 15). In der Jugendsprache tritt tio/-a im Korpus nur als Interjektion in Anredefunktion auf (cf. 5.2.1.12.) – dieser Unterschied zwischen Medien- und Jugendsprache lässt sich aber, wenn ich von meinen eigenen Erfahrungen ausgehe, nicht generalisieren. TELE4 però és un bon tio TELE4 és una tia molt rara PREM6 continua amb rítmica funk i un to disco-rock. Parla d’un tio que posa les banyes a la seva parella en una nit de descontrol
Ähnlich jugendsprachlich wie tio wertet de Tera (2001) paio/paia. Im GD62 ist das Lexem als umgangssprachlicher Kastellanismus definiert (cf. auch Pomares 1997). Ursprünglich besteht ein inhaltlicher Zusammenhang des spanischen Lexems payo zu gitano, da mit erstem eine Person «de raza no gitana» (cf. DEA) bezeichnet wird. PREM42 És una lletra autocrítica d’un paio que porta un temps una mica out i que va només a la seva. JOVE42 i havien:(...) {(@) tres paios allà-} vull dir{(@) roncant com animals-}
Kastellanismen liegen auch bei den Lexemen cabrón (cf. auch JOVE40, 45), capullo (JOVE38) und gilipollas (cf. auch PREM36; TELE11; JOVE12a) vor, welche wie tio, auch als Interjektion auftreten können (cf. 5.2.1.12.). Existiert im Vergleich zu der im Korpus bevorzugten Entlehnung cabrón (allerdings teilweise auch in Form von Code-Switching, cf. TELE28) auch die katalanische Form cabró mit gleichem signifié, gibt es für gilipollas («tonto o idiota», cf. DEA) keine formale Entsprechung im Katalanischen. Das Lexem tritt, 277
wie im Spanischen auch, sowohl in Bezug auf Personen, als auch auf Sachen auf (JOVE4). TELE28 A: aquell era un desgraciat/ va obrir xxx{(E)el cabrón/} (…=) i dic: ostia merdai ve el gilipollas/ i em diu/ {(E)tu eres un cabrón}\ (...) i em poso el xulo JOVE38 G: li fotré una broncaa aquest capullo:\ com que està picadissim amb mi\ per què\ JOVE4 A: [i a més-] que la tele és gilipollas\ TELE11 t’has convertit en un gilipollas integral
Als Ausdruck sprachlicher Kreativität kann folgendes Beispiel gewertet werden, in dem in Anlehnung an die Existenz des von gilipollas abgeleiteten Verbs im Spanischen (gilipollear, hier allerdings intransitiv, cf. DEA), eine zur Ridikulisierung genutzte «Entlehnung» des Verbs ins Englische stattfindet. In
Graphik 5–2 – Auszug aus TELE25
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TELE25 erscheint nach einem kurzen Comic, in dem der US-amerikanische Präsident George W. Bush beim vergeblichen Öffnen einer Getränkedose dargestellt wird und am Ende dabei kopflos da steht, der Satz just gilipoll it (als transitives Verb) auf einem unschwer als Nachahmung einer Coca-ColaDose zu erkennenden Behältnis. Zur Bezeichnung von Personen jüngerer Altersgruppen, also zum Hyperonym noi/noia, treten im Korpus parallel verschiedene Lexeme auf, darunter auch in einem Beispiel das katalanische Hyponym al·lot/-a (cf. JESC12). Relativ häufig findet sich das auf txavale (caló) zurückgehende xaval (cf. GD62; Pomares 1997). In der Bedeutung von nen/nena, also auf eine noch etwas jüngere Altersgruppe bezogen, findet sich nano/nana, welches das GD62 als umgangssprachlich definiert und keinen weiteren Hinweis auf eine Entlehnung aus dem Spanischen gibt, das DIEC aber als Kastellanismus ablehnt. Im Falle von nana (cf. TELE8) besteht m.E. auch eine gewisse Analogie zum Französischen (cf. Petit Robert, «jeune fille, jeune femme»), da sich in dem erwähnten Korpusbeispiel das Substantiv auf ein junges Mädchen bezieht, das nicht mehr als Kind zu definieren ist. TELE25 S: hola/ xavalscom estem/ JOVE19 A: no et queixis mai{(E)xaval} TELE8 no tens prou amb l’escola i els nanos JOVE41 aquest nanodiríem que és tontoque no serveix per re\ TELE8 aquesta nana
Die beiden Lexeme xaval bzw. nano sind auch in vokativer Form als Anreden gebräuchlich (cf. für nano auch DEA). Dies gilt auch für die folgenden, aus dem Spanischen entlehnten Substantive xato/-a (von span. chato, «s’usa com a terme afectuós», cf. GD62), xiket/-a, der mit dem katalanischen Diminutivaffix abgeleiteten und graphisch assimilierten Form des Lehnworts chico und die affektiv gebrauchte Anrede pichurrín (cf. DEA). JESC10 Hola xatos i xates! Com va la vida? Tinc 15 anys. Sóc una incondicinal d’Els Pets, tot i que m’agrada tot el rock catalá TELE5 no et preocupis, pichurrín/
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JESC12 Així és com se n’aprèn! Àpali, doncs, xikets i xiketes! Molta sort per a tots! Vull donar grácies als amics que tinc, en especial al superkedelakinzena, perquè ha costat.
5.2.1.7.2. Bezeichnungen für Nationalitäten Andere Bezeichnungen für Personen oder Personengruppen ordnen diese ihrer jeweiligen Nationalität oder ethnischen Gruppe zu. Wie bereits im Zusammenhang mit dem semantischen Feld Essen und Trinken für xino/-a diskutiert wurde (cf. 5.2.1.4.2.), treten hier relativ viele Kastellanismen auf, die aber durchaus auf Interferenzen mit dem Spanischen bei den Sprechern zurückzuführen sind. So finden sich im Korpus beispielsweise canadiense (JOVE12a), gitano (JOVE39) oder polaco (TELE10). Das katalanische Lexem llatí/-ina gilt als Bezeichnung von Personen mit «[…] característiques o comportament tradicionalment atribuïts a les persones pertanyents als països de civilització romana» (cf. GD62) und tritt im Korpus nur als trunkierte Form des Adjektivs bzw. Substantivs llatinoamericà/-ana auf. Es erfährt somit eine semantische Einschränkung, wird sogar zum Synonym von hispanoamericà, da es im Korpus vor allem zur (leicht pejorativen) Bezeichnung von spanischsprachigen Lateinamerikanern dient, die – legal oder illegal – in Spanien leben und arbeiten. JOVE4 A: cada ara: els:els: (..0,4) llatins que estàn allà::/ acá a Espanya/ (xx) xungo/ eh/ C: ja\ A: (xx) difícil\ (..0,8) B: està ple de llatinseh/ A: exacte(.0,3) la majoria/ no/ C: casino no tampoc/ B: quaranta vuit C: si no havéstots els llatins van votar al Bustamante-
Anglizismen finden sich in diesem Zusammenhang wenige; lediglich das graphisch ans Katalanische assimilierte ianqui/ianki (beides cf. JESC9; auch 280
PREM15, 34) erscheint als Synonym zu nordamericà bzw. dels Estats Units, verliert aber die im Englischen häufig vorhandene pejorative Konnotation (cf. Webster). JOVE40 i que més:després:la època del breakdance/ també\ que: es fotia aixíns xxx {(@)en plan d’imitar les pel·lícules iankis}/
5.2.1.7.3. Gruppen Vor allem die Jugendlichen im Korpus nutzen zur Benennung ihrer Freundeskreise die schon von anderen Autoren als jugendsprachlich definierten Lexeme colla (cf. auch PREM10, 13) und penya (cf. de Tera 2001). Bei Pomares (1997) finden sich ebenfalls beide Lexeme, die hier als Synonyme erklärt werden. Das Substantiv penya existiert im Spanischen in der gleichen Bedeutung wie im Katalanischen, nämlich als «grupo de amigos que se reúnen habitualmente para practicar una afición común» (cf. DEA). Für colla hingegen findet sich im DEA die auf katalanische Kulturaktivitäten bezogene Beschreibung «conjunto de personas que actúan juntas en determinados bailes y festejos populares catalanes»; Martínez de Sousa (1987, 116) klassifiziert colla in der Bedeutung einer Gruppe von Freunden als Katalanismus im Spanischen. Im Katalanischen hingegen ist das Lexem allgemein für «grup de persones que s’adjunten de manera voluntària per a una finalitat determinada» (cf. GD62) definiert. Beim Lexem panda handelt es sich hingegen um einen Kastellanismus, nämlich die trunkierte Form von pandilla zur Bezeichnung für «grupo de amigos que se divierten en común» (cf. DEA), die im Katalanischen nicht verzeichnet ist. JOVE8 A: molts cops anem a sopar molts de la colla/ i tot això/ i després/ JOVE40 {(AC) vaig arrugar un examenel vaig tirar a forame’l va fer la penya de foradesprés me’l van portar-} JESC5 Envia’m fotos de la teva panda d’amics
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Als weitere Gruppenbezeichnung ist an dieser Stelle noch der Anglizismus club (normalerweise phonetisch assimiliert, hier jedoch nur im schriftlichen Teil des Korpus vorhanden) zu nennen (cf. JESC6). Daneben finden sich auch Entlehnungen wie people anstelle des katalanischen gent (cf. JESC11) sowie working class (cf. PREM13) bzw. der Gallizismus troupe (cf. PREM31). Die beiden letzten, die sich auch nur in der Pressesprache finden, dienen m.E. vor allem zur sprachlichen Annäherung an die dargestellten Lexeme, da working class im Zusammenhang mit punk genannt wird und troupe im Kontext der Beschreibung einer französischen Band auftaucht. Der Anglizismus lobby kann nicht als speziell jugendsprachliche Gruppenbezeichnung aufgefasst werden, soll aber an dieser Stelle dennoch Erwähnung finden, spiegelt er doch einen Aspekt des Umgangs der Jugendlichen mit Anglizismen wider, nämlich das damit verbundene Prestige bzw. das Hervorheben eigener Kenntnisse zu einem Thema durch Verwendung des Fremdwortes. Dass dies nicht immer gelingt, zeigt folgendes Beispiel, in dem Sprecher B der semantische Inhalt des Lexems lobby zunächst nicht völlig klar zu sein schein, da er den Pleonasmus lobby de presió bildet. Durch das Wiederholen des Ausdrucks durch Sprecher A wird Sprecher B die Bedeutung klar. Das gemeinsame, darauf folgende Lachen stellt einerseits die Auflösung der Situation dar, dient aber gleichzeitig auch als Anerkennung der als witzig empfundenen sprachlichen Kreation. JOVE3 K: creus que serà possible/ A: i tantK: si/ A: sientre nosaltres ja parlem en català sempre, vull dir ehB: com un grup de pre: un lobby de [{(@)pressió}] A: un lobby de pressió\ B: @@@ A: @@
5.2.1.7.4. Sonstige Zur Beschreibung bestimmter Jugendbewegungen finden sich im Korpus, sowohl in der Jugendsprache, als auch vor allem in der Pressesprache (cf. auch ABC 2003, Melià 2003), die aus dem Adjektiv ocupat/-ada trunkierte, ideophonematisch verschriftete und zum Substantiv umgewandelte Form okupa bzw. seine englische – an die katalanische Orthographie adaptierte – Entsprechung esquatter. JOVE42a Q: potser si hagués nascut aquí: a la ciutatpotser seria un {(@) ocupes-} @ sats\
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JOVE3 A: I:: sortirà una mica, jo crec que va ser una barreja entre la cultura punk que havia: a Espanya en aquella època amb:: amb la barreja del:: moviment esquatter que venia de Europa
5.2.1.8. Semantisches Feld (sexuelle) Beziehungen Sicherlich auf die Gesprächssituation und die bei dieser Thematik mehr als sonst als störend empfundene Anwesenheit einer außenstehenden Person ist die Tatsache zurückzuführen, dass im jugendsprachlichen Korpus in Hinsicht auf Bezeichnungen für sexuelle Beziehungen kein Beleg auftritt. In der Mediensprache finden sich dafür einige Beispiele. Dazu zählt vor allem der Anglizismus sex, der im Korpus in entlehnten Komposita vorkommt, die nicht in Form von Lehnübersetzungen mit katalanischen Formen, sondern vollständig als Komposita entlehnt werden. Dabei ist zu beobachten, dass innerhalb der Pressesprache Uneinigkeit darüber herrscht, ob der Anglizismus besser zu zitieren sei (kursiv) oder ob er bereits als Fremdwort übernommen werden kann. Das abgeleitete Adjektiv sexi erscheint ebenfalls, wird aber an die katalanische Orthographie angepasst. PREM12 I què se n’ha fet del sex symbol? Aixo va ser un accident. Si ets un cantant, fas 1,80 i no estàs esguerrat et toca ser el sex symbol de torn. PREM13 amb menys glamour però el mateix sex-appeal PREM29 Jewel s’ha passat al pop comercial, enganxós i sexi.
Neben dem Anglizismus findet sich auch der im Spanischen als vulgär gekennzeichnete und aus dieser Sprache entlehnte Ausdruck polvo (cf. TELE4, 6). Im Allgemeinen ist Sexualität aber eher ein Thema, das in den Medienbeiträgen des Korpus ständig präsent ist, meist aber nicht konkret verbalisiert wird. Daher findet sich auch die eher euphemistisch anmutende Darstellung mit dem Lexem kiki (TELE2). Die Konsultation der verschiedenen spanischen und katalanischen Wörterbücher, einschließlich des Argotwörterbuchs (Pomares 1997), führte zu keinem Hinweis auf das Lexem. Die Eingabe in der Suchmaschine im Internet (Google) zeigte zahlreiche Belege für das spanische echar un kiki, lediglich aber fünf Einträge für fer un kiki im Katalanischen. Es besteht die Möglichkeit, dass es sich um eine Lehnübertragung des spanischen Syntagmas handelt. Die Rückfrage bei einigen Informanten ergab allerdings, dass diese die Lexie im Katalanischen kennen, selbst aber eher nicht benutzen. Daher kann nicht festgestellt werden, ob der Ausdruck als jugendsprachlich gelten kann, zumal unter den aufgelisteten Internetseiten keine explizit von oder für Jugendliche gestalteten Seiten waren. 283
5.2.1.8.1. Personenbezeichnungen aus dem Feld Beziehungen Bei den Bezeichnungen für Personen im Zusammenhang mit emotional-sexuellen Beziehungen ist zunächst das am häufigsten auftretende Lexem nòvio/-a zu nennen. Im GD62 ist es als umgangssprachlich in den Wörterbüchern zu finden, es gibt aber keinen Hinweis darauf, dass es sich um einen Kastellanismus handelt. Das DIEC führt das Lexem gar nicht auf. Beide Wörterbücher enthalten allerdings die auf das gleiche vulgärlateinische Etymon (novius) zurückgehende nuvi/núvia, das allerdings semantisch eingeschränkter ist (’Verlobte(r), Bräutigam/Braut’). Mit nòvio/-a entlehnt das Katalanische somit ein Lexem aus dem Spanischen, das graphisch und phonetisch ans Katalanische assimiliert wird und teilweise als Kohyponym zu nuvi/núvia fungiert, in Analogie zum Spanischen mittlerweile auch die Position des Hyperonyms einnimmt. Das im normativen Katalanisch vorgeschlagene xicot/-ota (cf. DIEC; Mas et al. 1992) taucht im Korpus nicht auf. Vielen Jugendlichen gilt es, wie die Rückfrage bei den Informanten des Korpus ergab, als veraltet. Nòvio/nòvia findet sich im Korpus sowohl in der Jugend- als auch in der Mediensprache (weitere Belege in PREM35; TELE8, 10). JOVE8 C: a buscar nòvios{(E)divendres}/ A: sí C: ahíhi havia al diario durant l’estiu/ cada divendreshi havia:: (.0,3) una setmana: sis nois que buscaven: nòvia/(..0,4) K: síC: i una setmana/ sisis noies que buscaven nòvio\ (…1,1) JESC13 que se n’aniran al poble amb els pares o de viatge a l’estranger amb el nòvio PREM19 Ara, Robert fa de pare de la noia i Ben, de nòvio desesperat
Die Mediensprache bietet darüber hinaus noch einige wenige Anglizismen, welche die Jugendlichen in ihren Äußerungen nicht verwenden, wie das entlehnte Kompositum latin lover (cf. PREM15), die trunkierte Form drag(s) von drag queen (cf. TELE40) bzw. die Anrede darling (cf. PREM34).
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5.2.1.8.2. Homosexualität Im Korpus treten relativ wenige Beispiele für Bezeichnungen Homosexueller auf, u. a. finden sie sich vor allem in JOVE42 (Darstellung einer Reise nach Amsterdam) und in einigen Folgen der Serie Plats Bruts (TELE2 – 11), in der einer der Protagonisten sich als Homosexueller geoutet hat. In beiden Teilen des Korpus fällt allerdings auf, dass die beiden gängigsten Bezeichnungen, der phonetisch und graphisch assimilierte Anglizismus gai sowie der Kastellanismus maricón/marica, gleichermaßen Verwendung finden. TELE7 els maricons ho teniu facilíssim els gais ho teniu molt fàcil
Zumindest in den Beispielen aus Plats Bruts (TELE4, 7) besteht semantisch kaum ein Unterschied zwischen den Lexemen, wie er beispielsweise in spanischen und katalanischen Wörterbüchern postuliert wird. Das DIEC bezeichnet zwar gai lediglich allgemein als «home homosexual» und verzeichnet keinen Eintrag für maricón/marica. Das GD62 beschreibt gai allerdings als «es diu de l’homosexual que es reconeix com a tal i que reivindica els seus drets», wohingegen sich bei maricón der Hinweis auf eine umgangssprachliche, vulgäre Verwendung mit pejorativer Funktion findet. Gleiches gilt für Pomares (1997), der den gai als «homosexual, sobretot el que reivindica els deus (sic!) drets» darstellt, bei maricón/marica neben der Bezeichnung für männliche Homosexuelle auch die Definition «persona mal intencionada, menyspreable, etc., molt sovint usat com a insult sense cap valor semàntic» verzeichnet. Ähnliche Differenzierungen finden sich im Spanischen im DEA; CLAVE (hier allerdings in der Graphie gay) und DRAE. TELE4 jo no sóc gai TELE7 ei família, que sóc maricón
Die Verwendung in den anderen Beispielen aus der Jugend- und Mediensprache lässt jedoch die z. B. im GD62 dargestellte Unterscheidung (gai als neutralerer Begriff für Homosexuelle, welche sich als solche verstehen, und ihre Lebensweise; maricón/marica als pejorative Bezeichnung) erkennen. JOVE42 per aquells dies resulta que era el— no sé com es diula {(L2) gai party } no sé quebueno[s’havien juntat tots els]@ E: [homosexuals] J: {(@) els mariques de:d’Holanda i d’aquell banda d’Europa allàa Amsterdam no/}
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TELE28 ja pensàvemque el teu nòvioera marica/ eh/ PREM30 com a bon representant del glam i del gay power, Davie Bowie s’havia confessat homosexual
Daneben findet sich an einer Stelle auch das von maricón abgeleitete Substantiv mariconada, das ebenso wie maricón einen Kastellanismus darstellt, der im Beispiel phonetisch an das Katalanische assimiliert ist. Im Kontext betrachtet, wird aber die semantische Veränderung deutlich, die im Spanischen auch in den Wörterbüchern (cf. DEA) verzeichnet ist. Das Lexem bezieht sich hier nicht auf Handlungen eines Homosexuellen, sondern bezeichnet allgemein eine «tontería o bobada» bzw. eine «cosa sin valor o sin importancia» (cf. DEA). TELE6 J: vosté està molt engaxada al tabac, Carbonell/ C: {(F)}mariconades/
5.2.1.8.3. Verben aus dem Feld Beziehungen Bei den Verben fallen als einzige Entlehnungen lligar und follar ins Auge; das von Vila/Bellés (1989) als jugendsprachlich gewertete Verb enrotllar-se zur Bezeichnung der Aufnahme einer emotionalen oder sexuellen Beziehung tritt nur einmal auf (cf. TELE40). Das Verb lligar wird von Vila/Bellés (1989) als möglicher «calc semàntic» bezeichnet. Meines Erachtens würde jedoch, geht man von der deutschen Terminologie aus (cf. Graphik 2–1) und versteht calc semàntic als Lehnbildung, präziser beschrieben eine Lehnbedeutung vorliegen, da das Verb lligar mit verschiedenen Einzelbedeutungen im Katalanischen existiert; somit könnte man argumentieren, dass die vorhandene Form evtl. eine neue (umgangssprachliche) Einzelbedeutung «aconseguir companyia d’una persona per tenir-hi relacions amoroses» (GD62) bzw. «establir una relació amorosa» (DIEC) annimmt. Die Lehnprägung als solche ist jedenfalls nicht mehr zu erkennen und das Verb mit der Einzelbedeutung in den Wörterbüchern verzeichnet. Betrachtet man allerdings ältere katalanische Wörterbücher, so stellt man fest, dass zum Zeitpunkt der Arbeit von Vila/Bellés lligar noch nicht in Bezug auf (sexuelle) Beziehungen verwendet wurde bzw. diese Bedeutung zumindest nicht in den Wörterbüchern stand. Daher kann die Vermutung, dass es sich um einen Neosemantismus handelt, meiner Meinung nach aufrechterhalten werden. Im Falle des mit dem spanischen Derivationsaffix gebildeten Adjektivs lligon liegt m.E. allerdings ein aus dem Spanischen entlehntes Fremdwort vor, das phonetisch [Ȝ] und graphisch ans Katalanische assimiliert wurde. 286
Das Verb follar in der Bedeutung «fer l’acte sexual» gilt im Katalanischen als vulgärsprachlicher Kastellanismus (cf. DIEC). Für das Katalanische hat das Verb, allerdings in transitiver Verwendung, eine weitere Einzelbedeutung, nämlich «trepitjar el raïm per fer-ne most» (GD62). Mit diesem Hintergrundwissen, möchte ich follar nicht als Kastellanismus im Sinne eines Lehnwortes bezeichnen, sondern die Überlegung anführen, dass es sich um einen semantischen Kastellanismus (Neosemantismus) handeln könnte, bei dem der existierenden Form im Katalanischen ein neues Sem hinzugefügt wird. Das Verb follar wäre demnach im Katalanischen eine Lehnbedeutung und homonym. TELE7 A: jo/ si no lligo més/ és perquè no estic de moda tu\ PREM11 A partir d’aquí … són molt més lligons els backliners. JOVE40 (... 0.91) i a la filla: la controlaven i tot perquè no es follés a: segons qui no/ [@@] B: [@@] (. 0.27) m\ M:perquè la mare era del pal fins que no:fins que no et cases no:no pots follar\ (... 1.71) però els tio:s allavores és diferent no/ @@ bue[no\]
5.2.1.9. Gefühlszustände und Wertungen Obwohl einige semantische Felder bereits je einen Unterpunkt zu Adjektiven enthalten, möchte ich zunächst an dieser Stelle noch einmal explizit auf verschiedene Adjektive eingehen. Sie sind dem Feld Gefühle und Emotionalität zugeordnet. Daher habe ich für die Analyse folgende Einteilung getroffen: Zunächst werden die positiv-wertenden Adjektive vorgestellt, dann die negativ-wertenden, wobei hier eine Unterscheidung zwischen den ausschließlich negativ-wertenden Adjektiven und denjenigen, die durch semantischen Wandel zum Antonym ihrer selbst geworden sind, getroffen wird. Bei letzten finden auch die Adjektive Erwähnung, die eigentlich keine Wertung ausdrücken, aber im Korpus von den Jugendlichen mit einer negativen Wertung versehen werden. An die Darstellung der Adjektive schließen sich Substantive aus dem semantischen Feld der Gefühle und Wertungen an. 5.2.1.9.1. Positiv-wertende Adjektive Ein sehr häufig im Zusammenhang mit der Jugendsprache und im Zusammenhang mit dem spanisch-katalanischen Sprachkontakt diskutiertes Adjek287
tiv ist guapo/-a (cf. Sinner 2004, 474). Es gilt im Katalanischen als Kastellanismus (cf. GD62; DIEC; Pomares 1997) und wird in den Korpusbeispielen immer lautlich assimiliert. Montolío/Vila (1993, 100) stellen dar, dass das Adjektiv im Katalanischen eine semantische Erweiterung vollzogen hat und nicht mehr nur – wie im Spanischen – zur Beschreibung einer Person («persona cuyo físico, y esp. la cara responde a ciertos cánones de belleza», cf. DEA; cf. auch CLAVE) dient, sondern auch für Sachen verwendet wird. Die Autoren führen dies darauf zurück, dass der semantische Inhalt von guapo zweifellos durch den Slogan «Barcelona posa’t guapa» beeinflusst sei (1993, 100; cf. auch Sinner 2004). Für das Katalanische ist dementsprechend auch im GD62 unter guapo die Einzelbedeutung «es diu d’alguna cosa de bona presència, valuosa, important» festgehalten. Das DIEC unterscheidet in den Einzelbedeutungen gar nicht zwischen der Verwendung für Belebtes und Unbelebtes, sondern gibt allgemein die Synonyme bell, bonic an. In den erklärenden Beispielen findet sich das Adjektiv allerdings sowohl zur Bezeichnung von Personen, als auch von Gegenständen oder Abstrakta («Sempre m’ha semblat un actor molt guapo.», «Des de la finestra es veuen unes vistes guapes de debò.»). Für das Spanische findet sich allerdings in verschiedenen Wörterbüchern (cf. DEA; CLAVE) sowie bei einigen Autoren (cf. Rodríguez González 1989) der Hinweis darauf, dass guapo/-a in der Jugendsprache allgemein zur Bezeichnung von Sachen diene, welche als angenehm, schön und qualitativ hochwertig eingestuft würden. Für das Spanische in Katalonien stellt Sinner allerdings fest, dass der nicht personale Gebrauch von guapo ebenfalls wie im Katalanischen typisch sei und nicht nur in der Jugendsprache auftrete. «No creemos que el uso de guapo en el castellano de Cataluña sea un uso marcado como particularmente juvenil, puesto que lo documentamos en contextos familiares informales de personas de todas las edades y de todos los estratos sociales» (2004, 474).
In diesem Sinne gälte es zu untersuchen, ob der Gebrauch von guapo-/a im Katalanischen durch die Jugendlichen im vorliegenden Korpus eher als jugendsprachlich zu werten ist oder ob davon ausgegangen werden kann, dass sie das Adjektiv ohnehin so gebrauchen, wie es im Katalanischen auch in Wörterbüchern zu finden ist. Eine solche Analyse wäre m.E. jedoch nur in Form einer quantitativen Untersuchung sinnvoll, um aufgrund von Frequenzunterschieden eine eventuell höhere Verbreitung von guapo/-a in jugendsprachlichen Kontexten festzustellen (weitere Belege für guapo/-a finden sich in TELE8, 9, 14, 27; PREM11; JOVE9, 40, 42). JOVE19 A: està finito/ B: {(F)sí:: finito:ya}/ (...)
288
A: és guapala reacció/ JOVE16 A: per Itàlia vaig conèixer pocsperò bueno\ aixins:\ (.0,3) van molt guapos els {(@italians}\ B: @@ PREM14 Però, oi que estem guapos? TELE3 ambient guapo
Daneben hält das Korpus auch einige partielle Synonyme zu guapo bereit, z. B. maco/-a, guai oder xulo/-a (weitere Beispiele finden sich für guai in JOVE28, 19; TELE3, 20; für maco/-a in TELE3, 9 und für xulo/-a in JOVE39; PREM11, 19; TELE10). TELE25 S: què guai/ tio/ què estàs fent/ JOVE12a si la gent no pateix/ llavors no és la notíciala gent no vol veure les noticies perquè diguin el món és guai/ sinó per {(E)patir}\ K: mh/ JOVE6 A: que és per a joves que és al 3xl.net/ B: ahA: peròno m’agrada perquè hi ha massa de xulos B: @ A: massa deo que guai/ és que sou vosaltres/ etcetera\ i no m’agrada \ JOVE12a ara són com molt més: {(E)xuletes i macarres}/ les nenes:/
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semsempre van com {(E)pintades} i amb les pinces xx i: JOVE7 A: també hi ha més grans això:/ i van tots vestits igualsC: [que] van en plan xuleo:{(E)sempre}JOVE6 C: a mi me encanten els llocs com això per diroi mira hi ha uns platos macosi que maco\ TELE36 d’aquests versos/ doncs:ha anat a buscar/ el tocagradable/ dolç:{(E)maco}/ {(E)maco}/ d’escoltar:d’aquesta fusió ha sortit el {(F)Mesmerize:) el clip que veiem ara mateix a:Consumició Obligatòria\
Für guai ist in den katalanischen Wörterbüchern entweder nur die Angabe des Synonyms bonic mit dem Hinweis auf umgangssprachliche Verwendung des Adjektivs aufgeführt (GD62) oder es ist nicht verzeichnet (DIEC). Im Spanischen findet man (guay/guai) als jugendsprachlich gekennzeichnetes Adjektiv (hier: Synonym zu «estupendo o muy bueno», cf. DEA) bzw. als umgangssprachlichen Ausdruck für «muy bueno o excelente» (cf. CLAVE). Neben seiner Funktion als Adjektiv verzeichnet CLAVE auch den möglichen Gebrauch von guay als modales Adverb (cf. 5.2.1.9.6.). Auch Rodríguez González (1989) für das Spanische und Vila/Bellés (1989) für das Katalanische erwähnen guai als positiv-wertendes, jugendsprachliches Adjektiv; bei Vila/ Bellés gilt es im Katalanischen als Kastellanismus. Dies gilt auch für das Adjektiv xulo (cf. de Tera 2001). Im DEA findet sich hierfür u. a. die Einzelbedeutung «bonito o elegante», die dort in den Beispielen allerdings nur auf Personen bezogen wird. Bei CLAVE ist eine ähnliche Einzelbedeutung verzeichnet («bonito o vistoso»); allerdings kann sich das Adjektiv hier auch auf Sachen beziehen («El día de la fiesta estrenó un vestido muy chulo.»). Daneben existiert die Einzelbedeutung «gracioso, desenfadado, presuntuoso o insolente» (CLAVE), also eine eher negative 290
Wertung, wie sie der Verwendung des Kastellanismus xulo in Beispiel JOVE6 zugeschrieben werden kann. Dass das Adjektiv xulo/-a noch nicht vollständig morphosyntaktisch assimiliert ist, beweist die Substantivform xuleo (JOVE7). Es handelt sich hier nicht um ein Derivat des in der Graphie katalanisierten Adjektivs, sondern um eine Entlehnung des Substantivs chuleo («acción de chulear», cf. DEA), das spanischen Derivationsregeln folgt. Gleiches gilt für das Beispiel aus JOVE12a, in dem an den Kastellanismus das katalanische Derivationsaffix für den Diminutiv angehängt wird; das Lexem kann also als morphosyntaktisch assimiliertes Lehnwort gelten. Im gleichen Beispiel bei macarres handelt es sich hingegen nicht um ein Derivationsaffix {-arr-(-o, -a, -os, -es)}), das als Augmentativ an das Adjektiv maco angehängt wird. Bei Pomares (1997) taucht das Lexem als Substantiv aus dem Argot mit der Definition «persona que s’aprofita dels altres» auf. Gleichzeitig existiert das Lexem auch im Spanischen als «que se considera agresivo y chulo en su aspecto o en su comportamiento» (cf. CLAVE), eine Definition, welche der Verwendung im Korpus sehr nahe kommt. Daher kann davon ausgegangen werden, dass es sich um einen Neosemantismus handelt, bei dem das katalanische Lexem um ein weiteres Sem (wie wir es für das spanische Lexem finden) erweitert wird. Das Adjektiv maco/-a hingegen trägt die Einzelbedeutungen «bonic» bzw. «es diu d’algú que, per les seves qualitats, el seu caràcter, etc., la gent troba agradós, simpàtic, etc.» (cf. GD62), ist im Katalanischen als Kastellanismus verzeichnet (cf. GD62) und wird ausschließlich positiv-wertend im Korpus verwendet. Als umgangssprachlich bezeichnet wird das Adjektiv collonut/-da. Es trägt im Katalanischen die Einzelbedeutung «que exceleix, que és magnífic» (cf. GD62). Es gilt, wie seine spanische Entsprechung cojonudo, als vulgär (cf. DEA; DIEC; Pomares 1997). Dies ist nicht verwunderlich, wird doch im Spanischen wie im Katalanischen an der Form deutlich, dass es sich um ein Derivat des Substantivs cojón bzw. katalanisch colló handelt, das eine semantische Veränderung erfahren hat. Ob im Katalanischen mit colló eine Lehnbildung vorliegt, die in Analogie zur spanischen Form steht, bedürfte einer weiter reichenden etymologischen Untersuchung. Im Korpus findet sich das Adjektiv vorrangig in der Mediensprache, allerdings gibt es auch Belege in der schriftlichen Jugendsprache (JESC7) bzw. in zwei Gesprächen mit Jugendlichen auf Spanisch (JOVE22, 25). TELE3 t’has quedat un pis collonut TELE8 tenen un rotllo collonut JESC7 fantàstic món del rock català, no us oblido, gent collonuda!
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Neben den Kastellanismen finden sich wenige Anglizismen zur Wiedergabe von positiven Wertungen; sie treten im Korpus bis auf eine Ausnahme ausschließlich in der Mediensprache auf. Es handelt sich um die Adjektive cool und happy, die im Katalanischen des Korpus als nicht assimilierte Fremdwörter aufgenommen werden. TELE23 D: el municipi més cool de Catalunya JOVE0 serà cool PREM14 situat a l’altre costat del que és ser cool PREM36 Ens visita, per primer cop, el prestigiós club austríac Sunshine, meca del downtempo i del ‹electrònica› cool PREM13 Es molt happy, molt bonica
Wertungen werden weiterhin durch das Anfügen von morphosemantischen Verstärkern (cf. Sokol 2001, 185) wie super, oder tope35 (cf. hierzu auch de Tera 2001, Vila/Bellés 1989) erzeugt. Vorstellbar sind hier sowohl positive, wie in den meisten Belegen aus dem Korpus, als auch negative Wertungen. Auf diese Weise entstehen komplexere Lexien in Form von Adjektivalsyntagmen wie tope de guapo (JOVE40), die den Superlativ guapíssim ersetzen. Bei super, z. B. in Bildungen wie super bé (JOVE41) oder super divertit (JOVE39) stellt sich die Frage, ob die entstehenden Verbindungen eher als Komposita oder als Präfigierungen aufgefasst werden können (cf. 5.2.2.2.4.). In jedem Fall erhält, aus semantischer Sicht, das Wortfeld der quantitativen Indefinita in adverbialer Funktion zur Gradierung von Adjektiven bzw. Adverbien (z. B. molt, prou, bastant etc., cf. Brumme 1997, 96ss.) durch super bzw. tope Ergänzungen, die sich, betrachtete man das Wortfeld als Skala, oberhalb von molt ansiedeln würden. Vergleicht man bezüglich der quantitativen Indefinita in adverbialer Funktion das mediensprachliche mit dem jugendsprachlichen Korpus, so fällt auf, dass die Jugendlichen zur Gradierung eines Adjektivs im Sinne von ‹ziemlich› («de manera suficient, força», cf. GD62) eindeutig das Indefinitpronomen bastant bevorzugen, die Mediensprache hingegen einheitlich prou
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Das Lexem tope zur Steigerung eines Adjektivs gilt im DEA als jugendsprachlich, als Beispiel ist hier verzeichnet «este sitio es tope guay» (im Korpus allerdings nur mit Präposition de). Gleiches gilt für das dort als umgangssprachlich definierte lexikalische Syntagma a tope im Sinne von al máximo. Das Auftreten dieses Syntagmas im Korpus (PREM11, i fa pujar el volum a tope) kann dementsprechend als Kastellanismus gewertet werden.
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benutzt (cf. JOVE7, 8, 10, 40; PREM11, 12, 22). Lacreu äußert sich zu den beiden adverbial gebrauchten Indefinita wie folgt: «Entre prou i bastant, normativament es fa una diferència que no es practica en l’ús col·loquial […]: prou només té el sentit de ‹suficient›, mentre que bastant significa ‹una certa quantitat› […]. Amb tot, a partir de l’ús tradicional i de l’arrelament popular, cal considerar acceptable l’ús de prou amb la doble significació de ‹suficient› i de ‹quantitat regular›» (2002, 148).
Die Verwendung von prou im jugendsprachlichen Korpus erfolgt nur in Form einer Interjektion, wie folgende Beispiele dokumentieren: JOVE2 N: {(@@@)però faré::} és que {(@)em fa vergonya i prou} JOVE2 si jo també, però (…1,8) noal al migdia mira cor de la {(@)ciutat} i prou\
Daraus eine generelle Tendenz abzuleiten und diese auf die Inexistenz von prou bzw. die analoge Form bastante im Spanischen zurückzuführen, würde zu weit führen – die eindeutige Verteilung im Korpus kann jedoch als Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen zur Verwendung beider Indefinitpronomina im Katalanischen, evtl. im Zuge der Beschreibung von Sprachwandel, dienen. 5.2.1.9.2. Negativ-wertende Adjektive Wie bei den positiv-wertenden Adjektiven findet sich auch bei ihren «Antonymen» eine Vielzahl an Kastellanismen. Dazu zählt z. B. xungo/-a in unterschiedlichen Assimilierungsgraden (cf. PREM31, 27). Rodríguez González (1989) wertet es für das Spanische als besonders jugendsprachlich. Vila/Bellés (1989) und de Tera (2001) erwähnen das Adjektiv als jugendsprachlich und beschreiben seine Bedeutung als «difícil, que suposa un repte; persona violenta, de poca confiança, d’ambient tèrbol, que no admet molta comunicació» (Vila/ Bellés 1989). Im Spanischen gilt es als umgangssprachliche Bezeichnung für Sachen, die «de mala calidad o de poco valor» sind (cf. DEA; cf. auch CLAVE; DRAE); weiterhin bezeichnet es, als Ausdruck aus dem Argot und der Gaunersprache, eine «(cosa) falsa» (cf. DEA). Interessant ist in diesem Zusammenhang das Beispiel aus PREM11, bei dem xungo als wertende Bezeichnung für ein Konzert in einem Gefängnis gewählt wird, auf spielerische Weise also eine Verknüpfung des semantischen Inhalts einer Einzelbedeutung mit der Herkunft der anderen Einzelbedeutung – aus der Gaunersprache – geschaffen wird. Als jugendsprachlich im Vergleich mit der Analyse von Vila/ Bellés (1989) und de Tera (2001) ist die Tatsache zu werten, dass im Gegensatz zu den Definitionen in den Wörterbüchern im Korpus xungo/-a sowohl zur Bezeichnung von Menschen und Dingen dient. 293
PREM11 El concert més xungo que hem tingut ha estat a la presó de Quatre Camís. PREM27 i les persones no són xungues PREM31 I això és chungo JOVE42 J: bueno jo sóc x d’una manera molt especiali quan veigmolta gent negraamb cara xunga@ E: @RR@ J: {(@) m’acolloneixo-} {(@) allò que estava ple de negres } JOVE39 E: {@ una mica xungillo no/} i:A: {(P ) i això-}
Auch der phonetisch assimilierte Kastellanismus tonto/-a («de poca inteligencia», «fastidioso o molesto», «insulso o sin gracia» etc., cf. DEA; cf. auch TELE9, 29, 40) wird im Korpus zur negativen Beschreibung von Personen und Sachen benutzt, wie dies auch in spanischen Wörterbüchern (cf. DEA; CLAVE; DRAE) der Fall ist. TELE27 ahir tenia un dia tonto\ no em facis cas\ (...) JOVE35 A: estem tontes/ anem al nordJOVE12a A: i llavorenseh: com que a més/ com que la massa és tonta/ queal principi era divertit i tot/ perquè la gent que hi havia-
Als partielle Synonyme zu tonto/-a treten weitere Kastellanimen wie chorra («estúpido», cf. DEA; «hombre tonto, estúpido», cf. DRAE; «referido a una persona, que es tonta o estúpida», cf. CLAVE), hier allerdings nicht auf eine Person bezogen, bzw. loco/-a (cf. TELE7) auf. Im Korpusbeispiel erhält das 294
Adjektiv chorra eine semantische Erweiterung und bezieht sich nicht auf eine Person, sondern auf eine Sache: JOVE42a Q: i després ens tornàvem és una miqueta chorraperquè:: tret d’Amsterdam/ hi havia més museus que als altres llocs però:/ (..0,6) aquest país a míno\
Ähnlich negativ-wertend verwendet wie tonto/-a, erscheinen im Korpus zwei weitere Adjektive, mit denen Personen als dumm und langweilig klassifiziert werden: borde (cf. hierzu auch Rodríguez González 1989) bzw. soso/-a. Es handelt sich ebenfalls um Entlehnungen aus dem Spanischen, die in Form von nicht assimilierten Fremdwörtern auftreten. JOVE2 K: no, com vulguis, com vulguisM: aquesta sosa\ TELE3 la nòvia tan borde
Weniger zur Bezeichnung von Personen als zur Beschreibung des Ambientes einer Einrichtung oder dem äußerlichen Aspekt einer Sache dienen die Adjektive cutre und kitsch. Letztes gilt als Germanismus, wird aber sowohl als Adjektiv als auch als Substantiv und nicht wie im Deutschen nur als Substantiv (bei Existenz des abgeleiteten Adjektivs kitschig) verwendet; das Lexem hat also bei der Entlehnung eine Erweiterung auf eine andere Wortklasse (Konversion) vollzogen. Im Korpusbeispiel ist sowohl eine Klassifizierung von kitsch als Substantiv, als auch als prädikativ gebrauchtes Adjektiv möglich. Der Kastellanismus cutre ist im Katalanischen nicht verzeichnet (cf. GD62; DIEC); im Spanischen findet sich aber die auch im Korpus auftretende Einzelbedeutung des Lexems als «descuidado, sucio o de baja calidad» (cf. CLAVE) bzw. «pobre o mezquino, o de mala apariencia» (cf. DEA; Rodríguez González 1989; Vila/Bellés 1989). TELE21 B: aquells gossos desnucats/ que mouren el cap/ alle: @@@ B: que fa:et fan{(@)patir} et fan patiralle: @@@ B: us ho juro/
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us ho juro/ això és certa mim’ha regalat un gos desnucatva dir/ mira que és kitsch/ i mira el regal així ((macht es vor)) és kitsch\ JOVE42 i és lo mateix/ és és encara més cutre que Amsterdamvull dir\ PREM11 a l’aparell cutre de casa
Partielles Synonym von cutre in der Bedeutung sucio/-a ist das Adjektiv guarro/-a, ebenfalls ein Kastellanismus, der phonetisch an das Katalanische assimiliert wird. Er tritt im Korpus nur in der Jugendsprache auf und gilt im Spanischen entweder auch als umgangssprachlich, Argot (cf. DEA; CLAVE) oder jugendsprachlich (cf. Rodríguez González 1989). Mit guarro/-a werden (im wörtlichen oder übertragenen Sinn) schmutzige Personen oder Einrichtungen bezeichnet bzw. in der Gaunersprache (cf. DEA) eine «(mujer) fácil en el aspecto sexual» (cf. JOVE40). Das nachstehende Beispiel aus JOVE7 verbindet die Bezeichnungsmöglichkeit von guarro/-a für Personen und Sachen, da aus dem Kontext durch die gleichzeitige Verwendung des Adjektivs durch mehrere Sprecher nicht eindeutig klar wird, ob es sich auf la gent oder els llocs bezieht, bzw. abwechselnd beiden zugeschrieben wird. JOVE7 D: potser:: lo más: jo que sé/ lo más {(@)piradilla}E: @ D: no/ em refereixoA: [sí::] llocs molt {(E)baratos}on pots anar-hiD: [sí molt] A: a beurei la gent van allà:: a beure/i:: D: sí en plan molt: C: [guarro]que van allà a beure A: [guarro]\
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D: i fer el burroA: guarro\ molt guarro/ C: i estàn guarros::i:: (..0,6) llavors no hi vagis sola\ JOVE4 B: és un bar/ de molt baratoA: [és un bar] que és molt baratoi queés un bar\ mhperò lletgíssim eh/ o sigui el més cutre que pots imaginar\ K: @@@ B: @@@ A: però a ver barato/ és un és un és un lloc on va tothom d’acord\
Der mit Mitteln der spanischen Morphologie gebildete Diminutiv piradilla (cf. 5.2.2.2.2.; cf. auch xungillo, PREM39) geht auf die Partizipform pirado des Verbs pirar zurück. Im Katalanischen gilt dieses als Entlehnung aus dem caló, ist allerdings nur mit der semantischen Bedeutung «anar-se’n, fugir» (GD62) verzeichnet. Im Spanischen findet sich dieser Bedeutung hinzugefügt die Definition «sufrir los efectos de la droga» (DEA) bzw. für das Partizip «alocado o con poco juicio» (CLAVE). Diese Bedeutungen erscheinen mir als passender für das oben zitierte Korpusbeispiel, da es hier um wenig vertrauenswürdige Personen geht, die zwielichtige Lokalitäten aufsuchen. Es handelt sich um einen Neosemantismus im Katalanischen, da hier dem existierenden Lexem ein neues Sem hinzugefügt wird. Im Zusammenhang mit cutre findet sich weiterhin der Kastellanismus barato/-a anstelle des katalanischen barat/-a, wobei dieser nur in der maskulinen Form aufgrund der spanischen Flexionsendung als solcher zu erkennen ist. Seine Verwendung im Korpus schließt sowohl das Denotat «billig, kostengünstig» als auch die damit häufig verbundene Konnotation «heruntergekommen, unaufwändig» und «unschön gestaltet» ein. Das Adjektiv finolis existiert sowohl im Spanischen als auch im Katalanischen zur negativ-wertenden Bezeichnung einer «persona de finor amanerada» (cf. GD62; DIEC; DEA; CLAVE; DRAE).
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JOVE42 però més aviat/ suposo que és robar a gent d’aquesta que va amb mésen plan finolis amb la maleta:saps/ més turista:(...) de trenta-cinc quaranta anys ja:i re-
Das Lexem bacán entstammt dem lateinamerikanischen Spanisch,36 ist also ein phonetisch assimiliertes Fremdwort im Korpus. Die Verwendung des Lexems könnte als Hinweis auf die Herkunft des Sprechers (C) dienen – auf Rückfrage bestätigte sich allerdings, dass der Sprecher und seine Eltern in Katalonien geboren wurden. Daher betrachte ich das Auftreten von bacán im Korpus als eventuellen Hinweis auf das bevorzugte kommunikative Umfeld des Sprechers. Das Auftreten des Lexems als partielles Synonym zu xulo (allerdings pejorativ konnotiert) deutet auf den im Kontext der zunehmenden Immigration verstärkten Einfluss verschiedener diatopischer Varietäten des amerikanischen Spanischen auf das Spanische in Katalonien und auch auf das Katalanische hin. JOVE10 A: {(E)sí:} per exemple aixíde màquina maquinero de [xaus] el [xausero]\ perC: @@ K: aha/ A: és per ficar el nom\ síC: [vol dir] bacanes i punt\
Negativ-wertende Adjektive in Form von «echten» Anglizismen treten im Korpus kaum auf, lediglich die Jugendpresse verzeichnet an einer Stelle das nicht assimilierte Fremdwort loser (PREM10); dafür findet sich allerdings der Pseudoanglizismus pengings, eine Analogiebildung zur nach englischen Derivationsmustern gebildeten Form pànxing (cf. Espinal et al. 2002; Rull 2004, 338, hier allerdings in der Bedeutung «suspendre una assignatura»). Hierbei ist allerdings nicht das Ausüben einer Aktivität gemeint, für die die Endung {-ing} im Englischen normalerweise steht, sondern das bewusste Nicht-Ausüben jeglicher Aktivität. Wurzel des im Katalanischen als Substantiv oder
36
Aus eigener Erfahrung kann ich den Gebrauch des Adjektivs in Chile und Argentinien bestätigen; CLAVE definiert allgemein: «en zonas del español meridional, elegante o de categoría», im DRAE ist das Lexem als jugendsprachlich (für die Länder Chile, Kolumbien und Kuba) gekennzeichnet und hier mit der Bedeutung «muy bueno, estupendo, excelente» notiert.
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auch als Adjektiv verwendeten Lexems ist panxa (dt. Bauch;, pànxing bzw. penging in wörtlicher Bedeutung wäre dementsprechend mit ‹faul auf dem Bauch liegend› zu übersetzen). Das Lexem erfährt aber im Kontext des Korpusbeispiels neben der Veränderung der Wortklasse auch eine semantische Umdeutung und steht, mit der Endung {-s} versehen, für eine Person, die faul bzw. nicht zuverlässig ist. Hierbei tritt sowohl die vollständige Form, als auch die Trunkierung auf. Daneben existiert zur Bezeichnung des gleichen Inhalts der Kastellanismus vago (JESC12). TELE8 és un penges JOVE40 M: (.. 0.61) i tampoc tinc masses records de mon pare no/ (.. 0.43) sé que era un pan- un pengings(.. 0.60) que t’hi caguesperquè: et trucava i et deiaara et passo a {(F) buscar:-} (.. 0.46) i tots allà esperantpum pum(.. 0.38) i al cap de: quatre o cinc hores tornava a trucar{(F) eh que trigaré:-} (. 0.23) @@ JESC12 Per cert, són uns vagos i no actualitzen el web.
Ebenfalls sowohl als Adjektiv als auch als Substantiv gebräuchlich ist der nicht in den katalanischen Wörterbüchern zu findende Kastellanismus muermo/-a mit dem signifié «persona o cosa que aburre» (cf. DEA), der im Korpus als Substantiv auftritt: JOVE40 (..0.56) lo que passa és que tinc uns muermos de col·leguesque no vegis [no/]
Weiterhin findet sich der Gallizismus démodé («qui n’est plus à la mode», «archaïque, dépassé, obsolète, périmé», cf. Petit Robert). Er tritt allerdings nur in der Pressesprache auf und wird hier nach französischen Morphologieregeln behandelt (französische Flexionsaffixe {-(é)e}, {-(é)s}): PREM30 no podia estar més demodée a ulls dels nens de les floretes PREM32 el trobarem en grups de cultre (i fins i tot demodés)
Als weiterer, viel negativer (als kitsch) besetzter Germanismus erscheint schließlich noch das Adjektiv nazi, das phonetisch allerdings an die spanische und nicht an die katalanische Aussprache assimiliert auftritt:
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JOVE38 A: (.. 0.88) no ho sé\ doncs el Miqui és una mica nazi} no\ G: (... 1.22) com nazi\ A: (.. 0.71) jo què sé\ és que:(.. 0.37) i ahir vaig estar parlant amb l’Edu igual\
5.2.1.9.3. Negativ-wertende Substantive Zur negativen Bewertung einer Situation, eines Ereignisses oder auch einer Person greifen die Jugendlichen und auch die Medien vor allem auf Lexeme zurück, die sie aus dem Spanischen entlehnen. Hierzu zählt das keinem speziellen Register zugeordnete tonteria (cf. DRAE), das in den katalanischen Wörterbüchern, ebenso wie tonto, nicht verzeichnet ist. TELE21 ara ja és tonteria\ ara ja és com els iaios/ JOVE40 M: (.. 0.59) que són tonteries no/ jo ho veig com a tonteries no pero:JESC9 Ni la redacció ni la revista es fan responsables dels articles pèssims, commetaris de mal gust, tonteries vàries, gilipollades a sako, improperis gratuïts, insults diversos…
In beiden Teilen des Korpus nutzen die Sprecher auch das aus dem Spanischen entlehnte basura37 (cf. auch JOVE33; PREM26) zur Abwertung einer Sache. Den Korrektoren einiger Medien gilt es jedoch als zu vermeidender Kastellanismus (cf. Salvanyà 2003). Die jugendlichen Sprecher selbst betrachten es in jedem Fall, wie Rückfragen ergaben, als stärker wertend, vor allem auf die schlechte Qualität einer Sache bezogen, und konnotierten es negativer als beispielsweise tonteria. Im Korpus beziehen sie es vor allem auf in ihren Augen qualitativ minderwertige Programme im Fernsehen oder auch Musik, in der Mediensprache auch auf eine bestimmte Art von Arbeitsvertrag mit äußerst schlechten Bedingungen für den Arbeitnehmer (contracte basura). Hierbei handelt es sich um Komposition; die Negativität wird durch die zusätzlich angefügte Ergänzung de merda verstärkt. Die Lexie cultura de la basura (JOVE6) ist m. E. eine an den Bricolage-Stil angelehnte Bezeichnung; nicht zuletzt das Erscheinen in einem Titel eines Liedes bzw. eines Albums
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Im Korpus erscheint basura nur im Singular, nicht im Plural wie das katalanische escombraries; cf. hierzu Sinner (2004, 210ss.), der feststellt, dass im Spanischen Kataloniens der Gebrauch des Plurals von basura eine höhere Gebrauchsfrequenz hat als in anderen Regionen Spaniens.
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der chilenischen Rockgruppe Los prisioneros und der darin enthaltene Reim dürften zu der allgemein großen Verbreitung des Ausdrucks beigetragen haben, wie sein Erscheinen auf zahlreichen Internetseiten in Bezug auf Musik, Film, Fernsehen und generelle kulturelle Entwicklungen belegt. JOVE5 A: és que:: va sortir un dia que deien que:: la TV3 era el únic canal de televisió:/ que no fe:: programació programació basura\ i tot\ JOVE42 C: què en penses de la música màquina/ Q: a veure penso que és una {(@)basura} JOVE6 B: ara ara: sembla que tota la cultura sigui:: això: cultura de la basura\ (..0,6) A: que no que no/ vale dirTELE3 m’han fet un contracte basura de merda
Die Jugendlichen verwenden – in höherem Maße als die Medien – auch mit größerer Bereitschaft bestimmten Sprachniveaus zugeschriebene, emotional stärker besetzte «Kraftausdrücke» wie xorrada/xurrada, gilipollada (cf. Beispiel JESC9 oben) catxondeo/cachondeo, teilweise noch verstärkt durch weitere wertende Lexeme, wie in einem der folgenden Beispiele: JOVE6 B: pos mira (..0,5) és una puta xurrada JOVE40 també: em falta una dona a la meva vidaalguna xurrada d’aquestes/
Das Substantiv xurrada, im Korpus auch in der Graphie xorrada zu finden (cf. PREM27), ist eine Entlehnung des spanischen chorrada («imbecilidad o bobada», cf. DEA; «necedad o tontería», cf. CLAVE; «nededad, tontería», cf. DRAE) und kann somit als phonetisch und teilweise graphisch assimiliertes Fremdwort betrachtet werden. Ein semantisch-inhaltlicher Bezug zum kata301
lanischen xurra im Sinne von sort, wie es das GD62 aufführt und welches ebenfalls im DCVB unter dem Hinweis auf besondere Verwendung auf Mallorca als «casualitat favorable» definiert wird, ließe sich im zweiten Beispiel (JOVE4038) interpretieren. Im Gespräch geht der Jugendliche jedoch nicht näher darauf ein, so dass unklar bleibt, ob für ihn eine Beziehung (em falta una dona a la meva vida) eher einen «Glücksfall» darstellt oder er eine solche, ernst oder ironisch, als «Dummheit» bezeichnet. Neben dem Kastellanimus gilipollada (cf. JESC9), der ebenfalls eine «cosa tonta o idiota» (cf. DEA) bzw. eine «tontería» (cf. CLAVE) bezeichnet und in beiden Wörterbüchern der Vulgärsprache zugeschrieben wird, tritt ein weiterer als umgangssprachlich geltender Kastellanismus (cf. DEA; CLAVE; DRAE) auf. Dieser ist allerdings phonetisch und teilweise auch graphisch assimiliert: catxondeo/cachondeo. Vila/Bellés (1989) führen daneben die an die katalanische Morphologie assimilierte Form catxondeig auf, die allerdings im Korpus nicht verzeichnet werden kann. Das DRAE kategorisiert das Substantiv hingegen als vulgärsprachlich. Neben der eher negativ-wertenden Bedeutung «desorganización, desbarajuste o falta de seriedad» (cf. CLAVE), wie sie im Korpus in den Beispielen JOVE7; TELE21 und auch TELE40 auftritt, hat das Lexem im Spanischen auch die Bedeutung «burla, guasa o juerga» (cf. CLAVE) bzw. «acción de burlarse, broma o guasa; […] diversión ruidosa o juerga» (cf. DEA). Beispiele für dieses signifié finden sich für das Katalanische im Korpus ebenfalls (cf. PREM14, 27). JOVE7 A: no/ jo tinc tota la meva vida planejada ja\ C: però noiaA: [{(@)joder]és un catxondeo però sí sí- (..0,5) vull anar a Austràlia/ i acabar com a una professora de institut allà/ TELE21 però bueno/ com el món és un catxondeo ja/
Als partielles Synonym zu catxondeo/cachondeo im dem Sinne, dass man sich über eine andere Person lustig macht, tritt auch das sowohl im Spanischen als auch im Katalanischen existierende Substantiv putada39 auf, im Korpus mit dem katalanischen Derivationsaffix für den Diminutiv versehen (putadeta).
38 39
Der Sprecher hat längere Zeit auf Mallorca gelebt und gearbeitet und erzählt im Gespräch ausführlich von dortigen Erlebnissen und Exzessen mit Freunden. Weiterhin findet sich das katalanische Lexem monades (cf. TELE7) in gleicher Bedeutung.
302
Das DIEC verzeichnet darunter sowohl die wörtliche, von puta abgeleitete Bedeutung «acció propia de putes», kennt aber auch die übertragene Bedeutung einer «acció deslleial» und ordnet das Lexem dem vulgärsprachlichen Register zu. In anderen Wörterbüchern findet sich vor allem die übertragene Bedeutung, sowohl im Katalanischen («mala passada», cf. GD62), als auch im Spanischen («faena o mala pasada», cf. DEA; «hecho que causa un perjuicio, esp. si es malintencionado», cf. CLAVE), wie sie auch im Korpus auftritt. TELE37 A: hem preparada la putadeta al disc-jòquei d’aquí\
Als negativ bewertete Personenbezeichnung verwenden die Jugendlichen im Korpus das Adjektiv fatxa in substantivischer Funktion. Es existiert hier als Trunkierung neben dem nur als Adjektiv im Korpus erscheinenden feixista (JOVE19). Die Trunkierung geht allerdings nicht auf das katalanische Adjektiv zurück, sondern auf das gleichlautende spanische facha (cf. auch JOVE4, 19; TELE20). Der enge Bezug zum Spanischen bei diesen politisch wertenden Lexemen ist auch bei einer weiteren Personenbezeichnung, nämlich pelados zu sehen, welches nicht in der katalanischen Form pelat (cf. de Tera 2001), sondern nur auf Spanisch auftritt (cf. auch JOVE10). Im Beispiel JOVE10 ist der inhaltlich-pragmatische Bezug zu einem spanischen Kontext ebenfalls gegeben, da hier die pelados, gleichzeitig als espanyolistes dargestellt werden, d.h. Aussehen und politische Orientierung (hier besonders als Gegner von allem Katalanischen) werden stereotyp verknüpft (cf. 4.5.2.6.). JOVE7 C: maquineros, maquillos\ síA: [sí] B/D: @@ C: [són lo peor]\ B: els quillosels fatxes vaya/ JOVE19 L: Alemanya está {(E)ple d’skins}/ però antifeixistes\ JOVE11 B: els maquineros/ K: sí:B: els pelados
5.2.1.9.4. Semantisch veränderte Adjektive Bei der Analyse der folgenden Adjektive ist, da es sich einheitlich um Lehnprägungen handelt, das Hinzuziehen des Kontextes von besonderer Wich303
tigkeit bei der Analyse. In einigen Fällen bedarf es darüber hinaus einer Interpretation des pragmatischen Gehalts der Aussage. Dies ist der Fall in folgendem Beispiel, das allerdings keine Entlehnung darstellt. Es soll hier jedoch Erwähnung finden, da an ihm deutlich wird, wie die Jugendlichen das von panxa (Bauch) abgeleitete Adjektiv (mit Diminutivaffix) mit einer neuen Konnotation (dick und fortgeschrittenen Alters) versehen: JOVE7 A: lo que és lo que és marijuana és: normalment és (..0,5) per tothom en general/ però especialment per la gent d’aquesta edat més pantxaleta:/ més::
Gleiches geschieht im folgenden Korpusauszug, hier allerdings liegt die Entlehnung des spanischen Adjektivs callejero zu Grunde, das zum Denotat ‹sich auf der Straße aufhaltend/befindend/lebend› die Konnotation ‹arm, schmutzig, wertlos› erhält. Das gleiche Phänomen der semantischen Erweiterung einer Entlehnung tritt im Falle von tremendo ein. Hier geschieht dies allerdings nicht unbedingt aus dem jugendsprachlichen Kontext heraus, da die im Kontext auftretende Bedeutung «muy grande, excesivo o extraordinario» bereits im Spanischen (cf. CLAVE), aber auch für das katalanische Adjektiv tremend/-a verzeichnet ist (cf. GD62). JOVE10 A: és més que ara la gent:: mh: ((atmet tief durch)) (..0,4) la gent més:: (..0,4) més que: callejera diguem(..0,6) els menys xx les cosessi diguem així: que després estan tot el dia pel carrer/ PREM11 En Jordi i en Pep ja fan tremendos solos
Im Zuge der wertenden Adjektive sei erneut das bereits im Feld Musik diskutierte heavy erwähnt. Neben der Bezeichnung für den Musikstil wird der Anglizismus auch in seiner Bedeutung «dangerous, difficult oder serious» (cf. OALD) entlehnt und phonetisch ans Katalanische assimiliert. Auch das englische Antonym light tritt im Korpus in wertender Funktion auf, genauso wie das als partielles Synonym definierbare fort. 304
JOVE 0 Joder, què heavy Això d’aquest noi és molt heavy JESC2 Sentiments light TELE9 molt fort
Einziger Anglizismus in diesem Bereich ist das nicht assimilierte underground (cf. auch PREM13, 14, 26, 30, 32, 37). Es tritt bis auf wenige Ausnahmen (l’underground de Brooklyn, cf. PREM14 und PREM23) nicht als Substantiv, sondern nur als Adjektiv auf. Dabei erfährt es eine semantische Bedeutungsverschiebung (ursprünglich im Englischen «secret, esp of an illegal political organization», cf. OALD; «existing outside the establishment», cf. Webster); diese ist jedoch eng an die bei Webster verzeichnete Einzelbedeutung angelehnt, so dass man nicht von einem «echten» Neosemantismus sprechen kann. Im Korpus wird underground mit der Bedeutung ‹außergewöhnlich, besonders cool und gleichzeitig nicht dem Mainstream entsprechend› verwendet. Hierbei ist in der Mediensprache zu beobachten, dass der in den Wörterbüchern erfasste Anglizismus («es diu dels espectacles, els films, les obres literàries, les revistes i publicacions d’avantguarda, realitzats fora dels circuits comercials ordinaris» (cf. GD62) in einen neuen semantischen Kontext gesetzt und auf Personen bezogen wird (cf. TELE3; PREM12). In der Jugendsprache hingegen ist eine auf Personen bezogene Verwendung im Korpus nicht dokumentiert. TELE3 és supersimpàtica, com molt underground JOVE10 B: més més còmic qual seria {(E)underground}\ (...) underground és: el típic còmic que:: quan ho mires doncs: moltes rayes i molt de totmoltes {(E)ombres}\ PREM12 una banda underground, nascuda en l’època de l’afterpunk
5.2.1.9.5. Adjektive zur Bezeichnung des Befindens/persönlicher Eigenschaften Das Korpus verfügt noch über zahlreiche weitere Adjektive, die allerdings weder als spezifisch jugendsprachlich zu werten sind noch Entlehnungen dar305
stellen. Einige Ausnahmen sollen hier kurz dargestellt werden. Dazu gehört das zu depre trunkierte Adjektiv depresiu/-va, welches Vila/Bellés 1989 als jugendsprachlich definieren. Es erscheint im Korpus nur in seiner trunkierten Form, wodurch es gegenüber der Vollform eine leicht nuancierte Bedeutungsveränderung erfahren kann (cf. 5.2.2.2.3.). TELE20 veja{(E)dona}/ que no veus que està {(E)depre}/
Beim Lexem teen handelt es sich ebenfalls um eine trunkierte Form, und zwar von englisch teenager, die bereits in der Kurzform entlehnt wird. Das Lexem existiert im Englischen nur als Plural teens oder als Adjektiv teeny (cf. OALD). JESC3 Apte per a fans del corrent «teen» en el terror i també per als que odien aquest mateix moviment cinematogràfic
Im Fall von objective liegt hingegen eher eine Inferferenz als eine Entlehnung vor, da der Sprecher das spanische zweiendige Adjektiv mit der neutralen Endung {-e} im Katalanischen versieht und es anstelle des katalanischen objectiu (cf. GD62; DIEC) verwendet. JOVE10 C: no dic res perquè no puc ser: no puc ser objectiveamb aquest tema\ K: @@ B: @@
5.2.1.9.6. Adverbien Als eine Art Exkurs möchte ich an dieser Stelle an die Darstellung der Adjektive die Beschreibung einer grammatischen Kategorie hinzufügen, die im Zusammenhang mit Entlehnungen im Korpus nur eine bescheidene Rolle spielt: die der Adverbien. Im Korpus sind nur vereinzelt Belege zu finden. Aus morphologischen Gründen reihe ich sie an die Adjektive an, da viele Adverbien ja als Derivate von Adjektiven, durch Anfügen des grammatischen Morphems {-mente} gebildet werden (cf. Brumme 1997, 320s.). Die Bildung solcher abgeleiteter Adverbien ist im Katalanischen jedoch nicht die einzige Möglichkeit zur adverbialen Verwendung einzelner Adjektive; es existieren vielmehr auch Umschreibungen mit de manera oder de forma (cf. Brumme 1997, 327). Im jugendsprachlichen Korpus reihen sich zwei weitere Umschreibungen ein, welche u. a. bereits bei de Tera (2001) als jugendsprachlich klassifiziert wurden: en plan + Adj. (cf. auch JOVE6, 40) bzw. 306
del pal + Adjektiv. Beide Lexeme (plan bzw. pal)40 sind im Katalanischen in dieser Funktion und Bedeutung nicht verzeichnet (cf. DIEC; GD62). Statt des Kastellanismus plan schlagen beide Wörterbücher im Katalanischen plànol bzw. pla vor, allerdings in anderen Funktionen als der hier diskutierten. Bei Pomares (1997) sind weder plan noch pal erwähnt. Tritt für das Lexem pal bzw. für seine spanische Entsprechung palo eine Bezeichnungslücke für die im Korpus vorhandene Funktion auf, so findet sich für plan im Spanischen hingegen die auch für die vorliegenden katalanischen Äußerungen zutreffende Bedeutung bzw. Funktion beschrieben. Im DEA heißt es zu en plan: «a la manera o al estilo» mit dem Beispiel «lo he decorado en plan salvaje». Bei CLAVE findet sich der Eintrag «actitud, modo o manera».41 JOVE7 D: i: xxx A: també hi ha més grans això:/ i van tots vestits igualsC: [que] van en plan xuleo:JOVE42 fem museus:{(@)en plan salvatge}\ JOVE42 però més aviat/ suposo que és robar a gent d’aquesta que va amb mésen plan finolis amb la maleta:saps/ més turista:(...) de trenta-cinc quaranta anys ja:i reJOVE7 A: [és] tota la zona de bars i discoteques/ però:: así més del pal::D: en plan más: alternativaque no té res vull dir-
40
41
Bei Vila/Bellés (1989) ist pal als Adjektiv und mögliche Entlehnung aus dem Italienischen mit der Bedeutung «pesat, cansat, avorrit» als jugendsprachlich verzeichnet; ebenso findet es sich bei de Tera (2001) sowie für das Spanische bei Rodríguez González (1989). Im Korpus erscheint es fast ausschließlich in der oben genannten Form in der Verbindung del pal […]; in JOVE42 findet sich das Lexem als Substantiv in a veure si et podien fotre el pal no in dem Sinne einer «cosa empipadora, avorrida» (cf. GD62; hier als umgangssprachlich definiert). In Untersuchungen zur spanischen Jugendsprache in Madrid, stellt Myre (2006) die Verwendung von en plan als pragmatischen Marker dar. Diese Funktion nimmt die Lexie im Korpus nicht ein; sie ist aber auch für die katalanische Jugendsprache denkbar und würde eine weiter reichende Untersuchung verdienen.
307
JOVE40 B: [@@] (. 0.27) m\ M: perquè la mare era del pal fins que no:fins que no et cases no:no pots follar\ (... 1.71) però els tio:s allavores és diferent no/ @@ bue[no\] TELE9 la gent que va del pal excursionista
Im vorletzten Beispiel (JOVE40) folgt auf del pal kein Adjektiv, sondern ein durch eine Konjunktion eingeleiteter Nebensatz. Diese Verwendung gleicht syntaktisch dem für en plan de + Infinitiv bei CLAVE beschriebenen lexikalisierten Syntagma («llegó en plan de reírse un rato»). Bei einigen, wenn auch wenigen im Korpus auftretenden Adverbien ist festzustellen, dass es sich um Entlehnungen von Adverbien aus dem Englischen handelt, bei denen im Entlehnungsprozess eine Veränderung der grammatikalischen Kategorie auftritt. Dies ist der Fall bei in bzw. out, welche im Englischen neben ihrer häufigen Funktion als Präposition auch mit adverbialem Gebrauch auftreten können (cf. OALD; Webster). Im Korpus erscheinen sie als attributive Adjektive in der für das Katalanische typischeren postnominalen Stellung, jedoch weder graphisch, phonetisch noch morphologisch assimiliert. PREM42 És una lletra autocrítica d’un paio que porta un temps una mica out i que va només a la seva. TELE23 a L’Hospitalet la ciutat més {(E)/in/}\ de moment
Ansonsten treten bei den Adverbien teilweise Interferenzen mit dem Spanischen wie bei al menos statt almenys (cf. TELE3; JOVE6, 7) oder además statt a més (JOVE6) auf. Auch diatopisch bedingte Veränderungen wie allavores statt llavors (JOVE40, cf. hierzu Payrató 1990; 116) sind, wenn auch in Ausnahmefällen, verzeichnet. 5.2.1.9.7. Substantive zur Bezeichnung von Gefühlen Der Anglizismus feeling ist im Katalanischen nicht in den Wörterbüchern verzeichnet und zeigt auch keinen Grad morphosyntaktischer Assimilation in den vorhandenen Beispielen auf. Die Beispiele aus den Korpusauszügen zur Mediensprache (cf. auch PREM10, 11, 13, 15) beziehen sich auf Situationen, in denen es um die Beziehungen Jugendlicher verschiedener Stilrichtungen 308
untereinander geht. Im jugendsprachlichen Korpus tritt der Anglizismus selten und in einem anderen Kontext auf, nämlich in Bezug auf eine gefühlvolle Musikdarbietung. Im konkreten Kontext der Beziehung zwischen verschiedenen Typen von Jugendlichen treten eher umschreibende Formeln, wie ens entenem bé (cf. JOVE2) auf. JOVE42a Q: toca/ pues:té: toca amb un feelingtoca amb: amb un matís\ PREM19 Notaràs que tens un feeling molt especial
Einen Gefühlszustand eher negativer Art, nämlich zur Kennzeichnung einer unvorhergesehenen, als unangenehm empfundenen Überraschung, bezeichnen sowohl die Jugendlichen als auch die jugendlichen Kommunikationsmedien als xoc. Die Herkunft des in den katalanischen Wörterbüchern verzeichneten Substantivs ist allerdings nicht eindeutig zu klären, da hier lediglich das Verb xocar als eventueller Gallizismus angegeben wird, eine Auffassung, die ich nicht teile, da sich im Französischen u. a. auch der Hinweis auf eine Entlehnung einzelner signifiés des Lexems aus dem Englischen findet (cf. Petit Robert). Meines Erachtens tritt im Katalanischen eher eine Analogie zum Französischen oder zum Spanischen auf, wo choque in der Einzelbedeutung «conmoción o impresión fuertes» (cf. CLAVE) als Anglizismus gilt, den ich als Neosemantismus (semantischer Anglizismus, cf. Thielemann 2002; 418s.) identifizieren möchte. Diese Situation, nämlich dass dem existierenden Lexem (in der Bedeutung eines Zusammenstoßes im wörtlichen oder übertragenen Sinn) ein oder mehrere neue Seme hinzugefügt werden, liegt meiner Meinung nach auch im Falle des Katalanischen sowohl bei xoc, als auch beim Verb xocar vor, das nach den Derviations- und Flexionsregeln des Katalanischen gebildet wird. Das abgeleitete Adjektiv xocant erfährt gegenüber dem Verb bzw. dem Substantiv eine semantische Verengung, da es nur noch den semantischen Inhalt der Lehnbedeutung trägt («que xoca, que sorprèn per la seva novetat, perquè té gràcia, etc.», cf. GD62; «que xoca, que sorprèn, que ve de nou», cf. DIEC). PREM18 Sentir el primer single de rock en català a la discoteca i el xoc mental de sentir-los a la ràdio i que la gent ballés igual que sí fos un tema anglès JOVE40 M: si avance:m tecnològicament(. 0.23) però mentalment no: no avancem no(.. 0.68) perquè: realment és:-
309
(.. 0.30) tot és un xoc de:jo què sé siPREM15 el que més xoca al públic és que qui canta sigui una noia JESC1 No obstant, podem dir, que la poca qualitat de la pel·lícula no resulta tan xocant com la del reciclatge de l’agent Ethan Hunt de l’M:I
5.2.1.9.8. Verben Neben xocar, das im Zuge seiner Wortfamilie bereits genannt wurde, finden sich weitere Verben, welche zum Ausdruck von Gefühlen oder Wertungen dienen. Dazu gehört (fer) vibrar, dessen signifié «incidir en algú allò que l’emociona especialment» (cf. GD62) eine eventuelle Lehnprägung aus dem Englischen ist («to set in a characteristic emanation, aura, or spirit that infuses or vitalizes someone or something and that can be instinctively sensed or experienced», cf. Webster). JOVE0 em fas vibrar PREM10 ja que mentre ens feien vibrar
Im Falle von molar liegt einer der Fälle vor, die nicht mit Exaktheit der spanischen oder katalanischen Sprache zugeordnet werden können, und die ich als bidirektionale Grenzüberschreitungen definiert habe (cf. Wieland, 2006b). Im Katalanischen gilt das Verb als Teil des Argot (cf. GD62; Pomares 1997) und wird mit den Synonymen agradar, anar bé, escaure (cf. GD62) bzw. agradar (Pomares 1997) beschrieben. Es könnte sich aber genauso gut um die Entlehnung des spanischen Verbs molar handeln, das u. a. in der als jugendsprachlich gekennzeichneten Einzelbedeutung gustar (cf. DEA) bzw. mit dem Verweis auf das caló verzeichneten Definition «gustar, resultar agradable o estupendo» (cf. DRAE) vorhanden ist. Ähnlich verhält es sich beim in beiden Sprachen als umgangssprachlich definierten Verb colar (cf. GD62; DIEC; CLAVE; DEA), das im Korpus mit der Einzelbedeutung «fer creïble» (cf. GD62) auftritt. JOVE4 C: i es troba la Carmen de Aire\ B: lo que molava en la Tele 5 JOVE40 M: (.. 0.45) però em veig molt apagat no/ perquè: tot aquest(. 0.19) aquest rollo a mi no em mola\ (.. 0.59) ni currar:ni fer la objecció:PREM37 i ara troben que el revaival mola, perquè els ho han dit
310
TELE31 A: {(E)mola-} B: {i perquè mola}/ A: {(E)perquè torna ordenatas-} {(E)sí/ ordinadors per la nostra escola}/ B: {(E)i gratis/}\ TELE10 tan increïble que no cola
Einem ausdrucksstarken, vulgärsprachlichen Register zuzuordnen ist das Verb cagar, welches auch de Tera (2001) nennt. Es erscheint vor allem in der Phrase que t’hi cagues, welche in den konsultierten Wörterbüchern für das Katalanische nicht verzeichnet ist (cf. GD62; DIEC; DCVB). Für das spanische que te cagas erwähnt das DEA die Möglichkeit der Nutzung «vacío de significado, en construcciones ponderativas de carácter consecutivo», eine Verwendung, die so auch im Korpus auftritt und daher m.E. den Charakter einer Lehnprägung aus dem Spanischen trägt. JOVE40 M: me’n vaig anar de festa una vegadai bueno\ vem muntar una festa que t’hi caguesTELE22 B: frac-xandall\(..0,5) S: pots còrrer amb una elegància que t’hi cagues\
5.2.1.10.
Quantitative Angaben
5.2.1.10.1. Mengen Zur Bezeichnung von Mengen bedienen sich die hier beobachteten katalanischen Jugendlichen einiger Lexeme, welche bereits von Vila/Bellés (1989) als jugendsprachlich relevante Entlehnungen aus dem Spanischen klassifiziert werden. Es handelt sich um die Substantive montón bzw. mogollón cf. auch JOVE2). Letztes definiert das DEA als Bezeichnung für «cantidad grande; masa o montón de gente». Montón, ebenfalls Bezeichnung für «cantidad grande» (cf. DEA), tritt in den Medien auch auf, allerdings nur in der Wendung del montón (cf. TELE11), in der Bedeutung «corriente o que no destaca» (cf. DEA).42 42
Enorm große Mengen bezeichnet auch die idiosynkratische Wendung com una catedral, welche im Korpus von einem Informanten metaphorisch gebraucht für eine Schulnote eingesetzt wird: JOVE40 M:que què passa amb el teu rollo no/ i jo\ (. 0.15) vale vale\
311
JOVE40 B: (.. 0.45) sí/ creus que: (. 0.25) la joventut és conformista/ M: (.. 0.41) sí\ {(AC)(P) mogollón home\}
Zur Bezeichnung von sehr kleinen bzw. nicht vorhandenen Mengen ziehen die Jugendlichen bzw. die Medien ebenfalls nur phonetisch assimilierte, als Kastellanismen geltende Elemente heran, so (un) pito im Sinne von nada (cf. DEA) bzw. (i) pico («cantidad que excede de un número redondo o entero, frecuente en la construcción y pico siguiendo a la mención de cantidad», cf. DEA). Die einzige im Korpus auftretende Entlehnung nicht spanischer Herkunft bei den Mengenangaben ist der Gallizismus lot («conjunt d’articles, d’objectes assortits, de mercaderies, venut o repartit conjuntament», cf. GD62; cf. Petit Robert; cf. auch TELE3, 19, 31), der allerdings nur in der Mediensprache in Werbekontexten genutzt wird. PREM29 Si vols guanyar un dels deu fantàstics lots
5.2.1.10.2. Zeitangaben Die Wendung (i) pico dient genauso für Mengen wie auch für Zeitangaben (JOVE42). Die im Normkatalanischen häufig als inkorrekt und als Kastellanismus angesehene Form der Zeitangabe i mitja statt des Viertelsystems un quart de/ dos quarts de (cf. Sinner/Wieland 2008) ist in einigen katalanischsprachigen Regionen, vor allem in Valencia und auf den Balearen, durchaus üblich (cf. Lacreu 2002, 309). Veny äußert sich dazu wie folgt: «[p]laurà a valencians i balears constatar que la formulació horària sobre la base de mitja (les tres i mitja) és tan antiga com la que té per base els quarts (dos quarts de quatre)» (1992, 23). Interessant ist in diesem Zusammenhang die vom Sprecher in JOVE27 vorgenommene Eigenkorrektur: TELE11 no val ni un pito JOVE7 A: a Espanya em penso que és un trenta i pico per cent/ i a Holanda un dinou per cent \ E: un trenta i pico per cent/
(.. 0.40) em va fotre un zero com una catedral i allavores-/ (.. 0.33) vai(g) repetir el segon any(.. 0.96) portava trestres mesos-
312
JOVE42 J: i a més/ ens volíem llevar a les vuit i picovuit i mitjao a les nouJOVE27 l’hora de trobada és {(E)demà}/ a les vuit trenta/ {(AC)a les vuit i mitja}/ (..0,4) és a dira dos quarts de nou/
Daneben erscheinen auch spanische Lexeme wie poco (JOVE4) bzw. in Wendungen wie com màximo (JOVE6), die ich als Interferenzen der Sprecher werten möchte. Besonders deutlich wird der Interferenzcharakter dieser Lexeme in dem Beispiel aus TELE38 bei rato (cf. auch JOVE2, 38). Hier erfolgt die Korrektur des von Sprecherin D geäußerten rato durch Sprecher A in Form von estona, ein Vorschlag, der von Sprecherin D sofort aufgegriffen wird. Das außersprachliche Verhalten von Sprecherin D (zustimmendes Nicken und entsprechende Mimik bei Übernahme des Vorschlags) deuten darauf hin, dass diese selbst den Gebrauch von rato auch als Fehler interpretiert und es ihr unangenehm ist, dass ihr ein solcher vor der Kamera unterlaufen ist. JOVE6 B: {(F) sí buenoallò va ser com una {(E)moda passatgera}/ A: [{(@)sí sí}] Barcelona una sembueno una semana no\ va ser com máximo un mes/ JOVE4 B: a les vacancesun poco/ (..0,6) tinc gaire temps treballo\ TELE38 D: teniu rato teniu rato/ A: estona eh/ D: {(FL)estona}\
5.2.1.10.3. Geld Der Gebrauch von Kastellanismen setzt sich auch bei den Bezeichnungen für Geld fort. Hier finden sich sowohl in der Jugend- als auch in der Mediensprache, vor allem im Zusammenhang mit der ehemaligen Währung pesetas, 313
auch heute noch, trotz der Einführung des Euro, geläufige Bezeichnungen für Scheine und Münzen wie duro («moneda o billete de 5 pesetas», cf. DEA; cf. TELE17) oder die trunkierte umgangssprachliche Form pelas/peles (cf. DEA; cf. JOVE2, 4) für pesetas/pesetes. Die Verwendung der spanischen Bezeichnungen für diese Begriffe erklärt sich daher, dass es sich bei Münzen und Scheinen um vom spanischen Staat ausgegebene Zahlungsmittel handelte, welche die entsprechenden spanischen Eigennamen trugen. Es finden sich jedoch auch Entlehnungen anderer Begriffe, welche im Spanischen metaphorisch für Geld gebraucht werden wie tacos (eigentlich «bloque de piezas de papel pequeñas», cf. DEA; cf. TELE6; JESC9). Daneben erscheinen jugendsprachlich geprägte Kastellanismen (cf. Vila/Bellés 1989), welche als Lehnprägungen ins Katalanische gelangen – es erfolgt die semantische Erweiterung eines bereits existierenden Lexems um ein Sem im Sinne einer Lehnbedeutung. Dies ist der Fall bei quilo (cf. auch JOVE19) bzw. dem Derivat mit dem katalanischen Diminutivaffix quilet. Ein ähnliches Verfahren ist bei pasta (cf. auch JOVE20) denkbar (cf. de Tera 2001). In beiden Fällen kann m.E. aber nicht eindeutig geklärt werden, ob es sich wirklich um Lehnprägungen in Form von Neosemantismen handelt oder ob nicht auch eigenständige katalanische Entwicklungen vorliegen können. Im Falle von calés (JOVE45) erfolgt der Rückgriff auf umgangssprachliche katalanische Lexik (cf. DIEC; GD62; DCVB). TELE8 he donat el quilo al meu pare TELE8 collonut, necessito un quilet JOVE40 M: (.. 0.53) guanyaran pastaJOVE45 J: perquè ens haviem tret una targetaque et feiapagaves tants calésE: hm/ J: i et feia un descompte-
5.2.1.11. Bezeichnung von Räumlichkeiten und Orten Neben Zitaten von Originalnamen, wie village novaiorquesa (cf. PREM34) oder highlands (cf. PREM34), treten noch weitere Bezeichnungen für Lokalitäten auf, die von in Wörterbüchern erfassten Begriffen wie xalet (JOVE7) bis hin zu nicht verzeichneten Anglizismen reichen. Meist werden letzte aber kommentiert bzw. übersetzt, wie im Falle von youth hostel (JOVE42), oder durch pragmatische Marker wie diguem (JOVE0) hervorgehoben. Wie das Beispiel container/contenidor (JOVE40; PREM19) zeigt, existieren für manche Lexeme durchaus auch assimilierte Formen im Katala314
nischen; die Verwendung beider Lexeme erfolgt hier parallel mit eigentlich gleichem semantischen Inhalt – das Auftreten des Anglizismus lässt sich hier m.E. ebenfalls mit dem von Thielemann (2003b) verwendeten Begriff «anglicismo de luxe» erklären. Bemerkenswert ist der Umgang mit dem Lexem hall (JOVE0); die Sprecherin A beschreibt einen konkreten Ort mit dem Hyperonym sala (rodona) und lokalisiert diesen. Sprecher B kann mit der Beschreibung nichts anfangen, fragt nach und schließt dann darauf, dass Sprecherin A die Eingangshalle meint. Diese bezeichnet Sprecher B nicht mit der katalanischen Entsprechung vestíbul oder entrada (GD62), sondern benutzt den Anglizismus hall. In Beispiel JOVE12 findet sich schließlich die Form pàrquing, die manche Autoren als Pseudoanglizismus bezeichnen (cf. 5.2.2.4.). Es ist möglich, dass es sich hier um eine Lehnbildung in Analogie mit dem englischen Derivationsaffix {-ing} handelt; genauso ist aber auch eine Trunkierung bei der Entlehnung des englischen parking lot (cf. Webster) vorstellbar. JOVE7 B: no no/ jo conec una noia/ que xxx de serbuenu catalanistes i això:/ (..0,5) i gent amb diners perquè viuen en un xalet: JOVE42 bueno\ també hi havia un altre problema que és que(...) nosaltres des d’aquídes de Barcelona/ havíem llogat plaça en un:youth hostal-} no sé com es diu\ un alberg/ en un alberg a:JOVE0 Des d’allà veus, diguem, la skyline de la ciutat JOVE40 M:a::hvuit anys\ (... 1.60) si::(. 0.24) Mallorca jo amb:(.. 0.33) amb set anyscom aquell qui diu ja cremava containersPREM19 contenidors de reciclatge es converteix
315
JOVE0 A: Tu entres, i hi ha una sala rodona entre el bar i el teatre. B: Com que hi ha una sala rodona/ A: Tu entres i hi ha el bar a l’esquerra: el. teare a la dreta i entre els dos B: Ah, el hall PREM12 només es preocupa de fer pàrquings i zones blaves, i a Reus encara no hi tenim biblioteca pública i els bars tanquen a les deu de la nit
5.2.1.12. Pragmatische Marker Viele der bereits genannten Personenbezeichnungen (cf. 5.2.1.7.) finden auch als pragmatische Marker Eingang in das Korpus. Pragmatische bzw. diskursive Marker (cf. Koch/Oesterreicher 1990) sind Gesprächspartikeln, die häufig in Form von Interjektionen, aber auch in anderer Form, z. B. als Substantive, von den Sprechern in ihre Äußerungen eingebaut werden. Sie haben oft keinen semantischen Gehalt, sondern dienen als «pragmatische Gebrauchsanweisungen» (Levinson 2000, 54). Pragmatische Marker sind ein in der Jugendsprache verstärkt auftretendes Phänomen. Myre (2006) hebt im Zusammenhang mit Untersuchungen zur auf Spanisch stattfindenden Jugendsprache in Buenos Aires und Madrid ihre hohe Frequenz hervor und weist auf die verschiedenen pragmatischen Marker mit ihren unterschiedlichen Funktionen im Diskurs hin. Sie fasst diese in folgender Tabelle zusammen (cf. p. 317, Graphik 5-3). Wenden wir uns im Zusammenhang mit ihnen zunächst den bereits bei den Bezeichnungen für Personen(gruppen) erwähnten Anredeformen wie xato (cf. 5.2.1.7.; cf. auch JESC10) zu. Dieses Lexem erscheint vor allem in der Serie Plats bruts, wo es besonders von einer einzigen, schon etwas älteren Person zur Anrede von zwei jüngeren benutzt wird (cf. TELE4, 6, 7, 8, 9). Der mit Abstand am häufigsten gebrauchte Marker, der gleichzeitig Anredefunktion hat, ist tio/tia. Im jugendsprachlichen Korpus erscheint er insgesamt 64 Mal; 40 dieser Belege sind allerdings allein in JOVE38 zu finden, ein sehr emotional aufgeladenes Gespräch, in dem die Jugendlichen durch den häufigen Gebrauch von pragmatischen Markern, wie eben tio, aber auch vale, bueno oder joder, die zwischen ihnen aufgetretene Spannung sprachlich äußern. In den anderen Gesprächen hängt der Gebrauch von Interjektionen wie tio sehr von der Gesprächsstruktur ab, d.h. davon, ob die Jugendlichen mehr untereinander dialogieren oder ob sie mehr oder weniger einzeln von verschiedenen Erlebnissen, Erfahrungen oder Meinungen berichten. In der Mediensprache gehört tio auch zum allgemeinen Erscheinungsbild und tritt 41 Mal im Korpus auf.43
43
Zu den pragmatischen Markern möchte ich auch die spanische Interjektion joder zählen, welche sowohl als Protest, als auch zum Ausdruck von Überraschung im Korpus auftritt (cf. auch JOVE42; TELE7). Ihr Gebrauch hängt in der mündlichen
316
Marcadores pragmáticos comentadores
Pues, pues bien, así las cosas, etc.
ordenadores
En primer lugar/en segundo lugar/; por una parte/por otra parte; de un lado/de otro lado, etc.
digresores
Por cierto, a todo esto, a propósio, etc.
aditivos
Además, encima, aparte, incluso, etc.
consecutivos
Por tanto, por consiguiente, por ende, en consecuencia, de ahi, entonces, pues, así, así pues, etc.
contra argumentivos
En cambio, por el contrario, por contra, antes bien, sin embargo, no obstante, con todo, etc.
explicativos
O sea, es decir, esto es, a saber, etc.
de rectificación
Mejor dicho, mejor aún, más bien, etc.
de distanciamiento
En cualquier caso, en todos modos, etc.
recapitulativos
En suma, en conclusión, en definitiva, en fin, al fin y al cabo, etc.
de refuerzo argumentativo
En realidad, en el fondo, de hecho, etc.
Estructuradores de la información
Conectores
Reformuladores
Operadores argumentativos
Marcadores conversacionales
de concreción
Por ejemplo, en particular, etc.
de modalidad epistémica
Claro, desde luego, por lo visto, etc.
de modalidad deóntica
Bueno, bien, vale, etc.
enfocadores de la alteridad
Hombre, mira, oye, etc.
metadiscursivos conversacional
Bueno, eh, este, etc.
Graphik 5-3: Pragmatische Marker im Spanischen und ihre Funktionen (Myre 2006)
Jugendsprache sehr vom Sprecher und davon ab, ob die Situation als nähesprachlich gewertet wird; in JOVE38, einem Gespräch, welches im Allgemeinen eine sehr hohe Frequenz von umgangs- und vulgärsprachlichen Ausdrücken aufweist, erscheint auch joder insgesamt mit 20 Belegen häufiger als in allen anderen Gesprächen des jugendsprachlichen Korpusteils zusammen. Anglizismen mit gleichem semantischen Gehalt finden sich nur in Ausnahmefällen oder als Zitate, so z. B. shit (cf. JOVE43) bzw. fuck (cf. PREM13). Letztes fungiert hier allerdings nicht als pragmatischer Marker, seine Funktion als solcher wird vielmehr in einem Film im Kontext metasprachlich erklärt und als negativ und stilistisch schlecht bewertet.
317
JOVE4 A: per l’exèrcit em da igual l’exèrcit\ B: @@@ C: @@@ T’enviarànT’enviaràn a Iraq tio\ JOVE38 G: {(F) joder\ ara no la veuré en dos setmane:s\ i estarà picada:\} (. 0.24) {(F) joder tio\ és que ets la hòstiaeh tio\} J: aviam\ truca’l\ tioJOVE32 B: {(F)no {(E)tiro}/ puesja veràs}A: bueno/ {(F)tia}/ i {(E)ara}/ TELE14 és guapíssim, tio TELE4 m’ha anat de conya, tia
Interessant ist der im Korpus seltene Gebrauch der weiblichen Form tia. In der Jugendsprache ist die Form nur einmal verzeichnet (JOVE32), in der Mediensprache taucht sie häufiger auf, vor allem in der Serie Plats bruts (TELE2 – 11) zur Anrede einer Hauptdarstellerin. Das Korpus hätte durchaus auch Situationen ergeben können, in denen Mädchen mit tia angesprochen werden könnten. Die vorhandenen Daten zeigen jedoch, dass z. B. Mädchen untereinander im Korpus tia und auch tio seltener verwenden und Jungen sehr viel häufiger tio gegenüber anderen Jungen als tia gegenüber Mädchen einsetzen. Diese Feststellung soll jedoch nicht nahe legen, dass der Gebrauch von tio/tia als etwas spezifisch Männliches anzusehen ist; aus eigener Erfahrung und unter Bezugnahme auf die Existenz von tia in der Mediensprache lässt sich bestätigen, dass im Katalanischen sehr wohl auch Mädchen und Frauen untereinander die Anrede tia als pragmatischen Marker gebrauchen. Diese Tatsache legt nahe, dass die Unterschiede im Auftreten im Korpus mit der Gesprächssituation zusammenhängen, die evtl. von den Mädchen als weniger informell und weniger nähesprachlich aufgefasst wurde als dies bei den Jungen der Fall war. Interessant wäre in jedem Fall, nicht nur auf tio/tia 318
bezogen, eine verschiedene soziolinguistische Parameter berücksichtigende Untersuchung über die Gebrauchsstrukturen der pragmatischen Marker, wie sie dieses Korpus aus Gründen des Umfangs leider nicht ermöglicht. Neben tio/tia ist eine weitere häufig verwendete Anredeform hombre bzw. katalanisch home. Bezüglich der Verteilung im Korpus lässt sich für beide Lexeme eine ähnliche Häufigkeit feststellen, wobei hombre mit 53% der Belege etwas häufiger auftaucht (cf. hierzu auch TELE15, 38; JOVE2, 10, 34). Dabei ist, wie Beispiel JOVE4 zeigt, durchaus die Realisierung beider Lexeme innerhalb einer Sequenz durch den gleichen Sprecher möglich: JOVE4 A: per exemple Antena 3 i Televisió Espanyola\ C: hombre que estánK: síquina hi ha/ A: no no el que síque són els dos fatxes\ (..) A: después C: i home joés todo-
Bezüglich hombre/home lässt sich ganz klar die Tendenz zur männlichen Form feststellen; auch unter Mädchen taucht die weibliche Form dona nicht auf, in der Mediensprache ist sie nur einmal, zur Anrede einer Frau durch einen Mann, verzeichnet (cf. TELE7). Auch das spanische mujer erscheint nicht. Dagegen findet sich einmal auch der Kastellanismus macho (TELE23) und der zitierte Anglizismus man (cf. PREM30). In der Funktion der Bestätigung, des Zusammenfassens des bereits Gesagten bzw. des Nachfragens um Bestätigung («reformuladores» und «marcadores conversacionales», cf. Graphik 5–2) durch den Empfänger findet vor allem der Kastellanismus vale im Korpus Verwendung. Die katalanische Lehnübersetzung val ist zwar eine nach dem Verbalparadigma korrekt gebildet Form des Verbs valer/valdre; die katalanischen – normativen – Wörterbücher und Grammatiken (cf. DIEC; GD62; Mas 1994; Badia i Margarit 1962) schlagen jedoch zum Ausdruck der genannten Bedeutung statt val andere Interjektionen wie oi, entesos, d’acord etc. vor. Diese sind im Korpus aber unbedeutend, entesos erscheint gar nicht, d’acord bzw. oi nur insgesamt vier Mal in der Jugend-, allerdings neun Mal (und damit häufiger als vale) in der Mediensprache. Im jugendsprachlichen Korpus ist vale 51 Mal vertreten, davon ebenfalls wiederum sehr häufig in JOVE38 (25 Mal; cf. aber auch JOVE2, 3, 6, 7,16, 19, 29, 38, 42, 40). In der Mediensprache erscheinen lediglich fünf Belege außerhalb der Serie Plats bruts (TELE2 – 11), in der vale eine Art Markenzeichen einer mit relativ vielen Kastellanismen sprechenden Protagonistin ist. Ihr werden in jeder Folge acht bis zehn Äußerungen des 319
Typs ah, vale in den Mund gelegt bzw. kommt es auch zu Dopplungen oder Häufungen der Art vale, vale, vale (cf. TELE2 – 11). Zur Sicherung des Verstehens ihrer Aussage bzw. zur Bestätigung derselben nutzen die Jugendlichen auch die konjugierte Form saps des Verbs saber. Im jugendsprachlichen Korpus erscheint dieser pragmatische Marker insgesamt 16 Mal, in der Mediensprache ist er nicht vertreten. Für die Benutzung des Anglizismus ok entscheiden sich nur zwei Jugendliche (cf. JESC5; JOVE38); die hier untersuchten Medien verwenden das Lexem nicht. In erklärender Funktion der vorangegangenen Aussage erscheint bisweilen auch das Verbalsyntagma vull dir: JOVE12a A: un bon reportatge:/ K: mh/ A: que faci porvull dir hasta las noticias et diran {(F,E)mira hi ha una banda}/
Weniger zur Bestätigung oder zur Erklärung denn in zusammenfassender Funktion bzw. als Einschub zum Gewinnen von Zeit, zum Überdenken der eigenen Aussage oder als Ausdruck des Zweifelns (cf. Rodríguez González 1989) wird der pragmatische Marker bueno genutzt. Payrató (1990, 152) bezeichnet ihn als Interferenz aus dem Spanischen. Dieser Meinung möchte ich mich nicht anschließen, da zum einen die Häufigkeit, mit der dieser pragmatische Marker bei verschiedenen Informanten im Korpus auftritt, als auch seine Assimilierung, vor allem in phonetischer, aber auch, in gewisser Hinsicht, syntaktischer Art, auf ein relativ gut ins Katalanische integriertes Element schließen lassen. Bueno ist daher m.E. eher als Entlehnung aufzufassen. Im jugendsprachlichen Korpus taucht bueno mit insgesamt 120 Belegen auf, in den Medien nur 20 Mal, davon vor allem in TELE4, 7, 13 und 21. TELE22 és un xandall/ per xxx informant\ alle:@@ B: però això és al·lucinant/ eh/ (..0,4) no ho havia vist mai de la vida\ bueno bueno escolta’m JOVE6 A: molt bé/ però vull dir: sinó és un mica::-
320
B: [{(AC) además diu] l’Alba que hi ha moltes joguines} C: [bueno] A: bueno, diríem a l’Òscar que B: [bueno hi ha bastant]-
Wie die beiden letzten Beispiele zeigen, kann bueno auch mit einer weiteren Interjektion, nämlich pues, kombiniert auftreten. Diese Kombination bzw. auch pues allein (bei Payrató 1990, 152 ebenfalls als Interferenz bezeichnet) sind im Korpus der Jugendlichen 68 Mal verzeichnet, in den Medien, hier vor allem im Programm Una altra cosa, achtmal. Anstelle des nicht assimilierten Kastellanismus pues tritt allerdings auch häufig die an die katalanische Aussprache angepasste Form pos (cf. auch JOVE2, 5, 10, 16, 38) auf. Ebenfalls in zusammenfassender Funktion oder zum Abschluss einer Aussage, d.h. um einen Wechsel zu einem neuen Thema einzuleiten, finden verschiedene Formen des spanische Verbs ir bzw. des katalanischen anar Eingang in die Äußerungen aus Jugend- und auch Mediensprache. Hierbei ist festzustellen, dass die Jugendlichen die spanischen Formen vamos/vaya bevorzugen, während die Medien, vermutlich aus ihrer «Verpflichtung» zu einem eher normativen Katalanisch, die katalanische Form vaja vorziehen. JOVE15 A: {(F,E)panals} i tot això/ vamos(..0,4) tovalettesi después: JOVE8 B: i bueno: n’hi ha\ però jo crec que més o menyscom per tot arreu/ hi ha cada cop llocs mésaixíper un temps{(E)però vamos}{(E)tant}/ JOVE4 A: si diguessi digo una mica pues aleshores: (..0,6) no séxx de pensar però vaya/ PREM32 Vaja, que hi sentia música
Entlehnungen aus anderen Sprachen als dem Spanischen treten bei den pragmatischen Markern insgesamt wenige auf. Sie erscheinen in Ausrufen des Erstaunens wie den Anglizismen wow (cf. JOVE7) oder oops (cf. PREM35) 321
und dem Italianismus bravo (cf. TELE8). In dieser Reihe finden sich aber auch katalanische Ausdrücke wie carai (cf. TELE8), collons (cf. JOVE38; cf. hierzu auch Payrató 1990, 140s.; Pomares 1997) oder das teilweise als Kastellanismus gewertete guai (cf. 5.2.1.9.1). In Funktion einer Entschuldigung ist auch an einer Stelle der Anglizismus sorry zu finden (cf. PREM37). Weitere Italianismen treten in Form von subito bzw. finito (cf. PREM36; JOVE19) auf, haben also in etwa die Funktion, auf relativ energische Weise anzuzeigen, dass eine Sache schnell erledigt werden soll bzw. unausweichlich zu Ende ist. In gleicher Funktion erscheint der Gallizismus c’est fini (cf. JOVE40), der eine Übersetzung und somit eine Wiederholung des Katalanischen s’ha acabat darstellt und auf diese Weise die Deutlichkeit der Aussage unterstreichen soll. 5.2.1.13. Sonstige Das Substantiv tipus wird im Katalanischen zur annähernden Beschreibung eines anderen Substantivs im Syntagma tipus (de) + Substantiv von den Jugendlichen und in den Medien benutzt. Die Verwendung in den vorhandenen Beispielen entspricht somit dem verzeichneten signifié «persona o cosa que reuneix totes les característiques d’una categoria» (cf. GD62). Man könnte auch als partielles Synonym für tipus, wie dies im DEA für das Spanische geschieht, clase benutzen oder es durch mena (cf. TELE40) ersetzen. Interessant ist, dass das Lexem im Korpus in Konkurrenz zum spanischen tipo tritt und bezüglich der Häufigkeit im Korpus mit 47,8% für tipo ein relativ ausgewogenes Verhältnis herrscht (cf. hierzu auch TELE3, 17; JESC3, 16; JOVE6, 10, 16, 45; PREM12, 13, 15, 25, 32). Dass es sich hierbei nicht um die Präferenz einzelner Sprecher für die katalanische oder die spanische Form handelt, belegt m.E. die Tatsache, dass in JOVE10 und JOVE16 in einer Gesprächsaufzeichnung, teilweise sogar in zeitlicher Nähe, innerhalb einer Sequenz beide Lexeme auftreten. Das Erscheinen des spanischen Substantivs tipo wird allgemein als Kastellanismus im Katalanischen gewertet (cf. Lacreu 2002, 38). Diese Unterscheidung zwischen beiden zu treffen, wird aber teilweise durch den Umstand der häufig vorgenommenen phonetischen Angleichung durch die Sprecher (cf. Lacreu 2002, 38; tipo – [’tipu]; in allen Beispielen des Korpus) bzw. durch die lautliche Übereinstimmung der mit dem Pluralmorphem flektierten Form tipos mit der katalanischen Singularform tipus erschwert. Geht man zusätzlich von der Möglichkeit des Wegfallens einzelner Phone im Sprachfluss, d.h. des finalen [s] aus, so präsentiert sich das Lexempaar tipo/tipus als ein, zumindest im mündlichen Korpus, schwer bzw. nicht eindeutig zu definierender Fall einer Grenzüberschreitung, die durchaus auch bidirektional denkbar wäre (cf. Wieland 2006b). Die Notation der folgenden Beispiele als spanische bzw. katalanische Lexeme erfolgte ausgehend vom realisierten [s] am Wortende:
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JOVE3 A: hi ha molta cultura d’aquest tipo/ i: i això es veu quan hi ha molta mobilització no/ TELE38 D: quin tipo de gent/ sol venir al local\ C: homeara de moment/ tenim tot tipo de gent\ TELE9 quin tipus de tio no pots suportar JOVE5 C: a uns els agrada un tipus de música/
Die katalanische – und auch die spanische – Jugendsprache bedienen sich im Allgemeinen, wie zahlreiche Autoren wiederholt festgestellt haben (cf. Vila/ Bellés 1989; Rodríguez González 1989; de Tera 2001), verschiedener Ausdrücke und Wendungen aus der allgemeinen Umgangssprache des Katalanischen bzw. Spanischen in Form von Lexemen und Phraseologismen. Häufig erhalten erstere ihren jugendsprachlichen Charakter erst durch semantische Veränderungen. Lexikalische Interferenzen lassen sich hierbei selbstverständlich auch feststellen. Zu den nicht in Wörterbüchern verzeichneten und nur graphisch assimilierten Entlehnungen aus dem Spanischen zählen Lexeme wie empollar-(se) (cf. PREM11; «adquirir grandes conocimientos; estudiar intensamente», cf. DEA). Daneben finden sich auch Elemente aus der katalanischen Umgangssprache wie m’anirà de farra in TELE6 («sortida nocturna que fa una colla d’amics», cf. GD62; cf. auch Vila/Bellés 1989). Die gleiche Herkunft schreibt de Tera (2001) den Lexemen conya (cf. TELE8) bzw. canya (cf. PREM14, 19; TELE2; JESC16; cf. hierzu auch Vila/Bellés 1989) zu. Für erstes findet sich im GD62 der ebenfalls als umgangssprachlich gekennzeichnete Eintrag «burla que es fa d’algú o d’alguna cosa». Bei canya hingegen liefern nur spanische Wörterbucher für dar/meter caña die auch im Korpus auftretende Bedeutung, nämlich «meter prisa a alguien o aumentar la velocidad o la intensidad de algo» (cf. CLAVE) bzw. «tomar velocidad» (cf. DEA). In den katalanischen Wörterbüchern (cf. GD62; DIEC) ist canya ohne diese Einzelbedeutung auch nicht als umgangssprachlich gekennzeichnet, wie das im Spanischen für die erwähnte Bedeutung der Fall ist. Es handelt sich hier m.E. um einen Neosemantismus, bei dem das katalanische Lexem eine semantische Erweiterung erfährt, welche eine Entlehnung aus dem Spanischen darstellt. Dies ist nicht der Fall für das folgende Beispiel (TELE37); hierbei handelt es sich eher um einen metaphorischen Gebrauch von canya als Gerät zum Fischfang, d.h. tirar la canya hat hier die Bedeutung ‹die Angel auswerfen, sich jemanden angeln›.
323
Das im letzten Beispiel genannte tirar hat vielfältige Bedeutungen im Spanischen wie im Katalanischen und ist bei vielen Autoren Gegenstand in Überlegungen zum Sprachkontakt Spanisch-Katalanisch. Sinner (2004, 108) untersucht beispielsweise die Frequenz von tirar gegenüber echar in der Lexie tirar/echar a la basura im Spanischen Kataloniens auf mögliche Einflüsse des Katalanischen, da es im Katalanischen nur tirar, im Spanischen jedoch beide Verben gibt (cf. hierzu auch Payrató 1985, 87). TELE37 eh/ veurem la reacció del DJ putxant/ i una tia tirant-li la canya\
Im vorliegenden Korpus treten für tirar nur in zwei Fällen semantische Unterschiede zwischen dem Spanischen und dem Katalanischen auf. Im Katalanischen findet sich beispielsweise die Bedeutung fer fotos, was im Spanischen nicht durch tirar, sondern durch sacar (fotos) wiedergegeben wird. Dagegen kennen die katalanischen Wörterbücher, die für diese Arbeit konsultiert wurden (cf. GD62; DIEC; DCVB), nicht die Bedeutung «funcionar, rendir o desarrollar un mecanismo su actividad» (cf. CLAVE; cf. auch DEA), wie sie im Korpus ebenfalls in JOVE2 zu finden ist. Hier liegt also eine semantische Erweiterung vor, die auf einem im Spanischen existierenden Sem basiert; es handelt sich in diesem Fall also um eine Lehnbedeutung. JOVE38 G: no\ eella m’ha deixat tirat no\ {(AC) ella m’ha deixat tirat cada any-} (.. 0.74) ehJOVE10 B: jo:: en principi/ m’agradaria fer: ir tirant cap al: dibuix:/ i coses aquestesJOVE42 tiro cap a l’altre costatrecap allà quan m’estava a punt d’entrar la neurajadic hòstia puta: què he fet:/ JOVE7 D: el pelo ese tirado aixíE: @@ JOVE32 B: els vas a tirar/
324
K: no\ B: pues:si no els xx/ vale/ JOVE40 M: (.. 0.58) éremestàvem tots tiradíssimsi bueno van saltar les tiesque estaven per allà ballanti talJOVE2 M: jo tinc el ordenador molt: molt vellet/ hi ha molts:va molt de poc a poci a més: si a més baixem música/ (..0,6) pos: (…1,5) nono tira\ JOVE2 feia d’entrenadora i sap tirar fotos bé TELE6 m’he tirat el llibreter
Das Verb ratllar hat im Katalanischen die Bedeutung «xerrar, parlar; dir mal d’algú; començar a festejar» (cf. GD62). Die letzte Bedeutung liegt bei ratllada im ersten Beispiel aus JOVE38 vor. Im gleichen Beispiel wird das Verb aber semantisch erweitert und erhält die Bedeutung «ser molt pesat» (cf. de Tera 2001), die allerdings weder für das Katalanische noch für das Spanische in den konsultierten Wörterbüchern nachgewiesen werden konnte. Auffallend ist, dass das Verb nur in JOVE38 auftaucht, es also durchaus auch als gruppeninternes Spezifikum gewertet werden kann. JOVE38 A: perquè:a Marina va ser una ratllada\ (... 1.05) i:vaig tenir que marxar a les set(... 2.76) vem aii l’Eduard ensell la va acompanyar eh\ (.. 0.36) ens va acompanyar\ G: (... 2.51) ah sí\ A: (.. 0.33) l’Eduard va estar tot el rato amb la Gina eh\ JOVE38 G: (... 1.67) no vas (a)nar am(b) el Martíaquests\
325
A: (.. 0.98) per (ai)xò mateix\ la Gina es va ratllar\ G: sí:\
Das Verb sudar(-se-la) erscheint ebenfalls nur in JOVE38 und scheint angesichts seiner Häufigkeit in diesem Korpusbeitrag zum mit Vorliebe von den entsprechenden Jugendlichen gebrauchten, gruppenspezifischen Vokabular zu gehören. Es handelt sich hierbei um einen Kastellanismus, der im Katalanischen als suar-se-la bei Pomares (1997) in der gleichen Bedeutung aufgeführt ist, in den anderen Wörterbüchern allerdings nicht erscheint. Im Korpus erscheint er in pronominaler Form in der Bedeutung «no importar(le) en absoluto (una pers. o cosa a alguien)» (cf. DEA). JOVE38 G: o que te la doni a tu\ a mi me la suda\ (.. 0.44) a mi me la suda tio\ que aquest tio me la torna avui ja\ JOVE38 A: el dilluns ja els hi vaig dir\ la Gina avui ha vinguti ha sudat molt de nosaltresi no sé què\
Eine Entlehnung aus dem Französischen liegt bei pillar vor (hier in der Bedeutung «dépouiller (une ville, un local) des biens qu’on trouve, d’une façon violente, désordonnée et destructrice», cf. Petit Robert), das in der als umgangssprachlich bezeichneten Bedeutung «prendre, agafar» (cf. GD62) im Korpus auftritt. JOVE40 M: (.. 0.51) que: me’n vaig a viure a Sant Just\ (... 1.13) total que: em vaig pillar un pis aquí a Sant Just(... 1.92) i:(... 2.21) i després vaig anar:bueno\ vaig pillar un pis amb un col·lega\
Das Korpus weist, besonders in seinem pressesprachlichen Teil, noch zahlreiche weitere Entlehnungen auf, die jedoch Einzelerscheinungen darstellen und auch nicht spezifisch jugendsprachlich sind. Auf ihre Wiedergabe wird hier verzichtet. Viel wichtiger erscheint es, neben den lexikalisch-semantischen Phänomenen im Folgenden auch die morphosyntaktischen Besonderheiten der katalanischen Jugendsprache zu untersuchen.
326
5.2.2. Morphosyntaktische Ebene Auf der morphosyntaktischen Ebene treten vor allem durch den Sprachkontakt mit dem Spanischen bedingte Elemente auf. Ihre Akzeptanz in der Kommunikationsgemeinschaft bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Norm und Autonomie, da viele der auftretenden Phänomene häufig als Interferenzen gewertet werden und als solche von der normativen Grammatik abgelehnt werden. Bei den Sprechern sind sie, wie die Analyse des Korpus zeigt, jedoch verbreitet. Viele der im Korpus auffälligen morphosyntaktischen Phänomene sind aber nicht explizit jugendsprachlich, sondern finden sich auch im mündlichen Sprachgebrauch anderer Sprechergruppen. Daher werden im Folgenden nur die relevantesten morphosyntaktischen Erscheinungen in der Sprache der Jugendlichen des Korpus aufgezeigt. Hierbei sind, neben dem Gebrauch des neutralen Artikels lo, vor allem die Verfahren der Wortbildung sowohl im Bereich der Substantive als auch der Verben zu nennen.44 5.2.2.1. Der neutrale Artikel lo Das Auftreten von lo als so genannter article neutre in Konstruktionen wie lo + Adjektiv/Pronomen, lo que oder lo de + Substantiv wird von normativen Grammatiken im Katalanischen häufig als Kastellanismus betrachtet (cf. Lacreu 2002, 174ss.; Farràs/Garcia 1993, 42s.; 131). Casanova belegt jedoch in seiner diachronisch angelegten Studie zur Entwicklung der Konstruktion ço que/lo que und anderen Konstruktionen mit lo, dass die Existenz von lo im Katalanischen zu einem großen Teil auf interne Sprachentwicklungen zurückzuführen ist (cf. 2001; cf. auch Moll 1952, 196; 325). Casanova stellt weiterhin fest, dass die jüngeren Generationen heutzutage im Katalanischen lo zur Intensivierung einer Aussage nutzen – ein Gebrauch, der dem spanischen entspricht, z. B. «sap més de lo que diu» (2001, 55). Die älteren Generationen hingegen bevorzugen Formen wie «sap més que no diu» (2001, 55). Weiterhin erwähnt der Autor Konstruktionen, welche seiner Meinung nach zu einer Zeit entstanden sind, in der das Spanische und das Katalanische über die gleichen Mechanismen in der Syntaxgestaltung verfügten, z. B. lo + invariables Adjektiv (lo millor/lo pitjor, etc., cf. 2001, 56). Er schlägt aufgrund der Ergebnisse seiner Studie ein Überdenken des Gebrauchs von lo im Katalanischen vor, z. B. die Normativität von Konstruktionen mit lo que, lo de + Possessivpronomen, lo de + Adverb, lo + neutrales oder qualitatives Adjektiv oder lo + komparativ genutztes Adverb (cf. 2001, 56; cf. auch Neira Martínez 1983, 484). Nach Meinung von López de Castillo (cf. 1999, 189) sind der Gebrauch als Relativpronomen lo que sowie der Gebrauch mit partitivem de akzeptabel. Weitere Formen, z. B. mit Adjektiv
44
Bezüglich weiterer Aspekte wie die Wahl des Genus oder der Gebrauch des bestimmten Artikels, besonders vor Eigennamen cf. Wieland (2006a; 2008).
327
oder Adverb, lehnt der Autor jedoch ab und schlägt andere, «katalanischere» Formen vor. All diese Konstruktionen sind auch im Korpus dieser Arbeit zu finden; einige von ihnen seien daher exemplarisch im Folgenden aufgeführt: TELE15 A: portes 40 anys/ fent lo mateix/ JOVE5 A: és lo normalsi:JOVE7 B: i disadiumenge::/ al cinema/ D: [clar] sinò fer un café\ o lo típic\ (..0,8) JOVE4 B: buenu no/ difícil no és \ lo que passa és que són caríssims\
Es ist anzumerken, dass lo hierbei in der Schriftsprache nicht erscheint, weder bei den Jugendlichen noch in den Medien. Neira Martínez (1983, 476) zufolge ist diese Lücke eindeutig auf die Behandlung des neutralen Artikels in der katalanischen Normgrammatik zurückzuführen. In der mündlichen Medienkommunikation sind ebenfalls nur wenige Fälle zu verzeichnen, insgesamt weniger als zehn Belege. In der mündlichen Jugendsprache finden sich hingegen 74 Beispiele. Ob diese Häufigkeit gerade in der Umgangssprache aber als Kastellanismus zu sehen ist oder ob dafür allein interne Entwicklungen im Katalanischen verantwortlich gemacht werden können, ist fraglich. Ich möchte mich an dieser Stelle aber in jedem Fall der Meinung Casanovas anschließen, dass der Einfluss des Spanischen sicherlich dazu beitragen kann, dass der Gebrauch von lo im Katalanischen, auf Basis des im 15. Jahrhundert existierenden Systems, sich schneller wieder verbreiten und vielleicht eines Tages erneut als normativ angesehen werden kann (cf. Casanova 2001, 57).
5.2.2.2. Wortbildung bei Substantiven/Adjektiven 5.2.2.2.1. Derivation Bei der Bildung von Substantiven fällt auf, dass zur Bezeichnung von Personen zahlreiche Anglizismen aus dem Feld der Musik bereits über Derivationsendungen – meist {-er} – verfügen, z. B. rapper (cf. PREM34). Dass diese allerdings 328
so vollständig ins Katalanische entlehnt bzw. graphisch assimiliert werden, ist nicht unbedingt der Fall. Zwar finden sich im Korpus auch die Formen rapper bzw. raper(es) (cf. PREM12, 15) oder auch andere Personenbezeichnungen wie surfer oder skater (cf. JOVE8), allerdings nicht ausschließlich. Daneben existiert das spanische Derivationssuffix {-ero}, z. B. in rapero (cf. JOVE12a) oder housero (cf. JOVE10). Das Auftreten dieser Form im Katalanischen wird von verschiedenen Autoren als Kastellanismus gewertet (cf. Rull 2004, 172; Payrató 1990, 91). Es ist bei den Beispielen aus dem Korpus aufgrund der Existenz und auch des Gebrauchs des katalanischen Derivationssuffixes {-er} von einem erhöhten Einfluss des Spanischen auszugehen, da kulturelle Phänomene wie Musikstile (und zugehörige Personenbezeichnungen) über das Spanische ins Katalanische gelangen. Dies liegt m.E. vor allem an der rein quantitativen Diskrepanz in der Berichterstattung in den Medien, da es viel mehr spanischsprachige als katalanischsprachige Programme bzw. Zeitschriften zu den entsprechenden Themen gibt. Dazu kommt gerade in technischen Bereichen eine aufgrund des finanziellen Aufwands oder der zu geringen Vermarktungsmöglichkeiten oft verspätete Übersetzung und somit Darstellung möglicher Modelle für das Katalanische (cf. Sinner/Wieland 2008). Neben den Entlehnungen aus dem Englischen erfolgt auch die Übernahme der Derivationsendung {-ero} bei Lexemen wie maquinero (cf. JOVE10). Dieses einen Anhänger der (música) màquina bezeichnende Wort ist ein Grenzfall und könnte sowohl als Lehnwort aus dem Spanischen als auch als Lehnbildung klassifiziert werden. Zunächst bildet das Spanische aus dem Neosemantismus máquina das Derivat maquinero, wobei es hierbei, im Sinne einer Lehnbildung, existierenden Mustern folgt (z. B. rap – rapero), die dann als Fremdwort ins Katalanische übernommen werden. Diesen Lehnbildungsprozess könnte man aber auch als Entwicklung im Katalanischen selbst ansehen, bei der dem katalanischen Neosemantismus màquina die spanische Endung {-ero} angefügt wird. Insgesamt fällt aber auf, dass bezüglich der Derivation von Substantiven auf Basis von Entlehnungen durchaus auch Unsicherheiten vorhanden sind. So bilden die Jugendlichen in JOVE8 beispielsweise in einer Gesprächssequenz sowohl das Derivat surfer, als auch surfista. Diese Unsicherheit deutet auf einen noch nicht einheitlich fixierten Gebrauch des Neologismus im Katalanischen hin. JOVE8 (...) C: {(AC) i ets surfer:/ és perquè vesteixes un tipus: determinat de roba:}JOVE8 B: però sí que hi ha gent/ que es veu de seguida: que (.0,3)
329
que és o surfista:/ o::
5.2.2.2.2. Diminutive und Augmentative Bei den wertend gebrauchten Suffixen, zu denen Diminutiv- und Augmentativendungen zählen, welche an sich kein neues Wort hervorbringen (cf. Pérez Saldanya et al. 2004, 236ss.), finden sich neben den gebräuchlichsten katalanischen Suffixen, wie {-et/-eta}, {-ó/-ona} bzw. {-às/-assa} und {-ot/-ota}, auch Formen, die als Kastellanismen gelten. Dazu zählt beispielsweise das Suffix {-ass-}, sofern es in Verbindung mit dem Flexionssuffix {-o} auftritt. Rull schreibt hierzu: «Alguns mots amb -ass [...] segurament són un calc de l’espanyol -azo» (2004, 295). JOVE42 {(@)fotent-se un xeringasso al braç-} {(@)així de fort}
Das Diminutivsuffix {-ill-} gilt zwar teilweise als Variante von {-ell-}, wird aber, ebenfalls vor allem in Verbindung mit der Flexionsendung {-o}, als Kastellanismus angesehen (cf. Rull 2004, 303). JOVE40 M: i: que t’expliquin jo què sé les coses que fani coses així no/ (.. 0.69) que sóc bastant curiosillo no/ i: amb aquestes cosesper exemple veus daudocumentals i: talJOVE39 E: {@ una mica xungillo no/} i:A: {(P ) i això-}
Das Beispiel in JOVE39 als Kastellanismus zu bezeichnen, liegt nahe, handelt es sich doch beim Adjektiv an sich bereits um einen solchen (cf. 5.2.1.9.2.). Interessant ist in diesem Zusammenhang wieder die neutrale Darstellung bei Pérez Saldanya et al. (2004, 236ss.), welche die hier genannten kastellanisierenden Endungen als im Katalanischen gebräuchliche Diminutive bezeichnen, ohne einen Hinweis auf eine mögliche Entlehnung zu geben. 5.2.2.2.3. Apokopen – Trunkierung Durch Wortkürzungen treten häufig Grenzfälle auf, in denen nicht mehr genau zwischen dem Spanischen und dem Katalanischen unterschieden werden kann. Das Verfahren ist in beiden Sprachen sehr häufig. Die Möglichkeit des Auftretens einer trunkierten Form bei so genannten xenoglossen Termini, 330
ob sie nun «compostos d’origen culte» (Pérez Saldanya et al. 2004, 71, 270), d.h. lateinischen oder griechischen Ursprungs, sind oder auf homogene bzw. heterogene Komposita aus anderen Sprachen zurückgehen, wird auch von Thielemann (2003b) dargestellt. Die Trunkierung wird von beiden Autoren und auch von Espinal et al. (2002) als eine vor allem in der Umgangssprache verbreitete Form der Wortbildung angesehen. Pérez Saldanya et al. (2004, 71) nennen neben der Kürzung von Eigennamen («hipocorístics»), vor allem Kürzungen von Komposita wie motocicleta – moto (cf. TELE4), televisió – tele (cf. JOVE2, 4, 6, 12a) oder cinematògraf – cinema. Diese gehören zu den in Wörterbüchern erfassten Apokopen, die der allgemeinen Umgangssprache angehören und auch im Korpus zahlreich auftreten. Bei der Analyse fällt allerdings auf, dass beispielsweise die Form cinema durch cine Konkurrenz erhält (cf. auch JOVE7, 12, 12a; JESC1), eine Form, die im GD62 nur als cine- («Forma prefixada del mot cinema») Eingang findet. Hier liegt eine Analogiebildung zum Spanischen vor, welches das Lexem cinematógrafo um eine Silbe mehr als das Katalanische gekürzt hat. JOVE6 A: al cine/ jodioara sí que estic amb mal de xx\ i:: C: és que ara ara: hi ha un altre tipus de de:: de oci\ (...) B: cinema/ cinema/ que estan fent ara/ A: [jo he arribat a la conclusió] B: no sé\ tots són pel·lícules de de: d’acció/ i de:: A: arael xxx ja ha sortit B: quènoC: [no:]\ B: nohi han bones han pel·lícules bones però no solA: pues ja està/ hi ha en uns anys quenomés recordarem les que
331
les que han transcendit (..0,4) les que eren pel·lis d’xxxx de fa vint anysno se les diuen\ (..0,4)
Weitere trunkierte Formen sind pel·li (pel·lícula) bzw. col·le (col·legi) bei denen in der Schriftsprache Schwankungen in der Orthographie hin zur spanischen Schreibweise (peli, cole) festzustellen sind (cf. TELE6, 7, 11; JOVE2, 7, 8, 12a, 38, 39; PREM8, 19; JESC1). Daneben existieren auch Hyponyme bzw. Kohyponyme, z. B. porno (TELE11) oder insti (institut) (JESC3; TELE11). TELE37 M: bueno/ ja recordo quan vaig anar al col·le/ no sóc la mateixa\ JESC3 A l’Insti encara podria trobar el seu telèfon
Neben den verzeichneten bzw. in der allgemeinen Umgangssprache stark verbreiteten Trunkierungen, bei denen aus dem Korpus an dieser Stelle noch weitere wie opos (oposicions) (cf. JOVE5), bicis (bicicletas (cf. JOVE2), mili (servei militar) (cf. TELE4; JOVE4) oder micro (micròfon) (cf. JESC7) aufgezählt werden können, gibt es auch einige, die auf spontanere Kreationen zurückgehen dürften und noch keine allgemeine Verbreitung gefunden haben. Hierzu finden sich vor allem Beispiele in JESC9, in denen der Schreiber mit Wortkürzungen zu experimentieren scheint: JESC9 Els preus són: bono anti 30, taki 33 JESC9 El guanyador actuarà en el festi Senglar Rock JESC9 No és més que una expo sobre el nostre estimat Tio Serapio del nostre inefable i inconmesurable Txiki
Als weitere, für die katalanische Jugendsprache typische Apokope nennen Vila/Bellés (1989) mani (manifestació), welches die Autoren als Lehnbildung nach spanischem Muster bezeichnen. Im Korpus tritt das verkürzte Lexem an einer Stelle auf: JESC14 Sobretot nois i noies k se sentin catalans, x poder formar un grupet i anar de concerts, manis, etc.
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In der Pressesprache, besonders in der Musikpresse, finden sich auch zahlreiche aus dem Englischen übernommene Wortkürzungen zur Bezeichnung von Musikstilen wie ragga (statt raggamuffin, cf. PREM10), electro (statt electropop, cf. PREM30) oder afro (cf. PREM30). Wortkürzungen treten nicht nur, wie bereits angesprochen, bei Substantiven auf, sondern können auch Adjektive betreffen. Für die Jugendsprache erwähnen einige Autoren hier sowohl im Katalanischen als auch im Spanischen (cf. Vila/Bellés 1989; Rodríguez González 1989) trunkierte Formen wie depre (depresiu) (cf. auch PREM19, cf. 5.2.1.9.5.), progre (progresista), tranqui (tranquil), okupa (ocupador) oder anarca (anarquista). Diese sind mittlerweile auch Teil der Umgangssprache. Espinal et al. (2002, 55) weisen darauf hin, dass bei diesen Adjektiven, im Gegensatz zu den trunkierten Substantiven, eine semantische Veränderung gegenüber der vollständigen Form festzustellen sei. Am Beispiel von progre stellen die Autoren dar, dass hier im Gegensatz zu progressista eine bestimmte Konnotation mit der Person vorliegt, die so bezeichnet wird. Diese Konnotation geht über die ursprüngliche Bedeutung von progressista (cf. GD62; DIEC), d.h. über das Soziale und Politische, hinaus. Progre bedeutet in diesem Sinne relativ allgemein «persona d’idees avançades o que manifesta alguna forma de comportament avançat» (cf. Espinal et al. 2002, 55). TELE7 veja{(E)dona}/ que no veus que està {(E)depre}/ TELE13 l’he fet més tranqui/ PREM32 Els pares de tothom són tipus absolutament progres i hippies i la ciutat és plena de mogudes metal o hippy JOVE40 M: (. 0.22) i això era amb tots els altres col·legues menys dos\ (.. 0.76) que els altres dos els busca la policia\ (.. 0.87) perquè són anarquesi: es(. 0.17) són desertors-
Daneben finden sich bereits im Zusammenhang mit der Lexik und Semantik besprochene Trunkierungen von englischen bzw. hybriden Komposita oder von aus dem Spanischen entlehnten Lexemen, z. B. bòmber statt bomber jacket (cf. 5.2.1.1.4.; cf. auch cf. 5.2.2.2.4.) bzw. panda von pandilla oder trapi von trapicheo (cf. 5.2.1.3.4.).
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5.2.2.2.4. Komposition Unter Komposition versteht man das Zusammenfügen von Wörtern und/ oder Wortstämmen zu einem neuen Wort(stamm), dabei muss das Kompositum allerdings nicht immer in zwei Einzelwörter zerlegbar sein. Der Stamm des Gesamtwortes besteht vielmehr aus zwei Konstituenten, die jeweils eine Wurzel enthalten. Entsprechende Beispiele finden sich im Korpus (cf. Hualde 1992, 362ss.; Schpak-Dolt 1992, 117ss.). PREM19 Té un alt nivell i es dedica al forapista PREM20 participa en el fotoconcurs PREM25 La data límit per presentar-se és l’11 d’octubre PREM10 un disc pirata PREM10 llegir el text-riu PREM40 peces determinants de la tendència fashion del nostre país PREM32 perquè fa dos anys s’estilaven els grups de rock ompleestadis i les produccions netes i polides
Unter den Beispielen finden sich bis auf ompleestadis nur endozentrische Elemente, d.h. es sind Komposita, bei denen eines der beiden Elemente (Kopf) formale und oft auch bestimmte semantische Eigenschaften des Gesamtwortes bestimmt. Im Fall von data límit beispielsweise wird durch data das Genus festgelegt; gleichzeitig handelt es sich bei dem Begriff um ein Hyponym von data, nämlich ein bestimmtes Datum, an dem etwas spätestens zu erledigen ist (cf. hierzu Schpak-Dolt 1992, 120s.). Es kann aber auch vorkommen, dass zwar formal ein Kopf vorhanden ist, aber durch diesen kein Oberbegriff ausgedrückt wird, das Kompositum also formal endozentrisch ist, semantisch betrachtet aber exozentrisch. Dies ist der Fall bei forapista, womit nicht allein die Tatsache, dass es sich um einen Ort neben der offiziellen Skipiste handelt, ausgedrückt wird, sondern die Aktivität, im Tiefschnee zu fahren. Hier hat die semantische Exozentrizität auch formale Konsequenzen; das Genus richtet sich nicht nach dem femininen Kopf pista, sondern ist maskulin, wie die meisten Sportarten im Katalanischen. Wenden wir uns zunächst jedoch den entlehnten Komposita zu, die als Gesamtkonstruktion ins Katalanische übernommen werden. Hierzu zählen vor allem die Bezeichnungen für verschiedene, meist relativ spezifische Mu334
sikstile; daher sind die Komposita auch deutlich zahlreicher in der – vor allem – schriftlichen Medien-, als in der schriftlichen – oder auch mündlichen – Jugendsprache zu finden. Beispiele sind u. a.: PREM10 Visca la innocència del pop, del piruleta-pop, del nocilla-pop TELE37 M: i quin és el teu estil preferit/ D: techouse M: el techouse/ D: m’encanta\ M: olé/ no/
Weitere Fälle wie blues power, glitch-pop, garatge rock, acid-jazz, ska-soul, funk-metal, smash house finden sich in PREM10, 15, 23, 24, 25, 26, 29, 30, 32, 37, 39; JESC15. Andere Komposita, nicht zu Musikstilen, finden sich in Form von skinhead (cf. PREM13) oder auch in der Kombination eines Anglizismus mit einem Gallizismus wie bei disaster café (cf. TELE40). Daneben existieren auch drei- bzw. viergliedrige Komposita (cf. Thiele 1992, 171; Schpak-Dolt 1992, 118), für das Katalanische eher seltene Konstruktionen. PREM37 en pocs decennis, és una de les seus mundials del sexe, drogues, i techno-electrohouse-trance PREM15 la proposta ‹cíber-retro-futurista›
Das Beispiel aus PREM37 stellt, im Gegensatz zu dem ihm folgenden, ein Kopulativkompositum dar (cf. Müller 2002, 192; Schpak-Dolt 1992, 122). Hier stehen die verschiedenen Kompositionsglieder gleichwertig nebeneinander und drücken ein additives Verhältnis aus, was sie wiederum von den exozentrischen Komposita unterscheidet. Das letzte Beispiel ist nicht mehr eine reine Entlehnung, sondern ein Kompositum, in dem sich zwei englische Lexeme mit einem katalanischen verbinden. Häufig finden sich auch Komposita mit den Adjektiven hispà oder llatí (rock llatí, cf. PREM11). Genauso tritt im Korpus jedoch die englische Entsprechung auf (latin-ska, cf. PREM10; latin soul, latin house, cf. PREM31). In beiden Fällen liegen syntagmatische Komposita vor, da diese sowohl aus semantischer Sicht, als auch aufgrund ihrer Kohäsion und syntaktischen Koordination eng miteinander verbunden sind. Bei der Art der syntagmatischen Komposita, wie sie im unten stehenden Beispiel aus PREM11 vorliegt, handelt es sich um eine sehr produktive Form der Wortbildung (cf. Schpak-Dolt 1992, 126). Bei den vorangegangenen Beispielen lassen sich hybride und nicht hybride Fälle feststellen. Wie Castañeda Naranjo es in ihrer Beschreibung des 335
parlache darstellt, entstehen viele Komposita auf Basis von Paradigmen und Mechanismen in der Grundsprache der Konversation; diese werden allerdings durchaus mit Elementen aus anderen Sprachen kombiniert (cf. 2003, 67s.). Auf diese Weise entstehen hybride Konstruktionen (cf. 2.1.5.), bei denen ein Wortteil substituiert ist, der andere jedoch aus der Nehmersprache kommt. Hier ist zu unterscheiden zwischen den hybriden Bildungen, welche im Katalanischen «eigenständig» vorgenommen werden, und den Lehnübersetzungen mit einem hybriden Element. Zu ersten gehören folgende Korpusbeispiele: JOVE42 J: havia moltes paradetes/ o sigui la gent menjava patates d’aquestesno eren ben bé chipssinó eren patates/ suposo unes patates chipsPREM11 ara l’hem gravat amb ritme dance
Hierbei handelt es sich um endozentrische Determinativkomposita, bei denen jeweils ein Kopf vorhanden ist (patates bzw. ritme), der durch den Determinans näher bestimmt wird. Gleichzeitig dient aber das Determinatum ebenfalls dazu, das entlehnte Lexem zu erklären. Es wäre möglich, die entlehnten Lexeme alleine zu verwenden, wie es z. B. in JOVE42 bei chips einige Zeilen zuvor der Fall ist. Die Verwendung des Kompositums, in der chips als ein Hyponym von Kartoffeln dargestellt werden, hilft aber gleichzeitig dem Verstehen des Fremdworts. Diesen hybriden, in der Fremdsprache so nicht existierenden Formen, stehen andere gegenüber, bei denen das Kompositum im Englischen als solches besteht, bei der Entlehnung allerdings ein Lexem übersetzt wird. Es handelt sich immer um endozentrische Determinativkomposita. Der Kopf steht hierbei immer links, wodurch in allen Beispielen die Wortstellung gegenüber dem Englischen vertauscht wird (web page – pàgina web, rap scene – escena rap). JOVE19 L: i:: festival punk oi/ és a un centre social {(E)enorme}\ una copa {(E)enorme}\ TELE36 A: un tio que:podríem dir que actualmentestá fent els versos:més polèmics/ a través de les seves cançons/ més polèmics de la escena rap/
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PREM11 en plena explosió del moviment grunge PREM10 som una mica ‹punks› per actitud punk PREM5 a més dels enllaços a les altres pàgines web d’interés.
Ein in der Jugendsprache sehr produktives Verfahren der Wortbildung besteht im Anfügen von Präfixen griechichen Ursprungs wie super oder mega. Cabré/Rigau (1985, 155s.) bezeichnen diese Kombinationen als Komposita («compostos amb radicals cultes»); als solche werden sie auch von Fabra (1993) betrachtet, der argumentiert, dass es sich um Lehnmorpheme handle, die auch als freie lexikalische Morpheme und somit als Lexeme im Katalanischen fungieren können. Espinal et al. schlagen allerdings vor, nicht von Komposition, sondern von Präfigierung in Beispielen wie ultraviolet etc. zu sprechen (cf. 2002, 101). In diesem Sinne behandeln auch Pérez Saldanya et al. (2004, 241) und Brumme (1997, 397s.) die Bildungen als Präfigierungen. Es handelt sich hierbei um ein in der Jugendsprache sehr produktives Verfahren, wie die große Anzahl der Korpusbelege dokumentiert (cf. hierzu auch Castañeda Naranjo 2003). Stellvertretend für alle anderen Belege45 seien anhand des Präfixes {super-} einige Beispiele aufgeführt. Hierbei handelt es sich sowohl um Präfigierungen von Substantiven als auch von Adjektiven, Partizipien und Adverbien. TELE21 B: ha vingut una {(E)superfan} {(E)superfan} superfan/ de Anonio xxx\ PREM30 un DJ superestrella TELE30 els desenvolupadors de videojocs\ cóm ho aconsegueixen/ doncsamb gràfics {(E)superrealistes}
45
Weitere Beispiele finden sich in Form von supersolidària, superguapo, superplena, supersimpàtica, supersensible, supertelevisiva, superafrodisíac, superelàstic, superkàrmica, superample, supercanyer, supergenial, superdotat, super-fàcil, super-sònic, super-guerrera, superajustades, superconsumista, superraro, supercar, superdivertits, supercalenta, supernerviós, supertranquil, superinjust, superhomes, supervendes, superconcurs, superdibuixos, superfotos, superartista, superestel, superheroi, superdives, supergrup, superbanda, superpregunta (cf. TELE3, 4, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 15; PREM10, 11, 12, 25, 29, 31, 30; JESC3; JOVE3, 7, 35, 29, 41, 42).
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TELE20 a tu tot et queda superbé {(E)Mariona}\ TELE8 ets supermaterialista TELE8 tupermaterialista PREM29 l’admiració pròpia de superstars de la música PREM23 who is your superhero?
Hervorzuheben sind zum einen die Entlehnungen mit {super-} aus dem Englischen (PREM23, 29), die vermuten lassen, dass es sich bei der Präfigierung mit {super-} im Katalanischen um Lehnprägungen nach englischem Vorbild handeln könnte. Zum anderen liegt beim Beispiel aus TELE8 ein Sprachspiel vor, bei dem lediglich das Phonem /s/ gegen /t/ ausgetauscht wird. Da es sich jedoch bei tuper um ein assimiliertes Fremdwort aus dem Englischen handelt, liegt im Fall der Kreation tupermaterialista ein Kompositum vor. Das hierbei erfolgte Ersetzen eines Wortes durch ein anderes mit ähnlicher phonologischer Struktur hat eine spielerische Komponente. Castañeda Naranjo spricht im Zusammenhang mit solchen Erscheinungen im parlache von «atracción paronímica» (cf. 2003, 67). 5.2.2.2.5. Veränderung der Wortklasse – Konversion Veränderungen der Wortklasse gegenüber der Sprache, aus der ein Element entlehnt wird, treten im Korpus relativ wenige auf. Zu nennen ist hier vor allem der adverbiale Gebrauch einiger Adjektive wie heavy, ohne dass diese das Suffix {-ment} annehmen müssen. Dies ist möglich, da nach Verben, die einen körperlichen Zustand ausdrücken, auch das Adjektiv mit adverbialer Bedeutung stehen kann. JOVE26 ho veig una mica heavy\ EL jo vaig vestida bàsicament heavy
Brumme erwähnt weiterhin die Möglichkeit, dass in der familiären Ausdrucksweise einige Substantive auch adverbiale Funktion haben können und nennt als Beispiel passar-s’ho pipa (‹eine tolle Zeit verbringen›, cf. 1997, 325). Im Korpus finden sich ähnliche Beispiele in gleicher Bedeutung, allerdings mit den Lexemen teta bzw. bomba und teilweise grammatikalisch verändert (nicht reflexiv). 338
TELE3 ens ho vam passar teta PREM18 musicalment ho passàvem teta TELE7 passar-s’ho bomba
Eine – semantisch allerdings nicht nachzuvollziehende – Veränderung der Wortklasse liegt auch bei folgenden Beispielen vor, in denen das präpositionale Syntagma darauf hindeutet, dass das auf de folgende Lexem als Substantiv angesehen wird. Es handelt sich hierbei jedoch in der Ausgangssprache um Adjektive, nämlich punky bzw. funky, die im Englischen Derivate der Substantive punk bzw. funk darstellen. Diese Substantive finden sich ebenfalls ins Katalanische entlehnt, wie zahlreiche Beispiele im Korpus belegen (cf. 5.2.1.1.6.). TELE38 C: aquí queda més la música de punky PREM27 temes de pur funky
5.2.2.3. Morphosyntaktische Verwendung der Verben und Verbalperiphrasen Zu den im Katalanischen wohl am häufigsten und kontroversesten diskutierten Verbalperiphrasen gehört sicherlich die Konstruktion anar + a + infinitiu, die neben dem periphrastischen Perfekt anar + infinitiu existiert (cf. Radatz 2003). Die Semantik der ersten Periphrase reicht vom inkoativen über den konativen Aspekt hin zu einer Verwendung als unmittelbar bevorstehendes Futur. Daneben existiert die nicht als Periphrase geltende Konstruktion, wie sie z. B. bei vaig a treballar vorliegt, wenn dieses im Sinne der Fortbewegung an einen anderen Ort, um dort etw. zu tun (hier: arbeiten), genutzt wird (cf. Radatz 2003, 61; López de Castillo 1999, 124; Brumme 1997, 297; Lacreu 2002, 251). Hier ist anar nicht Hilfs-, sondern Vollverb; es liegt allerdings aus pragmatischer Sicht durchaus der Aspekt der unmittelbar bevorstehenden Handlung oder der Absicht darin verborgen.46 Diese Verwendung, die in der normativen Grammatik als völlig korrekt angesehen wird, findet sich auch in mehreren Beispielen aus dem Korpus: JOVE2 N: {(Fluixa)@@} M: vaig a passejar un rato\
46
Zu pragmatisch-emotiven Aspekten verschiedener Verbalperiphrasen im Spanischen (u. a. ir + infinitivo) und auch im Katalanischen cf. Torrent-Lenzen (2003).
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JOVE40 M: te’n vas a jalar: a casaJOVE42a Q: bueno\ que siun cop a:(.. 0.37) me’n recordo que xX(0.71)Xx marxar(.. 0.86) ens en vem (a)nar a fumar petes a:(.. 0.62) a baix al patino/ li vem dir a la professoraTELE32 anem a menjar un curry de primera
Radatz (2003, 61) stellt bezüglich der «echten» Verbalperiphrase anar + a + infinitiu deren inkoativen Aspekt dar, der zur Bezeichnung einer unmittelbar nach der Äußerung einsetzenden Handlung, also in der Gegenwart, dient. Dieser Aspekt findet sich auch bei Badia i Margarit, welcher als Beispiel den Satz «ara anem a veure el segon acte» (1962, 394) nennt, bzw. bei Brumme (1997, 297), die vom Gebrauch zur Bezeichnung eines unmittelbar bevorstehenden Vorgangs spricht. Hier liegt das Interesse der Äußerung nicht so sehr auf dem zukünftigen Aspekt der Handlung, als vielmehr auf ihrem unmittelbaren Bevorstehen mit engem Bezug zur Gegenwart (cf. auch Lacreu 2002, 252). Dies ist der Fall bei folgendem Korpusbeispiel: TELE39 A: fem la rauxa/ i videoclip/ tot seguit\ alle: d’acord\ A: anem a veure un clip/
Für den konativen Aspekt der Periphrase im Sinne eines vergeblichen oder aufgegebenen Versuchs («ho anava a dir», cf. Radatz 2003, 62) existiert kein Beleg im Korpus. Sehr wohl finden sich aber Beispiele, für «la aceptación más debatida» (cf. Radatz 2003, 62), nämlich den Gebrauch der Verbalperiphrase zur Bezeichnung der nahen Zukunft. Werden ihr inkoativer und konativer Gebrauch weitest gehend von der katalanischen Normgrammatik als korrekt akzeptiert, so wird die Verbalperiphrase anar + a + infinitu zur Bezeichnung des Futurs von vielen Autoren als Kastellanismus abgelehnt (cf. Badia i Margarit 1962, 394; Rafel 1980, 272s.; Solà 1996, 108; Lacreu 2002, 252). Im Korpus tritt dieser Gebrauch in folgenden Beispielen aus der Jugendsprache auf; in der Mediensprache ist er nicht verzeichnet: JOVE7 B: [és que la gent preguntaria però bueno aquí]
340
A: sisi preguntes normalmento xxx o diuen que te’n vagin a prendre pel cul:o: JOVE8 A: {(AC)o van a demanar perdò:}/ o van a: jo sé: a parlar d’un tema:
Farràs/Garcia grenzen die katalanische Konstruktion gegenüber der spanischen ir + a + infinitivo folgendermaßen ab: «[…] la diferència és d’ús: en català només es fa servir per indicar imminència de l’acció en el present, mentre que en castellà també pot indicar seguretat en l’acompliment d’una acció futura» (1993, 86). Brumme schreibt kommentierend, dass in der Umgangssprache die Periphrase auch zum Ausdruck der unmittelbaren Zukunft gebraucht werde, die normative Grammatik dafür aber die Verwendung des Indikativ Präsens oder Futur empfehle. López de Castillo erwähnt die Verbalperiphrase anar + a + infinitiu bei den von ihm als umgangssprachliche Periphrasen bezeichneten Konstruktionen und äußert sich dazu wie folgt: «Pel que fa a perífrasis de futur immediat hi ha, desaconsellada també en llengua estàndard, la formada pel verb anar conjugat + prep. a + infinitiu del verb en qüestió: La sessió va a comencar. Anem a veure el temps que farà demà. La primera frase […], en llengua oral sona en qualsevol dels parlars – en pronúncia no emfàtica – idèntica a l’expressió del pretèrit va començar […]» (1999, 124).47
Die Homophonie mit einigen Formen des periphrastischen Perfekts dient in der normativen Grammatik als häufigstes Argument gegen den Gebrauch der Verbalperiphrase anar + a + infinitiu für das Futur. Radatz, der die Entwicklung der Verbalperiphrase im Katalanischen untersucht und analysiert, ob es sich um ein eigenständiges Phänomen des Katalanischen oder um eine Entlehnung aus der Nachbarsprache Spanisch handelt,48 erachtet das Argument der Homophonie als nur begrenzt anwendbar. Zum einen ist es seiner Meinung nach ohnehin nur in der mündlichen Sprache gültig, zum anderen
47 48
Hervorhebungen im Original. Cf. Radatz 2003; der Autor stellt die historische Entwicklung dar und kommt zu dem Schluss, dass das Katalanische, mit zeitlicher Verzögerung von einigen Jahrhunderten gegenüber dem Spanischen und Französischen, die Verbalperiphrase im Stil vado + a + Infinitiv mit Zukunftsaspekt hervorgebracht hat, nachdem sich für die vorher vorhandene Periphrase vado + Infinitiv immer mehr der Ausdruck des Perfekts herauskristallisiert hat (2003, 68; cf. Schlieben-Lange 1971, 163). Der Autor beschreibt den Umgang mit der Periphrase durch Pompeu Fabra, der ihren Gebrauch nicht rundweg ablehnte, sondern vor allem vor dessen hoher Frequenz in der Schriftsprache bzw. vor möglichen Konfusionen mit dem periphrastischen Perfekt warnte (cf. Radatz 2003, 63s.).
341
seien der Kontext und die allgemeine Haltung der Sprecher normalerweise ausreichend, um diesen und andere Fälle von Homophonie zu desambiguieren (cf. 2003, 70). Ein ähnlicher, wenn auch nicht so explizit ausgesprochener Ansatz, findet sich bei Janer (1968, 166), der zwischen dem Gebrauch der Periphrase im Präsens und im Imperfekt unterscheidet; da bei letztem weniger Verwechslungsmöglichkeiten vorlägen, sei eine Akzeptanz der Verbalperiphrase anava + a + infinitiu mit Aspekt eines unmittelbaren Futurs eher möglich. Janer empfiehlt aus Gründen der Verwechselbarkeit zwar den Gebrauch des synthetischen Futurs anstelle der Verbalperiphrase – im Katalanischen in jedem Fall in der mündlichen Sprache lebendiger als in seinen romanischen Nachbarsprachen – stellt die Periphrase jedoch nicht als Kastellanismus dar. Die im Korpus am häufigsten auftretende Verbalperiphrase ist tenir que + infinitiu zur Bezeichnung einer Verpflichtung oder eines Zwangs, die nach der normativen Grammatik im Katalanischen eigentlich mit der Periphrase haber de + infinitiu bzw. mit der von López de Castillo als veraltet, jedoch in der Umgangssprache als gebräuchlich bezeichneten Form tenir de + infinitiu ausgedrückt werden (cf. 1999, 120ss.; Farras/Garcia 1993, 86; Brumme 1999, 299). Obwohl im Altkatalanischen auch die Form tenir que + infinitiu existierte und im heutigen mündlichen Katalanisch, wohl aufgrund des spanischen Einflusses, wieder starke Verbreitung gefunden hat (cf. Sinner 2003b, 196), wird die Verbalperiphrase tenir que + infinitiu heute als Kastellanismus angesehen, den es zu vermeiden gilt (cf. Farras/Garcia 1993, 86; Lacreu 2002, 256). Im Korpus findet sich die Periphrase nur in der Jugendsprache und hier vor allem in den Beispielen JOVE38 und JOVE40 (je achtmal): JOVE40 M: tu feies totes les instal·lacio:nsno sé què:no m’havies dit re:(. 0.20) i tal-} que havia tingut que f- treure: el tio fora no/ (.. 0.34) perquè clarJOVE38 A: li tens que dir tu eh a la Gina que no hi vas\ no jo\
Eine weitere als Kastellanismus gewertete Konstruktion ist die Periphrase haver-hi que + infinitiu, welche nach Lacreu (2002, 255) heutzutage im Katalanischen häufig zur Wiedergabe eines Zwangs oder einer Verpflichtung genutzt wird. Für sie findet sich ein Beleg, allerdings in der Pressesprache. Hier ist allerdings anzumerken, dass die kursive Schreibweise darauf hindeutet, dass der Autor der Konstruktion sich ihres agrammatikalischen Charakters durchaus bewusst ist und diese spielerisch einsetzt.
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PREM37 S’ha de ser (descontextualitzadament) cool. Hi ha que jodre’s.
Die häufig zu den Sprachkontaktphänomenen zwischen dem Spanischen und Katalanischen gerechnete Verwendung von deure de + infinitiu anstelle von deure + infinitiu (cf. Farràs/Garcia 1993, 86; Lacreu 2002, 257; López de Castillo 1999, 120ss.) tritt im Korpus nicht auf.
5.2.2.4. Wortbildung bei Verben Analogiebildungen mit englischen Formen treten auch bei Verben auf, z. B. im Fall von reflexar statt der in katalanischen Wörterbüchern verzeichneten Form reflectir (cf. GD62). Das Katalanische kennt als lexikographisch erfasste Form nur das entlehnte Substantiv reflèx (cf. GD62; DIEC), allerdings nicht das Verb. PREM27 El disc ho reflexa molt bé
Dieser Prozess der Bildung einer Wortfamilie auf Basis eines Neologismus bzw. einer Entlehnung ist nicht neu; Castañeda Naranjo beschreibt ihn in ähnlicher Form für das parlache (cf. 2003, 64). Interessant ist die morphologische Assimilation in diesem Fall, nämlich das direkte Anfügen des Themenvokals {-a-} sowie der Infinitivendung {-r} an den Stamm, ohne Einschub eines verbalisierenden Derivationssuffixes wie {-ejar} oder{-itzar}. Die Möglichkeit, im Katalanischen Verben aus Substantiven nur durch das Anfügen des Themenvokals der ersten Konjugationsklasse ohne weitere Derivationsaffixe zu bilden, führt häufig dazu, dass Endungen wie {-ejar} oder {-itzar} mit den Derivationssuffixen {-ej-} bzw. {-itz-} als unnötige Analogiebildungen zum Spanischen angesehen werden. Dort besteht die Tendenz, entlehnte Verben, vor allem aus dem Englischen, zwar auch der ersten Konjugationsklasse zuzuordnen, aber das Affix {-e} zuvor einzufügen (z. B. chatear, boicotear). Lang (1992, 216) meint dazu: «-Ear es el formativo verbal más productivo en el español contemporáneo […], adjuntándose fundamentalmente a bases nominales y, en ocasiones, adjetivas. Sus connotaciones son, con frecuencia, iterativas […] o peyorativas […]. Las bases adjetivas […] generan verbos incoativos, en los que la función de -ear coincide con la de -ecer (cfr. amarillear/amarillecer; negrear/ennegrecer). Su productividad se revela por su especial capacidad para combinarse con bases de procedencia estranjera frente a los sufijos rivales […] y en formaciones particulares o a partir de nombres propios» (1992, 216; cf. auch Rull 2004, 81).
Bernal Gallén stellt in ihrer Untersuchung zu den sufixos verbalitzadors in Bezug auf {-ejar} fest, dass die Normgrammatik eher dazu tendiert, durch Konversion aus dem Substantiv entstandene Verbformen zu bevorzugen (z. B. blocar, boxar, flirtar), die Sprecher hingegen zur Suffigierung neigen (z. B. 343
bloquejar, boxejar, flirtejar, cf. 1998, 151). Letzte werden, so Bernal Gallén, von der Normgrammatik allerdings als Kastellanismen angesehen, aber nach Meinung der Autorin von den Sprechern nicht mit der gleichen negativen Wertung wie Kastellanismen im Allgemeinen versehen, sondern durch das Anfügen des Suffixes sogar eher als eigene katalanische Formen empfunden und häufiger benutzt. Marquet betont allerdings, dass es sich um inkorrekte Derivationen handelt: «Un altre cas [de termes mal formats per calc del castellà] és el dels verbs catalans acabats en -ejar, dels quals n’hi ha bastants de moderns d’ús tècnics: petrolejar, courejar, cablejar, sondejar, prorratejar, etc. Tots aquests tipus de verbs deriven sempre de substantius o d’adjectius i no es veu gaire clara llur formació. En efecte, caldria estudiar l’ús i aplicacions del sufix verbal -ejar en català, perquè se n’ha fet un abús. Tot i que sovint es correspon amb el castellà -ear, no sempre és així i, per influència d’aquesta llengua, tot verb castellà en -ear ha fet aparèixer un verb català en -ejar i en determinats casos hi ha altres possibilitats que responen millor al geni de la llengua. A vegades són possibles dos verbs, un en -ejar i un altre en -ar (o -ir o altres), els cuals poden ésser sinònims o bé tenir un sentit diferent. Bé que cal analitzar detingudament aquest punt, sembla molt clar que s’han de bandejar verbs com ara petrolejar, courejar, cablejar, mapejar, torpedejar, etc. I en el cas que hi hagi dos verbs sinònims, caldria veure si s’han de preferir uns als altres o no: així en casos com ara blocar/bloquejar, ribotar/ribotejar, bronzar/bronzejar, etc., sembla que són preferibles els primers, tal com s’ha fet en d’altres casos ja fixats: boxar/boxejar, calafatar/calafatejar, sondar/sondejar» (1984, 55s.).
Der Meinung schließt sich auch Rull an, der darstellt, dass das Katalanische dieses System zur Wortbildung vom Spanischen kopiert habe (cf. 2004, 83). Bernal Gallén verweist weiterhin auf Fabra, der vor einem zu freien Umgang mit der Endung {-ejar} warnt, diese jedoch nicht pauschal als Kastellanismus zu unterbinden sucht (cf. 1998, 151ss.). Die Autorin, deren Meinung ich mich anschließen möchte, betrachtet die rein normative Herangehensweise an die Authentiziät des Derivationsaffixes {-ej-} (und anderer) im Katalanischen als fragwürdig, da die interne Struktur der Verben darin keinerlei Beachtung finde. Sie weist hingegen darauf hin, dass im Katalanischen die Bildung von Verben durch Suffigierung ein weiter verbreiteter Prozess als beispielsweise die Konversion sei, so dass die Formen mit dem Derivationsaffix {-ej-} durchaus als genuine Bildungen des Katalanischen gelten dürfen (cf. 1998, 153). Bei Pérez Saldanya et al. (2004, 231) findet sich kein Hinweis auf die Eigenschaft als Kastellanismus der Endungen {-ejar} bzw. {-itzar}. Hier wird lediglich der Hinweis darauf gegeben, dass es sich bei diesen beiden Formen, zusammen mit der Endung {-ificar}, um die produktivsten Verbalsuffixe des Katalanischen handelt (cf. 2004, 231). Diese Produktivität wird auch im Korpus deutlich, wo zahlreiche Beispiele, vor allem für den Gebrauch des Derivationssuffixes {-ej-} bei morphologischer Assimilierung von aus dem Englischen entlehnten Verben, aber auch als Neologismen mit katalanischer Basis, wie maquetejar (PREM14) oder teclejar (PREM22), auftreten.
344
PREM10 ni impresions escanejades PREM14 ja la teníem mig maquetejada. PREM14 parteix d’una base rockera però flirteja amb estils com el punk o el hip-hop amb lletres en què PREM14 El rock dels Frenètic va debutar als escenaris l’any 1998, telonejant els Sirex PREM22 a Internet i teclejar una adreça web PREM23 el permanent recurs de samplejar els clàssics que ells defenen com a eina de producció PREM25 als qui per cert han arribat a telonejar PREM39 boicotegem als seus productes i deixem de comprar-los JESC9 Recomanem boicotejar tots els productes iankis TELE21 de fet/ Fernando Alonso tot i això ha pogut sortejar del xxxi s’ha convertiten el millor pilot espanyol\ JOVE12 A: que: perquè:: pots parlar amb els teus amics: i xatejarJESC3 que és ‹deportiva›, i començo a xatejar amb tota aquella gent. JESC11 Som dues noies que ens agradaria cartejar-nos amb gent JESC11 ens agradaria cartear-nos amb algú d’algun lloc
Dennoch ist, wie man in Beispiel JESC11 sehen kann, ein enger Zusammenhang mit dem Spanischen gegeben bzw. scheinen die Jugendlichen die Suffigierung mit {-ej-} ebenfalls für einen Kastellanismus zu halten und weichen entsprechend gleich auf das spanische Verb aus.
345
Die Suffigierung mit {-ej-} dient auch als Basis für weitere Derivationen, besonders zur Bildung von Substantiven, wie in folgenden Beispielen ersichtlich wird: JESC7 Work i tot el cablejat PREM40 El Santi va ser el màxim golejador
Die ebenfalls als Kastellanismus betrachtete Derivationsendung {-eig} (cf. Rull 2004, 86) erscheint im Korpus selten, ein Beispiel ist pirateig (cf. PREM15). Im Korpus finden sich auch zahlreiche Beispiele für den Gebrauch des aus dem Englischen entlehnten Suffix {-ing}, welches im Katalanischen nicht als Endung für das Gerund, sondern zur Bildung von Substantiven, welche einen Prozess ausdrücken, dient. In diesem Sinne wird die Endung {-ing} in zahlreichen romanischen Sprachen verwendet, so dass es nicht nur im Katalanischen, sondern beispielsweise auch im Französischen oder Spanischen sogar zur Bildung von Pseudoanglizismen wie footing oder penging (cf. 5.2.1.9.2.) kommt (cf. Rull 2004, 335). Viele Autoren sehen in den zahlreichen Bildungen mit dem Suffix {-ing} einen zu großen Einfluss des Englischen, vor allem im Feld der (Computer-)Technologie oder des Sports und schlagen Alternativen vor (cf. Rull 2004, 337ss.; DInt). 5.2.3. Phonetisch-phonologische Ebene An dieser Stelle sollen nur einige allgemeine Aussagen zu im Korpus auffallenden lautlichen Realisierungen von entlehnten Lexemen getroffen werden, sofern diese nicht bereits bei der Darstellung der entsprechenden Wörter im lexikalisch-semantischen Teil erwähnt wurden. Hierbei erfolgt eine grobe Unterscheidung zwischen Anglizismen und Kastellanismen. 5.2.3.1. Anglizismen Bei der Aussprache vieler Anglizismen, vor allem der auch morphosyntaktisch nicht assimilierten, ist in phonetischer Hinsicht keinerlei beabsichtigte Assimilierung an die katalanische Aussprache festzustellen. Vor allem die Medien bemühen sich bei Anglizismen bzw. bei Code-Switching ins Englische um eine möglichst typische englische Aussprache (z. B. [’letmi:’telju:’brįmr], cf. TELE12), bzw. machen sich die Sprecher über die katalanisierende Aussprache anderer Personen lustig ([un’plug], cf. TELE13). Schwierigkeiten treten bei den Phonen des Englischen auf, welche das Katalanische nicht kennt, so z. B. beim [r], bei dem sich die katalanische Herkunft der Sprecher nicht verheimlichen lässt, da sie den Laut als alveolaren Vibrant realisieren. Dies gilt sowohl für die Jugend- als auch die Mediensprache; das Lexem performance wird in beiden als [per’fɔ rmmns] realisiert. 346
Bei der Realisierung des Lautes, der graphisch als <(t)x> dargestellt wird, treten im Korpus beide Möglichkeiten, die des palatalen Frikativ [ʃ] bzw. des palatalen Affrikaten [tʃ] auf. Castellanos merkt an, dass diese Unterscheidung auf diatopische Varietäten zurückgeht und die frikative Realisierung eher dem català oriental, die affrikative hingegen dem català occidental49 zuzuordnen ist (1994, 69). Die Jugendlichen im Korpus, eigentlich ausnahmslos Sprecher des català oriental, tendieren im Allgemeinen bei der Aussprache von Lexemen wie chat allerdings häufig zu der affrikativen Variante [’tʃat] (cf. JOVE2, 5).50 Dies kann auf eine möglichst genaue Übernahme der englischen Aussprache hindeuten, legt aber auch die Vermutung einer Analogie zur spanischen Aussprache des Wortes nahe. Je weiter jedoch die morphosyntaktische Assimilierung vorangeschritten ist, desto eher liegt auch eine bereits erfolgte phonetische Anpassung vor. Daher tritt das Lexem xatejar bei den Jugendlichen vielfach, jedoch nicht ausschließlich, als [ʃate’a] auf (cf. JOVE11). Ebenfalls eher dem Einfluss des Spanischen zuzuschreiben sind hyperkorrekte Realisierungen der palatalen Affrikate, wo das Englische die frikative Realisierung vorschreibt, welche im Katalanischen ja existiert und somit eigentlich für die Sprecher keine Schwierigkeit darstellen dürfte. Im Normspanischen hingegen existiert nur die affrikative Realisierung. Dementsprechend sprechen die Jugendlichen in JOVE42 von einem [kɔ fi:’ tʃɔ p] bzw. in JOVE7 von einem [’tʃɔυmæ Ø n], wohingegen die Medien neben [tʃɔυ] auch [ʃɔυ] (cf. TELE40) realisieren. Eine weitere Schwierigkeit für katalanische und auch spanische Sprecher ist die Aussprache des laryngalen Hauchlautes [h]. Statt diesem wählen die Sprecher den velaren Frikativ [x], d.h. aus heavy wird [’xæ Ø vi] und aus hobby entsprechend [’xɔ bi] (cf. JOVE0, 5, 6, 40). Weitere Beispiele finden sich bei den Lexemen house oder hippy (cf. auch TELE6). Das bereits beschriebene Einfügen des prothetischen [e-] vor den anlautenden Konsonantenverbindungen sc-, sn-, sp-, st-, sl- und sr- (cf. Brumme 1997, 50) ist bei entsprechenden im Korpus aus dem Englischen entlehnten Lexemen fast immer vorhanden. Sowohl die Jugendlichen als auch die Sprecher in den Medien realisieren den Musikstil ska lautlich als [es’ka] (cf. JOVE0, 10, 12a, 34) oder sprechen z. B. von einer [pleies’teiʃɔ n] (cf. JOVE12a). Eine Ausnahme stellt Sprecher A in JOVE12a dar, der streetball ohne Stützvokal als [stri:’bɔ :l] ausspricht. Bei den Vokalen des Englischen findet, teilweise aufgrund der geringeren Anzahl an Vokalphonemen im Katalanischen (cf. Castellanos 1994, 17ss.) eine Assimilierung an katalanische Muster statt. Dies geschieht z. B. beim Musikstil reggae, dessen halbgeschlossene bis halboffene Vokale im Katalanischen
49 50
Zur Einteilung des català oriental und occidental cf. Castellanos (1994, 11). Cf. auch JOVE42, in dem der Jugendliche beispielsweise von [’tʃ ips] spricht.
347
häufig geschlossen und weiter vorne im Mundraum als [’rigi] realisiert wird (cf. JOVE10). Meist liegt aber lediglich eine Anpassung an die Graphie vor, wie z. B. bei [’punk] statt [’pnk] oder [’rap] statt [’rp] (cf. JOVE8, 17). Eine Verschiebung des Wortakzents tritt bei Entlehnungen aus dem Englischen im Korpus selten auf. Ein Beispiel ist disc-jòquei, das gegenüber dem Englischen eine Verschiebung des Wortakzents auf die zweite Silbe erfährt und zu [disk’ɔ ki] wird. Dabei wird [k] kaum hörbar realisiert, und aus der post-alveolaren Affrikate [d] wird manchmal ein postalveolarer Frikativ [] (cf. TELE37, 38, 40). 5.2.3.2. Kastellanismen Die Aussprache vieler als Kastellanismen geltender Lexeme im Katalanischen erfährt eine möglichst exakte Anpassung an die Regeln der katalanischen Phonologie. So wird beispielweise das auslautende, unbetonte [o] als [u] realisiert (cf. [’bwenu] oder [’tipu]). Hierfür gibt es zahlreiche Beispiele im Korpus, u. a. in JOVE3, 6, 40; TELE7, 21, 22. Vielfach treten aber aussprachebedingte Grenzüberschreitungen auf, d.h. Fälle, in denen durch die lautliche Realisierung nicht mehr festgestellt werden kann, welcher Sprache die Äußerung zuzuordnen wäre. Es handelt sich also um eine Herstellung von Homophonie zwischen dem katalanischen und spanischen Lexem, der verschiedene «Verfahren» zugrunde liegen können. Hier ist zunächst die Verschiebung des Wortakzents zu nennen, wie sie häufig bei der Konjunktion pero auftritt, welche im Katalanischen eigentlich ein Oxyton [pΩ’rɔ] ist. Häufig wird das Lexem aber wie das spanische Paroxyton [’pero] realisiert (cf. JOVE5, 15, 40). Eine Angleichung an das Spanische findet auch über die lautliche Realisierung oder Nicht-Realisierung von Diphthongen statt. Entweder liegt eine Reduktion vor, so dass statt des fallenden Diphthongs nur der Vokal, aber nicht der Halbvokal gesprochen wird. Dies ist der Fall bei [’bere] statt [’bewre] (cf. JOVE4; cf. 5.2.2.7). Genauso existiert auch der umgekehrte Fall, d.h. die Realisierung eines im Katalanischen eigentlich nicht vorhandenen Diphthongs. Während die Verschleifung, wie sie bei [’bere] vorliegt, von einigen Autoren als mögliche Variante akzeptiert wird (cf. Castellanos 1994, 25ss.), wird die Realisierung des Diphthongs von vielen als klare Interferenz des Spanischen angesehen (cf. Castellanos 1994, 25ss.). Im Korpus tritt dies z. B. bei [’fjestms] statt [’festms] (cf. JOVE2, 10) auf. Weiterhin entsteht Homophonie durch eine offenere Aussprache der ansonsten als vocal neutre realisierten [ɔ ] bzw. [m], wie Vila (1996, 260) dies bereits in seiner Studie zum Code-Switching für die Jugendlichen in Barcelona festgestellt hat. Im Korpus finden sich entsprechende Beispiele wie guapes, das häufig als [’gwapas] ausgesprochen wird (cf. JOVE9), oder foto, welches sowohl als [’foto] als auch als [’fotu] realisiert wird (cf. JOVE2). 348
Bei der Realisierung des graphisch als oder realisierten Frikativs schwanken die Sprecher bei einigen Lexemen zwischen der spanischen interdentalen Realisierung [ș] und der katalanischen Aussprache als [s]. So finden sich im Korpus sowohl [’fașil] (cf. JOVE10) als auch [’fasil] (cf. TELE7), [se’de] und [șe’de] (für CD, cf. JOVE8), bzw. [’șine] und [’sine] (cf. JOVE7, 12a). Apokopen wie bei cine sind allgemein Fälle, in denen die Unterscheidung zwischen Spanisch und Katalanisch meist aufgehoben wird, auch wenn sie nach Regeln der normativen Aussprache vorliegen müsste. Die Sprecher der Korpus realisieren aber neben [’sine] und [’șine] durchwegs [’peli] und [’kole] und nicht die ela geminada (, [l], cf. JOVE2, 6, 7, 8, 12a, 38, 39, 40). Neben den Wortkürzungen existieren im Korpus auch Abkürzungen in Form von Siglen wie MSN oder ONG. Ihre Realisierung, d.h. die Aussprache der einzelnen Buchstaben, folgt durchweg spanischen Mustern, d.h. sie werden als [eme ese ene] bzw. [o ene xe] ausgesprochen (cf. JOVE2, 7). 5.2.4. Inter- und intraphrasales Code-Switching Da ich in der vorliegenden Arbeit von bilingualen bzw. annähernd bilingualen Sprechern ausgehe, sehe ich das Phänomen des Code-Switching als Teil ihrer mehrsprachigen Kompetenz und schreibe ihm somit soziale Bedeutung zu (cf. 2.2.3.). An dieser Stelle möchte ich allerdings nicht auf sämtlich Aspekte des Code-Switching eingehen; ich verzichte also auf generelle Überlegungen zur Sprachwahl zwischen zwei Sprechern, wie sie von Boix als «seleccions de codi» bzw. «tries de codi» (1993, 20ss.; cf. 2.2.3.) bezeichnet werden, da die Grundsprache des Korpus das Katalanische ist. Lediglich in der medialen Jugendsprache finden sich Beispiele mit Gästen in einer Talkshow (TELE13), die in der Kategorie der Codewahl betrachtet werden könnten. Hier spricht der eingeladene Gast stets Spanisch, der Moderator hingegen zunächst Katalanisch (vor Beginn des nachstehend zitierten Beispiels), wechselt dann aber ins Spanische: TELE13 A: eh::(..0,7) estic/ estic bastant intrigatCarlitos/ no jo(.0,3) sinó tota la població/ què és tot això/ (..0,5) D: pues nada:había montado esto/ para hacer un rollo/ en plan:-
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en plan:unplug\ B: un plug/ D: un plug o dos plugs/ no noperdón P: @@ D: no nopara montar en plan acústico\ así:\ un:B: ah: tútú quieres decir{(e)[‹nplgd]} D: sí bueno/ P: es que me ha salidome ha salidocon el idioma del xx/ así:un poquillo\
Stattdessen gehe ich an dieser Stelle mit Bezug auf das Korpus auf das ein, was bei Boix die «alternances de codi» sind, die inter- oder intraphrasalen Wechsel im Gespräch, vor allem diejenigen in der Funktion des Zitierens, Eröffnens und Beschließens der Dialogsequenz. Kurze Erwähnung finden auch die «barreges de codi», die Sequenzen, bei denen es aufgrund der intensiven Mischung fast unmöglich ist, die Grundsprache auszumachen (cf. Boix 1993, 21s.) und welche somit Grenzüberschreitungen darstellen (cf. Wieland 2006b). In einem weiteren Schritt zu Unterscheidung von Code-Switching-Phänomenen gegenüber Ad-hoc-Entlehnungen bzw. von diesen gegenüber Entlehnungen legen Poplack/Sankoff (1988) vier Strategien fest. Diese stehen nach Meinung der Autoren bilingualen Sprechern zu Verfügung, ohne dass sie dadurch beim «Mischen» von Sprachen agrammatikalische Äußerungen produzieren. Es handelt sich um a) flüssige Übergänge (smooth) mit struktureller Äquivalenz, b) gekennzeichnete Code-Switchings (flagged), c) das bewusste Einsetzen von Elementen, d) Ad-hoc-Entlehnungen (nonce borrowings). Bei b) wird gegenüber a) der Gesprächsfluss unterbrochen, so dass keine syntaktische Anpassung der Code-Switching-Sequenz notwendig wird. Schwierig zu unterscheiden sind hier die Fälle isolierter Lexeme, die in den Sprechfluss eingebaut werden, aber ohnehin schon den grammatikalischen Erfordernissen von beiden Sprachen genügen, wie das beim Vergleich Spanisch-Katalanisch häufig der Fall ist (cf. 2.2.4.). Folgende Beispiele aus dem Korpus belegen das: PREM32 i dels 10 primers 8 eren triunfitos.
350
PREM26 poden assessorar a qualsevol interessat de com va aquest «mundillo» i com a mínim si llavors et vols deixar petar, ja no podràs dir que no et van avisar TELE40 A: la Montse Soler l’hem enviat ara/ que intenti enrotllar el disc-jòquei una altra vegada\ (...) ojo ojo ojo la Montse\ (...) TELE15 A: això és villancico/ del Jingle Bells TELE24 B: que vénen i punto\ TELE13 E: em van deixar sense re(..0,4) bueno/ sense reamb una ampolla de gasolina/ i un mechero/ P: @@ TELE28 ((gesungen)) alle: un cuba:no/ un cuba:no nosaltres volem un cubanoJOVE38 la noia amb la que anàvem agafamentre anàvem caclar nosaltres dos/ amb una cara d’acojone ahí @@ {(@) i anàvemacollonits perduts no/} JOVE5 C: sí és com una mena de xatperò:: A: és a un paso directo
Die Funktionen dieser Elemente sind zahlreich und bei einigen ist nicht auszuschließen, aber auch nicht zu überprüfen, ob es sich nicht um individuelle Interferenzen handelt, die hier nicht weiter untersucht werden sollen. Bei PREM32 liegt beispielsweise die Zitatfunktion der spanischsprachigen 351
Quelle im Vordergrund; bei dem Beispiel aus JOVE5 ist ein Bezug zur Eigendarstellung diverser Chat-Programme gegeben, die mit dem Slogan «paso directo» werben – es liegt also die Bricolage-Technik (cf. 4.6.) vor. Das Beispiel aus TELE28 hingegen lässt vermuten, dass das Code-Switching stattfindet, weil mit dem Lexem cubano eine Person spanischer Muttersprache verbunden wird. In anderen Fällen (TELE13 und 15) ist hingegen nicht zu erkennen, ob der Sprecher über die eingefügten Elemente normalerweise immer auf Spanisch spricht und sie daher in dieser Sprache nennt oder ob das Code-Switching nicht auch eine «Lernerinterferenz» sein könnte und das Nennen von villancico und mechero aus Unkenntnis der katalanischen Entsprechungen erfolgt. Aufgrund der schwierigen und m.E. auch nicht unbedingt nötigen Unterscheidung von smooth und flagged Code-Switching möchte ich, wenn überhaupt, vor allem eine Unterscheidung zwischen den oben mit b) und c) bezeichneten Fällen machen. Unter dem bewussten Einsetzen von Elementen der anderen Sprache sind die Fälle zu verstehen, in denen bewusst Zitate eingeführt und als solche kenntlich gemacht werden, z. B. durch direkte Redeeinleitungen wie diu, dice, etc., bzw. im Fernsehen durch das bewusste Imitieren von Personen mit spanischer Muttersprache (cf. auch TELE21, 22; hier werden wiederholt spanische Politiker imitiert). JOVE7 A: a no ser que siguin coses com lo de la guerra\ B: si que diuen així buenoallà:: hacia allà fins aquíA: [xxx que està pasando] JOVE7 D: encara és més injustque laque la gent ignorant xxxnos van a quitar el trabajo\ (..0,8) que trabajo/ senyorausted no quiere aquest\ JOVE12 uns nois/ i diuen:em:danos el móvil\ (.0,3) i ho van dir alsals dos nois\ que els hi van xxxx/
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i:: la meva amiga i jo/ vam xx corrent\ JOVE40 M: (.. 0.91) i clar els civi:ls al final van dir bueno\ iros para la playa: y hay hacer toda la juerga que queráis no/ total vem anar a la platja i ens vem quedar sobat(s)\ @[@@@] B: [{(P) @@@}] (...) M: l’altre era en planque te has droga(d)o: que no sé qué:(.. 0.66) y:y qué ejemplo le das a mi hijo: al:(.. 0.38) su hijo que té: (.. 0.36) vint anys també veus(.. 0.55) al seu fill no el deixava sortir fins la una:(.. 0.54) com a molt un dia al me:s(... 2.15) {(M fuma) una penya molt radical\}
In den Beispielen fällt auf, dass das Code-Switching in den zitierten Sequenzen meist dazu herangezogen wird, eine negative Erfahrung (cf. JOVE12, 40) oder die negativen Charakterzüge von Personen (cf. JOVE7) darzustellen. In anderen Fällen werden die Zitate spanischer Äußerungen dazu benutzt, bestimmte Personenkreise zu diffamieren bzw. als lächerlich darzustellen, so wie es in TELE21 und 22 mit spanischen Politikern geschieht. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass in TELE21, 22 und 25 zum imitierten Zitieren ausländischer, meist US-amerikanischer Politiker ebenfalls das Spanische und nicht das Katalanische herangezogen wird. Hier stellt sich die Frage, über deren Antwort an dieser Stelle aufgrund nicht ausreichender Daten nur spekuliert werden kann, ob das bewusste Zurückgreifen auf das Spanische an dieser Stelle zur Distanzierung und auch zur Ridikulisierung der entsprechenden Äußerungen beitragen soll. Neben den explizit einfügten Zitaten finden sich auch zahlreiche «verstecktere», die nicht durch Redeeinleitung eingeführt werden, aber dennoch gut als Zitate erkennbar sind: TELE12 B: per parlar ambJerry Franks/ {(E)Jerry Franks/ que és comandant segonde l’ofensiva anglo-americana/ i germà de: {(E)Tommy Franks\ Tommy Franks-
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Jerry Franks\ més coneguts com:/ los malditos rolladores/ P: @@@ JOVE40 M: i: l’altra gent et trobes i:(. 0.19) a vamos a hacer una cerveza\ i has d’estar parlant de la feina: i de tot no/ JOVE3 B: home, hi ha molta: gent que estava encanvull dir ara clar que queda no xxx no podem dir eh em eh {(AC)que están enamorados de nosotros}no/ A: @@@ K: [@@@] B: {(@) no} però si que ja tenim tenim molt molt de suport per la gent del barri\ JOVE6 A: és quequan s’acaba el carnet jove/ a laC: alsals vinticinc\ pels vintiara han tret un altre carnetque és per majors de vinticinc\ A: para que tinguis carnetaún joven no/ PREM30 Berlín, mon amour
In diesem Zusammenhang interessant ist das Beispiel aus JOVE40, in dem der Sprecher seine Bekannten zitiert; innerhalb des Code-Switching ins Spanische findet sich eine Interferenzerscheinung aus dem Katalanischen (hacer una cerveza statt tomar una cerveza aufgrund des Katalanischen fer una cerveza, un café, etc.). In den letzten beiden Zitaten (JOVE3, 6) beziehen sich die unterstrichenen Teile im Gegensatz zu den vorherigen Zitaten nicht auf Äußerungen einer oder mehrerer konkreter Personen, sondern sind aus der Werbung übernommene Elemente (z. B. aus den Anzeigen für die Tarjeta Joven – Euro>26) – man könnte also hier durchaus auch von Bricolage-Technik (cf. 4.6.) sprechen. Gleiches gilt für das Zitat aus PREM30, das den Titel eines Buches von Marguerite Duras, Hiroshima, mon amour, nachahmt. Diese Reihe könnte mit dem Aufzählen von Lied- und Filmtiteln (z. B. TELE11), weiteren Elementen aus der Werbung (cf. TELE7) oder auch dem Zitieren von Eigennamen bzw. dem Vorlesen von Mitteilungen oder Briefen auf 354
Spanisch (cf. TELE9) und dem Zitieren entsprechender Elemente daraus fortgesetzt werden. Bewusstes Code-Switching wird von den Sprechern selbst teilweise so eingeführt, dass sie vorangegangener Äußerungen ins Katalanische übersetzen. Da m.E. aufgrund der Bilingualität der Sprecher nicht davon auszugehen ist, dass dies aus Gründen der besseren Verständlichkeit geschieht, haben diese Sequenzen evtl. die Funktion, das Gesagte hervorzuheben. Beispiele finden sich sowohl in der Medien- als auch in der Jugendsprache: TELE8 ànimes bessones – almas gemelas JOVE4 C: @@ Andreu Buenafuente/ que és és un: és un showman no/ que quesigui:: C: @ B: @ B: arriba de tot\ A: sí: arriba de tot\ exactede todo que estàencara tenim sort de tenir algú així\
Übersetzungen dieser Art können aber auch, wie ein Beispiel aus dem Medienkorpus zeigt, zu interessanten Diskrepanzen führen. In TELE8 ist z. B. die Rede vom intérfono, eingebettet in katalanische Syntax; in den Untertiteln für Gehörlose findet sich aber das katalanische intèrfon. Darüber hinaus werden (fiktive) Übersetzungen in andere Sprachen auch spaßeshalber für Sprachspielereien verwendet. Folgendes Beispiel zeugt davon und verbindet in einer Sequenz Code-Switching zwischen dem Katalanischen, dem Spanischen und dem Englischen: TELE12 G: però ja lo vemos acojonado[hi: iz ’veri a’koxoneitid]\
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die nur im Fernsehen auftretende Erscheinung von längeren unübersetzten Sequenzen in anderen Sprachen als dem Spanischen oder Katalanischen. Dies ist besonders der Fall bei japanischen Manga- und Animé-Filmen und den Werbungen dafür (cf. TELE19, 32 und 33). Titel, Zwischentitel und Lieder sind in japanischer Sprache bzw. in japanischen Schriftzeichen und erhalten oftmals nicht die sonst so 355
häufige Untertitelung. Oft handelt es sich auch um kulturell bedingte Erscheinungen, die schwer zu übersetzen wären und bei der großen jugendlichen Fangemeinde der Sendungen als bekannt vorausgesetzt werden (cf. INFO1). Teilweise sind es aber auch Kose- bzw. Anredeformen (besuci, casum dena, PREM41) und Interjektionen (mutis!, PREM41). TELE30 A: la poció que el Tamahome s’han passat no era sols una droga(..0,4)) era feta de kodoku\ (…1,0) B: kodoku/ A: si ho anomenéssim una maledicció potser li seria més entenedor/ sacerdotessa\ JESC1 Perque Sen to Chihiro no kamukakushi manté tot el saber fer d’aquest autor que de ben segur que molts van conèixer amb La princesa Mononoke (..) PREM41 A qui li dius vell tu, besuci? PREM41 Perquè t’ho dic jo, casum dena T’he dit que no el vull a casa, casum dena!!
Neben den Zitaten und den Übersetzungen finden sich beim bewusst eingesetzten Code-Switching auch Floskeln zum Eröffnen oder Beschließen einer Gesprächssequenz. Blas Arroyo nennt als Beispiel hierfür Fernsehmoderatoren im País Valencià, die sich in Sendungen mit spanischer Grundsprache auf Katalanisch verabschieden (cf. 2000, 32). In den Korpusbeispielen gesellen sich zu spanischen Begrüßungs- und Abschiedsfloskeln auch Elemente anderer Sprachen: JESC5 Un petonet Un besazo One kiss TELE12 G: mira brotherlet me tell you brother PREM21 See you later, nens PREM25 Here are the facts you requested PREM37 Be cool, si pots
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PREM30 Ei nens, how are you? PREM9 That’s all folks
Das Code-Switching ist ein für die Jugendlichen wesentlicher Faktor in ihrer täglichen Kommunikation. Häufig werden hierbei, wie man in den Korpusbeispielen feststellen kann, die Code-Switching-Elemente bewusst und in reduzierter Zahl eingebracht. Beispiele für «barrega de codi» (cf. Boix 1993, 21s.) finden sich im Korpus selten und eigentlich auch nur in der mündlichen Jugendsprache. Hierzu wären zahlreiche Sequenzen des Sprechers in JOVE40 und des Sprechers C in JOVE8 zu zählen. Als Grund hierfür kann mit großer Sicherheit die Tatsache gelten, dass die Sprecher sich auf Rückfrage hin als eher castellanohablantes bezeichnen (JOVE8) bzw. in ihrer Alltagskommunikation wenig Katalanisch sprechen (JOVE40).
5.3. Zusammenfassende Darstellung der Unterschiede zwischen den Teilkorpora zur Jugend- und Mediensprache In der vorangegangenen Korpusanalyse wurde aufgezeigt, auf welch unterschiedliche Weise Medien- und Jugendsprache mit Entlehnungen umgehen bzw. an welchen Stellen Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen in beiden Teilen bezüglich entlehnter Elemente auftreten. Aufgrund der Fülle der Information erscheint es mir sinnvoll, die behandelten Phänomene in einer direkten Gegenüberstellung kontrastiv zusammenzufassen. Von einer unnatürlichen Durchsetzung der katalanischen Jugendsprache mit Anglizismen, wie sie in vielen Sprachen befürchtet wird (cf. Riquelme 1998 für das Spanische; Gómez Capuz 1997 für das Katalanische), ist nach Analyse des Korpus eher nicht auszugehen. Es fällt hingegen auf, dass die Mediensprache eine Vielfalt an Anglizismen hervorbringt, die in der Jugendsprache nicht in Erscheinung treten. Deutlich wird dies an den detaillierten Bezeichnungen verschiedener Musikstile (cf. 5.2.1.1.1.), Ton- und Datenträgern (cf. 5.2.1.1.8) oder allgemein bei den technischen Feinheiten der modernen Kommunikationsmedien (cf. 5.2.1.6.).51 Die Jugendlichen nutzen, aufgrund von Leerstellen für Bezeichnungen im Katalanischen zwar auch Anglizismen, um über Musik, Computer oder
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Weitere Beispiele für Anglizismen in den Medien sind z. B. die Bezeichnungen von illegalen Aktivitäten am Computer (cf. 5.2.1.6.1.), die in der Medien-, jedoch nicht in der Jugendsprache erscheinen. Genauso ist an dieser Stelle die Tendenz der Medien zu nennen, für manche Musikstile wie techno oder house (cf. 5.2.1.1.1.) nur die Anglizismen zu verwenden, wohingegen die Jugendlichen verstärkt auf spanische bzw. katalanische Lexeme wie màquina zurückgreifen.
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Sport zu sprechen, verwenden hierbei allerdings meist nur die Hyperonyme oder die von ihnen zu Hyperonyme gemachten Hyponyme, z. B. pop, rock, software oder fan. Häufiger noch weichen sie sogar auf katalanische Begriffe wie programa (statt software) oder pel·li (cf. JOVE12a, statt film, cf. PREM10, 12) aus. Diese Reduktion auf Hyperonyme gleicht der von Payrató (1990, 110; 117) beschriebenen Tendenz in der Umgangssprache, «Passepartoutwörter» wie u. a. auch fer und fotre (cf. 5.2.1.9.8.) zu benutzen. Dass die Medien diesbezüglich auf eine differenziertere Lexik zurückgreifen, ist zum einen auf das Bewusstsein der Sprecher, Korrektoren52 und Produzenten um den Sprachauftrag der katalanischen Medien (vor allem in nicht spontanen Äußerungen, cf. INFO1, 4) zurückzuführen. Zum anderen spielt besonders bei den Musikstilen die Tatsache eine Rolle, dass es sich bei den analysierten Materialien teilweise um Musikzeitschriften und -programme handelt (cf. PREM5, 6, 10–18, 23, 26–37; TELE35–40), die «fachsprachliche» Begriffe einsetzen. Die häufigere Verwendung von Anglizismen in der Mediensprache als in der Jugendsprache ist außerdem auf das Bestreben nach vermeintlicher Authentizität bzw. dem versuchten Setzen neuer Trends zurückzuführen. Die hohe Frequenz an Fachvokabular führt aber teilweise auch zu enigmatischen Formulierungen, zur Verwendung von «Luxusentlehnungen». Dies ist z. B. der Fall bei staff (cf. PREM11, cf. 5.2.1.5.1.) oder bei Begriffen wie adware bzw. bootlegs (cf. PREM32; cf. 5.2.1.6.1.), die einer zusätzlichen Erklärung bedürfen. An ihnen wird deutlich, wie die Medien dazu beitragen, den allgemeinen Wortschatz – sei es nun sinnvoll oder nicht – zu ergänzen. In vielen Fällen wird an der Korpusanalyse allerdings deutlich, dass diese Innovationen seitens der Medien bei den Jugendlichen (noch) nicht im aktiven Wortschatz angekommen sind. Bei vielen der fachsprachlichen Begriffe herrscht also ein Ungleichgewicht zwischen beiden Korpusteilen, in dem die Medien als sprachlich innovative Kraft, die Jugendlichen hingegen eher zurückhaltend gegenüber Neuerungen aus dem Englischen erscheinen. Dieser Eindruck wird bei der Analyse der morphosyntaktischen und phonetisch-phonologischen Ebene verstärkt, da die Sprecher im katalanischen Fernsehen, mehr als die Jugendlichen, versuchen, sich bei der Übernahme von Anglizismen an die englische Aussprache anzupassen. Auch in der Morphosyntax fällt auf, dass die Medien z. B. bei Endungen (rapper, cf. 5.2.2.2.1.)
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Viele sprachliche Normalisierungsbestrebungen werden in den katalanischen Medien durch Korrektoren koordiniert. Die Mediengruppe Televisió de Catalunya, zu der auch der Sender TV3 gehört, verfügt über eine Commissió de Normalització lingüística; die private Gruppe Flaix leistet sich ein bis zwei Korrektoren. Bei den meisten Sendungen, vor allem denjenigen mit nicht spontaner Moderation, wird das Skript auf seine sprachliche Richtigkeit überprüft, da die Medien sich ihrer tragenden Rolle bei der Verbreitung und Konsolidierung der katalanischen Sprache in der Gesellschaft bewusst sind.
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die englische Endung beibehalten, die der katalanischen entspricht. Die Jugendlichen bevorzugen anders als die Medien die spanischen Derivationsund Flexionsendungen für Personen bezeichnende Substantive oder emotional wertende Adjektive (rapero, cf. 5.2.2.2.1.). Die Übernahme dieser und anderer Lexeme aus dem Spanischen durch die Jugendlichen in den semantischen Feldern Musik und Computer ist nicht weiter erstaunlich. Sucht man nach entsprechenden Publikationen der Musikpresse bzw. nach Computerprogrammen auf Katalanisch, so lässt sich zwar eine Steigerung des Marktanteils in den letzten 10 Jahren nicht abstreiten, doch gegenüber der Menge an spanischsprachigen Publikationen ist ihre Anzahl gleichwohl eher unbedeutend. Dieser wichtige Faktor wird auch von den Informanten des Korpus angesprochen, die sich darüber lustig machen, dass es eigentlich keine Jugendzeitschriften auf Katalanisch außer der von ihnen als «Kinderkram» belächelten Revista dels Súpers gibt:53 JOVE5 has de saberon puc trobar aquesta revistaon puc trobar aquella revista/ però arribar a un quiosc normal i trobar-te una revista catalana/ B: {(@)hi ha el Club Super 3}A: @@@ C: [@@@]
Ähnlich wie in der Mobilfunktechnologie (cf. Racó Català 2005a und b) erreichen viele Entwicklungen die katalanische Sprache verspätet, so dass die Nutzer, freiwillig oder unfreiwillig, auf Produkte mit Funktionen und Gebrauchsanleitungen in spanischer Sprache ausweichen müssen, wenn sie die technische Neuerung nicht «verpassen» wollen. Dies führt in sprachlicher Hinsicht dazu, dass entsprechende Bezeichnungslücken, wie sie durch die fehlende Übersetzung und das damit fehlende Modell im Katalanischen entstehen, entweder durch den Anglizismus oder häufig von den Sprechern durch die spanische Entlehnung desselben aufgefüllt werden. Setzt schließlich die Katalanisierung der entsprechenden Produkte mit der entsprechenden Verzögerung, welche die Entwicklung entsprechender Modelle durch sprachregulierende Institutionen (cf. Termcat)54 mit sich bringt, ein, so treten zwei grundlegende Probleme auf. Zum einen handelt es sich beim mündlichen
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Das Fehlen von entsprechenden Publikationen auf Katalanisch wird auch von den Medien selbst kommentiert. So schreibt z. B. El País: «Nos faltan revistas ‹rosas› y pornográficas en catalán para ser un mercado normal. […] No es que yo sea un defensor de este tipo de publicaciones, pero cualquier espacio comunicativo lingüístco los incluye […] (Cendrós 2003). Cf. entsprechende von Termcat entwickelte Wörterbücher wie das Nou diccionari de neologismes (Termcat 2001a) oder auch Richtlinien zur Übersetzung von Eigennamen bzw. zur Pluralbildung der Entlehnungen (Termcat 1990, 1992, 2005).
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Sprachgebrauch im Allgemeinen um einen schwer von außen kontrollierbaren Bereich, in dem eine Einmischung mittels sprachpolitischer Instrumente von den Sprechern als inadäquat empfunden und somit abgelehnt wird. Zum anderen hat sich der Sprachgebrauch mit den entsprechenden Kastellanismen oder auch Anglizismen schon derartig verfestigt, dass eine Umgewöhnung äußerst schwierig zu erreichen ist (cf. Sinner/Wieland 2008). Generell fällt auf, dass im mediensprachlichen Teil des Korpus die Annäherung an jugendkulturelle Erscheinungen gesucht wird. Diese werden mit den zugehörigen sprachlichen Bezeichnungen neutral oder explizit positiv dargestellt, vor allem, wenn es sich um Beispiele aus verschiedenen Musikszenen handelt (rapper, TELE36; cf. 5.2.1.1.6.). Es fällt aber auf, dass manche in der Jugendsprache geläufigen Erscheinungen fehlen. Hier ist vor allem das von den Jugendlichen häufig genannte Konzept pijo anzuführen, das die Medien, wohl auch aufgrund der Tatsache, dass das Adjektiv einen Kastellanismus darstellt, nicht erwähnen (cf. 5.2.1.1.3, 5.2.1.3.2.). In der Jugendsprache sind jugendkulturelle Konzepte wie pijo, rapero, maquiner(o) oder fatxa (cf. 5.2.1.9.2.) viel häufiger vorhanden und auch wertend gebraucht als in der Mediensprache. Bei den Jugendlichen laufen somit verstärkt Kategorisierungsprozesse ab; sie sind oft emotionaler in ihren Wertungen und schneller als die Medien bereit, diese – vor allem in der gesprochenen Sprache – abzugeben (cf. JOVE38, 42). Die durch die Kategorisierung oftmals bezweckte und erfolgte Abgrenzung wird nicht nur gegenüber anderen jugendlichen Einzelpersonen bzw. Gruppen, sondern auch gegenüber den Medien erreicht (cultura de la basura, cf. JOVE6; cf. 5.2.1.9.3.). Prägnantestes Beispiel für den komplizierten Umgang mit Kastellanismen sind die pragmatischen Marker. Erscheinen Elemente wie vale oder bueno in der Mediensprache nur vereinzelt oder bewusst als stilistisches Mittel (cf. vale in TELE2–11; cf. 5.2.1.12.), so ist die Nutzung dieser Interjektionen durch die katalanischen Jugendlichen eines der auffälligsten Merkmale ihres Sprechstils (cf. 5.2.1.12.). Sie können m.E. als typisch für die Sprechweise der jugendlichen Informanten des Korpus gelten, vor allem, wenn man vom Sprechstilkonzept von Jugendsprache ausgeht und den stilistischen Gebrauch dieser Elemente untersucht (cf. 4.3.3.). Sie heben sich vor allem durch ihre Gebrauchsfrequenz ab, aber auch durch die Tatsache, dass sie besonders in sehr stark nähesprachlich und emotional geprägten Kontexten auftreten (cf. JOVE38, 40).55
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Im Zusammenhang mit der soziolinguistischen Varietätenforschung handelt es sich hierbei um so genannte «Marker» (im Gegensatz zu den Indikatoren; cf. Baylon 1996; Dittmar 1997), d.h. Variablen, die nicht nur gruppenspezifische Merkmale darstellen, sondern gleichzeitig auch vom Sprecher je nach Diskurstyp unterschiedlich häufig und bewusst eingesetzt werden. In vielen Fällen wirken diese «Marker» stark kennzeichnend, d.h. sie dienen der Kategorisierung der Sprecher durch andere Personen.
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Die Medien befinden sich bezüglich des Gebrauchs der pragmatischen Marker in einem Konflikt, der das Spannungsfeld zwischen Norm und Autonomie widerspiegelt. Aufgrund der Tatsache, dass Lexeme wie bueno vielen Autoren und auch der normativen Grammatik nicht nur als Kastellanismen, sondern somit – negativ konnotiert – auch als zu vermeidende Fehler gelten, sehen sich die Medien gezwungen, diese zu vermeiden, wollen sie ihrer Rolle als Sprachpfleger gerecht werden (cf. INFO1, 4; Bassols 1997). Gleichzeitig deuten Verwendungen wie die von vale in TELE2–11 darauf hin, dass die Medien die pragmatischen Marker als jugendspezifische Äußerungsform erkannt haben und diese zur Annäherung an das jugendliche Publikum einsetzen. Die gewählte Lösung, nämlich die Zuschreibung des Lexems vale zu einer einzigen Person und der unnatürlich häufige Gebrauch durch diese tragen m.E. allerdings nicht zu einem normalisierten Umgang mit Sprachkontaktphänomenen wie diesen bei. Der pragmatische Marker vale wird durch den übertriebenen Gebrauch genauso wie durch sein Fehlen in anderen mediensprachlichen Äußerungen als inkorrekt «stigmatisiert». Der Umgang mit den Kastellanismen zeigt, dass seitens der Medien eine unbewusste Distanzierung von der Jugendsprache stattfindet. Sie vermeiden bestimmte Elemente nicht, weil sie jugendsprachlich sind, denn Jugendsprachlichkeit erscheint an sich in den für die vorliegende Arbeit ausgewählten Programmen als ein positiver und dem Erfolg des jeweiligen Programms zuträglicher Faktor (cf. INFO1, 4). Die Selbsteinschätzung der Sprachbeauftragten der konsultierten Sender bezüglich der Jugendsprachlichkeit ihrer Jugendprogramme weicht allerdings in einigen Bereichen von der Realität ab.56 Dies ist vor allem der Fall, wenn die jugendsprachlichen Elemente mit «echten» oder vermeintlichen Kastellanismen koinzidieren – vor allem mit solchen von geringem Assimilierungsgrad und somit gut als Kastellanismen erkennbar. Sie werden unter Berufung auf sprachliche Reinheit vermieden. So zählen z. B. Lexeme wie xungo, welches auch im Korpus unter den Jugendlichen stark verbreitet ist, als vermeidbar: «El terme xungo és un castellanisme i hem de procurar evitar-lo» (Salvanyà 2003, 28). Hier entsteht ein vorprogrammiertes Dilemma, da sich die Medien unbewusst von der Jugendsprachlichkeit, die sie eigentlich anstreben (cf. INFO1,
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Dies kann beispielsweise sehr gut an dem mir vom Servei Lingüístic der Sendeanstalt TV Catalunya zur Verfügung gestellten Wortliste «Recull d’argot i vocabulari popular catalans» (Bentanachs Sanz o.J.) überprüft werden. Die Liste mit Definitionen der einzelnen Begriffe und Verweisen auf deren Erscheinen in anderen katalanischen Wörterbüchern wurde von Praktikanten des Servei Lingüístic zusammengestellt und dient nach Aussage der Direktorin des Sprachdienstes, Anna Agulló, u. a. als Hilfsmittel bei der Bearbeitung von Drehbüchern bzw. der Vorund Nachbereitung von Sendungen (cf. INFO1). In den für das vorliegen Korpus analysierten Aufzeichnungen finden allerdings nur die wenigsten der aufgelisteten Vokabeln und darunter vor allem diejenigen, die auch in anderen katalanischen und spanischen umgangssprachlichen Wörterbüchern verzeichnet sind, Eingang.
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4), distanzieren. Es ergibt sich «zwangsläufig» aus dem sprachlichen Auftrag, den die katalanischen Kommunikationsmedien (hier das Fernsehen) für sich festgesetzt haben und liegt in der «doble responsabilitat que té la televisió en la difusió dels models lingüístics: d’una banda, presentar amb tota normalitat l’ús de la llengua en unes situacions fins ara ben poc habituals i presentar-la, a més, per mitjà d’una llengua adequada a cada situació; d’una altra, difondre un model de llengua que, des de la pròpia modalitat estàndard, tendeixi a la confluència amb altres modalitats.» (Bassols 1997, 16)
Das angesprochene Modell ist aber, wie auch die Korpusanalyse beweist, nach wie vor stark am präskriptiv-normativen Standard orientiert. Die sprachliche Korrektur erfolgt hier vor allem auf der phonetischen und der lexikalischen Ebene und reicht von der Überarbeitung von Drehbüchern bis hin zu nachträglich geäußerten Ratschlägen bei «Fehlern», welchen den Moderatoren in spontanen Sendungen unterlaufen (cf. INFO1, 4). Das korrektive Eingreifen geschieht wiederum aus dem sprachlichen Auftrag heraus, zwar eine Reflektion der Realität anzustreben, aber dennoch dem jugendlichen Publikum auch «korrekte» Modelle präsentieren zu wollen (cf. INFO1). Elemente aus der Umgangssprache finden in den Medien ebenfalls wesentlich weniger Beachtung als bei den Jugendlichen. Die Medien nutzen die Umgangssprache, bzw. die Vulgärsprache, wenn sie diese verwenden, als bewusst eingesetztes stilistisches Mittel, um zu schockieren oder um Emotionen wie Lachen zu erzeugen (z. B. pots còrrer amb una elegància que t’hi cagues, cf. TELE22). Das Problem, das sich hier wiederum stellt, ist die weit verbreitete Meinung, die Umgangssprache sei zu stark kastellanisiert (el carrer és farcit d’argot castellà, cf. INFO4; cf. auch Bassols 1997, 15). Salvanyà (2003, 26) warnt zudem davor, dass in vielen Programmen, vor allem Sendungen mit spontanem Sprachgebrauch wie Talkshows, aber auch in den Serien des katalanischen Fernsehens, eine zu starke Anpassung an die kastellanisierte Umgangs- und Vulgärsprache bestehe. Daher rührt die Tendenz, entsprechende katalanische Versionen, besonders auch für Phraseologismen zu suchen (cf. INFO1, 4, 8), die aber vielfach veraltet oder lächerlich wirken. Ein Beispiel hierfür kann in dem von Salvanyà dargestellten Onomatopoem putrum, putrum gesehen werden, welches der Radiosender Flaix FM mit vorwiegend jugendlichem Publikum (meist unter 25 Jahren, cf. INFO4) als Synonym für den Musikstil dance kreiert hat (Catalunya fa putrum, putrum, cf. 2004, 27). Dieser steht in Kontrast zu den in der Korpusanalyse beobachteten Bestrebungen der Medien, besonders im Bereich der Musik, Fachkompetenz durch Einsetzen von entsprechendem Vokabular unter Beweis zu stellen (cf. 5.2.1.1.1.).57 Zwar verwenden die Ju-
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Dieses pauschale Ablehnen jeglicher Form von Anglizismen oder auch Kastellanismen ist auch eine Form von Unausgewogenheit, die beim Einfluss von fremdsprachigen Elementen entstehen kann. Thielemann beschreibt eine solche Unausgewogenheit, allerdings für den umgekehrten Fall der zu starken Übernahme, als
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gendlichen auch Onomatopoetika zur Beschreibung ähnlicher Musikstile (cf. JOVE7; cf. 5.2.1.1.1), allerdings beinhalten die Lautmalereien, wie zu beobachten ist, immer eine negative Wertung. Wenn die Jugendlichen den Musikstil über Onomatopoetika beschreiben, dann eher, weil sie das so herausgestellte Merkmal, wie die Lautstärke und den sich wiederholenden gleichmäßigen Bass bei bumbumbum (cf. JOVE7), ablehnen. Was den kreativen Umgang mit Sprache betrifft, so ist die Frage nach Abschluss der Korpusanalyse berechtigt, ob die hier dargestellte Jugendsprache wirklich so kreativ gestaltet ist und so viele Neologismen aufweist, wie dies von Jugendsprache im Allgemeinen immer behauptet wird (cf. Zimmermann 2004). Die Jugendlichen verwenden relativ wenige Wortschöpfungen, die nicht in katalanischen oder spanischen Wörterbüchern erfasst sind. Daneben setzen sie einige Onomatopoetika ein (cf. JOVE5) oder kreieren Phraseologismen wie a tota pastilla (cf. JESC1) oder fer-li una púa a algú bzw. ficar-li a algú en un marro (cf. JOVE38).58 Die Medien, vor allem in ihren nicht spontanen mündlichen Äußerungen wie in der Serie Plats Bruts beispielsweise gehen wesentlich spielerischer mit Sprache um als dies die Jugendlichen tun. Hier existieren auch Kreationen auf der komplexeren Ebene der Morphosyntax, wie z. B. tupermaterialista (cf. TELE8), frac xandall (cf. TELE12) oder reimende Sprachspiele wie més jazzie que no pas folie (cf. PREM12) bzw. witzig gemeinte Kombinationen wie un punk’n’roll cerveser (cf. PREM35). Die bewusst falsche Verwendung an manchen Stellen (cf. birries statt birres, TELE6), die dazu dient, ihren Sprecher als nicht mehr jugendlich darzustellen, macht aber gleichzeitig auch die Grenzen von Sprachspielereien und ihren gruppenkonstituierenden Charakter deutlich. Der Benutzer des Lexems wird bewusst aus der Gruppe der Jugendlichen ausgeschlossen. Die Medien übernehmen also gemeinsam mit sprachlichen Elementen hier bewusst Verfahren der jugendlichen Gruppenkonstitution, um diese auf die in der Serie dargestellten Personen und Gruppenkonstellationen zu übertragen.
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«Krise», die eintritt, «wenn die regulierenden Mechanismen der Sprache nicht in der Lage sind, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen technologischen, kulturellen und politischen Innovationen und deren nationalsprachlichen Nominationen herzustellen und somit in zunehmendem Maße gezwungen sind, amerikanische Benennungen zu übernehmen» (2003b). Daneben zeigen sich die Jugendlichen aber besonders kreativ im Umgang mit ideophonematischen Graphien, vor allem in von ihnen verfassten E-Mails oder SMS-Nachrichten (cf. Wieland 2006b). Diese Art zu schreiben wird von den katalanischen Medien, z. B. in der Pressesprache nicht bzw. nur sehr wenig aufgenommen (makiner, cf. PREM20). Die audiovisuellen Medien verzichten auch zu einem Großteil darauf – so z. B. in der Sendung 3xl.net des Senders TVCatalunya, in der von Jugendlichen an den Sender geschickte SMS-Nachrichten verlesen und gezeigt werden, allerdings meist unter Veränderung der ideophonematischen Graphie hin zur einer standardisierteren Orthographie (cf. INFO1).
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Diese Darstellung soll allerdings nicht den Eindruck hinterlassen, die katalanischen Jugendlichen, deren Sprache für das Korpus aufgezeichnet wurde, seien somit sprachlich völlig am Standard orientiert. Dass dieser Eindruck entstehen kann, ist darauf zurückzuführen, dass in Barcelona, wie man in Graphik 4–1 sehen kann, in bestimmten Stadtteilen ein weitaus höherer Anteil an Sprechern des Katalanischen bzw. eine höhere Gebrauchsfrequenz des Katalanischen in nähesprachlichen Situationen gegeben ist als in anderen Stadtteilen. Meist sind dies Stadtteile, in denen auch finanziell besser situierte Familien leben, auch wenn diese Feststellung nicht verallgemeinert werden sollte. Diese Situation wirkt paradox, geht man davon aus, dass die Umgangssprache und somit auch Jugendsprache ja vielfach als Substandard gilt (cf. Holtus/Radtke 1990), finanziell besser situierte Familien der (oberen) Mittelschicht generell aber eher zu einem dem Standard angenäherten Gebrauch neigen (cf. Dittmar 1997). Sucht man allerdings jugendliche Informanten aus niedrigeren sozialen Schichten in Barcelona, so ist man schnell mit dem Problem konfrontiert, dass außerhalb des schulischen Kontexts, d.h. in ihrer jugendlichen Umgangssprache untereinander, das Spanische überwiegt. Die Jugendlichen zeigen nicht die vielleicht zu erwartenden Ausmaße an sprachlicher Kreativität oder eine übermäßig große Bereitschaft zur Übernahme von Anglizismen. Sie gehen aber viel sorgloser mit Sprache um, als die Medien dies tun können oder wollen. Die Jugendlichen verwenden eindeutig häufiger und auf natürlichere Weise Kastellanismen – ein Verhalten, das vielen als Hinweis auf den Verfall der katalanischen Sprache gilt (cf. INFO1, INFO4, 5). So existiert z. B. bei den Korrektoren katalanischer Jugendmedien (cf. INFO1, 4) durchaus die Meinung, es gebe fast keine katalanische Jugendsprache mehr. Begründet wird dies zum einen mit einer Auffassung von Jugendsprache als reinem Fundus von Neologismen, allerdings nur solchen, die mit Mitteln des katalanischen Systems geschaffen werden. Entlehnungen aus anderen Sprachen, wobei das Spanische hier meist als einzige Einflussquelle dargestellt wird, gelten als nicht authentisch (cf. INFO4, 9). Der sprachliche Auftrag der Medien wird vielfach darin gesehen, diese Tatsache zu ändern und in sprachlicher Hinsicht ein Vorbild zu sein, um zu zeigen, dass es möglich ist, mit Mitteln des Katalanischen gleiche Inhalte auszudrücken (cf. INFO4). Gleichzeitig treten in der Sprechweise der Jugendlichen auch mehr Interferenzen mit dem Spanischen auf. Das Problem, das sich hier stellt, liegt zum einen an der äußerst unterschiedlichen Bewertung dessen, was als Interferenz und was als Entlehnung gelten soll; zum anderen in der Bewertung des Maßes, in dem Entlehnungen als sinnvoll oder sinnlos, als nützlich oder unnütz, als sprachgefährdend oder sprachfördernd gelten dürfen. Mit Kastellanismen im Katalanischen ist der offizielle Umgang in den normativen Grammatiken äußerst restriktiv, manchmal sogar in dem Maße, dass die seit Jahrhunderten existierenden diatopischen Varietäten innerhalb des Katalanischen oder sprachgeschichtliche Entwicklungen nicht berücksichtigt werden (z. B. bei der Verwendung von lo oder anar a + infinitiu, cf. Casano364
va 2003; Lacreu 2002; Radatz 2003 etc.). Da die Medien stark an der Norm orientiert sind (cf. Bassols 1997), sind sie äußerst zurückhaltend in der Verwendung von Begriffen, die von den katalanischen normativen Grammatiken und Wörterbüchern als falsch definiert oder von diesen gar nicht erwähnt werden, weil ihr Gebrauch im Katalanischen als persönliche Interferenz einzelner Sprecher gilt. Dieser Umgang mit Sprachkontaktphänomenen trägt aber zu einer von den Sprechern als unnatürlich empfundenen Sprache bei. Von den Jugendlichen als normal und natürlich empfundene Phänomene wie die Endung {-ata}, pragmatische Marker wie bueno, Mengenangaben wie i pico oder die Angabe der halben Stunde mit i mitja statt dos quarts treten in der analysierten Mediensprache nicht auf. Sie werden, genauso wie lo, zu Recht oder zu Unrecht als Kastellanismen definiert (cf. Casanova 2001; cf. 5.2.2.1.) und im Sinne einer negativen Interferenz vermieden, obwohl einige von ihnen in manchen Bedeutungen bzw. syntaktischen Fügungen durchaus der katalanischen Norm entsprechen würden. Besonders deutlich wird dieses Phänomen am Umgang mit dem Derivationssuffix {-ej-} bei aus dem Englischen entlehnten Verben wie xatejar oder auch Neologismen, die auf interne Entwicklungen im Katalanischen zurückgehen wie telonejar (cf. 5.2.2.7.); das Suffix wird von den katalanischen Linguisten (cf. INFO5) oder von Korrektoren in katalanischen Medien explizit (cf. INFO4, 5) als Analogiebildung zum Spanischen abgelehnt. Auch die Analyse auf der phonetisch-phonologischen Ebene macht deutlich, wie schwierig der Umgang mit möglichen Kastellanismen im Katalanischen ist. Die von den Sprechern durch Assimilierung an die spanische Aussprache häufig geschaffene Homophonie katalanischer und spanischer Lexeme macht eine Unterscheidung bzw. Zuordnung einzelner Elemente zu der einen oder anderen Sprache teilweise unmöglich. Diese «Homophonie» wird durch die relative Ähnlichkeit beider Lautsysteme hervorgerufen, welche als Hinweis auf einen von Coseriu als Schwachstelle («punto débil», cf. 1962, 110) des Systems bezeichneten Faktor dienen kann. Dem Autor zufolge entstehen an solchen Punkten die meisten sprachlichen Wandelprozesse, da hier die Opposition zwischen zwei oder mehr Elementen wenig bis keine Bedeutung hat und daher zunächst in der Realisierung durch die Sprecher, später auch in der Norm, unbeachtet bleibt. Die sprachlichen Wandelprozesse sollen im folgenden Kapitel, mit Bezug auf den im Korpus dargestellten jugendlichen Sprechstil, beleuchtet werden.
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6.
Jugendsprache und Sprachwandel
Der Unterschied zwischen Norm und System ist ein wesentlicher Aspekt, den es bei der Betrachtung von Sprachwandelprozessen zu berücksichtigen gilt. Der Sprecher weiß zwar um die Regeln des Systems und benutzt Elemente desselben zur Konstruktion seiner sprachlichen Äußerungen. Gleichzeitig respektiert oder ignoriert er die Norm, bleibt dabei aber in jedem Fall innerhalb der Grenzen der ihm vom System zur Verfügung gestellten Möglichkeiten. Daraus kann sich, nach Coseriu, folgender Prozess entwickeln: «La originalidad expresiva del individuo que no conoce o no obedece la norma puede ser tomada como modelo por otro individuo, puede ser imitada y volverse, por consiguiente, norma. El individuo, pues, cambia la norma, quedando dentro de los límites permitidos por el sistema; pero la norma refleja el equilibrio del sistema en un determinado momento y, al cambiar la norma, cambia ese equilibrio, hasta volcarse totalmente de un lado o de otro. De esta manera, el individuo hablante aparece como punto de partida también del cambio en el sistema, que empieza por el desconocimiento o la no-aceptación de la norma» (1962, 107).
Die Feststellung von Coseriu, dass somit in jedem Moment eine bestimmte Wortbedeutung bzw. der Gebrauch eines bestimmten grammatikalischen Phänomens normal ist und andere, ebenso vom System her mögliche zurückdrängt, führt gleichzeitig zu der Erkenntnis, dass «en cada momento la norma refleja un equilibrio inestable del sistema» (1962, 107). Der Sprachwandel besteht also nicht in mehr oder weniger schnellen Veränderungen einer Sprache im Laufe ihrer Geschichte, ist also nicht rein diachronisch zu betrachten, sondern hat seinen Ursprung in den synchronischen Variationen zu einem bestimmten Zeitpunkt. Coseriu lehnt allerdings die rein synchrone Betrachtung, wie sie von vielen Autoren, z.B. Malmberg (1945) bzw. Bally (1950), angestrebt wird und die auf der Auffassung Saussures vom unveränderlichen System basiert, als zu starr ab (cf. Coseriu 1974, 8s.). Coseriu weist hierzu auf den später von Lüdtke/Mattheier (2005, 26) wieder aufgegriffenen Begriff der historischen Sprache sowie auf den engen Zusammenhang zwischen dem «Werden» der Sprache – dem «Wandel» im eigentlichen Sinne – und ihrer «Wiederherstellung», ihrer Kontinuität» (1974, 210) hin. Schließlich ist ein Sprachwandel, so Coseriu, nur ein Wandel in Bezug auf eine frühere Sprache. Gegenüber der aktuellen Sprache ist er die «Kristallisation einer neuen Tradition» und somit «Diskontinuitätsfaktor in Bezug auf die Vergangenheit […] [und] zugleich Kontinuitätsfaktor in bezug auf die Zukunft» 367
(cf. 1974, 22). Wandel ist demnach auch als ständiger Wechsel zwischen einem Zustand von sprachlicher Stabilität und Instabilität beschreibbar (cf. Hartig 2001, 639). Die synchronische Betrachtung allein kann Sprachwandel aber auch nicht erklären, da man den Wandel als solchen in der Synchronie nicht nachweisen kann: «Tatsächlich können wir in der Synchronie den Nicht-Wandel, die Unveränderlichkeit, ebensowenig beweisen wie den Wandel. Um zu beweisen, daß sich irgendein Objekt nicht verändert, muß man es zu zwei verschiedenen Zeitpunkten beobachten. Infolgedessen müsste man, auch wenn die Sprache ihrer Natur nach synchronisch wäre, dies in der Diachronie beweisen» (Coseriu 1974, 19, cf. hierzu auch Chambers/Trudgill 1980, 76). Demnach kann nur das Zusammenspiel aus Synchronie und Diachronie (cf. hierzu auch Viaplana 2000, 44) dazu beitragen, Sprachwandel begreiflich zu machen, insofern dieser überhaupt jemals bis ins letzte Detail erklärt werden kann. Sprachwandelphänomene sind nur schwer messbar (cf. Zimmermann 2003b), sie sind Resultate von so genannten Invisible-hand-Prozessen (cf. Keller 1994), die vielfach unbewusst ablaufen. Ein Kausalitätsprinzip bzw. Gesetze gibt es hierfür nicht, genauso wenig wie eine einzige allgemeine Ursache, die den Sprachwandel erklären könnte (cf. Coseriu 1974, 152; Hartig 2001, 638). Da es letztendlich von den Sprechern abhängt, welche Veränderungen sie für notwendig und sinnvoll halten und welche sich demnach durchsetzen, sind die Entwicklungen immer nur post hoc beschreibbar. Hartig (2001, 638) nennt u.a. als mögliche Erklärungsansätze die funktionalistische, die genetische, die probabilistische und die deduktiv-nomologische Konzeption.1 Er weist darauf hin, dass besonders im Zusammenhang mit dem funktionalistischen Ansatz, welcher von der Vorstellung der sprachlichen Ökonomie ausgeht, die soziolinguistischen Theorien über die soziale Kontrolle des sprachlichen Handelns wichtige Gesichtspunkte liefern. Hier nennt der Autor z.B. die funktionale Bedingung der sprachlichen Veränderungen zum Erhalt der Sprache sowie die Tatsache, dass Sprache nicht nur Mittel zum Kommunikationszweck ist, sondern auch «Ausdruck und Symbol der gesellschaftlichen und kulturellen Identität» (2001, 648). Sprachliche Veränderungen haben also auch immer einen Bezug zur sozialen Struktur, wie Weinreich et al. feststellen:
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Zu Erklärungsansätzen für Sprachwandel cf. auch Boretzky/Igla (1994, 118ss.); die Autoren stellen hier dar, dass jede Erklärung sich auf sprachliche Dynamik beziehen müsse, da Zustände als solche nicht erklärbar seien. Gleichzeitig leuchten sie das Problem aus, dass zwar die Ergebnisse des Sprachwandels bzw. die verschiedenen Entwicklungsstufen desselben post hoc gut beschreibbar sind, die Frage nach dem Auslöser jedoch eine äußerst komplexe ist; jeder Versuch, sie zu beantworten, bedarf einer umfassenden Analyse der korrelierenden soziolinguistischen Parameter wie geographische Beschränkung, politischer Hintergrund, Größe der Sprechergemeinschaft, kulturelle Aspekte, Einstellungen der Sprecher, etc. (cf. hierzu auch Müller 2002, 251ss.).
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«Linguistic and social factors are closely interrelated in the development of language change. Explanations which are confined to one or the other aspect, no matter how well constructed, will fail to account for the rich body of regularities that can be observed in empirical studies of language behavior» (1968, 188).
Sprachwandel hängt also von sozialen Normen und Werten ab, ist immer auch Ausdruck von Prestige oder Konventionalisierungen innerhalb einer Sprechergemeinschaft und bewegt sich in einem «Spannungsfeld von notwendiger Differenzierung und dem Abbau von Differenzen, die die Integration einer Gesellschaft/Sprachgemeinschaft hemmen» (Hartig 2001, 649). Eine bewusste Steuerung sprachlichen Wandels findet in Form von sprachpolitischem und sprachplanerischem Eingreifen statt. Bewusstes Eingreifen in Sprache stellt aber nicht unbedingt ein bewusstes Anstreben von Veränderung dar, im Vordergrund steht vielmehr das Streben nach Reinheit bzw. Ästhetik oder die Anlehnung an bestimmte Vorbilder (cf. Boretzky/ Igla 1994, 122). Dies kann man am Beispiel der Académie Française gut beobachten; häufig sind deren intentionale Eingriffe in die Sprache aber nur von partiellem Erfolg gekrönt. Sofern es sich um morphologische Angleichungen handelt, z.B. der Gebrauch von scanneur statt scanner, werden diese von den Sprechern häufig akzeptiert (cf. Müller 2002, 260; für das Katalanische cf. El Punt 2005b). Auf lexikalischer Ebene verhält es sich anders, hier gelingt, vor allem wenn es um externe Faktoren des Sprachwandels wie das Einfließen von Fremdwörtern geht, deren angestrebte Vermeidung nicht unbedingt.2 Trotz der Bemühungen bei Termcat um das Finden eines katalanischen Begriff bzw. Assimilierungen ans Katalanische nach linguistischen, terminologischen und soziolinguistischen Kriterien,3 ist es erst nach bis zu acht Jahren möglich, wirklich abzuschätzen, welche Form z.B. für ein neues kulturelles Konzept, letztendlich Eingang in die katalanische Sprache gefunden hat. Boix/Vila (1998, 275ss.) weisen in diesem Kontext darauf hin, dass Sprachpolitik nicht zuletzt bidirektional betrachtet werden müsse. Zum einen existieren die verschiedenen sprachpolitischen Organe und Instrumente der
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Dieses Phänomen erklären Boretzky/Igla (1994, 123ss.) mit dem Faktor der Natürlichkeit der Entlehnung, d.h. der Annahme, dass bestimmte sprachliche Ebenen, z.B. die Lexik, leichter Veränderungen zulassen als beispielsweise komplexere morphosyntaktische Strukturen. Cf. INFO5; der Mitarbeiter von Termcat, Xavier Fargas, stellt hier das Dossier de normalització vor, das drei Kriterien für die Integration von Entlehnungen ins Katalanische nennt. Zum einen stellt sich die linguistische Frage der Möglichkeit des Systems, z.B. in Graphie und Aussprache, weiterhin terminologische Aspekte wie die Existenz von ähnlichen Lexemen und somit Überschneidungsmöglichkeiten und schließlich soziolinguistische Fragen wie die bisherige Nutzung in der Sprechergemeinschaft und somit ein Abwägen, einen bestimmten Gebrauch evtl. vorzuziehen. Besonders im letzten Aspekt sind Konflikte mit letzten normativen Instanzen, wie dem Institut d’Estudis Catalans, natürlich vorprogrammiert (cf. INFO5).
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katalanischen Regierung; ihnen gegenüber steht auf der anderen Seite die Zivilgesellschaft mit ihren Wünschen und Vorlieben und ihren entsprechenden Lobbys (cf. Boix/Vila 1998, 279). Aufgrund nicht deckungsgleicher bzw. widersprüchlicher Interessen und Schwerpunktsetzungen in der Sprachpolitik und Sprachplanung und ihren Auswirkungen, kommt es bei den Sprechern zu Konflikten, deren Niederschlag von der Nichtakzeptanz einzelner Vorschläge (z.B. lexikalischer Art) im Extremfall bis hin zur grundlegenden Ablehnung des Gebrauchs einer Sprache reichen kann. Beispiele für die Schwierigkeit bei der Durchsetzung von auf sprachpolitischer Ebene beschlossenen Eingriffen ins Katalanische finden sich auch im Korpus, in dem die Jugendlichen und teilweise auch die Medien von snowboard sprechen und nicht das Kompositum surf de neu verwenden (cf. 5.2.1.2.2.) oder die von den Wörterbüchern (cf. Termcat 2001b bzw. NDN) vorgeschlagenen Lexeme tertulia statt xat bzw. xatar statt xatejar nicht benutzen (cf. 5.2.2.4.). Daneben weist der in PREM12 (cf. 5.2.1.2.5.) angedeutete Versuch des Ersetzens von freak durch juantxi, das allerdings nirgends sonst verzeichnet ist, darauf hin, dass nicht nur normative Institutionen, sondern in großem Maße auch die Medien um sprachpflegerisches Eingreifen bemüht sind und versuchen, auf mögliche Sprachwandelprozesse Einfluss zu nehmen (cf. hierzu auch Hofmann 2001). Diese Tatsache, welche der ehemalige Direktor der Real Academia Española, Lázaro Carreter, beschreibt, indem er sagt, dass «los modelos lingüísticos de nuestra sociedad no son los grandes escritores, sino la prensa, la radio y la televisión» (cf. Hofmann 2001, 382), wird auch durch die große Verbreitung und den Gebrauch der Libros de estilo verschiedener Fernsehsender und Zeitschriften deutlich (cf. 3.1.2.). Dies gilt auch für das Katalanische, wo ebenfalls entsprechende Publikationen existieren, z.B. das Llibre d’estil der Tageszeitung Avui (Avui 1997). Der Bedeutung der katalanischen Medien sind sich auch normative Einrichtungen wie Termcat bewusst, welche die bei den katalanischen Kommunikationsmedien beschäftigten sprachlichen Korrektoren heranziehen, wenn es darum geht, neue Lexeme in das normative Wörterbuch aufzunehmen: «Per detectar les paraules noves el centre està en contacte amb els professionals que fan servir els termes, però, sobretot, amb els correctors lingüístics dels mitjans de comunicació. Ells són els primers a detectar les paraules noves que es fan servir» (El Punt 2005b; cf. INFO5).
Wie bisher aufgezeigt, sind es vielfach externe bzw. extrinsische Faktoren, die zu Entlehnungen führen und letztendlich zum Sprachwandel beitragen können, da kulturelle Konzepte und mit ihnen die zugehörigen Neologismen entlehnt werden oder der – heutzutage meist englische Begriff – mehr Prestige aufzuweisen verspricht (cf. Müller 2002, 255; Coseriu 1962, 110). Der durch externe Faktoren bestimmte Sprachwandel hat einen starken Bezug zum Lexikon, kann sich aber auch auf der morphosyntaktischen Ebene auswirken, wie Müller beispielsweise am auf das Englische zurückzuführenden, 370
zunehmenden Gebrauch der Präposition in vor Jahreszahlen im Deutschen (in 2005 statt (im Jahr) 2005) darstellt (cf. 2002, 257). Den externen Faktoren gegenüber stehen interne bzw. intrinsische, die in der Dynamik des sprachlichen Systems selbst liegen, sofern es sich um eine natürliche4 Sprache handelt. Die Grenzen zwischen internem und externem Sprachwandel sind allerdings nur schwer festzulegen (cf. Hartig 2001, 647). Eine wesentliche Rolle spielt hier nach funktionalistischem Ansatz das Ökonomieprinzip (cf. Lüdtke 1980, 11; Boretzky/Igla 1994, 127s.), bei dem die Sprecher als Optimierungsziel ihres Kommunikationsaktes eine möglichst kleine Redundanz erzeugen wollen. Ökonomie wird beispielsweise an Analogiebildungen deutlich oder an der Vereinfachung von Flexionsparadigmen. Hierbei ist allerdings, wie Müller (2002, 251) richtig bemerkt, nicht zu vergessen, dass die Sprecher zwar die Sprache zielgerichtet und funktional verwenden, die Sprache aber an sich kein Ziel und Sprachwandel keine Funktion hat. Sein Ergebnis kann mitunter durchaus über den Aspekt der Optimierung für die Sprecher und die Kommunikationssituationen, in denen sie sich befinden, erklärt werden; Sprachgeschichte an sich ist jedoch kein Optimierungsprozess, der technisch-wissenschaftlich geplant werden kann. Von verschiedenen Autoren wird immer wieder behauptet, dass der Sprachgebrauch der jüngeren Bevölkerung einen Hinweis auf wahrscheinlich zukünftig sich durchsetzende sprachliche Merkmale in der Standardsprache gebe (cf. Zimmermann 2003b). Es sei daher wichtig, nicht nur von Sprachwandel zu sprechen, wenn dieser bereits eingetroffen und verfestigt, d.h. auch in Grammatiken und Wörterbüchern erfasst sei. Coseriu beschreibt den Prozess des Sprachwandels als «die absichtsvolle Übernahme einer zufälligen oder absichtlichen Innovation im Sprechen eines Individuums durch ihn selbst bzw. den Hörer und, von dieser einen Übernahme ausgehend, als eine sich fortsetzende Reihe von Übernahmen durch andere Hörer» (1958, 44s.; cf. auch Zimmermann 2003b, 28; Milroy 1998).5 Gerade im Kontext von Jugendsprache mit einem akzelerierten internen Wandel und ständig neu zu schaffender Originalität, muss Sprachwandel
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Wesch (2001, 141) merkt allerdings an, dass eine Sprache eigentlich weder etwas Natürliches noch etwas Künstliches ist, sondern bezieht sich auf Keller (1994), der Sprache als «Phänomen der dritten Art» bezeichnet. Sprache und Sprachwandel sind «Phänomene der dritten Art […] hervorgebracht als kollektive Konsequenz individuellen menschlichen Handelns, aber nicht intentional» (Wesch 2001, 142). Labov (1972) meint, dass man zwar wahrnehmen könne, dass ein Wandel im Gange sei, es aber unmöglich wäre, diesen, während der Wandelprozess abläuft, exakt zu beschreiben. Milroy meint dazu: «[…] change originates within a sub-group of speakers and is then passed to other groups within the same community. It may then diffuse outside the community. At a certain stage the change in progress (a change from below) which so far has been below the level of conscious social awareness, is noticed by speakers, and the upper social groups begin to resist the change» (1998, 45).
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differenzierter gesehen werden. Hierbei gilt es besonders den Aspekt des Auftauchens, aber auch des schnellen Verschwindens einzelner Phänomene zu beachten, der dazu führt, dass viele Elemente jugendlicher Sprechstile nicht in die Standardsprache eingehen können, weil sie in der jugendlichen Kommunikationsgemeinschaft selbst zu kurzlebige Phänomene sind. Zimmermann erachtet die Analyse von Jugendsprache daher als geeignet, um zu einer in seinen Augen adäquateren Konzeption von Sprachwandel zu gelangen (cf. 2003b, 28). Im Gegensatz zu der von Coseriu dargestellten linearen Auffassung von Sprachwandel plädiert Zimmermann dafür, diesen unter dem Aspekt der Dynamik zu untersuchen, d.h. sowohl die Gründe für die Verbreitung von Innovationen, deren Ausmaße, als auch die Dauer des Wandels bzw. die Möglichkeit der Rückläufigkeit desselben zu beachten.6 Unter Bezugnahme auf den gruppenkonstituierenden Effekt von Jugendsprache, d.h. auf jugendsprachliche Merkmale und ihre Verwendung durch die Jugendlichen als Ausdruck der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, stellt Zimmermann (2003b, 30) die möglichen sprachlichen Innovationen durch Jugendliche dar. Er betont hier die situativen Bedingungen wie Gesprächsthematik, relative Ungestörtheit der Teilnehmer, Selbstbestimmung des Gesprächsverlaufs, die auch für die vorliegende Arbeit zur Gewinnung der Korpusmaterialien beachtet wurden (cf. 5.1.). Hierbei stellt der Autor zwei Arten von sprachlicher Innovation in den Mittelpunkt, zum einen die Veränderung einer Regel, wie sie z.B. bei verschiedenen Umsematisierungen (cf. 5.2.1.9.4) oder bei der Verwendung des spanischen Derivationsaffixes {-ata} im Gegensatz zum Katalanischen {-at} vorliegt (cf. 5.2.1.3.). Zum anderen besteht die Möglichkeit der Anwendung eines in der Sprache bereits etablierten Innovationsverfahrens, durch das die Sprecher etwas Neues entstehen lassen. Zu beobachten ist ein solches Verfahren im Korpus beispielsweise an der Kreation neuer Komposita wie lobby de pressió (cf. 5.2.1.7.3.). Das Gelingen der Innovation, die aber nicht zwangsläufig zu Sprachwandel führen muss, wird meist durch die Reaktion der anderen Jugendlichen direkt im Gespräch deutlich; nur die als gelungen bewerteten Innovationen haben auch die Chance, sich später außerhalb der jugendlichen Kommunikationsgemeinschaft durchzusetzen (cf. Zimmermann 2003b, 30). Eine wichtige Rolle spielen m.E. hierbei auch die so genannten leaders (cf. Labov 2001), deren Sprachgebrauch für die anderen Jugendlichen modellhaft wirkt. Daneben sind die Jugendlichen, so wie andere Sprecher auch, in ein Spannungsfeld zwischen Kreativität und Historizität (cf. Wesch 2001, 141) eingebunden, zwischen möglicher Variation bzw. Wandelbarkeit und Wahrung
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Diese Auffassung teilt auch Gloy (1995), der darstellt, dass Variationen gesamtgesellschaftlich betrachtet ohne einheitliche Ausrichtung geschehen und chaotisch verlaufen. Daraus entstehende Sprachgebrauchsnormen müssen nicht zwangsläufig weiterentwickelt werden, es kann auch dazu kommen, dass sie neutralisiert oder vernichtet werden.
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der sprachlichen «Tradition» zur Garantie der Verständlichkeit. Ein von den Sprechern verursachter Wandel kann nur funktionieren, wenn er die Grenzen der Verständlichkeit nicht überschreitet und somit die Kommunikation als solche nicht gefährdet (cf. hierzu auch Lüdtke/Mattheier 2005, 23). Wichtig ist jedoch, ob sich die Innovation auch außerhalb des beschränkten jugendgruppalen Mikrokosmos durchsetzen kann und von anderen Jugendlichen angenommen wird (cf. hierzu auch Hartig 2001, 639). So findet sich z.B. im Korpus die Umsemantisierung bocata (cf. 5.2.1.4.2.) in der Sprechweise einer kleineren Gruppe von Jugendlichen dokumentiert, Lexeme wie ro(t)llo oder moguda (cf. 5.2.1.2.) tauchen bei verschiedenen, voneinander unabhängigen jugendlichen Gruppen auf, wobei die Bandbreite der Phänomene groß ist. Vom eigentlichen Sprachwandel kann erst die Rede sein, wenn die Veränderung nicht nur eine Einzelperson bzw. eine kleine Gruppe von Einzelpersonen erfasst, sondern sich auf einen Großteil der Kommunikationsgemeinschaft auswirkt. Man kann aber dennoch behaupten, dass Sprachwandel bereits innerhalb der kleineren jugendlichen Kommunikationsgemeinschaft stattfindet und auch hier von verschiedenen Parametern abhängt. Nicht der Sprachwandel als solcher ist Ziel der Sprecher, sondern die Innovation erscheint den Sprechern zu einem bestimmten Zeitpunkt effizienter (cf. Blank 1997, 373). Dieser Auffassung liegt ein kommunikativ-pragmatischer Ansatz zu Grunde, der mit den Kommunikationsmaximen von Grice verbunden ist. Zimmermann kritisiert hieran jedoch, dass Blank auf ein zu enges Pragmatikverständnis aufbaut und den spielerischen Aspekt von Jugendsprache sowie ihren mitunter provokativen Gebrauch zur Demonstration von Generationenidentität und zur Abgrenzung von der Erwachsenenwelt nicht beachte (cf. 2003b, 31). Milroy (cf. 1998, 46s.) führt ebenso wie Labov (1990) als weitere wichtige Faktoren die sozialen Netzwerke7 (d.h. ebenfalls den Aspekt der Gruppenidentität) und die Genderperspektive an. Man kann also durchaus bei vielen sprachlichen Neuerungen, die innerhalb der Gruppe der Jugendlichen eine gewisse Verbreitung erfahren, zunächst von einem Binnenvarietätenwandel sprechen. Die Jugendsprache ändert sich ständig, es handelt sich um einen akzelerierten, aber auch teilweise
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Trudgill/Chamber zeigen in ihrer norwegischen Studie auf, dass für jugendliche Sprecher «the most important social pressures come from the peer group, and […] linguistically they are more strongly influenced by their friends than by anybody else. Influence from the standard language is relatively weak. Then, as speakers get older and begin working, they move into wider and less cohesive social networks […] and are more influenced by mainstream societal values and, perhaps, by the need to impress, succeed and make social and economic progress. They are also, consequently, more influenced linguistically by the standard language. For older, retired people, on the other hand, social pressures are again less, success has already been achieved (or not, as the case may be), and social networks may again be narrower» (1980, 79).
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kurzlebigen und wieder rückgängig machbaren Wandel.8 Viele Lexeme, die vor einigen Jahren noch von verschiedenen Autoren als typisch für die katalanische Jugendsprache gewertet wurden, tauchen beispielsweise im Korpus gar nicht oder nur als Einzelfälle auf (cf. Vila/Bellés 1989). Dies ist der Fall bei Anglizismen wie fashion, breaks, bei Kastellanismen wie (cf. Vila/Bellés 1989, de Tera 2001) oder auch bei katalanischen Bildungen wie beispielsweise dem syntagmatischen Kompositum paper de combat (‹Toilettenpapier›), das im Korpus, auch in entsprechend passenden Kontexten, wie sie in einigen Medienbeiträgen gegeben wären, nicht erscheint. Hier wäre eine umfassende Untersuchung nötig, um aufgrund der Frequenz der Phänomene Rückschlüsse auf einen entsprechenden Wandel ziehen zu können. Ein nächster Schritt ist die Übernahme von jugendsprachlichen Elementen in die Standardsprache, d.h. die Varietätengrenzen werden überschritten. Hierbei bestehen m.E. zwei Möglichkeiten, nämlich zum einen die Übernahme jugendsprachlicher Elemente unter Beibehaltung ihrer jugendsprachlichen Markiertheit, zum anderen deren Aufhebung. Die erste Situation ist in der Korpusanalyse bei einigen jugendsprachlichen Äußerungen in den Medien zu beobachten. Das bereits dargestellte Beispiel birries (cf. TELE22), der Phraseologismus que t’hi cagues (cf. TELE6) oder auch absichtlich kreierte Pleonasmen mit jugendsprachlichen Elementen wie cubata libre (cf. TELE11) und die entsprechenden Reaktionen des Studiopublikums (z.B. echtes Lachen bzw. Lachen auf Signal), lassen nach wie vor die jugendsprachliche Markiertheit der Elemente erkennen. Sie zeugen vom Bemühen der Medien um ein jugendliches Flair, die Reaktion des Publikums weist allerdings darauf hin, dass die Elemente zwar bekannt sind und ihr Gebrauch auch nicht schockiert, sie jedoch auch nicht als wirklich standardsprachlich gelten. Es liegt also immer noch eine Art «Verstoß» gegen sozial-sprachliche Regeln vor. Erst wenn die erwachsenen Sprecher die Elemente in formellen Situationen ohne diskursive und metakommunikative Distanzierung oder Kennzeichnung gebrauchen, kann man davon ausgehen, dass die jugendsprachliche Markierung eines Elements implizit aufgehoben ist. Als Beispiel wären hier die Lexeme nòvio/-a bzw. pijo zu nennen, die in der Mediensprache ebenso wie manche jugendsprachlichen pragmatischen Marker vertreten sind. Auffallend sind allerdings die in der Korpusanalyse angesprochenen Unterschiede in der Häufigkeit, wie sie vor allem bei Markern wie bueno (cf. 5.1.2.8.) zu beobachten sind. Mit der Übernahme jugendsprachlicher Elemente durch Erwachsene, z.B. in den Medien, ist der Eingang dieser Elemente in die präskriptiv normative Standardsprache noch nicht zwangsläufig abgeschlossen. Wie in der
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Zimmermann spricht in diesem Zusammenhang von einem zirkulären Wandel, der vorliegt, wenn ein existierendes Element außer Gebrauch gerät, d.h. ein Wandel nach dem Schema A>B>A (cf. 2003b, 33).
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Korpusanalyse zu sehen war, tauchen immer wieder jugendsprachlich und auch mediensprachlich verwendete Lexeme auf, die – noch nicht – in den entsprechenden katalanischen Wörterbüchern verzeichnet sind, z.B. pijo (cf. 5.2.1.1.2.). Meistens tritt dieser Fall aber bei Entlehnungen aus dem Spanischen auf, viele jugend- oder mediensprachlich verwendete Anglizismen, wie hippy, tauchen hingegen in den katalanischen Wörterbüchern auf. Allerdings ist auch hier eine Diskrepanz zwischen dem Wörterbuch des Institut d’Estudis Catalans DIEC, welches den Anspruch vertritt, das für die katalanische Sprache normative Werk zu sein, und anderen Wörterbüchern wie dem GD62 zu erkennen. Vor allem die über den musikalischen oder computertechnologischen Fachwortschatz hinausgehenden Lexeme (z.B. cool, heavy) finden meist nur im GD62 Eingang, im normativen Wörterbuch sind sie – noch – nicht verzeichnet. Daneben gibt es auch in Bezug auf die morphosyntaktische Assimilierung der Anglizismen Unterschiede, die auf verschiedene Stadien der Übernahme eines Lexems in die Standardsprache – und somit der sprachlichen Veränderung – hinweisen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass z.B. weder das Substantiv sàmpler/sampler noch das Verb samplejar im Katalanischen in Wörterbüchern verzeichnet sind (cf. GD62, DIEC). Das GD62 kennt allerdings den nicht assimilierten Anglizismus sampling, der im Korpus hingegen gar nicht auftaucht. Nicht nur bei Anglizismen, sondern auch bei Lehnwörtern oder Lehnprägungen aus dem Spanischen lässt sich der noch nicht bis zum letzten Schritt der Lexikalisierung im normativen Wörterbuch vollzogene Prozess der sprachlichen Veränderung dokumentieren. Die Lexeme moguda, ro(t)llo oder marxa haben beispielsweise im GD62 u.a. die entlehnte Bedeutung aus dem Spanischen, die auch die Jugendlichen verwenden (cf. 5.2.1.2), die aber im DIEC nicht verzeichnet sind. Auch sprachintern gibt es ähnliche Fälle, so z.B. das Lexem versionar, das in der Jugendsprache und auch in den Medien eine semantische Erweiterung erfährt, welche in den Wörterbüchern noch nicht verzeichnet ist (cf. 5.2.1.1.7.). Ob es allerdings jemals dazu kommen wird, dass im Rahmen eines Sprachwandels diese Lexeme Eingang ins normative Katalanisch finden, lässt sich, wie bereits dargestellt, nicht vorhersagen. Lange Zeit ging die Sprachwandelforschung davon aus, dass die Mitglieder der einflussreicheren Klassen Innovationen hervorbringen (cf. Jakobson 1970, 552, Baylon 1996, 101). Die moderne soziolinguistische Forschung geht allerdings davon aus (cf. Labov 2001; Baylon 1996, 104s.), dass das betroffene sprachliche Element zunächst als stilistischer Marker in einer räumlich oder gesellschaftlich begrenzten Sprechergemeinschaft (meist mit niedrigem sozialen Status) – und dort relativ unregelmäßig – verbreitet ist. Diesen Ansatz stellen auch Lüdtke/Mattheier dar, die Neuerungen in ihrer Anfangsphase als oftmals diaphasisch sehr eng begrenzt bezeichnen und deren Realisierung als nur unter restriktiven situativen Bedingungen auftretend beschreiben (cf. 2005, 31). 375
Das Element erlangt dann eventuelle Verbreitung in der Gesellschaft, verliert seinen Status als stilistisch markiertes Phänomen und wird zum Indikator einer ganzen Gruppe. Dieses Verfahren wird von Labov als «change from below» bezeichnet (2001). Es liegt also ein Verallgemeinerungsprozess vor, «und zwar auf der diatopischen Ebene durch Ausweitung im Raum und auf der diastratischen Ebene durch Generalisierung innerhalb der gesellschaftlichen Gruppenstruktur» (Lüdtke/Mattheier 2005, 32). Dies kann aber auch durchaus dazu führen, dass höher stehende gesellschaftliche Gruppen der Innovation widerstehen und diese ablehnen (cf. auch Viaplana 2000, 46) und es, in Anlehnung an die höheren gesellschaftlichen Schichten, zu Hyperkorrekturen kommt. Ein Beispiel aus dem Korpus hierfür kann in der hyperkorrekten Realisierung der palatalen Affrikate beim Lexem show, wo das Englische die frikative Realisierung vorschreibt, gesehen werden (cf. 5.2.3.1.). Eine ähnliche Tendenz zur subkulturellen Stilbildung und deren Beitrag zum Sprachwandel «von unten» stellt auch Radtke am Beispiel der italienischen Jugendsprache fest. Er erwähnt diesbezüglich das heimliche Prestige des Substandards und sieht eine zunehmende Verwendung von Regionalsprachen gegeben, die das sprachliche, aber auch soziale Bewusstsein der Sprecher demonstrieren (1990, 163ss.). Das Aufgreifen von jugendsprachlichen Elementen durch die Massenmedien hat aber auch den Effekt, dass «Formen der Jugendsprache verblassen» (Radtke 1990, 163). Die Jugendlichen selbst sehen sich gezwungen, auf andere Formen auszuweichen, wenn die bisher von ihnen genutzte Form eine zu große Verbreitung erfahren hat und ihre jugendsprachliche Markierung somit aufgehoben ist. Abschließend sei allerdings darauf hingewiesen, dass die Darstellung der Akzeptanz und Verbreitung jugendsprachlicher Elemente, zunächst innerhalb der jugendlichen Sprechergruppen selbst, schließlich in verschiedenen Varietäten bis hin zur Standardsprache nicht als der Prototyp jugendsprachlich bedingten Sprachwandels anzusehen ist. Es ist jederzeit möglich, dass nur Teilprozesse ablaufen, die wieder rückgängig gemacht werden oder einfach «verblassen», oder dass hier dargestellte Etappen übersprungen werden.
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7.
Schlussbetrachtung
Die Tatsache, dass viele Jugendliche in Barcelona das Katalanische als Kommunikationsmittel untereinander benutzen, ist als Zeichen für die Erfolge der sprachlichen Normalisierungspolitik zu werten. Allerdings lässt sich – sozial bedingt – eine unterschiedliche Gebrauchsfrequenz für das Katalanische und das Spanische feststellen. So ist nach wie vor tendenziell ein höherer Gebrauch des Katalanischen in bürgerlichen Schichten und unter Akademikern zu finden, das Spanische hingegen ist – wenngleich diese Aussage nicht generalisierend getroffen werden kann – die bevorzugte Kommunikationssprache sozial schwächerer Gruppen, darunter vieler Migranten. Diese gesellschaftliche Verteilung bezüglich der Sprachwahl betrifft natürlich auch die Jugendsprache in Katalonien. Darüber hinaus befindet sich die jugendliche Sprechweise, wie sie in der Korpusanalyse dargestellt wurde, in einem sprachlich-kulturellen Spannungsfeld. Seine Pole sind einerseits die katalanische Sprache und Kultur, andererseits die urbanen Ausdrucksformen der Jugendkultur und ein urbanes Umfeld, das stärker als jede andere Region des Landes hispanisiert ist. Im Vergleich der katalanischen Jugendsprache mit den Äußerungsformen in Jugendsendungen katalanischer Kommunikationsmedien, wie er in der vorliegenden Arbeit angestellt wurde, lässt sich daher eine Tendenz feststellen: Die Jugendlichen benutzen im alltäglichen Sprachgebrauch mehr spanische Kontaktphänomene, als dies in auf sie zugeschnittenen Programmen in den Medien der Fall ist. Eine genaue Analyse, die nur das «Herauspicken» von Elementen der Jugendsprache und ihre negative Klassifizierung als vermeidbare Einflüsse des Spanischen zum Ziel hat, wäre wenig sinnvoll. Eine solche Herangehensweise wäre in ihrem präskriptiven Charakter einer Stigmatisierung der jugendlichen Sprechweise gleichzusetzen. Hauptziel dieser Arbeit war es hingegen, in größerem Maße als bisher deskriptiv zu erfassen, welche Elemente den Sprechstil der katalanischen Jugendlichen ausmachen. Die katalanische Jugendsprache als vor allem mündlich erscheinende Sprachform ist noch nicht ausreichend beschrieben. Problematisch ist vor allem der zu Grunde gelegte katalanische Standard. Auch nach zahlreichen Diskussionen, z.B. über català heavy oder català light bei der Entscheidung, welche Sprache in den Medien verwendet werden sollte (cf. 3.3.3.), und Veröffentlichungen zum mündlichen Standard muss die Frage nach der Existenz eines normativen Modells des mündlichen Katalanisch, das auf deskriptiven Erhebungen basiert, verneint werden. Es wird zwar immer 377
hervorgehoben, dass es den katalanischen Kommunikationsmedien, und hier vor allem dem Fernsehen, zu verdanken sei, dass die katalanische Bevölkerung in Kontakt mit einem mündlichen Standard gebracht worden sei; hiermit sind aber vor allem standardisierte Aussprachemuster bzw. die phonetisch-phonologische Ebene verschiedener Varietäten des Katalanischen gemeint. Betrachtet man die Jugendsprache, wie sie im Korpus dargeboten wird, so wird schnell klar, wie komplex die Spannungsfelder sind, in denen sich die Jugendlichen in sprachlicher Hinsicht bewegen. Ihr Streben nach Autonomie im Sprachgebrauch und der dadurch entstehende sorglosere Umgang mit der Sprache, führen dazu, dass das Spannungsfeld Spanisch-Katalanisch im Mittelpunkt der Betrachtung steht. Beide Spannungsfelder (Norm-Autonomie; Spanisch-Katalanisch, cf. Graphik 4-10) können nicht ohne einander existieren. Mehr Autonomie im Sprachgebrauch der katalanischen Jugendlichen führt auch zu einem erhöhten Auftreten von Kastellanismen. Somit entsteht scheinbar ein «sprachlicher Verfall», der im Sinne der – immer noch stark präskriptiv geprägten – Norm als negativ gewertet wird. Wenn die Norm, in der die sprachlichen Äußerungen der Jugendlichen gemessen werden, vor allem die Norm für die Schriftsprache meint, sind Abweichungen davon vorprogrammiert. In dem Bewusstsein, dass für den mündlichen Sprachgebrauch auch in den Medien immer noch häufig die schriftsprachliche Norm zu Grunde gelegt wird, ist es nicht verwunderlich, dass in manchen Bereichen die dargestellten, mitunter auffälligen Unterschiede zwischen der «echten» Jugendsprache und dem, was die Medien als Jugendsprache ausgeben, auftreten. Eine wirkliche sprachliche Anpassung an die Jugendlichen seitens der Medien erfolgt nur sehr bedingt, sobald die Normativität der Äußerung durch Übernahme jugendlicher Sprachmuster in Frage gestellt werden kann, wird auf sie meist verzichtet. Faktoren wie Modernität oder mögliches Prestige bei den entsprechenden Zielgruppen treten hier gegenüber dem Sprachauftrag der Medien zurück. Somit existiert ein nicht nur auf das Bild der Jugendlichen in den Medien bezogenes «kulturelles» Spannungsfeld zwischen Jugendlichen und Kommunikationsmedien, sondern es umfasst auch die sprachliche Seite (cf. 4.6.2.). Folgende Darstellung zeigt, aus Sicht der Medien, das Spannungsfeld auf, in dem diese sich befinden, wollen sie sowohl ihrem Sprachauftrag, als auch ihrem jugendlichen Publikum gerecht werden:
Jugendsprache
mediale Jugendsprache
Sprach- und Normalisierungsauftrag der katalanischen Kommunikationsmedien
Graphik 7–1: Spannungsfeld Jugendsprache – Sprachauftrag der Medien (eigene Graphik)
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Aufgrund der normativen Beschränkungen, welche sich die Medien auferlegen, tragen die Jugendlichen also weniger als häufig erwartet zu einer Veränderung der an sie gerichteten Mediensprache bei. Vielfach ist die von den Medien aufgezeigte Jugendsprache relativ verfestigt und konzentriert sich auf wenige Lexeme, die in die Dialogsequenzen eingeflochten werden, um Jugendlichkeit zu imitieren. In diesen Fällen liegt eine gezielt als Jugendsprache gestaltete Sprache vor. Diese bemühte Jugendlichkeit wird meist überdeutlich gezeichnet, so dass sie nach Aussagen vieler Informanten unnatürlich wirkt. Andere Sendungen, sogar diejenigen, die auf spontaner, ungeplanter Sprache basieren, wie Una altra cosa, weisen relativ wenige jugendsprachliche Phänomene und auch weniger Sprachkontaktphänomene auf, als häufig vermutet wird. Die Jugendlichen greifen relativ wenige, von den Medien als jugendlich dargestellte sprachliche Phänomene auf. Dies ist an den Unterschieden im Gebrauch der Anglizismen, aber auch an der in Kapitel vier dargestellten Bricolage-Technik zu erkennen. Von dieser medialen Ressource machen die Jugendlichen nur sehr begrenzt Gebrauch. Auch auf die außergewöhnliche sprachliche Kreativität der Jugendlichen weisen in den analysierten Beispielen weniger Äußerungen hin, als zu vermuten wäre (cf. 5.3.). Die oft gebrauchte Behauptung, Jugendsprache sei ein Teil einer durch die Medien geprägten Kultur, ist als zu generalisierend abzulehnen. Auf den Sprechstil der jugendlichen Informanten des Korpus trifft sie auch nur bedingt zu. Generell gilt es festzuhalten, dass im Vergleich zwischen der jugendlichen Sprechweise der Informanten und der als jugendlich dargestellten Sprechweise in den Medien mehr verbindende als trennende Elemente vorhanden sind. Auch die Protestfunktion von Jugendsprache zur Abgrenzung der Jugendlichen gegenüber dem Rest der Gesellschaft und vor allem gegenüber der Erwachsenenwelt, die in Arbeiten zur Jugendsprache häufig hervorgehoben wird, ist in der vorliegenden Korpusanalyse nur bedingt nachzuweisen. Die häufig angestellte Reduktion der Funktionen von Jugendsprache auf den Protest als zentrales Element ist meines Erachtens eine stark verallgemeinerte und auch vereinfachte Darstellung. Anhand der Korpusanalyse zeichnen sich aber der Gruppencharakter von Jugendsprache und die mehr oder weniger stark ausgeprägten Abgrenzungsmechanismen ab. Dennoch sei noch einmal hervorgehoben, dass die Unterschiede zwischen jugendlicher Sprechweise und der Mediensprache in jugendlichen Sendungen im vorliegenden katalanischen Fall nicht frappierend erscheinen. Dies führt zu der Frage, was an der jugendlichen Sprechweise der Informanten wirklich «jugendsprachlich» ist. Die vorliegende Arbeit verneint den Ansatz, Jugendsprache mit der Standardsprache auf Basis von Wörterbucheinträgen zu vergleichen, d.h. der Jugendsprache im Sinne einer substandardlichen Varietät nur die Elemente zuzuschreiben, die der Standard nicht kennt. Die Arbeit orientiert sich vielmehr am Sprechstilkonzept, das Jugendsprache in ihrer konkreten Realisierung im sprachlichen Umfeld der Jugendlichen beschrieben sehen will. Die auftretenden Phänomene sind dem379
nach nicht nach ihrer Existenz innerhalb oder außerhalb der Jugendsprache (im Standard oder in Fachsprachen, was bei den meisten auftretenden Lexemen der Fall ist) zu bewerten, sondern aufgrund ihrer Bedeutung für die Sprachrealität der jugendlichen Sprecher. Sie sind ein Teil des sich auch sprachlich manifestierenden dreifachen Spannungsfeldes, in dem sich die Jugendlichen befinden (cf. Graphik 4-12) und das sie bewusst oder vielfach auch unbewusst prägen. Zum einen konstituieren und gestalten sie durch explizite oder implizite Selbst- und Fremdkategorisierungen die Gruppe, zu der sie sich zugehörig fühlen. Neben den in Kapitel vier dargestellten Formen der Kategorisierung, besonders im Hinblick auf die Abgrenzung gegenüber dem von den Jugendlichen in den Medien verbreiteten Bild bzw. den Medien im Allgemeinen lassen sich auch auf der Ebene der Verwendung sprachlicher Elemente ähnliche Abgrenzungen aufzeigen. Zum jugendlichen Sprechstil der Informanten gehören gruppenprägende Elemente. Dies können auf eine kleine Gruppe beschränkte Lexeme, Phrasen etc. sein; es gehören aber auch im gesamten Korpus verzeichnete, von den Jugendlichen verstärkt eingesetzte Lexeme oder auch morphosyntaktische Elemente. Die Abgrenzung von der jugendlichen Mediensprache, die durch den Gebrauch dieser Elemente durch die Jugendlichen entsteht, ist aber weniger ein von den Jugendlichen bewusst vorangetriebener Prozess, sondern entsteht vielmehr durch die explizite Gebrauchseinschränkung eben dieser Elemente in den Medien. Die Tatsache wiederum, dass die Medien viele der unterschiedlich gebrauchten Phänomene als vermeidbare Kastellanismen ansehen, schlägt den Bogen zu den beiden anderen Dimensionen des Spannungsfeldes. An den genannten Beispielen wird der Konflikt zwischen Norm und Autonomie, zwischen Spanisch und Katalanisch deutlich. Für die jugendlichen Sprecher selbst in ihrer Kommunikation untereinander dieser Konflikt relativ bedeutungslos ist. Sie gehen auf natürliche Weise mit von der Norm abweichenden Elementen um und schenken spanischen Entlehnungen wenig Beachtung. Nur in einigen wenigen Fällen werden eindeutige Interferenzen von den Sprechern selbst oder von ihren Gesprächspartnern korrigiert (cf. 4.3.4.). Der jugendsprachliche Sprechstil der katalanischen Informanten befindet sich, wie dies für jugendsprachliche Varietäten/Register allgemein gilt, zwar in einem Spannungsfeld zwischen Autonomie und Sprachnormen, d.h. dem ständigen Wunsch, über die Normen hinwegsehen zu wollen, und der gleichzeitigen Notwendigkeit, diese zur Optimierung des Kommunikationsflusses nutzen zu müssen. Doch bietet der Aspekt der Zweisprachigkeit im Gegensatz beispielsweise zur Sprechweise monolingualer spanischer Jugendlicher in Madrid oder monolingualer deutscher Jugendlicher in Berlin eine interessante Komponente. Das Überschreiten sprachlicher Normen durch die Entlehnung spanischer Elemente trägt selbst dann nicht zu einem Scheitern der Kommunikation bei, wenn das Katalanische stark davon durchsetzt ist. Die Verständlichkeit für alle zweisprachigen Gesprächsteilnehmer, wie es die 380
Informanten des Korpus sind, ist zu jeder Zeit gewährleistet. Die Jugendlichen genießen somit eine kommunikative Freiheit, welche dazu führt, dass auf rein sprachlicher – und nicht politischer oder kultureller – Ebene (cf. 4.5.2.3.) die Spannungsfelder zwischen Norm und Autonomie bzw. zwischen Spanisch und Katalanisch für sie eine Quelle der Erweiterung ihrer sprachlichen Möglichkeiten darstellen. Zu Konflikten führen die Spannungsfelder zwischen Norm und Autonomie, zwischen Spanisch und Katalanisch erst durch äußere Einflüsse, durch die Beschränkung der Autonomie seitens sprachpflegerisch und sprachpolitisch arbeitender Einrichtungen, wie im vorliegenden Fall der Medien. Für sie treten wirkliche, teilweise problematische Spannungen auf: Sie fühlen sich, wie dargestellt, sowohl dem Publikum als auch der Sprachpflege verpflichtet. Geht man davon aus, dass das, was in den Jugendsendungen der Medien erscheint, möglichst jugendsprachlich wirken soll, dann treten eben diese Merkmale hervor, die auf ein unterschiedliches Normverständnis und auf eine unterschiedliche Auffassung der sprachlichen Realität, in der die Sprecher in Katalonien leben, hindeuten. Diese Realität ist von der Koexistenz zweier Sprachen – unabhängig davon, ob man sie als Diglossiesituation oder Bilinguismus bezeichnet – geprägt. Die Informanten des Korpus leben in dieser Zweisprachigkeit und sind in den täglich sich ihnen neu bietenden Kommunikationssituationen damit konfrontiert. Aufgrund der sprachpolitischen Situation sowie dem Umgang mit beiden Sprachen von früher Kindheit an haben sie diese Realität weit mehr interiorisiert als die meisten Generationen vor ihnen. Die jugendlichen Informanten des Korpus bewegen sich somit jeden Tag zwischen zwei Sprachen hin und her und sind fähig, ohne größere Schwierigkeiten zwischen beiden zu wechseln. Hinsichtlich der dargestellten und in der Korpusanalyse deutlich gewordenen sprachlichen Realität erscheint es doppelt schwierig, die Sprechweise der Jugendlichen zu klassifizieren, vor allem, wenn es darum gehen sollte, Spanisch und Katalanisch streng voneinander zu trennen. Genauso trägt die Vermischung diaphasischer und diastratischer Elemente der Jugendsprache mit standardsprachlichen Merkmalen dazu bei, dass eine Abgrenzung der Varietäten voneinander im Katalanischen selbst erschwert wird. Viele Lexeme bzw. diese in ihrer semantischen Erweiterung, aber auch phonetisch-phonologische und morphosyntaktische Phänomene mit klarem spanischen Einfluss sind integrativer Bestandteil der jugendlichen Sprechweise der Informanten, die sich in ihrem dauerhaften Kontakt mit dem Spanischen wandelt. Gleiches mag für die bislang wenig untersuchte Jugendsprache auf Spanisch in Katalonien gelten; erste Untersuchungen finden sich hier bei Pujolar (1997). Die mangelnde Akzeptanz dieser jugendsprachlichen Realität und der jugendlichen Sprechweise ist meines Erachtens als möglicher Faktor einer Verlangsamung des sprachlichen Normalisierungsprozesses in Katalonien zu werten. Seitens sprachpolitischer und vor allem sprachregulierender Institu381
tionen wie z.B. dem Institut d’Estudis Catalans, Verlagen und Akteuren der Bildungspolitik wird gegenüber dem Sprachgebrauch jugendlicher Sprecher häufig eine abweisende und zur sprachlichen Korrektur neigende Haltung eingenommen. Dadurch kann es bei den Jugendlichen – gerade bei denjenigen, die weniger vertraut mit dem Katalanischen sind, weil in ihrer Familie Spanisch gesprochen wird und sie das Katalanische vor allem in einem schulischen Kontext gelernt haben – zu einer mehr oder weniger starken Ablehnung der katalanischen und zu einer Hinwendung zur spanischen Sprache kommen. Die Gründe dafür liegen zum einen in der erfahrenen Zurückweisung und der empfundenen «Gängelung», die bei manchen Jugendlichen eine Protesthaltung gegenüber dem Katalanischen auslöst. Zum anderen – und dieser Faktor fällt meines Erachtens noch stärker ins Gewicht, fürchten die Jugendlichen, durch vermeintliche sprachliche Inkorrektheit negativ aufzufallen. Beide Aspekte tragen jedoch zum gleichen Ergebnis bei, nämlich dass unter jugendlichen Sprechern die katalanische Sprache nicht in «normalem» Umfang verwendet wird. Eine Öffnung gegenüber der jugendsprachlichen Realität würde aber ein Abweichen von wesentlichen sprachlichen Normen des Katalanischen bedeuten und wäre eine – durch die lange Diglossie-Situation brisant gewordene – Veränderung. Aufgrund der sprachlichen Vergangenheit wird die Normdebatte im Katalanischen nicht mit dem Abstand und der Neutralität geführt, wie sie geführt werden sollte. Es entsteht eine wesentliche Verlangsamung im Normalisierungsprozess, die die Sprache in ihrer freien Entfaltung eingeschränkt: Sie kann nicht die nötige innovative Lebendigkeit entwickeln. Diese trägt aber dazu bei, dass die Sprecher ein unkompliziertes und natürliches Verhältnis zu ihrer Sprache haben. Die katalanischen (Jugend-)Medien sind vor die Aufgabe gestellt, eine sprachliche Äußerungsform zu finden, die verschiedenen Ansprüchen gerecht wird: Zum einen muss sie den sprachpolitischen und spracherhalterischen Grundsätzen genügen, zum anderen aber die im Zuge der Globalisierung nicht abnehmenden Einflüsse von außen in «gesundem» Maße aufnehmen und dazu noch den Sprachgebrauch der jugendlichen – und auch aller anderen – Sprecher reflektieren. Ein wesentlicher Aspekt für ein «normales» Weiterbestehen der katalanischen Sprache ist nicht nur die Einflussnahme und die unanfechtbar wichtige sprachpflegerische Wirkung der Medien auf die Jugendlichen in den nähesprachlich geprägten Bereichen. Genauso wichtig ist die Orientierung der Medien an den in genau diesen Bereichen entstehenden sprachlichen Veränderungen. Es sollte darum gehen, eine vor allem mündliche jugendsprachliche – und in einem weiteren Schritt – allgemeinsprachliche Norm zu finden, welche die sprachliche Realität der Jugendlichen – und somit auch der späteren Erwachsenen – respektiert und als Quelle sprachlicher Innovation und Kreativität akzeptiert.
382
Anhang 1: Abbildungsverzeichnis
Graphik Graphik Graphik Graphik Graphik Graphik Graphik Graphik Graphik Graphik Graphik Graphik
2–1: 2–2: 3–1: 3–2: 3–3: 3–4: 3–5: 4–1: 4–2: 4–3: 4–4: 4–5:
Lehngut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Drei-Achsen-Modell der Integration . . . . . . . . . . . . . . . . Akteure der Sprachpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spannungsfeld Norm – Autonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katalanischkenntnisse 1981 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katalanischkenntnisse nach Altersgruppen 1996 . . . . . . Spannungsfeld Spanisch – Katalanisch . . . . . . . . . . . . . . . Varietätenkette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jugendsprache im Varietätenraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variationsspektrum von Jugendsprache . . . . . . . . . . . . . . Jugendsprache und Sprachwandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . Freizeitaktivitäten der Jugendlichen (2003) an Wochentagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Graphik 4–6: Freizeitaktivitäten der Jugendlichen (2003) an Wochenenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Graphik 4–7: Vergleich der Freizeitaktivitäten Jugendlicher (1998/2003) an Wochentagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Graphik 4–8: Vergleich der Freizeitaktivitäten Jugendlicher (1998/2003) an Wochenenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Graphik 4–9: Polyfunktionalität von Mediensprache . . . . . . . . . . . . . . . Graphik 4–10: Fremdkategorisierungen der jugendlichen Informanten des Korpus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Graphik 4–11: Spannungsfeld Selbstbild – Jugendbild in den Medien . . . Graphik 4–12: Dreifaches Spannungsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Graphik 5–1: Sprachen in den Stadtteilen von Barcelona . . . . . . . . . . . Graphik 5–2: Auszug aus TELE25 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Graphik 5–3: Pragmatische Marker im Spanischen und ihre Funktionen . Graphik 7–1: Spannungsfeld Jugendsprache – Sprachauftrag der Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabelle 2–1: Tabelle 3–1: Tabelle 3–2:
30 48 59 70 74 83 88 100 105 116 126 145 146 147 147 167 186 194 195 208 279 317 378
Calc und manlleu auf verschiedenen sprachlichen Ebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Soziolinguistische Situation in Katalonien 1975 . . . . . . . . . 76 Einstellung katalanischer Jugendlicher zu Sprachkenntnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 383
Anhang 2
Fragebogen Teil I Edat: Curs: Sexe: Barri on vius: Lloc de naixement: Si no vas néixer a Catalunya, Illes Balears o País Valencià, quants anys fa que vas arribar a Catalunya? Marcar amb una x. a) 5 o menys anys b) 6 a 10 anys c) 11 o més anys __________________________________________________________________________ Dades lingüístiques Marcar amb una X, sis plau. 1) a) b) c) d)
En quina llengua et parlen els teus pares? Tots dos sempre o gairebé sempre en català Tots dos sempre o gairebé sempre en castellà Un sempre en català i l’altre sempre en castellà Tots dos barregen el català i el castellà
2) a) b) c) d)
En quina llengua parles als teus pares? A tots dos sempre o gairebé sempre en català A tots dos sempre o gairebé sempre en castellà A un sempre en català i a l’altre sempre en castellà A tots dos barrejant el català i el castellà
3) On van néixer els teus pares? _____________________________________________ _______________________________________________________________________ 4) De què treballa el teu pare?
384
5) De què treballa la teva mare?
6) a) b) c)
En quina llengua parleu els teus germans i tu? Sempre o gairebé sempre en català Sempre o gairebé sempre en castellà Barregem el català i el castellà
7) a) b) c) d) e)
A l’institut, en quina llengua et parlen els teus companys fora de la classe? Sempre o gairebé sempre en català Més en català que en castellà En català i en castellà, aproximadament igual Més en castellà que en català Sempre o gairebé sempre en castellà
8) a) b) c) d) e)
A l’institut, en quina llengua parles als teus companys fora de la classe? Sempre o gairebé sempre en català Més en català que en castellà En català i en castellà, aproximadament igual Més en castellà que en català Sempre o gairebé sempre en castellà
9) En quina llengua parles amb els teus amics durant el teu temps lliure o els caps de setmana? a) Sempre o gairebé sempre en català b) Més en català que en castellà c) En català i en castellà, aproximadament igual d) Més en castellà que en català e) Sempre o gairebé sempre en castellà 10) a) b) c)
En quina llengua et va més bé parlar, normalment? En català En castellà Igual en català que en castellà
___________________________________________________________________________
385
Temps lliure 11) Quines d’aquestes activitats és la que fas més els dies feiners? I la que fas més durant el cap de setmana? Anota per ordre de preferència ( 1, 2, 3, 4, 5) un màxim de 5 respostes Dies feiners
Caps de setmana
Mirar la TV Anar de copes Escoltar música Fer excursions Llegir el diari Anar a discoteques Anar al cinema Fer esport Escoltar la ràdio Passejar Sortir amb els amics Llegir revistes Ordinador Activitats associatives Anar de compres Altres Quines?
12) Pertanys a alguna associació de les esmentades a continuació? Anota un màxim de 3 respostes Cultural Excursionisme Esplai o joventut Religiosa Esportiva De cooperació o voluntariat Política Ecologista
386
Altres____________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ No pertanyo a cap associació
13) On et trobes amb els teus amics a la tarda / al vespre o els caps de setmanes? Marcar amb una x un màxim de tres respostes a) a casa (meva o dels amics) b) al carrer c) a un bar/café d) a una discoteca e) a un casal de joves f) a un centre esportiu g) al cinema h) a un altre lloc: _____________________________
14) De la següent llista en què prefereixes dedicar els diners que disposes cada més? Anota per ordre de preferència (1, 2, 3) un màxim de 3 respostes Bars, discoteques Cinema Roba, calçat Llibres CD Esport Excursions Tabac Concerts Jocs Viatges Altres____________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________
15) De la llista següent, quin és actualment per a tu l’aspecte més important de la teva vida? Anota per ordre de preferència (1, 2, 3) un màxim de 3 respostes Els amics La família L’oci Els estudis Els diners L’amor La cultura La política L’èxit personal Altres____________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________
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Música: 16) Quin tipus de música és el que més t’agrada? ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________
17) Escoltes grups de música en català? Quins? ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________
18) Coneixes o llegeixes alguns “fanzines” (revistes fetes per fans o còmics) de música catalana? Quins? ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ Lectura 19) a) b) c)
En quina llengua prefereixes llegir? Marcar amb una X Sempre o gairebé sempre en català Sempre o gairebé sempre en castellà En ambdues llengües, aproximament igual
20) Quines són les teves lectures preferides? Posar-hi xifres de 1 a 4 o marcar la resposta e) amb una X a) llibres b) premsa diària c) revistes d) còmics e) no llegeixo mai 21) Amb quina freqüència llegeixes (només el teu número 1 de la pregunta anterior): a) cada dia b) només els caps de setmana c) de tant en tant, alguns dies de la setmana d) molt poc 22) Si llegeixes còmics o revistes en català, quins són? ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________
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Mitjans de comunicació: Televisisió 23) Quantes hores de mitjana et passes mirant la televisió? Marcar amb una X
dies feiners a)
menys d‘1 hora
b)
d‘1 a 2 hores
c)
de 2 a 3 hores
d)
de 3 a 4 hores
e)
més de 4 hores
f)
no veu televisió
caps de setmana
24) Quin canal de televisió mires habitualment? Marcar amb una X un màxim de tres respostes TVE TV2 TV3 C-33 Antena 3 Tele 5 Canal Plus Barcelona Televisió City TV Flaix TV Altres canals satèl.lit 25) Tens un aparell propi o lo comparteixes amb els teus germans, la teva família? Marcar-lo amb una X a) Tinc aparell propi b) El comparteixo amb els meus germans c) El comparteixo amb tota la família 26) Quan engegues l’aparell només per distreure’t, sense voler mirar algun programa especial, et fixes més amb els programes catalans o castellans? a) Més amb programes en català b) Més amb programes en castellà c) Amb programes en català i castellà, aproximadament igual
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27) Quins són els teus programes predilectes en català? Marca’ls amb una X (màxim de tres respostes) i anota el nom del programa. – pel·lícules / Quin tipus de pel·lícules? ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ notícies / El nom del programa: ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ – informatius i documentals / El nom del programa: ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ – esportius / El nom del programa: ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ – sèries / El nom del programa: ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ – musicals / El nom del programa: ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ – programes de cor / de famosos / programes de tipus «Gran Hermano» / El nom del programa: ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ – concursos i entreteniment / El nom dels programa: ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ – altres / El nom del programa: ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ Ràdio 28) Tens una ràdio pròpia o la comparteixes amb els teus germans, la teva família? Marcar amb una X a) Tinc una ràdio pròpia b) La comparteixo amb els meus germans c) La comparteixo amb tota la família 29) Quantes hores de mitjana et passes escoltant la ràdio? dies feiners a)
menys d‘1 hora
b)
d‘1 a 2 hores
c)
de 2 a 3 hores
d)
de 3 a 4 hores
e)
més de 4 hores
f)
no escolto la ràdio
390
caps de setmana
30) Quins emissora de ràdio prefereixes? Màxim de tres respostes a) SER / Ràdio Barcelona b) Catalunya Ràdio c) RAC 105 d) Cadena 100 e) Catalunya Música f) Catalunya Informació g) FlaixBac h) RAC 1 i) Radio Club 25 j) Altres: ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ 31) En quin idioma es fan els programes d’aquestes emissores? a) b) c) 32) Quins són els teus programes predilectes en català? Marca’ls amb una X, i anota el nom dels programa. – Informatius (notícies i debats) /El nom del programa: ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ – esportius / El nom del programa: ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ – musicals / El nom del programa: ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ – altres / El nom del programa: ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ Noves tecnologies Internet 35) Tens un ordinador propi a casa teva? 36) Quantes hores de mitjana et passes davant l’ordinador? Marcar amb una X Dies feiners a)
menys d‘1 hora
b)
d‘1 a 2 hores
c)
de 2 a 3 hores
d)
de 3 a 4 hores
e)
més de 4 hores
f)
no tinc ordinador
caps de setmana
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35) El teu ordinador té Internet? 36) Si no en té, on pots accedir a Internet? 37) Quan et connectes a Internet, quines són les teves activitats preferides? Marcar amb una X (màxim de tres respostes) i detallar-ho una mica: – escriure mails / amb qui? / en quina llengua ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ – els xats / amb qui? / en quina llengua / quins ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ – baixar música / per exemple: ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ – buscar informació sobre: ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ Quin buscador utilitzes normalment? ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________ – altres: ___________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________
38) A quina pàgina d’Internet et connectes més sovint?
Telefonia mòbil 39) Tens un telèfon mòbil propi? 40) a) b) c) d)
Quin ús en fas? Marcar amb una X per telefonar per escriure missatges per telefonar i escriure missatges només perquè em truquin a mi
41) Quant de temps utilitzes el telèfon mòbil diàriament? Dies feiners a)
menys d’un quart d’hora
b)
d’un quart d’hora a mitja hora
c)
de mitja hora a una hora
d)
d’una hora a dues hores
e)
més de dues hores
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caps de setmana
42) Quants missatges escrius amb el teu telèfon mòbil diàriament Marcar amb una X a) menys de tres b) entre tres i cinc c) entre sis i nou d) deu i més
MOLTES GRÀCIES PER LA TEVA COL·LABORACIÓ!!!!!!
Fragebogen Teil II En quina llengua escrius el teus missatges amb el mòbil? Marcar amb una X a) b) c) d) e)
Sempre o gairebé sempre en català Més en català que en castellà En català i en castellà, aproximadament igual Més en castellà que en català Sempre o gairebé sempre en castellà
Em podries posar, aquí baix, tres missatges en català que vas rebre últimament al teu mòbil de part d’altres joves de la teva edat? Sisplau, no canviïs gaire el text del missatge. Posa’l amb totes les abreviatures que hi hagi. Les dades es tractaran confidencialment i només s’utilizaran per a aquest estudi. Si vols, pots borrar els noms que apareguin en els missatges.
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Em podries afegir també dos mails en català (un que vas escriure últimament a un amic / una amiga de la teva edat i un altre que vas rebre últimament d’un amic / una amiga de la teva edat)? Sisplau, no canviïs gaire el text del missatge. Posa’l amb totes les abreviatures que hi hagi. Les dades es tractaran confidencialment i només s’utilizaran per a aquest estudi. Si vols, pots borrar els noms que apareguin en els missatges.
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